Finanzierung von Umweltrisiken [1 ed.] 9783896448170, 9783896730534

Das Management der finanziellen Seite von Umweltrisiken steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Dazu werden die ve

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German Pages 370 [371] Year 1999

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Finanzierung von Umweltrisiken [1 ed.]
 9783896448170, 9783896730534

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Finanzierung von Umweltrisiken im Kontext eines systematischen Risikomanagements

Schriftenreihe Finanzmanagement Herausgeber:

Prof. Dr. Reinhold Hölscher

Band 1

Uwe-Christian Rücker

Finanzierung von Umweltrisiken im Kontext eines systematischen Risikomanagements

Verlag Wissenschaft & Praxis

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Rücker, Uwe-Christian : Finanzierung von Umweltrisiken im Kontext eines systematischen Risikomanagements / Uwe-Christian Rücker. - Sternenfels; Berlin : Verl. Wiss, und Praxis, 1999 (Schriftenreihe Finanzmanagement; Bd. 1) Zugl.: Kaiserslautern, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-89673-053-3 NE: GT

ISBN 3-89673-053-3

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 1999 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbe­ sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Seite 5

Geleitwort Um den Gedankenaustausch zwischen universitärer Forschung und betrieblicher Praxis zu fördern, will der Lehrstuhl für Finanzierung und Investition der Univer­ sität Kaiserslautern durch diese Schriftenreihe Arbeiten zu Finanz-, aber auch zu bank- und versicherungswirtschftlichen Fragestellungen einem interessierten Fachpublikum zugänglich machen. Ökologische Themen besitzen sowohl für die Gesellschaft insgesamt als auch für die einzelnen Unternehmen einen immer größeren Stellenwert. Aufgrund der zunehmenden Beachtung des Verursacherprinzips und der damit einhergehenden Tendenz zur Internalisierung der auf Umweltschäden zurückzuführenden Kosten erhält die Finanzierung der monetären Konsequenzen von Umweltrisiken ver­ stärkte Bedeutung. Die Tatsache, daß zu diesem Problemfeld bisher nur verein­ zelte Teilbereiche abdeckende Beiträge existieren, bildet den Ausgangspunkt für die vom Verfasser vorgelegte Arbeit. Sein Ziel liegt dementsprechend in der Erarbeitung und Analyse eines geschlossenen Konzepts zur Finanzierung von Umweltrisiken. Der Verfasser hat sich mit einem höchst aktuellen und zukunftsträchtigen, gleich­ zeitig aber auch sehr komplexen Problemkreis befaßt. Das besondere Anliegen ist es dabei, aufbauend auf der übergreifenden Systematik der Finanzierung von Umweltrisiken, ein integratives Deckungskonzept zu entwickeln, das auf die geeigneten Instrumente der Risikofinanzierung zurückgreift. Von wesentlicher Bedeutung ist darüber hinaus die Integration der Risikofinanzierung in ein syste­ matisches, auf einer fundierten Risikoanalyse aufbauendes Risikomanagement. Ich wünsche dem ersten Band der Schriftenreihe, daß er reges Interesse in der Wissenschaft sowie in der Praxis findet und eine erfolgreiche Eröffnung der Schriftenreihe gelingt.

Kaiserslautern, im September 1998

Reinhold Hölscher

Seite 7

Vorwort Die Bewältigung der Umweltprobleme zählt zweifellos zu den bedeutendsten aktuellen und zukünftigen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Da haupt­ sächlich die Industrie für die Umweltbelastungen verantwortlich gemacht wird, sorgen zunehmend strengere umweltpolitische Rahmenbedingungen dafür, daß sich das umweltschädigende Verhalten spürbar auf die wirtschaftliche Lage und das finanzielle Gleichgewicht der Unternehmen auswirkt. Umweltrisiken werden damit einerseits immer direkter zu Unternehmensrisiken, andererseits setzt die Gewinnerzielung die Übernahme von Risiken voraus. Für ertragsorientiert ausge­ richtete Unternehmen ist eine absolute Risikovermeidung daher ökonomisch nicht immer sinnvoll. An diesem Punkt setzt die Risikofinanzierung an. Aufgabe der Risikofinanzierung ist es, Vorsorge für die finanziellen Konsequenzen ein­ tretender Risiken zu treffen und so dafür zu sorgen, daß die für die Schadenzah­ lungen notwendige Liquidität bereitgestellt wird und eine Absicherung ertrags­ mäßiger Belastungen erfolgt. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, für diese Aufgabenstellung einen systematischen Lösungsansatz zu entwickeln. Dazu werden die Instrumente der Finanzierung von Umweltrisiken geschlossen dargestellet und kritisch analy­ siert. Aus der dabei entstehenden geschlossenen Systematik wird ein integriertes Deckungskonzept abgeleitet, das auf die einzelnen Instrumente zurückgreift und diese in ein systematisches Risikomanagement einordnet.

Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzierung und Investition der Universität Kai­ serslautern und wurde im Juli 1998 vom Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswis­ senschaften als Dissertation angenommen. An dieser Stelle möchte ich mich bei all denen bedanken, die mich während der Bearbeitungszeit besonders unterstützt haben.

Mein aufrichtiger Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Reinhold Hölscher, der mich in den vergangenen Jahren intensiv gefördert und wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Für die Übernahme des Zweitgutach­ tens danke ich Herrn Prof. Dr. Klaus-Peter Franz.

Herzlich danken möchte ich auch meinen Kollegen am Lehrstuhl für Finanzie­ rung und Investition, die mir alle mit großer Diskussionsbereitschaft zur Seite standen. Namentlich darf ich dabei insbesondere meinen Freund und Kollegen Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian Kalhöfer und Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Markus Kremers erwähnen. Mein Dank gilt darüber hinaus den wissenschaftlichen Hilfs­

Seite 8

kräften des Lehrstuhls, von denen ich Sandy, Hung, Gary, Jörg und Bettina be­ sonders erwähnen möchte.

Viel bedeutet mir die Unterstützung meiner Freunde, die mir als interessierte Gesprächspartner (Christoph) und (Telephon-)Motivatoren (Ulli und Martin) weitergeholfen haben. Ein besonderer Dank gebührt darüber hinaus meinen El­ tern, die mir sehr vieles überhaupt erst möglich gemacht haben und auf deren Unterstützung ich mich stets verlassen kann.

Schließlich aber gilt mein besonders herzlicher Dank meiner Frau Dagi, die in Zwischen- und Endkorrektur wertvolles „language-engineering“ betrieb und mich in allen Phasen der Arbeit unterstützt hat. Ihr ist diese Arbeit gewidmet.

Bietigheim, im September 1998

Uwe-Christian Rücker

Seite 9

Inhaltsverzeichnis

Einleitung.............................................................................. 23

Erster Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken sowie grundsätzliche Ansätze ihrer Bewältigung..................................................29 RISIKO UND UMWELTRISIKO....................................................29

A. I.

II.

Der Begriff des Risikos in der Diskussion.......................................... 29

1.

Der Risikobegriff und seine Variationen.................................... 29

2.

Die Komponenten des Risikobegriffs......................................... 32

3.

Maßgrößen für Risiken und die verhaltenswissenschaftliche Dimension der Risikowahrnehmung.................................. 35

Systematisierung von Umweltrisiken................................................... 39

1.

Begriff und Funktionen der Umwelt...........................................40

2.

Umweltrisiken im eigentlichen Sinn...........................................42

3.

Umweltrisiken im unternehmerischen Sinn................................46

III. Charakterisierung von Umweltrisiken................................................. 50

B.

1.

Wesensmerkmale von Umweltrisiken........................................ 50

2.

Umweltrisiken und die Gefahr unternehmerischer Erfolgsbeeinträchtigungen................................................. 55

UMWELTPOLITISCHE UND RECHTLICHE RAHMENBE­ DINGUNGEN DES BETRIEBLICHEN RISIKOMANAGEMENTS.......60

I.

Staatliche Umweltpolitik..................................................................... 60 1. Ziele und Prinzipien der Umweltpolitik..................................... 60

2.

Instrumente der Umweltpolitik................................................... 62

3.

Umweltrecht - Überblick und Abgrenzung................................. 66

Seite 10

Inhaltsverzeichnis

II.

Umwelthaftung................................................................................... 71

III.

C.

1.

Öffentlich-rechtliche Haftungsgrundlagen................................. 71

2.

Zivilrechtliche Haftungsgrundlagen........................................... 75

Das Umwelthaftungsgesetz.................................................................79

1.

Haftungskonzept.......................................................................... 79

2.

Kausalitätsnachweis und Ursachen Vermutung.............................81

3.

Haftungsumfang und Deckungsvorsorgepflicht......................... 84

4.

Entwicklungstendenzen der Umwelthaftung.............................. 87

SYSTEMATISCHES RISIKOMANAGEMENT....................................... 91 I.

II.

III.

Grundlagen einer systematischen Risikopolitik................................. 91 1.

Inhalt und Ablauf des Risikomanagements................................ 91

2.

Systematisierung der risikopolitischen Strategien...................... 94

3.

Bestandteile der Risikokosten und deren Einfluß auf den optimalen Risikograd................................................................. 99

Risikoanalyse.................................................................................... 104

1.

Risikoidentifikation................................................................... 105

2.

Risikobewertung........................................................................ 108

3.

Umweltrisiken als Problembereich derRisikoanalyse................110

Aktive und passive Formen der Risikobewältigung......................... 113 Aktives Risikomanagement....................................................... 114

1.

a) Risikovermeidung.............................................................. 114 b) Risikominderung................................................................ 115

c) Risikodiversifikation.......................................................... 117 2.

Passives Risikomanagement...................................................... 118 a) Risiko Verlagerung.............................................................. 118

b) Risikofinanzierung............................................................. 119 3.

Abgrenzung der Formen der Risikobewältigung....................... 125

Inhaltsverzeichnis

Seite 11

Zweiter Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung................ 127 A.

KRITERIEN DER RISIKOFINANZIERUNG UND IHRE BEDEUTUNG FÜR UMWELTRISIKEN....................................... 128

I.

II.

Voraussetzungen und Einflußfaktoren der Risikofinanzierung......... 128

1.

Die Funktion der Risikofinanzierung im Gesamtkonzept eines systematischen Risikomanagements........................ 128

2.

Kalkulierbarkeit von Umweltrisiken als Voraussetzung und Problem der Risikofinanzierung....................................... 130

3.

Einflußfaktoren der Risikofinanzierung.................................... 132

Ansätze zur Erfassung der Dringlichkeit von Umweltrisiken.......... 135

1.

Identifikation von Risikofaktoren.............................................. 136

2.

Bewertungsansätze für Umweltrisiken in der Diskussion......... 138

3.

Aufbau eines formalen Bewertungsansatzes.............................. 147

III. Diskussion der Versicherbarkeit von Umweltrisiken........................ 150 1.

Wesen und Funktion der Versicherung..................................... 150

2.

Kriterien der Versicherbarkeit................................................... 153

3.

Versicherbarkeit von Umweltrisiken......................................... 158 a) Umweltrisiken und die objektiven qualitativen Kriterien der Versicherbarkeit......................................................159

b) Umweltrisiken und die objektiven quantitativen Kriterien der Versicherbarkeit..................................................... 162

c) Umweltrisiken und die subjektiven Kriterien der Versicherbarkeit........................................................... 163

Seite 12

B.

Inhaltsverzeichnis

DIE VERSICHERUNG VON UMWELTRISIKEN ALS FORM DER DEFINITIVEN RISIKOÜBERTRAGUNG............................ 166

I.

II.

Das HUK-Verbandsmodell zur Umwelthaftpflichtversicherung...... 166 1.

Umorientierung der Umwelthaftpflichtversicherung und Konzeption des Einheitsmodells...................................... 166

2.

Die Deckungsbausteine des Modells und Umfang der Versicherung.................................................................... 169

3.

Tarifstruktur und Deckungssummen........................................ 172

Analyse der Deckungsbegrenzungen des Modells und ergänzender Bodenkaskoversicherungen...................................................... 175 1.

Deckungsbegrenzungen im Zusammenhang mit vorgezogenen Rettungskosten.......................................... 175

2.

Bodenkaskoversicherung............................................................179

3.

Deckungsausschlüsse................................................................ 182

III. Betrachtung der Versicherung von Umweltrisiken unter Sicherheits- und Kostenaspekten.............................................. 186

C.

1.

Der Sicherheitsaspekt................................................................ 186

2.

Der Kostenaspekt.......................................................................190

3.

Die Akzeptanz der Tarifierung und Prämienberechnung..........194

DIE BILDUNG BILANZIELLER RESERVEN FÜR UMWELT­

RISIKEN ALS FORM DES BEWUSSTEN SELBSTTRAGENS..198 I.

Reservenbildung zur Risikovorsorge durch Innenfinanzierung....... 198 1. Bildung und Kosten-ZSicherheitsaspekte interner Reserven.... 198

2.

Bilanzielle Risiko vorsorge im Rahmen der Gewinnermittlung 201

a) Funktion und Formen der Rückstellung............................. 202

b) Verbindlichkeitsrückstellungen......................................... 204 c) Aufwandsrückstellungen.................................................... 206

3.

Bilanzielle Risikovorsorge im Rahmen der Gewinnverwendung....................................................207

Inhaltsverzeichnis

II.

Seite 13

Disposition von Rückstellungen für Umweltrisiken........................ 210

1.

Die Bildung von Rückstellungen aufgrund öffentlichrechtlicher Umweltschutzverpflichtungen...................... 211

a) Rückstellungen für Altlasten-Sanierungsmaßnahmen....... 212

b) Rückstellungen für Rekultivierungsmaßnahmen................ 214

c) Rückstellungen für Anpassungsmaßnahmen...................... 215

III.

2.

Die Bildung von Rückstellungen aufgrund zivilrechtlicher Um Weltschutzverpflichtungen......................................... 219

3.

Kritische Würdigung der Rückstellungsmöglichkeiten für Umweltrisiken..................................................................223

Disposition offener Eigenkapitalreserven für Umweltrisiken.......... 228

1.

Bilanzielle Vorsorge für Umweltrisiken durch die Bildung anderer Gewinnrücklagen................................................. 228

2.

Fonds für Umweltrisiken - in Anlehnung an § 340g RGB -.... 230

3.

Kritische Würdigung der Rücklagen- und Fondsbildung für Umweltrisiken.................................................................. 233

Dritter Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung.............................................................237 A.

FINITE RISK-KONZEPTE ALS FORMEN DER BEGRENZTEN ÜBERTRAGUNG VON UMWELTRISIKEN................................ 238

I.

Abgrenzung und Einordnung............................................................ 238 1. Entwicklungsgründe der Finite Risk-Konzepte und deren Parallelen zu den Schwachstellen der traditionellen Finanzierungsformen für Umweltrisken................................... 238

2.

Merkmale von Finite Risk-Konzepten...................................... 243

3.

Formen des Risikotransfers und Einordnung in das Kontinuum der Risikofinanzierung................................. 247

Seite 14

II.

Inhaltsverzeichnis

Formen von Finite Risk-Konzepten und deren Einsatz bei der Finanzierung von Umweltrisken...............................................252 1.

Abgrenzung der einzelnen Formen........................................... 252

2.

Loss Portfolio Transfers und Adverse Development Covers als retrospektive Deckungen für Altlasten....................... 254

3.

Prospektive Deckung von Umweltrisiken mit Hilfe von Funded Covers............................................................... 258

III. Rechnungslegung und steuerliche Behandlung als Problemfeld der Finite Risk-Konzepte................................................................ 264

1.

Ausgangssituation.................................................................... 265

2.

US-amerikanische und britische Vorschriften.......................... 267

3.

Situation und Tendenzen in Deutschland............................... 269

IV. Beispielhafte Ausgestaltung einer Funded Cover-Deckung..............274

B.

1.

Prinzipielles Konzept der Absicherung des Eigenschadenrisikos über eine Funded Cover-Deckung. 274

2.

Die Funded Cover-Deckung im Vergleich mit Konzepten des Selbsttragens..............................................................278

EXTERNES SELBSTTRAGEN VON UMWELTRISIKEN DURCH CAPTIVES......................................................................... 285

I.

II.

Gestaltungsmöglichkeiten und Zielsetzungen von Captives............ 285

1.

Formen und Funktionen der Captive........................................ 285

2.

Finanzwirtschaftliche Zielsetzungen........................................ 289

3.

Leistungs wirtschaftliche Zielsetzungen.................................... 292

Problemfelder der Gründung und des Betriebs einer Captive.......... 294 1. Risikenbestand und Risikoausgleich........................................ 294

2.

Steuerliche Behandlung der Captive........................................ 297

3.

Die notwendige Kapitalausstattung...........................................300

Inhaltsverzeichnis

Seite 15

III. Finanzierung von Umweltrisiken durch Group-Captives.................. 303

C.

1.

Die Group-Captive als geeignete Captive-Form zur Deckung von Umweltrisiken............................................ 303

2.

Voraussetzungen der Finanzierung von Umweltrisiken durch Group-Captives.................................................... 306

3.

Ausgesuchte Aktionsparameter einer Group-Captive für Umweltrisiken................................................................. 312

GANZHEITLICHES RISIKOMANAGEMENT ALS RAHMEN

EINES INTEGRIERTEN RISIKOFINANZIERUNGSKONZEPTS...... 317

I.

II.

Gegenüberstellung der Risikofinanzierungsformen......................... 317

1.

Form des Risikotransfers und der Risikotransformation........... 317

2.

Kostenaspekte............................................................................ 320

3.

Anwendungsbereiche der einzelnen Instrumente...................... 321

Integriertes Deckungskonzept für Umweltrisiken.............................323

1.

Anforderungen an ein integriertes Risikodeckungskonzept...... 323

2.

Formaler Aufbau eines integrierten Risikodeckungskonzepts. .324

III. Bedeutung und Wirkung eines integrierten und systematischen Risikodeckungskonzepts.......................................................... 332

1.

Bedeutung des Zusammenspiels von aktivem und passivem Risikomanagement........................................................... 332

2.

Auswirkungen des verstärkten Selbsttragens auf Zusammensetzung und Höhe der Risikokosten............... 334

Zusammenfassung..............................................................337

Literaturverzeichnis...........................................................347

Seite 16

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:

Klassifizierung der Dringlichkeit von Risiken...................................38

Abb. 2:

Risikoportfolio................................................................................... 38

Abb. 3:

Umweltrisiken im eigentlichen Sinn: Schädigende Inanspruchnahme der natürlichen Umwelt....................................... 45

Abb. 4:

Umweltrisiken im unternehmerischen Sinn: Erfolgs-und Interessenbeeinträchtigungen aufgrund von Umwelteinwirkungen..49

Abb. 5:

Wesensmerkmale von Umweltrisiken............................................... 51

Abb. 6:

Wirkungskette von Umweltrisiken.................................................... 56

Abb. 7:

Instrumente staatlicher Umweltpolitik.............................................. 63

Abb. 8:

Abgrenzung umweltrechtlicher Vorschriften.................................... 69

Abb. 9:

Der Risikomanagementprozeß.......................................................... 93

Abb. 10:

Systematisierung der risikopolitischen Strategien............................. 96

Abb. 11:

Optimaler Grad der Risikoabsicherung............................................100

Abb. 12:

Risikokosten..................................................................................... 103

Abb. 13:

Systematik des Instrumentariums der Risikofinanzierung............... 121

Abb. 14:

Formen unternehmerischer Risikodeckungspotentiale .................... 126

Abb. 15:

Die Risikofinanzierung im Gesamtkonzept des Risikomanagements................................................................. 129

Abb. 16:

Einflußfaktoren der Risikofinanzierung.......................................... 133

Abb. 17:

Faktoren der Umweltgefährdung.....................................................138

Abb. 18:

Übersichtsschema des naturwissenschaftlich-geographischen Bewertungsansatzes....................................................................... 143

Abb. 19:

Übersichtsschema des ingenieurwissenschaftlich­ sicherheitstechnischen Bewertungsansatzes............... 146

Abb. 20:

Bewertungsansatz für Umweltrisiken............................................... 148

Abb. 21:

Kriterien der Versicherbarkeit......................................................... 154

Abbildungsverzeichnis

Seite 17

Abb. 22:

Einteilung umweltrelevanter Anlagen in Risikoklassen.................. 174

Abb. 23:

Gegenüberstellung von UHG-Tarif und Bruttobeiträgen................ 192

Abb. 24:

Systematik der offenen Rücklagen.................................................. 209

Abb. 25:

Rückstellungen für Umweltrisiken.................................................. 211

Abb. 26:

Merkmale von Finite Risk-Konzepten............................................ 243

Abb. 27:

Kontinuum der Risikofinanzierung................................................. 251

Abb. 28:

Aufbau einer Funded Cover-Deckung............................................ 261

Abb. 29:

Vertragsdaten der „Eigenschaden“-Funded Cover Deckung......... 275

Abb. 30:

Entwicklung des Erfahrungskontos in Fall 1................................... 276

Abb. 31:

Entwicklung des Erfahrungskontos in Fall 2...................................277

Abb. 32:

Auswirkungen der verschiedenen Deckungsformen bei Fall 1...... 279

Abb. 33:

Auswirkungen der verschiedenen Deckungsformen bei Fall 2...... 282

Abb. 34:

Risikotransfer bei Erst- und Rückversicherungs-Captive............... 288

Abb. 35:

Kennziffern zu Relationen von Eigenbehalt, Eigenmitteln und Prämienvolumen einer Captive..................................................... 302

Abb. 36:

Gegenüberstellung der Risikofinanzierungsinstrumente................ 319

Abb. 37:

Formaler Aufbau eines integrierten Risikodeckungskonzepts für Umweltrisiken.......................................................................... 332

Abb. 38:

Einschätzung des HUK-Modells in Abhängigkeit von der Qualität des Risikomanagements................................................... 333

Abb. 39:

Idealisierte Wirkung der Ausweitung des Selbstbehalts auf Umfang und Zusammensetzung der Risikokosten......................... 335

Seite 18

Abkürzungsverzeichnis

AktG Aufl.

außerordentlich Abbildung Absatz Adverse Development Cover Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Aktiengesetz Auflage

BB BDI BFH BFuP BGB BImSchG BMF BNatSchG BT-Drucksache bzgl. bzw.

Betriebsberater Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundes-Immisionsschutzgesetz Bundesministerium der Finanzen Bundesnaturschutzgesetz Bundestag Drucksache bezüglich beziehungsweise

ca. CKW CO2

zirka chlorierte Kohlenwasserstoffe Kohlendioxid

d.h. DBW DIN Diss. DM DStR DVS

das heißt Die Betriebswirtschaft Deutsche Industrie-Norm Dissertation Deutsche Mark Deutsches Steuerrecht Deutscher Versicherungs-Schutzverband e.V.

a.o. Abb. Abs. ADC AG AHB

Abkürzungsverzeichnis

Seite 19

EDV EE-Steuern

Elektronische Datenverarbeitung Steuern vom Einkommen und Ertrag

EITF EStG EStR etc. EU

Emerging Issues Task Forces Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien et cetera Europäische Union

f. FAS FASB FAZ FCKW ff. FIBOR

folgende Financial Accounting Standard Financial Accounting Standards Board Frankfurter Allgemeine Zeitung Flour-Chlor-Kohlenwasserstoffe folgenden Frankfurt Interbank Offered Rate

GDV GmbH GmbHG GuV

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz Gewinn- und Verlustrechnung

HBV-Anlagen

Anlagen zur Herstellung, Bearbeitung und Verwendung umweltschädlicher Stoffe Handelsgesetzbuch Herausgeber Verband der Haftpflichtversicherer, Unfallversicherer und Rechtsschutzversicherer e.V.

HGB Hrsg. HUK-Verband

i.d.R. i.eig.S. i.u.S. i.V.m. IAS IDW inkl. insb.

in der Regel im eigentlichen Sinn im unternehmerischen Sinn in Verbindung mit International Accounting Standards Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. inklusive insbesondere

Seite 20

Abkürzungsverzeichnis

JZ

Juristenzeitung

KrW-/AbfG KStG

Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Körperschaftsteuer-Gesetz

LIBOR LPT

London Interbank Offered Rate Loss Portfolio Transfer

Mio. MPL

Millionen Maximum Possible Loss

NJW Nr.

Neue Juristische Wochenschrift Nummer

OFD o.V.

Oberfinanzdirektion ohne Verfasser

PHI

PML

Produkt- und Umwelthaftpflicht international - Recht und Versicherung Probable Maximum Loss

resp. RFH RHB-Stoffe

respektive Reichsfinanzhof Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe

S. s.b. SFr. sog. StörfallVO

Seite siehe besonders Schweizer Franken sogenannte Störfallverordnung (Zwölfte Verordnung zur Durchführung des BImSchG)

TA TDM

technische Anleitung Tausend Deutsche Mark

UGB UGB-Kom-E

Umweltgesetzbuch Entwurf der unabhängigen Sachverständigen-Kommission zu einem UGB Entwurf der Professoren-Kommission zu einem UGB

UGB-Prof-E

Seite 21

Abkürzungsverzeichnis

UHG-Tarif

UmweltHG US-GAAP

Vom HUK-Verband erarbeitete, unverbindliche Tarif­ empfehlung für die Umwelthaftpflichtversicherung gemäß HUK-Modell Umwelthaftungsgesetz US-amerikanische Generally Accepted Accounting Principles

VAG VersR VerStG vgl. VP VVaG VVG

Versicherungsaufsichtsgesetz Versicherungsrecht Versicherungssteuergesetz vergleiche Die Versicherungspraxis Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungsvertragsgesetz

WHG WiSt WISU WP WPg

Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaftswissenschaftliches Studium Das Wirtschaftsstudium Wertprädikat Die Wirtschaftsprüfung

z.B. ZfB ZfU ZfV ZVersWiss z.Z.

zum Beispiel Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für Umweltpolitik Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft zur Zeit

Seite 23

Einleitung Die ökologischen Probleme der Gegenwart sind unverkennbar, die der Zukunft absehbar. Im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung können die im Jahr 1989 in der Bundesrepublik Deutschland verursachten Umweltschäden mit über 103 Milliarden DM beziffert werden. Rechnet man die Kosten für Unfälle, Gesundheit, Einschränkungen der ökologischen Vielfalt sowie die in die Zukunft verlagerten Schäden hinzu, so ermittelte das Heidelberger Umwelt- und Progno­ seinstitut für das Jahr 1989 eine Schadenbilanz von 475,5 Milliarden DM, dies sind 21,4% des Bruttosozialprodukts des Jahres 1988.1 Die Bewältigung dieser ökologischen Probleme zählt zweifellos zu den bedeu­ tendsten aktuellen und zukünftigen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Aufgrund der immer offensichtlicher werdenden Umweltprobleme, verursacht durch Fehler der Vergangenheit und eine unsensible Einstellung bezüglich der Umwelt und ihrer Ressourcen, wird Umweltschutz künftig einen hohen und ver­ mutlich noch steigenden Rang in der gesamten Gesellschaft einnehmen. Darauf müssen sich auch, oder sogar besonders, Unternehmen einstellen.

Anthropogene Beeinträchtigungen haben in vielen Bereichen zu Schäden der natürlichen Umwelt geführt und immer häufiger werden unbeabsichtigte, bisher unbekannte Auswirkungen entdeckt. Dabei handelt es sich nicht nur um stör­ fallartige Umweltschäden, sondern auch vermehrt um Beeinträchtigungen auf­ grund der schleichenden Verschmutzung der Umwelt. Die Umwelt gilt im wesentlichen immer noch als freies, öffentliches Gut, das die Unternehmen weitgehend zum Nulltarif nutzen können. Da die Umweltnutzung damit in den einzelwirtschaftlichen Kostenrechnungen nicht vollständig internali­ siert wird, führt dies gesamtwirtschaftlich gesehen zu negativen externen Effek­ ten. Doch die zunehmende Internalisierung der Umweltnutzung und -Schäden stellt in den letzten Jahren einen bedeutenden Anteil der Aktivitäten des Gesetz­ gebers im Umweltbereich dar. Auf die Frage: „Wer ist verantwortlich für die Umweltbelastungen?“ zeigen sich 68 % der Verbraucher überzeugt, daß die Industrie die Hauptschuld trägt.2 Die Industrie wird damit deutlich vor der Politik, den Verbrauchern und der Land­ wirtschaft für die Umweltbelastungen verantwortlich gemacht.

1 2

Vgl. UIP-Bericht Nr. 20, 1995, S. 78. Aktuellere Werte sind z.Z. nicht verfügbar. Vgl. Heyder, H. (Umweltbewußtsein und Kaufverhalten 1991), S. 211.

Seite 24

Einleitung

In dieser Situation setzt das umweltpolitische Verursacherprinzip, nach dem die Kosten der Vermeidung oder Beseitigung einer Umweltbelastung von demjeni­ gen getragen werden sollen, der für die Entstehung verantwortlich ist, gerade die Industrie unter Zugzwang. Die Unternehmen haben damit zumindest Teile, und in Zukunft immer größere Teile, der durch Umweltschäden verursachten Kosten zu tragen. In Anbetracht der eingangs erwähnten Beträge wird deutlich, daß sich die Inanspruchnahme der Unternehmen für ihr umweltschädigendes Verhalten spür­ bar auf die wirtschaftliche Lage und das finanzielle Gleichgewicht auswirken kann.1 Umweltrisiken werden damit immer direkter zu Unternehmensrisiken. Der sich aus dieser Situation ergebenden, dauerhaften Anpassungsaufgabe müs­ sen die Unternehmen mit einem systematischen Management ihrer Umweltrisiken begegnen. Im Rahmen des Risikomanagements stehen den Unternehmen ver­ schiedene risikopolitische Strategien zur Verfügung, die in zwei Gruppen unter­ teilt werden können: dem aktiven und dem passiven Risikomanagement. Wäh­ rend das aktive Risikomanagement Strategien umfaßt, die direkt an den struktu­ rellen Risikoursachen (Schadenhäufigkeit, Schadenhöhe) ansetzen und so zu einer Schadenprävention führen sollen, beinhaltet das passive Risikomanagement Strategien, die der Risikotragfähigkeit dienen, d.h. die Risikostrukturen werden vorläufig als gegeben hingenommen und Maßnahmen entwickelt, die auf eine Reduzierung möglicher Verluste hinwirken.

Erklärtes Ziel des Risiko- und Umweltmanagements muß es sein, Risikopoten­ tiale gar nicht erst auftreten zu lassen. Obwohl dieses Ziel letztlich nur durch das an den strukturellen Risikoursachen ansetzende aktive Risikomanagement er­ reicht werden kann, steht das aktive Risikomanagement nicht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Die aktiven risikopolitischen Strategien können - abgesehen von den allgemeinen Zielen Risikovermeidung, Schadenverhütung und -herabsetzung, nur für spezifische Einzelfälle konkretisiert und beschrieben werden.

Deshalb und. da die Beseitigung der Risikoursachen nicht immer möglich oder ökonomisch sinnvoll ist, steht mit der Risikofinanzierung das wichtigste Element des passiven Risikomanagements im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Die Risikofinanzierung dient dazu, Vorsorge für die finanziellen Konsequenzen eventuell eintretender Risiken zu treffen, so daß die finanziellen Folgen der ein­ getretenen Risiken auf professionelle Risikoträger übertragen oder aber unter dem eigenen finanziellen System selbst getragen werden können.2

1 2

Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 3. Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 54.

Einleitung

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Die Größenordnungen der absoluten Beträge, die auf die Unternehmen zukom­ men können, wenn ihnen die Kosten der Umweltnutzung und -Verschmutzung zugerechnet werden, verdeutlichen den gesteigerten finanziellen Vorsorgebedarf der Unternehmen. Eine Entwicklung, die Anlaß gibt, sich mit der Finanzierung von Umweltrisiken zu befassen. Es existieren bereits einige Literaturbeiträge zur Finanzierung von Umweltrisi­ ken. Diese konzentrieren sich bisher allerdings weitgehend auf die Darstellung von Teilbereichen. Im Mittelpunkt stehen dabei einerseits Überlegungen zur Versicherung von Umweltrisiken, insbesondere von Umwelthaftpflichtrisiken.1 Andererseits handelt es sich um Analysen der bilanziellen Behandlung von Um­ weltrisiken.2 Hierbei wird zur Beantwortung der Frage, ob für den Fall, daß die finanziellen Konsequenzen selbst getragen werden müssen, eine bilanzielle Vor­ sorge getroffen werden kann, speziell die Bildung von Rückstellungen für Um­ weltrisiken untersucht. Außer dem jeweils im Mittelpunkt stehenden Instrument werden dabei keine alternativen Instrumente der Risikofmanzierung analysiert. Aufgrund der isolierten Betrachtungen fehlen Gegenüberstellungen der jeweili­ gen Stärken und Schwächen der Anwendungsbereiche sowie Überlegungen, die Schwachstellen des einen Instruments durch den Einsatz eines anderen auszuglei­ chen. Vor diesem Hintergrund liegt das Ziel der vorliegenden Arbeit in der Erarbeitung und Analyse eines geschlossenen Konzepts zur Finanzierung von Umweltrisiken. Aufbauend auf dieser übergreifenden Systematik wird abschließend ein inte­ griertes Deckungskonzeptes für Umweltrisiken entwickelt. Dieses Risikodekkungskonzept soll einerseits - entsprechend ihrer Vorteile und Anwendungsberei­ che - auf die einzelnen Instrumente der Risikofinanzierung zurückgreifen. Ande­ rerseits ist darauf hinzuwirken, daß aktive und passive Maßnahmen des Risiko­ managements integriert und koordiniert werden und auf einer fundierten Risiko­ analyse aufbauen können.

Dazu wird im ersten Teil der Arbeit zunächst ein für die Untersuchung geeigneter Risikobegriff abgeleitet und darauf aufbauend der Begriff des Umweltrisikos konkretisiert und systematisiert. Die Trennung von Umweltrisiken im eigentli­ chen und im unternehmerischen Sinn geht dabei darauf ein, daß es Umweltbe­

1

2

Vgl. z.B. Hofmann, M. (Umweltrisiken und -schaden in der Haftpflichtversicherung 1995); Herbst, C. (Risikoregulierung durch Umwelthaftung und Versicherung 1995); Erichsen, S. (Versicherbarkeit von Umweltrisiken und -Schäden 1995); Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht und Umwelthaftpflichtversicherung 1996). Vgl. z.B. Bach, A. (Umweltrisiken im handelsrechtlichen Jahresabschluß und in der Steuerbi­ lanz 1996), Gotthardt, U. (Rückstellungen und Umweltschutz 1995); Bartels, P. (Umweltrisiken 1992).

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einträchtigungen gibt, die (noch) nicht betriebswirtschaftlich wirksam sind, d.h. die Umweltschäden ziehen (noch) keine unternehmerischen Erfolgsbeeinträchti­ gungen nach sich. Um den Übergang von Umweltrisiken zu Unternehmensrisiken aufzuzeigen, wird im Anschluß daran verdeutlicht, über welche Mechanismen und Instrumente die Umweltbeeinträchtigungen auf die Unternehmen einwirken. Ein zentrales Element dieser Mechanismen stellen die umweltpolitischen Rah­ menbedingungen dar. Dementsprechend sind zunächst die für das Umweltrisiko relevanten umweltpolitischen Regelungen zu erläutern. Speziell wird in diesem Zusammenhang auf Haftungsfragen nach dem zum 1.1.1991 in Kraft getretenen Umwelthaftungsgesetz eingegangen. Der letzte Abschnitt des ersten Teils gibt einen Überblick über die Grundlagen und Elemente eines systematischen Risi­ komanagements. Dabei wird eine Systematisierung des Instrumentariums der Risikofmanzierung entwickelt, welche die Grundlage für die weiteren Ausfüh­ rungen im zweiten und dritten Teil darstellt. Die Systematisierung führt zu einer Unterscheidung in traditionelle und hybride Instrumente. Die traditionellen Formen der Risikofinanzierung, die Versicherung und das Selbsttragen mit Reservenbildung, sind Gegenstand des zweiten Teils. Bevor die Ausgestaltungsmöglichkeiten der traditionellen Instrumente untersucht werden können, ist zunächst auf Voraussetzungen und Einflußfaktoren der Risikofinan­ zierung und deren Bedeutung für die Finanzierung von Umweltrisiken einzuge­ hen. Die Überlegungen zu den Versicherungslösungen für Umweltrisiken stellen die Umwelthaftpflichtversicherung nach dem sog. HUK-Modell in den Mittel­ punkt. Vor der kritischen Analyse der Versicherungsmöglichkeiten werden des­ halb zunächst das HUK-Modell und ergänzende Formen der Versicherung von Umweltrisken dargestellt. Daran anschließend wird das Selbsttragen mit interner Reservenbildung diskutiert, das neben der Versicherung die zweite traditionelle und eindeutig abgrenzbare Form der Risikofmanzierung ist. Dabei stehen Über­ legungen im Mittelpunkt, inwieweit durch die Bildung von Rückstellungen und Rücklagen eine bilanzielle Vorsorge für die finanziellen Konsequenzen von Um­ weltrisiken getroffen werden kann.

Der dritte Teil der Arbeit untersucht die hybriden Instrumente der Risikofinanzie­ rung auf ihre Anwendbarkeit bei Umweltrisiken. Die sog. Finite Risk-Konzepte und unternehmenseigene Versicherungsgesellschaften, sog. Captives, werden als hybride Formen der Risikofinanzierung bezeichnet, da sie Elemente des Selbsttragens mit Versicherungs- und Finanzierungskomponenten verbinden. Sie sollen insbesondere dazu dienen, Deckungskapazitäten für Risiken anzubieten, die auf dem traditionellen Versicherungsmarkt nicht, nur eingeschränkt oder aus Sicht der Versicherten nur zu überhöhten Preisen abgedeckt werden können.

Einleitung

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Deshalb werden die Möglichkeiten der hybriden Formen für einen Einsatz bei der Finanzierung von Umweltrisiken analysiert sowie geeignete Ausgestaltungen und Deckungsformen abgeleitet. Unter Berücksichtigung der besonderen Charakteri­ stika von Umweltrisiken und deren spezifischen Anforderungen werden die un­ tersuchten Instrumente der Risikofinanzierung abschließend in ein umfassendes Deckungskonzept im Rahmen eines systematischen Risikomanagements inte­ griert.

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Erster Teil Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken sowie grundsätzliche Ansätze ihrer Bewältigung Eine intensive Behandlung des Managements von Umweltrisiken erfordert zu­ nächst die Klärung der dieser Thematik zugrundeliegenden zentralen Begriffe und Rahmenbedingungen. Der Begriff des Risikos wird uneinheitlich und un­ scharf verwendet. Um der Diskussion über Risiken im allgemeinen und Umwel­ trisiken im speziellen die Voraussetzung zu geben, steht am Anfang dieses Teils die Ableitung einheitlicher und untersuchungsadäquater Definitionen der Begrif­ fe Risiko und Umweltrisiko.

A.

RISIKO UND UMWELTRISIKO

I.

Der Begriff des Risikos in der Diskussion

1.

Der Risikobegriff und seine Variationen

Die Beschäftigung mit dem Risiko zieht sich durch die verschiedensten wissen­ schaftlichen Disziplinen und auch die wirtschaftswissenschafliche Literatur setzt sich schon seit längerem intensiv mit der Risikoproblematik auseinander.1 Da die Risiken jeweils nach dem speziellen Zweck ihrer Untersuchung beschrieben werden, hat sich zwar kein einheitliches Risikokonzept herausgebildet, doch von einer unsystematischen Verwendung des Risikobegriffs kann nicht gesprochen werden. Der Risikobegriff weist hinsichtlich seiner Intention in der wissenschaft­ lichen Literatur eine breite gemeinsame Basis auf.2 Allerdings lassen sich Risiko­ vorstellungen mit abweichenden Schwerpunkten unterscheiden.

1 2

Vgl. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 22; Hölscher, R. (Risikokosten 1987), S. 4. Vgl. Kupsch, P. U. (Das Risiko 1973), S. 26.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

In der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre wird Wirtschaften als Summe von Entscheidungen über knappe Güter verstanden.1 Entscheidungen sind immer auf die Zukunft gerichtet und beinhalten damit die Mehrdeutigkeit der zukünftigen Entwicklung, d.h. die Auswirkungen der Entscheidungen sind i.d.R. ungewiß. Entscheidungen führen nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, sondern zu einer Menge alternativer Ergebnisse, die jeweils mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten eintreten.2 Dementsprechend wird das Risiko einer Hand­ lungsalternative - die auch im Nichthandeln bestehen kann - als Wahrscheinlich­ keitsverteilung F(x) der möglichen Ergebnisse verstanden? Dieser entschei­ dungslogische Risikobegriff setzt an den Unsicherheitselementen der Informati­ onsstrukturen zum Zeitpunkt der Entscheidung an und zieht somit den unzurei­ chenden Informationszustand als die Ursache des Risikos zur Definition des Begriffs heran. Neben dieser ursachenbezogenen Auffassung des Risikobegriffs stellen wir­ kungsbezogene Ansätze die Wirkung des Risikos in den Mittelpunkt und be­ schreiben Risiko als die Möglichkeit einer Zielverfehlung. Zielverfehlungen können sowohl mit positiven Wirkungen, d.h. mit einer verbesserten Zielerrei­ chung, als auch mit negativen Wirkungen, also einer verschlechterten Zielerrei­ chung, verbunden sein. In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachge­ brauch kann dabei der Risikobegriff insoweit eingeengt werden, daß lediglich die ungünstigen, d.h. negativen Zielverfehlungen erfaßt werden.4 Grundsätzlich wer­ den hinsichtlich ihrer Auswirkung zwei Arten von Risiken unterschieden.5 Wäh­ rend sich reine Risiken grundsätzlich negativ auf die Erreichung der Zielsetzun­ gen auswirken, können spekulative Risiken sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Der wirkungsbezogene Risikobegriff beinhaltet die reinen Risiken und die negativen Komponenten der spekulativen Risiken. Dementspre­ chend ergibt sich die Chance, die die Möglichkeit der positiven Abweichungen von Zielsetzungen ausdrückt als polare Erscheinung des Risikobegriffs. Die dargestellten Grundrichtungen stehen allerdings nicht isoliert nebeneinander. Risiko wird vielmehr auch als Kombination der ursachenbezogenen Interpretati­ on mit der wirkungsbezogenen verstanden. Eine spezielle Ausprägung dieser Kombination stellt der aus dem entscheidungslogischen Begriff hervorgegangene

1 2 3 4

5

Vgl. Albrecht, P. (Bernoulli-Prinzip 1994), S. 1. Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 17. Vgl. Dahinden, R. (Risiken 1991), S. 103. Vgl. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 23f.; Hölscher, R. (Risikokosten 1987), S. 6. Im Gegensatz dazu vgl. Härterich, S. (Risk Management 1987), S. 18. Vgl. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. lOf.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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mathematische Risikobegriff dar.1 Dieser bezieht sich auf die Wahrscheinlich­ keitsverteilung der unterschiedlichen Ergebnisse, die bei Risikoentscheidungen möglich sind. Ausgehend von der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Auswirkun­ gen lassen sich charakteristische mathematische bzw. statistische Maßgrößen für das Risiko wie die Standardabweichung oder der Variationskoeffizient berech­ nen. Als Beispiele für diese Art der Risikoauffassung lassen sich die Streuung der Renditen verschiedener Wertpapiere oder die Streuung von Einzelschäden eines Versicherungsbestandes um ihren Mittelwert anführen.2 Durch den Zugang zu Instrumenten der Statistik ergibt sich die Möglichkeit, Risiken zu messen, zu vergleichen und zu modellieren. Aus diesem Grunde ist diese Auffassung von Risiko in der Versicherungswissenschaft weit verbreitet. Aber auch in der naturwissenschaftlichen Praxis und in den Sicherheits- und Ingenieurwissenschaften, wo es z.B. um Risikoanalysen im Zusammenhang mit Lebensdauer- und Zuverlässigkeitsberechnungen von Bauteilen sowie die Be­ stimmung von Ausfallraten oder Versagenswahrscheinlichkeiten von Systemen oder Systemelementen geht, findet eine mathematisierte Risikoformel breite Anwendung.3 Als ein Spezialfall des mathematischen Risikobegriffs wird dabei auf das negative, unerwartete Ereignis abgestellt. Dabei steht kein Streuungsmaß, sondern die Eintrittserwartung und das potentielle Schadenausmaß im Mittel­ punkt.4 Das Risiko eines Ereignisses wird über den Erwartungswert als Produkt der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses und dessen negativen Auswir­ kungen, d.h. der Zielverfehlung, beschrieben:

Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit • Auswirkung des Ereignisses Außer in den beschriebenen Bereichen, in denen der mathematischquantifizierende Ansatz seine Anwendbarkeit nachgewiesen hat, reicht er für sach- und menschengerechte Risikobetrachtungen nicht aus. Die mathematische Risikodefinition und ihre Verdichtung auf einzelne Werte suggeriert eine logi­ sche Berechenbarkeit von Risiken und täuscht eine Genauigkeit und Rationalität vor, die beim Umgang mit Risiken nicht gegeben ist.5

In vielen Untersuchungen wird auf die multiplikative Kombination verzichtet und eine qualitative Kombination von Informationsdefizit und möglicher Zielverfeh­ lung zur Beschreibung des Risikos herangezogen.6 Die Risikodefinition umfaßt 1 2 3

4 5 6

Vgl. Dahinden, R. (Risiken 1991), S. 105. Vgl. Brühwiler, B. (Industrieversicherung 1994), S. 20. Vgl. Banse, G. (Risiko-Technik 1993), S. 63; Dahinden, R. (Risiken 1991), S. 105; Franck, E. (Technik 1990), S. 5f. Vgl. Brühwiler, B. (Industrieversicherung 1994), S. 21. Vgl. Neumann, R. (Risiko Organisation 1995), S. 46. Vgl. Helten, E. (Risiko 1994), S. 21; Härterich, S. (Risk-Management 1987), S. 17.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

damit zwei Komponenten: Zum einen die ursachenbezogene Komponente, die einen unzureichenden Informationszustand, d.h. eine Entscheidungssituation, die durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung beschrieben werden kann, erfaßt und zum anderen die wirkungsbezogene, wertende Komponente, die eine negative Ziel Verfehlung beinhaltet.1 Ein auf der Kombination dieser Komponenten auf­ bauender Risikobegriff kann auch Elemente einer Kausalbeziehung enthalten, d.h. der wirkungsbezogene Ansatz setzt den ursachenbezogenen voraus. Nach einer solchen, auch hier vertretenen Auffassung, resultiert ein Risiko dem­ nach ursachenbezogen aus der mit einem Informationsdefizit verbundenen Unsi­ cherheit über künftige Ereignisse und schlägt sich wirkungsbezogen in einer negativen Zielabweichung nieder.2 Eine ähnliche Aussage vermittelt auch der auf Haller zurückgehende sog. St. Gallener Risikobegriff. Danach wird unter Risiko die Summe aller Möglichkeiten verstanden, daß sich die Erwartungen eines Systems aufgrund von Störprozessen nicht erfüllen.3 Auch hier werden sowohl eine ursachenbezogene Komponente, die Störprozesse, als auch eine wirkungsbezogene Komponente, die Nichterfül­ lung der Erwartungen eines Systems, berücksichtigt.

Beide Risikobegriffe sind offen, d.h. sie lassen sich in vielen Wissenschaftsberei­ chen anwenden. Sowohl die finale Bestimmtheit, d.h. die Ziele resp. die Erwar­ tungen des Systems, als auch die ursächlichen Faktoren, das Informationsdefizit bzw. die Störprozesse, sind für jedes konkret zu beschreibende und zu betrach­ tende Risiko noch festzulegen.4

Bevor diese Konkretisierung für das hier untersuchte Umweltrisiko durchgeführt wird, soll im folgenden zunächst auf die für diese Konkretisierung bedeutsamen Komponenten des Risikobegriffs näher eingegangen werden.

2.

Die Komponenten des Risikobegriffs

Die Betrachtung von Risiken ist immer eine Form der Problematisierung von Zukunft und damit eine Form des Umgangs mit Zeit.5 Neben den beiden bereits angesprochenen Komponenten ist damit ein dritter Aspekt des hier verwendeten

1 2 3 4 5

Vgl. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 26f. Vgl. Schulte, M. (Bank Controlling 1996), S. 12; Hölscher, R. (Risikokosten 1987), S. 10. Vgl. Haller, M. (Eckpunkte 1986), S. 18. Vgl. Helten, E. (Risiko 1994), S. 21. Hölscher z.B. konkretisiert einen solchen Risikobegriff im Rahmen einer bankbetriebswirtschaftlichen Untersuchung, vgl. Hölscher, R. (Risikokosten 1987), S. 10. Vgl. Luhmann, N. (Soziologie 1991), S. 59.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Risikobegriffs zu berücksichtigen, die Zeit. Dementsprechend werden nachste­ hend folgende drei Komponenten erläutert:

(1) Das Informationsdefizit (2) Die negative Zielabweichung (3) Die Zeitdimension Zu (1): Das Informationsdefizit

Die informatorische Komponente bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit, mit der Risiken einen bestimmten Ausgang nehmen und ist von der Qualität der vor­ handenen Informationen über den möglichen Ausgang einer Entscheidung ab­ hängig. Im Hinblick auf die Informationslage lassen sich verschiedene risikover­ ursachende Situationen unterscheiden:1 Unbestimmtheit äußert sich in fehlenden oder nicht für den Einzelfall gültigen Gesetzmäßigkeiten. Aus einer speziellen Ursache folgt damit keine spezielle Wirkung, d.h. das Ergebnis ist unbestimmt. • Unwissenheit ergibt sich, wenn zwar Gesetzmäßigkeiten existieren, darüber aber nur unvollständige Informationen vorliegen. Es herrscht ein Unwissen bezüglich der Gesetzmäßigkeiten in der Realität. • Ungewißheit kann sich sowohl aus der Unbestimmtheit als auch der Unwis­ senheit ergeben. Die Realität, d.h. die Folgen von Entscheidungen, können ungewiß sein oder es herrscht Unwissenheit über die Realität oder es ergibt sich die Kombination beider Möglichkeiten. Bei Ungewißheit besteht damit ein objektiver Informationsmangel. • Unsicherheit läßt sich von der Ungewißheit als der vom Einzelnen subjektiv empfundene Informationsmangel abgrenzen. Dieselbe Ungewißheitssituation kann von mehreren Betroffenen unterschiedlich beurteilt werden und so zu unterschiedlichen Einschätzungen der Risikolage führen.2



Die in diesem Zusammenhang von Knight2, getroffene formale Unterscheidung zwischen Risiko und Ungewißheit ist für die Beurteilung wirtschaftlicher Ent­ scheidungssituationen i.d.R. nicht brauchbar. Während mit Risiko eine Situation charakterisiert wird, bei der objektiv meßbare, statistische Wahrscheinlichkeiten vorliegen, ist Ungewißheit dadurch gekennzeichnet, daß keine oder nur subjekti­ ve Wahrscheinlichkeitsurteile für die möglichen Ergebnisse angegeben werden können. Da in der Wirklichkeit objektive Wahrscheinlichkeiten nur selten vorlie­ gen und darüber hinaus objektive Wahrscheinlichkeiten i.d.R. mit subjektiven 1 2 3

Vgl. Helten, E. (Erfassung 1984), S. 129f.; Härterich, S. (Risk-Management 1987), S. 20ff. Vgl. Helten, E. (Erfassung 1984), S. 130. Vgl. Knight, F. H. (Risk 1946), S. 197f.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Urteilen vermischt sind, kann auf die Unterscheidung zwischen Risiko und Un­ gewißheit verzichtet werden.1 Eine Risikosituation liegt also allgemein vor, wenn für den Eintritt zukünftiger Ergebnisse Wahrscheinlichkeitswerte geschätzt wer­ den können. Zu (2): Die negative Zielabweichung

Die Bestimmung einer Zielverfehlung setzt die Existenz definierter Ziele voraus. Dementsprechend ist der Risikobegriff nur im Zusammenhang mit den zugrunde liegenden Zielsetzungen sinnvoll zu interpretieren.2 Das Ausmaß der Zielverfeh­ lung ist immer abhängig vom definierten oder subjektiv unterstellten Ziel. Daraus ist ersichtlich, daß Risiken nur in Systemen auftreten, die bestimmte Ziele verfol­ gen bzw. in denen bestimmte Ziele verfolgt werden. Diese Tatsache verdeutlicht insbesondere der bereits angesprochene St. Gallener Risikobegriff, der anstatt von Zielen von Erwartungen spricht. Die Erwartungen eines Systems setzen sich dabei aus bewußt gesetzten Zielen und unbewußt vorausgesetzten Sollwerten zusammen.3 Damit wird deutlich, daß auch in Systemen, die nicht bewußt formu­ lierte Ziele verfolgen, Risiken auftreten können. Im Umkehrschluß wird darüber hinaus aber auch deutlich, daß die Erfassung von Risiken die Abgrenzung defi­ nierter Systeme voraussetzt. Die Bestimmung des risikorelevanten Systems legt fest, welche und wessen Ziele bei der Risikobetrachtung berücksichtigt werden.4 Diese beiden Erkenntnisse sind von besonderer Bedeutung für das System „Umwelt“.

Bei der Betrachtung von Risiken ist die Möglichkeit der zukünftigen Zielverfeh­ lung von wirklich eingetretenen Schäden zu unterscheiden. Schäden sind bewer­ tete Ereignisfolgen, 5 d.h. erfaßte Zielverfehlungen. I.d.R. wird eine Zielverfeh­ lung erst dann als Schaden quantifiziert, wenn ein bestimmter Standard überresp. eine Sollvorstellung unterschritten wird. In allen Phasen einer Risikobe­ trachtung wird damit implizit ein Schadenbild mitbetrachtet. Je nachdem, wel­ ches Schadenbild hierbei betrachtet wird, kann die Beschreibung des Risikos sehr unterschiedlich ausfallen.

1 2 3 4 5

Vgl. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 24; Hölscher, R. (Risikokosten 1987), S. 5; Kupsch, P. U. (Das Risiko 1973), S. 27; Härterich, S. (Risk Management 1987), S. 14f. Vgl. Schulte, M. (Bank Controlling 1996), S. 11. Vgl. Haller, M. (Risiko-Management 1990), S. 234. Vgl. Dahinden, R. (Risiken 1991), S. 110. Vgl. Karten, W. (Schaden 1988), S. 735.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Zu (3): Die Zeitdimension

Die Zeitdimension des Risikos ergibt sich zum einen unmittelbar aus der Kom­ ponente der Zielverfehlung. Die Zielerreichung ist nur überprüfbar, wenn die Ziele nicht unbestimmt, sondern für einen bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum fixiert worden sind.1 Damit Ziele operational sind, müssen sie grundsätzlich einen Zeitbezug aufweisen.2 Allerdings gibt es neben den Zielen mit einem festen Zeit­ bezug auch Ziele die ständig, zeitlich unbegrenzt angestrebt werden, sog. dauern­ de Ziele (z.B. das Gewinnziel).3 Solche Ziele sind zwar ständig von Risiken be­ droht, doch die Überprüfung der Ziele erfolgt i.d.R. mit Zeitbezug. In festgeleg­ ten Zeiträumen oder aperiodisch wird auch die Zielerreichung der dauernden Ziele gemessen.

Zum anderen ist die Zeitdimension bei der Risikobetrachtung von Bedeutung, da sich die Zeit auf die Quantität der beiden Komponenten Zielverfehlung und In­ formationsdefizit auswirken kann. Beide Komponenten können mit der Zeit va­ riieren, sind also evolutionär.4 Im Gegensatz zu dieser Auffassung bezieht Braun die Zeitdimension nur auf die Komponente der Zielverfehlung.5 Besonders an­ hand des St. Gallener Risikobegriffs läßt sich auch der dynamische Charakter der ursachenbezogenen informatorischen Komponente verdeutlichen. Die als ursa­ chenbezogene Komponente in diesem Risikobegriff enthaltenen Störprozesse können als Informationsdefizit, d.h. als zum Entscheidungs- bzw. Handlungszeit­ punkt nicht im Informationsstand enthaltene oder seitdem veränderte Einfluß­ faktoren und Abläufe, verstanden werden. Die Verwendung des Begriffs „Prozeß“ macht dabei die dynamische, zeitbezogene Eigenschaft deutlich. Das Risiko eines Unternehmens, aufgrund der Emission schädlicher Stoffe finanziell zur Rechenschaft gezogen zu werden, erhöht oder vermindert sich z.B. je nach­ dem, wie der Gesetzgeber die tolerierten Grenzwerte festlegt und sich diese Grenzwerte im Zeitablauf ändern.6

3 .

Maßgrößen für Risiken und die verhaltenswissen­ schaftliche Dimension der Risikowahrnehmung

Überlegungen zu geeigneten Maßgrößen für Risiken und deren subjektiver Wahrnehmung sind vor allem für die Erfassung der ökonomischen und sozialen 1 2 3 4 5 6

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 40 Schierenbeck (Grundzüge 1998), S. 75. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 41. Helten, E. (Risiko 1994), S. 21. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 41. Helten, E. (Risiko 1994), S. 23.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Wirkungen von Risiken und damit letztlich für den individuellen, betrieblichen und politischen Umgang mit ihnen von Bedeutung.1 Im Rahmen von Risikobe­ trachtungen wird immer auch der Versuch unternommen, zu einem Risikourteil zu kommen, d.h. den Grad der von einem Risiko ausgehenden Bedrohung, die sog. Dringlichkeit eines Risikos, zu messen. Die Dringlichkeit wird zunächst von den zwei folgenden Faktoren beeinflußt: Die Wahrscheinlichkeitsverteilung beschreibt die Eintrittswahrscheinlichkeit, d.h. die relative Häufigkeit, mit der bestimmte Ereignisse eintreten. • Die Tragweite eines Risikos oder das Schadenausmaß gibt den Grad der ne­ gativen Zielabweichung an, der sich bei einem Eintreten des Risikos ergibt. I.d.R. wird versucht, das Schadenausmaß in Geldeinheiten zu messen. Für Ri­ siken, die nicht-monetäre Ziele betreffen, können auch andere Bewertungs­ größen herangezogen werden.2 •

Wie empirische Untersuchungen gezeigt haben, hängt die Risikoeinschätzung von weiteren qualitativen Faktoren ab? In der Realität spielt die von sozialen und kulturellen Bedingungen beeinflußte subjektive Bewertung eine bedeutende Rolle. Subjektiv empfundene Risiken können erheblich von berechneten Risiken abweichen. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch die öffentliche Meinung, die in der Hauptsache durch die Medien beeinflußt wird.4 Für die Beurteilung der Dringlichkeit müssen beide Risikodeterminanten in an­ gemessener Weise berücksichtigt werden. Wie bei der Diskussion des mathema­ tischen Risikobegriffs bereits deutlich wurde, ist es nicht aussagekräftig, die Dringlichkeit durch eine einzige Kennzahl auszudrücken. Da der Erwartungswert keinen Unterschied zwischen Risiken mit kleiner Eintrittswahrscheinlichkeit und großem Schadenausmaß und solchen mit hoher Eintrittsfrequenz und geringem Schadenpotential macht, kann eine reine Orientierung am Erwartungswert zu Fehleinschätzungen führen? Ereignisse mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit aber einer großen Tragweite müssen subjektiv stärker gewichtet werden als dies die Erwartungswertberechnungen darstellen. Diese Abneigung gegen Wahr­

1 2 3 4 5

Vgl. Banse, G. (Risiko-Technik 1993), S. 19. Ein Beispiel dafür ist z.B. Anzahl der Todesopfer oder Verletzten. Vgl. Balderjahn, I./Mennicken, C. (Verhaltenswissenschaftliche Grundlagen 1996), S. 26. Vgl. Semmelroggen, H. (Sicherheit 1989), S. 8. Ein Beispiel für diese Beobachtung stellen die Vorgänge um die Ölverlade- und Lagereinrichtung „Brent Spar“ von Royal Dutch/Shell im Frühjahr 1995 dar. Für eine Erörterung dieser Problematik vgl. Hertel, A. (Risk Management 1991), S. 48ff.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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scheinlichkeitsverteilungen, die bei gleichem Erwartungswert, Ereignisse mit extrem großem Schadenpotential enthalten, wird als Risikoaversion bezeichnet.1

Versuche, die Risikoaversion durch Einführung sog. Aversions-Terme in die mathematische Risikobetrachtung einzubeziehen, beseitigen zwar nicht das grundsätzliche Problem der Informationsverdichtung auf eine Kennzahl, sie ha­ ben aber deutlich gemacht, daß von einem gewissen Moment an die Betrachtung der Eintrittswahrscheinlichkeit nicht mehr zielführend ist. Die durch die psycho­ logische Risikoaversion geprägte Risikoeinschätzung wird durch das Schaden­ ausmaß dominiert.2 Geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten haben im Gegensatz zu Sensations- und Katastrophenmeldungen in den Medien wenig Einfluß auf die subjektive Beurteilung von Risiken. Dementsprechend ist es vorteilhafter, Risiko­ betrachtungen und Anstrengungen der Risikominimierung auf das Schadenaus­ maß zu richten. Auch nach Luhmann muß bei den Modellen der Risikobetrachtung eine wichtige Korrektur angebracht werden, die sog. Katastrophenschwelle.3 Dabei handelt es sich um die Grenze, jenseits derer - wenn auch noch so unwahrscheinliche - Risi­ ken als Katastrophe empfunden werden. Da der Mensch i.d.R. nur Risiken ak­ zeptiert, wenn sie die Katastrophenschwelle nicht berühren, sind solche Risiken zu vermeiden. Aufgrund ähnlicher Überlegungen hat der Schweizer Chemiekon­ zern Sandoz nach den Erfahrungen des Großbrandes im Werk Schweizerhalle im November 1986, bei dem kontaminiertes Lösch wasser in den Rhein gelangte und diesen erheblich verschmutzte, die gesamte Risikoeinstellung des Unternehmens geändert. Risiken mit sehr großem Schadenausmaß werden selbst bei sehr gerin­ ger Eintrittswahrscheinlichkeit nicht mehr toleriert.4

Anknüpfend an diese Erkenntnisse wird für die Dringlichkeit von Risiken sinn­ vollerweise keine einzelne Kennzahl als Maßgröße herangezogen, sondern eine Klassifizierung verwendet, die sich primär am Schadenausmaß orientiert, dieses aber nicht zwangsläufig in Geldeinheiten ausdrückt, (vgl. Abb. 1).

In einem zweiten Schritt besteht die Möglichkeit, diese Risikoklassen graphisch mit der Eintrittswahrscheinlichkeit zu verbinden, um so eine visualisierte Risiko­ betrachtung zu erhalten. Eine solche, in Abb. 2 dargestellte zweidimensionale Graphik, bei der über der Abszisse die Risikoklassen anhand des Schadenausma­ ßes und über der Ordinate die Eintrittswahrscheinlichkeit abgetragen werden,

1 2 3 4

Vgl. Dahinden, R. (Risiken 1991), S. 131. Mathematisch drückt sich dies bei gleichem Erwar­ tungswert durch eine größere Varianz bzw. Standardabweichung aus. Vgl. Binswanger, H. C. (Neue Dimensionen 1990), S. 109ff. s.b.S.l 14f. Vgl. Luhmann, N. (Soziologie 1991), S. lOf. Vgl. Mrusek, K. (Gestank in der Nase 1996), S. 14.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

wird als Risikoportfolio oder Wahrscheinlichkeits-Ausmaß-Diagramm bezeich­ net.1 Risikoklasse

Auswirkungen

Katastrophenrisiko

Eintritt bedroht die Existenz des gesamten Systems

Großrisiko

Eintritt macht Erfüllung wichtiger Funktionen des Systems unmöglich

Mittleres Risiko

Eintritt beeinträchtigt die Erreichung einzelner Ziele des Systems

Kleinrisiko

Eintritt unterbricht einzelne Prozesse des Systems und zwingt zur bedeutenden Änderung von Mitteln und Wegen

Bagatellrisiko

Eintritt zwingt zur unbedeutenden Änderung von Mitteln und Wegen

Abb. 1:

Klassifizierung der Dringlichkeit von Risiken2

häufig

selten

sehr selten

äußerst selten

Abb. 2:

Risikoportfolio3

Je weiter ein Risiko im linken unteren Bereich liegt, um so geringer ist die Dringlichkeit. Dem Erwartungswertkriterium entsprechend steigt die Dringlich­ 1

2

3

Vgl. Winterling, K. (Risiken 1989), S. 31; Scholz, R. W./Weber, O./Michalik, G. (Ökologische Risiken 1995), S. 26. In Anlehnung an Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 23; Dahinden, R. (Risiken 1991), S. 125. In Anlehnung an Scholz, R. W./Weber, O./Michalik, G. (Ökologische Risiken 1995), S. 26.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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keit, je weiter ein Risiko nach rechts oben wandert. Ab einem bestimmten Grenzwert ist ein Risiko selbst bei geringster Eintrittswahrscheinlichkeit nicht mehr akzeptabel. Da das akzeptable Schadenausmaß bei Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit größer ist als bei häufig eintretenden Risiken, ergibt sich ein Bereich, in dem Risiken nicht akzeptabel sind. Da der jeweilige Grenz­ wert nicht exakt festgelegt werden kann, gestaltet sich der Übergang zwischen dem akzeptablen und dem nicht akzeptablen Bereich nicht als scharfe Grenze, sondern als Übergangsbereich.

Im Rahmen der Risikoeinschätzung muß darüber hinaus berücksichtigt werden, daß nicht nur die Tragweite maßgebend ist, ob das jeweilige Risiko akzeptiert wird, sondern auch die spezifischen Begleitumstände, unter welchen die Gefähr­ dung auftritt.1 Ausschlaggebend ist beispielsweise, ob man mit den Risiken als Entscheider oder Betroffener zu tun hat. In dem Maße, in dem der Selbstbestim­ mungsgrad, d.h. die persönliche Kenntnis über das eingegangene Risiko, der Umfang der individuellen Vermeidbarkeit und die Möglichkeiten der Beeinfluß­ barkeit abnehmen, läßt auch die Gefährdungsakzeptanz nach. In diesem Zusam­ menhang fällt z.B. auf, daß eine Entkopplung der Einstellung gegenüber Pro­ dukten und der Einstellung gegenüber dem mit diesen Produkten verbundenen Produktionsprozeß stattgefunden hat.2 Während die mit den Produkten verbun­ denen Annehmlichkeiten als selbstverständlich betrachtet und mit der Nutzung der Produkte einhergehende Gefährdungspotentiale toleriert werden, werden die bei der Herstellung der Produkte verursachten Risiken oft als unakzeptierbar eingestuft.3

II.

Systematisierung von Umweltrisiken

Wie die Ausführungen zum Risikobegriff deutlich gemacht haben, setzt eine Risikobetrachtung die Abgrenzung eines zielorientierten Systems voraus.

1 2 3

Vgl. Klooz, D. (Luftreinhaltung 1991), S. 459. Vgl. Chakraborty, S./Yadigaroglu, G. (Vorwort 1991), S. 01-5. Zur Illustration dieser Beobachtung lassen sich zwei Beispiele anführen: Die häufig vorgetrage­ ne gesellschaftliche Forderung nach Emissionsminderung der Industrie werden nur selten mit der Bereitschaft verbunden, eigene Emissionen z.B. im Straßenverkehr zu mindern. Das zweite Beispiel knüpft an die Geschehnisse um die Ölverlade- und Lagereinrichtung Brent Spar an: Anstatt zu erkennen, mit welchen Folgen die Förderung von Rohöl und damit der Verbrauch von Folgeprodukten wie Benzin verbunden ist und deshalb diesen Verbrauch einzuschränken, war es für die Verbraucher einfacher, „Shell“ zu boykottieren und mit Benzin von „Esso“ oder „BP“ weiterzufahren.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Grundlage der Konkretisierung des Begriffs Umweltrisiko ist das risikorelevante System „Umwelt“, das im folgenden beschrieben wird.

1.

Begriff und Funktionen der Umwelt

Für den Begriff der „Umwelt“ existiert keine einheitliche, verschiedene Wissen­ schaftsdisziplinen übergreifende Begriffsdefinition. Üblicherweise wird der Be­ griff Umwelt als „Umwelt des Menschen“ verstanden. Im Sinn einer anthropo­ zentrischen Betrachtungsweise soll auch hier die Umwelt vor allem in ihrer Be­ deutung für den Menschen betrachtet werden. Für eine solche Betrachtungsweise bietet sich eine Einteilung in zwei Teilbegriffe an.1



Die natürliche Umwelt des Menschen umfaßt den Teil, der originär nicht vom Menschen selbst geschaffen wurde. Neben den sog. Umweltmedien Luft, Bo­ den und Wasser gehören dazu auch Flora und Fauna, d.h. Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Dieser Teilbereich kann als Naturhaushalt bezeichnet wer­ den. Dabei werden auch zwar vom Menschen gestaltete, ihrem Zustand nach aber natürliche Objekte wie Grundstücke, land- und forstwirtschaftlich ge­ nutzte Landschaften, begradigte Flüsse, Naturparks etc., sog. Kulturland­ schaften, als natürliche Umwelt betrachtet.2



Von der natürlichen Umwelt ist die geschaffene oder technisch­ zivilisatorische Umwelt abzugrenzen. Diese umfaßt sämtliche Produkte menschlicher Aktivität, d.h. nicht natürlichen Ursprungs, und beinhaltet z.B. Gebäude, Maschinen, Infrastruktur etc. Die geschaffene Umwelt kann zur so­ zialen Umwelt erweitert werden, wenn der Mensch und die kulturellen, recht­ lichen und politischen Aspekte seiner Existenz einbezogen werden.

Unternehmen nutzen die Umwelt in ihrem gesamten Produktionsprozeß in mehr­ facher Weise. Die natürliche Umwelt erfüllt dabei eine Vielzahl von Funktionen, die aus betrieblicher Sicht zu vier Hauptfunktionen zusammengefaßt werden können:3

(1) (2) (3) (4) 1 2 3

der Produktionsfunktion, der Regelungsfunktion, der Trägerfunktion und der Informationsfunktion. Vgl. Deike, K. (Umweltschutzpolitik 1993), S. 8. Vgl. Matschke, M./Jaeckel, U. D./Lemser, B. (Umweltwirtschaft 1996), S. 3. Vgl. Piro, A. (Umweltkostenrechnung 1994), S. 6f.; Deike, K. (Umweltschutzpolitik 1993), S. 9f.

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Zu (1): Im Rahmen der Produktionsfunktion tritt die Umwelt als Lieferant natürlicher Ressourcen gegenüber dem Menschen auf. Von der natürlichen Um­ welt werden Güter zur Befriedigung menschlicher Existenzbedürfnisse und zur

Güterproduktion bereitgestellt. Die Güterbereitstellung erstreckt sich auf Ver­ brauchsgüter (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) zur energetischen und nichtener­ getischen Nutzung und Gebrauchsgüter (z.B. Grundstücke, d.h. die Verwendung von Boden als Standort industrieller Produktionsanlagen). Bei den Verbrauchs­ gütern kann es sich um nichtregenerierbare, natürliche Ressourcen (z.B. fossile Energierträger) und regenerierbare, biotische Rohstoffe (z.B. Wasser, Luft sowie Elemente von Flora und Fauna) handeln. Zu (2): Durch die Regelungsfunktion sollen wichtige Vorgänge des Naturhaus­ halts, die vom Menschen beansprucht wurden, im Gleichgewicht gehalten wer­ den. Darüber hinaus sind Folgen der Beanspruchung aufzufangen und auszuglei­ chen, wobei die natürliche Umwelt bis zu einem gewissen Grad zur Selbsterhal­

tung und Selbstregulation fähig ist. Zu (3): Im Rahmen der Trägerfunktion hat die Umwelt die Aktivitäten, Er­ zeugnisse und Abfälle menschlichen Handelns aufzunehmen und zu tragen. Die Umwelt stellt Aufnahmekapazitäten für Produktions- und Konsumrückstände,

sog. Emissionen, bereit. Die Trägerfunktion kann damit als Gegenstück zur Pro­ duktionsfunktion angesehen werden. Zu (4): Die Informationsfunktion beschreibt den Austausch oder Fluß von

Informationen zwischen Umwelt und Mensch und dient damit der Orientierung und der Wahl eines bestimmten Verhaltens zur Umwelt. Aus funktionsorientierter Sicht kann die natürliche Umwelt als Einheit der Pro­ duktions-, Regelungs-, Träger- und Informationsfunktion, d.h. als ein Umweltsy­ stem, gesehen werden. Sämtliche Güter, die der Erfüllung der Umweltfunktionen dienen, werden als Umweltgüter bezeichnet.1 Die Einwirkung des Menschen und seiner Unternehmen auf die Umwelt, z.B. durch die Nutzung von Umweltgütern oder Emissionen, steht im Mittelpunkt des Systems. Doch die Umwelt wirkt ihrerseits auf die Unternehmen ein, die Beziehung zwischen Umwelt und Unter­ nehmen ist wechselseitig.

Damit besteht zum einen die Möglichkeit, daß es aufgrund der unternehmeri­ schen Einwirkungen auf die Umwelt zu Zielverfehlungen im Umweltsystem kommt, zum anderen können Vorgänge der natürlichen Umwelt die unternehme­ rische Zielerreichung negativ beeinflussen. Diese, in Abhängigkeit der Perspekti­ ve unterschiedliche Betrachtungsweise führt dazu, daß unter Umweltrisiken so­ 1

Vgl. Piro, A. (Umweltkostenrechnung 1994), S. 7f.

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wohl Risiken für die natürliche Umwelt als auch umweltbezogene Unternehmens­ risiken verstanden werden.1

Die unterschiedlichen Begriffsauslegungen machen eine differenzierte Betrach­ tung und Systematisierung des Begriffs Umweltrisiko unerläßlich. Im Hinblick auf Überlegungen zur Finanzierung von Umweltrisiken eignet sich eine Unter­ scheidung in zwei Formen:2

• •

Umweltrisiken im eigentlichen Sinn und Umweltrisiken im unternehmerischen Sinn,

die im weiteren Verlauf näher beschrieben werden.

2.

Umweltrisiken im eigentlichen Sinn

Die Ausführungen zum Risikobergriff haben deutlich gemacht, daß für jedes konkret zu betrachtende Risiko sowohl die Erwartungen des Systems resp. deren Nichterfüllung, d.h. das zugrundeliegende Schadenbild, als auch die ursächlichen Faktoren, das Informationsdefizit bzw. die Störprozesse, zu beschreiben sind. Notwendige Vorstufe für die Abgrenzung der Umweltrisiken im eigentlichen Sinn (Umweltrisiken i.eig.S.) ist dementsprechend die Erarbeitung des zugrunde­ liegenden Schadenbildes.

Umweltrisiken im eigentlichen Sinn beinhalten die Möglichkeit eines Umwelt­ schadens. Anknüpfend an den hier verwendeten Umweltbegriff wird unter einem Umweltschaden die durch unternehmerische Tätigkeiten3 verursachte beschaf­ fenheitsverändernde und gemeinschadengeeignete Belastung der Umweltmedien und von Flora und Fauna verstanden.4 Das Kriterium der Beschaffenheitsverän­ derung drückt aus, daß die Belastung die physikalische, chemische oder biologi­ sche Struktur von Luft, Wasser oder Boden nicht nur unwesentlich ändert. Ge­ meinschadengeeignet heißt in diesem Zusammenhang, daß ein Umweltschaden

1

2

3 4

Zur ersten Auffassung vgl. z.B. Polle, J. (Uniweltrisiken 1991), S. 1 Off.; Wagner, G. R. /Janzen, H. (Umwelt-Auditing 1994), S. 577. Zur zweiten Interpretation vgl. Erichsen, S. (Umweltrisiken 1995), S. 264; Steger, U./Spelthan, S. (Umweltrisiken 996), S. 186; Martin, K. (Risikoanalyse 1992), S. 602; Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 3. Meuche, T. (Ökologische Risiken 1994), S. 53 erwähnt beide Begriffsauffassungen, bezieht sich aber im weiteren Verlauf auf die zweite Interpretation. Zu ähnlichen Unterscheidungen vgl. Wagner, G. R. /Janzen, H. (Umwelt-Auditing 1994), S. 577; Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 4ff.; Janzen, H. (Ökologisches Controlling 1996), S. 20f. Damit werden die durch Kräfte der Natur selbst ausgelösten Schäden infolge von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Stürmen, Überschwemmungen etc. von der Betrachtung ausgegrenzt. Vgl. Nickel, F. (Umweltschaden 1987), S. 1236.

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bereits dann vorliegt, wenn der Eingriff in die Umwelt zu einer nachhaltigen, partiell und wenigstens auf unbestimmte Zeit irreversiblen Schädigung des Na­ turhaushaltes führt.1 Diese Abgrenzung deckt sich nicht mit dem meist bei Haftungsfragen unterstell­ ten Umweltschaden in Form von individuellen Personen-, Sach- und Vermögens­ schäden, die aus einer vorübergehenden oder andauernden Veränderung der Umweltmedien resultieren. Dabei wird die Existenz eines Umweltschadens da­ von abhängig gemacht, ob durch eine Veränderung der Umweltmedien individu­ elle Rechtsgüter oder sonstige rechtlich geschützte Interessen verletzt werden. Im Gegensatz dazu werden Schädigungen am Naturhaushalt, bei denen keine indivi­ duellen Rechte verletzt werden, vielfach als sog. ökologischer Schaden ab- und teilweise sogar vom Umweltschaden ausgegrenzt.2

Da geschädigte Teile der natürlichen Umwelt nicht von der natürlichen Umwelt ausgeschlossen werden können, nur weil sie keine Individualrechtspositionen beeinträchtigen, wird dieser Begriffsabgrenzung des Umweltschadens hier nicht gefolgt. Fragen der Beeinträchtigung individueller Rechtspositionen sind in haftungs- und deckungsrechtlichem Zusammenhang in einem zweiten Schritt zu diskutieren. Der Bezug des Umweltschadens zu einer Schädigung des Naturhaushalts läßt sich in Anlehnung an die funktionsorientierte Umweltauffassung verdeutlichen. Danach resultiert ein Umweltschaden aus Inanspruchnahmen der Umwelt, die zu einer derartigen Störung einer Umweltfunktion führen, daß diese zumindest in der bisherigen Form nicht mehr erfüllt werden kann.3 Unter Berücksichtigung des Selbstregulationsvermögens der natürlichen Umwelt ergibt sich ein Umweltscha­ den, wenn die Einwirkungen auf die Umwelt durch die Selbsterhaltung des Sy­ stems nicht mehr ausgeglichen werden können. Damit wird auch deutlich, daß nicht jede Umwelteinwirkung einen Umweltschaden darstellt.4

Die Umweltschäden haben ihre Ursache in Umwelteinwirkungen. Unternehmeri­ sches Handeln wirkt in vielfältiger Weise auf die Umwelt ein.5 Zum einen erfolgt die Entnahme von Rohstoffen und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen im Sinne der Produktionsfunktion der Umwelt. Zum anderen werden verschiedenste 1 2

3 4 5

Vgl. Für Nickel liegt eine Gemeinschadeneignung vor, „wenn, auch bei reversibler Primärschä­ digung der Natur, eine unbestimmte Anzahl von Personen gefährdet ist“. Nickel, F. (Umwelt­ schaden 1987), S. 1238. Die Gefährdung von Personen wird hier nicht vorausgesetzt. Vgl. Herbst, C. (Risikoregulierung 1996), S. 55; Gmilkowsky, A. (Umweltschäden 1995), S. 35ff. Vgl. Piro, A. (Umweltkostenrechnung 1994), S. 8. Vgl. Polle, J. (Umweltrisiken 1991), S. 12. Vgl. Janzen, H. (Ökologisches Controlling 1996), S. 248.

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Erscheinungen1 emittiert. Bei einer Umweltschädigung nehmen die abgegebenen Erscheinungen immer den Weg der Emission, d.h. der Aussendung, der Trans­ mission und der Immission2, d.h. ihrer Einwirkung auf die Umwelt.3 Einer Be­ trachtung des gesamten Produktlebenszykluses entsprechend, können insbeson­ dere die folgenden Tätigkeiten als Emissionsquellen identifiziert werden: • der Transport des benötigten und durch die Beschaffungsmärkte zur Verfü­ gung gestellten Inputs, • die Lagerung des Inputs, speziell der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (RHB), • die Produktion und die Zwischenlagerung der Produkte, • die Lagerung der fertigen Erzeugnisse im Absatzbereich, • der Transport des Outputs zu den Absatzmärkten sowie • die ggfs. stattfmdende Weiterverarbeitung, der Konsum und die Entsorgung des Outputs. Daraus ergibt sich, daß die ursachenbezogene Komponente des Umweltrisikos i.eig.S. - die Störprozesse - in den mit unternehmerischen Tätigkeiten verbunde­ nen Einwirkungen auf die natürliche Umwelt zu sehen sind.4 Die Immissionen wirken allerdings nicht nur in vielfältiger Form auf die natürli­ che, sondern auch auf die geschaffene Umwelt ein. Auf unternehmerische Tätig­ keiten zurückzuführende Umwelteinwirkungen können auch Sachgüter und Per­ sonen schädigen. Von Umwelteinwirkungen verursachte Sach- und Personen­ schäden sind aber nach der oben getroffenen Abgrenzung keine Umweltschäden. Umweltrisiken i.eig.S. ergeben sich dementsprechend ausschließlich durch mög­ licherweise schädigende Einwirkungen auf den Naturhaushalt, d.h. bei drohenden

1 2

3

4

Gemäß § 3 Abs. 1 UmweltHG handelt es sich bei Erscheinungen um Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlung, Gase, Dämpfe, Wärme oder ähnliches. Die Begriffe Emission und Immission wurden erstmals durch das BImSchG in die deutsche Umweltgesetzgebung eingeführt. In § 3 BImSchG beschränken sich die Begriffe auf das Um­ weltmedium Luft und die Atmosphäre. Im Gegensatz zu der dortigen Verwendung soll hier eine medienübergreifende Sichtweise verwendet werden. Auch das Einleiten, Einbringen und Aus­ breiten von Stoffen in Gewässer oder Boden werden als Emissionen bzw. Immissionen verstan­ den. Vgl. Röhrig, S. (Umwelteinwirkung 1994), S. 85f. Nickel, F. G. (Umweltschaden 1987), S. 1240; Röhrig, S. (Umwelteinwirkung 1994), S. 86. Für ausführlichere Erläuterungen der Ablaufphasen des Umweltschadens vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 1 Off. Der Begriff der Umwelteinwirkung wird in ver­ schiedenen deutschen Umweltgesetzen im Sinn von Immissionen benutzt und bezeichnet dort nur die zweite Komponente des hier verwendeten Begriffs der Umwelteinwirkung. Vgl. Röhrig, S. (Umwelteinwirkung 1994), S. 82ff. Für ausführlichere Erläuterungen der Bedeutung der unternehmerischen Tätigkeit als Verur­ sachungsbereich von Umweltschaden vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. I7ff.

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Umweltschäden.1 Die beschriebenen Beziehungen werden in nachstehender Abb. 3 dargestellt. Durch die fett gedruckten Pfeile wird nochmals verdeutlicht, daß sich Umweltrisiken i.eig.S. nur aus drohenden Umweltschäden, d.h. der Gefahr einer schädigenden Inanspruchnahme der natürlichen Umwelt, ergeben können. Einwirkungen auf Sachgüter oder Personen führen nicht zu einem Umweltscha­ den und können damit auch keine Umweltrisiken i.eig.S. auslösen (dargestellt durch die gestrichelten Pfeile).

Abb, 3:

Umweltrisiken im eigentlichen Sinn: Schädigende Inanspruchnahme der natürlichen Umwelt

Für sich betrachtet stellen Umweltrisiken i.eig.S. keine Risiken für Unternehmen dar. Aus unternehmerischer Sicht werden Umweltrisiken i.eig.S. erst dann rele­ vant, wenn sie zu ökonomischen Konsequenzen für Unternehmen führen.2 In 1

2

Im Widerspruch zu seiner Begriffsdefinition und Ausführungen nach denen ein Um weltschaden die nachteilige Änderung der Natur bewirkt, ist Nickel der Meinung, alle Umweltschäden seien Personen,- Sach- oder Vermögensschäden. Vgl. Nickel, F. G. (Umweltschaden 1987), S. 1240 i.V.m. S. 1236 und den Widerspruch aufdeckend, Gmilkowsky, A. (Umweltschäden 1995), S. 28. Vgl. Janzen, H. (Ökologisches Controlling 1996), S. 20.

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diesem Augenblick wandeln sich die Umweltrisiken i.eig.S. in Umweltrisiken im unternehmerischen Sinn.

3.

Umweltrisiken im unternehmerischen Sinn

Der Betrachtung der Umweltrisiken im unternehmerischen Sinn (Umweltrisiken i.u.S.) liegt ein Perspektivenwechsel zugrunde. Im Gegensatz zu den Umweltrisi­ ken i.eig.S., deren Abgrenzung der Umweltschaden zugrundeliegt, beinhalten die Umweltrisiken i.u.S. die auf Umwelteinwirkungen zurückgehende Möglichkeit negativer Abweichungen von unternehmerischen Zielsetzungen.1 Strenge Nebenbedingung jeden unternehmerischen Handelns und Oberziel jedes Unternehmens ist die nachhaltige Existenzsicherung.2 Dieses Oberziel wird durch eine aus drei Zielkategorien bestehende Zielkonzeption operationalisiert. Dabei handelt es sich grundsätzlich um folgende drei Zielkategorien:3 • • •

Leistungsziele, d.h. Beschaffungs-, Lagerhaltungs-, Produktions- und Absatz­ ziele, Finanzziele, d.h. Liquiditäts-, Investitions- und Finanzierungsziele, Erfolgsziele, d.h. Umsatz-, Gewinn- und Rentabilitätsziele.

Besteht die Möglichkeit, daß die Erreichung dieser Ziele durch auf unternehmeri­ sche Tätigkeiten zurückzuführende Umweltrisiken i.eig.S. beeinträchtigt wird, entsteht ein Umweltrisiko i.u.S. Direkte Rückwirkungen von Umweltrisiken i.eig.S. ergeben sich für Unternehmen immer dann, wenn aus diesen Risiken resultierende Umweltschäden



rechtlich tolerierte Standards zu überschreiten drohen resp. gesetzliche Vor­ schriften verletzen und/oder • von gesellschaftlichen Gruppen und Individuen negativ wahrgenommen und • damit wirtschaftlich relevante Sanktionen gegen das Unternehmen induziert werden. Darüber hinaus ist zu beachten, daß im Zusammenhang mit Umweltrisiken i.u.S. eine Trennung der durch Umwelteinwirkungen geschädigten Sachgüter und Per­ sonen von dem geschädigten Naturhaushalt nicht notwendig ist. Aus der Schädi­ gung aller drei Bereiche kann sich eine Inanspruchnahme der Unternehmen und damit ein Umweltrisiko i.u.S. ergeben. Voraussetzung für die Entstehung eines 1 2 3

Medicus bezeichnet dies als das Zusammenspiel von Beeinträchtigungen der Umwelt und Beeinträchtigungen aus der Umwelt. Vgl. Medicus, D. (Umweltschutz 1986), S. 778. Vgl. Hölscher, R./Rücker, U. (Investitionscontrolling 1996), S. 368. Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 62.

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Umweltrisikos i.u.S. ist allerdings, daß diese Schädigungen durch Umwelteinwir­ kungen entstanden sind. Die rechtlich tolerierten Standards sind in der Hauptsache für Haftungsfragen maßgeblich. Unternehmen können für ihr umweltschädigendes Verhalten sach­ lich und daran anknüpfend auch finanziell zur Verantwortung gezogen werden, d.h. sie müssen haften.1 Dieser Aspekt des Umweltrisikos i.u.S. soll als Haftungs­ risiko bezeichnet werden. Darüber hinaus ergeben sich Auszahlungen in Form von Abgaben und Auflagen. Auflagenorientierte Forderungen beinhalten für Unternehmen die Verpflichtung, sich in ihrem Emissionsverhalten an die gesetz­ lichen Vorschriften und darin enthaltene Umweltstandards anzupassen. Dieser Teil des Umweltrisikos i.u.S. kann als Anpassungsrisiko bezeichnet werden.

Die finanziellen Auswirkungen eingetretener Umweltrisiken können sowohl Liquiditäts- als auch Gewinn- und Rentabilitätsziele tangieren. Die rechtlich tolerierten Standards und gesetzlichen Vorschriften sind damit ein Verbindung­ selement, das Umweltrisiken i.eig.S. zu Umweltrisiken i.u.S. macht. Sie stellen im Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Umweltschäden einen Aspekt der ursachenbezogenen Komponente des Umweltrisikos i.u.S. dar. Dabei ist es denk­ bar, daß zwar objektiv betrachtet ein Umweltschaden vorliegt, aber zum einen aufgrund unzureichender naturwissenschaftlicher Kenntnisse oder Meßmethoden keine Schädigung festgestellt werden kann oder zum anderen der relevante recht­ liche Standard noch nicht überschrittenen ist resp. der Sachverhalt keine haf­ tungsrechtlichen Ansprüche begründet. In beiden Fällen liegt noch kein Umwel­ trisiko i.u.S. vor. Doch sowohl die naturwissenschaftlichen Kenntnisse und Meßmethoden als auch die Umweltgesetzgebung können sich ständig verändern, sind dynamisch. In Abhängigkeit dieser Veränderung kann aus dem gleichen, zuvor nichtsanktionierten Umweltschaden, ein Umweltrsiko i.u.S. erwachsen. Darin drückt sich die Zeitdimension des Umweltrisikos i.u.S. aus.

Doch vor allem nicht rechtliche Standards können individuell sehr unterschied­ lich sein.2 Auch unter dem rechtlich tolerierten Standard können gesellschaftliche Gruppen und Individuen eine mögliche Umweltschädigung nicht mehr akzeptie­ ren. Damit ergibt sich ein weiterer Aspekt der ursachenbezogenen Komponente des Umweltrisikos i.u.S.: die Sanktionierung der Umweltschäden durch Teile der Gesellschaft. Dieser Teilaspekt des Umweltrisikos i.u.S. kann als Marktrisiko bezeichnet werden.3 Obwohl die umweltrechtlichen Anforderungen eingehalten

1 2 3

Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 9. Vgl. dazu die Überlegungen zur verhaltens wissenschaftlichen Dimension der Risikowahrneh­ mung, S. 35 ff. Vgl. Müller, A. (Rechnungswesen 1995), S. 26.

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werden, kann die subjektive Risikowahrnehmung zu verändertem Kaufverhalten, erhöhter Preissensitivität und sinkender Nachfrage oder gar zu Boykotten oder Protesten führen.1 Die daraus resultierenden Mindereinnahmen beeinträchtigen zumindest das Umsatzziel, werden dann i.d.R. aber auch auf das Gewinn- und Rentabilitätsziel durchschlagen. Solche gesellschaftlichen Konsequenzen können sich für die Unternehmen zu­ sätzlich zu haftungsbegründenden Ansprüchen ergeben und damit die finanziel­ len Auswirkungen verstärken. Darüber hinaus können auch Schäden, die nicht vom jeweiligen Unternehmen verursacht wurden, d.h. von anderen, bran­ chengleichen Unternehmen oder der Allgemeinheit verursachte Umweltschäden, zu einer Änderung des Nachfrageverhaltens und damit zu ökonomisch relevanten Konsequenzen führen. Auch die gesellschaftliche Bedeutung des Umweltschutzes und daraus abgeleitetes Verhalten sind keine konstanten Faktoren. Vielmehr handelt es sich um vom Umfeld, der Bedeutung anderer Themen und weiteren Faktoren beeinflußte Größen, die sich im Zeitablauf ständig verändern. Dieser dynamische Charakter verdeutlicht wiederum die Zeitdimension des Umweltrisi­ kos i.u.S.. Die Verbindung der verschiedenen Komponenten zeigt die folgende Abb. 4. Anhand der bereits aus Abb. 3 bekannten Darstellung des Unternehmens im Mittelpunkt des Umweltsystems wird der Perspektivenwechsel deutlich. Be­ trachtet werden nicht mehr die Beeinträchtigungen auf die Umwelt, sondern die Beeinträchtigungen aus der Umwelt.2 Durch die Einführung des zweiten Schritts, d.h. des Perspektivenwechsels, werden die angesprochenen Probleme beim Ver­ ständnis der Begriffe des Umweltschadens und des ökologischen Schadens ver­ mieden. Es findet keine implizite Vermengung zweier Stufen in einem Begriff statt: die Abgrenzung des geschädigten Objekts resp. Systems zum einen und zum anderen die Frage, ob dafür ein Schadenausgleich möglich ist oder nicht.3 Darüber hinaus wird der Blick nicht nur auf haftungsrechtliche Fragen eingeengt. Die Frage, auf welche Bereiche sich die Inanspruchnahme bezieht und welche Risiko- und Schadenbegriffe damit zugrundegelegt werden, ist Gegenstand der jeweils relevanten Anspruchsgrundlagen. In haftungs- und deckungsrechtlichem Zusammenhang ist beispielsweise die Beeinträchtigung individueller Rechtsposi­ tionen zu betrachten. Bei Abgaben und Auflagen sind umweltrechtliche Anforde­

1

2 3

Vgl. Janzen, H. (Ökologisches Controlling!996), S. 21 f. Als Beispiel für eine solche Situation können wiederum die Geschehnisse um die Ölverlade- und Lagereinrichtung „Brent Spar“ ange­ führt werden. Vgl. Medicus, D. (Umweltschutz 1986), S. 778. Vgl. Herbst, C. (Risikoregulierung 1996), S. 55.

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rungen zu erfassen und die Erfassung gesellschaftlicher Reaktionen hat individu­ elle Risikowahrnehmungen zu berücksichtigen.

.7.7.7.7.7> Erfassung der Schäden ----------- ► Herstellung der betriebswirtschaftlichen Wirksamkeit

Abb. 4:

Umweltrisiken im unternehmerischen Sinn: Erfolgs- und Interessen­ beeinträchtigungen aufgrund von Umwelteinwirkungen

Die Trennung von Umweltrisiken im eigentlichen und im unternehmerischen Sinn macht deutlich, daß es Umweltbeeinträchtigungen gibt, die (noch) nicht betriebswirtschaftlich wirksam sind, d.h. die Umweltschäden ziehen (noch) keine unternehmerischen Erfolgs- und Interessenbeeinträchtigungen nach sich. Be­ stimmte Schädigungen des Naturhaushaltes entgehen der rechtlichen Sanktionie­ rung und/oder werden von den gesellschaftlichen Gruppen nicht negativ wahrge­ nommen resp. sanktioniert und führen damit zu keinen ökonomischen Auswir­ kungen für die Unternehmen, d.h. sie werden nicht internalisiert. Umweltschäden, die nicht in die unternehmerische Kalkulation eingehen, können als negative externe Effekte betrachtet werden.1 Dieser Sachverhalt wird in der Abb. 4 durch die Zweiteilung des Naturhaushaltes und die punktierten Pfeile dargestellt, die 1

Vgl. Bartmann, H.: (Umweltökonomie 1996), S. 36. Als extern werden außerhalb von Marktbe­ ziehungen auftretende Effekte bezeichnet, die von ökonomischen Aktivitäten einzelner ausgehen und sich auf Dritte in positiver oder negativer Weise auswirken. Vgl. Ahms, H.-J./Feser, H.-D. (Wirtschaftspolitik 1997), S. 15.

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zwar zu den Feldern der dynamischen Gesellschaft und der dynamischen Um­ weltpolitik, aber von dort nicht weiter zum Unternehmen führen. Die Felder der dynamischen Gesellschaft und der dynamischen Umweltpolitik symbolisieren die zuvor beschriebenen ursachenbezogenen Komponenten des Umweltrisikos i.u.S. Durch sie werden die unternehmerischen Erfolgs- und Inter­ essenbeeinträchtigungen aufgrund verursachter Umwelteinwirkungen und Schäden hergestellt. Dementsprechend sollen sie als Transferfaktoren bezeichnet werden.1 Darüber hinaus wird deutlich, daß Umweltrisiken i.u.S. nicht nur auf Umweltschäden zurückzuführen sind. Auch die durch Umwelteinwirkungen ge­ schädigte, gestaltete und soziale Umwelt kann zu ökonomischen Konsequenzen für die Unternehmen und damit zu Umweltrisiken i.u.S. führen.

Überlegungen zum finanziellen Management von Umweltrisiken ist eine Be­ trachtung der ökonomischen Konsequenzen immanent. Dementsprechend stehen im weiteren Verlauf die Umweltrisiken i.u.S. im Mittelpunkt. Aus Vereinfa­ chungsgründen werden diese als Umweltrisiken bezeichnet. In Fällen, bei denen eine Unterscheidung notwendig ist, wird auf die Umweltrisiken i.eig.S. hingewie­ sen.

III.

Charakterisierung von Umweltrisiken

Der sachgemäße Umgang mit Umweltrisiken setzt Kenntnisse über deren typi­ sche Eigenschaften und ihre Auswirkungen auf Unternehmen voraus. Dieser Abschnitt beschreibt zunächst besondere Wesensmerkmale von Umweltrisiken und geht danach genauer auf die betriebliche Dimension von Umweltrisiken und die verschiedenen Formen ihrer ökonomischen Konsequenzen ein.

1.

Wesensmerkmale von Umweltrisiken

Der Versuch, Umweltrisiken anhand typischer Merkmale zu kennzeichnen, führt zu einer Vielzahl verschiedener Eigenschaften, die der Mehrzahl der Umweltrisi­ ken gemeinsam sind.2 Dabei fallen in vielerlei Hinsicht Unterschiede zwischen Umweltrisiken und sonstigen, im unternehmerischen Geschehen zu beobachten­ 1 2

Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 100. Zu unterschiedlichen, z.T. überlappenden Aufzählungen vgl. Siebert, H. (Umweltpolitik 1988), S. 114f.; Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 14f.; Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 8f.; Endres, A./ Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 97ff.; Haller, M./Petin, J. (Geschäft mit dem Risiko 1994), S. 158ff.

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den physisch-ökonomischen Risiken auf. Um die Wesensmerkmale von Umwel­ trisiken zu systematisieren, werden sie in Anlehnung an den Entstehungsprozeß von Umweltrisiken drei Oberpunkten zugeordnet. Die dabei aufgeführten Merk­ male können teilweise Überlappungen bzw. der Ablauforientierung entsprechend enge Beziehungen aufweisen. Die folgende Abb. 5 gibt einen Überblick über die Wesensmerkmale von Umweltrisiken.

Abb, 5:

Wesensmerkmale von Umweltrisiken

Die erste Gruppe der typischen Merkmale geht von Umwelteinwirkungen aus, beschreibt also die vielfältigen Wirkungspfade von Umweltrisiken. •

Planmäßigkeit und Dauerhaftigkeit von Umwelteinwirkungen1 Zwar lassen sich Umweltrisiken teilweise auch auf plötzliche, unvorhergese­ hene Ereignisse (Stör- und Unfälle) zurückführen, insgesamt sind sie aber eher durch eine mit dem Normalbetrieb der Produktion, Nutzung und Beseiti­ gung industrieller Güter verbundene schleichende Gefährdung gekennzeich­ net. Ursache für solche Allmählichkeitsschäden können dauernde und teilwei­ se auch planmäßige sowie vorhersehbare Emissionen und über längere Zeit­ räume gedehnte, wiederkehrende oder fortwährende Verdunstungs-, Verdampfungs-, Verplanschungs-, Abtropf- und Ablaufvorgänge sein.

1

Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 14; Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 8; Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 97f.

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Streß- und Akkumulationswirkungen 1 Eine jahrelange Dauerbelastung der Umwelt kann aufgrund verschiedener Wirkungsweisen zu Schädigungen führen. Neben der direkten Beschaffen­ heitsveränderung sind dabei besonders sog. Streß- und Akkumulationswir­ kungen zu berücksichtigen. Streßwirkungen drücken aus, daß Immissionen in geringen Dosen vorkommen können, ohne daß akute Schäden auftreten, das gestreßte System aber bei zusätzlichen, sonst problemlos zu verkraftenden Streßfaktoren akute, erkennbare Schäden zeigt. Akkumulationswirkungen er­ geben sich, wenn die Immissionen nicht nur in der Periode ihres Auftretens schädigende Wirkungen haben, sondern sich langfristig in den Umweltmedien anreichern und unter Umständen dauernd wirksam bleiben resp. ihre schädi­ gende Wirkung verstärken.2



Synergiewirkungen3 Verschiedene Imissionen können miteinander oder zwischen den Umweltme­ dien Zusammenwirken und sich dabei in ihren umweltschädigenden Wirkun­ gen verstärken.4 Dabei ist zusätzlich zu beachten, daß sich die Zusammenset­ zung und das Zusammenwirken der Immissionen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Weise örtlich und zeitlich verändern kann.

Die zweite Gruppe der Wesensmerkmale von Umweltrisiken hängt mit der Hete­ rogenität des Umweltschadens zusammen. •

Problem der Individualisierbarkeit des Schadens5 Das Problem der Individualisierbarkeit des Umweltschadens tritt in zweierlei Hinsicht auf. Zum einen kommt teilweise eine Vielzahl von Verursachern in Betracht, zum anderen kann sich eine Vielzahl Geschädigter ergeben. Bei den zahlreichen Verursachern von Umweltschäden heben sich unter den vielen Kleinemittenten nur wenige Großemittenten hervor. Schäden, bei denen keine

1

Vgl. Siebert, H. (Umweltpolitik 1988), S. 114; Minsch, J. (Umweltbereich 1988), S. 127ff.; Haller, M./Petin, J. (Geschäft mit dem Risiko 1994), S. 160. Als Beispiel für eine Streßwirkung läßt sich das Waldsterben anführen. Der durch sauren Regen und Luftverschmutzung gestreßte Wald ist anfälliger gegen zahlreiche Sekundärschädlinge oder klimatische Schwankungen. Akkumulationswirkungen zeigen sich bei Schwermetallablagerun­ gen in Flüssen oder Organismen oder bei der Bindung von Schadstoffen im Boden. Vgl. Minsch, J. (Umweltbereich 1988), S. 127ff.; Haller, M./Petin, J. (Geschäft mit dem Risiko 1994), S. 160; Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 14. Antagonistische, d.h. abschwächende Wirkungen sind auch denkbar, werden aber hier nicht berücksichtigt. Als Beispiel für die Synergiewirkungen lassen sich die Wirkungen von Luftver­ unreinigungen auf den Menschen anführen. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 14; Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 9.

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3 4 5

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unilaterale Struktur der Verursachung vorliegt, d.h. die von mehreren Verur­ sachern stammen können, werden auch als Summationsschäden bezeichnet.

Handelt es sich bei den Schäden um Personen-, Sach- oder Vermögensschä­ den, kann die Anzahl der Geschädigten ermittelt werden. Aber vor allem weite Teile der Schäden am Naturhaushalt sind nicht individuell zuordenbar. Betroffene von Umweltschäden können große Teile der Allgemeinheit sein.



Schadenausmaß und Distanzschäden1 Bei Umweltrisiken handelt es sich um stark streuende Risiken. Umweltschä­ den treten sowohl als Kleinschaden als auch als Groß- oder Katastrophenrisi­ ko, z.B. in Form eines Unfalls in industriellen Großanlagen, auf. Betriebliche Umweltkatastrophen können ein enormes Ausmaß an materiellen, finanziellen und personellen Schädigungen annehmen. Darüber hinaus können sog. Di­ stanzschäden auftreten, d.h. die Schädigung ist nicht auf den Ort des Unfalls oder der Entstehung der Emission begrenzt. Emissionen legen über die Transportmedien Luft und Wasser teilweise beträchtliche räumliche Distan­ zen zurück, bis sie ihre schädigende Wirkung entfalten. Die regionale Unbe­ grenztheit kann im Extremfall bis zu einer Globalisierung der Risiken führen.2



Irreversibilitäten3 Umweltschäden können irreversibel sein, d.h. es fehlt ihnen die „Rückholbarkeit“. Der alte Zustand des Umweltsystems läßt sich auch unter größten Anstrengungen und hohen Kosten oder in zeitaufwendigen Prozessen nicht wiederherstellen.

Auch aufgrund der Transferfaktoren des Umweltrisikos, d.h. aus dem Übergang der durch Umwelteinwirkung verursachten Schäden zum Umweltrisiko, ergeben sich typische Eigenschaften der Umweltrisiken. •

Komplexität von Kausalitäten4 Die Umwelt hat verschiedenste Substanzen von verschiedensten Emittenten aufzunehmen. Die verschiedenartigen Möglichkeiten des Zusammenwirkens der Substanzen macht die Analyse eindeutiger Ursache-Wirkungsprozesse schwierig. Kenntnislücken in bezug auf die Dosisschädlichkeit und die Stoff­

1

Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 97f.; Helten, E. (Ökologische Risiken 1991), S. 124. Als Beispiel für Distanzschäden können die radioaktiven Verseuchungen von Lebensmitteln etc. in Mitteleuropa nach dem Kemreaktorunglück in Tschernobyl 1986 angeführt werden. Vgl. Siebert, H. (Umweltpolitik 1988), S. 114; Haller, M./Petin, J. (Geschäft mit dem Risiko 1994), S. 160. Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 9; Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992),S. lOlf.

2

3 4

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

gefährlichkeit1 sowie das multikausale Zusammenwirken der Substanzen und Emittenten erschweren die Festlegung rechtlicher Grenzwerte und den Nach­ weis der Kausalität zwischen schädigender Emissionsquelle und Schadenein­ tritt. • Zeitlicher Ablauf: Latenzzeit, Schadenfeststellung und Entwicklungsrisikd2 Weitere typische Parameter von Umweltrisiken ergeben sich aus dem zeitli­ chen Ablauf ihrer Entstehung. Die Zeitspanne zwischen dem ersten Auftreten der schädigenden Emission und der ersten Feststellung des Schadens, die sog. Latenzzeit, kann sehr unterschiedlich ausfallen. Es kann sich um eng beiein­ ander liegende Zeitpunkte bei Stör- oder Unfällen, aber auch um Monate oder gar Jahre handeln. Umweltrisiken bergen damit ein hohes Spätschadenpoten­ tial. Neben den langen Latenzzeiten ergibt sich darüber hinaus das Problem der Unwissenheit bei Schadenfeststellung. Die Kenntnis über Schadstoffemissio­ nen ist nicht mit der Kenntnis über einen Schadenfall und den Schadenzeit­ punkt gleichzusetzen. Neben die Unsicherheit, einen Schaden überhaupt fest­ zustellen, tritt das Problem, daß der Zeitpunkt der Schadenfeststellung nicht mit dem Zeitpunkt des Schadeneintritts übereinstimmen muß. Der Zeitpunkt der ersten Beeinträchtigung kann weit vor der Feststellung liegen und ist oft­ mals nicht genau festzulegen. Darüber hinaus kann auch der Zeitpunkt der ökonomischen Sanktionierung des Schadens vom Zeitpunkt der Schadenfeststellung abweichen. Umweltrisi­ ken beinhalten sog. Änderungs- und Entwicklungsrisiken. Umweltschäden, für die bisher keine Ansprüche erhoben wurden, können bei Änderungen der Anspruchsgrundlagen zu späteren Zeitpunkten durchaus eine Sanktionierung erfahren. Auch Stoffe, deren Gefährdungspotential zum Zeitpunkt der geneh­ migten und tolerierten Emission nicht bekannt und nach dem Stand von Wis­ senschaft und Technik auch nicht erkennbar war, können zu Umweltrisiken führen, wenn zu späteren Zeitpunkten aufgrund neuerer Erkenntnisse und Meßmethoden das Gefährdungspotential festgestellt wird.

1 2

Eine lückenhafte Kenntnis der Stoffgefährlichkeit zeigte sich bspw. bei FCKW oder Asbest. Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 9; Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 104; Minsch, J. (Umweltbereich 1988), S. 122.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken



2.

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Problem der Monetarisierung1 Ein großer Teil der Umweltrisiken ist durch eine schwierige Monetarisierbarkeit gekennzeichnet. Durch Umweltschäden hervorgerufene Umweltrisiken sind schwer in Geldeinheiten meßbar, zumal dann, wenn keine Beeinträchti­ gung von Vermögens-, sondern nur von immateriellen Naturschutzinteressen besteht. Im Umweltbereich ist es nahezu ausgeschlossen, sich an den Kosten der Schadenbeseitigung zu orientieren. Zum einen ist eine Naturalrestitution, d.h. die Wiederherstellung des Ursprungszustandes des Naturhaushaltes, auf­ grund von Irreversibilitäten gegebenenfalls ausgeschlossen. Da die Kosten in vielen Fällen den Nutzen des ursprünglichen Zustands überschreiten, ist die Naturalrestitution zum anderen ökonomisch selten sinnvoll. Im Zusammen­ hang mit den unternehmerischen Umwelteinwirkungen wurde es versäumt, das ökonomische Regulationsinstrument, den Preis, auf die natürliche Umwelt auszuweiten. Für Umweltgüter existieren keine Märkte, somit ist ihr Wert nicht wie der anderer marktgängiger Güter aus Preisen ablesbar.

Umweltrisiken und die Gefahr unternehmerischer Erfolgsbeeinträchtigungen

Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, daß die Realisierung eines Umweltrisikos das letzte Glied einer Kette von Ursache-Wirkung-Beziehungen ist.2 Die durch Umwelteinwirkungen beeinträchtigte Umwelt ist ein Zwi­ schenglied dieser Kette, bildet jedoch die Ursache des komplexen unternehmeri­ schen Wirkungsbereichs. Dieser Wirkungsbereich kann in zwei Teilbereiche gegliedert werden: in juristische Folgen und in daraus ableitbare sowie unmittel­ bare ökonomische Folgen. Für eine ökonomische Betrachtung ist es naheliegend, die Wirkungen auf die angesprochenen Erfolgsziele und damit die Auswirkungen auf das Vermögen und die Erfolgsströme zu erfassen.3 Letztendlich lassen sich die Folgen als

(1) (2) (3)

zusätzliche Aufwandsströme, Vermögensminderungen und geminderte Ertragsströme

konkretisieren. Die folgende Abb. 6 verdeutlicht diese Zusammenhänge gra­ phisch. 1

2 3

Vgl. Binswanger, H./Minsch, J. (Ressourcenökonomie 1992), S. 43f.; Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 110f.; Polle, J. (Umweltrisiken 1991), S. 14. Vgl. Mugler, J. (Umweltschäden 1976), S. 37. Vgl. Karten, W. (Schadenbewertung 1988), S. 9.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

E

Technisches Versagen Organisatorisches Versagen Menschliches Versagen • unbewußt • fahrlässig • vorsätzlich/rechts widrig

- Stillegung, Wiederaufbau­ beschränkungen - Haftung, Wiederherstellung ■ “ Bestrafung - Gefahrenabwehr - Verzögerte Genehmigung - Einsatzverbote

— U

Abb. 6:

Eigenschaden Betriebsunterbrechung Absatzrückgang Negatives Image, Boykotte Verringerte Kreditwürdigkeit Investitionen in Umweltschutz

Wirkungskette von Umweltrisiken

Zu (1): Zusätzliche Aufwandsströme

Zusätzliche Aufwandsströme ergeben sich vor allem aus umweltrelevanten Vor­ schriften. Sie sind sowohl Ausdruck des Anpassungs- als auch des Haftungsrisi­ kos. Aus Umweltgesetzen und den entsprechenden Verordnungen abgeleitete behördliche Auflagen und einzuhaltende Grenzwerte verpflichten die Unterneh­ men, Maßnahmen zur Emissionsminderung und -Vermeidung durchzuführen. Damit sind i.d.R. Investitionen in sog. end-of-pipe Technologien oder in inte­ grierte Umweltschutztechnologien und damit zusätzliche Aufwandsströme ver­ bunden. Während bei ersteren nachgeschaltete, additive Techniken wie z.B. Fil­ teranlagen die entstandenen Emissionen nachträglich reduzieren, handelt es sich bei zweiteren um Produktionstechnologien, die das ursprüngliche Verfahren so verändern, daß die jeweiligen Schadstoffe gar nicht mehr entstehen.1 Verfah­ rensänderungen und damit zusätzliche Aufwendungen können sich auch durch 1

Die integrierten Umweltschutztechnologien sind zwar i.d.R. mit höheren Investitionskosten verbunden, führen aber häufig zu Einsparungen bei den Betriebskosten und zu Produktivitäts­ fortschritten

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Produktionsverbote oder das Verbot bestimmter Einsatzstoffe (z.B. FCKW) ergeben.

Im Sinne des Haftungsrisikos können die umweltrelevanten Vorschriften darüber hinaus zunehmende Aufwendungen für die Entschädigung oder Abwehr von Haftungsansprüchen und Schadenersatzforderungen bewirken.1 Damit in Zu­ sammenhang stehen gewöhnlich auch erhöhte Aufwandsströme durch Maßnah­ men zur Verbesserung der Betriebssicherheit und zusätzliche oder steigende Versicherungspämien. Zusätzlich können sich aus behördlichen Auflagen auch Aufwendungen aufgrund von Sanierungsverpflichtungen für kontaminierte Grundstücke ergeben. Schließlich kann die Mißachtung und Verletzung der ge­ setzlichen Vorschriften zur Verhängung von Strafen und Bußgeldern führen.

Im Zusammenhang mit den unternehmerischen Umweltbeeinträchtigungen ergibt sich ein weiterer, zu erhöhten Aufwandsströmen führender Aspekt, der dem Marktrisiko zuzurechnen ist: eine sich verschlechternde Kreditwürdigkeit und, damit zusammenhängend, erhöhte Kapitalkosten. Für einen Großteil der Kapital­ geber sind Umweltrisiken bei Kreditnehmern von geschäftspolitscher Bedeu­ tung.2 Mehrere Gründe machen Umweltrisiken auch für Kreditinstitute und ande­ re Kapitalgeber bedeutsam.3 Die mit dem Eintritt von Umweltrisiken verbunde­ nen finanziellen Belastungen des Kreditnehmers können so weit reichen, daß dieser nicht mehr in der Lage ist, den Kredit zurückzuführen. Neben diesem erhöhten Ausfallrisiko ergibt sich bei Krediten, die durch Hypo­ theken oder Grundschulden besichert sind, in zweifacher Weise ein höheres Be­ sicherungsrisiko. Zum einen kann ein Umweltschaden dazu führen, daß die Si­ cherheiten stark an Wert verlieren oder sogar wertlos werden. Zum anderen be­ steht die Möglichkeit, daß die Kreditinstitute für die Sanierung kontaminierter Grundstücke haften müssen. Die Banken können zur Sanierung der Umweltschä­ den und Altlasten anstelle des zahlungsunfähigen Kreditnehmers herangezogen werden, wenn sie aufgrund des Kreditausfalls auf die Sicherheit zurückgreifen und zu Eigentümern werden oder zumindest eine eigentümerähnliche Stellung einnehmen. Da die Sanierungspflicht nicht durch die Kredithöhe begrenzt ist, kann es dabei sogar vorkommen, daß die Verpflichtung den Kreditbetrag und den Wert des

1 2

3

Vgl. Meuche, T. (Ökologische Risiken 1994), S. 58. Wie eine von der Environmental and Finance Research Enterprise im Auftrag des United Nati­ ons Environment Programme durchgeführte Umfrage zeigt, sind 70 % der befragten Unterneh­ men der Meinung, daß unternehmerische Umweltbeeinträchtigungen ihrer Kunden großen Ein­ fluß auf ihr Geschäft haben. Vgl. o.V. (Financial Services Industry 1995), S. 4. Vgl. Keidel, T. (Ökologische Risiken 1997), S. 13ff.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Grundstücks vor dem Schaden übersteigt.1 Derartige Konsequenzen verändern die Einschätzung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers und damit die Risiko­ position der Bank.2 Aus diesem Grund werden vermehrt umweltbezogene Aspekte in die Kreditwürdigkeitsprüfung integriert und Gefährdungsabschätzun­ gen von Kontaminationen und ihren Auswirkungen auf als Sicherheiten dienende Grundstücke durchgeführt.3 Ein solcher Aufwand führt unweigerlich zu höheren Kosten für die Bank, die an den Kunden weitergegeben werden.4 Die geringere Sicherheit bei der Einschätzung der Kreditwürdigkeit und die Übernahme von größeren Risiken sowie höhere Kosten für die Einschätzung des Risikos bei den Banken bewirken höhere Zinsaufwendungen für die Unternehmen. Zu (2): Vermögensminderungen

Vermögensminderungen ergeben sich, wenn die geschädigte Umwelt zum Be­ triebsvermögen, insbesondere zum Sachanlagevermögen, gehört. Dabei kann es sich zum einen um sog. Eigenschäden, d.h. um kontaminierte Grundstücke des Unternehmens oder um Betriebseinrichtungen, die durch Umwelteinwirkungen geschädigt wurden, handeln. Zum andern können durch Umweltbelastungen verursachte Nutzungsbeschränkungen oder Einsatzverbote, die ausgesprochen wurden, da die Anlagen den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr entsprechen, für die Vermögensminderungen verantwortlich sein.5 Welche Auswirkungen das durch Umwelt-schäden geminderte materielle Vermögen eines Unternehmens auf den Unternehmenswert hat, zeigt die Vielzahl der mißglückten Veräußerungsbe­ mühungen der Treuhandanstalt für ostdeutsche Chemieunternehmen, die regel­ mäßig von Altlasten betroffen waren.6 Zu (3): Geminderte Ertragsströme

Der Ansicht entsprechend, daß Risiken nicht nur die Möglichkeit eines Verlu­ steintritts, sondern allgemein die Möglichkeit negativer Zielabweichungen aus­ drücken, umfaßt das Umweltrisiko neben Vermögensminderungen und Zahlun­ gen mit negativem Vorzeichen auch die Gefahr, daß der tatsächlich erzielte Ge­ winn niedriger ist als der ohne aufgetretene Störprozesse geplante Gewinn.7

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Keidel, T. (Ökologische Risiken 1997), S. 14. Vgl. Büschgen, H. E. (Ökologie 1992), S. 135. Mehr als 80 % der in oben erwähnter Studie befragten Unternehmen führen bei Kapital vergaben eine Überprüfung von Umweltrisiken durch. Vgl. o.V. (Financial Services Industry 1995), S. 4. Vgl. auch Overlack-Kosel (Umweltrisiken 1995), S. 66ff. Vgl. Coulsen, A. B./Dixon, R. (Environmental risk 1995), S.24. Vgl. Meuche, T. (Ökologische Risiken 1994), S. 59. Vgl. PeemölIer,V. H./Zwingel, T. (Ökolcgische Aspekte 1995), S. 139f. Vgl. Koch, H. (Risiko 1988), S. 1034.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Wenn bekannt wird, daß ein Unternehmen Umweltschäden verursacht hat oder umweltgefährdende Tätigkeiten ausübt, kann es zu dem bereits angesprochenen Marktrisiko in Form von Imageeinbußen und Änderungen des Verbraucher ver­ haltens kommen. Der damit verbundene Absatzrückgang ist der erste Faktor für verminderte Ertragsströme. Geminderte Ertragsströme können sich aber auch aus umweltrelevanten Vor­ schriften ergeben. Umweltgesetze und die entsprechenden Verordnungen stellen die Grundlage für die Erteilung resp. den Entzug behördlicher Betriebsgenehmi­ gungen, Erlaubnisse und Bewilligungen dar.1 Dabei können sich Situationen ergeben, bei denen Aspekte des Anpassungs- und des Marktrisikos zusammen­ spielen. Zum einen ziehen Verzögerungen bei der Erteilung der Genehmigung genehmigungspflichtiger Anlagen Umsatzeinbußen nach sich. Zum anderen kann es zum Wegfall von Erlösen kommen, wenn die an die Anlagen gestellten Anfor­ derungen nicht erfüllt werden und die Genehmigung des Betriebs entzogen oder dieser untersagt wird. Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß Unfälle und durch Störfälle zutage getretene Gefährdungspotentiale zu Wiederaufbaubeschränkun­ gen und damit zu Umsatzrückgängen führen.

1

Vgl. Meuche, T. (Ökologische Risiken 1994), S. 67.

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B.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

UMWELTPOLITISCHE UND RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DES BETRIEB­ LICHEN RISIKOMANAGEMENTS

Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, daß Umweltrisiken im unternehmerischen Sinn zu einem Großteil auf juristische Folgen von Umwelt­ beinträchtigungen zurückzuführen sind. Das betriebliche Umwelt- und Risikoma­ nagement vollzieht sich in einem Rahmen, der durch die staatliche Umweltpolitik und Umweltgesetzgebung vorgegeben wird. Die Kernelemente der umweltpoliti­ schen und -rechtlichen Rahmenbedingungen, die letztlich den Bedarf nach kon­ gruentem finanziellen Management bestimmen, sollen im folgenden vorgestellt werden.

I.

Staatliche Umweltpolitik

1.

Ziele und Prinzipien der Umweltpolitik

In der Bundesrepublik Deutschland wird Umweltpolitik seit etwa 25 Jahren als eigenständige Politik betrieben. Erste umweltpolitische Zielvorstellungen und grundlegende Prinzipien der Umweltpolitik wurden im Jahre 1971 im Umwelt­ programm der Bundesregierung niedergelegt.1 Aus der darin enthaltenen Defini­ tion des Begriffs der „Umweltpolitik“ läßt sich die sog. Zieltrias ableiten. Um­ weltpolitik kann als die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden werden, die notwendig sind, um

1. dem Menschen eine Umwelt zu sichern, wie er sie für seine Gesundheit und für ein menschenwürdiges Dasein benötigt, 2. Boden, Luft und Wasser, Pflanzen- und Tierwelt vor nachteiligen Wirkungen menschlicher Eingriffe zu schützen und 3. Schäden oder Nachteile aus menschlichen Eingriffen zu beseitigen.2 Diese „Zieltrias“ wurde in den letzten Jahren bekräftigt und durch diverse Leitli­ nien konkretisiert und umformuliert.3 Insgesamt wird als Zielsetzung der Um­ weltpolitik der Schutz und die Erhaltung von Leben und Gesundheit des Men­ schen und damit die Bewahrung und Sicherung der natürlichen Lebensgrundla­

1 2 3

Vgl. BT-Drucksache 6/2710, 1971, S. 6 und S. 9f. Vgl. BT-Drucksache 6/2710, 1971, S. 6. Vgl. dazu z.B. den Umweltbericht der Bundesregierung von 1990, (Umweltbericht 1990), S. 28.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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gen deutlich.1 Umweltschutz ist kein Selbstzweck, sondern unter dem sog. weiten antropohzentrischen Ansatz zu sehen.2 Auch wenn die Rechtsordnung Umwelt­ güter oder Teile des Naturhaushalts schützt und den Umweltgütern einen Eigen­ wert zubilligt, geschieht dies letztlich um des Menschen willen. Eine Konkretisie­ rung der genannten umweltpolitischen Ziele führt zu den drei Hauptfunktionen des staatlichen Umweltschutzes:3 1. Der präventiv-vorsorgenden Funktion, d.h. der Vermeidung künftiger Um­ weltgefährdung durch Vorsorgemaßnahmen und dem Einschreiten möglichst vor dem Schadeneintritt. 2. Der repressiv-zurückdrängenden Funktion, d.h. der Ausschaltung oder Min­ derung aktueller Umweltgefährdungen, z.B. durch Begrenzung oder Verrin­ gerung erlaubter Emissionen. 3. Der reparativ-wiederherstellenden Funktion, d.h. der Beseitigung bereits eingetretener Umweltschäden. Dazu werden Verpflichtungen zu Rekultivierungs- und Sanierungsmaßnahmen ausgesprochen. Die Umsetzung der umweltpolitischen Ziele und Funktionen soll auf der Basis von drei tragenden Grundsätzen, der sog. Prinzipientrias, geschehen:4 (1) dem Vorsorgeprinzip, (2) dem Verursacherprinzip, (3) dem Kooperationsprinzip. Zu (1): Nach dem in zahlreichen Umweltgesetzen verankerten Vorsorgeprinzip

sollen vorbeugende Maßnahmen dafür sorgen, daß Umweltbelastungen an ihrem Ursprung am Entstehen gehindert werden. Durch geeignete Verfahren und Pro­ dukte und eine entsprechende Begrenzung der Emissonen sowie die rechtzeitige Beseitigung entstandener Schäden sollen Gefahren für Menschen und Umwelt abgewehrt werden. Zu (2): Das bereits im Umweltprogramm von 1971 formulierte Verursacher­ prinzip fordert, daß die Kosten von Umweltbelastungen grundsätzlich der Verur­ sacher zu tragen hat.5 Obwohl das Verursacherprinzip ursprünglich als reines

Kostenzurechnungsprinzip verstanden wurde, stellen neuere Betrachtungen auch auf die Zurechnung der materiellen Verursachung der Umweltbelastungen ab. Dementsprechend bestimmt sich nach dem Verursacherprinzip, wem bestimmte 1 2 3 4 5

Vgl. Wicke, L. M. (Umweltökonomie 1993), S. 120. Vgl. Storm, P. (Einführung 1995), S. 12. Vgl. BT-Drucksache 11/1568, 1987, S. 15. Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 217f. Vgl. z.B. Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 220. Vgl. BT-Drucksache 6/2710, 1971, S. 6.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Umweltbelastungen zuzurechnen sind und wer für deren Beseitigung bzw. deren Verminderung in die Pflicht genommen wird oder einen Ausgleich leisten muß.1 Auf den Verursacher von Umweltbeeinträchtigungen können so Unterlassungsund Beseitigungspflichten sowie Ausgleichs- und gegebenenfalls Schadenersatzoder Entschädigungspflichten zukommen. So einfach dieses Prinzip in der Theo­ rie anmutct, allein die Schwierigkeiten bei der Festlegung des Verursachers zei­ gen, daß das Verursacherprinzip bei der instrumenteilen Umsetzung verkürzt wird. Der Verursacher wird i.d.R. nicht für sämtliche Umweltbelastungen ver­ antwortlich gemacht, sondern nur für diejenigen, die die staatliche Umweltpolitik für erforderlich hält.2 Die Grenzen des Verursacherprinzips werden durch das Gemeinlastprinzip beschrieben. Das Gemeinlastprinzip gehört nicht zur Prinzi­ pientrias, sondern zu einer untergeordneten Gruppe weiterer Handlungsprinzipi­ en. Für den Fall, daß sich bestimmte schädliche Umweltbeeinträchtigungen nur schwer oder gar nicht bestimmten Verursachern zurechnen lassen oder akute Notstände nicht anders beseitigt werden können, muß ausnahmsweise die Allge­ meinheit mit den Kosten für die Beseitigung belastet werden.3 Zu (3): Das Kooperationsprinzip enthält keine direkten Handlungsanweisungen

und ist mehr als Leitbild umweltpolitischer Prozesse zu verstehen. Nach dem Kooperationsprinzip sollen Staat und Gesellschaft zusammenarbeiten, um den Kenntnisstand in Umweltfragen zu erweitern, Entscheidungsgrundlagen zu ver­ bessern und Entscheidungsprozesse zu fördern.

2.

Instrumente der Umweltpolitik

Die staatlichen Mittel, mit denen die festgelegten Schutzziele und Grundsätze der Umweltpolitik umgesetzt werden sollen, bezeichnet man als umweltpolitische Instrumente. Die Instrumente basieren grundsätzlich auf den dargestellten Prinzi­ pien. Die Mehrzahl der Instrumente orientiert sich am Verursacherprinzip, d.h. der Zurechnung der Kosten der Umweltbelastungen auf den bzw. die Verursa­ cher.

In der Literatur wird eine Vielzahl umweltpolitischer Instrumente vorgestellt. Einige dieser Instrumente werden zwar in der Theorie und teilweise auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert, finden aber in der umweltpolitischen Praxis Deutschlands (noch) keine Anwendung. In der folgenden Abb. 7 wird ein Über­

1 2 3

Vgl. Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 223. Vgl. Schmidt, R. (Umweltrecht 1995), S. 6. Vgl. Bartmann, H. (Umweltökonomie 1996), S. 115.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

blick über die wichtigsten umweltpolitischen Instrumente gegeben, die sich nach ihrer Wirkung auf unternehmerische Entscheidungen in (1) Instrumente zur direkten Verhaltenssteuerung und (2) Instrumente zur indirekten Verhaltenssteuerung

einteilen lassen. Emissionsauflagen Umweltauflagen

Instrumente zur direkten Verhaltenssteuerung

Produktionsauflagen

Prozeßauflagen

Administrative Kontrollpflichten und individuelle Umweltpflichten

Instrumente staatlicher Umweltpolitik Kompensationsregelung

____________ Instrumente zur indirekten Verhaltenssteuerung

Zertifikatslösung

Umweltabgaben Umwelthaftung

Abb. 7:

Instrumente staatlicher Umweltpolitik1

Zu (1): Instrumente zur direkten Verhaltenssteuerung

Die Instrumente der direkten Verhaltensbeeinflussung geben ihren Adressaten ein bestimmtes Verhalten, d.h. ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zwin­ gend vor. Diese Instrumente sind i.d.R. als Umweltauflagen, d.h. als direkte um­ weltbezogene Verhaltensvorschriften in Form von Geboten und Verboten ausge­ staltet.2 Ge- und Verbote sind in zahlreichen Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften kodifiziert. An der jeweiligen Schadenursache anset­ zend, läßt sich die Vielzahl der Auflagenarten in Emissions-, Produktions- und Prozeßauflagen unterteilen. Emissionsauflagen legen Emissionshöchstwerte fest, die nicht überschritten werden dürfen und finden insbesondere im Gewässer­ 1

2

In Anlehnung an Matschke, M./Jaeckel, U. D./Lemser, B. (Umweltwirtschaft 1996), S. 36; Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 226ff.; Voßkuhle, A. (Instrumente 1995), S. 79ff. Vgl. Bartmann, H. (Umweltökonomie 1996), S. 120.

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schütz und in der Luftreinhaltepolitik der Bundesrepublik Niederschlag. Bei Produktionsauflagen handelt es sich zum einen um Mengenlimitierungen oder Produktionsverbote für bestimmte Produkte. Zum andern werden Auflagen für unerwünschten Output, sog. Emissionsautlagen, ausgesprochen, die eine Höchstmenge an Schadstoff-, Strahlen und Lärmemissionen festlegen, die nicht überschritten werden darf.1

Prozeßauflagen lassen sich weiter unterteilen in Inputauflagen und Verfah­ rensauflagen, sog. Prozeßnormen. Während die Inputauflagen Anforderungen an die im Produktionsprozeß eingesetzten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe festlegen, die bis zu Verboten reichen können, enthalten die Prozeßnormen Vorschriften für die bei der Produktion angewendeten technischen Verfahren und Technologien. Dabei lassen sich Prozeßnormen unterscheiden, die den Einsatz von Verfahren nach allgemein anerkannten Regeln der Technik, nach dem Stand der Technik oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik fordern. Während die all­ gemein anerkannten Regeln der Technik von der Mehrzahl der Betreiber der jeweiligen Anlagen bereits eingesetzt werden, ist der Stand der Technik zwar im Betrieb schon erprobt, aufgrund seiner Neuheit aber noch nicht allgemein ver­ breitet.2 Bei Forderungen nach Technologien, die dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechen, sind schließlich die fortschrittlichsten verfügbaren Verfahren anzuwenden. Da derartige Verfahren i.d.R. erst vor kurzem entwickelt wurden, verfügen sie noch über keinerlei Erprobung in der Praxis. Neben den Auflagen werden administrative Kontrollinstumente und individuelle Umweltpflichten als Instrumente direkter Verhaltenssteuerung eingesetzt.3 Bei administrativen Kontrollinstrumenten handelt es sich insbesondere um Überwa­ chungsbefugnisse, Anzeige- und Erlaubnispflichten sowie Untersagungsermäch­ tigungen. Zu den individuellen Umweltpflichten gehören Überwachungs-, Sicherungs- und Sorgfaltspflichten sowie die Bestellung eines Umweltschutzbeauf­ tragten. Zu (2): Instrumente zur indirekten Verhaltenssteuerung

Während die Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung ein bestimmtes Ver­ halten vorschreiben oder direkt untersagen und so den unternehmerischen Spiel­ raum einschränken, lassen die Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung den Adressaten einen weiten Entscheidungsspielraum. Sie nehmen Einfluß auf die Motivation der Adressaten und sollen ein wirtschaftliches Eigeninteresse der 1 2 3

Vgl. Matschke, M./Jaeckel, U. D./Lemser, B. (Umweltwirtschaft 1996), S. 38. Vgl. Kloepfer, M. (Umweltstaat 1993), S. 86ff.; Matschke, M./Jaeckel, U. D./Lemser, B. (Umweltwirtschaft 1996), S. 38. Vgl. Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 227.

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Verursacher an der stetigen Verminderung der Umweltbelastungen bewirken. Die Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung werden deshalb auch als ökono­ mische oder marktwirtschaftliche Instrumente der Umweltpolitik bezeichnet. Eine Form der Flexibilisierung der Auflagenstrategie stellen sog. Kompensati­ onsregelungen dar, die z.B. im US-Luftreinhalterecht eingesetzt werden und ins Bundes-Immissions-schutzgesetz (BImSchG) eingeführt wurden. Auf der Über­ legung basierend, daß in einer bestimmten Region ein bestimmtes Maß an Um­ welteinwirkungen nicht überschritten werden darf, werden den Unternehmen austauschbare Verschmutzungskontingente genehmigt. Im Kern steht hinter den Kompensationsregelungen die Überlegung, durch den Austausch der Kontingente bestimmten Anlagen eine Erhöhung der Emissionen zuzugestehen, wenn diese Erhöhung durch Emissionsverminderungen bei anderen Anlagen kompensiert wird.1 Auf einer ähnlichen Grundidee beruhen die sog. Zertifikatslösungen. Diese knüp­ fen das Recht auf die Emission einer bestimmten Menge eines Schadstoffes an den Besitz einer entsprechenden Menge von Emissionserlaubnisscheinen, den Zertifikaten.2 Die Zertifikate sind innerhalb der Region, für die das Emissions­ kontingent gilt, frei handelbar. Zertifikatsmodelle finden in der Bundesrepublik keine Anwendung, sind aber im Zusammenhang mit der CO2- bzw. Treibhaus­ problematik wieder in die Diskussion gekommen.3

Eines der wichtigsten und das wohl am meisten diskutierte Instrument der Um­ weltpolitik sind Umweltabgaben. Abgaben können ganz allgemein als Geldlei­ stungen definiert werden, die von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen aufgrund gesetzlicher Regelungen erhoben werden. Hierbei unterscheidet man in erster Linie Steuern, Gebühren und Beiträge. Abweichend von dieser Terminolo­ gie werden alle umweltbezogenen Formen öffentlich-rechtlicher Abgaben verein­ fachend unter dem politischen Sammelbegriff der Ökosteuer zusammengefaßt. Jeder Verursacher eines bestimmten Schadstoffs hat für die von ihm verursachte Emissionsmenge Zahlungen an den Staat zu leisten.4 Der Preis der Abgabe je Schadenseinheit, der Abgabesatz, ist konstant und für alle gleich. Je geringer die Menge oder Schädlichkeit der Emission ist, desto geringer sind die zu leistenden Zahlungen. Neben den im Abwassergesetz festgelegten Abwasserabgaben wer­

1 2 3 4

Zu den verschiedenen Konzepten der Kompensationsregelungen vgl. Bartmann, H. (Umweltökonomie 1996), S. 134f. Vgl. Endres, A. (Umweltökologie 1995), S. 99. Vgl. Bartmann, H. (Umweltökonomie 1996), S. 149. Vgl. Endres, A. (Umweltökologie 1995), S. 99.

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den in verschiedenen Bundesländern noch Naturschutzausgleichsabgaben und Waldabgaben sowie Sonderabfallabgaben und der sog. Wasserpfennig erhoben.1

Ein weiteres Instrument der indirekten Verhaltenslenkung stellen Haftungssyste­ me dar. Regeln zur Umwelthaftung legen fest, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang der durch eine Umweltbeeinträchtigung Geschädigte Anspruch auf Kompensation des Schadens durch den Verursacher hat.2 Haftungssysteme sollen zwei Funktionen erfüllen: eine repressive und eine präventive Funktion. Die repressive Funktion trägt dem Verursacherprinzip Rechnung und dient dem Ausgleich und Ersatz bereits eingetretener Umweltschäden. Damit steht die ge­ rechte Verteilung des Schadenaufkommens resp. der angemessene Schadenaus­ gleich im Mittelpunkt.3 Die präventive Funktion zielt darauf ab, Umweltschäden erst gar nicht eintreten zu lassen. Potentielle Schädiger sollen durch die Andro­ hung, für verursachte Umweltschäden einstehen zu müssen, von vornherein zu einem umweltverträglichen Verhalten angehalten werden. Die Haftung kann grundsätzlich in Form der Verschuldenshaftung und der Ge­ fährdungshaftung ausgestaltet sein. Bei der Verschuldenshaftung kann der Ge­ schädigte nur dann Schadensansprüche durchsetzten, wenn der Schaden aufgrund fehlender Sorgfalt, d.h. fahrlässig oder vorsätzlich, herbeigeführt wurde. Hat der Schädiger nicht schuldhaft gehandelt, ist er von der Haftung befreit.4 Der Nach­ weis des schuldhaften Handelns des Verursachers liegt beim Geschädigten. Demgegenüber kommt es bei der Gefährdungshaftung auf ein schuldhaftes Han­ deln des Schädigers nicht an. Dieser muß für jeden von ihm verursachten Scha­ den verschuldensunabhängig haften. Das Prinzip der Gefährdungshaftung wird dadurch begründet, daß risikoreiches Verhalten, z.B. der Betrieb umweltgefähr­ dender Anlagen, nur akzeptiert werden kann, wenn sämtliche Folgen vom Betrei­ ber übernommen werden.5 Unabhängig davon, ob alle erdenklichen Vorsichts­ maßnahmen getroffen wurden oder nicht, derjenige, der durch den Betrieb be­ stimmter Anlagen Umweltbelastungen verursacht, soll für die Folgen seines Han­ delns einstehen und sie nicht auf die Allgemeinheit abwälzen.

1 2 3

4 5

Vgl. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 56. Vgl. Endres, A. (Umweltökologie 1995), S. 55. Vgl. Hoppe, W./Beckmann, M. (Umweltrecht 1989), S. 259; Bartmann, H. (Umweltökonomie 1996), S. 158. Vgl. Endres, A. (Umweltökologie 1995), S. 56. Vgl. Deutsch, E. (Umwelthaftung 1995), S. 101.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

3.

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Umweltrecht - Überblick und Abgrenzung

Das Umweltrecht stellt das Hauptinstrument der Verwirklichung der Umweltpo­ litik dar. Ein systematischer Umgang mit der Materie Umweltrecht gestaltet sich allerdings aufgrund der Vielzahl der umweltrelevanten Vorschriften und der fehlenden klaren Abgrenzung des Rechtsgebiets problematisch.1 Umweltrecht kann als Querschnittsrecht aufgefaßt werden. Neben umweltspezifischen Geset­ zen finden sich über die gesamte Rechtsordnung zerstreute Regelungen.2 Dem­ entsprechend fehlt bisher eine allgemeine Definition des Begriffs des Um­ weltrechts. Es können jedoch alle Gesetzte, die dem Umweltschutz dienen sollen, unter dieser Bezeichnung subsumiert werden. Da es nicht im Sinne einer Arbeit sein kann, in deren Mittelpunkt das finanzielle Management von Umweltrisiken steht, die Vielzahl dieser Gesetze aufzuführen und zu problematisieren, beschränkt sich die Vorstellung der relevanten Rechts­ vorschriften auf Teilbereiche. Entscheidend ist, welche Auswirkung die jeweilige Vorschrift auf das Unternehmen hat, d.h. in welcher Form sich aus der Vorschrift ein Umweltrisiko im unternehmerischen Sinn ergeben kann und die gesetzlichen Regelungen die angesprochenen unternehmerischen Erfolgsbeeinträchtigungen zur Folge haben. Anknüpfend an die drei Hauptfunktionen der Umweltpolitik, der präventiv-vorsorgenden Funktion, der repressiv-zurückdrängenden Funktion und der reparativ-wiederherstellenden Funktion lassen sich die Rechtsvorschrif­ ten systematisieren. Danach können Vorschriften unterschieden werden, die Umweltschäden verhindern sollen. Ferner gibt es Vorschriften, die der Minde­ rung aktueller Umweltgefährdungen dienen sollen und schließlich existieren Vorschriften, welche die Beseitigung und den Ausgleich bereits eingetretener Umweltschäden zum Inhalt haben.

Sowohl die Gruppe der Vorschriften zur Verhinderung der Umweltschäden als auch die der Risikominderung beziehen sich auf aktuelle sowie künftige Umwelt­ gefährdungen. Beide Gruppen beinhalten auflagenorientierte Forderungen nach der Installation von Vorsorgemaßnahmen oder der Begrenzung resp. Verringe­ rung erlaubter Emissionen. Um die betroffenen Anlagen betreiben oder allgemein ausgedrückt, um die unternehmerischen Aktivitäten ausführen zu können, müssen sich Unternehmen an die jeweiligen Vorschriften und darin enthaltene Umwelt­

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2

Vgl. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 5ff.; Voßkuhle, A. (Zielsetzung 1995), S. 12f. Seit einiger Zeit gibt es Überlegungen, die verschiedenen Rechtssätze des Umweltrechts in einem abgeschlossenen Umweltgesetzbuch zusammenzufassen. Vgl. Kloepfer, M./Rehbinder, E7Schmidt-Aßmann, E. (Umweltgesetzbuch 1990) und Jarass, H.D. et al. (Umweltgesetzbuch 1994); FAZ (Belastungen 1997), S. If; Bundesministerium für Umwelt (UGB-KomE 1997).

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Standards anpassen. Die Pflicht zu Anpassungsmaßnahmen ist für den als Anpas­ sungsrisiko bezeichneten Aspekt des Umweltrisikos verantwortlich.1 Die Vorschriften, welche die reparativ-wiederherstellende Funktion verwirkli­ chen sollen, werden in den nächsten Kapiteln ausführlicher vorgestellt. In Anleh­ nung an das Verursacherprinzip werden dabei neben Vorschriften zur Schaden­ beseitigung auch Ausgleichs- sowie Schadenersatz- oder Entschädigungspflichten erfaßt. Da diese Vorschriften direkt darauf abzielen, für die Umweltschäden zu haften, d.h. sie, ggf. mit finanziellen Mitteln, wieder auszugleichen2, wird ihre Wirkung auf die Aufwandsströme unmittelbar deutlich.

Üblicherweise wird Haftung als zivilrechtliche Schadenersatzverpflichtung inter­ pretiert. Wer wegen der Schädigung eines anderen ersatzpflichtig ist, haftet.3 Hier soll der Haftungsbegriff weiter gefaßt werden. Wenn Unternehmen für ihr um­ weltschädigendes Verhalten sachlich und daran anknüpfend auch finanziell zur Verantwortung gezogen werden können, soll dies unter Erweiterung des klassi­ schen Haftungsbegriffs als Haftung für Umweltschäden aufgefaßt werden.4 Gesetzliche Grundlagen für eine solche Umwelthaftung sind in verschiedenen Rechtsgebieten zu finden. Dabei ist allerdings zu beachten, daß unter haftungs­ rechtlichen Gesichtspunkten nur das als Umweltschaden gilt, was anhand gesetz­ licher Vorschriften als Umweltschaden geltend gemacht werden kann.5 Dement­ sprechend wird bei den Vorschriften zum Schadenausgleich einerseits nur ein Teil des in dieser Untersuchung abgegrenzten Umweltschadens erfaßt. Anderer­ seits besteht die Möglichkeit, für auf dem Umweltpfad geschädigte Personen und Sachen, d.h. Elemente der geschaffenen Umwelt, die nicht vom Umweltrisiko i.eig.S. erfaßt werden, einen Schadenausgleich zu erzielen. Die Vorschriften zum Schadenausgleich sind damit für den Aspekt des Haftungsrisikos im Rahmen des Umweltrisikos i.u.S. verantwortlich. Die skizzierte Systematisierung der für die vorliegende Arbeit relevanten um­ weltrechtlichen Vorschriften wird in der nachstehenden Abb. 8 nochmals gra­ phisch dargestellt. Dabei wird auch die Struktur verdeutlicht, an der sich die folgenden Ausführungen orientieren.

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Zum Begriff der Anpassungsmaßnahmen vgl. Herzig, N. (Umweltschutz 1990), S. 1344. Dabei ist zu beachten, daß der Begriff des Schadenausgleichs hier weit gefaßt ist. Neben dem finanziellen Ausgleich für unzumutbare Belastungen umfaßt er auch die angesprochenen Ver­ pflichtungen zum „Ausgleich“ des Schadens in Form von Beseitigung, Sanierung und Schaden­ ersatz. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 3. Vgl. Klingmüller, G. (Haftung 1989), S. 141; Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 9. Vgl. Hofmann, M. (Umweltrisiken 1995), S. 30 und die Ausführungen zu Umweltrisiken i.eig.S., S. 42f.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Abb. 8:

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Abgrenzung umweltrechtlicher Vorschriften

Bevor die wichtigsten Regelungen zur Umwelthaftung erläutert werden, stehen zunächst die auflagenorientierten Verhaltensvorschriften im Mittelpunkt. Die meisten dieser Verhinderungs- und Minderungsnormen liegen im Verwaltungs­ recht. Für Aktivitäten, welche die Nutzung der Umwelt oder Einwirkungen auf die Umwelt beinhalten, ist entweder eine behördliche Genehmigung erforderlich, besteht eine Anzeigepflicht oder die Tätigkeit ist zumindest der behördlichen Überwachung unterstellt.1 In Abhängigkeit der von den Tätigkeiten betroffenen natürlichen Ressourcen sind die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen in Geset­ zeswerken wie dem Bundes-Imissionsschutzgesetz (BImSchG), dem Wasser­ haushaltsgesetz (WHG) sowie dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW/AbfG) geregelt. Das BImSchG ist das zentrale Gesetz auf dem Gebiet des öffentlichen Imissionsschutzes. Ziel des Gesetzes ist die Vermeidung, Verminderung oder Beseitigung 1

Vgl. Schmidt, R./Sandner, W. (Umweltrecht 1996), S. 418.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

von Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterun­ gen und ähnliche Vorgänge, bevor sie zu Umweltgefahren werden. Das BImSchG normiert in erster Linie den anlagenbezogenen Immissionsschutz. Anlagen, die in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkun­ gen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbar­ schaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder zu belästigen, bedürfen einer besonderen Genehmigung.

Die Erteilung der Errichtungs- und Betriebsgenehmigung setzt die Erfüllung der sog. Betreiberpflichten voraus. Diese Pflichten sind allerdings nicht nur zum Zwecke der Genehmigungserteilung zu beachten, im Gegenteil, die Betreiber­ pflichten sind als dynamische Pflichten zu verstehen. Sie sind insbesondere in der Betriebsphase einzuhalten und können sich dabei auch inhaltlich verändern.1 Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang zum einen die Schutz­ pflicht, nach der eine Genehmigung nur erteilt werden kann, wenn sichergestellt ist, daß keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch die Anlagen hervorgerufen werden können, und zum anderen die Vorsorgepflicht. Danach wird eine Vorsor­ ge gegen schädliche Umwelteinwirkungen gefordert, insbesondere durch Maß­ nahmen zur Emissionsbegrenzung, die dem Stand der Technik entsprechen.

Die Frage, ob Schädlichkeitsgrenzen vorliegen und wann ein Nachteil oder eine Belastung erheblich ist, wird nicht im BImSchG selbst beantwortet. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Verwaltungsvorschriften der technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) und der technischen Anleitung Lärm (TA Lärm).2 Die TA Luft enthält für die einzelnen Schadstoffe die jeweils einzuhaltenden Emissions- und Immissionsgrenzwerte. In der TA Lärm werden auf bestimmte Gebietstypen und Tageszeiten bezogene Lärmgrenzwerte festgelegt. Werden diese Grenzwerte überschritten, gilt eine Umwelteinwirkung als schädlich.3 Ent­ sprechend verändern sich durch Verschärfungen der Grenzwerte der Inhalt und damit die Anforderungen der Schutzpflicht.

Zentrales Gesetz des öffentlichen Gewässerschutzes ist das Wasserhaushaltsge­ setz (WHG). Das WHG verpflichtet Unternehmen dazu, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die nach den

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Vgl. Sandner, W. (Immissionsschutzrecht 1995), S. 126. Verwaltungs Vorschriften sind Anordnungen der vorgesetzten gegenüber der nachgeordneten Behörde, die innerhalb der Verwaltung eine richtige, zweckmäßige und einheitliche Verwal­ tungstätigkeit gewährleisten sollen. Rechts Verordnungen sind von Organen der Exekutive ge­ setzte, allgemeinverbindliche Anordnungen, die nicht in einem förmlichen Gesetzgebungsver­ fahren ergangen sind. Vgl. Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 231. Vgl. Sandner, W. (Immissionsschutzrecht 1995), S. 107.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verunreinigung des Wassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu verhindern. Emissionsbegrenzende Vorsorge Vorschriften gebieten es, die Schad­ stofffracht des Abwassers so gering zu halten, wie dies bei Einhaltung der jewei­ ligen Mindestanforderungen, mindestens jedoch nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, bei gefährlichen Stoffen nach dem Stand der Technik mög­ lich ist. Die angesprochenen Mindestanforderungen werden durch allgemeine Verwaltungsvorschriften festgelegt.

II.

Umwelthaftung

Die folgende Darstellung der wichtigsten Regelungen der Umwelthaftung orien­ tiert sich an den herkömmlichen Rechtsbereichen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht. Während das öffentliche Recht das Verhältnis des Einzelnen zum Staat und anderen öf­ fentlichen Rechtsträgern regelt, d.h. regelmäßig ein Über- und Unterordnungs­ verhältnis zwischen Staat und Einzelnem gegeben ist, betrifft das Zivilrecht die Rechtsbeziehungen der Einzelnen untereinander, d.h. die Rechtsträger stehen sich auf der Ebene der Gleichordnung gegenüber. Obwohl das 1991 in Kraft getretene Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) dem Zivilrecht zuzuordnen ist, wird es auf­ grund seiner Bedeutung für die Finanzierung, insbesondere bei der Versicherung von Umweltschäden, in einem gesonderten Abschnitt behandelt.

1.

Öffentlich-rechtliche Haftungsgrundlagen

Im Rahmen des öffentlichen Rechts ergeben sich Vorschriften zum Schadenaus­ gleich insbesondere aus Verpflichtungen zur Schadenbeseitigung in Form von Rekultivierungs- oder Sanierungsmaßnahmen. Dabei ist der durch die unterneh­ merischen Tätigkeiten in Mitleidenschaft gezogene Umweltzustand wiederherzu­ stellen oder zumindest eine Annäherung an den ehemals gegebenen Umweltzu­ stand herzustellen.

Gemäß § 8 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist der Verursacher eines Eingriffs in Natur und Landschaft zeitgleich mit der Genehmigung seiner Aktivität zu verpflichten, unvermeidliche Naturbeeinträchtigungen durch Maß­ nahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen. Ein Eingriff gilt als ausgeglichen, wenn keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibt und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ist der Naturhaushalt endgültig geschä­

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

digt und ein vollständiger Ausgleich der naturräumlichen Beeinträchtigungen an Ort und Stelle nicht möglich, so können gemäß § 8 Abs. 9 BNatSchG entspre­ chende Ländergesetze ausgleichende Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle vor­ schreiben. Um für die durch den Eingriff beeinträchtigten Flächen eine Ersatz­ funktion zu ermöglichen, sind andere Flächen ökologisch aufzuwerten.1 Beispiele für solche Rekultivierüngsforderungen sind die Wiederauffüllungsver­ pflichtungen von Kiesgruben, Bohrlöchern oder im Braunkohletagebau, Wieder­ anlage- und Wiederaufforstungsverpflichtungen gemäß § 9 Abs. 2 Bundeswald­ gesetz sowie Verpflichtungen zum Gruben- und Schachtversatz im Bergbau.2 Eine weitere Rekultivierungsverpflichtung ergibt sich aus § 36 KrW-/AbfG. Danach soll die zuständige Behörde den Inhaber einer Deponie dazu verpflich­ ten, auf seine Kosten das Gelände der Deponie nach deren Stillegung zu rekulti­ vieren. Sanierungsverpflichtungen im öffentlichen Recht ergeben sich i.d.R. im Zusam­ menhang mit Altlasten. Obwohl der Begriff der Altlast vielfach verwendet wird, gibt es keinen einheitlichen Altlastenbegriff im Bundesrecht. Nur in verschiede­ nen Landesgesetzen wird der Begriff der Altlasten näher konkretisiert.3 Im all­ gemeinen versteht man unter Altlasten Flächen mit Altablagerungen oder sog. Altstandorte, d.h. Standorte ehemaliger Betriebe, die durch antrophogene Schad­ stoffanreicherungen im Boden gekennzeichnet sind. Die Schadstoffanreicherung bewirkt eine Boden- und/oder Gewässerschädigung oder zumindest eine Bodenund/oder Gewässergefährdung.4 Teilweise wird von einer Altlast nur dann ge­ sprochen, wenn die unternehmerische Aktivität, welche die Schadstoffanreiche­ rung verursacht hat, inzwischen aufgegeben wurde. In einer weiteren, hier zu­ grundeliegenden Auffassung, können aber auch bestehende Kontaminierungen, die auf eine noch laufende Produktion zurückgehen, unter dem Begriff der Altla­ sten erfaßt werden. Bevor die rechtlichen Grundlagen der Sanierungsverpflichtungen dargestellt werden, soll zunächst ein kurzer Überblick über das Ausmaß der finanziellen Konsequenzen gegeben werden, das sich aus den bei einer Bodenverunreinigung zu treffenden Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen ergeben kann. Eine mögli­ che Sicherungsmaßnahme stellt das Einziehen eines Dichtwandsystems in den Boden dar, mit dem verhindert werden soll, daß sich die Schadstoffe weiter ver­ breiten können. Der Quadratmeterpreis einer dazu geeigneten Dichtungsfolie

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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 157f. Klein, M. (Umweltschutzmaßnahmen 1992) S. 1775. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 276f. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 277.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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beträgt inkl. Einbau zwischen 200 und 300 DM. Die Sicherung einer relativ klei­ nen Altlastenfläche von ca. 1.000 m2 durch ein 15 m tief reichendes Dichtwand­ system kostet damit zirka 4 Mio. DM.1 Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, daß die Kosten für die Sanierung einer einzigen Altlast leicht zwei- bis dreistelli­ ge Millionenbeträge erreichen können.2 Sanierungsmaßnahmen sind i.d.R. noch aufwendiger und kostenträchtiger. Die Kosten für die Dekontamination einer Bodenverunreinigung können, in Abhän­ gigkeit davon, ob eine sog. „BodenWäsche“, eine Deponierung oder eine thermi­ sche Behandlung des kontaminierten Erdreichs notwendig ist, 200 bis 800 DM je Tonne erreichen.3 Transport- und Wiederauffüllungskosten sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Wird die Existenz einer Altlast bekannt, schalten sich i.d.R. die zuständigen Umweltbehörden ein und verpflichten den Verursacher oder Eigentümer des verseuchten Grundstücks zur Beseitigung der Schadstoffanreicherungen oder anderen Maßnahmen der Gefahrenabwehr zum Schutz des Grundwassers. Man­ gels spezialgesetzlicher Eingriffsermächtigungen und fehlender privatrechtlicher Haftungsgrundlagen wird als Rechtsgrundlage für das behördliche Einschreiten i.d.R. das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht herangezogen.4 Voraussetzung für eine polizeirechtliche Sanierungsanordnung ist das Vorliegen einer Gefahr.

Nach öffentlichem Polizeirecht liegt eine Gefahr vor, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein aus einem gegenwärtigen Zustand oder Verhalten er­ wachsender Schaden für Leib und Leben von Menschen oder andere Rechtsgüter nicht ausgeschlossen werden kann. Von besonderer Bedeutung als Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit ist dabei die Reinheit des Grundwassers. Bereits die ent­ fernte Möglichkeit des Eintritts einer Grundwasserverschmutzung genügt zur Bejahung der Gefahr.5 Besteht eine Gefahr, ergeht i.d.R. eine Sanierungsverfü­ gung. Mit der Sanierung soll ein Zustand geschaffen werden, der auf Dauer un­ terhalb der Gefahrenschwelle liegt.6 Die Herstellung des ursprünglichen Zustands ist häufig selbst unter größten Anstrengungen und hohen Kosten oder in zeitauf­ wendigen Prozessen nicht möglich und kann deshalb als Maßnahme der Gefah­ renabwehr nicht verlangt werden. Im folgenden werden unter dem Begriff der

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Vgl. Pudill, R. (Umwelthaftung 1995), S. 262. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 2; Kamphausen, P./Kolvenbach, D./Wassermann, B. (Umweltschäden 1987), S.3. Vgl. Pudill, R. (Umwelthaftung 1995), S. 262. Vgl. Erichsen, S. (Umweltrisiken 1995), S. 274; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 134f. Vgl. Schmidt, R. (Umweltrecht 1995), S. 183 i.V.m. S. 63. Vgl. Enders, R./Uwer, D. (Altlastenrecht 1995), S. 632.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Sanierung Maßnahmen von der Ermittlung von Altlasten und der Gefahrenab­ schätzung, über die Sicherung und Unterbrechung der Kontaminationspfade, der Dekontamination oder Umlagerung der Altlastenfläche bis zur Überwachung und Nachsorge verstanden.1 Große Probleme bereitet regelmäßig die Frage der Sanierungsverantwortlichkeit. Um die Adressaten und Kostenträger der behördlichen Gefahrenabwehrmaßnah­ men qualifizieren zu können, muß die bestehende Gefahr bestimmten Personen zugerechnet werden.2 Anhand des Polizei- und Ordnungsrechts wird die Pflicht zur Tragung der Dekontaminations- und Sanierungskosten sog. Störern, d.h. natürlichen oder juristischen Personen, denen die konkrete Gefahr aus bestimm­ ten Gründen zugeordnet werden kann, auferlegt.3 Als Störer kommen zum einen Handlungs- resp. Verhaltensstörer und zum anderen Zustandsstörer in Betracht. Der Handlungsstörer wird verantwortlich gemacht, da er durch sein Verhalten, d.h. sein positives Tun oder Unterlassen, die Gefahr oder Störung verursacht hat. Damit können Unternehmen, die die Schädigung durch ihre betriebliche Tätigkeit hervorgerufen haben, verpflichtet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch die Existenz einer behördlichen Betriebsgenehmigung in vielen Fällen nicht da­ vor schützt, als Handlungsstörer herangezogen zu werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn zum Zeitpunkt der Genehmigung die drohenden Gefahren objektiv noch gar nicht vorhersehbar waren.4 Eine Haftung als Zustandsstörers ergibt sich für den Eigentümer und/oder Inha­ ber der tatsächlichen Herrschaftsbefugnis des Grundstücks, von dem die Gefah­ ren ausgehen. Die Gefahr geht also, unabhängig von Verursachung oder Ver­ schuldung, vom Zustand einer Sache, hier dem Grundstück, aus.5 Können mehre­ re als Handlungs- oder Zustandsstörer verantwortlich gemacht werden, ist vor­ rangig der Handlungsstörer in Anspruch zu nehmen.6 Es liegt allerdings im Er­ messen der verantwortlichen Behörde, welcher von mehreren Verantwortlichen verpflichtet wird. Die Behörde hat sich dabei am Effektivitätsprinzip zu orientie­ 1 2 3 4 5 6

Vgl. Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 169. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 54. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 137. Vgl. Schmidt, R. (Umweltrecht 1995), S. 184f.; Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 290ff. Vgl. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 292; Schimikowski, P. (Umwelt-haftungsrecht 1996), S. 137. Auf die bei der Zuordnung der Sanierungsverantwortung regelmäßig auftretenden Probleme und die sich insbesondere bei weit in die Vergangenheit zurückreichenden Altlastenfällen ergeben­ den Fragen des Rechts-nachfolgers und der Haftung früherer Grundeigentümer soll hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 301ff.; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 139ff.; Schmidt, R. (Umweltrecht 1995), S. 183; Kopp, L. (Altlasten-Szene 1996), S. 389ff.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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ren und auf größtmögliche Wirksamkeit zu achten.1 Ist kein Handlungsstörer feststellbar oder wird seine finanzielle Leistungsfähigkeit als unzureichend einge­ schätzt, kann die Behörde die Inanspruchnahme des Grundtückseigentümers als Zustandsstörer anordnen. In diesem Zusammenhang kann das sog. Deep-Pocket Prinzip beobachtet werden. Damit wird ausgedrückt, daß der Störer, dem zuge­ traut wird, die finanziellen Belastungen der Sanierung am besten zu verkraften, auch zur Sanierung verpflichtet wird. Dies trifft insbesondere auf Kreditinstitute zu, die das betreffende Grundstück im Rahmen einer Kreditvergabe als Sicherheit akzeptiert haben und nun im Zuge einer Zwangsvollstreckung eine Eigentümer­ stellung einnehmen.

Falls die Störer den ihnen auferlegten Sanierungsverpflichtungen nicht innerhalb einer gesetzten Frist nachkommen, kann die Behörde die notwendigen Maßnah­ men im Wege der Ersatzvornahme durchführen lassen.2 Die Kosten der Ersatz­ vornahme hat ebenfalls der Störer zu übernehmen. Von besonderer Bedeutung für die Betrachtung der finanziellen Auswirkungen von Sanierungsverpflichtun­ gen ist darüber hinaus die Tatsache, daß Haftung für Altlasten grundsätzlich volle und im Prinzip unbegrenzte Kostentragung bedeutet. Dies ist unabhängig davon, ob eine Eigensanierung oder polizeirechtliche Ersatzvornahme durchgeführt wird. Nach in Rechtsprechnung und Literatur vorherrschender, aber durchaus kontrovers diskutierter Meinung läßt sich die Haftung nicht auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks begrenzen.3

2.

Zivilrechtliche Haftungsgrundlagen

Im Gegensatz zu den Haftungsnormen des öffentlichen Rechts, die darauf beru­ hen, Beeinträchtigungen und Gefährdungen der Allgemeinheit abzuwenden oder zu beseitigen, zielen privatrechtliche Verpflichtungen zum Schadenausgleich darauf ab, die einem privaten Dritten zugefügten Schäden zu ersetzen.4

§ 906 BGB regelt nachbarschaftsrechtliche Ausgleichsansprüche eines Grund­ stückseigentümers, der bestimmte Beeinträchtigungen seines Grundstücks hin­ nehmen muß, solange er keine Handhabe hat, die störungsverursachenden Handlungen zu unterbinden. Da der Eigentümer aufgrund des Tuns des Nachbars in einem gewissen Rahmen die Qualität seines Grundstücks aufopfern muß,

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Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 142; Schmidt, R. (Umweltrecht 1995), S. 183. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 140. Vgl. Bender, B./Sparwasser, R./Engel, R. (Umweltrecht 1995), S. 292f. Vgl. Erichsen, S. (Umweltrisiken 1995), S. 274.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweitrisiken

spricht man vom sog. Aufopferungsprinzip.1 Umwelteinwirkungen, welche die Nutzung des betroffenen Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchti­ gen, müssen ohne jeglichen Ausgleich hingenommen werden. Demgegenüber besteht ein Ausgleichsanspruch bei Einwirkungen, die wesentlich oder ortsunüb­ lich sind. Allerdings liegen unwesentliche Einwirkungen solange vor, wie die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte nicht überschritten werden.2 Da darüber hinaus der Betrieb einer unanfechtbar geneh­ migten Anlage gemäß § 14 BImSchG auch dann nicht unterbunden werden kann, wenn von ihr beeinträchtigende Wirkungen ausgehen, sind selbst solche Einwir­ kungen im Sinne des § 906 Abs. 2 BGB „ortsüblich“.3 Gemäß § 906 Abs. 2 BGB muß der Eigentümer somit auch wesentliche Einwir­ kungen hinnehmen, die durch eine ortsübliche Nutzung des nachbarlichen Grundstücks hervorgerufen werden und nicht durch wirtschaftlich zumutbaren Schutzvorkehrungen verhindert werden können. In diesem Fall steht dem beein­ trächtigten Nachbarn jedoch ein finanzieller Ausgleichsanspruch zu, sofern die Belastung eine ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht mehr zuläßt oder dessen Ertrag unzumutbar beeinträchtigt. Die Tatsache, daß ein Grundstücksei­ gentümer Ersatzleistungen für zu duldende Beeinträchtigungen erhalten kann, weist auf die Rechtmäßigkeit dieser Beeinträchtigungen hin. Damit wird der störungsfreie Normalbetrieb einer Anlage erfaßt. Im Ergebnis ergibt sich aus § 906 Abs. 2 BGB ein verschuldensunabhängiger, auf angemessene Entschädi­ gung in Geld gerichteter Ausgleich für wesentliche Beeinträchtigungen.4 Die Entschädigung gilt allerdings nur für die durch die Duldungspflicht geminderte Grundstücksnutzung, nicht jedoch für Beeinträchtigungen des Menschen, seines Körpers oder seiner Gesundheit. Diese Beeinträchtigungen werden von § 906 BGB nicht erfaßt

Neben den Ausgleichsansprüchen sind insbesondere gegen die schadenverursa­ chenden Unternehmen gerichtete Schadenersatzansprüche von Bedeutung. § 823 Abs. 1 BGB ist die zentrale Norm für private Schadenersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen. Sie gehört daher zum Deliktsrecht und ist in Form der Verschuldenshaftung aufgebaut. Voraussetzung für die Durchsetzung eines Er­ satzanspruches ist die ursächliche, rechtswidrige und schuldhafte Verletzung bestimmter Rechtsgüter des Geschädigten.5 In bezug auf Umweltschäden sind dies insbesondere Gesundheitsbeeinträchtigungen und die Verletzung von Sach­ 1 2 3 4 5

Vgl. Diedrichsen, U. (Umweltgefährdungshaftung 1990), S. 79. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 11. Vgl. Reese, J. (Umwelthaftung 1996), S. 26. Vgl. Landsberg, G./Lülling, W. (Umwelthaftungsrecht 1991), S. 352. Vgl. Reese, J. (Umwelthaftung 1996), S. 24.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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gütern des Geschädigten. Vermögensschäden werden von § 823 Abs. 1 BGB ebenso wenig erfaßt wie ökologische Schäden, d.h. Schäden am Naturhaushalt, die keine konkrete Eigentumsverletzung darstellen.1

Ursächlichkeit, Rechtswidrigkeiten und Verschulden des Schädigers sind grund­ sätzlich durch den Geschädigten nachzuweisen. Die Rechtsprechung tendiert allerdings zunehmend zu einer Erleichterung der Beweislast resp. gar zu einer Beweislastumkehr.2 Ausgehend von der feststehenden Verursachung hat dann der Emittent nachzuweisen, daß er die jeweiligen Grenzwerte eingehalten hat. Aller­ dings gestaltet sich speziell der Nachweis, daß der Schaden tatsächlich von dem Unternehmen verursacht wurde, gegen das der jeweilige Anspruch gerichtet ist, im allgemeinen problematisch. Die im Rahmen der Wesensmerkmale von Um­ weltrisiken angesprochene Heterogenität des Umweltschadens und Komplexität der Kausalitäten machen es dem Geschädigten schwer, nachzuweisen, daß sein Schaden von einem oder mehreren bestimmten Verursachern herbeigeführt wur­ de. Die verursachende Handlung kann sowohl in einem positiven Tun als auch in einem Unterlassen liegen. Umweltschäden treten in den seltensten Fällen als unmittelbare Folgen eines aktiven Tuns ein. Anknüpfungspunkte für Schadener­ satzansprüche ergeben sich dementsprechend vielmehr, wenn es der Schädiger unterlassen hat, Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu betreiben, d.h. sog. Verkehrssicherungspflichten einzuhalten.3 Die Forderung nach Ver­ kehrssicherungspflichten drückt aus, daß derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet ist, alle zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz anderer zu treffen. Verkehrssicherungspflichten in diesem Sinne stellen beispielsweise die Betreiberpflichten gemäß § 5 BImSchG und Forderungen nach dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen der Emissionsbegrenzung dar. Der Betrei­ ber einer Anlage, der nicht die nach dem Stand der Technik möglichen und not­ wendigen Sorgfaltspflichten einhält, verstößt gegen die Verkehrssicherheits­ pflicht und wird in einem Schadenfall regelmäßig Ersatz nach § 823 Abs. 1 BGB leisten müssen. Demgegenüber sind Umwelteinwirkungen, die durch behördlich genehmigte Emissionen ausgelöst wurden, nicht rechtswidrig und führen dement­ sprechend i.d.R. zu keinem Schadenersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB.

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Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996); S. 27, Reese, J. (Umwelthaftung 1996), S. 24. Vgl. Eipper, C. (Umweltrisikos 1994), S. 67f. Vgl. Landsberg, G./Lülling, W. (Umwelthaftungsrecht 1991), S. 336; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 27; Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 242.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Darüber hinaus bezieht § 823 Abs. 2 BGB auch denjenigen in die Haftung ein, der gegen ein Schutzgesetz verstößt. Voraussetzung für ein Schutzgesetz ist, daß die Vorschriften nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch Individualinteressen schützen sollen.1 Da die Verletzung eines Schutzgesetzes regelmäßig den Verstoß gegen eine Verkehrssicherheitspflicht bedeutet, überschneiden sich die Anwen­ dungsbereiche der Absätze 1 und 2 des § 823 BGB. Im Gegensatz zu Abs. 1 erfaßt Abs. 2 allerdings auch Vermögensschäden. 2

Da das allgemeine Privatrecht den durch Umweltschäden Betroffenen nur einge­ schränkte Möglichkeiten des Schadenersatzes bietet, sollen spezielle umweltbe­ zogene Haftungsregelungen den Geschädigten helfen, ihre Ansprüche besser durchsetzen zu können. Neben dem Umwelthaftungsgesetz stellt § 22 WHG die wichtigste umweltbezogene Haftungsnorm dar. Obwohl das WHG zum öffentli­ chen Recht gehört, werden in § 22 WHG privatrechtliche Ansprüche geregelt.

Im Gegensatz zu § 823 BGB ist die Haftung nach § 22 WHG nicht auf die Ver­ letzung bestimmter Rechtsgüter begrenzt. Nachteilige Gewässerbeschaffenheit löst sowohl Personen- und Sach- als auch Vermögensschäden aus. Die Haftung erfolgt verschuldensunabhängig in Form der Gefährdungshaftung.3 Ohne Rück­ sicht darauf, ob ihn ein Verschulden trifft, hat demnach der Verursacher für die Gewässerbeeinträchtigungen zu haften. Allerdings muß ein adäquater Kausalzu­ sammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und der verursachten Verän­ derung der Gewässerbeschaffenheit bestehen.4 Die Schadenersatzpflicht ist in ihrer Höhe unbegrenzt und auch sog. Rettungskosten sind in den Haftungsumfang miteinbezogen. Obwohl der Schaden noch nicht eingetreten und damit der Tatbe­ stand des § 22 WHG eigentlich noch nicht verwirklicht ist, müssen Aufwendun­ gen zur Abwendung des ansonsten sicher bevorstehenden Schadens vom potenti­ ellen Schädiger ersetzt werden.5 Für den Fall, daß die Einwirkungen von mehreren vorgenommen wurden oder mehrere Anlagen als Schadenverursacher in Betracht kommen, aber nicht festge­ stellt werden kann, wer den Schaden tatsächlich verursacht hat, sieht § 22 WHG eine gesamtschuldnerische Haftung vor. Bei der gesamtschuldnerischen Haftung muß der Geschädigte nicht jeden Verursacher in Höhe seines individuellen Scha­ denbeitrags in Anspruch nehmen, sondern kann einen der Schädiger auf Aus­ 1 2 3 4 5

Vgl. Landsberg, G./Lülling, W. (Umwelthaftungsrecht 1991), S. 338; Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 243. Vgl. Reese, J. (Umwelthaftung 1996), S. 25. Vgl. Ensthaler, J./Füssler, A./Nuissl, D. (Juristische Aspekte 1997), S. 244. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 57. Vgl. Reese, J. (Umwelthaftung 1996), S. 25; Landsberg, G./Lülling, W. (Umwelthaftungsrecht 1991), S. 328.

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gleich des gesamten Schadens verklagen. Die übrigen Mitverursacher in Regreß zu nehmen, ist dann Aufgabe dieses Schädigers. § 22 WHG enthält in Abs. 1 eine Verhaltens- oder Handlungshaftung und in Abs. 2 eine Anlagenhaftung. Eine Verhaltenshaftung ergibt sich durch das zweckgerichtete Zuführen von Stoffen in ein Gewässer. Von besonderer Bedeu­ tung ist dabei, daß es sich um ein zielgerichtetes Verhalten handelt. Zufällige oder unbeabsichtigte Veränderungen der Gewässerbeschaffenheit, und damit beispielsweise auch Störfälle, kommen als Haftungsgrundlage im Sinne der Ver­ haltenshaftung nicht in Betracht.1 Die in § 22 Abs. 2 WHG normierte Anlagen­ haftung regelt die Ersatzpflicht für Schäden, die auf wassergefährdende Stoffe zurückzuführen sind, welche aus einer Anlage in ein Gewässer gelangten. Die Regelung basiert auf einem weit gefaßten Anlagenbegriff. Es kann sich dabei sowohl um ortsfeste als auch um bewegliche Anlagen handeln. Da es unerheblich ist, wie die Stoffe aus den Anlagen in ein Gewässer gelangen, können nahezu alle betrieblichen Vorgänge bis hin zum Versickern wassergefährdender Stoffe zur Haftung führen.2

III.

Das Umwelthaftungsgesetz

Um die Unzulänglichkeiten des zivilen Haftungsrechts auszugleichen und einen gerechten Schaden- und Vermögensausgleich bei individuellen Rechtsgutsverlet­ zungen herbeizuführen, hat der Gesetzgeber das seit dem 1.1.1991 gültige Um­ welthaftungsgesetz (UmweltHG) eingeführt. Nach § 18 Abs. 1 UmweltHG bleibt die Haftung aufgrund anderer Vorschriften unberührt. Damit stellt das Um­ weltHG keine abschließende Neukodifikation des Umwelthaftungsrechts dar, sondern ergänzt die dargestellten Vorschriften zum Schadenausgleich.3

1.

Haftungskonzept

Mit dem UmweltHG ist die Gefährdungshaftung über den Gewässerschutz hinaus medienübergreifend auf Boden und Luft ausgedehnt und eine obligatorische Haftpflichtdeckungsvorsorge eingeführt worden. Ziel ist es zum einen, einen gerechten Schadenausgleich bei individuellen Rechtsgutverletzungen zu gewähr­

1 2 3

Vgl. Landsberg, G./Lülling, W. (Umwelthaftungsrecht 1991), S. 321 f.; Hüpers, F. (Umwelthaftungsrecht 1995), S. 307. Vgl. Reese, J. (Umwelthaftung 1996), S. 27. Vgl. Schmidt-Salzer, J. (Umwelthaftungsrecht 1992), S. 124.

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leisten und zum anderen, mit dem UmweltHG eine Schadenvorsorgefunktion zu erfüllen. Die Möglichkeit künftiger Schadenersatzleistungen soll Unternehmen zu einem vorsichtigen, schadenvermeidenden Verhalten animieren.

Dem UmweltHG liegt ein dreistufiger Haftungstatbestand zugrunde. Zum ersten muß aus einer Anlage eine Emission erfolgt sein, die zweitens über eines der Umweltmedien transportiert wurde, um dann drittens als Umwelteinwirkung einen Schaden bei Dritten hervorgerufen hat.1 Die Haftung nach § 1 UmweltHG ist nicht als Handlungshaftung, sondern als Anlagenhaftung ausgestaltet, die eingreifen soll, wenn Anlagen als besonders umweltgefährdend eingestuft wer­ den. Sie trifft denjenigen, der eine der im Anhang 1 zu § 1 UmweltHG aufge­ führten Anlagen betreibt. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist damit klar festgelegt und relativ eng begrenzt. Die genaue Bestimmung des Anlagebegriffs erfolgt in § 3 Abs. 2 und 3 UmweltHG. Sie ist stark an den Anlagebegriff des BImSchG angelehnt. Um eine Haftung nach § 1 UmweltHG auszulösen, muß von diesen Anlagen eine Umwelteinwirkung ausgehen. Durch diese Festlegung wird der Umweltbezug der Haftung betont und von einer allgemeinen Anlagenhaftung abgegrenzt. § 3 Um­ weltHG beschreibt den Begriff der Umwelteinwirkung genauer. Demnach ist ein Schaden durch Umwelteinwirkungen entstanden, wenn er durch Stoffe, Erschüt­ terungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Er­ scheinungen verursacht wurde, die sich in Boden, Wasser oder Luft ausgebreitet haben. Entscheidendes Merkmal der Umwelteinwirkung ist demnach die Aus­ breitung über einen Umweltpfad.2

Die Umwelteinwirkung stellt damit das Bindeglied zwischen der Anlagenemissi­ on und der Rechtsgutverletzung dar, die schließlich zum Eintritt des individuellen Schadens führt. Eine solche Rechtsgutverletzung, an die § 1 UmweltHG die Haftung knüpft, kann die Tötung, Körper- oder Gesundheitsverletzung eines Menschen oder eine Sachbeschädigung sein. Dementsprechend umfaßt die Haf­ tung Personen- und Sachschäden sowie daraus entstandene Vermögensfolgeschä­ den.3 Ähnlich wie bei § 823 BGB bleiben reine Vermögensschäden, d.h. Vermö­ gensschäden ohne vorausgehende Personen- oder Sachverletzungen, außerhalb der Haftung. Damit läßt sich feststellen, daß nicht - wie vielleicht der Begriff „Umwelthaftungsgesetz“ vermuten ließe - der Schaden an der Umwelt selbst, d.h. Umweltrisiken i.eig.S. Gegenstand der Haftung des UmweltHG sind, sondern nur

1 2 3

Vgl. Schmidt-Salzer, J. (Umwelthaftpflicht 1992), S. 796; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 81. Vgl. Hüpers, F. (Umwelthaftungsrecht 1995), S. 310. Vgl. Paschke, M. (Umwelthaftungsgesetz 1993), S. 30.

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über einen Umweltpfad entstandene Individualschäden. Das UmweltHG regelt nur Umweltschäden, wenn diese mit einer Sachbeschädigung verbunden sind.

Das UmweltHG sieht eine Gefährdungshaftung vor, die sowohl unabhängig von einem Verschulden als auch unabhängig von einer Rechtswidrigkeit ist. Das Vorliegen einer behördlichen Genehmigung befreit ebenso wenig von der Haf­ tung wie die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften.1 Die Anlagenbetrei­ ber müssen demnach sowohl für Schäden infolge eines Störfalls als auch für Schäden aus dem rechtmäßigen Normalbetrieb haften. Da die Haftung nicht auf ein unfallartiges oder plötzliches Ereignis abstellt, kann geschlossen werden, daß die Gefährdungshaftung des UmweltHG ebenfalls Allmählichkeits- und Lang­ zeitschäden erfassen soll.2 Darüber hinaus sind Entwicklungsrisiken von der Haftung erfaßt. Haftungsausschlüsse ergeben sich nur aufgrund höherer Gewalt.3 Grundsätzlich sind auch Summations- und Distanzschäden in der Haftung ent­ halten.4 Ebenso werden allgemeine Umweltschäden nicht ausdrücklich vom Um­ weltHG ausgeschlossen. Da die Ersatzpflicht aber auf Schäden begrenzt ist, die sowohl durch Umwelteinwirkungen einer bestimmten Anlage verursacht wurden, d.h. einem individualisierbaren Schädiger zugeordnet werden können, als auch individuelle Rechte verletzt haben, scheint die Inanspruchnahme einzelner Emit­ tenten für Summations-, Distanz- und Ökoschäden illusorisch.5

2.

Kausalitätsnachweis und Ursachenvermutung

Aufgrund der Heterogenität des Umweltschadens und der komplexen UrsacheWirkungsprozesse stellt der strenge Kausalitätsnachweis, d.h. der Nachweis, daß bestimmte Umwelteinwirkungen für den Schaden ursächlich sind, das größte Hindernis einer verursachungsgerechten Schadenregulierung im Umweltbereich dar. Um diese Situation zu verbessern, bilden Vorschriften, welche die Bewei­ ssituation des Geschädigten verbessern sollen, das Kernstück des UmweltHG.6 Nach § 6 Abs. 1 UmweltHG wird die Ursächlichkeit einer Anlage für einen Schaden vermutet, wenn sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Dazu ist anzumerken, daß der Wortlaut dieser Regelung nicht auf den dreistufigen Haftungstatbestand des § 1 UmweltHG ab­ 1 2 3 4 5 6

Vgl. Reese, J. (Umwelthaftung 1996), S. 28f. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 93. Vgl. Reese, J. (Umwelthaftung 1996), S. 29. Vgl. Schmidt-Salzer, J. (Umwelthaftungsrecht 1992), S. 306f. Vgl. Diederichsen, U. (Umweltschäden 1992), S. 164; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 92; Paschke, M. (Umwelthaftungsgesetz 1993), S. 63. Vgl. Diederichsen, U. (Umweltschäden 1992), S. 166.

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gestimmt ist. Wie geschildert, knüpft § 1 UmweltHG die Haftung an die Verur­ sachung einer Rechtsgutverletzung durch eine Anlage. Die Entstehung eines Schadens ist davon zunächst losgelöst und zur Haftungsbegründung unerheblich. Die Vermutung nach § 6 Abs. 1 UmweltHG bezieht sich jedoch auf die Verur­ sachung eines Schadens. Es herrscht allerdings weitgehend Einigkeit, daß sich die Ursachenvermutung lediglich auf die Rechtsgutverletzung beziehen soll.1 Ob und in welcher Höhe die Rechtsgutverletzung zu einem Schaden geführt hat, muß der Geschädigte durch die herkömmliche Beweisführung belegen.2 Vorausset­ zung für den Einstieg in die Ursachenvermutung ist, daß der Geschädigte die konkrete Eignung einer Anlage zur Schadenverursachung darlegt. § 6 Abs. 1 UmweltHG stellt keine generelle Beweislastumkehr, sondern eine Beweiserleichterung dar. Da der Geschädigte nicht den vollen Ursachenzusam­ menhang, sondern nur die Kausalitätseignung nachweisen muß, wird die Durch­ setzung von Schadenersatzansprüchen erleichtert.3 Gemäß § 6 Abs. 2 UmweltHG findet die Ursachenvermutung keine Anwendung, wenn die Anlage bestimmungsgemäß betrieben wurde. Für einen bestimmungs­ gemäßen Betrieb müssen die besonderen Betriebspflichten eingehalten werden und es darf keine Störung des Betriebs auftreten. Durch die Bevorzugung des Normalbetriebs sollen Anreize geschaffen werden, die Bedingungen des Normal­ betriebs tatsächlich einzuhalten und dies nachweisbar zu dokumentieren.4 Im Zweifelsfall ist es Aufgabe des Anlageninhabers, nachzuweisen, daß die Anlage störungsfrei und unter Einhaltung aller Auflagen betrieben wurde. Die Nichtan­ wendung der Ursachenvermutung beim bestimmungsgemäßen Betrieb bedeutet allerdings nicht, daß der Anlageninhaber von der Haftung befreit ist. Gelingt dem Geschädigten der Nachweis der Kausalität der Emissionen für die Rechtsguts­ verletzung, haftet der Anlageninhaber.5 Eine weitere Möglichkeit des Anlageninhabers, sich von der Ursachenvermutung zu befreien, liefert § 7 UmweltHG. Danach ist die Ursachenvermutung ausge­ schlossen, wenn ein anderer Umstand geeignet ist, den Schaden herbeizuführen. Da i.d.R. immer andere Einflußfaktoren auftreten, die geeignet sind, den einge­ tretenen Schaden zu realisieren, reicht eine bloße Mitursächlichkeit des anderen Umstands nicht aus, um die Ursachenvermutung auszuschalten. Dementspre­ 1 2 3 4

5

Vgl. Diederichsen, U ./Wagner, G. (Das UmweltHG 1993), S.646; Schmidt-Salzer, J. (Umwelthaftungsrecht 1992), S. 545f. Anderer Ansicht ist Deutsch, E. (Umwelthaftung 1995), S. 106. Vgl. Diederichsen, U. (Umweltschäden 1992), S.166. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 101. Vgl. Paschke, M. (Umwelthaftungsgesetz 1993), S. 127; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 104. Vgl. Diederichsen, U./Wagner, G. (Das UmweltHG 1993), S.647.

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chend widerlegt die Berufung auf summierte Emissionen oder zusammenwirken­ de Teilverursachung mehrerer Verursacher die Ursachenvermutung aus § 6 Abs. 1 UmweltHG nicht.1 § 7 UmweltHG unterscheidet zwischen Situationen, in denen die schadenverursa­ chende Eignung einer einzelnen Anlage in Frage steht und Situationen, in denen mehrere Anlagen geeignet sind, den Schaden zu verursachen. Sind mehrere An­ lagen geeignet, den Schaden zu verursachen, schließt § 7 Abs. 1 UmweltHG die Ursachenvermutung aus, wenn ein anderer Umstand in Frage kommt, den Scha­ den herbeigeführt zu haben. Dabei ist ausgeschlossen, daß eine andere Anlage als anderer Umstand gilt. Die Anlageninhaber sollen nicht die Möglichkeit haben, sich wechselseitig die Verantwortung zuzuschieben. Im Gegensatz zum Geschä­ digten, der lediglich nachweisen muß, daß eine Anlage zur Mitverursachung des Schadens geeignet ist, kann der Anlageninhaber die Ursachenvermutung nur widerlegen, wenn er die Alleinkausalität eines anderen Umstands nachweist.2 Gemäß § 7 Abs. 1 UmweltHG entfällt die Ursachenvermutung, wenn nur eine Anlage zur Schadenverursachung in Frage kommt und ein anderer Umstand mit mindestens der gleichen Wahrscheinlichkeit geeignet ist, den Schaden zu verur­ sachen.3 Insgesamt kann festgehalten werden, daß nur Umstände, die zur Allein­ verursachung der jeweiligen Schäden geeignet sind, die Ursachenvermutung des § 6 Abs. 1 UmweltHG außer Kraft setzten.

Neben der Ursachenvermutung enthält das UmweltHG eine weitere Regelung, die es dem Geschädigten erleichtern soll, seine Schadenersatzansprüche durchzu­ setzen. Sofern Tatsachen vorliegen, welche die Annahme begründen, daß eine Anlage den Schaden verursacht hat, gewähren die §§ 8 und 9 UmweltHG dem Geschädigten Auskunftsansprüche gegen den Inhaber der Anlage und gegen die Behörde, welche die Anlage genehmigt hat. Die Gewährung der Auskunftsan­ sprüche setzt damit voraus, daß ein Schaden eingetreten ist, präventive Aus­ kunftsansprüche wegen potentieller Schäden sind nicht erfaßt. Speziell bei Lang­ zeitschäden reicht allerdings bereits die Rechtsgutsverletzung zur Begründung des Auskunftsanspruches aus.4 Darüber hinaus sieht das UmweltHG in § 10 Aus­ kunftsansprüche des Inhabers einer Anlage gegenüber den Geschädigten, den Behörden und den Inhabern anderer Anlagen vor. Im Sinne einer „Waffengleichheit“ soll der Inhaber die Möglichkeit erhalten, zu erfahren, ob und in welchem Umfang eine andere Anlage schadenursächlich ist oder ob in der Sphäre des Geschädigten schadenbeeinflussende Umständen vorliegen. 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 106. Schmidt-Salzer, J. (Umwelthaftungsrecht 1992), S. 681. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 107. Diederichsen, U./Wagner, G. (Das UmweltHG 1993), S. 650.

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3.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Haftungsumfang und Deckungsvorsorgepflicht

Entsprechend der Maßgabe des § 1 UmweltHG knüpft die Haftung an Tötung, Körper- oder Gesundheitsverletzung eines Menschen oder eine Sachbeschädi­ gung an. Dementsprechend können auch nur Personen- oder Sachschäden sowie daraus entstandene Vermögensfolgeschäden ersetzt werden. Die §§ 12-14 Um­ weltHG enthalten detaillierte Regelungen zum Ersatz von Personenschäden. Da das UmweltHG mit Ausnahme des § 16 UmweltHG keine Sondervorschriften über den Ersatz von Sachschäden enthält, gelten hier mit den §§ 249-253 BGB die allgemeinen Regeln des Schadenausgleichs.1 Neben dem unmittelbaren Scha­ den kann der Ersatzanspruch auch den mittelbaren und den Vermögensfolge­ schaden, z.B. Ertragsausfälle, umfassen. Für Schäden, die vor dem Inkrafttreten des UmweltHG verursacht wurden, findet das Gesetzes gemäß § 23 UmweltHG keine Anwendung. Damit ist ein Großteil der Altlasten aus der Haftung ausge­ nommen. Hinsichtlich der Ersatzansprüche sieht das UmweltHG eine Differenzierung zwi­ schen Personen- und Sachschäden vor. Zum einen unterliegen nur Sachschäden der Regelung des § 5 UmweltHG, nach welcher der Ausgleich von Bagatellschä­ den ausgeschlossen ist, sofern die Anlage bestimmungsgemäß betrieben wurde. Zum anderen werden in § 15 UmweltHG für beide Schadenbereiche voneinander getrennte Hafthöchstsummen von je 160 Millionen DM für Schäden aus einheit­ lichen Umwelteinwirkungen festgelegt. Der bereits angesprochene § 16 UmweltHG enthält für Sachschäden eine Sonder­ regelung mit umweltschützender Zielrichtung. Für Schäden am Naturhaushalt, die gleichzeitig auch eine Eigentumsverletzung darstellen, besteht ein Wiederher­ stellungsanspruch, der den Wert der Sache übersteigen kann. Bereits gemäß § 249 BGB ist im Schadenersatzrecht eine Naturalrestitution vorgesehen. Nach Maßgabe des § 251 Abs. 2 BGB gilt dies allerdings nur, wenn die Wiederher­ stellung des Urzustandes nicht mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist. Diese Einschränkung wird durch § 16 UmweltHG relativiert. Der Wert der Sache stellt keine Obergrenze für die Schadenbemessung dar.2 Auch wenn die Kosten den Wert eines Grundstücks übersteigen, kann der Eigentümer vollstän­ dige und sachgerechte Dekontamination- und Wiederherstellung verlangen, bei­ spielsweise für ein sich auf dem Grundstück befindendes Biotop. Die Verhält­ nismäßigkeit der Aufwendungen kann sich damit nicht mehr allein am monetä­ ren, sondern muß sich auch am ökologischen Wert der Sache orientieren. Die Maßnahmen müssen allerdings nicht bis zur minutiösen Herstellung des alten 1 2

Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 120. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 123.

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Landschaftsbildes und einer Naturalrestitution bis ins kleinste Detail gehen. In begrenztem Umfang wird damit ein Ersatz ökologischer Schäden ermöglicht.1

§ 11 UmweltHG enthält eine Mitverschuldensregel, nach welcher der Umfang des Schadenersatzes davon abhängt, inwieweit der Schaden auf eine Mitverur­ sachung des Geschädigten zurückgeht. Die Mitverschuldensregel birgt damit eine Pflicht zur Schadenabwehr und -minderung für den Geschädigten.2 Im Umkehr­ schluß sind aber auch Rettungskosten - selbst bei Erfolglosigkeit - vom Schädiger auszugleichen. Die Ersatzpflicht für Schäden, die auf Umwelteinwirkungen zurückzuführen sind, trifft den Inhaber der verursachenden Anlage. Solche Schäden werden jedoch in vielen Fällen nicht von einer einzelnen Anlage, sondern zusammen mit mehreren Anlagen oder sonstigen Umständen verursacht. Trotzdem enthält das UmweltHG keine Regelungen, nach welchen Prinzipien die Haftung ausgestaltet werden soll, wenn mehreren Anlagen nachgewiesen werden konnte, daß der entstandene Schaden zumindest zum Teil auf Umwelteinwirkungen beruht, die von diesen Anlagen ausgegangen sind. Im allgemeinen wird davon ausgegangen, daß eine gesamtschuldnerische Haftung der Schädiger nur angewendet werden kann, wenn die Emissionen jedes einzelnen Verursachers für sich allein geeignet waren, den Schaden zu verursachen.3 Die Ermittlung der tatsächlichen Verursachungsbeiträ­ ge und der daraus eventuell entstehenden Regreßansprüche zwischen den einzel­ nen Emittenten geschieht im Innenverhältnis. In Fällen, in denen keine Al­ leinkausalitätseignung der einzelnen Verursachungsbeiträge vorliegt, entsteht demgegenüber ein von vornherein begrenzter Anspruch gegen den Teilschädi­ ger.4 Bei der anteilsmäßigen Haftung hat jeder Versucher einen seinem Anteil an der Schadenverursachung entsprechenden Schadenteil zu übernehmen.

Von besonderer Bedeutung für Unternehmen ist die Regelung des § 19 UmweltHG, wonach die Einführung einer obligatorischen Deckungsvorsor­ ge vorgesehen ist. Diese Pflicht trifft allerdings nur die Inhaber bestimmter, be­ sonders gefährlicher Anlagen, die im Anhang 2 des Gesetzes aufgeführt sind. Dabei werden im wesentlichen Anlagen erfaßt, die nach den §§ 1 und 7 der Stör­ fallverordnung eine Sicherheitsanalyse anzufertigen haben. Da das UmweltHG die Gefährdungshaftung vorsieht, kann aber de facto von einer Deckungsvorsor­ gepflicht für alle vom Gesetz erfaßten Anlagen ausgegangen werden?

1 2 3 4 5

Vgl. Diederichsen, U./Wagner, G. (Das UmweltHG 1993), S. 650. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 126. Vgl. Diederichsen, U. (Umweltschäden 1992), S.171. Vgl. Diederichsen, U. (Umweltschäden 1992), S.171. Vgl. Wagner, G. (Umwelthaftung 1991), S. 250.

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Die obligatorische Deckungsvorsorge soll verhindern, daß der Anlageninhaber im Schadenfall den Ersatzforderungen nicht nachkommen kann und die Opfer keinen Schadenersatz erhalten. § 19 Abs. 2 UmweltHG läßt drei Alternativen der Deckungsvorsorge zu:

• eine Haftpflichtversicherung, • eine Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung des Bundes oder eines Landes oder • eine Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung eines Kreditinstitutes, wenn gewährleistet ist, daß sie einer Haftpflichtversicherung vergleichbare Sicherheiten bietet. Um den Wettbewerb unter den professionellen Sicherheitsgebern zu fördern, hat der Gesetzgeber auf die Einführung einer Pflichtversicherung verzichtet. Ob die Wahlmöglichkeit tatsächlich genutzt wird, ist zu bezweifeln. Auch die Dekkungsvorsorge nach dem Arzneimittelgesetz läßt diese drei Instrumente zu. Bis­ her ist noch kein Fall bekannt, bei der eine Freistellungs- oder Gewährleistungs­ verpflichtung eines Kreditinstitutes eingesetzt wird.1

Die Deckungsvorsorgeverpflichtung ist zur Zeit noch nicht wirksam. Gemäß § 20 UmweltHG soll eine Rechtsverordnung erlassen werden, die Einzelheiten der Deckungsvorsorge wie Umfang, Höhe und Zeitpunkt der Haftung regelt. Die Deckungsvorsorgeverordnung steht gegenwärtig noch aus. Das Hauptproblem bei der Ausgestaltung dieser Verordnung liegt in der Festsetzung der Deckungssum­ me. Da das UmweltHG eine Kongruenz der Höhe von Haftung und Deckung nicht vorsieht, kann die Höhe der Deckungsvorsorge durchaus unter der Haf­ tungshöchstgrenze von 160 Mio. DM liegen. Bei der Ausgestaltung der Mindest­ deckungssummen ist neben der Sicherstellung der Ersatzforderungen auch zu berücksichtigen, daß es dem zur Deckungsvorsorge Verpflichteten überhaupt möglich ist, die Pflicht zu erfüllen. Dies setzt voraus, daß Kredit- und Versiche­ rungswirtschaft ausreichend Deckungsschutz anbieten.2 Es ist damit zu rechnen, daß ein Klassifizierungskonzept entwickelt wird, das Deckungssummen nach Anlagentypen staffelt. Darüber hinaus wird möglicherweise zwischen Normalbe­ trieb sowie Störfällen unterschieden. Da speziell die Normalbetriebshaftung auf dem internationalen Rückversicherungsmarkt schwer rückzuversichern ist, kön­ nen für den Normalbetrieb dann niedrigere Deckungssummen vorgesehen sein.3

1 2 3

Vgl. Renger, R. (Deckungsvorsorge 1992), S. 88. Vgl. Feldmann, F. (Deckungsvorsorge 1994), S. 164; Renger, R. (Deckungsvorsorge 1992), S. 89. Vgl. Feldmann, F. (Deckungsvorsorge 1994), S. 168.

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4.

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Entwicklungstendenzen der Umwelthaftung

Das UmweltHG stellt sicherlich keinen Endpunkt in der Entwicklung des Um­ welthaftungsrechts dar.1 Die Umrisse der weiteren Entwicklung sind durch ver­ schiedene Forderungen und Vorschläge bereits vorgezeichnet. Von besonderer Bedeutung sind dabei zum einen die in den Entwürfen zu einem einheitlichen Umweltgesetzbuch (UGB) enthaltenen Überlegungen über die Umwelthaftung und zum anderen die Tendenzen des Umwelthaftungsrechts auf europäischer Ebene. Bei den Bemühungen, ein einheitliches Umweltgesetzbuch statt vieler einzelner Fachgesetze zu erstellen, ist zwischen dem Entwurf der Professoren-Kommission (ProfEf der bereits im Jahre 1990 vorgelegt wurde und dem Ende 1997 fertigge­ stellten Entwurf der unabhängigen Sachverständigen-Komniission (UGB-KomE) zu unterscheiden.2 Ohne auf die einzelnen Unterschiede eingehen zu wollen, kann festgestellt werden, daß beide Entwürfe eine einheitliche Entwicklungstendenz der deutschen Umwelthaftung verdeutlichen. So lösen sich die Entwürfe vom ausschließlich anlagenbezogenen Haftungstatbestand und schlagen eine Gefähr­ dungshaftung für Umweltbeeinträchtigungen vor, bei der es auf die Verletzung bestimmter Rechtsgüter nicht ankommt.

Nach dem ProfE (§ 2 Abs. 3) werden unter Umweltbeeinträchtigungen, die die Haftung auslösen, die von umwelterheblichen Handlungen ausgehenden Wirkun­ gen verstanden, die geeignet sind, die Umwelt nicht nur geringfügig nachteilig zu verändern. Das UGB-KomE knüpft nach § 172 die Haftung an Schäden, die durch Immissionen aus Anlagen oder dem Umgang mit gefährlichen Stoffen entstanden sind. Es handelt sich dabei jeweils um eine im Vergleich zur Anla­ genhaftung wesentlich umfassendere Haftung. Für besonders gefährliche Anlagen wird nach § 128 UGB-ProfE resp. § 186 UGB-KomE eine Deckungsvorsorgepflicht gefordert, die durch eine entspre­ chende Haftpflichtversicherung, durch eine Freistellungs- oder Gewährleistungs­ verpflichtung eines Kreditinstitutes oder durch betriebliche Rückstellungen er­ füllt werden kann. Weitere richtungsweisende Ansätze enthält der ProfE bei Beeinträchtigungen des Naturhaushalts. Erfolgt die Beeinträchtigung des Naturhaushaltes als Folge schwerwiegender Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Umweltschutzpflichten, ergeben sich nach § 127 Ausgleichsansprüche. Die Ansprüche zielen auf Wie­

1 2

Vgl. Schmidt-Salzer, J. (Skizzen 1993), S. 1312. Vgl. Kloepfer, M./Rehbinder, E./Schmidt-Aßmann, E. (Umweltgesetzbuch 1990) und Bundes­ ministerium für Umwelt (UGB-KomE 1997).

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derherstellung des früheren Zustands des Naturhaushalts und Aufwendungsersatz ab. Besteht bei Summations- und Distanzschäden keine individualisierbare Er­ satzpflicht, sollen staatliche Entschädigungsregelungen eingreifen. Auch die Vorschläge der EU-Kommission für ein europäisches Umwelthaftungs­ recht stellen tiefgreifende Reformen in Aussicht. Die europäischen Vorschläge finden sich insbesondere in der am 21.6.1993 veröffentlichen Konvention des Europarats über die zivilrechtliche Haftung für Schäden, die aus umweltgefähr­ denden Aktivitäten herrühren, und im sog. Grünbuch vom 14.5.1993.1 Ähnlich wie die Entwürfe zum UGB knüpft die Konvention des Europarats die Haftung an umweltgefährdende Tätigkeiten und geht über einen unfallbezogenen, auf ein plötzliches Ereignis abstellenden Ansatz hinaus. Die Wiedergutmachungspflicht des „Tätigen“ bezieht sich auch auf täglich andauernde Umweltbelastungen, die durch plötzliche oder fortlaufende und kumulierende Ereignisse verursacht wer­ den.2 Neben den Individualrechtsgütern wird auch die Umwelt als eigenständiges Rechtsobjekt geschützt, d.h. es ist auch der Ersatz für rein ökologische Schäden vorgesehen. Die Haftung soll nicht betragsmäßig begrenzt, aber durch eine obli­ gatorische Finanzierungssicherstellung flankiert werden.3 Die Bereitschaft, dieser Konvention beizutreten, ist bisher nicht sehr groß.4

Das Grünbuch stellt die Haftungssituation innerhalb der EU dar und soll eine breite Diskussion in Gang bringen. Ziel ist es, das Haftungsrecht zu vereinheitli­ chen und den Ersatz von Umweltschäden zu regeln. Dabei werden selten detail­ lierte Festlegungen getroffen. Aber es zeichnet sich die Tendenz zu einer Hand­ lungshaftung ab, d.h. umweltgefährdende Verfahren und Tätigkeiten sollen die Haftung begründen.5 Der Begriff des Umweltschadens ist nicht auf Körper- und Sachschäden begrenzt, sondern umfaßt den Schaden an der Natur selbst. Damit wird deutlich, daß das Grünbuch rechtliche und finanzielle Instrumente sucht, die der Sanierung ökologischer Schäden dienen. Die Kommission zielt auf die Wie­

1

2 3 4

5

Vgl. Convention on Civil Liability for damage resulting from activities dangerous to the envi­ ronment, vorn 21.6.1993 und KOM (93), 47, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuß: Grünbuch über die Sanierung von Umweltschäden. Vgl. Rest, A. (Formen der Zusammenarbeit 1994), S. 8. Vgl. Schmidt-Salzer, J. (Skizzen 1993), S. 1311. Während Finnland, Griechenland, Italien, Portugal, Luxemburg, Niederlande, Island, Liechten­ stein und Zypern die Konvention unterzeichnet haben, lehnen Frankreich, Großbritannien, Dä­ nemark und Deutschland einen Beitritt bisher ab. Vgl. Lemor, U. (Umwelthaftung 1997), S. 159. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 165.

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derherstellung der Natur und nicht auf finanzielle Kompensation ab.1 Die Haf­ tung umfaßt nur die tatsächlichen Sanierungskosten und ist mit einer Pflicht zur Wiederherstellung verbunden.

Das Grünbuch sieht die Grenzen zivilrechtlicher Haftung für Umweltschäden, bei denen die Kausalität zwischen schädigendem Verhalten und Schaden nicht nach­ gewiesen werden kann, d.h. kein Haftpflichtiger feststellbar ist. Im Gegensatz zu den staatlichen Entschädigungsregelungen, die sich am Gemeinlastprinzip orien­ tieren und keine Präventionswirkung entfalten, wird hier bei Summations- und Distanzschäden ohne individualisierbare Ersatzpflicht die Heranziehung der zahlreichen Verursacher durch alternative Kollektivlösungen, beispielsweise Fondslösungen, vorgezogen. Die Beiträge zu solchen kollektiven Entschädi­ gungssysteme sollen auf die Wirtschaft umgelegt werden. Im Grünbuch wird dazu der Vorschlag gemacht, die Finanzierung der Fonds denjenigen Wirt­ schaftszweigen aufzuerlegen, die mit der vermuteten Schadenquelle am engsten verbunden sind.2

Im allgemeinen hat im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung nur derjenige ein Klagerecht, dessen individuelle Rechtspositionen verletzt wurden. Bei ökologi­ schen Schäden stellt sich das Problem, daß ein Gut geschädigt wird, das nieman­ dem gehört und dementsprechend kein klageberechtigter Geschädigter festzu­ stellen ist. Die Haftung für ökologischen Schäden stellt jedoch kein theoretisches Problem dar.3 Es ist lediglich erforderlich, die individuellen Rechte an Umwelt­ gütern einem Sachverwalter zuzuordnen, der die Interessen zur Geltung bringen kann. Für die Regelung des Klagerechts sieht das Grünbuch verschiedene Kon­ zepte vor, die teilweise in der EU schon eingesetzt werden. Neben dem Staat könnten Umweltschutzverbände zur Klage befugt werden, wenn ein Gebiet ge­ schädigt wurde oder die unmittelbare Gefahr eines Schadeneintritts droht.4 Die Entwürfe verdeutlichen, in welche Richtung sich das europäische Umwelt­ haftungsrecht entwickelt. Zum einen zeichnet sich eine Ausweitung der verschul­ densunabhängigen Haftung ab, die an umweltgefährdende gewerbliche Handlun­ gen anknüpft. Zum anderen läßt sich feststellen, daß die vorgestellten Ansätze, im Gegensatz zum UmweltHG, das nur über einen Umweltpfad entstandene Indi­ vidualschäden regelt, den Ausgleich von Schäden an der Umwelt selbst, d.h. von Umweltrisiken i.eig.S., diskutieren. Unternehmen müssen sich dementsprechend 1

2 3 4

Vgl. Hulst, E. H./Klinge-van Rooij, I. (Umwelt-Grünbuch 1994), S. 110. Diese Tendenz wir durch neuere Aussagen der für die Umweltpolitik zuständigen Generaldirektion XI bestätigt, vgl. Lemor, U. (Umwelt-haftung 1997), S. 160. Vgl. Grünbuch Ziffer 4.2; Kretschmer, F. (Umwelthaftungsrecht 1995), S. 9. Vgl. Tegner, H./Grewing, D. (Umweltschäden 1996), S. 465. Vgl. Hulst, E. H./Klinge-van Rooij, I. (Umwelt-Grünbuch 1994), S. 113 und S. 116.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

verstärkt darauf einstellen, zukünftig auch für diese Schäden haften zu müssen. Umweltrisiken beeinflussen damit in zunehmendem Maße die Risikolage der Unternehmen.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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C.

SYSTEMATISCHES RISIKOMANAGEMENT

I.

Grundlagen einer systematischen Risikopolitik

1.

Inhalt und Ablauf des Risikomanagements

Die Ziele des Risikomanagements können nicht isoliert von der allgemeinen Zielkonzeption des Unternehmens festgelegt werden. Um die langfristige Exi­ stenz des Unternehmens sicherzustellen, sind die bereits angesprochenen Lei­ stungs-, Finanz- und Erfolgsziele sowie die in der Zielkonzeption implizit oder explizit enthaltenen nicht-ökonomischen Ziele zu erreichen.1 Unternehmerisches Handeln ist in die Zukunft gerichtet und dementsprechend zu einem gewissen Grad ungewiß. Das Erreichen der Unternehmensziele kann durch Störungen im Unternehmen oder durch außerbetriebliche Störprozesse beeinträchtigt werden. Im Rahmen der Unternehmenspolitik ist deshalb eine Risikopolitik zu formulie­ ren, die sich mit den Möglichkeiten der Zielabweichung befaßt. Mit dem Ziel, die Erreichung der Unternehmensziele zu sichern, ist es die Aufgabe des Risikoma­ nagements, im gesamten Unternehmen ein Bewußtsein für das Vorhandensein von Risiken zu schaffen. Das Risikomanagement dient damit primär der Siche­ rung und erfolgreichen Weiterentwicklung des Unternehmens. Die Forderung nach einer erfolgreichen Weiterentwicklung macht deutlich, daß es nicht nur um die Verhinderung von Risikoeintritten, sondern auch um das zweckmäßige Eingehen von Risiken geht.2 Ohne die Übernahme von Risiken könnte kein Unternehmen existieren. Unternehmerisches Handeln besteht aus dem bewußten Akzeptieren von Risiken, und somit muß jedes Unternehmen den für sich akzeptablen Risikograd definieren.3 Modernes Risikomanagement muß den Schritt vom Absichern vor Risiken zum Gestalten von Risikosituationen vollziehen. Dabei können einzelne Risiken nicht isoliert voneinander behandelt werden; das Unternehmen ist vielmehr als Ganzes zu betrachten. Das Risikoma­ nagement ist daher als integratives Konzept aufzufassen, d.h. die gesamte Risiko­ situation des Unternehmens muß erfaßt und gestaltet werden. Differenziert nach den unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Planungszeit­ räumen kann das moderne Risikomanagement in strategisches und operatives Risikomanagement eingeteilt werden. Im Rahmen des strategischen Risikomana­ gements hat die Unternehmensleitung durch die Vorgabe von Risikozielen einen

1 2 3

Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998) S. 68f. Soziale und ökologische Ziele können als Beispiele für nicht-ökonomische Ziele angeführt werden. Vgl. Haller, M. (Eckpunkte 1986), S. 8. Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 4.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Sollzustand der Risikolage des Unternehmens zu definieren, da erst die Definiti­ on einer Zielvorstellung die Gestaltung der Risikosituation im Sinne einer Opti­ mierung ermöglicht. Das strategische Risikomanagement beinhaltet daher die Festlegung des grundlegenden Rahmens, d.h. der Richtung, des Ausmaßes und der Struktur der Risikopolitik des Unternehmens. Diese Festlegung erfolgt grund­ sätzlich zeitlich unbegrenzt. Da es sich bei Entscheidungen, welche die zukünftige Entwicklung des Unter­ nehmens betreffen, um gesamtunternehmensbezogene, strategische Entscheidun­ gen handelt, fallen Überlegungen über den anzustrebenden Risikograd in die Zuständigkeit der Unternehmensleitung. Das strategische Risikomanagement hat als integrative Klammer das gesamte Risikomanagement des Unternehmens zu umschließen und die Risikopolitik des Unternehmens festzulegen und zu steu­ ern.1 Das strategische Risikomanagement muß dazu ausdrücklich in die Unter­ nehmensführung miteinbezogen werden.

Die von der Unternehmensleitung definierten Risikoziele werden durch das ope­ rative Risikomanagement durchgesetzt. Im Rahmen eines ganzheitlichen Risiko­ managements hat das operative Risikomanagement daher die Aufgabe, die Zielerreichung zu verbessern. Das operative Management vollzieht sich in einem systematischen und dynamischen Prozeß, in welchem Risiken analysiert und unter Ausrichtung auf die unternehmerische Zielkonzeption in der unter KostenNutzen-Aspekten optimalen Weise bewältigt werden sollen.2

Der Risikomanagementprozeß wird durch ein Gefühl der Unsicherheit ausgelöst, welches auftritt, wenn die Risikoziele verfehlt werden. Der Prozeß ist in drei aufeinanderfolgende Phasen aufgeteilt (vgl. auch Abb. 9):

• Am Anfang des Prozesses steht die Risikoanalyse, die aus der Risikoidentifi­ kation und der Risikobewertung besteht. Im Rahmen der Risikoidentifikation sind zunächst die bestehenden Risiken zu erkennen. Bei der Risikobewertung soll abgeschätzt werden, in welchem Umfang die identifizierten Risiken die Erreichung der Unternehmensziele gefährden. •

Als zweite Phase folgt die Risikobewältigung, in der die konkreten risikopo­ litischen Maßnahmen festgelegt und durchgeführt werden. Die Planung der konkreten Programme und Aktionen erfordert detailliertere Informationen und ist daher auf einen mittelfristigen, drei bis fünfjährigen Zeiraum ausge­ richtet.

1 2

Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 5. Vgl. Hertel, A. (Risk Management 1991), S. 19.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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• Als dritte Phase schließt sich die Kontrolle des Risikomanagementprozesses an. Dabei wird kontrolliert, in welchem Maße die jeweilige Risikosituation beherrscht wird. Darüber hinaus ist im Sinne einer Risikonachbereitung ein Lernprozeß zu initiieren, der vermeiden soll, daß aufgetretene Störprozesse in ähnlichen Situationen erneut auftreten.

Abb. 9:

Der Risikomanagementprozeß1

Wie Abb. 9 verdeutlicht, darf der prozessuale Charakter nicht als starre Abfolge von Schritten verstanden werden.2 Ganzheitliches Risikomanagement vollzieht sich vielmehr als kontinuierlicher Prozeß, bei dem die einzelnen Phasen ständig und gleichsam kreisförmig durchlaufen werden. Die Phasen der Risikoanalyse und der Risikobewältigung werden in den folgen­ den Abschnitten II und III näher beschrieben. An dieser Stelle soll zunächst auf die dritte Phase, die Kontrolle des Risikomanagementprozesses eingegangen werden. Die Kontrollphase bezieht sich vor allem auf die Kontrolle der risikopo­ litischen Strategien. Die Schwerpunkte der Kontrolltätigkeit liegen insbesondere in der Überprüfung der Wirksamkeit eingesetzter Instrumente der Risikobewälti­ gung sowie vorhandener Sicherheitsvorschriften und in der Einführung eines Schadeninformationssystems. 3 Nach einem Risikoeintritt sind mit dem entstande­ 1 2 3

In Anlehnung an Haller, M. (Eckpunkte 1986), S. 26. Vgl. Haller, M. (Eckpunkte 1986), S. 26. Vgl. Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), 28f.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

nen Schaden verbundene Merkmale aufzunehmen. Von Interesse sind dabei ins­ besondere die Schadenanzahl, Schadenkosten und Schadenursachen. Darüber hinaus ist die Einbeziehung neuartiger Risiken in den Risikomanagementprozeß ebenso zu kontrollieren, wie bekannte Risiken auf Veränderungen untersucht werden müssen, die eine Modifikation der eingesetzten Maßnahmen erforderlich machen.1 Einerseits endet der Prozeß des Risikomanagements mit der Risikokontrolle, andererseits startet er hier von neuem. Da die Kontrolle der Maßnahmen der Risikobewältigung bereits die ersten Ansätze für das Erkennen bisher verborge­ ner Risiken enthält, schließt sich gleichsam der Prozeßkreislauf.2

2.

Systematisierung der risikopolitischen Strategien

Das Instrumentarium der Risikobewältigung ist vielfältig. Obwohl über den grundlegenden Inhalt der einzelnen Maßnahmen weitgehende Übereinstimmung herrscht, kann bei der Gliederungssystematik der risikopolitischen Strategien keine Einigkeit festgestellt werden.3 Um die Einteilung von Widersprüchen zu befreien und auf das hier vertretene Risikokonzept abzustimmen, wird im folgen­ den eine neue Systematik dargestellt. Da es sich bei der Durchführung der risiko­ politischen Strategien um die zweite Phase des Risikomanagementprozesses handelt, soll den Ausführungen zur ersten Phase, der Risikoanalyse, nicht vorge­ griffen werden. An dieser Stelle werden dementsprechend nur der Zusammen­ hang zwischen den verschiedenen risikopolitischen Strategien und die grundle­ genden Zielsetzung besprochen. Weitere Erläuterungen und eine beispielhafte Darstellung der Maßnahmen erfolgen an späterer Stelle.4 Wie die überwiegende Mehrheit der unterschiedlichen Einteilungen basiert auch die hier vorgestellte Systematik zunächst auf einer Trennung der risikopolitischen Strategien in Maß­ nahmen zur Beseitigung von Risikoursachen einerseits und Instrumenten, welche die Minderung der Wirkungen eines Risikoeintritts bezwecken, andererseits.5 Das Ziel einer ursachenbezogenen Risikopolitik besteht darin, die Eintritts Wahr­ scheinlichkeit von Risiken zu reduzieren, d.h. bereits vor dem Eintritt der Risiken zu wirken.6 Ursachenbezogene Risikopolitik kann auf zwei Wegen durchgeführt 1 2 3 4 5 6

Vgl. Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), 29. Vgl. Farny, D. (Risk Management 1979), S. 32. Für einen Überblick über die verschiedenen Formen vgl. Härterich, S. (Risk Management 1987), S. 142ff. Vgl. Kapitel III., S. 113ff. Vgl. Kupsch, P. (Risiko 1973), S. 37ff. Vgl. Schierenbeck, H. (Bankmanagement 1997), S. 2.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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werden. Während bei der Risikovermeidung das Risiko gänzlich eliminiert, also die Eintrittswahrscheinlichkeit auf Null gesenkt wird, versucht man beim zweiten Weg, die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts zu verkleinern. Da solche Maß­ nahmen die Verwirklichung des Risikos, d.h. einen Schadenfall, verhüten sollen, werden sie als Schadenverhütung bezeichnet.1 Ziel der wirkungsbezogenen Risikopolitik ist es demgegenüber, bei gegebener Ausfallwahrscheinlichkeit die Konsequenzen eines Risikoeintritts zu reduzieren.2 Dabei geht es zunächst um die Minimierung des möglichen Schadens, unabhän­ gig davon, wer den Schaden zu tragen hätte. Instrumente der Schadenherabset­ zung sollen die Quantitätskomponente der Risiken herabsetzen und damit die Schäden vor ihrer möglichen Realisation in ihrer Wirkung mindern. Diese In­ strumente stehen damit im Gegensatz zu der ursachenbezogenen Schadenverhü­ tung, welche die Risikointensität, d.h. die Wahrscheinlichkeit des Schadenein­ tritts verringern.3 Maßnahmen der Schadenverhütung und der Schadenherabset­ zung können zu Maßnahmen der Risikominderung zusammengefaßt werden. Unter dem Begriff der Risikominderung werden damit Strategien erfaßt, die entweder die Eintrittswahrscheinlichkeit oder die Tragweite von Risiken auf ein akzeptables Maß begrenzen sollen.

Der zweite Bereich der wirkungsbezogenen Risikopolitik befaßt sich mit der Minimierung des von dem jeweiligen Unternehmen zu tragenden Schaden. Wenn schon ein Schaden eintritt, dann soll dieser das eigene Unternehmen möglichst wenig belasten und in möglichst geringem Umfang zu einer Abweichung von den unternehmerischen Zielsetzungen führen.4 Die Notwendigkeit der Abgrenzung des allgemeinen Schadens von seiner unternehmensbezogenen Wirksamkeit wird beispielsweise an der Systematisierung der Umweltrisiken deutlich. Umweltrisi­ ken i.eig.S. stellen nicht unbedingt Umweltrisiken i.u.S. dar. Um diese Abgren­ zung in die Systematik der risikopolitischen Strategien aufnehmen zu können, soll hier die betriebsbezogene Wirksamkeit eines möglichen Schadens, z.B. durch die Beeinträchtigung von Vermögenswerten oder finanzielle Aufwendun­ gen als Verlust bezeichnet werden.5

1 2 3 4 5

Vgl. z.B. Haller, M. (Risiko-Management 1986), S. 31. Vgl. Schierenbeck, H. (Bankmanagement 1997), S. 3. Vgl. Kupsch, P. (Risiko 1973), S. 40. Vgl. Hahn, O. (Betriebswirtschaftslehre 1997), S. 79 u. 81. Diese Verlustabgrenzung orientiert sich an dem Risikoverständnis, das sich auf das Nichterreichen von Unternehmenszielen bezieht. Diese Auffassung stimmt damit weder mit dem rech­ nungslegungsorientierten Verlustbegriff überein, der als Überschuß der Aufwendungen über die Erträge definiert ist, noch ist diese Abgrenzung mit dem als Überschuß der Kosten über die Lei­ stungen definierten Verlustbegriff der Kostenrechnung identisch. Vgl. dazu z.B. Busse von Col­ be, W. (Lexikon 1994), S. 641.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Da sich für den Umgang mit einem drohenden Verlust wiederum zwei Möglich­ keiten ergeben, läßt sich die wirkungsbezogene Risikopolitik insgesamt in drei Alternativen untergliedern. Neben der Schadenherabsetzung bieten sich die Maßnahmen der Verlustminderung und der Verlustvorsorge an. Im Rahmen der Verlustminderung wird versucht, den drohenden Schaden zu zerlegen oder auf andere Wirtschaftseinheiten abzuwälzen, um den das eigene Unternehmen tref­ fenden Verlust zu verringern. Während es bei der Schadenherabsetzung darum geht, den möglichen Schaden zu minimieren - unabhängig davon, wer den Scha­ den zu tragen hat - beschäftigt sich die Verlustminderung damit, bei gegebenem Schaden dessen betriebliche Wirksamkeit, d.h. den Verlust, zu reduzieren. Dem­ gegenüber dienen die Instrumente der Verlustvorsorge dazu, die ökonomischen Auswirkungen drohender Schäden aufzufangen, indem für den Fall des Verlustes finanzielle Reserven gebildet werden.

Abb. 10:

Systematisierung der risikopolitischen Strategien

Die Verlustminderung kann wiederum auf drei verschiedene Arten erfolgen. Im Rahmen der Risikodiversifikation wird versucht, die negativen Risikofolgen örtlich, zeitlich, sachlich oder persönlich zu streuen. Ziel ist es, ein Risiko in mehrere, voneinander unabhängige Teilrisiken mit gleicher Eintrittswahrschein­ lichkeit, aber geringem Schadenausmaß, zu zerlegen und so den drohenden Ver­ lust zu minimieren. Die Reduzierung möglicher Verluste wird erreicht, ohne daß

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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unternehmensexterne Wirtschaftssubjekte eingeschaltet werden.1 Da durch die Beeinflussung der Schadendimension der Teilrisiken dabei auch Elemente der Schadenherabsetzung eine Rolle spielen, zeigt Abb. 10 auch eine Verbindung zwischen dem Instrument der Risikodiversifikation und der Schadenherabsetzung auf. Zur Risikoverlagerung zählen dagegen Maßnahmen, die durch vertragliche Vereinbarungen dazu beitragen, daß die aus bestehenden Risiken drohenden Schäden nicht das eigene Unternehmen treffen, sondern zumindest teilweise auf Vertragspartner verlagert werden. Wichtigstes Element der Verlustminderung ist die Risikoübertragung. Dabei wird der mögliche Schaden resp. die das Unternehmen treffenden finanziellen Konse­ quenzen gegen Entgelt auf professionelle Risikoträger transferiert. Im Kern han­ delt es sich dabei um die Versicherung von Risiken. Die Unternehmen übertragen als Versicherungsnehmer die wirtschaftlichen Konsequenzen eintretender Risiken auf ein Versicherungsunternehmen. Die Risikoübertragung ist entgeltlich, der Versicherungsnehmer hat für den Transfer der Risiken eine Prämie zu zahlen.2 Wie die Verlustvorsorge dient damit auch die Risikoübertragung der Bildung einer finanziellen Vorsorge des Unternehmens für drohende Verluste. Während dies bei der Verlustvorsorge intern erfolgt, wird die Vorsorge bei der Risiko­ übertragung extern aufgebaut. Beide Formen des Umgangs mit den finanziellen Auswirkungen eingetretener Risiken werden zur Risikofinanzierung zusammen­ gefaßt.3

Abb. 10 macht deutlich, daß sich die verschiedenen Instrumente den risikopoliti­ schen Strategien der Risikovermeidung, der Risikominderung, der Risikodiversi­ fikation, der Risikoverlagerung und der Risikofinanzierung zuordnen lassen. Die Risikominderung und die Risikodiversifikation umfassen sowohl ursachenorien­ tierte als auch wirkungsorientierte Maßnahmen. Teilweise werden Maßnahmen der Risikodiversifikation und der Risikoverlagerung unter der Bezeichnung Risi­ kobegrenzung zusammengefaßt.4 Eine solche Zusammenfassung erscheint nicht geeignet. Dadurch, daß ein Risiko in Teilrisiken gestreut wird, nutzen die Maß­ nahmen der Risikodiversifikation den Risikoausgleich bei unabhängigen Risiken aus und wirken so auf die Risikostruktur ein. Im Gegensatz dazu bleibt die Struktur der Risiken bei der Risikoverlagerung unberührt, nur die möglichen Folgen des Risikos werden auf Dritte verlagert.

1 2 3 4

Vgl. Kupsch, P. (Risiko 1973), S. 40. Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehrc 1995), S. 25. Vgl. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 23; Sauerwein, E. (Risiko-Management 1994), S.47. Vgl. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 25f.

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Häufig ist noch eine weitere Gruppierung der Strategien zu finden. Die Hand­ lungsalternativen der Risikovermeidung, der Risikoverminderung und, sofern vorhanden, der Risikobegrenzung werden dabei zur sog. Risikokontrolle zusam­ mengefaßt. Risikopolitische Strategien lassen sich demnach in die zwei Haut­ gruppen der Risikokontrolle und der Risikofinanzierung einordnen.1 Diese Gliederung erscheint aus zweierlei Hinsicht ungeeignet. Der erste Nachteil ergibt sich aus der mangelnden Trennschärfe. Eine Gliederungssystematik, die neben die Einteilung in Ursachen- und wirkungsbezogene Instrumente tritt, sollte eine klare Abgrenzung der Instrumente ermöglichen. Wie die Ausführungen zur Gruppierung der Risikodiversifikation und der Risikoverlagerung zeigen, lassen sich diese beiden Alternativen zwar hinsichtlich ihrer Wirkungsbezogenheit zu­ sammenfassen, hinsichtlich weiterer Gliederungssystematiken sind sie aber ge­ trennt zu erfassen.

Der zweite und entscheidende Kritikpunkt an der Einteilung in Risikofinanzie­ rung und Risikokontrolle knüpft an der Bezeichnung Risikokontrolle an. Die Verwendung des Begriffs „Risikokontrolle“ ist in diesem Zusammenhang aus zweierlei Hinsicht ungeeignet. Zum einen wird die dritte Phase des Risikomana­ gementsprozesses, die Kontrolle der Risikobewältigung teilweise explizit als Risikokontrolle bezeichnet.2 Aufgrund ihres Charakters wird diese Phase aber zumindest implizit mit dem Begriff der Kontrolle in Verbindung gebracht. Dem­ entsprechend wäre mit einer zusätzlichen Verwendung des Begriffs „Risikokontrolle“ eine eindeutige Unterscheidung der Aufgaben nicht gegeben. Das zweite Problem läßt sich auf die Herkunft der Bezeichnung zurückführen. Der Begriff der Risikokontrolle wird aus der im anglo-amerikanischen Risikoma­ nagement verwendeten Bezeichnung „risk control“ abgeleitet. Hier werden die risikopolitischen Strategien in Maßnahmen der risk control und der risk finance eingeteilt.3 Doch die Bedeutung von „control“ geht im Englischen mit „Steuerung, Beherrschung“ über Kontrolle hinaus. Damit wird deutlich, daß das einfache Übertragen der anglo-amerikanischen Bezeichnung zu kurz greift. Dem in der Zielsetzung des systematischen Risikomanagements enthaltenen und im Rahmen der Risikovermeidung, Risikominderung und -diversifikation umgesetz­ ten Auftrag, die Risikosituation zu gestalten und zu steuern, wird die Bezeich­ nung „Risikokontrolle“ nicht gerecht.

1 2 3

Vgl. z.B. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 23; Sauerwein, E. (Risiko-Management 1994), S. 45; Hitzig, R. (Sicherheit 1990), S. 7. Vgl. z.B. Schulte, M. (Bank Controlling 1996), S. 14. Vgl. z.B. Williams, C. A./Smith, M. L./Young, P. C. (Risk Management 1995) S. 176.

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Um diese Probleme zu vermeiden, wird in dieser Arbeit eine Systematik verwen­ det, die sich daran orientiert, inwieweit die verschiedenen Maßnahmen Einfluß auf die Risikostruktur, d.h. auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schaden­ ausmaß der Risiken, ausüben. Dazu werden die Maßnahmen der Risikobewälti­ gung in aktive und passive Maßnahmen eingeteilt. Während das aktive Risiko­ management direkten Einfluß auf die Risikostrukturen nimmt, geht das passive Risikomanagement mit den Auswirkungen eintretender Risiken um, ohne auf die Risikostrukturen einzuwirken.

3.

Bestandteile der Risikokosten und deren Einfluß auf den optimalen Risikograd

Wie die Ausführungen zur verhaltenswissenschaftlichen Dimension der Risiko­ wahrnehmung deutlich gemacht haben, ist die Einschätzung von Risiken subjek­ tiv geprägt. Dementsprechend lassen sich für die Beantwortung der Frage, bis zu welchem Grad Risiken eingegrenzt oder vermieden werden sollen, keine allge­ meingültigen Richtlinien aufstellen. In der Theorie ist jedoch ein wirtschaftlich optimaler Risikograd ableitbar. Eine komplette Risikovermeidung ist für Unter­ nehmen ökonomisch ebensowenig vertretbar, wie der Verzicht auf ein gewisses Maß risikopolitischer Strategien. Dementsprechend stellt sich die Frage nach dem optimalen Grad der Risikoabsicherung. Zur Beantwortung dieser Frage ist der Begriff der Risikokosten einzuführen. Bei den Risikokosten handelt es sich um die gesamten, mit einer Risikosituation verbundenen resp. durch die Risiko­ situation verursachten Kosten eines Unternehmens. Die Risikokosten werden durch zwei Parameter determiniert: zum einen durch die Kosten, die durch Risi­ koeintritte entstehen, und zum anderen durch die von Maßnahmen des Risikoma­ nagements verursachten Kosten. Der Verlauf beider Kostenkurven ist nicht linear. Der Grenznutzen der Maßnah­ men des Risikomanagements nimmt mit zunehmendem Grad der Risikoabsiche­ rung ab. Während anfänglich der Risikoabbau bei vergleichsweise geringem Kosteneinsatz möglich ist, lassen sich weitere Risiken mit zunehmendem Grad der Sicherheit nur unter hohen Kosten abbauen.1 Die Kostenkurve des Risikoab­ baus steigt progressiv an. Demgegenüber verlaufen die aus Risikoeintritten resul­ tierenden Kosten entgegengesetzt und fallen degressiv ab. Bei einem geringen Sicherheitsgrad verursachen Risikoeintritte hohe Kosten, die mit zunehmendem Grad der Sicherheit geringer werden.

1

Vgl. Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), S. 149.

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Die Addition beider Kostenkurven ergibt die gesamten Risikokosten. Durch den nichtlinearen, gegenläufigen Charakter der Kostenkurven verläuft die Summen­ funktion annähernd parabolisch. Der ökonomisch optimale Risikograd liegt am Tiefpunkt der Summenfunktion. Hier sind die Risikokosten minimal. Abb. 11 verdeutlicht diesen Zusammenhang nochmals graphisch.

Die Ableitung des optimalen Risikogrades erfolgt dementsprechend unter Be­ rücksichtigung der Risikokosten, die für das gesamte Unternehmen zu minimie­ ren sind. Folglich müssen Maßnahmen des Risikomanagements mit möglichst geringen Risikokosten einhergehen.2 In der Praxis gestaltet sich die Umsetzung des theoretischen Konzepts, den ak­ zeptablen Risikograd anhand ökonomischer Gesichtspunkte exakt zu bestimmen, problematisch. Einerseits müßte prinzipiell für jedes einzelne Risiko ein optima­ les Maß des Risikoabbaus bestimmt werden, da für jedes Risiko ein individueller Verlauf der Kostenkurven gilt. Für die Risikolage eines Unternehmens kommt es aber im wesentlichen auf das Gesamtrisiko an, das sich als Aggregat der vielen

1 2

In Anlehnung an Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), S. 150; Dreger, W. (Systemtechnik 1989), S. 22. Vgl. Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), S. 150.

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einzelnen Risiken ergibt.1 Das Gesamtrisiko ist allerdings nicht einfach die Sum­ me der vielen Einzelrisiken. Zum einen kann ein gewisser Risikoausgleich statt­ finden, d.h. mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kompensieren sich günstige und ungünstige Ergebnisse einzelner Aktivitäten. Zum anderen kann sich aus dem Zusammenwirken einzelner Risiken und durch Folgeerscheinungen, die bei einer isolierten Betrachtung der Einzelrisiken nicht erfaßt werden, ein Gesamtrisiko ergeben, das über die Summe der einzelnen Risiken hinausgeht. Die Einschät­ zung, ob das Eingehen eines Gesamtrisikos, das über den theoretisch optimalen Risikograd hinausgeht, akzeptabel ist, ergibt sich aus den strategischen Gesamt­ zielen der Unternehmung und der Risikobereitschaft der Unternehmensleitung. Darüber hinaus ist die Abschätzung des genauen Kurvenverlaufs äußerst schwie­ rig. Einerseits ist es i.d.R. nicht bekannt, in welchem Abschnitt der jeweiligen Kostenkurve man sich aktuell befindet. Andererseits liegen für einige der Ko­ stenkomponenten nur ungenügende Anhaltspunkte vor. Speziell die Kosten der Risikoeintritte sind ex ante nicht bekannt und müssen geschätzt werden. Auf die Risikokosten und ihre Bestandteile sowie die Probleme ihrer Bestimmung wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen.

Im Rahmen der Risikobewältigung sind die vorhandenen Risiken in wirtschaft­ lich optimaler Weise zu bewältigen, d.h. für den akzeptierten Risikograd sind die Risikokosten zu minimieren. Wie bereits angesprochen, setzen sich die Risikoko­ sten aus den von eingetretenen Schäden verursachten Kosten und den Kosten der Maßnahmen des Risikomanagements zusammen. Sie ergeben sich damit aus den Kosten der Risikoverwaltung sowie den Kosten des aktiven und des passiven Risikomanagements. Die Kosten der Risikoverwaltung lassen sich weder dem passiven noch dem aktiven Risikomanagement ausschließlich zuordnen. Es han­ delt sich um die Kosten, die sich bei der bloßen Beschäftigung mit der Risiko­ problematik ergeben. Dazu gehören z.B. Personal- und Sachaufwendungen, die bei der Verwaltung der Schadenverhütungsmaßnahmen, der Versicherungsver­ träge und der Schadenabwicklung anfallen.2

Aktive und passive Maßnahmen des Risikomanagements nehmen in unterschied­ licher Weise Einfluß auf die Höhe und die Zusammensetzung der Risikokosten. Dabei ist zwischen fixen und variablen Komponenten der Risikokosten zu unter­ scheiden.

1 2

Vgl. Famy, D. (Risk Management 1979), S. 20. Vgl. Hertel, A. (Risk Management 1991), S. 88.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Die in diesem Zusammenhang verwendete Abgrenzung zwischen fixen und va­ riablen Kosten bezieht sich auf den Schadeneintritt und deckt sich nicht mit dem in der Kostenrechnung etablierten Verständnis von fixen und variablen Kosten. Während die fixen Kosten unabhängig vom Risikoeintritt anfallen, ergeben sich die variablen Kosten nur, wenn sich die Risiken verwirklichen, d.h. der Schaden eintritt.

Die Kosten des aktiven Risikomanagements fallen im Zusammenhang mit der Investition in Maßnahmen der aktiven Risikobewältigung und deren Wartung und Instandhaltung an. Aktives Risikomanagement erhöht den Fixkostenanteil der Risikokosten, senkt aber durch die Einflußnahme auf die strukturellen Risikour­ sachen den Schadenerwartungswert und damit die variablen Kosten. Allerdings kann nicht genau bestimmt werden, inwieweit die Maßnahmen des aktiven Risi­ komanagements Schadeneintritte verhindern, d.h. in welchem Umfang die varia­ blen Kosten gesenkt werden können.

Maßnahmen des passiven Managements haben unterschiedliche Wirkungen. Die Kosten des passiven Risikomanagements ergeben sich zum einen aus sämtlichen Aufwendungen des Unternehmens, die nötig sind, um die Folgen vorhandener Risiken auf Dritte zu verlagern oder zu übertragen. In der Hauptsache handelt es sich dabei um die gesamten Versicherungsprämien des Unternehmens. Diese stellen ebenso wie die Kosten der Risikoverwaltung und die Kosten des aktiven Managements fixe Kosten dar. Durch die Prämie werden ungewisse zukünftige Schäden und finanzielle Belastungen in eine bekannte Kostengröße umgewan­ delt, d.h. durch die Prämienzahlung wird eine Deckung für variable Kosten ein­ gekauft. Demgegenüber handelt es sich bei dem zweiten Teil der Kosten des passiven Managements, bei den finanziellen Konsequenzen nicht versicherter und nicht versicherbarer Schäden, um variable Kosten. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Zusammensetzung der Risikokosten nochmals graphisch.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Risikokosten

Variable Kosten

Nicht versicherte und nicht versicherbare Schäden

potential

Schadenerwar tungswert

Passives Risikomanagement

Versicherungsprämien Fixe Kosten

Aktives Risikomanagement Risikoverwaltung

Abb. 12:

Risikokosten1

Auf die Problematik bei der Ermittlung der Kostenkomponenten wurde im Zu­ sammenhang mit der Ableitung des optimalen Risikogrades bereits kurz hinge­ wiesen. Kosten der Risikoverwaltung, des aktiven Risikomanagements und die fixen Anteile des passiven Risikomanagements, d.h. die Versicherungsprämien, sind zwar im betrieblichen Rechnungswesen erfaßt und ändern sich innerhalb eines Jahres meist nur geringfügig. Die Unternehmen aber buchen diese Kosten nur selten gesondert, sondern ordnen sie z.B. den allgemeinen Verwaltungs- resp. Reparatur- und Wartungskosten zu.2 Wie repräsentative Untersuchungen ergeben haben, rechnen weniger als 50 % der Unternehmen die Kosten der Risikobewäl­ tigung verursachungsgemäß den Funktionsbereichen oder Produktgruppen zu.3 Dementsprechend fehlen die für eine sinnvolle Prognose notwendigen Werte aus der Vergangenheit selbst für diese relativ klar abgegrenzten Größen. Noch weitaus größer ist die Schwierigkeit bei den variablen Komponenten. Die Kosten der Risikoeintritte sind ex ante nicht bekannt und müssen geschätzt wer­ den. Auch hier ergeben sich Probleme aufgrund der mangelhaften Erfassung und Zuordnung vergangener Daten. Wie die bereits erwähnte Untersuchung gezeigt hat, führen ungefähr 65 % der Unternehmen keine betriebswirtschaftliche Er­ mittlung und Erfassung der Eigenbehalte von Risiken durch.4 Die Eigenbehalte setzten sich dabei aus den im Rahmen von Versicherungsverträgen vereinbarten 1 2 3 4

In Anlehnung an Hertel, A. (Risk Management 1991), S. 89. Vgl. Hertel, A. (Risk Management 1991), S. 90. Vgl. Sauerwein, E. (Risiko-Management 1994), S. 77. Vgl. Sauerwein, E. (Risiko-Management 1994), S. 76f.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Selbstbehalten und aus Schäden, für die kein Versicherungsschutz besteht, zu­ sammen. Darüber hinaus ergeben sich speziell bei Umweltrisiken mehrere Probleme. Zum einen sind, entsprechend ihrer Charakterisierung, sämtliche auf Umweltrisiken zurückzuführende Auswirkungen auf das Vermögen und die Erfolgsströme zu erfassen. Dementsprechend sind nicht nur die unmittelbaren Schadenfolgen, sondern auch Ertragsausfälle durch Image Verlust oder entzogene Betriebsgeneh­ migungen etc. zu berücksichtigen. Zum anderen ist die Erfassung der mit den Risikoeintritten verbundenen Kosten insbesondere bei solchen Risiken proble­ matisch, deren potentielles Schadenausmaß nicht in Geldwerten ausgedrückt werden kann.

Neben der Bestimmung der Kosten aus Umweltrisiken gestaltet sich auch die Ableitung des akzeptablen Risikogrades von Umweltrisiken schwierig. Denn die Monetarisierbarkeit der mit dem Risikoeintritt verbundenen Schäden stellt eine zwingende Voraussetzung für die Gegenüberstellung der beiden Kostenkurven, d.h. der Kosten der Risikobewältigung und der Kosten aus Risikoeintritten, dar. Trotz der problematischen Ermittlung der Kostenkomponenten sind die Bestim­ mung der Risikokosten und die Überlegungen zur Abschätzungen eines ökono­ misch optimalen Risikogrades sinnvoll. Erst das Verhältnis der beim akzeptierten Risikograd abgeschätzten Risikokosten zu den vorhandenen Risikodeckungspo­ tentialen bestimmt die eigentliche Risikoposition des Unternehmens. Damit wird deutlich, daß das Risikomanagement neben der Existenzsicherung und der Opti­ mierung der Risikokosten auch die Zielsetzung enthält, Risiken kalkulierbar zu machen? Die Umsetzung dieses Ziels ist Teil der Risikoanalyse.

II.

Risikoanalyse

Wie die Darstellung des Risikomanagementprozesses verdeutlicht hat, basiert ein ganzheitlicher, integrativer Risikomanagement-Ansatz auf einer fundierten Risi­ koanalyse. Die Teilschritte und die Funktion der Risikoanalyse stehen im Mittel­ punkt der folgenden Ausführungen. Die speziellen Probleme, die sich bei der Identifikation und Bewertung von Umweltrisiken ergeben, werden dabei separat am Ende des Abschnitts verdeutlicht.

1

Vgl. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 72.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Seite 105

Risikoidentifikation

1.

Der erste Teilschritt der Risikoanalyse und damit des Risikomanagements ist die Risikoidentifikation. Die Risikoidentifikation hat die bewußte Suche nach Risi­ ken und die Erforschung der einzelnen Risikoursachen zum Inhalt. Sie bezieht sich dabei sowohl auf mögliche zukünftige Risiken und die Veränderung bereits bestehender Risiken als auch auf die Aufdeckung bestehender, aber bislang noch nicht bekannter Risiken.1 Grundlegende Voraussetzung einer erfolgreichen Risi­ kobewältigung ist die frühzeitige und vollständige Erkennung drohender Risi­ ken.2 Maßnahmen der Risikobewältigung können sich nur auf erkannte Risiken beziehen. Eine unvollständige Risikoidentifikation beeinträchtigt dementspre­ chend die erfolgreiche Verwirklichung der risikopolitischen Ziele. Die Aufdekkung sämtlicher Risiken gestaltet sich schwierig, da es kein Kriterium für die Feststellung der Vollständigkeit der Risikoidentifikation gibt.3 Dies gilt insbe­ sondere für unüberschaubare und komplexe Risiken.

Trotz des fehlenden Kriterienkatalogs darf die Risikoerkennung nicht aus­ schließlich intuitiv, d.h. auf subjektive Erfahrungen gestützt, durchgeführt wer­ den. Vielmehr setzt ein ausgewogenes Risikomanagementkonzept den Einsatz geeigneter objektiver Methoden der Risikoerkennung voraus.4 Für eine analyti­ sche Vorgehens weise steht der Risikoidentifikation eine breite Palette an Identi­ fikationsmethoden zur Verfügung. Diese Methodenvielfalt ist allerdings auch vonnöten, da jede Methode mit spezifischen Vor- und Nachteilen verbunden ist. Darüber hinaus ist keine der Methoden für sich geeignet, den Anforderungen für eine vollständige Risikoidentifikation gerecht zu werden.5 Um eine effiziente Risikoerkennung zu gewährleisten, sind dementsprechend mehrere Methoden kombiniert einzusetzen. Häufig angewendete Verfahren der Risikoidentifikation sind Betriebsinspektio­ nen, Befragungen und Checklisten.6 Bei genehmigungspflichtigen Anlagen ist darüber hinaus die Einsichtnahme in Genehmigungsbescheide und Prüfzeugnisse von Bedeutung. Die Besichtigungsanalyse beinhaltet die einfache Inaugenschein­ nahme der betrieblichen Einrichtungen und Abläufe.7 Da viele Gefahren nur durch persönliche Wahrnehmung festgestellt werden können, wird die Inspektion des realen Geschehens häufig als unabdingbare Methode der Risikoerkennung 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Wätke, J.-P. (Captive 1982), S. 36. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 65. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 82. Brühwiler, B. (Risiko-Analyse 1983), S. 257. Theil, M. (Risikomanagement 1996), S. 213. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 94, Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), 47ff. Härterich, S. (Risk-Management 1987), S. 54.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

bezeichnet.1 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß das Gelingen einer Be­ triebsinspektion entscheidend von der Intensität und der Dauer der Besichtigung abhängt. Darüber hinaus ist die Qualität des Kontakts und des Informationsaus­ tausches zwischen dem Inspektor und dem Unternehmen von Bedeutung. I.d.R. werden die Inspektionen aber unter Zeitdruck durchgeführt, was die Gefahr, relevante Details zu übersehen, deutlich steigert.2 In diesem Zusammenhang werden häufig auch Checklisten angewendet.3 Check­ listen sollen bei relativ geringem Aufwand die Systematik der Risikoidentifikati­ on sicherstellen. Wegen verschiedener Mängel können Checklisten allerdings nur als Ansatzpunkt für die Risikoerkennung dienen.4 Aufgrund der Unsicherheit über den idealen Konkretisierungsgrad von Checklisten besteht zum einen das Problem, daß umfangreiche Listen verwendet werden, ohne daß Prioritäten und damit der Zweck der Abfrage deutlich hervorgehen. Zum anderen beinhalten kompakte Checklisten das Problem der mangelnden Vollständigkeit und Über­ tragbarkeit. Entweder sind sie unternehmensspezifisch oder zu allgemein. Da viele Risiken am jeweiligen Arbeitsplatz resp. Arbeitsbereich besser erkannt werden können als dies durch bereichsexterne Risikomanager gelingt, sind mög­ lichst alle Mitarbeiter zu einem risikobewußten Verhalten anzuhalten und in die Risikoidentifikation einzubinden. So kann beispielsweise das betriebliche Vor­ schlagswesen dazu dienen, die Liste der bekannten Risiken kontinuierlich zu vervollständigen. Speziell bei der Risikoerkennung in komplexen technischen Systemen können analytisch-systematische Verfahren eingesetzt werden. Aufgrund ihrer Zugehö­ rigkeit zu anerkannten Managementkonzepten, wie dem Qualitätsmanagement, oder aufgrund gesetzlicher Forderungen, beispielsweise nach einer Sicherheitsa­ nalyse in der Störfall-Verordnung, haben diese eine weite Verbreitung in der Unternehmenspraxis gefunden. Darüber hinaus stehen für ihre Anwendung DINNormen zur Verfügung.5 Im einzelnen handelt es sich dabei um Ausfalleffekt-, Fehlerbaum- und Störfallablaufanalysen.6

1 2 3 4 5 6

Vgl. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 95. Vgl. Härterich, S. (Risk-Management 1987), S. 56. Speziell für die Bewertung von umweltrelevanten Anlagen vgl. Vogel, J./Brasch, J. (Bewertung 1996). Vgl. Härterich, S. (Risk-Management 1987), S. 56. Vgl. Pfeifer, T. (Qualitätsmanagement 1996), S. 13; Theil, M. (Risikomanagement 1996), S.213. Vgl. DIN 25448 Ausfalleffektanalyse; DIN 25424 Fehlerbaumanalyse; DIN 25419 Störfalld)laufanalyse.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Die Fehlerbaumanalyse wird bei der systematischen Suche nach denkbaren Ursa­ chen für einen vorgegebenen Fehler eingesetzt. Ausgehend von der zu analysie­ renden Fehlermöglichkeit, werden alle möglichen Ausfallkombinationen, die den Fehler verursachen können, in eine Baumstruktur eingetragen.1 Neben der syste­ matischen Identifizierung der Risikoursachen bezweckt die Fehlerbaumanalyse insbesondere die Abschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Dabei wird vom Ausfall der einzelnen Komponenten auf den Systemausfall hochgerechnet. Da es sich bei den Ausfallraten und -Wahrscheinlichkeiten um Erfahrungswerte handelt, sind Erfahrungen über den Betrieb und frühere Schäden entsprechender Systeme oder aus Laborversuchen Voraussetzung für die Ermittlung der Wahrscheinlich­ keiten.2 Der Ablauf der Fehlerbaumanalyse kann auf folgende Schritte verdichtet werden:3 • Festlegung des unerwünschten Ereignisses und Definition des zu analysieren­ den Problems. • Bestimmung der Ausfallarten, Zerlegung des Fehlers in seine möglichen Ur­ sachen und Aufstellung des Fehlerbaums in seiner logischen Struktur. • Bewertung der Eingänge des Fehlerbaums, d.h. der einzelnen Fehlerursachen mit Ausfallraten, Ausfallzeiten, etc. und Bestimmung der Wahrscheinlich­ keitswerte der unerwünschten Ereignisse, die sich als Folge der Fehlerkombi­ nationen ergeben können.

Im Gegensatz zur Fehlerbaumanalyse, bei der das unerwünschte Ereignis vorge­ geben wird, geht die Störfallablaufanalyse von schadenauslösenden Ereignissen aus und untersucht, welche potentiellen Folgen sich aus diesen ergeben können.4 Auf diesem Weg soll ermittelt werden, unter welchen Bedingungen und über welche Ereignisabläufe eine Störungsursache zu bestimmten Auswirkungen führt. Während die Fehlerbaumanalyse und die Störfallablaufanalyse durch die Aus­ wertung der Ausfallwahrscheinlichkeiten mit einer quantitativen Beurteilung abschließen, liefert die Ausfalleffektanalyse im wesentlichen eine qualitative Bewertung. Die Ausfalleffektanalyse untersucht ein System hinsichtlich vorhan­ dener Schwachstellen. Ausgangspunkt der Analyse ist der Sollzustand des be­ trachteten Systems, in dem alle Komponenten intakt sind. Das Gesamtsystem wird in seine Einzelteile zerlegt, anschließend werden die Auswirkungen von versagenden Teilen auf das System untersucht.5 Dazu werden in einem Formular 1 2 3 4 5

Vgl. Pfeifer, T. (Qualitätsmanagement 1996), S. 68. Vgl. Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), 75. Vgl. Brühwiler, B. (Risk Management 1980), S. 93f.; Pfeifer, T. (Qualitätsmanagement 1996), S. 68ff. Vgl. Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), 75. Vgl. Brühwiler, B. (Risiko-Analyse 1983), S. 259.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

für jede Komponente resp. jedes Bauteil Angaben über denkbare Ausfallarten, mögliche Ursachen, Ausfallerkennung und vorhandene Gegenmaßnahmen er­ faßt.1 Die systematische Erfassung der Analyseergebnisse in den Formblättern stellt einen gewichtigen Vorteil der Ausfalleffektanalyse dar. Durch die Doku­ mentation wird das in einem Unternehmen vorliegende Erfahrungswissen über Schadenzusammenhänge und identifizierte Risiken auf systematische Weise gesammelt, verfügbar gemacht und steht als Orientierungshilfe für Folgeanalysen zur Verfügung.2

Als Nachteil der Ausfalleffektanalyse erweist sich, daß das Verhalten des Sy­ stems beim Ausfall einzelner Komponenten betrachtet wird. Ausfallkombinatio­ nen werden nicht untersucht.3 Da sich die verschiedene Analysemethoden jedoch idealerweise ergänzen, kann dieser Nachteil abgeschwächt werden, indem die Methoden effektiv miteinander kombiniert werden.4 Während beispielsweise die Ausfalleffektanalyse der Erkennung einzelner Risiken dient und die Ereignisse mit ihren Auswirkungen untersucht, zeigt die Fehlerbaumanalyse deren Ursachen auf und macht Abhängigkeiten zwischen den Risiken deutlich.

Dem Vorteil der systematischen Dokumentation und abstrahierten Vorgehens­ weise, die individuelle und subjektive Einflüsse begrenzt, steht als Nachteil hauptsächlich die enorme Arbeitsbelastung gegenüber, die für die Informations­ gewinnung bei detaillierten Analysen notwendig ist.5 Die damit verbundenen hohen Kosten sind hauptsächlich dafür verantwortlich, daß diese Methoden nur begrenzt über ihren Einsatz bei technischen Systemen hinaus, auf das umfassende Risikomanagement der Unternehmen zu übertragen sind.6

2.

Risikobewertung

Auf die Risikoidentifizierung folgt die Risikobewertung als zweiter Teil der Risikoanalyse. Einerseits haben die Ausführungen zur Risikoidentifikation deut­ lich gemacht, daß ein fließender Übergang zur Risikobewertung besteht. Speziell bei der Fehlerbaum- und der Störfallablaufanalyse ist eine Bewertungskompo­ nente Bestandteil der Analyse. Andererseits macht die methodische Trennung der Risikoidentifikation von der Risikobewertung durchaus Sinn. Durch die Tren­ nung der Teilschritte sollen Ausstrahlungseffekte vorweggenommener Risikobe­ 1 2 3 4 5 6

Vgl. Pfeifer, T. (Qualitätsmanagement 1996), S. 68. Vgl. Pfeifer, T. (Qualitätsmanagement 1996), S. 109. Vgl. Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), 72. Vgl. Brühwiler, B. (Risiko-Analyse 1983), S. 259. Vgl. Theil, M. (Risikomanagement 1996), S. 213. Vgl. Haller, M. (Eckpunkte 1986), S. 31.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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urteilungen verhindert werden.1 Risiken, die im Rahmen der Risikoidentifikation unbewußt unterschätzt werden, droht im weiteren Ablauf des Risikomanagements eine ungenügende Berücksichtigung. Die Bewertung der Risiken ist damit aus zwei Gründen besonders wichtig. Zum einen können die Risiken nach ihrer Prio­ rität geordnet werden, zum anderen sollen Informationen vermittelt werden, die es dem Risikomanagement ermöglichen, die optimale Kombination der Instru­ mente zur Risikobewältigung auszuwählen.2 Im Rahmen der Risikobewertung ist zu ermitteln, inwieweit die identifizierten Risiken die Erreichung der unternehmerischen Ziele gefährden. Die Risikobe­ wertung soll damit eine Einschätzung der Dringlichkeit der Risiken ermöglichen. Für die Beurteilung der Dringlichkeit von Risiken sind sowohl die Tragweite als auch die Eintrittswahrscheinlichkeit zu berücksichtigen. Die Bewertung dieser beiden Größen stößt in der Praxis auf erhebliche Schwie­ rigkeiten. Zum einen ergeben sich Probleme, da für die Quantifizierung des Schadenausmaßes regelmäßig Geldwerte verwendet werden.3 Für viele Risiken kann dieser Maßstab durchaus geeignet und ermittelbar sein. Große Teile der Risiken lassen sich aber nur mit Einschränkungen in Geldwerten ausdrücken. Zum anderen liegen aufgrund des Zukunftsbezugs von Risiken für die Bewertung dieser beiden Komponenten nur unzureichende Informationen vor. Zwar gibt es Risiken, deren Schadenausmaß exakt bekannt ist oder für die objektive Wahr­ scheinlichkeitsverteilung existieren, i.d.R. ist man bei der Bewertung des Scha­ denausmaßes und der Eintrittswahrscheinlichkeit jedoch auf die Extrapolation von Vergangenheitswerten in die Zukunft angewiesen. Dementsprechend muß die Risikobewertung auf empirische Daten zurückgreifen. Neben den erwähnten Erfahrungen aus der unternehmenseigenen Risikonachbereitung sind hier vor allem externe Schadenstatistiken, z.B. von Versicherungsunternehmen oder dem Statistischen Bundesamt, von Bedeutung.4

Risiken ergeben sich in den seltensten Fällen als sog. dichotomische Risiken, bei denen es nur ein Schadenausmaß gibt, das entweder eintritt oder nicht. Im allge­ meinen treten sie als dimensionale Risiken auf, die verschiedene Schadenausma­ ße haben, d.h. durch schwankende Tragweiten gekennzeichnet sind.5 Jedesmal, wenn ein Risiko eintritt, kann der Schadenverlauf anders sein. Als Ersatzwerte für den nicht existierenden genauen Wert des Schadenausmaßes werden häufig 1 2 3 4 5

Vgl. Theil, M. (Risikomanagement 1996), S. 214. Vgl. Wätke, J.-P. (Captive 1982), S. 39. Vgl. Theil, M. (Risikomanagement 1996), S. 214. Vgl. Ross, K. (Auswertungsmöglichkeiten 1995), S. Iff.; Hagemann, F. (Auswertung 1995), S. Iff. Vgl. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 116f.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

insbesondere im Rahmen der Versicherungspolitik - folgende Größen verwen­ det:1

Der maximal mögliche Schaden (maximum possible loss, MPL), der das Unternehmen aufgrund eines einzelnen Schadenereignisses treffen kann. Der Verwendung des MPL liegt eine äußerst pessimistische Betrachtungsweise zugrunde. • Der wahrscheinliche Höchstschaden (probable maximum loss, PML), drückt das maximale Schadenausmaß aus, das noch mit einer bestimmten Wahr­ scheinlichkeit aufgrund eines einzelnen Schadenereignisses eintreten kann. Üblicherweise bezieht sich der PML auf eine Wahrscheinlichkeit von 95 %, d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % übersteigt das Schadenausmaß den PML nicht.



Die Ergebnisse der Risikoidentifikation und der Risikobewertung müssen ab­ schließend in einem sog. Risikoinventar erfaßt werden.2 Dabei handelt es sich um eine Übersicht, die alle im Rahmen der Risikoanalyse gewonnen Erkenntnisse wie die einzelnen Risiken, den bisherigen Schadenverlauf, die bisher realisierten risikopolitischen Instrumente und deren Wirksamkeit sowie die Prioritäten für den weiteren Einsatz von Maßnahmen zur Risikobewältigung enthält. Die Un­ ternehmensführung soll durch das Risikoinventar einen komprimierten Überblick über die Risikolage und die wirtschaftliche Bedeutung der Risiken erhalten. Die regelmäßige Erstellung und Pflege des Risikoinventars ist die Grundlage für Entscheidungen über den Einsatz der risikopolitischen Strategien.

3.

Umweltrisiken als Problembereich der Risikoanalyse

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Risikoanalyse die Aufgabe hat, das folgende Tupel an W-Fragen zu beantworten:

• Was kann geschehen, d.h. welche Störungen können eintreten? • Wie wahrscheinlich ist es, daß dies geschieht? • Wenn es geschieht, welche Folgen bestehen für das Unternehmen? Stellt man diesen Fragen die Wesensmerkmale von Umweltrisiken gegenüber, wird deutlich, welche Probleme sich bei der Identifikation und Bewertung von Umweltrisiken ergeben. Schon bei der Frage, welche Störungen eintreten können, ergeben sich für Umweltrisiken spezifische Probleme. Einen abgeschlossenen 1

2

Vgl. Williams, C. A./Smith, M. L./Young, P. C. (Risk Management 1995) S. 63f.; Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 116; Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), 62f. Vgl. Hofmann, K. (Risikomanagement 1985), 77f.

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Kriterienkatalog, um die Vollständigkeit der Risikoidentifikation festzustellen, gibt es für keine Form von Risiken. Besonders schwierig ist dies aber für solche Risiken zu verwirklichen, bei denen Ursache-Wirkungsprozesse nicht eindeutig bekannt sind und die durch zeitlich verzögerte Folgen gekennzeichnet sind. Es ist offensichtlich, daß eine vollständige Risikoidentifikation - aufgrund der vielfälti­ gen Wirkungspfade, des zeitlichen Ablaufs ihrer Entstehung und ihrer komplexen Kausalitäten - speziell bei Umweltrisiken äußerst problematisch ist. Da sich Umweltrisiken im allgemeinen aus technischen Systemen ergeben, wer­ den bei der Risikoanalyse im Umweltbereich und bei Sicherheitsanalysen für Anlagen mit erhöhtem Umweltgefahrenpotential vermehrt die vorgestellten analytisch-systematischen Verfahren eingesetzt.1 Für die Identifikation von Umwel­ trisiken, die aus Störfällen entstehen und die Bestimmung deren Eintrittswahr­ scheinlichkeit sind diese Analyseverfahren durchaus geeignet. Aber bei der Analyse schleichender Umweltgefährdungen, die auf planmäßige und dauerhafte Umwelteinwirkungen zurückzuführen sind, stoßen die Methoden an ihre Gren­ zen, da sie auf die Ermittlung unvorgesehener, auf Fehler zurückzuführender Ereignisse ausgerichtet sind. Im Rahmen der Risikoanalyse werden meist aus unternehmensinternen und/oder externen Schadenstatistiken stammende Vergangenheitswerte in die Zukunft extrapoliert. Speziell bei der Bewertung von Umweltrisiken ergibt sich hierbei das Problem, daß solche Daten nicht vorhanden sind. Selbst bei Versicherungs­ gesellschaften liegen nur ungenügende statistische Schadenerfahrungen über Umweltrisiken vor.2 Insbesondere vor Einführung des UmweltHG wurden in der Versicherungswirtschaft Daten über Umweltschäden nicht separat erfaßt und aufgearbeitet.3

Selbst wenn externe Schadenstatistiken vorhanden sind oder diese sich im Zeitablauf aufbauen, lassen sich daraus nur bedingt repräsentative Aussagen ableiten. Für die Statistiken werden die bei den verschiedensten Unternehmen eingetretenen Schadenfälle ausgewertet. Schadenstatistiken beinhalten damit zum einen das Problem, daß sog. Fastschäden, d.h. Vorfälle, bei denen es gerade noch nicht zum Schaden gekommen ist, nicht erfaßt werden. Die Vernachlässigung von Fastschäden, die sich aufgrund von Zufällen oder unbewußten und unge­ planten personellen oder organisatorischen Maßnahmen nicht verwirklicht haben, kann zu Fehleinschätzungen bei der Bestimmung der Eintrittswahrscheinlichkeit führen. Zum anderen existiert der allgemeine Nachteil der Verwendung von Ver­ 1 2 3

Vgl. Hesel, D. (Sicherheitsanalysen 1992), 122ff. Vgl. Breining, W. (Umwelthaftpflicht 1992), S. 1328. Vgl. Hofmann, M. (Umweltrisiken 1995), S. 63.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

gangenheitsdaten. Die Daten sind unter Bedingungen entstanden, die in der Zu­ kunft ganz anders sein können.1 Eine Prämisse, die es insbesondere aufgrund der Bedeutung der Zeitdimension der Umweltrisiken erschwert, Daten aus der Ver­ gangenheit in die Zukunft zu übertragen. Darüber hinaus sind die Daten anderer Unternehmen, selbst aus der selben Branche, nicht unbedingt ein verläßlicher Vergleichsmaßstab. Die Vergleichbarkeit für das eigene Umweltrisiko wird nicht nur durch die gleiche Tätigkeit bestimmt. Einerseits können die Unternehmen in unterschiedlichem Umfang Maßnahmen der Risikobewältigung durchführen. Andererseits müßten die risikorelevanten Ursache-Wirkungsbeziehungen jeweils gleich sein.2 Eine Voraussetzung, die bei der Heterogenität der Umweltschäden und der Komplexität der Kausalitäten bei Umweltrisiken kaum gegeben ist. Auch der Versuch, die Komplexität der Umweltrisiken zu erfassen, indem man die potentielle Schadenhöhe aus den Teilschäden und deren Verknüpfung ermit­ telt, führt i.d.R. zu unbefriedigenden Ergebnissen.3 Voraussetzung für diesen Weg ist, daß zumindest die Teilschäden und Teilwahrscheinlichkeiten erkannt und quantifiziert werden können. Aufgrund der vielfältigen Wirkungspfade und der häufig fehlenden Individualisierbarkeit von Umweltschäden lassen sich aber die einzelnen Risikobestandteile im voraus nur schwer erkennen. Ferner erschwe­ ren die mit Umweltrisiken verbundenen Spätschadenpotentiale eine umfassende Erfassung der möglichen Teilschäden. Die Beantwortung der Frage nach den Folgen für das Unternehmen, die sich aus dem Eintritt von Umweltrisiken ergeben können, wird darüber hinaus erschwert, da sich Umweltrisiken als interdisziplinäres Problem darstellen. Die Risikoanaly­ se darf sich nicht nur mit ökonomischen Fragen beschäftigen, sondern muß sich mit vielen Bereichen der Technik, des Rechts, der Medizin und der Verhaltens­ wissenschaften befassen.4 Untersuchungen bei Versicherungsgesellschaften ha­ ben ergeben, daß bei der Versicherung von Umweltrisiken und der Bearbeitung von Umweltschadenfällen, in Zeitanteilen gemessen, 60 % naturwissenschaftlich­ technische Qualifikationen, 10 % juristisches Wissen und 30 % ökonomische Qualifikationen benötigt werden.5

Eine besondere Schwierigkeit im Rahmen der Risikoanalyse ergibt sich bei der Bewertung von Umweltrisiken. Während die Risikoidentifikation beeinflußt, ob gegen ein Risiko Maßnahmen eingeleitet werden, wirkt die Risikobewertung

1 2 3 4 5

Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 80. Vgl. Theil, M. (Risikomanagement 1996), S. 215. Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 80. Vgl. Famy, D. (Risk Management 1979), S. 32. Vgl. Vogel, J. (Breitengeschäft 1995), S. 1294.

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vorentscheidend dafür, in welcher Form und in welchem Ausmaß - auch im Ver­ gleich zu anderen Risiken - etwas gegen das Risiko unternommen wird. Eine Bewertung, verstanden als das Zuordnen von Präferenzen, erfordert die Feststel­ lung von quantitativen Merkmalen.1 Aufgrund der mangelnden Monetarisierung von Umweltrisiken entziehen sich diese in weiten Teilen der im Rahmen der Risikobewertung angestrebten Quantifizierung in Geldwerten. Die Risikoanalyse ist generell als Voraussetzung der Risikobewältigung anzuse­ hen. Aber speziell das finanzielle Management von Umweltrisiken muß zwangs­ läufig an eine Risikobewertung anknüpfen. Dementsprechend ist ein Bewer­ tungsmaßstab unerläßlich, der, wenn keine quantitative, monetäre Messung an­ wendbar ist, zumindest eine ökonomische Bewertung ermöglicht. Als Bewer­ tungsmaßstäbe muß aus diesem Grund teilweise auf Risiko-Indexzahlen zurück­ gegriffen werden.2 Die Risiko-Indexzahlen führen eine qualitative Klassifikation ein. Es handelt sich im allgemeinen um dimensionslose, ordinalskalierte Größen. Ein möglicher Ansatz zur Ermittlung und Ausgestaltung solcher RisikoIndexzahlen wird im zweiten Teil dieser Arbeit vorgestellt.

III.

Aktive und passive Formen der Risikobewälti­ gung

Die Wahl und Durchführung der Maßnahmen zur Risikobewältigung stellen die zweite Phase des Risikomanagementprozesses dar. Die Maßnahmen der Risiko­ bewältigung lassen sich in aktive und passive Formen trennen, die sich hinsicht­ lich ihrer Aufgaben und Zielsetzungen unterscheiden. Während das •



1 2

aktive Risikomanagement Strategien beinhaltet, die direkt an den strukturel­ len Risikoursachen (Schadenhäufigkeit, Schadenhöhe) ansetzen und so zu ei­ ner Schadenprävention führen, handelt es sich beim passiven Risikomanagement um Strategien, die der Risikotragfähigkeit die­ nen, d.h. die Risikostrukturen werden als gegeben hingenommen und Maß­ nahmen entwickelt, die auf eine Reduzierung möglicher Verluste hinwirken bzw. Vorsorge für eventuell eintretende Verluste treffen.

Vgl. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 113. Vgl. Urlaub,G. (Umweltrisiken 1992) S. 34; Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 83.

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1.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Aktives Risikomanagement

Da sich das aktive Risikomanagement in sehr viele verschiedene Einzelinstru­ mente auffachert, lassen sich über die Darstellung der grundlegenden Strategien hinaus praktisch keine allgemeingültigen Vorgehens weisen beschreiben. Dement­ sprechend sollen hier nur die bereits angesprochenen, generellen Ansätze näher ausgeführt werden und, soweit möglich, mit Beispielen aus dem Umweltbereich verdeutlicht werden. a)

Risikovermeidung

Bei der Risikovermeidung wird ein entsprechendes Risiko gänzlich ausgeschal­ tet, d.h. der Risikoeintritt wird unmöglich. Um die Eintrittswahrscheinlichkeit bis auf Null reduzieren zu können, kann es notwendig sein, auf die risikoverursa­ chende Aktivität zu verzichten. Dies kann von der Produktionseinstellung eines bestimmten Produktes oder dem Rückzug aus dem betroffenen Geschäftsfeld bis zur Stillegung ganzer Produktionsstätten reichen. Da dies aber in letzter Konse­ quenz zur Einstellung jeglichen unternehmerischen Handelns führen würde, stel­ len solche drastischen Maßnahmen nur eine Alternative dar, wenn die jeweiligen Risiken jenseits der Akzeptanzlinie liegen. Dies ist z.B. bei Risiken der Fall, die im Risikoportfolio (vgl. Abb. 2) sehr weit in der rechten oberen Ecke liegen und bei denen andere risikopolitische Methoden als nicht anwendbar angesehen wer­ den.1 Sinnvoller als durch die Aufgabe risikobehafteter Aktivitäten ist eine Risikover­ meidung oftmals durch eine Änderung dieser Aktivitäten zu erreichen. Für die Vermeidung von Umweltrisiken setzen solche Änderungen i.d.R. an der betrieb­ lichen Leistungserstellung an. So lassen sich im Rahmen der sog. Faktorsubstitu­ tion Schadstoffe vermeiden, wenn in einem gegebenen Produktionsprozeß ande­ re, umweltverträgliche Rohstoffe eingesetzt werden.2 Ein Hauptaugenmerk bei der Risikovermeidung ist auf die Produktgestaltung und -entwicklung zu richten. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß bereits in der Phase der Entwick­ lung und Konstruktion mehr als 70 % der Produktkosten vorbestimmt werden und damit auch noch zu diesem frühen Zeitpunkt beeinflußt werden können.3 In Analogie dazu legt die Produktentwicklung das Ausmaß der Umweltbelastungen fest, die von diesem Produkt ausgehen. Folglich müssen schon bei der Entwick­ lung eines Produkts die Weichen für die spätere Umweltverträglichkeit der Pro­ duktion, des Gebrauchs und der Entsorgung des Produkts gestellt werden. Analog 1 2 3

Vgl. Wätke, J.-P. (Captive 1982), S. 45. Vgl. Steven, M. (Umweltschutz 1992), S. 107. Für eine Übersicht vgl. Schmidt, F. (Gemeinkostensenkung 1996), S. 54ff.

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dazu können Umweltrisiken bei bestehenden Produkten durch die Änderung des Konstruktionsprinzips oder der Rezeptur vermieden werden.1

Schließlich dienen Prozeßsubstitutionen im Rahmen der bereits angesprochenen integrierten Umweltschutztechnologien der Vermeidung von Umweltrisiken. Als Folge von Verfahrensänderungen können andere Stoffe eingesetzt werden und im Idealfall entstehen die jeweiligen Schadstoffe sowie Abfälle und umweltgefähr­ dende Reststoffe überhaupt nicht mehr. Allerdings gelingt auch mit der Prozeß­ substitution eine Risikovermeidung nicht immer. Die modifizierten Prozesse können zwar weniger risikobehaftet sein, aber ein Restrisiko ist häufig nicht vollständig auszuschließen. Demnach ist auch bei integriertem Umweltschutz der Übergang zu den Maßnahmen der Risikominderung fließend.

b)

Risikominderung

Bei der Risikominderung soll die Eintrittswahrscheinlichkeit oder das mögliche Schadenausmaß der Risiken auf ein akzeptables Maß gesenkt werden. Eine Risi­ kominderung kann durch eine Vielzahl an Instrumenten erzielt werden. Grund­ sätzlich können folgende Maßnahmen unterschieden werden:2



personelle Maßnahmen, wie die Auswahl, Einweisung und Schulung von Mitarbeitern sollen das Risikobewußtsein stärken und menschliches Versagen vermindern. • technische Maßnahmen, wie Sicherheitseinrichtungen und konstruktive Ver­ besserungen des Sicherheitsniveaus sollen das Versagen technischer Systeme verhindern. • organisatorische Maßnahmen, wie die Verbesserung von Arbeitsabläufen, die Erstellung von Notfall- und Krisenplänen sowie Frühwarnsystemen, Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme oder die Einsetzung von Sicherheitsbe­ auftragten, sollen der sicherheitsgerechten Gestaltung der Arbeits- und Unter­ nehmensorganisation dienen.

Die Maßnahmen können dabei ursachenorientiert der Schadenverhütung oder wirkungsorientiert der Schadenherabsetzung dienen. Während beispielsweise ein Blitzableiter die Wahrscheinlichkeit des Entstehens eines Brandes verringern kann, läßt sich das Schadenausmaß eines Brandes durch die Installation einer Sprinkleranlage vermindern. Die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ausbruchs eines 1 2

Vgl. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 174; Janzen, H. (Ökologisches Controlling 1996), S. 26f. Vgl. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 25; Brühwiler, H. (Risiko-Management 1979), S. 355f.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Feuers wird zwar nicht beeinflußt, aber die Tragweite des Brandrisikos verrin­ gert. Da Umweltrisiken i.d.R. auf die betriebliche Leistungserstellung und die damit verbundenen Umweltrisiken i.eig.S. zurückzuführen sind, wird neben den bei der Risikovermeidung bereits angesprochenen integrierten Umweltschutztechnologi­ en vor allem additiver Umweltschutz eingesetzt. End-of-pipe-Technologien tra­ gen durch die nachträgliche Reduzierung der entstandenen Schadstoffe zur Ver­ hütung und Herabsetzung von Umweltschäden bei, können diese aber niemals ganz ausschließen. Weitere Beispiele für technisch orientierte Schadenverhütung stellen das Einfügen von Redundanzen und Fail-safe-Routinen in störanfällige Anlagenteile dar.1 Durch diese Maßnahmen wird die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Störfalls in umweltgefährdenden Anlagen reduziert. Die Tragweite eines Schadens, z.B. eines Brandes, kann durch das Auftrennen von Risiko Verkettun­ gen, beispielsweise durch die Errichtung von Brandmauern, die Schaffung räum­ licher Distanzen in der Anlagenlayoutplanung oder Löschwasserrückhaltebecken herabgesetzt werden. Eine ausreichende Dimensionierung der Löschwasserrück­ haltebecken hätte z.B. die erheblichen Schäden aus der Gewässerverschmutzung als Folge des Brandes bei Sandoz in Schweizerhalle verringern können. Schließlich sind zwei organisatorische Maßnahmen der Risikominderung im Umgang mit Umweltrisiken von besonderer Bedeutung: die sog. Risikokommu­ nikation und die Dokumentation des Betriebsgeschehens. Die Risikokommuni­ kation hat die Aufgabe, das berechtigte Interesse des Umfelds des schädigenden Unternehmens an Informationen über die Schädigung zu befriedigen. Speziell Umweltschäden führen zu Imageverlusten und negativen Reaktionen in der Öf­ fentlichkeit. Durch eine schlechte Risikokommunikation können diese Folgen noch verstärkt werden.2 Für die Verminderung des Marktrisikos spielt die Risikokommunikation eine bedeutende Rolle bei der Herabsetzung der Tragweite eines eingetretenen Scha­ dens. Als Beispiel für die Auswirkungen von Umweltschäden auf das Image eines Unternehmens und die Bedeutung der Risikokommunikation kann die Hoechst AG dienen. Durch die Reihe von umweltgefährdenden Störfällen im Jahre 1993 hat das Image von Hoechst stark gelitten. Im Zusammenhang mit einem Unfall im Werk Griesheim wurde aufgrund der Verwendung eines mißver­ ständlichen Fachbegriffs der Hoechst AG dabei sogar eine bewußte Fehlinforma­

1 2

Vgl. Pahl, G. (Konstruktionstechnik 1990), F 16. Vgl. Trachsel, M. (Risiko-Kommunikation 1994), S. 3Iff.; Holoubek, K. (Kommunizierbarkeit 1994), S. 69ff.; Hertel, A. (Risk Management 1991), S. 71.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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tion vorgeworfen.1 Der Werkleiter sprach damals, den Angaben des Sicherheits­ datenblatts entsprechend, vom Austritt mindergiftiger Stoffe. Während die Öf­ fentlichkeit annahm, daß es sich damit um praktisch ungiftige Stoffe handelte, drückt der Begriff faktisch aber eine mittlere bis starke Giftigkeit aus. Wie eine vom Allensbacher Institut durchgeführte Umfrage aufzeigt, hat dies insgesamt zu einem negativen Bild der Hoechst AG in der deutschen Öffentlichkeit geführt. Wer an Hoechst denkt, denkt in erster Linie an Störfälle (88 %) und Umweltver­ schmutzung (83 %), erst dann folgen Produkte von Hoechst (Medikamente 79 %, Pflanzenschutz 78 %, Farben und Lacke 75 %).2 Darüber hinaus fällt der Image­ indikator „Gute Meinung/Keine gute Meinung“ bei Hoechst - im Gegensatz zu den Konkurrenten Bayer und BASF - deutlich negativ aus. Da auch Sandoz eine negatives Image hat, ist in diesem Zusammenhang wiederum die Bedeutung von Umweltschäden ersichtlich. Die nachweisbare Dokumentation des Betriebsgeschehens dient vor allem dazu, das Haftungsrisiko zu reduzieren, welches aus Umweltschäden und anderen, über den Umweltpfad verursachten Schäden, resultiert. Durch die rechtlichen Rah­ menbedingungen wird häufig der Nachweis der Pflichterfüllung erforderlich.3 Alle eingesetzten Instrumente des aktiven Risikomanagements sowie gesetzlich geforderte Anpassungsmaßnahmen sind zu dokumentieren. Dies gilt auch für freiwillige oder auf Vorschriften beruhende Schadstoffmessungen und deren Ergebnisse. Aufgetretene Störfälle müssen, selbst wenn keine unmittelbaren Folgen ersichtlich sind, genau festgehalten werden. Darüber hinaus ist aber auch die Einhaltung der Betriebspflichten und die störungsfreie Durchführung der Prozesse, speziell des Produktionsprozesses, kontinuierlich zu protokollieren. Eine weitgehende Dokumentation dient zum einen dazu, bei Schadenersatzan­ sprüchen aus unerlaubten Handlungen nachzuweisen, daß kein rechtswidriges, vorsätzliches oder fahrlässiger Handeln bzw. Unterlassen vorlag. Zum anderen ist die Dokumentation des Betriebsgeschehens im Zusammenhang mit der verschul­ densunabhängigen Gefährdungshaftung des UmweltHG und den Prinzipien der Beweiserleichterung von besonderer Bedeutung. Wie bereits angesprochen, ist für die Abwehr eines Haftungsanspruches die Einhaltung des genehmigten Nor­ malbetriebs nachzuweisen.4

1

2 3 4

Vgl. Holoubek, K. (Kommunizierbarkeit 1994), S. 73.; Trachsel, M. (Risiko-Kommunikation 1994), S. 32. Vgl. Piel, E. (Umfrage 1996), S. 21 ff. Vgl. Janzen, H. (Ökologisches Controlling 1996), S. 28. Vgl. Kapitel B.III.2, S. 8If.

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c)

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Risikodiversifikation

Ziel der Risikodiversifikation ist es, eine Verkleinerung der Verlustbeträge durch eine Aufspaltung der Risiken zu erreichen.1 Dabei wird der Risikoausgleich zwi­ schen voneinander unabhängigen Risiken genutzt, d.h. es wird ein Kollektiv gebildet, in welchem ein interner Risikoausgleich stattfindet.2 Ohne den gesamten Schadenerwartungswert zu verändern, wird ein Risiko in mehrere voneinander unabhängige Teilrisiken mit gleicher Eintrittswahrscheinlichkeit, aber geringerer Tragweite diversifiziert. Damit ergibt sich eine neue Wahrscheinlichkeitsvertei­ lung, die im Vergleich zum ursprünglichen Risiko durch ein vermindertes Groß­ schadenpotential gekennzeichnet ist, dafür aber erhöhte Wahrscheinlichkeiten für mittlere Schäden aufweist.3 Die Risikodiversifikation kann dabei unter regiona­ len, objektbezogenen und personenbezogenen Aspekten erfolgen.4

Eine regionale Diversifikation liegt beispielsweise vor, wenn RHB-Lager, Re­ chenzentren oder Produktionsanlagen räumlich verteilt oder gar mehrere Stand­ orte mit gleichartigen Produktionsstätten errichtet werden. Bei einer objektbezo­ genen Diversifikation werden risikosensible Bereiche so organisiert, daß der Ausfall eines Bereichs durch andere Bereiche kompensiert werden kann. Als Beispiele hierzu können der Übergang von wenigen Großkunden oder lieferanten auf eine Vielzahl von Abnehmern und Lieferanten oder die Installati­ on zusätzlicher EDV-Anlagen im Rechenzentrum dienen. Um eine personenbe­ zogene Diversifikation handelt es sich beispielsweise bei der von vielen Groß­ unternehmen angewendeten Regelung, nach der Vorstandsmitglieder oder andere Schlüsselpersonen stets getrennt reisen sollen.

2.

Passives Risikomanagement

a)

Risikoverlagerung

Bei der Risikoverlagerung bleibt die Schadendimension des Risikos bestehen, wird aber ganz resp. teilweise auf andere Unternehmen verlagert. Bei den exter­ nen Risikoträgern handelt es sich nicht um Versicherungsgesellschaften oder professionelle Risikoträger, sondern um sonstige Geschäftspartner, wie Liefe­ ranten oder Kunden.5 Die Risikoverlagerung erfolgt i.d.R. durch die entsprechen­ de Gestaltung von Verträgen. Im Rahmen der Gestaltungsfreiheit von allgemei­ 1 2 3 4 5

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Kupsch, P. (Risiko 1973) S. 40. Müller, W. (Risk Management 1979), S. 74. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 150. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 177f.; Kupsch, P. (Risiko 1973) S. 40. Müller, W. (Risk Management 1979), S. 76.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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nen Geschäftsbedingungen sowie Kauf- und Werkverträgen können Haftpflicht-, Gewährleistungs- oder Transportrisiken auf die Vertragspartner verlagert werden. Die Verlagerung von Umweltrisiken kann beispeilsweise durch die Rückgabe von Abfällen an die Lieferanten erfolgen. Die Risikoverlagerung kann zwar aufgrund einer starken Machtposition kostenlos sein, im allgemeinen aber muß die Verlagerung des Risikos durch Zugeständnisse bei anderen Vertragspunkten erkauft werden. Explizite Zahlungen für die Verla­ gerung von Risiken sind bei unternehmerischen Maßnahmen zu leisten, die neben anderen Zielsetzungen auch die Risikoverlagerung verfolgen. Bei solchen Maß­ nahmen, z.B. dem Leasing, dem Factoring oder dem sog. Outsourcing, d.h. der Ausgliederung von Unternehmensfunktionen, ist für den Bezug der Güter bzw. Dienstleistungen ein Entgelt zu entrichten.1 Als Ausgleich für die mit den ausge­ gliederten bzw. eingekauften Funktionen verbundenen und auf die Geschäftspart­ ner verlagerten Risiken ist in diesem Entgelt eine Risikoprämie enthalten. Spezi­ ell an solchen Ausgestaltungen der Risikoverlagerung, bei denen die Risikoüber­ nahme zum professionellen Geschäft des Dienstleistungsunternehmens gehört, wird deutlich, daß der Übergang von der Risikoverlagerung zur Risikoübertra­ gung fließend sein kann. Aus Sicht des verlagernden Unternehmens wird ein Risiko durch die vertragliche Verlagerung der finanziellen Konsequenzen eines Schadens auf andere Unter­ nehmen in eine Situation der Sicherheit transformiert. Aufgrund der Risikowahr­ nehmung des unternehmerischen Umfelds stellt sich dies aber als scheinbare Sicherheit heraus. Das juristisch verantwortliche Unternehmen und der von der Öffentlichkeit wahrgenommene Schadenverursacher müssen nicht identisch sein.2 Beispielsweise können zwar Teile des aus einem Umweltschaden resultierenden Haftungsrisikos auf einen Zulieferer verlagert werden, der auch das mit der Pro­ duktion verbundene Anpassungsrisiko zu tragen hat; das Marktrisiko aber bleibt bestehen.

b)

Risikofinanzierung

Wichtigstes Element des passiven Risikomanagements ist die Risikofinanzierung. Die Methoden der Risikofinanzierung nehmen keinen Einfluß auf die Risiko­ strukturen, sondern greifen erst ein, wenn Risiken eine finanzielle Dimension annehmen, d.h. Risikofinanzierung ist der Umgang mit den durch Risikoeintritte ausgelösten finanziellen Konsequenzen. Die Tatsache, daß die Risikofinanzie1 2

Für Formen und Ziele des Leasing bzw. des Factoring vgl. z.B. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (Bank-Assurance 1998), S. 517ff. bzw. S. 526ff. Vgl. Janzen, H. (Ökologisches Controlling 1996), S. 29.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

rung erst bei bereits schlagend gewordenen Risiken greift, bedeutet allerdings nicht, daß es sich um Maßnahmen handelt, die erst nach dem Schaden eingeleitet werden. Im Gegenteil, im Rahmen der Risikofinanzierung sind auf den Zeitpunkt des Schadeneintritts hin Vorkehrungen zu treffen, die es den Unternehmen er­ möglichen, die finanziellen Folgen der eingetretenen Risiken auf professionelle Risikoträger zu übertragen oder aber im eigenen finanziellen System selbst zu tragen.1 Dabei geht es zum einen um die Bereitstellung der für die Schadenzah­ lung notwendigen Liquidität, zum anderen aber auch um die Absicherung er­ tragsmäßiger Belastungen.

Der klassische Finanzierungsbegriff bezieht sich auf alle Maßnahmen, die der Bereitstellung von Kapital dienen und deckt sich damit insbesondere mit der ersten Aufgabe der Risikofmanzierung.2 Die zweite Aufgabe aber macht deutlich, daß die Risikofinanzierung über die klassische Interpretation des Finanzierungs­ begriffs hinausgeht und neben der Kapitalbeschaffung auch Maßnahmen umfaßt, die im Schadenfall negative Konsequenzen auf die Ertragslage der Unternehmen verhindern und zu einer ertragsmäßigen Nivellierung beitragen sollen. Darüber hinaus ist die Risikofmanzierung im hier verstandenen Sinne von der teilweise auch als Risikofinanzierung bezeichneten Zuführung von externem Risikokapital im Rahmen von Wagnisfinanzierungen oder Venture-CapitalFinanzierungen, wie beispielsweise bei Existenzgründungen, abzugrenzen.3 Die Instrumente zum Aufbau einer finanziellen Vorsorge für zukünftige Schäden sind vielfältig. Wie die an Abb. 10 anknüpfende Abb. 13 zeigt, lassen sich die Maßnahmen der Risikofinanzierung in Abhängigkeit davon, ob die finanziellen Risiken letztlich selbst getragen oder übertragen werden, in zwei Gruppen ein­ teilen. Die Ausführungen im weiteren Verlauf der Arbeit werden zeigen, daß die Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen teilweise fließend sind. Um einen Überblick über die einzelnen Instrumente geben zu können und deren Einord­ nung zu erleichtern, werden an dieser Stelle die kontinuierlichen Übergänge zunächst zerschnitten. Bereits an dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, daß die risikofmanzierungssystematische Zuordnung nicht unbedingt ein Präjudiz für die steuerrechtliche Zuordnung, d.h. für die steuerliche Behandlung, der einzel­ nen Instrumente ist. Die finanziellen Auswirkungen eingetretener Risiken können einerseits auf pro­ fessionelle Risikoträger übertragen, andererseits auch selbst getragen werden. 1 2 3

Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 54. Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 307. Vgl. z.B. Rein, W./Spreman, K. (Venture 1997), S. 33ff.; Fünfschilling, U. (Risikofinanzierung 1988), S. A11; Rauscheder, W. (Risikofinanzierung 1996), S. 114.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Die Risikoübertragung wiederum kann definitiv oder begrenzt resp. befristet erfolgen. Während bei der unbefristeten Übertragung die Risiken endgültig, d.h. definitiv übertragen werden, sind sie beim begrenzten Übertragen zum Teil, beim befristeten Übertragen letztlich ganz selbst zu tragen.1 Beim befristeten Selbsttra­ gen werden nur für die Verteilung der Risiken über die Zeit externe Risikoträger beansprucht. Die finanziellen Folgen der Risiken sind durch den Kapitaldienst in der Zukunft zu tragen.

Im Mittelpunkt der unbefristeten Risikoübertragung steht die Versicherung. Dar­ über hinaus werden neuerdings Ansätze des Transfers von Risiken auf Finanz­ märkte diskutiert. Dabei sollen Risiken in Form von Anleihen oder Derivaten verbrieft und gehandelt, d.h. an den in-teressierten Anleger übertragen werden. Seit 1992 können an der Chicago Board of Trade (CBOT) Versicherungsderivate gehandelt werden, die auf der durchschnittlichen Schadenquote der USVersicherungsindustrie basieren. Trotz der hohen Erwartungen, die in diese al­ ternative Form der Risikofinanzierung gesetzt wurde, ist bis heute kein nennens­ werter Handel an der CBOT zu verzeichnen.

Abb. 13:

Systematik des Instrumentariums der Risikofinanzierung

Der zweite Ansatz, die Finanzmärkte zur Erhöhung der verfügbaren Versiche­ rungskapazitäten zu nutzen, beruht auf der sog. Securitization, d.h. der Verbrie­

1

Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 81.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

fung von Versicherungsrisiken und der damit verbundenen Transformation illi­ quider Versicherungszahlungsströme in Wertpapiere.1 Neben Modellen mit Til­ gungsausfall, bei denen die Investoren im Schadenfall das gesamte eingesetzte Kapital einbüßen können, existieren auch Konzepte mit Zinsausfall, bei denen die Anleger höchstens den Anspruch auf Zinszahlungen verlieren, während die Rückzahlung des Anleihebetrags unabhängig vom Schadenfall garantiert ist.2 Da dabei eine definitive Übertragung nur in Höhe des Zinsausfalls stattfindet, der Anleihebetrag aber regulär getilgt werden muß, d.h. auch im Schadenfall nur befristet zur Verfügung steht, wird deutlich, daß bei den Modellen mit Zinsaus­ fall der Übergang zum begrenzten Übertragen stattfindet. Zur Zeit existieren solche Ansätze nur für Risiken aus Naturkatastrophen, aber es wird überlegt, ob der Risikotransfer auf Finanzmärkte auch für industrielle Risiken möglich ist.3 Dieser Ansatz wird hier allerdings nicht weiter verfolgt.

Die Instrumente des befristeten Übertragens sollen schließlich die Beschaffung von Fremdkapital für den Fall des Risikoeintritts sichern. Dazu kommen offene Kreditlinien, neu aufzunehmende Kredite und Gewährleistungsverpflichtungen eines Kreditinstituts, wie sie z.B. im UmweltHG vorgesehen sind, in Betracht. Darüber hinaus werden insbesondere in jüngster Zeit sog. Finite Risk Konzepte diskutiert, bei denen es sich um eine Kombination von Versicherungs- und Fi­ nanzierungselementen handelt. Diese Konzepte machen es Unternehmen mög­ lich, die in einer bestimmten Zeitspanne erlittenen Schäden selbst zu tragen, da mit Hilfe eines Versicherungsunternehmens die effektiven Schadenkosten auf die Vertragslaufzeit verteilt werden können.

Das Selbsttragen, d.h. die Finanzierung der finanziellen Konsequenzen von Risi­ koeintritten aus Unternehmensmitteln, bezieht sich auf alle Risiken, die nicht vermieden oder übertragen wurden, auf die Restrisiken, die nach Risikominde­ rung sowie -diversifikation beim Unternehmen verblieben sind und auf Selbstbe­ halte von Versicherungen. Das Selbsttragen der Risiken kann bewußt oder unbe­ wußt geschehen. Dem unbewußten Selbsttragen geht eine falsche Einschätzung der Risikosituation voraus.4 Entweder wurden die Risiken nicht identifiziert oder falsch bewertet. Die Folgen dieser Fehleinschätzung müssen im Schadenfall aus dem Cash-Flow finanziert werden.

Bei dem auf einer bewußten Entscheidung beruhenden Selbsttragen von Risiken kann grundsätzlich zwischen einem Selbsttragen mit Reservenbildung und einem

1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Dürrer, A. (ART Revolution 1996), S. 27ff. Gerhardt, H.-P. (Risikotransfer 1997), S. 13; Müller, E. (Securitisation 1997), S. 601. Schweizer Rück (risk financing 1996), S. 9ff. Wätke, J.-P. (Captive 1982), S. 48.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Selbsttragen ohne Reservenbildung unterschieden werden. Wie beim unbewußten Selbsttragen sind auch beim bewußten Selbsttragen ohne Reservenbildung die Folgen von Risikoeintritten durch Cash-Flow-Finanzierungen abzudecken. Dabei kann es sich einerseits um ein Selbsttragen im Sinne von „Nichts-Tun“ handeln. Obwohl man Kenntnis von bestehenden Risiken hat, werden deren potentiellen Folgen im Rahmen der Ergebnis- und Finanzplanung nicht berücksichtigt. Das Ignorieren der Risikosituation wird vor allem durch die Risikobereitschaft der Unternehmensleitung bestimmt, da im Schadenfall die gleichen Auswirkungen auf den Cash Flow zu erwarten sind, wie beim unbewußten Selbsttragen. Die Risikoeinstellung bestimmt, wie weit Verluste bewußt in Kauf genommen werden und man bereit ist, Konsequenzen für das zum Bestehen und zur Fortentwicklung des Unternehmens notwendige finanzielle Gleichgewicht zu tragen.1 Werden andererseits in einem geplanten Vorgehen die Risikokosten bereits in den Preisen berücksichtigt, ist das Selbsttragen von bestimmten Risiken aus dem laufenden Cash-Flow auch ohne langfristige Reservenbildung möglich. An diesem Punkt setzt die risikopolitische Strategie der Verlustvorsorge ein. Da es sich beim un­ bewußten Selbsttragen und beim Selbsttragen ohne Risikobildung in Form des „Nichts-Tuns“ strenggenommen nicht um Instrumente der Risikobewältigung handelt, sind diese bei der Systematisierung der risikopolitischen Strategien in Abb. 10 nicht unter der Risikofinanzierung erfaßt. Dem Selbsttragen ohne Reservenbildung steht das Selbsttragen mit Reservenbil­ dung gegenüber. Dabei handelt es sich um die Kompensation eingetretener Ver­ luste durch die Bildung von Reserven.2 Die Reserven dienen dazu, die wirt­ schaftlichen Folgen eingetretener Risiken aus eigener Kraft zu bewältigen, ohne daß die Unternehmensziele wesentlich beeinträchtigt werden.3 Unternehmen, die einen hohen Ertrag erwirtschaften, können einfacher auf drohende Risiken rea­ gieren und die Risiken aus dem Cash-Flow der laufenden Periode ausgleichen oder durch Reserven abdecken, die in der Vergangenheit aufgebaut werden konnten. Dies gelingt natürlich insbesondere dann, wenn Umweltrisiken in Preis­ aufschläge um- und am Markt durchgesetzt werden können. Grundlage der Re­ servenbildung ist demnach primär die Steigerung der Ertragskraft. Außer auf finanzwirtschaftliche Reserven bezieht sich die Reservenbildung auch auf lei­ stungswirtschaftliche Reserven, wie Werkstoff- oder Materialreserven, Kapazitäts- oder Maschinenreserven und Personalreserven, die hier aber nicht betrachtet werden sollen.4 Die Reservenbildung kann intern und extern erfolgen. 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Hölscher, R. (Risikokosten 1987), S. 245; Haller, M. (Eckpunkte 1986), S. 32. Kupsch, P. (Risiko 1973), S. 42. Haller, M. (Eckpunkte 1986), S. 32. Wossidlo, P. (Reservierung 1970), S. 86ff.; Kupsch, P. (Risiko 1973), S. 42.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

Durch die interne Reservenbildung werden Deckungspotentiale in Form von offenen oder stillen Reserven an das Unternehmen gebunden. Die allgemeinste Form der Bildung offener Reserven ist die Stärkung des Eigenkapitals durch Rücklagen. Zur Verfügung stehen gesetzliche Rücklagen und freie oder in ihrer Verwendung beschränkte Gewinnrücklagen.1 Die dabei bezweckte Vorsorge ist meist unspezifisch und bei den gesetzlichen Rücklagen auch nur im Sanierungs­ fall wirksam. Während bei den Rücklagen durch den Ausweis in der Bilanz er­ sichtlich ist, wie hoch die Reserven sind, erscheinen stille Reserven nicht in der Bilanz. Sie ergeben sich aus der Differenz vom Buchwert eines Vermögensge­ genstands und einem Vergleichswert, wie dem Wiederbeschaffungs- oder dem Zeitwert.2 Damit führt jede Unterbewertung von Vermögensgegenständen sowie jeder überhöhte Ansatz von Fremdkapital zu stillen Reserven. Neben den Rück­ lagen gelten Rückstellungen gemäß § 249 HGB als das klassische Instrument der bilanziellen Vorsorge für bereits eingetretene oder zukünftig drohende Schäden, die Verbindlichkeiten nach sich ziehen können.

Bei der externen Reservenbildung werden die Reserven zwar vom Unternehmen gespeist, aber außerhalb des Unternehmens bei einem rechtlich verselbständigten Risikoträger gebildet. Neben der Gründung von betrieblichen Pensionskassen oder den im Rahmen der Umwelthaftung angesprochenen kollektiven Entschädi­ gungssystemen und Haftungsfonds zählen hierzu insbesondere sog. Captives, d.h. firmeneigene Versicherungsgesellschaften mit eigener Rechtsperson.3 Ein Unter­ nehmen kann seine Risiken oder Teile davon bei seiner Captive gegen Zahlung einer Prämie wie bei einem gewöhnlichen Versicherer extern versichern. Da das Unternehmen aber seine Captive finanzieren muß, trägt es auch die Risiken selbst. In diesem Sinne stellen Captives, obwohl sie wie Versicherungsunterneh­ men arbeiten und kalkulieren, keine Risikoübertragung, sondern eine Form des Selbsttragens von Risiken dar. Andererseits besteht einer der wesentlichen Vor­ teile einer Captive in ihrem Zugang zum Rückversicherungsmarkt. Da somit ein großer Teil der vom Unternehmen an die Captive übertragenen Risiken (extern) versichert wird, liegt in diesem Fall eine Versicherung vor. Eine Captive kann dementsprechend weder der Versicherung noch dem Selbsttragen eindeutig zu­ geordnet werden.4 Für die weiteren Ausführungen werden die fließenden Übergänge, die für die Systematisierung getrennt wurden, wieder zusammengesetzt. Dazu werden die Instrumente, die sich nicht eindeutig abgrenzen lassen und sowohl Elemente der 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Schoenfeld, H. (Risiken in Bilanzen 1996), S. 234. Schmitz, T. (Stille Reserven 1981), S. 71f. Bialek, K. (Captive 1993), S. 28. Meyer-Kahlen, W. (Captive-Versicherung 1988), S. 95.

1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

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Versicherung als auch des Selbsttragens in sich vereinen, zu den sog. hybriden Formen der Risikofinanzierung zusammengefaßt. Daneben stellen die Versiche­ rung und die interne Reservenbildung, die eindeutig abzugrenzen sind, die tradi­ tionellen Formen der Risikofinanzierung dar. Während die traditionellen Formen der Risikofinanzierung im Mittelpunkt des zweiten Teils stehen, werden die hy­ briden Formen in Teil drei vorgestellt.

3.

Abgrenzung der Formen der Risikobewältigung

Erklärtes Ziel des Risikomanagements muß es sein, die über das akzeptierte Maß hinausgehenden Risikopotentiale gar nicht erst auftreten zu lassen. Dieses Ziel kann letztlich nur das an den strukturellen Risikoursachen ansetzende aktive Risikomanagement verwirklichen. Doch i.d.R. lassen sich auch mit den Metho­ den des aktiven Risikomanagements Risikosituationen nicht völlig ausschließen. Die trotz des Einsatzes von Maßnahmen des aktiven Risiken verbleibenden Risi­ ken werden als Restrisiken bezeichnet. Restrisiken müssen vom passiven Risi­ komanagement erfaßt werden. Darüber hinaus sind Risiken, bei denen Maßnah­ men des aktiven Managements nicht eingesetzt werden oder nicht angewendet werden können, vom passiven Risikomanagement zu berücksichtigen. Das aktive Risikomanagement greift an den jeweiligen Risikoursachen an. Die Maßnahmen der aktiven Risikobewältigung sind deshalb ebenso vielfältig wie die Ursachen der Risiken. Darüber hinaus bedingt eine Beeinflussung der Risikostrukturen, daß sich die Instrumente des aktiven Risikomanagements an den jeweiligen Einzelri­ siken orientieren. Die Unternehmen haben individuelle Maßnahmen zu ergreifen und ein unternehmens- resp. speziell bei Umweltrisiken, ein Produktions- und technologiespezifisches Instrumentarium zu entwickeln.1

Das aktive Risikomanagement ist zwar einzelrisikobezogen, muß bzw. kann aber nicht bei allen Risiken eingesetzt werden. Demgegenüber ist das passive Mana­ gement auf alle verbleibenden Risiken anzuwenden, die vom aktiven Manage­ ment nicht vollständig eliminiert werden. Neben einzelrisikoorientierten Maß­ nahmen wie Versicherungen, beinhaltet das passive Management damit auch eine gesamtrisikobezogene Komponente. Im Rahmen des passiven Risikomanage­ ments muß das Totalverlustpotential ermittelt sowie überwacht und der Risi­ kotragfähigkeit des Unternehmens gegenübergestellt werden. Für die Ermittlung des Beitrags, den Umweltrisiken am Totalverlustpotential haben, sind - anlehnend an die Systematisierung der Umweltrisiken - auch Gefah­ ren zu berücksichtigen, deren schädigende Wirkung bisher nur unzureichend 1

Vgl. Braun, H. (Risikomanagement 1984), S. 252.

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1. Teil: Entstehung, Bedeutung und Rahmenbedingungen von Umweltrisiken

bekannt ist oder die bisher nur Umweltschäden, aber noch keine Verluste bewirkt haben. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Entwicklung dieser Risiken und ihre sich wandelnde Erfassung in Gesellschaft und Umweltpolitik zu legen. Hier­ durch können Erkenntnisse über die sich ändernde Dringlichkeit der Risiken gewonnen werden. Wenn ökonomische Sanktionen durch den Markt oder die Umweltpolitik andeu­ ten, daß bestimmte Risiken in dem augenblicklichen Umfang zukünftig nicht mehr tragbar sind, kann und muß sich das passive Risikomanagement so zum Katalysator für das aktive Risikomanagement entwickeln. Dieses wiederum kann durch das Ansetzen an den strukturellen Risikoursachen dazu beitragen, Risiko­ potentiale gar nicht erst auftreten zu lassen. Da dies aber nicht immer möglich oder ökonomisch sinnvoll ist, ist es nicht Aufgabe des passiven Risikomanage­ ments, keine Risiken zuzulassen, sondern die „richtigen" Risiken „richtig" zu tragen und dafür geeignete Instrumente zur Verfügung zu stellen.

Das passive Risikomanagement steuert die Risikoübernahme vor dem Hinter­ grund der Risikotragfähigkeit der laufenden Geschäftstätigkeit und der Risiko­ vorsorge früherer Perioden. Im Rahmen des passiven Risikomanagements ist damit auf die Bereitstellung von ausreichendem Risikodeckungspotential zu achten, d.h. es müssen in ausreichendem Umfang Möglichkeiten zur Deckung der mit den Umweltrisiken verbundenen variablen Kosten gegeben sein bzw. mobili­ siert werden. Die folgende Abb. 14 gibt über das dafür in Betracht kommende Deckungspotential einen zusammenfassenden Überblick. Die wichtigsten Instru­ mente der Risikofinanzierung, die fett gedruckt sind, werden im zweiten und dritten Teil dieser Arbeit auf ihre Anwendbarkeit bei Umweltrisiken untersucht. Externes Risiko­ deckungspotential

• Versicherung

Internes Risikodeckungspotential Eigenkapital

• Verlagerung auf andere • Disposition Wirtschaftseinheiten offener Reserven, • Finanzmärkte Rücklagenbildung • Kreditlinien • Bildung stiller • Gewährleistungs­ Reserven verpflichtungen • kollektive Entschädigungssysteme • Finite Risk Konzepte • Captives

Abb. 14: 1

Ertrag

Fremdkapital

• Disposition von Rück­ stellungen

• Berücksich­ tigung der Umweltrisiken in den Preisen • Stärkung der Ertragskraft • Cash-Flow

Formen unternehmerischer Risikodeckungspotentiale1

In Anlehnung an Hölscher, R. (Risikokosten 1987), S. 243.

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Zweiter Teil

Traditionelle Formen der Risikofinanzierung Im Mittelpunkt des zweiten Teils der Arbeit stehen die traditionellen Formen der Risikofinanzierung: die Versicherung und das Selbsttragen mit Reservenbildung. Vor den Ausführungen zu diesen traditionellen Instrumenten werden zunächst allgemeine Kriterien der Risikofinanzierung identifiziert und deren Bedeutung für Umweltrisiken untersucht. Die Instrumente der Risikofinanzierung hängen in ihrer Anwendung von bestimmten Faktoren ab. Als Einflußfaktoren der Risikofi­ nanzierung können die Dringlichkeit von Risiken, deren Versicherbarkeit und die Kosten-Sicherheits-Relation identifiziert werden. Im Rahmen der Überlegungen zu diesen Einflußfaktoren wird zum einen die Abschätzung der Dringlichkeit von Umweltrisiken anhand eines formalen Bewertungsansatzes beschrieben. Zum anderen ist als wesentlicher Einflußfaktor der Risikofinanzierung die Versicher­ barkeit von Umweltrisiken zu diskutieren. Der dritte Einflußfaktor, das Verhält­ nis von Kosten- und Sicherheitsaspekt, wird im Gegensatz dazu bei der Vorstel­ lung der jeweiligen Instrumente berücksichtigt. Bei der Diskussion der Versicherung von Umweltrisiken spielt die Umwelthaft­ pflichtversicherung nach dem sog. HUK-Modell eine besondere Rolle. Vor der kritischen Analyse der Versicherungslösungen werden deshalb zunächst dieses Modell und ergänzende Versicherungsformen für Umweltrisken dargestellt.

Neben der Versicherungslösung stellt das Selbsttragen mit interner Reservenbil­ dung die zweite traditionelle und eindeutig abgrenzbare Form der Risikofinanzie­ rung dar. Die Reserven werden üblicherweise in Form von Rückstellungen oder Rücklagen gebildet. Neben der Analyse, inwieweit diese Formen geeignet sind, für bestehende und absehbare Umweltrisiken finanzielle Reserven aus Unterneh­ mensmitteln aufzubauen, werden in diesem Zusammenhang Überlegungen ange­ stellt, inwieweit Formen der Risikovorsorge anderer Wirtschaftsbereiche auf die Problematik der Umweltrisiken übertragen werden können. In Anlehnung an § 340g HGB, der es Kreditinstituten im Rahmen eines Fonds für allgemeine Bankrisiken ermöglicht, das allgemeine Branchenrisiko bilanziell zu berücksich­ tigen, wird ein neuer Ansatz vorgestellt, der Unternehmen der Industrie und des verarbeitenden Gewerbes die Möglichkeit gibt, für branchenspezifische Umwel­ trisiken einen ’’Fonds für Umweltrisiken” zu bilden.

Seite 128

A.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

KRITERIEN DER RISIKOFINANZIERUNG UND IHRE BEDEUTUNG FÜR UMWELTRISIKEN

Bevor die traditionellen Instrumente der Risikofinanzierung und ihr Einsatz bei Umweltrisiken analysiert werden, sollen zunächst allgemeine Kriterien der Risi­ kofinanzierung identifiziert und deren Bedeutung für Umweltrisiken untersucht werden. Diese Kriterien beeinflussen zum einen die Anwendung und zum ande­ ren die Beurteilung der einzelnen Instrumente der Risikofinanzierung.

I.

Voraussetzungen und Einflußfaktoren der Risi­ kofinanzierung

1.

Die Funktion der Risikofinanzierung im Gesamtkonzept eines systematischen Risikomanagements

Obwohl das passive Risikomanagement auf die Risiken anzuwenden ist, die durch das aktive Management nicht eliminiert werden, ist das Zusammenspiel der beiden Formen nicht als rein sequentielle Abfolge zu verstehen. Im Umkehr­ schluß gilt nämlich auch, daß sich das aktive Risikomanagement insbesondere mit den Risiken beschäftigen muß, die vom passiven Management nur unzurei­ chend erfaßt werden, z.B. mit Risiken, für die kein Versicherungsschutz besteht oder für die am Markt keine adäquate Versicherungsdeckung angeboten wird. Darüber hinaus ist ein gewisser Standard des aktiven Risikomanagements oftmals Voraussetzung für die Übernahme eines Risikos durch Versicherungsunterneh­ men. Ferner kann sich bei Investitionen in Maßnahmen des aktiven Managements die Wirtschaftlichkeit durch Einsparungen bei den Versicherungsprämien verbes­ sern. Aktives und passives Risikomanagement müssen sich demnach gegenseitig ergänzen und sind im Sinne eines integrativen Ansatzes zu koordinieren. Die nachstehende Abb. 15 stellt das Gesamtkonzept des Risikomanagements graphisch dar und verdeutlicht die Bedeutung der Risikofinanzierung in diesem Gesamtkonzept. Für eine übersichtliche Darstellung sind die Phasen des Risiko­ managementprozesses zwar sequentiell angeordnet, die Notwendigkeit von Rückkopplung und Kommunikation wird aber durch die Doppelpfeile zwischen den Phasen ausgedrückt. Dementsprechend bleibt die Forderung nach einem kontinuierlichen Prozeß und dem kreisförmigen Durchlaufen der Phasen beste­ hen.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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Für ein effektives Gesamtkonzept sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen.1 Zum einen das effektive Zusammenwirken aller eingesetzten Instrumente und zum anderen die Qualität jedes einzelnen Instruments an sich. Das Gesamtkonzept ist nur so stark wie das schwächste Glied, bzw. die Schwachstellen der einzelnen Glieder beeinflussen die Güte des Gesamtkonzepts. Die in Abb. 15 verdeutlichte Tatsache, daß letztlich alle Schwachstellen des Risikomanagementprozesses Maßnahmen der Risikofinanzierung bedingen, zeigt die Bedeutung der Risikofi­ nanzierung auf.

Abb. 15: 1

Die Risikofinanzierung im Gesamtkonzept des Risikomanagements

Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 84.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Die Aufgabe der Risikofinanzierung beschränkt sich nicht darauf, die Risiken zu erfassen, die, auf einer konkreten Entscheidung beruhend, mit den risikopoliti­ schen Instrumenten der Versicherung und des bewußten Selbsttragens bewältigt werden sollen. Darüber hinaus sind im Sinne eines letzten „Verteidigungswalls“ auch die Risiken, die von aktiven Maßnahmen des Risikomanagements nicht vollständig bewältigt wurden, zu erfassen. Doch auch damit ist der Aufgabenbe­ reich der Risikofmanzierung noch nicht erschöpft. Die im ersten Teil der Arbeit angesprochenen Formen des Risikodeckungspotentials dürfen nicht bereits durch die quantifizierten Risiken vollständig gebunden sein. Auch für die nicht erkann­ ten sowie die nicht oder falsch quantifizierten Risiken ist ein Teil der vorhande­ nen Risikodeckungspotentiale im Rahmen der Risikofinanzierung vorzusehen.1

2.

Kalkulierbarkeit von Umweltrisiken als Voraussetzung und Problem der Risikofinanzierung

Die finanziellen Mittel, mit denen die einzelnen Formen des Deckungspotentials aufgebaut werden, sind von den Unternehmen zu erwirtschaften. Für die Versi­ cherung von Risiken ist eine Versicherungsprämie zu zahlen, welche, ebenso wie die Zahlungen für Risiken, die mangels Verlustvorsorge aus dem Cash-flow aus­ zugleichen sind, das Ergebnis der laufenden Periode belasten. Andere interne und externe Deckungspotentiale, die drohende Risiken abdecken, wurden aus dem Ertrag der Vergangenheit aufgebaut. Grundlage der Deckungspotentialbildung ist demnach primär die Steigerung der Ertragskraft. Dies setzt jedoch voraus, daß die Risikokosten in den Preis integriert werden. Den Kunden sind die durch Vor­ sorgemaßnahmen und durch eingetretene Risiken verursachten Kosten in Rech­ nung zu stellen. Schließlich schädigen nur von den Verbrauchern nachgefragte Produkte resp. deren Herstellung die geschaffene und die natürliche Umwelt.2

Die Integration der Risikokosten in die Preise setzt jedoch die Kalkulation der Risikokosten und deren Erfassung in der Kostenrechnung voraus und führt zur Frage der Durchsetzbarkeit dieser Preise. Die Hauptprobleme der Kalkulation liegen in der Verfügbarkeit und Richtigkeit der Kosteninformationen sowie in der Behandlung der variablen Risikokosten.3 Wie die Ausführungen zu den Be­

1 2 3

Vgl. Schulte, M. (Bank-Controlling 1996), S. 15. Vgl. Nickel, F. G. (Umweltschaden 1987), S. 1240. Vgl. Wenz, E. (Kostenrechnung 1992), S. 284. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die in Abhängigkeit vom Risikoeintritt definierte Abgrenzung der fixen und variablen Risikokosten hingewiesen. Während die fixen Kosten unabhängig vom Risikoeintritt anfallen, ergeben sich die variablen Kosten nur, wenn sich die Risiken verwirklichen, d.h. der Schaden eintritt. Vgl. Kapitel C.I.3. des ersten Teils dieser Arbeit.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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standteilen der Risikokosten gezeigt haben, sind die fixen Risikokosten zwar nicht getrennt erfaßt, sondern i.d.R. anderen Kostenarten zugeordnet, gehen aber in die Kostenrechnung ein. Dementsprechend finden sie bei der Bestimmung der Selbstkosten der Produkte Berücksichtigung und werden in die Preiskalkulation einbezogen. Im Gegensatz dazu stehen über die variablen Risikokosten nur unge­ nügende Informationen zur Verfügung. Die Kalkulierbarkeit der mit den Risiko­ eintritten verbundenen Kosten hängt von der Möglichkeit ab, die Risiken einer großen Gruppe ähnlicher Fälle zuzuordnen. Die Risiken müssen sich häufig ge­ nug verwirklichen, um aus den auf die Gruppe bezogenen statistischen Berech­ nungen einen stabilen Grenzwert für den Einzelfall ableiten zu können.1 Risiken, die diesen Voraussetzungen genügen, bilden den Gegenstand der sog. Wagnisko­ sten, die im Sinne eines risikobedingten möglichen Güterverzehrs als kalkulatori­ sche Kosten in die Kostenrechnung einbezogen werden können.2 Neben Be­ standswagnissen für die Gefahr einer Minderung der Materialvorräte, Anlagen­ wagnissen für falsch abgeschätze Nutzungsdauern und Debitorenwagnissen für Forderungsausfälle können sich solche Wagniskosten grundsätzlich auch auf Umweltrisiken beziehen.3 Wie die Ausführungen im ersten Teil gezeigt haben, erfüllen viele Umweltrisiken diese Anforderungen allerdings nicht. Zum einen stehen Schadenstatistiken nur in ungenügendem Umfang zur Verfügung, zum anderen handelt es sich bei Umwel­ trisiken in bezug auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeit um stark streuende Risiken.4 Neben hochfrequenten Risiken, welche die Berechnung eines Wahrscheinlich­ keitswerts für den eintretenden Wagnisverlust und damit eine Erfassung als Wagniskosten ermöglichen, ergeben sich auch äußerst seltene Umweltrisiken mit großem oder gar katastrophalem Schadenausmaß.

Risiken, die keinem für die Berechnung eines stabilen Erwartungswertes ausrei­ chend großen Kollektiv zugeordnet werden können, dürfen nicht als kalkulatori­ sche Wagniskosten erfaßt werden. Daraus resultierende variable Risikokosten fließen also nicht in die Selbstkosten ein, sondern sind über einen Gewinnzu­ schlag abzudecken. Aufgrund der fehlenden Kalkulierbarkeit können für die Notwendigkeit und Höhe eines solchen risikobezogenen Gewinnzuschlags höch­ stens Tendenzaussagen gemacht werden. Eine Möglichkeit, um zu solchen Ein­ schätzungen zu gelangen, besteht darin, die Risiken in eine Rangordnung zu bringen und in bestimmte Risikoklassen einzuteilen, aus denen dann ein aus sub­ 1 2 3 4

Vgl. Männel, W. (Kostenwertansätze 1992), S. 432. Vgl. Kunz, K. (Preiskalkulation 1965), S. 52. Vgl. Küpper, H.-U. (Kosten, kalkulatorische 1994), S. 386; Wenz, E. (Kostenrechnung 1992), S. 222. Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 98.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

jektiver Sicht risikoadäquater Gewinnzuschlag abgeleitet werden kann. Als Ord­ nungskriterium bietet sich die Dringlichkeit der Risiken an. Je nachdem, welcher Klasse das jeweilige Risiko zuzurechnen ist, ist ein höherer, ein geringerer oder gar kein risikobezogener Gewinnzuschlag erforderlich. Ob die Risikokosten aber tatsächlich auf den Kunden abgewälzt werden, hängt entscheidend davon ab, ob die risikobezogenen Gewinnzuschläge am Markt durchgesetzt werden können.

3.

Einflußfaktoren der Risikofinanzierung

Die Planung und der Einsatz der Risikofinanzierungsstrategien wird von ver­ schiedenen Faktoren beeinflußt. Die Effektivität eines Finanzierungskonzepts hängt zum einen davon ab, wieviel „Sicherheit“ es generiert, d.h. inwieweit es Deckung für bestehende Risiken bietet. Zum anderen spielen die mit dem Kon­ zept verbundenen Kosten eine Rolle. Welches dieser beiden Kriterien das aus­ schlaggebende ist, hängt wiederum von der Dringlichkeit der zu finanzierenden Risiken ab. Darüber hinaus kann das dominierende Instrument der Risikofinan­ zierung, die Versicherung, nicht auf alle Risiken angewendet werden. Bestimmte Risiken sind nicht versicherbar. Das Zusammenspiel der Einflußfaktoren der Risikofmanzierung verdeutlicht die nachstehende Abb. 16. Bei Kleinrisiken, die zu keiner wesentlichen Störung des Unternehmens führen, spielt der Sicherheitsgedanke eine untergeordnete Rolle. Vorherrschendes Ge­ staltungskriterium der Finanzierung ist die Kostenminimierung. Am kostengün­ stigsten ist i.d.R. das Selbsttragen ohne Reservenbildung, d.h. die Cash-FlowFinanzierung. Finanzierungsinstrumente, die zusätzliche Transaktions- und Ver­ waltungskosten verursachen, sind unnötig.1 Versicherungen von Kleinrisiken gleichen i.d.R. reinen Geldwechselgeschäften. Auch Kleinrisiken sind in der Versicherungsprämie einkalkuliert und somit, zuzüglich der beim Versicherer anfallenden administrativen Kosten, letztlich vom Versicherungsnehmer selbst zu bezahlen. Demnach sollten sie nicht versichert werden resp. durch die Vereinba­ rung eines Selbstbehalts aus dem Versich-erungsvertrag ausgeschlossen werden. Ausnahmen von dieser Regel können sich ergeben, wenn administrative oder betriebsbedingte Gründe für die Abwicklung der Schadenfälle durch einen pro­ fessionellen Risikoträger sprechen. Auch wenn es keine allgemein gültigen Richtsätze für den Umfang des Selbsttragens aus dem Cash-Flow gibt, wird in der Literatur davon ausgegangen, daß 3 % des Cash-Flows als maximale Grenze für das direkte Selbsttragen anzusehen sind.2 1 2

Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 83. Vgl. Berger, R. (Selbsttragung 1998), S. 16.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Abb. 16:

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Einflußfaktoren der Risikofinanzierung1

Im Gegensatz dazu ist bei Großrisiken der Sicherheitsaspekt ausschlaggebend, Kostenüberlegungen müssen eine untergeordnete Rolle spielen. Durch eine Ver­ sicherung läßt sich ein Zustand der Unsicherheit über zukünftige Zahlungen in einen stabilen Zustand überführen. Diese Planungssicherheit wird durch das Schutzversprechen der Versicherung, die variablen Risikokosten zu übernehmen, bewirkt und muß durch eine fixe Prämienzahlung erkauft werden. Da sich dem­ entsprechend durch die Versicherung eine finanzielle Sicherheit am besten her­ stellen läßt, sind existenzbedrohende Großrisiken - sofern möglich - zu versi­ chern. Durch die auf dem Risikoausgleich im Kollektiv und in der Zeit beruhende Funktionsweise der Versicherung ist die Prämienzahlung im Verhältnis zum maximal möglichen Schaden gering.2 Diese Überlegung spielt insbesondere bei selten eintretenden Großrisiken eine Rolle. Während bei mittleren Risiken, ähn­ lich wie bei den Kleinrisiken, allerdings über einen mittel- bis langfristigen Zeit­ raum damit zu rechnen ist, daß das Unternehmen durch die zu zahlenden Versi­ cherungsprämien seine Schäden letztlich selbst trägt, erstreckt sich bei Großrisi­ ken der individuelle Ausgleich über die Zeit auf unüberschaubare Zeiträume, die selbst der strategischen Planung nicht mehr zugänglich sind. 1 2

In Anlehnung an Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 82. Vgl. Mossgraber, B. (Versicherung 1996), S. 47. Auf die Funktionsweise und den Risikoaus­ gleich im Kollektiv und in der Zeit wird in Kapitel III. 1 dieses Abschnitts eingegangen, vgl. S. 150ff.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Die fixe Prämienzahlung enthält neben dem Entgelt für die Risikotragung auch die Kosten und den Gewinnzuschlag des Versicherungsunternehmens, d.h. nur ein bestimmter Anteil der Zahlung dient letztlich der Risikotragung. Deshalb läßt sich vor dem Hintergrund obiger Überlegung für den Bereich der mittleren Risi­ ken keine eindeutige Aussage machen. Hier ist eine SicherheitsKostenoptimierung angebracht.1 Im Sinne eines systematischen Risikomanage­ ments sollte die Wahl der Instrumente der Risikofinanzierung und die Intensität ihres Einsatzes immer unter Berücksichtigung des Standards des aktiven Risiko­ managements stattfinden. Für den akzeptierten Risikograd sind die Kosten der Risikofinanzierung zu minimieren. Der Spielraum für die Gestaltung des Finan­ zierungskonzepts wächst. Je mehr man beispielsweise in den Bereich der mittle­ ren bis kleinen Risiken kommt, um so mehr können kostengünstigere Formen des Selbsttragens angewendet werden, auch wenn diese weniger „Sicherheit“ generie­ ren. So müssen nicht alle versicherbaren Risiken auch tatsächlich versichert wer­ den, wenn wirtschaftlichere Alternativen der Risikofinanzierung zur Verfügung stehen. Nur das Selbsttragen aus dem periodischen Cash-Flow scheidet aus. Mittlere Risiken drücken definitionsgemäß eine Beeinträchtigung der Unterneh­ mensziele in einem Umfang aus, der einen Risikoausgleich innerhalb eines Jahres unmöglich macht.2 Die Bewältigung der Auswirkungen mittlerer Risiken ist nur im Rahmen eines Ausgleichs in der Zeit über mehrere Jahre möglich.

Da die Form des Einsatzes der Instrumente der Risikofinanzierug und die Be­ deutung der Einflußfaktoren von der Dringlichkeit der Risiken abhängt, wird deutlich, daß für die Ableitung der passenden Risikofinanzierungsstrategie eine unternehmensindividuelle Dringlichkeitsklassifizierung vorgenommen werden muß. Vergleichbare Risiken können für verschiedene Unternehmen durchaus unterschiedliche Auswirkungen und damit eine unterschiedliche Bedeutung ha­ ben. Die Einteilung in die Risikokategorien erfolgt sinnvollerweise anhand der Risikobereitschaft der Unternehmensleitung und der wirtschaftlichen Stärke des Unternehmens, d.h. der Ertragskraft und Liquiditätslage.3 Im Hinblick auf die Risikofmanzierung bietet es sich an, den einzelnen Bereichen in Geldwerten ausgedrückte Schwellenwerte für das jeweilige Schadenpotential zuzuweisen.4 Aus Vereinfachungsgründen wird die Einteilung häufig in Abhängigkeit vom Umsatz vorgenommen. Unabhängig von der Dringlichkeit der Risiken und vom Kosten-Sicherheitsaspekt 1 2 3 4

Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 73 i.V.m. S. 83f. Vgl. z.B. Abb.l in Kapitel A.I.3. des ersten Teils dieser Arbeit. Vgl. Martin, K. (Praxis 1997), S. 251. Dies führt beispielsweise zu folgender Aussage: Katastrophenrisiken beinhalten ein Schadenpo­ tential von X TDM innerhalb eines Geschäftsjahres.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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existieren Bereiche, in denen nicht unter den zur Verfügung stehenden Instru­ menten der Risikofinanzierung ausgewählt werden kann. Zum einen stellt sich die Frage, ob ein Risiko überhaupt versicherbar ist.1 Die finanziellen Konsequenzen von Risiken, für die am Versicherungsmarkt kein Versicherungsschutz gefunden wird, sind zwangsläufig mit alternativen Instrumenten der Risikofinanzierung zu bewältigen. Zum anderen können staatliche Versicherungspflichten bestehen, die für bestimmte Risiken eine Pflichtversicherung vorsehen. Dies kann auch Risiken betreffen, die - zumindest aus unternehmerischer Sicht - den Kleinrisiken zuzu­ ordnen sind und billiger selbst getragen werden könnten. Beispiele für eine Pflichtversicherung sind die obligatorische Unfallversicherung, die Sozialversi­ cherungen und Kfz-Haftpflichtversicherungen. Im Umweltbereich kann die im Rahmen des UmweltHG angesprochene Deckungsvorsorgepflicht zu einer QuasiPflichtversicherung führen.

II.

Ansätze zur Erfassung der Dringlichkeit von Umweltrisiken

Am Anfang der Diskussion der Einflußfaktoren der Risikofinanzierung steht die Dringlichkeit der Umweltrisiken. Die Ansätze zur Abschätzung der Dringlichkeit knüpfen auch an die Forderung nach der Kalkulation der Umweltrisiken, zumin­ dest nach der Bildung von Risikoklassen als Voraussetzung der Risikofinanzie­ rung an. Die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit haben deutlich gemacht, daß Umweltrisiken aufgrund ihrer Komplexität einer exakten Analyse und Kalkulati­ on, speziell einer monetären Bewertung, schwer zugänglich sind. Elementare Voraussetzung für die Beurteilung von Umweltrisiken ist daher eine Reduktion dieser Komplexität auf möglichst wenige, entscheidende Faktoren. Da die Wirt­ schaftswissenschaften für die Beurteilung der naturwissenschaftlichen und tech­ nischen Wirkungszusammenhänge keine eigenen Erkenntnisse beizusteuern ver­ mögen, ist für die Identifizierung der für die Dringlichkeit von Umweltrisiken entscheidenden Faktoren und deren Zusammenhang auf Untersuchungen aus diesen Bereichen zurückzugreifen.

1

Eine Diskussion der Versicherbarkeit von Umweltrisiken folgt im dritten Kapitel dieses Ab­ schnitts.

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1.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Identifikation von Risikofaktoren

Umweltrisiken setzen die Gefährdung der Umwelt voraus. Eine Umweltgefähr­ dung wiederum ist nur dann gegeben, wenn in einer Anlage umweltgefährdende Stoffe gelagert und verarbeitet werden, im bestimmungsgemäßen Betrieb oder bei einem Störfall entstehen und an die Umgebung abgegeben werden können.1 Dementsprechend sind für die Ermittlung der von technischen Anlagen ausge­ henden Umweltrisiken folgende Analysen durchzuführen:2 (1) eine Stoffanalyse, (2) eine Technik- und Organisationsanalyse sowie (3) eine Standort- und Umfeldanalyse. Zu (1): Stoffanalyse

Die Stoffanalyse beginnt mit der Bestandsaufnahme der verwendeten und entste­ henden umweltgefährdenden Stoffe. Die Bewertung der vorhandenen Stoffe bezieht sich zum einen auf die Art und Menge der jeweiligen Stoffe, zum anderen auf deren umweltgefährdende Eigenschaften. Für die Erfassung der Stoffmenge wird jeder Stoff einer Stoffmengenklasse zugeordnet. Ein Ansatz, die umweltge­ fährdende Eigenschaft zu klassifizieren, stellt beispielsweise die Einteilung der Stoffe in Gefährdungsklassen dar. In Analogie zu den vier Wassergefährdungs­ klassen der „Kommission Bewertung wassergefährlicher Stoffe“ (KBwS) können auch für die Umweltmedien Boden und Luft Gefährdungsklassen gebildet wer­ den.3 Die Einstufung der Stoffe in die entsprechenden Wasser-, Boden- und Luft­ gefährdungsklassen erfolgt in Anlehnung an die Gefahrstoff-Verordnung und die Gefährlichkeitsmerkmale nach § 3 Abs. 3 Chemikaliengesetz (ChemG) anhand toxikologischer, chemischer, biologischer und physikalischer Eigenschaften.4 Dabei ist allerdings zu beachten, daß sich diese Angaben i.d.R. auf Reinstoffe beziehen. Über die häufig entstehenden Stoffmischungen und Synergiewirkungen sind teilweise nur relativ ungenaue oder gar keine Kenntnisse vorhanden.5 Dar­ über hinaus gestaltet sich die Analyse aufgrund der Vielzahl der im Umlauf be­ findlichen Stoffe außerordentlich aufwendig. Von über sieben Millionen Verbin-

1 2 3

4 5

Vgl. Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 40. Vgl. Brendle, O. (Umwelt-Servicepaket 1993), S. 66; Vogel, J./Brasch, H. (Bewertung 1996), S. 13. Vgl. Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 41 und 61 ff; Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 103ff. In den Gefahrdungsklassen 3 werden dabei „stark gefährdende Stoffe“, in den Gefähr­ dungsklassen 0 „allgemein nicht gefährdende Stoffe“ erfaßt. Vgl. Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 27; Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 103. Vgl. Martin, K. (Risikoanalyse 1992), S. 603.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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düngen werden gut 100.000 chemische Stoffe kommerziell hergestellt resp. am Markt gehandelt.1 Zu (2): Technik- und Organisationsanalyse

Mit Hilfe der Technik- und Organisationsanalyse soll abgeschätzt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit umweltgefährdende Stoffe an die Umweltmedien abgegeben werden. Diese Wahrscheinlichkeit ist einerseits von den Betriebsab­ läufen und der Anlagenkonfiguration, andererseits von den vorhandenen Sicher­ heitsvorkehrungen abhängig.2 Die Abschätzung des Umweltgefährdungspotenti­ als einer Betriebsstätte zeichnet sich - nicht zuletzt aufgrund gesetzlicher Vorga­ ben wie den Anhängen zum UmweltHG und der 4. BImSchV - durch eine anla­ genbezogene Betrachtungsweise aus. In vielen Fällen reicht nicht einmal die Aufgliederung der Betriebsstätte in die einzelnen Anlagen. Größere und komple­ xe Anlagen sind in Teilsysteme aufzusplitten, die dann jeweils einzeln untersucht werden.3 Bei dieser Untersuchung kommen vor allem die angesprochenen analy­ tisch-systematischen Verfahren der Risikoanalyse zum Einsatz. Dabei ist zu be­ achten, daß sowohl die Betriebsabläufe des Normalbetriebs als auch Störfall­ möglichkeiten zu berücksichtigen sind.4 Die zweite Komponente der Technikund Organisationsbewertung dient der Beurteilung der Sicherheitskomponenten und deren Wirksamkeit. Grundlage dieser Beurteilung sind die Erfüllung um­ weltrechtlicher Anforderungen an den Betrieb der Anlagen, der Stand der Anla­ gentechnik und die Wirksamkeit der Maßnahmen des aktiven Risikomanage­ ments. Zu (3): Standort- und Umfeldanalyse

Die Standort- und Umfeldanalyse geht auf Faktoren ein, welche die Auswirkun­ gen der Emission umweltgefährdender Stoffe beeinflussen können. Dabei soll das Ausmaß abgeschätzt werden, in welchem die Emissionen zu Umweltschäden und/oder Schäden individueller Rechtsgüter führen können, und inwieweit die Gegebenheiten des Standorts und des Umfelds dies begünstigen, einschränken oder gar verhindern können.5 Die Beurteilung des Standorts darf nicht am Werk­ zaun enden, sondern hat die Nachbarschaft mit einzubeziehen.6 Die Anzahl der potentiell Geschädigten und der Umfang des potentiellen Schadens hängen insbe­

1 2 3 4 5 6

Vgl. Steven, M./Schwarz, E./Letmathe, P. (Umweltberichterstattung 1997), S. 220. Vgl. Stahl, U. (Risikoanalyse 1996), S. 20. Vgl. Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 171. Für die dabei auftretenden Probleme vgl. Gliederungspunkt C.II.3. des ersten Teils dieser Arbeit. Vgl. Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 86. Vgl. Nickel, G./Mirkes, M. (Emissionsradius 1992), S. 16Iff.; Martin, K. (Risikoanalyse 1992), S. 604.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

sondere damit zusammen, ob es sich bei der Nachbarschaft um ein Industrieresp. Gewerbegebiet, Misch- oder Wohngebiet oder gar um Wasser- bzw. Um­ weltschutzgebiete handelt. Darüber hinaus haben weitere Umfeldbedingungen, wie die vorherrschenden geologischen und hydrologischen Verhältnisse, Klima­ bedingungen sowie der Ausgangszustand, d.h. der Umfang der Vorschädigungen der Umwelt, großen Einfluß auf Umweltrisiken.1 Die durch die Emissionen ver­ ursachte Immissionsbelastung hängt beispielsweise von der Windgeschwindigkeit und der Temperatur ab. Die geologische und hydrologische Beschaffenheit des Standorts und des Umfelds hat entscheidenden Einfluß auf die Ausbreitung von Schadstoffen im Boden und den Übergang in das Grundwasser oder in fließende Gewässer. Einen Überblick über die im Mittelpunkt der jeweiligen Analyse stehenden Risi­ kofaktoren gibt die folgende Abb. 17. Risikofaktoren

Teilanalyse

Art, Menge und Wirkung der Stoffe

Stoffanalyse



Technik- und Organisationsanalyse

Standort- und Umfeldanalyse

Abb. 17:

1

Menge und Konzentration der vorhandenen und entste­ henden Stoffe • Chemische, physikalische, biologische und toxikologi­ sche Eigenschaften der Stoffe => Wasser-, Boden- und Luftgefährdungsklassen Technisch-organisatorische Situation des Betriebs • Erfüllung umweltrechtlicher Vorschriften • Stand der Produktionstechnik und der logistischen Infra­ struktur • Einsatz und Wirkung der Maßnahmen des aktiven Risi­ komanagements Standortempfindlichkeit

• • •

Struktur der Nachbarschaft Geologische, hydrologische und klimatische Verhältnisse Ausgangszustand und Vorschädigungen des Ökosy­ stems

Faktoren der Umweltgefährdung

Vgl. Steven, M./Schwarz, E./Letmathe, P. (Umweltberichterstattung 1997), S. 216; Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 52 u. 86.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

2.

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Bewertungsansätze für Umweltrisiken in der Diskussion

Wie die vorstehenden Überlegungen zeigen, lassen sich Faktoren identifizieren, die für die Dringlichkeit von Umweltrisiken eine entscheidende Rolle spielen. Umweltrisiken können zusammenfassend als Funktion dieser Faktoren ausge­ drückt werden: Umweltrisiko = f (technisch-organisatorische Situation des Betriebs; Stand­ ortempfindlichkeit; Art, Menge und Wirkung der vorhandenen Stoffe)

Unklar ist allerdings, wie die Funktion genau aussieht, d.h. in welchen funktio­ nalen Beziehungen die Faktoren stehen oder wie der Algorithmus aussieht, der die Faktoren zu einer einheitlichen Aussage über die Dringlichkeit der Umweltri­ siken kombiniert. Im folgenden sollen beispielhaft drei Bewertungsansätze vor­ gestellt werden, die auf diesen Faktoren basieren. Die Ansätze entstammen ver­ schiedenen Wissenschaftsdisziplinen und unterscheiden sich - auch wenn sie im Kern auf denselben Faktoren aufbauen - in der Auswahl und der Kombination der Faktoren. Während der erste Ansatz die Kalkulation der Schadenkosten von Umweltrisiken beinhaltet, zielen der zweite und der dritte Ansatz auf eine Be­ wertung der Dringlichkeit anhand ordinal-skalierter Risiko-Indexzahlen ab. Die Ansätze verdeutlichen, daß Möglichkeiten bestehen, auch bei Umweltrisiken eine Risikobewertung durchzuführen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die bisher aufgezeigten Probleme der Analyse von Umweltrisiken damit gänzlich beseitigt wären. Die Ansätze versuchen zwar, eine Antwort auf die Probleme zu finden, können diese aber nicht vollständig lösen. Die drei Ansätze unterscheiden sich zudem in der Art und Weise, wie das Umweltrisiko ermittelt und bewertet wird. Während der erste Ansatz empirisch-induktiv vorgeht, leiten der zweite und dritte Ansatz das Urteil über die Dringlichkeit des Umweltrisikos logisch-deduktiv ab. Logisch-deduktiv bedeutet dabei, daß versucht wird, einen Begründungszusam­ menhang zwischen der Dringlichkeit des Umweltrisikos und den Faktoren, die das Risiko beeinflussen, abzuleiten, d.h. Ursache-Wirkungszusammenhänge zu ermitteln.1 Empirisch-induktive Methoden verzichten demgegenüber bewußt auf die Herleitung eines Begründungszusammenhangs zwischen dem Umweltrisiko und den Einflußgrößen. Für die Einschätzung des Umweltrisikos wird vielmehr auf Beobachtungen früherer Schadenfälle zurückgegriffen. Die Merkmalsausprä­ gungen der Ein-zelbetrachtungen werden dann verallgemeinernd auf die zu be­ urteilende Anlage bezogen. Bei den Bewertungsansätzen handelt es sich um 1

Vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 438.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

(1) einen naturwissenschatlich-statistischen Ansatz,1 (2) einen naturwissenschaftlich-geographischen Ansatz2 und um (3) einen ingenieurwissenschaftlich-sicherheitstechnischen Ansatz? Zu (1): Der naturwissenschaftlich-statistische Ansatz

Grundlage des Kostenkalkulationsmodells nach Hofmann ist eine Datenbank über Umweltschäden aus der Haftpflichtversicherung. Da, wie bereits angedeutet, die statistische Schadenerfahrung über Umweltschäden bisher fehlt, wurden aus dem Bestand von drei Versicherungsgesellschaften 100 Umweltschäden aus den Jahren 1985-1993 ausgewählt und daraus eine Umweltschadendatenbank aufgebaut.4 Bei der Untersuchung wurde der Einfluß einer wesentlichen Schnittmenge der oben identifizierten Faktoren auf die Schadenhöhe dieser Schadenfälle be­ rücksichtigt.

Für die eingesetzten bzw. entstehenden Stoffe wurde eine Einteilung in die fünf Stoffklassen Benzin, chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW), Mineralöle, Anorganika (Blei, Cadmium, Chrom, Quecksilber, etc.) und „Andere“ (polychlorierte Biphenyle (PCB), Silicone, Pestizide etc.) gewählt. Die Stoffmenge wurde in elf Stoffmengenklassen differenziert, und in Abhängigkeit von der Beschaffenheit und Durchlässigkeit des Bodens wurden drei Bodenklassen gebildet. Die Stand­ ort- und Umfeldbedingungen wurden darüber hinaus durch drei sog. Umfeldklas­ sen erfaßt. Dabei wird das Schadenpotential des Umfelds, d.h. die Art des be­ trachteten Gebiets, das Vorhandensein von wertvollen Anlagen oder Kulturgütern und Gewässern sowie der Sicherheitsstandard der Anlagen berücksichtigt. Schließlich wurden - auch wenn unklar bleibt, wie diese ex ante gemessen wer­ den - sog. Zugriffsklassen gebildet. Dabei wird die Zeit, die vergeht, bis Maß­ nahmen der Beseitigung bzw. Sanierung des eingetretenen Schadens eingeleitet werden, erfaßt und in 8 Klassen eingeteilt. Die Klassen decken Zeitspannen von „kleiner als sechs Stunden“ bis „mehr als drei Jahre“ ab. Bei Störfällen können aus der Existenz von Krisenplänen und einem ausgebauten Risikomanagementsy­ stem eventuell kurze Zugriffszeiten abgeleitet werden, bei Emissionen des Nor­ malbetriebs und der Gefahr schleichender Umweltschädigungen ist eher von langen Zugriffszeiten auszugehen. Ansonsten, speziell bei Entwicklungsrisiken, bleibt die Erfassung der Zugriffszeit unklar.

1 2 3

4

Vgl. Hofmann, M. (Umweltrisiken 1995), S. 86ff. Vgl. Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 90ff. Vgl. Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), 27ff.; Urlaub, G. (Umweltrisiken 1995), S. 162f.; Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 170ff. Vgl. Hofmann, M. (Umweltrisiken 1995), S. 90.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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Mittels der Umweltschadendatenbank wird untersucht, ob sich anhand der fünf Faktoren Stoffklasse, Stoffmengenklasse, Umfeldklasse, Bodenklasse und Zu­ griffszeitklasse die jeweils realisierten Schadenkosten ermitteln lassen. Für die statistische Auswertung wurden die Schadenkosten in neun Kostenklassen, von „kleiner 5000 SFr.“ bis „größer 3 Mio. SFr.“ eingeteilt. Die statistische Modell­ schätzung erfolgt anhand einer ordinalen Logit-Analyse. Dabei zeigte sich, daß alle fünf Faktoren signifikanten Einfluß auf die Kostenklasse haben.1 Bei der Überprüfung des Modells anhand der 100 Schadenfälle wurde bei 62 % der Fälle die richtige Schadenkostenklasse prognostiziert. Bezieht man die Fälle mit ein, bei denen die direkt benachbarte Kostenklasse prognostiziert wurde, ergibt sich sogar ein richtig erklärter Anteil der Stichprobe von 93 %.2 Neben der Unklarheit über die Erfassung der Zugriffszeit ergibt sich der zentrale Kritikpunkt an diesem Modell aus der unzureichenden Berücksichtigung des Standards der Anlagentechnik und der Maßnahmen des aktiven Risikomanage­ ments. Durch die Integration dieses Aspekts in die Umfeldklasse und das damit verbundene Vermengen mit unabhängigen Faktoren verlieren die Ergebnisse der Technik- und Organisationsanalyse ungerechtfertigterweise an Bedeutung. Dar­ über hinaus vermag die Überprüfung der Zuverlässigkeit des Modells anhand der 100 Schadenfälle, die bereits als „Trainingsgruppe“ gedient haben, nicht zu über­ zeugen. Von größerem Interesse wäre in diesem Zusammenhang die Überprüfung anhand einer Vergleichgsgruppe, die aus Schadenfällen besteht, deren Daten nicht in die Modellbildung eingeflossen sind. Zu (2): Der naturwissenschaftlich-geographische Ansatz

Beim Verfahren zur Bewertung des Umweltrisikos von Gewerbe- und Industrie­ betrieben nach Eipper werden zunächst die wichtigsten technischen und organi­ satorischen Schwachstellen eines Gewerbe- oder Industriebetriebs erfaßt. Ausge­ hend von diesen Schwachstellen wird unter Berücksichtigung der jeweiligen Standortempfindlichkeit in einem Bewertungsverfahren die Höhe des Umweltri­ sikos abgeschätzt und über Indexzahlen ausgedrückt.3 Als Ergebnis der Analyse und Bewertung wird eine tabellarische Darstellung, die sog. Konfliktmatrix, erstellt.

Das Bewertungsverfahren basiert auf der Vergabe sog. Risikoindizes.4 Solche Indizes werden sowohl für das sog. Anlagenbetriebsrisiko als auch für die Standortempfmdlichkeit vergeben. Bei der Beurteilung des Anlagenbetriebsrisikos 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Hofmann, M. (Umweltrisiken 1995), S. 146. Hofmann, M. (Umweltrisiken 1995), S. 148. Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 15. Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 99f.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

wird zum einen die Umweltgefährlichkeit der eingesetzten und entstehenden Stoffe über eine Mengenkomponente und anhand von Gefährdungsklassen für jedes Umweltmedium berücksichtigt. Zum anderen fließt der technisch­ organisatorische Standard der Anlagen bzw. Anlagenteile ein. Dieser orientiert sich am Stand von Bau-, Prozeß- und Sicherheitstechnik sowie an der Güte von Betriebsorganisation und Notfalleinrichtungen. Für die Zuweisung des sog. be­ trieblichen Risikoindex wird der technisch-organisatorische Standard der Anla­ gen zu dem Gefährdungspotential der Stoffe unter Beachtung bestimmter, verbal formulierter Grundsätze und Regeln in Relation gesetzt.1 Für die Bewertung werden Bewertungsstufen von eins bis fünf eingeführt. Als Ausgangsbasis der Bewertung wird ein Normalrisiko festgelegt, das ein durchschnittliches Risiko ausdrückt. Im Sinne einer Nullstellung wird dem Normalbetriebsrisko ein Risi­ koindex von drei zugeordnet.2

Parallel zu der Bestimmung der betrieblichen Risikoindizes ist die Empfindlich­ keit des Standorts anhand sog. Empfindlichkeitsindizes zu bewerten. Die Stand­ ortempfindlichkeit wird zum einen durch die Art des Umfeldes, zum anderen durch die standortbezogenen, geowissenschaftlichen Abhängigkeiten der Schad­ stoffverteilung bestimmt. Die Umfeldanalyse wird für drei Umweltsphären ge­ trennt durchgeführt. Bei der Analyse der Geosphäre wird die Empfindlichkeit von Boden und Gewässern untersucht, die Analyse der Biosphäre ermittelt die Empfindlichkeit von Flora und Fauna. Ferner wird der Anthroposphäre in Ab­ hängigkeit von der Form der menschlichen Nutzung ein Empfindlichkeitsindex zugeordnet. Abb. 18 gibt einen Überblick über den Ablauf des Bewertungsansat­ zes nach Eipper. Von zentraler Bedeutung für das Bewertungsverfahren ist die Schnittstelle von Betriebsrisiko und Standortempfindlichkeit in Form der sog. Konfliktmatrix. Dazu werden als Zeilen alle mit Risikoindizes bewerteten Anlagen, Teilanlagen und Anlagengruppen erfaßt. Die mit den Empfindlichkeitsindizes bewerteten Umweltsphären sind in Spalten abgebildet. Über eine Zuweisungsvorschrift wer­ den die betrieblichen Risikoindizes mit den Indizes der Standortempfindlichkeit in Bezug zueinander gesetzt? Dabei ergibt sich wiederum ein Konfliktindex mit 1 2

3

Vgl. Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. Ulf. Während ein Risikoindex von 1 ein sehr geringes Risiko ausdrückt, steht Risikoindex 5 für ein sehr hohes Risiko. Vgl. Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 131. Für einen ähnlichen, auf die Bewertung von Gewässerschäden beschränkten Ansatz vgl. Steven, M./Schwarz, E./Letmathe, P. (Umweltberichterstattung 1997), S. 216f. Anstatt der Standortempfindlichkeit wird dort die Ge­ wässerempfindlichkeit - als Gefährdungsgrad bezeichnet - in einer Matrix dem Gefährdungspo­ tential wassergefahrdender Stoffe gegenübergestellt. Die Höhe des Umweltschadens wird durch eine Schadenfunktion mit vier Intervallen ausgedrückt.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Seite 143

einer fünfstufigen Skala, der das Umweltrisiko der jeweiligen Anlage ausdrückt. Die betriebliche Gesamtbewertung, d.h. der Konfliktindex des Gesamtbetriebs, leitet sich aus dem maximalen Risikoindex und den maximalen Auswirkungen auf die Umweltsphären ab. Durch die Be-rücksichtigung der jeweils höchsten Indizes soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, daß bestehende Umwel­ trisiken nicht durch Bereiche kompensiert werden sollen, die sich durch geringere oder fehlende Gefahrenpotentiale auszeichnen.1 Anlagenbetriebsrisiko

Menge u. Umwelt­ gefährlichkeit der Stoffe • Wasser• Boden• Luft-

Gefährdungsklassen

Standortempfindlichkeit

Anlage, Betrieb

• Bautechnik • Prozeßtechnik • Sicherheitstechnik • Organisation • Notfalleinrichtungen

Boden und Grund­ wasser

Ober­ flächen­ gewässer

Klima

Bio­ sphäre

Anthro­ pogene Nutzung

Empfindlichkeitsindex Bewertungsstufen 1-5 für • Geosphäre • Biosphäre • Anthroposphäre

betrieblicher Risikoindex Bewertungsstufen 1-5

Konfliktmatrix für jede Anlage, Teilanlage, etc.

Zuweisungsvorschrift

Konfl» ktindex 2 3

4 Abb. 18:

sehr gering gering mittel erhöht sehr hoch

Übersichtsschema des naturwissenschaftlich-geographischen Be­ wertungsansatzes

Zu (3): Der ingenieurwissenschaftlich-sicherheitstechnische Ansatz

Der dritte Ansatz zur Risikobeurteilung gliedert sich in zwei Teilschritte. Zu­ nächst sind die Risiken der schädlichen Veränderungen der Umweltmedien auf­ grund der von einer Anlage ausgehenden Emissionen zu beurteilen. Die Beurtei1

Vgl. Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 129.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

lung dieses Umweltgefährdungsgrades beruht auf einer von Urlaub entwickelten Methode.1 Aufbauend auf dieser Methode hat die Kölnische Rück in Zusammen­ arbeit mit der DEKRA Umwelt GmbH ein Risikobeurteilungssystem entwickelt, das als zweiten Teilschritt zusätzlich den Standort mit seiner Umgebungssituation und schadenrelevanten Faktoren einbezieht.2 Die als EcoQuote bezeichnete Ge­ samtmethode beinhaltet eine systematische Stoff-, Anlagen- und Umgebungsbe­ wertung.3

Der erste Teilschritt, die Bestimmung des Umweltgefährdungsgrades, gliedert sich wiederum in zwei Teile. Zum einen ist das Umweltgefahrenpotential anhand der verwendeten und entstehenden Stoffe, zum anderen die Anlagensicherheit zu beurteilen.4 Für die Ermittlung des Umweltgefahrenpotentials wird jede Stoffart einer von drei Stoffmengenklassen zugeordnet. Zusätzlich werden die jeweiligen Stoffe anhand ihrer Eigenschaften und Wirkungen in Wasser-, Boden- und Luft­ gefährdungsklassen eingeordnet. Die Kombination der Stoffmengenklasse mit den Gefährdungsklassen führt zu sog. Wertprädikaten (WP). Während WP 1 eine schwache schädliche Veränderung des Umweltmediums ausdrückt, steht WP 5 für starke schädliche Veränderungen. Die so für jedes Umweltmedium ermittel­ ten Wertprädikate können wiederum zu einem einheitlichen Wertprädikat kombi­ niert werden, welches das Umweltgefahrenpotential eines Stoffes ausdrückt. Die sich dabei ergebenden 125 Alternativen werden mit Hilfe einer Nutzwertanalyse in eine ordinale Skala mit 15 Stufen gebracht. Das Umweltgefahrenpotential eines Stoffes kann also durch eines von fünfzehn Wertprädikaten ausgedrückt werden.5 Um den Umweltgefährdungsgrad einer Anlage zu ermitteln, ist neben dem Um­ weltgefahrenpotential auch die Anlagensicherheit zu bestimmen. Dazu wird zum einen die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anlage resp. der Teilsysteme und zum anderen die Existenz und Wirksamkeit von sicherheits- und umweltschutztechni­ schen Maßnahmen nach vorgegebenen sicherheitsanalystischen Verfahren be­ stimmt.6 Die für die Bestimmung der Ausfallwahrscheinlichkeit relevanten Aus­ falleffekte sind:7

1 2 3 4 5 6

7

Vgl. Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 5, dort als Emissions- bzw. Kontaminationsrisiken, bezeichnet. Vgl. Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 170ff.; Schubert, M. (Umwelthaftung 1993), S. 1162. Vgl. Quack-Grobecker, A. (EcoQuote 1993). Vgl. Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 172ff.; Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 50ff. Vgl. Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 85. Vgl. Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 174f.; Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 85ff. Insbesondere die Ausfalleffektanalyse nach DIN 25448 kommt zum Einsatz. Vgl. Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 95.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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• die Freisetzung vorhandener umweltgefährdender Stoffe ist möglich, • es können umweltgefährdende Stoffe entstehen und freigesetzt werden, • Auswirkungen auf andere Teilsysteme, die umweltgefährdende Stoffe freiset­ zen können, sind möglich.

Die Ausfallwahrscheinlichkeiten werden in die drei Kategorien gering, mittel und hoch unterteilt. Ebenfalls drei Kategorien werden für die Wirksamkeit der sicherheits- und umweltschutztechnischen Einrichtungen der Anlage vergeben. Dabei werden die Einrichtungen und Maßnahmen des aktiven Risikomanagements be­ wertet. Durch die Kombination der Kategorien für die Ausfallwahrscheinlichkeit und der Kategorien für die Wirksamkeit des Risikomanagements ergeben sich neun Alternativen, die ebenfalls mittels der Nutzwertanalyse in eine ordinale Reihenfolge gebracht werden. Den einzelnen Stufen werden neun Sicherheitsprä­ dikate (SP) zugeordnet. Die Sicherheitsprädikate machen eine Aussage über die Möglichkeit des Wirksamwerdens eines Umweltgefahrenpotentials der Anlage oder eines Teilsystems.1 Für die Bestimmung des Umweltgefährdungsgrades einer Anlage sind die Wert­ prädikate, die das Umweltgefahrenpotential ausdrücken, mit den Sicherheitsprä­ dikaten zusammenzubringen. Die sich dabei ergebenden 135 Alternativen2 wer­ den wiederum mit Hilfe der Nutzwertanalyse in eine Rangfolge mit 23 Stufen gebracht. Diesen Stufen werden sog. Umweltrisikoprädikate (UR) zugeordnet. Das Beurteilungsverfahren ermöglicht es damit, den Umweltgefährdungsgrad einer Anlage auf eine Einwertaussage zu komprimieren, mit deren Hilfe ver­ schiedene Anlagen miteinander vergleichbar gemacht werden können.3 Abb. 19 gibt einen Überblick über den Ablauf des Bewertungsansatzes nach Urlaub.

Parallel zur Bestimmung des Umweltrisikoprädikats sind die Faktoren zu beur­ teilen, die bei Verwirklichung der Umweltgefährdung das Ausmaß der Umwelt­ schäden und/oder Schäden individueller Rechtsgüter beeinflussen. Für eine voll­ ständige Erfassung der schadenrelevanten Umfeldfaktoren sind neben der Nach­ barschaftsstruktur auch die vorherrschenden Ausbreitungsbedingungen und mög­ liche Vorgänge bei der Transmission der Stoffe zu berücksichtigen. Aus wirt­ schaftlichen Gründen und im Sinne einer praktikablen Durchführung beschränkt sich die Kölnische Rück auf die Beurteilung der sog. Umgebungswertigkeit, wäh­ rend für alle anderen Umfeldfaktoren der „worst case“ unterstellt wird.4 Die Be­

1 2

3 4

Vgl. Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 175. Die Zusammenführung von 15 Wertprädikaten und 9 Sicherheitsprädikaten führt zu 135 Kom­ binationen. Vgl. Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. lOOff.; Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 175. Vgl. Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 176f.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

wertung der Umgebungswertigkeit beruht auf den Parametern Siedlungsbereich, Siedlungsdichte, hochwertige Sachgüter und natürliche Schutzgüter, für die je­ weils drei Klassen gebildet werden. Während der Parameter Siedlungsbereich den Anteil der bebauten und bebaubaren Fläche erfaßt, stellt die Siedlungsdichte eine Größe für die Anzahl der Einwohner je Flächeneinheit dar. Die Ein­ schätzung des Siedlungsbereichs und der Siedlungsdichte führt zu einem Wert­ prädikat für den Bereich Bevölkerung und Bebauung. Dieses Wertprädikat kann Werte von eins bis fünf annehmen.

Abb. 19:

Übersichtsschema des ingenieurwissenschaftlich ­ sicherheitstechnischen Bewertungsansatzes

Analog zu diesem Vorgehen werden die Parameter hochwertige Sachgüter und natürliche Schutzgüter zu einem Wertprädikat für den Bereich Sachgüter und Natur zusammengefaßt. Während unter den hochwertigen Sachgütern Einrich­ tungen erfaßt werden, die einer sensiblen Nutzung unterliegen, beispielsweise Industrieanlagen, Tanks, Krankenhäuser oder Schulen, handelt es sich bei dem Parameter natürliche Schutzgüter um eine Bestandsaufnahme von Waldbeständen sowie Natur- und Wasserschutzgebieten. Die Bewertung dieser Parameter erfolgt ebenfalls durch die Zuordnung in eine von drei möglichen Klassen. Aus der Zu­

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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sammenführung der Sach- und Naturgutklassen ergeben sich wiederum fünf Wertprädikate für Sachgüter und Natur. Um zu einer „Einwertaussage“ für die Umgebungswertigkeit zu gelangen, sind nun die beiden Wertprädikate Bevölkerung und Bebauung sowie Sach- und Na­ turgüter zu kombinieren. Die Kombination der jeweils fünf Wertprädikate führt zu 25 Alternativen. Die Bewertung dieser 25 Alternativen mit der Nutzwertanaly­ se führt zu neun Umgebungszahlen (ZU).1 Je höher die Umgebungszahl, desto größer ist die Umgebungswertigkeit, d.h. um so größer sind die risikobeeinflus­ senden Faktoren des Standortumfelds.

Durch die Ermittlung von „Einwertaussagen“ für den Umweltgefährdungsgrad einer Anlage und die Umgebungswertigkeit ist nunmehr eine risikoadäquate Einschätzung der Anlagen in ihrer jeweiligen Umgebungssituation möglich. Dar­ aus wiederum läßt sich eine Rangordnung ableiten, die auf der Dringlichkeit der Umweltrisiken beruht. Wie bei den Ausführungen zur Dringlichkeit von Risiken am Anfang dieser Arbeit deutlich wurde, muß die Dringlichkeit nicht zwangsläu­ fig in Geldeinheiten ausgedrückt werden. Wie der auf Risikoindizes beruhende naturwissenschaftlich-geographische Ansatz nach Eipper, verwendet auch der ingenieurwissenschaftlich-sicherheitstechnische Ansatz nach Urlaub eine Klassi­ fizierung, die sich zwar primär am potentiellen Schadenausmaß orientiert, aber nicht zwangsläufig zu einer Bewertung in Geldeinheiten führt.

3.

Aufbau eines formalen Bewertungsansatzes

Im folgenden wird ein formaler Bewertungsansatz für Umweltrisiken skizziert, der auf den zuvor identifizierten Risikofaktoren der Umweltrisiken aufbaut. Da­ bei wird auf eine genaue Gewichtung der einzelnen Faktoren und deren Verknüp­ fung verzichtet.2 Vielmehr soll qualitativ dargestellt werden, auf welchem Weg die Dringlichkeit von Umweltrisiken als Einflußfaktor der Risikofinanzierung und zur Bildung von Risikoklassen erfaßt werden kann. Der Ansatz orientiert sich weitgehend an dem von der Kölnischen Rück in Zusammenarbeit mit der DEKRA Umwelt GmbH entwickelten Risikobeurteilungssystem und dem Verfah­ ren zur Bewertung des Umweltrisikos von Gewerbe- und Industriebetrieben nach Eipper. Darüber hinaus erscheint es aufgrund der Probleme einer exakten öko­ nomischen Bewertung sinnvoll, wie in diesen Beispielen auf dimensionslose Risiko-Indexzahlen als Bewertungsmaßstab zurückzugreifen. Die qualitative 1 2

Vgl. Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 178. Dieser Beitrag zur Ermittlung der Dringlichkeit von Umweltrisiken muß von anderen Wissen­ schaftsdisziplinen geleistet werden.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Klassifikation der einzelnen Faktoren und deren Kombinationen kann ebenfalls auf nutzwertanalytischem Weg oder in Form einer matrixartigen Gegenüberstel­ lung der Beurteilungen der einzelnen Faktoren, z.B. in Form der Konfliktmatrix, geschehen. Entscheidend ist, daß eine Aussage über die Dringlichkeit des Um­ weltrisikos gemacht werden kann, aus der abzuleiten ist, in welcher Form und in welchem Umfang Maßnahmen der Risikofinanzierung ergriffen werden müssen. Die folgende Abb. 20 stellt den Bewertungsansatz graphisch dar.

Abb, 20:

Bewertungsansatz für Umweltrisiken1

Für die Beurteilung des Umweltgefährdungsgrades kann auf die vorangegange­ nen Ausführungen zurückgegriffen werden. Der Umweltgefährdungsgrad ergibt sich aus dem Umweltgefahrenpotential und der Möglichkeit des Wirksamwer­ dens dieses Potentials. Das Umweltgefahrenpotential wiederum kann durch die aufgrund der umweltgefährdenden Eigenschaften der Stoffe gebildeten Stoffklas­ sen und die Stoffmengen beschrieben werden. Entscheidend dafür, daß das Um­ weltgefahrenpotential wirksam werden kann, sind zum einen die möglichen Aus­ falleffekte und zum andern die Güte und der Standard der Maßnahmen des akti­ ven Risikomanagements. Die Erfassung der Wirksamkeit der Maßnahmen des aktiven Risikomanagements ist von besonderer Bedeutung. Wie dargestellt, hängt einerseits die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts vom aktiven Risikomanage­ ment ab. Andererseits stehen die Maßnahmen des aktiven und des passiven Risi1

In Anlehnung an Urlaub, G. (Umweltrisiken 1992), S. 8; Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 173 u. S. 176.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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komanagements in einer wechselseitigen Beziehung. Der Um-fang und die Form des Einsatzes von Instrumenten der Risikofmanzierung wird auch von der Ver­ wirklichung des aktiven Risikomanagements beeinflußt.

Inwieweit der Umweltgefährdungsgrad zu einem Umweltrisiko i.eig.S. führt, hängt von der Umgebungsempfindlichkeit ab. Ausschlaggebend für die Umgebungsempfmdlichkeit sind Art, Umfang und Zustand der von einem Risikoeintritt betroffenen natürlichen und anthropogenen Schutzgüter im Betriebsumfeld. Aus unternehmerischer Sicht, insbesondere aus der Perspektive der Risikofinanzie­ rung, ist die Bewertung an dieser Stelle allerdings noch nicht beendet. Hier inter­ essiert der Übergang vom Umweltrisiko i.eig.S. zum Umweltrisiko i.u.S. Um die mit diesem Übergang verbundenen Besonderheiten auszudrücken, wird ein sog. Internalisierungskoeffizient a eingeführt. Im Extremfall kann dieser Koeffizient den Wert Null annehmen; er kann aber auch größer als eins werden. Bisher wurde im Rahmen der Diskussion der Bewertungsansätze nur auf den als Haftungsrisiko bezeichneten Teilaspekt des Umweltrisikos eingegangen. Beson­ ders deutlich wurde dies beim Kostenkalkulationsmodell nach Hofmann, das direkt an der Ermittlung der zum Ausgleich des Schadens notwendigen Kosten ansetzt. D.h. für die Beurteilung der Dringlichkeit war es ausschlaggebend, ob und in welchem Umfang Schäden entstehen können, bei denen die Unternehmen für ihr umweltschädigendes Verhalten sachlich und daran anknüpfend auch fi­ nanziell zur Verantwortung gezogen werden. Bei richtiger Bewertung, d.h. bei der Erfassung sämtlicher Auswirkungen in der jeweils richtigen Höhe, ist der Internalisierungskoeffizient a dann gleich eins, d.h. die Dringlichkeit des Um­ weltrisikos i.eig.S. entspricht der Dringlichkeit des Umweltrisikos i.u.S. Unter der Voraussetzung, daß sich die Dringlichkeit in monetären Größen ausdrücken läßt, bedeutet dies, daß das Unternehmen - im Sinne des Verursacherprinzips sämtliche mit dem Umweltschaden verbundenen Kosten zu tragen hat. Häufig ist a aber kleiner eins, d.h. es treten externe Effekte auf.

Unter Berücksichtigung des als Marktrisiko bezeichneten Teilaspekts des Um­ weltrisikos kann a durch die zusätzliche Sanktionierung der Umweltgefahrdung durch Teile der Gesellschaft allerdings auch Werte größer eins annehmen; eine Tatsache, die nicht nur Einfluß auf den Umfang der Risikofinanzierung, sondern auch Auswirkungen auf die einzusetzenden Instrumente hat. Die Teile des Um­ weltrisikos, die aus einem a größer eins resultieren, sind vom Unternehmen selbst zu tragen. Die gesellschaftliche Sanktionierung der Umweltschäden und sich daraus ergebende Erfolgsbeeinträchtigungen lassen sich nicht versichern, d.h. Versicherungslösungen für indirekte Folgen von Umweltschäden scheiden aus. Darüber hinaus ist a kein starrer Koeffizient, sondern kann sich verändern.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Aus unternehmerischer Sicht ist davon auszugehen, daß er aufgrund der Ent­ wicklungen in Umweltpolitik und Gesellschaft immer größer wird. Dieser Um­ stand ist bei der Planung der Maßnahmen der Risikofinanzierung ebenfalls zu berücksichtigen ist.

III.

Diskussion der Versicherbarkeit von Umwelt­ risiken

Die Frage nach der Versicherbarkeit von Risiken wurde als einer der Einfluß­ faktoren der Risikofmanzierung identifiziert. Bei Risiken, die nicht versicherbar sind, ist die Wahl der Instrumente der Risikofinanzierung eingeschränkt, d.h. es müssen alternative Konzepte eingesetzt werden. Für Umweltrisiken wurde die Frage nach der Versicherbarkeit im Zusammenhang mit der Diskussion um das UmweltHG und die damit verbundene Umstellung des Versicherungsschutzes aktuell. Bevor im folgenden das Problem der Versicherbarkeit von Umwelt­ risiken diskutiert wird, sollen zunächst die grundlegenden Merkmale der Versi­ cherung vorgestellt werden. Bei der Diskussion der Versicherbarkeit geht es nicht darum, ob man Umweltrisiken aus umweltpolitischen oder -ökonomischen Grün­ den versichern sollte oder nicht, d.h. ob das umweltpolitische Instrument der Umwelthaftung in Verbindung mit einer Versicherung an Wirkung verliert oder gewinnt, sondern es geht um die Frage, ob das Risiko grundsätzlich versichert werden kann.1

1.

Wesen und Funktion der Versicherung

Im Sinne einer logisch-deduktiven Ableitung der Versicherbarkeit von Risiken würde es sich anbieten, ausgehend von einer einheitlichen und idealisierten Defi­ nition des Begriffs Versicherung zu überprüfen, was sich nicht unter diesen Be­ griff fassen läßt und dies als nicht versicherbar abgrenzen. Da ein feststehender allgemeiner Versicherungsbegriff nicht existiert, führt dieses Vorgehen nicht zum Ziel.2 Um Anhaltspunkte über die Versicherbarkeit zu erhalten, ist vielmehr zu untersuchen, welche Eigenschaften der betrachteten Risiken dafür maßgebend 1 2

Zur umweltökonomischen Bedeutung der Versicherung von Umweltrisiken vgl. z.B. Endres, A./Schwarze, R. (Allokationswirkungen 1992), S. 58ff.; Endres, A./Staiger, B. (Ökonomische Aspekte 1996), S. 80ff. Vgl. Brinkmann, T. (Versicherung 1987), S. 21; Für eine Übersicht über verschiedene Defini­ tionen des Versicherungsbegriffs vgl. z.B. Brinkmann, T. (Versicherung 1987), S. 20f.; Alsle­ ben, D. (Risiko 1993), S. 79f.; Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 197ff.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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sind, daß ein Versicherer Versicherungsschutz nicht gewähren kann oder will. Dazu ist die mit einer Versicherung verbundene Risikosituation des Versicherers zu beleuchten.

Damit ein Versicherungsgeschäft zustande kommt, müssen sowohl der Versiche­ rungsnehmer als auch der Versicherer einen Nutzen aus dem Geschäft ziehen können. Der Kern jedes Versicherungsgeschäfts ist das Risikogeschäft, d.h. der Versicherungsnehmer transferiert die wirtschaftlichen Konsequenzen eines Risi­ ko vollständig oder teilweise auf ein Versicherungsunternehmen. 1 Gegen Zahlung einer Prämie erhält der Versicherte das abstrakte Schutzversprechen des Versi­ cherers, beim Eintritt eines Versicherungsfalls die Versicherungsleistung, i.d.R. eine Geldleistung, zu erbringen.2 Für den Versicherungsnehmer bietet die Versi­ cherung den Nutzen, durch den Risikotransfer von unkalkulierbaren Zahlungsri­ siken befreit zu werden und dadurch eine Planungssicherheit zu erhalten. Der Nutzen des Versicherers besteht in den Prämieneinzahlungen, der Risi­ koaspekt des Risikotransfers für ihn darin, daß die in der betreffenden Periode zu gewährenden Entschädigungsleistungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses indeterminiert sind? Daraus ergibt sich das sog. versicherungstechnische Risiko, d.h. die Gefahr, daß der tatsächliche Schadenverlauf von den Schadenerwartun­ gen und damit von den Annahmen der Prämienkalkulation negativ abweicht.4

Das Risikogeschäft der Versicherung geht aber über den Transfer von Risiken hinaus. Neben der bloßen Übertragung von Risiken findet eine Risikotransfor­ mation statt.5 Wesensmerkmal der Risikotransformation ist die Organisation eines Risikoausgleichs, der zum einen durch die Bildung eines Kollektivs, zum anderen im Zeitablauf erzielt werden kann.

Das wichtigste Instrument der Risikotransformation ist der Ausgleich im Kollek­ tiv.6 Das Kollektiv setzt sich aus einer Vielzahl von Versicherungsverträgen mit individuellen Schadenerwartungswerten und Eintrittswahrscheinlichkeiten zu­ sammen. Durch die Kollektivbildung entsteht eine Gesamtschadenverteilung mit einem kollektiven Erwartungswert der Schäden.7 Der Ausgleich im Kollektiv 1

2 3 4

5 6 7

Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 14; Hölscher, R. (Lebensversicherung 1994), S. 7. Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 25. Vgl. Albrecht, P. (Versicherung 1992), S. 5. Vgl. Jäger-von Ehrenstein, B. (Der Ausgleich 1996), S. 690. Für die Betrachtung des versiche­ rungstechnischen Gesamtrisikos ist neben den Prämieneinnahmen noch das vorhandene Sicher­ heitskapital zu berücksichtigen, vgl. Albrecht, P. (Versicherung 1992), S. 23. Für die Darstel­ lung der grundlegenden Zusammenhänge wird hier darauf verzichtet. Vgl. Albrecht, P. (Versicherung 1987), S. 24. Vgl. Albrecht, P. (Versicherung 1987), S. 32. Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 33.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

beruht darauf, daß innerhalb einer Versicherungsperiode große Teile des Kollek­ tivs schadenfrei bleiben und die Verträge subventionieren, bei denen Schaden­ zahlungen anfallen. Einzelrisiken mit einem effektiven Schaden, der kleiner als der individuelle Erwartungswert ist, kompensieren die Risiken mit einem effekti­ ven Schaden, der über dem Erwartungswert liegt.1 Zwar stimmt auch in einem Kollektiv der effektive Gesamtschaden nicht mit dem kollektiven Erwartungswert überein, aber die relative Abweichung der effektiven Schadenzahlungen vom Erwartungswert ist geringer als bei einzelnen Risiken.2 Die Wahrscheinlichkeit, daß der Ausgleich im Kollektiv gelingt, erhöht sich mit zunehmender Anzahl der im Kollektiv zusammengefaßten Risiken und abnehmender positiver Korrelation zwischen den Risiken.3

Da der Ausgleich im Kollektiv i.d.R. nicht vollkommen funktioniert, ist ein er­ gänzender Ausgleich über mehrere Perioden notwendig.4 Der Ausgleich in der Zeit ist allerdings nicht losgelöst vom einperiodigen Ausgleich im Kollektiv zu sehen. Da sich der Risikoausgleich in der Zeit als Abfolge vieler Risikoausglei­ che im Kollektiv ergibt, stellt er vielmehr dessen auf mehrere Perioden verlän­ gerte zeitliche Dimension dar.5 Der Ausgleich tritt dabei durch Über- und Unter­ schreitungen des Gesamterwartungswertes ein, welche im Zeitablauf ertstehen. Das bereits angesprochene versicherungstechnische Risiko, d.h. die Gefahr, daß der tatsächliche Schadenverlauf die Schadenerwartungen übersteigt, läßt sich darauf zurückführen, daß ein vollkommener Ausgleich der Risiken auch mit beiden Erscheinungsformen des Risikoausgleichs nicht gelingt. Dies liegt zum einen in der unvollständigen Information über die wahren Schadengesetzmäßig­ keiten des Versicherungsbestandes der betrachteten Periode, zum anderen in der Zufallsabhängigkeit der Schäden begründet.6 Insgesamt läßt sich das versiche­ rungstechnische Risiko auf die drei Teilrisiken Irrtums-, Änderungs- und Zufalls­ risiko zurückführen.

Die unvollständige Information über die tatsächlichen Schadengesetzmäßigkeiten ist einerseits dadurch begründet, daß der Prognose der Wahrscheinlichkeitsver­ teilung des Gesamtschadens keine adäquate Schadenverteilung vergangener Peri­

1 2 3 4 5 6

Vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 198. Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 34f. Vgl. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 60. Vgl. Jäger-von Ehrenstein, B. (Der Ausgleich 1996), S. 692. Vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 198; Jäger-von Ehrenstein, B. (Der Ausgleich 1996), S. 690. Vgl. Albrecht, P./Schwake, E. (Risiko 1988), S. 652.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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öden zugrundeliegt.1 Dies wird als Irrtumsrisiko bezeichnet, da die Abweichung der kollektiven Schadenausgaben von ihrem Erwartungswert letztlich darauf beruhen, daß sich der Versicherer bei seinen Berechnungen geirrt hat. Andererseits geht die unvollständige Information über die tatsächlichen Schaden­ gesetzmäßigkeiten auf das sog. Änderungsrisiko zurück. Dies drückt aus, daß der tatsächliche Schadenverlauf vom erwarteten Schadenverlauf selbst bei der fehler­ freien Auswertung adäquater Vergangenheitsdaten abweichen kann, wenn die risikoerheblichen Faktoren eine Veränderung erfahren.2 Das Änderungsrisiko weist damit darauf hin, daß für die Vergangenheit festgestellte Schadengesetz­ mäßigkeiten nicht unbedingt Gültigkeit für die Zukunft haben müssen.3

Das Zufallsrisiko drückt zufällige Schwankungen der zukünftigen Schadenzahl und -summe um ihren Erwartungswert aus. Zu den zufälligen Schwankungen kommt es, obwohl sich die Risikofaktoren, welche die Schadenhäufigkeit und die Schadenhöhe beeinflussen, nicht verändert haben. Der tatsächliche Schadenver­ lauf weicht rein zufällig, d.h. ohne erkennbare Gesetzmäßigkeiten von dem in der Vergangenheit beobachteten und in Schadenstatistiken erfaßten Schadenverlauf ab.

2.

Kriterien der Versicherbarkeit

Aus den vorangegangenen Ausführungen kann festgehalten werden, daß sich die mit einer Versicherung verbundene Risikosituation eines Versicherers in Form des versicherungstechnischen Risikos konkretisiert. Um nun Anhaltspunkte über die Versicherbarkeit abzuleiten, sind die Risiken in bezug auf die Möglichkeiten ihres Ausgleichs im Kollektiv und/oder in der Zeit zu untersuchen. Als prinzipiell versicherbar können somit all jene Risiken bezeichnet werden, die bestimmte, durch die Gestaltung des Risikoausgleichs beeinflußte Anforderungen erfüllen.4 Diese Anforderungen beziehen sich primär auf die für die Herstellung des Risi­ koausgleichs notwendige Informationssituation.

Da die allgemeinen Kriterien der Versicherbarkeit in der Risiko- und Versiche­ rungsliteratur bereits einige Male diskutiert wurden, herrscht - ohne daß völlige Übereinstimmung besteht - inzwischen weitgehende Einigkeit über den Kernbe­

1 2 3 4

Vgl. Romeike, F. (Risikoverarbeitung 1996), S. 40; Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 72. Vgl. Gerathewohl, K. (Rückversicherung 1976), S. 8. Vgl. Albrecht, P./Schwake, E. (Risiko 1988), S. 652. Vgl. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 60.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

stand der Kriterien.1 Ausgangspunkt des hier vorgestellten Kriterienkatalogs sind die von Karten als relevant identifizierten versicherungstechnischen Kriterien.2 Der Kriterienkatalog darf allerdings nicht als „Checkliste“ verstanden werden, deren Punkte im einzelnen zu erfüllen sind, um über die Annahme oder Ableh­ nung von Risiken zu entscheiden. Der Kriterienkatalog stellt vielmehr ein heuri­ stisches Hilfsmittel zur Beschreibung der Beschaffenheit von Risiken dar, die für das Zustandekommen von Risikotransfer und -transformation günstig bzw. un­ günstig sind.3 Es handelt sich dabei um die in Abb. 21 dargestellten sieben Krite­ rien, die - um die Übersichtlichkeit der im nächsten Kapitel folgenden Analyse der Versicherbarkeit von Umweltrisiken zu verbessern - in drei Gruppen einge­ teilt werden. Kriterien der Versicherbarkeit Objektive Kriterien Qualitative Kriterien

(1) Kriterium der Zufälligkeit

Quantitative Kriterien

(4)

Kriterium der Schätzbarkeit

(6)

Abwesenheit von moralischem Risiko

(5)

Kriterium der Größe

(7)

Stabile Gesetzgebung und prognostizierbare Rechtsprechnung

(2) Kriterium der Eindeutigkeit

(3) Kriterium der Unabhängig­ keit

Abb. 21:

Subjektive Kriterien

Kriterien der Versicherbarkeit

Zu (1): Die Zufälligkeit der Schadenrealisation ist die wesentlichste Vorausset­ zung der Versicherbarkeit.4 Hinter dem Kriterium der Zufälligkeit steht die

Forderung, daß zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Ereignis, das die Versicherungsleistung auslöst und dessen Schadenfolgen für beide Partner im voraus ungewiß und von ihrem Willen und Verhalten unbeeinflußbar sind.5 Das Kriterium enthält damit zwei Elemente: die Ungewißheit und die Unbeeinfluß­ 1

2 3 4

5

Vgl. Kleindorfer, P. R. (US-Versicherungswirtschaft 1987), S. 13ff.; Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 27ff.; Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 88; Eszler, E. (Versicherbarkeit 1992), S. 28ff. Der von Berliner aufgestellte Kriterienkatalog enthält neben den hier besprochenen noch weitere Kriterien, vgl. Berliner, B. (Versicherbarkeit 1982), S. 13. Vgl. Karten, W. (Versicherbarkeit 1972), S. 287. Vgl. Schwarze, R. (Instrumente 1996), S. 5; Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 27. Vgl. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 61; Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 28. Vgl. Karten, W. (Versicherbarkeit 1972), S. 287.

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barkeit. Die Ungewißheit bezieht sich auf drei Dimensionen des Schadenfalls und zwar den Schadeneintritt, die Schadenhöhe und den Schadenzeitpunkt, d.h. es ist ungewiß, ob, in welcher Höhe und wann sich ein Schaden ereignet. Nicht versi­ chert werden kann ein in bezug auf alle drei dieser Dimensionen sicherer Scha­ den.1 Die Unbeeinflußbarkeit deutet an, daß der Risikoeintritt nicht bewußt her­ beigeführt werden darf. Zu (2): Für das zu versichernde Risiko muß eine genaue Definition des Versiche­ rungsfalls, des versicherten Schadens und der Versicherungsleistung möglich sein.2 Das Kriterium der Eindeutigkeit verlangt damit zum einen, daß das Schadenereignis eindeutig identifizierbar ist. Zum anderen muß die Möglichkeit bestehen, in objektiv nachprüfbarer Weise festzulegen, welche (Geld-)Leistung vom Versicherer bei welchem Ereignis zu erbringen ist.3 Für die Begrenzung des versicherungstechnischen Risikos ist insbesondere die eindeutige Festlegung der maximalen Entschädigungsleistung von Bedeutung.4

Zu (3): Die von einem Versicherer zu übernehmenden Risiken müssen weitge­ hend unabhängig voneinander sein. Dies bedeutet, daß sich die Eintrittswahr­ scheinlichkeit eines Risikos nicht durch den Schadeneintritt eines anderen Risi­

kos erhöhen darf, d.h. der Eintritt eines Schadens darf keine weiteren nach sich ziehen. Als Folge einer positiven Korrelation der Risiken können sog. Kumulund Ansteckungsrisiken entstehen. Während das Kumulrisiko die Gefahr aus­ drückt, daß aufgrund ein und desselben Ereignisses gleichzeitig mehrere Schäden ausgelöst werden, verdeutlicht das Ansteckungsrisiko die Gefahr, daß sich meh­ rere Schäden nacheinander ereignen. Dabei ist allerdings nicht der Kumul resp. die Ansteckung als solches problematisch, sondern der damit eventuell einherge­ hende Anstieg der gesamten Schadensumme. Die damit verbundenen Forderun­ gen können zwar in der Zeit theoretisch wieder ausgeglichen werden, es besteht aber die Gefahr, daß sie in der Periode der Risikoeintritte das Leistungsvermögen des Versicherers übersteigen.5 Das Kriterium der Unabhängigkeit ist damit eng mit dem Kriterium der Größe verbunden. Zu (4): Neben einer eindeutigen Beschreibung muß für das jeweilige Risiko die Möglichkeit bestehen, in rechenbaren Zahlen ausgedrückt zu werden.6 I.d.R. wird dabei eine statistische Schützbarkeit gefordert, d.h. die Erfassung des Risikos

1 2 3 4 5 6

Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 88. Vgl. Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 28f. Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 90. Vgl. Karten, W. (Versicherbarkeit 1972), S. 289. Vgl. Karten, W. (Existenzrisiken 1988), S. 351. Vgl. Karten, W. (Existenzrisiken 1988), S. 351.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

mit Eintrittswahrscheinlichkeiten und möglichem Schadenausmaß. Die mangeln­ de Kalkulierbarkeit von Risiken wird häufig als Argument für die Unversicher­ barkeit von Risiken angeführt, obwohl die Praxis bewiesen hat, daß eine Versi­ cherung auch bei fehlenden statistisch gesicherten Informationen möglich ist.1 Karten bezeichnet das Kriterium der Schützbarkeit in diesem Zusammenhang etwas überspitzt als „ein ehrwürdiges Mißverständnis“.2 Voraussetzung für die Versicherung eindeutiger Risiken ist vielmehr die Zuordnung subjektiver Wahr­ scheinlichkeiten, die sich in unterschiedlichem Umfang auf objektive, d.h. stati­ stisch abgesicherte, Erfahrungen stützen kann.3 Bei zunehmender Unsicherheit der Schützbarkeit steigt dafür i.d.R. der Sicherheitszuschlag in der Prümie.4 Pro­ blematisch für die Versicherbarkeit werden Unwügbarkeiten der Schützung, wenn sie sich nicht auf Einzelrisiken, sondern auf ganze Kollektive beziehen.5 Bei einer systematisch falschen Einschützung der Risiken ist der Ausgleich der Schützfehler im Kollektiv geführdet. Zu (5): Das Kriterium der Größe bezieht sich auf den höchstmöglichen Scha­

den eines Einzelrisikos.6 Da auch sehr große Schüden - sofern sie sehr selten auftreten - zumindest in der Zeit ausgeglichen werden können, darf die Betrach­ tung nicht auf das Einzelrisiko beschrünkt bleiben. Es ist vielmehr zu beachten, daß die Schadenverteilung des Kollektivs nicht durch einzelne Risiken dominiert wird. Da Betrachtungen des Kriteriums der Größe zwangsläufig die Einschützung der Schadenverteilung beinhalten, wird der Bezug zum Kriterium der Schützbar­ keit deutlich. Zu (6): Das Kriterium der Abwesenheit von moralischem Risiko kann als

besondere Ausprägung der Unbeeinflußbarkeit (vgl. Kriterium (1)) verstanden werden. Die Forderung nach der Abwesenheit von moralischem Risiko wird hier aufgrund ihrer Bedeutung für die Diskussion der Versicherbarkeit des Normal­ betriebs als eigenständiges Kriterium aufgenommen.7 Durch die Forderung nach der Unbeeinflußbarkeit soll ausgeschlossen werden, daß der Versicherungsneh­ mer aus Interesse an einem Schadeneintritt diesen im Sinne einer Manipulation selbst herbeiführt.8 Demgegenüber steht bei der Frage der Abwesenheit von mo­

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Wolters, G. (Versicherungsmarkt 1994), S. 198; Karten, W. (Existenzrisiken 1988), S. 351. Karten, W. (Existenzrisiken 1988), S. 350. Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 28. Vgl. Karten, W. (Versicherbarkeit 1972), S. 289. Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 95. Vgl. Karten, W. (Versicherbarkeit 1972), S. 292. Vgl. Kleindorfer, P. R. (US-Versicherungswirtschaft 1987), S. 13ff. Berliner nimmt diesen Zusammenhang als extra Kriterium in seinen Katalog auf, vgl. Berliner, B. (Versicherbarkeit 1982), S. 13 und S. 93ff..

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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ralischem Risiko die Gefahr im Mittelpunkt, daß ein Versicherungsnehmer bei Existenz einer Versicherungsdeckung motiviert wird, durch das Unterlassen von Schutzvorkehrungen einen Kostenvorteil zu erlangen. Während die erzielten Einsparungen voll dem Versicherungsnehmer zugute kommen, können die zu­ sätzlich entstehenden Schäden bis auf einen marginalen Teil auf die Versicherung abgewälzt werden.1 Zu (7): Die Forderung nach einer stabilen Gesetzgebung und prognostizierba­ ren Rechtsprechung wird bisher in der Literatur noch nicht als eigenständiges

Kriterium der Versicherbarkeit aufgeführt. Angesichts des Bezugs zu Umweltri­ siken scheint die Aufnahme dieses Kriteriums gerechtfertigt, da des öfteren dar­ auf verwiesen wird, daß die Krise der Umweltversicherung in den USA in der Mitte der 80er Jahre, als sich die Haftpflichtversicherer fast vollständig vom Markt für Umweltrisiken zurückzogen, auf die Unsicherheiten in der Rechtspre­ chung zurückzuführen war.2 Insbesondere die in vielen Fällen angewendete gesamtschuld-nerische Haftung und die Uminterpretationen der Versicherungsbe­ dingungen durch die Rechtsprechung führten dazu, daß Umweltrisiken nicht mehr versicherbar waren. Dies bedeutet, daß die Höhe des Internalisierungskoef­ fizienten a unsicher ist. Kunreuther kommt zu dem Schluß, daß die Unsicherheit über das Ausmaß, in welchem Ansprüche geltend gemacht werden können, für das Scheitern auf dem Markt für Umweltrisken verantwortlich ist.3 Da sich die Probleme dabei insbesondere bei der Identifizierbarkeit der versicherten Haftung bei Abschluß des Vertrages ergeben, hängt dieses Kriterium eng mit dem Kriteri­ um der Eindeutigkeit zusammen.

Die Vorstellung der Kriterien der Versicherbarkeit macht deutlich, daß die Krite­ rien nicht unabhängig voneinander sind. Dementsprechend kann die Einschät­ zung eines Kriteriums vom Grad der Erfüllung eines anderen abhängen. Beson­ ders deutlich wird dies beim Kriterium der Schätzbarkeit. Ein schwer zu kalkulie­ rendes Risiko wird erst unversicherbar, wenn zusätzlich auch die Kriterien der Unabhängigkeit und der Größe verletzt sind.4 Nicht die Schätzfehler sind das eigentliche Problem, sondern die Gefahr sich kumulierender Schätzfehler und das daraus resultierende, im Vergleich zur Kapazität des Versicheres eventuell zu große Schadenausmaß. Damit wird ersichtlich, daß Versicherbarkeit ein gradu­ eller, relativer Begriff ist. Berliner spricht von einem Übergangsbereich, der sog. grauen Zone, zwischen den Risiken, die jeder Versicherer als versicherbar an­ 1 2 3 4

Vgl. Endres, AJSchwarze, R. (Allokationswirkungen 1992), S. 71. Vgl. z.B. Klingmüller, E. (Versicherbarkeit 1996), S. 16; Kunreuther, H. (Problems 1987), S. 180; Kleindorfer, P. R. (US-Versicherungswirtschaft 1987), S. 3. Vgl. Kunreuther, H. (Problems 1987), S. 188. Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 95.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

sieht und solchen, die von keinem Versicherer angenommen werden.1 Die dargestellten Kriterien stehen am Anfang und nicht am Ende der Versicherbarkeitsdiskussion. Die tatsächliche Versicherbarkeit, d.h. das Zustandekommen einer Versicherungsdeckung, entscheidet sich am Markt: versicherbar ist nicht das, was theoretisch dafür gehalten wird, sondern wofür der Markt Versiche­ rungsschutz anbietet.2 Entscheidend für die Versicherbarkeit ist damit nicht allein der Grad der Erfüllung der Versicherbarkeitskriterien, sondern dessen Verhältnis zur erzielbaren Prämie. Auch versicherungstechnisch schwierige Risiken sind versicherbar, solange eine ausreichend hohe Prämie dafür gezahlt wird.3 Damit wird deutlich, daß auch die Prämie eine entscheidende Größe bei der Versicherbarkeitsdiskussion darstellt. Kommt eine Versicherung nicht zustande, weil dem Versicherungsnehmer die Prä-mie zu hoch ist, heißt das nicht zwangsläufig, daß das betreffende Risiko unversicherbar ist. Die Prämie ist von externen Einfluß­ faktoren wie der Marktsituation und der Verhandlungsposition abhängig. Dem­ entsprechend wird sie hier nicht als originäres Versicherbarkeitskriterium erfaßt.4

3.

Versicherbarkeit von Umweltrisiken

Die spezifischen Wesensmerkmale der Umweltrisiken, welche die Versicherbar­ keit in Frage stellen ergeben sich insbesondere im Zusammenhang mit Umwelt­ schäden und auf Umwelteinwirkungen zurückzuführende Schäden an der gestal­ teten Umwelt, die trotz ordnungsgemäßem, behördlich genehmigtem und störfall­ freiem Betriebsablauf entstehen. Dementsprechend wird die Versicherbarkeit von Umweltrisiken vor allem in bezug auf das Normalbetriebsrisko als kritisch ange­ sehen.5 I.d.R. sind nicht Störfälle für die Entstehung von Allmählichkeits- und Summationsschäden verantwortlich, sondern auf dauerhafte und planmäßige Betriebstätigkeiten zurückzuführende Emissionen. Auch das Entwicklungsrisiko kann als Sonderart des Normalbetriebsrisikos angesehen werden.6 Jahrelange Daueremissionen, die zunächst als harmlos eingestuft wurden, bergen eventuell ein Schadenpotential, das erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannt wird. Diese

1 2 3 4 5

6

Vgl. Berliner, B. (Versicherbarkeit 1982), S. 20; Wagner, G. (Versicherung 1991), S. 254. Vgl. Schwarze, R. (Instrumente 1996), S. 5. Vgl. Endres, A ./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 87. Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 14. Im Gegensatz dazu vgl. Berliner, B. (Versicherbarkeit 1982), S. 13. Vgl. z.B. Fleck, P. (Versicherbarkeit 1990), S. 79 u. 84; Breining, W. (Umwelthaftpflichtversicherung 1990), S. 55. Schweizer Rück (Umwelthaftpflicht 1996), S. 11.

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Aspekte sollen im folgenden vor dem Hintergrund der Versicherbarkeitskriterien überprüft werden.

a)

Umweltrisiken und die objektiven qualitativen Kriterien der Versicherbarkeit

Das entscheidende Argument, das gegen die Versicherbarkeit des Normalbe­ triebsrisikos angeführt wird, ist die fehlende Zufälligkeit der resultierenden Umweltschäden. Dabei wird vorgebracht, daß Schäden die aus jahrelangen Daue­ remissionen resultieren, nicht unvorhersehbar und weder ungewiß noch unbeein­ flußbar sind.1 Sie würden vielmehr im Rahmen des normalen Betriebsablaufes vorsätzlich und planmäßig, i.d.R. sogar mit staatlicher Genehmigung herbeige­ führt. Damit sei die Zufälligkeit der Schadenrealisation als wesentlichste Voraus­ setzung der Versicherbarkeit nicht gegeben. Dieser Argumentation liegt allerdings eine falsche Interpretation zugrunde, d.h. Umwelteinwirkung und Umweltschaden werden fälschlicherweise gleichgesetzt.2 Auch wenn Gewißheit besteht, daß die Betriebstätigkeit zu produktionsbedingten Emissionen führt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß auch ein Schaden eintritt. Grundsätzlich können zwar auch Immissionen, die auf Emissionen des Normal­ betriebs zurückzuführen sind, geeignet sein, Umweltschäden zu verursachen. Das Vorliegen des Normalbetriebs, d.h. die Erteilung und Erfüllung der Betriebsge­ nehmigung, deutet aber darauf hin, daß davon ausgegangen wird, daß diese Um­ welteinwirkungen gerade keinen Schaden verursachen werden. Beim genehmig­ ten Normalbetrieb sind die unterhalb der Grenzwerte abgegebenen Emissionen gewiß, nicht aber die emissionsbedingten Schäden.3 Dementsprechend läßt sich eben nicht vorhersagen, ob, wann und in welchem Umfang tatsächlich ein Scha­ den, vor allem ein haftungsrechtlich resp. betrieblich relevanter Umweltschaden, hervorgerufen wird.4 Auch die teilweise lange Einwirkungszeit beeinflußt die Zufälligkeit nicht, da es für diese unerheblich ist, ob Schäden kurzfristig oder über einen längere Zeitraum entstehen.5 Unter dem Aspekt der Zufälligkeit kann einer Versicherung von Umweltrisiken daher nichts im Wege stehen.

Auch das Kriterium der Eindeutigkeit birgt keine unlösbaren Probleme in bezug auf die Versicherbarkeit von Umweltrisiken. Gewisse Schwierigkeiten ergeben sich bei der geforderten genauen Definition und Identifizierung des Ver­ 1

2 3 4 5

Nickel, F. (Umweltschaden 1988), S. 606; Melhorn, P. (Haftpflichtversicherung 1987), S. 689f.; Grell, D. (Haftpflichtversicherung 1987), S. 129; Breining, W. (Umwelthaftung 1991), S. 32f. Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 104; Alsleben, D. (Zufall 1993), S. 157. Vgl. Schmidt-Salzer, J./Schramm, S. (Umwelthaftpflichtversicherung 1993), S. 90. Vgl. Alsleben, D. (Zufall 1993), S. 159. Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 243.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Sicherungsfalls. Das in der Industrie- und Haftpflichtversicherung gültige Scha­ denereignis-Prinzip zielt für die Definition des Versicherungsfalls auf ein identi­ fizierbares, durch einen Zeitpunkt beschreibbares Vorkommnis ab. Diesem Prin­ zip entsprechend gestaltet sich die Festlegung des Versicherungsfalls relativ unproblematisch, wenn der Umweltschaden durch ein plötzliches Ereignis her­ vorgerufen wird und die Schadenfolgen unmittelbar sichtbar werden, wie es bei einem Unfall- oder Störfallschaden der Fall ist.1 Das Heranziehen des Schade­ nereignisses als Versicherungsfalldefinition bedingt, daß der Schadenverlauf zu rekonstruieren ist. Während es bei einer Betriebsstörung oder einem Unfall durch das plötzliche Freisetzen gefährlicher Stoffe i.d.R. zwangsläufig zum Eintritt eines feststellbaren Umweltschadens kommt, ist ein derartiger Kausalzusammen­ hang bei den Emissionen des Normalbetriebs gerade nicht ohne weiteres erkenn­ bar.2

Aufgrund der in vielen Fällen mit langandauernden Umwelteinwirkungen ver­ bundenen schleichenden Gefährdung und den langen Latenzzeiten stellen sich Umweltschäden aus dem Normalbetrieb i.d.R. als ausgedehnte Schadenereignisse dar, die zeitlich schlecht zu bestimmen sind und denen es dann nach dem Scha­ denereignis-Prinzip an der Versicherbarkeit fehlt. Abhilfe kann hier eine abgeän­ derte Versicherungsfalldefinition schaffen. Anstatt an das SchadenereignisPrinzip anzuküpfen, kann die Leistungspflicht des Versicherers auch an der er­ sten Feststellung des Schadens oder gar erst an der Geltendmachung des An­ spruchs, am sog. claims-made-Prinzip, ansetzen.3 Sowohl der Zeitpunkt der An­ spruchserhebung als auch der Zeitpunkt des ersten nachprüfbaren Zutagetretens des Schadens lassen an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig.4 Der Versiche­ rungsfall kann damit eindeutig identifiziert werden und dem Kriterium der Ein­ deutigkeit ist hinsichtlich der genauen Definition des Versicherungsfalls genüge getan. Ein weiteres Eindeutigkeitsproblem der Versicherbarkeit von Umweltrisiken ergibt sich aus deren schwieriger Monetarisierbarkeit und der damit für die Ver­ sicherer verbundenen Unsicherheit über die zu erbringende Versicherungslei­ stung.5 Das Problem der Monetarisierung gilt allerdings nicht ausschließlich für 1 2 3 4 5

Vgl. Schmidt-Salzer, J. (Umwelthaftpflichtpolice 1993), S. 358. Vgl. Alsleben, D. (Zufall 1993), S. 154. Vgl. Peter, J. (Umweltrisiken 1992), S. 81. Auf mögliche Ausgestaltungen einer solchen Versi­ cherungsfalldefinition wird im Rahmen des Abschnitts B dieses Teils eingegangen. Vgl. Wagner, G. (Versicherung 1991), S. 256. Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 109f.; für einen Überblick über die Probleme der Quantifizierung und Monetarisierung von Umweltbelastungen und Ansätze zur Bewertung gesamtwirtschaftlicher Umweltkosten vgl. Schellhorn, M. (Umweltrechnungslegung 1995), S. 37ff.; Heinz. I. (Monetarisierung 1997), S. 213ff.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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den Umweltbereich. Für viele Inhalte von Versicherungsverträgen, die keine Markt- oder Vermögensgüter sind, trifft die beschränkte Erfassung in Geldein­ heiten zu. Das Leben, die Gesundheit oder das Wohlbefinden sind ebenfalls schwer in die finanzielle Sphäre zu transponieren, trotzdem werden sie im Le­ bens- und Unfallversicherungsbereich erfaßt. Damit wird deutlich, daß die Meß­ barkeit in Geldeinheiten letztlich nur ein Erfordernis für die praktische Durchfüh­ rung des versicherungstechnischen Schadenausgleichs, ihre Unmöglichkeit aber kein der Versicherbarkeit abträgliches Merkmal ist.1 Dementsprechend können, ähnlich wie bei den obigen Beispielen, Bewertungskonventionen oder feste Ent­ schädigungssummen resp. Deckungsbegrenzungen festgelegt werden, welche die versicherungstechnisch erforderliche Eindeutigkeit schaffen.2

Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß diese Lösungen teilweise vom subjektiv emp­ fundenen Schadenausmaß abweichen oder unter ökonomischen Gesichtspunkten kritikwürdig und auch in bezug auf den Opferschutz sowie einen gerechten Scha­ denausgleich suboptimal sind. Nehmen diese Unzulänglichkeiten ein inakzepta­ bles Ausmaß an, so verdeutlicht dies nur, daß die Versicherung für dieses Risiko nicht das zweckmäßigste risikopolitische Instrument ist, grundsätzlich aber an­ wendbar wäre.3 Insgesamt läßt sich feststellen, daß durch eine entsprechende Gestaltung der Versicherungsbedingungen die Schwierigkeiten der Umweltrisi­ ken hinsichtlich des Kriteriums der Eindeutigkeit ausgeräumt werden können.

Das Kriterium der Unabhängigkeit wirft für die Versicherung von Umweltrisi­ ken kaum Probleme auf. Im Gegenteil, die Komplexität der Kausalitäten und die Vielzahl sowie die Heterogenität der Schadenmöglichkeiten, die sonst für die Schwierigkeiten im Umgang mit Umweltrisken verantwortlich sind, verdeutli­ chen, daß die für die Versicherbarkeit geforderte Unabhängigkeit bei Umweltri­ siken i.d.R. gegeben ist. Der einzig problematische Aspekt in diesem Zusammen­ hang ergibt sich durch Entwicklungsrisiken. Für den Fall, daß sich bei Emissionen, die zwar stets innerhalb der jeweils gülti­ gen Grenzwerte verblieben sind, nach weiterentwickeltem Erkenntnisstand aber herausstellt, daß auftretende Umweltschäden auf diese Emissionen zuzuführen sind, besteht für Versicherungsunternehmen eine Kumulgefahr, wenn die betref­ fenden Emissionen bei vielen Versicherungsnehmern betriebsbedingt entstehen. Ähnlich wie bei dem in der Vergangenheit sorglosen Umgang mit Chlorkohlen­ wasserstoffen, der zu einem Großteil der heutigen Altlasten geführt hat, droht in

1 2 3

Vgl. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 62f. Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 112. Vgl. Mugler, J. (Risk Management 1979), S. 63.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

einem solchen Fall mit dem Bekanntwerden der schädigenden Wirkung der Stof­ fe eine Welle an Schadenzahlungen. b)

Umweltrisiken und die objektiven quantitativen Kriterien der Versicherbarkeit

Die im Zusammenhang mit dem Kriterium der Eindeutigkeit angesprochenen schwierige Monetarisierbarkeit spielt auch in bezug auf die im Rahmen des Kri­ teriums der Schätzbarkeit aufgestellte Forderung ein Rolle, nach der es mög­ lich sein muß, das jeweilige Risiko in rechenbaren Zahlen ausdrücken zu können. Aus dieser Forderung ergeben sich sowohl Probleme für die Versicherbarkeit von Störfällen als auch für Normalbetriebs- und Entwicklungsrisiken. Speziell bei zweiteren liegen aufgrund der fehlenden Erfahrungen weder genaue Kenntnisse über die zu erwartenden Schadenhäufigkeiten noch über das mittlere Schaden­ ausmaß vor. Eine grobe Fehleinschätzung dieser Faktoren erhöht aber das versi­ cherungstechnische Risiko erheblich und kann zu schweren Verlusten bei den Versicherern führen. Doch auch die schwierige Kalkulierbarkeit von Umweltrisi­ ken stellt kein unüberwindbares Hindernis für deren Versicherbarkeit dar. Eine solche Situation ergibt sich regelmäßig bei der Einführung neuer Haftungsregeln oder der Versicherung neuer Technologien. Ansonsten könnte es keine Versiche­ rungen für Ölplattformen, Jumbojets oder Satelliten etc. geben.1

Wenn bei Umweltrisiken die statistischen Erkenntnisse fehlen, sind den Anlagen des Versicherungsnehmers aufgrund eingehender Risikoanalysen, beispielsweise in Anlehnung an den hier vorgestellten Bewertungsansatz, subjektive Wahr­ scheinlichkeiten oder Risikoklassen zuzuordnen, die für eine grundsätzliche Ver­ sicherbarkeit ausreichend sind.2 Zur Minderung des Kalkulationsrisikos können die Versicherungen durch geeignete Instrumente ergänzt werden. Die Versiche­ rung kann z.B. an die Erfüllung bestimmter risikominimierender Auflagen ge­ koppelt werden und es besteht, insbesondere bei Entwicklungsrisken, die Mög­ lichkeit, für die Minderung des damit verbundenen Änderungsrisikos auf die Vereinbarung von Prämienanpassungsklauseln zurückzugreifen.3

Darüber hinaus läßt sich kritisch anmerken, daß die Kritik der Versicherungs­ wirtschaft nicht mit ihren Bemühungen zur Verbesserung der Situation korreliert. Die Anstrengungen, die Kalkulation und statistische Erfassung von Umweltrisi­ ken durch den frühzeitigen Aufbau einer Umweltschadendatenbank zu verbes­ sern, stimmen nicht mit der Bestimmtheit überein, mit der die Versicherungswirt­ 1 2 3

Vgl. Wolters, G. (Versicherungsmarkt 1994), S. 198. Vgl. Peter, J. (Umweltrisiken 1992), S. 81; Wagner, G. (Versicherung 1991), S. 258f. Vgl. Lipperheide, M. (Prämienanpassungsklauseln 1988), S. 542ff.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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schäft die Versicherbarkeit dieser Risiken problematisiert.1 Im Zusammenhang mit dem Kriterium der Größe ergeben sich für Umweltrisi­ ken keine Probleme für die Versicherbarkeit. Im Vergleich zu anderen Großrisi­ ken, beispielsweise aus den Bereichen der Luft- und Raumfahrt, der Meerestech­ nik oder der Kerntechnik sowie Naturkatastrophen, stellen Umweltrisiken, selbst Umweltkatastrophenrisiken, kein außerordentliches Risiko dar.2 I.d.R. sind Um­ welthaftpflichtrisiken z.B. gegenüber Spitzenrisiken der Feuerversicherung ver­ gleichsweise klein.3 Bei Umweltrisiken mit großem Schadenausmaß handelt es sich um Großrisiken wie andere Großrisiken auch. Insgesamt kann festgehalten werden, daß Umweltrisiken keine Größendimensionen annehmen, welche die Deckungskapazitäten des Versicherungsmarktes übersteigen. Zwar sind Risiken denkbar, die für einzelne Versicherungsunternehmen nicht allein tragbar sind, die aber gemeinsam mit anderen Versicherern in Form der Mit- oder Rückversiche­ rung, beispielsweise durch den Zusammenschluß zu einem Versicherungspool, gedeckt werden können.4 Dementsprechend stellt die Größe von Umweltrisiken kein prinzipielles Problem der Versicherbarkeit dar.

c)

Umweltrisiken und die subjektiven Kriterien der Versicherbarkeit

Insbesondere im Zusammenhang mit der Versicherung des Normalbetriebs erge­ ben sich für den Versicherungsnehmer Anreize, aus Gründen der Gewinnmaxi­ mierung die Sorgfaltsstandards zu senken. Kann der Versicherer nur unvollstän­ dig Informationen über die vom Versicherungsnehmer tatsächlich durchgeführten Präventionsmaßnahmen erlangen, besteht die Gefahr des moralischen Risikos. Um die Kosten zu senken, kann der Versicherungsnehmer verleitet sein, auf Maßnahmen des aktiven Risikomanagements und auf notwendige Vorsorgemaß­ nahmen, wie Wartungsarbeiten zur Aufrechterhaltung des genehmigten Normal­ betriebs, zu verzichten. Des weiteren ist denkbar, daß er die Produktion trotz des Auftretens erster Schäden, die durch seine Umwelteinwirkungen verursacht wur­ den, ohne weitere Vorkehrungen fortsetzt, um die damit verbundenen Einnahmen zu sichern. Er beeinflußt damit den Schadenverlauf wissentlich in negativer Wei­ se. Die Versicherungsdeckung der dabei entstehenden Schäden kann ein solches umweltschädigendes Verhalten begünstigen.

1 2

3 4

Vgl. Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 102. Vgl. Wagner, G. (Versicherung 1991), S. 256; Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 98f. Vgl. Karten, W. (Existenzrisiken 1988), S. 353f. Vgl. Hager, G. (Umwelthaftungsgesetz 1991), S. 143; Endres, A./Schwarze, R. (Umweltrisiken 1992), S. 100. Zu Versicherungspools vgl. z.B. Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 249f.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Auch wenn die Versicherung des Normalbetriebs in besonderer Weise die Gefahr des moralischen Risikos birgt, stellt dies keinen Einzelfall in der Versicherungs­ wirtschaft dar. Speziell im Umweltbereich führt dies allerdings dazu, daß die Versicherungsunternehmen eine intensivere Risikoanalyse durchführen und ihre in der Vergangenheit durch das Streben nach Umsatzmaximierung geprägten laxen Zeichnungsstandards überdenken sollten. Den Versicherern stehen darüber hinaus verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung der Versicherungsbedingun­ gen zur Verfügung, mit denen diesen Gefahren entgegengewirkt werden kann. Zum einen kann durch eine Verstoßklausel vereinbart werden, daß der Versiche­ rungsschutz bei bewußtem und gewolltem Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Auflagen, Herstelleranweisungen oder Vorgaben des Versicherers entfällt.1 Zum andern besteht die Möglichkeit, durch eine risikogerechte Prämiendifferenzie­ rung und die Einführung von Bonus/Malus-Systemen die Anreize des Versiche­ rungsnehmers zur Senkung des Sorgfaltsstandards in akzeptablen Grenzen zu halten.2

Das wichtigste Instrument zur Beschränkung des moralischen Risikos stellt aller­ dings die Vereinbarung einer genügend hohen Selbstbeteiligung des Versiche­ rungsnehmers dar. Im Schadenfall sind damit sowohl Versicherer als auch Versi­ cherungsnehmer betroffen, d.h. der Versicherer verknüpft mit Hilfe der Selbst­ beteiligung seine Interessen mit denen des Versicherungsnehmers und schafft so die erforderlichen Anreize zur Schadenvermeidung.3 Insbesondere bei Umweltri­ siken ist in diesem Zusammenhang ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen, der in der Literatur bisher nicht ausreichend berücksichtigt wird, aus Sicht des Versi­ cherers aber wie eine Selbstbeteiligung wirkt: das Marktrisiko. Die Sanktionie­ rung der Umweltschäden durch Teile der Gesellschaft und sich daraus ergebende Erfolgsbeeinträchtigungen lassen sich nicht versichern. Die Gefahr des morali­ schen Risikos wird dementsprechend deutlich verringert, da Versicherungsneh­ mer und Versicherer unterschiedliche Komponenten desselben Risikos tragen.4 Selbst die Forderung nach einer stabilen Umweltgesetzgebung und progno­ stizierbaren Rechtsprechnung stellt kein unüberbrückbares und dauerhaftes Hindernis für die Versicherbarkeit dar. Durch die Einführung des UmweltHG ist der Umfang der Haftung vorerst abgesteckt und für einen längeren Zeitraum vorhersehbar. Inwieweit allerdings im Zuge der Entwicklung des Umwelthaf­ tungsrechts auf europäischer Ebene dem Anliegen der Versicherer Rechnung getragen wird, bleibt abzuwarten. Die Versicherer fordern in diesem Zusammen­ 1 2 3 4

Vgl. Peter, J. (Umweltrisiken 1992), S. 81. Vgl. Wagner, G. (Versicherung 1991), S. 258. Vgl. Hager, G. (Umwelthaftungsgesetz 1991), S. 143. Vgl. Janzen, H. (Ökologisches Controlling 1996), S. 31.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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hang ein klar und eindeutig formuliertes Haftungssystem, das den Auslegungs­ spielraum der Rechtsprechung minimiert und die Haftung über einen längeren Zeitraum hinweg vorhersehbar sowie finanziell quantifizierbar macht.1 Auch wenn dies speziell im Zusammenhang mit der angestrebten Haftung für rein ökologische Schäden Probleme aufwirft, führt auch das Kriterium der prognosti­ zierbaren Rechtsprechung und Umweltgesetzgebung zu keiner allgemeingültigen Nicht-Versicherbarkeit von Umweltrisiken. Abschließend bleibt festzuhalten, daß es keine einheitliche und exakt bestimmba­ re Grenze der Versicherbarkeit von Umweltrisiken geben kann. Was versicherbar ist, bestimmt der Markt. Wo die einzelnen Versicherer die Grenze zwischen versicherbaren und nicht versicherbaren Risiken ziehen, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Denn die Frage, welche Risiken eine Versiche­ rungsgesellschaft auf sich nimmt, ist - wie in jeder anderen Branche auch - eine unternehmerische Entscheidung. Diese Entscheidung wird zum einen von der mit der Versicherung des jeweiligen Risikos erzielbaren Prämie beeinflußt. Zum anderen wird die Versicherbarkeit von Umweltrisiken in der Zukunft entschei­ dend von den Rückversicherungskapazitäten abhängen, die den Erstversiche­ rungsunternehmen zur Verfügung stehen. Angesichts der spezifischen Wesens­ merkmale der Umweltrisiken ist allerdings davon auszugehen, daß es trotz der im allgemeinen bestehenden theoretischen Versicherbarkeit neben einer teilweise eingeschränkten Versicherung von Umweltrisiken in Teilen nur zu einem parti­ ellen Risikotransfer kommen wird, der den Unternehmen nur bedingten finan­ ziellen Schutz bietet.2

1 2

Vgl. Lemor, U. (Umwelthaftung 1997), S. 161. Vgl. Helten, E. (Ökologische Risiken 1991), S. 125.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

B.

DIE VERSICHERUNG VON UMWELT­ RISIKEN ALS FORM DER DEFINITIVEN RISIKOÜBERTRAGUNG

I.

Das HUK-Verbandsmodell zur Umwelthaft­ pflichtversicherung

1.

Umorientierung der Umwelthaftpflichtversicherung und Konzeption des Einheitsmodells

Wie die Ausführungen in Abschnitt B des ersten Teils gezeigt haben, hat sich mit der Einführung des UmweltHG die Rechtslage für die Haftung bei Umweltbeein­ trächtigungen grundlegend verändert. Anfang 1993 löste das UmwelthaftpflichtModell des HUK-Verbandes die bisherigen Formen der Haftpflichtversicherung von Umweltrisiken ab.1 Das Umwelthaftpflicht-Modell stellt eine konzeptionelle Neuorientierung für die Haftpflichtversicherung von Umweltrisiken dar. Umweltrisiken waren in der Vergangenheit hauptsächlich Gegenstand der Be­ triebshaftpflichtversicherungen und der Gewässerschaden-Haftpflichtversiche­ rung. Doch diese reichten zur Deckung der Haftungsregeln des UmweltHG nicht aus. Mit der Einführung des Umwelthaftpflicht-Modells wurden die bisherigen Deckungsformen abgelöst. Um Doppelversicherungen zu vermeiden, wurden mit der Einbeziehung der Umweltdeckung in das Umwelthaftpflicht-Modell Schäden durch Umwelteinwirkungen aus der Betriebshaftpflichtversicherung ausgeschlos­ sen. Diese sog. Nullstellung für Umweltschäden ist durch einen Ausschluß von Umwelthaftpflichtschäden in § 4 I Nr. 8 der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) erreicht worden.2 Lediglich das UmweltProduktrisiko wird nach wie vor durch die Betriebshaftpflichtversicherung resp. über die Produkt-Haftpflichtversicherung gedeckt. Im Zuge der Neuorientierung der Haftpflichtversicherung wurde darüber hinaus begonnen, das Haftungsrisiko aus Feuerschäden entweder der klassischen Betriebshaftpflichtversicherung oder dem Umwelthaftpflicht-Modell zuzuordnen. Während Feuerhaftungsrisiken aus

1

2

Das Umwelthaftpflichtmodell wird durch die „Besonderen Bedingungen und Risikobeschrei­ bungen für die Versicherung der Haftpflicht wegen Schäden durch Umwelteinwirkungen (Umwelthaftpflichtmodell)“ geregelt. Die im folgenden verwendeten Ziffern beziehen sich auf diese Bedingungen. Vgl. z.B. o.V. (Bedingungen 1993), S. 24-30. Vgl. Poschen, A. (Umwelthaftpflichtmodell 1993), S. 654. Zu Fragen der Zuordnung eines Schadens zur Betriebshaftpflicht- oder der Umwelthaftpflichtversicherung vgl. Vogel, J. (Umweltschadens 1998), S. 106ff.

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Brand oder Explosion über die klassische Betriebshaftpflicht-Police versichert werden, fallen Umwelteinwirkungsschäden, beispielsweise Löschwasserkontami­ nationen, unter das Umwelthaftpflicht-Modell.1 Das Umwelthaftpflicht-Modell ist als Einheitsmodell und als separater Vertrag konzipiert. Es bietet einheitliche Bedingungen für Schäden, die durch Um­ welteinwirkungen auf alle drei Umweltmedien verursacht wurden und wird grundsätzlich als selbständige Deckung neben der Betriebshaftpflichtversiche­ rung abgeschlossen.2 Gegenstand der Umwelthaftpflichtversicherung ist nach Ziffer 1 des Modells die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des Versicherungsnehmers wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwir­ kungen auf Boden, Luft oder Wasser. Der Begriff der Umwelteinwirkungen ori­ entiert sich an § 3 Abs. 1 UmweltHG. Da dieser nicht auf zeitpunktartige, faßbare Vorgänge begrenzt ist, sondern auch Gefährdungen erfaßt, die sich über einen längeren Zeitraum nach und nach aufbauen, wird die generelle Mitversicherung von Allmählichkeitsschäden deutlich (Ziffer 1.3)? Neben den Personen- und Sachschäden sind auch die jeweils daraus resultierenden Vermögensfolgeschäden gedeckt. Durch den Verweis auf die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts wird deutlich, daß die beschriebenen Ansprüche aus dem UmweltHG, aus § 22 WHG und aus § 823 BGB gedeckt werden. Obwohl es sich nicht um Haft­ pflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts handelt, werden auch Ansprüche nach § 906 BGB und § 14 BImSchG erfaßt.4 Die Übernahme öffentlich-rechtlicher Ansprüche scheidet dagegen grundsätzlich aus.5

Eine wesentliche Änderung in der Konzeption des Umwelthaft-Modells bezieht sich auf die neue Definition des Versicherungsfalls. Entsprechend den im Rah­ men der Versicherbarkeitsdiskussion vorgestellten Überlegungen wird der Versi­ cherungsfall in Ziffer 4 als nachprüfbare erste Feststellung des Schadens durch den Geschädigten, einen sonstigen Dritten oder den Versicherungsnehmer defi­ niert. Mit diesem sog. Discovery-Prinzip weicht das Umwelthaftpflichtmodell von dem in § 5 Nr. 1 AHB verwendeten Begriff des Schadenereignisses ab. Im Gegensatz zum Schadenereignisbegriff, der sich in der Vergangenheit insbeson­ dere bei Langzeitentwicklungen im Umweltbereich als ungeeignet herausgestellt hat, ist damit ein klar be-stimmbarer zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Be­ 1 2 3 4 5

Vgl. Hess, T. (Feuerhaftungsrisiko 1996), S. 1486. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 185. Vgl. Schmidt-Salzer, J. (Umwelthaftungsrecht 1992), S. 458 i.V.m. Poschen, A. (Umwelthaftpflichtmodell 1993), S. 654. Auf die Grenzen der Versicherung von Allmählich­ keitsschäden wird im Rahmen der Deckungsausschlüsse eingegangen. Vgl. Poschen, A. (Umwelthaftpflichtmodell 1993), S. 654; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 188ff. Die für Rettungskosten geltenden speziellen Regeln werden später gesondert betrachtet.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Stimmung des Versicherungsfalls gegeben.1 Somit wird dem Versicherbarkeitskriterium der Eindeutigkeit entsprochen. Da der Versicherungsschutz nicht mehr davon abhängt, ob das Schadenereignis in die Laufzeit des jeweiligen Vertrags fällt - was regelmäßig vom Versiche­ rungsnehmer nachzuweisen war - sondern davon, ob die erste Schadenfeststel­ lung während der Wirksamkeit der Versicherung erfolgt, wird ein erheblicher Unsicherheitsfaktor für den Versicherungsnehmer eliminiert. Darüber hinaus können durch das Discovery-Prinzip Ersatzansprüche anhand aktueller Versiche­ rungsverträge mit zeitgemäßen, meist höheren Deckungssummen reguliert wer­ den.2 Für Versicherungsunternehmen ergibt sich der Vorteil, daß das Feststel­ lungsprinzip die Bildung erheblicher Rücklagen überflüssig macht, die der Dekkung möglicherweise erst lange Zeit nach Beendigung des Versicherungsvertra­ ges erhobener Ansprüche dienen.

Dem Versicherungsnehmer entstehen jedoch auch schwerwiegende Nachteile aus dem Discovery-Prinzip, da er nach Ablauf der Versicherungszeit ungedeckten Haftpflichtansprüchen ausgesetzt sein kann. Nimmt der Versicherer negative Entwicklungen, Störfälle und insbesondere sich abzeichnende Schäden zum An­ laß, den Versicherungsvertrag zu kündigen, kann er der Deckungspflicht für zukünftige, noch nicht festgestellte Schäden entgehen. Anders ausgedrückt heißt das für den Versicherungsnehmer, daß dann Schäden, die zwar während der Vertragslaufzeit eingetreten sind, aber erst später festgestellt werden, nicht ge­ deckt sind.3 Aus diesem Grund sind in Ziffer 8 sog. Nachhaftungsregeln in das Modell aufgenommen worden. Sie stellen sicher, daß auch für Schäden, die erst nach Vertragsende festgestellt werden, aber während der Wirksamkeit des Ver­ trages eingetreten sind, Versicherungsschutz besteht. Die Nachhaftung besteht allerdings nur für die Dauer von drei Jahren und ist auf den zu Vertragsende noch unverbrauchten Teil der Versicherungssumme be­ grenzt. Tritt im letzten Versicherungsjahr ein größerer Schaden ein, der die Ver­ sicherungssumme weitgehend aufbraucht, läuft die Nachhaftung durch diese Regelung praktisch leer und es besteht kein Versicherungsschutz für den Versi­ cherungsnehmer.4 In Anbetracht dessen und der Tatsache, daß in der Industrie­ haftpflichtversicherung ansonsten ein Spätschadenbedarf von zehn Jahren zu­ grunde gelegt wird, erscheint die dreijährige Nachhaftung aus Sicht der Versiche­

1 2 3 4

Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 201. Vgl. Wagner, G. (Umwelthaftpflichtversicherung 1992), S. 267. Vgl. Küpper, G. (Hinweise 1992), S. 4; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 203. Vgl. Wagner, G. (Umwelthaftpflichtversicherung 1992), S. 267f.

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rungsnehmer nicht ausreichend.1 Die Limitierung der Nachhaftung schränkt den Schutz vor Allmählichkeitsschäden erheblich ein und widerspricht damit auch der Versicherungsdefinition des Modells.2 Als weitere Folge der neuen Versicherungsfalldefinition wurde in Ziffer 7.2 eine neue Serienschadenklausel eingeführt. Durch diese Klausel will die Versiche­ rungswirtschaft verhindern, daß aufgrund eines einzelnen betrieblichen Ereignis­ ses eine Vielzahl von Versicherungsfällen entsteht, da die entstandenen Schäden zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgestellt werden.3 Danach werden mehrere während der Wirksamkeit der Versicherung eintretende Versicherungsfälle zu einem zusammengefaßt, wenn sie durch dieselbe Umwelteinwirkung, durch meh­ rere unmittelbar auf derselben Ursache oder durch mehrere unmittelbar auf den gleichen Ursachen beruhenden Umwelteinwirkungen entstanden sind, sofern zwischen den gleichen Ursachen ein innerer, insbesondere zeitlicher und sachli­ cher Zusammenhang besteht. Da mehrere Schäden zu einem Versicherungsfall zusammengefaßt werden, steht die Versicherungssumme nur einmal für die Ge­ samtheit dieser Schäden zur Verfügung. Für den Versicherungsnehmer steigt damit das Risiko, bei Serienschäden mit hohen Ersatzansprüchen Schadenspitzen selbst übernehmen zu müssen.4 Dieser Effekt kommt allerdings nur zum Tragen, wenn sich die Feststellung der einzelnen Schadenfälle über mehrere Jahre hinweg zieht, da die vereinbarte Versicherungssumme nach Ziffer 7.1 ohnehin die jährli­ che Höchstersatzleistung bildet. Günstig für den Versicherungsnehmer wirkt sich die Serienschadenklausel im Zusammenhang mit dem vereinbarten Selbstbehalt aus, da dieser pro Versicherungsfall und damit auch für den Serienschaden nur einmal zu leisten ist.5

2.

Die Deckungsbausteine des Modells und Umfang der Versicherung

Das Umwelthaftpflicht-Modell ist in Form eines Bausteinsystems aufgebaut. Nach Ziffer 2 stehen sieben Bausteine zur Verfügung, aus denen ein auf die indi­ viduelle Risikosituation zugeschnittener Versicherungsschutz zusammengestellt werden kann (Ziffer 2.1 -2.7).6 Im einzelnen handelt es sich um die folgenden Bausteine: 1 2 3 4 5 6

Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 204. Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 237. Vgl. HUK-Verband (Erläuterungen 1993), S. 33. Vgl. Wagner, G. (Umwelthaftpflichtversicherung 1992), S. 268. Vgl. Schmidt-Salzer, J./Schramm, S. (Umwelthaftpflichtversicherung 1993), S. 407. Vgl. Lang, R. (HUK-Modell 1996), S. 174.

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Baustein 2.1: WHG-Anlagen des Versicherungsnehmers, d.h. Anlagen, die

bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu la­ gern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten, werden von Baustein 2.1 er­ faßt. Dabei handelt es sich um eine abgeänderte Form der bisherigen WHGVersicherung. Die Deckung erstreckt sich jetzt auch auf Drittschäden auf­ grund von Luft- und Bodenverschmutzung, ist also zu einer Volldeckung für Schäden geworden, die über den Umweltpfad verursacht wurden.1 Nicht in diesen Baustein fallen WHG-Anlagen, die in Anhang 1 oder 2 UmweltHG aufgeführt sind sowie Abwasseranlagen und Einwirkungen auf Gewässer für die weitere Bausteine vorgesehen sind. •

Baustein 2.2: Unter diesen Baustein fallen Anlagen gemäß Anhang 1 Um­

weltHG. Da es sich dabei um Anlagen handelt, die nach dem UmweltHG der Gefährdungshaftung unterliegen und insbesondere die Ursachenvermutung des § 6 UmweltHG und die Ersatzpflicht für Wiederherstellung nach § 16 UmweltHG greifen, aber keine Deckungsvorsorgepflicht besteht, wurde ein separater Risikobaustein geschaffen.2 Die separate Erfassung soll zusätz­ lich dazu dienen, die notwendige statistische Überwachung zu gewährleisten. Nicht erfaßt sind auch hier Abwasseranlagen und Einwirkungen auf Gewäs­ ser. •

Baustein 2.3: Dieser Baustein erfaßt sonstige deklarierungspflichtige Anla­

gen, d.h. Anlagen, die nach dem Umweltschutz dienenden Bestimmungen ei­ ner Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unterliegen soweit es sich nicht um WHG- oder UmweltHG-Anlagen handelt. Im wesentlichen handelt es sich dabei um Anlagen, die zwar in der 4. BImschV enthalten sind, aber nicht in die Gültigkeit des UmweltHG fallen und solche, die gemäß den Vorschriften des AbfG oder spezifischer Ländergesetze erlaubnispflichtig sind. Baustein 2.3 bezieht sich damit auf eine Vielzahl von Anlagen, deren Erfassung im Einzelfall mühevoll sein wird.3 •

Baustein 2.4: Abwasseranlagen und das schädliche Einwirken auf Gewässer, d.h. Abwasseranlagen- und Einwirkungsrisiken des Versicherungsnehmers werden durch Baustein 2.4 abgedeckt.



Baustein 2.5: Mit Baustein 2.5 werden die Anlagen erfaßt, die gemäß An­

hang 2 des UmweltHG der Deckungsvorsorgepflicht unterliegen.

1 2 3

Vgl. Poschen, A. (Umwelthaftpflichtmodell 1993), S. 654. Vgl. Lang, R. (HUK-Modell 1996), S. 173; Poschen, A. (Umwelthaftpflichtmodell 1993), S. 655. Vgl. Poschen, A. (Umwelthaftpflichtmodell 1993), S. 655.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung



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Baustein 2.6: Die sog. Regreßdeckung fällt unter Baustein 2.6. Dabei handelt

es sich um die Deckung des Umwelthaftpflichtrisikos, das aus der fehlerhaf­ ten Planung, Herstellung, Lieferung, Montage, Demontage, Instandhaltung und Wartung von Anlagen oder Teilen für Anlagen nach den Ziffern 2.1 bis 2.5 entstehen kann. Versichert ist dabei sowohl derdirekte Regreß des Anla­ geninhabers gegen den Anlagenhersteller als auch Fall, daß ein Dritter den Versicherungsnehmer unmittelbar für einen durch dessen schuldhafte Lei­ stung verursachten Schadens in Anspruch nimmt.1 •

Baustein 2.7: Während die ersten sechs Bausteine das spezifische Risiko bestimmter Anlagen oder Tätigkeiten abdecken, erfaßt der siebte Baustein, die sog. Basisdeckung, Risiken aus Umwelteinwirkungen, die von Anlagen und Tätigkeiten des Versicherungsnehmers ausgehen, soweit sie nicht unter den Anwendungsbereich der Bausteine nach Ziffer 2.1 bis 2.6 fallen und es sich nicht um das Umwelt-Produktrisiko handelt. Werden keine Bausteine der Ziffern 2.1.-2.6 vereinbart, wird die Basisversicherung zu einem Teil der Be­ triebshaftpflichtversicherung. Bei Abschluß eines oder mehrerer Bausteine der Ziffern 2.1-2.6 erfolgt die Versicherung des Basisrisikos als Baustein 2.7 in der Umwelthaftpflichtversicherung.

Der Versicherungsschutz erstreckt sich nur auf die Anlagen, die explizit in der Versicherungspolice aufgeführt sind. Diese Begrenzung macht deutlich, daß das Umwelthaftpflicht-Modell, im Gegensatz zur Betriebshaftpflichtversicherung, die alle Anlagen pauschal versichert, das Prinzip der Einzeldeklaration jeder versi­ cherten Anlage verfolgt.2 Mit dem Deklarationsprinzip wollen die Versicherer sicherstellen, daß nur Risiken in Deckung genommen werden, mit denen sie sich auch risikotechnisch befaßt haben bzw. zumindest die Möglichkeit hatten, sich mit diesen zu befassen.3 Damit wird es zumindest möglich, der Erkenntnis Rech­ nung zu tragen, daß bei Umweltrisiken vermehrt auf eine gründliche und indivi­ duelle Risikoanalyse zu achten ist.

Dem Deklarationsprinzip entsprechend, besteht gemäß Ziffer 3 kein Versiche­ rungsschutz für neue Risiken und für Erhöhungen oder Erweiterungen der versi­ cherten Risiken. Bei einem neuen Risiko, beispielsweise wenn der Versiche­ rungsnehmer ein neues Produktionsverfahren in Betrieb nimmt, besteht grund­ sätzlich keine Deckung. Ebenso führt eine qualitative Erhöhung des Risikos, z.B. durch eine höhere Konzentration der Stoffe zum Verlust des Versicherungsschut­ zes. Demgegenüber sind Erhöhungen und Erweiterungen versichert, wenn es sich 1 2 3

Vgl. Lang, R. (HUK-Modell 1996), S. 173. Vgl. Erichsen, S. (Umweltrisiken 1995), S. 291. Vgl. Poschen, A. (Umwelthaftpflichtmodell 1993), S. 654.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

um eine rein mengenmäßige Veränderung der eingesetzten Stoffe handelt. Die rein quantitative Veränderung muß dabei in den Grenzen verbleiben, die im Rahmen des jeweiligen Bausteins akzeptiert sind. Bei einer Mengenerhöhung, die dazu führt, daß eine Anlage des Bausteins 2.3 zu einer UmweltHG-Anlage wird und damit unter Baustein 2.2 fällt, entsteht innerhalb des UmwelthaftpflichtModells nicht automatisch Versicherungsschutz über Risikobaustein 2.2, sondern es besteht gar keine Versicherungsdeckung.

Für den Versicherungsnehmer bedeutet dies, daß er das Risiko der qualitativen und zum Teil auch das der quantitativen Veränderung zunächst selbst zu tragen hat. Da das Umwelthaftpflichtmodell damit eine ständige Fortschreibung der Versicherungspolice notwendig macht, wird er sich in Zukunft aus eigenem In­ teresse verstärkt an der Überwachung seines Versicherungsschutzes beteiligen.1 Dieser von der Versicherungswirtschaft vertretenen Ansicht steht die Einschät­ zung entgegen, daß diese Regelung zu Zuordnungsschwierigkeiten führen wird und aufgrund des enormen Kontrollaufwandes nicht praxisgerecht ist und dem­ entsprechend gestrichen werden sollte.2

Tarifstruktur und Deckungssummen

3.

Um die Risiken, die bei Abschluß nach dem Umwelthaftpflichtmodell übernom­ men werden, prämienmäßig zu bewerten, erarbeitete der HUK-Verband eine unverbindliche Tarifempfehlung. Bei diesem Vorschlag, vom HUK-Verband als UHG-Tarif bezeichnet, handelt es sich um einen reinen Nettotarif, d.h. Kostenund Gewinnansätze des jeweiligen Versicherers sind nicht enthalten.3 Wie bereits mehrfach dargestellt, stehen für die Tarifierung von Umwelthaftpflichtrisiken die geeigneten statistischen Schadenerfahrungen nicht zur Verfügung. Um die Aus­ wirkungen der fehlenden statistischen Erfahrungen zu minimieren, sollte das Tarifkonzept nachvollziehbar, logisch und systematisch aufgebaut sein.4 Als Anhaltspunkt wurde teilweise auf den Schadenbedarf der WHG-Versicherung zurückgegriffen.

Das Konzept basiert auf der Einteilung der umweltrelevanten Anlagen in elf Risikoklassen. Der Einteilung liegt eine der Haftungsform entsprechende, rein formale Risikodifferenzierung zugrunde. Sinnvollerweise wird dabei einerseits zwischen Lageranlagen und Anlagen zur Herstellung, Bearbeitung und Verwen-

1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Lang, R. (HUK-Modell 1996), S. 174. BDI/DVS (Merkblatt 1993), S. 31. HUK-Verband (Rundschreiben H 32/92 M), Anlage 4, S. 3. Breining, W. (Umwelthaftpflicht 1992), S. 1328.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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dung umweltschädlicher Stoffe (HBV-Anlagen) unterschieden. Andererseits orientiert sich die Einteilung der Anlagen an den Systematisierungen des Um­ weltHG, des WHG und der Störfallverordnung sowie dem jeweils anzuwendenen Genehmigungsverfahren. Während HBV-Anlagen nach dem UmweltHG mit Ursachenvermutung und Deckungsvorsorgepflicht die höchste Risikostufe zuge­ ordnet wird, erhalten Anlagen, die der konventionellen Verschuldenshaftung unterliegen, die niedrigste Risikostufe. Die nachfolgende Abb. 22 gibt einen Überblick über die Einteilung der Anlagen und die Risikostufen. Während bei Lageranlagen als Prämienbasis die Lagermenge in Tonnen dient, werden HBV-Anlagen entsprechend ihrer Kapazität in kleine, mittlere und große Anlagen eingeteilt und dafür Fixprämien festgelegt. Individuelle Risikofaktoren wie der Zustand der Anlage, der Sicherheitsstandard und die Qualität des aktiven Risikomanagements sowie die Umfeldsituation werden nicht berücksichtigt. Aufgrund deren Bedeutung im Umweltbereich sollen solche Faktoren aber bei der Prämienberechnung durch die einzelnen Versicherer berücksichtigt werden. Da bei der Kalkulation des Tarifs davon ausgegangen wurde, daß die Anlagen dem neuesten Stand der Technik entsprechen, ist prinzipiell eher mit Zuschlägen als mit Abschlägen zu rechnen.1 Im allgemeinen verwendet die Versicherungs­ wirtschaft für die Bewertung des individuellen Umweltrisikos von Industrieanla­ gen eine fünfstufige Bewertungsskala.2 Während ein Risikoindex von 1 ein ge­ ringes Risiko ausdrückt, zeigt Risiko-Index 5 an, daß die betreffende Anlage oder das Unternehmen aus technischer Sicht ohne sicherheitstechnische Verbesserun­ gen nicht versicherbar ist. Dem UHG-Tarif liegt Risiko-Index 2 zugrunde.

Die Prämien für die Bausteine 2.6 und 2.7, d.h. für die Regreß- und die Basis­ deckung, sollen nach dem Vorschlag des HUK-Verbandes mit Zuschlägen zur Produkt- bzw. der Betriebshaftpflichtversicherung tarifiert werden.3 Dabei wer­ den i.d.R. dem Risikoindex entsprechende Prämiensätze (in Promille) mit dem Umsatz des Versicherungsnehmers multipliziert oder nach einem Vorschlag des HUK-Verbandes bis zu 15 % der Betriebsstättenprämie veranschlagt. Dem un­ verbindlichen Nettotarif liegen Pauschal-Deckungssummen von 2 Mio., 5 Mio. und 10 Mio. DM zugrunde.4 Im Einzelfall können auch höhere Deckungssummen vereinbart werden.

1 2 3 4

Vgl. Küpper, G. (Anmerkungen 1993), S. 23. Vgl. Eipper, C. (Umweltrisikos 1995), S. 75f.; Burkhardt, K./Matschke, W. (Umwelthaftpflichtmodell 1995), S. 15f.; Ecoconsult (UH-Gutachten o.J.), S. 5. Vgl. HUK-Verband (Rundschreiben H 32/92 M), Anlage 4, S. 3f. Vgl. Breining, W. (Umwelthaftpflicht 1992), S. 1330.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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Haftungs­ gewichtung Konventio­ nelle Haftung, d.h.

Ver­ schuldens­ haftung

Risiko klasse 1

2

Gefährdungs­ haftung nach WHG

3

Gefährdungs­ haftung nach UmweltHG mit Ursachen­ vermutung

4

5

6

7

Gefährdungs­ haftung nach UmweltHG mit Ursachen­ vermutung und Pflicht­ versicherung

Abb. 22:

1 2

8

9

Beschreibung der Anlage

Erläuterungen

Baustein (nach UmweltH-Modell)

Nicht deklarierungspflichtige Anlagen

Anlagen, die weder anzeige- noch genehmigungs-pflichtig sind und nicht dem WHG oder UmweltHG unterliegen Genehmigungspflicht nach BlmschG oder AbfallG

Basisdeckung 2.7

Sonstige anzeige- und genehmigungspfl. Anlagen, die nicht dem WHG oder Um­ weltHG unterliegen 2.1 Laqeranlagen 2.2 HBV-Anlagen nach ver­ einfachtem Genehmigungs­ verfahren (§ 10 BImSchG) 2.3 HBV-Anlagen nach Ge­ nehmigungsverfahren gemäß § 10 BimSchG Anlagen im Sinn des WHG, soweit sie nicht dem Um­ weltHG unterliegen

UmweltHG-Anlagen als La­ geranlagen, wenn Sicherheits­ analyse nicht erforderlich UmweltHG-Anlagen als HBVAnlagen, wenn Sicherheits­ analyse nicht erforderlich UmweltHG-Anlagen als Lageranlagen, wenn Sicher­ heitsanalyse nicht erforderlich, die Mengenschwellen aber nicht erreicht werden UmweltHG-Anlagen als HBVAnlagen, für die eine Sicher­ heitsanalyse nicht in Betracht kommt, die Mengenschwellen aber nicht erreicht werden UmweltHG-Anlagen als Lageranlagen, für die eine Sicherheitsanalyse erforderlich ist UmweltHG-Anlagen als Lageranlagen, für die eine Sicherheitsanalyse erforderlich ist, Nr. 2 und 3 Anhang 2 UmweltHG

HBV-Anlagen nach Spalte 2 der 4. BImSchV

Sonstige deklarierungs­ pflichtige Anlagen 2.3

Alle Anlagen nach Spalte 1 der 4. BImSchV I.d.R. Einteilung in WHGLageranlagen (4 Klassen, nach Stoffgefährdung) und WHG-HBV-Anlagen1

WHG-Anlagen 2.1 oder 2.4

Anlagen, die im Anhang 1 Teil 2 StörfallVO nicht genannt sind Anlagen, die im Anhang 1 Teil 1 StörfallVO nicht genannt sind Anlagen, die im Anhang I Teil 2 StörfallVO genannt sind, aber die Mengen­ schwellen nach Anhang III StörfallVO nicht erreichen Anlagen, gern. Anhang 1 Teil 1 StörfallVO, die die Mengenschwellen nach Anhang II Spalte 1 oder 2 StörfallVO nicht erreichen Anlagen der Risikoklasse 6, die aber die Mengen­ schwellen nach Anhang III StörfallVO erreichen bzw. überschreiten Anlagen der Risikoklasse 7, die aber die Mengen­ schwellen nach Anhang II Spalte 1 oder 2 StörfallVO erreichen bzw. über­ schreiten

UmweltHGAnlagen 2.2

Einteilung umweitrelevanter Anlagen in Risikoklassen2

Vgl. Vogel, J./Brasch, J.-H. (Umweltrisiken 1995), S. 13. Vgl. HUK-Verband (Rundschreiben H 32/92 M), Anlage 1.

UmweltHGAnlagen 2.2 UmweltHGAnlagen 2.2

UmweltHGAnlagen 2.2

UmweltHGAnlagen/ Pflicht­ versicherung 2.5

UmweltHGAnlagen/ Pflicht­ versicherung 2.5

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Die Deckungskapazität ist aber vor allem wegen der begrenzten Rückversiche­ rungskapazität limitiert. Während für Schäden aus dem Normalbetrieb Dekkungssummen bis maximal 40 Mio. DM angeboten werden, können für Störfall­ schäden gegen hohe Sicherheitszuschläge höhere Deckungssummen erworben werden.1 Die vereinbarte Versicherungssumme steht gemäß Ziffer 7.1 pauschal für Sachund Vermögensfolgeschäden zur Verfügung. Lediglich für Personenschäden ist ein Sublimit pro Person vorgesehen. Die Versicherungssumme bildet gleichzeitig den Höchstbetrag der Ersatzleistung für alle Versicherungsfälle innerhalb eines Jahres. Damit wird von der bei der Betriebshaftpflichtversicherung meist übli­ chen Praxis abgewichen, das Doppelte der Versicherungssumme als Jahresmaxi­ mum festzulegen.2 Ein Teil der Pauschal-Deckungssummen steht für Aufwen­ dungen vor Eintritt des Versicherungsfalls (Rettungskosten) zur Verfügung.3 Die Begrenzung beläuft sich auf 10 % der Regeldeckung, kann aber gegen Zuschlag auf 20 % heraufgesetzt werden. Dieser Betrag steht zweimal pro Versicherungs­ jahr zur Verfügung. Darüber hinaus ist für jeden Versicherungsfall ein zu verein­ barender Betrag vom Versicherungsnehmer als Selbstbeteiligung zu leisten. Im Regelfall beträgt der obligatorische Selbstbehalt 10 % der Schadenersatzlei­ stung.4

II.

Analyse der Deckungsbegrenzungen des Modells und ergänzender Bodenkaskoversiche­ rungen

1.

Deckungsbegrenzungen im Zusammenhang mit vorge­ zogenen Rettungskosten

Aufgrund der geänderten Versicherungsfalldefinition wurde im Umwelthaft­ pflicht-Modell eine Neuregelung der Rettungskosten notwendig. Nach § 62 Ver­ sicherungsvertragsgesetz (VVG) ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, beim Eintritt eines Versicherungsfalls nach Möglichkeit alles zur Minderung oder 1

2 3

4

Vgl. Herbst, C. (Risikoregulierung 1996), S. 252. Die Literatur begrenzt die Normalbetriebsdekkung sogar überwiegend auf max. 20 Mio. DM. Vgl. z.B. Wolters, G. (Versicherungsmarkt 1994), S. 238f. Vgl. Schmidt-Salzer, J./Schramm, S. (Umwelthaftpflichtversicherung 1993), S. 400. Vgl. Breining, W. (Umwelthaftpflicht 1992), S. 1330. Auf die Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalls wird im nächsten Kapitel eingegangen. Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 246; Klinkhammer, G. (Umwelthaftpflicht-Modell 1993), S. 191.

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Abwendung des Schadens zu unternehmen. Die hieraus entstehenden Aufwen­ dungen, die sog. Rettungskosten, sind dem Versicherungsnehmer nach § 63 VVG vom Versicherer zu ersetzen. Ziel dieser Regelung ist die Minderung des morali­ schen Risikos, d.h. sie dient dazu, den Versicherungsnehmer durch Androhung des Verlustes des Versicherungsschutzes zu einem schadenmindernden Handeln zu bewegen.1 Da die Minderung oder Abwendung des finanziellen Schadens direkt dem Versicherer zugute kommt, soll auch dieser die Kosten für die durch­ geführten Maßnahmen übernehmen. Die Pflicht des Versicherungsnehmers, Rettungsmaßnahmen durchzuführen, entsteht nach § 62 VVG bei Eintritt des Versicherungsfalls. Da der Schaden aufgrund der Neuregelung des Versicherungsfalls im Umwelthaftpflichtmodell zu diesem Zeitpunkt schon festgestellt ist, besteht für den Versicherungsnehmer de facto lediglich eine Pflicht zur Schadenminderung, d.h. eine Schadenabwehr ist nicht mehr möglich.2

Dementsprechend umfassen die deckungspflichtigen Rettungskosten eigentlich nur Aufwendungen zur Minderung eines Schadens. Da damit kein Anreiz zur Durchführung von Abwehrmaßnahmen besteht, diese Situation aber weder im Interesse des Versicherers noch des Versicherungsnehmers liegt, gewährt das Umwelthaftpflicht-Modell auch Ersatz für Präventionsmaßnahmen vor Eintritt des Versicherungsfalls. Nach Ziffer 5.1 sind solche sog. vorgezogenen Rettungs­ kosten allerdings nur gedeckt, wenn sie notwendig waren, weil eine Betriebsstö­ rung oder eine entsprechende behördliche Anordnung vorausgegangen ist und sie erforderlich waren, einen sonst unvermeidbar eintretenden Schaden abzuwehren. Im Zusammenhang mit vorgezogenen Rettungskosten besteht damit auch eine Deckung für öffentlich-rechtliche Inanspruchnahmen.3 Die beschriebene Regelung ist für den Versicherungsnehmer in zweierlei Hin­ sicht nachteilig. Der erste Nachteil ergibt sich, da der Versicherungsnehmer das Irrtumsrisiko hinsichtlich der Rettungsmaßnahmen und dem Bevorstehen eines Versicherungsfalls trägt. Stellt sich im Nachhinein heraus, daß ein Schaden nicht unmittelbar bevorstand und die ergriffenen Maßnahmen überflüssig oder sinnlos waren, hat der Versicherte keinen Erstattungsanspruch. Der Ersatz der Rettungs­ kosten ist somit von einer objektiven Ex-post-Beurteilung der Gefahrensituation abhängig.

1 2 3

Vgl. Herbst, C. (Rettungskosten 1996), S. 11. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 205; Lang, R. (HUK-Modell 1996), S. 176. Vgl. Klinkhammer, G. (Umwelthaftpflicht-Modell 1993), S. 189.

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Diese strenge Regelung wird allerdings in zwei Fällen relativiert. Eine Kostener­ stattung erfolgt zum einen, wenn sich der Versicherungsnehmer mit dem Versi­ cherer über die zu ergreifenden Maßnahmen abgestimmt hat. Konnte dies aus Zeitgründen nicht mehr geschehen, werden zum anderen die Maßnahmen ersetzt, die aus der objektivierten Sicht des Versicherungsnehmers ex-ante als notwendig anzusehen waren.1 Der zweite Nachteil der neuen Rettungskostenregelung ist darin begründet, daß die Deckung vorgezogener Rettungskosten auf Störfälle und behördliche Anord­ nungen begrenzt ist. Damit sind alle Fälle ausgeschlossen, in denen der Versiche­ rungsnehmer Rettungsmaßnahmen ergreift, nachdem er allein festgestellt hat, daß z.B. von einem Grundstück, das durch dauernde Emissionen des Normalbetriebs verseucht wurde, eine Gefährdung ausgeht.2

Auch die Einführung eines Jahreshöchstbetrags für sämtliche Ersatzansprüche wegen Rettungsmaßnahmen sowie eines Sublimits pro Betriebsstörung oder einer behördlichen Anordnung stellen eine Besonderheit des UmwelthaftpflichtModells dar. Darüber hinaus gilt ein spezieller Rettungskostenselbstbehalt von 10 %. Schließlich werden selbst die Kosten von Rettungsmaßnahmen, die auf Wei­ sung des Versicherers durchgeführt wurden, nicht ersetzt, sofern sie zusammen mit etwaigen Entschädigungszahlungen die Versicherungssumme übersteigen.3 Ein für die Versicherungsnehmer besonders schmerzlicher Ausschluß ergibt sich aus der Tatsache, daß Erhaltungs-, Reparatur-, Erneuerungs-, Nachrüstungs-, Sanierungs- und Sicherungsaufwendungen nach Ziffer 5.6 grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind. Der Ausschluß derartiger Eigenschäden gilt selbst dann, wenn es sich um Aufwendungen für Rettungsmaßnahmen vor Eintritt des Versi­ cherungsfalls handelt. Ersetzt werden nur Kosten, die dadurch entstehen, daß bei einer Rettungsmaßnahme nicht-kontaminierte Grundstücke und Sachen des Ver­ sicherungsnehmers beeinträchtigt werden. Eigenschäden sind damit nur dann ersatzfähig, wenn der Versicherungsnehmer quasi dazu gezwungen ist, Gegen­ stände „aufzuopfern“.4 Dieser Regelung steht im Gegensatz zu der bisherigen Anlagendeckung in der Gewässerschaden-Haftpflichtversicherung. Diese bezog sich auch auf Schäden an Grundstücken und Sachen der Versicherungsnehmers, die durch den bestim­ 1 2 3

4

Vgl. Herbst, C. (Rettungskosten 1996), S. 11. Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 240; Herbst, C. (Rettungskosten 1996), S. 11. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 209f.; Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 240. Vgl. Lang, R. (HUK-Modell 1996), S. 177; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S.211.

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mungswidrigen Austritt gewässerschädlicher Stoffe aus der Anlage verursacht wurden. Dabei kam es nicht einmal darauf an, ob sich aus der Bodenverunreini­ gung ein Haftpflichtschaden ergeben konnte oder eine Gefährdung bestand.1 Die Abkopplung der Deckung von Eigenschäden aus der Umwelthaftpflichtversi­ cherung ist für die Versicherungsnehmer zwar schmerzlich, grundsätzlich aber sachgerecht, da einer Haftpflichtversicherung, die ja dazu dient, die Schäden Dritter abzusichern, Eigenschadenersatz wesensfremd ist.2 Dementsprechend erscheint der Eigenschadenausschluß konsequent, soweit es sich wirklich um reine Eigenschäden handelt, die niemals Drittschäden zur Folge haben können.3 Das Umwelthaftpflicht-Modell aber schließt die Kosten für alle Sanierungen aus, die Sachen des Versicherungsnehmers betreffen und nicht nur die, von denen keine Schadengefahr ausgeht. Damit erfolgt nicht nur der Ausschluß von Eigen­ schäden im eigentlichen Sinne, sondern es wird ein Großteil der typischen Ret­ tungskosten ausgeschlossen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie zugleich eine Sanierung des Eigentums des Versicherungsnehmers darstellen.4

Die Regelung führt sowohl aus Sicht des Versicherungsnehmers als auch unter dem Aspekt des Umweltschutzes zu einer unbefriedigenden Situation. Einerseits hat der Versicherungsnehmer bei Kenntnis einer Gefährdung, die zu weiterge­ henden Schäden führen kann, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, den Schaden zu verhindern, um seinen Deckungsanspruch für den Haftpflichtschaden nicht zu verlieren. Stellt ein Versicherungsnehmer beispielsweise auf seinem Betriebsgelände eine Bodenkontamination fest, hat er eine zweifelhafte Wahl. Führt der Versicherungsnehmer - um eine Schädigung der Allgemeinheit zu ver­ hindern - die Sanierung durch, muß er die Kosten wegen des Ausschlusses von Sanierungsmaßnahmen selbst tragen, unterläßt er die Sanierung dagegen, muß er für alle daraus resultierenden Schäden haften, da der Versicherer wegen der Un­ terlassung leistungsfrei ist. Der Versicherer hat in beiden Fällen keine Kosten zu befürchten.5

Aufgrund der neuen Schadenfalldefinition wird somit aus ersatzpflichtigen Ret­ tungsmaßnahmen eine ersatzlose Schadenverhütungspflicht. In dieser Situation greift auch die häufig gemachte Anmerkung nicht, Eigenschäden seien eine Sache das Versicherungsnehmers. Es geht nicht in erster Linie um den Eigenschaden, sondern um die Gefahr, die von diesem ausgeht. Wenn die Konkretisierung die­

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Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 173. Vgl. Meyer-Kahlen, W. (Eigenschäden 1993), S. 2. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 213. Vgl. Herbst, C. (Rettungskosten 1996), S. 12. Vgl. Herbst, C. (Rettungskosten 1996), S. 13.

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ser Gefahr einen versicherten Drittschaden darstellt, ist dies eben nicht mehr allein Sache des Versicherungsnehmers.1

Darüber hinaus geht der Anreiz zu Präventionsmaßnahmen verloren, da für die Schadenverhütungsmaßnahmen kein Kostenersatz vorgesehen ist. Es kann für den Versicherungsnehmer dementsprechend vorteilhaft sein, unter der Vorausset­ zung, daß er seinen Versicherungsschutz nicht verliert, mit den Sanierungsmaß­ nahmen bis zum Eintritt des Versicherungsfalls zu warten, um diese als Ret­ tungskosten nach §§ 62, 63 VVG ersetzt zu bekommen.2 Um solche, im Sinne des Umweltschutzes kontraproduktiven Effekte zu verhindern und gleichzeitig einer undifferenzierten, ausufernden Einstandspflicht vorzubeugen, wurde schon frühzeitig gefordert, die Rettungskosten darstellenden Eigenschäden mit einem hohen Selbstbehalt in die Deckung des Umwelthaftpflicht-Modells aufzunehmen oder durch eine an die Sachversicherung angelehnte Eigenschadenversicherung abzudecken.3 Der dadurch erzeugten Erwartungshaltung der Versicherungsneh­ mer wird von Seiten der Versicherungs Wirtschaft in jüngster Zeit mit speziellen Deckungskonzepten begegnet, die im nächsten Kapitel skizziert werden.

2.

Bodenkaskoversicherung

Nach Schätzungen von Branchenkennern machten die nach den alten Vertrags­ bedingungen von den Versicherern geleisteten Entschädigungen für Eigenschä­ den bis zu zwei Drittel der Gesamtaufwendungen für Umweltschäden in den achtziger Jahren aus.4 Diese Erkenntnis verdeutlicht die Bedeutung der drasti­ schen Einschränkung der Übernahme von Eigenschäden nach dem Umwelthaft­ pflicht-Modell. Vor diesem Hintergrund werden seit kurzem Spezialpolicen an­ geboten, die als Bodenkaskodeckung bezeichnet werden.

Dabei handelt es um Versicherungen für Schäden an unbeweglichen Sachen, d.h. an Grundstücken und Gebäuden des Versicherungsnehmers, die durch wasseroder bodenschädliche Stoffe verursacht werden.5 Der Umfang der Deckung kann sich dabei auf den Ersatz der Kosten für Untersuchung, Gefahrenabschätzung, Dekontamination oder Beseitigung, Entsorgung, Austausch des Erdreichs und

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Vgl. Herbst, C. (Rettungskosten 1996), S. 13. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 213. Vgl. Wagner, G. (Umwelthaftpflichtversicherung 1992), S. 270; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 213. Vgl. o.V. (Eigenschäden 1996), S. 35; BDI/DVS (Merkblatt 1993), S. 31. Vgl. Grote, D. (Bodenkaskodeckung 1996), S. 21.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Wiederherstellung des Versicherungsgrundstücks sowie teilweise sogar auf den Rechtsschutz gegen Anordnungen der Behörden beziehen.1

Solche Bodenkaskoversicherungen können auf zwei grundsätzliche Arten reali­ siert werden. Zum einen besteht die Möglichkeit, die Eigenschäden als Dekkungserweiterung in eine bestehende Umwelthaftpflichtversicherung oder eine bestehende Sachversicherung zu integrieren, zum anderen kann eine eigenständi­ ge Versicherung abgeschlossen werden. Bei der Integration ins Umwelthaftpflicht-Modell handelt es sich praktisch um eine begrenzte Wiedereinführung der Bodenkaskodeckung der Gewässerschadenhaftpflicht. Versichert sind die Kosten für die aufgrund behördlicher Anordnung durchgeführte Sanierung von Schäden am Grundstück des Versicherungsnehmers, die durch einen Störfall oder das bestimmungswidrige Austreten wassergefährdender Stoffe verursacht wurden. Einer Erweiterung der Umwelthaftpflichtversicherung entsprechend sollte die Versicherung dann greifen, wenn von den Schäden die Gefahr eines Gewässer­ schadens ausgeht oder wenn es sich um schädliche Bodenverunreinigungen im Sinne des (künftigen) § 3 Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) resp. Bo­ denbelastungen im Sinne von § 327 Abs. 2 S. 4 des UGB-KomE handelt.2 Demgegenüber lehnen sich die Einschlüsse in die Sachversicherung an der De­ kontaminationsklausel 3301 des Verbandes der Schadenversicherer an? Nach dieser Klausel werden die Aufwendungen ersetzt, die anfallen, um Erdreich zu dekontaminieren, den Aushub zu entsorgen und das Grundstück wiederherzu­ stellen, sofern sich bei dem Versicherungsfall dieBrand-, Blitzschlag- oder Ex­ plosionsgefahr verwirklicht hat. Für die Bodenkaskodeckung greift diese Rege­ lung losgelöst vom Versicherungsfall Feuer allgemein bei einem Störfall, sofern ein Sachschaden eintritt, der von der zugrundeliegenden Sachversicherung erfaßt wird oder bei Fehlfunktionen bzw. Fehlbedienungen von Einrichtungen oder Anlagen des Versicherungsnehmers.4 Es kommt also darauf an, daß die wasserund bodengefährdenden Schadstoffe plötzlich und unvorhergesehen austreten. Weitere Grundlage der Versicherung ist das Vorliegen einer behördlichen An­ ordnung.

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Vgl. Jauch&Hübener (Informationen 1996), Anlage S. 1; Matschke, W./Berger, K.-H. (Bodenkaskoversicherung 1997), S. 130. Vgl. Schimikowski, P. (Stand 1995), S. 117. Zur Notwendigkeit eines Bundes-Bodenschutzgesetztes und den Empfehlungen des 60. Deutschen Juristentags zur Regelung von Altlasten im Rahmen des Bodenschutzes vgl. Enders, R./Uwer, D. (Altlastenrecht 1995), S. 63Iff. Vgl. Grote, D. (Bodenkaskodeckung 1996), S. 23. Vgl. Matschke, W./Berger, K.-H. (Bodenkaskoversicherung 1997), S. 130; Grote, D. (Bodenkaskodeckung 1996), S. 23.

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Die Eingliederung in die Sachversicherungssparte ist im Vergleich zur Integrati­ on in die Umwelthaftpflichtversicherung zu bevorzugen, da hierbei auf die pro­ blematische Unterscheidung zwischen reinen Eigenschäden und Sanierungen am Eigentum des Versicherungsnehmers, welche Rettungskosten darstellen, ver­ zichtet werden kann.1 Wie die Ausgestaltung einer für die Sachversicherungslö­ sung sicher charakteristischen Bodenkaskoversicherung eines großen Versiche­ rers zeigt, sind Bodenkaskodeckungen durch obligatorische Selbstbehalte ge­ kennzeichnet. In diesem Beispiel beträgt die Selbstbeteiligung je Versicherungs­ fall zwischen 15 % und 25 % der jeweiligen Entschädigungsleistung, ist jedoch auf 500.000 DM begrenzt.2 Die vereinbarte Versicherungssumme gilt als Höchstgrenze der Entschädigungsleistung pro Versicherungsfall und Versiche­ rungsjahr. Die maximale Deckungssumme liegt bei 10 Mio. DM. Als zweite generelle Ausgestaltungsalternative einer Bodenkaskodeckung besteht die Möglichkeit, die Eigenschäden an Grundstücken des Versicherungsnehmers völlig losgelöst von bestehenden Versicherungen abzudecken.3 Solche standalone-Deckungen sind i.d.R. nach einem Baukastenprinzip aufgebaut und können so den individuellen Bedürfnissen angepaßt werden. Zum Teil sind dabei auch bei Versicherungsbeginn bereits vorhandene, aber noch nicht entdeckte Altlasten versicherbar, d.h. ausschlaggebend ist, daß die Umweltschäden bei Vertragsab­ schluß nicht bekannt sind. Neben der Erstattung der Kosten für Sanierungen, die auf die Ansprüche Dritter zurückgehen, beispielsweise öffentlich-rechtliche An­ ordnungen, werden im Rahmen solcher Konzepte teilweise auch Kosten für Sa­ nierungen ersetzt, die der Versicherungsnehmer auf eigenes Betreiben durch­ führt.4 Der Versicherungsschutz solcher stand-alone-Deckungen bezieht sich zum einen auf Schäden, die durch plötzliche und unfallartige, vom normalen Betriebsge­ schehen abweichende Ereignisse oder Anlagenbeschädigungen verursacht wur­ den. Zum anderen sind auch sog. Kleckerschäden, d.h. Schäden, die auf Kontaminationen des Bodens oder eines Gewässers zurückgehen, welche beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen durch Verschütten, Abtropfen, Ablau­ fen, Verdampfen, Verdunsten der Stoffe oder durch ähnliche Vorgänge verur­ sacht wurden, und Normalbetriebsschäden gedeckt resp. können fakultativ einge­ schlossen werden, sofern diese für den Versicherungsnehmer unerwartet und unbeabsichtigt sind, d.h. die Gefahrstoffe bestimmungsgemäß verwendet wurden. 1 2 3 4

Vgl. Schimikowski, P. (Stand 1995), S. 117. Nach eigenen Aussagen präferiert auch der Ge­ samtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) die Sachversicherungslösung. Vgl. Matschke, W./Berger, K.-H. (Bodenkaskoversicherung 1997), S. 131. Vgl. Grote, D. (Bodenkaskodeckung 1996), S. 25. Vgl. Grote, D. (Bodenkaskodeckung 1996), S. 23;

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I.d.R. schließen die Versicherer dagegen Schäden von der Deckung aus, die auf bestimmte Stoffe zurückzuführen sind. Zu denken ist dabei beispielsweise an Asbest, bleihaltige Farben oder Halogen-Kohlenwasserstoffe (HKW). Mit den stand-alone-Deckungen können Verträge mit hohen Deckungssummen abgeschlossen werden. Im Einzelfall sind Deckungssummen bis zu 50 Mio. DM möglich. Die Bodenkasko-Deckungen beinhalten im allgemeinen relativ hohe Selbstbeteiligungen und scheinen damit an die, insbesondere im Rahmen der Eigenschadenversicherung bedeutsamen, Überlegungen über den Zusammenhang der Sorgfalt des Versicherungsnehmers resp. dem Anreiz zu Präventionsmaß­ nahmen und einem substantiellen Selbstbehalt anzuknüpfen. Die Prämien erge­ ben sich in Abhängigkeit der jeweiligen Deckungssumme und der vorliegenden Risikosituation. Allerdings sind teilweise Mindestprämien vorgesehen. Bei einem Konzept sind beispielsweise 50.000 DM als Prämienminimum und ein Selbstbe­ halt von wenigstens 100.000 DM festgeschrieben.1

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß für Unternehmen, die in ver­ muteten oder drohenden Bodenverunreinigungen ein gravierendes finanzielles Risiko sehen, Möglichkeiten bestehen und weiterentwickelt werden, auch für Eigenschäden eine Versicherungsdeckung zu erhalten.2 Allerdings ist der weitge­ hende Deckungsschutz der Bodenkaskoversicherungen mit hohen Prämien und vor allem mit obligatorischen Selbstbehalten verbunden, die i.d.R. über den sonst in der Versicherungswirtschaft vereinbarten Selbstbeteiligungen liegen.

3.

Deckungsausschlüsse

Im Umwelthaftpflicht-Modell sind unter Ziffer 6 insgesamt 16 Deckungsaus­ schlüsse explizit aufgeführt. Die bedeutendsten werden nachfolgend erläutert. Der erste Ausschluß bezieht sich auf die Kleckerschäden. Ausgeschlossen ist dabei die Haftung für Schäden, die auf Verdunstungs-, Verdampfungs-, Verplanschungs-, Abtropf- und Ablaufvorgänge zurückzuführen sind. Schulbeispiele für solche Vorgänge sind Reinigungsarbeiten, insbesondere mit CKW-haltigen Mit­ teln oder das Betanken von Anlagen, bei denen regelmäßig mit Verschüttungen etc. zu rechnen ist. Die Klausel kommt allerdings nicht zur Anwendung, wenn die Vorgänge aus einer Betriebsstörung resultieren. Damit wird deutlich, daß der Versicherungsschutz für Vorgänge ausgenommen ist, die im Laufe der Zeit im Rahmen des normalen betrieblichen Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen durch viele kleine Einzelereignisse Schäden verursacht haben, ohne daß das 1 2

Vgl. Grote, D. (Bodenkaskodeckung 1996), S. 23. Vgl. Hess, T. (Bodenkasko-Deckungen 1997), S. 1701 f.

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jeweilige Einzelereignis das Ausmaß eines Störfalls erreicht hat oder geeignet war, einen Umweltschaden zu verursachen.1 Ebensowenig besteht Versicherungs­ schutz bei Schäden, die auf Vorgänge zurückzuführen sind, bei denen die Be­ triebspflichten verletzt wurden. Die Reichweite der Kleckerklausel ist damit grundsätzlich nicht zu unterschätzen.2 Sie wird allerdings relativiert, wenn man berücksichtigt, daß die dabei erfaßten Vorgänge i.d.R. auf dem eigenen Gelände stattfinden. Da daraus resultierende Schäden gemäß Ziffer 5.6 grundsätzlich ausgeschlossen sind, ist die Kleckerklausel in der Deckungsdiskussion nur im Zusammenhang mit Rettungskosten von Bedeutung.3

Die Kleckerklausel bezieht sich insbesondere auf Schäden, die durch betriebsty­ pische Fahrlässigkeits-Sachverhalte im Umgang mit gewässerschädlichen Stoffen entstehen. Da solche Vorgänge nur dann als fahrlässig bezeichnet werden kön­ nen, wenn die gewässerschädlichen Eigenschaften der Stoffe bekannt sind, hat die Industrie bei den Verhandlungen zur Gestaltung des UmwelthaftpflichtModells darauf gedrängt, im Zusammenhang mit der Kleckerklausel klarzustel­ len, daß die Wassergefährlichkeit des Stoffes dem Versicherungsnehmer erkenn­ bar gewesen sein muß.4 Obwohl dies in den Bedingungstext keinen Eingang gefunden hat, besitzt die Kleckerklausel nur Gültigkeit, wenn der Versicherungs­ nehmer Kenntnis von der Wassergefährlichkeit des betroffenen Stoffes besitzt. Damit ist im Rahmen von Kleckervorgängen nach herrschender Meinung das Entwicklungsrisiko versichert.5 Diese Auslegung entspringt der Interpretation des Zwecks der Klausel, den sorglosen Umgang mit Stoffen, die bekanntermaßen oder erkennbar wassergefährdend sind, zu unterbinden.

Von besonderer Bedeutung ist der grundsätzliche Ausschluß von Schäden, die aus dem Normalbetrieb resultieren. Nach Ziffer 6.2 sind Ansprüche wegen Schä­ den, die durch betriebsbedingt unvermeidbare, notwendige oder in Kauf genom­ mene Umwelteinwirkungen entstehen, nicht versichert. Die Beweislast zur An­ wendbarkeit dieser Regel liegt, wie stets bei Risikoausschlüssen, beim Versiche­ rer. Da in der Klausel auf Umwelteinwirkungen und nicht auf Schäden verwiesen wird und selbst eine industrielle Produktion in den Grenzen umweltrechtlicher Vorgaben Schadstoffemissionen i.d.R. nicht gänzlich vermeiden kann, wird die­

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Vgl. Alsleben, D. (Risiko 1993), S. 307. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 214f. Vgl. Nickel, F./Teufl, M. (Umweltschaden 1993), S. 1130. Vgl. Küpper, G. (Hinweise 1992), S. 6. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 215. Abweichend davon vertritt Alsle­ ben die Auffassung, daß die Normalbetriebshaftung einschließlich des Entwicklungsrisikos für alle wassergefährdenden Stoffe ausgeschlossen ist und Deckung lediglich für Störfälle gewährt wird. Vgl. Alsleben, D. (Risiko 1993), S. 310.

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ser Nachweis dem Versicher im allgemeinen nicht schwer fallen.1 Der Anlagen­ inhaber weiß von den Emissionen. Er nimmt die Umwelteinwirkungen also in Kauf, da sie notwendig sind, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Normalbe­ triebsschäden sind damit i.d.R. zunächst von der Deckung ausgenommen. In Ziffer 6.2 Absatz 2 ist allerdings eine sog. Öffnungsklausel enthalten, durch die Normalbetriebsschäden wieder in den Versicherungsschutz einbezogen wer­ den, wenn der Versicherungsnehmer nachweisen kann, daß er zum Zeitpunkt der Umwelteinwirkung deren Schädlichkeit nicht erkennen mußte. Den Nachweis für die Unvorhersehbarkeit hat der Ver-sicherungsnehmer zu führen, als Maßstab gilt der Stand der Technik. Diese Beweissituation kann zu Schwierigkeiten für den Versicherungsnehmer führen. Alsleben bezeichnet die praktische Umsetzung der Klausel als unlösbare Aufgabe.2 Das liegt insbesondere daran, daß die Möglich­ keit der Schadenentstehung nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der schadenursächlichen Emissionen nicht erkennbar sein darf.

Es geht in diesem Zusammenhang also um die Beurteilung der Kenntnis des Wirkungszusammenhangs zwischen Umwelteinwirkung und Schaden und nicht, der eigentlichen Bedeutung des Stands der Technik entsprechend, um den Stan­ dard der Emissionsbegrenzungs- resp. -Vermeidungstechnik. Selbst wenn der Normalbetrieb dem Stand der Technik entspricht, hat der Versicherungsnehmer keinen Versicherungsschutz, sofern er nicht nachweisen kann, daß die Um­ welteinwirkungen, wiederum dem Stand der Technik entsprechend, kontrolliert und beobachtet wurden und er daraus keine Schädigung vorhersehen mußte. Es dürfte dem Versicherungsnehmer damit schwerfallen, die Voraussetzungen für die Öffnungsklausel nachzuweisen.3 Bei der Beurteilung der Wirkungszusammenhänge kommt es nicht wie bei der Emissionsverhinderung auf Erkenntnisse und Forschungsergebnisse der Technik, sondern der Medizin, Ökologie, Biologie und der Chemie an. Dementsprechend eignet sich der Stand der Technik aus systematischen Gründen nicht als Maßstab für die Erkennbarkeit der Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen. Dies führt dazu, daß nach herrschender Meinung der Sinn der Verwendung des Terminus darin besteht, dem Nachweis der Nichterkennbarkeit der Schädlichkeit von Um­ welteinwirkungen ein mittleres Anforderungsprofil zugrunde zu legen und nicht die Durchführung von epidemologischen Studien oder gar Humanexperimenten

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Vgl. Küpper, G. (Hinweise 1992), S. 6; Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 215. Vgl. Alsleben, D. (Risiko 1993), S. 325. Zum folgenden vgl. Alsleben, D. (Risiko 1993), S. 320ff. Vgl. Küpper, G. (Hinweise 1992), S. 6.

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zu fordern.1 Die Erfüllung der Öffnungsklausel berücksichtigt vielmehr die Lei­ stungsfähigkeit des jeweiligen Betriebs und die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Maßnahmen. Die bloße allgemeine Kenntnis von der Gefährlichkeit der Emission soll nicht ausreichen, dem Versicherungsnehmer den Nachweis, daß mit dem Eintritt eines Schadens nicht gerechnet werden konnte, unmöglich zu machen. Das Entwicklungsrisiko hat der Versicherer und nicht der Versicherungsnehmer zu tragen.2 Da die Auslegung der Öffnungsklausel aber noch nicht abschließend geklärt ist und noch keine Referenzfälle aus der Praxis vorliegen, bleibt eine Unsicherheit über den Deckungsumfang beim Normalbetrieb bestehen. Nach Ziffer 6.9 besteht kein Versicherungsschutz für Schäden, die entstanden sind, weil der Versicherungsnehmer bewußt gegen Gesetze oder behördliche Anordnungen, die dem Umweltschutz dienen, verstoßen hat. Das gleiche gilt, wenn Richtlinien des Herstellers der Anlagen, regelmäßige Kontrollen, Wartun­ gen oder Inspektionen bewußt nicht durchgeführt wurden. Demnach ist der rechtswidrige Normalbetrieb aus der Haftung ausgeschlossen. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Betreiber die Schadenfolgen absehen konnte oder nicht. Ent­ scheidend ist, daß er wissentlich gegen bestehende Vorschriften verstoßen hat.3 Ebenso wie durch die in der Normalbetriebsklausel enthaltenen Bestimmungen wird durch diese Regelungen auf den Versicherungsnehmer ein Zwang ausgeübt, die nach dem Stand der Technik gebotenen Sicherheitsstandards einzuhalten, um eine weitgehende Minimierung des moralischen Risikos zu erreichen.

Darüber hinaus sind Ansprüche für Schäden, die bei Vertragsbeginn bereits ein­ getreten waren, aber noch nicht entdeckt wurden, ausgeschlossen. Ein solcher Altlastenausschluß stellt zwar auf den Schadeneintritt ab und widerspricht damit der neuen Versicherungsfalldefinition, ist gleichwohl aber verständlich. Es ist nicht zu verlangen, daß der aktuelle Versicherungsschutz Schäden deckt, die vor langer Zeit verursacht und eingetreten sind. Schadenpotentiale, die sich aus frü­ heren Umwelteinwirkungen aufbauen, sind im Rahmen des UmwelthaftpflichtModells dagegen versichert, sofern sie zu Vertragsbeginn noch nicht zum Scha­ deneintritt geführt haben.4 Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß Versicherungsunternehmen in den Bedingungen ihrer Umwelthaftpflichtver­ sicherung nicht selten zu Ungunsten des Versicherten vom Vorschlag des Um­ welthaftpflicht-Modells abweichen.5 Dabei werden beispielsweise Schäden aus­ geschlossen, die durch Umwelteinwirkungen entstehen oder entstanden sind, die 1 2 3 4 5

Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 216. Vgl. Küpper, G. (Hinweise 1992), S. 6. Vgl. Wagner, G. (Umwelthaftpflichtversicherung 1992), S. 267. Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 218. Vgl. Klinkhammer, G. (Umwelthaftpflicht-Modell 1993), S. 191.

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bei Vertragsbeginn bereits erfolgt waren oder begonnen haben. Eine solche gene­ relle Verschärfung des Vorbelastungsausschlusses entspricht allerdings nicht dem Grundgedanken des Umwelthaftpflicht-Modells.

III.

Betrachtung der Versicherung von Umweltrisiken unter Sicherheits- und Kostenaspekten

Ausschlaggebend für die Beurteilung eines Instruments des Risikomanagements ist die Überlegung, in welchem Maße das jeweilige Instrument zur Beherrschung der Risikosituation beitragen kann. Damit ist die Frage angesprochen, inwieweit mit diesem Instrument ein Zustand der Unsicherheit und die damit verbundene Gefahr einer negativen Zielabweichung in einen Zustand der Sicherheit transfor­ miert werden kann. Mit der Beurteilung des Sicherheitsaspektes ist die Analyse allerdings noch nicht abgeschlossen. Im Sinne einer Wirtschaftlichkeitsbetrach ­ tung sind dem Umfang, in dem es gelingt, einen Zustand der Sicherheit herzu­ stellen, die Kosten der durchzuführenden Maßnahmen gegenüberzustellen. Ne­ ben dem Sicherheitsaspekt und in Verbindung mit dem Kostenaspekt hängt die Beurteilung der Versicherungslösung auch davon ab, inwieweit die Methode der Prämienberechnung Akzeptanz bei den Versicherungsnehmern findet.

1.

Der Sicherheitsaspekt

Die Beurteilung des Sicherheitsaspekts hat sich an den Zielen des Risikomana­ gements zu orientieren. Ziel des Risikomanagements ist es, die Erreichung der Unternehmensziele zu sichern. Die Beeinträchtigung der Unternehmensziele durch Umweltrisiken konkretisiert sich in Form des Anpassungs-, des Markt- und des Haftungsrisikos. Die Versicherung als Instrument der Risikofinanzierung nimmt keinen Einfluß auf die Risikostrukturen und kann den Risikoeintritt nicht verhindern, sondern dient dem Umgang mit den finanziellen Auswirkungen ein­ getretener Risiken. Diese Betrachtung macht deutlich, daß sich die Beurteilung der Versicherung auf ihren Beitrag zur Erfüllung von Finanz- und Erfolgszielen bezieht. Insbesondere die Stabilisierung des Ertrags und die Aufrechterhaltung der Liquidität stehen dabei im Mittelpunkt. Die Versicherung kann keinen Beitrag zur Bewältigung von Anpassungs- und Marktrisiko leisten, sondern konzentriert sich auf das Haftungsrisiko. Auf dieses bezogen, gewährt die Versicherung optimale Sicherheit, wenn der Deckungsum­ fang der Versicherung dem gesetzlichen Haftungsumfang entspricht. Aus unter­

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nehmerischer Sicht können in diesem Fall die mit dem Risikoeintritt verbunde­ nen, haftungsbegründeten finanziellen Auswirkungen vollständig durch den Ab­ schluß einer Versicherung bewältigt werden. Die finanziellen Konsequenzen, die von Unternehmen, die von einem Schaden betroffenen wurden, zu tragen sind, beschränken sich auf den eventuell vereinbarten Selbstbehalt. Durch die vom ersten Tag der Laufzeit des Versicherungsvertrags gegebene konstante Garantie­ funktion des Versicherers wird die finanzielle Handlungsfreiheit des Versiche­ rungsnehmers gesichert. Den anstehenden Auszahlungen für einen Schadenersatz stehen die Leistungen der Versicherungsgesellschaft gegenüber, die beim versi­ cherten Betrieb stets Betriebseinnahmen darstellen. Aufgrund der sich im Ideal­ fall entsprechenden Beträge ergibt sich per Saldo zum einen weder eine Bela­ stung noch eine Verminderung des Ertrags.1 Da zum anderen kein Nettoabfluß an Liquidität entsteht, beinhaltet die Versicherung neben der Sicherheitsfunktion auch eine Liquiditätsfunktion, die eng mit dieser zusammenhängt. Durch den Abschluß einer Versicherung erübrigt sich für den Versicherungsnehmer das Vorhalten von Liquidität und eine individuelle Reservenbildung für einen mögli­ chen Schadenfall.2 Damit können durch eine Versicherung der Umweltrisiken selbst in schadenreichen Jahren Schwankungen der Ertragslage und extreme Belastungen der Liquiditätssituation vermieden werden. Für viele Unternehmen steht die Betrachtung der unmittelbaren finanziellen Kon­ sequenzen von Umweltrisiken, insbesondere der Umwelthaftung, im Vorder­ grund. Damit ist verständlich, daß die Versicherung von Umweltrisiken eines der zentralen Tätigkeitsfelder des industriellen Umweltmanagements darstellt.3 Eine im Vorfeld dieser Arbeit vom Lehrstuhl für Finanzierung und Investition der Universität Kaiserslautern durchgeführte empirische Studie zeigt, daß über 90 % der Unternehmen zumindest über eine Umweltbasisdeckung verfügen.4 Annä­ hernd so viele Unternehmen nutzen eine Umwelthaftpflichtversicherung nach dem HUK-Modell.

Eine vollkommene Absicherung für die finanziellen Auswirkungen der Haftungs­ risiken mit Hilfe der Versicherung gelingt allerdings nur, wenn Umwelthaftung und Deckungsschutz der Versicherung kongruent sind. Der Sicherheitsaspekt der Versicherung wird hauptsächlich durch eventuelle Deckungslücken bestimmt.

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Vgl. Röder, U. (Versicherungen 1990), S. 91. Insbesondere bei Eigenschäden können sich allerdings durch die Qualifizierung von Entschädigungsleistungen als Herstellungsaufwendun­ gen und durch die Auflösung von stillen Reserven im Zuge eines Schadenfalls ertrags- und da­ mit steuerwirksame Vorgänge ergeben. Hierauf soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Vgl. Schwintowski, H.-P. (Ökonomische Funktionen 1997), S.38. Vgl. Dyckhoff, H./Jacobs, R. (Umweltschutzes 1994), S. 727. Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 50.

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Wie die vorangegangenen Darstellungen verdeutlicht haben, klaffen zwischen der gesetzlichen Haftung und dem Deckungsumfang des Umwelthaftpflicht-Modells zum Teil beträchtliche Lücken. Man muß nicht so weit gehen wie Kritiker des Modells, die anmerken, daß bei insgesamt sechzehn Ausschlußklauseln von Ver­ sicherungsschutz nicht viel übrig bleibt.1 Aber obwohl das UmwelthaftpflichtModell die elementaren umweltrechtlichen Haftungsnormen abdeckt und den Bedarf der Opfer nach Schadenersatz sichert, kann es unter dem Sicherheits­ aspekt nicht voll überzeugen. Auf die Hauptkritikpunkte soll nochmals kurz hin­ gewiesen werden.

Einen einschneidenden Nachteil des Umwelthaftpflichtmodells stellt die Rege­ lung der vorgezogenen Rettungskosten dar, nach der Aufwendungen für Maß­ nahmen zur Abwendung sonst unvermeidbar eintretender versicherter Schäden nicht gedeckt sind, wenn der Versicherungsnehmer dabei auf kontaminierte Sa­ chen, wie Grundstücke und Betriebsteile, die sich in seinem Eigentum befinden, einwirken muß.2 Durch das Angebot von Bodenkaskodeckungen und Konzepten, welche die Haftpflichtversicherung um eine Sachversicherungskomponente er­ gänzen, können diese Deckungseinschränkungen des Umwelthaftpflicht-Modells und darüber hinaus auch reine Eigenschäden, die auf Umwelteinwirkungen zu­ rückzuführen sind, durch den Abschluß zusätzlicher Versicherungsverträge be­ seitigt werden. Es ist damit möglich, diese Risiken durch das risikopolitische Instrument der Versicherung zu bewältigen, d.h. ihre finanziellen Auswirkungen können vollständig in Form von Versicherungen abgesichert werden. Demgegenüber verbleiben angesichts der Kombination von Ausschluß- und Öff­ nungsklausel und der Beweislastumkehr zugunsten des Versicherers im Zusam­ menhang mit der Versicherung des Normalbetriebsrisikos Unsicherheiten über die Form und den Umfang der Deckung. Obwohl prinzipiell versicherbar, sind vor allem Allmählichkeitsschäden und Schäden, die bei bestimmungsgemäßem Betrieb entstanden sind, von der Deckung ausgeschlossen. Besonders für Schä­ den im Normalbetrieb besteht also eine Diskrepanz zwischen Haftung und Versi­ cherungsschutz.3 Letztlich ist nur das Entwicklungsrisiko gedeckt und dies auch nur dann, wenn der Versicherungsnehmer den Beweis der Unvorhersehbarkeit führen kann.

Ein Mittel, diese Unsicherheit zu verringern, kann ein Öko-Audit sein. Unter der Voraussetzung, daß ein zertifizierter Betrieb i.d.R. in der Lage sein sollte, den Nachweis zu führen, alles veranlaßt zu haben, um erkennbar schädliche Um­ 1 2 3

Vgl. Stefan, U. et al. (Umwelthaftung 1995), S. 63. Vgl. Schimikowski, P. (Stand 1995), S. 117. Vgl. Erichsen, S. (Umweltrisiken 1995), S. 294.

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welteinwirkungen zu vermeiden, und er damit die Bedingungen der Öffnungs­ klausel erfüllt, wird die Durchführung eines Öko-Audits auch versicherungs­ rechtlich interessant.1 Darüber hinaus bleibt im Gegensatz zu den möglichen Ansprüchen aus der Um­ welthaftpflicht der Versicherungsschutz aufgrund der pauschalen Deckungssum­ men i.d.R. der Höhe nach stets begrenzt und somit unvollkommen.2 Die Versi­ cherung kann eine vollständige Deckung der finanziellen Folgen eingetretener Risiken nur gewähren, wenn neben der Breite des Versicherungsschutzes auch die Höhe der Deckung dem Haftungsumfang entspricht. In diesem Zusammen­ hang stellen die im Vergleich zur gesetzlichen Höchstgrenze nach UmweltHG von 320 Mio. DM äußerst geringen Deckungssummen einen gravierenden Nach­ teil dar.3 Ein Blick auf den bereits mehrmals angesprochenen Umweltschaden bei Sandoz infolge des Brandes in Schweizerhalle zeigt, daß die im Umwelthaft­ pflicht-Modell, aber auch in den Bodenkaskodeckungen vorgesehenen maxima­ len Deckungssummen mit ca. 50 Mio. DM zu niedrig sind. Der Gesamtaufwand für Schäden betrug damals 140 Mio. SFr.4 Die darin enthaltenen Haftpflichtan­ sprüche beliefen sich auf 42 Mio. SFr. und wurden praktisch vollständig durch Haftpflichtversicherungen gedeckt. Die Ausgaben für Bodensanierungen betru­ gen 60 Mio. SFr. und wurden anteilig von Versicherungen und Sandoz getragen. Darüber hinaus macht insbesondere die allgemeingültige Deckungsbegrenzung von Normalbetriebsschäden auf maximal 40 Mio. DM deutlich, daß auch bei Vorliegen einer Versicherung nicht von einer vollständigen Befreiung von den mit Umweltrisiken verbundenen finanziellen Konsequenzen ausgegangen werden kann. Dieser Überblick über den Sicherheitsaspekt der Versicherung von Umweltrisi­ ken macht verständlich, warum nur ein Drittel der in der angesprochenen Studie befragten Unternehmen mit dem Deckungsumfang des UmwelthaftpflichtModells zufrieden sind.5 Berücksichtigt man die angedachten Veränderungen und Weiterentwicklungen der Umwelthaftung, droht sich die Schere zwischen Um­ weltrisiken und verfügbarem Versicherungsschutz noch weiter zu öffnen. Zu nennen sind hier insbesondere die Überlegungen, die Haftung an sämtliche um­ weltgefährdende Tätigkeiten zu knüpfen und sich vom anlagenbezogenen Haf­

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2 3 4 5

Vgl. Schimikowski, P. (Umwelthaftungsrecht 1996), S. 217; Schimikowski, P. (Stand 1995), S. 114. Die Bedeutung der EU-Umweltaudit-Verordnung für die VersicherungsWirtschaft unter­ sucht z.B. Olböter, R. (Umweltaudit 1996). Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 246. Vgl. Stefan, U. et al. (Umwelthaftung 1995), S. 63. Vgl. Sandoz (Umweltschutz 1996), S. 16. Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 52.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

tungstatbestand zu lösen sowie die Haftung auf Schäden am Naturhaushalt aus­ zudehnen, d.h. Ersatz für die Kosten der Sanierung ökologischen Schäden zu verlangen. Die in den meisten Fällen obligatorisch zu vereinbarenden Selbstbehalte stellen zwar prinzipiell eine Einschränkung der durch die Versicherung zu erzielenden Sicherheit dar. Die vollständige Deckung des finanziellen Risikos wird eben um die Selbstbehalte gemindert, die dementsprechend in der Liquiditätsplanung stets zu berücksichtigen sind. Dies kann aber nicht als Beeinträchtigung des Sicher­ heitsaspekts aufgefaßt werden, da ein Selbstbehalt im System der Versicherung bestimmte Funktion erfüllt.1 Aus Sicht des Versicherungsnehmers sollen durch die Vereinbarung eines Selbstbehalts Versicherungsprämien eingespart werden. Die Versicherer sehen in Selbstbehalten vor allem ein Instrument zur Reduktion des moralischen Risikos. Darüber hinaus sollen sie dazu beitragen, die Motivati­ on der Versicherungsnehmer zu steigern, in Maßnahmen des aktiven Risikoma­ nagements zu investieren. Unter dem Aspekt des Umweltschutzes haben Selbst­ behaltsregelungen damit einen begrüßenswerten Effekt.

2.

Der Kostenaspekt

Für die Beurteilung der Effizienz eines Instruments des Risikomanagements sind neben dem Sicherheitsaspekt auch die mit diesem Instrument verbundenen Ko­ sten zu betrachten. Bei Versicherungslösungen sind dementsprechend die Versi­ cherungsprämien näher zu analysieren. Versicherungsprämien setzen sich aus den vier Bestandteilen Risikoprämie, Sicherheitszuschlag, Verwaltungskostenzu­ schlag und Gewinnzuschlag zusammen.2 Wichtigstes Element der sich aus diesen Bestandteilen ergebenden Bruttoprämie ist die Risikoprämie. Sie dient dazu, die insgesamt für ein Kollektiv zu erwartenden Schäden abzudecken. Da in einzelnen Jahren der effektive Schaden über dem Erwartungswert liegen kann, wird zusätz­ lich zur Risikoprämie ein Sicherheitszuschlag erhoben. Der Sicherheitszuschlag dient damit als Ausgleich für die Tragung des versicherungstechnischen Risikos. Risikoprämie und Sicherheitszuschlag können zur Bruttorisikoprämie zusam­ mengefaßt werden.3 Über diese, den Risikotransfer betreffenden Elemente hinaus, soll der Verwal­ tungskostenzuschlag die Betriebs- und Verwaltungskosten des Versicherers dek1 2 3

Vgl. Sterk, H.-P. (Selbstbeteiligung 1988), S. 775. Vgl. Meyer, U. (Versicherung 1997), S. 23; Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 47f. Abschlußkosten und Versicherungssteuern werden hier nicht berücksichtigt. Vgl. Eszler, E. (Prämie 1997), S. 152

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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ken. Zusätzlich werden teilweise die Gewinnerwartungen des Versicherers in einen expliziten Gewinnzuschlag umgesetzt. Darüber hinaus unterliegen die Ver­ sicherungsprämien einer Fiskalabgabe, der sog. Versicherungsteuer. Für die hier relevanten Versicherungen beträgt die Versicherungsteuer in der Bundesrepublik z.Z. 15 % und wird auf die Bruttoprämie fällig.1 Da die Gestaltung der Versiche­ rungsteuer nicht auf dem Prinzip der Mehrwertsteuer beruht, ist sie bei den Ver­ sicherungsnehmern nicht als Vorsteuer abzugsfähig. Vor dem Hintergrund dieses Erklärungsmodells für die Zusammensetzung der Versicherungsprämien können für die Beurteilung der Prämien neben der abso­ luten Prämenhöhe zwei Ansatzpunkte identifiziert werden. Zum einen die Ak­ zeptanz der Bruttorisikoprämie und zum anderen die Höhe der Verwaltungs- und Servicezuschläge, die aus Sicht der Unternehmen Transaktionskosten darstellen und im Fall des Selbsttragens nicht anfallen würden. An der Höhe der Bruttorisi­ koprämie wird i.d.R. die Kritik geübt, daß sich ihre Ermittlung einseitig und starr auf unflexible und Marktdurchschnitten entsprechende Tarifierungspläne stützt.2 Die individuelle und aus Sicht der Kritiker natürlich unterdurchschnittliche Scha­ densituation werde bei der Prämienbestimmung ungenügend berücksichtigt.

Diese Überlegungen knüpfen an die Art der Tarifierung und Prämienberechnung an und werden in diesem Zusammenhang im nächsten Kapitel besprochen. An dieser Stelle soll zunächst auf den Umfang der Verwaltungs- und Servicekosten sowie die Einschätzung der absoluten Prämienhöhe eingegangen werden.

Der vom HUK-Verband vorgeschlagene UHG-Tarif enthält als Nettotarif nur die Bruttorisikoprämie. Verwaltungskosten und Gewinnzuschläge sind nicht berück­ sichtigt. Ein Vergleich der nach UHG-Tarif zu veranschlagenden Prämien mit den vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Bruttobeiträgen kann die Bedeutung des Kostenfaktors „Verwaltung und Service“ aufzeigen. Die folgende Abb. 23 stellt für ausgewählte Anlagen, die auf eine Deckungssumme von 5 Mio. DM bezogene Prämie nach UHG-Tarif den Beträgen gegenüber, die nach Einschät­ zung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) dem Versicherungsnehmer in Rechnung gestellt werden. Die Gegenüberstellung macht deutlich, daß die Bruttorisikoprämie nur die Hälfte der Gesamtprämie ausmacht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Hets, der davon ausgeht, daß nach Abzug von Transaktionskosten letztlich nur noch 63 % des vom Versiche­ rungsnehmer bezahlten Bruttobeitrags (inkl. Versicherungsteuer) der Risikotra­

1 2

Für einen Überblick über die seit 1.1.1995 gültigen Regelsteuersätze (§ 6 VersStG) vgl. Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 134. Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S.189.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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gung und der Deckung des Gewinns des Versicherungsunternehmens dienen.1 Dies bekräftigt die Einschätzung, daß es sich bei der Versicherung zwar um eine relativ sichere, gleichzeitig aber auch um eine sehr teuere Form der Risikobewäl­ tigung handelt.2 Insbesondere in den USA ist die Bedeutung der Verwaltungsund Servicekosten als Kostenfaktor ein stetig stärker werdendes Motiv für Suche nach alternativen Formen der Risikofinanzierung.3 Anlagentyp

UHG-Tarif

Bruttobeitrag

Aufschlag

Lageranlage der Risikoklasse 4 Lagerkapazität 1 Tonne

320 DM

ca. 640 DM

100%

Lageranlage der Risikoklasse 4 Lagerkapazität 1000 Tonnen

9.571 DM

ca. 19.000 DM

99%

Lageranlage der Risikoklassen 6 und 8 Lagerkapazität 1 Tonne

479 DM

ca. 960 DM

100%

Lageranlage der Risikoklassen 6 und 8 Lagerkapazität 1000 Tonnen

14.328 DM

ca. 28.000 DM

96%

HBV-Anlage der Risikoklasse 5 Mittlere Größe

5.185 DM

ca. 10.200 DM

97%

HBV-Anlage der Risikoklasse 9 Mittlere Größe

20.179 DM

ca. 40.000 DM

98%

Abb. 23:

Gegenüberstellung von UHG-Tarifund Bruttobeiträgen4

Neben der Betrachtung der Anteile der einzelnen Komponenten an der Versiche­ rungsprämie interessieren für die Beurteilung des Kostenaspektes aber insbeson­ dere die Einschätzung der Höhe der Gesamtprämie und die letztlich insgesamt zu tragenden Kosten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß Versi­ cherungsprämien stets als Betriebsausgaben angesehen werden. Sie sind damit bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Betriebsergebnisses abzugsfähig und führen zu einer Ertragsteuerminderung, was sich positiv auf die Preis-LeistungsRelation des Versicherungsschutzes auswirkt.5 Aufgrund der beim Umwelthaftpflicht-Modell im Vergleich zur bisherigen Versi­ cherungsdeckung für Umweltrisiken im Rahmen der Betriebshaftpflichtversiche­ rung und der WHG-Deckung auftretenden Deckungseinbußen wird in der Lite­ ratur die Meinung vertreten, daß es der Versicherungswirtschaft schwer fallen 1 2 3 4 5

Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 55. Ebenso: Berger, R. (Selbsttragung 1998), S. 16. Vgl. Haller, M. (Risiko-Management 1990), S. 244. Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S.198. Für die UHG-Tarife vgl. HUK-Verband (Rundschreiben H 32/92 M), Anlage 2. Die Angaben über die Bruttobeiträge beziehen sich auf eine schriftliche Mitteilung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) vom 11.11.1997. Vgl. Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 135.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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wird, Prämiensteigerungen durchzusetzen.1 Es wird davon ausgegangen, daß die Versicherten keine Prämiensteigerungen akzeptieren, sondern vielmehr deutliche Prämienreduzierungen verlangen werden. Wie ein Überblick über die betriebli­ che Praxis zeigt, täuscht diese Einschätzung.

Die bereits erwähnte empirische Studie des Lehrstuhls für Finanzierung und Investition der Universität Kaiserslautern zeigt, daß zwei Drittel der Unterneh­ men eine deutliche Prämienerhöhung im Zuge der Umstellung auf das Umwelt­ haftpflicht-Modell beklagen. Die durchschnittliche Prämiensteigerung beträgt 38 %. Insgesamt wurden Steigerungen zwischen 3 % und 300 % genannt.2 Dieses Ergebnis deckt sich in weiten Teilen mit einer vom Bundesverband der Deut­ schen Industrie (BDI) durchgeführten Umfrage, bei der Prämiensteigerungen mit einem Mittelwert von 30 % ermittelt wurden.3 Diese Umfrageergebnisse verdeutlichen, daß die Prämien am Markt als hoch eingeschätzt werden. Eine Tatsache, die zwar zu konstatieren, aber nicht grund­ sätzlich verwerflich ist. Bei der Veranschlagung hoher Sicherheitszuschläge und damit hoher Prämien für neue Risiken, über die keine Schadenerfahrung vorliegt, handelt es sich um einen durchaus üblichen Vorgang.4 Längerfristig senken sich diese Prämien i.d.R. auf ein Niveau, das zur Deckung der tatsächlichen Schäden ausreicht und vom Markt akzeptiert wird. Auch im Bereich der Versicherung für Umwelthaftpflichtrisiken sind bereits Tendenzen erkennbar, daß die Prämien wieder deutlich sinken. Die Akzeptanz der Prämien für das Umwelthaftpflicht-Modell leidet allerdings darunter, daß die Höhe der Prämien in einem unangemessenen Verhältnis zum gebotenen Deckungsumfang steht. Auch diese Einschätzung wird durch die empi­ rische Studie belegt. Nur 37 % der Unternehmen, bei denen die Prämien erhöht wurden, halten die Prämienerhöhungen für angemessen.5 Dabei ist zu beachten, daß die betriebliche Praxis Prämienerhöhungen nicht prinzipiell ablehnend ge­ genüber steht. Während 63 % Prozent der Unternehmen die Prämienerhöhungen der Umwelthaftpflichtversicherung als unangemessen empfinden, sind zwei Drittel der Unternehmen der Meinung, daß die Prämienerhöhungen der Produkt­ haftpflichtversicherung angesichts deren Deckungserweiterung angemessen sind.6

Durch zusätzliche Versicherungen sind zwar die Hauptkritikpunkte der Unter­ nehmen am Umwelthaftpflicht-Modell, die fehlende Bodenkaskodeckung und die 1 2 3 4 5 6

Vgl. Herbst, C. (Risikoregulierung 1996), S. 269. Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 51. Vgl. BDI (RV 133/94 1994), S. 2. Vgl. Wolters, G. (Versicherungsmarkt 1994), S. 198. Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (IndustrieVersicherungen 1996), S. 51. Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 51 f. i.V.m. S. 49f.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Einschränkungen bei den vorgezogenen Rettungskosten versicherungstechnisch zu decken, dies bringt aber zusätzliche Prämien mit sich. Darüber hinaus werden inzwischen vereinzelt pauschale Versicherungsdeckungen für Umweltrisiken angeboten, die nicht nach dem Einzeldeklarationsprinzip aufgebaut sind und auf den Ausschluß von Allmählichkeits- und Normalbetriebsrisiko verzichten. Aller­ dings sind diese Konzepte durch relativ hohe Prämien und substanzielle Selbst­ behalte geprägt. Aus unternehmerischer Sicht ergibt sich aus der Gegenüberstel­ lung des Sicherheitsaspekts der Versicherung von Umweltrisiken und den damit verbunden Kosten in weiten Teilen ein unbefriedigender Zustand.

3.

Die Akzeptanz der Tarifierung und Prämienberechnung

Bei der Beurteilung der Akzeptanz der Tarifierung und Prämienberechnung zeigt sich ein ambivalentes Bild. Einerseits wird Kritik an der arbeitsaufwendigen und damit kostenintensiven Einzeldeklaration der Anlagen geäußert.1 Insbesondere die explizite Erfassung von Kleinstanlagen, die teilweise aufwendigen Risikobe­ wertungen vor Ort und die Einschaltung von externen Beratungsunternehmen werden im Vergleich zu den relativ geringen Regeldeckungssummen und der auf die elementaren Haftungstatbestände begrenzten Deckung als unwirtschaftlich kritisiert. Um die bei der Prämienermittlung anfallenden Transaktionskosten möglichst gering zu halten, wird statt dessen eine stärkere Pauschalierung, bei­ spielsweise durch Einführung eines Wagniskennziffertarifs mit festen Prämien gefordert. Wie die Praxis zeigt, wird inzwischen auf die Einzeldeklaration zugun­ sten pauschaler Versicherungen teilweise verzichtet.

Andererseits und eher begründet wird mit der alleinigen Bezugnahme auf die Anlagen das genaue Gegenteil kritisiert. Durch die fehlende Differenzierung des Tarifs hinsichtlich der Sicherheit der jeweiligen Anlagen und deren Ausfallwahr­ scheinlichkeiten sowie der mangelhaften Berücksichtigung von Informationen über den Stand des aktiven Risikomanagements und die Umgebung des Unter­ nehmens wird der UHG-Tarif als zu ungenau bezeichnet.2 Die Prämienforderun­ gen lassen einen ungenügenden Bezug zur individuellen Risikolage des Versiche­ rungsnehmers erkennen. Weist das individuelle Risiko eines Versicherungsneh­ mers auf lange Sicht eine bessere Schadenquote auf als die übrigen Risiken des Versicherungskollektivs, fällt der Versicherungsschutz relativ zu teuer aus.

1

2

Vgl. Stefan, U. et al. (Umwelthaftung 1995), S. 67; Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 249. Vgl. Herbst, C. (Risikoregulierung 1996), S. 249.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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Aufgrund des starken Konkurrenzdrucks im Industrieversicherungsmarkt und der Umsatzorientierung der Versicherungswirtschaft ergeben sich darüber hinaus stark divergierende Prämienangebote. Dementsprechend weiß man häufig nicht, wie Risikoinformationen in Prämien umgesetzt werden. Die Prämienermittlung wird allgemein als irrational empfunden und als eher emotionale Einschätzung bezeichnet.1 Einer fairen Prämiengestaltung liegt das versicherungstechnische Äquivalenz­ prinzip zugrunde. In der Ausprägung des individuellen Äquivalenzprinzips drückt dies aus, daß der einzelne Versicherte eine Risikoprämie aufbringen muß, die der Höhe seines individuellen Schadenerwartungswerts entspricht.2 Die Höhe der Prämie ist verursachungsgerecht den einzelnen Risiken zuzuordnen. Unter dieser Voraussetzung wird auch das kollektive Äquivalenzprinzip erfüllt, d.h. die gesamten Risikoprämien entsprechen der Höhe des kollektiven Schadenerwar­ tungswerts. Da sich Verursachungsprinzip und Solidarprinzip als konkurrierende Prinzipien gegenüberstehen, tritt zwar der solidarische Grundgedanke der Versi­ cherung um so stärker in den Hintergrund, je mehr sich die einzelne Prämie an der individuellen Risikosituation des Versicherungsnehmers orientiert.3 Eine Prämiengestaltung, bei der die Höhe des kollektiven Erwartungswerts anders als nach dem Schlüssel des individuellen Risikos auf die einzelnen Prämien verteilt wird, entspricht aber nicht der Abkehr vom mechanistischen Gefahrengemein­ schaftsmodell hin zu einer marktwirtschaftlich betriebenen Versicherung.4

Aus dem individuellen Äquivalenzprinzip leitet sich damit die Forderung nach einer Prämiendifferenzierung ab. Für die Bemessung einer risikoadäquaten Prä­ mie ist der individuelle Erwartungswert durch objektive oder subjektive Risiko­ merkmale zu erfassen und zu berücksichtigen.5 Für die Tarifierung und Prämie­ nermittlung bei der Versicherung von Umweltrisiken hat dies Konsequenzen. Zunächst bedeutet es die Abkehr von vereinfachten und pauschalierten Prämien­ festsetzungen. Damit sind eben genau die aufwendigen Risikobewertungen vor Ort, die Auswertung sämtlicher zur Verfügung stehender Risikoinformationen und die Berücksichtigung des individuellen Risikomanagements des Versiche­ rungsnehmers, eventuell sogar die Einschaltung von externen Beratungsunter­ nehmen, d.h. eine fundierte Risikoanalyse, notwendig. Diese Tendenz zeigt sich insbesondere bei den Versicherungsgesellschaften, die bereit sind, pauschale

1 2 3 4 5

Vgl. Küpper, G. (Anmerkungen 1993), S. 24. Vgl. Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 54. Vgl. Helten, E. (Wertewandel 1994), S. 197. Vgl. Romeike, F. (Risikoverarbeitung 1996), S. 41; Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 54f. Vgl. Farny, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 56.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Versicherungsdeckungen für Umweltrisiken anzubieten sowie Allmählichkeitsund Normalbetriebsschäden nicht von der Deckung ausschließen. Aufgrund der allgemein sehr niedrigen Prämien im Bereich der Industrieversi­ cherung wurde es in der Vergangenheit versäumt, Betriebsbesichtigungen und fundierte Risikoanalysen durchzuführen, da diese im Verhältnis zu den niedrigen Prämien zu teuer und aufwendig sind.1 Infolge des vorherrschenden Umsatzden­ kens stellten viele Versicherungsunternehmen die Masse des Geschäfts vor die Qualität. Im Sinne einer Ertragsorientierung ist aber die Qualität des Geschäfts entscheidend, nicht der Umsatz.2 Demgemäß sind entsprechend den Überlegun­ gen zur Erfassung der Dringlichkeit von Umweltrisiken die für die Prämiendiffe­ renzierung relevanten Risikofaktoren zu identifizieren. Die Bewertung des indi­ viduellen Umweltrisikos und eine daraus abgeleitete Tarifierung kann sich eben­ falls an dem vorgestellten formalen Bewertungsansatz orientieren. Insbesondere die Rückversicherungen, die den UHG-Tarif ebenfalls als zu ungenau bemän­ geln, haben bereits computergestützte Tarifierungsmethoden entwickelt, die zum einen die rein anlagenbezogene Einschätzung um individuelle Faktoren erweitern und zum anderen der geforderten Vereinfachung und Rationalisierung der Be­ wertung und Tarifierung von Umweltrisiken entsprechen.3 Die Bemühungen der Versicherungswirtschaft, risikoadäquate Prämien zu erhe­ ben, sind weiter zu verstärken. Die Beitragsbreite wird und muß größer werden. Preissenkungen für Unternehmen, mit einem geringeren Umweltrisikopotential müssen zwangsläufig Preiserhöhungen für Unternehmen gegenüberstehen, deren individueller Sicherheitsstandard schlechter ist. Um Akzeptanz für die Prämien­ differenzierung zu schaffen, ist die Nachvollziehbarkeit der getroffenen Ent­ scheidung zu gewährleisten. Die Versicherer müssen darauf achten, daß die den Tarif beeinflussenden Risikomerkmale verständlich gemacht werden können.4 Im Bereich der Versicherung von Industrie- und Umweltrisiken sind dies neben dem Umweltgefahrenpotential insbesondere das individuelle Risikomanagement und der Selbstbehalt, den die Unternehmen zu tragen bereit sind.5 Versicherungsnehmer mit einer guten Schadenhistorie fordern zwar im Sinne des Verursacherprinzips Prämiennachlässe, die in begrenztem Umfang auch gewährt werden, erwarten aber nach Schäden, die Beibehaltung von Durchschnittsprämi­ 1 2 3 4 5

Vgl. Herbst, C. (Risikoregulierung 1996), S. 224f. Vgl. Surminski, A. (Risiko 1996), S. 406. Vgl. Herbst, C. (Risikoregulierung 1996), S. 249 i.V.m. Quack-Grobecker, A. (EcoQuote 1993); Wegerhoff, U. (Bewertung 1993), S. 170ff.; Rütten, R./Penzenstadler, E./Hartig, P. (FERAS 1994), S. 141ff. Vgl. Helten, E. (Wertewandel 1994), S. 199. Vgl. Vesper, B. (Versicherbarkeit 1996), S. 8ff.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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en bzw. zumindest eine zeitliche Streckung der Prämienanpassung.1 Berechtig­ terweise wird in der Zukunft jedoch eine stärkere und zügigere Prämienanpas­ sung als Folge von Großschäden oder schadenreichen Jahre zu erwarten sein. So hat beispielsweise die bereits angesprochene Serie der umweltgefährdenden Stör­ fälle bei der Hoechst AG im Jahr 1993 zu einem 25 %igen Prämienzuschlag bei der Umwelthaftpflichtversicherung geführt.2 Im Zuge einer stärkeren Individuali­ sierung der Prämienberechnung und der Ermittlung risikoadäquater Prämien kann dies ähnlich wie im US-amerikanischen Haftpflichtbereich in den achtziger Jah­ ren oder im Zusammenhang mit den Wirbelsturmkatastrophen Anfang der neun­ ziger Jahre zu einer stärkeren Volatilität der Versicherungsprämien führen. Prä­ mien, die im Zeitablauf starken Schwankungen unterliegen, beeinträchtigen wie­ derum eine der Zielsetzungen der Versicherungsnahme: die Forderung nach einer kontinuierlichen und planbaren Liquiditäts- und Erfolgsbelastung.

1 2

Vgl. Haller, M. (Geschäft mit dem Risiko 1994), S. 175. Vgl. Müller, R. (Versicherungsschutz 1994), S. 123.

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C.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

DIE BILDUNG BILANZIELLER RESERVEN FÜR UMWELTRISIKEN ALS FORM DES BEWUSSTEN SELBSTTRAGENS

Dem Versichern von Risiken steht als weitere traditionelle und eindeutig ab­ grenzbare Form der Risikofmanzierung das Selbsttragen mit interner Reserven­ bildung gegenüber. Dazu werden für absehbare und bestehende Risiken aus Un­ ternehmensmitteln Reserven gebildet, mit deren Hilfe sich die bei Eintritt der Risiken ergebenden ertragsmäßigen Konsequenzen aus eigener Kraft bewältigen lassen. Im folgenden sollen die Möglichkeiten dargestellt und analysiert werden, die den Unternehmen zur Verfügung stehen, um solche internen Deckungspoten­ tiale für Umweltrisiken aufzubauen.

I.

Reservenbildung zur Risiko vorsorge durch Innenfinanzierung

1.

Bildung und Kosten-/Sicherheitsaspekte interner Reserven

Im Gegensatz zum Selbsttragen aus dem laufenden Cash-Flow hat die Reserven­ bildung den Vorteil, daß die Finanzierung der Schäden nicht allein im Jahr des Schadeneintritts bewältigt werden muß, sondern eine Vorfinanzierung über meh­ rere Rechnungsperioden erfolgt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, aufge­ baute Reserven auf zukünftige Perioden zu übertragen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Aufbau solcher Reserven erfolgen kann. Interne Reserven werden aufgebaut, indem finanzielle Mittel an das Unterneh­ men gebunden werden. Die Bildung von Reserven gelingt allerdings nur unter zwei Voraussetzungen. Zum einen müssen dem Unternehmen aus dem Umsatz­ prozeß finanzielle Mittel zufließen, zum anderen muß dieser Mittelzufluß größer sein als der ihm gegenüberstehende ausgabewirksame Aufwand. Da es sich dabei um die Erwirtschaftung finanzieller Überschüsse handelt, wird in diesem Zu­ sammenhang von der sog. Überschußfinanzierung gesprochen.1 Die Überschuß­ finanzierung stellt eine Form der Innenfinanzierung dar, d.h. das Unternehmen stellt die finanziellen Mittel aus eigener Kraft bereit. Wie bereits angedeutet, ist damit die Ertragskraft die entscheidende Determinante der internen Reservenbil1

Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 433.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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dung.1 Die Innenfinanzierung dient neben der Außenfinanzierung allgemein der Bereitstellung von Kapital für Investitionszwecke und der Bestreitung nichtinvestiver Ausgaben.2 Darüber hinaus kann sie aber auch dem Aufbau von Risi­ kodeckungspotentialen dienen, um künftige Aufwendungen und Ausgabenüber­ schüsse abzudecken und so zur Vorsorge vor Verlusten im Sinne dieser Arbeit beitragen.

Die Innenfinanzierung ermöglicht die Reservenbildung, indem Einnahmeüber­ schüsse im Rahmen der Gewinnermittlung vor einer Besteuerung und im Rahmen der Gewinnverwendung vor einer Gewinnausschüttung bewahrt werden? Im Vergleich zur steuerlich anerkannten Gewinnverkürzung hat die Senkung des Ausschüttungspotentials nur eine eingeschränkte finanzielle Vorsorge Wirkung. Der für das bewußte Selbsttragen von Risiken notwendige Aufbau internen Risi­ kokapitals erfolgt demnach an erster Stelle über die Gewinnermittlung und an zweiter Stelle durch die Gewinnverwendung. Die Bildung interner Reserven ist damit eine Frage der Bilanzierung. Unter Kosten- und Sicherheitsaspekten kann das reservengestützte Selbsttragen nur schwer beurteilt werden. Prinzipiell zeichnet sich das Selbsttragen dadurch aus, daß keine fixen Risikokosten entstehen. Im Vergleich zu externen Instru­ menten der Risikofinanzierung verursacht das Selbsttragen praktisch keine Ver­ waltungs- und Servicekosten. Die Einsparung der fixen Komponenten der Risi­ kokosten bringt im Vergleich, beispielsweise zur Versicherungsnahme, den Vor­ teil, einen höheren Gewinn zu erzielen. Die akkumulierten zusätzlichen Über­ schüsse können dazu genutzt werden, entsprechende Reserven für höhere Scha­ denlasten zu bilden. Eine besonders vorteilhafte, allerdings schwer quantifizierbare Auswirkung des Selbsttragens ist die im allgemeinen damit verbundene Risikosensibilisierung. Die Unternehmen sind im eigenen Interesse bemüht, verstärkt Risikovorsorge zu treffen und das aktive Risikomanagement zu stärken. Ein im Zusammenhang mit dem Kostenaspekt der Reservenbildung häufig ange­ sprochenes Kriterium ergibt sich aus der steuerlichen Behandlung der Mittel, die dem Reservenaufbau dienen. In Abhängigkeit davon, ob die Zuführungen zu den Reserven als Betriebsausgabe anerkannt werden oder nur aus versteuerten Ge­ winnen getätigt werden dürfen, verändert sich die Einschätzung der Kostensitua­

1 2 3

Zur Notwendigkeit und Form des Einbezugs von Umweltrisiken in die Preise vgl. A.I.2. dieses Teils, S. 130. Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 307. Vgl. Schneider, D. (Risikokapitalbildung 1995), S; 1421.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

tion. Auf die unterschiedlichen Auswirkung der Besteuerung wird im Zusam­ menhang mit den verschiedenen Instrumenten der Reservenbildung eingegangen.

Der Hauptaspekt für die Beurteilung von Kosten und Sicherheit des Selbsttragens aber liegt im Schadenverlauf. Während das Unternehmen bei einem guten Scha­ denverlauf von den geringen fixen Kosten profitiert, können sich aus den beim Risikoeintritt entstehenden variablen Kosten hohe Verluste ergeben. Die Proble­ matik unregelmäßig eintretender Großschäden führt zu einer erheblichen Vergrö­ ßerung der Gesamtrisikoposition des Unternehmens. Darüber hinaus ist im Scha­ denfall auch die Schadenbearbeitung und -abwicklung selbst durchzuführen. Die Reserven haben sowohl eine ertragsmäßige als auch eine finanzielle Funktion zu erfüllen, d.h. die Reserven dienen der Stabilisierung des Ertrags und der Auf­ rechterhaltung der Liquidität auch bei Schadenfällen. Die Stabilisierung des Er­ trags soll erreicht werden, indem den Ertrag belastende Schadenaufwendungen durch die Auflösung der in schadenfreien Jahren gebildeten Reserven ausgegli­ chen werden. Im Mittelpunkt der finanziellen Funktion steht die liquiditätsmäßi­ ge Deckung des Schadens. Da Risiken i.d.R. plötzlich und unvorhergesehen eintreten, müssen die reservierten Mittel kurzfristig zur Verfügung stehen. Um dies zu gewährleisten, kann ein dem Umfang der Reserven entsprechendes Ak­ tivkonto mit liquiden resp. leicht liquidierbaren Vermögensteilen, wie kurzfristi­ gen Kapitalanlagen aufgebaut werden. Idealerweise sollten diesem Konto im Gleichschritt mit der Entwicklung der Reserven weitere Mittel zugeführt wer­ den.1 Da die Rendite kurzfristiger Kapitalanlagen meist unter der Eigenkapital­ rentabilität des Unternehmens liegt, entstehen durch die Reservenbildung Kosten in Höhe der Verzinsungsdifferenz.2

Im allgemeinen werden die Reserven aber nicht als solche, im Sinne des Risiko­ managements wünschenswerten Liquiditätsreserven aufgebaut. I.d.R. werden die über die Innenfmanzierung aufgebrachten Mittel vielmehr unspezifisch zur Fi­ nanzierung der unternehmerischen Tätigkeit verwendet. Da aber sichergestellt ist, daß ein den Reserven entsprechender Vermögenswert vorhanden ist, wird durch die Reservenbildung konkret vorgesorgt, daß Schäden prinzipiell in Höhe der Reserven aus unternehmensinternen Mitteln finanziert werden können.3 Die Re­ servenbildung trägt dementsprechend zur Stabilisierung der Liquiditätssituation bei. Allerdings ist unter Sicherheitsgesichtspunkten zu berücksichtigen, daß das Ein­ sparen der sicheren Ausgabe im Schadenfall zu einem sehr hohen Verlustpotenti­ 1 2 3

Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 276. Vgl. Müller, W. (Risk Management 1979), S. 74. Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 274.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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al führt, da das Unternehmen die eintretenden Schäden eben in vollem Umfang selbst tragen muß. Diesbezüglich ergibt sich ein besonderes Problem, wenn ein Schaden eintritt, bevor die dafür vorgesehene Reserve die kalkulierte Höhe er­ reicht hat. Dies macht deutlich, daß das Selbsttragen nur für mittlere Risiken angewendet werden sollte, bei denen auch bei einer Versicherungslösung letztlich davon auszugehen ist, daß das Unternehmen seine Schäden in einem überschau­ baren Zeitraum selbst bezahlt.1 Darüber hinaus ist insbesondere im Vergleich zu Versicherungslösungen das Problem mehrerer Schäden in einer Periode zu be­ rücksichtigen. Während die zu bezahlende Versicherungsprämie i.d.R. für jeweils ein Versicherungsjahr gilt und damit auch mehrere Schadenfälle bis zur Höhe der vertraglich festgelegten Deckungssumme gedeckt sind, können innenfinanzierte Reserven im Gegensatz dazu je nach Höhe der Schäden nach dem ersten Schaden aufgebraucht sein.

2.

Bilanzielle Risikovorsorge im Rahmen der Gewinner­ mittlung

Im Rahmen der Gewinnermittlung erfolgt der Aufbau einer Reserve über die Bildung einer Rückstellung, deren Aufwandsverbuchung das Jahresergebnis verringert. Durch die Gewinnkürzung unterliegen die Rückstellungen - soweit steuerlich anerkannt - nicht der Ertragsteuer, d.h. es handelt sich um Beträge vor Ertragsteuern. Damit wird deutlich, daß der Aufbau eines Risikodeckungspoten­ tials durch Rückstellungen nicht sinnvoll ist, wenn die Rückstellungen nur han­ delsrechtlich, aber nicht steuerrechtlich anerkannt werden. Aus diesem Grund werden im folgenden insbesondere auch die steuerrechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Rückstellung und die Verwaltungspraxis der Finanz­ behörden berücksichtigt. Rückstellungen stellen das klassische Instrument der bilanziellen Vorsorge für spezielle Risiken dar.2 Zum Zeitpunkt der Rückstellung fließen keine finanziellen Mittel ab, da die Auszahlung, wegen der die Rückstellung gebildet wurde, erst zu einem späteren Zeitpunkt anfällt.3 Der entsprechende Kapitalbetrag steht dem Unternehmen bis zur Auszahlung oder ertragswirksamen Auflösung weiter zur Verfügung. Die zweite Form der Reservenbildung im Rahmen der Gewinnermittlung ist die Minderung des ausgewiesenen Gewinns durch die Bildung stiller Rücklagen resp. 1 2 3

Vgl. Kapitel A.I.3., S. 132. Vgl. Herzig, N. (Rückstellungen 1990), S. 1341. Vgl. Vormbaum, H. (Finanzierung 1995), S. 412.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Reserven. Stille Rücklagen erscheinen nicht in der Bilanz und sind damit nicht erkennbar. Die Bildung stiller Reserven kann zum einen durch die Unterbewer­ tung von Aktiva bzw. die Unterlassung von Aktivierungen und zum andern durch die Überbewertung von Passiva erfolgen. Die stillen Rücklagen erhöhen damit zwar nicht das bilanzielle, wohl aber das effektive Eigenkapital. Da stille Reser­ ven als Eigenkapitalteile dem Gläubigerschutz sowie der Substanzerhaltung die­ nen und über ihre Bildung und Auflösung eine geräuschlose und planmäßige interperiodische Kompensation von Ertragsschwankungen betrieben werden kann, erfüllen sie zwar in zentralem Maße die Funktion von Risikokapital und erhöhen die allgemeine Risikotragfähigkeit des Unternehmens.1 Sie dienen i.d.R. aber keiner spezifischen Risikovorsorge und werden ohne Bezug zu speziellen Risiken gebildet. Aus diesem Grund werden sie im folgenden nicht weiter be­ trachtet.

a)

Funktion und Formen der Rückstellung

Bei Rückstellungen handelt es sich um Passivpositionen, mit denen Aufwendun­ gen ausgedrückt werden, deren Bestehen und/oder Höhe unsicher ist, die aber mit ausreichender Sicherheit erwartet werden können.2 Rückstellungen haben die Aufgabe, Ausgaben, die zwar erst in der Zukunft anfallen, wirtschaftlich aber schon in der Vergangenheit verursacht wurden, vorwegzunehmen und der Peri­ ode ihrer Verursachung zuzurechnen. Rückstellungen sind regelmäßig unabhän­ gig von Aktivpositionen. Für Ausgaben, durch die aktivierungsfähige Vermö­ gensgegenstände geschaffen werden, ist eine Rückstellungsbildung ausgeschlos­ sen.

Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB ist jede Rückstellung und damit jedes Risiko, auf das sich diese bezieht, einzeln zu bewerten. Von diesem Einzelbewertungs­ grundsatz darf nach § 252 Abs. 2HGB nur in begründeten Ausnahmefällen ab­ gewichen werden. Solche können sich ergeben, wenn rückstellungspflichtige Risiken vorliegen, diese aber einzelnen Geschäftsvorfällen nicht eindeutig zuge­ ordnet werden können und eine Gruppenbewertung eine objektivere Wertermitt­ lung erlaubt? Letzteres trifft zu, wenn sich die Risiken zu Kollektiven zusam­ menfassen lassen, bei denen statistisch-mathematische Verfahren angewendet werden können, d.h. wenn sie sich ausreichend häufig und unabhängig voneinan­

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Vgl. Hölscher, R. (Stille Reserven 1995), S. 46. Vgl. Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 41; Wöhe, G. (Bilanzierung 1997), S. 515. Vgl. Schurbohm-Ebneth, A. (Rückstellungen 1994), S. 180; Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 104.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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der ergeben sowie das Gesetz der großen Zahl gilt. Letztlich gelten damit die gleichen Voraussetzungen wie für die Erfassung der kalkulatorischen Wagnisko­ sten. Den Berechnungen können unternehmensinterne oder -externe Kollektive, d.h. spezielle Erfahrungen oder Branchenwerte zugrundeliegen. Für Risikokollektive, die sich zwar im Einzelfall noch nicht konkretisiert haben, bei denen jedoch aus Erfahrungen der Vergangenheit bekannt ist, daß Risiken bestehen, können sog. Pauschalrückstellungen gebildet werden. Insoweit bedarf es nicht der konkreten Geltendmachung eines Anspruchs oder einer konkreten Verpflichtung, sondern es genügt der Nachweis, daß vergleichbare Inanspruch­ nahmen mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufgetreten sind.1 Häufigstes Beispiel für solche Pauschalrückstellungen sind Rückstellungen für Garantieleistungen, die einzelnen Produkten i.d.R. nicht zugeordnet werden können, sondern pau­ schal zu berücksichtigen sind. So hält es der Bundesfinanzhof (BFH) für zulässig, die Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Inanspruchnahme anhand von Vergan­ genheitswerten oder Branchenerfahrungen zu ermitteln und auf dieser Grundlage Pauschalrückstellungen für zukünftige Verpflichtungen zu bilden.2 Als Basis für die Bewertung der Rückstellung kann beispielsweise der garantiebehaftete Um­ satz herangezogen werden.3

Die Bildung von Rückstellungen wird in § 249 HGB geregelt. § 249 HGB enthält keine allgemeine Definition der Rückstellung, sondern führt abschließend die Formen von Rückstellungen auf, für die eine Ansatzpflicht oder ein Ansatzwahl­ recht besteht. Die dabei aufgeführten Formen lassen sich zu den folgenden drei Kategorien zusammenfassen:4



Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, die zum Bilanzstichtag entstanden sind, aber erst in der Zukunft ausgabewirksam wer­ den. Für diese Form, die im folgenden als Verbindlichkeitsrückstellung be­ zeichnet werden soll, besteht eine Passivierungspflicht. • Rückstellungen für drohende Verluste aus einem in der Geschäftsperiode geschlossenen Vertrag, dessen Verpflichtungen noch nicht erfüllt wurden, bei dessen Erfüllung das Unternehmen aber erkennbar einen Verlust erleiden wird. Diese Kategorie kann als Verlustrückstellung bezeichnet werden und ist im folgenden nicht von Interesse. • Rückstellungen für bestimmte Aufwendungen, deren wirtschaftliche Verur­ sachung in der laufenden oder früheren Perioden liegt, die aber erst in der

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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Herzig, N./Köster, T. (Rückstellungsrelevanz 1991), S. 55. Herzig, N. (Risikovorsorge 1991), S. 217. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 104f. Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 66.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Zukunft zu einer Auszahlung führen und die keinen Anspruch Dritter darstel­ len. Diese Form wird allgemein als Aufwandsrückstellung bezeichnet. b)

Verbindlichkeitsrückstellungen

Die Bilanzierung von Verbindlichkeitsrückstellungen ist an verschiedene Vor­ aussetzungen gebunden. Eine Bilanzierungspflicht ergibt sich, wenn

• eine Außenverpflichtung vorliegt, für die • eine ausreichende Konkretisierung und Wahrscheinlichkeit der Inanspruch­ nahme besteht und deren • wirtschaftliche Verursachung im abgelaufenen oder einem früheren Ge­ schäftsjahr liegt.1 Damit wird deutlich, daß es sich bei der ungewissen Verbindlichkeit nicht um eine Schuld des Unternehmens gegen sich selbst handeln darf. Die Verpflichtung muß von außen an das Unternehmen herangetragen werden. Dabei ist aber nicht notwendig, daß es bei Fälligkeit der Schuld zu Zahlungen an unternehmensexter­ ne Empfänger kommt.2 Eine Außenverpflichtung kann auch durch unterneh­ mensinterne Leistungen erfüllt werden. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit den später zu behandelnden Rückstellungen für AltlastenSanierungsmaßnahmen von Bedeutung. Die Verpflichtung kann aber nur passi­ viert werden, wenn sie hinsichlich ihres Inhalts und ihrer Entstehungszeit hinrei­ chend konkretisiert werden kann, d.h. Voraussetzung einer Rückstellungsbildung ist die konkrete Nennung des Risikos oder des drohenden Vermögensverlustes.3 Dabei kommt es insbesondere im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Ver­ pflichtungen zu Problemen.

Während außerhalb des öffentlich-rechtlichen Bereichs die Existenz eines ent­ sprechenden Vertrags oder gar ein faktischer Leistungszwang die Verpflichtung ausreichend konkretisieren, fordert der BFH bei öffentlich-rechtlichen Ver­ pflichtungen besondere Konkretisierungserfordernisse.4 Hier liegt eine Konkreti­ sierung erst vor, wenn eine behördliche Verfügung oder Auflage besteht, die ein bestimmtes Handeln vorsieht. Ist dies nicht der Fall, ist die Konkretisierung nur gegeben, wenn sich die Verpflichtung unmittelbar aus einem Gesetz ergibt, in dem eine detaillierte Anweisung für ein bestimmtes, in einem bestimmten Zeit­ raum durchzuführendes Handeln enthalten ist. Zusätzlich muß bei Nichterfüllung

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Vgl. Stuhr, H.-J./Bock, M. (Umweltschutzverpflichtungen 1995), S. 1134. Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 27 Vgl. Bäcker, R. (Rückstellungen 1989), S. 2073; Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 30. Vgl. Herzig, N. (Rückstellungen 1990), S. 1345.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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der Anweisung mit einer Sanktionsandrohung zu rechnen sein.1 Mit dem Argu­ ment, daß Verpflichtungen, die diese Anforderungen erfüllen, hinsichtlich ihrer Existenz sicher seien, d.h. eine Unsicherheit nur hinsichtlich der Höhe besteht, wird dem BFH in der Literatur eine Überobjektivierung vorgeworfen, die zu einem Sonderrecht für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen führe.2 Ein Vorwurf, der insbesondere im Zusammenhang mit der Rückstellungsbildung für Maßnah­ men der Altlastensanierung von Bedeutung ist. Eng mit der Konkretisierungsforderung hängt die Frage nach der Wahrschein­ lichkeit der Inanspruchnahme zusammen. Verbindlichkeitsrückstellungen unter­ scheiden sich von Verbindlichkeiten in der Unsicherheit dem Grunde und/oder der Höhe nach, d.h. es ist unsicher, ob und/oder in welcher Höhe die Verbind­ lichkeit besteht.3 Die Unsicherheit dem Grunde nach wirkt dabei in zwei Rich­ tungen: einerseits darf die Verpflichtung nicht völlig sicher sein, sonst müßte eine Verbindlichkeit passiviert werden. Andererseits darf es sich nicht nur um ein vages Risiko handeln. Das Be- oder Entstehen einer Verbindlichkeit muß hinrei­ chend wahrscheinlich sein. Nach BFH-Rechtsprechung kann davon ausgegangen werden, daß hinreichende Wahrscheinlichkeit vorliegt, wenn mehr Gründe für als gegen eine zukünftige Belastung sprechen.4

Dritte Voraussetzung der Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen ist die wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit in der Vergangenheit. Nur für eine Verpflichtung, die sich auf Vergangenes bezieht und dieses Vergangene gleichzeitig abgilt, ist eine Rückstellung zulässig.5 Ist die ungewisse Verbindlich­ keit demgegenüber eng mit künftigen Gewinnchancen verbunden, fehlt es an der wirtschaftlichen Verursachung. Die Grundlage dieser Überlegung liegt im Reali­ sationsprinzip, das in seiner Anwendung auf die Passivseite die Passivierung sämtlicher künftiger Ausgaben fordert, die bis zum Bilanzstichtag realisierte Umsätze alimentiert haben.6 Da die Zielsetzung der Rückstellungsbildung in einer periodengerechten Auf­ wandserfassung liegt, muß der zur Erfüllung der ungewissen Verbindlichkeit notwendige Betrag in der Periode der Auszahlung bilanziell zur Verfügung ste­ hen. Ansonsten wird diese Periode ungerechtfertigter Weise mit Aufwand bela­

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3 4 5 6

Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 31; Herzig, N. (Rückstellungen 1990), S. 1345 Vgl. Herzig, N. (Umweltschutzrückstellungen 1994), S. 71; Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 144. Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 42. Vgl. BFH-Urteil vom 1.8.1984, S. 46. Vgl. Bäcker, R. (Rückstellungen 1995), S. 505. Vgl. Herzig, N. (Rückstellungen 1990), S.1344.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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stet.1 Für die Aufbringung dieses Betrags kann zwischen Ansatz- und Ansamm­ lungsrückstellungen unterschieden werden. Während bei Ansatzrückstellungen der volle mutmaßliche Erfüllungsbetrag in einer Periode zurückgestellt wird, kann der voraussichtlich erforderliche Betrag bei Ansammlungsrückstellungen der wirtschaftlichen Verursachung der jeweiligen Perioden entsprechend - bis zum Zeitpunkt der Auszahlung angesammelt werden.2 Dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ Abs. 1 EstG) entsprechend, führt die handelsrechtliche Passivierungspflicht für Verbindlichkeitsrückstellungen dazu, daß diese auch steuerrechtlich anerkannt werden. Die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen führt dementsprechend zu einer Minderung des ertragsteuerpflichtigen Gewinns und damit zur Bildung unversteuerter Reserven. c)

Aufwandsrückstellungen

Charakteristisches Element der Aufwandsrückstellungen ist das Fehlen der Au­ ßenverpflichtung. Die Tatbestandsmerkmale der Konkretisierung und der Wahr­ scheinlichkeit der Inanspruchnahme gelten demgegenüber auch bei Aufwands­ rückstellungen. Allerdings verdeutlicht die in § 249 HGB enthaltene Forderung, nach welcher der Ausgabenfall wahrscheinlich oder sicher sein muß, daß für die Passivierungsfahigkeit von Aufwandsrückstellungen eine höhere Wahrschein­ lichkeit der Inanspruchnahme gefordert wird als für Verbindlichkeitsrückstellun­ gen.3 Es muß sich um Ausgaben handeln, denen sich das Unternehmen nicht entziehen kann.4 Da durch die Aufwandsrückstellungen konkrete künftige Auf­ wendungen, die keine Verpflichtung Dritten gegenüber darstellen, vorwegge­ nommen werden, besteht über die Verbindlichkeitsrückstellungen hinaus eine Möglichkeit zur unternehmerischen Risikovorsorge.5 Durch die Verringerung des ausschüttungsfähigen Gewinns entlasten sie die Ergebnisse künftiger Geschäfts­ jahre.

Die Zukunftsorientierung macht deutlich, daß bei der Bildung von Aufwands­ rückstellungen das Realisationsprinzip keine Anwendung findet, und die wirt­ schaftliche Verursachung in der Vergangenheit nicht wie bei den Verbindlich­ keitsrückstellungen in der engen Auslegung vorausgesetzt wird. Die wirtschaftli­ che Verursachung in der Vergangenheit wird hier nicht nur dann gesehen, wenn

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Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 120. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 195. Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 82. Vgl. BT-Drucksache 10/4268, 1985, S. 99. Vgl. Scheffler, E. (Risikovorsorge 1989), S. 180.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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die Aufwendungen vergangene Erträge alimentiert haben, sondern es reicht aus, wenn die Ausgaben auf Dispositionen der vergangenen Geschäftsjahre zurückzu­ führen sind.1 Dies ist durch Geschäftspläne, Sitzungsprotokolle etc. nachzuwei­ sen. § 249 Abs. 1 und 2 unterscheidet Aufwandsrückstellungen, für deren Passivie­ rung eine Pflicht besteht, und solche, für die ein Passivierungswahlrecht gilt. Die Passivierungspflicht gilt für Aufwendungen für Instandhaltung, die innerhalb von drei Monaten oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nach­ geholt werden. Demgegenüber bezieht sich das Wahlrecht auf Aufwendungen für Instandhaltung im folgenden Geschäftsjahr und genau umschriebenen Aufwand, der in der Vergangenheit verursacht wurde und dessen Eintritt wahrscheinlich ist. Da nach Abschnitt 31c Abs. 1 Satz2EStR für handelsrechtliche Passivierungs­ wahlrechte steuerrechtlich ein Passivierungsverbot besteht, werden Aufwands­ rückstellungen für Instandhaltung und genau umschriebenen Aufwand, der im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt wird, steuerrechtlich nicht anerkannt. Damit lassen sich nur handelsbilanziell begründete Ansprüche wie Gewinnausschüttun­ gen, nicht jedoch ertragsteuerliche Zahlungen vermeiden. In der Literatur werden allerdings Forderungen nach einer Änderung des Handelsbilanzrechts zugunsten einer Passivierungspflicht für alle Aufwandsrückstellungen laut.2

3.

Bilanzielle Risikovorsorge im Rahmen der Gewinnver­ wendung

Bei der Gewinnverwendung können interne Reserven durch die Einbehaltung von Gewinnen und deren Einstellung in die offenen Rücklagen gebildet werden. Of­ fene Rücklagen werden bei Unternehmen mit nominell fest gebundenem Haf­ tungskapital auf der Passivseite der Bilanz als gesonderte Bilanzpositionen aus­ gewiesen. Bei Personengesellschaften kann die Überführung von Gewinnen auf die in ihrer Höhe variablen Eigenkapitalkonten wirtschaftlich den gleichen Zweck erfüllen wie die Bildung offener Rücklagen bei Kapitalgesellschaften? Interne Reserven in Form offener Rücklagen entstehen einerseits durch die Zu­ führung von Eigenkapital über das Haftungskapital hinaus. Andererseits besteht die hier im Mittelpunkt stehende Möglichkeit, Rücklagen im Rahmen der Ge­ winnverwendung durch die sog. Selbstfinanzierung, d.h. die Thesaurierung aus­

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Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 89. Vgl. Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 117. Wöhe, G. (Bilanzierung 1997), S. 573; die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Kapital­ gesellschaften.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

gewiesener und um Steuern gekürzter Gewinne zu bilden.1 Die Reservenbildung erfolgt dabei durch die Einstellung der einbehaltenen Gewinne in die offenen Rücklagen. Den offenen Rücklagen steht kein gesonderter Gegenposten auf der Aktivseite gegenüber.2 Sie werden wie das gesamte Kapital durch die Gesamtheit aller Vermögenswerte gedeckt, also nicht gesondert angelegt oder verwaltet. Die Rücklagen werden gegen auftretende Verluste aufgerechnet, bevor das gez. Ka­ pital eingesetzt werden muß. Da die Rücklagen damit das nominell ausgewiesene Haftungskapital schützen, erhalten sie den Charakter von Garantieposten für Gläubiger. Die Rücklagenbildung bewirkt damit eine Stärkung des bilanziellen Eigenkapitals und dessen Voraushaftungsfunktion. Da eintretende Verluste zu­ nächst mit dem Eigenkapital verrechnet werden, wird eine Verlustvorsorge er­ zielt. Rücklagen übernehmen dabei die Rolle eines variablen Puffers zum Aus­ gleich von Verlusten, bevor das gezeichnete Kapital und das Fremdkapital ver­ mindert werden. Sie werden deshalb im allgemeinen Sprachgebrauch als „Reserven für schlechte Zeiten“ bezeichnet.3

Die Bildung von Reserven über Rücklagen ist dadurch gekennzeichnet, daß es sich um Beträge nach Steuern handelt. Da die Rücklagenbildung den Periodener­ folg, d.h. die Bemessungsgrundlage der Ertragsteuern, nicht verkürzt, sondern Gewinnverwendung darstellt, sind die Reserven aus dem versteuerten Gewinn zu bilden. Die Bildung offener Rücklagen mindert nur den Teil des Jahresüber­ schusses, der zur Ausschüttung zur Verfügung steht: den Bilanzgewinn.4 Durch die fehlende steuerliche Abzugsfähigkeit der Zuführungen zu den Reserven wird das Selbsttragen durch Rücklagenbildung im Vergleich zur Reservenbildung im Rahmen der Gewinnermittlung verteuert. Daraus resultiert ein in der Literatur im allgemeinen besonders hervorgehobener Kostennachteil des eigenkapitalbasierten Selbsttragens.5

Die Bildung und Auflösung offener Rücklagen regelt zunächst § 272 Abs. 24 HGB rechtsformunabhängig für alle Kapitalgesellschaften. Zusätzliche Vor­ schriften für Aktiengesellschaften ergeben sich aus dem Aktiengesetz (AktG) und für GmbHs aus dem GmbH-Gesetz. Die folgende Abb. 24 gibt einen Überblick über die Formen der offenen Rücklagen.

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5

Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 595f. Vgl. Wöhe, G. (Bilanzierung 1997), S. 594. Vgl. Baetge, J. (Bilanzen 1996) S. 419. Zu Ableitung und Inhalt der alternativen Erfolgsbegriffe vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 63. Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 309.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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Offene Rücklagen

Kapitalrücklage

Gewinnrucklage

§ 272 Abs. 2 HGB

§ 272 Abs. 3 HGB

Gesetzliche Rücklage

Satzungsmäßige/gesellschaftsvertragliche Gewinnrücklage

Rucklage für eigene Anteile

>

§ 272 Abs. 4 HGB______ B

— § 150 Abs. 2 AktG

Abb. 24:

§ 272 Abs. 3 HGB

Andere Gewinnrücklage § 272 Abs. 3 HGB

Systematik der offenen Rücklagen1

Die offenen Rücklagen gliedern sich in Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen. Daneben sind bei Kapitalgesellschaften Rücklagen für eigene Anteile zu bilden, wenn das Unternehmen eigene Anteile erwirbt. Die Kapitalrücklagen umfassen alle Einlagen, die kein gezeichnetes Kapital darstellen, beispielsweise das Agio, das bei der Ausgabe von Anteilen über den Nennbetrag hinaus erzielt wurde. Zu den Gewinnrücklagen zählen Beträge, die in vergangenen Geschäftsjahren aus dem Ergebnis gebildet wurden. Dabei ist zwischen gesetzlich und satzungsmäßig vorgeschriebenen Rücklagen und den anderen Rücklagen, d.h. freiwillig gebil­ deten Rücklagen, zu unterscheiden.2

Die Kapitalrücklage und die gesetzliche Rücklage dienen durch ihre Ausschüt­ tungssperrfunktion der Verlustabdeckung und sollen verhindern, daß im Ver­ lustfalle sofort das Grundkapital angegriffen wird. Aktiengesellschaften müssen eine gesetzliche Rücklage aufbauen, die zusammen mit der Kapitalrücklage min­ destens 10 % des Grundkapitals umfaßt. Bis diese Schwelle erreicht ist, dürfen die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage nur zum Ausgleich eines Jah­ resfehlbetrags oder eines Verlustvortrags aufgelöst werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß zuvor alle anderen offenen Rücklagen aufgelöst worden sind. Im Hinblick auf die Bildung von Reserven für Umweltrisiken wird damit deut­ lich, daß die Verlustvorsorge im Rahmen der gesetzlich erzwungenen Rückla­ genbildung durch Bestimmungen zu den Kapitalrücklagen und den gesetzlichen Gewinnrücklagen nicht zweckgebunden und nur im Sanierungsfall wirksam ist.3 Die Bildung der satzungsmäßigen Rücklagen wird durch die Satzung der Gesell­ schaft vorgeschrieben, sie kann auch nur nach deren Bestimmungen wieder auf­ 1 2 3

Vgl. Wöhe, G. (Bilanzierung 1997), S. 575. Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 533. Zu diesen Vorschriften vgl. z.B. Vormbaum, H. (Finanzierung 1995), S. 227ff.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

gelöst werden. In diesem Zusammenhang besteht durch Beschluß der Hauptver­ sammlung die Möglichkeit, in die Satzung einen Zwang zur Bildung zweckge­ bundener Rücklagen aufzunehmen. Ein satzungsmäßiger Zwang zur Bildung von Rücklagen für Umweltrisiken ist beispielsweise für Unternehmen, deren Produk­ tionstätigkeit mit Umweltgefährdungen verbunden ist oder die bestimmten Bran­ chen angehören, denkbar. Da aber durch die Rücklagenbildung der ausschüt­ tungsfähige Bilanzgewinn gemindert wird, ist zweifelhaft, ob die an einer Divi­ dende interessierten Aktionäre diesen Zwang einrichten. Dementsprechend kom­ men für den Aufbau von spezifischen Reserven für Umweltrisiken nur die ande­ ren Gewinnrücklagen in Betracht, deren Eignung zum Aufbau eines bilanziellen Deckungspotentials zum Abschluß dieses Teils untersucht wird.

II.

Disposition von Rückstellungen für Umweltrisiken

Um die bestehenden Möglichkeiten der Rückstellungsbildung für Umweltrisiken in einem strukturierten Vorgehen analysieren zu können, sind verschiedene Ab­ grenzungen zu beachten. In Abhängigkeit davon, ob die unsichere zukünftige Auszahlung auf einer Forderung eines berechtigten Dritten basiert oder einem innerbetrieblichen Zwang entspringt, ist einerseits zu überprüfen, ob Verbindlichkeits- oder Aufwandsrückstellungen in Betracht kommen. Andererseits ist die Analyse danach zu differenzieren, ob sich die zukünftigen Auszahlungen auf­ grund öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Umweltschutzverpflichtungen ergeben. Darüber hinaus ist zu untersuchen, inwieweit die Bildung von Rück­ stellungen zur finanziellen Bewältigung der drei Teilaspekte des Umweltrisikos, dem Anpassungs-, Haftungs- und Marktrisiko, beitragen kann. Bereits an dieser Stelle kann vorweg genommen werden, daß durch die Bildung von Rückstellun­ gen, die der Vorwegnahme zukünftiger Auszahlungen dienen, eine Deckung des Marktrisikos, das im Kern den Rückgang von Erlösen beinhaltet, keinesfalls in Frage kommt und dementsprechend nicht zu betrachten ist. Um eine übersichtli­ che Darstellung zu ermöglichen, wird die Betrachtung der Disposition von Rück­ stellungen für Umweltrisiken hinsichtlich ihres Bezugs zu öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Umweltschutzverpflichtungen getrennt. Innerhalb dieser Kategorien werden die angesprochenen Fragestellungen untersucht. Wie die nachstehende, an Abb. 8 anknüpfende Abb. 25 verdeutlicht, orientiert sich die Struktur der Ausführungen damit an der in Abschnitt B des ersten Teils dieser Arbeit getroffenen umweltrechtlichen Systematisierung.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Abb. 25:

1.

Seite 211

Rückstellungen für Umweltrisiken

Die Bildung von Rückstellungen aufgrund öffentlichrechtlicher Umweltschutzverpflichtungen

Im Rahmen der Ausführungen zu den umweltrechtlichen Grundlagen im ersten Teil der Arbeit wurden im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Umwelt­ schutzverpflichtungen sowohl auflagenorientierte Forderungen zur Verhinderung von Umweltschäden in Form von Verpflichtungen zu Anpassungsmaßnahmen als auch Vorschriften zum Schadenausgleich in Form von Sanierungs- und Rekulti­ vierungsverpflichtungen vorgestellt. Die Möglichkeiten der Rückstellungsbildung für diese Umweltverpflichtungen sollen im folgenden untersucht werden. Wäh-

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

rend sich Sanierungs- und Rekultivierungsverpflichtungen auf eingetretene und bekannte Schäden beziehen, sollen Anpassungsmaßnahmen bei bekannten Um­ welteinwirkungen greifen und verhindern, daß aus diesen ein Schaden entsteht.

a)

Rückstellungen für Altlasten-Sanierungsmaßnahmen

Für eine Rückstellungsbildung aufgrund öffentlich-rechtlicher Anspruchsgrund­ lagen kommen unterschiedlichste Sachverhalte in Frage. Der erste Sachverhalt, der hier angesprochen werden soll, wurde in den letzten Jahren bereits intensiv und kontrovers diskutiert: die Bildung von Rückstellungen für AltlastenSanierungsmaßnahmen. Da dabei sowohl Umweltbeeinträchtigung als auch Schäden eingetreten und bekannt sind, sich ein Umweltrisiko i.eig.S. also bereits verwirklicht hat, wird deutlich, daß es letztlich um die Bildung einer Vorsorge in Abhängigkeit vom Umfang der Verwirklichung des Internalisierungsfaktors a geht. Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zur Sanierung von altlastenverseuchten Grundstücken ergeben sich regelmäßig aus der Generalklausel zur Gefahrenab­ wehr des Polizei- und Ordnungsrechts. Da damit eine Außenverpflichtung vor­ liegt, stellen mögliche Rückstellungen für Altlasten-Sanierungungsmaßnahmen Verbindlichkeitsrückstellungen dar. Dementsprechend sind die weiteren Anfor­ derungen an die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen zu überprüfen. Der Nachweis der wirtschaftlichen Verursachung in der Vergangenheit gestaltet sich unproblematisch. Altlasten haben ihre Ursache „per definition“ in einem abgelau­ fenen Geschäftsjahr, die Aufwendungen alimentieren eindeutig nicht künftige Erträge.1 Weniger eindeutig ist die Frage der ausreichenden Konkretisierung und damit zusammenhängend die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme. Die Probleme in diesem Zusammenhang ergeben sich insbesondere aufgrund der besonderen Konkretisierungserfordernisse bei öffentlich-rechtlichen Verpflich­ tungen. Eindeutig ist der Sachverhalt zur Bildung einer Verbindlichkeitsrück­ stellung, wenn bereits eine Sanierungsverfügung der Behörde vorliegt. Für den Fall, daß die Verfügung ganz oder teilweise erst nach dem Bilanzstichtag erfüllt wird - wovon aufgrund des Umfangs und der Langwierigkeit von Altlastensanie­ rungen regelmäßig auszugehen ist - sind die allgemeinen Ansatzkriterien klar erfüllt.2 Demgegenüber ist die Situation umstritten, wenn eine Altlast besteht, aber eine Sanierungsverfügung (noch) nicht vorliegt. Der BFH hat in seinem sog. Altla­ 1

2

Vgl. Kamphausen, P./Kolvenbach, D./Wassermann, B. (Umweltschäden 1987), S. 16; Clemm, H./Nonnen-macher, R. (Rückstellungen 1995), S. 322. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 153f.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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sten-Urteil festgestellt, daß Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflich­ tungen zur Altlastenbeseitigung erst gebildet werden dürfen, wenn die Tatsachen, die eine Verpflichtung begründen, der zuständigen Fachbehörde bekannt gewor­ den sind oder alsbald bekannt werden? Nur dann ist mit ausreichender Wahr­ scheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme zu rechnen. Ist die Altlast zwar dem Unternehmen, nicht aber der zuständigen Fachbehörde - in diesem Fall ist dies die Umwelt- und nicht die Finanzbehörde - bekannt, darf keine Verbindlichkeits­ rückstellung gebildet werden. Begründet wird diese Ansicht mit Rückgriff auf § 241 BGB, nach dem jede Ver­ bindlichkeit - auch eine ungewisse - eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten, d.h. einem Gläubiger aus einem Schuldverhältnis, voraussetzt. Für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung ist es daher erforderlich, daß ein Gläubiger in diesem Fall die Behörde - existiert, der zudem wissen muß, daß er einen An­ spruch gegenüber dem Schuldner hat. Da diese Regelung dem Vorsichtsprinzip nur unzureichend Rechnung trägt, wird sie in der Literatur heftig kritisiert.

Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum die bloße Kenntnis der Behörde und deren Tätigwerden über die Konkretisierung mehr aussagen soll, als das tatsäch­ liche Vorliegen des Umweltschadens. 2 Es sollte vielmehr entscheidend sein, daß mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme sprechen.3 Damit wäre nicht relevant, ob die Behörde den Anspruch kennt oder bereits geltend gemacht hat, sondern ob es ausreichend wahrscheinlich ist, daß sie die Schuld einfordern wird.4 Aufgrund der zunehmenden Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Um­ weltbelange, den vermehrten Erfahrungen im Hinblick auf Altlasten und der verstärkten behördlichen Aktivitäten, z.B. beim Aufbau von Altlasten- und Ge­ fahrstoffkatastern, kann bei dem Vorliegen einer Altlast von einer hohen Wahr­ scheinlichkeit der Inanspruchnahme ausgegangen werden. Spätestens bei anste­ henden Betriebsveräußerungen, -Stillegungen oder veränderter Nutzung der Grundstücke ist mit der Sanierungsverfügung zu rechnen.

In Übereinstimmmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur kann damit abschließend festgehalten werden, daß es für die Bildung einer Rückstellung für Maßnahmen der Altlastensanierung nicht darauf ankommen sollte, daß die zu­ ständige Behörde Kenntnis von der Altlast hat oder gar bereits tätig wurde. So­ fern kontaminierte Grundstücke vorliegen und gesetzliche Regelungen bestehen, die festlegen, daß solche Kontaminationen auf Kosten des Unternehmens zu

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Vgl. BFH-Urteil vom 19.10.1993, S. 38. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 155f. Vgl. Clemm, H./Nonnenmacher, R. (Rückstellungen 1995), S. 323. Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 203f.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

beseitigen sind, sollte für die Bildung von Rückstellungen für die Sanierungs­ maßnahmen allein die Kenntnis des Unternehmens vom tatsächlichen Vorhan­ densein der Altlast ausschlaggebend sein.1 Da darüber hinaus die Finanzbehörde mit der Rückstellungsbildung Kenntnis von der Altlast erhält und dazu ver­ pflichtet ist, diese Information an die Umweltbehörde weiterzuleiten, d.h. prinzi­ piell die Kenntnis der Umweltbehörde unmittelbar bevorsteht, kann sogar davon ausgegangen werden, daß die Kriterien des BFH erfüllt sind.2 Die allgemeine Forderung nach Gesetzen, welche die Sanierungsverpflichtung regeln, macht deutlich, daß sich Verpflichtungen zur Altlastensanierung auch aus zivilrechtlichen Normen ergeben können. Da sich dabei aber keine entscheiden­ den Unterschiede zu den eben skizzierten Ausführungen ergeben, sollen Maß­ nahmen zur Altlastensanierung im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Umwelt­ schutzverpflichtungen nicht mehr aufgegriffen werden. Die Bedingungen zur Rückstellungsbildung werden in diesem Fall sogar weniger restriktiv ausgelegt. Dementsprechend kann auch bei Rückstellungen für Sanierungsmaßnahmen aufgrund zivilrechtlicher Anspruchsgrundlage davon ausgegangen werden, daß diese zu bilden sind, wenn das Unternehmen Kenntnis von der Kontamination erhält.3

Vermutet das Unternehmen allerdings nur, daß eine Bodenverunreinigung vor­ liegt, d.h. besteht keine positive Kenntnis von der Existenz einer Altlast, die zu einer polizeirechtlichen Gefahrenabwehrmaßnahme führen kann oder ist auszu­ schließen, daß das Unternehmen für die Verletzung eines polizeirechtlich ge­ schützten Rechtsguts als Zustands- oder Handlungsstörer in Anspruch genommen werden kann, ist eine Rückstellungsbildung für Altlastensanierungen ausge­ schlossen.4 b)

Rückstellungen für Rekultivierungsmaßnahmen

Die Bildung von Rückstellungen für Rekultivierungsverpflichtungen ist nicht umstritten und wird in Rechtsprechung und Literatur einheitlich bejaht.5 Rekulti­ vierungsverpflichtungen ergeben sich aufgrund öffentlich-rechtlicher Pflichten zur Beseitigung der durch die Ausbeutung betrieblich genutzter Grundstücke 1

2 3 4 '5

Vgl. neben vielen Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 178; Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 204; Kupsch, P. (Umweltlasten 1992), S. 2323; Rürup, L. (Rückstellungen 1992), S. 539; Herzig, N./Köster, T. (Altlastensanierungsverpflichtungen 1994), S. 15. Vgl. Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 53f. Vgl. Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 51. Vgl. Herzig, N. (Rückstellungen 1990), S. 1349; Rürup, L. (Rückstellungen 1992), S. 539. Vgl. Clemm, H./Nonnenmacher, R. (Rückstellungen 1995), S. 344; Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 59; Herzig, N. (Rückstellungen 1990), S. 1348.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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entstehenden Schäden, beispielsweise beim oberflächen-nahen und -fernen Roh­ stoffabbau. Während das Bestehen und die Wahrscheinlichkeit der Inanspruch­ nahme aus der jeweiligen Verpflichtung unstrittig sind, ist der zur Erfüllung auf­ zubringende Betrag unsicher.1 Bereits zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung resp. mit Beginn der umweltschädigenden Handlung ist die Rekultivierungsver­ pflichtung rechtlich entstanden. Aus diesem Grund wird bei der Bewertung der Rückstellung teilweise für eine Ansatzrückstellung in Höhe der gesamten Rekul­ tivierungskosten bereits zu Beginn der Tätigkeit plädiert.2 Insbesondere im Interesse eines Aufbaus von Risikodeckungspotential und einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden, periodengerechten Ertragslage erscheint aber die Verteilung des Rückstellungsaufwands über die Nutzungsdauer vorteilhaft. Rückstellungen für Rekultivierungskosten sind demnach als werthal­ tige Vorleistungen anzusehen, die den bereits realisierten Erträgen verur­ sachungsgerecht zugerechnet werden.3 Dementsprechend kann eine Ansamm­ lungsrückstellung gebildet werden. Auch der BFH tritt für jährliche Zuführungs­ raten ein, die sich an dem Umfang der betrieblichen Verursachung für die Entste­ hung der Verbindlichkeit orientieren.4 Damit sind über die Jahre der umwelt­ schädigenden Tätigkeit den Rückstellungen regelmäßig Beträge zuzuführen, bis der Betrag erreicht ist, den das Unternehmen am Bilanzstichtag aufwenden müß­ te, um die Rekultivierung oder Schadenbeseitigung durchzuführen. Dies führt letztlich zu einer einzelfallbezogenen Auslegung.

In Fällen, in denen die betriebliche Tätigkeit und die Umweltschädigung syn­ chron verlaufen, beispielsweise bei einer aufzufüllenden Kiesgrube, ist eine An­ sammlungsrückstellung gerechtfertigt.5 Demgegenüber besteht in Fällen, bei denen die Rekultivierung und deren Um-fang nicht von der Dauer und dem Um­ fang der tatsächlich erfolgten Tätigkeit abhängen, von Beginn an eine Rekultivie­ rungsverpflichtung in voller Höhe. Beispiele hierfür sind die Verfüllung einer Mülldeponie oder die Stillegung von Kernenergieanlagen. In diesen Fällen ist bereits mit Beginn der Tätigkeit eine Rückstellung in der gesamten Höhe der erwarteten Aufwendungen zu bilden.

1 2 3 4 5

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 210. Siegel, T. (Umweltschutz 1993), S. 333. Förschle, G./Scheffels, R. (Umweltschutzmaßnahmen 1993), S. 1203. Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 64. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 199.

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c)

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Rückstellungen für Anpassungsmaßnahmen

Anpassungsmaßnahmen gehen auf gesetzliche Verpflichtungen zurück, welche die Unternehmen zwingen, Umweltbeeinträchtigungen auf ein bestimmtes, durch Grenzwerte vorgeschriebenes Maß oder/und durch bestimmte Maßnahmen zu begrenzen. Das bedeutendste Beispiel für die Pflicht zu Anpassungsmaßnahmen ergibt sich aus § 5 BImschG, der den Anlagenbetreibern vorschreibt, dem jewei­ ligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen der Emissionsbegrenzung zu treffen. Diese Pflicht wird i.d.R. über behördliche Verordnungen wie z.B. die TA-Luft konkretisiert und durch Verwaltungsakte wie nachträgliche Anordnun­ gen nach § 17 BImSchG oder Verordnungen nach § 7 BImSchG durchgesetzt. Werden die Umweltstandards dem Stand der Technik nicht angepaßt, so können bisher genehmigte Anlagen rechtswidrig werden. Im allgemeinen wird den Un­ ternehmen bei Anlagen, die sich bereits im Betrieb befinden, für die Erfüllung der Auflagen eine Übergangsfrist gewährt. Da Anpassungsmaßnahmen letztlich dazu dienen sollen, Umweltschäden zu vermeiden, handelt es sich dabei um Maßnahmen der Schadenverhütung, in den meisten Fällen in Form additiver Techniken. Da die Bildung von Rückstellungen für aktivierungspflichtige Ausgaben grund­ sätzlich unzulässig ist, stellt sich die Frage, ob Rückstellungen für eine Vorsorge für die finanziellen Konsequenzen des Anpassungsrisikos überhaupt in Betracht kommen.1 Für die Beantwortung dieser Frage ist zu überpüfen, ob es sich beim vorzuziehenden Aufwand um Erhaltungsaufwand oder um aktivierungspflichti­ gen Herstellungsaufwand handelt. Teilweise wird diesbezüglich die Meinung vertreten, daß eine Anlage, die nicht mehr betrieben werden darf, nichts mehr wert ist. Anpassungsmaßnahmen, mit denen die Betriebserlaubnis erhalten wird, stellen somit eine wesentliche Verbesserung dar, die gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB aktivierungspflichtig ist. Da Anpassungsmaßnahmen demnach im Normalfall als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivie­ ren sind, soll die Bildung von Rückstellungen nicht zulässig sein.2 Dem ist entgegenzuhalten, daß durch die Anpassungsmaßnahmen die betriebliche Funktion der Anlage nicht verändert wird, d.h. die Anpassungsmaßnahmen die­ nen der Erhaltung der Funktion resp. der Genehmigung der Anlage. Damit wird zum einen deutlich, daß die Erfüllung bestimmter Umweltstandards durch ein neu- resp. andersartiges Produktionsverfahren im Sinne eines integrierten Um­ weltschutzes nicht zu den Anpassungsmaßnahmen zählt. Diese an sich zu favori­ sierende Ausgestaltungsform von Umweltschutzmaßnahmen kann demnach nicht 1 2

Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 270. Vgl. Siegel, T. (Umweltschutzbedingte Aufwendungen 1995), S. 542.

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im Sinne einer finanziellen Vorsorge über Rückstellungen im voraus finanziert werden, es bleibt nur die nachträgliche Verteilung der Anschaffungs- und Her­ stellungskosten über die Nutzungsdauer in Form von Abschreibungen. Zum an­ deren läßt sich feststellen, daß Aufwendungen für Anpassungsmaßnahmen in Form additiver Techniken als Erhaltungsaufwendungen zu qualifizieren sind. Vor diesem Hintergrund sind Überlegungen zur Bildung von Rückstellungen für Anpassungsmaßnahmen zulässig.

Im Hinblick auf die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung kann eine Anpas­ sungsverpflichtung als hinreichend konkretisiert angesehen werden, wenn festge­ stellt wird, daß die Anlage die Grenzwerte überschreitet und daher eine Anpas­ sungsmaßnahme vorgenommen werden muß.1 Problematischer gestaltet sich die Beantwortung der Frage, ob die wirtschaftliche Verursachung der Anpassungs­ verpflichtung in der Vergangenheit liegt. Nach herrschender Meinung und nach Ansicht der Finanzverwaltung wird die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung für Anpassungsmaßnahmen abge­ lehnt, da die wirtschaftliche Verursachung nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft liegt.2 Die künftigen Aufwendungen sind künftigen und nicht ver­ gangenen Erträgen zuzurechnen. Das Motiv für die Anpassungsmaßnahmen liegt im zukünftigen Betrieb der Anlage, d.h. die Ausgaben alimentieren zukünftige Erträge. Bei den Anpassungsmaßnahmen geht es nicht um die Abgeltung oder Beseitigung vergangener Verschmutzungen, sondern um die Einhaltung von Grenzwerten, damit die aktuelle und künftige Produktion erlaubt ist. Demgegenüber wird teilweise die Bildung einer Rückstellung für den Stichtag nach Inkrafttreten der jeweiligen Verordnung vorgeschlagen. Dies wird damit begründet, daß zu diesem Zeitpunkt die Verpflichtung rechtlich voll entstanden ist, und damit die rechtliche Verursachung in der Vergangenheit liegt.3 Da es nach herrschender Meinung aber auf den Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens der Verpflichtung nicht ankommt, sondern die wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit relevant ist, wird diese Vorgehensweise mehrheitlich abge­ lehnt.4 Dieser Ablehnung wiederum kann entgegengehalten werden, daß es über das Argument der rechtlichen Entstehung hinaus fraglich ist, ob die wirtschaftli­ che Verursachung tatsächlich erst in der Zukunft liegt.5 Für die Entscheidung über den Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung ist nicht das Motiv der 1 2 3 4 5

Vgl. Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 55. Vgl. Clemm, H./Nonnenmacher, R. (Rückstellungen 1995), S. 324; Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 274; Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 57. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 187f; Kupsch, P. (Umweltlasten 1992), S. 2324. Vgl. Clemm, H./Nonnenmacher, R. (Rückstellungen 1995), S. 324. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 188f.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Umweltschutzmaßnahme, das in der Verhinderung zukünftiger Emissionen liegt, entscheidend, sondern der Sachverhalt, an den die entsprechende Verpflichtung anknüpft.

Zur Erläuterung dieser Überlegung kann auf die Altlastensanierung zurückgegrif­ fen werden, die letztlich auch auf die Vermeidung einer zukünftigen Gefährdung der Bevölkerung abzielt. Da sich der Sachverhalt der Sanierungsverpflichtung aber gegen einen in der Vergangenheit verursachten Umweltschaden richtet, liegt zweifelsfrei eine wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit vor. In Analogie dazu kann auch bei Anpassungsverpflichtungen von einer wirtschaftli­ chen Verursachung in der Vergangenheit ausgegangen werden, da diese an das Betreiben einer bereits emittierenden Anlage anknüpft.1 Bekräftigt wird diese Ansicht durch die Tatsache, daß neu zu genehmigende Anlagen die strengeren Grenzwerte sofort zu erfüllen haben, während für bereits betriebene Anlagen eine Übergangsfrist besteht. Dementsprechend ist nicht von einer wirtschaftlichen Verursachung in der Zukunft, d.h. nach Ablauf der Übergangsfrist auszugehen. Die wirtschaftliche Verursachung ist damit spätestens während der Übergangs­ frist zu sehen.2 Da davon auszugehen ist, daß die Übergangsfristen eingeräumt werden, um die Bildung entsprechender finanzieller Mittel zu ermöglichen, ist der Ansatz einer Ansammlungsrückstellung zu prüfen.3 Während der Übergangszeit werden Erträ­ ge erzielt, die der Finanzierung der Umweltschutzmaßnahmen dienen sollen.4 Diese Erträge sind an das Unternehmen zu binden, d.h. der zur Erfüllung der Umweltschutzverpflichtung erforderliche Betrag ist durch die Bildung einer Rückstellung für die Anpassungsmaßnahme einer Steuerbelastung und der Aus­ schüttungskompetenz der Gesellschafter zu entziehen. Die Überlegung einer solchen Risikovorsorge kann durch die ratierliche Ansammlung des Rückstel­ lungsbetrags über den Anpassungszeitraum hinweg realisiert werden.5 Um dem Ziel einer finanziellen Vorsorge zu entsprechen, ist für den Fall, daß die herrschende Meinung und die Finanzverwaltung auch zukünftig gegen die Bil­ dung von Verbindlichkeitsrückstellungen plädieren, die Bildung von Aufwands­ rückstellungen anzustreben, um die Erträge der Übergangsfrist zumindest vor

1 2 3

4 5

Vgl. Hannak, A. (Umweltschutzverpflichtungen 1995), S. 125; Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 189. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 189. Vgl. Hannak, A. (Umweltschutzverpflichtungen 1995), S. 125; Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 190. Vgl. Rupp, R. (Diskussionsbeitrag 1991), S. 134. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 190; Hannak, A. (Umweltschutzverpflichtungen 1995), S. 125.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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einer Gewinnausschüttung zu bewahren. Die Bildung von Aufwandsrückstellun­ gen für Anpassungsmaßnahmen wird in der Literatur übereinstimmend erlaubt.1

2.

Die Bildung von Rückstellungen aufgrund zivilrechtli­ cher Umweltschutzverpflichtungen

Wie die Ausführungen zu den umweltrechtlichen Grundlagen im ersten Teil deutlich gemacht haben, greift das Zivilrecht im Gegensatz zum öffentlichen Recht, das im Rahmen des Umweltverwaltungsrechts auch die Möglichkeit zum präventiv-repressiven Einschreiten bietet, i.d.R. erst bei tatsächlich eingetretenen Umweltbeeinträchtigungen.2 Dementsprechend stehen in den folgenden Überle­ gungen Vorschriften der Umwelthaftung im Mittelpunkt. Um die Möglichkeiten der Rückstellungsbildung zu überprüfen, ist zu untersuchen, inwieweit die Ver­ pflichtungen zum Schadenausgleich die allgemeinen Anforderungen der Rück­ stellungsbildung erfüllen. Dabei sind insbesondere die vom BFH aufgestellten Kriterien für die Abgrenzung von Einzelrückstellungen für deliktische Haft­ pflichtverbindlichkeiten gegenüber Pauschalrückstellungen für Garantiever­ pflichtungen zu beachten.

Nach der bisher zu Haftpflichtverbindlichkeiten ergangenen Rechtsprechung des BFH wird die Bildung einer Rückstellung anerkannt, wenn spätestens bis zum Zeitpunkt der Bilanzer-stellung ein Schadenersatzanspruch geltend gemacht wurde oder wenigstens die den Anspruch begründenden Tatsachen im einzelnen bekannt sind.3 Dies setzt wiederum voraus, daß ein Umweltschaden bereits ein­ getreten und bekannt ist. Da ein bereits entdeckter Umweltschaden immer durch die Produktion der vergangenen Perioden verursacht wurde, stellt die Frage nach der wirtschaftlichen Verursachung in der Vergangenheit kein Problem dar. Da darüber hinaus bei Schadenersatzansprüchen eine Außenverpflichtung vorliegt, konzentrieren sich die Überlegungen über die Bildung von Verbindlichkeitsrück­ stellungen in diesem Fall auf die Konkretisierung und Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme. Im Hinblick auf das Nachbarschaftsrecht und Ausgleichsansprüche, die nach § 906 Abs. 2 HGB oder § 14 BImSchG anstatt Unterlassungs- oder Schutzvor­ kehrungsansprüchen geltend gemacht werden, kommen nur Einzelrückstellungen in Betracht. Diese Ausgleichsansprüche greifen typischerweise bei der Rechtmä­

1

2 3

Vgl. Clemm, H./Nonnenmacher, R. (Rückstellungen 1995), S. 324; Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 278. Vgl. Schmidt, R. (Umweltrecht 1995), S. 20. Vgl. Herzig, N. (Rückstellungsrelevanz 1991), S. 54 mit weiteren Nachweisen.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

ßigkeit der jeweiligen Beeinträchtigung und werden damit i.d.R. lediglich bei der Neuansiedlung eines Unternehmens, der erstmaligen Inbetriebnahme einer neuen Anlage oder der wesentlichen Änderung einer bestehenden Anlage gegenüber dem emittierenden Unternehmen geltend gemacht.1 Da nicht davon auszugehen ist, daß eine solche Inanspruchnahme mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftritt, scheidet die Bildung von Pauschalrückstellungen aus. Die für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung ausstehenden Kriterien der Konkretisierung und der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme sind dementsprechend erst erfüllt, wenn spätestens bis zur Bilanzfeststellung ein Ausgleichsanspruch geltend ge­ macht wurde oder die den Anspruch begründenden Tatsachen im einzelnen be­ kannt sind. Ähnlich sieht die Situation bei Verpflichtungen zum Schadenausgleich aus, die auf deliktsrechtliche Ansprüche nach § 823 BGB zurückgehen. Die Durchsetz­ barkeit dieser Ansprüche setzt ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Unternehmens voraus. Im Zusammenhang mit Umweltrisiken entspricht dies einem Verstoß gegen bestehende Betreiber- oder Verkehrssicherungspflichten. Damit die für den Ansatz einer Pauschalrückstellung notwendige Regelmäßigkeit der Inanspruchnahme gegeben ist, müßte sich das Unternehmen konstant oder wiederkehrend in vergleichbarer Weise gesetzeswidrig verhalten.2 Aufgrund der drohenden Strafen und dem Marktrisiko kann von einem solch regelmäßigen Verhalten nicht ausgegangen werden. Dementsprechend kommt die Bildung einer Pauschalrückstellung für deliktrechtliche Ansprüche zum Schadenausgleich nicht in Frage.

Die Bildung einer Einzelrückstellung hat dann zu erfolgen, wenn spätestens bis zur Bilanzfeststellung ein Ausgleichsanspruch geltend gemacht wurde oder die den Anspruch begründenden Tatsachen im einzelnen bekannt sind. Aufgrund der Probleme des Kausalitätsnachweises bei Umweltschäden und der beim Geschä­ digten liegenden Beweislast, kann selbst bei bekannten Umweltschäden, deren Verursacher nicht zweifelsfrei feststeht, die Wahrscheinlichkeit der Inanspruch­ nahme und damit die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung in Frage stehen. Da die Bildung einer Rückstellung aber auch als Schuldeingeständnis gewertet werden kann, ist fraglich, ob die betroffenen Unternehmen in dieser Situation überhaupt eine finanzielle Risikovorsorge in Form der Rückstellungsbildung anstreben. Auch im Zusammenhang mit Haftpflichtansprüchen, die durch das UmweltHG und § 22 WHG begründet werden, gilt grundsätzlich, daß eine Rückstellung für 1 2

Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 210; Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 231. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 210; Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 232.

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Verpflichtungen zum Schadenausgleich gebildet werden muß, wenn ein An­ spruch bereits geltend gemacht wurde bzw. wenn die Tatsachen, die einen An­ spruch begründen, allgemein bekannt sind. Aufgrund der Ausgestaltung als Ge­ fährdungshaftung, der Beweislastumkehr und der hohen Kontrolldichte und Sen­ sibilisierung im Umweltbereich ist allerdings schon zum Zeitpunkt der Entdekkung eines Umweltschadens durch das Unternehmen von einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme auszugehen.1 Es ist in diesem Fall also nicht notwendig, daß der Schaden allgemein bekannt ist oder gar eine Schadenersatzforderung vorliegt. Neben Einzelrückstellungen ist im Sinne einer Risikovorsorge für das latente Risiko zukünftiger Ersatzansprüche, insbesondere im Zusammenhang mit der Gefährdungshaftung und dem gestiegenen Haftungsrisiko, die Möglichkeit der Bildung von Pauschalrückstellungen zu prüfen. Im Bereich von Haftungsver­ pflichtungen hat der BFH dies bisher für unzulässig erklärt, da Haftpflichttatbe­ stände i.d.R. selten und vereinzelt auftreten und aus diesem Grund die Wahr­ scheinlichkeit der Inanspruchnahme nicht aus Erfahrungen der Vergangenheit ermittelt werden kann.2 Im Umkehrschluß bedeutet dies allerdings auch, daß die Bildung von Pauschalrückstellungen für Haftpflichtansprüche möglich ist, wenn im Einzelfall damit zu rechnen ist, daß die jeweiligen Haftungsfälle eben nicht nur selten und vereinzelt, sondern häufig und regelmäßig vorkommen. Wie die Reaktionen auf die Einführung des UmweltHG gezeigt haben, ist dies zwar nicht unrealistisch, aber aufgrund der Neuartigkeit vieler Regeln der Umwelthaftung und der bisher fehlenden Erfahrung mit Urteilen nach dem UmweltHG, liegt eine ausreichende Konkretisierung für die Bildung von Pauschalrückstellungen z.Z. nicht vor.3 Für die Begründung dieser Ablehnung erscheint es hilfreich, zwischen zukünfti­ gen Schäden aufgrund des störungsfreien Normalbetriebs und Entwicklungsrisi­ ken zu unterscheiden. Eine pauschale Rückstellungsbildung erscheint insbeson­ dere bei der Haftung für den störungsfreien Normalbetrieb interessant, da hier eine bilanzielle Risikovorsorge aufgrund der fehlenden resp. eingeschränkten Versicherungsdeckung anzustreben ist. Die Zulässigkeit einer Pauschalrückstel­ lung ist aber nicht gegeben, da auswertbare Erfahrungen über die Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit von Schäden aus dem störungsfreien Normalbetrieb und der daraus resultierenden Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme (noch) nicht vorliegen.4 Da darüber hinaus beim Normalbetrieb - wie im Zusammenhang mit der Versicherbarkeitsdiskussion herausgearbeitet wurde - eben gerade nicht mit 1 2 3 4

Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 283f. Vgl. Herzig, N. (Risikovorsorge 1991), S. 217f. Vgl. Herzig, N. (Risikovorsorge 1991), S. 218 und 220. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 212.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Umweltgefährdungen zu rechnen ist, ergibt sich augenblicklich keine Möglich­ keit der pauschalen Rückstellungsbildung. Diesbezüglich ist die Entwicklung der nächsten Jahre abzuwarten. Wird durch zukünftige Erfahrungen die Wahrschein­ lichkeit einer Inanspruchnahme greifbar, kommt die Bildung von Pauschalrück­ stellungen eventuell in Betracht.1 Da sich in diesem Fall resp. für die betroffene Branche die Situation der Versicherbarkeit des Normalbetriebs weiter ver­ schlechtern wird, ist die bilanzielle Risikovorsorge in Form von Pauschalrück­ stellungen auf alle Fälle erneut in die Überlegungen einzubeziehen.

Auch für Entwicklungsrisiken erscheint eine Rückstellungsbildung unzulässig.2 Da Entwicklungsrisiken definitionsgemäß noch nicht vorhersehbar sind und nicht regelmäßig auftreten, fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Konkretisierung einer Verpflichtung zum Schadenausgleich und über die Wahrscheinlichkeit aus der Verpflichtung in Anspruch genommen zu werden. Sofern nicht einmal ein Gefah­ renpotential erkennbar ist, liegen auch keine Indizien dafür vor, daß eine unge­ wisse Verbindlichkeit be- oder entsteht? Bei der Bewertung von Rückstellungen für Haftpflichtansprüche ist ein eventuell bestehender Versicherungsanspruch zu berücksichtigen. Ist der Ersatzanspruch ungedeckt, ist die volle Höhe zurückzustellen. Liegt bereits eine Deckungszusage der Versicherung vor, ist zwar einerseits ebenfalls eine Rückstellung in voller Höhe der Schadenersatzleistung zu bilden. Andererseits ist der Anspruch gegen­ über der Versicherung als Forderung zu aktivieren.4 Bestehen dagegen noch Unsicherheiten über den Schadenersatzanspruch und/oder den Rückgriffsan­ spruch gegen den Versicherer, kommt die Aktivierung der Forderung aufgrund des Vorsichtsprinzips nicht in Betracht. Künftig erwartete Versicherungsleistun­ gen sind statt dessen von der Rückstellung für die Verpflichtung zum Schaden­ ausgleich abzuziehen. Die Kürzung der Rückstellung verstößt nicht gegen das Prinzip der Einzelbewertung, da Forderung und Schuld einander bedingen, d.h. auf dem gleichen wirtschaftlichen Sachverhalt beruhen und lediglich alle bewer­ tungsrelevanten Faktoren berücksichtigt werden?

1 2 3 4 5

Vgl. Herzig, N ./Köster, T. (Rückstellungsrelevanz 1991), S. 55. Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 285; Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 234. Vgl. Schurbohm-Ebneth, A. (Rückstellungen 1995), S. 251. Vgl. Bartels, P. (Umweltrisiken 1992), S. 213f.; Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 287. Vgl. Kupsch, P. (Umweltlasten 1992), S. 2328; Hannak , A. (Umweltschutzverpflichtungen 1995), S. 112.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

3.

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Kritische Würdigung der Rückstellungsmöglichkeiten für Umweltrisiken

Die obigen Ausführungen haben gezeigt, daß Art und Umfang der bilanziellen Erfassung von Umweltrisiken umstritten sind. Allerdings reibt sich die Diskussi­ on der expliziten Bilanzierungsmöglichkeiten primär an anforderungstechnischen Grundlagen und weniger an der Frage nach effektiven Möglichkeiten der finan­ ziellen Vorsorge für Umweltschutzverpflichtungen auf. Wie die folgenden Aus­ führungen verdeutlichen, reicht die bilanzielle Erfassung von Umweltrisiken für die Bildung eines internen Risikodeckungspotentials nicht aus. Bei der derzeitigen Diskussion um eine ausreichende Konkretsierung und Wahr­ scheinlichkeit der Inanspruchnahme geht es ausschließlich um Umweltrisiken i.u.S., d.h. letztlich um die Höhe des Internalisierungsfaktors a. Die Diskussions­ punkte beziehen sich i.d.R. auf Sachverhalte, bei denen Umweltrisiken i.eig.S. schon längst eingetreten sind. Da die Forderung nach einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme in der Auslegung auf eine sichere Inanspruchnahme umgedeu­ tet wird, dominiert der Verpflichtungscharakter den Risikovorsorgecharakter der Rückstellungsbildung. Eischen stellt diesbezüglich die provokante Frage, ob Rückstellungen als Maßnahmen gegen den Umweltschutz anzusehen sind.1

Die restriktiven Regeln fördern das Aufschieben von Umweltschutzmaßnahmen bis weit über den Zeitpunkt des Schadeneintritts hinaus. Aus steuerlicher Sicht erscheint es für Unternehmen angebracht, solange mit der Bekanntgabe eines Schadens und der Durchführung von Schutz- oder Gefahrenabwehrmaßnahmen zu warten, bis sich aus Sicht der Finanzverwaltung und der Rechtsprechnung eine Verpflichtung konkretisiert hat und eine Rückstellung möglich ist.2 Die Wirkung des geltenden Bilanzrechts richtet sich damit gegen Vorsorgemaßnahmen, die Umweltschäden erst gar nicht entstehen lassen oder frühzeitig beseitigen. Insbesondere für Unternehmen mit einer angespannten Ertragslage kann diese Situation fatale Folgen haben. Aufgrund der Benachteiligung bei der Bilanzie­ rung von Rückstellungen für Umweltvorsorge- sowie Anpassungsmaßnahmen und den damit verbundenen Finanzierungsnachteilen fehlen diesen Unternehmen häufig die Mittel, um die Produktion sicherheits- und umweltgerecht sowie dem neuesten Stand der Technik entsprechend zu gestalten.3 Darüber hinaus scheitert auch die Bildung von Einzelrückstellungen für Maßnahmen zum Schadenaus­ gleich für drohende Umweltschäden bereits an der Nichterfüllung der Konkreti­ sierungserfordernisse. Die bloße Vermutung oder Befürchtung über das Entste­ 1 2 3

Vgl. Eischen, R. (Rückstellungen 1993), S. 1097. Vgl. Eischen, R. (Rückstellungen 1993), S. 1098 und 1100. Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 320.

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hen eines Haftpflichtanspruchs gegen das Unternehmen reicht für die Bildung einer Rückstellung nicht aus. Es müssen vielmehr konkrete Tatsachen vorliegen, aus denen sich das Be- oder Entstehen einer Verbindlichkeit ableiten läßt.1 Da sich außerdem die Bildung von Pauschalrückstellungen äußerst problematisch gestaltet, muß festgestellt werden, daß die Rückstellungsbildung bei Umweltrisi­ ken nur begrenzt zur finanziellen Risikovorsorge beitragen kann.

Der begrenzte Beitrag der Rückstellungsbildung zur finanziellen Risikovorsorge wird zusätzlich dadurch verdeutlicht, daß es sich bei den zu bildenden Rückstel­ lungen i.d.R. um Ansatzrückstellungen handelt. Nur bei Rückstellungen für Re­ kultivierungsmaßnahmen ist die ratierliche Bildung der Gesamtsumme durch Ansammlungsrückstellungen und damit der sukzessive Aufbau einer Verlustvor­ sorge möglich. Darüber hinaus besteht eventuell noch bei Rückstellungen für Altlastensanierungen die Möglichkeit einer über mehrere Jahre gestreckten An­ sammlung des gesammten Rückstellungsbetrages, wenn die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen erst nach Ablauf einer bestimmten Periode geplant ist.2 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Behörde durch die Rückstel­ lungsbildung Kenntnis vom Vorliegen der Altlast erhalten kann und eventuell eine frühzeitigere Sanierung verlangt. Kann die Sanierung tatsächlich gefahrlos verzögert werden, besteht andererseits die Möglichkeit, daß die Rückstellungs­ bildung gänzlich versagt wird. Damit kann festgehalten werden, daß durch die fehlenden Möglichkeiten der ratierlichen Ansammlung von Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen kein sukzessiver Aufbau finanzieller Vorsorgereserven erfolgt, sondern letztlich nur eine periodengerechte, aber einmalige Aufwandserfassung. Dementsprechend gelingt die durch die Reservenbildung eigentlich angestrebte Vorfinanzierung der Risiken eben nicht. Der Schaden ist vielmehr allein in einem Jahr zu finanzieren; zwar nicht im Jahr der Auszahlung, dafür aber im Jahr der Rückstellungsbildung.

Als Folge der ungenügenden bilanziellen Vorsorge für Umweltverpflichtungen werden Finanzmittel über Steuerzahlungen und Ausschüttungen entzogen. Kommt es dann zu einem Umweltschaden, drohen bei dessen allgemeiner Ent­ deckung und einer sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Beseitigung ange­ sichts der meist hohen Kosten und der fehlenden finanziellen Mittel schnell Ver­ luste und Liquiditätsprobleme, die im Extremfall bis zum Konkurs führen kön­ nen.3 Für den Fall, daß bisher nur das Unternehmen den Schaden entdeckt hat, ist aufgrund der strengen Konkretisierungsanforderungen für die Bildung von Rück1 2 3

Vgl. Herzig, N. (Rückstellungsrelevanz 1991), S. 57. Vgl. Bäcker, R. (Rückstellungen 1995), S. 504f. Vgl. Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 320.

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Stellungen für Sanierungskosten damit zu rechnen, daß das Unternehemen bis zum Erlaß einer Sanierungsverfügung keine Maßnahmen einleitet. Dies wirkt sich ebenso wie das Problem, einen finanzschwachen oder gar konkursgegange­ nen Schadenverursacher zur Finanzierung der Sanierung heranzuziehen, negativ auf die Umwelt aus, da die Beseitigung des Schadens verzögert wird oder gar ganz ausbleibt.1 Eine systematische Lösung dieser Probleme, d.h. eine Unterstützung des Vorsor­ geprinzips und die verbesserte Durchsetzbarkeit des Verursacherprinzips, er­ scheint im geltenden Bilanzrecht nicht möglich. Eine spezifische Vorsorge ist nur möglich, wenn die Bildung von Rückstellungen für Umweltrisiken von den all­ gemeinen Anforderungen für die Rückstellungsbildung abgekoppelt wird und sich der Gesetzgeber entschließt, für die Rückstellungsbildung bei Umweltrisiken ausdrücklich Sonderregelungen zuzulassen oder zumindest eine weniger restrik­ tive Auslegung und Rechtsprechung zur Anwendung kommt.2 Dies hat auch Bundesumweltministerin Merkel erkannt, die ihre Forderung nach dem verstärk­ ten Einstehen der Unternehmen für Umweltrisiken mit der Einsicht verband, daß dann spezifische finanzielle Rückstellungen für die Unternehmen nötig sind, die bei Umweltschäden zum Tragen kommen sollen.3 Ob diese spezifischen Lösun­ gen an die hier aufgestellten Forderungen anknüpfen resp. wie diese spezifischen Lösungen aus Sicht des Umweltministeriums ausgestaltet sein können und in­ wieweit überhaupt Überlegungen diesbezüglich - auch in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium - angestellt werden, ist allerdings bisher noch unklar. Die angeforderte Stellungnahme des Bundesministeriums für Umwelt, Natur­ schutz und Reaktorsicherheit erweckt allerdings den Eindruck, daß es sich eher um eine grobe Vision handelt. Konkrete Lösungsansätze oder -Vorschläge schei­ nen bisher noch nicht vorzuliegen. Eine zweite Forderung, die Bildung von Rückstellungen für Umweltrisiken von den allgemeinen Anforderungen für die Rückstellungsbildung abzukoppeln und eine spezifische Vorsorge durch Sonderregelungen zu fördern, läßt sich aus den Vorschlägen zur obligatorischen Deckungsvorsorge im UmweltgesetzbuchEntwurf der Professoren-Kommission (ProfE) ableiten. Nach § 128 UGB-Pro/E soll die Deckungsvorsorgepflicht auch durch betriebliche Rückstellungen erfüllt werden können. Im Vergleich zu einer Pflichtversicherung sollen die Anlagenbe­ treiber dadurch eine gewisse Flexibilität erhalten.4 Damit diese Flexibilität 1 2 3 4

Vgl. Eischen, R. (Rückstellungen 1993), S. 1098; Gotthardt, U. (Rückstellungen 1995), S. 320. Vgl. Herzig, N. (Risikovorsorge 1991), S. 220f.; Eischen, R. (Rückstellungen 1993), S. 1098. Vgl. o.V. (Umweltrisiken 1996), S. 5. Vgl. Kloepfer, M./Rehbinder, E./Schmidt-Aßmann, E. (Umweltgesetzbuch 1990), S. 86 i.V.m. S. 433.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

tasächlich gegeben ist und die Anforderungen an die Deckungsvorsorgever­ pflichtung erfüllt werden können, sind allerdings die restriktiven Konkretisie­ rungsanforderungen bei Umweltrisiken zu lockern und Sonderregelungen zu etablieren, die den Aufbau allgemeiner Vorsorgerückstellungen, sinnvollerweise in Form von Ansammlungsrückstellungen, ermöglichen. Obwohl festgestellt werden kann, daß sich nur durch eine Ausweitung der Mög­ lichkeiten zur Rückstellungsbildung die bilanzielle Vorsorge für Umweltrisiken verbessern läßt, erscheint die Änderung der BilanzierungsVorschriften trotz des ProfE und der Ankündigung der Umweltministerin z.Z. nicht realisierbar. Zu­ nächst kann mit der Gefahr argumentiert werden, daß für jedes spezielle Problem spezifische Rechnungslegungsvorschriften verlangt werden könnten, was zu einer undurchsichtigen Rechnungslegung mit vielen Sondervorschriften führen würde. Während dieses Argument mit der Bedeutung des Umweltschutzes im Vergleich zu anderen Problemen entkräftet werden kann, sprechen insbesondere zwei wei­ tere Gründe gegen die Lockerung der Voraussetzungen für die Rückstellungsbil­ dung oder die Einführung einer Passivierungspflicht für Aufwandsrückstellungen.

Zum einen würde dies zu einem finanziellen Desaster für die öffentlichen Haus­ halte führen.1 Angesichts der starken Staatsverschuldung und der leeren Kassen der öffentlichen Haushalte ist der Staat nicht bereit, die hohen Einnahmeverluste hinzunehmen, die mit einer Lockerung der für die Rückstellungsbildung gelten­ den Anforderungen verbundenen sind, auch wenn diese aus umweltpolitischer Sicht geboten sind.2 Die Bedeutung der fiskalischen Gründe für die Ausgestal­ tung der Rückstellungsanforderungen wird durch schriftliche Stellungnahmen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) verdeutlicht, in denen beispielsweise die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für Altlastensanierungen unangemessen hoch angesetzt werden.3

Zum anderen können der Forderung nach speziellen Rückstellungen für Umwelt­ schutz im Zusammenhang mit der zunehmenden Internationalisierung der Rech­ nungslegung nur geringe Chancen eingeräumt werden. Im Rahmen der weiteren Globalisierung der Märkte und dem verstärkten Bestreben, Zugang zu internatio­ nalen Kapitalmärkten zu erhalten, sind Angleichungen der Rechnungslegungssy­ steme erforderlich. Dies bedeutet insbesondere eine Annäherung der deutschen Bilanzierungsvorschriften nach HGB an die International Accounting Standards (IAS) und die US-amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles

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Vgl. Eischen, R. (Rückstellungen 1993), S. 1097. Vgl. Bäcker, R. (Rückstellungen 1995), S. 503. Vgl. BMF-Schreiben IV B 2- S 2137-94; Zur Kritik an den darin aufgestellten Voraussetzungen vgl. Bach, A. (Umweltrisiken 1996), S. 126ff. und Bäcker, R. (Rückstellungen 1995), S. 503.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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(US-GAAP). Da diese Vorschriften insbesondere die Interessen der Investoren in den Vordergrund stellen, ist das Vorsichtsprinzip deutlich schwächer ausgeprägt als in der deutschen Rechnungslegung. Alle anderen Aufgaben der Rechnungsle­ gung haben sich der Informationsfunktion, d.h. der Aufgabe, Anleger und Gläu­ biger verläßlich zu informieren, unterzuordnen.1 Die Betonung der Informationsfunktion führt dazu, daß ungewisse Verbindlich­ keiten nur passiviert werden dürfen, wenn sie relativ genau quantifizierbar und konkretisierbar sind sowie mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnnahme gerechnet werden muß. Im Gegensatz zu Deutschland, wo eine Rückstellung zu bilden ist, wenn mehr Gründe für als gegen eine Inanspruch­ nahme sprechen, darf eine Schuld nach IAS und US-GAAP erst passiviert wer­ den, wenn mit dem Eintritt des Ereignisses fast sicher gerechnet werden muß. Rückstellungen werden damit im anglo-amerikanischen Raum tendenziell noch später als in Deutschland gebildet.2 Aufwandsrückstellungen sind grundsätzlich unzulässig.

Die dargestellten Überlegungen werden durch die Ergebnisse empirische Unter­ suchungen unterstützt. Bei der Bilanzierung von Altlasten zeigt sich im interna­ tionalen Vergleich beispielsweise, daß, sofern im Jahresabschluß überhaupt Ver­ pflichtungen für Altlastensanierungsmaßnahmen erfaßt werden, dies bei USamerikanischen Unternehmen überwiegend in Form von Rücklagen erfolgt.3 Im Gegensatz zu deutschen Unternehmen, die Altlasten ausschließlich durch Rück­ stellungen bilanzieren, bilden 80 % der amerikanischen Unternehmen Rücklagen. Wohl aufgrund der noch strengeren Rückstellungskriterien bilanzieren nur 20 % Rückstellungen. Damit kann festgehalten werden, daß die führenden internatio­ nalen Rechnungslegungssysteme die Möglichkeit zur Rückstellungsbildung sogar weiter einschränken als das deutsche Recht.4 Im Zuge der Harmonisierung der Rechnungslegungsvorschriften kann demnach von der Einführung von Sonder­ vorschriften für die Bildung von Rückstellungen für Umweltrisiken nicht ausge­ gangen werden. Mit einer Sonderstellung der Rückstellungsbildung für Umweltrisiken und einer Lockerung der Anforderungskriterien angesichts der staatlichen Finanzlage und der Rückstellungsbildung in den internationalen Rechnungslegungssystemen ist nicht zu rechnen. Deshalb sind die betroffenen Unternehmen gezwungen, zur bilanziellen Risikovorsorge auf alternative Verbuchungsmöglichkeiten zurückzu­ 1 2 3 4

Vgl. Wangemann, B. (Rechnungslegung 1997), S. 194. Vgl. Niehus, R. (Fair Presentation 1997), S. 1427; Wangemann, B. (Rechnungslegung 1997), S. 197. Vgl. Eichkom, J. (Einbezug 1996), S. 236f. Vgl. Wangemann, B. (Rechnungslegung 1997), S. 198.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

greifen. Um den aufgezeigten Problemen der Anforderungsstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen, bietet sich an, die Bildung von Gewinnrücklagen zum Aufbau von Risikodeckungspotentialen zu untersuchen.

III.

Disposition offener Eigenkapitalreserven für Umweltrisiken

1.

Bilanzielle Vorsorge für Umweltrisiken durch die Bildung anderer Gewinnrücklagen

Wie die Ausführungen zur Bildung und Auflösung von Rücklagen gezeigt haben, ist die Risikovorsorge im Rahmen der gesetzlich erzwungenen Rücklagenbildung zweckfrei und nur im Sanierungsfall wirksam. Da mit der Zustimmung der An­ teilseigner zur Bildung zweckgebundener satzungsmäßiger Rücklagen nicht ge­ rechnet werden kann, kommen für den Aufbau von spezifischen Reserven für Umweltrisiken nur freiwillige Gewinnrücklagen in Betracht, die unter den ande­ ren Gewinnrücklagen nach § 266 Abs. 3 A.III.4 HGB auszuweisen sind.1 Im Prinzip werden die anderen Gewinnrücklagen durch die geschäftsführenden Or­ gane nach freiem Ermessen gebildet und wieder aufgelöst werden.2 Für Aktienge­ sellschaften ist die Bildung der freien Rücklagen in § 58 AktG geregelt. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die vom Vorstand und Aufsichtsrat veranlaßte Ein­ stellung in die anderen Gewinnrücklagen auf 50 % des Jahresüberschusses be­ schränkt ist. Darüber hinaus gehende Einstellungen in die anderen Gewinnrück­ lagen unterliegen stets dem Beschluß der Hauptversammlung. Bei einer GmbH erfolgt die Einstellung in die Gewinnrücklagen gemäß § 29 Abs. 2 GmbHG im Rahmen der Ergebnisverwendung durch die Gesellschafterversammlung.3 Die Bildung anderer Gewinnrücklagen kann sowohl zweckfrei als auch mit be­ sonderer Zweckbestimmung erfolgen. Soweit keine Zweckbestimmung vorliegt, können die Rücklagen für jeden beliebigen Zweck eingesetzt werden.4 Als be­ sondere Zweckbestimmung ist auch der Umweltschutz denkbar. Insbesondere ökologische Risikobranchen könnten durch die Bildung von Rücklagen, die an einen bestimmten Zweck gebundenen sind, Mittel ansammeln, mit denen der erhöhte Investitionsbedarf für Anpassungsmaßnahmen oder andere Umwelt­ schutzinvestitionen, auch für integrierte Technologien, gedeckt werden kann. 1 2 3 4

Vgl. Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 40. Vgl. Wöhe, G. (Bilanzierung 1997), S. 593f. Vgl. Peemöller, V./Zwingel, T. (Ökologische Aspekte 1995), S. 40. Vgl. Wöhe, G. (Bilanzierung 1997), S. 595.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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Ferner ist für zukünftige Schäden aus dem Normalbetrieb aufgrund der gänzlich fehlenden Rückstellungsmöglichkeit und der eingeschränkten Versicherungsdekkung die Bildung von Rücklagen zu überdenken. Dabei besteht zusätzlich die Möglichkeit - wiederum eine gewisse Ertragskraft und einen positiven Jahres­ überschuß vorausgesetzt - die zweckgebundene Reserve mit jährlichen Zuführun­ gen aufzubauen. Als weiteres Einsatzgebiet einer Rücklagenbildung kommt die Finanzierung von Altlastensanierungen und Eigenschäden in Frage. Aufgrund der hohen Kosten, die erfahrungsgemäß mit Sanierungsmaßnahmen verbunden sind, kann es pro­ blematisch sein, die entsprechenden Beträge in einer Periode aufzubringen. Da­ her ist abzuwägen, ob bei der Entdeckung einer Altlast, die voraussichtlich zu sanieren ist, eine Rückstellung in Form einer Ansatzrückstellung gebildet, und damit die Behörde in Kenntnis gesetzt werden sollte, oder ob bis zum Zeitpunkt der Sanierung entsprechende Mittel in Form einer Rücklage angesammelt wer­ den. Fraglich ist dabei einerseits, ob eine zweckgebundene Rücklagenbildung möglich ist, ohne daß die Behörden dadurch ebenfalls von der Altlast in Kenntnis gesetzt werden, was dann die Möglichkeit gefährdet, die Sanierung zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen und bis dahin den entsprechenden Betrag anzusammeln. Andererseits ist zu bedenken, daß die zeitliche Verzögerung zwar positiv für die ratierliche Selbstfinanzierung der Sanierung, aber negativ für die Umwelt ist. Da aber, wie gezeigt, die augenblickliche Handhabung der Rückstellungsbildung auch zu einer Verschleppung der Sanierungsmaßnahmen führen kann und dabei darüber hinaus die Finanzierung in Frage gestellt bleibt, erscheint die Bildung von Rücklagen sinnvoll. Hiermit gelingt wenigstens die Vorfinanzierung der Risiken, die durch die Reservenbildung eigentlich angestrebt wird. Der Schaden ist nicht allein in einem Jahr zu finanzieren; weder im Jahr der Auszahlung, noch in dem der Rückstellungsbildung. Werden offene Rücklagen ohne gesetzlichen oder satzungsmäßigen Zwang, d.h. freiwillig, gebildet, können sie in Perioden mit fehlenden oder geringen Erträgen aufgelöst und zur Verstetigung des Bilanzgewinns und zur Zahlung von Dividen­ den verwendet werden.1 Folglich kann es dazu kommen, daß die geschäftsfüh­ renden Organe zur Herstellung einer Dividendenkontinuität in Jahren, in denen der Jahresüberschuß gering ist, Beträge aus den für Zwecke des Umweltschutzes gebildeten Rücklagen entnehmen und so quasi die anderweitig bestimmten Re­ serven „plündern“. Eine Gefahr, die bei bereits konkret faßbaren Gründen der Rücklagenbildung, z.B. bei Altlasten, geringer sein wird als bei Rücklagen, die 1

Vgl. Wöhe, G. (Bilanzierung 1997), S. 575 u. 595.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

allgemein im Zusammenhang mit dem gestiegenen Haftungsrisiko für zukünftige Schäden aufgebaut wurden. Was vor dem Hintergrund einer allgemeinen finan­ ziellen Stabilität und Verlustvorsorge angebracht ist, kann sich negativ auf die spezifische Risikovorsorge auswirken. Die finanzielle Absicherung gegen spezi­ elle Risiken ist nur dann verläßlich, wenn sie unabhängig von sonstigen Faktoren, insbesondere auch der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, funktioniert. Obendrein müssen sämtliche Zweckbindungen hinter die Verwendung der ande­ ren Gewinnrücklagen zum Verlustausgleich zurücktreten.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Rücklagenbildung als Gewinn­ verwendung keine Auswirkungen auf den ausgewiesenen steuerpflichtigen Peri­ odenerfolg hat. Da Veränderungen der Rücklagen in der Gewinn- und Verlust­ rechnung (GuV) erst nach dem Posten „Jahresüberschuß/-fehlbetrag“ ausgewie­ sen werden dürfen, erhöhen auch Entnahmen aus den Rücklagen den Jahresüber­ schuß nicht. Die durch die Reservenbildung angestrebte Ergebnisstabilisierung gelingt somit nicht für den diesbezüglich in erster Linie relevanten Jahresüber­ schuß, sondern nur für den Bilanzgewinn.

2.

Fonds für Umweltrisiken - in Anlehnung an § 340g HGB

Um den Gedanken der eigenkapitalgestützten Risikovorsorge weiterzuverfolgen und einige der dabei aufgedeckten Schwachstellen auszuräumen, wird im folgen­ den eine neue Möglichkeit zur Finanzierung von Umweltrisiken vorgeschlagen. Dazu wird versucht, einen Ansatz zur bilanziellen Risikovorsorge aus dem Be­ reich der bankspezifischen Bilanzierung auf den Problembereich der Umweltrisi­ ken zu übertragen. Da das Vertrauen der Gläubiger in die sichere Anlage ihrer Mittel bei den Kre­ ditinstituten und die pünktliche und vollständige Rückzahlung die elementare Voraussetzung für die Geschäftstätigkeit von Banken ist, spielt die Risikovorsor­ ge und die Bildung kreditinstitutsspezifischer Reserven bei Banken traditionell eine wichtige Rolle.1 Insbesondere in Deutschland ist dabei die stille Risiko vor­ sorge von Bedeutung. Aber mit der Umsetzung von Art. 37 der EGBilanzrichtlinie ist den Banken durch § 340g Abs. 1 HGB die Möglichkeit einge­ räumt worden, auf der Passivseite der Bilanz einen Sonderposten zur Sicherung gegen allgemeine Bankrisiken einzurichten.2 Dieser Posten wird als Fonds für

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Für einen Überblick über kreditinstitutsspezifische Reserven vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (Bank-Assurance 1998), S. 845ff. Vgl. Bieg, H. (Bilanzierung 1994), S. 62.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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allgemeine Bankrisiken bezeichnet und vor den Eigenkapitalpositionen ausge­ wiesen. Aufgrund des unzureichenden Versicherungsschutzes, den eingeschränkten Möglichkeiten zur Rückstellungsbildung und der letztlich beschränkten Zweck­ bindung anderer Gewinnrücklagen sowie vor dem Hintergrund des mit der Ge­ fährdungshaftung gestiegenen Haftungsrisikos, sollten Unternehmen ökologi­ scher Risikobranchen die Möglichkeit erhalten, in Analogie zum Fonds für all­ gemeine Bankrisiken, ihr umweltbezogenes Branchenrisiko bilanziell in einem “Fonds für Umweltrisiken“ zu berücksichtigen. Als ökologische Risikobranchen, d.h. Wirtschaftsbereiche, in denen Umweltrisiken in der Vergangenheit verstärkt aufgetreten sind, wurden bei einer bundesweiten Befragung die Metallver- und bearbeitung, Tankstellen, die Automobil- und Chemiebranche, galvanische Be­ triebe und Speditionen ermittelt.1 Dies muß zwar keine abschließende Liste dar­ stellen, es könnte sich aber um die Kernbranchen handeln, denen die Möglichkeit gegeben werden sollte, zur finanziellen Absicherung branchenspezifischer Um­ weltrisiken einen solchen Fonds zu bilden. Entsprechend den für den Fonds für allgemeine Bankrisiken gültigen Vorschrif­ ten kann die Geschäftsleitung des jeweiligen Unternehmens Beträge in beliebiger Höhe in den Fonds für Umweltrisiken einstellen.2 Obwohl die Einstellung von Beträgen in den Fonds faktisch der Gewinnverwendung zuzurechnen ist, finden die Vorschriften der §§ 58 AktG, 29 GmbHG keine Anwendung. Ob und in wel­ cher Höhe Risikoreserven für branchenspezifische Umweltrisiken gebildet wer­ den, bleibt ausschließlich den geschäftsführenden Organen vorbehalten.3 Eine betragsmäßige Obergrenze besteht nicht. Damit ist die Möglichkeit gegeben, entsprechende Beträge vor der Ausschüttungskompetenz der Anteilseigner zu bewahren.

Die Reservenbildung sollte möglich sein, soweit dies nach vernünftiger kaufmän­ nischer Beurteilung wegen der besonderen ökologischen Risiken des betreffen­ den Geschäftszweigs notwendig ist. Durch diese Formulierung wird zwar ein relativ weiter bilanzpolitischer Bemessensspielraum eröffnet, mit einer willkürli­ chen Anhäufung von als Risikoreserven deklarierten Mitteln ist in Anbetracht des Wunsches der Anteilseigner nach stetigen, möglichst sogar steigenden Gewinn­ ausschüttungen und der zunehmenden Orientierung am Shareholder-Value aber nicht zu rechnen.4 Auch bei der Inanspruchnahme einer Risikovorsorge in dieser

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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Weber, O./Scholz, W. (Ökologie 1996), S. 372f. Waschbusch, G. (Risikovorsorge 1994), S. 166. Bieg, H. (Bilanzierung 1994), S. 62. Waschbusch, G. (Risikovorsorge 1994), S. 166.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

Form ist darauf hinzuarbeiten, die Akzeptanz durch die Anteilseigner sicherzu­ stellen und die Gründe für die Bildung plausibel zu machen.1 Eine praktische Grenze für die Höhe der Fondszuweisungen ergibt sich neben dem Umfang des latenten Risikos zukünftiger Ersatzansprüche und praktischer geschäftspolitischer Gegebenheiten auch hier aus der Ertragskraft des jeweiligen Unternehmens. Insbesondere aufgrund der potentiell immensen finanziellen Konsequenzen von Umweltrisken ist die grundsätzliche Unbeschränktheit der Fondsbildung aber zur optimalen Kompensation der Auswirkungen von Umweltrisiken notwendig. Entsprechend den Regelungen in § 340g Abs.2 HGB zur bankbetrieblichen Risi­ kovorsorge, sind sowohl die Aufwendungen aus der Zuführung zum Fonds als auch die Erträge aus der Auflösung des Fonds in der GuV gesondert auszuweisen und dementsprechend völlig transparent. Es ist damit möglich, sowohl den Ge­ samtbestand an offenen Vorsorgereserven für branchenspezifische Umweltrisiken zu erkennen als auch deren betragsmäßige Veränderung im Zeitablauf. Darüber hinaus sind Vergleiche mit anderen Unternehmen möglich.2 Die Form des offenen Ausweises in der GuV ist für die bankspezifische offene Risikovorsorge weder im HGB noch in der Rechnungslegungsverordnung für Kreditinstitute (RechKredV) geklärt. Da die Fondsbeträge steuerlich nicht aner­ kannt werden, die Zuführung zu dem Fonds also aus versteuertem Gewinn zu tätigen ist, kommt nur der Ausweis in einer Position nach dem zu versteuernden Ergebnis und den Steueraufwendungen in Betracht. Der in der Literatur für den Fonds für allgemeine Bankrisiken präferierten Lösung, einen isolierten Posten direkt vor dem Jahresüberschuß nach Steuern, aber vor der Gewinnverwendung und den Rücklagenveränderungen aufzunehmen, wird auch hier gefolgt.3 Diese Position macht deutlich, daß der Fonds für Umweltrisiken nicht nur zu einer Verstetigung des Bilanzgewinns, sondern auch des Jahresüberschusses - wenn auch nur des Jahresüberschusses nach Steuern - beitragen kann. Die Einführung eines Fonds für Umweltrisiken kann damit für den Fall, daß keine umweltbezo­ genen Sondervorschriften für die Rückstellungsbildung eingeführt werden, als alternative Änderung der Rechnungslegungsstandards zur Verbesserung der Risi­ kovorsorge aufgefaßt werden.

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Vgl. Waschbusch, G. (Risikovorsorge 1994), S. 167. Vgl. Bieg, H. (Bilanzierung 1994), S. 62. Vgl. Waschbusch, G. (Risikovorsorge 1994), S. 166. i.V.m. Formblatt 3 gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 RechKredV.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

3.

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Kritische Würdigung der Rücklagen- und Fondsbildung für Umweltrisiken

Sicherheits- und Kostenaspekte des Selbsttragens von Risiken durch Rücklagen­ bildung wurden bereits im Zusammenhang mit der Reservenbildung und an je­ weils passender Stelle angesprochen und einer allgemeinen Betrachtung unterzo­ gen. Dementsprechend sollen diese Überlegungen an dieser Stelle im einzelnen nicht mehr aufgegriffen werden. Auf die Frage der Besteuerung der Reservenbil­ dung wird hier jedoch nochmals eingegangen. Aufgrund der steuerlichen Nicht­ anerkennung der Zuführungsbeträge, d.h. der Bildung der Reserven aus versteu­ erten Gewinnen, wird das Selbsttragen von Risiken häufig als zu teuer und unge­ eignet kritisiert.1 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß das Problem der Besteuerung eigenkapitalbasierter Reserven im Vergleich zur Reservenbildung im Rahmen der Gewinnermittlung durch Rückstellungen häufig verkürzt wieder­ gegeben wird. Bei Rückstellungen resp. Reserven, die aufwandswirksam gebildet wurden, ist die Auflösung ergebniswirksam. Da im Schadenfall der Auflösung der Rückstellung der Schadenaufwand gegenübersteht, ist dies letztlich ergebnis­ neutral. Daß der angestrebte finanzielle Zielwert trotz eingetretener Zielabwei­ chungen erreicht werden kann, ist ja gerade das Ziel der Rückstellungsbildung! Stellt sich heraus, daß das Risiko, aufgrund dessen die Rückstellung gebildet wurde, mit Sicherheit nicht mehr eintreten wird, d.h. der ergebniswirksamen Rückstellungsauflösung kein Schaden gegenübersteht, sind die Beträge nunmehr zu versteuern. Letztlich ergibt sich damit eine Steuerreduzierung nur für die dem Schaden entsprechenden Beträge. Bei Rücklagen resp. Reserven, die nicht im Rahmen der Gewinnermittlung, son­ dern aus versteuerten Gewinnen gebildet wurden, ist demgegenüber der Schaden aufwandswirksam. Da die Auflösung der Rücklagen ergebnisneutral ist, d.h. die „Zurechnung“ erst nach der Feststellung des Jahresüberschusses erfolgt, wird in diesem Fall die Steuerersparnis im Jahr der Schadenzahlung wirksam. Unter der Voraussetzung konstanter Steuersätze und bei Vernachlässigung des Zeitwertes der Geldleistungen ergeben sich damit nominell keine Unterschiede der steuerli­ chen Belastung von Schadenreserven durch Rücklagen und Rückstellungen. Differenzen bestehen im wesentlichen nur im Zeitpunkt der Steuerzahlung. Letztlich ergibt sich aus der Rückstellungsbildung im Vergleich zur Bildung von Rücklagen nur eine Steuerstundung. Die Kritik und der Kostennachteil sind dem­ entsprechend nur hinsichtlich der für eine Steuerbarwertminimierung gewünsch­ ten Vorverlagerung der schadenbedingten Steuerwirkung berechtigt. Da dies aber zu einer momentanen Liquiditätsverbesserung und einem zinslosen Steuerkredit 1

Vgl. Röder, U. (Versicherungen 1990), S. 90f; Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 309.

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2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

führt, entfalten Reserven, die aufwandswirksam gebildet werden dürfen, eine bessere finanzielle Vorsorgewirkung. In die Zukunft verschobene Steuerwirkun­ gen bestimmen insbesondere vor dem Hintergrund hoher Steuerquoten den finan­ ziellen Spielraum einer Unternehmung, und damit die Fähigkeit zur Reservenbil­ dung entscheidend mit.1 Neben der steuerlichen Behandlung ist im Zusammenhang mit der Bildung offe­ ner Reserven in Form von Rücklagen resp. des Fonds für Umweltrisiken die Außenwirkung der offenen Reserven anzusprechen. Einerseits befürchten die Unternehmen, daß die explizite Erwähnung offener Reserven - bei Altlasten meist in Form von Rückstellungen - für den konkreten Schadenfall von der Öf­ fentlichkeit als Schuldeingeständnis aufgefaßt werden könnte.2 Deswegen wird dann i.d.R. auf eine Offenlegung verzichtet, sofern keine Passivierungspflicht besteht resp. Möglichkeiten vorhanden sind, diese hinauszuzögern. Dies führt andererseits dazu, daß bestehenden Umweltschutz- und Altlastenver­ pflichtungen keine finanziellen Deckungspotentiale gegenüberstehen. So haben in einer Umfrage über 60 % der befragten US-Unternehmen angegeben, daß sie zwar bekannte Altlasten auf ihren Grundstücken haben, Rückstellungen dafür aber nicht gebildet wurden.3 Aufgrund der etwas günstigeren Möglichkeiten zur Rückstellungsbildung wird dieser Anteil in Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach niedriger sein. Insgesamt aber kann festgestellt werden, daß die Jahresab­ schlüsse in bezug auf drohende Umweltverpflichtungen vielfach durch „stille Lasten“ gekennzeichnet sind.

Diese Situation hat im Zusammenhang mit der Angst, bei auftretenden Umwelt­ schäden als Zustandsstörer in Anspruch genommen zu werden vor allem in den USA und in Großbritannien dazu geführt, daß Investoren und Kreditinstitute Kapital und Kredite verknappt haben. Bestimmte Branchen, denen erhöhte Um­ weltrisiken zugerechnet werden, waren teilweise gänzlich vom Kreditmarkt abge­ schnitten oder mit deutlich gestiegenen Finanzierungskosten konfrontiert.4 Auch in Deutschland sind ähnliche Entwicklungen und eine verstärkte Sensibilität bei der Kreditvergabe an ökologische Risikobranchen zu verzeichnen.5 Speziell für Unternehmen dieser Branchen, die zum einen erhöhte Umweltrisken beinhalten, zum anderen aber auch mit diesen Risken - ob im Einzelfall berech­ tigt oder nicht - in Verbindung gebracht werden, ist es von Bedeutung, nachwei-

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Vgl. Schierenbeck, H. (Grundzüge 1998), S. 588. Vgl. Schulz, T. (Berichterstattung 1995), S. 21 If. Vgl. Kleber, H. (Rechnungslegungsgrundsätze 1993), S. 390. Vgl. Keidel, T. (Ökologische Risiken 1997), S. 41 u. S. 93f. Vgl. Weber, O./Scholz, W. (Ökologie 1996), S. 372.

2. Teil: Traditionelle Formen der Risikofinanzierung

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sen zu können, daß für diese spezifischen Risiken und deren finanziellen Konse­ quenzen ausreichend Vorsorge getroffen wurde. Von Interesse ist dabei insbe­ sondere, inwieweit potentielle Verpflichtungen gedeckt sind resp. vom Unter­ nehmen getragen werden können. In diesem Zusammenhang kann der offene Ausweis entsprechender Reserven, beispielsweise in Form eines Fonds für Um­ weltrisiken, Vertrauen in die Fähigkeit der Unternehmen stärken, die finanziellen Risiken zu bewältigen.

Die bilanzielle Erfassung in Form von Rücklagen oder des transparenten Fonds für Umweltrisiken stärkt die Informationsfunktion des Jahresabschlusses und kommt somit den Interessen der Investoren entgegen, was den Unternehmen ökologischer Risikobrachen wiederum die zukünftige Kapitalbeschaffung er­ leichtern, eventuell sogar verbilligen kann. Darüber hinaus wird mit diesen For­ men der bilanziellen Risikovorsorge ein weiterer Schritt zur Internationalisierung der Rechnungslegung vorgenommen.

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Dritter Teil

Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung Der letzte Teil der Arbeit befaßt sich mit den hybriden Instrumenten der Risiko­ finanzierung, den Finite Risk-Konzepten und den Captives. Im Mittelpunkt steht dabei die Analyse der Einsatzmöglichkeiten der hybriden Formen für die Finan­ zierung von Umweltrisiken und die Ableitung geeigneter Deckungskonzepte. Als abschließendes Ziel wird dabei die formale Entwicklung einer integrativen Sy­ stematik zur umfassenden Bewältigung der finanziellen Auswirkungen von Um­ weltrisiken angestrebt. Diese Systematik greift einerseits auf die einzelnen In­ strumente der Risikofinanzierung zurück. Andererseits ist darauf hinzuarbeiten, daß aktive und passive Risikobewältigungsmaßnahmen integriert und koordiniert werden und auf einer fundierten Risikoanalyse aufbauen können. Die hybriden Formen der Risikofinanzierung verbinden Elemente des Selbsttragens mit Versicherungskomponenten. Ihr Einsatz zur Finanzierung von Umwelt­ risiken stellt eine Reaktion auf die Tendenz dar, daß es trotz der allgemein beste­ henden theoretischen Versicherbarkeit bei Umweltrisiken neben einer einge­ schränkten Versicherung z.T. nur zu einem partiellen Risikotransfer kommt.1 Versicherer und Versicherte teilen sich die Finanzierung von Risiken im Grenz­ bereich des Versicherbaren. Ferner sind die Versicherungslösungen für Umwelt­ risiken aus Sicht der Versicherten teilweise mit überhöhten Prämien verbunden. Insgesamt erhält das Selbsttragen von Umweltrisiken verstärkte Bedeutung.

Aus den im zweiten Teil identifizierten Nachteilen des Selbsttragens resultieren weitere Gründe für die Ausgestaltung hybrider Formen der Risikofinanzierung. Zum einen können Risiken eintreten, bevor die Reserven in der beabsichtigten Höhe aufgebaut werden konnten. Dies führt zur Suche nach Lösungen, bei denen der Zeitpunkt des Schadeneintritts keine Rolle spielt bzw. die Reserven vom ersten Tag an in voller Höhe zur Verfügung stehen. In Anbetracht der steuerli­ chen Problematik des Selbsttragens sollen die hybriden Formen schließlich den Aufbau von Deckungspotentialen ermöglichen, die aufwandswirksam gebildet werden können und die insbesondere eine bessere finanzielle Vorsorge Wirkung als das traditionelle Selbsttragen entfalten. 1

Vgl. Helten, E. (Ökologische Risiken 1991), S. 125; Helten, E. (Versicherungstechnische Mög­ lichkeiten 1992), S. 167.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

A.

FINITE RISK-KONZEPTE ALS FORMEN DER BEGRENZTEN ÜBERTRAGUNG VON UMWELTRISIKEN

I.

Abgrenzung und Einordnung

1.

Entwicklungsgründe der Finite Risk-Konzepte und deren Parallelen zu den Schwachstellen der tradi­ tionellen Finanzierungsformen für Umweltrisken

Der Begriff „Finite Risk“ wird im allgemeinen für ein breites Spektrum an Kon­ zepten verwendet, die eine Kombination von Finanzierungs- und Versicherung­ selementen darstellen. Diese Konzepte sollen den Unternehmen eine finanzielle Vorsorge und die zeitliche Verteilung von Schadenzahlungen ermöglichen, in­ dem die finanziellen Reserven und deren Verwaltung auf einen externen Risi­ koträger übertragen werden. Finite Risk-Deckungen haben dabei in erster Linie eine Finanzierungsfunktion für das nachfragende Unternehmen und dienen weni­ ger der Übertragung von versicherungstechnischem Risiko.1 Das bedeutendste Merkmal solcher Konzepte stellt - wie der Begriff „finite“ andeutet - die begrenzte Risikoübernahme des Versicherers dar.2 Fällige Scha­ denzahlungen werden mit Hilfe von Finite Risk-Deckungen i.d.R. über mehrere Jahre verteilt und so für die Unternehmen finanzierbar gemacht. Die Konzepte beinhalten zwar ein bestimmtes Maß und bestimmte Formen von Risikotransfer, das zu deckende Risiko wird aber vom Versicherungsnehmer weitgehend selbst finanziert.3 Finite Risk-Konzepte verbinden eine limitierte Risikoübernahme durch den Versicherer mit einer Selbstfinanzierung durch externe Kapitalbildung. Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, stellen sie eine Kombination von Versicherungs- und Bankleistungen dar. Im Gegensatz zum getrennten Ein­ satz von Bank- und Versicherungsprodukten, bei dem sich jeweils nur ein Teil des gesamten Risikos abdecken läßt, kann sich aus der Kombination ein echter Mehrwert ergeben.4 Die sich heute am Markt befindlichen und diskutierten Finite Risk-Konzepte haben ihre Wurzeln in der Finanz-Rückversicherung (financial reinsurance).

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Vgl. Patterson, A. (Risikotransfer 1997), S. 607. Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 3. Zu den Formen des Risikotransfers vgl. Kapitel A.I.3. dieses Teils, S. 247f. Vgl. Strebel, B. (Value Added 1995), S. 42.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Rückversicherungen beinhalten spezielle SicherungsVereinbarungen zwischen Versicherungsunternehmen, bei denen ein Rück- einem Erstversicherungsunter­ nehmen zusichert, Teile von dessen Verpflichtungen gegenüber den Versicherten zu übernehmen.1 Die Rückversicherung kann damit als eine Versicherung der Versicherer aufgefaßt werden. Die financial reinsurance betont neben risikopolitischen Effekten insbesondere finanz- und erfolgswirtschaftliche Aspekte und wird als steuer- und bilanzpoliti­ sches Instrument angewendet.2 Die Ursprünge der financial reinsurance reichen bis in die sechziger Jahre zurück, als aufgrund fehlender traditioneller Versiche­ rungen alternative Deckungen für die Erdölexploration und -förderung entwickelt wurden.3 Einen signifikanten Zuwachs erhielten die Konzepte seit Beginn der achtziger Jahre insbesondere im anglo-amerikanischen Wirtschaftsraum. Die verstärkte Nachfrage läßt sich auf verschiedene Gründe zurückführen.4 Eine erste Ursache liegt in der zunehmenden Volatilität der Prämien und der Verknappung des Rückversicherungsschutzes für Katastrophen- und Haftpflichtrisiken. Die mit der Verknappung der Deckung zusammenhängende Verteuerung traditioneller Rückversicherungen hat die Entwicklung von Finite Risk-Deckungen speziell für Risiken im Grenzbereich der Versicherbarkeit beschleunigt. Formen der financial reinsurance werden insbesondere als Substitution oder Ergänzung für nicht ver­ fügbare oder - nach dem Empfinden der Kunden - zu teure traditionelle Versiche­ rungen eingesetzt.5

Zum anderen wurde die Entwicklung der Finite Risk-Konzepte in den USA maß­ geblich durch die sich wandelnde Rechtsprechung und das gestiegene Risiko, unkalkulierbaren Haftpflichtansprüchen gegenüberzustehen, beeinflußt. Darüber hinaus waren die zu Beginn der achtziger Jahre auftretenden Verschlechterungen der versicherungstechnischen Resultate resp. die starken Schwankungen im ver­ sicherungstechnischen Ergebnis der Sach- und Haftpflichtversicherungsunter­ nehmen verantwortlich dafür, daß financial reinsurance verstärkt als bilanzpoliti­ sches Instrument zur Verbesserung von Bilanzkennzahlen, zur Glättung der Peri­ odenergebnisse und zur Substitution von Eigenkapital eingesetzt wurde.

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Das Erstversicherungsuntemehmen, das im Zusammenhang mit einer Rückversicherung Risiken an den Rückversicherer abgibt, wird häufig als Zedent, die Abgabe der Rückversicherung als Zession und das Rückversicherungsuntemehmen als Zessionär bezeichnet. Für einen Überblick über Funktion und Formen der Rückversicherung vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 76Iff. Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 489; Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1328. Vgl. Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), S. 7. Vgl. Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), S. 7f. Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1203.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Zu weiteren Einsatzgebieten von Finite Risk-Deckungen haben sich Fusionen und Akquisitionen von Haftpflicht- und Schadenversicherungsunternehmen resp. der Rückzug aus bestimmten Versicherungssparten oder geographischen Gebie­ ten entwickelt.1 Derartige Vorgänge lassen sich nur durchführen, wenn die finan­ ziellen Konsequenzen bereits eingetretener oder in der Vergangenheit verur­ sachter Schadenfälle bewältigt worden sind bzw. bei den Transaktionen berück­ sichtigt werden können. Finite Risk-Deckungen für solche Risiken können beiden Parteien die nötige Planungssicherheit geben resp. die sofortige Aufgabe eines bestimmten Geschäftsfeldes ermöglichen, indem sie die Deckung und Finanzie­ rung der zukünftig zu leistenden Schadenzahlungen regeln. Speziell in den USA spielten schließlich steuerliche Gründe bei der Entwicklung und dem Einsatz der financial reinsurance eine Rolle. Deutsche Versicherungs­ unternehmen haben nach § 341h HGB die Möglichkeit, auftretende Über- und Unterschäden durch die Bildung von Schwankungsrückstellungen und ähnlichen Rückstellungen - darunter fallen hauptsächlich die früher als Großrisikorückstel­ lungen bezeichneten Positionen - periodisch zu verrechnen. Während den Versi­ cherern damit ein Ausgleich in der Zeit und, als Folge daraus, eine Ergebnisglät­ tung ermöglicht wird, bleibt dies Versicherungsunternehmen in den USA ver­ wehrt.2 Da die US-amerikanische Rechnungslegung solche Rückstellungen und die damit verbundenen steuerlich abzugsfähigen Zuführungen nicht zuläßt, ge­ winnt die Bildung außerbilanzieller Reserven durch Finite Risk-Konzepte und deren steuerlicher Entlastungseffekt erhöhte Bedeutung. In Literatur und Praxis hat sich für Konzepte, die eine limitierte Risikoübernah­ me durch den Versicherer mit Finanzierungsleistungen verbinden, bislang keine allgemeingültige Bezeichnung durchgesetzt. Zwar haben solche Konzepte ihre Wurzeln in der financial reinsurance, inzwischen werden Finite Risk Produkte aber sowohl von Versicherungsunternehmen als auch seit ungefähr zehn Jahren von meist großen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen angewendet, was im allgemeinen als „financial insurance“ bezeichnet wird.3 Aufgrund der Entwick­ lungsgeschichte werden damit neben dem Begriff „Finite Risk“ auch Namen wie „financial reinsurance“ oder „financial insurance“ verwendet. Während bei der financial reinsurance Vereinbarungen zwischen Versicherungsunternehmen ge­

1 2

3

Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 10; Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1329; Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), S. 10. Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1333. Für einen Überblick über Bildung und Funktion von Schwankungsrückstellungen vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 881 ff. Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 3ff.; Schweizer Rück (Finite RiskRückversicherung 1997), S. 4.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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troffen werden, transferiert bei der financial insurance ein NichtVersicherungsunternehmen finanzielle Risiken direkt an einen Risikoträger, bei dem es sich aber sowohl um ein Erst- als auch um ein Rückversicherungsunter­ nehmen handeln kann.1

In dieser Arbeit steht die Risikofinanzierung von Industrieunternehmen und nicht die Rückversicherung im Mittelpunkt. Dementsprechend wird der Begriff der „financial reinsurance“ hier nicht weiter verwendet. Da der Begriff der „financial insurance“ sowohl Erst- als auch Rückversicherungsunternehmen erfaßt und damit keine eindeutige und aussagekräftige Kennzeichnung darstellt, wird im folgenden, bezogen auf das Hauptmerkmal - die begrenzte Risikoübertragung der Begriff der Finite Risk-Deckung verwendet. Der kurze Abriß über die historische Entwicklung der Finite Risk-Konzepte zeigt, daß deren Entstehungsgründe deutliche Parallelen zu den im zweiten Teil identifizierten Problemfeldern der traditionellen Risikofinanzierung von Umwel­ trisiken aufweisen.

Für Umweltrisiken sind - ähnlich wie in den achtziger Jahren auf dem USamerikanischen Rückversicherungsmarkt für Sach- und Haftpflichtversicherun­ gen - die verfügbaren Versicherungslösungen durch Deckungslücken gekenn­ zeichnet oder es bestehen für bestimmte Risiken Kapazitätsengpässe. Im Rahmen von Versicherungslösungen lassen sich zwar die elementaren umweltrechtlichen Haftungsnormen abdecken, aufgrund umfangreicher Ausschlußkataloge, z.B. für Normalbetriebsrisiken und Allmählichkeitsschäden, sind im Umweltbereich Risi­ kosituation und Versicherungsdeckung jedoch nicht vollständig kongruent.

Neben dem begrenzten Deckungsschutz steht insbesondere bei Unternehmen mit guten Schadenverläufen die Preis-Leistungs-Relation des Versicherungsschutzes in der Kritik. Die mangelnde Akzeptanz beruht vor allem auf dem mangelnden Bezug zur individuellen Risikosituation und der fehlenden Berücksichtigung des jeweiligen Sicherheitsstandards sowie den hohen Selbstbehalten, die nur unzurei­ chend prämienermäßigend berücksichtigt werden. Dies führt speziell bei steigen­ den Preisen auf dem traditionellen Versicherungsmarkt zu verstärkten Überle­ gungen über alternative Deckungskonzepte. Fallen die Preise aufgrund eines weichen Marktes für die traditionellen Versicherungen, so wird zwar kurzfristig mit einer nachlassenden Nachfrage zu rechnen sein.2 Ist der traditionelle Markt aber durch volatile Preise und eine fehlende Beachtung der individuellen Risiko­ situation gekennzeichnet, werden Finite Risk-Konzepte insbesondere bei Unter­ nehmen mit einer guten Schadenerfahrung auf lange Sicht interessant. 1 2

Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 4. Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1203.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Darüber hinaus ergibt sich für die im Zusammenhang mit dem begrenzten Dekkungsschutz angestellte Überlegung, alternativ zur Versicherungsnahme, die Risiken mittelfristig weitgehend selbst zu finanzieren, das Problem der einge­ schränkten Rückstellungsbildung. Der für das Selbsttragen von Umweltrisiken notwendige Aufbau finanzieller Reserven ist aufgrund der fehlenden steuerlichen Akzeptanz der Zuführungen zu den internen Reserven in weiten Teilen nur durch versteuerte Gewinne möglich. Das wiederum beeinträchtigt den Finanzierungsef­ fekt. Wie bei der Entwicklung der financial reinsurance in den USA sprechen auch bei der Finanzierung von Umweltrisiken steuerliche Gründe für die Bildung externer, außerbilanzieller Reserven, sofern die jeweiligen Zuführungen steuer­ lich abzugsfähig sind. Schließlich sind Finite Risk-Konzepte dann geeignet, wenn die Wahrscheinlich­ keit, daß sich bestimmte Schäden wiederholen können, als gering einzuschätzen ist.1 In Situationen, in denen ein Schadeneintritt die Risikosituation für die Zu­ kunft beendet, d.h. nur mit einem einmaligem Schadeneintritt gerechnet wird, stellt sich die Frage, ob eine Versicherung sinnvoll ist, die über längere Zeiträu­ me hinweg aufrecht erhalten bleibt. In diesem Zusammenhang ist zum einen an Altlasten, die eventuell entstanden sind und entdeckt werden können, und zum anderen an Entwicklungsrisiken zu denken. In beiden Fällen handelt es sich um Risiken, die sich normalerweise nur einmal verwirklichen können. Einmalige Schadenfälle ergeben sich dabei, wenn eine Bodenverseuchung stattgefunden hat und entdeckt wurde bzw. wenn sich eine Emission entgegen der bisherigen An­ nahme als schädlich herausgestellt und nach Bekanntwerden dieser Schädlichkeit ein Produktionsverbot ergeht, d.h. weitere Emissionen des betroffenen Stoffes nicht mehr auftreten. Die Bewältigung dieser Schäden kann sich zwar über einen längeren Zeitraum erstrecken und im Fall der Entwicklungsrisiken können auch mehrere Schadenfälle eintreten. Da die Risiken aber nicht weiter bestehen, ist in der Zukunft mit erneuten Schadenfällen nicht zu rechnen. Der Einsatz von Finite Risk-Konzepten für solche Risiken kann in Analogie zur Deckung der zukünftigen Schadenzahlungen für bereits eingetretene oder in der Vergangenheit verursachte Schadenfälle im Rahmen von Akquisitionen bzw. Fusionen von Versicherungsunternehmen oder der Aufgabe bestimmter Versiche­ rungssparten gesehen werden. Auch hier handelt es sich um „Altlasten“ des ver­ gangenen Betriebs resp. um Schadenzahlungen, die - wenn sie fällig werden - nur einmal auftreten werden, da nach einem Schadenfall das zugrundeliegende Risiko nicht mehr existiert.

1

Vgl. Schweizer Rück (risk financing 1996), S. 17.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Merkmale von Finite Risk-Konzepten

2.

Der Versuch, Finite Risk-Konzepte allgemeingültig zu beschreiben oder eine einheitliche, allgemein anerkannte Definition in der Literatur oder bei den An­ bietern solcher Konzepte zu finden, scheitert an der unterschiedlichen und sehr spezifischen Nutzung der Konzepte und der Vielfalt der angebotenen Produktva­ rianten.1 Abgesehen von der grundlegenden Beschreibung, daß es sich um eine Kombination von Risikoübertragung und Selbsttragen der Risiken handelt, er­ scheint es für das Verständnis der Konzepte sinnvoller, die speziellen Merkmale und Besonderheiten von Finite Risk-Deckungen herauszuarbeiten. Die folgende Abb. 26 gibt einen Überblick über die für Finite Risk-Konzepte charakteristi­ schen Merkmale.

/ Begrenzte © \\

7

Risikoübernahme

des y / ® \ \ Versicherers /

Pround retrospektive .Vertragsformei '

7 © 1 Maß­ geschneiderte, individuelle l Lösungen y

Merkmale von Finite Risk Konzepten

Gewinn­ beteiligung des Versicherten

Berücksichtigung' von . Kapitalanlage- / \ erträgen / Mehrjährige Vertragsdauer

Abb. 26:

Merkmale von Finite Risk-Konzepten

Zu ®: Begrenzte Risikoübernahme des Versicherers

Das bedeutendste Charakteristikum aller Finite Risk-Konzepte stellt die vertrag­ liche Begrenzung der Haftung des Versicherers für Schadenzahlungen dar.2 Die Prämienkalkulation basiert bei Finite Risk-Deckungen im allgemeinen auf der Annahme, daß der Gesamtwert der erwarteten Schadenzahlungen dem verein­ barten Gesamtdeckungslimit entspricht. Über entsprechende Prämienzahlungen 1 2

Vgl. Banham, R. (Finite Risk Products 1994), S. 38; Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1202; Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), S. 4. Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 4.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

hat der Versicherungsnehmer diese Deckungssumme aufzubringen. Übersteigen die Versicherungsleistungen die bis zu diesem Zeitpunkt aufgebrachten Prämien, ist der Versicherungsnehmer i.d.R. verpflichtet, die entstehende Differenz über die Zeit weitgehend auszugleichen.1 Da damit das jeweilige Risiko nicht voll­ ständig transferiert, sondern zu großen Teilen selbst finanziert wird, ist die Über­ tragung von versicherungstechnischem Risiko bei Finite Risk Verträgen limi­ tiert.2 Zu

Gewinnbeteiligung des Versicherten

Finite Risk Vereinbarungen beinhalten typischerweise die Rückzahlung von Prämien an den Versicherungsnehmer, wenn die tatsächlichen Schäden geringer ausfallen als ursprünglich prognostiziert.3 Die Ergebnisteilung mit dem Versi­ cherten stellt ein unveränderliches und wesentliches Element von Finite RiskKonzepten dar und verbindet die Interessen beider Vertragsparteien. Durch die substantielle Prämienrückgewähr wird ein enger Zusammenhang zwischen der individuellen Schadensituation und den Versicherungskosten hergestellt, der zum einen als Anreiz für aktives Risikomanagement, zum anderen als Gegenleistung für die begrenzte Risikoübernahme durch den Finite Risk Anbieter betrachtet werden kann.4 Die Gewinnbeteiligung des Versicherten kann dabei zwischen 50 % und 90 % der angesammelten Reserven variieren.5 Wie die Erfahrung zeigt, sind aufgrund der Berücksichtigung von Kapitalanlageerträgen sogar Rückzah­ lungen möglich, welche die eingezahlten Prämien übersteigen.

In bezug auf die ersten beiden Merkmale kann zusammenfassend festgehalten werden, daß Finite Risk-Konzepte auf der Erkenntnis aufbauen, daß der Versi­ cherte bei reinen Versicherungslösungen zwar einerseits, insbesondere im Be­ reich der mittleren Risiken, seine Schäden über einen längeren Zeitraum letztlich selbst bezahlt, er andererseits aber für den Fall, daß im betrachteten Zeitraum ein positiver Schadenverlauf zu verzeichnen ist, nicht an dem daraus entstehenden Gewinn beteiligt wird.6 Als Antwort darauf werden bei Finite Risk-Konzepten sowohl das Risiko als auch der potentielle Gewinn für den Versicherer begrenzt und durch ein Haftungslimit sowie eine Gewinnbeteiligung im voraus festgelegt.7

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1328. Auf die unterschiedlichen Formen des im Rahmen von Finite Risk-Konzepten stattfindenden Risikotransfers wird im folgenden Kapitel eingegangen. Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 4f. Vgl. Brown, D. (Finite risk 1995), S. 31; Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), S. 5. Vgl. Souter, G. (Finite risk's 1995), S. 6. Vgl. o.V. (InFinite Risk 1995), S. 26. Vgl. Willis Corroon (Forecast 1997), S. 4.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Zu ®: Berücksichtigung von Kapitalanlageerträgen

Im Rahmen der traditionellen Versicherung, bei der unterstellt wird, daß die Einzahlungen der Prämien und die Auszahlungen für Schadenersatzleistungen und Betriebskosten die gleiche Fälligkeit haben, werden Zinseffekte bei der Prä­ mienkalkulation der Nichtlebensversicherung im allgemeinen nicht berücksich­ tigt.1 Im Gegensatz dazu zeichnen sich Finite Risk-Konzepte durch die explizite Berücksichtigung der erwarteten Kapitalanlageerträge aus.2 Der ökonomische Wert von Zahlungen hängt nicht nur von deren Höhe, sondern auch von den Fälligkeitsterminen ab. Da die Versicherungsprämien dem Versicherer zufließen, bevor er für Schadenzahlungen aufkommen muß, kann der größte Teil, der nicht zur Deckung der Betriebskosten benötigt wird, zinsbringend angelegt werden. Die erzielten Zinserträge können zur Bezahlung auftretender Schäden herange­ zogen werden und sind insbesondere in Sparten, bei denen die Schadenrealisie­ rung resp. -abwicklung längere Zeit in Anspruch nehmen kann, von Bedeutung. Da die Frist zwischen dem Zeitpunkt der Prämienkalkulation, den folgenden Prämieneinzahlungen und der Fälligkeit der Schadenzahlungen durch den Ansatz von Zinserträgen berücksichtigt wird, kann im Rahmen von Finite RiskKonzepten vielfach ein günstigerer Deckungsschutz angeboten werden als bei der traditionellen Versicherung ohne die Mitberücksichtigung der Zinsen.3 Zu ®: Mehrjährige Vertragsdauer

Im Gegensatz zu den meisten traditionellen Versicherungen, die im allgemeinen für eine Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen werden, haben Finite RiskDeckungen i.d.R. eine mehrjährige Laufzeit.4 Typisch sind dabei Vertragslauf­ zeiten zwischen drei und zehn Jahren. Laufzeiten bis zu dreißig Jahren sind aller­ dings keine Seltenheit.5 Das Risikomanagement und die Risikofinanzierung sind entsprechend den meisten anderen Aspekten der Unternehmensplanung, die sich über einen mehrjährigen Zeitraum erstrecken, ebenfalls über mehrere Jahre zu planen.6 Durch die mehrjährige Vertragsdauer können die Unternehmen zum einen Kosten und Zeitaufwand für die jährliche Überprüfung und Verlängerung des Versicherungsschutzes vermindern, zum anderen werden sie unabhängig von Prämienschwankungen, die sich aus von Jahr zu Jahr unterschiedlichen Scha­ denerfahrungen und Marktsituationen ergeben können. Während Versicherungs­ 1 2 3 4 5 6

Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 47. Vgl. Fiechter, P./Vieli, D. (Allfinanz 1997), S. B15. Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1204. Vgl. Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), S. 5; Brown, D. (Finite risk 1995), S. 31. Vgl. Brown, D. (Finite risk 1995), S. 31; Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1206. Vgl. Hamer, M./Dickson, H. (Finite Risk 1995), S. 23.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

prämien in den letzten drei Jahrzehnten zu den volatilsten betrieblichen Aufwen­ dungen gehört haben, führen Finite Risk-Deckungen durch die festgeschriebenen Kosten und Kapazitäten zu kontinuierlichen und langfristig planbaren Prämien­ zahlungen.1 Zu O: Maßgeschneiderte, individuelle Lösungen

Finite Risk-Konzepte sind stets auf die individuellen Bedürfnisse, die spezifische Risikolage und die finanzielle Situation des Versicherungsnehmers zugeschnit­ ten.2 Finite Risk Standardprodukte existieren nicht. Im Gegensatz zur reinen Versicherung basieren Finite Risk-Deckungen nicht auf der Bildung eines Kol­ lektivs aus einer Vielzahl von Versicherungsverträgen. Da damit die Möglichkeit eines Ausgleichs im Kollektiv nicht gegeben ist, muß sich jeder einzelne Finite Risk Vertrag innerhalb eines bestimmten und bei Vertragsbeginn festgelegten Zeitraumes selbst tragen.3 Ein Risikoausgleich erfolgt bei Finite Risk-Konzepten nur über die Zeit. Bei Finite Risk-Deckungen wird im Prinzip darauf geachtet, daß jeder Versicherte für seine individuellen Schadenzahlungen tatsächlich weit­ gehend selbst aufkommt, während bei der traditionellen Versicherung über Prä­ miendifferenzierung und risikoadäquate Prämien das Ziel verfolgt wird, daß jeder Versicherungsnehmer den individuellen Erwartungswert seiner Schäden auf­ bringt.4 Im Zusammenspiel mit der Einsparung der „frictional costs“, d.h. von Anbahnungs-, Abschluß-, Verwaltungs- und Betriebskosten, die sich aus der mehrjähri­ gen Vertragsdauer ergibt, führen die kundenspezifischen Lösungen, die nicht aus einem Ausgleich im Kollektiv resultieren und damit die Kosten der Risikotrans­ formation minimieren, dazu, daß bei Finite Risk-Konzepten größtmögliche An­ teile der gezahlten Prämien der Risikotragung und nicht der Deckung von Trans­ aktionskosten dienen.5 Zu ®: Pro- und retrospektive Vertragsformen

Bei Finite Risk-Deckungen können grundsätzlich zwei Vertragsformen unter­ schieden werden. Prospektive Finite Risk-Konzepte beziehen sich auf die Dekkung des laufenden und zukünftigen Betriebs und dienen der Ansammlung von Finanzmitteln, die für zukünftige Schadenfälle zur Verfügung stehen sollen.6 Mit 1 2 3 4 5 6

Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1331. Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 4. Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1204. Vgl. Famy, D. (Versicherungsbetriebslehre 1995), S. 58. Vgl. Banham, R. (Finite Risk Products 1994), S. 38. Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1328; Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1202.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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ihrer Hilfe werden Schadenzahlungen über mehrere Jahre verteilt und so für die Unternehmen selbst finanzierbar gemacht. Prospektive Verträge werden insbe­ sondere zur Deckung von Katastrophenrisiken resp. von Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und -frequenz, aber hohem Schadenausmaß sowie zur Abfederung und Verteilung künftiger Ergebnisschwankungen, die auf zufällig auftretende Schadenhäufungen zurückzuführen sind, eingesetzt.1 Demgegenüber dienen retrospektive Verträge der Deckung und vorzeitigen Realisation von Schäden vergangener Jahre, die noch nicht abgewickelt resp. noch nicht entdeckt wurden, aber vermutet werden bzw. deren Eintritt befürchtet wird. Ihr Einsatz ist insbesondere bei Schäden interessant, bei denen aufgrund langer Abwicklungsfri­ sten der Zeitwert des Geldes zur Gestaltung und frühzeitigen Fixierung kostenef­ fizienter Deckungen genutzt werden kann.2

3.

Formen des Risikotransfers und Einordnung in das Kontinuum der Risikofinanzierung

Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, daß Finite RiskDeckungen eine Kombination von Risikotransfer und Selbsttragen von Risiken darstellen. Wie der Hinweis auf das wichtigste Charakteristikum - die klare Haf­ tungsbegrenzung für den Versicherer - zeigt, ist die Übertragung des Risikos bei Finite Risk-Konzepten limitiert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welcher Form und in welchem Umfang ein Risikotransfer bei Finite RiskKonzepten stattfindet. Die Mischung der einzelnen Risikokomponenten, die der Versicherer im Rahmen von Finite Risk-Konzepten übernehmen kann, unterscheidet sich von der tradi­ tionellen Versicherung.3 Aufgrund der Finanzierungsfunktion der Finite RiskDeckungen sind neben klassischen versicherungstechnischen Risikoformen ins­ besondere Kreditrisiken von Bedeutung. Im einzelnen lassen sich die folgenden vier Teilrisiken identifizieren, deren Übertragung an den Versicherer und der Umfang der Übertragung im Rahmen von Finite Risk-Deckungen gestaltet wer­ den können:

1

2 3

Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1202; Schweizer Rück (Finite RiskRückversicherung 1997), S. 12. Vgl. Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), S. 12. Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1203.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

(1) Underwriting-Risiko (2) Timing-Risiko (3) Zinsänderungsrisiko (4) Ausfallrisiko Entsprechend dem Charakter der Finite Risk-Konzepte als hybrides Risikofinan­ zierungsinstrument entspringen die ersten beiden Teilrisiken dem Aspekt der Risikoübertragung, während die anderen zwei ihren Ursprung in der Finanzie­ rungsfunktion haben, die das Selbsttragen unterstützten soll. Die letzten beiden Teilrisiken werden in der Praxis, von den verschiedenen Anbietern und in der Literatur unterschiedlich bezeichnet. Das dritte Risiko, das Zinsänderungsrisiko, wird beispielsweise als Anlage-, Kapitalanlage- bzw. Investitionsrisiko bezeich­ net. Das vierte Teilrisiko, das Ausfallrisiko, wird Insolvenz- oder im allgemeinen vereinfachend Kreditrisiko genannt, obwohl es sich dabei um einen Begriff han­ delt, der neben dem Ausfallrisiko weitere Teilrisiken erfaßt, u.a. auch das Zinsänderungsrisiko.1 Da es sich bei den Vorgängen, die diesen beiden Risiken zugrundeliegen, vornehmlich um Bank- und nicht um Versicherungsleistungen handelt, erscheint es sinnvoll, zur Herstellung einer allgemeinverständlichen und einheitlichen Bezeichnung auf die allgemein gültigen Begriffe des Bankmanage­ ments zurückzugreifen. Zu (1): Underwriting-Risiko

Das Underwriting- oder Zeichnungsrisiko drückt die Gefahr aus, daß der erlittene tatsächliche Gesamtschaden höher ist als geplant. Bezogen auf die gesamte mehrjährige Vertragslaufzeit überschreitet die effektive Schadenbelastung aus einem Versicherungsvertrag den erwarteten Wert.2 Die Abweichung der tatsäch­ lichen Schadenhöhe vom Erwartungswert ist auf das Irrtumsrisiko, d.h. auf feh­ lerhafte Berechnungen, auf das Änderungsrisiko, d.h. auf geänderte Rahmenbe­ dingungen oder auf das Zufallsrisiko, d.h. auf zufällige Ereignisse, zurückzufüh­ ren und drückt damit weitgehend das versicherungstechnische Risikos aus.3

Wie das Merkmal der begrenzten Risikoübernahme des Versicherers verdeutlicht hat, ist der Versicherungsnehmer bei Finite Risk-Konzepten i.d.R. verpflichtet, für den Fall, daß die Versicherungsleistungen die bis zum Zeitpunkt des Scha­ deneintritts aufgebrachten Prämien übersteigen, die entstehende Differenz über

1 2 3

Vgl. Zürich (Finite Risk 1997); Zürich (FINITE 1994); Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1203; Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), S. 12. Zum Begriff des Kreditrisi­ kos vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 432f. Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1328. Vgl. Kapitel A.III. 1. des zweiten Teils der Arbeit; Arnoldussen, L. (Effekte 1991), S. 152.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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die Zeit weitgehend auszugleichen. Der Transfer von Underwriting-Risiken ist damit bei Finite Risk Verträgen zumindest begrenzt. Zu (2): Timing-Risiko

Ein bedeutendes Charakteristikum von Finite Risk-Konzepten ist der Transfer von Timing-Risiken, die darin bestehen, daß die Schadenzahlungen früher als in der Prämienkalkulation angenommen anfallen. Da damit ein Element der Gefahr angesprochen ist, daß der tatsächliche Schadenverlauf negativ von den Scha­ denerwartungen abweicht, drücken Timing-Risiken eine Ausprägungsform des versicherungstechnischen Risikos aus.1 Die Abweichung des tatsächlichen vom erwarteten Schadenverlauf bezieht sich auf eine Vorverlagerung der Schaden­ zahlungen, ohne daß es über die gesamte Vertragslaufzeit gesehen zu einer Ab­ weichung in der Höhe kommen muß. Treten Timing-Risiken ein, führt dies für den Versicherer zu einem verfrühten Mittelabfluß und als Folge daraus zu einem Verlust an Zinserträgen, da die zinsbringende Anlage der kalkulierten Reserven entfällt.2 Zu (3): Zinsänderungsrisiko

Das Zinsänderungsrisiko drückt die Gefahr aus, daß sich aufgrund veränderter Bedingungen auf den Geld- und Kapitalmärkten die geplanten oder erwarteten Kapitalanlageerträge verringern.3 Dieses Risiko, das nicht mit der Verringerung der Zinserträge wegen des Timing-Risikos verwechselt werden darf, bezieht sich also darauf, daß die auf dem Kapitalmarkt investierten Prämien nicht die geplante Rendite erzielen. Die bei der Prämienkalkulation vom Versicherer berücksich­ tigten Zinserträge basieren auf einer Annahme über die Höhe des erzielbaren Zinssatzes.4 Wird dieser nicht erreicht, führt dies zu einem Verlust für den Versi­ cherer, während bei höherer Rendite dem Versicherten Opportunitätskosten ent­ stehen. Zu (4): Ausfallrisiko

Das Ausfallrisiko bezieht sich auf die durch die mehrjährige Vertragslaufzeit gegebene Ungewissheit zukünftiger Prämienzahlungen. Insbesondere die pro­ spektiven Finite Risk-Konzepte dienen dazu, die effektiven Schadenkosten mit Hilfe des Versicherungsunternehmens auf die Vertragslaufzeit zu verteilen. Muß

1 2 3 4

Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1328. Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 18; Schweizer Rück (Finite RiskRückversicherung 1997), S. 11. Vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 433; Schierenbeck, H. (Bankmanagement 1997), S. 6. Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1203.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

der Versicherer dabei für Schadenzahlungen aufkommen, welche die bisher an­ gesammelten Prämien einschließlich Verzinsung übersteigen, d.h. übernimmt er eine Vorfinanzierung der Schäden, hat der Versicherte, einer Kredittilgung ent­ sprechend, diesen Betrag in den folgenden Jahren zurückzuzahlen und zu verzin­ sen. Das Ausfallrisiko drückt damit die Möglichkeit aus, daß der Versicherungs­ nehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen zum Ausgleich der vorfinanzierten Beträge - in Form weiterer Prämien und Zinszahlungen - nicht, nur teilweise oder nicht termingerecht nachkommt.1 Die Frage, ob im Rahmen eines Finite Risk Vertrages überhaupt Risiken resp. welche Formen in welcher Höhe tatsächlich übertragen werden, ist Gegenstand vieler Diskussionen über Finite Risk-Konzepte, da der Umfang des tatsächlichen Risikotransfers von entscheidender Bedeutung für die Rechnungslegung und die steuerliche Behandlung von Finite Risk-Konzepten ist. Insbesondere die Frage nach der für die steuerliche Anerkennung der Prämienzahlungen notwendigen Höhe des Transfers von versicherungstechnischem Risiko ist dabei von Relevanz. In Abhängigkeit vom Umfang des übertragenen Risikos können Finite RiskKonzepte auf einer Skala zwischen den beiden Endpolen der traditionellen Ver­ sicherung, bei der ein vollständiger Risikotransfer stattfindet und dem internen Selbsttragen, bei dem kein Risiko an Dritte übertragen wird, eingeordnet werden. Der Übergang zwischen den einzelnen Instrumenten der Risikofinanzierung ist in vielen Fällen fließend. Versicherungslösungen können beispielsweise im wesent­ lichen Risikotransfer darstellen, aber, abhängig von der Ausgestaltung der Prämi­ enkalkulation und den Selbstbehaltregelungen, Elemente des Selbsttragens ent­ halten.2 Auf der anderen Seite stellen z.B. Finite Risk-Deckungen, bei denen kein Underwriting-Risiko übertragen wird, im wesentlichen eine Form des Selbsttra­ gens mit einem geringen Risikotransfer dar. Da die einzelnen Instrumente damit nicht immer eindeutig abzugrenzen sind, sondern ineinander übergehen, soll in diesem Zusammenhang vom Kontinuum der Risikofinanzierung gesprochen werden.3 Die folgende Abb. 27 verdeutlicht das Kontinuum der Risikofmanzierung gra­ phisch. Neben den Finite Risk-Konzepten werden auch Captives, deren Einsatz­ möglichkeiten bei der Finanzierung von Umweltrisiken in Abschnitt B dieses Teils untersucht werden, in das Kontinuum eingeordnet. Zusätzlich zum Umfang der Risikoübertragung, der auf der Abszisse abgetragen ist, verdeutlicht die Ab­ bildung darüber hinaus qualitativ, daß sich die „frictional costs“, d.h. Transakti1 2 3

Vgl. Schierenbeck, H. (Bankmanagement 1997), S. 5; Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1203. Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1985), S. 189ff. Vgl. Williams, C. A./Smith, M. L./Young, P. C. (Risk Management 1995) S. 218f.

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ons- und Verwaltungskosten sowie Kosten, die nicht der Schadendeckung dienen, in dem Maße erhöhen, in dem der Umfang der Risikoübertragung und -transformation zunimmt. Je weiter man sich von der Situation wegbewegt, in der die Schäden ohne Reservenbildung aus dem laufenden Cash-Flow getragen wer­ den, nehmen die frictional costs der Risikofinanzierung über die interne und individuelle Reservenbildung stetig zu. Diese stetige Zunahme geht bis hin zur Versicherung, bei der die Risikoübertragung mit hohen Begleitkosten verbunden ist, die Risiken aber zu fixen Kosten transferiert werden. Auf der anderen Seite nimmt in umgekehrtem Maße die Höhe der variablen Kosten, d.h. der Kosten, die im Schadenfall vom betroffenen Unternehmen zu tragen sind, zu. hoch

ik

niedrig Versicherung

o co

(0

Captive

GO o o w c o

niedrig

Selbsttragen mit Selbsuragen Reserven­ ohne bildung Reserven­ bildung

Vollständiges Selbsttragen

Abb. 27:

Retro­ spektive Deckungen (LPTs und A DCs)

o TD ro .c o Fortführung

" "10.62 t r Erfahrungskonto ohne Zinsen

Abb, 28:

Kapitaiansammiung zum Selbsttragen der Risiken

RückVergütung

Aufbau einer Funded Cover-Deckung

Funded Covers werden insbesondere als alternative Deckung für Risiken, die am traditionellen Versicherungsmarkt nicht oder nur schwer versicherbar sind, nach­ gefragt. Dementsprechend bietet sich der Einsatz von Funded Covers für solche Umweltrisiken an, für die eine passende und ausreichende Versicherungsdeckung nur schwer, gar nicht oder, nach Einschätzung der Versicherungsnehmer, nur überteuert erhältlich ist.1 Die Errichtung eines Erfahrungskontos ist für alle Arten von Risiken möglich. Da der Versicherungsnehmer vertraglich verpflichtet ist, Schadenzahlungen des Versicherers, die seine Prämienzahlungen übersteigen, in der Zeit zumindest weitgehend auszugleichen, wird der Versicherer in die Lage versetzt, auch Risiken abzudecken, welche er sonst ablehnen müßte.2

Durch den überwiegenden Anteil des Selbsttragens werden die Interessen des Versicherungsnehmers mit denen des Versicherers verknüpft. Versicherungs­ nehmer und Versicherer gehen eine Risikopartnerschaft ein. Zusammen mit der für den Fall eines positiven Schadenverlaufs vorgesehenen Gewinnbeteiligung des Versicherungsnehmers entsteht ein gemeinsamer Anreizmechanismus, der zum einen zu einer Verbesserung der Risikosensibilisierung und des aktiven Risikomanagements beim Versicherten führt. Funded Covers stellen damit ein Instrument dar, welches die finanzielle Absicherung wirksam mit einer Gestal­ 1

2

Vgl. Koral, E. (Tug of War 1995), S. 45; Willis Corroon (Forecast 1997), S. 4; Zurich (Finite Risk 1996), S. 4. Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1204.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

tung der Risikosituation verbindet. Zum anderen sind die Versicherer vor diesem Hintergrund auch bei aus ihrer Sicht problematischen Risiken eher bereit, einen Exzedenten, d.h. Schäden, die über dem festgelegten Limit aus Prämienzahlun­ gen und prognostizierten Zinserträgen liegen, zu übernehmen. Funded Covers können damit eine geeignete prospektive Deckung für Normalbetriebs- und All­ mählichkeitsrisiken sowie insbesondere für Eigenschäden darstellen.

Im Vergleich zur traditionellen Versicherung von Umweltrisiken bieten sich Funded Covers noch aus einem weiteren Grund an. Da keine Bildung eines Kol­ lektivs und kein Ausgleich im Bestand stattfindet, richtet sich der Preis für die Deckung nur nach den individuellen Gegebenheiten des Versicherungsnehmers und dessen Risikosituation. Über die Verminderung der Transformations- und Verwaltungskosten hinaus können aufgrund der mehrjährigen Vertragsdauer zeitund kostenintensive Prolongationsverhandlungen eingespart werden. Diese Ein­ sparungen führen dazu, daß, obwohl insgesamt gesehen höhere Prämien als bei einer traditionellen Versicherung bezahlt werden müssen, größere Teile der Bruttoprämie tatsächlich der Risikotragung dienen.1 Dadurch erhalten die Versi­ cherer nach eigenen Angaben die Möglichkeit, größere Deckungskapazitäten zu einem im Vergleich zur traditionellen Versicherung günstigen Preis zur Verfü­ gung zu stellen. Die Versicherten wiederum erhalten durch die Gewinnbeteili­ gungen die Möglichkeit, Teile ihrer erhöhten Prämien zurückzuerhalten.2 Diese Preisvorteile ergeben sich insbesondere für Risiken, bei denen das PreisLeistungsverhältnis traditioneller Versicherungsangebote nicht zufriedenstellend ist. Deshalb stellen Funded Covers einen Ansatz dar, dem bei Umweltrisiken kritisierten Verhältnis von Kosten- und Sicherheitsaspekt zu begegnen. Aller­ dings sind die Preisvorteile nicht notwendigerweise mit billiger Versicherungs­ deckung gleichzusetzen. Zu einer Senkung der gesamten Risikokosten des Unter­ nehmens führt dies nur, wenn sich der Schadenverlauf als positiv herausstellt. Da der Versicherte bei negativem Schadenverlauf einen Großteil seiner Schäden letztlich selbst zahlt, führen Funded Covers in diesem Fall trotz geringerer Trans­ aktionskosten zu höheren Risikokosten als eine traditionelle Versicherung.3

Diese zweiseitige Vorteilhaftigkeitsbetrachtung macht deutlich, daß sich Funded Covers insbesondere für die Finanzierung mittlerer Risiken eignen, die trotz unregelmäßiger Schadenzahlungen durch eine mittelfristig relativ gut abschätzba­ re aggregierte Schadenbelastung sowie eine langsame Schadenregulierungen

1 2 3

Vgl. Souter, G. (Finite risk's 1995), S. 3. Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1331; Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1204. Vgl. Banham, R. (Finite Risk Products 1994), S. 34.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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gekennzeichnet sind.1 Unter gewissen Umständen, d.h. bei Deckungsausschlüssen oder gänzlich fehlendem Versicherungsangebot, ist der Einsatz von Funded Co­ vers auch bei Großrisiken sinnvoll. Es ist bereits angeklungen, daß Versicherungsprämien in der Vergangenheit allgemein zu den am stärksten schwankenden Betriebsausgaben gehört haben. Wie die Ausführungen in Teil Zwei gezeigt haben, ist speziell auf dem Versiche­ rungsmarkt für Umweltrisiken aufgrund der Forderungen nach individuellen, risikoadäquaten Prämien, aber auch wegen den zu erwartenden zügigeren Prämi­ enanpassungen nach Schadenfällen auch in Zukunft mit einer zunehmenden Prä­ mienvolatilität zu rechnen. Durch die im voraus über einen längeren Zeitraum vertraglich festgelegten Prämien dienen Funded Covers insbesondere dazu, die Liquiditätsplanung zu stabilisieren und Ergebnisschwankungen durch einen Aus­ gleich in der Zeit zu glätten.2

Funded Cover-Deckungen stehen als hybride Instrumente der Risikofmanzierung zwischen der Versicherung und dem reinen Selbsttragen. Sie sind demnach nicht nur im Vergleich zu traditionellen Versicherungslösungen zu sehen, sondern sollen vor allem auch den Schwachstellen des auf bilanzielle Reserven gestützten Selbsttragens von Umweltrisiken begegnen. So kann mit Funded Covers das Zahlungszeitpunktrisiko, d.h. das Risiko, daß ein Schaden eintreten kann, bevor die Reserven die kalkulierte Höhe erreicht haben, als eine Schwachstelle des Selbsttragens beseitigt werden. Funded Covers verbinden den Anspareffekt der Reservenbildung mit einer Versicherungsleistung, bei der vom ersten Tag an der volle Betrag verfügbar ist. Damit kann eine Reservenbildung verwirklicht wer­ den, deren Wirksamkeit nicht vom Zeitpunkt des Schadens abhängt, sondern die eine Vorsorge Wirkung von Vertragsbeginn an entfalten kann. Mit Funded Covers läßt sich das Problem des frühen Zeitpunkts des Schadenanfalls lösen und auf den Versicherer übertragen.

Da das Erfahrungskonto vom Versicherer geführt wird, d.h. die Reservenbildung außerbilanziell erfolgt, und eine klare Zweckbindung an die Deckung der im Versicherungsvertrag aufgeführten Risiken vorliegt, verhindern Funded Covers im Vergleich zur Bildung offener Rücklagen darüber hinaus, daß die zur Dekkung von Umweltrisiken gebildeten Reserven für andere Zwecke, z.B. zur bi­ lanzpolitischen Ergebnisverstetigung, „geplündert“ werden.3 Wie die Ausführungen zur Bildung bilanzieller Reserven für Umweltrisiken in Abschnitt C des zweiten Teils gezeigt haben, liegt ein wesentliches Problem der 1 2 3

Vgl. Arkwright (Four Strategies 1997), S. 1 Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 127. Vgl. Williams, C. A./Smith, M. L./Young, P. C. (Risk Management 1995) S. 234.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

internen Reservenbildung darin, daß Zuführungen zu derartigen Reserven i.d.R. steuerlich nicht abzugsfähig sind. Eine Ausnahme stellt die Bildung von Rück­ stellungen dar, die aber für Umweltrisiken, insbesondere für zukünftige Risiken, beispielsweise für Allmählichkeits-, Normalbetriebs- oder Entwicklungsrisken, nicht möglich ist. Die Bildung von Rücklagen oder die Errichtung eines speziel­ len Fonds für Umweltrisiken ist nur durch versteuerte Gewinne möglich, d.h. die entsprechenden Beträge können erst steuerlich geltend gemacht werden, wenn ein Schaden eingetreten ist. Demgegenüber mindern die im Rahmen von Funded Cover-Deckungen gezahlten Prämien - bei entsprechender Gestaltung der Kon­ zepte - den zu versteuernden Gewinn des Unternehmens als Betriebsausgaben bereits im laufenden Geschäftsjahr.1 Um im Sinne einer Steuerbarwertminimie­ rung eine optimale finanzielle Vorsorge Wirkung zu erzielen, ist die steuerliche Abzugsfähigkeit der Prämienzahlungen für die Beurteilung der Funded Covers von entscheidender Bedeutung. Für die Beantwortung der Frage, wie eine Fun­ ded Cover aufgebaut sein sollte, damit die Zuführungen steuerlich abzugsfähig sind, stellt sich das Problem, daß die steuerliche Behandlung von Finite RiskKonzepten und damit auch von Funded Cover-Deckungen noch nicht abschlie­ ßend geklärt ist. Im nächsten Kapitel wird ein möglicher Lösungsansatz für die­ ses Problem aufgezeigt.

III.

Rechnungslegung und steuerliche Behandlung als Problemfeld der Finite Risk-Konzepte

Im Rahmen der obigen Ausführungen wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Vorteilhaftigkeit von Finite Risk-Deckung nicht zuletzt durch ihre bilanzielle und steuerliche Behandlung beeinflußt wird. Da die Rechnungslegung und die steuer­ liche Behandlung aber, insbesondere in Deutschland, noch nicht abschließend geklärt sind, geht dieses Kapitel auf die besonderen bilanziellen und steuerlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit Finite Risk-Deckungen ein. Im Anschluß daran werden anhand einer speziell konstruierten Funded Cover-Deckung, die zum einen geeignet erscheint, die Anforderungen für eine effektive Finanzie­ rungslösung von Umweltrisiken zu erfüllen, und zum anderen den zuvor abge­ leiteten steuerlichen Bedingungen genügt, beispielhaft Aufbau und Funktion eines Finite Risk-Konzepts verdeutlicht.

1

Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1331

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

1.

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Ausgangssituation

Wie bereits erwähnt, mindern betrieblich veranlaßte Versicherungsprämien als Betriebsausgaben die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den Beträgen, die im Rahmen des Selbsttragens Reser­ ven zugeführt werden, unstreitig nicht um Betriebsausgaben, da fiktive Zahlun­ gen an sich selbst keine Ausgaben darstellen. Kommt für den Aufbau der Reser­ ven eine Rückstellungsbildung in Betracht, stellen die entsprechenden Beträge zwar keine Betriebsausgaben dar, sind aber als Aufwand bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abzugsfähig. Von den steuerlich anerkannten Rückstellungen abgesehen handelt es sich beim reservengestützten Selbsttragen aber i.d.R. um die Bildung erfolgsunwirksamer Rücklagen. Finite Risk-Konzepte stehen als hybride Instrumente der Risikofmanzierung - wie das Kontinuum der Risikofmanzierung verdeutlicht - zwischen der Versicherung und dem Selbsttragen. Während die bilanzielle und damit die steuerliche Be­ handlung bei diesen beiden Instrumenten unumstritten ist, stellt sich für Finite Risk-Deckungen die Frage, ob das versicherungstechnische Element entschei­ dend ist und die Prämien damit als Betriebsausgaben gelten, oder ob Finite RiskKonzepte überwiegend dem Selbsttragen zugeordnet werden müssen. Dies würde dazu führen, daß die Prämienzahlungen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, sondern steuerrechtlich als Zuführungen zu Rücklagen gelten. Da die Selbstfinanzierung durch eine externe Kapitalbildung erfolgt, die im Schadenfall i.d.R. mit einer Vorfmanzierungszusage des Versicherers verbunden ist, sind Finite Risk-Konzepte für die Betrachtung der bilanziellen und steuerlichen Be­ handlung auch zu Finanzierungskontrakten resp. Kreditgeschäften abzugrenzen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Risikokomponenten im Rahmen einer Finite Risk-Deckung in welchem Umfang auf den Versicherer übertragen werden müssen, damit der Kontrakt letztlich als Versicherungs- und nicht als Finanzierungsvertrag eingestuft wird. Eine weitere Fragestellung, die insbesondere im Zusammenhang mit Funded Cover-Deckungen diskutiert wird, beschäftigt sich mit der steuerlichen Behand­ lung eines Guthabens des Erfahrungskontos am Ende der Vertragslaufzeit. Es ist davon auszugehen, daß die Rückübertragung eines positiven Betrags beim Versi­ cherten zu einem außerordentlichen Ertrag führt, der zu versteuern ist. Aus die­ sem Grund werden die Steuervorteile, die mit Funded Covers zu erzielen sind, teilweise in Frage gestellt resp. von der Möglichkeit einer steuerfreien Übertra­ gung des Guthabens abhängig gemacht.1 Um dies zu umgehen, werden teilweise Vorschläge gemacht, das Guthaben z.B. mit Selbstbehalten, die bei anderen, 1

Vgl. Banham, R. (Finite Risk Products 1994), S. 42; Berger, R. (Selbsttragung 1998), S.19.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

traditionellen Versicherungen desselben Anbieters entstanden sind, zu verrech­ nen. Die bisher vorgeschlagenen Konzepte stellen allerdings keine überzeugen­ den Lösungsansätze dar, so daß mit einer Steuerbefreiung des rückerstatteten Guthabens nicht zu rechnen ist.1

In diesem Zusammenhang muß allerdings festgehalten werden, daß die Forde­ rung nach einer steuerfreien Rückübertragung unbegründet ist und zu weit geht. Dies zeigt ein Vergleich mit anderen Instrumenten der Risikofinanzierung, wie der Rückstellungsbildung und der Versicherung. Bei Rückstellungen, die mit steuerfreien Zuführungen aufgebaut werden, führt eine Auflösung, wenn der Grund der Rückstellungsbildung entfallen ist, zu einem steuerpflichtigen Ertrag. Auch bei Versicherungen, bei denen die Prämienzahlungen als Betriebsausgaben anerkannt werden, führen Leistungen des Versicherers zu steuerpflichtigen Be­ triebseinnahmen. Nur weil diesen Schadenersatzzahlungen der Schadenaufwand gegenübersteht, ergibt sich aus der Entschädigungsleistung per Saldo kein zu versteuernder Gewinn. In Analogie zu dieser Betrachtung kann nicht erwartet werden, daß auf der einen Seite die Prämienzahlungen steuerlich abzugsfähig sind, auf der anderen Seite aber die gebildeten Reserven wie bereits versteuerte Gewinne behandelt werden können. Auch bei der Risikovorsorge durch Rück­ stellungen besteht das primäre Ziel nicht in einer Steuervermeidung, sondern in dem Anspareffekt, der durch die Steuerstundung und der damit einhergehenden Steuerbarwertminimierung unterstützt wird. Eine Versteuerung des rückübertra­ genen Guthabens beeinträchtigt deshalb die Zielsetzungen eines Funded Covers nicht. Für die Beantwortung der offenen Fragen zu der steuerlichen Behandlung soll der Blick zunächst auf die USA gerichtet werden, da Finite Risk-Konzepte dort ihren Ursprung haben und weiter verbreitet sind als in Deutschland, und damit auch mehr Erfahrungen im Umgang mit und der Behandlung von Finite RiskKonzepten vorliegen. Über viele Jahre wurden Finite Risk-Konzepte von Versi­ cherungsunternehmen im Rahmen der financial reinsurance aufgrund ihrer Bi­ lanzwirkung eingesetzt. Kapitalschwache Erstversicherungsunternehmen nutzten Finite Risk-Konzepte, bei denen kein versicherungstechnisches Risiko übertragen wurde, um bewußt ein falsches Bild von der finanziellen Lage zu vermitteln und die prekäre Situation des Unternehmens zu verschleiern.2 Um den Mißbrauch der financial reinsurance zu verhindern, wurden daraufhin im Laufe der achtziger

1 2

Vgl. Berger, R. (Selbsttragung 1998), S.19. Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1332; Schweizer Rück (Finite RiskRückversicherung 1997), S. 23.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Jahre verschiedene Vorschriften zur Rechnungslegung von Versicherungsunter­ nehmen erlassen.

US-amerikanische und britische Vorschriften

2.

Eine Schlüsselstellung in der Reihe der Vorschriften zur Rechnungslegung nimmt die Ende 1992 vom Financial Accounting Standards Board (FASB) veröffent­ lichte Erklärung Nr. 113 ein. Das Statement of Financial Accounting Standards No. 113 (FAS 113) legt fest, daß ein Vertrag zwei Kriterien erfüllen muß, um sich als Versicherung zu qualifizieren.1

• Zum ersten muß ein signifikanter Transfer versicherungstechnischen Risikos, d.h. sowohl von Timing- als auch von Underwriting Risiko, stattfinden. • Zum zweiten muß eine angemessene Möglichkeit bestehen, daß dem Rück­ versicherer ein signifikanter Verlust aus der Transaktion entsteht. Ein Ver­ lustrisiko muß dabei sowohl in bezug auf die Höhe als auch auf die Eintritts­ wahrscheinlichkeit gegeben sein. Da offen bleibt, was unter „signifikant“ und „angemessen“ zu verstehen ist, bein­ haltet diese offene Formulierung einen erheblichen Interpretationsspielraum und schließt eine vertragliche Begrenzung des Transfers von versicherungstechni­ schem Risiko nach wie vor nicht aus.2 Auch wenn es keinen Indikatortest gibt, der anzeigt, wann versicherungstechnischer Risikotransfer vorliegt, so führt FAS 113 zumindest dazu, daß Verträge, die dem Versicherer die Möglichkeit garan­ tieren, eventuelle Verluste in späteren Perioden vollständig ersetzt zu bekommen, nicht als Risikotransfer eingestuft werden.3

Im Jahr 1993 erließ das FASB zwei weitere Richtlinien. Die Emerging Issues Task Force (EITF) Nr. 93-6 bezieht sich auf Funded Cover-Deckungen. Das FSAB legt darin fest, daß der Versicherte die sich aus dem Funded Cover erge­ benden finanziellen Rechte oder Verpflichtungen bilanziell zu erfassen hat.4 Dies bedeutet zum einen, daß ein negativer Saldo des Erfahrungskontos, den der Ver­ sicherte in Zukunft auszugleichen hat, als Verbindlichkeit auszuweisen ist, zum anderen sind positive Kontenstände als Aktivposten in die Bilanz aufzunehmen. Zukünftige Prämienzahlungen dienen bei positivem Saldo der Aufstockung die­ ses Postens. Sie sind ebenfalls zu aktivieren und damit nicht aufwandswirksam.

1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Booth, G./Ballantine, R. (Happiness 1997), S. 49; Koral, E. (Tug of War 1995), S. 46. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1332. Koral, E. (Tug of War 1995), S. 46. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 29.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Nach EITF Nr. 93-14 gilt diese Regelung sowohl für Rück- als auch für Erstver­ sicherungs Verträge.1 Durch die BilanzierungsVorschriften wird die Funktion der Funded Covers, dem Ausgleich der Schadenzahlungen in der Zeit und der Glättung von Ertrags­ schwankungen zu dienen, eingeschränkt. Orientiert sich die steuerliche Behand­ lung an den Rechnungslegungsvorschriften, so verlieren die Funded CoverDeckungen darüber hinaus mit der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Prämien­ zahlungen einen weiteren Vorteil. Obwohl es in den USA keinen festgelegten Bezug zwischen den Rechnungsle­ gungsvorschriften und den steuerrechtlichen Vorschriften gibt, kann davon aus­ gegangen werden, daß sich die Steuergerichte und die US-Steuerbehörde, die Internal Revenue Service (IRS), für Vorschriften zur steuerlichen Behandlung der Finite Risk-Konzepte an den Ansichten des FASB orientieren. Es ist insbe­ sondere damit zu rechnen, daß die steuerliche Behandlung von FAS 113 und der darin enthaltenen Abgrenzung beeinflußt wird, nach der ein Kontrakt nur als Versicherung akzeptiert wird, wenn ein signifikanter Risikotransfer stattfindet.2

Die Rechnungslegungs- und Steuervorschriften drücken aus, daß mehr als nur Timing- und Zinsänderungsrisiken übertragen werden müssen, um dem gefor­ derten Risikotransfer zu genügen: es muß auch ein bestimmtes Maß des Under­ writing-Risikos transferiert werden.3 Als grobe Richtgröße kann davon ausgegan­ gen werden, daß der Versicherer Anteile von über 20 % und bis zu 50 % der gesamten Deckungssumme übernehmen muß, die nicht durch vertragliche An­ sprüche an den Versicherten gedeckt sind.4 Das Verlustrisiko des Versicherers muß sich also sowohl aus unsicheren Schadenhöhen als auch aus dem Zahlungs­ zeitpunktrisiko ergeben. Während Funded Covers so gestaltet werden können, daß sie diesen Anforderungen entsprechen, wird damit speziell die Nutzung von Loss Portfolio Transfers beschränkt.

Wie in den USA existieren auch in Großbritannien Vorschriften, die sich auf die Rechnungslegung von Finite Risk-Konzepten beziehen. Auch die Financial Re­ porting Accounting Group (FRAG) fordert in der Richtlinie FRAG 35/94 einen „echten Transfer von Risiko“.5 Im Gegensatz zu FAS 113 wird hier jedoch auch von den Steuerbehörden der Transfer des Timing-Risikos als ausreichend ange­ sehen, um einen Vertrag als Versicherung zu qualifizieren. Auch die Bilanzie-

1 2 3 4 5

Vgl. Koral, E. (Tug of War 1995), S. 46. Vgl. Monti, G./Barile, A. (Finite Risk 1995), S. 65. Vgl. Banham, R. (Finite Risk Products 1994), S. 42. Vgl. Booth, G./Ballantine, R. (Happiness 1997), S. 49. Vgl. Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), 24.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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rung von Funded Cover-Deckungen wird in Großbritannien weniger streng gere­ gelt als nach EITF 93-6. Ein positiver Saldo des Erfahrungskontos muß nicht als Aktivposten resp. ein negativer Saldo nicht als Verbindlichkeit bilanziert werden.

3.

Situation und Tendenzen in Deutschland

In Gegensatz zu den USA und Großbritannien existieren in Deutschland weder aufsichtsrechtliche Grundsätze noch spezielle Regelungen für die handels- und die steuerrechtliche Behandlung von Finite Risk-Konzepten.1 Auch für den Be­ griff der Versicherung gibt es keine allgemeingültige rechtswissenschaftliche Definition. Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), das HGB (§§ 34Iff.) und auch das KStG (§§ 20, 21) stellen zwar auf Unternehmen ab, die den Betrieb von Versicherungsgeschäften zum Gegenstand haben. Was unter den Betrieb von Versicherungsgeschäften fällt bzw. welche Kriterien zur Überprüfung der Versi­ cherungseigenschaft heranzuziehen sind, definieren die Gesetze nicht. § 160 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) fordert für Ausgaben, die steuerlich als Betriebsausgaben berücksichtigt werden sollen, ein vom Steuerpflichtigen getrenntes Rechtssubjekt als Zahlungsempfänger. Ein solches ist bei den Anbie­ tern von Finite Risk-Konzepten zwar gegeben, aber selbst die Tatsache, daß es sich dabei i.d.R. um Versicherungsunternehmen handelt, ist kein Präjudiz für die Versicherungseigenschaft der jeweiligen Geschäfte und für die steuerliche Be­ handlung der Zahlungen nicht bindend.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Versicherungs­ geschäft dann gegeben, wenn der Versicherer gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernimmt. Das übernommene Risiko muß dabei auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt werden und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zah­ lungen beruhende Kalkulation zugrunde liegen.2 Dieser engen, an die Merkmale der durch gleichartige Risiken gefährdeten Gefahrengemeinschaft und der wech­ selseitigen Bedarfsdeckung anknüpfenden Auffassung entsprechen Finite RiskKonzepte nicht. Für den Fall, daß diese Auslegung als Maßstab für die steuerli­ che Behandlung von Finite Risk-Deckungen herangezogen wird, besteht keine Möglichkeit, die Prämienzahlungen als Betriebsausgaben anzusetzen.

1 2

Vgl. Prase, O. (Financial Reinsurance 1996), S. 157; Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1205. Ausgehend vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.3.1956, bestätigt durch das Urteil vom 12.5.1992. Vgl. Martin, S. (Versicherungssteuerpflicht 1982), S. 1491; Bundesver­ waltungsgerichts-Urteil 1 A 126.89, S. 1980.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Im Gegensatz zu der engen zivilrechtlichen Auffassung liegt dem Versicherungs­ aufsichtsgesetz (VAG) nach überwiegend anerkannter Ansicht eine weitere Aus­ legung des Versicherungsbegriffs zugrunde. Versicherungsgeschäfte betreibt danach derjenige, der „gegen Entgelt verpflichtet ist, ein wirtschaftliches Risiko dergestalt zu übernehmen, daß er anderen Vermögenswerte Leistungen zu erbrin­ gen hat, wenn sich eine für deren wirtschaftliche Verhältnisse nachteilige, ihrem Eintritt nach ungewisse Tatsache ereignet, um die dadurch verursachten Nach­ teile auszugleichen“1. Der Risikoübernahme hat eine Kalkulation zugrunde zu liegen, nach der die erforderlichen Mittel ganz oder im wesentlichen durch die Gesamtheit der Entgelte aufgebracht werden. Damit wird deutlich, daß diese Begriffsbestimmung von der gleich-artigen Gefährdung der Versicherten absieht. Die Gleichartigkeit der Bedrohung stellt zwar ein Ordnungskriterium dar, das die Kalkulation vereinfacht und der Bildung von Sparten dient, es handelt sich aber nicht um ein Begriffsmerkmal der Versicherung.2 Auch das Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) verzichtet auf eine Defi­ nition des Versicherungsbegriffs. Für die Feststellung, ob ein Vertrag dem VVG unterliegt, wird allerdings auf besondere Merkmale der Versicherung zurückge­ griffen. Diese Merkmale sind nicht begrifflich fixiert und als notwendige oder hinreichende Bedingung zu erfüllen, sondern ergeben sich aus der Funktion der Versicherung.3 Für die Abgrenzung des vertragsrechtlichen Versicherungsbegriff wird auf die sog. Plansicherungstheorie zurückgegriffen. Danach hat eine Versi­ cherung die Funktion, Störungen in den Wirtschaftsplänen des Versicherten, d.h. planwidrig entgehende Einnahmen resp. außerplanmäßige Ausgaben, die durch ungewisse Ereignisse ausgelöst wurden, auszugleichen.4 Wichtigstes Funktions­ merkmal der Versicherung ist damit die Deckung eines Plandefizits. Die Plansi­ cherungsfunktion wird durch den Transfer des Risikos, d.h. der Auswirkungen der Wirtschaftsplanstörungen, ermöglicht. Da die Rechtsnormen, in denen der Begriff der Versicherung Verwendung findet, unterschiedlichste Funktionen auszufüllen haben und die Versicherung damit aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird, ist es fraglich, ob es eine allge­ meingültige rechtswissenschaftliche Definition überhaupt geben kann. Eine vom Zivilrecht abweichende Begriffsbestimmung der Versicherung für Zwecke der Rechnungslegung und der steuerlichen Behandlung muß von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gedeckt sein und die ökonomische Substanz der Konzepte 1 2 3 4

Schmidt, R. (Aufsicht 1996), S. 144. Vgl. Schmidt, R. (Aufsicht 1996), S. 145. Vgl. Prölss, J. (Versicherungsrechts 1988), S. 32. Vgl. Prölss, J. (Versicherungsrechts 1988), S. 32f. Zur „Plansicherungstheorie“ vgl. Braeß, P. (Versicherungskonzeption 1970), S. 7f.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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berücksichtigen? Unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise bildet das Risikoge­ schäft den Kern der Versicherung, d.h. Versicherung kann wirtschaftlich als entgeltlicher Risikotransfer interpretiert werden.2 Dies macht deutlich, daß letzt­ lich allein die Risikotransferfunktion der Versicherung zu einer sicheren Be­ griffsabgrenzung geeignet ist?

Das Bestehen einer Gefahrengemeinschaft, die Gleichartigkeit der Bedrohung und eine Kalkulation, die auf dem Gesetz der großen Zahlen aufbaut, erleichtern zwar die Kalkulation und dienen dazu, mit Hilfe von Ausgleichskollektiven das Verhältnis des zu deckenden Schadens zur Prämie im Sinne einer möglichst nied­ rigen Nettorisikoprämie zu optimieren, sind aber für die Existenz von Risi­ kotransfer nicht unbedingt notwendig.

Die theoretische Ableitung der Erkenntnis, daß sich die Einschätzung der Versi­ cherungseigenschaft an der Funktion der Konzepte und damit am enthaltenen Risikotransfer orientieren sollte, deckt sich auch mit den Beobachtungen der Praxis. Aufgrund der Erfahrungen im anglo-amerikanischen Raum zeichnet sich ab, daß im Bereich der financial reinsurance die Versicherungsverträge von Wirt­ schaftsprüfern und vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen auf ihren Risikotransfergehalt hin untersucht werden.4 Die Forderung nach signifi­ kantem Risikotransfer wird damit fast zwangsläufig auch in Deutschland die handels- und steuerrechtliche Behandlung von Finite Risk-Konzepten bestimmen. Auch wenn deutlich wird, daß sinnvollerweise auf die wirtschaftlichen Auswir­ kungen der Finite Risk-Konzepte abzustellen ist, bleibt fraglich, ob sich die Re­ gelungen eher in Anlehnung an die britischen Bestimmungen, nach denen der Transfer von Timing-Risiko ausreichend ist, oder in Richtung der Vorschriften des US-amerikanischen FASB entwickeln sollten resp. werden.

In der Praxis wird teilweise erwartet, daß es wie in den USA zu einer Forderung nach Transfer des Underwriting-Risikos kommen wird. Unklar ist auch, ob ein fester Grad definiert wird, ab dem der Risikotransfer ausreichend ist, um eine Finite Risk-Deckung als Versicherung und nicht als Finanzierung einzustufen. Nach Einschätzung von Branchenkennern ist davon auszugehen, daß eine steuer­ liche Anerkennung gewährt wird, wenn der Versicherer Anteile von über 20 % der gesamten Deckungssumme übernimmt, die nicht durch Nachzahlungsver­ pflichtungen des Versicherten gedeckt sind. 1 2 3 4

Vgl. Bialek, K. (Captive 1993), S. 54f. i.V.m. S. 75. Vgl. Farny, D. (Theorie der Versicherung 1988), S. 870. Vgl. Schmidt, R. (Aufsicht 1996), S. 143. Vgl. auch Kapitel A.III. 1. des zweiten Teils dieser Arbeit. Vgl. Prase, O. (Financial Reinsurance 1996), S. 157; Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1205.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Trotz der Unsicherheit über die steuerliche Behandlung geben die Anbieter von Finite Risk-Konzepten - selbst wenn kein Underwriting-Risiko übernommen wird - i.d.R. an, daß die Prämienzahlungen als Betriebsausgaben angesetzt werden können. Da eine solche undifferenzierte Aussage wie gezeigt nicht möglich ist, d.h. über Finite Risk-Konzepten weiterhin das „Damoklesschwert der ungeklär­ ten Steuerfrage schwebt“1, wird deutlich, daß bei Abschluß einer Finite RiskDeckung unbedingt ein Steuerberater resp. Wirtschaftprüfer zu Rate gezogen werden muß.2 Schließlich soll ein solcher ein uneingeschränktes Testat für den Jahresabschluß, der durch die Finite Risk-Deckung nicht unerheblich beeinflußt wird, erteilen. Da die Vorteilhaftigkeit der Finite Risk-Deckung von der Einstu­ fung als Versicherung und den damit verbundenen steuerlichen Konsequenzen abhängt, kann der Prüfer für sein Gutachten im Zweifelsfall, d.h. falls das Kon­ zept bei der Betriebsprüfung nicht als Versicherung akzeptiert wird, haftbar ge­ macht werden. Ansonsten ist es sinnvoll, sich im Vorfeld direkt an die zuständige Finanzbehörde zu wenden, um die steuerliche Behandlung abzuklären. An die Frage, ob Finite Risk-Konzepte aus ertragsteuerlicher Sicht als Versiche­ rung anzuerkennen sind, schließt sich die Frage nach der Versicherungsteuer­ pflicht der dabei zu entrichtenden Prämien an. Nach § 1 des Versicherungsteuer­ gesetzes (VersStG) unterliegt das Versicherungsentgelt eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses der Versiche­ rungsteuer. Da das VersStG ebenfalls keinen selbständigen Versicherungsbegriff enthält, sind die obigen Ausführungen auch auf die versicherungsteuerliche Be­ urteilung anzuwenden. Während für Fälle, bei denen die Merkmale einer durch gleichartige Risiken gefährdeten Gefahrengemeinschaft und einer wechselseiti­ gen Bedarfsdeckung vorliegen mit Sicherheit eine Versicherungssteuerpflicht besteht, ist dies bei Finite Risk-Konzepten zunächst fraglich.

In Übereinstimmung mit bisherigen steuerlichen Überlegungen ist allerdings festzuhalten, daß Prämienzahlungen für Finite Risk-Konzepte, die als ertragsteu­ erliche Betriebsausgaben anerkannt werden, mit Sicherheit versicherungsteuer­ pflichtig sind. Dabei ist speziell im Zusammenhang mit Funded Covers zu be­ achten, daß die Versicherungsteuer auf die gesamten Zahlungen anfällt, also auch auf die Prämienkomponenten, die dem Erfahrungskonto zufließen. Dies ge­ schieht, obwohl nur ein geringer Teil davon tatsächlich als Risikoprämie fungiert, während der größere Rest vielmehr dem Selbsttragen dient. Aus versiche­ rungsteuerlicher Sicht führt die aus ertragsteuerlicher Perspektive angestrebte Akzeptanz der Finite Risk-Konzepte als Versicherung zu einem kontraprodukti­ 1 2

Berger, R. (Selbsttragung 1998), S.19. Vgl. Broesche, D. (Rückversicherer 1996), S. 1205.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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ven Effekt. Neben Verwaltungs- und Betriebskostenzuschlag und der Risikoprä­ mie erhöht sich die Bruttoprämie auch um die Versicherungsteuer. Anders aus­ gedrückt bedeutet dies, daß von der zu zahlenden Basisprämie nur der Anteil dem Erfahrungskonto zufließt, der nach Versicherungsteuer, Verwaltungs- und Betriebskostenzuschlag und Risikoprämie verbleibt. Bei der Fixierung der Vorschriften zur bilanziellen und steuerlichen Behandlung sind auch gesamtwirtschaftliche Kosten und insbesondere Auswirkungen auf die Situation des betrieblichen Umweltschutzes zu berücksichtigen. Durch Dekkungsausschlüsse resp. fehlende Versicherungslösungen für Normalbetriebs-, Allmählichkeits- und Eigenschäden sowie durch die begrenzten Möglichkeiten der Rückstellungsbildung ist den betroffenen Unternehmen die Stabilisierung und Glättung ihrer Liquiditäts- und Gewinnbelastungen praktisch verwehrt. Werden vor diesem Hintergrund alternative Lösungen erschwert, kann dies zu einer Min­ derung der Finanzierungsmöglichkeiten für Umweltrisiken und den damit ver­ bundenen Nachteilen für die Beseitigung und Vermeidung von Umweltschäden führen.

Darüber hinaus ist zu beachten, daß die Begrenzung der Finite Risk-Konzepte grundsätzlich zu Lasten von Unternehmen mit überdurchschnittlich positiver Schadenerfahrung, sog. „guter“ Risiken, geht, für die der Einsatz von Finite RiskKonzepten aufgrund der individuellen Gestaltung und der Aussicht auf Gewinn­ beteiligung besonders interessant ist. Diesen Unternehmen wird die Möglichkeit genommen, sich vom traditionellen Markt abzukoppeln und von der verbesserten individuellen Risikosituation zu profitieren.1 Damit schwinden Anreize, den individuellen Umweltgefährdungsgrad zu verbessern, indem das aktive Risiko­ management gestärkt wird. Für den Fall, daß die Finite Risk-Deckung mit einem erhöhten Exzedenten weitergeführt werden soll oder, da der Versicherer nun einen besseren Überblick über die Risikosituation hat, in eine traditionelle Versi­ cherungslösung umgewandelt werden kann, bietet es sich an, Vereinbarungen zu treffen, mit denen der Versicherte verpflichtet wird, die Gewinnbeteiligung in Maßnahmen des aktiven Risikomanagements zu investieren. Neben der Verbes­ serung der Finanzierungsmöglichkeiten für Umweltrisiken können Finite RiskKonzepte unter der Voraussetzung angemessener handels- und steuerrechtlicher Vorschriften Anreize zur Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes geben und finanzielle Mittel in die Beseitigung und Vermeidung von Umweltschäden lenken.

1

Vgl. Schweizer Rück (Finite Risk-Rückversicherung 1997), 27.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

IV.

Beispielhafte Ausgestaltung einer Funded Cover-Deckung

1.

Prinzipielles Konzept der Absicherung des Eigenscha­ denrisikos über eine Funded Cover-Deckung

Nachdem die Merkmale und Besonderheiten von Finite Risk-Konzepten und deren allgemeine Anwendbarkeit für Umweltrisiken vorgestellt sowie die Unsi­ cherheiten der bilanziellen und steuerlichen Behandlung der Konzepte analysiert wurden, soll im folgenden die Finanzierung von Umweltrisiken durch eine Finite Risk-Deckung an einem Fallbeispiel verdeutlicht werden.

Funded Cover-Deckungen erfahren in der Diskussion über Finite Risk-Konzepte die größte Aufmerksamkeit und sind speziell für die prospektive Deckung von Umweltrisiken geeignet, für die eine kongruente Versicherungsdeckung nur schwer oder, nach Ansicht der Versicherten, nur überteuert erhältlich ist. Da für diese Risiken darüber hinaus auch eine steuerlich anerkannte interne Vorsorge unmöglich ist, wird für die beispielhafte Ausgestaltung einer Finite RiskDeckung für Umweltrisiken eine Funded Cover-Lösung konstruiert. Abb. 29 gibt eine detaillierte Übersicht über die Parameter der Deckung. Die Funded Cover-Deckung soll beispielsweise als Ergänzung zu einer bestehen­ den Umwelthaftpflichtversicherung nach dem HUK-Modell der Absicherung des Eigenschadenrisikos dienen und dazu beitragen, über die gesamte Vertragslauf­ zeit steuerlich abzugsfähige Prämien anzusparen. Die Konstruktion scheint ge­ eignet, den steuerlichen Anforderungen zu entsprechen und sollte eine interes­ sengerechte und verhandlungsfähige Basis darstellen.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Vertragsdaten der „Eigenschaden“-Funded Cover Deckung

Deckungssumme:

DM 15.000.000 aggregiert über die gesamte Vertragslauf­ zeit

Vertragsdauer:

5 Jahre mit der Option, die Deckung nach Vertragsablauf neu zu verhandeln bzw. um weitere 5 Jahre zu verlängern

Versicherungsprämie:

Bruttoprämie:

2.120.000 DM, jährlich zahlbar, erstmals bei Vertragsbeginn

davon:

Zinsen:

Vertragsende:

Verwaltungs- und Betriebskostenanteil:

65.000 DM

Risikoprämie:

55.000 DM

Haben-Zins:

Dem Erfahrungskonto wird bei positivem Kontostand (Jahresdurchschnitt) jährlich ein Zins in Höhe von 5 % gutgeschrie­ ben.

Soll-Zins:

Das Erfahrungskonto wird bei negativem Kontostand (Jahresdurchschnitt) mit ei­ nem Zins in Höhe von 7 % belastet.

Bei positivem Kontostand des Erfahrungskontos wird dem Versicherungsnehmer am Ende der Vertragslaufzeit ein Anteil von 90 % des Guthabens zurückerstattet. Ist das Guthaben des Erfahrungskontos bei Vertragsende negativ, hat der Versicherungsnehmer die Pflicht, eine ab­ schließende Zahlung zum Ausgleich des negativen Saldos zu leisten. Die Abschlußzahlung ist allerdings auf die Hälfte der Diffe­ renz von 1.600.000 DM und den aggregierten HabenZinsen zuzüglich der aggregierten Sollzinsen begrenzt.

Abb. 29:

Vertragsdaten der „Eigenschaden “-Funded Cover Deckung

Die jährliche Bruttoprämie sei auf 2,12 Mio. DM festgesetzt. Aufgrund der Ver­ sicherungssteuerpflicht erhöht sich die vom Versicherten zu zahlende Ge­ samtprämie auf 2,438 Mio. DM. Wie der obere Teil der folgenden Abb. 30 ver­ deutlicht, dient die Gesamtprämie als Basis für die Berechnung des Betrages, der dem Erfahrungskonto jährlich zugeführt werden kann. Neben der Versicherungs­ steuer sind von dieser Basisprämie die Verwaltungs- und Betriebskosten abzu­ ziehen, die der Versicherer für die Durchführung und Abwicklung des Funded Cover-Programms, unabhängig vom Schadenverlauf, jährlich einbehält. Auch die Risikoprämie, die für den Transfer des Underwriting-Risikos zu zahlen ist, d.h.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

dafür, daß der Versicherer einen Exzedenten übernimmt, der über die vom Versi­ cherten zu zahlenden Prämien einschließlich erwarteter Zinserträge hinausgeht, muß von der Basisprämie abgezogen werden. Im Beispielfall bleiben von einer Basisprämie in Höhe von 2,438 DM 2 Mio. DM übrig, die dem Erfahrungskonto zufließen. Die Funktionsweise der Funded Cover-Deckung soll nachfolgend anhand von zwei Schadenzenarien verdeutlicht werden. •

Fall 1: Bereits im ersten Jahr tritt ein vom Vertrag erfaßter Schaden in Höhe von 4,5 Mio. DM ein. Im dritten Jahr wird erneut ein Schaden (2 Mio. DM)

verursacht. Die Bezahlung der Schadenbeseitigung erfolgt jeweils am Jahres­ ende. •

Fall 2: Im dritten Jahr tritt ein durch Umwelteinwirkungen verursachter Ei­

genschaden in Höhe von 13 Mio. DM ein. Die Bezahlung der Schadenbesei­ tigung erfolgt am Jahresende.

Abb, 30:

Entwicklung des Eifahrungskontos in Fall 1

Obenstehende Abb. 30 verdeutlicht, daß in Fall 1 bereits im ersten Jahr die Fi­ nanzierungsfunktion des Funded Covers greift, da die vom Versicherer für den ersten Schaden zu leistenden Zahlungen bereits im ersten Jahr die bis dahin ge­ zahlten Prämien übersteigen. Trotz des zweiten Schadens verbleibt aber aufgrund des durchschnittlichen Schadenverlaufs am Ende der Vertragsperiode auf dem Erfahrungskonto ein Guthaben in Höhe von 3,9 Mio. DM. Der Versicherte erhält

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

davon 3,5 Mio. DM zurückerstattet. Da dieses Guthaben aus Beträgen nach Er­ tragsteuern angesammelt wurde, ist es vom Versicherten bei der Rückübertra­ gung als außerordentlicher Ertrag zu versteuern.

Für den Fall, daß gar kein Schaden eintritt, erreicht das Erfahrungskonto zu Ver­ tragsende einen Kontostand von 11,6 Mio. DM. Der Versicherte würde an sei­ nem guten Schaden verlauf durch eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 10,4 Mio. DM partizipieren. ____________

PQgitiQn (aus Angaben in

pm)

Jahr 1

Jahr 2

Jahr 3

Jahr 4

Jahr 5

Erfahrungskontp

Kontostand am Jahresanfang Jährliche Zuführung Haben 5% Soll 7 % Bezahlte Schäden Kontostand am Jahresende Rückerstattung/ Ausgleichszahlung bei Vertragsende ■ ■■ . Zinsen:

Abb. 31:

0 2.100.000 4.305.000 -6.379.750 2.000.000 2.000.000 2.000.000 2.000.000 2.000.000 4.100.000 6.305.000 -4.379.750 0 100.000 205.000 315.250 0 -306.583 0 0 -13.000.000 2.100.000 4.305.000 -6.379.750 -4.686.333

-4.686.333 2.000.000 -2.686.333 0 -188.043

-2.874.376 0 -984.501

Entwicklung des Erfahrungskontos in Fall 2

Wie Abb. 31 zeigt, beträgt das in Fall 2 bis zu Beginn des dritten Jahres erwirt­ schaftete und angesparte Kapital 6,3 Mio. DM. Dann tritt der Schaden in Höhe von 13 Mio. DM ein, der das Guthaben bei weitem übersteigt. Doch aufgrund der konstanten jährlichen Zuführungen zum Erfahrungskonto werden über die ge­ samte Vertragslaufzeit Prämien angespart und so kann der im dritten Jahr anfal­ lende Großschaden auf den gesamten Vertragszeitraum verteilt werden. Die Streckung der finanziellen Belastung des Versicherten über mehrere Jahre stellt einen bedeutenden Vorteil der Funded Cover-Deckung dar. Darüber hinaus verdeutlicht Fall 2, daß der Versicherte bei Schäden, welche die aggregierten Prämienzahlungen einschließlich der erwarteten Zinserträge über­ steigen, den überschießenden Rest nicht vollständig ausgleichen muß. Die Aus­ gleichszahlung in Höhe von 984.501 DM ergibt sich aus dem Teil des TimingRisikos, den der Versicherte übernimmt. Die verbleibenden 1,88 Mio. DM trägt der Versicherer (Underwriting- und Timing-Risiko).

Selbst bei einem bereits im ersten Jahr eintretenden Schaden in Höhe von 15 Mio. DM, d.h. bei einem Schaden, bei dem sich das Zahlungszeitpunktrisiko voll verwirklichen und ein Kontostand von -7.407.791 DM bei Vertragsende ergeben

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3, Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

würde, bleibt die Ausgleichszahlung des Versicherten auf 3.257.791 DM be­ grenzt.

Die Darstellung des Beispielfalls soll ferner dazu verwendet werden, eine Frage­ stellung der bilanziellen Behandlung der Funded Cover Deckung aufzugreifen. Anhand des Verlaufs des Erfahrungskontos in Fall 2 kann verdeutlicht werden, daß die in den USA nach EITF 93-6 geforderte Aktivierung positiver Guthaben des Erfahrungskontos in Deutschland nicht greifen wird. Auch wenn sich aus der vertraglich vereinbarten Gewinnbeteiligung Ansprüche auf zukünftige Rückver­ gütungen ergeben können, ist der positive Zwischensaldo (hier beispielsweise 4,3 Mio. DM) des Erfahrungskontos nicht als Aktivposition in die Bilanz aufzuneh­ men, da das Realisationsprinzip den Ausweis nicht realisierter Gewinne verbietet. Zum einen kann, wie in Fall 2, während der verbleibenden Vertragslaufzeit ein Schaden eintreten, der das Erfahrungskonto so stark belastet, daß der Anspruch auf die Gewinnbeteiligung erlischt. Zum anderen stellt der bei Schadeneintritt bestehende Anspruch auf Schadenausgleich keinesfalls einen aktivierungsfähigen Vermögensgegenstand dar.1 Da damit der Rückfluß an sich und der Höhe nach nicht vorhersehbar ist, kommt eine Aktivierung des Guthabens des Erfahrungs­ kontos in der Bilanz der Versicherungsnehmers vor Ablauf der Vertragslaufzeit nicht in Frage. Auch vor diesem Hintergrund sind die Prämienzahlungen für die Funded Cover-Deckung aufwandswirksam.

2.

Die Funded Cover-Deckung im Vergleich mit Konzepten des Selbsttragens

Um die Bedeutung der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Beträge, die der Reser­ venbildung dienen, nochmals zu verdeutlichen, können der vorgestellten „Eigenschaden“-Funded Cover-Deckung anhand der Daten des Fallbeispiels drei alternative Deckungskonzepte gegenübergestellt werden. Die erste Alternative, das direkte Selbsttragen aus dem Cash-Flow, stellt im eigentlichen Sinne kein vorsorgendes Deckungskonzept dar, soll aber an dieser Stelle als kostengünstig­ ste Variante des Selbstragens ungeachtet des Problems, daß größere Schäden innerhalb eines Jahres nicht finanziert werden können, als Vergleichsmaßstab dienen. Neben einer Rückstellungslösung, deren Einsatz zur Vorsorge für zu­ künftige und damit unsichere Eigenschäden aufgrund der restriktiven Anforde­ rungen an die Bildung einer Rückstellung als rein hypothetisch anzusehen ist, erfaßt der Vergleich auch die Bildung von Rücklagen resp. eines Fonds für Um-

t

Vgl. Heß, A. (Financial Reinsurance 1995), S. 1334.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

weltrisiken.1 Untersucht wird dabei die Frage, welche Auswirkungen die Zurver­ fügungstellung und der Einsatz der jeweiligen Deckung auf den Jahresüberschuß hat. Aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung und deren Bedeu­ tung sind die steuerlichen Auswirkungen zu berücksichtigen. Dementsprechend beziehen sich die Betrachtungen auf den Jahresüberschuß nach Steuern.

Abb. 32 gibt einen Überblick über die bei Anwendung der jeweiligen Deckungs­ formen mit Fall 1 verbundenen Belastungen des Jahresüberschusses. Um die finanziellen Auswirkungen vergleichbar zu machen und dem zeitlichen Anfall Rechnung zu tragen, werden sie in einer einfachen BarWertrechnung auf den Betrachtungszeitpunkt to als einheitlichen Bezugszeitpunkt abgezinst.2 _____

Fall 1 Position (alle Angaben in DM)

Jahr 3

Jahr 2

Jahr 4

Jahr 5

Barwert

Selbsttragen aus dem Cash-Flow

Schadenzahlungen Steuererspamisse Fonds für Umweltrisiken

Steuerzahlungen Schadenzahiungen Steuerersparnisse Auflösung Fonds Fondsbestand (n.S.)

-2.000.000 0 1.083.400 0 -916.600

0 0

0 0 -2.563.519

I -3.545.931 -3.545.931 -3.545.931 -3.545.931 -2.000.000 1.083.400 2.000.000 8.500.000 -3.545.931 -2.462.531 -3.545.931 4.954.069 -5.134.016

____

Funded Cover

Prämienzahlungen Steuerersparnisse Rückerstattung (nach Steuern)

-2.438.000 -2.438.000 -2.438.000 -2.438.000 1.320.665 1.320.665 1.320.665 1.320.665 1.604.050 486.715 -3.239.591 | •1.117.335 •1.117.335 •1.117.335 „ ... s

Rückstellungslösung

Rückstellungsbildung Steuererspamisse Schadenzahlungen Auflösung Rückstellung Steuerzahlungen

Abb. 32:

1 2

-3.000.000 1.625.100 0 0 -1.374.900

-3.000.000 -3.000.000 -3.000.000 1.625.100 1.625.100 1.625.100 -2.000.000 8.500.000 2.000.000 -4.604.450 -1.374.900 -1.374.900 2.520.650 -2.793.123

Auswirkungen der verschiedenen Deckungsformen bei Fall 1

Eine Versicherungslösung wird in diesen Vergleich nicht einbezogen, da eine realistische und den anderen Deckungen vergleichbare Prämienschätzung nicht möglich ist. Den Berechnungen liegt ein Kalkulationszinsfuß von 10 % zugrunde.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Bei dem direkten Selbsttragen aus dem Cash-Flow sind die Schäden in den Peri­ oden ihres Eintritts zu bezahlen, ohne daß dafür bestimmte Reserven vorhanden sind. Da es sich bei den Schadenzahlungen um Betriebsausgaben handelt, sind sie steuerlich abzugsfähig. Dabei wird unterstellt, daß das Unternehmen über ausrei­ chende steuerpflichtige Überschüsse verfügt. Aufgrund der Steuerersparnis liegt bei Kapitalgesellschaften die effektive Belastung z.B. bei dem Schaden von 4,5 Mio. DM im ersten Jahr bei 2,062 Mio. DM. Der verwendete Steuersatz beträgt 54,17 % und enthält die körperschaftsteuerliche Tarifbelastung in Höhe von 45 % und einen effektiven Gewerbeertragsteuersatz von 16,67 % (Hebesatz von 400 %). Der Solidaritätszuschlag wird nicht berücksichtigt. Der Barwert der gesamten Belastung des betrachteten Fünfjahreszeitraums liegt bei 2,56 Mio. DM.

Dem Fonds für Umweltrisiken sind, der Deckungssumme der Funded CoverDeckung in Höhe von 15 Mio. DM entsprechend, über einen Zeitraum von fünf Jahren jährlich 3 Mio. DM zuzuführen. Da es sich bei den Zuführungen um Be­ träge nach Steuern handelt, sind Steuern in Höhe von 3,55 Mio. DM zu zahlen, um eine Erhöhung der Rücklagen um 3 Mio. DM zu ermöglichen. Die Erhöhung der Rücklagen um 3 Mio. DM setzt also einen Jahresüberschuß vor Steuern in Höhe von 6,55 Mio. DM voraus. 54,17 % dieses Betrags, d.h. 3,55 Mio. DM, sind als Steuerzahlungen zu entrichten, während der Rest, 3 Mio. DM, dem Fonds zugewiesen werden können. Die effektiven Auswirkungen der Schadenzahlungen auf den Jahresüberschuß werden wiederum aufgrund ihrer Steuerwirksamkeit um die Steuerersparnisse gemindert. Unter der Voraussetzung, daß in den Fonds für Umweltrisiken bereits in früheren Perioden Mittel eingestellt wurden, d.h. er ausreichend dotiert ist, erhöht eine Entnahme aus dem Fonds in Höhe des Schadens den Jahresüberschuß entsprechend. Um die Übersichtlichkeit zu wahren, werden die Zuführungen zum Fonds auch in Schadenjahren kontinuierlich weitergeführt und nicht mit Entnah­ men saldiert. Auf den Fünfjahreszeitraum bezogen, wurden dem Fonds 15 Mio. DM zugeführt und 6,5 Mio. DM entnommen. Aufgrund der zeitlich begrenzten Betrachtung ist der Bestand von 8,5 Mio. DM am Ende ergebniswirksam zu berücksichtigen, während der Bestand des Fonds in den Jahren eins bis vier keine ergebniswirksamen Auswirkungen hat und dementsprechend nicht beachtet wer­ den muß. Insgesamt verursacht die Schadendeckung mit Hilfe des Fonds für Umweltrisiken bei einer Barwertbetrachtung finanzielle Auswirkungen in Höhe von 5,13 Mio. DM. Der deutliche Barwertunterschied in Höhe von 2,57 Mio. DM im Vergleich zum Selbsttragen aus dem Cash-Flow kann auf die Steuerzah­ lungen (3,55 Mio. DM) zurückgeführt werden, die in allen Jahren zu entrichten sind, um den Fonds aufzubauen.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Die Berechnungen zu der Funded Cover-Deckung gestaltet sich am einfachsten. Unter der Voraussetzung, daß die Prämienzahlungen in Höhe von 2,4 Mio. DM als Betriebsausgaben anerkannt werden, ergibt sich eine Steuerersparnis von 1,32 Mio. DM, so daß die effektive Prämienbelastung bei 1,117 Mio. DM liegt. Da die Schadenabwicklung und -Zahlungen auf den Versicherer übertragen wurden, sind diesbezüglich keine Zahlungen zu berücksichtigen. Aufgrund des Schaden­ verlaufs, steht dem Unternehmen eine Rückerstattung in Höhe von 3,52 Mio. DM zu (vgl. Abb. 30). Unter Berücksichtigung der darauf anfallenden Steuern, ver­ bleiben 1,6 Mio. DM. Insgesamt ist die Funded-Cover Deckung mit Risikokosten in Höhe von 3,23 Mio. DM - bezogen auf t0 - verbunden.

Für eine Rückstellungslösung - sofern sie denn möglich wäre - sind unter der idealisierten Vorstellung, d.h. die Möglichkeit der Bildung einer Ansammlungs­ rückstellung unterstellt, den Rückstellungen jährlich 3 Mio. DM zuzuführen, um eine Reserve in Höhe von 15 Mio. DM aufzubauen. Die Zuführungen zu den Rückstellungen sind aufwandswirksam und mindern demnach den Jahresüber­ schuß. Da die Rückstellungsbildung ebenfalls die steuerliche Bemessungsgrund­ lage vermindert, sind auch hier die entsprechenden Steuerersparnisse einzubezie­ hen. Die anfallenden Schadenzahlungen sind zwar ergebniswirksam, werden aber durch die Erträge aus den korrespondierenden Auflösungen der Rückstellungen neutralisiert. Da auf den gesamten Zeitraum gesehen den Rückstellungen 15 Mio. DM zugeführt, aber nur 6,5 Mio. DM entnommen werden, verbleibt ein Bestand von 8,5 Mio. DM. Aufgrund der zeitlich begrenzten Betrachtung sind die ergeb­ niswirksamen Auswirkungen, die mit der Auflösung dieses Bestandes verbunden sind, am Ende des Betrachtungszeitraums zu berücksichtigen. Im Gegensatz zum Bestand des Fonds für Umweltrisiken handelt es sich hier um einen Betrag vor Steuern. Dementsprechend sind die auf diesen Betrag entfallenden Steuerzahlun­ gen in Höhe von 4,6 Mio. DM zu erfassen. Insgesamt beeinflußt die Rückstel­ lungslösung den Jahresabschluß in Höhe von 2,79 Mio. DM. Die folgende Abb. 33 verdeutlicht die analogen Berechnungen für Fall 2. Im Gegensatz zu Fall 1 entsteht bei der Funded Cover-Deckung kein Rückzahlungs­ anspruch, sondern die Verpflichtung, eine Ausgleichszahlung zu leisten. Da es sich dabei um eine Betriebsausgabe handelt, sind für die Ermittlung der effekti­ ven Auswirkung wiederum die entsprechenden Steuerersparnisse zu berücksich­ tigen.

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Abb. 33:

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Auswirkungen der verschiedenen Deckungsformen bei Fall 2

Die Ausführungen bestätigen zwar die Einschätzung, daß es sich bei dem Selbst­ tragen aus dem Cash-Flow um die günstigste Form des Selbsttragens handelt. Allerdings wird dabei die angestrebte Glättung der Liquiditäts- und Erfolgsbela­ stung völlig verfehlt. Da zudem nicht gewährleistet ist, daß ohne den vorherigen Aufbau einer Reserve die anfallenden Schäden tatsächlich bezahlt, d.h. innerhalb eines Jahres finanziert werden können, ist diese Form der Risikofinanzierung unter Sicherheitsaspekten für die Deckung von Großschäden i.d.R. ungeeignet.

Im Gegensatz dazu stehen die drei anderen Instrumente der Risikofinanzierung. Wie die jeweils letzten Zeilen der Berechnungen zeigen, erfüllen diese, wenn auch hinsichtlich der gesamten finanziellen Belastung auf unterschiedlichen Ni­ veaus, die Forderung nach einer relativ kontinuierlichen und planbaren Liquidi­ täts- und Erfolgsbelastung. Besonders auffällig ist dabei die Tatsache, daß beim Fonds für Umweltrisiken in den Schadenjahren nicht nur verhindert wird, daß es zu Ergebniseinbrüchen kommt, sondern aufgrund der Entnahmen aus den Rück­ lagen der Jahresüberschuß im Vergleich zu schadenfreien Jahren sogar erhöht

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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wird. Dies verdeutlicht, daß der Fonds für Unternehmen, welche die jährlichen Zuführungen zum Fonds verkraften können, eine Alternative darstellt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es für diese Unternehmen, beispielsweise in umweltsen­ siblen Branchen, von Bedeutung ist, externen Beobachtern nachweisen zu kön­ nen, daß die spezifischen Umweltrisiken und deren finanzielle Konsequenzen selbst getragen werden können, ohne daß es zu signifikanten Einbrüchen der Ertragslage kommt.

Da eine Rückstellungslösung - wie die Ausführungen in Teil Zwei gezeigt haben - für die prospektive Deckung von Umweltrisiken weitgehend unmöglich ist, verbleiben als einzig echte Alternativen die Rücklagen- resp. Fondsbildung und die Funded Cover-Deckung. In diesem Vergleich zeichnet sich die Funded Co­ ver-Deckung durch steuerliche Vorteile aus. Insgesamt führt die mit der Aner­ kennung der Prämienzahlungen als Betriebsausgaben verbundene Steuerbar­ wertminimierung trotz der höheren frictional costs - unabhängig vom unterstell­ ten Schadenszenario - zu deutlich geringeren Auswirkungen auf den Jahresüber­ schuß. Darüber hinaus wurde bisher vernachlässigt, daß nur die Funded CoverDeckung eine Vorsorge Wirkung vom ersten Tag an bietet. Funded Covers sind damit sowohl unter Kosten- als auch unter Sicherheitsaspekten den (anwendbaren) Formen des bewußten Selbsttragens mit interner Reservenbildung überlegen und stellen durch die gleichmäßige und planbare Belastung die er­ wünschte Planungssicherheit her.

Da ein Großteil der Deckungssumme aus eigenen Mitteln aufgebracht werden muß, d.h. bei hohen Deckungssummen auch hohe Beträge vom Versicherten zu leisten sind, macht das Fallbeispiel allerdings auch deutlich, daß Funded Cover Deckungen speziell von größeren und vor allem finanzkräftigen Unternehmen angewendet werden können. Durch die Verpflichtung, vorfinanzierte Schadenzahlungen weitgehend zurück­ zuzahlen, entsteht zwischen Versichertem und Versicherer bei Schadenzahlun­ gen, die das bereits angesammelte Kapital übersteigen, ein Kreditverhältnis. In Fall 2 beispielsweise vergibt der Versicherer einen Kredit in Höhe von fast 4 Mio. DM. Um das Ausfallrisiko zu begrenzen, setzen die Versicherer eine gute Finanzkraft des Unternehmens voraus resp. verlangen i.d.R. ausreichende Sicher­ heiten.

Schließlich ist zu beachten, daß zunächst größere Beträge vorerst fixer Risikoko­ sten für die finanzielle Deckung der Risiken einzusetzen sind. Diese fixen Beträ­ ge sind die Voraussetzung, um auf lange Sicht und bei gutem Schadenverlauf durch die Gewinnbeteiligung insgesamt Risikokosten einzusparen. Das Zusam­ menwirken der Voraussetzungen Finanzkraft, positiv eingeschätzter Schaden­

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

verlauf und ausreichende Kreditwürdigkeit, schränkt das Feld der Unternehmen ein, für die eine Funded Cover Deckung interessant ist. Nach Einschätzung der Praxis kommen z.Z. erst sieben von 100 interessierten Unternehmen für den Einsatz von Finite Risk-Konzepten in Betracht.1

1

Vgl. Banham, R. (Finite Risk Products 1994), S. 43.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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B.

EXTERNES SELBSTTRAGEN VON UMWELTRISIKEN DURCH CAPTIVES

I.

Gestaltungsmöglichkeiten und von Captives

1.

Formen und Funktionen der Captive

Zielsetzungen

Bei einer Captive Insurance Company, im folgenden kurz als Captive bezeichnet, handelt sich um eine Versicherungsgesellschaft, die als Tochter eines oder meh­ rerer Industrieunternehmen, d.h. von Nicht-Versicherungsunternehmen, gegrün­ det wird. Die Captive wird deshalb auch als firmeneigene Versicherungsgesell­ schaft bezeichnet.1 Die Captive hat die Versicherungsbedürfnisse der Eigentümer und der mit diesen verbundenen Unternehmen zumindest teilweise zu befriedigen und ist damit von den Interessen der Unternehmensgruppe, in die sie eingebun­ den ist, abhängig resp. „gefangen“ (captive = engl. Gefangener). Die Idee der Gründung einer Captive ist nicht neu. Bereits im 19. Jahrhundert findet sich der Gedanke des versicherungsmäßig organisierten Selbsttragens in Form des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG).2 Der Begriff der Captive jedoch wurde erst vor ungefähr 40 Jahren geprägt. Captives als firmenresp. konzerneigene Versicherungsgesellschaften werden vor allem von USamerikanischen und britischen Unternehmen gegründet. Von den heute weltweit existierenden ca. 3.200 Captives sind weit über 1.000 amerikanischer Herkunft.3 In den USA und in Großbritannien entspricht das jährliche Prämienvolumen der Captives bereits einem ca. 30 %-igen Anteil am gesamten industriellen Prämien­ volumen; weltweit entfallen ca. 20 % des industriellen Prämienvolumens auf Captives.4

Captives treten in verschiedenen Erscheinungsformen auf und lassen sich hin­ sichtlich verschiedener Kriterien systematisieren. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Unterscheidung nach den Beteiligungsverhältnissen, dem Risikenbestand, dem Sitzland und der Funktion.5 Bei der Systematik nach den Beteiligungsverhältnissen lassen sich Single-ParentCaptives und Group-Owned-Captives (kurz Group-Captive genannt) unterschei­

1 2 3 4 5

Vgl. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 247. Vgl. Ackermann, M. (Captive 1983), S. 42. Vgl. Großer, C. (Captives 1997), S. 438. Vgl. Berger, R. (Selbsttragung 1998), S. 17; Börner, A. (Captives 1995), S. 4. Vgl. Wätke, J.-P. (Captive 1982), S. 96ff.; Hets, S. (Captive 1995), S. lOff.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

den. Während sich die Single-Parent-Captive zu 100 % im Besitz eines einzigen Unternehmens befindet, hat die Group-Captive mehrere, nicht verbundene Ei­ gentümer, die meist der gleichen Branche angehören. Single-Parent-Captives sind die am häufigsten vorkommende Captive-Form.

Kann ein Unternehmen keine eigene Captive gründen, will aber dennoch von den Vorteilen einer Captive-Lösung profitieren, so hat es die Möglichkeit, eine sog. Rent-a-Captive resp. ein sog. Captive-Account zu mieten.1 Bei diesen Formen mietet das Unternehmen die Rechtspersönlichkeit und die vorhandene Infra­ struktur einer unternehmensfremden Captive. Solche Lösungen werden von Ver­ sicherungsgesellschaften und Maklern resp. Beratungsgesellschaften angeboten und dienen häufig als Vorstufe der Gründung einer eigenen Captive. Innerhalb dieser Captive-Sonderformen wird das Versicherungsgeschäft für jedes Unter­ nehmen auf getrennte Rechnung betrieben. Werden Captives hinsichtlich des Risikenbestands gegliedert, können PureCaptives und Broad-Captives unterschieden werden. Eine Pure-Captive versi­ chert nur Risiken ihrer Eigentümer. Eine Broad-Captive zeichnet dagegen auch, teilweise sogar zu einem Großteil, Risiken fremder Unternehmen.

Je nach Sitzland der Captive lassen sich On- und Off-Shore-Captives differenzie­ ren. Während Captives, die im selben Land wie die Muttergesellschaft angesie­ delt sind, als On-Shore-Captives bezeichnet werden, handelt es sich bei OffShore-Captives um solche, die außerhalb des Sitzlandes der Muttergesellschaft arbeiten. Die meisten der bestehenden Captives (90 %) sind Off-Shore-Captives, die in sog. Steueroasen gegründet wurden, in denen insbesondere die versicherungsaufsichts- und steuerrechtlichen Bedingungen wesentlich günstiger sind.2

Captives können prinzipiell entweder die Funktion eines Erst- oder eines Rück­ versicherungsunternehmens übernehmen. Eine Erstversicherungs-Captive arbeitet im wesentlichen wie ein herkömmlicher Erstversicherer. Die Captive zeichnet direkt die Risiken der Unternehmen und überträgt den über einen bestimmten Eigenbehalt hinausgehenden Teil der Risiken an Rückversicherungsgesellschaf­ ten. Die Gründung einer Erstversicherungs-Captive wird allerdings in vielen Ländern durch langwierige und komplizierte Zulassungsverfahren erschwert. In Deutschland beispielsweise wird für die Gründung einer ErstversicherungsCaptive die Erlaubnis des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BAV) benötigt. Ferner unterliegt der Betrieb einer Erstversicherungs-Captive der vollen laufenden Aufsicht des BAV.

1 2

Vgl. Meyer-Kahlen, W. (Captive-Versicherung 1988), S. 95f.; Börner, A. (Captives 1995), S. 6f. Vgl. Bawcutt, P. (Captive 1989), S. 22; Meyer-Kahlen, W. (Captive-Versicherung 1988), S. 95f.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Im Gegensatz zu den Ländern der EU existieren in einigen Ländern darüber hin­ aus sog. „Non-Admitted-Insurance“-Vorschriften, die bestimmen, daß aus­ schließlich inländische Versicherungsgesellschaften zur direkten Zeichnung von Risiken berechtigt sind. Als Folge müßte ein Unternehmen in allen Ländern, in denen diese Vorschriften gelten, eine konzessionierte Captive-Tochtergesellschaft gründen. Dies macht die Gründung einer Erstversicherungs-Captive für multinationale Unternehmen, die häufig einen weltweit einheitlichen Versi­ cherungsschutz anstreben, meist unattraktiv.1

Als zweite Variante kann die Captive auch als Rückversicherungs-Captive konzi­ piert sein. Bei der Rückversicherungsvariante werden die Risiken der jeweiligen Unternehmen zunächst formal auf Versicherer des traditionellen Erstversiche­ rungsmarktes übertragen, die im Versicherungsvertrag wiederum verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil an die Captive zu zedieren, d.h. in Rückversi­ cherung zu geben. Für diesen, auch als „Fronting“ bezeichneten Vorgang muß die Rückversicherungs-Captive als Entgelt eine sog. Fronting-Fee bezahlen. Um ein möglichst großes Prämienvolumen der Captive zu gewährleisten, werden die Fronter i.d.R. zu einer hohen Rückversicherungsabgabe an die Captives, teilweise von 90 % und mehr, verpflichtet. Die nachstehende Abb. 34 stellt den Risikotransfer bei einer ErstversicherungsCaptive dem einer Rückversicherungs-Captive gegenüber und verdeutlicht die erläuterten Funktionen. Es handelt sich dabei lediglich um Grundkonzeptionen, bei denen Variationen mit unterschiedlichen Besitzverhältnissen und differen­ zierten Rückversicherungslösungen ebenso möglich sind, wie ErstversicherungsCaptives, die sich an der Rückversicherung der Konzernrisiken beteiligen oder die Industrierisiken zusammen mit anderen Mitversicherern zeichnen.

Eine Captive kann i.d.R., unabhängig davon, ob es sich um eine Erst- oder Rück­ versicherungs-Captive handelt, nicht auf eine Rückversicherungsnahme verzich­ ten. Die von der Captive übernommenen Risiken werden somit nach Abzug eines Eigenbehalts am Rückversicherungsmarkt retrozediert. Somit ist auch eine Rück­ versicherungs-Captive in den Risikotransfer zwischen den Erstversicherern und den professionellen Rückversicherern eingebunden sowie von den Kapazitäten und den Bedingungen des Rückversicherungsmarkts abhängig.

1

Vgl. Ackermann, M. (Captive 1983), S. 102f.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Für den Anteil der Risiken, der im Eigenbehalt der Captive verbleibt, werden über den vom Unternehmen getragenen Selbstbehalt hinaus die wirtschaftlichen Konsequenzen der Risiken nicht an einen konzernexternen Risikoträger übertra­ gen. Durch die Konzernzugehörigkeit kann sich der bei der Captive verbleibende Risikoteil über den Verlust des Eigenkapitals der Captive bei der Müttergesell­ schaft auswirken.2 Auf der einen Seite sind Captives damit ein Instrument des Selbsttragens, durch die eigene Rechtsperson zwar ein externes, aber eben doch ein Instrument des Selbsttragens. Auf der anderen Seite werden die Risiken, die 1 2

In Anlehnung an Hets, S. (Captive 1995), S. 134 u 135. Vgl. Wätke, J.-P. (Captive 1982), S. 101.

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an den professionellen Rückversicherungsmarkt transferiert werden, aus der Sphäre des Unternehmens entfernt, so daß eine Risikoübertragung stattfmdet. Captives können also weder dem Selbsttragen noch der Risikoübertragung ein­ deutig zugeordnet werden.1 Dadurch wird die Eigenschaft der Captive als hybri­ des Instrument der Risikofinanzierung verdeutlicht.

Die Captive benötigt zum Geschäftsbetrieb eine eigene Rechtspersönlichkeit, die meist durch die Gründung einer Aktiengesellschaft (AG) geschaffen wird. Grundsätzlich ist auch die Gründung eines VVaG möglich. Während Rückversi­ cherungsunternehmen in der Rechtsform der AG nur einer beschränkten Aufsicht des BAV unterliegen und weder eine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb benötigen, noch besondere Anforderungen an die Kapitalausstattung und Vermögenslage erfüllen müssen, unterliegen VVaGs in vollem Umfang den entsprechenden Be­ stimmungen des VAG.2 Aufgrund des größeren Aufwands, der mit der Gründung einer Erstversicherungs-Captive verbunden ist und wegen der meist strengen zulassungs- und aufsichtsrechtlichen Vorschriften für Erstversicherer, sind die meisten Captives als Rückversicherungs-Captives tätig.3 Dies wird ferner da­ durch begünstigt, daß Rückversicherungs-Captives auf sog. front-end services, wie personalintensive Unterzeichnungsgeschäfte oder Schadenbesichtigungen und -abwicklungen verzichten können, da diese auf die frontenden Erstversiche­ rer abgewälzt werden. Speziell im internationalen Geschäft sind die Fronter schließlich besser mit den lokalen Vorschriften und Bedingungen vertraut. Da die Rechtsform der AG aus aufsichtsrechtlicher Sicht Vorteile gegenüber dem VVaG hat, werden die meisten Captives als Rückversicherungs-Captives in der Rechts­ form einer AG gegründet.

2.

Finanzwirtschaftliche Zielsetzungen

Ausgangspunkt der Überlegungen, ob eine Captive in der individuellen Situation ein geeignetes Instrument der Risikofinanzierung darstellt, ist häufig die Unzu­ friedenheit der Unternehmen gegenüber den Versicherern, deren Prämienforde­ rungen häufig als zu hoch und vor allem als nicht risikoadäquat angesehen wer­ den. Deshalb steht häufig die Frage im Vordergrund, ob eine Reduzierung der Versicherungsprämien durch eine Captive möglich erscheint. Die Hoffnung auf eine Reduzierung der Versicherungsprämien beruht auf den im Vergleich zu

1 2 3

Vgl. Meyer-Kahlen, W. (Captive-Versicherung 1988), S. 95. Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 92. Vgl. z.B. Bialek, K. (Captive 1993), S. 25; Hets, S. (Captive 1995), S. 12.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

herkömmlichen Versicherungsgesellschaften geringeren Betriebskosten.1 Dieses Motiv zielt damit auf den bereits verdeutlichten Umstand ab, daß bei einer tradi­ tionellen Versicherung i.d.R. für jede Mark, die auch tatsächlich der Risikotra­ gung dient, 1,60 DM an Prämie gezahlt werden müssen.2 Da eine Captive ihr Geschäft i.d.R. nicht selbst akquirieren muß, entfallen bei­ spielsweise Akquisitions- und Werbekosten. Aufgrund der engen Verbindung zu den Versicherungsnehmern besitzt sie bessere Informationen über die zu versi­ chernden Risiken. Insgesamt ist bei einer Captive damit mit einem weniger um­ fangreichen Verwaltungsapparat und geringeren Verwaltungs- und Betriebsko­ sten zu rechnen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Gründung einer GroupCaptive durch mehrere gleichgesinnte Unternehmen lassen sich die administrati­ ven Kosten für jedes einzelne beteiligte Unternehmen reduzieren.3

Entgegen dieser in der Literatur bisher übereinstimmend vertretenen Ansicht wird dem Argument der Kosteneinsparung nach den Ergebnissen einer neueren Um­ frage, bei der Industrieversicherungsunternehmen nach ihrer Einschätzung zu den Gründungsmotiven für Captives befragt wurden, wenig Bedeutung beigemessen.4 Dabei stellt sich allerdings die Frage, warum in diesem Zusammenhang die Ver­ sicherungswirtschaft befragt wurde. Würden die Versicherungsunternehmen dem Argument der Kosteneinsparung eine hohe Priorität beimessen, käme dies einem Eingeständnis von zu hohen Betriebs- und Verwaltungskosten in den eigenen Reihen gleich. Für die Zielsetzung, durch die Gründung einer Captive insgesamt die zu zahlen­ den Versicherungsprämien zu reduzieren, spielen zwei weitere Überlegungen, die ebenfalls in Teil Zwei im Kontext der Versicherungslösungen für Umweltrisiken bereits angesprochen wurden, eine besondere Rolle:

• •

1 2 3 4 5

die Verweigerung akzeptabler Prämienermäßigungen für substantielle Selbstbehalte und die mangelhafte Berücksichtigung des individuellen Schadenverlaufs bei der Prämienfindung.5

Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 15; Meyer-Kahlen, W. (Captive-Versicherung 1988), S. 96; Ackermann, M. (Captive 1983), S. 56. Vgl. Kapitel B.III.2. des zweiten Teils dieser Arbeit. Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 89. Vgl. Großer, C. (Captives 1997), S. 438. Vgl. Chuter, H. (Captive Insurance Companies 1994), S. 167; Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 61; Hets, S. (Captive 1995), S. 14, Boller, P./Rosenbaum, D. (Risikoselbsttragung 1995), S. 1183.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Sofern eine adäquate Prämienreduzierung für die Übernahme eines erhöhten Selbstbehalts auf dem traditionellen Erstversicherungsmarkt nicht durchgesetzt werden kann, bietet es sich an, diese Risiken über eine Captive zu versichern. Die Captive kann den angestrebten Betrag im Eigenbehalt tragen und den restlichen Teil der Risiken an den Rückversicherungsmarkt abtreten. Für die Rückversiche­ rung müssen zwar auch Prämien bezahlt werden, doch der Rückversicherungs­ markt ist eher bereit, den Eigenbehalt der Captive in Prämienrabatte umzusetzen, als dies auf dem Erstversicherungsmarkt für den Selbstbehalt der Muttergesell­ schaft und der verbundenen Unternehmen möglich ist. Darüber hinaus bietet sich die Gründung einer Captive an, wenn die Schadenverläufe bestimmter Risiken, der Sicherheitsstandard und das aktive Risikomanagement bei den betroffenen Unternehmen besser als der Marktdurchschnitt sind, der traditionelle Versiche­ rungsmarkt die individuelle Situation aber nur unzureichend berücksichtigt. Wer diesbezüglich nicht besser als der Durchschnitt ist, sollte im Kollektiv eines Ver­ sicherers bleiben resp. versuchen, in ein solches aufgenommen zu werden. Auf dem Rückversicherungsmarkt lassen sich im Gegensatz zum Erstversiche­ rungsmarkt, auf dem die Tarifierung mehr den Markttrend widerspiegelt, ent­ sprechende Rabatte für überdurchschnittliche individuelle Schadenerfahrungen und Sicherheitsstandards sowie für erhöhte Selbstbeteiligungen eher realisieren. Während Nicht-Versicherungsgesellschaften der Zugang zum Rückversiche­ rungsmarkt verwehrt bleibt, ist dies Captives als Versicherungsunternehmen möglich. Dementsprechend kann als wesentliche Zielsetzung einer CaptiveGründung der direkte Zugang zum Rückversicherungsmarkt identifiziert werden. Der direkte Zugang zum Rückversicherungsmarkt und die Möglichkeit, individu­ elle Risikopositionen durchzusetzen, wird auch von den Versicherungsgesell­ schaften als wichtiges Argument für die Gründung einer Captive angesehen.1 Eine Captive wird meist in Steueroasen angesiedelt. Daraus wird teilweise eine weitere finanzwirtschaftliche Zielsetzung einer Captive-Gründung abgeleitet: die Erzielung steuerfreier resp. verhältnismäßig gering besteuerter Gewinne. Die Gewinnerzielung sollte allerdings kein primäres Ziel einer Captive sein.2 Da zudem die Besteuerung der Gewinnausschüttungen an die Anteilseigner, insbe­ sondere die Repatriierung der Gewinne nach Deutschland bei Off-Shore-

1 2

Vgl. Großer, C. (Captives 1997), S. 438. Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 57.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Captives, zumindest problematisch ist,1 stehen aus steuerlicher Sicht zwei andere Motive im Vordergrund der Überlegungen zur Gründung einer Captive. Zum einen sind die Prämienzahlungen an eine Captive im Gegensatz zu den meisten Formen des internen Selbsttragens i.d.R. als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig. Zum anderen ergibt sich der entscheidende Vorteil, daß eine Capti­ ve als Versicherungsgesellschaft in der Lage ist, steuerlich anerkannte Rückstel­ lungen in Form von Schwankungsrückstellungen zu bilden. Durch den Aufbau der steuerfreien Reserven mittels der Schwankungsrückstellungen, die dem Risi­ koausgleich in der Zeit dienen, kann ein Steuerstundungseffekt und trotz schwan­ kender Schadenbelastung eine Glättung des Erfolgs erzielt werden. Die Bildung steuerlich anerkannter Rückstellungen durch Captives wird auch von Versiche­ rungsunternehmen als bedeutendes Argument für die Gründung einer Captive angesehen.2

3.

Leistungswirtschaftliche Zielsetzungen

Die leistungswirtschaftlichen Zielsetzungen, die mit der Gründung einer Captive verfolgt werden, beziehen sich insbesondere auf die Verbesserung der Qualität des unternehmerischen Risikomanagements. So kann eine Captive-Gründung im Zuge der Zentralisierung wichtiger Konzernfunktionen zu einem abgestimmten und konzernweit einheitlichen Versicherungsmanagement und Deckungskonzept führen, während der konventionelle Versicherungsmarkt den Anforderungen international tätiger Konzerne häufig nicht mehr gerecht wird.3 Ein häufig erwähntes Motiv für die Gründung einer Captive ist die Bereitstellung von Deckungskapazitäten für Risiken, die auf dem traditionellen Versicherungs­ markt nicht oder nur zu unverhältnismäßig hohen Prämien versichert werden können4 Eine Captive kann bei neuartigen Risiken im Grenzbereich des Versi­ cherbaren dazu beitragen, Deckungsprobleme sowohl hinsichtlich der Kapazität­ senge als auch in bezug auf den Preis zu überwinden.

1

2 3

4

Zu Vorteilen einer Off-Shore-Captive und einem Verfahren, mit dem geprüft werden kann, ob sich die erhofften Steuervorteile realisieren lassen (Prüfung der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 bis 14 Außensteuergesetz) vgl. Manekeller, F. (Captives 1994), S. 1195ff. Vgl. Großer, C. (Captives 1997), S. 438. Vgl. Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 65; Meyer-Kahlen, W. (Captive-Versicherung 1988), S. 96. Vgl. Willis Corroon (Forecast 1997), S. 3; Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 67; MeyerKahlen, W. (Captive-Versicherung 1988), S. 96. Manekeller, F. (Captives 1992), S. 181.

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Die Versicherungsunternehmen weisen diesem Motiv insgesamt nur eine unter­ geordnete Bedeutung zu.1 Dies erscheint nicht weiter verwunderlich, da es sich dabei, ähnlich wie bei dem Argument der Kosteneinsparung und im Gegensatz zur Bildung steuerlich anerkannter Rückstellungen und dem Zugang zum Rück­ versicherungsmarkt, um ein Argument handelt, das von ihrem eigenen Geschäfts­ verhalten abhängig ist. Die Einschätzung, Unternehmen der Industrie könnten durch die Gründung von Captives diese Zielsetzungen erfüllen, würde wohl dem Eingeständnis eigener Schwächen entsprechen. Darüber hinaus ist zu beachten, daß die Suche nach der Deckung nicht versicherbarer Risken und die angestrebte Bildung steuerlich anerkannter Rückstellungen letztlich nicht unabhängig von­ einander gesehen werden kann. Darüber hinaus bieten Captives die Möglichkeit, die Versicherungsverträge indi­ vidueller zu gestalten und besser auf die Bedürfnisse der Versicherungsnehmer zuzuschneiden. Captives sind als verbundenes Unternehmen und aufgrund des verbesserten Einblicks in die individuelle Risikosituation eher bereit, auf Aus­ schlüsse, auf welche die Fremdversicherer bestehen, zu verzichten oder be­ stimmte Risiken unter bestimmten Voraussetzungen in die Deckung einzuschlie­ ßen. Im Zusammenspiel mit der grundsätzlich stärker ausgeprägten Bereitschaft, Versicherungsdeckung für Risiken anzubieten, die auf dem traditionellen Markt nicht oder nur eingeschränkt abgedeckt werden, kann dies zu einer kongruenten Versicherungsdeckung und einer Verbesserung der Risikolage der Unternehmen führen.

Als leistungswirtschaftliche Zielsetzung von besonderer Bedeutung ergibt sich die im Zusammenhang mit der Gründung einer Captive angestrebte Verbesserung des Risikobewußtseins und -verhaltens innerhalb des Konzerns resp. bei den von der Captive Versicherten. Im Gegensatz zu traditionellen Versicherungslösungen, bei denen die Gefahr des moralischen Risikos besteht, werden bei einer Captive durch die größere Beteiligung der Captive-Eigentümer an den Schäden verstärkt Anreize zur Schadenverhütung und -herabsetzung geschaffen. Die Motivations­ funktion der verstärkten Eigendeckung - die Versicherung bei der Captive be­ deutet konzernweit gesehen das Tragen eines hohen Selbstbehalts - stellt sich ein, da das eigene Unternehmen und nicht ein „anonymer“ Versicherer die Schäden zu tragen hat. Insgesamt zielt die Gründung einer Captive damit auf die Senkung der gesamten Risikokosten ab.

Die Captive erhält als firmeneigene Versicherungsgesellschaft und die damit einhergehende Selbstverwaltung der Schadendaten einen genauen Überblick über die gesamten anfallenden Schäden, deren Ursachen und Konsequenzen. Dadurch 1

Vgl. Großer, C. (Captives 1997), S. 438.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

werden klare Rückmeldungen über die Wirksamkeit der eingesetzten Risikobe­ wältigungsmaßnahmen möglich.1 Die Verbesserung der Kontrolle des Risikoma­ nagementprozesses stellt ebenfalls eine wertvolle Unterstützung des Risikomana­ gements dar.

II.

Problemfelder der Gründung und des Betriebs einer Captive

1.

Risikenbestand und Risikoausgleich

Bei einer Captive handelt es sich um ein echtes Versicherungsunternehmen. Dementsprechend muß sie auch wie ein solches arbeiten, kalkulieren und Risi­ kotransformation durchführen. D.h. sie hat die Aufgabe, aus den übernommenen Risiken ein Kollektiv zu bilden und einen Risikoausgleich herzustellen. Da der Risikoausgleich um so besser gelingt, je größer die Anzahl der erfaßten Risiken ist und je homogener diese sind, stellt sich bei Captives die Frage, ob der Risi­ kenbestand der Captive trotz der Beschränkung der Versicherungsnehmer aus­ reicht, um einen Ausgleich im Kollektiv zu gewährleisten.2 Aus diesem Grund kommt die Gründung einer Captive, speziell einer Pure-Captive, eigentlich nur für Großunternehmen in Betracht. Doch selbst bei Großunternehmen führt das im Vergleich zur traditionellen Ver­ sicherung deutlich kleinere Kollektiv zu einer erheblichen Steigerung des Zu­ fallsrisikos. Während das Änderungs- und speziell das Irrtumsrisiko aufgrund der besseren Kenntnis über die gezeichneten Risiken und der besseren Kommunika­ tion bei Risikoänderungen geringer als bei konventionellen Versicherern ausfal­ len, steigt die Gefahr, daß der erwartete Gesamtschaden des Kollektivs durch zufällige Schwankungen von Schadenzahl und -höhe größer als erwartet ist.3 Da damit eventuell ein höherer Sicherheitszuschlag in der Prämie verrechnet werden muß, werden die positiven Effekte der Betriebskosteneinsparung teilweise wieder ausgeglichen. Ein weiteres Problem für den Risikoausgleich bei einer Captive stellt die - im Vergleich zu einem traditionellen Versicherungsunternehmen, das eine Vielzahl verschiedener Versicherungsnehmer hat - stärker ausgeprägte positive Korrelati­ on der Risiken dar. Aufgrund der überwiegenden Beschränkung auf konzerneige­

1 2 3

Vgl. Manekeller, F. (Captives 1994), S. 1190. Vgl. Manekeller, F. (Captives 1992), S. 182. Vgl. Hets, S. (Captives 1995), S. 40f.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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ne Risiken, die eher in einem abhängigen Verhältnis stehen, ergibt sich ein er­ höhtes Kumul- und Ansteckungsrisiko. Insbesondere bei Konzernen, deren Pro­ duktion nur auf wenige Standorte beschränkt ist oder bei Unternehmen, die der gleichen Branche angehören, müssen deshalb die Unabhängigkeit der Risiken geprüft und voneinander abhängige Risiken als versicherungstechnische Einheit bewertet werden.1 Aufgrund des kleineren Kollektivs, des relativ hohen Zufallsrisikos und der Ge­ fahr der fehlenden Unabhängigkeit der Risiken ist bei Captives gegebenenfalls mit größeren Schwankungen der Schadenaufwendungen zu rechnen. Dieser Vo­ latilität muß durch entsprechende Strategien, beispielsweise eine angemessene Kapitalisierung der Captive und die Allokation von Eigenkapitalmitteln bei den Unternehmen selbst sowie einem risikoadäquaten Rückversicherungsschutz be­ gegnet werden.2 Aufgrund der begrenzten Risikotragfähigkeit einer Captive ist insbesondere die Kooperation des Rückversicherungsmarktes von Bedeutung. Das größere versicherungstechnische Risiko muß durch eine entsprechende Rückversicherung geschützt werden. Dabei ist allerdings davon auszugehen, daß eine Captive i.d.R. keinen so günstigen Rückversicherungsschutz erhalten kann, wie ein traditioneller Versicherer.3

Insbesondere zu Beginn der Geschäftstätigkeit ist eine Captive i.d.R. schwach kapitalisiert und verfügt nur über eine geringe Risikotragfähigkeit. Um einen weitgehenden Risikoausgleich zu gewährleisten, d.h. das Risikokollektiv so groß wie möglich zu gestalten, ist es wichtig, daß möglichst alle Gesellschaften des Konzerns resp. alle der mit den Captive-Eigentümern verbundenen Unternehmen ihre Risiken bei der Captive versichern. Allerdings sind nicht alle Risiken für eine Zeichnung bei einer Captive - speziell bei der Geschäftsaufnahme - geeignet. Aufgrund der beschränkten Kapitalausstattung der Captive sollten Groß- und Katastrophenrisiken bei professionellen Versicherungsunternehmen versichert werden.4 Auch Klein- und Bagatellrisiken eignen sich aufgrund der relativ hohen Transaktionskosten des Risikotransfers nicht für eine Deckung durch eine Capti­ ve, sondern sollten, da sich diese Risiken innerhalb kürzester Zeit finanzieren lassen, aus dem Cash-Flow der einzelnen Unternehmen selbstgetragen werden. Demgegenüber eignen sich Captives insbesondere für mittlere Risiken mit einer guten Vorhersehbarkeit der aggregierten Schadenbelastung und regelmäßig an­ fallenden, kurzfristigen Schadenzahlungen.5 1 2 3 4 5

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Hets, S. (Captives 1995), S. 41 f. Boller, P./Rosenbaum, D. (Risikoselbsttragung 1995), S. 1183. Hets, S. (Captives 1995), S. 82. Manekeller, F. (Captives 1994), S. 1190. Arkwright (Four Strategies 1997), S. 1

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Die meisten europäischen Captives betreiben aus diesem Grund vor allem das Sach- und Transportversicherungsgeschäft.1 Die Übertragung von Haftpflichtrisken auf eine Captive ist dagegen mit Schwierigkeiten verbunden. Zum einen führen die allgemein verschärften Haftungsbedingungen - neben der Umwelthaft­ pflicht ist hier speziell an die Produkthaftpflicht, das persönliche Haftungsrisiko der Geschäftsleitung oder an das Produktsicherheitsgesetz und Produktrückruf­ verpflichtungen zu denken - in diesem Bereich zu potentiellen Groß- und Kata­ strophenrisiken, die nicht im idealen Zeichnungsbereich einer Captive liegen. Zum anderen erfordert die Übernahme von Haftpflichtrisiken aufgrund der Lang­ zeitproblematik spezielle Kenntnisse in bezug auf eine solide Reservierungspoli­ tik und die Prämienkalkulation.2 Für eine Captive erscheint es daher sinnvoll, zunächst mit der Sach- und Transportversicherung zu beginnen. Nach ersten Erfahrungen in der Versicherungsbranche und dem Aufbau einer entsprechenden Kapitalausstattung sind dann auch Aktivitäten im Haftpflichtbereich denkbar.

Im Zusammenhang mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebs einer Captive und in bezug auf den begrenzten Risikenbestand, d.h. die Größe des Kollektivs, stellt sich häufig die Frage nach dem für einen erfolgreichen Betrieb einer Captive erforderlichen Mindestprämienvolumen. Das Prämienvolumen spiegelt ungefähr die Größe des Risikobestandes wider, weshalb versucht wird, den für die Grün­ dung einer Captive notwendigen Bestand anhand der Höhe des jährlich verfügba­ ren Prämienvolumens abzuschätzen. Die in der Praxis und der Literatur diesbe­ züglich vertretenen Auffassungen weichen teilweise erheblich voneinander ab. Die Werte liegen in einer Bandbreite von 250.000 SFr.3 bis zu einem Prämien­ aufkommen in zweistelliger Millionenhöhe. 4 Am häufigsten lassen sich Beträge zwischen 2 Mio. und 5 Mio. DM finden.5 Um Kapazitäten für derzeit am Markt nicht versicherbare Risiken, speziell Haftpflichtrisiken, aufzubauen, sind mit über 10 Mio. DM allerdings deutlich höhere Mindestprämienvolumina sinnvoll.6 Eine weitere negative Auswirkung der Beschränkung auf Risiken aus verbunde­ nen Unternehmen kann sich ergeben, wenn der Captive aufgrund der gesell­ schaftsrechtlichen Verbundenheit zu dem Schädiger eine Alibifunktion unterstellt wird. Insbesondere bei Drittschäden (Haftpflichtschäden) kann die Pufferfunkti­ on des Versicherers, d.h. das Abfangen der Unzufriedenheit der nach eigener Ansicht zu Unrecht, gar nicht oder zu gering entschädigten Anspruchsteller, 1 2 3 4 5 6

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Hets, S. (Captives 1995), S. 29 u. 50. Hets, S. (Captive 1995), S. 51f. Zurich (CIC 1996), S. 3. Hertel, A. (Risk Management 1991), S. 72. Berger, R. (Selbsttragung 1998), S. 18; Manekeller, F. (Captives 1994), S. 1191. Manekeller, F. (Captives 1994), S. 1193.

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beeinträchtigt werden.1 Wenn die Anspruchsteller erfahren, daß der regulierende Versicherer ein Tochter- oder Schwesterunternehmen des schädigenden Unter­ nehmens ist, kann dies zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit führen. Insbesonde­ re bei einer Group-Captive, der z.B. viele Unternehmen einer bestimmten Bran­ che angehören, kann es dazu kommen, daß diese Branche bei restriktiven An­ spruchsregulierungen der „Branchen-Captive“ in gesellschaftlichen Mißkredit gerät, der über die gesellschaftliche Sanktionierung des zugrundeliegenden Scha­ dens hinausgeht. Dementsprechend ist - auch wenn es den finanziellen Interessen des Konzerns resp. der Anteilseigner zuwiderläuft - auf eine genaue und neutrale Schadenbearbeitung und -regulierung zu achten.

2.

Steuerliche Behandlung der Captive

Ein entscheidendes Problemfeld, das bei der Gründung einer Captive zu beachten ist, stellt die steuerliche Behandlung der Captive dar. Es kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß sich mit einer Captive die angestrebten steuerli­ chen Vorteile realisieren lassen. Als hybrides Instrument der Risikofinanzierung beinhaltet eine Captive sowohl Elemente des Selbsttragens als auch Elemente der Risikoübertragung. Zentrale Frage ist hierbei, ob die Captive steuerrechtlich als Versicherungsunternehmen anerkannt wird, d.h. die Deckung der Risiken bei der Captive als Fremdversicherung akzeptiert wird. Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob eine Captive steuerlich anerkannte versicherungstechnische Rückstellungen bilden kann und ob die Prämienzahlungen der Versicherungs­ nehmer bei den jeweiligen Unternehmen als Betriebsausgaben gelten. Für die Analyse dieses Problems kann zum Teil auf die Ausführungen zur steuerlichen Behandlung der Finite Risk-Konzepte in Kapitel A.III. dieses Teils zurückgegrif­ fen werden.

Zunächst erfordert die Existenz einer Versicherung zumindest einen rechtlich selbständigen Risikoträger. Captives, die i.d.R. mit eigener Rechtsperson gegrün­ det werden, erfüllen diese Forderung grundsätzlich. Da die Prämienzahlungen an die Captive zwar das Vermögen der versicherten Unternehmen, nicht jedoch den Konzern als wirtschaftliche Einheit verlassen, stellt sich allerdings die Frage, ob es sich tatsächlich um einen echten Risikotransfer im Sinne einer Fremdversiche­ rung oder nicht vielmehr um gesellschaftsrechtlich veranlaßte Zahlungen, bei­ spielsweise verdeckte Gewinnausschüttungen oder verdeckte Einlagen, handelt.

1

Vgl. Wätke, J. (Captive 1982), S. 139.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Das BAV geht grundsätzlich davon aus, daß die für Versicherungsunternehmen aufgestellten Kriterien bei Captives regelmäßig erfüllt sind.1 Der beschränkte Kreis der Versicherten bedeutet nicht zwangsläufig, daß ein versicherungstechni­ scher Risikoausgleich nicht stattfindet. Doch da aus aufsichtsrechtlicher Sicht ordnungsbehördliche Funktionen zu erfüllen, d.h. andere Gesichtspunkte zu be­ achten sind, wird die steuerrechtliche Anerkennung nicht notwendigerweise durch die Aufsichtspflichtigkeit eines Unternehmens beeinflußt.2 In der Rechtsprechung hat sich insbesondere der Reichsfinanzhof (RFH) grund­ legend mit der Abgrenzungsfrage, ob eine Fremdversicherung oder ein Selbsttra­ gen vorliegt, beschäftigt. Obwohl der RFH bis heute gültige Grundsätze für die steuerliche Anerkennung von Captives geprägt hat, bleibt die steuerliche Aner­ kennung nach wie vor umstritten. Nachdem bereits der Reichsfinanzminister vor dem RFH die Auffassung vertreten hat, daß „eine Gesellschaft, die lediglich die Versicherung ihrer Gesellschafter zum Gegenstand hat, dem Fall nahekommt, in dem eine einzelne Rechtspersönlichkeit sich darauf beschränkt, selbst Versiche­ rungsrücklagen zu machen, die zweifellos (steuerlich) nicht abzugsfähig seien“3, stellte der RFH klar, daß die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Versiche­ rungsnehmer mit ihrer Captive eine unterschiedliche Behandlung der firmeneige­ nen Versicherung gegenüber der Fremdversicherung nicht hinreichend begründet. Diese Auffassung entspricht auch der heutigen Einschätzung konzerninterner Transaktionen. Geschäfte zwischen verbundenen Unternehmen sind grundsätz­ lich auch steuerlich anzuerkennen, sofern sie einem Fremdvergleich standhalten, d.h. sich mit Geschäften, wie sie mit einem unabhängigen Unternehmen üblich sind, vergleichen lassen. Nach Ansicht des RFH wird eine Captive - damals nur als konzerneigene Versicherungsgesellschaft bezeichnet - steuerlich als Versiche­ rungsunternehmen anerkannt, d.h. erfüllt die Bedingungen, um einem Fremdver­ gleich standzuhalten, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:4



Die Captive muß eine ausreichend große Gefahrengemeinschaft bilden. Dazu ist eine genügend große Anzahl rechtlich selbständiger Unternehmen zu ver­ sichern. Diese Voraussetzung zielt nicht nur darauf ab, einen großen Risiken­ bestand (Gefahrenobjekte) aufzubauen, sondern mehrere originäre Risikoträ­ ger (Gefahrensubjekte) zu erfassen, zwischen denen ein Ausgleich stattfinden kann.

1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Hets, S. (Captive 1995), S. 90. Bialek, K. (Captive 1993), S. 54. RFHE 16, S. 31, zitiert nach Seitz, H. (Steuerliche Behandlung 1994), S. 3. Hitzig, R. (Selbstversicherung 1977), S. 131; Bialek, K. (Captive 1993), S. 55f.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Die Versicherten müssen einen Rechtsanspruch auf Versicherungsleistungen im Schadenfall besitzen, d.h. es müssen vertragliche Verpflichtungen existie­ ren, nach denen die typischen Leistungen und Gegenleistungen von Versiche­ rungsnehmer und Versicherer auch tatsächlich erfüllt werden.



Das Vermögen des Versicherten muß durch die Prämienzahlungen endgültig gemindert und das Vermögen der Captive dadurch endgültig vermehrt wer­ den. Auch unter Berücksichtigung von Fronting-Klauseln muß ein echter Ri­ sikotransfer auf die Captive erfolgen. Das bedeutet zum einen, daß keine Rückgriffsrechte auf den Versicherten bestehen, zum anderen muß die Capti­ ve eine Chance zu versicherungstechnischen Gewinnen, aber auch zu Verlu­ sten haben.

• Der Beitrag muß nach versicherungsmathematischen Grundsätzen kalkuliert werden. Da dies bei bestimmten Risiken auch bei traditionellen Versiche­ rungsunternehmen nicht immer möglich ist, ist dieser Aspekt in dem Sinne weiter zu fassen, daß das Versicherungsgeschäft insgesamt nach anerkannten Grundsätzen betrieben werden muß. Trotz der Festlegung dieser Voraussetzungen, die grundsätzlich bis heute Gültig­ keit besitzen, vertritt die Finanzverwaltung in der bislang jüngsten Verlautbarung zur Versicherungseigenschaft einer Captive die Meinung, daß konzerneigene, nur Konzernzwecken dienende Versicherungsgesellschaften keine Versicherungsun­ ternehmen im steuerlichen Sinne sind.1 Doch im Gegensatz zu dieser veröffent­ lichten Verwaltungsauffassung beanstandet die Verwaltungspraxis den Betrieb von Captives und die Anerkennung der Prämien als Betriebsausgabe i.d.R. nicht.2

Dementsprechend ist davon auszugehen, daß firmeneigene Versicherungsgesell­ schaften, die das Versicherungsbedürfnis der Versicherungsnehmer in gleicher Weise wie unverbundene Versicherungsunternehmen befriedigen, steuerlich anerkannt werden. Neben der Beachtung der vom RFH aufgestellten Vorausset­ zungen hat sich die Anerkennung, wie bei anderen innerkonzernlichen Geschäf­ ten auch (z.B. Kauf, Miete, Leasing oder Darlehensgabe etc.), darauf zu konzen­ trieren, ob die Transaktionen nach kaufmännischen Grundsätzen unter Ausschal­ tung gesellschaftsrechtlicher Einflüsse und nicht als Scheingeschäfte zustande kommen (dealing at arm's length). Eine Captive mit einem geschäftsmäßigen Versicherungsbetrieb und echten Versicherungsverträgen, die einen Rechtsan­

1 2

Vgl. OFD Frankfurt/Main, Verfügung S 2275 A vom 12.11.1981. Vgl. Köster, B. (Captives 1994), S. 2313; Seitz, H. (Steuerliche Behandlung 1994), S. 3

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spruch der Versicherten im Schadenfall begründen und einem Fremdvergleich standhalten, ist steuerlich als Versicherungsunternehmen zu behandeln.1

Die Beschränkung der Captive auf einen gewissen Kreis von Unternehmen bildet selbst vor dem Hintergrund der ersten Voraussetzung für die steuerliche Aner­ kennung einer Captive, der ausreichend großen Gefahrengemeinschaft, kein grundsätzliches Hindernis. Die geforderte, genügend große Anzahl rechtlich selbständiger Unternehmen läßt sich beispielsweise bereits erfüllen, wenn neben der Muttergesellschaft auch weitere Konzernunternehmen mit eigener Rechtsper­ sönlichkeit ihre Risiken bei der Captive versichern.2 Da nicht näher bestimmt ist, was unter einer genügend großen Anzahl zu verstehen ist, bleibt allerdings un­ klar, wieviele rechtlich selbständige Unternehmen genau nötig sind.

Im Gegensatz zu Bialek, der nur auf die ausreichend große Gefahrengemeinschaft abzielt und davon ausgeht, daß sogar eine Captive, die nur einen einzigen Versi­ cherungsnehmer hat, steuerlich wie eine Fremdversicherung zu behandeln ist, sofern ausgleichsfähige Risiken in ausreichender Zahl vorhanden sind,3 wird in der Literatur sonst überwiegend die Ansicht einer unscharfen Grauzone mit allen­ falls genau definierten Endpunkten vertreten. Während eine Pure-Captive, die ausschließlich Risiken ihrer Muttergesellschaft versichert, steuerrechtlich sicher­ lich nicht als Versicherungsunternehmen anerkannt wird, stellt das Kriterium der ausreichend großen Gefahrengemeinschaft für Captives, die multinationale Untemehmensgruppen versichern, kein Problem dar.4

3.

Die notwendige Kapitalausstattung

Eine der wichtigsten Voraussetzungen und eines der Hauptprobleme der Grün­ dung und des Betriebs einer Captive ist die ausreichende Kapitalausstattung.5 Eine umfangreiche Ausstattung der Captive mit Eigenmitteln ist zwar für die Bereitstellung hoher Deckungskapazitäten und die Sicherheit der Captive vorteil­ haft, aus finanzwirtschaftlicher Sicht des Konzerns führt dies aber zu einer hohen und langfristigen Kapitalbindung in der Captive. Da dieses Kapital dem Unter­ nehmensprozeß entzogen wird, werden Captives i.d.R. mit einem relativ niedri­ gen Eigenkapital ausgestattet.6 Zusätzliche Deckungskapazität soll im Laufe der Zeit aus einbehaltenen Prämienanteilen und Anlageerträgen aufgebaut werden. 1 2 3 4 5 6

Vgl. Börner, A. (Captives 1995), S. 6; Köster, B. (Captives 1994), S. 2315. Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 97. Vgl. Bialek, K. (Captive 1993), S. 82. Vgl. Köster, B. (Captives 1994), S. 2315; Hets, S. (Captive 1995), S. 98. Vgl. Groh, G. (Industrie 1986), S. 10. Vgl. Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 173; Wätke, J. (Captive 1982), S. 171.

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Speziell zu Beginn der Geschäftstätigkeit ist eine Captive damit im allgemeinen schwach kapitalisiert und verfügt nur über eine geringe Risikotragfähigkeit. Dies ist ein Grund dafür, daß die Insolvenzgefahr einer Captive aufgrund unzurei­ chender Kapitalausstattung ungleich größer ist als bei einem erfahrenen konven­ tionellen Rückversicherer.1 Für die Fronter, die für den Betrieb einer Rückversicherungs-Captive notwendig sind und die verpflichtet werden, den Großteil der gezeichneten Risiken an die Captive zu zedieren, stellt die Rückversicherung damit ein erhebliches Risiko dar, für das i.d.R. Sicherheiten vereinbart werden. Um nicht aufgrund des Erstversicherungsvertrags zu ungedeckten Leistungen verpflichtet zu sein, wenn die Captive den aus der Rückversicherung entstehenden Leistungen nicht nach­ kommt, bestehen die Fronter auf Sicherungsvereinbarungen, mit denen auf die Anteilseigner der Captive oder auf die Retrozessionäre zurückgegriffen werden kann.2 Solche Verträge können für die Captive allerdings aus steuerrechtlichen Gründen problematisch werden, da der echte Risikotransfer auf die Captive ein­ geschränkt wird, d.h. mittels bestimmter Klauseln bei den Captive-Beteiligten verbleibt, was wiederum die Abzugsfähigkeit der Prämien in Frage stellt.3 Die notwendige Kapitalausstattung ist in Abhängigkeit von den Rückversiche­ rungsverträgen der Captive zu ermitteln. Das Problem bezieht sich dabei insbe­ sondere auf zwei Aspekte: das Eigenkapital und den Eigenbehalt, d.h. den Risi­ koteil, den die Captive selbst trägt und nicht an den Rückversicherungsmarkt abgibt. I.d.R. ist der tatsächliche Eigenbehalt bei deutschen Captives äußerst gering. Bei bestimmten Versicherungsprogrammen liegt er bei nur 1 %.4

Allgemeine Aussagen über die notwendige Kapitalausstattung und die Höhe des maximalen Eigenbehalts sind für Captives nur sehr schwer zu machen.5 Eine Mindestrelation ergibt sich aus den jeweils gültigen aufsichtsrechtlichen Solvabi­ litätsvorschriften. Unter Sicherheitsaspekten ist die Soll-Solvabilität, die unter aufsichtsrechtlicher Sichtweise mindestens erreicht werden sollte, kein ausrei­ chendes Kriterium, da sie nur eine Gesamtbetrachtung enthält und - vereinfacht ausgedrückt - nur die Nettoprämie, d.h. die Differenz der Prämieneinnahmen und der zu zahlenden Rückversicherungsprämien, zum Eigenkapital ins Verhältnis setzt.6 Aus verschiedenen Studien lassen sich Regeln und Bandbreiten über die

1 2

3 4 5 6

Vgl. Gerathewohl, K. (Captives 1989), S. 24; Hets, S. (Captive 1995), S. 76. Zu verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten von Sicherheitsvereinbarungen vgl. Reinhard, F. (Captive-Rückversicherung 1997), S. 1315ff. Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 79f. Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 47. Vgl. Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 173f. Vgl. Manekeller, F. (Captives 1994), S. 1189; Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 280.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Relation von Eigenbehalt, Eigenmittelausstattung und Gesamtprämienvolumen ableiten. Diesen Regeln wird insbesondere im anglo-amerikanischen Raum eine größere Bedeutung für die Kapitalisierung von Captives beigemessen als den aufsichtsrechtlichen Vorschriften. Die Relationen sind abhängig von der Art der Captive, dem angestrebten Geschäftsvolumen und den gezeichneten Risiken. Aus der Vielzahl der Richtlinien lassen sich die folgenden, wichtigsten Empfehlungen zusammenfassen. Eigenbehalt der Captive zu Eigenmitteln (allgemein)

15-100%

Speziell bei: Single-Parent-Captive (Sachversicherung)

bis zu

100%

Group-Captive mit wenigen, ausgewählten Anteilseignern

max.

50%

Group-Captive mit vielen Anteilseignern

max.

25%

Eigenbehalt pro Risiko zu Eigenmitteln

max.

5%

Eigenmittel der Captive zum Gesamtprämienvolumen

min.

30%

Eigenbehalt pro Risiko zum Gesamtprämienvolumen

max.

1-5%

Abb, 35:

Kennziffern zu Relationen von Eigenbehalt, Eigenmitteln und Prämienvolumen einer Captive1

In Abhängigkeit von der Captive-Form und der Art des betriebenen Versiche­ rungsgeschäfts werden Eigenbehalt/Eigenkapital-Verhältnisse bis zu 100 % ak­ zeptiert. Bei einer Group-Captive, die im unteren Deckungsbereich tätig ist, d.h. vor allem Risiken mit kleinen bis mittleren Deckungssummen, aber höherer Schadenwahrscheinlichkeit versichert, sollte der Eigenbehalt höchstens 50 % der Eigenmittel betragen.2 Noch wichtiger ist die Festlegung des Eigenbehalts pro Risiko.3 Der Eigenbehalt eines einzelnen Vertrages sollte zum einen in einem angemessenen Verhältnis zum Gesamtprämienvolumen stehen. Dabei sollten 5 % nicht überschritten wer­ den. Zum anderen ist ein Verhältnis von Eigenbehalt pro Risiko und Eigenkapital anzustreben, das nicht über 5 % liegt.

1 2 3

Vgl. Yonkunas, J./Rosenbaum, D. (Standards 1991), S. 10; Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 280f.; Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 174; Hets, S. (Captive 1995), S. 44 u. 59f. Vgl. Yonkunas, J./Rosenbaum, D. (Standards 1991), S. 10. Vgl. Niquille, C. (Risiko-Finanzierung 1986), S. 280f.; Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 174.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Darüber hinaus ist zu beachten, daß Fehler bei der Bemessung von Schadenre­ serven bei einer Captive besonders schnell zur Insolvenz führen, da sich hier durchschnittlich 90 - 95 % der Verbindlichkeiten auf die Deckung von Schäden beziehen, während dies bei einem traditionellen Versicherungsunternehmen i.d.R. nur zu 70 % der Fall ist.1 Im Gegensatz zu Europa, wo die Schadenreser­ ven traditionellerweise in Relation zu dem Gesamtprämienvolumen gesetzt wer­ den, werden im anglo-amerikanischen Raum diese Rückstellungen im Verhältnis zu den verfügbaren Eigenmitteln betrachtet. Da das Eigenkapital, speziell im Falle eines ungünstigen Schadenverlaufs, für die Existenzsicherung der Captive wichtiger ist als die Prämieneinnahmen und diese bei Captives darüber hinaus stark schwanken können, ist der Betrachtung der Schadenreserven/EigenmittelRelation größere Bedeutung zuzumessen.2 Anhand dieses Verhältnisses läßt sich erkennen, wie sich das Eigenkapital einer Captive verschlechtert, wenn Rück­ stellungen in zu geringem Umfang gebildet wurden. Bei Schadenrückstellungen, die beispielsweise das sechsfache des Eigenkapitals betragen, verursacht bereits eine 5 %ige Unterreservierung eine Reduktion des Eigenkapitals um 30 %. Aus diesem Grunde sollten die Schadenreserven das Vierfache der Eigenmittel nicht übersteigen.3 Anders ausgedrückt heißt das, daß die Eigenmittel nicht weniger als 25 % der Schadenreserven betragen dürfen.

III.

Finanzierung von Umweltrisiken durch GroupCaptives

1.

Die Group-Captive als geeignete Captive-Form zur Dekkung von Umweltrisiken

Grundsätzlich eignen sich Captives zur Deckung mittlerer Risiken mit einer guten Vorhersehbarkeit der aggregierten Schadenbelastung und regelmäßig anfallen­ den, kurzfristigen Schadenzahlungen.4 Vor dem Hintergrund des Einsatzes bei berechenbaren mittleren Schäden mit relativ hoher Schadenfrequenz besteht die Möglichkeit, eine Captive zur Deckung für Umweltrisiken einzurichten, die par­ allel zum traditionellen Versicherungsmarkt eine auf die elementaren Haf­ tungstatbestände begrenzte Deckung anbietet und durch die erzielbaren Kosten­

1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Hets, S. (Captive 1995), S. 46. Rohde-Liebenau, W. (Captive 1992), S. 8. Yonkunas, J./Rosenbaum, D. (Standards 1991), S. 9. Arkwright (Four Strategies 1997), S. 1.

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einsparungen insbesondere darauf abzielt, den Prämienanteil, welcher tatsächlich der Risikotragung dient, zu erhöhen. Ein zweites Ziel der Errichtung einer Captive für Umweltrisiken besteht in der Beseitigung der im zweiten Teil identifizierten Deckungslücken und ausschlüsse. Der Herstellung einer kongruenten Deckung von Umweltrisiken ist im Zusammenhang mit der Versicherung von Umweltrisiken im Vergleich zur Verbesserung des Preis-Leistungsverhältnisses eine höhere Priorität beizumessen. Deshalb werden an dieser Stelle und im folgenden insbesondere die Besonder­ heiten und Voraussetzungen der Errichtung einer Captive mit der Zielsetzung, Risiken im Grenzbereich des Versicherbaren zu decken, berücksichtigt. Im Mittelpunkt steht dabei das Angebot von - im Vergleich zum HUK-Modell umfassenderen Deckungskonzepten, die z.B. auf die Einzeldeklaration verzichten und ganze Standorte versichern, und die eine Erhöhung der Normalbetriebsdekkung sowie eine Deckung für Allmählichkeitsschäden und Eigenschäden zur Verfügung stellen. Ferner besteht die Möglichkeit, daß eine Captive Entwick­ lungsrisiken absichert, falls die Versicherer dazu übergehen, die Öffnungsklausel restriktiv, d.h. im Sinne der pessimistischen Einstellung Alslebens, auszulegen.1 Darüber hinaus kann die Captive dazu dienen, für das erweiterte Finanzierungsund Sicherheitsbedürfnis der Industrie, das aus den verschärften und sich in der Zukunft weiter verschärfenden Vorschriften der Umwelthaftung resultiert, das aber durch die Deckungskonzepte des traditionellen Versicherungsmarktes nicht befriedigt wird, eine Deckung anzubieten, beispielsweise für ökologische Schä­ den. Da bei diesen Risiken ein Großrisikopotential besteht, ist das Bedürfnis seitens der Industrie groß, gerade diese Risiken versicherungstechnisch abzudekken. Großrisiken liegen allerdings nicht im idealen Zeichnungsbereich einer Captive. Die Deckungsausschlüsse und Kapazitätsbegrenzungen können mittels der Grün­ dung einer Captive durch ein einzelnes Industrieunternehmen kaum überwunden werden. Da es einem einzelnen Unternehmen i.d.R. an der Finanzkraft fehlt, die zur Abdeckung von großen oder gar katastrophalen Umwelthaftpflichtrisiken vonnöten ist, sollten sich mehrere gleichartig bedrohte Industrieunternehmen zusammenschließen und eine Group-Captive gründen. Nur durch eine CaptiveLösung auf breiter Basis, beispielsweise durch die Gründung einer branchenwei­ ten Group-Captive, kann die Kapazität mit der notwendigen Bonität und Höhe bereitgestellt werden.2 Nur wenige finanzstarke multinationale Konzerne sind in der Lage, eine solche Lösung mit einer Single-Parent-Lösung alleine erfolgreich 1 2

Vgl. Kapitel B.II.3. des zweiten Teils dieser Arbeit. Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 17 und 28.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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umzusetzen. Ziel muß es demnach sein, eine neue Gemeinschaft zusammenzufüh­ ren, die ihre Risiken gesamthaft versichert und somit eine größere finanzielle Basis schafft, als dies für jedes Unternehmen allein möglich wäre. Die vergrö­ ßerte Anzahl der Beteiligten führt zu einer vergrößerten Kapitalausstattung bei der Group-Captive. Obwohl durch das Prinzip der Gegenseitigkeit auch die Gründung einer Captive in der Rechtsform eines VVaG denkbar ist, wird hier aufgrund der aufgezeigten Vorteile die Rechtsform der AG präferiert. Die Gründung einer Group-Captive hat zusätzlich den Vorteil, daß eine Mehrzahl an Eigentümern und damit Versicherten die Gefahrengemeinschaft vergrößert. Der vergrößerte Risikenbestand verbessert die Möglichkeit des Ausgleichs im Kollektiv und senkt i.d.R. die Varianz der Schadeneintrittswahrscheinlichkeiten. Da sich Schwankungen im Schadenverlauf aber nicht grundsätzlich vermeiden lassen, gewinnt - insbesondere im Zusammenhang mit der Deckung von Umwel­ trisiken, die am traditionellen Markt nicht versicherbar sind - der Risikoausgleich in der Zeit an Bedeutung. Demzufolge erhält auch die mit der Gründung einer Captive angestrebte Möglichkeit zur Bildung versicherungstechnischer Rück­ stellungen besonderes Gewicht. Dies macht wiederum deutlich, daß die steuerli­ che Akzeptanz der Captive speziell für die Deckung von Risiken im Grenzbe­ reich des Versicherbaren von besonderer Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund kommt eine Single-Owned-Captive als Pure-Captive, die ausschließlich konzerneigene Risiken versichert, aufgrund der für die steuer­ liche Anerkennung geforderten, ausreichend großen Gefahrengemeinschaft nur für Konzerne mit einer entsprechenden Vielzahl von Unternehmen, d.h. Versi­ cherungsnehmern, in Betracht.1 Bei einer Group-Captive, welche die Risiken der verschiedenen Anteilseigner und deren verbundener Unternehmen versichert, ist davon auszugehen, daß eine genügend große Anzahl rechtlich selbständiger Un­ ternehmen vorliegt. Da die Teilnahme der unterschiedlichen Konzerne resp. Unternehmen darüber hinaus darauf hindeutet, daß sich die Versicherungstrans­ aktionen „at arm's length“ vollziehen, gewährleistet eine Group-Captive die steuerrechtliche Anerkennung und damit die für den Risikoausgleich in der Zeit angestrebten Reservierungs- und Rückstellungsmöglichkeiten. Ferner besteht bei einer Group-Captive auch für kleinere und mittlere Unternehmen die Möglich­ keit, sich an dieser Captive zu beteiligen und dadurch Deckungsschutz für die Umweltrisiken zu erhalten, die der traditionelle Versicherungsmarkt nicht deckt.

Lassen sich mehrere Unternehmen finden, die bereit und in der Lage sind, solche Risiken solidarisch zu tragen, greifen schließlich die mit der Gründung einer Captive angestrebten Kostenvorteile in besonderen Maße, da sich die admini­ 1

Vgl. Köster, B. (Captives 1994), S. 2315.

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strativen Kosten für jedes einzelne beteiligte Unternehmen verringern und die Fixkostenauslastung verbessert wird.1 Die hier theoretisch abgeleitete Eignung der Group-Captive zur Versicherung von Umweltrisiken wird durch ein Beispiel aus der Praxis bestätigt. Als Reaktion auf die Verschärfung der Umwelthaftpflicht und die unzureichenden Deckungs­ angebote der Versicherungswirtschaft gründeten die großen Drei der deutschen Chemieindustrie, die Bayer AG, die Hoechst AG und die BASF AG, Ende 1993 gemeinsam die Indurisk Rückversicherungs AG in Luxemburg.2 Da diese Unter­ nehmen ihr Umweltrisiko nach eigenen Aussagen günstiger einschätzen als der Markt und auch für Risiken aus dem normalen Geschäftsbetrieb hohe Deckungs­ summen benötigen, bringen sie ihre Umwelthaftpflichtrisiken in diese GroupCaptive ein.

Auch wenn aufgrund der hier dargelegten Gründe im folgenden als Grundkon­ zeption eine Group-Captive zugrundegelegt wird, muß dies nicht heißen, daß dies die einzige Möglichkeit zur Finanzierung von Umweltrisiken durch eine Captive ist. Grundsätzlich gelten die meisten Aussagen analog auch für andere CaptiveFormen, insbesondere für Single-Parent-Captives, die zwar nur Konzernunter­ nehmen, aber eben doch unterschiedliche Unternehmen mit eigener Rechtsper­ sönlichkeit, versichern.

2.

Voraussetzungen der Finanzierung von Umweltrisiken durch Group-Captives

Der erfolgreiche Betrieb einer Group-Captive für Umweltrisiken setzt die Erfül­ lung verschiedener Bedingungen voraus. Die notwendigen Bedingungen ergeben sich zum einen aus der speziellen Situation der Anteilseigner, die gleichzeitig die Versicherten sind, und zum anderen aus der Abhängigkeit einer Captive vom Rückversicherungsmarkt. Darüber hinaus bedingt die Deckung von Umweltrisi­ ken mit Großschadenpotentialen eine angemessene Kapitalausstattung. Damit lassen sich die folgenden drei Voraussetzungen identifizieren:

(1) die Solidarität der Mitglieder und ein einheitlicher Standard des aktiven Risikomanagements als zentrale Erfolgsfaktoren, (2) die Beziehung zum Rückversicherungsmarkt als externer Einflußfaktor (3) eine ausreichende Kapitalausstattung als Bedingung für neuartige Dekkungskonzepte.

1 2

Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 89. Vgl. Jäger, K. (INDURISK 1995), S. 21f.; Müller, R. (Versicherungsschutz 1994); S. 122f.

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Zu (1): Die Solidarität der Mitglieder und ein einheitlicher Standard des aktiven Risikomanagements als zentrale Erfolgsfaktoren

Eine Group-Captive zur Versicherung von Umweltrisiken muß so gestaltet sein, daß eine risikoadäquate Deckung schnellstmöglich aufgebaut werden kann und diese finanzkräftige Konstruktion langfristig existent bleibt. Dazu sind die Grün­ dungsmitglieder auf der Basis gleichgerichteter Interessenlagen und ähnlich gela­ gerter Risikoursachen auszuwählen. Unternehmen, die sich einer vergleichbaren Risikosituation ausgesetzt sehen und sich in dem gleichen Deckungsnotstand befinden, bauen ein Bedürfnis nach adäquaten Deckungskonzepten für diese Risken auf, das sie dazu bringt, ihre verschiedenen Interessen aufeinander abzu­ stimmen und die Reglementierungen als Captive-Mitglied zu akzeptieren.

Im Sinne einer langfristigen Existenzsicherung muß eine Selektion der Mitglieder erfolgen, sind festgelegte Sicherheitsstandards einzuführen und entsprechende Kontrollen mit Sanktionierungsmöglichkeiten durchzuführen.1 Die einheitlichen Sicherheitsstandards und die Solidarität der Beteiligten sind insbesondere vor dem Hintergrund von Bedeutung, daß die Unternehmen bei einer Group-Captive zwangsläufig viel Kapital aufbringen und dabei den Verlust dieses Kapitals ris­ kieren, um im Notfall ihren Mitbewerbern resp. Konkurrenten die Existenz zu sichern. Auch die Gründung der Indurisk wurde nur möglich, da die drei Betei­ ligten gegenseitig den gleichen Sicherheitsstandard und die gleiche Risikomanagment-Philosophie identifiziert haben.2 Bei Umweltrisiken spielt in diesem Zusammenhang auch die öffentliche Meinung eine Rolle, die sich bei Umwelt­ schäden, auch wenn letztlich nur ein Unternehmen verantwortlich ist, schnell gegen eine ganze Branche richten kann. Da die Anonymität des traditionellen Versicherungsmarktes fehlt, die Beteiligten an einer Group-Captive vielmehr bekannt und überschaubar sind, wird die not­ wendige Solidarität der Versichertengemeinschaft in stärkerem Maße eingefor­ dert resp. gerät bei mehrmaligen Schäden eines Mitglieds schneller in Gefahr. Um die Solidarität der Beteiligten zusätzlich zu unterstützen, sind langfristige Mitgliedsverträge abzuschließen und Bonus/Malus-Systeme einzurichten. Um das Sicherheitsniveau der Gemeinschaft nicht zu verwässern, haben Neumitglie­ der die vorgeschriebenen Sicherheitsstandards zu erfüllen. Obwohl sich prinzipiell alle Risiken auf eine Captive übertragen lassen, kann dies nicht dazu führen, daß sämtliche Risiken tatsächlich in vollem Umfang und mit unbegrenzter Deckung durch die Captive versichert werden. Auch eine Captive sollte nur Risiken übernehmen, wenn darüber hinreichend präzise und zuverlässi­ 1 2

Vgl. Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 66. Vgl. Müller, R. (Versicherungsschutz 1994) S. 127.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

ge Informationen vorliegen. Insbesondere wenn keine oder nur geringe Schaden­ daten und -erfahrungen existieren, ist eine präzise Risikoanalyse unabdingbare Voraussetzung der Versicherung durch eine Captive. Bei den CaptiveMitgliedern ist dazu ein vertieftes Risikobewußtsein zu schaffen und durch per­ manente Information und Kontrolle im Bereich der Risikoidentifikation und be Wertung zu unterstützen.1

Die Einschaltung einer Captive bedeutet, daß zukünftig regelmäßig ein größerer Teil der potentiellen Schäden selbst getragen werden muß. Dies setzt für ihre Gründung detaillierte Kenntnisse der branchenspezifischen und der individuellen Risiken sowie einen hohen und einheitlichen Standard des aktiven Risikomana­ gement voraus.2 Je höher der Sicherheitsstandard, desto umfassender kann die Deckung ausgestaltet werden. Dies führt zur Etablierung und ständigen Verbesse­ rung und Weiterentwicklung des Risikomanagements in den Unternehmen.3 Um das Risiko von Schäden zu verringern, haben sowohl die Group-Captive als auch ihre Mitglieder ein starkes Interesse, ihr Know-how ständig auszutauschen. Zu (2): Die Beziehung zum Rückversicherungsmarkt als externer Einflußfaktor

Die hier im Zusammenhang mit dem Einsatz von Captives untersuchten Umwel­ trisiken (Normalbetriebsschäden, Schäden aufgrund allmählicher Einwirkungen und Ökoschäden) bergen ein Großschadenpotential. Bei der Deckung von Ent­ wicklungsrisiken, insbesondere wenn es sich bei den Beteiligten um Unterneh­ men einer Branche handelt, besteht eine Kumulgefahr. Groß- und Kumulrisiken sind nur begrenzt alleine zu bewältigen und sollten deshalb verteilt werden. Eine Captive für Umweltrisiken ist deshalb, wie bereits erwähnt - unabhängig davon, ob es sich um eine Erst- der Rückversicherungs-Captive handelt -, i.d.R. von den Kapazitäten und Bedingungen des Rückversicherungsmarktes abhängig. Die Einsatzmöglichkeit der Captive wird maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit es gelingt, Rückversicherer zu finden, die bereit sind, langfristige Deckungen in ausreichender Kapazität zu angemessenen Preisen anzubieten. Während dies bei marktüblichen und allgemein akzeptierten Versicherungen kein Problem darstellt, birgt das von der Captive angestrebte erweiterte Deckungskonzept vergrößerte Risiken für die Rückversicherer. Entgegen der eben identifizierten Notwendigkeit der Retrozession verzichtet beispielsweise die Indurisk aufgrund der Finanzkraft ihrer drei Gründer und wegen der Problematik, bei erweiterten Deckungskon­

1 2 3

Vgl. Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 66. Vgl. Andersch, S. (Captives 1995), S. 28f. Vgl. Fink. B. (Versicherungsuntemehmen 1990), S. 16f.

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zepten geeigneten und preiswerten Rückversicherungsschutz zu erhalten, für ihr Umwelthaftpflicht-Geschäft auf die Rückversicherungsnahme.1

Während bei Erstversicherungsunternehmen die Übernahme eines substantiellen Selbstbehalts die Versicherbarkeit in der Praxis - im Gegensatz zu den theoreti­ schen Überlegungen - nur bedingt verbessert, kann trotz dieses Gegenbeispiels davon ausgegangen werden, daß sich Rückversicherer durch den insgesamt ho­ hen Eigenbehalt von Captives und den originären Versicherungsnehmern eher bereit erklären, neue Deckungskonzepte in Rückdeckung zu nehmen.2 Aufgrund der durch die Captive verbesserten Informationen über die ursprünglichen Risi­ ken und des direkteren Kontakts zu den Versicherungsnehmern wird diese Be­ reitschaft zusätzlich erhöht. Da eine Captive darüber hinaus die Möglichkeit zur individuellen Gestal-tung der Versicherungsdeckung bietet, wird diese Hoffnung durch Aussagen der Praxis bestätigt, nach denen beispielsweise sogar ausländi­ sche Rückversicherer, die zwar eine Rückversicherung des HUKVerbandsmodells aufgrund des komplizierten und für sie unüblichen und unver­ ständlichen Aufbaus ablehnen, durchaus bereit sind, Umweltrisiken zu retroze­ dieren, soweit es sich im Erstversicherungsverhältnis um nachvollziehbare und risikoadäquate Deckungskonzepte handelt. Bei der Ausgestaltung von Rückversicherungsformen können grundsätzlich zwei Formen unterschieden werden:3 • proportionale und • nicht-proportionale Verträge.

Bei den proportionalen Formen (Summenexzedenten- und Quotenrückversiche­ rung) werden sowohl die Versicherungsprämien als auch die Schadenzahlungen, einer im voraus festgelegten Quote entsprechend, zwischen Erst- und Rückversi­ cherer aufgeteilt. Während sich der Rückversicherer bei der Quotenrückversiche­ rung an jedem Schaden mit dem festgelegten Anteil beteiligt, greift die Sum­ menexzedentenrückversicherung, die sich häufig auf einzelne Risiken mit großem potentiellen Schadenausmaß bezieht, erst ab einem vereinbarten Eigenbehalt. Risiken, deren Versicherungssumme den Eigenbehalt nicht übersteigen, werden nicht rückversichert. Bei Risiken, deren Versicherungssumme über dem Eigen­ behalt liegt, werden sämtliche Schäden anteilig vom Rückversicherungsunter­ nehmen getragen.

1 2 3

Vgl. Jäger, K. (INDURISK 1995), S. 22. Vgl. Hets, S. (Captives 1995), S. 84; Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 172. Für einen Überblick über die Formen der Rückversicherung und deren Einsatzgebiete vgl. Schierenbeck, H./Hölscher, R. (BankAssurance 1998), S. 764ff.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Demgegenüber erstreckt sich die nicht-proportionale Rückversicherung in den Formen der Schadenexzedenten- und der Jahresüberschadenrückversicherung auf die Deckung von Schäden, die über einen festgelegten Eigenbehalt hinausgehen. Die finanzielle Leistung des Rückversicherers ist bei den nicht-proportionalen Formen ausschließlich von der Höhe des Schadens abhängig, d.h. es findet keine proportionale Aufteilung des einzelnen Risikos statt. Schäden, die unter dem Eigenbehalt liegen, sind vollständig vom Erstversicherer zu tragen. Die Jahres­ überschadenrückversicherung (Stop-Loss) bezieht sich auf den Teil des während eines Jahres anfallenden Gesamtschadens, der eine vertraglich festgelegte Höhe übersteigt (Jahresüberschaden). Die Versicherungsleistung des Rückversicherers ist dabei i.d.R. nach oben begrenzt. Stop-Loss-Verträge stellen den für Captives theoretisch günstigsten Rückversicherungsschutz dar, sind aber, da sie erhebliche Gefahren für die Rückversicherer bergen, relativ teuer und am Markt nur einge­ schränkt verfügbar.1 Im allgemeinen werden innerhalb der Captive-Rückversicherung die nicht­ proportionalen Formen bevorzugt, da hier die effektiven Schadenzahlungen bes­ ser abzuschätzen sind und der Prämienabfluß mit Ausnahme der Stop-LossVerträge geringer ist als bei proportionalen Verträgen.2 Eine Captive, die der Deckung von Umweltrisiken dient, sollte jedoch für die Retrozession von (branchenspezifischen) Entwicklungsrisiken Quotenrückversicherungsverträge anstreben. Dies ist z.B. dann nötig, wenn in Zukunft auch für ökologische Schä­ den gehaftet werden muß und dieses Haftungsrisiko von der Captive gedeckt wird. Die Quotenrückversicherung schützt in wirkungsvoller Weise vor dem Kumulrisiko.3 Da sich der Rückversicherer in Höhe seiner Quote an allen Schä­ den beteiligt, besteht der Unterschied, ob viele kleinere bis mittlere Schäden oder ein großer Schaden zu tragen sind, lediglich in der Abwicklung und den damit verbundenen Kosten.4 Zu (3):

Eine ausreichende Kapitalausstattung als Bedingung für neuarti­ ge Deckungskonzepte

Die Frage nach der notwendigen Kapitalausstattung kann letztlich nicht unabhän­ gig von den Retrozessionsmöglichkeiten der Captive beantwortet werden. Unter der Prämisse, daß es für eine Captive, die vorwiegend Umweltrisiken versichert, zumindest problematisch ist, optimalen Rückversicherungsschutz zu erhalten, muß die Kapitalausstattung so gestaltet werden, daß eine unglückliche Schaden­ 1 2 3 4

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Wätke, J. (Captives 1982), S. 129; Ackermann, M. (Captive 1983), S. 135. Ackermann, M. (Captive 1983), S. 136. Pfeiffer, C. (Rückversicherung 1994), S. 53. Gerathewohl, K. (Rückversicherung 1976), S. 102f.

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anhäufung schon zu Beginn des Geschäftsbetriebs der Captive, d.h. das Zah­ lungszeitpunktrisiko, aufgefangen werden kann. Wie dargestellt, bezieht sich das Problem der notwendigen Kapitalausstattung insbesondere auf das Eigenkapital und den Eigenbehalt der Captive. Allgemeine Aussagen über die notwendige Kapitalausstattung und die Höhe des maximalen Eigenbehalts sind für Captives im allgemeinen und für Captives, die neuartige Deckungskonzepte anbieten im besonderen, nur sehr schwer zu ma­ chen. Im Rückgriff auf die in Kapitel IL3. dieses Abschnitts vorgestellten Rela­ tionen können allerdings Richtgrößen abgeleitet werden. Bei der Zeichnung von Umwelthaftpflichtrisiken muß wegen der langen Latenzzeiten und den teilweise langen Abwicklungszeiträumen, d.h. aufgrund der Spätschadenproblematik, das Eigenkapital erhöht resp. der Eigenbehalt, der bei der Captive verbleibt, niedrig gehalten werden.1 Um zu gewährleisten, daß eine Group-Captive für Umweltrisi­ ken von Beginn an einen Großschaden unbeschadet verkraften kann, erscheint eine Kapitalisierung der Captive in Höhe des fünf bis zehnfachen Eigenbehaltes angemessen. Anders ausgedrückt bedeutet dies einen Eigenbehalt, der 20 % der Eigenmittel nicht übersteigt. Da die Festlegung des Eigenbehalts pro Risiko noch wichtiger ist, muß darauf geachtet werden, daß der Eigenbehalt eines einzelnen Vertrages weder 5 % des Gesamtprämienvolumens noch 5 % der verfügbaren Eigenmittel übersteigt. Soll beispielsweise die Normalbetriebsdeckung eines Unternehmens auf 50 Mio. DM erhöht werden und trägt die Captive einen Ei­ genbehalt von 30 %, so erfordert allein dieser Vertrag Eigenmittel der Captive in Höhe von 300 Mio. DM. Die notwendige Kapitalausstattung und die Zahl der Anteilseigner bedingen die Höhe des Anteils, der als Minimumbeteiligung von diesen zu erwerben ist. In bezug auf die Solidarität der Mitglieder und um eine ausgewogene Beteili­ gungsstruktur zu gewährleisten, sollte allerdings auch eine Zeichnungsobergrenze festgelegt werden. Es ist jedoch nicht notwendig, daß alle Captive-Mitglieder einen gleich großen Anteil zeichnen. Diesbezüglich ist es eher von Bedeutung, daß die maximale, nicht rückversicherte Deckung, die einem einzelnen Anteils­ eigner zugestanden wird, in einem vernünftigen Verhältnis zu den verfügbaren Eigenmitteln steht.2 Die für die gesamte Kapitalausstattung vorgeschlagene Rela­ tion von Eigenmitteln und Eigenbehalt kann dazu auf jeden einzelnen Anteilseig­ ner heruntergebrochen werden. Im Gegensatz zu den üblicherweise geringen Eigenbehalten von Captives ist bei den umfassenderen Deckungskonzepten für Umweltrisiken von begrenzten 1 2

Vgl. Hets, S. (Captive 1995), S. 45. Vgl. Groh, G. (Industrie 1986), S. 10.

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Rückversicherungsmöglichkeiten auszugehen, d.h. relativ große Anteile der Risi­ ken müssen im Eigenbehalt getragen werden. In diesem Zusammenhang veran­ schaulichen die angegebenen Relationen, daß zur Deckung von Umweltrisiken mit Großrisikopotentialen schnell Eigenmittel in Höhe von (mehreren) hundert Millionen DM notwendig werden. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, daß das notwendige Mindestprämienvolumen die allgemein geforderten 2-5 Mio. DM deutlich überschreitet.

Wie die Praxis allerdings zeigt, ist die Kapitalisierung der meisten Captives deutlich geringer. In Abhängigkeit von der Form der Captive und der Art des betriebenen Versicherungsgeschäfts lassen sich Eigenbehalt/EigenkapitalVerhältnisse von bis zu 100 % finden.1 Auch die speziell zur Deckung von Um­ welthaftpflichtrisiken etablierte Indurisk wurde nur mit einem Grundkapital von 15 Mio. DM gegründet.2

3.

Ausgesuchte Aktionsparameter einer Group-Captive für Umweltrisiken

Ein elementarer Aktionsparameter des Betriebs einer Captive ist die preispoliti­ sche Positionierung. Diese kann allerdings nicht unabhängig von einem weiteren Parameter, den angebotenen Versicherungsleistungen, betrachtet werden. Versi­ cherungstechnisch besteht die Hauptmotivation für die Gründung einer GroupCaptive in der Verbesserung der Versicherungsprogramme. Die diesbezüglich grundsätzlich denkbaren Ansatzpunkte wurden bereits angedeutet.

Einerseits besteht die Möglichkeit, Deckungen für Umweltrisiken anzubieten, die den Versicherungslösungen des traditionellen Marktes entsprechen. Andererseits kann die Deckung durch das Angebot von umfassenden Konzepten auf Randbe­ reiche ausgedehnt werden. Durch das Angebot von marktidentischen Deckungen wird eine Niedrigpreisstrategie möglich, die dazu führt, daß die Versicherungs­ prämienbelastung der einzelnen Konzernunternehmen reduziert werden kann. Die Preissenkung im Vergleich zum traditionellen Markt wird durch Einsparungen bei den Verwaltungskosten und einer Senkung der Risikoprämie möglich. Die Senkung der Risikoprämie beruht auf den verbesserten Informationen über die Risikolage der Versicherten und den im Vergleich zum Marktdurchschnitt besse­ ren Schadenquoten, die eine Voraussetzung für die Gründung einer Captive sind. Da bei einem einheitlichen Sicherheitsstandard innerhalb der Versicherungsneh­ mer der Captive keine Unternehmen mit niedrigeren Standards und höheren 1 2

Vgl. Dubach, M. (Aktivitätsfelder 1990), S. 174; Hets, S. (Captive 1995), S. 45. Vgl. Jäger, K. (INDURISK 1995), S. 22.

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Schadenquoten subventioniert werden müssen, kann die Risikoprämie gesenkt werden. Die Senkung der Prämien unter ein marktübliches Niveau wird aber im allgemei­ nen nicht als einzig ausschlaggebendes Motiv für die Gründung einer Captive anerkannt, da ein solches Vorgehen zum einen die Reservenbildung bei der Cap­ tive erschwert und zum anderen marktübliche, mindestens aber risikoadäquate Sätze eine wichtige Voraussetzung für die steuerliche Abzugsfähigkeit der Prä­ mien sind.1 Aus diesem Grund erscheint es sinnvoller statt einer preiswerten marktidentischen Deckung umfassendere, u.U. auch teurere Deckungskonzepte anzubieten, auch wenn davon auszugehen ist, daß die Verwaltungskosten von Beginn der Geschäftstätigkeit an und die Risikoprämien spätestens nach einigen Jahren unter dem Niveau des traditionellen Marktes liegen. Zweiteres tritt ein, wenn sich die Vermutung bestätigt, daß der Schadenverlauf der CaptiveMitglieder besser ist als der des Marktdurchschnitts. Die Captive sollte darauf ausgerichtet werden, sich zu einem Qualitätsanbieter zu entwickeln, der dazu beiträgt, die Inkongruenz von Umwelthaftung und Dekkungsschutz zu verringern. Anstatt die erzielbaren Kostenvorteile in reine Prämi­ enreduzierungen umzusetzen, sollte der gewonnene finanzielle Spielraum zum Reservenaufbau und der Ausweitung der Deckung auf Allmählichkeits- und Ei­ genschäden sowie zum Angebot einheitlicher Deckungssummen für Störfall- und Normalbetriebsschäden genutzt werden. Insbesondere bei einer branchenbezoge­ nen Group-Captive kann die Entwicklung eines vergrößerten Deckungsbereichs den Captive-Mitgliedern zur Berücksichtigung der künftigen Entwicklungen der Umwelthaftung und sich daraus speziell für bestimmte Branchen ergebender finanzieller Konsequenzen dienen.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Captive als Ergänzung zum traditio­ nellen Versicherungsmarkt zu etablieren. Während auf dem traditionellen Markt Deckungsprogramme nach dem HUK-Modell eingekauft werden, können Groß­ schäden- und Katastrophenpotentiale, die über die dabei angebotene Deckung hinausgehen, z.B. bei Normalbetriebsschäden, durch eine Stop-Loss-Deckung der Captive abgesichert werden. Die Captive bietet damit eine summenmäßige Er­ weiterung oberhalb der marktüblichen Deckung und konzentriert sich auf die Bereitstellung von Katastrophenpotentialen. Obwohl die Ausrichtung auf Risiken mit Großschadenpotentialen und niedriger Schadenhäufigkeit nicht dem idealen Einsatzgebiet einer Captive entspricht, wird dieser Weg von zwei bekannten Group-Captives gewählt, die Mitte der achtziger 1

Vgl. Boller, P./Rosenbaum, D. (Risikoselbsttragung 1995), S. 1180; Ackermann, M. (Captive 1983), S. 53f.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Jahre in den USA gegründet wurden, um dem Kapazitätsengpaß auf dem USVersicherungsmarkt, insbesondere in bezug auf Groß- und Katastrophenrisiken aus dem Haftpflichtbereich, zu begegnen.1 Auf Initiative der amerikanischen Maklerfirma Marsh & McLennan wurde zum einen die American Casualty Excess Insurance Company Ltd, (ACE) gegründet, die bei Schäden, die über 100 Mio. US-$ hinausgehen, den überschießenden Teil bis zu einer Höhe von weite­ ren 100 Mio. US-$ deckt. Zum anderen wurde die X.L. Insurance Company (X,L.) etabliert, die im Anschluß an einen Selbstbehalt oder eine traditionelle Versicherungsdeckung in Höhe von 25 Mio. US-$ Kapazitäten für Deckungs­ summen bis 75 Mio. US-$ zur Verfügung stellt, d.h. die Haftstrecke zwischen 25 und 100 Mio. US-$ abdeckt. Durch solche Stop-Loss-Deckungen übernimmt die Captive extrem seltene und extrem hohe Großrisikopotentiale. Sie wird damit mit einem sehr gefährlichen und einseitigen Risikobestand belastet. Eine Captive, die einen Exzedenten im Anschluß an traditionelle Deckungen anbietet, benötigt dementsprechend eine besonders umfangreiche Kapitalausstattung.

Die vorgestellten Deckungskonzepte sind allerdings nicht allen interessierten Unternehmen zugänglich. Um die geforderte Solidarität der Beteiligten und den geforderten hohen Standard des aktiven Risikomanagements aufrecht erhalten zu können, sollte eine Group-Captive für Umweltrisiken nur Anteilseignern Versi­ cherungsschutz bieten. Die Captive hat als Pure-Captive zu fungieren. Die sonst teilweise angestrebte Ausweitung des Risikobestandes und der Versicherungs­ nehmer auf unverbundene Unternehmen (Broad-Captive) erscheint in Anbetracht der Bedeutung eines einheitlichen Sicherheitsstandards für eine UmweltrisikoCaptive nicht sinnvoll. Wie oben dargestellt, sollte die von den einzelnen Mit­ gliedern beanspruchte Versicherungsdeckung in einer bestimmten Relation zu den von ihnen gehaltenen Kapitalanteilen stehen.2 Aufgrund der Verknüpfung von Gewährung von Versicherungsschutz einerseits und Kapitalbeteiligung ande­ rerseits, ist die Übertragung und Rückgabe der Anteile zu begrenzen, um eine langfristige Planung zu ermöglichen. Die Probleme, die vorgeschlagenen Kapitalisierungsrelationen zu erfüllen, führen unmittelbar zu Fragen der Reservierungs- und Rückstellungsmöglichkeiten der Captive, und damit zu einem weiteren Aktionsparameter, der Standortfrage. Prin­ zipiell ist eine Captive weitgehend unabhängig von der Wahl ihres Standorts. Bei entsprechender Gestaltung erhält ein Industrieunternehmen auch durch die Grün­ dung einer Inlands-Captive die Möglichkeit, versicherungstechnische Rückstel­ lungen aufzubauen und die steuerliche Abzugsfähigkeit der Prämien zu erzielen. 1 2

Vgl. Parkinson J. (Uninsurable Risks 1993), S. 14; Groh, G. (Industrie 1986), S. 10. Vgl. Groh, G. (Industrie 1986), S. 10.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Aufgrund aufsichtsrechtlicher und formaler Regeln sowie geringerer Gründungs­ kosten gestaltet sich allerdings eine Off-Shore-Captive i.d.R. deutlich günstiger. Aus wirtschaftlicher Sicht kommt deshalb eigentlich nur eine Off-Shore-Captive in Frage.1 Das aus versicherungstechnischer Sicht entscheidende Argument für eine OffShore-Captive ist allerdings die Tatsache, daß sich versicherungstechnische Re­ serven an ausländischen Standorten i.d.R. weitaus schneller aufbauen lassen als in Deutschland. Dies ist speziell bei der Versicherung von Umweltrisiken von besonderer Bedeutung. Bei den erweiterten Deckungen handelt es sich um neu­ artige Konzepte, bei denen Bewertung und Kalkulation der Risiken einer größe­ ren Unsicherheit unterliegen. Aufgrund des beschränkten Ausgleichs im Kollek­ tiv wird dabei der Risikoausgleich in der Zeit zu einer wichtigen Einflußgröße. Auch in Anbetracht des Großrisikopotentials und der Kumulgefahr von Umwelt­ schäden erhält die Bildung adäquater Reserven für die Deckung von Umweltrisi­ ken besonderes Gewicht. Da die jeweiligen Reservierungs- und Rückstellungs­ möglichkeiten sowie die steuerliche Behandlung von Gewinnen wiederum stand­ ortabhängig ist, wird die Suche nach optimalen Möglichkeiten des Reservenauf­ baus zu einer Frage des Standorts. In diesem Zusammenhang werden insbesonde­ re die europäischen „Captive-Oasen“ Luxemburg und Dublin diskutiert.

In Luxemburg müssen Rückstellungen für Schwankungen des Schadenverlaufs gebildet werden. Diese Schwankungsrückstellungen sind in Abhängigkeit der gezeichneten Risiken mit dem 12,5- bis 20-fachen der durchschnittlichen, in den vergangenen fünf Jahren vereinnahmten Nettojahresprämien zu dotieren. Solange diese Obergrenze nicht erreicht wird, muß ein positives Jahresergebnis immer den Schwankungsrückstellungen zugeführt werden. Ist die Obergrenze allerdings erreicht, werden Körperschaftsteuern in Höhe von ca. 40 % fällig. Diese Vor­ schriften bewirken, daß insbesondere in der Anfangsphase keine Gewinne aus­ gewiesen und durch Ertragssteuern belastet werden. Die großzügige Dotierung der Schwankungsreserven hat damit eine steueraufschiebende Wirkung und führt bei günstigem Schadenverlauf zu einem Anspareffekt, d.h. zu einem schnellen und vor allem steuerfreien Reservenaufbau, der die Risikotragfähigkeit erhöht.2 Die Einschätzung, daß Luxemburg ein erfolgversprechender Standort für die Gründung einer Group-Captive für Umweltrisken ist, die aufgrund ihrer Dekkungskonzepte und der Art der Risiken möglichst hohe Reserven aufbauen muß,

1 2

Vgl. Manekeller, F. (Captives 1994), S. 1193. Vgl. Bawcutt, P. (Wish 1992), S. 13; Börner, A. (Captives 1995), S. 10; Hets, S. (Captive 1995), S. 108f.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

wird erneut durch das Beispiel der Indurisk bestätigt, die aus eben diesem Grund am Standort Luxemburg gegründet wurde.1 Um die Ansiedlung ausländischer Unternehmen in Irland zu fördern, beträgt die Körperschaftsteuer in Dublin unter gewissen Voraussetzungen bis Ende 2005 nur 10 %. Eine Verlängerung dieser Regelung ist unsicher, aber zumindest bis 2010 möglich. Da die geringe Gewinnbesteuerung einen beschleunigten Rücklagen­ aufbau ermöglicht, hat in der Vergangenheit eine Vielzahl europäischer Unter­ nehmen eine Captive in Dublin gegründet.2 Doch können nur Unternehmen, wel­ che die Ermäßigung der Körperschaftsteuer bis 31.Dezember 1994 beantragt haben, von dem niedrigen Ertragsteuersatz profitieren. D.h. die beschleunigte Rücklagenbildung greift bei zukünftigen Captive-Gründungen nicht mehr. Aus diesem Grund verliert Dublin im Vergleich zu Luxemburg als Standort für eine Umweltrisiko-Captive an Bedeutung. Dies könnte sich allerdings wieder ändern, wenn auch für den Standort Dublin großzügige Regelungen für die Bildung von Schwankungsrückstellungen zugelassen werden.3

1 2 3

Vgl. Jäger, K. (INDURISK 1995), S. 22. Vgl. Börner, A. (Captives 1995), S. 11. Vgl. Hets, S. (Captives 1995), S. 108. Die Einführung solcher Regelungen wird z.Z. beraten.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

C.

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GANZHEITLICHES RISIKOMANAGEMENT ALS RAHMEN EINES INTEGRIERTEN RISIKOFINANZIERUNGSKONZEPTS

In Teil zwei und im bisherigen Verlauf des dritten Teils wurden die Instrumente der Risikofinanzierung dargestellt, unter Sicherheits- und Kostenaspekten beur­ teilt und bezüglich ihrer Anwendung für die Finanzierung von Umweltrisiken analysiert. Obwohl dabei Querverbindungen sowie Vergleiche zwischen den einzelnen Instrumenten gezogen wurden und die Auswahl und Ausgestaltung einzelner, speziell der hybriden Instrumente als Reaktion auf Problembereiche der anderen, insbesondere der traditionellen Instrumente anzusehen sind, fehlt bisher eine kompakte Gegenüberstellung der einzelnen Instrumente. Nachdem am Anfang dieses Abschnitts zunächst eine solche Gegenüberstellung aufgezeigt wird (vgl. Abb. 36), steht im zweiten Kapitel der formale Aufbau eines Risikofinanzierungskonzepts im Mittelpunkt, das die einzelnen Formen der Risikofinanzierung integriert und in ein systematisches Risikomanagement ein­ bettet. Abschließend werden die Bedeutung eines über Versicherungslösungen hinausgehenden, integrierten und systematischen Risikodeckungskonzepts und dessen Auswirkungen auf die Entwicklung der Risikokosten veranschaulicht.

I.

Gegenüberstellung der Risikofinanzierungs­ formen

1.

Form des Risikotransfers und der Risikotransformation

Grundlegendes Unterscheidungsmerkmal der einzelnen Formen der Risikofman­ zierung ist die Frage, wer die finanziellen Konsequenzen des Risikos letztlich zu tragen hat. Während bei den traditionellen Formen eine eindeutige Zuordnung möglich ist, treten bei den hybriden Formen mehrere Risikoträger auf.

Da das versicherungstechnische Risiko bei Versicherungslösungen definitiv auf den Versicherer übertragen wird, ist in diesem Fall der Versicherer der alleinige Risikoträger. Beim definitiven Selbsttragen fungiert das Unternehmen selbst als Risikoträger und ist insbesondere dem Zahlungszeitpunktrisiko ausgesetzt. Im Rahmen von Finite Risk-Konzepten wird zwar das Risiko vom Unternehmen überwiegend selbst getragen, in Abhängigkeit von der Vertragsgestaltung über­

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

nimmt der Versicherer aber auch Underwriting-Risiken, insbesondere aber das Zahlungszeitpunktrisiko.

Captives dienen als unternehmens- resp. konzerneigene Versicherungsgesell­ schaft grundsätzlich dem Selbsttragen von Risiken, d.h. Risikoträger sind zu­ nächst die Captive-Mitglieder. Abhängig von der Rückversicherungsnahme der Captive treten jedoch auch die (Retro-)Zessionäre als Risikoträger auf. Für den rückversicherten Risikobestand ist das versicherungstechnische Risiko auf exter­ ne Risikoträger übertragen. Speziell bei branchenorientierten Group-Captives ergibt sich eine Kumulgefahr. Darüber hinaus ist bei Captives mit begrenztem Risikobestand mit einem erhöhten Zufallsrisiko zu rechnen. Bieten die Captives erweiterte und neuartige Deckungskonzepte für Umweltrisiken an, ist ferner ein erhöhtes Änderungs- und Irrtumsrisiko zu befürchten. Bei den im Eigenbehalt verbliebenen Risiken besteht schließlich insbesondere in den Anfangsjahren der Captive, in denen die Risikotragfähigkeit der Captive noch begrenzt ist, ein Zah­ lungszeitpunktrisiko. Die Form des Risikoausgleichs steht in einem wechselseitigen Verhältnis zu den soeben beschriebenen Eigenschaften. Während Versicherungslösungen, bei de­ nen der Versicherer als Risikoträger die Risiken vieler unabhängiger Versiche­ rungsnehmer zusammenführt, den Ausgleich im großen Kollektiv ermöglichen und in den Mittelpunkt stellen, haben Unternehmen, die ihre Risiken selbst tra­ gen, kaum Möglichkeiten zum Ausgleich im Kollektiv. Hier steht der Ausgleich in der Zeit im Vordergrund. Aber insbesondere bei der Rückstellungsbildung ist aufgrund der restriktiven Bildungsvoraussetzungen i.d.R. keine ratierliche An­ sammlung und damit kein Ausgleich in der Zeit, sondern nur eine einmalige, periodengerechte Aufwandserfassung möglich. Finite Risk-Konzepte, speziell Funded-Cover-Deckungen, ermöglichen über die Vorfinanzierungsfunktion und die Übertragung des Zahlungszeitpunktrisikos einen vollständigen Ausgleich über die Vertragsdauer. Da Captives die Risiken aller ihrer Mitglieder zusammenführen, entsteht hier zumindest ein begrenzter Ausgleich im Kollektiv. Durch die Möglichkeit zur Bildung von versicherungs­ technischen Rückstellungen und dem damit erleichterten Reservenaufbau dienen sie aber insbesondere dem Ausgleich in der Zeit.

Abb. 36:

ExternerVersicherer

imgroßenKollektiv undinderZeit

____

. is r a M

Präm iensindabzugsfähig

Zuführungensind abzugsfähig

W eitgehendfix; Variabel; U nabhängigvom Schadenver- vollständigundunm ittelbar Iauf auf P räm iebegrenzt; vomSchadenverlauf positivemSchadenverlauf abhängig nur geringePartizipation, da Präm ientarifierungi.d.R .den M arkttrendw iderspiegelt

__________

G ering

D. ,

__ _____ ___ __________ _

Bildungausversteuerten Bei entsprechender G ew innen; Vertragsgestaltungsind Schadenzahlungenm indern Präm ienabzugsfähig steuerlicheBem essungsgrundlage

­

______ R elativgering

AusgleichinderZeit BegrenzterAusgleichim Kollektiv

Variabel; Zunächst Fix, Kurzfristigfix, vollständigundunm ittelbar aberdurchG ew innlangfristigaber über vomSchadenverlauf beteiligungM öglichkeit, am flexiblereR ückversicher abhängig positivenSchadenverlauf un9undG ew innebzw . zupartizipieren Verlustebei C aptivew eitgehendvomSchadenverlauf abhängig

.....

Vem achlässrgbar

ra«««

____ AusgleichinderZeit

AusgleichinderZeit

__________

___ — __ ______



______ __

B ei geeigneter G estaltung < zB-G roup-C aptive) sind P räm ienabzugsfähig; Bildun9versicherungstech nischer R ückstellungen bei C aptivem öglich A n w e n d u n g s - _____ VersicherbareRisiken Aufgrundrestriktiver Voraus- Versicherbareundnichtver- Versicherbareundtraditionell Versicherbareundnichtb e re ic h Prim är S etzungennur eingeschrän- sicherbareR isiken; nichtversicherbareR isiken; versicherbareR isiken; G roßeundm ittlereR isiken kter Anw endungsbereich EinzigeM öglichkeit für Insb. m ittlereR isikenim Kostengünstigem arktidenInsbesondereStörfallschäden Prim är Rekultivierungs- und unspezifischeVorsorge Allm ählichkeits- undEigen- tischeD eckungoder erw ei Sanierungsm aßnahm en, An- gegenallgem eine Schadenbereich, “Einm alige" tertesD eckungskonzept passungsm aßnahm eninder U m w eltrisiken R isiken, R etrospektive (z.B .A llm ählichkeitsÜ berqanqsfrist D eckungenfürAltlasten S chäden)

S te u e rlic h e B e h a n d lu n g

R is ik o k o s te n u n d P a rtiz ip a tio n an g u te m S ch a d e n v e rla u f

_

Prinzipiell Ausgleichinder Zeit, aufgrundBildungsrestriktioneni.d.R . aber nur

­

AbhängigvomAusm aß der R ückversicherung: U nternehm enselbst und (R etro-)Zessionäre

P

C a o tiv e s

Zahlungszeitpunktrisiko Zahlungszeitpunktrisiko durchVorfinanzierungan Kum ulgefahrundZufalls Versicherer übertragen; risiko(R isikobestand) R isiko, daßsichR eserven Irrtum s- undÄnderungsdurchzugroßeo. eineFolge risikobei erw eiterten m ehrer Schädenerschöpfen D eckungskonzepten

AbhängigvonVertragsgestaltung; Insb. U nternehm enselbst, z.T. externerVersicherer

F in ite R is k -K o n z e p te (F u n d e d C o ve rs)

InsbesondereZahlungszeitpunktrisikoundR isiko, daß R eservendurchzugroße oder eineFolgem ehrerer Schädenerschöpft w erden

U nternehm enselbst

[Hybride instrumenta der Risikofinaruierung

D e fin itiv e s S e lb s ttra g e n _________________________________________________________ F o n d s fü r U m w e ltris ik e n R ü c k la g e n b ild u n g

InsbesondereZahlungszeitpunktrisikoundR isiko, daß R eservendurchzugroße odereineFolgem ehrerer Schädenerschöpft w erden

U nternehm enselbst

R ü c k s te llu n g s b ild u n g

----------- ----------------- ------------------------------------------------STO V e rw a ltu n g s -u n d HoherAnteil angesamter .. ... . . B e trie b s k o s te n Präm ie Vem achlass^bar

-

R is ik o a u s g le ic h

übertragen

V e rs ic h e ru n g s FürdieU nternehm en te c h n is c h e s R is ik o ausgeschaltet, dadefinitiv

K isiK O trager

Dioii^trä^r

V e rs ic h e ru n g

Traditionelle .nstrunwnte der Risi Kofinanzierung

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Gegenüberstellung der Risikofinanzierungsinstrumente

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2.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Kostenaspekte

Versicherungslösungen dienen der Risikoübertragung. Doch nur ca. 60 % der Prämienzahlungen werden auch tatsächlich für die Risikotragung verwendet, d.h. die mit der Übertragung verbundenen Verwaltungs- und Betriebskosten (frictional costs) machen 40 % der Prämien aus.1 Dementsprechend bezieht sich die Kritik an Versicherungslösungen in weiten Bereichen auf diese Kosten. Beim definitiven Selbsttragen fallen demgegenüber praktisch keine Verwaltungskosten an. In den Prämienzahlungen für Finite Risk-Deckungen ist neben den Beträgen, die der direkten Risikotragung dienen, auch ein zusätzliches Honorar für die Abwicklung des Finite Risk-Programms und die zugehörigen Dienstleistungen enthalten. Dieses Honorar ist aber deutlich geringer als bei den traditionellen Versicherungen. Da eine Captive Versicherungsgeschäfte betreibt, fallen hier Aufwendungen für die Verwaltung und das Management an. Die laufenden Ko­ sten sind aber im Vergleich zur Fremdversicherung relativ gering.2

In besonderer Weise unterscheiden sich die einzelnen Instrumente in der Unmit­ telbarkeit, mit welcher der Schadenverlauf die Risikokosten des Unternehmens beeinflußt. Wesen und Ziel der Versicherung ist es, individuell unsichere und damit diskontinuierlich anfallende Schadenzahlungen gegen regelmäßig anfallen­ de, fixe Kostenbeiträge auf den Versicherer zu übertragen. Da die Risikokosten unabhängig vom Schadenverlauf weitgehend auf die fixen Kostenbeiträge, d.h. die Versicherungsprämien, begrenzt sind, dient die Versicherung der Herstellung einer Planungssicherheit. Die fixen Kostenbeiträge, deren Berechnung überwie­ gend den Markttrend und weniger die individuellen Schadenquoten widerspie­ geln, führen andererseits zu einer geringen Partizipation an einem guten Scha­ denverlauf. Bei den Formen des definitiven Selbsttragens werden die Risikokosten demge­ genüber vollständig und unmittelbar vom effektiven Schadenverlauf bestimmt. Die Finite Risk-Deckungen wiederum, speziell die Funded Covers, beinhalten fixe Prämienzahlungen. Fallen die tatsächlichen Schäden allerdings geringer aus als ursprünglich angenommen, ermöglicht die substantielle Prämienrückgewähr eine Partizipation an dem guten Schadenverlauf. Die zunächst fixen Risikokosten werden damit weitgehend variabel. Bei Captives schließlich sind die Risikoko­ sten der Unternehmen durch die Versicherungsprämien, die an die Captive zu zahlen sind, zunächst fix. Da aber zum einen der Rückversicherungsmarkt

1 2

Vgl. Kapitel B.III.2. des zweiten Teils dieser Arbeit; Hets, S. (Captive 1995), S. 55; Berger, R. (Selbsttragung 1998), S. 16. Vgl. Hets, S. (Captive 1994), S. 62; Boller, P./Rosenbaum, D. (Risikoselbsttragung 1995), S. 1180f.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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schneller auf die tatsächlichen Schadenquoten reagiert und die Captive zum an­ dern schadenverlaufsabhängig versicherungstechnische Verluste oder Überschüs­ se erwirtschaftet, die letztlich von den Captive-Mitgliedern zu tragen resp. diesen zuzurechnen sind, ergeben sich auch bei Captives letztlich weitgehend schaden­ verlaufsabhängige, d.h. variabele Risikokosten. Entscheidenden Einfluß auf die Kostensituation und die finanzielle Vorsorgewir­ kung der einzelnen Instrumente hat deren steuerliche Behandlung. Da die Prämi­ en für betriebliche Versicherungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung stets abzugsfähig sind, wird das Unternehmen effektiv mit einem geringeren, um die entsprechenden Steuerersparnisse verminderten Betrag belastet. Bei den Formen des definitiven Selbsttragens ist zwischen der Rückstellungs- und der Rücklagen­ bildung zu unterscheiden. Während die in Rückstellungen fließenden Beträge aufwandswirksam sind und die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern, wer­ den Rücklagen zur Schadenvorsorge resp. der Fonds für Umweltrisiken aus ver­ steuerten Gewinnen gebildet. Eine steuerliche Entlastung tritt erst zum Zeitpunkt des effektiven Auftretens eines Schadens auf. Die Steuerwirkung wird damit in die Zukunft verschoben und beeinträchtigt durch die sofortige Liquiditätsbela­ stung und die verpaßte Steuerbarwertminimierung die finanzielle Vorsorgewir­ kung.

Dieser Nachteil soll mit den hybriden Instrumenten verhindert werden. Bei ent­ sprechender Gestaltung der Finite Risk-Verträge resp. einem geeigneten Aufbau der Captive sind die jeweiligen Prämien steuerlich abzugsfähig, was den Aufbau unversteuerter Reserven ermöglicht. Da die Prämien effektiv abfließen, ist damit zwar keine positive Liquiditätswirkung, aber ein zinsloser Steuerkredit verbun­ den. Durch die ihnen gegebene Möglichkeit, versicherungstechnische Rückstel­ lungen zu bilden, können Captives darüber hinaus, auch bei schwankender Scha­ denbelastung, zu einer Glättung des Erfolgs beitragen.

3.

Anwendungsbereiche der einzelnen Instrumente

Aus den unterschiedlichen Eigenschaften ergeben sich zwangsläufig auch unter­ schiedliche Anwendungsbereiche der einzelnen Instrumente. Versicherungslö­ sungen sind grundsätzlich für alle marktmäßig versicherbaren Risiken möglich. Doch wie bereits in Kapitel A.I.3. gezeigt wurde, sollten Versicherungen vor allem bei mittleren und großen Risiken eingesetzt werden. Im Umweltbereich stehen damit insbesondere Versicherungsdeckungen für Haftpflichtansprüche, die ein großes Schadenausmaß annehmen können, im Mittelpunkt. Unabdingbar und grundsätzlich möglich, z.B. im Rahmen des HUK-Modells, ist dabei die Versi­ cherung von Störfallschäden. Darüber hinaus eignet sich die Versicherung im

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Rahmen der dafür vom Versicherungsmarkt zur Verfügung gestellten Deckungs­ summen zur Deckung des Normalbetriebsrisikos. Aufgrund der Bedeutung der Eigenschäden, die durch Bodenverunreinigungen verursacht wurden, kommt die Versicherung auch, allerdings unter besonderer Beachtung des Kostenaspekts, in Form von Bodenkaskodeckungen in Betracht.

Die Rückstellungsbildung ist aufgrund der restriktiven Konkretisierungserforder­ nisse nur in sehr engem Rahmen möglich. Eine bilanzielle Risikovorsorge gegen das latente Risiko zukünftiger Ersatzansprüche kann durch Rückstellungen nicht erzielt werden. Nur mit Rückstellungen für Rekultivierungsmaßnahmen ist eine prospektive Deckung möglich. Die Bildung von Rückstellungen für Sanierungs­ maßnahmen setzt die Entdeckung einer Bodenkontamination voraus. Um die Ansammlung entsprechender finanzieller Mittel zu ermöglichen, kommt eine Rückstellungsbildung für Anpassungsmaßnahmen zumindest in der Übergangs­ frist in Betracht. Die Bildung von Rücklagen ist grundsätzlich für alle Arten von Risiken, unab­ hängig von der Versicherbarkeit und bestimmten Konkretisierungserfordernissen möglich, aber nur für mittlere Risiken sinnvoll. Die eigenkapitalgestützte Reser­ venbildung ist die einzige Möglichkeit, entsprechende Mittel über einen längeren Zeitraum anzusammeln und eine unspezifische finanzielle Vorsorge gegen allge­ meine Umweltrisiken, die Gefahr der Vergrößerung des Internalisierungskoeffi­ zienten a oder ein umweltbezogenes Branchenrisiko zu treffen.

Da die Errichtung eines Erfahrungskontos für sämtliche Risiken möglich ist, haben Finite Risk-Konzepte resp. Funded Cover-Deckungen einen weiten An­ wendungsbereich. Aufgrund des weitgehenden Selbsttragens der Risiken sollte sich der Einsatz aber zum einen auf mittlere Risiken beschränken. Zum anderen sind die Versicherer durch den überwiegenden Anteil des Selbsttragens eher bereit, auch Risiken im Grenzbereich des Versicherbaren zu decken. Dement­ sprechend eignen sich Funded Covers insbesondere für die prospektive Deckung von Normalbetriebs- und Allmählichkeitsrisiken und insbesondere für Eigen­ schäden. Da die Deckungssumme zwar von Anfang an, aber nicht mehrmals zur Verfügung steht, bieten sie sich darüber hinaus zur Deckung von Schäden an, die nur einmal auftreten können, d.h. bei denen nach einem Risikoeintritt mit einem erneuten Schadenfall nicht mehr zu rechnen ist, da das zugrundeliegende Risiko nicht mehr existiert. Bei drohenden Altlasten kann versucht werden, durch retro­ spektive Finite Risk-Deckungen die Sanierungsverpflichtungen und die gesamte Abwicklung der Sanierungsmaßnahmen auf den Versicherer zu übertragen. Bei Captives handelt es sich grundsätzlich um Versicherungsgesellschaften. Demnach eignen sie sich primär zur Deckung von Risiken, die auch auf dem

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traditionellen Versicherungsmarkt zu versichern sind, bei denen die Unternehmen aber der Ansicht sind, aufgrund der individuellen Situation eine kostengünstigere Deckung über die Versicherung bei der Captive erzielen zu können. Aufgrund der verbesserten Informationssituation, einem größeren „hausinternen“ Knowhow bezüglich der eigenen Risiken, und da die Versicherten gleichzeitig auch die Eigentümer der Captive sind und dementsprechend die Geschäftspolitik mitbestimmen können, dienen Captives auch der Bereitstellung von Deckungskapazi­ täten, die auf dem traditionellen Versicherungsmarkt nicht oder nur zu unverhält­ nismäßig hohen Prämien angeboten werden. Zur Finanzierung von Umweltrisiken können Captives insbesondere durch das Angebot von erweiterten Deckungskonzepten beitragen. Diese Konzepte, die im Vergleich zu dem mit einem umfangreichen Ausschlußkatalog versehenem HUKModell beispielsweise durch die Deckung von Allmählichkeitsschäden und er­ höhten Deckungssummen für Normalbetriebsrisiken erweitert sind, können dazu beitragen, die Kongruenz von Haftungs- resp. Risikosituation und Versiche­ rungsdeckung herzustellen.

II.

Integriertes Deckungskonzept für Umweltrisiken

1.

Anforderungen an ein integriertes Risikodeckungs­ konzept

Zukunftsorientierte Risikofinanzierung zielt darauf ab, die Auswirkungen poten­ tieller Schäden auf das finanzielle Gleichgewicht des Unternehmens auf ein ver­ tretbares Maß zu begrenzen. Wie die Analyse der einzelnen Instrumente der Risikofinanzierung gezeigt und die kompakte Gegenüberstellung nochmals ver­ deutlicht hat, eignen sich nicht alle Instrumente in gleichem Maße zur Finanzie­ rung von Umweltrisiken resp. bieten die einzelnen Instrumente keinen umfassen­ den Deckungsschutz für sämtliche Arten von Umweltrisiken. Aufgrund der Überschneidungen, die bei den Anwendungsgebieten durchaus vorhanden sind, muß zunächst das für das jeweilige Umweltrisiko unter Kostenund Sicherheitsaspekten optimale Instrument ausgewählt werden. Darüber hinaus bieten die verschiedenen Anwendungsbereiche aber auch die Möglichkeit, Dekkungslücken des einen Instruments durch den Einsatz eines anderen zu schließen. Da die verschiedenen Ausprägungen der Umweltrisiken nicht durch ein einzelnes Instrument der Risikofinanzierung bewältigt werden können, stellt die geeignete Auswahl einzelner Instrumente und deren Integration die erste Anforderung an

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

ein Risikodeckungskonzept dar. Dieser Prozeß ist unter Beachtung des Kostensapekts nach dem Prinzip der Kongruenzmaximierung von Risikosituation und gesamtem Deckungsumfang durchzuführen. Die Betrachtungen zu den einzelnen Instrumenten der Risikofinanzierung haben ferner deutlich gemacht, daß die Güte der finanziellen Deckung der Risiken im­ mer von den verfügbaren Informationen und den Erfahrungen über die jeweiligen Risiken sowie deren Verlauf abhängt. Je mehr und je exaktere Informationen vorliegen, desto eher erhält man adäquaten Versicherungsschutz. Aber speziell das definitive Selbsttragen durch Rückstellungsbildung, die Finite Risk-Konzepte und Captives setzen möglichst genaue Informationen über Art und Qualität der Risikofaktoren voraus. Durch die Ausrichtung auf die spezifischen Bedürfnisse und die individuelle Risikosituation sowie der unmittelbaren Abhängigkeit der Risikokosten vom Schadenverlauf ist deren Kenntnis unabdingbar. Die regelmä­ ßige Durchführung einer Risikoanalyse erhält damit auch für die Risikofinanzie­ rung eine verstärkte Bedeutung und stellt die zweite elementare Anforderung an ein integriertes Risikodeckungskonzept dar.

Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Wirksamkeit des aktiven Risikomana­ gements bei allen Instrumenten, insbesondere beim Selbsttragen und den hybri­ den Instrumenten, zunehmend aber auch bei den Versicherungslösungen, als entscheidender Einflußfaktor einer erfolgreichen Risikofinanzierung identifiziert wurde. Eine integrative Systematik zur umfassenden Bewältigung der finanziel­ len Auswirkungen von Umweltrisiken hat demnach als dritte Anforderung, die Einhaltung eines gewissen Sicherheitsstandards und den Ausbau der aktiven Maßnahmen des Risikomanagemenst zu erfassen. Die Anforderungen, die von einem integrativen Risikodeckungskonzept zu er­ füllen sind, verdeutlichen, daß ein solches einerseits auf die einzelnen Instru­ mente der Risikofinanzierung zurückgreift. Andererseits soll damit auch der mehrfach identifizierten Erkenntnis Rechnung getragen werden, daß die passive Risikobewältigung nicht unabhängig vom aktiven Risikomanagement geschehen kann. Dementsprechend ist darauf hinzuarbeiten, daß aktive und passive Risiko­ bewältigungsmaßnahmen Hand in Hand arbeiten und auf einer fundierten Risiko­ analyse aufbauen können.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

2.

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Formaler Aufbau eines integrierten Risikodeckungs­ konzepts

Ein Risikokonzept, das den oben abgeleiteten Anforderungen entspricht, soll eine weitgehend lückenlose und individuell angepaßte Deckung für Umweltrisiken ermöglichen. Am sinnvollsten läßt sich die Integration der verschiedenen Risiko­ finanzierungsformen und das Zusammenspiel der Risikofinanzierung mit einer grundlegenden Risikoanalyse und den aktiven Maßnahmen des Risikomanage­ ments mit einem modular aufgebauten Konzept erreichen. Grundsätzlich kann kein allgemein gültiges Risikodeckungskonzept erstellt werden. Dazu sind neben vielen weiteren individuellen Einflußfaktoren insbesondere die individuelle Risi­ kolage und die Unternehmensgröße zu berücksichtigen. Um trotzdem eine sinn­ voll und zweckgerecht erscheinende Zusammensetzung eines integrierten Risiko­ deckungskonzepts für Umweltrisiken und das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten zu verdeutlichen, soll im folgenden ein allgemeingültiger formaler Aufbau skizziert werden.

Neben konstanten Deckungsinhalten werden dabei auch variable Komponenten erfaßt, mit denen eine Anpassung an die jeweilige individuelle Risikosituation und den angestrebten Risikograd möglich ist. Den Anforderungen an ein inte­ griertes Risikodeckungskonzept entsprechend, muß das Konzept zum einen den Einsatz aktiver Maßnahmen des Risikomanagements sicherstellen. Zum anderen setzt die Erteilung von Versicherungsschutz und die Deckung der finanziellen Konsequenzen von Umweltrisiken eine sachgemäße Risikoanalyse der zu versi­ chernden Anlage resp. des zu versichernden Standortes voraus.1 Die im Mittel­ punkt des Konzeptes stehende Risikofinanzierung setzt sich aus den folgenden Komponenten zusammen:

(1) (2) (3) (4) (5)

einer Haftpflichtversicherung, einer Sachversicherungskomponente, einer Funded Cover-Deckung I, einer Funded Cover-Deckung II und einer Group-Captive für Umweltrisiken.

Die jeweils angegebenen Deckungssummen stellen ungefähre Richtgrößen dar und können variiert werden. Die spezifische Ausgestaltung hängt letztlich von individuellen Faktoren ab, allerdings sollten die Relationen der einzelnen Dekkungen ungefähr erfüllt werden.

1

Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 253.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Zu (1): Umwelthaftpflichtversicherung

Der erste Baustein der Risikofinanzierung ist eine Umwelthaftpflichtversiche­ rung, die neben zivilrechtlichen auch öffentlich-rechtliche Ansprüche abdeckt. Von dieser Grunddeckung werden zunächst grundsätzlich Störfallschäden erfaßt. Um zumindest ansatzweise die im Rahmen des UmweltHG enthaltenen Haf­ tungshöchstsummen in Höhe von 160 Mio. DM abdecken zu können, sollten dabei als Deckungssummen Beträge von bis zu 100 Mio. DM angestrebt werden. Der Deckungsschutz ist dabei nicht rein anlagenbezogen. Im Gegensatz zum HUK-Modell, das auf dem Einzeldeklarationsprinzip aufgebaut ist, werden hier nur besonders umweltgefährdende Anlagen einzeln erfaßt und in Einzeldeckung gegeben. Darüber hinaus werden die übrigen Anlagen und umweltgefährdende Tätigkeiten standortbezogen von einer pauschalen, handlungsorientierten Dekkung erfaßt.1 Für den pauschalen Deckungsabschnitt gelten geringere Deckungs­ summen als bei der Anlagendeckung. Allerdings sollten mindestens 10 Mio. DM vereinbart werden.

Durch die Kombination aus Anlagen- und Handlungshaftung wird zum einen der Forderung nach pauschalen Versicherungen im Bereich der Grunddeckung ent­ sprochen. Zum anderen werden durch die standortbezogene, handlungsorientierte Versicherung Deckungslücken geschlossen, die durch die Einzeldeklaration ent­ stehen können. Auch im Vorgriff auf zu erwartende Entwicklungen der Umwelt­ haftung, d.h. der Möglichkeit, daß sich die Haftung in Zukunft vom rein anlagen­ bezogenen Haftungstatbestand lösen und auf umweltschädigende Handlungen abstellen könnte, ist der Deckungsrahmen damit weit genug aufgespannt, um auch die bei einer Handlungshaftung im Mittelpunkt stehenden, umwelterhebli­ chen Handlungen resp. umweltgefährdenden Tätigkeiten abdecken zu können. Die Bewertung und Tarifierung sollte sich an dem in Kapitel A.II.3. des zweiten Teils vorgestellten formalen Bewertungsansatz orientieren. Bei der Anlagendekkung ist dabei dem HUK-Modell entsprechend zunächst eine Tarifierung nach der Lagermenge resp. der Kapazität der Anlagen zugrundezulegen. Darüber hin­ aus ist aber das Wirksamwerden eines Umweltgefahrenpotentials verstärkt durch analytisch-systematische Verfahren (z.B. Ausfalleffekt-, Fehlerbaum und Stör­ fallanalysen) zu berücksichtigen. Neben der Identifikation möglicher individuel­ ler Ausfalleffekte spielen dabei wieder die eingesetzten Maßnahmen des aktiven Risikomanagements eine Rolle. Die Tarifierung der Handlungsdeckung orientiert sich demgegenüber an einer branchenspezifischen Wagniskennziffer, die in Ab­ hängigkeit des individuellen Sicherheitsniveaus und der Standortempfindlichkeit des Unternehmens korrigiert wird. 1

Für einen ähnlichen Vorschlag vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 254f.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Seite 327

Die Haftpflichtversicherungs-Grunddeckung erstreckt sich aber nicht nur auf das Störfallrisiko, sondern auch auf den Normalbetrieb. Die Deckung von Normal­ betriebsrisiken setzt die Erfüllung der Betriebspflichten und die Einhaltung des geforderten Sicherheitsstandards voraus. Aufgrund der begrenzten Rückversiche­ rungskapazitäten für die traditionelle Versicherung des Normalbetriebs fallen die Deckungssummen geringer aus als bei der störfallbezogenen Anlagendeckung. Den Erfahrungen mit dem HUK-Modell entsprechend sind dabei Deckungssum­ men von bis 40 Mio. DM möglich und im Einzelfall auch anzustreben. Um dem Kriterium der Eindeutigkeit aus den Kriterien der Versicherbarkeit zu genügen, liegt der Haftpflichtdeckung als Versicherungsfalldefinition die nach­ prüfbare erste Feststellung des Schadens zugrunde (Discovery-Prinzip). Damit ist ein eindeutig zurechenbarer Schadenzeitpunkt verfügbar. Diese Versicherungs­ falldefinition wird im gesamten Deckungskonzept konsequent angewendet. Da der Versicherungsfall erst gegeben ist, wenn ein Schaden entdeckt, d.h. eingetre­ ten ist, besteht keine Deckung für vorgezogene Rettungskosten. Damit wird zwar zunächst der Anreiz gesenkt, Präventionsmaßnahmen vor Eintritt des Versiche­ rungsfalls durchzuführen, aber es entfallen die Probleme bezüglich des Nachwei­ ses der Notwendigkeit der Rettungsmaßnahmen und hinsichtlich der Abgrenzung von Rettungskosten zu Reparatur-, Erhaltungs-, Erneuerungs-, Sanierungs- und Sicherungsaufwendungen.

Dem Angebot des traditionellen Versicherungsmarkts entsprechend, und um eine kostengünstige Versicherungsdeckung erhalten zu können, beinhaltet die Haft­ pflichtversicherung darüber hinaus die klassischen Ausschlüsse, wie z.B. Eigenund Kleckerschäden. Um eine weitgehend lückenlose Deckung erzielen zu kön­ nen, sind die Deckungsausschlüsse der Grunddeckung durch weitere Bausteine zu erfassen. Darüber hinaus dürfen sich die Instrumente der Risikofinanzierung nicht nur darauf konzentrieren, inwieweit das Unternehmen bei Dritten für Schä­ den, die über den Umweltpfad verursacht wurden, einzustehen hat. Sachgüter des Unternehmens selbst können von Umwelteinwirkungen ebenso beeinträchtigt werden. Demnach muß die Risikofinanzierung auch Eigenschäden, die auf Um­ weltbeeinträchtigungen zurückzuführen sind, bewältigen können. Um diese An­ forderungen zu erfüllen, wird das Deckungskonzept um eine Sachversicherungs­ komponente ergänzt.1 Zu (2): Sachversicherungskomponente

Die Sachversicherungskomponente bietet Deckung für Eigenschäden, d.h. für Schäden an Grundstücken und Gebäuden des Unternehmens, die durch boden-

1

Vgl. Zingg, B. (Environmental Issues 1991), S. 16f.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

und wasserschädliche Stoffe verursacht worden sind. Gedeckt sind darüber hin­ aus auch Erhaltungs-, Reparatur-, Erneuerungs- Sanierungs- und Sicherungsauf­ wendungen. Da die Sachversicherung insbesondere auch bei vorgezogenen Ret­ tungsmaßnahmen greift, wird an dieser Stelle der Anreiz zur Durchführung von Rettungsmaßnahmen gegeben. Damit ist zum einen der angestrebte Deckungsum­ fang hergestellt. Zum anderen sind die Abgrenzungsprobleme zwischen reinen Eigenschäden und den Sanierungen am Eigentum des Versicherten, die Ret­ tungskosten darstellen, beseitigt. Die Versicherungsleistung ist darüber hinaus nicht auf die Beseitigung von Umweltschäden beschränkt, die auf öffentlichrechtliche Anordnungen zurückgehen, sondern greift auch bei Sanierungen, die auf eigenes Betreiben durchgeführt werden.

Die Sachversicherungskomponente trennt nicht zwischen Störfall- und Normal­ betriebsrisiken. Neben Schäden, die durch plötzliche und unfallartige, vom nor­ malen Betriebsgeschehen abweichende Ereignisse verursacht werden, erfaßt die Deckung auch Eigenschäden, die auf allmähliche Umwelteinwirkungen zurück­ zuführen sind, z.B. Kleckerschäden. Voraussetzung dafür ist allerdings ein be­ stimmungsgemäßer Betrieb und Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen. Schä­ den, die auf vorsätzliches Abweichen von Betriebspflichten oder gesetzlichen Regelungen etc. zurückzuführen sind, werden nicht gedeckt.

Insgesamt liegt damit eine erweiterte Versicherungsdeckung vor. Dementspre­ chend ist mit einem vergleichsweise hohen Prämienniveau zu rechnen. Da in diesem Fall aber erhöhte Prämien - im Gegensatz zum HUK-Modell in Verbin­ dung mit dem UHG-Tarif - in einem angemessenen Verhältnis zum gebotenen Deckungsumfang stehen, erscheint dies akzeptabel. Um im Zusammenhang mit dem erhöhten Prämienniveau eine Prämienreduzie­ rung zu erzielen, bauen sowohl die Umwelthaftpflichtversicherung als auch die Sachversicherungskomponente auf einem substantiellen Selbstbehalt auf. Durch den Selbstbehalt verknüpft das Unternehmen seine Interessen mit denen des Versicherers. Der damit verbundene Anreiz zur Schadenprävention und der da­ durch dokumentierte Zusammenhang von individueller Schadensituation und Risikokosten soll zu einer spürbaren Prämienrabattierung führen. Zu (3): Funded Cover-Deckung I

Der jeweilige Selbstbehalt wird nicht direkt aus dem jährlichen Cash-flow ge­ deckt, sondern ist als Funded Cover-Deckung konzipiert. Diese soll als Funded Cover-Deckung I bezeichnet werden, da das Deckungskonzept die Möglichkeit vorsieht, noch eine weitere Funded Cover-Deckung zu integrieren.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Die Funded Cover-Deckung I kann beispielsweise analog der in Kapitel A.IV.l vorgestellten Deckung aufgebaut sein. Dem Erfahrungskonto werden demnach fünf Jahre lang jährlich 2 Mio. DM zugeführt. Aus dem Erfahrungskonto werden die Selbstbehalte gezahlt, die vom Versicherungsnehmer unabhängig von der jeweiligen Schadenhöhe getragen werden müssen (Abzugsfranchise). Überstei­ gen die Selbstbehalte das bisher angesammelte Guthaben, hat das Unternehmen das Erfahrungskonto während der Restlaufzeit mit den vereinbarten Prämien auszugleichen. Weist das Erfahrungskonto zu Vertragsablauf einen positiven Betrag aus, wird der Vertrag mit ermäßigten Prämien verlängert. Die Funded Cover-Deckung dient damit quasi als ausgelagerter Selbstbehalt.1 Ist der verein­ barte Gesamtselbstbehalt angespart, ist der Versicherungsnehmer frei von weite­ ren Leistungen. Das Erfahrungskonto ist beim Versicherer weiterzuführen, d.h. die Beträge dürfen nicht rückübertragen werden. Im Falle von Schadenzahlungen sind die Prämienzahlungen wieder aufzunehmen, um das Erfahrungkonto aufzu­ füllen. Zu (4): Funded Cover-Deckung II

Die Funded Cover-Deckung II stellt eine Ergänzung zu den Versicherungsgrund­ deckungen, insbesondere der Sachversicherungskomponente dar. Die Funded Cover-Deckung II basiert auf einer längeren Grundlaufzeit und höheren Dekkungssummen als der Funded Cover I. Bei Bedarf sind Deckungssummen bis zu 50 Mio. DM und Laufzeiten von zehn und mehr Jahren denkbar. Die Funded Cover-Deckung II dient der steuerlich anerkannten Reservenbildung für den Ausgleich schwankender Schadenzahlungen im Zeitverlauf. Sie übernimmt dabei vorwiegend die Deckung von Allmählichkeits- und Eigenschäden, welche die Deckungskapazitäten der jeweiligen Versicherungssäule übersteigen. Darüber hinaus sind Schäden zu erfassen, die trotz der dreistufigen und erweiterten tradi­ tionellen Versicherungsdeckung nicht versichert werden können.

Eine weitere Einsatzmöglichkeit des Funded Covers II ergibt sich in Situationen, in denen ein einzelnes Risiko abzusichern ist resp. ein Schadeneintritt die Risiko­ situation für die Zukunft beendet.2 Im Zusammenhang mit der Stillegung bzw. geänderten Nutzung von Betriebsgelände ist dabei z.B. an Sanierungen und De­ kontaminationen von Grundstücken zu denken. Wenn die aktuelle resp. vergan­ gene Betriebsnutzung, die angewendeten Produktionsverfahren und die verwen­ deten resp. entstehenden Stoffe sowie Erfahrungswerte bei vergleichbaren Fällen 1

2

Für ähnliche Ansätze, den Selbstbehalt über hybride Instrumente der Risikofinanzierung auszu­ gestalten, vgl. Parkinson, J. (Uninsurable Risks 1993), S. 10; Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 254. Vgl. Zingg, B. (Environmental Issues 1991), S. 17.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

die Existenz von Umweltschäden nahelegen, die bei Betriebsbeendigung oder einer veränderten Nutzung saniert werden müssen, kann mit Hilfe der Funded Cover-Deckung II der notwendige Betrag sukzessive angespart werden. Da bei einer solchen Konstellation mit einem weiteren Risikoeintritt nicht zu rechnen ist, stellt die Tatsache, daß bei Funded Covers die Deckungssumme nur einmal zur Verfügung steht, keine Beeinträchtigung des Sicherheitsaspekts dar. Alternativ zur Funded Cover-Deckung II ist auch der Aufbau eines Fonds für Umweltrisiken denkbar, der die gleichen Aufgaben übernehmen könnte. Auf­ grund der steuerlichen Benachteiligung bleibt dessen Einsatz aber auf Unterneh­ men beschränkt, die keine resp. nur eine zu geringe Funded Cover-Deckung erhalten. Zu (5): Group-Captive für Umweltrisiken

Abschließender Baustein des Deckungskonzeptes ist eine Group-Captive für Umweltrisiken mit Sitz in Luxemburg, welche die bisher skizzierten Komponen­ ten ergänzt. Der Deckungsschutz dieser Captive setzt die Mitgliedschaft und diese wiederum die Einhaltung eines festgelegten Sicherheitsstandards voraus. Die Captive rundet das Bestreben ab, im Verhältnis zur gesetzlich und gesell­ schaftlich begründeten Risikosituation eine kongruente Deckung herstellen zu können.

Die Group-Captive bietet Deckungsschutz in Form eines Exzedenten über der Grunddeckung aus den Versicherungskomponenten und den Funded CoverDeckungen.1 Allerdings sollte die zugrundeliegende Versicherungsdeckung nicht unter 40 Mio. DM liegen, da die Captive bei Großschäden ansonsten übermäßig belastet wird. Die Leistungspflicht der Captive greift dann, aber auch nur dann, wenn aufgrund sachlicher und wertmäßiger Deckungsbegrenzungen die Betroffe­ nen nach der Versicherungsdeckung resp. den Funded Covers nicht resp. nicht ausreichend entschädigt werden.2 Die Deckungsergänzung gilt damit sowohl in bezug auf die Höhe als auch in bezug die Breite.

In bezug auf die Höhe kann die Captive im Anschluß an den Selbstbehalt und die traditionelle Versicherungsdeckung in Höhe der 40 Mio. DM beispielsweise Kapazitäten für Deckungssummen bis 60 Mio. DM zur Verfügung stellen, d.h. die Haftstrecke zwischen 40 und 100 Mio. DM abdecken. Hauptaufgabe der Captive ist damit die Herstellung einheitlicher Deckungskapazitäten für Störfallund Normalbetriebsschäden und der Schutz vor Groß- und Katastrophenschäden. Durch die Captive kann sichergestellt werden, daß die wie ein Selbstbehalt wir­ 1 2

Vgl. Parkinson, J. (Uninsurable Risks 1993), S. 15. Vgl. Gehrke, A. (Risikohandhabungskonzept 1994), S. 255.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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kende Grunddeckung jedes Mitglieds auf dem Rückversicherungsmarkt ausrei­ chend rabattiert wird.

Andererseits springt die Captive dort mit Leistungen ein, wo Umweltschäden durch die traditionellen Lösungen nicht versichert sind. Die Deckungserweite­ rung bezieht sich damit wiederum insbesondere auf Allmählichkeitsschäden. Darüber hinaus besteht, speziell bei Verschärfungen der Haftungsregeln, die Möglichkeit, Deckungsschutz für ökologische Schäden anzubieten. Im Zusam­ menhang mit Schädigungen des Naturhaushaltes, die typischerweise bestimmten Branchen zugerechnet werden, ist es aus umweltpolitischer Sicht beispielsweise denkbar, die Mitgliedschaft in einer Group-Captive für Umweltrisiken für diese Branchen obligatorisch zu machen.

Besteht keine Möglichkeit, eine Group-Captive für Umweltrisiken zu gründen resp. einer solchen beizutreten, kann eine vergleichbare Subsidiaritätsdeckung über einen Fonds für Umweltrisiken erzielt werden. Dieser greift ebenfalls erst, wenn die untergeordneten, zum Großteil auf externe Risikoträger zurückgreifen­ den Komponenten überfordert sind. Die dabei angesammelten Reserven dienen damit zum einen einer allgemeinen Vorsorge gegen Umweltrisiken und können die finanziellen Konsequenzen der Risiken auffangen, die von den anderen Kom­ ponenten der Risikofinanzierung nicht erfaßt werden. Zum anderen kann der Fonds für Umweltrisiken dazu verwendet werden, den Kapitalanteil anzusparen, der bei Gründung resp. Mitgliedschaft einer Group-Captive auf diese zu übertra­ gen ist. Die folgende Abb. 37 veranschaulicht den Aufbau des integrierten Risikodekkungskonzepts nochmals zusammenfassend.

Insgesamt gesehen basiert das Konzept auf der engen Verbindung traditioneller Versicherungslösungen mit den hybriden Formen der Risikofinanzierung, dem aktiven Risikomanagement und der Forderung, die notwendigen Informationen über Risikofaktoren zu erheben, bereitzustellen und zu kommunizieren. Der Inte­ grationsprozeß veranschaulicht die Bedeutung der Verbindung der Interessen von Versicherten und Versicherern. Die Einbindung der hybriden Instrumente resp. der erhöhte Anteil des Selbsttragens verringert das moralische Risiko und erhöht die Motivation für ein verstärktes aktives Risikomanagement. Dieser Aspekt und die besondere Bedeutung der Einbettung der Risikofinanzierung in ein systemati­ sches Risikomanagement wird im folgenden Kapitel nochmals verdeutlicht.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

Abb. 37:

Formaler Aufbau eines integrierten Risikodeckungskonzepts für Umweltrisiken

III.

Bedeutung und Wirkung eines integrierten und systematischen Risikodeckungskonzepts

1.

Bedeutung des Zusammenspiels von aktivem und passivem Risikomanagement

Die wechselseitige Beziehung der aktiven Risikobewältigung und des passiven Risikomanagements, insbesondere der Risikofinanzierung, und die Bedeutung eines integrierten Ansatzes für die Steigerung des Risikobewußtseins kann ab­ schließend durch eine Erkenntnis aus der bereits erwähnten empirischen Studie des Lehrstuhls für Finanzierung und Investition der Universität Kaiserslautern bekräftigt werden.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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Die Ausführungen in den Teilen eins und zwei haben verdeutlicht, daß die durch das UmweltHG veränderte Rechtslage die Risikosituation der Unternehmen ver­ schärft und zu einer neuen Form der Haftpflichtversicherung geführt hat. Über den Umweltpfad verursachte Schäden wurden aus der Betriebshaftpflichtversi­ cherung ausgelagert und der Umwelthaftpflichtversicherung nach dem HUKModell zugeordnet. Wie sich gezeigt hat, werden die durch das UmweltHG ge­ stiegenen Haftungsrisiken durch die Umwelthaftpflichtversicherung nach dem HUK-Modell nicht ausreichend gedeckt. Die nachfolgende Abb. 38 verdeutlicht, daß diese Erkenntnis in der Praxis noch nicht vollständig erkannt wird. Die Inkongruenzen zwischen Risikosituation und Deckungsschutz werden aus unternehmerischer Sicht, abhängig von der Qualität des Risikomanagements der jeweiligen Unternehmen, unterschiedlich einge­ schätzt.

Der Deckungsumfang des HUK-Modells ist... ■ ...unzureichend □ ...ausreichend

Abb. 38:

Einschätzung des HUK-Modells in Abhängigkeit von der Qualität des Risikomanagements1

Die Kenntnis über Bestand und Veränderung von Umweltrisiken und deren Dekkung bzw. Nichtdeckung durch das HUK-Modell ist abhängig von der Güte des Risikomanagements. Während Unternehmen mit gutem oder sehr gutem Risiko­ 1

Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 62.

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

management den Deckungsumfang des HUK-Modells überwiegend als unzurei­ chend empfinden, sind Unternehmen mit mangelhaftem oder unzureichendem Risikomanagement mehrheitlich mit dem Modell zufrieden. Die unkritische Ein­ stellung der Unternehmen mit unbefriedigendem Risikomanagement resultiert eventuell daraus, daß sie sich der Veränderung der Umweltrisiken und deren Deckung resp. Nicht-Deckung durch das HUK Modell nicht bewußt sind. Diese Tatsache läßt zwei Schlußfolgerungen zu. Zum einen scheint ein systematisches Risikomanagement das Risikobewußtsein zu stärken und die geforderte Sensibilisierungsfunktion zu erfüllen. Die Unter­ nehmen mit einem funktionierenden Risikomanagement wissen einerseits um die bestehenden Risiken, andererseits aber auch um die fehlende Deckung resp. den zumindest lückenhaften Versicherungsschutz des HUK-Modells. Mitarbeiter werden angeregt, sich stärker mit der Risikoproblematik zu beschäftigen und derartige Zusammenhänge kritisch zu hinterfragen.1

Zum anderen wird die Katalysatorfunktion des passiven Risikomanagements hier der Risikofmanzierung - deutlich. Unternehmen, die um die bestehenden Risiken wissen und die Schwachstellen beim passiven Management erkennen, verstärken ihre Risikomanagementbemühungen. Der Katalysatoreffekt einer funktionierenden und in ein systematisches Risikomanagement eingebetteten Risikofmanzierung wirkt insbesondere auf die aktive Risikobewältigung ein. Im Sinne des als Kreislauf verstandenen Risikomanagementprozesses sind Erkennt­ nisse des passiven Managements über die finanziellen Konsequenzen von Risiken und dem dafür zur Verfügung stehenden Deckungspotential wiederum erste An­ sätze einer verbesserten Risikoanalyse.

2.

Auswirkungen des verstärkten Selbsttragens auf Zu­ sammensetzung und Höhe der Risikokosten

Obwohl die Versicherung im Sinne eines systematischen Risikomanagements zwar ein wichtiges, aber neben anderen Maßnahmen prinzipiell gleichberechtig­ tes Instrument darstellt, steht sie in der Praxis im allgemeinen im Mittelpunkt der Risikobewältigung und wird insbesondere als das zentrale Instrument der Risiko­ finanzierung aufgefaßt.2 Die Ausführungen in dieser Arbeit und der Aufbau des integrierten Risikodeckungskonzepts haben gezeigt, daß speziell bei Risiken wie Umweltrisiken, die sich im Grenzbereich des Versicherbaren bewegen, alternati­ ve Formen, bei denen die Risiken ganz oder zumindest in größerem Umfang 1 2

Vgl. Hölscher, R./Kremers, M./Rücker, U. (Industrieversicherungen 1996), S. 62. Vgl. z.B. Hoffmann, K. (Risk Management 1985), S. 26.

3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

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selbst getragen werden, zum Einsatz kommen müssen resp. sollten. Dabei ist deutlich geworden, daß der Einsatz dieser Instrumente nicht nur auf den begrenzt erhältlichen Versicherungsschutz zurückzuführen ist. Das verstärkte Selbsttragen wirkt sich vielmehr auch entscheidend auf die Zusammensetzung der Risikoko­ sten aus. Die folgende Abb. 39 verdeutlicht den Zusammenhang der Auswirkun­ gen graphisch.

Nicht (rück-)versicherte und nicht versicherbare Schäden schaden-

Nicht.versicherte und nicht versicherbare Schäden

Selbstbehalt

(Rück-) Versicherungsprämien

Versicherungsprämien

Aktives Risikomanagement

Risikoverwaltung

Abb. 39:

erwartungs­ wert

Wirkung Selbstbehalt

Aktives Risikomanagement

Risikoverwaltung

Idealisierte Wirkung der Ausweitung des Selbstbehalts auf Umfang und Zusammensetzung der Risikokosten

Das verstärkte Selbsttragen senkt einen Teil der fixen Risikokosten. Bei Risiken, die gänzlich selbst getragen werden, entfallen entsprechende Versicherungsprä­ mien. Darüber hinaus wird die Übernahme größerer Anteile der eigenen Risiken in der Zukunft vermehrt die Voraussetzung dafür sein, adäquaten Versicherungs­ schutz, insbesondere für Risiken im Grenzbereich des Versicherbaren, zu erhal­ ten. Unter der Voraussetzung, daß der Versicherungsmarkt einen erhöhten Selbstbehalt auch bei versicherten Risiken adäquat berücksichtigt, sinken die restlichen Versicherungsprämien. Da der Rück- im Vergleich zum Erstversiche­ rungsmarkt zu solchen Zugeständnissen eher bereit ist, können insbesondere Captives eine Senkung der Versicherungsprämien durchsetzen.

Im Gegenzug steigen im Schadenfall durch den höheren Selbstbehalt zunächst die variablen Kosten. Da aber Risiken in größerem Umfang nicht mehr versichert werden, unterliegen die Unternehmen einem verstärkten Zwang, alle möglichen Anstrengungen in den Bereichen der Schadenverhütung und -herabsetzung zu

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3. Teil: Hybride und integrative Formen der Risikofinanzierung

unternehmen, um eine langfristige Gestaltung der Risikosituation zu erzielen.1 Dementsprechend kann ein positiver Einfluß auf das aktive Risikomanagement erwartet werden. Die Ausweitung des potentiellen Umfangs der variablen Kosten führt damit zwar einerseits zu einer Zunahme der Kosten für Risikovermeidung, minderung und -diversifikation, d.h. zu vermehrten fixen Kosten. Andererseits führen die Maßmahmen des aktiven Risikomanagements aber auch zu einer Sen­ kung von Schadenwahrscheinlichkeit und -ausmaß und damit letztlich zu einer Verringerung des Schadenerwartungswertes. Da dies wiederum einen Rückgang der nicht versicherten und nicht versicherbaren Schäden zur Folge hat, ergibt sich eine Verringerung der variablen Kosten. Insgesamt zielt das verstärkte Selbsttra­ gen damit auf die Senkung der gesamten Risikokosten ab.

Diese Betrachtung zeigt, daß nur die Abkehr von der häufig kritisierten Vollkas­ komentalität die Risikokosten insgesamt senkt. Es wird darüber hinaus deutlich, daß eine Senkung und Stabilisierung der Risikokosten und eine optimierte Risi­ kofinanzierung nur im Kontext eines systematischen Risikomanagements erreicht werden kann resp. nur durch die entsprechende Integration und Koordination der einzelnen Bereiche zu erzielen ist.

1

Vgl. Brühwiler. B. (Industrieversicherung 1994), S. 88.

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Zusammenfassung Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die verschiedenen Instrumente der Risi­ kofinanzierung darzustellen und deren Einsatzmöglichkeiten für die Finanzierung von Umweltrisiken zu untersuchen. Aufbauend auf einer umfassenden, die iso­ lierte Betrachtung der einzelnen Instrumente aufhebenden Analyse waren geeig­ nete Ausgestaltungsformen für den Einsatz der Instrumente zur Finanzierung von Umweltrisiken abzuleiten. Die übergreifende Systematik sollte abschließend zur Entwicklung eines formalen Deckungskonzeptes für Umweltrisiken führen. Die­ ses Risikodeckungskonzept soll die einzelnen Instrumente der Risikofinanzierung im Kontext eines systematischen Risikomanagements integrieren und koordinie­ ren.

Angesichts der uneinheitlichen und unscharfen Verwendung des Risikobegriffs und der Zweideutigkeit des Begriffes der Umweltrisiken stand die Ableitung einheitlicher und untersuchungsadäquater Konzepte dieser Begriffe am Anfang der Arbeit. Dabei wurde festgestellt, daß ein Risiko ursachenbezogen aus der mit einem Informationsdefizit verbundenen Unsicherheit resultiert und sich wir­ kungsbezogen in einer negativen Zielabweichung niederschlägt. Es wurde deut­ lich, daß Risiken nur in Systemen auftreten, die bestimmte Ziele verfolgen. Unter einem Umweltrisiko kann dementsprechend in Abhängigkeit des zugrundeliegen­ den Systems sowohl ein Risiko für die natürliche Umwelt, als auch ein umwelt­ bezogenes Unternehmensrisiko verstanden werden. Während ein Umweltrisiko im eigentlichen Sinn die Gefahr der schädigenden Inanspruchnahme der natürli­ chen Umwelt ausdrückt, verdeutlicht ein Umweltrisiko im unternehmerischen Sinn die Gefahr von unternehmerischen Erfolgs- und Interessenbeeinträchtigun­ gen, die auf die schädigende Inanspruchnahme der Umwelt zurückzuführen sind.

Ausgangspunkt der Analyse des finanziellen Managements sind die Umweltrisi­ ken im unternehmerischen Sinn. Im Anschluß an die Erläuterung der typischer Eigenschaften und besonderen Wesensmerkmale der Umweltrisiken wurden deshalb die verschiedenen Formen ihrer ökonomischen Konsequenzen betrachtet. Anknüpfend an eine Wirkungskette wurde aufgezeigt, welche wirtschaftlichen Folgen sich konkret aufgrund der Umweltrisiken im unternehmerischen Sinne ergeben können. Unternehmerische Erfolgsbeeinträchtigungen in Form zusätzli­ cher Aufwandsströme, geminderter Ertragsströme und von Vermögensminderun­ gen ergeben sich aufgrund der gesellschaftlichen Reaktionen auf Störfälle, auf spektakuläre Umweltschäden und umweltbelastende Produkte sowie insbesonde­ re aufgrund der zunehmenden Aktivität des Gesetzgebers im Umweltbereich.

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Zusammenfassung

Da die Transformation von Umweltrisiken i.eig.S. zu Umweltrisiken i.u.S. zu einem Großteil durch umweltpolitische und -rechtliche Regelungen erfolgt, wur­ den im zweiten Kapitel des ersten Teils die umweltpolitischen und -rechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt. Nach den grundlegenden Erläuterungen zu den Zielen, Prinzipien und Instrumenten der Umweltpolitik wurde ein kurzer Über­ blick über die relevanten Vorschriften des Umweltrechts gegeben. Dazu erfolgte eine Unterscheidung der Regelungen in Vorschriften für Anpassungsverpflich­ tungen und Haftungsvorschriften. Nach einer kurzen Analyse der für das Anpas­ sungsrisiko ursächlichen Vorschriften des BImSchG und des WHG standen die Regelungen der Umwelthaftung im Mittelpunkt. Bei den öffentlich-rechtlichen Haftungsgrundlagen wurden insbesondere die Sanierungs- und Rekultivierungs­ verpflichtungen vorgestellt. Im Rahmen der zivilrechtlichen Haftungsgrundlagen wurde auf die Aufopferungshaftung nach § 906 BGB und die Verschuldenshaf­ tung nach § 823 BGB eingegangen. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Umwelthaftungsgesetztes wurde diesem ein eigener Abschnitt gewidmet. Das Umwelthaftungsgesetz gewährt Schadenersatzansprüche für Schäden aus Tötung, Körperverletzung und Sachbeschädigungen infolge von Umwelteinwirkungen, die von im Anhang des Gesetzes aufgelisteten Anlagen verursacht wurden. Dabei basiert das UmweltHG auf der Grundlage der Gefährdungshaftung und beinhaltet eine Ursachenvermutung, nach der beim Betrieb umweltgefährdender Anlagen bei auftretenden Umweltschädigungen ein Kausalzusammenhang vermutet wird. Anschließend wurde deutlich gemacht, daß das UmweltHG noch keinen End­ punkt in der Entwicklung des Umwelthaftungsrechts darstellt. Insgesamt konnte herausgearbeitet werden, daß sich Unternehmen verstärkt darauf einstellen müs­ sen, für verursachte Umweltschädigungen haften zu müssen und umweltschädi­ gendes Verhalten zunehmend finanzielle Auswirkungen nach sich ziehen wird. Die finanziellen Konsequenzen der Umweltrisiken können die Erfüllung der unternehmerischen Zielsetzungen beeinträchtigen. Die Erfüllung der Unterneh­ mensziele zu sichern, ist Aufgabe des Risikomanagements. Da sich das Risiko­ management dementsprechend mit Umweltrisiken zu befassen hat, wurden im letzten Kapitel des ersten Teils die Grundlagen und Elemente eines systemati­ schen Risikomanagements in den Mittelpunkt gestellt. Voraussetzung für den Umgang mit Umweltrisiken ist ein bei allen Entscheidungsträgern ausgeprägtes Bewußtsein für die umweltbeeinträchtigenden Einflüsse des Unternehmens und der sich daraus ergebenden Unternehmensrisiken. Das strategische Risikomana­ gement hat dabei die Aufgabe, einen Sollzustand der Risikolage des Unterneh­ mens zu definieren und darauf abgestimmt, die Risikopolitik festzulegen und zu steuern sowie Richtlinien für das operative Risikomanagement zu formulieren. Im Rahmen des operativen Managements sollen die vorhandenen Risiken analy­

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siert und im Sinne des unternehmerischen Zielsystems wirtschaftlich optimal bewältigt werden. Die Ausgestaltung des operativen Risikomanagements erfolgt im Rahmen des Risikomanagement-Prozesses. Bevor man mit Risiken bewußt umgehen kann, müssen sie erkannt werden. Dementsprechend handelt es sich bei der ersten Phase um die Risikoidentifikation. In der zweiten Phase müssen die identifizierten Risiken bewertet und miteinander vergleichbar gemacht werden. Die Risikoidentifikation und die Risikobewertung können zur Risikoanalyse zusammengefaßt werden. Es wurde deutlich, daß sich die Risikoanalyse aufgrund der Komplexität der auftretenden und der Unwissenheit über zukünftige Umwel­ trisiken als eine der schwierigsten Aufgaben des Managements von Umweltrisi­ ken erweist. Die dritte Phase des Risikomanagement-Prozesses, die Risikobewäl­ tigung, beschäftigt sich mit der Erarbeitung, Auswahl und Durchführung risiko­ politischer Strategien, mit denen die Ziele der Risikopolitik umgesetzt werden können. In Analogie zum bankspezifischen Risikomanagement wurden die risi­ kopolitischen Strategien in einem neuen Systematisierungsansatz in folgende zwei Gruppen eingeteilt:

• Aktives Risikomanagement: Strategien, die direkt an den strukturellen Risi­ koursachen (Schadenhäufigkeit, Schadenhöhe) ansetzen und so zu einer Schadenprävention führen sollen. • Passives Risikomanagement: Strategien, die der Risikotragfähigkeit dienen, d.h. die Risikostrukturen werden als gegeben hingenommen und Maßnahmen entwickelt, die auf eine Reduzierung möglicher Verluste hinwirken bzw. Vor­ sorge für eventuell eintretende Verluste treffen. Die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende Risikofinanzierung ist das wichtigste Element des passiven Risikomanagements. Die Instrumente zum Aufbau einer finanziellen Vorsorge sind vielfältig. Grundsätzlich können die finanziellen Kon­ sequenzen der Risiken einerseits selbst getragen oder andererseits an externe Risikoträger übertragen werden. Da der Übergang der einzelnen Instrumente zunehmend fließend ist, wurde eine neue Systematisierung eingeführt, nach der sich die Instrumente der Risikofinanzierung in traditionelle und hybride Instru­ mente unterscheiden lassen. Die traditionellen Instrumente und ihre Möglichkeiten sowie Grenzen für den Einsatz bei der Finanzierung von Umweltrisiken standen im Mittelpunkt dieses zweiten Teils. Bevor die Versicherungslösungen und das Selbsttragen mit Reser­ venbildung allerdings analysiert werden konnten, mußten zunächst allgemeine Kriterien der Risikofinanzierung identifiziert und deren Bedeutung für Umweltri­ siken untersucht werden. Es wurde deutlich, daß die Instrumente der Risikofinan­ zierung in ihrer Anwendung von bestimmten Faktoren abhängen.

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Zusammenfassung

Neben der Dringlichkeit, die ein Maß für den Grad der Bedrohung darstellt, die vom jeweiligen Risiko ausgeht, konnten als Einflußfaktoren der Risikofinanzie­ rung zum einen die Frage der Versicherbarkeit der Risiken und zum anderen das Verhältnis von Kosten- und Sicherheitsaspekt identifiziert werden. Aufgrund der Komplexität der Umweltrisiken sind zentrale Voraussetzungen für die Erfassung und Kalkulation der Risiken nicht eindeutig geklärt. Die Ermittlung der Dring­ lichkeit gestaltet sich daher problematisch. Aufbauend auf der Identifikation der relevanten Risikofaktoren und der Vorstellung verschiedener Ansätze zur Erfas­ sung der Dringlichkeit wurde im Rahmen der Überlegungen zu den Einflußfakto­ ren ein formaler Bewertungsansatz für Umweltrisiken abgeleitet. Anschließend wurden ausführliche Überlegungen zur Versicherbarkeit von Umweltrisiken angestellt. Dazu wurde zunächst ein allgemeiner Kriterienkatalog der Versicher­ barkeit aufgestellt. Den dabei identifizierten Kriterien konnten dann Umweltrisi­ ken und ihre Eigenschaften gegenübergestellt werden. Diese Gegenüberstellung legte verschiedene Schwierigkeiten der Versicherung von Umweltrisiken offen. Insgesamt aber konnte festgestellt werden, daß eine theoretische Unversicherbar­ keit von Umweltrisiken nicht gegeben ist. Da es aber keine einheitliche und exakt bestimmbare Grenze der Versicherbarkeit gibt, bestimmt letztlich der Markt, was versicherbar ist und was nicht. Der dritte Einflußfaktor der Risikofinanzierung, die Kosten-Sicherheitsrelation der einzelnen Instrumente wurde jeweils bei der Analyse der Instrumente berücksichtigt.

Auch wenn Versicherungslösungen im Rahmen des Risikomanagements als allei­ nige Bewältigungsstrategie von Umweltrisiken nicht problemadäquat sind, stellt die Versicherung eines der zentralen Tätigkeitsfelder des industriellen Umwelt­ managements dar. Die kritische Würdigung der Versicherungsmöglichkeiten für Umweltrisiken war Gegenstand des zweiten Kapitels des zweiten Teils. Da die Umwelthaftpflichtversicherung nach dem HUK-Modell eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit der Versicherung von Umweltrisiken spielt, wurden dazu zunächst die Grundkonzeption und die Deckungsbausteine des HUK-Modells skizziert. Von besonderer Bedeutung für die anschließende kritische Würdigung waren dabei die Identifizierung der verschiedenen Deckungsausschlüsse und die Beschreibung der Tarifstruktur. Unter Sicherheitsaspekten konnten als Hauptkri­ tikpunkte an der Deckungsstruktur die Unsicherheit in bezug auf die Versiche­ rungsdeckung bei Allmählichkeits- und Normalbetriebsschäden, der Deckungs­ ausschluß von Klecker- und Eigenschäden sowie die begrenzte Deckung der vorgezogenen Rettungskosten identifiziert werden. Durch das Angebot der sog. Bodenkaskodeckungen können diese Deckungseinschränkungen zwar begrenzt werden, doch diese zusätzlichen Versicherungen sind mit erheblichen Kosten verbunden. Eine Verbesserung des Sicherheitsaspekts bewirkt demnach automa­

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tisch eine Verschlechterung des Kostenaspekts. In diesem Zusammenhang wurde weniger die absolute Höhe der Versicherungsprämien kritisiert als vielmehr das Verhältnis zum damit jeweils verbundenen Deckungsschutz. Dabei wurde festge­ stellt, daß die mangelnde Akzeptanz der Preis-Leistungs-Relation der Versiche­ rungslösung vor allem auf dem mangelnden Bezug zur individuellen Risikositua­ tion und der fehlenden Berücksichtigung des jeweiligen Sicherheitsstandards beruht. Das abschließende Kapitel des zweiten Teils beschäftigte sich mit dem bewußten Selbsttragen von Risiken, das neben der Versicherung die zweite traditionelle und eindeutig abgrenzbare Form der Risikofinanzierung darstellt. Durch den Aufbau von Reserven sollen die finanziellen Auswirkungen von eingetretenen Risiken auf mehrere Perioden verteilt und die notwendige Liquidität zur Scha­ denzahlung bereitgestellt werden. Der Reservenaufbau ist eine Frage der Bilan­ zierung und erfolgt zum einen über die Gewinnermittlung in Form der Rückstel­ lungsbildung und an zweiter Stelle durch die Gewinnverwendung, indem Rückla­ gen gebildet werden. Ziel ist es, Einnahmeüberschüsse vor der Besteuerung und der Gewinnausschüttung zu bewahren. Bei Eintritt des Schadens werden die Reserven wieder aufgelöst.

Der zweite Abschnitt dieses Kapitels beschäftigte sich mit der Disposition von Rückstellungen. Bei der Betrachtung der Rückstellungsmöglichkeiten für öffent­ lich-rechtliche Umweltschutzverpflichtungen konnte festgestellt werden, daß die Bildung von Rückstellungen für Rekultivierungsmaßnahmen nicht umstritten, in vielen Fällen sogar in Form von Ansammlungsrückstellungen möglich ist. Dem­ gegenüber gestaltet sich die Rückstellungsbildung für Sanierungsmaßnahmen problematisch. Aufgrund der besonderen Konkretisierungsanforderungen bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen kann eine Rückstellung für Altlastensanie­ rung letztlich erst gebildet werden, wenn der Schaden bereits eingetreten resp. erkannt worden ist. Dementsprechend gelingt mit der Rückstellungsbildung die angestrebte Risikovorsorge nicht. Bei der bilanziellen Vorsorge für Anpassungs­ maßnahmen ergeben sich Probleme für die Rückstellungsbildung hinsichtlich der Frage, ob die wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung in der Vergangen­ heit liegt. Dabei wurde festgestellt, daß für bereits betriebene Anlagen die wirt­ schaftliche Verursachung zumindest in der Übergangsfrist gegeben ist, so daß hier die Bildung bilanzieller Reserven in Form einer Rückstellung für Anpas­ sungsverpflichtungen möglich sein sollte. Bei der bilanziellen Vorsorge für Risiken, die sich aus zivilrechtlichen Umwelt­ haftpflichtverpflichtungen ergeben können, konnten nur äußerst eingeschränkte Rückstellungsmöglichkeiten identifiziert werden. Ähnlich wie bei den Sanie­ rungsverpflichtungen setzt die Rückstellungsbildung das Vorliegen eines Aus­

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gleichsanspruchs, zumindest aber die Kenntnis eines Schadens, der zu einem Anspruch führen wird, voraus. Angesichts der durch das UmweltHG und die Gefährdungshaftung ausgeweiteten Risikosituation erscheint der Aufbau einer finanziellen Vorsorge von besonderem Interesse. Da es sich dabei aber um das latente Risiko zukünftiger Ersatzansprüche aufgrund möglicher zukünftiger Schäden handelt, bestehen keine Möglichkeiten der bilanziellen Vorsorge im Rahmen der Gewinnermittlung. Die grundsätzliche Möglichkeit der Bildung von Pauschalrückstellungen für Haftpflichtansprüche scheitert an der nicht ausrei­ chenden Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme. Insgesamt kann festgehalten werden, daß für Risiken, die sich nicht aus historischen, sondern aus zukünftigen Faktoren ergeben, nach geltendem Bilanzrecht keine bilanzielle Vorsorge über die Bildung von Rückstellungen geschaffen werden kann. Darüber hinaus wurde dargelegt, daß aufgrund der Ausrichtung an der internationalen Rechnungslegung und der angespannten Finanzlage der öffentlichen Haushalte, mit verbesserten Möglichkeiten der Risikovorsorge durch Rückstellungsbildung nicht zu rechnen ist. Zum Abschluß des zweiten Teils wurde die Disposition offener Eigenkapitalre­ serven für Umweltrisiken untersucht, die aufgrund der begrenzten Rückstel­ lungsmöglichkeiten verstärkte Bedeutung erhält. In diesem Zusammenhang wur­ de insbesondere der Versuch angestellt, Ansätze zur bilanziellen Risikovorsorge aus dem Bereich der bankspezifischen Bilanzierung auf den Problembereich der Umweltrisiken zu übertragen. In Anlehnung an § 340g HGB, der es Kreditinsti­ tuten im Rahmen eines Fonds für allgemeine Bankrisiken ermöglicht, das allge­ meine Branchenrisiko bilanziell zu berücksichtigen, wurde dazu ein neuer Ansatz vorgestellt, der Unternehmen der Industrie und des verarbeitenden Gewerbes die Möglichkeit gibt, branchenspezifische Umweltrisiken in einen ’’Fonds für Um­ weltrisiken” einzustellen. Durch die Bildung des Fonds über mehrere Perioden, der bei Eintritt eines Schadens wieder (teilweise) aufgelöst wird, läßt sich der Ausgleich in der Zeit und die angestrebte Ergebnisglättung erzielen. Allerdings verteuert sich die Risikovorsorge durch die fehlende steuerliche Anerkennung der Zuführungen zu den Rücklagen resp. dem Fonds.

Der dritte Teil der Arbeit befaßte sich mit den hybriden Instrumenten der Risiko­ finanzierung: den Finite Risk-Konzepten und den Captives. Die hybriden Formen verbinden Elemente des Selbsttragens mit Versicherungs- und Finanzierungs­ komponenten. Im ersten Kapitel des dritten Teils stehen die Finite Risk-Konzepte im Mittelpunkt. Bei Finite Risk-Deckungen, die im Rückversicherungsgeschäft entstanden sind, handelt es sich um maßgeschneiderte, individuelle Lösungen. Besondere Merkmale dieser Konzepte sind die beschränkte Risikoübernahme durch den Versicherer, die Möglichkeit der Gewinnbeteiligung für den Versiehe-

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rungsnehmer, die Berücksichtigung von Kapitalanlageerträgen und die meist mehrjährige Vertragsdauer. Die Konzepte können sowohl in Form pro- als auch retrospektiver Deckungen ausgestaltet sein. Während sich prospektive Konzepte auf die Deckung des laufenden und zukünftigen Betriebs beziehen und der An­ sammlung von Mitteln für zukünftige Schäden dienen, werden retrospektive Konzepte zur Deckung von Schäden vergangener Jahre, die noch nicht abgewikkelt resp. entdeckt wurden, eingesetzt. Aufgrund des Anwendungsbereichs der retrospektiven Konzepte wurde ihr Einsatz zur Finanzierung von Altlasten vorge­ schlagen und untersucht. Dies ermöglicht den Unternehmen neben der Übertra­ gung des Zahlungszeitpunktrisikos insbesondere die Diskontierung der erwarte­ ten Schadenaufwendungen. Die frühzeitige Fixierung der Finanzierung der Altla­ sten kann damit die gesamte finanzielle Belastung des Unternehmens merklich entlasten und zu einer erhöhten Planungssicherheit führen.

Anschließend wurden prospektive Deckungen in Form von Funded CoverKonzepten auf ihre Anwendbarkeit zur Finanzierung von Umweltrisiken analy­ siert und geeignete Ausgestaltungsformen abgeleitet. Funded Covers dienen durch die Ansammlung finanzieller Mittel auf einem Erfahrungskonto insbeson­ dere der Verteilung anfallender Schäden auf einen mehrjährigen Zeitraum. Da dieses Element des Selbsttragens durch eine Vorfinanzierungsfunktion des Versi­ cherers ergänzt wird, dienen sie insbesondere dazu, Deckungskapazitäten für Risiken anzubieten, die auf dem traditionellen Versicherungsmarkt nicht, nur eingeschränkt oder aus Sicht der Versicherten nur zu überhöhten Preisen abge­ deckt werden können. Der Einsatz von Funded Covers zur Finanzierung von Umweltrisiken stellt damit eine Reaktion auf die identifizierten Schwachstellen des Selbsttragens und die trotz der im allgemeinen bestehenden theoretischen Versicherbarkeit teilweise eingeschränkte Versicherung von Eigen- und Allmäh­ lichkeitsschäden dar. Als besonderes Problemfeld des Einsatzes der Finite RiskKonzepte wurde deren steuerliche Behandlung identifiziert. Durch die Betrach­ tung der anglo-amerikanischen Regelungen und die Analyse der für die Anerken­ nung als Versicherung notwendigen Eigenschaften, konnte festgestellt werden, daß letztlich nur über die Risikotransferfunktion der Versicherung die Versiche­ rungseigenschaft definiert wird. Die Frage nach der Höhe des tatsächlichen Transfers von versicherungstechnischem Risiko erhält damit für die Anerkennung eines Vertrages als Versicherung und alle sich daraus ergebenden Konsequenzen hinsichtlich der Rechnungslegung und der steuerlichen Behandlung besondere Bedeutung. Da die Vorteilhaftigkeit eines Funded Covers entscheidend von der steuerlichen Anerkennung der Prämienzahlungen abhängt, konnte somit als be­ sonders wichtiges Ausgestaltungsmerkmal ein partieller, aber signifikanter Risi­ kotransfer identifiziert werden. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wurde an­

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schließend eine Funded Cover-Deckung konzipiert. Anhand dieses Beispielfalls wurde die Funktionsweise eines Funded Covers veranschaulicht und mit den Konzepten des bewußten Selbsttragens verglichen. Dabei konnte festgestellt werden, daß eine Funded Cover-Deckung abgesehen davon, daß nur sie eine Vorsorge Wirkung vom ersten Tag an erzielt, auch unter Kostenaspekten eine sinnvolle Alternative darstellt. Es wurde deutlich, daß aufgrund der Vorfinanzie­ rungsfunktion auch bei frühzeitigen Schadenfällen der Ausgleich in der Zeit gelingt und durch die steuerliche Anerkennung der Prämienzahlungen im Ver­ gleich zum eigenkapitalbasierten Selbsttragen, bei dem erst die Schadenzahlun­ gen zu einer Verringerung der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage führen, eine Steuerbarwertminimierung erzielt werden kann. Die Vereinbarung der Ge­ winnbeteiligung ermöglicht darüber hinaus eine Partizipation an einem guten Schadenverlauf. Insgesamt hat das Fallbeispiel gezeigt, daß eine passend ausge­ staltete Funded Cover-Deckung die Forderung nach einer kontinuierlichen und planbaren Liquiditäts- und Erfolgsbelastung besser erfüllen kann als die einsetz­ baren Formen des Selbsttragens. Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels des dritten Teils stand die Analyse der Ein­ satzmöglichkeiten unternehmenseigener Versicherungsgesellschaften, sog. Capti­ ves, bei der Finanzierung von Umweltrisiken und die Ableitung geeigneter Aus­ gestaltungen und Deckungskonzepte. Als wichtige Zielsetzung der Gründung einer Captive wurde die Möglichkeit identifiziert, Kapazitäten für Risiken auf­ bauen zu können, bei denen sich der traditionelle Markt außerstande sieht, Dekkungsschutz anzubieten. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, daß die Gründung einer Captive positive Effekte auf das Risikobewußtsein und verhalten im Unternehmen hat. Die verstärkte Beteiligung der Captive-Mitglieder an den Schadenzahlungen verstärkt die Anreize zur Schadenverhütung und herabsetzung.

Da eine Captive nur einen vergleichsweise geringen Risikenbestand aufbauen kann, gelingt nur ein beschränkter Ausgleich im Kollektiv. In diesem Zusammen­ hang wurde deutlich, daß der Risikoausgleich in der Zeit zu einer wichtigen Einflußgröße wird, was wiederum unmittelbar zu Fragen der Reservierungs- und Rückstellungsmöglichkeiten der Captive führt. Auch in Anbetracht der steuerli­ chen Problematik des traditionellen Selbsttragens soll eine Captive schließlich den Aufbau von Deckungspotentialen ermöglichen, die aufwandswirksam gebil­ det werden können und damit eine bessere finanzielle Vorsorge Wirkung entfalten. Deshalb zielt die Gründung einer Captive für Umweltrisiken insbesondere auf die verbesserten Möglichkeiten zum Aufbau von Reserven durch die Bildung versi­ cherungstechnischer Rückstellungen ab. Um die steuerliche Abzugsfahigkeit der Prämien und die Bildung versicherungstechnischer Rückstellungen zu ermögli­

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chen, muß die Captive steuerlich als Versicherungsunternehmen anerkannt wer­ den. Als entscheidendes Kriterium für diese Anerkennung konnte die Forderung ermittelt werden, daß die Captive das Versicherungsbedürfnis der Versicherten in gleicher Weise wie eine Fremdversicherung befriedigen muß und die Verträge nicht als Scheingeschäfte ausgestaltet sind. Darüber hinaus muß eine genügend große Zahl rechtlich selbständiger Unternehmen Versicherungsschutz bei der Captive nachsuchen.

Um diese Anforderungen zu erfüllen und um die zur Deckung von Umweltrisiken notwendige Kapitalausstattung aufbringen zu können, wurde als geeignete Form einer Captive für Umweltrisiken eine Group-Captive vorgeschlagen. Als ent­ scheidende Voraussetzungen für die Finanzierung von Umweltrisiken durch eine Group-Captive konnten die Solidarität der Mitglieder und ein einheitlicher Stan­ dard des aktiven Risikomanagements die Beziehungen zum Rückversicherungs­ markt sowie eine ausreichende Kapitalausstattung identifiziert werden. Um die unternehmerische Situation der Deckung von Umweltrisiken zu verbessern, wur­ de anschließend vorgeschlagen, durch die Captive ein im Vergleich zur markt­ mäßigen Versicherungsdeckung erweitertes Deckungskonzept anzubieten. Der durch die Kosteneinsparungen und die verbesserten Reservierungsmöglichkeiten erhöhte finanzielle Spielraum einer Captive sollte zum einen dazu genutzt wer­ den, die Deckung in der Breite, z.B. durch Versicherungsdeckungen für Allmählichkeits- oder Eigenschäden, zu erweitern. Zum andern sollte eine Vereinheitli­ chung der Deckungssummen für Störfall- und Normalbetriebsschäden angestrebt werden.

Im abschließenden Kapitel der Arbeit wurde zunächst eine kompakte Gegenüber­ stellung der einzelnen Instrumente der Risikofinanzierung erstellt. Aufbauend auf den besonderen Eigenschaften, Stärken und Schwächen der einzelnen Instru­ mente wurde eine integrative Systematik zur umfassenden Bewältigung der fi­ nanziellen Auswirkungen von Umweltrisiken entwickelt. Diese formale Systema­ tik greift auf die einzelnen Instrumente der Risikofinanzierung zurück. Entspre­ chend ihrer spezifischen Anwendungsbereiche werden die Instrumente dabei kombiniert und sollen durch ihr Zusammenwirken die jeweiligen Deckungs­ lücken einer isolierten Anwendung beseitigen. Das Konzept basiert auf einer Umwelthaftpflichtgrunddeckung, welche die Kernbereiche der Umwelthaftpflicht abdeckt und durch eine Sachversicherungskomponente ergänzt wird, die insbe­ sondere der Absicherung von Eigenschäden und vorgezogenen Rettungskosten dient. Um den Anreiz für Maßnahmen der Schadenverhütung und -herabsetzung zu steigern und um eine Prämienreduzierung bei den Versicherern durchsetzen zu können, liegt der Versicherungsdeckung ein substantieller Selbstbehalt zugrunde. Dieser ist als Funded Cover-Deckung ausgestaltet und beinhaltet somit selbst für

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den Selbstbehalt einen Ausgleich in der Zeit und ermöglicht durch die vorgezo­ gene steuerliche Anerkennung der Zahlungen selbst in der Grunddeckung eine Steuerbarwertminimierung.

Neben einer weiteren Funded Cover Deckung, welche die Deckung für Eigen­ schäden und andere, nicht von den Versicherungen erfaßte Risiken ergänzt, ent­ hält das Konzept vor allem die Mitgliedschaft in einer Group-Captive für Um­ weltrisiken. Diese Group-Captive sollte idealerweise in Luxemburg etabliert werden. Sie dient insbesondere der Bereitstellung einer über die anderen Ele­ mente hinausreichenden Deckungskapazität. Speziell ist dabei an die Erhöhung der Deckungssummen für den Normalbetrieb gedacht. Insgesamt ist es von be­ sonderer Bedeutung, daß das Deckungskonzept neben den Instrumenten der Risikofinanzierung auch die aktiven Risikobewältigungsmaßnahmen integriert und koordiniert sowie auf einer fundierten Risikoanalyse aufbaut. Die Bedeutung dieses Integrationsprozesses wird im letzten Abschnitt verdeutlicht. Dabei wurde nochmals aufgezeigt, daß nur die im Kontext eines systematischen Risikomana­ gements durchgeführte Kombination von geeigneten Versicherungslösungen und hybriden Instrumenten, die für das Selbsttragen steuerwirksame Lösungen an­ bieten, bei denen der Zeitpunkt des Schadeneintritts keine Rolle spielt, d.h. die Höhe der Reserven vom ersten Tag an zur Verfügung steht, eine verläßliche Abdeckung von Umweltrisiken und die nachhaltige Senkung und Stabilisierung der Risikokosten ermöglicht.

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