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German Pages 385 Year 2018
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1379
Öffentlichkeit und Neue Medien im gerichtlichen Verfahren Reichweite und Grenzen der Gerichtsberichterstattung im Zeitalter der Massenmedien
Von
Christian Hirzebruch
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN HIRZEBRUCH
Öffentlichkeit und Neue Medien im gerichtlichen Verfahren
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1379
Öffentlichkeit und Neue Medien im gerichtlichen Verfahren Reichweite und Grenzen der Gerichtsberichterstattung im Zeitalter der Massenmedien
Von
Christian Hirzebruch
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany
ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15431-9 (Print) ISBN 978-3-428-55431-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85431-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Für Anna
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis Dezember 2016 – im Fußnotenapparat vereinzelt noch bis Mai 2018 – berücksichtigt. Hinsichtlich der Neufassung des § 169 GVG wurden im Rahmen der Drucklegung Angleichungen an den aktuellen Gesetzesstand vorgenommen. Soweit nicht anders gekennzeichnet, wird § 169 GVG in seiner ab dem 18. April 2018 geltenden Fassung zitiert. Mein herzlicher Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Stefan Haack, der meinen juristischen Werdegang seit Beginn meines Studiums gefördert und mein Dissertationsvorhaben von Anfang an in außerordentlich verlässlicher und engagierter Art und Weise begleitet hat. Seine wertvollen Ratschläge und Denkanstöße, aber auch die gewährten Freiheiten haben mir die zur Durchführung des Dissertationsvorhabens nötige Sicherheit gegeben. Eine bessere Betreuung hätte ich mir nicht wünschen können. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Klaus Ferdinand Gärditz für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine konstruktiven Anmerkungen. Mein ganz besonderer Dank gilt daneben der FAZIT-Stiftung sowie der Konrad-Redeker-Stiftung, die mir beide einen großzügigen Druckkostenzuschuss gewährt haben. Außerordentlich dankbar bin ich weiterhin Herrn Rechtsanwalt Gernot Lehr für seine wohlwollende Unterstützung. Die promotionsbegleitende Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei ihm im medienrechtlichen Dezernat der Sozietät Redeker Sellner Dahs war für mich prägend, hat meine Kenntnisse im Medienrecht erweitert und damit maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ebenso danke ich Herrn Professor Dr. Foroud Shirvani, der mein Promotionsvorhaben stets interessiert verfolgt hat und immer offen für eine fachliche Diskussion war. Die wissenschaftliche Tätigkeit an seinem Lehrstuhl war lehrreich und hat mich vor allem in wissenschaftlicher Hinsicht geschult. Für vielfältige Impulse, die stetige Motivation und das gewissenhafte Korrekturlesen danke ich ganz herzlich Herrn Michael Geuenich, M.A., Frau Rechtsanwältin Dr. Laura Schierbaum, Herrn Rechtsanwalt Max Staudacher, LL.M., sowie Herrn Yves Steingrüber.
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Vorwort
Von Herzen danke ich auch meinen Eltern, Annegret und Dr. Michael Hirzebruch, die mich stets bedingungslos gefördert haben. Durch ihre vielfältige Unterstützung haben sie mir ein unbeschwertes Studium und die Anfertigung dieser Dissertation ermöglicht. Dankbar bin ich auch meinen Großeltern, Schwiegereltern und Geschwistern, die meine Ausbildung stets interessiert begleitet und immer an mich geglaubt haben. Mein größter Dank gilt schließlich meiner Frau, Anna Hirzebruch, die mir viel Kraft und Rückhalt gegeben hat. Sie stand mir stets mit Geduld, Fürsorge und Verständnis zur Seite. Ihre liebevolle Unterstützung hat maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Bad Neuenahr-Ahrweiler, im Mai 2018
Christian Hirzebruch
Inhaltsübersicht Einführung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Zeitalter der Neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Gewachsenes Interesse der Bevölkerung an rechtlichen Themen . . . . . . . . . . . . .
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C. Funktionswandel von Gerichtsöffentlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Neue Gefahren durch gerichtliche Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1 Dogmatische Grundlagen
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A. Die Neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 2 Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
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A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung und die Nutzung Neuer Medien im Gerichtssaal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 C. Der Schutz vor Bildnisveröffentlichungen und Bildnisaufnahmen im Rahmen der Gerichtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen im Umfeld der gerichtlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 E. Die Zulässigkeit der Aufnahme und des Verbreitens von Foto- und Filmaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
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Inhaltsübersicht Teil 3 Gerichtsöffentlichkeit heute
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A. Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 B. Gerichtsöffentlichkeit und Neue Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 C. Wesentliches Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 D. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Inhaltsverzeichnis Einführung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Zeitalter der Neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
B. Gewachsenes Interesse der Bevölkerung an rechtlichen Themen . . . . . . . . . .
27
C. Funktionswandel von Gerichtsöffentlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Neue Gefahren durch gerichtliche Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1 Dogmatische Grundlagen A. Die Neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Internet als Neues Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Internet als Netzinfrastruktur zur Datenübertragung . . . . . . . . . . . b) Die Anwendungsebenen des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wandel der Medienlandschaft und veränderte Marktstrukturen im Bereich der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Online-Journalismus als Chance für die herkömmlichen Medien . . . . . . . 2. Teilhabemöglichkeiten des Publikums mithilfe des Web 2.0 . . . . . . . . . . . 3. Die Hybridisierung der Medienformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffliche Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit . . . . . 1. Öffentlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtsöffentlichkeit als Saal- und Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . a) Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unmittelbare und mittelbare Öffentlichkeit – mittelbare Öffentlichkeit durch sämtliche Medien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strukturwandel und die Suche nach dem vernünftigen Maß an gerichtlicher Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 32 32 32 34 35 35 36 37 38 38 41 42 44 44 44 45 47 48 49 53
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Inhaltsverzeichnis II. Historische Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit . . . . . . 1. Gerichtsöffentlichkeit im Römischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gerichtsöffentlichkeit altgermanischer Zeit, im Frankenreich und Hochmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Frühe Neuzeit und Etablierung der Inquisitionsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wiedereinführung gerichtlicher Öffentlichkeit in der Zeit der Aufklärung a) Die Idee der Publizität staatlicher Entscheidungsvorgänge in der Aufklärungsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Wiedereinführung des öffentlichen Verfahrensganges . . . . . . . . . . . aa) Die Debatte in der Literatur um die Wiedereinführung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Wiedereinführung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in Frankreich und die Rezeption im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gerichtsöffentlichkeit seit dem 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichtsöffentlichkeit im Dritten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung gerichtlicher Öffentlichkeit zugunsten des Persönlichkeitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktionstheoretische Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontrolle der Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung von Kontrollbefugnissen in Gerichtsverfahren heutiger Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Effektivität einer allgemeinen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Rolle der Medien bei der Kontrolle der Judikative . . . . . . . . . . . . . 2. Information der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligung am öffentlichen Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschaffung von Rechtskenntnis und Versinnbildlichung durch Symbolwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Aufgabe der Medien bei der Informationsverbreitung . . . . . . . . . . d) Befriedigung von Sensationslust und legitimes Informationsinteresse 3. Vertrauen und Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Funktionswandel gerichtlicher Öffentlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfassungsrechtliche Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der verfassungsrechtliche Schutz der Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . a) Das Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Öffentlichkeit des staatlichen Prozesses zur Stärkung demokratischer Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Öffentlichkeit des staatlichen Prozesses als Bedingung für die Wahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54 55 56 59 60 60 62 62 65 67 67 69 70 71 72 72 73 74 78 80 81 81 82 84 86 88 91 91 93 94 96
Inhaltsverzeichnis cc) Öffentlichkeit des staatlichen Prozesses als Bedingung effektiver Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Öffentlichkeit des staatlichen Prozesses als Bedingung für die Bildung einer öffentlichen Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Legitimität durch Diskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Diskurstheorie des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übertragung der Diskurstheorie auf die Judikative . . . . . . . . . (3) Die Grenzen der diskursiven Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gerichtsöffentlichkeit und Publizität des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . (1) Normpublizität und Normklarheit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Öffentlichkeit der Dritten Gewalt zur Stärkung der Normpublizität und Normklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Bedeutung der Medien bei der Vermittlung des Rechts . . . (4) Öffentlichkeit der Rechtsanwendung als notwendige Konsequenz der Normpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gerichtliche Öffentlichkeit zum Schutze weiterer Prinzipien und Ziele rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gerichtsöffentlichkeit zur Förderung eines fairen Verfahrens? (2) Gerichtsöffentlichkeit zum Schutze richterlicher Unabhängigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Öffentlichkeitsgrundsatz nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der verfassungsrechtliche Schutz der Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . a) Idee und Bedeutung der Kommunikationsfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . b) Zu den Schutzbereichen der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . aa) Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das geschützte Verhalten: sich „zu unterrichten“ . . . . . . . . . . . (2) Die Informationsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die allgemeine Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Der Gerichtssaal als allgemein zugängliche Quelle? . . . . . . . . (a) Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Bestimmung der allgemeinen Zugänglichkeit . . . . . . (bb) Ausübung des staatlichen Bestimmungsrechts als Ausgestaltung oder Schutzbereichsbeschränkung? . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis cc) Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Funktionen und Aufgaben der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Persönliche Grundrechtsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Laien- und Bürgerjournalisten als Träger der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sachlicher Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der verfassungsrechtliche Pressebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Inhalt und Umfang des grundrechtlichen Schutzes – die subjektiv-rechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Objektiv-rechtlicher Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Persönliche Grundrechtsträgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Laien- und Bürgerjournalisten als Träger der Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sachlicher Gewährleistungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff . . . . . . . . . . . . (aa) Gerichtetheit an die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Rundfunktechnische Verbreitungsform . . . . . . . . . . . . (cc) Darbietungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Inhalt und Umfang des grundrechtlichen Schutzes . . . . . . (3) Objektiv-rechtlicher Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Grundrechtsschutz von Online-Diensten beziehungsweise -Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die klassische Abgrenzungsmethode nach der Distributionsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Technologieneutrale Abgrenzungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . (a) Abgrenzung nach dem typischen Erscheinungsbild des Mediums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unterscheidung nach der Identität des Medienanbieters . . (c) Der Rezeptionsmodus als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . (4) Neuinterpretation oder Neufassung des Art. 5 Abs. 1 GG . . . . (a) Einheitliches Gesamtkommunikationsgrundrecht . . . . . . . . (b) Einheitliches Gesamtmediengrundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Allgemeine Medienfreiheit de constitutione ferenda . . . . . (d) Internetdienstefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ungeeignetheit der klassischen Abgrenzungsmethode? . . (b) Entwicklungsoffenheit des Presse- und Rundfunkbegriffs
133 133 135 135 135 137 137 138 141 142 142 142 143 143 143 144 144 145 145 146 148 148 150 151 152 153 154 155 155 155 156 156 157 157 158
Inhaltsverzeichnis (c) Regulierungsbedürftigkeit des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . (d) Zuordnung hybrider Angebotsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Urheberschaft des Angebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Rezeptionsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Neuinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zusammenfassung und Lösungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkungen von Saal- und Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die allgemeinen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Vorschriften der §§ 169 ff. GVG als allgemeine Gesetze . . . . (1) Kein Sonderrecht gegen eine der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schlechthin zu schützendes Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Recht auf Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Recht der Selbstbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Recht der Selbstdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Schutz personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Recht auf ein faires Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung . . . . . . . . . . . . . (e) Richterliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bestimmungen zum Schutze der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kollidierendes Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Inhaltliche Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit . . . . . . . 1. Gerichtsöffentlichkeit als Zugänglichkeit der gerichtlichen Verhandlung a) Saalöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begrenzung durch die räumlichen Kapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der besondere Wert der Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Herleitung des Zugangsrechts von Medienvertretern . . . . . . . cc) Ausgestaltung des Zugangsrechts der Medienvertreter im einfachen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Reservierung von Medienplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begründung der Privilegierung von Medienvertretern bei der Sitzplatzvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 159 159 160 160 161 162 164 164 165 166 167 167 168 168 170 171 172 172 173 174 176 176 177 178 178 179 179 179 181 182 182 184 186 187 187
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Inhaltsverzeichnis (a) Vorrang des Prioritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verfassungsrechtliche Begründung des Abweichens vom Prioritätsgrundsatz zugunsten von Medienvertretern . . . . . (c) Pflicht zur Reservierung von Plätzen für Medienvertreter (2) Die konkrete Ausgestaltung der Platzvergabe . . . . . . . . . . . . . . (3) Platzreservierung für Laienjournalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Übertragung der mündlichen Verhandlung in einen Nebenraum . . (1) Zulässigkeit der gerichtsinternen Übertragung in einen Nebenraum nach altem Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Zulässigkeit der Tonübertragung in einen Nebenraum nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsöffentlichkeit durch weitest gehende Transparenz gerichtlicher Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Pflicht zur Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen . . . . . . aa) Verfassungsrechtliche Publikationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umfang der Publikationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Publikationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auskunftsansprüche, Akteneinsichtsrechte sowie Anspruch auf Herausgabe gerichtlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationsansprüche nach den Landespressegesetzen . . . . . . . . . (1) Auskunftsberechtigte und Auskunftsverpflichtete . . . . . . . . . . . (2) Legitimes Informationsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Informationsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen . . cc) Auskunft und Akteneinsicht nach den Prozessordnungen . . . . . . . . (1) Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das rechtliche Interesse als maßgebliches Kriterium . . . . . (b) Verhältnis zu einem möglichen Akteneinsichtsrecht nach den Landespressegesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auskunft nach § 475 Abs. 4 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anspruch auf Herausgabe einer Urteilsabschrift nach den Prozessordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch auf dem Niveau eines Minimalstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . d) Die aktive Teilhabe der Judikative am öffentlichen Diskurs . . . . . . . . . aa) Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte als verfassungsrechtliche Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 189 190 191 193 195 195 197 198 200 200 200 201 202 203 205 206 207 207 208 210 212 212 212 214 215 215 216 216 218 219 219
Inhaltsverzeichnis
17
bb) Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 VI. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Teil 2 Gerichtsberichterstattung und Neue Medien A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gerichtsöffentlichkeit und Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Saal- und Medienöffentlichkeit: Zwei identische Bezugsgrößen? . . . . . . . . . III. Identifizierende oder anonymisierte Berichterstattung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Identifizierende Berichterstattung als Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Verfahrensbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliches Informationsinteresse an der Identität einer bestimmten Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei der Berichterstattung über Strafverfahren . . . . . . . . . . a) Abwägungskriterien nach der Lebach-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Würdigung und Präzisierung der Abwägungskriterien . . . aa) Kein Urheberrecht an eigenen Lebensereignissen . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein grundsätzliches Verbot einer Berichterstattung über zurückliegende Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Veranlassungsprinzip als Kriterium zur Auflösung der Grundrechtskollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Öffentlichkeitsgrundsatz als Indiz für die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Archivrechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Erweiterung der Lebach-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze der Archivrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tagesaktuelle Berichterstattung oder Reaktualisierung vergangener Vorgänge in Online-Archiven? . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Online-Archive als passive Darstellungsplattformen? . . . . . . . (3) Bedeutung der spezifischen Wirkungen des jeweiligen Mediums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Recht auf Vergessenwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Lösung: Reaktive Prüfpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Identifizierende Berichterstattung außerhalb des Strafverfahrens . . . . . . . 5. Anonymisierungspflicht bei der Mitteilung gerichtlicher Entscheidungen 6. Zulässigkeit der Namensnennung von Organen der Rechtspflege . . . . . . .
225 225 225 227 230 230 231 234 234 236 236 237 237 239 240 240 241 241 242 243 244 245 247 249 252 253 253
18
Inhaltsverzeichnis 7. Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung über Zeugen, insbesondere Opfer einer Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung als Besonderheit der Kriminalberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Inhalt und Funktion der Verdachtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Berechtigtes öffentliches Informationsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Mindestbestand an Beweistatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4. Sorgfältige Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 5. Ausgewogene und distanzierte Form der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 V. Betonung der internetspezifischen Gefahrenlage bei der Güterabwägung . . . 261 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung und die Nutzung Neuer Medien im Gerichtssaal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I. Betroffenheit der Schutzbereiche des Art. 5 Abs. 1 GG durch das Verbot der Nutzung portabler Computer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Das absolute Verbot der Nutzung portabler Computer . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Störung des Verhandlungsablaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Missbrauchsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 c) Bedeutung entgegenstehender Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Das Verbot der Nutzung von Datenübertragungstechniken . . . . . . . . . . . . . 270 a) Gefahren für den Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Gefährdung eines fairen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Gefährdung der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . 271 d) Gerichtsöffentlichkeit und Medienrealität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 III. Bedeutung der Live-Textberichterstattung für die Funktionen der Gerichtsöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 C. Der Schutz vor Bildnisveröffentlichungen und Bildnisaufnahmen im Rahmen der Gerichtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 I. Der Schutz des Rechts am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 II. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 III. Aufnahmeverbote im Gerichtssaal zum Schutze des Persönlichkeitsrechts . . 278 1. Das Verhältnis der §§ 22, 23 KUG zu § 176 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Aufrechterhaltung der Ordnung „in der Sitzung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 IV. Aufnahmeverbote zugunsten der Sicherung des störungsfreien äußeren Ablaufs der Sitzung und der ungehinderten Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . 282 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
Inhaltsverzeichnis D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen im Umfeld der gerichtlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Honecker-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bildaufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung von Richtern und Schöffen (Sparkasse Mannheim) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anonymisierungsanordnung zum Schutze des Angeklagten . . . . . . . . . . . 4. Bildaufnahmen von Gerichtspersonen und sonstigen Amtsträgern (Bundeswehrprozess) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Stigmatisierungsgefahr durch Bildaufnahmen des Angeklagten außerhalb der mündlichen Verhandlung (Holzklotz-Fall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bildaufnahmen in den Verhandlungspausen („Komasaufprozess“) . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bildaufnahmen aus dem Verhandlungssaal als Gegenstand eines berechtigten öffentlichen Informationsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entgegenstehende Belange des Persönlichkeitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angeklagte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeugen, insbesondere Opfer einer Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Parteien im zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Zulässigkeit der Aufnahme und des Verbreitens von Foto- und Filmaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Filmaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entwicklung des § 169 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die n-tv-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Schutz von audiovisuellen Aufnahmen als medientypische Ausdrucksform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG als Beschränkung der Medienfreiheiten . . . . . . 5. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationswert der bildlichen Dokumentation für den Rundfunk . . b) Informationswert der bildlichen Dokumentation für die elektronische Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aufnahmebedingte Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Angeklagte im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tatopfer im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfahrensbeteiligte in anderen Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . (4) Gerichtspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
284 284 284 286 286 287 290 291 292 293 296 297 299 301 301 302 302 302 303 303 305 308 309 309 310 314 315 316 316 316 318 318 319
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Inhaltsverzeichnis (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beeinträchtigung der ungestörten Verhandlungsführung . . . . . . . . . cc) Beeinträchtigung der ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung dd) Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . ee) Beeinträchtigung der Würde des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnismäßigkeit des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fotoaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
319 320 320 323 324 325 326 327
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Welche Differenzierungsmöglichkeiten kommen in Betracht? . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ordentliche Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Revisionsinstanz und Verfahren vor den obersten Bundesgerichten . . . . . . 6. Beschränkung auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verfahren von historischer oder zeitgeschichtlicher Bedeutung . . . . . . . . . 8. Einwilligungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mildere Mittel zur Erreichung des bisherigen Schutzniveaus . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesetzgeberische Umsetzung der Neuregelung und Ausblick . . . . . . . . . . . . .
328 328 330 330 332 333 334 335 336 337 339 340 340
Teil 3 Gerichtsöffentlichkeit heute
342
A. Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 B. Gerichtsöffentlichkeit und Neue Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 C. Wesentliches Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 I. Live-Textberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 II. Foto-, Rundfunk- und Fernsehberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 D. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. Abschn. AE-StuM a. F. AfP ahd. AK-GG Anm. Anwbl AöR APuZ ArbGG Art. as. BArchG BayOLG BayVBl BbVerfGG Bd. Begr. BeckOK BerlPresseG Beschl. BGB BGH BGHSt BGHZ BK-GG BRAK-Mitt. BRJ BR-Drucks. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerfGG
andere Ansicht Absatz Abschnitt Alternativ-Entwurf Strafjustiz und Medien alte Fassung Archiv für Presserecht althochdeutsch Alternativkommentar zum Grundgesetz Anmerkung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Aus Politik und Zeitgeschichte Arbeitsgerichtsgesetz Artikel altsächsisch Bundesarchivgesetz Bayerisches Oberlandesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Brandenburgisches Verfassungsgerichtsgesetz Band Begründer Beck’scher Online-Kommentar Berliner Pressegesetz Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bonner Kommentar zum Grundgesetz Bundesrechtsanwaltskammer Mitteilungen Bonner Rechtsjournal Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz
22 BVerwG BVerwGE CR CSCW ders. DGRI dies. DJT DÖV DRiZ DVBl Ed. EGGVG EGMR EGMR-E EL EMöGG
EMRK epd medien et al. EuGH EuGRZ f./ff. FAZ FG FGO Fn. FS GG GRCh GRUR GRUR-Prax GVG HambVerfGG HBd. HbgIFG HGR Hrsg. Hs. HStR
Abkürzungsverzeichnis Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Computer und Recht Computer Supported Cooperative Work derselbe Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e. V. dieselbe/dieselben Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Deutsches Verwaltungsblatt Edition Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Ergänzungslieferung Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Sprachund Hörbehinderte Europäische Menschenrechtskonvention Evangelischer Pressedienst Medien et alii/et aliae/et alia Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift folgend/folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Freundesgabe Finanzgerichtsordnung Fußnote Festschrift Grundgesetz Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gerichtsverfassungsgesetz Hamburger Verfassungsgerichtsgesetz Halbband Hamburger Informationsfreiheitsgesetz Handbuch der Grundrechte Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts
Abkürzungsverzeichnis IFG InfoMedienR i. S. d. ITRB i.V. m. JA jm JÖR JR jurisPR extra jurisPR-ITR JuS JZ K&R Kap. KG KritV KUG lat. LG lit. LMG LPG LTO MDR mhd. MMR MP MschrKrim m.w. N. n. F. NJ NJOZ NJW NJW-RR NK NordÖR Nr. NVwZ OLG OLGZ
23
Informationsfreiheitsgesetz Informations- und Medienrecht im Sinne des/der IT-Rechtsberater in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter juris – Die Monatszeitschrift Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau juris PraxisReport extra juris PraxisReport IT-Recht Juristische Schulung Juristenzeitung Kommunikation & Recht Kapitel Kammergericht Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, Kunsturhebergesetz lateinisch Landgericht Buchstabe Landesmediengesetz Landespressegesetz Legal Tribune Online Monatsschrift für Deutsches Recht mittelhochdeutsch Multimedia und Recht Media Perspektiven Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform mit weiteren Nennungen neue Fassung Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsentwicklung und Rechtsprechung Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport Zivilrecht Neue Kriminalpolitik Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen
24 OVG PresseG RegE Rn. RStV S. SaarlVerfGHG SGG S-H LVerfGG SK-StPO Sp. StGB StPÄG StPO StraFO TKMR TMG u. a. UFITA UKlG Urt. v. Var. VBlBW Verf. VerwArch. VG vgl. VR VwGO VwVfG WWW ZG zit. ZJS ZPO ZRP ZUM ZUM-RD ZZP
Abkürzungsverzeichnis Oberverwaltungsgericht Pressegesetz Regierungsentwurf Randnummer Rundfunkstaatsvertrag Seite Saarländisches Verfassungsgerichtshofgesetz Sozialgerichtsgesetz Landesverfassungsgerichtsgesetz Schleswig-Holstein Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung Spalte Strafgesetzbuch Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes Strafprozessordnung Strafverteidiger-Forum Telekommunikations- und Medienrecht Telemediengesetz unter anderem Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht Unterlassungsklagengesetz Urteil vom Variante Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verfasser Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht vergleiche Verwaltungsrundschau Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz World Wide Web Zeitschrift für Gesetzgebung zitiert Zeitschrift für das Juristische Studium Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Rechtsprechungsdienst Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Zivilprozeß
Einführung und Problemstellung Die Frage des Verhältnisses zwischen Justiz und Medien stammt aus der Zeit der Aufklärung. Seit diesem Zeitpunkt wird bis heute um ein vernünftiges Maß an Gerichtsöffentlichkeit gestritten.1 In einer Demokratie besteht die Notwendigkeit, dass Menschen über diejenigen Informationen verfügen, die sie benötigen, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Die publizistischen Massenmedien haben mithin die Aufgabe, relevante Ereignisse zu selektieren, vorhandene Kenntnisse aufzubereiten, Geschehnisse einzuordnen und die Bevölkerung über die daraus resultierenden Ergebnisse in Kenntnis zu setzen. Für das dauerhafte Funktionieren einer Demokratie ist es daher wichtig, dass die entsprechenden Informationen auch in der Bevölkerung ankommen.2 Das heißt, dass sie auf den Informationskanälen angesprochen wird, die sie regelmäßig zur Informationsaufnahme verwendet. Heutzutage sind dies die Massenmedien. Die Judikative hat den Ruf, sich über Jahre den neueren medialen Entwicklungen verschlossen zu haben. Seit Gründung der Bundesrepublik wurde über die Zulässigkeit von Rundfunkaufnahmen in der mündlichen Verhandlung gestritten, in den 1960er Jahren das Aufnahmeverbot des § 169 Satz 2 GVG a. F. eingeführt. Heutzutage wird zusätzlich über die Nutzung von Online-Medien während der mündlichen Verhandlung, etwa über die LiveTextberichterstattung diskutiert. Eine Sorge muss jedoch bedacht und ernst genommen werden. Ein Zuviel an Gerichtsöffentlichkeit beschwört das herauf, was ihre Gewährung gerade verhindern soll.3
A. Zeitalter der Neuen Medien Die technische Fortentwicklung des Internets hat in den vergangenen Jahren zahlreiche neuartige Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten hervorgebracht. Neben Printmedien und Rundfunk stellt das Internet inzwischen eine mindestens gleichermaßen bedeutsame Informationsquelle und Kommunikationsform dar. Das Internet bietet nicht nur dem professionellen Online-Journalismus neue Möglichkeiten. Das sogenannte Web 2.0 ermöglicht es auch Laienjournalisten, Inhalte in einem dem professionellen Journalismus vergleichbaren Umfang 1 2 3
von Coelln, AfP 2014, 193 (193). Vgl. dazu Hölig/Hasebrink, MP 2013, 522 (534 ff.). So Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (403).
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Einführung und Problemstellung
jedermann zugänglich zu machen.4 Während die Massenmedien früher mitunter zur Manipulation und Unterdrückung der Bevölkerung missbraucht wurden, bieten sie heutzutage die Möglichkeit, die Medienwelt weiter zu demokratisieren.5 Wie sich die Judikative gegenüber den Massenmedien verhalten sollte, wird Gegenstand dieser Arbeit sein. Es wird um die schon seit vielen Jahren kontrovers diskutierte Frage gehen, ob die Beibehaltung des Verbots der Anfertigung von Ton- und Filmaufnahmen während der mündlichen Verhandlung nach wie vor zeitgemäß ist. Ein weiterer Blick soll auf die durch die inzwischen beinahe flächendeckende Verfügbarkeit mobilen Internets mögliche Live-Wortberichterstattung gerichtet werden. Es liegt die Vermutung nahe, dass der Staat sich von dem Prozess der Technisierung nicht überholen lassen darf. Es sollte vielmehr überlegt werden, wie die neuen Informations- und Kommunikationsformen für die Demokratie und den Rechtsstaat nutzbar gemacht werden können. Denn in einer globalisierten Welt und im Informationszeitalter muss sich auch die Rechtsordnung weiterentwickeln.6 Insofern soll danach gefragt werden, wie in der heutigen hochtechnisierten Zeit ein Konzept von Gerichtsöffentlichkeit aussehen könnte. Muss der Gerichtssaal wirklich ein Ort bleiben, der zum Schutz der Unabhängigkeit der Richter und der Würde des Gerichts frei von modernen Kommunikationsmitteln bleibt?7 Gedeiht Gerechtigkeit am ehesten in abgeschiedener Ruhe?8 Muss die Judikative tatsächlich vor einem zu großen Druck der Öffentlichkeit geschützt werden?9 Kann durch das Prinzip der Saalöffentlichkeit die mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz seit jeher verbundene Wächterfunktion gegenwärtig überhaupt noch effektiv ausgeübt werden und stellt das früher als ausreichend angesehene Bild der „offenen Tür“ mittlerweile nicht mehr als eine reine Fiktion dar?10
4 Zur Gerichtsberichterstattung durch Laienjournalisten instruktiv Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, passim. 5 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 62 ff. 6 Pfeifle, ZG 2010, 283 (293); Merk, DRiZ 2013, 234 (235). 7 Sarstedt, JR 1956, 121 (124); Schmidt, Justiz und Publizistik, 1968, S. 10; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 199 f. Dahs (AnwBl 1959, 171 [181]) spricht sogar davon, dass der „Tempel der Justitia“ durch die Anwesenheit von Rundund Bildfunk „geschändet“ werde. 8 Dahs, AnwBl 1959, 171 (180). Vgl. auch Gierhake (JZ 2013, 1030 [1034]), der zufolge die besondere Gerichtssituation Ruhe und Unabhängigkeit und ein allein Recht und Gesetz verpflichtetes Handeln der Richter erfordere. Demgegenüber konstatiert Bockelmann (NJW 1960, 217 [218]), dass Gerechtigkeit nichts mit Verborgenheit zu tun habe. 9 Hamm, NJW 1995, 760 (760 f.); Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 199 f.; Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 34. 10 Arndt, NJW 1960, 423 (424); Schneider, JuS 1963, 347 (350).
B. Gewachsenes Interesse der Bevölkerung an rechtlichen Themen
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Die Medienlandschaft befindet sich in einem Umbruch. Umlaufgeschwindigkeiten von Nachrichten werden nicht mehr in Tagen oder Stunden, sondern in Minuten ausgedrückt. Nach der Urteilsverkündung wetteifern Online-Dienste der Zeitungen mit Rundfunkanstalten um die Veröffentlichung der ersten Nachricht. Mit der Geschwindigkeit der Kommunikation leidet jedoch oftmals die Qualität der Nachricht.11 Man kann sich daher berechtigterweise fragen, ob jeder Vorgang für jeden sofort in Echtzeit zugänglich und kommentierbar sein muss, nur weil dies technisch möglich ist.12 Berichterstattung dient im Zeitalter der Massenkommunikation vermehrt auch der Unterhaltung der Menschen. Die wirtschaftlichen Interessen der Medienunternehmen führen oftmals zu einer am Unterhaltungsinteresse des Publikums orientierten Ausrichtung.13 Hier soll daher kritisch untersucht werden, ob die neuartigen Informations- und Kommunikationsformen den mit Gerichtsöffentlichkeit verfolgten Funktionen überhaupt dienlich sein können. Wie bestimmt sich ein berechtigtes Informationsinteresse? Die Frage, in welchem Umfang Gerichtsöffentlichkeit geboten ist, ist nicht leicht zu beantworten. Dies hängt mit den zahlreichen konkurrierenden grundgesetzlichen Positionen zusammen. Ganz konkret besteht eine Gemengelage zwischen Persönlichkeitsrechten und den Medienfreiheiten. Hinzu kommen das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip und der Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit, die den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht nur stärken, sondern zum Schutze einer ungestörten Rechtspflege auch begrenzen.14 Wie diese grundgesetzlichen Kräfte in Ausgleich zu bringen sind, darum wird es in dieser Arbeit gehen.
B. Gewachsenes Interesse der Bevölkerung an rechtlichen Themen Eine weitere Entwicklung ist in jüngerer Zeit zu beobachten: die Bevölkerung interessiert sich für rechtliche Themen. Während dieses Interesse fast ein ganzes Jahrzehnt beinahe ausschließlich durch fiktionale Gerichtsshows befriedigt wurde, ist in den letzten Jahren ein stärker werdendes öffentliches Interesse auch an realen Verfahren zu beobachten. Die Berichterstattung über gerichtliche Verfahren nimmt in den Medien insoweit einen immer größeren Raum ein. Dabei ging es in den letzten Jahren um Verfahren, an denen prominente Persönlichkei-
11
Lamprecht, ZRP 2012, 149 (152). Schaar, APuZ 15–16/2013, 41 (41). 13 Fink, Bild- und Tonaufnahmen im Umfeld der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, 2007, S. 70 ff. 14 von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 8. 12
28
Einführung und Problemstellung
ten beteiligt waren, wie die Strafverfahren gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann, den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff oder den FußballManager Uli Hoeneß zeigen. Auch die Unterlassungsklage des türkischen Präsidenten Recep Erdog˘an wegen eines Schmähgedichts gegen den Fernsehsatiriker Jan Böhmermann hat in der medialen Berichterstattung große Aufmerksamkeit gefunden. Auch berichten die Medien in zunehmender Intensität über Verfahren, in denen bislang unbekannte Personen im Mittelpunkt standen, die jedoch aufgrund eines bestimmten Ereignisses, etwa einer Straftat, die die Öffentlichkeit besonders bewegt hat, in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sind. Zu nennen wären hier etwa das Strafverfahren um den Tod der türkischstämmigen Studentin Tug˘çe Albayrak oder das Strafverfahren um das Zugunglück bei Bad Aibling gegen einen Fahrdienstleiter. Diese Beispiele ließen sich gerade auch in der regionalen Berichterstattung endlos fortsetzen. Schließlich wurden in den Medien auch Verfahren diskutiert, an denen vor allem an den Rechtsfragen oder an der Art der rechtlichen Aufarbeitung bestimmter Vorgänge ein besonderes öffentliches Interesse bestand: zu denken ist hier vor allem an den NSU-Prozess, das NPD-Verbotsverfahren, das Verfahren zum Euro-Rettungsschirm oder die jüngsten Verfahren die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrages betreffend. Diese Aufzählung soll nicht abschließend sein, sie verdeutlicht jedoch, dass die Medien dem Interesse der Bevölkerung entsprechend intensiv über gerichtliche Verfahren berichten. Selbst wenn das Interesse an den oben genannten Verfahren größtenteils von der Bekanntheit der im Mittelpunkt stehenden Person ausging und in der Berichterstattung über die genannten Verfahren teilweise auch die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten wurden, haben alle Verfahren doch eines gemeinsam: nachdem das Interesse an den Verfahrensbeteiligten, meistens den Angeklagten, gestillt war, hat über alle Verfahren, losgelöst von den beteiligten Personen, in der Bevölkerung eine von allen Medienformen begleitete rechtliche und rechtspolitische Diskussion eingesetzt. Genau dies ist es, was die Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit verlangen. Das Rechtsbewusstsein und Rechtsverständnis in der Gesellschaft wird gestärkt und die Rechtsentwicklung wird vorangetrieben.
C. Funktionswandel von Gerichtsöffentlichkeit? Das Prinzip der Gerichtsöffentlichkeit ist ein Grundsatz des Gerichtswesens, der bereits in der Zeit der römischen Prozesse beobachtet werden kann und bis heute mit Ausnahme der Inquisitionsverfahren der Frühen Neuzeit in unterschiedlicher Ausprägung und Funktionsweise Bestand hat.15 Die Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren in der Form, wie sie heute bekannt ist, findet ihren Ursprung in der Zeit der Aufklärung. Gerichtsöffentlichkeit sollte unter anderem 15
Vgl. dazu näher unten, Teil 1 B. II.
C. Funktionswandel von Gerichtsöffentlichkeit?
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den Ausschluss von Geheimverfahren gewährleisten, dem Volk eine Kontrollmöglichkeit bieten und die Unabhängigkeit der Richter gegenüber Eingriffen der anderen Staatsgewalten sichern. In einem modernen gewaltengeteilten Rechtsstaat, der über vielfältige Sicherungsmechanismen verfügt, stellt sich die Frage, ob diese Funktionen ihre unmittelbare Bedeutung verloren haben. Diese Arbeit wird daher der Frage nachgehen, ob Gerichtsöffentlichkeit heutzutage nicht vielmehr und vor allem der Information der Allgemeinheit dient. Es soll geklärt werden, was sich hinter dem zugegebenermaßen wenig scharfen Begriff der Informationsfunktion verbirgt und was das berechtigte Informationsinteresse ausmacht, das durch gerichtliche Öffentlichkeit befriedigt werden soll. Gerichtsöffentlichkeit dient dazu, der Allgemeinheit eine Informationsquelle zu eröffnen, um eine kritische Begleitung der Rechtsprechung als Teil des gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen.16 Das Zurückdrängen der Kontrollfunktion und die stärkere Betonung der Informationsfunktion könnten auch darauf zurückzuführen sein, dass früher hinter dem Konzept von gerichtlicher Öffentlichkeit ein Repräsentationsprinzip stand. Einzelne Beobachter nahmen an den verschiedenen gerichtlichen Verfahren als Zuschauer teil und übernahmen die Kontrollfunktion für die Allgemeinheit. Sie waren damit Repräsentanten der Gemeinschaft. Heutzutage ist dieses Repräsentationsprinzip freilich nicht aufgegeben, die Medienvertreter stellen die „modernen Repräsentanten“ dar. Gleichwohl wollen sie der Allgemeinheit Bericht erstatten. Durch die vielfältigen technischen Möglichkeiten kann dabei nahezu jeder erreicht werden. Die Technisierung ermöglicht auf diese Weise, dass jeder – wenn auch vermittelt durch die Medien – gerichtliche Verfahren beobachten kann. Zum Teil ermöglichen die Informationen nach wie vor die Kontrolle. Andererseits geht es aber auch um die Kenntnis über die Funktionsweise unseres Rechtssystems. Selbst wenn die Informationsfunktion der Allgemeinheit heutzutage im Vordergrund stehen sollte, stellt das Bundesverfassungsgericht dennoch Bezüge zu den ursprünglichen Funktionen her und begrenzt die Informationsfunktion. So ist die Information der Allgemeinheit in erster Linie Voraussetzung der Kontrolle der Rechtsprechung: „Prozesse finden in der, aber nicht für die Öffentlichkeit statt.“ 17 Gerichtsverhandlungen sind deswegen in erster Linie öffentlich, um über die Tätigkeit der Justiz, nicht über den Gegenstand des Prozesses zu berichten.18
16 17 18
Vgl. Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 1. BVerfGE 103, 44 (64). Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 48.
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Einführung und Problemstellung
D. Neue Gefahren durch gerichtliche Öffentlichkeit War gerichtliche Öffentlichkeit früher durch die Anwesenheit einzelner Repräsentanten gewährleistet, die sich im Gerichtssaal einfanden, so wird Gerichtsöffentlichkeit heute in erster Linie durch die Medien hergestellt.19 Handelte es sich früher um einen überschaubaren Kreis, sehen sich die Verfahrensbeteiligten heutzutage einer breiten Massenöffentlichkeit ausgesetzt. Vor dem Hintergrund dieses Wandels eröffneten sich neue Gefahrenpotentiale.20 In neuerer Zeit wird der Öffentlichkeitsgrundsatz daher zunehmend unter dem Gesichtspunkt schützenswerter Interessen der Verfahrensbeteiligten diskutiert.21 Alwart spricht in diesem Zusammenhang von der Janusköpfigkeit der Gerichtsöffentlichkeit, die „freundlich lächelt“, wenn sie Kabinettsjustiz verhindert und „frech grinst“, wenn sie Massenjustiz zulässt.22 Besonders deutlich wird der Konflikt zwischen Medienfreiheiten und Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit einerseits und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte von Verfahrensbeteiligten andererseits im Strafverfahren. So sehen sich Angeklagte durch die Berichterstattung immer häufiger an einen „medialen Pranger“ gestellt, „der schlimmer ist, als der Pranger auf dem Markt im Mittelalter“. 23 Während Öffentlichkeit früher gerade dem Schutz der Verfahrensbeteiligten dienen sollte, geht es heutzutage vornehmlich um die Frage, wie Verfahrensbeteiligte vor zu viel Öffentlichkeit geschützt werden können.24 Zu bedenken ist aber auch, dass sich in den meisten Verfahren abseits der Strafgerichtsbarkeit, wo der mutmaßliche Straftäter im Mittelpunkt des Interesses steht, viele der genannten Probleme gar nicht erst stellen. So ist in zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren das öffentliche Informationsinteresse regelmäßig nicht auf die Person der beteiligten Parteien, sondern vielmehr auf die sich stellende Rechtsfrage gerichtet.25 19 Von einer Ablösung der Saalöffentlichkeit durch die Medienöffentlichkeit vermag Jung (in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 [911]) hingegen nicht zu sprechen. Vielmehr erfüllen Saal- und Medienöffentlichkeit komplementäre Funktionen. Die eine Art von Öffentlichkeit vermag die andere nicht zu ersetzen. 20 von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 6. 21 Exemplarisch Schmidt, JZ 1956, 206; Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 ff.; Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 ff.; Huff, NJW 1996, 571; Lehr, NStZ 2001, 63; Pfeifle, ZG 2010, 283; Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264; Gierhake, JZ 2013, 1030. 22 Alwart, JZ 1990, 883 (884). 23 Dahs, AnwBl 1959, 171 (181); Hassemer, ZRP 2013, 149 (150). Norouzi (StV 2016, 590 [591]) weist darauf hin, dass nicht schon der Pranger erreicht sein müsse, damit durch gerichtliche Öffentlichkeit grundrechtlich geschützte Positionen beeinträchtigt würden. 24 Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (898); Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 43 f., 62 ff. 25 Stieper, JZ 2014, 271 (277).
E. Gang und Ziel der Untersuchung
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E. Gang und Ziel der Untersuchung Die folgende Untersuchung setzt bei den begrifflichen, historischen, funktionalen, verfassungsrechtlichen und inhaltlichen Wurzeln des Öffentlichkeitsgrundsatzes an, um sodann ein differenziertes Konzept von Gerichtsöffentlichkeit unter Einschluss einer durch Gerichtsberichterstattung erzeugten Medienöffentlichkeit in Textform, Bild, Bewegtbild und Ton in den klassischen und den Neuen Medien vorzustellen. Insoweit wird es um die Hervorhebung der Bedeutung der Medienöffentlichkeit und das Bedürfnis nach Information auf moderneren Informationskanälen gehen.
Teil 1
Dogmatische Grundlagen Gerichtsöffentlichkeit ist ein Rechtsbegriff, der normativ lediglich in § 169 GVG und Art. 6 Abs. 1 EMRK geregelt ist. In diesem Teil, der der Erarbeitung von Grundlagen dient, soll die Bedeutung gerichtlicher Öffentlichkeit in einer begrifflichen, historischen, funktionstheoretischen, verfassungsrechtlichen und inhaltlichen Analyse herausgearbeitet werden. Diese Analyse dient der Entwicklung von Argumentationspotential, aus dem bei der Diskussion hinsichtlich der Frage, welcher Grad an medialer Öffentlichkeit im gerichtlichen Verfahren zulässig ist, geschöpft werden kann. Wichtig ist hierfür aber auch, sich in einem ersten Schritt damit zu beschäftigen, was unter dem Begriff der (Neuen) Medien zu verstehen ist. Denn Gerichtsöffentlichkeit ist auch als Medienöffentlichkeit zu verstehen.
A. Die Neuen Medien Ausgehend vom Wortsinn des Begriffs der Neuen Medien soll der Blick nachfolgend auch auf den Wandel der Medienlandschaft und die veränderten Marktstrukturen im Bereich der Presse gerichtet werden, um das aus heutiger Sicht „neue“ an einem Medium zu verstehen.
I. Begriffsbestimmungen 1. Medien Der Begriff der Medien lässt sich sprachgeschichtlich auf das lateinische Wort „medium“ (das Mittlere, Mittel, Vermittler) zurückführen.1 Im heutigen Sprachverständnis beinhaltet der Begriff zunächst ein vermittelndes Element und bezeichnet Informationsträger, informationsvermittelnde Einrichtungen und neutrale technische Infrastrukturen.2 Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht greift der technische Medienbegriff allerdings zu kurz.3 Denn der eigentliche 1 Beck, in: Bentele/Brosius/Jarren (Hrsg.), Lexikon Kommunikations- und Medienwissenschaft, 2. Aufl. 2013, Stichwort „Medien“, S. 201 f. 2 Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl. 1995, Stichwort „Medien“, S. 548 f.; Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 8; Beck, in: Bentele/Brosius/Jarren (Hrsg.), Lexikon Kommunikations- und Medienwissenschaft, 2. Aufl. 2013, Stichwort „Medien“, S. 201 f. 3 So Beck, Computervermittelte Kommunikation im Internet, 2006, S. 12.
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Zweck der Medien – die Kommunikation zwischen Menschen4 und nicht allein die Erweiterung der Wahrnehmungszone – kommt nach diesem Verständnis zu kurz.5 Zur Überwindung größerer räumlicher Distanzen werden technische Einrichtungen zur Übermittlung von Signalen und Daten benötigt. Diese allein stellen allerdings noch kein Kommunikationsmedium dar.6 Um Kommunikation zu ermöglichen, verwenden Medien bestimmte „Zeichensysteme“, das heißt, dass erst durch die Verwendung von bestimmten Zeichen bestimmte Bedeutungen vermittelt werden können.7 Weiterhin folgen Medien sozialen Regeln. Deswegen können sie auch als soziale Systeme beschrieben werden, deren Zugang gegebenenfalls beschränkt ist. So kann beispielsweise nicht jeder einen Beitrag im Fernsehen senden lassen.8 Darüber hinaus bedürfen Medien der Organisation. Dies kann vielfältige Aspekte umfassen, wie die Frage, wer die Kosten für die Nutzung des Mediums trägt und in welchem Umfang gesetzlicher Regulierungsbedarf besteht.9 Die Definition des Medienbegriffs besteht nach Kubicek deswegen aus zwei Komponenten: „Medien erster Ordnung sind technische Systeme mit bestimmten Funktionen und Potentialen für die Verbreitung von Informationen. Medien zweiter Ordnung sind soziokulturelle Institutionen zur Produktion von Verständigung bei der Verbreitung von Information mithilfe von Medien erster Ordnung.“ 10 Losgelöst von der Vermittlungsfunktion werden insoweit unter dem Begriff der Medien die wichtigsten Mittel der Publizistik und Kommunikation zusammengefasst.11 Wenn beispielsweise von Presse gesprochen wird, zeichnet sich diese durch eine bestimmte technische Funktionsweise aus. Gemeint ist bei der Verwendung dieses Begriffes aber oftmals nicht die Verwendung einer bestimmten Technik, sondern vielmehr ein sozioökonomisches System aus Korrespondenten, Presseagenturen, Redaktionen, Anzeigeannahmestellen und Kiosken.12 Zusammengefasst bedeutet dies: Medien sind einerseits Infrastrukturen, die der Übertragung von Informationen dienen, andererseits vermittelnde Dienste oder Angebote, die mithilfe der Infrastrukturen zugänglich gemacht werden.
4 Vgl. auch Kubicek (in: Werle/Lang [Hrsg.], Modell Internet?, 1997, S. 213 [219]), der darauf hinweist, dass Mediensysteme nur funktionieren können, wenn sich die darin handelnden Akteure untereinander auch verstehen. 5 Vgl. dazu ausführlich Beck, Computervermittelte Kommunikation im Internet, 2006, S. 12. 6 So Beck, Computervermittelte Kommunikation im Internet, 2006, S. 12. 7 Beck, Computervermittelte Kommunikation im Internet, 2006, S. 12. 8 Beck, Computervermittelte Kommunikation im Internet, 2006, S. 13. 9 Beck, Computervermittelte Kommunikation im Internet, 2006, S. 13. 10 Kubicek, in: Werle/Lang (Hrsg.), Modell Internet?, 1997, S. 213 (220). 11 Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 8. Vgl. dazu auch Strauch/Rehm, Lexikon Buch, Bibliothek, Neue Medien, 2. Aufl. 2007, Stichwort „Medium“, S. 300. 12 Kubicek, in: Werle/Lang (Hrsg.), Modell Internet?, 1997, S. 213 (219).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Medien lassen sich überdies nach der Anzahl der an der Kommunikation beteiligten Akteure unterscheiden. Kommunikation kann „one to one“ (interpersonale Kommunikation), „one to many“ (Massenkommunikation) und „many to many“ (beispielsweise Diskussionsplattformen im Internet) stattfinden.13 Vor allem im Internet ist Kommunikation daher mit unterschiedlichen Graden an Öffentlichkeit zu beobachten.14 2. Neue Medien Neue Medien ist ein sich wandelnder Begriff, der zu verschiedenen Zeiten etwas Unterschiedliches bezeichnet.15 Heutzutage werden mit Neuen Medien insbesondere die digitalen Medien bezeichnet.16 Einerseits sind Neue Medien die neuen Kommunikationswege,17 andererseits die neuen Rezeptionsformen massenkommunikativer Inhalte18 beziehungsweise Kommunikationsdienste.19 Letztere nehmen in ihrer Vielfalt stetig zu.20 Die technische Gemeinsamkeit der Kommunikationswege liegt in ihrer körperlosen Signalübermittlung.21 Bei den neuen elektronischen Übertragungswegen (beispielsweise Breitbandkabel) handelt es sich strenggenommen nicht um Neue Medien im funktionellen Sinne. Zwar ist die Übertragungskapazität erhöht, Art und Struktur unterscheiden sich jedoch nicht von den herkömmlichen Übertragungswegen (beispielsweise Schmalbandkabel).22 Die Neuen Medien in einem engeren funktionellen Sinne sind daher nur die neuartigen Kommunikationsdienste, die sich in ihrer Struktur wesentlich von den herkömmlichen Diensten unterscheiden.23 Nachfolgend geht es um den Begriff der Neuen Medien in eben diesem funktionellen Sinne. Es sollen nicht die neuen Netzinfrastrukturen und Technologien der Vermittlung,
13 Jarren/Donges, Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft, 3. Aufl. 2011, S. 79. 14 Jarren/Donges, Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft, 3. Aufl. 2011, S. 80. 15 So Strauch/Rehm, Lexikon Buch, Bibliothek, Neue Medien, 2. Aufl. 2007, Stichwort „Neue Medien“, S. 318. 16 Strauch/Rehm, Lexikon Buch, Bibliothek, Neue Medien, 2. Aufl. 2007, Stichwort „Neue Medien“, S. 318. 17 Vgl. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, 2. Aufl. 1984, S. 16; Eberle, in: ders./ Rudolf/Wasserburg (Hrsg.), Mainzer Rechtshandbuch der Neuen Medien, 2003, S. 1. 18 Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 8. 19 Vgl. dazu insgesamt Bullinger, NJW 1984, 385 (385). 20 Eberle, in: ders./Rudolf/Wasserburg (Hrsg.), Mainzer Rechtshandbuch der Neuen Medien, 2003, S. 1. 21 Eberle, in: ders./Rudolf/Wasserburg (Hrsg.), Mainzer Rechtshandbuch der Neuen Medien, 2003, S. 1. 22 Bullinger, NJW 1984, 385 (385). 23 Bullinger, NJW 1984, 385 (386). So auch Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 43.
A. Die Neuen Medien
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sondern nur die neuen Nutzungsformen, die sich aufgrund dieser Infrastrukturen entwickelt haben,24 betrachtet werden. 3. Das Internet als Neues Medium a) Das Internet als Netzinfrastruktur zur Datenübertragung Der Begriff des Internets wird uneinheitlich verwendet. Im alltäglichen Sprachgebrauch ist damit das World Wide Web (WWW) gemeint, einem von vielen auf der Netzinfrastruktur des Internets aufbauenden Teildiensten.25 Das Internet ist im eigentlichen Sinne allerdings ein engmaschiges Netz verschiedener Rechner und Rechennetze, die über ein gemeinsames einheitliches Protokoll, dem „Transmission Control Protocol/Internet Protocol“ (TCP/IP) miteinander kommunizieren.26 Die Netzinfrastruktur des Internets setzt sich damit einerseits aus einer physikalischen Struktur, der technischen Verknüpfung verschiedener Komponenten, und andererseits einer logischen Struktur, die auf der einheitlichen Verwendung bestimmter Kommunikationsstandards beruht, zusammen.27 Nach dem TCP/IP-Standard werden die zum Versand bestimmten Datenmengen in Datenpakete bestimmter Größe aufgeteilt und über bestimmte Routen von einem Rechner an den Zielrechner geschickt.28 Dabei ist jeder Rechner im Netz über eine bestimmte numerische IP-Adresse eindeutig identifizierbar.29 TCP/IPVerbindungen sind unabhängig von den physikalischen Übertragungswegen. Sie können über Schmalband- oder Breitbandkabel und bestimmte Funksysteme (Wireless LAN oder Mobilfunk) oder Satelliten hergestellt werden.30 Zur Systematisierung lässt sich die Funktionsweise von Kommunikation im Internet nach dem sogenannten ISO-7-Schichten-Modell darstellen.31 Jeder Aufgabe, die für das Funktionieren von Kommunikation im Internet erforderlich ist, wird eine Schicht zugeordnet. Die unterschiedlichen Schichten, die hierarchisch aufeinander aufbauen, umfassen dabei unter anderem den Netzzugang, die Über-
24
Vgl. Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 43. Federrath, ZUM 1999, 177 (177); Schneider, MMR 2004, 18 (21); Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 43; ausführlich und auch heute noch aktuell Grote, KritV 1999, 27 (30 f.). 26 Ausführlich dazu Mecklenburg, ZUM 1997, 525 (526); Federrath, ZUM 1999, 177 (177); Kyas/a Campo, Internet professionell, 2. Aufl. 2001, S. 71 ff.; Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 44. 27 Vgl. Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 41 ff. m.w. N. 28 Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 44. 29 Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 44. 30 Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 44 f. 31 Vgl. dazu Kyas/a Campo, Internet professionell, 2. Aufl. 2001, S. 68 ff. 25
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
tragung und den Transport von Daten sowie auf der obersten Schicht verschiedene Anwendungen.32 b) Die Anwendungsebenen des Internets Der bekannteste Dienst auf der Anwendungsschicht des Internets ist das WWW,33 das sich aus verschiedenen Inhaltsangeboten (Web Sites) zusammensetzt, die auf unterschiedlichen Rechnern abgelegt sind und durch die Eingabe einer Adresse in ein Steuerungsprogramm, einem WWW-Browser, abgerufen werden können.34 Das WWW hat vielfältige Anwendungsmöglichkeiten wie die Übermittlung von Texten, integrierten Bildern und Klängen.35 Die unterschiedlichen Angebote lassen sich durch Hyperlinks miteinander verknüpfen.36 Auf dem WWW bauen wiederum vielfältige speziellere Online-Dienste auf, etwa allgemeinzugängliche oder gruppenbezogene Informationsportale oder Nachrichtendienste.37 Das WWW vereint sämtliche Internetdienste zu einem allumfassenden Anwendungssystem.38 Durch das WWW erhält auch der Einzelne die Möglichkeit mit Personen am anderen Ende der Welt in Kontakt zu treten.39 Anders als in Zeiten der traditionellen Medien kann der Einzelne mithilfe der verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten des WWW mit der ganzen Welt kommunizieren.40 Früher war dies nur möglich, wenn ihm durch die Presse oder den Rundfunk die Möglichkeit zur Äußerung geboten wurde.41 Im Internet können technisch immer anspruchsvollere Inhalte und Anwendungen verbreitet werden. Dies hat zu einer qualitativ neuartigen Verwischung oder Konvergenz und somit zu einer Vereinheitlichung der Kommunikations- und In32 Kyas/a Campo, Internet professionell, 2. Aufl. 2001, S. 68 ff.; Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 45 f.; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 42. 33 Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 4. Daneben ausführlich zu Entstehungsgeschichte und Entwicklung des Internets Kyas/a Campo, Internet professionell, 2. Aufl. 2001, S. 213 ff. 34 von Hinden, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, 1999, S. 8. 35 Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 4. 36 von Hinden, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, 1999, S. 8. 37 Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 4. 38 von Hinden, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, 1999, S. 8. 39 von Hinden, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, 1999, S. 10; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 45. 40 Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 45. 41 Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 45 f.
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formationsformate geführt.42 Eine Abgrenzung der einzelnen Dienste anhand der verwendeten Hardware, den genutzten Übertragungswegen oder der Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation wird zukünftig daher nicht mehr funktionieren.43 Als technische Netzinfrastruktur ist das Internet damit ein Medium erster Ordnung, in dem verschiedene Medien zweiter Ordnung (beispielsweise Online-Ausgaben von Zeitungen) angeboten werden können.44 4. Massenmedien Massenmedien sind alle Medien der öffentlichen Kommunikation.45 Heutzutage übernehmen die Massenmedien bei der Vermittlung der von den Staatsgewalten selbst hergestellten Öffentlichkeit46 eine bedeutende Aufgabe. Sie sind „Plattform und Katalysator“ der gesellschaftlich organisierten Öffentlichkeit.47 Demokratie setzt eine „gelungene Kommunikation“ zwischen staatlichen Organen und Bürgern voraus. Die Massenmedien sorgen dabei für den notwendigen Austausch. Das Gelingen von Kommunikation steht und fällt mit ihnen.48 Dabei sind vor allem Online-Dienste Impuls für die moderne Massendemokratie.49 Der Begriffsbestandteil „Masse“ ist bis in die heutige Zeit hinein eher negativ konnotiert. „Unwert und schwindende Urteilskraft“ bei einer Menschenvielzahl werden dem „Wert und Urteilsvermögen“ des Einzelnen gegenübergestellt.50 Die Masse bedarf deswegen einer Ausformung von außen.51 Denn Empfänger der Massenkommunikationsmittel sind oft nicht nur die einzelnen mündigen Bürger, sondern auch die als manipulierbar, irrational und potentiell aufbegehrend verstandene Masse.52 Neben Presse, Rundfunk und Film sind eine Reihe neuartiger Informationsquellen unter den Begriff der Massenmedien zu subsumieren.53 In den 1980er Jahren waren dies über Fernsehkanäle abrufbare Textdienste. Seit den 1990er 42
Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 5. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 5. 44 Jarren/Donges, Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft, 3. Aufl. 2011, S. 79. 45 Beck, in: Bentele/Brosius/Jarren (Hrsg.), Lexikon Kommunikations- und Medienwissenschaft, 2. Aufl. 2013, Stichwort „Medien“, S. 202. 46 Zum Begriff der Öffentlichkeit siehe unten, Teil 1 B. I. 47 Kühling, DVBl 2008, 1089 (1100). 48 Kühling, DVBl 2008, 1089 (1100). 49 Kühling, DVBl 2008, 1089 (1103). 50 Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 9. 51 So Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 9. 52 So Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 9. 53 Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 10. 43
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Jahren prägen vor allem die Online-Dienste des Internets die Landschaft der Neuen (Massen-)Medien.54 Das Internet hat zu einer enormen Vergrößerung des Kreises an Übertragungswegen und Informationsformaten geführt.55 Diese Entwicklung fand in den letzten Jahren besonders im Bereich der mobilen Kommunikation statt.56 Diese neuen Kommunikationsformen und Informationsformate gehen in ihrer technischen Funktionsweise weit über die bisherigen Angebote hinaus.57 Das Internet als Plattform der Neuen Medien bietet Chancen für die politische Willensbildung und fördert den Erhalt einer lebendigen Demokratie.58 Wegen seiner intuitiven Bedienungsweise ist vor allem das WWW zu einem bedeutenden Massenmedium geworden.59 Mit dieser Entwicklung sind aber auch Gefahren für die Rechte des Einzelnen verbunden.60 Wird mit der Datensammlung das Wissen ausgeweitet, schwindet gleichzeitig die Kraft des Vergessens.61 Zudem sieht sich der Persönlichkeitsschutz neuen Herausforderungen ausgesetzt, da Publizierende heutzutage vielfach den Schutz der Anonymität für sich in Anspruch nehmen.62
II. Wandel der Medienlandschaft und veränderte Marktstrukturen im Bereich der Presse 1. Online-Journalismus als Chance für die herkömmlichen Medien Im Internet existieren Informationsangebote, die ausschließlich online publiziert werden, und solche, die eine analoge Entsprechung haben. Die Verlagsbranche erlebt derzeit einen Umbruch. Die Verkaufszahlen gedruckter Presseerzeugnisse nehmen stetig ab.63 Es ist Teil der öffentlichen Aufgabe der Presse „umfassende Information zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten“. Um dies zu gewährleisten, ist „die Existenz einer relativ großen Zahl selbständiger, vom Staat unabhängiger und nach 54 55 56 57 58 59 60 61
Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 1. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 1. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 1. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 1. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 2. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 4. Vgl. dazu im Einzelnen Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 7 f. Siehe hierzu instruktiv Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neuanfang, 2014, pas-
sim. 62 Vgl. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 2; Braam, Die anonyme Meinungsäußerung, 2015, passim. 63 Hoffmann/Luch/Schulz/Borchers, Die digitale Dimension der Grundrechte, 2015, S. 141.
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ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierender Presseerzeugnisse“ erforderlich.64 Dieses Modell setzt eine ideale Marktstruktur voraus, von der sich die realen Verhältnisse auf dem deutschen Pressemarkt allerdings seit Mitte der 1950er Jahre zunehmend entfernt haben.65 So belegen empirische Untersuchungen, dass im regionalen Bereich eine starke Tendenz zur Angebotskonzentration auf einen oder wenige Titel bei gleichzeitig überwiegend anhaltendem Wettbewerb im überregionalen Bereich zu beobachten ist.66 Verschiedenste Kooperationsformen bis hin zur Zusammenlegung von Redaktionen führen im regionalen Bereich zu Verlusten an publizistischer Vielfalt.67 Da im regionalen, anders als im überregionalen Bereich, Zeitungen die Funktion eines Leitmediums verkörpern, sind die Auswirkungen der Marktkonzentration besonders spürbar.68 Im Übrigen bestehen seit Jahrzehnten kaum noch Markteintrittschancen.69 Die Neugründung einer Zeitung stellt aufgrund kaum überwindbarer Marktzutrittsbarrieren ein nahezu aussichtsloses Unterfangen dar.70 Erfolgreiche Marktzutritte sind im Vergleich zur Zahl der Marktaustritte daher eher selten.71 Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang sicherlich auch die Strategie vieler Zeitungsverlage, ihre Marktposition im eigenen Verbreitungsgebiet zu festigen und auszubauen, anstatt sich durch dessen Ausweitung weiterem Wettbewerbsdruck auszusetzen.72 Die Ursachen der Pressekonzentration sind aus ökonomischer Sicht in den technischen Produktionsbedingungen von Zeitungsnachrichten, ungeachtet übriger Faktoren wie kostenlosen oder kostengünstigeren journalistischen Angeboten im Internet, angelegt.73 Bei der Kreation von Originalmeldungen ist zwischen den im redaktionellen Prozess anfallenden Kosten, den sogenannten first copy costs, und den Vervielfältigungskosten zu unterscheiden. Bei den first copy costs handelt es sich um fixe und versunkene Kosten, die unabhängig davon entstehen, wie häufig die entsprechende Nachricht tatsächlich abgedruckt wird. Die Kosten der technischen Reproduktion sind variabel und vergleichsweise gering. Aufgrund des hohen Fixkostenanteils in der Zeitungsproduktion sinken mit steigender Ausbringungsmenge die Durchschnittskosten. Große Verlagshäuser sind daher in der Lage, eine bestimmte Meinung günstiger herzustellen als mehrere kleine Anbieter. Folglich ist die Gefahr der Meinungskonzentration wegen der 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73
BVerfGE 12, 205 (261); 52, 283 (296). May, Pressefreiheit und Meinungsvielfalt, 2008, S. 14. May, Pressefreiheit und Meinungsvielfalt, 2008, S. 14; Röper, MP 2012, 268 (268). Röper, MP 2010, 218 (220). Röper, MP 2010, 218 (220). Schütz, MP 2009, 454 (455). Röper, MP 2010, 218 (218); Röper, MP 2012, 268 (271). May, Pressefreiheit und Meinungsvielfalt, 2008, S. 14. Schütz, MP 2012, 570, (576). May, Pressefreiheit und Meinungsvielfalt, 2008, S. 18.
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
aus der Kostenstruktur folgenden Tendenz zur Monopolisierung von Meinungsmärkten vom ökonomischen Blickwinkel her unvermeidbar.74 Neben den grundsätzlichen ökonomischen Prämissen wird die Meinungskonzentration im Pressewesen vor allem durch rückläufige Auflagenzahlen75 und zunehmend sinkende Werbeeinnahmen auf dem Zeitungsmarkt begünstigt.76 Während die Werbeeinnahmen im Printbereich sinken, ist ein deutlicher Aufwärtstrend im Bereich der elektronischen Medien (TV, Radio, Online-Dienste) zu verzeichnen.77 Angesichts dieser publizistischen und ökonomischen Rahmenbedingungen gilt es für die etablierten Medienunternehmen, neue Vertriebskanäle und Finanzierungsmodelle zu erschließen. Ein Ausweg könnte in diesem Zusammenhang der digitale Journalismus, vor allem auch der mobile Journalismus, sein.78 Da sich im Internet die Aufmerksamkeit auf wesentlich mehr Angebote als im klassischen Bereich verteilt, ist das Entstehen von Meinungsmacht hier kaum zu befürchten.79 Während Neugründungen im Zeitungsmarkt wegen der hohen Marktzutrittsbarrieren eher die Ausnahme darstellen, sind Markteinstiege im Bereich des Internets wegen der geringeren Gründungskosten auch von Branchenfremden eher zu bewältigen.80 Verhalten optimistisch könnte man daher annehmen, dass am ehesten noch der digitale Journalismus im Internet in der Lage sei, der Entstehung von weißen Flecken auf der Landkarte des regionalen Journalismus entgegenzuwirken.81 Die Lokalzeitung wird derzeit allerdings noch als alternativloses regionales Medium angesehen. Sollten Vertriebserlöse und Werbeeinnahmen einmal nicht mehr zur Finanzierung ausreichen, so wird dies nicht das Verschwinden der Lokalzeitung nach sich ziehen. Vielmehr werden die Verlage ihr Angebot auf die Lokalberichterstattung reduzieren.82
74 Vgl. zur ökonomischen Perspektive ausführlich Monopolkommission, Die Pressefusionskontrolle in der Siebten GWB-Novelle, 2004, Rn. 28 ff.; May, Pressefreiheit und Meinungsvielfalt, 2008, S. 16 ff.; Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 3. 75 Röper, MP 2012, 268 (269); Schütz, MP 2012, 570 (582); Hoffmann/Luch/Schulz/ Borchers, Die digitale Dimension der Grundrechte, 2015, S. 141. 76 Röper, MP 2012, 268 (269); Möbus/Heffler, MP 2013, 310 (310 ff.); Hoffmann/ Luch/Schulz/Borchers, Die digitale Dimension der Grundrechte, 2015, S. 141. 77 Möbus/Heffler, MP 2013, 310 (310 ff.). 78 Vgl. dazu, wie auch zu dem Begriff des „mobilen Journalismus“ Wolf, MP 2014, 169 (169 ff.): „Mobiler Journalismus“ wird hier als eine Form des digitalen Journalismus begriffen, der nur Angebote für mobile Endgeräte (Smartphones, Tablets) in den Blick nimmt. 79 So Hölig/Hasebrink, MP 2013, 522 (526). Vgl. dazu auch Dörr/Natt, ZUM 2014, 829 (829 ff.), denen zufolge in diesem Zusammenhang nicht die Gefahr der Meinungsmacht von Suchmaschinenbetreibern, die über einen hohen Marktanteil verfügen, unterschätzt werden dürfe. 80 Röper, MP 2012, 268 (271). 81 Röper, MP 2010, 218 (220 f.). 82 Vgl. dazu Röper, MP 2010, 218 (221).
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Ganz generell wird der Online-Journalismus allerdings auch von etablierten Zeitungshäusern als Chance begriffen. In ihren Online-Ausgaben können sie mittlerweile einen enormen Zulauf verzeichnen. Nimmt man den Online- und den Print-Bereich zusammen, so haben die Verlage heutzutage in der Regel die größte Reichweite, die sie je erzielt haben.83 Der digitale Bereich weist nämlich gegenüber dem klassischen Journalismus einige Besonderheiten auf. Dies ist zunächst die zeit- und ortssouveräne Ubiquität der Mediennutzung. Die zeitliche Permanenz der Nutzung erfordert allerdings einen hohen Grad an journalistischer Aktualität, um den Rezipienten immer mit den neuesten Informationen versorgen zu können. Der Zeitfaktor kommt im digitalen Journalismus als spürbare neue Anforderung hinzu. Aber auch die Anforderungen an Qualität und Tiefe der Information werden erhöht. Dies führt dazu, dass die Bedeutung und die Anforderungen an die Bewertungskompetenz der Journalisten steigen. Ihnen wird abverlangt, Sachverhalte in kurzer Zeit auf ihre tatsächliche Relevanz hin zu untersuchen.84 Weiterhin konnten mit der immer stärker werdenden digitalen Vernetzung neue Ressourcen für Recherche, Produktion und Darstellung gewonnen werden.85 2. Teilhabemöglichkeiten des Publikums mithilfe des Web 2.0 Neben den klassichen Online-Journalismus sind umfassende Teilhabemöglichkeiten des Publikums etwa in Form des Transfers von Argumenten bis hin zur Weitergabe relevanter Hinweise und Informationen in der Recherche getreten.86 Der Leser ist nicht mehr nur Konsument, sondern auch Prosument.87 Dieser nimmt nicht mehr nur Inhalte auf, sondern stellt selbst eigene Inhalte zur Verfügung (user-generated Content).88 Dies ist die Besonderheit des sogenannten Web 2.0 oder von Sozialen Medien,89 die das WWW zu einem interaktiven und bidirektionalem Medium gemacht haben, in dem die Unterscheidung zwischen Anbieter und Nutzer zunehmend an Bedeutung verliert und die Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikation verschwimmen.90 Die Entstehung des Web 2.0 ist auf die Entwicklung von sogenannter Social Software zurückzuführen. Diese ermöglicht es dem Einzelnen ohne besondere technische Kenntnisse, 83 84
Röper, MP 2012, 268 (271). Vgl. hierzu ausführlich Lilienthal/Weichert/Reineck/Sehl/Worm, MP 2015, 30
(32). 85
Lilienthal/Weichert/Reineck/Sehl/Worm, MP 2015, 30 (39). Lilienthal/Weichert/Reineck/Sehl/Worm, MP 2015, 30 (33 ff.). 87 Weichert, Publizistik 56 (2011), 363 (366). 88 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 61; Schmidt, in: Auer-Reinsdorff/Conrad (Hrsg.), Handbuch ITund Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 125. 89 Schmidt, in: Auer-Reinsdorff/Conrad (Hrsg.), Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 125 ff. 90 Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 47 f. 86
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Inhalte vor allem mithilfe des WWW zu verbreiten.91 Bekannte Beispiele für Social Software sind vor allem Wikis und Weblogs.92 Wikis sind Anwendungen im WWW, mit denen die Nutzer kollaborativ Dokumente erstellen und verändern können.93 Im Unterschied dazu sind Weblogs regelmäßig aktualisierte Websites, auf denen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge unterschiedlichste Inhalte verbreitet werden können.94 Wegen der begrifflichen Nähe zum Logbuch werden Weblogs auch als journalartige Tagebücher bezeichnet.95 Unterfall der Weblogs sind die sogenannten „Micro-Blogs“, wie zum Beispiel der Online-Dienst Twitter, mit dessen Hilfe die Nutzer auf 280 (vorher noch 140) Zeichen begrenzte Kurznachrichten verbreiten können.96 Die Kurznachrichten lassen sich mithilfe von sogenannten „Hashtags“ (#) verschlagworten und aufgrund der daraus resultierenden leichten Auffindbarkeit „viral“ verbreiten.97 Micro-Blogs, die inzwischen auch von den traditionellen Medien verwendet werden, eignen sich besonders zur Live-Berichterstattung über bestimmte Ereignisse. Insgesamt haben die Web 2.0-Anwendungen zur Entstehung einer „globalen Speakers’ Corner“ geführt, auf der sich jedermann mit seinen eigenen Botschaften an eine breite Öffentlichkeit wenden kann.98 3. Die Hybridisierung der Medienformen Das Internet bietet eine Plattform für Neue Medien, die sich als Hybridform zwischen interpersoneller und Massenkommunikation auszeichnet.99 Die Wechselbeziehung von Partizipation des Publikums einerseits und digitalem Journalismus andererseits könnte im Idealfall ein Verhältnis gegenseitiger Befruchtung darstellen und sich damit qualitätssteigernd auswirken. Dies würde das Wohl einer demokratischen Gesellschaft fördern.100 Schließlich bietet der digitale Jour91 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 61. 92 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 61. 93 Ebersbach/Glaser/Heigl, Social Web, 2. Aufl. 2011, S. 40 ff.; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 75. 94 Ausführlich dazu Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 65 ff. 95 Ebersbach/Glaser/Heigl, Social Web, 2. Aufl. 2011, S. 56. 96 Krieg, K&R 2010, 73 (73); Ebersbach/Glaser/Heigl, Social Web, 2. Aufl. 2011, S. 77; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 73 ff. 97 Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 74 f. 98 So Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 49. 99 Breunig/Hofsümmer/Schröter, MP 2014, 122 (142 f.). 100 Lilienthal/Weichert/Reineck/Sehl/Worm, MP 2015, 30 (40).
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nalismus verschiedenste Möglichkeiten, Geschichten ausführlich und in ihrer Darstellungsweise vielfältig und multimedial zu erzählen.101 Auch wenn Neugründungen journalistischer Angebote durch das Internet einfacher geworden sind, so bestehen dennoch deutliche Wettbewerbsvorteile der etablierten Konkurrenz. Diese kann die redaktionell erarbeiteten Inhalte multimedial weiternutzen. Außerdem ist eine Bewerbung der Online-Angebote kostensparend über eigene andere Angebote und Plattformen möglich.102 Eine weitere Rolle spielt sicherlich auch das Vertrauen, das die Menschen den bereits etablierten Presseunternehmen im Gegensatz zu den Angeboten neuer Wettbewerber entgegenbringen.103 Es wird berechtigte Skepsis daran vorgetragen, dass ungeschulte Kommunikatoren vergleichbare Leistungen wie geschulte Journalisten erbringen könnten.104 Journalisten werden hier zunehmend auch die Rolle von Moderatoren einnehmen müssen, die die Vielzahl der geäußerten Stellungnahmen zurechtrücken, relativieren und einordnen.105 Bislang ist es dem klassischen Journalismus damit gelungen, seine bisherigen Stärken erfolgreich auf das Internet zu übertragen.106 Zu der Frage, welche Rolle die sozialen Medien bei der Digitalisierung des Journalismus spielen, findet sich die Auffassung, dass sie innerhalb der Neuen Medien überschätzt würden.107 Ihre Bedeutung für den Journalismus sei insgesamt eher gering. Mehr als kurze Seitenblicke beziehungsweise knappe Hinweise zu bestimmten Themen könnten sie nicht liefern. Außerdem seien Stellungnahmen in sozialen Medien mehr auf die Wiedergabe fremder Geschichten gerichtet, eigene Recherchen würden in der Regel nicht stattfinden.108 Allerdings nehmen die sozialen Medien wenigstens insofern an der öffentlichen Meinungsbildung teil, als sie oftmals erst Anlass sind, das Interesse für ein bestimmtes Thema zu wecken, und ein Forum für eine anschließende Diskussion bieten. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die modernen Massenmedien insgesamt vor allem bei einem vergleichsweise jungen Publikum im zunehmenden Maße Orientierungskraft erzeugen.109 Die beschriebene Hybridisierung von journalistischen Angeboten, bei denen anhand bisheriger Kriterien kaum noch zu entscheiden ist, welche der Kommuni101
Lilienthal/Weichert/Reineck/Sehl/Worm, MP 2015, 30 (34). Röper, MP 2012, 268 (271). 103 Hölig/Hasebrink, MP 2013, 522 (531); Hölig/Hasebrink, MP 2014, 530 (536 f.); von Eimeren, MP 2015, 2 (5 f.). 104 Neuberger, MP 2012, 40 (53). 105 Neuberger, MP 2012, 40 (50). 106 Neuberger, MP 2012, 40 (53). 107 Vgl. Weichert, Publizistik 56 (2011), 363 (366 ff.). 108 So Weichert, Publizistik 56 (2011), 363 (366 ff.); ähnlich Bernhard/Dohle/Vowe, MP 2014, 159 (167). 109 Breunig/Hofsümmer/Schröter, MP 2014, 122 (127 f.). 102
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
kationsfreiheiten das entsprechende Angebot ganz oder teilweise schützt, führt zu der Frage der später noch zu erörternden sinnvollen Abgrenzung der Schutzbereiche des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.110
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens I. Begriffliche Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit Um sich mit dem Thema der Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren beschäftigen zu können, ist eine weitere begriffliche Klärung, nämlich die des eigentlichen Untersuchungsgegenstandes erforderlich. Da weder in der Umgangssprache noch im juristischen Sinne eine einheitliche und verbindliche Definition des Begriffs der Öffentlichkeit existiert,111 stellt eine exakte begriffliche Eingrenzung ein nicht ganz leichtes Unterfangen dar. Vielmehr verfügt der Begriff über mehrere Bedeutungskomponenten. Öffentlichkeit ist ein recht junger Begriff, der sich erst im 18. Jahrhundert aus dem Adjektiv öffentlich entwickelt hat.112 1. Öffentlich Der Ausdruck öffentlich lässt sich sprachgeschichtlich auf das althochdeutsche Wort „offanlih“, das sich im Mittelhochdeutschen zu „offenlich“ entwickelte, zurückführen113 und stellt eine Weiterbildung des Wortes „offen“ dar.114 Deswegen wurde öffentlich zunächst im Sinne eines Offenseins von Zuständen und Vorgängen, die für eine Mehrzahl von Personen wahrnehmbar oder zugänglich sind, verwendet.115 Öffentlich wurde damit ursprünglich in erster Linie im Sinne von „vor Augen liegend“ verstanden.116 Gegenbegriffe dazu sind das „Geheime“ und „Verborgene“.117 Deswegen wurde dem Ausdruck öffentlich (symbolisch) auch 110 Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 5. Vgl. dazu auch noch unten, Teil 1 B. IV. 2. b) ee). 111 So Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 54; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 23; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 11. 112 Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 7, 1889, Stichwort „Öffentlichkeit“, Sp. 1183; Rinken, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 4, 7. Aufl. 1988, Stichwort „Öffentlichkeit“, Sp. 138 f.; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 11. 113 Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 7, 1889, Stichwort „öffentlich“, Sp. 1180; Hohendahl, in: ders. (Hrsg.), Öffentlichkeit, 2000, S. 5. 114 Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl. 1995, Stichwort „öffentlich“, S. 598. 115 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 24. 116 Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl. 1995, Stichwort „öffentlich“, S. 598. 117 Rinken, in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, 2002, S. 7 (11).
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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die Bedeutung „wahr“ und „gerecht“ beigemessen. Denn dort, wo alles für jede beliebige Person wahrnehmbar ist und nichts verborgen werden kann, geht es mit rechten Dingen zu.118 Das öffentliche Gerichtsverfahren im Mittelalter wurde insofern als Garantie einer gerechten Urteilsfindung verstanden.119 Im 17. Jahrhundert verdrängte der Ausdruck öffentlich das Wort „gemein“ aus dem Sprachgebrauch und nahm dabei dessen normative Bedeutungskomponente „gemeinwohlbezogen“ in sich auf.120 Bei der Eindeutschung des lateinischen „publicus“ im 18. Jahrhundert, das zu dieser Zeit im Sinne von „staatlich“ verstanden wurde, nahm „öffentlich“ auch dessen Bedeutungsgehalt an. Damit sollte auf den modernen anstaltlich organisierten Staat verwiesen werden. Gegenbegriff zu öffentlich war daher nicht mehr nur das „Geheime“, sondern auch das „Private“.121 Die sprachliche Entwicklung des Begriffes öffentlich zeigt damit deutlich die Vielschichtigkeit seines Bedeutungsgehaltes.122 2. Öffentlichkeit Der Begriff der Öffentlichkeit ist im Ausgangspunkt in zweierlei Hinsicht zu verstehen: Zum einen wird mit Öffentlichkeit der Ausdruck „Publizität“ verbunden,123 das heißt das Offensein beziehungsweise die tatsächliche Offenheit, Zugänglichkeit oder sinnliche Wahrnehmbarkeit von Zuständen und Vorgängen für eine unbestimmte Personenmehrheit.124 Zum anderen beschreibt Öffentlichkeit das „Publikum“ und damit den Adressatenkreis der allgemeinen Zugänglichkeit.125 Synonym für die allgemeine Zugänglichkeit wird auch der Begriff der
118 Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 23; Rinken, in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, 2002, S. 7 (11). Vgl. hierzu auch Marcic, in: FS für Adolf Arndt, 1969, S. 267 (275). 119 Rinken, in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, 2002, S. 7 (11). 120 Rinken, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 4, 7. Aufl. 1988, Stichwort „Öffentlichkeit“, Sp. 139; Rinken, in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, 2002, S. 7 (11); Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 23; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 12. 121 Rinken, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 4, 7. Aufl. 1988, Stichwort „Öffentlichkeit“, Sp. 139; ders., in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, 2002, S. 7 (11); Jestaedt, AöR 126 (2001), S. 204 (208). 122 So auch Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 23 f. 123 Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl. 1995, Stichwort „öffentlich“, S. 598. 124 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 34; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 44; Rinken, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 4, 7. Aufl. 1988, Stichwort „Öffentlichkeit“, Sp. 139; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 24. 125 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 45 ff.; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 24; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 11.
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
„Transparenz“ gebraucht.126 Transparenz ist im politischen wie auch im justiziellen Bereich wesentliche Voraussetzung für die Bildung eines eigenständigen Urteils der Bürger über politische Fragen und schafft damit die Möglichkeit der Kontrolle innerhalb eines demokratischen Systems.127 Neben dieser faktisch-deskriptiven, wertneutralen Betrachtungsweise, werden mit dem Begriff der Öffentlichkeit vereinzelt auch normative Bedeutungsgehalte verbunden.128 So beziehe Öffentlichkeit sich auf das „salus publica“, das Gemeinwohl und stehe damit für die erstrebte gute und gerechte Ordnung des Gemeinwesens.129 Öffentlichkeit lässt sich in diesem Zusammenhang auch als eine Möglichkeit der Kontrolle staatlicher Stellen durch ein bürgerliches Publikum verstehen.130 Korrespondierend zur adjektivischen Bedeutung von öffentlich als wahr und gerecht sei Öffentlichkeit staatlicher Tätigkeit im Sinne der Aufklärung Garant für eine rationale politische Ordnung.131 Auch wenn diese Bedeutungsgehalte für den Begriff der Öffentlichkeit weniger gebräuchlich sind, so ist die Gemeinwohlbezogenheit der Öffentlichkeit durch die öffentliche Aufgabe der Presse dennoch verfassungsrechtlich verbürgt.132 Daneben wird dem Begriff der Öffentlichkeit auch eine negative Wertung zugesprochen: So stehe der Einzelne oftmals schutzlos vor aller Augen und wird bezogen auf Ruf, Reputation, Ehre und Ansehen beurteilt und verurteilt. Angesprochen ist damit die Prangerwirkung, die von der Öffentlichkeit ausgehen kann.133 Für die weitere Untersuchung als wesentlich festzuhalten sind damit folgende Bedeutungsgehalte der Öffentlichkeit: Zum einen meint Öffentlichkeit das tatsächliche Offensein von Zuständen oder Vorgängen und damit die allgemeine Zugänglichkeit als Gegenbegriff zur Heimlichkeit.134 Zum anderen ist mit Öf-
126 Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 2; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 10 f. 127 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 10 f. 128 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 15. 129 Rinken, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 4, 7. Aufl. 1988, Stichwort „Öffentlichkeit“, Sp. 141; Jestaedt, AöR 126 (2001), S. 204 (207 f.). Insoweit jedoch kritisch und darauf verweisend, dass diese Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch eher unbekannt sein dürfte: Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 24; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 15. 130 Kühling, DVBl 2008, 1098 (1099). 131 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 33; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 10; Rinken, in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, 2002, S. 7 (11); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 15. 132 In diesem Sinne auch Noelle-Neumann, in: FS für Martin Kriele, 1997, S. 507 (516 f.); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 15. Vgl. dazu auch unten, Teil 1 B. IV. 2. 133 Noelle-Neumann, Öffentlichkeit als Bedrohung, 1977, S. 204 ff.; dies., in: FS für Martin Kriele, 1997, S. 507 (516 f.); Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 24 f.
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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fentlichkeit der Adressat des Offenseins angesprochen.135 Dieser legitimiert und kontrolliert als Träger der öffentlichen Meinung136, als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft die staatliche, öffentliche Gewalt.137 3. Gerichtsöffentlichkeit als Saal- und Medienöffentlichkeit Der Grundsatz der gerichtlichen Öffentlichkeit ist einfachrechtlich in § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG geregelt.138 Danach ist „die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse [. . .] öffentlich“. Gleiches regelt Art. 6 Abs. 1 EMRK. Ausgehend von der etymologischen Bedeutung des Wortes Öffentlichkeit ist unter Gerichts- oder Rechtsprechungsöffentlichkeit einerseits die Zugänglichkeit der rechtsprechenden Gewalt gemeint, zum anderen ist der Adressatenkreis dieser allgemeinen Zugänglichkeit angesprochen.139 § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG garantiert lediglich die Zugänglichkeit der mündlichen Verhandlung. Von der tatsächlichen Anwesenheit des von der Öffentlichkeit angesprochenen Adressatenkreises geht die Vorschrift hingegen erkennbar nicht aus. Denn da in den wenigsten Verfahren tatsächlich Publikum anwesend ist, wäre der Öffentlichkeitsgrundsatz kaum einzuhalten. Im Zusammenhang mit der Gerichtsöffentlichkeit wird auch von dem Prinzip der „offenen Türen“ gesprochen. Gerichtsöffentlichkeit bedeutet also, dass sich jedermann diskriminierungsfrei, insbesondere ohne Ansehen seiner Person über Ort und Zeit einer Verhandlung Kenntnis verschaffen kann und dass ihm dann auch tatsächlich Zugang zum Gerichtssaal gewährt wird.140 § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG garantiert Saal- und Medienöffentlichkeit zugleich.141 Die Vorschrift garantiert die unmittelbare Öffentlichkeit, ermöglicht aber auch 134 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 22. 135 Rinken, in: Winter (Hrsg.), Das Öffentliche heute, 2002, S. 7 (11 f.). 136 Näheres zu Begriff und Bedeutung der „Öffentlichen Meinung“ bei Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42. Vgl. zur verfassungsrechtlichen Fundierung des Öffentlichkeitsgrundsatzes aus dem Demokratieprinzip im Zusammenhang mit der „Öffentlichen Meinung“ noch unten, Teil 1 B. IV. 1. a). 137 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 1990, S. 55; Rinken, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 4, 7. Aufl. 1988, Stichwort „Öffentlichkeit“, Sp. 139; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 15. 138 Gem. § 2 EGGVG gilt der Öffentlichkeitsgrundsatz des § 169 GVG nur für die ordentliche Gerichtsbarkeit. Über die Verweisungsnormen der §§ 17 BVerfGG, 55 VwGO, 52 Abs. 1 FGO, 61 Abs. 1, 202 SGG und 52 ArbGG findet der Öffentlichkeitsgrundsatz jedoch auch bei den anderen Fachgerichtsbarkeiten Anwendung. 139 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. I. 2. 140 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 84 f. m.w. N. 141 von Coelln, DÖV 2006, 804 (804 f.).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
die mittelbare Öffentlichkeit, sofern es sich um schriftliche oder mündliche Verhandlungsberichte handelt, da die unmittelbare Anwesenheit für die Vermittlung des Geschehens unabdingbare Voraussetzung ist.142 Die durch den Rundfunk vermittelte mittelbare Öffentlichkeit ist durch § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG weitestgehend ausgeschlossen.143 Ausnahmen hiervon sind gem. § 169 Abs. 3 GVG die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betreffend möglich.144 Die Gerichts- oder Rechtsprechungsöffentlichkeit bildet den Oberbegriff. Dieser lässt sich einerseits durch die Saal- und Medienöffentlichkeit, andererseits durch das Begriffspaar der unmittelbaren und mittelbaren Öffentlichkeit weiter konkretisieren. Das Begriffspaar unmittelbar – mittelbar dient der Beschreibung der Art und Weise der Kenntnisnahme von dem Geschehen im Gerichtssaal.145 Das Begriffspaar der Saal- und Medienöffentlichkeit ist hingegen Ausdruck von Wertungsgesichtspunkten.146 a) Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten Unmittelbare und mittelbare Öffentlichkeit sowie Saal- und Medienöffentlichkeit sind zwei nicht völlig deckungsgleiche Begriffspaare. Geht es um den Bedeutungsgehalt der Zugänglichkeit der gerichtlichen Verhandlung, so wird die körperliche Zugänglichkeit durch den Begriff der unmittelbaren Öffentlichkeit,147 die durch ein Medium vermittelte Öffentlichkeit durch den Begriff der mittelbaren Öffentlichkeit beschrieben.148 Differenziert man jedoch zwischen der allgemeinen Zugänglichkeit und der Zugänglichkeit für Medienvertreter sowie Medienkonsumenten, so geht es im ersten Fall um die Saalöffentlichkeit und im zweiten Fall vor dem Hintergrund möglicher Privilegierungen um die Besonder142 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 157 f.; Roxin/ Schünemann, Strafverfahrensrecht, 28. Aufl. 2014, § 47 Rn. 2; ähnlich Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, Vor § 169 GVG Rn. 14. Wettstein (Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 74 f.) sieht die mittelbare Öffentlichkeit nicht als eine auf der unmittelbaren Öffentlichkeit aufbauende, diese erweiternde Öffentlichkeit an. Maßgeblich sei nur, die unterschiedliche Form der Kenntnisnahme. Kissel/Mayer (GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 3) sind darüber hinaus der Ansicht, dass die mittelbare Öffentlichkeit nur in § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG angesprochen sei. 143 Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 28. Aufl. 2014, § 47 Rn. 2. 144 Aufgrund der Verweisungsnormen in den entsprechenden Prozessordnungen gilt § 169 Abs. 3 GVG auch für die Urteilsverkündungen der übrigen obersten Bundesgerichte. Vgl. dazu BT-Drucks. 18/10144, S. 20 f. 145 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 68 f.; Krausnick, ZG 2002, 273 (286 f.). 146 Nach von Coelln (Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 24) gilt dies vor allem für den Begriff der Medienöffentlichkeit, der in erster Linie Ausdruck der besonderen Bedeutung der Medien im demokratischen Rechtsstaat ist. 147 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 171. 148 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 178.
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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heiten der Medienöffentlichkeit.149 Geht es um die Adressaten der allgemeinen Zugänglichkeit, so werden mit unmittelbarer Öffentlichkeit die im Verhandlungssaal anwesenden Zuhörer beschrieben, mit der mittelbaren Öffentlichkeit diejenigen, die durch ein Medium vermittelt Kenntnis erlangen.150 Saalöffentlichkeit spricht alle erdenklichen unmittelbar anwesenden Adressaten an. Medienöffentlichkeit meint die unmittelbar anwesenden Medienvertreter und die Medienkonsumenten. Die Begriffspaare überschneiden sich damit zum Teil, unterscheiden sich aber auch in ihrer Bedeutung. Der Unterschied liegt darin, dass Medienvertreter wie alle anderen Zuschauer hinsichtlich der Art und Weise der Kenntnisnahme der unmittelbaren Öffentlichkeit zugeordnet werden können. Sie sind aufgrund von Wertungsgesichtspunkten jedoch nicht nur Teil der allgemeinen Saalöffentlichkeit, sondern vor allem der Medienöffentlichkeit. Medienöffentlichkeit ist wiederum mit der mittelbaren Öffentlichkeit nicht völlig identisch. Mittelbare Öffentlichkeit verlangt die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Medienkonsumenten und setzt damit tatsächlich stattfindende Berichterstattung voraus. Die Zugänglichkeit der mündlichen Verhandlung wird durch den Begriff der Medienöffentlichkeit beschrieben. Dieser Begriff geht damit über den der mittelbaren Öffentlichkeit hinaus.151 Ohne Bedeutung ist im Übrigen, ob die Informationsweitergabe durch Privatpersonen oder Medienvertreter erfolgt. Erst bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Beschränkungen können sich Unterschiede ergeben.152 b) Unmittelbare und mittelbare Öffentlichkeit – mittelbare Öffentlichkeit durch sämtliche Medien? Die Differenzierung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Öffentlichkeit geht auf von Feuerbach zurück,153 der unter unmittelbarer Öffentlichkeit jene versteht, durch die „gerichtliche Handlungen selbst ein Gegenstand der eigenen sinnlichen Wahrnehmung Anderer“ werden. Unter mittelbarer Öffentlichkeit sei hingegen die Vermittlung des Geschehens „durch Zeugnisse – und zwar nach unserer Gerichtsverfassung – durch urkundliche gerichtliche Zeugnisse“ zu verste149 In diesem Sinne wohl auch von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 24. In BGHSt 10, 202 (205 ff.) wurde die Unterscheidung dazu verwendet, den Ausschluss von Bild- und Tonaufnahmen in der mündlichen Verhandlung zu begründen. 150 Krausnick, ZG 2002, 273 (286 f.); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 171, 178. 151 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 31. 152 Vgl. Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 22. 153 Schneider, JuS 1963, 346 (346).
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hen.154 Die mittelbare Öffentlichkeit sei „daher durch die Gegenwart derjenigen Personen bedingt, auf welche sich die Öffentlichkeit bezieht; diese schließt die persönliche Gegenwart derselben aus“.155 Diese sehr enge Art der Beschreibung der mittelbaren Öffentlichkeit ist mittlerweile überholt. Während mit unmittelbarer Öffentlichkeit die persönliche Teilnahme von Zuschauern an der Gerichtsverhandlung gemeint156 und damit die Möglichkeit des Zuhörens und Zusehens erfasst ist, beschreibt die mittelbare Öffentlichkeit die Berichterstattung für die Gesamtheit der Bürger durch sämtliche Medien.157 Demnach wird mittelbare Öffentlichkeit durch Bilder, Filme oder genaue wörtliche Beschreibungen der Geschehnisse im Gerichtssaal erzeugt.158 Auf die Form der Übertragung kommt es dabei nicht an. So ist die Berichterstattung in Presse, Fernsehen, Hörfunk und Internet gleichermaßen Teil der mittelbaren Öffentlichkeit.159 Die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Öffentlichkeit ist mithin danach vorzunehmen, ob das Gesehene oder Gehörte einer größeren Öffentlichkeit durch ein beliebiges Medium noch vermittelt werden muss.160 Dass die mittelbare Öffentlichkeit jede Form der Prozessberichterstattung umfasst, ist allerdings nicht unumstritten: So findet sich vereinzelt die Einschätzung, dass die mittelbare Öffentlichkeit allein die technisch vermittelte Öffentlichkeit durch Ton- oder Bildträger beschreibe und damit von der bloßen Berichterstattung zu unterscheiden sei.161 Berichterstattung sei zwar auf Öffentlichkeit angewiesen, stelle selbst aber keine Öffentlichkeit dar, da sie das Geschehen nicht originalgetreu, sondern durch das Medium des Berichterstatters vermittelt wiedergebe.162 154 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 25. 155 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 25 f. 156 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 171. 157 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 67 f.; Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 24; Ranft, Jura 1995, 573 (576); Prütting, in: FS für Rolf A. Schütze, 1999, S. 685 (688); Krausnick, ZG 2002, 273 (287); Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 179; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 178; Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, Vor § 169 GVG Rn. 2; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 28. Aufl. 2014, § 47 Rn. 2. 158 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 41. Vgl. daneben auch Krausnick (ZG 2002, 273 [287]), der zwischen mittelbarer Öffentlichkeit im engeren und weiteren Sinne differenziert. 159 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 157; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 178; Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, Vor § 169 GVG Rn. 14. 160 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 157. 161 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 3; Zimmermann, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 169 GVG Rn. 41. 162 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 3; Schreiber, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 Rn. 1.
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Vereinzelt wurden die Grenzen sogar noch enger gezogen und der Begriff der mittelbaren Öffentlichkeit als zeitgleiche Rundfunkübertragung definiert.163 Von der mittelbaren Öffentlichkeit umfasst sei damit einzig die Live-Berichterstattung, die zeitversetzte Übertragung von Rundfunkaufnahmen sei hingegen nicht mit eingeschlossen.164 Diese terminologische Kontroverse ist nicht ohne Relevanz, da es einen in Abwägungssituationen anzutreffenden inhaltlichen Unterschied macht, ob bestimmten Formen medialer Auseinandersetzung mit gerichtlichen Verfahren der Öffentlichkeitscharakter abgesprochen wird und diese damit von der Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen würden.165 Geht es nur um den Zugang von Journalisten zum Gerichtssaal, so ist diese Kontroverse allerdings ohne besondere Bedeutung, da der die Informationen bereitstellende Journalist selbst in der Gerichtsverhandlung anwesend ist und damit Teil der unmittelbaren Öffentlichkeit wird.166 Dem weiten Begriffsverständnis ist der Vorzug zu gewähren. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass das Kriterium der ungefilterten Weitergabe des Geschehens, welches der Abgrenzung zwischen mittelbarer Öffentlichkeit und reiner Berichterstattung dienen soll,167 versagt und eine klare Abgrenzung nur in seltenen Fällen möglich ist. Stellt man sich eine nur teilweise Übertragung oder einen Zusammenschnitt von Originalbildern aus dem Gerichtssaal vor, wird man hier allein aufgrund der Auswahl der betreffenden Aufnahmen nicht mehr von einer ungefilterten Wiedergabe des Geschehens ausgehen können.168 Ähnlich der Textberichterstattung ist auch hier ein Journalist als vermittelndes Medium zwischengeschaltet. Selbst wenn man von einer vollständigen Übertragung des Geschehens ausgeht, so liegt schon in der Wahl der Kameraperspektive eine Wertung, die gegen die Annahme einer ungefilterten Weitergabe spricht.169 Auch der Umgang mit Mischformen, also der Kombination aus Originalbildern und gleichzeitigem analysierendem Kommentar eines Journalisten ist mit dem Kriterium 163 Krausnick, ZUM 2001, 230 (231); ders., in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 55 Rn. 8. 164 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 31. 165 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 32 f.: Vor der Einführung des § 169 Satz 2 GVG a. F. diente die terminologische Differenzierung zwischen mittelbarer Öffentlichkeit und reiner Berichterstattung dem Ausschluss von Rundfunkaufnahmen aus dem Gerichtssaal mit dem Argument, dass § 169 GVG in seiner ursprünglichen Fassung nur die unmittelbare Öffentlichkeit garantiere. 166 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 43. 167 Zimmermann, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 169 GVG Rn. 50. Vgl. daneben auch Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 Rn. 1. 168 BVerfGE 12, 205 (260); 103, 44 (68); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 35 f.; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 42 f. 169 Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 39.
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der ungefilterten Wiedergabe nicht zu klären. Eine Aufspaltung in die mittelbare Öffentlichkeit erzeugende Bildübertragung und schlicht berichterstattendem Kommentar wäre in diesen Fällen willkürlich.170 Geht man mit von Coelln von einer funktionalen Betrachtungsweise aus und nimmt deswegen „nicht so sehr eine qualitative, sondern eher eine quantitative Abstufung“ vor, ist nicht danach zu differenzieren, „ob, sondern wieviel Öffentlichkeit“ geschaffen wird.171 Ein Unterschied zwischen einer Live-Rundfunkübertragung und dem Bericht eines schreibenden Journalisten besteht demzufolge nicht. Auch wenn bei globaler Betrachtung Rundfunkaufnahmen gegenüber der reinen Textberichterstattung sicherlich ein Mehr an Öffentlichkeit zukommt, wird man aber auch sagen können, dass ein geschriebener Bericht, der Schwerpunkte setzt und Wertungen vornimmt, gegenüber der ungefilterten Wiedergabe von Originalaufnahmen aus dem Gerichtssaal eine zumindest gleichermaßen intensivere Form der Auseinandersetzung mit der Judikative darstellt.172 Noch deutlicher wird dies, wenn man sich einen Zeitungsbericht vorstellt, der unter anderem die wörtliche Wiedergabe einer Zeugenbefragung enthält und der mit Fotos oder Zeichnungen aus dem Gerichtssaal illustriert ist.173 Zwar wird eine derartige Auseinandersetzung nie die intensive Form einer Live-Fernsehübertragung erreichen. Stellt man dem geschriebenen Bericht jedoch eine Hörfunkübertragung oder die Übertragung einer nur kurzen Filmsequenz gegenüber, so wird man diese Einschätzung wiederum in Zweifel ziehen.174 Gleiches gilt für die Live-Textberichterstattung im Internet. Dieser wird es zwar nicht gelingen, einen gleichermaßen intensiven Einblick in den Gerichtssaal zu geben wie eine Fernsehübertragung. Bedenkt man jedoch, dass eine Live-Textberichterstattung in der Lage ist, das gesprochene Wort originalgetreu wiederzugeben und das Verhalten der Akteure (gleich den Regieanweisungen in einem Theaterstück) zu beschreiben, so wird man eine zumindest gleichermaßen intensive und authentische Form der Auseinandersetzung nicht leugnen können. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass mit der Verbreitung von Informationen im Internet die größtmögliche Zahl an Rezipienten zu beliebiger Zeit an beliebigem Ort erreicht werden kann. 170
So von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 36. von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 34. 172 So im Ergebnis auch von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 34 f. 173 Vgl. dazu Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, 1978, S. 73. Die Gefahr fotografischer Aufnahmen aus dem Gerichtssaal liegt auch darin begründet, dass die Betrachter regelmäßig dazu neigen, die Aufnahme als „repräsentativ“ oder „typisch“ für das Gesamtgeschehen aufzufassen. Dies lässt nicht nur am Wirklichkeitsbezug zweifeln, sondern zeigt auch, wie intensiv der Öffentlichkeitsbezug bereits einer einzelnen Aufnahme sein kann. 174 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 35. 171
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Damit lässt sich festhalten, dass mittelbare Öffentlichkeit durch sämtliche Formen medialer Auseinandersetzung geschaffen werden kann. Dabei sei darauf hingewiesen, dass mittelbare Öffentlichkeit nicht nur durch professionelle Medienvertreter, sondern durch jede Person erzeugt werden kann, die an der Gerichtsverhandlung teilnimmt und zeitgleich oder zeitversetzt darüber berichtet. Dies führt zu einer effektiven Steigerung der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlung. c) Strukturwandel und die Suche nach dem vernünftigen Maß an gerichtlicher Öffentlichkeit Ein Strukturwandel gerichtlicher Öffentlichkeit lässt sich bereits früh beobachten. Ging es zunächst nur um die Frage, den Gerichtssaal überhaupt für ein Publikum zu öffnen, zeigte sich schnell, dass die eigentliche Verbreitung dessen, was sich in der Verhandlung abspielt, durch eine mittelbare beziehungsweise mediale Öffentlichkeit erfolgt.175 Immerhin kann man den im Gerichtssaal anwesenden Personen nicht verbieten, anderen Personen über das Erlebte zu berichten.176 Auch wenn sich die mittelbare Öffentlichkeit insoweit nur als Reflex der unmittelbaren Öffentlichkeit erweist,177 darf das Potential dieser Reflexwirkung in positiver wie in negativer Hinsicht nicht unterschätzt werden.178 Einerseits erfährt Gerichtsöffentlichkeit eine enorme Stärkung, da mithilfe der mittelbaren Öffentlichkeit ein Publikum angesprochen werden kann, dass sich nicht durch die Kapazitätsgrenzen des Gerichtssaals beschränken lässt. Andererseits bergen die durch die mittelbare Öffentlichkeit erzeugte, oftmals vom Sensationsinteresse angetriebene Aufmerksamkeit und der damit einhergehende öffentliche Druck Gefahren. So kann es schnell passieren, dass mediales Interesse, Persönlichkeitsrechte und die richterliche Unabhängigkeit aus dem Gleichgewicht geraten. Die juristische Diskussion um die mittelbare Öffentlichkeit entwickelte sich erst mit dem Aufkommen des Fernsehens.179 In einem 1960 veröffentlichten Aufsatz vertritt Bockelmann die These, dass der Begriff der Öffentlichkeit nicht einheitlich verstanden werden dürfe. Er müsse je nach dem Wirkungsbereich, in 175 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 4. 176 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 4. 177 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 4. 178 Vgl. dazu von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 75 f. 179 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 4.
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dem er auftritt, unterschiedlich interpretiert werden. Dabei komme es insbesondere auf die Funktionen an, die mittels der Öffentlichkeit im konkreten Fall verfolgt werden.180 Die Funktion gerichtlicher Öffentlichkeit erschöpft sich nach Auffassung Bockelmanns allein in der Vorbeugung gegen politische Beeinträchtigungen der Justiz, die eine heimliche Verhandlungsführung mit sich bringe.181 Bockelmann kommt zu dem Resümee, dass es zur Verfolgung dieser Funktion einer Fernsehöffentlichkeit nicht bedürfe.182 Neuerdings ist es nicht mehr nur das Fernsehen, welches in der Diskussion um die mittelbare Öffentlichkeit von Bedeutung ist. Breitbandige mobile Dateninfrastrukturen und immer facettenreichere Anwendungsmöglichkeiten des Mobile Computing führen dazu, dass eine Live-Berichterstattung nicht mehr nur in Ton und Bild, sondern ebenso in der verbalisierten Form eines Live-Kommentars möglich geworden ist. Unabhängig davon, ob man dem Ergebnis Bockelmanns beipflichten möchte oder nicht,183 bleibt doch für die nachfolgende Untersuchung festzuhalten, dass man das richtige Maß an gerichtlicher Öffentlichkeit nur finden kann, wenn man sich klarmacht, welche Funktionen mit Gerichtsöffentlichkeit verfolgt werden. Soll lediglich den Gefahren der Heimlichkeit etwas entgegengesetzt werden? Geht es um eine umfassende Kontrolle der Justiz? Besteht ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse, das gerichtliche Öffentlichkeit befriedigen will? Findet man eine Antwort auf diese Fragen, lässt sich in einem weiteren Schritt klären, welches Maß an Öffentlichkeit es zur Realisierung seiner Funktionen bedarf.184 Zum Verständnis seiner Funktionen ist jedoch zunächst ein kurzer Blick auf die historische Entwicklung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit erforderlich.
II. Historische Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit Um die Bedeutung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit zu ergründen, ist ein kurzer Blick auf die historische Entwicklung notwendig. Die der Öffentlichkeit zukommenden Aufgaben haben im Laufe der Zeit einen erheblichen Wandel durchlaufen.185 Gerichtsöffentlichkeit spiegelt insofern die jeweiligen
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Bockelmann, NJW 1960, 217 (217). Bockelmann, NJW 1960, 217 (218). 182 Bockelmann, NJW 1960, 217 (219 f.). Vgl. daneben auch Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 4 f. 183 Vgl. dazu noch unten, Teil 2 E. 184 Vgl. hierzu Norouzi, StV 2016, 590 (591 f.). 185 Vgl. dazu noch unten, Teil 1 B. III. 181
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Staats- und Gesellschaftsmodelle wider.186 Bereits die Gerichtsverfahren der Römer und Germanen fanden öffentlich statt. Einerseits wurden Gerichtsverhandlungen gerade im Mittelalter als Inszenierung und Schauspiel betrachtet, andererseits hatte sich schon in dieser frühen Zeit die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Recht für die Menschen erfahrbar sein müsse, um eine gewisse Bestandskraft zu erhalten.187 Der Öffentlichkeitsgrundsatz des modernen Zeitalters findet seine Wurzeln am ehesten in der Zeit der Aufklärung. In der heutigen Zeit liegt der Fokus vor allem auf den Möglichkeiten und Grenzen einer Prozessberichterstattung durch die Medien. Gerade die immer größer werdende mediale Öffentlichkeit führte dazu, dass dem Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten ein immer höherer Stellenwert zukommt. Die historische Entwicklung verläuft im Zivil- und Strafprozess weitestgehend parallel. Zu beachten ist jedoch, dass die Entwicklung in den deutschen Einzelstaaten freilich nicht so linear verlief, wie sie im Folgenden der Übersichtlichkeit halber dargestellt wird. In der Literatur wurde seit jeher verstärkt der Strafprozess in den Blick genommen, da hier das Schutzbedürfnis gegenüber der (medialen) Öffentlichkeit am größten beziehungsweise die Auswirkungen der Öffentlichkeit auf die Verfahrensbeteiligten am intensivsten sind. Außerdem sind es besonders Strafprozesse, welche die ungeteilte öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die folgende historische Darstellung will bewusst Schwerpunkte setzen und sich vor allem mit denjenigen Aspekten beschäftigen, aus denen später Argumentationspotential geschöpft werden kann.188 1. Gerichtsöffentlichkeit im Römischen Recht Der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit lässt sich bereits im Römischen Recht finden. Strafverhandlungen fanden in der Königszeit unter Vorsitz des Königs, umgeben von seinen Liktoren auf dem Markt (Forum) oder dem Marsfeld öffentlich statt. Auch als Magistrate, Quästoren und Pontifices die Rolle eines vorsitzenden Richters übernahmen, wurde am Öffentlichkeitsgrundsatz, der zu den unverrückbaren Prinzipien des römischen Kriminalprozesses zählte, festgehalten.189 Nachdem ein Gericht die Tat einer Person festgestellt hatte, stellte die Strafverfolgung allerdings eine im Wesentlichen private Angelegenheit dar. Noch 186
Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (439 mit Fn. 1). Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (893). 188 Umfassende Ausführungen zur Entwicklung der Gerichtsöffentlichkeit siehe bei Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974; Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974. 189 Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 27; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 15 ff. 187
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bis in die Zeit der Republik hinein fand eine öffentliche Vollstreckung nur in seltenen Fällen, etwa bei der Verletzung allgemeiner Interessen, statt.190 Der römische Zivilprozess war bis zu Beginn der Kaiserzeit zweigeteilt. Die Klageerhebung fand vor dem Prätor auf dem Forum statt. Danach gingen Kläger und Beklagter zu einem Richter, der die Verhandlung in der Regel unter freiem Himmel führte und das Urteil sprach.191 In der Zeit der Republik wurde das Recht durch die versammelten Bürger Roms auf Grundlage der Souveränität des römischen Bürgerstandes ebenfalls unter freiem Himmel gesprochen.192 Auch während des Aufkommens von Geschworenengerichten wurde an dem Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit zunächst festgehalten. Der größer werdende Einfluss des Senats gegen Ende der Republik drängte jenen Grundsatz allerdings zunehmend zurück.193 Als in der Kaiserzeit die Geschworenengerichte durch beamtete Richter ersetzt wurden, verlegte man die Verhandlungen zunehmend in Gerichtsgebäude, was dazu führte, dass die Öffentlichkeit allmählich von der Teilnahme am Gerichtsprozess ausgeschlossen wurde.194 2. Die Gerichtsöffentlichkeit altgermanischer Zeit, im Frankenreich und Hochmittelalter In der altgermanischen Zeit war Recht „etwas Vorgegebenes, Ungesetztes und Ungeschriebenes“.195 Weil das Recht nur im Gesamtwissen und Rechtsgefühl der Volksgemeinde gefunden werden konnte, setzte die Rechtsfindung die Teilnahme des Volkes zwingend voraus. Das Gerichtsverfahren war daher notwendigerweise öffentlich ausgestaltet. Eine Unterscheidung zwischen Straf- und Zivilprozess – beide beherrscht durch den Anklagegrundsatz – gab es dabei ursprünglich nicht.196 Die Volksversammlung selbst war es, die als ordentliches Gericht tagte.197 Das Gericht setzte sich aus der Versammlung der wehrfähigen Rechtsge190 191 192 193 194 195
Wesel, Geschichte des Rechts, 4. Aufl. 2014, Rn. 133. Wesel, Geschichte des Rechts, 4. Aufl. 2014, Rn. 135. Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 28. Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 28. Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 16 f. Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974,
S. 12. 196 Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 5; Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 1. 197 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 32; Mittermaier, Das deutsche Strafverfahren in der Fortbildung durch Gerichts-Gebrauch und Landes-Gesetzbücher, Erster Theil, 1845, S. 213; Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 1 f.; Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 23 f.; Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 12.
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nossen zusammen, die regelmäßig als Hundertschaft oder als größerer Verband einer Landesgemeinde zusammentrafen,198 um das Urteil über Recht suchende Genossen zu finden.199 Frauen, Unfreien und Fremden war der Zutritt zum Ort der Versammlung, der sogenannten Thingstätte200 verboten.201 Es bestand eine Pflicht des wehrfähigen Mannes, bei einem Gerichtsprozess anwesend zu sein (Thingpflicht).202 Eine Trennung zwischen Publikum und Gericht existierte damit nicht.203 Vielmehr waren „Öffentlichkeit und Gericht nachgerade identische Größen“.204 Nicht durch den Richter – dieser war lediglich „Frager des Rechts“ – sondern durch die Gerichtsgemeinde (dem Umstand) wird ein Urteilsvorschlag zum Urteil.205 Der begriffliche Unterschied zwischen der Gerichtsöffentlichkeit der damaligen und der heutigen Zeit liegt somit darin, dass Gerichtsöffentlichkeit im germanischen Gerichtsverfahren eine „aktive und notwendige“ Aufgabe erfüllte, heute eine überwiegend „passive und fakultative“ Angelegenheit darstellt.206 In der Zeit der Völkerwanderung wurde die Urteilsfindung in die Hände von Vertretern des Volkes, den „Urteilsfindern“ (Rachinburgen), gelegt.207 Oberster Gerichtsherr war der König. Geleitet wurden die Verhandlungen von einem Richter, der keinen Einfluss auf die Urteilsfindung hatte.208 Auf Aufforderung des Vorsitzenden machte ein Urteilsfinder einen Urteilsvorschlag, der erst mit der Zustimmung der versammelten Volksgemeinschaft zum Urteil erhoben wurde.209 198 Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 1 f.; Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 23. 199 Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 23. 200 Ahd. „ding“, mhd. „dinc“, as. „thing“: Gericht; Gerichtstag; Rechtsprechung im Allgemeinen; Gerichtsverhandlung; dasjenige, was verhandelt wird; Gerichtsstätte: vgl. Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, 1983, Stichwort „Ding“, Sp. 1081 ff. 201 Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 23 f. 202 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 12. 203 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 12; Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974, S. 58; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 18. 204 Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (893 f.). 205 Beese, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, 1938, S. 9; Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 12; Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974, S. 58; Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (894). 206 Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 3; Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 12. 207 Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 23. 208 Siegel, Geschichte des deutschen Gerichtsverfahrens, Bd. 1, 1857, S. 105 f.; Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 23; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 26. 209 Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 1.
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Es existierte damit eine Trennung zwischen Urteilsfindung und Verhandlungsleitung. Aufgabe des Richters war es, als „Frager des Rechts“ Urteilsvorschläge einzuholen.210 Im Laufe der Zeit wurde die Zustimmung der Volksgemeinschaft zu den Vorschlägen der Urteilsfinder entbehrlich. Der Grundsatz der Öffentlichkeit als Versammlung aller „Freien“ im Thing blieb allerdings bestehen.211 Auch unter Karl dem Großen wurde die Unterteilung zwischen Richtern und Urteilern aufrechterhalten. Mit der Einführung der Schöffenverfassung blieb die Urteilsfindung nicht mehr Sache aller Volksgenossen, sondern wurde auf Schöffen übertragen.212 Beim „echten Thing“ bedeutete die widerspruchslose Hinnahme des Schöffenurteils die stillschweigende Zustimmung. Beim „gebotenen Thing“ – und hierin lag eine Neuerung – wurde die Urteilssprechung ganz auf Schöffen (Scabini) übertragen.213 Anhand dieser Entwicklung wird deutlich, dass die Teilnahme der Volksgemeinschaft zunehmend zu einer passiven wurde. Eine Beteiligung fand nur noch in der Form statt, dass das Volk Zustimmung oder Ablehnung durch Beifall oder Zwischenrufe kundtun konnte.214 Erstmals wurde damit eine Unterscheidung zwischen Gericht und Publikum vorgenommen.215 Die Thingstätte befand sich zunächst unter freiem Himmel,216 da man sich hiervon die Einwirkung der Götter auf das Gerichtsverfahren versprach.217 Später wurden die Gerichtsverhandlungen in Gebäude (Rathäuser oder Thing-[Richt-] häuser) verlegt.218 Damit war die Öffentlichkeit der Verhandlung erstmals durch räumliche Kapazitäten begrenzt. Allerdings wurden Fenster und Türen während der Gerichtsverhandlung geöffnet, um an die früheren Verhandlungen unter freiem Himmel zu erinnern.219 Bis in die Frühe Neuzeit hinein war die Rechtspflege überwiegend öffentlich. Weil die meisten Menschen des Lesens und Schreibens nicht mächtig waren, diente der Öffentlichkeitsgrundsatz in dieser Zeit vor allem der Verbreitung von Rechtskenntnis.220
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Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 25. Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 19. 212 Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 5 f.; Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 23. 213 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 13. 214 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 26. 215 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 51. 216 Vgl. Siegel, Geschichte des deutschen Gerichtsverfahrens, Bd. 1, 1857, S. 96 ff. 217 Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 24. 218 Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 30; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 26. 219 Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 30. 220 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 22. 211
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3. Frühe Neuzeit und Etablierung der Inquisitionsprozesse Das Aufkommen der Inquisitionsprozesse221 führte dazu, dass der öffentliche Verfahrensgang durch einen nichtöffentlichen ersetzt wurde. Dies lag nicht daran, dass es sich bei der Nichtöffentlichkeit um ein konstitutives Merkmal des Inquisitionsverfahrens handelte. Wesentliches Merkmal war vielmehr die Offizialmaxime.222 Der Ausschluss der Öffentlichkeit hatte mehrere Ursachen, unter anderem die Verlegung des Gerichtsortes in geschlossene Gebäude,223 vor allem aber die Rezeption des spätrömischen und des kanonischen Rechts.224 Der Zerfall des Frankenreiches führte zu einer Steigerung der Macht der Kirche, die sich bald auch auf weite Teile der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit erstreckte.225 Gerichtsverfahren im kanonischen Recht fanden schriftlich und geheim statt.226 Dies lag vor allem daran, dass die Verfehlungen der Geistlichen nicht öffentlich werden sollten.227 Der starke Einfluss des kanonischen Rechts führte dazu, dass das weltliche Gerichtsverfahren diesem zunehmend angepasst wurde.228 Der Übergang zum nicht-öffentlichen Strafverfahren gründete auf der Überzeugung, dass sich die Angeklagten allein gegenüber Gott und der Kirche und nicht gegenüber der Gesellschaft zu verantworten hätten.229 Spätestens mit der Einführung der „Bamberger Halsgerichtsordnung“ und der „Constitutio Criminalis Carolina“ wurde das Nebeneinander von Akkusations- und Inquisitionsprozess abgeschafft.230 Öffentlich war zunächst noch der „endliche Rechtstag“, in dem die öffentliche Bestätigung des eigentlich schon feststehenden Urteils erfolgte. Am öffentlichen Vollzug des Rechts wurde ebenfalls festge-
221 Von lat. „inquirere“: untersuchen. Vgl. dazu Wesel (Geschichte des Rechts, 4. Aufl. 2014, Rn. 237), der darauf hinweist, dass der weltliche Inquisitionsprozess nicht mit dem kirchlichen – der „Inquisition“, hauptsächlich gegen Ketzer – verwechselt werden darf. 222 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 54. 223 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 14. Vgl. dazu auch nochmals oben, Teil 1 B. II. 2. 224 Ausführlich zu den Folgen der Rezeption: von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 55 ff. 225 Mittermaier, Das deutsche Strafverfahren in der Fortbildung durch Gerichts-Gebrauch und Landes-Gesetzbücher, Erster Theil, 1845, S. 214; Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 20 f. 226 Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 20 f. 227 Henkel, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. 1968, S. 36 f.; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 27. 228 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 27. 229 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 27. 230 Beese, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, 1938, S. 13; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 25.
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halten.231 Als schließlich auch der endliche Rechtstag abgeschafft wurde, kam der Öffentlichkeit im Gerichtsverfahren keine Bedeutung mehr zu. Rechtsprechung war fortan eine Angelegenheit, die unter dem starken Einfluss der Landesherren stand und daher auch als Kabinettsjustiz bezeichnet wird.232 4. Wiedereinführung gerichtlicher Öffentlichkeit in der Zeit der Aufklärung a) Die Idee der Publizität staatlicher Entscheidungsvorgänge in der Aufklärungsbewegung Gerichtsöffentlichkeit in der Form, wie sie heute bekannt ist, findet ihren Ursprung in den Ideen der Aufklärungsbewegung. Die Aufklärung betonte die Autonomie menschlicher Vernunft. Die Vernunft sollte sich im Wege der öffentlichen Diskussion behaupten und dadurch allein über die politische Staatsverfassung und die Normen des gesellschaftlichen und sozialen Zusammenlebens entscheiden.233 Der Einzelne sollte damit nicht mehr nur Untertan sein, sondern als selbstbestimmt handelndes, eigenständig denkendes und mündiges Individuum an den staatlichen Entscheidungsprozessen teilhaben können.234 Das Volk wurde zum Ursprung aller staatlichen Gewalt erkoren, dass seinen Herrschaftsanspruch auf die staatlichen Behörden delegiert.235 Einblicke durch die Publizität staatlicher Tätigkeit stellten daher nur die notwendige Konsequenz dieser gewandelten Auffassung dar. Vor allem die Schutzbedürftigkeit des Individuums machte eine Kontrolle staatlicher Machtausübung unerlässlich.236 Heimlichkeit und Schriftlichkeit, weniger eine große Zahl an ungerecht empfundenen Urteilen, waren es, die den zunehmenden Drang nach Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrensganges hervorriefen,237 da die Partizipation am öffentlichen Meinungsbildungsprozess den Zugang zu staatlichen Informationen und damit die Öffentlichkeit und Transparenz staatlicher Entscheidungsvorgänge voraussetzt.238 Öffentlichkeit avancierte in der Aufklärungszeit damit zur „poli231 Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (894); Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 25 f.; Wesel, Geschichte des Rechts, 4. Aufl. 2014, Rn. 237, 258. 232 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 26. 233 Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 52; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 27; Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 14. 234 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 27. 235 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 24. 236 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 24; Henkel, Strafverfahrensrecht, 1968, S. 52. 237 Kaufmann, JuS 1961, 250 (251). 238 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 27.
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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tischen Grundkategorie“.239 „Öffentlichkeit überhaupt“, formulierte Siebenpfeiffer, „ist [. . .] eine Grundlage und zugleich eine Gewähr jeder constitutionellen freyen Verfassung; in ihr besteht die Stärke und die Würde der Regierung, die Einsicht, Kraft und Mäßigung des Parlaments, die Unabhängigkeit der Gerichte, das ergiebigste Mittel für die verfassungsmäßige und Rechtsbildung des Volkes; denn sie ist die Quelle der öffentlichen Moral, worauf am Ende die ganze Verfassung beruht, wenn sie nicht zum Spielzeug in der Hand des Regenten oder einer Faction seyn soll“.240 Nach Kant ist Gerechtigkeit nur als „öffentlich kundbare Gerechtigkeit“ denkbar.241 Dieser Gedanke trifft besonders auch auf die Judikative zu. Misstrauen des Volkes kann am ehesten durch eine öffentliche Rechtspflege beseitigt werden und vor allem ein öffentlicher Verfahrensgang wird den Richter zur Unparteilichkeit und einzig am Gesetz orientierten Entscheidungen anhalten.242 Die Gesellschaft muss daher regelmäßig und beständig über die Rechtmäßigkeit der Rechtsanwendung informiert sein. Denn je öffentlicher eine Handlung geschieht, desto weniger wird man einen Betrug dahinter vermuten.243 Der zunehmende Ruf nach einer Rückkehr zum Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit war nicht nur ein gesellschaftliches Anliegen. Zum Schutze ihrer Unabhängigkeit von der Regierung forderte die Judikative selber einen öffentlich ausgestalteten Verfahrensgang.244 Als Wegbereiter für die Wiedereinführung der Gerichtsöffentlichkeit in Europa gilt Beccaria. In seinem 1764 zunächst anonym erschienen Werk „Dei delitti e delle pene“ („Über Verbrechen und Strafen“) fasste er die in der Literatur verstreut vorzufindende Kritik am Inquisitionsverfahren zusammen und forderte erstmals explizit die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrensganges:245 „Öffentlich soll die Gerichtsverhandlung und öffentlich die Beweiserhebung sein, damit die öffentliche Meinung, die vielleicht das einzige Bindemittel der Gesellschaft ist, der Gewalt und den Leidenschaften einen Zügel anlege [. . .].“ 246 Zwar erreichte Beccaria, dass die Forderung nach gerichtlicher Öffentlichkeit schnell 239
Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (894). Siebenpfeiffer, Über die Frage unserer Zeit in Beziehung auf die Gerechtigkeitspflege, 1823, S. 179 ff. 241 Kant, Zum ewigen Frieden, 1795, Anhang II, S. 92 ff. 242 Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 11 f. 243 von Globig/Huster, Abhandlung von der Criminal-Gesetzgebung, 1783, S. 388. 244 Vgl. dazu Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974, S. 109 ff. 245 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 19; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 30; Ranft, Jura 1995, 573 (573); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 61. 246 Beccaria, Über Verbrechen und Strafen, 1966, S. 79. Vgl. hierzu auch Ignor, Geschichte des Strafprozesses in Deutschland, 2002, S. 183. 240
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
weite Verbreitung fand, die gesetzgeberische Verwirklichung blieb jedoch vorerst die Ausnahme.247 b) Die Wiedereinführung des öffentlichen Verfahrensganges aa) Die Debatte in der Literatur um die Wiedereinführung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in Deutschland Wegweisend für die Durchsetzung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit in Deutschland waren die „Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege“ von Feuerbachs, die ausdrücklich und umfassend auch auf die Öffentlichkeit des Zivilprozesses eingehen. von Feuerbach stellte darauf ab, dass Gerechtigkeit – „das Herrlichste was der Staat den Menschen verbürgt, rein wie die Wahrheit und heilig wie die Tugend“ – nichts mit Verborgenheit und Heimlichkeit zu tun haben könne.248 Das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit der Gerichte würde schwinden, je mehr ihr Tun im Verborgenen stattfinde.249 von Feuerbach beeinflusste mit seinen Ideen die Reichsjustizgesetze von 1877 merklich. Insofern sind seine Gedanken auch für das heutige Verständnis von gerichtlicher Öffentlichkeit nach wie vor relevant.250 Die damals ausgetauschten Argumente für und wider Gerichtsöffentlichkeit sind im Kern auch heute noch aktuell und werden nach wie vor die konkrete Ausgestaltung der Medienöffentlichkeit betreffend verwendet.251 von Feuerbach, aber auch Mittermaier, sahen in der öffentlichen Ausgestaltung des Verfahrensganges eine Möglichkeit zur Kontrolle der Justiz.252 Der Öffentlichkeitsgrundsatz stelle ein „Gegenmittel“ gegen jegliches missbräuchliche Verhalten der Richter dar.253 Zwar ging von Feuerbach davon aus, dass eine eigentliche Kontrolle der Richter wegen der fehlenden Sachkenntnis des Publikums 247
Vgl. Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 13. von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 89. 249 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 89 f. 250 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 70 f. Vgl. daneben ausführlich zu den Ideen von Feuerbachs und ihrer heutigen Bedeutung Ule, DVBl 1979, 797 (799 f., 805 f.). 251 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 70 f. 252 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 159 ff.; Mittermaier, Handbuch des peinlichen Processes, 1810, S. 171. 253 Leue, Der mündliche öffentliche Anklageprozeß und der geheime schriftliche Untersuchungsprozeß in Deutschland, 1840, S. 240. Vgl. dazu auch Ignor, Geschichte des Strafprozesses in Deutschland, 2002, S. 242 f. 248
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nicht möglich sei.254 Dennoch stelle der Öffentlichkeitsgrundsatz ein wesentliches und vor allem notwendiges Mittel zur vollständigen Sicherung der Rechte der Beteiligten dar.255 Auch Mittermaier verstand unter der Kontrolle keine Zweck- und Rechtmäßigkeitskontrolle. Vielmehr sah er in der Verfahrensöffentlichkeit einen Mechanismus psychologischer Art, der die Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und alle sonstigen Organe der Rechtspflege dazu anhalte, ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.256 Dies erkannte auch Klein bereits einige Jahre zuvor, der Gerichtsöffentlichkeit als ein Mittel beschrieb, welches die unbeschränkte Herrschaftsmacht der Richter begrenzen könne und damit zu einer korrekten Rechtsanwendung anhalte.257 Diese disziplinierende Wirkung der Öffentlichkeit habe jedoch nicht nur Einfluss auf das Verhalten der Richter, ebenso könne man Zeugen in einem öffentlichen Verfahren eher zur wahrheitsgemäßen Aussage bewegen.258 von Feuerbach knüpfte in seinen Betrachtungen an das altdeutsche Verständnis von Gerichtsöffentlichkeit an. Der Unterschied zum heutigen Verständnis gerichtlicher Öffentlichkeit liegt darin, dass er die Vorstellung hatte, man solle nur die „tüchtigen“ Männer zur Verhandlung zulassen259 und diese notfalls als „Gerichtszeugen“ 260 verpflichten,261 was einer Rückkehr zur Thingpflicht entsprochen hätte. Für die Verfahrensbeteiligten stelle die Öffentlichkeit der Verhandlung zwar immer eine besondere Härte dar,262 gleichzeitig könne dem unschuldig Angeklagten durch die Öffentlichkeit aber auch die Rehabilitation erleichtert werden, so Mittermaier.263 Der Öffentlichkeitsgrundsatz verstärke außerdem die ab-
254 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 147 ff. 255 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 167. 256 Mittermaier, Die Mündlichkeit, das Anklageprinzip, die Öffentlichkeit und das Geschworenengericht, 1845, S. 338 f. 257 Klein, Vermischte Abhandlungen über Gegenstände der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit, Zweites Stück, 1780, S. 67 f. 258 Leue, Der mündliche öffentliche Anklageprozeß und der geheime schriftliche Untersuchungsprozeß in Deutschland, 1840, S. 245 ff. 259 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 179 f. 260 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 167. 261 Ranft, Jura 1995, 573 (574). 262 Votum des Justizministers von Kircheisen, in: Landsberg, Die Gutachten der Rheinischen Immediat-Kommission und der Kampf um die Rheinische Rechts- und Gerichtsverfassung 1814–1819, 2000, S. 290. 263 Mittermaier, Die Mündlichkeit, das Anklageprinzip, die Öffentlichkeit und das Geschworenengericht, 1845, S. 342 f.
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schreckende Kraft der Strafgesetze.264 Daneben könne man durch Gerichtsöffentlichkeit Rechtskenntnisse vermitteln, was allein durch die Veröffentlichung von Normen nicht möglich sei.265 Klein war es, der in diesem Zusammenhang und bereits in dieser frühen Phase der Entwicklung einer Gerichtsberichterstattung in gedruckter Form und damit der Vermittlung der Geschehnisse gerichtlicher Verhandlungen durch die Medien eine wesentliche Bedeutung zusprach.266 Ein weiterer Vorteil wurde auch darin gesehen, dass wichtige neue Beweise erst durch den öffentlichen Verfahrensgang bekannt werden, da es viele Personen gebe, die erst durch die öffentliche Verhandlung auf ein Verfahren aufmerksam würden und erst daraufhin merkten, dass sie etwas beitragen könnten.267 Nach von Feuerbach sei das Volk aber nicht nur zum Schutze der Rechte der Verfahrensbeteiligten anwesend. Vielmehr könne das Volk gerade am Strafprozess auch aus eigenem Recht teilnehmen, „weil durch Verbrechen nicht blos die dadurch verletzte Person, sondern die Gesamtheit des gemeinen Wesens, Staat und Volk, als beleidigt gedacht werden müssen“.268 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden bei der Diskussion der Frage der Wiedereinführung des Öffentlichkeitsgrundsatzes jedoch nicht nur Vorteile und Nutzen, sondern auch die Gefahren der öffentlichen Rechtsanwendung diskutiert. Fölix ging aufgrund seiner Erfahrungen und Erkenntnisse in Bezug auf den in Frankreich eingeführten Öffentlichkeitsgrundsatz davon aus, dass kaum jemand aus Interesse an dem Prinzip der Öffentlichkeit eine gerichtliche Verhandlung besuchen würde. In Strafverfahren würden sich die Leute einfinden, um das Schauspiel zu genießen, welches ihnen kostenlos vorgeführt würde. Im Winter seien es vor allem die gut geheizten Gerichtssäle, die zum Besuch gerichtlicher Verhandlungen antreiben würden.269 Der Öffentlichkeitsgrundsatz gefährde die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter.270 Im Strafverfahren biete die
264 Mittermaier, Die Mündlichkeit, das Anklageprinzip, die Öffentlichkeit und das Geschworenengericht, 1845, S. 340 f. 265 Klein, Vermischte Abhandlungen über Gegenstände der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit, Zweites Stück, 1780, S. 70, 72; Mittermaier, Die Mündlichkeit, das Anklageprinzip, die Öffentlichkeit und das Geschworenengericht, 1845, S. 341. 266 Klein, Vermischte Abhandlungen über Gegenstände der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit, Zweites Stück, 1780, S. 72 f. Vgl. auch von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 62 f. 267 Mittermaier, Das deutsche Strafverfahren in der Fortbildung durch Gerichts-Gebrauch und Landes-Gesetzbücher, Erster Theil, 1845, S. 217. 268 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 167 ff. 269 Fölix, Ueber Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, 1843, S. 48; in diesem Sinne auch von Kamptz, in: Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung, Bd. 12 (1818), S. 91 (158). 270 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 156 f.
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Öffentlichkeit die Möglichkeit, Erkenntnisse und Methoden hinsichtlich der Begehung von Straftaten und der anschließenden Vermeidung einer Verurteilung zu sammeln.271 bb) Die Wiedereinführung des Öffentlichkeitsgrundsatzes in Frankreich und die Rezeption im deutschen Recht Im Zuge der Französischen Revolution wurde in Frankreich die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Strafverfahrens sowie das Schwurgerichtsverfahren relativ zügig festgelegt: zunächst in provisorischen Gesetzen, spätestens jedoch mit dem Inkrafttreten der beiden Gesetzeswerke „Code d’instruction criminelle“ und „Code de procedure civile“.272 Zwar wuchs damit die Kritik am Inquisitionsverfahren, die deutschen Fürsten hielten jedoch noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts am geheimen gerichtlichen Verfahrensgang fest.273 Der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit nach französischem Vorbild setzte sich zunächst nur in den deutschen unter französischem Einfluss stehenden Gebieten durch.274 Die übrigen deutschen Staaten reformierten allmählich ihre Prozessgesetze, übernahmen aber nur langsam die in der Literatur geforderten Prinzipien.275 Die von der Reformbewegung geforderten Prinzipien, insbesondere die Mündlichkeit, die Öffentlichkeit und das Anklageprinzip, wurden erstmals in der „Badischen Strafprozeßordnung“ von 1845 (§§ 224–226) und im „Preußischen Gesetz“ (§ 17) von 1846 verankert.276 Teilweise sahen die Gesetze Einschränkungen in personaler Hinsicht vor.277 Die „Württembergische Strafprozeßordnung“ von 1843 kannte den Öffentlichkeitsgrundsatz zwar auch (Art. 262 i.V. m. Art. 251), er galt jedoch zunächst in Kombination mit dem schriftlichen Inquisitionsprozess nur in einem mündlich durchgeführten Schlussverfahren.278
271
Fölix, Ueber Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, 1843,
S. 49. 272 Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 10 f.; Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 19; Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (895); Rüping/Jerouschek, Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 6. Aufl. 2011, Rn. 237. 273 Wesel, Geschichte des Rechts, 4. Aufl. 2014, Rn. 290. 274 Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 59; Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 31 ff.; Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (895). 275 Vgl. dazu Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 62 ff. 276 Ignor, Geschichte des Strafprozesses in Deutschland, 2002, S. 280. 277 Hierzu ausführlich Ignor, Geschichte des Strafprozesses in Deutschland, 2002, S. 280. Vgl. daneben Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 141 ff. 278 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 140 f.
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Die nie in Kraft getretene Paulskirchenverfassung von 1849 sah in § 178 die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens für das Deutsche Reich verbindlich vor,279 wobei in der Nationalversammlung keine kontroverse Debatte über die Einführung mehr geführt wurde.280 Auch zahlreiche Landesverfassungen proklamierten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit.281 Die Paulskirchenverfassung hat insoweit den „Siegeszug der Öffentlichkeit“ beschleunigt. Allerdings war die „geistige Vorbereitung“ der Wiedereinführung bereits vorher abgeschlossen.282 In den Debatten um die Reichsjustizgesetze war das Öffentlichkeitsprinzip unumstritten.283 Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877,284 welches am 1. Oktober 1879 in Kraft trat, sah in § 170 GVG a. F. eine öffentliche Verhandlung und eine öffentliche Verkündung der Urteile und Beschlüsse vor.285 Mit dem Erlass des Gerichtsverfassungsgesetzes kam es zu einer gesetzlichen Etablierung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bezogen auf das gesamte Volk, ohne Einschränkungen in persönlicher Hinsicht wie es sie zuvor in den Partikularrechten gab286 oder wie sie von von Feuerbach noch gefordert wurden.287 Der Erlass des Gerichtsverfassungsgesetzes markiert damit gewissermaßen den Höhepunkt der liberalen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts.288 Eine Beschränkung der Öffentlichkeit war lediglich zum Schutze der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit möglich. Außerdem konnte nicht erwachsenen Personen sowie solchen, die sich nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befanden oder in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erschienen, der Zutritt zum Verhandlungssaal verweigert werden.289
279
Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 69. Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 146 f. 281 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 147. 282 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 148. 283 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 159. 284 RGBl. 1888, S. 133. 285 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 37. 286 Vgl. zur Entwicklung in den Partikularrechten ausführlich Kern, Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, S. 60 ff. 287 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 179 f. Vgl. auch Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 38. 288 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 38. 289 Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 16 f.; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 37 f. 280
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Gewisse Einschränkungen und Änderungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes wurden mit Gesetz vom 5. April 1888 eingeführt. Hierbei ging es insbesondere um eine Beschränkung der Gerichtsöffentlichkeit aus Staatsschutzinteressen.290 5. Gerichtsöffentlichkeit seit dem 20. Jahrhundert Betrachtet man die Entwicklungen des 20. Jahrhunderts insgesamt, so wurden hier vor allem die negativen Auswirkungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes sichtbar. Dies dürfte vor allem auf die zunehmende Technisierung und die damit einhergehende stärker werdende Verbreitung der im Gerichtssaal bekannt gewordenen Inhalte zurückzuführen sein. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Reformvorschläge vorgelegt, die allerdings erfolglos blieben. Sie sollten dem Gericht den Ausschluss der Öffentlichkeit ermöglichen, wenn sich die Verhandlung mit persönlichen, häuslichen oder familiären Verhältnissen befasse, deren Erörterung in öffentlicher Verhandlung eine besondere Härte darstellen würde.291 Mit dem Siegeszug der Gerichtsöffentlichkeit, wurden jedoch neue Probleme sichtbar: Das liberale Verständnis vom „Schutz durch Öffentlichkeit“ wurde relativiert und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewann an Gewicht. Ferner setzte sich die Erkenntnis durch, dass Öffentlichkeit der Wahrheitsfindung abträglich sein könne, wenn diese als Mittel der Selbstdarstellung der Verfahrensbeteiligten missbraucht würde.292 a) Gerichtsöffentlichkeit im Dritten Reich In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Öffentlichkeitsgrundsatz beibehalten. Seine Abschaffung wurde zwar diskutiert und befürwortet, letztlich aber nicht in die Tat umgesetzt.293 Allerdings änderte sich die Begründung für die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrensganges: Grundlage waren nicht mehr die liberalen Grundideen der Aufklärungsbewegung.294 Die Öffentlichkeit diente fortan nicht mehr als Mittel der Kontrolle durch die Bevölkerung. Vielmehr knüpfte man an die germanischen Wurzeln der Gerichtsöffentlichkeit an und
290 Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 17 f.; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 38 f. 291 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 39 f. 292 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 40. 293 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 33 ff. Vgl. dazu auch Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 72 ff. 294 Beese, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, 1938, S. 19; Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 53 ff.
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stellte den Begriff der Volksgemeinschaft in den Vordergrund.295 Gerichtsöffentlichkeit war Volksöffentlichkeit.296 Der Gerichtssaal war damit nur Mitgliedern der Volksgemeinschaft zugänglich.297 Der öffentliche Strafprozess als „Gemeinschaftsverfahren“ 298 war die Antwort der Volksgenossen auf die vom Täter begangene „Pflicht- und Treueverletzung“ 299 und diente der Sicherung der „Gemeinschaftsehre des Volkes“ beziehungsweise der „Vermittlung des Gefühls von Geborgenheit vor dem Rechtsbrecher“.300 Erklärtes Ziel des Strafprozesses war die Überprüfung der Gemeinschaftstauglichkeit des Angeklagten. Daher wollte man ihm in der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, sich von dem Makel der Gemeinschaftsschädlichkeit zu reinigen.301 Der öffentliche Verfahrensgang diente aber auch der öffentlichen Zurschaustellung des Angeklagten.302 Gerichtsverfahren wurden von den Nationalsozialisten zu Propagandazwecken genutzt. Gerichtsverhandlungen wurden im Rundfunk übertragen, da man erkannte, dass sich die Öffentlichkeit weniger durch die im Gerichtssaal anwesenden Zuschauer darstellt, sondern eine durch Presse und Rundfunk vermittelte Medienöffentlichkeit ist.303 Eine zentrale Lenkung und steuernde Einflussnahme auf die Gerichtsberichterstattung durch die Presse erreichte man durch eine Kontrolle der Ausweise anwesender Pressevertreter.304 In der Zeit des Nationalsozialismus erlebte der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit damit eine rückschrittliche Entwicklung. Letztlich kam es zu einer fast vollständigen Aufweichung der originären Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten die Amerikaner den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit zum praktischen demokratischen und rechtsstaatlichen Anschauungsunterricht der Bevölkerung.305 Die Besatzungsgerichtsbarkeit der Ame295 Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 75; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 33 f. 296 Beese, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, 1938, S. 18 ff.; Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 51 f. 297 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 43. 298 Willies, Die Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1940, S. 51 f. 299 Beese, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, 1938, S. 19. 300 Beese, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, 1938, S. 19 f.; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 42 f. 301 Beese, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, 1938, S. 20. 302 Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 42. 303 Schuckert, Der Grundsatz der Volksöffentlichkeit im deutschen Zivil- und Strafprozeßrecht, 1936, S. 24. 304 Beese, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im deutschen Strafprozeß, 1938, S. 61; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 44 f. 305 Zentz, Das amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik in Deutschland, 2005, S. 253 f.; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 35 f.
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rikaner verfolgte aber auch das Ziel, eine unabhängige und demokratische Rechtspflege auf den Weg zu bringen.306 b) Beschränkung gerichtlicher Öffentlichkeit zugunsten des Persönlichkeitsschutzes Die technische Entwicklung im Pressewesen und im Rundfunk, aber auch die gegen Ende des 20. Jahrhunderts rasant einsetzende Verbreitung des Internets, dem für die Informationsbeschaffung im alltäglichen Leben der Menschen eine immer größer werdende Bedeutung zukommt, führte auch zu einer immer intensiver werdenden Verbreitung der Inhalte gerichtlicher Verhandlungen. Die Medienöffentlichkeit ermöglicht eine über den Raum des Gerichtssaals, über Stadt- und Landesgrenzen hinausgehende Publizität gerichtlicher Entscheidungsfindung. Diese Ausdehnung der Öffentlichkeit führte dazu, dass der Schutz der Persönlichkeitsrechte der am Verfahren Beteiligten einen immer größer werdenden Stellenwert erlangte. Ein Blick auf die Änderungen der §§ 169 ff. GVG im 20. Jahrhundert zeigt vor allem die gesetzgeberische Intention, die Öffentlichkeit zugunsten des Persönlichkeitsschutzes zu beschränken.307 Wichtigstes Beispiel für diese Entwicklung ist der durch Art. 11 Nr. 5 StPÄG 1964 eingefügte § 169 Satz 2 GVG a. F. Intention des Gesetzgebers war es, die weit über den Gerichtssaal hinausgehende Öffentlichkeit zu begrenzen, um Gefahren für die Wahrheitsfindung zu reduzieren und eine effektive Verteidigungsmöglichkeit des Angeklagten, der sich vor einem unübersehbaren Zuhörer- beziehungsweise Zuschauerkreis nicht oder nicht vollständig einlassen könnte, zu garantieren.308 Anfangs waren noch Ausnahmen von dem generellen Verbot für die Urteilsverkündung vorgesehen.309 Während der Regierungsentwurf auch noch vorsah, die Beschränkung nur bezogen auf die Hauptverhandlung in Strafsachen zu regeln, dehnte der Bundestag nach mündlicher Debatte – zum Schutze der Menschenwürde, aus Sorge vor Manipulation und der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung310 – das Verbot des § 169 Satz 2 GVG a. F. auf alle Verfahrenszweige einschließlich der Urteilsverkündung aus.311 Mit dem Ende 1998 eingefügten § 17a BVerfGG wurde eine durch das Bundesverfassungsgericht zuvor 306 Zentz, Das amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik in Deutschland, 2005, S. 261. 307 Vgl. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 37. Kritisch insoweit Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 61 ff. 308 BT-Drucks. 4/178, S. 45. 309 Vgl. BT-Drucks. 3/2037, S. 12, 43 ff. und BT-Drucks. 4/178, S. 12, 45 ff. 310 BT-Drucks. 4/1020, S. 7. 311 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 62.
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in jahrelanger Praxis erprobte Bereichsausnahme, Rundfunkaufnahmen wenigstens während der Urteilsverkündung im bundesverfassungsgerichtlichen Verfahren zuzulassen, gesetzlich verankert.312 Ein weiterer entscheidender Schritt zugunsten des Persönlichkeitsschutzes, der zuvor unvollkommen und zurückhaltend in § 172 Nr. 2 GVG a. F. gewährleistet wurde,313 war die Einfügung des § 171b GVG durch Art. 2 Nr. 1 OpferschutzG.314 Die Regelung entspricht den Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 EMRK, der Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgrundsatz zugunsten des Persönlichkeitsrechts zulässt. Grund für die Neuregelung war die im Strafverfahren stattfindende Persönlichkeitserforschung, die stärker als zuvor Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich, teilweise aus der Intimsphäre, sowohl des Angeklagten als auch von Zeugen, aber auch des Opfers zu Tage fördern würde.315 Zwar müssten es alle Beteiligten hinnehmen, dass im Interesse der Wahrheitserforschung vor Gericht auch Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich erörtert werden. Eine Ausbreitung derartiger Themen vor den Ohren der Öffentlichkeit sei aber auch in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren nicht unvermeidlich. Der Öffentlichkeitsgrundsatz müsse daher in gewissen Situationen hinter dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Achtung der Privatsphäre zurückstehen.316 6. Zusammenfassung und Ausblick Zunächst stellten die Öffentlichkeit und das Gericht zwei identische Größen dar. Im Laufe der Zeit wurde das Publikum in eine immer passiver werdende Rolle gedrängt, bis es zu einem vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit und der Etablierung einer geheimen Kabinettsjustiz kam. Der Öffentlichkeitsgrundsatz wie er heute praktiziert wird, hat seine Wurzeln in der Zeit der Aufklärungsbewegung. Als Mittel gegen die geheime Kabinettsjustiz sollte Öffentlichkeit damals in erster Linie eine Kontrollfunktion erfüllen. In den verfassungsrechtlich gesicherten Strukturen heutiger Zeit kommt der Kontrollfunktion nur noch eine untergeordnete Aufgabe zu. Der individuelle Rechtsschutz des Einzelnen wurde durch ein umfassendes Rechtsschutzsystem gestärkt.317 Allerdings kommt hinzu, dass durch Gerichtsöffentlichkeit die öffentliche Beobachtung der Judikative ermöglicht wird. Dadurch sind die konkrete Art und Weise der Rechtsdurchsetzung und die Funktionsweise der Rechtsordnung der öffentlichen Kritik zugänglich.318 312 von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 18. 313 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 171b Rn. 1. 314 BGBl. I, 1986, S. 2496 315 BT-Drucks. 10/5305, S. 22. 316 BT-Drucks. 10/5305, S. 22. 317 BVerfGE 103, 44 (72). 318 BVerfGE 103, 44 (72 f.).
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Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich die Diskussion um gerichtliche Öffentlichkeit insbesondere mit den Gefahren für den Persönlichkeitsschutz. Gefahren resultieren dabei vor allem aus der zunehmenden Technisierung und dem Wandel der Saalöffentlichkeit zu einer unüberschaubaren Medienöffentlichkeit. Festzuhalten bleibt, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Frage der Gefahren für den Persönlichkeitsschutz durch Rundfunkübertragungen aus der mündlichen Verhandlung stärker hätte differenzieren können. § 17a BVerfGG bildet dabei eine Ausnahme. Einen weiteren Schritt hin zu einer differenzierteren Ausgestaltung gerichtlicher Öffentlichkeit hat der Gesetzgeber numehr mit einem Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit (EMöGG) getan.319 Die Folgen der Neufassung des § 169 GVG und die Möglichkeit einer gegebenenfalls noch weitergehenden differenzierten Ausgestaltung der Medienöffentlichkeit werden an späterer Stelle zu thematisieren sein.320
III. Funktionstheoretische Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit Die Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit lassen sich im Wesentlichen in drei Gruppen einteilen, die inhaltlich eng miteinander verbunden sind, sich vereinzelt auch überschneiden. Der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit dient der Kontrolle der Judikative durch die Staatsbürger (1.), der Befriedigung des öffentlichen Informationsinteresses (2.) und steigert das Vertrauen in die gerechte richterliche Entscheidungsfindung (3.). Im Folgenden sollen diese drei Kategorien näher analysiert werden. Dabei wird es darum gehen, die einzelnen Funktionen inhaltlich zu konkretisieren und zu überprüfen, welche Bedeutung ihnen in heutiger Zeit beigemessen werden kann. An die obigen Ausführungen zur historischen Entwicklung des Öffentlichkeitsgrundsatzes321 anknüpfend soll die funktionstheoretische Untersuchung den Wandel aufzeigen, den der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit durchlaufen hat. Als Reaktion auf die geheime Kabinettsjustiz in absolutistischer Zeit war früher die Kontrollfunktion wesentliches Argument für die Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren. Zwar wird der Öffentlichkeit auch heute noch die Aufgabe der Kontrolle der Judikative zugeschrieben,322 nicht zuletzt aber wegen der Existenz verfassungsrechtlicher Sicherungsmechanismen 319
BT-Drucks. 18/10144. Vgl. dazu noch unten, Teil 2 F. 321 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. II. 322 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 41; Marcic, in: FS für Adolf Arndt, 1969, S. 267 (272); Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 I. 1.; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 28 ff.; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 197 ff.; Bamberger, ZUM 2001, 373 (375); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 38 f.; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 16 Rn. 1. 320
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hat der Kontrollaspekt an Bedeutung verloren.323 Im Informationszeitalter wird das Informationsinteresse der Bevölkerung an gerichtlichen Verfahren stärker betont.324 Information schafft Vertrauen gegenüber den staatlichen Entscheidungsträgern,325 ist gleichzeitig aber auch Grundlage für das Äußern von Kritik, die disziplinierende Wirkung haben kann. Den Medien kommt dabei die wichtige Funktion des Informationsmittlers zu. Den folgenden Ausführungen geht es daher auch darum die Bedeutung der Medien bei der Erfüllung der einzelnen Funktionen zu erörtern. 1. Kontrolle der Judikative a) Begriff der Kontrolle Der Begriff der Kontrolle beschreibt „die Vorstellung eines kritischen Vergleichs zwischen zwei Phänomenen – Maßstab und Objekt, Plan und Verwirklichung, Soll- und Ist-Lage“.326 Es geht damit um Beobachtung und den Vergleich mit einer Regel.327 Dabei verfolgt Kontrolle das Ziel, auf Korrektur hinzuwirken.328 Ein Vergleich wird allerdings nur dann gelingen, wenn der Kontrolleur mit den Maßstäben, auf die es ankommt, vertraut ist und daher über gewisse Kenntnisse,329 nicht zuletzt aber auch entsprechende Einwirkungsmöglichkeiten verfügt.330 Weiterhin wird mit Kontrolle „die Macht zur Beeinflussung fremden Verhaltens“ verbunden.331 In einer Demokratie tritt das Volk als Kontrolleur dem Staat als Kontrollierten gegenüber. Dieser demokratische Kontrollprozess,332 der auf der Ebene der Konsensbildung ansetzt, stellt keine „maßstablose Beherrschung“ dar, sondern soll die zwischen Staat und Volk durch das Repräsenta323 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 155; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 38 f. 324 Gounalakis, in: FG für Friedrich Kübler, 1997, S. 173 (192); Pfeifle, ZG 2010, 283 (293); Jung, JZ 2012, 303 (303). 325 Gounalakis, in: FG für Friedrich Kübler, 1997, S. 173 (192). 326 Loschelder, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 3, 7. Aufl. 1987, Stichwort „Kontrolle“, Sp. 650. 327 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 119. 328 Loschelder, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 3, 7. Aufl. 1987, Stichwort „Kontrolle“, Sp. 650. 329 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 148; Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 119. 330 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 119. 331 Loschelder, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 3, 7. Aufl. 1987, Stichwort „Kontrolle“, Sp. 650. 332 Vgl. Pfeifle, ZG 2010, 283 (292): das Demokratieprinzip verlange nach einer Rechtsprechung „im Namen des Volkes“.
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tionsprinzip entstehende Distanz überbrücken333 und dient damit nicht zuletzt der Legitimation staatlicher Macht334 und bezogen auf die Judikative der demokratischen Legitimation gerichtlicher Entscheidungen.335 b) Bedeutung von Kontrollbefugnissen in Gerichtsverfahren heutiger Zeit Die Kontrollaufgabe des Öffentlichkeitsgrundsatzes ist aus historischer Perspektive zu erklären.336 Mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz wurde der Ausschluss von Geheimverfahren und die Sicherung der Unabhängigkeit der Richter verfolgt.337 Vornehmlicher Zweck der Einführung des Öffentlichkeitsgrundsatzes war die Schaffung einer Kontrollmöglichkeit durch das Volk als neutraler Instanz, um der Willkür der Repräsentanten des Staates bei der Ausübung ihrer Machtbefugnisse in der Sphäre des Geheimen entgegenzuwirken.338 Die Sichtbarmachung von Machtvorgängen durch Verfahrensöffentlichkeit ermöglicht die öffentliche Diskutierbarkeit und wirkt insoweit bändigend.339 Die Kontrollfunktion dient der Verhinderung einer Einflussnahme sowohl politischer als auch privater Art.340 Der Öffentlichkeitsgrundsatz soll die richterliche Unabhängigkeit sichern, ohne dabei selbst Einfluss auf die Urteilsfindung zu nehmen und damit den Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit anzutasten.341 Aufgrund der in der Verfassungsrealität inzwischen fest etablierten rechtsstaatlichen Verhältnisse und der Anerkennung vor allem im Grundgesetz verankerter verfahrensrechtlicher Freiheitsrechte342 stellt sich die Frage, ob es auf die durch den Öffentlichkeitsgrundsatz bewirkte Kontrollmöglichkeit überhaupt noch ankommt.343 Raum für Willkür bei der Ausübung richterlicher Befugnisse wäre in heutiger Zeit selbst ohne den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit kaum vor333 Loschelder, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Bd. 3, 7. Aufl. 1987, Stichwort „Kontrolle“, Sp. 652. 334 Scheuner, in: FS für Gebhard Müller, 1970, S. 379 (382); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 155. 335 Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 I. 1.; Gierhake, JZ 2013, 1030 (1031). 336 Vgl. dazu Ignor, Geschichte des Strafprozesses in Deutschland, 2002, S. 179 ff., 242 f. 337 So Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 155. Vgl. auch Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974, S. 23 ff.; Gierhake, JZ 2013, 1030 (1031). 338 BGHSt 2, 56 (57); 3, 386 (390); 8, 194 (199); Bockelmann, NJW 1960, 217 (218); Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 197. 339 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (470). 340 Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 28. 341 Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (293); Stürner, JZ 1978, 161 (166). 342 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 199. 343 Schmidthals, Wert und Grenzen, 1966, S. 121.
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handen.344 Auch dort, wo Verfahren nicht öffentlich sind – zu denken ist an rein schriftliche Verfahren, das Strafbefehlsverfahren oder den sogenannten „Deal im Strafverfahren“ – existieren Mechanismen, welche die Kontrollfunktion der gerichtlichen Öffentlichkeit hinreichend kompensieren.345 Dennoch ist der Kontrollaspekt der Gerichtsöffentlichkeit zumindest „latentpräventiv“ weiter von Bedeutung,346 da eine Wechselbeziehung zwischen der Übertragung von Macht und der Gefahr, dass Machtbefugnisse von ihrem Inhaber missbraucht werden, nach wie vor besteht.347 Die Kontrollfunktion gerichtlicher Öffentlichkeit wird daher auch heute noch zur Neutralisierung der Gefahr des Machtmissbrauchs als unentbehrlich angesehen.348 Dies gilt ganz besonders im Bereich der Strafgerichte, da das Strafen die schärfste Möglichkeit des Staates ist, seine Macht auszuüben.349 Verallgemeinern lässt sich dies aber auch für die Judikative insgesamt, sofern die richterlichen Entscheidungsakte mit Eingriffen in die staatsbürgerliche Rechtssphäre verbunden sind.350 Weiterhin bedeutet Rechtsprechungstätigkeit Erkenntnis, die stets der Gefahr von Täuschungen und Irrtümern unterliegt.351 Auch wegen dieser Gefahrenlage ist die Kontrolle durch die Öffentlichkeit erforderlich. c) Effektivität einer allgemeinen Kontrolle Geht man davon aus, dass Aufgabe der Verfahrensöffentlichkeit die Kontrolle der Judikative ist, so stellt sich die Frage, ob die Allgemeinheit überhaupt die Fähigkeiten und Fertigkeiten, also insbesondere die notwendigen (Fach-)Kenntnisse besitzt, die für die Ausübung der Kontrolle erforderlich sind. Nach von Feuerbach wird „zu einem Kontroleur [. . .] immer erfordert, daß derselbe an Kenntnis und Uebung dem ganzen Geschäft des Kontrollierten gewachsen sey“.352 Ob der Richter das Recht richtig anwendet, „darüber hat niemand ein zuständiges Ur344
Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 41. Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 40. 346 So Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 155. Vgl. daneben auch Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 28 f. 347 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 41 348 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 41. In diese Richtung auch: Bamberger, ZUM 2001, 373 (374 ff.); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 39; Meyer, Der Gerichtsprozess in der medialen Berichterstattung, 2014, S. 59 f. 349 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 123. 350 In diese Richtung auch Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 40. 351 So jedenfalls bezogen auf den Strafprozess Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 123. 352 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 148. 345
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theil, als wer die Weihe der Wissenschaft empfangen und durch vielfache Ausübung seinen Geist in Anwendung derselben geschärft hat“.353 Kontrolle sei daher nur möglich, wenn der Kontrolleur dasselbe Können besitzt wie der Kontrollierte.354 Immerhin sei die Allgemeinheit aber dazu in der Lage, „die äußeren Formen und Förmlichkeiten des Gerichtes“ zu beurteilen.355 Überträgt man diesen Gedankengang in die heutige Zeit, so erscheint eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit vor dem Hintergrund immer komplexer werdender Verfahrensstrukturen undenkbar.356 Wie eingangs angedeutet, ist Kontrolle auch auf die Korrektur bestehender Zustände gerichtet und verlangt, dass die kontrollierende Allgemeinheit nicht nur eine „Ansammlung schweigender Rezipienten“ ist, sondern bezogen auf den Gegenstand der Kontrolle zumindest über indirekte Einflussnahmemöglichkeiten verfügt.357 So werden auch hier Zweifel geäußert, ob das Volk überhaupt entsprechende Möglichkeiten hat.358 Ganz grundlegend wird man der Kritik entgegenhalten können, dass die unterschiedlich stark ausgeprägte Qualifikation der Bürger zur Äußerung sachlicher Kritik in einer egalitären Massendemokratie hingenommen werden muss. Genauso wie im Hinblick auf die Ausübung des Wahlrechts keine Differenzierung nach Wissen und Bildung vorgenommen wird, ist dies ebenso wenig mit Blick auf Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG in der öffentlichen Diskussion möglich.359 Wenn Recht zudem öffentlich angewendet wird, ist es etwas für jedermann Begreifbares,360 „kein dem Alltag entrücktes Gebilde“, zu dem nur die Vertreter der professionellen juristischen Berufe Zugang hätten.361 Ferner liegt der geäußerten Kritik ein Missverständnis zugrunde, das auf der Fehleinschätzung des eigentlichen Kontrollauftrages beruht. Daher ist es wichtig, 353 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 151. 354 Alber, Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974, S. 78. 355 von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 149. 356 Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 30. 357 Rubbert, Saal- und Medienöffentlichkeit mündlicher Verhandlungen zwischen Verwaltung und Bürgern, 1985, S. 110. 358 Sarstedt, JR 1956, 121 (122); Bockelmann, NJW 1960, 217 (217); Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 41; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 74; Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974, S. 24 f.; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 29. 359 Bäumler, JR 1987, 317 (320); Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 26. 360 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (470). 361 Hassemer, ZRP 2013, 149 (150).
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sich zu vergegenwärtigen, was durch das Volk eigentlich kontrolliert werden soll. Nur wenn der konkrete Kontrollauftrag beschrieben ist, kann nämlich beurteilt werden, ob das Volk tatsächlich in der Lage ist, die Kontrollfunktion zu erfüllen. So stellt Britz an dieser Stelle die Frage, ob es darum gehe, dass ein repräsentatives Saalpublikum ein konkretes Verfahren kontrolliere oder ob Inhalt der Kontrollfunktion nicht vielmehr die Kontrolle der Justiz durch eine kollektive Öffentlichkeit schlechthin sei.362 Geht man von der ersten Möglichkeit aus, so würde eine ordnungsgemäße Kontrolle nicht nur an der erforderlichen Fachkenntnis scheitern. Ein solcher Kontrollauftrag würde überdies dem Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit zuwiderlaufen.363 Die Öffentlichkeit soll den Richter gerade nicht in eine bestimmte Richtung leiten, sondern sicherstellen, dass keine sachfremden Erwägungen die richterliche Entscheidung beeinflussen.364 Kontrolle heißt damit gerade nicht „Mitentscheidung“.365 Hierin liegt bereits eine immanente Einschränkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes.366 Es kann nicht darum gehen, das Urteil der Volksmeinung anzugleichen. Denn die Einbindung der öffentlichen Meinung in das einzelne Verfahren würde der richterlichen Verpflichtung, allein Recht und Gesetz verpflichtet zu sein, gerade zuwiderlaufen.367 Kontrolle kann damit nur auf einer dem einzelnen Verfahren übergeordneten Ebene stattfinden. Ranft beschreibt das Wesen der Kontrolle durch die Öffentlichkeit deshalb als eine „indirekte Kontrolle“, mit der die Entscheidungsfähigkeit des Gerichts „auf lange Sicht“ und damit „über einen längeren Zeitraum beobachtet und insgesamt akzeptiert oder kritisiert wird“.368 Ferner diszipliniert die von der Öffentlichkeit ausgehende psychologische Wirkung den Richter zu prozessordnungsgemäßem Verhalten369 und dient insofern dem Schutz der Verfahrensbeteiligten. Mit „indirekter Kontrolle“ ist damit eine „nicht-fachliche“, also abstrakte Überwachung
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Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 198. Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 42. 364 Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 I. 1. 365 Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (393); Stürner, JZ 1978, 161 (166). 366 Vgl. dazu an späterer Stelle [Teil 1 B. IV. 1. a) ee)] noch die Theorie der „Diskursiven Gerichtsöffentlichkeit“. 367 Gierhake, JZ 2013, 1030 (1034): Diese immanente Beschränkung wirft einige Fragen auf. Darf die Öffentlichkeit schon während eines laufenden Ermittlungsverfahrens hergestellt werden und darf die gerichtliche Berichterstattung „live“ erfolgen oder überwiegen Gefahren wie Vorverurteilung und unzulässige Beeinflussung des Gerichts? 368 Ranft, Jura 1995, 573 (574). 369 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 42; Fögen, Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974, S. 26. Kritisch insoweit Britz (Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 199), der auf die Gefahren dieser psychologischen Wirkungen, die Ausübung von Druck auf die Verfahrensbeteiligten und die Möglichkeit unzulässiger Beeinflussung hinweist. 363
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der Rechtsprechung angesprochen.370 Die Kontrollfunktion darf daher nicht als eine solche verstanden werden, die jeden einzelnen Verfahrensschritt und jede einzelne richterliche Entscheidung beobachtet. Vielmehr geht es darum, im Wirkungsfeld der Judikative die Einsicht zu stärken, dass es sich bei Rechtsprechung nicht um eine völlig unbeobachtete Tätigkeit handelt.371 Entscheidend ist weniger die Nachvollziehbarkeit jedes einzelnen Details, sondern die Darstellung der „Herstellung des Entscheidens“.372 Der konkret-individuellen Ausrichtung vorzuziehen ist somit eine institutionelle Betrachtungsweise.373 Die Frage der Effektivität einer solchen Kontrolle ist damit indessen noch nicht beantwortet. Es wird eingewandt, dass es dem Volk an der erforderlichen, rechtlich wirksamen Interventionsmöglichkeit fehle.374 Bei der Kontrolle durch die Öffentlichkeit geht es jedoch nicht um die Schaffung eines Nebenrechtsmittels, sondern lediglich um die Verbreitung der Gewissheit über eine korrekte und gerechte Rechtsprechung.375 Zweifel an der Effektivität der Kontrolle ergeben sich aber auch, da im heutigen Gerichtsalltag kaum noch Zuschauer in den Gerichtssälen anzutreffen sind. Allerdings unterliegt man auch hier einem Irrtum, wenn man annimmt, dass es auf die tatsächliche Anwesenheit in jedem Verfahren ankäme. So führt Luhmann aus, dass die Funktion der Öffentlichkeit von Verfahren vor allem in ihrer „Symbolbildung“ zu sehen ist.376 Entscheidend sei die Möglichkeit der „Miterlebbarkeit“ des gerichtlichen Verfahrens für die Öffentlichkeit, für die es allein auf die Zugänglichkeit und weniger auf die aktuelle Präsenz ankomme.377 Die nur in wenigen Verfahren tatsächlich stattfindende Kontrolle hat demnach Auswirkungen auf die Rechtsprechung insgesamt. Die Kontrollfunktion des Öffentlichkeitsgrundsatzes sollte schließlich auch nicht nur isoliert betrachtet werden. Sie entfaltet ihre Wirkung integriert in ein sich ergänzendes Kontrollkonzept bestehend aus demokratischen und rechtsstaatlichen Elementen formeller und informeller Art.378 Verfahrensöffentlichkeit stellt dabei neben Einrichtungen wie mündlicher und schriftlicher Urteilsbegründung, der Einräumung von Rechtsmitteln und zahlreichen weiteren Verfahrensrechten 370 Bäumler, JR 1978, 317 (320); Ranft, Jura 1995, 573 (574); Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 30; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 198 f. 371 Pfeifle, ZG 2010, 283 (293). 372 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 124. 373 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 41. 374 Nach Bamberger (ZUM 2001, 373 [376]) bleibt es daher bei einer nur hypothetischen Kontrollmöglichkeit. 375 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 41. 376 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 124. 377 Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 123. 378 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 42. Vgl. auch Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (470).
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nur einen, eher informellen Bestandteil dieses breiten Kontrollkonzepts dar379 und äußert sich „in Form von öffentlich artikulierter oder fehlender Kritik“.380 d) Die Rolle der Medien bei der Kontrolle der Judikative In einer modernen Massendemokratie muss gerichtliche Öffentlichkeit notwendigerweise als Medienöffentlichkeit gedacht werden. Es ist praktisch unmöglich, dass jeder Bürger an allen Verfahren als Zuschauer teilnimmt. Da aber jeder Bürger jedenfalls in einem weiteren Sinne von gerichtlichen Verfahren betroffen ist – neben der Beurteilung des konkreten Einzelfalles geht es immer auch um eine Auslegung und Fortbildung des Rechts –, bedarf es einer Inklusion aller möglicherweise Betroffenen durch die Medien.381 Die Kontrollfunktion ist daher weitestgehend auf die Massenmedien übergegangen.382 Wirksame Öffentlichkeitskontrolle bedarf der Vermittlungsleistungen aller Medien,383 die grundrechtlich besonders geschützt sind.384 Die Berichterstattung durch die Medien bindet die rechtsprechende Tätigkeit erst in den Prozess der Meinungsbildung ein und macht sie dadurch demokratischer Legitimation und Kontrolle zugänglich.385 Medienöffentlichkeit hat damit nicht die Aufgabe, „Botschaften der Richterbank“ einer größeren Öffentlichkeit zu übermitteln.386 Sie stellt gerade eine Kontroll- und Gegenöffentlichkeit dar, die kraft ihrer grundrechtlichen Freiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unabhängig von staatlichem Einfluss agieren kann.387 Den Medien kommt im Rahmen der staatlich hergestellten Öffentlichkeit die Rolle eines Vermittlers zu,388 der die Geschehnisse im Gerichtssaal filtert, systematisiert und allgemeinverständlich zugänglich macht.389 Dies setzt Transparenz staatlichen Handelns voraus. Nur wenn im öffentlichen Raum gehandelt wird und damit Informationen preisgegeben werden, 379
Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 42; Hillermeier, DRiZ 1982, 281 (282). Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 31. 381 Vgl. dazu Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 20 f. 382 Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 74 ff., 130 ff.; Degenhart, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 115 Rn. 42. Vgl. auch Meyer, Der Gerichtsprozess in der medialen Berichterstattung, 2014, S. 59 ff. 383 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (475). 384 Vgl. zum grundrechtlichen Schutz unten, Teil 1 B. IV. 2. 385 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 41 f. 386 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (476). 387 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (476). 388 Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 61. 389 Kühling, DVBl 2008, 1098 (1100); in diesem Sinne auch Sarstedt, JR 1956, 121 (122). 380
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kann die Kontrolle der Medien ansetzen.390 Es ist jedoch nicht nur die Transparenz, die notwendigerweise vorausgesetzt wird. Minimalanforderung für die demokratische Rückbindung der Justiz ist, dass die Verfahren erklärbar bleiben.391 Eine allgemeine Öffentlichkeit wird in der Massendemokratie erst durch die Massenmedien hergestellt.392 So entspricht der repräsentativen Judikative die repräsentative Kontrolle durch die im Gerichtssaal anwesenden Privatpersonen und Medienvertreter, durch welche die demokratische Öffentlichkeit vertreten wird.393 Der Medienöffentlichkeit kommt gegenüber der Justiz disziplinierende Wirkung zu. Dort, wo die Medienöffentlichkeit die Justizorgane zu mehr kommunikativer Sorgfalt zwingt, erfüllt sie ihre Kontrollfunktion.394 Es kommt bei der durch die Medien vermittelten Kontrolle nicht darauf an, jedes einzelne Verfahren und jeden einzelnen Verfahrensschritt zum Gegenstand der Kontrolle zu machen. Vielmehr geht es um die Möglichkeit, dass jedes gerichtliche Verfahren Gegenstand der kritischen Kommentierung durch die Medien sein könnte.395 Bereits die potentielle Medienöffentlichkeit – und nicht erst jeder einzelne tatsächlich anwesende Zuhörer und jede tatsächlich veröffentlichte Kritik – wirkt disziplinierend.396 Auch wenn die Medien bei weitem nicht repräsentativ über gerichtliche Verfahren berichten, sondern sich insbesondere den Verfahren zuwenden, die besonders spektakulär und damit für die Mediennutzer besonders interessant sind, ist dies nicht weiter schädlich, da bereits eine derartige, selektive Medienöffentlichkeit wegen ihrer Rückwirkungen auf die gesamte Rechtsprechungstätigkeit der Kontrollfunktion genügt.397 Mit der Einbeziehung der Rechtsprechungstätigkeit in den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung geht aber auch die Einflussnahme der Medien auf die richterliche Überzeugungsbildung, jedenfalls die Gefahr der Beeinflussung der richterlichen Entscheidungsfindung einher.398 Von den Richtern wird verlangt, dass sie sich von der öffentlichen Meinungsbildung und der Frage der Konsens390
Bamberger, ZUM 2001, 373 (375). Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006, S. 227; Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 20 f. 392 BVerfGE 119, 309 (320); Kühling, DVBl 2008, 1098 (1100). Vgl. daneben auch Scherer (Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 61 ff.), der von einer Systemstabilisierung durch die integrative Kraft der Medienöffentlichkeit ausgeht. 393 Widmaier, NJW 2004, 399 (401). 394 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (476). 395 Vgl. dazu Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 123 f. 396 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 41; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 I. 1. 397 So jedenfalls für den Bereich der Strafgerichte Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 41. 398 Stürner, JZ 1978, 161 (164 f.); Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 32. 391
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fähigkeit ihrer Entscheidung völlig lösen.399 Sofern eine Beeinflussung der rechtsprechenden Tätigkeit und damit ein Antasten richterlicher Unabhängigkeit dennoch zu verzeichnen ist, gelangt man an die Grenze dessen, was Gerichtsöffentlichkeit im Hinblick auf die demokratische Kontrolle durch die Medien leisten soll und zu leisten im Stande ist.400 Der Justiz eröffnen sich durch die Medienöffentlichkeit allerdings auch Chancen. Ein souveräner, sachlicher, sich jeder Skandalisierung enthaltender Umgang mit den Medien durch den Staat wirkt vertrauensstabilisierend.401 Insoweit sollte das Maß an medialer Öffentlichkeit – insbesondere bei der Frage der Eröffnung einer Informationsquelle für die Medien – nicht aus den Augen verloren werden. 2. Information der Allgemeinheit Neben der Kontrollfunktion tritt im Informationszeitalter die Informationsfunktion gerichtlicher Öffentlichkeit zunehmend in den Vordergrund.402 Gerichtsöffentlichkeit dient damit auch der Befriedigung eines berechtigten Informationsinteresses der Allgemeinheit.403 Die Informiertheit der Allgemeinheit ist notwendig für die Beteiligung am individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozess,404 sie verschafft Rechtskenntnis,405 Verständnis für das Normsystem406 und ist Grundlage für die Ausübung der Kontrolle407 in ihrer oben beschriebenen Form. Nur wenn eine reale, vor allem eine durch die Medienöffentlichkeit vermittelte Informationsmöglichkeit besteht, wird der Informationsanforderung des Öffentlichkeitsgrundsatzes genüge getan. Andernfalls bliebe das gerichtliche Verfahren der Allgemeinheit genauso verschlossen wie ein Geheimverfahren,408 und eine kritische Begleitung der Rechtsprechungstätigkeit wäre unmöglich.409 399
Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 26. Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 32. 401 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (476). 402 Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (347). 403 Kaulbach (JR 2011, 51 [51]) ist demgegenüber der Auffassung, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz in erster Linie der Kontrolle der Wahrheits- und Rechtsfindung sowie der Stärkung des Vertrauens der Allgemeinheit in die Rechtspflege diene. Das Informationsrecht der Allgemeinheit entfalte keinen darüberhinausgehenden Selbstzweck, sondern gehe notwendig aus den genannten Funktionen des Individualschutzes und der Vertrauensbildung hervor. 404 Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (264). 405 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 52. 406 Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 37. 407 Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, 1978, S. 42; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 32. 408 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 96 f. 400
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Die Bedeutung des öffentlichen Informationsinteresses hat auch der Gesetzgeber erkannt und trägt ihm insoweit in den dem Persönlichkeitsschutz dienenden Vorschriften der §§ 171a – 172 GVG Rechnung.410 a) Beteiligung am öffentlichen Diskurs Da substantiierte Kritik an staatlichem Handeln nur auf Grundlage umfassender Kenntnis von diesem Handeln möglich ist, besteht ein Interesse an möglichst weitreichender Information der Allgemeinheit.411 Denn eine Demokratie lebt vom öffentlichen Diskurs hinsichtlich entscheidungsbedürftiger Fragestellungen und der kritischen Begleitung staatlichen Handelns durch ihre Bürger: Voraussetzung dafür ist die Kritikfähigkeit der Bürger.412 Hier befindet sich auch die Schnittstelle zur Kontrollfunktion, da die Kontrolle der Judikative durch eine schlecht informierte Allgemeinheit undenkbar ist.413 Die Information stellt dabei die notwendige Bedingung politischer Betätigung der Bürger dar.414 Öffentlichkeit ist damit Voraussetzung demokratischer Partizipation.415 Bezogen auf die Judikative bedeutet dies, dass es mitunter erst die konkrete Rechtsanwendung durch den Richter sein kann, die eine bedenkliche Rechtsentwicklung zu Tage fördert. Nur die Öffentlichkeit gerichtlicher Entscheidungsfindung stellt dabei eine kaum zu beeinflussende, primäre Informationsquelle dar, mit der sich etwaige Fehlentwicklungen aufdecken lassen, um sie mithilfe der staatsbürgerlichen Rechte – etwa der Wahlentscheidung oder des Prozesses öffentlicher Meinungsbildung, der den Gesetzgeber ebenso zum Einschreiten veranlassen kann – zu beseitigen. b) Verschaffung von Rechtskenntnis und Versinnbildlichung durch Symbolwirkung Die Informationsfunktion des Öffentlichkeitsgrundsatzes sorgt aber auch für die Verbreitung von Rechtskenntnis sowie für die Förderung eines kritischen 409
Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 37. Hagenkötter, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 43. 411 Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 31. 412 Rubbert, Saal- und Medienöffentlichkeit mündlicher Verhandlungen zwischen Verwaltung und Bürgern, 1985, S. 106; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 31 f. 413 BVerfGE 103, 44 (64); Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 32. 414 Rubbert, Saal- und Medienöffentlichkeit mündlicher Verhandlungen zwischen Verwaltung und Bürgern, 1985, S. 105. 415 Kühling, DVBl 2008, 1098 (1099). 410
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Rechtsbewusstseins und einer Vertrautheit der Bürger im Umgang mit der Judikative.416 Außerdem gewährt Gerichtsöffentlichkeit Einblick in soziale Verhältnisse und klärt über Arbeitsweise, Leistungen und Schwierigkeiten der Justiz auf.417 Neben der Information über den zu verhandelnden Einzelfall vermittelt Gerichtsöffentlichkeit damit auch Kenntnisse über das materielle Recht im Allgemeinen und den Verfahrensgang vor Gericht.418 So ist vor allem der Strafprozess von seiner Konzeption her dazu geeignet, den Bürgern die Bedeutung der Normen deutlich zu machen, das Recht als Voraussetzung gesellschaftlicher Orientierung zu versinnbildlichen und die Art und Weise juristischen Denkens und die Technik juristischer Entscheidungsfindung zu veranschaulichen.419 Um seinen Geltungsanspruch420 deutlich zu machen, ist das Recht auf eine „differenzierte, formenreiche und leistungsfähige Symbolsprache“ 421 angewiesen, die sich gerade durch Verfahrensöffentlichkeit erzeugen lässt.422 Öffentlich gelebtes Recht ist ein Symbol für Gerechtigkeit und das Gegenteil von Willkür und reiner Macht.423 Gerichtsöffentlichkeit symbolisiert den demokratischen Rechtsstaat, der auf Verantwortung und grundsätzlicher Transparenz der Staatsgewalt gründet.424 Diese politisch-demokratische Symbolwirkung setzt nicht ein tatsächlich anwesendes Publikum und eine tatsächlich stattfindende Kontrolle425 voraus. Auch die leeren Publikumsbänke im Gerichtssaal symbolisieren Öffentlichkeit.426 c) Die Aufgabe der Medien bei der Informationsverbreitung Auch bezogen auf die Informationsfunktion kommt den Medien besondere Bedeutung zu.427 Immer komplexer werdende gesellschaftliche Strukturen lassen 416 Hillermeier, DRiZ 1982, 281 (282); Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 I. 1.; Odersky, in: FS für Gerd Pfeiffer, 1988, S. 325 (334). 417 Hillermeier, DRiZ 1982, 281 (282); Odersky, in: FS für Gerd Pfeiffer, 1988, S. 325 (334). 418 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 96 ff. 419 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 52; Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (459). 420 Vgl. Boehme-Neßler, Rechtstheorie 42 (2011), S. 167 (183): das „Mittel der Wahl“ dazu sei die „Inszenierung“. 421 Boehme-Neßler, Rechtstheorie 42 (2011), S. 167 (178). 422 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (459 f.). 423 Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (345 f.). 424 Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (344 ff.); Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (461). 425 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. III. 1. 426 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (461). 427 Zur Informationsfunktion der Medien im gerichtlichen Verfahren: Meyer, Der Gerichtsprozess in der medialen Berichterstattung, 2014, S. 56 ff.
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den Einzelnen auf die Vermittlerfunktion der Medien angewiesen sein.428 Hier tragen nicht nur klassischer Rundfunk und Presse zur Herstellung einer demokratischen Öffentlichkeit bei.429 Auch dem Internet kommt bei der Informationsbeschaffung der Bürger immer mehr Bedeutung zu. Damit sind nicht nur die Angebote professioneller Medien angesprochen, die ihr Portfolio im Print- oder Rundfunk-Segment durch Online-Angebote gegebenenfalls nur ergänzen. Auch dem Laienjournalismus bietet das Internet vor wenigen Jahren noch unbekannte Interaktionsmöglichkeiten. Der Laienjournalismus stellt inzwischen eine bedeutsame Ergänzung auf dem Markt der Meinungen dar. Laienjournalisten sind daher an der Informationsbeschaffung genauso zu beteiligen wie professionelle Journalisten.430 Dabei sind nach Kujath die Stärken des Laienjournalismus weniger in einer objektiven Berichterstattung als mehr in der Subjektivität, Authentizität und Individualität der einzelnen Beiträge, aber auch in der Unabhängigkeit von jeglichem publizistischen und ökonomischen Druck zu sehen.431 Die Bedeutung des professionellen Journalismus in der Gerichtsberichterstattung wird damit zukünftig umso mehr darin liegen, den Rezipienten gerichtliche Entscheidungen allgemeinverständlich zu erläutern und kenntnisreich juristische Zusammenhänge zu erklären.432 Das Angebot des professionellen Journalismus kann dabei ein weitaus höheres Maß an Authentizität gewinnen, wenn es die oben beschriebenen subjektiven Empfindungen der Bürgerjournalisten – etwa einzelne „tweets“ von Zuschauern eines Gerichtsverfahrens – aufgreift und gleichzeitig aufgrund fundierter Sachkenntnisse bewertet. Eine neue „multiperspektivische“ Form der Gerichtsberichterstattung wird nach Kujath auch dadurch erreicht, dass mit dem Internet inzwischen Möglichkeiten gegeben sind, die es den Prozessparteien, Anwälten und Zeugen ermöglichen, aus ihrer Sicht über die Gerichtsverhandlung zu berichten.433 Derartige Möglichkeiten eines vielfältigen Informationsaustausches sorgen für eine enorme Stärkung des öffentlichen Diskurses und fördern damit das Verfassungsziel des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ebenso wie die Erfüllung des Demokratieprinzips in be-
428 Zur Bedeutung des Massenmediums Fernsehen in der Gerichtsberichterstattung: Gounalakis, in: FG für Friedrich Kübler, 1997, S. 173 (191 ff., 194 f.). 429 Pfeifle, ZG 2010, 283 (293); in diesem Sinne auch Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 32. 430 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 83. 431 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 84. 432 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 84. 433 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 84 f.
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sonderer Weise.434 Daneben geht von der Interaktionsmöglichkeit im Internet auch eine integrative Wirkung aus. Das Recht wird für die Bürger erlebbar, Verständnis und Rechtskenntnis werden gefördert.435 Weiterhin erläutert Kujath, dass der Laienjournalismus dazu in der Lage ist, Lücken des Öffentlichkeitsprinzips zu schließen. Während der professionelle Journalismus aus ökonomischen Gründen seine Aufmerksamkeit gerade besonders sensationellen Prozessen zuwendet, ist der Laienjournalismus auch dazu in der Lage, über Verfahren zu berichten, die zwar nicht die allgemeine Öffentlichkeit ansprechen, jedenfalls aber für kleinere, mitunter auch regionale Teilöffentlichkeiten von Bedeutung sind.436 Gerichtliche Öffentlichkeit muss sich insoweit den technischen Realitäten anpassen.437 Dabei kommt es im Hinblick auf die der Medienöffentlichkeit der rechtsprechenden Gewalt zukommende Informationsfunktion darauf an, auch diejenigen Informationskanäle zu bedienen und zu berücksichtigen, die im täglichen Leben für die Bürger von gewisser Relevanz sind. Schon Bockelmann erkannte, dass Öffentlichkeit auf Kommunikationsmittel mit möglichst großer Reichweite angewiesen ist.438 Auf diese Weise lässt sich die für eine Demokratie wichtige lebendige Diskussionskultur fördern. Gerichtsöffentlichkeit muss sich daher modernen Kommunikationsformen annähern.439 d) Befriedigung von Sensationslust und legitimes Informationsinteresse Die Informationsfunktion des Öffentlichkeitsgrundsatzes dient, dem bislang Gesagten folgend, der Zugänglichmachung von Informationen, welche für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung von Relevanz sind.440 In der Realität bestimmen allerdings oftmals Sensationslust und Neugierde das eigentliche Interesse. Kann man auch in diesen Fällen von einem den Öffentlichkeitsgrundsatz tragenden „berechtigten, legitimen oder anzuerkennenden“ Informationsinteresse ausgehen? Bockelmann sieht „die bloß gaffende, starrende, nur leidend teilneh434 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 85. 435 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 85. 436 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 86. 437 Pfeifle, ZG 2010, 283 (293). 438 Bockelmann, NJW 1960, 217 (219). 439 In diesem Sinne kann das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 119, 309, [320]) verstanden werden, wenn es die Bedeutung der audiovisuellen Berichterstattung für die Information der Allgemeinheit im Rahmen der Grenzen des § 169 Satz 2 GVG a. F. herausstellt, da diese Form der Berichterstattung den Erwartungen des Publikums entsprechen würde. 440 Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (264).
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mende Menge“ als nicht vom Öffentlichkeitsgrundsatz erfasst an.441 Kommt den Bedürfnissen der nur aus Neugierde und Sensationslust teilnehmenden Zuschauer daher bei der Entscheidung über den aus Kapazitätsgründen begrenzten Zugang oder die Verwendung moderner Kommunikationsmittel im Gerichtssaal geringeres Gewicht zu? Neben dem Idealbild einer „informierten Gesellschaft“ kommt den durch die Medien vermittelten Informationen auch die Bedeutung der Unterhaltung zu. Diese dienen vorrangig der Befriedigung sozialer Bedürfnisse.442 Das besondere Interesse gerade an Strafprozessen lässt sich darauf zurückführen, dass es sich beim Strafverfahren bedingt durch den prozessrechtlich vorgeschriebenen formalen Ablauf um ein mediengerecht inszeniertes Ereignis mit definitiver Rollenzuweisung aller Beteiligter handelt.443 Die Teilnahme an Strafverfahren, die sicherlich am häufigsten auf das Interesse am Sensationellem und die Neugierde an menschlichen Abgründen zurückzuführen ist, stellt nach Franke genauso wie das Nacherleben in der Gerichtsberichterstattung eine „Ersatzbefriedigung“ der Gesellschaft dafür dar, aufgrund des staatlichen Strafmonopols „ihrem Strafverlangen nicht selbst aktiv Ausdruck verleihen“ zu können. Es gehe damit um die Teilhabe an einem Geschehen, das ureigenste Bedürfnisse der Bürger betreffe.444 Für das Strafverfahren hat das Bundesverfassungsgericht ein anzuerkennendes Informationsinteresse damit begründet, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehörten, deren Vermittlung Aufgabe der Medien sei. Die Beeinträchtigung von Individualrechtsgütern, aber auch die damit einhergehende Verletzung der Rechtsordnung insgesamt, die Sympathie mit Opfern, die Furcht vor Wiederholungen und der Wunsch nach Prävention, begründen ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter. Das Informationsinteresse wird umso gewichtiger, je mehr sich die Straftat durch ihre besondere Begehungsweise oder die Schwere ihrer Folgen von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt.445 Die Verletzung der Rechtsordnung begründet demnach ein anzuerkennendes legitimes Informationsinteresse, dem sich die Justiz zu stellen hat.446 Selbst wenn Sensationslust und Neugierde in der Realität gelegentlich das überwiegende Informationsinteresse an Gerichtsverfahren – vor allem im Bereich 441
Bockelmann, NJW 1960, 217 (217). Meyer, Der Gerichtsprozess in der medialen Berichterstattung, 2014, S. 63. 443 Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 33 f., 45; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1998, S. 206. 444 Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, 1978, S. 69 f. 445 BVerfG NJW 2009, 350 (351). Vgl. ferner BVerfGE 35, 202 (230 f.); 119, 309 (321 f.). 446 Hillermeier, DRiZ 1982, 281 (282). 442
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des Strafrechts – ausmachen, darf dies jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass Gerichtsöffentlichkeit ausschließlich diesem Zweck diene.447 Allein der Blick auf Verfahren abseits der Strafgerichte zeigt, dass Sensationslust und Neugierde hier eher die Ausnahme darstellen. Entscheidet ein Zivilgericht über Fragen des Verbraucherschutzes, ein Verwaltungsgericht über die Genehmigung der Anflugrouten auf einen Flughafen oder das Bundesverfassungsgericht über fundamentale, die Staatsordnung betreffende Fragen, so geht es um die Befriedigung von Informationsinteressen, die sich gemeinhin als legitim bezeichnen lassen, da sie den öffentlichen Meinungsbildungsprozess vorantreiben. Im Übrigen ist eine Differenzierung zwischen dem allein der Sensationslust geschuldeten und dem „legitimen“ Informationsinteresse ohnehin nicht möglich. Mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG verbietet sich eine Bewertung und Abqualifizierung einzelner Beweggründe geradezu.448 3. Vertrauen und Akzeptanz Neben den bisher genannten Aufgaben trägt der Öffentlichkeitsgrundsatz zur Stärkung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Objektivität der Judikative bei und ermöglicht damit die Erreichung größtmöglicher Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen innerhalb der Gesellschaft.449 Vertrauen kann nur entstehen, wenn Vorgänge offen und transparent gestaltet und für jede beliebige Person einsehbar sind. Rechtsprechende Tätigkeit, die hinter verschlossenen Türen stattfindet, würde Misstrauen und Argwohn hervorrufen.450 Die Vertrauensbildung durch Öffentlichkeit und Transparenz richterlicher Entscheidungsfindung stellt dabei einen sich immer wieder erneuernden Prozess dar. Einmal gewonnenes Vertrauen bleibt daher nicht bedingungslos bestehen.451 Dies zeigt, dass der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit nach wie vor seine Bedeutung hat. Der Gerichtsöffentlichkeit kommt somit die Aufgabe zu, den „bösen Schein“ des Heimlichen zu verhindern und das Vertrauen in eine gerechte Rechtsprechung zu stärken.452 Dies fördert auch die Akzeptanz der Rechtsordnung insgesamt und führt zu einer stärkeren demokratischen Legitimation des Rechts,453 da der 447
Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, 1978, S. 70. 448 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1998, S. 206. 449 BGHSt 9, 280 (281); 21, 72 (74); Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 123 f.; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 I. 1. 450 BGHSt 3, 386 (387 f.); Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 96 f.; Hillermeier, DRiZ 1982, 281 (282). 451 Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (912); Odersky, in: FS für Gerd Pfeiffer, 1988, S. 325 (334); Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 52. 452 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 59. 453 In diese Richtung auch Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 43.
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Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit und die allein an Recht und Gesetz orientierte richterliche Entscheidungsfindung auf diese Weise auch nach außen hin erfahrbar und miterlebbar werden.454 Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Die Funktionsfähigkeit der Arbeit der Justiz hängt auch mit der Bereitwilligkeit der Bevölkerung zur Zusammenarbeit zusammen, dies etwa dann, wenn es um die bereitwillige Erfüllung der Zeugenpflicht oder des Anzeigeverhaltens in Bezug auf Straftaten geht. Durch Gerichtsöffentlichkeit gestärktes Vertrauen in die Rechtspflege begünstigt die Bereitwilligkeit zur Zusammenarbeit mit der Justiz.455 Vertrauens- und Informationsfunktion sind eng miteinander verbunden: So kann Vertrauen nur entstehen, wenn der Öffentlichkeit reale Informationsmöglichkeiten, die über eine bloß geöffnete Tür hinausgehen, geboten werden.456 Die Befriedungsfunktion des Rechts lässt sich nicht durch seine zwangsweise Umsetzung erreichen. Vertrauen in das Recht kann nur entstehen, wenn es gelingt, den Verstand der Bürger durch die Vermittlung von Informationen zu erreichen. Hier kommt den Medien eine wichtige Aufgabe zu, die eben diese Mittlerfunktion in einem demokratischen Staat übernehmen.457 Dabei trifft auch den Staat die Verantwortung das Rechtsverständnis und die Rechtskenntnis der Staatsbürger – sei es durch die Fassung und anschließende Veröffentlichung verständlicher Urteile oder die Gewährung von Auskunftsansprüchen und das Betreiben von Öffentlichkeitsarbeit – zu fördern.458 Ob dabei das Maß an Vertrauen mit dem Maß an Publizität wächst, ist allerdings zweifelhaft.459 Bezogen auf das Strafverfahren wird der Öffentlichkeitsgrundsatz mit den Aspekten positiver und negativer Generalprävention verbunden.460 Generalprävention setzt die Wahrnehmbarkeit von Ahndung und Sanktion voraus.461 Die positive Generalprävention führt zu einer Stärkung des Vertrauens in die Durchsetzbarkeit des geltenden Rechts und fördert dabei die Rechtstreue der Bürger.462 Dies gelingt allerdings am ehesten, wenn die Hauptverhandlung öffentlich stattfindet.463
454 Ranft, Jura 1995, 573 (575); Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 22. 455 Vietmeyer, Vor- und Nachteile von Fernsehöffentlichkeit, 2002, S. 50. 456 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 96 f. 457 Eberle, NJW 1994, 1637 (1638). 458 Vgl. dazu unten, Teil 1 B. V. 2. 459 Sarstedt, JR 1956, 121, (122); Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 42 f. 460 Meyer, Der Gerichtsprozess in der medialen Berichterstattung, 2014, S. 60. 461 Hillermeier, DRiZ 1982, 281 (282). 462 Meyer, Der Gerichtsprozess in der medialen Berichterstattung, 2014, S. 60. 463 Hillermeier, DRiZ 1982, 281 (282).
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4. Funktionswandel gerichtlicher Öffentlichkeit? Es wurde gezeigt, dass Gerichtsöffentlichkeit in dreifacher Hinsicht von Relevanz ist. Die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens ermöglicht Kontrolle und befriedigt das legitime Informationsinteresse der Allgemeinheit. Öffentlichkeit erzeugt Transparenz und führt dadurch zu Akzeptanz und Vertrauen in das Rechtssystem und die konkrete Rechtsanwendung. Der Öffentlichkeitsgrundsatz sorgt damit dafür, dass die Judikative sichtbar wird. Nur die Sichtbarkeit der Justiz sichert ihre Funktion, nämlich die Beilegung von Konflikten durch das Recht und die Schaffung von Rechtssicherheit und Verlässlichkeit in der öffentlichen Wahrnehmung.464 Alle diese Funktionen spiegeln das Gemeininteresse an einer gerechten Rechtspflege wieder. Gerichtsöffentlichkeit ist dabei Teil eines „staatsbürgerlichen Anschauungsunterrichts“.465 Durch die Öffentlichkeit gerichtlicher Entscheidungsfindung wird gewährleistet, dass sich der Bürger aus eigener Anschauung überzeugen kann, dass wirklich Recht gesprochen wird.466 Die Informationsfunktion kann als Kernanliegen des Öffentlichkeitsgrundsatzes angesehen werden. Keine der anderen Funktionen ließe sich realisieren, wenn nicht mittels der durch Öffentlichkeit hergestellten Transparenz Informationen ausgetauscht werden könnten.467 Die Informationsfunktion bildet damit die „instrumentelle Basis“ der übrigen Funktionen.468 Zum einen ist sie Grundlage für die Ausübung sachgerechter Kontrolle. Zum anderen lässt sich Vertrauen und Akzeptanz am ehesten erreichen, wenn Verständnis für das Recht sowie die Aufgaben und Funktionsweisen der rechtsprechenden Gewalt erzeugt und die Möglichkeit der Kontrolle gewährt wird.469 Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Gerichtsöffentlichkeit gerade auch in erheblichem Maße zur Bewusstseinsbildung der Bürger im Hinblick auf die Anwendung des Rechts beitragen kann.470 Die Stärkung von Verständnis, Vertrauen und Akzeptanz erfordert eine ausreichende Grundlage an Informationen. Die Kontrollfunktion stellt die aus historischer Perspektive wohl wichtigste Aufgabe des Öffentlichkeitsgrundsatzes dar. Inzwischen ist das dringende Bedürfnis nach Kontrolle aufgrund anderer Mechanismen allerdings abgeschwächt worden, es hat sich jedoch nicht erübrigt. Zu diesem Ergebnis kommen auch die 464
Vgl. Hess, FAZ v. 14. April 2016, Nr. 87, S. 6. Enders, NJW 1996, 2712 (2713). 466 Hegel, in: Glockner (Hrsg.), Sämtliche Werke, Bd. 7, 3. Aufl. 1952, S. 304. 467 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 45, 96 f. 468 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 205. 469 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 40; Gierhake, JZ 2013, 1030 (1032). 470 Dieckmann, NJW 2001, 2451 (2452). 465
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abweichenden Richter im Sondervotum der „n-tv-Entscheidung“.471 So stelle die Kontrollfunktion, die das Gerichtsverfahren aus der monarchischen Tradition lösen und der Geheimjustiz entgegenwirken sollte, heute vor dem Hintergrund der rechtsstaatlichen Durchdringung des gerichtlichen Verfahrens und dem generellen Ausbau demokratischer Kontrollmöglichkeiten nur ein Teilziel dar.472 Schon die Tatsache, dass die Öffentlichkeit des Verfahrens auf die mündliche Verhandlung begrenzt ist und damit nur einen Teil des gerichtlichen Verfahrens betrifft, verdeutliche, dass Öffentlichkeit offensichtlich nicht nur der rechtsstaatlichen Kontrolle dienen solle. Der individuelle Rechtsschutz würde in erster Linie durch ein umfassendes Rechtsschutzsystem gewährleistet.473 Insofern haben sich die Aufgaben der Gerichtsöffentlichkeit weiterentwickelt. Die öffentliche Beobachtung ermöglicht das Äußern von Kritik, gibt persönliche Orientierung im Umgang mit dem Recht und fördert die Akzeptanz der Rechtsordnung.474 Es hat damit eine Bedeutungsverlagerung von der Kontroll- hin zur Informationsfunktion stattgefunden. Die Kontrollfunktion ist allerdings nicht obsolet geworden. Vielmehr stellen beide Funktionen eine wechselbezügliche Einheit dar.475 Die Bedeutung der Kontrollfunktion darf auch darüber hinaus nicht unterschätzt werden. Richten bedeutet Macht und mit der Ausübung von Macht geht stets die Gefahr des Missbrauchs einher. Eine Aufgabe der Kontrollfunktion durch gerichtliche Öffentlichkeit wäre vor dem Hintergrund der historisch erwiesenen Effektivität dieses Instrumentariums geradezu widersinnig.476 Gerichtsöffentlichkeit ist damit integraler Bestandteil eines umfassenden Konzepts formeller und informeller Kontrollmechanismen. Der Kontrollfunktion gerichtlicher Öffentlichkeit kann letztlich „latent-präventive“ Relevanz zugeschrieben werden.477 Ihre volle Wirksamkeit entfaltet Gerichtsöffentlichkeit heutzutage erst durch die Medien.478 Als bloße Saalöffentlichkeit gedacht, könnte Gerichtsöffentlichkeit die oben genannten Funktionen nicht erfüllen. Denn voll besetzte Zuschauer471
BVerfGE 103, 44 (72 ff.). BVerfGE 103, 44 (72). 473 BVerfGE 103, 44 (72). 474 BVerfGE 103, 44 (72 f.). 475 Britz, JM 2015, 127 (130). 476 Vgl. dazu Hagenkötter, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 44 f. 477 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 155; Hagenkötter, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 45. 478 Maxin, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 109. 472
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bänke im Gerichtssaal stellen eher die Ausnahme dar. Medienöffentlichkeit ist daher nicht nur Reflex, sondern Zweck der Gerichtsöffentlichkeit.479 Eine funktionierende Gerichtsöffentlichkeit ist daher auf die Medien angewiesen. Die Medienöffentlichkeit erfüllt inzwischen weitestgehend eigenständig alle Funktionen, die im klassischen Rechtsstaat noch der Saalöffentlichkeit zugeschrieben waren.480 Der Wandel von der Saal- zur Medienöffentlichkeit verläuft insoweit parallel mit der Funktionsverschiebung von der Kontrolle hin zur Information. Wurde Gerichtsöffentlichkeit früher durch einzelne Repräsentanten hergestellt481 und wurden die Funktionen gerade auch durch die Symbolwirkung482 des grundsätzlich öffentlichen Verfahrens erfüllt, dienen diese einzelnen Repräsentanten heutzutage als Multiplikatoren, die eine erweiterte Öffentlichkeit herstellen. Aufgabe der Medienöffentlichkeit ist es, die Kenntnisnahme gerichtlicher Entscheidungen zu ermöglichen, die Kontrolle rechtsprechender Tätigkeit zu gewährleisten und die Integration und Akzeptanz der Judikative innerhalb der Gesellschaft zu stärken.483 Die Erfüllung dieser Aufgaben obliegt nicht allein den professionellen Medienvertretern, sondern kann von jedem erfüllt werden, der ein gerichtliches Verfahren aufmerksam beobachtet und anschließend darüber – in welcher Form auch immer – berichtet. Das Gros der Bevölkerung orientiert sich heutzutage überwiegend an den elektronischen Medien.484 Neu entstandene elektronische Technologien, Kommunikationsinfrastrukturen, Präsentationsformen und Medieninhalte, prägen große Zeiteinheiten des Tagesablaufs und bestimmen das Kommunikationsverhalten der Menschen nachhaltig.485 Die Judikative muss sich daher den technischen Realitäten moderner Massenmedien annähern, damit Gerichtsöffentlichkeit nicht an Wirkkraft und Bedeutung verliert und sich die Gerichte ihrer nicht durch ein Verbot Neuer Medien im Sitzungssaal entziehen.486 Letztlich bleibt damit festzuhalten: Ein Funktionswandel ist jedenfalls nicht in der Weise zu verzeichnen, dass eine der genannten Funktionen von einer anderen abgelöst wurde. Vielmehr haben eine Ausdifferenzierung und eine Bedeutungsverlagerung von der Kontroll- zur Informationsfunktion stattgefunden. Die Erfül479 So Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 20 f. Vgl. weiterhin Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 227, 229. 480 Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (346). 481 Vgl. Endemann, in: FS für Wolfgang Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 409 (416). 482 So Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 124. Vgl. dazu auch Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (344 ff.). 483 Stürner, JZ 2001, 699 (700). 484 Dieckmann, NJW 2001, 2451 (2452). 485 BVerfGE 103, 44 (73 f.). 486 Pfeifle, ZG 2010, 283 (293).
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lung der Funktionen verläuft dabei vermittelt über die Medien.487 Gerichtsöffentlichkeit wird deswegen überwiegend als Medienöffentlichkeit verstanden.488
IV. Verfassungsrechtliche Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit Nachfolgend soll es darum gehen, die verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkte gerichtlicher Öffentlichkeit herauszuarbeiten. Ein erster Teil geht der Frage nach, ob gerichtliche Verfahren von Verfassungs wegen überhaupt öffentlich ausgestaltet sein müssen. Der zweite Teil beschäftigt sich sodann mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Medienöffentlichkeit. Dabei sollen die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechte daraufhin untersucht werden, in welchem Umfang sie eine Berichterstattung über gerichtliche Verfahren schützen. Knüpft man unmittelbar an die Funktionen des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit an, fällt auf, dass die im Vordergrund stehende Legitimationssäule des Öffentlichkeitsgrundsatzes, nämlich dem legitimen Informationsinteresse der Allgemeinheit zu dienen, vornehmlich aus den Kommunikationsfreiheiten erwächst. Die klassischen Funktionen der Kontrolle und Vertrauensstiftung sind hingegen eher im Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip verwurzelt.489 1. Der verfassungsrechtliche Schutz der Gerichtsöffentlichkeit Die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens ist, anders als die Öffentlichkeit im Bereich der Legislative für Verhandlungen des Bundestages (Art. 42 Abs. 1 Satz 1, Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG) und des Bundesrates (Art. 52 Abs. 3 Satz 3 GG), im Grundgesetz nicht explizit geregelt. Genauso wenig finden sich im Grundgesetz Öffentlichkeitsvorschriften für den Bereich der Exekutive. Einzig Art. 43 Abs. 1, Art. 110 und Art. 114 GG wirken hier – und dabei ist insbesondere an die Budgetöffentlichkeit zu denken – öffentlichkeitsfördernd.490 In den Landesverfassungen einiger Bundesländer ist der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit hingegen ausdrücklich erwähnt.491 487 So auch Bosch (Jura 2016, 45 [47]), der feststellt, dass die zentralen Funktionen, nämlich die vertrauensschaffende Kontrolle des Gerichts und die Information der Öffentlichkeit in weitem Umfang nunmehr von Vertretern der Medien vorgenommen werden. 488 Vgl. Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979; Endemann, in: FS für Wolfgang Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 409 (416 f.); Zuck, NJW 2013, 1295 (1296); Stieper, JZ 2014, 271 (275). 489 Walther, JZ 1998, 1145 (1148). 490 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 20 Rn. 17. 491 Vgl. etwa Art. 90 Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 52 Abs. 4 Satz 2 Brandenburgische Verfassung, Art. 78 Abs. 3 Satz 2 Verfassung des Freistaates Sachsen.
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Dennoch gibt es in der Literatur Vertreter, die den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip492 des Grundgesetzes verankert sehen und diesem teilweise sogar Verfassungsrang zusprechen.493 Auch das Bundesverfassungsgericht geht von einem Verfassungsgrundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit als „Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips“ und Ausfluss des „allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip[s] der Demokratie“ aus.494 Das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie gilt nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG für „alle Staatsgewalt“ und somit auch für die Judikative.495 Nach Stürner ist der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit damit nicht nur Grundrecht, sondern auch institutionelle Garantie, die nicht jeder Form der Parteidisposition zugänglich ist.496 Der demokratische Rechtsstaat kann nach seinem Selbstverständnis nicht auf die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens verzichten, da staatliche Verfahren, in denen über mögliche Grundrechtseingriffe entschieden wird, transparent ablaufen müssen.497 Gegen die Ausstattung des Öffentlichkeitsgrundsatzes mit Verfassungsrang wird eingewandt, dass dann die Entscheidung darüber, in welchen Verfahren öf-
492 Pfeifle, ZG 2010, 283 (292); Feldmann, in: Radtke/Hohmann, StPO, 2011, § 169 GVG Rn. 6; Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, Vor § 169 GVG Rn. 6; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 55 Rn. 3; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 4; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 220; Neff, in: Prütting/ Gehrlein (Hrsg.), ZPO, 8. Aufl. 2016, § 169 GVG Rn. 1; Zimmermann, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 169 GVG Rn. 3; Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 6; Lückemann, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 1. 493 Stürner, JZ 2001, 699 (700); von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 9; Velten, in: Wolter (Hrsg.), SKStPO, Bd. 9, 4. Aufl. 2013, Vor § 169 GVG Rn. 8 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 20 Rn. 21; Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 6. Demgegenüber a. A.: Diemer, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar StPO, 6. Aufl. 2008, § 169 GVG Rn. 1; Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, Vor § 169 GVG Rn. 6; Schmidt/ Temming, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller (Hrsg.), StPO, 5. Aufl. 2012, § 169 GVG Rn. 1; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 55 Rn. 3; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 2. 494 BVerfGE 103, 44 (63); 119, 309 (319 f.). In einem ganz anderen Kontext: BVerfGE 70, 324 (358). Einen Verfassungsgrundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit noch ausdrücklich ablehnend: BVerfGE 15, 303 (307). 495 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (254). 496 Stürner, JZ 2001, 699 (700). In diese Richtung auch Grabenwarter/Pabel (in: Dörr/Grote/Marauhn [Hrsg.], EMRK/GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Kap. 14 Rn. 119), die davon ausgehen, dass es sich bei der Garantie wie bei den übrigen aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Verfahrensgarantien aufgrund des individualschützenden Charakters um ein grundrechtsgleiches Recht handelt. 497 Norouzi, StV 2016, 590 (591).
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fentlich verhandelt wird, „dem (einfachen) Gesetzgeber entzogen“ wäre.498 Dies sollte durch den Verzicht der Qualifizierung des Öffentlichkeitsgrundsatzes als Verfassungsnorm gerade vermieden werden.499 Diesem Einwand ist jedoch entgegenzuhalten, dass selbst wenn dem Öffentlichkeitsgrundsatz Verfassungsrang zukäme, noch keine Aussage über die Ausgestaltung im Einzelnen getroffen wäre.500 Auch das Bundesverfassungsgericht geht nicht von einer ausnahmslosen Geltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes aus. Vielmehr kann er „aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls [. . .] ganz oder teilweise ausgeschlossen werden“.501 Die Schaffung des Ausgleichs zwischen den kollidierenden Interessen im Wege der praktischen Konkordanz ist Aufgabe des (einfachen) Gesetzgebers.502 Die eher formelhaften Beschreibungen und nur schemenhaften Bezugspunkte zeigen, dass dahinter kein geschlossenes verfassungsrechtliches Konzept der Verfahrensöffentlichkeit steht.503 Wichtig ist vor allem, dass sich Gerichtsöffentlichkeit als Zuschaueröffentlichkeit strukturell von der politischen sowie der aktiv partizipierenden Öffentlichkeit im Verwaltungsverfahren unterscheidet.504 Die Frage der verfassungsrechtlichen Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit ist im Übrigen nicht unerheblich. Nur die verfassungsrechtliche Verankerung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bietet hinreichenden Schutz gegen seine Abschaffung.505 Im Folgenden wird es daher darum gehen, den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit in Anknüpfung an die funktionstheoretischen Erwägungen506 verfassungsrechtlich näher zu konkretisieren. a) Das Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie Nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Unter Demokratie ist die „Herrschaft des Volkes“ zu verstehen: „Das Volk ist Träger der Staatsgewalt.“ 507 Die Herrschaft der Regierenden im demokratischen Staat 498
Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 2. Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 2. 500 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 209 f. Dieser Gedanke findet sich auch bei Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 123. 501 BVerfGE 103, 44 (63 f.). 502 Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 I. 2.; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 210; von Coelln, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 9; Zimmermann, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 169 GVG Rn. 3. 503 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (442). 504 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (443). 505 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (255); Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 210; Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, 2004, S. 266; a. A. BGHSt 21, 72 (72 f.). 506 Vgl. oben, Teil 1 B. III. 507 Degenhart, Staatsrecht I, 32. Aufl. 2016, Rn. 25. 499
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ist damit keine, die diese aus eigenem Recht ableiten, sondern eine solche, die sich stets auf das Volk zurückführen lassen muss.508 Die Ausübung der Staatsgewalt erfolgt durch das Volk „in Wahlen und Abstimmungen“ und „durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung“ (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Dabei bedarf die Wahrnehmung staatlicher Befugnisse durch die Organe einer „effektiven demokratischen Legitimation“, die sich „in angebbarer Weise auf den Volkswillen zurückführen“ lässt und „gegenüber dem Volk verantwortet werden“ muss.509 Demokratische Legitimation gewährleistet die notwendige Verknüpfung zwischen dem Volk und den handelnden Staatsorganen und garantiert, dass „die Staatsgewalt auch wirklich (effektiv) vom Volk ausgeht“.510 Öffentlichkeit bietet im demokratischen Rechtsstaat eine Kontrollmöglichkeit, dient zugleich der Legitimation öffentlicher Gewalt und erfüllt damit eine wichtige Integrations- und Identifikationsleistung.511 Die Herstellung demokratischer Öffentlichkeit führt daher nicht zuletzt zu einer Beteiligung der Bürger an der staatlichen Willensbildung.512 aa) Öffentlichkeit des staatlichen Prozesses zur Stärkung demokratischer Legitimation Demokratische Legitimation ist in verschiedenen Formen möglich:513 Die funktionell-institutionelle demokratische Legitimation setzt direkt am Verfassungstext an. Der Verfassungsgeber hat Legislative, Exekutive und Judikative als besondere Organe mit eigenen Funktionen konstituiert und festgelegt, dass die nach Art. 20 Abs. 2 GG vom Volk ausgehende Staatsgewalt durch diese ausgeübt wird.514 Die organisatorisch-personelle demokratische Legitimation bezieht sich auf die zwischen dem Volk und den die staatlichen Aufgaben wahrnehmenden Amtswaltern bestehende ununterbrochene Legitimationskette.515 Dieser höchst vermittelte Vorgang516 erfordert eine konkrete, individuell auf den Amtswalter bezogene Legitimation, die in jedem Einzelfall auf den Volkswillen zurückführbar sein muss.517 Die sachlich-inhaltliche Form demokratischer Legiti508
Degenhart, Staatsrecht I, 32. Aufl. 2016, Rn. 25. BVerfGE 83, 60 (71 ff.); 93, 37 (66 ff.); Böckenförde, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 11. 510 Maurer, Staatsrecht I, 6. Aufl. 2010, § 7 Rn. 26. 511 Kühling, DVBl 2008, 1098, (1099). 512 Kühling, DVBl 2008, 1098, (1099). 513 BVerfGE 93, 37 (66 f.). 514 Ausführlich Böckenförde, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 15. 515 Böckenförde, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 16. 516 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 115. 517 Böckenförde, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 16. 509
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mation nimmt das Parlament als das aus Wahlen unmittelbar hervorgegangene Repräsentationsorgan in den Blick und erzeugt demokratische Legitimation einerseits mithilfe der Steuerung von Exekutive und Judikative durch das Gesetz518 und andererseits auf dem Wege der „sanktionierte[n] demokratische[n] Verantwortlichkeit“ des Parlaments durch periodisch wiederkehrende Wahlen.519 Bezogen auf das Legitimationsniveau ist vor dem Hintergrund dieser drei Modelle zu konstatieren, dass die Legislative verglichen mit der Exekutive und der Judikative über ein deutlich höheres Maß an demokratischer Legitimation verfügt.520 Auch wenn die funktionell-institutionelle demokratische Legitimation der Rechtsprechung durch die Art. 92 ff. GG weitestgehend abgesichert ist, führt die Vielfalt unterschiedlicher Verfahren der Richterbestellung in den Ländern und die Zusammensetzung der Richterwahlausschüsse zu Bedenken hinsichtlich der organisatorisch-personellen Legitimation.521 Hinzu kommt, dass im Bereich der Judikative die persönliche (Art. 97 Abs. 2 GG) und die sachliche (Art. 97 Abs. 1 GG) richterliche Unabhängigkeit zwar zu einer starken Bindung an das Parlamentsgesetz führen, weil sie den Schutz vor äußerer Einflussnahme gewährleisten. Richterliche Unabhängigkeit bedeutet aber auch, dass die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung durch den Richter im Wesentlichen unkontrolliert bleibt.522 Das mit Art. 97 GG abgesicherte Prinzip der Gesetzesbindung gilt allerdings nicht unbegrenzt. Vielmehr wird es oftmals durch die richterliche Rechtsfortbildung und die Entwicklung von Richterrecht durchbrochen.523 Im Strafverfahren ist es vor allem die Strafzumessung als Rechtsfolgenbestimmung, also die Entscheidung über die verbleibende Freiheit des Einzelnen, die erheblichen Legitimationsbedarf auslöst, der nicht bereits mit Verweis auf die gesetzliche Ermächtigung befriedigt ist.524 Das Legitimationsdefizit lässt sich im Bereich der Rechtsprechung durch Öffentlichkeit und Transparenz des gerichtlichen Verfahrens kompensieren. Die Verfahrensöffentlichkeit bietet eine Kontrollmöglichkeit, die dem Entstehen von Misstrauen gegenüber der rechtsprechenden Gewalt entgegenwirkt. Dabei steht nicht die Kontrolle jedes einzelnen Verfahrens, sondern die Kontrolle der Recht518
Dreier, in: ders. (Hrsg.), Bd. 2, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 116. Böckenförde, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rn. 21. 520 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 119. 521 Vgl. hierzu ausführlich Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 143. Vgl. auch Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006, S. 300 ff., 322 ff., 340 ff. 522 Jereschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, 1971, S. 76; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673 (677 ff.). Der Auffassung, gerichtliche Öffentlichkeit diene der Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit, entgegenstehend: Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 74 f. 523 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 119. 524 Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (454). 519
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sprechung insgesamt im Vordergrund.525 Sowohl die überwiegend von den Medien ausgeübte Kontrolle durch gerichtliche Öffentlichkeit als auch die durch die Öffentlichkeit erst ermöglichte Fachdiskussion wirken disziplinierend und sichern die Gesetzesbindung der dritten Gewalt ab.526 Verfahrensöffentlichkeit führt damit insbesondere zu einer Stärkung der sachlich-inhaltlich demokratischen Legitimation.527 bb) Öffentlichkeit des staatlichen Prozesses als Bedingung für die Wahlentscheidung Die Mitwirkung des Volkes an der Ausübung der Staatsgewalt erfordert ein in rechtlich festgelegten Formen geordnetes Verfahren,528 auf welches das Volk als Träger der Staatsgewalt tatsächlich Einfluss nehmen können muss.529 Hierzu sieht Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG vor, dass die Ausübung der Staatsgewalt einerseits durch das Volk selbst in „Wahlen und Abstimmungen“, andererseits vermittelt durch die Organe der Legislative, Exekutive und Judikative erfolgt. Wahlen und Abstimmungen dienen der unmittelbaren demokratischen Legitimation der staatlichen Organe.530 Konstitutiv für die Wahlentscheidung ist der vorgelagerte Prozess der „Volkswillensbildung“.531 Nur wenn der Einzelne über eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für seine Wahlentscheidung verfügt, vermag der Wahlakt als Ausdruck wirklicher politischer Mitentscheidung die notwendige demokratische Legitimation zu vermitteln.532 Wesentliche Voraussetzung einer möglichst freien Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen ist,533 dass die vom Volk legitimierten staatlichen Organe öffentlich agieren, um eine ausreichende Informationsgrundlage zu schaffen.534 Damit sind andere Informations525 Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673 (680); Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006, S. 227. 526 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006, S. 227. 527 A. A. Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (455) m.w. N.: ihm zufolge verschafft „Zuschauen [. . .] keine Legitimation“. Eine kritische Öffentlichkeit sei kein Ersatz für demokratische Herrschaft. 528 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 18 II. 4. c). 529 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 40. 530 Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 157. 531 BVerfGE 8, 104 (113, 115); Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 31. 532 Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, 1969, S. 60; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 152; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 31. 533 BVerfGE 20, 56 (99); 69, 315 (346). 534 Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, 1969, S. 60; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 152; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 213.
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möglichkeiten wie die staatliche Öffentlichkeitsarbeit nicht von vornherein ausgeschlossen – auch sie können zur Informiertheit der Bürger beitragen –, jedoch stellt die Öffentlichkeit staatlichen Handelns die einzige Form der Informationsbeschaffung dar, die weitestgehend frei von staatlichem Einfluss ist.535 Einzuräumen ist zwar, dass die Judikative gegenüber den politischen Wahlen und ihren Auswirkungen immunisiert ist.536 Allerdings zeigen sich hier nur die Besonderheiten der richterlichen Unabhängigkeit, der Akt demokratischer Delegation staatlicher Gewalt auf den Richter bleibt hingegen unberührt.537 Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns – auch der Judikative – ist mithin demokratiestaatlich gefordert, da Publizität des staatlichen Prozesses wesentliche Entscheidungsgrundlage für Wahlen und Abstimmungen ist. cc) Öffentlichkeit des staatlichen Prozesses als Bedingung effektiver Kontrolle Da Wahlen nicht nur der Legitimation erst zukünftig auszuübender Staatsgewalt, sondern gleichermaßen der rückblickenden Kontrolle ausgeübter Staatsgewalt dienen,538 ist es erforderlich, dass das Volk die Informationen und Beurteilungsgrundlagen erhält, die eine Bewertung des aktuellen staatlichen Handelns erlauben, um diese in der nächsten Wahlentscheidung sachgerecht berücksichtigen zu können.539 Ein Handeln staatlicher Organe im Bewusstsein der Verantwortlichkeit ist daher nur denkbar, wenn es öffentlich erfolgt und damit einer Bewertung durch das Volk zugänglich gemacht wird.540 Öffentlichkeit ist geeignet, staatliche Machtvorgänge bewusst werden zu lassen und zur Mitverantwortung durch eine von der Gesellschaft ausgehenden Kontrolle aufzurufen.541 Zwar ist in Bezug auf die Judikative zu konstatieren, dass das Volk nicht in der Lage ist, in den Entscheidungsbereich der Rechtsprechung mit juristischer Kon-
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So Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 213. Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, 1969, S. 74. Kritisch insoweit jedoch Gärditz (in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 [456 f.]), dem zufolge der demokratisch-legitimatorische Mehrwert des Öffentlichkeitsgrundsatzes eher vernachlässigbar ist. 537 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 248. 538 Badura, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, § 25 Rn. 31. 539 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 244 ff.; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 169; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. 2008, § 10 Rn. 28. 540 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 152. 541 Arndt, NJW 1960, 423 (424). 536
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sequenz einzugreifen.542 Was die Kontrollfunktion anbelangt, so ist aber dennoch, wenn auch (nur) vermittelt über die Legislative, die über Gesetze, Reformen und Prozessordnungen zu entscheiden hat, ein Hinwirken auf die Änderung festgestellter Unzulänglichkeiten möglich.543 Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen und der damit erzeugte Einblick in die konkrete Rechtsanwendung verdeutlichen, an welchen Stellen unter Umständen Anpassungs- oder Änderungsbedarf des Gesetzgebers besteht. Auch die sich im Wahlakt ausdrückende rückwirkende Kontrollfunktion erfordert damit eine durch Öffentlichkeit erzeugte Informationsgrundlage für den Wähler. dd) Öffentlichkeit des staatlichen Prozesses als Bedingung für die Bildung einer öffentlichen Meinung Die Willensbildung in einer Demokratie erfolgt immer vom Volk hin zu den Staatsorganen.544 Das Volk bringt nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG seinen politischen Willen allerdings nicht nur durch die Beteiligung an „Wahlen und Abstimmungen“ zum Ausdruck. Ebenso bedeutsam ist die ständige Einflussnahmemöglichkeit des Einzelnen auf den politischen Willensbildungsprozess und die Beteiligung an der Bildung einer öffentlichen Meinung zur Prägung der politischen Gesamtausrichtung und zur Vorformung des politischen Willens.545 Die öffentliche Meinung,546 als „eine Art Substrat gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse“,547 das erst durch das Vorhandensein der Kommunikationsgrundrechte ermöglicht wird,548 schafft dabei einen Gegenpol zu dem sich organschaftlich bildenden Willen.549 In Zeiten technisierter Verhältnisse wird die Wirksam542 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 248. 543 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 249. 544 Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 43; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 18. 545 BVerfGE 8, 51 (68); 20, 56 (98 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 150 f.; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. 2008, § 10 Rn. 7. 546 Vgl. ausführlich zu Begriff und Bedeutung Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42. 547 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 10. 548 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 150; Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 22. 549 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 150; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 170 f.
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keit dieses Prozesses insbesondere durch die elektronischen Medien garantiert und beschleunigt.550 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verlangt das Demokratieprinzip „eine ständige freie Auseinandersetzung zwischen sich begegnenden sozialen Kräften, Interessen und Ideen [. . .], in der sich auch politische Ziele klären und wandeln und aus der heraus eine öffentliche Meinung den politischen Willen vorformt. Dazu gehört auch, daß die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt ausübenden Organe und die jeweils verfolgten politischen Zielvorstellungen allgemein sichtbar und verstehbar sind“.551 Damit sich die Bildung der öffentlichen Meinung „frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich ,staatsfrei‘ vollziehen“ kann,552 ist die weitestgehende Öffentlichkeit staatlichen Handelns erforderlich.553 Nur wenn staatliche Machtvorgänge einer Bewertung in einem offenen Prozess zugänglich sind, können diese durch das Volk effektiv kontrolliert und bewertet werden. Daneben ist die Öffentlichkeit staatlichen Handelns Voraussetzung für Verständnis und Vertrauen der Staatsbürger.554 Auch wenn vereinzelt die Fähigkeit des Volkes bezweifelt wird, die Ordnungsmäßigkeit des gerichtlichen Verfahrens und die Rechtmäßigkeit richterlicher Entscheidungen sachgemäß beurteilen zu können,555 so ist dennoch darauf hinzuweisen, dass sich Demokratie als „eine Sache mündiger, informierter Staatsbürger, nicht einer unwissenden, [. . .] nur von Affekten und irrationalen Wünschen geleiteten Masse“ verstehen lässt.556 Die grundgesetzliche Ordnung geht erkennbar von einem selbstbestimmten Menschen aus, dessen Einbindung in das Gemeinwesen auf der „naturgegebenen Gleichwertigkeit aller Menschen beruht“.557 Das Volk muss – auch wenn gewisse Fragen nur von Experten beantwortet werden können – durch die Offenheit des staatlichen Prozesses in die Lage versetzt werden, sich ein Urteil über offene Fragen und anstehende Entscheidungen bil550 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 150. 551 BVerfGE 97, 350 (369) und so bereits auch BVerfGE 89, 155 (185). Vgl. ferner Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. 2008, § 10 Rn. 7; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 43. 552 BVerfGE 20, 56, (98 f.); 69, 315 (346). 553 BVerfGE 89, 155 (185); 97, 350 (369); Schnapp, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 20 Rn. 22. 554 BVerfGE 118, 277 (353); Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 101 f.; Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, 1969, S. 75; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 18. 555 Vgl. etwa Kloepfer (in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 60), dem zufolge die Justiz keiner demokratischen Legitimation durch die öffentliche Meinung bedürfe. Vgl. daneben Martens, Öffentlichkeit als Rechtsbegriff, 1969, S. 74. 556 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 152. 557 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 217.
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den zu können,558 denn ein offener politischer Diskurs ist auf mündige Bürger angewiesen.559 Letztlich geht es dabei nicht um eine fachliche Kontrolle der Judikative, sondern um eine auf übergeordneter Stufe stattfindende Offenlegung von Machtvorgängen.560 Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns ist damit auch hinsichtlich der Bildung einer öffentlichen Meinung von Bedeutung. ee) Legitimität durch Diskurs Wie demokratische Kontrolle durch Öffentlichkeit funktioniert, beschreibt Habermas mit der Diskurstheorie des Rechts.561 Dass sich die Diskurstheorie auch auf das spezielle Feld der Justiz übertragen lässt, erläutert Friehe mit seinen Ausführungen zur „diskursiven Gerichtsöffentlichkeit“.562 Die Idee der diskursiven Gerichtsöffentlichkeit soll im Folgenden nachgezeichnet werden. (1) Diskurstheorie des Rechts Die Diskursethik Habermas’ beschäftigt sich mit der Gültigkeit von Normen. Es geht mithin um die gesellschaftliche Akzeptabilität von Regeln und Werten.563 Kernthese der Diskurstheorie ist, dass eine Norm nur dann Geltung beanspruchen kann, wenn alle von ihr möglicherweise Betroffenen im Rahmen eines praktischen Diskurses Einverständnis über die Gültigkeit der Norm erzielen (würden).564 Im Rahmen dieses Diskurses findet ein universeller Rollentausch statt, in dem jeder die Perspektive eines jeden einnimmt, der von der Norm potentiell betroffen sein könnte. Normen werden damit einem Verallgemeinerungstest unterzogen.565 Jede Norm muss zu ihrer Gültigkeit dabei der Bedingung genügen, dass Folgen und Nebenwirkungen, die aus ihrer Befolgung herrühren, von allen Betroffenen akzeptiert werden können.566 Normen sind als legitim anzuse558 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 152. 559 Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. 2008, § 10 Rn. 9. 560 Arndt, NJW 1960, 423 (424); Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 218. 561 Einen Überblick über die Habermas’sche Diskurstheorie gibt Volkmann, JuS 1997, 976. 562 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 11 ff., 18 ff. 563 Volkmann, JuS 1997, 976, (978). 564 Habermas, Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, 1983, S. 76; ders., Faktizität und Geltung, 2. Aufl. 1992, S. 138. 565 Volkmann, Einführung in die Diskurstheorie des Rechts, JuS 1997, 976, (978). 566 Habermas, Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, 1983, S. 75 f.
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hen, wenn sie in einem freien Diskurs entstanden sind, in den die Öffentlichkeit einbezogen und in dem die vollständige Inklusion aller Betroffenen gewährleistet ist. Gleichzeitig müssen die Gleichverteilung der Kommunikationsrechte, die „Gewaltlosigkeit der Situation“, die nur „den zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ zum Zuge kommen lässt, und die Aufrichtigkeit der Äußerungen aller Beteiligten gewährleistet sein.567 Sobald diese Grundbedingungen erfüllt sind, haben Normen das Potential gesellschaftlicher Akzeptanz.568 Das demokratische Rechtssetzungsverfahren begründet in diesem Zusammenhang die Vermutung rationaler Akzeptabilität der gesetzten Normen, indem sie Ausdruck eines legitimen Willens sind.569 Einerseits ist Recht etwas positiv Gesetztes, dessen Befolgung erforderlichenfalls durch Sanktionen erzwungen werden kann. Andererseits soll der Diskurs aber gerade dazu beitragen, die Legitimität einer Regel in der Weise herbeizuführen, die eine Befolgung der Norm allein aus Achtung vor dem Gesetz selbst jederzeit möglich macht.570 (2) Übertragung der Diskurstheorie auf die Judikative Die Legitimität der Zwangsdurchsetzung von Recht ist noch nicht dadurch erfüllt, dass die Rechtsnorm von allen Betroffenen als Teilnehmer an einem rationalen Diskurs zwanglos akzeptiert571 wird. Denn die Legitimationserwartung, die an staatliche Normen aufgrund ihrer sanktionsbewehrten Durchsetzbarkeit gestellt wird, ist auch durch die Rechtsanwendung einzulösen, sodass auch diese im Einzelfall die allgemeine Zustimmung aller Betroffenen erfahren muss.572 Zu den Betroffenen eines gerichtlichen Verfahrens gehören nämlich nicht nur die Prozessbeteiligten, sondern prinzipiell alle Bürger.573 Diese All-Betroffenheit ergibt sich aus der Einbindung der Judikative in ein komplexes System der Rechtsfindung.574
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Habermas, Wahrheit und Rechtfertigung, 1999, S. 49. Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 16. 569 Habermas, Faktizität und Geltung, 2. Aufl. 1992, S. 51. 570 Habermas, Faktizität und Geltung, 2. Aufl. 1992, S. 49. 571 Habermas, Faktizität und Geltung, 2. Aufl. 1992, S. 138. 572 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 17. 573 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 17. 574 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 17. 568
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Friehe verwendet den Begriff der diskursiven Gerichtsöffentlichkeit, um den Anforderungen, die die verfassungsrechtliche Herleitung mit sich bringt, gerecht werden zu können. Diskursive Gerichtsöffentlichkeit soll die Basis für den kommunikativen Austausch zwischen der Justiz und der gesellschaftlich gebildeten öffentlichen Meinung sein.575 Die Überprüfung der Akzeptabilität justiziellen Handelns wird durch die Inklusion aller potentiell Betroffenen ermöglicht. Den Rechtsunterworfenen wird dadurch die Möglichkeit gegeben, das Urteil aus Respekt vor der richterlichen Rechtsanwendung zu befolgen.576 Wenn man bedenkt, dass sich richterliche Tätigkeit nicht auf die reine Anwendung des Rechts beschränkt, sondern dem Richter ein durch seine Unabhängigkeit gewährleisteter Bereich für Interpretation und Rechtsfortbildung verbleibt, so lässt sich mithilfe diskursiver Gerichtsöffentlichkeit das Legitimitätsniveau justiziellen Handelns erhöhen. (3) Die Grenzen der diskursiven Gerichtsöffentlichkeit Die Diskurstheorie setzt dem Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit aus sich heraus Grenzen. Zunächst ist zwischen dem institutionalisierten und dem allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs zu unterscheiden.577 Der institutionalisierte Rechtsdiskurs findet nach den Regeln der entsprechenden Prozessordnungen nur unter den Verfahrensbeteiligten statt.578 Die Gerichtsöffentlichkeit bezweckt hingegen eine Rückbindung dieses institutionalisierten Prozesses und gerade kein kommunikatives Wechselspiel zwischen den Verfahrensbeteiligten und der Öffentlichkeit.579 Genauso wenig lässt sie Mitentscheidung und sonstige Einflussnahmen580 zu.581 575
Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 18. 576 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 18. 577 Vgl. Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 18 f. Eine ähnliche Differenzierung vornehmend: Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006, S. 227. Wolf (Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 15 II 4, S. 155) erachtet zwei Kriterien für notwendig: „den wissenschaftlich offenen Richter“ und den „kommunikativen Richter“. 578 Habermas, Faktizität und Geltung, 2. Aufl. 1992, S. 288 ff.; Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 19. 579 Die Entscheidungshoheit liegt bei den beschlussfassenden Institutionen: so Habermas, Faktizität und Geltung, 2. Aufl. 1992, S. 437. 580 Vgl. zu den Einwirkungsmitteln der Öffentlichkeit und ihren tatsächlichen Auswirkungen Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 68 ff.
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Der Vorteil der Diskurstheorie liegt somit darin, dass es einerseits zu keiner Isolation des institutionalisierten Verfahrens kommt, andererseits aber die Notwendigkeit gesellschaftlicher Rückbindung gesehen und umgesetzt wird.582 Daneben treten diskursethische Einschränkungen. Wie eingangs erwähnt beschreibt Habermas den Rechtsdiskurs als eine gewaltlose Situation, die nur den „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ kennt.583 Die diskursive Gerichtsöffentlichkeit kann daher von vornherein nicht in Widerspruch zu den Prozessmaximen der Wahrheits- und Rechtsfindung geraten. Denn die Bildung der öffentlichen Meinung hat nach der Vorstellung der Diskursethik so zu erfolgen, dass es zu keiner Störung des Verfahrens kommt. Insoweit bedarf es keiner Beschränkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes.584 Diskursive Gerichtsöffentlichkeit setzt das Gebot der Fairness voraus. Im fairen Diskurs ist eine Beschränkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch die Prozessmaximen der Wahrheits- und Rechtsfindung nicht notwendig.585 Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist vielmehr bereits aus sich heraus beschränkt. ff) Zusammenfassung Es wurde gezeigt, dass die Verfahrensöffentlichkeit zu einer Stärkung der demokratischen Legitimation der Judikative beiträgt und ihr somit als Teil des Demokratieprinzips Verfassungsrang zukommt. Gerichtsöffentlichkeit ermöglicht die diskursive Kontrolle der Judikative586 und fördert die Akzeptanz des Rechts und seiner Anwendung. Bei allen diesen Aspekten kommt es darauf an, dass dem Bürger eine von staatlicher Wertung freie Informations- und Beurteilungsgrundlage gegeben wird. Gerade im Hinblick auf die rechtsprechende Gewalt kommt der Informationsfunktion des Öffentlichkeitsgrundsatzes – und dies arbeitet Britz besonders deutlich heraus587 – entscheidende Bedeutung zu. Rechtsanwendung durch den Richter ist auch als rechtsschöpferische Tätigkeit zu begreifen, da die richterliche Entscheidungsfindung immer auch mit einer wertenden Komponente 581 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 19. 582 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 19. 583 Habermas, Wahrheit und Rechtfertigung, 1999, S. 49. 584 So Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 19 f. 585 Friehe, in: Stiftung der Hessischen Rechtsanwaltschaft (Hrsg.), Von der Kontrolle des Gerichts zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Gesellschaft, 2014, S. 19 f. 586 Vgl. Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006, S. 227. 587 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 219 ff.
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verbunden ist.588 Verstärkt wird diese Einschätzung dadurch, dass der Gesetzgeber in heutiger Zeit oftmals dazu tendiert, Generalklauseln und Blankettnormen zu verwenden.589 Der rechtsprechenden Tätigkeit kommt damit ein Informationswert zu, der über die bloße Kenntnisnahmemöglichkeit von Gesetzen hinausgeht.590 Die Notwendigkeit der Öffentlichkeit gerichtlicher Verfahren ergibt sich zum einen daraus, dass der mündige Bürger nur so erfahren kann, welche Rechte ihm zustehen und welche Pflichten er hat.591 Zum anderen garantiert Gerichtsöffentlichkeit dem Bürger die Möglichkeit, durch die unmittelbare Wahrnehmung und Bewertung der Rechtsanwendung auf eine Rechtsentwicklung im offenen Diskurs zu reagieren.592 b) Die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips Auch dem Rechtsstaatsprinzip, das im Grundgesetz ausdrücklich nur in den Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG erwähnt wird, lassen sich Anhaltspunkte für die grundsätzliche Öffentlichkeit staatlichen Handelns entnehmen. Mit dem Rechtsstaatsprinzip wird diejenige Staatsform beschrieben, die politische Herrschaft nur im Rahmen des Rechts zulässt und damit die öffentliche Gewalt zum Schutze individueller Freiheit begrenzt.593 Nach Stern bedeutet Rechtsstaatlichkeit „die Ausübung staatlicher Macht auf der Grundlage von verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit“.594 Rechtsstaatlichkeit beschreibt damit „die Herrschaft von Gesetzen, nicht aber von Menschen“.595 Positiv-grundgesetzlicher Anknüpfungspunkt ist Art. 20 Abs. 3 GG, demzufolge die Legislative an die „verfassungsmäßige Ordnung“, Exekutive und Judikative an „Gesetz und Recht“ gebunden sind, und der damit den Grundgedanken der Gesetzesbindung zum Ausdruck bringt.596 588
Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 223. Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 223. 590 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 223. 591 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 223. 592 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 99 f.; Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 59 ff.; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 223 f. 593 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 191; Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 20 Rn. 138. 594 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 20 III. 1. 595 Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. 2008, § 12 Rn. 1. 596 Degenhart, Staatsrecht I, 32. Aufl. 2016, Rn. 138. 589
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Im Übrigen erschließt sich das Rechtsstaatsprinzip nur aus einer Gesamtschau verschiedener grundgesetzlicher Vorschriften: Zu den einzelnen rechtsstaatlichen Bestandteilen zählen insbesondere das Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG); die Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG); die Bindung staatlicher Gewalt an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG); das formelle Gesetz als Ausdruck der Mitbeteiligung der unmittelbar vom Volk gewählten Volksvertretung; der Grundsatz des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes; der Grundsatz, dass staatliche Gewalt begrenzt, messbar und vorausberechenbar sein muss; die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG); sowie der Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 GG).597 Die einzelnen Bestandteile verdeutlichen, dass mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht nur ein Prinzip im formellen Sinn (der sogenannte Gesetzesstaat) angesprochen ist, sondern auch auf Rechtsstaatlichkeit im materiellen Sinn (den sogenannten Gerechtigkeitsstaat) Bezug genommen wird.598 Zur Ableitung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit aus dem vielschichtigen Begriff des Rechtsstaates ist eine Zuordnung zu den einzelnen Elementen notwendig. Als Anknüpfungspunkte werden die Merkmale der Rechtssicherheit,599 der Verlässlichkeit600 und der Berechenbarkeit601 staatlichen Handelns genannt.602 Der aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbare Publizitätsgedanke verlangt daher staatliches Handeln „vor den Augen des Bürgers“.603 aa) Gerichtsöffentlichkeit und Publizität des Rechts (1) Normpublizität und Normklarheit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips Damit der Einzelne die eigene Verhaltensweise an der Rechtsordnung ausrichten kann, ist Rechtssicherheit und gesetzgeberische Kontinuität erforderlich. Daneben kommt es aber auch darauf an, dass jedermann die Möglichkeit erhält, sich stets über die aktuelle Rechtslage zu informieren.604 Im Ausgangspunkt wird dies durch den in Art. 82 Abs. 1 GG geregelten und im Übrigen unmittelbar aus dem 597 Vgl. zu den einzelnen Elementen des Rechtsstaatsprinzips Schmidt-Aßmann, in: HStR II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 69 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL Januar 2010, Art. 20 Rn. 22 ff. 598 Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. 2008, § 12 Rn. 2. 599 Ricker, AfP 1981, 320 (323). 600 BVerfG 24, 75 (98). 601 Jereschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, 1971, S. 82 f.; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, 1976, S. 69. 602 Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 37. 603 Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 140. 604 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 199 f.
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Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsatz der Normpublizität gewährleistet,605 der zunächst Bedingung für die rechtliche Existenz einer Norm ist, gleichzeitig aber auch von einer dem Bürger erkennbaren Ordnung ausgeht, auf deren Forderungen er sich eigenverantwortlich einstellen kann.606 Staatliche Machtäußerungen, durch die gegenüber dem Bürger Rechte und Pflichten begründet werden, müssen demnach messbar und vorausberechenbar sein.607 Allein der Grundsatz der Normpublizität vermag dem Bürger jedoch keine ausreichende Orientierungshilfe zu geben. Zwar stellt es gerade im Internetzeitalter ein leichtes Unterfangen dar, den Normtext von Gesetzen ausfindig zu machen. Allerdings wird es dem juristischen Laien oftmals nicht gelingen, allein anhand des Gesetzestextes seine Rechte und Pflichten zu erkennen und seine Verhaltensweise danach auszurichten.608 Durch die Normverkündung wird allein der Wortlaut eines Gesetzes öffentlich. Die Möglichkeit, Kenntnis von Inhalt und Bedeutung eines Gesetzes zu erlangen, wird mithilfe der Normpublizität allerdings nur teilweise und im Wesentlichen defizitär erfüllt.609 Eine rechtsstaatliche Ordnung umfasst daher auch das Gebot der Normklarheit, welches darauf gerichtet ist, dass Normen inhaltlich so klar gefasst sein müssen, um dem Bürger ein hinreichend klares und selbständiges Bild von der Rechtslage zu ermöglichen.610 Der Gesetzgeber muss den Normtext danach so formulieren, dass der Bürger den Inhalt des Rechts mit hinreichender Sicherheit auch ohne spezielle Kenntnisse feststellen kann.611 (2) Öffentlichkeit der Dritten Gewalt zur Stärkung der Normpublizität und Normklarheit Bedingt durch eine immer komplexer werdende Rechtsordnung wird sich der juristische Laie – selbst bei größter gesetzgeberischer Sorgfalt, allein aufgrund der Gebote der Normklarheit und Normpublizität – ein vollständiges und selbständiges Bild der ihn betreffenden Rechte und Pflichten in der Regel nicht verschaffen können.612 Einen weiteren wichtigen Beitrag kann in diesem Zusammenhang die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens leisten, die zur größt605 BVerfGE 90, 60 (85); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL Januar 2010, Art. 20 Rn. 51 ff.; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 123. 606 Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 140. 607 Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 37. 608 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 201. 609 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 201. 610 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 57. EL Januar 2010, Art. 20 Rn. 53. 611 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 141. 612 In diese Richtung auch Sommermann (in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 303), der als Mittel zuverlässiger rechtlicher Orientierung auch behördliche Auskünfte vorschlägt.
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möglichen Publizität der Rechtsordnung beiträgt, damit die Rechtskenntnis der Bürger fördert und ihnen eine wesentliche Orientierungshilfe verschafft.613 Dabei dient gerichtliche Öffentlichkeit nicht nur der Verdeutlichung der Anwendung des materiellen Rechts. Sie sorgt ebenso dafür, dass die Rechtsordnung auch hinsichtlich ihrer Verfahrensweise, also auf das Prozessrecht bezogen, öffentlich ist.614 Die Publizität der Rechtsanwendung ist damit grundsätzlich geeignet, den Grundsatz der Normklarheit zu stärken. (3) Die Bedeutung der Medien bei der Vermittlung des Rechts Bei der Herstellung dieser Öffentlichkeit kommt den Medien eine entscheidende Aufgabe zu. Da sich die Bürger weniger durch die persönliche Anwesenheit im Gerichtssaal,615 sondern vielmehr vermittelt durch die Medien über gerichtliche Verfahren informieren, werden durch die Saalöffentlichkeit die Defizite der Normpublizität nur in geringem Maße ausgeglichen. Vielmehr wird die Aufgabe der Erzeugung von Öffentlichkeit in heutiger Zeit ganz besonderes von den Medien erfüllt.616 Hinzu kommt, dass die vor Gericht stattfindenden Erörterungen in zahlreichen Fällen weniger geeignet sind, dem Laien die entscheidenden Erwägungen zu verdeutlichen. Insoweit ist ein vermittelndes Medium, das die für den Bürger relevanten Überlegungen einer gerichtlichen Entscheidung verdeutlicht, auch vor diesem Hintergrund förderlich.617 Medienöffentlichkeit gleicht damit durch ihre Breitenwirkung die Defizite der Saalöffentlichkeit aus und sorgt für eine didaktische Aufbereitung618 des relevanten Prozessstoffes.619 Wenn man hiergegen einwendet, dass die Medien dieser Aufgabe oftmals nur defizitär nachkommen, schmälert dies den Gedanken der Notwendigkeit einer öffentlichen Rechtsanwendung nicht. Dieser Befund veranlasst zur Kritik an den Medien, führt aber mehr noch zu der Frage, welchen Beitrag die Gerichte – etwa durch regelmäßige Pressemitteilungen und die Einrichtung von Gerichtspressestellen – 613 Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 52 f., 93 f.; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 201 f. 614 Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 322 f.; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 204 f. 615 Zuck, NJW 1995, 2082 (2083); Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 207; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 155. 616 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 202. Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. III. 2. c). 617 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 202. Anders hingegen Franke (Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, 1978, S. 52 f.), der die Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip im Hinblick auf einen möglichen Erkenntnisgewinn durch ein gerichtliches Verfahren für den Bürger in Frage stellt. 618 Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 33 f. 619 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 203.
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zu einer qualitativ wertvolleren und angemesseneren Berichterstattung beitragen müssen.620 (4) Öffentlichkeit der Rechtsanwendung als notwendige Konsequenz der Normpublikation Letztlich ist die Öffentlichkeit der Normanwendung im Hinblick auf den Gedanken der Vorausberechenbarkeit staatlichen Handelns die sich an die parlamentarische Debatte und den Akt der Normpublikation anschließende logische und notwendige Konsequenz. Gleiches gilt schließlich für die verfassungsrechtlich gebotene Publikationspflicht gerichtlicher Entscheidungen, da erst das Urteil aufzeigt, welche Lösungen die Rechtsordnung in einzelnen Fällen vorsieht.621 Festzuhalten bleibt damit auch, dass die verfassungsrechtlich fundierte Öffentlichkeit weit über die in § 169 GVG normierte Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung hinaus reicht. bb) Gerichtliche Öffentlichkeit zum Schutze weiterer Prinzipien und Ziele rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung Während sich der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit im Sinne einer transparenten Rechtsanwendung am deutlichsten als Annex zu den Prinzipien der Normpublizität und Normklarheit aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten lässt, erfasst Rechtsstaatlichkeit noch weitere Elemente, die für die verfassungsrechtliche Fundierung der Gerichtsöffentlichkeit fruchtbar gemacht werden können. (1) Gerichtsöffentlichkeit zur Förderung eines fairen Verfahrens? Aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, aber auch aus der Gewährleistung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) folgt der Grundsatz eines fairen gerichtlichen Verfahrens, der darüber hinaus in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ausdrücklich Erwähnung findet.622 Das Prozessgrundrecht auf ein faires gerichtliches Verfahren gebietet, dass die Durchsetzung des materiellen Rechts nicht durch eine erschwerende Handhabung verfahrensrechtlicher Regelungen beeinträchtigt wird.623 Ferner gewährt der Grundsatz des fairen Verfahrens Schutz vor Nachteilen, die sich aus widersprüchlichem und unvorhersehbarem Verhalten des
620 Bührke, DRiZ 1966, 5 (7); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 203 f. 621 BVerwG 104, 105 (109). Vgl. hierzu auch noch die Ausführungen unten, Teil 1 B. V. 2. b). 622 BVerfGE 57, 250 (274 ff.); 86, 288 (317 f.); Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl. 2008, § 47 Rn. 24. 623 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 216.
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Richters ergeben.624 Die Gewährleistung eines fairen Verfahrens ist vor allem im Strafverfahren von enormer Wichtigkeit. So dürfen die Wahrheitsermittlung und die Klärung der Schuldfrage als vordringlichstes Anliegen des Strafprozesses nicht um jeden Preis erfolgen.625 Das Prinzip der Waffengleichheit verlangt daher zur Sicherung eines fairen Verfahrens, dass ein Strafprozess beschleunigt durchgeführt,626 der Angeklagte wirksam verteidigt627 und nicht zum Objekt des Verfahrens gemacht wird.628 Das Gericht hat diese besonderen Gewährleistungen, die dem spezifischen Schutz der Verfahrensbeteiligten dienen, zu berücksichtigen.629 Dies erfordert ein hohes Maß an Distanz, Unbefangenheit und Neutralität.630 Gerichtsöffentlichkeit kann ein faires Verfahren fördern, indem es das Prozessgeschehen transparent und sichtbar macht631 und durch seine disziplinierende Wirkung zur Wahrheitsfindung beiträgt.632 Allerdings gehen mit der Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens im Hinblick auf eine faire, rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung nicht nur Vorteile einher. So kann Öffentlichkeit ebenso dazu führen, dass Einlassungen nicht der Wahrheit entsprechen, da Äußerungen vor dem Richter oftmals mit dem Eingeständnis eigener oder fremder Fehler beziehungsweise Schwächen verbunden sind.633 Verfahrensbeteiligte könnten im Extremfall sogar in ihrem Recht auf rechtliches Gehör und ihrem Ziel einer möglichst wirksamen gerichtlichen Durchsetzung des eigenen Anliegens beeinträchtigt werden, wenn sie gerade wegen der – durch Medienberichterstattung erst erzeugten – (Medien-)Öffentlichkeit auf das Vorbringen bestimmter Verteidigungsmittel verzichten würden. Ein faires Verfahren wäre unter solchen Umständen nicht mehr gesichert.634 Damit zeigt sich, dass sich die Einhaltung eines fairen Verfahrens durch die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit einerseits fördern lässt, andererseits der erzeugte öffentliche Druck auch zu Gefahren für die Rechte der Verfahrensbeteiligten führen kann. Im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens ist der Nutzen gerichtlicher Öffentlichkeit damit differenziert zu betrachten. 624 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 216; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 103 Rn. 42. 625 Degenhart, Staatsrecht I, 32. Aufl. 2016, Rn. 460. 626 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 39. EL Juli 2001, Art. 2 Rn. 74. 627 Degenhart, Staatsrecht I, 32. Aufl. 2016, Rn. 460. 628 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 39. EL Juli 2001, Art. 2 Rn. 74. 629 Badura, Staatsrecht, 6. Aufl. 2015, H 35. 630 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 216. 631 Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, 3. Aufl. 2009, Art. 6 Rn. 187. 632 BGHSt 9, 280, (281). 633 BGHSt 9, 280 (283); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 214. 634 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 214 f.
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(2) Gerichtsöffentlichkeit zum Schutze richterlicher Unabhängigkeit? Mit Art. 97 GG wird die richterliche Unabhängigkeit als eines der zentralen Elemente des Rechtsstaatsprinzips geregelt. Die richterliche Unabhängigkeit ist Kennzeichen der Neutralität der rechtsprechenden Gewalt durch unbeteiligte Dritte als Richter und kann insofern als Ausdruck der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) und Voraussetzung der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) verstanden werden.635 Sie bezweckt damit das Freihalten der Rechtsprechung von sachfremden Erwägungen jedweder Art.636 Richterliche Unabhängigkeit ist in sachlicher (Art. 97 Abs. 1 GG) und in persönlicher Hinsicht (Art. 97 Abs. 2 GG) garantiert. Sachliche Unabhängigkeit bedeutet die Unzulässigkeit und damit Unabhängigkeit von Weisungen durch die Legislative und Exekutive.637 Sachliche richterliche Unabhängigkeit bezieht sich im Übrigen, insbesondere was das Vertreten einer eigenen Rechtsaufassung betrifft, auch auf die Unabhängigkeit von der Judikative selbst.638 Durch die persönliche Unabhängigkeit wird der Richter in seinem amtsrechtlichen Status geschützt.639 Sie gewährt ihm damit Schutz vor Sanktionen für missliebige Entscheidungen.640 Während die Gerichtsöffentlichkeit im absolutistisch-monarchischen Staat noch einen erheblichen Anteil an der Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit hatte, wird sie heute durch Art. 97 GG explizit und effektiv gewährleistet.641 Der unmittelbare Zugriff auf ein bestimmtes Verfahren stellt damit nur noch eine latent vorhandene Gefahr dar. Bedeutsamer sind heutzutage Bedrohungen, die durch justizinterne und subtilere Mechanismen – etwa durch dienstrechtliche Beurteilung, Beförderung oder Einstellung642 – veranlasst sind und die deswegen in der mündlichen Verhandlung nicht sichtbar zu Tage treten.643 Gerichtliche Öffentlichkeit kann solchen Einflussnahmeversuchen nur bedingt,644 mitunter gar nicht begegnen.645 Weiterhin müssen auch die Gefahren, die gerichtliche Öffentlichkeit für die richterliche Unabhängigkeit mit sich bringen kann, in die Betrachtung einbezo635 Papier, NJW 1990, 8 (9 f.); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 14; Detterbeck, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 1. 636 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 464. 637 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 19 ff. 638 Detterbeck, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 14 ff. 639 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 97 Rn. 48 ff. 640 Papier, NJW 2001, 1089 (1089). 641 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 206. 642 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 200. 643 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 206 f. 644 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 207. 645 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 200; a. A. Prütting, in: FS für Rolf A. Schütze, 1999, S. 685 (688).
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gen werden. Richterliche Unabhängigkeit bedeutet zwar eine Freistellung von staatlicher Abhängigkeit, sie darf aber nicht mit „Verantwortungslosigkeit“ gegenüber dem Bürger verwechselt werden.646 Justizkritik muss daher im Rahmen der Gewährleistungen der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG weiterhin möglich bleiben. Dennoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass Öffentlichkeit, vor allem aber die durch die Medien erzeugte Publizität, einen sozialen Druck auf den Richter ausüben kann, der geeignet ist, ihn in einer freien Entscheidung zu beeinträchtigen.647 Insofern erscheint es wenig überzeugend, mithilfe des Öffentlichkeitsgrundsatzes die Garantie der „sozialen Unabhängigkeit“ des Richters648 sichern zu wollen, da ja gerade durch die Herstellung der Öffentlichkeit erst die oben genannten Gefahren entstehen, die es wiederum einzudämmen gilt.649 Franke fordert daher sogar Maßnahmen, mit deren Hilfe insbesondere die Informationsmedien daran gehindert werden, die in der öffentlichen Verhandlung gewonnen Erkenntnisse in einer Weise zu verarbeiten, die der richterlichen Entscheidung vorgreifen würden.650 Allerdings kann die Öffentlichkeit des Verfahrens von Coelln zufolge auch eine von sozialem Druck befreiende Wirkung haben: Denn je transparenter das gerichtliche Verfahren ausgestaltet ist, desto eher hat der Richter die Möglichkeit der Öffentlichkeit seine Entscheidungen verständlich zu machen.651 Gerichtliche Öffentlichkeit kann dem Richter damit auch erst die nötige Unabhängigkeit vor möglichen Einflussnahmeversuchen verschaffen.652 cc) Zusammenfassung Es wurde damit gezeigt, dass der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit auch im Rechtsstaatsprinzip verwurzelt ist. Dieses Ergebnis lässt sich insbesondere mithilfe der Grundsätze der Normpublizität und -klarheit begründen. Andere Anknüpfungspunkte wie die Gewährleistung eines fairen Verfahrens oder der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit lassen sich durch den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit zwar fördern, können durch die Öffentlichkeit aber ebenso beeinträchtigt werden. Zur verfassungsrechtlichen Fundierung des Öffentlichkeits646 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 250. 647 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 208. 648 Diese Differenzierung geht zurück auf Bettermann, in: ders./Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 3, HBd. 2, 1959, S. 528. 649 Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, 1978, S. 56; zustimmend Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 39. Vgl. daneben auch Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 46 ff. 650 Franke, Die Bildberichterstattung über den Angeklagten und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafverfahren, 1978, S. 56 f. 651 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 211. 652 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 211.
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grundsatzes sind sie daher nur bedingt geeignet. Leitet man den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit damit aus dem Rechtsstaatsprinzip ab, so geht es in erster Linie um die Transparenz der Rechtsanwendung. c) Der Öffentlichkeitsgrundsatz nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK Zuletzt soll der Blick noch auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gerichtet werden. Diese Vorschrift teilt zwar den Rang des Zustimmungsgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) als einfaches Bundesgesetz,653 kann allerdings aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes bei der Interpretation von Verfassungsrecht als Auslegungshilfe herangezogen werden.654 Die Verankerung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit im Rechtsstaatsprinzip und dem Publizitätsgebot der Demokratie hat das Bundesverfassungsgericht diesbezüglich auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK begründet.655 Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage öffentlich verhandelt werden. Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Verhandlungen vor den Zivil- und Strafgerichten. Allerdings wird der Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK auch auf die öffentlich-rechtlichen Verfahren ausgeweitet, die einen starken Bezug zu privatrechtlichen Rechtsverhältnissen haben.656 Streitigkeiten aus dem Kernbereich des öffentlichen Rechts liegen außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 6 EMRK.657 Im Übrigen ist die Entscheidung für die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens umfassend zu verstehen und erfasst damit nicht nur eine öffentliche mündliche Verhandlung, sondern auch die Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidungen.658 Der Öffentlichkeitsgrundsatz bezieht sich auf die gesamte mündliche Verhandlung; die Begrenzung etwa nur auf eine öffentliche Beweisaufnahme wäre daher unzulässig.659 Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK geht von einer 653 Giegerich, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Kap. 2 Rn. 47. 654 Giegerich, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Kap. 2 Rn. 48 f., 71 ff. 655 BVerfGE 103, 44 (63 f.). 656 Vgl. zu den Abgrenzungsfragen die sich in diesem Zusammenhang ergeben: Meyer, in: Karpenstein/Mayer (Hrsg.), EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 6 Rn. 14 ff.; Grabenwarter/Pabel, EMRK, 6. Aufl. 2016, § 24 Rn. 8 ff. 657 Meyer, in: Karpenstein/Mayer (Hrsg.), EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 6 Rn. 17; Grabenwarter/Pabel, EMRK, 6. Aufl. 2016, § 24 Rn. 13. 658 Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Kap. 14 Rn. 119. Vgl. zur Publikationspflicht von gerichtlichen Entscheidungen auch noch unten, Teil 1 B. V. 2. b). 659 Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, 3. Aufl. 2009, Art. 6 Rn. 190.
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Volks-, nicht nur einer Parteiöffentlichkeit aus. Diese soll zur Transparenz gerichtlicher Entscheidungsfindung beitragen, der Allgemeinheit die Kontrolle über die Judikative ermöglichen, das Vertrauen in die Rechtsprechung stärken und ein faires Verfahren garantieren.660 Dies sind Elemente, die dem demokratischen Prinzip zugeordnet werden können.661 Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK bezweckt damit den Schutz vor den Gefahren einer Geheimjustiz.662 Ebenso werden Einflussnahmeversuche der Politik verhindert oder jedenfalls erheblich erschwert, was zu einer Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit führt.663 Aus rechtsstaatlicher Perspektive betrachtet, gewährleistet Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz einen Mechanismus, der verhindert, dass der Einzelne zum Objekt staatlichen Handelns gemacht wird und dafür Sorge trägt, dass die Waffengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten gewahrt bleibt.664 Zur Öffentlichkeit i. S. d. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zählt auch die Medienöffentlichkeit. So wird Verfahrensöffentlichkeit in heutiger Zeit im Wesentlichen durch die Medienberichterstattung erzeugt.665 Ob Bild- und Tonaufnahmen während einer gerichtlichen Verhandlung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar wären, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig entnehmen. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 EMRK sieht lediglich vor, dass „Presse und Öffentlichkeit“ während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden können. Da nicht anzunehmen ist, dass Berichterstattung durch Rundfunk gegenüber der Presseberichterstattung privilegiert sein sollte, umfasst die von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK normierte Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens zunächst nicht auch die Rundfunk- und Filmberichterstattung. 666 Letztlich kann eine Antwort auf die Frage der Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen daher nur im Spannungsfeld von Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 10 EMRK) und dem Schutz der Persönlichkeit und des Privatlebens (Art. 8 EMRK) der Verfahrensbeteiligten gefunden werden.667 Aufgrund des Konventionsrechts ist die Möglichkeit von Bild- und Tonaufnahmen während einer gerichtlichen Verhandlung damit jedenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
660 EGMR-E 2, 312 (315); EGMR NJW 2009, 2873 (2873); Valerius, in: Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, 29. Ed. 01.01.2018, Art. 6 EMRK, Rn. 18. 661 Morscher/Christ, EuGRZ 2010, 272 (273 f.). 662 Tubis, NJW 2010, 415 (415); Meyer-Ladewig, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 183. 663 Morscher/Christ, EuGRZ 2010, 272 (273 f.). 664 Morscher/Christ, EuGRZ 2010, 272 (273). 665 Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Kap. 14 Rn. 120. 666 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (267 f.). 667 Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Kap. 14 Rn. 120.
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Die in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 EMRK angesprochenen Beschränkungsmöglichkeiten sind weder im Einzelnen detailliert beschrieben noch stehen sie unter dem Vorbehalt eines Gesetzes. Der Ausschluss der Öffentlichkeit insgesamt oder von Teilen668 kann damit direkt durch das Vollzugsorgan, also den Richter angeordnet werden, der lediglich die in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 EMRK genannten Ziele (Moral, öffentliche Ordnung, nationale Sicherheit, Jugendschutz, Schutz von Persönlichkeitsrechten und der Rechtspflege) und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat.669 Gleiches gilt auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Beschränkung des aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit, mit dem Unterschied, dass der Gesetzgeber über die Ausgestaltung im Einzelnen zu entscheiden hat.670 Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 EMRK müssen Urteile öffentlich verkündet werden. Der öffentlichen Verkündung wird bereits mit einem Anspruch auf Veröffentlichung des Urteils entsprochen,671 da es zur Gewährleistung der Kontrollfunktion ebenso ausreicht, wenn lediglich der Text des Urteiles der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.672 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte berücksichtigt mit dieser großzügigen Auslegung in pragmatischer Weise die unterschiedlich ausgestalteten Verfahrensregelungen der einzelnen Vertragsstaaten.673 Dem Erfordernis der öffentlichen Urteilsverkündung ist selbst dann noch genüge getan, wenn das Urteil hinterlegt und für jedermann zugänglich ist674 oder der Urteilstext einer Person erst dann bekannt gegeben wird, sofern sie ein berechtigtes Interesse geltend machen kann.675 Allerdings stellt die Veröffentlichung des Urteilstenors einschließlich Begründung die Minimalanforderung einer Urteilsverkündung dar.676 d) Zusammenfassung Es wurde gezeigt, dass der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit zwar nicht explizit im Grundgesetz geregelt ist, aber dennoch vom Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vorausgesetzt wird. So bedarf es der Öffentlichkeit in jedem Bereich 668
Grabenwarter/Pabel, EMRK, 6. Aufl. 2016, § 24 Rn. 78. Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Kap. 14 Rn. 121 f. 670 BVerfGE 103, 43 (64). 671 Grabenwarter/Pabel, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Kap. 14 Rn. 135. 672 EGMR-E 2, 312 (316 f.). 673 Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, 3. Aufl. 2009, Art. 6 Rn. 197; Meyer, in: Karpenstein/Mayer (Hrsg.), EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 6 Rn. 71. 674 EGMR-E 2, 312 (317). 675 EGMR-E 2, 345 (351). 676 EGMR NJW 2009, 2873 (2875). 669
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staatlichen Handelns, um die Kontrolle der durch das Volk demokratisch legitimierten Vertreter zu ermöglichen.677 Ferner muss dem Volk als Souverän eine Möglichkeit gegeben werden, überwachen zu können, ob die von seinen Parlamentsvertretern beschlossenen Gesetze auch ordnungsgemäß angewendet werden.678 Öffentlichkeit hat damit eine disziplinierende Wirkung in Bezug auf die richterliche Gesetzesbindung.679 Demokratie bedeutet weiterhin, Machtvorgänge bewusst werden zu lassen und zur Mitverantwortung für sie aufzurufen.680 Diese Aufgabe wird in erster Linie durch die Medien erfüllt. Dabei sind auch die Neuen Medien bei der Aufgabenerfüllung mit zu berücksichtigen, anstatt sich ihrer durch gesetzliche Verbote zu erwehren.681 Wenn die allumfassende Medienund Kommunikationsgesellschaft herrscht, erscheint es inkonsequent, in gewissen Bereichen Beschränkungen hinnehmen zu müssen. Für eine lebendige Öffentlichkeit und die Offenlegung von Machtvorgängen sind auch neuartige Kommunikationsformen notwendig.682 Einschränkend muss jedoch auch bedacht werden, dass es im Zusammenhang mit der Judikative nicht um politische Macht, sondern um die Macht des Rechts geht, das von jeder Beeinflussung freigehalten werden muss.683 Der Gerichtsöffentlichkeit kommt damit ein eigenständiger verfassungsrechtlicher geschützter Wert zu. Ihre Abschaffung wäre mit den Vorgaben des Grundgesetzes nicht vereinbar. Der Gesetzgeber hat allerdings einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung im Einzelnen.684 Insoweit ist die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit – etwa zugunsten des Persönlichkeitsschutzes – nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Beschränkung der Verfahrensöffentlichkeit muss jedoch die Ausnahme bleiben, was eine restriktive Anwendung der §§ 169 ff. GVG zur Folge hat.685 Dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz der Medien, insbesondere auch der Neuen Medien soll in dem nun folgenden Abschnitt nachgegangen werden. 2. Der verfassungsrechtliche Schutz der Medienöffentlichkeit Gerichtsöffentlichkeit ist vor allem Medienöffentlichkeit. Daher tritt neben die staatsorganisationsrechtliche Begründung der Gerichtsöffentlichkeit auch eine, 677 Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 80; von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 9. 678 Bäumler, JR 1978, 317 (320). 679 Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Gewalt, 2006, S. 227. 680 Arndt, NJW 1960, 423 (424). 681 So schon Arndt, NJW 1960, 423 (424). 682 Enders, NJW 1996, 2712 (2712). 683 Erdsiek, NJW 1960, 1048 (1049). 684 Vgl. dazu BVerfGE 103, 44 (61, 64, 80). 685 Vgl. bezogen auf das Strafverfahren: Gärditz, in: FS für Hans-Ullrich Paeffgen, 2015, S. 439 (479).
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die auf den Medienfreiheiten beruht. Dabei geht es vor allem um den verfassungsrechtlichen Schutz des öffentlichen Informationsinteresses.686 Nur noch selten informiert sich der Bürger aus der eigenen, unmittelbaren Anschauung heraus über gerichtliche Verfahren. Besondere Bedeutung kommt daher der Tätigkeit von Vertretern der Presse und des Rundfunks zu, die durch ihre Mittlerfunktion die Medienöffentlichkeit erst ermöglichen. In diesem Zusammenhang gewinnen auch Online-Dienste in ihrer Funktion als Informationsquellen in stärkerem Maß an Bedeutung. Diese sind dazu geeignet, eine intensivierte Form der Öffentlichkeit staatlichen Handelns zu erzeugen.687 Inzwischen sind es nicht nur die professionellen Journalisten, die mittels der herkömmlichen Medien publizieren. Mit dem Aufkommen des Web 2.0 sind zahlreiche neue Publikationsformen entstanden, mit deren Hilfe jedermann Inhalte verbreiten kann. Aber auch staatliche Stellen nutzen Online-Dienste für eine neue Form der Öffentlichkeitsarbeit. Redeprotokolle, Sitzungsberichte, Gesetzentwürfe und Gesetze sowie die Entscheidungen der Gerichte können der Allgemeinheit auf einfache Weise im WWW zugänglich gemacht werden.688 Im Folgenden soll es darum gehen, einen Überblick über den grundrechtlichen Schutz derjenigen zu geben, die die Medienöffentlichkeit erzeugen. Es geht dabei um die Beschreibung der Medienöffentlichkeit als Schutzobjekt von Presse-, Rundfunk- und Informationsfreiheit.689 Im Rahmen der Darstellung der Schranken werden sodann die typischen entgegenstehenden Rechte, derentwegen eine Beschränkung der Medienöffentlichkeit erforderlich wird, herausgearbeitet. a) Idee und Bedeutung der Kommunikationsfreiheiten Die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG sind Ausfluss der modernen Demokratie. „Freie Meinungsbildung als Voraussetzung sowohl der Persönlichkeitsentfaltung als auch der demokratischen Ordnung vollzieht sich in einem Prozess der Kommunikation, der ohne Medien, die Informationen und Meinungen verbreiten und selbst Meinungen äußern, nicht aufrechterhalten werden könnte“.690 Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist daher in der eindringlichen Formulierung des Bundesverfassungsgerichts und mit Verweis auf die französische und amerikanische Grundrechtstradition als „unmittelbarster 686 Stieper, JZ 2014, 271 (275); Endemann, in: FS für Wolfgang Zeidler, 1987, S. 409 (416 f.). 687 Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 66. 688 Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 66. 689 Vgl. dazu Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (256 ff.). 690 BVerfGE 114, 371 (387).
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Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“ und „für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung [. . .] schlechthin konstituierend“, weil es erst „die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist“ ermöglicht. Die Freiheit der Meinungsäußerung ist „in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“.691 Der ungehinderte Meinungsaustausch und die wiederkehrende geistige Auseinandersetzung stellt für den Menschen damit eine unverzichtbare Voraussetzung seiner eigenen Existenz dar,692 ist zugleich aber auch Voraussetzung öffentlicher Meinungs- und politischer Willensbildung, durch die der Staatswillen formuliert wird.693 Ein weiterer Aspekt tritt hinzu: Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass sich auf Verfälschung von Tatsachen beruhende Ansichten durch das in der freien Diskussion erzeugte und von unterschiedlichen Auffassungen geprägte vielschichtige Bild nicht durchsetzen können.694 Damit tritt neben den persönlichkeitsrechtlichen und den demokratiebezogenen Begründungsansatz die wahrheitsfindungsorientierte Funktion der Meinungsfreiheit.695 Notwendig mit der Freiheit der Meinungsäußerung verknüpft ist die Möglichkeit, sich ungehindert über interessierende Belange zu informieren.696 Denn nur „umfassende Informationen“ durch „ausreichende Informationsquellen“ garantieren dem Einzelnen und der Gemeinschaft eine freie Meinungsbildung und -äußerung.697 Die Medien- und Informationsgesellschaft erlebt seit einiger Zeit einen dynamischen Wandel, der einerseits aus der Digitalisierung, andererseits aus „grundstürzenden Änderungen“ der Medienwelt herrührt.698 Diese Beobachtung gilt für den Bereich der Neuen Medien, den Rundfunk genauso wie für Online-Medien. Das WWW ermöglicht inzwischen jedem neben neuen Formen individueller Kommunikation auch die Teilnahme an der Massenkommunikation.699 Das klassische Verhältnis zwischen Rezipient und Kommunikator hat sich verändert. So 691 BVerfGE 7, 198 (208). Vgl. ferner BVerfGE 77, 65 (74); 107, 299 (329); 117, 244 (258). 692 Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 1. 693 Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 9. 694 BVerfGE 90, 1 (20). 695 Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 2. 696 BVerfGE 27, 71 (81); Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 2. 697 BVerfGE 7, 198 (208). 698 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 109 II. 3. b) m.w. N.; Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02. 2018, Art. 5 GG Rn. 3. 699 Vgl. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 6; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 60.
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ist der Einzelne nicht mehr nur Empfänger einer Nachricht, sondern nimmt gleichzeitig die Funktion des Senders war. Der öffentliche Diskurs in virtuellen Räumen ist in dem enormen Angebot vertretener Ansichten und ausgetauschter Argumente dazu geeignet, eine Debatte in einer bislang nicht gekannten Geschwindigkeit voranzutreiben.700 Das WWW hat sich damit zu einem immer wichtiger werdenden Raum der Meinungs- und Informationsfreiheit entwickelt.701 Der Medienwandel führt zu einer Deprofessionalisierung des Journalismus, der die Rechtsdogmatik – etwa im Hinblick auf die Frage der Reichweite der Medienprivilegien – vor neue Herausforderungen stellt.702 Das macht bezogen auf die in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Freiheiten Anpassungen erforderlich.703 b) Zu den Schutzbereichen der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG Nachfolgend sollen die Schutzbereiche der Meinungs-, Informations-, Presseund Rundfunkfreiheit im Hinblick auf ihre Schutzfunktion bezogen auf die Gerichtsberichterstattung näher analysiert werden. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auch dem Schutz von Publikationsformen im WWW zukommen. Die Medienfreiheiten werden sowohl hinsichtlich ihres abwehrrechtlichen Charakters als auch hinsichtlich ihrer Leistungsfunktion untersucht. So sind im Kontext der Gerichtsberichterstattung einerseits klassische Eingriffe wie das Verbot der Mitnahme eines Laptops in den Gerichtssaal denkbar. Andererseits kommt es auf die leistungsrechtliche Dimension der Grundrechte an, wenn es um den Anspruch auf einen reservierten Sitzplatz im Gerichtssaal geht. aa) Meinungsfreiheit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 GG schützt die Meinungsfreiheit. Danach hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Es handelt sich um ein Jedermann-Grundrecht. Der Schutzbereich erfasst Deutsche und Ausländer genauso wie Staatenlose.704 Der Begriff der Meinung ist weit zu verstehen.705 Er ist durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt706 und zeichnet sich aus durch ein Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des
700
Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 6. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 6. 702 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 49. 703 Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 3. 704 Jestaedt, in: HGR IV, 2011, § 102 Rn. 43. 705 BVerfGE 61, 1 (9). 706 BVerfGE 124, 300 (320). 701
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Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung.707 Unerheblich ist dabei, ob sich die Äußerung durch Tatsachen belegen und dadurch für den Durchschnittsrezipienten überprüfen lässt.708 Das Grundrecht der Meinungsfreiheit dient nämlich nicht der Ermittlung der Wahrheit, es soll vielmehr sicherstellen, dass jeder seine Gedanken frei äußern kann, auch wenn er für die jeweilige Äußerung keine nachprüfbaren Gründe angibt oder angeben kann.709 Weiterhin schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur politische Meinungen, sondern alles, was Gegenstand einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung sein kann.710 Es ist ohne Bedeutung, ob die Meinung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, gefährlich oder harmlos, emotional oder rational begründet ist oder grundlos erfolgt.711 Von der Meinungsfreiheit erfasst ist damit auch das Recht, auf eigene Verantwortung „Abstrusitäten zu äußern“ und „Torheiten von sich zu geben“.712 Ebenso geschützt sind abwertende, verletzende und polemische Äußerungen über Personen, Geschehnisse und Verhältnisse.713 Eine Differenzierung nach der sittlichen Qualität einer Äußerung würde nämlich zu einer Relativierung des umfassenden Schutzes führen.714 Selbst Auffassungen, die mit der grundgesetzlichen Werteordnung unvereinbar sind, unterfallen dem Schutz der Meinungsfreiheit.715 So vertraut das Grundgesetz auf die „Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien“.716 Außerdem würde man dem Staat eine Definitionskompetenz über erwünschte und unerwünschte Meinungsäußerungen einräumen, ohne dass die Möglichkeit bestünde, bestimmte Äußerungen unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit zu prüfen.717 Die Frage, ob auch Tatsachen vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst sind, müsste auf den ersten Blick eigentlich verneint werden. Streng genommen fehlt es Tatsachen nämlich am Merkmal subjektiver Wertung, welches für die Meinung kennzeichnend ist.718 Sie sind dennoch geschützt, „weil und soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen“ sind.719 Tatsachenbehauptungen
707
BVerfGE 7, 198 (210); 61, 1 (9); 65, 1 (41); 71, 162 (179); 124, 300 (320). BVerfGE 42, 163 (170 f.). 709 BVerfGE 42, 163 (171). 710 Vgl. hierzu Jestaedt, in: HGR IV, 2011, § 102 Rn. 40: es komme nicht darauf an, ob die Aussage politisch, wirtschaftlich, privat oder in sonstiger Weise motiviert sei. 711 BVerfGE 33, 1 (14 f.); 61, 1 (7); 124, 300 (320). 712 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 25. 713 Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 8. 714 BVerfGE 33, 1 (14 f.). 715 BVerfGE 124, 300 (320). 716 BVerfGE 124, 300 (320). 717 Grimm, NJW 1995, 1697 (1698). 718 BVerfGE 65, 1 (41); Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 21. 719 BVerfGE 61, 1 (8); 65, 1 (41); 85, 1 (15); 90, 1 (15); 90, 241 (247); 94, 1 (7). 708
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kommt der Schutz der Meinungsfreiheit daher nur in ihrer für die Meinungsbildung notwendigen, dienenden Funktion zu.720 Hinzu kommt, dass bereits durch die Auswahl dessen, was eine Person darstellen oder in der Darstellung weglassen möchte, das subjektive Element der Auswahl und Bewertung zu finden ist. Weniger die einzelne Tatsache an sich, sondern die „subjektiv-selektive“ Form der Darstellung drückt die Meinung aus.721 Der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen endet allerdings dann, wenn sie „zur verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können“.722 Nicht geschützt sind daher reine Tatsachenmitteilungen, etwa im Rahmen statistischer Erhebungen.723 Ebenso wenig handelt es sich bei der unrichtigen Information um ein schützenswertes Gut, „weil sie der verfassungsrechtlich geforderten Aufgabe zutreffender Meinungsbildung nicht dienen kann“.724 Das bedeutet jedoch nicht, dass unwahre Tatsachenbehauptungen von vornherein aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen. Außerhalb des Schutzbereichs liegen nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit unzweifelhaft im Zeitpunkt der Äußerung feststeht.725 Unschädlich ist es daher, wenn sich die Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung mit Meinungsbezug erst nachträglich herausstellt.726 Denn durch eine Überhöhung der Wahrheitspflicht würde der Kommunikationsprozess leiden, da sonst nur unumstößliche Wahrheiten geäußert werden könnten, ohne sich der Gefahr von Sanktionen auszusetzen.727 Dies wäre mit einem für den Grundrechtsgebrauch abschreckenden Effekt verbunden.728 Neben den Werturteilen und Tatsachen sind als weitere semantische Kategorie auch Fragen von der Meinungsfreiheit geschützt.729 Fragen unterscheiden sich von Werturteilen und Tatsachen dadurch, dass sie in der Regel keine Aussage 720
BVerfGE 54, 208 (219); Jestaedt, in: HGR IV, 2011, § 102 Rn. 35. Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 21; Jestaedt, in: HGR IV, 2011, § 102 Rn. 37. 722 BVerfGE 85, 1 (15). 723 BVerfGE 65, 1 (41). 724 BVerfGE 54, 208 (219); 85, 1 (15). 725 BVerfGE 54, 208 (219); 61, 1 (8); 85, 1 (15); 90, 1 (15); 90, 241 (247); 99, 185 (197); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 64; Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 73; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 28; a. A. Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 22; Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 10. 726 BVerfGE 99, 185 (197). 727 BVerfGE 54, 208 (220); BVerfG NJW 2016, 3360 (3361). 728 BVerfGE 99, 185 (197). 729 BVerfGE 85, 23 (32); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 30. So auch – ohne dabei jedoch von einer neben Werturteilen und Tatsachenbehauptungen eigenständigen Kategorie auszugehen – Jestaedt, in: HGR IV, 2011, § 102 Rn. 39. Vgl. auch Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 10. 721
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treffen, sondern eine Aussage erst herbeiführen wollen.730 Sowohl für den individuellen als auch für den kollektiven Meinungsbildungsprozess spielen Fragen eine wichtige Rolle. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf Probleme, rufen Antworten hervor und tragen damit zur Bildung von Meinungen bei.731 Fragen werden daher den Werturteilen gleichgestellt, da sie anders als Tatsachenbehauptung nicht wahr oder unwahr sein können.732 Rhetorische Fragen, die gar keine Antwort herbeiführen wollen, werden je nach Aussagegehalt entweder der einen oder anderen Kategorie zugeordnet.733 Seinem Wortlaut nach schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 GG das Äußern und Verbreiten einer Meinung in „Wort, Schrift und Bild“. Aus sprachlicher und systematischer Perspektive ist davon auszugehen, dass die Aufzählung nicht abschließend zu verstehen ist und die Aufzählung nur beispielhaften Charakter hat.734 Neuen Artikulations- und Transportmitteln steht das Grundrecht der Meinungsfreiheit grundsätzlich „entwicklungsoffen“ gegenüber.735 Nicht bezweifelt wird daher, dass auch die Kommunikation mittels der Infrastruktur des Internets, also E-Mail-Kommunikation, Übermittlung durch Online-Dienste, WWW, Chat-Foren, Weblogs und vieles mehr, ein geschütztes Äußerungsverhalten darstellt.736 Die neuen Kommunikationstechnologien des Internets haben den Informations- und Kommunikationsprozess nachhaltig verändert. Dies ist zum einen auf die keine Grenzen kennende und dadurch den kulturellen Austausch fördernde transnationale Kommunikationsstruktur zurückzuführen.737 Zum anderen erweitert das Internet die Stellung des bloßen Rezipienten zu der eines Produzenten von Informationen.738 Diese neuen Kommunikationsstrukturen sind zwar nicht in der Lage, die Massenmedien in ihrer nach wie vor dominierenden Rolle zu beseitigen. Allerdings wird eine immer stärker werdende Kommunikation auf der Ebene der Bürger – auch durch Angebote der herkömmlichen Medien – ermöglicht, die zu einer neuen Art von Massenmedium herangewachsen ist, weiter her-
730 BVerfGE 85, 23 (32); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 30. 731 BVerfGE 85, 23 (32); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 30. 732 Erichsen, Jura 1996, 84 (85). 733 Erichsen, Jura 1996, 84 (85). 734 So Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 25; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 14; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 44. 735 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 44. 736 Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 25; Rn. 12; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 14. 737 Schmitt Glaeser, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 38 Rn. 16. 738 Schmitt Glaeser, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 38 Rn. 16.
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anwächst und damit der etablierten Massenmedienöffentlichkeit eine neue Gegenöffentlichkeit entgegensetzen kann.739 Hinsichtlich dieser Neuen Medien ergibt sich die Frage, ob eine Zuordnung allein zu den spezielleren Freiheiten von Presse, Rundfunk und Film erfolgen kann oder ob sie (auch) den Schutz der Meinungsfreiheit genießen.740 Vorzugswürdig ist ein differenzierender Ansatz. Sofern eine neuartige, wie auch immer geartete Kommunikationsform nicht auf Massen- sondern auf Individualkommunikation ausgerichtet ist, erweist sich das Grundrecht der Meinungsfreiheit als zutreffender Anknüpfungspunkt.741 Im Übrigen ist eine Meinungsäußerung als solche zunächst nur von der Meinungsfreiheit geschützt, unabhängig davon, wer sie auf welche Weise auch immer geäußert hat. Geht es hingegen um den formellen Schutz einer Äußerung, also die Umstände der Verbreitung, kommt es auf den besonderen Schutz der Medienfreiheiten an.742 bb) Informationsfreiheit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG schützt die Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Freiheit, sich über bestimmte Vorgänge zu informieren, ist unabdingbare Voraussetzung und „Essential“ des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses.743 Der einzelne Bürger wird erst dann in die Lage versetzt, verschiedene Meinungen gegeneinander abzuwägen und auf dieser Grundlage eine eigene politische Entscheidung zu treffen, wenn er die verschiedenen Auffassungen kennt, die andere sich gebildet haben.744 Die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG stellt damit die notwendige Voraussetzung der der Meinungsäußerung vorausgehenden Meinungsbildung dar und tritt gleichwertig neben die Meinungsund Pressefreiheit.745 Wesensbestimmend für die Informationsfreiheit sind zwei Komponenten: der Bezug zum demokratischen Prinzip und die individualrechtliche Verknüpfung zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). So kann ein demokratischer Staat einerseits nicht ohne eine freie, gut informierte öffentliche Meinung bestehen. Andererseits gehört es zu den elementaren Be-
739
So auch Schmitt Glaeser, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 38 Rn. 16. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 45. 741 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 45. 742 Vgl. Jäckel, AfP 2012, 224 (230, 232). 743 Schmitt Glaeser, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 38 Rn. 13 ff.; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 51. 744 BVerfGE 20, 162 (174). 745 BVerfGE 27, 71 (81); 90, 27 (32); Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 23. 740
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dürfnissen eines jeden Menschen, sich aus möglichst vielen Quellen zu unterrichten, das eigene Wissen zu erweitern und dadurch die eigene Persönlichkeit zu entfalten.746 (1) Das geschützte Verhalten: sich „zu unterrichten“ Sich „zu unterrichten“ beschreibt den rein geistigen Vorgang der Informationsaufnahme.747 Geschützt ist nicht nur das aktive Handeln zur Informationsbeschaffung, sondern auch das schlichte Entgegennehmen von Informationen.748 Denn wenn durch die Informationsfreiheit nicht garantiert wäre, dass „Informationsquellen überhaupt an den Einzelnen gelangen, dann wäre er auch daran gehindert, durch aktive Tätigkeit unter ihnen auszuwählen“.749 Geschützt ist damit bereits die Chance des ungehinderten Empfangs unbestellter Informationen,750 das heißt die Phase, in der die Information erst auf dem Weg zu seinem Empfänger ist, diesen aber noch nicht erreicht hat.751 Der Vorgang der Informationsaufnahme umfasst nicht nur das Hören, Lesen, Sehen oder sonstige Wahrnehmen, sondern auch das Speichern einer Information außerhalb des eigenen Gedächtnisses.752 (2) Die Informationsquelle „Quellen“ sind alle Träger von Informationen, unabhängig davon, ob sie Meinungen oder Tatsachen beinhalten und ob sie dem privaten oder öffentlichen Bereich zuzuordnen sind.753 Informationsquellen können das unmittelbar wahrnehmbare Ereignis,754 also der Gegenstand der Information selbst,755 Berichte oder Bilder darüber,756 sowie Personen sein, die bereit sind, sich zu bestimmten Themen zu äußern.757 Der Begriff der Informationsquelle ist umfassend zu ver746
BVerfGE 21, 71 (81). BVerfGE 21, 71 (83). 748 BVerfGE 21, 71 (82 f.). 749 BVerfGE 21, 71 (83). 750 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 53. 751 BVerfGE 27, 71 (83). 752 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 118. 753 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 77; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 25. 754 BVerfGE 103, 44 (60); Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 105 ff. 755 Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 22. 756 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 105 ff. 757 Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 22. 747
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stehen und damit offen gegenüber neuen – etwa internetgestützten – Kommunikationstechnologien, die ebenfalls geschützt sind.758 Aber auch die mündliche Gerichtsverhandlung ist als unmittelbar wahrnehmbarer Vorgang Informationsquelle i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG.759 (3) Die allgemeine Zugänglichkeit Erhebliche Einschränkungen erfährt die umfassend geschützte Informationsfreiheit durch das Attribut der „allgemeinen Zugänglichkeit“.760 Die Quelle ist allgemein zugänglich, wenn sie „technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, das heißt einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen“.761 Nicht allgemein zugänglich sind daher solche Informationen, die an einzelne Personen oder einen konkret abgrenzbaren, bestimmbaren Personenkreis gerichtet sind.762 Die Bestimmung der allgemeinen Zugänglichkeit orientiert sich zunächst an tatsächlichen Kriterien. Sie wird nicht durch staatliche Restriktionen – etwa in Form von gesetzlichen Beschränkungen – in Frage gestellt.763 Allein die technische und damit tatsächliche Eignung zur Information gibt Auskunft über die allgemeine Zugänglichkeit der Informationsquelle.764 Alles andere würde dem Sinn und Zweck der Informationsfreiheit widersprechen. So soll der Einzelne in die Lage versetzt werden, seine Meinung auf Grundlage eines möglichst weit gefächerten Informationsangebots zu bilden.765 Durch ihre Verknüpfung mit dem demokratischen Prinzip soll die Informationsfreiheit dem Bürger gerade auch dazu verhelfen, sich ein Urteil über die Politik der Staatsorgane zu bilden. Die Informationsfreiheit muss daher vor Einwirkungen der Staatsorgane bewahrt werden.766 Dies kommt auch in der Formulierung „ungehindert zu unterrichten“ zum Ausdruck, die den überwiegend abwehrrechtlichen Charakter der Vorschrift wi758 Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 12; Schmitt Glaeser, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 38 Rn. 16; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 54. 759 BVerfGE 103, 44 (61); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 142. 760 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 108. 761 BVerfGE 21, 71 (83); 33, 52 (65); 90, 27 (32); 103, 44 (60). 762 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 98. 763 BVerfGE 21, 71 (83 f.); 90, 27 (32); Lerche, in: Kunst/Grundmann (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 1966, Stichwort „Informationsfreiheit“, Sp. 786; ders., Jura 1995, 561 (565); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 20. EL, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 89; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 56. 764 Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 39. 765 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 108 f.; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 52. 766 BVerfGE 21, 71 (84).
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derspiegelt.767 Der Staat darf daher nicht beliebig, sondern nur nach Maßgabe der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG über die Allgemeinzugänglichkeit disponieren.768 Andernfalls könnte der umfassende Grundrechtsschutz durch staatliche Manipulationen unterlaufen werden.769 Wegen der nach Maßgabe des Prozess- und Gerichtsverfassungsrechts öffentlichen Durchführung einer gerichtlichen Verhandlung und der damit eröffneten Möglichkeit der Informationsbeschaffung durch eine nicht individualisierte Allgemeinheit, sind Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidungen allgemein zugängliche Informationsquellen.770 Diejenigen Informationsquellen, die der Staat rechtmäßiger- oder unrechtmäßigerweise unter Verschluss hält, stellen keine allgemein zugänglichen Quellen dar.771 Die Informationsfreiheit gewährleistet keinen Anspruch auf neue, zusätzliche Informationsquellen.772 Denn ein allgemeiner Informationsbeschaffungsanspruch würde dazu führen, dass die grundrechtsverpflichteten staatlichen Stellen schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen würden.773 Deswegen ist es auf Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG nicht möglich, von staatlichen Stellen die Zurverfügungstellung von amtlichen Informationen oder etwa Übertragungen von Gremiensitzung als Livestream im Internet zu verlangen.774 Über die Modalitäten der allgemeinen Zugänglichkeit – etwa Entgelte, Beschränkungen von audiovisuellen Aufnahmen – entscheidet grundsätzlich derjenige, der nach der Rechtsordnung über ein Bestimmungsrecht verfügt.775 Anerkannt ist dies jedenfalls für die in privater Hand liegenden Informationsquellen.776 Bezogen auf staatliche Stellen bedeutet dies, dass sie jedenfalls dann über den Publizitätscharakter disponieren dürfen, wenn sie selbst Autor oder Herr über eine Informationsquelle sind. Dies wäre theoretisch bei staatlichen Registern, allgemeinen Verwaltungsakten oder nachrichtendienstlichen Erkenntnissen der Fall, 767
Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 57b. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 57b. 769 Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 39. 770 BVerfGE 103, 44 (61); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 142 f. 771 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 117. 772 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 32; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 59a; Starck/ Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Rn. 117. 773 Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 37. 774 Hoffmann/Luch/Schulz/Borchers, Die digitale Dimension der Grundrechte, 2015, S. 139. 775 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 105. 776 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 98 f. 768
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wenn dort die allgemeine Zugänglichkeit nicht bereits überwiegend durch gesetzliche Regelungen eröffnet wäre.777 Sobald der Bestimmungsberechtigte den Zugang zu einer Informationsquelle verschließt, endet deren allgemeine Zugänglichkeit.778 Ob diese Konzeption auch dann tragfähig ist, wenn sich die Informationsquellen in staatlicher Hand befinden, ist äußerst fragwürdig. Denn wenn es um Beschränkungen des Zugangs zu staatlichen Informationsquellen geht, würden diese nicht mehr unter den Schutz der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG fallen, da schon der Schutzbereich mangels allgemeiner Zugänglichkeit nicht mehr eröffnet wäre.779 Diese Auffassung kommt jedoch in der „n-tv-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts780 zum Ausdruck, die kurz nach der Entscheidung wie auch in der aktuelleren Diskussion einigen Widerspruch hervorrief.781 (4) Der Gerichtssaal als allgemein zugängliche Quelle? (a) Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Auffassung, dass staatliche Restriktionen hinsichtlich des Zugangs zu staatlichen Informationen keine Grundrechtsbeschränkungen darstellen, sondern Ausgestaltungen der Informationsfreiheit sind.782 Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in deren Umfang könne der grundrechtliche Schutzbereich überhaupt betroffen sein. Das heißt, dass erst die Beschränkung der hergestellten allgemeinen Zugänglichkeit einen Eingriff in den Schutzbereich der Informationsfreiheit darstellen würde.783 Fehle es an einer Bestimmung, die den allgemeinen Zugang zu einer Informationsquelle gewährleiste, sei die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit erfasst.784 Ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang zu einer Informationsquelle ergebe sich damit nur, wenn der Zugang zu einer im staatlichen Verantwortungsbereich liegenden Informationsquelle beschränkt werde, die aufgrund rechtlicher Vorgaben zur allgemeinen Zugänglich777
Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 39. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 56a. 779 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 56a. 780 BVerfGE 103, 44. 781 Vgl. aus der Vielzahl der kritischen Stellungnahmen vor allem Stürner, JZ 2001, 699 (701); Hain, DÖV 2001, 589; Gersdorf, AfP 2001, 29; Krausnick, ZG 2002, 273; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 392 ff.; ders., AfP 2014, 193 (199 ff.); Pfeifle, ZG 2010, 283 (299 ff.); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 97 ff.; Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 ff.; a. A. Kaulbach, ZRP 2009, 236; dies., JR 2011, 51. 782 BVerfGE 103, 44 (60 f.). 783 BVerfGE 103, 44 (60). 784 BVerfGE 103, 44 (60). 778
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keit bestimmt sei.785 Über die Zugänglichkeit zu einer Informationsquelle entscheide derjenige, der über ein entsprechendes Bestimmungsrecht verfüge und sein Bestimmungsrecht deswegen auch in differenzierter Weise regeln und den Zugang zur Informationsquelle von gewissen Modalitäten abhängig machen könne. Dies gelte für jede Privatperson genauso wie für den Staat als Bestimmungsberechtigten.786 Legt der Gesetzgeber den Umfang der allgemeinen Zugänglichkeit fest, so bestimme sich danach die Eröffnung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit.787 Sofern die Medien entsprechend dieser Maßgaben allgemein Zugang zum Gerichtssaal hätten, sei in dieser Begrenzung kein Grundrechtseingriff zu sehen; selbst dann nicht, wenn die Mitnahme von rundfunkspezifischen Aufnahme- und Verbreitungstechniken untersagt werde.788 Die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Beschränkung hänge davon ab, ob diese vom entsprechenden Bestimmungsrecht gedeckt sei. Eine Prüfung am Maßstab des Art. 5 Abs. 2 GG finde insoweit nicht statt.789 Die Verfassungsmäßigkeit des § 169 Satz 2 GVG a. F. richte sich deswegen danach, ob sich der Gesetzgeber im Rahmen seines Bestimmungsrechts zur Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens an die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips, aber auch des Persönlichkeitsschutzes gehalten habe.790 Gänzlich schutzlos ist der Einzelne damit nicht gestellt. Das Bundesverfassungsgericht geht nämlich davon aus, dass der Staat im Einzelfall objektiv-rechtlich verpflichtet sein kann, sein Bestimmungsrecht auszuüben. Kommt er dieser objektiv-rechtlichen Verpflichtung nicht nach, so könne dieses Unterlassen als Grundrechtsverletzung subjektiv-rechtlich geltend gemacht werden.791 (b) Stellungnahme (aa) Bestimmung der allgemeinen Zugänglichkeit Von der ursprünglich sehr klaren, dem Schutz der Informationsfreiheit und dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit am weitestgehenden Rechnung tragenden Formel, die Bestimmung der allgemeinen Zugänglichkeit richte sich allein nach tatsächlichen Kriterien,792 hat das Bundesverfassungsgericht seit der 785
BVerfGE 103, 44 (60). BVerfGE 103, 44 (60 f.). 787 BVerfGE 103, 44 (61). 788 BVerfGE 103, 44 (61). 789 BVerfGE 103, 44 (61). 790 BVerfGE 103, 44 (61). 791 Deutlich dazu das Minderheitenvotum der Richter Kühling, Hohmann-Dennhardt und Hoffmann-Riem in der „n-tv-Entscheidung“ (BVerfGE 103, 44 [72]). 792 Vgl. BVerfGE 27, 71 (83 f.); 90, 27 (32). 786
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
„n-tv-Entscheidung“ jedenfalls für den Bereich staatlicher Informationsquellen Abstand genommen.793 Der Rechtsanwender sieht sich deswegen erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten ausgesetzt. Er muss sich nunmehr entscheiden, ob eine Ausübung des Bestimmungsrechts – und damit eine Ausgestaltung des Schutzbereichs – oder eine an den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu messende Schutzbereichsbeschränkung vorliegt.794 Auf diese für den Grundrechtsschutz so wichtige Frage ist in der Urteilsbegründung allerdings keine zufriedenstellende Antwort zu finden.795 Die einfachste Möglichkeit, jeglichen Abgrenzungsschwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, wäre es, eine Informationsquelle als allgemein zugänglich anzusehen, soweit sie sich in staatlicher Hand befindet. Beschränkungen des Zugangs wären dann stets als rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in den Schutzbereich der allgemeinen Informationsfreiheit überprüfbar.796 Dieser Ansatz, der dem Schutzbedürfnis der Informationsbeschaffung sehr weitgehend Rechnung trägt, lässt sich jedoch mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in der „n-tv-Entscheidung“ 797 nicht in Einklang bringen. Schon eher gilt dies jedoch für den von Krausnick vorgetragenen Ansatz. Auch er differenziert zunächst danach, ob es sich um Quellen in der Hand des Staates oder eines Privaten handelt, da nur der Staat nach Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsgebunden ist.798 Die erstmalige Eröffnung einer staatlichen Informationsquelle wäre als Ausgestaltung der allgemeinen Zugänglichkeit zu qualifizieren und daher nicht an den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen.799 Jede sich daran anschließende Einschränkung würde einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in den Schutzbereich der Informationsfreiheit darstellen.800 Mit der Einräumung eines Informationszugangs hätte der Staat eine Selbstbindung geschaffen, die nachfolgend Bestands- und Vertrauensschutz entfalten würde.801 Damit bewegte man sich auch nah an den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts. Denn dem Gericht zufolge sei durch die Informationsfreiheit „nur das Recht [gewährleistet],
793 Dies ist nur so erklärbar, als dass die grundlegenden vorangehenden, zur allgemeinen Informationsfreiheit Stellung nehmenden Judikate (insbesondere BVerfGE 27, 71 [83 f.]; 90, 27 [32]) sich mit Informationsquellen beschäftigten, die dem privaten Bereich zuzuordnen waren. 794 Krausnick, ZG 2002, 273 (280 f.); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 394 f.; Pfeifle, ZG 2010, 283 (301). 795 So auch Krausnick, ZG 2002, 273 (280 f.). 796 So Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 56a. 797 BVerfGE 103, 44. 798 Krausnick, ZG 2002, 273 (281). 799 Krausnick, ZG 2002, 273 (281). So auch Gostomzyk, JuS 2002, 228 (230 f.). 800 Krausnick, ZG 2002, 273 (281). 801 Vgl. Gostomzyk, JuS 2002, 228 (231).
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sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten“.802 Die vorgeschlagene Abgrenzungsmethode steht jedoch in Widerspruch zu den übrigen Ausführungen des Urteils, denn die der Grundregel zeitlich nachfolgende Einschränkung des § 169 Satz 2 GVG a. F. wäre danach keine Ausgestaltung mehr, sondern eben wegen ihrer nachträglichen Einfügung eine Schutzbereichsbeschränkung.803 Gegen diese Art der Abgrenzung spricht auch, dass an sich gleichartige Konstellationen unterschiedlich behandelt würden. Angenommen, der Gesetzgeber regelt mit der Eröffnung einer Informationsquelle gleichzeitig gewisse Einschränkungen, so müsste man diese Einschränkungen im Rahmen der erstmaligen Normierung als Ausgestaltung des Schutzbereichs der Informationsfreiheit begreifen. Alle zeitlich nachfolgenden Einschränkungen wären hingegen Grundrechtseingriffe, die an den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen wären. Warum diese beiden an sich gleichartigen Konstellationen unterschiedlich behandelt werden sollten, wäre unklar.804 Krausnick schlägt eine weitere Abgrenzungsmöglichkeit vor: Wird der Zugang zur Informationsquelle ganz verschlossen, so solle eine Schutzbereichsbeschränkung vorliegen; ist der Zugang hingegen nur teilweise begrenzt, sei von einer Zugangsmodifizierung auszugehen.805 Hiergegen spricht jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht von einem modernen Eingriffsbegriff ausgeht, nach dem der „Abwehrgehalt der Grundrechte auch bei faktischen und mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein“ 806 kann.807 (bb) Ausübung des staatlichen Bestimmungsrechts als Ausgestaltung oder Schutzbereichsbeschränkung? Grundrechtsdogmatische Bedenken ergeben sich daraus, dass nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Zugangsmodifikationen wie die des § 169 Satz 2 GVG a. F. keinen Grundrechtseingriff darstellen und die Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG bei der Ausübung des Bestimmungsrechts insoweit nicht anwendbar sei.808
802
BVerfGE 103, 44 (60). Krausnick, ZG 2002, 273 (281). 804 In diesem Sinne auch Krausnick, ZG 2002, 273 (281 f.); Gostomzyk, JuS 2002, 228 (231). 805 Krausnick, ZG 2002, 273 (281). 806 BVerfGE 105, 279 (303); 110, 177 (191); 113, 63 (76); 116, 202 (222); Jarass, in: ders./Pieroth, GG 14. Aufl. 2016, Vorb. vor Art. 1 Rn. 28. 807 So Krausnick, ZG 2002, 273 (281). 808 BVerfGE 103, 44 (60). 803
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Demgegenüber ging das Bundesverfassungsgericht in einer älteren Entscheidung noch davon aus, dass „Rechtsnormen, die den Informationszugang regulieren, [. . .] nicht den Schutzbereich der Informationsfreiheit [umgrenzen würden], sondern [. . .] als grundrechtsbeschränkende Normen an der Verfassung zu messen“ seien.809 Für den in der „n-tv-Entscheidung“ zum Ausdruck kommenden Wandel hin zu einer Ausgestaltung durch den Bestimmungsberechtigten könnte zwar eine Gleichbehandlung sämtlicher Informationsquellen sprechen, unabhängig davon, ob sie sich in privater oder öffentlicher Hand befinden.810 Die Konsequenz wäre allerdings eine Grundrechtsgeltung nach Maßgabe des einfachen Rechts. Die Reichweite der Informationsfreiheit wäre dem Belieben eines staatlichen Entscheidungsträgers anheimgestellt.811 Der Staat hätte die Möglichkeit, bei der Ausgestaltung des Schutzbereichs Grundrechtsbeschränkungen vorzunehmen, was zu einer Aushöhlung der Informationsfreiheit führen würde.812 Mit der Funktion der Freiheitsgrundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat813 wäre dies nicht zu vereinbaren, da sich der Staat durch eine Definition des Abwehrrechts seiner grundrechtlich verbürgten Verantwortung entziehen könnte. Dem Zweck der Informationsfreiheit, einen umfassenden Informationszugang zu sichern, würde dies widersprechen.814 Übersehen wird dabei letztlich auch, dass der Staat schon aufgrund seiner Grundrechtsgebundenheit nach Art. 1 Abs. 3 GG Privatpersonen nicht gleichgestellt werden kann.815 Das Bundesverfassungsgericht findet allerdings einen Ausweg: Die Verfassungsmäßigkeit einer Zugangsmodifizierung hänge davon ab, ob eine solche Einschränkung vom Bestimmungsrecht gedeckt sei. Folge „aus Verfassungsrecht, dass der Zugang weiter oder gar unbeschränkt hätte eröffnet werden müssen“, so könne „dies vom Träger des Grundrechts der Informationsfreiheit, bei Ausschluss rundfunkspezifischer Aufnahme- oder Verbreitungstechniken vom Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit geltend gemacht werden“.816 Ähnliches findet sich auch im Minderheitenvotum: Der Gesetzgeber sei „kraft objektiven Verfassungsrechts verpflichtet, eine über die Saalöffentlichkeit hinausgehende Medienöffentlichkeit zu ermöglichen, soweit dem keine gegenläufigen Belange
809
BVerfG 90, 27 (32). Kujath, Der Laienjournalismus als der Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 100. 811 Gersdorf, AfP 2001, 29 (30); Cornils, DÖV 2013, 657 (665); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 101. 812 Finger/Baumanns, JA 2005, 717 (718). 813 BVerfGE 7, 198 (204); Jarass, in: HGR II, 2006, § 38 Rn. 5, 15 f. 814 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 101. 815 Vgl. insoweit Krausnick, ZG 2002, 273 (282). 816 BVerfGE 103, 44 (61). 810
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entgegenstehen“.817 Das Unterlassen einer solchen Regelung könne als Grundrechtsverletzung gerügt werden.818 Neu an dieser Konzeption ist das „Umkippen“ eines objektiven in subjektives Recht.819 Dabei kommt es jedoch nicht zur „Umwandlung“ einer objektiv-rechtlichen Rechtsposition in subjektives Recht. Es wird lediglich die verfassungsgerichtliche Überprüfbarkeit objektiv-rechtlicher Vorgaben mithilfe eines subjektivrechtlichen „Hebels“ ermöglicht.820 Es bleibt jedoch dabei, dass ausschließlich abwehrrechtlich gedachte Grundrechte auch mithilfe dieser Konzeption keinen hinreichenden Schutz mehr entfalten.821 Weiterhin begibt sich das Bundesverfassungsgericht in einen normlogischen Widerspruch,822 wenn es als Anbindung der objektiv-rechtlich begründeten Pflicht zur Ausgestaltung der Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens nur auf das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip verweist.823 Sofern dem Einzelnen subjektiv-rechtliche Positionen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 und Satz 2 GG zustehen, muss auch das objektive Verfassungsrecht, aus dem sich das Bestimmungsrecht ergibt, in diesen Grundrechten angesiedelt sein.824 „[W]enn der Staat bei der Ausübung seines Bestimmungsrechts durch objektives Verfassungsrecht gebunden ist, dann auch durch die objektiv-rechtliche Seite von Informations- und Rundfunkfreiheit“.825 Der Verweis allein auf das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip führt schon zu der Frage, wie der einzelne Bürger Verstöße dagegen überhaupt geltend machen soll, da die Verfassungsbeschwerde gerade kein Instrument zur Geltendmachung von Verstößen gegen objektives Verfassungsrecht dar-
817
BVerfGE 103, 44 (72). BVerfGE 103, 44 (72). 819 So die treffende Beschreibung durch Gostomzyk, JuS 2002, 228 (230); ders., Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 164 ff. 820 Gostomzyk, JuS 2002, 228 (230); ders., Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 165. Eine solche Rechtskonstruktion wurde lange Zeit abgelehnt: vgl. etwa Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, 2000, S. 349 ff.; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 378 ff. Kirchberg (BRAK-Mitt. 2002, 252 [253]) merkt in diesem Zusammenhang an, dass die „n-tv-Entscheidung“ (BVerfGE 103, 44) dazu führe, dass zur Durchführung eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens das Berufen auf subjektive Grundrechtspositionen nicht mehr erforderlich sei. Dies hätte zur Folge, dass man sich nicht einmal hilfsweise auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen müsse. Die „n-tv-Entscheidung“ (BVerfGE 103, 44) gehe daher über das „Elfes-Urteil“ (BVerfGE 6, 32) und das Urteil zum „Reiten im Walde“ (BVerfGE 80, 137) hinaus. 821 Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 166. 822 So auch Gersdorf, AfP 2001, 29 (30). 823 BVerfGE 103, 44 (61, 72 ff.). 824 Gersdorf, AfP 2001, 29 (30). 825 Krausnick, ZUM 2001, 230 (231). 818
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stellt.826 Die dogmatische Konstruktion des Bundesverfassungsgerichts kann deshalb nur dahingehend verstanden werden, dass sich aus der Missachtung der objektiv-rechtlichen Vorgaben die Verletzung der subjektiven Rechte aus der Informations- und Rundfunkfreiheit ergibt.827 Immerhin soll der Verstoß gegen objektives Verfassungsrecht vom Träger der Rundfunkfreiheit geltend gemacht werden können.828 Konsequenterweise müssen dann aber auch die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zur Anwendung kommen.829 Widersprüchlich ist in diesem Zusammenhang auch,830 dass das Bundesverfassungsgericht – anders als in Bezug auf die spezielle Regelung des § 169 Satz 2 GVG a. F. – den weniger intensiven, auf dem allgemein formulierten § 176 GVG beruhenden Eingriff an Art. 5 Abs. 2 GG misst.831 Schließlich widerspricht der neuere Ansatz des Bundesverfassungsgerichts dem Sinn und Zweck der Informationsfreiheit und ihrer Bedeutung im demokratischen Staat.832 Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG garantiert die „umfassende“ Informationsbeschaffung833 nicht nur in Form der passiven Entgegennahme von Informationen, sondern gerade auch die aktive Beschaffung und alle dazu erforderlichen Handlungen.834 Dem Charakter einer umfassenden Freiheit steht es jedoch entgegen, dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, den Schutzbereich dieser Freiheit auf Grundlage einfachen Rechts in erheblichen Umfang zu definieren.835 (c) Ergebnis Die „n-tv-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts begünstigt ein staatlich gelenktes Informationsmanagement. Mit seiner Konzeption gelingt es dem Gericht, einer den strengen Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 GG unterliegenden Prüfung zu entgehen.836 Vorzugswürdig ist es daher, über die allgemeine Zugäng826 Gersdorf, AfP 2001, 29 (30 f.); Gostomzyk, JuS 2002, 228 (230). Von einer Ausweitung des Rechtsschutzes durch Verfassungsbeschwerden ausgehend: Hain, DÖV 2001, 589 (591 f.). 827 Albers, JA 2001, 841 (843). 828 So ausdrücklich BVerfGE 103, 44 (61). 829 Krausnick, ZG 2002, 273 (282 f.). 830 Vgl. zu dieser Kritik Krausnick, ZG 2002, 273 (282 f.); Pfeifle, ZG 2010, 283 (301). 831 Vgl. BVerfGE 91, 125 (136 ff.); 103, 44 (62). 832 Vgl. insoweit grundlegend zur Informationsfreiheit BVerfGE 27, 71 (81 f.). 833 Ausdrücklich BVerfGE 27, 71 (81 f.); 90, 27 (32). 834 Vgl. BVerfGE 27, 71 (82); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 102. Vgl. auch bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. b) bb). 835 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 102. 836 Stürner, JZ 2001, 699 (700 f.).
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lichkeit von dem staatlichen Bereich entstammenden Informationsquellen allein auf Grundlage objektiv tatsächlicher Kriterien und Gegebenheiten zu entscheiden und bei etwaigen Beschränkungen eine Rechtfertigungsprüfung am Maßstab des Art. 5 Abs. 2 GG durchzuführen.837 Dies findet zwar keine Stütze in der „n-tvEntscheidung“, ist dogmatisch gesehen jedoch der überzeugendere Weg. cc) Pressefreiheit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG gewährleistet die Freiheit der Presse. Im Folgenden soll der Blick ausgehend von der Bedeutung der Pressefreiheit für die moderne Demokratie auf die für diese Arbeit wichtigen Bereiche der Auswirkungen des Wandels der Medienstrukturen und der Öffentlichkeit konzentriert werden. (1) Funktionen und Aufgaben der Presse Das Vorhandensein einer von der öffentlichen Gewalt unabhängigen und keiner Zensur unterworfenen Presse beschreibt das Bundesverfassungsgericht im „Spiegel-Urteil“ als „Wesenselement des freiheitlichen Staates“.838 Eine freie Presse sei „für die moderne Demokratie unentbehrlich“ 839 und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ebenso wie Meinungs-, Informations- und Rundfunkfreiheit „schlechthin konstituierend“.840 Damit hat das Bundesverfassungsgericht die aus dem „Lüth-Urteil“ bekannte Formel841 auf alle Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt, gleichzeitig aber auch die Eigenständigkeit der Pressefreiheit gegenüber der Meinungsfreiheit hervorgehoben.842 In der repräsentativen Demokratie fungiert die Presse als Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern.843 Sie vermittelt den Bürgern Informationen, die dabei helfen, Meinungen anderer kennenzulernen und zu überprüfen; sie leitet den Einzelnen an, seinen eigenen Standpunkt zu finden, um sich an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen.844 Denn wenn der Bürger politische Entscheidungen treffen soll, muss er umfassend informiert sein, die verschiedenen Meinungen kennen und sie gegeneinander abwägen können.845 Eine Presse, die neue 837 So auch Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 102; von Coelln, AfP 2014, 193 (200). 838 BVerfGE 20, 162 (174). 839 BVerfGE 20, 162 (174). 840 BVerfGE 7, 198 (208); 35, 202 (221); 77, 65 (74); 117, 244 (258). 841 BVerfGE 7, 198 (208). 842 BVerfGE 10, 118 (121); 20, 162 (174 f.); Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 6. 843 BVerfGE 20, 162 (175). 844 BVerfGE 50, 234 (240). Vgl. hinsichtlich selbigem in Bezug auf die Rundfunkfreiheit: BVerfGE 57, 295 (319). 845 BVerfGE 20, 162 (174 f.).
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Informationen beschafft und die die sich ständig neu bildendenden Meinungen und Forderungen zusammenfasst und veröffentlicht, hält die Diskussion und die öffentliche Auseinandersetzung in Gang und wirkt damit für den Bürger als „orientierende Kraft“.846 Die Presse bildet und beeinflusst die „öffentliche Meinung“.847 Sie fungiert damit zugleich als „Motor und Medium“ der öffentlichen Meinungsbildung.848 Indem die Presse die in der Gesellschaft geführte Diskussion und die verschiedenen Meinungen an die handelnden Staatsorgane heranträgt, können diese ihre Entscheidungen am Maßstab der im Volk tatsächlich und aktuell vertretenen Auffassungen messen.849 Es ist die Presse, die neben dem Rundfunk dafür Sorge trägt, zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern eine ständige Verbindung aufrecht zu erhalten.850 Wegen dieser öffentlichen Aufgabe für den demokratischen Rechtsstaat wird die Presse oftmals auch als die „vierte Gewalt“ im Staat bezeichnet.851 Staatsorganisationsrechtlich ist diese Bezeichnung freilich unzutreffend,852 sie zeigt jedoch auf, dass die Presse als „Medium und Faktor“ 853 der öffentlichen Meinungsbildung dazu in der Lage ist, der staatlichen Gewalt gleichwertig und als Kontrollinstanz gegenüberzutreten. Diese öffentliche Aufgabe darf dabei allerdings nicht in einem normativen Sinne missverstanden werden.854 Denn aus der Unbestimmtheit des Begriffs, der von Fall zu Fall unterschiedlich aussehen könnte, würde sich die Gefahr ergeben, dass der Presse Pflichten auferlegt würden, die zu unberechenbaren Freiheitsbeschränkungen führten.855 Aus der der Presse zukommenden öffentlichen Aufgabe lassen sich daher weder Restriktionen noch Privilegierungen ableiten,856 allenfalls konstituiert der Begriff „berufsethische Verhaltens- und Pflichtenstandards“.857 Die öffentliche Aufgabe der Presse ist daher nicht mit der objektiv-rechtlichen Dimension der Pressefreiheit zu verwechseln.858 846
BVerfGE 20, 162 (174 f.); 35, 202 (222). BVerfGE 12, 205 (260); 20, 162 (174 f.). 848 Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 5 Rn. 1. 849 BVerfGE 20, 162 (175). 850 Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 5 Rn. 1. 851 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 37. 852 Vgl. insoweit die Kritik bei Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 67 sowie bei Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 37. 853 BVerfGE 12, 205 (260). 854 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 67. 855 Ausführlich Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 146 ff. 856 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 67; ähnlich SchulzeFielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 226. 857 Vgl. dazu Faller, AfP 1981, 430 (436). 858 Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 175. 847
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(2) Persönliche Grundrechtsträgerschaft (a) Grundsatz Grundrechtsträger sind diejenigen inländischen und ausländischen, natürlichen und juristischen Personen oder Personengemeinschaften, die eine der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Handlung vornehmen.859 Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf die Pressefreiheit berufen. Den partiell grundrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten steht hinsichtlich der Herausgabe programmbegleitender Presseerzeugnisse gegebenenfalls der Schutz der Rundfunkfreiheit zur Seite.860 Geschützt ist jeder im Pressewesen produktiv Tätige,861 neben Verlegern und Herausgebern etwa auch Redakteure und sonstige Verlagsmitarbeiter, Presseagenturen, Grossisten und Buchhändler.862 (b) Laien- und Bürgerjournalisten als Träger der Pressefreiheit Wie beschrieben ist die Pressefreiheit ein „Jedermann-Grundrecht“.863 Erforderlich ist nur, dass der sich darauf Berufende eine der geschützten Handlungen vornimmt und damit als „im Pressewesen tätig“ angesehen werden kann.864 Problematisch ist dies bezogen auf Laien- oder Bürgerjournalisten, die in der Regel weder über eine Redaktion verfügen noch mit ihrer publizistischen Tätigkeit überwiegend ihren Lebensunterhalt bestreiten.865 Der persönliche Schutzbereich der Pressefreiheit ist jedoch nicht erst bei der Ausübung einer hauptberuflichen Pressetätigkeit eröffnet. Für den Schutz der Pressefreiheit kommt es somit nicht auf eine berufsmäßige oder überwiegende Betätigung im Pressewesen an. Anknüpfungspunkt für den Grundrechtsschutz ist allein das Medium Presse.866 Der Bürger- beziehungsweise Laienjournalismus stellt eine Form der Verbreitung von Inhalten durch nicht-journalistisch geschulte Personen dar, die in jour-
859 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 39. 860 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 40. 861 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 117; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 8 Rn. 1 ff. 862 Vgl. Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 38 m.w. N. 863 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 39. 864 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 39; Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus, 2013, S. 115. 865 Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus, 2013, S. 115. 866 BVerfGE 95, 28 (34 f.). Schulze-Fielitz (in: Dreier [Hrsg.], GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 117) und Bethge (in: Sachs [Hrsg.], GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 75) sehen eine Beteiligung nur in „beiläufiger Weise“ als nicht ausreichend an.
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nalistischer Weise berichten und Position beziehen wollen.867 Während man früher in diesem Zusammenhang vor allem an Schüler-, Vereins- oder Werkszeitungen dachte, bietet heutzutage das Internet journalistischen Laien die Möglichkeit, ähnlich intensiv und mit vergleichbarer Reichweite wie professionelle Journalisten Inhalte zu publizieren.868 Der Unterschied zwischen dem Bürgerjournalismus und der Verbreitung von Inhalten durch Privatpersonen – vor allem im Internet – ist darin zu sehen, dass der Bürgerjournalismus gerade der Meinungsbildung einer Vielzahl, dem Laien nicht näher bekannter Personen, zu dienen bestimmt ist.869 Die publizistische Tätigkeit kann für Bürgerjournalisten eine nur beiläufig und unregelmäßig ausgeübte Nebentätigkeit darstellen, weswegen es zweifelhaft erscheint, sie als „im Pressewesen tätig“ anzusehen.870 Allerdings sollte dieses Merkmal nicht allzu formal verstanden, sondern vielmehr als die Summe der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG geschützten Tätigkeiten begriffen werden. Immerhin unterscheidet sich das Verfassen von Artikeln durch Bürgerjournalisten einerseits und professionelle Journalisten andererseits nur unwesentlich.871 Da gerade auch von Laien hergestellte Presseerzeugnisse einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Information der Allgemeinheit leisten und damit an der öffentlichen Aufgabe der Presse mitwirken, unterfallen auch von ihnen verbreitete Beiträge dem Schutzbereich der Pressefreiheit.872 Hintergrund dieser Annahme ist, dass ein für das Funktionieren des demokratischen Systems so wichtiges Grundrecht wie Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG nicht nur den Schutz eines kleinen, privilegierten Kreises gewährleisten soll, sondern weiten Teilen der Bevölkerung offenstehen muss.873 Auch Laien können die Wächter-Funktion der Presse beispielsweise gegenüber dem Staat oder mächtigen privaten Unternehmen wahrnehmen. Ihr Bedürfnis nach dem intensiveren Schutz der Pressefreiheit ist daher ebenso hoch wie das von Presseorganen klassischer Art.874 Dies deutet auch das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1971 in einer Randbemerkung an: „[D]urch [. . .] Presseerzeugnisse kann unter dem Schutz des Grund867 Meckel, epd medien Nr. 3, 2007, 23 (24 f.); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 65. 868 Vgl. zur Frage des Schutzes der Publikationstätigkeit in den Online-Medien unten, Teil 1 B. IV. 2. b) ee). 869 Grothe, KritV 1999, 27 (36); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 65. 870 Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus, 2013, S. 115. 871 Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus, 2013, S. 115. 872 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 107 f. 873 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 117 f. Vgl. daneben ausführlich zur öffentlichen Aufgabe des Bürgerjournalismus Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus, 2013, S. 78 ff. 874 Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 93.
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rechts jede, auch die kleinste Gruppe ihre Meinung äußern und verbreiten“.875 So sind nach allgemeiner Auffassung etwa auch Schülerzeitungen von der Pressefreiheit geschützt.876 Schülerzeitungen verdienen den besonderen Schutz der Pressefreiheit, da sie ein Übungsfeld für die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung kreieren; insbesondere das Äußern von Meinungen und der Umgang mit Andersdenkenden können erlernt werden.877 Anders ist dies hingegen beim Leserbriefschreiber, dessen Stellungnahme in einer Zeitung abgedruckt wird. Dieser kann sich nicht auf die Pressefreiheit berufen,878 da Form und Inhalt einer Meinungsäußerung nur von der Meinungsfreiheit geschützt werden, auch wenn sie in einem Presseerzeugnis verbreitet werden.879 Für den Schutz von Laienjournalisten durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG und die Abgrenzung zur nicht-journalistischen Meinungsäußerung und Informationsverbreitung kommt es letztlich nur darauf an, ob die Publikation gerade der Meinungsbildung einer Vielzahl dem Absender in der Regel nicht näher bekannter Personen dienen soll.880 Auch die Tätigkeit von Laienjournalisten unterfällt daher dem Schutzbereich der Pressefreiheit.881 (3) Sachlicher Gewährleistungsgehalt (a) Der verfassungsrechtliche Pressebegriff Der Begriff der Presse ist „weit und formal“ auszulegen; er ist unabhängig von einer an welchen Maßstäben auch immer orientierten Bewertung des Druckerzeugnisses.882 Auf inhaltliche Kriterien kommt es daher nicht an.883 Die Pressefreiheit ist somit keinesfalls etwa auf die „seriöse Presse“ beschränkt.884 Eine Bewertung des Druckerzeugnisses findet erst im Rahmen der Prüfung der rechtlich zulässigen Einschränkungsmöglichkeiten statt.885 Für die Schutzbereichsbestimmung kommt es im Wesentlichen nur darauf an, was zu den notwendigen 875
BVerwGE 39, 159 (164). BVerfGE 86, 122 (127 ff.); Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 38; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 77. 877 BVerfGE 86, 122 (131). 878 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 76. 879 BVerfGE 113, 63 (75); a. A. Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 19. 880 Grote, KritV 1999, 27 (36); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 118. 881 So auch Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 64. 882 BVerfGE 34, 269 (283); 66, 116 (134); 95, 28 (35). 883 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 109 I. 4. e). 884 BVerfGE 34, 269 (283); Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 130. 885 BVerfGE 34, 269 (283). 876
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Bedingungen einer funktionierenden freien Presse zählt.886 Ausgehend vom Wortsinn ist es das „gedruckte Wort“, welches die grundrechtlich relevante kommunikative Wirkung begründet.887 Im Unterschied zum verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff, der sich im herkömmlichen Sinne durch die „körperlose“ Verbreitung der Informationen mittels elektromagnetischer Schwingungen bestimmen lässt,888 erfasst der Pressebegriff sämtliche Arten „verkörperter Kommunikationsinhalte“. Das Abgrenzungs- beziehungsweise Zuordnungsmerkmal ist nach dieser herkömmlichen Sichtweise die Distributionsform.889 Damit stellt sich die Frage der „stofflichen Verkörperung“ des Kommunikationsinhalts.890 Der Pressebegriff bezieht sich daher nicht nur auf Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, sondern auf „alle zur Verbreitung geeigneten Druckerzeugnisse“.891 Ob auch Publikationen in Online-Medien dem verfassungsrechtlichen Pressebegriff zugeordnet werden können, hängt davon ab wo die Grenzlinien zwischen Presseund Rundfunkbegriff verläuft. Dass sowohl der verfassungsrechtliche Presse- als auch der Rundfunkbegriff entwicklungsoffen für neue Verbreitungsformen sind, ist einhellig anerkannt.892 Die Frage, welcher der beiden Freiheiten die (neuen) Online-Medien unterfallen, ist hingegen umstritten und soll an späterer Stelle noch erörtert werden.893 (b) Inhalt und Umfang des grundrechtlichen Schutzes – die subjektiv-rechtliche Dimension In seiner Funktion als klassisches Abwehrrecht schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG Presseorgane vor Eingriffen des Staates, die die Verbreitung von Meinungen, aber auch von reinen Nachrichten, die nicht mit einer wertenden Stellungnahme versehen sind, betreffen.894 Die Meinungsäußerung als solche, auch wenn sie in einem Presseerzeugnis geäußert wird, unterfällt (lediglich) dem
886
BVerfGE 66, 116 (134). Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 193, 203. 888 Vgl. dazu noch unten, Teil 1 B. IV. 2. b) dd) (2) (a). 889 Vgl. Gersdorf, AfP 2010, 421 (422) m.w. N. 890 Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 203. 891 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 68. 892 Für die Pressefreiheit vgl. etwa Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 27; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 90; Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 15; für die Rundfunkfreiheit Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 100; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 34. 893 Vgl. dazu unten, Teil 1 B. IV. 2. b) ee). 894 Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 18. 887
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Schutzbereich der Meinungsfreiheit.895 Geschützt ist aber gerade die „pressespezifische“ Verbreitung einschließlich der institutionell-organisatorischen Modalitäten und Rahmenbedingungen.896 Insoweit schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG die Pressetätigkeit in zahlreichen Facetten. Umfasst ist zum einen die Gründung und Gestaltung von Presseerzeugnissen,897 zum anderen aber auch die Gestaltungsfreiheit in inhaltlicher und formaler Hinsicht, also die Entscheidung darüber, welche Themen in einer Ausgabe behandelt werden und wie die Darbietung beziehungsweise die Aufmachung aussehen soll.898 Geschützt ist damit die freie Bestimmung von Art und Ausrichtung, Inhalt und Form eines Publikationsvorgangs.899 Auch rein unterhaltende Presseerzeugnisse genießen den Schutz der Pressefreiheit.900 Denn die Unterhaltsamkeit des Inhalts oder der Aufmachung eines Beitrages ist oftmals ein wichtiges Mittel zur Gewinnung öffentlicher Aufmerksamkeit und damit gegebenenfalls auch zur Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung.901 Unterhaltende Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen.902 Auch kann die Unterhaltsamkeit Auswirkungen auf den publizistischen und wirtschaftlichen Erfolg eines Presseerzeugnisses haben.903 Insoweit hat vor allem die Bedeutung visueller Darstellungen als Teil der Presseberichterstattung zugenommen.904 Wenn Medienberichte keinen demokratischen Bezug, sondern lediglich einen rein unterhaltenden Charakter aufweisen, ist dies allerdings bei der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern zu berücksichtigen.905 Vom Schutz der Pressefreiheit erfasst sind alle Abläufe innerhalb eines Presseunternehmens sowie sämtliche mit dem Pressewesen und der Eigenart der Pressearbeit wesensmäßig zusammenhängenden Tätigkeiten.906 Der Schutz der Presse895 Vgl. dazu Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 97; Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 208. Demgegenüber a. A. Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 19. 896 BVerfGE 85, 1 (13); 113, 63 (75); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 97. 897 BVerfGE 20, 162 (175 f.). 898 BVerfGE 95, 28 (35 f.); 97, 125 (144). 899 BVerfGE 95, 28 (35 f.); 101, 361 (389); 120, 180 (198). 900 BVerfGE 101, 361 (389 f.). 901 Vgl. dazu BVerfGE 120, 180 (204). 902 BGHZ 171, 275 (281). 903 BVerfGE 120, 180 (204). 904 BVerfGE 120, 180 (204). 905 Vgl. BVerfGE 34, 269 (283); BVerfG NJW 2001, 1921 (1923). 906 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 95; Odendahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 19.
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freiheit reicht daher von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht oder Meinung.907 Neben dem Zugang zur Information wird vor allem auch die Geheimhaltung der Informationsquelle beziehungsweise des Informanten gewährleistet.908 Gerade der publizistischen Vorbereitungstätigkeit, zu der insbesondere auch die Informationsbeschaffung zählt, ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung stets besonderes Gewicht beigemessen worden.909 Denn erst der ungehinderte Zugang zur Information ermöglicht es der Presse, die ihr in der freiheitlich demokratischen Grundordnung zukommenden Aufgaben effektiv zu erfüllen.910 Vom Schutz des Informationszugangs umfasst ist auch der Zugang zu öffentlichen Gerichtsverhandlungen, um über diese berichten zu können.911 Informationszugang bedeutet dabei einerseits den Zugang zum Verhandlungssaal, um die Verhandlung unmittelbar aus eigener Anschauung heraus verfolgen zu können, zum anderen aber auch Zugang zu Informationen – beispielsweise auch die Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen – in Form von Auskunftsansprüchen gegenüber den Gerichten.912 Pressevertreter können sich zunächst wie jeder andere ungehindert aus den allgemein zugänglichen Quellen unterrichten. Der spezielle Schutz der Pressefreiheit geht allerdings noch darüber hinaus.913 Auch wenn das Bundesverfassungsgericht in der „n-tv-Entscheidung“ feststellt, dass sich der Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen für Medienvertreter nicht anders als für die Bürger allgemein nach der Informationsfreiheit richte,914 so bleibt doch festzuhalten, dass jedenfalls staatliche Maßnahmen – etwa sitzungspolizeiliche Maßnahmen im Rahmen einer mündlichen Gerichtsverhandlung –, durch welche die Presse an der Berichterstattung gehindert wird, sich am Maßstab der Pressefreiheit messen lassen müssen.915 Dies betrifft jedenfalls – und so kann auch das Bundesverfassungsgericht verstanden werden, wenn es von dem speziellen Schutz durch die Rundfunkfreiheit hinsichtlich der rundfunkspezifischen Aufnahme- und Übertragungsmöglich907 BVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260); 36, 193 (204); 91, 125 (134); 117, 244 (258 f.); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 70. 908 BVerfGE 100, 313 (365); 107, 299 (329 f.). 909 BVerfGE 20, 162 (176, 187); 36, 193 (204); 50, 234 (240). 910 BVerfGE 50, 234 (240); 91, 125 (134); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 70. Insofern verwundert es auch, wenn das Bundesverfassungsgericht in der „n-tv-Entscheidung“ (BVerfGE 103, 44 [59]) die Bedeutung der Informationsquelle zwar hervorhebt, den Informationszugang von Medienvertretern aber lediglich der allgemeinen Informationsfreiheit unterstellt. Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. b) bb) (3). 911 BVerfGE 91, 125 (134); 103, 44 (61 f.). 912 Vgl. dazu ausführlich die Ausführungen unten, Teil 1 B. V. 913 Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 211. 914 BVerfGE 103, 44 (59 f.). Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. b) bb). 915 Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 213.
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keiten spricht916 – die medienspezifische „Arbeit an der Informationsquelle“ und die medienspezifische „Resorption“ der Information. Zu denken ist dabei etwa an das Anfertigen von Notizen auf dem klassischen Notizblock, an das Ablichten mittels Fotokamera, aber auch an den Einsatz eines Laptops oder mobiler Kommunikationsmittel. Der Bedeutung der Pressefreiheit ist bei solchen Maßnahmen stets Rechnung zu tragen. Keinesfalls darf eine kritische Berichterstattung über ein bestimmtes Verfahren einen auf der sitzungspolizeilichen Gewalt beruhenden Ausschluss aus dem Zuhörerbereich nach sich ziehen.917 (4) Objektiv-rechtlicher Gehalt Neben der dominierenden individualrechtlichen hat die Pressefreiheit auch eine objektive Komponente. Die objektiv-rechtliche Seite der Pressefreiheit hat das Bundesverfassungsgericht wegen ihrer Bedeutung für die individuelle und gesellschaftliche Meinungsbildung stets betont. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG gewährleistet damit auch das „Institut der freien Presse“.918 Konsequenz sei die Verpflichtung an den Staat überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen.919 Auch aus dem Grundrecht positiv ableitbare Ansprüche sind damit nicht von vornherein ausgeschlossen.920 Einen absoluten Vorrang der Pressefreiheit gegenüber anderen Rechtsgütern hat dies aber nicht zur Folge.921 Die objektiv-rechtliche Dimension der Pressefreiheit dient als „Schutzbereichsverstärkung“ und verpflichtet den Staat dazu, die institutionelle Eigenständigkeit der Presse etwa mithilfe von Schranken- oder Ausgestaltungsgesetzen zu sichern.922 Die Ausgestaltung der Pressefreiheit kommt nur im Ausnahmefall in Betracht,923 etwa zur Regelung von Zutrittsrechten der Presse zu öffentlichen Veranstaltungen,924 zur Erhaltung der Vielfalt der Pressemärkte925 oder zur Abwehr sich herausbildender Meinungsund Pressemonopole.926 Weiterhin wirkt sich die objektiv-rechtliche Dimension 916
BVerfGE 103, 44 (59). Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 215. 918 BVerfGE 10, 118 (121); 20, 162 (175); 66, 116 (133); 117, 244 (258 f.); Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 6; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 71 ff. 919 BVerfGE 20, 162 (175). 920 So Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 71; zurückhaltend BVerfGE 80, 124 (133 f.). 921 BVerfGE 129, 208 (266). 922 Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 9. 923 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 227. 924 Ausführlich zu einem Zutrittsrecht der Presse zu öffentlichen Veranstaltungen: Holznagel/Höppener, DVBl 1998, 868 (868 ff.). 925 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 227. 926 BVerfGE 20, 162 (176). Ausführlich zu möglichen Maßnahmen gegen die Pressekonzentration: Groß, VR 2007, 150 (151 ff.). 917
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der Pressefreiheit bei der Ausgestaltung der Rechtsordnung in denjenigen Bereichen aus, in denen es nicht um spezifisches Presserecht geht, und verpflichtet alle staatliche Gewalt dazu, auch in diesen Bereichen der besonderen Bedeutung der Pressefreiheit Rechnung zu tragen.927 dd) Rundfunkfreiheit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 GG gewährleistet die Rundfunkfreiheit. (1) Persönliche Grundrechtsträgerschaft (a) Grundsatz Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 GG ist jeder Veranstalter von Rundfunk unabhängig von der gewählten Rechtsform grundrechtsberechtigt.928 Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit steht damit, ohne Rücksicht auf öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtsform, auf kommerzielle oder nichtkommerzielle Betätigung, jeder natürlichen oder juristischen Person zu, die Rundfunkprogramme veranstaltet oder veranstalten möchte und sich um eine Rundfunklizenz bewirbt.929 Auf die Rundfunkfreiheit können sich auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten berufen. Zwar sind die Grundrechte grundsätzlich nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar. Aufgrund des Gebots der Staatsfreiheit des Rundfunks ist dies in diesem Fall allerdings anders zu beurteilen. Denn bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten handelt es sich um Einrichtungen des Staates, denen der Grundrechtsschutz in einem vom Staat unabhängigen Bereich zukommt.930 Im Übrigen ist der personelle Schutzbereich ähnlich wie der der Pressefreiheit ausgestaltet. Insoweit kann jeder den Schutz der Rundfunkfreiheit in Anspruch nehmen, der an der Programmveranstaltung beteiligt ist.931 Neben dem Programmveranstalter, also demjenigen, der „die Struktur [des Programms] festlegt, die Abfolge plant, die Sendungen zusammenstellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung dem Publikum anbietet“,932 sind dies beispielsweise auch dessen Mitarbeiter,933 aber auch der Programmlieferant.934 927
Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 10. Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 33. 929 BVerfGE 95, 220 (234); Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 62. 930 BVerfGE 59, 231 (255); Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 63. 931 Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 35. 932 BVerfGE 97, 298 (310). 933 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5, Rn. 109. 934 Gundel, ZUM 2011, 881 (884 f.); a. A. OVG Münster ZUM-RD 2005, 247 (249); VG Berlin AfP 2006, 87 (89). 928
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(b) Laien- und Bürgerjournalisten als Träger der Rundfunkfreiheit Laien- und Bürgerjournalisten nehmen keine „der Meinungsfreiheit dienende Aufgabe“ wahr, die zur Sicherung der Meinungsvielfalt staatlich reguliert ist. Laienjournalisten „erbringen ihre öffentliche Aufgabe vor dem Hintergrund der Verwirklichung des Freiheitsrechts jedes einzelnen im Internet publizierenden Laienjournalisten“ und damit im Sinne der öffentlichen Aufgabe der Presse.935 Da Laienjournalisten ihre öffentliche Aufgabe nicht in einer die Merkmale des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs verwirklichenden Weise erfüllen, also keinen Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinn veranstalten, ist ein Schutz durch die Rundfunkfreiheit ausgeschlossen.936 (2) Sachlicher Gewährleistungsgehalt (a) Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff lässt sich nicht verbindlich und abschließend definieren, er ist wie der Pressebegriff „entwicklungsoffen“.937 Denn gerade unter den Bedingungen eines raschen technischen Wandels kann die Rundfunkfreiheit ihre normative Kraft nur dann bewahren, wenn bei der Bestimmung von Rundfunk nicht lediglich an bereits eingeführte Technologien angeknüpft wird.938 Demnach muss der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff auch für diejenigen Bereiche offen gehalten werden, in denen die Funktion des Rundfunks – wenn auch mit neuen Mitteln – ebenso erfüllt wird wie in den klassischen Bereichen.939 Der Rundfunkbegriff darf insoweit nicht statisch verstanden werden; er muss sich dynamisch dem sich wandelnden Realbereich anpassen können.940 Nach überwiegender Auffassung lässt sich der Rundfunkbegriff jedenfalls durch drei Wesensmerkmale näher beschreiben:941 Dies sind die Gerichtetheit an die Allgemeinheit (aa), die technischen Übertragungsmodalitäten (bb) und der Darbietungscharakter (cc). Die „Entwicklungsoffenheit“ des Rundfunkbegriffs zeigt sich dabei gerade am Kriterium der rundfunktechnischen Verbrei935 So Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 145. 936 Vgl. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 145. 937 BVerfGE 83, 238 (302); von Coelln, AfP 2008, 433 (439 ff.); Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 27; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 100. 938 BVerfGE 83, 238 (302). 939 BVerfGE 74, 297 (350); 83, 238 (302). 940 von Coelln, AfP 2008, 433 (439 ff.); Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 73. 941 Vgl. dazu Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 99; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 47; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 66.
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
tungsform. Die Pluralisierung der Rundfunkformate mit neuen Rezeptionsformen wie Abruf- oder Zugriffsdiensten, aber auch die Auflösung des dienstespezifischen Charakters der Übertragungswege, verdeutlichen das Bedürfnis der Flexibilität des Kriteriums der rundfunktechnischen Übertragungsform.942 (aa) Gerichtetheit an die Allgemeinheit Das Kriterium der Allgemeingerichtetheit dient der Abgrenzung zur Individualkommunikation.943 Es muss sich um ein an die Allgemeinheit gerichtetes Angebot handeln, das heißt, es muss prinzipiell von jedermann empfangbar sein.944 Hiervon ist auszugehen, wenn technisch nicht nur ein bestimmter im Vorhinein ausgewählter, sondern ein unbestimmter Personenkreis angesprochen wird.945 Ausreichend ist dafür aber auch die Gerichtetheit an eine Teilöffentlichkeit,946 etwa ein Krankenhaus- oder Betriebsrundfunk947 oder Pay-TV-Angebote, die nur für einen Abonnementenkreis zugänglich sind.948 (bb) Rundfunktechnische Verbreitungsform Das Kriterium der rundfunktechnischen Verbreitungsform kommt in der Formulierung „Berichterstattung durch den Rundfunk“ zum Ausdruck.949 Gemeint ist die drahtlose oder drahtgebundene fernmeldetechnische Übertragung mittels elektromagnetischer Schwingungen,950 durch welche die verbreiteten Inhalte zeitgleich oder zeitversetzt empfangen werden können.951 Das Merkmal rundfunktechnischer Übertragung ist dabei nicht auf die vorgefundenen Technologien beschränkt, sondern orientiert sich am technischen Wandel.952 Mithilfe des Kri942 Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 73. 943 Papier/Schröder, epd medien Nr. 60, 2010, 16 (18). 944 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 90a. 945 Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 47. 946 Papier/Schröder, epd medien Nr. 60, 2010, 16 (18); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 90a; Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 181. 947 Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 47; Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 181. 948 Papier/Schröder, epd medien Nr. 60, 2010, 16 (18); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 90b. 949 Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 26. 950 Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 26; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 66. 951 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 178 ff. 952 BVerfGE 74, 297 (350); 83, 238 (302); Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 26.
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teriums der elektromagnetischen Verbreitung über eine räumliche Distanz lässt sich der Rundfunk von den übrigen Medienfreiheiten unterscheiden.953 Zur Abgrenzung kommt es somit nicht auf den verbreiteten Inhalt, sondern allein auf die Verbreitungsmethode an.954 (cc) Darbietungscharakter Der Begriff der Darbietung ist weit zu verstehen. Darbietungscharakter kommt allen von einem Rundfunkunternehmen im Interesse der Rezipienten redaktionell verantworteten und aufbereiteten Inhalten zu.955 Er erfasst jede „Vermittlung von Information und Meinung“,956 denn Meinungsbildung findet nicht nur in den klassischen Informations- und Nachrichtensendungen, durch politische Kommentare oder Sendereihen über politische Themen der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft statt, sie „geschieht ebenso in Hörspielen, musikalischen Darbietungen [oder] Übertragungen kabarettistischer Programme“.957 Darbietungscharakter kommt damit auch Sendungen rein unterhaltender Natur, kulturellen Beiträgen und vielem anderen mehr zu.958 Allerdings sind Abstufungen geboten. Zum Abruf bereitstehende Einzelinformationen können allenfalls in abgeschwächtem Maße rundfunkmäßige Meinungsmacht entfalten.959 (b) Inhalt und Umfang des grundrechtlichen Schutzes Die Rundfunkfreiheit wird umfassend gewährleistet. Der sachliche Schutzbereich lässt inhaltlich keine Begrenzung zu.960 Erfasst sind insoweit alle rundfunktypischen Verhaltensweisen.961 Im Kern ist Rundfunkfreiheit Programmfreiheit.962 Als solche ähnelt die Rundfunkfreiheit strukturell der Pressefreiheit.963 953 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 110 II. 3. d); Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 47; Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 178 ff. 954 Fink, in: Spindler/Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2015, Abschn. C Rn. 38. 955 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 110 II. 3; Jarass, AfP 1998, 133 (134 ff.). 956 BVerfGE 12, 205 (260); 57, 295 (319); 60, 53 (63 f.); Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 28. 957 BVerfGE 12, 205 (260); 31, 314 (325f.). 958 Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 28. 959 Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 28. 960 Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 78. 961 Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 78. 962 BVerfGE 59, 231 (258); 90, 60 (87); 95, 220 (234); 114, 371 (389); Gundel, ZUM 2011, 881 (884). 963 Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden: Teil 1 B. IV. 2. b) cc) (2).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
So sind Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms als ausschließliche Angelegenheiten des Rundfunkveranstalters von der Rundfunkfreiheit besonders geschützt.964 Der Grundrechtsschutz reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Sendung.965 Geschützt ist insoweit auch der Zugang zu einer sich im staatlichen Verantwortungsbereich befindenden Informationsquelle, etwa die mündliche Gerichtsverhandlung.966 Entsprechend dem weiten Begriff der Darbietung wird dieser Schutz des Programms sowohl in seinen informierenden als auch in seinen unterhaltenden Teilen gewährleistet.967 (3) Objektiv-rechtlicher Gehalt Deutlich stärker ausgeprägt als bei der Pressefreiheit ist der objektiv-rechtliche Gehalt der Rundfunkfreiheit.968 Durch die Rundfunkfreiheit wird eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung gewährleistet. Dem Rundfunk kommt die Funktion eines „Mediums“ und „Faktors“ zu.969 Ihm obliegt es, umfassend, möglichst breit und vollständig zu informieren und dabei allen gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit zu geben, sich ebenfalls in den permanenten Prozess der öffentlichen Meinungsbildung einzubringen.970 Die Rundfunkfreiheit ist demgemäß eine der Meinungsbildungsfreiheit „dienende Freiheit“ und stellt insoweit eine notwendige Ergänzung und Verstärkung dar.971 Dem Rundfunk kommt wegen seiner „Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft“ eine wichtige kommunikative Bedeutung zu.972 Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der Rundfunk wie kein anderes Medium die Möglichkeit eröffnet, Inhalte schnell und zeitgleich zu übertragen und er sich dabei der Kombination von Ton, Text und bewegtem Bild bedienen kann.973 Diese Wirkungsmöglichkeiten werden umso intensiver, je mehr neuartige Technologien zu einer Vergrößerung und Ausdifferenzierung des Angebots beitragen.974 Hieraus entspringt
964
BVerfGE 90, 60 (87); Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 37. BVerfGE 78, 101 (102 f.); 91, 125 (135); 119, 309 (318 f.); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 108, 111. 966 BVerfGE 91, 125 (134 f.); 103, 44 (59 f.); 119, 309 (318 f.); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 108, 111. Vgl. hierzu auch noch ausführlich unten, Teil 1 B. V. 1. 967 Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 39. 968 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 232. 969 BVerfGE 12, 205 (260); 57, 295 (319); 59, 231 (257); 74, 297 (323); 83, 238 (296). 970 BVerfGE 35, 202 (222); 59, 231 (257 f.). 971 BVerfGE 74, 297 (323 f.); 83, 238 (296); 87, 181 (197). 972 BVerfGE 90, 60 (87); 114, 371 (387); 119, 181 (215). 973 BVerfGE 136, 9 (28). 974 BVerfGE 119, 181 (215); 136, 9 (28). 965
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die besondere staatliche Verantwortung für die Sicherstellung von Vielfalt im Bereich des Rundfunks.975 Die Rundfunkfreiheit hat daher nicht nur die Funktion eines Abwehrrechts.976 Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 GG verlangt vor allem nach der Ausgestaltung einer positiven Ordnung, in der dafür Sorge getragen wird, dass der Rundfunk weder dem Staat noch einzelnen gesellschaftlichen Kräften ausgeliefert ist, um zu gewährleisten, dass ein Spektrum an in der Gesellschaft relevanten Themen und Meinungen möglichst breit und vollständig wiedergegeben wird.977 Ziel der Ausgestaltung ist es damit, die „potentielle und reale Macht“ des Rundfunks rechtlich „zu disziplinieren“, um einer Gefährdung der „Grundstrukturen einer pluralistisch verfassten Demokratie“ vorzubeugen.978 Die Ausgestaltung dieser Ordnung obliegt dem Gesetzgeber, dem dabei ein weitreichender Ermessensspielraum zukommt.979 Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk wird nur dann gelingen, wenn er seinerseits frei, umfassend und wahrheitsgemäß informiert. Der Schutz der Vermittlungsfunktion des Rundfunks ist daher unerlässlich zur Erreichung der grundrechtlichen Gewährleistung.980 Die Vermittlungsfunktion erfüllt der Rundfunk durch sein Programm. Die Rundfunkfreiheit ist insoweit Programmfreiheit und gewährleistet, dass sich „Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms“ allein an publizistischen Kriterien orientieren und damit Sache des Rundfunks bleiben.981 Der Rundfunk genießt im Unterschied zur Presse allerdings keinen uneingeschränkten Tendenzschutz. Rundfunkanstalten dürfen in ihrem Programm keine Tendenz verfolgen, sondern müssen vielmehr verschiedenen Tendenzen ausreichend Raum geben.982 In der dualen Rundfunkordnung soll vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Erfüllung des Funktionsauftrages sicherstellen, indem er ein Gegengewicht zu dem an marktwirtschaftlichen Anreizen orientierten privaten Rundfunk bildet.983 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in der Lage, die Aufgabe der Vielfaltssicherung in einer Weise zu erfüllen, wie sie auf einem freien Markt nicht möglich wäre. Denn publizistischer und ökonomischer Wettbewerb allein führen nicht zwingend dazu, dass alle relevanten „Informationen, Erfahrungen,
975 976 977 978 979 980 981 982 983
BVerfGE 136, 9 (28). BVerfGE 83, 238 (296); 87, 181 (197). BVerfGE 57, 295 (320); 74, 297 (324); 83, 238 (296); 136, 9 (28). Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 234. BVerfGE 83, 238 (322 f.); 136, 9 (28). BVerfGE 83, 238 (296). BVerfGE 59, 231 (258); 90, 60 (87); 97, 298 (310); 114, 371 (389). BVerfGE 59, 231 (258). BVerfGE 136, 9 (29).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Werthaltungen und Verhaltensmuster“ zum Ausdruck kommen.984 Dennoch zeigen aktuelle Verfahren, dass der Rechtfertigungsaufwand für den öffentlichrechtlichen Rundfunk gestiegen ist.985 ee) Der Grundrechtsschutz von Online-Diensten beziehungsweise -Medien Auf der Suche nach geeigneten Kriterien zur Einordnung der (neuen) OnlineMedien im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sieht man sich neuen Herausforderungen ausgesetzt. Während vor dem Aufkommen des Internets eine Abgrenzung anhand der Distributionsform stets problemlos möglich war und eine klare Vorstellung von beiden Mediengattungen bestand, bereitet vor allem die Zuordnung medialer Mischformen, das heißt konvergenter Massenmedien, heutzutage Schwierigkeiten. Grundsätzlich ist sowohl der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff als auch der Pressebegriff entwicklungsoffen. Eine Subsumtion wäre daher prinzipiell unter beide Begriffe möglich.986 (1) Ausgangslage Die fortschreitende Konvergenz der Medien erschwert eine stringente Abgrenzung der unterschiedlichen Medienformen. Insoweit besteht Unklarheit hinsichtlich der Frage, wie Multimediaangebote grundrechtlich abgesichert sind. Die eindeutige Zuordnung ist deswegen bedeutsam, weil Presse- und Rundfunkfreiheit unterschiedlich interpretiert werden.987 Im Gegensatz zur Pressefreiheit ist die Rundfunkfreiheit ein Grundrecht, das der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedarf. Das Internet gewinnt für die Informationsverbreitung und die Meinungsbildung immer mehr an Bedeutung. Die Internetöffentlichkeit ergänzt Begegnungsöffentlichkeit und massenmediale Öffentlichkeit als neue Kommunikationsform mit eigenständigen Strukturprinzipien. Internetöffentlichkeit ist nicht lediglich „one-to-one-“ oder „one-to-many-“ sondern „many-to-many-Kommunikation“.988 Welcher der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Online-Dienste zuzuordnen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Für diese Arbeit ist die Frage der verfassungsrechtlichen Einordnung der neuen Internetmedien von Relevanz, da die Mediengrundrechte gegenüber der Meinungs- und Informationsfreiheit, die den 984
BVerfGE 73, 118 (158 f.); 74, 297 (324 f.); 114, 371 (387 ff.); 136, 9 (29). Vgl. etwa das Verfahren zum ZDF-Staatsvertrag BVerfGE 136, 9 (9 ff.) oder zur Tagesschau-App zuletzt BGHZ 205, 195 (195 ff.). 986 Vgl. dazu Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 198. 987 Fechner, in: Stern/Becker (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 121. 988 Vgl. Holznagel, NordÖR 2011, 205 (206). 985
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inhaltlichen Schutz der Kommunikation gewähren, einen weitergehenden, „formellen“ 989, Grundrechtsschutz der Grundrechtsträger garantieren. Bezogen auf das gerichtliche Verfahren ist hier an aus den Medienfreiheiten ableitbare Privilegien wie Sitzplatzreservierungen oder die Verwendung technischer Geräte zu denken.990 Aufgrund der „medialen Natur“ des Internets ist seine Einordnung als Ganzes unter eine der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG allerdings nicht möglich.991 Dies liegt daran, dass das Internet als Medium erster Ordnung992 mediensystematisch auf einer anderen Stufe zu verorten ist als Rundfunk, Presse oder Film (Medien zweiter Ordnung).993 Bereits dieser Befund verdeutlicht, dass eine eindeutige Zuordnung des Internets zur Presse-, Rundfunk- oder Filmfreiheit aus systematischen Gründen ausscheidet.994 Das Internet ist keine Angebotsform, sondern ein digitaler Übertragungsweg (Trägermedium), der verschiedene Dienste ermöglicht.995 Im Folgenden wird es daher darum gehen, die einzelnen Online-Dienste einer der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zuzuordnen. Im Übrigen verbietet sich eine pauschale Zuordnung von Online-Diensten zu einer der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schon deshalb, weil das Internet sowohl private als auch öffentliche Kommunikation ermöglicht.996 Zunächst ist daher eine Unterscheidung zwischen Massen- und Individualkommunikation vorzunehmen. Bei dieser Abgrenzung ist der Adressatenkreis zu betrachten, an den sich die Kommunikationsinhalte richten. Geht es um Inhalte, die an eine einzelne Person oder mehrere bestimmte Personen gerichtet sind, handelt es sich um Individualkommunikation. Sobald die Inhalte jedoch an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet sind, ist von Massenkommunikation auszugehen. MailingDienste, Messenger-Angebote und Internet-Telefonie zählen damit zur Individualkommunikation.997 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht auch massenmedial kommunizierte Inhalte am Maßstab der Meinungsfreiheit misst.998 989
Jäckel, AfP 2012, 224 (230, 232). Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 116 f. 991 Jäckel, AfP 2012, 224 (225). 992 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 A. I. 3. 993 Jäckel, AfP 2012, 224 (225); Jarren/Donges, Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft, 3. Aufl. 2011, S. 79. 994 Jäckel, AfP 2012, 224 (225). 995 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 110 S. 1673. 996 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 110 S. 1673. 997 Enquete Kommission, BT-Drucks. 17/12542, S. 12. 998 Vgl. etwa BVerfGE 97, 391 (400); 102, 347 (362); 113, 63 (75). 990
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Der inhaltliche Schutz einer Äußerung im Internet ist damit regelmäßig durch die Meinungsfreiheit gewährleistet.999 Ebenso ist die Informationsbeschaffung im Internet von der Freiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen zu unterrichten, geschützt.1000 (2) Die klassische Abgrenzungsmethode nach der Distributionsform Nach der im Schrifttum wohl nach wie vor vorherrschenden Auffassung1001 ist die Abgrenzung von Rundfunk und Presse auch im Zeitalter des Internets nach der Art der Verbreitungsform vorzunehmen. Werden Inhalte in verkörperter Form verbreitet, so handelt es sich um Presse. Eine nichtverkörperte Verbreitung, also eine solche mittels elektromagnetischer Schwingungen, würde zu der Annahme von Rundfunk führen. Demnach wären die über das Internet verbreiteten Inhalte ausnahmslos als Rundfunk einzuordnen.1002 Die nachträgliche Möglichkeit der Verkörperung durch das Ausdrucken von in elektronischer Form verbreiteter Texte und Bilder ändert an diesem Ergebnis nichts.1003 An die Möglichkeit einer Ausnahme von dieser klassischen Differenzierungsmethode ist dann zu denken, wenn ein Informationsangebot eine reine Hilfstätigkeit in Bezug auf ein anderes Medium darstellt.1004 Demnach kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, dass die „Veröffentlichung vorwiegend programmbezogener Druckwerke“ als Annextätigkeit durch die Rundfunkfreiheit geschützt wird, da Programminformation als unabdingbare Voraussetzung mit der Programmrezeption verbunden ist.1005 Die mediale Natur des Annexes ändert sich damit nicht. Es kommt lediglich zu einer Ausdehnung des Schutzes der Haupttätigkeit.1006 Ferner wird vertreten, elektronische Pressespiegel wie auch das übrige Online-Angebot von Presseunternehmen trotz Erfüllung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs als Annextätigkeit dem Schutzbereich der 999
Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 12, 14; Jäckel, AfP 2012, 224 (230). Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 12, 14. 1001 Vgl. Lent, ZUM 2013, 914 (914 mit Fn. 1). 1002 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 110 S. 1670 ff.; von Coelln, AfP 2008, 433 (440); Papier/Schröder, epd medien Nr. 60, 2010, 16 ff.; Ory, AfP 2011, 19 (22); Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 349; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 88. Vgl. auch Enquete Kommission, BT-Drucks. 17/12542, S. 16 m.w. N. 1003 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5, Rn. 73a. 1004 Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 63. 1005 BVerfGE 83, 238 (312 ff.). Vgl. dazu auch Klaes, ZUM 2009, 135 (136 f.); Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 200. 1006 Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 200. 1000
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Pressefreiheit zuzuordnen.1007 Unterschiedlich wird hingegen der Bereich der „elektronischen Alternativverbreitung von Erzeugnissen der gedruckten Presse“ beurteilt.1008 Gemeint ist damit die Situation, wenn „bereits in stofflicher Verkörperung vorliegende Presseerzeugnisse auf diesem Weg lediglich an den Empfänger weitergeleitet werden und die fernmeldetechnische Übertragung allein die Zustellung ersetzt“.1009 Vereinzelt wird hier eine Zuordnung zur Pressefreiheit vorgenommen,1010 an anderer Stelle wird hingegen die Rundfunkfreiheit für einschlägig gehalten.1011 Nimmt man eine Zuordnung zur Rundfunkfreiheit vor, so wird man jedoch zu dem Ergebnis kommen, dass eine gesetzliche Ausgestaltung nicht in der Form erforderlich ist, wie sie beim klassischen Rundfunk vorgenommen wird,1012 vor allem dann nicht, wenn es sich nicht um öffentlich-rechtlichen Rundfunk handelt.1013 (3) Technologieneutrale Abgrenzungsmethoden Neben der klassischen Abgrenzung nach Maßgabe der Distributionsform gibt es zahlreiche, teilweise sehr ähnliche Ansichten, die die Abgrenzung von Rundfunk und Presse anhand von technologieneutralen Kriterien vornehmen.1014 Erst eine wirkungsorientierte Analyse sei in der Lage den querschnittsartigen Regelungsgegenstand des Internets durch die seit jeher als technik- und entwicklungsoffen verstandenen Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu erfassen.1015 Wirkungsorientierung bedeutet dabei, sich von Unterscheidungen wie Massen- und Individualkommunikation oder unterschiedlichen Übertragungsformen zugunsten einer funktional ausgerichteten Betrachtung zu lösen.1016 Der technologieneutrale Ansatz geht davon aus, dass Presse heutzutage „in publizistischer wie ökonomischer Hinsicht nur noch in ihrer Mehrfachpräsenz auf Papier und digitalen Verbreitungswegen begriffen werden“ kann.1017 Unabhängig davon, ob es sich um 1007 Vgl. etwa Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 91, 96. 1008 Papier/Schröder, epd medien Nr. 60, 2010, 16 (22); Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 196. 1009 Lent, Rundfunk-, Medien-, Teledienste, 2001, S. 114 f.; Degenhart, in: Kahl/ Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 196. 1010 Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 196. 1011 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 73a. 1012 Schulze-Fielitz (in: Dreier [Hrsg.], GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 102) hält Online-Dienste nur in einem geringeren Maße regulierungsbedürftig und -fähig. 1013 Papier/Schröder, epd medien Nr. 60, 2010, 16 (22). 1014 Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 15 f. Vgl. auch Bullinger, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, Bd. 2, S. 193 (202 f.) m.w. N. 1015 So Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 23. 1016 Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 23. 1017 Fiedler, AfP 2011, 15 (15).
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ein gedrucktes oder um ein am Bildschirm abrufbares Presseerzeugnis handelt, entsprechen sich Werk- und Wirkbereich in ihren grundrechtserheblichen Eigenschaften fast vollständig.1018 Erfolgt die Verbreitung der Texte und Bilder nicht mehr nur auf Papier sondern auch auf elektronischem Wege, sei deshalb ein technologieneutraler Grundrechtsschutz erforderlich, der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG problemlos ermöglicht werden könne.1019 Wesentliches Merkmal der Presse als Kommunikationsmittel sei nämlich die Technik der Vervielfältigung von Texten zum Zwecke der öffentlichen Verbreitung. Während die Verbreitung im klassischen Sinne durch die Druckerpresse erfolgt, stelle der Web-Server als „elektronische On-Demand-Druckerpresse“ durch die abermalige Vervielfältigung der Quelldatei das moderne Äquivalent der klassischen Druckerpresse dar.1020 Durch die Konvergenz der Verbreitungswege sei deswegen ein Abrücken vom Kriterium der drucktechnischen Verkörperung als zwingendem Erfordernis notwendig geworden.1021 Im Folgenden seien die wesentlichen Strömungen innerhalb dieser Gruppe genannt. (a) Abgrenzung nach dem typischen Erscheinungsbild des Mediums Eine der Ansichten, die eine Abgrenzung anhand von technologieneutralen Kriterien vornimmt, ist diejenige, die zur Unterscheidung von Rundfunk und Presse auf das typische, tradierte Erscheinungsbild des jeweiligen Mediums verweist.1022 Insoweit ist zu prüfen, welchem der herkömmlichen Medien das zu beurteilende Medium am ehesten entspricht.1023 Sofern das Medium dem Erscheinungsbild der Presse entspricht, es sich also um ein klassisches Lesemedium handelt, ist eine Zuordnung zur Presse vorzunehmen. Zeichnet sich das Medium durch eine Abfolge bewegter Bilder aus, unabhängig davon, ob sie 1018
Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 21. Fiedler, AfP 2011, 15 (16). 1020 Fiedler, AfP 2011, 15 (16). 1021 Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 46. 1022 König, Die Teletexte, 1980, S. 123 f.; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, 1995, S. 145 f.; ders., AfP 2010, 421 (425); Bullinger, JZ 1996, 385 (388); Degenhart, CR 2011, 231 (235). Ähnlich Kahl (Elektronische Presse und Bürgerjournalismus, 2013, S. 108 ff., 153 f.), der dafür plädiert, als Alleinstellungsmerkmal der Pressefreiheit nicht mehr auf das „gedruckte Wort“, sondern auf das „lesbare Wort“ abzustellen. Auch Rahvar (Die Zukunft des deutschen Presserechts im Lichte konvergierender Medien, 2011, S. 147) stellt bei ihrer Definition von Presse auf die „Wahrnehmungsform des Lesens“ ab. 1023 Gersdorf, AfP 2010, 421 (425). In diese Richtung geht auch Jäckel (AfP 2012, 224 [229]), der mit seinem „funktionalen Ansatz“ darauf verweist, dass es weniger die technische Verbreitung als vielmehr „das mediale Format und die Wirkung der hierüber kommunizierten Inhalte auf den Meinungspluralismus“ seien, die durch die Verfassung geschützt oder eben reguliert werden sollen. 1019
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linear oder durch Abruftechnik vermittelt werden, soll es sich um Rundfunk handeln.1024 Zur Differenzierung kann vor allem auf die Programm- und Inhaltsgestaltung, die Produktart und die Dauer der Beiträge Bezug genommen werden.1025 Online-Zeitungen wären demnach dem Pressebegriff zuzuordnen. Videodienste würden hingegen dem Rundfunkbegriff unterfallen. Der Grund für diese Art der Abgrenzung sind die Wesenszüge des Rundfunks: Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft. Während die Breitenwirkung und Aktualität im Rundfunk- wie im Pressebereich mittlerweile zwar gleichermaßen ausgeprägt sein können, ist Alleinstellungsmerkmal des Rundfunks vor allem seine Suggestivkraft, die sich aus der ein hohes Maß an Authentizität erzeugenden Kombination von Bild-, Ton- und Textangeboten ergibt, die bei Textangeboten als reine Lesemedien gerade nicht vorzufinden ist.1026 Eine Ausnahme gilt auch hier, wenn ein Textangebot dazu dient, Rundfunkdarbietungen funktional zu unterstützen und programmbegleitende oder -ergänzende Informationen enthält.1027 Gleiches ist anzunehmen, wenn Video- oder AudioBeiträge lediglich als Ergänzung eines Textangebotes anzusehen sind. Diese Angebote wären aufgrund ihrer Annexfunktion verfassungsrechtlich als Presse einzustufen, solange ihnen lediglich eine ergänzende oder untergeordnete Rolle zukommt.1028 (b) Unterscheidung nach der Identität des Medienanbieters Eine weitere, nicht auf technische Kriterien abstellende Auffassung differenziert nach der „Identität“ des Medienanbieters beziehungsweise der „Herkunft“ oder „Urheberschaft“ des Medienangebots. Demnach sind die auf elektronischem Wege verbreiteten Beiträge eines Presseunternehmens verfassungsrechtlich der
1024 Vgl. Enquete Kommission, BT-Drucks. 17/12542, S. 17; Gersdorf, Legitimation und Limitierung von Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2009, S. 105 f.; Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 310. 1025 Siehe dazu Schierbaum (Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 204), die zwischen zwei Spielarten dieses Ansatzes differenziert: einerseits die Unterscheidung nach dem äußeren Erscheinungsbild, andererseits die Unterscheidung allein nach Inhalt. Vgl. dazu auch Bronsema, Medienspezifischer Grundrechtschutz der elektronischen Presse, 2008, S. 81. 1026 Enquete Kommission, BT-Drucks. 17/12542, S. 17; Dettermann, Kommunikationsfreiheit im Internet, 1999, S. 447 ff.; Gersdorf, Legitimation und Limitierung von Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2009, S. 105 f.; Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 310. 1027 Enquete Kommission, BT-Drucks. 17/12542, S. 17; Gersdorf, Legitimation und Limitierung von Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2009, S. 106 f. 1028 Enquete Kommission, BT-Drucks. 17/12542, S. 17; Gersdorf, Legitimation und Limitierung von Onlineangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2009, S. 106 f.
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Pressefreiheit zuzuordnen, das Online-Angebot eines Rundfunkveranstalters wäre verfassungsrechtlich durch die Rundfunkfreiheit geschützt.1029 Möllers zufolge sprechen hierfür folgende Erwägungen: Bei der Online-Betätigung von klassischen Presseunternehmen handelt es sich um Aktivitäten, die dem Pressewesen zuzuordnen sind. Diese sind in der Regel inhaltlich-redaktioneller Natur und unterfallen damit sogar dem Kernbereich der Pressetätigkeit. Im Übrigen ist es die Berichterstattung im Online-Bereich, die schon jetzt, gerade aber auch zukünftig einen erheblichen Teil des Umsatzes der klassischen Presseunternehmen ausmachen wird.1030 (c) Der Rezeptionsmodus als Abgrenzungskriterium Neuerdings wird zur Abgrenzung von Rundfunk und Presse auch der Rezeptionsmodus herangezogen.1031 Rundfunkfreiheit ist im Kern Programmfreiheit.1032 Ein Rundfunkprogramm zeichnet sich durch eine auf längere Dauer angelegte, planmäßige und strukturierte Abfolge von Sendungen oder Beiträgen aus.1033 Die Rezipienten eines Rundfunkprogramms müssen sich insoweit an der vom Anbieter festgelegten Programmreihenfolge orientieren. Die freie Wahl der Inhalte ist ihnen nicht möglich. Im Gegensatz dazu können Online-Publikationen von den Rezipienten jederzeit und in beliebiger, selbstbestimmter Reihenfolge abgerufen werden.1034 Der Rundfunk ist sendergesteuert, das Internet empfängergesteuert.1035 Im Online-Bereich muss der Rezipient aktiv und bewusst für die gewünschte Informationsaufnahme sorgen. Die Informationsvermittlung durch den klassischen Rundfunk erfolgt passiv und zeichnet sich dadurch aus, dass viele Dinge nur unterschwellig wahrgenommen werden. Dem Online- und Rundfunkbereich werden damit zwei völlig verschiedene Rezeptionsmodi zugeordnet. Im Online-Bereich ist der Lean-forward-modus vorherrschend, im Rundfunkbe-
1029 Michel, ZUM 1998, 350 (353); Möllers, AfP 2008, 241 (243 f., 250); Weberling, AfP 2008, 445 (450). Ähnlich Papier/Schröder (epd medien Nr. 60, 2010, 16 [23]), die allerdings auf das Kriterium der Distributionsform nicht vollends verzichten wollen. Vgl. weiterhin Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 305; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 203. 1030 Möllers, AfP 2008, 241 (244). 1031 Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 208 ff. 1032 BVerfGE 59, 231 (258); 87, 181 (201); 90, 60 (87); 97, 298 (310). 1033 BVerfGE 97, 298 (310). 1034 Vgl. dazu Bullinger, JZ 1996, 385 (386); Bronsema, Medienspezifischer Grundrechtsschutz der elektronischen Presse, 2008, S. 66; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 209. 1035 Klaes, ZUM 2009, 135, (138). Vgl. dazu auch Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, 1997, S. 51 ff.
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reich der Lean-back-modus.1036 Der dem Rundfunk eigene Programmcharakter ist den verschiedenen internetbasierten Diensten fremd. Insoweit lasse sich auch der Rezeptionsmodus als weiteres Abgrenzungskriterium heranziehen. Ist der Rezeptionsmodus mit dem Rezipieren von Presseprodukten identisch, so sei der Schutzbereich der Pressefreiheit eröffnet. Entfällt hingegen die aktive Komponente des Rezipierens, sei die Rundfunkfreiheit einschlägig.1037 (4) Neuinterpretation oder Neufassung des Art. 5 Abs. 1 GG Neben den oben beschriebenen Versuchen der Einordnung von Internetdiensten in eine der bekannten Kategorien anhand von technologieneutralen Kriterien wird weiterhin eine Neuinterpretation, mitunter sogar eine Änderung des Art. 5 Abs. 1 GG vorgeschlagen. (a) Einheitliches Gesamtkommunikationsgrundrecht Es wird die Auffassung vertreten, die Medienfreiheiten „aus ihrer historischen Verwurzelung zu lösen“ und sie in einem Gesamtkommunikationsrecht zusammenzuführen.1038 Bei Art. 5 Abs. 1 GG handele es sich um ein umfassendes Kommunikationsgrundrecht, das lediglich eine Differenzierung zwischen Individual- und Massenkommunikation vornehme.1039 Dieses Gesamtkommunikationsgrundrecht ließe sich de constitutione lata durch eine Auslegung des Art. 5 Abs. 1 GG in Anlehnung an Art. 10 EMRK konkretisieren.1040 (b) Einheitliches Gesamtmediengrundrecht Daneben wird auch vertreten, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG im Wege der Auslegung als einheitliches Gesamtmediengrundrecht zu interpretieren.1041 Im Unterschied 1036 So Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 209. Vgl. dazu auch Bronsema, Medienspezifischer Grundrechtsschutz der elektronischen Presse, 2008, S. 86. 1037 So Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 212 f. 1038 Bullinger, ZUM 2007, 337 (343); ders., in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 163 Rn. 147; ähnlich Lehrke, Pluralismus in den Medien, 2006, S. 160 ff.; Hain, K&R 2012, 98 (103). 1039 Vgl. dazu Hain, K&R 2012, 98 (103). 1040 Vgl. dazu Lehrke, Pluralismus in den Medien, 2006, S. 184 f.; Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 261 ff. m.w. N. 1041 Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1985, § 7 Rn. 24 ff.; Stock, Zur Theorie des Koordinationsrundfunks, 1981, S. 35; Volkmann, Der Störer im Internet, 2005, S. 35; Lenski, Personenbezogene Massenkommunikation als verfassungsrechtliches Problem, 2007, S. 74 f.; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 1 f., 111; Koreng, Zensur im Internet, 2010, S. 247 f.; Fechner, Medienrecht, 18. Aufl. 2017, Kap. 3 Rn. 100 ff.
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
zu dem Entwurf eines Gesamtkommunikationsgrundrechts möchte diese Auffassung die Differenzierung zwischen Meinungsfreiheit einerseits und Mediengrundrecht andererseits aufrechterhalten. Während die herkömmliche Trennung zwischen Presse, Rundfunk und Film kaum noch der Wirklichkeit entspreche, spiegele die Annahme eines einheitlichen Grundrechts der Medienfreiheit de constitutione lata, das lediglich hinsichtlich verschiedener Medienangebote unterschiedlich ausgestaltet ist, die zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Grundgesetzes nicht absehbaren gegenwärtigen technologischen Realitäten am ehesten wider.1042 Eine Hervorhebung der Verbreitung in verkörperter Form, mittels elektromagnetischer Schwingungen oder als Bewegtbilder sei verfassungsrechtlich nicht mehr zu begründen, da sich auch durch eine andere technische Verbreitung an der Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Verhaltens ebenso wie an der individuellen und gesellschaftlichen Funktion des Grundrechtsgebrauchs nichts ändere.1043 (c) Allgemeine Medienfreiheit de constitutione ferenda Um grundrechtliche Strukturen zu schaffen, die auch zukünftigen Entwicklungen im Medienrecht gerecht werden könnten, plädiert Bronsema für die Etablierung einer allgemeinen Medienfreiheit de constitutione ferenda, auch wenn sich die elektronische Presse auch derzeit durch „Hilfskonstruktionen“ einer der benannten Mediengrundrechte zuordnen ließe.1044 Auch Lehrke, die Art. 5 Abs. 1 GG bereits im Wege der Auslegung als einheitliches Kommunikationsgrundrecht auffasst,1045 schlägt eine deklaratorische Änderung des Wortlauts in „Die Freiheit medialer Kommunikation wird gewährleistet“ vor.1046 Dadurch wären Zweifel an der vollständigen grundrechtlichen Absicherung medialer Kommunikationsfreiheit ausgeräumt und terminologische Auseinandersetzungen könnten auf einfachgesetzliche Ebene verlagert werden.1047 (d) Internetdienstefreiheit Mecklenburg favorisiert die Erweiterung des Art. 5 Abs. 1 GG um eine sechste Kommunikationsfreiheit, eine „Internetfreiheit sui generis“.1048 Es bestehe eine 1042 Fechner, Medienrecht, 18. Aufl. 2017, Kap. 3 Rn. 100; Lenski, Personenbezogene Massenkommunikation als verfassungsrechtliches Problem, 2007, S. 71. 1043 Lenski, Personenbezogene Massenkommunikation als verfassungsrechtliches Problem, 2007, S. 71. 1044 Bronsema, Medienspezifischer Grundrechtsschutz der elektronischen Presse, 2008, S. 189. 1045 Lehrke, Pluralismus in den Medien, 2006, S. 160 ff. 1046 Lehrke, Pluralismus in den Medien, 2006, S. 165. 1047 Lehrke, Pluralismus in den Medien, 2006, S. 165. 1048 Mecklenburg, ZUM 1997, 525 (525 ff.); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 148 ff.
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verfassungsrechtliche Regelungslücke. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasse den der Internetfreiheit zugrunde liegenden Lebenssachverhalt nicht.1049 Die Etablierung eines neuen Grundrechts entspreche der wachsenden Bedeutung des Internets und würde dem Bedürfnis nach einem spezifischen Grundrechtsschutz für Internetdienste entsprechen.1050 Aus ähnlichen Erwägungen sprechen sich auch Holznagel und Schumacher für eine de constitutione lata anzuerkennende „Freiheit der Internetdienste“ aus,1051 die durch entsprechend weite Auslegung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu verorten sei.1052 Internetdienste, die mit der einfachgesetzlichen Kategorie der Telemedien übereinstimmen, unterscheiden sich von der Presse durch ihre körperlose Verbreitungsform. Die Abgrenzung zum Rundfunk erfolgt anhand des Merkmals der Linearität, also der Tatsache des gleichzeitigen Empfangs.1053 Alle anderen nicht-linearen Internetdienste wie Webseiten, Blogs, Mediatheken oder ähnliche audiovisuelle Mischdienste seien dem Schutzbereich der Internetdienstefreiheit zuzuordnen.1054 (5) Rechtliche Würdigung (a) Ungeeignetheit der klassischen Abgrenzungsmethode? Bei der klassischen Abgrenzungsmethode, derjenigen also, die nach der Distributionsform unterscheidet, handelt es sich mit Sicherheit um denjenigen Ansatz, mit dessen Hilfe die Zuordnung bestimmter massenmedialer Verhaltensformen am exaktesten gelingt, und zwar ohne dass Grauzonen entstehen, in denen eine Zuordnung zweifelhaft wäre. Für diesen Ansatz spricht zudem die grammatikalische Auslegung.1055 Der technische Wandel der Medien lässt die ursprünglich sehr eingängige Abgrenzungsmethode allerdings nicht mehr zeitgemäß erscheinen.1056 Die Abgrenzung anhand der technischen Verbreitungsform stammt aus einer Zeit, in der der Meinungsmarkt ausschließlich durch Printprodukte und den klassischen Rundfunk repräsentiert wurde. Presse und Rundfunk haben sich allerdings in ihrer Vertriebsform mittlerweile so entwickelt, dass sie wechselseitig in 1049
Mecklenburg, ZUM 1997, 525 (525 ff.). Vgl. Bronsema, Medienspezifischer Grundrechtsschutz der elektronischen Presse, 2008, S. 163. 1051 Holznagel/Schumacher, ZRP 2011, 74 (77); Holznagel, AfP 2011, 532 (534 f.); ders., MMR 2011, 1 (2); ders., NordÖR 2011, 205 (210). 1052 Holznagel, NordÖR 2011, 205 (210). 1053 Vgl. dazu Enquete Kommission, BT-Drucks. 17/12542, S. 17. 1054 Holznagel, AfP 2011, 532 (535); ders., MMR 2011, 1 (2). Vgl. dazu auch Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 248 ff. 1055 Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 302. 1056 Jäckel, AfP 2012, 224 (227); Kühling, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, Art. 5 GG Rn. 46. 1050
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
den Wirkungskreis des jeweils anderen Mediums eindringen.1057 Auch waren die durch das Internet realisierbaren „hybriden Angebotsformen“, die Elemente von Rundfunk und Presse in sich vereinen, noch nicht bekannt. Die Informationsdigitalisierung hat dazu geführt, dass das Kriterium der Verkörperung an Unterscheidungskraft verloren hat.1058 So sprechen bereits die nicht-linearen, multipolaren Eigenschaften von Online-Publikationen gegen eine Zuordnung zur Rundfunkfreiheit.1059 Weiterhin fehlt es auch an der rundfunktypischen Einbindung des Rezipienten in ein Gesamtprogramm, das sich durch eine planvolle Abfolge von Sendungen auszeichnet.1060 Schließlich birgt der Meinungsmarkt im Internet aufgrund der vorherrschenden Konkurrenzsituation nicht die Gefahr der Meinungsmacht wie im klassischen Rundfunk und entspricht wegen der Vielfalt der Angebote am ehesten dem Pressewesen.1061 Die klassische Abgrenzungsmethode ist im Übrigen nicht ganz widerspruchslos. So kann es vorkommen, dass ein und dieselbe Publikation je nach Verbreitungsform zwei unterschiedlichen Freiheiten zugeordnet werden kann,1062 etwa dann, wenn ein zunächst in einer Zeitung veröffentlichter Artikel wenig später auch online verbreitet wird. (b) Entwicklungsoffenheit des Presse- und Rundfunkbegriffs Es ist anerkannt, dass sowohl der Pressebergriff als auch der Rundfunkbegriff entwicklungsoffen und dynamisch zu interpretieren sind.1063 Auch die freilich für die verfassungsrechtliche Interpretation nicht maßgeblichen Pressegesetze der Länder (so beispielsweise § 7 PresseG NRW) verweisen auf die Offenheit im Hinblick auf den technischen und gesellschaftlichen Wandel.1064 Würde man den grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich ausschließlich von der gedruckten Publikationsform abhängig machen, so bestünde die Gefahr, dass die Pressefreiheit sukzessive in der sich rasant entwickelnden und verändernden Informationsgesellschaft an Bedeutung verliert und damit letztlich gegenstandslos werden würde.1065 1057
Bullinger, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 163 Rn. 7. Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 20. 1059 Möllers, AfP 2008, 241 (249); Degenhart, CR 2011, 231 (235); Jäckel, AfP 2012, 224 (226). 1060 Degenhart, ZUM 1998, 333 (343); von Coelln, AfP 2008, 433 (437); Jäckel, AfP 2012, 224 (226). 1061 So Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 200. 1062 Enquete Kommission, BT-Drucks. 17/12542, S. 12; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 201. 1063 Vgl. etwa Gersdorf, AfP 2010, 421 (423); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 90. 1064 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 42. 1065 Gersdorf, AfP 2010, 421 (423); Hoffmann/Luch/Schulz/Borchers, Die digitale Dimension der Grundrechte, 2015, S. 143. 1058
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Wegen zurückgehender Vertriebserlöse und Werbeinnahmen im Zeitalter digitalen Journalismus wird die Existenz gedruckter Tageszeitungen in Zukunft zunehmend unwahrscheinlicher.1066 Langfristig wird sich der Verbreitungsweg durchsetzen, der im wirtschaftlichen und publizistischen Wettbewerb besteht.1067 Auch die derzeitige Entwicklung der Märkte für Systeme und Endgeräte zum Lesen von elektronischen Veröffentlichungen zeigt, dass sich längerfristig nicht die gedruckte Zeitung, sondern die Online-Zeitung beziehungsweise ein „Online-Lesemedium“ etablieren wird.1068 Diese technologischen und sozialen Veränderungen im Realbereich des Grundrechts müssen bei der funktionalen Weiterentwicklung der Schutzbereiche von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG miteinbezogen werden.1069 Ein Festhalten an dem Erfordernis der Materialisierung des Kommunikationsinhalts wird dieser Entwicklung und dem unbestrittenen dynamischen Charakter der Pressefreiheit nicht gerecht.1070 (c) Regulierungsbedürftigkeit des Rundfunks Problematische Ergebnisse ergeben sich aber auch mit Blick auf die Rechtsfolgenseite. Die Abgrenzung anhand der Distributionsform würde zu einer Zuordnung beinahe aller elektronischen Publikationsformate zur Rundfunkfreiheit führen.1071 Die Rundfunkfreiheit ist aber kein klassisches Abwehrrecht, sondern eine objektiv dienende Freiheit.1072 Online-Dienste wären damit potentiell regulierungsbedürftig und stünden zudem in unmittelbarer rechtlicher und wirtschaftlicher Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.1073 (d) Zuordnung hybrider Angebotsformen Aber auch die technologieneutralen Ansätze sind nicht ohne Schwächen. Antworten auf die Frage der Zuordnung „hybrider Angebotsformen“, also von Angeboten, die sowohl Elemente des klassischen Rundfunks als auch klassischer Presseprodukte in sich vereinen, vermag eine Abgrenzung anhand des äußeren Erscheinungsbildes ebenso wenig zu geben1074 wie eine, die auf die Urheber1066
Vgl. bereits oben, Teil 1 A. II. Gersdorf, AfP 2010, 421 (423). 1068 Gersdorf, AfP 2010, 421 (423). 1069 So Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 15. Vgl. dazu auch Möllers, AfP 2008, 241 (241 ff.). 1070 Gersdorf, AfP 2010, 421 (423). 1071 Vgl. hierzu Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 90 ff. 1072 BVerfGE 57, 295 (319 f.); Jäckel, AfP 2012, 224 (225). 1073 Jäckel, Internetformate und Grundgesetz, AfP 2012, 224 (225). 1074 Holznagel, MMR 2011, 1 (2); Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 312 f.; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 205. 1067
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schaft des Angebots abstellt. Eine Abgrenzung würde zudem umso komplizierter werden, je unterschiedlicher und vielgestaltiger die Nutzungsmöglichkeiten eines Internetangebotes sind.1075 Zwar könnte man einwenden, dass der Ausweg dann ein Abstellen auf den Schwerpunkt des Angebotes sein könnte. Dies bereitet jedoch Schwierigkeiten bei Angeboten, die ebenso viele presse- wie rundfunkähnliche Merkmale aufweisen.1076 Letztlich eignet sich das äußere Erscheinungsbild als Abgrenzungskriterium schon deswegen nicht, weil sich Massenmedien in optischer Hinsicht mit der Zeit aufgrund technischer Neuerungen naturgemäß wandeln. Insoweit ist das Abstellen auf ein derart unbeständiges Merkmal zur Erzeugung von Rechtssicherheit ungeeignet.1077 (e) Urheberschaft des Angebots Der Versuch der Zuordnung anhand der Urheberschaft eines Angebots stellt einen Zirkelschluss dar. Eine bestimmte Tätigkeit unterfällt nämlich nicht der Pressefreiheit, weil ein Presseunternehmen tätig ist, sondern weil die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Herstellung eines Presseprodukts steht.1078 Die Abgrenzung nach der Urheberschaft versagt insbesondere dann, wenn es um die Einordnung digitaler Primärmedien geht1079 oder Medienunternehmen ein crossmediales Portfolio aufweisen.1080 (f) Rezeptionsmodus Der Nachteil an der Abgrenzung anhand der unterschiedlichen Rezeptionsmodi liegt darin begründet, dass Merkmale zur Abgrenzung herangezogen werden, die die auf einfachgesetzlicher Ebene zu regelnde konkrete Ausgestaltungsbedürftigkeit betreffen und sich nicht auf die verfassungsrechtliche Einordnung beziehen.1081 Außerdem ist auch ein Abstellen auf den Rezeptionsmodus nicht 1075 Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 313. 1076 Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 313. 1077 Bronsema, Medienspezifischer Grundrechtsschutz für die elektronische Presse, 2008, S. 83; Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 313 f. 1078 Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 307 f.; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 203. 1079 Eberle, CR 1996, 193 (196 f.); Determann, Kommunikationsfreiheit im Internet, 1999, S. 411. 1080 Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 308. 1081 Siehe dazu Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 214.
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immer geeignet, um eine trennscharfe und widerspruchslose Abgrenzung vorzunehmen. Abgesehen von Livestreams erfordert das Angebot der Online-Mediatheken von Rundfunkanstalten ein lean-forward im Gegensatz zum Rezipieren des klassischen Rundfunks.1082 Konsequenz wäre die Zuordnung eines solchen Angebots zur Pressefreiheit, womit wiederum eine Situation gegeben wäre, in der ein inhaltlich identisches Angebot zwei verschiedenen Schutzbereichen zugeordnet werden würde. (g) Neuinterpretation Die Vorteilhaftigkeit der verschiedenen Ansätze, die eine Neuinterpretation von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vorschlagen, kann schon deshalb bezweifelt werden, weil sich die Abgrenzungsschwierigkeiten nicht wirklich lösen lassen.1083 Sie werden lediglich auf eine andere Stufe, nämlich die einfachgesetzliche Ebene verlagert. Eine Abgrenzung wird schon wegen der Notwendigkeit verschiedener Regulierungskonzepte nicht obsolet.1084 Des Weiteren treten grundrechtsystematische Bedenken hinzu. So wäre etwa die Frage der Konturierung des grundrechtlichen Schutzbereiches einer Internetdienstefreiheit vor allem hinsichtlich der Unterscheidung von Individual- und Massenkommunikation, die beide über das Internet als Trägermedium vermittelt werden können, nicht geklärt.1085 Ebenso wenig wäre die Frage der Zuordnung zum maßgeblichen Ordnungsmodell beantwortet.1086 Dies zeigt, dass eine Neuinterpretation genauso wie die vereinzelt geforderte Neuformulierung des Art. 5 Abs. 1 GG die Abgrenzungsprobleme nicht lösen wird, sondern eher zur Förderung neuer Probleme beiträgt. Im Übrigen ist schon fraglich, ob es einer eigenständigen Internetdienstefreiheit überhaupt bedarf. Alle im Internet geäußerten Meinungen unterfallen grundsätzlich dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Ein darüber hinaus gehender Schutz ist grundsätzlich nicht erforderlich.1087 Auch bedürfen nicht alle im Internet verfügbaren Online-Publikationen mediengrundrechtlichen Schutzes. Die Grundrechte schützen nämlich immer nur ein bestimmtes Verhalten, nicht eine besondere Technologie als solche.1088
1082 So Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 214. 1083 Vgl. ausführlich dazu Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 238 ff. 1084 Vgl. Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus, 2013, S. 164. 1085 Kube, in: HStR IV, 3. Aufl. 2006, § 91 Rn. 23; Bronsema, Medienspezifischer Grundrechtsschutz der elektronischen Presse, 2008, S. 165 f.; Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus, 2013, S. 164. 1086 So Degenhart, CR 2011, 231 (235 f.). 1087 Jäckel, AfP 2012, 224 (230). 1088 Jäckel, AfP 2012, 224 (230).
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(6) Zusammenfassung und Lösungsversuch Auch die neueren Strömungen vermögen die Abgrenzungsprobleme von Rundfunk und Presse nicht zufriedenstellend zu lösen. Auch wenn es auf die gewählte technische Transportform eines Gedankeninhalts im Einzelfall nicht mehr ankommen mag,1089 sprechen die Gründe der Rechtssicherheit letztlich für ein Festhalten an der klassischen Abgrenzung nach der technischen Verbreitungsform.1090 Die klassische Abgrenzungsmethode berücksichtigt die Konvergenz der Medien allerdings nicht zufriedenstellend.1091 Eine Korrektur lässt sich hier jedoch durch die konsequente Anwendung des oben beschriebenen „Annex-Gedankens“ realisieren.1092 Bei Online-Diensten handelt es sich demnach regelmäßig um Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne. Je nachdem wie stark der Bezug zu einem klassischen Presseprodukt ist, erfolgt jedoch eine Zuordnung zum Schutzbereich der Pressefreiheit. Eine abschließende Entscheidung kann im Übrigen für die Belange dieser Arbeit offenbleiben. Hinsichtlich ihrer Funktion unterscheiden sich Rundfunk und Presse nicht.1093 Sowohl die Pressefreiheit als auch die Rundfunkfreiheit sind „unter den Bedingungen der modernen Massenkommunikation [. . .] für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung, für Kritik und Kontrolle der öffentlichen Gewalt und für die Wahlentscheidung als demokratischen Grundakt des Volkes unerläßlich“ 1094 und unterscheiden sich in ihrer Bedeutung für den Informations- und Kontrollauftrag in Bezug auf das gerichtliche Verfahren nicht. Nimmt man eine Zuordnung der elektronischen Medien zur Rundfunkfreiheit – wie es hier präferiert wird – vor, so sollte auch nicht übersehen werden, dass nicht alle elektronischen Verbreitungsformen gleichermaßen regulierungsbedürftig sind.1095 Ganz unabhängig davon, wie ein bestimmtes massenmediales Produkt klassifiziert wird, sind auf einfachgesetzlicher Ebene unterschiedlich intensive Regulierungskonzepte denkbar.1096
1089 Bullinger, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 193 (202 f.). 1090 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 110 S. 1670 m.w. N.; Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 324; Schierbaum, Sorgfaltspflichten von professionellen Journalisten und Laienjournalisten im Internet, 2016, S. 216. 1091 Schmidtmann, Die verfassungsrechtliche Einordnung konvergenter Massenmedien, 2013, S. 303. 1092 Vgl. dazu oben, Teil 1 B. IV. 2. b) ee) (2). 1093 BVerfGE 91, 125 (134). 1094 BVerfGE 91, 125 (134). 1095 BVerfGE 57, 295 (322 ff.); von Coelln, AfP 2008, 433 (442). 1096 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 110 S. 1672.
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Hinsichtlich staatlicher Maßnahmen im Schutzbereich der Rundfunkfreiheit sind zwei Arten von Maßnahmen zu unterscheiden: Ausgestaltungen und Eingriffe.1097 Die Schrankensetzung dient der Sicherung eines mit der Grundrechtsausübung kollidierenden Rechtsguts. Im Gegensatz dazu ist die Ausgestaltung von Grundrechten nach Maßgabe verfassungsrechtlicher Vorgaben auf die Herbeiführung eines erwünschten Zustandes gerichtet und geht mit einem konkreten Handlungsauftrag an den Staat einher.1098 Durch die Ausgestaltung soll nicht nur die Freiheitsausübung selbst, sondern sollen auch die Bedingungen, die diese erst möglich machen, geregelt werden.1099 Ausgestaltungsregelungen enthalten für den Grundrechtsberechtigten sowohl Begünstigungen als auch Belastungen. Die Belastungen stellen dabei aber keine Grundrechtseingriffe dar.1100 Die Ausgestaltung führt nicht zu einer Verkürzung des Schutzbereichs, sondern zu seiner Ausdifferenzierung, um das Schutzgut zu verwirklichen.1101 Die Verfassungsmäßigkeit von Ausgestaltungsregelungen bemisst sich danach, ob der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums gehandelt hat. In Bezug auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bedeutet dies, dass er Regelungen treffen muss, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Funktionsfähigkeit der Medienordnung sichern und damit der Medienfreiheit des Betroffenen dienen, indem sie ein vielfältiges Medienangebot garantieren.1102 Eine Ausgestaltungsregelung liegt demnach dann vor, wenn es um die Sicherung der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung geht. In dieser Arbeit soll es vor allem um die Zulässigkeit von staatlichen Beschränkungen hinsichtlich der Berichterstattung durch Vertreter herkömmlicher und Neuer Medien, Laienjournalisten und Privatpersonen gehen, die mittels klassischer Presse und Rundfunk, aber auch mithilfe von Online-Medien über gerichtliche Verfahren berichten wollen. Zu denken ist dabei an die gesetzlichen Beschränkungen der §§ 169 ff. GVG ebenso wie an sitzungspolizeiliche Anordnungen des Vorsitzenden Richters. Zunächst kommen Beschränkungen im Vor1097 Vgl. dazu ausführlich Eifert, Jura 2015, 356 (359). Vgl. auch Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, S. 54 ff.; Hillgruber, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, § 200 Rn. 62 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 212 ff.; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 264 ff.; Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 67; ders., in: HGR III, 2009, § 61. 1098 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 77.1. 1099 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 266 ff.; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 77.1. 1100 Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 77.1. 1101 Eifert, Jura 2015, 356 (359). 1102 Eifert, Jura 2015, 356 (359); Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 77.1.
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feld einer Berichterstattung in Betracht: Hier zum Beispiel die Nichtgewährung einer Sitzplatzreservierung im Sitzungssaal und das Verbot der Mitnahme und Verwendung technischen Geräts zur Herstellung von Ton-, Bild- und Filmaufnahmen, aber auch mobiler Endgeräte im Offline- oder Online-Modus zum Anfertigen von Notizen oder zur simultanen Informationsweitergabe an die Öffentlichkeit. Letztlich geht es um alle Beschränkungen, die die Recherchetätigkeit und Vorbereitung einer Berichterstattung im Vorfeld erschweren. Staatliche Maßnahmen, die eine Berichterstattung im Anschluss an ihre Veröffentlichung betreffen, sind vor allem die zivilgerichtlichen Entscheidungen, die die weitere Verbreitung von Publikationen untersagen. Bei allen im Einzelfall angeordneten Maßnahmen handelt es sich um Eingriffe in eine der beiden Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Ausgestaltung wäre nur durch ein Gesetz möglich. Die §§ 169 ff. GVG dienen aber nicht der Ausgestaltung der Rundfunkordnung, sondern dem Schutz von mit der Gerichtsöffentlichkeit kollidierenden Rechtsgütern. Festzuhalten bleibt damit, dass alle hier interessierenden Fragestellungen nicht den Bereich der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung betreffen. Eine abschließende Antwort auf die Frage, ob Online-Publikationen durch die Presse- oder die Rundfunkfreiheit geschützt sind, kann damit offenbleiben. Entscheidend ist letztlich nur die Erkenntnis, dass auch Online-Publikationen an dem Schutz der Mediengrundrechte teilhaben. Dies gilt nicht nur dann, wenn sie von etablierten Presse- oder Rundfunkhäusern stammen, sondern genauso für ausschließlich im Online-Bereich aktive professionelle Journalisten ebenso wie für Bürgerjournalisten.1103 3. Beschränkungen von Saal- und Medienöffentlichkeit Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG „ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“. Die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gelten für Eingriffe in eine der Kommunikationsfreiheiten, nicht aber für die Ausgestaltungsgesetze im Bereich des Rundfunks.1104 a) Die allgemeinen Gesetze Die in der Praxis wichtigste der drei Schranken ist die der allgemeinen Gesetze. Unter Gesetzen sind sowohl solche im formellen als auch im materiellen
1103 Kommt es auf den Unterschied zwischen Presse- und Rundfunkfreiheit nicht an, so wird nachfolgend stets von den Medienfreiheiten gesprochen. 1104 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 154.
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Sinn zu verstehen,1105 also alle parlamentarischen Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen, wobei die Abstufungen der Wesentlichkeitsdoktrin zu berücksichtigen sind.1106 Das Kriterium der Allgemeinheit ist nicht bereits dann erfüllt, wenn das Gesetz abstrakt-generell ist. Dies entspräche nämlich dem Verbot des Einzelfallgesetzes in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG, welches dann daneben überflüssig wäre.1107 Der Begriff des allgemeinen Gesetzes beschreibt daher die Anforderungen an die „inhaltliche Qualität“ der Schranke.1108 Allgemein im Sinne der herrschenden Kombinationstheorie sind diejenigen Gesetze, „die sich nicht gegen die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Freiheitsrechte an sich richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen. Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann“.1109 Neben dem Charakteristikum der Meinungsneutralität kommt damit auch dem Aspekt, dass das allgemeine Gesetz nicht einen beliebigen, sondern einen besonders wertvollen Zweck verfolgen muss, Bedeutung zu.1110 Die Schranken der allgemeinen Gesetze weisen zudem nach der Wechselwirkungstheorie die Besonderheit auf, dass sie zwar dem Wortlaut nach den Grundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG Schranken setzen, „ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen“.1111 Es kommt damit ein materielles Abwägungselement hinzu, das auch bei anderen Grundrechten gilt, hier jedoch die Besonderheit aufweist, erst zum Zuge zu kommen, wenn es sich bei dem beschränkenden Gesetz um ein allgemeines handelt.1112 aa) Die Vorschriften der §§ 169 ff. GVG als allgemeine Gesetze In den §§ 169 ff. GVG finden sich Regelungen, die den Ausschluss der Öffentlichkeit in Einzelfällen (etwa in Familiensachen, Unterbringungssachen, zum Schutze der Privatsphäre, der Staatsicherheit, von Leib und Leben, von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen oder privaten Geheimnissen) vorsehen. Eine Beson1105 Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 91. 1106 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 136. 1107 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 689. 1108 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 689. 1109 BVerfGE 117, 244 (260); 120, 180 (200); 124, 300 (322 f.). Vgl. dazu auch schon BVerfGE 7, 198 (209 f.). 1110 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 694 f. 1111 BVerfGE 7, 198 (208). 1112 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 287.
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derheit stellt in diesem Zusammenhang der § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG dar, der die Anfertigung von Rundfunkaufnahmen während der mündlichen Verhandlung untersagt. Außerdem sind Begrenzungen der Öffentlichkeit auch auf Grundlage des § 176 GVG, der die sitzungspolizeiliche Gewalt des Vorsitzenden Richters regelt, möglich. Alle diese Vorschriften richten sich auch an die Vertreter der Medien, begrenzen damit die Saal- genauso wie die Medienöffentlichkeit und kommen damit als Schranken i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht. Diese Regelungen stellen allgemeine Gesetze dar, wenn sie meinungsneutral sind und dem Schutze eines schlechthin zu schützenden Rechtsguts dienen. (1) Kein Sonderrecht gegen eine der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG Die §§ 169 ff. GVG richten sich nicht gegen eine der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG als solches. Meinungsneutral ist insoweit § 176 GVG, der die sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden regelt. Die Vorschrift betrifft jedermann, nicht lediglich Vertreter von Rundfunk und Presse.1113 Problematischer ist demgegenüber die Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG. Gegen den Charakter eines allgemeinen Gesetzes spricht auf den ersten Blick, dass von § 169 Abs. 2 Satz 2 GVG nicht jedermann betroffen ist, sondern es sich um eine Vorschrift handelt, die sich speziell gegen die Rundfunkfreiheit richtet.1114 Gegen den Einwand, dass von § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG auch Filmaufnahmen Privater zum Zweck der öffentlichen Vorführung erfasst seien, wird eingewandt, eine wertende Betrachtung ergebe, dass faktisch nur Vertreter des Rundfunks betroffen seien.1115 In der heutigen Zeit sind dem aber die gewandelten technischen Möglichkeiten entgegenzuhalten. Mittlerweile ist es jedem mithilfe seines Smartphones oder Tablets, also mit geringen technischen Anstrengungen, möglich, Filmaufnahmen von einer Verhandlung anzufertigen und einer breiten Öffentlichkeit über das Internet, beispielsweise mittels des Videoportals YouTube, zugänglich zu machen.1116 Im Übrigen würde allein die Bewertung als Sonderrecht unter Zugrundelegung der Kombinationslehre noch nicht dazu führen, dem § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG von vornherein den Charakter eines allgemeinen Gesetzes abzusprechen. Entscheidend kommt es insoweit auf die Abwägung des Aufnahmeverbots mit den Rechtsgütern an, deren Schutz gerade bezweckt werden soll.1117 1113
BVerfGE 91, 125 (136). Schwarz, AfP 1995, 353 (355). 1115 Vgl. Schwarz (AfP 1995, 353 [355]), der darauf verweist, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nur Rundfunkaufnahmen Gegenstand der gesetzgeberischen Überlegungen waren. Vgl. ferner von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 406. 1116 Bereits an Privataufnahmen denkend: Sorth, Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverfahren, 1999, S. 123. 1117 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 406. 1114
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(2) Schlechthin zu schützendes Rechtsgut Der (Medien-)Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens stehen gewichtige Interessen gegenüber: die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), der Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) und die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung.1118 Nachfolgend sollen diese Rechtsgüter, deren Schutz mit den §§ 169 ff. GVG bezweckt wird,1119 näher dargestellt werden. (a) Persönlichkeitsschutz Das aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelte unbenannte Freiheitsrecht des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat die Aufgabe, alle Elemente der Persönlichkeit zu schützen, die nicht bereits dem Schutzbereich eines der spezielleren, benannten Freiheitsrechte unterfallen.1120 Einer besonderen Gefährdungslage ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gerade dann ausgesetzt, wenn der Einzelne „im öffentlichen Interesse der Wahrung und Durchsetzung des Rechts“ gezielt staatlichem Zwang ausgesetzt ist. Hier besteht die Gefahr des Verlustes der Subjektstellung und der Herabwürdigung zum bloßen Objekt des Verfahrens.1121 Denn jeder, der an einem Gerichtsverfahren – sei es etwa als Angeklagter in einem Strafprozess, als Beklagter in einem Zivilprozess oder als Zeuge – unfreiwillig beteiligt ist, muss die Kundgabe persönlicher Lebenssachverhalte im Rahmen der Saal- und Medienöffentlichkeit erdulden.1122 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt dem Einzelnen die engere persönliche Lebenssphäre sowie die Erhaltung ihrer Grundbedingungen.1123 Es schützt damit einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Identität entwickeln und wahren kann.1124 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht lässt sich anhand seiner verschiedenen Ausformungen näher beschreiben und umfasst insoweit ein Recht auf Selbstbestimmung, Selbstbewahrung und Selbstdarstellung.1125 1118 Vgl. dazu auch Gössel, in: Dölling/Gössel/Waltos ´ (Hrsg.), Kriminalberichterstattung in der Tagespresse, 1998, S. 1 (7 ff.). 1119 BVerfGE 103, 44 (64). 1120 BVerfGE 79, 256 (268); 101, 361 (380). 1121 Vgl. Enders, in: HGR IV, 2011, § 89 Rn. 9. 1122 Enders, in: HGR IV, 2011, § 89 Rn. 9. Vgl. dazu auch BVerfGE 91, 125 (137 ff.); 103, 44 (64); BVerfG NJW 1997, 2589 (2589 f.); NJW 2000, 1859 (1860); NJW 2009, 3357 (3357 ff.). 1123 BVerfGE 79, 256 (268); 121, 69 (90). 1124 BVerfGE 35, 202 (220); 117, 202 (226). 1125 Vgl. dazu Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 441 ff.
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(aa) Recht auf Selbstbestimmung Das Recht auf Selbstbestimmung umfasst die Identitätsbildung und -behauptung sowie ein Recht darauf, sich seiner Identität jederzeit vergewissern und über die Offenbarung der eigenen Identität selbst entscheiden zu können.1126 Als Ausfluss dessen genießt jeder Mensch ein Recht auf Neubeginn, das dem Individuum „Identitätsoptionen“ garantiert und damit dafür sorgt, dass die Wirkung einer Person nach außen nicht dauerhaft festgelegt ist.1127 Für den Straftäter bedeutet dies ein „Recht auf Resozialisierung“ 1128 und damit den Schutz vor einer unbeschränkten Konfrontation mit der zurückliegenden Straftat und der Auseinandersetzung mit der eigenen Person durch die Medien.1129 Der Resozialisierungsanspruch geht dabei so weit, dass selbst eine den Tatsachen entsprechende tagesaktuelle Berichterstattung oder Dokumentation über bereits vergangenen Straftaten nur in Grenzen hingenommen werden muss, jedenfalls dann nicht, wenn der Name des Täters genannt wird oder Bilder von ihm gezeigt werden.1130 Dem Persönlichkeitsschutz kommt insbesondere dann Vorrang zu, wenn es aufgrund der Identifizierbarkeit zu einer Stigmatisierungsgefahr des Täters kommt.1131 (bb) Recht der Selbstbewahrung Das Recht der Selbstbewahrung beinhaltet ein „Recht auf Abschirmung und Rückzug“ und damit ein Recht darauf, räumlich und sozial für sich allein zu bleiben.1132 Es geht dabei um den Schutz eines Rückzugsbereiches, in dem der Einzelne unbeobachtet und sich selbst überlassen ist oder „mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann“.1133 Das Recht auf 1126 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 442; Gersdorf, in: ders./Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.05.2017, Art. 2 GG Rn. 15. 1127 Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, 2007, S. 74. 1128 BVerfGE 35, 202 (235 ff.); 45, 187 (238 f.); 64, 261 (276 f.); 96, 100 (115); 98, 169 (200); 109, 133 (151); Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, 2007, S. 74. 1129 BVerfGE 35, 202 (235 ff.); zurückhaltend BVerfG NJW 2000, 1859 (1860 f.); einschränkend in Bezug auf Tageszeitungen BVerfG NVwZ 2008, 306 (306 ff.); instruktiv zu einem „Recht auf medialen Neubeginn“ Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 150 ff. 1130 Gersdorf, in: ders./Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.05.2017, Art. 2 GG Rn. 15. Vgl. dazu noch unten, Teil 2 A. III. 3. a). 1131 Gersdorf, in: ders./Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.05.2017, Art. 2 GG Rn. 15. 1132 BVerfGE 27, 1 (6); 34, 269 (281); 90, 255 (260); Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 444; Gersdorf, in: ders./Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.05.2017, Art. 2 GG Rn. 5. 1133 BVerfGE 90, 255 (260). Vgl. dazu auch Kube, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 38 ff.
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Selbstbewahrung ist berührt, wenn private, höchstpersönliche Informationen offenbart werden müssen.1134 Den Schutz dieses Rückzugsbereichs hat das Bundesverfassungsgericht anhand der Sphärentheorie näher konkretisiert.1135 Unzulässig wäre ein Eingriff in den absolut geschützten und damit unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, der Intimsphäre.1136 Der Schutz der Privatsphäre umfasst solche Themen, deren „öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst“.1137 Ein Eingriff wäre hier unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann gerechtfertigt, wenn Gemeinschaftsinteressen überwiegen.1138 Hierzu zählen etwa das Bedürfnis nach einer effektiven Strafverfolgung1139 und das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren1140.1141 Ob ein Sachverhalt der Intim- oder Privatsphäre zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob ihm nach seinem Inhalt ein höchstpersönlicher Charakter zukommt und inwieweit er Sphären anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt.1142 So sind beispielsweise Sexualstraftaten nicht dem Bereich der Intimsphäre des Täters zuzuordnen, weil sie einen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit des Opfers darstellen.1143 Informationen mit sozialem Bezug außerhalb des privaten Bereichs, die die Sozialsphäre betreffen, und damit der äußeren der drei Sphären zuzuordnen sind, müssen von dem Betroffenen grundsätzlich hingenommen werden.1144 Hier gelten die Kriterien für Eingriffe in die Allgemeine Handlungsfreiheit.1145
1134 BVerfGE 65, 1 (41 f.); 80, 367 (373); Gersdorf, in: ders./Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.05.2017, Art. 2 GG Rn. 5. 1135 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 446. 1136 BVerfGE 27, 344 (351); 34, 238 (245); 89, 69 (82 f.). Vgl. ausführlicher zur Sphärentheorie Wölfel, NVwZ 2002, 49 (49 f.); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 39. EL Juli 2001, Art. 2 Rn. 158 ff. m.w. N. 1137 BVerfGE 101, 361 (382). Vgl. daneben auch BVerfGE 120, 180 (199). 1138 BVerfGE 34, 238 (248); Wölfel, NVwZ 2002, 49 (50); Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 104. 1139 BVerfGE 19, 342 (347); 20, 45 (49). 1140 BVerfGE 32, 373 (381 f.). 1141 BVerfGE 34, 238 (248). 1142 BVerfGE 80, 367 (374). 1143 BGH NJW 2013, 1681 (1682). 1144 BVerfGE 97, 391 (403 ff.); 99, 185 (196 f.); BVerfG NJW 2011, 47 (48). 1145 BVerfGE 35, 202 (220 f.); Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 104.
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(cc) Recht der Selbstdarstellung Weiterhin umfasst das Allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht der Selbstdarstellung und schützt den Einzelnen vor herabsetzenden, verfälschenden, entstellenden und unerbetenen öffentlichen Darstellungen sowie unerbetener heimlicher Wahrnehmungen seiner Person.1146 Insoweit bleibt es jedem selbst überlassen, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellen möchte, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll und in welchen Grenzen Dritte im Rahmen einer öffentlichen Erörterung über die Darstellung der eigenen Person verfügen können.1147 Allerdings besteht kein Anspruch darauf, nur so dargestellt zu werden, wie man sich selber gerne sehen würde.1148 Das Recht der Selbstdarstellung wurde durch das Recht am eigenen Wort1149 und das Recht am eigenen Bild1150 näher konkretisiert.1151 Demnach darf grundsätzlich jeder selbst darüber befinden, ob sein Wort aufgenommen werden soll und ob und vor wem das aufgenommene Wort abgespielt werden darf.1152 Andernfalls wäre die Unbefangenheit der menschlichen Gesprächssituation gestört, wenn man damit rechnen müsste, dass jedes Wort, jede unbedachte, unbeherrschte, gegebenenfalls nur vorläufige Äußerung in einer anderen Situation hervorgeholt werden könnte und dann gegen den sich Äußernden Zeugnis ablegen würde.1153 Einer Beeinträchtigung des Rechts am gesprochenen Wort steht es entgegen, wenn der Betroffene der Aufnahme seiner Äußerung zugestimmt hat.1154 Gleiches lässt sich auf das Recht am eigenen Bild übertragen, das die Verfügungsbefugnis darüber schützt, „ob und inwieweit das Bild einer Person verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden darf“.1155 Es gewährleistet dem Einzelnen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die „Anfertigung und Verwendung von Bildaufzeichnungen“ der eigenen Person durch Dritte geht.1156 Einfachgesetzlich ist das Recht am eigenen Bild durch die §§ 22, 23 KUG geschützt. Gerade eine Berichterstattung durch Hörfunk und Fernsehen ist durch den Eindruck gesteigerter Authentizität, der Breite des Empfängerkreises und der Wie1146 BVerfGE 114, 339 (346); 119, 1 (24); Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 447. 1147 BVerfGE 35, 202 (220); 54, 148 (155 f.); 63, 131 (142). Vgl. dazu auch Kube, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 43. 1148 BVerfGE 82, 236 (269); 101, 361 (380). 1149 BVerfGE 34, 238 (246); 106, 28 (44 ff.); 119, 309 (324). 1150 BVerfGE 34, 238 (246); 35, 202 (220); 97, 228 (268); 101, 361 (381 f.); 119, 309 (322 f.); 120, 180 (198). 1151 Kube, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 44. 1152 BVerfGE 34, 238 (246). 1153 BVerfGE 34, 238 (246 f.). 1154 BVerfGE 106, 28 (44). 1155 BVerfGE 97, 228 (268). 1156 BVerfGE 120, 180 (198).
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derholbarkeit der Sendung dazu geeignet, das Recht am gesprochenen Wort und das Recht am eigenen Bild zu beeinträchtigen. Dies führt insbesondere in Gerichtsverhandlungen zu Störungen, die mitunter besonders empfindlich sein können.1157 Ist das Persönlichkeitsbild einer Person erst einmal entstellt, so können Widerrufs- und Unterlassungsansprüche, Gegendarstellungs- und Berichtigungsansprüche die grundrechtliche Betroffenheit kaum mildern. Denn gerade durch die gerichtliche Aufarbeitung des Behaupteten wird die öffentliche Aufmerksamkeit nochmals auf die Veröffentlichung gelenkt und damit nachhaltig in Erinnerung gerufen.1158 (dd) Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Schutz personenbezogener Daten Das im „Volkszählungsurteil“ 1159 entwickelte eigenständige Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Bürger vor einer unbegrenzten Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen beziehungsweise personenbezogenen Daten.1160 Dies gilt allerdings nicht nur im Bereich der automatischen Datenverarbeitung.1161 Es umfasst vielmehr als Konkretisierung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, unter anderem auch des Schutzes der Resozialisierung und des Schutzes vor einer Selbstbezichtigung, generell die „Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“.1162 Das Schutzgut der informationellen Selbstbestimmung ist rechtsdogmatisch in den bekannten Kategorien der „Vertraulichkeit im privaten Raum“ und der „Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit“ angelegt.1163 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann daher als Zusammenfassung aller Informationen über die Persönlichkeit, insbesondere über die Privatsphäre verstanden werden.1164 1157 BVerfGE 91, 125 (135). Vgl. zur Frage der Fernsehberichterstattung aus Gerichtssälen auch BVerfG NJW 1996, 581 (583); MMR 2007, 306 (307); Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 242 f. 1158 Kube, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 46. 1159 BVerfGE 65, 1 (41 ff.). 1160 BVerfGE 65, 1 (43); 113, 29 (46); 118, 168 (184); Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 2 Rn. 43. 1161 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 39. EL Juli 2001, Art. 2 Rn. 176. 1162 BVerfGE 65, 1 (42). Vgl. auch BVerfGE 113, 29 (45 ff.); 118, 168 (183 ff.); 120, 351 (360 f.); 130, 1 (35); Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 73. 1163 Vgl. Kube, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 67 m.w. N. 1164 Horn, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 149 Rn. 47 ff.; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 73. Im europäischen Recht ist der Schutz personenbezogener Daten in Art. 8 GRCh geregelt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH ZUM 2014, 559) hat den Schutz deutlich ausgeweitet und ein Recht auf Vergessenwerden etabliert.
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(b) Recht auf ein faires Verfahren Ein weiteres schlechthin zu schützendes Rechtsgut im Umfeld der Gerichtsöffentlichkeit ist das Recht auf ein faires Verfahren. Dieses wurzelt in Art. 20 Abs. 3 GG, dem Rechtsstaatsgebot, und wird außerdem in Art. 6 Abs. 1 EMRK explizit erwähnt. Inhalt dieses Rechts ist ein Anspruch auf ein „justizförmiges“, „auf die Ermittlung der Wahrheit ausgerichtete[s]“ Verfahren.1165 Gerade in Verbindung mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergibt sich der Aspekt der Fairness.1166 Die Verfahrensbeteiligten dürfen nicht lediglich Objekt des gerichtlichen Verfahrens, sondern sollen Subjekt mit angemessenen Mitwirkungsrechten sein.1167 Das Gebot des fairen Strafverfahrens setzt daher einen Mindestbestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen des Angeklagten voraus1168 und verlangt, dass den verfassungsrechtlich verbürgten Rechten und Interessen der Verfahrensbeteiligten vollumfänglich Rechnung getragen wird.1169 Die Fairness im gerichtlichen Verfahren wird etwa dann beschränkt, wenn Verfahrensbeteiligte sich scheuen, vor der Medienöffentlichkeit Informationen preiszugeben, die zur Wahrheits- und Rechtsfindung notwendig sind, etwa intime, mitunter peinliche oder unehrenhafte Umstände.1170 (c) Unschuldsvermutung Ziel eines jeden Strafprozesses ist die Ermittlung der Wahrheit, ohne die sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen ließe.1171 Dem Täter muss seine Schuld nachgewiesen werden.1172 Bis zum Nachweis der Schuld gilt er als unschuldig.1173 Als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips kommt der Das Gericht stärkt den Persönlichkeitsschutz zulasten von wirtschaftlichen Interessen und dem öffentlichen Informationsinteresse. 1165 BVerfGE 107, 104 (109). 1166 BVerfGE 57, 250 (274 f.); 118, 212 (231); 122, 248 (271); 130, 1 (25); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 39. EL Juli 2001, Art. 2 Rn. 72 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 20 Rn. 137. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gilt auch im Zivil- (BVerfGE 78, 123 [126]; 93, 99 [113]) und im Verwaltungsprozess (BVerfGE 104, 42 [50]). Ob der objektiv-rechtliche Grundsatz des fairen Verfahrens auch einen Anspruch begründet, ist umstritten: ein solches Prozessgrundrecht bejahend BVerfG 57, 250 (274 f.); 110, 339 (342). Vgl. auch Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 109 ff. m.w. N. 1167 Meyer-Ladewig, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 87. 1168 BVerfGE 57, 250 (275). 1169 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 109; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 213. 1170 BVerfGE 103, 44 (68 f.). 1171 BVerfGE 57, 250 (275); 130, 1 (26); 133, 168 (199). 1172 BVerfGE 9, 167 (169); 74, 358 (371); 133, 168 (199). 1173 BVerfGE 35, 311 (320); 74, 358 (371); 133, 168 (199).
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Unschuldsvermutung, die explizit in Art. 6 Abs. 2 EMRK Erwähnung findet, Verfassungsrang zu.1174 Verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte sind darüber hinaus im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, zu finden.1175 Die Unschuldsvermutung richtet sich gegen den Staat und wird verletzt bei Aussagen zur Schuld einer Person, die noch nicht verurteilt ist, etwa im Rahmen staatlicher Informationstätigkeit.1176 Weiterhin verlangt sie, dass sich die Richter zu Beginn des Verfahrens nicht von der Vorstellung leiten lassen, der Angeklagte habe die Straftat begangen.1177 Die Unschuldsvermutung schützt den Angeklagten damit vor allen Nachteilen, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkämen.1178 Unzulässig sind daher negative Äußerungen über die Schuld eines Angeklagten von Richtern sowie anderer staatlicher Stellen im Vorfeld eines Urteils.1179 Zu einer Verletzung der Unschuldsvermutung kommt es nicht erst bei der Beschreibung eines Falles; bereits das Bekanntwerden eines Falles kann eine Verletzungshandlung darstellen.1180 Vorverurteilungen durch die Medien sind kein Problem der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung, sondern eine Frage der Beschränkbarkeit von Art. 5 Abs. 1 GG.1181 Die Unschuldsvermutung selbst bindet insoweit nur den Staat, kann aber Schutzpflichten begründen.1182 Sie ist jedoch als Konkretisierung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu berücksichtigen.1183 Insoweit kann auch eine tendenzielle Berichterstattung vor oder während der Verhandlung zu einer Vorverurteilung des Angeklagten und damit zu einer Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung führen.1184 (d) Ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung Die Verwirklichung der Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteils des Rechtsstaatsprinzips und das öffentliche Interesse an einer vollständigen 1174 BVerfGE 74, 358 (371 f.); 133, 168 (202); Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 103 Rn. 46. 1175 Lindner, AöR 133 (2008), S. 235 (245 ff.). 1176 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 103 Rn. 46. 1177 Meyer-Ladewig, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 212. 1178 BVerfGE 74, 358 (370 ff.); 133, 1 (31). 1179 Meyer-Ladewig, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 213. 1180 Wilmes, StraFO 2007, 11 (13). 1181 Degenhart, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 115 Rn. 44; ders., in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 103 Rn. 46. 1182 Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 205. 1183 Vgl. Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 122. EL Juli 2006, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 521. Die Konstellation der Vorverurteilung durch die Medien als Fall der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten behandelnd: Lindner, AöR 133 (2008), S. 235 (257 f.). 1184 Gössel, in: Dölling/Gössel/Waltos ´ (Hrsg.), Kriminalberichterstattung in der Tagespresse, 1998, S. 1 (9 f.).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Wahrheitsermittlung erfordern die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege.1185 Eine zuverlässige Wahrheitserforschung ist vor allem notwendig, um eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Schuld und der Strafzumessung zu haben.1186 Ein rechtsstaatliches Verfahren, dessen Ergebnis der Entzug der persönlichen Freiheit sein kann, muss auf einer zureichenden Grundlage an richterlicher Sachaufklärung beruhen, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht.1187 Die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung ist daneben selbstverständlich auch oberstes Prinzip der übrigen Gerichtszweige. Mögliche Beeinträchtigungen wirken sich dort jedoch weit weniger drastisch aus als im Strafverfahren. Bereits spontaner Beifall oder spontane Kritik des Publikums können zu einem sachwidrigen Antrieb oder zu einer sachwidrigen Hemmung führen.1188 Eine umfassende Berichterstattung übt enormen Druck auf Verfahrensbeteiligte aus, der so weit gehen kann, dass sich das Verhalten nicht mehr am Erfordernis der Wahrheitsfindung orientiert, sondern an den möglichen Reaktionen der Öffentlichkeit.1189 Insoweit leidet der Prozess der ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung, wenn Verfahrensbeteiligte sich wegen der Medienöffentlichkeit scheuen, gar nichts oder nicht alles zur Wahrheitsfindung beizutragen, oder aber versucht sind, ihr Verhalten an den erwarteten Medienreaktionen zu orientieren.1190 Problematisch ist oftmals auch die Beeinflussung von Zeugen, die erst im Verlauf eines Verfahrens aussagen sollen und die die Aussagen der bereits vernommenen Zeugen in der Prozessberichterstattung mitverfolgen können.1191 Beschränkungen des Zugangs zum Gerichtssaal können daher aus einer konkreten Gefährdung der Wahrheitsfindung resultieren.1192 (e) Richterliche Unabhängigkeit Die verfassungsrechtliche Verankerung des Grundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit in Art. 97 GG dient dem Schutz einer von sachfremden Einflussnahmen freien Rechtsprechung.1193 Denn nur ein unabhängiger Richter wird dem 1185
BVerfGE 33, 367 (383); 34, 238 (248 f.); 38, 105 (116); 77, 65 (76). BVerfGE 86, 288 (317). 1187 BVerfGE 70, 297 (308); 86, 288 (317). 1188 Bockelmann, NJW1960, 217 (220). 1189 Gössel, in: Dölling/Gössel/Waltos ´ (Hrsg.), Kriminalberichterstattung in der Tagespresse, 1998, S. 1 (11). 1190 BVerfGE 103, 44 (68 f.). 1191 Gössel, in: Dölling/Gössel/Waltos ´ (Hrsg.), Kriminalberichterstattung in der Tagespresse, 1998, S. 1 (11). 1192 BGHSt 9, 280 (284); Degenhart, in: HStR V, 3. Aufl. 2007, § 113 Rn. 43. Zur Beeinflussung von Verfahrensbeteiligten durch laufende Kameras Pfeifle, ZG 2010, 293 (297). 1193 Papier, NJW 2001, 1089 (1089 f.). 1186
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Gebot eines wirkungsvollen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gerecht.1194 Neben der Garantie der Weisungsfreiheit des Art. 97 Abs. 1 GG und der institutionellen Gewährleistung der persönlichen richterlichen Unabhängigkeit durch Art. 97 Abs. 2 GG, ist der Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit dadurch gekennzeichnet, dass die richterliche Tätigkeit von einem nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird.1195 Der Schutz richterlicher Unabhängigkeit bezieht sich nur auf die richterliche Tätigkeit, nicht jedoch auf Aufgaben der Gerichtsverwaltung, die dem Richter ebenfalls übertragen sind.1196 Ursprünglich diente der besondere Schutz der richterlichen Unabhängigkeit vor Einmischungen und sachfremden Einflussnahmen des Monarchen.1197 Der Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit verbietet jeden vermeidbaren Einfluss der Exekutive auf die Rechtsstellung der Richter, dient aber auch dem Schutz vor Eingriffen der Legislative.1198 Weiterhin entfaltet die richterliche Unabhängigkeit ihre Wirkungen innerhalb der Judikative und im Innenverhältnis eines Spruchkörpers.1199 Zudem gewährt der Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit aber auch Schutz vor gesellschaftlichen Einflüssen.1200 Die Anwesenheit von Zuschauern im Verhandlungssaal birgt das Risiko der Beeinflussung.1201 Dieses Risiko wird erst recht akut, wenn die Medien über ein bestimmtes Verfahren berichten1202 und dabei Tatsachen- und Rechtsfragen vorentscheiden.1203 Die unabhängige richterliche Entscheidungsfindung kann nicht nur durch Geschehnisse innerhalb einer Verhandlung, wie Unmuts- oder Beifallsbekundungen, Drohungen oder Protestaktionen, sondern auch durch Aktionen außerhalb des Verhandlungssaales, etwa durch eine vorverurteilende Berichterstattung in den Massenmedien oder Angriffe gegen den urteilenden Richter, beeinträchtigt werden.1204 Solche Einflüsse sind zudem dazu geeignet, die innere Haltung des Richters gegenüber den Verfahrensbeteiligten zu verändern und somit Gefahren für die richterliche Neutra1194
Papier, NJW 2001, 1089 (1089 f.). BVerfGE 60, 175 (214). 1196 Papier, NJW 2001, 1089 (1090). 1197 Papier, NJW 2001, 1089 (1090). 1198 BVerfGE 38, 1 (21). 1199 BVerfGE 87, 273 (278); 98, 17 (48); Papier, NJW 2001, 1089 (1090); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 97 Rn. 7. 1200 Vgl. dazu von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 208 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 97 Rn. 9; einschränkend Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 52. EL Mai 2008, Art. 97 Rn. 24, 93. 1201 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 208; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 166. 1202 Roxin, in: FS zum 30jährigen Bestehen der Münchener Juristischen Gesellschaft, 1996, S. 97 (99 ff.). 1203 Köbl, in: FS Ludwig Schnorr von Carlosfeld, 1972, S. 235 (243); Hamm, Große Strafprozesse und die Macht der Medien, 1997, S. 64 ff.; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 208. 1204 Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 166. 1195
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
lität zu verursachen, die eng mit der richterlichen Unabhängigkeit verbunden ist.1205 Es wird aber durchaus erwartet, dass sich ein Richter als resistent gegenüber den Auswirkungen medialer Öffentlichkeit erweist und „geistigen Pressionen“ und „Anfechtungen seiner Unparteilichkeit“ standhält.1206 Unzulässig ist letztlich aber jede Form der nicht grundrechtlich geschützten Druckausübung.1207 bb) Zusammenfassung Die Vorschriften der §§ 169 ff. GVG zur Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens und zur Sitzungspolizei stellen allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG dar. Sie können jedermann betreffen und richten sich nicht gegen die Beschaffung publizistischer Informationen und deren Verwertung als solche.1208 Sie haben die Wahrung besonders schutzwürdiger Belange der Öffentlichkeit, Prozessbeteiligter oder Dritter sowie die geordnete Durchführung einer Gerichtsverhandlung zum Ziel und dienen damit dem Schutz vorrangiger Gemeinschaftsgüter, hinter die das allgemeine und publizistische Informations- und Verbreitungsinteresse im Einzelfall zurücktreten kann.1209 Etwas Weiteres, und hierauf sei nur am Rande hingewiesen, hat die vorangegangene Analyse gezeigt. Die Beschränkungen der §§ 169 ff. GVG sind besonders auf die Bedürfnisse des Strafverfahrens zugeschnitten. Bedürfnisse des Zivilprozesses und des Verwaltungsprozesses oder verfassungsgerichtlicher Verfahren spiegeln sich in der Ratio der §§ 169 ff. GVG hingegen weniger gut wieder. Dies spricht wiederum dafür, vor allem im Hinblick auf § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG, eine im Hinblick auf die unterschiedlichen Gerichtszweige differenzierende Betrachtung zu verfolgen.1210 b) Die Bestimmungen zum Schutze der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre Weiterhin können die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch durch das Recht der persönlichen Ehre und des Jugendschutzes beschränkt werden. Bei beiden inhaltlich benannten Schutzgütern handelt es sich um spezifische Verfassungsrechtsgüter.1211 Die Schranke zum Schutze der Jugend betrifft den Schutz vor jugendgefährdenden Einflüssen, wie etwa Darstellungen, die Ge1205
Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 166. Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, 52. EL Mai 2008, Art. 97 Rn. 93. 1207 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 97 Rn. 9. 1208 BVerfGE 50, 234 (241). 1209 BVerfGE 50, 234 (241); 91, 125 (136 f.). 1210 Vgl. dazu unten, Teil 2 F. 1211 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 108 IV. 4. und IV. 5. 1206
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walttätigkeiten, Verbrechen und Hass provozieren, denen in ihren Anschauungen gefestigte Erwachsene eher standhalten können als Jugendliche, und die daher bei diesen zu schweren Fehlentwicklungen führen können.1212 Der Schutz der persönlichen Ehre ist Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.1213 Es lassen sich hier der Schutz der inneren Ehre des Menschen „als Träger geistlicher und sittlicher Werte von Geburt an“ und der Schutz der äußeren Ehre als Ausdruck des „sozialen Achtungsanspruchs des Menschen“ unterscheiden.1214 Da der Ehrschutz weiter als der Würdeschutz geht, erlaubt Art. 5 Abs. 2 GG Einschränkungen der Kommunikationsfreiheiten, die über den Schutzauftrag des Art. 1 Abs. 1 GG hinausgehen.1215 Das Erfordernis der Allgemeinheit gilt auch hier,1216 was allerdings in beiden Fällen zu einer Entwertung als eigenständigem Schrankentatbestand beiträgt.1217 Die besondere Erwähnung des Ehrschutzes rührt daher, dass mit der Betätigung der Kommunikationsfreiheiten erfahrungsgemäß eine Gefährdung der persönlichen Ehre anderer Menschen einhergeht.1218 Die explizite Regelung sollte sicherstellen, dass entsprechende Vorschriften weiterhin zulässig seien.1219 c) Kollidierendes Verfassungsrecht Neben der Schrankentrias des Art. 5 Abs. 2 GG können die Kommunikationsfreiheiten auch durch andere, kollidierende Verfassungsgüter beschränkt werden.1220 Andernfalls stünden Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt besser da als vorbehaltslos gewährleistete und damit stärker geschützte Grundrechte.1221 So1212 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 296. 1213 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 163. 1214 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 150. 1215 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 302 ff. 1216 BVerfGE 124, 300 (327); Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 74, 76; a. A. Schmitt-Glaeser, AöR 97 (1972), S. 276 (290); Tettinger, JZ 1983, 317 (320); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 108 IV. 5.; Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 60 f.; Wendt, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 83; Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 279, 296 ff., 302 ff. 1217 Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, 68. EL Januar 2013, Art. 5 Rn. 195. 1218 Starck/Paulus, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 302. 1219 BVerfGE 124, 300 (327). 1220 BVerfGE 66, 116 (136); 111, 147 (157); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 108 IV. 6.; Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 58; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 152; a. A. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 173. 1221 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 108 IV. 6.; Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 58.
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
weit verfassungsunmittelbare Schranken Freiheitsbeschränkungen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG ermöglichen, unterliegt ihre Konkretisierung gleichwohl dem Vorbehalt des Gesetzes.1222 Ein Rückgriff auf kollidierendes Verfassungsrecht kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn nicht bereits die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG greifen.1223 Insoweit ist darauf zu achten, dass die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG nicht leer laufen.1224 4. Zusammenfassung Auch wenn der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit nicht explizit im Grundgesetz Erwähnung findet, wurde doch gezeigt, dass es zahlreiche Anknüpfungspunkte in der Verfassung gibt, die seinen verfassungsrechtlichen Schutz begründen. Während die ursprünglichen Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit, nämlich die Kontrolle und die Schaffung von Vertrauen und Akzeptanz der Judikative, ihre Grundlage im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip findet, ist die Informationsfunktion vornehmlich in den Grundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG verankert. Der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit genießt damit Verfassungsrang. Die Betrachtungen zu den Mediengrundrechten haben gezeigt, dass nicht nur die Saal-, sondern ebenso die Medienöffentlichkeit verfassungsrechtlich geschützt ist. Die Medien übernehmen eine wichtige Mittlerfunktion bei der Erfüllung der Funktionen der gerichtlichen Öffentlichkeit. Der Berichterstattung mithilfe herkömmlicher und Neuer Medien über das gerichtliche Verfahren muss daher ausreichend Raum gegeben werden. Da die öffentliche Durchführung eines Gerichtsverfahrens jedoch zur Verletzung von Individualrechtsgütern der Verfahrensbeteiligten und Beeinträchtigungen der Rechtspflege als solcher führen kann, muss die Berichterstattungsfreiheit im Einzelfall Beschränkungen hinnehmen.
V. Inhaltliche Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit Die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung stellt eine wichtige Grundlage für die Transparenz der Justiz dar. Das Vertrauen der Gesellschaft lebt aber nicht allein von dieser Öffentlichkeit, also der Zugänglichkeit der mündlichen Verhandlung.1225 Die mündliche Verhandlung ist nur ein Teilbereich dessen, was die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens ausmacht.1226 1222 1223
BVerfGE 111, 147 (157 f.). Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 108
IV. 6. 1224 1225 1226
Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 79. Vgl. dazu auch Jung, in: GS Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (909 ff.). von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 25.
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Gerichtsöffentlichkeit ist nicht auf die mündliche Verhandlung begrenzt, sie geht über diese hinaus. Die Beschreibung der Gerichtsöffentlichkeit allein als Zugänglichkeit1227 zur Hauptverhandlung für eine Personenmehrheit betrifft zwar den Kern gerichtlicher Öffentlichkeit, wird den Bedürfnissen der heutigen Informationsgesellschaft allerdings nicht mehr gerecht.1228 Zur Erreichung größtmöglicher Transparenz müssen daher auch die Publikation von Urteilen, die Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte – jedenfalls für Journalisten – und die Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte in den Blick genommen werden. Die Öffentlichkeit staatlichen Handelns dient der Befriedigung des berechtigten Informationsbedürfnisses und schafft Vertrauen und Akzeptanz. Hierauf sind die Gerichte zur Durchsetzbarkeit ihrer Urteile angewiesen.1229 Vertrauen und Akzeptanz lassen sich jedoch nicht nur durch eine mündliche Verhandlung erreichen, sie erfordern anhaltende Kommunikationsprozesse.1230 1. Gerichtsöffentlichkeit als Zugänglichkeit der gerichtlichen Verhandlung Da Saal- und Medienöffentlichkeit als Zugänglichkeit der gerichtlichen Verhandlung für die Allgemeinheit und für die Vertreter der Medien verstanden wird,1231 soll diese Zugänglichkeit im Folgenden genauer betrachtet werden. Zugänglichkeit meint das Betreten des Verhandlungssaales und das dortige Verweilen auf einem der Zuschauerplätze. Bei dem Mitführen und der Nutzung technischen Geräts handelt es sich um eine Frage der Informationsaufnahme. Um diese soll es sodann im zweiten Teil dieser Arbeit1232 gehen. a) Saalöffentlichkeit aa) Allgemeine Zugänglichkeit Das Zugangsrecht der Allgemeinheit richtet sich nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG i.V. m. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG.1233 Dabei bestimmt sich die Allgemeine Zugänglichkeit nicht nach normativen, sondern allein nach objektiven Kriterien.1234 Einen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf Zugang zum Verhandlungs1227 Schmidthals, Wert und Grenzen der Verfahrensöffentlichkeit im Strafprozeß, 1977, S. 23; Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 11. 1228 So auch Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 1. 1229 Prinz, in: FS für Manfred Engelschall, 1996, S. 243 (247, 251). 1230 Jarren, in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg.), Recht und Öffentlichkeit, 2004, S. 20 (26). 1231 Vgl. dazu oben, Teil 1 B. I. 3. 1232 Vgl. dazu unten, Teil 2. 1233 BVerfGE 103, 44 (59). 1234 Siehe oben, Teil 1 B. IV. 2. b) bb) (4).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
saal gewährt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG i.V. m. § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG allerdings nicht.1235 Saalöffentlichkeit ermöglicht die persönliche Teilnahme an der Gerichtsverhandlung.1236 Die Zugänglichkeit des Verhandlungssaales bedeutet, dass „jedermann ohne Ansehung seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen der Bevölkerung und ohne Ansehung bestimmter persönlicher Eigenschaften die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen der Gerichte als Zuhörer teilzunehmen“.1237 Der Zugang muss lediglich tatsächlich und in zumutbarer Weise möglich sein.1238 Dies setzt ein Mindestmaß an vorherigen Informationen, vor allem hinsichtlich Ort und Zeit der Verhandlung, zwingend voraus.1239 Auf kurzfristige Änderungen, insbesondere die Verlegung des Verhandlungsortes, muss sichtbar hingewiesen werden.1240 Der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind gem. § 170 Abs. 1 GVG Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Öffentlichkeit kann hier nach § 170 Abs. 1 Satz 2 GVG in Ausnahmefällen – nicht jedoch gegen den Willen der Beteiligten – zugelassen werden.1241 Nicht öffentlich sind nach § 48 Abs. 1 JGG auch die Verfahren vor den Jugendgerichten. Den vollständigen oder teilweisen Ausschluss der Öffentlichkeit sehen die §§ 171a, 171b, 172 GVG in Einzelfällen, namentlich in Unterbringungssachen, zum Schutze der Privatsphäre, der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung, der Sittlichkeit und der Sicherheit einzelner Personen vor. Weiterhin ist auch die Beschränkung des Zutritts einzelner Personen möglich. Dem Einzelnen kann der Zutritt nach § 176 GVG zur Sicherung der Ordnung im Verhandlungssaal verwehrt werden. Weiterhin ermöglicht § 175 Abs. 1 GVG die Verweigerung des Zugangs zum Gerichtssaal für solche Personen, die unerwachsen sind oder in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen. Die Entschei1235 Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, Vor § 169 GVG Rn. 8. Vgl. demgegenüber Bäumler (JR 1978, 317 [320 f.]), der vom Vorhandensein eines subjektiv-rechtlichen Zugangsanspruchs ausgeht. 1236 BVerfGE 103, 44 (61 f.); Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 55 Rn. 10; Neff, in: Prütting/Gehrlein (Hrsg.), ZPO, 8. Aufl. 2016, § 169 GVG Rn. 1. 1237 BGHSt 27, 13 (14); ausführlich dazu auch Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (396 ff.). 1238 BVerwG NVwZ 2000, 1298 (1298); Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 11; Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 15. 1239 BVerfG NJW 2002, 814 (814). 1240 OLG Dresden StV 2009, 682; Neff, in: Prütting/Gehrlein (Hrsg.), ZPO, 8. Aufl. 2016, § 169 GVG Rn. 2. 1241 Das Gericht ist zur Zulassung der Öffentlichkeit selbst dann nicht gezwungen, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind oder dies beantragen. Das Gericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Vgl. hierzu Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 170 Rn. 6.
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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dung über den Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall oder den Ausschluss einzelner Personen fällt in das Ermessen des Vorsitzenden. Dabei sind die Anordnungen nach § 176 GVG auf den Bereich reaktiver Maßnahmen zu beschränken. Präventive Maßnahmen wie die teilweise Entfernung der Bestuhlung eines größeren Saales oder die Wahl eines besonders kleinen Verhandlungssaales in einem die Öffentlichkeit besonders interessierenden Verfahren zur Vermeidung möglicher Störungen sind von § 176 GVG nicht gedeckt.1242 Die Saalöffentlichkeit betrifft das Anwesenheitsrecht nicht beteiligter Personen.1243 Sie ist damit Drittöffentlichkeit.1244 Im Unterschied zur Parteiöffentlichkeit, die gerade keinen Ausschnitt der Gerichtsöffentlichkeit darstellt,1245 ist die aktive Teilnahme an der Verhandlung durch einzelne Wortbeiträge oder die Einsicht in Verfahrensakten1246 – jedenfalls für Einzelpersonen – von der Saalöffentlichkeit nicht umfasst.1247 Parteiöffentlichkeit ist mittelbar durch Art. 103 Abs. 1 GG garantiert. Denn wenn die Verfassung das Recht auf rechtliches Gehör gewährt, muss sie zur effektiven Ausübung dieses Rechts auch die Möglichkeit der Teilnahme an dem die Partei selbst betreffenden Verfahren ermöglichen.1248 bb) Begrenzung durch die räumlichen Kapazitäten Im Übrigen ist die Saalöffentlichkeit nur durch die räumlichen Kapazitäten begrenzt.1249 Die Entscheidung über die Größe des Sitzungssaales fällt in das Ermessen des Vorsitzenden, der neben dem öffentlichen Interesse1250 auch die von der Öffentlichkeit ausgehenden nachteiligen Wirkungen zu berücksichtigen hat.1251 Die Zurverfügungstellung lediglich eines einzigen Steh- oder Sitzplatzes 1242 1243
Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (398 f.). Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, Vor § 169 GVG
Rn. 8. 1244 1245
Braun, Lehrbuch des Zivilprozessrechts, 2014, S. 146. Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 55
Rn. 10. 1246
Für Medienvertreter ist dies anders zu beurteilen: vgl. dazu unten, Teil 1 B. V.
2. c). 1247 Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 55 Rn. 10; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 3. 1248 Braun, Lehrbuch des Zivilprozessrechts, 2014, S. 146 f. Vgl. dazu auch von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, Bd. 1, 1821, S. 36. 1249 Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (400); Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, Vor § 169 GVG Rn. 8; Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 1. 1250 Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 IV. 1.; Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 37. 1251 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 26; Schreiber, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 15.
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
genügt dem öffentlichen Informationsinteresse nicht.1252 Andererseits besteht bei einem außergewöhnlichen Zuhörerandrang keine Pflicht, einen größeren Sitzungssaal auszuwählen, um jedwedem Interessenten den Zutritt zu ermöglichen.1253 Bei Verfahren, die aufgrund der großen Zahl der Verfahrensbeteiligten für Zuhörer kaum noch Platz bieten, ist ausnahmsweise die Wahl eines außerhalb des Gerichtsgebäudes gelegenen größeren Verhandlungssaales zulässig.1254 Grundsätzlich muss zwar die Möglichkeit einer effektiven Kontrolle durch einen Teil der Bevölkerung gewährleistet sein. Die Wahl eines größeren Verhandlungssaales darf jedoch nicht zu einer nachteiligen Beeinflussung des Verhandlungsablaufs führen.1255 Ein Verfahrensbeteiligter kann in seinem rechtlichen Gehör beeinträchtigt werden, wenn die Größe des Verhandlungssaales dazu führt, dass er auf die umfassende Ausübung seiner Verfahrensrechte verzichtet.1256 Weiterhin ist eine unüberschaubare Saalöffentlichkeit dazu geeignet, den Angeklagten bloßzustellen und ihn damit zum Schauobjekt zu degradieren.1257 Genauso kann durch eine zu große Saalöffentlichkeit auch die Unabhängigkeit des Gerichts beeinträchtigt werden, indem es vor einem unüberschaubar großen Publikum den „Wünschen und Affekten der Menge“ unmittelbar ausgesetzt ist.1258 Die Grenze der zulässigen Raumgröße ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Aufrechterhaltung der Ordnung während der Verhandlung durch den Vorsitzenden nicht mehr möglich erscheint.1259 b) Medienöffentlichkeit aa) Der besondere Wert der Medienöffentlichkeit Medienöffentlichkeit ist im Wesentlichen durch zwei Aspekte gekennzeichnet: zunächst durch die jederzeitige Zugangsmöglichkeit der Medienvertreter und gleichzeitig die Möglichkeit, die erfahrenen Umstände zu verbreiten und zu kom-
1252
BayOLG NJW 1982, 395 (396); OLG Köln NStZ 1984, 282 (282 f.). BGHSt 21, 72 (73); BGH NJW 1966, 1570 (1571); Schreiber, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 15. Roxin/ Schünemann (Strafverfahrensrecht, 28. Aufl. 2014, § 47 Rn. 4) übertragen den Rechtsgedanken des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG auf andere Fälle der „Öffentlichkeitserweiterung“ und bewerten deswegen die Verlegung von Strafverfahren in „außergerichtliche Massensäle“ de lege lata als unzulässig. 1254 Seibert, NJW 1970, 1535 (1536); Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 10. 1255 Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 15. 1256 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 26. 1257 Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (401 f.). 1258 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 26. Vgl. dazu auch Bockelmann, NJW 1960, 217 (220). 1259 Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. 1987, § 25 IV. 1. 1253
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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mentieren.1260 Die Medienöffentlichkeit, also die Zugänglichkeit gerichtlicher Verhandlungen durch ein Medienpublikum, ist dabei weniger Rechtsbegriff sondern viel mehr Signalbegriff, der die Befindlichkeiten der grundrechtlich geschützten Massenmedien gegenüber der nach Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsgebundenen Judikative beschreibt.1261 Vor dem Hintergrund, dass der Großteil der Bevölkerung nicht selber an Gerichtsverhandlungen teilnimmt und damit auf die Vermittlung des Geschehens durch die Medien angewiesen ist,1262 ist es zu einer Bedeutungsverlagerung von der Saal- zur Medienöffentlichkeit gekommen.1263 Lange Zeit wurde die Auffassung vertreten, dass die Funktionen des Öffentlichkeitsgrundsatzes in ausreichendem Maße durch die unmittelbare Saalöffentlichkeit erfüllt würden. Der Begriff „öffentlich“ in der Vorschrift des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG beziehe sich daher nur auf die Saalöffentlichkeit.1264 In Bezug auf die klassischen, mittlerweile eher „symbolischen Funktionen“ der Gerichtsöffentlichkeit ist dies verständlich. Die Umorientierung zur Informationsfunktion als tragender Legitimationsbasis des Öffentlichkeitsgrundsatzes blieb dabei allerdings völlig unberücksichtigt.1265 Im Rechtsstaat findet Recht öffentlich statt. Wirkliche Öffentlichkeit wird heutzutage allerdings erst durch die Medien erzeugt.1266 Dieser Umstand ist deswegen auch bei der Interpretation des § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG zu berücksichtigen.1267 Der Vorteil der Medien- gegenüber der Saalöffentlichkeit ist insoweit in ihrer Dimension begründet. Medienöffentlichkeit ist in der Lage, Informationen zu vervielfachen und über nationale Grenzen hinweg zu verbreiten.1268 Dies schafft ein Höchstmaß an Transparenz, was die gesellschaftliche Kontrolle hoheitlicher Machtausübung tatsächlich vereinfacht.1269 Da die Medien jedoch naturgemäß zur Selektion neigen, besteht neben den positiven Effekten die Gefahr der Verzerrung und Vereinfachung.1270 Daneben ist Medienberichterstattung regelmäßig 1260
Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 21. von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 24. 1262 BVerfGE 103, 44 (66); von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 4. 1263 Vgl. bereits oben, Teil 1 B. III. 4. Vgl. auch Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 21 ff.; Prütting, in: FS für Rolf A. Schütze, 1999, S. 685 (688); Kloepfer, Informationsrecht, 2002, § 3 Rn. 108; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 21 Rn. 12; Kaulbach, JR 2011, 51 (53). Vgl. hierzu aus straftheoretischer Sicht auch Gierhake, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 51 (60 ff.). 1264 Hamm, NJW 1995, 760 (761); Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 226 ff. 1265 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 226 f. 1266 Zuck, NJW 1995, 2082 (2083); Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2005, S. 126. 1267 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 227. 1268 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 22. 1269 Bamberger, ZUM 2001, 373 (374). 1270 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 22. 1261
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durch die Personalisierung der Ereignisse geprägt, da sich personenbezogene Geschehnisse leichter veranschaulichen lassen. Insofern entstehen Gefahren für den Persönlichkeitsschutz,1271 die durch die internetspezifische Verbreitung potenziert werden und die deswegen (jedenfalls bezogen auf das Strafverfahren) teilweise eine Rückkehr zum „mittelalterlichen Pranger“ befürchten lassen.1272 Nichtsdestoweniger wird die Medienöffentlichkeit wegen ihrer multiplizierenden Funktion als besonders schützenswert angesehen.1273 Gleichwohl sollte die nach wie vor bestehende Bedeutung der Saalöffentlichkeit nicht verkannt werden: Sie ist die Grundlage der Medienöffentlichkeit und zugleich der Mechanismus, der dem Entstehen von Misstrauen in die Judikative vorbeugt.1274 bb) Die Herleitung des Zugangsrechts von Medienvertretern Das Bundesverfassungsgericht hat in der „n-tv-Entscheidung“ dazu Stellung genommen, in welchem Umfang sich Medienvertreter bei der Informationsbeschaffung auf die Medienfreiheiten berufen können. Zwar sei von den Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG „die Berichterstattung von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung“ geschützt.1275 Soweit die Medien allerdings an der Zugänglichkeit einer für jedermann geöffneten Informationsquelle teilhaben würden, wird der Zugang durch die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 GG geschützt. Das bedeutet, dass die Medien insoweit keinen weitergehenden Schutz als die Bürger allgemein genießen.1276 Die Medienfreiheiten erfassen allerdings auch das Stadium der Informationsbeschaffung.1277 Der besonderen Aufgabe der Medien für die Gesellschaft, insbesondere der stetig betonten Bedeutung für die freiheitlich demokratische Grundordnung,1278 wird die Einräumung eines Schutzstandards auf dem Niveau des 1271
Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 22. Vgl. Hassemer, ZRP 2013, 149 (150). So auch Dahs, AnwBl 1959, 171 (181). 1273 Groß, DÖV 1997, 133 (134); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 41. Vgl. zum grundrechtlichen Schutz bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. b) ee). 1274 von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 4. 1275 BVerfGE 10, 118 (121); 91, 125 (134); 103, 44 (59). 1276 BVerfGE 103, 44 (59). 1277 BVerfGE 10, 118 (121); 78, 101 (102 f.); 91, 125 (134 f.); Trute, in: HGR IV, 2011, § 104 Rn. 20; Degenhart, in: HGR IV, 2011, § 105 Rn. 38; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 70, 108. Hain (DÖV 2001, 589 [591]) und von Coelln (AfP 2014, 193 [200]; Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 395) vertreten die weitergehende Auffassung, dass der Schutz der Medienfreiheiten auch die Informationsbeschaffung aus nicht allgemein zugänglichen Quellen umfasst. 1278 Vgl. nur BVerfGE 117, 244 (258). 1272
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Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG nicht gerecht.1279 Denn die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen durch Journalisten erfolgt nicht nur zur eigenen Information, sondern vor allem zum Zwecke der Berichterstattung.1280 Da ein Großteil der Bevölkerung Informationen über Gerichtsverfahren nicht durch die eigene Teilnahme, sondern vornehmlich durch die Medien vermittelt erhält, verkörpert sich in der Informationsaufnahme durch die Medien das Informationsinteresse der Allgemeinheit.1281 Der Zugang zu einer Gerichtsverhandlung durch Medienvertreter dient der Information der Allgemeinheit und die Funktion der Medien als Informationsvermittler wird speziell durch die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt.1282 Der Zugang von Medienvertretern zum Gerichtssaal ist deswegen (auch) durch den intensiveren Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet.1283 Ob Medienvertreter bei der Informationsbeschaffung in der gerichtlichen Verhandlung lediglich den Schutz der allgemeine Informationsfreiheit oder aber den der Medienfreiheiten genießen, ist richtigerweise eine Frage des Verhältnisses zwischen Informationsfreiheit und Medienfreiheiten.1284 Kujath verfolgt einen Ansatz, der auf die Parallele zur Abgrenzung zwischen der Meinungsfreiheit und den Mediengrundrechten abstellt.1285 Während die Meinungsfreiheit die reine Meinungsäußerung schützt, wird die medienspezifische Verbreitung einer Meinung durch die insoweit spezielleren Mediengrundrechte gewährleistet.1286 Genauso gibt es „allgemein-informatorische“ und „medienspezifisch-informatorische“ Handlungen, die einerseits der allgemeinen Informationsfreiheit unterfallen und andererseits den Schutz der Mediengrundrechte genießen.1287 Unter 1279 Vgl. ausführlich Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 180 ff. 1280 von Coelln, DÖV 2006, 804 (806). 1281 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 180. 1282 von Coelln, DÖV 2006, 804 (806); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 181. In jüngerer Zeit deutet sich eine Änderung des dogmatischen Ansatzes auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an: vgl. dazu BVerfG AfP 2009, 581 (582); BVerfG NJW 2013, 1293 (12949). 1283 Krausnick, ZUM 2001, 230 (231); Hain, DÖV 2001, 589 (590 f.); Gostomzyk, JuS 2002, 228 (231); Pfeifle, ZG 2010, 283 (301); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 180 f.; von Coelln, AfP 2014, 193 (200). 1284 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 182 ff. 1285 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 182 ff. 1286 BVerfGE 85, 1 (12); 86, 122 (128); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 89. 1287 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 183.
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medienspezifisch-informatorischen Handlungen sind diejenigen zu verstehen, die von den einfachen Zuschauern für gewöhnlich nicht ausgeübt werden, sondern die gerade die spezifische Informationsaufnahme durch die Medien kennzeichnen.1288 In diesem Sinne kann auch die „n-tv-Entscheidung“ verstanden werden, wenn das Bundesverfassungsgericht dort ausdrücklich darauf verweist, dass „die Nutzung rundfunkspezifischer Aufnahme- und Übertragungsgeräte zum Zwecke der Verbreitung der Informationen mithilfe des Rundfunks [. . .] von der insoweit spezielleren Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst“ werde.1289 Auch wenn bestimmte Formen der Informationsaufnahme wie Bild- und Tonaufnahmen nicht mehr ausschließlich den Medien vorbehalten sind, sondern im Zuge der Technisierung mittlerweile von jedermann gleichermaßen ausgeübt werden können, handelt es sich dennoch um Aktivitäten, die den Medien eigen sind.1290 Es bleibt damit festzuhalten, dass die natürlich einheitliche Information eines Medienvertreters aus einer Gerichtsverhandlung durch die allgemeine Informationsfreiheit geschützt ist, wenn es um das reine Zuhören oder Zusehen geht. Die Mediengrundrechte sind hingegen betroffen, wenn es um die medienspezifische Art der Informationsaufnahme wie vor allem das Mitnehmen und Verwenden medientypischer Aufnahmegeräte geht.1291 Die Mediengrundrechte gewährleisten damit „keine weitere Eröffnung des Zugangs, aber spezielle Rechte im Rahmen des sich aus der Informationsfreiheit ergebenden Zutrittsrechts“.1292 Das „Ob“ der Zugänglichkeit richtet sich für alle Zuhörer gleich nach der allgemeinen Informationsfreiheit. Hinsichtlich des „Wie“ der Informationsbeschaffung gewährleisten die Mediengrundrechte Privilegien, die sich insbesondere auf angemessene Arbeitsmöglichkeiten beziehen.1293 cc) Ausgestaltung des Zugangsrechts der Medienvertreter im einfachen Recht Vor dem Hintergrund, dass der Zutritt zum Gerichtssaal jedem gleich gewährt wird,1294 gestaltet sich auch der Zugang von Medienvertretern dem Grunde nach wie der jeder anderen Person.1295 Dies gilt gleichermaßen hinsichtlich möglicher 1288 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit Strafverfahren, 2011, S. 183. 1289 BVerfGE 103, 44 (59). 1290 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit Strafverfahren, 2011, S. 182. 1291 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit Strafverfahren, 2011, S. 182 f. 1292 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit Strafverfahren, 2011, S. 185. 1293 Vgl. zu dieser Differenzierung Stober, DRiZ 1980, 3 (5). 1294 BGHSt 27, 13 (14). 1295 BVerfGE 50, 234 (240 ff.); von Coelln, DÖV 2006, 804 (804).
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Ausschlussgründe. Ein Zugangsverbot für Journalisten zur Sanktionierung einer Berichterstattung oder zur Verhinderung einer zukünftigen, womöglich kritischen Berichterstattung ist allerdings unzulässig,1296 da dies der Kontrollfunktion der Medienöffentlichkeit zuwiderlaufen würde.1297 Ebenso wenig ist der Ausschluss von Medienvertreten zur Verhinderung der Beeinflussung noch zu vernehmender Zeugen statthaft.1298 Vielmehr besteht die Gefahr, dass Zeugen erfahren, worüber gesprochen wurde, durch die Anwesenheit jedes einzelnen Zuschauers. Dies hat der Gesetzgeber bei der Entscheidung für die Öffentlichkeit der Verhandlung bewusst hingenommen.1299 Dass hingegen einzelne Prozessbeobachter ausgeschlossen werden können, deren erklärtes Ziel es ist, Zeugen über die Geschehnisse im Verhandlungssaal in Kenntnis zu setzten,1300 steht dazu nicht im Widerspruch. Wurde die Öffentlichkeit den §§ 170 ff. GVG gemäß gänzlich ausgeschlossen, so kann einzelnen Personen der Zutritt nach § 175 Abs. 2 Satz 1 GVG dennoch gestattet werden. Darunter fallen neben nahen Angehörigen und Geschädigten regelmäßig auch Vertreter der Medien.1301 dd) Die Reservierung von Medienplätzen Bezogen auf die Möglichkeit der Reservierung von Sitzplätzen im Verhandlungssaal werden jedoch Ausnahmen vom Grundsatz des gleichrangigen Zugangs gemacht. (1) Begründung der Privilegierung von Medienvertretern bei der Sitzplatzvergabe Mangels einfachgesetzlicher Regelungen lässt sich die Privilegierung der Medien bei der Sitzplatzvergabe nur verfassungsrechtlich erklären. (a) Vorrang des Prioritätsprinzips In der Regel werden die Zuschauerplätze durch die Gerichte nach der Reihenfolge des Erscheinens vergeben.1302 Die vorherige Ausgabe von Platzkarten unter 1296
BVerfGE 50, 234 (242); Stober, DRiZ 1980, 3 (7); von Coelln, DÖV 2006, 804 (804 ff.); ders., AfP 2014, 193 (193 f.); Kujath, AfP 2013, 269 (271); a. A. OLG Hamm NJW 1967, 1289 (1290). 1297 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 38 f. 1298 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 47. 1299 von Coelln, DÖV 2006, 804 (805). 1300 Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 176 GVG Rn. 30; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 23, § 176 Rn. 25. 1301 Walther, in: Graf (Hrsg.), BeckOK StPO, 29. Ed. 01.01.2018, § 175 GVG, Rn. 2. 1302 BVerfG NJW 2003, 500 (500 f.); Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 14; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 29.
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der Voraussetzung, dass Ort und Zeit der Vergabe rechtzeitig und für jeden sichtbar bekannt gegeben werden, ist keine Abweichung vom Prioritätsprinzip, sondern lediglich eine geordnete Form der Platzverteilung.1303 Eine vorherige Reservierung von Sitzplätzen wäre jedoch grundsätzlich unzulässig,1304 da die Privilegierung bestimmter Personen der gesetzgeberischen Intention zuwiderläuft, die Repräsentation der Allgemeinheit zu gewährleisten.1305 Als „Vertreter der Öffentlichkeit“ kann nur der „durch keine besondere Merkmale ausgezeichnete ,Jedermann‘“ gelten.1306 Auch aus beruflichen Gründen scheidet eine Privilegierung bei der Platzvergabe damit aus.1307 Das Gericht darf aber ebenso wenig auf eine besonders repräsentative Zusammensetzung des Publikums hinwirken und den Zutritt damit von Eigenschaften der Zutritt begehrenden Personen abhängig machen.1308 Sollte sich der Verhandlungssaal im natürlichen Verlauf ausschließlich mit Medienvertretern gefüllt haben, so besteht keine Pflicht, einige Plätze wieder freizugeben.1309 Gleiches gilt aber auch für den umgekehrten Fall, dass kein Medienvertreter einen Platz erhalten konnte. Probleme ergeben sich in Verfahren, die große Aufmerksamkeit erregen und über die die Medien deswegen vorzugsweise berichten möchten.1310 Hier übersteigt häufig die nachgefragte Zahl an Plätzen die Zahl der tatsächlich vorhandenen, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die Medienlandschaft durch zahlreiche Online-Medien immer vielfältiger wird. In diesen Fällen kann das strikte Festhalten am Prioritätsgrundsatz im Extremfall dann dazu führen, dass kein Medienvertreter einen Sitzplatz erhält.1311 Da der Medienöffentlichkeit als Teil der allgemeinen Gerichtsöffentlichkeit wesentliche Bedeutung zukommt, wurde deswegen das strikte Festhalten am Prioritätsgrundsatz aufgegeben, wenn sich im Vorfeld eines Verfahrens abzeichnete, dass die Plätze nicht für alle Interessenten
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Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (399 f.). BVerfGE 50, 234 (241); BGHSt 27, 13 (14); Kujath, AfP 2013, 269 (270). Unter der Voraussetzung, dass ein sachlicher Grund besteht und der Öffentlichkeitsgrundsatz im Übrigen nicht tangiert wird, sollen Platzreservierungen für Schulklassen, die im Rahmen einer schulischen Veranstaltung eine gerichtliche Verhandlung besuchen möchten, ausnahmsweise zulässig sein: vgl. RGSt 54, 225 (226); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 172; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 32; Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 26; a. A. Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (399). 1305 Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (399). 1306 Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (399). 1307 von Coelln, AfP 2014, 193 (194). 1308 von Coelln, DÖV 2006, 804 (805); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 174; Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 24. 1309 von Coelln, DÖV 2006, 804 (805). 1310 von Coelln, AfP 2014, 193 (194). 1311 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 62. 1304
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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ausreichen würden.1312 Die Teilnahme von Medienvertretern an Gerichtsverhandlungen erfolgt nicht ausschließlich im persönlichen Interesse. Vertreter der Medien repräsentieren durch ihre Anwesenheit im Gerichtssaal eine Masse von Menschen gleichzeitig, die sie an den Geschehnissen im Gerichtssaal durch ihre Berichterstattung teilhaben lassen.1313 Diese ihnen in der freiheitlichen Demokratie zukommende Mittlerfunktion können die Medien aber nur dann sachgerecht ausüben, wenn ihnen der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information gewährt wird.1314 Dem einzelnen Zuschauer ist es daher zumutbar, zugunsten der Medien auf die eigene Teilnahme zu verzichten.1315 Eine Reservierung von Plätzen für Medienvertreter ist aber nur dann zulässig, wenn der Öffentlichkeitsgrundsatz dadurch im Übrigen nicht beeinträchtigt wird.1316 Das bedeutet, dass zugunsten der Allgemeinheit weiterhin ein angemessenes Kontingent an Sitzplätzen zur Verfügung stehen muss. (b) Verfassungsrechtliche Begründung des Abweichens vom Prioritätsgrundsatz zugunsten von Medienvertretern Es stellt sich jedoch die Frage, wie sich diese an den praktischen Bedürfnissen orientierte Privilegierung1317 begründen lässt. Der Zugang von Privatpersonen zur gerichtlichen Verhandlung ist grundrechtlich ebenso geschützt wie der eines Medienvertreters. Im einfachen Recht fehlt eine Grundlage für diese unterschiedliche Behandlung. Die Privilegierung gegenüber der Allgemeinheit lässt sich allerdings mithilfe der öffentlichen Aufgabe der Medien erklären. Die Medien tragen weit überwiegend zur Information und Meinungsbildung der Bevölkerung bei.1318 Dem persönlichen Informationsinteresse des Einzelnen stünde damit das Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüber, dem im Rahmen der Abwägung stärkeres Gewicht zukommt, sofern die Medien ihre Aufgabe im öffentlichen Meinungsbildungsprozess wahrnehmen.1319 Ein sachlicher Grund für die Privilegierung von Medienvertretern wäre damit ohne weiteres vorhanden. Dies gilt allerdings nur unter der Prämisse, dass man das Anwesenheitsrecht der Medienvertreter den Medienfreiheiten zuordnet.1320 1312
Vgl. BVerfG NJW 2003, 500, NJW 2013, 1293. von Coelln, DÖV 2006, 804 (806); ders., AfP 2014, 193 (194). 1314 BVerfGE 103, 44 (59); 91, 125 (134). 1315 von Coelln, DÖV 2006, 804 (807). 1316 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 32; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 172; Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 14; a. A. Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (399). 1317 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 62. 1318 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 188. 1319 von Coelln, DÖV 2006, 804 (807). 1320 Vgl. so auch noch BVerfGE 50, 234 (240). 1313
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Das Recht, überhaupt einen Zuschauerplatz zu erhalten, geht für Medienvertreter nicht weiter als für jeden anderen Teilnehmer an der Gerichtsverhandlung. Bei der Einnahme bestimmter den Medien zugewiesener Plätze handelt es sich allerdings um ein spezielles von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasstes Recht der Medienvertreter im Rahmen des für alle gleich gewährten Zugangs zur gerichtlichen Verhandlung.1321 Die Zurverfügungstellung bestimmter den Medien vorbehaltener Sitzplätze im Gerichtssaal führt nämlich nicht zu einer weitergehenden Eröffnung des Zugangs; sie stellt lediglich die privilegierte Ausgestaltung des für jedermann geltenden Zugangsrechts in der Form dar, dass Medienvertreter sich nicht lange vor Verhandlungsbeginn für einen Sitzplatz anstellen müssen. Eine Garantie auf einen Sitzplatz wird dem einzelnen Journalisten dabei nicht gewährt.1322 Genauso wie dem einfachen Zuschauer der Zugang aus Kapazitätsgründen verwehrt werden kann, gilt dies auch für einen Medienvertreter bei der Ausschöpfung aller Plätze.1323 Die Privilegierung bezieht sich damit nicht auf den Zugang selbst, sondern nur auf seine Ausgestaltung. Eine Bevorzugung der Medien beim Zugang zu öffentlichen Sitzungen kommt in einem demokratischen und rechtsstaatlich verfassten Staat, in dem die Kontrolle i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG von jedermann ausgeübt wird, hingegen nicht in Betracht.1324 Die Mediengrundrechte gewähren damit keine weitere Eröffnung des Zugangs, sondern lediglich spezielle Rechte im Rahmen des sich für alle aus der Informationsfreiheit ergebenden Zutrittsrechts.1325 (c) Pflicht zur Reservierung von Plätzen für Medienvertreter Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur vorherigen Reservierung von Medienplätzen leitet von Coelln aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Mediengrundrechte als Schutzpflicht ab.1326 Diese ergibt sich aus der Pflicht des Staates, die Wahrnehmung der Kommunikationsfreiheiten zu ermöglichen und zu fördern.1327 Wenn der Staat auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Grundrechts1321 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 189. 1322 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 189 f. 1323 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 189. 1324 Stober, DRiZ 1980, 3 (5). 1325 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 189 f. 1326 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 268 ff.; ders., DÖV 2006, 804 (808 f.). 1327 BVerfGE 80, 124 (133); von Coelln, DÖV 2006, 804 (808); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 218. Ähnlich Wickern (in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 13), der die Gerichte als verpflichtet ansieht, angemessene Arbeitsplätze zur Anfertigung von Notizen bereit zu stellen.
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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gebrauchs Einfluss nimmt, gewinnt die Schutzpflicht umso mehr an Bedeutung.1328 Genau dies trifft auf die Informationsbeschaffung im Rahmen gerichtlicher Verhandlungen zu, da der Vorsitzende Richter hier aufgrund seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse über Steuerungsmöglichkeiten verfügt.1329 Dieser hat daher darauf zu achten, dass die öffentliche Aufgabe der Medien nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass alle Zuschauerplätze durch Nicht-Medienvertreter besetzt werden.1330 Die sich aus den Mediengrundrechten ergebende Schutzpflicht verlangt jedoch nur ein Freihalten von Plätzen für beliebige Medienvertreter. Ein subjektiver Anspruch eines einzelnen Medienvertreters besteht hingegen nicht.1331 Allerdings gebieten Art. 3 Abs. 1 i.V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG jedenfalls eine Gleichbehandlung der Medienvertreter im publizistischen Wettbewerb und damit die gleichberechtigte Teilhabe am Zugang zu gerichtlichen Verhandlungen.1332 (2) Die konkrete Ausgestaltung der Platzvergabe Einfachgesetzliche Regelungen zur konkreten Ausgestaltung der Sitzplatzverteilung im Gerichtssaal existieren nicht. Die Sitzplatzvergabe fällt damit in den Bereich der sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden, dem bei seiner Entscheidung nach § 176 GVG ein weiter Ermessensspielraum zukommt. Maßstab für die Rechtmäßigkeit des gewählten Verfahrens ist das Verfassungsrecht, vor allem Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.1333 Die Anzahl der zu reservierenden Sitzplätze ist im Einzelfall zu bestimmen. Der Vorsitzende muss dabei allerdings berücksichtigen, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz im Übrigen nicht beeinträchtigt werden darf1334 und die Allgemeinheit auf den verbleibenden Plätzen noch hinreichend repräsentiert ist.1335 Dies dürfte bei einem Freibleiben von etwa der Hälfte der zur Verfügung stehenden Plätze noch der Fall sein.1336 Unerheblich ist jedoch, wenn im nicht reservierten Bereich ebenfalls Medienvertreter Platz nehmen und sie dadurch im Vergleich zur
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Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 220. von Coelln, DÖV 2006, 804 (809). 1330 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 190. 1331 BVerfGE 80, 124 (133); von Coelln, DÖV 2006, 804 (809). 1332 BVerfGE 80, 124 (134 f.); BVerfG NJW 2013, 1293 (1294). 1333 von Coelln, AfP 2014, 193 (195). 1334 BGH NJW 2006 1220 (1221); Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 13. 1335 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 263; Mitsch, ZRP 2014, 137 (138); Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 33; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 63. 1336 Bock, jM 2014, 123 (126). 1329
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Gesamtzahl der anwesenden Zuschauer mit über 50 % repräsentiert wären.1337 Es würde vielmehr gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz verstoßen, wenn der Zutritt unter Verweis auf das ausgeschöpfte Kontingent reservierter Plätze verweigert würde.1338 Reichen die reservierten Plätze nicht aus, so gilt hinsichtlich der Verteilung dieser Plätze grundsätzlich nichts anderes als für die Verteilung der Plätze an die einfachen Zuhörer.1339 Ein Rückgriff auf das Prioritätsprinzip, also entsprechend dem zeitlichen Eintreffen der Zuhörer, ist daher grundsätzlich zulässig.1340 Der Vorsitzende ist daher dazu berechtigt, die Sitzplätze allein nach der Reihenfolge des Erscheinens im Verhandlungssaal beziehungsweise des Eingangs der Anmeldungen zu vergeben.1341 Allerdings muss das Vergabeverfahren so ausgestaltet sein, dass die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 ergebene Chancengleichheit der Medienvertreter, die sich um einen Platz im Gerichtssaal bewerben, realitätsnah gewährleistet ist.1342 Dabei ist auch die Situation der tatsächlich an dem Verfahren Interessierten zu berücksichtigen.1343 Eine Benachteiligung einzelner Medienvertreter kann daher im Interesse einer möglichst umfassenden Verbreitung des Verhandlungsgeschehens gerechtfertigt sein.1344 Der Vorsitzende hat damit die Möglichkeit – dies freilich nur unter Zugrundelegung sachlicher Kriterien – auf die Zusammensetzung dergestalt Einfluss zu nehmen, wie es ihm bezogen auf die der Allgemeinheit verbleibenden Plätze gerade verboten ist.1345 Zur bestmöglichen Widerspiegelung der Medienlandschaft im Verhandlungssaal bietet sich eine Differenzierung nach den verschiedenen Mediengattungen (Presse, Hörfunk, Fernsehen, Online-Medien) an.1346 Ebenso ist eine Bevorzugung von Medienvertretern, die für große Verlagsgruppen oder organisatorisch verbundene Rundfunkanstalten tätig werden und auf diese Weise eine
1337 Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 13; Bock, jM 2014, 123 (126). Vgl. auch Altenhain (Gutachten 71. DJT, 2016, C 63), der eine klarstellende gesetzliche Regelung für wünschenswert erachtet. 1338 Bock, jM 2014, 123 (126). 1339 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 33. 1340 BVerfG NJW 2003, 500 (500 f.); NJW-RR 2008, 1069 (1071); Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 16 Rn. 4. 1341 von Coelln, DÖV 2006, 804 (809). 1342 BVerfG NJW 2013, 1293 (1294). 1343 BVerfG NJW 2013, 1293 (1294). 1344 von Coelln, DÖV 2006, 804 (810). 1345 von Coelln, DÖV 2006, 804 (810). 1346 von Coelln, DÖV 2006, 804 (810); Kujath, AfP 2013, 269 (271); Bock, jM 2014, 123 (126); Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 67; ähnlich BVerfG NJW 2013, 1293 (1294); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 193; demgegenüber a. A. Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 33; offen gelassen in BVerfG NJW 2003, 500 (501).
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Vielzahl von Medien gleichzeitig repräsentieren, zulässig.1347 Denkbar wäre schließlich auch die Kriterien des Verbreitungsgebietes (regional oder überregional) und der Erscheinungsweise (täglich, wöchentlich, monatlich) bei der Bildung von Platzkontingenten zu berücksichtigen.1348 Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Bildung von Kontingenten besteht allerdings nicht.1349 Im Einzelfall kann sich wegen einer „Ermessensreduzierung auf null“ jedoch eine Pflicht zur Bildung von Kontingenten ergeben.1350 Schließlich ist der Vorsitzende nicht dazu verpflichtet, freibleibende Medienplätze der Allgemeinheit zugänglich zu machen.1351 Andernfalls wären Journalisten dazu gezwungen, an jedem Verhandlungstag im Sitzungssaal anwesend zu sein. Das Recht zur Reservierung von Medienplätzen endet damit nicht mit dem Aufruf der Sache.1352 Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn das Medieninteresse hinter den Erwartungen zurückbleibt und sich ein dauerhaftes Freibleiben der reservierten Plätze abzeichnet.1353 (3) Platzreservierung für Laienjournalisten Da der reine Zugang zum Sitzungssaal eine allgemein-informatorische Handlung darstellt,1354 ergibt sich das Zugangsrecht der Laienjournalisten wie auch das der professionellen Medienvertreter und der Bürger allgemein aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG. Ob auch eine Platzreservierung für Laienjournalisten zulässig ist, bestimmt sich wiederum nach dem Vorliegen eines sachlichen, den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht tangierenden Grundes.1355 Nehmen die Laienjournalisten an der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Meinungsbildung teil, ge1347 von Coelln, DÖV 2006, 804 (810); Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 33. Dem kritisch gegenüberstehend Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 192 und Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 76. 1348 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 67. 1349 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 66. 1350 Kujath, AfP 2013, 269 (271 f.). 1351 BVerfG NJW 2003, 500 (500); von Coelln, DÖV 2006, 804 (810); Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 33; a. A. Wickern (in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2011, § 169 GVG Rn. 13) und Kujath (Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 193), die darauf verweisen, dass wenn das Risiko des Platzverlustes ausgeschlossen ist, Unruhe im Verhandlungssaal durch Betreten und Verlassen des Sitzungssaales entstehen kann. 1352 von Coelln, DÖV 2006, 804 (810). 1353 von Coelln, DÖV 2006, 804 (810). 1354 Siehe dazu nochmals oben, Teil 1 B. V. 1. b) bb). 1355 Vgl. bereits oben, Teil 1 B. V. 1. b) dd) (1) (a); So bereits RGSt 54, 225 (226). Vgl. daneben Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 172; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 32; Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 26; a. A. Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (399).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
nießen auch sie den grundrechtlichen Schutz der Medienfreiheiten.1356 In der Platzeinnahme eines Laienjournalisten verkörpert sich das Informationsinteresse der sich mithilfe von laienjournalistischen Publikationen informierenden Allgemeinheit.1357 Es ergeben sich insoweit keine Unterschiede zur Platzreservierung von professionellen Medienvertretern.1358 Auch eine Platzreservierung für Laienjournalisten ist zulässig.1359 Eine Pflicht des Vorsitzenden Richters zur Platzreservierung für professionelle Medienvertreter kann aus den Schutzpflichten der Medienfreiheiten abgeleitet werden.1360 Mit derselben Begründung, nämlich der Ermöglichung der öffentlichen Aufgabe der Medien, lässt sich ebenso in Bezug auf Laienjournalisten eine Pflicht zur Reservierung von Sitzplätzen im Verhandlungssaal begründen. Denn auch Laienjournalisten darf die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Teilnahme an der Meinungsbildung nicht durch die vorzeitige Einnahme aller Sitzplätze durch Nicht-Medienvertreter erschwert werden.1361 Somit haben auch Laienjournalisten einen Anspruch auf die Reservierung von Sitzplätzen im Verhandlungssaal. Wie auch hinsichtlich der professionellen Medienvertreter festgestellt wurde, handelt es sich aber auch hier nicht um einen Anspruch eines jeden einzelnen Laienjournalisten, sondern nur um einen der Laienjournalisten in ihrer Gesamtheit.1362 Probleme können sich in der praktischen Durchführung jedoch dann ergeben, wenn der vorsitzende Richter bei der Verteilung der Sitzplätze entscheiden muss, ob das Vorliegen eines sachlichen Grundes im Hinblick auf die Privilegierung, nämlich die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung, gegeben ist. Während er von den professionellen Medienvertretern die Vorlage eines Presseausweises verlangen kann, ist dies bei den Laienjournalisten nicht ohne weiteres möglich.1363 Aus der Neutralitätspflicht des Staates gegenüber den Medienvertretern (Art. 3 Abs. 1 i.V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2)1364 ergibt sich jedoch, dass der 1356
Vgl. oben, Teil 1 B. IV. 2. b) cc) (2) (b). Vgl. dazu ausführlich Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 203 ff. 1358 Siehe dazu nochmals oben, Teil 1 B. V. 1. b) dd) (1) (b). 1359 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 203 ff. 1360 Siehe dazu oben, Teil 1 B. V. 1. b) dd) (1) (c); von Coelln, DÖV 2006, 804 (808 f.). 1361 So Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 204. 1362 Vgl. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 204. 1363 Vgl. Altenhain (Gutachten 71. DJT, 2016, C 65), der auch darauf hinweist, dass es seit 2015 auch Presseausweise von Verbänden für im Internet publizierende Personen gibt. Entscheidend ist nur eine regelmäßige und dauerhafte publizistische Tätigkeit. 1364 BVerfGE 80, 124 (134). 1357
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Nachweis auch anders als durch Vorlage eines Presseausweises geführt werden kann.1365 So kann der Nachweis der Teilnahme an der Erfüllung der Öffentlichen Aufgabe der Medien auch durch die Vorlage von Arbeitsproben unschwer geführt werden.1366 Genau dies wird bereits beim Bundesverfassungsgericht erfolgreich praktiziert, wenn es um den Zugang zur Presseempore und dem Presseraum geht. Der Zugang wird dort unproblematisch gewährt, wenn die zugangsbegehrende Person auf eine Internetseite verweisen kann, auf der sie publizistisch tätig ist.1367 ee) Übertragung der mündlichen Verhandlung in einen Nebenraum Reicht der Platz im Verhandlungssaal für alle interessierten Medienvertreter nicht aus, ist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 GVG die Tonübertragung der Verhandlung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, möglich.1368 (1) Zulässigkeit der gerichtsinternen Übertragung in einen Nebenraum nach altem Recht? Ob eine Übertragung einer gerichtlichen Verhandlung in einen Nebenraum schon nach altem Recht zulässig war, wurde in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.1369 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sollte sich jedenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein Anspruch auf Bild- und Tonübertragung der Verhandlung in einen anderen Saal des Gerichts nicht herleiten lassen.1370 Daneben wurde auf einfachgesetzlicher Ebene eingewandt, dass der in § 169 GVG a. F. geregelte Öffentlichkeitsgrundsatz nur als Saalöffentlichkeit ausgestaltet sei und sich insoweit lediglich auf den Raum der Gerichtsverhandlung beschränke.1371 1365
So Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 65. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 209 ff.; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 65. 1367 So Schlothauer, StV 2015, 665 (668). 1368 Vgl. zur Diskussion vor der Neufassung des § 169 GVG etwa Merk, DRiZ 2013, 234 (234 f.) und Fölster, NK 2014, 154 (154 ff.). 1369 Dagegen: Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (404); Mitsch, ZRP 2014, 137 (138); Fromm, NJOZ 2015, 1193 (1197); Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 27; Zimmermann, in: Krüger/Rauscher (Hrsg.), MüKo-ZPO, Bd. 3, 5. Aufl. 2017, § 169 GVG Rn. 33. Eine gerichtsinterne Übertragung bereits nach „altem Recht“ für möglich haltend: Hassemer, ZRP 2013, 149 (151); Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 98. 1370 Vgl. BVerfGE 87, 331 (333); BVerfG BayVBl 2013, 498. 1371 In diese Richtung BVerfGE 103, 44 (62). Vgl. dazu auch Merk, DRiZ 2013, 234 (234). 1366
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Bedenken bestanden auch im Hinblick auf § 169 Satz 2 GVG a. F. Der Wortlaut der Norm, die nicht nur von „Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen“ sondern auch von „Ton- und Filmaufnahmen“ spricht, wurde nämlich dahingehend verstanden, dass das absolute Verbot für jegliche audiovisuelle Übertragung gelten würde.1372 Allerdings schränkte § 169 Satz 2 GVG a. F. – wie auch § 169 Abs. 2 Satz 2 GVG n. F. – dies nur für die Zwecke der „öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts“ ein. Dafür, dass eine „öffentliche Vorführung“ auch bei einer Übertragung in einen Nebenraum gegeben sei, wurde der Zweck der Übertragung, nämlich die Erweiterung der (Medien-)Öffentlichkeit,1373 geltend gemacht. Einer Übertragung an einen Ort außerhalb des Verhandlungssaales wurde deswegen schon früh entgegengesetzt, dass hierdurch eine Massenöffentlichkeit geschaffen würde, die vom Vorsitzenden nicht mehr zu kontrollieren sei.1374 Dem wurde entgegengehalten, dass eine „öffentliche Vorführung“ die Übertragung an einen unbeschränkten Personenkreis voraussetze. Bei einer gerichtsinternen, ausschließlich für eine bestimmte Anzahl von Medienvertretern gedachten Übertragung bestanden insoweit durchaus berechtigte Zweifel.1375 Wenn es um die Befürchtung ging, der Vorsitzende könne seinen sitzungspolizeilichen Befugnissen (§ 176 GVG) nicht effektiv nachkommen,1376 wurde dem entgegengesetzt, dass sich diese Problematik auf die Anfertigung von Sekundäraufnahmen beschränke. Eine darüberhinausgehende Störung des Verhandlungsgeschehens im Sitzungssaal sei nicht zu befürchten.1377 Auch wenn der Vorsitzende die Wahrnehmung seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse nicht delegieren darf, hätte er jedoch die Möglichkeit gehabt, sich bei der Ausführung seiner Anordnungen der Hilfe der Justizwachtmeister zu bedienen.1378 Sie hätten das Geschehen im Medienraum überwachen, bei Verstößen gegen die Ordnung im Nebenraum unmittelbar einschreiten und unverzüglich eine Entscheidung des Vorsitzenden einholen können.1379
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So Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (400 ff.). So Kujath, AfP 2013, 269 (276). 1374 Roxin, in: FS für Karl Peters, 1974, S. 393 (404). Vgl. auch Hamm, AfP 2014, 202 (209). 1375 Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 109. 1376 So Hamm, AfP 2014, 202 (209). Vgl. auch Schumann, DRiZ 2013, 254 (256). 1377 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 97. 1378 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 27 f.; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 97. 1379 Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 109 f., 156 f.; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 97. 1373
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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(2) Die Zulässigkeit der Tonübertragung in einen Nebenraum nach geltendem Recht Mit der Einfügung des § 169 Abs. 1 Satz 3 GVG ist es nunmehr möglich, dass Tonübertragungen in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, von dem Vorsitzenden Richter zugelassen werden können.1380 Der Kreis der Zugangsberechtigten ist dabei zwar auf Medienvertreter beschränkt, durch die Wendung „oder für andere Medien berichten“ aber auch sehr weit gefasst und schließt Vertreter von Online-Medien genauso ein wie Laienjournalisten. Die Neuregelung geht auf den Vorschlag einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zurück,1381 der auf ein Gutachten der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes gestützt ist.1382 Die Beschränkung auf eine reine Tonübertragung hätte zunächst den Vorteil, dass die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten weniger stark beeinträchtigt werden.1383 Weiterhin würde der Verzicht auf die Übertragung von Bildern Nachteile wie die mögliche Beeinflussung der Verfahrensbeteiligten durch eine audiovisuelle Übertragung entfallen lassen.1384 Schließlich könne auch der organisatorische Aufwand des Gerichts bei einer reinen Tonübertragung erheblich reduziert werden.1385 Der Gesetzgeber trägt damit den Persönlichkeitsrechten der Verfahrensbeteiligten und der Sicherung eines fairen Verfahrens hinreichend Rechnung und lässt dabei die Bedeutung der Mediengrundrechte nicht außer Acht.1386 Eine Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild ist damit von vornherein ausgeschlossen. Die Intensität eines Eingriffs in das Recht am gesprochenen Wort ist verhältnismäßig gering. Denn der Kreis derer, die die Tonübertragung mithören können, ist begrenzt. Im Übrigen handelt es sich bei allem, was in der Verhandlung besprochen wird, um 1380 Vgl. hierzu BT-Drucks. 18/10144 und 18/12591. Vgl. daneben auch Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 96 ff.; Saliger, JZ 2016, 824 (828); Franke, NJW 2016, 2618 (2619 ff.); Loubal/Hofmann, MMR 2016, 669 (672); Norouzi, StV 2016, 590 (593 f.). 1381 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Abschlussbericht, 2015, S. 18 f. 1382 Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 159 ff. Kritisch dazu Franke, NJW 2016, 2618 (2619 f.). 1383 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Abschlussbericht, 2015, S. 19. 1384 Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 162; Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Abschlussbericht, 2015, S. 19. 1385 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Abschlussbericht, 2015, S. 19; Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bildund Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 162. 1386 BT-Drucks. 18/10144, S. 18 f.; 18/1259. Vgl. dazu auch Merk, DRiZ 2013, 234 (235).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
innerhalb der Gerichtsöffentlichkeit und damit öffentlich gesprochene Worte. Die Möglichkeit der Einrichtung eines zusätzlichen Medienarbeitsraumes führt außerdem dazu, dass an einer Verhandlung interessierte Medienvertreter nicht mehr vor dem Verhandlungssaal mangels Kapazität abgewiesen werden müssen und die Vielfalt der Medienlandschaft damit bestmöglich repräsentiert werden kann. (3) Rechtliche Würdigung An der Neuregelung wird bemängelt, dass die Zugänglichkeit des Raumes, in den die Übertragung stattfinden soll, nur für Medienvertreter eröffnet ist.1387 Es geht damit um die Frage der Zulässigkeit des privilegierten Zugangs zur Gerichtsöffentlichkeit. Die Reservierung eines gesamten Raumes nur für Medienvertreter ist jedoch zulässig, wenn insgesamt betrachtet auch das allgemeine Publikum auf Zuschauerplätzen im Verhandlungssaal angemessen repräsentiert ist.1388 Insoweit gilt nichts anderes, als bereits zu den Platzreservierungen ausgeführt wurde. Die Zurverfügungstellung von Zuschauerplätzen für Medienvertreter in einem speziellen Medienarbeitsraum stellt keine weitergehende Eröffnung des allgemeinen Zugangs zum Gerichtssaal dar, sondern ist lediglich ein spezielles Recht im Rahmen des sich für alle aus der Informationsfreiheit gleich ergebenden allgemeinen Zugangsrechts, das mit der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Medien begründet wird. Deswegen darf auch den an der öffentlichen Meinungsbildung teilhabenden Laienjournalisten der Zugang zu einer gerichtsinternen Übertragung nicht verwehrt werden. Die Bedenken gegen eine gerichtsinterne Übertragung stammen aus einer Zeit, in der sich die Medienrealität von der heutigen noch grundsätzlich unterschied. Im Informationszeitalter sind die Kommunikationsströme globalisiert und die Medienlandschaft ist dadurch, genauso wie durch die Möglichkeiten der digitalen Medien, vielfältiger geworden. Diesem Wandel musste sich auch die Rechtsordnung stellen.1389 Es sind nicht nur Presse- und Rundfunkfreiheit, die bei großem Medieninteresse für eine Übertragung der Verhandlung in einen Nebenraum streiten. Der verfassungsrechtlich geschützte Öffentlichkeitsgrundsatz dient auch der Kontrolle gerichtlicher Verfahren durch die Öffentlichkeit. Diese Kontrollfunktion übernehmen heutzutage jedoch vornehmlich die Medien.1390 Insoweit fällt ins Gewicht, dass Gerichtsöffentlichkeit eben auch Medienöffentlichkeit ist. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Medienvertretern ist mit positiven Effekten für die Justiz verbunden. Eine Anpassung an die geänderten Bedürf1387
Schumann, DRiZ 2014, 254 (257). Vgl. Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 98. 1389 Merk, DRiZ 2013, 234 (235); dieser Auffassung auch die Richter Kühling, Hohmann-Dennhardt und Hoffmann-Riem im Minderheitenvotum zur „n-tv-Entscheidung“ (BVerfGE 103, 44 [72 ff.]). 1390 Merk, DRiZ 2013, 234 (235). 1388
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nisse der Medienlandschaft verringert nämlich die Gefahr, dass die Justiz insbesondere in den Augen junger Bürger in einer Parallelwelt verortet wird.1391 Denn wenn sich die Justiz vor vereinzelt anzutreffendem großem medialem Interesse verschließt, besteht die Gefahr, dass bereits vorhandenes Vertrauen in die Justiz und die Akzeptanz der Rechtsprechung aufs Spiel gesetzt werden.1392 Einzig die Beschränkung auf eine reine Tonübertragung überzeugt nicht.1393 Zunächst sind die Zuhörer einer reinen Tonübertragung der Schwierigkeit ausgesetzt, die einzelnen wahrnehmbaren Stimmen konkreten Personen im Gerichtssaal zuordnen zu müssen. Wenn man die sprechenden Personen nicht kennt und es sich zudem um ein größeres Verfahren handelt, stellt dies eine nicht unerhebliche Hürde dar.1394 Weiterhin sind die zu erwartenden Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigungen bei einer Videoübertragung nur marginal größer.1395 Dennoch wurde befürchtet, dass eine audiovisuelle Übertragung in einen anderen Raum des Gerichtsgebäudes dazu hätte führen können, im Strafverfahren den Angeklagten zum Schauobjekt zu degradieren.1396 Es ist jedoch nicht recht einzusehen, warum eine Verhandlung in einem Zuschauerraum, der über 100 Zuschauerplätze verfügt, zulässig sein soll und eine Übertragung aus einem 50 Zuschauerplätze umfassenden Sitzungssaal in einen weitere 50 Plätze umfassenden Nebenraum unzulässig wäre.1397 Weiterhin ist auch nicht anzunehmen, dass eine audiovisuelle Übertragung in einen Nebenraum die Verfahrensbeteiligten in ihrem Aussageverhalten beeinträchtigen könnte.1398 Denn in größeren Sitzungssälen wird bereits jetzt das Geschehen auf Videoleinwände innerhalb des Sitzungssaales übertragen, damit alle Verfahrensbeteiligten und Zuschauer einen unverstellten Blick auf das Verhandlungsgeschehen erhalten.1399 Auch der organisatorische Aufwand einer audiovisuellen Übertragung wäre nicht größer als bei einer reinen Tonübertragung. Die erforderlichen technischen Mittel müssten nur von Gerichten angeschafft werden, die mit entsprechenden Verfahren zu rechnen hätten.1400 Wenn schließlich in Bezug auf eine audiovisuelle Übertragung eingewendet wird, dass dafür mehrere Kameras erforderlich seien,1401 so wird dabei übersehen, dass es 1391
Fölster, NK 2014, 154 (157 f.). Fölster, NK 2014, 154 (158). 1393 So auch Loubal/Hofmann, MMR 2016, 669 (672). 1394 So auch von Coelln, AfP 2016, 491 (493). 1395 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 99. 1396 Merk, DRiZ 2013, 234 (234 f.). 1397 Vgl. Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Ist das 1964 geschaffene Verbot von Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtsverhandlungen noch zeitgemäß?, 2013, S. 110; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 100. 1398 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 100. 1399 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 99. 1400 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 100. 1401 Schumann, DRiZ 2013, 254 (256). 1392
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
nicht Anspruch der Übertragung in den Nebenraum sein soll, mehr Einblicke auf das Geschehen zu gewähren, als sie von den Zuschauerplätzen im Sitzungssaal aus möglich sind. Die Aufnahme des Geschehens in der Kameraeinstellung einer sogenannten Totalen, die einen Blick auf den ganzen Gerichtssaal gibt, würde genügen.1402 Deswegen wäre es wünschenswert gewesen auch die Möglichkeit einer gerichtsinternen Videoübertragung in die Neuregelung mit aufzunehmen. Die Entscheidung, ob tatsächlich eine audiovisuelle Übertragung oder eine reine Tonübertragung durchgeführt wird, hätte dem Ermessen des Vorsitzenden Richters anheimgestellt werden können.1403 c) Zusammenfassung Inhalt der Gerichtsöffentlichkeit ist zunächst die reine Zugänglichkeit zum Verhandlungssaal. Der Zugang zur mündlichen Verhandlung ist grundsätzlich für alle Interessierten gleich ausgestaltet. Platzreservierungen im Verhandlungssaal und die Einrichtung einer gerichtsinternen Übertragung für Medienvertreter und Laienjournalisten stellen kein weitergehendes Zugangsrecht dar, sondern sind lediglich die durch die Medienfreiheiten begründete privilegierte Ausgestaltung des für jedermann gleich geltenden allgemeinen Zugangsrechts. Deswegen ist dafür Sorge zu tragen, dass trotz der für Medienvertreter und Laienjournalisten geltenden Privilegien das allgemeine Publikum im Rahmen der Gerichtsöffentlichkeit hinreichend repräsentiert bleibt. 2. Gerichtsöffentlichkeit durch weitest gehende Transparenz gerichtlicher Entscheidungsfindung a) Ausgangslage Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Gerichtsöffentlichkeit mehr als nur die Zugänglichkeit zur mündlichen Verhandlung ist. Andernfalls könnten die Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit bei Versagung des Zugangs für die Öffentlichkeit nicht verwirklicht werden. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn eine mündliche Verhandlung wegen der Durchführung eines Strafbefehlsverfahrens (§§ 407 ff. StPO)1404 nicht stattfindet oder wesentliche Aspekte der Urteilsfindung wegen einer Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten nach § 257c StPO1405 verborgen bleiben. Insbesondere aber im Zivilprozess, der weniger von mündlicher Erörterung als mehr vom Austausch der Schriftsätze geprägt ist und auch im schriftlichen Verfahren (§ 128 Abs. 2 ZPO) geführt werden kann, 1402 1403 1404 1405
So auch Loubal/Hofmann, MMR 2016, 669 (672). Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 100. Vgl. Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 3. Ausführlich dazu Gierhake, JZ 2013, 1030 (1037 f.).
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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zeigt sich, dass Gerichtsöffentlichkeit, die nur durch die Mündlichkeit der Verhandlung hergestellt würde, sehr begrenzt wäre.1406 Auch im Verwaltungsprozess ist nach § 101 Abs. 2 VwGO der Ausschluss der mündlichen Verhadlung möglich. Scherer plädiert aus diesem Grund für umfassende Transparenz gerichtlicher Entscheidungsfindung, etwa in Form öffentlicher Begründungspflichten, öffentlicher Beratungen, allgemeiner Akteneinsichtsansprüche und dem öffentlichen Vortrag von abweichenden Meinungen eines oder mehrerer Richter innerhalb eines Spruchkörpers.1407 Demgegenüber begreift Witzler Gerichtsöffentlichkeit nur als einen Teil einer allgemeinen Transparenz. Würde man Gerichtsöffentlichkeit als Durchschaubarkeit der gesamten Sphäre der Justiz auffassen, so würde man die Gefahren, die von der gerichtlichen Öffentlichkeit für die Verfahrensbeteiligten bestehen, vollends aus den Augen verlieren.1408 Stellt man diese beiden entgegengesetzten Auffassungen einander gegenüber, so kann man konstatieren, dass es bei der Konkretisierung des Begriffs der Gerichtsöffentlichkeit jedenfalls auch um die Frage der Herstellung eines richtigen Maßes geht. Sinn und Zweck der Gerichtsöffentlichkeit ist unter anderem die Gewährleistung von Verfahrensgerechtigkeit.1409 Übermäßige Öffentlichkeit würde diesem Zweck ebenso zuwiderlaufen wie ein zu geringes Maß.1410 Diese Erkenntnis soll jedoch nicht dazu führen, Gerichtsöffentlichkeit nur aufgrund der mündlichen Verhandlung realisieren zu können. Gerichtliche Öffentlichkeit lässt sich zwar am praktikabelsten durch Mündlichkeit herstellen. Jedoch sind auch noch weitere Möglichkeiten denkbar, die zu mehr Transparenz führen: die Veröffentlichung von Entscheidungen, Auskunftsansprüche, Akteneinsichtsrechte und Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte. b) Die Pflicht zur Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen Dass gerichtliche Öffentlichkeit nicht untrennbar mit der mündlichen Verhandlung verbunden ist, zeigt zunächst die inzwischen anerkannte Pflicht der Gerichte zur Veröffentlichung ihrer Entscheidungen. Gerade die in vielen Verfahren kaum vorhandene Öffentlichkeit zwingt zu einer umfassenden Publikationspraxis, um den Mangel an Öffentlichkeit in der Verhandlung zu kompensieren.1411 Andernfalls würde der Öffentlichkeitsgrundsatz zur reinen Fiktion verkümmern. 1406 Scherer (Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 2) führt in diesen Zusammenhang aus, dass Gerichtsöffentlichkeit im schriftlichen Verfahren abgeschafft wäre, wenn man Mündlichkeit zur Bedingung gerichtlicher Entscheidungsfindung machen würde. 1407 Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 2. 1408 Witzler, Die Personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 11. 1409 BVerfGE 103, 44 (64). 1410 Vgl. Wettstein, Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Strafprozess, 1966, S. 43 f., 62 ff.; Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (898). 1411 Hirte, NJW 1988, 1698 (1701).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
aa) Verfassungsrechtliche Publikationspflicht Auch wenn das geltende Recht diese Pflicht nur in Einzelfällen ausdrücklich anspricht,1412 hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 19971413 eine dem Grunde nach bestehende allgemeine Publikationspflicht1414 verfassungsrechtlich hergeleitet und damit eine damals seit längerer Zeit andauernde Debatte beendet.1415 Eine allgemeine Rechtspflicht sowohl der Ober- als auch der Instanzgerichte1416 zur Publikation veröffentlichungswürdiger Entscheidungen folgt aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung.1417 Denn die Veröffentlichung der Judikate leistet einen wichtigen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und stellt damit eine öffentliche Aufgabe dar.1418 Die Publikation gerichtlicher Entscheidungen fördert die Dokumentation des Rechts, wie es über den Wortlaut des Normtextes hinaus in der Rechtsprechung Gestalt annimmt.1419 Der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen kann deswegen in gewissen Fällen eine der Veröffentlichung von Rechtsnormen vergleichbare Bedeutung zukommen. So konkretisieren gerichtliche Entscheidungen das Recht und bilden es fort.1420 Nur durch die Publikation der Urteile kann sich der Bürger in einer im1412
Vgl. etwa § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO, § 31 Abs. 2 Satz 3 und 4 BVerfGG. BVerwGE 104, 105: Das Bundesverwaltungsgericht änderte damit seine bisherige Rechtsprechung (BVerwG NJW 1993, 675), in der es noch danach differenzierte, ob das Publikationsorgan fachwissenschaftlichen Ansprüchen genüge oder nicht und in dieser Differenzierung weder einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch eine Verletzung der aus Art. 5 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Neutralitätspflicht sah. 1414 Diese Publikationspflicht beschränkt sich nicht auf höchstrichterliche Entscheidungen, sondern schließt auch die Judikate der Instanzgerichte mit ein. 1415 Vgl. OLG München OLGZ 1984, 477; OVG Bremen NJW 1989, 926; OLG Celle NJW 1990, 2570; Grundmann, DVBl 1966, 57; Leistner, Über die Veröffentlichungspraxis oberster und höherer Gerichte in Westeuropa, 1975, S. 8; Kramer, in: FS für Gerd Pfeiffer, 1988, S. 325 (333 ff.); Hirte, NJW 1988, 1698 (1698 ff.); HoffmannRiem, JZ 1989, 637 (637 f.); Ullmann, in: FS zum 10jährigen Bestehen der juris GmbH, 1996, S. 133 (141 f.); Berkemann, VerwArch. 87 (1996), S. 362 (374); Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 96 f. 1416 So ausdrücklich BVerwGE 104, 105 (110 f.). 1417 BVerwGE 104, 105 (109). So auch BVerwG NJW 2015, 807 (811); BVerfG NJW 2015, 3708 (3710); Mensching, AfP 2007, 534 (535 f.); Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, 1777 (1777 f.); von Coelln, AfP 2016, 308; Eisele/Hyckel, VR 2016, 217 (218). 1418 BVerwGE 104, 105 (109); OLG Celle NJW 1990, 2570 (2571). 1419 OLG Celle NJW 1990, 2570 (2571). 1420 BVerwGE 104, 105 (109). So auch Tiedemann, NVwZ 1997, 1187; Bohne, NVwZ 2007, 656. Leistner (Über die Veröffentlichungspraxis oberster und höherer Gerichte in Westeuropa, 1975, S. 8) geht sogar so weit zu sagen, dass die Rechtsprechung an die Stelle des Gesetzgebers trete und neben dem Gesetz selbst zur Rechtsquelle werde. Vgl. dazu auch Kramer (ZRP 1976, 84 [85 f.]), der die Pflicht zur Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen als eine Frage der Legitimation des Richterrechts ansieht. 1413
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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mer komplexer werdenden Rechtsordnung sorgfältig darüber informieren, welche Rechte ihm zustehen und welche Pflichten er hat.1421 Es besteht zwar anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis keine rechtliche Bindung der Gerichte an Präjudize, faktisch betrachtet und vor allem aufgrund des Gebots der Rechtsstaatlichkeit und des Vertrauensschutzes halten sich die Gerichte jedoch insbesondere an Entscheidungen der Obergerichte.1422 Weiterhin muss die Judikative – wie auch die anderen Staatsgewalten – im demokratischen Rechtsstaat und in einer Informationsgesellschaft der öffentlichen Kritik zugänglich sein.1423 Nur auf diese Weise hat das Volk als Souverän die Möglichkeit, seiner Kontrollfunktion in effektiver Weise nachkommen zu können,1424 indem es in öffentlicher Diskussion einen Anstoß geben kann, einer möglicherweise bedenklichen Rechtsentwicklung mit einer Gesetzesänderung zu begegnen.1425 Dabei fördert die Veröffentlichung von Entscheidungen auch den fachwissenschaftlichen Diskurs und damit die Kontrolle durch die Fachöffentlichkeit.1426 bb) Umfang der Publikationspflicht Damit hat das Bundesverwaltungsgericht aber nur gesagt, dass die Publikation der Entscheidungen keine freiwillige Aufgabe der Richter ist. Eine konkrete gesetzliche Regelung hinsichtlich des Verpflichtungsumfangs gibt es bislang nicht.1427 Nach Mensching unterliegen grundsätzlich alle Entscheidungen sämtlicher Gerichte der Veröffentlichungspflicht.1428 Das Bundesverwaltungsgericht geht hingegen davon aus, dass die Publikationspflicht nicht hinsichtlich jeder Entscheidung besteht. So hat die Gerichtsverwaltung „veröffentlichungswürdige“ Entscheidungen zum einen unter Einbeziehung des mit der Materie befassten Richters beziehungsweise Spruchkörpers und zum anderen unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses auszuwählen. Das öffentliche Interesse ist dabei regelmäßig schon bei Anfragen aus der Öffentlichkeit gegeben.1429 Einer Veröffentlichungspflicht hinsichtlich sämtlicher Entscheidungen wird in der Literatur entgegengesetzt, dass aufgrund der Fülle der täglich ergehenden Judikate der Blick auf das Wesentliche verstellt werden 1421 So bereits Kramer, ZRP 1976, 84 (85) und Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 98. 1422 Hirte, NJW 1988, 1698 (1700 f.). 1423 BVerwGE 104, 105 (109). So auch bereits Hirte, NJW 1988, 1698 (1700). 1424 Leistner, Über die Veröffentlichungspraxis oberster und höherer Gerichte in Westeuropa, 1975, S. 8. 1425 BVerwGE 104, 105 (109). 1426 Hirte, NJW 1988, 1698 (1701); Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673 (680). 1427 Bohne, NVwZ 2007, 656 (657). 1428 So Mensching, AfP 2007, 534 (536). 1429 BVerwGE 104, 105 (109).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
könnte.1430 Der Wunsch nach mehr Transparenz richterlicher Tätigkeit ließe sich damit keineswegs fördern.1431 Diesen Befürchtungen steht jedoch entgegen, dass es gerade Wesen eines demokratischen Rechtsstaates ist, die Unterscheidung zwischen wichtigen und unwichtigen Entscheidungen dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung und den (Fach-)Medien zu überlassen.1432 Es den Gerichten anheimzustellen, über die Veröffentlichungswürdigkeit von Judikaten zu entscheiden, ist zudem kaum mit der Kontroll- und Kritikfunktion des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit zu vereinbaren. Denn wenn die Veröffentlichung von Entscheidungen die allgemeine und parlamentarische Kontrolle der Judikative ermöglichen soll, kann der Kontrollgegenstand nicht durch eine amtliche Vorauswahl der Kontrollierten bestimmt werden.1433 Selbst wenn das Bundesverwaltungsgericht ein öffentliches Informationsinteresse und damit eine Veröffentlichungspflicht hinsichtlich angefragter Entscheidungen vermutet, würden jedoch solche Entscheidungen, die nicht aufgrund einer amtlichen Vorauswahl veröffentlicht und mangels Wissens um ihre Existenz nicht angefragt werden, dauerhaft im Dunkeln bleiben.1434 Diesem Defizit kann nur mit einer uneingeschränkten Veröffentlichungspflicht begegnet werden.1435 Die Veröffentlichungspflicht gilt nicht nur für rechtkräftige Entscheidungen, sondern kann bereits vor Rechtskraft eintreten.1436 Der Zugang zu Gerichtsentscheidungen gilt jedoch nicht völlig unbegrenzt. Entgegenstehende Rechte, etwa Persönlichkeitsrechte oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die durch die Veröffentlichung der schriftlichen Entscheidungsgründe verletzt werden könnten, sind bei der Entscheidung zur Veröffentlichung zu berücksichtigen. Ihnen kann regelmäßig jedoch schon mit verhältnismäßig geringem Aufwand durch eine Anonymisierung Rechnung getragen werden.1437 Zur Veröffentlichungspflicht gehört insoweit auch die Anfertigung einer herausgabefähigen, gegebenenfalls anonymisierten und neutralisierten Version1438 des gerichtlichen Entscheidungswortlauts.1439 Ein damit verbundener unverhältnismäßiger Aufwand ist in der Regel nicht zu befürchten. Oftmals wird es schon genügen, die Namen der Parteien
1430
Huff, NJW 2004, 403 (405). Vgl. auch Tiedemann, NVwZ 1997, 1187 (1188). Huff, NJW 2004, 403 (405 f.). Kritisch zu den Problemen massenhafter Urteilspublikationen Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, Erkenntnisverfahren, 2014, S. 158. 1432 Mensching, AfP 2007, 534 (536). 1433 Mensching, AfP 2007, 534 (536). 1434 Mensching, AfP 2007, 534 (536). 1435 So auch Mensching, AfP 2007, 534 (536). 1436 BVerfG NJW 2015, 3708 (3711); Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, 1777 (1778). 1437 BVerfG NJW 2015, 3708 (3710); Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1438 Ausführlich zum Persönlichkeitsschutz im Rahmen der Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen: Hirte, NJW 1988, 1698 (1702 ff.). 1439 BVerwGE 104, 105 (109 f.). 1431
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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und vernommene Zeugen zu schwärzen.1440 Ob das Gericht die Entscheidungen nun selber veröffentlicht – etwa über eine amtliche Entscheidungssammlung oder ein gerichtseigenes Internetportal – oder die Veröffentlichung in die Hände Privater einschließlich der im Gericht tätigen Richter legt, steht unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes im pflichtgemäßen Ermessen der Gerichtsverwaltung.1441 cc) Publikationsanspruch Steht damit fest, dass prinzipiell sämtliche Entscheidungen einer Publikationspflicht unterliegen, ergibt sich daraus aber auch, dass die Veröffentlichung einer Entscheidung nicht von einem irgendwie gearteten, besonderen rechtlichen oder ideellen Interesse abhängig gemacht werden darf.1442 Aus der Pflicht der Gerichte sämtliche Entscheidungen zu veröffentlichen, folgt ein Recht des Einzelnen die Veröffentlichung beziehungsweise Herausgabe jeder Entscheidung zu verlangen.1443 Hiergegen könnte man einwenden, dass die Begründung der Publikationspflicht mit objektiven Staatsstrukturprinzipien allein zu einer objektiv bestehenden Rechtspflicht, nicht jedoch zu einem subjektiven Recht führe.1444 Auch das Bundesverwaltungsgericht geht nicht von einem umfassenden Publikationsanspruch aus. Ein Anspruch ließe sich nur aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herleiten.1445 Bedenkt man jedoch, dass die Publikationspflicht nicht nur im Interesse des Gemeinwesens besteht, sondern auch durch spezifische Grundrechte wie die Informationsfreiheit oder die Medienfreiheiten begründet werden kann, ergibt sich auch ein Recht des einzelnen Grundrechtsträgers.1446 Gerichtsöffentlichkeit ist heutzutage auch Medienöffentlichkeit.1447 Neben der staatsorganisationsrechtlich fundierten verfassungsrechtlichen Begründung des Öffentlichkeitsgrundsatzes existiert auch eine auf den Medienfreiheiten basierende, mit der die Informationsfunktion des Öffentlichkeitsgrundsatzes korrespondiert. Ein subjektiv-rechtlicher Anknüpfungspunkt, der zu einem Anspruch auf Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen führt, ist damit vorhanden.
1440
Mensching, AfP 2007, 534 (537). BVerwGE 104, 105 (110). 1442 Tiedemann, NVwZ 1997, 1187 (1187); Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1443 Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1444 So von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 498 f. Vgl. auch Bohne, NVwZ 2007, 656 (659). 1445 BVerwGE 104, 105 (110). 1446 So auch Mensching, AfP 2007, 534 (537). Kritisch dazu von Coelln, AfP 2016, 308 (310). 1447 Vgl. dazu oben, Teil 1 B. IV. 2. 1441
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen werden im nachfolgenden Abschnitt erörtert. Eine explizit auf die Herausgabe von Urteilsabschriften lautende Anspruchsgrundlage existiert nicht.1448 c) Auskunftsansprüche, Akteneinsichtsrechte sowie Anspruch auf Herausgabe gerichtlicher Entscheidungen Aufgabe der Medien ist es zu informieren. Um ihrem Kontrollauftrag und ihrer Funktion als Mittel der Meinungsbildung und Integration gerecht werden zu können,1449 sind die Medien jedoch selbst auf Informationen angewiesen.1450 Würde man die Medien allein auf die allgemein zugänglichen Informationsquellen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG verweisen, so wird dies der medienspezifischen Interessenlage, insbesondere ihrer Aufgabe, der Unterrichtung der Öffentlichkeit über relevante Tatsachen und Vorgänge, nicht gerecht. Um den öffentlichen Kommunikationsprozess voranzutreiben ist es nicht nur erforderlich, den Medien die ungestörte Recherche zu ermöglichen. Sie müssen darüber hinaus auch rechtlich in die Lage versetzt werden, sich Informationen aus Quellen beschaffen zu können, die noch nicht allgemein zugänglich sind.1451 Dies gilt insbesondere für solche Bereiche hoheitlicher Entscheidungsfindung, an denen die Öffentlichkeit nur vermittelt über die Medien teilhaben kann.1452 Das Informationsbedürfnis der Medien im Hinblick auf gerichtliche Verfahren lässt sich zwar weitestgehend durch die Teilnahmemöglichkeit an öffentlichen Sitzungen befriedigen. Eine gründliche inhaltliche Bewertung eines gerichtlichen Verfahrens seitens der Medien lässt sich oftmals jedoch nur mithilfe schriftlicher Dokumente zu einem Verfahren ermöglichen. Allen voran gilt dies für die schriftlichen Entscheidungsgründe.1453 Zu umfassender Öffentlichkeit zählen daher auch die Informationsansprüche der Massenmedien gegenüber staatlichen Stellen.1454 Hinsichtlich dieser Informationsansprüche ergibt sich die Frage, ob der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit jedenfalls den Vertretern der Medien auch die Möglichkeit der Einsicht in gerichtliche Akten gewährt. Einen allgemeinen, für jedermann geltenden Anspruch auf Einsicht in Gerichtsakten gibt es nicht. Dies 1448 Die Einfügung einer einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlage auf Herausgabe von Urteilsabschriften im GVG befürwortend: Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 64. 1449 Germelmann, DÖV 2013, 667 (668 f.). 1450 BVerfG NJW 2008, 977 (978 f.). 1451 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 500; Hoene, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 1 Rn. 4 f. 1452 Germelmann, DÖV 2013, 667 (669). 1453 So auch von Coelln, AfP 2016, 308 (308). 1454 Vgl. Kloepfer, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 42 Rn. 61.
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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zeigt sich schon daran, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz nach § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG nur für die mündliche Verhandlung gilt.1455 Überdies wäre die Gewährung eines umfassenden und für jedermann geltenden Akteneinsichtsrechts praktisch kaum durchführbar und wegen der Gefährdung der Interessen und Rechte der Beteiligten nicht vorstellbar.1456 Was die verschiedenen Informationsbegehren anbetrifft, sind mehrere Anspruchsgrundlagen denkbar:1457 So könnte sich ein Informationsanspruch gegenüber den Gerichten aus den Landespressegesetzen ergeben oder auf Vorschriften des Prozessrechts, namentlich § 299 Abs. 2 ZPO, § 475 Abs. 4 StPO und § 35a ff. BVerfGG, gestützt werden. Zuletzt soll noch der Frage nachgegangen werden, ob sich ein Informationsanspruch auch unmittelbar aus der Verfassung ableiten lässt. aa) Informationsansprüche nach den Landespressegesetzen (1) Auskunftsberechtigte und Auskunftsverpflichtete Ein Informationsanspruch der Presse findet sich in den Pressegesetzen1458 der Länder.1459 Als Anspruchsberechtigte werden die „Vertreter der Presse“ genannt.1460 Da die klassischen Aufgaben der Presse heutzutage auch von Laienjournalisten ausgeübt werden,1461 darf bei der Beurteilung dessen, wer Journalist ist und damit zur Presse gehört, nicht eine allzu formale Betrachtungsweise angelegt werden.1462 Die Existenz eines Presseausweises ist nur ein Hinweis auf eine regelmäßige Pressetätigkeit unter mehreren. So kann die Zugehörigkeit zur Presse etwa auch durch den Nachweis verschiedener, vorangegangener strukturierter Veröffentlichungen erbracht werden.1463
1455 Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 10. 1456 Schreiber, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 13/1, 4. Aufl. 2018, § 169 GVG Rn. 10. 1457 Einen Überblick über die Auskunftsansprüche der Medien, die auch schon im Vorverfahren relevant sind, geben Saliger (JZ 2016, 824 [825 f.]) und Altenhain (Gutachten 71. DJT, 2016, C 11 ff.). 1458 Nach § 9a Abs. 1 RStV und durch entsprechende Verweisungsnormen in den Landespresse- und Landesmediengesetzen steht auch dem öffentlichen und privaten Rundfunk sowie den Telemedien ein Auskunftsanspruch gegenüber den Behörden zu. Diese sind in den folgenden Überlegungen miteingeschlossen. 1459 Dort jeweils § 4; in Brandenburg § 5; in Hessen § 3; in Rheinland-Pfalz § 6. Für den Rundfunk bieten § 9a RStV und die Landesmediengesetze (beispielsweise § 38a LMG NRW) strukturell vergleichbare Regelungen. 1460 Näher dazu Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 8 ff. 1461 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. b) cc) (2) (b). 1462 Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, 1777 (1780). 1463 Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, 1777 (1780).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
Es stellt sich die Frage, ob die Gerichte zu den Auskunftspflichtigen zählen. Dem Wortlaut der Landespressegesetze nach richtet sich der Informationsanspruch gegen „die Behörden“. Nach § 1 Abs. 4 VwVfG NRW ist eine Behörde „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Konkretisierung im auskunftsrechtlichen Sinne dahingehend gefunden, dass unter einer Behörde „eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein“, zu verstehen ist.1464 Die Behörde im auskunftsrechtlichen Sinne wird insoweit funktionell-teleologisch beschrieben. Zweifellos fällt unter diesen Begriff das Tätigkeitsfeld der Gerichtsverwaltung.1465 Aber auch die Spruchkörper der Gerichte stellen Behörden im auskunftsrechtlichen Sinne dar.1466 (2) Legitimes Informationsinteresse Die Mehrheit der Informationsansprüche der Pressegesetze ist dahingehend formuliert, dass den Vertretern der Presse die zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen sind. Aus dem Merkmal der „öffentlichen Aufgabe“ ergibt sich die „Zweckbindung des Auskunftsanspruchs“. Es kann insoweit nicht jede erdenkliche Auskunft verlangt werden. Erforderlich ist das Vorliegen eines „legitimen öffentlichen Interesses“.1467 Minimalanforderung an das „legitime öffentliche Interesse“ ist die Verfolgung eines publizistischen Zieles.1468 Vor diesem Hintergrund obliegt es im Interesse der Presse- und Informationsfreiheit dem Anspruchsverpflichteten, also den Behörden, die Umstände darzulegen, aus denen sich das Fehlen des öffentlichen Interesses ergibt.1469 Der Informationsanspruch ist auf die Mitteilungen von Tatsachen beschränkt. Die Bekanntgabe von Wertungen oder gar rechtlichen Stellungnahmen kann nicht verlangt werden.1470
1464
BVerfGE 10, 20 (48); Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, 19. Kap. Rn. 10. 1465 Stober, DRiZ 1980, 3 (11); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 503. 1466 Groß, DÖV 1997, 133 (142); Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (11); Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 18; a. A. Stober, DRiZ 1980, 3 (11 f.). 1467 Köhler, NJW 2005, 2337 (2339). 1468 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 22a. 1469 Köhler, NJW 2005, 2337 (2339). 1470 Weberling, AfP 2003, 304 (305); Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 40.
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Bezogen auf gerichtliche Verfahren erfassen die presserechtlichen Auskunftsansprüche Auskünfte allgemeiner Art rund um die Justiz,1471 vor allem aber Informationen, die Zeit und Ort einer mündlichen Verhandlung, Details zum Verfahrensgegenstand oder die Abfrage des Ausgangs eines Verfahrens betreffen.1472 Vom Presserechtlichen Auskunftsanspruch mitumfasst sind aber auch fachliche Fragen hinsichtlich einer gerichtlichen Entscheidung an die Gerichtsverwaltung.1473 Sollten spezifisch gestellte Einzelfragen aufgrund der Komplexität der Materie nicht sachgerecht beantwortet werden können, so kann sich der Informationsanspruch im Einzelfall zu einem Anspruch auf Akteneinsicht verdichten.1474 Geht es um die Herausgabe von Urteilsabschriften, wird die Auffassung vertreten, sie könnten nicht unter Berufung auf die Landespressegesetze herausverlangt werden.1475 Dieser Ansatz widerspricht jedoch der mit der öffentlichen Aufgabe der Presse begründeten Ausweitung des Pressebegriffs auf die Judikative.1476 Umfasst der presserechtliche Behördenbegriff auch die Spruchkörper der Gerichte, bedeutet dies, dass vom presserechtlichen Auskunfts- und Informationsbegriff die Herausgabe gerichtlicher Entscheidungen mitumfasst ist.1477 Denkbar ist deswegen auch eine auf die presserechtlichen Auskunftsansprüche gestützte Anforderung einer Urteilsabschrift.1478 Das Informationsbedürfnis der Medien auf der einen Seite und das Interesse der Verfahrensbeteiligten auf der anderen Seite bieten bei gerichtlichen Verfahren immer dann Konfliktpotential, wenn noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Insbesondere bei Strafverfahren kann zwischen Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens oder bis zur Hauptverhandlung noch einige Zeit vergehen.1479 Die auskunftserteilende Stelle muss dann insbesondere beachten, dass durch die Auskunftserteilung dem Ergebnis der Verhandlung nicht vorgegriffen wird und die Durchführung eines fairen Verfahrens gesichert
1471
Huff, AfP 2010, 332 (333). Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (12); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 504; Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 61. 1473 Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, 1777 (1780). 1474 VG Cottbus, AfP 2002, 360 (361); Weberling, AfP 2003, 304 (305); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 503; Partsch, NJW 2013, 2858 (2859); a. A. Groß, DÖV 1997, 133 (143). 1475 Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 176 f. 1476 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 502 f.; Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1477 Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1478 So auch Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, 1777 (1780); Huff, NJW 1997, 2651 (2652). 1479 Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (13 ff.). 1472
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
ist.1480 Die Verweigerung einer Auskunft kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Erteilung der Auskunft an sich rechtswidrig ist. Die Frage, ob eine spätere Verbreitung der entsprechenden Informationen zur Rechtswidrigkeit der Berichterstattung führen könnte, ist irrelevant, da die Abschätzung dessen dem Verantwortungsbereich der Medien anheimgestellt ist. Für die ungestörte (Recherche-)Arbeit der Medien ist es nämlich erforderlich, dass diesen im Vorfeld einer Veröffentlichung Bewegungsfreiheit gelassen wird.1481 bb) Informationsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen Neben den landespressegesetzlichen Auskunftsansprüchen gibt es weiterhin Informationsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder, die jedermann ein Recht auf Zugang zu Informationen in Form von Auskunft und Akteneinsicht gewähren und damit auch auf die Vertreter der Medien Anwendung finden.1482 Die landespresserechtlichen Informationsansprüche sind trotz höherer persönlicher Anforderungen für den Antragsteller gegenüber den Informationsfreiheitsgesetzen nicht zwingend vorteilhafter. Die Informationsansprüche nach den Informationsfreiheitsgesetzen reichen vereinzelt weiter.1483 Es stellt sich insoweit die Frage, ob die Informationsfreiheitsgesetze neben den presserechtlichen Informationsansprüchen Anwendung finden. Dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 IFG (Bund) zufolge gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 VwVfG und des § 25 SGB X vor. § 299 ZPO und § 475 StPO1484 verdrängen die Informationsfreiheitsgesetze insoweit in ihrem Anwendungsbereich.1485 In Bezug auf die landespresserechtlichen Informationsansprüche wird hingegen die Ansicht vertreten, dass presserechtliche Auskunftsansprüche und solche des IFG nicht nebeneinander in Idealkonkurrenz anwendbar seien.1486 Eine solch strikte Lesart könnte allerdings dazu führen, dass einem 1480 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 505; ähnlich Roxin, in: FS zum 30jährigen Bestehen der Münchener Juristischen Gesellschaft, 1996, S. 97 (107 ff.); Meier, in: FS für Hans-Ludwig Schreiber, 2003, S. 331 (341). 1481 Vgl. dazu von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 505 f. 1482 Schnabel, NVwZ 2012, 854 (855); Hoene, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 1 Rn. 10b. 1483 OVG Münster NVwZ 2012, 902 (903); Püschel, AfP 2006, 401 (405 f.); Schnabel, NVwZ 2012, 854 (857); Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 185. 1484 Vgl. dazu sogleich, Teil 1 B. V. 2. c) cc). 1485 Vgl. Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1486 Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (989 mit Fn. 73); Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, § 1 Rn. 60; Dietrich, K&R 2011, 385 (386); Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 181. Die Auffassung, dem Antragsteller stünde ein Wahlrecht zu, auf welche An-
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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Journalisten gestützt auf einen landespresserechtlichen Auskunftsanspruch wegen teilweise bestehender höherer Anspruchsvoraussetzungen weniger Rechte zustünden als jeder anderen nicht im journalistischen Bereich tätigen Person.1487 Vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der Medien für den demokratischen Staat, dem durch die Medienfreiheiten im Grundgesetz Ausdruck verliehen wird, wäre ein solches Ergebnis allerdings kaum haltbar.1488 Außerdem wäre eine Verdrängung des Informationsfreiheitsgesetzes durch eine andere Bestimmung nur dann denkbar, wenn diese eine abschließende Regelung über den Informationszugang treffen würde.1489 Da die Auskunftsansprüche der Landespressegesetze eine Privilegierung der Presse bezwecken, die diese in die Lage versetzen soll, die Bürger mithilfe umfassender und wahrheitsgetreuer Informationen zu unterrichten, können die landespressegesetzlichen Auskunftsansprüche nicht als abschließende Regelung angesehen werden.1490 Ein Blick auf die teilweise abweichenden Konkurrenzregelungen der Informationsfreiheitsgesetze der Länder1491 zeigt, dass die Annahme von Idealkonkurrenz keine unvertretbare Lösung darstellt.1492 Dies gilt umso mehr, als durch die Informationsfreiheitsgesetze kein Mindeststandard des Informationszugangs festgelegt wurde.1493 Gegenstand des Informationsbegehrens nach den Informationsfreiheitsgesetzen sind nur „amtliche Informationen“ (vgl. etwa § 2 Nr. 1 IFG Bund). Die Informationszugangsansprüche gelten grundsätzlich auch gegenüber Gerichten.1494 Dies gilt jedoch nur, soweit es um Informationsbegehren von an dem Rechtsstreit unbeteiligten Dritten geht. Denn hier werden die Gerichte nicht rechtsprechend tätig, sondern nehmen öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr.1495 Richtet sich der Informationsanspruch unmittelbar gegen die Spruchkörper der Gerichte auf Herausgabe einer Urteilsabschrift, greifen die Informationsfreiheitsgesetze nicht durch.1496 Denn die amtliche Zweckbestimmung setzt einen Zusammenhang mit amtlicher Tätigkeit voraus.1497 Es muss sich damit um Informationen handeln, die einer amtlichen Tätigkeit entstammen. Sofern die Gerichte rechtspruchsgrundlage er sich stützen möchte, entbehrt hingegen jeglicher Anknüpfung im Gesetzeswortlaut. 1487 Schnabel, NVwZ 2012, 854 (857). 1488 So auch Schnabel, NVwZ 2012, 854 (857). 1489 OVG Münster AfP 2012, 94 (101). 1490 OVG Münster AfP 2012, 94 (101); NVwZ 2012 902 (904). 1491 Vgl. etwa § 16 HbgIFG, § 4 V BerlPresseG. 1492 Schnabel, NVwZ 2012, 854 (858). 1493 Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984 (989); Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3610 f.); Dietrich, K&R 2011, 385 (386). 1494 Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 211; von Coelln, AfP 2016, 308 (310). 1495 Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 211; von Coelln, AfP 2016, 308 (310). 1496 So Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1497 Debus, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.02.2018, § 2 IFG Rn. 10.
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
sprechend tätig werden und nicht als Behörden im verwaltungsrechtlichen Sinne handeln, sind sie Teil der Judikative, nicht der Exekutive. Da Rechtsprechung keine Verwaltungstätigkeit darstellt,1498 sind gerichtliche Entscheidungen keine amtlichen Informationen im Sinne der Informationsfreiheitsgesetze.1499 cc) Auskunft und Akteneinsicht nach den Prozessordnungen Sich inhaltlich ähnelnde Auskunftsansprüche und Akteneinsichtsrechte finden sich weiterhin in den Prozessordnungen. Angesprochen sind damit vor allem die in § 229 Abs. 2 ZPO, § 475 Abs. 1 und Abs. 4 StPO und § 35b BVerfGG geregelten Informationsansprüche, auf die sich jedermann und damit grundsätzlich auch ein Vertreter der Medien berufen kann.1500 Über entsprechende Verweisungsnormen findet § 299 Abs. 2 ZPO unter anderem auch im Arbeitsgerichtsprozess1501 und im Verwaltungsprozess1502 Anwendung. (1) Akteneinsicht nach § 299 Abs. 2 ZPO (a) Das rechtliche Interesse als maßgebliches Kriterium Nach § 299 Abs. 2 ZPO kann der Vorstand des Gerichts „dritten Personen“ ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein „rechtliches Interesse“ glaubhaft gemacht wird. Dritte sind zunächst einmal alle Personen, die nicht der Gruppe der Parteien angehören.1503 Das rechtliche Interesse „setzt ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache voraus“.1504 Die Definition des Bundesgerichtshofs umschreibt damit nichts anderes als das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses.1505 Rein wirt1498
Bohne, NVwZ 2007, 656 (656). Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1500 Huff (NJW 2004, 403 [406]) hält die prozessrechtlichen Informationsansprüche im Hinblick auf Medienvertreter allerdings nicht für anspruchsbegründend. Die Wertentscheidungen der entsprechenden Vorschriften seien allenfalls ergänzend heranzuziehen. 1501 Haertlein, ZZP (114) 2001, 441 (447). 1502 Geiger, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 100 Rn. 3; Lang, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 100 Rn. 10 ff. m.w. N.; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 100 Rn. 2. Demgegenüber a. A. und auf die erschöpfende Regelung des § 100 VwGO verweisend: OVG Lüneburg NJW 1963, 1798; Gärditz, in: ders. (Hrsg.), VwGO, 2013, § 100 Rn. 5; Redeker, Martin, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 100 Rn. 2. 1503 Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 4, 4. Aufl. 2013, § 299 Rn. 35. Vgl. daneben zur Anwendbarkeit des § 229 Abs. 2 ZPO in der Verwaltungsgerichtsbarkeit: Endemann, in: FS für Wolfgang Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 409 (423 f.). 1504 BGHZ 4, 323 (325); BGH NZG 2006, 595 (595 f.). 1505 Zuck, NJW 2010, 2913. 1499
B. Zur Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens
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schaftliche oder gesellschaftliche Interessen vermögen ein Rechtsverhältnis nicht zu begründen, da hier das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses bereits begrifflich ausgeschlossen ist.1506 Auch wird allein die Hoffnung, in den Akten interessante Informationen zu finden, als nicht ausreichend angesehen.1507 Ein rechtliches Interesse wird deshalb vor allem bei der Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen gegeben sein.1508 Aber auch ein Informationsbegehren zu wissenschaftlichen Zwecken kann wegen des in Art. 5 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommenden besonderen Gewichts ein rechtliches Interesse i. S. d. § 299 Abs. 2 ZPO begründen.1509 Nichts anderes gilt auch im Hinblick auf die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für das Rechercheinteresse von Medienvertretern.1510 Demnach bestünde im Grundsatz für jeden, der darlegen kann an der öffentlichen Aufgabe der Medien, also der Meinungsbildung mitzuwirken, ein Anspruch im Hinblick auf eine konkrete Fragestellung Einsicht in Gerichtsakten zu nehmen. Bei der Entscheidung nach § 299 Abs. 2 ZPO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der auf der einen Seite das Informationsinteresse der Vertreter der Medien zu berücksichtigen ist, auf der anderen Seite die schutzwürdigen Belange der Betroffenen, insbesondere deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung, beachtet werden müssen, ebenso aber auch staatliche Geheimhaltungsinteressen und das Erfordernis einer rationellen Aktenführung eine wichtige Rolle spielen.1511 In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Einsichtnahme in öffentliche Register lässt sich die durchzuführende Abwägungsentscheidung dahingehend konkretisieren, dass ein „spezifisches Rechercheinteresse“ glaubhaft gemacht werden muss, das eine die Öffentlichkeit wesentlich angehende Frage betrifft und der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient.1512 Weiterhin ist in der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen, dass bedingt durch die Öffentlichkeit der Verhandlung auch grundsätzlich geheimhaltungsbedürftigen Informationen ein geringerer Schutz 1506
Zuck, NJW 2010, 2913; Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 299 Rn. 6a. Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 2014, S. 157. 1508 Bacher, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), BeckOK ZPO, 28. Ed. 01.03.2018, § 299 Rn. 28. 1509 Keller, NJW 2004, 413 (413); Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze, Bd. 4, 4. Aufl. 2013, § 299 Rn. 38; Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 299 Rn. 6a. Vgl. auch Haertlein, ZZP (114) 2001, 441. 1510 Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 100 Rn. 2; Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl. 2018, § 299 Rn. 26. Vgl. daneben von Coelln (Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 507 f.), der auf die Parallele zur Einsichtnahme von Medienvertretern in öffentliche Register verweist und deswegen die Glaubhaftmachung eines „spezifischen Rechercheinteresses“ verlangt. Vgl. insoweit auch BVerfG NJW 2001, 503 (504 ff.); ZUM-RD 2001, 159 (159 f.); BGH NJW-RR 2011, 1651 (1651 f.). 1511 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 508. 1512 BVerfG NJW 2001, 503 (506); BGH NJW-RR 2011, 1651 (1652); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 507 f. 1507
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zukommt.1513 Auch muss etwa im Zivilprozess oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden, dass aufgrund der Möglichkeit des Abweichens vom Mündlichkeitsprinzip (§ 128 Abs. 2 ZPO, § 101 Abs. 2 VwGO) ein dringenderes Interesse an Hintergrundinformationen gegeben sein kann.1514 (b) Verhältnis zu einem möglichen Akteneinsichtsrecht nach den Landespressegesetzen Der Vorteil des § 299 Abs. 2 ZPO ist, dass dieser ausdrücklich die Möglichkeit der „Akteneinsicht“ bietet. Denn der medienrechtliche Informationsanspruch der Landespressegesetze ist zunächst ein einfacher Auskunftsanspruch, der sich nur im Einzelfall, wenn die schlichte Erteilung einer Auskunft das Informationsbegehren nicht zu befriedigen vermag, zu einem Anspruch auf Akteneinsicht verdichtet.1515 Hier stellt sich dann allerdings die Frage, ob ein auf den medienrechtlichen Informationsanspruch gestütztes Verlangen nach Einsicht in gerichtliche Akten durch Vorschriften des Prozessrechts begrenzt werden kann. Eine Übertragung der im Prozessrecht angelegten Beschränkungsmöglichkeiten1516 ist indes aufgrund von kompentenzrechtlichen Bedenken nicht möglich.1517 So steht dem Bund aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 72 Abs. 2 GG zwar die Gesetzgebungskompetenz für das Prozessrecht zu. Der Auskunftsanspruch der Medien als Kernbestand des Medienrechts fällt jedoch mangels ausdrücklicher Kompetenzzuweisung an den Bund nach Art. 30, 70 GG in die Zuständigkeit der Länder. Da sich diese beiden Kompetenztitel ausschließen,1518 kann ein auf den medienrechtlichen Informationsanspruch gestütztes Begehren nicht durch bundesgesetzliche Regelungen begrenzt werden.1519 Der Versuch, den Konflikt durch eine Aufteilung der verschiedenen Informationsbegehren in „journalistische Informationsbeschaffung“ einerseits und „Akteneinsicht bei Gericht“ andererseits zu lösen, um so eine eindeutige Zuordnung zu der entsprechenden Anspruchsgrundlage zu gewährleisten,1520 überzeugt nicht. Denn der Informationsanspruch der Medien, der auch ein Recht zur Akteneinsicht umfassen kann, erhält sein Gepräge gerade durch den Kreis der Berechtigten und nicht durch den Inhalt des geäußerten Informa1513
Hirte, NJW 1988, 1698 (1700 f.). In diesem Sinne auch Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 64. 1515 VG Cottbus, AfP 2002, 360 (361); Weberling, AfP 2003, 304 (305); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 503; Partsch, NJW 2013, 2858 (2859). 1516 In diesem Sinne aber Stober, DRiZ 1980, 3 (11). 1517 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 509. 1518 BVerfGE 36, 193 (201 ff.); 36, 314 (319 ff.). 1519 Vgl. von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 509; Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 62. 1520 So aber von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 509 f. 1514
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tionsbegehrens. Auch die Akteneinsicht ist idealtypischer Gegenstand medienrechtlicher Materie.1521 Eine Berücksichtigung der Beschränkungsmöglichkeiten des Prozessrechts kann aber auch auf dogmatisch unbedenkliche Art erreicht werden. Wenn etwa § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG NRW auf „Vorschriften über die Geheimhaltung“ verweist oder in § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPG NRW die Rede von „schutzwürdigen privaten Interessen“ ist, wird damit nämlich auch auf gesetzliche Regelungen des Bundes verwiesen.1522 (2) Auskunft nach § 475 Abs. 4 StPO Sofern ein „berechtigtes Interesse“ glaubhaft gemacht wird und keine „schutzwürdigen Interessen“ entgegenstehen, steht nach § 475 Abs. 4 StPO Privatpersonen und sonstigen Stellen auch im Strafprozess ein Anspruch auf Auskunft aus den Akten zu. Anders als bei § 299 Abs. 2 ZPO geht es hier um Auskunft aus den Akten und nicht die Einsichtnahme in die Akten. Eine Überschneidung mit dem medienrechtlichen Auskunftsanspruch findet damit nicht nur punktuell, sondern in einem wesentlich weiteren Umfang statt, sodass die oben angesprochene kompetenzrechtliche Problematik an dieser Stelle wesentlich schwerwiegender ist.1523 Auch wenn § 475 Abs. 4 StPO in Literatur und Rechtsprechung auch im medienrechtlichen Kontext vereinzelt herangezogen wird,1524 enthalten die §§ 474 ff. StPO mangels Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers keine für die Medien verbindlichen Regelungen.1525 Heranzuziehen sind insofern allein die Landespresse-, Medien- oder Rundfunkgesetze oder die einschlägigen Staatsverträge.1526 (3) Anspruch auf Herausgabe einer Urteilsabschrift nach den Prozessordnungen Auch aus § 299 Abs. 2 ZPO und § 475 Abs. 1 und Abs. 2 StPO lässt sich ein Anspruch auf Herausgabe einer Urteilsabschrift herleiten. Die genannten Vor1521
BVerfGE 7, 29 (40); 36, 193 (203); Cornils, DÖV 2013, 657 (659). von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 510; Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 62. 1523 So von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 511. 1524 Vgl. hierzu Gieg, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl. 2013, § 475 Rn. 9. Das LG Berlin (NJW 2002, 838) bejaht einen Anspruch aus § 475 Abs. 4 StPO, ohne die kompetenzrechtliche Problematik näher zu beleuchten. Das OVG Münster (NJW 2001, 3803) sieht die Ausübung des im Landesrecht normierten Auskunftsanspruchs als das „berechtigte Interesse“ i. S. d. § 475 Abs. 4 StPO an. Vgl. insoweit auch Meier, in: FS für Hans-Ludwig Schreiber, 2003, S. 331 (335). 1525 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 53; a. A. Meier, in: Rengier/Roxin/Pelhak/et al. (Hrsg.), Alternativ-Entwurf Strafjustiz und Medien, 2004, S. 89 (92). 1526 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 511; Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 4 Rn. 53 f. 1522
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schriften gehen in ihrer Rechtsfolge weiter als das einfache Herausgabebegehren, da sie gegebenenfalls auch die Akteneinsicht ermöglichen, die auf den Inhalt der gesamten Akte gerichtet ist.1527 Die Anspruchsgrundlagen sind jedoch enger als die Publikationspflicht, weil sie das Akteneinsichtsrecht von einem rechtlichen (§ 299 Abs. 2 ZPO) beziehungsweise einem berechtigten Interesse (§ 475 Abs. 1 Satz 1 StPO) abhängig machen.1528 Von Verfassungs wegen kommt es jedoch nicht auf das Bestehen eines besonderen Interesses an der konkreten Entscheidung an. Der Herausgabeanspruch ist an keine Voraussetzungen geknüpft.1529 Dem kann jedoch durch verfassungskonforme Auslegung dergestalt Rechnung getragen werden, dass das Vorliegen eines rechtlichen oder berechtigten Interesses im Falle des Verlangens der Herausgabe schriftlicher Entscheidungsgründe unwiderleglich vermutet wird.1530 dd) Verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch Ob sich ein medienspezifischer Auskunftsanspruch bereits unmittelbar aus der Verfassung, namentlich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herleiten lässt, wird unterschiedlich beurteilt.1531 (1) Verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch auf dem Niveau eines Minimalstandards In einer jüngeren Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht1532 aus, dass der objektiv-rechtliche Gewährleistungsgehalt in einen subjektiv-rechtlichen Anspruch umschlage, wenn der Gesetzgeber keine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage geschaffen hat. Andernfalls wäre der objektiv-rechtliche Gewährleis1527
Mensching, AfP 2007, 534 (537). Mensching, AfP 2007, 534 (537). 1529 Vgl. dazu nochmals oben, Teil 1 B. V. 2. b) cc). 1530 So Mensching, AfP 2007, 534 (538). Vgl. demgegenüber Putzke/Zenthöfer (NJW 2015, 1777 [1779]), die einen Anspruch auf Herausgabe nach den Prozessordnungen ablehnen. 1531 Einen verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bejahend: Groß, DÖV 1997, 133 (134 ff.); Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (297); Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 18 Rn. 6; Hoene, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 1 Rn. 6 ff.; Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 185. EL Juli 2018, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 220. Vgl. neuerdings (jedenfalls) auf einen Minimalstandard reduziert BVerwGE 146, 56 (63 ff.). Demgegenüber a. A. BVerwGE 70, 310 (311 ff.); 85, 283 (284); OVG Münster NJW 1995, 2741 (2742); Stober, DRiZ 1980, 3 (8 f.); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 20. EL, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 137; Thum, AfP 2005 30 (33 ff.); Püschel, AfP 2006, 401 (401 f.); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 248; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 41; offengelassen in BVerwGE 47, 247 (252); BVerfG NJW 1989, 382. 1532 BVerwGE 146, 56; noch a. A. BVerwGE 70, 310 (311 ff.); 85, 283 (284 f.). 1528
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tungsgehalt von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gesichert.1533 Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts jedoch auf das Niveau eines „Minimalstandards“ 1534 begrenzt, um zu verhindern, dass die Ausgestaltungsprärogative des Gesetzgebers unterlaufen wird.1535 Damit ende der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch dort, wo Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit der Information dem entgegenstehen.1536 Das Bundesverwaltungsgericht nimmt das Fehlen einer einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlage bei Auskunftsansprüchen gegenüber Bundesbehörden an. Denn die landespresserechtlichen Auskunftsansprüche würden hier nicht zur Anwendung kommen, da es den Ländern insoweit an der Gesetzgebungskompetenz fehle.1537 Deswegen würden die Informationsansprüche der Landespressegesetze aus kompetenzrechtlicher Sicht nicht zur Auskunft gegenüber Bundesbehörden berechtigen.1538 Denn dem Bund stünde als Annexkompetenz zur jeweiligen Sachmaterie die Gesetzgebungszuständigkeit für das Presserecht zu.1539 Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich dabei auf zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die zur Frage der Gesetzgebungszuständigkeit das Kriterium der „wesensmäßigen und historischen“ Zugehörigkeit zum Presserecht heranziehen.1540 Nimmt man den Maßstab des „Pressesonderrechts“ allerdings ernst, so ist der medienrechtliche Auskunftsanspruch, der sein Gepräge nicht durch die Anspruchsinhalte, sondern einzig durch den Kreis der Berechtigten erhält, vielmehr als idealtypischer Gegenstand medienrechtlicher Materie anzusehen, der in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt.1541 Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist damit von der Zuständigkeit der Länder auch für Auskunftsansprüche der Medien gegenüber Bundesbehörden auszugehen.1542 1533
BVerwGE 146, 56 (64). Hoffman-Riem, in: Stein/Denninger/Hoffman-Riem (Hrsg.), AK-GG, Bd. 1, 2001, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 112; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 248; Jarass, in: ders./Pieroth (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 41; Eisele/Hyckel, VR 2016, 217 (220). 1535 BVerwGE 146, 56 (64). 1536 BVerwGE 146, 56 (64 f.). 1537 BVerwGE 146, 56 (58 ff.). 1538 BVerwGE 146, 56 (58 ff.); a. A. OVG Münster, ZUM-RD 2014, 307 (311 ff.). Für diese Arbeit bedeutet dies, dass die landespresserechtlichen Auskunftsansprüche nicht gegenüber Bundesgerichten gelten würden. 1539 BVerwGE 146, 56 (61 f.). Dies widerspricht jedoch soweit ersichtlich der bisher gängigen Praxis. Vgl. dazu Partsch, K&R 2014, 145. 1540 BVerfGE 7, 29 (40); 36, 193 (203). 1541 OVG Münster, ZUM-RD 2014, 307 (313); Cornils, DÖV 2013, 657 (659). Kritisch Germelmann, DÖV 2013, 667 (674 ff.); von Coelln, jurisPR-ITR 23/2013 Anm. 5; Huber, NVwZ 2013, 1010; Partsch, K&R 2013, 145; von Coelln, in: FS für Friedhelm Hufen, 2015, S. 423 (425 ff.). 1542 BVerfG NVwZ 2016, 50 (50 f.) hat diese Frage offen gelassen. 1534
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(2) Kein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch Nach dem traditionellen Verständnis der Grundrechte sind diese als Abwehrrechte des Individuums gegen den Staat ausgestaltet.1543 Damit ist im Sinne der Systematik Jellineks der „status negativus“ angesprochen.1544 Die Ausnahme im Grundgesetz bilden demgegenüber die dem „status positivus“ zugeordneten subjektiven Ansprüche auf Gewährung konkreter Leistungen durch den Staat.1545 Dass die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mehr als ein klassisches Abwehrrecht gewährleisten, hat das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die essentielle Bedeutung für das Funktionieren der Staatsordnung immer wieder dargelegt. Demnach garantiert Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG seinem objektiv-rechtlichen Gehalt nach die institutionelle Eigenständigkeit der Presse.1546 Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Medienfreiheiten für die freiheitliche demokratische Grundordnung schlechthin konstituierend sind, indem sie den geistigen Kampf und die freie Auseinandersetzung der Ideen und Interessen gewährleisten.1547 Diese besondere Bedeutung berücksichtigend lässt sich jedenfalls festhalten, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG objektive Auskunftspflichten staatlicher Stellen garantiert, nicht aber subjektive Auskunftsrechte der Medienvertreter gewährleistet. Die Ausgestaltung von Auskunftsansprüchen ist im Grundsatz dem Gesetzgeber überlassen, der einen Ausgleich zwischen medienspezifischen Interessen und privaten oder öffentlichen Geheimhaltungsinteressen sicherzustellen hat. Dabei verfügt dieser über einen weiten Ausgestaltungsspielraum.1548 Trotz ihrer besonderen Bedeutung für den demokratischen Staat darf nicht verkannt werden, dass auch die Medienfreiheiten primär Abwehrrechte sind, mit denen ein staatliches Unterlassen, nicht aber eine staatliche Leistung verlangt werden kann.1549 Aus dem objektiv-rechtlichen Wertgehalt der Medienfreiheiten folgt nicht zugleich die Verdichtung zu einer leistungsrechtlichen Dimension derselben,1550 aus ihm können allenfalls subjektive Teilhabefunktionen aus Gleichheits1543
BVerfGE 7, 198 (204). Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1964, S. 94 ff. 1545 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 44. EL Februar 2005, Art. 1 Abs. 3 Rn. 5; Hoene, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 1 Rn. 7. 1546 BVerfGE 20, 162 (175 f.); 66, 116 (133); BVerwGE 47, 247 (252); 70, 310 (311). 1547 BVerfGE 7, 198 (208); 12, 113 (125); BVerfG NJW 1973, 1226 (1228). 1548 Vgl. dazu BVerwGE 70, 310 (315); Cornils, DÖV 2013, 657 (664 f.). Einen verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch deswegen dezidiert fordernd: Groß, DÖV 1997, 133 (134 ff.); Hoene, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 1 Rn. 8 ff. 1549 Stober, DRiZ 1980, 3 (8 f.); Jarass, DÖV 1986, 721 (722); Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, 20. EL, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 137. Bethge (in: Sachs [Hrsg.], GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 71) hält die Verbürgung positiver Rechte nicht für von vornherein ausgeschlossen. 1550 Thum, AfP 2005, 30 (33 ff.); a. A. Groß, DÖV 1997, 133 (134 ff.); Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (297). 1544
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gründen abgeleitet werden.1551 Gegen einen verfassungsunmittelbaren medienspezifischen Informationsanspruch sprechen weiterhin die Unbestimmtheit des Anspruchsinhalts, die Weite des Pressebegriffs und der Wertungswiderspruch zur Informationsfreiheit.1552 Auch darf die Fähigkeit der Medien zur anderweitigen Nachrichtenbeschaffung nicht unterschätzt werden.1553 Der objektiv-rechtliche Wertgehalt der Medienfreiheiten verlangt damit „nur“, dass die einfachgesetzlichen Auskunftsregelungen hinreichend effektiv sind, das heißt, dass die funktionsgemäße Betätigung der Medien gesichert ist.1554 Ein verfassungsunmittelbarer Informationsanspruch wäre allenfalls denkbar, wenn andernfalls der Informationsauftrag der Medien ernstlich gefährdet wäre. Aufgrund der Schutzfunktion der Grundrechte ist es in solchen Fällen nämlich erforderlich, essentielle Ansprüche unmittelbar aus der Verfassung abzuleiten, wenn der Gesetzgeber hinsichtlich der Schaffung einfachgesetzlicher Anspruchsgrundlagen untätig bleibt.1555 In Anbetracht der in den Landespressegesetzen existierenden Informationsansprüche, des Prinzips der Verhandlungsöffentlichkeit und der vermehrt vorzufindenden Pressestellen staatlicher Institutionen kann davon jedoch keine Rede sein.1556 d) Die aktive Teilhabe der Judikative am öffentlichen Diskurs Schließlich trägt neben der Publikation gerichtlicher Entscheidungen und der Existenz von Informationsansprüchen gegenüber den Gerichten auch die aktive Teilnahme der Judikative am öffentlichen Diskurs zur Schaffung von größtmöglicher Transparenz bei. aa) Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte als verfassungsrechtliche Verpflichtung Die aktive Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte ist aus denselben verfassungsrechtlichen Gründen geboten wie die Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Judikate.1557 Gerichte entscheiden über die persönlichen Lebensverhältnisse der Bürger, deren Freiheit und Vermögen. Sie üben damit Macht aus, 1551
Germelmann, DÖV 2013, 667 (674). Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 248 m.w. N. 1553 BVerwGE 70, 310 (314); Thum, AfP 2005 30 (34). 1554 BVerwGE 146, 56 (63). 1555 BVerfGE 125, 175 (222 f.). 1556 Stober, DRiZ 1980, 3 (9); Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 15; a. A. von Coelln, in: FS für Friedhelm Hufen, 2015, S. 423 (429). 1557 Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (10); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 512; ders., in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 12. So auch Huff, NJW 2001, 2951 (2951 ff.) unter Verweis auf BVerwGE 104, 105. Vgl. ferner zu Begriff und Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsleitung: BVerfGE 105, 252 (268); 105, 279 (301). 1552
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die im demokratischen System des Grundgesetzes vom Volk abgeleitet ist (Art. 20 Abs. 2 GG). Mit der Ausübung von Macht korreliert gleichzeitig aber auch die Verpflichtung zur Information der Bürger, die in Form von Öffentlichkeitsarbeit stattfinden kann.1558 Das immer größer werdende Interesse der Gesellschaft an Themen der Justiz und die Beschleunigung der Nachrichtenströme machen das Bedürfnis nach Öffentlichkeitsarbeit zunehmend dringlicher, um den oftmals juristisch nicht vorgebildeten Journalisten schwer verständliche juristische Zusammenhänge zu erläutern.1559 Insofern trifft die deutschen Gerichte in heutiger Zeit nicht nur eine reaktive Informationspflicht in Form der Beantwortung von Informationsanfragen der Medien, sondern eine darüberhinausgehende aktive Pflicht1560 zur Öffentlichkeitsarbeit.1561 Diese muss damit auch aus eigener Initiative veranlasst erfolgen. Dass einfachgesetzliche Regelungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit fehlen, soll nicht weiter verwundern, immerhin ist der Bereich informalen staatlichen Handelns einer gesetzlichen Regelung kaum zugänglich.1562 Zwar ist ein Agieren im rechtsfreien Raum der strikt verfassungsfixierten und der Neutralität verpflichteten Judikative fremd. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass dabei zwischen den Kernaufgaben und den bloß begleitenden akzessorischen Tätigkeiten der Gerichte zu differenzieren ist.1563 Das aktive Kommunikationsverhalten der Gerichte, das „für die Funktion der demokratisch legitimierten, rechtsstaatlich strukturierten und mit besonderen Garantien ausstaffierten Rechtsprechung im Verfassungsstaat“ eintritt,1564 ist zu einer „Bringschuld gegenüber den Medien“ geworden.1565 Die Judikative ist dazu aufgerufen, der Sonderstellung der Medien dadurch Rechnung zu tragen, dass sie ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und die Kooperation mit den Medienvertretern sucht, um deren Arbeitsbedingungen zu erleichtern.1566 Mit der aktiven Teilhabe am öffentlichen Kommunikationsprozess kommt die Judikative ihrer öffentlichen Aufgabe genauso wie im gerichtsförmigen Verfahren nach.1567 Informales staat1558 Vgl. Zülch, DRiZ 1994, 36 (36); Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 25 mit Fn. 48. 1559 So auch Putzke/Zenthöfer, NJW 2015, 1777 (1780). 1560 Diese Verpflichtung trifft nicht nur die obersten Bundesgerichte, sondern auch die Instanzgerichte. Abstufungen betreffen allenfalls die Intensität der verlangten Anstrengungen. 1561 Huff, DRiZ 1993, 207 (207); ders., NJW 2004, 403 (403 ff.); Zülch, DRiZ 1994, 36 (36 f.). Kritisch hingegen Wassermann, in: ders. (Hrsg.), Justiz und Medien, 1980, S. 145 (153); Geiger, DRiZ 1993, 378 (378 f.). 1562 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 516. 1563 Vgl. dazu ausführlich von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 514. 1564 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 512. 1565 Mackenroth, ZRP 2002, 179, (181). 1566 Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 25. 1567 von Coelln, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 37. EL Februar 2012, § 17a Rn. 13.
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liches Handeln in Form der Öffentlichkeitsarbeit darf dabei allerdings nicht nur dem Selbstzweck dienen.1568 Die aktive Teilhabe der Judikative am öffentlichen Kommunikationsprozess ist als Annex der im Grundgesetz vorgesehenen Primärfunktion „Rechtsprechung“ zu sehen, der flankierende, unterstützende und damit eine dienende Funktion zukommt.1569 Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte fördert den öffentlichen Kontrollauftrag der Bürger, indem sie schwer verständliche Entscheidungen erläutert.1570 Ferner wird durch die Teilhabe der Judikative am öffentlichen Kommunikationsprozess die aus ihrer Unabhängigkeit herrührende verminderte Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeit des Volkes kompensiert. Gezielte Informationsleistungen führen dabei zu einem höheren Maß an Akzeptanz und Transparenz gerichtlicher Entscheidungen.1571 Aktive Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte bietet die Möglichkeit, Einfluss auf das Bild der Judikative in der Öffentlichkeit zu nehmen und kann dabei bereits im Vorfeld eines Verfahrens einer sachlich falschen Darstellung in den Medien entgegenwirken.1572 Diese aktive Medienarbeit darf jedoch nicht mit Werbung im herkömmlichen Sinn verwechselt werden.1573 So geht es etwa darum, dem Bürger zu veranschaulichen, dass der Justizalltag weniger durch Strafprozesse – wie es die Berichterstattung in den Medien oftmals nahelegt – als stärker durch Zivilverfahren geprägt ist.1574 Nicht zuletzt sorgt Öffentlichkeitsarbeit für mehr Verständnis und Vertrauen in die Tätigkeit der Judikative.1575 Überdies wird durch sie das Rechtsbewusstsein gestärkt.1576 1568
Arndt, NJW 1963, 2064 (2065 f.). von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 516; Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Das Verhältnis von Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei im Ermittlungsverfahren, strafprozessuale Regeln und faktische (Fehl-?)Entwicklungen, 2008, S. 253. Ausführlich zu möglichen Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit: Wassermann, in: ders. (Hrsg.), Justiz und Medien, 1980, S. 145 (161 ff.). Genannt werden u. a. Pressemitteilungen, Interviews, Pressekonferenzen, Hintergrundgespräche und Vortragsveranstaltungen. 1570 Wobei es Gostomzyk (Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 188) zufolge bereits genügt, wenn die Medien immer wieder – wenn auch nur symbolisch – in Erinnerung rufen, dass Recht geschieht. 1571 Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (19); Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 76 ff., 176. 1572 Zülch, DRiZ 1994, 36 (36); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 516. 1573 Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 189. Vgl. zum werbenden Charakter regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit BVerfGE 44, 125 (149 f.). 1574 Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (19). 1575 Zülch, DRiZ 1994, 36 (36). 1576 Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Das Verhältnis von Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei im Ermittlungsverfahren, strafprozessuale Regeln und faktische (Fehl-?)Entwicklungen, 2008, S. 251. 1569
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bb) Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit Öffentlichkeitsarbeit der Judikative ist allerdings nicht unbegrenzt möglich und zulässig. Als äußerste Grenze ist die Staatsfreiheit der Medien als Kommunikationsmittler und Gegengewicht zur staatlichen Informationstätigkeit zu beachten. Die Öffentlichkeitsarbeit der Judikative ist damit nur als unmittelbare Kommunikation oder durch Informationsweitergabe an die Medien möglich. Eine Vermittlung durch Medien wäre insofern unzulässig.1577 Daneben ist die Öffentlichkeitsarbeit durch das Verfassungsgebot einer staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hin begrenzt.1578 Weiterhin muss sich die Judikative bei der Teilnahme am öffentlichen Kommunikationsprozess stets der Definitionsmacht ihrer Aussagen und damit der Gefahr einer einseitigen Verfahrenstransparenz bewusst sein. Gute gerichtliche Öffentlichkeitsarbeit muss daher einer Verzerrung des Bildes der Judikative in der öffentlichen Wahrnehmung von Anfang an entgegenwirken.1579 Schließlich lassen sich zur Bestimmung der Grenzen die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien zur regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit heranziehen.1580 Zunächst ist Öffentlichkeitsarbeit der Judikative als Annex zu ihrer Primärfunktion auf ihren Kompetenzbereich beschränkt.1581 Darüber hinaus muss sich die aktive Medienarbeit insbesondere am staatlichen Neutralitätsgebot, dem Gebot der Sachlichkeit und Richtigkeit der verbreiteten Information und an der Verpflichtung zur Objektivität orientieren.1582 Gegenüber den einzelnen Medienvertretern ist das Gebot der Gleichbehandlung zu beachten.1583 Nicht zuletzt kommen aber auch die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten als Begrenzung der Öffentlichkeitsarbeit in Betracht. Dabei ist das Interesse an einem effektiven Grundrechtsschutz mit dem Interesse an der Unterrichtung der Öffentlichkeit in Ausgleich zu bringen.1584 Als schutzwürdiges Interesse der Ver1577 Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 189; Wassermann, in: ders. (Hrsg.), Justiz und Medien, 1980, S. 145 (152). 1578 Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 189; Ladeur, DÖV 2002, 1 (3). 1579 Große Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes, Das Verhältnis von Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei im Ermittlungsverfahren, strafprozessuale Regeln und faktische (Fehl-?)Entwicklungen, 2008, S. 251 f. Vgl. aus empirischer Sicht Schäfer, MschrKrim, 2002, 55 (passim). 1580 BVerfGE 44, 125 (149 ff.); 105, 252 (268 ff.); 105, 279 (301 ff.); ähnlich Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 188 f. 1581 BVerfGE 44, 125 (149); 105, 252 (270). 1582 BVerfGE 44, 125 (149 ff.); 105, 252 (272). 1583 Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (20). 1584 Näher dazu Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (14 ff., 20).
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fahrensbeteiligten kommt in erster Linie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht. Problematisch wäre insofern die Weitergabe des Namens eines Verfahrensbeteiligten bei der Versendung von Tagesordnungen an Dritte.1585 Sollte eine Abwägung Zweifel offenlassen, sollte den privaten Interessen Vorrang eingeräumt und auf ein aktives Zugehen auf die Medien verzichtet werden.1586 3. Zusammenfassung Gerichtsöffentlichkeit beschreibt nicht nur die Zugänglichkeit zur mündlichen Verhandlung. Nimmt man neben dem Aspekt der Zugänglichkeit auch die Pflicht zur Veröffentlichung von Urteilen, zur Erteilung von Auskünften und zur Öffentlichkeitsarbeit mit in den Blick, so meint Gerichtsöffentlichkeit die Schaffung größtmöglicher Transparenz über die mündliche Verhandlung hinaus. Den Vertretern der Medien kommen dabei als Mittlern im Meinungsbildungsprozess die genannten weitergehenden Rechte und Privilegien zu.
VI. Zwischenfazit Der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit wurde vorangehend von verschiedenen Blickwinkeln aus beschrieben. Es wurde gezeigt, dass die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens verfassungsrechtlich geschützt ist. Die konkrete Ausgestaltung obliegt dem Gesetzgeber, der bei der Ausgestaltung einen weiten Ausgestaltungsspielraum hat, den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit jedoch nicht völlig aufgeben darf. Der Öffentlichkeitsgrundsatz verfolgt seit jeher drei Ziele: die Ermöglichung von Kontrolle, die Information der Allgemeinheit und die Schaffung von Vertrauen und Akzeptanz. Auch in der heutigen Zeit sind alle Funktionen nach wie vor aktuell. Allenfalls hat eine Bedeutungsverlagerung hin zur Informationsfunktion stattgefunden. Gerichtsöffentlichkeit bedeutet Saal- und Medienöffentlichkeit. Heutzutage ist Gerichtsöffentlichkeit vor allem in ihrer Bedeutung als Medienöffentlichkeit relevant, da die wenigsten Bürger gerichtliche Verhandlungen noch aus eigener Anschauung heraus, das heißt als Teil der Saalöffentlichkeit verfolgen. Die Verschiebung der Gerichtsöffentlichkeit hin zur Medienöffentlichkeit muss auch der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes berücksichtigen. Wenn es vornehmlich die Medien sind, die die Erfüllung der Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit garantieren, dann muss dafür Sorge getragen werden, dass ihnen die Erfüllung dieser Aufgabe nicht erschwert, sondern vielmehr erleichtert wird. Die Reservierung von Sitzplätzen im Sitzungssaal oder die (audiovisuelle) Übertragung der Verhandlung in einen an1585 Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (17). 1586 Knoblich, in: Albers/Heine/Seyfarth (Hrsg.), Beobachten – Entscheiden – Gestalten, 2000, S. 9 (17).
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Teil 1: Dogmatische Grundlagen
deren Raum des Gerichts für Vertreter der Medien sind Beispiele für die verfassungsrechtlich begründete Pflicht, die Medien bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe zu unterstützen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass zunehmend auch Laien an der öffentlichen Aufgabe der Medien mitwirken. Insoweit darf man nicht an dem klassischen Bild eines Journalisten verhaften, sondern muss im konkreten Einzelfall entscheiden, wer durch seine bisherigen Aktivitäten an der öffentlichen Aufgabe der Medien mitgewirkt hat und sich deswegen auf die aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herrührenden Privilegien berufen darf. Nachfolgend wird es nun darum gehen vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen und funktionstheoretischen Fundierung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ein der heutigen Zeit entsprechendes Konzept gerichtlicher Öffentlichkeit vorzustellen.
Teil 2
Gerichtsberichterstattung und Neue Medien Im zweiten Teil dieser Arbeit geht es um die Beantwortung der Frage, welche Kommunikations- und Informationsformen im Gerichtssaal zugelassen werden müssen, um eine „zeitgemäße“ Berichterstattung zu gewährleisten. Sollte man Live-Übertragungen im Fernsehen oder zumindest eine Live-Wortberichterstattung über das Internet ermöglichen? Wie sieht es mit der Internetnutzung zur Ermöglichung und Erleichterung journalistischer Arbeit im Sitzungssaal aus? Zur Entfaltung eines neuen Konzepts von Gerichtsöffentlichkeit müssen hier die im vorangegangenen Abschnitt entwickelten verfassungsrechtlichen Positionen in Ausgleich gebracht werden. Dabei wird es vor allem darum gehen, ein vernünftiges Maß an Medienöffentlichkeit zu finden.1 Denn je mehr man die positiven Effekte, die von einer Stärkung der Medienöffentlichkeit ausgehen, fördern möchte, desto größer sind auch die negativen Effekte, die Medienöffentlichkeit mit sich bringen kann.
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung Nachfolgend sollen zunächst Reichweite und Grenzen einer jeden Gerichtsberichterstattung erörtert werden. Die Besonderheiten der einzelnen Formen der Gerichtsberichterstattung werden im Anschluss daran diskutiert.
I. Gerichtsöffentlichkeit und Berichterstattung Gerichte werden nicht im luftleeren Raum tätig.2 Gerichtsverfahren werden zwar nicht für die Öffentlichkeit abgehalten, sie finden aber in der Öffentlichkeit statt3 und ziehen damit regelmäßig ein öffentliches Informationsinteresse auf sich. Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ist Gerichtsberichterstattung immer zulässig, wenn sie die im Interesse einer geordneten Rechtspflege bestehenden Grenzen nicht überschreitet.4 Gerichtsberichterstattung ist in erster Linie über öffentlich durchgeführte Verfahren möglich, in denen der freie Zugang zum Verhandlungssaal nicht be1 2 3 4
Vgl. hierzu auch Norouzi, StV 2016, 590 (591 f.). EGMR NJW, 2004, 3691 (3694). BVerfGE 103, 44 (64). EGMR NJW, 2004, 3691 (3694).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
schränkt ist. Überall dort, wo der Ausschluss der Öffentlichkeit von Gesetzes wegen oder aufgrund besonderen Beschlusses des Vorsitzenden Richters angeordnet ist, findet die Gerichtsberichterstattung ihre Grenzen.5 Allerdings ist jedenfalls in der Sache auch über solche Verfahren eine Medienberichterstattung möglich. Immerhin konkretisiert sich der Öffentlichkeitsgrundsatz gerade auch durch die Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidungen und das Geltendmachen von Auskunftsansprüchen.6 Vielfach wird kritisiert, dass Gerichtsberichterstattung heutzutage nur noch von Sensationslust, Neugier und Unsachlichkeit geprägt sei: Es wird bemängelt, dass es dem Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit geschadet hätte, mit den Schutzaspekten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Medienöffentlichkeit aufgeladen worden zu sein.7 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Niveau einer Meinungsäußerung oder einer Berichterstattung nicht zum Ausschluss des Schutzes durch die Medienfreiheiten führen kann.8 Dass gerichtliche Verfahren in der Öffentlichkeit stattfinden und zu dieser Öffentlichkeit heutzutage eben auch die Massenmedienöffentlichkeit zählt, ist eine Tatsache, der man nur im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen einen angemessenen Ausgleich entgegensetzen kann. Der rechtliche Konflikt, der bei der Berichterstattung über gerichtliche Verfahren insoweit entsteht, wird zwischen dem Recht auf freie Berichterstattung durch die Massenmedien, also den Mediengrundrechten des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG, und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG der am Verfahren beteiligten Personen ausgetragen. Daneben kann die Gerichtsberichterstattung auch dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege entgegenstehen9 und zu einer Beeinträchtigung eines fairen Verfahrens führen.10 Auch wenn die Möglichkeiten einer Gerichtsberichterstattung damit äußerst weit sind, wird ein gewisses Maß an Sachlichkeit und Objektivität gefordert. Gleichwohl kann auch die Wiedergabe von mitunter „scharfen“ Äußerungen von Prozessbeteiligten über eine andere Person zulässig sein, wenn sie geeignet sind, das Prozessklima näher zu beschreiben.11 Kann die
5
Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 16 Rn. 6 ff. Vgl. dazu nochmals oben, Teil 1 B. V. 2. 7 Bosch, Jura 2016, 45 (47). 8 Es kommt gerade nicht darauf an, ob eine Meinung „wertvoll“ oder „wertlos“ ist: vgl. BVerfGE 33, 1 (14 f.); 61, 1 (7); 124, 300 (320). 9 Gössel, in: Dölling/Gössel/Waltos ´ (Hrsg.), Kriminalberichterstattung in der Tagespresse, 1998, S. 1 (3). Vgl. auch Kissel/Mayer (GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 87), die darauf verweisen, dass auch wenn es den sogenannten „contempt of court“ in der deutschen Rechtstradition nicht gibt, eine Gerichtsberichterstattung die Richter nicht unzulässig unter Druck setzen darf. 10 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 87. 11 Vgl. Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, 10. Kap. Rn. 195. 6
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
227
erforderliche Sachlichkeit und Objektivität nicht erreicht werden, so muss auf die Berichterstattung ganz verzichtet werden.12 Die durch die Medienfreiheiten geschützte Gerichtsberichterstattung unterliegt den allgemeinen Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG.13 Rechtlich normierte Grenzen der Gerichtsberichterstattung ergeben sich etwa aus dem Verbot von Berichten über gerichtliche Verhandlungen, in denen die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen war (§ 174 Abs. 2 und 3 GVG), den damit korrespondierenden Strafvorschriften des § 353d StGB, der verbotene Mitteilungen über Strafverfahren unter Strafe stellt, sowie dem Verbot von audiovisuellen Aufnahmen aus § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG.14 Es ist unbestritten, dass die Medien über die genannten Grenzen hinaus frei über Gerichtsverfahren berichten dürfen.15 Dabei sind allerdings die Beschränkungen zu beachten, die sich etwa aus den zivilrechtlichen Vorschriften der § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG ergeben. Gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse sind Gegenstände der Privat- und Intimsphäre, das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht am eigenen Bild sowie das Recht am eigenen Wort besonders geschützt.16 Damit ist allerdings noch nichts über die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer identifizierenden Gerichtsberichterstattung gesagt, um die es im Folgenden gehen soll.
II. Saal- und Medienöffentlichkeit: Zwei identische Bezugsgrößen? Auf der Suche nach dem vernünftigen Maß an Medienöffentlichkeit sollte zunächst eine weitere Frage geklärt werden: Gibt es bezüglich der bekanntwerdenden Inhalte eigentlich einen Unterschied zwischen der Saal- und der Medienöffentlichkeit? Dürfen die teilweise sehr sensiblen Informationen, die der Saalöffentlichkeit bekannt werden, auch der wesentlich größeren Medienöffentlichkeit bekannt gemacht werden? Anders formuliert ist damit die Frage angesprochen, ob die Medien über alle Umstände berichten dürfen, von denen sie in mündlicher Verhandlung Kenntnis erlangen. Können Saal- und Medienöffentlichkeit womöglich gleichgesetzt werden? In diese Richtung lässt sich jedenfalls eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofs interpretieren. Das Gericht geht davon aus, 12 Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, 10. Kap. Rn. 195. 13 Vgl. hierzu nochmals oben, Teil 1 B. IV. 3 a). 14 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 169 Rn. 87. 15 Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, 10. Kap. Rn. 189. 16 Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (265). Vgl. dazu auch bereits oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa) (2) (a).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
dass grundsätzlich alles, was in öffentlicher Verhandlung gesagt oder verlesen wurde, Gegenstand einer tagesaktuellen Verbreitung in den Medien sein kann.17 Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält das Recht der Medien, sich über Vorgänge in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu informieren und hierüber zu berichten.18 Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlung bedeutet damit nicht nur Saal-, sondern auch Medienöffentlichkeit.19 Mit dieser Feststellung geht jedoch nicht zugleich die Annahme einher, dass alles, was mündlich erörtert wurde, in den Medien verbreitet werden darf.20 In diesem Sinne ist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bildberichterstattung aus dem Gerichtssaal zu verstehen. Dass Saal- und Medienöffentlichkeit nicht identisch sind, zeigt sich hier besonders deutlich, wenn das Gericht die im Einzelfall nach § 176 GVG angeordnete Pflicht, im Gerichtssaal aufgenommenes Bildmaterial zu anonymisieren, für rechtmäßig hält.21 Nichts anderes spiegelt sich auch in der Existenz des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG wieder, der ein vollständiges Abbild der Saalöffentlichkeit in Form von Rundfunkaufnahmen verbietet. Saal- und Medienöffentlichkeit bilden zwei verschiedene Teilöffentlichkeiten, die unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten folgen.22 Medienöffentlichkeit ist in der Lage, Kommunikation strategisch zu formen und zu gestalten.23 Daneben kommt den in den Medien verbreiteten Mitteilungen regelmäßig größere Aufmerksamkeit und Nachhaltigkeit zu als mündlich verbreiteten Informationen.24 Medienöffentlichkeit erzeugt damit eine ungleich größere Breitenwirkung als Saalöffentlichkeit.25 Vor allem Online-Archive tragen dazu bei, dass Informationen zeitlich unbegrenzt und mithilfe von Suchmaschinen leicht auffindbar jedermann zur Verfügung stehen. Die Nachhaltigkeit der Gerichtsberichterstattung in den Online-Medien geht damit inzwischen deutlich über die Maßgaben einer tagesaktuellen26 Berichterstattung hinaus.27 Saalöffentlichkeit mag zwar in der Diktion des Bundesgerichtshofs bereits eine „größere Öffentlichkeit“ sein.28 Sie ist aber immerhin begrenzt. 17 BGH NJW 2013, 1681 (1683); ähnlich BVerfG NJW 2015, 3708 (3709 f.). Vgl. weiterhin Huff, K&R 2012, 365 (367); Jahn, GRUR-Prax 2013, 204; Eisele/Hyckel, VR 2016, 217 (222). 18 BVerfGE 91, 125 (134); BVerfG NJW 1995, 184 (185). 19 Huff, K&R 2012, 365 (367). 20 So auch Bornkamm, NStZ 1983, 102 (105). 21 Vgl. BVerfG NJW 2003, 2523 (2523 ff.); NJW 2009, 350 (350 ff.). 22 Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 568 (570); Ladeur, ZUM 2012, 336 (337). 23 Ladeur, ZUM 2012, 336 (337). 24 Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 568 (571). 25 Mäsch, JuS 2014, 73 (75). 26 Vgl. zum Kriterium der Tagesaktualität noch unten, Teil 2 A. III. 3. 27 Ähnlich Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 568 (571). 28 BGH NJW 2013, 1681 (1683).
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
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Auch die Tatsache, dass sich der Großteil der Bevölkerung durch die Medien über Gerichtsverhandlungen informiert und die Medienöffentlichkeit insofern einen Bedeutungszuwachs erfahren hat, führt nicht zur Identität beider Teilöffentlichkeiten,29 sondern allenfalls zur Aufwertung der Medienöffentlichkeit.30 Die in der mündlichen Verhandlung bekannt werdenden Informationen dienen in erster Linie der Rechtsfindung und speziell in einem Strafverfahren auch der Verteidigung des Angeklagten.31 Ein Angeklagter darf nicht darin beschränkt sein auch über intimste Details zu sprechen, um sich effektiv verteidigen zu können.32 Die Medien müssen daher berücksichtigen, dass sie über eine funktionalisierte Teilöffentlichkeit berichten, in der die Themenfähigkeit nicht beschränkt werden darf.33 Dies unterstreicht auch die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass Gerichtsverhandlungen „in der, aber nicht für die Öffentlichkeit“ stattfinden.34 Die den Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit mitprägende Kontrollfunktion steht einer Gleichsetzung von Saal- und Medienöffentlichkeit ebenfalls entgegen. Denn nicht alle in einer Verhandlung bekannt werdenden Umstände dienen der Kontrolle, sondern oftmals nur der Befriedigung der Sensationsgier der Öffentlichkeit.35 Es ließe sich zwar einwenden, dass eine Partei jederzeit in den Fällen des § 171b GVG und § 48 JGG den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen könnte, um zu verhindern, dass sensible Informationen in die Öffentlichkeit getragen werden. Die Betroffenen hätten es damit selber in der Hand, die Veröffentlichung bestimmter Informationen zu beschränken.36 Allerdings kann ein Ausschluss der Öffentlichkeit den Interessen einer Verfahrenspartei auch zuwiderlaufen. Zu denken ist etwa an den in einem Strafverfahren zu Unrecht Angeklagten. Dieser wird ein großes Interesse an einer möglichst transparenten Aufklärung aller Umstände haben, ohne jedoch gleichzeitig der Verbreitung innerster Vorgänge zustimmen zu wollen. Er ist auf die Berichterstattung durch die Medien angewiesen. Eine öffentliche Rehabilitation findet nicht nur vor Gericht, sondern auch durch die Medien statt. Im Grundsatz geht auch der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung davon aus, dass die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren eine Abwägungsentscheidung voraussetzt. Dabei ist zugunsten des Be29
So Scherer, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, 1979, S. 5. Vgl. Zipf, Gutachten 54. DJT, 1982, C 23. 31 Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 568 (570). 32 Ladeur, ZUM 2012, 336 (337). 33 Ladeur, ZUM 2012, 336 (337). 34 BVerfGE 103, 44 (64). 35 Mäsch, JuS 2014, 73 (75). 36 Huff, K&R 2012, 365 (367); Spitz, jurisPR-ITR 12/2013 Anm. 3. Vgl. auch Jahn (GRUR-Prax 2013, 204), der seine Einschätzung überdies mit der Existenz der Strafvorschrift des § 353d StGB zu bekräftigen versucht. 30
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
troffenen insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und Art. 6 Abs. 2 EMRK folgende Unschuldsvermutung sowie die mit einer Medienberichterstattung möglicherweise einhergehende Prangerwirkung zu berücksichtigen.37 Von der Berichterstattung wird daher ein hohes Maß an Zurückhaltung verlangt.38 Für die Berichterstattung lässt sich das im Einzelfall zu beurteilende öffentliche Informationsinteresse anführen. Der Auffassung, dass man von einem gesteigerten Informationsinteresse ausgehen könne, sobald gewisse Informationen Gegenstand der mündlichen Verhandlung werden,39 ließe sich zwar ihr hohes Maß an Rechtssicherheit zugutehalten.40 Allerdings ist wegen der zu großen Gefahr der Stigmatisierung Verfahrensbeteiligter eine Differenzierung erforderlich.41 Die Berichterstattung über Details eines Strafverfahrens mit Bezug zum Persönlichkeitskern ist nur hinzunehmen, wenn sie in einem konkreten Zusammenhang zu der vorgeworfenen Tat stehen. Dies gilt jedenfalls nicht für Informationen, die nur anlässlich der Tat bekannt werden.42 Saal- und Medienöffentlichkeit können daher nicht gleichgesetzt werden.
III. Identifizierende oder anonymisierte Berichterstattung? Im Folgenden geht es um die Frage, wann über die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens identifizierend berichtet werden darf und wann Informationen in der Berichterstattung, die zur Identifizierung der Verfahrensbeteiligten beitragen könnten, zurückgehalten werden müssen. 1. Identifizierende Berichterstattung als Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Verfahrensbeteiligten Eine identifizierende Berichterstattung ist in verschiedenen Formen denkbar: Am gebräuchlichsten ist insoweit die Nennung des Namens. Daneben können aber auch sonstige Umstände, etwa die Veröffentlichung eines Bildnisses, die Beschreibung des Wohn- oder Tätigkeitsortes, die Schilderung der beruflichen Position oder von Ereignissen, die in der Öffentlichkeit stattfanden, eindeutige Rückschlüsse auf eine bestimmte Person ermöglichen.43 Daten über die Identität einer 37
BGH NJW 2013, 1681 (1682 f.); Mäsch, JuS 2014, 73 (75). BGH NJW 2013, 1681 (1682 f.). 39 BGH NJW 2013, 1681 (1683). 40 Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 568 (570). 41 Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 568 (570). 42 Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 568 (570). Das Problem dieser Differenzierung ist freilich die Verlagerung der „Bewertungsverantwortung“ auf die Medien. Vgl. dazu Gostomzyk, AfP 2012, 122 (124). 43 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 17 Rn. 2. 38
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
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Person in einem Bericht führen zu einer Steigerung der Authentizität der Berichterstattung.44 Während die Veröffentlichung eines Bildnisses grundsätzlich einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt,45 ist dies bei einer personenbezogenen Wortberichterstattung nicht ohne weiteres anzunehmen.46 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nämlich nicht bereits davor, überhaupt in einem Bericht individualisierend genannt zu werden.47 Die Bedeutung und das heutige Verständnis von den Kommunikationsgrundrechten, insbesondere das Bedürfnis, den Kommunikationsprozess nicht über Gebühr zu beschränken, sprechen für die Vermutung der Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung.48 Die Presse kann deshalb zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden.49 Es kommt insoweit auf den Inhalt einer Berichterstattung an. Berichten die Medien etwa über ein Strafverfahren, so ist die Namensnennung oder sonstige Identifizierbarkeit des Angeklagten nicht immer zulässig,50 da in einem Strafverfahren, das mit der stärksten staatlichen Sanktionsmöglichkeit eines staatlichen Unwerturteils enden kann, bis zur rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt.51 Die identifizierende Berichterstattung über ein Strafverfahren greift in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angeklagten ein, „weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert“.52 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst insoweit auch den Schutz am eigenen Lebensbild.53 2. Öffentliches Informationsinteresse an der Identität einer bestimmten Person Die Frage, ob eine identifizierende Berichterstattung zulässig ist,54 ist eine strikt einzelfallbezogen durchzuführende Abwägungsfrage, bei der auf den Inhalt 44
Bornkamm, NStZ 1983, 102 (103). BVerfG NJW 2012, 756 (757). 46 BVerfG NJW 2012, 1500 (1501). 47 BVerfG NJW 2012, 1500 (1501); NJW 2011, 740 (742). Demgegenüber a. A. Koebel, JZ 1966, 389 (390 ff.); Bornkamm, NStZ 1983, 102 (103). 48 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 17 Rn. 4; a. A. KG Berlin NJW 1989, 397 (397 f.); Gössel, in: Dölling/Gössel/Waltos´ (Hrsg.), Kriminalberichterstattung in der Tagespresse, 1998, S. 1 (7); Schertz, NJW 2013, 721 (723 f.). 49 BVerfG NJW 2012, 1500 (1501 f.). 50 BVerfGE 35, 202 (232). 51 BVerfG NJW 2012, 1500 (1501). 52 BVerfGE 35, 202 (226); BVerfG NJW 2009, 3357 (3357). 53 BVerfGE 35, 202 (220). Näher dazu unten, Teil 2 A. III. 3. 54 Vgl. dazu Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 104 ff. 45
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
der Veröffentlichung abzustellen ist.55 Grundrechtsdogmatisch findet die Abwägung auf Ebene der Angemessenheit als Teil des Übermaßverbots statt.56 Im Rahmen dieser Abwägung ist zu untersuchen, ob man dem öffentlichen Informationsinteresse auch ohne Namensnennung gerecht werden könnte.57 Zugunsten der Kommunikationsfreiheiten müsste daher vor allem ins Gewicht fallen, dass nicht nur ein öffentliches Informationsinteresse an der Berichterstattung über den Vorgang, sondern gerade auch an der Identität der beteiligten Personen besteht.58 Das Interesse an der Identität der Beteiligten könnte durch den Charakter einer Gerichtsverhandlung als öffentliche Sitzung verstärkt sein. Im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung treten nämlich nicht nur Informationen zur Sache, sondern auch zur Person der Beteiligten zu Tage. Allerdings leitet sich daraus im Hinblick auf die Funktionen des Öffentlichkeitsgrundsatzes – Kontrolle, Information, Vertrauen und Akzeptanz59 –, die auch ohne Identifikation erfüllt werden können, nicht zwingend ein gesteigertes berechtigtes Interesse an einer Identifikation ab.60 Im Einzelfall kann die Abwägung aber dazu führen, dass eine identifizierende Berichterstattung nicht nur zulässig, sondern sogar geboten ist. Dies wird im Rahmen der Kriminalberichterstattung etwa in Fällen schwerer Kriminalität oder bei Straftaten, die die Öffentlichkeit besonders berühren, angenommen.61 Daneben gibt es Situationen, in denen gerade mit der Person des Beschuldigten und seiner Stellung in der Öffentlichkeit ein besonderer Informationswert verbunden ist.62 Ein besonderes Interesse an der Identität des Betroffenen besteht vor allem auch an zurückliegenden Vorgängen von historischer Relevanz. Hier besteht oftmals nicht nur ein Interesse an der Thematik, sondern auch an der Person eines möglichen Beteiligten.63 Zu denken wäre etwa an eine Berichterstattung über Vorgänge aus der Zeit der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten oder Taten der RAF-Terroristen. Im Zivilprozess oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird das Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung regelmäßig zu 55
Vgl. zu den Abwägungskriterien Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (265). von Coelln, ZUM 2001, 478 (483). 57 BGH NJW 2000, 1036 (1037 f.). 58 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 17 Rn. 7; Schertz, NJW 2013, 721 (723 f.). 59 Vgl. dazu oben, Teil 1 B. III. 60 Im Hinblick auf das Strafverfahren Haarmann, Die individualisierende Verdachtsberichterstattung über den Beschuldigten eines Strafverfahrens, 2012, S. 210. 61 BGH NJW 2000, 1036 (1038); Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (266 f.). 62 Lehr, AfP 2013, 7 (9 f.). 63 Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 158. 56
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
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verneinen sein. Hier geht es um Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Privaten oder einem Privaten und dem Staat. Es geht oftmals um Sachverhalte, die der privaten Sphäre entstammen und denen einzig und allein durch die Verfahrensöffentlichkeit Bezug zur Öffentlichkeit zukommt. Das Informationsinteresse bezieht sich hier auch seltener auf die beteiligten Personen, sondern vielmehr auf die verhandelten Themen. In der Rechtsprechung sind einige Kriterien für die Abwägung herausgearbeitet worden.64 Diese Kriterien ähneln denjenigen, die zu den §§ 22, 23 KUG entwickelt wurden.65 Es ist jedoch zu beachten, dass bei der Veröffentlichung des Bildnisses einer Person eine Vermutung für die Unzulässigkeit der Veröffentlichung gilt. Bei der Namensnennung im Rahmen einer tagesaktuellen Gerichtsberichterstattung ist dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis hingegen umgekehrt.66 Eine absolute Grenze lässt sich allerdings nicht ziehen. Es muss ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse gerade an dem identifizierenden Merkmal, wie etwa dem Namen, bestehen.67 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bietet Schutz vor einer Verletzung der Privat- und Intimsphäre, sowie vor herabsetzenden und ehrverletzenden Äußerungen.68 Wahre Tatsachenbehauptungen müssen grundsätzlich hingenommen werden.69 Die personenbezogene Berichterstattung beeinträchtigt nicht von vornherein das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das nämlich kein Recht des Einzelnen beinhaltet, lediglich in dem Umfang dargestellt und nur dann Gegenstand öffentlicher Berichterstattung zu werden, „wenn und wie er es wünscht“.70 Wenn die Darstellung der Wahrheit allerdings einen Persönlichkeitsrechtsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Mitteilung der Wahrheit steht, kann auch eine solche Berichterstattung unzulässig sein.71 Dies wäre etwa dann der Fall, wenn eine Aussage – auch wenn sie wahr ist – eine Stigmatisierung der betreffenden Person nach sich ziehen und zur Ausgrenzung und Isolation führen würde.72 Dies gilt vor allem für das Strafverfahren, genauso aber auch für alle anderen Verfahren – etwa Ehe- oder Sorgerechtsstreitigkeiten und arbeitsgerichtliche Verfahren –, die das Potential bergen, eine Person mit einem schweren Makel zu belegen.73 64
Vgl. dazu BVerfG NJW 2009, 3357 (3358) m.w. N. Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, 10. Kap. Rn. 190. 66 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 17 Rn. 10; Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (267); a. A. Schertz, NJW 2013, 721 (723 f.). 67 Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, 10. Kap. Rn. 190. 68 BVerfG NJW 2012, 756 (757). 69 BVerfGE 94, 1 (8); 97, 391 (403); 99, 185 (196). 70 BVerfG NJW 2012, 756 (757). 71 BVerfGE 97, 391 (403 f.); 99, 185 (196 f.). 72 BVerfGE 97, 391 (404 f.); BVerfG NJW 2009, 3357 (3358). 73 Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 205. 65
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
3. Besonderheiten bei der Berichterstattung über Strafverfahren Wesentliche Kriterien hinsichtlich der Zulässigkeit einer Berichterstattung über Strafverfahren hat das Bundesverfassungsgericht in der „Lebach-Rechtsprechung“ entwickelt. a) Abwägungskriterien nach der Lebach-Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass durch die identifizierende Berichterstattung über Strafverfahren das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Straftäters beeinträchtigt werde,74 von welchem auch die Darstellung der eigenen Person umfasst ist und damit das Recht eines jeden, selbst und allein bestimmen zu können, inwieweit andere sein Lebensbild oder Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen.75 Vor allem eine um Objektivität und Sachlichkeit bemühte Berichterstattung durch das Fernsehen führe in der Regel zu einem weitaus schwereren Eingriff in die Privatsphäre als eine Wort- oder Schriftberichterstattung.76 Ein absoluter Schutz besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts allerdings nicht. Sobald der Einzelne etwa durch sein Verhalten auf andere einwirkt und dadurch die persönliche Sphäre eines Anderen oder Belange der Gemeinschaft berührt, können sich Beschränkungen seines Privatbereichs ergeben, solange dadurch nicht der unantastbare innerste Lebensbereich betroffen ist.77 Allerdings könne weder das Interesse an der Aufklärung einer Straftat noch ein sonstiges öffentliches Informationsinteresse von vornherein den Zugriff auf den Persönlichkeitsbereich begründen.78 Etwas anderes gelte allerdings dann, wenn die Berichterstattung gerade mit dem Ziel erfolge, Verständnis für den Täter zu wecken, etwa um eine Wiederaufnahme seines Verfahrens oder einen Gnadenakt zu ermöglichen.79 Insbesondere im Bereich der Gerichtsberichterstattung über Strafverfahren sprechen erhebliche Belange für die Einbeziehung auch der Person des Täters.80 Die zulässige aktuelle Berichterstattung über eine schwere Straftat würde insoweit nicht nur die Namensnennung und Abbildung des Täters rechtfertigen, sondern grundsätzlich auch die Nennung von Informationen über sein persönliches Leben, die einen unmittelbaren Zusammenhang zur begangenen Tat aufweisen,
74
BVerfGE 35, 202 (219 f., 226). BVerfGE 35, 202 (220). 76 BVerfGE 35, 202 (226 f.). 77 BVerfGE 35, 202 (220). 78 BVerfGE 35, 202 (220 f.). 79 BVerfGE 35, 202 (226). 80 BVerfGE 35, 202 (230 f.); BVerfG NJW 1993, 1463 (1464); ZUM 2006, 747 (748). 75
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
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Aufschlüsse über Motive ermöglichen und für die Bewertung der Schuld als wesentlich erscheinen.81 Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist.82 Aus der Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung, der Beeinträchtigung von Individual- oder Gemeinschaftsgütern, der Sympathie mit den Opfern und ihren Angehörigen, der Furcht vor Wiederholungen entsprechender Straftaten und dem Bestreben, dem vorzubeugen, lasse sich ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über die Tat, insbesondere aber auch den Täter begründen.83 Diesem Informationsinteresse komme umso mehr Gewicht zu, je mehr sich Art und Intensität der begangenen Straftat von der gewöhnlichen Kriminalität abheben.84 Neben allgemeiner Sensationslust und Neugierde gibt es ernstzunehmende Gründe wie zum Beispiel der Wunsch nach Kenntnis von reinen Tatsachen hinsichtlich des Tatgeschehens oder mit zeitlichem Abstand das Interesse an tiefgreifenderen Interpretationen, Hintergründen und gesellschaftsbedingten Voraussetzungen der Tat.85 Nicht zuletzt begründet auch das demokratische Bedürfnis nach Kontrolle der mit der Aufklärung von Straftaten betrauten Staatsorgane ein legitimes Informationsinteresse.86 Diese Annahmen gelten nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht schrankenlos. So existiert ein unantastbarer innerer Lebensbereich, auf den Rücksicht zu nehmen ist. Der Einbruch in die private Sphäre dürfe nicht weitergehen, als dies zur Befriedigung des legitimen öffentlichen Informationsinteresses notwendig ist. Dabei müssen die sich für den Straftäter ergebenden Nachteile in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der begangenen Tat und der Bedeutung der Tat für die Öffentlichkeit stehen.87 Eine identifizierende Berichterstattung sei damit insbesondere in Fällen leichter Verfehlungen oder bei jugendlichen Straftätern insoweit nicht ohne weiteres zulässig.88 Der Persönlichkeitsschutz erlaube hingegen nicht – und hierin ist eine wesentliche Kernaussage der „Lebach-Entscheidung“ zu sehen –, dass sich die Medien über eine tagesaktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der Person des Täters und seiner Privatsphäre befassen. Nachdem das allgemeine Informationsinteresse befriedigt ist, gewinne insoweit das sich aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergebende Recht, „allein gelassen zu werden“, zu81
BVerfGE 35, 202 (232). BVerfGE 35, 202 (230). 83 So BVerfGE 35, 202 (231); BVerfG NJW 2009, 3357 (3358); Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 205. Enger demgegenüber Lampe, NJW 1973, 217 (218 f.). 84 BVerfGE 35, 202 (231). 85 BVerfGE 35, 202 (231); BVerfG NJW 2009, 3357 (3358). 86 BVerfGE 35, 202 (231). 87 BVerfGE 35, 202 (232); BVerfG NJW 2009, 3357 (3358). 88 BVerfGE 35, 202 (232); BVerfG NJW 2009, 3357 (3358). 82
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
nehmend wieder an Bedeutung.89 Maßgeblicher Orientierungspunkt für die Beschreibung der zeitlichen Grenze sei der Moment, in dem das Interesse an der Resozialisierung des Täters wächst, denn dieser müsse nach Verbüßung der Tat die Chance erhalten, sich wieder in die Gemeinschaft einzugliedern.90 Ein absoluter Schutz vor der Darstellung persönlichkeitsrelevanter Informationen sei damit allerdings nicht gemeint. Es komme darauf an, in welchem Maß eine Berichterstattung die Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen könne und insoweit die Resozialisierung gefährdet sei.91 Ausnahmen hiervon seien weiterhin nur bei überragendem historischen oder wissenschaftlichen Interesse denkbar.92 b) Rechtliche Würdigung und Präzisierung der Abwägungskriterien Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts verdienen Zustimmung, bedürfen vereinzelt aber auch der Präzisierung. aa) Kein Urheberrecht an eigenen Lebensereignissen Einer Klarstellung bedarf es etwa, wenn das Bundesverfassungsgericht ausführt, dass jedermann grundsätzlich selbst und allein bestimmen dürfe, ob und wieweit andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen.93 Es gibt kein verfassungsrechtlich verbürgtes Urheberrecht an eigenen Lebensereignissen und insoweit keine kraft seines Herrührens aus dem Leben einer bestimmten Person bestehende Dispositionsbefugnis, da das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einen strikten Bezug zum Individuum aufweist.94 Ein verurteilter Straftäter genießt insoweit nicht bereits Schutz davor, dass sich die Medien mit seiner Tat beschäftigen. Vom Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nur die Beschäftigung der Medien mit der Person des Täters umfasst.95 Man wird zwar einwenden können, dass es regelmäßig nicht gelingen wird, eine Tat nur so zu beschreiben, dass die beteiligten Personen, insbesondere der Täter, nicht identifizierbar sind. Für die Eröffnung des Schutzbereichs des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts reicht es allerdings noch nicht aus, dass ein Mensch anders dargestellt wird, als es seinem Selbstbild entspricht. Der Persönlichkeitsschutz greift insoweit erst, wenn dieses Selbstbild gefährdet wird.96 89 90 91 92 93 94 95 96
BVerfGE 35, 202 (233). BVerfGE 35, 202 (235 f.). BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). BVerfGE 35, 202 (238). BVerfGE 35, 202 (220). So von Coelln, ZUM 2001, 478 (480). von Coelln, ZUM 2001, 478 (480). von Coelln, ZUM 2001, 478 (480) unter Verweis auf BVerfGE 97, 391 (401).
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
237
bb) Kein grundsätzliches Verbot einer Berichterstattung über zurückliegende Straftaten Letztlich gibt es daher keinen generellen Grundsatz, dass Medien über länger zurückliegende Straftaten nicht mehr berichten dürfen. Der Täter wird ein Recht, „in Ruhe gelassen zu werden“, nur für sich in Anspruch nehmen können, wenn das Persönlichkeitsrecht in seinem Würdekern betroffen ist.97 Anders als in der ersten „Lebach-Entscheidung“, in der das Bundesverfassungsgericht noch formulierte, dass eine zeitlich unbeschränkte Befassung mit dem Täter und der Tat unzulässig sei,98 weist das Gericht in der zweiten „Lebach-Entscheidung“ auf das Erfordernis der Betroffenheit des Würdekerns auch hin. Der Täter könne daher zumindest keine vollständige Immunisierung von der Darstellung persönlichkeitsrelevanter Ereignisse beanspruchen.99 Für die Abwägung bedeutet dies, das nicht das zeitliche Moment das entscheidende Kriterium ist, sondern vielmehr das Gewicht der Beeinträchtigung des Einzelnen durch eine Berichterstattung.100 Wenn ein verurteilter Straftäter allerdings kurz vor der Haftentlassung steht, dann kann eine Berichterstattung mitunter eine erhebliche Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen, soweit die Resozialisierung und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefährdet werden. Gleiches kann dann aber auch für die prozessbegleitende Berichterstattung und jene im Vorfeld eines Strafverfahrens gelten, wenn der Persönlichkeitsschutz nicht durch das Resozialisierungsinteresse konkretisiert, sondern durch die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Unschuldsvermutung bestimmt wird.101 Insoweit kann festgehalten werden, dass jedenfalls bei schweren Gewaltverbrechen auch lange Zeit nach der Tat noch ein öffentliches Informationsinteresse, das über reine Sensation und Neugierde hinausgeht, regelmäßig anzunehmen ist. Bei weniger schwer wiegenden Delikten bleibt es bei einer Beschränkung auf eine tagesaktuelle Berichterstattung.102 cc) Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung Die Frage, ob man identifizierend über ein Strafverfahren berichten darf, ist eine Abwägungsfrage. Absolute Ergebnisvorgaben sind damit ausgeschlossen.103
97
So von Coelln, ZUM 2001, 478 (486). BVerfGE 35, 202 (233). 99 BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). 100 Cole, NJW 2001, 795 (796). 101 So Bornkamm, NStZ 1983, 102 (104). 102 Alexander, ZUM 2011, 382 (388). 103 Alexander, ZUM 2011, 382 (388). 98
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Dabei muss den miteinander kollidierenden Grundrechten im Wege praktischer Konkordanz zu optimaler Wirksamkeit verholfen werden.104 Im Rahmen einer Abwägung kommt es zunächst auf die Intensität der Verletzung eines Verfassungsrechtsgutes an.105 Je intensiver die Beeinträchtigung ist, desto schutzwürdiger ist das betroffene Gut.106 Es muss daher festgestellt werden, ob eines der beiden Grundrechte lediglich in seinem Rand- oder sogar in seinem Kernbereich betroffen ist.107 Insoweit wäre zunächst zu klären, ob die identifizierende Berichterstattung geeignet ist, den Betroffenen in seiner Privatoder Intimsphäre oder lediglich der Sozialsphäre zu beeinträchtigen.108 Die Medienfreiheiten schützen alle Arten der Betätigung von der Sammlung der Information bis zu ihrer Verbreitung.109 Da die Intensität des Eingriffs schutzbereichsbezogen zu bestimmen ist,110 führt gerade die Verhinderung einer ganzen Berichterstattung zu einer schweren Beeinträchtigung. Geht es um die Rundfunkfreiheit, die im Kern Programmfreiheit ist,111 ist das Grundrecht, sofern die Ausstrahlung einer ganzen Sendung untersagt wird, in seinem Kerngehalt betroffen.112 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht kann hingegen nach Art der Berichterstattung unterschiedlich stark beeinträchtigt werden. So wird eine Fernsehberichterstattung in Form eines Dokumentarspiels unter Abbildung und Darstellung des Täters im Vergleich zu einer reinen Textberichterstattung einen Eingriff von deutlich höherer Intensität darstellen.113 Zu einer Abmilderung der Eingriffsintensität führt insoweit dann das Weglassen des Namens oder anderer einzelner identifizierender Umstände.114 Zu bedenken ist auch, dass das unmittelbare regionale Umfeld eines Straftäters diesen viel schneller und auf Grundlage nur we-
104 Vgl. dazu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 82 II. 4. c); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 117 ff. Vom Bundesverfassungsgericht wurde dieser Kollisionslösungsmechanismus auch in der „Lebach-Entscheidung“ (BVerfGE 35, 202 [225]) angewandt. 105 Hillgruber, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, § 201 Rn. 73. 106 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 82 IV. 8. b). 107 BVerfGE 119, 1 (29); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 82 IV. 8. c); von Coelln, ZUM 2001, 478 (485); Hillgruber, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, § 201 Rn. 73. 108 Vgl. zur Sphärentheorie BVerfGE 89, 69 (82 f.); 119, 1 (29 f.). Kritisch dazu Kube, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 86 ff. 109 Fechner, in: Stern/Becker (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 141. 110 von Coelln, ZUM 2001, 478 (485). 111 BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). Vgl. dazu auch bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. b) dd) (2) (b). 112 von Coelln, ZUM 2001, 478 (485). 113 BVerfGE 35, 202 (226 f., 239). 114 So von Coelln, ZUM 2001, 478 (486).
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niger Anhaltspunkte identifizieren kann als andere nicht aus diesem Umfeld stammende Rezipienten. Problematisch ist weiterhin die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, die Berichterstattung über (vergangene) Straftaten berühre per se die nur schwer einschränkbare Intim- oder Privatsphäre des Täters.115 Die Berufung auf das „Recht auf Selbstbewahrung“,116 das ein Eindringen in den Bereich der Privatsphäre nur unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gestattet, ist insoweit nicht von vornherein geeignet, eine Berichterstattung zu verhindern. Denn gerade ein Kapitalverbrechen, das einen erheblichen Bezug zur Sozialsphäre aufweist, kann weder in einer tagesaktuellen noch in einer zeitlich nachfolgenden Betrachtung zur reinen Privatangelegenheit des Täters erklärt werden.117 Im Übrigen sollte mit der Anwendung der Sphärentheorie Vorsicht geboten sein: So gibt es auch der Intim- oder Privatsphäre zuzuordnende Sachverhalte – zu denken ist etwa an Sexualdelikte –, die im höchsten Maße von gesellschaftlicher Relevanz sein können. Auf der anderen Seite sind auch der Sozialsphäre zuzuordnende Informationen vorstellbar, die geeignet sind, einen erheblichen Persönlichkeitsschaden anzurichten.118 Zu denken ist etwa an eine nicht anonymisierte Bildberichterstattung über einen Strafprozess und die stigmatisierende Wirkung der Verbreitung eines Bildes des Angeklagten auf der Anklagebank. dd) Das Veranlassungsprinzip als Kriterium zur Auflösung der Grundrechtskollision Als weiteres Prinzip zur Gewichtung von Grundrechten ist das „Veranlassungsprinzip“ zu nennen. Derjenige, der einen Interessenskonflikt veranlasst hat, muss sich die Zurücksetzung der eigenen Interessen gefallen lassen.119 Insoweit stellt auch das Bundesverfassungsgericht in der „Lebach-Rechtsprechung“ darauf ab, dass derjenige, der den Rechtsfrieden breche, nicht nur mit den strafrechtlichen Sanktionen leben, sondern daneben auch das durch seine Tat erregte öffentliche Informationsinteresse hinnehmen müsse.120 Das öffentliche Informationsinteresse ist umso gewichtiger, je mehr sich die Tat in der Art ihrer Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt.121 Dies wird man wohl für die tagesaktuelle Berichterstattung über einen gerade verurteilten Straftäter annehmen können. Denn betrachtet man eine Berichterstattung im Vorfeld 115
BVerfGE 35, 202 (226 f., 232 f.). Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa) (2) (a) (bb). 117 von Coelln, ZUM 2001, 478 (481). 118 So Kube, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 87. 119 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 82 IV. 8. d). 120 BVerfGE 35, 202 (231 f.). 121 BVerfGE 35, 202 (230 f.); Alexander, ZUM 2011, 382 (388). 116
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
eines Strafprozesses, so lässt sich viel eher noch die Regel aufstellen, dass mit der Schwere der vorgeworfenen Tat nicht nur das öffentliche Informationsinteresse steigt, sondern auch die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung des noch nicht verurteilten Angeklagten zunimmt, für den bis zu seiner Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt.122 ee) Der Öffentlichkeitsgrundsatz als Indiz für die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung Wie bei den Überlegungen zur funktionstheoretischen Fundierung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bereits erörtert, soll der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit nicht mehr nur den Schutz des Angeklagten vor staatlicher Willkür gewährleisten, sondern vor allem das öffentliche Informationsbedürfnis befriedigen.123 Insoweit ist die Tatsache, dass öffentlich verhandelt wird, bei einer tagesaktuellen Berichterstattung über eine Hauptverhandlung ein Indiz dafür, dass der Angeklagte die Offenlegung seiner Identität hinnehmen muss.124 Dies dient wohlgemerkt nur als Indiz, da dem öffentlichen Informationsinteresse oftmals auch mit einer anonymisierten Berichterstattung genüge getan ist.125 Es bleibt damit dabei, dass auch im Rahmen einer Berichterstattung über eine gerichtliche Hauptverhandlung gerade ein öffentliches Informationsinteresse an der Identität des Täters begründet werden muss. ff) Zusammenfassung Ob über ein Strafverfahren identifizierend berichtet werden darf, ist eine im Einzelfall vorzunehmende Abwägungsentscheidung. Dabei muss ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse gerade an der Person des Täters geltend gemacht werden. Dieses berechtigte öffentliche Informationsinteresse kann im Laufe der Zeit – auch vor dem Hintergrund des Interesses an Resozialisierung – verblassen. Ein verurteilter Straftäter hat aber kein absolutes Recht, mit seiner Tat nach Verbüßung der Strafe dauerhaft in Ruhe gelassen zu werden, wenn auch zu dieser Zeit ein berechtigtes Informationsinteresse an seiner Person begründet werden kann. Jedenfalls besteht kein (Urheber-)Recht des Täters an seiner Tat, sodass die Medien auch nach Jahren (wenn auch in der Regel nicht identifizierend) über die Tat berichten dürfen.
122
Bornkamm, NStZ 1983, 102 (105). Vgl. dazu oben, Teil 1 B. III. 124 Bornkamm, NStZ 1983, 102 (105). Vgl. dazu auch Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 42 ff. 125 Bornkamm, NStZ 1983, 102 (105). 123
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
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c) Die Archivrechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Erweiterung der Lebach-Rechtsprechung aa) Grundsätze der Archivrechtsprechung Nach der „Archivrechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs126 ist es grundsätzlich zulässig, Berichte mit Bildnissen, die zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung rechtmäßig waren, nach erneuter aktueller Interessenabwägung allerdings nicht mehr veröffentlicht werden dürften, dauerhaft in einem Online-Archiv zum Abruf bereit zu halten, solange für den Rezipienten ersichtlich ist, dass es sich um eine Altmeldung handelt.127 Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs fällt nämlich zugunsten der Online-Archive ins Gewicht, dass nicht nur ein Informationsinteresse an aktueller Information, sondern auch an der Möglichkeit bestehe, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren: „Ein generelles Verbot der Einsehbarkeit und Recherchierbarkeit beziehungsweise ein Gebot der Löschung aller früheren den Straftäter identifizierenden Darstellungen in ,Onlinearchiven‘ würde dazu führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig immunisiert würde“.128 Der Bundesgerichtshof betont zwar, dass mit zeitlicher Distanz zur Straftat das Interesse des Täters, von einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmend an Bedeutung gewinnt.129 Allerdings führe selbst die Verbüßung der Strafhaft nicht dazu, dass der Täter ein absolutes Recht erwirbt, mit der Tat allein gelassen zu werden. Entscheidend komme es stets darauf an, in welchem Umfang das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung im Einzelfall beeinträchtigt wird.130 Ein Verbot hätte zudem einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Pressefreiheit und würde den freien Informations- und Kommunikationsprozess einschnüren.131 Weiterhin bestehe aber auch keine Verpflichtung dazu, Altmeldungen aufgrund Zeitablaufs zu anonymisieren.132 Vorausgesetzt wird lediglich, dass die Altmeldung nur passiv abrufbar und damit nur für ein interessiertes, sich selbst informierendes Publikum recherchierbar ist und nicht aktiv von dem publizierenden Medium in den Vordergrund gestellt wird.133 Es ergebe sich auch nichts anderes aus den techni-
126 BGHZ 183, 353; BGH NJW 2010, 2432; NJW 2010, 2728; NJW 2010, 2432; AfP 2011, 180; NJW 2012, 2197; NJW 2013, 229; ZUM 2013, 399. Vgl. zur neueren Entwicklung auch Koreng, AfP 2015, 514 (514 f.). 127 Vgl. etwa BGH NJW 2010, 2432 (2433 f.). 128 BGH NJW 2010, 2432 (2435). 129 BGH NJW 2010, 2432 (2433 f.). 130 BGH NJW 2010, 2432 (2433 f.). 131 BGH NJW 2010, 2432 (2435). 132 BGH ZUM 2013, 399 (401). 133 BGH ZUM 2013, 399 (401). So auch bereits BGH NJW 2013, 229 (232). Kritisch Ruttig (AfP 2013, 372 [375]) und Härting (CR 2009, 21 [21 ff.]), die darauf ver-
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
schen Nutzungsmöglichkeiten des Internets und den dort kostenlos verfügbaren, „hoch effizient arbeitenden Suchmaschinen“.134 Die technischen Möglichkeiten des Internets würden es zudem nicht rechtfertigen, die Zugriffsmöglichkeiten auf Originalberichte über besondere zeitgeschichtliche Ereignisse nur auf solche Personen zu beschränken, die besonderen (uneingeschränkten) Zugang zu Print-Archiven haben.135 Der Bundesgerichtshof geht damit von einem Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person durch das Bereithalten von Altmeldungen im Internet aus, hält diesen jedoch für gerechtfertigt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont ebenfalls, dass das „von Inhalten und der Kommunikation im Internet ausgehende Risiko der Verletzung von Grundrechten und Grundfreiheiten, insbesondere der Achtung des Privatlebens“ eindeutig höher ist als das von der Presse ausgehende Risiko. Dies hat nach Auffassung des Gerichts zur Folge, dass sich „die Regeln der Wiedergabe von Inhalten aus Printmedien von denen aus dem Internet unterscheiden“.136 Allerdings hebt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch die Bedeutung von Online-Archiven „zum Bewahren und zugänglich Machen von Nachrichten und Informationen“ hervor. Es handele sich um wichtige Quellen für das Bildungswesen und für historische Recherchen.137 Eine vollständige Entfernung des betreffenden Artikels aus einem Online-Archiv sei insoweit vergleichbar mit „der Umschreibung von historischen Tatsachen“.138 Für das Vorhalten von Altmeldungen in Online-Archiven spricht damit die gesellschaftliche Bedeutung der Recherchierbarkeit und Bereithaltung solcher Meldungen wegen des hieran bestehenden enormen öffentlichen Informationsinteresses.139 bb) Rechtliche Würdigung Die zunehmende Personalisierung in der Berichterstattung, die der Authentizität der Darstellung dienen soll,140 führt dazu, dass sich gerade medienunerfahrene Personen mit Persönlichkeitsrechtsverletzungen konfrontiert sehen, die oftmals nicht mehr mit den Kategorien Schmähung, Unwahrheit oder Pranger
weisen, dass eine entsprechende Recherche mittels Suchmaschinen innerhalb kürzester Zeit zu einem Ergebnis führen könne. 134 BGH ZUM 2013, 399 (401). 135 BGH ZUM 2013, 399 (401). 136 EGMR AfP 2014, 517 (518 f.). 137 EGMR AfP 2014, 517 (519). 138 EGMR AfP 2014, 517 (519). Ähnlich argumentiert auch der Bundesgerichtshof (BGHZ 183, 353 [361 f.]), der von einer Tilgung der Geschichte und einer vollständigen Immunisierung des Straftäters spricht, auf die dieser keinen Anspruch hätte. 139 Vgl. dazu auch Mann, K&R 2013, 553 (556); Haug, AfP 2014, 503 (504). 140 Bornkamm, NStZ 1983, 102 (103).
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
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bewältigt werden können.141 In den „Lebach-Entscheidungen“ des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1973 und 1999142 zur Namensnennung von (verurteilten) Straftätern spielten Aspekte des digitalen Zeitalters in der rechtlichen Wertung noch keine Rolle.143 Diesen Transfer hat der Bundesgerichtshof nunmehr in der oben dargestellten Kette von Entscheidungen vorgenommen. Die gefundenen Maßstäbe lassen sich wie folgt zusammenfassen: Voraussetzung für das zulässige Bereithalten von Altmeldungen in einem Online-Archiv ist, dass es sich um eine ursprünglich rechtmäßige Berichterstattung handelt, die Meldung lediglich passiv verbreitet wird und die Meldung als Altmeldung auch erkennbar ist.144 Die Schwere des Tatvorwurfs spielt in der rechtlichen Wertung keine Rolle. Entscheidend ist für den Bundesgerichtshof vielmehr die eigenständige gesellschaftliche Bedeutung von Online-Archiven für das Zugänglichmachen zeitgeschichtlicher Ereignisse145 und ihre steigende ökonomische Bedeutung für Medien- und Presseunternehmen.146 Nachfolgend soll überprüft werden, ob der Bundesgerichtshof die Vorgaben der „Lebach-Entscheidung“ konsequent umgesetzt hat, und dargelegt werden, wie ein alternativer, allen Interessen gerecht werdender Lösungsansatz aussehen könnte. (1) Tagesaktuelle Berichterstattung oder Reaktualisierung vergangener Vorgänge in Online-Archiven? Klärungsbedürftig ist zunächst die Frage, ob es sich bei dem Bereithalten von Altmeldungen in einem Online-Archiv überhaupt um eine zulässige „tagesaktuelle Berichterstattung“ 147 handelt. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass von einer rein tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Verfahrensabschluss ein Ende findet, keine schwerwiegende stigmatisierende Wirkung ausgehen würde. Mit einer dauerhaften oder über einen längeren Zeitraum anhaltenden sozialen Ausgrenzung müsse in solchen Fällen daher nicht gerechnet werden.148 Online-Archive stellen keine Neuveröffentlichungen dar: Dafür spricht, dass die betreffenden Informationen nicht aktiv in den Vordergrund gestellt und an den Rezipienten herangetragen, sondern lediglich zum Abruf bereit gehalten werden.149 Weiterhin wird gerade durch die Ausweisung als Archiv für den Nutzer 141 142 143 144 145 146 147 148 149
Ladeur, AfP 2010, 224 (225). BVerfGE 35, 202; BVerfG NJW 2000, 1859. Ruttig, AfP 2013, 372 (372). Vgl. dazu von Walter, K&R 2013, 41 (43). von Walter, K&R 2013, 41 (42 f.). Libertus, MMR 2007, 143 (148). BVerfGE 35, 202 (231). BVerfG NJW 2009, 3357 (3358). von Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102 (107).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
erkennbar, dass es sich nicht um eine Folgeberichterstattung, sondern lediglich um eine aus der Vergangenheit stammende Berichterstattung handelt.150 Diese Betrachtungsweise erscheint jedoch zu formal. (Alt-)Meldungen in einem Online-Archiv sind nicht tagesaktuell.151 Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg könne es nur darauf ankommen, ob die identifizierende Altmeldung gegenwärtig verbreitet werde oder nicht.152 Es handelt sich insoweit um Berichterstattung, deren Verbreitung mit dem Abschluss des Verfahrens und durch das Bereithalten in einem Archiv kein Ende findet. Durch jeden erneuten Abruf einer Altmeldung werden vergangene Vorgänge reaktualisiert. Für den Rezipienten wird es keinen Unterschied machen, ob er einen neuen Bericht oder die archivierte ursprüngliche Berichterstattung über ein zurückliegendes Strafverfahren liest. Zudem können Inhalte dem Nutzer durch Suchmaschinen innerhalb von Sekundenbruchteilen zur Verfügung gestellt werden und behalten daher „fortwährende Aktualität und Gegenwart“.153 Daher ist gerade in diesen nicht seltenen Fällen, in denen Archivmeldungen über Suchmaschinen leicht auffindbar sind, zu befürchten, dass die Betroffenen eben doch mit einer lang anhaltenden sozialen Ausgrenzung rechnen müssen. Die zeitlich unbeschränkte Abrufbarkeit identifizierender Archivmeldungen stellt eine unzulässige Befassung der Medien mit der Person des Beschuldigten dar.154 Archivmeldungen sind daher keine „tagesaktuellen Meldungen“, sondern führen zu einer Reaktualisierung vergangener Vorgänge. (2) Online-Archive als passive Darstellungsplattformen? Mögen Online-Archive in der Diktion des Bundesgerichtshofs auch passiv gestaltete Darstellungsplattformen sein, deren Inhalte nicht aktiv in den Vordergrund gerückt werden, so wird übersehen, dass die Indexierung durch Suchmaschinen die Auffindbarkeit von Altmeldungen bedeutend erleichtert hat. Dies wurde bei der Frage der Breitenwirkung von Online-Archiven in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nie ernsthaft thematisiert.155 Wenn der Bundesgerichtshof von nur „geringer Breitenwirkung“ ausgeht und darauf abstellt, dass eine „gezielte Suche“ erforderlich sei, spricht einiges dafür, dass die betreffenden Beiträge nicht von Suchmaschinen indexiert wurden.156 Ein digitales Archiv darf insoweit nicht mit einem herkömmlichen Archiv verwechselt werden. Richtig ist, dass Informationen in einem klassischen Archiv ohne ge150 151 152 153 154 155 156
Libertus, MMR 2007, 143 (148). So auch Reich, K&R 2013, 44 (45). OLG Hamburg ZUM 2009, 232 (233 f.). Kummermehr/Peter, NJ 2015, 474 (476). Kirchberg, GRUR-Prax 2013, 237 (238). So Himmelsbach, K&R 2013, 82 (82). Vgl. auch Ruttig, AfP 2013, 372 (374 f.). Himmelsbach, K&R 2013, 82 (82).
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
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zielte Suche kaum zur Kenntnis genommen werden.157 Hat eine Indexierung von Altmeldungen in einem Online-Archiv jedoch stattgefunden und gelangt man bereits durch die Eingabe eines Namens in eine beliebige Suchmaschine zu relevanten Suchergebnissen, so kann dort von einer geringen Breitenwirkung keine Rede mehr sein.158 Dem Vorgang der Indexierung, der von dem Betreiber eines Online-Archivs unterdrückt werden könnte, kommt insoweit eine aktive Komponente zu. Im Rahmen der Güterabwägung muss daher auch berücksichtigt werden, ob die beanstandeten Altmeldungen von Suchmaschinen indexiert werden können und durch die Eingabe des Namens der betroffenen Person ohne größeren Rechercheaufwand leicht auffindbar sind.159 (3) Bedeutung der spezifischen Wirkungen des jeweiligen Mediums Schon im Zusammenhang mit dem „Lebach-Fall“ wurde darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der spezifischen Mittel und Wirkungen des jeweiligen Mediums entschieden werden müsse, in welchem Umfang über eine Person der Zeitgeschichte berichtet werden dürfe.160 Die Besonderheit des „Lebach-Falles“ lag darin, dass die Breitenwirkung und Suggestivkraft des Fernsehens, gerade aber die gewählte Sendeform eines Dokumentarspiels, ein intensiveres Nacherleben und die Betonung emotionaler Komponenten hätte ermöglichen und dadurch beim Zuschauer stärkere und nachhaltigere Reaktionen verursachen können, als dies etwa durch eine reine Wort- oder Bildberichterstattung möglich gewesen wäre.161 Vergleichbare Gefahren lassen sich aber auch mit den Wirkungsweisen des digitalen Zeitalters begründen.162 Breitenwirkung wird im Internet durch die leichte Auffindbarkeit von Informationen durch hocheffizient arbeitende Suchmaschinen erzeugt:163 Zu einer zufälligen Reaktualisierung zurückliegender Umstände kommt es insbesondere dann, wenn sich Internetnutzer nicht aus einem zeitgeschichtlichen Interesse über eine Person informieren, sondern wenn sie mit der betreffenden Person geschäftlich oder privat zu tun haben.164 Bei der Recherche 157
Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 27. Härting, CR 2009, 21 (23); Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 29; a. A. BGHZ 183, 353 (360 f.). 159 So auch Kirchberg (GRUR-Prax 2013, 237 [239]), der eine nur geringe Breitenwirkung von Online-Archiven als nicht (mehr) gegeben ansieht. 160 Vgl. dazu Ruttig, AfP 2013, 372 (373) unter Verweis auf BVerfGE 35, 202 (214). 161 BVerfGE 35, 202 (228 f.). 162 Vgl. dazu Caspar, JZ 2011, 211 (212). 163 Härting, CR 2009, 21 (23). 164 OLG Hamburg K&R 2015, 668 (670); Kummermehr/Peter, NJ 2015, 474 (476). Vgl. dazu auch Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 29; 41 f. 158
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sind dabei keine über den Namen hinausgehenden Vorkenntnisse erforderlich.165 Eine Bewerbung auf eine neue Arbeitsstelle, ein sich anbahnendes Geschäft, eine Beziehung im Privaten sind Situationen, die durch eine in Sekundenschnelle zu einem Ergebnis führende Suchabfrage über eine Internet-Suchmaschine gefährdet werden könnten.166 Die privaten und beruflichen Folgen, die Altmeldungen mit sich bringen können, sind immens und haben in der Abwägung bislang zu wenig Berücksichtigung gefunden.167 Damit geht auch von Altmeldungen in einem Online-Archiv – insbesondere durch das Zusammenspiel verschiedener Dienste – eine erhebliche Breitenwirkung aus.168 Die besondere Gefahr einer Abrufbarkeit von Altmeldungen in einem Online-Archiv liegt darin, dass abgeschlossene Vorgänge jederzeit und gerade dann, wenn sie für den Suchenden von Interesse sind, reaktualisiert werden können.169 Die Tatsache, dass eine Altmeldung nur mithilfe einer Suchmaschine auffindbar ist, begründet insoweit ein gegenüber anderen Formen von Publikationen erheblich intensiviertes Maß an Beeinträchtigung.170 Wäre es in einem der Archiv-Fälle nicht lediglich um Textbeiträge sondern um archivierte Filmbeiträge gegangen, in denen identifizierend über einen Straftäter berichtet worden wäre, so wäre die Güterabwägung sicherlich zugunsten des Betroffenen ausgefallen,171 da sich in diesem (noch nicht entschiedenen Fall) verschiedene Gefährdungslagen gegenseitig verstärken. Im Rahmen der Abwägung ist damit die konkrete Art der Wirkungsweise des jeweiligen Mediums zu berücksichtigen. Auch das Zusammenspiel verschiedener Dienste im Internet – etwa die Möglichkeit der Suche nach Informationen über bestimmte Personen „quer“ über alle indexierten Internetseiten mittels einer Suchmaschine172 – muss in der Abwägung entscheidendes Gewicht zukommen. Denn auch hiervon kann eine erhebliche Breitenwirkung ausgehen. Dadurch, dass der Bundesgerichtshof die „Lebach-Kriterien“ bislang nur modifiziert herangezogen hat, wird er der internetspezifischen Gefährdungslage, die jederzeit zu einer Reaktualisierung vergangener Vorgänge führen kann, nicht gerecht.173
165
Härting, CR 2009, 21 (23); Diesterhöft, ZJS 2010, 251 (254 f.). Reich, K&R 2013, 44 (45); Kirchberg, GRUR-Prax 2013, 237 (238). 167 Reich, K&R 2013, 44 (45). 168 Verweyen/Schulz, AfP 2008, 133 (138); Diesterhöft, ZJS 2010, 251 (255); a. A. BGHZ 183, 353 (361). 169 Kirchberg, GRUR-PRAX 2013, 237 (238). 170 LG Hamburg ZUM-RD 2007, 537 (540); Caspar, JZ 2011, 211 (212). 171 Ruttig, AfP 2013, 372 (376). 172 Diesterhöft, ZJS 2010, 251 (254); ders., Das Recht auf medialen Neuanfang, 2014, S. 68 f. 173 Caspar, JZ 2011, 211 (212); Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 68. 166
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(4) Recht auf Vergessenwerden Mit Online-Archiven findet eine Übertragung von personenbezogenen Informationen in das „kollektive Gedächtnis der Informationsgesellschaft“ 174 statt, das „die Gnade des Vergessens“ nicht kennt.175 Suchmaschinen erleichtern die Auffindbarkeit dieser Informationen. Wenn dem Einzelnen die Möglichkeit fehlt, ein Recht auf mediales Vergessen durchzusetzen, steht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht den Medienfreiheiten schutzlos gegenüber.176 Anfang 2014 setzte sich der Europäische Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren insbesondere mit der Frage auseinander, ob bestimmte Vorschriften der Datenschutzrichtlinie 177 dahingehend auszulegen seien, dass sich eine Person an einen Suchmaschinenbetreiber wenden kann, um die Indexierung personenbezogener Suchergebnisse zu verhindern, die auf der Internetseite eines Dritten veröffentlicht wurden, weil die betreffende Person – etwa aus Gründen der Reputation – will, dass sie vergessen werden, selbst wenn die Verbreitung der entsprechenden Informationen ursprünglich rechtmäßig war.178 Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs haben Suchmaschinen maßgeblich Anteil an der weltweiten Weiterverbreitung von personenbezogenen Daten.179 Der strukturierte Überblick über personenbezogene Informationen, den Suchmaschinen gewähren, ermöglicht ein mehr oder weniger detailliertes Profil einer Person.180 Der Europäische Gerichtshof hebt die aus der gesellschaftlichen Relevanz von Suchmaschinen resultierenden Gefahren hervor und kommt zu dem Schluss, dass sich aus dem europäischen Datenschutzrecht, insbesondere aus Art. 7 und Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRCh eine Löschungsverpflichtung des Betreibers einer Suchmaschine ergibt, wenn personenbezogenen Daten kein aktueller Bezug mehr zukommt und das Interesse am Vergessen dieser Informationen das wirtschaftliche Interesse des Suchmaschinenbetreibers, bestimmte Informationen anhand einer Namenssuche anzuzeigen und das öffentliche Informationsinteresse, überwiegt.181 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Information ursprünglich rechtmäßig oder rechtswidrig verbreitet wurde. Das „Recht auf Vergessenwerden“ entsteht mit Zeitablauf. Es bietet Schutz davor, dass Informationen nicht länger
174
Libertus, MMR 2007, 143 (148). Caspar, JZ 2011, 211 (212). 176 Caspar, JZ 2011, 211 (212). 177 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. 178 EuGH EuGRZ 2014, 320. 179 EuGH EuGRZ 2014, 320 (324). 180 EuGH EuGRZ 2014, 320 (324). 181 EuGH EuGRZ 2014, 320 (329 f.). 175
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aufbewahrt werden als dies erforderlich ist, es sei denn, ihre Aufbewahrung ist für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke erforderlich.182 Anders als der Bundesgerichtshof würdigt der Europäische Gerichtshof die spezifische Gefährdung der Persönlichkeit durch die fortwährende Möglichkeit, personenbezogene Daten mithilfe einer namensbasierten Suche aufzufinden, zutreffend.183 Auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes184 bietet dem Einzelnen in einem fortlaufenden Prozess eigener und fremder Identitätserwartungen und eigenem Verhalten die Möglichkeit, verschiedene, realistischerweise als erreichbar einzuschätzende „Identitätsoptionen“ offen zu halten.185 Nur wenn die Aussicht eigener Einflussnahmemöglichkeiten nicht verstellt wird, können „Identitätsoptionen“ erst ernsthaft in Betracht gezogen werden.186 Individuelle Freiheit – und dazu gehört auch die freie Persönlichkeitsentfaltung – „ist der immer neue Versuch des Selbstentwurfs in der Zeit“.187 Zu der zeitlichen Komponente, der „Gelingensbedingung“ 188 zählt auch die Chance des Vergessens.189 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist daher nicht nur auf die Abwehr falscher und entstellender Darstellungen beschränkt, sondern richtet sich auch gegen zutreffende „Fremdbilder“ und „Selbstzeugnisse“, wenn diese übermächtig zu werden drohen.190 Bei dem Recht auf Vergessenwerden kann es dabei nicht darum gehen, an dem präsenten Wissen einzelner Menschen anzusetzen, da der Staat den Einzelnen nicht daran hindern kann, bestimmte Fremdbilder über einen anderen zu besitzen und sich darüber mit seinem unmittelbaren Umfeld auszutauschen.191 Es geht nur darum, auf das „perfekte Gedächtnis des Internets“ einzuwirken192 und dem Einzelnen die Möglichkeit zu erhalten, „Fremdkonstruktionen seiner Persönlichkeit“ zu kontrollieren.193 182
EuGH EuGRZ 2014, 320 (329). So auch Diesterhöft, VBlBW 2014, 370 (371). 184 Der Europäische Gerichtshof stützt seine Überlegungen insoweit nicht nur auf das Datenschutzgrundrecht des Art. 8 GRCh, sondern auch auf das Recht auf Schutz der Privatsphäre des Art. 8 GRCh. 185 Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 106 ff.; ders., VBlBW 2014, 370 (371). 186 Britz, Freie Entfaltung durch Selbstdarstellung, 2007, S. 40. 187 Masing, NJW 2012, 2305 (2308). 188 Diesterhöft, VBlBW, 2014, 370 (371). 189 Masing, NJW 2012, 2305 (2308); Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 150 ff. 190 So Diesterhöft (Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 152), der hinsichtlich des aufgrund der internetspezifischen Gefahrenlage möglichen nachträglichen Publikationsexzesses ein „(Grund-)Recht auf medialen Neubeginn“ als weitere Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts herleitet. 191 Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 153. 192 Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 153. 183
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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet allerdings keinen absoluten Schutz des Interesses auf Rückzug aus der Öffentlichkeit.194 Das Recht, „allein gelassen zu werden“ erstarkt jedoch mit Zeitablauf.195 Für einen möglichen Anspruch auf Störerhaftung müsste im Rahmen der Güterabwägung eine substantielle Betroffenheit nachgewiesen werden. Eine absolute Grenze, die den Zeitpunkt markiert, ab dem über eine Person der Zeitgeschichte nicht mehr berichtet werden dürfte, lässt sich allerdings nicht definieren.196 (5) Lösung: Reaktive Prüfpflichten Das Internet vereint wie kein anderes Medium „Nutzen und Risiko, Gebrauch und Missbrauch“ zugleich.197 Viele Innovationen, die durch das digitale Zeitalter erst ermöglicht wurden – zu denken ist etwa an hoch effizient arbeitende Suchmaschinen, Weblogs, die jedermann als Meinungsforum dienen, oder eben an Online-Archive, die das Wissen der Gemeinschaft bündeln und jedermann zugänglich machen – stellen zugleich erhebliche Gefahren für den Persönlichkeitsschutz dar, da sie selbst persönliche und private Sphären des Einzelnen transparent machen können. Diese Innovationen beinhalten damit auch Gefahrenquellen, die nur von den Betreibern selbst beherrscht werden können.198 Angesichts der Größe und der stetig wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung von Online-Archiven für Medien- und Presseunternehmen ist es in Anbetracht des dafür erforderlichen hohen Personal- und Finanzaufwandes nicht zumutbar, die in einem Online-Archiv verbreiteten Inhalte fortwährend dahingehend zu überprüfen, ob eine Rechtsgüterabwägung zu einem anderen als dem ursprünglichen Ergebnis führen würde und die ursprünglich rechtmäßig verbreiteten Inhalte mittlerweile Rechtsverletzungen enthalten könnten.199 Dies hätte einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Pressefreiheit.200 In einem klassischen „Archiv-Fall“ hat das Oberlandesgericht Hamburg201 entschieden, dass demjenigen, über den eine ursprünglich rechtmäßige, nunmehr aber veraltete Berichterstattung in ein Internetarchiv eingestellt wurde, gegen den Betreiber dieses Internetarchivs ein Anspruch darauf zusteht, es zu unterlas193
Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 154. Alexander, ZUM 2011, 382 (389). Vgl. dazu auch bereits oben, Teil 2 A. III. 3. b) aa). 195 Reich, K&R 2013, 44 (45). 196 Libertus, MMR 2007, 143 (148 f.). 197 So Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz im Internet, 2002, Rn. 1; Lehr, BRJ 2014, 13 (13). 198 Lehr, BRJ 2014, 13 (14). 199 BGHZ 183, 353 (362 f.); Libertus, MMR 2007, 143 (147 f.). 200 BGHZ 183, 353 (362 f.). 201 OLG Hamburg K&R 2015, 668. 194
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
sen, die Berichterstattung dergestalt bereit zu stellen, dass sie durch die Eingabe des Namens in eine Online-Suchmaschine auffindbar ist. Im Wesentlichen schließt sich das Oberlandesgericht Hamburg in dieser Entscheidung der bisherigen Archiv-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an. Allerdings nimmt es erstmals – anders als bisher der Bundesgerichtshof – eine den internetspezifischen Gefahren gerecht werdende Bewertung der leichten Auffindbarkeit von Archivbeiträgen durch Suchmaschinen vor. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamburg bestehe die Gefahr der ständigen Reaktualisierung vergangener Vorgänge. Dem Archivbetreiber werde daher aufgegeben, sein Online-Archiv so zu betreiben, dass ältere Beiträge nicht durch bloße Eingabe des Namens des Betroffenen in eine Suchmaschine auffindbar sind.202 Kernargument ist der Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum „Recht auf Vergessenwerden“: „Denn wenn schon – wenn auch auf datenschutzrechtlicher Ebene – der Betreiber einer Suchmaschine dazu verpflichtet werden kann, die Erreichbarkeit von Internetbeiträgen durch bloße Eingabe des Namens der von diesen Beiträgen in erheblicher Weise betroffenen Personen zu unterbinden, dann kann es erst recht auch dem Urheber des betreffenden Beitrages – mag er auch das Presseprivileg für sich in Anspruch nehmen können – angesonnen werden, Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass dieser Beitrag zu einer stetig fließenden Quelle von Beeinträchtigungen persönlichkeitsrechtlicher Belange des Betroffenen wird.“ 203 Dass es zahlreiche technische Möglichkeiten gibt, Einfluss auf die von Suchmaschinen aufgefundenen und ausgeworfenen Ergebnisse zu nehmen, zeigt eine Stellungnahme204 der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e. V. (DGRI). Angefangen mit redaktionellen Eingriffen am betreffenden Beitrag, wie etwa der vollständigen oder teilweisen Löschung oder der Anonymisierung des Namens des Betroffenen, zeigt die DGRI technische Mittel der Inhalte-Anbieter auf, Einfluss auf die Suchergebnislisten der Suchmaschinen zu nehmen, um dadurch den Zugriff auf bestimmte Inhalte oder sogar ganze Beiträge zu verhindern.205 Die rechtliche Lösung, die sowohl dem wirtschaftlichen Interesse der Archivbetreiber, dem gesellschaftlichen Interesse an Zugang zu zeitgeschichtlichen Ereignissen als auch dem Persönlichkeitsschutz, hier vor allem dem Interesse verurteilter Straftäter auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft, gerecht wür202
OLG Hamburg K&R 2015, 668 (669 f.). OLG Hamburg K&R 2015, 668 (670). Vgl. zu den technischen Bedenken Feldmann, K&R 2015, 634 (634 f.); Koreng, AfP 2015, 514 (515). 204 Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 27a BVerfGG im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 16/13. 205 Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e. V. nach § 27a BVerfGG in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren (1 BvR 16/13), abrufbar unter http://www.dgri.eu/index.php/fuseaction/download/lrn_file/dgri_stellungnahme_apollo nia-fall-exec-.pdf, zuletzt abgerufen am 31.05.2018. 203
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de, wäre die Etablierung reaktiver Prüfpflichten, wie sie schon länger, etwa bei der Störerhaftung von Hostprovidern, Domainverpächtern, Suchmaschinenbetreibern oder RSS-Feed-Anbietern bekannt sind.206 Nach einer Reihe von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind weder der Betreiber einer Suchmaschine noch der Betreiber eines Weblogs oder RSS-Feeds dazu verpflichtet, die softwaremäßig generierten Suchergänzungsvorschläge oder von Dritten verfasste Beiträge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen hin zu überprüfen. Grund dafür ist, dass andernfalls der wirtschaftliche Betrieb einer Suchmaschine oder eines Weblogs von vornherein unmöglich wäre. Die Betreiber treffen daher keine proaktiven, sondern lediglich nachgelagerte Prüfpflichten. Reaktive Prüfpflichten setzen wiederum erst dann ein, wenn die Betreiber Kenntnis von einer möglichen Rechtsverletzung erlangen.207 Der vergleichbare Grundkonflikt spricht dafür, das genannte Haftungsregime auch im Falle der Online-Archive anzuwenden. Proaktive Prüfpflichten wären auch in Bezug auf Online-Archive zu weitgehend. Denn wenn bereits eine proaktive Prüfpflicht hinsichtlich der Rechtswidrigkeit von gehosteten Inhalten verneint wird, so muss dies erst recht für ursprünglich rechtmäßig in ein OnlineArchiv eingestellte Inhalte gelten.208 Die Haftungsfolgen müssen im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt werden. Eine Verpflichtung, Altmeldungen über Straftäter vollständig aus einem Online-Archiv zu löschen, würde zu weit gehen. Dies würde nämlich der Tatsache widersprechen, dass ein Recht an dem zeitgeschichtlichen Ereignis als solchem gar nicht geltend gemacht werden kann.209 Eine nachträgliche Anonymisierung nur der Person des Täters, etwa durch Abkürzung des Nachnamens, würde einen nur marginalen Eingriff in den ursprünglichen Text bedeuten und das öffentliche Informationsinteresse an dem Ereignis nur unwesentlich tangieren.210 Im Ergebnis würde die Lösung der reaktiven Prüfpflichten nach einem qualifizierten Hinweis dazu führen, dass die Grundrechtspositionen – das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einerseits und die Kommunikationsfreiheiten andererseits – in einen gerechteren Ausgleich gebracht würden. Verurteilte Straftäter hätten durch die Möglichkeit einer Beanstandung selbst die Chance, dafür zu sorgen, nicht länger mit ihrer Tat in der Öffentlichkeit konfrontiert zu werden.211 206 So OLG Hamburg K&R 2015, 668 (671). Vgl. auch Ruttig, AfP 2013, 372 (376); Caspar, JZ 2011, 211 (212). 207 Siehe dazu BGHZ 191, 219 (226 f.); 197, 213 (224); BGH NJW 2012, 2345 (2346) NJW 2016, 2106 (2108). Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben des § 7 Abs. 2 S. 1 TMG. 208 Libertus, MMR 2007, 143 (148). 209 Vgl. dazu bereits oben, Teil 2 A. III. 3. b) aa). 210 Ähnlich Ruttig, AfP 2013, 372 (376). 211 Ruttig, AfP 2013, 372 (376).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
4. Identifizierende Berichterstattung außerhalb des Strafverfahrens Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die meisten Fälle, in denen eine identifizierende Gerichtsberichterstattung zu Rechtsverletzungen führt, dem Bereich der Strafjustiz entstammen. Die oben dargestellten Grundsätze gelten aber grundsätzlich auch im Bereich der Gerichtsberichterstattung über zivil- oder verwaltungsgerichtliche Verfahren. Dem Berichterstattungsinteresse kann allerdings kein allgemeiner Vorrang zukommen, da hier immerhin nicht der Einwand einer den Rechtsfrieden störenden Straftat im Raum steht.212 Eine identifizierende Berichterstattung bildet außerhalb des Strafverfahrens daher eher die Ausnahme. Die Tatsache, dass der Betroffene durch die Klageerhebung selber die Medienaufmerksamkeit auf den Streitgegenstand gerichtet hat,213 kann in einer Abwägung zwischen öffentlichem Informationsinteresse und Persönlichkeitsschutz des Betroffenen nicht negativ ins Gewicht fallen. Andernfalls würde man dem Betroffenen die Möglichkeit eines effektiven Rechtsschutzes abschneiden.214 Einzig eine gesellschaftlich hervorgehobene Rolle oder Funktion der betroffenen Person kann zu einem Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses führen.215 Besonderheiten ergeben sich im äußerungsrechtlichen Verfahren, in dem die Veröffentlichung bestimmter Informationen untersagt wird. Erlangt der Kläger einen Unterlassungsanspruch, stellt sich in der Folge die Frage, ob die Medien über den Streitgegenstand des äußerungsrechtlichen Verfahrens berichten dürfen. Denn auch eine Gerichtsberichtserstattung ohne Nennung des Streitgegenstandes kann für den Betroffenen belastend sein, da das öffentliche Interesse auf den Sachverhalt gelenkt wird.216 Die gerichtliche Entscheidung gilt nur inter partes und steht einer Gerichtsberichterstattung insoweit nicht entgegen. Auch hier läuft es letztlich auf eine Abwägung im Einzelfall hinaus, in der die Bedeutung der Kommunikationsfreiheiten angemessen zu berücksichtigen ist. Personen, die etwa aufgrund eines öffentlichen Amtes im Fokus der Öffentlichkeit stehen, werden sich einer ausgewogenen Berichterstattung über ein sie betreffendes äußerungsrechtliches Verfahren nur schwer erwehren können.217
212
Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (267). Dieses Risiko wird in Anlehnung an die US-amerikanische Sängerin und Schauspielerin Barbra Streisand, die gegen die Veröffentlichung einer Luftaufnahme ihres Hauses vorging und dadurch erst die Aufmerksamkeit auf diese Aufnahme lenkte, als „Streisand-Effekt“ bezeichnet. 214 Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (267). 215 Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (267). 216 Vgl. dazu Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (268). 217 So Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (268). 213
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5. Anonymisierungspflicht bei der Mitteilung gerichtlicher Entscheidungen Vom Öffentlichkeitsgrundsatz erfasst ist auch die Mitteilung von gerichtlichen Entscheidungen durch die Gerichte.218 Auch die Gerichte müssen vor der Veröffentlichung ihrer Entscheidungen daher darüber befinden, inwieweit eine Anonymisierung vorzunehmen ist.219 Um den Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten zu gewährleisten, erfolgt die Veröffentlichung daher regelmäßig in anonymisierter Form.220 Faktisch lässt sich die Anonymisierung aufgrund äußerer Umstände allerdings häufig wieder auflösen. Im Rahmen der Abwägung ist daher auch zu berücksichtigen, welches Maß an Anonymisierung erforderlich ist.221 Einer Anonymisierung kann es jedoch entgegenstehen, wenn eine Urteilsaussage untrennbar mit einer bestimmten Person verbunden ist.222 Ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse wäre etwa dann anzunehmen, wenn eine der Prozessparteien potentiell Partner in gleich gelagerten Fällen und Prozessen ist.223 Normiert ist dies etwa in § 7 Satz 1 UKlG für Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und vergleichbaren Verstößen. Danach kann dem Kläger die Befugnis zugesprochen werden, die Urteilsformel mit der Bezeichnung des verurteilten Beklagten auf dessen Kosten im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Weiterhin wäre die Mitteilung einer Entscheidung, in der zwar die Namen der Prozessbeteiligten geschwärzt wurden, eine Identifizierung aber aufgrund der übrigen Umstände unschwer möglich wäre, zulässig, wenn der Öffentlichkeit nur durch eine vollständige Mitteilung der gerichtlichen Erwägungen eine kritische Auseinandersetzung mit dem betreffenden Urteil möglich wäre.224 6. Zulässigkeit der Namensnennung von Organen der Rechtspflege Anders als die Namensnennung von Privatpersonen ist die Nennung der Namen von Organen der Rechtspflege im Rahmen einer Gerichtsberichterstattung zu beurteilen. Wenn die Namensnennung im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit steht, etwa als Rechtsanwalt, Staatsanwalt oder Richter, kann diese im Zusammenhang mit Prozessen von allgemeinem Interesse zulässig sein.225 Dem berufsbedingten Auftreten in einer öffentlichen Gerichtsverhand218
Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. V. 2. b). Hirte, NJW 1988, 1698 (1702 f.). 220 BVerwGE 104, 105 (109 f.); Hirte, NJW 1988, 1698 (1702); Hanske/LauberRönsberg, ZUM 2013, 264 (266). 221 Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (266). 222 Hirte, NJW 1988, 1698 (1703); Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (266). 223 Hirte, NJW 1988, 1698 (1703). 224 Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (266). 225 OLG Hamm MMR 2008, 547 (548); KG Berlin MMR 2009, 478 (478 f.); Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 17 Rn. 9. 219
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
lung kommt gegenüber den Kommunikationsfreiheiten geringeres Gewicht zu, da es sich um einen Teil der Sozialsphäre handelt.226 Hierfür sprechen auch die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, das über ein Presseauskunftsrecht in Bezug auf die Namen von Personen, die an einem strafgerichtlichen Verfahren mitgewirkt haben, zu entscheiden hatte.227 Demnach komme dem Interesse an der Nennung der Namen von Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege an Gerichtsverfahren mitwirken, wegen der Informations- und Kontrollfunktion der Presse bei der Berichterstattung über gerichtliche Verfahren hohes Gewicht zu.228 Der Persönlichkeitsschutz eines Strafverteidigers oder eines Staatsanwalts sei schon wegen des Grundsatzes der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen in seinem grundrechtlichen Gewicht gemindert.229 Die Möglichkeit des Bekanntwerdens der namentlichen Identität von Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege in Gerichtsverhandlungen mitwirken, entspreche der normativen Stoßrichtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes: Der Sinn des Öffentlichkeitsgrundsatzes, die Ausübung rechtsprechender Gewalt weitestgehend transparent zu gestalten, erstreckt sich auch auf die Identität der nichtrichterlichen, ebenfalls demokratisch legitimierten und in weitem Umfang unabhängig handelnden Funktionsträger.230 Den Persönlichkeitsrechten der mitwirkenden Verteidiger und Staatsanwälte käme nur dann Vorrang zu, wenn diese erhebliche Belästigungen oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Dritte zu befürchten hätten.231 Diese Grundsätze gelten hingegen nicht für Berufsträger, die in vergleichsweise untergeordneter Funktion im Rahmen der gerichtlichen Wahrheits- und Rechtsfindung mitwirken.232 Das Bundesverwaltungsgericht überträgt damit die vom Bundesverfassungsgericht zum Recht am eigenen Bild von Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern entwickelten Grundsätze233 auf das Recht am eigenen Namen.234 Eine Bildnisveröffentlichung ist in der Regel zulässig, da diese Personen als Funktionsträger kraft des ihnen übertragenen öffentlichen Amtes und anlässlich
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KG Berlin MMR 2009, 478 (478 f.). BVerwG NJW 2015, 807. 228 BVerwG NJW 2015, 807 (808). 229 BVerwG NJW 2015, 807 (808 f.). 230 BVerwG NJW 2015, 807 (809) unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Bild- und Tonaufnahmen vor und nach gerichtlichen Verhandlungen oder in Sitzungspausen: BVerfGE 119, 309 (323 f.); BVerfG DVBl 2000, 1778 (1779); NJW 2012, 2178 (2179). 231 BVerwG NJW 2015, 807 (809). 232 BVerwG NJW 2015, 807 (811). 233 BVerfGE 119, 309 (323 f.); BVerfG NJW 2000, 2890 (2891); ZUM 2007, 845 (846); NJW 2012, 2178 (2179). 234 Vgl. Neumann, jurisPR-BVerwG 2/2015 Anm. 4. 227
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
255
ihrer Teilnahme an öffentlichen Sitzungen im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der Medienöffentlichkeit stehen.235 7. Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung über Zeugen, insbesondere Opfer einer Straftat Unbeteiligte Zeugen in einem gerichtlichen Verfahren, insbesondere aber Opfer einer Straftat, genießen gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse einen intensiven Anonymitätsschutz, da sie in der Regel ohne ihr Zutun in das Geschehen einer Straftat und ihre prozessuale Aufklärung verwickelt werden.236 Ausnahmen gelten allenfalls dann, wenn sie aufgrund vorausgegangener Umstände zur Person der Zeitgeschichte geworden sind.237
IV. Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung als Besonderheit der Kriminalberichterstattung Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Presse schlechthin ist.238 Wie in den vorangegangen Ausführungen bereits deutlich wurde, ist aber gerade die Gerichtsberichterstattung über Strafverfahren geeignet, erhebliche Beeinträchtigungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des einer Straftat Beschuldigten hervorzurufen, da sein Fehlverhalten im Rahmen der Medienöffentlichkeit bekannt wird und seine Person in den Augen vieler aufgrund der klaren Rollenverteilung im Strafverfahren von vornherein negativ qualifiziert ist.239 1. Inhalt und Funktion der Verdachtsberichterstattung Eine Kriminalberichterstattung im Vorfeld und begleitend zu einem Strafverfahren240 muss dabei jedoch den Anforderungen der Verdachtsberichterstattung genügen.241 Eine Verdachtsberichterstattung liegt vor, wenn die Medien über den 235
BVerfG NJW 2000, 2890 (2890). Vgl. dazu auch noch unten, Teil 2 D. III. 2. Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 50. 237 OLG Hamburg ZUM 2005, 168 (168 ff.); Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 50. 238 BVerfGE 35, 202 (230 f.); BVerfG NJW 1993, 1463 (1464); NJW 2009, 3357 (3358); BGHZ 143, 199 (204); BGH NJW 2012, 2197 (2200); AfP 2011, 180 (182); Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 205. 239 Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 16 Rn. 10. Vgl. auch BVerfGE 35, 202 (226); 71, 206 (219). 240 Vgl. hierzu aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive Brosius/Peter, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 37 (37 ff.). 241 Vgl. dazu ausführlich BGHZ 143, 199 (203 f.); 203, 239 (247); Molle, ZUM 2010, 331 (333); Lehr, AfP 2013, 7 (8 ff.). Vgl. hierzu auch Boehme-Neßler (UFITA 2012, 337 [347]), der der Auffassung ist, dass die Grundsätze der Verdachtsbericht236
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Verdacht gegen eine bestimmte Person in identifizierender Weise berichten.242 Weil mit der Verdachtsberichterstattung stets die Gefahr einer Vorverurteilung verbunden ist, hat die Rechtsprechung spezielle Sorgfaltsanforderungen entwickelt.243 Allerdings dürfen diese im Folgenden näher darzustellenden Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalts- und Wahrheitspflicht nicht überspannt werden. Denn wenn die Medien nur solche Informationen verbreiten dürften, deren Wahrheit zum Zeitpunkt der Veröffentlichung mit Sicherheit feststeht, könnten sie ihrer von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Aufgabe, an der öffentlichen Willensbildung mitzuwirken, nicht gerecht werden.244 Die Grundsätze einer zulässigen Verdachtsberichterstattung sind ein Anwendungsfall des Rechtfertigungsgrundes der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ (§ 193 StGB). Der sich Äußernde geht hier jedoch nicht irrtümlich von der Richtigkeit seiner Aussage aus, sondern gibt von Anfang an zu erkennen, dass er lediglich einen Verdacht hegt.245 2. Berechtigtes öffentliches Informationsinteresse An der Verbreitung des Verdachts muss ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse bestehen.246 Zugunsten der Berichterstattung fallen bei der erforderlichen Abwägung vor allem die Schwere der vorgeworfenen Tat, die Intensität des Verdachts und das öffentliche Interesse an der Information und der Aufklärung der Tat ins Gewicht.247 Insbesondere bei einer Berichterstattung über eine schwere Straftat steht das öffentliche Informationsinteresse der Gefahr einer Stigmatisierung des Betroffenen gegenüber. Bei der Abwägung gilt dann: Je schwerer die dem Betroffenen angelastete Tat, desto größer ist das öffentliche Berichterstattungsinteresse und desto nachhaltiger aber auch eine mögliche Stigmatisierung des Betroffenen.248 Für den Persönlichkeitsschutz bedeutet dies, dass mit wachsender Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts das Berichterstattungsinteresse, dem die Veröffentlichung dient, umso dringlicher sein erstattung begleitend zu einer Hauptverhandlung nicht mehr passend sind, da sich die Verdachtsmomente ab diesem Zeitpunkt wegen der für die Eröffnung der Verhandlung erforderlichen Prüfung nach § 203 StPO verdichtet haben. 242 Molle, ZUM 2010, 331 (332). Zum Begriff der Verdachtsberichterstattung auch Haarmann, Die individualisierende Verdachtsberichterstattung über den Beschuldigten eines Strafverfahrens, 2012, S. 3 f. 243 Molle, ZUM 2010, 331 (332); Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 17. 244 BVerfG 85, 1 (15); BGHZ 143, 239 (204). 245 Korte, Praxis des Presserechts, 2014, § 2 Rn. 220. 246 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 16 Rn. 24a). 247 BGHZ 143, 199 (203 f.); Kübler, JZ 2000, 622 (622); Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 103. 248 BVerfG NJW 2009, 350 (351 f.); ZUM 2010, 961 (964).
A. Generelle Grenzen der Gerichtsberichterstattung
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muss.249 Es muss sich insoweit um einen Vorgang von „gravierendem Gewicht“ 250 und nicht nur um eine „reine Belanglosigkeit“ handeln.251 „Notwendige Bedingung“ dafür wäre, dass das Berichterstattungsinteresse gegenüber dem Persönlichkeitsschutz überwöge, sollte sich der Verdacht als zutreffend herausstellen.252 Eine weitere wichtige Frage, die sich in dem Stadium des Verdachts stellt, ist, ob über den im Raum stehenden Verdacht auch identifizierend berichtet werden darf. Gerade im Vorfeld der Eröffnung eines Strafverfahrens bedarf es insoweit einer besonders sensiblen Güterabwägung.253 In der Abwägung kommt es vor allem darauf an, dass das Interesse an der namentlichen Nennung das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt.254 3. Mindestbestand an Beweistatsachen Weiterhin bedarf es eines Mindestbestands an Beweistatsachen, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit erst Öffentlichkeitswert verleiht.255 Der geäußerte Verdacht darf nicht nur in der Vorstellung der Medien existieren, da er andernfalls beliebig fingiert und konstruiert werden könnte.256 Über Verdachtslagen darf insoweit nur berichtet werden, wenn es tatsächlich „belastbare Anhaltspunkte“ gibt.257 Sofern es sich nicht um eine privilegierte Quelle handelt,258 genügt das Heranziehen lediglich einer einzigen Quelle nicht. Die Medien müssen sich um weitere, voneinander unabhängige Quellen bemühen.259 Die Verdachtslage muss nicht die Dringlichkeit erreichen, die für einen Haftbefehl (§ 112 Abs. 1 StPO) erforderlich wäre. Ein für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichender Anfangsverdacht (§ 160 Abs. 1 StPO) genügt hingegen nicht.260 Jedenfalls müssen die Medien, bevor sie sich zur Veröffentlichung eines Verdachts entschließen, über einen so großen Bestand an Be249
BGHZ 178, 213 (221). BGHZ 143, 199 (204); Molle, ZUM 2010, 331 (333). 251 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 16 Rn. 24 a); ders., GRUR 1986, 518 (522). 252 Korte, Praxis des Presserechts, 2014, § 2 Rn. 222. 253 Lehr, AfP 2013, 7 (9). 254 Soehring, GRUR 1986, 518 (522); Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 270; Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 157; Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 19. 255 BGHZ 203, 239 (247); 143, 199 (203). 256 Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 92; Kübler, JZ 2000, 622 (622). 257 So Lehr, AfP 2013, 7 (10). Vgl. auch Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 209; Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 91 ff.; Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 16 Rn. 24b) f. 258 Dazu sogleich, Teil 2 A. IV. 4. 259 Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 269. 260 Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 209. 250
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
weistatsachen verfügen, dass die Gefahr einer Falschmeldung wesentlich minimiert ist.261 Sofern Vorgänge, die nur mit staatlichen Mitteln aufgeklärt werden können, deshalb an die Öffentlichkeit gebracht werden, um jene staatliche Untersuchungen in Gang zu bringen, ist der Mindestbestand an Beweistatsachen niedriger anzusetzen.262 4. Sorgfältige Recherche Der Berichterstattung muss eine sorgfältige Recherche vorausgegangen sein. Es besteht eine erhöhte Prüfpflicht hinsichtlich „Wahrheit, Inhalt und Herkunft des Verdachts“.263 Denn die Medien sind in der Lage, einen großen Personenkreis zu erreichen, der selber nicht über die Möglichkeiten verfügt und im Stande ist, die Verdachtsmomente kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen.264 Die Medien trifft daher die Pflicht, die Zuverlässigkeit ihrer Quellen genau zu überprüfen.265 An die Wahrheitspflicht dürfen dabei aber keine Anforderungen gestellt werden, die zur Bereitschaft vom Gebrauch der Meinungsfreiheit abhalten würden.266 Die für die richterliche Überzeugungsfindung erforderliche Gewissheit muss nicht erreicht sein.267 Denn es handelt sich um eine Art der Berichterstattung, bei der Medien in Kenntnis der Tatsache, dass entgegen der Grundregel des § 186 StGB der Beweis für die Richtigkeit der Meldung nicht geführt werden kann, berichten.268 Eine erhöhte Prüfpflicht besteht insoweit weniger bei der Recherche selbst als bei der Entscheidung darüber, ob trotz der nicht abschließend gesicherten Tatsachenlage dennoch über den Verdacht berichtet werden sollte.269 Letztlich ist der Umfang der Recherchepflicht vor allem durch die tatsächlichen Aufklärungsmöglichkeiten der Medien begrenzt.270
261 Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 155. 262 So Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 92; vgl. auch Burckhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 154. 263 BGH NJW 1977, 1288 (1289); Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 269; Zentai/ Rust, ZUM 2001, 40 (42); Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 93. 264 Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 93. 265 Kohler-Gehring, JA 2000, 602 (603). 266 BVerfGE 85, 1 (15); 97, 125 (149); BVerfG ZUM 2010, 961 (964 f.); BGHZ 203, 239 (247); 143, 199 (204); 132, 13 (24); Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 269. Etwas weitergehend Soehring [in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 16 Rn. 24b)], der eine erhöhte Prüfpflicht bei der Intensität der Recherche für zu weitgehend hält. 267 So Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 93. Vgl. auch Veith, NJW 1982, 2225 (2227). 268 In diese Richtung auch Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 16 Rn. 24b). 269 Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 16 Rn. 24b). 270 BGH NJW 2013, 790 (793); Korte, Praxis des Presserechts, 2014, § 2 Rn. 223.
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Gleichwohl enthebt dies die Medien nicht von der Sorgfalt, leichtfertig mit der Wahrheitspflicht umzugehen.271 Es muss Berücksichtigung finden, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflichten des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist: „Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen.“ 272 Dem Betroffenen ist im Rahmen der Recherche Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.273 Dabei muss dem Betroffenen der den Verdacht begründende Sachverhalt substantiiert dargelegt werden,274 da er nur so die Möglichkeit hat, zu den im Einzelnen vorgetragenen Vorwürfen Stellung zu beziehen.275 Auf die Möglichkeit der Stellungnahme kann verzichtet werden, wenn der Betroffene sich bereits anderweitig öffentlich zu dem Verdacht geäußert hat276 oder die Stellungnahme – etwa bei einem sich auf der Flucht befindlichen Verdächtigen – praktisch nicht einholbar ist.277 Die Stellungnahme des Betroffenen kann dann wiederum die Verpflichtung der Medien zu weiteren Recherchen auslösen.278 Zur sorgfältigen Recherche zählt es auch, dass die Medien den von einem anderen geäußerten Verdacht nicht ungeprüft übernehmen.279 Es besteht die Verpflichtung zur Eigenrecherche.280 Eine Ausnahme hiervon ist das Agenturprivileg.281 Die Medien können ihrer verfassungsrechtlich garantierten Aufgabe, umfassend und möglichst tagesaktuell zu berichten, nur entsprechen, wenn sie nicht jeden Sachverhalt vollständig selbst recherchieren und überprüfen müssen. Grundsätzlich gilt, dass die Pflicht zur journalistischen Sorgfalt desto geringer ausfällt, je seriöser die Quelle ist.282 Insoweit dürfen die Medien auf die seriös agierenden Nachrichtenagenturen vertrauen und ihre Meldungen auch ungeprüft
271 Zentai/Rust, ZUM 2001, 40 (42); Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 209. 272 BGHZ 143, 199 (203); BGH NJW 2013, 790 (793); Zentai/Rust, ZUM 2001, 40 (42); Molle, ZUM 2010, 331 (333); Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 209. 273 BGHZ 203, 239 (247); 143, 199 (204). 274 Hohmann, NJW 2009, 881 (882). 275 Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 101. 276 OLG Hamburg, AfP 1996, 154 (155); Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 101. 277 Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 269; Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 101. 278 Peters, NJW 1997, 1334 (1338). 279 BGH NJW 1963, 904 (904). 280 Vgl. dazu Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 21 ff. 281 KG Berlin ZUM 2008, 59 (59 f.). 282 KG Berlin ZUM 2008, 59 (60); ähnlich BVerfG NJW-RR 2000, 1209 (1210).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
übernehmen.283 Gleiches gilt auch für amtliche Auskünfte und Verlautbarungen, vor allem solche der Ermittlungsbehörden.284 Für staatliche Stellen gilt dabei jedoch, dass sie sich als Grundrechtsadressaten ihrerseits an die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung halten müssen.285 Insoweit kann es die journalistische Sorgfalt gebieten, auch privilegierte Quellen genau zu überprüfen, bevor sie übernommen werden. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn die privilegierte Quelle selbst die Grenzen der Verdachtsberichterstattung überschreitet.286 5. Ausgewogene und distanzierte Form der Darstellung Eine zulässige Verdachtsberichterstattung setzt schließlich eine ausgewogene und distanzierte Form der Darstellung voraus. Jede Form der direkten oder indirekten Vorverurteilung ist zu vermeiden.287 Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, der Verdächtige sei der Tat bereits überführt.288 Die Medien müssen in ihrer Berichterstattung deutlich zum Ausdruck bringen, dass es sich lediglich um eine Verdachtslage handelt289 und die Möglichkeit der Prangerwirkung durch eine Berichterstattung berücksichtigen.290 Eine bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung ist unzulässig.291 Korrespondierend zur Konfrontationspflicht müssen neben den Verdachtsmomenten auch Argumente für die Verteidigung genannt werden.292 Dem Rezipienten ist in jedem Fall durch die Art der Darstellung zu vermitteln, dass es um eine „offene Sachlage“ geht.293 Dies ist 283 KG Berlin ZUM 2008, 59 (60); Peters, NJW 1997, 1334 (1336 f.); Seelmann-Eggebert, NJW 2008, 2551 (2553); Hohmann, NJW 2009, 881 (882). 284 OLG Dresden NJW 2004, 1181 (1183); OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 732 (733). Vgl. auch BVerfG ZUM 2010, 961 (964 f.); Peters, NJW 1997, 1334 (1336); Kohler-Gehring, JA, 2000, 602 (605); Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 22; Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 209. 285 Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 24. 286 Hohmann, NJW 2009, 881 (882). Nach Lehr (in: Widmaier [Hrsg.], Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 22) gilt dies vor allen in den Fällen eines offenkundigen Exzesses. 287 BGHZ 143, 199 (203); 203, 239 (247); Lehr, AfP 2013, 7 (11); Hohmann, NJW 2009, 881 (883). 288 Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 96 f. 289 BGH, NJW 2000, 1036 (1037); Soehring, in: ders./Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 16 Rn. 24e). 290 BVerfGE 119, 309 (323), 977; BVerfG, NJW 2009, 350 (351); NJW 2013, 1681 (1682). 291 BGHZ 143, 199 (203 f.). Vgl. auch Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 99. 292 Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 28 ff. 293 BGHZ 143, 199 (203 f.); Hohmann, NJW 2009, 881 (883); Korte, Praxis des Presserechts, 2014 § 2 Rn. 226.
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Ausfluss der Unschuldsvermutung,294 die ihre Wirkung zwar nicht unmittelbar zwischen den Medien und dem Betroffenen entfaltet, aber als „Maßstab“ bei der Verdachtsberichterstattung Berücksichtigung finden muss und grundsätzlich bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt und zu beachten ist.295 Denn bei schwerwiegenden Delikten kann bereits die Verbreitung des Verdachts zu einer Stigmatisierung führen, die ein späterer Freispruch nicht mehr beseitigen vermag.296 Allerdings kann sich die Verdachtslage während des Verfahrens – etwa durch eine erstinstanzliche Verurteilung297 – derart verdichten, dass der Persönlichkeitsschutz im Einzelfall zurücktritt.298
V. Betonung der internetspezifischen Gefahrenlage bei der Güterabwägung Berichten die Medien identifizierend über die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, insbesondere eines Strafverfahrens, entsteht eine Kollisionslage zwischen Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Diese Kollisionslage ist mithilfe der oben diskutierten Abwägungskriterien aufzulösen. Im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit des Bereitstellens von Altmeldungen in einem Online-Archiv wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch die enormen internetspezifischen Gefahren für den Persönlichkeitsschutz mit in die Abwägung einzustellen sind. Wegen zunehmenden Konkurrenz- und Erfolgsdrucks nehmen Vorverurteilungen zu.299 Dies hat Auswirkungen auf die Internetkommunikation.300 Diese ist mittlerweile allgegenwärtig und ihre Nutzung ist für die Lebensführung vieler Bürger von zentraler Bedeutung.301 Berichten die klassischen Medien über einen Verdacht, so kommt es nicht selten vor, dass dieser Verdacht in den sozialen Medien aufgegriffen und weiterverbreitet wird. Es folgt eine Welle von Herabsetzungen, Vorverurteilungen und digitaler Hetze, ein so genannter „Shitstorm“ entsteht.302 Soziale Medien gleichen dadurch oftmals einem digitalen Pranger.303 Auf die internetspezifische Gefährdungslage für den Persönlichkeitsschutz hat bereits das Bundesverfassungsgericht in einem anderen medienverfassungsrecht294
Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa) (2) (c). Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 96 f.; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 271. 296 Stieper, JZ 2014, 271 (279). 297 BVerfG NJW 2011, 3153 (3155); NJW 2009, 3357 (3358). 298 Korte, Praxis des Presserechts, 2014, § 2 Rn. 225. 299 Vgl. Lehr, AfP 2013, 7 (12) mit Hinweisen auf empirische Untersuchungen. 300 Lehr, AfP 2013, 7 (12). 301 BVerfGE 120, 274 (303). 302 Lehr, AfP 2013, 7 (12); Wienen, ITRB 2012, 160 (160). 303 Wienen, ITRB 2012, 160 (160). 295
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
lichen Kontext – es ging um die Zulässigkeit von Online-Durchsuchungen304 – hingewiesen. Informationstechnische Systeme hätten eine bislang nicht absehbare Bedeutung erlangt. So eröffne die moderne Informationstechnik dem Einzelnen zwar neue Möglichkeiten, begründe aber auch neuartige Persönlichkeitsgefährdungen.305 Digitale Kommunikation führe zur Erzeugung einer großen Vielfalt von Daten. Die internetspezifische Gefährdung des Persönlichkeitsrechts werde gerade durch die Speicherung und Auswertung dieser persönlichkeitsrelevanten Daten erzeugt, da auf diese Weise weitgehende Kenntnisse über die Persönlichkeit im Internet gewonnen werden können.306 Diese Gefährdungslage intensiviert sich nochmals durch die lange Verfügbarkeit und jederzeitige Abrufbarkeit von Internetveröffentlichungen.307 Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurden die internettypischen Gefahren in jüngerer Vergangenheit in der Güterabwägung berücksichtigt. Es ging etwa um die Verantwortlichkeit des Verfassers einer rechtswidrigen Erstveröffentlichung für sich daran anschließende Folgeveröffentlichungen im Internet.308 Berichterstattung im Internet werde typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert. Daher sei die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. In der „Vervielfältigung der Abrufbarkeit“ eines Beitrags durch Dritte verwirklicht sich eine durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffene internettypische Gefahr.309 Gerade die zuletzt genannte Rechtsprechung verdeutlicht, dass eine Verantwortung des Erstverbreiters für persönlichkeitsgefährdende digitale Reaktionen besteht. Insbesondere den klassischen Medien kommt für die Weiterverbreitung im Internet eine Leitfunktion zu. Eine in den klassischen Medien nur leicht „überschießende Verdachtsberichterstattung“ kann sich im Internet – gerade auch wegen des Schutzes durch Anonymität310 – zu einer persönlichkeitsgefährdenden Welle von kaum noch rückgängig zu machenden Vorverurteilungen führen.311 Diese faktische Breitenwirkung zwingt zu einer Erhöhung der inhaltlichen Anforderungen einer den Persönlichkeitsschutz gefährdenden Gerichtsberichterstattung.312 Vor allem bei der Frage, ob ein überwiegendes berechtigtes Informa304
BVerfGE 120, 274. BVerfGE 120, 274 (303, 305). 306 BVerfGE 120, 274 (305 f.). 307 OLG Köln ZUM 2012, 330 (335); ähnlich auch Schlothauer, StV 2015, 665 (666). 308 Vgl. BGHZ 199, 237; BGH ZUM 2012, 566; NJW 2015, 1246; NJW 2016, 56. 309 BGHZ 199, 237 (265 f.); BGH NJW 2015, 1246 (1248); NJW 2016, 56 (60). 310 Vgl. dazu instruktiv Braam, Die anonyme Meinungsäußerung, 2015, passim. 311 Lehr, AfP, 2012, 7 (12). 312 So auch Lehr (AfP 2013, 7 [13]), der sich in Bezug auf die Verdachtsberichterstattung für eine Erhöhung der Anforderung an den Mindestbestand an Beweistatsachen, die Offenheit und die Distanz der Berichterstattung ausspricht. 305
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung
263
tionsinteresse an einer identifizierenden Gerichtsberichterstattung besteht, muss die Gefahr einer dauerhaften und nicht mehr rückgängig zu machenden Weiterverbreitung im Internet Berücksichtigung finden.
VI. Zusammenfassung Die vorausgegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass bei der Abwägung zwischen Berichterstattungsinteresse und Persönlichkeitsschutz gerade das Merkmal der Identifizierbarkeit den Ausschlag über die Frage der Rechtmäßigkeit einer Gerichtsberichterstattung geben kann. Auch wenn gerichtliche Verfahren öffentlich stattfinden, bedeutet dies noch nicht, dass dadurch der Anonymitätsschutz völlig ausgehebelt ist. Im Gegenteil konnte gezeigt werden, dass die Inhalte, die im Gerichtssaal thematisiert werden, nicht immer auch Gegenstand der Medienöffentlichkeit sind. Möchten die Medien identifizierend über ein Verfahren berichten, muss gerade ein öffentliches Informationsinteresse an der Identität der Verfahrensbeteiligten bestehen. Eine anonymisierte Berichterstattung dürfte das berechtigte Informationsinteresse nicht gleichermaßen befriedigen. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Selbst wenn die klassischen Medien nur auf herkömmlichem Wege über ein Gerichtsverfahren berichten, müssen sie in der Abwägung die internetspezifische Gefahrenlage berücksichtigen. So ist eine identifizierende Berichterstattung für den Persönlichkeitsschutz gefährlicher, da vor allem von Internetveröffentlichungen eine dauerhafte, erhebliche Breitenwirkung ausgehen kann. In den nachfolgenden Abschnitten wird auf diese Vorüberlegungen zurückzukommen sein.
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung und die Nutzung Neuer Medien im Gerichtssaal Im Folgenden geht es um die Frage der Zulässigkeit einer verhandlungsbegleitenden Textberichterstattung mithilfe von mobilen Endgeräten (Laptops, Tablets oder Smartphones). In diesem Zusammenhang soll nicht nur diskutiert werden, ob eine sitzungspolizeiliche Anordnung, es zu unterlassen aus dem Sitzungssaal Kurznachrichten in Form eines sogenannten Live-Tickers abzusetzen, zulässig wäre, sondern auch ob einem Journalisten generell die Nutzung seines Laptops untersagt werden kann, mit dessen Hilfe er schon während der Verhandlung die am Ende eines Verhandlungstages erscheinende Berichterstattung vorbereiten möchte. Die verhandlungsbegleitende Berichterstattung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Bedingt durch die beinahe flächendeckende Verfügbarkeit mobilen Internets, erfreuen sich Live-Ticker, die sich gerade bei fortlaufend aktualisierenden Nachrichtenlagen anbieten und bislang vor allem im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Sportereignisse bekannt waren, immer größerer Beliebtheit. Die Form der verhandlungsbegleitenden Live-Wortberichterstattung wird
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
nicht nur von professionellen Journalisten betrieben. Durch Mikroblogginganwendungen wie Twitter ist es auch Privatpersonen möglich, Eindrücke der Öffentlichkeit zu vermitteln.313 In den Akkreditierungshinweisen vieler Gerichte, regelmäßig auch in denen des Bundesverfassungsgerichts, findet sich der Hinweis, dass das Telefonieren, Twittern und sonstige Versenden von Nachrichten, das Abrufen von Daten sowie jegliche Nutzung des Internets im beziehungsweise aus dem Sitzungssaal nicht gestattet sei. Alle für diese Zwecke nutzbaren elektronischen Geräte, insbesondere Mobiltelefone, Laptop-Computer oder Tablet-Computer, dürfen in den meisten Gerichtssälen daher nicht verwendet werden. Lediglich Medienvertretern ist die Nutzung von Computern im Offline-Betrieb vereinzelt gestattet, soweit sichergestellt ist, dass mit den Geräten weder Ton- noch Bildaufnahmen oder Datenübermittlungen durchgeführt werden.314 Das Bundesverfassungsgericht musste sich in diesem Zusammenhang in einer Eilentscheidung315 mit der sitzungspolizeilichen Anordnung des Vorsitzenden Richters der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg auseinandersetzen („Holzklotzverfahren“), der die Laptopbenutzung während der Verhandlung im Sitzungssaal selbst im Offline-Betrieb untersagt hatte. Das Bundesverfassungsgericht verwarf den Antrag eines Journalisten auf Erlass einer einstweiligen Anordnung: Zwar bestehe ein erhebliches Informationsinteresse an einer aktuellen Gerichtsberichterstattung, für deren Zwecke sich gerade ein Laptop als besonders effizientes Arbeitsmittel erwiesen habe, da er eine Berichterstattung am Ort des Geschehens ermögliche. Allerdings überwiegen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Interessen an der Aufrechterhaltung der Ordnung im Sitzungsaal, da Laptops über Mikrofon und Kamera verfügen, deren Verwendung entgegen dem Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG sich nicht kontrollieren ließe. Die Arbeit von Medienvertretern sei durch sitzungspolizeiliche Anordnung auch nicht so nachhaltig gestört, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Medienfreiheiten zu befürchten wäre.316
I. Betroffenheit der Schutzbereiche des Art. 5 Abs. 1 GG durch das Verbot der Nutzung portabler Computer Das Verbot der Nutzung portabler Computer könnte verschiedene Schutzbereiche des Art. 5 Abs. 1 GG betreffen, namentlich die Schutzbereiche der Informations- und Meinungsfreiheit sowie der Medienfreiheiten. 313
Vgl. zum Twittern im Gerichtssaal ausführlich Krieg, K&R 2009, 673. Vgl. dazu beispielsweise BVerfG, Pressemitteilung Nr. 17/2016 vom 22. März 2016 und Pressemitteilung Nr. 35/2018 vom 8. Mai 2018; OLG Düsseldorf, Sitzungspolizeiliche Anordnung III-5 StS 1/14 und Sitzungspolizeiliche Anordnung III-6 StS 1/16. 315 BVerfG NJW 2009, 352. 316 BVerfG NJW 2009, 352 (353). 314
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung
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Die Verbreitung einer Meinungsäußerung ist auch mittels der Infrastruktur des Internets vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst.317 Die Informationsfreiheit schützt den gesamten Prozess der Informationsbeschaffung, unter anderem auch die Speicherung der Information.318 Richtet man den Blick auf diejenigen, die sich zudem auf den Schutz der Medienfreiheiten berufen können – dies sind professionelle Journalisten und Laienjournalisten319 –, gilt, dass hier vor allem die medienspezifische Informationsbeschaffung besonders geschützt ist.320 Der Laptop ist heutzutage unentbehrliches Arbeitsmittel, nicht nur für den klassischen, sondern vor allem für den elektronischen (Laien-)Journalismus geworden.321 Die Wahl eines modernen und in vielerlei Hinsicht vorteilhaften Schreibgeräts ist daher vom Schutzbereich der Medienfreiheiten umfasst.322 Dies gilt auch nach der „n-tv-Rechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts.323 Denn hier ist nicht nur der Zugang zu einer Informationsquelle und damit (nur) die Informationsfreiheit betroffen, sondern die dem Schutzbereich der Medienfreiheiten unterfallende medienspezifische Arbeit an der Quelle. Als medienspezifisches Verhalten würde die Laptopbenutzung zur Informationsaufnahme und -verarbeitung auch dem Schutzbereich der Medienfreiheiten unterfallen.324 Die Untersagung dieses grundrechtlich geschützten Verhaltens stellt einen Eingriff in den Schutzbereich dar. Weiterhin stellt auch die Untersagung der Laptopbenutzung im Online-Modus für Journalisten einen Eingriff in die Medienfreiheiten dar, da Publikationsformen, die eine Datennutzung voraussetzen – etwa ein Live-Ticker – gar nicht erst möglich wären.325 Außerdem wären auch andere journalistische Arbeitsweisen beschränkt: Der Journalist könnte während der Verhandlung keine Hintergrundrecherche betreiben und er könnte die vorzubereitende Berichterstattung nicht per E-Mail an seine Redaktion senden, um diese mit anderen Redakteuren abzustimmen. Privatpersonen, die sich nicht wie Laienjournalisten326 auf eine der Medienfreiheiten stützen können, wären durch das Verbot der Nutzung von portablen Computern, vor allem von Smartphones, jedenfalls in ihrer Meinungsäußerungs317 Schmidt-Jortzig, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 162 Rn. 25; Rn. 12; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 36. Ed. 15.02.2018, Art. 5 Rn. 14. 318 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 83. 319 Vgl. dazu oben, Teil 1 B. IV. 2. b) cc) (2) (b). 320 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 5 I II Rn. 95, 105. 321 von Coelln, jurisPR-ITR 12/2009 Anm. 5. 322 So auch Rath, DRiZ 2014, 8 (8). 323 Vgl. oben, Teil 1 B. IV. 2. b) bb) (4). 324 von Coelln, jurisPR-ITR 12/2009 Anm. 5. 325 von Coelln, jurisPR-ITR 12/2009 Anm. 5, Krieg, K&R 2009, 673 (678). 326 Vgl. oben, Teil 1 B. IV. 2. b) cc) (2) (b).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
freiheit beschränkt,327 die jede Art der Artikulierung und Transportierung einer Meinung, insbesondere auch mithilfe neuer Artikulations- und Transportformen, schützt.328 Das Verbot der Nutzung portabler Computer, einschließlich des Verbots der Nutzung von Datenübertragungstechnik, stellt demnach einen Eingriff in die Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dar, der nur rechtmäßig wäre, wenn er verhältnismäßig ist.329
II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Es gibt keine gesetzliche Regelung, die ein Verbot der Nutzung portabler Computer im Gerichtssaal explizit anordnet. In Bezug auf das Verbot des LiveTickerns käme auch nicht § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG in Betracht, der nur das Verbot von „Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts“ erfasst.330 Bei einer Live-Textberichterstattung handelt es sich um eine übliche Form der – wenn auch schnelleren, dafür umfassenderen und unbearbeiteten – Text-Berichterstattung, für die die allgemeinen Grundsätze und Schranken gelten.331 Ein absolutes Verbot der Nutzung portabler Computer wie auch das Verbot der Nutzung von Datenübertragungstechniken könnte daher nur auf Grundlage des § 176 GVG im Wege einer sitzungspolizeilichen Maßnahme erlassen werden. § 176 GVG ist ein allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG.332 § 176 GVG betrifft den zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Gerichtsverhandlung. Zweck des § 176 GVG „ist die Aufrechterhaltung der Ordnung im gerichtlichen Verfahren“.333 Hierzu zählen der störungsfreie äußere Ablauf der Sitzung, ferner die ungehinderte Entscheidungsfindung sowie der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten. 334 Der Schutz eines störungsfreien Ablaufs bezieht sich auf die Sicherung des äußeren Verlaufs, der Ruhe und Sachlichkeit, die eine objektive Prüfung aller entscheidungsrelevanten Umstände ermöglicht.335 Demnach ist ein Zustand herzustellen, der dem Gericht und allen Verfahrensbeteiligten eine störungsfreie Ausübung ihrer Funk-
327
Krieg, K&R 2009, 673 (678). Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 44. 329 von Coelln, AfP 2014, 193 (202). 330 Vgl. zu dieser Frage ausführlich Krieg (K&R 2009, 673 [674 ff.]), der im Ergebnis auch eine analoge Anwendung ablehnt. 331 Rath, DRiZ 2014, 8 (9). 332 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa). 333 BVerfGE 91, 125 (137). 334 BVerfGE 91, 125 (137). 335 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 1. 328
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung
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tionen ermöglicht.336 Aufzeichnungen – auch solche mithilfe von technischen Geräten – dürfen nicht unterbunden werden, soweit sie nicht von vornherein störend sind.337 Etwas anderes würde etwa von vornherein für Aufzeichnungen gelten, die bewusst angefertigt werden, um damit andere Zeugen zu informieren. Solche Aufzeichnungen können bis zum Abschluss des gesamten Verfahrens eingezogen werden.338 Letztlich kommt es nur darauf an, dass die nach § 176 GVG erlassene Maßnahme, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Sitzungssaal getroffen wird, geeignet und erforderlich ist, diesem Zweck zu dienen, und die betroffenen Grundrechte nicht unangemessen beschränkt.339 1. Das absolute Verbot der Nutzung portabler Computer Betrachtet man zunächst das absolute Verbot der Nutzung portabler Computer durch Medienvertreter, so müsste für die Verhältnismäßigkeit des Verbots das Verhandlungsgeschehen intensiver belastet sein als dies durch unzweifelhaft zulässige handschriftliche Notizen der Fall wäre.340 Angesichts der „modernen Gepflogenheiten in der Medienbranche“ hat auch das Bundesverfassungsgericht in dem erwähnten Beschluss festgestellt, dass es sich bei dem Verbot der Laptopbenutzung nicht nur um eine marginale Beschränkung der Tätigkeit von Medienvertretern handelt.341 Dabei muss allerdings auch bedacht werden, dass Gerichtsprozesse nur in der Öffentlichkeit, nicht aber für diese stattfinden.342 Die Judikative muss insoweit nicht jedem Bequemlichkeitsbedürfnis gerecht werden.343 Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe, die geeignet wären, ein Verbot der Nutzung von portablen Computern durch Medienvertreter zu rechtfertigen: die Gefahr der Beeinträchtigung eines „ruhigen“ Verhandlungsverlaufs sowie die heimliche Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen. a) Störung des Verhandlungsablaufs Es wird als problematisch erachtet,344 dass mit der Nutzung von portablen Computern Geräuschquellen entstehen würden, durch die der Verhandlungsver336
Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 1. Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 25. Vgl. zum Argument der Geräuschbelästigungen durch „klappernde Schreibmaschinen“ Rüping, ZZP 88 (1975), 212 (219). 338 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 25. 339 BVerfGE 91, 125 (137). 340 von Coelln, AfP 2014, 193 (202). 341 BVerfG NJW 2009, 352 (353). 342 Vgl. BVerfGE 103, 44 (64). 343 Pfeifle, ZG 2010, 283 (291). 344 So unter anderem auch die Begründung des LG Oldenburg in dem oben erwähnten Beschluss: BVerfG NJW 2009, 352 (353). 337
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
lauf gestört werden könnte. Bei nahezu allen Geräten lassen sich jedoch heutzutage Signale und Töne ohne weiteres auf „lautlos“ schalten. Außerdem führt das Mitschreiben auf einem Laptop- oder Tabletcomputer bei weitem nicht zu dem von Schreibmaschinen bekannten Lärm des Tippens.345 Entstehende Geräusche sind jedenfalls nicht deutlich störender als jene, die beim Mitschreiben mittels Stift und Notizblock entstehen würden. Die von portablen Computern ausgehenden Betriebsgeräusche stellen damit kein überzeugendes Argument gegen ihre Nutzung im Verhandlungssaal dar.346 b) Missbrauchsgefahr Weiterhin wird die Befürchtung vorgetragen, bei der Laptopbenutzung im Verhandlungssaal könnten entgegen § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG audiovisuelle Aufnahmen angefertigt werden.347 Die verbotswidrige Nutzung der Aufnahmefunktionen ließe sich kaum kontrollieren, sodass der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 i.V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) in Gefahr geriete.348 Dem lässt sich entgegenhalten, dass die Missbrauchsgefahr nicht größer ist als bei jedem anderen mitgeführten portablen Gerät auch. So sind wesentlich effektivere Mittel vorstellbar (beispielsweise Kleinstmikrofone oder Brillenkameras), die weitaus geeigneter erscheinen, heimlich audiovisuelle Aufnahmen anzufertigen.349 So birgt schon das bloße Mitführen eines über eine Digitalkamera verfügenden Smartphones erheblich größeres Gefahrpotential als eine in den Laptop integrierte und zudem noch zum Nutzer hin gerichtete Webcam.350 Ein milderes Mittel, welches die Missbrauchsgefahr ebenso gut reduzieren würde, wäre die – aufgrund § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG eigentlich überflüssige – Anordnung, alle Aufnahmefunktionen an den portablen Computern in deaktiviertem Modus zu belassen.351 Wenn man dem entgegenhalten sollte, dass sich dies durch den Vorsitzenden nicht kontrollieren ließe, so gäbe es ferner die Möglichkeit, die integrierte Kamera und das integrierte Mikrofon eines Laptops mithilfe eines Aufklebers zu versiegeln. Im Übrigen hätte der Vorsitzende Richter auf
345 Rüping, ZZP 88 (1975), 212 (218); von Coelln, jurisPR-ITR 12/2009 Anm. 5; Kissel/Mayer, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 25. 346 So auch BVerfG NJW 2009, 352 (353); Rath, DRiZ 2014, 8 (9). 347 So auch das entscheidende Argument des Bundesverfassungsgerichts im genannten Beschluss (BVerfG NJW 2009, 352 [353]). 348 BVerfG NJW 2014, 3013 (3014). 349 Pfeifle, ZG 2010, 283 (291). 350 von Coelln, jurisPR-ITR 12/2009 Anm. 5; Rath, DRiZ 2014, 8 (9); Pfeifle, ZG 2010, 283 (291). 351 von Coelln, AfP 2014, 193 (202).
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung
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Grundlage des § 176 GVG die Möglichkeit Aufnahmegerät und Speichermedien sicherzustellen und die Löschung angefertigter Aufnahmen anzuordnen.352 Letztlich erscheint es bereits fragwürdig, zuvorderst den persönlichen Trägern der Medienfreiheiten generell ein Missbrauchsinteresse unterstellen zu wollen.353 Ein absolutes, präventives Nutzungsverbot von portablen Computern ist auch vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig.354 Ein absolutes Verbot der Nutzung portabler Computer wäre daher allenfalls im Einzelfall aus Gründen der Missbrauchsgefahr zulässig. c) Bedeutung entgegenstehender Interessen Die überzeugenderen Argumente sprechen für die Zulassung der Nutzung von portablen Computern im Gerichtssaal. Portable Computer sind der alten journalistischen Technik weit überlegen. Sie ermöglichen in der Regel, jedenfalls bei dem erfahrenen Anwender, ein schnelleres Mitschreiben als dies mit Stift und Notizblock möglich wäre.355 Der Laptop ist oftmals auch das Archiv des Journalisten, auf das er für das Abfassen seiner Artikel zurückgreifen können muss.356 Zudem wird es in der Regel erforderlich sein, dass der Journalist gerade bei längeren Verhandlungen in Anbetracht des nahenden Redaktionsschlusses schon während der Verhandlung mit dem Abfassen des späteren Artikels beginnen kann. Besteht ein Verbot der Nutzung von portablen Computern, stehen Journalisten daher vor der Wahl auf eine möglichst aktuelle Berichterstattung oder zugunsten einer aktuellen Berichterstattung auf die Teilnahme an der letzten Verhandlungshälfte zu verzichten.357 Noch gravierender ist die Situation für diejenigen Journalisten, die ausschließlich online publizieren. Denn im Internet gibt es nicht den aus dem klassischen Medienbereich bekannten Redaktionsschluss. Sowohl für die klassische als auch für die elektronische Presse gelten die Grundsätze des publizistischen Wettbewerbs. Aufgabe des Journalisten ist es, die relevanten Informationen zu identifizieren, zu verifizieren und schließlich zu publizieren: Derjenige, der den Wettlauf um Aktualität gewinnt, ist letztlich am erfolgreichsten.358 Auch wenn der Druck des frühen Redaktionsschlusses insoweit alle Journalisten gleichermaßen betrifft,359 wird angesichts des wettbewerbs352 353 354 355 356 357 358 359
Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 103. Pfeifle, ZG 2010, 283 (291). von Coelln, AfP 2014, 193 (202). Rath, DRiZ 2014, 8 (8). Rath, DRiZ 2014, 8 (8). Rath, DRiZ 2014, 8 (8). Hoene, in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 1 Rn. 2. BVerfG NJW 2009, 352 (353).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
bedingten Wunsches einer möglichst zeitnahen Publikation die verfassungsrechtlich geschützte journalistische Aufgabenerfüllung durch ein absolutes Nutzungsverbot von portablen Computern erheblich erschwert. d) Zwischenergebnis Ein vorsorgliches und generell geltendes Laptopverbot für Medienvertreter ist insoweit nicht verhältnismäßig.360 2. Das Verbot der Nutzung von Datenübertragungstechniken Manche Gerichte gestatten zwar die Benutzung portabler Computer im Verhandlungssaal, schränken dies aber dahingehend ein, dass die Datenübertragungstechnik der entsprechenden Geräte ausgeschaltet sein muss. Eine verhandlungsbegleitende Berichterstattung aus dem Gerichtssaal wäre damit nicht möglich. Zwar wird man im Einzelfall auch zu dem Ergebnis kommen können, dass es zumutbar ist, mit der Übertragung der in der mündlichen Verhandlung gewonnen Erkenntnisse bis zum Verhandlungsende zu warten.361 Problematisch dürfte an einem generellen Verbot der Nutzung von Datenübertragungsfunktionen jedoch sein, dass das Live-Tickern, das gerade von seiner zeitlichen Nähe zum tatsächlichen Geschehen profitiert,362 als eine mögliche journalistische Publikationsform unmöglich gemacht, jedenfalls – bedenkt man, dass die Zuschauer den Sitzungssaal jederzeit verlassen und draußen ohne weiteres die in der Verhandlung gewonnen Erkenntnisse verbreiten dürfen – erheblich erschwert würde. Vergegenwärtigt man sich, was der Vorsitzende Richter auf Grundlage des § 176 GVG zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Sitzungssaal überhaupt verfügen kann, bedeutet dies bezogen auf die Verhältnismäßigkeit des Verbots der Nutzung portabler Computer im „Online-Modus“, dass es gerade die Datenübertragungsfunktion sein muss, von der die Störung der Verhandlung ausgeht.363 Das Verwenden von Datenübertragungstechnik müsste daher zu einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der am Verfahren Beteiligten führen, den Anspruch auf ein faires Verfahren gefährden oder die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege und dabei insbesondere den Wahrheits- und Rechtsfindungsprozess bedrohen.364
360 361 362 363 364
So auch Rath, DRiZ 2014, 8 (9); von Coelln, jurisPR-ITR 12/2009 Anm. 5. von Coelln, AfP 2014, 193 (202). von Coelln, AfP 2014, 193 (202). von Coelln, AfP 2014, 193 (202). BVerfGE 91, 125 (137).
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung
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a) Gefahren für den Persönlichkeitsschutz Besondere Gefahren für den Persönlichkeitsschutz lassen sich nicht begründen. Das Live-Tickern aus einer Gerichtsverhandlung birgt keine Gefahren für den Persönlichkeitsschutz, die nicht auch eine herkömmliche zeitversetzte, aber dennoch aktuelle Gerichtsberichterstattung mit sich brächte. Die unmittelbare zeitliche Nähe zum Geschehen birgt daher keine gesteigerte Gefahr für den Persönlichkeitsschutz.365 Auch das Problem der viralen Weiterverbreitung von Kurzmeldungen und das Fehlen einer effektiven Möglichkeit, einmal im Internet verbreitete Informationen zu löschen, würde nicht dadurch vergrößert werden, dass bereits parallel zur Verhandlung berichtet wird.366 b) Gefährdung eines fairen Verfahrens Der Anspruch auf ein faires Verfahren könnte gefährdet sein, wenn die Verfahrensbeteiligten – insbesondere der Angeklagte im Strafverfahren – durch das Gefühl gesteigerter medialer Präsenz und Aufmerksamkeit gehemmt wären, sich umfassend zur Sache zu äußern. Ein subjektives Gefühl gesteigerter medialer Präsenz wäre durch die Erlaubnis der Nutzung von Datenübertragungstechniken und damit auch des Live-Tickerns nicht zu befürchten. Denn es handelt sich um eine unauffällige, lautlose Tätigkeit, die sich kaum von der Anfertigung von Notizen unterscheidet367 und die die Verfahrensbeteiligten daher gar nicht verstärkt wahrnehmen werden.368 Auch die Fairness des Verfahrens ist damit nicht von vornherein gefährdet. c) Gefährdung der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege Vielfach wird eingewandt, die Nutzung der Datenübertragungstechnik könnte die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege beeinträchtigen. Es sei eine Gefahr für die ungestörte Wahrheitsfindung zu befürchten, da das Live-Tickern aus der Verhandlung zu einer Vorabinformation von Zeugen führen könnte.369 Nach §§ 58 Abs. 1, 243 Abs. 2 Satz 1 StPO, § 394 Abs. 1 ZPO sind diese aber einzeln und in Abwesenheit nachfolgender Zeugen zu vernehmen. So ließe sich das Mitlesen von Live-Tickern der noch zu vernehmenden Zeugen kaum unterbinden. Ähnliche Bedenken gelten allerdings auch hinsichtlich der Vorabinformation durch die Übergabe zweifellos zulässiger schriftlicher Notizen.370 Einzuräumen ist jeden365
Krieg, K&R 2009, 673 (676). Krieg, K&R 2009, 673 (676). 367 Vgl. Huff, Öffentliche Verfahren. Twittern aus dem Gericht kann nicht einfach verboten werden, in: LTO, 18.11.2011, https://www.lto.de/persistent/a_id/4837/, zuletzt abgerufen am 31.05.2018. 368 Krieg, K&R 2009, 673 (676). 369 Kritisch dazu Rosenthal, AnwBl 2016, 654 (655 f.). 370 Krieg, K&R 2009, 673 (676 f.); von Coelln, AfP 2014, 193 (202). 366
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
falls, dass die Gefährdung des Wahrheits- und Rechtsfindungsprozesses aufgrund der durch die Datenübertragung aus der Verhandlung ermöglichte Vorabinformationen erheblich gesteigert wäre. Das Verbot der Nutzung von Datenübertragungstechnik während der Verhandlung wäre jedoch unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, wenn der Schaden für die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege durch eine Vorabinformation von später zu vernehmenden Zeugen bei einer während der Verhandlung stattfindenden Berichterstattung nicht größer wäre als bei einer während der Verhandlungspausen stattfindenden Berichterstattung.371 Im Übrigen ist die Problematik der Zeugenbeeinflussung durch Gerichtsberichterstattung nicht unbekannt. Gerade bei einer mehrstündigen oder mehrtägigen Gerichtsverhandlung ist die Verbreitung von Informationen schon während der mündlichen Verhandlung üblich und wird hingenommen.372 Das Problem der unzulässigen Zeugenbeeinflussung durch eine verhandlungsbegleitende Berichterstattung ist nicht von der Hand zu weisen. Es handelt sich allerdings um kein neues Problem, das mit einem Verbot der Nutzung von Datenübertragungstechnik effizient bekämpft werden könnte. Probates Mittel gegen die Vorabinformation wäre insoweit nur die kurzfristige Abschirmung der noch zu vernehmenden Zeugen vor Informationen aus dem Verhandlungssaal.373 Im Übrigen kommt es nach §§ 58 Abs. 1, 243 Abs. 2 Satz 1 StPO und § 394 Abs. 1 ZPO auch nur darauf an, dass die Zeugen einzeln vernommen werden und sich vor ihrer Aussage kein Bild vom Verhandlungsgeschehen aus eigener Anschauung heraus machen können. d) Gerichtsöffentlichkeit und Medienrealität Keiner der oben genannten Gründe kann ein ausnahmsloses Verbot der Nutzung von Datenübertragungstechnik aus dem Verhandlungssaal rechtfertigen. Ein Verbot wird im Übrigen den Gegebenheiten des Informationszeitalters nicht gerecht.374 Denn das rasche Verbreiten von Nachrichtenmeldungen gehört heute zum medialen Alltag375 und stellt inzwischen als eigenständige Publikationsform nicht nur im Rahmen von Sportveranstaltungen, sondern gerade bei sich fortlaufend aktualisierenden Nachrichtenlagen ein probates Mittel im Kampf um die 371
von Coelln, AfP 2014, 193 (202). Rath, DRiZ 2014, 8 (9); Huff, Öffentliche Verfahren. Twittern aus dem Gericht kann nicht einfach verboten werden, in: LTO, 18.11.2011, https://www.lto.de/persis tent/a_id/4837/, zuletzt abgerufen am 31.05.2018. 373 Vgl. Hess, FAZ vom 14. April 2016, Nr. 87, S. 6. 374 Pfeifle, ZG 2010, 283 (290 f.). 375 Vgl. Huff, Öffentliche Verfahren. Twittern aus dem Gericht kann nicht einfach verboten werden, in: LTO, 18.11.2011, https://www.lto.de/persistent/a_id/4837/, zuletzt abgerufen am 31.05.2018. 372
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung
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Leserschaft dar.376 Durch das Live-Tickern kann ein gerichtliches Verfahren wesentlich realistischer und detailreicher dargestellt werden als in einer sich erst anschließenden Textberichterstattung, die lediglich eine Zusammenfassung eines Verhandlungstages darstellt.377 Wegen seiner besonderen Darstellungsform kann das Live-Tickern wertneutraler sein. In der Regel wird nur das Erlebte wiedergegeben, Wertungen oder Kommentare finden sich oftmals noch nicht, jedenfalls bilden sie nicht den Schwerpunkt einer solchen Berichterstattung, da für Wertungen und Kommentare bei einer begleitenden Berichterstattung zunächst noch die erforderliche Tatsachengrundlage fehlt. Eine indirekte Form der verhandlungsbegleitenden Berichterstattung ist auch heute schon durch das regelmäßige Verlassen des Sitzungssaales möglich.378 Insoweit macht es keinen Unterschied, ob eine verhandlungsbegleitende Textberichterstattung aus dem Sitzungssaal selbst oder durch regelmäßiges Verlassen des Sitzungssaales stattfindet. Jeder Zuschauer darf den Sitzungssaal verlassen und vor der Tür von den Geschehnissen im Inneren berichten. Wer aus dem Zuschauerbereich berichtet, unternimmt nichts anderes als derjenige, der den Sitzungssaal regelmäßig verlässt. Er macht es nur wesentlich unauffälliger und weniger störend.379 Das Verbot der Nutzung von Datenübertragungstechnik führt ferner dazu, dass eine verhandlungsbegleitende Recherche380 und zudem die Kommunikation und Abstimmung mit der eigenen Redaktion – abgesehen von dem zweifellos unzulässigen Telefonieren aus dem Verhandlungssaal381 – erheblich erschwert würde.382 Sollten Journalisten für derart unerlässliche Tätigkeiten ständig den Sitzungssaal verlassen müssen, wäre deutlich mehr Unruhe im Verhandlungssaal vorprogrammiert.383 e) Zwischenergebnis Die Ausführungen zeigen damit, dass auch ein ausnahmsloses Verbot der Nutzung von Datenübertragungstechnik unverhältnismäßig ist. Für Private, die nicht Laienjournalisten sind, kann im Einzelfall etwas anderes gelten. Sie können sich nicht auf die Medienfreiheiten berufen. Ihnen kommt auch keine öffentliche Aufgabe zu. Dennoch gilt auch bei einem auf § 176 GVG gestützten Verbot der Nut376
von Coelln, AfP 2014, 193 (202). Rath, DRiZ 2014, 8 (9). 378 Pfeifle, ZG 2010, 283 (290 f.); Rath, DRiZ 2014, 8 (9). 379 Vgl. Huff, Öffentliche Verfahren. Twittern aus dem Gericht kann nicht einfach verboten werden, in: LTO, 18.11.2011, https://www.lto.de/persistent/a_id/4837/, zuletzt abgerufen am 31.05.2018. 380 Rath, DRiZ 2014, 8 (9). 381 Huff, Öffentliche Verfahren. Twittern aus dem Gericht kann nicht einfach verboten werden, in: LTO, 18.11.2011, https://www.lto.de/persistent/a_id/4837/, zuletzt abgerufen am 31.05.2018. 382 Rath, DRiZ 2014, 8 (9). 383 Rath, DRiZ 2014, 8 (9). 377
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
zung von Datenübertragungstechniken durch Private, dass eine Störung der Sitzung konkret begründet werden muss. In Bezug auf das Versenden von Nachrichten aus dem Verhandlungssaal müsste insoweit dargelegt werden, warum ein bestimmtes Schutzgut durch die Live-Textberichterstattung nachhaltiger betroffen wäre, als durch eine Berichterstattung während der Sitzungspausen oder nach Ende der Verhandlung.384
III. Bedeutung der Live-Textberichterstattung für die Funktionen der Gerichtsöffentlichkeit Im Rahmen der funktionstheoretischen Überlegungen zur gerichtlichen Öffentlichkeit wurde dargelegt, dass Öffentlichkeit der Kontrolle, der Information und der Schaffung von Vertrauen und Akzeptanz dient. Wesentlich war die Erkenntnis, dass die Erfüllung der Funktionen nicht mehr nur dem Saalpublikum obliegt, sondern heutzutage vornehmlich von den Medien wahrgenommen wird.385 Recht sprechen bedeutet Ausübung von Macht. Aufgabe der Medien ist es, diese Machtvorgänge sichtbar und dadurch in einer Öffentlichkeit, die die räumlichen Grenzen des Gerichtssaals nicht kennt, diskutierbar zu machen. In Bezug auf die Ausübung von Macht wirkt die öffentliche Diskussion bändigend. Sie zwingt die Judikative zur Sorgfalt.386 Eine funktionsorientierte Gerichtsöffentlichkeit ist daher auf Medien angewiesen. Die Menschen orientieren sich in zunehmender Intensität auch an den neuen, elektronischen Medien. Insoweit werden die klassischen Medien künftig nicht mehr allein die Rolle der Gatekeeper beziehungsweise Informationsmittler übernehmen.387 Der Öffentlichkeitsgrundsatz dient auch der Verhinderung von Heimlichkeit. Dies schafft Akzeptanz und Vertrauen in die Judikative.388 Wenn sich die Judikative allerdings den neuen Formen der Kommunikation verschließt und etwa durch das Verbot der Nutzung von Sendefunktionen an elektronischen Geräten das Live-Tickern verhindert, entsteht jedenfalls bezüglich dieses Kommunikationskanals eine Form von Heimlichkeit, die wiederum zu Misstrauen gegenüber der Judikative beitragen kann. Weiterhin soll durch den Öffentlichkeitsgrundsatz die Rechtsanwendung schlicht sichtbar gemacht werden. Er dient der Verdeutlichung dahingehend, dass Konflikte mithilfe des Rechts gelöst werden können. Auch hierdurch wird das Vertrauen in die Judikative gestärkt und Rechtssicherheit erzeugt.389 In einer 384 385
Rosenthal, AnwBl 2016, 654 (655). Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (346 f.). Vgl. dazu auch bereits oben, Teil 1 B.
III. 4. 386 387 388 389
Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. III. 1. Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (350 f.). Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. III. 3. Hess, FAZ v. 14. April 2016, Nr. 87, S. 6.
B. Die verhandlungsbegleitende Textberichterstattung
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Zeit, in der die klassischen Medien gerade für junge Bürger an Relevanz verlieren, müssen an diesem Prozess aber auch die Neuen Medien in den für sie typischen Darstellungsformen teilhaben können. Es wird eingewendet, die digitale Öffentlichkeit könne nicht zur Versachlichung der Gerichtsberichterstattung beitragen. Die von Demokratie und Rechtsstaat geforderte Gerichtsöffentlichkeit sei durch die Neuen Medien gefährdet.390 Social Media- und Web 2.0-Anwendungen würden die Funktionen der Gerichtsöffentlichkeit nicht hinreichend erfüllen.391 Die Gefahr einer Live-Textberichterstattung liegt insoweit auch darin begründet, dass vorschnell und unüberlegt Informationen verbreitet werden, die die Situation in der Verhandlung nur unzureichend wiedergeben. Richtig ist sicherlich, dass Beiträge von Bürger- und Laienjournalisten, ebenso wie auch von Personen, die keinerlei journalistische Ambitionen verfolgen, weniger objektiv sind. Die Subjektivität ihrer Publikationen führt jedoch zu mehr Authentizität und Individualität innerhalb des öffentlichen Diskurses.392 Die Berichterstattung durch Laien und Private ist damit in der Lage, Lücken zu schließen, die von den klassischen Medien nicht hinreichend ausgefüllt werden und die bislang nur durch den Austausch innerhalb des heutzutage immer seltener anzutreffenden Saalpublikums bekannt war. Weiterhin ist einzuwenden, dass sich die Qualität einer Berichterstattung nicht als Argument dafür eignet, neue Formen der Berichterstattung wie das Live-Tickern – sei es durch professionelle Medienvertreter oder Laien – zu untersagen. Die Meinungsfreiheit schützt nämlich auch die abwegige, mitunter als grundlos, emotional, wertlos oder gefährlich einzuschätzende Meinungsäußerung.393 Das System der Kommunikationsgrundrechte im Grundgesetz ist dahingehend ausgestaltet worden, dass alles der selbstregulierenden Wirkung des öffentlichen Diskurses überlassen bleibt. Nimmt man die angesprochenen Befürchtungen ernst, so ist es umso wichtiger, dass dafür Sorge getragen wird, den Medienvertretern, die einzelne Meinungen einordnen und damit zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion beitragen, die Umsetzung einer zeitgemäßen Berichterstattung nicht zu erschweren. Auch im Gerichtssaal sind deshalb Bedingungen zu schaffen, die eine zeitgemäße journalistische Arbeit erlauben. Weiterhin sollten sich die Gerichte im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit394 selber der neuen Kommunikationskanäle, insbesondere der sozialen Medien be390
Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (350 f.). Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (350 f.). 392 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. III. 2. c); Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 84. 393 Vgl. etwa BVerfGE 124, 300 (320). Siehe dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. b) aa). 394 Vgl. dazu auch oben, Teil 1 B. V. 2. d). 391
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
dienen. Denn auch in einer von der Masse unsachlich geführten Debatte können einzelne Stimmen – und zwar solche von offiziellen Kommunikatoren – zur Versachlichung beitragen und die Stimmen der Masse übertönen.395 Wenn sich also auch die Gerichte beispielsweise eines eigenen Twitter-Accounts bedienen würden, könnten auch auf diesem Wege Urteile durch die Gerichte selbst eingeordnet und erklärt werden.396 Gerichtsöffentlichkeit darf sich letztlich den Neuen Medien nicht vollends verschließen, sondern muss sich zur Erfüllung der Funktionen des Öffentlichkeitsgrundsatzes den Gegebenheiten des digitalen Zeitalters anpassen. Das bedeutet nicht nur, dass die Gerichte einer verhandlungsbegleitenden Berichterstattung offen gegenüberstehen müssen, sondern auch, dass die Gerichte in ihrer Öffentlichkeitsarbeit selber die Kanäle der Neuen Medien suchen sollten. Hinsichtlich der Verwendung von portablen Computern und von Datenübertragungstechnik wäre auch eine Klarstellung des Gesetzgebers wünschenswert, da die diesbezügliche Praxis bei den Gerichten sehr unterschiedlich ist. Hierdurch könnten die Interessen der Medien gestärkt werden. Denn überwiegend, unter anderem auch beim Bundesverfassungsgericht, wird stets ein pauschales Verbot hinsichtlich der Verwendung elektronischer Medien ausgesprochen. Der Gesetzgeber sollte insoweit eine Regelung in § 169 GVG einfügen, nach der die Verwendung von portablen Computern und von Datenübertragungstechnik nur untersagt werden darf, wenn durch ihre Verwendung die gerichtliche Verhandlung gestört wird.
C. Der Schutz vor Bildnisveröffentlichungen und Bildnisaufnahmen im Rahmen der Gerichtsberichterstattung Der Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen im Verhandlungssaal kann vor allem das Recht am eigenen Bild entgegenstehen. Nachfolgend soll es um die Konkretisierung des Rechts am eigenen Bild gehen, das Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist397 und mit den §§ 22, 23 KUG einfachgesetzlich näher ausgestaltet wurde. Diese gelten unabhängig davon, ob es sich um einfache Bildnisaufnahmen oder Bewegtbildaufnahmen handelt.
I. Der Schutz des Rechts am eigenen Bild Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. § 22 KUG beinhaltet insoweit 395
Vgl. dazu Andrews/Fichet/Ding/Spiro/Starbird, CSCW 2016, 452 (461 f.). Das Bundesverfassungsgericht verfügt über einen offiziellen Twitter-Account: https://twitter.com/bverfg, zuletzt abgerufen am 31.05.2018. 397 Vgl. bereits oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa) (2) (a) (cc). 396
C. Der Schutz vor Bildnisveröffentlichungen und Bildnisaufnahmen
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das Recht, selber darüber zu bestimmen, ob und auf welche Weise eine Person der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird.398 Ein Bildnis ist die „Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt“.399 Die Erkennbarkeit kann sich einerseits aus der Darstellung der Gesichtszüge, andererseits aber auch aus sonstigen Begleitumständen, die neben oder außerhalb der Personenabbildung liegen, ergeben.400 Demzufolge kann eine Bildveröffentlichung selbst dann rechtswidrig sein, wenn das Gesicht des Abgebildeten gepixelt ist, sich aber aus anderen Umständen (etwa Frisur, Körperhaltung oder Kleidung) ergibt, um welche Person es sich handelt.401
II. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte § 23 Abs. 1 KUG sieht Ausnahmen vor, die eine Verbreitung eines Bildnisses auch ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung erlauben. Hervorzuheben sind hier insbesondere Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Lange Zeit hat die Rechtsprechung für die Frage, wann ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte zugeordnet werden kann, auf die Bekanntheit der betroffenen Person abgestellt und zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte unterschieden.402 Seit der „Caroline von HannoverEntscheidung“ des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte403 nehmen die deutschen Gerichte nunmehr eine einzelfallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen und Grundrechte vor.404 Dem abgestuften Schutzkonzept des Bundesgerichtshofs405 entsprechend findet eine Abwägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit der Pressefreiheit bereits bei der Frage der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte statt.406 In der Abwägung kommt es darauf an, „ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse 398
BGH NJW 1992, 2084 (2084). BGH NJW 2000, 2201 (2202). 400 Herrmann, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.11.2016, § 22 KUG Rn. 4 ff.; Engels, in: Ahlberg/Götting (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 19. Ed. 01.03.2018, § 22 KUG Rn. 22 ff. m.w. N. 401 Stieper, JZ 2014, 271 (272). 402 BGHZ 131, 332 (336 ff.). Die Bezugnahme auf die Figur der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte geht zurück auf Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 (114 ff.). 403 EGMR NJW 2004, 2647. 404 Engels, in: Ahlberg/Götting (Hrsg.), BeckOK Urheberrecht, 19. Ed. 01.03.2018, § 23 KUG Rn. 2. 405 Grundlegend BGHZ 171, 275. 406 BGHZ 171, 275 (279 f.). Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte sehen dieses abgestufte Schutzkonzept als grundrechts- beziehungsweise menschenrechtskonform an: BVerfGE 120, 180 (210 ff.); EGMR NJW 2012, 1053 (1056 ff.); NJW 2014, 1645 (1647). So auch Herrmann, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.11.2016, § 23 Rn. 14. 399
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
ernsthaft und sachbezogen erörtert und damit den Informationsbedarf des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt“.407 Entscheidend ist damit der Informationswert der Berichterstattung.408 Der Bundesgerichtshof geht weiterhin davon aus, dass mit größerem Informationswert für die Öffentlichkeit das Schutzinteresse dessen, über den informiert wird, umso mehr hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten muss. Umgekehrt gilt: Der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen wiegt umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist. Im Rahmen dieser Abwägung kann auch der Bekanntheitsgrad – insoweit findet eine Anknüpfung an die „alte Rechtsprechung“ statt – eine Rolle spielen.409 Letztlich gilt, dass die Pflicht, eine Abbildung auch ohne Einwilligung hinzunehmen, endet, soweit ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit an der Veröffentlichung nicht anzuerkennen ist.410 Unzulässig wäre eine einwilligungslose Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit der Gerichtsberichterstattung, wenn das Informationsinteresse allein durch Sensationslust und Neugierde geprägt ist.411 Die Besonderheit des abgestuften Schutzkonzepts ist die Zweistufigkeit der Abwägung. Neben der soeben beschriebenen Abwägung hinsichtlich der Frage, ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), ist sodann auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob nach § 23 Abs. 2 KUG berechtigte Interessen des Betroffenen einer Veröffentlichung entgegenstehen.412 So wäre trotz Vorliegens eines zeitgeschichtlichen Ereignisses die Verbreitung eines Bildnisses unzulässig, wenn der Eingriff in das Recht am eigenen Bild zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung sonstiger Persönlichkeitsbelange führen würde.413
III. Aufnahmeverbote im Gerichtssaal zum Schutze des Persönlichkeitsrechts Ein gesetzliches Fotografierverbot für den Sitzungssaal und die Zeit der mündlichen Verhandlung gibt es nicht. Insoweit gilt eine Vermutung für eine freie Berichterstattung, solange durch den Vorsitzenden Richter oder den Inhaber des Hausrechts, also den Präsidenten oder Direktor eines Gerichts, keine Aufnahmeverbote erlassen wurden.414 Die Entscheidung darüber, ob während, vor, zwischen oder nach einer Verhandlung fotografiert werden darf, trifft allein der Vor407
BGHZ 171, 275 (278 ff.); BGH NJW 2009, 3032 (2033 f.). Stieper, JZ 2014, 271 (273). 409 BGH NJW 2009, 3032 (3034). 410 BGH NJW 1997, 1152 (1152); Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 118. 411 Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 120. 412 BGH NJW 2007, 1977 (1979). 413 BGHZ 171, 275 (280 f.); Stieper, JZ 2014, 271 (274); Herrmann, in: Gersdorf/ Paal (Hrsg.), BeckOK InfoMedienR, 19. Ed. 01.11.2016, § 23 Rn. 26 ff. 414 Brüggemann, AfP 1971, 155 (156). 408
C. Der Schutz vor Bildnisveröffentlichungen und Bildnisaufnahmen
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sitzende im Rahmen seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse nach § 176 GVG.415 Falls der Vorsitzende ein entsprechendes Verbot nicht ausspricht, wären einfache Bildnisaufnahmen auch während der mündlichen Verhandlung zulässig.416 Einem absoluten Aufnahmeverbot im Umfeld der gerichtlichen Verhandlung käme es gleich, wenn der Vorsitzende Bildnisaufnahmen nur bis zu dem Zeitpunkt zulassen würde, bis zu dem die Verfahrensbeteiligten den Sitzungsaal betreten und damit nur Aufnahmen vom leeren Verhandlungssaal möglich wären. Die Sitzungspolizei des Vorsitzenden417 besteht „in der Sitzung“. Damit ist zunächst die gesamte Dauer der Verhandlung gemeint.418 Daneben erstreckt sie sich aber auch auf die Zeit ab der Öffnung des Gerichtssaals und dem Eintreffen der ersten Verfahrensbeteiligten, auf kürzere Sitzungspausen und auf die Phase nach dem Schluss der Verhandlung bis zum Verlassen des Sitzungssaals durch das Gericht.419 In räumlicher Hinsicht erstreckt sich die Sitzungspolizei auf den Sitzungssaal, das Beratungszimmer und die Nebenräume, die unmittelbar oder ausschließlich der Verhandlung dienen.420 Abzugrenzen ist die Sitzungspolizei vom Hausrecht. Das Hausrecht, das der Gerichtsverwaltung zusteht und dessen Inhalt dem Hausrecht des privaten Hauseigentümers entspricht, erstreckt sich grundsätzlich auf alle Räumlichkeiten und Flächen im und am Justizgebäude.421 Das Hausrecht tritt jedoch mit Rücksicht auf die richterliche Unabhängigkeit hinsichtlich der Räumlichkeiten zurück, die der sitzungspolizeilichen Befugnis des Vorsitzenden unterstehen.422 Teil der sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden zur Aufrechterhaltung der Ordnung ist neben der Sorge für den störungsfreien äußeren Ablauf der Sitzung und die ungehinderte Entscheidungsfindung auch der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.423 1. Das Verhältnis der §§ 22, 23 KUG zu § 176 GVG Um für einen umfassenden Persönlichkeitsschutz zu sorgen, können bereits im Vorfeld der Verhandlung und einer Gerichtsberichterstattung Maßnahmen erfor415 Lehr, NStZ 2001, 63 (64); ders., in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 64 ff. 416 BGHSt 23, 123 (126); Lehr, NStZ 2001, 63 (65). 417 Vgl. aber auch die in §§ 177, 178 GVG geregelten Ausnahmen zugunsten der Zuständigkeit des Kollegiums. 418 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 8. 419 Vgl. dazu Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 9 m.w. N. 420 Maul, MDR 1970, 286 (286); Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 10. 421 Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 3. 422 BVerfG NJW 2011, 2530 (2530 f.); Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 176 Rn. 3. 423 BVerfGE 91, 125 (137); Stieper, JZ 2014, 271 (276).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
derlich sein, die Bildnisaufnahmen im Sitzungssaal beschränken und damit den Rahmen für eine sachgerechte und unbefangene Prozessführung geben.424 Das Persönlichkeitsrecht ist deshalb im Rahmen des § 176 GVG im selben, allerdings nicht in einem weiteren Umfang zu berücksichtigen, wie dies auch nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist.425 Insoweit müssen die sitzungspolizeilichen Anordnungen ihrerseits dem abgestuften Schutzkonzept des § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 KUG genügen.426 Tun sie dies nicht, führt ein Verstoß gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung deswegen nicht bereits von vornherein zur Rechtswidrigkeit der entgegen der Anordnung angefertigten und sodann verbreiteten Bildnisaufnahmen.427 Die Verfahrensbeteiligten müssen eine Verbreitung von Bildnissen hingegen nicht hinnehmen, die zwar entsprechend der Anordnung des Vorsitzenden zulässigerweise angefertigt wurden, deren Verbreitung nach Maßgabe der §§ 22, 23 KUG allerdings rechtswidrig wäre.428 Insoweit erfordert auch die Frage der Zulässigkeit der Anfertigung von Bildnisaufnahmen im Gerichtssaal eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten nach den bekannten Grundsätzen.429 2. Aufrechterhaltung der Ordnung „in der Sitzung“ Da § 176 GVG430 der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dient, ist die Unterscheidung zwischen einem Aufnahmeverbot und dem Verbot der Verbreitung von Bildnissen von wesentlicher Bedeutung. So gibt es zahlreiche Fälle, in denen ein Bildnis sowohl in rechtmäßiger als auch in rechtswidriger Weise verbreitet werden kann. Die Anfertigung einer Aufnahme darf jedoch nicht schon wegen der bloßen Möglichkeit einer rechtswidrigen Verbreitung verboten werden.431 Denn es ist zu berücksichtigen, „dass die Recherche mehr Freiraum benötigt als die Berichterstattung“.432 Die §§ 22, 23 KUG befassen sich nur mit der Verbreitung; ihnen ist hingegen keine Aussage über die Aufnahmetätigkeit zu
424
Stieper, JZ 2014, 271 (280). BGHZ 190, 52 (63 f.); Stieper, JZ 2014, 271 (276). Kritisch, im Ergebnis aber zustimmend von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 451 ff. 426 BVerfGE 119, 309 (323); BGHZ 190, 52 (63 f.). 427 BGHZ 190, 52 (63 f.); Stieper, JZ 2014, 271 (276). 428 Stieper, JZ 2014, 271 (276). 429 Stieper, JZ 2014, 271 (276). Kritisch dazu, dass auch das Persönlichkeitsrecht Schutzgut des § 176 GVG sein soll, dem letztlich aber zustimmend: von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 451 ff. Vgl. auch Hauth (Sitzungspolizei und Medienöffentlichkeit, 2017, S. 106 f.), die für eine stärkere Betonung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildnisaufnahmen aus dem Sitzungssaal plädiert. 430 Instruktiv zur Einschlägigkeit der sitzungspolizeilichen Generalklausel bei Anonymisierungsanordnungen Hauth, Sitzungspolizei und Medienöffentlichkeit, 2017, S. 48 ff. 431 von Coelln, jurisPR-ITR 3/2012 Anm. 4. 432 von Coelln, jurisPR-ITR 3/2012 Anm. 4. 425
C. Der Schutz vor Bildnisveröffentlichungen und Bildnisaufnahmen
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entnehmen.433 Wäre die Verbreitung einer im Gerichtssaal angefertigten Aufnahme allerdings von vornherein rechtswidrig, ist der Vorsitzende gehalten, alles Erforderliche zu veranlassen, um den Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten zu gewährleisten.434 Mittelbare Bedeutung kommt den Vorschriften aber dann zu, wenn die Verbreitung eines Bildnisses selbst in nicht anonymisierter Form zulässig wäre. In einem solchem Fall wäre ein Fotografierverbot, welches dem Persönlichkeitsschutz dienen soll, rechtswidrig.435 Jedenfalls haben Aufnahmeverbote stets den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Diesbezüglich wird vorgeschlagen, vor allem ein Anonymisierungsgebot als milderes Mittel im Vergleich zum Aufnahmeverbot in den Abwägungsprozess miteinzubeziehen. 436 Dem wird entgegengehalten, dass ein Anonymisierungsgebot als Minus zum vollständigen Aufnahmeverbot im Rahmen einer Anordnung nach § 176 GVG nicht in Betracht kommen könne. Denn dem Vorsitzenden obliege allein die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung. Diese Ordnung könne allenfalls durch die Aufnahme selbst beeinträchtigt werden.437 Allerdings muss bedacht werden, dass sich eine nachfolgende Bildberichterstattung auch auf den Prozess selbst und seine Beteiligten auswirken kann, etwa dann, wenn eine Berichterstattung dazu führt, dass Zeugen nicht mehr (vollständig) aussagen wollen, weil sie nicht in das Blickfeld der Medienöffentlichkeit geraten möchten. Auch hierfür tragen die Gerichte Verantwortung, sodass deswegen eine Anordnung nach § 176 GVG in Betracht kommt. Eine weitere Überlegung tritt hinzu: Bildnisse werden heutzutage auch im Internet verbreitet und Fernsehbeiträge erscheinen kurz nach ihrer Ausstrahlung in den Video-Archiven der Fernsehsender und auf einigen unabhängigen Videoplattformen. Die Beeinträchtigung des Betroffenen kann durch die Möglichkeit der dauerhaften Abrufbarkeit des Beitrages „prolongiert und perpetuiert werden“.438 Auch wenn diese internetspezifische Gefahrenlage ein Aufnahmeverbot allein nicht zu rechtfertigen vermag,439 trifft den Vorsitzenden hier die Verantwortung, alles Erforderliche dafür zu tun, dass die Publizität des gerichtlichen Verfahrens keine Grundlage dafür bietet, Verfahrensbeteiligte in der Öffentlichkeit außerhalb des Gerichtssaals „zur Schau“ zu stellen. Vor allem im Strafverfahren muss schon während der Verhandlung das Resozialisierungsinteresse des
433
von Coelln, jurisPR-ITR 3/2012 Anm. 4. Maul, MDR 1970, 286 (287). Vgl. auch von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (21). 435 von Coelln, jurisPR-ITR 3/2012 Anm. 4. 436 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 457. 437 von Coelln, AfP 2014, 193 (197). Die Anwendbarkeit des § 176 GVG bejahend Hauth, Sitzungspolizei und Medienöffentlichkeit, 2017, S. 51, 78 ff. 438 von Coelln, jurisPR extra 2007, 145. 439 von Coelln, jurisPR extra 2007, 145. 434
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Angeklagten berücksichtigt werden. Zwar könnte den Medien eine Anonymisierungspflicht auferlegt werden, die erst die Archivierung ihrer Beiträge betrifft. Allerdings könnten nicht anonymisierte Beiträge von Dritten kopiert und weiterverbreitet werden, sodass die Anonymität des Betroffenen auf Dauer nicht gewahrt wäre. Unter diesen Gegebenheiten sollte eine Anonymisierungspflicht daher schon bei der Erstverbreitung einsetzen.440
IV. Aufnahmeverbote zugunsten der Sicherung des störungsfreien äußeren Ablaufs der Sitzung und der ungehinderten Entscheidungsfindung Zur Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung kann der Vorsitzende nach § 176 GVG alles untersagen,441 was die Durchführung der gerichtlichen Verhandlung stören oder zur Ablenkung der Verfahrensbeteiligten führen könnte.442 Aufnahmeverbote zugunsten des störungsfreien äußeren Ablaufs der Sitzung und der ungehinderten richterlichen Entscheidungsfindung sind deswegen vor allem dann zulässig, wenn andernfalls zu befürchten wäre, dass Verfahrensbeteiligte, die eine Bildnisveröffentlichung zu erwarten haben, in ihrem Aussageverhalten beschränkt werden könnten und dadurch die Wahrheits- und Rechtsfindung beeinträchtigt würde.443 Ebenso kommen Beeinträchtigungen des staatsanwaltschaftlichen Vorgehens und der richterlichen Entscheidungsfindung als Abwägungsgesichtspunkte zugunsten eines Aufnahmeverbots in Betracht.444 Dies gilt jedenfalls für Bildnisaufnahmen, die während der Verhandlung angefertigt werden. Aufnahmen aus dem Umfeld der Verhandlung sind hingegen weniger geeignet, sich auf die Rechts- und Wahrheitsfindung auszuwirken.445 Die bloße Anwesenheit von Kameraleuten vor und nach der Verhandlung sowie während der Sitzungspausen ist grundsätzlich nicht dazu geeignet, den Verhandlungsablauf zu stören.446 Aufnahmeverbote kommen allenfalls dann in Betracht, wenn die Fotografen sonst ein der Würde des Gerichts nicht entsprechendes Verhalten an den Tag legen, in dem sie etwa zur Herstellung einer besonders guten Aufnahme auf Tische oder Stühle steigen und ein Wettbewerb um die besten Bilder einsetzt.447 440
In diese Richtung auch von Coelln, jurisPR extra 2007, 145. Zur Übertragbarkeit der Wertungen der §§ 22, 23 KUG auf die sitzungspolizeiliche Entscheidung Hauth, Sitzungspolizei und Medienöffentlichkeit, 2017, S. 79 ff. 442 Maul, MDR 1970, 286 (286). 443 BVerfG NJW 1996, 310 (310 f.); Diemer, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar StPO, 6. Aufl. 2008, § 176 GVG Rn. 1a. 444 BVerfG NJW 1996, 310 (311). 445 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 457; Maul, MDR 1970, 286 (287). 446 Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356 (360). 447 Maul, MDR 1970, 286 (287); Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356 (360). 441
C. Der Schutz vor Bildnisveröffentlichungen und Bildnisaufnahmen
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Ein Aufnahmeverbot wäre jedoch unverhältnismäßig, wenn nicht auch mildere Mittel zur Beseitigung der Störung berücksichtigt wurden. Ein milderes Mittel gegenüber einem absoluten Aufnahmeverbot stellt insoweit die Anordnung von Pool-Lösungen dar. Hier betreten nur wenige Medienvertreter den Gerichtssaal und stellen den übrigen Journalisten das von ihnen angefertigte Bildmaterial kostenlos zur Verfügung. Dadurch kann ein großer Medienandrang im Gerichtssaal beschränkt werden, ohne dass die Gerichtsberichterstattung nachhaltig beeinträchtigt wird.448 Außerdem kann der Vorsitzende Anweisungen über Standort, Zeit und Dauer der Aufnahme erlassen.449 Die bloß theoretische Gefahr, dass Anordnungen des Vorsitzenden übertreten werden, rechtfertigen ein präventives Verbot der Anfertigung von Fernsehaufnahmen bei Vorliegen eines außerordentlichen Informationsinteresses nicht.
V. Zwischenergebnis Letztlich darf der Vorsitzende die Vorschrift des § 176 GVG nicht dazu verwenden, um Einfluss auf eine nachfolgende Berichterstattung zu nehmen. Es sind insoweit zwei Ebenen zu unterscheiden. Einerseits ist die Frage der Rechtmäßigkeit von Aufnahmeverboten im Verhandlungssaal, andererseits die Frage der Rechtmäßigkeit einer verhandlungsbegleitenden Bildberichterstattung angesprochen. Sitzungspolizeiliche Anordnungen können auch zugunsten des Persönlichkeitsschutzes getroffen werden. Zweck einer solchen Anordnung muss dann aber die Aufrechterhaltung des ungestörten Verhandlungsablaufs sein. § 176 GVG darf hingegen nicht als Mittel zur Steuerung der Gerichtsberichterstattung verwendet werden. Die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung ist zunächst der „Bewertungsverantwortung“ der Gerichtsberichterstatter anheimgestellt.450 Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung muss das Informationsinteresse an dem Bildnis das Anonymitätsinteresse des Betroffenen überwiegen. Zu berücksichtigen ist auch, dass im Rahmen der Recherchetätigkeit mehr erlaubt sein muss, als im Rahmen der anschließenden Berichterstattung. Die sitzungspolizeilichen Befugnisse reichen nur so weit, wie zu befürchten ist, dass der Verhandlungsverlauf durch Bildnisaufnahmen gestört werden könnte. Hinsichtlich des Persönlichkeitsschutzes ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Vielzahl an Fotoreportern eine Atmosphäre medialer Aufmerksamkeit entsteht, in der die Verfahrensbeteiligten gehemmt sind, sich so zu verhalten, wie sie es ohne eine derartige mediale Beobachtung tun würden.
448 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 458; BrosiusGersdorf, TKMR 2002, 356 (360). 449 Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356 (360). 450 Gostomzyk, AfP 2012, 122 (124); Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (268).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen im Umfeld der gerichtlichen Verhandlung Nachfolgend geht es nun um die Frage, in welchem Umfang eine Foto-, Rundfunk- und Fernsehberichterstattung aus dem Gerichtssaal außerhalb der mündlichen Verhandlung zulässig ist. Die Rechtsprechung nimmt eine scharfe Trennung zwischen einem Aufnahmeverbot und einem Verbreitungsverbot nicht immer vor. Dies liegt daran, dass eine nachfolgende Berichterstattung immer Auswirkungen auf das gerichtliche Verfahren selber haben kann. In der Regel geht es deswegen um die Beurteilung der Zulässigkeit von Aufnahmeverboten, die durch einen vorsitzenden Richter zum Schutze der Verfahrensbeteiligten und des Verfahrens erlassen wurden. Das Bundesverfassungsgericht setzt dem Erlass von Aufnahmeverboten jedoch erhebliche Grenzen, um eine Foto-, Rundfunkund Fernsehberichterstattung nicht von vornherein unmöglich zu machen. Der Aspekt der Anfertigung von Tonaufnahmen spielt im Umfeld der gerichtlichen Verhandlung nur eine untergeordnete Rolle. Denn hier sind die Verfahrensbeteiligten nicht gezwungen, sich zu äußern.
I. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Kette von Entscheidungen Maßstäbe zur Bewertung der Zulässigkeit von Bildaufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung entwickelt. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist die „Honecker-Entscheidung“ aus dem Jahr 1994.451 Hier hatte der Vorsitzende der Strafkammer des Landgerichts Berlin in dem gegen Erich Honecker und andere geführten Strafverfahren Bildaufnahmen im Umfeld der gerichtlichen Verhandlung vollständig untersagt. 1. Ausgangspunkt: Honecker-Entscheidung Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass der Schutz der Rundfunkfreiheit – wie auch der Pressefreiheit – von der Beschaffung der Information bis zu ihrer Verbreitung reicht, da erst der ungehinderte Informationszugang die Medien in den Stand setzt, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommenden Aufgaben zu erfüllen. Dies gelte ohne weiteres auch in Bezug auf das gerichtliche Verfahren. Der Ausschluss eines Medienvertreters sei daher als Eingriff in eine der Medienfreiheiten zu werten.452 Denn um ihren Beitrag „für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung, für Kritik und Kontrolle der öffentlichen Ge-
451 452
BVerfGE 91, 125. Vgl. dazu auch BVerfGE 87, 334. BVerfGE 91, 125 (134).
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
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walt“ leisten zu können, seien die Medien auf den Einsatz der für den jeweiligen Medientyp spezifischen Mittel angewiesen.453 Das Bundesverfassungsgericht betont insoweit, dass für den Rundfunk Möglichkeiten bestehen müssen, Ereignisse den „Zuhörern und Zuschauern akustisch und optisch in voller Länge oder in Ausschnitten, zeitgleich oder zeitversetzt“ zu präsentieren. Rundfunkberichterstattung sei deswegen auf den Einsatz von Aufnahme- und Übertragungsgeräten angewiesen.454 Das Bundesverfassungsgericht weist aber auch darauf hin, dass mit dem Einsatz der technischen Vorrichtungen Störungen einhergehen können, die dazu geeignet sind, den Verhandlungsablauf in Mitleidenschaft zu ziehen.455 Verstärkt werde diese Annahme dadurch, dass Rundfunkberichterstattung insbesondere durch das ihr eigene Maß an gesteigerter Authentizität ebenso wie durch die Breite des Empfängerkreises und die beliebige Wiederholbarkeit der Sendungen mehr als die reine Textberichterstattung dazu geeignet sei, Rechte Dritter, insbesondere das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort, zu beeinträchtigen.456 Das Bundesverfassungsgericht stellt allerdings klar, dass die gesteigerten Gefahren nicht zu einer Verengung des Schutzumfanges, sondern allenfalls zu einer Beschränkung des Grundrechts führen können.457 Die auf § 176 GVG gestützte Anordnung, Bildaufnahmen im Sitzungssaal auch außerhalb der Verhandlung, das heißt vor und nach der Verhandlung und während der Verhandlungspausen, ausnahmslos zu untersagen, hält nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit nicht Stand.458 So begründete das Gericht ein anerkennenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem strafbaren Verhalten der Mitglieder der Staatsund Parteiführung der Deutschen Demokratischen Republik, das die Rundfunkanstalten befriedigen wollen. Aufgrund des Inhalts des Schuldvorwurfs, der dem Verfahren eine politische und historische Dimension verlieh, hätte „ein anerkennenswertes Interesse, mit den Mitteln der modernen Kommunikationstechnik auch einen optischen Eindruck von diesem Verfahren der Öffentlichkeit zu übermitteln und der Nachwelt zu erhalten“, bestanden.459 Die durch § 176 GVG geschützten Rechtsgüter seien demgegenüber als nicht besonders hoch einzuschätzen. Ihrem Schutz könne auch durch eine im Vorfeld der Verhandlung präzise zu treffende Regelung, etwa hinsichtlich des Standorts der Aufnahmegeräte, der Bildung von Informationspools und der Dauer der anzufertigen Aufnahmen, Rech453 454 455 456 457 458 459
BVerfGE 91, 125 (134). BVerfGE 91, 125 (134). BVerfGE 91, 125 (134 f.). BVerfGE 91, 125 (135). BVerfGE 91, 125 (135). BVerfGE 91, 125 (137 ff.). BVerfGE 91, 125 (138).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
nung getragen werden.460 Jedenfalls genügt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts angesichts eines außerordentlichen Informationsinteresse nicht bereits die bloße Möglichkeit, dass Anordnungen des Vorsitzenden übertreten oder missachtet werden, um die präventive Maßnahmen einer völligen Unterbindung von Fernsehaufnahmen zu rechtfertigen.461 2. Bildaufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung von Richtern und Schöffen (Sparkasse Mannheim) In dem Verfahren „Sparkasse Mannheim“ 462 greift das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen die Erwägungen der „Honecker-Entscheidung“ wieder auf. In einem Strafverfahren gegen Manager der Sparkasse Mannheim untersagte der Vorsitzende Richter mit sitzungspolizeilicher Verfügung die Anfertigung von Fernsehaufnahmen im Sitzungssaal vor dem Beginn und nach Ende der Hauptverhandlung, sowie in den Verhandlungspausen selbst nach Maßgabe einer PoolLösung. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Gerichtsberichterstattung durch den Rundfunk dem Interesse der Öffentlichkeit an einer möglichst authentischen Berichterstattung unter Einschluss der Bildberichterstattung Rechnung trägt.463 Eine Gefährdung der Ordnung im Sitzungsbereich und eine daraus folgende Beeinträchtigung der Verhandlung sei bei einer Pool-Lösung, bei der nur ein Kamerateam Zugang zum Sitzungsbereich erhält, sowie bei einer Begrenzung der Aufnahmezeit nicht zu befürchten.464 Im Hinblick auf Richter und Schöffen nimmt das Bundesverfassungsgericht nur einen abgeschwächten Persönlichkeitsschutz an. Denn es sei zu berücksichtigen, dass sie kraft des ihnen übertragenen Amts anlässlich ihrer Teilnahme an öffentlichen Sitzungen im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der Medienöffentlichkeit stehen. Das Interesse dieser Funktionsträger, nur durch die im Sitzungssaal anwesende Saalöffentlichkeit wahrgenommen zu werden, sei „angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit für ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren regelmäßig nicht anzunehmen“.465 3. Anonymisierungsanordnung zum Schutze des Angeklagten In einer weiteren Entscheidung466 weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass es im Interesse der Ermöglichung einer Fernsehbildberichterstattung 460 461 462 463 464 465 466
BVerfGE 91, 125 (138 f.). BVerfGE 91, 125 (139). BVerfG NJW 2000, 2890. BVerfG NJW 2000, 2890 (2891). BVerfG NJW 2000, 2890 (2891). BVerfG NJW 2000, 2890 (2891). BVerfG NJW 2002, 2021.
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
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über ein Strafverfahren gegen mutmaßliche El-Kaida-Terroristen, das erhebliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden hat, zum Schutze von Leib und Leben der Angeklagten ausreicht, die Gesichter der abgebildeten Personen vor der Weitergabe und Veröffentlichung der außerhalb der Verhandlung gefertigten Bilder im Fernsehen zu anonymisieren.467 Dies wiederholt das Bundesverfassungsgericht auch in einer späteren Entscheidung.468 Einer Anonymisierung zur Gewährleistung der Sicherheit des Angeklagten bedürfe es allerdings auch dann, wenn dieser zur Zeit einer akuten Gefährdungslage inhaftiert sei, da man regelmäßig nicht abschätzen könne, wie lange der Zustand der Inhaftierung anhalte.469 Die Wahrheits- und Rechtsfindung leide, wenn der Angeklagte bei einer Identifizierbarkeit in der Öffentlichkeit einer Bedrohungslage ausgesetzt wäre, die ihn daran hindern könnte, frei zur Sache auszusagen.470 Im Zusammenhang mit der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht Frankfurt a. M. in der Strafsache gegen einen Angeklagten, dem vorgeworfen wurde, einen Bankierssohn entführt und getötet zu haben, verfügte der Vorsitzende Richter, dass der Angeklagte nur dann bei Anwesenheit der Medienvertreter in den Sitzungssaal geführt werde, wenn diese sich vorher verpflichten, sein Gesicht vor Veröffentlichung und Weitergabe der Aufnahmen zu anonymisieren, es sei denn, der Angeklagte sei mit der Veröffentlichung seiner Bilder einverstanden. Das Bundesverfassungsgericht471 weist darauf hin, dass von dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Interesse an einer aktuellen und authentischen Berichterstattung über die Hauptverhandlung gegen einen Angeklagten, dem eine besonders schwere Straftat vorgeworfen wird, auch die bildliche Dokumentation am Rande der Verhandlung umfasst ist. Eine Anonymisierung dürfe daher nicht angeordnet werden, wenn das Berichterstattungsinteresse gerade auch die Abbildung des Angeklagten umfasst.472 Etwas anderes würde allerdings dann gelten, wenn das Bild des Angeklagten in der Öffentlichkeit bereits bekannt ist und damit nur eine Veröffentlichung eines aktuellen Bildnisses verwehrt wird.473 4. Bildaufnahmen von Gerichtspersonen und sonstigen Amtsträgern (Bundeswehrprozess) Dreizehn Jahre nach der „Honecker-Entscheidung“ erging im Jahr 2007 im Zusammenhang mit dem sogenannten „Bundeswehrprozess“ eine zweite Senatsentscheidung. Vornehmlich beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht hier 467 468 469 470 471 472 473
BVerfG NJW 2002, 2021 (2022). BVerfG wistra 2012, 145 (146). BVerfG wistra 2012, 145 (146). BVerfG wistra 2012, 145 (146). BVerfG NJW 2003, 2523. BVerfG NJW 2003, 2523 (2523). BVerfG NJW 2003, 2523 (2524).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
mit der Frage der Zulässigkeit der Abbildung von Mitgliedern des Spruchkörpers einer Strafkammer, der am Verfahren beteiligten Rechtsanwälte und von Angeklagten, die ein öffentliches Amt bekleiden. Konkret wollte eine Rundfunkanstalt über eine Hauptverhandlung in Strafsachen vor dem Landgericht Münster, die gegen achtzehn der Misshandlung von Rekruten verdächtige Unteroffiziere der Bundeswehr geführt wurde, berichten. Der Vorsitzende Richter der Strafkammer hatte Ton-, Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal und in dem Bereich vor dem Sitzungssaal lediglich bis fünfzehn Minuten vor Beginn der Sitzung sowie zehn Minuten nach deren Beendigung gestattet, um zu gewährleisten, dass diejenigen Verfahrensbeteiligten, die nicht Teil einer Ton-, Foto- oder Filmberichterstattung werden wollen, die Möglichkeit hätten, den Sitzungssaal in Abwesenheit von Foto- und Fernsehreportern zu betreten und wieder zu verlassen. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass das öffentliche Informationsinteresse anhand des Gegenstands des Verfahrens, über das berichtet werden soll, zu ermitteln und zu gewichten ist. Bei Strafverfahren ist die Schwere der vorgeworfenen Straftat ebenso zu berücksichtigen wie die öffentliche Aufmerksamkeit die aufgrund besonderer Umstände und Rahmenbedingungen bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung aufgekommen ist. Das Informationsinteresse bezieht sich dabei nicht nur auf den Angeklagten, sondern auch auf die Mitglieder des Spruchkörpers, Vertreter der Staatsanwaltschaft und Rechtsanwälte.474 Einer Aufnahme und Verbreitung von Bildaufnahmen können jedoch schutzwürdige Belange entgegenstehen, insbesondere das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, der Anspruch auf ein faires Verfahren und die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege.475 Geht es um das Recht am eigenen Bild, so sei zu beachten, dass Gerichtsverhandlungen dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen seien und der Schutz des Persönlichkeitsrechts der daran Beteiligten daher kein völliges Bildaufnahmeverbot fordere.476 Unterschiede bestünden allerdings zwischen solchen Verfahrensbeteiligten, die an der Verhandlung als Angeklagter oder Zeuge teilnehmen (müssen) und sich in einer für sie ungewohnten Situation befinden, und solchen, die wegen ihres öffentlichen Amtes oder in anderer Position als Organ der Rechtspflege im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen.477 Die zuletzt genannte Gruppe genieße nicht im selben Maße einen Anspruch auf Schutz ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Im Einzelfall könne aber auch der Persönlichkeitsschutz von Trägern eines öffentlichen Amtes oder Organen der Rechtspflege das Berichterstattungsinteresse überwiegen, etwa dann, wenn die Veröffentlichung von Abbildungen „eine erhebliche Belästigung oder eine Gefährdung 474
BVerfGE 119, 309 (321 f.). BVerfGE 119, 309 (322). Vgl. dazu auch bereits BVerfGE 103, 44 (64). Vgl. ferner oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa) (2). 476 BVerfGE 119, 309 (322) unter Verweis auf BVerfGE 87, 334 (340); 91, 125 (137 f.). 477 BVerfGE 119, 309 (323 f.). 475
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
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ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter“ bewirken könnte.478 Sofern es sich bei dem Angeklagten um den Träger eines öffentlichen Amtes handele, könne angenommen werden, dass dieser die Fähigkeit besitze, sich der öffentlichen Aufmerksamkeit auch in ungewohnten Situationen gewachsen zu zeigen.479 Das Bundesverfassungsgericht nimmt damit eine Ausweitung der Grundsätze der Entscheidung „Sparkasse Mannheim“ vor, als es einen abgeschwächten Persönlichkeitsschutz nicht nur bei Richtern und Schöffen annimmt, sondern den Kreis um alle Personen erweitert, die als Organ der Rechtspflege oder in ihrer Funktion als Amtsträger am Verfahren beteiligt sind. Die Anfertigung und Verbreitung von Filmaufnahmen trotz Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei von Richtern und Schöffen hinzunehmen, da sie kraft des ihnen übertragenen Amtes an einer öffentlichen Verhandlung beteiligt sind und dadurch ohnehin im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der Medienöffentlichkeit stehen. Ein Interesse der Mitglieder des Spruchkörpers, nur durch die im Sitzungssaal anwesende Saalöffentlichkeit wahrgenommen zu werden, sei angesichts der Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes für ein rechtsstaatliches Strafverfahren regelmäßig nicht anzuerkennen.480 Zum selben Ergebnis gelangt das Bundesverfassungsgericht in einem ähnlichen gelagerten Fall. Das Gericht verweist darauf, dass dem Interesse der Öffentlichkeit an Information über Verlauf und Ausgang eines Strafverfahrens nur unvollständig Rechnung getragen würde, wenn eine Bildberichterstattung über die Mitglieder des Spruchkörpers durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen verhindert werde.481 Ausnahmen seien allenfalls bei einer Gefährdung der Sicherheit der Mitglieder des Spruchkörpers denkbar.482 Gleiches gelte für die an einem Strafverfahren als Organ der Rechtspflege mitwirkenden Rechtsanwälte, soweit an der bildlichen Dokumentation dieses Personenkreises ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht.483 Eine Beschränkung der Nutzung rundfunkspezifischer Aufzeichnungs- und Verbreitungstechniken könne aber gerechtfertigt sein, wenn die Medienpräsenz im Sitzungssaal die wesentlichen Ziele der Hauptverhandlung, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung, beeinträchtigen könnte. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn zu befürchten wäre, dass einzelne Verfahrensbeteiligte in dem Wissen um die mögliche Verbreitung von im Verhandlungssaal gefertigter Aufnahmen ihr Aussageverhalten nicht der Wahrheit entsprechend ausrichten. Denn die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung setze Rahmenbedingungen 478 479 480 481 482 483
BVerfGE 119, 309 (324). BVerfGE 119, 309 (328); BVerfG NJW-RR 2007, 986 (988). BVerfG NJW-RR 2007, 986 (987). BVerfG NJW-RR 2007, 1416 (1416). BVerfGE 119, 309 (328 f.); BVerfG NJW-RR 2007, 986 (987). BVerfGE 119, 309 (329); BVerfG NJW-RR 2007, 986 (988).
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voraus, die „Hemmungen und Aufgeregtheit – gerade bei im Umgang mit Medien nicht erfahrenen Personen – vermeiden helfen“.484 In einem späteren Beschluss stellt das Bundesverfassungsgericht allerdings auch klar, dass allein die bloße Lästigkeit der Anwesenheit von Presse und Rundfunk und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Flüssigkeit des Verfahrensablaufs das Verbot der Anfertigung von Bildaufnahmen nicht rechtfertigen könne.485 5. Stigmatisierungsgefahr durch Bildaufnahmen des Angeklagten außerhalb der mündlichen Verhandlung (Holzklotz-Fall) Eine weitere Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts486 erging im Zusammenhang mit dem den „Holzklotz-Fall“ betreffenden Strafverfahren, über das zahlreiche Medien berichten wollten. Es ging um den Vorwurf, der Angeklagte habe einen Holzklotz von einer Autobahnbrücke geworfen, der die Windschutzscheibe eines Pkw durchbrach und die Beifahrerin traf, die sodann infolge ihrer Verletzungen verstarb. Der Vorsitzende Richter verfügte, dass Fernseh- und Fotoaufnahmen im Gerichtssaal außerhalb der mündlichen Verhandlung im Rahmen einer Pool-Lösung mit der Maßgabe zulässig seien, sie auf die Aufforderung des Vorsitzenden hin einzustellen. Aufnahmen des Angeklagten durften nur in anonymisierter Form verbreitet werden. Den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen diese Anordnung lehnte das Bundesverfassungsgericht ab. Wie auch in den vorangegangenen Entscheidungen wird zwar betont, dass von dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Berichterstattungsinteresse auch die bildliche Dokumentation des Erscheinens und der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal umfasst sei.487 Denn Straftaten würden zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien sei:488 „Die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der von der Tat [Betroffenen] und die Verletzung der Rechtsordnung, die Sympathie mit Opfern und ihren Angehörigen, die Furcht vor Wiederholungen und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Straftat durch ihre besondere Begehungsweise oder die Schwere ihrer Folgen von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt.“ 489 Auch wenn den Medien die Bildberichterstattung nicht gänzlich untersagt wurde, so kann nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch in der Anordnung einer Anonymisierung eine gewichtige Beschränkung von Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit liegen.490 484 485 486 487 488 489 490
BVerfGE 119, 309 (324 f.). BVerfG, Beschl. v. 09.10.2016 – 2 BvR 2022/16. BVerfG NJW 2009, 350. BVerfG NJW 2009, 350 (351). BVerfG NJW 2009, 350 (351). BVerfG NJW 2009, 350 (351). BVerfG NJW 2009, 350 (351).
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
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Auf der anderen Seite müsse aber auch der Unschuldsvermutung des Angeklagten Rechnung getragen werden, der sich nicht nur dem Strafverfahren, sondern auch der öffentlichen Diskussion stellen muss. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass selbst eine um Sachlichkeit und Objektivität bemühte Fernsehberichterstattung wegen der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstelle als eine reine Textberichterstattung.491 Die besondere Schwere der angeklagten Tat begründe nicht nur ein gesteigertes öffentliches Informationsinteresse, sondern auch die Gefahr einer Stigmatisierung des Angeklagten, welche ein möglicher Freispruch nicht mehr zu beseitigen vermag:492 „Je verwerflicher die Tat empfunden wird, umso mehr hat der Betroffene zu befürchten, dass er sich von diesem Eindruck auch nach einem Freispruch auf unabsehbare Zeit nicht mehr wird befreien können.“ 493 Insbesondere wenn es zu einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen kommen sollte und dies zu einem kritischen Presseecho führen würde, hätte dies für den Persönlichkeitsschutz des Angeklagten, der sich von der Verwerflichkeit des ihm vorgeworfenen Verhaltens nicht mehr befreien könnte, gravierende Folgen.494 In einer späteren Entscheidung weist das Bundesverfassungsgericht allerdings darauf hin, dass das Argument der Unschuldsvermutung an Gewicht verlieren kann, wenn der Angeklagte seine Tat gesteht.495 6. Bildaufnahmen in den Verhandlungspausen („Komasaufprozess“) Im Frühjahr 2009 fand am Landgericht Berlin der sogenannte „Komasaufprozess“ bundesweite Beachtung und erhebliches Medieninteresse. Einem Gastwirt wurde die Begehung einer Körperverletzung mit Todesfolge zur Last gelegt, da er mit einem damals 16-jährigen Gast ein Wetttrinken veranstaltet haben solle. Anders als dem Geschädigten soll sich der Gastwirt dabei selbst teilweise nur Wasser statt Tequila eingeschenkt haben. Der Vorsitzende Richter ordnete an, dass zwar vor der Verhandlung im Rahmen einer Pool-Lösung Bild- und Fernsehaufnahmen angefertigt werden dürfen. Während der Verhandlungspausen und nach dem Ende der Sitzung wurde dies jedoch wegen der Enge des Verhandlungssaales und der Vielzahl der sich dort aufhaltenden Personen untersagt. Weiterhin wurde angeordnet, dass der Angeklagte und sein Verteidiger nicht verpflichtet seien, sich vor Aufruf der Sache im Verhandlungssaal aufzuhalten. Im Übrigen dürften Bildaufnahmen vom Angeklagten nur in anonymisierter Form 491 492 493 494 495
BVerfG NJW 2009, 350 (351 f.). BVerfG NJW 2009, 350 (352). BVerfG NJW 2009, 350 (352). BVerfG NJW 2009, 350 (352). BVerfG NJW 2012, 2178 (2179).
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verbreitet werden. Im Wege der einstweiligen Anordnung setzte das Bundesverfassungsgericht die sitzungspolizeiliche Anordnung außer Kraft, soweit darin die Anfertigung von Bild- und Fernsehaufnahmen während der Verhandlungspausen und nach Ende der Sitzungen untersagt wurde. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts stellt diese sitzungspolizeiliche Anordnung in doppelter Hinsicht eine erhebliche Beschränkung der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Denn sowohl die Anonymisierungsanordnung als auch die Begrenzung der Aufnahmemöglichkeiten auf den Zeitraum vor der Verhandlung würden dazu führen, dass den Medien „bereits vorgreiflich jegliche Möglichkeit, Fernsehbilder vom Angekl[agten] oder seinem Verteidiger im räumlichen Umfeld der Gerichtsverhandlung anzufertigen, genommen wird“.496 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wiegen die Nachteile für den Persönlichkeitsschutz des Angeklagten und seines Verteidigers allerdings nicht so schwer, dass eine über die Anonymisierung hinausgehende Anordnung gerechtfertigt sei. Allerdings streite für die Person des Angeklagten die Unschuldsvermutung, der bei der Verbreitung nicht anonymisierter Bilder Gefahr liefe, eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung zu erleiden. Deswegen überwiege bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch regelmäßig der Persönlichkeitsschutz gegenüber einer identifizierenden Bildberichterstattung. 497 Das Bundesverfassungsgericht betont aber auch, dass Umstände hinzutreten können, die auch schon vor diesem Zeitpunkt eine identifizierende Bildberichterstattung rechtfertigen könne. Dies wäre etwa die Tatsache, dass sich der Angeklagte den Vorwürfen zuvor in der medialen Öffentlichkeit auch im Wege der Bildberichterstattung gestellt hat oder aufgrund eines Amtes oder wegen seiner gesellschaftlich hervorgehobenen Verantwortung auch sonst in besonderer Weise im Blickfeld der Öffentlichkeit bewegt und die Medienöffentlichkeit mit Rücksicht hierauf hinzunehmen hat.498 7. Zusammenfassung Die bildliche Dokumentation des gerichtlichen Verfahrens ist vom Schutzumfang der Medienfreiheiten erfasst.499 Aufnahmeverbote stellen rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe dar. Dem Berichterstattungsinteresse können berechtigte Belange, namentlich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfahrensbeteiligten, das Recht auf ein faires Verfahren und das Interesse an der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, entgegenstehen. Für die Untersagung von Bildaufnahmen im und um den Sitzungssaal außerhalb der Verhandlung bedarf es 496
BVerfG NJW 2009, 2117 (2119). BVerfG NJW 2009, 2117 (2119). 498 BVerfG NJW 2009, 2117 (2119). 499 Vgl. dazu auch von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (17 ff.). 497
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
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insoweit einer dem Übermaßverbot standhaltenden und im Übrigen offenzulegenden, auf die Sitzungsleitung bezogenen Begründung zum Schutze des Angeklagten sowie sonstiger Verfahrensbeteiligter, eines ungestörten Verlaufs der Sitzung oder der Bedingungen für eine ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung.500 Ein absolutes Aufnahmeverbot ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nahezu ausgeschlossen, solange das Informationsinteresse nur hinreichend gewichtig ist.501 Soweit die Abbildung einer bestimmten Person vom Berichterstattungsinteresse gedeckt und gegenüber den entgegenstehenden Belangen vorrangig ist, ist bereits die Anonymisierungsanordnung unzulässig.502 Wird der Zugang zum Verhandlungssaal nur nach Maßgabe des Vorsitzenden gewährt, stellt dies noch keine Verletzung der Informationsfreiheit dar.503 Zulässig wäre auch das Erfordernis der Einholung einer schriftlichen Erlaubnis zur Bildberichterstattung. 504 Keine Verletzung der Berichterstattungsfreiheit stellt im Übrigen die Anordnung einer Pool-Lösung dar.
II. Bildaufnahmen aus dem Verhandlungssaal als Gegenstand eines berechtigten öffentlichen Informationsinteresses Gerichtsverhandlungen finden nach Art. 6 Abs. 1 EMRK, § 169 Abs. 1 Satz 1 GVG öffentlich statt. Während der Öffentlichkeitsgrundsatz früher vornehmlich die Aufgabe der Kontrolle der Judikative verwirklichen sollte, steht heutzutage die Funktion der Befriedigung des öffentlichen Informationsinteresses durch die Medien im Mittelpunkt.505 Gerichtsverhandlungen, insbesondere Strafverfahren, lassen sich als zeitgeschichtliche Ereignisse qualifizieren.506 Dies kann sich einerseits aus dem Prozessgegenstand, andererseits aber auch aus der Gerichtsverhandlung als solcher ergeben. Es gibt verschiedene Medienarten, für die Bildveröffentlichungen ein Charakteristikum der Berichterstattung darstellen. Der Informationsgehalt von Bildaufnahmen reicht über den einer reinen Textberichterstattung hinaus, da nur so ein optischer Eindruck vom Geschehen vermittelt werden kann.507 Daneben ist die Personalisierung der Berichterstattung durch das Zeigen von Bildnissen der Beteiligten ein wichtiges publizistisches Mittel zur Generierung von Aufmerksam500
BVerfG NJW 2014, 3013 (3014). von Coelln, AfP 2014, 193 (197). 502 BVerfG NJW 2003, 2523 (2523). 503 BVerfG NJW-RR 2007, 1053 (1054). 504 BVerfG NJW-RR 2007, 1053 (1054). 505 Vgl. dazu oben, Teil 1 B. III. 4. 506 BVerfGE 119, 309 (323); BVerfG NJW 2009, 350 (351). 507 Stürner, JZ 1995, 297 (298); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 448; Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 116. 501
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
keit.508 Insoweit erstreckt sich das Berichterstattungsinteresse der Medien auch auf Bildnisse der Beteiligten in einem gerichtlichen Verfahren.509 Würde man wegen der Gefahren für den Persönlichkeitsschutz eine Bildberichterstattung gänzlich unmöglich machen, wären solche Medien ihres typischen Berichterstattungsmittels beraubt. Im Hinblick auf das Strafverfahren wird regelmäßig betont, dass die Beeinträchtigung von Rechtsgütern des Einzelnen und die Verletzung der Rechtsordnung, die Sympathie mit Opfern, die Furcht vor Wiederholungen und das Präventionsinteresse ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter begründen. Dieses wiegt umso schwerer, „je mehr sich die Straftat durch ihre besondere Begehungsweise oder die Schwere ihrer Folgen von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt“.510 Soweit eine Person des öffentlichen Lebens vor Gericht steht, etwa weil sie eine Straftat begangen hat, resultiert daraus allein noch nicht das Vorliegen eines zeitgeschichtlichen Ereignisses (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Dies gilt vor allem dann, wenn bei derselben Sachlage über eine gänzlich unbekannte Person nie berichtet worden wäre.511 Der Grund für die Bekanntheit und die begangene Straftat müssen vielmehr einen inneren Zusammenhang aufweisen,512 der sich etwa aus der Leitbildfunktion der betroffenen Person und der sich deswegen anschließenden öffentliche Debatte ergeben kann.513 Anders als bei einem Strafverfahren, in dem der Angeklagte im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht, ist im zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren das öffentliche Informationsinteresse in der Regel nicht auf die beteiligten Personen gerichtet.514 Hier besteht regelmäßig weniger ein Informationsinteresse an den beteiligten Personen, sondern vielmehr an der Sache selbst. Anderes kann sich aber dann ergeben, wenn es sich um Verfahren handelt, die über den konkret zu entscheidenden Fall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit erlangen.515 Auch wenn an einem gerichtlichen Verfahren ein anzuerkennendes öffentliches Informationsinteresse besteht, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass deswegen auch eine Bildberichterstattung zulässig wäre.516 Für die Ermittlung des Informa508
BVerfGE 101, 361 (390); Boehme-Neßler, ZRP 2003, 125 (126). BVerfG NJW 2003, 2523 (2523 f.); AfP 2009, 46 (47); Wyss, EuGRZ 1996, 1 (16); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 447; Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 116. 510 Vgl. dazu BVerfGE 35, 202 (230 f.); 119, 309 (321f.); BVerfG NJW 2009, 350 (351). 511 BVerfG NJW 2006, 2835 (2835); Stieper, JZ 2014, 271 (277). 512 Stieper, JZ 2014, 271 (277). 513 Vgl. dazu BVerfG ZUM 2010, 961 (963). 514 Stieper, JZ 2014, 271 (277). 515 So Stieper, JZ 2014, 271 (277) unter Verweis auf LG Hamburg ZUM-RD 2000, 200 (201). In dem Verfahren ging es um die Rückgabe eines Kulturdenkmals. 516 Stieper, JZ 2014, 271 (277). 509
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
295
tionswertes kommt es darauf an, ob die Veröffentlichung des Bildnisses einer Person in Kombination mit der begleitenden Berichterstattung „zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses“ beitragen kann.517 Enthält das Bildnis nicht schon aus sich heraus eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage, ist der Informationsgehalt im Kontext der begleitenden Wortberichterstattung zu suchen.518 Die begleitende Berichterstattung darf sich nicht allein darauf beschränken, lediglich irgendeinen Anlass für die Veröffentlichung eines Bildnisses zu geben.519 Es kommt insoweit darauf an, ob mithilfe des Bildnisses eine neue wahre Information von allgemeinem Interesse für die öffentliche Meinungsbildung verbreitet wird,520 eine ernsthafte und sachbezogene Auseinandersetzung erfolgt und damit ein Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse für Staat und Gesellschaft geleistet wird.521 Nicht ausreichend wäre es, wenn der Informationswert nur in der Unterhaltung ohne gesellschaftliche Relevanz liegen würde.522 Im Zusammenhang mit der Kriminalberichterstattung ergibt sich dies regelmäßig daraus, dass Straftaten durch die Persönlichkeit des Täters geprägt sind. Bildnisse sind hier ganz besonders dazu geeignet, prägnant und unmittelbar über die Person des Täters zu informieren.523 Die Qualifikation einer Gerichtsverhandlung als zeitgeschichtliches Ereignis kann sich schließlich auch im Hinblick auf die Personen ergeben, die „an der Rechtsfindung im Namen des Volkes mitwirken“.524 Dies gilt in Bezug auf die Mitglieder eines Spruchkörpers, Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, aber auch für die als Organ der Rechtspflege zur Mitwirkung an der Verhandlung berufenen Rechtsanwälte oder sonstige an der Verhandlung beteiligten Personen.525 Das Informationsinteresse an diesem Personenkreis lässt sich nicht in Bezug auf den Prozessgegenstand begründen, weil den mit der Rechtfindung betrauten Personen insoweit kein gesonderter Informationswert zukommt.526 Bei einigen Gerichtsverfahren wird ein gewichtiges Informationsinteresse jedoch bereits an dem Verfahren selbst anzunehmen sein. Denn die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes 517
EGMR 2004, 2647 (2649). BVerfGE 120, 180 (206); BGHZ 190, 52 (61). 519 BVerfGE 120, 180 (206); Stieper, JZ 2014, 271 (277). 520 Insoweit unterliegt eine sitzungspolizeiliche Anordnung, mit der die Anfertigung von Bildaufnahmen im Sitzungssaal am Rande der Hauptverhandlung auf bestimmte Verhandlungstage beschränkt wird, keinen durchgreifenden Bedenken, soweit nicht in Anbetracht der Bedeutung eines bestimmten Verhandlungstages ein gewichtiges Informationsinteresse geltend gemacht werden kann. Vgl. hierzu BVerfG K&R 2017, 713 (714). 521 Vgl. BGHZ 178, 213 (219 f.). 522 BGHZ 178, 213 (219 f.). 523 BGHZ 190, 52 (61 f.). 524 BVerfGE 119, 209 (322). 525 BVerfGE 119, 309 (322). 526 Stieper, JZ 2014, 271 (277). 518
296
Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Interesse daran zu erfahren, auf welche Weise und mit welchen Mitteln Rechtsanwendung betrieben wird.527 Ihre Darstellung muss jedoch auf ihre Funktion als Organ der Rechtspflege beschränkt bleiben. Nicht gerechtfertigt wären insoweit Aufnahmen, die die am Prozess beteiligten Richter, Staats- oder Rechtsanwälte außerhalb des eigentlichen Prozessgeschehens abbilden.528
III. Entgegenstehende Belange des Persönlichkeitsschutzes Dem Informationsinteresse an einer Bildberichterstattung können jedoch Belange des Persönlichkeitsschutzes der Verfahrensbeteiligten entgegenstehen und zu Einschränkungen der Berichterstattung führen.529 Geht es um die Bestimmung der Reichweite des Schutzes des Rechts am eigenen Bild, darf nicht übersehen werden, dass sich zumindest ein Teil der Verfahrensbeteiligten regelmäßig unfreiwillig530 in einer ungewohnten, mitunter belastendenden Situation befindet.531 Die Bildberichterstattung über gerichtliche Verfahren verfolgt zwar ein berechtigtes, oftmals auch objektivierbares Informationsinteresse. Bildnisveröffentlichungen dienen aber auch als Mittel zu latent vorteilhaften oder unvorteilhaften Bewertungen von Personen.532 Besonders wenn sich eine Person in einer Zwangssituation wie der öffentlichen Gerichtsverhandlung befindet, sind die dort angefertigten Aufnahmen eher nachteilhaft und dazu geeignet, die öffentliche Meinung negativ zu beeinflussen.533 Gerichtsöffentlichkeit ist aber nicht nur Saalöffentlichkeit, sondern zugleich auch Medienöffentlichkeit. Es besteht insoweit kein ausschließliches Recht der Verfahrensbeteiligten, nur durch die in der Sitzung anwesenden Personen wahrgenommen zu werden.534 Da die Medienöffentlichkeit jedoch eine im Vergleich zur Saalöffentlichkeit ungleich größere Öffentlichkeit darstellt, muss die daraus resultierende Intensität möglicher Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Rahmen der Abwägung Berücksichtigung finden.535 Das Recht am eigenen Bild schützt insoweit auch davor, dass die überschaubare durch eine unüberschaubare Öffentlichkeit ersetzt wird.536
527
Vgl. hinsichtlich des Strafverfahrens Stieper, JZ 2014, 271 (277). Stieper, JZ 2014, 271 (278 f.). 529 Vgl. dazu auch von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (20 ff.). 530 BVerfGE 103, 44 (68); 119, 309 (322 ff.); BVerfG NJW 2009, 350 (351). 531 BVerfGE 119, 309 (323). 532 Stürner, JZ 1995, 297 (298). 533 Stürner, JZ 1995, 297 (298). 534 BVerfG NJW 2000, 2890 (2891); NJW-RR 2007, 986 (987). 535 Vgl. dazu Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264, (267 f.). 536 Vgl. dazu auch BVerfGE 101, 361 (381). 528
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
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Im Folgenden soll daher für die unterschiedlichen Personengruppen der am Verfahren beteiligten Personen dargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen eine identifizierende Bildberichterstattung zulässig ist und ab wann zugunsten des Persönlichkeitsschutzes auf eine anonymisierte Bildberichterstattung zurückzugreifen oder auf die Veröffentlichung von Bildnissen völlig zu verzichten ist. 1. Angeklagte Für den Angeklagten stellt die Veröffentlichung von Bildaufnahmen aus dem Gerichtssaal eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar; nicht nur deswegen, weil das ihm vorgeworfene Fehlverhalten öffentlich bekannt wird und die Person des Angeklagten aufgrund der klaren Rollenverteilung im Strafverfahren in der allgemeinen Wahrnehmung ohnehin von vornherein negativ qualifiziert ist,537 sondern vor allem auch, weil durch eine Bildnisveröffentlichung die Tat mit dem Angeklagten in anschaulicher Weise verknüpft wird. Denkt man an aufsehenerregende Strafverfahren, so entstehen Bilder, die auch noch lange Zeit nach Abschluss des eigentlichen Verfahrens in den Köpfen der Menschen präsent sind538 und ungleich stärkere Emotionen hervorrufen können als dies bei einer reinen Textberichterstattung möglich wäre.539 Diese Wirkung wird im digitalen Zeitalter dadurch potenziert, dass sich Bildaufnahmen, die im Internet veröffentlicht und verbreitet wurden, regelmäßig auch noch lange Zeit nach dem Gerichtsverfahren abrufen lassen. Bildnisveröffentlichungen, die unter Ausnutzung der Zwangspräsenz des Angeklagten in der öffentlichen Gerichtsverhandlung entstehen,540 haben gegenüber einer reinen Textberichterstattung ein immenses Potential zur Stigmatisierung des Angeklagten,541 die größer ist als bei einer reinen Namensnennung im Text542 und die ein Freispruch oftmals nicht mehr zu beseitigen vermag.543 Als je verwerflicher eine Tat empfunden wird, desto größer ist nicht nur das öffentliche Informationsinteresse, sondern auch die Gefahr, dass der Angeklagte sich von der ihm vorgeworfenen Tat selbst durch einen Freispruch nicht mehr wird befreien können.544 Dies gilt unter anderem auch dann, wenn der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen wird und erst dadurch eine kritische öf537 BGHZ 190, 52 (60 f.); Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl. 2012, Kap. 43 Rn. 56. 538 BVerfG NJW 2009, 350 (352). 539 Boehme-Neßler, K&R 2003, 530 (531); Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 116. 540 Stürner, JZ 1995, 297 (298). 541 So BVerfGE 103, 44, (68) in Bezug auf Ton- und Bildaufnahmen während der Verhandlung. 542 Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 116. 543 BVerfG NJW 2009, 350 (352). 544 BVerfG NJW 2009, 350 (352).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
fentliche Diskussion entsteht. Trotz des Freispruchs liefe der Angeklagte Gefahr, in der Öffentlichkeit mit dem Makel, die Tat in Wahrheit doch begangen zu haben, behaftet zu bleiben.545 Wenn dann auch noch durch die Gerichtsberichterstattung sein Bildnis mit der Tat verknüpft wird, führt dies zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, die mitunter schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann.546 Die identifizierende Bildberichterstattung birgt deswegen auch die Gefahr, die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung leer laufen zu lassen. Grundsätzlich gilt, dass sich die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung im Rahmen der Verdachtsberichterstattung am Grad des Verdachts orientiert. Je höher der Verdachtsgrad ist, desto eher ist eine Bildnisveröffentlichung zulässig.547 Im Vergleich zur Verdachtsberichterstattung in reiner Textform bedarf es allerdings eines qualifizierten öffentlichen Interesses, das über das Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung durch reine Namensnennung hinausgehen muss.548 Problematisch ist aber, dass es im Rahmen einer Bildberichterstattung über ein Strafverfahren regelmäßig schwerer fallen wird, die distanzierte Form der Darstellung zu wahren und eine Vorverurteilung des Angeklagten zu vermeiden.549 Denn Bildaufnahmen sind geeignet, Stimmungslagen zu transportieren und die öffentliche Wahrnehmung damit erheblich zu beeinflussen. Bildaufnahmen (besonders Standbilder) zeigen dem Betrachter das, „was vermeintlich ist“.550 Deswegen muss im Rahmen der Bildberichterstattung etwa durch das Pixeln der Aufnahmen dafür Sorge getragen werden, dass die Unschuldsvermutung gewahrt bleibt.551 Auch wenn dies Auswirkungen auf das Stigmatisierungspotential haben kann, fällt im Rahmen der Abwägung zugunsten der Veröffentlichung von Bildnissen des Angeklagten zunächst die Schwere der vorgeworfenen Tat ins Gewicht. Im Bereich der Schwerstkriminalität überwiegt in der Regel das öffentliche Informationsinteresse den Persönlichkeitsschutz des Angeklagten.552 Ausnahmen gelten hier etwa im Hinblick auf das Resozialisierungsinteresse jugendlicher Straftäter.553 Geht es um Straftaten von mittlerer Schwere, wie zum Beispiel Korruptionsstraftaten, bedarf es eines im Einzelfall näher darzulegenden besonderen öf545
BVerfGE 2009, 350 (352). BVerfGE 2009, 350 (352). 547 Schlüter, Verdachtsberichterstattung, 2011, S. 120. 548 Vgl. Schlüter, Verdachtsberichterstattung, S. 121 f. m.w. N. 549 In diese Richtung auch BVerfGE 119, 309 (323). 550 Gostomzyk, NJW 2011, 3156 (3157). 551 Stieper, JZ 2014, 271 (279). 552 Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 59. 553 BVerfGE 35, 202 (230 ff., 235). 546
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
299
fentlichen Informationsinteresses.554 Ausnahmen gelten allenfalls im Rahmen der oben genannten Grenzen555 in Bezug auf Personen der Zeitgeschichte. So wäre die Verbreitung von Bildnissen von ohnehin bekannten prominenten Persönlichkeiten bereits vor einem erstinstanzlichen Urteil zulässig. Mit steigender Bekanntheit ist regelmäßig auch von einem gesteigerten öffentlichen Informationsinteresse auszugehen.556 Grenzen ergeben sich aber dann, wenn die vorgeworfene Tat in keinerlei Zusammenhang mit der öffentlichen Funktion der Person der Zeitgeschichte steht.557 So ließe sich ein berechtigtes Interesse an einer identifizierenden Bildberichterstattung über einen Politiker, der für die Todesschüsse an der Berliner Mauer verantwortlich gemacht wird, durchaus begründen. Schwieriger wäre dies jedoch im Falle eines Spitzensportlers, der sich wegen eines Verkehrsdelikts vor Gericht zu verantworten hat, auch wenn ihm im gewissen Maße Vorbildfunktion zukommt.558 Bis zur erstinstanzlichen Verurteilung wird regelmäßig zur Vermeidung von Vorverurteilungen der Persönlichkeitsschutz das öffentliche Interesse an einer identifizierenden Bildberichterstattung überwiegen.559 Erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung kann die Abwägung dann jedenfalls im Rahmen einer tagesaktuellen Berichterstattung kurzfristig zu einem Überwiegen des Interesses an einer identifizierenden Bildberichterstattung führen.560 Mit zeitlicher Distanz zur Verurteilung gewinnt der Persönlichkeitsschutz und im Speziellen das Resozialisierungsinteresse zunehmend wieder an Gewicht. Eine identifizierende Bildberichterstattung wäre dann unzulässig.561 2. Gerichtspersonen Der Persönlichkeitsschutz von Richtern, Schöffen und Staatsanwälten ist im gerichtlichen Verfahren gemindert.562 Sie stehen als Funktionsträger im Blick554 So BGH NJW 2000, 1036 (1038): hier wurde der besondere Informationswert für die Öffentlichkeit mit dem strafbaren Verhalten eines Amtsträgers begründet. Vgl. auch Lehr, NStZ 2001, 63 (65 f.); ders., in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 59. 555 Siehe dazu oben, Teil 2 C. II. 556 Gostomzyk, NJW 2011, 3156 (3157); Huff, K&R 2011, 517 (518); Steffen, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 6 Rn. 132. 557 Lehr, in: Widmaier (Hrsg.), Münchener AnwaltsHandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, Rn. 59. 558 Ernst, ZUM 1996, 187 (190); ders., in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (82). 559 BVerfG NJW 2009, 350 (351 f.); NJW 2009, 3357 (3358); BGHZ 190, 52 (62); Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264, (266 f.). 560 BVerfGE 35, 202, (231 f.); Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264, (266 f.); Stieper, JZ 2014, 271 (279). 561 BVerfGE 35, 202 (233). Siehe dazu auch bereits oben, Teil 2 A. III. 562 BVerfGE 119, 309 (323 f.). Kritisch zu der Frage, ob sich Gerichtspersonen als Amtswalter hinsichtlich Bild- und Tonaufnahmen im Gerichtssaal überhaupt auf das
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
feld der Medienöffentlichkeit und haben deswegen kein absolutes Recht, nur von der Saalöffentlichkeit wahrgenommen zu werden.563 Hiergegen wird eingewandt, der Beruf des Richters bringe allenfalls die Öffentlichkeit im Gerichtssaal mit sich, nicht aber den Auftritt vor einem Millionenpublikum.564 Aus früherer Perspektive ist dies wohl richtig, der verfassungsrechtliche Begriff gerichtlicher Öffentlichkeit muss sich jedoch gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen als flexibel erweisen und umfasst in einer durch die Medien geprägten Gesellschaft auch die Medienöffentlichkeit.565 Dennoch wird vorgetragen, dass kein Richter in einem so sensiblen Bereich wie der richterlichen Urteilsfindung mit allen Konsequenzen in die Öffentlichkeit gezwungen werden dürfe.566 Jedoch sind jedenfalls Richter und Staatsanwälte grundrechtsgebundene Akteure, von denen mehr abverlangt werden kann als von anderen Verfahrensbeteiligten.567 Vereinzelt wird bezweifelt, dass die Abbildung des Spruchkörpers tatsächlich zur Information der Allgemeinheit geeignet sei und der Auftritt der Richter allein überhaupt einen Informationswert enthalte.568 Der Informationswert der Aufnahme liegt darin, die Authentizität der Berichterstattung zu steigern. Es besteht ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit, sich mit eigenen Augen eine Vorstellung davon zu machen, wer für die Umsetzung des Rechts verantwortlich ist. Hiergegen wird eingewandt, dass die Untermalung der Berichterstattung mit den Bildern des Spruchkörpers damit allein einem Illustrations- und keinem Informationsinteresse dienen würde. Die angefertigten Aufnahmen würden nur dazu dienen, die eigentliche Nachricht besser zu verkaufen.569 Zuzustimmen ist zwar der Aussage, dass dann kein berechtigtes Informationsinteresse an der Bildnisveröffentlichung besteht, wenn der Information an sich auch ohne Bildnis genügt werden kann.570 Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass es bestimmte Mediengattungen gibt – und hier ist an erster Stelle das Fernsehen zu nennen –, die gerade auf die Veranschaulichung der reinen Nachricht durch eine bildhafte Unterstützung als typisches Merkmal angewiesen sind. Richtig ist sicherlich, dass ein reines Illustrationsinteresse gegenüber den entgegenstehenden Persönlichkeitsrechten ein nicht so starkes Gewicht hat.
Allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen können: von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 427 f. 563 BVerfG NJW 2000, 2890 (2891); NJW-RR 2007, 986 (987). 564 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (81). 565 Vgl. zum verfassungsrechtlichen Schutz der Medienöffentlichkeit bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. 566 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (81). 567 von Coelln, AfP 2014 193 (198). 568 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (79). 569 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (79). 570 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (79).
D. Die Zulässigkeit der Anfertigung und Verbreitung von Bildaufnahmen
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Letztlich kann auch in Bezug auf den Personenkreis der Richter und Staatsanwälte eine Abwägung dazu führen, dass der Persönlichkeitsschutz das Veröffentlichungsinteresse überwiegt und zwar etwa dann, wenn die Veröffentlichung von Bildnissen eine erhebliche Belästigung oder eine Gefährdung der Sicherheit durch Übergriffe Dritter bewirken könnte.571 Vereinzelt wird vorgetragen, Richter, Schöffen und Staatsanwälte seien oftmals im Umgang mit den Medien nicht ausreichend geschult.572 Überzeugend ist dies allerdings nicht. Immerhin handelt es sich um einen Kreis demokratisch legitimierter Funktionsträger, der staatliche Aufgaben – wenn auch in richterlicher Unabhängigkeit – wahrnimmt und sich dem öffentlichen Informationsinteresse deshalb nicht mit dem Argument der Unerfahrenheit im Umgang mit der Medienöffentlichkeit entziehen kann. 3. Rechtsanwälte Zu keinem anderen Ergebnis als bei den Mitgliedern eines Spruchkörpers und Sitzungsvertretern der Staatsanwaltschaft kommt auch die Abwägung hinsichtlich der im gerichtlichen Verfahren in Erscheinung tretenden Rechtsanwälte. Sie sind von vornherein weniger schutzbedürftig, da ihre Teilnahme an der öffentlichen Verhandlung auf die freiwillige Übernahme eines Mandats zurückzuführen ist und nicht auf einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung beruht.573 4. Zeugen, insbesondere Opfer einer Straftat Zeugen genießen im Vergleich zu den vorgenannten Personenkreisen den wohl weitestgehenden Schutz. Vor allem Zeugen und Sachverständige sind in der Regel zeitgeschichtlich nicht von überwiegendem Interesse.574 Sie unterliegen deswegen, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, allein aufgrund ihrer Beteiligung an einem gerichtlichen Verfahren keinem besonderen Informationsinteresse.575 Insbesondere Opferzeugen sind einer besonderen Belastungssituation ausgesetzt.576 Sie werden ohne eigenes Zutun in die Publizität einer Gerichtsverhandlung einbezogen.577 Ausnahmen wären etwa dann denkbar, wenn der Zeuge selber in die dem Angeklagten vorgeworfene Tat verstrickt wäre.578
571
BVerfGE 119, 309 (323 f.). So etwa Stieper, JZ 2014, 271 (280). 573 von Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 8 Rn. 20; Stieper, JZ 2014, 271 (280). 574 Ernst, ZUM 1996, 187 (191). 575 Maul, MDR 1970, 286 (287). 576 BVerfGE 119, 309 (323). 577 Stieper, JZ 2014, 271 (281). 578 Maul, MDR 1970, 286 (287). 572
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
5. Parteien im zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren Die Parteien in einem zivil- oder verwaltungsrechtlichen Gerichtsverfahren müssen zwar damit rechnen, dass bei einer öffentlichen Verhandlung auch ihre persönlichen Verhältnisse in die Öffentlichkeit getragen werden.579 Allerdings darf nicht übersehen werden, dass dadurch auch ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz in Gefahr geraten könnte, wenn sie aufgrund der Publizität der gerichtlichen Verhandlung von einer Klage absehen würden. Denn allein der Umstand, dass eine Person vor Gericht zieht und dadurch erst die Medienaufmerksamkeit erregt wird, genügt noch nicht als Grund, ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse an einer identifizierenden Bildberichterstattung anzunehmen.580
IV. Zwischenergebnis Die Zulässigkeit der Anfertigung von Foto-, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen im Verhandlungssaal außerhalb der mündlichen Verhandlung hängt damit davon ab, ob an den Aufnahmen selber ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht und den Aufnahmen keine überwiegenden Interessen der Verfahrensbeteiligten entgegenstehen. Entgegenstehende Interessen ergeben sich aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Schutz eines ungestörten Verfahrensablaufs. Die Verfahrensbeteiligten befinden sich vor Gericht in einer ungewohnten Situation und haben eine Pflicht vor Gericht zu erscheinen. Das Gericht muss dafür Sorge tragen, dass die Verfahrensbeteiligten in dieser Situation nicht vor den Medien öffentlich zur Schau gestellt werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das Verfahren unmittelbar beeinträchtigt werden könnte. Hinsichtlich der Intensität des Schutzes der verschiedenen Verfahrensbeteiligten sind Abstufungen nach ihrer Rolle im Prozess vorzunehmen.
E. Die Zulässigkeit der Aufnahme und des Verbreitens von Foto- und Filmaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung Wenn eine gerichtliche Verhandlung für den Rezipienten visuell wahrnehmbar dargestellt werden soll, sind die Medien, was das Geschehen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung anbelangt, auf Bilder von Gerichtszeichnern angewiesen. Zeichnungen von den Personen im Gerichtssaal unterliegen regelmäßig keinem Verbot durch den Vorsitzenden Richter. Anderes gilt hingegen für Bewegtbildund Ton- sowie Standbildaufnahmen. Bewegtbild- und Tonaufnahmen unterliegen generell dem gesetzlichen Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG, Standbild579 580
Endemann, in: FS für Wolfgang Zeidler, Bd. 1, 1987, S. 409 (427). Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264 (267).
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
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aufnahmen sind in der Regel aufgrund einer sitzungspolizeilichen Verfügung (§ 176 GVG) verboten. In der heutigen hoch technisierten Zeit stellt sich dennoch die Frage, ob das in den meisten Fällen strikt geltende Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG noch zeitgemäß ist.
I. Filmaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung Ausgehend von der „n-tv-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts geht es im nachfolgenden Abschnitt um die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Aufnahmeverbots von Bewegtbild- und Tonaufnahmen (§ 169 Abs. 1 Satz 2 GVG) innerhalb der mündlichen Verhandlung. 1. Die Entwicklung des § 169 GVG Bereits vor der Einfügung des § 169 Satz 2 GVG a. F. gab es in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine Diskussion über die Zulässigkeit von Rundfunkaufnahmen während der mündlichen Verhandlung. Die herrschende Meinung581 ging bis dahin davon aus, dass audiovisuelle Aufnahmen aus der Hauptverhandlung ausnahmslos unzulässig seien.582 Es gab aber auch bereits damals Stimmen,583 die die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung hinterfragten.584 Im Jahre 1964 wurde sodann das Aufnahmeverbot des § 169 Satz 2 GVG a. F., nunmehr § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG eingefügt.585 Danach sind Ton- und FernsehRundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig. Nach § 2 EGGVG findet diese Vorschrift zunächst nur auf die ordentliche Gerichtsbarkeit Anwendung. Die §§ 17 BVerfGG, 55 VwGO, 52 Abs. 1 FGO, 61 Abs. 1 SGG und 52 Satz 4 ArbGG erklären § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG jedoch auch in den übrigen Gerichtsbarkeiten für entsprechend anwendbar. Ursprünglich sollte § 169 Satz 2 GVG a. F. nur für das Strafverfahren gelten.586 Da zahlreiche Argumente für den Ausschluss des Fernsehens im Strafverfahren auch für die Verfahren in den übrigen Gerichtsbarkeiten als gegeben angesehen wurden, wurde noch während des Gesetzgebungsverfahrens das Verbot von Ton- und Filmaufnahmen auf alle übrigen Gerichtsbarkeiten erstreckt.587
581 Schmidt, JZ 1956, 206 ff.; Sarstedt, JR 1956, 121 ff.; Dahs, AnwBl 1959, 171 ff.; Bockelmann, NJW 1960, 217 ff. 582 Vgl. dazu Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (86). 583 Vgl. etwa Arndt, NJW 1960, 423 (424); Kohlhaas, DRiZ 1956, 2 ff.; Schneider, JuS 1963, 346 (350). 584 Ausführlich Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (86 f., 88 ff.). 585 Vgl. hierzu auch nochmals oben, Teil 1 B. II. 5. b). 586 Vgl. BT-Drucks. 3/2037, S. 44; 4/178, S. 45 f. 587 Schneider, JuS 1963, 346 (349).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Bereichsausnahmen von dem Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG sehen die §§ 17a Abs. 1 BVerfGG, 11a Abs. 1 SaarlVerfGHG, 16a Abs. 1 HAmbVerfGG, 14 Abs. 1 S-H LVerfGG, 22a Abs. 2 BbgVerfGG für die Verfassungsgerichtsbarkeit vor. Danach sind Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts in der Verhandlung zulässig, bis die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt ist beziehungsweise bei der öffentlichen Entscheidungsverkündung. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie zur Einhaltung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Verfassungsgerichte wiederum Ausnahmen vorsehen. Die Ausnahmeregelung des 1998 eingefügten und der bereits davor geltenden gerichtlichen Praxis entsprechenden § 17a BVerfGG war vor allem durch die Sonderstellung des Bundesverfassungsgerichts motiviert. Die Verfahrensbeteiligten sind durch Aufnahmen regelmäßig nicht in ihrer Privatsphäre betroffen und aufgrund der politischen Wirkungen der Entscheidungen besteht ein erhebliches Informationsinteresse.588 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des absoluten Aufnahmeverbots des § 169 Satz 2 GVG a. F. wurden vor allem in den 1990er Jahren laut.589 Anlass dafür waren vor allem das gegen Erich Honecker geführte Strafverfahren, der Prozess gegen Egon Krenz und andere DDR-Funktionäre, sowie das „KruzifixVerfahren“ vor dem Bundesverwaltungsgericht.590 Den Endpunkt dieser Debatte markierte sodann die „n-tv-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts.591 Seit dem beschäftigte sich die wissenschaftliche Diskussion vornehmlich mit der Suche nach Lockerungen und Ausnahmen von dem absoluten Verbot des592 § 169 Satz 2 GVG a. F.593 588
Vgl. Krausnick, ZG 2002, 273 (275); BR-Drucks. 165/97, S. 8 ff. Zum rechtspolitischen Streit: Gerhardt, ZRP 1993, 377; Wolf, ZRP 1994, 187; Eberle, NJW 1994, 1637; Ranft, Jura 1995, 573; Schwarz, AfP 1995, 353; Hamm, NJW 1995, 760; Stürner, JZ 1995, 297; ders., JZ 2001, 699; Zuck, NJW 1995, 2082; Huff, NJW 1996, 571; Enders, NJW 1996, 2712; Ernst, ZUM 1996, 187; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998; Walther, JZ 1998, 1145; Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999; Sorth, Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverfahren, 1999; Gündisch/Dany, NJW 1999, 256; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000. 590 Vgl. Eckertz-Höfer, DVBl 2012, 389 (389). 591 BVerfGE 103, 44. 592 Vgl. hierzu Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 77 ff.; ders., DRiZ 2016, 304 (304 ff.); Claus, jurisPR-StrafR 22/2016 Anm. 1; Rebehn, DRiZ 2016, 204 (204 f.); Saliger, JZ 2016, 824 (826 ff.); Norouzi, StV 2016, 590 (593 ff.); von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (15 ff.); Rosenthal, AnwBl 2016, 654 (654 ff.); Müller, AnwBl 2016, 656 (656 ff.); Franke, NJW 2016, 2618 (2619 ff.); Loubal/Hofmann, MMR 2016, 669 (670 ff.). 593 Vgl. dazu in der neueren Literatur Huff, NJW 2001, 1622; Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356; Kirchberg, BRAK-Mitt. 2002, 252; Krausnick, ZG 2002, 271; von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005; ders., AfP 2014, 193; Kaulbach, ZRP 2009, 236; Pfeifle, ZG 2010, 283; Kaulbach, JR 2011, 51; Boehme-Neßler, 589
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
305
Im Jahr 2018 wurde § 169 GVG neu gefasst und das absolute Verbot von audiovisuellen Aufnahmen während der mündlichen Verhandlung moderat gelockert.594 Neben der bereits angesprochenen Möglichkeit der Übertragung der gerichtlichen Verhandlung in einen Nebenraum des Gerichts (§ 169 Abs. 1 Satz 3),595 sieht die Neuregelung im Wesentlichen zwei Ausnahmen von der ansonsten weiterhin strikt geltenden Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG vor: Eine erste Ausnahme gilt nach § 169 Abs. 2 GVG für Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland. Hier kann das erkennende Gericht jedenfalls die Anfertigung von Tonaufnahmen zu wissenschaftlichen oder historischen Zwecken zulassen. Die angefertigten Aufnahmen sollen sodann dem zuständigen Bundes- oder Landesarchiv übergeben werden, welches entscheidet, ob die Aufnahmen einen bleibenden Wert haben und deswegen zu archivieren sind.596 Eine weitere Ausnahme gilt nach § 169 Abs. 3 GVG – allerdings nur „in besonderen Fällen“ – für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Danach können Ton- und FernsehRundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zugelassen werden.597 Aufgrund der genannten Verweisungsvorschriften ist § 169 Abs. 3 GVG im Hinblick auf Urteilsverkündungen der übrigen obersten Bundesgerichte entsprechend anzuwenden.598 2. Die n-tv-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden599 des Nachrichtenfernsehsenders n-tv ging es um die Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen in gerichtlichen Verhandlungen und während der Urteilsverkündung. Sowohl im „Politbüroprozess“ als auch im „Kruzifixverfahren“ begehrte der Nachrichtenfernsehsender n-tv, Zugang zum Gerichtssaal zum Zwecke der Anfertigung von Filmaufnahmen während der mündlichen Verhandlung zu erhalten. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung600 klarstellt, dass der Schutz der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG von der Beschaffung der Information bis zu ihrer Verbreitung UFITA 2012, 337; Hanske/Lauber-Rönsberg, ZUM 2013, 264; Hassemer, ZRP 2013, 149; Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 ff.; Hamm, AfP 2014, 202. 594 BT-Drucks. 18/10144; 18/1259. 595 Vgl. dazu oben, Teil 1 B. V. 1. b) ee). 596 Vgl. hierzu den noch etwas weiter gehenden § 169 Abs. 2 GVG RegE, BTDrucks. 18/10144, S. 7: Danach sollten nicht nur Ton- sondern auch Filmaufnahmen zugelassen sein. 597 Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 18/10144, S. 7. 598 BT-Drucks. 18/10144, S. 20 f. 599 BVerfGE 103, 44. 600 BVerfGE 10, 118 (121); 91, 125 (134).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
reicht,601 geht es dennoch davon aus, dass – soweit die Medien an der Zugänglichkeit einer für jedermann geöffneten Informationsquelle teilhaben – der Zugang durch die Informationsfreiheit und damit für Medien nicht anders als für die Bürger allgemein geschützt wird.602 Die Nutzung rundfunkspezifischer Aufnahmegeräte unterfalle zwar der insoweit spezifischeren Rundfunkfreiheit. Zu deren Schutzbereich gehöre aber genauso wenig wie zu dem der Informationsfreiheit die Eröffnung einer nicht allgemein zugänglichen Informationsquelle.603 Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Auffassung, dass der allgemeine Zugang zur Informationsquelle der gerichtlichen Verhandlung während der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht durch § 169 Satz 2 GVG a. F. von Anfang an nur beschränkt, das heißt ohne die Möglichkeit der Verwendung von rundfunkspezifischen Aufnahme- und Verbreitungstechniken und damit anders als in zeitlich davor oder danach gelegenen Phasen eröffnet wurde.604 Deswegen erfolge die Verwendung der rundfunkspezifischen Aufnahme- und Verbreitungstechniken nur in den zweitgenannten Phasen im Schutzbereich der Rundfunkfreiheit.605 Das Bundesverfassungsgericht ging davon aus, dass § 169 Satz 2 GVG a. F. verfassungsgemäß und insbesondere mit der Informations- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG vereinbar war.606 Der Gesetzgeber war nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Regelung zu schaffen, die Ausnahmen ermöglicht. Denn der verfassungsrechtlich im Demokratie- und Rechtsstaatsgebot verankerte Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit607 könne „aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls auch dort ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wo sie nach der Verfassung grundsätzlich geboten ist“.608 Bei der Ausgestaltung der Gerichtsöffentlichkeit müsse der Gesetzgeber ihre Funktion und die unterschiedlichen Interessen berücksichtigen. Gerichtsöffentlichkeit sei Garant für Verfahrensgerechtigkeit. Deswegen betont das Bundesverfassungsgericht, dass gerichtliche Verfahren (nur) in der, aber nicht für die Öffentlichkeit stattfinden.609 Als gegenläufige Belange kommen das Persönlichkeitsrecht der am Verfahren Beteiligten, der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren sowie die Funktionstüchtigkeit der
601
BVerfGE 103, 44 (59). BVerfGE 103, 44 (59); 119, 309 (318 f.). 603 BVerfGE 103, 44 (59 f.); 119, 309 (318 f.). Vgl. hierzu bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. b) bb) (4). 604 BVerfGE 103, 44 (62). 605 BVerfGE 103, 44 (62). 606 BVerfGE 103, 44 (59 ff.). 607 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 1. 608 BVerfGE 103, 44 (63). Vgl. dazu auch BVerfGE 70, 324 (358). 609 BVerfGE 103, 44 (64). 602
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
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Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung in Betracht.610 Auch wenn der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen sei, die Aufnahme und Übertragung gerichtlicher Verhandlungen auszuschließen, genügte § 169 Satz 2 GVG a. F. „dem rechtsstaatlichen Interesse der öffentlichen Kontrolle des Gerichtsverfahrens sowie dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen, die für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung von Bedeutung sind“.611 So sei es auch den Vertretern des Rundfunks möglich, an gerichtlichen Verhandlungen teilzunehmen und über sie zu berichten. Es sei ihnen nur verwehrt, Originaltöne und -bilder herzustellen, zu verwenden und zu verarbeiten.612 Das Bundesverfassungsgericht erkennt zwar an, dass dem Rundfunk damit sein wesentliches Darstellungsmittel verweigert wird, es bezweifelt aber, dass eine Fernsehberichterstattung, in der Originalaufnahmen aus dem Verhandlungssaal verwendet werden, zu einer möglichst wirklichkeitsgetreuen Abbildung von Gerichtsverhandlungen führen würde.613 Stärkeres Gewicht komme hingegen den schützenswerten entgegenstehenden Belangen zu. Für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfahrensbeteiligten stelle es eine erhebliche Belastung dar, wenn sie nicht mehr nur der flüchtigen Wahrnehmung der im Sitzungssaal anwesenden Personen, sondern der weitaus intensiveren Wahrnehmung der Medienöffentlichkeit ausgesetzt wären.614 Die Fairness des Verfahrens könne gefährdet sein, weil viele Menschen ihr Verhalten in Anwesenheit von Medien änderten, etwa weil sie sich scheuten intime, ihnen peinliche oder gar unehrenhafte Umstände in der Öffentlichkeit vorzutragen, die aber dennoch zur Wahrheits- oder Rechtsfindung beitragen könnten. Der Wahrheits- und Rechtsfindungsprozess leide, wenn die Verfahrensbeteiligten versucht sind, ihr Verhalten an der erwarteten Medienwirkung auszurichten.615 Auch wenn hinsichtlich der beschriebenen Gefährdungen in den verschiedenen Verfahrensarten und Gerichtszweigen Unterschiede bestehen, könnten in jedem Verfahren Störungen entstehen, auf die bei Medienpräsenz anders reagiert wird als vor der Saalöffentlichkeit. Erhöhte Medienpräsenz könne insoweit auch die Verhandlungsleitung beeinflussen.616 Es bestünde immer die Gefahr, dass die Medien in den sie besonders interessierenden Verfahren öffentlichen Druck auf das Gericht ausübten.617 610 611 612 613 614 615 616 617
BVerfGE 103, 44 (64). BVerfGE 103, 44 (65). BVerfGE 103, 44 (66). BVerfGE 103, 44 (67). BVerfGE 103, 44 (69). BVerfGE 103, 44 (68 f.). BVerfGE 103, 44 (69 f.). BVerfGE 103, 44 (71).
308
Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
3. Der Schutz von audiovisuellen Aufnahmen als medientypische Ausdrucksform Die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 GG gewährleistet auch den Schutz der Informationsbeschaffung mithilfe von rundfunktypischen Aufnahme- und Übertragungsgeräten.618 Geschützt ist damit das Recht, sich der typischen Ausdrucksformen einer Rundfunkberichterstattung, nämlich der audiovisuellen Form der Dokumentation von Ereignissen zu bedienen.619 Damit verlangt die Rundfunkfreiheit auch den Einsatz von entsprechenden Aufnahmegeräten, auch wenn dabei Störungen für Rechtsgüter anderer einhergehen können.620 Nur wenn Fernsehen und Hörfunk ein Ereignis audio(visuell) wiedergeben können, sind sie in der Lage, mit den für sie typischen Mitteln über dieses zu informieren.621 Damit einhergehende mögliche Beeinträchtigungen von Rechtsgütern Dritter sind systematisch auf Schrankenebene zu lösen.622 Denn wenn Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Presse und Rundfunk als Informationsmittler und Träger der öffentlichen Meinung in der Demokratie anerkennt, dann muss die Berichterstattung durch die Medien auch in der Form gewährleistet sein, die charakteristisch für das jeweilige Medium ist.623 Presse und Rundfunk erfüllen insoweit die gleichen Aufgaben. Unterschiede bestehen nur bei der Wahl der Mittel der Funktionserfüllung.624 Für den Rundfunk bedeutet dies, dass die Anfertigung von Aufnahmen grundsätzlich auch während der Verhandlung möglich sein muss.625 Daneben wird die Herstellung audiovisueller Aufnahmen als typische Ausdrucksform der elektronischen Presse durch die im Internet publizierenden professionellen Journalisten und Laienjournalisten auch vom Schutzbereich der für sie jeweils einschlägigen Medienfreiheit gewährleistet.626
618 Vgl. BVerfGE 91, 125 (134); 103, 44 (59); Gündisch/Dany, Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverhandlungen, NJW 1999, 256 (259); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 393. Vgl. auch schon oben, Teil 1 B. IV. 2. b) dd) (2) (b). 619 BVerfGE 103, 44 (59); 119, 309 (318 f.); Gerhard, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verbots von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1968, S. 33 f. 620 Walther, JZ 1998, 1145 (1146). 621 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 393 622 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 393. 623 Schneider, JuS 1963, 346 (351). 624 Walther, JZ 1998, 1145 (1146). 625 So von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 392 f. Demgegenüber a. A. Prütting (in: FS für Rolf A. Schütze, 1999, S. 685 [690]), der davon ausgeht, dass ein Zugang des Fernsehens zum Gerichtssaal verfassungsrechtlich nicht verlangt sei. 626 Vgl. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 258. Vgl. auch die Ausführungen zum Grundrechtsschutz von Online-Diensten, Teil 1 B. IV. 2. b) ee).
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
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4. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG als Beschränkung der Medienfreiheiten Nach dem modernen Eingriffsverständnis ist ein Grundrechtseingriff in jedem staatlichen Handeln zu sehen, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.627 Dadurch, dass die Vertreter des Rundfunks aufgrund der Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG während der gerichtlichen Verhandlung keine Rundfunkaufnahmen anfertigen dürfen, sind sie in ihren rundfunktypischen Ausdrucksformen beschränkt. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG ist damit ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die Rundfunkfreiheit. Hierfür spricht, dass für Aufnahmeverbote vor, nach sowie während der Verhandlungspausen grundsätzlich nichts anderes gelten kann628 als für die Phase während der mündlichen Verhandlung.629 Einzig die Eingriffsintensität ist dadurch verringert, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rundfunkaufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung fast vollumfänglich zugelassen sind630 und mittlerweile nach § 169 Abs. 3 GVG wenigstens die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wie auch der anderen obersten Bundesgerichte631 in besonderen Fällen zugelassen werden kann. Gleiches gilt auch für die Vertreter der elektronischen Presse. Denn der Großteil der im Internet publizierenden (Laien-)Journalisten greift neben einer reinen Textberichterstattung auch auf Ton- und Bewegtbildaufnahmen zurück.632 Weiterhin existieren zahlreiche Angebote der elektronischen Presse, die sogar auf die Verbreitung von Ton- und Bewegtbildaufnahmen beschränkt sind.633 5. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Der Einsatz medientypischer Mittel, mit denen die Informationsaufnahme erfolgen soll, wird von den Medienfreiheiten geschützt, da sie die Berichterstattung gerade in ihrer typischen Ausdrucksform betrifft. Damit stellt das Verbot des 627 BVerfGE 105, 279 (299 ff.); Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 33. Aufl. 2017, Rn. 264 f. 628 Hier nimmt das Bundesverfassungsgericht unproblematisch einen Grundrechtseingriff an: BVerfGE 91, 125 (134); 119, 309 (321). 629 von Coelln, AfP 2014, 193 (199). 630 Vgl. hierzu Hain, DÖV 2001, 589 (593). 631 Aufgrund der Verweisungsnormen in den entsprechenden Prozessordnungen gilt § 169 Abs. 3 GVG auch für die Urteilsverkündungen der übrigen obersten Bundesgerichte, vgl. BT-Drucks. 18/10144, S. 20 f. 632 Vgl. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 258, 285 ff. 633 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 286.
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Einsatzes dieser Mittel nach § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG einen an den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu messenden Grundrechtseingriff dar.634 Im Folgenden geht es nunmehr um die Frage, ob der Eingriff in die Medienfreiheiten gerechtfertigt ist. Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden die in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Grundrechte ihre Schranke in den „allgemeinen Gesetzen“. Dass es sich bei § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG um ein allgemeines Gesetz handelt, wurde bereits geklärt.635 Die Bejahung des Vorliegens eines allgemeinen Gesetzes führt jedoch noch nicht zur Rechtfertigung des Eingriffs. Vielmehr muss das einschränkende Gesetz auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG ist insoweit eine Abwägungsfrage zwischen dem Recht der freien Berichterstattung durch die Medien, also den Rundfunk und die elektronische Presse, und den entgegenstehenden von § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG geschützten Positionen.636 Zunächst soll deswegen die Bedeutung der widerstreitenden Interessen dargelegt werden. a) Informationswert der bildlichen Dokumentation für den Rundfunk Gerichtsöffentlichkeit dient der beispielhaften Verdeutlichung der Funktionsweise der Rechtsordnung und trägt zur Bildung einer öffentlichen Meinung bei.637 An der Tätigkeit der Judikative besteht insoweit ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse. Die Informationsfunktion zählt mittlerweile zu den vorrangigen Funktionen des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit.638 Sie wird heutzutage vornehmlich durch die Massenmedien befriedigt.639 Deswegen ist auch die Massenmedienöffentlichkeit Teil der verfassungsrechtlich geschützten Gerichtsöffentlichkeit.640 Der Informationswert von Ton- und Bewegtbildaufnahmen aus dem Gerichtssaal wird vereinzelt allerdings als außerordentlich gering eingestuft, da das Fernsehen nicht in der Lage sei, die richterliche und anwaltliche Tätigkeit authentisch zu veranschaulichen.641 Verlauf und Inhalt einer Gerichtsverhandlung würden in 634
Anders hingegen BVerfGE 103, 44 (59 ff.). Siehe dazu schon oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa). Vgl. auch Pieroth, in: Erichsen/ Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (270 f.). 636 Vgl. Walther, JZ 1998, 1145 (114); Hain, DÖV 2001, 589 (592). 637 Minderheitenvotum der Richter Kühling, Hohmann-Dennhardt und HoffmannRiem, BVerfGE 103, 44 (72 f.); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 407. 638 Siehe dazu von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 196 f., 407. Vgl. dazu auch oben, Teil 1 B. III. 4. 639 Vgl. von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 407 f. 640 Vgl. Schwarz, AfP 1995, 353 (356 f.). Siehe dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 2. 641 Vgl. Eckertz-Höfer, DVBl 2012, 389 (390): Der Informationswert sei sogar so gering, dass die durch Rundfunkaufnahmen während der mündlichen Verhandlung entstehenden Nachteile nicht durch diesen aufgewogen werden könnten. 635
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
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einer Fernsehberichterstattung nur verkürzt oder verzerrt wiedergegeben.642 Hierbei handelt es sich jedoch um kein rundfunkspezifisches Problem. Die Presseberichterstattung ist davon in gleicher Weise betroffen.643 Vielmehr sollte berücksichtigt werden, dass der Einzelne mit seinem natürlichen Informationsbedürfnis stärker noch als früher aufgrund von stetig komplexer werdenden gesellschaftlichen Verhältnissen und Strukturen auf die Vermittlungsfunktion der Massenmedien angewiesen ist.644 Der Wert von Fernsehbildern kann insoweit gerade in der Förderung von Akzeptanz gegenüber der Judikative645 und der Steigerung des allgemeinen Rechtsverständnisses646 gesehen werden. Auch die Kontrolle der Judikative, die den Verfahrensbeteiligten zugutekommt, kann durch die Ausstrahlung von Fernsehbildern aus der mündlichen Verhandlung gesteigert werden.647 Denn der Zuschauer ist gerade durch Fernsehaufnahmen in der Lage, sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen.648 Dadurch kann das Vertrauen in die Judikative gesteigert werden. Auch dem Informationsinteresse tragen Fernsehaufnahmen Rechnung.649 Wenn es um schwere Gewaltverbrechen und anderen Straftaten von erheblicher Bedeutung geht, hat die Bevölkerung nicht nur ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, wer der Täter ist. Es besteht vielmehr auch ein berechtigtes Interesse daran, einen audiovisuellen Eindruck von der Atmosphäre im Verhandlungssaal zu erhalten, um aus eigener Anschauung zu erfahren, in welcher Form sich der Angeklagte den Vorwürfen stellt.650 Betrachtet man die anderen Gerichtszweige, so lässt sich hier die Regel formulieren, dass je stärker eine bestimmte Frage die Öffentlichkeit berührt, desto höhere Bedeutung auch dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit zukommen muss.651 Geht es hingegen in erster Linie um private oder allein im wirtschaftlichen Verkehr relevante Fragen, und verfolgen die Medien mit der Verbreitung dieser Informationen nur eigennützige Ziele, deren Bedeutung für den Meinungsbildungsprozess relativ gering ist, kommt der Rundfunkfreiheit im Abwägungsprozess nur geringe Bedeutung zu.652
642
Vgl. Sarstedt, JR 1956, 121 (124 f.); Ernst, ZUM 1996, 187 (193). von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 413 ff. 644 Vgl. BVerfGE 103, 44 (74); Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 204 f.; Pfeifle, ZG 2010, 283 (203). 645 Gerhardt ZRP 1993, 377 (382); von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (25 f.). 646 Töpper, DRiZ 1995, 242 (242). 647 Vgl. Weiler, ZRP 1995, 130 (135). 648 Zuck, NJW 1995, 2083 (2083). 649 von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (25 f.). 650 In diese Richtung auch Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356 (359). 651 Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356 (359). 652 Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356 (359). 643
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Den Rundfunkaufnahmen kommt natürlich nur ein gewichtiger Informationswert zu, wenn sie im konkreten Fall wirklich zur Förderung der Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit beitragen können. So rechtfertigt nicht alles, wofür sich die Menschen aus Langeweile, Neugierde und Sensationslust interessieren, dessen visuelle Darstellung.653 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch für die Pressefreiheit festgestellt, dass der Grundrechtsschutz unabhängig von dem Niveau einer Berichterstattung gewährleistet wird. Die Presse müsse allein nach publizistischen Kriterien entscheiden können, woran ein öffentliches Informationsinteresse besteht. Geschützt sei deswegen auch eine unterhaltende oder personalisierte Berichterstattung. Die Feststellung, dass eine Berichterstattung allein der Befriedigung von Neugier dient und keine sachbezogene und ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Geschehen darstellt, sei erst im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.654 Dies gilt auch für die Rundfunkfreiheit. Denn auch der Rundfunk muss selber entscheiden können, worüber und in welcher Form er berichtet.655 Selbst wenn Einschränkungen einer allein am Sensationsinteresse orientierten Berichterstattung weniger schwer wiegen, ändert dies allerdings nichts an der Eingriffsintensität des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG. Denn durch diesen ist auch eine seriöse audiovisuelle Berichterstattung von vornherein unmöglich.656 Rundfunkaufnahmen aus dem Gerichtssaal sehen sich weiterhin dem Einwand ausgesetzt, sie würden das tatsächlich Geschehene nur verfälscht wiedergeben, da oftmals nur Ausschnitte gezeigt würden.657 Auswahl und Verkürzung stellen jedoch ein medientypisches Verhalten dar.658 Es gibt keine Information ohne Selektion.659 Selektion ist insoweit durch das Bedürfnis nach umfassender Information bedingt.660 Inzwischen sind sich jedoch auch die Mediennutzer der Verfälschungs- und Verfremdungsmöglichkeiten von Sachverhalten durch die Kraft der Bildberichterstattung bewusst.661 Der durchschnittliche Rezipient einer Fernsehkurzberichterstattung über einen Gerichtsprozess ist sich insoweit darüber bewusst, keine vollständige und neutrale Wiedergabe des Geschehens zu erhalten, genauso wie dies auch für den Leser einer Gerichtsreportage gilt.662 Im Übrigen 653
BGH NJW 2009, 757 (758). Vgl. BVerfGE 101, 361 (389 ff.). 655 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 411. 656 So von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 412. 657 BVerfGE 103, 44 (68); Ernst, ZUM 1996, 187 (193); ders., in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (76); Eckertz-Höfer, DVBl 2012, 389 (390). 658 Zuck, NJW 1995, 2082 (2083). 659 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 414. 660 Schmitt Glaeser, JÖR n. F. Bd. 50 (2002), S. 169 (172); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 414. 661 Wyss, EuGRZ 1996, 1 (12); Sorth, Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverfahren, 1999, S. 182. 662 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 89. 654
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
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sind „Gerichtsshows“ oder vergleichbare fiktionale Sendeformate viel eher dazu geeignet, das Bild von der Justiz zu verzerren.663 Um der Gefahr vorzubeugen, dass sinnentstellende Ausschnitte gezeigt werden, die dem Informationsideal nicht gerecht würden,664 bedarf es keines vollständigen Ausschlusses von Rundfunkaufnahmen aus der gerichtlichen Verhandlung. Viel wichtiger zur Erhöhung des Informationsniveaus ist ein „verständlich übersetzender Journalismus“.665 Denn ohne eine adäquate Aufbereitung des Geschehens lassen sich weder Rechtskenntnisse vermitteln noch inhaltliches Verständnis für ein bestimmtes Verfahren wecken.666 Daneben lässt sich Qualität der Gerichtsberichterstattung am ehesten dadurch steigern, dass Urteile durch die Gerichte in verständlicher Weise erklärt werden. Damit ist zunächst die Urteilsbegründung durch den Richter selber angesprochen.667 Hier haben dann auch Fernsehaufnahmen von einem das Urteil verkündenden Richter einen besonderen Informationswert, wenn die Aufnahmen bereits ohne weitere Erklärung für sich sprechen. Zum anderen sollte es an den Gerichten flächendeckend Pressesprecher geben, die den interessierten Journalisten die verhandelten Rechtsfragen in verständlicher Weise erklären.668 Natürlich sollte nicht unterschätzt werden, dass Rundfunkaufnahmen durch ihr hohes Maß an Authentizität in besonderer Weise dazu geeignet sind, den Rezipienten zu beeinflussen und zu manipulieren. Bei einer den Sorgfaltsanforderungen journalistischen Arbeitens genügenden Berichterstattung ist dies allerdings nicht der Fall. So bringt die Authentizität der im Gerichtssaal während der mündlichen Verhandlung gefertigten Aufnahmen nicht nur Gefahren mit sich. Der Vorteil der Authentizität liegt darin begründet, dass Fernsehaufnahmen in besonderer Weise dazu in der Lage sind, einen Eindruck des Miterlebens zu vermitteln.669 Um den Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit hinreichend Rechnung zu tragen, kommt es daher auf eine sinnvolle journalistische Aufbereitung des in der mündlichen Verhandlung angefertigten Materials an. Die Übertragung des ungeschnittenen und unkommentierten Materials hätte für weite Teile der Zuschauer keinen Wert.670 Wenn der Verwendung von Bildaufnahmen in einer Fernsehberichterstattung vorgeworfen wird, sie würde allein ein Illustrationsinteresse verfolgen, nur der 663 Gerhadt/Huff, ZRP 2003, 68 (68); Steiner, ZRP 2003, 245 (246 f.); Pfeifle, ZG 2010, 283 (286 f.). 664 Vgl. Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (76). 665 So im Ergebnis auch Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (76). 666 Wolf, ZRP 1994, 187 (189); Ernst, ZUM 1996, 187 (193); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 409. 667 Vgl. zur Veröffentlichungspflicht von gerichtlichen Entscheidungen oben, Teil 1 B. V. 2. b). 668 Vgl. zur Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte oben, Teil 1 B. V. 2. d). 669 Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356 (359). 670 von Coelln, AfP 2014 193 (200).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
besseren Absatzmöglichkeit der Nachricht dienen und über keinen darüber hinausgehenden Informationswert verfügen,671 greift dies deutlich zu kurz. Dass Nachrichten – und zwar nicht nur solche in der Rundfunkberichterstattung – besonders attraktiv aufgemacht sind, gehört gerade zu den Wesensmerkmalen großer Teile der medialen Berichterstattung.672 Denn das sinnlich wahrnehmbare, gegebenenfalls von Experten eingeordnete Geschehen vermag beim Rezipienten mehr Verständnis auszulösen, als der Bericht eines Reporters, der lediglich die Gerichtsfassade als Kulisse seines Berichts verwendet, dazu in der Lage wäre.673 Eine absolute Beschränkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zulasten des Rundfunks wird seiner Bedeutung im allgemeinen Kommunikationsprozess nicht mehr gerecht.674 Das Verbot der dem Rundfunk eigenen Informationsübertragungsmittel, die Pauschalität des Verbots, sowie dessen Geltung in einem für das allgemeine Informationsinteresse besonders relevantem Zeitraum lässt den Eingriff in die Rundfunkfreiheit besonders schwer wiegen.675 b) Informationswert der bildlichen Dokumentation für die elektronische Presse Auch für zahlreiche Online-Angebote beinhaltet die bildliche Dokumentation der gerichtlichen Verhandlung den soeben beschriebenen Informationswert. Für die ausschließlich audiovisuelle Aufnahmen verbreitende elektronische Presse stellt das Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG einen schwerwiegenden Eingriff in die Medienfreiheiten dar.676 Die Intensität des Eingriffs wird auch nicht durch die Möglichkeit des Ausweichens auf andere Darstellungsformen, etwa eine reine Textberichterstattung, abgeschwächt.677 Zwar sind Online-Medien grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Darstellungsform beschränkt, wie dies beim Rundfunk der Fall ist. Man darf hier jedoch nicht auf die Darstellungsmöglichkeiten verschiedener Internetangebote insgesamt abstellen. Denn der Adressatenkreis eines Video-Portals erwartet genauso wie ein Fernsehzuschauer
671
Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (79). Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 136 f.; Fink, Bild- und Tonaufnahmen im Umfeld der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, 2007, S. 67 ff.; von Coelln, AfP 2014, 193 (200). 673 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 409. 674 So bereits Schwarz, AfP 1995, 353 (357). 675 So auch Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 285. 676 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 286 f. 677 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 286 f. 672
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eine Darstellung mithilfe von Ton- und Bewegtbildinformationen. Textinformationen wird er regelmäßig nicht erwarten.678 Handelt es sich hingegen um Online-Dienste, die ein gemischtes Angebot aus Text-, Standbild-, Ton- und Bewegtbildinformationen verbreiten, ist die Intensität des Eingriffs weniger schwerwiegend. Hier gilt das Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG nur für ein Mittel unter vielen. Im Übrigen stellt gerade bei gemischten Angeboten der elektronischen Presse die Darstellung in Textform regelmäßig den Schwerpunkt und das Charakteristikum der Darstellungsform dar.679 c) Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip Der Informationswert von Ton- und Bewegtbildaufnahmen aus der gerichtlichen Verhandlung lässt sich auch mithilfe weiterer Verfassungsprinzipien verdeutlichen. Wie gezeigt, gebieten sowohl das Demokratie- als auch das Rechtsstaatsprinzip die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens.680 Hiervon sind natürlich sachlich begründete Ausnahmen zulässig.681 Gerichtsöffentlichkeit, wie sie verfassungsrechtlich gefordert wird und wie auch der Gesetzgeber sie niemals abschaffen könnte, soll den Rechten der Verfahrensbeteiligten zugutekommen. So geht es um Kontrolle und den Ausschluss von Geheim- und Willkürjustiz. Befördert wird damit das Recht auf ein faires Verfahren.682 Der Einwand, dass dafür auch allein die reine Saalöffentlichkeit ausreichen würde, ist nicht berechtigt. Denn es lässt sich nur schwer begründen, warum öffentliche Kontrolle und Vertrauensstiftung nicht auch mit den Mitteln des Rundfunks und der elektronischen Presse, deren Bedeutung in der heutigen Gesellschaft außerordentlich hoch ist, erfüllt werden soll.683 Mit der Ausübung öffentlicher Kontrolle, der Stiftung von Vertrauen und der Schaffung weitestgehender Transparenz in Bezug auf staatliche Machtvorgänge, hat die drastische Beschränkung der typischen Ausdrucksformen bestimmter Medien nichts zu tun. Hinzu kommt, dass klassische Presse, elektronische Presse und Rundfunk in gleicher Weise die Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit verwirklichen. Sie sind normativ identisch ausgestattet.684 Der sachliche Unterschied, dass die klassische Presse nur zeitlich versetzt, 678
So Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 286 f. 679 Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 288. 680 Siehe dazu oben, Teil 1 B. IV. 1. 681 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (276). 682 Hain, DÖV 2001, 589 (592). 683 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (276). 684 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (276).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
der Rundfunk hingegen auch zeitgleich berichten kann, rechtfertigt hingegen keine unterschiedliche Behandlung.685 Gerade in der Zeit der Konvergenz der Medien gewinnt dieses Argument zusätzlich an Gewicht: Denn selbst eine reine Textberichterstattung durch die Presse ist mittlerweile – wie gezeigt – in der Lage,686 mittels Live-Tickern zeitgleich zu einem bestimmten Geschehen zu berichten. d) Aufnahmebedingte Störungen § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG dient dem Persönlichkeitsschutz sowie den Erfordernissen eines fairen Verfahrens und der Wahrheits- und Rechtsfindung.687 Hintergrund der Regelung ist, dass eine Rundfunkberichterstattung aufgrund ihrer Authentizität viel stärker dazu geeignet ist, die benannten Rechtsgüter zu beeinträchtigen, als es eine reine Textberichterstattung könnte.688 Das Interesse an bildlicher Dokumentation und der besondere Informationswert der Aufnahmen werden deswegen nie zu einer schrankenlosen Berichterstattung durch den Rundfunk führen können.689 Die Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens ist daher in einer Weise zu begrenzen, die einerseits dazu geeignet ist, Verletzungen von Persönlichkeitsrechten der Verfahrensbeteiligten vorzubeugen und andererseits die Judikative vor Störungen in ihrer Tätigkeit an sich, insbesondere dem Wahrheits- und Rechtsfindungsprozess, zu bewahren.690 Dabei ist zu beachten, dass diese Gefahren durch die ständige Wiederhol- und Abrufbarkeit der Aufnahmen im Internet heutzutage nochmals potenziert sind.691 aa) Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten Die wohl am häufigsten befürchtete Beeinträchtigung durch Bewegtbild- und Tonaufnahmen während der mündlichen Verhandlung ist die mögliche Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Verfahrensbeteiligten.692 (1) Angeklagte im Strafverfahren Besonders der Angeklagte im Strafverfahren ist intensiven Gefahren für seinen Persönlichkeitsschutz ausgesetzt, wenn alle seine äußerlich erkennbaren seelischen 685 So Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (276). Vgl. auch Schneider, JuS 1963, 346 (351). 686 Vgl. dazu oben, Teil 2 B. II. 2. 687 BVerfGE 103, 44 (67 f.). 688 BVerfGE 91, 125 (135). 689 Schneider, JuS 1963, 346 (351). 690 Prütting, in: FS für Rolf A. Schütze, 1999, S. 685 (689). 691 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (84). 692 Vgl. hierzu auch von Coelln (in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 [27 f.]), der allerdings darauf hinweist, dass es sich hierbei nicht um eine Besonderheit des gerichtlichen Verfahrens handelt.
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
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Regungen einer unüberschaubaren Medienöffentlichkeit gezeigt würden.693 Besonders in Momenten der Aufregung – etwa dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung –, sich zudem einer ungewohnten Situation ausgesetzt sehend, sind die Prozessbeteiligten einer unüberschaubaren Beobachtungssituation durch die Medienöffentlichkeit ausgesetzt.694 Es macht einen Unterschied, ob man vor Personen auftreten muss, denen man selbst vor Augen tritt, oder ob man einer unüberschaubaren Menge an nicht anwesenden Menschen gegenübersteht, die man nicht wahrnehmen kann.695 Es besteht somit die Gefahr, dass Details, die den innersten Sphären der Persönlichkeit eines Menschen angehören, über die Saalöffentlichkeit hinaus verbreitet werden. Nicht alles, was die Saalöffentlichkeit erfährt, darf in die Medienöffentlichkeit hinausgetragen werden. Es handelt sich insoweit um zwei unterschiedliche Bezugsgrößen.696 Während in einer Live-Textberichterstattung insoweit Informationen, die nicht verbreitet werden dürfen, herausgefiltert werden können, ist eine Live-Übertragung durch Filmaufnahmen dazu nicht ohne weiteres in der Lage. Daher besteht stets die Gefahr, dass die zeitgleiche audiovisuelle Berichterstattung über das Strafverfahren zum modernen medialen Pranger werden könnte.697 Insbesondere eine Rundfunkberichterstattung kann dazu beitragen, dass Publizität als eine der schwersten und nachhaltigsten Formen von Strafe empfunden wird.698 Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch, dass die öffentliche Meinung oftmals keine Unschuldsvermutung kennt.699 Es besteht zwar eine indirekte Pflicht der Medien, die Unschuldsvermutung zu beachten. Diese ergibt sich als Ausfluss aus des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.700 Dies wird jedoch durch die Medienfreiheiten relativiert. Es bestehen Möglichkeiten zulässiger Verdachtsberichterstattung. Der Schutz vor identifizierender Berichterstattung ist durch die aufgezeigten Möglichkeiten701 relativiert.702
693 Gündisch/Dany, NJW 1999, 256 (259); Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (75). 694 Ähnlich Schmidt, in: FS für Walter Schmidt, 1959, S. 338 (344). 695 Bockelmann, NJW 1960, 217 (219). 696 Vgl. dazu ausführlich oben, Teil 2 A. II. 697 So Weiler, ZRP 1995, 130 (135); Bornkamm, NStZ 1983, 102 (103). Vgl. auch Sarstedt (JR 1956, 121 [124]), der insoweit auch eine Gefahr für die Resozialisierung des Angeklagten sieht. 698 Schneider, JuS 1963, 346 (347); Dahs, AnwBl 1959, 171 (181). 699 Rehbinder, in FS Rolf H. Weber, 2011, S. 771 (773). 700 Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (343). Vgl. dazu auch bereits oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa) (2) (a). 701 Vgl. dazu ausführlich oben, Teil 2 A. III. 702 Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (343).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
(2) Tatopfer im Strafverfahren Bewegtbild- und Tonaufnahmen können gerade auch für Tatopfer im Strafverfahren eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen. Dem Schutz von Tatopfern ist jedoch bereits jetzt mit der Vorschrift des § 171b GVG, die eine Ausschlussmöglichkeit bei der Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich eines Verfahrensbeteiligten vorsieht, hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen ist die Annahme, Tatopfer seien generell nicht mit der Anfertigung von Bewegtbild- und Tonaufnahmen einverstanden, nicht immer zutreffend. Denn es ist genauso vorstellbar, dass das Tatopfer eine umfassende Berichterstattung in Bewegtbild und Ton wünscht.703 (3) Verfahrensbeteiligte in anderen Verfahrensarten Die These, dass auch die Verfahrensbeteiligten in anderen Verfahrensarten eine besonders starke Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch Bewegtbildund Tonaufnahmen zu befürchten hätten, überzeugt in ihrer Pauschalität nicht.704 Die intensive Betroffenheit des Angeklagten im Strafverfahren resultiert insbesondere daraus, dass das deutsche Strafrecht ein täterorientiertes ist, welches die eingehende Erforschung der Persönlichkeit des Angeklagten erforderlich macht.705 Die Struktur des Strafverfahrens bringt es insoweit mit sich, dass Umstände aus der Privatsphäre der Betroffenen offengelegt werden müssen.706 Diese Besonderheit des Strafverfahrens ist in anderen Verfahrensarten, insbesondere den zivil- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren, nicht gegeben. Persönlichkeitsaspekte spielen hier mitunter keine, gegebenenfalls nur eine untergeordnete Rolle.707 Wenn die Verhandlungen abseits des Strafverfahrens allerdings keinen gesteigerten Persönlichkeitsbezug aufweisen, lässt sich ein über die §§ 22 f. KUG hinausgehendes Schutzniveau nicht begründen.708 Handelt es sich sogar um staatsorganisationsrechtlich geprägte Verfahren, in denen die Verfahrensbeteiligten nicht Träger des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind, stellt der Hinweis auf den Persönlichkeitsschutz kein taugliches Argument gegen audiovisuelle Aufnahmen dar.709
703
So von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 425. Vgl. dazu von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 425 f. 705 Jung, in: GS für Hilde Kaufmann, 1986, S. 891 (892); von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 426; Pfeifle, ZG 2010, 283 (294). 706 Pfeifle, ZG 2010, 283 (294). 707 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 426. 708 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 426. 709 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 426. 704
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(4) Gerichtspersonen Da das Handeln einer Amtsperson rechtlich ein Handeln der jeweiligen Körperschaft ist, kann sich der Amtsinhaber bei der Ausübung amtlicher Tätigkeiten nicht auf die ihm als natürliche Person zustehenden Rechtspositionen berufen.710 Für das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann dies jedoch nicht hinsichtlich sämtlicher Schutzaspekte gelten: Im Hinblick auf mündliche Äußerungen in der gerichtlichen Verhandlung ist eine eindeutige Zuordnung als amtliche Äußerung möglich. Anderes gilt hingegen für die Darstellungen des Äußeren einer Amtsperson durch Bildnisaufnahmen. Eine Zuordnung zum jeweiligen Rechtsträger ist hier nicht möglich.711 Aufnahmeverbote zugunsten von Gerichtspersonen sind deswegen nur zum Schutz der Funktionserfüllung oder im Falle persönlicher Gefährdungen zulässig.712 (5) Zusammenfassung Grundsätzlich gilt, dass selbst starke Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts hingenommen werden müssen, wenn nur ein hinreichend starkes Informationsinteresse vorliegt. Grenzen werden erst durch die Menschenwürde gesetzt, die sich dem System der Abwägung wegen ihrer Abwägungsresistenz entzieht.713 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Intensität potentieller Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Bild- und Tonaufnahmen von Gerichtsbarkeit zu Gerichtsbarkeit, von Instanz zu Instanz und Verfahrensabschnitt zu Verfahrensabschnitt unterschiedlich ausfällt. Die Angeklagten vor den Strafgerichten erfahren mit Sicherheit die stärksten Beeinträchtigungen. In anderen Verfahren, etwa vor den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichten, sind die zu erwartenden Beeinträchtigungen für die Verfahrensbeteiligten hingegen weniger intensiv.714 Wie bereits gezeigt715 und auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets betont716 müssen Gerichtspersonen bei der Ausübung ihres öffentlichen Amtes Relativierungen ihres Persönlichkeitsschutzes hinnehmen, da sie der Öffentlichkeit Rechenschaft über ihre Tätigkeit schuldig sind und sich deswegen bei ihrer Arbeit beobachten lassen müssen.717 710
von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 427. Vgl. dazu von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 427 f. 712 So von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 429. 713 von Coelln, AfP 2014, 193 (201). 714 von Coelln, AfP 2014 193 (201); Gostomzyk, Die Öffentlichkeitsverantwortung der Gerichte in der Mediengesellschaft, 2006, S. 167. 715 Vgl. dazu oben, Teil 2 D. III. 2. 716 Vgl. dazu oben, Teil 2 D. I. 4. 717 So von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 429. Vgl. auch Wyss, EuGRZ 1996, 1 (16). 711
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
bb) Beeinträchtigung der ungestörten Verhandlungsführung Gefahren werden aber auch für die ungestörte Verhandlungsführung gesehen. So kann durch „lästige Geräusche der Aufnahmeapparate“ oder durch „geschäftiges und aufdringliches Umhereilen der Aufnahmepersonen“ der Ablauf der gerichtlichen Verhandlung nachhaltig gestört werden.718 Die durch den Aufnahmeprozess bedingten Störungen sind heutzutage allerdings eher zu vernachlässigen. Die Aufnahmegeräte werden kleiner und unscheinbarer. Außerdem kann der Vorgang der Aufnahme durch entsprechende Anordnungen des Gerichts gesteuert werden, sodass aufnahmebedingte Störungen von vornherein auf ein Minimalniveau reduziert wären. Der Schutz des öffentlichen Informationsinteresses hat deswegen Vorrang gegenüber einem Aufnahmeverbot aufgrund von befürchteter aufnahmebedingter Störungen.719 cc) Beeinträchtigung der ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung Weiterhin wird eingewandt, Bewegtbild- und Tonaufnahmen in der mündlichen Verhandlung könnten sich negativ auf den Prozess der ungestörten Wahrheitsund Rechtsfindung auswirken.720 Dies widerspreche dem passiven Charakter der Gerichtsöffentlichkeit.721 Die Wahrheitsermittlung ist oberstes Ziel des durch den Untersuchungsgrundsatz dominierten Strafverfahrens722 und deswegen auch tragender Grund des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG.723 Der Öffentlichkeitsgrundsatz könne sich hier neben den positiven Transparenz- und Kontrolleffekten als negativer Störfaktor für die ungehinderte Wahrheits- und Rechtsfindung erweisen.724 Entsprechendes gilt aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes für den Verwaltungsprozess. Aber auch im Zivilprozess, der sich nur dadurch unterscheidet, dass die Tatsachengrundlage wegen des hier geltenden Beibringungsgrundsatzes durch den Parteivortrag geschaffen wird, ist die Wahrheitsermittlung prioritäres Ziel. Die Parteien dürfen durch die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht gehemmt sein, bestimmte zur Wahrheitsermittlung wesentliche Tatsachen vorzutragen. Die Gegner audiovisueller Aufnahmen halten es seit je her für eine psychologisch erwiesene Tatsache, dass „vielen Menschen vor Mikrofonen sehr unbehaglich zumute [sei], weil sie [wüssten], wie hier alles und jedes an Worten, Wort718
So Kohlhaas, DRiZ 1956, 2 (2). Schwarz, AfP 1995, 353 (357). 720 Vgl. BT-Drucks. 4/178, S. 45; BGHSt 36, 119 (121 f.); Sarstedt, JR 1956, 121 (123); Dahs, NJW 1961, 1755 (1756); Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (74 f.). Dass diese Annahme nicht zwingend sein muss, zeigt von Coelln (in: Murmann, Uwe [Hrsg.], Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 [29 ff.]). 721 Bockelmann NJW 1960, 217 (219 f.); Huff, NJW 2001, 1622 (1622 f.). 722 Pfeifle, ZG 2010, 283 (294). 723 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (74). 724 Pfeifle, ZG 2010, 283 (294). 719
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pausen und Versprechungen, sprachlichen Entgleisungen festgehalten wird, wie überdies auch vieles von dem, was die Gemütsverfassung in den Ton des Gesprochenen hineinlegt und neben den Worten an Lauten der Erregung und Angst produziert, nun mit der starren eisernen Nüchternheit der Technik verewigt wird“.725 Dies könnte dazu führen, dass die Aussagebereitschaft der Verfahrensbeteiligten sinke.726 Daneben würde die Aufnahmetätigkeit während der mündlichen Verhandlung auch zu einer nachteiligen Veränderung des Aussageverhaltens der Verfahrensbeteiligten führen.727 Grund hierfür seien Unsicherheiten, die durch die Vorstellung über eine nicht absehbare Anzahl „unsichtbarer Unbekannter“ hervorgerufen würden.728 In der neueren Literatur wird darauf verwiesen, dass sich solche Effekte jedenfalls aufgrund der Erfahrungen, die mit dem Gerichtsfernsehen in den USA gemacht wurden, nicht belegen lassen.729 Der Einwand, Rundfunkaufnahmen würden bei den Verfahrensbeteiligten zu Verhaltensänderungen führen, sie würden bewusst oder unbewusst anders agieren, konnte im Übrigen empirisch bislang nicht nachgewiesen werden.730 Im Übrigen könnten negative Effekte auf das Aussageverhalten der Verfahrensbeteiligten bereits allein wegen der Anwesenheit von Medienvertretern begründet sein. Es handelt sich insoweit nicht um ein spezifisches Problem von Bewegtbild- und Tonaufnahmen.731 Die Annahme, dass es infolge der Zulassung von Bewegtbild- und Tonaufnahmen zu einer Verstärkung der Problematik kommt, ist nicht zwingend.732 Letztlich lassen sich für die deutsche Gerichtsöffentlichkeit die beschriebenen Effekte auf das Aussageverhalten durch die Zulassung einer audiovisuellen Übertragung jedenfalls weder generell ausschließen noch bestätigen, da es in Deutschland an der notwendigen Erfahrung fehlt.733 Auch wenn der Öffentlichkeitsgrundsatz genauso wie der Schutz einer geordneten Rechtspflege im Rechtsstaatsprinzip verankert sei,734 genüge zur Vermeidung von Anonymität, übervorteilenden Absprachen und unsachlichen Einflüs725
So etwa Schmidt, JZ 1956, 206 (210). Vgl. Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (75). 727 Vgl. Erdsiek, NJW 1960, 1048 (1049); Weiler, ZRP 1995, 130 (135); Ernst, ZUM 1996, 187 (192). 728 So Erdsiek, NJW 1960, 1048 (1049); Bockelmann, NJW 1960, 217 (219); Ranft, Jura 1995, 573 (577). 729 Pfeifle, ZG 2010, 283 (297); ausführlich dazu auch von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 434 ff. 730 Britz, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 271; von Coelln, AfP 2014, 193 (201); Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Zwischenbericht, 2014, S. 23 f.; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 90. 731 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 90. 732 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Zwischenbericht, 2014, S. 24 f.; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 91. 733 So Gehring, ZRP 2000, 197 (199); Pfeifle, ZG 2010, 283 (297). Vgl. hierzu auch Bockelmann NJW 1960, 217 (219 f.); Huff, NJW 2001, 1622 (1622 f.). 734 Schwarz, AfP 1995, 353 (356). Vgl. dazu auch bereits oben, Teil 1 B. IV. 1. b). 726
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sen bei der Wahrheits- und Rechtsfindung, welche die einzigen legitimen Funktionen des Öffentlichkeitsgrundsatzes sind, allein die unmittelbare Saalöffentlichkeit.735 Zu den „legitimen“ Funktionen des Öffentlichkeitsgrundsatzes zählt heutzutage aber nicht nur die Schaffung einer Kontrollmöglichkeit, sondern auch die Befriedigung eines berechtigten öffentlichen Informationsinteresses. Außerdem haben die gewandelten gesellschaftlichen Strukturen dazu geführt, dass die Wahrnehmung der Funktionen nicht mehr nur durch den Einzelnen aus der unmittelbaren Anschauung heraus, sondern durch die Medien als Informationsmittler wahrgenommen werden. Die Präsenz audiovisueller Medien während der Verhandlung muss im Übrigen nicht nur negative Folgen nach sich ziehen. Die Aussagebereitschaft kann nicht nur gehemmt, sondern gegebenenfalls sogar gefördert werden.736 Außerdem werden sich möglicherweise zu erwartende Störungen auch durch andere sitzungspolizeiliche Maßnahmen als den vollständigen Ausschluss von Bewegtbild- und Tonaufnahmen beherrschen lassen, wie beispielsweise durch die Anordnung von Pool-Lösungen oder die Verwendung lediglich fest installierter und damit unscheinbarer Kameras.737 Eine Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung ließe sich auch deswegen befürchten, weil durch die rundfunkmäßige Übertragung noch zu vernehmende Zeugen bereits vorab über das Verfahren informiert werden könnten. Nach §§ 58 Abs. 1, 243 Abs. 2 Satz 1 StPO und § 394 Abs. 1 ZPO sind Zeugen einzeln und in Abwesenheit der nachfolgenden Zeugen zu vernehmen. Bei dem Problem der Vorabinformation738 handelt es sich jedoch nicht notwendigerweise um ein durch Rundfunkaufnahmen hervorgerufenes Problem. Informationen über den Stand eines Verfahrens können ebenso durch Gespräche in den Verhandlungspausen oder durch die Presseberichterstattung verbreitet werden.739 Außerdem sind von dieser Gefahr ohnehin nur bestimmte Verfahrensteile betroffen. Andere Abschnitte des gerichtlichen Verfahrens sind insoweit völlig unproblematisch. Unproblematisch wäre es auch, wenn Rundfunkaufnahmen lediglich zeitversetzt verbreitet würden.740 Zu denken wäre insbesondere auch an die Aufnahme von 735
Hamm, NJW 1995, 760 (761). Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 128 f. 737 Wyss, EuGRZ, 1996, 1 (12); Gounalakis, in FG für Friedrich Kübler, 1997, S. 173 (193); Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 131; von Coelln, AfP 2014, 193 (201); ders., in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (29). 738 Vgl. dazu auch schon oben, Teil 1 B. IV. 3. a) aa) (2) (d) und Teil 2 B. II. 2. c). 739 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 433; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 90. 740 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 433; Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 90. 736
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zeitgeschichtlich bedeutsamen Verfahren, deren Bilder zunächst archiviert werden könnten.741 dd) Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit Eine weitere Gefahr wird darin gesehen, dass die richterliche Unabhängigkeit durch eine zu große mediale Aufmerksamkeit beeinträchtigt werden könnte. Dies könnte etwa zu einem Verlust an Rationalität und damit zu Beeinträchtigungen der Fairness des Verfahrens und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege führen.742 So wurde schon früh vertreten, dass sich die richterliche Überzeugung am besten in wirklicher Unabhängigkeit und Abgeschiedenheit entfalten könne.743 Die Kritik übersieht, dass gerichtliche Öffentlichkeit auch der Sicherung dieser Unabhängigkeit dient.744 Die Medien sind jedoch nicht nur Mittler, sondern auch Faktor im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. Daher muss die Gefahr der Beeinflussung der Richter ernst genommen werden.745 Der Richter soll allein auf Grundlage von Recht und Gesetz entscheiden können (Art. 97 Abs. 1 GG). Dafür muss er eine Atmosphäre vorfinden, in der er nicht dem Druck der öffentlichen Meinung erliegt.746 Realistischerweise ist es jedoch so, dass schon heute eine Abschirmung von der veröffentlichten Meinung weder rechtlich noch faktisch möglich ist. Bewegtbild- und Tonaufnahmen von Richtern dürfen auch jetzt schon, zumindest außerhalb der mündlichen Verhandlung, angefertigt und verbreitet werden.747 Durch das großzügigere Zulassen von Bewegtbild- und Tonaufnahmen auch während der mündlichen Verhandlung würde die richterliche Unabhängigkeit nicht einer qualitativ neuen Dimension der Beeinflussung gegenüberstehen.748 Im Übrigen handelt es sich bei der möglichen Beeinflussung um ein Phänomen der Medienkritik, das für die Gerichtsberichterstattung insgesamt Geltung beanspruchen kann.749 Hinzu kommt, dass Richter kraft des ihnen übertragenen Amtes im Blickfeld der Medienöffentlichkeit stehen. Von ihnen kann regelmäßig kein berechtigtes Interesse geltend gemacht werden, nur durch die im Sitzungssaal anwesende Saalöffentlichkeit wahrgenommen zu werden.750 Es ist eine Frage richterlicher Professionalität, dem medialen Druck standzuhalten.751 741
Vgl. dazu Pfeifle, ZG 2010, 283 (296 f.). Hain, DÖV 2001, 589 (594). 743 Dahs, AnwBl 1959, 171 (179 f.). 744 Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. IV. 1. b) bb) (2). 745 Pfeifle ZG 2010, 283 (298). 746 Pfeifle, ZG 2010, 283 (298). 747 Vgl. dazu oben, Teil 2 D. III. 2. 748 Pfeifle, ZG 2010, 283 (298). 749 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 92. 750 So BVerfG NJW 2000, 2890 (2891). 751 So Bockelmann NJW 1960, 217 (220); Schneider, JuS 1963, 346 (347). Viele Richter halten sich selbst für überwiegend nicht von den Medien beeinflussbar, auch 742
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Schließlich sind die Folgen erhöhter, medialer Präsenz nicht notwendigerweise negativ. Es ist nicht nur die Beeinflussung und eine Tendenz zur Selbstdarstellung zu erwarten, vielmehr könnten sich die Richter auch zu einer noch besseren Vorbereitung, sachlicheren Sitzungsleitung und nachvollziehbareren Begründungen animieren lassen.752 Die Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit sind schließlich eher als gering einzustufen, wenn es sich um Gerichtsverfahren handelt, in denen die Klärung einer Rechtsfrage im Vordergrund steht.753 ee) Beeinträchtigung der Würde des Gerichts Gegen die Zulassung von Rundfunkaufnahmen während der mündlichen Verhandlung wird weiterhin vorgetragen, dass weit verbreitete Sensationslust und Neugierde an gerichtlichen Verfahren dazu führen könnten, dass nur die (spektakulären) Höhepunkte der mündlichen Verhandlung ausgestrahlt würden. Dies könnte jedoch zu einer Beeinträchtigung der Würde des Gerichts führen.754 Bewegtbild- und Tonübertragungen aus der gerichtlichen Verhandlung würden so schnell zur „Show“ werden.755 Diese Befürchtung könnte man jedoch genauso auch gegenüber einer Textberichterstattung geltend machen. Im Übrigen muss man den Medien gewisse Spielräume bei der Art der Aufmachung zugestehen, die diese benötigen, um möglichst viele Menschen auf eine bestimmte Nachricht aufmerksam zu machen.756 Weiterhin sei zu befürchten, dass die „Empfangssituation“, in der sich der Zuschauer befinde, mangelnde Ehrfurcht vor dem Gericht ausdrücke. Dies hätte auch nichts mit dem ursprünglichen Gedanken gerichtlicher Öffentlichkeit gemein. Die Übertragung aus dem Gerichtssaal würde zur reinen Verbraucherunterhaltung verkommen.757 Der Aspekt der Würde des Gerichts bestimmt jedoch Mindestanforderungen an das Verhalten der Zuschauer im Gerichtssaal, um eine ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens zu gewährleisten. Darüberhinausgehende Achtungsansprüche kann ein Gericht nicht verlangen, da die Verhandlung nicht von Orten außerhalb des Gerichtssaals gestört werden kann.758 Geht es um eine der Würde des Gerichts entsprechenden Übertragung, fällt dies in den wenn es Studien gibt, die dieser Selbsteinschätzung widersprechen. Vgl. dazu Keplinger/Zerback, Publizistik 54 (2009), 216 (228); Boehme-Neßler, AfP 2010, 539 (540 f.); ders., UFITA 2012, 337 (343). 752 Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381 f.); Gündisch/Dany, NJW 1999, 256 (260); Kaulbach, ZRP 2009, 236 (238). Kritisch dazu Eckertz-Höfer, DVBl 2012, 389 (390); von Coelln, AfP 2014, 193 (201). 753 Hain, DÖV 2001, 589 (594). 754 Sarstedt, JR 1956, 121 (124). 755 Schmidt, Die Sache der Justiz, 1961, S. 26; Schmidt-Leichner, AnwBl 1961, 26 (36). 756 So schon Schneider, JuS 1963, 346 (348). 757 So Schneider, JuS 1963, 346 (349). 758 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 431 f.
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
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Verantwortungsbereich der Medien. Ihre Aufgabe ist es, die Zuschauer durch geeignete und taktvolle Einleitungen auf das zu übertragende Geschehen einzustimmen. Dass die Medien hierzu auch in der Lage sind, zeigen Übertragungen aus dem Bundestag, von feierlichen Staatsakten, religiösen Feiern und Trauerfeiern.759 e) Verhältnismäßigkeit des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG Die Ausführungen haben gezeigt, dass § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG einem legitimen Zweck, nämlich dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, der ungestörten Verhandlungsführung sowie der ungestörten Wahrheitsund Rechtsfindung, dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit und der Würde des Gerichts dient. Das überwiegend strikt geltende Verbot von audiovisuellen Aufnahmen ist zur Erreichung dieser Ziele auch geeignet. Fraglich ist hingegen, ob die Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG auch erforderlich ist, ob es mithin das zur Zielrichtung mildeste, gleich geeignete Mittel ist. Dies kann bezweifelt werden. § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG stellt eine gravierende Beschränkung der Medienfreiheiten dar. Denn durch die Vorschrift ist es einem bestimmten Medium, dem Rundfunk und der elektronischen Presse, in pauschaler Weise und in dem für die Befriedigung des allgemeinen Informationsinteresses bedeutsamsten Zeitraum untersagt, sich der ureigenen Technik und Darstellungsform zu bedienen.760 Selbst bei Überwiegen des Persönlichkeitsschutzes, müsste ein pauschales Aufnahmeverbot längst nicht zwingende Folge sein. Gegebenenfalls genügt bereits eine Auflage, betroffene Personen nicht zu zeigen oder durch Verpixelung und akustische Unkenntlichmachung von Namen zu anonymisieren.761 Vereinzelt wird sogar angenommen, dass das geltende Recht, also die §§ 169 ff. GVG, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 EMRK ebenso wie §§ 22, 23 KUG, zur Wahrung der entgegenstehenden Rechte nach einer Abschaffung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG genügen würde.762 Auch zur Gewährleistung eines ungestörten Verhandlungsablaufs, vor allem einer ungestörten Rechts- und Wahrheitsfindung, kommen mildere Mittel in Betracht. So kann großem Medienandrang mithilfe einer Pool-Lösung begegnet werden.763 Auch andere sitzungspolizeiliche Maßnahmen, etwa Anweisungen
759
Vgl. Kolhaas, DRiZ 1956, 2 (2); Schneider, JuS 1963, 346 (349). Vgl. Kujath, Der Laienjournalismus im Internet als Teil der Medienöffentlichkeit im Strafverfahren, 2011, S. 284. 761 von Coelln, jurisPR-ITR 5/2007, Anm. 4; ders., AfP 2014, 193 (201); Grimm, ZRP 2011, 61 (62); ähnlich Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (272). 762 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (272). 763 Vgl. BVerfGE 87, 334 (340); Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381); von Coelln, AfP 2014, 193 (201). 760
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
über Standort, Zeit und Dauer der Aufnahmen stellen stets mildere, aber gleich wirksame Mittel gegenüber einem strikt geltenden Aufnahmeverbot dar.764 Solche sitzungspolizeilichen Maßnahmen sind im Gerichtsalltag mittlerweile angekommen, erprobt und allseits akzeptiert.765 Abstufungen könnten auch nach der Art der Sendung, in denen die Aufnahmen aus der Verhandlung gezeigt werden sollen, vorgenommen werden.766 So kann etwa einem Dokumentarspiel, das Elemente der Information und Unterhaltung miteinander kombiniert, eine geringere Bedeutung beigemessen werden als einer reinen Nachrichtensendung. Im ersteren Fall, in dem verstärkt die emotional-affektiven Interessen des Rezipienten angesprochen werden, kann es nämlich viel eher zu einer Beschränkung der entgegenstehenden Rechtsgüter kommen als bei einer rein informierenden Sendung.767 Schließlich ist § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG vor allem deshalb nicht erforderlich, weil er unnötigerweise in allen Gerichtszweigen und Verfahrensabschnitten gleichermaßen gilt, obschon von den meisten der genannten Gefahren nur das Strafverfahren betroffen ist.768 So kann den kollidierenden Rechtsposition von Fall zu Fall unterschiedliches Gewicht zukommen.769 Ausreichend und damit erforderlich wäre daher eine Regelung, die den widerstreitenden Interessen im Einzelfall größtmögliche Geltung zukommen lässt. Soweit nunmehr nach § 169 Abs. 3 GVG audiovisuelle Aufnahmen von Urteilsverkündungen der obersten Bundesgerichte zugelassen werden können, stellt dies noch keinen ausreichenden Schritt hin zu einer verhältnismäßigen Regelung dar. Denn immerhin sind Aufnahmen hier nur „in besonderen Fällen“ und zudem auch nur aufgrund einer vorangehenden Entscheidung des Gerichts möglich.
II. Fotoaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung Die vorangegangenen Ausführungen haben sich mit dem Verbot von Filmaufnahmen aus der mündlichen Verhandlung beschäftigt. Genauso besteht jedoch ein öffentliches Informationsinteresse an Fotoaufnahmen aus der mündlichen Verhandlung. Ein Fotografierverbot ist gesetzlich nicht geregelt. Ein solches Ver764 BVerfGE 91, 125 (139); Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (273). 765 Vgl. dazu Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (93). 766 So auch BVerfGE 35, 202 (228 ff.). 767 In diese Richtung auch Brosius-Gersdorf, TKMR 2002, 356 (359). 768 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (273). Vgl. auch BT-Drucks. 4/178, S. 12 und S. 45. Der Gesetzgeber wollte ein Aufnahmeverbot zunächst auch nur für das Strafverfahren regeln. 769 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 439.
E. Die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen
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bot wird jedoch regelmäßig durch den Vorsitzenden Richter auf Grundlage des § 176 GVG erlassen.770 Bei seiner Entscheidung hat der Vorsitzende das öffentliche Informationsinteresse an einer Bildaufnahme aus der mündlichen Verhandlung mit den entgegenstehenden Interessen, insbesondere den Persönlichkeitsrechten und dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege und ungestörten Verhandlungsführung, in Einklang zu bringen. Für ein Überwiegen des Informationsinteresses an einem Foto aus der mündlichen Verhandlung müsste vor allem aber dargelegt werden können, dass der Informationsgehalt einer solchen Aufnahme über den einer außerhalb der Verhandlung gemachten Aufnahme hinausgeht.771 Generell kann die Anfertigung von Fotoaufnahmen während der mündlichen Verhandlung die Verfahrensbeteiligten mehr noch als Filmaufnahmen irritieren und dadurch zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Wahrheits- und Rechtsfindung führen.772 Genauso wie dies für Filmaufnahmen herausgearbeitet wurde, gilt auch für die Aufnahme von Fotografien innerhalb der mündlichen Verhandlung, dass ein absolutes Verbot nur erforderlich ist, wenn mildere Mittel zu erwartende Störungen nicht ebenso effektiv verhindern würden.773
III. Ergebnis Bei der Vorschrift des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG handelt es sich um eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Medienfreiheiten. Die fast vollständige Ausnahmslosigkeit und Pauschalität des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG führen zu einer unangemessenen Beschränkung der Medienfreiheiten.774 Insoweit besteht Raum für eine Erweiterung der Medienöffentlichkeit.775 Der strikte Ausschluss von Bild- und Tonaufnahmen ist in der Mediengesellschaft nicht mit dem Prinzip der Verhandlungsöffentlichkeit und dem allgemeinen Informationsinteresse an gerichtlichen Verfahren zu vereinbaren.776 Da sich die verfahrensübergreifende Geltung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG während der mündlichen Verhandlung verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sieht, soll in dem sich nun anschließenden Abschnitt über eine differenzierende Neuregelung nachgedacht werden.
770
Vgl. dazu auch schon oben, Teil 2 C. von Coelln, AfP 2014, 193 (198). 772 von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, 2005, S. 458. 773 von Coelln, AfP 2014 193, (199). 774 Vgl. insoweit auch von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (23 f.). 775 Britz, in: FS Wolf Schiller, 2014, S. 81 (91 ff.); von Coelln, AfP 2014, 193 (193 ff.); Saliger, JZ 2016, 824 (827). 776 Loubal/Hofmann, MMR 2016, 669 (672). 771
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung Nachfolgend soll der Versuch unternommen werden, ein Konzept für die Medienöffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Zulassung von Bewegtbild- und Tonaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung zu entwickeln, dass den widerstreitenden Bedürfnissen gerecht wird. Die meisten Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten. Die sich stellenden Abwägungsfragen sind viel zu komplex, als dass sie in einer gesetzlichen Regelung beantwortet werden könnten. Die Verhandlungsleitung wird sich daher zukünftig intensiv auch mit Fragen der Gerichtsöffentlichkeit beschäftigen müssen. Hierfür ist eine sorgfältige Abwägung im konkreten Einzelfall erforderlich. Der Rahmen dieser Abwägung kann jedoch vom Gesetzgeber vorgegeben werden.
I. Ausgangslage Aus heutiger Perspektive ist das ausnahmslose Verbot von Bewegtbild- und Tonaufnahmen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr zu rechtfertigen.777 Auch wenn dem Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit ein passives Element innewohnt, bezieht sich diese Passivität doch nur auf die Einflussnahme auf konkrete Verfahrensvorgänge. Abstrakte Kritik hingegen gehört gerade zum Wesenskern gerichtlicher Öffentlichkeit. Das Steigerungspotential dieser Kritikmöglichkeiten sollte daher als positives Element gewertet werden.778 Wegen des Funktionswandels der Öffentlichkeit in der Informationsgesellschaft tritt die unmittelbare Saalöffentlichkeit hinter der medienvermittelten Wahrnehmung zurück.779 Eine vollständige Streichung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG wäre trotzdem bedenklich.780 Geht es um eine aktuelle audiovisuelle Gerichtsberichterstattung, wurden hinsichtlich ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen zwei entgegenstehende Belange herausgearbeitet: die persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Verfahrensbeteiligten einerseits und andererseits die mögliche Beeinträchtigung der Wahrheits- und Rechtsfindung.781 Im Strafverfahren sind diese Belange aufgrund der besonderen Prozesssituation, in der es stets auch um die Erforschung der persönlichen Verhältnisse des Täters geht, besonders gefähr777 BVerfGE 103, 44 (79); von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (23 f.). 778 Vgl. Kaulbach JR 2011, 51 (53). 779 BVerfGE 103, 44 (74). 780 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (74). Vgl. auch Kirchberg (BRAK-Mitt. 2002, 252 [255]), der gleichwohl Ausnahmen in Verfahren gegen Personen der Zeitgeschichte zulassen möchte. 781 Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (98 f.).
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen
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det. Ähnliches gilt grundsätzlich für das Miet-, Arbeits- und Familienrecht, da es sich hierbei um Rechtsgebiete handelt, die besonders anfällig für Pranger und Geheimnisverletzungen sein können.782 Bezüglich dieser Verfahren ist § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG eine unverzichtbare Schutznorm, welche auch der Disposition der Verfahrensbeteiligten entzogen bleiben sollte.783 Es sind jedoch nicht die einzigen Felder, auf denen eine rechtsstaatliche und moderne Gerichtsbarkeit Öffentlichkeit einfordert.784 Allerdings muss auch bedacht werden, dass die der Anfertigung von Bewegtbild- und Tonaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung entgegenstehenden Belange nicht immer gleich schwer wiegen. Dies ist Anlass genug, über die Entwicklung einer differenzierenden Lösung für Rundfunkübertragungen im gerichtlichen Verfahren nachzudenken. Dass eine Differenzierung möglich wäre, zeigen bereits die Vorschriften über den vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit, insbesondere die §§ 171a ff. GVG.785 Hier ist es auch gelungen, Verfahrensgegenstände zu benennen, die als besonders schützenswert angesehen werden und die daher unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden sollen. Viele der vorgetragenen Bedenken, etwa die Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung, betreffen fast ausschließlich das Strafverfahren. Für die Judikative insgesamt können sie oftmals keine absolute Geltung beanspruchen.786 Sollte es dennoch Gefahren für entgegenstehende Rechtsgüter geben, die unabhängig von der Verfahrensart bestehen, sind sie in den unterschiedlichen Verfahrensabschnitten und Verfahrensarten jedenfalls unterschiedlich groß.787 Insoweit ist nur eine differenzierte Ausgestaltung der Medienöffentlichkeit im gerichtlichen Verfahren dazu in der Lage, den widerstreitenden Interessen größtmögliche Geltung zu verschaffen.788 Wie eine differenzierende Lösung aussehen könnte, lässt sich im Ausgangspunkt recht einfach mithilfe eines Gedankenspiels beantworten:789 Wenn die derzeitige Regelung ersatzlos gestrichen würde, würde dies nicht dazu führen, dass aus deutschen Gerichtssälen unbeschränkt audiovisuelle Aufnahmen angefertigt werden dürften. Denn der Vorsitzende müsste dann auf Grundlage des § 176 GVG von Fall zu Fall entscheiden, ob audiovisuelle Aufnahmen ausgeschlossen 782
Hassemer, ZRP 2013, 149 (151). Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (99). 784 Hassemer, ZRP 2013, 149 (151). 785 Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (100). 786 Kaulbach, JR 2011, 51 (53). 787 Hain, DÖV 2001, 589 (593). 788 Kaulbach, JR 2011, 51 (53). Dass bei der Schaffung des § 169 Satz 2 GVG a. F. Belange des Strafverfahrens im Vordergrund standen, zeigt die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 4/178, S. 45 f. Vgl. dazu auch Gündisch/Dany, NJW 1999, 256 (257). 789 So Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (96). 783
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
oder zugelassen werden sollten. Bei einem Überwiegen der entgegenstehenden Belange müsste ein umfassendes Aufnahmeverbot ausgesprochen werden. Ist dies nicht der Fall müssten die Aufnahmen entweder uneingeschränkt zugelassen oder Einschränkungen und Auflagen vorgenommen werden. Das Spektrum möglicher Entscheidungen wäre äußerst facettenreich. 790 So könnte der Vorsitzende unter Berücksichtigung der relevanten verfahrens-, verfassungs- und persönlichkeitsrechtlichen Belange bei seiner Entscheidung etwa Differenzierungen nach den Verfahrensstadien und -abschnitten vornehmen.791 Aufgabe des Gesetzgebers sollte es nicht sein, die Gerichtsöffentlichkeit bis ins kleinste Detail zu regeln. Vielmehr sollte eine Neuregelung eine vorsichtige Öffnung der Gerichtsöffentlichkeit für audiovisuelle Medien anstreben. Die Entscheidung des Vorsitzenden sollte durch bestimmte Kriterien vorstrukturiert werden, im konkreten Einzelfall aber allein seiner Sitzungspolizei unterfallen. Eine gesetzliche Neuregelung sollte die Frage der Öffentlichkeit des gerichtlichen Verfahrens allerdings nicht unnötig verkomplizieren. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Entscheidungen über die Öffentlichkeit nicht zur Hauptsache werden und die Verhandlung an sich beeinträchtigen, indem zunächst Auseinandersetzungen über die Öffentlichkeit des Verfahrens hervorgerufen werden.792 Bedenklich wäre es auch, wenn ein Verfahren wegen Rechtstreitigkeiten über die Öffentlichkeit des Verfahrens betreffende Anordnungen hinausgezögert werden würde. Notwendig wäre daher die Miteinbeziehung aller von den sitzungspolizeilichen Anordnungen Betroffenen in die jeweilige Entscheidungsfindung.
II. Welche Differenzierungsmöglichkeiten kommen in Betracht? Durch Lockerungen des überwiegend strikt geltenden Aufnahmeverbots in passenden Verfahren und Verhandlungsabschnitten könnte das Gleichgewicht zwischen den entgegenstehenden Interessen, das durch § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG einseitig zulasten der Rundfunkberichterstattung verschoben wurde, wiederhergestellt werden.793 1. Vorüberlegungen Zunächst sollte man sich von dem Gedanken lösen, die Medien seien ausschließlich an dem Sensationellen und den menschlichen Abgründen, wie sie im Strafverfahren regelmäßig zu Tage treten, interessiert. Auch an verwaltungsgerichtlichen Verfahren und großen Wirtschaftsprozessen, besonders aber an Ver790 791 792 793
Vgl. dazu Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (96). Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (96 f.). Schmidt, in: FS für Walter Schmidt, 1959, S. 338 (342 f.). von Coelln, AfP 2014, 193 (201).
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen
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fahren vor dem Bundesverfassungsgericht, besteht ein wachsendes Interesse innerhalb der Gesellschaft.794 Dies gilt insbesondere dann, wenn es um für die Allgemeinheit praktisch wichtige Sach- und Rechtsprobleme von erheblicher Tragweite und grundsätzlicher Bedeutung geht.795 Genauso können aber auch Revisionsstreitigkeiten in allen Rechtszügen wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung von großem Interesse für die Allgemeinheit sein.796 Große politische Prozesse, wobei damit nicht nur verfassungsgerichtliche Verfahren gemeint sind, unterscheiden sich im Übrigen kaum von einer Debatte im Parlament.797 Weiterhin gibt es zahlreiche Verfahren aus dem gewöhnlichen Gerichtsalltag, die sich vorzüglich und besser als jede fiktive Gerichtsshow zur Rechtskunde für den Bürger eignen würden.798 Ihre Übertragung würde zu einem Mehrwert für die gerichtliche Öffentlichkeit führen, wenn dem Schutz der entgegenstehenden Interessen hinreichend Rechnung getragen würde. Außerdem würden Rundfunkübertragungen generell Anreize für das Gericht setzen, jedenfalls das Urteil in einer allgemeinverständlichen Sprache und in einer für den juristischen Laien nachvollziehbaren Weise zu begründen.799 Stehen Rechtsfragen im Vordergrund des Medieninteresses, ist ein besonderer präventiver Schutz der Verfahrensbeteiligten vor einer erweiterten Öffentlichkeit in der Regel entbehrlich.800 Denn das Medieninteresse bezieht sich hier weniger auf die beteiligten Personen, sondern eben mehr auf die Sache selbst. Eine Öffnung wäre unproblematisch, soweit keine darüber hinausgehenden Störungen der Verhandlung zu befürchten sind.801 In solchen „persönlichkeitsneutralen“ Verfahren, in denen es regelmäßig nicht zu Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsschutzes kommen wird, ist ein Abweichen von § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG geboten. Der ungestörte äußere Ablauf des Verfahrens wäre durch andere geeignete Maßnahmen zu gewährleisten.802 Dennoch wird bei solchen persönlichkeitsneutralen Verfahren die Gefahr gesehen, dass die Richter bei der Verhandlungsführung nicht frei vom zumindest psychologischen Einfluss des Rundfunks sein würden.803 Hierbei muss jedoch bedacht werden, dass es sich bei Richtern immerhin um Vertreter des Staates handelt, die einem gewissen Druck kraft ihres Amtes standhalten müssen. Außerdem hat sich die Medienlandschaft insgesamt verän794
Gerhardt, ZRP 1993, 377 (378). Pfeifle, ZG 2010, 283 (303); Kirchberg, BRAK-Mitt. 2002, 252 (255). 796 Pfeifle, ZG 2010, 283 (303); Schwarz, AfP 1995, 353 (356). 797 Gerhardt, ZRP 1993, 377 (379). 798 Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381). 799 Vgl. Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381 f.). 800 Schwarz, AfP 1995, 353 (356). 801 Kohlhaas, DRiZ 1956, 2 (4). 802 Vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung im Verfahren 1 BvR 2623/95, 622/ 99, BVerfGE 103, 44 (56 f.). 803 Ernst, in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (76). 795
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
dert. Die mediale Aufmerksamkeit hat sich erhöht und gehört zur heutigen gesellschaftlichen Realität. Insoweit ist schon zweifelhaft, ob das Zulassen von Filmaufnahmen zu einer signifikanten Steigerung des medialen Drucks führen würde. Eine Öffnung des gerichtlichen Verfahrens für Rundfunkübertragungen wäre bei manchen Gerichtszweigen bereits de lege lata denkbar. So sehen § 55 VwGO, § 52 ArbGG und § 61 SGG lediglich die „entsprechende“ Anwendung des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG vor. Auch § 17 BVerfGG ordnet nur die entsprechende Anwendung der die Öffentlichkeit betreffenden Vorschriften an.804 Insgesamt wären Lockerungen jedenfalls für Verhandlungen in der Revisionsinstanz denkbar.805 Die Frage der Zulassung einer Rundfunkübertragung könnte im Rahmen einer Einzelfallabwägung beantwortet werden. Die Verweisungsnormen würden dafür genügend Raum lassen.806 Problematisch ist jedoch, dass eine Lösung de lege lata mit dem Problem der Rechtsunsicherheit behaftet wäre. Vorzugswürdig wäre es daher eine Lösung de lege ferenda zu finden. 2. Ordentliche Gerichtsbarkeit Die folgenden Überlegungen gehen zunächst von der Grundannahme aus, dass das strikte Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG im Strafprozess wegen der Gefahren von audiovisuellen Aufnahmen für den Persönlichkeitsschutz grundsätzlich gerechtfertigt ist.807 Denn der Öffentlichkeitsgrundsatz weist gerade hier eine gewisse Ambivalenz auf: einerseits ist im Strafverfahren die Kontrolle durch die Allgemeinheit und die Schaffung von Akzeptanz und Kenntnis des Rechts besonders wichtig, andererseits ist der Öffentlichkeitsgrundsatz nirgends gleichzeitig dazu in der Lage die Rechte der Verfahrensbeteiligten so intensiv zu beeinträchtigen, wie hier.808 Während der Beweisaufnahme, insbesondere während der Vernehmung des Angeklagten und der Befragung von Zeugen können nach dem oben gesagten die Gefahren für den Persönlichkeitsschutz und die Wahrheits- und Rechtsfindung nicht vollends ausgeschlossen werden.809 Dies heißt nicht, dass auch im Strafverfahren Ausnahmen von dem absoluten Aufnahmeverbot vorgesehen werden könnten. Denn die (Neuen) Medien sind auch für „das Selbstver804
Vgl. dazu Gündisch/Dany, NJW 1999, 256 (257); Hain, DÖV 2001, 589 (594). Gündisch/Dany, NJW 1999, 256 (257). 806 Vgl. dazu Hain (DÖV 2001, 589 [594]), der die Frage der entsprechenden Anwendbarkeit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren durchspielt. 807 Hain, DÖV 2001, 589 (593); Kirchberg, BRAK-Mitt. 2002, 252 (255). Vgl. dazu oben, Teil 2 E. I. 5. 808 Saliger, JZ 2016, 824 (825); ähnlich Roxin, in: FS Karl Peters, 1974, S. 393 (403). 809 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 93. 805
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen
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ständnis des modernen Strafverfahrens und die Aufgabe der Strafe, die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung vor der Rechtsgemeinschaft zu erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung zu stärken“, von enormer Wichtigkeit.810 Es bedarf des öffentlichen Diskurses über die Gründe der Verletzung von Regeln, um Schlussfolgerungen für das eigene Handeln daraus ziehen zu können.811 Auch die Rundfunkberichterstattung muss an der Förderung dieses Diskurses Anteil haben können. Im Grundsatz sollte das Aufnahmeverbot für das Strafverfahren allerdings Bestand haben. Die gleiche Annahme sollte im Kern auch für den Zivilprozess gelten. Das heißt Film- und Tonaufnahmen sollten auch hier nur im Einzelfall zugelassen werden. Andernfalls wäre die Gefahr zu groß, dass die Sorge vor der Unberechenbarkeit der Medienöffentlichkeit von der gerichtlichen Geltendmachung von Rechten abhalten könnte. Zunehmend würde dies auch zu einer Verlagerung von Rechtsstreiten weg von staatlichen Gerichten hin zu Schiedsgerichten führen, die an den Öffentlichkeitsgrundsatz nicht gebunden sind. Kann an einem Zivilprozess ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse geltend gemacht werden und stehen dem keine entgegenstehenden Rechte gegenüber, müssen Ausnahmen jedoch möglich sein. 3. Verfassungsgerichtsbarkeit Grundlegender Reformbedarf besteht vor allem bei verfassungsgerichtlichen Verfahren. Im Vergleich zu internationalen Gerichten, wie dem Internationalen Gerichtshof, dem Internationalen Seegerichtshof oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht eine erhebliche Diskrepanz. Denn diese Gerichte zeigen ihre Verhandlungen ganz selbstverständlich als Live-Stream im Internet.812 Schon die Gesetzesbegründung zu § 17a BVerfGG gibt Aufschluss darüber, warum hier eine weitergehende Öffnung für audiovisuelle Aufnahmen notwendig beziehungsweise warum ein weitestgehender Ausschluss audiovisueller Medien kaum zu rechtfertigen ist. Die Gefahren für den Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten sind in verfassungsgerichtlichen Verfahren verhältnismäßig gering und nicht ansatzweise vergleichbar mit denen bei Verfahren der Fachgerichte.813 Die Prozessbeteiligten treten regelmäßig nicht als Privatperson, sondern in der Rolle als Organwalter, Prozessvertreter oder sonstige Person des öffentlichen Lebens auf. Regelmäßig sind nur solche Personen beteiligt, die den Umgang mit den Medien gewohnt sind.814 Verfahren vor dem Bundesverfas810
So Schlothauer, StV 2015, 665 (665). Schlothauer, StV 2015, 665 (666). 812 Hess, FAZ v. 14.04.2016, S. 6. 813 BR-Drucks. 165/97, S. 11. 814 BR-Drucks. 165/97, S. 11; Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381 f.); Gündisch/Dany, NJW 1999, 256 (256 f.). 811
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
sungsgericht, insbesondere solche, die mündlich verhandelt werden, sind demgegenüber aber regelmäßig von großem, öffentlichem Informationsinteresse.815 Das Informationsinteresse begründet sich dadurch, dass es oftmals um Fragestellungen geht, die weitreichende und für die politische Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland richtungsweisende Folgen haben können und denen regelmäßig kontroverse parlamentarische und gesellschaftliche Debatten vorausgehen.816 Einzelinteressen stehen dabei selten im Vordergrund.817 Für eine umfassende Öffnung spricht auch ein weiterer Gedanke: Das Bundesverfassungsgericht betreibt in einem besonderen Maße Rechtsfortbildung. Die Richter nehmen damit zuweilen eine dem Gesetzgeber ähnliche Stellung ein.818 Dies gilt vor allem für Normenkontrollverfahren, in denen es um die Gültigkeit von Parlamentsgesetzen geht und an deren Ende eine mit Gesetzeskraft ausgestattete Entscheidung (§ 31 Abs. 2 BVerfGG) steht.819 Der Souverän muss hier ganz besonders seiner Aufgabe als Wächter und Kontrolleur gerecht werden können. Wenn Gerichtsöffentlichkeit heutzutage in erster Linie durch die Medien verwirklicht wird, so muss man sich im Informationszeitalter dafür auch der Möglichkeiten der Neuen Medien, vor allem des Rundfunks und der OnlineMedien bedienen können. Schließlich bietet auch die Stellung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber den anderen Gerichten als oberstes Bundesgericht und Verfassungsorgan hinreichend Grund zu einer vollständigen Öffnung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens für audiovisuelle Medien.820 Sollte es im Einzelfall dennoch zu Beeinträchtigungen von Persönlichkeitsrechten oder zu einer Störung des Verfahrensablaufs kommen, könnte man dem Schutz dieser Interessen mithilfe von Ausnahmevorschriften hinreichend Rechnung tragen. 4. Verwaltungsgerichtsbarkeit Auch die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten eignen sich grundsätzlich für Bewegtbild- und Tonaufnahmen, ohne dass regelmäßig Beeinträchtigungen für entgegenstehende Rechtsgüter zu befürchten wären. Sofern hier überragende Belange der Allgemeinheit auf dem Prüfstand stehen, kann einer verhandlungsbegleitenden Berichterstattung in Bewegtbild und Ton regelmäßig nichts entge815 BR-Drucks. 165/97, S. 11; vgl. auch Gerhardt, ZRP 1993, 377 (378); Gündisch/ Dany, NJW 1999, 256 (256 f.). 816 BR-Drucks. 165/97, S. 12. 817 Gündisch/Dany, NJW 1999, 256; Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 158 ff. 818 Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381 f.). 819 Pieroth, in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 249 (275). 820 BR-Drucks. 165/97, S. 12.
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen
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gengesetzt werden.821 Denn auch vor den Verwaltungsgerichten kommt es regelmäßig zu Verfahren, die ein besonderes öffentliches Interesse hervorrufen: etwa dann, wenn es um die baurechtliche Zulässigkeit von bestimmten Großbauvorhaben, die Genehmigung bestimmter Anflugrouten eines Flughafens oder Themen von grundsätzlicher und allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Relevanz, wie die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrages oder des Verbot des Tragens eines Kopftuches durch eine Lehrerin im Schulunterricht geht.822 Notwendig ist jedoch, dass die Klärung verwaltungsrechtlicher Fragen im Vordergrund steht.823 Zu bedenken ist nämlich, dass es auch vor den Verwaltungsgerichten zur Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten durch die Zulassung von Bild- und Tonaufnahmen kommen kann. Problematisch ist insoweit gerade der zuletzt genannte Fall, in dem die Lehrerin wohlmöglich Auskunft über ihre religiöse Gesinnung geben muss. Auch besteht an der bildlichen Darstellung der Behördenvertreter, insbesondere wenn es sich um solche handelt, die lediglich dem Behördenunterbau entstammen, nicht immer ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse. Filmaufnahmen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sollten letztlich grundsätzlich möglich sein, aber die Ausnahme bilden. 5. Revisionsinstanz und Verfahren vor den obersten Bundesgerichten Eine weitere Möglichkeit, der Bild- und Tonberichterstattung im gerichtlichen Verfahren größeren Raum zu gewähren, wäre die Öffnung der Revisionsinstanz, vor allem der Verfahren vor den obersten Bundesgerichten, für Rundfunkaufnahmen während der mündlichen Verhandlung. In der Revisionsinstanz werden Urteile nicht noch einmal hinsichtlich der tatsächlichen Umstände, sondern allein mit Blick auf das Vorliegen von Rechtsfehlern überprüft. Es werden insoweit nur Rechtsfragen erörtertet. Eine Gefährdung von Persönlichkeitsrechten oder des Wahrheitsfindungsprozesses ist daher wegen der strukturellen Unterschiede zu den Instanzgerichten kaum zu befürchten.824 Das Bedürfnis nach Persönlichkeitsschutz ist hier daher geringer als bei Verhandlungen vor den Instanzgerichten. Oftmals erscheinen nur Richter und Anwälte, die im gerichtlichen Verfahren ohnehin einen geringeren Persönlichkeitsschutz genießen als andere Verfahrensbeteiligte.825 Die Revision beschäftigt sich regelmäßig mit bislang ungeklärten und umstrittenen Rechtsfragen, die von gleicher Wichtigkeit und ähnlichem öffentlichen Aufmerksamkeitspotential sind wie verfassungsgerichtliche Verfahren.826 821
Töpper, DRiZ 1995, 242 (242). Vgl. auch Hain, DÖV 2001, 589 (594). Vgl. auch Hassemer ZRP 2013, 149 (151). 823 Hain, DÖV 2001, 589 (594). 824 Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die Übertragung der Urteilsverkündung. Vgl. Saliger, JZ 2016, 824 (827); Loubal/Hofmann, MMR 2016, 669 (673). 825 Vgl. dazu bereits oben, Teil 2 D. III. 826 So auch Gündisch/Dany, NJW 1999, 256 (260). 822
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
Es geht um Verfahren, die für die Fortentwicklung des Rechts von besonderer Bedeutung sind.827 6. Beschränkung auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung Als Schritte in Richtung zu einem Mehr an Gerichtsöffentlichkeit und zur Förderung der Akzeptanz der Judikative werden bereits die Aufnahme der Urteilsverkündung und das Verlesen der Urteilsgründe gesehen.828 Die bestehende Regelung des § 17a GVG resultiert gerade aus der Verfassungsorganqualität des Bundesverfassungsgerichts und dem daraus resultierenden erheblichen Interesse an seinen Entscheidungen.829 Auch die Lockerung des § 169 Abs. 3 GVG wurde mit der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung und der erheblichen Breitenwirkung der Entscheidungen der obersten Bundesgerichte, die sich vielfach in besonderer Weise auf das gesellschaftliche und politische Leben auswirken, begründet. Die mediale Vermittlung dieser Entscheidungen liegt daher auch im Interesse der höchsten Gerichte.830 Gegen eine generelle Zulassung von Bewegtbild- und Tonaufnahmen während der Urteilsverkündung wird vorgetragen, dass der Richter aufgrund der Rundfunkübertragung geneigt sein könnte, eine „fernsehöffentlichkeitstaugliche“ Urteilsbegründung vorzutragen.831 Gegen diese Befürchtung spricht, dass auch heute schon in Verfahren, die die Medien besonders interessieren, auf jedes einzelne Wort des Richters besonders geachtet wird. Die Gefahr, der Richter könne sich zu einer medientauglichen Begründung hingerissen fühlen, besteht daher schon aufgrund der heutigen Medienrealität. Im Übrigen muss alles, was der Richter formuliert, der öffentlichen Kritik zugänglich sein. Ein Mehr an Öffentlichkeit könnte genauso gut Anreiz sein, die Urteilsbegründung besonders differenziert und für die Allgemeinheit verständlich zu formulieren.832 Gerade den Bundesrichtern böten sich insoweit Möglichkeiten, das Rechtsverständnis und die Rechtskenntnis der Bürger durch die allgemeinverständliche Erläuterung ihrer 827
Vgl. Krausnick, ZG 2002, 273 (290). So auch Hain, DÖV 2001, 589 (594). Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381); Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 95 f.; Saliger, JZ 2016, 824 (827); Norouzi, StV 2016, 590 (594 f.). Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe (Abschlussbericht, 2015, S. 14 ff.) plädierte allerdings nur für eine Beschränkung im Hinblick obersten Gerichtshöfe des Bundes. Kritisch insoweit Franke, NJW 2016, 2618 (2620). 829 Vgl. Krausnick, ZG 2002, 273 (290). 830 Vgl. BT-Drucks. 18/10144, S. 18 831 Ernst, ZUM 1996, 187 (193); ders., in: FS für Günther Herrmann, 2002, S. 73 (75). 832 Kritisch dazu Rittig (NJ 2016, 265 [267]), der befürchtet, dass eine sprachliche Abfassung der bei der mündlichen Urteilsverkündung regelmäßig noch nicht schriftlich vorliegenden Entscheidungsgründe in der erforderlichen Detailtiefe zu Verfahrensverzögerungen führen könnte. 828
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen
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Entscheidungen erheblich zu fördern.833 Eine solche Regelung sollte jedoch nicht auf die obersten Bundesgerichte beschränkt bleiben.834 Vielmehr wäre grundsätzlich auch eine Erweiterung vor allem hinsichtlich der Amts-, Land- und Oberlandesgerichte sowie der Verwaltungsgerichte zu begrüßen.835 Wenn hiergegen eingewandt wird, die obersten Bundesgerichte seien wegen ihrer „personellen, technischen und sachlichen Ausstattung am besten geeignet, Medienübertragungen schnell zu ermöglichen“,836 überzeugt dies nicht.837 Denn es ist nicht ersichtlich, welche aufwendige Ausstattung bei den Gerichten eigentlich erforderlich ist. Immerhin handelt es sich um eine Übertragung durch die Medien.838 Zudem spricht für eine generelle Geltung der Zulassung von audiovisuellen Übertragungen von Entscheidungsverkündungen, dass oftmals gerade auch an Entscheidungen der Tatsacheninstanzen ein weitaus größeres öffentliches Interesse als an Revisionsentscheidungen besteht.839 Eine Änderung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG entsprechend § 17a BVerfGG könnte aber vor allem im Strafprozess problematisch sein. Denn gerade die Urteilsverkündung wird für den Angeklagten eine erhebliche psychische Belastung darstellen.840 Vereinzelt wird diese Befürchtung auch für zivil- oder arbeitsgerichtliche Prozesse Geltung beanspruchen können, soweit es etwa um die wirtschaftliche Existenz einer der Parteien geht. Gerade in solchen Momenten ist ein besonders intensiver Schutz des Persönlichkeitsrechts erforderlich.841 Allerdings wäre hier eine Regelung denkbar, die vorsieht, dass sich die Kamera an einem festen Platz befinden muss und ausschließlich auf den Vorsitzenden Richter gerichtet sein darf.842 Eine generelle Öffnung der Urteilsbegründung für Bewegtbild- und Tonaufnahmen bietet sich daher als ein sinnvoller Ausweg für ein Mehr an Medienöffentlichkeit an. 7. Verfahren von historischer oder zeitgeschichtlicher Bedeutung Ein weiterer, mittlerweile Gesetz gewordener Differenzierungsansatz, ist die Möglichkeit der Anfertigung von Tonaufnahmen in „zeitgeschichtlichen“ oder 833
Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 95. So aber Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Abschlussbericht, 2015, S. 14 ff. 835 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 95. 836 Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Abschlussbericht, 2015, S. 17. 837 Vgl. Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 95. 838 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 95. 839 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 95. 840 Vgl. dazu Schmidt (Die Sache der Justiz, 1961, S. 28), der von dem „Augenblick höchster seelischer Erregung“ spricht. 841 Vgl. Krausnick, ZG 2002, 273 (290). 842 So auch Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 96; Saliger, JZ 2016, 824 (827). 834
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
„historischen Prozessen“ nach § 169 Abs. 2 GVG.843 Hintergrund der Neuregelung ist, dass einige gerichtliche Verfahren auch in einem politischen Kontext gesehen werden müssen. Nur Film- und Tonaufnahmen sind hier in der Lage, einen authentischen Einblick in das gesellschaftliche Klima einer bestimmten Zeit zu geben.844 Entsprechende Aufnahmen haben für historische oder wissenschaftliche Belange insoweit einen enormen Wert.845 Anknüpfungspunkt ist das gerichtliche Verfahren als solches. Allein seine Einordnung als „zeitgeschichtliches“ oder „historisches“ Ereignis rechtfertigt seine Aufzeichnung.846 § 169 Abs. 2 GVG stellt eine restriktiv auszulegende Ausnahmevorschrift dar. Es muss sich deswegen um die rechtliche Aufarbeitung von Vorgängen handeln, die in der Bundesrepublik einmalig sind und insoweit über gewisse Alleinstellungsmerkmale verfügen. Eine Aufzeichnung eines Strafverfahrens käme etwa dann in Betracht, wenn die vorgeworfene Straftat in Ausmaß, Qualität und Intensität bisher ungeahnte Züge annimmt oder es sich um Straftaten handelt, die nicht nur die eigentlichen Opfer, sondern auch die Gesellschaft insgesamt, die die Straftat als Angriff gegen sich verstehen musste, betrifft. Es geht damit um Verfahren von epochaler Bedeutung, die ein ähnliches öffentliches Interesse auf sich ziehen wie dies etwa bei den Nürnberger Prozessen, dem Eichmann-Prozess, den Verfahren gegen die RAF-Terroristen, dem Honecker-Verfahren, dem Politbüro-Prozess, den Mauerschützenverfahren oder aktuell dem NSU-Verfahren der Fall (gewesen) ist.847 Die Regelung des § 169 Abs. 2 GVG trägt den Belangen des Persönlichkeitsschutzes in hohem Maße Rechnung, da die angefertigten Aufnahmen langen Schutzfristen unterliegen.848 Die Frage, ob und wann die Aufnahmen veröffentlicht werden dürfen, ist dabei allein nach den Vorschriften der Archivgesetze des Bundes oder der Länder zu beurteilen. Insoweit sind die Schutzfristen für Archivgut natürlicher Personen, etwa die Regelung des § 5 Abs. 2 BArchG einschlägig.849 Danach darf das Archivgut erst 30 Jahre nach dem Tode der betroffenen Person durch Dritte verwendet werden. Die Beschränkung auf eine Tonaufzeichnung und die rein archivarische Behandlung für historische oder wissenschaftliche Zwecke greift allerdings zu kurz. Denn von historischen Prozessen geht auch ein erhebliches gegenwärtiges öffent843 So schon Kirchberg, BRAK-Mitt. 2002, 252 (256); Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (97); Norouzi, StV 2016, 590 (593 f.). 844 Norouzi, StV 2016, 590 (593 f.). 845 Rittig, NJ 2016, 265 (268). 846 Vgl. dazu Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381). 847 So einige Beispiele von Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (97). Vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 18/10144, S. 19 f. und von Coelln, AfP 2016, 491 (493). 848 von Coelln AfP 2016, 491 (493). 849 Vgl. BT-Drucks. 18/10144, S. 20; Loubal/Hofmann, MMR 2016, 669 (672).
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen
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liches Informationsinteresse aus, dessen Befriedigung auch die Rundfunkübertragung rechtfertigen würde. Die Fernsehübertragung solch historisch bedeutsamer Prozesse wäre für die Allgemeinheit der Beweis für die Unverbrüchlichkeit des Rechts und würde insoweit das Vertrauen in die Justiz und den Rechtsstaat stärken.850 Sollte eine Live-Übertragung eines zeitgeschichtlichen Verfahrens im Einzelfall zu einer nachhaltigen Störung des Verhandlungsgeschehens führen, wäre eine Aufzeichnung der Verhandlung mit späterer Freigabe des aufgenommenen Materials, frühestens jedoch mit dem Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils, denkbar.851 Zu diesem späten Zeitpunkt wäre dann eine Berichterstattung selbst unter Heranziehung der Kriterien aus der „Lebach-Rechtsprechung“ 852 möglich.853 Gefahren für das Verfahren könnten auch dadurch minimiert werden, wenn das Gericht selbst die Aufnahmen vornähme.854 Eine so weitgehende Regelung wäre allerdings gar nicht einmal erforderlich.855 Das Gericht könnte genauso gut exakte Vorgaben machen, wie und von welchem Standort aus gefilmt werden dürfte, welche Personen gar nicht oder nur gepixelt gezeigt werden dürften. 8. Einwilligungslösung Schließlich könnte man daran denken, die Zulassung von Rundfunkaufnahmen von der Einwilligung der Beteiligten abhängig zu machen. Etwas anderes wird auch nicht von dem die Verbreitung von Bildnisaufnahmen betreffenden § 22 KUG gefordert. Auf die Einwilligung von Gerichtspersonen, Behördenvertretern und sonstigen Amtsinhabern käme es wegen ihrer öffentlichen Funktionenwahrnehmung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht an. Das Aufnahmeverbot dient aber nicht nur dem Schutze des Rechts am eigenen Bild, sondern auch der ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung. Dieses Rechtsgut steht nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten.856 Die Einwilligungslösung ist daher bereits nicht mit dem objektiven Prinzip der Wahrheitsfindung zu vereinbaren. Zutreffend ist jedoch, dass der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten es erfordert, diese möglichst frühzeitig in die Entscheidung über die Frage der Zulassung von Rundfunkaufnahmen während der mündlichen Verhandlung miteinzubeziehen. 857
850 851 852 853 854 855 856 857
Kirchberg, BRAK-Mitt. 2002, 252 (256). Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (97 f.). Vgl. dazu bereits oben, Teil 2 A. III. 3. a). Vgl. Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (98). Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (98). von Coelln, AfP 2016, 491 (493). Vgl. Erdsiek, NJW 1960, 1048 (1049); Krausnick, ZG 2002, 273 (289). Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (99).
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Teil 2: Gerichtsberichterstattung und Neue Medien
III. Mildere Mittel zur Erreichung des bisherigen Schutzniveaus Die vorangegangenen Vorschläge haben gezeigt, dass es durchaus Verfahren gibt, die sich für eine Rundfunkübertragung eignen, ohne dass es zu einer übermäßigen Beeinträchtigung entgegenstehender Rechtsgüter kommen muss. Um in solchen Fällen ein Schutzniveau zu erreichen, das mit dem des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG vergleichbar ist, sind neben der grundsätzlichen Zulassung von Rundfunkaufnahmen flankierende einschränkende Maßnahmen denkbar. Die Ordnungsmäßigkeit des äußeren Ablaufs der Verhandlung kann bereits durch sitzungspolizeiliche Anordnungen erzwungen werden.858 So könnten äußere Störungen etwa durch die Anordnung von Pool-Lösungen vermieden werden.859 Weiterhin könnte angeordnet werden, dass den Richtern stets ein freies Blickfeld zu allen Seiten verbleiben müsse. Ferner könnte auch der Standort der Kamera genau vorgegeben werden.860 Während besonders sensibler Verfahrensabschnitte wäre auch ein kurzfristiges vollständiges Aufnahmeverbot denkbar.861 Schließlich könnte auch eine Beschränkung dahingehend erfolgen, dass Aufnahmen zwar zulässig sind, diese jedoch nicht live übertragen werden dürfen. Hierdurch wäre es auch möglich, auf Unvorhersehbares, das zum Schutz entgegenstehender Rechte nicht verbreitet werden darf, angemessen zu reagieren. Als Gegenstück zur Öffnung des gerichtlichen Verfahrens für Bild- und Tonaufnahmen während der mündlichen Verhandlung wäre schließlich die Einführung von Strafvorschriften denkbar, die denjenigen mit Sanktionen belegen würde, der sich nicht an den Ausschluss der Medienöffentlichkeit halten würde.862 Denkbar wäre etwa die Ergänzung des § 33 KUG, der strafrechtlichen Schutz bislang nur für die rechtswidrige Verbreitung von Bildnisaufnahmen bietet. Diese Vorschrift könnte im Hinblick auf die rechtswidrige Herstellung und Veröffentlichung von Bild- und Tonaufnahmen in der gerichtlichen Verhandlung ausgedehnt werden.863
IV. Gesetzgeberische Umsetzung der Neuregelung und Ausblick Im Gerichtsverfassungsgesetz wäre lediglich die Regelung für die ordentliche Gerichtsbarkeit zu überarbeiten. Hierbei würde es sich jedoch um die Grundregel handeln, die wegen der Verweisungsnormen in den Prozessordnungen der anderen Verfahrenszweige für alle Prozessarten gelten würde. Insoweit könnten 858 Gerhard, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verbots von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1968, S. 97. 859 Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381). 860 Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381). 861 Gerhardt, ZRP 1993, 377 (381). 862 Vgl. dazu Krausnick, ZG 2002, 273 (291). 863 Altenhain, Gutachten 71. DJT, 2016, C 104. Vgl. auch Mitsch (ZRP 2014, 137 [141]), der eine entsprechende Erweiterung des § 353d StGB vorschlägt.
F. Neuer Ansatz zur Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen
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im Gerichtsverfassungsgesetz Verfahrensabschnitte benannt werden, die für die Wahrheits- und Rechtsfindung generell ohne Bedeutung sind.864 Anknüpfungspunkt für eine Neuregelung abseits der ordentlichen Gerichtsbarkeit wären die Verweisungsnormen der übrigen Prozessordnungen. Damit bestünde die Möglichkeit, die besonderen Prozesssituationen der verschiedenen Gerichtszweige unterschiedlich zu bewerten.865 Schließlich sollte die Zulassung von Bewegtbild- und Tonaufnahmen während der mündlichen Verhandlung mit Ausnahme der Urteilsverkündung in das Ermessen des Gerichts gestellt werden.866 Wie dargestellt, ist die Entscheidung nämlich im höchsten Maße von dem individuellen Einzelfall abhängig. Die Grundregel sollte dahingehend formuliert werden, dass stets ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse gerade an der bildlichen Dokumentation der mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden muss. Die genannten entgegenstehenden Belange sollten als Ausnahmetatbestände formuliert werden. Letztlich entscheiden damit die Spezifika der jeweiligen gerichtlichen Verhandlung darüber, ob und in welchem Umfang Filmaufnahmen zugelassen werden können.867 Insoweit sollte es fortan kein gesetzliches Aufnahmeverbot mehr ohne Ausnahmenmöglichkeiten geben, aber ebenso wenig eine Öffnung für Bewegtbild- und Tonaufnahmen ohne Einschränkungsmöglichkeiten eingeführt werden. Die Neuregelung des § 169 GVG in seiner ab dem 18. April 2018 geltenden Fassung bleibt hinter diesen Änderungsvorschlägen zurück. Zwar besteht die Möglichkeit der audiovisuellen Übertragung der Urteilsverkündungen der obersten Gerichtshöfe des Bundes und der Tonaufzeichnung von zeitgeschichtlich bedeutsame Verfahren zu Archivzwecken. Weitergehendes Gestaltungspotential wurde jedoch nicht ausgeschöpft. Insbesondere werden keine Differenzierungen im Hinblick auf die verschiedenen Gerichtszweige vorgenommen. Über die Möglichkeit der Öffnung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens für eine vollständige audiovisuelle Übertragung wurde nicht nachgedacht. Problematisch ist weiterhin, dass die Entscheidung über das „Ob“ der Übertragung von Urteilsverkündungen in das Ermessen des Gerichts gestellt sein soll. Hierdurch wird eine Entscheidung über das Bestehen eines öffentlichen Informationsinteresses in die Hand des Staates gelegt. Die Medien können ihre Aufgaben im Hinblick auf die Erfüllung der Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit allerdings nur erfüllen, wenn sie selber entscheiden dürfen, an welchen Urteilsverkündungen ein allgemeines Interesse besteht oder welche Verfahren zeitgeschichtliche Relevanz haben.868 864
Vgl. Krausnick, ZG 2002, 273 (290). Vgl. Krausnick, ZG 2002, 273 (290). Vgl. dazu, dass dies bereits de lege lata möglich sein soll: Hain, DÖV 2001, 589 (594). 866 Walther, JZ 1998, 1145 (1152). 867 Britz, in: FS für Wolf Schiller, 2014, S. 81 (97). 868 Vgl. dazu auch kritisch Loubal/Hofmann, MMR 2016, 669 (673). 865
Teil 3
Gerichtsöffentlichkeit heute A. Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit Die Medienwelt hat in den letzten Jahren einen erheblichen Wandel erlebt. Vor allem der Fortschritt der Digitaltechnologie hat dazu geführt, dass sich das Medienangebot rasant vermehren konnte und die Medienkonsumenten nunmehr über enorme Wahlmöglichkeiten verfügen.1 Folge dieses Wandels ist es auch, dass es nicht mehr nur „die eine Öffentlichkeit“ gibt. Es existieren vielmehr verschiedene, eigenen Interessen und Gesetzmäßigkeiten folgende Teilöffentlichkeiten.2 So gibt es einen Teil der Bevölkerung, der die klassischen Leitmedien, also das Fernsehen oder die Printmedien als Informationsquellen schlicht ignoriert.3 Bei der Schaffung der §§ 169 ff. GVG, insbesondere des § 169 Satz 2 GVG a. F. war die Medienlandschaft hingegen noch überschaubar. Aus heutiger Perspektive erscheint die Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG insoweit überholt. Der Grundsatz gerichtlicher Öffentlichkeit muss sich der technologischen Entwicklung stellen und mit dem Wandel der Medienlandschaft in Einklang gebracht werden. Denn Gerichtsöffentlichkeit ist nicht nur Saal- sondern auch Medienöffentlichkeit. Sie kann sich in einer unüberschaubaren Gesellschaft erst durch die Medien entfalten.4 Sollte es der Judikative nicht gelingen, den verschiedenen Teilöffentlichkeiten angemessen gerecht zu werden und sich den Neuen Medien gegenüber zu öffnen, läuft sie Gefahr aus der öffentlichen Wahrnehmung jedenfalls teilweise zu verschwinden.5 Die Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit werden heutzutage weit überwiegend durch die Medien erfüllt.6 Erst die Massenmedien sorgen für das Entstehen einer wirklichen und lebendigen Öffentlichkeit auch außerhalb des Gerichtssaals.7 Die physische Teilnahme des Bürgers an gerichtlichen Verhandlungen stellt heutzutage vielmehr die Ausnahme dar.8 Die Information der Gesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8
Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (350). Boehme-Neßler, UFITA 2012, 337 (350). Hess, FAZ v. 14.04.2016, S. 6. Erdsiek, NJW 1960, 1048 (1049). Hess, FAZ v. 14.04.2016, S. 6; anders Franke, NJW 2016, 2618 (2618). Vgl. dazu bereits oben, Teil 1 B. III. Enders, NJW 1996, 2712 (2712). Müller, Anwbl 2016, 656 (657).
B. Gerichtsöffentlichkeit und Neue Medien
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und Kontrolle der staatlichen Gewalt erfolgen weitestgehend vermittelt durch die Massenmedien.9 Zur Erfüllung der Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit ist eine Orientierung am tatsächlichen Medienverhalten der Bevölkerung notwendig. Diese bezieht ihre Informationen nicht mehr nur aus der Tageszeitung oder Rundfunk- und Fernsehprogrammen, sondern auch mithilfe zahlreicher OnlineMedien.10 Zur Verwirklichung der Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit ist eine stärkere Einbeziehung der Medienöffentlichkeit mit all ihren Teilöffentlichkeiten unerlässlich. Dies führt zur Intensivierung des Vertrauens der Bürger in die Rechtspflege, einer unverzichtbaren Grundlage im Rechtsstaat, in dem jede staatliche Tätigkeit der Kritik und Kontrolle durch das Volk unterliegen muss.11 Denn wenn Gerichtsöffentlichkeit nicht auch als Medienöffentlichkeit verstanden wird, besteht die Gefahr, dass die Funktionsweise des Rechtsstaats unverstanden bleibt.12 Rechtsprechung führt auch zur Fortentwicklung und Konkretisierung des Rechts. Dieser Vorgang muss genauso wie die parlamentarische Arbeit offen und transparent erfolgen. Die technische Entwicklung muss deswegen als Möglichkeit der Erweckung und Erhaltung einer echten Mitverantwortung an der Rechtsprechung erkannt werden.13 Gerichtsöffentlichkeit dient aber nicht mehr nur der öffentlichen Kontrolle, inzwischen fungiert sie im starken Maße auch als Mittel der rechtlichen Bewusstseinsbildung. Je transparenter und verständlicher justizielles Handeln ist, desto größer ist auch seine Akzeptanz.14 Hierzu gehört insoweit neben einer aktiven flächendeckenden Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte auch die Beantwortung von Fragen der interessierten Medienvertreter. Die Judikative muss sich erklären und dadurch Transparenz gerade in komplexen Verfahren herstellen.15
B. Gerichtsöffentlichkeit und Neue Medien Es wurde gezeigt, dass die derzeitige Praxis der Gerichte im Umgang mit den Neuen Medien, aber auch die derzeitige gesetzliche Regelung der Gerichtsöffentlichkeit in den §§ 169 ff. GVG den Bedürfnissen der sich wandelnden Medienlandschaft nicht mehr gerecht wird. Dies gilt für den Bereich der reinen Textberichterstattung genauso wie für den Bereich der Foto-, Rundfunk- und Fernsehberichterstattung. Immer dann, wenn die Medien über ein Gerichtsverfahren berichten wollen, setzt dies in vielerlei Hinsicht eine Abwägung in jedem Einzel-
9
Kaulbach, JR 2011, 51 (53). Kirchberg, BRAK-Mitt. 2002, 252 (254). 11 So schon Schneider, JuS 1963, 346 (350). 12 Vgl. Zuck, NJW 1995, 2082 (2083). 13 Schneider, JuS 1963, 346 (350). 14 Dieckmann, NJW 2001, 2451 (2452). 15 Vgl. Limperg/Gerhardt, ZRP 2016, 124 (125). 10
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Teil 3: Gerichtsöffentlichkeit heute
fall voraus. Insoweit müssen die Gerichte bei allen ihren die Öffentlichkeit betreffenden Entscheidungen den Schutz der Medien aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berücksichtigen und dafür sorgen, ihnen ihre Arbeit zu ermöglichen und gegebenenfalls sogar zu erleichtern. Genauso dürfen jedoch auch entgegenstehende Belange wie der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, die ungestörte Verhandlungsführung, der Schutz eines fairen Verfahrens und die richterliche Unabhängigkeit nicht aus dem Blick geraten. Wenn es um die Gerichtsberichterstattung außerhalb der mündlichen Verhandlung ging, hat das Bundesverfassungsgericht den Interessen der Medien im Hinblick auf ihren Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GVG stets zur größtmöglichen Geltung verholfen. Grundsätzlich muss den Medien aber auch in der gerichtlichen Verhandlung alles erlaubt sein, was die Verhandlung nicht stört.16 Etwas anderes wäre nach § 176 GVG auch gar nicht zulässig. Denn dem Vorsitzenden obliegt nach dieser Regelung nur die „Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung“. Weiterhin hat der Vorsitzende bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, dass Beschränkungen der Massenmedien im Gerichtssaal, insbesondere die Verwendung der für sie typischen und maßgeblichen Darstellungsformen, im Zeitalter einer Medien- und Kommunikationsgesellschaft eine besondere Härte darstellen.17 In der Praxis bedeutet dies, dass sich die Gerichte im Rahmen der Verhandlungsleitung noch intensiver mit Fragen der Medienöffentlichkeit auseinandersetzen müssen. Die vorzunehmende Abwägung muss insoweit als eine der Kernaufgaben der Verhandlungsleitung und Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens verstanden werden. Dabei geht es nicht um eine Entscheidung, die entweder eine große Medienöffentlichkeit ermöglicht oder sie gänzlich ausschließt. In jedem Einzelfall geht es vielmehr um die Suche nach dem individuell zulässigen Maß an Medienöffentlichkeit.
C. Wesentliches Ergebnis der Untersuchung Wie sollte Gerichtsöffentlichkeit heutzutage aussehen? Im Wesentlichen ergeben sich zwei Konsequenzen: Zunächst ist eine Live-Textberichterstattung aus der mündlichen Verhandlung stets zulässig, soweit der Ablauf der Verhandlung durch die Benutzung portabler Computer und die Verwendung von Datenübertragungstechnik den Verhandlungsverlauf nicht stören und eine mögliche Störung nicht anders als durch ein Verbot der Live-Textberichterstattung beseitigt werden kann. Weiterhin kann das überwiegend strikt geltende Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG nicht länger aufrechterhalten werden. Es verstößt gegen die Medienfreiheiten und bedarf insoweit der Neuregelung durch den Gesetzgeber.
16 17
Erdsiek, NJW 1960, 1048 (1049). Enders, NJW 1996, 2712 (2712).
C. Wesentliches Ergebnis der Untersuchung
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I. Live-Textberichterstattung Die Digitalisierung der Informationsströme und der technologische Fortschritt haben dazu geführt, dass viele Menschen ihre Informationen fortlaufend während des gesamten Tages mithilfe von Online-Medien beziehen. Live-Ticker haben im Zusammenhang mit sich aktualisierenden Nachrichtenlagen eine besondere Bedeutung erlangt. Trotz Ortsabwesenheit vermitteln sie ein authentisches Gefühl des Miterlebens. Verwehrt man den Medien die Nutzung von Datenübertragungstechniken, wird ihnen diese Form der Darstellung erheblich erschwert. Denn die live berichtenden Journalisten müssten den Verhandlungssaal regelmäßig verlassen. Die Verwendung von portablen Computern und Datenübertragungstechnik kann daher nur verboten werden, wenn sie bewusst dazu eingesetzt wird, den Verlauf der Verhandlung zu stören. Wenn befürchtet wird, dass mithilfe von LiveTickern Zeugen vorab über das Geschehen in der Verhandlung informiert werden, besteht als milderes Mittel die Möglichkeit, noch zu vernehmende Zeugen in einem bestimmten Raum von der Live-Textberichterstattung kurzfristig abzuschirmen.18
II. Foto-, Rundfunk- und Fernsehberichterstattung Während das Bundesverfassungsgericht für die Fernsehberichterstattung außerhalb der mündlichen Verhandlungen Maßstäbe entwickelt hat, die jedenfalls im Umfeld eines gerichtlichen Verfahrens eine zeitgemäße Medienarbeit ermöglicht, stammt die Regelung des nur für die mündliche Verhandlung geltenden § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG noch aus einer Zeit, in der die elektronischen Medien nicht die heutige Bedeutung hatten. Heutzutage, wo das Fernsehen nach wie vor jedenfalls für weite Teile der Bevölkerung zu den Leitmedien gehört und Bildund Tonaufnahmen auch für die Online-Medien an Bedeutung gewinnen, kann das weitestgehend ausnahmslos geltende Verbot des § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG nicht mehr länger aufrechterhalten werden.19 Auch für die Judikative hätte die Lockerung des Verbots von verhandlungsbegleitenden Bild- und Tonaufnahmen einen besonderen Vorteil: sie gewinnt an Glaubwürdigkeit, Authentizität und Akzeptanz. Dies kann allerdings nur entstehen, wenn die Menschen die Richter selber sehen und sprechen hören. Weiterhin könnte auch die Vorstellung von gerichtlichen Verfahren in Deutschland korrigiert und präzisiert werden. Selbstverständlich dürfen dabei die entgegenstehenden Belange nicht aus dem Blick geraten. Kritisiert wurde aber dennoch, mit welcher Pauschalität Bild- und Tonaufnahmen während der mündlichen Verhandlung vor deutschen Gerichten
18
Vgl. Hess, FAZ vom 14. April 2016, Nr. 87, S. 6. Vgl. auch von Coelln, in: Murmann, Uwe (Hrsg.), Strafrecht und Medien, 2016, S. 13 (23 f.). 19
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untersagt werden. Insoweit wurde der Versuch unternommen, einen differenzierenden Ansatz zu entwickeln. Die gesetzliche Neuregelung sollte hinsichtlich der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein Regel-Ausnahmeverhältnis dahingehend beinhalten, dass hier Bild- und Tonaufnahmen grundsätzlich unzulässig sind, im Einzelfall jedoch zugelassen werden können. Im Hinblick auf verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche Verfahren, für Verfahren vor den obersten Bundesgerichten, sowie für die Phase der Urteilsverkündung vor allen Gerichten und Instanzen sollte das Regel-Ausnahme-Verhältnis hingegen umgekehrt sein. Das heißt Bild- und Tonaufnahmen sind hier ohne weiteres zulässig, sie könnten jedoch aufgrund von entgegenstehenden Belangen untersagt werden.
D. Zusammenfassende Thesen Zum Begriff der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit meint das tatsächliche Offensein von Zuständen oder Vorgängen und damit die allgemeinen Zugänglichkeit als Gegenbegriff zur Heimlichkeit. – Daneben wird mit dem Begriff der Öffentlichkeit der Adressat des Offenseins angesprochen. Dieser legitimiert und kontrolliert als Träger der öffentlichen Meinung, als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft die staatliche, öffentliche Gewalt. – Der Begriff der Öffentlichkeit ist unterschiedlich weit zu verstehen. Er ist dem Wirkbereich entsprechend, in dem er auftritt, unterschiedlich zu interpretieren. Der Begriff der Gerichtsöffentlichkeit orientiert sich daher auch an den Funktionen, die mit dem öffentlichen Verfahrensgang verfolgt werden, und danach, wie diese Funktion in der heutigen Zeit erfüllt werden müssen, um ihn zu größtmöglicher Wirksamkeit zu verhelfen. Zu den Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit – Der Gerichtsöffentlichkeit kommen drei Funktionen zu: Kontrolle der Judikative, Befriedigung des legitimen Informationsinteresses der Allgemeinheit und Förderung der Akzeptanz der Rechtsprechung sowie Steigerung des Vertrauens in das Rechtssystem und die konkrete Rechtsanwendung. – Die Informationsfunktion ist Kernfunktion gerichtlicher Öffentlichkeit. – Es hat eine Bedeutungsverlagerung von der Kontrollfunktion hin zur Informationsfunktion stattgefunden. Diese verläuft parallel mit einem Wandel der Saalöffentlichkeit zur Medienöffentlichkeit. – Ein Grundniveau an Kontrolle wird bereits durch den „Symbolcharakter“ gerichtlicher Öffentlichkeit gewährleistet. Allein der „Symbolcharakter“ erzeugt eine disziplinierende Wirkung. Die Informationsfunktion lässt sich demgegenüber nur durch das tatsächliche Offensein gewährleisten.
D. Zusammenfassende Thesen
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– Das richtige Maß an gerichtlicher Öffentlichkeit bestimmt sich nach den Funktionen der Gerichtsöffentlichkeit, insbesondere danach, wie diese Funktionen wirksam erfüllt werden können. – Die Medien tragen wesentlich zur Verwirklichung der Funktionen gerichtlicher Öffentlichkeit bei. Deswegen ist eine stärkere Einbeziehung der Medienöffentlichkeit mit all ihren Teilöffentlichkeiten unerlässlich. Zur verfassungsrechtlichen Fundierung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit – Die öffentliche Ausgestaltung der gerichtlichen Verhandlung ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und entspricht dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie. – Der Zugang zu Gerichtsverhandlungen wird auch durch die Informationsfreiheit gewährleistet. Die öffentliche Gerichtsverhandlung stellt eine allgemein zugängliche Informationsquelle i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 GG dar. Über die allgemeine Zugänglichkeit ist allein auf Grundlage objektiv tatsächlicher Kriterien zu entscheiden. – Begünstigt vom Recht auf Zugang zum Verhandlungssaal sind auch die Vertreter der Medien. Im Grundsatz geht das Zugangsrecht von Vertretern der Medien nicht weiter als das der Bürger allgemein. Nehmen Journalisten medienspezifisch-informatorische Handlungen vor, Handlungen, die von einfachen Zuschauern regelmäßig nicht ausgeübt werden, genießen sie den intensiveren Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Aus den Mediengrundrechten ergibt sich insoweit der Schutz der Gerichtsöffentlichkeit in seiner Ausprägung als Medienöffentlichkeit. Zur inhaltlichen Ausgestaltung des Grundsatzes gerichtlicher Öffentlichkeit – Die Verteilung der Zuschauerplätze erfolgt im Grundsatz für die Medien wie auch für die Bürger allgemein gleichrangig nach dem Prioritätsprinzip. – Zugunsten der Medienvertreter sind wegen ihrer Aufgabe im öffentlichen Meinungsbildungsprozess Ausnahmen vom Grundsatz des gleichrangigen Zugangs möglich. Aus der objektiv-rechtlichen Dimension der Mediengrundrechte ergibt sich eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Reservierung von Medienplätzen. Ein subjektiv-rechtlicher Anspruch eines einzelnen Medienvertreters auf einen festen Sitzplatz gewährt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hingegen nicht. Allerdings gebieten Art. 3 Abs. 1 i.V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Gleichbehandlung der Medienvertreter im publizistischen Wettbewerb und damit die gleichberechtigte Teilhabe am privilegierten Zugang. – Nach § 169 Abs. 1 Satz 3 GVG ist die Tonübertragung der gerichtlichen Verhandlung für Medienvertreter in einen Nebenraum möglich. Diese Neurege-
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lung ist Teil des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten privilegierten Zugangs von Medienvertretern zum Gerichtssaal. Die Beschränkung auf eine reine Tonübertragung überzeugt allerdings nicht. Sie wird den Bedürfnissen der Medienvertreter nicht hinreichend gerecht. – Gerichtliche Öffentlichkeit ist nicht auf die Zugänglichkeit zu gerichtlichen Verhandlungen beschränkt. Zur Erreichung einer über die Verhandlungsöffentlichkeit hinausgehenden Transparenz sind vom Öffentlichkeitsgrundsatz auch die Pflicht zur Veröffentlichung von Urteilen, die Erteilung von Auskünften und die Verpflichtung der Judikative zu aktiver Öffentlichkeitsarbeit erfasst. Zu den Grenzen der Gerichtsberichterstattung – Saal- und Medienöffentlichkeit stellen zwei verschiedene Teilöffentlichkeiten dar, die unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten folgen. Nicht jede Information, die der Saalöffentlichkeit bekannt wird, darf automatisch in die wesentlich größere Medienöffentlichkeit getragen werden. Die Medien berichten über eine funktionalisierte Teilöffentlichkeit, deren Themenfähigkeit nicht durch die Sorge vor der Erörterung einer Frage in der Medienöffentlichkeit beschränkt werden darf. – Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt nicht bereits davor, überhaupt in einem Bericht individualisierend genannt zu werden. Einer identifizierenden Berichterstattung kann jedoch das vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasste „Recht am eigenen Lebensbild“ entgegenstehen. Im Rahmen der Einzelfallabwägung kommt es darauf an, dass nicht lediglich ein Informationsinteresse allein an einem bestimmten Vorgang, sondern gerade auch an der Identität der beteiligten Person besteht. – Es existiert kein verfassungsrechtlich verbürgtes „Urheberrecht an eigenen Lebensereignissen“, weil das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einen strikten Bezug zum Individuum aufweist. Niemand kann kraft Herrührens aus dem eigenen Leben über die Veröffentlichung bestimmter Ereignisse frei disponieren. So ist etwa der Straftäter nicht davor geschützt, dass sich die Medien mit seiner Tat beschäftigen. – Die Bedeutung des Vorhaltens von Altmeldungen in Online-Archiven liegt in dem öffentlichen Informationsinteresse auch zeitgeschichtliche Vorgänge recherchieren zu können. Die Verpflichtung, Altmeldungen vollständig aus einem Online-Archiv zu löschen, würde dem Umstand widersprechen, dass ein Recht an dem zeitgeschichtlichen Ereignis als solchem nicht geltend gemacht werden kann. Mit zunehmendem Zeitablauf erstarkt jedoch das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableitbare Recht, „allein gelassen zu werden“. Dies führt zu einer Pflicht des Archivbetreibers, sein Online-Archiv so zu betreiben, dass eine Recherchierbarkeit der Inhalte mittels allgemeiner Suchmaschinen ausgeschlossen ist.
D. Zusammenfassende Thesen
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Zur Textberichterstattung und der Nutzung Neuer Medien im Verhandlungssaal – Bei der Nutzung portabler Computer durch Journalisten während der gerichtlichen Verhandlung handelt es sich um ein medienspezifisches Verhalten bei der Informationsaufnahme und Informationsverbreitung, das dem Schutzbereich der Medienfreiheiten unterfällt. – Die Untersagung der verhandlungsbegleitenden Nutzung portabler Computer stellt einen Eingriff in den Schutzbereich der Medienfreiheiten dar. Hierdurch wird dem Journalisten ein wichtiges Arbeitsmittel verwehrt. Ferner werden Publikationsformen wie die Live-Textberichterstattung von vornherein ausgeschlossen. – Ein vorsorgliches und generell geltendes Laptopverbot für Medienvertreter ist unverhältnismäßig. Es führt zu einer wesentlichen Erschwerung journalistischer Arbeit, ohne dass dem ein essentieller Nutzen zugunsten einer ungestörten Verhandlungsführung zukäme. Es gibt kein Schutzgut, das durch eine verhandlungsbegleitende Live-Textberichterstattung nachhaltiger betroffen wäre als durch eine Berichterstattung während der Sitzungspausen oder nach Ende der gerichtlichen Verhandlung. Zu den sitzungspolizeilichen Befugnissen im Hinblick auf Bildnisveröffentlichungen – § 176 GVG dient der Aufrechterhaltung der Ordnung „in der Sitzung“. Ein und dasselbe Bildnis kann sowohl in rechtmäßiger als auch in rechtswidriger Weise verbreitet werden. Deswegen darf die Anfertigung einer Bildnisaufnahme nicht bereits wegen der Möglichkeit einer rechtswidrigen Verbreitung verboten werden. Die Zulässigkeit der Bildnisveröffentlichung ist primär dem Verantwortungsbereich der Medien anheimgestellt. – Die sitzungspolizeilichen Befugnisse reichen nur so weit, wie zu befürchten ist, dass der Verhandlungsverlauf durch Bildnisaufnahmen gestört werden könnte. Hinsichtlich des Persönlichkeitsschutzes ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Vielzahl an Fotoreportern eine Atmosphäre medialer Aufmerksamkeit entsteht, in der die Verfahrensbeteiligten gehemmt sind, sich so zu verhalten, wie sie es ohne eine derartige mediale Beobachtung tun würden. – Nachteilige Fernwirkungen der Bildberichterstattung auf Verfahrensbeteiligte dürfen bei der sitzungspolizeilichen Entscheidung nicht unberücksichtigt bleiben. Den Vorsitzenden Richter trifft die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht dazu führt, Verfahrensbeteiligte öffentlich „zur Schau“ zu stellen. Anonymisierungsanordnungen stellen probate Mittel dar, um das Informationsinteresse und den Persönlichkeitsschutz in einen gerechten Ausgleich zu bringen.
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Zur Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen im Umfeld der gerichtlichen Verhandlung – Die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen ist Teil medienspezifischer Informationsgewinnung. Für zahlreiche Medienarten sind Bild- und Tonveröffentlichung Charakteristikum der Berichterstattung. Der Informationsgehalt einer solchen Berichterstattung reicht über den einer reinen Textberichterstattung hinaus, da ein umfassender und authentischer Eindruck vom Verhandlungssaal und den Beteiligten nur mittels Bild und Ton verschafft werden kann. – Die Zulässigkeit der Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen im Verhandlungssaal außerhalb der mündlichen Verhandlung hängt davon ab, ob an den Aufnahmen selbst ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht und den Aufnahmen keine überwiegenden Interessen der Verfahrensbeteiligten entgegenstehen. – Hinsichtlich der Intensität des Schutzes der verschiedenen Verfahrensbeteiligten können Abstufungen nach ihrer Verfahrensrolle vorgenommen werden. Zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen innerhalb der gerichtlichen Verhandlung – Die Beschränkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG zulasten des Rundfunks und anderer, überwiegend die audiovisuelle Darstellungsform nutzender Medien, wird ihrer Bedeutung im öffentlichen Kommunikationsprozess nicht gerecht. Das Verbot spezifischer Informationsübertragungsmittel sowie dessen Geltung in einem für das allgemeine Informationsinteresse besonders relevanten Zeitraum lässt den Eingriff in die Medienfreiheiten besonders schwer wiegen. – Das Verbot der Anfertigung von audiovisuellen Aufnahmen ist mit dem Funktionsauftrag gerichtlicher Öffentlichkeit nicht zu vereinbaren. Der Ausübung öffentlicher Kontrolle, der Vermittlung von Informationen, der Stiftung von Vertrauen und der Schaffung weitestgehender Transparenz läuft die drastische Beschränkung der typischen Ausdrucksformen bestimmter Medien geradezu entgegnen. Auch mit Blick auf die Neuregelung des § 169 GVG besteht Raum für eine Erweiterung der Medienöffentlichkeit. – Die Intensität von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Bild- und Tonaufnahmen während der gerichtlichen Verhandlung ist von Gerichtsbarkeit zu Gerichtsbarkeit, von Instanz zu Instanz und Verfahrensabschnitt zu Verfahrensabschnitt unterschiedlich zu bewerten. – Das Verbot der Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen sollte im Hinblick auf Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit beibehalten und mit einem Erlaubnisvorbehalt versehen werden.
D. Zusammenfassende Thesen
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– In verfassungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, Revisionsverfahren und Verfahren vor den obersten Bundesgerichten sowie für die Phase der Urteilsverkündung vor allen Gerichten und Instanzen sollte das Regel-Ausnahme-Verhältnis hingegen umgekehrt sein. Das heißt Bild- und Tonaufnahmen müssen hier ohne weiteres zulässig sein, sie können jedoch aufgrund eines Verbotsvorbehalts zugunsten von entgegenstehenden Belangen untersagt werden. – Zur Gewährleistung eines weiterhin hohen Schutzniveaus sind zusätzlich im Einzelfall flankierende sitzungspolizeiliche Anordnungen, etwa die Bildung von Informationspools, die Verwendung fester Kameraperspektiven, insbesondere Gesamtansichten, die Untersagung von Live-Aufnahmen, Anonymisierungsanordnungen und vergleichbare Maßnahmen denkbar.
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Personen- und Sachverzeichnis Akteneinsicht 179, 201, 206, 207, 209, 210, 212, 214, 215, 216 Alwart, Heiner 30 Anonymisierung 204, 251, 253, 281, 282, 287, 290, 292, 293, 349, 351 Authentizität 83, 153, 170, 231, 242, 275, 285, 300, 313, 316, 345
Informationsfunktion 29, 80, 81, 82, 84, 87, 88, 89, 90, 103, 178, 183, 205, 223, 310, 346 internetspezifische Gefahrenlage 263, 281
Beccaria, Cesare 61 Bild- und Tonaufnahmen 113, 186, 276, 302, 303, 316, 318, 319, 320, 321, 322, 323, 327, 328, 329, 335, 336, 337, 340, 341, 345, 346, 350, 351 Bildnisaufnahmen 276, 279, 280, 282, 283, 319, 339, 340, 349 Bockelmann, Paul 53, 54, 84 Britz, Guido 76, 103 Bronsema, Frauke 156
Kant, Immanuel 61 Klein, Ernst Ferdinand 63, 64 Kontrollfunktion 29, 70, 71, 73, 74, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 88, 89, 98, 109, 114, 187, 198, 203, 229, 254, 346 Krausnick, Daniel 128, 129 Kubicek, Herbert 33 Kujath, Johanna 83, 84, 185
Coelln, Christian von 52, 111, 190 Fernsehberichterstattung 238, 284, 291, 307, 311, 313, 343, 345 Feuerbach, Paul Johann Anselm von 49, 62, 63, 64, 66, 74 Fölix, Jean Jacques Gaspard 64 Franke, Dietmar 85, 111 Friehe, Matthias 100, 102 Funktionswandel gerichtlicher Öffentlichkeit 28, 88, 90 Habermas, Jürgen 100, 103 Hausrecht 278, 279 Holznagel, Bernd 157 Honecker-Entscheidung 284, 286, 287 identifizierende Berichterstattung 230, 231, 232, 234, 235, 238, 252, 263
Jellinek, Georg 218
Laptopbenutzung 264, 265, 267, 268 Lebach-Entscheidung 234, 235, 237, 238, 239, 241, 243, 339 Lehrke, Anne 156 Live-Textberichterstattung 25, 52, 266, 274, 275, 317, 344, 345, 349 Live-Ticker 263, 265, 266, 270, 271, 273, 274, 275, 316, 345 Luhmann, Niklas 77 Mecklenburg, Wilhelm 156 Medienarbeitsraum 195, 197, 198 Medienöffentlichkeit, Begriff 48, 49 Medienöffentlichkeit, Inhalt 182 Medienöffentlichkeit, verfassungsrechtlicher Schutz 115 Mensching, Christian 203 mittelbare Öffentlichkeit 49, 50, 51 Mittermaier, Carl Joseph Anton 62, 63 Möllers, Christoph 154
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Personen- und Sachverzeichnis
Namensnennung 231, 232, 233, 234, 243, 253, 297, 298 n-tv-Entscheidung 89, 126, 128, 130, 131, 132, 140, 184, 186, 198, 303, 304, 305 Öffentlichkeitsarbeit 87, 97, 116, 179, 201, 219, 220, 221, 222, 223, 275, 276, 343, 348 Online-Archive 228, 241, 242, 243, 244, 247, 249, 251, 348 Pool-Lösung 283, 286, 290, 291, 293, 322, 325, 340 Publikation gerichtlicher Entscheidungen 108, 179, 202, 203, 205, 216, 219 Ranft, Otfried 76 Recht auf ein faires Verfahren 109, 113, 167, 172, 268, 270, 271, 288, 292, 306, 315 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 171, 213, 233 Recht auf Selbstbestimmung 167, 168 Recht auf Vergessenwerden 247, 248, 250 Recht der Selbstbewahrung 168 Recht der Selbstdarstellung 170 Resozialisierung 168, 171, 236, 237, 240, 241, 281, 298, 299 richterliche Unabhängigkeit 53, 73, 95, 110, 175, 279, 323, 344 Saalöffentlichkeit, Begriff 48, 49 Saalöffentlichkeit, Inhalt 179 Scherer, Joachim 201 Schumacher, Pascal 157 Sensationslust 84, 85, 86, 226, 235, 278, 312, 324 Siebenpfeiffer, Philipp Jakob 61
Sitzplatzreservierung 149, 164, 193, 194, 198, 200 Sitzplatzverteilung 191 Sitzungspolizei 140, 141, 163, 166, 176, 191, 196, 263, 264, 266, 279, 280, 283, 286, 289, 292, 303, 322, 325, 326, 330, 340, 349, 351 Stern, Klaus 104 Stigmatisierung 168, 233, 256, 261, 290, 291, 297, 298 Strukturwandel gerichtlicher Öffentlichkeit 53 Stürner, Rolf 92 Symbolcharakter 346 unmittelbare Öffentlichkeit 49, 50, 51 Unschuldsvermutung 172, 173, 230, 231, 237, 240, 261, 291, 292, 298, 317, 329 Urteilsverkündung 27, 69, 114, 305, 317, 335, 336, 337, 341, 346, 351 Verdachtsberichterstattung 255, 256, 260, 261, 262, 298, 317 Verpixelung 325 Wahrheits- und Rechtsfindungsprozess 270, 272, 307, 316 Witzler, Jochen 201 Würde des Gerichts 26, 66, 180, 282, 324, 325 Zugang zum Gerichtssaal 47, 127, 140, 179, 193, 225, 286, 293, 305, 347 Zugänglichkeit 45, 46, 47, 48, 49, 77, 124, 125, 126, 127, 128, 133, 178, 179, 180, 183, 184, 186, 198, 200, 223, 306, 307, 346, 347, 348 Zutritt zum Gerichtssaal 57, 66, 141, 180, 182, 186, 187, 188, 190, 192