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German Pages 208 Year 1994
Öffentliche Unternehmen Einführung unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher und rechtlicher Aspekte
Von
Dr. Holger Mühlenkamp Universität Lüneburg
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Mühlenkamp, Holger: Öffentliche Unternehmen : Einführung unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher und rechtlicher Aspekte / von Holger Mühlenkamp. - München ; Wien : Oldenbourg, 1994 ISBN 3-486-23009-3
© 1994 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung: Grafik + Druck, München
ISBN 3-486-23009-3
Vorwort Zu öffentlichen Unternehmen (Verwaltungen) bzw. bestimmten Aspekten öffentlicher Unternehmen existiert je nach Betrachtungsstandpunkt eine mehr oder weniger große Zahl von Lehrbüchern und Abhandlungen. Neben der von juristischem Gedankengut geprägten Literatur {z.B. Backhaus (1980), Püttner (1985)} und der aus betriebswirtschaftlicher Sicht auf öffentliche Verwaltungen gerichteten Literatur {z. B. Reichard (1987), Görnas / Beyer (1991)} sind Abhandlungen aus volkswirtschaftlicher Perspektive {z.B. Blankart (1980), Rees (1984), Bös (1989)} vorhanden. Femer ist eine - international fast unüberschaubare Zahl von Publikationen auf dem Markt, die sich ausgewählten Aspekten öffentlicher Unternehmen {z.B. Boadway / Wildasin (1984), Stiglitz (1988), Finsinger (1991), Blankart (1991)} beschäftigen. Um aktuelle betriebswirtschaftliche Lehrbücher1 und Literatur, die fächerübergreifend rechtliche Rahmenbedingungen, betriebs- und volkswirtschaftliche Aspekte berücksichtigt, scheint es eher schlecht bestellt.2 Gerade für öffentliche Unternehmen ist aber nach meiner Einschätzung eine fächeriibergreifende Betrachtung angemessen. Dieser Sachverhalt gab den Anstoß zur Erstellung des vorliegenden Buches. Auf eine Wiederholung des allgemeinen betriebs- oder volkswirtschaftlichen Lehrstoffes wird - soweit möglich - verzichtet. Stattdessen wird versucht, einen Uberblick über spezielle Fragen in Zusammenhang mit öffentlichen Unternehmen zu bieten. Der ökonomischen Betrachtung sind grundlegende rechtliche Rahmenbedingungen und die für öffentliche Unternehmen in Frage kommenden Rechtsformen vorangestellt Das Skript entstand in den Wintersemestern von 1991/92-1993/94 in Zusammenhang mit meiner Vorlesung " Einführung in die Betriebswirtschaftslehre öffentlicher Betriebe und Verwaltungen". Es ist sicherlich (noch) nicht "perfekt". Verbesserungsvorschläge nehme ich gerne entgegen.
Holger Mühlenkamp
Leider nicht mehr auf aktuellem Stand sind die Monographien von Oettle (1967) und Thiemeyer (1975). Literaturübersichten bzw. Rezension der derzeit vorhandenen deutschsprachigen Lehrbücher zur Betriebswirtschaftslehre öffentlicher Betriebe und Verwaltungen finden sich bei Brede (1992) und Eichhorn (1992).
Inhaltsverzeichnis 1. Was sind öffentliche Unternehmen? 1.1 Öffentliche Unternehmen versus private Unternehmen 1.2 Öffentliche Unternehmen versus öffentliche Verwaltungen 1.2.1 Öffentliche Unternehmen als Teil der Verwaltung 1.2.2 Exkurs: Hoheitsbetriebe, wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Unternehmen 1.2.3 Öffentliche Unternehmen und öffentliche Haushalte 1.3 Weitere Abgrenzungen 1.3.1 Überschuß-, Kostendeckungs- und Zuschußbetriebe 1.3.2 Öffentliche versus gemeinnützige bzw. gemeinwirtschaftliche Unternehmen 1.3.3 Öffentliche versus öffentlich gebundene Unternehmen 1.4 Resümee
1 1 4 4 6 7 8 8 10 10 11
2. Rechtliche Rahmenbedingungen 2.1 Rechtliche Zulässigkeit öffentlicher Unternehmen 2.2 Bestimmungen zur Wahl der Rechtsform 2.3 Resümee
12 13 16 17
3. Rechtsformen 3.1 Öffentlich-rechtliche Rechtsformen 3.1.1 Regiebetriebe 3.1.2 Betriebe nach § 26 BHO/LHO 3.1.3 Eigenbetriebe 3.1.4 Sondervermögen des Bundes und der Länder 3.1.5 Rechtsfähige Anstalten 3.1.6 Körperschaften des öffentlichen Rechts insbesondere Zweckverbände 3.1.7 Stiftungen des öffentlichen Rechts
18 18 18 19 21 24 25
3.2 Private Rechtsformen 3.2.1 Der eingetragene Verein 3.2.2 Die Genossenschaft 3.2.3 Kapitalgesellschaften 3.3 Empirischer Befund
26 29 31 32 33 35 37
VIII
Inhaltsverzeichnis
4. Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten 4.1 Exkurs: Definitionen und Funktionen von "Überwachung" und
42
"Kontrolle" 4.1.1 Der betriebswirtschaftliche UberwachungsbegrifF. 4.1.2 Der juristische Kontrollbegriff 4.2 Überblick über die Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten 4.3 Struktur und Aufgaben der Beteiligungsverwaltung 4.4 Der Einfluß der öffentlichen Hand in Unternehmensorganen bzw. auf Unternehmensorgane 4.4.1 Eigenbetriebe 4.4.2 Anstalten des öffentlichen Rechts 4.4.3 Kapitalgesellschaften 4.4.4 Resümee 5. Haushalts-, Rechnungs- und Prüfungswesen 5.1 Wirtschaftspläne 5.2 Aufstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen 5.2.1 Haushaltsrechtliche und handelsrechtliche Jahresabschlüsse 5.2.2 Prüfung des Jahresabschlusses 5.3 Ordnungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfung, Betätigungsprüfung 5.4 Die Adressaten der Jahresabschlüsse und Prüfungsergebnisse 5.5 Resümee
43 43 48 49 51
6. Mitbestimmung und Personalwirtschaft 6.1 Mitbestimmung
84 84
6.1.1 Mitwirkung und Mitbestimmung im Betrieb 6.1.2 Mitbestimmung in der Unternehmung 6.1.3 Resümee 6.2 Entlohnungssysteme, dienstrechtliche und tarifliche Regelungen 6.2.1 Entlohnungssysteme 6.2.1.1 Beamtenbesoldung 6.2.1.2 Gehälter der Angestellten und Löhne der Arbeiter 6.2.2 Dienstrecht 6.2.3 Resümee
54 55 58 60 68 70 70 72 73 75 78 80 81
84 88 90 91 91 91 94 96 97
Inhaltsverze ichnis
7.
Finanzierung
99
7.1
99
Finanzierungsarten 7.1.1
7.1.2
7.2
8.
IX
Außenfinanzierung
101
7.1.1.1 Einlagen- bzw. Beteiligungsfinanzierung
101
7.1.1.1.1 Privatrechtliche Organisationsformen ohne Börsenzugang
101
7.1.1.1.2 Privatrechtliche Organisationsformen mit Börsenzugang ("Große Aktiengesellschaften")
103
7.1.1.1.3 Öffentlich-rechtliche Organisationsformen
104
7.1.1.1.4 Resümee
104
7.1.1.2 Kreditfinanzierung
105
7.1.1.2.1 Instrumente der langfristigen Fremdfinanzierung
106
7.1.1.2.2 Haushaltsrechtliche Bestimmungen zur Kreditaufnahme
114
Innenfinanzierung
116
7.1.2.1 Offene Selbstfinanzierung
117
7.1.2.2 Stille Selbstfinanzierung
119
7.1.2.3 Finanzierung aus Abschreibungen
119
7.1.2.4 Finanzierung aus Rückstellungen
119
7.1.2.5 Finanzierung aus Kapitalfreisetzung
120
Notwendiges Eigenkapital
120
7.2.1
Rechtliche Bestimmungen
120
7.2.2
Funktionen des Eigenkapitals
122
7.2.3
Beurteilung und Empirie
125
Besteuerung
129
8.1
Gewerbesteuer
130
8.2
Vermögensteuer
133
8.3
Körperschaft- und Kapitalertragsteuer
133
8.3.1
Körperschaftsteuer
134
8.3.2
Kapitalertragsteuer (KapSt)
135
8.3.3
Ermittlung der Gesamtbelastung
136
8.3.4
"Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren"
137
X
9.
Inhaltsverzeichnis
8.3.5 Vergleich von Betrieben gewerblicher Art und Kapitalgesellschaften
138
8.3.6 Unternehmensverbund
139
8.4
Umsatzsteuer
141
8.5
Steuerliche Auswirkungen der "Gemeinnützigkeit"
143
8.6
Resümee
143
Auftragsvergabe
145
9.1
Notwendigkeit der Reglementierung staatlicher Käufe
145
9.2
Vergabebedingungen
146
9.3
Ökonomische Beurteilung
150
9.3.1 Die Niedrigstpreisregel und der "Fluch des Gewinners"
150
9.3.2 Anreize zur Bildung von Angebotskartellen
153
9.3.3 Verschwendungsanreize bei Kostenerstattungsverträgen
156
9.3.4 Die Wirkung von Preissubventionen
159
10. Preispolitik
162
10.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
162
10.2 Ökonomische Analyse
163
10.2.1 Möglichkeiten der Preissetzung eines Mehrproduktunternehmens bei steigenden Skalenerträgen in Abhängigkeit von Verbundvorteilen und Marktzutrittsmöglichkeiten
167
10.2.2 Möglichkeiten der Gemeinkostenaufteilung
177
10.2.3 Preisbildung bei Spitzenlasten (Peak Load Pricing)
179
10.3 Resümee
183
11. Literatur
186
Index
195
1. Was sind öffentliche Unternehmen? Zur Kennzeichnung von Produktionsbetrieben werden im allgemeinen Sprachgebrauch und auch in der Literatur unterschiedliche Begriffe verwendet In der Betriebswirtschaftslehre wird in unterschiedlicher Form zwischen "Unternehmungen" und "Betrieben" differenziert. Manche Autoren begreifen den "Betrieb" als Obergriff über alle Produktionseinheiten und die "Unternehmung" als eine Erscheinungsform des "Betriebes", andere fassen die "Unternehmung" als dem "Betrieb" übergeordneten Begriff auf und wieder andere betrachten beide Wörter als nebeneinander stehend in dem Sinne, daß der "Betrieb" die produktionswirtschaftliche und die "Unternehmung" diefinanzwirtschaftlicheoder juristische Seite abbildet.1 Im täglichen Sprachgebrauch und im Steuerrecht tauchen auch Bezeichnungen wie "Firma", "Gewerbebetrieb", "gewerbliches Unternehmen", "Geschäftsbetrieb" usw. auf. Für öffentliche Produktionseinheiten werden großenteils die Termini "öffentliche Unternehmen" und "öffentliche Betriebe" synonym verwendet.2 Da an dieser Stelle der bestehenden Terminologie keine weitere Variante hinzugefügt werden soll, weiden im weiteren Verlauf dieses Manuskriptes die beiden letztgenannten Bezeichnungen ebenfalls gleichbedeutend eingesetzt. Bei der inhaltlichen Füllung des Begriffs "öffentliches Unternehmen" bzw. "öffentlicher Betrieb" stellen sich unabhängig von der Begriffswahl dennoch zwei wesentliche Fragen: - Was unterscheidet öffentliche von privaten Unternehmen? - Wo liegt der Unterschied zwischen öffentlichen Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen? Nach der Ziehung dieser Grenzlinien werden zur Orientierung noch einige weitere in der einschlägigen Literatur verbreitete Begriffe erläutert, die den meisten Ökonomen wegen ihrer juristischen Herkunft wenig geläufig sein dürften. Gleichwohl müssen sie in Zusammenhang mit öffentlichen Unternehmen erläutert werden, da sie im kommunalen Wirtschaftsrecht und im Steuerrecht von Bedeutung sind.
1.1 Öffentliche Unternehmen versus private Unternehmen (Abgrenzung nach den Eigentums- und Einfluß Verhältnissen) Die unternehmerische Betätigung der öffentliche Hand erfolgt in sehr verschiedener Weise. Dabei bedienen sich Staat und Kommunen auch sehr unterschiedlicher Untemehmensrechtsformen, wie noch ausführlicher diskutiert wird. Diese Rechtsformen lassen differenzierte Eigentumsverhältnisse zu (vgl. Abbildung 1.1). So ist zu beobachten, daß Unternehmen allein Vgl. z.B. Wöhe (1990), S. 12 ff.
Vgl. ebenda, S. 390.
2
1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
Abbildung 1.1: Mögliche Eigentumsverhältnisse bei öffentlichen Unternehmen
von einem öffentlichen Eigentümer ("Träger") oder gemeinsam von mehreren öffentlichen Eigentümern betrieben werden. In beiden Fällen handelt es sich definitionsgemäß immer um öffentliche Unternehmen. Bei mehreren öffentlichen Eigentümern spricht man auch von gemischt-öffentlichen Unternehmen. Exemplarisch für diesen Fall können die Saarbergwerke AG (Eigentümer sind der Bund und das Saarland) sowie Flughafen- und Forschungsgesellschaften angeführt werden, die zumeist zusammen vom Bund, einem oder mehreren Bundesländern und einer oder mehreren Kommunen bzw. Kommunalverbänden geführt werden.3 Auch die meist von mehreren Gemeinden ins Leben gerufenen Zweckverbände können der Kategorie gemischt-öffentlicher Unternehmen zugeordnet werden. A priori nicht mehr eindeutig ist die Lage, wenn ein Unternehmen gemeinsam von öffentlichen und privaten Anteilseignern geführt wird. Dann ist es der Gruppe der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen zuzuordnen. Beispielhaft sind Beteiligungen der öffentlichen Hand an Industrie- und Verkehrsunternehmen zu nennen wie die Anteile des Bundes an der Industrieverwaltungs AG (TVG) und der Deutschen Lufthansa oder die des Landes Niedersachsen an der Volkswagen AG (VAG).4 Handelt es sich dann aber noch um öffentliche Unternehmen? Zur Beantwortung weiden in der Literatur verschiedene Kriterien herangezogen. Eine erste Möglichkeit zur Unternehmenklassifikation ist die Betrachtung der formalen Kapitalmehrheit 3
4
Beispielsweise hielten 1989 der Bund 25,87%, das Land Hessen 45,24% und die Stadt Frankfurt 28,89% des Nennkapitals der Flughafen Frankfurt/Main AG. Die Kapitalanteile der Flughafen Köln/Bonn GmbH waren im gleichen Jahr verteilt auf den Bund (30,94%), das Land Nordrhein-Westfalen (30,94%), die Stadt Köln (31,12%), die Stadt Bonn (6,06%), den Rhein-Sieg-Kieis (0,59%) und den Rheinisch-Bergischen Kreis (0,35%) {vgl. BMF (1990)}. Bei der IVG stand 1989 dem Bundesanteil in Höhe von 55% ein privater Streubesitz von 45% gegenüber. Der Bundesanteil der Lufthansa betrug 51,62%, während 42,85% in privat»- Hand waren. Der Rest wurde von anderen öfentlichen Trägem gehalten {vgl. BMF (1990)}. Das Engagement Niedersachsens bei der VAG umfaßt 20% des Nennkapitals. Auf Bundesebene sind Industriebeteiligungen durch die Privatisierungen in den 80iger Jahren deutlich abgebaut worden. Früher existierte ein umfangreicher Beteiligungsbesitz an großen Industriekonzemen wie an dei VEBA, der VIAG und den Peine-Salzgitter-Stahlwerken (zur Privatisierungsentwicklung in der Bundesrepublik vgl. z.B. König (1988)}.
1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
3
- also der Eigentumsverhältnisse. So versteht Thiemeyer (1975, S. 19) unter öffentlichen Unternehmen solche, die ganz oder überwiegend im Besitz der öffentlichen Hand sind. Blankart (1980, S. 7 f.) definiert: "Öffentliche Unternehmen sind alle jene Produktionseinheiten, die sich ganz oder zu wesentlichen Teilen im Eigentum des Staates befinden und deren Preise bzw. Angebotsbedingungen seinem Einfluß unterliegen." Da die mögliche Einflußnahme auf die Unternehmenspolitik der wohl wichtigste Grund für die Kapitaleinlage der öffentlichen Hand ist (vgl. Abschnitt 7.2.2), die durch die öffentlichen Vertreter in den Entscheidungsorganen der Unternehmen ausgeübt wird, kann auch die Stimmenmehrheit als Differenzierungsmerkmal zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen herangezogen werden. Kapitalanteile und Mehrheitsverhältnisse auf Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften korrespondieren aber nicht zwangsläufig miteinander, denn viele Kleinaktionäre üben ihr Stimmrecht nicht aus (beispielsweise verfügten der Bund und das Land Niedersachsen bei der Volkswagen AG in früheren Zeiten mit jeweils 20% der Aktien gemeinsam und der Bund mit 43%iger Beteiligung an der VEBA AG allein über die Stimmenmehrheit auf den Hauptversammlungen beider Konzerne). Manchmal existieren auch Inhaberaktien mit Mehrfachstimmrecht, die einer Kapitalminderheit zu einer Stimmenmehrheit verhelfen {So geschehen bei den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken (RWE). Dort besaßen die Kommunen bis vor kurzem zwar nur 31,4 % der Kapitalanteile, aber wegen ihres Mehrfächstimmrechts die Hauptversammlungsmehrheit} .5 Unter diesem Gesichtspunkt könnten folgende Definitionen zur Abgrenzung von öffentlichen Unternehmen gegenüber Privatunternehmen verwendet werden: "Als öffentliches Unternehmen können ... alle Unternehmen mit einer zur Beeinflussung der Willensbildung de facto ausreichenden öffentlichen Kapitalbeteiligung bezeichnet werden." (Breitenstein, 1988, S. 263) bzw. "...wenn der Staat aufgrund der Höhe seiner Beteiligung in der Lage ist, einen nachhaltigen und dauerhaften Einfluß auf die Untemehmensverwaltung auszuüben" (Emmerich, 1980, S. 458). Eine pragmatische Lösung, die die Eigentums- und Stimmrechtsverhältnisse berücksichtigt, enthält der §8 Abs. 2 des Gesetzes über die Finanzstatistik,6 wonach alle Unternehmen, an deren Nennkapital oder Stimmrechten die öffentliche Hand - mittelbar oder unmittelbar - mehr als 50% hält, zu den öffentlichen Unternehmen gezählt werden. Diese Sichtweise scheint "vernünftig", so daß sie auch hier vertreten wird. Wird das genannte Doppelkriterium nicht erfüllt, wäre von einer Unternehmensbeteiligung der öffentlichen Hand zu sprechen.
5 6
Vgl. Breitenstein (1988), S. 263. Inder Fassung v. 11.06.1980 (BGBl. I, S. 673).
4
1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
1.2 Öffentliche Unternehmen versus öffentliche Verwaltungen Bei der Abgrenzung zwischen öffentlichen Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen sind zwei Entscheidungskriterien zu nennen. Aus juristischer Sicht werden öffentliche Unternehmen als eine bestimmte Form der öffentlichen Verwaltungen angesehen, so daß verschiedene "Verwaltungsformen" auseinanderzuhalten sind. Zweitens kann eine Unterscheidung anhand der Stellung eines öffentlichen Unternehmen zum Trägerhaushalt vorgenommen werden. 1.2.1 Öffentliche Unternehmen als Teil der Verwaltung (juristische Sichtweise) Aus rechtlicher Perspektive wird zwischen verschiedenen Formen der Verwaltung unterschieden. Im wesentlichen handelt es sich dabei um die sog. "Hoheitsverwaltung", die "Eingriffsverwaltung" und die "Leistungsverwaltung"7 Ferner ist die "Bedarfsverwaltung" vorzufinden. Diese Begriffswahl sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß ein Teil dieser sog. "Verwaltungen" aus der Sicht eines Ökonomen als Unternehmen einzuordnen sind. "Hoheitsverwaltung" ist ein Oberbegriff, unter den die Bezeichnungen "Eingriffs-" und "Leistungsverwaltung" zusammengefaßt werden (vgl. Abbildung 1.2). Die Hoheitsverwaltung basiert auf der Vorstellung eines Über- bzw. Unterordnungsverhältnisses zwischen dem Staat und seinen Bürgern. Zur Sicherung der Individualrechte der Bürger und Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze ist die hoheitliche Verwaltung an Gesetze (Verwaltungsrecht) gebunden. Typisch für die hoheitliche Verwaltung ist der Verwaltungsakt.g Hoheitliche Befugnisse können neben Behörden aber auch Subjekten des privaten Rechts aufgrund von Gesetzen zugewiesen werden. Als Beispiele können technische Überwachungsvereine (TÜV), Notare und privatrechtliche Versorgungsunternehmen, die mit Kontrahierungszwängen und Gebührenerhebung arbeiten, genannt werden. Die Unterscheidung zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung orientiert sich an der Art der erlassenen Verwaltungsakte. Verwaltungen, die überwiegend "belastende" Verwaltungsakte erlassen, werden der Eingriffsverwaltung zugeordnet. Belastende Eingriffe sind als Eingriffe in individuelle Rechte durch Befehls- oder Zwangsgewalt (Ver- und Gebote, Zahlungsverpflichtungen) anzusehen. Sind die Verwaltungsakte vornehmlich "begünstigender" Art, wind eine Behörde oder ein Betrieb der Leistungsverwaltung zugerechnet. Begünstigende Eingriffe wären z.B. Genehmigungen und Transferzahlungen.9 7 8
9
Vgl. hierzu z.B. Becker (1989). "Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswiikung nach außen gerichtet ist" {§118 Satz 1 Abgabenordnung (AO)). Der wesentliche juristische Unterschied liegt in der Tatsache, daß für die Eingriffsverwaltung immer der Gesetzesvorbehalt gilt, also für jeden Eingriff eine gesetzliche Grundlage benötigt wird. Im Rahmen der Lei-
1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
5
Abbildung 12: Formen der Verwaltung und öffentliche Unternehmen
Dem Bereich der Eingriffsverwaltung gehören typischerweise Polizei-, Ordnungs-, Zollund Finanzbehörden an, deren Hauptaufgaben in der Durchsetzung von Rechtsnormen und der Erhebung von Steuern und Zöllen bestehen. Die Leistungsverwaltung (auch sog. "gewährende" Verwaltung) nimmt nach dem genannten Schema "Umverteilungsfunktionen" und "Dienstleistungsfunktionen" wahr. Zur erstgenannten Kategorie zählen die Gewährleistung der verschiedenen Sozialtransfers wie Renten-, Arbeitslosengeld- und -hilfe, Wohngeld-, BAFöG- sowie Sozialhilfezahlungen. Die Abwicklung von Subventionszahlungen wird ebenfalls von der "umverteilenden" Leistungsverwaltung erbracht. Der "diensdeistenden" Leistungsverwaltung werden im wesentlichen -
Bildungseinrichtungen (Schulen und Hochschulen), Betriebe des Gesundheitsbereichs (Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen), Kultur- und Freizeitbetriebe (Theater, Museen, Orchester, Bäder, Sportstätten etc.), Verkehrsuntemehmen (Bundesbahn und Bundespost, öffentlicher Personennahveikehr), Ver- und Entsorgungsuntemehmen (Energie- und Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallbeseitigung usw.)
zugeordnet.10
10
stungsverwaltung besteht nur in bestimmten Fällen der Vorbehalt des Gesetzes {vgl. Becker (1989), Sp. 600). Vgl. z.B. Fischedick {(1986), S. 4 ) , Becker {(1989), Sp. 598}. Soweit wie bei den Ver- und Entsorgungsunternehmen Benutzungszwang beteht, stellen solche Betriebe sowohl Eingriffs- als auch Leistungsverwaltung dar. Eine ökonomisch-finanzwissenschaftliche Betrachtung verwischt ohnehin den Unterschied zwi-
6
1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
Von Bedarfsverwaltung (Eigenverwaltung) wird in Zusammenhang mit der Deckung des Eigenbedarfs der öffentlichen Hand gesprochen. Privatbürger kommen dann als Abnehmer der erstellten Leistungen unmittelbar nicht in Frage. In der Regel wird im Rahmen der Bedarfsverwaltung eine Kostendek-kung angestrebt Wegen des Fehlens ausreichend detaillierter Kostenrechnungssysteme und der Abwesenheit von Marktpreisen ergeben sich aber leicht Probleme bei der Kostenermittlung und -Zurechnung. Gerade in Zusammenhang mit der Unterhaltung von Bedarfsverwaltungen taucht schnell die Privatisierungsfrage - also das betriebswirtschaftliche Entscheidungsproblem zwischen Eigenerstelllung oder Fremdbezug ("Make-or-buy") auf.11 Beispiele für "Betriebe der Bedarfsverwaltung" sind: Kantinen, Krankenhauswäschereien, Gebäudereinigungen, Hausdruckereien und Werkstätten (sog. "Hilfsbetriebe"). 1 . 2 . 2 Exkurs: Hoheitsbetriebe, wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Unternehmen In Zusammenhang mit der (dienstleistenden) Leistungsverwaltung, im Steuerrecht (vgl. Abschnitt 8) und im kommunalen Wirtschaftsrecht tauchen die Termini "Hoheitsbetriebe", "wirtschaftliche Unternehmen" und "nichtwirtschaftliche Unternehmen" auf. Aus diesen Zuordnungen ergeben sich z.B. steuerliche Konsequenzen und Auswirkungen auf die Rechtsformenwahl sowie auf das Rechnungswesen. Daher sind die Begriffe kurz zu erläutern. "Hoheitsbetriebe" dienen überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt. "In den Bereich der öffentlichen Gewalt fallen solche Tätigkeiten, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts durch Gesetz zugewiesen sind oder zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist".12 Damit zählen z.B. Ab-
11 12
schen beiden Eingriffsformen. Unter Inzidenzgesichtspunkten impliziert die Begünstigung einer Person zumeist die gleichzeitige Belastung von einer oder mehreren anderen Personen. Ein typisches Beispiel stellen die Sozialtransfers dar. Sie dienen explizit der Umverteilung und begünstigen Haushalte mit niedrigen Einkünften zu Lasten Besserverdienender. Belastungswirkungen würden lediglich bei den staatlichen Maßnahmen vermieden, die dem Pareto-Kriterium genügten. Juristen verwenden für einen Teil öffentlicher Unternehmen insbesondere der Leistungsverwaltung auch den Begriff der "öffentlichen Einrichtung''. Dieser Terminus stimmt weder vollständig mit dem hier zugrunde gelegten Unternehmens- noch dem Leistungsverwaltungsbegriff überein und wird daher vermieden. Zur Definition der "öffentlichen Einrichtung'' vgl. z.B. Hauser {(1987), S. 2}, Fischedick {(1986), S. 3). Zur "Make-or-buy"- Entscheidung vgl. z.B. Krusckmtz (1971), Männel (1981), Weber (1984). Fischedick {(1986), S. SS}. Kommunen und Landkreise erfüllen sowohl übertragene staatliche Aufgaben ("weisungsgebundene Auftragsverwaltung") als auch (weisungsfreie) Selbstverwaltungsangelegenheiten. Weisungsgebundene Auftragsverwaltung findet prinzipiell statt, wenn die betreffenden Aufgaben keiner staatlichen Sonderbehörde zugewiesen sind. Selbstverwaltungsangelegenheiten sind den Kommunen zugewiesen, werden aber häufig wegen ihrer Überörtlichkeit von Gemeindeverbänden (Landkreisen) wahrgenommen. Eine detaillierte Aufzählung kommunaler Aufgaben findet sich z.B. bei Eichhorn / Schneider (1986), S. 2 f. Die Kommunen tragen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben. Sie können die Durchführung aber auch an Dritte delegieren. Beispielsweise können die Kommunen einen Benutzungszwang für bestimmte Unternehmen (z.B. Klärwerk, Müllabfuhr) schaffen und entsprechende Gebühren erheben, während sie mit dem Einsammeln, Sortieren und der Verwertung von Abfällen bzw. der Abwasserbeseitigung private Unternehmen betrauen. Dazu sind verschiedene Rechtskonstruktion z.B. in Form sog. Betreibermodelle möglich {vgL z.B. Seifert / Metschkoll (1991)}.
1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
7
fall- und Abwasseibeseitigungsunternehmen, die Straßenreinigung, Schlacht- und Friedhöfe zu den Hoheitsbetrieben. Andere Unternehmen wie die kommunalen Nahverkehrsunternehmen gehören demzufolge nicht zu den Hoheitsbetrieben. Die Unterscheidung zwischen zwischen "wirtschaftlichen" und "nichtwirtschaftlichen" Unternehmen findet sich beispielsweise in der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO).13 Zu den "wirtschaftlichen Unternehmen" (Einrichtungen) zählen "solche Einrichtungen und Anlagen, die von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden können".14 Dabei dürfte es sich vor allem um Versorgungsuntemehmen handeln.15 Der Gruppe der "nichtwirtschaftlichen Unternehmen" sind im Umkehrschluß zunächst die Einrichtungen und Anlagen zuzuordnen, die nicht unter die wirtschaftlichen Unternehmen fallen. Laut § 108 Abs. 3 NGO sind wirtschaftliche Unternehmen insbesondere nicht "Unternehmen und sonstige Einrichtungen, zu denen die Gemeinden gesetzlich verpflichtet sind, Unternehmen und sonstige Einrichtungen des Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der körperlichen Ertüchtigung, der Kranken-, Gesundheits- und Wohlfahrtspflege sowie solche ähnlicher Art und Hilfsbetriebe, die ausschließlich der Deckung des Eigenbedarfs der Gemeinde dienen."16 Die Summe aus wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Unternehmen stimmt grundsätzlich mit der Summe aus diensdeistender Leistungsverwaltung und Bedarfsverwaltung überein. Dieser Umstand unterstreicht die in Abbildung 1.2 vorgenommene Zuordnung dieser beiden "Verwaltungsformen" zu den öffentlichen Unternehmen.
1.2.3 Öffentliche Unternehmen und öffentliche Haushalte Zur Unterscheidung zwischen öffentlichen Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen wird vielfach ein haushaltstechnisches Kriterium verwandt Demnach werden alle Betriebe, die voll in den Trägerhaushalt integriert sind, dem Verwaltungsbereich zugeordnet. Da sie mit allen Ausgaben- und Einnahmenkategorien im Haushalt des Trägers ausgewiesen werden, werden sie auch als Bruttobetriebe bezeichnet.17 Dagegen gehören die nur mit ihren Zu- oder Abführungen im Etat des Trägers erscheinenden Nettobetriebe nach dieser Definition dem Unternehmensbereich an.18
13 14 15 16
17
18
Vgl. §§108 Abs. 3,116a NGO. Thiele (1992), S. 268. Vgl. Fischedick (1986), S. 4. Die Unterscheidung der NGO stimmt jedoch nicht mit steuerrechtlichen Kriterien überein. Betriebe, die laut Gemeindeordnung als "nichtwirtschaftlich" eingestuft werden - wie z.B. Hallenbäder - können steuerlich als Wirtschaftsbetriebe gelten {vgl. Häuser (1987), S. 132}. Nach der hier verwendeten Systematik entsprechen diese Unternehmen den später in Abschnitt 3.1.1 noch vorgestellten sog. "Regiebetrieben". Vgl. Breitenstein (1988), S. 264.
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1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
Bis auf die Regiebetriebe wären unter Anwendung der haushaltstechnischen Abgrenzung alle rechtlich möglichen Untemehmensformen aus der öffentlichen Verwaltung ausgegrenzt und der Klasse der öffentlichen Unternehmen zugerechnet Über die daraus resultierende Einordnung der kommunalen Regiebetriebe in die Verwaltungsphäre mag man sich streiten.19 Einerseits weisen diese Regiebetriebe organisatorisch, Vermögens- sowie verwaltungsrechtlich die gleichen Merkmale wie öffentliche Verwaltungen auf. Andererseits nehmen sie überwiegend Aufgaben wahr bzw. erbringen Leistungen, die eindeutig wirtschaftlich oder marktmäßig organisierbar sind. Ihre wirtschaftliche Orientierung wird auch durch die überwiegende Anwendung der über die reine Verwaltungskameralistik hinausgehenden erweiterten Kameralistik dokumentiert.20 Letztere dient als Basis für eine Art Aufwands- und Ertragsrechnung, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht als rudimentär zu bezeichnen ist. Im weiteren Verlauf dieses Manuskriptes wird zwischen öffentlichen Unternehmen im weiteren Sinne (= Nettobetriebe inkl. Brutto- bzw. Regiebetriebe) und öffentlichen linternehmen im engeren Sinne (Nettobetriebe) unterschieden.21 Damit werden hier neben den landläufig den Unternehmen bzw. Betrieben zugerechneten Wirtschaftseinheiten wie Verkehrs- und Versorgungsunternehmen auch Einrichtungen wie die Rundfunkanstalten als Wirtschaftsuntemehmen angesehen. 1.3 Weitere Abgrenzungen Neben den eben diskutierten Eigentums- und haushaltsrechtlichen Merkmalen könnte beispielsweise der Versuch unternommen werden, öffentliche Unternehmen anhand ihrer Zielsetzungen abzugrenzen. Häufig herangezogene Zielkriterien setzen am "Gewinn", der "Gemeinnützigkeit" oder der "öffentlichen Bindung" an. Es wird gezeigt, daß diese Kriterien zur Abgrenzung öffentlicher Unternehmen ungeeignet sind.
1.3.1 Überschuß-, Kostendeckungs- und Zuschußbetriebe Eine fiskalische bzw. an der Gewinnerzielung orientierte Unterscheidung ist die Differenzierung zwischen "Uberschuß-", "Kostendeckungs-" und "Zuschußbetrieben". Viele öffentliche Unternehmen sind aufgrund ihres Güterangebots oder ihrer Preiskalkulation von vornherein auf Verlust angelegt. Sie müssen daher dauerhaft aus dem Trägerhaushalt bezuschußt werden. Ein
19
20 21
Aus ökonomischer Perspektive ist dieser Streit nicht sehr ergiebig, so daß auf weitere Ausführungen verzichtet wird. Aus juristischer Sicht gilt offenbar anderes: "Diese Abgrenzung der wirtschaftlichen Unternehmen von anderen öffentlichen Einrichtungen wirft komplizierte Fragen auf" [Püttner (1985) S. 26}. Vgl. z.B. Bals (1989), Sp. 829 ff. Diese Definition dürfte dem bei Lader {(1992), Sp. 1449} erscheinenden Begriff "öffentliche Betriebe im weitesten Sinne" nahe kommen. Als öffentliche Betriebe im weiten Sinne werden dort Bruttobetriebe aufgeführt.
1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
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Beispiel für Zuschußbetriebe sind die Bundesbahn und die chronisch defizitären Betriebe des öffenüichen Personennahverkehrs22 oder Schauspielhäuser.23 Häufig wird für öffentliche Unternehmen das Postulat der Kostendeckung erhoben. Kostendeckende Betriebe befreien den Haushalt des Trägers einerseits von dauerhaften Belastungen. Andererseits wird das Kostendeckungsziel von den meisten Ökonomen befürwortet, da von der dauerhaften Subventionierung eines Unternehmens keine Anreize zu effizientem (kostenimnimierendem) Handeln ausgehen. In der Praxis sind die Hoheitsbetriebe der Gemeinden (z.B. Betriebe der Abfall- und Abwasserbeseitigung) häufig auf Kostendeckung ausgelegt Gewinnbringende Überschußbetriebe der öffentlichen Eigentümer sind häufig Monopolbetriebe (z.B. die TELEKOM) oder Industriebeteiligungen. Sie tragen zu einem Teil zur Finanzierung des Haushaltes ihres Trägers bei. Beispielsweise führte früher die Bundespost einen Teil ihres Jahresgewinns an den Bundeshaushalt ab. Als einziges gegenwärtig gewinnbringendes Unternehmen aus der "alten" Bundespost verblieb die TELEKOM, die zur Zeit Verluste des POSTDIENSTES und der POSTBANK ausgleichen und einen Teil der Gewinne an den Bund abführen muß. Ein anderes "klassisches Beispiel" ist die Bundesbank. Ein Großteil ihrer Gewinne werden ebenfalls regelmäßig dem Bundeshaushalt zugeführt. 22
23
Zur Abmilderong bzw. Vermeidung von Haushaltsbelastungen könnten gewinn- und verlustbringende Betriebe zu einem Unternehmen zusammengefaßt werden. "Verbunduntemehmen" sind z.T. gesetzlich vorgesehen. Nach § 2 Satz 1 der niedersächsischen Verordnung über Eigenbetriebe und andere prüfungspflichüge Einrichtungen (Eigenbetriebsverordnung - EigBetrVO) v. 15.08.1989 sollen Verkehrs- und Versorgungsuntemehmen jeweils gemeinsam geführt werden. Daraus können sich u.U. Verbundvorteile ("economies of scope"- vgl. Abschnitt 10) inkl. steuerlicher Vorteile (vgl. Abschnitt 8) ergeben {betriebswirtschaftliche Betrachtungen des Querverbundes finden sich z.B. bei Braun (1987) u. Nolle (1988)}. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht der durchschnittlichen Kostendeckungsgrade in % ausgewählter kommunaler Gebührenhaushalte für 1990. Der Kostendeckungsgrad ergibt sich aus dem Anteil der Benutzungsgebühren und ähnlicher Entgelte an den Ausgaben des Verwaltungshaushaltes1 dieser Einrichtungen. Abwasserbeseitigung Abfallbeseitigung Schlachthöfe Friedhöfe Straßenreinigung Musikschulen Volkshochschulen Bäder Theater Kindergärten Museen Büchereien
87,2 89,3 68,1 66,3 65,9 29,9 28,8 22,5 12,5 12,4 6,9 2,2
Quelle: Deutscher Städtetag (Hrsg.): Gemeindefinanzbericht 1992, S. 105. Da es sich um Durchschnittswerte handelt, können die Werte zwischen den Kommunen natürlich erheblich schwanken. Hummel / Berger {(1988), S. 177} ermittelten für die Gesamtheit der Musik- und Sprechtheater in drei Städten folgende Einnahmendeckungsgrade: 25,1 % (München 1984), 8,9% (Essen 1986) und 12,8% (Kassel 1984). 1 In den Einnahmen dürften Abschreibungen und (kalkulatorische) Eigenkapitalzinsen enthalten sein, da die Gemeindeordnungen (z.B. § 12 NGO) für sog. "kostenrechnende Einrichtungen" eine "angemessene" Veranschlagung dieser Kostenkomponenten als Einnahmen der Verwaltungshaushalte fordern.
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1. Kapitel: Was sind öffentliche Unternehmen?
1 . 3 . 2 Öffentliche versus gemeinnützige bzw. gemeinwirtschaftliche Unternehmen Öffentliche Unternehmen sind nicht zwangsläufig mit gemeinnützigen oder gemeinwirtschaftlichen Unternehmen gleichzusetzen, auch wenn viele staatliche Unternehmen Zielsetzungen verfolgen, die von den Zielen "klassischer" privater Unternehmen abweichen. Beispielsweise müssen die Bundespost und die Bundesbahn neben ihren unternehmerischen Aufgaben sog. "gemeinnützige" Ziele24 oder öffentliche Aufgaben wie die gleichmäßige Versorgung aller Regionen in der Bundesrepublik verfolgen. Ausschließlich profitorientierte Unternehmen würden diese Aufgaben nicht wahrnehmen. Allerdings ist eine eindeutige Definition von "Gemeinnützigkeit" sehr problematisch - diesbezüglich dürfte ein gesellschaftlicher Konsens nur schwer zu finden sein.25 Zudem bestehen erhebliche Schwierigkeiten bei der Ermittlung derErfolgswiiksamkeit gemeinnütziger Zielsetzungen.26 Gemeinnützige Unternehmen befinden sich aber nicht nur im Besitz der öffentlichen Hand, auch private Träger wie die Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Genossenschaften, Gewerkschaften sowie diverse Stiftungen nehmen Aufgaben wahr, die gewöhnlich unter den Begriff "gemeinnützig" eingeordnet werden. Als gemeinnützig deklarierte Ziele werden von diesen Institutionen in Betrieben mit unterschiedlichen Rechtsformen verfolgt D. h. es besteht kein zwangsläufiger Zusammenhang zwischen der Rechtsform, dem Eigentümer und den Zielsetzungen.27 Umgekehrt beschränken sich bestimmte öffentliche Unternehmen (Industriebeteiligungen) faktisch auf rein unternehmerische Aufgabenstellungen. Die Etikettierung "Gemeinnützigkeit" sagt auch nichts über Preisniveau, Qualität und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens aus. Ebensowenig garantiert eine solche Deklaration die Einhaltung von Rechtsnormen. So dürfte das Ansehen des gemeinnützigen Wirtschaftssektors durch die Affairen um die Gewerkschaftsuntemehmen "Neue Heimat" und "Co-Op" stark beschädigt worden sein. 1.3.3 Öffentliche versus öffentlich gebundene Unternehmen Die Unterscheidung zwischen öffentlichen und öffentlich gebundenen Unternehmen orientiert sich nicht an Eigentumsverhältnissen und unternehmerischen Zielsetzungen, sondern an der staatlichen Gestaltung der Rahmenbedingungen bestimmter Märkte und Branchen und 24 25
26 27
Eine Diskussion der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben der Bundespost findet sich z. B. bei Plagematui (1988). Der Steuergesetzgeber versucht sich allerdings mit derartigen Abgrenzungen. Dies hat erhebliche unternehmerische Konsequenzen. Bei einer Anerkennung eines Betriebes oder bestimmter Betriebsteile als "gemeinnützig" durch die Finanzbehörden »geben sich Steuerbefreiungen und -ermäßigungen (vgl. Abschnitt 8.S). Vgl. z. B. Kaluza / Feischer (1983). Z. B. betreiben die allgemeinen Ortskrankenkassen in Baden-Württemberg zusammen mit ihrem Landesverband als gemeinsame Gesellschafter eine gemeinnützige Krankenhaus-GmbH für Prävention und Rehabilitation {vgl. Sing (1991)}. Hier findet sich eine private Rechtsform mit gemeinnütziger Seisetzung.
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damit letztendlich an der Einflußnahme auf Unternehmensentscheidungen.28 Der Terminus "öffentliche Bindung" entspricht weitestgehend der Bezeichnung "Regulierung", die vor allem unter Industrieökonomen gebräuchlich ist. Die (De-)Regulierungsdebatte wird spätestens seit dem Ende der 70iger Jahre mit dem Aufkommen der "Theorie der bestreitbaren Märkte"29 unter Wirtschaftstheoretikern intensiv geführt30 Regulierende Eingriffe des Staates sind in allen Wirtschaftsbereichen zu beobachten. Sie betreffen sowohl öffentliche als auch private Unternehmen. Vielleicht läßt sich aber sagen, daß öffentliche Unternehmen stark in den Branchen vertreten sind, die besonders intensiven staatlichen Einflüssen unterliegen. Dies sind u.a. der Energie- und Verkehrssektor, Ver- und Entsorgungsuntemehmen, die Telekommunikation und der Bankenbereich. Eingriffsarten in diesen Sektoren sind z. B. Kalkulation- und Preisvorschriften, Kontrahierungszwänge, Liefervorschriften über Menge, Zeitpunkt und Qualität, Beförderungszwänge u.v.m. Andere Branchen sind von staatlichen Maßnahmen wie Sicherheitsvorschriften, Produktstandards, Haftungsregeln betroffen.31 Genau besehen dürfte kein Wirtschaftsuntemehmen existieren, das nicht auf irgendeine Art und Weise staatlich reguliert wird und damit "öffentlich gebunden" ist. 1.4 Resümee Sucht man eine Definition für "Öffentliches Unternehmen (Betriebe)", die an bereits existierende Abgrenzungen anknüpft, scheint es sinnvoll je nach Begriffskontext - Bruttobetriebe (mit über 50%-igen Stimmen- bzw. Kapitalanteil) und Regiebetriebe bzw. - die dienstleistende Leistungsverwaltung und die Bedarfsverwaltung als öffentliche Unternehmen (Betriebe) zu bezeichnen. Nicht zur Charakterisierung öffentlicher Unternehmen geeignet sind die Termini "gemeinnützige" bzw. "gemeinwirtschaftliche" Unternehmen und "öffentlich gebundene" Unternehmen, da auch private Unternehmen gemeinnützig und öffentlich gebunden sein können und öffentliche Unternehmen nichtnotwendigerweise gemeinnützig sind.
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Thiemeyer {(1983), S. 19) definiert; "Unter öffentlicher Bindung versteht man die Einengung der Untemehmerdisposition der Betriebe eines bestimmten Wirtschaftszweiges in Hinsicht auf das öffentliche Interesse." Er räumt aber gleichzeitig Schwierigkeiten bei der Abgrenzung dieses Begriffes ein (vgl. ebenda). Ein "Klassiker" zu diesem Thema ist der Titel "Contestable Maikets and the Theory of Industry Structure" von Baumol / Panzar / Willig (1988). Eine grundlegende Idee dieses Ansatzes bestand darin, daß die Drohung des Marktzutritts potentieller Konkurrenten die auf (Monopol)Märkten befindlichen Unternehmen zu effizientem Verhalten zwingt (vgl. Abschnitt 10.2). Die ersten deutschsprachigen Arbeiten zur Regulierung stammen von Müller I Vogelsang (1979) und Kaufer (1981). Vgl. auch Thiemeyer (1987). Insbesondere zu den Anreizen, die von der staatlichen Einflußnahme auf Produktvielfalt und -qualität ausgehen vgl. Finsinger (1991).
2. Rechtliche Rahmenbedingungen Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand und damit auch öffentliche Unternehmen unterliegen einer Vielzahl von Rechtsnormen. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es kein Gesetz, welches ausdrücklich für öffentliche Unternehmen geschaffen wurde und systematisch das Recht für öffentliche Unternehmen kodifiziert, so daß die für öffentliche Unternehmen relevanten Rechtsnormen über sehr verschiedene Rechtsbereiche verstreut sind. Bestimmungen für öffentliche Unternehmen finden sich in der Verfassung, in Bundes- und Landesgesetzen. Neben Sondergesetzen für einzelne öffentliche Unternehmen finden sich auch Sonderbestimmungen für öffentliche Unternehmen in einzelnen Gesetzen. 3 2 Lediglich auf kommunaler Ebene existiert ein allgemeines Recht für öffenüiche Unternehmen, dessen Ursprünge in der deutschen Gemeindeordnung (DGO) v. 30.01.1935, der Gemeindehaushaltsoidung v. 4.9.1937 und vor allem in der Eigenbetriebsverordnung (EigVO) v. 21.11.1938 zu finden sind.33 Das heutige sog. "kommunale Wirtschaftsrecht" ergibt sich aus den Gemeindeordnungen (GO's), den Eigenbetriebsgesetzen (EigBG's) bzw. Eigenbetriebsverordnungen (EigBetrVO's) und weiteren Einzelverordnungen.34 Da das Kommunalwirtschaftsrecht weitgehend in den Hoheitsbeieich der Bundesländer fällt, weichen die entsprechenden Bestimmungen im Detail etwas voneinander ab.35 Die weiteren Ausführungen zur kommunalen Ebene erfolgen deshalb exemplarisch anhand der niedersächsischen Bestimmungen. In Niedersachsen sind für die Unterhaltung kommunaler Unternehmen insbesondere die Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) i.d.F. v. 22.06. 1982 (speziell die §§ 108-124) und die Verordnung über Eigenbetriebe und andere prüfungspflichtige Einrichtungen (Eigenbetriebsverordnung - Nds. EigBetrVO) v. 15.08.1989 maßgeblich. Ferner sind die Verordnungen über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans der Gemeinden - Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) v. 27.08.1973, die Verordnung über die Prüfung des Jahresabschlusses der Eigenbetriebe und anderer Prüfungspflichtiger Einrichtungen (JA PrüfVO) v. 14.07.1987 und die Verordnung über die Haushaltswirtschaft kaufmännisch geführter nichtwirtschaftlicher Einrichtungen v. 9.12.1987 zu nennen. An dieser Stelle kann keine ausfuhrliche Diskussion aller rechtlichen Einzelfragen geleistet werden. Aus pragmatischer Sicht soll hier nur untersucht werden, wann die Errichtung von und
32 33 34 35
Vgl. z.B. Püttner (1985). Dort wird auch eine - leider etwas veraltete - Übersicht gegeben. Vgl. Püttner (1985). Eine ältere Übersicht findet sich bei Decker I Ludwig (1978). Eine ausführliche Diskussion rechtlichen Fragen der kommunalen Wirtschaft findet sich bei Püttner (1984c).
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die Beteiligung an öffentlichen Unternehmen überhaupt zulässig ist Femer sind die rechtlichen Einschränkungen bei der Rechtsformenwahl vorzustellen.
2.1. Rechtliche Zulässigkeit öffentlicher Unternehmen Über die grundsätzliche Zulässigkeit öffentlicher Unternehmen bzw. darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gebietskörperschaften Unternehmen führen, erweitern oder neu gründen dürfen, ist in der Vergangenheit nicht nur aus ordnungspolitischer, sondern auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive gestritten worden.36 Mehrheitlich scheint sich unter Verfassungsexperten die Meinung herausgebildet zu haben, daß das Grundgesetz "praktisch keine Schranken, allerdings auch keine positive Bejahung öffentlicher Unternehmen"37 vorgibt. Infolgedessen hat die juristische Auseinandersetzung keinen wirksamen Einfluß auf das Ausmaß der unternehmerischen Betätigung der öffentlichen Hand gehabt. Beispielsweise ist der seit den 8Qiger Jahren zu beobachtende Abbau der Industriebeteiligungen des Bundes eher auf ordnungs- und fiskalpolitische Motive zurückzuführen. Gleichwohl bestehen einige grundsätzliche, formale Anforderungen für den Betrieb staatlicher Unternehmen. In diesem Zusammenhang ist zwischen den gleichlautenden Bestimmungen für den Bund und die Länder einerseits und den davon abweichenden Vorschriften für die Gemeinden auf der anderen Seite zu unterscheiden. a) Beteiligungen des Bundes und der Länder Nach § 65 Abs. 1 BHO und den einschlägigen Bestimmungen in den Landeshaushaltsoidnungen sind Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmen nur zulässig sind, wenn: - ein wichtiges Interesse des Bundes/Landes vorliegt, - der vom Bund/Land angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Art und Weise erreicht wenden kann, - die Einzahlungsveipflichtung auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist, - der Bund/das Land einen angemessenen Einfluß in den Aufsichtsgremien hat und - der Jahresabschluß/Lagebericht entsprechend den Vorschriften des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften aufgestellt und geprüft wird. Üblicherweise ist bei der Gründung eines oder der Beteiligung an einem privatrechtlichen Unternehmen die Zustimmung des Finanzministers einzuholen (§ 65 Abs. 2 BHO). b) Beteiligungen der Kommunen Auf kommunaler Ebene gelten in diesem Kontext die Gemeindeordnungen der Länder, die am Beispiel der niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) dargestellt werden. Die NGO un36 37
Vgl. Püttner (1986), S. 58 ff. Vgl. Emmerich (1980), S. 458.
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terscheidet auch hier zwischen 1) "wirtschaftlichen" und 2) "nichtwirtschaftlichen Unternehmen"^ 8 1) Ähnlich zu den staatlichen Normen enthält der § 108 NGO die Vorschrift, daß wirtschaftliche Unternehmen von den niedersächsischen Kommunen nur errichtet, übernommen oder wesentlich erweitert werden dürfen, wenn: - der öffentliche Zweck dies rechtfertigt, - das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zu dem voraussichtlichen Bedarf steht und - der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch andere (private oder öffentliche Unternehmen) erfüllt werden kann. Bei Beteiligungen der Gemeinden an wirtschaftlichen Unternehmen gelten die gleichen Voraussetzungen. Ferner muß eine (Rechtsnorm gewählt werden, die die Haftung der Kommunen begrenzt (§ 110 NGO Abs. I) 39 Gleiches gilt für Unternehmen, die sich im Mehrheitsbesitz der Gemeinden befinden und sich an privatrechtlichen Unternehmen beteiligen wollen. Die Errichtung, Übernahme, wesentliche Erweiterungen und Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen sind bei der Kommunalaufsichtsbehöide anzeigepflichtig (§ 109 NGO). 2) Für nichtwirtschaftliche Unternehmen gilt in diesem Kontext der § 116a Abs. 4 NGO. Er schreibt vor, daß die Gemeinden privatrechtliche Gesellschaften und Vereine, die ein nichtwirtschaftliches Unternehmen betreiben, nur gründen bzw. sich an diesen nur beteiligen dürfen, wenn - "Gründe des öffentlichen Wohl die Gründung oder Beteiligung erfordern (Hervorhebung durch den Verfasser), - die Gemeinde, sofern sie über die Mehrheit der Anteile verfügt, sich ein Letztentscheidungsrecht in allen wichtigen Angelegenheiten dieser Unternehmen sichert oder bei einer geringeren Beteiligung einen angemessenen Einfluß auf derartige Unternehmen und Einrichtungen wahrt, - die Haftung und Einzahlungverpflichtung der Gemeinde auf einen ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betrag begrenzt wird." Diese Anforderungen an die Gründung eines bzw. an die Beteiligung an nichtwirtschaftlichen Unternehmen werden grundsätzlich als relativ streng betrachtet, sind jedoch im Einzelfall zu prüfen. 40 Haushalt der Gemeinden abwerfen, soweit das mit ihrer Aufgabe der Erfüllung öffentlicher Bedürfnisse in Einklang zu bringen ist" (§ 114 Abs. 1 NGO). Ferner sollen die Einnahmen 38 39
40
Vgl. Abschnitt 1.2.2. Bei wirtschaftlichen Unternehmen in Privatrechtsform, die von einer Kommune allein getragen werden, ergibt sich die Haftungsbegrenzung indirekt aus § 108 Abs. 2 NGO, da die zugelassenen Rechtsformen (Kapitalgesellschaften) zu einer automatischen Risikobegrenzung auf das Stamm- bzw. Grundkapital fuhren. Vgl Thiele (1992), S. 276 f.
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jedes Unternehmens mindestens alle Aufwendungen decken und die Bildung von angemessenen Rücklagen ermöglichen (§ 114 Abs. 2 NGO). Hinter dieser Bestimmung ist die Idee der betrieblichen Substanzerhaltung zu erkennen. Von den nichtwirtschafüichen Unternehmen wird im Allgemeinen kein Ertrag gefordert, vielmehr verlangt § 116a Abs. 1 NGO: "Diese Unternehmen und Einrichtungen sind ebenfalls nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verwalten". Sie können auch nach kaufmännischen Grundsätzen geführt werden (§ 116a Abs. 3).41 Die Prüfung von Eigenbetrieben ist in § 123 NGO und die von privatrechtlichen Unternehmen in § 124 NGO und der "Verordnung über die Prüfung des Jahresabschlusses der Eigenbetriebe und anderer prüfungspflichtiger Einrichtungen" (JAPrüfVO v. 14.7. 1987) festgelegt. Für Eigenbetriebe haben die Kommunalprüfungsämter einen Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu bestellen. Zu prüfen sind Jahresabschluß, Lagebericht und Buchführung sowie weitere Details. Kommunale Unternehmen in privater Rechtsform sind auf jeden Fall unter handelsrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.42 Als Zweck der gemeinderechtlichen Vorschriften wird der Schutz der Kommunen vor übermäßigen wirtschaftlichen Risiken angesehen. Aus diesem Grunde läßt sich auch keine Beschränkung der kommunalen Wirtschaftsbetätigung aus dem Schutz privater Unternehmen vor staatlicher Konkurrenz ableiten.43 Der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist gemeindlichen Unternehmen allerdings durch Pauschalvorschriften in den Gemeindeordnungen grundsätzlich untersagt (§116 NGO "Monopolmißbrauch"). Der kurze Abriß zeigt eine starke Ähnlichkeit zwischen den staatlichen und kommunalen Rechtsnormen auf diesem Gebiet auf. Die meisten genannten Vorschriften bedürfen im Einzelfall einer konkreten Interpretation. Wohl wegen ihrer Unbestimmtkeit ist die praktische Relevanz dieser Vorschriften als gering anzusehen. Weder das staatliche Haushaltsrecht, das kommunale Wirtschaftsrecht noch die Aufsicht durch die Rechnungshöfe bzw. die kommunalen Prüfungsämter setzen demnach der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand substanzielle Grenzen.44 Prinzipiell bestehen andere Schranken im Rahmen des Privatrechts, deren Diskussion Rechtsexperten vorbehalten bleiben soll.45
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In diesem Fall gilt die "Verordnung über die HaushaltsWirtschaft kaufmännisch geführter nichtwirtschaftlicher Einrichtungen." Weitere Einzelheiten der Prüfung öffentlicher Unternehmen finden sich in Abschnitt 5. Vgl. Emmerich (1980), S. 459. Zudem sei der Hinweis erlaubt, daß die genannten Vorschriften nur von interner Bedeutung sind; die Wirksamkeit einer Beteiligung bleibt auch bei Verstoß gegen die Regelungen unberührt Vgl. z.B. Emmerich (1980), S. 460 ff.
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2.2 Bestimmungen zur Wahl der Rechtsform Die Rechtsform, in der ein Unternehmen betrieben wind, hat erhebliche Auswirkungen auf folgende betriebswirtschaftliche Aspekte, die in späteren Kapiteln diskutiert werden:4647 - Die Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten, - das Haushalts-, Rechnungs- und Priifungswesen, - die Personalwirtschaft und Mitbestimmung, - die Finanzierungsmöglichkeiten, - die Besteuerung und ist daher von fundamentaler Bedeutung. Ferner determiniert die Rechtsformenwahl in gewissem Maß, die hier mehr aus volkswirtschaftlicher Sicht beleuchteten Bereiche - der Aufitragsvergabe und - der Preispolitik. Es sei in diesem Kontext darauf hingewiesen, daß sich das Rechtsformenwahlproblem nicht nur bei einer Unternehmensgründung oder -beteiligung stellt, sondern ein latent permanent bestehendes Problem ist, weil sich Untemehmenszielsetzungen und gesetzliche Rahmenbedingungen - wie die Bestimmungen zur Besteuerung und zum Jahresabschluß - schnell verändern können.48 a) Bestimmungen zur Rechtsform bei Bund und Ländern In den Rechtsnormen auf Bundes- und Länderebene sind kaum systematische Aussagen über die Rechtsformen zu finden, in denen öffentliche Unternehmen betrieben weiden dürfen. Explizite Vorgaben enthielten bis vor kurzem z.B. der Art 87 Abs. 1 GG, der vorschrieb, daß Bundesbahn und Bundespost als "bundeseigene Verwaltung" zu führen seien und die Umwandlung dieser Unternehmens von einer öffentlich-rechtlichen in eine privatrechtliche Unternehmensform verhinderte.49 Für die Sparkassen sehen die Sparkassengesetze auschließlich die öffentlich-rechtliche Anstaltsform vor.
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Zu den Kriterien bei der Wahl der Rechtsform für öffentliche Unternehmen vgl. z.B. Pattner (1986), Janson (1987), Falkenberg / Probst (1987), Frahm I Kölbl (1989). Ausführliche Abhandlungen aus kommunaler Perspektive finden sich bei Fischedick (1986) und Hauser (1987). Ausschließlich aus juristischer Sicht wird das Rechtsformenwahlproblen z.B. bei Backhaus (1980), Püttner (1984a, 1985,1986,1989), Janson (1980a, 1980b) und Scholz / Pitschas (1984)betrachtet Beispielhaft für den wiederholten Rechtsformenwechsel eines öffentlichen Unternehmens sei auf das Stadttheater Heilbronn verwiesen (vgl. Frahm / Kölbl (1989)}. Sofern die Transaktionskosten einer UntemehmensumWandlung geringer als der daraus erwartete Nutzen sind, ist eine solche Aktion grundsätzlich empfehlenswert Vgl. z.B. Püttner (1989), Sp. 1382.
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b) Bestimmungen zur Rechtsform auf kommunaler Ebene Nach § 108 Abs. 2 NGO können wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinden entweder als "Eigenbetrieb" oder als "Eigengesellschaft" geführt werden.50 Nichtwirtschaftliche Unternehmen dürfen nach § 116a Abs. 2 nicht als Eigenbetriebe geführt werden. Die laut § 108 Abs. 3 Nr. 2 NGO als nichtwirtschaftliche Unternehmen anzusehenden kommunalen Krankenhäuser können aber nach den für Eigenbetriebe geltenden Vorschriften geführt werden (§ 116a Abs. 2 NGO).Unter bestimmten Voraussetzungen (wenn u.a. "Gründe des öffentlichen Wohls die Gründung oder Beteiligung erfordern" - § 116a, Abs. 4, Nr. 1 NGO) können nichtwirtschaftliche Unternehmen mit Zustimmung der Kommunalaufsichtsbehörde von privatrechtlichen Gesellschaften (Eigengesellschaften) oder Vereinen geführt werden (§ 116a Abs. 4 NGO). § 110 NGO Abs. 1 schränkt die Wahl der Rechtsform bei kommunalen Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen ein. Es dürfen lediglich Rechtsformen gewählt werden, die automatisch zu einer Haftungsbegrenzung führen. Bei nichtwirtschaftlichen Unternehmen kann die Haftungsbegrenzung auch vertraglich sichergestellt werden.51
2.3 Resümee Faktisch sind dem Bund, den Ländern und Kommunen hinsichtlich der Gründung von und der Beteiligung an öffentlichen Unternehmen keine entscheidendenrechtlichenGrenzen gesetzt Ferner ist die öffentliche Hand bei der Wahl der Rechtsform ihrer Unternehmen selten gesetzlich auf eine bestimmte Rechtsform festgelegt. Zumeist bestehen Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Unternehmensformen des öffentlichen und privaten Rechts. Festzuhalten bleibt femer, daß es keine eigene Rechtsform für öffentliche Unternehmen gibt. Zwar existieren Rechtsformen, die nur für die öffentliche Hand als Träger in Frage kommen (Regiebetriebe und Anstalten - vgl. Abschnitt 3) und von privaten Eigentümern nicht gewählt werden können. Umgekehrt kann sich die öffentliche Hand aber im Rahmen ihrer wirtschaftlichen (und i. S. der NGO nichtwirtschaftlichen) Betätigung für privatrechtliche Rechtsformen entscheiden. Die Idee einer generellen Rechtsform für öffentliche Unternehmen - wie sie z.B. in Großbritannien zu beobachten ist - wurde in der Vergangenheit gelegentlich diskutiert,52 der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag hierzulande jedoch nicht aufgegriffen.
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In manchen Bundesländern (Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Saarland) bestehen aufgrund der GO bei wirtschaftlichen Unternehmen eindeutige Präferenzen für Eigenbetriebe {vgl. Braun / Becken (1989), S. 436}. Prinzipiell wird aus der in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Organisationsgewalt der Kommunen im Rahmen der Leistungsverwaltung jedoch eine freie Wahlmöglichkeit zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Orgainisationsformen abgeleitet {vgl Fischedick (1986), S. 5)}. Vgl. Thiele (1992), S. 272. Vgl. Jtmson {(1980a), (1980b)}.
3. Rechtsformen für öffentliche Unternehmen Wie oben schon deutlich wurde, eröffnen sich der öffentlichen Hand bei der Gründung eines oder bei der Beteiligung an einem Unternehmen zumeist Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Rechtsform. Die Wahl der Rechtsform hat in der Regel erhebliche ökonomische Konsequenzen. Bevor diese im einzelnen in Kapitel 5 diskutiert werden, wild in diesem Abschnitt der Versuch unternommen, einen Uberblick und eine Kurzcharakterisierung der wichtigsten Rechtsformen zu geben. Dieses Kapitel schließt mit einer empirischen Übersicht der Verbreitung der verschiedenen Organisationsformen öffentlicher Unternehmen über verschiedene Branchen und staatliche Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden). Grundsätzlich stehen der öffentlichen Hand sowohl verschiedene öffentlich-rechtliche als auch mehrere privatrechtliche Untemehmensformen zur Verfügung (vgl. Abbildung 3.1). Welche Unternehmensformen im einzelnen in Frage kommen, hängt einerseits von der Unternehmenszielsetzung und andererseits davon ab, welche staatliche Ebene (Bund, Länder, Gemeinden) betrachtet wird.
3.1 Öffentlich-rechtliche Rechtsformen Öffentlich-rechtliche Untemehmensformen sind recht heterogener Natur. Vielfach sind sie bestimmten staatlichen Ebenen vorbehalten. Betriebe nach § 26 BHO/ LHO können z.B. ausschließlich vom Bund bzw. den Ländern unterhalten werden. Eigenbetriebe sind dagegen nur auf kommunaler Ebene zu beobachten. Auf jeden Fall können öffentlich-rechtliche Unternehmen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und nicht von Privatpersonen geführt weiden.
3.1.1 Regiebetriebe53 Regiebetriebe werden auch als einfache Anstalten bezeichnet. Regiebetriebe sind organisatorisch gegenüber der Verwaltung nicht verselbständigt; sie sind vielmehr Bestandteil der öffentlichen Verwaltung. Sie verfügen weder über eigene Organe, ein eigenes Vermögen, noch ein eigenes Rechnungswesen. Die organisatorische Eingliederung bedeutet, daß Regiebetriebe innerhalb der Verwaltungshierachie genauso wie andere "Ämter" und Abteilungen von einem dem öffentlichen Dienstrecht bzw. Weisungsrecht unterliegenden Beamten oder Angestellten (Amts- bzw. Abteilungsleiter) geführt werden. Die Unterscheidung zwischen Regiebetrieben und der öffentli53
Vgl. z.B. Adamaschek I Adams (1989).
3. Kapitel: Rechtsfonnen
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chen Verwaltung erfolgt hier allein anhand der Aufgabenstellung. Regiebetriebe sind je nach Begriffskontext entweder der "dienstleistenden Leistungsverwaltung" und der "Bedarfsverwaltung" oder den "nichtwirtschaftlichen" Unternehmen oder den "Hoheitsbetrieben" zuzuordnen.54 Die meisten Hoheitsbetriebe und viele nichtwirtschaftliche Unternehmen weisen die Rechtsform des Regiebetriebes auf. Beispiele sind Stadtreinigungs"ämter", Schlacht- und Viehhöfe, Gartenbau- und Forst"ämter". Auch "Kulturbetriebe" (Theater und Schauspielhäuser), Krankenhäuser oder Stadthallen werden in dieser Form geführt. Damit sind Regiebetriebe normalerweise nicht gewinnorientiert, sondern auf Kostendeckung ausgerichtet oder gar dauerhaft als "Zuschußbetrieb" konzipiert. Regiebetriebe sind aufgrund ihrer völligen Einbindung in den öffentlichen Haushalt als nichtrechtsfähig einzuordnen. Das Rechnungswesen der Regiebetriebe ist ein Teil des kameralistisch geführten Haushaltsplanes. Es besteht vollständige Etatbindung, d.h. alle (geplanten) Einnahmen und Ausgaben sind vollständig im Haushaltsplan des Trägers zu veranschlagen. Dies entspricht dem Bruttoprinzip. Aus der haushaltstechnischen Verknüpfung resultieren zwei ganz erhebliche Nachteile von Regiebetrieben. Erstens führt die Etatbindung zu einer völligen Inflexibilität bei Preisänderungen der Produktionsfaktoren z.B. durch Tariferhöhungen (zumal die Amtsleiter bei Beschaffungsfragen kaum autonom entscheiden können). Mögliche Folgen sind Verringerungen der Leistungsmenge und Qualitätseinbußen des Leistungsangebots. Zweitens erlaubt die Anwendung der Verwaltungskameralistik keine Aufstellung einer Gewinn- und Verlust-Rechnung. Um Regiebetriebe erfolgs- oder kostenorientiert (wodurch die Ermittlung von Aufwand und Ertrag sowie von Kosten und Leistungen notwendig wird) zu leiten und um kostendeckende Preise (Gebühren) errechnen zu können, müssen neben der Haushalts- und Finanzplanung der öffentlichen Verwaltung Sonder- und Nebenrechnungen (z.B. durch die Erweiterung der Verwaltungskameralistik und die Einführung einer innerbetrieblichen Kostenrechnung) geführt werden.55
3.1.2 Betriebe nach § 26 BHO/LHO Diese Betriebsform ist vergleichsweise selten anzutreffen - ca. 135 Bundes- und Landesbetriebe sind dieser Kategorie zuzuordnen - und findet daher in der Literatur kaum Erwähnung.56 Die grundsätzliche Einrichtungsmöglichkeit ergibt sich aus den §§ 26 der Bundesund Landeshaushaltsordnungen (BHO bzw. LHO) Abs. 1: "...wenn ein Wirtschaften nach
54 55 56
Vgl. Abschnitte 1.2.1 und 12.2. In der Praxis wird zumeist mit der erweiterten Kameralistik gearbeitet {vgl. Bals (1989), Sp. 829). Eine der wenigen Ausnahmen stellt ein Aufsatz von Eichhorn (1989) dar.
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3. Kapitel: Rechtsformen
Abbildung 3.1: Rechtsformen
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3. Kapitel: Rechtsformen
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Einnahmen und Ausgaben des Haushaltsplanes nicht zweckmäßig ist." Betriebe des Bundes und der Länder nach § 26 BHO/LHO weisen weitgehende Gemeinsamkeiten mit den kommunalen Regiebetrieben auf. Im Unterschied zur letztgenannten Kategorie sind sie jedoch aus dem Trägerhaushalt ausgegliedert. Haushaltswirtschaftlich handelt es sich also um Nettobetriebe, die primär erwerbswirtschaftlich oder am Bedarfsdeckungsprinzip orientiert sind. Da dieser Betriebsform kein eigenes Vermögen zugeordnet wird, ist zwar eine eigene Betriebsleitung anzutreffen, die aber kein selbständiges Organ darstellt und tendenziell über wenig unternehmerischen Entscheidungsspielraum verfügt. Die vorgesetzten Behörden - vertreten z.B. durch den zuständigen Referenten in der Beteiligungsverwaltung - haben über eine intensive Wahrnehmung ihrer Rechts- und Fachaufsicht die Möglichkeit, den Handlungsspielraum der Betriebsleitung sehr stark einzuengen. Dies kann dazu führen, daß die Betriebsleitung selbst bei Fragen in Zusammenhang mit der laufenden Geschäftsführung ständig Konsultationen mit der vorgesetzten Stelle aufnehmen muß. § 26 BHO/LHO-Betriebe werden entweder durch einen Organisationserlaß einer obersten Behörde oder aufgrund einer gesetzlichen Regel ins Leben gerufen. Der Träger haftet unbeschränkt. Exemplarisch können die Bundesdruckerei, das Bundes-Branntweinmonopol sowie auf Landesebene die Lotteriegesellschaften, Landeskrankenhäuser, Staatsbäder und Domänen (Staatsgüter) genannt werden. Die Relevanz dieser Betriebsform zeigt auch das Beispiel Hamburgs. Der Stadtstaat hat erst vor relativ kurzer Zeit zehn seiner bis dahin in den Verwaltungshaushalt eingebetteten Krankenhäuser unter dem Dach eines § 26-LHO-Betriebes zusammengefaßt.
3.1.3 Eigenbetriebe57 Diese Unternehmensform wird von juristischer Seite dem Obergriff "verselbständigte Anstalt" untergeordnet, unter den aber auch die Sondervermögen des Bundes fallen. Eigenbetriebe können nur von Gemeinden und Zusammenschlüssen von Gemeinden (Landkreisen und Zweckverbänden) geführt werden. Da keine detailierte gesetzliche Abgrenzung der Betätigungsgebiete von Eigenbetrieben existiert, ist diese Unternehmensform in verschiedenen Wirtschaftsbereichen anzutreffen. Eigenbetriebe dominieren im Versorgungs- (Elekrizität, Gas, Wasser, Fernwärme) und Verkehrsbereich (öffentlicher Personennahverkehr). Aber auch Häfen, Lagerhallenbetriebe, Messe- und Stadthallen etc. werden in dieser Rechtsform unterhalten.
57
Vgl. z.B. Zeiß (1989).
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3. Kapitel: Rechtsfoimen
Grundsätzlich sollen Eigenbetriebe - da sie ja wirtschaftliche Unternehmen sind58 - gleichzeitig einem öffentlichen Zweck dienen und gewinnorientiert arbeiten.59 Bei - vermutlich nicht selten auftretenden - Konflikten zwischen dem Gewinnziel und der Verfolgung des öffentlichen Zweckes hat nach herrschender juristischer Meinung der öffentliche Zweck Vorrang. Der wichtigste Unterschied gegenüber den Regiebetrieben besteht in der Loslösung aus dem allgemeinen Verwaltungshaushalt Eigenbetriebe sind - vermögensmäßig (durch eigenes Vermögen) und - rechnungsmäßig durch die Anwendung der doppelten Buchführung*0 sowie durch einen eigenen, an handelsrechtlichen Grundsätzen (AktG, HGB) orientierten Jahresabschluß inkl. Bilanz, Gewinn- und Verlust-Rechnung sowie Anlagennachweise) vom Träger abgegrenzt. Eigenbetriebe mit mehreren Betriebszweigen müssen darüber hinaus eine Erfolgsübersicht ausweisen, die eine Ergebniskontrolle der einzelnen Betätigungsfelder erlaubt. Allerdings sind Eigenbetriebe durch den von ihnen aufzustellenden Wirtschaftsplan, der sich aus einem Erfolgs-, Vermögens- und Stellenplan zusammensetzt und eine Anlage zum kommunalen Haushaltsplan bildet, mit dem Trägerhaushalt verknüpft Zusätzlich müssen Eigenbetriebe einen fünfjährigen Finanzplan aufstellen. Dort sind die Ausgaben und Einnahmen und die Vermögensentwicklung enthalten. Die geplanten Ergebnisse gehen in den Haushaltsplan des Trägers ein, was einer Nettobudgetierung gleichkommt. Darüber hinaus verfügen Eigenbetriebe - trotz ihrer rechtlichen Unselbständigkeit - über eine eigene Personalwirtschaft und eigene Organe. Organe des Eigenbetriebs sind die sog. "Werksleitung" und der "Werksausschuß". Die Werksleitung ist die Geschäftsführung der Eigenbetriebe. Sie unterliegt wie alle Bediensteten des Eigenbetriebs dem öffentlich-rechtlichen Dienstrecht und besteht zumeist aus einem oder mehreren Beamten. Grundsätzlich ist die Weiksleitung für die wirtschaftliche Führung des Eigenbetriebes verantwortlich (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nds. EigBetrVO), darf aber nur Entscheidungen, die die laufende Geschäftsführung betreffen, eigenständig fällen. Darunter werden alle Entscheidungen, die zur Aufrechterhaltung eines reibungslosen Geschäftsbetriebes fortlaufend getroffen werden müssen, verstanden. Über Kredite, neue Produkte, Personaleinstellungen usw. kann nicht von der Werksleitung entschieden werden.
Nach § 116a Abs. 2 NGO können nichtwirtschaftliche Unternehmen nicht als Eigenbetrieb geführt werden. Die grundsätzliche Gewinnerzielungsabsicht unterscheidet Eigenbetriebe von den meist als Regiebetrieb gefühlten Hoheitsbetrieben. Letztere sind i.d.R. auf Kostendeckung aus (vgl. Zeiß (1989), Sp. 284). Zumeist sollen Eigenbetriebe eine "marktübliche" Verzinsung aTeichen. Als marktüblich wird i.d.R. der Zinssatz für langfristiges Fremdkapital (z.B. für Kommunalobligationen) angesehen {vgl. Cronauge (1992, S. 78}. § 16 Nds. EigBetrVO sieht die kaufmännische Buchführung für Eigenbetriebe vor.
3. Kapitel: Rechtsformen
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Über alle wichtigen Angelegenheiten ist der Hauptverwaltungsbeamte (Gemeindedirektor) zu unterrichten (§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nds. EigBetrVO). Der Gemeindedirektor regelt auch die Geschäftsverteilung innerhalb einer mehrköpfigen Werksleitung per Dienstanweisung (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nds. EigBetrVO). Als Aufsichtsorgan fungiert ein Werksausschuß. In Niedersachsen kann der Gemeinderat bis zu ein Drittel der Sitze im Werksausschuß mit - stimmberechtigten - Personen besetzen, die weder Ratsmitglied noch Gemeindebedienstete sind.61 Die Hälfte der Werksausschußmitglieder sind Vertreter der Bediensteten (§104a Abs. 1 Nds. Pers. VG). Die Werksausschüsse haben die Aufgabe, Entscheidungen der Gemeindevertretung vorzubereiten. Den Werksausschüssen können vom Gemeinderat in bestimmten Angelegenheiten aber auch eigene Entscheidungsbefugnisse zugewiesen werden (§113 Abs. 4 NGO).62 Die Details der Kompetenzen von Werksleitungen und Werksausschüssen werden per Betriebssatzung geregelt. Ferner müssen die Satzungen nach § 5 der Nds. EigBetrVO mindestens Vorschriften über den Gegenstand und den Namen des Eigenbetriebes sowie die Höhe des Stammkapitals enthalten. Von den kommunalen Spitzenverbänden und Fachverbänden (z.B. Deutscher Städte- und Landkreistag, Verband kommunaler Unternehmen, Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe) liegen Mustersatzungen vor. Die Werksleitung ist grundsätzlich bis auf den engen Geschäftsführungsbereich an die Beschlüsse von Gemeinderat und Werksausschuß gebunden.63 Bei bestimmten Angelegenheiten (Geschäftsverteilung) unterliegt sie darüber hinaus der Weisungsbefugnis des Gemeindedirektors. In einigen Fällen ist die Werksleitung dem Gemeindedirektor auch zur Berichterstattung verpflichtet. Insgesamt gesehen ist die Werksleitung eines Eigenbetriebes z.B. im Vergleich zur Geschäftsführung einer GmbH mit wenig Kompetenzen ausgestattet. Da Eigenbetriebe über keine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen, bürgen die Kommunen für Verbindlichkeiten ihrer Eigenbetriebe. Wegen des Fehlens der Rechtspersönlichkeit können Eigenbetriebe vorbehaltlich der formalen Voraussetzungen aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung errichtet und aufgelöst werden.
In der Regel soll es sich dabei um "sachkundige" Bürger handeln {vgl. "Ausführungsbestimmungen zu § 113 NGO" in: Thiele (1992), S. 273}. Allerdings ist strittig, ob in diesem Fall die Bedienstetenvertreter demokratisch legitimiert sind."... wobei dann, wenn der Werksauschuß als Organ Beschlüsse faßt, d.h. öffentliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, zweifelhaft ist, ob ihre Wahl (der Vertreter der Bediensteten - Anm d. Verf.) durch die Bediensteten ihnen die nach Art 20 Abs. 2 GG erforderliche Legitimation verschafft." {Thiele (1992), S. 162 f.). Zu den Einzelheiten sei auf Abschnitt 4.4.1 verwiesen.
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3. Kapitel: Rechtsformen
3.1.4 Sondervermögen des Bundes und der Länder64 Sondervermögen werden - ebenso wie Eigenbetriebe - als verselbständigte Anstalten bezeichnet, aber im Gegensatz zu Eigenbetrieben wird ihnen eine Teilrechtsfähigkeit zuerkannt. Teilrechtsfähig heißt, daß sie gegenüber Dritten (Lieferanten, Kunden, Gläubigern) über eine Rechtspersönlichkeit verfügen. Im Verhältnis zum Träger besteht jedoch keine eigene Rechtsfähigkeit Die Haftung der Sondervermögen gegenüber Außenstehenden ist auf ihre Vermögensmasse beschränkt. Beispiele für Sondervermögen des Bundes sind die Bundespost, das ERP-Sondervermögen, der Lastenausgleichsfonds.65 Voraussetzung zur Einrichtung eines Sondervermögens ist ein gesetzlicher Akt (Einrichtungsgesetz). Bei der Haushaltsführung gelten entweder die Grundsätze des Haushaltsrechts (§113 BHO) oder entsprechende Regelungen mit einigen Besonderheiten (z.B. § 39 Abs. 3 PostverfG). Sie haben wie die Eigenbetriebe Wirtschaftspläne aufzustellen, bei denen ebenfalls weitgehend haushaltsrechtliche Vorschriften und Grundsätze zu beachten sind. Sondervermögen sind auf jeden Fall der Kategorie der Nettobetriebe zuzuordnen. Die Leitung der Sondervermögens weicht vom klassischen Behördenaufbau ab und ist analog der Philosophie von Aktiengesellschaften ausgestaltet Es gibt einen Vorstand, der die laufende Geschäftsführung besorgt und als Aufsichtsgremien fungierende Organe wie Verwaltungs- bzw. Aufsichtsräte. Für das Personal gilt das allgemeine Recht des öffentlichen Dienstes mit den dort anzutreffenden Besoldungs-, Laufbahn- und Personalvertretungsregeln. Das größte Sondervermögen des Bundes, die Bundespost, verfügt über Kollegialorgane, die mit Vertretern verschiedener Interessengruppen besetzt sind. Die Bundespost gliedert sich seit der ersten Postreform 1990 in die Teiluntemehmen POSTDIENST, POSTBANK und TELEKOM. Die Aufsichtsräte der Postuntemehmen kontrollieren jeweils einen mehrköpfigen Vorstand.66 Die Post wird als einziges Bundesunternehmen direkt von einem Minister geführt, der gegenüber den Aufsichtsräten bestimmte Genehmigungsrechte und gegenüber den Vorständen Widerspruchs-, Auftrags- und Auskunftsrechte hat Geschäftsführendes Organ der Bundespost ist das aus den drei Vorstandsvorsitzenden gebildete Direktorium.67 64
63 66
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Als Sondervermögen i.e.S. werden hier die Sondervermögen des Bundes verstanden. Die allgemeine Definitionen von Sondervermögen ist weiter gefaßt; danach zählen u.a. auch Eigenbetriebe und rechtlich unselbständige Stiftungen zu dieser Kategorie: "Sondervermögen sind von den Gebietskörperschaften Bund, Länder, Kreise, Städte und Gemeinden aus dem allgemeinen Haushalt oder Vermögen abgesonderte Geldoder Sachwerte, die der Erfüllung eines bestimmten Zweckes dienen und als rechtlich unselbständig verfaßt sind." (Schimanie (1989) Sp. 1445}. Eine vollständige Aufzählungfindetsich bei Schimanke (1989), Sp. 1448. Bei der Post bevölkern jeweils 7 Vetreter des Bundes, der Anwender und Kunden sowie des Personals die aus 21 Mitgliedern bestehenden Aufsichtsräte des POSTDIENSTES und der TELEKOM, während jeweils fünf Repräsentanten dieser Gruppen in den 15-köpfigen Aufsichtsrat der POSTBANK entsandt werden. Die bis dato großen Eisenbahn-Sondervermögen - die Bundes- und Reichsbahn - wurden von Vorstand und vom mit Vertretern verschiedener Interessengruppen besetzten Verwaltungsrat geführt und vom Bundesmi-
3. Kapitel: Rechtsfoimen
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Die Postunternehmen haben kaufmännische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, was sich u.a. in der Aufstellung des Jahresabschlusses nach handelsrechtlichen Grundsätzen äußert. Alle Teiluntemehmen haben den Auftrag der Erzielung einer angemessenen Eigenkapitalrendite, wobei bekanntermaßen derzeit lediglich die TELEKOM diesem Auftrag nachkommen kann. In naher Zukunft ist eine Umwandlung der Postunternehmen in Aktiengesellschaften zu erwarten ("zweite Postreform").
3.1.5 Rechtsfähige Anstalten68 Rechtsfähige Anstalten unterscheiden sich bezüglich ihres organisatorischen Aufbaus kaum von den nicht- bzw. teilrechtsfähigen Anstalten, besitzen aber in der Regel einen höheren Grad an Selbständigkeit. Anstalten entstehen per Einrichtungsgesetz oder per Staatsakt aufgrund eines Gesetzes. Für die Auflösung ist gleichfalls ein Spezialgesetz notwendig. Die einzige Ausnahme bilden die Sparkassen, für die allgemeine Vorschriften in Form der Sparkassengesetze der Länder existieren. Die hier betrachteten Anstalten sind gegenüber ihren Trägern partei- bzw. rechtsfähig. Beispiele öffentlich rechtlicher Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit sind die Bundesbank, die verschiedenen Kreditanstalten des Bundes (die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Deutsche Ausgleichsbank, die Deutsche Pfandbriefanstalt etc.), die Treuhand-Anstalt, die Kreditinstitute der Länder (Landesbanken), die Sparkassen, die Rundfunkanstalten und die Bundesanstalt für Arbeit. Wegen der spezialgesetzlichen Regelungen sind kaum allgemeine Aussagen über den organisatorischen Aufbau von Anstalten möglich. Prinzipiell läßt sich sagen, daß auch bezüglich der Anstalten offenbar das Modell der Aktiengesellschaft als Vorbild gedient hat. Es gibt nämlich in jedem Fall ein geschäftsführendes Organ (zumeist als "Vorstand" bezeichnet) und ein Aufsichtsorgan (i.d.R. "Verwaltungsrat" genannt). Die Autonomie des Vorstandes
nisters für Verkehr (BMV) beaufsichtigt, der in bestimmten Angelegenheiten (z.B. Bau neuer Bahnen und Anlagen, Streckenstillegungen) Genehmigungsvorbehalte geltend machen konnte. Zum 1.1.1994 wurden Bundes- und Reichsbahn in ein Bundeseigenbahnvermögen überführt. Am 5.1.94 erfolgte die Eintragung der Deutschen Bahn AG (DB AG) ins Handelsregister, die in die vier weitgehend selbständig wirtschaftenden Bereiche "Personenverkehr", "Güterverkehr", "Fahrweg" und "Traktion" unterteilt ist Hoheitliche Aufgaben (z.B. Planfeststellungsverfahren und die Eisenbahnaufsicht) werden jetzt vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) wahrgenommen. Für die Personalangelegenheiten der Eisenbahnbeamten und Versorgungsberechtigten ist das Rest-Bundeseisenbahnvermögen (Rest-BEV) zuständig. An dieser Stelle werden nur die rechtsfähigen Anstalten barachtet. Der allgemeine Anstaltsbegriff ist weiter gefaßt; er umfaßt auch nicht rechtsfähige Institutionen. Als Definition des Begriffs i.w.S. gilt" Die Anstalt als Organisationsform ist eine rechtlich selbständige nicht rechtsfähige oder rechtsfähige Einrichtung der öffentlichen Verwaltung, für die ein Bestand von sächlichen und persönlichen Mitteln und eine Widmung zugunsten eines öffentlichen Zwecks charakteristisch ist" [Rüfner (1989), Sp. 8). Nach dieser Abgrenzung zählen auch die oben gesondert behandelten Eigenbetriebe zu den - nicht rechtsfähigen - Anstalten.
3. Kapitel: Rechtsfoimen
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wird zumeist durch die Zustimmungs- bzw. Genehmigungspflicht des Verwaltungsrates zu bestimmten Geschäften eingeschränkt. Bei kommunalen Kreditinstituten ist zusätzlich eine Aufsicht bzw. Einflußnahme des Gewährträgers zu beobachten.69 Wegen der direkten Bestellung der leitenden Anstaltsorgane (des Vorstandes) geht die staatliche Einflußnahme auf diesem indirekten Wege tendenziell weiter als bei den öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Darüber hinaus erstreckt sich der staatliche Einfluß über die Aufsichtsgremien. Die Anstalten insbesondere die Spezialkreditinstitute unterliegen jedoch keinem direkten Weisungsrecht des Bundes bzw. der Länder. Wie schon bezüglich der Organisation gelten auch bei der Rechnungslegung die Regelungen der jeweils speziell gestalteten Gesetze. Dort ist normalerweise festgelegt, daß für Anstalten mit wirtschaftlichen Zielsetzungen die Vorschriften des Handelsrechts (§§ 238 ff. HGB) bzw. Vorschriften, die an die handelsrechtlichen Bestimmungen angelehnt sind, gelten. Bestehen jedoch keine gesonderten Bestimmungen in den "Anstaltsgesetzen", gelten die allgemeinen Regeln des Haushaltsrechts (vgl. § 48 HGiG).
3.1.6 Körperschaften des öffentlichen Rechts insbesondere Zweckverbände a) Allgemeines Körperschaften des öffentlichen Rechts finden sich überwiegend im Verwaltungsbereich,70 können aber auch Träger von öffentlichen Unternehmen sein. Sie werden wie Anstalten des öffentlichen Rechts per Einrichtungsgesetz oder Staatsakt aufgrund eines Gesetzes ins Leben gerufen. Sie sind aber im Gegensatz zu Anstalten mitgliedschaftlich verfaßt und unabhängig vom Wechsel der Mitglieder mit Hoheitsgewalt ausgestattete Verwaltungsträger. Für den Zusammenhalt der Mitglieder sorgt normalerweise ein gemeinsames Interesse oder gesetzlicher Zwang. Es kann in diesem Kontext zwischen verschiedenen Erscheinungsformen differenziert werden.71 Die wichtigsten Formen öffentlich-rechtlicher Körperschaften sind: - Gebietskörperschaften (Gemeinden und Landkreise), - Realkörperschaften (Industrie- und Handelskammern - IHK's), - Personalkörperschaften (die verschiedenen Kammern, wie Handwerks-, Landwirtschafts-, Rechtsanwalts-, Arzte-, Apothekerkammem, die gesetzlichen Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Landes- und Bundesversicherungsanstalten, Studentenschaften usw.) und
69
70 71
Die Möglichkeit des Verwaltungsrates, dem Vorstand allgemeine und besondere Weisungen zu erteilen, unterscheidet sich fundamental von den Bestimmungen, die bei der Rechtsform der Aktiengesellschaft gelten. Dort ist eine direkte Einflußnahme auf die Geschäftsführung des Vorstandes untersagt Vgl. Abschnitt 1.2.1. Eine vollständige Aufzählung inkl. einiger Details findet sich bei von Arnim (1989), Sp. 772 f.
3. Kapitel: Rechtsfoimen - Bundkörperschaften Zweckverbände).
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(Bundesrechtsanwalts- und Bundesärztekammer, kommunale
Die Organisationsstrukturen sind in den verschiedenen Einzelgesetzen weitgehend einheitlich geregelt. Wiederum sind zwei Hauptorgane zu beobachten: Ein Aufsichtsorgan, welches in grundlegenden Fragen entscheidet und das Satzungsrecht wahrnimmt (bei den Kommunen ist dies der Gemeinde- oder Stadtrat, bei den Trägern der Sozialversicherung die Vertreterversammlung - ab 1.1.96 der Verwaltungsrat, in den Hochschulen der Senat) und ein Exekutivorgan, das die laufende Geschäftsführung übernimmt (bei den Kommunen: (Ober-)Bürgermeister, (Ober-)Stadt- oder Kreisdirektor, bei den Sozialversicherungsträgern entspricht dies der Geschäftsführung - ab 1.1.96 dem Vorstand). Die Mitglieder der Exekutivorgane werden entweder vom aufsichtsführenden Hauptorgan bestimmt oder von den Körperschaftsmitgliedem gewählt. Die öffendiche Hand beschränkt sich weitgehend auf eine formale Kontrolle wie die Einhaltung der Satzungen oder Geschäftsordnungen, was dem Prinzip der Selbstverwaltung entspricht. Aus dem Selbstverwaltungsrecht der Körperschaften entspringen folgende Befugnisse: Sie erfüllen ihre öffentlichen Aufgaben mit hoheitlichen Mitteln, wozu sie im Einzelfall Verwaltungsakte erlassen. Sie verfügen über eigene Satzungsgewalt, sowie über eine eigene Finanz- und Personalhoheit. Z.T. ist den Körperschaften auch die Dienstherrenfähigkeit zugestanden, so daß sie neben Arbeitern und Angestellten Beamte beschäftigen können (z.B. genießen bei den Krankenkassen sog. "Dienstordnungsangestellte" einen beamtenähnlichen Status).72 b) Zweckverbände Gelegentlich schließen sich mehrere Kommunen (mindestens zwei) zur Erledigung einer gemeinsamen Aufgabe zusammen. Dies geschieht in Form eines Zweckverbandes: Ein Zweckverband stellt einen rechtsfähigen Zusammenschluß des öffentlichen Rechts meist mehrerer Gemeinden zur Wahrnehmung einer gemeinsamen Aufgabe dar.13 Zweckverbände werden zu den Bundkörperschaften gezählt74 und ermöglichen eine interkommunale Zusammenarbeit auch bei wirtschaftlichen Einrichtungen. Im Gegensatz zu den "echten" Gemeindeverbänden (Landkreise) sind Zweckverbände eng auf eine oder mehrere genau bestimmte Aufgaben beschränkt. Zweckverbände zählen zur öffentlichen Verwaltung und können daher sowohl Hoheits- als auch Leistungsaufgaben wahrnehmen.
72 73 74
Allerdings dürfen laut § 358 Reichsversicherungsordnung (RVO) ab dem 1.1.1993 keine neuen Verträge mehr mit DO-Angestellten geschlossen werden. Vgl. Oebbecke (1989). Vgl. v. Arnim (1989), Sp. 773.
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Zweckverbände können von den Kommunen freiwillig ("Freiverbände") oder aufgrund staatlicher Vorschriften ("Pflichtverbände") gebildet werden {vgl. Nds. Zwecksverbandsgesetz (ZweckVerbG)}. Die freiwillige Bildung geschieht durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen den Beteiligten und die Festlegung einer Satzung. Neben juristischen Personen des öffentlichen Rechts können sich unter bestimmten Voraussetzungen auch natürliche und juristische Personen des privaten Rechts an einem Zweckverband beteiligen. Nach einer Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, die einen staatlichen Akt darstellt, sowie der Bekanntmachung dieser Genehmigung und der Satzung entsteht ein Zweckverband. Da Zweckverbände selbständige juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, können Gläubiger nicht gegen die tragenden Kommunen vorgehen.75 Folglich braucht die Haftung der Kommunen bei Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen in Form von Zweckverbänden nicht (explizit) begrenzt zu weiden (vgl. § 110 Abs. 2 NGO). Die Zweckverbandsorganisation ist wegen vieler Ausgestaltungsmöglichkeiten der einschlägigen Rechtsnormen in recht weiten Grenzen disponibel. Als Organe vorgeschrieben sind in jedem Fall ein Verbandsvorsitzender (Verbandsvorstand, -Vorsteher) für die Abwicklung der laufenden Geschäfte und eine Verbandsversammlung. Letztere wählt den Vorsitzenden (Vorstand), beschließt Satzungsänderungen und stellt den Haushaltsplan auf. Die in die Verbandsversammlung entsandten Vertreter der Mitgliedskörperschaften sind weisungsgebunden. Grundsätzlich sind Zweckverbände an die haushaltsrechtlichen Vorschriften gebunden, die auch für Gemeinden gelten. In den meisten Bundesländern besteht aber die Möglichkeit, die für Eigenbetriebe geltenden Regelungen anzuwenden, wenn ein Zweckverband ein wirtschaftliches Unternehmen betreibt Dies bedeutet z.B., daß anstelle eines Haushaltsplans ein Wirtschaftsplan aufgestellt werden kann. "Im praktischen Ergebnis wird der Zweckverband dann gewissermaßen zum rechtsfähigen, von mehreren Kommunen getragenen Eigenbetrieb".'7« Zweckverbände können auch selbst Träger von Eigengesellschaften sein und sich an anderen Zweckverbänden beteiligen.77
75 76 77
Vgl. Hauser (1987), S. 170. Vgl. Oebbecke (1989), Sp. 1881. Vgl. ebenda, Sp. 1878.
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3.1.7 Stiftungen des öffentlichen Rechts78 Für die Rechtsform der "Stiftung" existieren keine einheitlichen Rechtsgrundlagen; vielmehr finden sich entsprechende Regelungen in verschiedenen Rechtsbereichen (z.B. im BGB, speziellen Landesgesetzen und dem Steuerrecht). Zu den wesentlichen Elementen der Stiftung gehören - eine eindeutige Stiftungsabsicht des Stifters, - ein eindeutig bestimmter, dauerhafter Stiftungszweck, der gemeinwohlkonform ist und - das zur Erfüllung des Stiftungszweckes erforderliche Vermögen sowie entsprechende organisatorische Regeln (Organisation). Es ist einerseits zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen (unselbständigen) und andererseits privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Stiftungsformen zu unterscheiden. Um eine rechtsfähige Stiftung79 ins Leben zu rufen, ist zunächst ein Stiftungsakt (Stiftungsgeschäft) des Stifters erforderlich. Dieser Stiftungsakt kann durch eine rechtsgeschäftlichen Willenserklärung in Schriftform oder durch ein Gesetz erfolgen. Ferner wird ein staatlicher Hoheitsakt (zumeist als "Genehmigung" bezeichnet) benötigt.80 Rechtsfähige Stiftungen müssen oder sollen eine Satzung (Stiftungsurkunde) haben. Dort sind der Zweck der Stiftung, die Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens und der Sitz der Stiftung festzulegen. Rechtsfähige Stiftungen verfügen über einen Vorstand (auch als "Direktorium" oder "Verwaltungsrat" bezeichnet), der aus einer oder mehreren haupt-, nebenberuflich oder ehrenamtlich tätigen Personen bestehen kann. Bei größeren Stiftungen existiert häufig sowohl ein geschäftsführendes als auch ein aufsichtsführendes Organ (auch "Kuratorium" oder "Beirat" genannt). Stiftungen haben weder Mitglieder noch Gesellschafter. Im Gegensatz zu ihrem rechtsfähigen Pendant sind nicht rechtsfähige Stiftungen organisatorisch unselbständig und verfügen über keine eigenen Organe. Sie sind organisatorisch und wirtschaftlich dem Stiftungsträger ("Treuhänder") angegliedert. Rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts erfüllen mit einem Kapital- oder Sachvermögen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ("Zweckvermögen"). Entscheidend ist jedoch, 78 79
80
Vgl. Flämig (1989), Potthoff (1992). Die Rechtsgrundlagen von rechtsfähigen Stiftungen des privaten Rechts sind in den §§ 80-88 des BGB niedergelegt Hinzu komm«) divergierende Bestimmungen in landesspezifischen Stiftungsgesetzen. Fiir Stiftungen des öffentlichen Rechts gelten die Vorschriften des BGB nicht. Die Regelungen fiir öffentlichrechtliche Stiftungen sind in Spezialgesetzen und den Stiftungsgesetzen der Länder niedergelegt. Schließlich existieren für Stiftungen des Bundes spezielle Bundesgesetze. Dies gilt z.B. für die öffentlichrechtliche "Stiftung Preußischer Kultuibesitz". Grundsätzlich besteht kein Genehmigungsvorbehalt der zuständigen Behörden. Vielmehr müssen Stiftungen, die die gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen erfüllen, prinzipiell genehmigt werden {vgl. Neuhoff (im), S. 329}.
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daß sie aufgrund des öffentlichen Rechts (Einrichtungsgesetz) und nicht auf der Basis der Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts ins Leben gerufen wurden.81 Nicht rechtsfähige ("fiduzarische") Stiftungen des öffentlichen Rechts sind Zuwendungen, "die jemand einer bestehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unter der dauernd verbindlichen Auflage, das Vermögen zu einem bestimmten Zweck zu verwenden, gemacht hat" 82 Stiftungen des öffentlichen Rechts sind in das staatliche Verwaltungssystem eingegliedert. Als Stifter einer öffentlich-rechtlichen Stiftung kann prinzipiell jede natürliche oder juristische Person des öffentlichen und privaten Rechts auftreten. Es bestehen auch nach Vermögensausstattung variierende Stiftungsformen: Bei sog. "Anstaltsstiftungen" dient das (Sach)Vermögen unmittelbar dem Stiftungszweck. In diesem Kontext lassen sich beispielhaft Krankenhäuser und Forschungsinstitute nennen. Die Vermögenserträge von "Kapitalstiftungen" werden heute überwiegend für Stipendien und Forschungsaufgaben verwendet. "Unternehmensbezogene Stiftungen" sind alleinige Träger von Unternehmen ("Unternehmensträger-Stiftung") oder an Unternehmen beteiligt ("Beteiligungsträger-Stiftungen"). Sie finanzieren ihre Stiftungsaufgaben aus den anfallenden Unternehmensgewinnen. Ein Beispiel für den letztgenannten Fall ist die (allerdings privatrechtlich) vom Bund errichtete "Stiftung Volkswagenweik". Bei der Satzungsgestaltung verbleibt dem Stifter sehr viel Spielraum. Z.B. können die Rechte und Pflichten der Organe sehr detailliert festgelegt werden. Art und Umfang der Prüfung des Jahresabschlusses, für den keine Publizitätspflicht besteht, kann ebenfalls per Satzung bestimmt werden. Grundsätzlich besteht für Stiftungen keine Prüfungspflicht. Häufig sind bei kleineren Stiftungen aber Kuratoriumsmitglieder mit der Prüfung beauftragt, während bei großen Stiftungen auch externe Wirtschaftsprüfer herangezogen werden. Bei Unternehmensträgerstiftungen besteht zumeist aufgrund landesrechtlicher Vorschriften eine externe Jahresabschlußprüfungspflicht. Da eine strikte Zweckbindung des finanziellen Vermögens vorliegt und die Ausgestaltung der Befugnisse der Stiftungsorgane weitgehend in der Disposition des Trägers liegt, so daß Einfluß auf die Bestellung der Vertretungsorgane und auf Entscheidungen der Geschäftsführung genommen werden kann, ist diese Rechtsform unter dem Aspekt der Durchsetzung öffenüicher Ziele und Einflußnahmemöglichkeiten positiv zu beurteilen. Wegen der Dauerhaftigkeit der Zielsetzung erweist sich diese Rechtsform allerdings bei sich ändernden Unternehmenszielen als inflexibel. Stiftungen des öffentlichen Rechts unterliegen ferner entweder auf-
81
82
Vgl. Schuppen (1989), Sp. 331.
Flämig (1989), Sp. 1519.
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grund haushaltsrechtlicher Bestimmungen oder aufgrund der Landesstiftungsgesetze der Prüfung durch die Rechnungshöfe.83 Die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Stiftung kommt für die Neugründung wirtschaftlicher Unternehmen seitens der Kommunen nicht in Frage. Bereits vorhandene Stiftungen mit wirtschaftlichen Zielsetzungen dürfen dagegen weiter betrieben weiden.84
3.2 Private Rechtsformen Die relativ zahlreichen Unternehmensrechtsformen des Privatrechts lassen sich in drei Kategorien einteilen: Die des "Einzelkaufmanns", der "Personengesellschaft" und der "Kapitalgesellschaft". Femer sind aber auch Organisationsformen wie "Vereine", "Genossenschaften" und privatrechtliche "Stiftungen" denkbar. Für die Betätigung der öffentlichen Hand scheidet die Rechtsform des Einzelkaufmanns aus. Dagegen sind Personengesellschaften [Offene Handelsgesellschaften (OHG), Kommanditgesellschaften (KG), GmbH und Co. KG] grundsätzlich als Rechtsformen für öffentliche Unternehmen denkbar.85 Allerdings ist zu bedenken, daß bei Untemehmensbeteiligungen der öffentlichen Hand (und bei nichtwirtschaftlichen Unternehmen in privater Rechtsform der Kommunen) immer für eine Haftungsbeschränkung zu sorgen ist. Bei offenen Handelsgesellschaften haften alle Gesellschafter unbeschränkt, so daß diese Rechtsform für öffentliche Unternehmen wohl grundsätzlich nicht in Frage kommt. An einer KG kann sich öffentliche Hand zweifellos als begrenzt haftender Kommanditist beteiligen; allerdings müßte mindestens ein privater Komplementär gefunden werden, der das Risiko einer für ihn geltenden unbegrenzten Haftung trotz des teilweise vorgeschriebenen Einflußstrebens der öffentlichen Hand auf sich nimmt.86 An der GmbH und Co. KG könnte sich die öffentliche Hand als Komplementär in Form der begrenzt haftenden GmbH und/oder als Kommanditist beteiligen. Den Kommunen ist auch eine Beteiligung als stiller Gesellschafter möglich.87 Eine Genossenschaftsbeteiligung ist nur möglich, wenn die Nachschußpflicht des öffentlichen "Mitgenossen" ausgeschlossen oder auf einen bestimmten Betrag begrenzt werden kann. Eine weitere Möglichkeit eröffnet die Organisationsform des "Vereins". Zumindest kommu-
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Bei privatrechtlichen Stiftungen ist die Lage anders. Da hier keine grundsätzliche Publizitäts- und Prüfungspflicht für den Jahresabschluß existiert, kann ohne weitere Bestimmungen, die Kontrolle und Transparenz der Betätigung der öffentlichen Hand gefährdet sein. Falls Stiftungen des privaten Rechts allerdings Mittel aus öffentlichen Haushalten zufließen, werden sie durch den Rechnungshof geprüft (vgl. z.B. § 43 Abs. 1 HGrG). Vgl. Püttner (1984a), S. 119 f. Vgl. Hauser (1987), S. 6 ff. Nach § 164 HGB liegt die Geschäftsführung einer KG allein bei den Komplementären. Mit dem Gesellschaftsvertrag können den Kommanditisten Mitspracherechte eingeräumt werden. Vgl. Thiele (1992), S. 270.
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nale Träger können einen Verein gründen oder darin Mitglied sein, der ein nichtwirtschaftliches Unternehmen trägt.88 Für nichtwirtschaftliche Kommunalunternehmen (sbeteiligungen) kann auch die (nichtrechtsfähige) Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR bzw. "BGBGesellschafit") gewählt werden. Allerdings bestehen Schwierigkeiten bei der Haftungsbegrenzung.89 Ferner wäre denkbar, daß die öffentliche Hand Stiftungen des privaten (bürgerlichen) Rechts als Träger eines Unternehmen ins Leben ruft. 90 Der letztgenannte Sachverhalt dürfte aber nahezu irrelevant sein, so daß diese Konstruktion hier nicht weiter verfolgt wird. Von den Kapitalgesellschaften sind lediglich die "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" (GmbH) und die "Aktiengesellschaft" (AG) von Bedeutung. Beide Rechtsformen sind sowohl für Unternehmensbeteiligungen als auch für den Fall geeignet, daß ein öffentlicher Träger alleiniger Gesellschafter sein will. Bei der hier nicht weiter behandelten Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) haftet der Komplementär unbeschränkt, so daß wiederum ein Privater gefunden werden müßte, der dieses Risiko bei weitgehendem Mitspracherecht der öffentlichen Hand eingeht Praktisch ist die Rechtsform der KGaA aber nicht nur für öffentliche Unternehmen, sondern auch für private Unternehmen nahezu irrelevant.91 Im folgenden weiden kurz vier private Organisationsformen für öffentliche Unternehmen bzw. öffentliche Untemehmensbeteiligungen dargestellt. Es handelt sich um den eingetragenen Verein, die Genossenschaft, die GmbH und die AG.
3.2.1 Der eingetragene Verein92 Der "Verein" ist eine mögliche privatrechtliche Organisationsform für öffentliche Unternehmensbeteiligungen - insbesondere auch für nichtwirtschaftliche Unternehmen der Kommunen (vgl. § 116a Abs. 4 NGO). "Verein im Sinne des BGB ist eine auf Dauer angelegte - freiwillige - Verbindung einer größeren Zahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes, die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist."93 Es ist zu unterscheiden zwischen sog. "Idealvereinen" und "wirtschaftlichen Vereinen". Ein Idealverein ist nicht auf die Erlangung wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtet. Ein eventuell 88
Vgl. Hauser (1987), S. 15 ff. In § 116a Abs. 4 NGO wird explizit die Möglichkeit einer Gründung bzw. einer Beteiligung an einem "Verein" als Betreiber eines nichtwirtschaftlichen Unternehmens oder einer sonstigen Einrichtung erwähnt
89
Vgl.Hauser {(1987), S. 12fif.},Thiele {(1992), S. 272}.
90
Vgl.Hauser {(1987), S. 12},Püttner {(1989), Sp. 1385}.
91 92 93
Vgl. Hauser (1987), S. 7. Vgl. Hauser (1987), S. 15 ff. Hauser (1987), S. 15.
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vorhandener Geschäftsbetrieb darf nur der Förderung oder Unterstützung der "idealen" Vereinsziele dienen. Öffentliche Unternehmen in Vereinsform, die keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, wie die nichtwirtschaftlichen Kommunalunternehmen dürften normalerweise den Idealvereinen zuzurechnen sein. Dagegen handelt es sich um einen wirtschaftlichen Verein, wenn die wirtschaftliche Betätigung Selbstzweck ist. Gewinnorientierte Unternehmen der öffentlichen Hand - wie die wirtschaftlichen Unternehmen i. S. der NGO - dürften wirtschaftliche Vereine sein und mit dieser Zielsetzung auch von Privaten betrieben werden können. Seine Rechtsfähigkeit erlangt ein Idealverein durch Eintragung ins Vereinsregister, während ein wirtschaftlicher Verein seine Rechtsfähigkeit durch eine staatliche Verleihung erlangt. Andererseits wird die Rechtsfähigkeit an einen wirtschaftlichen Verein nur verliehen, "wenn für den wirtschaftlichen Verein die handelsrechtlichen oder genossenschaftlichen Rechtsformen unangebracht sind oder unzumutbar sind und dem Verein nicht zugemutet werden kann, auf die Rechtsfähigkeit zu verzichten."94 Da Vereinen, die Träger eines wirtschaftlichen Unternehmens i.S. der Gemeindeordnung sind, in der Regel zuzumuten sein dürfte, die Rechtsform der GmbH oder AG zu wählen, dürften diese Vereine kein Rechtsfähigkeit erlangen. Nichtrechtsfähige Vereine können aber nicht Träger von Unternehmen sein, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, weil bei nichtrechtsfähigen Vereinen alle Mitglieder persönlich unbeschränkt haften. Bei rechtsfähigen Vereinen ist die Haftung dagegen auf das Vereinsvermögen beschränkt. Infolgedessen dürften nur rechtsfähige Idealvereine als Träger von öffentlichen Unternehmen bzw. von kommunalen nichtwirtschaftlichen Unternehmen in Frage kommen. Notwendige Organe des Vereins sind der Vorstand und die Mitgliederversammlung. Die Mitgliederversammlung ist oberstes Organ und für Satzungsänderungen und die Bestellung des Vorstandes zuständig. Ferner kann sie dem Vorstand bindende Weisungen erteilen. Ein Verein muß mindestens 7 Mitglieder haben, so daß sich die öffentliche Hand per Satzung ein unentziehbares erhöhtes Stimmrecht einräumen lassen muß, wenn sie sich einen angemessenen oder entscheidenden Einfluß verschaffen will.
32.2 Die Genossenschaft Ein andere Alternative für Beteiligungen der öffentlichen Hand an wirtschaftlichen Unternehmen bietet die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (e.G.).95 Eine Genossenschaft ist eine Gesellschaft ohne eine feste Mitgliederzahl, welche nach § 1 Abs. 1 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) "die Förderung des Erwerbs oder Wirtschaft ihrer Mitglieder mit-
94 95
Hauser (1987), S. 17. Für den kommunalen Bereich vgl. Thiele (1992), S. 269 f.
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3. Kapitel: Rechtsformen
tels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezweckt". Durch Eintragung ins Genossenschaftsregister wird sie rechtsfähig. Grundsätzlich ist die Haftung einer Genossenschaft auf das Genossenschaftsvermögen begrenzt, doch können die Genossen (Mitglieder) bei Illiquidität oder Konkurs zu Nachschüssen verpflichtet sein. Wenn die öffentliche Hand Mitglied in einer Genossenschaft werden will, muß ihre Nachschußpflicht durch Genossenschaftsstatut entweder ganz ausgeschlossen oder auf einen bestimmten Betrag begrenzt sein. Organe der Genossenschaft sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Generalversammlung. Der mindestens zweiköpfige Vorstand ist das Geschäftsführungsorgan. Er ist nicht an Weisungen gebunden, durch Satzung können bestimmte Geschäfte aber von der Zustimmung eines anderen Organs abhängig gemacht werden. Der Aufsichtsrat umfaßt mindestens drei Personen und hat grundlegende Überwachungsfunktionen. Ferner prüft er den Jahresabschluß, den Geschäftsbericht des Vorstandes und den Vorschlag über die Gewinn- und Verlustverteilung. Er beruft auch die Generalversammlung ein. Die Aufgaben der Generalversammlung (bei mehr als 3000 Mitgliedern die Vertreterversammlung) bestehen beispielsweise in Änderungen des Statuts, der Wahl von Vorstand und Aufsichtsrat, der Beschlußfassung über den Jahresabschluß und die Gewinnverwendung bzw. die Verlustverteilung. Ab einer bestimmten Beschäftigtenzahl gelten die Mitbestimmungsgesetze, so daß dann ein Teil der Aufsichtsratsmandate von Arbeitnehmervertretem zu besetzen ist In der Generalversammlung hat grundsätzlich jedes Mitglied nur eine Stimme. Dies gilt auch für gesetzliche Vertreter der öffentlichen Hand. Zwar können einem Genossen bis zu drei Stimmen eingeräumt werden, da aber eine Genossenschaft dauerhaft mindestens sieben Mitglieder haben muß, kann ein öffentlicher Träger keine Stimmenmehrheit erlangen.96 Dadurch ist es für die öffentliche Hand schwierig, Einfluß auf das Unternehmen auszuüben. Insofern ist die Rechtsform der Genossenschaft wenig geeignet, um den Forderungen der Haushaltsordnungen von Bund und Ländern nach einer angemessenen Einflußnahme gerecht zu werden. Für die Kommunen dürfte folgende Einschätzung richtig sein: "Diese Rechtsform ist daher unzweckmäßig, wenn die Kommune die Einrichtung beherrschen will. Die Mitgliedschaft kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Kommune das Engagement von Einwohnern, die sich zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen haben, durch ihre Mitgliedschaft fordern will."97
96 97
Zu den Möglichenkeiten der Einflußnahme vgl. z.B. Hauser (1987), S. 80 ff. Hauser (1987), S. 84.
3. Kapitel: Rechtsfonnen
35
3.2.3 Kapitalgesellschaften Im vorliegenden Kontext sind zwei Formen der Kapitalgesellschaft von Bedeutung. Einerseits die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und andererseits die Aktiengesellschaft (AG). Fundamentale Rechtsnormen für GmbHs und AGs sind neben dem Handelsrecht (HGB) das Aktiengesetz (AktG), das GmbH-Gesetz (GmbHG) sowie die geltenden Mitbestimmungsgesetze. Die gesetzlichen Vorschriften zur Rechnungslegung, Prüfung und Publizität stimmen seit Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes98 für beide Untemehmensformen überein (vgl. Abschnitt 5.). Im Unterschied zu Personengesellschaften stellen GmbHs und AGs juristische Personen (des privaten Rechts) dar. Der Bestand dieser Kapitalgesellschaften ist unabhängig von den einzelnen Gesellschaftern bzw. Aktionären; sie bleiben auch bei Ausscheiden oder Wechsel von Anteilseignem existent. Die Haftung ist auf das Stamm- bzw. Grundkapital begrenzt. Dabei haften die einzelnen Gesellschafter bzw. Aktionäre grundsätzlich entsprechend ihrer Kapitalanteile. Im Kommunalrecht werden Kapitalgesellschaften unter dem Begriff "Eigengesellschaften" zusammengefaßt. a) Die GmbH Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) weist als Organe mindestens die Gesellschafterversammlung und eine Geschäftsführung, die aus einem oder mehreren Geschäftsführern besteht, auf. Der oder die Geschäftsführer sind für die laufenden Geschäfte der Gesellschaft verantwortlich. Das Organ der Eigentümer (Gesellschafter) ist die GesellschafterVersammlung. Zu ihren Funktionen zählt -
die Feststellung des Jahresabschlusses, die Entscheidung über die Gewinnverwendung, die Bestellung, Abberufung und Entlastung der Geschäftsführer sowie die Überwachung der Geschäftsführung.
Bei kleineren GmbH's (mit weniger als 500 Arbeitnehmern) ist kein Aufsichtsrat gesetzlich vorgegeben. Dennoch sehen, die Untemehmenssatzungen häufig ein entsprechendes Aufsichtsgremium vor. Auch "Beiräte" oder "Verwaltungsräte" werden manchmal installiert. Mittleren Gesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern ist nach § 77 Abs. 1 BetrVG 1952 i.V.m. § 129 BetrVG 1988 und großen Gesellschaften mit mehr als 2000 Arbeitnehmern nach § 1 MitbestG die Bildung eines Aufsichtsrates vorgeschrieben. Für die Montanindustrie gelten Sonderregelungen. Das Mindeststammkapital eine GmbH beträgt 50.000 DM. Eine GmbH kann sofort als Einmanngesellschaft gegründet werden. Der Jahresüberschuß wird nach einer evtl. Korrektur um 98
Bilanzrichtlinien-Gesetz v. 19.12.1985, BGBl I, S. 2355.
3. Kapitel: Rechtsformen
36
einen Gewinn- oder Verlustvortrag - und soweit dem keine gesellschaftsvertraglichen Regeln oder Entscheidungen der Gesellschafterversammlung entgegenstehen - nach dem Verhältnis der Kapitalanteile an die Gesellschafter ausgeschüttet b) Die AG Vorgeschriebene Organe einer Aktiengesellschaft (AG) sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Im letztgenannten Fall bestimmt der Aufsichtsiat üblicherweise einen Vorstandsvorsitzenden. Die Vorstandsmitglieder werden längstens für einen Zeitraum von fünf Jahren bestimmt, sind aber wiederwählbar. Bei Unternehmen mit mehr als 2000 Arbeitnehmern gilt die erweiterte Mitbestimmung, so daß in diesem Fall z.B. dem Vorstand ein gleichberechtigter Arbeitsdirektor angehören muß (vgl. Abschnitt 6.1). Im Gegensatz zur GmbH ist die Bildung eines Aufsichtsrates auf jeden Fall vorgeschrieben. Der Aufsichtsrat wird von der Hauptversammlung für maximal vier Jahre gewählt. Ihm obliegt die Überwachung des Vorstandes, der mindestens in Abständen von drei Monaten berichten muß. Die Zahl der Aufsichtsratmitglieder kann sich zwischen 3 und 21 bewegen; bei der erweiterten Mitbestimmung setzt sich dieses Aufsichtsgremium aus 12 bis 20 Mitgliedern zusammen. Die Hauptversammlung als Vertretung der Eigentümer hat keinen Einfluß auf die laufende Geschäftsführung. Sie kann darüber hinaus auch die Feststellung des Jahresabschlusses i.d.R. nicht beeinflussen. Damit hat sie z.B. auch keine Möglichkeit der Einflußnahme auf die Höhe des auszuschüttenden Jahresgewinns. Die stimmberechtigten Mitglieder der Hauptversammlung entscheiden u.a. über - Satzungsänderungen (mit 3/4 Mehrheit), - die Aufsichtsratbesetzung [sofern nicht aufgrund des Betriebsverfassungsgesetzes oder der Mitbestimmungsgesetze Arbeitnehmervertreter direkt zu wählen sind], - die Verwendung des Bilanzgewinnes, - die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, - die Bestellung der Abschlußprüfer und - Kapitalerhöhung und -herabsetzung. Als Mindestnennkapital sind 100.000 DM vorgeschrieben. Mindestens fünf Gründer müssen auftreten, so daß die mögliche Bildung einer sog. "Einmanngesellschaft" die Übertragung aller Aktien von den Gründungsmitgliedern an einen Gesellschafter erfordert. Die AG ist durch die Zerlegung des nominalen Grundkapitals in Anteilsscheine (Aktien) gekennzeichnet, die bei großen Aktiengesellschaften, die die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, auf Börsen frei gehandelt werden. Der Bördenhandel ermöglicht prinzipiell die Be-
3. Kapitel: Rechtsfonnen
37
Schaffung großer Kapitalbeträge. Den Aktionären wird pro Aktie die auf der Hauptversammlung beschlossene Dividende auf den Aktiennominalwert gezahlt.
3 3 Empirischer Befund In der Bundesrepublik Deutschland existiert keine offiziell geführte systematisch-umfassende Statistik über öffentliche Unternehmen, so daß die Beschaffung von Daten über den gesamten öffentlichen Untemehmenssektor etwas mühselig ist." Man muß bei der Informationssuche auf verschiedene (Teil)Quellen zurückgreifen. So werden die öffentlichen Unternehmen der Branchen "Ver- und Entsorgung" sowie "Verkehr" vom Statistischen Bundesamt jährlich erfaßt. 100 Über die Beteiligungen des Bundes gibt der jährliche Bericht des Bundesministers der Finanzen Auskunft 101 Dort sind die Beteiligungsverhältnisse, der Gegenstand der Unternehmen, die Bilanz einschließlich GuV, die Zahl der Beschäftigten und die Zusammensetzung der Organe ausgewiesen. Die Bundesländer weisen ihre Beteiligungen jeweils in den Vermögensberichten ihrer Haushaltspläne aus. 102 Gelegentlich finden sich auch Übersichtsartikel.103 Aber lediglich Berlin und Hamburg erarbeiten in mehljährigen Zeitabständen Beteiligungsübersichten, die in etwa mit der Berichterstattung auf Bundesebene vergleichbar sind.104 Den an die Haushaltspläne der Kommunen angegliederten Wirtschaftsplänen können Angaben über kommunale Beteiligungen entnommen werden. Darüber hinaus verfügen die Verbände öffentlicher Unternehmen - der "Verband Kommunaler Unternehmen" (VKU) und der Verband "Deutscher Verkehrsunternehmen" (VDV), dem überwiegend öffentliche Verkehrsunternehmen angehören105 - über einschlägiges Zahlenmaterial. Schließlich werden gelegentlich auch Ergebnisse "branchenspezifischer" Umfragen (z.B. über Theater und Schauspielhäuser)106 oder Befragungen spezieller Träger (z.B. Landkreise) veröffentlicht.107 In Übersicht 3.1 ist die Anzahl aller öffentlichen Unternehmen in der Bundesrepublik nach Wirtschaftsbereichen und Rechtsformen getrennt aufgeführt. Diese "neueste" verfügbare Gesamtübersicht bezieht sich auf Zahlen das Jahr 1985. Dort zeigt sich, daß öffentlich-rechtliche
100 101 102 103 104 105
106 107
Die einzige in größeren Zeitabstanden geführte Statistik liegt in Form des vom europäischen Zentralverband der Öffentlichen Wirtschaft (CEEP) herausgegeben Jahrbuchs "Die öffentliche Wirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft" vor. Vgl. z.B. Statistisches Bundesamt (1990), S. 136. BMF (Hrsg.) (versch. Jge.): Beteiligungen des Bundes im Jahre..., Bonn. Vgl. König (1988), S. 258 Fn. 36. Vgl. z.B. Hartmann (1982) aber die Beteilgungen der Freien Hansestadt Bremen und Milbradt (1993) über die Unternehmen und Beteiligungen des Freistaates Sachsen. Vgl. Knauss (1989a), S. 101. Der VDV entstand 1991 aus dem Zusammenschluß bis dahin bestehender Einzelverbände: Dem "Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe" (VÖV), dem "Bundesverband Deutscher Eisenbahnen, Kraftverkehre und Seilbahnen (BDE) und dem "Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe der ehem. DDR". Vgl. Steiner (1988). Vgl. Eichhorn / Schneider (1986).
38
3. Kapitel: Rechtsformen
Übersicht 3.1: Zahl der öffentlichen Unternehmen spezifiziert nach Branchen und Rechtsformen
Wirtschaftszweig Rechtsform V e r s o r g u n g und Verkehr AG GmbH Sonstige private Rechtsiormcn ( O H G , K G usw.) Eigen bei riebe Wirtschaftliche Zweck verbände, Körperschaften des öffentlichen Rechts Bundesbahn, Bundespost zusammen Produzierendes Gewerbe AG GmbH O H G , K G usw. Sonstige zusammen Handel AG GmbH O H G , KG usw.. Sonstige zusammen Wohnungs(hju)- und Grundstückswcseu AG GmbH O H G , KG usw.. Sonstige zusammen Bcteiligungsgcscllschaftcn, V e r m ö g e n s v e r w a l t u n g AG GmbH O H G , KG usw.. Sonstige zusam men Übrige Dienstleistungen7) AG GmbH O H G , KG usw., Sonstige zusammen Kreditinstitute AG GmbH O H G , KG u . w . öffentlich-rechtliche Anstalten u.a. zusammen Versicherungsunlernehmen AG GmbH Öffentlich-rechtliche Anstalten u.a. zusammen P r i v a t e R e c h t s i o r m c n insgesamt AG GmbH O H G , KG u s « . zusammen Ö f f e n t l i c h e R e c h t s f o r m e n insgesamt Eifcenbctriebc Wirtschaftliche Zweckverbande Öffentlich-rechtliche Anstalten u.a., Körperschaften des öffentlichen Rechts Bundesbahn, Bundespost zusammen P r i v a t e u n d öffentliche R e c h t s f o r m e n i n s g e s a m t
Entnommen aus: CEEP(1987), S. 33.
Öffentl. Unternehmen AnjjhP)
Nennkapital in MnJ. DM
Öffentlicher Anteil am Nennkapital in Mrd. DM
in v.H.
169 526 13 916
17,2 9.4 0,9 9.5
14,6 9,3 o.s 9,5
85,1 98,1 86,8 100,0
278 2
2,1 50,4
2,1 5C,4
100,0 100,0
1.904
89,5
86,6
96,8
27 120 5 3
2,7 1,3 0,0 0.0
2,5 1.2 0,0 0.0
91,8 93,7 97,1 99,7
155
4,1
3,7
92.4
3 54 12
0,3 0,2 0.0
0,2 0,2 0,0
56.1 99,6 65.9
69
0,5
0,4
72.5
55 418 9
1.3 3.6 0.1
1,3 3.5 0,1
95,4 95.7 96,7
482
5.1
4,9
95,6
7 80 4
1,6 4,5
1.3 4.4 0,0
81.5 89.6 99,9
L
0.0
91
6.1
5,8
94.2
15 302 11
0,2 1,1 2,0
0,2 1.1 2.C
98,9 97,4 100,0
328
3,3
3,2
99,1
15 19 2 632
0,8 1.5 0,1 61,7')
0,7 1,3 O.C 61,7')
86,5 90,7 59,9 100,0
668
64,0
63,7
99,6
18 2 41
0,6 0,0 0,5
0,6 0,0 0,5
98,3 100,0 99,6
61
1,1
1,1
98.9
309 1.521 40
24,7 21,6 1,1
21,3 21.C 0,9
86,3 97,0 86,2
1.870
47,4
43,2
91,2
922 281
11,4 2.2
11,4 2,2
100,0 100,0
683 2
62,2 50,4
62,2 50,4
100,0 100,0
1.888
126,2
126,2
100,0
3.758
173,6
169,4
97,6
3. Kapitel: Rechtsfonnen
39
und private Untemehmensformen zum damaligen Zeitpunkt insgesamt ungefähr gleich häufig zu beobachten waren. Allerdings offenbaren sich erhebliche branchenspezifische Differenzen. Öffentlich-rechtliche Untemehmensformen dominieren zahlenmäßig in zwei der ausgewiesenen Sektoren, während in den übrigen Wirtschaftszweigen, in denen sich die öffentliche Hand engagiert, privatrechtliche Unternehmen überwiegen. Nahezu ausschließlich in öffentlich-rechtliche Form betätigten sich die verschiedenen Gebietskörperschaften im Kreditsektor durch Spar-, Bausparkassen und Landesbanken. Auch auf dem Versicherungssektor herrschte die Anstaltsform vor. Im Gegensatz dazu bediente sich die öffendiche Hand im produzierenden Gewerbe, Handel und Wohnungsbausektor zumeist privatrechdicher Untemehmensformen. Vorwiegend durch öffentlich-rechtlichen Unternehmen (Eigenbetriebe und Zweckverbände) nahm der "Staat" seine Aufgaben im Versorgungs- und Verkehrssektor wahr. Läßt man jedoch die beiden größten "Unternehmen" - Bundesbahn und Bundespost - außer acht, verfügten die in privater Form organisierten Unternehmen dieses Wirtschaftsbereiches insgesamt über ein höheres Nennkapital als die öffentlich-rechüich organisierten. Dies deutet darauf hin, daß die privatrechtlichen öffentlichen Unternehmen tendenziell größer als die öffentlichrechtlichen waren. Sofern die Gebietskörperschaften sich für Untemehmensformen des privaten Rechts entschieden hatten, bevorzugten sie in der Regel die GmbH. Öffentlich zugängliches Zahlenmaterial existiert auch im Bereich von Kunst und Kultur. So ging aus der Theaterstatistik 1983/84 hervor, daß 52 der 75 (= 69,3%) erfaßten Schauspielhäuser dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzuordnen waren.108 Davon waren 37 Regiebetriebe und 2 Eigenbetriebe. Dieses Resultat deckt sich ungefähr mit neueren Angaben des Deutschen Städtetages.109 Von den 90 erfaßten öffentlichen Theatern in den alten Bundesländern waren in der Spielzeit 1990/91 16 Landesbetriebe, 41 Regie- oder Eigenbetriebe, 14 GmbHs, je 6 eingetragene Vereine oder Zweckverbände, 4 wurden als öffentlich-rechüiche Anstalt und 3 als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) geführt.110 Der Anteil der öffentlich-rechtlichen Rechtsformen beträgt demnach 74,4%. Im Zeitablauf scheint die öffentliche Hand zunehmend private Organisationsformen - insbesondere die der GmbH - zu bevorzugen. Dieser Trend läßt sich zumindest im Versorgungund Verkehrssektor beobachten. Dort tritt die öffentliche Hand zwar zumeist noch in der Form des Eigenbetriebes auf, der Anteil privater Rechtsformen (vor allem der GmbH) nimmt
108 109 110
Vgl. Steiner (1988), S.278. Vgl. Deutscher Städtetag (1993), S. 225 ff. Bei den Theatern, wo ein Land oder eine Kommune Rechtsträger war, wurden keine genauen Angaben zur Rechtsform gemacht Es dürfte sich dabei jedoch um § 26-Betriebe (auf Landesebene) sowie um Regieund Eigenbetriebe (auf Kommunalebene) handeln.
40
3. Kapitel: Rechtsformen
Übersicht 32: Rechtsformen edler VKU-Mitgüedsunternehmen 1991 in % Rechtsfoim Eigenbetrieb 1952 1962 1974 1985 1991
94 91 75 61 55
AG
GmbH
Sonstige
2 2 6 6 6
3 4 15 27 31
1 3 4 6 8
Quelle: VKU (1992), S. 20, Tab. j.
jedoch im Zeitablauf stetig zu (vgl. Übersicht 3.2). Der Anteil der Eigenbetriebe bei den kommunalen Versorgungsuntemehmen sank von 94% im Jahre 1952 auf 55 % im Jahre 1991. Gleichzeitig stieg der Prozentsatz der Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 3 auf 31 v.H. Der Anteil der Aktiengesellschaften vergrößerte sich von 2% auf 6%. Da die Rechtsform des Eigenbetriebes nur den Gemeinden und ihren Verbänden (Landkreise) offen steht und § 26-Betriebe nur selten gegründet werden, sind privatrechtliche Unternehmensformen wohl eher auf Bundes- und Landesebene anzutreffen. Auf Länderebene dominieren Kapitalgesellschaften bei den Elektrizitätsversorgungs- und Gasuntemehmen, Hafen-, Flughafen-, Messe- und Forschungsgesellschaften sowie in der Wirtschaftsförderung und der Wohnungswirtschaft.111 Auf Landkreisebene variieren die dominierenden Rechtsformen mit den Wirtschaftszweigen,112 wobei sich die wichtigsten Bereiche wie folgt zusammenfassen lassen: Bei der Wasserversorgung überwiegen Zweckverbände, Gmblfs und Eigenbetriebe, während die Elektrizitätsversorgung zumeist von privatrechtlichen Gesellschaften wahrgenommen wird. Im Verkehrssektor (Bahnen, Busse) wird das Bild eindeutig von den Kapitalgesellschaften bestimmt. Die Wohnungswirtschaft der Kreise wird meistens in Form einer GmbH oder seltener von Genossenschaften wahrgenommen. Sparkassen (Anstalten des öffentlichen Rechts) werden entweder von den Landkreisen als alleiniger Gewährträger oder von Zweckverbänden unterhalten. Die Krankenhäuser der öffentlichen Hand sind auf Länderebene vorwiegend Betriebe nach § 26 LHO und auf kommunaler Ebene Regie- bzw. Eigenbetriebe. In der Praxis sind in relativ geringem Umfang Beteiligungen der öffentlichen Hand oder ihrer Unternehmen an Personengesellschaften zu beobachten (vgl. Übersicht 3.1). Diese Be-
111
Vgl. Janson (1989), Sp. 875 ff. 112 vgl. Eichhorn / Schneider (1986). Die Zahlen sind allerdings etwas älter, sie stammen aus dem Umfragejahr 1980.
3. Kapitel: Rechtsformen
41
teiligungen dürften überwiegend - z.B. über Sondervermögen - indirekter Art sein. Gelegentlich betätigt sich die öffentliche Hand auch über die Rechtsform der Genossenschaft Die Rechtsform des eingetragenen Vereins (e.V.) ist bei kommunalen nichtwirtschaftlichen Unternehmen - z.B. bei Theaterbetrieben und Schauspielhäusern anzutreffen.113
113
Vgl. Steiner (1988), S. 275 ff.
4. Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten Öffentliche Unternehmen sollen im weitesten Sinne "öffentliche Aufgaben" übernehmen, die - nach herkömmlichen Demokratieverständnis - demokratisch legitimiert sein und durchgesetzt werden müssen. Daher liegt auf der Hand, daß die Sicherstellung von Einflußnahmemöglichkeiten der öffentlichen Eigentümer auf die Untemehmensziele und die Geschäftspolitik von großer Bedeutung ist Diesem Aspekt wird auch in den einschlägigen Bestimmungen des Haushalts- und Kommunaliechts Rechnung getragen.114 Die Diskussion über den Einfluß115 der Träger auf öffentliche Unternehmen wird - zumeist unter dem Stichwort "Kontrolle öffentlicher Unternehmen"116 - seit längerer Zeit geführt.117 Aufgrund der besonderen Gegebenheiten bei öffentlichen Unternehmen wird dabei immer wieder die Notwendigkeit intensiver Einwirkungs- und Überwachungsmöglichkeiten betont.118 Dem Einflußstreben der Eigentümer können aber gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, die einerseits - wie bei der Aktiengesellschaft - den Unternehmen eine gewisse Autonomie gegenüber den Anteilseignern geben oder die andererseits die Durchsetzung der Interessen anderer Personengruppen - wie die Mitbestimmungsgesetze - fördern. Es folgt in diesem Abschnitt zunächst ein Exkurs über verschiedene Überwachungs- und Kontrollbegriffe sowie über die Funktionen der Überwachung. Daran schließt sich ein Überblick über die Formen der Einflußnahme auf und die Überwachung von öffentlichen Unternehmen an. Ferner werden die Aufgaben der Beteiligungsverwaltung und die Einflußnahmeund Überwachungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand an vier ausgewählten Unternehmensrechtsfoimen vertiefend diskutiert.
114 115
116
117 118
Vgl. Abschnitt 22. Eichhorn {(1980), S. 31} definiert in diesem Zusammenhang den Begriff der Einwirkung-, Darunter "wird die von einer dazu legitimierten Stelle unternommene Einflußnahme auf eine ihr untergeordnete Stelle innerhalb oder außerhalb der betreffenden Verwaltung verstanden. Die geschieht in der Absicht, die beaufsichtigte Institution oder Person in die gewünschte Zielrichtung und Verhaltensweise zu steuern.'' An anderer Stelle wird der Terminus "Steuerung" verwendet, worunter "diejenigen Entscheidungen und Maßnahmen'' verstanden werden, "mit denen ex ante die Untemehmensaktivitäten beeinflußt werden können" {Gerum / Richter / Steinmann (1986), S. 281}. Leider wird der Kontrollbegriff von Ökonomen und Juristen nicht einheitlich verwendet Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive werden unter den Obergriff "Überwachung" die Termini der (abhängigen) "Kontrolle" und der (unabhängigen) "Prüfung" subsummiert {vgl. Eichhorn (1980)]. Vgl z.B. Himmelmann (1980), Backhaus {(1980), S. 49 ff.}, Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschafl {(1980), (1982)},Mahlberg (1986), Breitenstein {(1988), S. 268 ff.}. Vgl. z.B. Oettle {(1982), S. 165 ff.}, vonMunus {(1982), S. 33 ff.},Püttner(1985).
4. Kapitel: Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten
43
4.1 Exkurs: Definitionen und Funktionen von "Überwachung" und "Kontrolle" Im Gegensatz zur in der Betriebswirtschaftslehre allgemein üblichen Unterscheidung zwischen "Überwachung", "Prüfung" und "Kontrolle" finden sich in der Literatur zu öffentlichen Unternehmen großenteils andere Begriffsabgrenzungen. Diese Tatsache dürfte überwiegend durch die Verwendung des anders gearteten rechts wissenschaftlichen Kontrollbegriffs119 zu erklären sein. Zur Vermeidung einer sprachbegrifflichen Konfusion werden hier notwendige Definitionen gegeben. Darüber hinaus sollen in Kürze die Einbindung der Überwachung in den betrieblichen Arbeitsprozeß und die wesentlichen Überwachungsfunktionen verdeutlicht werden. 4.1.1 Der betriebswirtschaftliche Überwachungsbegriff Die Überwachung ist als ein zentrales Element betrieblicher Prozesse anzusehen. Sie dient zur Feststellung von Abweichungen zwischen Planung und Durchführung mit dem Ziel der Sicherstellung der Einhaltung und Verbesserung betrieblicher Ziel- bzw. Planungsvorgaben: "Überwachung ist somit der Vergleich von Objekten, mit dem Ziel, zwischen den Objekten Abweichungen bzw. Übereinstimmungen festzustellen und die aus dem Vergleich gewonnenen Informationen für entsprechende Konsequenzen zu nutzen."120 Hier wurde der allgemeine Begriff "Objekt" verwendet. Anstelle dieses Begriffes können auch Termini wie "Wert", "Zielvorgabe" oder "Zustand" gesetzt werden. Überwachung wird notwendig, weil z.B. nach- oder untergeordnete Mitarbeiter Zielvorgaben falsch verstehen bzw. interpretieren, technische Anlagen fehlerhaft arbeiten oder die mit der Zielerfüllung betrauten Personen den betrieblichen Zielen zuwiderlaufende Eigeninteressen verfolgen. Art und Intensität der Überwachungsmaßnahmen hängen mit der Zuverlässigkeit der Ausführenden bzw. dem Vertrauen, welches ihnen entgegengebracht werden kann, zusammen. Man könnte die Meinung vertreten, daß völliges Vertrauen die Überwachung überflüssig macht, während Nichtvertrauen eine starke Überwachung erfordert. Dieser Gegensatz besteht jedoch nur scheinbar. Gegen einen völligen Verzicht auf Überwachungsmaßnahmen spricht neben einer vermutlich nie zu vermeidenden Fehlerquote - die Möglichkeit der Vertrauensbildung durch Überwachung. Gegen eine zu intensive Überwachung spricht umgekehrt das damit artikulierte starke Mißtrauen gegenüber den Ausführenden. Unterteilt man betriebliche Arbeitsprozesse gedanklich in die drei Phasen "Planung", "Realisation" und "Überwachung", stellt die Überwachung die letzte, der Realisation nachgela119 120
Vgl. Eichhorn (1980), S. 27 ff. und Abschnitt 32. Baetge (1990), S. 167.
44
4. Kapitel: Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten
Abbildung 4.1: Planung, Realisation und Überwachung
Sollwate
nach: Baetge (1990), S. 167.
gerte, Phase dar (vgl. Abbildung 4.1). Im Rahmen der Überwachimg werden Zielvorgaben hier als Soll- oder Ist-Werte bezeichnet - mit den tatsächlich bei einer Projekt- bzw. Maßnahmenrealisation eintretenden Werten verglichen. Durch den Vergleich von tatsächlich eintretenden Situationen (Ist-Zuständen) mit vorgegebenen Zielwerten (Soll- oder Ist-Zuständen) soll eine Rückkopplung erreicht werden, die sowohl auf die Realisation einer Maßnahme als auch auf zukünftige Planungsprozesse einwirkt und sogar die Zielbildung in späteren Planungsperioden beeinflussen kann. Die einzelnen Arbeitsschritte "Planung", "Realisation" und "Überwachung" sollten also nicht isoliert betrachtet, sondern im Idealfall als Einheit gesehen weiden. "Ohne Überwachung ist die Planung unvollständig, da bei der Folgeplanung Informationen über bei der Überwachung festgestellte Übereinstimmungen oder Abweichungen und die zugehörigen Abweichungsanalysen zu berücksichtigen sind."121 Die Soll-Werte können verschiedene Quellen haben: Sie können dem Überwachenden untemehmensintem von höheren Hierachieebenen vorgegeben oder von ihm selbst entwickelt sein. Auch können sie aus Gesetzen, Verordnungen oder Unternehmenssatzungen hervorgehen. Sind notwendige Soll-Werte nicht vorhanden oder unklar formuliert, müssen sie vom Überwachenden selbst entwickelt werden. Sind sie nicht objektiv-wissenschaftlich ableitbar und/oder nur mit großem Aufwand zu ermitteln, bietet sich an, auf Werte zurückzugreifen, die in vergleichbaren Situationen oder in friiheren Zeitperioden als Referenz dienten - also selber einmal Ist-Werte waren. Dabei dürfte es prinzipiell gleichgültig sein, ob die solchermaßen gebildeten Zielmaßstäbe vorher im eigenen Unternehmen oder extern verwandt wurden.
121
Baetge (1990), S. 167.
4. Kapitel: Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten
45
In Ermangelung eigener Erfahrungen könnte sich z.B. die Vorgabe von Produktionskosten an evL bekannten Vergleichswerten anderer Betriebe orientieren. Lassen sich auf den eben vorgeschlagenen Wegen keine befriedigenden Soll-Vorgaben ableiten, können auch Ist-Werte als Referenz herangezogen werden. Der resultierende Ist-IstVergleich wird z.B. bei der Belegprüfung (Vergleich von Rechnungsbetrag und Auszahlung) oder bei der Serienproduktion (Vergleich verschiedener Endprodukte) angewandt122 Er impliziert jedoch einige Probleme. Erstens muß sichergestellt werden, daß das zum Vergleich ausgewählte Ist-Objekt eine Mindestzuverlässigkeit gewährleistet. Es sollte mit einer deutlich über 50% liegenden Wahrscheinlichkeit fehlerfrei sein. Zur Erlangung dieser Information bedarf es i.d.R. einer hinreichend großen Stichprobe oder einer sorgfaltigen Vorprüfung. Zweitens ist eine Zuordnung eines Ist-Objektes zu einer der beiden Kategorien "richtig" oder "falsch" im Falle einer Abweichung ohne weitere Informationen nicht möglich.123 In einer solchen Situation ist dann eine Aussonderung oder Überprüfung nicht übereinstimmender Vergleichsobjekte notwendig. Findet keine weitere Prüfung statt, verbleibt eine - wenn auch vielleicht sehr kleine - Fehlerwahrscheinlichkeit. Überwachung kann nachträglich oder begleitend erfolgen. Mit dieser Unterscheidung hängt die "Überwachungsintensität" zusammen. Darunter wird generell die Häufigkeit der Überwachung (zeitliche Überwachungsfrequenz) verstanden.124 Zur Überwachungsintensität könnte man jedoch auch die Genauigkeit der Überwachung (Fehlertoleranz) und die Härte der Sanktionen für die Überwachten (welche Konsequenzen haben Bearbeitungsmängel für die verantwortlichen Mitarbeiter?) bei Zielabweichungen gezählt werden. Mit einer zunehmende Überwachungsintensität dürften jedoch steigende (Grenz)Kosten und abnehmende (Grenz)Nutzen verbunden sein. Folglich sind bei der Beurteilung von Überwachungsmaßnahmen imbedingt deren Kosten und Nutzen gegeneinander abzuwägen. Zur Kostenseite zählen nicht nur die unmittelbaren Kosten der Überwachung (Kosten der Einrichtung und Aufrechterhaltung des Überwachungsapparates), sondern auch die negativen (FolgeBirkungen der Überwachung (wie die Kosten einer Aussonderung oder Überarbeitung). Als Überwachungsnutzen sind alle positiven Überwachungswirkungen zu interpretieren. Die
122
123 124
Als Voraussetzung für Ist-Ist-Vergleiche muß entweder ein Ist-Vergleichsobjekt bereits vorliegen oder noch erstellt werden. Im erstgenannten Fall ist eine identische oder komplementäre Aufgabe bereits mehrfach durchgeführt worden. Beispiele für komplementäre Güter sind Zylinder und Schloß, Steck» und Anschlußbuchse, Mutter und Schraube etc. Im zweiten Fall kann eine Aufgabe wiederholt oder ahnlich ausgeführt weiden. Beispielsweise sei die Doppelzählung von Lagerbeständen (Inventur) entweder zeitlich hintereinander durch die gleiche Person oder parallel durch zwei Personen genannt (vgl Baetge (1990), S. 189}. Dabei sind verschiedene Meßweisen des gleichen Gegenstands möglich: Eine bestimmte Menge Geldmünzen kann z.B. zunächst gezählt und anschließend gewogen werden. Vgl. hierzu Baetge (1990). Vgl. ebenda, S. 171.
4. Kapitel: Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten
46
möglichen Wirkungen von Überwachungsmaßnahmen können in folgende fünf Kategorien unterteilen werden:125 - Präventivwirkung, - dysfunktionale Wirkung, - Korrekturwirkung, - Lernwirkung und - Sicherheitswirkung. Eine präventive Wirkung entsteht, wenn die überwachten Mitarbeiter bzw. Organe allein durch das Wissen, daß sie überwacht werden, sorgfaltiger als ohne das Vorhandensein der Überwachung arbeiten. Diese auch als "Selbstüberwachung" bezeichnete Verhaltensweise kann zu einer deutlichen Reduktion von Fehlerraten fuhren. Dagegen kann eine zu strenge Überwachimg bzw. eine zu hohe Überwachungsintensität den verfolgten Zweck konterkarieren. Sie kann eine Demotivation und Reduktion der Eigeninitiative der Mitarbeiter sowie die Abwälzung der Eigenverantwortung für die Arbeit auf vorgesetzte Personen zur Folge haben. Dieser Mechanismus wird als dysfunkäonaler Effekt bezeichnet. Eine Korrekturwirkung durch Überwachung kann erreicht werden, wenn die fehlerhaften Arbeitsprozesse bzw. Ist-Objekte neu bearbeitet (korrigiert) werden. Da es sich im Rahmen des Phasenschemas um eine Rückgabe an die vorgelagerte Realisationsphase handelt, kann von einer "Rückkopplung" gesprochen werden. Gelingt eine systematische Erkennung und Beseitigung von Fehlerursachen, hat sich eine Lernwirkung eingestellt. Überwachung ist also auch als eine Voraussetzung für das Eintreten von Lerneffekten zu betrachten. Schließlich setzt sich die Sicherheitswirkung einer Überwachung aus zwei Komponenten zusammen. Einerseits erhält der Überwachende Kenntnisse über den Grad der Zieleireichung und die Zuverlässigkeit der überwachten Mitarbeiter und Produktions- bzw. Arbeitsmethoden. Auf der anderen Seite weiß der Überwachte im Falle der Rückmeldung, ob und inwieweit seine Vorgesetzten mit der Qualität seiner Arbeit zufrieden sind, woraus eine erhöhte Sicherheit der überwachten Person(en) resultiert. Im betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch wird der Terminus "Überwachung" als Oberbegriff der beiden disjunkten Sachverhalte "Prüfung" und "Kontrolle" verstanden.126 Als die beiden meistverwendeten Unterscheidungskriterien dienen erstens die Frage nach dem Einbau
125 126
Vgl. ebenda, S. 171 ff. Eine ähnliche Unterscheidung bezüglich der Kontrolle öffentlicher Unternehmen trifft z. B. Mahlberg ((1986), S. 21}. Er unterscheidet zwischen "Selbstkontrolle" und "Fremdkonirolle". "Die Selbstkontrolle wird durch die Organe und Einrichtungen des Unternehmens bzw. der Gemeinde selbst geführt, die Fremdkontrolle obliegt dagegen externen Institutionen" (vgl. ebenda). Unter Selbstkontrolle faßt er u.a. den Einfluß der Gemeinden und ihrer Organe auf die kommunalen Unternehmen.
4. Kapitel: Einflußnalime- und Überwachungsmöglichkeiten
47
Abbildung 42: Formen der Unternehmensüberwachung
nach: Eichhorn (1980), S. 25.
einer Überwachungshandlung in den betrieblichen Arbeitsablauf und zweitens die Frage nach der Verantwortung für den überwachten Prozeß.127 Eine Prüfung128 liegt vor, wenn eine Überwachungsaktivität nicht fest in den Arbeitsablauf integriert ist und der Prüfer nicht für das Ergebnis des überwachten Arbeitsprozesses verantwortlich ist Für die Überwachungshandlung und das Überwachungsergebnis dagegen trägt der Prüfer Verantwortung. Prüfer werden in diesem Kontext als unabhängige, nicht am IstZustand beteiligte Dritte bezeichnet.129 Als Prüfung kann demzufolge sowohl eine Überwachung eines Unternehmens durch unabhängige Untemehmensexteme (Wirtschaftsprüfer, Beteiligungsverwaltung, Rechnungshöfe, Finanzverwaltung, Aufsichtsbehörden etc.) als auch durch weisungsungebundene Untemehmensinterne (Aufsichts-, Verwaltungsräte, Betriebs-
127 128 129
Vgl. Baetge (1990), S. 169. Eine gute Übersicht über die betriebswirtschaftlicher Untemehmensprüfung gibt z.B. Egner (1990). Eichhorn (1980), S. 23.
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4. Kapitel: Einflußnahme- und Überwachungsmöglichkeiten
und Personalräte, unabhängige Innenprüfung) bezeichnet werden (vgl. Abbildung 4.2).130 Für die Prüfung von unabhängigen Unternehmensmitarbeitern werden zumeist die Synonyme "Innenrevision" oder "interne Revision" verwendet Im umgekehrten Fall einer Einbindung des Überwachenden in den Arbeitsprozeß und seiner Beteiligung am Ist-Ergebnis und/oder Verantwortlichkeit für das Arbeitsergebnis liegt demzufolge eine (interne) Kontrolle vor. Kontrollfunktion werden z.B von der Geschäftsführung, ihr unterstellten Controllern, Abteilungs- und Bereichsleitern wahrgenommen. Beispielsweise dürften sich insbesondere in den industriellen Produktionsbereich Qualitätskontrollen tendenziell leicht integrieren lassen. Diese Kontrolle könnte sich auf jedes der produzierten Güter (vollständige Kontrolle) oder auf Stichproben erstrecken. Sie kann bei jedem Arbeitsschritt laufend oder am Ende des Produktionsprozesses nachträglich erfolgen. 4.1.2 Der juristische KontrollbegrifT In der Literatur zu den öffentlichen Unternehmen wird im vorliegenden Zusammenhang häufig der Terminus "Kontrolle öffentlicher Unternehmen" verwendet.131 Die in der einschlägigen Literatur gebräuchlichen Kontrollbegriffe132 weichen von der obigen Definition ab. Der Begriff der "öffentlichen Kontrolle" umfaßt z.T. auch den entsprechend der oben getroffenen Unterscheidung als Prüfung zu bezeichnenden Teil der Überwachung. Die Begriff der öffentlichen Kontrolle wird aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen. Zum einen geht es um die Kontrolle der Durchsetzung des politischen Willens bzw. der Ziele des Trägers. Diese politisch-demokratische Kontrolle stimmt i. Gj mit i Böte i entsprechend seiner Kosten, würde i den Auftrag nicht erhalten. Würde i ein Angebot unter Gj unterbreiten, erhielte i zwar den Zuschlag, aber es würde ein Verlust in Höhe von K, - Gj eintreten. Die beste Strategie für jeden Anbieter besteht also darin, Gebote abzugeben, die genau seinen Kosten entsprechen. Die Vickrey-Regel hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen - in ihrer Einfachheit und - ihrer Unabhängigkeit von der Teilnehmerzahl und der Strategie der Mitkonkurrenten. - Sofern der "Fluch des Gewinners" besteht, wird er abgemildert. Als Nachteile sind zu nennen: - Die Bieter wissen nicht im voraus, zu welchem Preis sie einen Auftrag eventuell erhalten und welchen Gewinn sie realisieren können. Immerhin wissen sie, daß sie keinen Verlust erleiden werden. - Das Verfahren ist nicht anwendbar, wenn nur ein einziger Anbieter vorhanden ist. - Die Vickrey-Regel erhöht im Vergleich zur Tiefstpreisausschreibung u.U. die Stabilität von Angebotskartellen, weil unter dem Regime dieser Regel mögliche Gewinne von Kartellaußenseitern und Kartellbrechern geringer sind bzw. Bieter durch die Teilnahme am Kartell höhere Gewinne erzielen können.409 93.2 Anreize zur Bildung von Angebotskartellen Die bisherigen Ausführungen basierten auf der Annahme, daß keine Absprachen zwischen den Anbietern vorliegen. In der Realität finden aber häufig Absprachen statt. Ursächlich für diese Beobachtung dürfte sein, daß das gegenwärtig praktizierte Verfahren der öffentlichen Ausschreibung geradezu das Treffen von Absprachen und die Bildung von Angebotskartellen fördert Erstens muß bei der öffentlichen Ausschreibung die nachgefragte Leistung von vornherein sehr genau spezifiziert werden. Potentielle Kartellmitglieder brauchen sich damit nur auf eine Komponente - den Preis - zu einigen. Zweitens wird das Ergebnis des Ausschrei409
Eine Diskussion verschiedener Modelle zur Beurteilung der Vickrey-Regel findet sich z.B. bei Kräkel (1993). Dort wird anhand verschiedener Überlegungen unter relativ realistischen Annahmen gezeigt, daß die kartellstabilitätsfördenden Eigenschaften dieser Regel nicht so zwangsläufig sind, wie zumeist behauptet wird.
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9. Kapitel: Auftragsvergabe
bungsverfahrens und damit der Vergabepreis im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens für Bauleistungen veröffentlicht. Auf diese Weise kann jeder Kartellbrecher leicht identifiziert werden, so daß ein nachträgliches, von den übrigen Kartellmitgliedern unbemerktes Ausscheren aus dem Kartellverband unmöglich wird.410 Kartellfordernd kann auch die Bestimmung in der VOB wirken, nach der Angeboten mit unangemessenen Preisen kein Zuschlag erteilt werden darf. Dies mag bedeuten, daß Kartellgebote von Nichtkartellmitgliedern kaum unterboten werden können, da letztere schnell in den Verdacht geraten, "unangemessen" zu sein.411 Normalerweise bestehen für die mitbietenden Unternehmen starke Anreize, sich zwar formell auf Kartellabsprachen einzulassen, sie im nachhinein jedoch nicht einzuhalten und sich damit als Trittbrettfahrer zu Lasten der übrigen Mitglieder des Kartells zu betätigen. Durch eine heimliche Preissenkung unter den abgesprochenen Preis oder eine Qualitätsvariation kann sich jedes Kartellmitglied den Auftrag verschaffen. Daher kann vermutet werden, daß Kartelle auf offenen Märkten relativ instabil sind. Je schwieriger aber das Verlassen eines Kartells wird, desto mehr stabilisiert es sich. Aus diesem Grunde versuchen die Kartellmitglieder natürlich, Vorkehrungen zu treffen, die ein Ausbrechen erschweren. In der Tat zeigen die vielen aufgedeckten Fälle immer wieder, wie hochgradig organisiert Kartelle sind. Im einzelnen sind verschiedene Spielregeln beobachtbar. Üblicherweise vereinbaren die Mitglieder einen - überhöhten - sog. "Nullpreis" und das Unternehmen bzw. das Unternehmenskonsortium, welches den Auftrag erhalten soll. Man spricht in diesem Zusammenhang von dem bzw. den "zu schützenden Unternehmen". Die anderen Kartellteilnehmer überbieten dann den Nullpreis. Sie sind die "schützenden Unternehmen". Für diesen "Schutz" können sie auf verschiedene Art "belohnt" werden. Bei überregionalen Ausschreibungen werden die nicht zum Zuge kommenden Unternehmen häufig durch direkte Ausgleichszahlungen, überhöhte Zahlungen für tatsächlich erbrachte Subunternehmerleistungen oder Zahlungen für fiktive Leistungen kompensiert. Bei zumeist längerfristig bestehenden regionalen Abspracheringen erhalten die Mitglieder für jeden "Auftragsverzicht" ein Punkteguthaben, das einfach zu errechnen ist: Man dividiert die Bausumme durch die Zahl der schützenden Unternehmen. Beim nächsten Auftrag ist dann immer das Unternehmen an der Reihe, welches über das höchste Punkteguthaben verfügt. Falls von den Unternehmen Sondervorschläge zur verbesserten Auftragsabwicklung bzw. Bauausführung gemacht weiden, müssen sie vorher offengelegt werden. Daher werden zumeist gar keine Vorschläge unterbreitet. Zudem könnten manche Vorschläge Rückschlüsse auf firmeneigene Innovationen erlauben, die den 410
411
Wobei ein unbemerktes Kartellbrechen in vielen Fällen auch sonst unmöglich sein dürfte. Es dürfte normalerweise für die Kartellmitglieder nicht sehr schwer sein, den Auftragnehmer zu ermitteln. Schwieriger dürften die Vergabekonditionen in Erfahrung zu bringen sein. Vgl. Finsinger (1985).
9. Kapitel: Auftragsvergabe
155
Konkurrenten verheimlicht werden sollen. Für die Bestrafung eventueller Ausbrecher aus dem Kartell ist von den Kartellpraktikern ein vielfaltiges Instrumentarium entwickelt worden. Beispielsweise müssen von den Kartellmitgliedern Sicherheitsleistungen wie Bargeld, Schecks oder Wechsel erbracht werden, die im Falle einer Abspracheverletzung verfallen. Auch Lieferungen der Unternehmen untereinander können behindert werden. Ein letztes Mittel kann der Vernichtungswettbewerb sein.412 Können die Kartellanten nun dauerhaft von ihren Absprachen profitieren? Bei freiem Marktzutritt ist dies nicht der Fall. Hohe Gewinne aus wettbewerbswidrigen Verhalten locken natürlich neue Wettbewerber an. Je größer aber die Zahl der Kartellteilnehmer, desto schwieriger ist ein Kartell zu disziplinieren. Vor allem muß das staatliche Auftragsvolumen durch eine größere Zahl von Unternehmen geteilt werden, wodurch eventuell vorliegende Skalenvorteile ungenutzt bleiben und sich die Durchschnittskosten erhöhen, so daß am Ende die Unternehmen nicht besser gestellt sind als ohne Kartell. Die Kosten einer überhöhten Angebotskapazität belasten die öffendichen Haushalte und letztendlich die Steuerzahler.413 Anders ist die Situation, wenn es denn Kartellmitgliedern gelingt, Marktzutrittsbeschränkungen zu schaffen oder solche auch ohne ihr Zutun - z.B. durch die Existenz von "Sunk Costs" - bestehen. Je größer die Markteintrittsbarrieren, desto größer dürften die illegalen Gewinnmöglichkeiten aus Kartellen sein. Verlierer ist auf jeden Fall wieder der Steuerzahler. Es ist schwierig, genaue Zahlen über die Häufigkeit von Kartellabsprachen zu erhalten. Finsinger [(1984a), S. 585] geht davon aus, daß nahezu alle öffentlichen Bauaufträge von Absprachen betroffen sind, die in ca. 75% der Fälle Erfolg haben. Im Gegensatz dazu scheinen Absprachen bei privaten Bauaufträgen nur selten stattzufinden. Nach Finsinger (1984a) kommen auf tausend Absprachen bei öffentlichen Aufträgen nur neun Absprachen gegenüber privaten Auftraggebern. Den durch die Kartellbildung auftretenden Schaden schätzt Finsinger (1984a) vorsichtig auf durchschnittlich ca. 11% der Bausumme. Das Problem der Kartellbildung läßt sich vermutlich nicht durch eine Einzeltnaßnahme befriedigend lösen. Eher scheint ein Bündel verschiedener Maßnahmen zur Eingrenzung von Absprachen geeignet. Ein einfacher Vorschlag kann in der NichtVeröffentlichung der Ergebnisse des Vergabeverfahrens bestehen. Zwar würde es den Kartellmitgliedern trotzdem häufig noch möglich sein, den Auftragnehmer - und eventuellen Kartellbrecher - ausfindig zu machen, aber insbe-
412
413
Diese kurze Beschreibung von Kartellabsprachen basiert auf den sehr illustrativen Ausführungen Finsingers {(1984a), S. 578}. Vgl. zS. Blankart (1991), S. 379.
156
9. Kapitel: Auftragsvergabe
sondere die Vergabebedingungen blieben unbekannt Damit wäre ein Verstoß gegen Kartellabsprachen von den Kartellmitgliedern schwerer nachzuweisen.414 Da die Anreize zu unerlaubten Absprachen vor allem dann auftreten, wenn sich potentielle Kartellverbündete nur auf den Preis einigen müssen und relativ wenige Bieter vorhanden sind, sollten Gegenmaßnahmen auch dort ansetzen. Einerseits hieße dies eine Aufhebung der Eindimensionalität des Wettbewerbs z. B. durch eine Steigerung der Anreize zur Abgabe von Verbesseningsvorschlägen. Andererseits sollte der Kreis der Bewerber möglichst groß gehalten werden. Aus diesem Grunde sollte die öffentliche Ausschreibung auch in der Praxis die Regel sein und nicht - wie vielfach zu beobachten - die anderen Vergabeformen. In diesem Kontext wäre es auch wünschenswert, wenn Marktzutrittsbarrieren für neue Anbieter so gering wie möglich gehalten werden. Schließlich wären die Risiken von kartellbildenden Unternehmen zu steigern. Möglichen Kartellgewinnen könnten als Korrektiv hinreichend anreizsenkende Verlustmöglichkeiten sprich Strafen - gegenübergestellt werden. Auch könnten Unternehmen, die nachweislich an einer Absprache teilgenommen haben, von weiteren öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Einer - illegalen - Zusammenarbeit von Vergabebeamten und Auftragnehmern könnte man durch eine intensivere Aufsicht und häufigere Versetzungen der Vergabebeamten besser als bisher begegnen. 93.3 Verschwendungsanreize bei Kostenerstattungsverträgen Bei der öffentlichen Ausschreibung wird von genau beschreibbaren Leistungen ausgegangen. Es bestehen aber auch Situationen, wo die zu beschaffenden Güter gerade nicht exakt beschreibbar sind. Diese Situation ist z.B. für neuartige Rüstungsgüter typisch. Es werden häufig Anforderungen an Rüstungsgüter gestellt, deren technische Realisierbarkeit unklar ist und Neuentwicklungen in technischen Grenzbereichen erfordern. Ein genaue Produkt- oder Leistungsbeschreibung ist erst im Zeitablauf auf den verschiedenen Entwicklungsstufen möglich. In einer solchen Situation werden sich kaum Anbieter finden, die bereit sind, das Entwicklungskostenrisiko allein zu tragen und ein festes Gebot abzugeben. Anstelle von "Festpreisverträgen" werden dann "Selbstkostenerstattungsverträge" geschlossen. Dabei werden Preise auf Kostenbasis zuzüglich eines Gewinnzuschlages vereinbart. Von einer derartigen Preiskalkulation gehen keine Anreize zur effizienten Produktion, sondern zur Verursachung möglichst hoher Kosten aus: 414
Dieser Transparenzverlust wäre sicher im Interesse einer effizienten StaatsWirtschaft vertretbar. Die Einhaltung der Vergabebedingungen ließe sich von den Rechnungshöfen bzw. Aufsichtsbehörden kontrollieren.
9. Kapitel: Auftragsvergabe
157
- Erstens ist durch den festen Gewinnaufschlag der Gewinn um so höher, je höher die Kosten sind. - Zweitens besteht bei einer Kostenerstattung die Versuchung, möglichst viele nicht direkt zurechenbare Kosten (Gemeinkosten) aus anderen Bereichen in die Produktionssparte zu verlagern, die unter Kostenerstattungsbedingungen arbeitet. - Drittens braucht man nicht mehr so sorgfaltig zu arbeiten. Leicht lassen sich erhöhte Ausschußquoten auf die Rechnung setzen. - Viertens bestehen Möglichkeiten zur Verbesserung des "Konsums am Arbeitsplatz". Die Kosten komfortablerer Büros, besserer Kantinen etc. können ebenfalls überwälzt werden (Stellen Sie sich einmal vor, sie bekämen die Kosten Ihrer privaten Lebenshaltung vollständig ersetzt). Eine Vertragsauflösung kommt wegen hoher verlorener Kosten (sunk costs) häufig auch nicht in Frage. Darüber hinaus haben die Vergabestellen i.d.R. auch kein Interesse Projekte zu stornieren. Zum einen mag dies aus falscher Scheu vor dem Eingeständnis, ein "falsches" Projekt betreut zu haben, resultieren. Zum anderen wächst in der öffentlichen Verwaltungshierarchie die "Bedeutung" einer Stelle mit dem zu betreuenden Finanzvolumen. Folgerichtig bestehen für die Vergabebeamten Anreize, im Verein mit den potentiellen Auftragnehmern mitzuhelfen, die zu Beginn eines Vorhabens errechneten Kosten möglichst niedrig auszuweisen. Ist das Projekt erst einmal "ins Rollen gekommen" und sind genügend hohe "sunk costs" entstanden, können - wie in der Praxis leider auch immer wieder zu beobachten - die Nachkalkulationen immer höher geschraubt werden. In der Praxis lassen sich solche nachträglichen Kostensteigerungen häufig beobachten. Als Beispiele lassen sich der "Tomado" - ein gemeinsam entwickeltes Kampfflugzeug der Bundeswehr und anderer europäischer Staaten - und der "Jäger 90" (neuerdings "Eurofighter") nennen. Beim Tornado lagen die durchschnittlichen jährlichen Kostensteigerungen bei 35 Als Lösungsvorschlag werden sog. "Anreizverträge" diskutiert. Im Rahmen von Anreizverträgen werden Zielkosten vereinbart. Weichen die tatsächlichen Kosten später von den Zielkosten ab, weiden die Unternehmen an den Kostenabweichungen beteiligt. Kommt es zu Kostenüberschreitungen, wird nur ein Teil des Kostenüberhangs erstattet Werden die vereinbarten Kosten unterschritten, profitiert das Unternehmen nur zu einem Teil von den Ersparnissen. Die Gewinne G (bei Verlusten hat G ein negatives Vorzeichen) eines Unternehmens hängen also von der Abweichung zwischen den Zielkosten Z und tatsächlichen Kosten K sowie von der Selbstbeteiligungsquote b ab: G = b-(Z - K). Z und K enthalten jeweils die "Normalrendite" des eingesetzten Kapitals. Setzt man Z - K = K* ergibt sich: 415
Vgl. Um (1990), S. 1.
9. Kapitel: Auftragsvergabe
158
G = b • K*. Im Prinzip handelt es sich bei Anreizverträgen der dargestellten Art um eine Versicherung mit Selbstbeteiligung.416 Verluste müssen von den Unternehmen nur zum Teil getragen werden. Dies mindert die Anreize zu effizientem Wirtschaften. Auch die Gewinnteilung mindert natürlich die Anreize zur Effizienz. In dieser Konstellation besteht natürlich die Gefahr, daß nur die Unternehmen bei öffentlichen Projekten mitbieten, die eine Versicherung brauchen. Zudem müssen effiziente Interessenten - weil sie den Gewinn teilen müssen - relativ hohe Gebote abgeben, um die gleiche Rendite wie bei privaten Aufträgen realisieren zu können. So kommen leicht relativ ineffiziente Unternehmen zum Zuge, die sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Aufträgen "nur" eine geringe Rendite erreichen können. Insgesamt kann es also zu einer "adversen Selektion" der Auftragnehmer öffentlicher Projekte kommen. Zur Umgehung dieses Problems stammt von Canes (1975) der Vorschlag eines zweistufigen Bietverfahrens. Auf der ersten Stufe werden Angebote eingeholt, die sich hinsichdich Preis und Selbstbeteiligungsanteil unterscheiden können. Auf der zweiten Stufe leitet die Vergabebehörde Nachverhandlungen ein, indem sie die Selbstbeteiligungsrate der Unternehmen variiert (erhöht). Bei den Neukalkulationen müssen die (relativ) ineffizienten Unternehmen ihre Angebote stärker erhöhen bzw. können sie nicht so stark senken wie die effizienteren Unternehmen.417 Folglich kann die Vergabebehörden mittels dieses Verfahrens relativ leicht 416 417
Vgl. Blankart (1991), S. 384. Nehmen wir an, die Anbieter können K* im Gegensatz zur ausschreibenden Behörde in etwa einschätzen und betrachten diese Größe als "strategischen Gewinnaufschlag". Wenn die Vergabebehörde die Selbstbeteiligungsqoute variiert muß - unter der Voraussetzung, daß die Unternehmen den strategischen Gewinn unverändert haben wollen - gelten:
bajt-Ki =bneaKn01. Durch Umformen erhält man:
bst = Kaa bzw. KL = b * . bnm Kjt bneu Die Änderung des Gewinnaufschlags ist* *
*
AK=K oaJ -Kj t . Durch Einsetzen und Umformen ergibt sich: AK = b.
K* - Kjt = bat . i bno,
Setzt man
Kjt.
bdi - 1 = c, gilt fernen bno
Falls balt < bneu ist c < 0. Falls umgekehrt balt > bneu. ist c > 0. Man sieht leicht, daß der strategische Gewinnaufschlag AK (bei konstantem strategischen Gewinn) durch die Änderung der Selbstbeteiligungsquote c.p. umso stärker variiert, je größer der "alte" Gewinnaufschlag
KjjisL
9. Kapitel: Auftragsvergabe
159
zwischen effizienten und ineffizienten Unternehmen unterscheiden. Durch eine Modifikation der Vergabeordnungen - derzeit sind Nachverhandlungen verboten - ließe sich ein solcher Bieterwettbewerb auch in die Praxis einführen.
93.4 Die Wirkung von Preissubventionen
Die staatliche Preispolitik wird häufig als Instrument der Wirtschaftspolitik eingesetzt. An potentiellen Einsatzbereichen herrscht dabei kein Mangel. Mal soll eine international nicht wettbewerbsfähige Industrie erhalten werden - sei es um Arbeitsplätze zu sichern oder um eine nationale Autonomie zu gewährleisten. Ein anderes Mal geht es um die Förderung strukturschwacher Regionen. Beispiele für eine derartig motivierte Auftragsvergabe finden sich in der Rüstungsindustrie, dem Verkehrswesen, der Energieversorgung, der Telekommunikation u.a. In all diesen Fällen bleibt das Gebot des niedrigsten Preises unbeachtet und es wird über dem Marktpreis gekauft. Man spricht dann von einer "Preissubvention". Der Nachteil einer derartigen Politik liegt natürlich in einer zusätzlichen Belastung des Staatshaushaltes. Werden die Förderziele aber auch tatsächlich erreicht und profitieren die auf den ersten Blick begünstigten Unternehmen auch im Endeffekt? Die Antwort lautet: Häufig nicht. Es läßt sich zeigen, daß unter bestimmten Voraussetzungen - insbesondere bei freiem Marktzutritt - die mutmaßlich begünstigten Unternehmen tatsächlich nicht profitieren und sich ineffiziente Marktstrukturen herausbilden. Es befinden sich im Endeffekt zu viele und zu kleine Unternehmen auf dem Markt. Zusätzlich profitieren private Käufer von den Preissubventionen. Betrachten wir dazu ein einfaches komperativ-statisches Modell.418 Nehmen wir zunächst an, der Staat trete auf einem Markt in Konkurrenz zu privaten Nachfragern und kaufe zum Markt(Wettbewerbs)preis. Zur Vereinfachung wird weiterhin angenommen, daß alle Unternehmen identisch sind - folglich auch gleiche Kostenfunktionen haben. In Abbildung 9.2 ist
Dazu ein Zahlenbeispiel: Angenommen, es bieten zwei Unternehmen a und b zum gleichen Preis (bzw. zu gleichen Zielkosten = 1.000.000 DM), a produziert effizienter und kann die Zielkosten um 200.000 DM unterbieten, während das Unternehmen b die Zielkosten nur um 100.000 DM unterbieten kann. Bei einer ursprünglichen Selbstbeteiligungsquote von 0,5 erzielt a einen Gewinn in Höhe von 100.000 DM. b dagegen kann nur 50.000 DM Gewinn realisieren. Erhöht die Vergabebehörde die Selbstbeteiligung auf 0,6, kann das Unternehmen a sei Gebot stärker reduzieren als das Unternehmen b.
418
Unternehmen a:
05 -1 0,6
200.000 = -33.333 DM.
Unternehmen b:
0,5 - 1 0,6
100.000 = -16.666 DM.
M.a.W. Firma a kann das Angebot um ca. 33.000 DM senken und erzielt dabei den gleichen Gewinn wie vorher. Um den Gewinn konstant zu halten, kann Firma b die Zielkosten nur um knapp 17.000 DM senken. Bezogen auf den Auftragswert reduziert a den Preis um 3,3%, während b nur um ca. 1,7% ermäßigen kann. Vgl. Finsinger (1988).
160
9. Kapitel: Auftragsvergabe
Abbildung 92 : Firmenanpassungsreaktionen bei staatlichen Preissubventionen
vgl. Finsinger (1988), S. 71.
die Ausgangsposition aller identischen Firmen durch Punkt a wiedergegeben. Der Wettbewerbspreis p (bei vollständiger Konkurrenz) entspricht den Grenz- und Durchschnittskosten GK bzw. DK. Die von den Unternehmen abgesetzte Menge M teilt sich auf in die Nachfrage des Staates Y und die Nachfrage privater Wirtschaftssubjekte X. Wenn sich die Preise für die vom Staat gekauften Güter auf q erhöhen, liegen die Durchschnittserlöse DE419 der Unternehmen über den Grenzerlösen p für Privatverkäufe. Falls kein Marktzutritt neuer Unternehmen stattfindet, repräsentiert der Punkt a weiterhin das Marktgleichgewicht, obwohl die Erlöse über den Kosten liegen. Für potentielle Konkurrenten besteht kein Anreiz zu einem Maiktzutritt, wenn sie keine Staatsaufträge zum Preis q erhalten. Dies ist z.B. bei der beschränkten Ausschreibung der Fall, wo fast nur altbekannte Firmen einbezogen werden.
419
DE =
P-X + g-Y X+Y
9. Kapitel: Auftragsvergabe
161
Dennoch sind die Markteintrittsbarrieren häufig nur temporär. Interessanterweise enthalten die Vergabeordnungen auch Bestimmungen, die vorsehen, daß alle auf dem Markt befindlichen Unternehmen einen angemessenen Auftragsanteil erhalten sollen. Treten nun weitere Unternehmen auf den Markt, reduziert sich (bei unverändertem Gesamtvolumen der staatlichen Aufträge) der Marktanteil der Einzeluntemehmungen- z.B. auf Y1. Im neuen Marktgleichgewicht (Punkt b) stimmen die (neuen niedrigeren) Durchschnittserlöse DE' ebenfalls mit den Durchschnittskosten überein. Bei vollständiger Konkurrenz auf dem privaten Marktsegment fallen dort die Preise bis auf die Grenzkosten, so daß p' = GK. Die neue Gesamtausbringungsmenge y' + x' der Unternehmen ist geringer als die Produktionsmenge in der Ausgangssituation. Die Unternehmen produzieren nicht im Minimum ihrer Durchschnittskosten sie sind zu klein. Von den überhöhten Preisen für die Staatsaufträge profitieren die Privatkunden.420 Bei freiem Marktzutritt geht ein Teil der Preissubventionen an die privaten Nachfrager, der andere Teil geht durch eine ineffiziente Produktion verloren. Empirische Ergebnisse aus der Schweiz stützen diese These. In den Kantonen, wo nicht nach der Niedrigstpreisregel verfahren wurde und damit Preissubventionen stattfanden, ließen sich in der Tat Überkapazitäten beobachten.421 Vor dem Hintergrund der hier präsentierten Überlegungen spricht wenig dafür, Preissubventionen als Instrument der Regional- und Strukturpolitik einzusetzen. Hier dürften andere Maßnahmen - wie die Vergabe direkter Fördermittel - günstiger zu beurteilen sein.
420
421
Diese Aussagen gelten auch, wenn der Staat sein Auftragsbudget zum Ausgleich der Marktanteilsverluste der einzelnen Unternehmen durch Marktzutritt erhöht Der mathematische Nachweis findet sich bei Finsinger {(1986), S. 49 ff. u. (1988)}. Vgl. Finsinger {(1986), (1988)}.
10. Preispolitik In der Regel unterscheidet sich Zielsetzung öffentlicher Unternehmen von den Zielen privater Unternehmen. Während man annimmt, daß bei Privatfirmen grundsätzlich das Gewinnziel im Vordergrund steht, wird in der normativen ökonomischen Theorie für öffentliche Unternehmen zumeist das Ziel der Wohlfahrtsmaximierung im Sinne einer Maximierung des sozialen Überschusses (SÜ) als Summe von Konsumentenrente (KR) und Produzentenrente (PR) - SÜ = KR + PR - unterstellt.422 Pointiert ausgedrückt ergibt sich daraus für die Preispolitik öffentlicher Unternehmen die Forderung: Im Gegensatz zu privaten Firmen, die bestrebt sind, gewinnmaximale Preise zu setzen, sollten öffentliche Unternehmen wohlfahrtsmaximierende Preise setzen. In der Praxis sind die Ziele öffentlicher Unternehmen überwiegend vage formuliert. So sollen sie z.B. "öffentliche Aufgaben" wahrnehmen, zu denen z.T. auch sozial-423 und regionalpolitische Ziele gezählt werden. Vermutlich kommen die Preise öffentlicher Unternehmen in der Realität nur selten an das theoretische Ideal heran. Hierzu bieten sich verschiedene Erklärungen (wie z.B. das "Unwissen" der Praktiker über wohlfahrtsoptimale Preise) an. Einen wichtigen Erklärungszweig für in der Realität beobachtbare Vorgänge bildet die positive ökonomische Theorie ("Politische Ökonomie", "Ökonomische Theorie der Politik"). Sie betrachtet öffentliche Unternehmen als Instrument von Politikern zur Erzielung von Wählerstimmen. Die Zielsetzung der öffentlichen Preispolitik hegt dann z.B. in der Maximierung von Wählerstimmen. Im Zusammenhang mit der Preissetzung öffentlicher Unternehmen sind ferner insbesondere die Preispolitik bei sog. "natürlichen Monopolen" und die "Spitzenlastpreisbildung" zu diskutieren. Bevor aber die ökonomischen Aspekte vertieft werden, sollen zunächst kurz die tatsächlichen rechtlichen Rahmenbedingungen dargestellt werden.
10.1 Rechtliche Rahmenbedingungen Viele öffentliche Unternehmen sind an Preisvorschriften gebunden oder müssen sich ihre Preise von Aufsichtsbehörden genehmigen lassen. Soweit öffentliche Unternehmen hoheitliche Leistungen erbringen bzw. die Kommunen das sog. "Benutzungsverhältnis" ihrer Ein-
422 zur Definition von Konsumenten- und Produzentenrente vgl. z.B. Mühlenkamp (1994). 423 Die Preise öffentlicher Unternehmen werden häufig als "Tarife " bezeichnet. Dabei handelt es sich zumeist um eine an sozialen Kriterien ausgerichtete Preisdifferenzierung. Auch gleiche Preise für gleiche Leistungen, die aber unterschiedliche Kosten verursachen, sind zu beobachten. Letzteres gilt z.B. für Bahn und Post, die bundeseinheitliche Preise für bestimmte Leistungen verlangen. Vergleichbare Privatuntenehmen würden regional unterschiedliche Preise verlangen.
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richtungen öffentlich-rechtlich gestalten, werden "Gebühren" fällig.424 Dafür gelten verwaltungsrechtlich festgesetzte Gebührensätze [geregelt in Kommunalabgabengesetzen (z. B. NKAG) und Gemeindesatzungen] 425 Grundsätzlich können die Kommunen für ihre Einrichtungen aber auch ein "privatrechtliches Benutzungsverhältnis" wählen.426 In diesem Fall ist anstelle der Gebühren ein privatrechtliches "Entgelt" fällig. Für bestimmte Unternehmen gelten Sondervorschriften.427 Auch gelten Tarifordnungen für einzelne Wirtschaftszweige. Privatrechtliche Unternehmen unterliegen im Grundsatz keinen Preisvorschriften, sofern nicht branchenspezifische Regelungen (z.B. die "Bundestarifordnung Elektrizität" für stromerzeugende Unternehmen oder die für Krankenhäuser geltende "Bundespflegesatzverordnung") etwas anderes besagen. Einfluß auf die Preisgestaltung bei privatrechtlich verfaßten Unternehmen kann die öffentliche Hand als Eigentümer durch die entsprechende Gestaltung von Unternehmenssatzungen wahren. Dort können z.B. Preisgenehmigungspflichten für das Geschäftsführungsorgan durch das Aufsichtsorgan verankert werden.
10.2 Ökonomische Analyse Unter US-amerikanischen Ökonomen wird seit langem unter den Schlagwörtern "natural monopoly", "public enterprise economics" und "theory of (de-)regulation" eine intensive Diskussion über wohlfahrtsmaximierende Preise geführt.428 In den deutschsprachigen Raum fanden die gewonnenen Erkenntnisse eher zögerlichen Eingang.429 Einen Schwerpunkt der Betrachtungen bildet dabei der Fall des "natürlichen Monopols ".430
424
Im Gegensatz zu "Beitragen" knüpfen "Gebühren" an die tatsächliche Inanspruchnahme einer Leistung an. Regeln die Gemeinden die Benutzung ihres Eigentums und ihrer öffentlichen Einrichtungen per Satzung (vgl. § 8 Abs. 1 NGO), spricht die regelmäßig für ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis {vgl. Thiele (1992), S. 19}. Häufig finden sich vor allem in den kommunalen Gebührensatzungen Ermäßigungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Kinder, Schüler, Studenten, Wehr- und Zivildienstleistende, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Rentner. Während derartige Gebührenstaffelungen sozialpolitisch wünschenswert sein mögen, soll daran erinnert werden, daß sie aus volkswirtschaftlicher Perspektive leicht in Konflikt mit Allokationszielen geraten. Es sollte aus diesem Grunde überlegt werden, ob zur Erreichung von Verteilungszielen nicht andere Instrumente wie die Einkommenbesteuerung besser geeignet sind. Aus juristischer Sicht scheinen zwar keine grundsätzlichen Einwände zu bestehen, doch eine generelle Staffelung zwischen Gebühren und den Einkommen der Nutzer wird auch aus rechtlicher Perspektive z.T. als sog. "Formenmißbrauch" und daher als unzulässig betrachtet (vgl. z.B. Fischedick (1986), S. 60 ff.}. 426 Dies gilt auch dann, wenn für die Einrichtung ein Benutzungszwang besteht (vgl. Thiele (1992), S. 19}. 427 Beispielsweise werden die Leistungsentgelte im Briefdienst und im Monopolbereich des Fanmeldewesens von den Aufsichtsräten der Postuntemehmen beschlossen (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 PostVerfG) und bedürfen der Genehmigung durch den Bundesminister für Post und Telekommunikation (§ 28 Abs. 1 PostVerfG). 428 Spezielle Lehrbücher über "public enterprise economics" sind allerdings immer noch rar. Stellvertretend seien die Monographien von Rees (1984) und Bös (1989) genannt 429 "Frühe" deutschsprachige Monographien verfaßten z.B. Müller / Vogelsang (1979) und Blankart (1980). Eine neuere Arbeit stammt von Finsinger (1991). 430 Ausführlich mit natürlichen Monopolen befassen sich z.B. Sharkey (1982) und Berg / Tschirhart (1988). 425
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10: Kapitel: Preispolitik
Man spricht von natürlichen Monopolen, wenn die gesellschaftlichen Produktionskosten am niedrigsten ausfallen, sofern die gesamte Produktion eines Gutes oder - bei Verbundvorteilen - mehrerer Güter in einem einzigen Unternehmen vereint wird In einem solchen Fall ist es volkswirtschaftlich ineffizient, die erforderliche Produktionsmenge in mehreren Unternehmen herzustellen.431 Es läßt sich zeigen, daß bei natürlichen Monopolen die wohlfahrtsmaximierende Grenzkostenpreisregel zu Verlusten führt Sie ist also nicht anwendbar, falls Kostendeckung gewünscht wird.432 Es kann dann nur eine sog. "Zweitbest-Lösung" für die Preisfestlegung gefunden werden. Die Zweitbest-Lösung maximiert hier die Wohlfahrt unter der Nebenbedingung, daß die Gesamtkosten des natürlichen Monopolisten gedeckt sind. Das Problem sei am denkbar einfachsten Fall eines natürlichen Einproduktmonopolisten demonstriert (vgl. Abbildung 10.1). Ein natürliches Einproduktmonopol ist durch steigende Skalenerträge ("economies of scale") gekennzeichnet433 Dies bedeutet, daß die Durch431 Ein natürliches Monopol liegt vor bei subadditiven Kosten Eine Kostcnfunktion ist "subadditiv", wenn gilt: K(x, + ... + XnO < K(xi) + ... + K i x J .
432
433
(10.1)
Mit xj (i = 1,..., n) sind Gütervektoren bezeichnet. Ungleichung (10.1) bedeutet, daB es kostengünstiger ist, die Güterbündel x¡ in einem einzigen Unternehmen zu produzieren als sie separat in m verschiedenen Firmen zu erstellen. Bei einem Einproduktuntemehmen ist x¡ kein Vektor mehr, sondern ein Skalar. In diesem Fall kann man formulieren, daB es kostengünstiger ist, die gesamte Absatzmenge eines bestimmten Gutes in einem Unternehmen zu produzieren als dieses Gut in mehreren getrennten Unternehmen herzustellen. Unter Ökonomen hat sich wohl mehrheitlich die Meinung durchgesetzt, daB öffentliche Unternehmen insgesamt (mindestens) kostendeckend arbeiten sollten. Von der Pflicht zur Kostendeckung geht für das Management der Anreiz zur Einhaltung einer gewissen "Mindesteffizienz" aus. Wird von vornherein ein dauerhafter Verlust akzeptiert, erfolgt leicht ein "Gewöhnungseffekt" an die zum Ausgleich notwendigen Subventionszahlungen. Zudem wird es dem Management nicht schwer fallen, immer wieder neue Begründungen für erforderliche Verlustausgleiche zu finden. Skalenerträge bei einem Mehrproduktunternehmen ("total scale economies" = TSE) liegen (im n-GüterFall) dann vor, wenn gilt: n X GKÍ(X)XÍ < K (x) bzw.
(10.2)
i-l K(x)
> 1.
(10.2a)
¿GK¡(x)x, i-l
Mit GKj sind die Grenzkosten der Produktion des i-ten Gutes bezeichnet x ist der Outputvektor x = (xi, ..., Xn). K stellt die Gesamtkosten dar. Die Strahlendurchschnittskosten ("ray average costs" = RAQ sind definiert als RAC =
K(t x0)
. (10.3) t x° ist ein bestimmtes - auf den Wert Eins normiertes - Güterbündel. Der Wert t zeigt das "Skalenniveau" an. Er ist ein beliebiges Vielfaches des Referenzgüterbündels x°. Man beachte: Im Mehrproduktfall sind Güterbündel nur vergleichbar, wenn ihre Zusammensetzung (dJi. die prozentualen Anteile jedes einzelnen Gutes an der Gesamtproduktionsmenge) konstant bleibt Geometrisch laßt sich das als (Fahr)Strahl aus
10. Kapitel: Preispolitik
165
schnittskosten (DK) im Bereich der relevanten Produktionsmenge über den Grenzkosten (GK) liegen. Würden Grenzkostenpreise gesetzt, würde das Unternehmen einen Verlust in Höhe von (DK - GK) • xgk erzielen, wobei xgk der Absatzmenge bei Grenzkostenpreisen entspricht. In Abbildung 10.1 ist der Verlust durch die schraffierte Fläche skizziert. Ein (weiteres) Problem besteht nun darin, natürliche Monopolisten zum gesellschaftlich erwünschten Verhalten - im skizzierten Einpioduktfall also zur Setzung von Durchschnittskostenpreisen - zu animieren. Ein gewinnmaximierender Monopolist würde beispielsweise einen Monopolpreis pm ot setzen, der zu einer Ausbringungsmenge führen würde, bei der Grenzkosten und Grenzerlöse (GE) identisch sind.434 Eine Lösungsmöglichkeit könnte in der Festlegung der Preise durch eine Aufsichtsbehörde oder durch die Beteiligungsverwaltung - also einer staatlichen Preisregulierung - bestehen. Ein großes Problem staatlicher Preisregulierung liegt aber in den vermuteten Informationsasymmetrien zwischen den Aufsichtsbeamten und den Untemehmensmanagern.435 Letztere können den Aufsichtsbehörden die zur Setzung wohlfahrtsoptimaler Preise notwendigen Informationen vorenthalten. Unter bestimmten Marktbedingungen sind staatliche Eingriffe in die Preispolitik aber gar nicht nötig, nämlich dann, wenn ein potentieller Wettbewerb - quasi als "unsichtbare Hand" - die Unternehmen von ganz allein zur Setzung zweitbester Preise veranlaßt, wie anschließend noch ausgeführt wird. Anders als die wohlfahrtsökonomisch geprägte "normative" Analyse zielt die polit-ökonomische Betrachtung der staatlichen Preispolitik auf den Interessenhintergrund der die öffentlichen Unternehmen kontrollierenden Politiker.436 Aus dieser Perspektive dienen öffentliche
dem Ursprung darstellen. Dataer spricht man von "Strahlendurchschnittskosten" und auch von "Strahlenskalenerträgen". Beim Einproduktunternehmen vereinfacht sich die Formel (10.2) zu: GK1, (10.4a) GK spricht man hier von (steigenden) Skalenertragen (deutschsprachige Darstellungen der verschiedenen hier verwendeten Definitionen finden sich z.B. bei Finsinger [(1991), S. 79 ff.] und Wirl (1991)}.
434
435 436
Bei Mehrproduktuntemehmen sind (steigende) Skalenerträge jedoch weder notwendig noch hinreichend für ein natürliches Monopol {vgL Baumol I Panzer I Wütig (1988), S. 172). Der Unternehmensgewinn (G) ergibt sich aus der Differenz zwischen Umsatz (U) und Kosten (K): G = U-K. Aus der Optimalbedingung erster Ordnung ergibt sich GE = GK. Beispiel: Angenommen, die Nachfragefunktion sei a - b-x und die Kostenfunktion sei c + d-x. Der Umsatz berechnet sich dann aus x-(a - b-x). Im Gewinnmaximum gilt dann GE = a - 2-b-x = d = GK. Vgl. z.B. Bös (1991). Ein Beispiel für diese Betrachtungsweise liefert Blankart (1991), S. 357 ff.
166 Abbildung 10.1: Natürliches
10: Kapitel: Preispolitik Einproduktmonopol
Unternehmen nicht vornehmlich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben oder der Erzielung von Gewinnen. Vielmehr werden die Preise öffentlicher Unternehmen als ein Instrument zur Gewinnung von Wählerstimmen gesehen. Schließt man sich der letztgenannten Sichtweise an, stellt sich nicht die (normative) Frage: "Wie sollen staatliche Preise bzw. die Preise staatlicher Unternehmen gesetzt werden?" Vielmehr ist zu fragen: "Wie kann die Preissetzung des öffentlichen Sektors erklärt werden?" und "Was begrenzt den Handlungsspielraum von Politikern und Managern bei der Festlegung der Preise?" Die Frage nach den Grenzen und Möglichkeiten der öffenüichen Preispolitik stellt sich also unabhängig von den Motiven der Preisfestlegung. Gleichgültig, ob die Preissetzung der Verfolgung von Wohlfahrtszielen dient oder durch den "Kauf von Wählerstimmen" motiviert ist, die Analyse der Preissetzungsspielräume öffentlicher Unternehmen ist auf jeden Fall relevant Eine Schlüsselrolle bei der Preissetzung öffentlicher Unternehmen spielt der Begriff der anschließend noch zu konkretisierende Begriff der "internen Subventionierung". Der Hintergrund ist einfach. Wenn ein staatliches Unternehmen zur Gewinnung von Wählerstimmen eingesetzt wird, sind die Preise i.d.R. nicht kostendeckend ("Zuschußunternehmen"). Dann fallen Verluste an, die aber irgendwie getragen werden müssen. Eine Möglichkeit der Verlustabdeckung besteht in der Subventionierung aus dem Haushalt des Trägers. In diesem Fall müssen (zusätzlich) Steuern erhoben werden. Wenn es gelingt, die Steuerbelastung quasi zu
10. Kapitel: Preispolitik
167
"atomisieren", indem sie (fast) unbemerkt auf die Allgemeinheit der Steuerzahler verteilt wird oder von Bevölkerungsgruppen getragen werden muß, die die entscheidenden Politiker ohnehin nicht wählen, kann die öffentliche Preispolitik zur Gewinnung der Wähler eingesetzt werden, die von den (zu) niedrigen Preisen profitieren. Ein möglicher Nachteil dieses Verfahrens besteht in der Transparenz. Die Subventionszahlungen werden (bei allen Nettobetrieben) offen im Trägerhaushalt ausgewiesen und können der parlamentarischen Opposition als Angriffsfläche dienen. Bei Mehrproduktunternehmen kann es deshalb günstiger sein, zur Abdeckung der Gesamtkosten eine interne Subventionierung der Preise eines oder mehrerer Produkte durch eine überhöhte Preissetzung bei einem oder mehreren anderen Gütern vorzunehmen. Ein solcher interner Verlustausgleich durch einen horizontalen oder vertikalen Unternehmensverbund hat den Vorteil, daß er Wählern (Kunden) und Opposition eher verborgen bleibt. Sogar aus wohlfahrtsökonomischer Sicht kann eine bestimmte Form der internen Subventionierung bei steigenden Skalenerträgen von Vorteil sein. Unter Umständen kann durch eine Subventionierung eines Gutes, welches unter steigenden Skalenerträgen produziert wird, ein Wohlfahrtsgewinn erreicht werden. In diesem Fall entstehen zwar Wohlfahrtsverluste bei den "Subventionsgebem", durch die richtige Wahl des Preisaufschlags sind die Wohlfahrtsgewinne bei den "Subventionsempfängern" aber größer als die an anderer Stelle eintretenden Wohlfahrtsverluste. 10.2.1 Möglichkeiten der Preissetzung eines Mehrproduktunternehmens bei steigenden Skalenerträgen in Abhängigkeit von Verbundvorteilen und Marktzutrittsmöglichkeiten Bei der folgenden Untersuchung der Preissetzungsspielräume öffentlicher Unternehmen werden verschiedene Situationen unterschieden: a) Es liegen keine Verbundvorteile vor und es besteht freier Marktzutritt, b) Es existieren Verbundvorteile bei freiem Marktzutritt, c) Es liegen Verbundvorteile vor und es bestehen Marktzutrittsbeschränkungen, d) Ein Verbundunternehmen hat auf einem Markt ein Teilmonopol, während es auf anderen Märkten mit anderen Unternehmen konkurriert.437 Fall a) Keine Verbundvorteile und keine Marktzutrittsbeschränkungen Bekanntermaßen ist es einem Anbieter auf einem Markt mit vollständiger Konkurrenz nicht möglich, den Preis über den Marktpreis zu setzen, da er sofort alle Kunden verliert und aus
437
Es ist wohl hauptsächlich das Verdienst von Baumöl, Panzar und Willig, den Zusammenhang zwischen Markteintritts- und Marktaustrittsmöglichkeiten, Verbund- und Skalenvorteilen sowie den Preissetzungsspielräumen von Unternehmen im Rahmen der maßgeblich von ihnen entwickelten Theorie "bestreitbarer Märkte" ("contestable markets") herausgearbeitet zu haben.
168
10: Kapitel: Preispolitik
Abbildung 102:
Kostenverläufe und Preissetzung bei einem öffentlichen Zwei-Produkt-Unternehmen mit Skalenvorteilen ohne verbundene Kosten Linie 1
Linie 2
dem Markt ausscheiden muß. Bietet er zu einem Preis unter den Durchschnittskosten an, wird er die daraus resultierenden Verluste dauerhaft auch nicht tragen können und ebenfalls aus dem Markt ausscheiden müssen. Es kommen also langfristig nur Marktpreise in Betracht, die mindestens die Durchschnittskosten decken. Im Gewinnmaximum wird von den Unternehmen die Menge angeboten, bei der die Marktpreise den Grenzkosten entsprechen. Bei freiem Marktzutritt und Marktaustritt ohne Verbundvorteile438 besteht selbst bei Skalenerträgen ("economies of Scale") für die Anbieter der Druck zu gerade kostendeckenden Preisen (Durchschnittskostenpreisen). In Abbildung 10.2 ist dieser Fall für zwei unverbundene Märkte graphisch dargestellt. Nehmen wir an, es handele sich um zwei separat betriebene Buslinien "Linie 1" und "Linie 2". Dort sind jeweils konstante Grenzkosten GK und fallende Durchschnittskosten unterstellt, wobei die Kurven der Durchschnittskosten (DK) oberhalb der Grenzkosten (GK) verlaufen.439 Im vorliegenden Fall handelt es sich um zwei natürliche Monopole 438 439 440
440
Grenzkostenpreise wären nicht kostendeckend. Aber auch Preise unter den
Femer ist vorauszusetzen, daß alle Konkurrenten über die gleiche Technologie verfügen. Die beschriebene Konstellation ergibt sich bei einem Block (hoher) Fixkosten. Hier zeigt sich, daß abnehmende Grenzkosten nicht notwendig für Skalenvorteile sind. Aufgrund der jeweils vorliegenden Skalenvorteile und der Nichtexistenz von verbundenen Kosten ist diese Aussage richtig.
10. Kapitel: Preispolitik
169
Durchschnittskosten würden zu Verlusten führen. Jeder Preis über den Durchschnittskosten würde Konkurrenten anlocken, die diesen Preis unterbieten können. Dann würden die sich auf dem Markt befindlichen Unternehmen den Markt verlieren. In einer solchen Situation wäre auch eine wohlfahrtsoptimale interne Subventionierung zwischen den beiden natürlichen Monopolbereichen nicht möglich.441 Eine wohlfahrtsmaximierende Preispolitik unter Einhaltung der Nebenbedingung der (Gesamt)Kostendeckung erfordert die Setzung von sog. "Ramsey-Preisen ", 442 Der Grundgedanke der Ramsey-Preise ist einfach. Jede Erhöhung der Preise über die Grenzkosten hinaus führt zu Wohlfahrtsverlusten. Der Umfang der Wohlfahrtsminderungen wird von der Preiselastizität der Nachfrage auf den einzelnen Gütermärkten bestimmt. Je preiselastischer die Nachfrage reagiert, um so höher sind c.p. die Wohlfahrtsverluste und umgekehrt. Deshalb können Wohlfahrtsverluste vermindert (minimiert) werden, wenn der zur Kostendeckung notwendige Aufschlag auf die Grenzkosten in Abhängigkeit von der Preiselastizität der Nachfrage bestimmt wird. Prinzipiell muß der Kostenaufschlag bei preisinelastisch nachgefragten Gütern höher sein als bei preiselastischer Nachfrage. Werfen wir zur Illustration wieder einen Blick auf Abbildung 10.2. Bei Durchschnittskostenpreisen pj bzw. P2 lassen sich die Wohlfahrtsverluste durch die Dreiecke abc (Linie 1) und fgh (Linie 2) skizzieren. Man sieht leicht, daß die Wohlfahrtsverluste bei Linie 2 größer als bei Linie 1 sind, weil die Fahrleistungen der zweiten Linie preiselastischer nachgefragt werden. Wenn man nun den Preis auf Linie 2 reduziert und gleichzeitig den Preis auf Linie 1 erhöht, ist es möglich, bei weiterhin gültiger Gesamtkostendeckung die Summe der Wohlfahrtsverluste zu vermindern. Die Ramsey-Preisregel zur Bestimmung der (zweitbest)wohlfahrtsoptimalen Preis lautet im einfachsten Fall ohne Substitutionseffekte:443 441
Möglich wäre eine Quersubventionierung nur dann, wenn auf dem Markt, aus dem die Subventionen stammen, Marktzutrittsbarrieren bestünden. 442 Die Idee geht auf einen Aufsatz von Ramsey (1927) zurück. Dieser Aufsatz zielt auf die optimale Ausgestaltung der Besteuerung. Dies zeigt die grundsätzliche Bedeutung von Ramseys Überlegungen. Es besteht auch eine Verbindung zwischen Besteuerung und natürlichem Monopol. Wenn ein natürliches Monopol aus dem Staatshaushalt subventioniert wird, führt die dazu notwendige Besteuerung (abgesehen von Kopfsteuern) ebenfalls zu Wohlfahrtsverlusten. Würden diese Steuern z.B. durch Verbrauchsteuern finanziert, käme dies einem Preisaufschlag auf die besteuerten Güter gleich. Damit wird die grundsätzlich gleiche Problematik wie bei der Preisgestaltung natürlicher Monopole aufgeworfen. 443 Der Beweis findet sich bei Baumol / Bradford (1979). Im Falle substitutiver Nachfragebeziehungen ist die mathematische Bestimmung von Ramsey-Preisen ebenfalls möglich. Der Formelausdruck wird nur komplizierter. Für den Zwei-Güter-Fall gilt z.B. pi
= R • —l—,miti*j , ei - e*
wobei mit eji die Kreuzpreiselastizität des zweiten Gutes bezüglich Preisänderungen des ersten Gutes gemeint ist {Eine einfache, aber sehr gute Darstellung des "Ramsey pricings" findet sich z.B. auch bei Scherer I Ross (1990), S. 496 ff.}.
170
10: Kapitel: Preispolitik Pi-GKj _
i K
' eT'
Pi ist Preis, GK{ entspricht den Grenzkosten und ej ist die Preiselastizität der Nachfrage auf dem i-ten Markt(segment). R wird als "Ramsey-Zahl" bezeichnet Es gilt: 0 . (1988): Contestable Markets and the Theory of Industry Structure, 2nd. ed., Orlando. Becker, U. (1989): Hoheitsverwaltungen, in: Chmielewicz, K. / Eichhorn, P. (Hrsg.): Handwörterbuch der öffentlichen Betriebswirtschaft, Stuttgart, Sp. 595-602. Berg, S.V. / Tschirhart, J. (1988): Natural Monopoly Regulation, Principles and Practice, Cambridge/Ma. Biergans, E. (1992): Einkommensteuer, 6. Aufl. München. Blankart, CB. (1980): Ökonomie der öffentlichen Unternehmen, München. Blankart, CJB. (1991): Öffentliche Finanzen in der Demokratie, München. Boadway, R. W. / Wildasin, D.E. (1984): Public Sector Economics, Boston/Toronto, 2n