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German Pages 167 Year 1965
S C H R I F T E N R E I H E DES IFO INSTITUTS FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG
Nr. 61
I F O - I N S T I T U T FÜR
WIRTSCHAFTSFORSCHUNG
Die Lagerhaltung des Handels i n volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht
Von
Helmut Laumer
DUNCKER & HUMBLOT /
BERLIN-MÜNCHEN
Alle Rechte vorbehalten ©
1965 Duncker & Humblot, Berlin 41
Gedruckt 1965 bei Büro-Technik GmbH., Berlin 36 Printed in Germany
Inhalt
Vorbemerkungen
Erster
11
Teil
Die volkswirtschaftlichen Aspekte der Lagerhaltung des Handels
A. D i e v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e n A u f g a b e n unter dem Aspekt der L a g e r h a l t u n g I. Die Lagerhaltung als betriebliches Instrument gesamtwirtschaftlichen Aufgaben des Handels
13
des
Handels 13
zur Lösung
der 14
1. Die Ü b e r w i n d u n g der zeitlichen Spannungen zwischen Prod u k t i o n u n d Verwendung
15
2. Die Ü b e r w i n d u n g der räumlichen Spannungen zwischen Prod u k t i o n u n d Verwendung
19
3. Die Ü b e r w i n d u n g der quantitativen Spannungen Produktion u n d Verwendung
20
zwischen
4. Die Ü b e r w i n d u n g der qualitativen Spannungen zwischen Prod u k t i o n u n d Verwendung
20
I I . Abhängigkeit der Lagerleistung des Handels von Form und Intensität der Mitarbeit an den gesamtwirtschaftlichen Aufgaben
22
B. U m f a n g , S t r u k t u r u n d K o s t e n d e r Lagerhaltung des H a n d e l s i n der V o l k s w i r t s c h a f t
24
I. Die quantitative ihre Entwicklung
Bedeutung
der Lagerhaltung
des Handels
und
1. A n t e i l der Handelslager an der gesamtwirtschaftlichen Lagerhaltung
25
25
a) Die gegenwärtige Situation
25
b) Strukturverschiebungen u n d deren Ursachen
28
2. A n t e i l des i n den Lagerbeständen gebundenen Kapitals am Betriebsvermögen
33
3. A n t e i l der Lagerbestände am Umsatz
34
Inhalt I I . Die Struktur der Lagerbestände und ihre Entwicklung
des Handels nach
Warengruppen 36
1. Die Lagerstruktur i m Einzelhandel
36
2. Die Lagerstruktur i m Großhandel
37
I I I . Die Kosten
der Lagerhaltung
des Handels
37
1. Warenkosten
38
a) Zinsen f ü r das i m Lagerbestand gebundene K a p i t a l
38
b) Prämien f ü r die versicherbaren Warenrisiken c) Steuerliche Belastung
39 41
2. Raumkosten
42
a) Miete, Kapitalverzinsung u n d Abschreibungen f ü r die der Warenlagerung dienenden Grundstücke, Gebäude u n d L a gereinrichtungen sowie Kosten f ü r deren Unterhaltung . . b) Versicherungsprämien c) Steuerliche Belastung 3. Personalkosten
42 45 45 46
a) Löhne u n d Gehälter einschließlich der gesetzlichen u n d der freiwilligen sozialen Aufwendungen
46
b) Versicherungsprämien
47
c) Lohnsummensteuer
48
4. Die Höhe der Lagerkosten insgesamt Die Lagerhaltung ler Sicht I. Abgrenzung kungen
des
Handels
48 in
konjunkturel50
der konjunkturellen
von den saisonalen
Schwan51
1. Die Saisonschwankungen i m Einzelhandel
52
2. Die Saisonschwankungen i m Großhandel
54
I I . Problematik und Möglichkeiten der Schwankungen der Lagerbestände
Messung
konjunktureller 54
1. Ausschaltung der Saisonschwankungen
54
2. Berechnung von Lagerquoten
56
I I I . Die Ursachen konjunktureller Handel und ihre Auswirkungen turverlauf
Lagerbestandsveränderungen im auf den allgemeinen Konjunk57
Inhalt
7
1. Die möglichen Ursachen des Auftretens von Lagerzyklen beim Handel 59 a) Effektive u n d erwartete Preisveränderungen b) Unrealistische Absatzerwartungen
59 60
c) L i q u i d i t ä t der Geschäftsbanken d) Die E i g e n - L i q u i d i t ä t der Unternehmungen
60 61
2. Die A u s w i r k u n g e n lagerzyklischer Entwicklungen i m Handel auf den allgemeinen K o n j u n k t u r v e r l a u f Zweiter
Teil
Die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Lagerhaltung des Handels A. B e g r i f f
und
I. Der Begriff
Bestimmungsgründe
der
64 Lagergröße
der Lagergröße
1. Abgrenzung
61
64 64
des Lagerbestandes
65
2. Messung des Lagerbestandes
65
a) Lagerbestand i n °/o des Umsatzes (Lagerquote)
66
b) Lagerumschlagshäufigkeit
67
c) Lagerdauer
67
d) Lagerbestand je beschäftigte Person i n D M ( = tensität) e) Lagerbestand
Lagerin-
je q m Raum
I I . Die Bestimmungsgründe
der Lagergröße
1. Die S t r u k t u r des Betriebes a) Die Abhängigkeit der Lagergröße v o n Sortiment, Betriebsorganisation u n d Kapitalausstattung aa) Das Sortiment
67 68 68 68 69 69
bb) Die Betriebsorganisation
71
cc) Die Kapitalaustattung
71
b) Die Unterschiede der Lagergröße je nach Branche, Größe, Betriebs- u n d Bedienungsform sowie Standort aa) Die Branche
71 72
bb) Die Betriebsgröße
76
cc) Die Betriebsform
80
dd) Die Bedienungsform
90
ee) Der Standort
91
2. Der Absatzmarkt
92
a) Die saisonalen Nachfrageschwankungen
93
b) Die steigenden Ansprüche der Konsumenten
95
Inhalt
8 3. Der Beschaffungsmarkt
95
a) Die zunehmende V i e l f a l t der Produktionsprogramme
95
b) Die Bezugsbedingungen
96
aa) Mengenrabatte
97
bb) Frühbezugsrabatte
97
cc) Mindestabnahmemengen bzw. Mindermengenzuschläge
97
dd) Zahlungsbedingungen
98
c) Die Lieferfristen
98
4. Wirtschaftspolitische Maßnahmen
98
a) Vorbemerkungen
98
b) Notenbankpolitik
99
c) Steuerpolitik
99
d) Gesetzliche Anordnung
v o n Mindestlagern
100
e) Landwirtschaftliche Marktordnungen
100
5. Die Spekulation
101
a) Spekulative Dispositionen aus k o n j u n k t u r e l l e n Gründen . . 102 b) Spekulative Dispositionen aus politischen Gründen
102
c) Spekulative Dispositionen aus sonstigen Gründen
103
B. D e r E i n f l u ß ergebnis
der
Lagergröße
auf
das
Betriebs103
I. Vorbemerkungen I I . Der Zusammenhang Bruttogewinn
103 zwischen
Lagerumschlagshäufigkeit
und 104
1. Theoretische Erörterung des Zusammenhangs zwischen U m schlagshäufigkeit u n d B r u t t o g e w i n n 104 2. Der Einfluß der Umschlagshäufigkeit auf den B r u t t o g e w i n n i n der Praxis 109 I I I . Der Zusammenhang Handlungskosten
zwischen
Lagerumschlagshäufigkeit
und 114
1. Theoretische Erörterung des Zusammenhangs zwischen U m schlagshäufigkeit u n d Handlungskosten 114 2. Einfluß der Umschlagshäufigkeit i n der Praxis I V . Der Zusammenhang Reingewinn
zwischen
auf die
Handlungskosten
Lagerumschlagshäufigkeit
116 und 118
Inhalt C. D i e
Aufgaben
I. Die
der
9
betrieblichen
Lagerpolitik
120
Grundlagen
120
1. Abhängigkeit von der unternehmenspolitischen Zielsetzung a) Die möglichen unternehmenspolitischen Ziele b) Das Wirtschaftlichkeitsprinzip
121
als allgemeine L e i t m a x i m e 122
2. A b s t i m m u n g m i t der Absatz- u n d Beschaffungspolitik I I . Die ökonomisch-dispositiv
121
123
e Seite
124
1. Bestimmung von Lagergröße, Bestellmenge u n d -Zeitpunkt
124
a) Die i n t u i t i v e „Methode"
126
b) Der zwischenbetriebliche Vergleich
127
c) Individuelle L i m i t p l a n u n g d) Rechnerische E r m i t t l u n g „Operations Research"
128 mit
Hilfe
der
Verfahren
der 129
2. Die Finanzierung der Warenbestände
134
a) Die Fristigkeit der Finanzierungsmittel
135
b) Die H e r k u n f t der Finanzierungsmittel
138
I I I . Die technisch-organisatorische
Seite
140
1. Grundsätze für die Planung des Warendurchlaufs i m Großhandel 142 a) Warenanordnung
144
b) Einsatz der sachlichen Betriebsmittel
145
aa) Der
Lagerraum
145
a) Bauweise des Lagerraums
145
β) Größe des Lagerraums
146
bb) Ausstattung m i t Einrichtungsgegenständen u n d Transportmitteln 147 c) Personaleinsatz
148
2. Grundsätze f ü r die Reservelager-Organisation i m Einzelhandel 148 Schlußteil Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der einzelbetrieblidien Lagerpolitik
152
Literaturverzeichnis
158
Vorbemerkungen Das Schrifttum über Fragen der Lagerhaltung ist heute schon recht umfangreich. Die meisten etwas eingehenderen Untersuchungen beziehen sich jedoch auf die Industrie. Die Lagerhaltung des Handels und die damit zusammenhängenden volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen wurden in der Literatur trotz ihrer Bedeutung bisher recht stiefmütterlich behandelt. Für eine Arbeit, in der das Lagerproblem des Warenhandels, das Mellerowicz schon vor 30 Jahren als das Zentralproblem der Handelsbetriebslehre bezeichnet hat 1 , in seiner ganzen Breite behandelt wird, besteht deshalb sicherlich ein Bedürfnis. I n den vergangenen Jahren hat sich die Notwendigkeit, den Problemen der Lagerhaltung im Handel vermehrte Aufmerksamkeit zu schenken, noch erheblich verstärkt. Einerseits sehen sich Groß- und Einzelhandel einer ständig größer werdenden Flut neuer Erzeugnisse und immer differenzierteren Kundenwünschen gegenüber, was zwangsläufig eine Ausweitung der Sortimente und damit eine Erhöhung der Lagerbestände zur Folge hatte, andererseits zwingt der verschärfte Kostendruck — die Handlungskosten sind in den letzten Jahren stärker als die Umsätze gestiegen — die Unternehmer, die Lagerhaltung zu rationalisieren, d. h. so weit wie möglich einzuschränken. Die Problematik der Lagerhaltung im Handel ist jedoch nicht auf den einzelbetrieblichen Bereich beschränkt. Auch bei einer Betrachtungsweise, die den Ablauf der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Auge hat, kommt der Lagerhaltung des Handels große Bedeutung zu. Diese volkswirtschaftlichen Aspekte werden im ersten Teil der Arbeit behandelt, während sich der zweite Teil mit den betriebswirtschaftlichen Problemen beschäftigt. Zwischen beiden Problemkreisen bestehen zwangsläufig manche Berührungspunkte und enge gegenseitige Abhängigkeiten, die es erforderlich machen werden, an den betreffenden Stellen des betriebswirtschaftlichen Teils dieser Arbeit auch volkswirtschaftliche Aspekte und umgekehrt im volkswirtschaftlichen Teil auch betriebswirtschaftliche Aspekte anzusprechen. I m abschließenden Teil der Untersuchung wird dann der Versuch unternommen, die beiden Hauptteile so zu verknüpfen, daß zu erkennen ist, welche 1 Mellerowicz, K . : Die Waren Verwaltung der Einzelhandelsbetriebe, Handbuch des Einzelhandels, Stuttgart 1932, S. 418.
in:
12
Vorbemerkungen
Rückwirkungen die einzelbetriebliche Lagerpolitik im Handel auf die gesamtwirtschaftliche Lagerhaltung und die Wirtschaftsentwicklung schlechthin hat. Schon hier sei jedoch erwähnt, daß die Lagerhaltung ein Gebiet ist, auf dem das vom Standpunkt des einzelnen Unternehmens durchaus Richtige volkswirtschaftlich unerwünschte Folgen nach sich ziehen kann. Die Summe optimaler einzelbetrieblicher Entscheidungen ergibt keineswegs auch eine volkswirtschaftlich optimale Lagerpolitik.
Erster
Teil
Die volkswirtschaftlichen Aspekte der Lagerhaltung des Handels Die in der Volkswirtschaft vorhandenen Vorräte an Gütern sind eine der wichtigsten makroökonomischen Größen, stellen sie doch einen beachtlichen Teil ihrer gesamten Kapitalausstattung dar. Sie sind im Interesse eines reibungslosen Ablaufs des wirtschaftlichen Kreislaufs als Bindeglied zwischen Produktion, Distribution und Verbrauch unentbehrlich 1. Wie die folgenden Überlegungen zeigen, befindet sich ein beachtlich großer Teil der gesamten Vorräte der Wirtschaft beim Handel im institutionellen Sinne (Großhandel und Einzelhandel). Bei ihm fallen hierfür erhebliche Kosten an. Da über die Höhe der Lagerkosten im Handel bisher nur recht vage Vorstellungen bestehen, soll versucht werden, sie möglichst exakt zu schätzen. Von besonderem Interesse sind die Lagerbestände des Handels für die allgemeine konjunkturelle Entwicklung. Die jeweilige Höhe, Struktur und Entwicklung der Lagerbestände des Handels beeinflussen den Wirtschaftsablauf in starkem Maße.
A. Die volkswirtschaftlichen Aufgaben des Handels unter dem Aspekt der Lagerhaltung Die Aufgaben, die dem Handel in einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft zufallen, bestehen in der Überbrückung bzw. im Ausgleich der zwischen Produktion und Verwendung eines Gutes vorhandenen Divergenzen und Spannungen. Diese Divergenzen und Spannungen 1 Eine ausführliche Darstellung der Rolle der Lagerhaltung i n der W i r t schaftstheorie findet sich bei Maneval (Maneval, H.: Das Problem der Lagerhaltung i n der Wirtschaftstheorie. Diss. Heidelberg 1958). Umfassend behandelt w u r d e das Problem ferner von Abramovitz (Abramovitz, M.: I n v e n tories and Business Cycles w i t h Special Reference to Manufacturers' I n v e n tories, New Y o r k 1950) u n d Whitin (Whitin, T. M.: The Theory of Inventory Management, 2. Auflage Princeton 1957, S. 109 bis 161).
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
14
können zeitlicher, räumlicher,
quantitativer
u n d qualitativer
Natur
sein 2 . I. Die Lagerhaltung als betriebliches Instrument zur Lösung der gesamtwirtsdiaftlidien Aufgaben des Handels Z u r Lösung der i h m gestellten gesamtwirtschaftlichen Aufgaben bedient sich der H a n d e l verschiedener Instrumente. Z u ihnen zählen e t w a die M a r k t e r k u n d u n g , die Werbung, die K r e d i t g e w ä h r u n g und auch die Lagerhaltung. D e n Zusammenhang zwischen den „abstrakten gesamtwirtschaftlichen Aufgaben" u n d den „konkreten betriebswirtschaftlichen Funktionen" hat Schäfer anhand des i m folgenden wiedergegebenen Schemas recht instruktiv dargestellt 3 : Abstrakte gesamtwirtschaftliche Aufgaben Konkrete betriebswirtschaftliche Funktionen
räumliche
zeitliche
quantitative
qualitative
Überbrückungen Lagerung
χ
Vordisposition Kreditgewährung i m Verkauf
X
XX
X
X
XX
X
X
XX
X
2 Das Schema dieser klassischen Handelsfunktionen ist bei verschiedenen A u t o r e n erweitert, so bei Oberparieiter u m die K r e d i t f u n k t i o n u n d die Werbefunktion (Oberparieiter, K . : Funktionen u n d Risiken des Warenhandels, 2. Aufl., W i e n 1955), bei Seyffert u m die Preisausgleichsfunktion, die K r e d i t funktion, die Markterschließungsfunktion ( = Werbefunktion) sowie die I n t e r essenwahrungs- u n d Beratungsfunktion (Seyffert, R.: Wirtschaftslehre des Handels, 2. Aufl., K ö l n u n d Opladen 1955), bei Buddeberg u m die K o n t a k t funktion, die Informationsfunktion, die Beratungsfunktion u n d die Veredelungsfunktion (Buddeberg, H.: Betriebslehre des Binnenhandels, Wiesbaden 1959), bei Marré u m die F u n k t i o n der „Sicherung der M a r k t p a r t n e r durch V e r m i t t l u n g v o n Wissen über M a r k t f a k t o r e n " u n d die F u n k t i o n der „Sicher u n g der M a r k t p a r t n e r durch Schaffung von Vertrauen zum Handelsbetrieb" (Marré, H.: Funktionen u n d Leistungen des Handelsbetriebes, K ö l n u n d Opladen 1960). Schäfer weist jedoch unter spezieller Bezugnahme auf Oberyarleiter u n d Seyffert u . E . m i t Recht darauf hin, daß diese zusätzlichen Funktionen auf einer anderen Betrachtungsebene liegen, da sie n u r „ i n Ausübung der v i e r Überbrückungsaufgaben eine Rolle spielen" (Schäfer, E.: Absatzwirtschaft, i n : Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 1, K ö l n u n d Opladen 1958). Vgl. hierzu auch die K r i t i k Hasenacks (Hasenack, W.: Wesen u n d W e r k der drei i m Herbst 1886 geborenen Betriebswirte: Lehmann, Oberparieiter u n d Fleege-Althoff, i n : Betriebswirtschaftliche Forschung u n d Praxis, 8. Jahrg., 1956, Heft 10, S. 545 ff.). I m Rahmen dieser A r b e i t ist eine Auseinandersetzung m i t diesem Problem nicht erforderlich, da Lagerhaltung stets n u r als Folge der Überbrückungsfunktionen Zeit, Raum, Quantität u n d Qualität anfällt, die Buddeberg (a.a.O., S.23) als die reinen Umschlagsfunktionen bezeichnet hat. 3 Schäfer, a. a. O., S. 341.
Α. Die Aufgaben des Handels unter dem Aspekt der Lagerhaltung
15
Man sieht hieraus, daß die einzelne betriebliche Funktion bei der Lösung der gesamtwirtschaftlichen Aufgaben mehrfach beteiligt sein kann. So ist Lagerhaltung erforderlich, gleichgültig ob sich der Handel an der Überbrückung der räumlichen, der zeitlichen, der quantitativen oder der qualitativen Diskrepanzen beteiligt, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Unterziehen wir deshalb unter diesem Aspekt die vier klassischen Aufgabenkomplexe des Handels einer näheren Betrachtung. 1. D i e Ü b e r w i n d u n g d e r z e i t l i c h e n S p a n n u n g e n zwischen P r o d u k t i o n und V e r w e n d u n g Unter dem Aspekt der Lagerleistung ist die Uberwindung der zeitlichen Spannungen zwischen Produktion und Verwendung wohl die wichtigste gesamtwirtschaftliche Funktion des Handels. Aus den verschiedensten Gründen läßt sich in der ökonomischen Wirklichkeit für kaum ein Gut eine völlige Übereinstimmung von Herstellungszeitpunkt (besser gesagt: Zeitpunkt der Fertigstellung bzw. Verwendungsund Konsumreife) und Verbrauchs- bzw. Verwendungszeitpunkt feststellen. Hierbei sind grundsätzlich zwei Warenkategorien zu unterscheiden, für die das oben Gesagte mit unterschiedlichen Vorzeichen zutrifft: Einmal die landwirtschaftlichen Ernteprodukte und zum anderen die gewerblich gefertigten bzw. gewonnenen Erzeugnisse. I m ersten Fall ist der Verbrauch bzw. die Verwendung konstanter als die Erzeugung, im zweiten Fall weist in aller Regel — wenn wir unsere Betrachtung auf Konsumgüter beschränken — die Produktion geringere Schwankungen auf. Die Erzeugung einiger wichtiger Ernährungsgüter (Getreide, Kartoffeln, Gemüse) ist von Natur aus auf einen kurzen Zeitraum begrenzt. Nur einmal im Jahr, höchstens zweimal, können sie geerntet werden. Gerade der Konsum dieser Grundnahrungsmittel weist aber nur geringe jahreszeitliche Schwankungen auf. Das „tägliche Brot" wird von den Konsumenten jeden Tag nachgefragt; im Sommer muß es aus Mehl hergestellt werden, das aus Getreide einer zehn oder elf Monate zurückliegenden Ernte gemahlen worden ist. Oberparieiter spricht in diesem Zusammenhang von einer „Verschiebung der Güter aus den Perioden der Fülle in jene der Dürftigkeit" 4 . Diese Verschiebung wird mittels Lagerung der Waren bewerkstelligt. I m Gegensatz zur Erzeugung landwirtschaftlicher Güter wäre bei der Produktion industriell hergestellter Erzeugnisse eine zeitliche Anpassung an den Verbrauch rein technisch zwar möglich; wirtschaftliche Überlegungen lassen dies jedoch nicht zweckmäßig erscheinen. Wenn 4
Oberparieiter, K., a.a.O., S. 22.
16
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
wir unsere Betrachtungen auf Konsumgüter beschränken, so läßt sich feststellen, daß der Verbrauch fast jeden Gutes seinen typischen Saisonverlauf hat, mit verschieden starken Ausschlägen, mit andersgelegenen Tief- und Höhepunkten. Diese je nach Warenart mehr oder weniger ausgeprägten Nachfrageschwankungen spiegeln sich in der Entwicklung der Monatsumsätze der verschiedenen Einzelhandelsbranchen, die industriell hergestellte Erzeugnisse vertreiben. So ist beispielsweise der Dezemberumsatz im Optik- und Photoeinzelhandel etwa zweieinhalbmal so groß, im Uhrenfachhandel sogar vier- bis fünfmal so groß wie der Januarumsatz. Es bedarf keines Nachweises, daß eine Anpassung der Produktion an diesen extremen Verbrauchsrhythmus unwirtschaftlich, ja in vielen Fällen gar nicht möglich wäre, da sowohl vom Arbeitskräfteangebot als auch von den technischen Kapazitäten her einer so starken kurzfristigen Produktionsausweitung in Zeiten des Spitzenverbrauchs Grenzen gesetzt wären. Durch einen kontinuierlichen Aufbau der Lager müssen also über einen längeren Zeitraum hinweg die Waren bis zu dem Zeitpunkt angesammelt werden, an dem sich die Nachfrage sprunghaft verstärkt. An zwei Beispielen sollen die Unterschiede im zeitlichen Rhythmus von Produktion und Verwendung aufgezeigt werden. Aus Abbildung 1 (Seite 17) geht hervor, daß die westdeutsche Landwirtschaft in den Erntemonaten August, September und Oktober den größten Teil des Brotgetreides auf den Markt bringt. I m ersten Kalender-Halbjahr sind die Verkäufe außerordentlich gering. Vor allem im zweiten Quartal bestehen kaum Angebote. Gerade in dieser Zeit liegt aber die Saisonspitze in der Brotgetreideverarbeitung der Mühlenindustrie. Auf Abb. 1 ist deutlich zu erkennen, welch starke Unterschiede in der Intensität der zeitlichen Schwankungen der beiden Reihen bestehen. Sie können nur durch Getreidelagerung überwunden werden, eine Aufgabe, die in der Praxis vom Getreidehandel (einzelwirtschaftlicher oder genossenschaftlicher Art) und der Mühlenindustrie, zu einem großen Teil aber auch von der staatlichen Einfuhrund Vorratsstelle erfüllt wird 5 . Die großen Getreideverkäufe der Landwirtschaft unmittelbar nach der Ernte sind in erster Linie auf die starke Verbreitung des Mähdreschers zurückzuführen. Während früher das Getreide in der „ruhigen" Zeit im Winter auf den Höfen gedroschen und sukzessive verkauft wurde 6 , kommt es heute schon gedroschen vom 5 I m Landwirtschaftsjahr 1956/57 machten die Marktentnahmen der E i n f u h r - u n d Vorratsstelle Getreide beispielsweise über 30'% der Verkäufe der inländischen Landwirtschaft von Weizen u n d Roggen aus. (Vgl. Boerckel, W.: E i n f u h r - u n d Vorratsstellen als M i t t e l der A g r a r p o l i t i k , Mainz 1959, S. 47). 6 Durch sog. Frühdruschprämien, die i m Herbst bezahlt wurden, versuchte der Staat allerdings auch schon i n der Vorkriegszeit, die Bauern zu einer frühzeitigen Getreideablieferung zu veranlassen.
Α. Die Aufgaben des Handels unter dem Aspekt der Lagerhaltung
Monatlicher Rhythmus von Brotgetreideangebot und -Verarbeitung Monatsdurchschnitte
17 Abb. 1
1955 - 1961 = 100
Brotgetreideverkäufe d e r Landwirtschaft
Brotgetreide Verarbeitung
J
F
M
A
J M
L J
J J
L A
S
O
N
D
Que/Je : Berechnungen nach Unterlagen des Bundesministeniums Landwirtschaft und Forsten (Stat. Monatsberichte) IFO-INSTITUT für Wirtsdioftsfortdiung Μυη*·η 2 Laumer
für Ernährung,
ewes
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
18
Feld. Da es dann in der Regel naß ist, besteht für die Landwirtschaft schon aus diesem Grunde die Notwendigkeit, das Getreide umgehend an die Mühlenindustrie, den Getreidehandel bzw. die landwirtschaftlichen Lagerhäuser abzuliefern, die mit modernen Trockenanlagen ausgerüstet sind. Wegen der im Getreidepreisgesetz verankerten sog. Reports, das sind monatlich gestaffelte Zuschläge zur Abgeltung der Lagerkosten 7, sind Mühlenindustrie und Handel von sich aus daran interessiert, Getreide möglichst frühzeitig einzulagern 8. Abb. 2 (Seite 19) zeigt die große Bedeutung des Weihnachtsgeschäftes im Uhren- und Schmuckwareneinzelhandel. Zwar verstärken die Hersteller im Hinblick auf diese Nachfragespitze im Herbst ihre Produktionstätigkeit; doch ist dies nur in beschränktem Rahmen möglich (etwa durch Überstundenarbeit, Nachtschichten). Der plötzliche Nachfragestoß im Dezember läßt sich nur dadurch bewältigen, daß während des ganzen Jahres im Hinblick auf diese Saisonspitze „auf Vorrat" gearbeitet wurde und die Produkte bis zum Zeitpunkt der Nachfrage gelagert wurden. Grundsätzlich kann die Lagerung der Waren vom Zeitpunkt der Fertigstellung bis zum Zeitpunkt des Verbrauchs von jedem der beteiligten Marktpartner, also sowohl vom Produzenten als auch vom Handel, zum Teil auch von staatlichen Vorratsstellen, übernommen werden. I n der Regel teilen sie sich in diese Aufgabe. Bei der Lagerung von Fertigwaren, insbesondere Konsumgüter-Fertigwaren, kommt dem institutionellen Handel die weitaus größere Bedeutung zu, was durchaus den Prinzipien einer arbeitsteiligen Wirtschaft entspricht 9. 2. D i e
Ü b e r w i n d u n g der r ä u m l i c h e n Spannungen zwischen Produktion und V e r w e n d u n g
Auch die zwischen Produktion und Verwendung bestehenden räumlichen Diskrepanzen machen die Unterhaltung von Lagern erforderlich. Die Überwindung der Entfernungen von den Standorten der Produzenten zu denen der Verwender bzw. Verbraucher erfordert Zeit und beinhaltet wegen ihrer Abhängigkeit von den Verkehrseinrichtungen die latente Gefahr von Verzögerungen. Der Verbraucher erwartet vom Handel jedoch eine ständige Lieferbereitschaft, was bedeutet, daß der Handel die Zeit, die die Lieferung der Waren durch den Produzenten beansprucht, durch eigene Lagervorräte überbrücken muß. Buddeberg spricht hier von derivatem Zeitausgleich im Gegensatz zum originären Zeitausgleich (Zeitausgleichsfunktion) 10. Unter dem Aspekt des Ge7 8 0 10
Nieschlag, R.: Binnenhandel u n d Binnenhandelspolitik, B e r l i n 1959, S. 369. Vgl. hierzu auch S. 100 f. Vgl. hierzu Seite 27 f. dieser Untersuchung. Vgl. Buddeberg, H., a. a. O., S. 37.
Α. Die Aufgaben des Handels unter dem Aspekt der Lagerhaltung
19
Abb. 2
Monatlicher Rhythmus der Umsätze von Uhren und Schmuckwaren bei den Produzenten und im Einzelhandel tsdupchschnitte 1954 - 1961 = 100
Uhpen-und Schmuckwa peninidustrie
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Einzelhandel mil\ Uhpen Gold-und Silbeinwapen I M
1 A
, M
, J
I J
I A
S
O
1
N
1
D
Quelle: Berechnungen nach Untenlagen des Statistischen Bundesamtes IFO-1NSTITUT für Wlrtsdraftrfwtdivng MOnchtn 65/65
20
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
meinsamen Europäischen Marktes gewinnt die Überwindung der räumlichen Diskrepanzen zwischen Produktion und Verwendung derzeit ständig an Bedeutung. 3. D i e Ü b e r w i n d u n g d e r q u a n t i t a t i v e n S p a n n u n g e n zwischen P r o d u k t i o n und V e r w e n d u n g Von „derivatem Zeitausgleich" kann man auch bei der Uberwindung der quantitativen Divergenzen zwischen Produktion und Verwendung bzw. Verbrauch sprechen. Die mengenmäßige Umgruppierung der erzeugten Produkte tritt entweder in kollektiver, sammelnder oder in distribuierender, verteilender Form auf 11 . Immer ist mit ihr zwangsläufig Lagerhaltung verbunden. Einmal ist das dann der Fall, wenn es sich um Waren handelt, die in Massenproduktion hergestellt werden, aber in kleinen Partien verbraucht werden (beispielsweise Hausbrandkohle, Kleineisenwaren, Süß waren). Der Erzeuger ist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit bestrebt, in möglichst großen Mengen an den Handel abzusetzen. Da dieser die Waren nur in kleineren Mengen weitergeben kann, bilden sich bei ihm zwangsläufig Lager. Dasselbe gilt auch dann, wenn — anders als im ersten Fall — die Erzeugung bzw. der Anfall bei den Produzenten im kleinen, der Verbrauch bzw. die Weiterverwendung dagegen in großem Umfange vor sich geht. I n diesem Falle fungiert der Handel als „Sammler", der von vielen Erzeugern kleine Partien aufkauft und diese so lange lagert, bis sich Mengen angesammelt haben, die so groß sind, daß sie für „nachgeordnete" Händler und weiterverarbeitende Großbetriebe interessant sind. I n diesem Zusammenhang sei an Altmetalle, Häute und Felle, Wolle, Arzneipflanzen erinnert. Es braucht nicht näher erläutert zu werden, daß Lagerhaltung auch dann erforderlich ist, wenn die obengenannten Fälle des Teilens und Sammeins kombiniert auftreten, wenn also sowohl die Erzeugung als auch die Verwendung von Gütern im kleinen vor sich geht (ζ. B. bei Erzeugnissen der kleinbetrieblichen Landwirtschaft). 4. D i e Ü b e r w i n d u n g d e r q u a l i t a t i v e n S p a n n u n g e n zwischen Produktion und Verwendung Die Aufgabe des Handels, auf dem Wege der „Verbrauchsnäherung" der erzeugten Waren die qualitativen Divergenzen zwischen Produktion und Verbrauch zu vermindern bzw. zu überbrücken, umfaßt nicht nur die Tätigkeit des Sortierens der Ware (nach bestimmten Qualitätsgesichtspunkten), des Mischens, Reinigens, Kühlens oder Verarbeitens, 11 Vgl. Schäfer, E., a.a.O., S.308ff.; — ferner Oberparieiter, K., a.a.O., Seite 35.
Α. Die Aufgaben des Handels unter dem Aspekt der Lagerhaltung
21
um die Ware „verkaufsgeeigneter", d. h. besser und handelsfähiger zu machen (im Sinne der Seyffert'sehen „Qualitätsfunktion") 12, sondern vor allem die Bildung verbrauchsgerechter Sortimente, etwa durch Zusammenfassung der Erzeugnisse verschiedenartigster Produktionszweige (bei Seyffert „Sortimentsfunktion" genannt)13. Diese Sortimentsbildung läßt sich auch kennzeichnen als Umgruppierung der Waren von der Erzeugungsorientierung zur Bedarfsorientierung. Nach Buddeberg ist es gerade diese „Warenumgruppierungsfunktion", die den Handelsbetrieben zu ihrer Daseinsberechtigung verhilft, da sie sich kaum ausgliedern läßt 14 . Beide Formen der qualitativen Verbrauchsnäherung sind mit Lagerhaltung verbunden. Für die manipulativen Tätigkeiten bilden Bestände an Waren, die qualitativ verbessert werden sollen, überhaupt die Voraussetzung. Die Zusammenstellung mehr oder minder tiefer und breiter Sortimente hat in aller Regel die Ansammlung von Lagerbeständen zur Folge. Buddeberg weist zwar darauf hin, daß die Umgruppierung der Waren nicht unbedingt an die Lagerhaltung gebunden ist, weil die Möglichkeit bestehe, durch Muster, Proben und Warenbeschreibung die entsprechende Auswahl zu bieten und die Ware erst nach erfolgter Bestellung des Kunden zu beschaffen 15. I n der Praxis wird dieser Weg allerdings nur selten gangbar sein. Denkbar ist er überhaupt nur im Großhandel. I m Einzelhandel will der Käufer die Ware in der Regel in Augenschein nehmen, prüfen, aus einem großen Sortiment auswählen und, nachdem er seine Wahl getroffen hat, die Ware gleich mitnehmen können18. Mit Recht betont Mellerowicz, daß beim Einzelhandel das Vorhandensein eines effektiven Lagerbestandes die Voraussetzung für die Durchführung der Handelsfunktion ist 17 . Durch die von Jahr zu Jahr stärker anschwellende Flut neuer Erzeugnisse und die immer differenzierteren Kundenwünsche bekam die Sortimentsfunktion des Handels in letzter Zeit immer größere Bedeutung, was zwangsläufig mit einer Ausweitung seiner Lagerhaltung einherging. 12
Seyffert, a. a. O., S. 10. Seyffert, a. a. O., S. 10. 14 Buddeberg, H., a. a. O., S. 28 ff. 15 Buddeberg, H., a. a. O., S. 30. 16 Eine Ausnahme bildet der K a u f nach Katalog, auf den etwa 4'ö/o aller Letztverbraucherkäufe entfallen. Auch ein T e i l der sog. Discount-Geschäfte beschafft die Waren erst nach der Bestellung durch den Kunden. 17 Mellerowicz, K : Die Waren Verwaltung der Einzelhandelsbetriebe, i n : Handbuch des Einzelhandels, Stuttgart 1932, S. 418. 13
22
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung II. Abhängigkeit der Lagerleistung des Handels von Form und Intensität der Mitarbeit an den gesamtwirtschaftlichen Aufgaben
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß sich der Handel bei der Erfüllung aller ihm gestellten gesamtwirtschaftlichen Aufgaben, die in der Überbrückung der zwischen Produktion und Verwendung vorhandenen zeitlichen, örtlichen, quantitativen und qualitativen Unterschiede bestehen, der Lagerhaltung bedienen muß, bzw. daß ihm die Lagerhaltung die Erfüllung dieser Aufgaben erleichtert. Die Bedeutung dieser „konkreten" betrieblichen Funktion der Lagerhaltung, ihre Mitwirkung an der Lösung der „abstrakten" gesamtwirtschaftlichen Überbrückungsaufgaben ist allerdings je nach Struktur und Stellung der Handelsbetriebe im Vertriebsprozeß verschieden, entsprechend der unterschiedlichen Abgrenzung ihrer Tätigkeitsbereiche hinsichtlich Vertriebsstufe, Betriebsform, Warenkreis, Sortimentsgestaltung usw. Wir wollen diese unterschiedliche Betonung der Lagerfunktion nach der Verschiedenartigkeit der gestellten Aufgaben für einige prägnante Beispiele unter Zuhilfenahme des Schäfer 1 sehen Rasters schematisch darstellen, wobei wir diesen Raster insofern erweitern, als wir den Grad der erforderlichen Lagerleistung durch Einführung einer Benotung (Stufen 1—4) zu erfassen suchen. Dabei soll die Note 1 die relativ geringste Bedeutung der Lagerhaltung bei der Lösung der einzelnen gesamtwirtschaftlichen Aufgaben kennzeichnen, die Note 4 die stärkste. Mit dieser Bewertung können natürlich nur Tendenzen und Schwerpunkte eingefangen werden; eine exakte Funktionsmessung ist damit nicht beabsichtigt. Es soll lediglich zu zeigen versucht werden, wie verschieden die Bedeutung der betrieblichen Lagerleistung bei der Lösung der gesamtwirtschaftlichen Aufgaben des Handels sein kann. 1. Fall:
Weingroßhandlung i n einer Großstadt Abstrakte gesamtwirtschaftliche Aufgaben
Konkrete betriebswirtschaftliche Funktionen
räumliche
zeitliche
quantitative
qualitative
Überbrückungen
Lagerung
2
4
2
2
Α. Die Aufgaben des Handels unter dem Aspekt der Lagerhaltung 2. Fall:
23
Ländliches Gemischtwarengeschäft m i t breitem Sortiment Abstrakte gesamtwirtschaftliche Aufgaben
Konkrete betriebswirtschaftliche Funktionen
räumliche
zeitliche
quantitative
qualitative
Überbrückungen
Lagerung
3. Fall:
1
2
1
4
A u f kauf großhandlung von Häuten u n d Fellen Abstrakte gesamtwirtschaftliche Aufgaben
Konkrete betriebswirtschaftliche Funktionen
räumliche
zeitliche
quantitative
qualitative
Überbrückungen
Lagerung
3
0
3
2
Große Bedeutung hat die Lagerhaltung im Weingroßhandel; sie ist hier für die Erfüllung aller Handelsfunktionen erforderlich. Das größte Gewicht hat sie wohl als Instrument zur Überbrückung der zeitlichen Divergenzen zwischen Produktion und Verbrauch. Wein ist ein Naturprodukt, das nur einmal jährlich reift, aber das ganze Jahr hindurch — mit bestimmten Saisonspitzen — konsumiert wird. Nach Abschluß des Produktionsvorganges bei den Winzern bilden sich deshalb beim Weingroßhandel große Lagerbestände, die während des restlichen Jahres mehr oder weniger gleichmäßig abgebaut werden. Je nach Entfernung des Sitzes der Weingroßhandlung vom Erzeugergebiet spielt Lagerhaltung auch in Erfüllung der räumlichen Überbrückungsaufgabe eine große Rolle. Aber auch die quantitative Überbrückungsfunktion läßt sich nur mittels Lagerung erfüllen. I n der Regel werden
24
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
die Weine aus den Weinbaugebieten in Fässern oder sogar in Tankwagen an den an den Verbrauchszentren ansässigen Großhandel geliefert, der sie dann zuerst in Flaschen abfüllen muß, ehe er sie in kleineren Partien an seine Kunden abgibt. Auch unter dem qualitativen Aspekt ist Lagerhaltung erforderlich, wenn man an die Vielzahl der Anbaugebiete denkt, die im Sortiment einer Großhandlung vertreten sein müssen; ganz abgesehen davon, daß dem Weingroßhandel gewisse Manipulationen zur Verbesserung der Qualitäten obliegen (Mischen, Süßen). Hier sei noch erwähnt, daß die Lagerung von Weinen an sich schon qualitätsverbessernd wirkt. I m Falle des ländlichen Gemischtwarengeschäftes sind Lagerbestände praktisch schon deshalb zwangsläufig erforderlich, weil ein sehr breites, dabei auf die spezifischen örtlichen Verhältnisse abgestimmtes Sortiment gehalten werden muß, das die Erzeugnisse einer ganzen Reihe verschiedenartigster Industriezweige umfaßt. Diese Funktion der qualitativen Abstimmung bzw. Zusammenstellung läßt sich ohne die Ansammlung von Beständen praktisch nicht durchführen. Die übrigen Aufgaben, etwa die Überbrückung der räumlichen und zeitlichen Unterschiede, treten in diesem Fall eindeutig zurück. Da an die Tiefe des Sortiments keine allzu großen Ansprüche gestellt werden, werden in der Regel einheimische Produzenten bevorzugt; meist ist es sogar so, daß ausschließlich über die in der nächstgelegenen Stadt ansässigen Großhändler bezogen wird, die relativ häufig und auch in kleineren Posten liefern. Als Folge der Ausübung der räumlichen, zeitlichen und quantitativen Aufgaben sind deshalb — gemessen an der qualitativen Funktion — nur relativ geringe Lagervorräte erforderlich. D e r Häute-
und
Felleauf
kauf handel
hat i n der Regel Lieferanten
(Landwirte, Jäger) die a) nur in kleinen Mengen liefern und b) verhältnismäßig weit verstreut sind. Seine Tätigkeit ist deshalb die eines Sammlers. Die aufgekauften Häute und Felle müssen so lange gelagert werden, bis sich von der einzelnen Sorte (ζ. B. Kalbshäute) genügend große, sogenannte handelbare Mengen angesammelt haben, die für die weiterverarbeitende Industrie (Gerbereien) geeignet sind. Da bei der Vielzahl der Lieferanten die unterschiedlichsten Qualitäten anfallen, spielt die Sortiertätigkeit in dieser Branche eine große Rolle (qualitative Überbrückung). B. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels in der Volkswirtschaft I n welchem Umfang sind Großhandel und Einzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland an der gesamtwirtschaftlichen Vorratshaltung
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
25
beteiligt, wie verteilen sich ihre Lagerbestände auf die einzelnen Warengruppen und in welcher Größenordnung bewegen sich die im Handel für die Lagerhaltung anfallenden Kosten? I. Die quantitative Bedeutung der Lagerhaltung des Handels und ihre Entwicklung Eine gute Vorstellung von der quantitativen Bedeutung der Lagerhaltung des Handels erhält man, wenn man ermittelt, wie groß ihr Anteil an der gesamten Lagerhaltung der Volkswirtschaft ist. Als weiteres Kriterium für die Messung bietet sich der durchschnittliche Anteil der Lagerbestände am Betriebsvermögen sowie am Umsatz in den jeweiligen Wirtschaftsbereichen an. Soweit Unterlagen hierüber vorliegen, soll in diesem Kapitel auch versucht werden, Strukturverschiebungen, die sich in der Vergangenheit ergeben haben, aufzuzeigen und ihre Ursachen zu untersuchen. 1. A n t e i l
der H a n d e l s l a g e r
gesamtwirtschaftlichen a) Die gegenwärtige
an
der
Lagerhaltung Situation
In Westdeutschland macht die gesamtwirtschaftliche Lagerhaltung zur Zeit knapp ein Viertel vom Bruttosozialprodukt aus. Ende 1963 betrugen die Lagerbestände der Wirtschaft in der Bundesrepublik (ohne West-Berlin) schätzungsweise über 87Mrd. DM. Ein Drittel davon, gut 29Mrd. DM, entfiel auf den institutionellen Handel (Großhandel und Einzelhandel). Tabelle 1 Die gesamtwirtschaftliche Lagerhaltung gegliedert nach Wirtsdiaftsbereidien am Jahresende 1963a Wirtschaftsbereich
Mill. D M
°/o
Industrie
53 700
61
Großhandel
18 200
21
Einzelhandel
11200
13
Handwerk
2 800
3
Übrige Bereiche 15
1400
2
87 300
100
Wirtschaft a b
insgesamt
Bundesgebiet ohne Westberlin. Energiewirtschaft, Baugewerbe, Verkehr und Dienstleistungen. Quelle: Berechnungen und Schätzungen nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes und des Ifo-Instituts.
26
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
I n den USA ist die volkswirtschaftliche Bedeutung des Handels als Lagerhalter größer als in der Bundesrepublik Deutschland. Von den gesamten Lagervorräten auf der Produktions- und Handelsstufe der amerikanischen Wirtschaft entfielen 1962 gut 42°/o auf den institutionellen Groß- und Einzelhandel 18 . Von den Lagerbeständen des Handels befinden sich in der Bundesrepublik gut drei Fünftel beim Großhandel und nur knapp zwei Fünftel beim Einzelhandel. I n den USA entfällt auf den Großhandel ein weit geringerer Teil der Lagerhaltung. Das liegt einmal daran, daß dieser Wirtschaftszweig dort aus Gründen, die mit der Struktur seiner potentiellen Abnehmer zusammenhängen (unabhängige mittelständische Einzelhandelsbetriebe spielen nur eine geringe Rolle, das Handwerk ist nahezu unbedeutend), nicht in dem Maße in die Warenwege eingeschaltet ist wie in Deutschland10. Zum anderen ist es aber auch darauf zurückzuführen, daß die Funktionserfüllung des Großhandels in den USA teilweise andere Schwerpunkte hat; so findet sich im Produktionsgüterbereich vorwiegend der Betriebstyp des „IndustrialDistributors", eines Großhändlers, der im Ausschließlichkeitsvertrag für einen bestimmten Produzenten arbeitet, wodurch seine Lagerhaltung relativ klein gehalten werden kann. Auch in Großbritannien sind die Lager des Einzelhandels größer als die des Großhandels, wenn auch nicht im selben Maße wie in den USA. I n Norwegen verteilen sich die Warenbestände des Handels ziemlich gleichmäßig auf Großhandel und Einzelhandel. Tabelle
2
Anteil von Großhandel und Einzelhandel an der gesamten Lagerhaltung des Handels im Jahre 1961 Westdeutschland a
USA
Großhandel
61,3
Einzelhandel
38,7
Wirtschaftsbereich
Handel
insgesamt
100
Großbritannien
Norwegen
33,4
46,1
51,5
66,6
53,9
48,5
100
100
100
a
Bundesgebiet ohne Westberlin. Quelle: Berechnet nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden, des US. Department of Commerce, Washington, (Business Statistics, 1963 Edition), des Central Statistical Offlee, London (Monthly Digest of Statistics) und des Statistisk Sentralbyra, Oslo (Statistisk Arbok for Norge 1962). 18 Vgl. Business Statistics, 1963 Edition, US Department of Commerce, Washington. 19 E i n Vergleich der Umsätze von Groß- u n d Einzelhandel i n den USA u n d i n der Bundesrepublik zeigt dies deutlich: Während die Umsätze des
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
27
Die in Tab. 1 angeführten gesamtwirtschaftlichen Lagerbestände umfassen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Halbfertigerzeugnisse einschließlich angefangener Arbeiten sowie Fertigwaren. Als Fertigwaren gelten hierbei alle Güter, die in dem betreffenden Wirtschaftszweig nicht mehr weiter ver- oder bearbeitet werden sollen. Das können — am Verarbeitungsgrad gemessen — auch Rohstoffe oder Halbfertigerzeugnisse sein20. Da der institutionelle Handel naturgemäß nur als Lagerhalter von Fertigwaren in obigem Sinne in Frage kommt, scheint es angebracht, nur diese Warenkategorie für einen Vergleich der verschiedenen Wirtschaftsbereiche heranzuziehen. Tabelle
3
Die Fertigwarenbestände der gewerblichen Wirtschaft gegliedert nach Wirtschaftsbereichen am Jahresende 1963a Wirtschaftsbereich Industrie
Mill. D M
°/o
16 000
34
Großhandel
18 200
38
Einzelhandel
11200
24
Handwerk
1400
3
300
1
47 100
100
Übrige Bereiche 1* Wirtschaft
insgesamt
a b
Bundesgebiet ohne Westberlin. Energiewirtschaft, Baugewerbe, Verkehr und Dienstleistungen. Quelle: Berechnungen und Schätzungen nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes und des Ifo-Instituts.
Die Differenz zwischen den gesamten Lagerbeständen der Wirtschaft in Höhe von 87 Mrd. D M (vgl. Tab. 1) und den in Tab. 3 ausgewiesenen Fertigwarenbeständen in Höhe von 47 Mrd. D M beträgt 40 Mrd. DM. Definitionsgemäß setzen sich diese 40 Mrd. D M aus Lagerbeständen in Produktionsbetrieben zusammen, die erst in den betrieblichen Fertigungsprozeß eingehen werden, ohne den Betrieb vorher zu verlassen. Von den gesamten „Fertigwaren"-Beständen in oben definiertem Sinne entfallen gut drei Fünftel auf den institutionellen Handel. Als Lagerhalter von Konsumgüter-Fertigerzeugnissen ist die Rolle des Handels — wie die folgende Tab. 4 zeigt — noch gewichtiger. Der institutionelle Handel hatte Ende 1961 gut vier Fünftel der Konsumgüter-Fertigwarenbestände der Wirtschaft auf Lager, wovon Großhandels i n Westdeutschland gut doppelt so groß sind w i e die des Einzelhandels, sind i n den USA die Großhandelsumsätze (1961: 151 M r d . $) niedriger als die Einzelhandelsumsätze (219 Mrd. $). 20 Vgl. Schörry, O.: Die Vorräte i n der Wirtschaft 1950 bis 1957, i n : W i r t schaft u n d Statistik, 10. Jahrg., N. F., Heft 9, September 1958, S. 487—494.
28
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Tabelle
4
Die Bestände an Konsumgüter-Fertigwaren gegliedert nach Wirtschaftsbereichen am Jahresende 1963a Wirtschaftsbereich Industrie
Mill. D M
°/o
3 200
12
Großhandel
10 900
40
Einzelhandel
11200
42
1400
5
200
1
26 900
100
Handwerk Übrige Bereiche* Wirtschaft
insgesamt
a b
Bundesgebiet ohne Westberlin. Energiewirtschaft, Baugewerbe, Verkehr und Dienstleistungen. Quelle: Schätzungen nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes und des IfoInstituts.
jeweils rd. die Hälfte auf den Großhandel und den Einzelhandel entfielen. Zu einer anderen Jahreszeit als unmittelbar nach Abschluß des Weihnachtsgeschäfts ist der Anteil des Handels an der gesamtwirtschaftlichen Lagerhaltung zweifellos noch größer. Der Handel, insbesondere der Einzelhandel, hat am 31.12. seine Lager weitgehend abgebaut, während die Industrie bereits Ware für die Frühjahrs- und Sommersaison produziert und auf Lager nimmt, deren Auslieferung an den Handel erst im Laufe des Januar beginnt. b) Strukturverschiebungen
und deren Ursachen
Untersucht man die Struktur der volkswirtschaftlichen Lagerhaltung für die letzten 30 Jahre, so zeigt sich, daß seither erhebliche Veränderungen eingetreten sind. Einmal hat sich das Verhältnis der Lagerhaltung zwischen Produktionsstufe und Handelsstufe gewandelt, zum anderen haben sich aber auch innerhalb des Handels (zwischen Großhandel und Einzelhandel) die Gewichte verschoben. I n Deutschland liegen nach Wirtschaftsbereichen gegliederte Daten über den Umfang der Lagerbestände für die Jahre 1923 bis 1931 (Deutsches Reich) sowie für die Jahre seit 1949 (Bundesrepublik Deutschland) vor. I n Tab. 5 sind diese Daten, die den folgenden Betrachtungen über die strukturellen Veränderungen zugrundeliegen, dargestellt. Aus den in Tab. 5 dargestellten absoluten Lagerwerten läßt sich eine deutliche Strukturverschiebung ablesen, die zwischen den zwanziger und den fünfziger Jahren vor sich gegangen ist 21 . 21
Vgl. auch A b b i l d u n g 3, S. 31.
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels Tabelle
29
5
Die Lagerbestände i n Industrie und H a n d e l i m Deutsdien Reich bzw. i n der Bundesrepublik Deutschland (in M r d . R M bzw. M r d . D M ) Jahr
Industrie
Großhandel
Einzelhandel
Insgesamt
Deutsches Reich ( M r d . R M ) 1923
7,5
2,9
3,7
14,1
1924
9,7
4,2
6,1
20,0
1925
11,1
4,2
6,9
22,2
1926
10,1
3,9
6,7
20,7
1927
11,6
4,5
7,8
23,9
1928
13,0
4,8
8,2
26,0
1929
12,6
4,5
8,1
25,2
1930
11,0
3,8
7,2
22,0
1931
9,0
3,0
5,7
17,7
B u n d e s r e p u b l i k Deutschland11
(Mrd. DM)
1949
12,0
4,6
2,7
19,3
1950
15,0
5,6
3,7
24,3 31,9
1951
20,6
6,7
4,6
1952
23,5
7,3
4,9
35,7
1953
24,1
7,1
5,2
36,4
1954
25,8
8,1
5,5
39,4
1955
30,2
9,0
6,0
45,2
1956
33,6
9,8
6,6
50,0
1957
37,2
10,7
7,4
55,3
1958
37,9
11,4
7,5
56,8
1959
39,4
12,8
8,3
60,5
1960
46,6
14,8
8,7
70,1
1961
51,2
15,7
9,5
76,4
1962
58,2
16,9
10,5
80,6
1963
53,7
18,2
11,2
83,1
1964 b >
58,4
19,4
12,0
89,8
tt Alle Angaben gelten für die Bundesrepublik ohne Berlin. Ab 1960 ist das Saarland mit enthalten. b Vorläufig. Quelle: Daten für die Jahre 1923—1931: vgl. Benning, B. und Nieschlag, R.: Umsatz, Lagerhaltung und Kosten im deutschen Einzelhandel 1924 bis 1932. Sonderheft 32 der Vierteljahrshef te zur Konjunkturforschung, Berlin 1933, S. 22. Daten für die Jahre 1949—1957: vgl. Schörry, O.: Die Vorräte in der Wirtschaft 1950 bis 1957, Wirtschaft und Statistik, 10. Jg. NF., Heft 9, September 1958, S. 489. Daten für die Jahre 1958 bis 1964: Berechnungen und Schätzungen des Ifo-Instituts nach eigenen Erhebungen (Investitionstest), nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes (Fachserie F, Reihe 1) und Betriebsvergleichsergebnissen des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln.
30
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Der Anteil der Industrie am gesamten Lagerbestand der deutschen Volkswirtschaft ist erheblich größer geworden. Der Anteil des Großhandels hat sich ebenfalls spürbar erhöht. Der Anteil des Einzelhandels hat sich dagegen auf weniger als die Hälfte verringert.
Diese Grundtendenzen haben sich in der Nachkriegszeit — wenn auch abgeschwächt — fortgesetzt. Die Lagerbestände des Handels sind zwar nach der Währungsreform mit steigender Nachfrage Jahr für Jahr kräftig gewachsen, doch war der Anstieg der Handelslager im ganzen doch spürbar langsamer als die Zunahme der Bestände in der Industrie. Tabelle
6
Anteil der Lagerbestände von Handel und Industrie an der gesamtwirtschaftlichen Lagerhaltung^ (in °/o) Großhandel
Einzelhandel
Industrie
1923—1931
18,7
31,5
49,8
1949—1955
20,8
14,1
65,1
1956—1964
20,5
13,2
66,3
Zeitraum
a Energiewirtschaft, Baugewerbe, Handwerk sowie Verkehr und Dienstleistungen blieben unberücksichtigt; der Anteil der Lagerbestände dieser Bereiche an der gesamtwirtschaftlichen Lagerhaltung liegt unter 10%. Quelle: Vgl. Tabelle 5.
Eine ähnliche Entwicklung war auch in den USA festzustellen. Dort sank der Vorratsanteil des Einzelhandels zwischen 1929 und 1957 von 3 0 % auf 20%>, während derjenige der Industrie von 53 °/o auf 6 0 % stieg22. Worauf sind diese Strukturwandlungen zurückzuführen? Eine der wesentlichsten Ursachen dürfte wohl der starke Indu strialisierungsprozeß sein, der für die letzten drei Jahrzehnte charakteristisch war. Vor allem die Rohstoff- und Investitionsgüterindustrien expandierten dabei überdurchschnittlich stark, also diejenigen Bereiche, deren Produktion nicht über den Einzelhandel abgesetzt wird. Der Großhandel konnte seinen Anteil insgesamt etwas vergrößern, weil sich im Zuge der geschilderten Entwicklung das Tätigkeitsgebiet der Fachzweige des Rohstoff- und Produktionsverbindungshandels stark ausgeweitet hat und auf diesem 22 Vgl. Gross, H.: Die neue Technik spart auch Kapital, i n : Handelsblatt v o m 5./6.12.1958.
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
31
Abb 3
Verteilung den Lagerbestände in der gewerblichen Wirtschaft 0
·
DEUTSCHES REICH
BUNDESREPUBLIK
1925 1929
1950 1955 1960 1964
vH "ι
7
0
Industrie
Großhandel
Einzelhandel
V Lagenwert e zu jeweiligen Preisen fur Industrie, Großhandel und Einzelhandel « 100 ν Η Quelle: Wirtschaftskonjunktur 74. Jahrg. Heft 1/1962 und eigene Berechnungen (196k) IFO-INSTITUT für Wirtsdiaftsforsdiung MO ηΑ·η
66/65
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Gebiet teilweise sogar neue Großhandelssparten entstanden sind. Der anteilsmäßige Rückgang der Einzelhandelslager ergab sich aus diesen Gründen zwangsläufig. Da das Transportwesen im Laufe des Betrachtungszeitraumes stark ausgebaut und verbessert wurde und dadurch die Lieferfristen im Durchschnitt erheblich verkürzt werden konnten, wurde es dem Einzelhandel möglich, seine Lagerhaltung stärker zu entlasten als früher, ohne an Lieferbereitschaft einzubüßen. Der Handel hat in der Nachkriegszeit große Anstrengungen unternommen, durch Rationalisierung, etwa durch geschicktere Warendisposition, ständige Kontrolle usw., seine Lagerhaltung zu verkleinern. Die Kunst, das Lager möglichst knapp und doch ausreichend sortiert zu halten, die Ware schnell und rationell durch den Betrieb zu schleusen, nahm im Handel ganz allgemein zu. Die Industrie dagegen hat ihre Rationalisierungsbestrebungen vorwiegend auf den Produktionssektor beschränkt, dem Lager- und Vertriebswesen dagegen bis vor kurzem weniger Beachtung geschenkt. Der Einzelhandel konnte insbesondere durch den Anschluß an freiwillige Ketten- bzw. Einkaufsgenossenschaften seine Lagerbestände bereinigen bzw. einen Teil des Lagerrisikos auf die Lieferanten abwälzen. Eine gewisse Rolle für den in der Nachkriegszeit erheblich geringeren Anteil der Einzelhandelslager mag auch der Kapitalmangel gespielt haben, von dem vor allem in den ersten Jahren nach der Währungsreform dieser Wirtschaftszweig besonders stark betroffen war. Das Interesse des Staates galt in jener Zeit verständlicherweise vor allem dem Wiederaufbau der Produktionswirtschaft; so wurde die Industrie durch steuerliche „Finanzierungshilfen" (Sonderabschreibungen, stärkere Auswirkung der Teilwertabschreibungen sowie der 7er Paragraphen EStG aufgrund der höheren Anlage-Intensität) und zinsgünstigere Kredite gegenüber dem Handel stark begünstigt. Die Industrie wurde dadurch — im Gegensatz zum Handel — auch in die Lage versetzt, ausreichende Lagerbestände zu bilden und zu unterhalten. Neuerdings scheint auch der schärfer werdende Wettbewerb zwischen den Produzenten zu einer zunehmenden Verlagerung der Lagerfunktion vom Handel zur Industrie zu führen. Je größer der Wettbewerb ist, um so mehr werden sich die Fabrikanten bemühen, den Handel für sich zu gewinnen, ihn zu veranlassen, dem Verkauf der eigenen Erzeugnisse besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das geschieht nicht nur durch attraktive Ware und attraktive Zahlungsbedingungen, sondern neuerdings auch da-
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
33
durch, daß man dem Handel die Lasten der Lagerhaltung abnimmt 23 . 2. A n t e i l d e s i n d e n L a g e r b e s t ä n d e n g e b u n d e n e n K a p i t a l s am B e t r i e b s v e r m ö g e n Auch die Analyse der Vermögensstruktur von Groß- und Einzelhandel ermöglicht eine anschauliche Quantifizierung der Lagerbestände. Sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel stellt das Warenlager den größten Vermögensbestandteil dar. Nach Erhebungen des Instituts für Handelsforschung, Köln, machen die Lagerbestände im Einzelhandel mehr als die Hälfte des Betriebsvermögens aus; vom gesamten Umlaufvermögen entfallen sogar rd. 77°/o auf die Lagerbestände. I m Großhandel liegt nach Ermittlungen des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung (Bilanzstrukturerhebung bei 1200 Großhandelsunternehmen) der Anteil der Warenbestände am gesamten Betriebsvermögen bei rd. einem Drittel; gemessen am Umlaufvermögen machen die Lagervorräte 43 °/o aus. Tabelle
7
Der Anteil der Lagerbestände am Betriebsvermögen (in ®/o) Bereich Einzelhandel* Großhandel 0
1954
1957
1961
53,5
52,5
—
—
1962
1963
50,1
50,5
50,6
33,5
33,9
—
Quellen: a Die Vermögens- und Kapitalsituation des Einzelhandels. Bericht über die Betriebsvergleichsergebnisse zur Bilanzstruktur, Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung, Köln, Nr. 100, April 1962, S. 1117 ff. sowie Nr. 113, Mai 1963, S. 1269 ff. Ferner persönliche Auskünfte des Instituts für Handelsforschung. b Meyerhöf er, W.: Finanzierungsverhältnisse im westdeutschen Großhandel, Studien zu Handelsfragen, Nr. 9, herausgegeben vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, München, 1964, S. 13 und 15. 23 Dafür zwei aktuelle Beispiele aus der Oberhemdenbranche: Die Herrenwäschefabrik Walter Kohlhaas hat f ü r einen T e i l ihrer Hemdenkollektion einen sog. Schnelldienst eingerichtet. Der Einzelhandel k a n n die A r t i k e l jederzeit sofort ab Fabriklager beziehen. Die üblichen Vordispositionen entfallen dadurch, die Lagerhaltung beim Einzelhandel w i r d auf ein M i n i m u m reduziert. Auch die Fa. Seidensticker verkauft seit 1963 die gesamte K o l l e k t i o n an Damen- und Mädchenblusen ab Lager zur sofortigen Lieferung. Auch hier entfallen also lange Lieferzeiten und Vorausdisposition. Die Lagerbestände beim Handel können dadurch wesentlich reduziert werden. I n den USA macht derzeit die General Electric Company ein Experiment, durch das die Lagerfunktion v o m Handel auf die Industrie übergeht. Die F i r m a stellt bei ihren Vertragshändlern jeweils i h r vollständiges Lieferprog r a m m an Großgeräten auf. Diese auf Kommission gelieferten Geräte dienen jedoch n u r zur Schau u n d Vorführung. W i r d eines dieser Modelle verkauft, so erfolgt die Auslieferung von einem Zentrallager direkt an den Käufer. D a m i t sind die Händler der Kosten für Lagerhaltung u n d Auslieferung enthoben.
3 Laumer
34
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung 3. A n t e i l
der L a g e r b e s t ä n d e
am
Umsatz
Mißt man den durchschnittlichen Lagerbestand von Groß- und Einzelhandel am Jahresumsatz, so ergibt sich folgendes Bild: Tabelle 8 Der Anteil der Lagerbestände am Umsatz in den Jahren 1929a und 1963b
Bereich
Umsatz in Mill. D M
Lagerbestand in Mill. D M 1963
Großhandel Einzelhandel
Lagerbestand i n % des Umsatzes 1963
1929
216 000
17 700
8,2
9,2
98 000
11 200
11,4
21,9
Quellen: » Benning, B. und Nieschlag, R.: Umsatz, Lagerhaltung und Kosten i m deutschen Einzelhandel 1924 bis 1932, Sonderheit 32 der Vierteljahrshef te zur Konjunkturforschung, Berlin 1933. b Statistisches Bundesamt sowie Berechnungen nach Unterlagen des Instituts für Handelsforschung, Köln, und des Ifo-Instituts, München. Die Angaben gelten für das Bundesgebiet ohne Westberlin.
Während der Anteil der Lager (Ende des Jahres) am Jahresumsatz im Einzelhandel von mehr als einem Fünftel in den zwanziger Jahren auf gut ein Zehntel in den fünfziger Jahren zurückging, sich also halbierte, ist die Lagerquote im Großhandel nur geringfügig kleiner geworden (vgl. Abb. 4, S. 35). Vor allem im Einzelhandel schlagen sich die Lagerbestände heute also wesentlich schneller um als in der Zwischenkriegszeit. Das ist zweifelsohne in erster Linie das Ergebnis umfangreicher Rationalisierungsmaßnahmen, die von den laufend besseren Transportverhältnissen begünstigt wurden 24 . Nicht zuletzt spielt auch eine Rolle, daß die Angebotselastizität der Industrie trendmäßig ständig größer geworden ist 25 , Nachbestellungen also — von konjunkturellen Spannungsperioden abgesehen — von der Industrie heute grundsätzlich kurzfristiger als früher erledigt werden können. I m Großhandel ist derzeit ständig knapp ein Monatsumsatz, im Einzelhandel reichlich ein Monatsumsatz im Lager gebunden. Sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel sind die in der Bundesrepublik erreichten Lagerquoten niedriger als in den USA, Norwegen und Schweden. I n Großbritannien dagegen ist die relative Lagergröße im Großhandel — Daten für den Einzelhandel stehen nicht zur Verfügung — etwas kleiner als in Westdeutschland. Für andere Länder liegen entsprechende statistische Unterlagen nicht vor. 24
Vgl. hierzu auch S. 32. Vgl. Oppenländer, K . : Lagerzyklen machen K o n j u n k t u r e n . Der Volksw i r t , Nr. 22 v. 29. 5.1964, S. 1039. 25
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
35
Tabelle 9 Die Lagerbestände des Handels gemessen am durdisdinittlidien Monatsumsatz im Jahre 1963 Einzelhandel
Großhandel
Durchschnittlicher Monatsumsatz i n Mill. D M
8170
18 000
Durchschnittlicher Lagerbestand i n M i l l . DM*
9 300
14 750
Durchschnittlicher Lagerbestand i n °/o des durchschn. Monatsumsatzes . .
114
82
a
Jahresanfangs- und Jahresendbestand, geteilt durch 2. Quelle: Berechnet nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes, des Instituts für Handelsforschung und des Ifo-Instituts.
Abb
Lagerbestand am Jahresende
-^
im Deutschen Reich (1929 ) bzw.in den Bundesrepublik Deutschland1) (1950 bis1964) invH vom Jahresumsatz 2 2 2 0
Großhandel
Einzelhandel
1θ 16 1 4 1 2
10 θ 6
U
1929
'
1950
1960
1964
m
1829 • V 1950
1960
1964
''Ohne Saar/and und Bert in-West Quelle: Wirtschaftskonjunktun H. Jahrg. Heft 1/1962 und eigene Berechnungen (1961) IFO-INSTITUT fflr WtvtsdiafMondiung MOndiM»
67/65
36
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Tabelle 10 Der Anteil der Lagerbestände am Umsatz in verschiedenen Ländern Jahr
Großhandel
Einzelhandel
Bundesrepublik 6
1961
8,2
10,9
USAb
1961
8,9
12,3
Norwegen®
1961
12,2
14,0
1959
6,4
1950
9,8
Land
Großbritannien
0
Schweden®
.
19,6
Quellen: Berechnet nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes, ohne Westberlin. Business Statistics, US Department of Commerce. Statistisk Arbok for Norge 1962. Board of Trade, Journal vom 7. April 1961. 1951 Ars Företags Räkning, Statistika Centralbyrân, Stockholm.
β b c d e
II. Die Struktur der Lagerbestände des Handels nach Warengruppen und ihre Entwicklung 1. D i e
Lagerstruktur
im
Einzelhandel
Von den Hauptwarengruppen des Einzelhandels hat der Bekleidungs-, Wäsche- und Schuhhandel die mit Abstand größte Bedeutung als Lagerhalter; der Anteil der Bestände am Umsatz ist dort am höchsten. Der Nahrungs- und Genußmittelhandel, auf den rd. 40 °/o der gesamten Einzelhandelsumsätze entfallen, hat wegen seiner viel größeren Umschlagshäufigkeit erheblich geringere Bestände. Tabelle 11 Die Lagerstruktur im Einzelhandel nach Hauptwarenarten
Bereich
A n t e i l der Lagerbestände am Umsatz Umsatz Lager Umsatz Lager 1925—31 1950—64 1925—1931
1950—1964
Nahrungs- u n d Genußmittel
43
22
38
23
11,3
6,9
Bekleidung, Wäsche, Schuhe
28
43
25
39
34,2
17,7
Hausrat u n d Wohnbedarf
12
18
13
16
37,0
14,4
Sonstige Waren
17
17
24
22
20,6
10,8
100
100
100
100
22,1
11,5
Einzelhandel
insgesamt
Quelle: Vgl. Tabelle 5, S. 29.
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
37
Die oben festgestellte Tendenz, daß sich die Lagerbestände des Einzelhandels heute wesentlich rascher umschlagen als in den zwanziger Jahren 28 , trifft für alle Warengruppen zu. Am stärksten konnte die Umschlagshäufigkeit im Einzelhandel mit Hausrat und Wohnbedarf erhöht werden. 2. D i e
Lagerstruktur
im
Großhandel
Die Lagerstruktur des Großhandels ist aus der folgenden Tabelle 12 zu ersehen. Vergleichbare Daten für frühere Jahre, insbesondere für die Vorkriegszeit, liegen nicht vor. Tabelle 12 Die Lagerstruktur im Großhandel nach Hauptwarengruppen Durchschnitt Bereich
1959—1962
Lagerbestand i n % vom Umsatz
Lager
Umsatz
Nahrungs- u n d Genußmittel
28,0
22,8
10,0
Fertigwaren des K o n s u m güterbereichs
21,9
18,0
9,9
Fertigwaren des Produktionsgüterbereichs
10,5
10,8
8,0
Rohstoffe u n d Halbwaren
30,3
38,2
6,5
9,3
10,2
7,4
100,0
100,0
8,2
Getreide, Saaten, F u t t e r - u n d Düngemittel Großhandel
insgesamt
Quelle: Berechnungen nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes (Umsatzsteuerstatistiken sowie Fachserie F, Reihe 1 : Großhandel I I . Wareneinkauf, Lagerbestand und Rohertrag) sowie des Ifo-Investitionstests.
III. Die Kosten der Lagerhaltung des Handels Die Lagerung von Waren im Handel ist zwangsläufig mit Kosten, d. h. mit einem Verzehr von Gütern (Gegenständen und Dienstleistungen) verbunden. I n diesem Kapitel soll versucht werden, die Höhe der Lagerkosten im westdeutschen Handel für das Jahr 1961 global zu quantifizieren. Statistische Unterlagen hierüber liegen bisher nicht vor. Eine exakte Ermittlung ist auch hier nicht möglich; immerhin sollte es gelingen, auf Grund detaillierter Überlegungen zumindest eine Vorstellung von der Größenordnung der Lagerkosten zu gewinnen. Die Kosten der 2e
Vgl. Seite 34.
38
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
Lagerhaltung schließen die kalkulatorischen Kosten, also U n t e r n e h m e r lohn, M i e t w e r t u n d Eigenkapitalverzinsung ein. Diese Kostenbestandteile sind b e i der folgenden Quantifizierung mitberücksichtigt. B e i der Schätzung der Lagerkosten soll v o n den eingesetzten Betriebsfaktoren ausgegangen werden; danach lassen sich die Kosten der Lagerhaltung i n Warenkosten, Raumkosten u n d Personalkosten aufgliedern. 1.
Warenkosten
D i e Warenkosten setzen sich aus folgenden Kostenarten zusammen: Zinsen für das i m Lagerbestand gebundene K a p i t a l , P r ä m i e n f ü r die versicherten Warenrisiken, Anteilige Steuern. a) Zinsen für das im Lagerbestand
gebundene
Kapital
D i e Zinsen für das in den W a r e n v o r r ä t e n gebundene F r e m d - bzw. Eigenkapital sind i m H a n d e l ein bedeutender Kostenfaktor. I m Einzelhandel betrug der Lagerbestand i m Jahresdurchschnitt 1961 rd. 9700 M i l l . D M , i m Großhandel rd. 15 300 M i l l . D M 2 7 . N i m m t m a n an, daß der durchschnittliche Zinssatz für das erforderliche K a p i t a l (Eigenkapital, Bankkredite, Lieferantenkredite) 10°/o beträgt 2 8 , ergibt sich 27 Der Lagerbestand des Einzelhandels ist — nach den Betriebsvergleichsergebnissen des Instituts f ü r Handelsforschung — i m Jahresdurchschnitt i n der Regel u m rd. 2'Λ/ο höher als a m Jahresende. F ü r den Großhandel liegen hierüber keine Anhaltspunkte v o r ; es w u r d e angenommen, daß sich Jahresendbestand u n d Durchschnittsbestand i n etwa entsprechen. * 8 Dieser durchschnittliche Zinssatz ist eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, w e n n m a n berücksichtigt, daß gerade i m Handel vielfach „ r e i n netto" bezahlt w i r d , also der Lieferantenkredit v o l l i n Anspruch genommen w i r d . Die Inanspruchnahme der Lieferantenkredite ist aber sehr teuer. Bei folgenden — i m Textilhandel üblichen — Konditionen Zahlung innerhalb 10 Tagen β^/ο Skonto Zahlung innerhalb 30 Tagen 2Vo Skonto Zahlung innerhalb 60 Tagen rein netto (ohne Abzug) beträgt der Jahreszinssatz bei Inanspruchnahme des 60-Tage-Ziels beispielsweise 21,6%. Dieser Prozentsatz errechnet sich w i e folgt: Das Netto-Zahlungsziel beträgt 60 Tage. W i r d die Rechnung jedoch schon nach 10 Tagen, also 50 Tage früher bezahlt, k a n n ein Skonto v o n 3*°/a abgezogen werden. Das heißt, daß f ü r den Lieferantenkredit m i t einer L a u f zeit von 50 Tagen Zinsen i n Hohe v o n 3Vo anfallen. Umgerechnet auf das ganze Jahr ergibt das 21,6 °/o. F ü h r t m a n sich v o r Augen, daß die Lieferantenskonti bei Rechnungsstell u n g auf den Warenpreis aufgeschlagen wurden, so w i r d klar, daß dem Abnehmer i n der Höhe dieser Skonti Kosten entstehen, w e n n er nicht m i t der 1. Kondition, also unter Ausnützung der höchstmöglichen Skonti, bezahlt. Daß dieser Skontoentgang häufig nicht als Zinsaufwand erkannt w i r d , liegt an der i n der Praxis üblichen Verbuchungsweise u n d dem n u r schwach ausgebildeten rechenhaften Denken.
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
39
im Einzelhandel eine jährliche Zinsbelastung von insgesamt 970 Mill. DM, im Großhandel eine solche von 1530 Mill. DM 2 0 . b) Prämien für die versicherbaren
Warenrisiken
Die Ware ist, solange sie in den Betrieben des Handels lagert, mit Risiken verschiedenster Art behaftet. Zum Teil sind diese Risiken versicherbar, zum Teil nicht. Soweit die versicherbaren Risiken durch Versicherungen gedeckt werden 30 , ist ihr Kostencharakter offensichtlich, da in der Gewinn- und Verlust-Rechnung ein entsprechender Aufwandsposten erscheint. Risiken, die nicht durch Versicherungen gedeckt sind, erscheinen nicht als Aufwand in der Gewinn- und VerlustRechnung; sie beeinflussen den Bruttogewinn in Form von Erlösschmälerungen und Abschreibungen auf das Warenlager. Rein theoretisch hat ein Teil der nicht versicherten Risiken, nämlich derjenige, der im voraus der Höhe nach auf Grund von Erfahrungssätzen vergangener Jahre abgeschätzt werden kann, ebenfalls Kostencharakter. Der Einfachheit halber werden hier jedoch auch diese „Kosten" der Buchhaltungspraxis entsprechend als Erlösschmälerungen behandelt. Warenrisiken, gegen die sich der Groß- bzw. Einzelhandelsunternehmer in der Regel versichert, sind: Einbruch-Diebstahl, Brandschäden, Wasserschäden, z.T. auch Verderb (Tiefkühlerzeugnisse) 31. a) Das Einbruch-Diebstahl-Risiko, das Risiko also, daß im Warenlager eingebrochen und Ware entwendet wird, ist je nach Warenart verschieden hoch zu veranschlagen; die Prämien für die Versicherung von Waren, deren „Begehrlichkeit" sehr groß ist (ζ. B. Schmuckwaren), 29 Einzelwirtschaftlich betrachtet darf bei der E r m i t t l u n g der Zinskosten nicht von dem effektiv auf Lager liegenden Warenwert ausgegangen werden. Bei der Berechnung muß berücksichtigt werden, daß Warenlieferungen t e i l weise auf einen späteren Z e i t p u n k t valutiert werden, bis dahin also dem Betrieb zinslos zur Verfügung stehen. Erst v o n diesem Z e i t p u n k t an treten dann i n der Regel die regulären Konditionen i n K r a f t . Andererseits können bereits Zinskosten entstehen, ohne daß die Ware auf Lager liegt. Das ist dann der Fall, w e n n die Ware vorfinanziert, d. h. bereits bei Bestellung t e i l weise oder ganz bezahlt worden ist. F ü r unsere globale Betrachtung können diese Spezialfälle jedoch außer Betracht bleiben. 30 Versichert sollten n u r diejenigen Risiken werden, die i n Höhe u n d F o l gen unabsehbar sind, deren Ursachen geichzeitig außerhalb der betrieblichen Einflußmöglichkeiten liegen u n d deren Schadensfall die finanziellen K r ä f t e des Betriebes stark belasten oder gar übersteigen würde. Vgl. Scheunig, E.: Kalkuliertes Risiko, i n : T e x t i l - Z e i t u n g v. 14.5.1964. 81 Die Zahlenangaben zu diesem Abschnitt entstammen ζ. T. den statistischen Unterlagen einer großen deutschen Versicherungsgesellschaft.
40
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
sind höher als für Waren, deren „Begehrlichkeit" geringer ist (z.B. Getreide). Ein weiteres Kriterium für die Prämienhöhe, in der sich der Risikograd spiegelt, ist die jeweilige örtliche Lage des Warenlagers bzw. der Verkaufsstelle. Nach den Unterlagen eines großen Versicherungsunternehmens schwankten 1961 die Jahresprämien für die Einbruch-Diebstahl-Versicherung im Durchschnitt der versicherten Einzelhandelsbetriebe zwischen 32 D M (am wenigsten gefährdetes Sortiment, sicherste Lage) und 170 D M (Sortiment mit starker „Begehrlichkeit", schlechteste Lage). I m Großhandel lagen die Prämien bei 105 D M bzw. 555 D M je Betrieb. Nimmt man den Durchschnitt dieser Extremwerte (100 D M im Einzelhandel, 330 D M im Großhandel), so sind im Einzelhandel 0,37 °/o und im Großhandel 0,30 °/o des durchschnittlichen Lagerbestandes für Prämien der Einbruch-Diebstahl-Versicherung auf zuwenden. b) Nach Schätzungen von Versicherungsfachleuten haben mindestens 90 «/ο aller Handelsunternehmungen ihr Warenlager gegen Brand versichert. Die Versicherungsprämien liegen zwischen 0,8 und 1,2 %o. Für je 1000 D M Warenwert fallen somit Kosten in Höhe von durchschnittlich 1 D M an. c) Ein gewisses Risiko, mit dem das Warenlager behaftet ist, liegt auch darin, daß die Vorräte durch Hochwasser oder Wasserrohrbrüche beschädigt oder vernichtet werden. Dieses Risiko kann grundsätzlich gegen eine Prämie von 1,2 %o des Warenwertes versichert werden. Bei besonders wassergefährdeten Waren (z.B. Papier, bestimmte Lebensmittel) erhöht sich dieser Satz auf l,8%o. Werden Waren im Keller gelagert, wird ein Aufschlag von 50 °/o erhoben. Die niedrigste — und häufigste — Prämie beträgt also l,2°/oo, die höchste (z.B. PapierwarenLager im Keller) 2,7 %o. I m Durchschnitt kann ein Satz von etwa 1,5 %o angenommen werden. d) Ein Sonderfall der Risikoversicherung ist die Tiefkühlv er Sicherung im Lebensmittelhandel. Hierbei sind die tiefgekühlten Erzeugnisse gegen Schäden versichert, die dadurch entstehen, daß die Tiefkühltheken und -truhen defekt werden bzw. die Stromzufuhr ausfällt. I m Durchschnitt der versicherten Lebensmitteleinzelhändler ist 1961 eine Jahresprämie von 17 D M angefallen. Für unsere Globalrechnung kann dieser Betrag vernachlässigt werden. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Prämien für die Abdeckung der versicherten Risiken im Einzelhandel insgesamt 0,62 °/o, im Großhandel rd. 0,55 °/o des durchschnittlichen Wertes der Lagerbestände betragen. I n absoluten Werten sind das im Einzelhandel 59 Mill. DM, im Großhandel 84 Mill. DM.
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
41
c) Steuerliche Belastung Die Bedeutung der Steuern als Kostenfaktor, soweit sie bei der Kostenart „Ware" anfallen, ist relativ schwer global zu bestimmen. Dennoch soll mit den folgenden Überlegungen versucht werden, die steuerliche Belastung größenordnungsmäßig zu quantifizieren, wobei allerdings gewisse Unterstellungen gemacht werden müssen. Die hierbei möglicherweise entstehenden Fehler können in Kauf genommen werden, da die Steuern ebenso wie die Versicherungsprämien als Kostenfaktor — verglichen mit den Kapitalzinsen — nur eine sehr geringe Rolle spielen. Von Interesse sind hier grundsätzlich die Vermögensteuer sowie die Gewerbekapitalsteuer. Vermögensteuer : Die Vermögensteuer ist für unsere Untersuchung deshalb von Interesse, weil der Warenwert ein Vermögensbestandteil ist. I m Sinne der Kostentheorie ist die Vermögensteuer bei Einzelfirmen und Personalgesellschaften kein Kostenbestandteil, da sie nicht im Unternehmen, sondern beim Inhaber bzw. beim Gesellschafter anfällt. Lediglich bei Kapitalgesellschaften stellt sie eine Betriebsausgabe dar. I m Rahmen unserer Untersuchung interessiert jedoch auch die bei den Inhabern von Einzelunternehmungen bzw. den Gesellschaftern von Personalgesellschaften anfallende Vermögensteuer-Belastung, da sie aus dem Ertrag der Unternehmung aufgebracht werden muß. Normalerweise beträgt die Vermögensteuer 1 °/o vom Reinvermögen. Man kann nun aber nicht davon ausgehen, daß das Warenlager mit 1 °/o Vermögensteuer belastet wäre, da nur das Reinvermögen des Betriebs (Besitzposten / Schuldposten) der Vermögensteuer unterliegt. I m Einzelhandel betrug das Reinvermögen ( = Eigenkapital) im Jahre 1961 knapp 58 °/o des gesamten Betriebskapitals 32. Unter der Annahme, daß sämtliche Vermögensteile zu gleichen Anteilen mit Eigen- bzw. Fremdkapital finanziert sind, heißt das, daß im Durchschnitt nur 58 °/o des Lagerbestandes der Vermögensteuer unterliegen. Der Lagerbestand des Einzelhandels betrug Ende 1961 rd. 9500 Mill. DM. Für 5510 Mill. D M Warenwert muß Vermögensteuer bezahlt werden. Legt man den normalen Steuersatz von 1 °/o zugrunde, würde das einem Steueraufkommen im Jahre 1961 von 55 Mill. D M entsprechen. Berücksichtigt man, daß im Vermögensteuertarif eine gewisse Freigrenze vorgesehen ist und daß das dem Lastenausgleich unterliegende Vermögen nur mit 0,75 °/o zu versteuern ist, wird man zu dem Schluß kommen, daß die gesamte auf den Lagerbestand im Einzelhandel zu32 Die Vermögens- u n d Kapitalsituation des Einzelhandels i n den Jahren 1960 u n d 1961. Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung an der U n i versität zu Köln, Nr. 113/Mai 1963, S. 1269 f.
42
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
rückzuführende Vermögensteuerbelastung bei etwa 45 Mill. D M liegen dürfte. Für den Großhandel ergeben entsprechende Überlegungen unter Zugrundelegung eines Lagerbestandes in Höhe von 15 280 Mill. D M und eines Eigenkapitalanteils von 35°/o33 einen Wert von gut 40 Mill. DM. Gewerbekapitalsteuer : Die Bedeutung der Gewerbekapitalsteuer für die Kostenart „Ware" ist ebenso schwierig abzuschätzen wie die der Vermögensteuer. Nach der Gewerbesteuerstatistik 1958 betrug der Steuermeßbetrag nach dem Gewerbekapital im Einzelhandel 14,2 Mill. DM, im Großhandel 18,7 Mill. DM 3 4 . Dieser Steuermeßbetrag muß mit dem im Durchschnitt der Bundesrepublik gültigen Hebesatz — er beträgt im Einzelhandel 273 °/o, im Großhandel 272 °/o36 — multipliziert werden. Danach betrug das gesamte Aufkommen des Einzelhandels an Gewerbekapitalsteuer im Jahre 1958 knapp 40 Mill. DM, das des Großhandels rd. 50 Mill. DM. Leider liegen keine globalen Unterlagen darüber vor, wieviel hiervon dem Warenlager zuzurechnen ist. Nach den Verhältnissen in einzelnen Betrieben und nach Schätzungen von Steuerberatern dürften es etwa 50°/o sein. Das bedeutet, daß die gesamte dem Warenbestand zuzurechnende Gewerbekapitalsteuer-Belastung im Jahre 1958 im Einzelhandel rd. 20 Mill. D M und im Großhandel rd. 25 Mill. D M betrug. Bezogen auf den durchschnittlichen Lagerbestand in diesem Jahr sind das im Einzelhandel etwa 0,26 °/o, im Großhandel rd. 0,22 °/o. Nimmt man an, daß diese Relation auch im Jahre 1961 Gültigkeit hatte, ergibt sich für den Einzelhandel ein Betrag von rd. 25 Mill. DM, für den Großhandel ein solcher von etwa 35 Mill. DM. 2.
Raumkosten
Als Raumkosten sind die Kosten zu verstehen, die für die Bereitstellung eines zweckentsprechenden Lagerraumes anfallen, der allen Anforderungen entspricht, die an eine ordnungsgemäße Warenlagerung zu stellen sind. a) Miete, Kapitalverzinsung und Abschreibungen für die der Warenlagerung dienenden Grundstücke, Gebäude und Lagereinrichtungen sowie Kosten für deren Unterhaltung Dieser Kostenfaktor spielt im Einzelhandel eine größere Rolle als im Großhandel. Seine Quantifizierung stößt für beide Bereiche auf gewisse Schwierigkeiten. 33 Meyerhöfer, W.: Finanzierungsverhältnisse i m westdeutschen Großhandel, Studien zu Handelsfragen Nr. 9, herausgegeben v o m I f o - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung, München 1964, S. 19. 34 „Ertrag, K a p i t a l u n d Steuermeßbeträge der Gewerbebetriebe", i n : W i r t schaft u n d Statistik, Nr. 9/1962, S. 524 ff.
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
43
I m Betriebsvergleich des Instituts für Handelsforschung, Köln, ist die Miete für die Betriebsräume des Einzelhandels bzw. deren Mietwert als Kostenfaktor getrennt erfaßt. Als Mietwert bei eigenen Räumen ist die Summe eingesetzt, die gezahlt werden müßte, wenn Räume in gleichem Umfange und in der gleichen Lage gemietet worden wären (kalkulatorische Miete). Die Abschreibungen auf Grundstücke und Gebäude sowie die Verzinsung des in Betriebsgrundstücken und -gebäuden investierten Kapitals sind durch den Mietwert abgegolten. I m Durchschnitt der letzten Jahre betrugen die so abgegrenzten Kosten für Miete bzw. Mietwert 1,9% vom Jahresumsatz 88. Die Abschreibungen auf Inventar, Fahrzeuge und Forderungen betragen nach den Betriebsvergleichsergebnissen 1,1 °/o des Umsatzes. Aufgrund der Unterlagen der Bilanzstruktur-Erhebung des Instituts für Handelsforschung erscheint es vertretbar, hiervon gut ein Drittel dem Inventar zuzurechnen. Die Abschreibungen auf das Betriebsinventar machen demnach etwa 0,4 °/o des Jahresumsatzes aus. Die Zinsen für das im Betriebsinventar investierte Eigen- bzw. Fremdkapital dürften höchstens 0,1 °/o des Umsatzes ausmachen. Nur geringe Anhaltspunkte liegen über die Höhe der Kosten für Strom, Heizung, Gas, Wasser sowie Instandhaltung der Räume vor. I m Betriebsvergleich des Instituts für Handelsforschung sind diese Kosten in der Position „Sonstige Kosten" enthalten. Anhand der Unterlagen einer Kette von Fabrikfilialläden lassen sich die Kosten für Strom, Heizung, Gas, Wasser sowie Instandhaltung bei dieser Betriebsform auf etwa 1 °/o des Umsatzes veranschlagen 37. Bei den Selbstbedienungsläden des Lebensmitteleinzelhandels verhalten sich diese „Sonstigen Raumkosten" zum Kostenfaktor „Miete bzw. Mietwert" wie 2 :3*\ Nimmt man an, daß diese Relation auch für den gesamten Einzelhandel gilt, würde sich ein Prozentsatz von rd. 1,2 °/o des Umsatzes ergeben. Unseren Berechnungen soll ein Kostensatz von 1,1 °/o zugrunde gelegt werden, da anzunehmen ist, daß vor allem die Stromkosten im Lebensmitteleinzelhandel überdurchschnittlich hoch sind (Kühleinrichtungen). Insgesamt ergibt sich somit für den Einzelhandel eine Kostenbelastung aus Miete bzw. Mietwert, Kapitalverzinsung, Abschreibungen sowie Raumunterhaltung in Höhe von 3,5 °/o des Umsatzes. Da aber nur ein Teil des Raumbedarfs bzw. des gesamten Inventars der Lagerhaltung dient, ist dieser Anteilssatz nur zum Teil den Lagerkosten 35 „Gewerbesteuer u n d Lohnsummensteuer i n B u n d u n d Ländern", i n : Wirtschaft u n d Statistik, Nr. 5/1963, S. 266 ff. 38 Vgl. „Umsatz, Kosten, Spannen u n d G e w i n n des Einzelhandels", Schriften zur Handelsforschung, Nr. 24, K ö l n u n d Opladen 1963, S. 86. 37 B u r k h a r t , P.: Die Problematik des Vertriebs über Fabrikläden, Diss. München 1956, S. 96 ff. 38 Vgl. Henksmeier, Κ . H., Schlucht, F.: Raumkosten w e i t e r h i n gestiegen. Selbstbedienung u n d Supermarkt, Nr. 8/1963, S. 5.
44
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
zuzurechnen. I m Rahmen einer vom Ifo-Institut durchgeführten Befragung von rd. 1000 Firmen wurde versucht, den Anteil der Lagerfläche an der Gesamtfläche zu ermitteln. Hierbei traten jedoch gewisse Schwierigkeiten auf, da der „Verkaufsraum" im Einzelhandel sowohl dem Verkauf als auch der Lagerhaltung dient. Erfaßt man als Lagerfläche im Einzelhandel die Regalfläche im „Verkaufsraum" einschließlich Verkaufsgondeln und Theken, soweit sie der Warenaufbewahrung dienen, sowie den gesamten Reservelagerraum, so macht diese Lagerfläche rd. 45 °/o der Gesamtfläche der Einzelhandelsbetriebe aus. Nimmt man diesen Anteilssatz als Schlüssel für die Aufgliederung der Raumkosten, so ergibt sich eine den Lagerkosten des Einzelhandels zuzurechnende Belastung in Höhe von rd. 1,6% des Jahresumsatzes. I m Jahre 1961 waren das rd. 1400 Mill. DM. Für den Großhandel lassen sich diese Überlegungen etwas vereinfachen. Nach Berechnungen, die auf den Betriebsvergleichsergebnissen zahlreicher Branchen beruhen, machen die „Raumkosten" im Großhandel im Durchschnitt etwa 5,5 % der Gesamtkosten bzw. 0,7 % des Umsatzes aus39. I n dieser Position sind neben der Miete und dem kalkulatorischen Mietwert auch alle sonstigen Kosten für die Geschäftsräume, wie Instandhaltung, Licht und Heizung, erfaßt. Zusätzlich zu berücksichtigen sind somit nur noch die Zinsen für das im Betriebsinventar gebundene Kapital sowie die Abschreibungen auf das Inventar. Die Abschreibungen auf Inventar, Fahrzeuge und Forderungen betragen im Durchschnitt des Großhandels etwa 6,5 % der Gesamtkosten bzw. 0,8 % des Umsatzes40. Davon dürfte im Großhandel ein wesentlich geringerer Anteil auf Inventar-Abschreibungen entfallen als im Einzelhandel, wo der Fuhrpark und auch die Forderungen eine viel kleinere Rolle spielen. Ein Anteil von 0,2% des Umsatzes wird der Realität ziemlich nahekommen. Die Zinsen für das im Betriebsinventar investierte Kapital werden wie im Einzelhandel mit 0,1 % des Umsatzes angesetzt. Damit ergibt sich für den Großhandel eine Gesamtkostenbelastung aus Miete, Kapitalverzinsung, Abschreibungen sowie Unterhaltung der Betriebsräume in Höhe von 1,0 % des Jahresumsatzes. Nach Ermittlungen im Rahmen des Ifo-Konjunkturtests, an denen sich rd. 800 Großhandelsbetriebe beteiligt haben, entfallen im Durchschnitt des Großhandels 67 % der gesamten Betriebsfläche auf Lagerraum. Das bedeutet, daß von dem oben ermittelten Kostensatz zwei Drittel der Kostenstelle „Lager" zugerechnet werden müssen. Das sind etwa 0,6% des Jahresumsatzes oder für das Jahr 1961 rd. 1150 Mill. DM. 39 Vgl. Batzer, E.: Der Großhandel i n der westdeutschen Wirtschaft, B e r l i n 1961, S. 77 f. 40 Batzer, E., a. a . O.
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
45
b) Versicherungsprämien In Frage kommt hier die Versicherung der Lagergebäude gegen Feuer. Sie fällt nur dann im Betrieb an, wenn es sich um eigene Betriebsräume handelt; arbeitet der Betrieb in gemieteten Räumen, werden die Versicherungsprämien vom Vermieter in den Mietpreis einkalkuliert. Dementsprechend sind die — sehr niedrigen — Versicherungsprämien für eigene Räume wohl auch im kalkulatorischen Mietwert schon berücksichtigt. c) Steuerliche
Belastung
I m Zusammenhang mit der Kostenart „Raum" sind die Vermögensteuer, die Gewerbekapitalsteuer und die Grundsteuer zu untersuchen. Vermögensteuer : Sie kann in diesem Zusammenhang weitgehend vernachlässigt werden, da die (bebauten und unbebauten) Grundstücke nur mit ihrem Einheitswert, der auf den Verhältnissen des Jahres 1935 beruht, zur Vermögensteuer herangezogen werden. Diese Einheitswerte machen im Durchschnitt nur etwa ein Fünftel des heutigen Marktwertes aus. Berücksichtigt man ferner, daß von den Gebäuden und Grundstücken — wie die schon erwähnte Erhebung des Ifo-Instituts ergeben hat — im Durchschnitt des Einzelhandels bzw. Großhandels nur etwa 45 bzw. 67°/o auf Lagerfläche entfallen, läßt sich sagen, daß die Vermögensteuerbelastung, soweit sie der Kostenart „Raum" zuzurechnen ist, sehr gering ist. I m Durchschnitt dürfte sie wohl kaum größer sein als 0,1 °/o des Lagerbestandes; das entspricht für das Jahr 1961 einem Betrag von knapp 10 Mill. D M im Einzelhandel bzw. rd. 15 Mill. D M im Großhandel. Gewerbekapitalsteuer : Gewerbekapitalsteuer fällt bei bebauten und unbebauten Grundstücken nicht an, da die Einheitswerte der Grundstücke bei der Berechnung des Gewerbekapitals vom Einheitswert des Betriebs abgezogen werden. Für die Betriebsausstattung, soweit sie sich in den Lagerräumen befindet, wird die Gewerbekapitalsteuer auf die gleiche Weise berechnet, wie es für den Warenwert vorgeführt wurde. Da jedoch der Wert der Lagereinrichtungen im Vergleich zum Wert der gelagerten Ware im Durchschnitt auch heute noch minimal ist, darf angenommen werden, daß die Kostenbelastung durch Gewerbekapitalsteuer, soweit sie bei der Kostenart „Lagerraum" anfällt, sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel nicht größer ist als 0,1 °/o des durchschnittlichen Lagerbestandes. Das sind für den Einzelhandel knapp 10 Mill. bzw. für den Großhandel rd. 15 Mill. DM.
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
46
Grundsteuer: Wesentlich größere Bedeutung hat als Kostenfaktor die Grundsteuer. Grundlage für die Feststellung des Grundsteuermeßbetrages, der mit dem örtlichen Grundsteuerhebesatz zu multiplizieren ist, ist der Einheitswert. Nach Berechnungen, die im Ifo-Institut im Rahmen der Input/Output-Analyse für 1961 durchgeführt wurden, bezahlte der westdeutsche Großhandel in diesem Jahr Grundsteuer in Höhe von 16,6 Mill. DM, der Einzelhandel in Höhe von 19,0 Mill. DM. Da — wie bereits ausgeführt — von der gesamten Betriebsfläche im Großhandel 67°/o, im Einzelhandel rd. 4 5 % auf Lagerfläche entfällt, betrug die für den Lagerraum anfallende Grundsteuer im Großhandel rd. 11 Mill. D M und im Einzelhandel rd. 8,5 Mill. DM. 3.
Personalkosten
Warenlagerung ohne jeglichen Einsatz von Personal ist — zumindest bis heute — nicht möglich. Die Ware muß gestapelt, gepflegt, eventuell umgepackt, bewacht und im Falle des Großhandels „kommissioniert" werden. Alle diese Verrichtungen können nur zum Teil mechanisiert und automatisiert werden; sie gehören ebenso zum Lagerprozeß wie die Wartung und Reinigung der Lagerräume und -einrichtungen. Alle Arbeiten im Lager müssen koordiniert und beaufsichtigt werden, alle Lagervorgänge registriert und ausgewertet werden. Es fallen somit Löhne und Gehälter nebst sonstigen Arbeitskosten an. a) Löhne und Gehälter einschließlich der gesetzlichen und der freiwilligen sozialen Aufwendungen Die Personalkosten sind der größte Kostenfaktor im Handel. I m Großhandel entfallen durchschnittlich 49°/o der Gesamtkosten bzw. 6,4% des Umsatzes auf Personalkosten (einschl. Unternehmerlohn) 41 ; im Einzelhandel machten die Personalkosten in den letzten Jahren jeweils 45 °/o der Gesamtkosten bzw. 10,8 °/o des Umsatzes aus42. Um die der Kostenstelle „Lager" zuzurechnenden Personalkosten quantifizieren zu können, mußte ermittelt werden, in welchem Maße die Beschäftigten für Lagerarbeiten eingesetzt werden. I m Großhandel war das relativ einfach möglich, da hier die Tätigkeitsbereiche in der Regel klar getrennt sind. Eine im Jahre 1963 durchgeführte Erhebung des Ifo-Instituts ergab, daß 28°/o aller im Großhandel beschäftigten Personen mit Tätigkeiten im Lager (Auspacken, Sortieren, Einräumen, Kontrollieren, Pflegen usw.) betraut sind. Wenn man unterstellt, daß die Vergütungen für das Lagerpersonal im Durchschnitt etwa 8 0 % 41
Batzer, E., a. a. O., S. 77 f. „Umsatz, Kosten, Spannen u n d G e w i n n des Einzelhandels i n der B u n desrepublik Deutschland i n den Jahren 1958, 1959 u n d 1960", a. a. O., S. 88. 42
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
47
des Durchschnittsverdienstes aller Beschäftigten im Großhandel betragen 43 , ergibt sich, daß rd. 1,5% des Umsatzes als Personalkosten der Kostenstelle „Lager" anzusetzen sind. I m Jahre 1961 waren das für den gesamten westdeutschen Großhandel rd. 2,9 Mrd. DM. I m Einzelhandel ist die Trennung der Personalkosten nach Kostenstellen schwieriger, da sich hier die Tätigkeiten vielfach überschneiden. Vor allem Verkaufs- und Lagertätigkeiten werden häufig von denselben Personen verrichtet. Bei der Aufgliederung der Personalkosten nach Kostenstellen ist man somit auf Schätzungen der Einzelhandelsunternehmer angewiesen. Eine entsprechende Erhebung bei rd. 1000 Einzelhandelsbetrieben ergab, daß nach Schätzungen der Betriebe rd. 2 8 % der Arbeitszeit des Personals im Durchschnitt auf Lagerarbeiten (Auspacken, Auszeichnen, Sortieren, Einräumen bzw. Nachfüllen, Kontrollieren, Pflegen usw.) entfallen. Die für Lagerarbeiten anfallenden Personalkosten machen somit rd. 1,3% vom Jahresumsatz aus. Das entspricht für das Jahr 1961 einem Betrag von 1,1 Mrd. DM. b) Versicherungsprämien Da die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in den Löhnen und Gehältern enthalten sind, ist hier lediglich noch die Betriebshaftpflicht-Versicherung zu behandeln. Mit ihr sind alle finanziellen Ansprüche versichert, die Dritte aufgrund fahrlässiger oder vorsätzlicher Handlungen von beschäftigten Personen gegen den Betrieb stellen können. Die Höhe der Prämie richtet sich nach der Beschäftigtenzahl. Nach den Unterlagen eines großen Versicherungsunternehmens betrug 1961 die durchschnittliche Jahresprämie je Großhandelsbetrieb 190 DM, je Einzelhandelsbetrieb 70 DM. Da im Bundesgebiet rd. 117 000 Großhandelsunternehmen bzw. 447 000 Einzelhandelsunternehmen tätig sind44, stellte sich das Gesamtaufkommen an Prämien für die Betriebshaftpflicht-Versicherung im Großhandel im Jahre 1961 auf rd. 22,2 Mill., im Einzelhandel auf rd. 31,3 Mill. DM. Bezieht man diese Beträge auf die mit Lagerarbeiten beschäftigten Personen (sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel 2 8 % aller Beschäftigten) 45, ist für den Großhandel ein Betrag von rd. 6 Mill. DM, für den Einzelhandel ein Betrag von rd. 9 Mill. D M den Lagerkosten zuzurechnen. 43 Dieser Anteilssatz ergab sich anläßlich einer Erhebung des (Vgl. Laumer, H.: Die Arbeitsmarktsituation i m westdeutschen Schriftenreihe des I f o - I n s t i t u t s f ü r Wirtschaftsforschung Nr. 46, S. 53, Tabelle 31). 44 Vgl. Statistisches Bundesamt: Fachserie F, Handels- u n d zählung 1960, Vorbericht 2. 45 Vgl. S. 46.
Ifo-Instituts. Großhandel, B e r l i n 1961, Gaststätten-
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung c) Lohnsummensteuer Die Lohnsummensteuer wird nicht von allen Gemeinden erhoben. Nach der Lohnsummensteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes hat der Großhandel im Jahre 1958 rd. 34,7 Mill. D M Lohnsummensteuer abgeführt, der Einzelhandel rd. 27,5 Mill. DM 4 6 . Da von der gesamten Arbeitszeit — wie festgestellt wurde — sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel rd. 28°/o auf Lagerarbeiten entfallen, sind von dem Gesamtaufkommen an Lohnsummensteuer rd. 10 Mill. D M im Großhandel und rd. 8 Mill. D M im Einzelhandel als Lagerkosten anzusehen. 4. D i e
Höhe
der
Lagerkosten
insgesamt
I n den folgenden Tabellen 13 und 14 wurden die einzelnen oben ermittelten Kostenarten, soweit sie der Kostenstelle „Lager" zuzurechnen sind, für den Groß- bzw. Einzelhandel zusammengestellt. Insgesamt betrugen die Lagerkosten des Groß- und Einzelhandels im Jahre 1961 in der Bundesrepublik knapp 9,5 Mrd. DM, wovon gut drei Fünftel auf den Großhandel und knapp zwei Fünftel auf den Einzelhandel entfallen sind. Die Lagerkosten des Großhandels machen im Durchschnitt rd. 38 °/o des durchschnittlichen Lagerbestandes bzw. gut 3 % des Umsatzes aus. Bei einer Gesamthöhe der Handungskosten im Großhandel von 13 °/o47 bedeutet das, daß knapp ein Viertel der Gesamtkosten des westdeutschen Großhandels der Kostenstelle „Lager" zuzurechnen ist. Für den amerikanischen Großhandel nennen Beckmann, Engle, Buzzell einen Anteilssatz von 35 bis 40 °/o der gesamten Handlungskosten48. Darin sind allerdings — anders als bei unserer Schätzung für die Bundesrepublik — auch die Kosten der Warenannahme und der Auslieferung enthalten.
46 Vgl. „Gewerbesteuer u n d Lohnsummensteuer i n B u n d u n d Ländern", i n : Wirtschaft u n d Statistik, Heft 5/1963, S. 271. 47 Vgl. Batzer, E., a. a. O., S. 78. 48 Vgl. Beckmann, Engle, Buzzell: Wholesaling, N e w Y o r k 1959, S. 419.
Β. Umfang, Struktur und Kosten der Lagerhaltung des Handels
49
Tabelle 13 Die Lagerkosten des westdeutschen Großhandels 3 im Jahre 1961 i n °/o Kostenart
in Mill. DM
„Ware" davon: Zinsen Versicherungsprämien Anteilige Steuern „Raum" davon: Miete, Zinsen, Abschreibungen u n d Unterhaltungskosten Anteilige Steuern „Personal" davon: Löhne, Gehälter Versicherungsprämien Anteilige Lohnsummensteuer Lagerkosten
insgesamt
des Umsatzes
des Lagerbestandes
der Lagerkosten
1687
0,88
11,04
29,12
1528 84 75 1191
0,80 0,04 0,04 0,62
10,00 0,55 0,49 7,80
26,37 1,45 1,30 20,56
1150 41 2916
0,60 0,02 1,52
7,53 0,27 19,08
19,85 0,71 50,32
2900 6
1,51 0,00
18,98 0,04
50,05 0,10
10
0,01
0,06
0,17
5794
3,02
37,92
100,00
ft
Bundesgebiet ohne Westberlin. Quelle: Berechnungen des Verfassers.
I m Durchschnitt des Einzelhandels betragen die Lagerkosten — ebenso w i e i m Großhandel — rd. 38 °/o des durchschnittlichen Lagerbestandes, das sind 4,2 %> des Umsatzes 4 9 . B e i einer Gesamthöhe der H a n d lungskosten i m Einzelhandel von 24,3 °/o 50 bedeutet das, daß ein F ü n f t e l bis ein Sechstel der Gesamtkosten des westdeutschen Einzelhandels der Kostenstelle „Lager" zuzurechnen ist. 49 Klein-Blenkers setzt für die Warenlagerung i m Einzelhandel n u r einen Satz von 12 °/o des Bestandswertes an, ohne dies näher zu begründen. (Vgl. Klein-Blenkers, F.: Die ökonomisierung der Distribution, Schriften zur H a n delsforschung Nr. 27, Köln—Opladen 1964, S. 278). Bei dieser Schätzung sind jedoch — w i e ein Vergleich m i t dem Ergebnis der oben angestellten Ü b e r legungen zeigt — wesentliche Kostenarten unberücksichtigt geblieben. 50 Vgl. „Bericht über die Ergebnisse des Betriebsvergleichs des Einzelhandels i m Jahre 1961", Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung, Nr. 104 v o m August 1962, S. 1161 ff.
4 Laumer
50
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Tabelle 14 Die Lagerkosten des westdeutschen Einzelhandel im Jahre 1961 i n %> Kostenart
in Mill. DM
des Umsatzes
des Lagerbestandes
der Lagerkosten
„Ware" davon: Zinsen Versicherungsprämien Anteilige Steuern
1099
1,26
11,52
30,16
970 59 70
1,11 0,07 0,08
10,17 0,62 0,73
26,62 1,62 1,92
„Raum" davon: Miete, Zinsen, Abschreibungen u n d Unterhaltungskosten Anteilige Steuern
1428
1,63
14,97
39,19
1400 28
1,60 0,03
14,68 0,29
38,42 0,77
„Personal" davon: Löhne, Gehälter Versicherungsprämien Anteilige Lohnsummensteuer
1117
1,28
11,71
30,65
1100 9
1,26 0,01
11,53 0,10
30,18 0,25
8
0,01
0,08
0,22
Lagerkosten
3644
4,17
38,20
100,00
insgesamt
a
Bundesgebiet ohne Westberlin. Quelle: Berechnungen des Verfassers.
C. Die Lagerhaltung des Handels i n konjunktureller Sicht Die bisherigen Untersuchungen haben u. a. ergeben, daß die Lagerbestände des Handels in der Vergangenheit tiefgreifenden strukturellen Veränderungen unterworfen waren. Von diesen langfristigen Wandlungen wird eine Vielzahl kürzerfristiger Veränderungen, die vorübergehender Natur sind, überlagert. Die kürzerfristige Entwicklung der Lagerbestände des Handels ist eines der wichtigsten Symptome für die jeweilige konjunkturelle Lage. Wachsen die Lagerbestände, bedeutet das, daß mehr eingekauft wurde als im entsprechenden Zeitraum abgesetzt worden ist; werden die Lagerbestände kleiner, so besagt das umgekehrt, daß der laufende Einkauf hinter dem Absatz zurückgeblieben ist. Sind diese Diskrepanzen zwischen Ein- und Verkauf stärker als saisonüblich, spiegeln sich in
C. Die Lagerhaltung des Handels in konjunktureller Sicht
51
ihnen konjunkturelle Veränderungen wider, die sich zwangsläufig auf die vorgelagerten Wirtschaftszweige auswirken. Durch die Lagerpolitik des Handels können auf der Produktionsstufe vorhandene Spannungen zwischen Angebot und Nachfrage gemildert, aber auch verschärft werden. Die Messung der Lagerbestandsänderungen im Groß- und Einzelhandel ist deshalb eine der Voraussetzungen für eine zuverlässige Konjunkturanalyse und -prognose. Zunächst sollen die saisonalen Schwankungen der Lagerbestände in Groß- und Einzelhandel dargestellt werden, da ihre Kenntnis erst die Möglichkeit gibt, die konjunkturellen Schwankungen zu ermitteln. Daran anschließend wird zu zeigen versucht, welche Möglichkeiten bestehen, die konjunkturellen Schwankungen zu erfassen und zu messen. Mit der Erörterung dieser methodischen Probleme soll — soweit hierüber Material vorliegt — eine kurze Analyse der konjunkturellen Entwicklung der Lagerbestände des Handels in der Nachkriegszeit verknüpft werden. Der Aufzählung der möglichen Ursachen für konjunkturelle Lagerbestandsänderungen in Groß- und Einzelhandel folgt die Untersuchung der Wirkungen, die davon auf die korrespondierenden Wirtschaftsbereiche ausgehen. I. Abgrenzung der konjunkturellen von den saisonalen Schwankungen
Die wirtschaftlichen Monatsreihen lassen sich in die vier Hauptkomponenten Trend, Konjunktur, Saison und Zufall zerlegen. Die rechnerische Bestimmung des Trends spielt nur eine Rolle bei sehr langen Zeitreihen und bei Wirtschaftsprognosen. Bei kürzeren Reihen ist es kaum möglich, den Trend von der Konjunktur zu trennen, daher werden gewöhnlich beide Größen in der Komponente „Konjunktur" zusammengefaßt 51. Sehr schwierig ist auch die Trennung der Zufallsvon den Saisonschwankungen. I n der empirischen Wirtschaftsforschung wird der Einfluß der Zufallsschwankungen deshalb in der Regel vernachlässigt. Schließt man sich diesem Vorgehen an, verbleiben also bei einer kurzfristigen Betrachtung lediglich die konjunkturellen und die saisonalen Schwankungen. Um die in diesem Zusammenhang interessierenden konjunkturellen Schwankungen zu isolieren, ist es somit erforderlich, die saisonalen Schwankungen aus den Lagerbestandsveränderungen auszuschalten. Saisonschwankungen sind jahreszeitlich regelmäßig wiederkehrende Marktveränderungen oder sonstige vom Jahresablauf bestimmte Wirtschaftsvorgänge. Die Ursachen der saisonalen Umsatzschwankungen sind insbesondere die klimatischen Bedingungen und gesellschaftlichen Institutionen (terminlich fixierte 61 Anderson, O. jun.: Trend, Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 10. Bd., Stuttgart 1959, S. 405 ff.
4*
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
52
Feiertage und Bräuche etc.)52. Die saisonalen Schwankungen der Lagerbestände des Handels haben ihre Ursache a) in den unterschiedlichen jahreszeitlichen Schwankungen von Produktion und Verbrauch, b) in den technischen Schwierigkeiten bei der Abstimmung von Wareneinkauf und Umsatz und c) zum Teil in den branchenüblichen Liefer- und Zahlungsbedingungen. 1. D i e
Saisonschwankungen
im
Einzelhandel
Die Lagerbestände des Einzelhandels weisen spürbare saisonale Schwankungen auf; diese sind allerdings weit weniger stark als die der Umsätze. Anhand von Daten der Jahre 1954 bis 1962 lassen sich folgende „Saisonindices" errechnen 63: Tabelle 15 Die saisonalen Schwankungen von Umsätzen und Lagerbeständen im Einzelhandel (Monatsdurchschnitt = 100) Monat
Umsatz
Lagerbestand
Januar
83
Februar
79
92 95
März
96
99 100
April
99
Mai
96
99
Juni
92
97
Juli
98
94
August
94
96
September
93
104
Oktober
101
III
November
104
115
Dezember
165
98
Quelle: Berechnet nach den Betriebsvergleichsergebnissen des Instituts für Handelsforschung, Köln, für die Jahre 1954 bis 1962. 52 Vgl. hierzu Grünbaum, H.: Die Umsatzschwankungen des Einzelhandels als Problem der Betriebspolitik, Sonderheft 10 der Vierteljahrshef te zur Konjunkturforschung, B e r l i n 1928, S. 30; — Donner, O.: Die Saisonschwankungen als Problem der Konjunkturforschung, Sonderheft 6 der V i e r t e l jahrshefte zur Konjunkturforschung, B e r l i n 1928, S. 52 ff.; — Liedgens, H.: Die Absatzbewegungen i m Einzelhandel, Schriften zur Handelsforschung, N r . 23, K ö l n u n d Opladen 1962, S. 10; — Brunner, M . : Planung i n Saisonunternehmungen, Beiträge zur Betriebswirtschaftlichen Forschung, K ö l n u n d Opladen 1962, S. 2. 53 Hierbei w u r d e angenommen, daß die durchschnittliche Entwicklung in den Jahren 1954 bis 1962 den saisontypischen Verlauf widerspiegelt.
53
C. Die Lagerhaltung des Handels in konjunktureller Sicht
Abb. 5
Die saisonalen Schwankungen von Umsätzen und Lagerbeständen im Einzelhandel insgesamt Monatsdurchschnitte 1954 - 1962 - 100
16 ο
1 50
14 ο
1 3ο
1 2 0
Lagenbesfand 1 10 *
//
100
/ X . /
y
/
r*
Λ
I% ^ J% %
%
Umsatz
9 0
80
7 0
I
J
I
F
M
A
Que/fe : Benennungen
ι
M
ι
J
I
1
J
A
S
O
1
N
1
D
nach Unterlagen des Instituts fun Hancfetsfonschung,
IFO-INSTITUT tOr Wlrtachafttfondiung MOndiwi
68/65
Köln
54
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
Die unterschiedliche Saisonentwicklung von Umsätzen und Lagerbeständen im Einzelhandel wird in Abb. 5 deutlich. Es zeigt sich, daß die monatlichen Schwankungen der Lagerbestände wesentlich schwächer sind als die der Umsätze. Am kleinsten sind die Bestände des Einzelhandels Ende Januar sowie Ende Juli, also nach Ende der Winter- und Sommersaison bzw. der Winter- und Sommerschlußverkäufe. Ab August wachsen sie kontinuierlich und erreichen Ende November den Jahreshöchststand. I m Einzelhandel mit Bekleidung, Wäsche und Schuhen ist die Lagersaison noch weit stärker ausgeprägt als im Einzelhandel insgesamt; im Einzelhandel mit Nahrungs- und Genußmitteln sind die Schwankungen relativ gering. 2. D i e
Saisonschwankungen
im
Großhandel
Für den Großhandel in der Bundesrepublik stehen quantitative monatliche Lagerdaten aus amtlichen Statistiken bzw. Betriebsvergleichen nicht zur Verfügung. Eine recht gute Vorstellung von der Lagersaison in diesem Bereich läßt sich jedoch aus den Ergebnissen des Ifo-Konjunkturtests gewinnen. Sowohl im Konsumgütergroßhandel als auch im Rohstoff- und Produktionsverbindungshandel liegen die saisonalen Tiefpunkte der Lagerhaltung im Januar. Während im Rohstoff» und Produktionsverbindungshandel dann ein langsamer, aber kontinuierlicher Lageraufbau bis Oktober (Saisonspitze) folgt, wird im Konsumgütergroßhandel schon im April die erste Saisonspitze erreicht, der nach einem spürbaren Rückgang bis Juni ein steiler Anstieg folgt. Im November erreicht die Lageraufstockung im Konsumgütergroßhandel ihren Höhepunkt; in den folgenden Monaten Dezember und Januar werden die Bestände dann stark abgebaut. I I . Problematik und Möglichkeiten der Messung konjunktureller Schwankungen der Lagerbestände
1. A u s s c h a l t u n g
der
Saisonschwankungen
Schaltet man aus Wirtschaftsreihen die saisonalen, d. h. jahreszeitlich bedingten, Schwankungen aus, wird ihr konjunktureller Verlauf sichtbar. Zur Saisonbereinigung bieten sich verschiedene statistische Methoden an, auf deren Problematik hier nicht näher eingegangen werden kann 54 . Das einfachste Verfahren, das für eine längerfristige Ex-post-Betrachtung aber durchaus ausreicht, ist die Berechnung gleitender 12-Monatsdurchschnitte. Wendet man dieses Verfahren auf Umsatz« und Lagerentwicklung des Einzelhandels an, ergibt sich für die Jahre 1954 bis 1963 der in Abb. 6 dargestellte Konjunkturverlauf. 64
Z u r Methodik der modernen Saisonbereinigungsverfahren vgl. folgende L i t e r a t u r : Z u r Ausschaltung der Saisonbewegungen aus wirtschaftsstatistischen Reihen, Monatsberichte der Bank Deutscher Länder, März 1957, S. 40 ff.
C. Die Lagerhaltung des Handels in konjunktureller Sicht
55
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
56
Man sieht deutlich, daß sich die konjunkturelle Entwicklung von Umsätzen und Lagerbeständen keineswegs immer entsprochen hat. Phasen verstärkter Eindeckung des Handels, sei es aus preislichen Gründen oder infolge enttäuschter Absatzerwartungen, wechselten mit Phasen kräftigen Lagerabbaus, So sind von Mitte 1954 bis Mitte 1956, also in einer Periode starker Nachfrageexpansion, die Lagerbestände erheblich schwächer als die Umsätze gestiegen. Bis etwa Mitte 1958 folgte dann eine stärkere Expansion der Lagerbestände. Der dann folgende, bis Ende 1959 anhaltende, relative Lagerabbau ist als Reaktion der Betriebe auf die anomal hohe Bestandshaltung in der Vorperiode anzusehen. Das Wachstum der Umsätze war in dieser Phase wesentlich stärker als das der Lagerbestände. Während der Jahre 1960 und 1961 waren nur geringe — zeitlich sehr begrenzte — Wachstumsunterschiede festzustellen. Ab Mitte 1962 wuchsen dann die Lagerbestände konjunkturell wesentlich stärker als die Umsätze. 1963 hat sich die „Schere" weiter geöffnet. 2. B e r e c h n u n g
von
Lagerquoten
Der Kurvenverlauf in Abb. 6 zeigt deutlich, daß die konjunkturelle Entwicklung von Umsätzen und Lagerbeständen keineswegs immer parallel verlaufen ist. Gerade diese Diskrepanz aber ist es, die dem Konjunkturanalytiker Hinweise auf sich anbahnende Veränderungen der Angebot/Nachfrage-Situation gibt. Nicht die saisonbereinigte Entwicklung der Lagerbestände als isolierte Größe ist also letzten Endes konjunkturell relevant, sondern die Wandlungen des (saisonbereinigten) Verhältnisses der Lagerbestände zu den Umsätzen. Bildet man für den Einzelhandel aus den statistischen Daten der Jahre 1954 bis 1962 einen Saisonindex der Lagerquoten, die ein Ausdruck für das Verhältnis zwischen Lagerbeständen und Umsätzen sind, so ergibt sich folgende Reihe: J/F
M/A
M/J
J/A
S/O
N/D
159
144
147
141
155
115
Diese Quoten — aus methodischen Gründen (jährlich wechselnde Feiertags- und Schluß verkauf stermine) wurden jeweils zwei Monate zusammengefaßt — besagen, daß sich beispielsweise der durchschnittliche Lagerbestand Ende Januar und Ende Februar zum durchschnittlichen Umsatz der Monate Januar und Februar verhält wie 159 :100. — Erfahrungen m i t der A n w e n d u n g der Regressionsrechnung auf die Saisonbereinigung statistischer Zeitreihen, Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, August 1961, S. 19 ff. — OECD: Seasonal A d j u s t m e n t on Electronic Computers, Report and Proceedings of an International Conference held i n Nov. 1960, Paris. — West, C.: M o v i n g A m p l i t u d e A d j u s t m e n t i n A S A Proceedings, 1960, S. 21. — Anderson, Ο. jun.: Zeitreihenzerlegung v o m p r a k tischen Standpunkt der Konjunkturforschung, Allgemeines Statistisches A r chiv, 42. Bd. 1958, S. 358 ff.
C. Die Lagerhaltung des Handels in konjunktureller
S i c h t 5 7
Setzt man nun jede einzelne dieser „saisonüblichen" Lagerquoten gleich 100 °/o und bezieht darauf die entsprechenden Quoten der einzelnen Jahre, wird der konjunkturelle Verlauf der Lagerbestände in den betreffenden Jahren deutlich sichtbar. Für die Jahre 1958 bis 1963 ergibt sich im Einzelhandelsdurchschnitt folgende Reihe: Jahr
J/F
M/A
M/J
J/A
S/O
N/D
1958 1959 1960 1961 1962 1963
106 97 98 102 102 106
105 98 97 99 98 103
101 97 98 100 99 106
99 99 100 101 105 107
102 96 95 97 99 102
102 98 96 96 99 101
Die bis Mitte 1958 sehr hohen Einzelhandelslager wurden von der zweiten Jahreshälfte an merklich abgebaut; während der Jahre 1959 und 1960, als die Umsätze wieder kräftiger expandierten, erreichten die Lagerbestände dann ein — konjunkturell gesehen — außerordentlich niedriges Niveau. I n den folgenden Jahren 1961 und 1962 hat sich die Lagersituation weitgehend normalisiert. Das Jahr 1963, in dem die Einzelhandelsumsätze mit einer Zunahme von nur 3,5 °/o den Erwartungen bei weitem nicht entsprochen haben, war durch einen auffallend starken konjunkturellen Lageraufbau gekennzeichnet; zu keiner anderen Zeit nach der Währungsreform war das Lagerquoten-Verhältnis ähnlich hoch wie im Sommer dieses Jahres. Der Lageraufbau im Jahre 1963 war überwiegend „unfreiwillig"; erwartete Preiserhöhungen dürften dafür nur in geringem Maße verantwortlich gewesen sein. Erst in den Herbstmonaten 1963 hat sich die Lagersituation wieder normalisiert. Die oben wiedergegebenen Lagerquoten-Indices spiegeln die Entwicklung im Durchschnitt aller Einzelhandelsbranchen wider. Die häufig viel stärker ausgeprägten branchenwirtschaftlichen Lagerveränderungen (ζ. B. des Textilhandels, des Möbelhandels usw.), die keineswegs immer parallel verlaufen müssen, heben sich in dieser Durchschnittsreihe teilweise gegenseitig auf oder schwächen diese ab. Auf die Darstellung branchenwirtschaftlicher Daten kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch verzichtet werden. ΙΠ. Die Ursachen konjunktureller Lagerbestandsveränderungen im Handel und ihre Auswirkungen auf den allgemeinen Konjunkturverlauf Aus dem Verlauf der jüngsten Wirtschaftsgeschichte Westdeutschlands und der USA läßt sich ohne Schwierigkeiten der empirische Be-
58
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
weis erbringen, daß die Veränderungen der Lagerbestände einer Volkswirtschaft in engem Zusammenhang mit dem Konjunkturablauf stehen55. Über Art und Ursachen dieses Zusammenhangs sind in der Literatur allerdings die unterschiedlichsten Theorien anzutreffen. So gibt es — um nur auf einen grundsätzlichen Unterschied hinzuweisen — die These von der gegenläufigen Bewegung der Vorräte im Konjunkturablauf, die von Tugan-Baranowski, Spiethoff und Wickseil vertreten wurde und die These, daß sich die Lagerbestände parallel zum Konjunkturverlauf entwickeln (Keynes , Eucken, Lederer) 56. Hoffarth weist in seiner kritischen Betrachtung darauf hin, daß diese einander völlig entgegengesetzten Theorien weitgehend darauf zurückzuführen sind, daß sie auf Globalgrößen aufgebaut seien. Insbesondere bemängelt er — gestützt auf Untersuchungen von Wagner und Spiethoff — die mangelnde Trennung der Gesamtbestände in ihre einzelnen Komponenten (beispielsweise Lager in der Produktionssphäre und in der Distribution, letztere aufgeteilt in Groß- und Einzelhandel)57. So unterschiedlich die Theorien über die Art des Zusammenhangs zwischen Lagerinvestitionen und Konjunktur verlauf auch sind, so besteht doch Einigkeit darüber, daß die Lagerinvestitionen eine der Ursachen für die konjunkturellen Schwankungen sind. Sie sind konjunkturabhängig und gleichzeitig konjunkturbestimmend; sie sind einerseits das Ergebnis von Entwicklungen bestimmter Variabler des ökonomischen Kreislaufs, andererseits aber auch eine ihrer Ursachen 58. Allein ihr großer Anteil an der Lagerhaltung der Gesamtwirtschaft läßt vermuten, daß den Lagerbeständen des Handels in diesem Prozeß große Bedeutung zukommt. Zwischen und innerhalb von Handel und Industrie entstehen die Lagerzyklen, die den Ablauf der Konjunktur maßgeblich mitbestimmen. I n den folgenden Betrachtungen soll herausgearbeitet werden, welche Rolle der Handel in diesem Lagerzyklus spielt. 55
Vgl. hierzu u.a. Wieting, R.: Theorie des Lagerzyklus, i n : W e l t w i r t schaftliches Archiv, Zeitschrift des Instituts f ü r Weltwirtschaft an der U n i versität Kiel, 1962, S. 208 ff. Ferner Schimmler, H. : Der Lagerzyklus, Lagerbewegung u n d K o n j u n k t u r verlauf i n empirischer Sicht, Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 38, B e r l i n 1958. 50 Vgl. hierzu Hoffarth, K . : Lagerhaltung u n d K o n j u n k t u r verlauf i n der Textilwirtschaft, Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen, Nr. 1234, K ö l n u n d Opladen 1963, S. 22 ff. 07 Hoffarth, a. a. O., S. 26 f. 58 Rischert, Α.: Die Lagerbestände der westdeutschen Industrie, i n : W i r t schaftskonjunktur, Vierteljahresschrift des Ifo-Instituts, Heft 1/1962, S. 31 ff.
C. Die Lagerhaltung des Handels in konjunktureller Sicht
59
1. D i e m ö g l i c h e n U r s a c h e n d e s A u f t r e t e n s von L a g e r z y k l e n beim Handel Der Grund für das Entstehen konjunktureller Lagerzyklen liegt im wesentlichen darin, daß eine Wirtschaftsstufe auf effektive oder erwartete Änderungen von Marktdaten mit einer übersteigerten Erhöhung bzw. Reduzierung ihrer Bestelltätigkeit reagiert. Welche Ursachen sind es nun im einzelnen, die den Handel veranlassen können, seine Lagerbestände durch eine entsprechende Einkaufspolitik konjunkturell stärker als die Umsätze zu erhöhen bzw. abzubauen? Grundsätzlich kommen hierfür a) b) c) d)
effektive und erwartete Preisveränderungen, unrealistische Absatzerwartungen, die Liquidität der Geschäftsbanken und die Eigen-Liquidität der Firmen
in Frage. Der Einfluß dieser Ursachen ist keineswegs einheitlich; es ist durchaus möglich, daß in einer bestimmten Situation nur eine einzige dieser Ursachen (beispielsweise steigende Einkaufspreise) das Entstehen zyklischer Lagerschwankungen verursacht und in einer anderen Situation eine andere Ursache (beispielsweise eine optimistische Einschätzung der Absatzaussichten durch die Händler) denselben Effekt hat. Es kann aber auch sein, daß zwei oder drei Faktoren zusammenwirken. Dabei ist offen, ob sich ihre Wirkungen in einer Richtung summieren oder sich gegenseitig abschwächen bzw. aufheben. a) Effektive
und
erwartete
Preisveränderungen
Bei ansteigender Konjunktur tendieren die Preise in mehr oder weniger starkem Umfang nach oben. Die Wirtschaftsunternehmen, auch des Handels, werden in dieser Situation danach trachten, sich in Erwartung weiterer Preissteigerungen möglichst reichlich zu den niedrigeren Preisen der Gegenwart einzudecken, um zu einem späteren Zeitpunkt zu den höheren Preisen mit einem zusätzlichen Gewinn verkaufen zu können. Das heißt also, daß der Handel in stärkerem Umfang Ware lagert, als es bei den gegenwärtigen Absatzverhältnissen notwendig wäre. Genau entgegengesetzt sind die Verhältnisse bei rückläufiger Konjunktur, wo der Preissteigerungstrend in der Regel unterbrochen wird. I n dieser Situation wird der Handel wesentlich zurückhaltender einkaufen als es von den Absatzmöglichkeiten her angemessen wäre; „er wartet ab und will sich erst bei möglichst tief gesunkenen Preisen wieder eindecken"60. Er zehrt zunächst aus seinen Beständen, um Ver69
Henzel, F.: Der Unternehmer i n der K o n j u n k t u r , F r a n k f u r t 1959, S. 18.
60
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
luste zu vermeiden, die ihm aus der noch teuer eingekauften Ware entstehen könnten 80 . b) Unrealistische
Absatzerwartungen
Auch unrealistische Absatzerwartungen der Handelsbetriebe, sei es zu großer Optimismus oder zu großer Pessimismus, können konjunkturelle Lagerbestandsveränderungen zur Folge haben. Gerade im Konjunkturaufschwung wird die künftige Entwicklung der Umsätze häufig überschätzt, was dazu führt, daß die Lagerbestände anomal stark aufgestockt werden. Zu der Fehleinschätzung der Absatzaussichten kommt in Perioden aufsteigender Konjunktur noch ein gewisses Streben nach Sicherheit. Man befürchtet vielfach, daß die Industrie bei weiter steigenden Umsätzen nur mehr beschränkt bzw. mit zeitlichen Verzögerungen lieferfähig sein werde. c) Liquidität der Geschäftsbanken Von Bedeutung für das Entstehen zyklischer Lagerschwankungen kann auch die Kreditgewährungsbereitschaft der Geschäftsbanken bzw. die Bankenliquidität sein, die eine Resultante verschiedener Faktoren ist (Kassenüberschüsse der öffentlichen Hand, Liquiditätszuflüsse aus dem und Liquiditätsabflüsse in das Ausland, Zentralnotenbankpolitik). Dabei sind in aller Regel die Wirkungen einer Verschlechterung der Bankenliquidität stärker als die einer Verbesserung. Dem Einfluß der Notenbankpolitik auf die Lagerhaltung wurde vor allem von Hawtrey großes Gewicht beigelegt61. Insbesondere die Lagerhaltung des Großhandels sei es, die sofort und empfindlich auf Änderungen der Kredit- und Zinsbedingungen reagiere. Bei steigendem Diskontsatz werden die Händler dahin tendieren, die in Anspruch genommenen Bankkredite abzubauen. Dazu ist es erforderlich, die Lagerbestände zu verringern. Sinkt dagegen der Zinssatz, werden die Händler ihre Lagerbestände aufstocken. Keynes hat diesen engen Zusammenhang zwischen kurzfristigem Zinssatz und Lagerbestand bestritten. Da der Zinssatz nur eine von vielen Kostenkomponenten sei, würden Schwankungen der Diskontrate um 1 oder 2 °/o die Höhe der gesamten Lagerkosten nur geringfügig verändern. Es sei deshalb wenig vernünftig, Zinsänderungen einen entscheidenden Einfluß auf die Vorratsdispositionen der Unternehmer beizumessen®2. Die Ergebnisse unserer Quantifizierung der Lagerkosten in Großund Einzelhandel 83 sprechen ohne Zweifel mehr für die Auffassung von Keynes als für die von Hawtrey. Die Zinsen für das im Lagereo
Henzel, F., a. a. O. Hawtrey, R. G.: The Pound at Home and Abroad, London 1961, S. 163 ff. ® Vgl. Wieting, R.: Z u r Theorie des Lagerzyklus, a.a.O., S.235. 63 Vgl. S. 37 ff. dieser Untersuchung. β1
2
C. Die Lagerhaltung des Handels in konjunktureller
S i c h t 6 1
bestand gebundene Kapital machen nur rd. ein Viertel der gesamten Lagerkosten bzw. rd. 1 °/o des Umsatzes aus. Eine Erhöhung des Diskontsatzes um 1 % würde somit die gesamten Lagerkosten nur um 2,5 °/o erhöhen. Auf den Umsatz bezogen würde diese Steigerung des Zinssatzes gar nur 0,1 °/o ausmachen. Bei der großen Masse der Betriebe spielt diese Kostenerhöhung kaum eine so große Rolle, daß hiervon ein umfassender Lagerabbau ausgelöst werden dürfte. Zu einer direkten Lagerreduzierung würde sie wohl nur bei einer kleinen Zahl von Grenzbetrieben führen. I n vielen Fällen werden die Lagerinvestitionen durch die übrigen kreditpolitischen Instrumente der Zentralnotenbank in stärkerem Maße beeinflußt werden als durch die Diskontpolitik. Wird etwa als Folge der Mindestreserve- bzw. Offenmarktpolitik das Kreditvolumen der Geschäftsbanken eingeschränkt, stößt die Kreditbeschaffung zur Vorratsfinanzierung auf erhöhte Schwierigkeiten, möglicherweise werden sogar gewährte Kredite gekündigt. Dadurch werden die Handelsunternehmen gezwungen, ihre Lagerbestände abzubauen, obwohl hierzu von der Geschäftslage her keine Veranlassung bestünde. d) Die Eigen-Liquidität
der Unternehmungen
Auch der jeweilige Grad der eigenen Liquidität der Unternehmungen kann die konjunkturelle Entwicklung der Lagerbestände im Zeitablauf beeinflussen. I n Perioden angespannter Liquidität wird der Unternehmer zwangsläufig stärker darauf achten, die Relation Lager : Umsatz zu verkleinern als in Zeiten hoher Liquidität. Da sich in der Regel die Liquidität im Konjunkturaufschwung tendenziell verbessert (höhere Gewinne) bzw. im Konjunkturabschwung tendenziell verschlechtert, gehen hiervon ohne Zweifel zyklusverschärfende Wirkungen aus. 2. D i e A u s w i r k u n g e n lagerzyklischer E n t w i c k l u n g e n im H a n d e l auf den a l l g e m e i n e n Kon j u n k t u r ver lauf Jede konjunkturelle Veränderung der Lagerbestände im Handel, gleichgültig wie sie zustande gekommen ist, führt zu Reaktionen auf der Herstellerstufe. Erhöht beispielsweise im Konjunktur auf schwung der Einzelhandel seine Lagerbestände stärker als es der effektiven Nachfrage entspricht, sei es weil seine Absatzerwartungen zu optimistisch sind oder die Preise nach oben tendieren, gehen bei den Fabrikanten erhöhte Bestellungen ein. Um diese erhöhte Nachfrage bedienen zu können, werden die Fabrikanten häufig die Produktion ausweiten. Da sie der Meinung sind, daß die auf sie zukommende Nachfrage in vollem Umfang „echt" ist, werden sie dazu tendieren,
62
1. Teil: Volkswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
ihre Kapazitäten zu erhöhen. „Sie konnten ja nicht wissen, daß die überstarke Nachfrage zum Teil wenigstens nur zum Schein oder aus Irrtum und falscher Marktbeurteilung entstanden war 64 ." Durch die Ausweitung der Kapazitäten in der Verbrauchsgüterindustrie erhält nun auch die Investitionsgüterindustrie zusätzlich Impulse. Je mehr Produktions- und Handelsstufen zwischen Rohstoff und Letztverbraucher eingeschaltet sind, um so stärker wird sich grundsätzlich der Lagerzyklus „aufschaukeln", da jede Wirtschaftsstufe bei den eigenen Dispositionen aus Sicherheitsgründen über die — sowieso schon überhöhten — Bestelleingänge hinausgeht. Die Konjunkturanspannung nimmt also kumulativ zu. Schlägt dann an einem bestimmten Punkt das konjunkturelle Klima um, so wiederholt sich dieser Vorgang mit umgekehrten Vorzeichen. Der Handel wird seine Bestände in dieser Situation in zunehmendem Maße als überhöht ansehen, d.h. sie abzubauen suchen. Das hat zur Folge, daß er seine Bestellungen stark vermindert oder ganz einstellt, obwohl die Umsätze weiter steigen. Die Industrie muß ihre Produktion dem Rückgang des Auftragseingangs entsprechend vermindern, sie kann ihre nun zu großen Kapazitäten nicht mehr auslasten, die Arbeitskräfte nicht mehr voll beschäftigen. Diese Entwicklung führt gelegentlich auch zu Preisrückgängen, die eine weitere Zurückhaltung im Einkauf mit sich bringen, um bei sinkendem Preistrend an den Lagerbeständen keine Verluste zu erleiden. Dadurch erfährt die Konjunkturabschwächung bzw. der Konjunkturrückgang eine Beschleunigung. Das folgende schematische Beispiel aus der Textilwirtschaft verdeutlicht, in welcher Weise der Lagerzyklus die Konjunktur „aufschaukeln" kann, und zwar um so stärker, je mehrstufiger der betreffende Wirtschaftsbereich ist 65 : „Verkauft ein Einzelhändler 100 Einheiten, u n d stockt er sein Lager i n E r w a r t u n g zunehmender Umsätze u m weitere 5 Einheiten auf, w i r d er also beim Konfektionär 105 Einheiten einkaufen. Der Konfektionär, die höhere Umsatzchance sehend, stockt u m weitere 5 Einheiten auf u n d k a u f t beim Weber Gewebe f ü r 110 Einheiten. Der Weber seinerseits erhöht aus dem gleichen Grunde seine Garndisposition ebenfalls u m 5, so daß am Ende beim Spinner Garnaufträge f ü r 115 Verkaufseinheiten vorliegen, obwohl der E i n zelhändler sich n u r auf den Absatz von 105 Einheiten eingerichtet hat. Die Folge sind über den echten Bedarf hinausgehende Lager i n der F a b r i kationsstufe. Gehen n u n beim Einzelhändler die Umsätze auf 95 Einheiten zurück, so w i r d er vorsichtigerweise sein Lager u m 5 Einheiten abbauen, also n u r 90 Einheiten wieder einkaufen. Genauso verhalten sich aber auch der K o n f e k 64
Henzel, F. : Der Unternehmer i n der K o n j u n k t u r , a. a. O., S. 18. Vgl. Der Lagerzyklus bei Textilien, Bericht über das Referat von Alfred, Α . M. auf der Baumwollkonferenz v o n Deawille, Textil-Wirtschaft v o m 12. 7.1962. 65
C. Die Lagerhaltung des Handels in konjunktureller
S i c h t 6 3
tionär u n d der Weber, indem sie aus der gleichen Vorsicht heraus ihre Dispositionen u m jeweils 5 einschränken, so daß beim Spinner n u r noch Aufträge für 80 Einheiten eingehen, obwohl die Einzelhandelsumsätze n u r von 100 auf 95 Einheiten zurückgegangen sind. I n beiden Fällen — bei höherer Umsatzerwartung u n d bei sinkenden Umsätzen — t r i t t also ausgehend v o m Einzelhandel eine Kettenreaktion i n den vorgelagerten Produktionsstufen ein, die ein Ergebnis zeitigt, dessen A u s w i r k u n g e n w e i t größer sind als die Umsatzschwankungen i m Einzelhandel."
Zweiter
Teil
Die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Lagerhaltung des Handels Nachdem im ersten Teil dieser Arbeit die gesamtwirtschaftlich relevanten Aspekte der Lagerhaltung im Handel beleuchtet worden sind, sollen nun die in den Betrieben des Groß- und Einzelhandels konkret auftretenden Überlegungen und Probleme erläutert werden. Die betriebswirtschaftliche Problematik liegt in erster Linie in der Frage nach der richtigen Größe des Lagerbestandes. Die Bestimmung und Erzielung eines gewinn-optimalen Lagerbestandes ist die wichtigste Aufgabe der Lagerpolitik. Um sie befriedigend lösen zu können, ist es einmal erforderlich, die vielfältigen Einflußfaktoren zu kennen, die auf die Lagergröße einwirken, zum anderen bedarf es der genauen Kenntnis des Zusammenhangs zwischen Lagergröße und Betriebsergebnis. Diese Grundlagen der betrieblichen Lagerpolitik sollen vorweg behandelt werden, ehe abschließend die Aufgaben der Lagerpolitik selbst erörtert werden. Es ist ein besonderes Anliegen dieser Untersuchung, die Unterschiede und Eigentümlichkeiten herauszuarbeiten, die dem Lagerwesen in den verschiedenen Handelsstufen (Großhandel, Einzelhandel) bzw. Fachzweigen (Lebensmittel, Eisenwaren, Papier und Pappe usw.) und Betriebsformen (Versandhandel, Diskonthäuser, Einkaufsgenossenschaften usw.) innewohnen. Soweit wie möglich sollen alle Betrachtungen und Aussagen dieser Arbeit durch empirisches Zahlenmaterial untermauert und ergänzt werden. Auf die Einarbeitung möglichst aller vorhandenen Lagerdaten wird besonderer Wert gelegt, da dieses empirische Anschauungsmaterial den Unternehmern im Handel die Möglichkeit gibt, die eigenen betrieblichen Verhältnisse am Durchschnittsbild einer vergleichbaren Firmengruppe zu messen und ihre Lagerpolitik entsprechend zu revidieren. A. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße I . Der Begriff der Lagergröße
Unter Lagergröße ist der Umfang des betrieblichen Lagerbestandes zu verstehen. Es ist zunächst danach zu fragen, welche Vermögensbestandteile des Betriebes dem Lagerbestand zuzuordnen sind. Danach ist die Frage zu stellen, wie der Lagerbestand gemessen werden kann.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße 1. A b g r e n z u n g
des
65
Lagerbestandes
Als Lagerbestand im Handelsbetrieb sind grundsätzlich alle im Betrieb befindlichen Waren anzusehen, soweit sie ausschließlich mit der Absicht beschafft wurden, weiterverkauft zu werden 1. Unter betriebswirtschaftlichem Aspekt kommt es dabei nicht auf die rechtliche, sondern auf die tatsächliche Verfügungsgewalt an. Zum Lagerbestand zählen somit auch Kommissionswaren, da diese dem Händler genauso für den Absatz zur Verfügung stehen wie Ware, deren Eigentum er erworben hat. Andererseits zählen Waren, die bereits verkauft aber noch nicht ausgeliefert sind, nicht zum Lagerbestand. 2. M e s s u n g d e s
Lagerbestandes
Eine Messung des gesamten Lagerbestandes eines Betriebes kann theoretisch mengenmäßig und wertmäßig erfolgen. Für Zwecke des zwischenbetrieblichen Vergleichs ist es in der Praxis wegen der Heterogenität der Waren, die die Handelssortimente bilden, erforderlich, das Warenlager zu bewerten und den Wert (in der Regel den Inventurwert) aller gelagerten Artikel in der jeweiligen Währung auszudrücken. Nur auf diese Weise läßt sich auch ein Vergleich der Höhe des Lagerbestandes in verschiedenen Betrieben, Fachzweigen, Betriebsformen und Wirtschaftsbereichen herstellen. Lediglich in Handelsbetrieben mit eng spezialisiertem Sortiment (beispielsweise im Biergroßhandel, Kartoffelhandel, Kohlenhandel, Mineralölhandel, Getreidehandel) würde die Messung der Lagergröße in Mengeneinheiten einigermaßen übersichtliche Größen ergeben, die zu Vergleichszwecken geeignet sind. Amtliche Statistiken und private Betriebsvergleiche basieren deshalb fast ausschließlich auf Wertangaben 2. Die absolute Höhe der (wertmäßigen) Lagerbestände ist für Zwecke des zwischenbetrieblichen Vergleichs allerdings deshalb ungeeignet, weil sie in starkem Maße von der Größe des Betriebes abhängig ist3. Daß ein Fachgeschäft einer bestimmten Branche mit einem bestimmten Sortiment, einem bestimmten Kundenkreis und einem Jahresumsatz von beispielsweise 1 Mill. D M ein größeres Warenlager benötigt als ein gleichartiges Fachgeschäft mit einem Umsatz von 100 000 DM, bedarf 1
Dabei ist es unerheblich, ob eine handelsübliche Be- oder Verarbeitung stattfindet oder nicht. Betriebsstoffe, beispielsweise die Vorräte an Brennmaterial, zählen nach dieser Definition i m Handel nicht zum Lagerbestand. 2 Eine mengenmäßige Erfassung der Bestände i n Einzelhandelsbetrieben erfolgt beispielsweise durch die Marktforschungsinstitute Nielsen u n d Ifak. Der „Nielsen-Index" stellt eine Kontrolle der Bestände i n einzelnen A r t i k e l n des Kolonialwaren- sowie des Gesundheits- u n d Körperpflegemittelsortiments dar; der „ I f a k - I n d e x " ist ein K o n t r o l l vergleich f ü r bestimmte A r t i k e l des Elektrosortiments sowie des Textilsortiments. 3 Vgl. hierzu auch Poenseler, K.-E.: Die Lagergröße i m Einzelhandel, Diss. K ö l n 1956, S. 7 f. 5 Laumer
66
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
keines Beweises. I n welchem Ausmaß es allerdings größer sein muß, um die gleiche Leistungsbereitschaft zu erzielen, wird noch zu untersuchen sein4. Dieser Einfluß läßt sich dadurch ausschalten, daß man die Höhe der Lagerbestände zur Betriebsgröße in Beziehung setzt ( = relative Lagergröße). Als Maßstab für die Betriebsgröße im Handel bieten sich grundsätzlich der Umsatz, die Zahl der beschäftigten Personen und die Zahl der Quadratmeter Geschäftsraum an. Somit kommen also vor allem folgende Kennziffern als Ausdruck für die Lagergröße in Frage: a) Lagerbestand in °/o des Umsatzes (Lagerquote) Bei dieser Kennziffer ist zu beachten, daß eine zeitpunktbezogene Größe (Lagerbestand) zu einer zeitraumbezogenen Größe (Umsatz) in Beziehung gesetzt wird. Beispiel:
Lagerbestand a m 31.12. Jahresumsatz (1. 1.—31.12.)
Die Höhe des Lagerbestandes an einem einzigen Tag, dem 31.12., kann zufallsbedingt sein, d. h. den für den betreffenden Betrieb bzw. die betreffende Branche typischen Lagerbestand völlig unzutreffend wiedergeben. Dieser Nachteil läßt sich zwar — wenn entsprechende Unterlagen zur Verfügung stehen — dadurch abmildern, daß man einen durchschnittlichen Lagerbestand errechnet. Völlig ausmerzen läßt er sich dadurch jedoch nicht, da die Tatsache bestehenbleibt, daß der Lagerbestand nur an bestimmten — wenn auch nahe beieinanderliegenden — Zeitpunkten erfaßt werden kann, während der Umsatz stets eine Zeitraumgröße ist. Die einfachste Durchschnittsbildung ist das arithmetische Mittel aus Jahresanfangs- und Jahresendbestand: Jahresanfangsbestand + Jahresendbestand 2
Erheblich aussagefähiger ist die Bildung eines arithmetischen Mittels aus den 12 Monatsendbeständen, für die es mehrere Methoden gibt. Das beste Verfahren zur Errechnung des durchschnittlichen Lagerbestandes auf Basis der Monatswerte ist: V2 Jahresanfangsbestand + 11 Monatsbestände + V2 Jahresendbestand 12
I n der Praxis stößt die Ermittlung des durchschnittlichen Lagerbestandes aus den 12 Monatsendbeständen auf Schwierigkeiten, weil in den meisten Fällen eine monatliche Erfassung der Bestände nicht erfolgt. So beschränken sich auch alle amtlichen Lagerstatistiken auf die Erfassung der Bestände nach der Steuerbilanz, die nur I X jährlich zu erstellen ist. 4
Vgl. Seite 76 ff.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
67
I m Großhandel ist bei der Berechnung aller Lagerkennziffern, deren Bezugsgröße der Umsatz ist (Lagerquote, Lagerumschlagshäufigkeit, Lagerdauer), zu überlegen, ob der Gesamtumsatz oder nur der Lagerumsatz zugrunde gelegt werden soll. I n verschiedenen Branchen spielt nämlich das Streckengeschäft, d. s. Umsätze, bei denen die Ware vom Lieferanten direkt zum Kunden geht, eine bedeutende Rolle. Grundsätzlich ist es richtiger, diese Streckenumsätze bei der Berechnung der Lagerkennziffern auszuschalten. Soweit das in dieser Untersuchung möglich war, ist es geschehen. I n jedem Falle wurde die Berechnungsbasis (Gesamtumsatz bzw. Lagerumsatz) angegeben. b) Lagerumschlagshäufigkeit Ein Maßstab für die Messung der relativen Lagergröße ist auch die Umschlagshäufigkeit, die anzeigt, wie häufig der durchschnittliche Lagerbestand innerhalb einer bestimmten Periode umgesetzt wird. Die Lagerumschlagshäufigkeit ist definiert als Umsatz zu Einstandswerten ( = Wareneinsatz) i n D M durchschnittlicher Lagerbestand zu Einstandswerten i n D M
Auch hier sind die verschiedenen Berechnungsmöglichkeiten des durchschnittlichen Lagerbestandes zu beachten. Die Lagerumschlagshäufigkeit ist eine der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Leistungskennziffern. c) Lagerdauer Eine anschauliche Kennziffer für die relative Lagergröße ist auch die Lagerdauer. Die Lagerdauer ist der reziproke Wert der Umschlagshäufigkeit; sie zeigt an, den wievielten Teil der Berechnungsperiode das Sortiment im Durchschnitt auf Lager liegt. Durchschnittlicher Lagerbestand zu Einstandswerten i n D M Lagerdauer =
Umsatz zu Einstandswerten i n D M
Durch Multiplikation dieser Kennziffer mit 365 ergibt sich die durchschnittliche Lagerdauer in Tagen. Je kleiner die Umschlagshäufigkeit ist, um so größer ist der Zeitraum der durchschnittlichen Lagerdauer und umgekehrt. d) Lagerbestand je beschäftigte
Person in DM (=• Lagerintensität)
Auch die Zahl der beschäftigten Personen kann als Bezugsgröße für den Lagerbestand verwendet werden: Durchschnittlicher Lagerbestand i n D M Z a h l der beschäftigten Personen *
68
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
Der Lagerbestand je beschäftigte Person ist eine Meßzahl, die die Lagerbereitschaft des Betriebs angibt. Wegen der unterschiedlichen Arbeits-Produktivität kann ein Vergleich der relativen Lagergröße zu ganz verschiedenen Ergebnissen führen, je nachdem ob als Bezugsgröße der Umsatz oder die Zahl der beschäftigten Personen gewählt wird. e) Lagerbestand je qm Raum Bei Bildung der Kennziffer „Lagerbestand je qm Raum" erhebt sich die Frage, welche Arten des Raumes dem Lagerbestand gegenübergestellt werden sollen. Da sich im Einzelhandelsbetrieb die Waren sowohl im Reserve-Lagerraum als auch im Verkaufsraum befinden, muß hier der Lagerbestand in Beziehung zum gesamten Verkaufs- und Lagerraum gesetzt werden. Dabei muß in Kauf genommen werden, daß die Waren im Verkaufsraum nach anderen Gesichtspunkten aufbewahrt werden als im Lagerraum 5 . I m Großhandel tritt dieses Problem nicht auf; hier läßt sich — soweit das die vorhandenen statistischen Unterlagen ermöglichen — als Bezugsgröße die reine Lagerraumfläche heranziehen. I I . Die Bestimmungsgründe der Lagergröße
Die Größe des Warenlagers der Groß- und Einzelhandlungen ist zu einem erheblichen Teil von deren Betriebsstruktur abhängig. Daneben sieht sich der Handelsbetrieb einer ganzen Reihe anderer mehr oder minder wichtiger Einflußfaktoren gegenüber. Diese können beispielsweise von den jeweiligen Absatz- und Beschaffungsmärkten ausgehen. Ihre Ursache kann aber auch in wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Staates oder des Bankensystems liegen. Von Einfluß auf die Größe des Warenlagers kann ferner die jeweilige Bereitschaft der Unternehmer sein, Wirtschaftsschwankungen durch Spekulation auszunützen. Die effektive Lagergröße eines Handelsbetriebes ist also das Ergebnis aus dem Zusammentreffen der vielfältigsten Einflüsse. Zum Teil sind diese Einflüsse kontraktiver Natur, d. h. sie wirken tendenziell lagersenkend, zum Teil sind sie expansiver Art. 1. D i e
Struktur
des
Betriebs
Von den zahlreichen Merkmalen, die die Struktur eines Betriebs kennzeichnen, üben nur einige wenige einen eigenständigen Einfluß auf die Lagergröße aus, nämlich a) Art und Zusammensetzung des Sortiments, 5 Gérard, F.: Der Raum als Betriebsfaktor der Ladeneinzelhandlungen, Schriften zur Handelsforschung, Nr. 25, K ö l n u n d Opladen 1963, S. 45.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
69
b) die Betriebsorganisation sowie c) die Kapitalausstattung. Die unterschiedliche Größe der Lagerbestände im Handel läßt sich je nach Branche, Betriebsgröße, Betriebsform, Bedienungsform und je nach Standort ohne Ausnahme auf die Unterschiede des Sortiments, der Betriebsorganisation sowie der Kapitalausstattung zurückführen. Je nachdem, in welcher Weise bzw. in welchem Umfang Sortiment, Organisation und Kapitalausstattung differieren, unterscheidet sich auch die relative Lagergröße bei verschieden strukturierten Betrieben. a) Die Abhängigkeit der Lagergröße von Sortiment, Betriebsorganisation und Kapitalausstattung Unter den betrieblichen Strukturmerkmalen, von denen ein eigenständiger Einfluß auf die relative Lagergröße der Betriebe (Lagerquote bzw. Umschlagshäufigkeit) ausgeht, ist das Sortiment ohne Zweifel das mit Abstand wichtigste. aa) Das Sortiment Das Sortiment spielt als Bestimmungsfaktor für die Lagergröße in doppelter Hinsicht eine Rolle. Einmal kommt es auf den Warencharakter an, also auf die Eigenschaften, die der Ware anhaften, zum anderen ist die unterschiedliche Vielfalt des Sortiments (Breite bzw. Tiefe) von Bedeutung. Der Warencharakter wird hauptsächlich bestimmt durch die Lagerfähigkeit, die Wertigkeit und den Verwendungszweck der Ware. I n welcher Richtung die Eigenschaften der Ware die relative Größe des Warenlagers in Handelsbetrieben beeinflussen, zeigt die folgende Übersicht. Warengruppen m i t einer tendenziell
hohen
|
niedrigen
Lagerumschlagshäufigkeit A r t i k e l f ü r den täglichen, lebensnotwendigen Bedarf
A r t i k e l f ü r den aperiodischen u n d individuellen Bedarf bzw. Luxusartikel
Geringerwertige Waren
Höherwertige Waren
Rasch verderbliche Waren
Länger Waren
Massenartikel
I n kleineren Serien bzw. i n d i v i d u e l l gefertigte A r t i k e l
Jederzeit u n d kurzfristig schaffende A r t i k e l
zu
bzw. unbegrenzt
haltbare
be-
N u r zu bestimmten Zeiten bzw. m i t längerer Lieferfrist zu beschaffende Artikel
Waren, deren Wert m i t zunehmendem A l t e r sinkt
Waren, deren Wert durch die Lagerung z u n i m m t
70
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
Die aufgeführten Eigenschaften überschneiden sich zum Teil. So sind die Artikel des täglichen Bedarfs in der Regel auch geringwertig; sie werden in Massenfertigung produziert. Andererseits sind die Artikel des aperiodischen Bedarfs fast immer höherwertig; soweit es sich um Luxuswaren handelt, werden sie vielfach ganz von Hand gefertigt. Die in der obigen Übersicht angegebenen Tendenzen sollen nun anhand einiger Beispiele erläutert werden. Zu den Artikeln für den täglichen Bedarf zählen beispielsweise alle Grundnahrungsmittel sowie Tabakwaren. Sie haben teilweise einen verkaufstäglichen Umschlag. Für das Zentrallager eines Lebensmittelfilialbetriebs ermittelte Nieschlag beispielsweise u. a. folgende Umschlagshäufigkeiten 6 : Kaffee gold 250 g Salatmayonnaise Rollschinken Rama Flaschenmilch
312 296 186 186 168
χ χ χ χ χ
Aber auch innerhalb des Lebensmittelsortiments gibt es zahlreiche höherwertige Waren des individuellen Bedarfs. So wird beispielsweise Dosenspargel noch weitgehend als Luxusartikel angesehen. I m Falle des oben erwähnten Lebensmittelfilialbetriebs schlugen sich demnach die Bestände an Brechspargel auch nur I X im Jahr um 7 . Zu den Waren, die wegen ihrer Verderbanfälligkeit sehr hohe Umschlagshäufigkeiten erreichen, zählen vor allem Gemüse, Obst und Südfrüchte sowie Frischmilch, die fast verkaufstäglich umgeschlagen werden. Zu den Waren, deren Wert mit zunehmender Lagerung steigt und deren Umschlagshäufigkeit aus diesem Grund relativ gering ist, zählen beispielsweise Holz, Sammlerbriefmarken, gewisse Kunstgegenstände und nicht zuletzt Weine. Zu den Waren, deren Wert mit zunehmender Lagerdauer sinkt, gehören dagegen alle modischen Waren. Ein prägnantes Beispiel für individuell gefertigte, teure Luxusartikel mit entsprechend niedrigen Umschlagshäufigkeiten sind die Schmuckwaren. Nicht minder wichtig als der Charakter der Waren, die die Handelssortimente bilden, ist als Bestimmungsfaktor für die relative Lagergröße der Handelsbetriebe die jeweilige Zusammensetzung der Sortimente, d. h. die unterschiedliche Sortimentsbreite bzw. Sortimentstiefe. Grundsätzlich ist die Lagerquote um so größer bzw. die Lagerumschlagshäufigkeit um so geringer, je breiter und tiefer das Sortiment ist. So benötigt ζ. B. ein DOB-Fachgeschäft, das sein Sortiment auf die gebräuchlichsten Größen (bis Größe 48) beschränkt, grundsätzlich bei 6 Vgl. Nieschlag, R.: Der Handel i n der Zeit, die Zeit i m Handel, F r a n k f u r t / M . , o. J., S. 26 f. 7 Nieschlag, R., a. a. O.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
71
sonst gleichen Bedingungen ein unverhältnismäßig kleineres Lager als ein Betrieb mit gleich großem Umsatz, der aber auch — die seltener verlangten — Übergrößen (über Größe 48) führt. Abschließend läßt sich feststellen, daß sich durch eine entsprechende Sortimentspolitik (Auswahl der Artikel bzw. Sorten nach der Umschlagshäufigkeit) die relative Lagergröße des Gesamtbetriebs wesentlich beeinflussen läßt. bb) Die Betriebsorganisation Die relative Lagergröße eines Betriebs ist in gewissem Umfange auch von Stand und Qualität der Betriebsorganisation abhängig. Grundsätzlich erzielen gut organisierte Betriebe, deren Einkauf beispielsweise auf der Basis von Limitplänen vor sich geht (vgl. S. 128), höhere Umschlagshäufigkeiten als sonst gleichgeartete, aber in organisatorischer Hinsicht weniger gut geleitete Unternehmungen. Die straffere Organisation ermöglicht nämlich einen geregelteren Bestell- und Lieferrhythmus sowie eine bessere Kontrolle der Lagerbestände. cc) Die Kapitalausstattung Nicht zuletzt ist die relative Größe des Warenlagers von der Kapitalausstattung der einzelnen Betriebe abhängig. Ein Betrieb mit relativ knappem Eigenkapital, der mangels ausreichender dinglicher Sicherheiten Schwierigkeiten bei der Fremdmittelbeschaffung hat, bzw. Fremdkapital nur zu ungünstigen Bedingungen beschaffen kann, wird zwangsläufig mit einem geringeren Lagerbestand auszukommen versuchen als ein Betrieb, der in dieser Hinsicht keinerlei Schwierigkeiten hat. Bis zu einem gewissen Grad kann ein struktureller Kapitalmangel durchaus rationalisierungsfördernd wirken, allerdings nur so lange, wie die Funktionsfähigkeit der Betriebe bzw. die Vorstellungen der Unternehmer von den Betriebszielen hierdurch nicht gefährdet werden. Ein Betrieb, der in flüssigen Mitteln „schwimmt", sieht sich in der Regel kaum veranlaßt, mit besonderer Energie auf eine Reduzierung der Lagerbestände hinzuwirken, selbst wenn das überschüssige Kapital in anderer Form ertragreicher angelegt werden könnte.
b) Die Unterschiede
der Lag er große je nach Branche, Größe
Betriebs- und Bedienungsform
sowie Standort
Je nach den Unterschieden, die in bezug auf Sortiment, Betriebsorganisation und Kapitalausstattung bestehen, differiert die Lagergröße nach Branchen, nach Betriebsgrößen, nach Betriebsformen, Bedienungsform und nach dem Standort der Betriebe.
72
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung aa) Die Branche
Die Unterschiede in der relativen Lagergröße bei den einzelnen Branchen sind vorwiegend auf den Einflußfaktor „Sortiment" zurückzuführen. I n der folgenden Tabelle 16 wurden die jeweils korrespondierenden Fachzweige des Einzelhandels und des Konsumgüter gr ο ßhandels — soweit entsprechende Unterlagen vorhanden waren — gegenübergestellt. Sowohl im Einzelhandel als auch im Konsumgütergroßhandel weisen die Branchen Obst, Gemüse, Früchte sowie Milch und Milcherzeugnisse die relativ niedrigsten Lagerbestände und dementsprechend die größten Lagerumschlagshäufigkeiten auf. Das rührt daher, daß sich das Sortiment dieser Fachzweige überwiegend aus verderblichen Waren zusammensetzt, die eine längere Lagerung nicht vertragen. Die relativ höchsten Lagerbestände aller Einzelhandelsbranchen finden sich im Fachhandel mit Uhren, Gold- und Silberwaren, dessen Lager sich im Durchschnitt nur l,6mal pro Jahr umschlägt. Daß in dieser Branche sehr hohe Lagerbestände erforderlich sind, ist darauf zurückzuführen, daß sich das Sortiment aus meist sehr teuren und — soweit es Schmuck betrifft — vielfach individuell gefertigten Einzelstücken zusammensetzt. Der Käufer möchte hier mehr als in anderen Branchen aus einem großen Angebot auswählen können. Innerhalb des Konsumgütergroßhandels hat der Wein- und Spirituosenhandel die umfangreichste Lagerhaltung bzw. die niedrigste Lagerumschlagshäufigkeit. Auch das ist mit den strukturellen Eigentümlichkeiten dieser Branche erklärbar. Der Wein- und Spirituosenhandel übt nämlich durch die Lagerung — im allgemeinen verbessert sich dabei die Qualität — in starkem Maße Veredelungsfunktionen aus. Von den Fachzweigen des Großhandels mit Rohstoffen und Halbwaren hat der Kohlengroßhandel die mit Abstand niedrigste Lagerquote (bzw. höchste Umschlagshäufigkeit), der Holzgroßhandel die höchste Lagerquote (bzw. geringste Umschlagshäufigkeit). Es muß hier berücksichtigt werden, daß im Rohstoff- und Produktionsverbindungshandel teilweise in erheblichem Umfang Streckengeschäfte getätigt werden 8. Streckengeschäfte spielen vor allem im Kohlengroßhandel, im Eisenund Stahlhandel, im Getreidehandel sowie im Baustoffhandel eine dominierende Rolle. Angesichts der stark differierenden Anteile des Streckengeschäfts in den einzelnen Fachzweigen erscheint es angebracht, Lagerquote bzw. Lagerumschlagshäufigkeit allein für das Lagergeschäft (also unter Außerachtlassung des Streckengeschäfts) zu berechnen. Nur so ist es möglich, die Daten über die Lagergröße in 8
Umsätze, bei denen die Ware das Lager des Händlers nicht berührt.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße Tabelle
73
16
Die Lagergröße in den Fachzweigen des Konsumgüterhandels im mehrjährigen Durchschnitt*
Gro ßhandelsstufe
Einzelhandelsstufe Branche Lebensmittel aller A r t Obst, Gemüse, Südfrüchte Milch u n d M i l c h erzeugnisse
Fische u n d Fischwaren Schokolade u n d Süßwaren Weine u n d Spirituosen Tabakwaren T e x t i l i e n aller Art Oberbekleidung Meterwaren
Teppiche und Gardinen Herrenartikel, Hüte, Schirme Wäsche u n d B e t t waren W i r k - , Strick- u. Kurzwaren Schuhwaren Galanterie- u n d Lederwaren Ei sen waren u n d Küchengeräte Möbel Büromaschinen u n d Büromöbel
Lagerquote b
Umschlagshäufigkeit°
6,7
11,8
3,7
21,0
2,9
29,0
4,0
17,8
8,7
8,3
17,2
4,2
9,1
9,4
17,0
4,2 5,2
13,7 21,5
3,3
19,3
3,5
21,9
3,1
16,5
4,1
24,8 20,0
2,9 3,7
19,1
4,2
14,8
4,9
13,9
4,9
11,0
6,3
Branche Lebensmittel aller A r t Obst, Gemüse, Südfrüchte
Lagerquote 0
Umschlagshäufigkeit c
6,4
14,0
1,5
57,9
Milcherzeugnisse u n d Fettwaren Eier u n d lebendes Geflügel
2.5
37,8
2.6
35,6
Süßwaren
7,2
11,8
Wein, Schaumw e i n u n d Spirituosen Tabakwaren
32,0 4,1
1,9 22,8
Meterwaren
14.8
5.4
Tuche u n d Futterstoffe Heimtextilien
16.9 14,9
4.5 5,2
W i r k - , Strick- u. Textilkurzwaren
13,7
5,8
Schuhe u n d Schuhwaren
14,6
5,7
Öfen u n d Herde, Haus- u n d K ü chengeräte
12,2
6,6
74
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Tabelle 16 (Fortsetzung)
Einzelhandelsstufe Branche
Porzellan u n d Glaswaren Beleuchtungs- u. Elektrogeräte
Lagerquote 5
20,9 12,9
Großhandelsstufe Umschlagshäufigkeitc 3,1 4,8
Rundfunk-, Fernseh- u n d Phonoartikel
14,9
4,5
Nähmaschinen
13,2
5,2
Apotheken
9,3
6,9
Drogerien
16,2
4,2
Seifen, Bürsten, Parfümerieartikel
16,5
4,1
Farben u n d Anstrichbedarf
13,0
5,3
Bücher
12,5
5,5
Papier- u n d Schreibwaren
14,6
4,8
Photo u n d Optik
14,4
4,2
Uhren, Gold- und Silberwaren
36,4
Kraftwagen u n d Zubehör
6,5
Fahrräder, K r a f t räder u n d Zubehör
1,6
Lagerquote 5
Umschlagshäufigkeit°
Feinkeramik u n d Glaswaren
13,6
5,5
Leuchten u n d Elektrische Erzeugnisse
10,2
8,3
Rundfunk-, Fernseh- u n d Phonogeräte
10,9
8,0
7,0
12,1
Feinseife u n d Körperpflegemittel
11,1
7,1
Lacke, Farben u n d Anstrichbedarf
9,8
7,4
Papier- u n d Schreibwaren
12,1
6 V4
Feinmechanik und Optik (ohne Photo)
14,5
4,9
Uhren u n d Uhrenteile
20,8
3,6
Edelmetall- u n d Schmuckwaren
18,0
3,9
Pharmazeutische Erzeugnisse
12,2
16,1
4,4
Blumen
4,6
12,0
Brennmaterial
5,4
14,6
ft
Branche
Arithmetischer Durchschnitt aus den Kennziffern der Jahre 1959 bis 1962. Ein mehrjähriger Durchschnitt wurde berechnet, um Zufälligkeiten, die durch Sondereinfltisse in einzelnen Jahren aufgetreten sein können, abzumildern bzw. auszuschalten. b Durchschnittlicher Lagerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand geteilt durch 2) in % des Jahresumsatzes. c Wareneinsatz dividiert durch den durchschnittlichen Lagerbestand (Jahresanfangsund Jahresendbestand geteilt durch 2). Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie F, Reihel/II, Wareneinkauf, Lagerbestand und Rohertrag.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
75
Tabelle 17 Die Lagergröße in den Fadizweigen des Rohstoff- und Produktionsverbindungshandels im mehrjährigen Durchschnitt11 Bezugsgröße:
A n t e i l des Streckengeschäfts Umschlags- am Gesamtumsatz häufigi n »/o keitc
Gesamtumsatz Branche
Lagerquote 5
Bezugsgröße:
Lagerumsatz
Lagerquote1*
Umschlagshäufigkeitc
Kohle (ohne K o h l e n verkaufsgesellschaften
1,5
64,2
75
6,0
15,5
Mineralölerzeugnisse
4,8
20,8
11
5,4
15,6
Baustoffe
4,5
18,6
53
9,6
8,7
.
.
Düngemittel
5,3
18,2
NE-Metalle
6,1
16,0
21
7,7
12,4
Eisen u. Stahl sowie Halbzeug
6,0
15,6
68
18,7
4,9
Schrott u n d N E - A l t metalle
5,6
16,0
Technische Chemikalien u n d Rohdrogen
6,4
13,6
50
12,8
7,0
Technischer Bedarf
7,1
10,9
15
8,4
9,2
Häute u n d Felle
8,8
10,5
20
11,0
8,2
Werkzeuge u n d M a schinen
10,3
7,6
40
17,2
4,5
Getreide, Saaten, Futtermittel
10,1
9,0
65
28,9
3,1
NE-Metallhalbzeug
11,8
7,3
Papier u n d Pappe
10,8
7,6
28
15,0
5,3
Kfz-Teile u n d Zubehör
10,4
7,7
2
10,6
7,5
Installationsbedarf für Gas u n d Wasser
11,4
7,2
10
12,7
6,5
Kleineisenwaren u n d Bauartikel
12,2
6,3
Leder u n d Schuhmacherbedarf
11,5
7,6
50
23,1
3,7
Holz
16,3
5,1
24
21,4
3,7
.
.
• Arithmetischer Durchschnitt aus den Kennziffern der Jahre 1959 bis 1962. Durchschnittlicher Lagerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand geteilt durch 2) in % des Jahresumsatzes. c Wareneinsatz dividiert durch den durchschnittlichen Lagerbestand (Jahresanfangsund Jahresendbestand geteilt durch 2). Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie F, Reihel/II, Wareneinkauf, Lagerbestand und Rohertrag. — Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, München (Investitionstest). b
76
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
den einzelnen Fachzweigen miteinander zu vergleichen. Tabelle 17 (Seite 75) zeigt, daß sich die Skala der nach Lagergröße geordneten Branchen durch die Ausschaltung des Streckengeschäfts wesentlich verschiebt. Auch innerhalb der einzelnen Fachzweige des Rohstoff- und Produktionsverbindungshandels bestehen je nach der Zusammensetzung des Sortiments zum Teil erhebliche Unterschiede in der Lagergröße. Für die Branchen Holz, Papier und Pappe sowie Werkzeuge und Maschinen läßt das vorliegende statistische Material eine Gliederung nach einigen Hauptwarengruppen zu. Tabelle 18 Die Lagergröße in ausgewählten Fachzweigen des Rohstoff- und Produktionsverbindungshandels gegliedert nadt Warengruppen im mehrjährigen Durchschnitt* Lagergröße b Lagerquote 0
Umschlagshäufigkeitd
Rund-, Gruben- u n d Faserholz
26,1
2,8
Schnittholz
15,4
5,3
Holzhalbwaren u n d Kunststoffplatten
14,9
5,4
Fachzweig
Holz
Papier Pappe
und
Werkzeuge und Maschinen
Warengruppe
Packpapier
12,6
6,0
Feinpapier
9,9
8,8
Pappe
9,8
8,3
Werkzeugmaschinen
10,9
7,4
Druckereimaschinen u n d Zubehör
10,8
6,7
9,0
8,9
Baumaschinen u n d Baugeräte
a b c
Arithmetischer Durchschnitt aus den Kennziffern der Jahre 1959 bis 1962. Bezogen auf den Gesamtumsatz. Durchschnittlicher Lagerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand geteilt durch 2) in % des Jahresumsatzes. d Wareneinsatz dividiert durch den durchschnittlichen Lagerbestand (Jahresanfangsund Jahresendbestand geteilt durch 2). Quelle: Statistisches Bundesamt, Fach serie F, Reihe l / I I , Wareneinkauf, Lagerbestand und Rohertrag.
bb) Die Betriebsgröße Beträchtliche Unterschiede in der relativen Größe der Lagerhaltung bestehen ferner sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel zwischen den verschiedenen Betriebsgrößen. Die Lagerquote eines Betriebes ist grundsätzlich um so kleiner, je höher sein Jahresumsatz ist.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
77
Mit anderen Worten: Mit steigender Betriebsgröße nimmt auch die Lagerumschlagshäufigkeit zu. Während aber die Unterschiede in den einzelnen Branchen überwiegend waren—und sortimentsbedingt sind —, sind die Unterschiede in den verschiedenen Betriebsgrößen zum größten Teil auf Unterschiede in der Betriebsorganisation zurückzuführen.
Tabelle 19 Die Lagerquoten im Großhandel 8 nach der Betriebsgröße in den Jahren 1957—1961 Betriebe m i t einem U m satz von . . . D M
1957
1958
1959
1960
weniger als 500 000
14,6
14,9
15,1
15,9
15,3
500 000 bis 2 M i l l .
10,2
11,6
11,5
11,0
11,2
1961
2 M i l l , bis 10 M i l l .
9,1
8,7
8,6
9,7
9,7
10 M i l l , bis 50 M i l l .
8,3
7,1
7,3
8,2
8,2
50 M i l l , u n d mehr
5,5
7,1
7,5
7,8
7,6
a Durchschnittlicher Lagerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand geteilt durch 2) in % des Jahresumsatzes. Quelle: Berechnungen nach den Original-Unterlagen des Ifo-Investitionstests.
Ohne Zweifel stehen dem größeren Betrieb mehr und vor allem erfolgsträchtigere Möglichkeiten zur Rationalisierung der Lagerhaltung offen als dem kleineren. Der größere Betrieb kann den „Grundbestand", der erforderlich ist, um überhaupt Umsätze erzielen zu können, besser ausnützen als der kleinere. Hinzu kommt, daß dem größeren Betrieb in der Regel die qualifizierteren Führungskräfte zur Verfügung stehen. Während der Großbetrieb durchweg Fachkräfte hat, die auf Einkauf und Lagerwesen spezialisiert sind und die häufig nach ausgeklügelten Limitplänen arbeiten, wird dieser wichtige betriebliche Sektor beim kleineren Betrieb in der Regel vom Betriebsinhaber quasi nebenbei mitverwaltet bzw. werden die Lagerarbeiten vom Verkauf spersonal in ruhigen Geschäftsstunden erledigt; es ist verständlich, wenn sich die größere Erfahrung des auf das Lager spezialisierten Arbeitsteams beim Großbetrieb im allgemeinen in einer günstigeren Lagergröße auswirkt. Ein weiterer Grund dafür, daß der größere Betrieb mit einem relativ kleineren Lager auskommt, liegt darin, daß die Lieferanten dort in der Regel geneigter sind, prompt zu liefern als beim kleineren, bzw. daß der größere Betrieb mehr Möglichkeiten hat, in diesem Sinne Druck auf die Lieferanten auszuüben.
78
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Tabelle 20 Die Lagerquoten im Einzelhandel* nach der Betriebsgröße in den Jahren 1957—1961 Betriebe m i t einem Umsatz von . . . D M
1957
1958
1959
1960
1961
weniger als 500 000
20,8
22,2
21,8
21,8
21,6
500 000 bis 2 M i l l .
18,2
18,6
18,6
17,7
17,7
13,0
12,7
2 M i l l , bis 10 M i l l .
11,8
14,1
14,5
10 M i l l , bis 50 M i l l .
7,5
9,7
10,5
10,2
10,1
50 M i l l , u n d mehr
7,6
8,5
9,3
9,1
10,0
a
Durchschnittlicher Lagerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand durch 2) in % des Jahresumsatzes. Quelle: Berechnungen nach den Original-Unterlagen des Ifo-Investitionstests.
Sowohl im Großhandel als auch im Einzelhandel war die Lagerquote in den zurückliegenden Jahren bei den kleineren Betrieben (mit Umsätzen von weniger als 0,5 Mill. DM) mehr als doppelt so groß wie bei den ausgesprochenen Großbetrieben (mit Umsätzen von mehr als 50 Mill. DM). Ein Einzelhandelsbetrieb mit einem Jahresumsatz von weniger als 500 000 D M hatte beispielsweise im Jahre 1961 für je 100 D M Umsatz einen Lagerbestand von im Durchschnitt reichlich 20 DM, ein Betrieb mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Mill. D M dagegen nur von knapp 10 DM. I m Großhandel sind die eklatanten Unterschiede in der Lagergröße nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß die umsatzstärkeren Betriebe in größerem Umfang Streckengeschäfte tätigen als die kleineren, möglicherweise aber auch darauf, daß sich ihr Sortiment anders zusammensetzt. I n welchem Maße das aber der Fall ist, kann anhand der vorliegenden statistischen Daten leider nicht festgestellt werden. Der enge Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Lagerumschlagshäufigkeit wird auch aus den Ergebnissen des Betriebsvergleichs der Selbstbedienungs-Filialen deutlich, den das Institut für Selbstbedienung, Köln, durchführt. I n Tab. 21 wurde als Maßstab für die Betriebsgröße die Größe des Verkaufsraumes in qm gewählt. Es zeigt sich, daß mit steigender qm-Zahl die Lagerumschlagshäufigkeit stark zunimmt, der Lagerbestand je qm Verkaufsraum aber abnimmt. Trotz der starken Zusammendrängung der Ware auf beschränktem Baum ist bei den kleineren Betrieben die Umschlagshäufigkeit wesentlich geringer als bei den größeren Betrieben, die den Verkaufsraum weniger stark ausnützen. Es zeigt sich hier, daß die größeren Betriebe nicht zuletzt wegen ihrer weniger gedrängten Warendarbietung attraktiver sind.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
79
Tabelle 21 Lagerumsdilagshäufigkeit und Lagerbestand je qm Verkaufsraum in SB-Filialen in den Jahren 1962 und 1963 Lagerumschlagshäufigkeit
Lagerbestand je q m Verkaufsraum in DM
1962
1963
1962
1963
21,8
21,8
390
390
23,8
22,1
360
370
25,0
22,5
330
360
101 bis 150
26,7
24,8
310
340
151 bis 200
29,9
27,5
280
300
201 bis 300
31,8
29,4
280
300
301 bis 400
32,5
31,9
270
280
401 bis 500
31,1
31,1
270
290
501 u n d mehr
32,2
35,9
310
270
Insgesamt
27,4
26,2
310
330
Größe des Verkaufsraumes i n q m
bis
60
61 bis
80
81 bis 100
.
Quelle: Selbstbedienung und Supermarkt, Offizielle Zeitschrift des Instituts für Selbstbedienung, Köln, August 1963, S. 7, und Juli 1964, S. 11.
I n einer Untersuchung für das Jahr 1963 wurde festgestellt, daß die Lagerumschlagshäufigkeit mit steigender Betriebsgröße zunimmt, gleichgültig ob als Kriterium für die Betriebsgröße der Umsatz, die Zahl der beschäftigten Personen oder die Zahl der qm Geschäftsraum gewählt wird. Die Betriebe mit einem Lagerumschlag von mehr als 50mal tätigen auf etwa doppelter Verkaufsfläche mit dem dreifachen Personal etwa siebenmal so große Umsätze wie die Betriebe mit einer Umschlagshäufigkeit von weniger als 15mal. Der größere Laden ist also dem mittleren und dieser wiederum dem kleineren hinsichtlich des Lagerumschlags grundsätzlich überlegen. Nach Ansicht des Instituts für Selbstbedienung hat das folgende Gründe: „Größere SB-Läden bieten mehr Platz für den einzelnen Artikel. Die Ware braucht nicht so oft nachgefüllt zu werden. Der weitaus größte Teil der Ware befindet sich im Verkaufsraum. Der Kunde kauft Ware, die er sieht, eher als solche, die sich seinen Blicken verborgen im Lager befindet 0." 9
M i t anderen Worten: Große Warenmengen w i r k e n attraktiver.
80
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Tabelle 22 Der Zusammenhang zwischen Lagerumschlagshäufigkeit und Betriebsgröße bei den SB-Filialen im Jahre 1963 SB-Filialen m i t einer Lagerumschlagshäufigkeit von
Z a h l der q m Verkaufsraum
Z a h l der beschäftigten Personen
Umsatz j e Betrieb i n D M
weniger als 15,0
132
6,1
15,1 — 20,0
151
8,0
908 300
20,1 — 22,5
150
9,2
1 113 300
22,6 — 25,0
183
10,9
1 396 500
580 100
25,1 — 27,5
158
10,5
1 327 000
27,6 — 30,0
180
11,5
1 471 800
30,1 — 40,0
191
13,2
1 759 500
40,1 — 50,0
269
17,4
2 684 900
50,1 u n d öfter
300
25,4
4 125 700
Quelle: Selbstbedienung und Supermarkt, Selbstbedienung, Köln, Dezember 1964, S. 6.
Offizielle
Zeitschrift
des Instituts für
„In der Regel wird der größere SB-Laden mehrmals wöchentlich beliefert, während der kleinere Laden — abgesehen von Frischwaren — nur eine Hauptlieferung und eine Nachlieferung pro Woche erhält." „Kürzere Verkaufszeiten pro Versandeinheit eines Artikels: Ein Originalkarton mit beispielsweise 24 Dosen Konserven verkauft sich im größeren Laden meist schneller als im kleineren; beide Läden erhalten aber die gleiche Einheit angeliefert." „Der Anteil der Frischwaren ist in den größeren SB-Läden in der Regel höher als in den kleineren. Der sehr rasche, zum Teil tägliche Umschlag dieser Artikel wirkt beschleunigend auf den Gesamtumschlag des Ladens." Es wird also auch hier deutlich, daß die Differenzen in der Umschlagshäufigkeit bei den verschiedenen Betriebsgrößen in erster Linie auf Unterschiede in der Betriebsorganisation zurückzuführen sind. Zum Teil macht sich allerdings auch hier der Einfluß des Sortiments (anderer Warenkreis) bemerkbar. cc) Die Betriebsform Die Vielfalt der Erscheinungsformen des Handels erschöpft sich nicht in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche bzw. zu einer bestimmten Betriebsgröße. Ein wesentliches Kriterium ist auch die Be-
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
81
triebsform. Die Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Betriebsformen des Handels sind organisatorischer, betriebspolitischer und größenmäßiger Art. Die Betriebsformen im Großhandel: Auf der Großhandelsstufe besteht ein grundsätzlicher Unterschied darin, ob es sich um einzelwirtschaftliche Betriebe handelt oder um Ein- und Verkaufsvereinigungen, vorwiegend in genossenschaftlicher Rechtsform. Das Hauptaugenmerk der einzelwirtschajtlichen GroßHandlungen liegt darauf, für das eigene Unternehmen den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Daß hierfür andere betriebspolitische (auch lagerpolitische) Maßnahmen erforderlich sind als bei Ein- und Ver kaufsvereinigungen, liegt auf der Hand. Ein- und Verkaufsvereinigungen sind Selbsthilfe-Zusammenschlüsse von Einzelhändlern, Handwerkern und Angehörigen anderer Wirtschaftsgruppen mit dem Ziel, deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die Betriebspolitik (u. a. auch die Lagerpolitik) der Ein- und Verkaufsgemeinschaften ist also grundsätzlich darauf ausgerichtet, für die Abnehmer (die Genossen) den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Da Ein- und Verkaufsvereinigungen fast ausschließlich im Konsumgüterbereich tätig sind, darf ihre Lagergröße nur mit dem einzelwirtschaftlichen Konsumgütergroßhandel verglichen werden. Andererseits müssen für diesen Vergleich die landwirtschaftlichen Genossenschaften außer Betracht gelassen werden. Während im einzelwirtschaftlichen Konsumgütergroßhandel — wie schon erwähnt — mit geringen Ausnahmen die Gesamtumsätze über das eigene Lager abgewickelt werden, entfällt im genossenschaftlichen Großhandel etwa ein Fünftel der Umsätze auf Streckengeschäfte 10. Die Einkaufsvereinigungen sind also in stärkerem Maße als der traditionelle Großhandel „Dispositionszentralen", die durch geschickte Auftragsvergabe versuchen, die Lagerhaltung wenigstens teilweise zu ersetzen11. Aus diesem Grunde ist die durchschnittliche Lagerquote der gewerblichen Ein- und Verkaufsvereinigungen niedriger als die der mit ihnen konkurrierenden einzelwirtschaftlichen Großhandlungen. Dementsprechend benötigen die Genossenschaften — wie die unterschiedliche Höhe der Lagerintensität zeigt — zur Abwicklung eines bestimmten Umsatzes auch weniger Personal. Bezieht man den Lagerbestand der Ein- und Verkaufsgenossenschaften allein auf den Lagerumsatz, ergibt sich eine Lagerquote von etwa 10 Vgl. Batzer, E: Z u r Bedeutung u n d Problematik des Funktionsrabattes, Berlin—München 1962, S. 58. 11 Vgl. Nieschlag, R.: Binnenhandel u n d Binnenhandelspolitik, Berlin— München 1959, S. 424 ff. — Derselbe: Strukturwandlungen i m Großhandel, Deutscher Industrie- u n d Handelstag, Schriftenreihe Heft 42, Bonn 1956, Seite 18 ff.
6 Laumer
82
2. Teil Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Tabelle
23
Die Lagergröße des einzelwirtschaftlichen Konsumgütergroßhandels und der gewerblichen Ein- und Verkaufsvereinigungen im Durchschnitt der Jahre 1958—1961 Betriebsform Einzelwirtschaftlicher
Konsumgütergroßhandel
Gewerbliche E i n - u n d Verkaufsvereinigungen
Lagerquote"1
Lagerintensität b
8,9
9 400
5,2
14 400
Ä Durchschnittlicher Lagerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand durch 2) in % des Jahresumsatzes. b Durchschnittlicher Lagerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand durch 2) je beschäftigte Person in DM. Quelle: Berechnungen nach Unterlagen des Ifo-Investitionstests.
geteilt geteilt
5,8 °/o. Die Lagerquote der Genossenschaften ist also auch bei dieser Betrachtungsweise niedriger als im einzelwirtschaftlichen Konsumgütergroßhandel. Das ist darauf zurückzuführen, daß die Ein- und Verkaufsvereinigungen im Durchschnitt ohne Zweifel straffer organisiert sind, daß sie im Durchschnitt auch wesentlich größer als die einzelwirtschaftlichen Betriebe sind und daß sich ihr Sortiment zum Teil anders zusammensetzt. I n den letzten Jahren hat sich die Lagerpolitik des einzelwirtschaftlichen Konsumgütergroßhandels und der gewerblichen Einkaufsvereinigungen stark angeglichen. I n früheren Jahren hatten sich die Einkaufsgenossenschaften weitgehend auf Standarderzeugnisse beschränkt, die sie im Vermittlungsgeschäft absetzen konnten. Heute hat sich ihr Sortiment stark ausgeweitet und weitgehend dem des einzelwirtschaftlichen Großhandels angeglichen. Das war zwangsläufig mit einer Vergrößerung der Lagerhaltung verbunden 12. Eine besondere Betriebsform innerhalb des einzelwirtschaftlichen Großhandels sind die freiwilligen Ketten, die bisher allerdings nur im Nahrungs- und Genußmittelhandel größere Bedeutung erlangt haben. Die in freiwilligen Ketten organisierten Großhandlungen sind in der Regel sehr gut geführte Betriebe, die — vor allem im Bereich des Lagerwesens — mit den modernsten Verfahren arbeiten und bei denen deshalb kaum Verlustquellen auftreten. Das wirkt sich auch in der Höhe des Lagerbestandes aus. Die Lagerquote der in freiwilligen Ketten zusammengeschlossenen Großhandlungen ist — wie Tab. 24 zeigt — spürbar niedriger als bei den nicht gebundenen Lebensmittelsortimentern. Die durchschnittliche 12
Vgl. Batzer, E.: Z u r Bedeutung u n d Problematik des Funktionsrabattes, a. a. O., S. 56.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
83
Lagerquote der rd. 300 Edeka- und Rewe-Genossenschaften ist allerdings noch kleiner als die der „Kettengroßhandlungen"; auch sie sind durchweg nach modernsten Gesichtspunkten geführte, von den Zentralen in dieser Hinsicht streng kontrollierte Betriebe. Auch ihr relativ stark gestrafftes Sortiment — sich extrem langsam umschlagende Artikel werden nicht geführt — ermöglicht es, daß der Lagerbestand verhältnismäßig niedrig gehalten werden kann. Tabelle 24 Die Lagergröße im Nahrungs- und Genußmittelgroßhandel nach Betriebsformen im Jahre 1961 Betriebsform
Lagerquote®
Lagerintensität b
Einkaufsgenossenschaften (Edeka, Rewe) F r e i w i l l i g e n Ketten angeschlossene Großhandlungen
5,3
13 500
6,2
Nicht gebundene Großhandlungen
7,6
10 000 10 000
a Durchschnittlicher Lagerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand durch 2) in % des Jahresumsatzes. b Durchschnittlicher Lägerbestand (Jahresanfangs- und Jahresendbestand durch 2) je beschäftigte Person in DM. Quelle: Berechnungen nach Unterlagen des Ifo-Investitionstests.
geteilt geteilt
Die Betriebsformen im Einzelhandel: Auf der Einzelhandelsstufe sind folgende Betriebsformen zu unterscheiden: Warenhäuser Kleinpreisgeschäfte Versandhandlungen Filial-Unternehmungen Verkaufsfilialen der Produzenten Konsumgenossenschaften Freiwilligen Ketten angeschlossene Betriebe Einkaufsgenossenschaften angeschlossene Betriebe Nicht gebundene einzelwirtschaftliche Betriebe. Eine Sonderstellung innerhalb der Betriebsformen auf der Einzelhandelsstufe nehmen die Diskonthäuser ein. Sie sind ein spezielles Verkaufsprinzip, das grundsätzlich jede der oben aufgeführten Betriebsformen anwenden kann und dessen Besonderheiten auch im Lagerwesen ihren Niederschlag finden. 6:
84
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
Warenhäuser: I m Durchschnitt der Jahre 1957 bis 1963 hatten die Warenhäuser (Verkaufshäuser einschließlich Zentrallager) nach Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes eine Lagerquote von 9,1 °/o; das Lager schlug sich pro Jahr 7,7mal um 13 . Die relative Lagergröße der Warenhäuser ist also spürbar niedriger als im Durchschnitt des gesamten Einzelhandels. Vergleicht man die Sortimentsstruktur der Warenhäuser und des gesamten Einzelhandels, möchte man annehmen, daß es umgekehrt sei. I m Sortiment der Warenhäuser ist nämlich der Anteil der Nahrungs» und Genußmittel, deren Umschlagshäufigkeit relativ groß ist, wesentlich niedriger als im Einzelhandelsdurchschnitt, der Anteil der Bekleidungs-, Wäsche- und Schuhwaren mit ihrer relativ niedrigen Umschlagshäuiigkeit dagegen erheblich höher. Tabelle 25 Sortimentsstruktur im Einzelhandel insgesamt und bei den Warenhäusern (in ®/o) A n t e i l am Gesamtumsatz bei den Warenhäusern
i m Einzelhandel insgesamt
Nahrungs- u n d Genußmittel
17
38
Bekleidung, Wäsche, Schuhe
53
25
Hartwaren
30
37
Warengruppe
Quelle: Schätzungen und Berechnungen des Ifo-Instituts nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes sowie nach den Geschäftsberichten der Warenhauskonzerne.
Daß dennoch bei den Warenhäusern die Umschlagshäufigkeit höher ist, liegt einmal an der im Durchschnitt besseren Organisation, vor allem aber daran, daß man sich innerhalb der einzelnen Warengruppen möglichst auf sich schnell umschlagende Artikel beschränkt. Dem Kunden wird in der Regel eine weniger große Auswahl geboten als in entsprechenden Fachgeschäften. Das heißt, daß die Lagerumschlagshäufigkeit der einzelnen Warenhausabteilungen — gemessen an den entsprechenden Fachgeschäften — relativ groß, die Lagerquote entsprechend klein ist. 13
Statistisches Bundesamt, Fachserie F, Reihe 3, Einzelhandel, I I Wareneinkauf, Lagerbestand u n d Rohertrag.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
85
In der folgenden Übersicht sind für drei der vier großen deutschen Waren- und 'Kaufhausunternehmungen einige wichtige Lagerkennziffern zusammengestellt. Die Ziffern für die Lagerumschlagshäufigkeit gelten nur für die Verkaufshäuser; die Bestände der Zentrallager blieben bei ihrer Berechnung außer Betracht. Tabelle
26
Lagerkennziffern der Warenhauskonzerne Karstadt, Kaufhof und Horten
Firma
Lagerumschlagshäufigkeit
Lagerbestand i n '°/o des Umsatzes
Lagerbestand je beschäftigte Person i n D M
1960 1961 1962
1960 1961 1962
1960 1961 1962
Karstadt A G
6,6
6,4
6,3
8,0
7,9
8,3
3390 3500 4120
Kaufhof A G
7,1
6,8
7,0
6,3
5,7
5,9
2900 2750 3000
Horten G m b H
6,5
6,5
5,8
Quelle: Geschäftsberichte und Pressemeldungen.
Daß die Umschlagshäufigkeit in den Zentrallagern, die funktionell gesehen der Großhandelsstufe entsprechen, niedriger ist als in den Verkaufshäusern, zeigen entsprechende Berechnungen der Kaufhof AG. Während der Lagerumschlag des gesamten Unternehmens (Verkaufshäuser und Zentrallager) in den Jahren 1960 bis 1962 zwischen 6,0 und 6,2 schwankte, lagen die entsprechenden Werte für die Verkaufshäuser allein zwischen 6,8 und 7,1. Kleinpreisgeschäfte : I n noch stärkerem Maße als bei den Warenhäusern ist bei den Kleinpreisunternehmungen die Geschäftspolitik darauf abgestellt, mit einem relativ engen Sortiment, das auf die Bedürfnisse der weniger zahlungskräftigen Kundenkreise abgestimmt ist, zu arbeiten. Flach ermittelte für die Kleinpreisgeschäfte eine durchschnittliche Sortenzahl von 5200, während die Warenhäuser im Durchschnitt 34 500 Sorten auf Lager haben14. „Schneller Warenumschlag" ist die oberste Devise der Kleinpreisgeschäfte, was einen entsprechend niedrigen Lagerbestand zur Folge hat. Konkrete statistische Unterlagen liegen hierüber allerdings nicht vor. 14 Vgl. Flach, H.: Sortenzahlen i m Einzelhandel, Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln, Nr. 115/Juli 1963, S. 1293 ff.
86
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
Versandhandlungen : Eine spezielle Betriebsform des Einzelhandels ist der Versandhandel, wobei zwischen Fachversendern mit einem eng begrenzten Sortiment (ζ. B. Kaffeeversandgeschäfte, Textilversandhäuser) und Versandhäusern mit warenhausähnlichem Sortiment zu unterscheiden ist. Für den Fachversandhandel steht kein statistisches Material zur Verfügung, das Aufschluß über die Lagergröße gibt. Für den Versandhandel mit warenhausähnlichem Sortiment liegen dagegen für die Jahre 1961 bis 1963 entsprechende Erhebungsergebnisse vor. Sie zeigen, daß sich die Versandhandelslager im Durchschnitt weniger rasch umschlagen als die Warenbestände (Zentrallager und Verkaufslager) stationärer Warenhäuser. Tabelle 27 Lagerquote und Umschlagshäufigkeit im Versandhandel mit warenhausähnlichem Sortiment
Kennziffer
Jahr
Versandhandel m i t warenhausähnlichem Sortiment
Durchschnittlicher L a gerbestand i n '°/o des Jahresumsatzes
1961
13,8
9,1
Lagerumschlagshäufigkeit
zum Vergleich: Waren- u n d Kaufhäuser
1962
12,7
9,0
1963
13,2
9,1
1961
4,8
7,6
1962
5,3
7,6
1963
4,9
7,4
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie F, Reihe 3, Einzelhandel, I I kauf, Lagerbestand und Rohertrag.
Warenein-
Die beiden größten deutschen Versandhäuser erreichten allerdings höhere Umschlagshäufigkeiten, als sie vom. Statistischen Bundesamt für den Durchschnitt dieser Betriebsgruppe ausgewiesen wurden. So erzielte das Großversandhaus Neckermann im Jahre 1962 eine Umschlagshäufigkeit von 5,915, das Großversandhaus Quelle im Jahre 1961 sogar eine solche von 8,0 le . 15
Vgl. Neckermann nennt 720 M i l l i o n e n D M Umsatz, i n : Textil-Wirtschaft v o m 21. 2.1963. 16 Vgl. Der Versandhandel muß sich anpassen, i n : Handelsblatt v o m 6. 3. 1963.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
87
Interessant ist auch der bei Quelle und Neckermann erreichte Lagerbestand je beschäftigte Person; er lag in den letzten Jahren bei etwa 11 000 bis 12 000 DM, war also drei- bis viermal so groß wie bei den großen Warenhausunternehmen. Das bedeutet, daß die Versandhäuser ein Lager in bestimmter Größe mit wesentlich geringerem Personal umschlagen können als die Warenhäuser. Der Grund hierfür dürfte wohl in der weitgehenden Automatisierung des Versandvorgangs liegen, der zudem eine sehr kontinuierliche Beschäftigung des Personals ermöglicht, während beim Verkaufspersonal in Warenhäusern beschäftigungslose Zeiten in der Regel nicht zu vermeiden sind. Verkaufsfilialen der Produzenten: I m gesamten Einzelhandel spielen die eigenen Verkaufsfilialen der Hersteller keine große Rolle. I n den Fachzweigen Schuhe, Nähmaschinen, Metallwaren, Lederwaren, neuerdings auch Oberbekleidung, haben sich jedoch starke Filialsysteme herausgebildet. Da es sich dabei durchweg um Unternehmungen von beachtlicher Größe handelt, deren Vertriebsabteilungen mit qualifizierten Sachbearbeitern besetzt sind, die in der Lage sind, Absatzpläne und effektive Verkaufsresultate kurzfristig abzustimmen, kann bei diesem Verkaufssystem die Lagerhaltung relativ klein gehalten werden. Hinzu kommt, daß es grundsätzlich leichter ist, die Ware zur richtigen Zeit in den richtigen Mengen anzuliefern, wenn das Einzelhandelsgeschäft im wesentlichen von einem einzigen Fabrikanten beliefert wird, als wenn es sich um ein Sortiment aus den Erzeugnissen einer Vielzahl von Fabrikanten handelt 17 . Globaldaten über den Umfang der Lagerhaltung aller Verkaufsfilialen der Hersteller liegen nicht vor. Die Verhältnisse sollen deshalb an zwei Beispielen dargestellt werden. Die Müller-Wipperfürth AG, ein Unternehmen der Bekleidungsfabrikation, das seine Erzeugnisse (Herren- und Knabenoberbekleidung) in 100 eigenen Verkaufsstellen direkt an die Konsumenten absetzt, erreichte in den letzten Jahren in seinen Verkaufsstätten eine Lagerumschlagshäufigkeit von 8 bis lOmal 18 . Diese Werte liegen beträchtlich über denen, die vom Institut für Handelsforschung, Köln, für den Durchschnitt des westdeutschen Einzelhandels mit Herren- und Knabenkleidung ermittelt wurden. I m Jahre 1961 schlug sich beispielsweise das Lager in dieser Einzelhandelssparte nur 3,3mal um 19 . Der 17 Vgl. Hauptmann, J.: Die Absatzwege als Bestandteil der Absatzplanung, i n : Absatzplanung i n der Praxis, herausgegeben v o n Erich Gutenberg, Wiesbaden 1962, S. 108 ff. 18 Vgl. Alfons M ü l l e r hat neue Pläne, i n : Handelsblatt v o m 9.4.1963. 19 Vgl. Bericht über die Ergebnisse des Betriebsvergleichs des Einzelhandels i m Jahre 1961, Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln, Nr. 104, August 1962-, S. 1072.
88
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
Inhaber der Fa. Müller-Wipperfürth erklärte diese Diskrepanz u. a. durch den Hinweis auf sein modisch konservativeres Anzugsangebot und „die nicht an Saisons gebundene laufende Ausmusterung neuer Modelle gemäß der an den Umsatzstatistiken der Ladengeschäfte deutlich werdenden Nachfragetrends". Eines der größten deutschen Fabrikfilialsysteme unterhält die Sala mander-AG, ein Produktionsunternehmen für Schuhe. Die rd. 60 eigenen Verkaufsstellen hatten Ende 1960 einen Lagerbestand (einschl. zugekaufter Waren) von 22,5 Mill. DM; das entspricht einer Lagerquote (Bestand in °/o des Jahresumsatzes) von 19,0 °/o. Zum gleichen Zeitpunkt betrug die Lagerquote im Durchschnitt des westdeutschen Schuheinzelhandels 20,4 °/o20. Auch im folgenden Jahr war der Lagerbestand der Salamander-Filialen (am Umsatz gemessen) mit 19,5 °/o etwas kleiner als im einzelbetrieblichen Schuheinzelhandel (19,8 %).
Genossenschaftlich organisierte Betriebe Grundsätzlich dürfte auch die Zugehörigkeit der Einzelhandelsbetriebe zu einer Einkaufsvereinigung dazu beitragen, daß die Lagergröße relativ klein bzw. die Umschlagshäufigkeit relativ groß gehalten werden kann. So beträgt beispielsweise nach Betriebsvergleichsergebnissen des Instituts für Handelsforschung, Köln, im Schuheinzelhandel bei Betrieben mit einem Anteil von 10 bis 30 °/o genossenschaftlichem Einkauf an der Gesamtbeschaffung der Lagerbestand je beschäftigte Person 9800 D M und die Lagerumschlagshäufigkeit 4mal, bei Betrieben mit einem Anteil von 70 bis 100 °/o genossenschaftlichem Einkauf dagegen der Lagerbestand je beschäftigte Person 8400 D M und der Lagerumschlag 5,1 mal 21 . Stoffels führt hierzu folgendes aus: „Obwohl die Schuheinkaufsgenossenschaften im allgemeinen keine eigene Lagerhaltung haben, sondern nur im Vermittlungsgeschäft arbeiten, wirkt sich ihre Tätigkeit auf die Lagerhaltung der Einzelhandelsmitglieder günstig aus. Zentrale Musterschauen oder Messen gibt es in der Schuhwirtschaft nicht. Dadurch, daß die Einkaufsgenossenschaften für ihre Mitglieder solche veranstalten, wird der Schuheinzelhändler — neben anderen Vorteilen der Musterschau — weitgehend vor Fehldispositionen bewahrt. Die konzentriert gebotene Marktübersicht gibt ihm die Möglichkeit einer ökonomischeren Lagerhaltung, da er auf eine Vielzahl von Modellen ähnlicher Ausführungen und unsicherer Verkaufsaussichten verzichten kann. Die Vorteile dieser Informationsarbeit der 20 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie F, Reihe 3: Einzelhandel I I , Wareneinkauf, Lagerbestand u n d Rohertrag. 21 Stoffels, F.-J.: S t r u k t u r u n d Leistungen des westdeutschen Schuheinzelhandels i n den Jahren 1949 bis 1953, K ö l n u n d Opladen 1957, S. 141.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
89
Einkaufsgenossenschaften finden einen überzeugenden Niederschlag in der vorteilhaften Lagersituation der Betriebe mit genossenschaftlichem Einkauf 22 ." Spezielle Betriebsformen des Lebensmitteleinzelhandels: Relativ groß ist die Skala der Betriebsformen im Lebensmitteleinzelhandel. Lebensmittelfilialbetriebe, Konsumgenossenschaften, freiwilligen Ketten angeschlossene und genossenschaftlich organisierte Betriebe konkurrieren hier mit Unternehmungen, die noch völlig selbständig operieren. Die nach diesen Gesichtspunkten gegliederten Ergebnisse des Ifo-Investitionstests zeigen, daß auch im Lebensmitteleinzelhandel je nach Betriebsform Diskrepanzen in der Lagergröße bestehen, die ζ. T. auf die unterschiedliche betriebswirtschaftliche Organisation, ζ. T. aber auch auf die unterschiedliche Sortimentsbreite bzw. -tiefe zurückzuführen sind. Tabelle 28 Die Lagergröße im Lebensmitteleinzelhandel nach Betriebsformen im Jahre 1961 Durchschnittlicher Lagerbestand Betriebsform
in des Umsatzes
j e beschäftigte Person i n D M
Lebensmittelfilialbetriebe
6,8
4720
Konsumgenossenschaften
6,4
3050
F r e i w i l l i g e n K e t t e n angeschlossene Betriebe
6,9
4640
Einkaufsgenossenschaften angeschlossene Betriebe
7,1
5090
Nicht gebundene Betriebe
7,5
5039
Quelle:
Ifo-Investitionstest.
Die niedrigste Lagerquote haben also die Konsumgenossenschaften, die aber andererseits die geringste Lagerintensität aufweisen. Das läßt den Schluß zu, daß die niedrige Lagerquote nicht auf eine bessere Organisation, sondern ausschließlich auf ein schmaleres Sortiment zurückzuführen ist. Gerade umgekehrt liegen die Verhältnisse im Durchschnitt derjenigen Betriebe, die den Einkaufsgenossenschaften Edeka und Rewe angeschlossen sind. Die niedrigste Umschlagshäufigkeit haben die nicht gebundenen, überwiegend klein- und mittelbetrieblichen Lebensmitteleinzelhandlungen. 22
Stoffels, a. a. O., S. 142.
90
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
Diskontgeschäfte : Oberster Grundsatz der Diskonthäuser ist es, durch Beschränkung des Sortiments auf einen relativ kleinen Kreis gangbarer Waren einen hohen Lagerumschlag zu erzielen. Alle Waren, welche unter der für erforderlich gehaltenen Umschlagshäufigkeit bleiben, werden grundsätzlich aus dem Sortiment ausgeschieden, besonders dann, wenn sie viel kostbaren Raum in Anspruch nehmen23. Nach Angaben der National Cash Register Company erreichten die amerikanischen Selbstbedienungs-Diskont-Warenhäuser 1957 eine Lagerumschlagshäufigkeit von 10 bis 15, die traditionellen Warenhäuser bzw. Kleinkaufhäuser dagegen nur eine solche von knapp 4 24 . Daß einem hohen Lagerumschlag zwar große Wichtigkeit zukommt, daß er aber nicht als alleiniges Ziel betrachtet werden darf, mußten verschiedene Diskonthäuser erfahren, die ihr Sortiment so stark beschnitten, daß mangels genügender Auswahl die Kunden abwanderten. Nach einer Untersuchung des Instituts für Handelsforschung, Köln, führen die in Westdeutschland tätigen Lebensmittel-Diskonter im Durchschnitt 1200 verschiedene Sorten; im Durchschnitt aller Betriebsformen des Lebensmittel-Einzelhandels beträgt die Sortenzahl 160025. Daß diese Unterschiede die Umschlagshäufigkeit beeinflussen, liegt auf der Hand. Dafür ein Beispiel aus einer anderen Branche: Die Elektro-FernsehDiscount GmbH, ein von vier namhaften Münchener Rundfunk- und Fernsehfachgeschäften gegründetes Diskontunternehmen, gab als Richtzahl eine Lagerumschlagshäufigkeit von 12 an 26 . I m Durchschnitt des Fachhandels mit Rundfunk-, Fernseh- und Phonogeräten wird dagegen nur eine jährliche Umschlagshäufigkeit von 4,6 erzielt 27 . dd) Die Bedienungsform Nach einer Untersuchung, die das Institut für Handelsforschung, Köln, im Lebensmitteleinzelhandel durchgeführt hat, bestehen Unterschiede in der relativen Lagergröße auch zwischen Bedienungsläden und Selbstbedienungsläden. Während die untersuchten Selbstbedienungsläden 1961 ihr Warenlager 15,4mal und 1962 14,0mal umschlagen konnten, erreichten die Bedienungsgeschäfte nur einen Umschlag von 23
Vgl. I t h , H.: Das Diskonthaus i n den USA, Freiburg/Schweiz 1961, S. 79. Z i t i e r t bei Batzer, E., Laumer, H.: Neue Vertriebswege i n Industrie u n d Handel, München 1963, S. 210 f. 25 Vgl. Flach, H.: Sortenzahlen i m Einzelhandel, Mitteilungen des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln, Nr. 115/Juli 1963, S. 1293 ff. 26 Vgl. Discount als Selbsthilfe, i n : Münchner M e r k u r v o m 22. 8.1963. 27 Diese Z a h l bezieht sich allerdings auf das Jahr 1959. Vgl. Die w i r t schaftliche S t r u k t u r des Einzelhandels, Ergebnis der Handels- u n d Gaststättenzählung 1960, Wirtschaft u n d Statistik, Heft 7/1963, S.401. 24
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
91
13,9 bzw. 13,3mal28. Diese Differenz ist — wie das Institut für Handelsforschung schreibt — auf die unterschiedliche Sortimentsstruktur (der Anteil der sich schnell umschlagenden frischen Lebensmittel ist in den Selbstbedienungsläden größer als in den Bedienungsläden, bei denen Feinkostwaren sowie Genußmittel stärker im Vordergrund stehen) zurückzuführen. Ohne Zweifel sind darüber hinaus aber auch organisatorische Unterschiede für die Differenzen in der Lagergröße maßgebend. Bezieht man den Lagerbestand nicht auf den Umsatz, sondern auf den zur Verfügung stehenden Geschäftsraum, sind die Verhältnisse umgekehrt. I n Bedienungsläden betrug 1961 der Lagerbestand je qm Geschäftsraum 200 DM, in Selbstbedienungsläden nur 170 DM. Das ist darauf zurückzuführen, daß der weitgehende Verzicht auf individuelle Bedienung durch Verkaufspersonal im Selbstbedienungsladen eine übersichtlichere und breitere Warendarbietung erforderlich macht als im Bedienungsladen, was mit einem größeren Raumbedarf verbunden ist. ee) Der Standort Auch zwischen dem Standort der Handelsbetriebe und der Lagerumschlagshäufigkeit besteht ein gewisser Zusammenhang. Das Institut für Handelsforschung, Köln, hat für neun Fachzweige des Einzelhandels die Lagerumschlagshäufigkeit im Jahre 1957 getrennt für die Betriebe in verschiedenen Ortsgrößenklassen ermittelt. (Vgl. Tab. 29.) I n allen aufgeführten Fachzweigen nimmt die Lagerumschlagshäufigkeit mit steigender Ortsgröße zu. I n einer Großstadt kann ein Einzelhandelsbetrieb mit einem gleich großen durchschnittlichen Lagerbestand einen größeren Umsatz erzielen als an einem kleineren Ort. Entsprechende — von Poenseler veröffentlichte — Daten für das Jahr 1951 zeigen dieselbe Tendenz29. Poenseler weist darauf hin, daß nicht der Standort als solcher einen Einfluß auf die Höhe des Lagerbestandes hat, sondern daß allein die unterschiedlichen Konsumverhältnisse an kleinen, mittleren und größeren Orten für die Differenzen in der Lagergröße maßgebend sind30. Von Bedeutung dürfte jedoch auch sein, daß in den Großstädten vergleichsweise mehr gut geleitete Betriebe ansässig sind als in den kleineren Orten. Auch die Tatsache, daß sich an einem größeren Ort mehr potentielle Kunden befinden als an einem kleineren Ort, dürfte eine Rolle spielen. 28 Mitteilungen des Instituts f ü r Handelsforschung an der Universität zu Köln, Nr. 110/Februar 1963, S. 1233 ff. u n d Nr. 120/Dezember 1963, S. 1365 ff. 29 Poenseler, K.-E.: Die Lagergröße i m Einzelhandel, Diss. K ö l n 1956, Seite 50 ff. 30 Poenseler, a. a. O., S. 48.
92
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Tabelle
29
Umsdilagshäufigkeit in ausgewählten Einzelhandelsbranchen nach Ortsgrößen im Jahre 1957 i n Orten m i t . . . Einwohnern Fachzweig
bis 20 0000
20 000 — 100 000
100 000 u n d mehr
12,1
12,7 3,7
13,1
3,0
Herrenkonfektion Damenkonfektion
2,8 2,5
3,8 3,7
Wäsche, W i r k - u n d Strickwaren . . Schreibwaren Radio, Fernsehen
2,1 5,0 4,4
Lederwaren Tapeten u n d L i n o l e u m
2,8
3,1 5,3 4,9 3,4
3,8
4,7
Lebensmittel Textilsortimenter
4,2 4,6 4,1 3,5 5,8 5,4 3,5 7,1
Quelle: „Der Lagerumschlag in den Großstädten", Industriekurier vom 2. 7.1959.
Poenseler hat in seiner Arbeit auch Land (Nordrh.-Westfalen, Niedersachsen, Bayern usw.) und Geschäftslage (Hauptlage, Nebenlage) als strukturelle Einflußfaktoren auf die Lagerumschlagshäufigkeit untersucht und hier ebenfalls gewisse Abweichungen festgestellt, auf die jedoch hier nicht näher eingegangen werden soll. Für den Großhandel steht leider kein statistisches Material zur Verfügung, anhand dessen der Zusammenhang zwischen Lagergröße und Standort untersucht werden könnte. Es kann jedoch angenommen werden, daß hier der Zusammenhang — wenn ein solcher überhaupt vorhanden ist — weit weniger eng ist als im Einzelhandel. Viel wahrscheinlicher ist es, daß für den Großhandelsbetrieb Zusammensetzung, Größe, Standort und Organisationsform (ζ. B. freiwillige Kette) seiner Abnehmer von Einfluß auf die Lagerumschlagshäufigkeit ist. 2. D e r
Absatzmarkt
Neben den betriebsstrukturellen Einflußfaktoren spielt für die Größe des Warenlagers eine Reihe anderer Faktoren eine Rolle. Besondere Bedeutung kommt in dieser Hinsicht den Verhältnissen auf dem Absatzmarkt zu. Die hier zu nennenden beiden wichtigsten Faktoren liegen allerdings auf ganz verschiedenen Ebenen. Während die saisonalen Nachfrageschwankungen ein kurzfristiges — in annähernd gleicher Stärke periodisch wiederkehrendes — Faktum ist, das „eingeplant" werden kann, ist die Tatsache der mit steigender Kaufkraft steigenden
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
93
Ansprüche der Konsumenten ein langfristiger Trend, der kurzfristig kaum meßbar ist, der aber vom einzelnen Betrieb, der am Wachstum der Wirtschaft partizipieren will, nicht ignoriert werden kann. a) Die saisonalen Nachfrageschwankungen Um den Zusammenhang zwischen der relativen Lagergröße und dem Ausmaß der saisonalen Schwankungen der Nachfrage deutlich zu machen, genügt das folgende — extrem gewählte — schematische Beispiel:
Jahresumsatz
Betrieb A
Betrieb Β
1200
1200
davon i n den Monaten Januar
100
20
Februar
100
40
März
100
240
April
100
90 30
Mai
100
Juni
100
20
Juli
100
130
August
100
210
September
100
70
Oktober
100
60
November
100
30
Dezember
100
260
Von den Betrieben A und B, deren Jahresumsatz gleich groß ist, kommt Betrieb A ohne Zweifel mit einem erheblich geringeren durchschnittlichen Lagerbestand aus als Betrieb B, dessen Absatz heftigen saisonalen Schwankungen unterworfen ist. Aus technischen und organisatorischen Gründen ist es nämlich in der Praxis nicht möglich, den Wareneingang exakt dem stark wechselnden Absatz anzupassen. So wird der Lageraufbau im Hinblick auf einen sehr absatzintensiven Monat (beispielsweise den Dezember) schon mehrere Monate vorher beginnen müssen. Auf diese Weise ergibt sich ein durchschnittlicher Lagerbestand, der größer ist, als wenn der Absatz gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt wäre. Je stärker die saisonalen Absatzschwankungen sind, um so größer ist ihr expansiver Einfluß auf die relative Lagergröße. I n Schaubild 7 ist die Umsatz- und Lagersaison einiger wichtiger Einzelhandelsbranchen graphisch dargestellt.
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
94
Saisonübliche Entwicklung von Umsätzen und Lagerbeständen in ausgewählten Einzelhandelsbnanchen
Abb. 7
Jahresdurchschnitte 1954 - 1962 = 100 ——
Umsatz
Lager
——
240 220
Nahrungs- und Genußmittel
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Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
95
b) Die steigenden Ansprüche der Konsumenten Ein permanenter, expansiv wirkender Druck auf die relative Lagergröße der Betriebe des Konsumgüterhandels geht davon aus, daß die Ansprüche der Konsumenten, der steigenden Kaufkraft entsprechend, ständig zunehmen. I n der Bundesrepublik erhöhte sich zwischen 1950 und 1962 das Bruttoeinkommen je Arbeitnehmer aus unselbständiger Arbeit pro Jahr um durchschnittlich 10 °/o; derjenige Anteil am Nettoeinkommen der Haushalte, der nicht durch Ausgaben für die Grundbedürfnisse Nahrung, Kleidung und Wohnung gebunden ist, ist von Jahr zu Jahr größer geworden und wird weiter wachsen. Ein immer größerer Anteil des Einkommens wird also frei verfügbar für Ausgaben, die beliebig disponierbar sind. I m gleichen Maße wird der Konsument aber auch wählerischer im Hinblick auf das, was er zu kaufen gedenkt. Seine Bedürfnisskala wird differenzierter und länger 31 . Der Konsument will, je stärker seine Kaufkraft steigt, aus einem breiten Sortiment wählen, die verschiedensten Qualitäten und Ausführungen desselben Artikels prüfen und vergleichen können, ehe er sich zum Kauf entschließt. Diese Entwicklung ist nicht vorübergehender Art; sie wird zumindest solange wirksam sein, als die wirtschaftliche Prosperität anhält, die Kaufkraft der Bevölkerung zunimmt. Will der einzelne Betrieb diese steigenden Ansprüche befriedigen — und der Wettbewerb zwingt ihn dazu —, muß er zwangsläufig sein Sortiment anpassen, d. h. seine Lagerbestände ausweiten 32 · 33 . Dieser Zwang zur Sortimentsausweitung geht aber nicht nur von der Konsumentenseite aus, sondern — in jüngster Zeit vermutlich in stärkerem Maße — auch von der Produzentenseite. 3. D e r
Beschaffungsmarkt
a) Die zunehmende Vielfalt
der Produktionsprogramme
Der Kampf um die Erhaltung oder Vergrößerung der Marktanteile wird von der Industrie immer mehr mit den Waffen des modernen Marketing geführt. Man begnügt sich nicht mehr damit, zu produzie31 Gelegentlich läßt sich allerdings auch eine gegenläufige Tendenz, also eine gewisse Homogenisierung des Verbrauchs durch Orientierung an L e i t bildern usw. beobachten. Doch berührt diese Bewegung i m allgemeinen n u r wenige Bevölkerungsgruppen (vor allem Jugendliche) u n d ist zudem dadurch gekennzeichnet, daß die Leitbilder rasch wechseln, was dazu führt, daß die „Uniformierungstendenzen" häufigen Wandlungen unterworfen sind. 32 Vgl. hierzu auch Gümbel, R.: Die Sortimentspolitik i n den Betrieben des Wareneinzelhandels. Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Bd. 21, K ö l n u n d Opladen 1963 (S. 275: „ M i t wachsendem Wohlstand ergibt sich eine Tendenz zu den expansiven sortimentspolitischen Verhaltensweisen, u n d zwar sowohl hinsichtlich der Sortimentsbreite als auch hinsichtlich der Sortimentstiefe"). 33 Z u r Frage des Zusammenhangs zwischen Sortimentsgröße u n d Lagergröße vgl. S. 69 ff.
96
2. Teil: Betriebswirtschafttliche Aspekte der Lagerhaltung
ren, was vom Konsumenten schon nachgefragt wird. Man versucht vielmehr, die noch schlummernden Kundenwünsche zu wecken, indem man ständig neue Produkte auf den Markt bringt. Diese „Nachfrageproduktion" der Hersteller weitet ohne Zweifel den gesamten Konsum und damit auch den Absatz des Handels aus, hat aber eine Aufstockung seiner Lagerbestände in viel stärkerem Maße zur Folge, da die Zahl der Artikel weit mehr zunimmt als das Einkommen der Verbraucher. Über die Zunahme der Zahl der von den Produzenten angebotenen Artikel liegen leider nur aus Teilbereichen Angaben vor; doch genügen diese, um das Ausmaß der „Artikelinflation" deutlich zu machen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Grad der Selbstversorgung der Bevölkerung noch sehr hoch war, bestand das gesamte Warenangebot nur aus etwa 1000 verschiedenen Waren. Heute bietet allein die Elektroindustrie rund 100 000 Artikel an, sind in der Bundesrepublik 200 000 Warenzeichen eingetragen und beim Bundeskartellamt nicht weniger als 200 000 Preisbindungen angemeldet34. Von 1938 bis 1957 hat sich die Zahl der produzierten Güter verdoppelt. Allein im Zeitraum von 1948 bis 1956 wurden in der Bundesrepublik drei Millionen neue Artikel auf den Markt gebracht 35. Der einzelne Handelsbetrieb kann sich angesichts dieser Entwicklung einer Ausweitung der Sortimente trotz aller Bereinigungsbemühungen im allgemeinen nicht entziehen. Der Konsument erwartet, die ihm von der industriellen Werbung bekannten Artikel in den Geschäften vorzufinden; findet er sie nicht, geht er zur Konkurrenz. Daß die sich tendenziell vergrößernde Sortimentsbreite und -tiefe mit einer permanent steigenden Lagerhaltung verbunden ist, liegt auf der Hand. Da sich der steigende Umsatz auf eine viel stärker steigende Zahl von Artikeln verteilt, nimmt die durchschnittliche Lagerdauer zu, die Umschlagshäufigkeit sinkt 38 . b) Die Bezugsbedingungen I m Geschäftsverkehr zwischen Produzenten und Händlern (Lieferanten und Abnehmern) hat sich eine Reihe von Bezugsbedingungen herausgebildet, die einen erheblichen Einfluß auf die Lagergröße der Handelsbetriebe ausüben können. Die größte Bedeutung haben hierbei wohl die Mengenrabatte. Daneben können aber auch Frühbezugsrabatte sowie Mindestabnahmemengen bzw. Mindermengenzuschläge den Umfang der Lagerhaltung beeinflussen. 34 Z i t i e r t nach einem Vortrag von E. Günther. Vgl. Seyffert, R.: Sortimentspolitik. M i t t e i l u n g e n des Instituts f ü r Handelsforschung an der U n i versität zu K ö l n , Nr. 94, Oktober 1961, S. 1062. 38 Vgl. B i g Business i n Germany, N e w Week v o m 23. 7.1956. 36 Vgl. z u m Problem des Zusammenhangs zwischen Sortiment u n d Lager Seite 69 ff.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
97
aa) Mengenrabatte Der Lieferant gewährt seinen Abnehmern Mengenrabatte dafür, daß diese größere Mengen global beziehen. Die Höhe des Mengenrabattes richtet sich deshalb nach der Größe des Warenbezugs je Auftrag oder je Jahr. Gewährt der Lieferant Mengenrabatte, deren Bezugsgrundlage der einzelne Auftrag ist, besteht bei den Abnehmern verständlicherweise die Tendenz, in größeren Posten, dafür weniger häufig zu bestellen. Dadurch erhöht sich zwangsläufig die durchschnittliche Lagerdauer, die Umschlagshäufigkeit verringert sich. Expansive Einflüsse auf die Lagergröße können von den Mengenrabatten aber auch dann ausgehen, wenn sie auf Grundlage der Jahresumsätze festgelegt werden. So ist es denkbar, daß eine Handelsfirma kurz vor Jahresende allein aus dem Grunde noch in stärkerem Maße Waren einkauft, um im nächsten Jahr in den Genuß einer höheren Stufe der MengenrabattStaffel zu gelangen. bb) Frühbezugsrabatte Der Frühbezugsrabatt ist ein Preisnachlaß, den die Hersteller dem Handel für die vorzeitige Abnahme von Saisonartikeln gewähren. Bezieht beispielsweise ein Eisenwareneinzelhändler die Öfen für das Herbst- und Wintergeschäft bereits im Frühjahr bzw. ein Fahrradeinzelhändler die Fahrräder für das kommende Jahr bereits im Spätherbst oder Winter, um in den Genuß der Frühbezugsrabatte zu kommen, ist die durchschnittliche Lagerdauer dieser Öfen bzw. Fahrräder beträchtlich länger als wenn er erst kurz vor Beginn der Saison bestellen würde. Der Frühbezugsrabatt wirkt also tendenziell ebenfalls lagererhöhend. cc) Mindestabnahmemengen bzw. Mindermengenzuschläge I n den Lieferbedingungen mancher Fabrikanten, Einkaufsgenossenschaften und einzelwirtschaftlicher Großhändler (freiwillige Ketten) sind Mindestabnahmemengen enthalten, die eine Belieferung unter einem bestimmten Auftragswert ausschließen, bzw. bei der Bestellung kleinerer Mengen sog. Mindermengenzuschläge vorsehen. Vor allem kleine Einzelhandels- und Handwerksbetriebe können durch solche Klauseln gezwungen sein, von bestimmten Produkten größere Mengen auf Lager zu nehmen, als es von der Absatzseite her vertretbar ist. Somit wirkt sich auch die Festsetzung von Mindestabnahmemengen bzw. Mindermengenzuschlägen durch die Lieferanten für die Abnehmer im Einzelhandel, ζ. T. auch für kleine Großhändler, tendenziell lagererhöhend aus. 7 Lau m er
98
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung dd) Zahlungsbedingungen
I n manchen Fällen kann auch von den Zahlungsbedingungen, die der Lieferant anbietet, ein expansiver Einfluß auf die Lagergröße ausgehen. Das könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn ein Produktionsbetrieb seinen Absatz dadurch auszuweiten sucht, daß er anomal lange Zahlungsziele gewährt. Vor allem in konjunkturell schwachen Zeiten werden Fabrikanten mit Überproduktion versuchen, den Handel durch „Valutierung" der Rechnungen auf einen späteren Zeitpunkt, was praktisch der Einräumung entsprechend verlängerter Zahlungsziele gleichkommt, zu verstärkten Bezügen zu veranlassen. Mancher Händler mag auf diese Weise zu Bestellungen „verführt" werden, die — an den Absatzmöglichkeiten gemessen — zu groß sind. c) Die Lieferfristen I n der Literatur findet sich vielfach auch der Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Lagergröße und Lieferfrist, d. h. dem Zeitraum zwischen Bestellung und Wareneingang. So schreibt beispielsweise Poenseler: „Es kann festgestellt werden, daß der Bestand an Waren einer Gattung desto größer sein muß, je länger deren Lieferfrist bei Neubestellungen ist 37 ." Diese Aussage ist u. E. nicht haltbar. Der Großbzw. Einzelhändler kann den Zeitpunkt seiner Bestellung der erfahrungsgemäß zu erwartenden oder vom Lieferanten angekündigten Lieferfrist anpassen. Ist diese Lieferfrist länger, wird er früher bestellen, ist sie kürzer, wird er später bestellen. Ein Zusammenhang zwischen Länge der Lieferfrist und Größe des Warenlagers ließe sich nur dann konstruieren, wenn man annimmt, daß mit zunehmender Länge der Lieferfristen das Risiko steigt, daß die üblichen bzw. vereinbarten Liefertermine nicht eingehalten werden. 4. W i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e
Maßnahmen
a) Vorbemerkungen Es ist in bestimmten Situationen denkbar, daß der Staat Maßnahmen ergreift, durch die die Unternehmer im Handel veranlaßt werden, ihre Lagerbestände über die Größe hinaus aufzustocken, die unter normalen Bedingungen dem betriebswirtschaftlichen Optimum entsprechen würde. Wirtschaftspolitische Maßnahmen, durch die die Lagergröße beeinflußt werden kann, sind auf kreditpolitischem Gebiet sowie auf steuerlichem Gebiet möglich. Der Gesetzgeber kann dem Handel aber auch sog. Mindestlager vorschreiben. Bei einer Reihe landwirtschaftlicher Erzeugnisse greift der Staat durch Marktordnungen in die privatwirtschaftliche Lagerhaltung ein. 87
Poenseler, K.-E.: Die Lagergröße i m Einzelhandel, Diss. K ö l n 1956, S. 74.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
99
b) Notenbankpolitik Ein großer Teil der Warenbestände des Handels ist mit Bankkrediten finanziert. Das bedeutet, daß die Lagergröße vielfach entscheidend durch die Bedingungen beeinflußt wird, zu denen die Geschäftsbanken bereit sind, Kredite zu gewähren. Diese Bedingungen wiederum sind in erster Linie das Ergebnis der jeweiligen Notenbankpolitik, deren wichtigste Werkzeuge der Diskont- und der Mindestreservesatz sind38. Erhöht die Notenbank den Diskontsatz, verteuert sich der für die Lagerfinanzierung benötigte Kredit; der Händler kann gezwungen sein, seine Bestände zu verringern. Andererseits kann eine Verbilligung der Kredite zu einer Lagerausweitung führen. I n gleicher Weise wirkt sich eine Veränderung des Mindestreservesatzes aus. Wird er erhöht, verringert sich die umlaufende Zentralbankgeldmenge. Das bedeutet, daß die Geschäftsbanken ihre Kreditgewährung einschränken müssen, was zur Folge haben kann, daß der einzelne Handelsbetrieb seine Lagerhaltung verringern muß. Wird der Mindestreservesatz gesenkt, vergrößern sich die Möglichkeiten, Kredite zu erhalten. Die Bereitschaft, umfangreichere Lagerbestände zu unterhalten, wird dadurch tendenziell größer. c) Steuerpolitik Der Steuerpolitik steht einmal das Mittel der direkten Subventionierung zusätzlicher Lagerbestände zur Verfügung, zum anderen läßt sich auch eine Honorierung in Form steuerlicher Vergünstigungen denken (indirekte Subventionierung), die den Anreiz bietet, Warenbestände zu unterhalten, die größer sind, als sie für den normalen Geschäftsverkehr erforderlich sind. Der Staat könnte daran grundsätzlich aus konjunkturpolitischen Gründen sowie aus Gründen der Vorsorge für Notstandsfälle (militärische Krisen, Naturkatastrophen usw.) interessiert sein. Aus konjunkturpolitischen Gründen, also ζ. B. zur Überwindung von kurzfristigen Absatzstockungen in der Industrie, wurde dieses Mittel u. W. in Deutschland noch nicht angewandt. Staatliche Vergünstigungen für die zusätzliche Lagerung von Gütern für Notstandsfälle spielen in der Schweiz seit Jahren eine beachtliche Rolle. Die Vergünstigungen, die der Privatwirtschaft für die Unterhaltung der sog. obligatorischen Pflichtlager und der sog. freiwilligen Pflichtlager gewährt werden, bestehen neben Abschreibungserleichterungen (auf Vorkriegswert) auch in einer Zinsermäßigung für die Finanzierung (Vorzugssatz von 2 bzw. 1 3/4 °/o)39. 38
Vgl. hierzu die Ausführungen auf den Seiten 60 f. Vgl. Schweizer Lagerhaltung f ü r den Kriegsfall, i n : Frankfurter A l l g . Ztg. v o m 21.1.1963. — Private I n i t i a t i v e als M u t t e r der Vorsorge, i n : Süddeutsche Zeitung v o m 8./9.12.1962. 39
7*
1 0 0 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung I n der Bundesrepublik ist die Bildung von zusätzlichen Vorräten bei Wirtschaftsunternehmungen bisher nur in einem Fall durch steuerliche Begünstigung gefördert worden. Durch den sog. Helmken-Erlaß, der inzwischen in das Einkommensteuergesetz übernommen wurde, wurde die Einlagerung von bestimmten, volkswirtschaftlich vordringlichen Importgütern begünstigt40. d) Gesetzliche Anordnung von Mindestlagern Die strengste Form der staatlichen Einflußnahme auf die Lagergröße im Handel ist die Anordnung von Mindestlagern lt. Gesetz ohne Gewährung von Gegenleistungen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Mineralölbevorratungsgesetz, das in Kürze vom Bundestag verabschiedet werden soll. Nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen sollen durch dieses Gesetz die Raffinerien und die Importeure gezwungen werden, ständig Pflichtvorräte für 65 Tage bzw. 45 Tage auf Lager zu halten. Diese Pflichtvorräte können nur auf behördliche Anordnung hin angegriffen werden 41 . Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten arbeitet derzeit am Entwurf einer Verordnung, die das Ziel hat, die Vorräte der Volkswirtschaft an bestimmten Grundnahrungsmitteln (Fette, Zucker, Getreide, Mehl, Margarinerohstoffe) in einem gewissen Umfang zu erhöhen, um im Verteidigungsfall nicht in Versorgungsschwierigkeiten zu kommen. Man will diese Vorräte beim Handel anlegen, um eine breite regionale Streuung und damit eine Verminderung der Zerstörungsgefahr durch Feindeinwirkung zu erreichen. Umfang und Einzelheiten der technischen Durchführung dieser Aktion stehen derzeit noch nicht fest. e) Landwirtschaftliche
Marktordnungen
Für eine Reihe landwirtschaftlicher Produkte wird der Umfang der Lagerhaltung des Handels in starkem Maße durch die entsprechenden Marktordnungsgesetze beeinflußt. Die in den Jahren 1950/51 verabschiedeten deutschen Marktordnungsgesetze für Getreide und Futtermittel (Getreidegesetz), Milch, Milcherzeugnisse und Fette (Milch- und Fettgesetz) sowie Vieh und Fleisch (Vieh- und Fleischgesetz) sahen die Errichtung von sog. Einfuhr- und Vorratsstellen vor. I m Rahmen ihrer Aufgabe, das innerdeutsche Preisniveau den inländischen Produktionskosten unabhängig vom Weltmarktpreis anzupassen bzw. die saisonalen Preisschwankungen abzugleichen, bildeten die Einfuhr- und Vorratssteilen — insbesondere die für Getreide — u. a. selbst in großem 40 Vgl. Keunecke, H.: Wirtschaftliche Aspekte der Vorratshaltung, i n : I n d u striekurier v o m 5.12.1963. 41 Vgl. ö l v o r r ä t e f ü r 65 Tage? i n : Industriekurier v o m 15.12.1964.
Α. Begriff und Bestimmungsgründe der Lagergröße
101
Umfang Lagerbestände 42. Die privatwirtschaftliche Lagerhaltung mußte dadurch zwangsläufig an Bedeutung verlieren, zumal sie durch die starre Vorausbestimmung der Preise auch weitgehend uninteressant wurde 43 . Mit dem Inkrafttreten der neuen EWG-Marktordnungen für Getreide sowie lebende Schweine und Schweinehälften im Jahre 1962 ist der Markteinfluß der Einfuhr- und Vorratsstellen (in der EWGMarktordnung für Getreide als „Interventionsstelle" bezeichnet)44 für diese Produkte zweifellos geringer geworden, da sie in ihren Dispositionen nicht mehr frei sind und insbesondere keine Importgeschäfte mehr tätigen können. Die Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide ist im Gegensatz zu früher verpflichtet, alle zum festgesetzten Mindestpreis angebotenen Produkte aufzukaufen 45. Von erheblichem Einfluß auf die Höhe der Lagerhaltung des Getreidehandels sind die sog. Reports, die sowohl in der alten deutschen als auch in der neuen europäischen Getreidemarktordnung vorgesehen sind. Reports sind vom Staat gewährte, monatlich gestaffelte Zuschläge zur Abgeltung der Lagerkosten. Bisher war die Höhe dieser Reports stets so festgelegt, daß sie auch für den Handel einen echten Anreiz zur Einlagerung von Getreide darstellten. Sie übten somit auf die Lagergröße des Getreidehandels einen expansiven Einfluß aus. 5. D i e
Spekulation
Die Tätigkeit des Handels wird in erheblichem Maße von den Schwankungen der Konjunktur und den Wechselfällen der Politik beeinflußt. Die Betriebe haben sich diesen Unregelmäßigkeiten der Entwicklung so gut wie möglich anzupassen, um auch in Krisenzeiten funktionsfähig zu bleiben. Da jedoch weder Konjunkturumbrüche noch politische Krisen — zumindest nicht ihr Zeitpunkt — mit Sicherheit prognostiziert werden können, wird bei den Dispositionen der Händler stets das spekulative Moment eine gewisse Rolle spielen. Es ist nicht einzusehen, daß von manchen Autoren die spekulative Lagerhaltung des Handels abgelehnt wird 4 8 . Wir sind — im Gegensatz hierzu — der 42 I n den letzten Jahren w u r d e den E i n f u h r - u n d Vorratsstellen auch die B i l d u n g sog. strategischer Vorräte f ü r den Notstandsfall übertragen. 43 Vgl. Boerckel, W.: E i n f u h r - u n d Vorratsstellen als M i t t e l der A g r a r p o l i t i k , Mainz 1959, S. 47. 44 Verordnung Nr. 19 über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen M a r k t o r d n u n g f ü r Getreide. 45 Die f ü r Butter, Rindfleisch, ö l e u n d Fette geplanten europäischen Marktordnungen, die frühestens Ende 1965 i n K r a f t treten werden, sehen — nach dem derzeitigen Stand der Diskussion — nationale E i n f u h r - u n d Vorratsstellen nicht mehr vor. 46 Ζ. B. bei Dollinger, H.: Lagergröße u n d Umschlagsschnelligkeit unter besonderer Berücksichtigung des Einzelhandels, Diss. Wien 1938, S. 21. Dollinger versteht unter Spekulation allerdings n u r die Ausnutzung von Preisvorteilen i n zeitlicher Hinsicht u n d erfaßt damit n u r einen — w e n n auch den
1 0 2 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Meinung, daß es in einer Marktwirtschaft durchaus zu den Aufgaben des Handels, vor allem des Großhandels, gehört, im Hinblick auf erwartete Veränderungen von Preisen und Bezugsmöglichkeiten zu disponieren und daß nichts dagegen einzuwenden ist, daß daraus ein dem eingegangenen Risiko angemessener Gewinn erzielt wird 47 . a) Spekulative Dispositionen aus konjunkturellen
Gründen
Spekulation aus konjunkturellen Gründen wird grundsätzlich nur im Konjunkturaufschwung zu einer über das erforderliche Ausmaß hinausgehenden Lageraufstockung im Handelsbetrieb führen. Diese Phase des Konjunkturzyklus ist gekennzeichnet von günstigen Absatzerwartungen, tendenziell steigenden Preisen und sich verlängernden Lieferfristen. Solange sich kein Konjunkturumschwung anbahnt (bzw. der Umschwung nicht erkannt wird), wird der Händler bestrebt sein, seine Lagerbestände aufzustocken, da er einerseits mit weiteren Preiserhöhungen rechnen kann und andererseits befürchten muß, daß bei sich weiter verschärfenden Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage die Lieferanten nicht mehr alle Bestellungen fristgerecht erledigen können, wodurch ihm u.U. Umsatzausfälle entstehen können. Daß durch ein solches Verhalten die Konjunktur weiter „angeheizt" wird, weil Nachfrage sozusagen vorweggenommen wird, kann für die Überlegungen des Handelsbetriebes keine Rolle spielen48. I m allgemeinen wird der Einzelhandelsbetrieb in viel geringerem Maße die Möglichkeit haben, die Schwankungen der Konjunktur auszunutzen als der Großhandel. Vor allem im Produktionsgüter- und Rohstoffhandel (Schwankungen der Weltmarktpreise) spielt die Lageraufstockung bzw. -reduzierung aus spekulativen Gründen eine Rolle. b) Spekulative Dispositionen aus politischen Gründen Aus der Erfahrung, daß politische Konflikte, selbst wenn sie regional begrenzt und weitab vom eigenen Land vor sich gehen (Korea, Suez, Ungarn, Kuba), zu empfindlichen Versorgungsstörungen führen können, unterhalten manche Handelsbetriebe ständig oder zeitweilig einen gewissen freiwilligen „Krisenvorrat", also einen über den normalen Bewichtigsten — Teilaspekt. Anderer Ansicht ist beispielsweise Ziegler, der meint, daß die Lagerdisposition die Ausnutzung der i n der Außenwirtschaft gegebenen Tatsachen, insbes. der Preisschwankungen ermöglichen sollte. (Ziegler, H.: Die Lagerverwaltung i m Fabrikbetrieb, Urach 1934). 47 Auch Seyffert meint, daß eine Spekulation auf Steigen der Preise durchaus i m Rahmen normaler kaufmännischer Überlegungen liege u n d als M i t t e l der betrieblichen Ertragssteigerung nicht abzulehnen sei. (Vgl. Seyffert, R.: Wirtschaftslehre des Handels, K ö l n u n d Opladen 1951, S. 422.) Dasselbe muß zwangsläufig auch für die Spekulation auf fallende Preise gelten. 48 Vgl. hierzu auch die Ausführungen auf S. 152 f.
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis
103
darf hinausgehenden Lagerbestand. I m Rohstoffhandel, der in erheblichem Maße vom Weltmarkt abhängig ist, spielt dieser Gesichtspunkt eine nicht unbedeutende Rolle. c) Spekulative Dispositionen aus sonstigen Gründen Von Konjunktur und Politik abgesehen sind auch noch andere Gründe denkbar, aus denen der Lagerbestand spekulativ aufgestockt bzw. abgebaut werden kann. Ein aktuelles praktisches Beispiel war das Inkrafttreten der EWG-Marktordnung im Jahre 1962. I n den letzten Wochen vor dem Inkrafttreten hat der Handel große Mengen von Nahrungsmitteln, deren Import sich nach dem Inkrafttreten verteuerte, aus Nichtmitgliedsländern der EWG eingeführt und eingelagert. Die Lagerflächen der Kühlhäuser waren praktisch ausverkauft. Bei Geflügel waren die Lagerbestände mindestens um ein Drittel höher als normal 49 . B. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis I. Vorbemerkungen Das Betriebsergebnis (Reingewinn bzw. Verlust) ist die Differenz zwischen dem erzielten Bruttoertrag ( = Handelsspanne) und den bei der Leistungserstellung anfallenden Kosten: Betriebsergebnis = Bruttoertrag ./. Handlungskosten
Um die Frage beantworten zu können, welchen Einfluß die Lagergröße auf das Betriebsergebnis im Handel ausübt, ist es erforderlich, zuerst den Zusammenhang zwischen der Lagergröße und den Komponenten des Betriebsergebnisses — Bruttoertrag und Handlungskosten — zu durchleuchten, um so die Wirkung einer Lagerveränderung auf das Betriebsergebnis besser erkennen zu können. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist es zweckmäßig, den Einfluß auf diese beiden Komponenten getrennt zu untersuchen, obwohl realiter durch eine Änderung der Lagergröße Bruttoertrag und Kosten stets gleichzeitig beeinflußt werden. Als Ausdruck für die Lagergröße soll wiederum die Lagerumschlagshäufigkeit dienen, wobei hier lediglich untersucht wird, wie sich eine Vergrößerung der Lagerumschlagshäufigkeit auf den Bruttoertrag, die Handlungskosten und schließlich auf das Betriebsergebnis auswirkt. Der Fall einer Verringerung der Umschlagshäufigkeit wird nicht gesondert behandelt, da sich hierbei — in umgekehrter Richtung — grundsätzlich dieselben Auswirkungen ergeben. 49 Vgl. Kühlhäuser überfüllt, i n : Frankfurter 4. 7.1962.
Allgemeine Zeitung v o m
1 0 4 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Die Lagerumschlagshäufigkeit verändert sich dann, wenn sich das Ausmaß der Umsatzveränderung und das Ausmaß der Lagerveränderung nicht entsprechen. Um den Einfluß der Veränderung sowohl der einen als auch der anderen Größe erkennen zu können, soll im folgenden immer eine der beiden Größen konstant gehalten werden. Eine Vergrößerung der Lagerumschlagshäufigkeit kann somit auf zweierlei Weise Zustandekommen: a) durch Vergrößerung des Umsatzes (zu Einstandspreisen) bei konstantem Lagerbestand, b) durch Verminderung des Lagerbestandes bei konstantem Umsatz (zu Einstandspreisen). Wie die folgenden Überlegungen zeigen werden, ist der Einfluß einer Veränderung der Lagerumschlagshäufigkeit auf Bruttoertrag sowie Handlungskosten und damit auf das Betriebsergebnis verschieden stark, je nachdem, auf welchem der beiden Wege die Veränderung zustande gekommen ist. I I . Der Zusammenhang zwisdien Lagerumsdilagshäufigkeit und Bruttogewinn
I m ersten Teil dieses Kapitels sollen die einzelnen Ursachen des Zusammenhangs zwischen Lagerumschlagshäufigkeit und Bruttogewinn und ihre Auswirkungen herausgearbeitet werden; im zweiten Teil wird dann anhand empirisch ermittelter Kennziffern aufzuzeigen versucht, wie stark der Einfluß der Lagerumschlagshäufigkeit auf den Bruttogewinn in der Praxis ist. 1. T h e o r e t i s c h e E r ö r t e r u n g d e s Z u s a m m e n h a n g s zwischen Umschlagshäufigkeit und B r u t t o g e w i n n Der Bruttogewinn ist abhängig von der umgesetzten Warenmenge sowie dem Kalkulationsaufschlag, der durch Erlösschmälerungen beeinflußt wird. Die Lagerumschlagshäufigkeit wirkt sowohl über die Warenmenge als auch über die Erlösschmälerungen auf die Höhe des Bruttogewinns ein. Erhöht sich die Lagerumschlagshäufigkeit eines Betriebes dadurch, daß der Umsatz bei konstantem Lager steigt, so nimmt — gleichbleibende Kalkulation vorausgesetzt — der Bruttogewinn zunächst allein deshalb zu, weil die abgesetzte Warenmenge steigt. Dieser Effekt ist nicht vorhanden, wenn die Erhöhung der Lagerumschlagshäufigkeit durch eine Lagerreduzierung erreicht wird 5 0 . Die hieraus resul50 Eine Erhöhung der Umschlagshäufigkeit durch Reduzierung des Lagerbestandes ist i n der Praxis n u r bis zu einer bestimmten Grenze möglich, w e i l zur Erzielung eines bestimmten Umsatzes ein gewisses Mindestsortiment u n d eine gewisse Mindestlagermenge j e A r t i k e l erforderlich ist. Eine Lagerreduzierung unter diesen Mindestbestand ist nicht möglich.
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis
105
tierenden unterschiedlichen Wirkungen auf den Bruttogewinn seien an dem folgenden Beispiel demonstriert 51, bei dem der Einfluß der Erlösschmälerungen zunächst außer acht gelassen wurde 52 . Situation I: Der Bruttogewinn je Einheit eingesetzter Waren (bg) sei 0,5, der Wareneinsatz (W) sei 200, die Lagerumschlagshäufigkeit 4. Der gesamte Bruttogewinn (BG) errechnet sich dann wie folgt: B G = bg · W B G = 0,5 · 200 B G = 100
Situation I I : Es gelingt, den Lagerumschlag von 4 auf 5 zu steigern, wobei der Wareneinsatz von 200 auf 250 steigt, während der durchschnittliche Lagerbestand gleich bleibt. Der Bruttogewinn beträgt dann: B G = 0,5 · 250 = 125
Das bedeutet eine Zunahme des Bruttogewinns gegenüber Situation I um 25 °/o. Situation I I I : Wird dieselbe Steigerung der Lagerumschlagshäufigkeit durch Verringerung des durchschnittlichen Lagerbestandes bei gleichbleibendem Wareneinsatz erzielt, so ergibt sich wie bei Situation I folgende Rechnung: B G = 0,5 · 200 = 100
Der Bruttogewinn ändert sich also nicht. Eine neuerdings vielfach verwendete Kennziffer, die den Einfluß der Lagerumschlagshäufigkeit auf den Bruttogewinn zeigen soll, ist die sogenannte „Meßziffer des Bruttoertrags", d. h. der zum durchschnittlichen Lagerbestand (zu Einstandswerten) in Beziehung gesetzte absolute Jahresbruttogewinn: Meßziffer des Bruttoertrags =
Jahresbruttogewinn i n D M Lagerbestand zum Einstandswert i n D M
Die „Meßziffer des Bruttoertrags", die sich rein rechnerisch auch Produkt aus Lagerumschlagshäufigkeit und Kalkulationsaufschlag gibt, antwortet auf die Frage: Was bringt pro Jahr eine D M ein, im Durchschnitt des Jahres im Warenlager investiert wurde 53 ? In
als erdie den
51 Vgl. Meyerhöf er, H.: Die finanzielle F ü h r u n g kleiner u n d mittlerer Textileinzelhandelsunternehmen, unveröffentlichte D i p l . - A r b e i t , München 1959, S. 59 f. 62 Die W i r k u n g der Umschlagshäufigkeitsveränderung auf die Erlösschmälerungen w i r d auf den Seiten 107 ff. dargestellt. 53 Mellerowicz nennt diese Meßziffer „Bruttonutzenziffer". Vgl. Mellerowicz, K . : Die Handelsspanne bei freien, gebundenen u n d empfohlenen Preisen. Freiburg i. Br. 1961, S. 37 ff.
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
106
USA hat dieser „Return on Investment" für die Kontrolle der Lagerwirtschaft in Handelsbetrieben schon seit langer Zeit große Bedeutung 54 . Rückschlüsse auf die Entwicklung des absoluten Bruttogewinns lassen sich anhand dieser Beziehungszahl allerdings nicht ziehen. Bei gleichbleibender Kalkulation wird zwar jede Erhöhung der Umschlagshäufigkeit zu einer Vergrößerung der „Bruttonutzenziffer" führen, doch wird der absolute Bruttogewinn nur dann entsprechend zunehmen, wenn die Umschlagserhöhung auf dem Wege einer Umsatzerhöhung (bei nicht reduziertem Lager) zustande gekommen ist. Das folgende Beispiel verdeutlicht das. Umsatz
Lagerbestand
(zu E i nstandspreiIsen)
Umschlagshäuflgkeit
Aufschlag i n Vo
Meßziffer des B r u t t o ertrags
Bruttogewinn in DM
Sp. 3
Sp. 4
Sp. 5 = S p . 3XSp. 4
Sp. 6 = S p . l X S p . 4:100
in D M Sp. 0 Ausgangssituation
Sp. 1
Sp. 2
100
25
4
50
200
50
a) b)
200 100
25 12,5
8 8
50 50
400 400
100 50
a)
200 100
25 12,5
8 8
25 25
200 200
50 25
Fall 1:
Fall 2:
b)
I m Falle la) wird die Erhöhung der Umschlagshäufigkeit von 4 auf 8 durch eine Verdoppelung des Umsatzes bei konstantem Lagerbestand erreicht. Bei unveränderter Kalkulation verdoppelt sich die Meßziffer des Bruttoertrags (von 200 auf 400) und der absolute Bruttogewinn (von 50 D M auf 100 DM). I m Falle lb) wird dagegen die Erhöhung der Umschlagshäufigkeit von 4 auf 8 durch eine Reduzierung des Lagerbestandes auf die Hälfte bei konstantem Umsatz erreicht. Bei unveränderter Kalkulation verdoppelt sich zwar ebenfalls die Meßziffer des Bruttoertrags von 200 auf 400, der absolute Bruttogewinn in D M bleibt jedoch unverändert (50 DM). 54 Vgl. Die Dillon-Studie, Untersuchung über Umsätze u n d Spannen amerikanischer Supermärkte. Übersetzung durch das I n s t i t u t f ü r Selbstbedienung, K ö l n 1960, S. 48 ff. — Witte, J. M.: K a m p f der unproduktiven Lagerinvestierung i n den USA, Textil-Wirtschaft v o m 11. 7.1963.
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis
107
Dieses Beispiel zeigt, daß zwischen Umschlagshäufigkeit bzw. Meßziffer des Bruttoertrags und absoluter Höhe des Bruttogewinns kein zwangsläufiger Zusammenhang besteht, wenn man vom Einfluß der Wertminderungen auf den Bruttogewinn absieht. Nur im Falle der Veränderung der Umschlagshäufigkeit durch Variation des Umsatzes tritt eine entsprechende Veränderung des Bruttogewinns ein. Allein für diesen Fall gilt die häufig vertretene Ansicht, daß beispielsweise bei einer Verdoppelung der Umschlagshäufigkeit der Kalkulationsaufschlag auf die Hälfte reduziert werden könnte, ohne daß der Bruttogewinn zurückgeht. Fall 2 unseres Beispiels verdeutlicht das. Hier wurde die Wirkung einer Reduzierung des Kalkulationsaufschlags um die Hälfte bei gleichzeitiger Verdoppelung der Umschlagshäufigkeit untersucht. I m Fall 2a) wird derselbe Bruttogewinn wie in der Ausgangssituation erzielt, da hier die Verdoppelung der Umschlagshäufigkeit durch Umsatzausweitung erreicht wird. I m Fall 2b) geht der Bruttogewinn auf die Hälfte zurück, da hier die Umschlagshäufigkeitserhöhung von 4 auf 8 durch eine Lagerreduzierung bewirkt wird. I n beiden Fällen (2a und 2b) sind Umschlagshäufigkeit und Meßziffer des Bruttoertrags gleich groß. Der Bruttoertrag wird durch eine Änderung der Umschlagshäufigkeit nicht nur deshalb beeinflußt, weil sich der Mengenabsatz ändert, sondern auch deshalb, weil die Erlösschmälerungen mit zunehmender Umschlagshäufigkeit bzw. mit abnehmender Lagerdauer in der Regel geringer werden 65 . Die meisten Warenrisiken, die sich in Form von Erlösschmälerungen auswirken, sind nämlich zeitabhängig. Besonderes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang dem Moderisiko zu, das für die Bekleidungsbranchen des Handels typisch ist. Es ist in den letzten Jahren ständig gewachsen, da sich der Rhythmus des Modewandels merklich beschleunigt hat. Es hat zudem auf eine ganze Reihe anderer Fachzweige übergegriffen, beispielsweise auf Möbel und andere Einrichtungsgegenstände, Lederwaren usw. Das Moderisiko ist nicht auf den Lagerbestand im engeren Sinne, also auf die in den Lagerräumen liegende Ware, beschränkt; es erstreckt sich darüber hinaus auch auf den Wert der schon bestellten, aber noch nicht gelieferten Ware. Mit dem Risiko des Verderbs ist besonders der Lebensmittelhandel, insbesondere bei Frischobst, Südfrüchten und Frischgemüse, belastet. 65 Strenggenommen sind die Erlösschmälerungen Kosten (soweit sie v o r hersehbar sind u n d deshalb k a l k u l i e r t werden können) bzw. außerordentlicher A u f w a n d (soweit sie nicht k a l k u l i e r t wurden). I n der buchhalterischen Praxis des Handels werden sie jedoch i n der Regel nicht als Kosten bzw. A u f w a n d behandelt; sie beeinflussen vielmehr den auf dem Waren verkauf skonto bzw. i n der G e w i n n - u n d Verlust-Rechnung ausgewiesenen B r u t t o gewinn unmittelbar.
1 0 8 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Durch die modernen Verfahren der Lebensmittelkonservierung (Kühlsysteme usw.) sind die Verderbgefahren und damit die hierdurch eingetretenen Erlösschmälerungen in den letzten Jahren ständig zurückgegangen. Unterschiedliche Bedeutimg hat das Diebstahl-Risiko. Es ist beispielsweise in Selbstbedienungsläden wesentlich größer als in Bedienungsläden, in Warenhäusern erheblich höher als in Fachgeschäften. Durch entsprechende Kontrollsysteme kann es auf ein Minimum reduziert werden. Je länger sich eine Ware im Betrieb befindet, desto größer ist die Gefahr der modischen Entwertung, des Schwunds usw. Je höher die Umschlagshäufigkeit, desto geringer ist dagegen die Gefahr von Erlösschmälerungen. Das gilt — gleichbleibende Alterszusammensetzung des Sortiments unterstellt — in der Regel unabhängig davon, ob die Veränderung der Umschlagshäufigkeit durch Umsatzerhöhung oder durch Lagerreduzierung zustande gekommen ist. Wird allerdings die Umsatzerhöhung durch preispolitische Maßnahmen (starke Preisherabzeichnungen) erreicht, so kann sich das vorübergehend bruttogewinnschmälernd auswirken. Wird die Umsatzerhöhimg dagegen durch erhöhten Einsatz von Werbemitteln erreicht, so bleiben die Erlösschmälerungen — bezogen auf eine Umsatzeinheit — unverändert; die höheren Werbekosten schmälern jedoch den Reingewinn. Ein eindrucksvolles Beispiel für den engen Zusammenhang zwischen Lagerumschlagshäufigkeit und Preisherabsetzungen findet sich bei
Alley :
Periode
Lagerumschlagshäufigkeit
Vo-Satz der Warenabschreibungen
1. Jahr
11,6
17,07
2. Jahr
14,6
13,16
3. Jahr
22,6
9,71
Quelle: Alley, V. R.: Stock Turnover, „Buyer's Manual", New York 1949, zitiert nach: Villiger, R.: Der Lagerumschlag — ein Produktivitätsfaktor i m Einzelhandel, Bern 1962, S. 16.
Eine Verdoppelung des Lagerumschlages führt hier also zu einer Reduzierung der Abschreibungen um knapp 50 °/o. Anhand der Zahlen von Kaufhaus-Testbetrieben zeigt Schreiterer, wie mit steigender Umschlagshäufigkeit (in den Jahren 1950 bis 1954) die Preis- und Inventurdifferenzen zurückgehen, dagegen mit sinkender Umschlagshäufigkeit (im Jahre 1955) wieder steigen56.
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis Tabelle
109
30
Lagerumschlagshäufigkeit, Preisminderungen und Inventur-Differenzen in westdeutschen Kaufhäusern
1950
1951
1952
1953
1954
1955
Umschlagshäufigkeit
5,09
5,06
7,84
8,18
8,59
7,81
Preisminderungen i n °/o v o m Umsatz
4,54
1,25
1,06
0,81
0,49
0,69
Inventurdifferenzen i n °/o v o m Umsatz
0,44
0,04
0,33
0,03
0,12
0,30
Quelle: Schreiterer, G.: Lagerumschlag als Gewinnquelle i m Handel, Die Absatzwirtschaft, Heft 3/1958, S. 22 ff.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Bruttogewinn durch eine Erhöhung der Lagerumschlagshäufigkeit, die durch Ausweitung des Wareneinsatzes zustande gekommen ist, in stärkerem Maße positiv beeinfiußt wird als durch eine Erhöhung der Umschlagshäufigkeit, die auf eine Lagerreduzierung zurückzuführen ist. I m ersten Fall erhöhen sich sowohl die eingesetzte Warenmenge als auch der erzielte Bruttogewinn pro Stück, im zweiten Fall erhöht sich — infolge geringerer Wertminderungen — lediglich der Bruttogewinn pro Stück 57 . 2. D e r E i n f l u ß d e r U m s c h l a g s h ä u f i g k e i t auf den B r u t t o g e w i n n in der P r a x i s Bei den folgenden empirisch ermittelten „Kennziffern des Bruttoertrags" konnte nicht danach unterschieden werden, in welchem Maße die Veränderungen der Lagerumschlagshäufigkeit durch eine Veränderung der Umsätze bzw. durch eine Veränderung der Lagerbestände erfolgten. Sie sind ein Durchschnitt aus einer Vielzahl unterschiedlichster Entwicklungen, wie sie für die wirtschaftliche Realität kennzeichnend sind. Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Lagerumschlagshäufigkeit und Bruttoertrag des im Warenlager investierten Kapitals für den westdeutschen Einzelhandel in den Jahren nach der Währungsreform ergibt folgendes Bild: 66 Schreiterer, G.: Lagerumschlag als Gewinnquelle i m Handel, i n : Die Absatzwirtschaft, Heft 3/1958, S.22ff. 67 Bei dieser A r t der Umschlagshäufigkeits-Erhöhung k a n n allerdings auch eine negative W i r k u n g auf den B r u t t o g e w i n n ausgehen; dann nämlich, w e n n die Lagerreduzierung so erreicht w i r d , daß häufiger, dafür i n kleineren Partien, bestellt w i r d . Vielfach werden sich dadurch die Einstandspreise erhöhen, w e i l geringere Mengenrabatte erzielt werden. (Das g i l t allerdings nicht, w e n n die Mengenrabattstaffel a m Jahresumsatz ausgerichtet ist). K ö n nen diese erhöhten Einstandspreise nicht i n den Verkaufspreisen w e i t e r gegeben werden, vermindert sich der B r u t t o g e w i n n entsprechend.
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
110
Tabelle
31
Bruttogewinn, Lagerumschlagshäufigkeit und Ertrag des im Warenlager investierten Kapitals im Durchschnitt des westdeutschen Einzelhandels in den Jahren 1950 bis 1963
Jahr
Bruttogewinn i n °/o des Umsatzes ( = Handelsspanne)
Lagerumschlagshäufigkeit
B r u t t o g e w i n n je i m Warenlager investierter D M in D M ( = Bruttonutzenziffer)·
1950
20,7
7,7
2,01
1951
21,1
6,7
1,79
1952
21,7
6,2
1,72
1953
22,7
6,2
1,82
1954
23,2
6,1
1,84
1955
24,0
5,5
1,74 1,77
1956
24,3
5,5
1957
24,8
5,2
1,72
1958
25,2
5,1
1,72
1959
26,0
5,1
1,79
1960
26,4
5,0
1,80
1961
26,5
5,0
1,81
1962
26,9
4,8
1,77
1963
27,1
4,6
1,71
» Produkt aus Lagerumschlagshäuflgkeit 100
und Kalkulationsaufschlag
(Kalkulations-
aufschlag = (ïoô — Handelsspanne) ' Handelsspanne). Quelle: Betriebsvergleichsergebnisse des Instituts für Handelsforschung, Köln, und Berechnungen des Verfassers.
Aus dieser Tabelle geht der Einfluß der Lagerumschlagshäufigkeit auf den Bruttoertrag pro im Lager gebundener Wareneinheit deutlich hervor. Es zeigt sich, daß beispielsweise im Jahre 1963 zur Erzielung desselben Bruttoertrags mehr Kapital für Lager-Investitionen eingesetzt werden mußte als 1950. I m Jahre 1950, in dem von allen 14 untersuchten Jahren die Handelsspanne am geringsten, die Lagerumschlagshäufigkeit aber am höchsten war, wurde mit 2,01 D M der höchste Bruttoertrag je im Warenlager investierter D M erzielt. Obwohl die Handelsspanne von Jahr zu Jahr größer geworden ist und bis 1963 auf 27 °/o stieg, hat der Bruttoertrag je D M Lagerkapital nicht zu-, sondern tendenziell eher etwas abgenommen, weil sich die Lagerumschlagshäufigkeit kontinuierlich verringert hat. I m Jahre 1963 wurde
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis
111
nur ein Bruttoertrag von 1,71 D M je im Warenlager investierter D M erzielt. Der Rückgang der Umschlagshäufigkeit in den Jahren nach der Währungsreform hat also auf den Bruttoertrag stärker eingewirkt als die gleichzeitige Erhöhung der Handelsspanne. Auch im amerikanischen Einzelhandel hat sich der Bruttoertrag pro Dollar Warenbestand in den vergangenen Jahren ständig verringert. Mit 1,86 Dollar erreichte er 1960 einen neuen Tiefstand, nachdem er 1950 noch 2,34 Dollar und 1945 sogar 3,08 Dollar betragen hatte 58 . I m westdeutschen Großhandel hat sich der Bruttoertrag je D M Lagerkapital zwischen 19575® und 1963 ebenfalls ständig verringert, und zwar von 2,05 D M auf 1,71 DM. Hier liegt die Ursache jedoch — zumindest bis 1960 — nicht wie im Einzelhandel in der Verringerung der Lagerumschlagshäufigkeit, sondern in der Entwicklung der Handelsspanne, die bis 1960 ständig kleiner geworden ist. Die Erhöhung der Lagerumschlagshäufigkeit um jährlich 0,1 °/o konnte diesen Spannenrückgang nicht ausgleichen. Seit 1961 stieg die Handelsspanne dann bei gleichzeitigem Rückgang der Lagerumschlagshäufigkeit etwas an; der rückläufige Trend der Bruttoerträge je eingesetzter D M Lagerkapital konnte damit aber nicht aufgehalten werden. Tabelle
32
Bruttogewinn, Lagerumschlagshäufigkeit und Ertrag des im Warenlager investierten Kapitals im Durchschnitt des westdeutschen Großhandels in den Jahren 1957 bis 1963
Jahr
a
Bruttogewinn i n Va des Umsatzes ( = Handelsspanne)
Lagerumschlagshäufigkeit
Bruttogewinn je i m Warenlager investierter D M in D M ( = Bruttonutzenziffer) a
1957
15,1
11,5
2,05
1958
14,8
11,6
2,02
1959
14,2
11,7
1,94
1960
13,3
11,8
1,81
1961
13,5
11,3
1,73
1962
13,3
11,3
1,73
1963
13,6
10,9
1,71
Produkt aus Lagerumschlagshäufigkeit
und Kalkulationsaufschlag
(Kalkulations-
aufschlag s= —— —:—— . Handelsspanne). (100 — Handelsspanne) Quelle: Berechnungen nach Unterlagen des Statistischen Bundesamtes. 68 Vgl. Unproduktives Lagerkapital. I n : Die R G H teilt m i t . . . , Nr. 1/1962, Seite 37. 59 Daten aus früheren Jahren liegen nicht vor.
1 1 2 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Die folgenden Zahlen, die aus der Betriebsanalyse eines Textilkaufhauses stammen, zeigen, daß sich bei der Ermittlung des Bruttoertrags je D M Lagerkapital für die einzelnen Artikelgruppen des Sortiments aufschlußreiche Unterschiede ergeben können, die vorwiegend auf die verschiedenen Lagerumschlagshäufigkeiten der einzelnen Warengruppen zurückzuführen sind. Tabelle
33
Der Einfluß der Lagerumschlagshäufigkeit auf den Bruttoertrag am Beispiel eines Textilkaufhauses
Lfd. Nr.
Warengruppe
BruttogeLagerw i n n i n °/o umschlagsdes U m häufigkeit satzes
Bruttogew i n n je i m Warenlager investierter D M in D M
1
Damenkonfektion
36,9
8,8
2
Kittelschürzen
36,2
8,7
3,15
3
Strümpfe
37,8
7,3
2,76
4
Miederwaren
42,5
5,9
2,51
5
Damentrikotagen
37,4
6,7
2,50
6
Modewaren
44,9
5,2
2,34
7
Handschuhe
34,9
6,6
2,30
8
Kinderkonfektion
34,8
6,0
2,09
3,25
Strickwaren
36,4
5,5
2,00
10
Herrentrikotagen
32,1
6,2
1,99
11
Kurzwaren
38,7
4,9
1,90 1,69
9
12
Herrenartikel
36,7
4,6
13
Herrenkonfektion
39,0
4,2
1,64
14
Gardinen
34,5
4,7
1,62
15
Kleiderstoffe
29,2
5,4
1,58
16
Damenwäsche
39,1
4,0
1,56
17
Babyartikel
33,7
4,3
1,45
18
Baumwollwaren
35,1
3,9
1,37
19
Handarbeiten
30,3
3,8
1,15
20
Insgesamt
36,2
5,6
2,03
Quelle: Textile Tendenzen, Korrespondenz der Paul-Spindler-Werke KG, Nr. 71 vom 20. 3.1961.
I n der „Dillon-Studie" findet sich für den Zusammenhang zwischen Lagerumschlag, Bruttogewinn und Ertrag des im Warenlager investierten Kapitals folgendes Beispiel:
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis Tabelle
113
34
Lagerumschlagshäufigkeit, Bruttospanne und Ertrag des im Warenlager investierten Kapitals in den 6 Abteilungen des „typischen" Dillon-Supermarktes Bruttogewinn in des Umsatzes
Ertrag je $ eingesetzten Warenbestand in $
185,2
19,8
45,76
79,0
29,4
32,95
Fleisch
76,0
26,0
26,71
Milchprodukte
45,0
14,5
7,66
Tiefkühlwaren
36,1
26,0
12,70
Kolonialwaren einschließlich Nicht-Lebensmittel . .
16,5
19,8
4,16
Gesamtdurchschnitt
27,3
21,8
Abteilung
Backwaren Obst u n d Gemüse
Lagerumschlagshäufigkeit
7,58
Quelle: Die Dillon-Studie, Untersuchung über Umsätze und Spannen amerikanischer Supermärkte. Übersetzung des Instituts für Selbstbedienung, Köln I960, S. 49.
Wie die in Tab. 33 dargestellten Daten beweisen auch diese Zahlen, daß eine Artikelgruppe mit niedriger Bruttospanne, aber hoher Lagerumschlagshäufigkeit — auf den eingesetzten Warenbestand bezogen — einen höheren Bruttoertrag erwirtschaften kann als eine Artikelgruppe mit hoher Spanne, aber geringer Umschlagshäufigkeit. So ist die Kapital-Bruttorentabilität bei den Frischwaren dank hoher Umschlagshäufigkeit um ein Vielfaches höher als bei den Kolonialwaren. Auf die Höhe des absoluten Bruttoertrags, den die einzelnen Artikelgruppen zum Gesamtergebnis beisteuern, lassen sich hieraus jedoch noch keine Schlüsse ziehen, da nicht bekannt ist, in welchem Umfang die einzelnen Artikelgruppen am Gesamtumsatz des Unternehmens beteiligt sind. I n der Praxis ist es häufig so, daß gerade Artikelgruppen mit einem hohen „Return on Investment" am Gesamtumsatz der Handelsbetriebe nur in geringem Umfang beteiligt sind, folglich nur einen niedrigen absoluten Bruttoertrag erzielen. Andererseits ist der Bruttoertrag auf das eingesetzte Lagerkapital bei den sog. Hauptumsatzträgern oft relativ niedrig; dennoch tragen gerade diese Artikelgruppen am stärksten zum absoluten Bruttogewinn bei. Zwei neuere empirische Untersuchungen im westdeutschen bzw. amerikanischen Lebensmittelhandel haben gezeigt, daß als Unterlage für betriebspolitische Maßnahmen zur Gestaltung eines optimalen Sortiments deshalb vor allem die Bruttogewinnanteile der einzelnen Warengruppen heranzuziehen 8 Lau m er
114
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
sind 60 . Der Bruttoertrag je eingesetzte Einheit Warenbestand als alleinige Maßgröße kann zu falschen Entscheidungen führen. Der Feststellung von Mellerowicz („Die Bruttonutzenzahl ist die beste Grundlage zur Gestaltung eines optimalen Sortiments" 61) ist deshalb nur mit Vorbehalt zuzustimmen. III. Der Zusammenhang zwischen Lagerumschlagshäufigkeit und Handlungskosten Die für das Unternehmen letzten Endes entscheidende Größe ist nicht der Bruttoertrag, sondern der erzielte Reingewinn bzw. -verlust. Dieser ist nicht nur von der Höhe des Bruttoertrags, sondern in gleicher Weise von den anfallenden Handlungskosten abhängig. So kann beispielsweise eine Erhöhimg der Lagerumschlagshäufigkeit durchaus zu einer Erhöhung des Bruttoertrags führen, gleichzeitig aber so hohe Kosten verursachen, daß der Nettoertrag vermindert wird. Wie im vorhergehenden Abschnitt sollen zuerst die einzelnen Ursachen und Wirkungen des Zusammenhangs zwischen Lagerumschlagshäufigkeit und Handlungskosten theoretisch herausgearbeitet und anschließend anhand empirischer Daten das Ausmaß des Einflusses in der Praxis aufgezeigt werden. 1. T h e o r e t i s c h e E r ö r t e r u n g d e s Z u s a m m e n h a n g s zwischen Umschlagshäufigkeit und Handlungskosten Auch für die Klärung der Frage, in welcher Weise sich eine Erhöhung der Lagerumschlagshäufigkeit auf die Handlungskosten auswirkt, ist es wiederum zweckmäßig, danach zu unterscheiden, auf welche Weise die Erhöhung der Umschlagshäufigkeit zustande kommt. Wird die Zunahme der Umschlagshäufigkeit durch eine Ausweitung des Umsatzes (bei konstantem Lagerbestand) erzielt, so tritt — bei gegebener Kapazität — pro Umsatzeinheit eine Degression sämtlicher fixen Kosten ein, die im Handelsbetrieb eine relativ große Bedeutung haben; nach Schätzungen von Schreiterer machen sie etwa 65 °/o der gesamten Handlungs60 Vgl. insbes., Die Hoffmann-Studie, Sortimentsanalyse i n zehn Verkaufsstellen eines Berliner Lebensmittel-Filialbetriebes. Forschungsstelle für den Handel e.V., B e r l i n 1963. — Hoffmann, F.: A u s w i r k u n g e n der HoffmannStudie, Selbstbedienung u n d Supermarkt, Nr. 4/1964, S. 18 ff. — Die Colonial-Studie — Porträt des modernen Supermarktes — Auszüge aus einer amerikanischen Untersuchung. Selbstbedienung u n d Supermarkt, Nr. 5/1964, S. 8 ff. 61 Mellerowicz, K . : Gesetz der Umsatzzahl als M i t t e l rationaler Sortimentsgestaltung, i n : Industriekurier v o m 23.5.1964.
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis
115
kosten aus82. Nieschlag beschreibt die Degression der fixen Kosten folgendermaßen: „ . . . der Anteil der Kosten an der umgesetzten Wareneinheit verliert an Bedeutung, je mehr Wareneinheiten in den Betrieb eintreten und ihn wieder verlassen. Die Erhöhung der Durchlaufgeschwindigkeit oder die Verminderung der Verweildauer muß daher angestrebt werden, . . . um die Wareneinheiten, die den Betrieb verlassen, nur mit einem Minimum an Kosten belasten zu müssen6*." Letzteres ist allerdings — darauf sei mit Betonung hingewiesen — auf den Fall abgestellt, daß die Erhöhung der Durchlaufgeschwindigkeit durch eine Umsatzerhöhung erreicht wird. Liegt die Ursache der Erhöhung der Umschlagshäufigkeit in einer Lagerreduzierung, werden hiervon die fixen Handlungskosten nicht berührt, zumindest so lange nicht, wie die Lagerkapazität (Raum und Personal) nicht entsprechend abgebaut werden kann. Es ist hier anzumerken, daß die Fixkostendegression durch Umsatzausweitung nur bis zu einer gewissen Grenze zu einer Reduzierung der Stückkosten führt, da der räumlich begrenzte Absatzmarkt, dem sich vor allem der Einzelhandelsbetrieb konfrontiert sieht, einer Umsatzausweitung in der Regel einen wachsenden Widerstand entgegensetzt, der sich in überproportional steigenden variablen Kosten — in der Hauptsache Werbekosten — äußert und schließlich die Degression der Kosten pro Umsatzeinheit in eine Progression verwandeln kann®4. Erhöht sich die Lagerumschlagshäufigkeit infolge einer Lagerreduzierung (bei gleichbleibendem Umsatz) und nicht infolge einer Umsatzausweitung, so tritt eine Kapitalfreisetzung ein 65 . Werden nun die freigesetzten Mittel zur Rückzahlung von Krediten verwendet, verringern sich die eigentlichen Warenkosten (Zinskosten)®6. Dieser positive Effekt auf das Betriebsergebnis ist um so größer, je höher der Zinssatz für die in Anspruch genommenen Kredite ist. Wesentliche Kosteneinsparungen lassen sich vor allem dann erzielen, wenn mit dem freigesetzten Kapital eventuell bisher in Anspruch genommene Lieferantenkredite abgelöst werden®7. Die freigesetzten Mittel können aber auch zur Finanzierung von Anlageinvestitionen verwendet werden, die 62 Schreiterer, G.: Lagerumschlag als Gewinnquelle i m Handel, i n : D i e Absatzwirtschaft, Heft 3/1958, S. 22 ff. 63 Nieschlag, R.: Kostenrechnung u n d K a l k u l a t i o n i n Lebensmittel-Selbstbedienungsläden, i n : Selbstbedienung u n d Supermarkt, Nr. 6/1963, S. 22 ff. 64 Meyerhöf er, W.: Die Beeinflussungsfaktoren der Lagerumschlagshäufigkeit i m Textileinzelhandel, unveröffentl. Dipl.-Arbeit, München 1959, S. 63 f. 66 Vgl. hierzu insbesondere: Mc Kinsey General Foods Study. Die w i r t schaftliche Leistung des US-Lebensmittelhandels. Veröffentlicht v o n General Foods Corporation, Oktober 1963, S. 54 ff. ββ Falls m i t Eingenkapital gearbeitet w i r d , können die freigesetzten M i t t e l außerhalb des Unternehmens zinsbringend angelegt werden. 87 Vgl. hierzu S. 134 ff.
1 1 6 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung bisher mangels sonstiger Finanzierungsmöglichkeiten nicht durchgeführt werden konnten. Gerade im klein- und mittelbetrieblichen Handel müssen häufig dringend erforderliche Investitionen zurückgestellt werden, weil das hierfür benötigte Kapital nicht beschafft werden kann (fehlende dingliche Sicherheiten). Für diese Unternehmungen kommt der Kapitalfreisetzung durch Erhöhung der Lagerumschlagshäufigkeit ganz besondere Bedeutung zu. 2. E i n f l u ß d e r U m s c h l a g s h ä u f i g k e i t auf die H a n d l u n g s k o s t e n in der P r a x i s I n welchem Maße bei steigender Umschlagshäufigkeit der Anteil der Kosten am Umsatz sinkt bzw. bei sinkender Umschlagshäufigkeit steigt, zeigen für den Einzelhandel Betriebsvergleichsergebnisse des Instituts für Handelsforschung, Köln. Tabelle
35
Die Abhängigkeit der Handlungskosten von der Umschlagshäufigkeit bei westdeutschen Einzelhandelsbetrieben im Jahre 1951 Handlungskosten i n des Umsatzes bei Betrieben m i t Branche
niedriger
mittlerer
hoher
Umschlagshäufigkeit Lebensmitteleinzelhandel
18,3
16,9
15,8
Drogerien
29,5
27,0
26,5
Tabakwareneinzelhandel
14,9
14,6
14,3
Textileinzelhandel
23,3
21,0
20,7
Schuheinzelhandel
21,3
19,7
18,6
Möbeleinzelhandel
23,4
22,7
22,0
Glas-, Porzellan- u n d K e r a m i k einzelhandel
29,9
27,4
26,2
Eisenwaren- u n d Hausrathandel . .
23,5
22,0
18,8
Papier-, Bürobedarf- u n d Schreibwareneinzelhandel
27,7
25,2
24,1
Quelle: Poenseler, K.-E.: Die Lagergröße i m Einzelhandel, Diss. Köln, S. 117.
Für amerikanische Warenhäuser hat das Harvard Bureau of Business Research in einer Untersuchung, die sich auf das Jahr 1928 bezieht, ebenfalls empirisch festgestellt, daß mit steigender Lagerumschlagshäufigkeit der Anteil der Handlungskosten am Umsatz zurückgeht 08:
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis Tabelle
117
36
Die Abhängigkeit der Handlungskosten amerikanischer Warenhäuser von der Umschlagshäufigkeit im Jahre 1928 Warenhäuser m i t einem Lagerumschlag v o n
Kosten i n Vo des Umsatzes
unter 3
3 bis 3,9
4 u n d mehr
32,6
31,8
31,2
Quelle: Pasdermadjian, H.: Das Warenhaus, Köln und Opladen 1954, S. 91.
Pasdermadjian, der die Untersuchung der Harvard Bureau of Business Research kommentiert, stellt fest, daß es vor allem die Kostenarten „Zinsen" und „Gehälter" und die Kosten der Kostenstellen „Verwaltung und Allgemeines" sowie „Verkauf" sind, die sich infolge eines schnellen Lagerumschlags — auf den Umsatz bezogen — vermindern 60 . Die wohl aktuellste empirische Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Lagerumschlagshäufigkeit und Handlungskosten stellt die Sonderauswertung des Jahresbetriebsvergleichs der westdeutschen Selbstbedienungs-Filialen für das Jahr 1961 dar. Tabelle
37
Handlungskosten in '/o vom Umsatz der SB-Filialen gegliedert nach der Lagerumschlagshäuflgkeit im Jahre 1961 SB-Filialen m i t einem Lagerumschlag von . . . bis
Personalkosten
Miete bzw. Mietwert
Sonstige Raumkosten
Sonstige Kosten
Summe der Kosten
—15,0
7,5
2,0
1,3
0,3
15,1—20,0
6,2
1,3
0,9
0,2
11,1 8,6 8,0
20,1—22,5
5,9
1,1
0,7
0,3
22,6—25,0
5,8
0,7
0,2
7,8
25,1—27,5
5,7
1,1 1,0
0,7
0,2
7,6
27,6—30,0
5,6
1,0
0,6
0,3
7,5
30,1—40,0
5,2
0,9
0,6
0,3
7,0
40,1—50,0
4,8
0,9
0,5
0,2
6,4
50,1 u n d mehr
4,2
0,7
0,5
0,2
5,6
Gesamtdurchschnitt
5,7
1,1
0,7
0,2
7,7
Quelle: Hohe Leistungen durch hohen Lagerumschlag, in: Selbstbedienung und Supermarkt, Heit 1/1963, S. 5 if. 88 „Operating Expenses of Department Stores and Departmentized Speziality Stores i n 1928", zitiert nach Pasdermadjian, Η . : Das Warenhaus, K ö l n u n d Opladen 1954, S. 91. ββ Pasdermadjian, H., a. a. O., S. 92.
1 1 8 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Bei den Betrieben mit einer Lagerumschlagshäufigkeit von mehr als 50 ist der Anteil der Kosten am Umsatz nur halb so groß wie bei den Betrieben, die ihre Lagerbestände bis zu höchstens 15mal jährlich umschlagen. Die Personalkosten sinken mit wachsendem Lagerumschlag in den Extremgruppen von 7,5 % auf 4,2 °/o, die Miete von 2,0 °/o auf 0,7 %> und die sonstigen Raumkosten wie Strom, Gas, Wasser usw. von 1,3 °/o auf 0,5 °/o vom Umsatz. Bei den Raumkosten wird der positive Einfluß einer Steigerung des Lagerumschlags durch Umsatzerhöhung auf die Kostenentwicklung besonders deutlich sichtbar.
I V . Der Zusammenhang zwischen Lagerumsdilagshäufigkeit und Reingewinn
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß bei steigender Lagerumschlagshäufigkeit in der Regel der Bruttogewinn größer und die Handlungskosten kleiner werden. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine Zunahme des Reingewinns bzw. eine Verbesserung der Rentabilität. Dabei wird — wie sich aus unseren Betrachtungen ableiten ließ — die positive Wirkung der Steigerung der Lagerumschlagshäufigkeit auf den Reingewinn bzw. auf die Rentabilität größer sein, wenn sie auf eine Umsatzausweitung als wenn sie auf eine Lagerreduzierung zurückzuführen ist. Bei der gegenwärtigen Wettbewerbslage im Handel dürfte allerdings der Umsatzerhöhung als Beeinflussungsfaktor der Rentabilität geringere praktische Bedeutung beizumessen sein als der Lagerreduzierung. Eine expansive Umsatzpolitik ist heute vielfach mit überproportionalem Faktoreinsatz, also verhältnismäßig hohen Kosten sowie Spannenkürzungen verbunden. Die innerbetriebliche Rationalisierung des Lagerwesens (Abbau der Bestände) steht deshalb in der Praxis im Vordergrund. Der positive Einfluß auf den Reingewinn ist hier auf die geringeren Warenkosten (Zinskosten) sowie auf die geringeren Erlösschmälerungen zurückzuführen. Sehr deutlich zeigt sich der positive Einfluß einer Erhöhung der Lagerumschlagshäufigkeit auf das Betriebsergebnis in der schon angeführten — leider sehr weit zurückliegenden — Untersuchung des Harvard Bureau of Business Research. Der höchste Reingewinn wird von den Betrieben mit der höchsten Lagerumschlagshäufigkeit, der niedrigste Reingewinn von den Betrieben mit der niedrigsten Lagerumschlagshäufigkeit erzielt.
Β. Der Einfluß der Lagergröße auf das Betriebsergebnis
119
Tabelle 38 Lagerumsdilagshäufigkeit und Reingewinn in amerikanischen Warenhäusern im Jahre 1928 Warenhäuser m i t einem Lagerumschlag v o n unter 3
3 bis 3,9
4 u n d mehr
Durchschnittlicher Lagerumschlag . .
2,7
3,4
4.8
Reingewinn i n '% des Umsatzes
0,7
0,8
2,4
Quelle: Pasdermadjian, H.: Das Warenhaus, Köln und Opladen 1954, S. 92.
Die folgenden aktuellen Zahlen aus der Betriebsstatistik eines TextilEinzelhandelsbetriebs mit einem Jahresumsatz von 200 000 D M lassen ebenfalls den engen Zusammenhang zwischen Umschlagshäufigkeit und Betriebsergebnis erkennen. Tabelle
39
Umsdilagshäufigkeit, Kosten und Betriebsergebnis eines Textileinzelhandelsbetriebs gegliedert nach Artikelgruppen
Lfd. Nr.
Artikelgruppe
Umsatzanteil
LagerUmanteil schlagshäufigkeit i n °/o
NettoBruttogewinn Kosten gewinn bzw. in DM in DM -verlust in D M
1
Herrenmode
6
15
1,2
2 000
3 000
— 1000
2
Wäsche
25
18
4,1
12 000
8 000
+ 4 000
3
Strumpfwaren
13
10
3,7
7 500
3 000
+ 4 500
4
Babyartikel
2 500
— 1000
5
3
9
1,0
1500
Bettwäsche usw.
30
23
4,0
17 000
8 500
+ 8 500
6
Kurzwaren
15
10
4,5
10 000
6 000
+ 4 000
7
Heimtextilien
8
15
1,6
4 000
6 000
— 2 000
8
Gesamtsortiment
100
100
3,0
54 000
37 000
+ 17 000
Quelle: Statistik macht das Geschehen durchsichtig, in: Textil-Zeitung vom 3. 6.1964.
Die Warengruppen Herrenmode, Babyartikel und Heimtextilien sind am Gesamtumsatz des Betriebs nur geringfügig beteiligt; ihr Anteil an den gesamten Warenbeständen dagegen ist relativ hoch. Mit 1,2 bzw. 1,0 bzw. 1,6 ist die Lagerumschlagshäufigkeit dieser Artikelgruppen
1 2 0 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung weit geringer als im Durchschnitt des Sortiments. Die Kosten dieser drei Gruppen sind daher verhältnismäßig hoch; in allen Fällen übersteigen sie sogar den Bruttogewinn, vermindern also den Reingewinn des Betriebs, der durch die Artikelgruppen mit den höheren Umschlagshäufigkeiten erzielt wird. Auch Poenseler kommt anhand der Betriebsvergleichsergebnisse des Instituts für Handelsforschung, Köln, zu dem Ergebnis, „daß sich mit höherer Umschlagsgeschwindigkeit auch eine höhere Rentabilität ergibt" 70 .
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik Unsere Überlegungen im letzten Kapitel haben gezeigt, daß die Lagergröße in starkem Maße das Betriebsergebnis beeinflußt. Die Entscheidungen und Maßnahmen, die von den Unternehmern in Groß- und Einzelhandel auf dem Gebiet der Lagerhaltung getroffen werden, gehören somit zu den betriebspolitisch wichtigsten. Betriebliche Lagerpolitik umfaßt sowohl den ökonomisch-dispositiven als auch den technisch-organisatorischen Bereich. Während die ökonomisch-dispositive Seite vor allem das Problem der Bestimmung des jeweils zweckmäßigsten (optimalen) Umfangs der Lagerhaltung sowie die Finanzierung der Warenbestände betrifft, umfaßt die technischorganisatorische Seite u. a. die Lagerordnung, die bauliche Gestaltung und Einrichtung der Lagerräume sowie sämtliche Vorgänge der Behandlung der Waren während ihres Aufenthalts im Betrieb (Annahme, Aufbewahrung und Ausgabe sowie Pflege und Manipulation) 71 . I. Die Grundlagen
Ehe die verschiedenen Teilgebiete der betrieblichen Lagerpolitik einer näheren Untersuchung unterzogen werden, ist es erforderlich, einige Betrachtungen darüber anzustellen, wie die Lagerpolitik in das gesamte Betriebsgeschehen einzuordnen ist. Lagerpolitik kann nicht isoliert betrieben werden; sie muß sich an den vom Unternehmer gesteckten betriebspolitischen Zielen orientieren und ist eng an andere betriebliche Tätigkeitsbereiche gekoppelt. 70
Poenseler, K.-E.: Die Lagergröße i m Einzelhandel, Diss. K ö l n 1956, Seite 129. 71 Buddeberg hat hierfür den Begriff „Warenprozesse" geprägt. Vgl. Buddeberg, H.: Betriebslehre des Binnenhandels, Wiesbaden 1959, S. 66 ff.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
121
1. A b h ä n g i g k e i t v o n d e r unternehmenspolitischen Zielsetzung Lagerpolitik ist ein Teilkomplex der Betriebspolitik, deren Inhalt sich wie folgt umreißen läßt 72 : Entscheidung über die Grundrichtung, das Ziel bzw. den Lebenszweck des Betriebes 73, Entscheidung, welche Mittel diesem Ziel dienen und Veranlassung aller Maßnahmen, die zur Erreichung des gesteckten Zieles beitragen, sowie Ausrichtung sämtlicher betrieblicher Funktionen (Einkauf, Lagerung, Finanzierung, Werbung usw.) auf das gesteckte Unternehmensziel. Die Lagerpolitik muß sich organisch in die gesamtbetriebliche Konzeption einordnen. Je nach dem Ziel, das sich der Unternehmer für seinen Betrieb gesteckt hat, können auch die Aufgaben variieren, die die Lagerpolitik zu bewältigen hat, können sich die Methoden unterscheiden, die im Bereich der Lagerhaltung angewandt werden müssen.
a) Die möglichen unternehmenspolitischen
Ziele
Es gibt eine Reihe möglicher Betriebsziele. Die traditionelle Unternehmenstheorie basiert auf der Annahme, „daß der Unternehmer nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip in seiner ausgeprägtesten Form handelt, nämlich nach der Leitmaxime der Gewinn- oder Rentabilitätsmaximierung" 74 . Diese Vorstellung wird jedoch den Verhältnissen in der Praxis nur bedingt gerecht, im Handel ohne Zweifel noch weniger als in der Industrie. So kommt beispielsweise Ott zu dem u. E. richtigen Ergebnis: „Für den Einzelhandel muß die Annahme des Strebens nach maximalem Gewinn zum Teil als unrealistisch betrachtet werden. Sicher suchen insbesondere die mittleren und großen, die ,kapitalistisch* geführten Einzelhandelsunternehmen ihren Gewinn zu maximieren, aber ebenso sicher tritt bei vielen, vor allem kleineren, nichtkapitalistisch geführten Geschäften an die Stelle dieser Zielsetzung das Streben nach einem angemessenen, nach einem branchenüblichen oder traditionellen 72 Vgl. hierzu Mellerowicz, K . : Betriebspolitik — die Kernaufgabe der Betriebsführung, i n : Probleme der Betriebsführung, Festschrift zum 65. Geburtstag v o n Otto R. Schnutenhaus, B e r l i n 1959, S. 84 ff. 73 Keinen spricht hier v o n „Zielentscheidung". Vgl. Heinen, E.: Die Zielf u n k t i o n der Unternehmung, i n : Z u r Theorie der Unternehmung, Festschrift zum 65. Geburtstag v o n Erich Gutenberg, Wiesbaden 1963, S. 8 ff. 74 Heinen, a. a. O., S. 12 f.
1 2 2 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Gewinn 75 ." Schneider nennt als wichtiges Unternehmensziel, das auch im Handel, insbesondere bei Einzelhandelsbetrieben mit Markenartikeln zu finden sei, die Umsatzmaximierung™. Gerade durch die Gruppenbildung und die zunehmende Konzentration schiebt sich der Kampf um den Marktanteil immer mehr in den Mittelpunkt des Wettbewerbs. Heinen sieht den Grund für die große Verbreitung des „Umsatzstrebens" anstelle des „Gewinnstrebens" in der Praxis vor allem darin, daß Mehrproduktunternehmungen — der für den Handel typische Fall — die Lage ihres Gewinnmaximums in der Regel nicht bestimmen können 77 . Die Vermutung sei naheliegend, daß „zahlreiche Unternehmungen versuchen, über einen möglichst großen Umsatz auch einen möglichst großen Gewinn zu erzielen". Heinen glaubt, daß diese Vermutung insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen — und diese überwiegen im Handel — zutrifft, obwohl sich diese These empirisch nur schwer überprüfen lasse78. Neben dem Gewinnstreben und dem Umsatzstreben gibt es noch eine ganze Reihe anderer, nicht-monetärer Unternehmensziele, von denen Heinen das Streben nach Prestige und Macht, das Streben nach Unabhängigkeit, den Willen zur Bestätigung der eigenen Persönlichkeit, ethische und soziale Prinzipien, schöpferische Betätigung, das Gestaltenwollen usw. nennt7®. I n der wirtschaftlichen Realität, die mit dem Modell des vollkommenen Marktes nur wenig Ähnlichkeit hat, können diese nicht-monetären Unternehmensziele große Bedeutung erlangen. Je schärfer der Wettbewerb ist, um so mehr werden dagegen die monetären Ziele dominieren. Heinen betont, daß nur auf dem vollkommenen Markt und in „Konkurrenzsituationen" die Unternehmer keine andere Wahl hätten, als den Gewinn zu maximieren, da sie sonst vom Markt verdrängt würden 80 .
b) Das Wirtschaftlichkeitsprinzip
als allgemeine Leitmaxime
Während die betriebspolitischen Ziele der Unternehmer im Handel also sehr vielfältig sein können und es in der Regel auch sind, be76 Ott, Α . E.: E i n statisches Modell der Preisbildung i m Einzelhandel, Jahrbücher f ü r Nationalökonomie u n d Statistik, B a n d 172/1960, S. 2. 76 Schneider, E.: Der Realismus der Marginalanalyse i n der Preistheorie, Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 73/1954, S.43f. 77 Heinen, E.: Die Z i e l f u n k t i o n der Unternehmung, a.a.O., S.22. 78 Heinen, E.: a. a. O., S. 24 ff. 79 Heinen, E.: a.a.O., S. 19. 80 I n der Theorie ist Gewinnmaximierung dann gegeben, w e n n die Grenzkosten, also die für die letzte produzierte (im Handel müßte es heißen: umgesetzte) Wareneinheit entstehenden Kosten, dem Grenzerlös, das ist der für diese „letzte" Wareneinheit erzielte Preis, entsprechen. Eine E r m i t t l u n g der Grenzkosten ist aber i m besten Falle bei Betrieben möglich, die n u r ein einziges Produkt bzw. einige wenige Produkte führen.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
123
stehen nur relativ geringe Unterschiede in den betriebspolitischen Methoden, die zu ihrer Realisierung angewandt werden. I n der Praxis orientieren sich die Unternehmer im Handel nämlich fast ausschließlich am Wirtschaftlichkeitsprinzip, d. h. sie werden bei gegebener Betriebsstruktur versuchen, die bei der Umsatzerzielung anfallenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Unterstellt man, daß der Kostenverlauf im Handel linear ist, führt diese Verhaltensweise auch zu einer Maximierung des Gewinns 81 . Ott hält für den Fall des Einzelhandels einen linearen Kostenverlauf mit Einschränkungen für realistisch 82. Sicherlich werden die Abweichungen der Kostenkurve von der Linearität — für den Großhandel gilt das noch mehr als für den Einzelhandel — nicht allzugroß sein, so daß die Anwendung des Wirtschaftlichkeitsprinzips auf jeden Fall dazu beiträgt, dem Ziel der Gewinnmaximierung tendenziell relativ nahezukommen. So verbindet beispielsweise Mellerowicz in seiner Definition des Begriffes „Betriebspolitik" das Wirtschaftlichkeitsprinzip und das Gewinnmaximierungsprinzip, wenn er sagt, daß Betriebspolitik die Kunst sei, „bei gegebenen Verhältnissen im Betrieb und im Markt das Bestmögliche zu erreichen, mit größter Wirtschaftlichkeit und mit höchstem Erfolg zu arbeiten. Sie ist also — wie die Staatspolitik — die Kunst des Möglichen und des Notwendigen. Sie ist aber zugleich die Kunst, Zustände im Betrieb und im Markt zu schaffen, die die größte Wirtschaftlichkeit und den höchsten Erfolg ermöglichen"83» 2. A b s t i m m u n g m i t d e r Absatz- und Beschaffungspolitik Zwischen der Lagergröße einerseits sowie dem Absatz und der Beschaffung andererseits besteht ein enger Kausalzusammenhang. Find81 Bei linearem Kostenverlauf decken sich — konstante Preise vorausgesetzt — das Prinzip der Gewinnmaximierung u n d das Wirtschaftlichkeitsprinzip. Das Gewinnmaximierungsprinzip fordert einen Beschäftigungsgrad, bei dem Grenzkosten- u n d Grenzerlöskurven zum Schnitt kommen. Da dies jedoch bei linearem Kostenverlauf innerhalb der betrieblichen K a pazität nicht der F a l l ist, hat der Betrieb sein G e w i n n m a x i m u m an der Kapazitätsgrenze. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip fordert jenen Beschäftigungsgrad, der a m M i n i m u m der Durchschnittskostenkurve liegt. Bei l i n e arem Kostenverlauf liegt dieses M i n i m u m außerhalb der betrieblichen K a pazität, so daß bei voller Kapazitätsauslastung auch dem Wirtschaftlichkeitsprinzip v o l l Rechnung getragen w i r d . Das unternehmenspolitische Ziel der Gewinnmaximierung w i r d also u m so besser erreicht, je wirtschaftlicher der Betrieb arbeitet. 82 Ott, Α . E.: E i n statisches M o d e l l der Preisbildung i m Einzelhandel, a. a. O., S. 2. 83 Mellerowicz, K . : Betriebspolitik — die Kernaufgabe der Betriebsführung, i n : Probleme der Betriebsführung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Otto R. Schnutenhaus, B e r l i n 1959, S. 86. 84 Hervorhebungen durch den Verfasser.
1 2 4 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung eisen vergleicht das Lager mit einem „Stauwehr" 85 , in dem die Diskrepanzen zwischen Beschaffung und Absatz aufeinanderprallen und sich angleichen. Die Lagerpolitik berührt deshalb zwangsläufig auch die übrigen betrieblichen Funktionen, Beschaffung und Absatz 86 . Vor allem bedarf es einer organischen Abstimmung zwischen Lager und Einkauf, da von den die Lagerhaltung bestimmenden Variablen Wareneingang und Absatz erstere über die Bestelltätigkeit direkt und beliebig regulierbar ist, während der Absatz — zumindest kurzfristig — vom Betrieb nicht in gleichem Maße beeinflußbar ist. Über den Wareneinkauf kann die optimale Lagergröße somit leichter realisiert werden als über den Absatz. Die ökonomisch-dispositive Aufgabe der Lagerpolitik erschöpft sich demnach nicht darin, die optimale Lagergröße zu ermitteln, sie hat vielmehr — um diese optimale Lagergröße ständig aufrechterhalten zu können — auch Beschaffungstermin und Bestellmenge zu bestimmen. Die Lagerpolitik hat festzulegen, wieviel von welcher Ware zu welchem Zeitpunkt die Einkaufsabteilung zu beschaffen hat. I I . Die ökonomisch-dispositive Seite
Die ökonomisch-dispositive Seite der betrieblichen Lagerpolitik umfaßt im wesentlichen zwei Problemkreise: Die Bestimmung bzw. Planung von Lagergröße, Bestellmenge und -Zeitpunkt sowie die betriebswirtschaftlich richtige Finanzierung der Warenbestände. 1. B e s t i m m u n g v o n L a g e r g r ö ß e , und -Zeitpunkt
Bestellmenge
Der Unternehmer steht grundsätzlich vor folgendem Dilemma: Auf der einen Seite soll der Lagerbestand so groß sein, daß sämtliche Wünsche der Abnehmer in quantitativer, qualitativer und zeitlicher Hinsicht ohne Schwierigkeiten zu erfüllen sind mit dem Vorteil, daß alle Umsatzchancen wahrgenommen werden können; auf der anderen Seite machen die mit der Lagerhaltung verbundenen Kosten eine Beschränkung der Vorratshaltung erforderlich, was mit der Gefahr verbunden ist, daß Kunden, deren weitergehende Wünsche nicht befriedigt werden konnten, zur Konkurrenz abwandern. Es kann angenommen werden, daß sich auch im Handel jeder Unternehmer dieser Problema86 Findeisen, F.: Der Lagerprozeß, i n : Zeitschrift f ü r Betriebswirtschaft, I I . Jahrg., B e r l i n 1925. Poenseler kritisiert diese „bildhafte Vorstellung" m i t dem Hinweis, daß sich dabei die Tatsache des unterschiedlich schnellen Durchflusses der einzelnen Warenarten des Betriebssortiments nicht einbauen lasse u n d daß ferner das Hauptregulativ der Höhe des „Stauwehrspiegels" i m Abfluß liegt, wogegen es f ü r die Höhe des Lagerbestandes i n der Praxis i n der Beschaffungs-, also der Zuflußseite zu finden sei. (Vgl. Poenseler, K.-E.: Die Lagergröße i m Einzelhandel, Diss. K ö l n 1956, S. 4). 86 Vgl. auch Buddeberg, H., a. a. O.. S. 62.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
125
tik grundsätzlich bewußt ist und danach trachtet, den günstigsten Pfad zwischen der Skylla einer zu großen und der Charybdis einer zu kleinen Lagerhaltung zu finden. Nach Zimmermann ist der Lagerbestand dann optimal, „wenn unser Warenlager in allen Abteilungen (Warengruppen) im richtigen wertmäßigen Größenverhältnis zum Umsatz steht und wir unserer Kundschaft stets die richtigen Waren zu den richtigen Preisen anbieten können" 87 . Poenseler stimmt dieser Definition — gleichsam als Resümee seiner eigenen Untersuchung — voll zu 88 . Bei diesen beiden Autoren wird jedoch der Gesichtspunkt nicht deutlich, daß es aus kostenmäßigen Überlegungen durchaus angebracht sein kann, ein Lager zu halten, aus dem den Abnehmern in bestimmten Fällen die gewünschte Ware nicht angeboten werden kann, weil die Kosten, die durch ihre Lagerung entstehen, den Ertrag aus ihrem Verkauf überkompensieren würden. Das Problem liegt also darin, eine mittlere Linie der Lagerung zu finden, die „eine Kompromißlösung zwischen dem Prinzip der kostengünstigsten und der absatzgünstigsten Vorratshaltung darstellen dürfte" 89 . Man kann auch sagen, daß eine Lagerhaltung anzustreben ist, bei der „die Verlustrisiken wegen eines zu kleinen Vorrats und wegen eines zu großen Vorrats zusammen minimal sind" 60 . Die Lösung dieses Optimalproblems ist in der Praxis wegen der vielfältigen Einflüsse und Unsicherheiten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Eine rechnerische Bestimmung von optimaler Lagergröße, Bestellmenge und -Zeitpunkt ist nur mit Hilfe der Methoden der Operations Research möglich, deren Anwendung wegen der damit verbundenen hohen Kosten — zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt — nur Großbetrieben offensteht. Dennoch sollte man auch im klein- und mittelbetrieblichen Handel auf dem Gebiet des Bestell- und Lagerwesens nicht ohne systematische Planung operieren. Grundvoraussetzung jeder Planung von Lagergröße bzw. Bestellmenge sind möglichst exakte Vorstellungen von der Absatzentwicklung im Planungszeitraum, die zwangsläufig mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Anhand von Vorausschätzungen der Entwicklung der verfügbaren Einkommen, wie sie von verschiedenen Wirtschaftsforschungsinstituten vorgenommen werden, läßt sich zwar die Entwicklung der Gesamtausgaben der Konsumenten in der jeweils nächsten Periode relativ gut in den Griff bekommen; doch ist es nicht möglich, das Ver87 Zimmermann, J.: Lagerumschlag u n d Rentabilität i m Detailhandel, Z ü rich 1955, S. 52. 88 Poenseler, K.-E., a. a. O., S. 181. 89 Buddeberg, H., a. a. O., S. 73 f. 90 Revans, R. W.: I n t u i t i o n ist nicht alles, i n : Der V o l k s w i r t , Nr. 2, v o m 11.1.1963, S. 57.
1 2 6 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung braucherverhalten hinsichtlich der Verteilung der Ausgaben auf die verschiedenen Warengruppen exakt vorherzusagen. Andererseits treten Verbrauchsänderungen in der Regel nicht unvermittelt auf, sondern bahnen sich langsam an und sind häufig schon in der Vorsaison erkennbar, was allerdings die Führung und Auswertung einer detaillierten Verkaufsstatistik voraussetzt. Erschwert wird die Absatzplanung noch dadurch, daß „die Konsumenten" nach wie vor aus einer Vielzahl von Individuen mit den unterschiedlichsten Wünschen und den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen bestehen. Je höher der Lebensstandard wird, um so mehr entfernen wir uns vom Typ des „Einheitskonsumenten", um so größer werden die Anforderungen, die der Konsument an die Vielfältigkeit des Angebots stellt. Auch auf diese Wandlungen muß der Unternehmer bei seinen Dispositionen Rücksicht nehmen. Trotz der mannigfaltigen Unsicherheiten sollte sich aber der Unternehmer nicht davon abhalten lassen, seinen Umsatz möglichst exakt und differenziert vorauszuplanen. Die Vielzahl unterschiedlicher Methoden zur Bestimmung bzw. Überprüfung von Lagergröße, Bestellmenge und -Zeitpunkt, wie sie in der betrieblichen Praxis des Handels angewandt werden, lassen sich nach dem Grad ihrer Vervollkommnung wie folgt einteilen: Intuitive Festlegung auf Grund von Erfahrungen, die in der Vergangenheit gewonnen wurden. Schematische Ausrichtung an der globalen Lagergröße gleichartiger Betriebe mit Hilfe branchenüblicher Kennziffern. Individuelle Bestimmung auf Grund einer globalen bzw. differenzierten Limitplanung. Rechnerische Ermittlung der Optimas mit Hilfe der Verfahren der Operations Research. I n der betrieblichen Praxis überschneiden sich diese Methoden zum Teil erheblich; auch innerhalb der aufgeführten Methoden verbleibt genügend Spielraum für ein unterschiedliches bzw. individuelles Vorgehen. Die im Einzelfall angewandte Methode hängt in entscheidendem Maße von der fachlichen Vorbildung und den unternehmerischen Fähigkeiten der Betriebsführung ab, daneben aber auch von der Betriebsgröße sowie von Art und Umfang des Sortiments. a) Die intuitive
„Methode"
Ein Großteil der Unternehmer im Handel arbeitet heute auf dem Gebiet des Lager- und Bestellwesens noch immer ohne jedes System. Sie sind der Überzeugung, daß Optimalberechnungen auf diesem Sektor wegen der Vielzahl der Artikel und wegen der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse auf dem Beschaffungs- und Absatzmarkt nicht möglich
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
127
bzw. mit zu großem Zeitaufwand verbunden seien. Die jahrelange Erfahrung und das Fingerspitzengefühl von Einkäufern und Lagerverwaltern könne nicht durch Formeln und Rechenoperationen ersetzt werden. Wie sieht nun diese intuitive Methode in der Praxis aus? Hier bestehen naturgemäß Unterschiede je nachdem, um welche Branche es sich handelt. So werden in Einzelhandelsbranchen mit Waren des täglichen Bedarfs beispielsweise häufig die zur Neige gehenden Artikel von den Verkaufskräften notiert, die Zettel dann an den Betriebsinhaber weitergegeben, der daraufhin nachbestellt. Es leuchtet ein, daß bei diesem sporadischen Vorgehen die latente Gefahr gegeben ist, daß — gerade wenn das Verkaufspersonal in Zeitdruck ist — die Erfassung zu Ende gehender Artikel vergessen wird mit der Folge, daß Sortimentslücken entstehen. Häufig wird der Vorrat an bestimmten Artikeln nur dann inspiziert, wenn gerade der entsprechende Handelsvertreter bzw. Reisende seinen turnusmäßigen Besuch macht. Während so die Wahl des Bestellzeitpunkts immerhin noch einigermaßen systematisch erfolgt, wird die Wahl der Bestellmenge völlig ohne rationale Überlegungen getroffen. Es werden keinerlei Überlegungen über die Unterschiede in der Rabatthöhe, über Bestell- und Lagerkosten bei unterschiedlichen Bestellgrößen usw. angestellt. I n Branchen mit langlebigen Gebrauchsgütern, wo die Bestelltermine — zumindest für die Stammorders — weitgehend fixiert sind, richtet man sich bei der Festlegung der Bestellmenge häufig ausschließlich nach den eigenen Dispositionsgewohnheiten der letzten Jahre nach dem Motto „Vom Produkt X haben wir jede Saison soundsoviel gekauft, das wird auch dieses Mal die richtige Menge sein." Diese Einstellung kommt vielfach daher, daß die Planungsmethoden für schwieriger gehalten werden als sie in Wirklichkeit sind. Die Probleme der Lager- und Einkaufspolitik sind aber zu gewichtig, als daß sie ohne fundierte, auf die jeweilige spezielle Situation abgestellte Überlegungen gelöst werden könnten, ohne sich negativ auf das Betriebsergebnis auszuwirken. b) Der zwischenbetriebliche
Vergleich
Ein sehr einfaches—in der Praxis auch vielfach angewandtes—Verfahren, die „Richtigkeit" der globalen Lagergröße des eigenen Betriebs zu überprüfen, besteht darin, sie mit derjenigen zu vergleichen, die im Durchschnitt vergleichbarer Betriebe zu verzeichnen ist. Hierzu bieten sowohl die Ergebnisse der amtlichen Statistik als vor allem auch die Betriebsvergleiche, die im Handel in reicher Zahl durchgeführt werden, Gelegenheit. Sie sind um so brauchbarer, je weiter differenziert hinsichtlich Sortimentsschwerpunkt (ζ. B. Meterwarenfachgeschäfte) und regionaler Gliederung (z.B. Großstadtlage in Bayern) sie sind. Stellt
1 2 8 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung ein Betrieb anhand von Betriebsvergleichsergebnissen beispielsweise fest, daß die eigene Lagerumschlagshäufigkeit geringer und die Gewinnquote kleiner ist als die im Durchschnitt seiner Konkurrenten, so läßt sich mit relativ großer Sicherheit annehmen, daß der eigene Betrieb mit einem zu hohen Lager arbeitet. Ähnliche Schlußfolgerungen lassen sich aus Vergleichen der Kennziffern „Lager je beschäftigte Person" und „Lager je qm Geschäftsraum" ziehen. Da in die Betriebsvergleichsergebnisse zweifelsohne auch Angaben solcher Betriebe eingegangen sind, deren Lagerpolitik Mängel aufweist, dürften die optimalen Lagerkennziffern in jedem Falle etwas günstiger sein als die in den Betriebsvergleichen ausgewiesenen Durchschnittssätze. Als Anhaltspunkt für zu ergreifende Maßnahmen können diese Hinweise aus Betriebsvergleichen für den einzelnen Betrieb sicherlich nützlich sein. Dennoch kann dieses recht grobe Kontrollverfahren, das manche Fehlerquelle beinhaltet 91 , kein Ersatz für eine individuelle, speziell auf den eigenen Betrieb abgestellte Planung sein. c) Individuelle
Limitplanung
Ein recht wirkungsvolles, von Betrieben jeder Größe zu praktizierendes Verfahren, Wareneingang und Lagerbestand zu planen, stellt die sogenannte Limitplanung dar. Aufbauend auf der Umsatzplanung sowie unter Berücksichtigung der im Vorjahr erreichten Handelsspanne, einer erfahrungsgemäß zu erreichenden Lagerumschlagshäufigkeit und des noch vorhandenen Lagerbestands wird für die PlanPeriode ein Einkaufsplan aufgestellt, d. h. Höhe und Zeitpunkt des Wareneingangs festgelegt. Diese Limitrechnung kann global für das Gesamtsortiment, aber auch differenziert für die einzelnen Warengruppen bzw. Artikel durchgeführt werden. I n der Industrie sowie bei den Warenhäusern wird dieses Verfahren schon seit langer Zeit angewandt. I n den letzten Jahren fand es in zunehmendem Maße auch bei den mittleren und kleineren Handelsbetrieben Eingang. Dazu haben vor allem die Arbeiten der Betriebsberatungsstelle des Einzelhandels (BBE) 92 sowie der Rationalisierungsgemeinschaft des Handels (RGH) 93 beigetragen, die entsprechende Formulare entwickelt und Planungsanleitungen verfaßt haben 94 . 91 Vgl. Anders, H.: Planung u n d K o n t r o l l e der Vorräte, i n : Frankfurter Allgemeine Zeitung v o m 27. 1. 1964. 92 Vgl. Wie überwache ich meinen Betrieb? Formulare u n d Merkblätter zur Betriebsorganisation u n d Betriebskontrolle. Herausgegeben v o n der BBE, Köln. 93 Vgl. Ziegler, F. u n d Möllers, P.: Modern planen — besser disponieren, Neue Wege der Betriebsplanung i m Großhandel, Textband u n d F o r m u l a r band, K ö l n 1958. 94 E i n Beispiel einer detaillierten Limitplanung, das auf die Verhältnisse mittlerer u n d kleinerer Einzelhandelsgeschäfte abgestellt ist, findet sich u. a. bei Heger, H.: M e h r G e w i n n i m Einzelhandel, München 1964, S. 198 ff.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
129
d) Rechnerische Ermittlung mit Hilfe der Verfahren der „Operations Research" Die quantitative Unternehmensforschung (Operations Research) ermöglicht es, „Größen, die miteinander in wechselseitiger Beziehung stehen und vielfältig miteinander kombiniert werden können, so zu bestimmen, daß ihr Zusammenwirken ein Minimum zum Beispiel der Kosten und ein Maximum des Gewinns ergibt" 95 . Sie bietet sich somit als Instrument zur Lösung unseres Problems, der Bestimmung der optimalen Lager- bzw. Bestellgröße an. I n einer Untersuchung der Anwendungsgebiete der Operations Research kennzeichnet Billeter den uns interessierenden Problemkreis wie folgt: „Da sowohl eine zu geringe wie auch eine zu große Lagerhaltung kostspielig ist, besteht das Problem darin, jene Menge der auf Lager zu haltenden Güter zu finden, für welche die gesamten Lagerhaltungskosten möglichst gering sind00." Die gesamten Lagerhaltungskosten bestehen aus den Kosten bei der Beschaffung der Güter, den Kosten für die Lagerung einer Mengeneinheit und den Fehlmengenkosten®7. I n den USA wurde die erste Formel für die wirtschaftlichste Losgröße, welche das Minimum der Summe aus Lagerhaltungs- und Vorbereitungskosten angab, sobald der Bedarf bekannt und konstant war, schon im Jahre 1915 (von W. F. Harris) aufgestellt® 8. I n Deutschland hat 1929 Andler erstmals eine Formel über die wirtschaftlichste Losgröße bzw. Bestellmenge entwickelt®9. Die erste zusammenfassende Darstellung der Verfahren und Hilfsmittel der Unternehmensforschung auf dem Gebiet der Lagerkontrolle wurde von Whitin gegeben100. Zu Beginn der fünfziger Jahre wurden mit Hilfe wahrscheinlichkeitstheoretischer Überlegungen die ersten Lagerhaltungsmodelle entwickelt, die „dann anwendbar sind, wenn der Bedarf nicht mit Sicherheit bekannt ist, sondern nur geschätzt werden kann" 101 ; in diesen Verfahren werden auch der gleichzeitige Bedarf für mehrere Artikel sowie die Abhängigkeit der Bedarfsmengen von96
Vgl. Analyse u n d Steuerung durch Operations Research, i n : Deutsche Zeitung, Nr. 298 v o m 24.12.1962. 9e Billeter, E. P.: Hauptprobleme der Unternehmensforschung, Unternehmensforschung, B a n d 1/1956/57, Heft 4, S. 149 ff. 97 Churchman, C. W./Ackoff, R . L . / A r n o f f , E. L.: Operations Research. Eine Einführung i n die Unternehmensforschung. Deutsche Übersetzung von E. Schlecht u n d F. Ferschl. Wien u n d München 1961, Seite 189. 98 Vgl. Churchman, C. W./Ackoff, R. L . / A r n o f f , E . L . : a.a.O., Seite 195. 99 Andler, K . : Rationalisierung der Fabrikation u n d optimale Losgröße, München 1929. 100 w h i t i n , R. M.: The Theory of Inventory Management, Princeton 1953 (2. Auflage: 1957). Vgl. insbes. Part I : I n v e n t o r y Levels for the F i r m , S. 15 bis 106. 101 Vgl. Churchman, C. W./Ackoff, R. L . / A r n o f f , E. L., a. a. Ο., Seite 185. 9 Laumer
1 3 0 2 .
Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
einander i n verschiedenen Zeitabschnitten berücksichtigt 1 0 2 . Erst durch diese Entwicklung gewannen die mathematischen V e r f a h r e n der U n t e r nehmensführung auch für den H a n d e l a n Interesse, der es j a i n der Regel ausschließlich m i t einer nicht bzw. unzureichend bekannten Nachfrage u n d m i t einer V i e l z a h l von A r t i k e l n z u t u n hat. V o n den bisher entwickelten Rechenmodellen zur Bestimmung optim a l e r L a g e r - u n d Bestellgrößen b z w . Bestellzeitpunkte ist allerdings jedes auf einen konkreten F a l l , der sich zudem meist auf Industriebetriebe bezieht, zugeschnitten u n d n u r für diesen anwendbar. E i n allgemeingültiges Rezept, das der einzelne Handelsbetrieb einfach übernehmen könnte, läßt sich wegen der Vielgestaltigkeit des Lagerproblems nicht aufstellen. U m den Charakter des jeweiligen Lagerproblems i n einem Rechenmodell einzufangen, bedarf es der Beantw o r t u n g folgender F r a g e n 1 0 3 : „Was soll durch die Lagerung erreicht werden (Motive des Lagerns)? Welcher A r t sind die zur Verfügung stehenden Informationen über Nachfrage, Preisentwicklung, Kosten u n d andere Parameter (vollständig v o r liegende Informationen oder laufend anfallende Informationen)? Ist die Nachfrage genau bekannt (deterministische Nachfrage) u n d w e n n ja, ist sie konstant oder i n der Zeit veränderlich, bzw. ist unbekannt, w i e groß sie sein w i r d (stochastische Nachfrage) u n d w e n n ja, ist ihre Verteilung konstant oder veränderlich? Wie ist der Bestellrhythmus
(beliebig oder
Wie groß ist die Beschaffungszeit
fixiert)?
u n d w i e setzt sie sich zusammen?
Welchen Charakter haben die Beschaffungskosten degressiv oder progressiv)? Welchen Charakter haben die Lagerkosten genabhängig)?
(konstant, proportional,
(konstant, zeitabhängig, men-
Wie hoch sind die Mangelkosten (Kosten, die anfallen, w e n n die Nachfrage größer ist als die a m Lager verfügbare Menge), u n d w i e ist ihre A b hängigkeit v o n Mangeldauer oder mangelnder Menge? K a n n der Abzinsfaktor (wegen der erst später anfallenden Kosten oder Erträge) vernachlässigt oder muß er berücksichtigt werden?" 102 Neben dem bereits zitierten W e r k v o n C h u r c h m a n / A c k o f f / A r n o f f ist folgende neuere Standardliteratur über das Problem der Bestimmung der optimalen Lager- bzw. Bestellgröße m i t H i l f e der Verfahren der Operations Research zu nennen: Sasieni, U./Yaspan, A./Friedman, L . : Methoden u n d Probleme der Unternehmensforschung. I n deutscher Sprache herausgegeben v o n H. P. Künzi, Würzburg 1962. Seite 74—108. — Hanssmann, F.: Operations Research i n Production and Inventory Control, N e w Y o r k 1962. — Wagner, H. M.: Statistical Management of Inventory Systems. Publications i n Operations Research Nr. 6, N e w Y o r k u n d London 1962. 103 Gebhardt-Seele, P.: Rechenmodelle f ü r wirtschaftliches Lagern u n d Einkaufen, Disposition m i t H i l f e elektronischer Rechenanlagen, München 1962, S. 24 f.
C. D i e A u f g a b e n d e r b e t r i e b l i c h e n L a g e r p o l i t i k Je nach der A n t w o r t ,
131
die a u f j e d e dieser F r a g e n i m E i n z e l f a l l
zu
g e b e n i s t , w i r d sich d e r A u f b a u d e r R e c h e n m o d e l l e v o n e i n a n d e r u n t e r scheiden. E s w ü r d e d e n R a h m e n dieser A r b e i t sprengen, h i e r
konkrete
F ä l l e z u b e h a n d e l n . Gebhardt-Seele
findende
hat i n der Literatur zu
Rechenmodelle für wirtschaftliches L a g e r n u n d E i n k a u f e n gestellt, w o b e i oder
beliebig)
er
als E i n t e i l u n g s k r i t e r i e n
sowie
die
Natur
der
zusammen-
den Bestellrhythmus
Nachfrage
(deterministisch
stochastisch) g e w ä h l t h a t . D i e f o l g e n d e Ü b e r s i c h t i s t s e i n e r A r b e i t
(fest oder ent-
nommen: Nachfrage deterministisch
konstant
fest
Konstante
lich
Parameter
Klingst Schupack Naddor Churchman V und V I
Churchman III und IV Laderman Arrow 8 u n d 12 Hanssmann
KlingstNachtrag
IBM-Bestp. Clark Eagle Karush A r r o w 9, 10, 14, 16
Hertz GebhardtSeele
rhyth-
beliebig
Veränder-
veränder-
Bestellmus
stochastisch
Andler Arrow M a r g a n i n s k y 4, 5, 6 Churchman I und I I
liche Parameter
Die ausführlichen Quellen für diese Rechenmodelle sind: Andler, K.: Rationalisierung der Fabrikation und optimale Losgröße, München 1929. Marganinsky, B.: Wirtschaftliche Lagerhaltung, Berlin 1933. Churchman, C. W./Ackoff, R. L.,/Arnoff, E. L.: Operations Research. Eine Einführung in die Unternehmensforschung. Deutsche Übersetzung von E. Schlecht und F. Ferschl. Wien und München 1961. Klingst, Α.: Optimale Lagerhaltung bei bekanntem Jahresgang des Bedarfes; in: Unternehmensforschung, Zeitschrift für Operations Research, Jhrg. 1, Heft 4, Seite 166 ff., Jhrg. 2, Heft 1, Seite 16 ff. und Heft 3, Seite 140 ff. Schupack, Μ . B.: Economic Lot Sizes with Seasonal Demand; in: Operations Research, the Journal of the Operations Research Society of America, Vol. 7 (1959), Nr. 1, Seite 45 ff. Naddor, E. u. Saltzman, S. : Optimal Reorder Periods for an Inventory System w i t h Variable Costs of Ordering; in: Operations Research, the Journal of the Operations Research Society of America, Vol. 6 (1958), Nr. 5, Seite 676 ff. Arrow, Κ . J./Karlin, S./Scarf , H. : Studies in the Mathematical Theory of Inventory and Production, Stanford 1958. Ladermann, J./Littauer, S. B./Weiss, L.: The Inventory Problem; in: Journal of the American Statistical Association; Vol. 48 (1953), Seite 717 ff. Hanssmann, Fred: Optimal Inventory Location and Control in Production and Distribution Networks; in: Operations Research, the Journal of the Operations Research Society of America, Vol. 7 (1959), Nr. 4, Seite 483 ff. IBM-Nachrichten: Tägliche vollautomatische Bestandsüberwachung und Auftragsdisposition nach dem Bestellpunktverfahren. Herausg. I B M Deutschland GmbH, Heft 130 (1957), Seite 500 ff. Clark, C. E.: Mathematical Analysis of an Inventory Case; in: Operations Research, the Journal of the Operations Research Society of America, Vol. 5 (1957), Nr. 5, Seite 627 ff. Eagle, A. R. : Distribution of Seasonal Inventory of the Hawaiian Pineapple Com9*
1 3 2 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung pany; in: Operations Research, the Journal of the Operations Research Society of America, Vol. 5 (1957), Nr. 3, Seite 382 ff. Karush, W.: A Queuing Model for an Inventory Problem; in: Operations Research, the Journal of the Operations Research Society of America, Vol. 5 (1957), Nr. 5, Seite 693 ff. Hertz, D. B. u. Schafflr, Κ . H. : A Forcasting Method for Management of Seasonal Style-Goods Inventories; in: Operations Research, the Journal of the Operations Research Society of America, Vol. 8 (1960), Nr. 1, Seite 45 ff. Gebhardt-Seele, P. : Rechenmodelle für wirtschaftliches Lagern und Einkaufen, Disposition mit Hilfe elektronischer Rechenanlagen, München 1962.
Je zahlreicher die Variablen sind, um so größer ist der Zwang, ihre Zusammenhänge zu formulieren und mit mathematischen Methoden die Optima zu definieren 104. Erst die Entwicklung moderner mechanischer und elektronischer Datenverarbeitungsmaschinen machte es möglich, Rechenmodelle zu lösen, die alle für die Entscheidung über die Optimalität von Lagergröße, Bestellgröße und -Zeitraum wesentlichen Parameter enthalten. Die Hersteller der Datenverarbeitungsanlagen beschäftigen durchweg einen Stab von Spezialisten, die den Käufern bzw. Mietern der Anlagen die auf deren spezielle Bedürfnisse abgestellten Rechenprogramme ausarbeiten. Eine automatische Lagerdisposition ist in drei Stufen möglich 105 : a) Durch eine Anlage für einfache Bestandsfortschreibung, die dem Einkäufer in vorher festgelegten Zeitabständen (z.B. wöchentlich) eine Liste der vorhandenen Lagerbestände vorlegt. Der Einkäufer hat so ständig eine Übersicht über das gesamte Sortiment und Lager und damit eine wichtige Planungshilfe. Die Disposition selbst muß auf dieser Stufe der Organisation allerdings von den Einkäufern noch selbst vorgenommen werden. b) Durch eine Anlage, die selbständig bestellt, wenn der festgelegte Mindestbestand erreicht ist. Sie wirft zusätzlich interessante Daten (Mindestbestand ist erreicht; Alarmbestand = halber Mindestbestand ist erreicht; Artikel wurde im Beobachtungszeitraum nicht verkauft) aus und gibt so wertvolle Hinweise auf zu ergreifende verkaufspolitische Maßnahmen. Schwierig bei diesem Verfahren ist die Ermittlung des Mindestbestandes für Artikel, deren Absatz stärkere Saisonschwankungen aufweist. Sind diese Saisonschwankungen nicht zu kurzphasig, können in den verschiedenen Jahreszeiten unterschiedliche Mindestbestände angegeben werden. c) Durch eine Anlage, die mit variablen Mindestbeständen arbeitet. Sie errechnet den Mindestbestand aus den vorher ermittelten Daten, stellt Saisonschwankungen selbst fest und disponiert entsprechend. Auf eine Kontrolle der automatisch durchgeführten Bestellungen wird man aber nicht verzichten können, da die Maschine ζ. B. nicht im v g l > Analyse u n d Steuerung durch Operations Research, i n : Deutsche Zeitung, Nr. 298 v o m 24.12.1962. los y g i Automatische Lagerdisposition, i n : Handelsblatt v o m 31. 7.1963.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
133
wissen kann, daß eine Hitzeperiode vorbei ist und deshalb Getränke nicht mehr so stark gefragt sind wie im vergangenen Zeitraum 100 . Durch den Einsatz einer Datenverarbeitungsanlage können in der Einkaufsabteilung der Personalbestand gesenkt und im Lager der Warenbestand optimiert werden. Erfahrungen im Nahrungsmittelgroßhandel haben gezeigt, daß mit einer vollautomatischen Disposition der Warenbestand u. U. um ein Drittel vermindert werden kann 107 . An anderer Stelle ergaben sich „Einsparungen von wenigstens 10—20 °/o der Kapitalbindung" 108 . Bei den ersten in den USA im Handel eingesetzten „IMPACT"-Installationen der I B M (Inventory Management Program and Control Techniques) sollen „Einsparungen in der Größenordnung von 20—40 °/o der gesamten mit der Lagerhaltung verbundenen Kosten" erzielt worden sein 109 . Wegen der hohen Kosten, die der Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verursacht, steht die Möglichkeit, Lager- und Bestellpolitik mit Hilfe der Methoden der Operations Research zu betreiben, bisher freilich nur Großbetrieben offen. Nach den Großversandhäusern (Neckermann, Quelle) und den Warenhauszentralen (z.B. Kaufhalle) ist neuerdings auch eine Reihe von Betrieben des Nahrungsmittelgroßhandels (GEG-Hamburg, Kaspar KG-Nürnberg, Schaal-Kurtz KG-Reutlingen) dazu übergegangen, datenverarbeitende Anlagen zu installieren. I n dieser Branche soll der Einsatz einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage beispielsweise schon bei einem Jahresumsatz von 15 Mill. D M lohnend sein. Die Standard Telephon und Radio AG Zürich hat ein spezielles Datenverarbeitungssystem entwickelt, das „speziell auf die Probleme des Großhandels zugeschnitten ist, der eine Anzahl von Einzelhandelsgeschäften bzw. Filialen mit einem bestimmten Warensortiment zu versorgen hat" 110 . Auch die Internationale Büromaschinengesellschaft mbH (IBM) hat ein spezielles Verfahren der elektronischen Lagerdisposition und -Überwachung im Handel entwickelt, mit dem sich die drei entscheidenden Grundfragen der Lagerhaltung Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Einkauf? Wieviel muß gekauft werden? Ist die gegenwärtige Politik richtig? 106
Automatische Lagerdisposition, a. a. O. Elektronenrechner i m Lebensmittel-Großhandel, i n : Lebensmittelzeitung v o m 11.10.1963. 108 Hartmann, B.: Elektronische Rechenanlagen als Lenkungsinstrument der Unternehmensführung, i n : Probleme der Betriebsführung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Otto R. Schnutenhaus, B e r l i n 1959, S. 252. 109 Graue, F.: Impact — ein neues Verfahren zur Senkung der Lagerkosten. Das Fachblatt für Selbstbedienung, Heft 5/1964, S. 55. 110 Stantec computing Systems, Standard Telephones and Cables L i m i t e d , nicht veröffentlichte Broschüre. 107
1 3 4 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung beantworten lassen111. Es ist keine Schwierigkeit, auf elektronischem Wege „hart an der Grenze der Mindestbestände zu steuern". Bei entsprechender Programmierung geben die Elektronenrechner nicht nur die notwendigen Nachbestellungen rechtzeitig bekannt, sondern schreiben diese Nachbestellungen einschließlich Angabe der Qualität aus 112 . Mit dem von Standard Telephon entwickelten Grundprogramm für den Handel können beispielsweise u. a. folgende Arbeiten durchgeführt werden: Automatische Bestandskontrolle, Automatische Bestellbearbeitung, Ausdruckung der kritischen Bestände, Ausschreibimg der Artikel mit geringer Lagerumschlagshäufigkeit. 2. D i e
Finanzierung
der
Warenbestände
Wie weiter oben gezeigt wurde, ist der Lagerbestand im Durchschnitt des Handels ein beachtlicher Vermögensbestandteil. I m Einzelhandel machen die Warenvorräte rd. 50 °/o, im Großhandel rd. 33 °/o des Betriebsvermögens aus 113 . Angesichts dieser hohen Anteile ist es verständlich, daß im Rahmen der Betriebspolitik im Handel der Frage der bestmöglichen Finanzierung der Lagerbestände (Fristigkeit und Herkunft der Finanzierungsmittel) besonderes Gewicht beizumessen ist. Als Richtschnur für die Finanzierungspolitik könnte grundsätzlich folgende Forderung gelten: Erzielung einer höchstmöglichen Rentabilität bei gleichzeitiger Erhaltung der Liquidität. Zwischen diesen beiden Polen den richtigen Weg zu finden, ist für den Betrieb nicht ganz leicht. Steht das Streben nach hoher Rentabilität im Vordergrund, führt das tendenziell zu einer angespannten Liquiditätslage; das Risiko, die Zahlungsbereitschaft nicht aufrechterhalten zu können, nimmt zu. Wird andererseits besonderes Gewicht auf eine hohe Liquidität gelegt, zieht das grundsätzlich Zinsverlust und damit eine Minderung der Rentabilität nach sich. Wohin der Unternehmer im Einzelfall mehr tendiert, hängt von einer Reihe individueller Faktoren ab, unter anderem vom Grad der Kreditwürdigkeit bzw. Kreditfähigkeit, vor allem aber von seiner persönlichen Risikobereitschaft. Grundsätzlich sollte der Liquidität der Vorrang gebühren, da diese die Voraussetzung für die Erzielung einer dauerhaften Rentabilität ist. Die Liquidität ist dann 111 Vgl. Einführungsschrift I M P A C T — Wirtschaftliche Lagerhaltung m i t wissenschaftlichen Methoden, herausgegeben v o n der I B M Deutschland, o. O. Dezember 1963. — Ferner Graue, F.: Impact — ein neues Verfahren zur Senkung der Lagerkosten, a. a. O. 112 Vgl. I m E i n k a u f liegt der Segen, i n : Industriekurier v o m 22.3.1962. 118 Vgl. Seite 33.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
135
optimal, wenn die Zahlungsbereitschaft gerade aufrechterhalten ist, das heißt zu keinem Zeitpunkt zu gering (Illiquidität) und zu keinem Zeitpunkt zu groß (Überliquidität) ist. a) Die Fristigkeit
der Finanzierungsmittel
Der Lagerbestand ist ein Teil des Umlaufvermögens, das allgemein als kurzfristig gebundenes Vermögen angesehen wird. I n der betriebswirtschaftlichen Literatur findet sich die Faustregel, daß kurzfristig gebundenes Vermögen auch kurzfristig finanziert werden kann, da sich die Kredite kurzfristig „liquidieren", d.h. in Geld zurückverwandeln, so daß Liquiditätsschwierigkeiten nicht auftreten können. Das würde bedeuten, daß unter Liquiditätsgesichtspunkten der Lagerbestand in voller Höhe mit kurzfristigen Mitteln finanziert werden kann. Diese Schlußfolgerung ist jedoch, wie die folgenden Überlegungen zeigen, nur teilweise richtig. Bei der Zuordnung des Lagerbestandes zum kurzfristigen Vermögen geht man davon aus, daß sich die Lagerbestände durchweg mehrmals im Jahr umschlagen. Bei einer Umschlagshäufigkeit des Lagers von 6 beträgt die „Wiedergeldwerdungsdauer" beispielsweise nur 2 Monate. I n dieser globalen Durchschnittsbetrachtung wird jedoch die Tatsache nicht berücksichtigt, daß ein Teil des Lagerkapitals ständig im Betrieb gebunden ist, weil es aus organisatorischen und technischen Gründen nicht möglich ist, neue Ware erst dann hereinzunehmen, wenn das Lager völlig geräumt ist. Es verflüssigt sich während des Jahres also nur ein Teil des Lagerkapitals, dieser allerdings in entsprechend kürzeren Perioden. Der andere, dauernd gebundene Teil aber hat langfristigen Charakter. Die Höhe dieses Mindestbestandes, unter den das Lager während des Jahres nicht absinkt, hängt von den Besonderheiten der Branche, der Intensität der saisonalen Schwankungen und den speziellen betrieblichen Gegebenheiten ab. Grundsätzlich sollte dieser „ständige" Mindestbestand aus Sicherheitsgründen voll durch langfristig zur Verfügung stehende Mittel (Eigenkapital bzw. langfristiges Fremdkapital) gedeckt sein. Werden nämlich die von den Banken bzw. den Lieferanten gewährten kurzfristigen Kredite plötzlich abgezogen bzw. nicht verlängert und sind dann nicht umgehend Ersatzmittel zu beschaffen, ist der Betrieb gezwungen, kurzfristig Teile des Lagerbestands abzustoßen. Das ist aber in der Regel nicht ohne erhebliche Preisnachlässe möglich, weshalb die Warenbestände auch nicht zu den liquiden Mitteln erster Ordnung, sondern zu den liquiden Mitteln zweiter Ordnung gerechnet werden. Aber nicht nur aus Liquiditätsgründen, sondern auch aus Rentabilitätsgründen ist eine Finanzierung des ständig gebundenen Teils der Lager-
1 3 6 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung bestände durch langfristiges Kapital zu fordern. Der Zinssatz für langfristige Kredite ist nämlich im Durchschnitt um 1,5 bis 2 °/o niedriger als der Zinssatz für kurzfristige Bankkredite und erheblich niedriger als für Lieferantenkredite. I m Endeffekt ist langfristiges Kapital allerdings nur dann billiger, wenn damit Vermögensteile finanziert werden, die dauernd im Betrieb gebunden sind. Für langfristige Mittel müssen nämlich auch Zinsen bezahlt werden, wenn sie gar nicht in Anspruch genommen werden, während für kurzfristige Mittel nur dann Zinsen fällig werden, wenn mit dem kurzfristigen Kredit gearbeitet wird. Langfristige Mittel sollen also nicht zur Finanzierung von Lagerspitzen eingesetzt werden. I n Abb. 8 sind die Lagerbestands-Kurve eines Betriebs während eines Jahres und die verschiedenen Möglichkeiten der Finanzierung dargestellt. Auf dem linken Teil der Abbildung erfolgt die Finanzierung ausschließlich durch — entsprechend teure — kurzfristige Mittel. Der niedrigste Bestand während des Jahres wird im Februar erreicht (20 Einheiten). Unter diesen Stand sinkt das Lager im weiteren Verlauf des Jahres nicht ab. Es empfiehlt sich in jedem Fall, diesen Mindestbestand langfristig, also mit entsprechender Zinsersparnis, zu finanzieren und nur für den Spitzenbedarf (zwischen 20 und 100 Einheiten) kurzfristige Mittel zu verwenden. Diese Situation ist im mittleren Teil der Abbildung dargestellt. Aus Rentabilitätsgründen kann es allerdings zweckmäßig sein, auch Teile des sog. Spitzenbedarfs langfristig zu finanzieren, wie es auf dem rechten Teil der Abbildung dargestellt ist. Die langfristige Kreditlinie AB kann so weit nach oben verschoben werden, als die absolute Zinsdifferenz zwischen benötigtem kurzfristigen und langfristigen Kredit größer ist als die Zinsverluste, die dadurch entstehen, daß kurzfristig die langfristigen Mittel nicht beansprucht werden (schwarze Felder des Schaubildes). Mit anderen Worten: Eine Umschuldung kurzfristiger Mittel in langfristige Mittel sollte nur solange fortgesetzt werden, als die Zinsgewinne, die durch die Umschuldung im schrägschraffierten Feld entstehen, die Zinsverluste in den schwarzen Feldern noch übersteigen. Diese Überlegungen haben gezeigt, daß sowohl aus Liquiditätsgründen als auch aus Rentabilitätsgründen Teile des Lagerbestandes langfristig finanziert werden sollten, und zwar aus Liquiditätsgründen mindestens der niedrigste Warenbestand während des Jahres, aus Rentabilitätsgründen sogar ein noch etwas größerer Teil. I n der Praxis stehen dem allerdings beträchtliche Schwierigkeiten entgegen, da im Handel häufig nicht die erforderlichen Voraussetzungen für die Beschaffung langfristigen Kapitals in ausreichendem Maße gegeben sind. Vor allem Handelsbetrieben, die in gemieteten Räumen arbeiten, mangelt es vielfach an den von den Banken geforderten dinglichen Sicher-
C. Die Aufgaben der betrieblichen L o l i t i k
137
138
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
heiten, die es erlauben würden, die Warenbestände in theoretisch idealer Weise zu finanzieren. Jeder Betrieb sollte sich jedoch bemühen, aus Sicherheitsgründen zumindest einen Teil des „niedrigsten" Bestandes langfristig zu finanzieren. So glaubt beispielsweise Schreiterer aufgrund praktischer Erfahrungen, daß das Risiko im Warenlager bereits abgedeckt sei, wenn die langfristige Finanzierung 50 °/o des „Mindestbestandes" erfaßt 114 . Eine 1963 durchgeführte Untersuchung des IfoInstituts ergab, daß das Umlaufvermögen des Großhandels im Durchschnitt nur zu einem Drittel langfristig finanziert ist 115 . Aus Sicherheitsgründen, vor allem aber aus Rentabilitätsgründen ist dieser Anteil als zu niedrig zu bezeichnen. b) Die Herkunft
der Finanzierungsmittel
Nachdem entschieden ist, in welchem Verhältnis der Lagerbestand mit kurzfristigen bzw. mit langfristigen Mitteln finanziert werden soll, ist zu untersuchen, welche Form der kurzfristigen bzw. langfristigen Finanzierung zu wählen ist. Für die Finanzierung des langfristig gebundenen Teils der Warenvorräte (Mindestbestand bzw. eiserner Bestand) kommen Eigenkapital imd langfristige Bankkredite in Frage. Nach einer Faustregel sollte das langfristige Fremdkapital aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nur 6 0 % des Eigenkapitals betragen 118 . Dieses Verhältnis sollte auch bei der Finanzierung des „niedrigsten" Warenbestandes angestrebt werden. Für die Finanzierung mit kurzfristigem Fremdkapital stehen grundsätzlich Lieferanten- und Bankkredite zur Verfügung. Ohne Zweifel der teuerste Kredit ist der Lieferantenkredit, der deshalb zur Lagerfinanzierung in möglichst geringem Umfang in Anspruch genommen werden sollte. I n der Praxis wird die große Bedeutung der Skontoerträge für das Betriebsergebnis häufig nicht genügend beachtet. Gerade im Handel macht man sich vielfach keine Vorstellung davon, in welch starkem Maße sich die Ertragslage durch möglichst weitgehende Inanspruchnahme der Lieferantenskonti verbessern läßt. Ein schematisches Beispiel soll das verdeutlichen. Unser Modellbetrieb habe einen Jahresumsatz zu Einstandspreisen in Höhe von 600, der sich gleichmäßig auf die 12 Monate verteilt (Monatsumsatz = 50). Die Zahlungsbedingungen der Lieferanten lauten: 114 Schreiterer, G.: Wachstum i m Einzelhandel, Düsseldorf 1963, Seite 18. Ferner Schreiben der K a u f r i n g eGmbH an das I f o - I n s t i t u t v o m 1. 8.1963. 115 Vgl. Meyerhöf er, W.: Finanzierungsverhältnisse i m westdeutschen Großhandel, Studien zu Handelsfragen Nr. 9, herausgegeben v o m I f o - I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung, München 1964, Seite 26. 116 Schreiterer, G.: Wachstum i m Einzelhandel, a.a.O., S. 18.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
139
Zahlung bei Lieferung 3 % Skonto Zahlung nach 30 Tagen 2,°/o Skonto Zahlung nach 60 Tagen 0 °/o Skonto.
Es steht ein Bankkredit zur Lagerfinanzierung in Höhe von 50 zur Verfügung, der pro anno 10 °/o kostet. Fall 1 Der durchschnittliche Lagerbestand betrage 150, die Lagerdauer also 90 Tage, die Umschlagshäufigkeit somit 4. Für die Finanzierung des Lagerbestandes steht ein Bankkredit von 50 zur Verfügung, 100 sind durch Lieferantenkredite finanziert. Bei dieser Sachlage kann der Betrieb seine Lieferanten nach 60 Tagen bezahlen, ohne in Liquiditätsschwierigkeiten zu kommen. Ein Skontoabzug ist ihm also nicht möglich. Fall 2 Kann der Betrieb (bei gleichbleibendem Umsatz) seinen Lagerbestand von 150 auf 100 reduzieren, wodurch sich seine Umschlagshäufigkeit auf 6 erhöht bzw. seine durchschnittliche Lagerdauer auf 60 Tage verkürzt, so muß das Lager — der Bankkredit verändert sich nicht — nur noch zu 50 °/o durch Lieferantenkredite finanziert werden. Der Betrieb kann seine Lieferantenrechnungen nun schon nach 30 Tagen begleichen und dadurch einen Skonto-Ertrag in Höhe von 2°/o erzielen. Fall 3 Gelingt es dem Betrieb, den Lagerbestand nochmals radikal zu verringern, nämlich von 100 auf 50, ohne Umsatzeinbußen zu erleiden, so bedeutet das, daß keine Lieferantenkredite mehr in Anspruch genommen werden müssen. Der gesamte Lagerbestand kann mit dem unverändert zur Verfügung stehenden Bankkredit finanziert werden. Bei einem Lagerumschlag von 12 bzw. einer durchschnittlichen Lagerdauer von 30 Tagen kann der Betrieb seine Lieferanten also „bei Lieferung" bezahlen und erzielt dafür einen Skontoertrag in Höhe von 3 °/o. Betrachten wir nun die Auswirkungen auf das Betriebsergebnis. Die Kosten für den Bankkredit in Höhe von 50 sind in allen drei Fällen gleich, bei einem Zinssatz von 10 °/o also jeweils 5. Von der Kostenseite geht auf das Betriebsergebnis somit kein Einfluß aus. Ein erheblicher Einfluß geht aber von den Skontoerträgen aus, die im l . F a l l 0, im 2. Fall 6 und im 3. Fall 18 betragen. Strenggenommen müßten diese Beträge — wie auf Seite 38 dieser Untersuchung schon dargelegt — ebenfalls als Kosten verbucht werden, wenn die Skonti nicht in Anspruch genommen werden. Das würde in unserem Beispiel folgende Rechnung ergeben:
1 4 0 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung Die „Kosten" der Lagerfinanzierung 1. F a l l
2. F a l l
3. F a l l
Zahlung nach 60 Tagen
Zahlung nach 30 Tagen
Zahlung bei Lieferung
Lagerdauer 90 Tage
Lagerdauer 60 Tage
Lagerdauer 30 Tage
absolut Bankkredit
i n °/o v o m absolut i n °/o vom i n °/o v o m absolut Umsatz Umsatz Umsatz
5
0,8
5
0,8
Lieferantenkredit
18
3,0
6
1,0
Insgesamt
23
3,8
11
1,8
5
5
0,8
0,8
Zur Finanzierung der Warenbestände im Handel spielt der Kontokorrentkredit eine besonders große Rolle. I m Gegensatz zum langfristigen Kredit kostet der Kontokorrentkredit nur Zinsen (derzeit etwa 7,5 °/o) für die tatsächlich in Anspruch genommenen Beträge, nicht für den eingeräumten Kredit. Eine besondere Spielart des kurzfristigen Kredits ist der Wechselkredit. Er ist auf jeden Fall der billigste kurzfristige Kredit, in der Regel ist er sogar etwas billiger als langfristiger Kredit. I m Durchschnitt betragen die Wechselkosten etwa 5 °/o p. a. Gerade für den Handel ist der Wechselkredit als Finanzierungsmittel für den Warenbestand gut geeignet, weil er die Möglichkeit gibt, die Wareneingangsspitzen mit den späteren Umsatzspitzen „auszupendeln". Doch sollte immer nur ein Teil, niemals der gesamte Wareneingang durch Wechsel reguliert werden, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, den Wechsel am Verfallstag nicht einlösen zu können. Unter normalen Voraussetzungen liegen die Wechselgrenzen zwischen 25 und 35 °/o des Vorjahresumsatzes im Verfallmonat 117 . Die Finanzierung mit Wechseln bedarf einer exakten Regulierungsplanung. I I I . Die technisch-organisatorische Seite
Alle noch so ausgeklügelten ökonomischen Dispositionen auf dem Gebiet der Lagerpolitik stehen sozusagen im luftleeren Raum, wenn sie sich nicht auf einen zweckentsprechenden Lagerapparat und eine sinnvoll abgestimmte Organisation des Arbeitsablaufs im Lager stützen können. Alle Vorteile, die durch die Planung von Lagergröße, Bestell117 Vgl. „Wechsel überbrücken Finanzierungslücken", i n : Textil-Wirtschaft v o m 6.6.1963, S.52.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
141
menge und -Zeitpunkt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erzielt werden, können wieder verlorengehen, wenn diese technisch-organisatorischen Voraussetzungen für eine rationelle Lagerwirtschaft nicht gegeben sind. Zu den Aufgaben der Lagerpolitik gehört es deshalb auch, diese Voraussetzungen zu schaffen. I n der Handelspraxis wird das Wirtschaftlichkeitsprinzip im technisch-organisatorischen Bereich noch immer zu wenig beachtet; bei der Lagerpolitik der Handelskaufleute stehen die rein betriebswirtschaftlichen Aspekte wie Lagerumschlagshäufigkeit etc. meist stärker im Vordergrund als die Frage des Lagerbaues, der Lagereinrichtung und der Organisation des Arbeitsablaufs im Lager. Erst in jüngerer Zeit schenkte man im Handel den Problemen der Lagerorganisation mehr Beachtung. I n den USA trat schon etwa zu Beginn des 2. Weltkrieges der grundlegende Wandel in der Konzeption der Lagerhaltung und ihrer Zwecksetzung ein 118 , der in Deutschland erst seit Mitte der fünfziger Jahre zu beobachten ist. Während man früher in der Lagerhaltung in erster Linie die Bereitstellung von Lagerraum für die Aufspeicherung der Handelsware sah, wird heute das Lager zunehmend als Ort angesehen, der einen möglichst raschen und reibungslosen Durchfluß der Waren durch den Betrieb zu ermöglichen hat. Die Lagerräume sind nicht mehr um des Lagerns willen da, sondern „zur Sicherung des kontinuierlichen Durchstroms" 119. Die ökonomischen Auswirkungen einer völligen Neugestaltung des technisch-organisatorischen „Lagerapparates" im Handel sind eindrucksvoll. Der Verfasser konnte sich hiervon anläßlich der Untersuchung eines Lebensmittelfilialunternehmens persönlich überzeugen 120. Das betreffende Unternehmen hatte im Jahre 1955 als eines der ersten im westdeutschen Handel ein eingeschossiges Zentrallager in Betrieb genommen, das nach den damals neuesten amerikanischen Erkenntnissen über modernes Vertriebs- und Lagerwesen errichtet worden war. Dieses trat an die Stelle des alten Zentrallagers, das keinerlei Möglichkeiten zu einer rationellen Vertriebsgestaltung mehr bot. Während im alten Zentrallager auf jede Arbeitskraft ein Umschlag von etwa 320 t Ware entfiel, betrug die Pro-Kopf-Leistung im neuen Lager 900 t; sie war damit um 175 °/o höher. I m neuen Zentrallager waren zur Untersuchungszeit — drei Jahre nach seiner Errichtung — 33 Arbeitskräfte beschäftigt. Um den gleichen Warenumschlag zu bewältigen, wären im alten Zentrallager 90 Personen erforderlich ge118
Beckman, Engle, Buzzell, a.a.O., S.417f. Vgl. Die F u n k t i o n des Lagers als Verteilungszentrale, Der Betrieb, Nr. 36/1957, S. 851. 120 Vgl. Soziale A u s w i r k u n g e n des technischen Fortschritts, Untersuchung des Ifo-Instituts f ü r Wirtschaftsforschung, Studie 19: Lebensmittelfilialbetrieb, B e r l i n 1962, S. 406 ff. 119
1 4 2 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung wesen. Durch die Errichtung des neuen modernen Zentrallagers ergab sich somit rein rechnerisch eine Arbeitskräfteeinsparung von über 60%. Neben dem schnelleren Warenumschlag und der dadurch erhöhten Leistungsfähigkeit des Zentrallagers hat der Neubau des Lagerraums nach modernen Gesichtspunkten auch zu einer merklichen Reduzierung der Lagerkosten geführt. So konnte der Anteil der Kosten am Umsatz um 2 °/o vermindert werden. Die Fragen der Lagertechnik und Organisation sind so zahlreich und vielgestaltig, daß sie hier nicht erschöpfend behandelt werden können. Je nach Betriebsgröße, Sortimentsumfang und -Zusammensetzung, örtlichen Gegebenheiten usw. wird der Warendurchlauf in technischer Hinsicht von Handelsbetrieb zu Handelsbetrieb unterschiedliche Lösungen erfordern. Fertige Rezepte, die allgemeine Gültigkeit haben, lassen sich nicht geben. I m Rahmen dieser Arbeit kann nur versucht werden, einige allgemeine Grundsätze herauszuarbeiten, die bei der Bewältigung des Warenflusses zu berücksichtigen sind. Die moderne Lagerkonzeption (Durchflußprinzip) ist mehr auf die speziellen Gegebenheiten der Großhandelsstufe abgestellt als auf die Einzelhandelsstufe, da sich in den Einzelhandelsbetrieben ein großer Teil der Warenbestände in den Verkaufsräumen befindet, wo die Warenanordnung nach verkaufspolitischen Gesichtspunkten orientiert ist. Die Organisation des Lagerwesens im Großhandel (einschl. der Zentrallager der Großbetriebsformen des Einzelhandels) konnte deshalb gegenüber früher auch stärker verändert werden als auf der Einzelhandelsstufe. Lediglich für den Bereich des Reservelagers spielen auch im Einzelhandel organisatorisch-technische Maßnahmen im Rahmen der Lagerpolitik eine Rolle. 1. G r u n d s ä t z e f ü r d i e des W a r e n d u r c h l a u f s i m
Planung Großhandel
I m Großhandel sind auf dem Gebiet des Lagerbaus und der Lagerorganisation in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte erzielt worden. I n großer Zahl sind moderne Großhandelslager entstanden, bei deren Planung und Gestaltung alle Möglichkeiten, wirtschaftlich zu arbeiten, ausgeschöpft wurden. I n jüngster Zeit ist auf diesem Gebiet der technisch-organisatorischen Lagerplanung für Großhandelsbetriebe eine Reihe von Publikationen erschienen, die eine Fülle detaillierter Anregungen enthalten, die sich auf reiche Erfahrungen stützen 121 . 121 Vgl. hierzu u. a. Bornschein, Lahde, M a r t i n : Lagerbau u n d Lagerorganisation i m Nahrungsmittelgroßhandel; herausgegeben v o n der RGH, K ö l n 1960. Bornschein, Görtz, Lahde, M a r t i n : Lagerbau u n d Lagerorganisation i m
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
143
Bei den folgenden Betrachtungen wird der Einfachheit halber grundsätzlich unterstellt, daß die technisch-organisatorische Seite des Lagerwesens völlig neu geplant und gestaltet werden kann, ohne in irgendeiner Weise an bestehende Räumlichkeiten gebunden zu sein. Die sich hierbei ergebenden Konsequenzen geben — entsprechend abgewandelt — auch für solche Fälle brauchbare Anregungen, in denen bei gegebenen räumlichen Verhältnissen eine Um- bzw. Neuorganisation des Lagerwesens vorgenommen werden soll. Grundlage jeder Lagerplanung sind exakte Vorstellungen von Arbeitsablauf und Organisation im Lager, die so beschaffen sein sollen, daß mit geringstmöglichem Arbeitsaufwand ein reibungsloser Warendurchlauf gewährleistet ist. Genaue Analysen des Warenflusses von der Anlieferung über Warenannahme, Wareneingangskontrolle, LagerKommissionierung, Bereitstellungsraum bis zur Verladung sind auszuarbeiten, Palettengröße, Regalkonstruktion und Gabelstaplertyp sind festzulegen, noch ehe der Grundriß des neuen Lagergebäudes gezeichnet wird 1 2 2 . Die Rationalisierungsgemeinschaft des Handels (RGH) hat für „das ideale" Lager folgende grundsätzlichen Forderungen aufgestellt 128 : geringer Zeitaufwand keine doppelten Warenwege fortlaufender Warenfluß, ohne Stauungen u n d Stockungen reibungsloser Anschluß des innerbetrieblichen an den zwischenbetrieblichen u n d außerbetrieblichen Transport keine gegenseitige Behinderung v o n A n - u n d A b f u h r die Ware soll übersichtlich gelagert u n d leicht erreichbar sein beim Zusammenstellen der Aufträge soll der Lagerist — ebenso aber der jüngste L e h r l i n g — möglichst festgelegten Wegen folgen können, nicht aber dem gerade benötigten A r t i k e l kreuz u n d quer nachspüren müssen
der Kundenverkehr im Lager muß sich reibungslos abwicken lassen. Die Realisierung dieser Forderungen setzt voraus, daß der Regiefaktor „Ware" sowie die Elementarfaktoren „Sachliche Betriebsmittel" Großhandel m i t Eisenwaren u n d Hausrat; herausgegeben v o n der RGH, K ö l n 1962. Bornschein, Lahde, M a r t i n , Möllers: Lagerbau u n d Lagerorganisation i m Textilgroßhandel u n d i n verwandten Branchen; herausgegeben von der RGH, K ö l n 1963. Lahde, Fein, M ü l l e r : Handbuch moderner Lagerorganisation u n d Lagertechnik, München 1962. Lagerhaus-Bau, Lager-Einrichtung, Lager-Organisation i n den Edeka-Genossenschaften; herausgegeben v o m Edeka-Verband, H a m b u r g 1962. 122 Bäune, R.: Die Technik der Warenbewegung i m Großhandelslager, i n : Die R G H t e i l t m i t . . . , Nr. 2/63, S. 18 ff. 123 Bornschein, Lahde, M a r t i n , Möllers: Lagerbau u n d Lagerorganisation i m Textilgroßhandel u n d i n verwandten Branchen, a. a. O., S. 62.
1 4 4 2 . und
Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
„Menschliche Arbeitsleistung"
optimal aufeinander
abgestimmt
sind 1 2 4 . a)
Warenordnung
V o n besonderer Bedeutung für die Erzielung eines reibungslosen Warenflusses ist die Festlegung der Warenstandorte innerhalb des Lagers. H i e r b e i lassen sich grundsätzlich folgende Ordnungsgesichtspunkte unterscheiden, die die Beschaffenheit der W a r e u n d die E r fordernisse des Arbeitsablaufs bei der Lagerorganisation berücksichtigen: Lagerung nach Volumen, Gewicht und Sperrigkeit Großvolumige, schwere u n d sperrige Güter sollten so gelagert werden, daß sie n u r möglichst kurze Strecken transportiert werden müssen, w ä h rend die kleinen, leichten u n d handlichen Waren an den entlegeneren P l ä t zen zu lagern sind. Lagerung
nach der
Umschlagshäufigkeit
Da die Umschlagshäufigkeit die Z a h l der Wege bestimmt, die von der Lagerungsstelle zum Kommissionsplatz, d . h . dem O r t i m Lager, an dem die einzelnen Lieferungen zusammengestellt werden, zurückgelegt werden müssen, erhalten die A r t i k e l m i t den höchsten Umschlagshäufigkeiten die am besten u n d schnellsten erreichbaren, die A r t i k e l m i t den niedrigsten Umschlagshäufigkeiten die ungünstigsten Standorte. Lagerung nach dem Aufbau des Ordersatzes Bestellen die Abnehmer anhand eines Ordersatzes, d. h. vorgedruckter Bestellformulare, so sollte die Reihenfolge der A r t i k e l auf dem Ordersatz m i t der Lagerordnung übereinstimmen, u m das Zusammenstellen der K u n d e n aufträge i m Lager zu erleichtern. Da der Ordersatz aber auch den Erfordernissen der Abnehmer angepaßt sein muß, sind diese Gesichtspunkte nach Möglichkeit bereits bei der Warenanordnung i m Lager zu berücksichtigen. Lagerung nach dem Grad der Verderblichkeit bzw. Diebstahlsgefährdung Bei leicht verderblichen Waren bedarf es spezieller Maßnahmen: Besondere Kennzeichnung, „Durchschieben" der Ware i m Regal, so daß jeweils die ältere Ware zuerst verkauft w i r d , Lagerung i n entsprechend temperierten Räumen usw. Die Lagerung v o n hochwertigen A r t i k e l n erfordert besondere Maßnahmen wegen der damit verbundenen Diebstahlsgefahr. I n vielen Fällen werden hierfür Sonderiager angelegt, die unter besonderem Verschluß stehen 1 * 0 . Voraussetzung für eine funktionierende Lagerordnung ist eine gute Artikelnumerierung, a n die folgende Anforderungen z u stellen sind 1 2 0 : 124
Vgl. Buddeberg. H., a. a. O., S. 43 ff. Grundsätze rationeller Lagerordnung, Betriebswirtschaft i m Großhandel Nr. 5/59, Beilage z u m offiziellen Organ des Landesverbandes des Bayerischen Groß- u n d Außenhandels e.V. 126 Bornschein, Lahde, M a r t i n , Möllers: Lagerbau u n d Lagerorganisation i m Textilgroßhandel u n d i n verwandten Branchen, a. a. O., S. 124. 125
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
145
der Gegenstand (Artikel, Abteilung, Lager oder Warengruppe) muß eindeutig bestimmt werden, der Gegenstand muß sich nach bestimmten Gesichtspunkten i n ein System einordnen lassen, die Einfügung später hinzukommender Gegenstände an der richtigen Stelle muß möglich sein, das Numerierungssystem muß leicht erlernbar sein.
I n welch starkem Maße die Organisation des Arbeitsablaufs unabhängig von der technischen Ausstattung die Personalleistungen im Lager beeinflussen können, zeigen Untersuchungen der Rationalisierungsgemeinschaft des Handels (RGH), die in verschiedenen Großhandelsbetrieben der Lebensmittelbranche durchgeführt wurden. Während bei gut organisiertem Arbeitsablauf ein Sammler Durchschnittsleistungen von 1500 kg Ware pro Stunde erzielt, werden in Betrieben mit ähnlichen technischen Voraussetzungen nur 800 kg Ware je Stunde bereitgestellt 127. b) Einsatz der sachlichen Betriebsmittel Bei den im Bereich des Lagerwesens einzusetzenden sachlichen Betriebsmitteln handelt es sich vorwiegend um den Lagerraum selbst, um die Lagereinrichtung sowie die Hilfsmittel für den innerbetrieblichen Warentransport. aa) Der Lagerraum Bei der Planung eines neu zu erstellenden Großhandelslagers kann die Frage der Gestaltung des Lagergebäudes erst gelöst werden, wenn exakte Vorstellungen über den Betriebsablauf im Lager bestehen. Das Lagergebäude ist lediglich die „Schale um einen funktionsgerechten Betriebsablauf" 128 . Eine eingehende Planung dieses funktionsgerechten Betriebsablaufs ist somit die Grundvoraussetzung für den Bau eines „optimalen" Lagergebäudes. Von der detaillierten Planung des Betriebsablaufes im Lager abgesehen, ist vor dem Bau eines Lagergebäudes eine Reihe grundsätzlicher Fragen zu klären, deren Lösung die Wirtschaftlichkeit des Betriebes maßgeblich beeinflußt. Sie betreffen vor allem Bauweise und Größe des Lagerraumes. o) B a u w e i s e
des
Lagerraumes
Die Frage, ob ein eingeschossiges Lager oder ein mehrgeschossiges Lager zweckmäßig ist, kann unter der Voraussetzung, daß ein genügend 127 Troendlin, A.: W a r u m ist die Lagerleistung so schlecht? i n : Rationeller Handel Nr. 2/64, S. 13. 128 Lagerhaus-Bau, Lager-Einrichtung, Lager-Organisation i n den EdekaGenossenschaften, a. a. O., S. 17.
10 Laumcr
1 4 6 2 .
Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
großes Grundstück zur Verfügung steht, grundsätzlich i m Sinne der eingeschossigen Bauweise beantwortet w e r d e n 1 2 9 . D a f ü r sind folgende Überlegungen maßgebend: Der Betriebsablauf i n einer Ebene ist übersichtlicher, das Aufsichtspersonal k a n n vermindert werden. Der Warenfluß w i r d nicht durch zeitaufwendige vertikale Transporte gestört, was v o r allem bei schnell umschlagenden A r t i k e l n eine Rolle spielt. Sowohl die reinen Baukosten je q m Lagerraum (für ein einstöckiges Gebäude k a n n Baumaterial v o n leichterem Gewicht verwendet werden als f ü r ein mehrstöckiges Gebäude, Problem der Tragfähigkeit der Decken w i r d bei einstöckigen Lagern nicht relevant usw.) als auch die Kosten f ü r die technische Ausstattung (keine Aufzüge, Treppen usw.) sind bei Flachbauweise geringer als bei Hochbauweise. Das Verhältnis zwischen den Kosten eines Flachbaues u n d eines Hochbaues beträgt — w e n n nicht unterkellert w i r d — bei gleicher Kapazität etwa 2 : 3 1 3 0 . Bei modernen Stapelmethoden u n d beim Einsatz v o n schweren Lasten befördernden, selbst jedoch leicht beweglichen Transportgeräten ist eine hohe Deckentragfähigkeit erforderlich; jeder q m i n oberen Stockwerken kostet deshalb mindestens 5 0 % mehr als der i n dem ohne tragende Decke zu errichtenden Erd-, Rampen- oder Kellergeschoß 1 31 . Die qm-Nutzfläche ist bei Flachbauweise wegen des Wegfalls v o n Treppenhäusern, Aufzugsschächten -und Säulen größer als bei Stockwerkbauten, was bedeutet, daß eine beträchtlich größere Warenmenge auf einem q m untergebracht werden kann. Bei Flachbauweise läßt sich die Lagerkapazität bei Bedarf grundsätzlich leichter erweitern als bei Hochbauweise. ß) G r ö ß e
des
Lagerraumes
Eingehende Überlegungen über die richtige Größe des Lagerraumes sind äußerst wichtig. Sowohl ein zu kleiner als auch ein z u großer R a u m beeinflußt die Betriebskosten ungünstig. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein nach modernen Gesichtspunkten gebautes Lagerhaus ausreichend groß sein muß, u m den Einsatz rationeller Transportm i t t e l z u ermöglichen. N u r so k a n n erreicht werden, daß die bewegte Wareneinheit möglichst groß ist u n d die manuelle T ä t i g k e i t i n der Warenbewegung auf ein Mindestmaß herabgesetzt w i r d . Diese zusätzliche manuelle Bewegung von W a r e n b e i m Aufstapeln, Transportieren, L a g e r n usw. f ü h r t zu einer V e r m i n d e r u n g der Lagerleistung u n d erhöht die Kosten der L a g e r h a l t u n g 1 8 2 . Ungenügender L a g e r r a u m ist auch häufig die Ursache für die Unübersichtlichkeit der Lageranordnung u n d birgt auch aus diesem G r u n d Verlustquellen i n sich. 129
Vgl. hierzu insbesondere Landenberger, T. M.: Die Lagerhausplanung, i n : Lager- u n d Vertriebsorganisation auf der Großhandelsstufe, E C A - P r o j e k t 167 der OEEC, K ö l n 1954, S. 56 f. 130 Bornschein, Lahde, M a r t i n , Möllers: Lagerbau u n d Lagerorganisation i m Textilgroßhandel u n d i n verwandten Branchen, a. a. O., S. 224. 131 Vgl. Fehlerquellen beim Lagerhausbau, i n : Handelsblatt v o m 24.4.1963. 132 Moderne Lager-Organisation spart Kräfte, i n : Handelsblatt v o m 1. 8.1962.
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
147
Die gesamte Lagerfläche setzt sich zusammen aus der „reinen Lagerfläche" (Regalfläche etc.) und der „Verkehrsfläche" (Fläche für die Auftragszusammenstellung, Gänge). Der Bedarf an reiner Lagerfläche (bzw. Lagervolumen) sowie an Verkehrsfläche muß getrennt festgestellt werden. U. a. sind bei der Planung der reinen Lagerfläche folgende Daten heranzuziehen 138 : Der gegenwärtige Jahresumsatz u n d die Ausweitungsmöglichkeiten i n der Zukunft, der durchschnittliche Lagerbestand u n d Lagerumschlag, der saisonal höchste Lagerbestand während des Jahres, die A r t i k e l z a h l des Lagerbestandes, die Mengen je A r t i k e l , die notwendigen Spezialabteilungen, die Z a h l der zu beliefernden Kunden, die durchschnittliche größe u n d der Durchschnittsumsatz je Kunde, die Größe des Absatzgebietes.
Auftrags-
Auch die Planung der Verkehrsfläche bedarf sorgfältiger Überlegungen. Die Gänge zwischen den Regalen bzw. sonstigen Warenplätzen beispielsweise sollen nicht zu schmal sein, da sie sonst einen zügigen Warenfluß erschweren und den Personenverkehr behindern, andererseits bedeuten zu breite Gänge Raumvergeudung und damit höhere Lagerkosten je Wareneinheit 184 . Das optimale Verhältnis zwischen reiner Lagerungsfläche und Verkehrsraum wird von Branche zu Branche je nach Sortimentscharakter und Abnehmerstruktur verschieden sein. I n 25 großen Lebensmittellagern der Bundesrepublik, die im Jahre 1963 besucht wurden, schwankte dieses Verhältnis etwa zwischen 55 :45 und — in einem Fall — 35 : 65. I m Durchschnitt machte die reine Lagerfläche etwa 50 °/o aus, was für diese Branche optimal sein dürfte. bb) Ausstattung mit Einrichtungsgegenständen und Transportmitteln Auch das Problem der zweckmäßigsten Ausstattung der Lagerräume mit Einrichtungsgegenständen (Regalen, Behältern, Paletten) und innerbetrieblichen Transportmitteln (Sammelkarren, Hubwagen, Gabelstapler, Krane, Rutschen, Förderanlagen, Aufzüge) sollte nur im Zusammenhang mit der gesamten innerbetrieblichen Ablaufplanung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gelöst werden. Grundsätzliche Unter133 y g i hierzu auch Lagerhaus-Bau, Lager-Einrichtung, Lager-Organisation i n den Edeka-Genossenschaften, a. a. O., S. 17. 134 Bornschein, Lahde, M a r t i n , Möllers: Lagerbau u n d Lagerorganisation i m Textilwarengroßhandel u n d i n verwandten Branchen, a. a. O., S. 137 ff. 10*
1 4 8 2 . Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung schiede in der zweckmäßigsten Lagerausstattung bestehen zwangsläufig je nach Charakter und Beschaffenheit des Sortiments, wobei vor allem die Frage entscheidend ist, ob und wie die Ware verpackt ist. „Schüttgüter ζ. B. verlangen nicht ein Lager mit Regalen, sondern ein einfaches Lager, Ballenware kann in Blocks auf dem Boden gestapelt werden, Säcke können mit oder ohne Behälter oder Paletten ebenfalls auf dem Boden abgesetzt werden. Fässer lassen sich gegebenenfalls direkt mit einem Spezialstapler übereinandersetzen, bei kleineren Einheiten wird man Paletten zur Hilfe nehmen. Lose Kleingüter erfordern Lagerbehälter oder Boxpaletten, während abgepackte Ware auf Paletten oder in Regalen gestapelt werden kann 135 ." Der Verpackung der Ware kommt somit für die Wahl der Lagerausstattung große Bedeutung zu. c) Personaleinsatz Den größten Einfluß auf die Leistung hat im Großhandelslager — trotz aller Mechanisierungserfolge — auch heute noch der Mensch, nicht die Technik. Ein reibungsloser Warenfluß durch das Lager läßt sich nur erzielen, wenn auch der Einsatz des Personals optimal geplant und organisiert ist. So ist — um nur ein Beispiel zu nennen — nicht jeder Arbeiter gleichermaßen für den Umgang mit den elektrisch betriebenen Hilfsmitteln geeignet. Eine die besonderen Fertigkeiten des Einzelnen berücksichtigende Verteilung der Tätigkeitsbereiche und Zuständigkeiten gehört zu den wichtigsten Aufgaben der technisch-organisatorischen Lagerpolitik. Lageruntersuchungen der Rationalisierungsgemeinschaft des Handels (RGH) haben ergeben, daß bei Ausübung mehrerer Funktionen durch eine Arbeitskraft das Leistungsniveau unter dem der Arbeitskräfte liegt, die nur eine Funktion ausüben136. Auch die Frage der Leistungsentlohnimg ist in diesem Zusammenhang zu prüfen. I n der Regel führt der Anreiz der Leistungsentlohnung dazu, daß das Lagerpersonal die Arbeit in kürzerer Zeit bewältigt, was für den Betrieb Kosteneinsparungen nach sich zieht 187 . 2. G r u n d s ä t z e
für die R e s e r v e l a g e r - O r g a n i s a t i o n im Einzelhandel
I m Einzelhandel stehen die Fragen der technischen Lagerorganisation weniger im Mittelpunkt des betrieblichen Geschehens als im Großhandel. Ein großer Teil der Warenbestände des Einzelhandels befindet sich nämlich in den Verkaufsräumen, wo ausschließlich verkaufsorientierte Gesichtspunkte für die Warenanordnung maßgebend sind, die hier nicht zu behandeln sind. 135
Lahde, Müller, Fein, a. a. O., S. 334. Troendlin, Α.: W a r u m ist die Lagerleistung so schlecht? a. a. O., S. 15. 137 Vgl. hierzu: Lagerhaus-Bau, Lager-Einrichtung, Lager-Organisation i n den Edeka-Genossenschaften, a. a. O., S. 99 ff. 138
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
149
Eine im Jahre 1963 vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführte Erhebung ergab im Durchschnitt aller Einzelhandelsbranchen folgende Aufgliederung der Lagerfläche: Lagerfläche
in °/o der gesamten Betriebsfläche
44,3 Vo
davon: Lagerfläche i n den Verkaufsräumen (Regale, Gondeln u n d sonstige Standplätze)
20,5 °/o
Reservelager-Räume
23,8 °/o
Das Verhältnis der Lagerfläche in den Verkaufsräumen zur Lagerfläche im Reservelager beträgt im Durchschnitt des Einzelhandels — bei beträchtlichen Unterschieden in den einzelnen Branchen — 46 :54. Organisatorisch und ressortmäßig selbständige Lagerarbeiten ergeben sich im Einzelhandel nur für die Reservelager 138. (Die Zentrallager der Filialbetriebe des Einzelhandels sind funktionell gesehen Großhandelsbetriebe; für sie gelten die für Großhandelslager gemachten Ausführungen 139 .) Wenngleich sich in den Reservelagern nur ein Teil des Warenbestandes befindet, so wird sich eine rationelle Organisation der Warenlagerung doch günstig auf den Betriebsablauf im Einzelhandelsgeschäft auswirken. Immerhin entfallen nach der oben erwähnten Erhebung des Ifo-Instituts von der Gesamtarbeitszeit des Personals rd. 28 °/o auf Lagerarbeiten. Zu den Lagerarbeiten im Einzelhandelsbetrieb gehören u. a. die Entgegennahme und das Einräumen der ankommenden Ware, die Warenpflege, die Alterskontrolle, das Sortieren sowie die Preisauszeichnung. Diese Arbeiten sind allerdings unabhängig davon durchzuführen, ob die Ware in den Verkaufsräumen oder in den Reservelagerräumen liegt. I m Einzelhandel lassen sich verschiedene Arten von Reservelagern unterscheiden 140: a) Lager, i n denen sich der Großteil der Waren befindet, die i m Laden lediglich durch Musterstücke vertreten sind. Diese F o r m des Reservelagers ist üblich f ü r große u n d sperrige Waren, w i e Möbel, Waschmaschinen, Herde, Elektrogeräte. Der Versand bzw. die Auslieferung der (häufig f a b r i k v e r packten) Ware erfolgt direkt v o m Lager, ohne zuerst i n den Verkaufsr a u m zu gelangen, der i n diesem F a l l den Charakter eines Ausstellungsraumes annimmt. b) Lager, die Waren aufnehmen, die während der Saison nicht abgesetzt werden konnten u n d „ ü b e r w i n t e r t " bzw. „übersommert" werden sollen. Diese A r t des Reservelagers findet sich vor allem i n den Bekleidungs138
Buddeberg, H., a. a. O., S. 62. Vgl. Seite 142 ff. 140 Rationalisierungsbrief des Handels, Nr. 18, Beitrag 29: Verlustquelle Reservelager, herausgegeben von I. M. Witte u n d D i p l . - K f m . Leihner, B e r l i n 1963. 139
150
2. Teil: Betriebswirtschaftliche Aspekte der Lagerhaltung
branchen, i m Sportartikelhandel, i m Hausrathandel (Gartengeräte -möbel, Schneeschaufeln, Öfen etc.) usw.
und
c) Lager, die reguläre Verkaufswaren — also nicht Reserven — enthalten, die aus Platzmangel nicht i m Verkaufsraum untergebracht werden k ö n nen. Typische Lager dieser — äußerst unrationellen — A r t finden sich i m Schuhfachhandel, w o z . T . ein großer T e i l des Lagers i n Nebenräumen untergebracht ist. Die Verkäuferin hat dann während des V e r kaufsakts häufig mehrmals den Weg zwischen Verkaufsraum u n d Nebenr a u m zurückzulegen. Nach Möglichkeit sollte i n diesen Fällen der V e r kaufsraum vergrößert bzw. die Stapelmöglichkeit i m Verkaufsraum erweitert werden. d) Die wichtigste u n d a m häufigsten anzutreffende A r t des Reservelagers dient zur Ergänzung des Ladensortiments. Bei diesen echten Reservelagern fallen A r t u n d Weise der Organisation besonders stark ins Gewicht, da v o n ihnen die reibungslose Versorgung des Verkaufslagers abhängig ist. Die i m folgenden herausgearbeiteten Grundsätze gelten vor allem f ü r Reservelager dieser A r t .
Bei der Unterhaltung von Reservelagern im Einzelhandel sollten folgende Grundsätze technisch-organisatorischer Art befolgt werden: Das Reservelager sollte i n unmittelbarer Nähe der Verkaufsräume liegen, damit die Wege zwischen Verkaufsraum u n d Reservelager nicht zuviel Zeit i n Anspruch nehmen. I n Branchen m i t sich schnell umschlagenden Waren ist darauf stärker zu achten als i n Branchen m i t sich langsam umschlagenden Waren. Innerhalb des Reservelagers sollte die Warenanordnung übersichtlich u n d nach bestimmten Gesichtspunkten (Umschlagshäufigkeit, Wertigkeit, Sperrigkeit) vorgenommen werden. Grundsätzlich haben hier dieselben P r i n zipien Gültigkeit, die f ü r die Großhandelslager angeführt wurden. Der Warennachschub v o m Reservelager zum Verkaufsraum sollte nicht u n kontrolliert vor sich gehen. Es ist beispielsweise unrationell, w e n n w ä h rend des Verkaufsaktes fehlende Einzelartikel v o n den Verkaufskräften aus dem Lager geholt werden müssen. Die f ü r Lagergänge erforderliche Zeit geht f ü r den Verkauf verloren, was zu Umsatzeinbußen führen kann. Das Personal, das v i e l laufen muß, k a n n entsprechend weniger v e r kaufen 1 4 1 . U m Gänge z u m Lager zu vermeiden, empfiehlt es sich, f ü r den A b r u f der nachzufüllenden Waren ein festes System einzuführen. V o r bereitete Listen m i t Angabe der Warengruppe, des Regals oder der Gondel u n d m i t Spalten f ü r Artikelbezeichnung, Mengenanforderung u n d Name des verantwortlichen Mitarbeiters b e w i r k e n eine geschlossene u n d damit rationelle Ausführung des Arbeitsvorganges. Insbesondere i n größeren Läden m i t eigenem Lagerpersonal ist es zweckmäßig, w e n n der A b r u f v o m Lager durch derartige Listen erfolgt u n d das gewerbliche 141
Zeitstudien der R G H i n Drogerien ergaben bei verschieden organisierten Betrieben erhebliche Unterschiede i n der Beanspruchung des Verkaufspersonals durch Lagergänge. So w u r d e n i n einer gut organisierten Selbstbedienungsdrogerie i m Verlauf einer ganzen Woche nicht einmal eine einzige Arbeitsstunde f ü r Lagergänge benötigt, i n einer schlecht organisierten Bedienungsdrogerie m i t weitab liegendem Lager dagegen täglich zwei Stunden. (Vgl. Graff, D.: Laufen oder verkaufen? i n : Die R G H teilt m i t . . . , Nr, 3/1963 S. 5 ff.).
C. Die Aufgaben der betrieblichen Lagerpolitik
151
Personal i m Lager diesen A b r u f geschlossen zusammenstellt u n d z u m Verkaufsraum transportiert 1 4 2 . Die Lagerung muß so erfolgen, daß — w o erforderlich — das „first i n —first out—Prinzip" angewandt werden kann. Neue Ware darf nicht auf alte Restbestände gestapelt werden, Verderb u n d Uberalterung ist zu vermeiden. I n manchen Branchen (Nahrungsmittel) ist eine ständige Alterskontrolle erforderlich. Die zuerst gelieferte Ware muß auch zuerst i n den Laden gelangen 1 4 3 . U m den Kundenverkehr i m Verkaufsraum möglichst wenig zu stören, sollte die Ware schon i m Reservelager soweit w i e möglich verkaufsfertig gemacht, also ausgepackt u n d ausgezeichnet werden. F ü r den Lebensmitteleinzelhandel gibt es beispielsweise einige Möblierungssysteme m i t Nachfülleinsätzen, die i m Lager gänzlich vorbereitet u n d n u r noch i m Laden gegen den leeren Einsatz ausgewechselt zu werden brauchen 1 4 4 .
142 Vgl. hierzu: Henksmeier, Hoff mann: Arbeitsorganisation i m SB-Laden, K ö l n 1963, S. 64 f. 143 Henksmeier, Hoffmann, a. a. O., S. 61. 144 Henksmeier, Hoffmann, a. a. O., S. 66.
Schlußteil
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der einzelbetrieblichen Lagerpolitik I n der vorliegenden Arbeit wurden die volkswirtschaftlichen und die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Lagerhaltung des Handels im wesentlichen unabhängig voneinander untersucht. I m folgenden abschließenden Teil soll nun noch die Frage behandelt werden, ob bzw. wieweit die einzelbetriebliche Lagerpolitik den volkswirtschaftlichen Vorstellungen von einer konjunkturell erwünschten Lagerpolitik entspricht und welche neuen gesamtwirtschaftlichen Aspekte struktureller und konjunktureller Art sich daraus ergeben, daß die Lagerkonzeption des Handels seit der Währungsreform in einem tiefgreifenden Wandel begriffen ist. I m ersten Teil dieser Untersuchung (Kapitel C) wurde gezeigt, daß der Handel am Zustandekommen der lagerzyklischen Schwankungen maßgeblich beteiligt ist und deshalb den Konjunkturverlauf wesentlich mitbestimmt (vgl. S. 50 ff.). Das Phänomen des Lagerzyklus stört nun aber nicht nur das — gesamtwirtschaftlich erwünschte — gleichmäßige wirtschaftliche Wachstum, es beeinträchtigt letzten Endes auch das einzelne Wirtschaftsunternehmen. Es sollte deshalb das Bestreben aller Beteiligten sein, den Lagerzyklus einzudämmen. Die Rolle des Staates bei dieser Aufgabe soll im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter erörtert werden; die ihm zur Verfügimg stehenden Maßnahmen werden unter dem Begriff „antizyklische Konjunkturpolitik" zusammengefaßt. Hier soll lediglich untersucht werden, ob der Handel selbst dazu beitragen kann, die unerwünschten lagerzyklischen Entwicklungen zu unterbinden. Das Ergebnis dieser Untersuchung bleibt weitgehend negativ. Selbst wenn man unterstellt, daß die Mehrzahl der Handelsbetriebe über die konjunkturellen Auswirkungen ihrer Lagerpolitik Bescheid weiß, was keineswegs der Fall sein dürfte, wäre nicht anzunehmen, daß daraus die entsprechenden Konsequenzen gezogen würden. Der einzelne Unternehmer würde dann nämlich in einer Weise handeln, die ihm Wettbewerbsnachteile gegenüber solchen Konkurrenten bringt, deren Ge-
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Lagerpolitik
153
schäftspolitik weniger konjunkturbewußt ist. Kauft ein Unternehmer einer bestimmten Geschäftssparte bei ansteigender Konjunktur aus spekulativen Gründen in verstärktem Umfang ein, müssen alle übrigen Konkurrenten das gleiche tun, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Gerade durch diese Einheitlichkeit der Handlungsweise aber kommt — wie im ersten Teil gezeigt wurde — der Lagerzyklus mit seinen gesamtwirtschaftlich schädlichen Folgen in Gang. Bei rückläufiger Konjunktur ergeben sich für den Handel eher Möglichkeiten, dem Lagerzyklus entgegenzuwirken, ohne Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Haben sich nämlich bei den Herstellern unerwünscht große Bestände gebildet, bietet sich dem Handel die Chance, diese „notleidenden" Posten zu sehr günstigen Bedingungen (Preise, Zahlungsfristen) zu kaufen. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine erhöhte Risikobereitschaft des Handels sowie eine genügend große Kapitaldecke, die es erlaubt, das erhöhte Lager über die absatzschwache Zeit hinweg zu halten. Grundsätzlich kann jedoch, soweit die Ursachen für das Entstehen von Lagerzyklen in spekulativen Dispositionen von Händlern zu suchen sind, von Seiten der Unternehmer des Handels ein „konjunkturgerechtes" Verhalten kaum verlangt werden. Liegen die Ursachen allerdings in Fehleinschätzungen der künftigen Nachfrage, lassen sich die Auswirkungen des Lagerzyklus vermindern, wenn es gelingt, dem Handel bessere Anhaltspunkte über die kurzfristigen Wachstumsaussichten zu vermitteln. Dazu bedarf es nicht nur Prognosen über die Entwicklung der verfügbaren Einkommen und der Spartätigkeit der Konsumenten, des privaten Verbrauchs und der Einzelhandelsumsätze insgesamt, wie sie von Wirtschaftsforschungsinstituten laufend erstellt werden, sondern darüber hinaus detaillierter Branchenprojektionen, in denen die Strukturwandlungen des Verbrauchs berücksichtigt werden. Grundsätzlich gilt die Feststellung, daß die Lagerhaltung des Handels die konjunkturelle Entwicklung der Volkswirtschaft wesentlich mitbestimmt, für die Gegenwart ebenso wie für die Vergangenheit. Seit Anfang der fünfziger Jahre zeichnet sich jedoch ein grundlegender Wandel in der einzelbetrieblichen Lagerkonzeption ab, der auch in gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht ohne Konsequenzen blieb. Die traditionelle Anschauung, die im Lager nur eine Aufspeicherung von Vorräten sah, macht zunehmend der Einstellung Platz, daß — wie an anderer Stelle (S. 141) ausführlich dargestellt wurde — der Durchfiuß der Handelsware durch den Betrieb möglichst beschleunigt werden muß. Es wurde erkannt, daß Lagerhaltung an sich keine Leistung ist, die vom Markt honoriert wird. Durch geschicktes Disponieren, was Liefertermin und Warenmenge betrifft, kann ein Handelsbetrieb mit
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Lagerpolitik relativ kleinem Lager (in manchen Fällen auch ohne eigenes Lager) seiner Aufgabe, die reibungslose Versorgung der Abnehmer zu gewährleisten, besser gerecht werden als ein weniger reagibler Betrieb mit viel höherem, dafür teurerem Lager. Der Ersatz eines Teiles der Lagerhaltung durch Dispositionen und der damit erreichbare schnellere und kostengünstigere Warenfluß von der Produktion zum Verbrauch trägt den Erfordernissen einer rationell arbeitenden Absatzwirtschaft zweifellos Rechnung1. Man hat im Handel in den letzten Jahren erkannt, daß von der Lagerpolitik entscheidende Einflüsse auf das Betriebsergebnis ausgehen. Auch hier wirkte sich das im Handel gegenüber früher ohne Zweifel erheblich gestiegene Bildungsniveau aus. I m Nahrungsmittelhandel ist die Lagerumschlagshäufigkeit geradezu zum Fetisch der Betriebsführung geworden. Ihren Ausgangspunkt hatte die neue lagerpolitische Konzeption im deutschen Handel bei den modernen Zusammenschluß- und Großbetriebsformen, die nicht zuletzt der Neuorientierung der Lagerpolitik ihre Erfolge verdanken. Diese fortschrittlichen Betriebsformen, vor allem die freiwilligen Ketten, haben im Handel ein ganz neues „Kostengefühl" geweckt. Gerade bei den freiwilligen Ketten und den Einkaufsgenossenschaften ist man dem Prinzip des „Hand-to-mouth-buying" heute schon sehr nahe gekommen. Bei vielen Betrieben des Nahrungsmittelgroßhandels reichen die Bestände unter normalen Absatzverhältnissen nicht länger als vier bis fünf Tage. Manchmal ist sogar nur ein Bestand für einen Tag auf Lager 2 . Die Aussage des Inhabers einer „Ketten"-Großhandlung ist für die moderne Anschauung vom Lager typisch: „Wir disponieren auf Null. Jeder Bestand zum Zeitpunkt der Neulieferung ist eine Fehlleistung des Einkäufers." Die weitgehende Abwälzung der Lagerhaltung im Nahrungsmittelgroßhandel auf die Produzenten ließ sich natürlich nur erreichen durch eine optimale Organisation des An- und Auslieferungssystems und den hohen Entwicklungsstand des Transport- und Nachrichtenwesens. Hinzu kommt, daß die Einkaufsgenossenschaften und freiwilligen Ketten durch ihre hohen Auftragsgrößen gegenüber der Industrie in eine starke Machtposition gelangt sind, die es ihnen erlaubt, ihren Lieferanten den Belieferungsrhythmus zu diktieren 3 . 1 Vgl. Batzer, E.: Z u r Bedeutung u n d Problematik des Funktionsrabatts, B e r l i n 1962, S.56. 2 Vgl. Vorratshaltung der Großbetriebe des Nahrungsmittelhandels. Eine Studie zum Thema Krisenbevorratung, Studien zu Handelsfragen Nr. 10, herausgegeben v o m I f o - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung, München 1964, S. 7 f. 3 Gegenwärtig werden über 70 °/o des Einzelhandelsumsatzes an Nahrungsu n d Genußmitteln, das sind etwa 25 M r d . D M , über n u r rd. 1300 „Dispositions-Zentralen" (Großhandlungen u n d Einkaufszentralen) eingekauft. Der durchschnittliche Jahreseinkauf je Großhandlung bzw. Zentrale liegt — unter
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Lagerpolitik
155
Neuerdings greift der Wandel in der Auffassung vom Lager — dank der Aufklärungs- und Erziehungsarbeit der Betriebsberatungsstellen des Handels, der Rationalisierungsgemeinschaft des Handels und von Hochschulinstituten — auch auf andere Bereiche des Handels und die nicht gebundenen kleinen und mittleren Handelsbetriebe über. Durch diesen dynamischen Prozeß wurde bereits eine beachtliche Rationalisierung der Lagerwirtschaft des Handels erzielt. Beispielsweise ist der Lagerbestand des Einzelhandels am Umsatz gemessen trotz eines vervielfachten Warenangebots heute nur noch halb so groß wie vor 30 Jahren (vgl. S. 31). Die von der Forschungsstelle für den Handel im Jahre 1933 ausgesprochene Wunschvorstellung („Welch ungeheure Betriebskapitalien könnten gespart werden, gelänge es die Lagerhaltung um ein Drittel zu reduzieren" 4), deren Verwirklichung damals nicht abzusehen war, ist somit heute schon erfüllt. Die abnehmende quantitative Bedeutung der Lagerhaltung des Handels ging bzw. geht einher mit einer rapiden Zunahme seiner Anlageintensität5. Zwischen beiden Entwicklungen besteht ein enger Zusammenhang. Einmal hat der rasch wachsende Bedarf der modernen Handelsbetriebe an Anlage-Investitionen, die einen entsprechend hohen Kapitalbedarf auslösen, ohne Zweifel dazu beigetragen, daß der teilweisen Freisetzung des in den Lagerbeständen gebundenen Kapitals verstärktes Augenmerk geschenkt wird. Zum anderen hätte sich die Rationalisierung der Lagerwirtschaft ohne umfangreiche Investitionen gar nicht in dem Maße realisieren lassen, wie es in den vergangenen Jahren der Fall war. So erfordern beispielsweise die modernen Methoden der Lagerorganisation im Großhandel (Durchflußprinzip), wie sie im zweiten Teil dieser Untersuchung (Kapitel I I I ) aufgezeigt wurden, je Umsatzeinheit größere Lagerflächen als bisher sowie hochwertige arbeitskräftesparende technische Anlagen und Apparaturen. Während beispielsweise im Zeitraum 1924—1928 vom gesamten Sachkapitalzuwachs im Einzelhandel rd. 8 8 % auf den Lagerzuwachs ent-
Berücksichtigung der Handelsspanne — bei gut 15 Mio. D M . Vgl. Batzer, E., Laumer, H.: Neue Vertriebswege i n Industrie u n d Handel, München 1963, S. 160. 4 Z i t i e r t nach Jugl, K . : Die A b w ä l z u n g der Lagerhaltung i m Einzelhandel, Diss. Wien 1950. 6 Vgl. hierzu Nieschlag, R.: Ausbau des industriellen Vertriebswesens u n d Erstarkung des Handels. Kooperation oder Kampf? I n : Betriebsökonomisierung, Festschrift f ü r Rudolf Seyffert, K ö l n u n d Opladen 1958, S. 107 ff. — Derselbe: Die zunehmende Kapitalintensität des Handels u n d i h r Einfluß auf den Konzentrationsprozeß, B l ä t t e r für Genossenschaftswesen, Nr. 4/1961 v o m 25.2.1961, S.57ff. — Laumer, H.: Wachstum u n d strukturelle V e r änderungstendenzen des Handels i m Spiegel seiner Investitionen. W i r t schaftskonjunktur, Heft 2/1961, S. 33 ff.
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Lagerpolitik fielen®, waren es im Zeitraum 1957—1961 nur 26°/o7. Auch innerhalb des letzten Jahrzehnts hielt diese Tendenz an. So nahm von 1954 bis 1962 der Anteil des Anlagevermögens an der Bilanzsumme im Einzelhandel von 24,4% auf 27,6% zu, der Anteil der Lagerbestände aber von 53,5 % auf 50,1 % ab8. Die moderne einzelbetriebliche Lagerkonzeption hat auch konjunkturelle Auswirkungen. Je stärker nämlich die Betriebsführung ihr Augenmerk auf einen raschen Warenumschlag legt, um so mehr gleichen sich Wareneingang und Umsatz einander an, um so geringer werden die „toten" Warenbestände, die nicht unmittelbar für den Absatz benötigt werden. Je kleiner diese konjunkturell-relevanten Bestände aber sind, desto geringer ist der Spielraum für konjunkturverschärfende Schwankungen. Heute spielen sich die Lagerzyklen vor allem innerhalb der Industrie ab, die in verstärktem Maße das Lagerrisiko in der Volkswirtschaft übernommen hat 9 . Während im Zeitraum 1924/28 noch fast 6 0 % der Lagerinvestitionen von Industrie, Großund Einzelhandel auf den Handel entfallen waren, sind es im Zeitraum 1957/61 nur mehr gut 40 % gewesen. Auch in den USA hat der Einfluß der Handelslager auf die konjunkturelle Entwicklung abgenommen. I n den verschiedenen Konjunkturphasen der letzten Jahre hatte der amerikanische Handel seine Lagerhaltung weitgehend der Bewegung des Umsatzes angepaßt, während das der Industrie nicht gelungen ist 10 . Die „zyklusdämpfende" Auswirkung der neuen Lagerkonzeption des Handels ist gesamtwirtschaftlich ebenso positiv zu werten wie die davon ausgehende Rationalisierung des Warenvertriebs.
6 K a p i t a l b i l d u n g u n d Investitionen i n der deutschen Volkswirtschaft 1924 bis 1928, Sonderheft 22 der Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung, I n s t i t u t f ü r Konjunkturforschung, B e r l i n 1931, S. 135. 7 Die Anlage-Investitionen des Einzelhandels betrugen i n den Jahren 1957 bis 1961 durchschnittlich 1740 M i l l . D M (vgl. Laumer, H. u n d Michalik, L.: Die Investitionstätigkeit des westdeutschen Handels, I f o - I n s t i t u t für Wirtschaftsforschung, München, 1963, S. 11), der durchschnittl. Lagerzuwachs i m gleichen Z e i t r a u m dagegen n u r knapp 600 M i l l . D M (vgl. Tab. 5, S. 29). 8 Die Vermögens- u n d Kapitalsituation des Einzelhandels i n den Jahren 1954 bis 1959. M i t t e i l u n g e n des Instituts f ü r Handelsforschung an der U n i versität zu K ö l n , Nr. 100/April 1962, S. 1117 ff. — Die Vermögens- u n d K a p i talsituation des Einzelhandels i n den Jahren 1960 u n d 1961. Mitteilungen des Instituts f ü r Handelsforschung an der Universität zu K ö l n , Nr. 113, M a i 1963, S. 1269 f. 9 Oppenländer, K . - H . : Lagerzyklen machen K o n j u n k t u r e n , i n : Der Volksw i r t , Nr. 22/1964, S. 1038 ff. 10 Vgl. hierzu z . B . : Die Lagerbewegung i n den USA, i n : Deutsche Zeitung v o m 23.8.1958 ( „ A u f der K o n j u n k t u r h ö h e vor einem Jahre betrug der Wert der Fabriklager l,87mal soviel w i e der Monatsumsatz; er beträgt jetzt mehr als der Wert v o n zwei Monatsumsätzen. I m Einzelhandel veränderte sich das Verhältnis v o n Lagerhaltung zu Umsatz überhaupt nicht innerhalb eines Jahres; es beträgt nach w i e v o r 1,4 :1".)
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Lagerpolitik
157
Unter gesamtwirtschaftlichem Blickwinkel ist allerdings die Frage zu stellen, ob die Verminderung der Lagerhaltung im Handel und die damit zweifellos verbundene Abwälzung auf die Lieferanten auch wirklich zu einer Verbilligung der Vertriebskosten der Wirtschaft insgesamt geführt haben oder ob etwa die im institutionellen Handel erzielten Kosten-Einsparungen in voller Höhe auf die Industrie übergegangen sind. Nur im ersten Falle wäre der modernen Lagerkonzeption des Handels auch ein volkswirtschaftlicher Rationalisierungseffekt zuzusprechen. Obwohl eine exakte Beweisführung kaum möglich ist, läßt sich doch mit ziemlicher Sicherheit konstatieren, daß die Rationalisierung der Handelslager in den fünfziger und den frühen sechziger Jahren die volkswirtschaftlichen Vertriebskosten tendenziell positiv beeinflußt hat. Dafür spricht u. a., daß sich die Umschlagshäufigkeit der Lager in der Gesamtwirtschaft (Industrie, Handwerk und Handel) trotz eines vervielfachten Warenangebots erhöht hat; sie erhöhte sich von durchschnittlich 6,5 im Zeitraum 1927/31 auf durchschnittlich 7,2 im Zeitraum 1957/61. Ohne die Rationalisierung der Lagerhaltung im Handel wäre der Anteil der volkswirtschaftlichen Vertriebskosten am Sozialprodukt im Vergleich zu den dreißiger Jahren zweifellos noch stärker gestiegen als es der Fall war.
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