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German Pages 766 [772] Year 1991
Festschrift für Karlheinz Quack zum 65. Geburtstag
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Festschrift für KARLHEINZ QUACK zum 65. Geburtstag am 3. Januar 1991
Herausgegeben von
Harm Peter Westermann und Wolfgang Rosener in Verbindung mit Friedrich Becker und Kay Jacobsen
w DE
1991 Walter de Gruyter · Berlin · New York
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt
CIP-Titelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Festschrift f ü r Karlheinz Quack zum 65. [fünfundsechzigsten] Geburtstag : am 3. Januar 1991 / hrsg. von Harm Peter Westermann und Wolfgang Rosener. In Verbindung mit Friedrich Becker und Kay Jacobsen. - Berlin ; N e w York : de Gruyter, 1991 ISBN 3-11-012406-8 NE: Westermann, Harm Peter [Hrsg.]; Quack, Karlheinz: Festschrift
© Copyright 1991 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses W e r k einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Saladruck, D-1000 Berlin 36 Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer GmbH, D-1000 Berlin 61 Frontispiz: Robert Hackbarth, D-6000 Frankfurt/M. 1
Vorwort
Karlheinz Quack wird am 3. Januar 1991 fünfundsechzig Jahre alt kein Datum, das ihm selbst Anlaß gegeben hätte, im ungebrochenen Strom seines Schaffens innezuhalten und rückblickend sozusagen Atem zu holen, wohl aber willkommener Grund für ihm persönlich und fachlich verbundene Juristen, ihn mit einer Festschrift zu ehren. Der Jubilar, der sich bei der Durchdringung und Lösung der rechtlichen und menschlichen Probleme seiner Mandanten ungleich wohler fühlt als bei Ehrungen seiner eigenen Person, hätte es vielleicht sogar verstanden, die Beteiligten von dem Festschriftprojekt abzubringen, wenn es nicht durch ein nahezu verschwörerisches Zusammenwirken der Autoren, des Verlages und der Herausgeber gelungen wäre, die Vorbereitungen und Mühen, welche die Verwirklichung der Festschrift forderte, im Verborgenen zu halten. Umso freudiger kann nun dieser Band vorgelegt werden, der mit seinen Abschnitten Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht sowie Anwalts- und Standesrecht die Breite der beruflichen Tätigkeitsfelder des Jubilars widerspiegelt. Karlheinz Quack gehört aufgrund seiner hohen Qualifikation als Jurist, seiner menschlichen Ausstrahlung und seiner Erfahrungen zu den herausragenden Persönlichkeiten der wirtschaftsberatenden anwaltlichen Praxis. Er erfüllt darüber hinaus wichtige Funktionen im Gespräch zwischen Rechtspraxis und Rechtswissenschaft. Geboren im Jahre 1926 in Berlin, woraus er mit seinem unschlagbaren Kreuzberger Mutterwitz nie ein Hehl macht, geriet er noch in das Räderwerk des zweiten Weltkrieges. Zunächst Luftwaffenhelfer, nahm er noch am Kriegsende teil und kam als Unteroffizier in russische Gefangenschaft. Die frühe Erfahrung eines totalitären Regimes prägte ihn für sein Leben als liberalen Verfechter von Freiheit, Recht und Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen. Das Studium der Rechtswissenschaften, zunächst an der HumboldtUniversität, dann an der neugegründeten Freien Universität in Berlin, führte zu vielen lebenslangen Bindungen - so mancher der Autoren dieses Bandes, wie auch seine Ehefrau und berufliche Weggefährtin, Elisabeth Quack, haben ihr Studium im legendären Hörsaal 113 der Universität Unter den Linden begonnen. Von den Bindungen, die hier
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Vorwort
begründet wurden, zugleich aber auch von den Quellen der beruflichen Erfahrung und der Lebenserfahrung der Juristengeneration, der der Jubilar angehört, zeugt der gleich im Anschluß an diese Einführung abgedruckte Beitrag von Krieger über „Hörsaal 113". In seiner Vaterstadt entwickelte Karlheinz Quack nach dort abgeschlossener Ausbildung und abgelegten Examina die mit gesellschaftsrechtlichem Schwerpunkt von dem Praxisgründer Dr. Reinholz geführte Rechtsanwaltkanzlei zu ihrer heutigen Größe und Bedeutung. Mit der Mandantschaft — vor allem aus der Wirtschaft - wuchsen und vervielfältigten sich die bearbeiteten Rechtsgebiete, wobei er insbesondere den gewerblichen Rechtsschutz und später das Kartellrecht zu seinen Spezialgebieten machte. Zugleich wuchs aber auch der von ihm zusammengeführte Kreis der untereinander und mit ihm freundschaftlich verbundenen Sozien. Sie sind es denn auch, die durch einen aus ihrem Kreis die Herausgabe der vorliegenden Festschrift gewissermaßen im eigenen Haus betrieben und gefördert wissen wollten. Schon früh widmete sich Karlheinz Quack Aufgaben, die über die Tagesarbeit hinausreichten: Tätigkeit im Vorstand der Rechtsanwaltkammer Berlin, in dem er 10 Jahre den Vorsitz führte, in seiner Vaterstadt und auf Bundesebene; Hand in Hand mit der zunehmenden Bearbeitung von Fällen des gewerblichen Rechtsschutzes und auf dem Gebiet des Kartellrechts ging die Arbeit für die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, deren Präsident er seit 1981 ist. Zur Freude seiner Mandanten und Partner lehnte er nach reiflicher Überlegung im Jahre 1975 die ehrenvolle Anfrage, ob er zur Übernahme des Amtes des Kammergerichtspräsidenten bereit sei, ab. Von seiner Verbundenheit mit der Berliner Justiz zeugt seine ausführliche Rezension des Buches von Friedrich Scholz: Berlin und seine Justiz (JR 1982, S. 392-393). Das Eintreten für zentrale Prinzipien des Berufsstandes, dem er angehört und an dem er hängt, zeigt sein vielbeachteter Aufsatz „Sinn und Grenzen anwaltlicher Unabhängigkeit heute" (NJW 1975, 1337 ff). Viele weitere Aufgaben aber kamen zur Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar hinzu: Vorsitzender der Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten bei der Industrie- und Handelskammer zu Berlin, Mitglied des Prüfungsausschusses für Wirtschaftsprüfer, ehrenamtlicher Richter am Anwaltssenat beim Bundesgerichtshof, Mitglied der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, Mitglied des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, Mitherausgeber der Juristischen Rundschau und anderer Fachzeitschriften. Aus diesem breit gefächerten Lebenswerk wuchsen dann auch ständig zunehmende Berührungspunkte mit der Rechtswissenschaft. Diese Kon-
Vorwort
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takte schlugen sich zunächst in wichtigen Aufsätzen in Fachzeitschriften nieder, die sich etwa mit dem unternehmerischen Handeln und privater Vermögensverwaltung natürlicher Personen im Rahmen des § 2 3 Abs. 2 G W B ( G R U R 1980, 449 ff), mit der Schaffung genehmigten Kapitals unter Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre ( Z G R 1983, 257 ff) und mit den Beschränkungen der Redezeit und des Auskunftsrechts von Aktionären (Die A G 1985, 145 ff) befaßten. Während hier das Gesellschaftsrecht stärker betont war, hat Karlheinz Quack in mehreren Festschriftbeiträgen kartellrechtliche Themen aufgegriffen, so in der Festschrift für Walter Oppenhoff im Jahr 1985 die Frage der Begründungspflicht gemäß § 57 G W B , in der Festschrift für Gerd Pfeiffer im Jahr 1988 die Frage der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Oberlandesgerichte in kartellverwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, die nicht in der Hauptsache ergangen sind, jüngst schließlich in der Festschrift für von Gamm „Anordnungen gemäß § 2 4 Abs. 6 und 7 G W B bei Personenhandelsgesellschaften - Möglichkeiten und Grenzen" (S. 649 ff) und somit ein Thema, das auf der Grenze zwischen Gesellschafts- und Kartellrecht liegt und damit das Interessengebiet des Autors deutlich absteckt. Die wissenschaftliche Tätigkeit gipfelt letztlich in der gewichtigen Kommentierung des § 46 - Auskunftspflicht - sowie der § § 5 6 - 5 8 , 63-63 a G W B im Frankfurter Kommentar. Hinzu trat seit Jahren eine vielfältige Lehr- und Fortbildungstätigkeit, insbesondere in den Praktikerseminaren, die er gemeinsam mit Professor Säcker, insoweit mit dem Schwerpunkt auf dem Kartellrecht, später mit Professor Westermann, diesmal mit dem Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht und beim Unternehmenskauf, an der Freien Universität Berlin durchgeführt hat; im Hinblick auf den letztgenannten Themenkreis war der Jubilar wissenschaftlich bereits durch seine Arbeit in Z G R 1982, 350-365 hervorgetreten. Seine Bereitschaft, Praxisbezug und wissenschaftliches Denken zu verbinden und dabei didaktischen Notwendigkeiten Raum zu geben, die hohe Anschaulichkeit seiner Beiträge und Anregungen, aber auch seiner Kritik, haben bei den beteiligten Studenten und Assistenten tiefen Eindruck hinterlassen und bei den Mitveranstaltern dieser Seminare das Gefühl bleibender Verbundenheit geschaffen, das im Beitrag zur Festschrift und in der Teilnahme an der Herausgebertätigkeit zum Ausdruck kommt. Die Mitwirkung bei vielen Podiumsdiskussionen und Symposien, bei denen er das Gespräch zwischen Praxis und Wissenschaft fortführt, und seine Tätigkeit in Schiedsgerichten, vielfach als Vorsitzender, seien zur Vervollständigung des Bildes eines Mannes noch aufgeführt, dessen Stolz es ist, als Ehrung nur die Ernst-Reuter-Plakette des Landes Berlin für besondere Verdienste um die Stadt entgegengenommen zu haben.
Vili
Vorwort
Autoren und Herausgeber freuen sich, dem hiermit eine Festgabe hinzufügen zu können, von der sie hoffen, daß sie im Sinne des Geehrten liegen wird. Mögen ihm noch lange Jahre voller Schaffenskraft für seine Mandanten, im Dialog mit den Fachgenossen und im Kreise seiner Partner vergönnt sein! Harm Peter Westermann
Wolfgang Rosener
Inhalt
I. Zur Einführung Dr. jur. h. c., Ministerialdirektor a. D. im Bundesministerium der Justiz, Bonn: „Hörsaal 113"
ALBRECHT KRIEGER,
II. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Dr. jur., Dres. h. c., o. Professor an der Universität München, Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht: Mißbrauch einer beherrschenden Stellung durch Ausübung gewerblicher Schutzrechte?
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Dr. jur., Rechtsanwalt, Honorarprofessor an der Universität zu Köln: Photographie und künstlerisches Schaffen
33
Rechtsanwalt, Düsseldorf: Zum Verhältnis von Monopolrecht und Vergütungsanspruch im Recht der Arbeitnehmer-Erfindungen
41
A. LEHMAN, Attorney at Law, New York, and ERIC STENSHOEL, Attorney at Law, New York: Between Berne and Madrid: Movement of the United States Toward International Copyright and Trademark Protection
57
Dr. jur., Rechtsanwalt, Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin: Die „Tagebücher" des Joseph Goebbels im Spannungsfeld von Besatzungs-, Persönlichkeits- und Urheberrecht
73
Dr. jur., Präsident des Bundesgerichtshofes a.D., Honorarprofessor an der Fernuniversität Hagen: Die geschäftliche Verleumdung nach § 15 UWG
89
FRIEDRICH-KARL BEIER,
RAINER JACOBS,
U L R I C H KRIEGER,
JON
WILHELM NORDEMANN,
GERD PFEIFFER,
Χ
Inhalt
Dr. jur., Dres. h. c., o. Professor an der Universität München, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht: Zur Geltung von Schiedsverträgen bei Anspruchsabtretung
GERHARD SCHRICKER,
99
Dr. jur., Richter am Bundesgerichtshof: Die Warenzeichenveräußerung durch den Konkursverwalter im Konkurs über das Vermögen des Zeicheninhabers 111
O T T O TEPLITZKY,
Dr. jur., Honorarprofessor an der Universität Gießen, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main: Wettbewerbsrechtliche Nachahmungstatbestände und Klagebefugnis der Wettbewerber 119
FRITZ TRAUB,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Köln, und Y O R K STROTHMANN, Dr. jur., Rechtsanwalt, Köln: Preisausschreiben und Gewinnspiele als Werbemittel - zugleich Anmerkungen zur neueren Rechtsprechung 139
RALF VIEREGGE,
III. Gesellschafts- und Konzernrecht Dr. jur., Rechtsanwalt und Notar, Berlin: Zum Bezugsrecht stimmrechtsloser Vorzugsaktionäre
G E R O L D BEZZENBERGER,
151
Attorney at Law, New York: Institutional Frameworks for Merger Control in the U. S. and the E C : The Social Advantages of "One Stop-Shopping" 167
MICHAEL D . BLECHMAN,
C . B R Ä N D E L , Dr. jur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Mehrstimmrechtsaktien - ein in Vergessenheit geratenes Instrument der Beherrschung und des Minderheitenschutzes? 175
OLIVER
Rechtsanwalt und Notar, Berlin: Die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung als erledigendes Ereignis einer Ausschließungsklage? 189
H O R S T BRÄUTIGAM,
Dr. jur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Honorarprofessor an der Universität Karlsruhe: Zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern/Geschäftsführern 201
HANS ERICH BRANDNER,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Düsseldorf: Überlegungen zur Gestaltung eines europäischen Konzernrechts
WOLFGANG GÄBELEIN,
211
Inhalt
XI
Dr. jur., Professor an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin: Die Gesellschafterpublizität bei der GmbH 229
ECKHART GUSTA VUS,
Dr. jur., o. Professor an der Freien Universität Berlin: Die GbRmbH als (neue) Gesellschaftsform? 243
DIETER HECKELMANN,
Dr. jur., Rechtsanwalt am Oberlandesgericht, Düsseldorf: Zur Anwendbarkeit statutarischer Vinkulierungsklauseln bei der Ubertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in Ausführung letztwilliger Verfügungen 259
EWALD HILGER,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Düsseldorf: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Vorstandsmitglieder Geschäftsführer
MICHAEL HOFFMANN-BECKING,
und 273
Dr. jur., Rechtsanwalt, Frankfurt am Main: Die groben und die feinen Maschen des § 126 AktG
287
Dr. jur., o. Professor an der Universität Bonn: Die entschlußschwache Hauptversammlung
301
JÜRGEN LEHMANN,
M A R C U S LUTTER,
Dr. jur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Die Kausalität von Mängeln des Verschmelzungsberichts als Voraussetzung für die Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses 321
HERBERT MESSER,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Düsseldorf: Uberschuldung als Konkursgrund
JOACHIM MEYER-LANDRUT,
335
M Ü L L E R , Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied der Treuarbeit AG, Frankfurt am Main: Bilanzrecht und Organverantwortung 345
HANS-PETER
Dr. jur., Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Steuerberater, Vorstandsmitglied der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Frankfurt am Main: Die Änderung von Jahresabschlüssen - Möglichkeiten und Grenzen . . . 359
WELF MÜLLER,
Dr. jur., Notar, Honorarprofessor an der Universität Hamburg: Stille Reserven und offene Rücklagen bei Personengesellschaften Zur Bedeutung von §253 Abs. 4 HGB 373
HANS-JOACHIM PRIESTER,
XII
Inhalt
Dr. jur., Rechtsanwalt und Notar, Berlin: Entwicklungen im Gesellschaftsrecht der DDR
WOLFGANG ROSENER,
397
Dr. jur., Dr. rer. pol., o. Professor an der Universität Kiel: Arbeitnehmerüberlassung im Konzern und Betriebsratsorganisation . . . 421
F R A N Z J Ü R G E N SÄCKER,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien, Kronberg/Ts.: Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit bei der Erstellung eines Gutachtens zur Vorbereitung eines Beteiligungserwerbs, insbesondere durch Wirtschaftsprüfer 439
JOHANNES SEMLER,
Dr. jur., Syndikus, Ludwigshafen: Zur Abwehr feindlicher Unternehmensübernahmen in Deutschland . . . 457
ECKART SÜNNER,
Dr. jur., o. Professor an der Universität Heidelberg: Abfindungsklauseln in Personengesellschafts- und GmbH-Verträgen Plädoyer für die Ertragswertklausel 477
PETER U L M E R ,
Rechtsanwalt und Notar, Frankfurt am Main: Wirksamkeitserfordernisse für den Abschluß von Unternehmensverträgen zwischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung 505
THEODOR WEIGEL,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Frankfurt am Main, Honorarprofessor an der Universität Göttingen: Die Ausgliederung. Ein Beitrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts 519
WINFRIED WERNER,
P E T E R W E S T E R M A N N , Dr. jur., o. Professor an der Universität Tübingen, und D I E T G A R D K L I N G B E R G , Dr. jur., Rechtsanwältin, Frankfurt am Main: Vorkaufsrechte im Gesellschaftsrecht 545
HARM
IV. Kartellrecht Rechtsanwalt, Düsseldorf: Die Europäische Fusionskontrolle
OLIVER AXSTER,
567
Dr. jur., Rechtsanwalt, Wiesbaden: Der Beitrag der O E C D zur Fortentwicklung und Harmonisierung der nationalen Kartellrechte und zur Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen aus dem Bereich der öffentlichen Hand 589
H E L M U T H VON H A H N ,
Inhalt
XIII
Dr. jur., Honorarprofessor an der Universität Bonn, Präsident des Bundeskartellamts, Berlin: Die gemeinschaftliche Nutzung von Warenzeichen im Spannungsfeld zwischen GWB und Warenzeichenrecht 609
WOLFGANG KARTTE,
Dr. jur., Direktor beim Bundeskartellamt, Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin: Räumliche Marktabgrenzung und Geltungsbereich des Kartellgesetzes . . 625
SIEGFRIED K L A U E ,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Stuttgart: Die Marktmachtschwelle im deutschen Kartellgesetz bei zulässigen Kartellen und bei Zusammenschlüssen 633
HELMUTH LUTZ,
Dr. jur., Ministerialdirektor im Bundesministerium der Justiz, Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum, Bonn: Vier Prognosen zur europäischen Fusionskontrolle 645
ERNST NIEDERLEITHINGER,
Dr. jur., Direktor beim Bundeskartellamt, Berlin: Ein Nachwort zur Europäischen Fusionskontrolle
657
Dr. jur., o. Professor an der Universität Hamburg: EG-Gruppenfreistellung und nationale Gerichtsbarkeit
669
H E R B E R T SAUTER,
KARSTEN SCHMIDT,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Köln, und A N D R E A S R O H L I N G , Rechtsanwalt, Köln: Die Beurteilung von Optionen nach deutschem und europäischem Kartellrecht 681
CLAUS TESSIN,
V. Anwalts- und Standesrecht Dr. jur., Rechtsanwalt, Hamburg: Zur Entstehung einer freien Advokatur in der DDR
GERHARD COMMICHAU,
695
G L O S S N E R , Dr. jur., Docteur en droit, Rechtsanwalt und Notar, Kronberg/Ts.: Das Standesrecht für den Schiedsrichter 709
OTTOARNDT
Dr. jur., Rechtsanwalt, Honorarprofessor an der Universität zu Köln, Düsseldorf: Der Syndikusanwalt und das Anwaltsrecht 715
WALTER KOLVENBACH,
Dr. jur., Rechtsanwalt, Moers: Neue Formen anwaltlicher Berufsausübung
G Ü N T E R SCHARDEY,
731
Dr. jur., o. Professor an der Freien Universität Berlin: Rechtsberatung durch Professoren der Rechtswissenschaft 743
JOACHIM SCHULZE-OSTERLOH,
I. Zur Einführung
Hörsaal 113 ALBRECHT KRIEGER
I.
Am 3. Januar 1991 wird Karlheinz Quack 65 Jahre alt. Grund genug, einen Mann zu ehren, der nach Robert Ellscheid und Walter Oppenhoff als erst dritter Präsident der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, des ehrwürdigen „Grünen Vereins", in den nun schon 45 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte des deutschen und internationalen Schutzes des geistigen Eigentums eingehen wird. Und es will schon etwas heißen, nach so herausragenden Persönlichkeiten wie Robert Ellscheid und Walter Oppenhoff einmütig in ein solch ebenso ehrenvolles wie verantwortungsreiches Amt gewählt zu werden, das er seitdem mit Würde, Gradlinigkeit, Überzeugungskraft und diplomatischem Geschick, aber auch mit der Nüchternheit wahrnimmt, wie sie einem so typischen und leidenschaftlichen Berliner wie Karlheinz Quack eben eigen ist. Aber dies wäre vielleicht noch nicht einmal Anlaß genug, ihm schon zu seinem 65. Geburtstag eine Festschrift zu widmen. Denn Karlheinz Quack ist sehr viel mehr als „nur" der dritte Präsident des Grünen Vereins nach dem Kriege. Er gehört, noch dazu von Berlin aus, zu denen, die nach den Jahren des Unheils in Deutschland zusammen mit Gleichgesinnten bewußt den neuen Anfang gewagt und in vollem Bewußtsein der nachwirkenden Verantwortung für all das, was in deutschem Namen und von Deutschen zwölf lange Jahre hindurch begangen worden ist, den freiheitlichen Rechtsstaat in Deutschland verwirklicht und mit Leben erfüllt haben, den uns das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als einzigartige Chance und Herausforderung aufgegeben hat. Herbert Wehner hat einmal - und ihn zu zitieren hat nichts mit Parteipolitik zu tun - in der ihm eigenen holzschnittartigen Prägnanz gesagt, die Bundesrepublik Deutschland sei eine Gnade. Diesem Anspruch ist Karlheinz Quack in seinem ganzen Wirken von Anfang an gerecht geworden, und dies auch einmal bei einem Nicht-Politiker zu würdigen, scheint mir der eigentliche Anlaß und die eigentliche Rechtfertigung für das zu sein, was mit der Herausgabe einer Festschrift zu seinem 65. Geburtstag zum Ausdruck gebracht werden soll.
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Albrecht Krieger
Dies mag es aber auch rechtfertigen, den Versuch zu wagen, in einer solchen Festschrift nicht nur den ihr wie selbstverständlich immanenten hohen wissenschaftlichen Erwartungen nachzukommen, sondern ausnahmsweise einmal gänzlich unwissenschaftlich den Anfängen des beruflichen Werdegangs von Karlheinz Q u a c k nachzuspüren und in eher anekdotischer Weise aus der Sicht eines damaligen Kommilitonen das nachzuzeichnen, was über die Jahre und Jahrzehnte hin vielleicht doch immer wieder zumindest auch Grundlage seines Wirkens als Anwalt und in öffentlichen Funktionen gewesen und geblieben ist. Und dies steht nun einmal - und darin bin ich mir mit Karlheinz Q u a c k auf Grund gemeinsamer Erlebnisse und Erfahrungen als Studenten im damaligen Nachkriegs-Berlin sicher einig - unter der all das beherrschenden Überschrift: Hörsaal 113.
II. Hörsaal 113 - das war die halbwegs erhalten gebliebene Stätte im Ostflügel der weitgehend zerstörten Berliner Universität, auf den sich mangels verfügbarer anderer Räumlichkeiten in den ersten Jahren nach dem Kriege fast der gesamte Studienbetrieb der Juristischen Fakultät konzentrierte. Die Universität war die damals einzige im zerstörten Berlin, im Ostteil der Stadt Unter den Linden gelegen, von Savigny 1810 gegründet, unmittelbar nach dem Krieg noch mit dem traditionellen Namen des Preußenkönigs Friedrich Wilhelms III., alsbald dann umbenannt in Humboldt-Universität - eine Namensänderung, die man immerhin für vertretbar halten konnte angesichts des Wirkens der beiden Brüder Wilhelm und Alexander v. Humboldt an dieser Universität und ihrer erhalten gebliebenen schönen Denkmäler vor dem Hauptgebäude (schräg gegenüber dem damals zum Schutz gegen die Bombenangriffe noch völlig eingemauerten, dann aus ideologischen Gründen nach Sanssouci verbrachten und erst viel später an seinen ursprünglichen Standort wieder zurückverlegten Reiterstandbilds des Alten Fritz) - eine Namensänderung im übrigen, für die man vielleicht sogar dankbar sein mußte angesichts des an der ausgebrannten Ruine des nahen Stadtschlosses damals angebrachten riesigen kulturrevolutionären Spruchbandes: „Weg mit dieser Brutstätte des Feudalismus!" Und wenn man nach der unvergeßlichen Öffnung der Mauer in Berlin am 9. November 1989 das Gebäude der Universität erstmals nach 41 Jahren wieder betritt und gleich in der jetzt mit rotem Marmor (wie beim Treptower Ehrenmal der Roten Armee aus der zerstörten Reichskanzlei?) ausgekleideten Eingangshalle fast erschlagen wird von dem den ganzen Treppenaufgang nach beiden Seiten in ehernen Lettern beherrschenden Zitat von Karl Marx:
Hörsaal 113
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„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es k o m m t aber darauf an, sie zu verändern"
und seiner auf der Ballustrade des ersten Stocks aufgestellten und dieses Zitat fest in den Blick nehmenden überdimensionalen schwarzen Büste, dann ist man fast erstaunt darüber, daß der Name der Universität dieser ideologischen Indoktrination solange standhalten konnte. Wird die atemberaubende Entwicklung seit dem 9. November 1989 die beiden vor der Universität noch immer wachenden Brüder v. Humboldt auch in der Universität wieder die Oberhand gewinnen lassen? Hauptkennzeichen des Hörsaals 113, der inzwischen offenbar schon längst die nur noch triviale Nammer 2002 erhalten hat, war seine drangvolle Enge. Alle wichtigen Vorlesungen der Juristischen Fakultät fanden hier statt, frühzeitiges Erscheinen war stets geboten, wollte man nicht mit einem Platz auf dem Fußboden oder gar einem Stehplatz vorlieb nehmen müssen. Selbst für Mäntel und ähnliche Garderobenstücke - oft noch die abgetragenen Uniformjacken der heimgekehrten Soldaten - war auf den an der inneren Längsseite des Hörsaals in langer Reihe angebrachten, zum Teil auch heute noch vorhandenen Garderobenhaken nicht annähernd ausreichend Platz, und der Professor, der selbstverständlich c. t. als letzter den Hörsaal betrat, wußte regelmäßig nicht, wo er Hut und Mantel lassen sollte. Dieser offensichtliche Mißstand führte eines Tages zu der fast sensationell anmutenden Investition eines kleinen Brettchens direkt hinter dem Katheder mit zwei Garderobenhaken und der Aufschrift: „Nur für Dozenten" - was einen der Kommilitonen veranlaßte, den augenzwinkernden Zusatz anzubringen: „Auch für Mäntel".
III. Die Juristische Fakultät hatte damals, obwohl im Ostteil der Stadt und damit im kommunistischen Machtbereich gelegen, durch Namen wie Eduard Kohlrausch, Heinrich Mitteis, Hans Peters, Hermann Dersch, Richard Lange und andere einen Rang, der sie in die vorderste Reihe der Juristischen Fakultäten im damaligen Nachkriegsdeutschland stellte. Natürlich gab es auch Professoren und Dozenten, die Rechtswissenschaft im Zeichen kommunistischer Ideologie zu vermitteln versuchten. Erwähnt seien nur Alfons Steiniger und Hilde Benjamin, die „rote Hilde" und spätere Justizministerin der D D R . Aber die erdrückende Mehrheit der Studenten erwies sich damals angesichts des gerade erst zu Ende gegangenen Anschauungsunterrichts aus zwölf Jahren Nationalsozialismus als absolut immun gegenüber solchen Indoktrinationsversuchen. Sie wurden eher spöttisch als unvermeidliche Begleiterscheinungen hingenommen, und man kann immerhin sagen, daß es Vertreter dieser
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Albrecht Krieger
Richtung gab, die der so offensichtlich ablehnenden Haltung der Studentenschaft mit Fairneß begegneten. So erinnere ich mich an eine von Professor Alfons Steiniger in der öffentlich-rechtlichen Übung vergebenen Hausarbeit zum Thema: „Ist die in der Sowjetischen Besatzungszone durchgeführte Bodenreform rechtmäßig?", die er mit den wiederholten Randbemerkungen „Anderer Meinung, aber folgerichtig" kommentierte und trotz des die gestellte Frage eindeutig verneinenden Ergebnisses uneingeschränkt mit „gut" bewertete. Es gehörte damals kaum persönlicher Mut dazu, seine abweichende Meinung zu bekennen, es lag im Gegenteil eher ein gewisser Reiz darin, solche Gelegenheiten wahrzunehmen, linientreuen Professoren die ablehnende Haltung der Studentenschaft so relativ gefahrlos zu demonstrieren.
IV. Natürlich war es in der Zeit unmittelbar nach dem Kriege gar nicht leicht, an der Berliner Universität überhaupt immatrikuliert zu werden und damit auch die Berechtigung zum Betreten des Hörsaals 113 zu erhalten. Man mußte zugelassen werden, und dieser Zulassung, für die damals die „Zentralverwaltung für Volksbildung der Sowjetischen Besatzungszone" unter ihrem Präsidenten Paul Wandel zuständig war, standen in den Anfängen des sich etablierenden „Arbeiter- und Bauernstaates" bei den aus Krieg und Gefangenschaft heimgekehrten Bewerbern oft Ablehnungsgründe politischer Vergangenheit des Vaters, der eigene militärische Rang in der Deutschen Wehrmacht oder schlicht die Herkunft aus einem „bürgerlichen" Elternhaus entgegen. U n d zum Sommersemester 1946 konnte überhaupt nur zugelassen werden, wer den Nachweis erbrachte, sich im Winter 1945/1946 ein Semester lang mit „Steineklopfen", d. h. Aufräumungsarbeiten in der zerstörten Universität, betätigt zu haben - ich erinnere mich noch gut an die fast gespenstische Atmosphäre in den staubigen Kellergewölben direkt unterhalb des Hörsaals 113 und einen Kommilitonen, der sich dort in abgetragener Wehrmachtsuniform, aber stets soldatischer Haltung und mit Monokel im Auge in das Unvermeidliche der schmutzigen Aufräumungsarbeiten schickte - eine ans Groteske grenzende Situation. Aber man muß auch hier sagen, daß die damaligen Machthaber nicht schlechthin willkürlich verfuhren. Meine eigene Zulassung und die meines Bruders Ulrich ist zwar zunächst allein unter Hinweis auf die bloße Tatsache der Zugehörigkeit unseres Vaters zum Reichsjustizministerium und den Grundsatz, Söhne von „Kriegsverbrechern" würden nicht zum Studium zugelassen, zunächst abgelehnt, dann aber von Paul Wandel persönlich doch erteilt worden, als ihm nachgewiesen werden konnte, daß unser Vater im Reichsjustizministerium 1932 zuletzt beför-
Hörsaal 113
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dert worden, niemals Mitglied der NSDAP und auch sonst in keiner Weise belastet gewesen war. Mein Bruder hatte sich übrigens nach erster Ablehnung seiner Zulassung, die eben nicht damit, daß der bloße Reifevermerk eines Flak-Helfers ein ordentliches Abitur nicht ersetzen könne, begründet worden war, bereits wieder auf die Schulbank begeben und gehörte nun plötzlich zu den wenigen Auserwählten, die auch ohne Abitur ihr Studium beginnen konnten. V. Geprägt worden ist die Studentengeneration des Hörsaals 113, zu der auch Karlheinz Quack gehörte, vor allem durch zwei unvergessene Gelehrte: Eduard Kohlrausch und Heinrich Mitteis. Eduard Kohlrausch verstand es, seinen Schülern die gesamte Strafrechtsdogmatik des Allgemeinen und des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches anhand ganz weniger ausgewählter Straftatbestände nachhaltig und unnachahmlich einzuprägen: Diebstahl, Betrug, Untreue, Urkundenfälschung und Mord. Er selbst erklärte immer wieder, mehr brauche man vom Strafrecht nicht zu wissen, um es ganz erfassen zu können. Durch diese weise Selbstbeschränkung hat er seinen Studenten wahrscheinlich mehr beigebracht, als es selbst bei vollständiger Behandlung des gesamten Strafgesetzbuches möglich gewesen wäre. Dabei genoß der zierliche alte Herr, der trotz der Überfülle im Hörsaal 113 und der insgesamt fast trostlosen äußeren Umstände des Studienbetriebs im zerstörten Berlin der Jahre 1946, 1947 keine Disziplinlosigkeit durchgehen ließ, den uneingeschränkten Respekt und eine tiefe Zuneigung aller seiner Hörer: es gab eben ein Gespür dafür, daß sich hier einer trotz des totalen politischen Umbruchs unbestechlich und unbeeinflußbar, ganz seiner selbst bewußt als Herr erwies. Heinrich Mitteis dagegen wurde von seinen Studenten geradezu geliebt. Er war aus Rostock zunächst als Gastprofessor nach Berlin gekommen und hatte mit seinem überschäumenden Temperament, seiner faszinierenden Rhetorik und seinem wehenden schlohweißen Haar die Herzen seiner Hörer im Sturm erobert. Man war sehr traurig, als er sich später nach einigen Semestern in Berlin, wo er natürlich längst eine ordentliche Professur bekleidete, endgültig nach München zurückzog. Natürlich begann er mit dem Gebiet, das ihn zu einem der herausragenden Gelehrten deutscher Jurisprudenz hat werden lassen, der Rechtsgeschichte. Aber er las darüber hinaus Handelsrecht und Familienrecht und wußte gerade dort seine Hörer mit seinem ungestümen Humor zu begeistern. Seine Handelsrechtsvorlesung begann er damit, daß er uns von seinem großen Lehrer Heinrich Brunner in Leipzig berichtete. Dieser große schwere Mann habe seine Handelsrechtsvorlesungen mit
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der mit Stentorstimme skandierten verblüffenden Erkenntnis begonnen: „Das Handelsrecht ist das Recht des Handels" - worauf sich auf der letzten Bank des Hörsaals eine Stimme erhoben habe: „Man sollte es nicht für möglich halten!" Natürlich vergaß Mitteis nicht, in das Gelächter seiner Zuhörer hinein die akutelle Lehraussage anzuschließen, daß Brunner damals noch völlig recht gehabt habe und erst inzwischen alles ganz anders geworden sei, zum Handelsrecht nämlich heute sehr viel mehr gehöre, vom Gesellschaftsrecht über das Versicherungs- und Bank- und Börsenrecht bis zum Wertpapierrecht, um nur einiges zu nennen. Es war eben typisch für ihn, wie er das Witzige stets mit dem Lehrhaft-Nützlichen zu verbinden wußte - zur Freude und zum Nutzen seiner Studenten. In seiner Familienrechtsvorlesung, die natürlich noch weit mehr dazu Anlaß bot, wimmelte es geradezu von Anekdoten und Anspielungen, was sich schnell herumsprach und einen Zustrom aus ganz anderen Fakultäten auslöste, der die Verhältnisse im Hörsaal 113 nachgerade unerträglich werden ließ und seine ohnehin durch Kriegseinwirkung lädierten Wände buchstäblich zu sprengen drohte. Mir ist im Augenblick nur die für Mitteis fast zum Spleen gewordene These in Erinnerung, im Namensrecht müsse dem Kind von einem gewissen Alter, etwa dem Konfirmationsalter an das Recht gegeben werden, seinen Vornamen selbst zu bestimmen: „Stellen Sie sich doch vor, welches Unheil heraufbeschworen wird, wenn der Direktor des Elektrizitätswerks seine Tochter auf den Namen Turbine taufen läßt!" O b dies das Ergebnis einer traumatischen Erfahrung mit seinem eigenen Vornamen und Gretchens verzweifeltem Stoßseufzer zu Faust war: „Heinrich, mir graut vor D i r " ? Heinrich Mitteis war es übrigens, der uns eines Tages im Hörsaal 113 auf einen Rechtsanwalt Eduard Reimer hinwies, der einen Lehrauftrag für Patentrecht, Markenrecht, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht erhalten habe und uns damit ein besonders interessantes Spezialgebiet des Zivilrechts erschließen könne. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß dies nicht nur für meinen Bruder und mich und etwa Friedrich-Karl Beier und Ernst-Karl Pakuscher, sondern auch für Karlheinz Q u a c k die Initialzündung für die Beschäftigung mit dem Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und die Entscheidung, dieses Rechtsgebiet zu einem beruflichen Schwerpunkt werden zu lassen, gewesen wäre, wenn er dem guten Rat von Heinrich Mitteis gefolgt wäre. So mußte er sich in dieses Rechtsgebiet erst später und sicher mit größerer Mühsal - wenn auch, wie man sieht, mit nicht geringerem Erfolg - und ohne einen prägenden Mentor einarbeiten. Hinzu kam nämlich, daß Eduard Reimer eine Persönlichkeit von souveräner Ausstrahlung, klaren Grundsätzen und nüchterner Sachbezogenheit war, daß er uns junge Leute mit dem, was er uns zu sagen
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hatte, sofort in seinen Bann schlug. Und er, der Enkel des Präsidenten der Preußischen Nationalversammlung 1848/49 und späteren ersten Reichstagspräsidenten und ersten Präsidenten des Reichsgerichts, Eduard v. Simson, hatte uns etwas zu sagen, weit über das Spezialgebiet seines Lehrauftrags hinaus. Als kennzeichnend für seine Haltung und Persönlichkeit mag nur die schlichte Tatsache gelten, daß die Restexemplare der 1. Auflage seines berühmten Kommentars zum Wettbewerbsund Warenzeichenrecht 1935 eingestampft werden mußten, weil er den Mut gehabt hatte, in seinem Kommentar den Boykott jüdischer Geschäfte als sittenwidrig und damit als Verstoß gegen die Generalklausel des § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu verurteilen. Es war ein Glücksfall in der Geschichte des deutschen und internationalen gewerblichen Rechtsschutzes, daß Eduard Reimer am 1. Oktober 1949 bis zu seinem tragischen Tod mitten in den Verhandlungen der Diplomatischen Konferenz zur Revision des Madrider Markenabkommens in Nizza 1957 zum ersten Präsidenten des in München wiedererrichteten Deutschen Patentamts berufen wurde. Aber außer Eduard Kohlrausch, Heinrich Mitteis und Eduard Reimer wären noch viele andere zu nennen, die damals in den Jahren 1946 bis 1949 den Hörsaal 113 der Humboldt-Universität zu Berlin zu einem Integrationspunkt der ganzen Universität und zu einer Institution schlechthin werden ließen: Hans Peters mit seinem bei aller Nüchternheit und fast Glanzlosigkeit doch leidenschaftlichen Engagement für Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit vor dem aktuellen Hintergrund all dessen, was in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland geschehen war und nun im Sowjetsektor Berlins und in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands wieder geschah, - und zu einem solchen Engagement gehörte damals doch persönlicher Mut. Hermann Dersch, der berühmt gewordene Arbeitsrechtler, der uns mit seinem insistierenden „Quae sit actio?" beibrachte, nicht nach der Rechtslage, sondern nach den bestehenden Ansprüchen zu fragen. Eugen Schiffer, der als ehemaliger Reichsminister der Justiz aus der Weimarer Zeit Präsident der Zentralen Justizverwaltung der Sowjetischen Besatzungszone geworden war und in seinen Vorlesungen einfach durch seinen reichen politischen Erfahrungsschatz und die aufrechte Art seines Auftretens mit über 80 Jahren und seine untadelige Persönlichkeit beeindruckte. Wilhelm Wengler, der mit der ihm eigenen, seinem Stoff aber wohl auch immanenten Trockenheit den weitgehend untauglichen Versuch unternahm, den Studenten das in der damaligen Zeit und unter den damaligen Umständen ohnehin schwer zu vermittelnde Völkerrecht (und das Internationale Privatrecht) beizubringen.
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Der zur kalten Jahreszeit im Mantel mit vornehmem Pelzkragen - was damals eine Sensation war - auftretende und attraktiven jungen Studentinnen nicht abgeneigte Pragmatiker Walther Neye, der, soweit ich habe feststellen können, trotz seiner schließlichen Berufung zum Professor der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität außer seiner Klausurenlehre „Bürgerliches Recht in logischer Anwendung" nie einen wissenschaftlichen Beitrag veröffentlicht hat, wegen seiner fast repetitorienhaft angelegten Vorlesungen zum B G B und Zivilprozeßrecht aber großen Zulauf hatte und die Dogmatik ganz praxisbezogen weiterzugeben versuchte. So gab er ζ. B. auf die Frage, ob es für die gerichtliche Geltendmachung von Geldansprüchen einen Mindestbetrag gebe, nach kurzem Stutzen die ebenso verblüffende wie einleuchtende Antwort, daß das natürlich nicht der Fall sei, weil andernfalls ja jeder Schuldner seine Schuld nur bis zur Grenze dieses Mindestbetrages begleichen würde! (Neye hat zur Irritation der Studenten später seine Konzessionen an das Regime gemacht, ohne seinen persönlichen Lebensstil dadurch beeinträchtigen zu lassen.) Nach der von allen Studenten bedauerten Emeritierung Eduard Kohlrauschs setzte sein aus Jena an die Humboldt-Universität übergewechselter Schüler Richard Lange sein Werk ganz in seinem Sinne fort. Auch an ihn sei in diesem Zusammenhang erinnert. Der große Ludwig Raiser kam nur kurz zu einer Gastvorlesung über Familienrecht nach Berlin, prägte sich dem Hörsaal 113 aber unvergeßlich durch die klassische Feststellung ein, daß die meisten Verlobungen gut ausgingen und die übrigen zur Ehe führten. Gedacht werden soll hier aber auch an Professoren wie den bereits erwähnten Alfons Steiniger als linientreuen, aber fairen Vertreter seiner kommunistischen Ideologie und Mitglied der S E D , der schon durch sein äußeres Auftreten im Rollkragenpullover und mit seinem dem „Rettungsring" der Nationalsozialisten nachempfundenen Parteiabzeichen des symbolisierten Händedrucks, der bis zu den dramatischen und geradezu atemberaubenden Ereignissen des Herbstes 1989 in der D D R nach Steffen Reiche, dem SPD-Gründer von 1989 in der D D R , stets eher Ausdruck der „Umklammerung mit der Kraft eines Schraubstocks" gewesen ist, keinerlei Hehl daraus machte, wo er politisch stand, und es auch gelassen hinnahm, als sein demonstrativ zur Schau getragener Rollkragenpullover die Studenten eines Tages - heute kaum mehr vorstellbar und schlicht von der Zeit überholt - provozierte, ihm eine besonders schöne Krawatte aufs Katheder zu legen. Über sie alle und noch andere wäre noch manches zu berichten, wenn man der Geschichte des Hörsaals 113 wirklich gerecht werden wollte, und Karlheinz Q u a c k mag sich als Adressat dieser Festschrift und damit auch dieses ungewöhnlichen Festschriftbeitrages animiert fühlen, sein
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eigenes Gedächtnis aufzufrischen und sich dabei vielleicht sogar von seiner lieben Frau Elisabeth, die ja damals mit ihm den Hörsaal 113 bevölkerte, helfen zu lassen. Mir setzen hier die Vorgaben der Herausgeber eine unmißverständliche und nicht überschreitbare Grenze. VI. Politisch war die Studentenschaft damals hochsensibilisiert und im Rückblick betrachtet von erstaunlich klarsichtiger Nüchternheit. Die meisten kamen - schon wegen der Bevölkerungsstruktur Berlins, die der Krieg kaum aufgebrochen hatte - aus den Westsektoren der Stadt, sie mußten täglich die Sektorengrenze überqueren, was damals noch ohne jede Kontrolle oder sonstige Schwierigkeiten möglich war abgesehen davon, daß die S-Bahn noch 1946 nur einmal vormittags und einmal nachmittags verkehrte und den in den letzten Kriegstagen durch eine Sprengung unterhalb der Spree gefluteten Nord-Süd-Tunnel überhaupt nicht passieren konnte. Man war sich der besonderen Situation Berlins und seines Viermächte-Status' bewußt und hatte natürlich uneingeschränkten Zugang zu den - damals allerdings nicht annähernd so vielfältig wie heute vorhandenen - westlichen Medien. Die faktische Einheit Berlins trotz seiner Aufteilung in vier Besatzungssektoren wurde erst zerstört mit der wenige Tage nach der Währungsreform im Juni 1948 beginnenden und bis zum 12. Mai 1949 andauernden sowjetischen Blockade der Westsektoren der Stadt, der Wahl von Friedrich Ebert zum Oberbürgermeister Berlins im Ostteil der Stadt im September 1948, der von den Kommunisten am 30. November 1948 herbeigeführten Spaltung der einheitlichen Stadtverwaltung und der folgenden Wahl Ernst Reuters zum Oberbürgermeister Berlins für die drei westlichen Sektoren (er war bereits 1947 von der damals noch ganz Berlin repräsentierenden Stadtverordnetenversammlung zum Oberbürgermeister Berlins gewählt, durch sein sowjetisches Veto aber am Antritt seines Amts gehindert worden). Aber während der Blockade, in unserem 6. Semester, bereiteten wir uns bereits auf das Referendarexamen vor, der Hörsaal 113 hatte gegenüber der Anfertigung der SechsWochen-Hausarbeit - die allerdings bei täglichen Stromsperren bis zu 22 Stunden und den sonstigen Folgeerscheinungen der Blockade unter einigermaßen abenteuerlichen Verhältnissen und im Winter mangels Heizmaterials weitgehend in „Wärmehallen" der „Besatzungsmächte", die damals bereits längst zu „Schutzmächten" geworden waren, stattfand — an zentraler Bedeutung verloren, und im übrigen war auch während der Blockade der Ostsektor der Stadt und damit auch die HumboldtUniversität jederzeit frei zugänglich. Erst die Spaltung des Magistrats und damit der Verwaltung der Stadt vor Beendigung der Blockade nach
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11 Monaten Luftbrücke, die auch die Spaltung des Kammergerichts und seine Neuansiedlung in den Versicherungsgebäuden am Fehrbelliner Platz zur Folge hatte, führte zu einer neuen Situation auch an der Universität Unter den Linden und in ihrem Gefolge zur Gründung der Freien Universität Berlin im Westen der Stadt. Aber da war unser Studium praktisch schon zu Ende. Doch lange bevor die politische Entwicklung diesem ersten Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Ost und West in der Stadt zustrebte, bot natürlich auch die Studentenschaft an der HumboldtUniversität und in ihrem Hörsaal 113 ein Spiegelbild der allgemeinen politischen Situation Berlins. Es gab sog. Hochschulgruppen der politischen Parteien, Namen wie Franz Amrehn, später Zweiter Bürgermeister Berlins, und Peter Lorenz, das spätere Entführungsopfer der „ R A F " , hatten im Hörsaal 113 schon damals Gewicht, Vorsitzender der Hochschulgruppe der S E D war der Kommilitone Keinhorst, bei Kriegsende noch aktiver Hauptmann der Deutschen Wehrmacht und Ritterkreuzträger, und auch der ehemalige Luftwaffenleutnant Heinrich Graf v. Einsiedel vom Nationalkommittee Freies Deutschland, nach dem Untergang der 6. Armee in Stalingrad von deutschen Kriegsgefangenen in Moskau gegründet, gehörte zum Hörsaal 113. Vorsitzender der Hochschulgruppe der C D U und besonders aktives Mitglied in der Studentenvertretung, dem sog. Studentenrat, vergleichbar etwa mit dem heutigen ASTA, war Ernst Benda, später Bundesminister des Innern der Großen Koalition 1966 bis 1969 und dann Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Er hat diese Funktion in einer für uns Studenten damals wirklich vorbildlichen Weise wahrgenommen, sich damit auf allen Seiten uneingeschränkte Anerkennung oder jedenfalls hohen Respekt erworben, doch damit unter den damaligen Umständen auch ein hohes Risiko gewagt. Denn dieses Amt erforderte damals nicht nur ständigen und engagierten Kontakt mit den verschiedenen zuständigen deutschen Stellen der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, sondern in dem sich zuspitzenden Klima der Ost-West-Auseinandersetzung im Vorfeld der endgültigen Spaltung der Stadt und Deutschlands immer wieder auch die Auseinandersetzung mit der sowjetischen Besatzungsmacht, konkret der „ S M A " , der Sowjetischen Militäradministration in Berlin-Karlshorst, wo ein gewisser Oberst Tulpanow immer wieder in Universitätsangelegenheiten von sich reden machte und jedenfalls aus der Sicht der damaligen Studenten eine keineswegs immer konstruktive Rolle spielte. Hier kam es auf Fingerspitzengefühl, Schlagfertigkeit, Unerschrockenheit, Stehvermögen und ganz persönlichen Mut an. Denn mit den Sowjets war nicht zu spaßen, und es kam, so unglaublich das sich heute ausnehmen mag, immer wieder vor, daß Studenten ohne Begründung
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aus Vorlesungen herausgeholt wurden oder sonst verschwanden und ihr weiteres Schicksal unaufgeklärt blieb. Wir selbst haben es erlebt, daß in einer überfüllten Vorlesung des schon damals renommierten Nationalökonomen Konrad Mellerowicz diesmal nicht im Hörsaal 113 - die Hörsaaltüren plötzlich von uniformierten und bewaffneten Rotarmisten abgeriegelt wurden und einige Studenten mit Waffengewalt aufgefordert wurden, den Soldaten zu folgen. In ohnmächtiger Wut beugte sich der gesamte Hörsaal der Gewalt, aber völlig unverständlich blieb, daß Mellerowicz seine Vorlesung fortsetzte, als ob nichts geschehen wäre. Er hat seitdem an der Humboldt-Universität unter allen, die diesen Vorgang miterlebt oder von ihm erfahren haben, nicht mehr viele Hörer gehabt. Ernst Benda hat dies alles mit unbeugsamer Entschiedenheit und bewundernswerter Zivilcourage durchgestanden. Sein unverwüstlicher Berliner Mutterwitz und schließlich auch seine „Berliner Schnauze" kamen ihm dabei sichtlich zugute. Er genoß das uneingeschränkte Vertrauen der überwältigenden Mehrheit der Studentenschaft. Mit seinem ganz persönlichen Einsatz hat er sich vielleicht mehr als mit irgendetwas anderem für seine späteren hohen Amter in Exekutive und Rechtsprechung legitimiert. VII. Und damit schließt sich der Kreis. Die Studentenschaft erlebte die ganz einzigartige Situation an dieser Universität unmittelbar an der Nahtstelle zwischen Ost und West mit grundsätzlich freiem Zugang von beiden Seiten politisch hellwach, und je mehr sich der Ost-WestGegensatz in den Jahren 1946 bis 1949 zuspitzte und die Kriegskoalition der Alliierten zerbrach, um so mehr wurde auch den Studenten bewußt, daß der Kriegsgeneration nach den zwölf Jahren der Unfreiheit und Barbarei in Deutschland und gerade auch in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West eine ganz besondere Verantwortung auferlegt war: die Verantwortung für den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaats in Deutschland in Freiheit und Menschenwürde. Die Juristische Fakultät war damit natürlich besonders herausgefordert, und so war auch der Hörsaal 113 zunehmend gekennzeichnet durch eine Art Aufbruchsstimmung, so schnell wie möglich mit dem Studium fertig zu werden und dann nach der Referendarzeit irgendwo mit zupacken zu dürfen, jeder an seiner Stelle. W i r können unseren Lehrern im Hörsaal 113 nur dankbar sein, daß sie uns auf ihre Weise und im Rahmen des ihnen an dieser ungewöhnlichen Universität Möglichen auf diese Aufgabe und die Wahrnehmung unserer Verantwortung als Verantwortung der Juristengeneration vorbereitet hatten, die Diktatur
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und Krieg am eigenen Leibe erfahren hatte und nun aufgerufen war, einen Neubeginn mitzugestalten. Und selbst die wenigen Vertreter der kommunistischen Ideologie unter unseren Lehrern haben auf ihre Weise zu diesem Reifeprozeß beigetragen. So ist der Hörsaal 113 der Humboldt-Universität Unter den Linden in Berlin für die meisten von denen, die ihn damals in den Jahren 1946 bis 1949 unter oft kaum zumutbaren äußeren Umständen als Zentrum ihrer juristischen Ausbildung nicht nur, sondern in einem viel weiteren Sinne als Stätte ihrer Vorbereitung auf ein ganzes Berufsleben in einem ganz neuen Zeitabschnitt deutscher Geschichte erlebten, weit mehr als nur ein Ort der Vermittlung juristischen Examenswissens gewesen und geblieben. Er war und ist Ausgangspunkt des Weges von Juristen, die, nach Jahren der Gewaltherrschaft aus Krieg und Gefangenschaft heimgekehrt, einen neuen Anfang suchten und ihn in diesem Hörsaal unter Gleichgesinnten fanden. U n d wenn sich heute Karlheinz Q u a c k am Telefon mit seinem unverwechselbaren breiten berlinerischen „Mahlzeit" meldet, natürlich ohne Nennung seines Namens und gänzlich unabhängig von der Tageszeit, dann weiß man nicht nur sofort, daß es Karlheinz Q u a c k ist, sondern dann ist mit diesem einen „Mahlzeit" sofort wieder all das lebendig, was damals den Hörsaal 113 ausmachte und uns, die wir ihn gemeinsam erlebt und erfahren haben, auch gemeinsam geprägt hat. Und deshalb mag es erlaubt sein, so ungewöhnlich dies auch sicher ist, zum 65. Geburtstag von Karlheinz Q u a c k in einer ihm gewidmeten Festschrift aus der Sicht eines der damals Beteiligten an diesen Hörsaal 113 der Humboldt-Universität in Berlin Unter den Linden und damit zugleich daran zu erinnern, welche Faszination der freiheitliche Rechtsstaat vor 45 Jahren nach allem, was vorausgegangen war und sich neu abzuzeichnen begann, auf die damalige Studentengernation ausgeübt hat. Und vor diesem Hintergrund mag der 65. Geburtstag von Karlheinz Q u a c k nicht zuletzt im Hinblick auf seinen eigenen Lebensweg und sein Engagement für Freiheit und Menschenwürde in seinem ganzen Wirken als Anwalt und in öffentlichen Funktionen ein Anlaß sein, uns allen wieder bewußt zu machen: der freiheitliche Rechtsstaat in Deutschland darf seine Faszination nicht verlieren. Karlheinz Q u a c k ist einer von denen, die auch abseits aller großen Worte dafür bürgen, daß dieses Vermächtnis des Hörsaals 113 nicht in Vergessenheit gerät.
II.
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
Mißbrauch einer beherrschenden Stellung durch Ausübung gewerblicher Schutzrechte? FRIEDRICH-KARL BEIER
Als der Jubilar und der Verfasser dieses Beitrags sich im Kriegsjahre 1944 als 18jährige Rekruten Seite an Seite durch dänischen Heidesand horizontal vorwärtsbewegten, ahnte keiner von ihnen, daß sie einmal das gleiche Studium wählen, den gleichen Hörsaal der Berliner Universität (113) frequentieren, am gleichen Zivilsenat (5.) des Kammergerichts hospitieren, am gleichen Tage (19.5.1954) den Assessor machen und zu alledem noch die gleiche Liebe zu so wenig naheliegenden Rechtsgebieten wie dem Kartellrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz entwikkeln würden, der eine in Berlin mit dem erfreulicherweise bald dort angesiedelten Bundeskartellamt ausharrend, der andere mit Eduard Reimer und dem Patentamt nach München verschlagen. Auch hätte wohl keiner von ihnen daran gedacht, daß er anstelle von Schulterklopfen und Händeschütteln dereinst von dem anderen einen Festschriftbeitrag zum Geburtstag erhalten könnte. Hier ist ein solcher, und er betrifft ein Gebiet, auf dem sich die Vorliebe von Verfasser und Jubilar treffen, das von uns so genannte „grüne Kartellrecht", das so leicht zu verstehen ist und doch von vielen so leicht mißverstanden wird. I. Zur Bedeutung der Renault- und Volvo-Entscheidungen des EuGH In zwei seiner letzten Entscheidungen zur Vereinbarkeit der Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte mit den Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages und dessen Vorschriften über den freien Warenverkehr1 1 EuGH 5.10.1988 (RS 53/87) Consorzio Italiano della Componentistica di Ricambio per Autoveicoli und S. P.A. Maxicar X Régie Nationale des Usines Renault - „Renault", G R U R Int. 1990, 140f; EuGH vom 5.10.1988 (RS 238/87) AB Volvo X Erik Weng (UK) Ltd. - „Volvo", 20 IIC 64 (1989) = G R U R Int. 1990, 141 f); ausführliche Berichte über diese Entscheidungen bei Joliet, Geistiges Eigentum und freier Warenverkehr, G R U R Int. 1989, 177 (182-185) und Eichmann, Geschmacksmusterrecht und EWG-Vertrag, G R U R Int. 1990, 121 f; der Verfasser war an beiden Rechtssachen als Rechtsgutachter für die Automobilhersteller beteiligt.
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hatte sich der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit der ihm aus Italien und England vorgelegten Frage zu befassen, ob der Erwerb und die Geltendmachung von Geschmacksmusterrechten an Karosserie-Ersatzteilen für Automobile bestimmter Hersteller als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art. 86 E W G V anzusehen ist. Im Falle Volvo ging es darüber hinaus um die Frage, ob die Weigerung des Herstellers und Schutzrechtsinhabers, Dritten gegen angemessene Gebühren eine Lizenz zur Lieferung geschützter Karosserieersatzteile zu erteilen, einen solchen Mißbrauch begründen kann. 1. Der Gerichtshof hat beide Fragen mit knapper, überzeugender Begründung verneint. In der Renault-Entscheidung heißt es: „Die bloße Erlangung eines von Gesetzes wegen gewährten ausschließlichen Rechts, das im Kern darin besteht, die Herstellung und den Verkauf der geschützten Erzeugnisse durch nichtautorisierte Dritte verhindern zu können, (ist) nicht als mißbräuchliche Ausschaltung des Wettbewerbes anzusehen." (Erw. 15)
Ebenso deutlich ist die Antwort des Gerichtshofs im Falle Volvo: „Das Recht des Inhabers eines geschützten Musters, Dritten die Herstellung und den Verkauf oder die Einfuhr von Erzeugnissen, die das Muster verkörpern, ohne seine Zustimmung zu verbieten, stellt den Kern seines ausschließlichen Rechtes dar. Demzufolge würde eine den Inhaber des geschützten Musters auferlegte Pflicht, Dritten sei es auch gegen eine angemessene Vergütung - eine Lizenz für die Lieferung von Erzeugnissen, die das Muster verkörpern, zu erteilen, diesen Inhaber des Kerns seines ausschließlichen Rechtes berauben und die Weigerung, eine derartige Lizenz zu erteilen, kann als solche keinen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen." (Erw. 8)
2. Mit diesen deutlichen Antworten, die gleichen oder ähnlichen Vorlagefragen ein- für allemal ein Ende bereiten sollten, hat der Gerichtshof an seine frühere Rechtsprechung angeknüpft, nach der sowohl der Bestand wie die Ausübung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten für sich allein noch keine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 86 EWGV begründet2. In den Fällen Sirena und Deutsche Grammophon hatte der Gerichtshof diese allgemeine Feststellung in bezug auf den Begriff der Ausübung noch dahin präzisiert, daß der Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts oder Urheberrechts „nicht schon deshalb" eine beherrschende Stellung einnimmt, weil er von seinen ausschließlichen Rechten oder Verbotsrechten Gebrauch macht, und im Falle EMI /CBS verstärkte der Gerichtshof diese Feststellung noch durch
2 Vgl. Parke Davis v. Probet (24/67), Slg. 1968, 86, 112; Sirena v. Novimpex (40/70), Slg. 1971, 69, 84 f (Rdn. 14-17); Deutsche Grammophon v. Metro (78/70), Slg. 1971, 487; EMI Records ν. CBS Schallplatten (96/75), Slg. 1976, 913, 951 (Rdn. 33-34); Hoffmann-La Roche v. Centrafarm (107/77), Slg. 1978, 1139 (Rdn. 16).
Beherrschende Stellung ud Ausübung gewerblicher Schutzrechte
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die Formulierung, daß aus der Sonderstellung, die der Inhaber eines Warenzeichenrechts genieße, „keineswegs" das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art. 86 EWGV folge. Dies ist auch die allgemeine Auffassung in der Literatur3. Generalanwalt Reischl hat die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs zutreffend dahin zusammengefaßt, daß die Vorzugsstellung, die der Inhaber eines gewerblichen Schutzrechtes genieße, ihm noch keine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Art. 86 EWGV verleihe, ganz abgesehen davon, daß dessen Ausübung keine mißbräuchliche Ausnutzung einer solchen Stellung darstellen kann. „Die bloße Ausübung des gewerblichen Schutzrechts durch den Inhaber kann also für sich allein ohne das Hinzutreten besonderer Umstände und Voraussetzungen gegen die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen der Art. 85 und 86 des EWG-Vertrages nicht verstoßen 4 ." 3. Mit der Feststellung, daß die Innehabung und Ausübung gewerblicher Schutzrechte für sich allein noch keine beherrschende Stellung und keinen Mißbrauch im Sinne des Art. 86 EWGV begründet, zieht der Gerichtshof für Art. 86 die zutreffende und allein mögliche Konsequenz aus seiner Rechtsprechung zu Art. 36 EWGV, in welcher er sowohl den Bestand als auch die funktionsgemäße, „normale" Ausübung von gewerblichen Schutzrechten durch ihren Inhaber als gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt anerkennt (Art. 36 Satzl) und der Ausübung nur im Falle einer den „spezifischen Gegenstand" des Schutzrechts überschreitenden, nicht funktionsgemäßen und damit mißbräuchlichen Ausübung eine Grenze setzt (Art. 36 Satz2) 5 . Damit vermeidet der Gerichtshof Wertungswidersprüche zwischen den Vorschriften über den freien Warenverkehr und den Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages. Dieser Gleichklang der Wertungen entspricht nicht nur dem Grundsatz von der „Einheit der Rechtsordnung", sondern zugleich der dem gewerblichen Rechtsschutz und seinem Verhältnis zum Recht der Wettbewerbsbeschränkungen zugrundeliegenden rechtspolitischen Wertung,
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Vgl. Reischl, G R U R Int. 1982, 151, 152 = 13 IIC 415, 417/18 (1982); von Gamm, G R U R Int. 1983, 403, 406; Frignani/Waelbroeck, Disciplina della concorrenza nella CEE, 3. Aufl., Nr. 79, S. 107f; Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EWG-Kartellrecht, 3. Aufl., Art. 86 Rdn.54; Grabitz, Kommentar zum EWG-Vertrag, 1986, Art. 86 Rdn.23; Joliet, oben Fn. 1, S. 183/4. 4 AaO (Fn.3), S. 152, p. 417/18 (engl.). 5 In Parke Davis v. Probel, oben Fn. 2, und in Hoffmann-La Roche v. Centrafarm, oben Fn.2, wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Art. 36 verwiesen; den Zusammenhang betont auch von Gamm, G R U R Int. 1983, 403; vgl. dazu auch Beier, Gewerblicher Rechtsschutz und freier Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt und im Verkehr mit Drittstaaten, GRUR Int. 1989, 603 ff (610/11).
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daß es im Interesse des technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts notwendig ist, durch Gewährung ausschließlicher, gewerblicher Eigentumsrechte und den Wettbewerb mit den geschützten Erzeugnissen für eine gewisse Zeit zu beschränken und damit gleichzeitig den Innovations- und Substitutionswettbewerb anzuregen6. Diese Auffassung schließt es aus, die vom nationalen Gesetzgeber gewährte und vom Gemeinschaftsrecht anerkannte Ausschließlichkeitsposition des Schutzrechtsinhabers als eine marktbeherrschende Stellung und ihre Verteidigung als mißbräuchlich im Sinne des Art. 86 E W G V zu werten. 4. In den Fällen Renault und Volvo hat der Gerichtshof das Verbotsrecht des Schutzrechtsinhabers als „Kern seines ausschließlichen Rechts" unterstrichen und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die dadurch begründete gesetzliche Monopolstellung von Gemeinschafts recht einschließlich des Art. 86 EWGV anzuerkennen ist und auch nicht zu einem bloßen Vergütungsanspruch abgeschwächt werden darf. In diesen Feststellungen liegt die grundsätzliche rechtspolitische Bedeutung der Entscheidungen, die, wie ich meine, eine sich schon länger abzeichnende, aus der Sicht des Verfassers positive Trendwende in der Haltung des Gerichtshofs gegenüber gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten markiert. 5. Aber nicht dazu will der folgende Beitrag Stellung nehmen, sondern zu einer Frage, die der Gerichtshof in den Fällen Renault und Volvo offengelassen hat, nämlich die Frage nach der marktbeherrschenden Stellung eines Automobilherstellers für geschützte Ersatzteile von Automobilen seiner Produktion. Im Falle Renault hatte das vorliegende italienische Gericht das Bestehen einer solchen marktbeherrschenden Stellung unterstellt, im Falle Volvo hatte der britische High Court dem Gerichtshof ausdrücklich diese Frage gestellt7. Der Gerichtshof hat zu dieser Frage nicht Stellung genommen, sondern sich darauf beschränkt, den Mißbrauchsvorwurf zu verneinen. Dies entspricht zwar nicht dem
' Vgl. Demaret, Patents, Territorial Restrictions and E E C Law, 1978, S . 3 f f ; Beier, Wettbewerbsfreiheit und Patentschutz, G R U R 1978, 123 ff; Beier, in Ptetzke, Patentschutz, Wettbewerbsbeschränkungen und Konzentration im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika, 1983, S . V I / V I I . 7 Die Frage lautete: (1) „Hat ein bedeutender Kraftfahrzeughersteller, der eingetragene Geschmacksmusterrechte besitzt, die ihm nach dem Recht eines Mitgliedstaats das alleinige und ausschließliche Recht zur Herstellung und Einfuhr von Ersatzkarosserieteilen verleihen, die zur Durchführung von Karosseriereparaturen an Kraftfahrzeugen aus seiner Herstellung benötigt werden (wenn solche Karosserieteile nicht durch Karosserieteile eines anderen Geschmacksmusters ersetzt werden können) aufgrund dieser alleinigen und ausschließlichen Rechte eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 86 EWG-Vertrag im Hinblick auf solche Ersatzteile inne?".
Beherrschende Stellung ud Ausübung gewerblicher Schutzrechte
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Tatbestandsaufbau des Art. 86, der mißbräuchliches Verhalten einschließlich der Forderung überhöhter Preise nur demjenigen verbietet, der eine - zuvor festgestellte - marktbeherrschende Stellung innehat, ist prozeßökonomisch aber wohl erlaubt. 6. Die Tatsache, daß der Gerichtshof in beiden Entscheidungen8 auf mögliche Fälle mißbräuchlichen Verhaltens von Automobilherstellern hinwies, nämlich auf die willkürliche Weigerung, Ersatzteile an unabhängige Werkstätten zu liefern, die Festsetzung von ungerechtfertigt hohen Preisen für die Ersatzteile oder die Entscheidung, für ein bestimmtes Modell keine Ersatzteile mehr herzustellen, obwohl noch viele Fahrzeuge dieses Modells im Verkehr sind, bedeutet nicht etwa, daß der Gerichtshof die vorgreifliche Frage nach dem Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung für die Hersteller von geschützten Automobilersatzteilen stillschweigend bejaht hätte. Wie René Joliet, Richter am Gerichtshof und an beiden Verfahren beteiligt, in seinem Bericht über die neueste Rechtsprechung zutreffend hervorhebt9, hat der Gerichtshof die Frage der marktbeherrschenden Stellung vielmehr offengelassen. Dafür spricht auch die Formulierung der Entscheidungsgründe, die in beiden Fällen einen nach Art. 86 zu verurteilenden Mißbrauch davon abhängig machen, „daß er von einem Unternehmen mit beherrschender Stellung" begangen wird10. Die Hinweise des Gerichtshofs auf ein möglicherweise mißbräuchliches Verhalten der Hersteller von Kraftfahrzeugen und der dazugehörigen Original-Ersatzteile sind reine obiter dicta, die der Gerichtshof aus dem Vorbringen der Kommission entnommen hat, ohne daß die nationalen Gerichte diese Fragen zum Gegenstand ihres Vorabentscheidungsersuchens gemacht hatten. Offenbar scheute sich der Gerichtshof, die Vorlagefragen schlichtweg zu verneinen, ohne den nationalen Gerichten einen beispielhaften Hinweis darauf zu geben, unter welchen besonderen Umständen die Ausübung gewerblicher Schutzrechte für Kfz-Ersatzteile als mißbräuchlich unter Art. 86 EWGV fallen könnte. Dies enthebt die nationalen Gerichte, die künftig mit solchen Sachverhalten befaßt werden, jedoch nicht der Verpflichtung, zunächst einmal Feststellungen über das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung zu treffen, wenn sie einen der vom Gerichtshof genannten Mißbrauchsfälle bejahen wol-
Erw. 16 der Renault-Entscheidung, Erw. 9 der Vofoo-Entscheidung. G R U R Int. 1989, 177ff (185); so auch Eichmann, Geschmacksmusterrecht und EWG-Vertrag, G R U R Int. 1990, 121 ff. 10 Vgl. z . B . Erw. 9 des Vofoo-Urteils: "It must however be noted that the exercise of an exclusive right by the proprietor of a registered design in respect of car body panels may be prohibited by article 86 if it involves, on the part of an undertaking holding a dominant position, certain abusive conducts such as . . . " ; 20 I I C 64 (1989) S.66. 8 9
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len11. Auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt Anhaltspunkte für das Vorliegen eines mißbräuchlichen Verhaltens aufweist, bleibt es also dabei, daß die Anwendung des Art. 86 E W G V als erste und grundlegende Voraussetzung das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf dem relevanten Markt voraussetzt. Wie ist diese vom Gerichtshof in den Geschmacksmusterfällen offengelassene Frage für den Automobil- und Ersatzteilmarkt zu beurteilen? II. Marktbeherrschende Stellung für geschützte Ersatzteile? 1. Abgrenzung
des relevanten
Marktes
Für die Prüfung, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 86 E W G V einnimmt, ist die zutreffende Abgrenzung des relevanten Marktes von wesentlicher Bedeutung12. Zwar dürfen die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 86 nicht völlig isoliert voneinander betrachtet werden13, jedoch bezieht sich sowohl das Merkmal der „Beherrschung" als dasjenige der „mißbräuchlichen Ausnutzung" auf die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse oder Wettbewerbsmöglichkeiten auf einem bestimmten, dem relevanten Markt und können nur in dessen Rahmen sachgerecht beurteilt werden14. Der relevante Markt ist in sachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht abzugrenzen15, wobei in den meisten Fällen die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes oder „Produktmarktes" im Vordergrund steht und die größten Schwierigkeiten bereitet. 2. Der sachlich relevante
Markt
Im Falle Renault ging das vorlegende Gericht in seiner zweiten Vorlagefrage ohne nähere Prüfung davon aus, daß „jeder Kraftfahrzeug11 Soweit es dabei um den Vorwurf überhöhter Preise für Original-Ersatzteile geht, hat der Gerichtshof ausdrücklich klargestellt, daß das Verlangen höherer Preise für geschützte Ersatzteile noch keinen Mißbrauch darstellt, da der Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts legitimerweise Ersatz für seine Entwicklungskosten verlangen kann. M. E. werden damit alle Preise gerechtfertigt, die der Schutzrechtsinhaber unter dem Dach seiner gesetzlichen Monopolstellung auf dem Markt einzuspielen vermag, nicht nur diejenigen Preise, die unter Berücksichtigung der Entwicklungskosten als gerechtfertigt erscheinen. Die Gerichte sollten sich auf solche unbefriedigenden Kalkulationen nicht einlassen; in keinem Fall dürfen sie die Preise nachgeahmter Erzeugnisse als Vergleichsmaßstab heranziehen, wie dies in Entwicklungsländern gelegentlich geschieht. 12 EuGH 21.2.1973 (6/72), Slg. 1973, 215 - Europemballage/Continental Can; EuGH 11.12.1980 (31/80), Slg. 1980, 3775 = G R U R Int. 1981, 315 - L'Oréal/De Nieuwe AMCK. 13 Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, 1974, S. 275/76. 14 von der Groeben (Schröter), Kommentar zum EWG-Vertrag, 3. Aufl. 1983, Art. 86 Rdn.28, 29. 15 Allgemeine Meinung, vgl. von der Groeben (Schröter), oben Fn. 14, Rdn.29.
Beherrschende Stellung ud Ausübung gewerblicher Schutzrechte
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hersteiler auf dem Ersatzteilmarkt für Kraftfahrzeuge aus seiner Produktion eine beherrschende Stellung einnimmt", nahm also an, daß für Kraftfahrzeuge bestimmter Hersteller einerseits und den für diese Kraftfahrzeuge bestimmten Ersatzteile andererseits jeweils ein gesonderter relevanter Markt besteht. Aus der Begründung der Vorlageentscheidung ergibt sich darüber hinaus, daß das italienische Gericht von einer noch engeren Abgrenzung des relevanten Marktes für Ersatzteile ausging, nämlich beschränkt auf geschmacksmusterrechtlich geschützte Karosserieteile von bestimmten Automobilmodellen bestimmter Hersteller. Die gleiche Frage hatte der britische High Court in seiner ersten Vorlagefrage dem Gerichtshof gestellt 16 . Sind dies zutreffende Abgrenzungen des sachlich relevanten Marktes? a) Allgemeine Abgrenzungskriterien. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs umfaßt der sachlich relevante Markt sämtliche Erzeugnisse, „die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind" 17 . Demgegenüber umfaßt der relevante Markt nach Ansicht der Kommission alle Erzeugnisse oder Dienstleistungen, „die vom Verbraucher aufgrund ihrer Eigenschaften, ihrer Preislage und ihres Verwendungszwecks als gleichartig angesehen werden" 1 8 . Obwohl auch für die Kommission die funktionelle Austauschbarkeit der Erzeugnisse der wesentliche Gesichtspunkt ist, beurteilt der Gerichtshof die Austauschbarkeit weniger nach dem Verwendungszweck und ohne Rücksicht auf den Preis in erster Linie nach den objektiven Eigenschaften der Erzeugnisse und ihrer sich daraus ergebenden besonderen Eignung, einen gleichmäßigen Bedarf der verschiedenen Abnehmergruppen zu befriedigen. b) Besondere Kriterien für die Abgrenzung von Ersatzteilmärkten. Näheren Aufschluß für die Abgrenzung des relevanten Marktes kann aus der Entscheidung des Gerichtshofs vom 31. Mai 1979 im Falle Hugin Kassaregister/Kommission19 gewonnen werden. Es ging dort um die Frage, ob die einzige Herstellerin von //^¿«-Registrierkassen und der dafür bestimmten Ersatzteile eine beherrschende Stellung auf dem Markt für ihre eigenen Ersatzteile besitzt und diese dadurch in mißbräuchlicher
Vgl. oben Fn. 7. So die übereinstimmende Formulierung in den Urteilen Continental Can (Rdn. 32) und L'Oréal (Rdn. 25); ähnlich auch E u G H 14.2.1978 (Rechtssache 27/76), Slg. 1976, 207, 282 - United Brands. 18 Vgl. von der Groeben (Schröter), oben Fn. 14, Art. 86 Rdn. 321 bei Fn. (220). " Rechtssache 22/78, Slg. 1979, 1869 mit Schlußanträgen des Generalanwalts G. Reischl = G R U R Int. 1980, 46. 16
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Weise ausnutzt, daß sie einen unabhängigen Wartungs- und Reparaturbetrieb von der Belieferung mit diesen Original-Ersatzteilen ausschließt. Bei dieser Sachlage und in diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof, der Auffassung der Kommission und den Schlußanträgen des Generalanwalts folgend, das Bestehen eines vom Markt für Registrierkassen zu trennenden, gesonderten Markts für Original-Hugin-Ersatzteile angenommen, soweit es sich um die Lieferung dieser Ersatzteile an unabhängige Wartungs- und Reparaturunternehmen handelt, die auf die Ersatzteile angewiesen sind. Läßt sich diese Feststellung ohne weiteres auf die Verhältnisse auf dem Automobilmarkt und dem dazugehörigen Ersatzteilmarkt übertragen? Analysiert man die im Falle Hugin entscheidungserheblichen Erwägungen näher, so zeigen sich gewichtige Unterschiede, die eine abweichende, jedenfalls aber differenzierte Beurteilung nahelegen, und zwar sowohl für die Abgrenzung des sachlichen relevanten Markts wie für die davon nicht zu trennende Frage der Beherrschung des so abgegrenzten Marktes. 3. Einheitlicher
Markt für Kraftfahrzeuge
und
Ersatzteile
a) Was zunächst die grundsätzliche Frage betrifft, ob nicht wegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Hauptware und ihren Ersatzteilen von einem beide umfassenden einheitlichen Markt ausgegangen werden muß, so hat der Gerichtshof im Falle Hugin zwar dahin gehende Argumente nicht aufgenommen, sondern allein auf die Abhängigkeit der unabhängigen Reparaturunternehmen von der Weiterbelieferung mit Hugin-Ersatzteilen abgestellt, deren alleinige Herstellerin und Lieferantin die Firma Hugin war. Um die in diesem Fall verhängte Liefersperre, mit dem wettbewerbsrechtlichen Instrumentarium des EWG-Vertrages, nämlich Art. 86 EWGV, überhaupt erfassen zu können, mußte der Gerichtshof den sachlich relevanten Markt entsprechend abgrenzen20. Bei dieser besonderen Fallsituation war es weder erforderlich noch angebracht, auf das Argument näher einzugehen, die Lieferung von Ersatzteilen und die Bereitstellung von Wartungs- und Reparaturdiensten durch den Hersteller sei ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor auch für den Verkauf neuer Geräte, den jeder Hersteller berücksichtigen müsse und der den „in terbrand"-Wettbewerb verschärfe. Dafür spricht auch die Bemerkung im Schlußbericht des Gene-
2 0 Nach deutschem Recht wäre die Liefersperre ein eindeutiger Verstoß gegen das Verbot unzulässiger Behinderung abhängiger Unternehmen ( § 2 6 Abs. 2 Satz2), in Frankreich gegen das V e r b o t des „refus de vente", Verbote, die anders als nach Art. 86 E W G V nicht notwendigerweise an die Voraussetzung einer marktbeherrschenden Stellung geknüpft sind.
Beherrschende Stellung ud Ausübung gewerblicher Schutzrechte
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ralanwalts21, daß grundsätzliche Bedenken dagegen bestehen, solche Argumente bei Sachverhalten gelten zu lassen, „in denen es um eine vollständige Ausschaltung unabhängiger Wartungsbetriebe, also eine grundlegende Veränderung der Wettbewerbsstruktur, geht", die für andere Sachverhalte den Gegenschluß offenläßt. Generell konnte der Generalanwalt jedoch die Verfügbarkeit von Originalersatzteilen im Rahmen des Wartungs-, Reparatur- und Kundendienstes als Wettbewerbsfaktor für den Verkauf neuer Geräte nicht in Abrede stellen, was ihn zu der vorsichtigen Feststellung veranlaßte, den Kundendienst einschließlich der Lieferung von Ersatzteilen als eine zum Kauf neuer Geräte akzessorische Tätigkeit zu bezeichnen22. b) Für den Automobilmarkt erscheint mir diese zurückhaltende Feststellung nicht ausreichend und die Annahme eines zwar akzessorischen aber nichtsdestoweniger selbständigen und gesondert zu beurteilenden Marktes für Ersatzteile nicht zwingend. Für jeden Käufer eines Neuwagens sind nicht nur Qualität, Aussehen und Preis des Neuwagens, sondern auch die vom Hersteller gewährte Garantie und die von ihm organisierten Spezialwerkstätten für Kundendienst und Reparatur sowie die Verfügbarkeit von Ersatzteilen wesentliche, oft kaufentscheidende Faktoren. Sie sind aus der Sicht des Verbrauchers keine bloßen „Nebenleistungen", sondern mit dem Fahrzeug selbst verbundene Faktoren, die seine Gebrauchsdauer, seinen Wiederverkaufswert, kurz seinen Gebrauchswert und damit auch seinen Preis maßgeblich bestimmen. Hinzu kommen zwei rechtliche Gesichtspunkte, die für eine Uberprüfung und Weiterentwicklung des Konzepts getrennter Märkte für die Hauptware Automobil und die mit ihr verbundenen Nebenleistungen einschließlich der Lieferung von Ersatzteilen sprechen. aa) Einmal ist auf die Verordnung Nr. 123/85 der Kommission über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge hinzuweisen23, die Ausdruck einer deutlich veränderten Haltung sowohl des Gerichtshofs wie der Kommission in der wettbewerbspolitischen und kartellrechtlichen Beurteilung vertikaler Vertriebssysteme ist24. In den Erwägungsgründen der V O Nr. 123/85 erkennt die Kommission aus-
Slg. 1980, 1913/14. AaO, S. 1905. 25 Amtsblatt Nr. 15/16 vom 18.1.1985 = G R U R Int. 1985, 177. 24 Vgl. nur EuGH, G R U R Int. 1984, 28 - AEG/Telefunken; G R U R Int. 1986, 193 - Pronuptia, sowie die Entscheidungen der Kommission vom 17.12.1986 in den Fällen „Yves Rocher" und „ P r o n u p t i a G R U R Int. 1987, 236 und 242. 21
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drücklich an, daß Kraftfahrzeuge längerlebige Verbrauchsgüter sind, die regelmäßig fachkundiger "Wartung und Instandsetzung durch ausgewählte Vertragshändler und -Werkstätten bedürfen, „um einen besonderen, auf das Produkt zugeschnittenen Kundendienst hervorzubringen", zu dem auch die „schnelle Verfügbarkeit von Ersatzteilen des gesamten Vertragsprogramms" gehört, womit nicht nur der „intrabrand"-Wettbewerb, sondern auch der „interbrand"-Wettbewerb mit Konkurrenzerzeugnissen verstärkt werde. Diese Erwägungen und die darauf gegründeten Freistellungen nach Art. 85 Abs. 3 EWGV sind nicht nur Ausdruck einer großzügigeren Beurteilung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen im Kfz-Vertrieb, sondern auch ein erster Schritt zur Anerkennung eines einheitlichen Marktes für Automobile, ihre Ersatzteile und dem mit ihnen erbrachten Kunden- und Reparaturdienst1^. bb) Die Gerichte sollen diesen Weg weitergehen, der durch grundlegende Strukturveränderungen des Warenvertriebs vorgezeichnet ist. Sie sollten sich dabei von der in der Praxis der Kartellbehörden noch immer vorhandenen, durch die Entwicklung längst überholten Modellvorstellung freimachen - und hier sei dem Verfasser ein Eigenzitat erlaubt - , „dem Wettbewerb und den Bedürfnissen des Verbrauchers sei am besten dadurch gedient, daß der Hersteller seine Ware möglichst preisgünstig produziert und in Verkehr bringt, ohne sich um das weitere Schicksal seiner Ware zu kümmern, ihren Vertriebsweg, ihre Preise und möglichst auch nicht um mit dem Warenvertrieb eng verbundene Nebenleistungen wie ausreichende Lagerung, Produktpflege, Beratung und Kundendienst. Es ist vielmehr an der Zeit, der Zusammengehörigkeit von Ware, Marke, Vertriebssystem, Marketingmethode und warenbezogenen Dienstleistungen, die dem Verbraucher als einheitliches ,Leistungsbündel' angeboten, durch Herstellerwerbung ,vorverkauft' werden und zusammen die Produktvorstellung des Verbrauchers bestimmen, bei der kartellrechtlichen Beurteilung von Vertriebssystemen Rechnung zu tragen 26 ."
Was für die Beurteilung nach Art. 85 Abs. 1 und Abs. 3 gilt, kann für die Beurteilung nach Art. 86 EWGV nicht unberücksichtigt bleiben. Der Grundsatz einheitlicher wettbewerbspolitischer Wertung verbietet es, ein sowohl nach Art. 36 wie nach Art. 85 EWGV erlaubtes Verhalten nach Art. 86 als mißbräuchliche Ausnutzung wirtschaftlicher Macht zu
25
Vgl. hierzu auch Joliet, oben Fn. 1, S. 815 linke Sp. Beier, Der Schutz selektiver Vertriebsbindungen gegenüber Außenseitern, GRUR 1987, 133 ff (134). Den Hinweis auf die Notwendigkeit einer solchen Neuorientierung verdanke ich Dr. Ch. Schlieder, Köln. Näheres zur Berücksichtigung des „Leistungsbündel-Konzepts" und zum Verhältnis „interbrand"- und „intrabrand"-Wettbewerb in der Münchner Dissertation von W. Kirchhoff, Die Bedeutung von intrabrand- und interbrand-Wettbewerb f ü r die kartellrechtliche Beurteilung vertikaler Vertriebsverträge, Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Bd. 82, 1990. 26
Beherrschende Stellung ud Ausübung gewerblicher Schutzrechte
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verbieten. Dies gilt um so weniger, als der Kommission bei Erlaß der V O Nr. 123/85 wohlbewußt war, daß die Adressaten der Gruppenfreistellung durchwegs größere Unternehmen der Automobilindustrie sein würden, die bei gesonderter Abgrenzung der jeweiligen Ersatzteilmärkte in den Verbotsbereich des Art. 86 geraten könnten. c) Aber auch wenn man den sachlich relevanten Markt nach den bisherigen Maßstäben abgrenzt, kann nicht ohne weiteres vom Bestehen eines gesonderten Marktes für (sämtliche) Ersatzteile von Kraftwagen aus der Produktion eines bestimmten Herstellers gesprochen werden. Es ist vielmehr auf die Abhängigkeit der verschiedenen Abnehmergruppen vom Bezug der Originalersatzteile abzustellen und zu fragen, ob diese Gruppen zur Deckung ihres gleichbleibenden Bedarfs auf die Originalersatzteile des Automobilherstellers angewiesen sind oder ob sie auf andere Unternehmen ausweichen können, welche die gleichen oder substitutionsfähige Ersatzteile anbieten 27 . Differenziert man in dieser Weise nach den verschiedenen Abnehmergruppen und der Art der Ersatzteile, so läßt sich eine pauschale Antwort weder für die Vorfrage nach dem relevanten Markt, noch für die Hauptfrage nach der Beherrschung dieses Markts geben. 4. Beherrschung
der verschiedenen
Ersatzteilmärkte
a) Zur Vereinfachung der Prüfung, ob ein Automobilhersteller eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, ist vorab festzustellen, daß es unabhängig von dem Bedarf der verschiedenen Abnehmer keinen einheitlichen Markt für Automobilersatzteile gibt, der sämtliche Ersatzteile umfaßt 28 . Es gibt eine beträchtliche Anzahl von Ersatzteilen, die nicht auf ein bestimmtes Automodell oder mehrere Modelle des gleichen Herstellers zugeschnitten sind, sondern im Automobilbau allgemein Verwendung finden oder jedenfalls für Automobile verschiedener Hersteller passen. Solche „modellneutralen" oder „markenneutralen" Ersatzteile werden von verschiedenen Unternehmen hergestellt, sei es - wie in der Regel - von einem oder mehreren Zulieferern, sei es von den verschiedenen Automobilherstellern selbst; sie sind funktionell austauschbar und können von den verschiedenen Abnehmergruppen, d. h. den privaten Autobesitzern, dem Ersatzteilhandel, den unabhängigen Reparaturbetrieben und Vertragswerkstätten aus verschiedenen Bezugsquellen bezogen werden. Ersatzteile dieser Art können keinen von einem einzelnen Automobilhersteller beherrschbaren Markt bilden.
27 Vgl. von der Groeben (Schröter), Art.86 Rdn.31 und die dort in Fn.219 weiter zitierten Autoren. 28 So auch Joliet, oben Fn. 1, S. 185 linke Sp.
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Fraglich kann es daher nur sein, ob die an ein bestimmtes Automobilmodell oder mehrere Modelle eines bestimmten Herstellers speziell angepaßten Ersatzteile, insbesondere Karosserieteile, die nicht anderweitig verwendbar sind, einen eigenen, von diesem Hersteller beherrschbaren Markt bilden können. b) Untersucht man die Frage zunächst aus der Sicht eines privaten Autobesitzers, der - um ein lebensnahes Beispiel zu wählen - eine unfallbeschädigte Heckklappe oder einen angerosteten Kotflügel auswechseln will, so kann er sich diese Teile entweder selbst herstellen oder von einem befreundeten Mechaniker oder einer kleinen Karosseriewerkstätte herstellen lassen. Eine solche Eigenproduktion ist aber in der Regel unwirtschaftlich, kommt praktisch nur für ältere Wagen und nur für bestimmte Ersatzteile in Betracht und fällt umfangmäßig nicht ins Gewicht. Eine beachtliche Alternative ist dagegen der Erwerb gebrauchter Ersatzteile von unfallbeschädigten oder abgewrackten Fahrzeugen, die auf den zahlreichen Autoschlachthöfen preisgünstig erhältlich sind. Vor allem jugendliche Besitzer von Gebrauchtwagen machen von dieser Alternative häufig Gebrauch. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, insbesondere bei beschädigten Neuwagen, wird sich der Autobesitzer das benötigte Ersatzteil jedoch von einem Ersatzteilhändler beschaffen oder - und dies ist der häufigste Fall - seine Vertragswerkstätte oder eine spezielle, unabhängige Karosseriewerkstätte mit der Reparatur beauftragen. c) Der Ersatzteilhandel, der als weitere Abnehmergruppe in Betracht kommt, führt in der Regel und sicher überwiegend die Originalersatzteile, die er entweder vom Automobilhersteller selbst oder von einem Lizenznehmer oder Zulieferanten beziehen kann. Der Ersatzteilhändler kann die gleichen Teile aber auch von „unabhängigen" Teileherstellern beziehen, die solche Teile ohne Verletzung fremder Schutzrechte, sei es des Herstellers, sei es eines Zulieferers, produzieren. Diese Bezugsmöglichkeit steht nicht nur den unabhängigen Ersatzteilhändlern offen, sondern - allerdings in beschränkterem Umfang - auch den Vertragshändlern und Vertragswerkstätten des Herstellers. Wie sich aus Art. 3 Ziff. 4, Art. 4 Abs. 1 Ziff. 6 und 7 sowie Ziff. (8) der Erwägungsgründe der V O Nr. 123/8529 ergibt, bleibt die Freiheit der Vertragshändler gewahrt, Ersatzteile, die den Originalersatzteilen des Herstellers qualitativ gleichen oder deren Qualitätsstandard übertreffen, bei Dritten zu beziehen, sie zu verwenden und weiterzuvertreiben. Auch insoweit besteht also kein Lieferungsmonopol des Automobilherstellers.
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O b e n F n . 23.
Beherrschende Stellung ud A u s ü b u n g gewerblicher Schutzrechte
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d) Für Reparaturbetriebe, die Ersatzteile in beträchtlichem Umfange abnehmen, gilt grundsätzlich das gleiche. Soweit es sich um unabhängige Reparaturbetriebe handelt, können sie Ersatzteile, soweit sie ungeschützt sind, von jedem Dritten beziehen, d. h. vom Ersatzteilhandel oder direkt von einem unabhängigen Teilehersteller. Sie können auch Originalersatzteile beziehen, die der Automobilhersteller oder sein Zulieferant in Verkehr gebracht hat. Zwar können unabhängige Reparaturbetriebe nach Art. 1 der V O Nr. 123/85 zulässigerweise von der unmittelbaren Belieferung mit Originalersatzteilen durch den Hersteller ausgeschlossen werden; in jedem Fall können sie aber die zur Reparatur benötigten Originalersatzteile, was ohnehin die Regel ist, von den Vertragshändlern des Herstellers beziehen (Art. 3 Nr. 10 V O Nr. 123/85). e) Die vorstehend geschilderte Situation auf dem Ersatzteilmarkt unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der im Falle Hugin gegebenen Marktsituation, in dem ein „wasserdichtes" Monopol des Registrierkassenherstellers für die eigenen Ersatzteile vorlag. aa) Hugin war der einzige Hersteller von Ersatzteilen für seine Fabrikate, die wegen ihrer hohen Technizität, dem dafür erforderlichen Herstellungs-Know-how, ihrer großen Anzahl (3000 bis 5000) und ihres vergleichsweisen geringen Werts von keinem anderen Unternehmen als dem Hersteller produziert wurden und produziert werden konnten. Hugin besaß damit ein technisches und wirtschaftliches Monopol für die Herstellung und Lieferung seiner eigenen Ersatzteile. Ein solches Monopol haben die Hersteller von Automobilen nicht. Insbesondere Karosserieteile sind keine derart hochtechnisierten Teile, ihr Nachbau erfordert keinen besonderen technologischen oder fabrikatorischen Aufwand, sie haben einen vergleichsweisen höheren Wert und können angesichts der beträchtlichen Nachfrage sowohl vom Autohersteller als auch von Dritten in großen Stückzahlen produziert werden. Tatsächlich werden sie auch in beträchtlichem Umfange von unabhängigen Teileherstellern produziert und auf dem Ersatzteilmarkt abgesetzt. Genaue Zahlen über den Marktanteil solcher Nachbauteile am Gesamtmarkt für Karosserieersatzteile gibt es nicht. Er ließe sich auch nicht generell feststellen, sondern müßte für jeden Hersteller, jedes Automobilmodell und jedes Karosserieteil gesondert ermittelt werden, da die Nachfrage sehr unterschiedlich ist und die unabhängigen Hersteller oft nur die am meisten nachgefragten und/oder leicht herstellbaren Karosserieteile produzieren. Vorbehaltlich einer genaueren Marktanalyse wird man jedoch sagen können, daß der Marktanteil der von unabhängigen Unternehmen her-
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gestellten und gelieferten Karosserieersatzteile jedenfalls so groß ist, daß ihr Angebot einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor darstellt, mit der Folge, daß die Automobilhersteller ihr wettbewerbliches Verhalten, insbesondere in bezug auf die Preisgestaltung ihrer Originalersatzteile, nicht ohne Rücksicht auf diese konkurrierenden Bezugsquellen bestimmen können. Die Möglichkeit, sich im Wettbewerb unabhängig von seinen Konkurrenten zu verhalten, ist aber nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein wesentliches Kriterium für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung30. bb) Hinzu kommt, daß gewisse Ersatzteile, wie etwa Scheinwerfer, Stoßstange, Fenster, Radkappen, Bremsleuchten etc., nicht nur vom Automobilhersteller selbst und von unabhängigen Teileherstellern, sondern auch von Zulieferern und/oder Lizenznehmern des Herstellers hergestellt und jedenfalls teilweise auch auf dem Ersatzteilmarkt angeboten werden. Nach den Regeln des europäischen Kartellrechts kann der Automobilhersteller in diesen Fällen weder seinen Zulieferern noch seinen Lizenznehmern die Preise der Ersatzteile vorschreiben31, so daß auch insoweit Wettbewerb besteht. cc) Im Unterschied zum Fall Hugin liegt es auf dem Ersatzteilmarkt für Automobile schließlich so, daß unabhängige Reparaturbetriebe und Karosseriewerkstätten die Originalkarosserieteile entweder vom Hersteller oder jedenfalls von seinen Vertragshändlern beziehen und zur Ausführung von Reparaturaufträgen verwenden können (vgl. oben d). dd) Schließlich, aber das sei nur am Rande erwähnt, hat jedenfalls der Markt für Karosserieersatztclle auch eine zeitliche Dimension, da sich die Nachfrage nach bestimmten Karosserieersatzteilen und damit auch das Verhältnis der Marktanteile von Originalersatzteilen und Nachbauteilen während der Lebensdauer eines bestimmten Automobilmodells nicht unwesentlich verändert. Um neben dem sachlichen auch den zeitlich relevanten Markt zu ermitteln, muß gegebenenfalls auch dieser Veränderung der Marktverhältnisse nachgegangen werden32. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Verhältnisse auf dem Ersatzteilmarkt für Gebrauchtwagen durchaus andere sind als auf dem Ersatzteilmarkt für Neuwagen.
30 Vgl. die Urteile L'Oréal, Erw. 26, und Hugin, Erw. 10; so auch Joliet, oben Fn. 1, S. 185 linke Sp. 31 Ständige Praxis der Kommission, vgl. von der Groeben (Bail), Art. 85 Rdn.251; Art. 3 Ziff. 7 der V O Nr. 2349/84 über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Patentlizenzvereinbarungen, Amtsblatt 1984 L219, S. 15 = G R U R Int. 1985, 764. 32 Vgl. von der Groeben (Schröter), Art. 86 Rdn. 38.
Beherrschende Stellung ud Ausübung gewerblicher Schutzrechte
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f ) Als Ergebnis ist festzuhalten: Selbst wenn man von einem gesonderten Ersatzteilmarkt ausgeht, reicht die Tatsache, daß bestimmte Ersatzteile, insbesondere Karosserieteile, vom Hersteller für ein bestimmtes Automobilmodell entwickelt und für dieses bestimmt sind, nicht aus, um eine marktbeherrschende Stellung des Automobilherstellers für diese Ersatzteile zu begründen. Je nach der Art dieser Teile und dem unterschiedlichen Bedarf der verschiedenen Abnehmergruppen bestehen für die Abnehmer alternative Bezugsmöglichkeiten, die wettbewerblich ins Gewicht fallen und jedenfalls die generelle Annahme ausschließen, der Automobilhersteller nehme eine beherrschende Stellung auf dem sachlich, zeitlich und örtlich relevanten Markt für Ersatzteile ein. 5. Marktbeherrschung
durch gewerbliche
Schutzrechte?
Eine solche Annahme ist vielmehr nur dann möglich, wenn man die schutzrechtliche Position des Automobilherstellers in die Betrachtung einbezieht, d. h. die Möglichkeit, durch Erwerb und Geltendmachung von Patent-, Gebrauchsmuster- oder Geschmacksmusterrechten für die eigenen Ersatzteile den Ersatzteilmarkt für diese Teile zu monopolisieren. Ich halte diese Argumentation für unzulässig. a) Zunächst kann die bloße Hinterlegung eines Geschmacksmusters oder die Anmeldung eines Patents oder Gebrauchsmusters noch keine beherrschende Stellung begründen. Nur für solche Ersatzteile, welche die erforderlichen Schutzvoraussetzungen erfüllen, d. h. entweder Neuheit und Originalität besitzen oder neu und erfinderisch sind, können Verbotsrechte geltend gemacht werden. Im Hinblick auf die Ähnlichkeit vieler Automobilmodelle und den entsprechenden Umfang des sogenannten vorbekannten Formenschatzes, der bei Prüfung der Neuheit und Originalität eines Musters berücksichtigt werden muß33, der Tatsache des Ausschlusses funktioneller Gestaltungen vom Musterschutz und die Dichte des Standes der Technik für Automobilersatzteile, kann der Automobilhersteller nur für solche Ersatzteile einen wirksamen Schutz gegen Nachahmung erwerben, die wirklich schutzwürdig sind. Alle anderen, nicht schutzwürdigen Teile können frei nachgebaut und vertrieben werden. Hinsichtlich dieser Teile - und dies sind vermutlich nicht wenige - kann der Automobilhersteller durch Rückgriff auf gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte den Markt ohnehin nicht beherrschen. Wenn dem aber so ist, so widerspräche es jeder Logik und dem Gebot der Gerechtigkeit, eine mißbräuchlich ausnutzbare, markt-
33
Vgl. Gerstenberg, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl. 1988, S. 64 ff.
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beherrschende Stellung gerade für die schutzwürdigen Erzeugnisse anzunehmen, d. h. diejenigen, für die der Hersteller ein nach Art. 36 E W G V gerechtfertigtes, durchsetzbares Schutzrecht besitzt. b) Zwar ist der Begriff der Marktbeherrschung in erster Linie ein tatsächlicher Begriff, der durch die wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem Markt, die Marktstruktur, das Marktverhalten und den Markterfolg bestimmt wird. Weder die Marktstruktur noch das Marktverhalten von Unternehmen kann jedoch rein faktisch ohne jede Rücksicht auf die rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmt werden, in denen sich der Wettbewerb abspielt, z . B . bei Bestehen eines gesetzlichen Monopols. Nun hat der Gerichtshof allerdings mehrfach entschieden, daß die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung und damit die Anwendung von Art. 86 nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß das Fehlen eines Wettbewerbs oder seine Beschränkung auf dem fraglichen Markt durch Rechtsvorschriften hervorgerufen oder begünstigt wird 34 . In allen diesen Fällen ging es darum, die Berufung auf nationale Rechtsvorschriften auszuschließen, die bestimmten halbstaatlichen oder auch privaten Unternehmen eine Monopolstellung oder Vorzugsstellung eingeräumt hatten, im Falle General Motors durch Einräumung einer im Grunde staatlichen Aufgabe, nämlich die Überprüfung von Kfz-Neuzulassungen an ein privates Unternehmen. Solche besonderen Rechtsvorschriften einzelner Mitgliedstaaten und die auf ihnen beruhenden „gesetzlichen Monopole" einzelner können nach meiner Überzeugung nicht mit den, auch gemeinschaftsrechtlich anerkannten, allgemeinen Rechtsvorschriften zum Schutz des gewerblichen Eigentums verglichen werden, die für jedermann gelten und von jedem in Anspruch genommen werden können, dessen gewerblichschöpferische Leistungen die allgemeinen gesetzlichen Schutzvoraussetzungen erfüllen. Die dem gewerblichen Rechtsschutz zugrundeliegende rechtspolitische Wertung, die zur Förderung des technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts eine zeitliche Beschränkung des Wettbewerbs mit den geschützten Erzeugnissen hinnimmt und damit gleichzeitig den Innovations- und Substitutionswettbewerb anregt 35 , läßt es nicht zu, die zu diesem Zweck gewährte und vom Gemeinschaftsrecht anerkannte Ausschließlichkeitsposition als eine marktbeherrschende
34 Vgl. zuletzt E u G H 3.10.1985 (311/84), G R U R Int. 1986, 191 Telemarketing/ Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion; unter Hinweis auf seine früheren Urteile in der Rechtssache 26/75, Slg. 1975, 1367 - General Motors, in der Rechtssache 13/77, Slg. 1977, 2115 - Inno!AT Ah, und in der Rechtssache 41/83, R I W / A W D 1985, 485 - Italien/ Kommission. 35 Dazu schon oben bei Fn. 6.
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Stellung im Sinne des Art. 86 EWGV zu werten. Würde man anders entscheiden, so müßte man jedes Unternehmen, das ein gewerbliches Schutzrecht für ein bestimmtes Erzeugnis besitzt und dieses funktionsgemäß gegen Nachahmung verteidigt (und damit substituierbare Konkurrenzerzeugnisse vom Markt ausschließt) als marktbeherrschendes Unternehmen für das betreffende Erzeugnis ansehen. Dies wäre eine unannehmbare Konsequenz, die noch kein Gericht gezogen hat. c) Art. 86 kann im Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten oder Urheberrechten im Grunde nur dann ins Spiel kommen, wenn die beherrschende Stellung eines Unternehmens nicht allein oder überwiegend auf Erwerb und Geltendmachung wirksamer Schutzrechte, sondern auf anderen Gründen beruht, wie etwa im Falle Continental Can}b oder United Brands37. Die Automobilhersteller, gleich welcher Größe, haben, abgesehen von ihren Schutzrechten, weder auf dem Automobilmarkt noch auf dem Ersatzteilmarkt eine beherrschende Stellung, die sie mißbräuchlich ausnutzen könnten. Sie stehen zumeist in scharfem Wettbewerb mit anderen Automobil- und Ersatzteilherstellern. Aber auch solche Unternehmen, die allein aufgrund ihrer Größe, Kapitalkraft oder ihres technologischen Vorsprungs marktbeherrschend sind, wie etwa die Firma IBM auf dem Computermarkt, können gewerbliche Schutzrechte erwerben, sie lizenzieren und gegen Verletzungen verteidigen, ohne daß ihnen daraus allein ein Monopolisierungs- oder Mißbrauchsvorwurf gemacht werden könnte 38 . d) Ein Mißbrauch ist auch nicht darin zu erblicken, daß ein Unternehmen durch Erwerb und Ausübung gewerblicher Schutzrechte das Ziel verfolgt, die - wie es in der zweiten Vorlagefrage des italienischen Gerichts heißt - „Konkurrenz von Seiten der freien Ersatzteilhersteller völlig auszuschließen". Zwar ist die Erhaltung des sogenannten „Restwettbewerbs" eines der anerkannten Ziele des Art. 8639, und marktstarke Unternehmen dürfen sich zu diesem Zweck keiner mißbräuchlichen Mittel bedienen. Die Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte, die nach Art. 36 EWGV gerechtfertigt ist, ist jedoch nicht ein solches Mittel.
36
E u G H 21.2.1973 (6/72), Slg. 1973, 215. E u G H 14.2.1978 (27/76), Slg. 1976, 207, w o der Besitz der bekannten Marke „Chiquita" für Bananen weder zu einer auf diese Marke beschränkten sachlichen Abgrenzung des relevanten Marktes maßgeblich war, noch f ü r den Mißbrauchsvorwurf gegen die im Bananenmarkt mit anderen Mitteln beherrschenden Firma United Brands eine wesentliche Rolle spielte. 38 Dies gilt nicht nur für das Gemeinschaftsrecht, sondern auch für das USAntitrustrecht, vgl. Pietzke, oben Fn. 6 mit umfangreichen Nachweisen. " Vgl. die Urteile Hoffmann-La Roche-Vitamine (85/76), Slg. 1979, 461, und L'Oréal (31/80), Slg. 1980, 3775. 37
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Es ist vielmehr ein legitimes, dem Wesen gewerblicher Schutzrechte immanentes Ziel, den - unlauteren - Wettbewerb mit den geschützten Erzeugnissen zu unterbinden, das auch marktbeherrschende Unternehmen verfolgen dürfen. Der Inhaber gewerblicher Schutzrechte, auch wenn er bereits eine starke Stellung auf dem Markt besitzt, braucht bei der Verteidigung seiner geschützten Rechtsposition nicht vor einem potenten Wettbewerber haltzumachen und dessen Schutzrechtsverletzungen zu tolerieren, um diesem die Erhaltung von „Restwettbewerb" zu ermöglichen. Ausschließliche Rechte richten sich ihrer Natur nach gegen jeden Dritten, der sie mißachtet. Was der Gerichtshof mit Recht und allein mißbilligt, ist ein Verhalten, das darauf abzielt, die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs durch Mittel zu behindern, „welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen" 40 .
Davon kann aber keine Rede sein, wenn Unternehmen ihre auf eigenständige Innovationsleistungen gegründeten Schutzrechte gegen Dritte geltend machen, die diese Leistungen mißachten und nachahmend zu ihrem Vorteil ausbeuten. Ein solcher Nicht-Leistungswettbewerb ist nicht schutzwürdig.
40 So der Gerichtshof in den oben, Fn. 39, zitierten Urteilen; ebenso Joliet, Fn. 1, S. 183 rechte Sp. unten.
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Photographie und künstlerisches Schaffen RAINER JACOBS
Nachdem die Entwicklung und Perfektionierung der Photographie Ende vorigen Jahrhunderts die bildende Kunst aus den Fesseln der Abbildung und Darstellung der Natur befreit hatte - die Photographie konnte diese Aufgabe viel besser erfüllen - und dadurch maßgeblich die Entwicklung eigenständiger Inhalte in der bildnerischen Kunst gefördert und vorangetrieben hatte (Herausbildung der sog. „abstrakten Kunst") 1 , haben die Künstler in diesem Jahrhundert die Photographie als Medium des künstlerischen Ausdrucks entdeckt und sie zunehmend in ihr Schaffen einbezogen. Dies ist auf verschiedenartige Weise geschehen. Während sich Künstler wie Man Ray, in neuerer Zeit Klaus Rinke, Gordon Matta-Clark oder Katharina Sieverding mit der Photographie eine völlig selbständige Kunstform geschaffen und diese zu eindrucksvoller Höhe geführt haben 2 , haben andere die Photographie als Arbeitsmaterial für ihr künstlerisches Schaffen eingesetzt und nutzbar gemacht 3 . Die Einbindung der Photographie in das künstlerische Schaffen wirft die Frage des Schutzes der Photographie überhaupt und dessen Umfang und Inhalt auf. Dabei ist heute weniger problematisch, ob und unter welchen Umständen die Photographie Urheberrechtsschutz genießt. Seit der Novelle 1985 zum Urheberrechtsgesetz (in Kraft getreten am 1.7.1985) 4 ist diese Frage weitgehend unproblematisch und geklärt. In der Nahtstelle zwischen Kunst und Photographie, insbesondere der Einbindung von Photographie in das künstlerische Schaffen bleiben dagegen viele ungeklärte Bereiche.
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Vgl. dazu statt vieler E. Weiss, documenta 6 Kassel, Bd. 2: Fotografie-Film-Video, S. 7 ff; Hertin, in: Fromm/Nordemann, Urheberrechtsgesetz, 7.Aufl. 1988, §72 Rdn. 1. 2 Uberblick in documenta 6, Bd. 2: Direkte Fotografie, S. 29ff. 3 Z . B . Gilbert & George, vgl. documenta 6, aaO, S. 162. 4 Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts v. 24.6.1985, BGBl. I 1137.
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I. Die geschichtliche Entwicklung Der Schutz der Photographie geht in Deutschland auf das Reichsgesetz betreffend den Schutz der Photographien vom 10.Januar 1876 zurück. Dieses Gesetz schützte die durch Photographie oder ein ähnliches Verfahren hergestellten Werke, soweit sie entweder nach der Natur aufgenommen waren oder nach anderen Werken, die selbst gegen Nachdruck und Nachbildung nicht geschützt waren 5 . Das Gesetz beschränkte den Schutz auf die mechanische Nachbildung und erlosch nach 5 Jahren seit Erscheinen bzw. Herstellung des Werkes 6 . Dieser erste Photographie-Schutz erwies sich aber schon recht bald als unzureichend. Im Gesetz vom 9. Januar 1907 betreffend das Urheberrecht der bildenden Künste und der Photographie 7 - dieses Gesetz blieb im Grundsatz bis zum Urheberrechtsgesetz von 1965 in Kraft - wurde der Photographieschutz auf 10 Jahre seit Erscheinen des Werkes bzw. seit dem Tode des Urhebers ausgedehnt, wenn bis zu seinem Tod das Werk noch nicht erschienen war 8 . Damit war zwar eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand erreicht, aber immer noch keine Gleichstellung zu dem sonstigen künstlerischen Schaffen, wie schon aus dem Titel dieses Gesetzes deutlich wird. Man empfand zwar die Notwendigkeit eines Schutzes des Photographen, verstand diesen aber noch als Handwerker, nicht als Künstler. Dem entsprach es, daß das Gesetz für Werke der Photographie keine individuelle schöpferische Leistung verlangte 9 . Erstmals das Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 10 gewährte Schutz für Lichtbilder, die persönliche geistige Schöpfungen darstellten; gemäß § 2 Abs. 1 N r . 5 wurden sie als Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst geschützt. Daneben behandelte §72 U r h G 1965 die übrigen Lichtbilder, die im wesentlichen aufgrund mechanischer Tätigkeit entstanden. Für beide Arten der Photographie gab es eine einheitliche Schutzfrist von 25 Jahren". Erst die Urheberrechtsnovelle 1985 12 brachte eine Gleichstellung der künstlerischen Photographie (Lichtbildwerke) mit Werken der bildenden Kunst und erkannte für sie denselben Urheberrechtsschutz an. Das
Vgl. U. Krieger, G R U R Int. 1973, 286. v.Gamm, Urheberrechtsgesetz, 1968, S.73; V.Krieger, ebenda. 7 Vgl. dazu Schricker/Gerstenberg, Urheberrecht, 1987, §72 Rdn. 1. " Schricker/Gerstenberg, ebenda. Die Schutzdauer wurde 1940 auf 25 Jahre verlängert. 9 Allfeld, Kommentar zu dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, 1908, § 1 Anm.30; vgl. auch U . K r i e g e r , ebenda. 10 BGBl. I 1273. " Schricker/Gerstenberg aaO, §72 Rdn. 2 a. E. und Rdn. 3. 12 Oben Fn.4. 5
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Gesetz schützt in §2 Abs. 1 Nr. 5 ausdrücklich Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden. Materielle Voraussetzung des Schutzes ist auch bei ihnen, daß eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt (§2 Abs. 2 UrhG). Der Schutz der normalen und üblichen, also der nichtkünstlerischen Photographie, ist demgegenüber in § 72 geregelt. Diesen Schutz genießt jedes Bild, das in irgendeinem technischen Verfahren unter Benutzung strahlender Energie entstanden ist13. § 72 Abs. 1 verweist auf den Schutz für Lichtbildwerke gemäß §2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG: „Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Ersten Teils geschützt." Dies verweist auf Inhalt und Umfang des Schutzes, d. h. die Vorschriften über das Urheberpersönlichkeitsrecht (§§ 12-14), das Verwertungsrecht (§§15-24), die Rechtsnachfolge (§§28-30) und das Nutzungsrecht (§§ 31—43); sie gelten „entsprechend"' 4 . Dagegen gelten grundsätzlich nicht auch die Voraussetzungen des Schutzes für Lichtbildwerke: der Schutz nach § 72 erfordert keine persönliche geistige Schöpfung (i.S. v. §2 Abs. 2 UrhG). Freilich besteht Einigkeit darüber, daß auch der Lichtbildschutz nach §72 UrhG ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Schöpfung voraussetzt 15 . Denn die Erweiterung des Lichtbildschutzes (in § 72 UrhG) gegenüber dem Urheberrechtsschutz für schöpferische Lichtbildwerke nach §2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG beruht im wesentlichen auf der Erwägung, daß eine Abgrenzung zwischen Lichtbildern mit Werkcharakter und solchen ohne eigenschöpferischen Einschlag unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnet. Da das „Klassensystem" des Photographieschutzes seinen Grund vornehmlich in Abgrenzungsschwierigkeiten hat, folgern Literatur und Rechtsprechung, daß auch bei dem nichtkünstlerischen Lichtbild auf ein Mindestmaß persönlicher geistiger Schöpfung nicht verzichtet werden kann. Auszuscheiden sind daher aus dem Lichtbildschutz solche Photographien und auf ähnliche Weise hergestellte Erzeugnisse, die dieses Mindestmaß nicht aufweisen, also getreue Kopien eines anderen Werkes sind16. Schwierigkeiten ergeben sich auch bei solchen Photographien, die auf rein mechanische Weise Zustandekommen oder computergesteuert
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B G H , Urt. v. 8.11.1989 - I ZR 14/88 Bibelreproduktion. Vgl. Schricker/Gerstenberg aaO, §72 Rdn. 8; Gerstenberg, in: FS Klaka, 1987, S. 120 f; Nordemann, G R U R 1987, 15 ff. 15 B G H ebenda; Schricker/Gerstenberg aaO, §72 Rdn. 5; E. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980, S. 511; Gerstenberg, in: FS Klaka, aaO, S. 120, 123; Nordemann, G R U R aaO, S. 15, 17. 16 Instruktives Beispiel in B G H aaO; es ging um die Übernahme von Dia-Positiven, die die Klägerin von einer gemeinfreien Merian-Bibel hatte herstellen lassen. 14
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aufgenommen werden 17 . Hierauf soll aber in dieser Untersuchung nicht näher eingegangen werden, weil diese Problematik für die Einbindung der Photographien in das künstlerische Schaffen keine erhebliche Bedeutung hat. II. Das geltende Urhebergesetz Das geltende Urhebergesetz enthält auf der Grundlage von §§2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 U r h G einerseits (Schutz für Lichtbildwerke) und § 72 U r h G (Schutz für unkünstlerische Lichtbilder) ein Klassensystem: Die künstlerischen Lichtbildwerke genießen wie sonstige Produkte des künstlerischen Schaffens uneingeschränkten Urheberrechtsschutz mit einer Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers, die nichtkünstlerischen Lichtbilder gemäß § 72 U r h G einen Leistungsschutz, nämlich 50 Jahre, wenn sie Dokumente der Zeitgeschichte sind, und 25 Jahre in allen anderen Fällen; die Frist gilt ab Erscheinen bzw. Herstellung des Lichtbildes (§ 72 Abs. 3 UrhG) 1 8 . Die Unterschiede in den Voraussetzungen, in Inhalt und Umfang des Urheberrechtsschutzes zwischen dem künstlerischen Lichtbildwerk einerseits und dem nichtkünstlerischen Lichtbild andererseits führen naturgemäß zu erheblichen Unsicherheiten. Diese werden noch dadurch verstärkt, daß sich diejenigen Künstler, die heute mit dem Medium Photographie arbeiten, von der vielfach als manieriert empfundenen Kunstphotographie der letzten 50 Jahre distanzieren und eine möglichst objektive Photographier-,,Arbeit" leisten wollen. Dies findet seinen Ausdruck in sehr kühlen, auf die reine Abbildung reduzierten Lichtbildwerken, die keinerlei künstlerische Komposition erkennen lassen. Protagonisten dieser neuen Photographiekunst sind beispielsweise Bernhard und Hilla Becher, Thomas Ruff, Thomas Struth19. Bei dieser neuen Art der Photographie liegt das persönliche geistige Schaffen nicht in der Komposition des Bildwerkes, sondern in der Auswahl des Motivs, dem Bildausschnitt, der Art der Darstellung und in einem möglichst weitgehenden Verzicht auf einen künstlerischen Eingriff in die photographische Gestaltung selbst. Die persönliche geistige Schöpfung liegt gewissermaßen vor der Entstehung der Photographie und kommt in ihr selbst nicht unmittelbar zum Ausdruck. Dennoch besteht kein Zweifel, daß es
17 Zu Einzelheiten vgl. Gerstenberg, in: FS Klaka, S. 123 ff; vgl. auch KG G R U R 1990, 269 Satellitenfoto. 18 Vgl. Schricker/Gerstenberg aaO, § 72 Rdn. 8 ff; Gerstenberg, in: FS Klaka, S. 120. " Bernhard und Hilla Becher repräsentieren die Bundesrepublik Deutschland auf der Kunst-Biennale 1990 in Venedig (neben Reinhard Mucha). Vgl. zu ihren Arbeiten Bernhard und Hilla Becher, Anonyme Skulpturen, 1970; darin sind die photographischen Arbeiten zwischen 1961 und 1970 wiedergegeben.
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sich auch bei diesen Arbeiten um künstlerische Photographien im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 U r h G handelt, wobei freilich die Abgrenzung zum Lichtbildschutz des § 7 2 U r h G weitgehend ihre Rechtfertigung verliert 20 . Es empfiehlt sich daher, alle die Erzeugnisse der Photographie unter den umfassenden Schutz der Lichtbildwerke zu stellen, die Ergebnis der künstlerischen Arbeit eines Photographen sind.
III. Ungeklärte Fragen an der Nahtstelle von Kunst und Photographie Neben den vielfältigen Möglichkeiten, die Photographie als künstlerisches Ausdrucksmittel und Medium zu nutzen, kommt ihr in verschiedenen Phasen auch dienende Funktion zu. So benutzen Künstler häufig Photographien als Vorlage für ihr künstlerisches Schaffen, beziehen Photos in ihre Arbeit ein oder gestalten Photovorlagen mit künstlerischen Mitteln um. Diese Nahtstelle von Kunst und Photographie wirft eine Reihe ungeklärter Fragen auf. 1. Als unproblematisch auszuscheiden sind zunächst diejenigen Fälle, in denen ein fertiges Werk der Kunst photographisch abgebildet wird, ζ. B. ein Bild photographiert wird. Diese photographische Wiedergabe ist Vervielfältigung i. S. v. § 1 6 Abs. 1 UrhG 2 1 ; das Vervielfältigungsrecht steht, wenn das Werk selbst noch unter Urheberrechtsschutz steht, grundsätzlich dem Urheber selbst zu. Er allein kann darüber entscheiden, ob und von wem sein Werk photographiert wird. Dieses Vervielfältigungsrecht geht auch nicht etwa mit dem Verkauf des Werkes auf den Eigentümer über; der Verkäufer erwirbt mit dem Eigentum des Originals eines Werkes der bildenden Kunst oder eines Lichtbildwerkes lediglich das Ausstellungsrecht (§§18, 44 Abs. 2 U r h G ) und gerade nicht auch das Vervielfältigungsrecht 22 . Sobald ein Kunstwerk gemeinfrei ist, kann es von jedermann frei photographiert werden; Beschränkungen ergeben sich allenfalls aus dem Hausrecht des Museums, der Kirche bzw. dem Besitzer des Ortes, wo sich das Kunstwerk gerade befindet 23 .
20 Zur Problematik dieser Abgrenzung vgl. Gerstenberg, in: FS Klaka, S. 120; ders., GRUR 1976, 131; a. A. Hertin, in: Fromm/Nordemann aaO, § 7 2 Rdn. 1, der solche Abgrenzungsschwierigkeiten verneint. 21 Vgl. SchrickerlLoewenheim aaO, § 1 6 Rdn. 2; Vinck, in: Fromm/Nordemann aaO, § 1 6 Rdn. 1. 22 B G H GRUR 1968, 607, 611 f. - Kandinsky I; Schricker/Gerstenberg aaO, § 4 4 Rdn.4; Hertin, in: Fromm/Nordemann aaO, § 4 4 Rdn. 1. Zum Tausch: KG ZUM 1987, 293, 294 f. 23 Vgl. B G H G R U R 1990, 390, 391 - Friesenhaus; Gerstenberg, in: FS Klaka, S. 126.
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2. Einige Künstler benutzen die Photographie als Vorlage für ihr künstlerisches Schaffen, so ζ. B. die Photorealisten und die Photo-Porträtisten sowie einige Künstler, die in die Breite ihrer künstlerischen Ausdrucksmittel auch die Landschaftsdarstellung einbezogen haben. Zu denken ist etwa an die Porträt- und Landschaftsbilder von Gerhard Richter, die sämtlich nach Photovorlagen entstanden sind24. Soweit der Künstler ein eigenes Photo als Vorlage für eine künstlerische Arbeit, etwa für ein Gemälde (Porträt, Landschaftsbild) verwendet, entstehen keine Probleme. Das Leistungsschutzrecht für das Photo (gemäß § 72 UrhG) und der Urheberrechtsschutz des nach dem Photo entstandenen Kunstwerkes fallen zusammen; der Rechtsträger beider Schutzrechte ist identisch. Das nach dem Photo geschaffene Kunstwerk hat eigenen Urheberrechtsschutz nach § 2 UrhG, der den Leistungsschutz nach § 72 U r h G überlagert. Wird ein an sich nichtkünstlerisches Lichtbild dadurch zum Kunstwerk, daß aus ihm ohne zusätzlichen künstlerischen Eingriff eine Grafik entsteht, wie dies etwa bei einigen frühen Grafiken von Gerhard Richter festzustellen ist (ζ. B. „Bahnhof Hannover", „Auto" u. ä.), so entsteht kein eigenes Kunstwerk-Urheberrecht (nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) an der Grafik. Denn diese ist lediglich Vervielfältigung des UrsprungsPhotos. Hier wird man allerdings überlegen müssen, ob das Ursprungsphoto selbst die Schwelle zum künstlerischen Lichtwerk bereits überschritten hat und insofern Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 U r h G genießt, der sich auf die danach entstandene Grafik ausdehnt. 3. Mitunter benutzen Künstler aber auch fremde Lichtbilder als Vorlage oder Grundstoff für ihre künstlerische Arbeit. Als Beispiel seien die übermalten Totenmasken-Photos von Arnulf Rainer genannt, insbesondere aber die eindrucksvolle Serie „18. Oktober 1977" von Gerhard Richter, in der Journalisten-Photos aus der Terroristen-Szene als Vorlage für die Gemälde verwendet sind25. Hier sind Art und Umfang des künstlerischen Eingriffs, der künstlerischen Gestaltung entscheidend. Bei den Totenmasken-Übermalungen von Arnulf Rainer sind die Photos nur Malgrund, Bildträger, der durch die Übermalungen durchschimmert und noch erkennbar bleibt. Bei ihnen wird das Photo frei benutzt (i. S. v. § 2 4 Abs. 1 UrhG). Denn es wird als Anregung, ja Ausgangspunkt für das eigene Werkschaffen verwendet 26 . Das Leistungsschutzrecht des Photographen steht der Verwendung des Photos nicht entgegen; denn
G .Richter, Atlas, 1989 und dort A. Zweite, S.7ff. Vgl. dazu das Katalogbuch Gerhard Richter 18. Oktober M. Brenson, in: The New York Times, 25.3.1990, S. 35/39. 26 Siehe dazu SchrickerlLoewenheim aaO, §24 Rdn.9. 24
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die freie Benutzung, durch die ein selbständiges Werk entsteht, ist ohne Zustimmung des Urhebers, hier des Lichtbildners (nach § 72 Abs. 2 U r h G ) möglich; dasselbe gilt für die Veröffentlichung und Verwertung. Benutzt ein Künstler ein fremdes Photo als Vorlage für die eigene künstlerische Arbeit, indem er es abmalt, d. h. mit dem Pinsel kopiert, so hat man es zunächst mit einer bloßen Vervielfältigung i. S. v. § 16 U r h G zu tun. Für eine Vervielfältigung ist unerheblich, wie sie entstanden ist manuell oder maschinell - und ob sie in einem anderen Medium Umsetzung in gemalte Form - erstellt ist 27 . Es entsteht kein neues Urheber- oder Leistungsschutzrecht an dem so entstandenen Werk. Denn die Vervielfältigung selbst genießt nur Schutz über den Leistungsschutz des Originals. Das Leistungsschutzrecht des Lichtbildners setzt sich daher an dem daraus entstandenen Bild fort; der Maler (Kopist) erwirbt kein eigenes Urheberrecht. Indessen dürfte dies die absolute Ausnahme sein. Wer als Künstler ein fremdes Photo als Vorlage benutzt, wird dieses nicht bloß abmalen sondern künstlerische Eingriffe vornehmen. Bestes Beispiel sind auch hier die Arbeiten von Gerhard Richter. In dem Zyklus „18. Oktober 1977" 2 8 sind Journalisten-Photos von Gudrun Ensslin (bei der Gegenüberstellung), des toten Andreas Baader, ein Jugendbildnis von Ulrike Meinhof, zwei Photos von der Zelle, in der Andreas Baader gelebt hat, sowie ein Photo der Begräbnisszene als Vorlage verwendet. Daraus sind Arbeiten von großer Eindringlichkeit entstanden. Gerade dies beruht aber auf dem künstlerischen Eingriff in die photographische Vorlage: die Bildausschnitte sind teilweise verändert, die Lage der Körper gedreht, unwichtige Nebensächlichkeiten auf den Photos nur angedeutet; insbesondere sind aber die Konturen ins Undeutliche, nicht Faßbare, ja Transzendente verwischt. Was auf den ersten Blick den Anschein abgemalter Photos vermittelt, verrät bei näherer Beschäftigung eine immense gedankliche und künstlerische Entfernung von der Vorlage; das zugrundeliegende Photo ist allenfalls noch Dokument der Authentizität der Szene, nicht mehr Vorbild des Kunstwerkes selbst 29 . Trotz der äußerlich nur sparsamen Entfernung von der Vorlage haben wir es mit einer freien Benutzung i . S . v . § 2 4 U r h G zu tun. Es sind eigene, selbständige Werke entstanden, die uneingeschränkt Urheberrechtsschutz über § 2 Abs. 1 Nr. 4 U r h G genießen. Dieses Beispiel mag für alle stehen. Kein Künstler wird ein fremdes Photo ohne jede - nicht einmal geistige - Bearbeitung als Vorlage für seine Arbeit verwenden.
Einhellige Meinung; vgl. Schricker/Loewenheim aaO, § 16 Rdn.2, 3. Oben Fn.25. 29 Eine sehr nachdrückliche und tiefgehende Darstellung hat C.Storck Katalogbuch G.Richter, 18. Oktober 1977, aaO, S. 11 ff gegeben. 27
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in dem
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4. Besondere Probleme ergeben sich allerdings in Fällen, in denen Photokünstler fremde Photos ohne eigenen künstlerischen Eingriff für ihre Arbeit verwenden. Als Beispiel mögen die „Sternenbilder" von Thomas Ruff dienen. Er vergrößert Ausschnitte aus Photos des südlichen Sternenhimmels, die von dem European Southern Observatory (ESO) hergestellt worden sind30. Er wählt aus diesen Photos nach künstlerischen Gesichtspunkten Ausschnitte aus und läßt diese ohne inhaltliche Änderung auf ca. 250 x 180 cm vergrößern. Unterstellt, daß dem E S O ein Leistungsschutzrecht an dem jeweiligen Photo (nach § 72 UrhG) zusteht 31 , stellt sich hier die Frage der bloßen Vervielfältigung bzw. der Bearbeitung oder unfreien Benutzung. Grundsätzlich bleibt die Vervielfältigung auch nur eines Teils (Ausschnitts) eines geschützten Werkes Vervielfältigung, ist nicht Bearbeitung. Die vergrößerte Wiedergabe eines Ausschnittes eines von einem Observatorium hergestellten Sternenphotos der südlichen Hemisphäre ist daher im Grundsatz Vervielfältigung. Die Schwelle zur Bearbeitung (i.S.v. § 2 3 UrhG) ist nur überschritten, wenn in dem Ausschnitt eine Umgestaltung des Werkes zu sehen ist (Argument aus §23 U r h G : „ . . . oder andere Umgestaltungen des Werkes"). Den Begriff der Umgestaltung (als Oberbegriff auf der Bearbeitung) muß man in diesen Fällen materiell, nicht formell bestimmen 32 : Umgestaltung ist auch die allein aus künstlerischen Gesichtspunkten getroffene Wahl eines Ausschnittes aus einem solchen Sternenphoto, da der Ausschnitt eben nicht der Darstellung des Sternenhimmels selbst, sondern der Komposition des daraus entstehenden „Bildes" dient. Würde etwa ein Verlag, der einen Himmelsatlas herausgibt, Ausschnitte aus den Sternenphotos des E S O vergrößern, wäre dies zweifelsfrei eine Vervielfältigung. Wenn dies jedoch - wie im geschilderten Fall - allein von künstlerischen Erwägungen motiviert wird, wird mit der Auswahl des Ausschnittes eine inhaltliche Umgestaltung vorgenommen; das Photo, das bisher einen bestimmten Bereich des südlichen Sternenhimmels dokumentierte, wird durch die Auswahl des Ausschnitts und der Vergrößerung zum Kunstwerk umgestaltet. Gleichwohl ist die Grenze zur freien Benutzung nicht überschritten, da kein selbständiges Werk entsteht. Die Auswahl eines Ausschnitts aus einem Photo ist, auch wenn diese aus künstlerischen Motiven geschieht, nicht dazu angetan, aus dem an sich geschützten Lichtbild ein selbständiges Werk dessen zu machen, der den Ausschnitt vornimmt bzw. bestimmt. Vgl. dazu T h . R u f f , Porträts, Häuser, Sterne, 1990, S.61 ff. Mit Blick darauf, daß die Fotos mit automatischen, computergesteuerten Kameras aufgenommen werden, ist nicht zweifelsfrei, wer Urheberrecht an ihnen genießt und ob dem ESO die Nutzungsrechte in vollem Umfang, d. h. auch zur gegebenenfalls künstlerischen Auswertung übertragen worden sind. 32 „Umgestaltung" ist jede abhängige Nachschöpfung; sie verlangt anders als die „Bearbeitung" nicht eine Veränderung des Originalwerkes, hier der Fotografie; vgl. Schricker/Loewenheim aaO, §23 Rdn. 4, 6. 30 31
Zum Verhältnis von Monopolrecht und Vergütungsanspruch im Recht der Arbeitnehmer-Erfindungen U L R I C H KRIEGER
I. Ausgangspunkt Anlaß dieses Beitrages ist das Urteil „Schwermetalloxidationskatalysator" des Bundesgerichtshofs vom 29. November 19881. Gegenstand der Entscheidung war ein Anspruch auf angemessene Erfindervergütung. Der Kläger, der als Chemiker in der Entwicklungsabteilung der Beklagten beschäftigt war, war mit einem wesentlichen Anteil an einer Erfindung beteiligt, die ein Verfahren zur Gewinnung und Wiederverwendung von Schwermetalloxidationskatalysator aus dem sogenannten Witten-DMT-Prozeß betraf. Die Beklagte hatte die ordnungsgemäß gemeldete Diensterfindung, soweit dem Urteil entnehmbar, unbeschränkt in Anspruch genommen und hierfür das deutsche Patent 2923 681 erhalten, das am 12. Juni 1979 angemeldet worden war und damit zu den Schutzrechten gehörte, für die die Auslegungsregel des § 14 PatG 1981 gilt. Zwischen den Parteien war streitig, ob der Kläger für eine im Betrieb der Beklagten vorgenommene Benutzung Erfindervergütung verlangen konnte. Das benutzte Verfahren stimmte nicht mit dem Inhalt des Patentanspruches 1 überein, fiel aber nach Auffassung des Klägers unter seinen Schutzbereich. Die Besonderheit des Streitfalles bestand darin, daß der Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Gewinnung und Wiederverwendung von Schwermetalloxidationskatalysator betraf, bei welchem der Katalysator durch Extraktion aus den bei der Herstellung von Dimethylterephthalat auftretenden Destillationsrückständen gewonnen wurde. Eines der Verfahrensmerkmale bestand darin, daß der katalysatorhaltige, wechselnde Mengen von Trimellitsäure und Trimellitsäuremonomethylester enthaltende Extrakt, gegebenenfalls nach Einengen, in die Oxidation zurückgeführt wurde, nachdem das Mengenverhältnis von Trimellitsäure zuzüglich Trimellitsäuremonomethylester zu Schwermetalloxidations' GRUR 1989, 205 mit Anm. des Verfassers.
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katalysator auf einen bestimmten, im Patentanspruch bezeichneten Höchstwert eingestellt war. Die Erfindung beruhte auf der Erkenntnis, daß es sich bei Trimellitsäure und Trimellitsäuremonomethylester um Katalysatorgifte handelte, die bei Uberschreiten der im Patentanspruch angegebenen Obergrenze den Regeneratkatalysator unbrauchbar machten. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis war der Patentanspruch darauf gerichtet, den katalysatorhaltigen Extrakt wiederzuverwenden, aber nur in einem Zustand, in welchem die Katalysatorgifte einen bestimmten Höchstwert nicht überschritten. Das im Betrieb der Arbeitgeberin angewendete Verfahren unterschied sich von dieser im Patentanspruch bezeichneten Lehre dadurch, daß kein katalysatorhaltiger Extrakt, sondern eine praktisch frische Katalysatorlösung in die Oxidationsstufe zurückgeführt wurde. Der Katalysator wurde dadurch wiederverwendbar gemacht, daß der katalysatorhaltige Extrakt mit Hilfe eines stark sauren Kationenaustauschers und durch Spülen in eine von allen Verunreinigungen freie Kobalt- und Manganacetatlösung übergeführt wurde. In der Patentbeschreibung befand sich, ohne daß darauf ein Patentanspruch gerichtet gewesen wäre, der Hinweis, daß Trimellitsäure und Trimellitsäuremonomethylester aus wäßrigen Regeneratkatalysatorlösungen mit schwachbasischen Anionenaustauscherharzen entfernt werden könnten. Ferner war die Möglichkeit beschrieben, die genannten Katalysatorgifte vor der Extraktion aus dem Destillationsrückstand durch Behandlung mit Anionenaustauscherharzen zu entfernen. Gestützt auf diese Ausführungen in der Patentbeschreibung wurde zur Begründung des Vergütungsanspruches des Erfinders geltend gemacht, daß patentrechtliche Äquivalenz zu dem den Gegenstand des Anspruches 1 des Patents bildenden Verfahren gegeben sei; folglich falle das von der Arbeitgeberin angewendete Verfahren in den Schutzbereich des Patentanspruchs. Der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Er hat die Tragweite des Patentanspruches unter Berücksichtigung des Auslegungsprotokolls zu Artikel 69 EPU untersucht und übereinstimmend mit dem Berufungsgericht (OLG Düsseldorf) festgestellt, daß das abgewandelte Verfahren nicht in den Schutzbereich des Patents fiel. Der Bundesgerichtshof hat dabei unterstellt, daß das abgewandelte Verfahren vom Offenbarungsinhalt der Patentbeschreibung nahegelegt war. Die Einbeziehung in den Schutzbereich wird mit folgender Schlußfolgerung abgelehnt (aaO, S. 208, re. Sp.): „Eine A u s w e i t u n g des Schutzbereichs auf ein Verfahren, das der Fachmann aufgrund seines Fachwissens anhand der Patentbeschreibung auffinden kann, das aber in der Anspruchsfassung keinen Niederschlag gefunden hat, ist mit dem G e b o t der Rechtssicherheit nicht vereinbar."
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Ungeachtet dieser Feststellung hat der Bundesgerichtshof die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht mit der Auflage zurückverwiesen, unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen die Frage zu prüfen, ob das abgewandelte Verfahren aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns auf der gemeldeten Diensterfindung des Klägers beruht. Der B G H hat dabei unterstellt, daß der Inhalt der Patentbeschreibung, soweit sie sich mit der Erfindung befaßt, dem entspricht, was der Kläger der Beklagten gemeldet hatte. Die wesentlichen Erwägungen des B G H zu dieser Frage lauten (aaO, S.207, re.Sp.): „Ihm (d. h. dem Arbeitgeber) obliegt es, die Schutzansprüche und die zu ihrer Auslegung heranzuziehende Beschreibung sachgerecht so abzufassen, daß sie die gemeldete erfinderische Lehre vollständig umschließen und wiedergeben. Schöpfen die Schutzansprüche den erfinderischen Gehalt der ihm gemeldeten Diensterfindung nicht aus, so hat dies keinen Einfluß auf den Umfang der dem Arbeitnehmererfinder zustehenden Erfindervergütung, wenn und soweit dessen Diensterfindung über den Schutzbereich der Patentansprüche hinausgeht; denn der Anspruch auf Erfindervergütung bemißt sich nach dem, was der Arbeitnehmererfinder dem Arbeitgeber gemeldet hat."
Die vorstehend gegebene Schilderung des dem Urteil des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalts läßt erkennen, daß die Beschreibung des Patents mehrere Varianten für die Rückgewinnung des Katalysators und Befreiung von den im Extrakt vorhandenen Katalysatorgiften betraf, während der Patentanspruch selbst nur auf eine dieser Varianten gerichtet war. Das führt zu der Frage, wie sich die gemeldete Diensterfindung zum am Ende eines Prüfungs- und gegebenenfalls Einspruchsverfahrens erteilten Patent verhält und welche Konsequenzen hieraus gegebenenfalls für das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu ziehen sind. II. Die bisherige Rechtsentwicklung Um das Urteil „Schwermetalloxidationskatalysator" in das System des Patentrechts und des Rechts der Arbeitnehmererfindungen zutreffend einordnen zu können, ist ein Blick auf die Rechtsentwicklung erforderlich, die sich im Patentrecht seit dem Inkrafttreten des Europäischen Patentübereinkommens vollzogen hat, das am 5. Oktober 1973 in München unterzeichnet wurde und für die Bundesrepublik Deutschland und weitere europäische Staaten am 7. Oktober 1977 in Kraft getreten ist. 1. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts stand der Gesichtspunkt der gerechten Belohnung des Erfinders (Patentinhabers) im Vordergrund: Das durch das Patent gewährte Ausschlußrecht bildete die Gegenleistung für die der Allgemeinheit offenbarte Bereicherung der Technik. Schutz konnte danach, ohne daß es auf die genaue Bezeich-
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nung im Patentanspruch ankam, für die in der Patentschrift offenbarte Lehre in Anspruch genommen werden, soweit sie nicht durch den gegebenenfalls nachträglich aufgefundenen - Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt war. Grundlegend war das erst nachträglich in die Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen aufgenommene Urteil vom 9. Februar 1910 (RGZ 80, 54, 57), in welchem ausgeführt ist: „Eine engere Auslegung des Patents ist nicht ausgeschlossen, wenn sie nach dem nachträglich festgestellten Stand der Technik zur Zeit der Anmeldung gerechtfertigt erscheint. Der Patentanspruch hat in erster Linie den Zweck, den Gegenstand der Erfindung für den Techniker möglichst genau zu bezeichnen, nicht aber den sich daraus ergebenden Schutzumfang nach allen Seiten genau abzugrenzen. In dieser Beziehung muß vielmehr manches der späteren Auslegung vorbehalten bleiben. Besonders ist es regelmäßig untunlich, bei Erfindungen, die durch eine größere Zahl von Merkmalen zu charakterisieren sind, schon im Stadium der Patenterteilung festzustellen, welche Merkmale für den Patentschutz unbedingt erforderlich sind und welche ausscheiden können oder welche einzelnen oder welche Gruppen von Merkmalen für sich Patentschutz genießen. Für die Erteilung des Patents genügt es, daß die Erfindung in der Verbindung sämtlicher Merkmale neu und patentwürdig erscheint, und die weitere Untersuchung über die Grenzen des Schutzes würde in der Regel nur zu einer nachteiligen Verzögerung der Patenterteilung führen. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts befolgt daher schon lange den Grundsatz, daß der Anmelder im Zweifel den Schutz beanspruchen kann, der ihm nach dem Stande der Technik zur Zeit der Anmeldung gebührt, ohne daß es wesentlich darauf ankommt, ob ihm selbst oder der patenterteilenden Behörde dieser Stand der Technik vollständig bekannt war."
Diese Rechtsprechung ist im Prinzip vom Bundesgerichtshof übernommen und lediglich in Teilaspekten verfeinert worden. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, sei an die sogenannte Dreiteilungslehre2 erinnert, die innerhalb des dem Patent — nach Maßgabe des einschlägigen Standes der Technik - zuzubilligenden Schutzbereichs zwischen - unmittelbarem Gegenstand (Wortlaut der Patentansprüche), - glatter Äquivalenz, - allgemeinem Erfindungsgedanken (Schutz der Unterkombination) unterschied und lediglich solche in der Patentschrift offenbarte Elemente und Merkmalskombinationen vom Schutz ausschloß, die in den Patentansprüchen keine Stütze fanden. Die Grenzen einer solchen Patentauslegung sind beispielsweise in der Entscheidung „Parkeinrichtung" 3 beschrieben worden: „Der Patentanspruch kann zwar im Einzelfall aus dem sonstigen Inhalt der Patentschrift und dem Fachwissen erläuternd ergänzt werden. Es läuft jedoch dem Zweck des
2 Vgl. hierzu die zusammenfassende Darstellung von Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl., 1986, 510 ff. 3 GRUR 1972, 538, 540 unter Bezugnahme auf die Urteile des B G H in G R U R 1955, 29, 32 - Nobelt-Bund und G R U R 1955, 139, 141 - Eiserner Grubenausbau.
Monopolrecht und Vergütungsanspruch im Recht der Arbeitnehmer-Erfindungen 4 5
Patentanspruchs und dem G e b o t der Rechtssicherheit zuwider, aus der Beschreibung und aus der Zeichnung einzelne Merkmale heranzuziehen und mit ihnen und einzelnen Merkmalen des Patentanspruchs einen allgemeinen Erfindungsgedanken zu bilden, der von der in den Patentansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung so verschieden ist, daß im Ergebnis auf diese Weise eine andere Erfindung an die Stelle der unter Schutz gestellten Erfindung gesetzt würde. N u r in der Beschreibung erwähnte oder in der Zeichnung dargestellte Erfindungen, die von der in den Patentansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung verschieden sind, können nicht als Grundlage für einen allgemeinen Erfindungsgedanken herangezogen werden."
Mit dieser Einschränkung wurde unter dem Gesichtspunkt patentrechtlicher Äquivalenz ein weitreichender Schutz gewährt. Eine Grenze bildete allein die auf selbständiger erfinderischer Leistung beruhende Abwandlung. Kennzeichnend ist das Urteil des B G H „ S c h a u m s t o f f e " 4 , wo es heißt: „Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats liegt Äquivalenz dann vor, wenn bei den sich gegenüberstehenden Ausführungsformen Aufgabe und technischer Erfolg gleich, die zur Lösung der Aufgabe und damit zur Erzielung des gleichen Erfolgs (der gleichen Wirkung) verwendeten Mittel aber verschieden sind und sie der Durchschnittsfachmann aufgrund seines Fachwissens im Prioritätszeitpunkt aus der Patentschrift zur Herstellung desselben Endprodukts, d. h. zur Lösung der konkreten Aufgabe, auffinden konnte (vgl. u. a. B G H Z 64, 86, 93 ff - Metronidazol; B G H in G R U R 1976, 88, 89 - Skistiefelabsat'/.befestigung). In patentrechtlicher Hinsicht kann erst dann von unterschiedlichen Lösungsprinzipien gesprochen werden, wenn der Durchschnittsfachmann die angegriffene Ausführung dem Klagepatent ohne erfinderische Überlegung nicht entnehmen konnte ( B G H aao)."
2. Diese Rechtsprechung änderte sich erst unter dem Einfluß des Europäischen Patentübereinkommens, und zwar auch für Patente, die auf vor dem 1. Januar 1978 eingereichten Patentanmeldungen beruhten und für die daher noch das alte, auf dem Patentgesetz 1968 beruhende Recht anzuwenden war. Im Anschluß an Hesse 5 hat der B G H im Urteil „Walzgut-Küblbett"6 ausgeführt: „Als Gegenstand d e r A n m e l d u n g i m S i n n e v o n § 2 6 A b s . 5 Satz 2 PatG 1968 ist nicht alles das anzusehen, was in den Unterlagen enthalten und erwähnt ist, sondern nur dasjenige, was nach § 2 6 Abs. 1 P a t G 1968 erkennbar als ihr Gegenstand beansprucht ist."
N o c h deutlicher ist das Urteil des B G H „Rundfunkiibertragungssystem"7, das ebenfalls ein vor dem 1. Januar 1978 und daher noch auf der Grundlage des Patentgesetzes 1968 zu beurteilendes Patent betrifft. Beschrieben war eine Erfindung, die sowohl auf dem Sende- als auch auf dem Empfangsbereich eines Rundfunkübertragungssystems zu einer Bereicherung der Technik geführt hat. Beansprucht war indessen nur der
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G R U R 1979, 271, 273. Offenbarung und Schutzbegehren, Mitt. 1982, 104 ff. G R U R 1985, 214. G R U R 1987, 626 = B G H Z 100, 249.
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Sendebereich. Der B G H führt aus, daß es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht angängig sei, im Hinblick auf die Verwirklichung des Anliegens der angemessenen Belohnung des Erfinders für die Offenbarung der gesamten Erfindung auch den vom Patentanspruch nicht erfaßten Empfängerbereich in den Schutz einzubeziehen. Wörtlich heißt es (aaO, S.628): „Die Leser der Patentschrift müssen sich darauf verlassen können, daß das, was im Patent unter Schutz gestellt ist, im Patentanspruch hinreichend deutlich bezeichnet ist (vgl. hierzu eingehend B G H in GRUR 1980, 219 - Überströmventil). Selbstverständlich ist zum Verständnis dessen, was der Patentanspruch aussagt, die gesamte Patentschrift heranzuziehen. Jedoch ist zu beachten, daß ein Erfindungsbereich, der nur in der Patentbeschreibung dargestellt, nicht aber hinreichend deutlich in den Patentanspruch einbezogen ist, in dem Patent nicht unter Schutz gestellt ist."
3. Das den Gegenstand meiner Ausführungen bildende Urteil „Schwermetalloxidationskatalysator" nimmt diese Ausführungen fast wörtlich auf, wenn es, wie vorstehend bereits zitiert, ausführt, daß eine Ausweitung des Schutzbereichs auf ein Verfahren, das der Fachmann aufgrund seines Fachwissens anhand der Patentbeschreibung auffinden kann, das aber in der Anspruchsfassung keinen Niederschlag gefunden hat, mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht vereinbar ist. 4. Uber die Bestimmung des Schutzbereichs von Patenten, die auf nach dem 1. Januar 1978 eingereichten Patentanmeldungen beruhen und für die daher § 14 PatG in Verbindung mit dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 E P U maßgebend ist, ist schon viel geschrieben worden. Zu erinnern ist an den zu dieser Frage erstatteten Bericht der Deutschen Landesgruppe der A I P P P sowie an die Referate der Herren von Falck9 und Ullmannw, ferner auf den Beitrag von Ballhaus/Sikingern und den Aufsatz von Bruchhausen11. Aus der Rechtsprechung des B G H sind neben dem Urteil „Schwermetalloxidationskatalysator" die Urteile „Formstein"n und „Ionenanalyse"H sowie das kürzlich veröffentlichte Urteil „Batteriekastenschnur" 1 5 zu nennen. Im letztgenannten Urteil setzt der Bundesgerichtshof sich mit der Frage auseinander, inwieweit aufgrund von § 14 PatG in Verbindung mit dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 E P U ein Schutz für eine Teilkombination (Unterkombination) eines Kombinationsanspruches in Betracht gezogen werden kann. Auch
8 G R U R Int. 1980, 501. ' G R U R 1988, 1. 10 G R U R 1988, 331. 11 G R U R 1986, 337. 12 GRURInt. 1989, 468. 13 GRUR1986, 803. 14 G R U R 1988, 896. 15 G R U R 1989, 903.
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in diesem Urteil wird die enge Bindung des Schutzes an den Patentanspruch deutlich. Der Bundesgerichtshof betont, daß der Schutzbereich eines Patents für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar sein muß. Wörtlich heißt es in dem Urteil „Batteriekastenschnur"16: „Diese sollen vor der Überraschung bewahrt w e r d e n , aus einem Patent in A n s p r u c h genommen zu werden, dessen Schutzbereich sich erst durch Weglassen (Außerachtlassen) von Merkmalen des Patentanspruches ergibt. Sie sollen sich vielmehr darauf verlassen u n d darauf einrichten können, daß die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung mit den Merkmalen des Patentanspruches vollständig umschrieben ist. D e r Anmelder wird d a f ü r sorgen müssen, daß das, w o f ü r er Schutz begehrt hat, sorgfältig in den Merkmalen des Patentanspruches niedergelegt ist."
5. Das Urteil „Schwermetalloxidationskatalysator" stimmt mit dem Urteil „Rundfunkübertragungssystem" darin überein, daß die Patentschrift der Fachwelt eine Bereicherung der Technik offenbart, die nicht vollständig, sondern nur in Teilaspekten Gegenstand der Patentansprüche ist und daher nicht vollständig, sondern nur im Rahmen dieser Teilaspekte Schutz genießt. Es besteht damit eine Situation, daß Dritte von einer in der Patentschrift offenbarten Erfindung Gebrauch machen können, ohne Ansprüchen wegen Patentverletzung ausgesetzt zu sein. Auch Ansprüche auf der Grundlage von § 1 UWG werden regelmäßig nicht in Betracht kommen. Das führt zu der Frage, ob ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auch dann gegeben ist, wenn und soweit eine gemeldete Diensterfindung benutzt wird, für die kein Patent nachgesucht oder erteilt worden ist. III. Die nicht patentierte Diensterfindung Das durch die eingeschränkte Tragweite der Patentansprüche akut gewordene Problem, ob der Arbeitgeber Erfindervergütung für eine Nutzung der gemeldeten und unbeschränkt in Anspruch genommenen Erfindung schuldet, die außerhalb des Schutzbereichs der Patentansprüche liegt, ist, soweit ersichtlich, bislang in der Rechtsprechung und im Schrifttum nicht abschließend geklärt worden. Daß die Ansprüche eines Patents in seiner schließlich erteilten Fassung den Inhalt einer gemeldeten Diensterfindung nicht vollständig ausschöpfen, kann die verschiedensten Ursachen haben, die nur teilweise im Einflußbereich des Arbeitgebers und Patentanmelders liegen; eine der häufigsten Ursachen dürfte darin bestehen, daß im Prüfungsverfahren des Patents die ursprünglich eingereichten Patentansprüche nur in einem eingeschränkten Umfang durchzusetzen sind.
"· aaO, S. 905.
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1. Nach § 2 ArbEG sind Erfindungen im Sinne dieses Gesetzes nur solche Erfindungen, die patent- oder gebrauchsmusterfähig sind. 2. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts 17 hat der Bundesgerichtshof die Auffasung vertreten, daß unter der „Patentfähigkeit" einer Diensterfindung nicht die Feststellung durch den Patenterteilungsbeschluß, sondern die der Erfindung von vornherein anhaftende Eigenschaft zu verstehen ist, daß für sie ein Patent erteilt werden kann 18 . Auf der Grundlage dieses Standpunktes hat der BGH es im Urteil „Gleichrichter"" für den Fall der unbeschränkten Inanspruchnahme gebilligt, daß das Berufungsgericht die Schutzfähigkeit der den Gegenstand des Streitfalles bildenden Diensterfindungen selbständig geprüft und - im konkreten Fall - verneint hat. In dem Urteil heißt es: „Diese Beurteilung leitet das OLG zwar aus dem endgültigen Ergebnis der patentamtlichen Erteilungsverfahren ab; es hat aber dieses Ergebnis einschließlich der begründeten Prüfungsbescheide des PA wie des Sachverständigengutachtens zur Anmeldung 4 nur als Material und Ausgangspunkt für seine eigene Wertung benutzt und daraus selbständig die patentrechtliche Folgerung gezogen, daß in keinem Fall aus den Gegenständen der Anmeldungen zu 1, 2 und 4 eine patent- oder gebrauchsmusterfähige Erfindung zu entnehmen sei."
Nur bei der beschränkten Inanspruchnahme ist dem Gericht die Prüfung der Schutzfähigkeit versagt (§ 10 Abs. 2 ArbEG). Anders als im Fall der unbeschränkten Inanspruchnahme knüpft der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bei lediglich beschränkter Inanspruchnahme an die Nutzung der gemeldeten Diensterfindung durch den Arbeitgeber an. Der Anspruch endet grundsätzlich erst dann, wenn der Arbeitgeber die Benutzung der Erfindung einstellt oder wenn der Arbeitgeber die Erfindung zwar benutzt, diese aber infolge des Fehlens eines Schutzrechts soweit bekannt geworden ist, daß sie auch von Wettbewerbern berechtigterweise benutzt wird 20 . Auch ohne daß dies ausdrücklich angesprochen worden wäre, wird man dem Urteil „DrehStromwicklung" entnehmen können, daß die Vergütungspflicht des Arbeitgebers im Fall der beschränkten Inanspruchnahme - jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft - erlischt, wenn das angemeldete Schutzrecht rechtskräftig versagt oder vernichtet worden ist. Auf den Fall der unbeschränkten Inanspruchnahme sind diese Grundsätze nicht übertragbar, und zwar schon deshalb nicht, weil im Fall der unbeschränkten Inanspruchnahme vor endgültiger Schutzrechtsertei17 18 19 20
RGZ 139, 87, 91 = GRUR 1933, 226 BGHZ 37, 281 = GRUR 1963, 135, 136 GRUR 1971, 475, 477. BGH in GRUR 1964, 449, 451 re. Sp. -
Kupferseidenfaden. Cromerai. Drehstromwicklung.
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lung nur eine vorläufige Erfindervergütung zu zahlen ist, im Fall der beschränkten Inanspruchnahme eine endgültige Erfindervergütung, ohne daß es - zumindest zunächst - auf das Schicksal des angemeldeten Patents ankommt. 3. Der Tatbestand des Urteils „Gleichrichter" bot, soweit ersichtlich, keine Veranlassung zur Prüfung der Frage, ob die gemeldete Erfindung außerhalb des Bereichs der eingereichten Schutzansprüche etwas Erfinderisches enthielt, für das ein an den Arbeitnehmer zu leistendes Nutzungsentgelt in Frage gekommen wäre. Auch der übrigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist keine eindeutige Stellungnahme zu dieser Frage zu entnehmen. Es besteht jedoch der Eindruck, daß die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nur für solche Benutzungs- bzw. Verwertungshandlungen anerkannt worden ist, die innerhalb des Schutzumfangs der Patentansprüche liegen. a) Im Urteil „ S c h e i n w e r f e r e i n s t e l l g e r ä t " des Bundesgerichtshofs21 ging es um die Frage, ob für eine vom Arbeitgeber entwickelte und in Gebrauch genommene Weiterbildung einer unbeschränkt in Anspruch genommenen Diensterfindung eine Erfindervergütung zu leisten war. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, daß entsprechende Verwertungshandlungen für die Erfindervergütung nur in Betracht gezogen werden können, soweit eine Benutzung eines Patents vorliegt, in welchem die Diensterfindung als Beitrag enthalten ist. Für die abgewandelte Ausführungsform konnte dies nur unter der Voraussetzung festgestellt werden, daß auch diese Ausführungsform im Schutzumfang des genannten Patents lag. Die Prüfung der Benutzungsfrage und damit der Vergütungspflicht des Arbeitgebers wird in dem Urteil nach den gleichen Gesichtspunkten vorgenommen wie im Fall der Schutzrechtsverletzung durch einen Dritten mit dem Ergebnis, daß für vom Schutzbereich nicht erfaßte Benutzungshandlungen eine Vergütungspflicht entfällt22. b) In entsprechender Weise hat der BGH in seinem mehrere unbeschränkt in Anspruch genommene Diensterfindungen betreffenden Urteil „ B l i t z l i c h t g e r ä t " 2 3 erkannt, daß im Fall der Zusammenlegung von bisher selbständigen Anmeldungen der Anmelder den Anspruch auf die Patenterteilung für den Gegenstand der selbständigen Anmeldungen aufgibt und sein Patentbegehren nur noch für den zusammengefaßten BGHZ 54, 30 - G R U R 1970, 459. Vgl. auch Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 13. Mai 1966, BlfPMZ 1967, 80; Reimer/Schade/Schippe!, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 5. Aufl., 1975, Rdn.39 zu §9. 23 G R U R 1977, 784, 787. 21
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Anmeldungsgegenstand weiterverfolgt mit der Konsequenz, daß der Erfinder eines Teils der zusammengefaßten Anmeldung in einem solchen Fall nur dann einen Vergütungsanspruch besitzt, wenn feststeht, daß der auf ihn zurückgehende Teil der weiterverfolgten Anmeldung einen schöpferischen Beitrag zu dem zusammengelegten Anmeldungsgegenstand darstellt. Diese Auffassung setzt, auch ohne daß dies ausdrücklich ausgesprochen wäre, voraus, daß der vergütungspflichtige Benutzungsumfang durch den Inhalt der verfolgten Patentansprüche, aber nicht durch den Offenbarungsinhalt der Schutzrechtsanmeldungen festgelegt wird, der außerhalb der Tragweite der Schutzansprüche liegt. 4. Man kann dies als Ausfluß des sogenannten Monopolprinzips betrachten, das nach herrschender Auffassung für das Recht der Arbeitnehmererfindungen maßgebend ist. Es bedeutet, daß Grundlage für die an den Arbeitnehmer zu leistende Vergütung die Tatsache ist, daß der Arbeitgeber durch die Leistung des Arbeitnehmers eine Rechtsstellung erlangt, durch die er andere von der Benutzung der Erfindung ausschließen kann 24 . Das Monopolprinzip wird aus den Motiven zum Gesetz über Arbeitnehmererfindungen abgeleitet (Amtliche Begründung zu §8). In dem Bericht des Rechtsausschusses zu dieser Frage heißt es hierzu im Abschnitt „Allgemeines" 25 : „Der Ausschuß entschied sich dafür, diese Vergütung entsprechend dem Regierungsentwurf in Ubereinstimmung mit dem geltenden Recht dem Grunde nach auf das Monopolrecht zu stützen, das der Arbeitgeber durch die Diensterfindung erhält."
Daß die dem Arbeitgeber obliegende Vergütungspflicht vom Monopolprinzip und nicht vom sogenannten Sonderleistungsprinzip beherrscht wird, entspricht der im Schrifttum überwiegenden Auffassung 26 . Allerdings wird mit der Anerkennung des Monopolprinzips nur eine allgemeine Wertungsrichtlinie aufgestellt, die im Einzelfall der konkreten Ausfüllung bedarf. Hierauf hat Windisch zutreffend hingewiesen 27 . Für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ist jedoch die Rechtsprechung, wie vorstehend ausgeführt, dem Monopolprinzip gefolgt. Daß dies der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen entspricht, wird aufgrund des Gesamtzusammenhanges seiner Vorschriften deutlich. a ) Zu verweisen ist zunächst auf §20 Abs. 1 ArbEG. Nach dieser Vorschrift schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für technische 24 25 26 27
Reimer/Schade/Schippel, aaO, S. 90. Abgedruckt bei Reimer/Schade/Schippel, aaO, S. 625 ff. Reimer/Schade/Schippel, aaO, Rdn.6 zu § 9 mit weiteren Nachweisen. GRUR 1985, 829, 835 re.Sp. mit weiteren Nachweisen.
M o n o p o l r e c h t u n d Vergütungsanspruch im Recht der Arbeitnehmer-Erfindungen 5 1
Verbesserungsvorschläge, die dem Arbeitgeber eine ähnliche Vorzugsstellung gewähren wie ein gewerbliches Schutzrecht, im Falle der Verwertung eine angemessene Vergütung. Hier wird die tatsächlich erreichte Monopolstellung der kraft Gesetzes gegebenen Monopolstellung gleichgestellt, d. h. einer Befugnis zum Ausschluß Dritter von der Benutzung, die nur innerhalb des Schutzbereichs der Schutzansprüche besteht. b) Nach §10 Abs. 2 ArbEG kann der Arbeitgeber sich im Fall der beschränkten Inanspruchnahme gegenüber dem Arbeitnehmer nicht darauf berufen, daß die Erfindung zur Zeit der Inanspruchnahme nicht schutzfähig gewesen sei, es sei denn, daß sich dies aus einer Entscheidung des Patentamts oder eines Gerichts ergibt. Da Patentamt und Gericht die Schutzfähigkeit nur im Rahmen der eingereichten Schutzansprüche prüfen, ist auch hier wiederum die Anspruchsfassung der maßgebende Bezugspunkt. c) Nach §17 ArbEG kann der Arbeitgeber im Fall eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses von der Erwirkung eines Schutzrechts absehen, sofern er die Schutzfähigkeit der Diensterfindung gegenüber dem Arbeitnehmer anerkennt. Ungeachtet des §17 Abs. 2 ArbEG, wonach für den Fall der Nichtanerkennung die Schiedsstelle nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen für die Beurteilung der Schutzfähigkeit angerufen werden kann, ist in der Praxis häufig so vorgegangen worden, daß die gemeldete Diensterfindung zum Patent angemeldet und die Prüfung der Patentfähigkeit, mindestens aber der erste Prüfungsbescheid abgewartet worden ist, um eine Beurteilung der Schutzfähigkeit zu erlangen, bevor die Patentanmeldung - vor Offenlegung oder Bekanntmachung - zurückgenommen wurde28. Auch wenn diese Praxis gewissermaßen praeter legem angewendet worden ist, zeigt sie doch das Einverständnis der Beteiligten darüber, daß es für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Erfindervergütung auf die für die eingereichten Ansprüche geltend gemachte Schutzfähigkeit ankommt. Insgesamt läßt das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen erkennen, daß die zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Vergütungsregelung nach dem Vorbild des Lizenzrechts (frei ausgehandelter Lizenzvertrag, Zwangslizenz) ausgerichtet ist. Ausgehend von der Freiheit des Arbeitgebers, das Schutzbegehren zu formulieren, ist die ihm obliegende Vergütungspflicht davon abhängig, ob innerhalb des beanspruchten Schutzbereichs eine gewerbliche Verwertung oder Verwertbarkeit gegeben ist. 28
Bartenbach,
Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, 1980, R d n . 4 4 , 45 zu §17.
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5. Im Schrifttum 29 ist zutreffend darauf hingewiesen worden, daß die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Schutzrechtsanmeldung im Inland (§13 ArbEG) das Korrelat dafür ist, daß das vorstehend erörterte Monopolprinzip die Grundlage für den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bildet. Würde der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers unabhängig von der Existenz eines Patent- oder Gebrauchsmusterschutzes an die bloße Ingebrauchnahme der gemeldeten Diensterfindung durch den Arbeitgeber anknüpfen, dann hätte es der Einführung des in §13 ArbEG geregelten Anmeldungszwanges nicht bedurft. Daß das Recht der Arbeitnehmererfindungen und insbesondere der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für die Ingebrauchnahme einer Diensterfindung ein am sogenannten Monopolprinzip ausgerichtetes System bildet, wird durch §2 ArbEG eindeutig klargestellt, der kurz und bündig lautet: „Erfindungen im Sinne dieses Gesetzes sind nur Erfindungen, die patent- oder gebrauchsmusterfähig sind."
Daraus folgt, daß der Arbeitgeber eine Erfindervergütung für die in Gebrauch genommene, ihm gemeldete Diensterfindung nur unter der Voraussetzung schuldet, daß Patentfähigkeit oder Gebrauchsmusterfähigkeit gegeben sind. IV. Erfindungsmeldung und Patentanspruch Über die Patentfähigkeit wird regelmäßig im patentamtlichen Prüfungsverfahren entschieden. Bei Gebrauchsmustern, die ein Prüfungsverfahren nicht kennen, ist im Streitfall entweder das im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren angerufene Patentamt (mit dem Bundespatentgericht als Beschwerdeinstanz) oder das ordentliche Gericht zuständig, wobei die Kompetenz des Patentamts, wenn ein Löschungsantrag gestellt ist, Vorrang besitzt (§ 19 GebrMG). Aus Gründen der Vereinfachung sollen hier die sich aus der Diskrepanz zwischen erteiltem Patentanspruch und weitergefaßter Erfindungsmeldung ergebenden Fragen nur mit Bezug auf patentfähige Erfindungen erörtert werden. Für gebrauchsmusterfähige Erfindungen gelten entsprechende Lösungen. Die Diskrepanz kann auf unterschiedlichen Ursachen beruhen. Entsprechend unterschiedlich sind die Rechtsfolgen. 1. Hat die Patentanmeldung den Inhalt der gemeldeten Diensterfindung in vollem Umfang durch entsprechend formulierte Patentansprüche ausgeschöpft, dann wird regelmäßig davon ausgegangen werden können, 2
> Reimer/Schade/Schippet,
aaO, Rdn. 1 zu §13 A r b E G .
Monopolrecht und Vergütungsanspruch im Recht der Arbeitnehmer-Erfindungen 5 3
daß das Prüfungsverfahren, insbesondere der im Verfahren aufgedeckte Stand der Technik, über die Patentfähigkeit entscheidet. Sich daraus ergebende Einschränkungen des Schutzbereichs der ursprünglich eingereichten Ansprüche sind hinzunehmen. Die Vergütungspflicht des Diensterfindungs richtet sich danach, ob eine von ihm vorgenommene Benutzung der Diensterfindung im Rahmen des Schutzbereiches der Patentansprüche liegt. Geschieht dies, dann führt die Benutzung zu einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Erfindervergütung. Ein solcher Anspruch entfällt, wenn die Benutzungshandlungen nicht vom Schutzbereich der schließlich erteilten Patentansprüche umfaßt werden. 2. Anders ist die Rechtslage, wenn der Inhalt der gemeldeten Diensterfindung durch die eingereichten Schutzansprüche nicht voll ausgeschöpft wird, die eingereichten Patentansprüche also von vornherein unnötig eng gefaßt werden. Innerhalb dieser Tatbestandsgruppe sind wiederum unterschiedliche Fallgestaltungen denkbar. (1) Die eine Fallgestaltung besteht darin, daß die eingereichten Patentansprüche den in der Erfindungsmeldung bezeichneten Gegenstand zu eng beschreiben, ohne Raum dafür zu lassen, daß der nicht von den Patentansprüchen erfaßte Uberschuß als selbständiger, vom beanspruchten Gegenstand trennbarer Erfindungsgegenstand behandelt werden kann. (2) Die andere Fallgestaltung ist darin zu sehen, daß die gemeldete Diensterfindung mehrere Varianten enthält und nur f ü r eine dieser Varianten Patentschutz beansprucht wird. 3. Im erstgenannten Fall stellt sich die Frage, o b dem Arbeitgeber die zu enge Fassung der eingereichten Patentansprüche z u m Schuldvorwurf gemacht werden kann. Gleiches gilt, wenn im Verlauf des Prüfungsverfahrens die Tragweite der ursprünglich eingereichten, die Erfindungsmeldung voll ausschöpfenden Patentansprüche unnötigerweise eingeschränkt wird. Das ist ein Reparaturfall, der sich außerhalb des Vergütungsanspruches des Arbeitnehmers nach allgemeinem Recht regelt, insbesondere nach allgemeinem Schadenersatzrecht. Im Schrifttum ist die Auffassung vertreten worden, daß § 13 A r b E G den Charakter eines Schutzgesetzes zugunsten des Arbeitnehmers im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB hat 30 . Es kann offenbleiben, ob dieser Auffassung gefolgt werden kann; denn in jedem Fall ergeben sich aus dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen das Arbeitsvertragsrecht ergänzende Verpflichtungen des Arbeitgebers, deren Nichtbeachtung zu Schadenersatzansprüchen
30
Bartenbach, aaO, Rdn.68 und 69 zu § 13.
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unter dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung führt. Daß insbesondere die Außerachtlassung der Verpflichtung zur Schutzrechtsanmeldung bzw. zur rechtzeitigen Freigabe der Diensterfindung an den Arbeitnehmer zu Schadenersatzansprüchen führen kann, ist den Urteilen des Bundesgerichtshofs mit den Stichworten „Absorberstabantrieb I" und „Absorberstabantrieb II" zu entnehmen 31 . Ein mitwirkendes Verschulden des Arbeitnehmers ist hier schadensmindernd zu berücksichtigen (§254 BGB). Es kann z.B. darin liegen, daß die Tragweite der Erfindung vom Arbeitgeber bei der Formulierung der Patentansprüche deshalb nicht voll erfaßt worden ist, weil die Erfindungsmeldung den Gegenstand der Erfindung nicht ausreichend beschrieben hat. 4. Anders liegen die Verhältnisse, wenn die Erfindungsmeldung mehrere voneinander trennbare Varianten enthält und nur eine dieser Varianten zum Patentschutz angemeldet wird. Hat der Arbeitgeber die gemeldete Diensterfindung und damit sämtliche in der Erfindungsmeldung enthaltenen Varianten unbeschränkt in Anspruch genommen (§6 ArbEG), dann gilt §13 ArbEG. Danach entfällt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Patentanmeldung im Inland, wenn die Diensterfindung freigegeben worden ist (§ 8 Abs. 1 ArbEG), der Arbeitnehmer der Nichtanmeldung zustimmt oder die Voraussetzungen des §17 ArbEG vorliegen (Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers in Verbindung mit dem Anerkenntnis der Schutzfähigkeit der Diensterfindung). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist also die Erfindung nicht frei geworden, dann kann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber für die Anmeldung derjenigen Variante der gemeldeten Diensterfindung, für die bislang keine Patentanmeldung eingereicht worden ist, eine angemessene Nachfrist setzen. Verstreicht die Frist ungenutzt, so kann der Arbeitnehmer die Anmeldung der Diensterfindung für den Arbeitgeber auf dessen Namen und Kosten bewirken. Geschieht dies, so wird im Rahmen des patentamtlichen Prüfungsverfahrens die Patentfähigkeit der zunächst nicht zum Patentschutz angemeldeten Variante der gemeldeten Diensterfindung geklärt. ß. Da § 13 Abs. 3 ArbEG nur ein Recht des Arbeitnehmers zur Anmeldung der Diensterfindung für den Arbeitgeber begründet, aber keine entsprechende Verpflichtung des Arbeitnehmers begründet, enthält § 13 ArbEG eine Regelungslücke, die auf der Grundlage des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen unter ergänzender Heranziehung der für die Auslegung von Gesetzen geltenden Rechtsgrundsätze zu schließen ist. 31
G R U R 1978, 430 und G R U R 1982, 227.
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Das Urteil „Schwermetalloxidationskatalysator" hat sich unter der Voraussetzung, daß Patentfähigkeit der nicht zum Patentschutz angemeldeten Variante der Diensterfindung besteht, für die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bei Ingebrauchnahme entschieden. Damit wird eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers begründet, die problematisch erscheint. Ausgehend von §13 ArbEG, wonach die Verpflichtung des Diensterfindungs zur Patentanmeldung einer Diensterfindung (abgesehen vom Fall des Freiwerdens oder eines im Rahmen von § 17 ArbEG zu berücksichtigenden Geheimhaltungsinteresses des Arbeitgebers) nur unter der Voraussetzung entfällt, daß der Arbeitnehmer der Nichtanmeldung zustimmt, erscheint es sachgerechter, anstelle des verschuldungsunabhängigen Vergütungsanspruches einen verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruch in Betracht zu ziehen. Andernfalls entsteht eine Situation, in welcher der Arbeitgeber aufgrund der schlichten Tatsache, daß er die Kenntnis der Erfindung dem Arbeitgeber verdankt, ohne Rücksicht auf Verschulden eine Vergütung für Benutzungshandlungen zu leisten hat, die die Wettbewerber vergütungsfrei ausüben können. Der Arbeitgeber würde sich dieser Vergütungspflicht anders als im Fall der zum Patentschutz angemeldeten Diensterfindung nicht dadurch entziehen können, daß die Erfindung nachträglich freigegeben wird (§16 ArbEG). Unter welchen Voraussetzungen von einer trennbaren Variante der gemeldeten Diensterfindung ausgegangen werden kann, richtet sich nach allgemeinen patentrechtlichen Grundsätzen. Dies kann an dieser Stelle nicht näher erörtert werden. Zu verweisen ist auf das Urteil „Geneigte Nadeln"}2 des Bundesgerichtshofs, wo die Abtrennbarkeit eines Teils einer Erfindung am Beispiel der widerrechtlichen Entnahme erörtert ist.
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G R U R 1977, 594 = B G H Z 68, 242.
Between Berne and Madrid: Movement of the United States Toward International Copyright and Trademark Protection JON A . LEHMAN and ERIC STENSHOEL*
On March 1, 1989, one hundred three years after the formation of the Berne Union, the United States eliminated the formal notice requirement for copyright protection in the United States, which was the fundamental barrier to accession to the Berne Convention. A little over eight months later, on November 16, 1989, a new trademark law reversed the requirement of use of a trademark as a prerequisite to applying for federal registration, bringing U . S. law into conformity with that of the vast majority of other nations. These two events fall into a discernable pattern of rapprochement with the basically Eurocentric development of international law and procedures for the protection of intellectual property. This process has been accelerated by plans for economic and legal integration of the European Community and, more recently, by rapid shifts in economic and political alignments in Eastern Europe. I. The Process of Assimilation The beginning of international protection for intellectual property was the Convention for the Protection of Industrial Property ("Paris Convention"), signed in 1883 and dealing with patents and trademarks. 1 That same year, under the auspices of the Association Littéraire et
"" J o n Α. Lehman is a partner with the firm of Walter, Conston, Alexander & Green, N e w York City. Eric Stenshoel is Counsel to the firm of Walter, Conston, Alexander & Green. They thank Shep Rosenman for his assistance in the preparation of this article. 1 Convention of Paris for the Protection of Industrial Property of 20th March, 1883, revised Brussels, 1900; Washington, 1911, 37 Stat. 1645, T . S . 579, J u l y 21, 1914; The Hague, 1925, 47 Stat. 1789, T . S . 834, 2 Bevans 524, June 9, 1931; L o n d o n , 1934, 53 Stat. 1748, T . S . 941, 2 Bevans 223, August 3, 1948; Lisbon, 1958, 53 Stat. 1748, 13 U . S . T . 1, T . I . A . S . 9431, February 13, 1962; Stockholm, 1967,21 U . S . T . 1583, T . I. A . S . 6923, July 16, 1968 [hereinafter "Paris Convention"].
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Jon Α. Lehman/Eric Stenshoel
Artistique Internationale, work began on an agreement for international copyright registration, signed three years later in Berne, Switzerland ("Berne Convention" or "Berne"). 2 In 1891, building on the foundation of the Paris Convention, several European nations entered into the Madrid Agreement ("Madrid"), which permitted unified filing of trademark applications among its members. 3 Although the United States accepted the principle of national treatment - that is, equal treatment of foreign and domestic applicants and registrants - for patents and trademarks under the Paris Convention 4 and, in 1891, finally accepted the principle of protection of foreign copyrights, 5 both the Berne Convention and the Madrid Agreement contained elements which were considered antithetical to U. S. law. It has taken a century for the United States to accept these fundamental elements: the grant of automatic copyright without formalities 6 and the recognition of trademark rights prior to actual use. While resisting attempts to adopt the principles of automatic copyrights and non-use based trademark rights, the United States sought alternate means of cooperation with the international community, such as the Universal Copyright Convention ("UCC") 7 and the Trademark Registration Treaty ("TRT") 8 on terms that it hoped would elevate the U. S. legal principles to world standards. During the ascendancy of U. S. political and economic power in the twentieth century, this policy was reasonably successful with respect to the UCC. 9 Although the TRT was effectively stillborn, 10 the practice of the U. S. Patent and Trademark Office eventually permitted foreign applications without requiring use anywhere, basing its position on the provisions of the Paris Convention. 2 The Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works of September 9, 1886, 331 U. N . T. S. 217 [hereinafter "Berne Convention"]. The most recent revision was completed in Paris on July 24, 1971. The Paris text became effective July 10, 1974, reprinted in 4 M. Nimmer, Nimmer on Copyright, app. 27-1 (1989). 3 Arrangement of Madrid for the International Registration of Marks, reprinted in L.Altman, Callman on Unfair Competition, Trademarks and Monopolies, app., §55.10 (4th ed. 1984) [hereinafter "Callmann"]. 4 Paris Convention, supra note 1, arts. 2 and 4. 5 The International Copyright Act of 1891, 26 Stat. 1106. 6 Berne Convention, supra note 2, art. 5 (2). 7 The Universal Copyright Convention, September 8, 1952, 6 U . S . T . 2731, T . I . A . S . No. 3324, 216 U . N . T . S . 133, revised July 24, 1971, 25 U . S . T . 1341, T . I . A . S . No.7868, 943 U . N . T . S . 178, [hereinafter " U C C " ] reprinted in Nimmer, supra note 2, at app. 25-1. " Trademark Registration Treaty, adopted at Vienna, June 12, 1973, reprinted in Callman, supra note 3, at app. §55.15. 9 As of January 1, 1989, there were eighty-one U C C signatories. See Nimmer, supra note 2, at app. 21. 10 See discussion infra, at note 67.
Between Berne and Madrid: International C o p y r i g h t and T r a d e m a r k Protection
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It is now apparent, however, that the primary effect of this policy has been to provide a stepping stone for the further development of U. S. law in the direction charted in Europe over a century ago. II. Copyright As a young nation anxious to import culture, the United States had very little interest in affording adequate protection to foreign authors. Publishers in the United States routinely pirated the works of English authors including Dickens and Trollope." Only after the formation of the Berne Union, under the Berne Convention, did the United States subscribe to the central tenet of international protection of intellectual property, national treatment. This step forward, accomplished in the Chace Act of 1891, was accompanied not only by formalities12 rejected by Berne in the Berlin revision of 190813 but also by the overtly protectionist "manufacturing provision" that denied copyright protection to foreign works unless they were printed in the United States.14 Following World War I, in a spate of internationalism, Congress made many attempts to bring U. S. law into closer conformity to Berne, with eights bills introduced between April 1922 and October 1923.15 In 1924, Congress considered a major revision, the Dallinger bill, which would have cleared the way for memberships in Berne.16 Although the bill achieved widespread support, it was finally killed by opposition from the National Association of Book Publishers on the ground that elimination of the manufacturing provision would deprive the industry of its protected American market. 17 That Congress credited this argument indicates that, whatever the accomplishments of U. S. authors by this time, their markets abroad were not substantial enough to change the nation's self-image as an importer and user of copyrighted material.
" Sandison, T h e Berne Convention and the Universal C o p y r i g h t C o n v e n t i o n : T h e American Experience, 11 C o l u m b i a - V L A J. L. & Arts 89, 92-94 (1986). 12 Section 4956 of the Chace Act, requiring registration before publication and deposit of t w o copies of the w o r k o n or before the date of publication anywhere. 13 O n e year after the Berlin revision of Berne, Congress enacted a complete revision of the copyright law which retained and codified the formalities of notice and registration in essentially the f o r m which remained in effect until the effective date of the Berne Implementation Act on March 1, 1989, C h . 320, 35 Stat. 1075. 14 Chace Act, Section 4956, liberalized but retained in the 1909 copyright law, C h . 320, 35 Stat. 1075, Sec. 21-22. 15 Brown, T h e Role of the United States in relation to the International C o p y r i g h t U n i o n In Recent Years, 34 J. Pat. O f f . Soc'y, 201-02 (1952). H . H e a r i n g s o n H . R . 6250 and H . R . 9137, 68th Cong., 1st Sess. (1924) cited in Brown, supra note 15, at 202, n. 39. 17 Brown, supra note 15, at 204.
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The failure of the Dallinger bill was followed by six other legislative efforts before World War II to bring the United States into Berne. Some of these were based on the Dallinger bill, 18 some were "minimalist" approaches, providing for only the changes deemed absolutely essential to qualify for Berne. 1 9 Even when the efforts were lacking in coherence, the continuing pressure for change demonstrated the increasing importance of the film and recording industries as exporters to foreign, principally European, markets. 20 The final pre-war effort to revise U . S. copyright law, in 1935-36, foundered as its proponents became uncomfortable with the changes in the political climate in Germany and Italy. 21 After World War II, Europe wanted better access to the American market and the United States became a leading exporter of copyrighted works, marking the U . S. failure to join Berne more critical. 22 Although larger U . S . publishers had discovered the so - called "back door" to protection under Berne by simultaneously publishing in Canada and the United States, thereby qualifying the publications for protection under Berne, there was fear of retaliation if no further steps were taken toward coordination with Berne. 2 3 The members of the Berne Union were unwilling to dilute the protection affordes to authors, however, in order to attract the United States into Berne. 2 4 At the same time, although it had relaxed the requirement of the manufacturing provision with several exceptions, 25 the United States was unwilling to accept the principle of automatic copyright without the formalities of notice and registration, believing that these formalities were necessary to insure "the fullest possible use of intellectual works consistent with the encouragement of authorship." 26 Indeed, it was felt that the procedures were eminently sensible and should be used as a model for the rest of the world. Many still shared the
'» See, e.g., the Vestal Bill of 1926, H . R . 10434, 69th Cong., 1st Sess. (1926) reintroduced in 1929, H. R. 8912, 70th Cong., 1st Sess. See Brown, supra note 15, at 206-07. " 1933 Bills H . R . 5853, 73d Cong., 1st Sess. (1933), S. 1928, 73d Cong., 1st Sess. (1933), and Duffy Bill of 1935 S.2465, 74th Cong., 1st Sess. (1935). See Brown, supra note 15 at 215. 20 See discussion of the 1932 Sirovich Bill in Brown, supra, note 15 at 212-14. 21 Brown, supra, note 15, at 221. 22 Note, International Copyright Protection and the United States: The Impact of the U N E S C O Universal Copyright Convention on Existing Law, 62 Yale L . J . 1065, 1083 (1953). 23 Id. 24 Ringer, The Role of the United States in International Copyright - Past, Present and Future, 56 Geo. L . J . 1050, 1060-61 (1968). 25 Id. 26 Henn, The Quest for International Copyright Protection, 39 Cornell L. Q . 43, 58 (1953) (citation omitted).
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opinion expressed two decades earlier by the Chairman of the Committee on Patents in hearings on the possibility of U . S . conformity to Berne: "instead of having Europe to educate us, why can't we educate Europe and have Europe adopt the principle of copyright notice and registration?" 27 The solution to this impasse was the promulgation of the U C C under the auspices of U N E S C O . 2 8 The U C C was designed to require only minimal changes in domestic law29 and the formalities of notice and registration under U. S. law were relatively simple and inexpensive. 30 Congress provided an incentive to members of the Berne Union to join the U C C with the exemption of all U C C works from the weakened but still troublesome manufacturing provision. 31 The U C C treaty succeeded in attracting most of the Berne Union members and a number of other countries as signatories. 32 The overlapping of membership and the practice of holding joint meetings encouraged peaceful coexistence and even cooperation between the treaty groups, but an underlying assumption on the part of the U . S. about the superiority and ultimate victory of its position as expressed in the U C C caused it to adopt a competitive stance. For example, in 1967, the two camps were both courting the developing nations as potential members in a "polite but fierce competition" whose outcome was described as "very much in doubt." 3 3 The competition between the two treaties was inherently uneven, however. While the U C C had been designed to accommodate both Berne and non-Berne members so that U C C signatories were free to join Berne without affecting their U C C relations, the Berne members were able to include a provision to prevent any Berne member from leaving the union and relying solely on the U C C . 3 4 In effect, the U C C
27 Id., at 64, n. 106 (quoting William I. Sirovich in Hearings before Committee on Patents on General Revision of the Copyright Law, 72d Cong., 1st Sess. 37-38 [1932]). 28 See Callman, supra note 3. 29 Note, supra, note 22, at 1084. 30 The form of notice required was minimal - (c) followed by the date and the name of the author - and the procedure for registration was simple and inexpensive enough to be carried out without legal assistance in most cases. 31 Act of U . S . Congress of Aug. 31, 1954, ch. 116, sec. 9 (1), 68 Stat. 130. 32 Fifty-eight of the U C C ' s eighty-one members are also Berne signatories. Fourteen of these acceded to Berne after the U C C . Only twenty-one Berne signatories did not accede to the U C C . See Nimmer, supra note 2, apps. 21 and 22. 33 Ringer, supra note 24, at 1065 (describing this competition which resulted in the Stockholm Protocol of 1967 to the Berne Convention). 34 U C C art. XVII and the related Appendix Declaration effective among Berne members who are also members of the U C C . See Ringer, supra, note 24, at 1062.
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became a recruiting tool for Berne,35 while the United States found itself increasingly left out of the deliberations affecting international copyright protection. 36 By 1976, the United States was ready to begin harmonization of its copyright law to the standards of Berne. In the Copyright Revision Act of 1976,37 Congress finally eliminated the "manufacturing provision" and changed the term of copyright protection to the life of the author plus fifty years, a change which was promoted to obtain the "benefits of uniformity with foreign laws" and because "[w]ithout this change, the possibility of future United States adherence to the Berne Copyright Union would evaporate." 38 Acceptance of the Berne principles of automatic copyright and elimination of the formalities of registration as a condition to copyright enforcement were not achieved until passage of the Berne Convention Implementation Act of 198839 over a decade later. From the legislative history of the Berne Convention Implementation Act it is clear that there was no longer any dispute that the international standard for copyright protection is set by Berne and not by the U C C . Berne standards were described as "high, reasonable and widely accepted 35
State
The following is a chart comparing the dates of accession to the U C C and Berne:
UCC
(Geneva)
UCC (Paris)
Effective Date of Berne Membership
Latest Binding Berne Act
Argentina 2/13/58 X 6/10/67 Brussels, 6/10/67 Barbados 5/18/83 5/18/83 7/30/83 Paris, 7/30/83 Chile 9/16/55 X 6/5/70 Paris, 6/10/75 Colombia 6/18/76 6/18/76 3/7/88 Paris, 3/7/88 Costa Rica 9/16/55 3/7/80 6/10/78 Paris, 6/10/78 Fiji 9/10/70 X 12/1/71 Brussels, 12/1/71 Liberia 7/27/56 X 3/8/89 Paris, 3/8/89 Mauritania 3/12/68 X 2/6/73 Paris, 9/21/76 Mexico 5/12/57 10/31/75 6/11/67 Paris, 12/17/74 Niger 2/14/62 X 5/2/62 Paris, 5/21/75 Peru 10/16/83 4/22/85 8/20/88 Paris, 8/20/88 Trinidad 8/19/88 8/19/88 8/16/88 Paris, 8/16/88 and Tobago USA 9/16/55 7/10/74 3/1/89 Paris, 3/1/89 Venezuela 9/30/66 X 12/30/82 Paris, 12/30/82 Nimmer, supra note 2, at apps. 21 & 22. 36 Ringer, supra note 24, at 1070, (describing the frustration felt by the U.S. delegation at the Stockholm Conference as "Berne outsiders with no real influence upon the outcome"). 37 U. S. Copyright Act of 1976, former 17 U. S. C. § 101, et seq. (1989). 38 H . R . Rep. No. 1476, 94th Cong., 2d Sess. 135 (1976) quoted in Sandison, supra, note 11 at 104. 39 P. L. No. 100-568 (1989) (signed on October 31, 1988 and entered into force on March 1, 1989).
Between Berne and Madrid: International Copyright and Trademark Protection
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internationally" 40 and the foundation of "an international legal consensus on the basic rules of authors' rights." 41 Underlying these statements was the stark reality that there were over twenty Berne members who were not members of the U C C and were therefore safe havens for unlicensed copying and sale of U . S. copyrighted material as long as the United States remained outside of Berne. 42 The extent of such copyright piracy was enormous, amounting to "well over $1 billion" each year. 43 A repeated theme in the Congressional deliberations was that the U. S. position in negotiations to stop the piracy, whether in bilateral talks44 or within the General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), 4 5 was being greatly weakened by the perception that the United States was unwilling to bring its laws up to the prevailing world standard. In testimony before the Senate Committee on the Judiciary, C.William Verity, the Secretary of Commerce, cited the
40 Testimony of Robert W. Kastenmeier, Chairman, Subcommittee on Courts, Civil Liberties and the Administration of Justice, House Committee on the Judiciary, on U . S . Adherence to the Berne Convention, before the Subcommittee on Patents, Trademarks and Copyrights, Senate Committee on the Judiciary, February 18, 1988, 68 U . S . Cong. Documents, 100th Cong., at 51 (1988) [hereinafter "Kastenmeier Testimony"] (quoted by Senator DeConcini in remarks before the Senate, October 5, 1988, Cong. Ree. S 14553). 4>
Id. Statement of Hon. C. William Verity, the Secretary of Commerce, 68 U. S. Cong. Documents, 100th Cong., at 122 (1988) [hereinafter "Verity Testimony"]. 43 Id. at 70. 44 Id. (referring to the case of Thailand, a member of Berne where the bilateral treaty with the U. S. was invalidated by a Thai court on procedural grounds and, following substantial problems in protecting U. S. copyrights under the simultaneous publication rule, the efforts to reinstate the bilateral relations were met with irritation over the failure of the U. S. to join Berne). 42
45 Berne adherence will also complement U. S. efforts to formulate an intellectual property code within the General Agreement on Tariffs and Trade (the GATT). An intellectual property code including copyright within the G A T T must be drawn from the copyright standards established in the Berne Convention and adequate and effective national copyright laws. As the world's largest exporter of copyrighted works, the United States has a stake in preserving Berne's high levels of copyright protection. The United States' position for implementation of high level standards within G A T T is seriosly weakened unless it adheres to the Berne Convention. Moreover, it is quite possible that failure of the United States to adhere to the Convention will cause difficulties within GATT, prompting debates as to the types and levels of protection to be provided, possibly jeopardizing the success of entire intellectual property initiative. Berne adherence is not a substitute for a G A T T intellectual property code, but neither is a G A T T intellectual property code a substitute for Berne adherence.
The Berne Convention: Hearings on S. 1301 and 1971 before the Senate Subcommittee on Patents, Copyrights and Trademarks, of the Committee on the Judiciary, 100th Cong., 2d Sess. (statement of the Honorable Carlos J. Moorbead on H. R. 2962), reprinted in 68 U . S . Cong. Documents, 100th Cong., 2d Sess. at 61 (1988) [hereinafter "Moonhead Statement"].
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example of Thailand, a member of Berne, where other Berne members were able to enforce their copyrights by police action while the claims of the United States, based on simultaneous publication, were considered too tenuous to merit such a response. 46 The ultimate rationale for implementing Berne was that it was necessary to the competitiveness of the United States. With copyright industries accounting for five percent of the G N P and returning a trade surplus of over one billion dollars,47 the United States had become the largest exporter of copyrighted materials in the world, economically dependent upon trading partners who were all members of Berne. 48 Faced with the exclusion of the United States from effective participation in the formulation and management of international copyright policy, 49 Congress was finally prepared to abandon its reliance on the U C C . As stated by Denis de Freitas, Chairman of the British Copyright Council on the occasion of the 100th anniversary of the Berne Union: I regard the U C C as a worthy United Nations initiative designed in the middle of the 20th century to enable developing countries (notably the United States of America) to enter into multilateral copyright relations with those countries which have been developing the copyright system internationally from the middle of the last century to the sophisticated code now embodied in the Berne Convention. 50
As we enter the second year of the membership of the United States in Berne, it is clear that the process of harmonization ist continuing, with legislative initiatives based expressly on the desire to conform to the standards of Berne in all respects. For example, the House of Representatives is considering bills to protect constructed architectural designs.51 Other issues, touching upon moral rights, have also come under consideration and, during the debate of the Berne Convention Implementation 46 Answers to questions from Senator Heflin, 68 U.S. Cong. Documents, 100th Cong., at 121 (1988). 47 Verity Testimony, supra note 42, at 70. 48 Remarks of Representative Fish, Η10097, Cong. Ree. (daily ed. October 12, 1988), reprinted in 36 J. Copyright Soc'y USA 65 (1988). 49 The second major reason that the United States should join Berne is that adherence is necessary to ensure effective U. S. participation in the formulation and management of international copyright policy. U.S. adherence to Berne would give our officials the right to participate fully in the administration and management of the Convention. New technologies for the transmission and use of copyrighted works have "internationalized" intellectual property to an unprecedented extent, and U.S. participation in the premier international copyright organization is essential. Moorehead Statement, supra note 45, at 60. 50 Freitas, The Berne Convention and the Market Economy Countries 11 Columbia· VLA J. L. & Arts 73, 77 (1986). 51 H . R . 3990 and 3991, introduced by Rep. Kastenmeier on February 7, 1990, 1990 Copyright L. Reps. (CCH) FP 20, 572.
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Act, the sponsors agreed to adress the issues of moral rights and work for hire in future sessions. 52
III. Trademark The most enduring barrier to U. S. participation in the development of international trademark law - the requirement of actual use before application for registration - was not instigated by Congressional action. In the Trade-Mark Act of 1870, Congress hat permitted registration based on the intent to use a mark. 53 This provision was eliminated by judicial enforcement of a constitutional limitation on the power of Congress. While Congress is constitutionally empowered to regulate patents and copyrights, its power over trademarks flows from its general power to regulate commerce. Because marks not yet in use were deemed not to affect commerce, the 1870 law was struck down in the TradeMark Cases. 54 Thus, at the international conference of 1880 in preparation for the Paris Convention, the United States delegation was under strict instructions that any conclusions of the conference respecting trademarks "must be considered as absolutely subordinai to such legislative provisions as may hereafter be made" by the United States. 55 The subsequent legislative provisions, in the Trade-Mark Act of 1905, required use in commerce and specimens of use as preconditions to application for registration. 56 The Paris Convention contained three elements that together set the stage for the eventual assault on the requirement of actual use. First was the principle of national treatment, contained in Article 2. 57 The second element, the right of priority contained in Article 4, according retroactive protection in member countries based upon filing in another member country, was a new idea. It has been called "the most significant 52 Colloquy among Senators Cochran, Leahy and DeCondni, Cong. Ree. S 14559-14563 (daily ed. October 5, 1988), reprinted in 36 J. Coypright Soc'y U S A , 41-54 (1988). 53 Trade-Mark Act of 1870, ch. 230, Sec. 677-84, 16 Stat. 210 (1870), reprinted in Callman supra note 3. 54 100 U . S . 82 (1879). 55 Pegram, Trademark Law Revision: Section 44, 78 Trademark Rep. 141, 153, n. 74, (1988) (quoting Foreign Relations of the United States, 378-79 [1880]). 56 Act of Feb. 20, 1905, ch. 592, 33 Stat. 724 (1905). Although the commerce clause is now given a broader reading than at the time of the Trade-Mark Cases, supra note 54, the possibility of a constitutional objection to the intent to use provisions of the trademark law discussed in this article cannot be totally dismissed. However, full discussion of this issue is beyond the scope of this article.
57 Pegram, supra note 55, at 154; S. P. Ladas, Patents, Trademark, and Related Rights: National and International Protection (1975).
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innovation and contribution of the Paris Convention. . . . There had been nothing like it in earlier bilateral treaties." 58 The third element was and has remained the most controversial. It would eventually serve as the wedge to crack open the U . S. requirement of use. It was contained in Article 6 (now 6 quinquies) of the Convention and is generally known by the French phrase "telle quelle", referring to the requirement that "[a]ny trademark duly deposited in the country of origin shall be admitted to deposit and protected 'telle quelle' [in original form] in all other countries of the Union." 5 9 As in the case of copyrights, the Paris Convention was soon followed by a European vision of a more unified approach to international trademark protection: the Madrid Agreement of 1891. The Madrid Agreement "institutionalized and systematized the underlying philosophy of the 'telle-quelle' provision" 6 0 by extending the country of origin registration of a trademark to other member countries without a multiplicity of national filings and creating a presumption of validity for such extended applications unless denied within twelve months by the member country affected. 61 The provisions of the Madrid Agreement considered objectionable by the United States have included the designation of French as the only language for applications and correspondence, the limitation of time to reject an application to twelve months (the average time required by the U . S. Patent and Trademark Office is thirteen months), and the assessment of filing fees substantially lower than those charged by the United States. The central objections, however, stemmed from the absence of a requirement of use as a basis for international registration. Since international filings under Madrid were dependent upon the country of origin registration, applicants in a country not requiring use would easily be able to obtain priority over those in use based systems. Once obtained, international registrations remained dependent upon the country of origin registration, and therefore vulnerable to "central attack" upon the country of origin registration notwithstanding actual use and validity of the mark in the other countries. It was also feared that membership in Madrid would subject the United States to a proliferation of registrations of unused marks. 62
5« Pegram,
supra note 55, at 155.
* Id. at 156; Paris Convention, supra note 1, Article 6 quinquies. ° Frayne, History and Analysis of T R T , 63 Trademark Rep. 422, 4 2 3 - 2 4 (1973). « Id. 62 Adress by J. Samuels, Assistant Commissioner of Patents and Trademarks, U . S. Patent and Trademark Office, at the Association of the Bar of New York City (March 8, 1990) [hereinafter "Samuels Address"]; see also, Pegram, supra note 55, at 425. 5
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Several of the minor objections of the United States were adressed in the 1957 Nice Revision, 63 which eliminated dependency upon the country of origin registration and thus the possibility of "central attack" five years after the grant of the international registration. The Nice Revision also required the naming of specific countries in international applications, the payment of national filing fees and, if required by the member country, additional fees per class of goods or services. 64 The United States did not consider these changes sufficient, however, and suggested further changes in 1969. Discussions were held under the auspices of the World Intellectual Property Organization ( W I P O ) in 1970, but eventually foundered on the issueas of whether dependency should be preserved for five years and whether use should be a prerequisite for registration, as required only in the United States and (at that time) Canada. 65 At the close of the unsuccessful W I P O conference in April 1970, the United States proposed a separate treaty for the international registration (or, more accurately, the international filing) of trademarks which, following the successful example of the U C C , would be open to all members of the Paris Convention but could coexist with the Madrid Agreement. As in the case of the U C C , an element of competition was present, with the hope that a new treaty could replace the Madrid Agreement. 66 The resulting Trademark Registration Treaty ( " T R T " ) was finished in June 1973. It allowed filings in French or English, eliminated dependency of international registrations on country of origin registrations, and extended the time for refusal of an international application from twelve to fifteen months. The treaty addressed the issue of non-use by allowing international registrations prior to use while allowing members to restrain infringement actions in the absence of use and permitting cancellation for non-use three years after registration. 67 The preliminary predictions of commentators on the future of the T R T were gloomy. 6 8 They also proved accurate. Although the treaty had been suggested by the United States and was intended as a compromise, the provision allowing registration of unused marks proved too radical a
See Callman, supra note 3, at § 2 6 . 0 3 . Frayne, supra note 60, at 425. 65 Id. at 426—427. 66 Ladas, What Does the Vienna Trademark Registration Treaty Mean to the United States?, 63 Trademark Rep. 551, 568 (1973). 67 Frayne, supra note 60, at 3 2 - 3 3 . 68 See, Ladas, supra note 66; Frayne, supra note 59; and Derenberg, The Myth of the Proposed International Trademark "Registration" Treaty ( T R T ) , 63 Trademark Rep. 531 (1973). 63
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change and the treaty was never ratified by Congress, which refused to make the necessary amendments to the Lanham Act. 69 Only eight countries signed the treaty and currently only the Soviet Union, Congo, Gabon and Burkina Faso are members.70 While the United States considered and rejected the idea of protection of trademarks not yet in use, the Patent and Trademark Office ("PTO"), 71 eventually came to apply the "quelle-telle" provision of the Paris Convention to create an exception to the requirement of use for applications based on foreign registrations or applications. This position has not been consistently applied over the years, however. At first, in a 1949 decision, the patent Office refused registration of an application, based on a British registration, which contained no reference to use.72 There was no mention or analysis of the Paris Convention in the decision. But then, six years later, in the MERRY C O W decision, the Patent Office abruptly reversed this practice, stating that a United States application based upon a country of origin registration under Section 44 of the Lanham Act is exempted from the requirement of use, basing its decision on an analysis of Articles 6 A and 6 Β of the Paris Convention. 73 The decision has been criticized74 but the liberal reading of "quelle-telle" and the tone of deference for the Paris Convention has repeatedly informed the positions of the PTO. 75 A less solicitous attitude toward applications for unused marks asserted itself for ten years following a change of the trademark rules in 1962. The change limited the exemption of Convention applications from standard filing requirements to excuse only the statement of use in commerce within or into the United States (as opposed to use anywhere) and the statement of a date of first use. These rules may have had their origin in the understanding reached at the 1958 Lisbon Conference of the Paris Convention (effective in the United States in 1962)76 that the new revision of the Convention would not be self-executing. 77 The 1962 rules were upheld in the 1963 case of In re Several Incomplete Applica-
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See Callman, supra note 3, at §26.04. See Callman, supra note 3, at app. §55.17. 71 Formerly the Patent Office. The name was changed in 1975. 72 Ex parte British Insulated Calender's Cables Ltd. 83, U . S . P . Q . 319, 39 Trademark Rep. 1057, 64 Trademark Rep. 312 (1949). 73 Ex parte Société Fromageries Bel, 105 U . S . P . Q . 392, 45 Trademark Rep. 846, 64 Trademark Rep. 315 (Com'r 1955) (Asst. Com'r Leeds) (1955). 74 Pegram, supra note 55, at 163-164; Derenberg, supra note 67. 75 "It is well established that a treaty or convention should be liberally construed." Fromageries, 105 U . S . P . Q . at 397. 76 See Callman, supra note 3, at §26. 77 Pegram, supra note 54, at 164-166. 70
Between Berne and M a d r i d : International C o p y r i g h t and Trademark Protection
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tions, refusing registration of t w o Canadian and t w o U K applications for which no use was alleged. 78 Ten years later, the reasoning of M E R R Y C O W was resurrected for the L E M O N TREE case, in which the Trademark Trial and Apeal Board rejected a petition to cancel registration and t w o applications for marks based on Canadian applications where the mark was not in use. 79 Since factual inaccuracies underlying the Board's decision ultimately obviated full judicial review of the Board's reasoning, the decision left the question of use under "quelle-telle" unsettled. An attempt b y the P T O to change its rules to overrule Several Incomplete Applications was thwarted b y opposition. However, in the 1984 Crocker case, 80 the current policy of the P T O to accept applications under the Convention without any allegation of use was established and approved. Although the argument against the reading of "quelle-telle" implicit in Crocker, L E M O N TREE and M E R R Y C O W is persuasive, 81 the practice of the P T O implementing Crocker has remained unchallenged. Accordingly, the disparity of treatment of foreign trademark owners w h o were allowed to file applications with no allegation of use, and domestic applicants, still bound by the old rule of use, could be used to support the introduction of applications based on intent to use in the Lanham Act. 82 Although lobbyists for the 1988 Trademark L a w Revision Act emphasized the benefits of the intent to use system on its own merits, the goal of eliminating this disparity was
78
In re Certain Incomplete Trademark Applications, 137 U. S. P . Q . 69 (Com'r
1963). 79 John Lecroy & Son, Inc. v. Langis Foods Limited, 177 U . S . P . Q . 7 1 7 - 1 8 , 64 Trademark Rep. 308-09 (TTAB 1973), rev'd 376 F.Supp. 962, 182 U.S. P . Q . 132, 64 Trademark Rep. 301 ( D . D . C . 1974), rev'd sub nom SCM Corp. v. Langis Foods, Ltd., 539 F.2d 196, 190 U . S . P . Q . 288, 64 Trademark Rep. 308 (D. C. Civ. 1976). It has been suggested that the Lecroy LEMON TREE decision by the Board was intended to "pave the way" for ratification of the Trademark Registration Treaty. See Derenberg, supra note 68, at 546. 80 Crocker National Bank v. Canadian Imperial Bank of Commerce, 223 U . S . P . Q . 909 (TTAB 1984). 81 See discussion at note 72, supra. 82 Since Canada began to allow applications for trademark registration based upon intent to use, the United States has been the only developed country to maintain the use requirement. Report of the Committee on the Judiciary of the U. S. Senate, S. Rep. No. 515, 100th Cong. (September 15, 1988), reprinted in The Trademark Law Revision Act of 1988, United States Trademark Association, at 153 and 157 (1989) [hereinafter " U S T A Report"]. It should be noted that a domestic applicant with its bona fide and effective commercial establishment abroad may also avail itself of the Crocker rule. In re International Barrier Corp., 231 U . S . P . Q . 310 (TTAB 1986).
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Jon Α. Lehman / Eric Stenshoel
probably the largest factor in the adoption of the intent to use provision. 83 With the passage and implementation of the Trademark Law Revision Act of 1988, the irreconcilable differences between the trademark law of the United States and that of the members of the Madrid Union have been substantially eliminated. If the maximum period of three years to commence use is compared to the three year waiting period for cancellation for non-use under the T R T , United States law is now at least consistent with the T R T standards, if not yet those of Madrid. While these developments were occurring in the United States, the efforts at harmonizing the trademark laws of the members of the European Community resulted in the Directive of December 21, 1988, which explicitly approved the revocation of registrations of trademarks not put to "genuine use" within five years of registration. 84 This move toward consensus was combined with an effort to bring all members of the European Community ( " E C " ) , including those with common law systems of trade mark protection such as the U . K. and Ireland, into the Madrid Union. 8 5 B y seeking greater consensus with the common law systems, the Madrid Union also moved closer to the position of the United States. 83 Comment, Intent-to-Use Applications for Trademark Registration, 35 Wayne L. Rev. 1135, 1149 (1989). The discriminatory application of the use requirement was emphasized in the introductory remarks of the sponsors of the bill in both houses of Congress: "Even more disturbing is the fact that foreign companies applying to register trademarks in the United States are not subject to these same use requirements that apply to U . S . applicants." (Statement of Sen. DeConcini), Congressional Record, S 16,546 S 16,547, (daily ed. November 19, 1987), reprinted in the USTA Report, supra note 82, at 113.
"U. S. trademark law favors foreign companies seeking to obtain and register trademark rights in the United States... The legislation puts American and foreign businesses on essentially the same footing when they apply to register trademarks in the United States." Remarks of Representative Moorhead, Congressional Record, E 6 6 5 (daily ed. March 15, 1988), reprinted in the USTA Report, supra note 82, at 129. In the report of the Senate Committee on the Judiciary, the first comment regarding the introduction of applications based on intent to use was that the bill "will improve the federal trademark registration system by eliminating the requirements that U. S. citizens and businesses, unlike their foreign counterparts, must use a mark in commerce before they can file an application to register it". S. Rep. No. 515, 100th Congress, 2d Sess. (1988), reprinted in the USTA Report, supra note 82, at 156. 84 Council Directive, Articles 10-12. The five year period is comparable to the period for filing the compulsory statement of use under Section 8 of the Lanham Act, 15 U. S. C . § 1058 (1989). Although the Lanham Act still contains the prima facie presumption of abandonment of a trademark following two years of non-use, it is not clear how this presumption will be applied to an international application which states, but is not based upon, an intent to use, an intention which the law allows to continue for up to three years. 85 The United Kingdom, Ireland, Denmark and Greece have not joined the Madrid Agreement.
Between Berne and Madrid: International Copyright and Trademark Protection
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Beginning with the WIPO initiative convened at the request of the 1981 Assembly of the Madrid Union, a working group of Madrid and E C members has approved the Madrid Protocol of 1989 to link Madrid and the EC. 8 6 The Protocol would allow a country of origin application as the basis for international applications, eliminate all dependency on the country of origin mark following application, allow English as a working language, permit a national trademark office to take up to eighteen months to refuse registration of an international application with an additional seven months if there is a potential opposition, and permit members to charge their own national fees. 87 The gravitational pull of the new Protocol is already apparent. Speaking less than four months after the effective date of the new U. S. trademark law, Jeffrey Samuels, the Asistant Commissioner of Patents and Trademarks of the PTO, remarked that the Protocol removes most of the objections of the United States to the Madrid Agreement and suggested that it was time for the trademark bar in the United States to start planning for membership in Madrid. 88 This view represents quite a change from that stated seventeen years ago by Professor Derenberg in an article about the T R T : "It an be categorically stated today that any thought of adherence to the Madrid Agreement by the United States should be forgotten, and that the only possibility which deserves debate may be the creation of an additional separate international agreement under Article 19 of the Paris Convention." 89
IV. Conclusion Looking back on the past century of copyright and trademark law in the United States, it is now possible to see the pattern of rapprochement. As its legal divergence led to economic isolation, the United States sought to bend the developing regime of international (i. e., European) intellectual property law toward a compromise standard. In the end, however, these efforts did not establish new standards but rather allowed the United States to traverse the distance between its laws and those of Europe at a more comfortable pace. With the changes adopted last year, that pace has surely quickened.
See Samuels Address, supra note 62. Protocol Relating to the Madrid Agreement Concerning the International Registration of Marks, signed at Madrid, June 28, 1989, Multilateral Treaties, Text 3-007, pages 001-011, Industrial Property, July/August 1989 (World Intellectual Property Organization). 88 See Samuels Address, supra note 62. 89 Derenberg, supra note 68, at 536. 86
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Die „Tagebücher" des Joseph Goebbels im Spannungsfeld von Besatzungs-, Persönlichkeitsund Urheberrecht WILHELM NORDEMANN*
Im November 1989 ging die Nachricht durch die Zeitungen, die Freie Universität Berlin plane, in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv der DDR die dort lagernden, bisher unveröffentlichten sogenannten „Tagebücher" des Joseph Goebbels wissenschaftlich-kritisch zu edieren. Es handelt sich dabei um Aufzeichnungen, die Goebbels während des Zweiten Weltkrieges täglich teils selbst seinen beiden Sekretärinnen ins Stenogramm diktierte, teils von seinem jeweiligen Adjutanten diktieren ließ. Sie bilden eine eigenartige Mischung von Fakten und Meinungen eines der prominentesten Naziführer und sind daher für den Historiker eine wahre Fundgrube für das Verständnis jener Zeit. Der Abdruck einer Seite aus dem Material des Staatsarchivs der DDR ist zur Veranschaulichung diesem Beitrag beigefügt. Das Lebenswerk unseres Jubilars ist im Grenzbereich von Wissenschaft und Praxis angesiedelt. Wissenschaftliche Arbeit war ihm nie Selbstzweck, sondern stets Hilfsmittel zur Lösung praktischer Probleme des Rechtslebens. Deshalb scheint mir eine nähere Betrachtung der Fragen, die das Vorhaben der Freien Universität aufwirft, ein geeigneter Beitrag für eine ihm gewidmete Festschrift zu sein. Dabei ist der konkrete Fall der Goebbels-Tagebücher nur Beispiel für die allgemeine Problematik der wissenschaftlich-kritischen Edition unveröffentlichter Texte aus einem der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, die mit der allmählichen Öffnung bisher unzugänglicher Sammelstellen erst ihren Anfang genommen hat; wenn dereinst auch das Berlin Document Center von den alliierten Schutzmächten für die historische Forschung freigegeben werden sollte, wird dies auch die rechtswissenschaftliche Diskussion neu beleben.
Unter Mitarbeit von Rechtsanwalt Martin Schaefer, Hamburg.
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Wilhelm Nordemann
I. Besatzungsrecht Zum Teil noch in den letzten Kriegstagen, hauptsächlich aber in der Zeit unmittelbar nach der Kapitulation des Deutschen Reiches, haben die Alliierten eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften erlassen, die eine politische Säuberung des Staates von nationalsozialistischen Organisationen einerseits und von nationalsozialistischen Funktionsträgern andererseits bezweckten. Dazu gehören auch Vorschriften, die entweder das Vermögen von Nazigrößen dauernd zugunsten des Staates oder eines Dritten einziehen, also eine Rechtsnachfolge anordnen, oder solche, die das Vermögen der Betroffenen lediglich amtlich verstrickt und/oder seiner Verfügung entzogen haben, wenn diese Beschlagnahme oder Sperre heute noch andauert. Als solche kommen in Betracht: Gemeinsame Vorschriften aller Besatzungsmächte - A r t . I I N r . 3 d . Kontrollrats-(KR)-Gesetz Nr. 10' - Art. VIII Nr. II. b., Art. I X Nr. 2 KR-Direktive Nr.38 2 Vorschriften für die Westzonen - Art. I Militärregierungs-(MRG)-Gesetz Nr. 523 - Art. 15 Nr. 2, Art. 16 Nr. 3, Art. 37, Art. 40, Art. 61 iVm Art. 58 Befreiungsgesetz 4 bzw. ähnliche Bestimmungen in den anderen Zonen Vorschriften für die Sowjetische Zone - Art. 1. a, f. Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) Nr. 1245 nebst Art. 1. d. Instruktion zu Befehl Nr. 1246 1 Gesetz Nr. 10 des Alliierten Kontrollrats v. 20.12.1945, in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, 1946, S. 50-55. 2 Direktive Nr.38 des Alliierten Kontrollrats (einschließlich Anhängen) v. 12.10.1946, in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, 1946, S. 184-211. 3 Gesetz Nr. 52 der Militärregierung - Deutschland, Amerikanische Zone (entsprechende in den anderen Zonen) (MRG 52), betreffend Sperre und Kontrolle von Vermögen, ohne Datum, jedoch wurden gem. Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, vor S. 1 des Inhaltsverz. das MRG Nr. 52 und die Allgemeine Anordnung Nr. 1, am 18.9.1944 verkündet und traten damit in Kraft; Art. I § 1 f und § 2 traten dagegen erst in Kraft am 14. 7.1945, gemäß dem 1. Gesetz zur Änderung des Gesetzes Nr. 52. Zitiert nach: Gesetzliche Vorschriften der Amerikanischen Militärregierung in Deutschland/Autorisierter Nachdruck des Amtsblattes der Militärregierung Deutschland, Amerikanische Zone, Issue A, l.June 1946, S.24-30 (einschließlich allgemeine Anordnung Nr. 1 und erste Änderung M R G 52). 4 Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus v. 5.3.1946, BayGVBl. 1946, 145 ff; zitiert nach: Karl Trill, Befreiungsgesetz, Karlsruhe 1946. 5 Befehl Nr. 124 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung und Oberbefehlshabers der Gruppe der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland v. 30.10.1945, in: Befehle des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Berlin 1946, S. 20-22; außerdem: Gesamtdeutsches Institut, Anlage 6 (S. 50). ' Ebenfalls vom 30.10.1945, ebenda Anlage 6 (S.51).
Die „Goebbels-Tagebücher" im Besatzungs-, Persönlichkeits- und Urheberrecht
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Vorschriften für Berlin - § 11, 12 Verordnung über die Anmeldung und die Beschlagnahme des Vermögens der Personen, die sich aktiv faschistisch betätigt haben 7 Ostsektor - § 1 Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten 8 . Neben den Vorschriften, die eine Vermögenseinziehung erlaubten, bestand der KR-Befehl N r . 4 9 , betreffend die Einziehung von Literatur und von Werken nationalsozialistischen und militaristischen Charakters. Er sah die Ablieferung solcher Werke zwecks anschließender Vernichtung vor und betraf damit die Werkstücke, nicht aber die Rechte an solchen Werken (wofür insbesondere die Ausnahmen in der Abänderung dieses Befehls v. 10. 8.1946 sprechen). Von den genannten Rechtsnormen lassen sich allerdings das Kontrollratsgesetz Nr. 10 und die Kontrollrats-Direktive N r . 38 einerseits und die Vorschriften, die die sowjetische Militäradiministration und später die Behörden der D D R erlassen haben, andererseits aus den folgenden Gründen ausscheiden: Das Kontrollratsgesetz Nr. 10, das als Grundlage der Nürnberger Prozesse gedient hat, wurde durch das Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 3 0 . 5 . 1 9 5 6 ( B G B l . I 437, 445) aufgehoben. Die Kontrollratsdirektive N r . 38, die ihrerseits in Verbindung mit der Direktive N r . 24 „betreffend die Entfernung von Nationalsozialisten und Personen, die den Bestrebungen der Alliierten feindlich gegenüberstehen, aus Ämtern und verantwortlichen Stellungen" in den Westzonen die Grundlage der allgemeinen Entnazifizierung gewesen ist, war schon vorher durch das Gesetz Nr. A 37 der Alliierten Hohen Kommission über die Beseitigung der Wirksamkeit und Aufhebung bestimmter Vorschriften des Besatzungsrechts vom 5 . 5 . 1 9 5 5 im Bundesgebiet für unwirksam erklärt worden 10 . Beschlagnahme- und Einziehungsakte nach Rechtsvorschriften, die für das Gebiet der damaligen Sowjetischen Besatzungszone erlassen wurden, wären für ein Editionsvorhaben im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) bedeutungslos, weil solche Eingriffsmaßnahmen nach dem
7 Der Magistrat der Stadt Berlin v. 2 . 7 . 1 9 4 5 , Gesamtdeutsches Institut, Anlage 40 (S. 7 8 - 8 0 ) . 8 Der Magistrat von G r o ß - B e r l i n v. 8 . 2 . 1 9 4 9 , Gesamtdeutsches Institut, Anlage 41 (S. 8 0 - 8 2 ) . 9 Befehl Nr. 4 des Alliierten Kontrollrats, betreffend die Einziehung von Literatur und Werken nationalsozialistischen und militaristischen Charakters v. 1 0 . 8 . 1 9 4 6 , in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, 1946, S. 1 5 1 - 1 5 2 ; sowie: Änderung des Befehls N r . 4 v. 1 0 . 8 . 1 9 4 6 , in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, 1946, S. 172. 10
Amtsblatt der A H K 1955 (Nr. 126), 3 2 6 7 (3268).
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Territorialitätsprinzip 11 nur innerhalb des Hoheitsgebiets der jeweils rechtsetzenden Gewalt Wirkung haben, wie der Bundesgerichtshof anläßlich der auch aus anderen Gründen stattgefundenen Enteignungen in der D D R mehrfach judiziert hat 12 . Da etwaige Urheberrechte an den Goebbels-Tagebüchern nicht nur am Fundort, also im Ostsektor Berlins, sondern überall dort belegen sind, wo eine urheberrechtlich relevante Nutzung in Betracht kommt", sind sie außerhalb des Gebietes der späteren D D R von den dort stattgefundenen Beschlagnahme- und Einziehungsakten unberührt geblieben. Die gelegentlich erörterte Streitfrage, ob die Tagebücher etwa schon vor dem Tode Goebbels' von den Sowjets aufgefunden und beschlagnahmt worden sind 13 , kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, da die Eigentumslage an körperlichen Werkstücken für die urheberrechtliche Situation ohne Bedeutung ist, § 44 U r h G . Was die oben genannten Beschlagnahme- und Einziehungsvorschriften der Besatzungsmächte in den Westzonen angeht, so sind sie nicht etwa schon aufgrund des Artikel 1 des Deutschlandvertrages ( B G B l . II 1955, 305) erloschen. Vielmehr ergibt sich aus dessen Art. 8 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Überleitungsvertrages ( B G B l . II 1955, 405) und Art. 139 G G , daß ihre Aufhebung nur durch Gesetz möglich war, die im Falle der Rechtsvorschriften des Kontrollrats nach wie vor der Beteiligung der Alliierten bedarf (Art. 1 Abs. 1 Überleitungsvertrag). Grundlage aller das Vermögen von Nazigrößen betreffender Maßnahmen war das Militärregierungsgesetz Nr. 52. Es unterstellte bestimmte Vermögensmassen einer Sperre, deren Zweck aus dem Gesetz zwar selbst nicht hervorgeht, sich jedoch aufgrund des systematischen Zusammenhangs ergibt: Beschlagnahme, Kontrolle und Vermögenssperre waren als vorläufige Maßnahmen gedacht, um die betreffenden Vermögensmassen für die Interessen der Alliierten sicherzustellen; eine endgültige Regelung war jedoch nicht beabsichtigt, sollte vielmehr den Militärtribunalen oder Spruchkammern, erforderlichenfalls auch den rechtsetzenden Organen vorbehalten bleiben 14 . Das M R G N r . 52 ist in seinem Kernbestand 15 am 18. 9 . 1 9 4 4 (Tag der ersten Verkündung) wirksam geworden. Gleiches gilt für die Allgemeine
" Vgl. für das Urheberrecht: B G H Z 64, 183, 191 „August Vierzehn". 12 B G H Z 5, 35, 37 für Forderungen; B G H G R U R 1958, 490, 491 „ H e y n e m a n n " für Warenzeichen; B G H G R U R 1958, 189, 193 „ Z e i ß " für Warenzeichen und Firma. 13 Vgl. Elke Fröhlich, Joseph Goebbels und sein Tagebuch, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 35.Jahrgang (1987), S.489, 500. 14 Palandt/Gramm, 20. Aufl. (1961), Bern. 1 b zu M R G Nr. 52; Dölle/Zweigert, Gesetz Nr. 52 über Sperre und Beaufsichtigung von Vermögen, Stuttgart 1947, Rdn. 14 (S. 33 f). 15 Vgl. F n . 3 .
Die „Goebbels-Tagebücher" im Besatzungs-, Persönlichkeits- und Urheberrecht
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Anordnung Nr. 1. Dölle/Zweigert vertraten zwar die Ansicht, daß es jeweils durch Anschlag für jedes gerade von den Alliierten besetzte Gebiet verkündet worden sei16. Dieser Ansicht kann aber schon deshalb nicht gefolgt werden, weil nach Art. 9 des Gesetzes ausdrücklich der Tag der ersten Verkündung maßgeblich ist, ganz abgesehen von den tatsächlichen Schwierigkeiten, eine Verkündung durch Anschlag zuverlässig auf den Tag genau festzustellen. Damit unterlag Joseph Goebbels zur Zeit seines Selbstmords am 1.5.1945 bereits diesem Gesetz. Sein Nachlaß blieb auch in der Hand seiner Erben der Sperre unterworfen, unabhängig davon, ob diese selbst von dem Gesetz Nr. 52 betroffen waren; dieses Prinzip galt jedenfalls für die Erben eines „notorischen Nazi oder Kriegsverbrechers" 17 , was für Goebbels zumindest in der ersten Alternative zutraf. Da das M R G 52 nie aufgehoben wurde, ist es auch im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) noch in Kraft 18 . Im Uberleitungsvertrag ist es im dritten Teil (innere Rückerstattung) unter Art. 1 Buchstabe c ausdrücklich erwähnt; die dort bezeichneten Rechtsvorschriften bleiben nach Art. 3 Abs. 1 aufrechterhalten, „bis alle Verfahren über Ansprüche aufgrund dieser Vorschriften vollständig erledigt sind" (BGBl. II 1955, 405). Zwar ordnet Art. 1 Buchstaben a und b die Aufhebung bestimmter Vermögenssperren nach dem M R G Nr. 52 an, nämlich in solchen Fällen, wo noch eine Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte an Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung oder an Genossenschaften, Wohltätigkeitsorganisationen und andere demokratische Organisationen stattzufinden hat; aber diese Fälle treffen auf die Goebbels-Tagebücher offensichtlich nicht zu. Die Rechte aus den in Art. 1 des Uberleitungsvertrages aufgeführten Vorschriften, also auch aus dem M R G 52, gingen gemäß dessen Artikel 3 Abs. 2 und 4 Buchstabe a in Verbindung mit Art. 2 (dritter Teil) auf die zum Teil noch zu schaffenden Organe der Bundesrepublik über. Nähere Bestimmungen fehlen. Einzelne Bundesländer haben sodann im Rahmen der Abschlußgesetzgebung zur Entnazifizierung allgemeine Anordnungen über die Aufhebung von Vermögenssperren getroffen, so Bremen, Hamburg und Hessen und - für die Gruppen der Mitläufer und Entla-
Dölle/Zweigert (Fn. 14) Rdn.282 (S.338). Dölle/Zweigert (Fn. 14) Rdn. 140 (S. 160); Nehlert, Die Beschränkung der deutschen Gerichtsbarkeit durch die Gesetzgebung der Besatzungsmächte, insbesondere G. Nr. 2 und Nr. 52 und Befehl 124 nebst Ausführungsbestimmungen, Berlin 1948, S. 44 (Fn. 5 zu Art. I M R G 52). 18 Auch das BVerfG geht von der Weitergeltung der nicht formell aufgehobenen MRGe aus, vgl. zu Nr.53 BVerfGE 62, 169, 181 ff; 18, 353, 355ff; 15, 328, 349ff. 16 17
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steten - Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein 19 . Solche Aufhebungen können sich aber nur auf Sperren nach dem Befreiungsgesetz ausgewirkt haben, da Sperren nach dem M R G 52, falls für ihre Aufhebung überhaupt die Bundesländer zuständig waren, jedenfalls nur mit ausdrücklicher Ermächtigung der jeweiligen Besatzungsmacht hätten aufgehoben werden können. Der Umfang der Vermögenssperre nach dem M R G 52 ergibt sich aus der Legaldefinition des Begriffs „Vermögen" in Art. VII Nr. 9 c des Gesetzes: Vermögen bedeutet . . . alle Rechte und Interessen... Es schließt ein, ist aber nicht beschränkt auf . . . Patente, Gebrauchsmuster oder Lizenzen für deren Ausübung.
Schon wegen der offenen Fassung dieser Bestimmung, vor allem aber wegen der Nennung gleichartiger Immaterialgüterrechte, wird das Urheberrecht sicher zum Vermögen im Sinne des M R G 52 zu rechnen sein 20 . Fraglich kann nur sein, ob dies auch für das Erstveröffentlichungsrecht (vgl. § 1 2 U r h G ) als Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts gilt 2 '. Mit dem Prinzip der Unübertragbarkeit von Urheberpersönlichkeitsrechten wird sich insoweit freilich nichts ausrichten lassen, nachdem die Kontrollratsgesetze sogar Vorrang vor Grundrechten hatten 22 ; vielmehr ist der Zweck der Vermögenssperre maßgebend, und dieser war auf eine umfassende Kontrolle im Interesse der Alliierten gerichtet, die sich nur erreichen ließ, wenn nicht nur das aus dem Urheberrecht fließende Nutzungsrecht, sondern dieses in seiner Gesamtheit der Sperre unterworfen wurde 23 . Für eine solche Auslegung spricht auch die Fassung der sogenannten Einziehungsverordnung der Bayerischen Staatsregierung vom 2 3 . 1 1 . 1 9 4 8 (BayGVBl. 1948, 268), in deren § 2 4 A b s . 4 es heißt: Urheberrechte... sind der Wiedergutmachungsbehörde behufs Übertragung auf Wiedergutmachungsberechtigte gegen Gutschrift ihres nach den Verwertungsmöglichkeiten zu bestimmenden Wertes seitens der Stiftung anzubieten und im Falle der Ablehnung der Übernahme bestmöglich zu verwerten.
Das Vermögen von Joseph Goebbels, der Reichsminister war, ist gemäß II 2 der Allgemeinen Anordnung Nr. 1 in Verbindung mit Art. I " Vgl. Fürstenau, Entnazifizierung. Ein Kapitel deutscher Nachkriegspolitik, Neuwied-Berlin 1969, S. 238 ff; Bonner Kommentar -Jess, Anm. I V b zu Art. 139 G G . 20 Ebenso Dölle/Zweigert (Fn. 14) Rdn.25 (S.54) und Priese/Pokorny, Kommentar zum Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus, Frankfurt 1946, S. 272 (zu Art. 61). 21 Verneinend Dölle/Zweigert (Fn. 14) Rdn.25 (S.54); bejahend Sieger, Urheberrechte an bisher unveröffentlichten nachgelassenen Werken Adolf Hitlers. FuR 1983, 537, 538. 22 Vgl. Art. 139 G G und dazu Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 6. Aufl. München 1987, S. 76 f; Bonner Kommentar-/e5s, Anm. II 3 a zu Art. 139 G G . 23 Fn. 14.
Die „Goebbels-Tagebücher" im Besatzungs-, Persönlichkeits- und Urheberrecht
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§ 1 Abs. c und g des M R G 52 der von dem letzteren angeordneten Vermögenssperre unterworfen 24 . Niemand darf solches Vermögen einführen, erwerben, in Empfang nehmen, damit handeln, es verkaufen, vermieten, übertragen, ausführen, belasten oder sonstwie darüber verfügen, es zerstören oder den Besitz, die Verwahrung oder die Kontrolle darüber aufgeben. Dieses Verfügungs- und Aktionsverbot trat kraft Gesetzes und ohne einen zusätzlichen Beschlagnahmeakt ein 25 . Rechtsgeschäfte über Urheberrechte an Werken von Joseph Goebbels sind deshalb bis zur Genehmigung der zuständigen Behörden schwebend unwirksam; sie werden, je nachdem diese die Genehmigung erteilen oder versagen, rückwirkend wirksam oder nichtig 26 . Auch für einen zur Verwaltung von Vermögen, das dem M R G 52 unterliegt, eingesetzten Treuhänder gilt das Verfügungs- und Aktionsverbot (Art. III M R G 52). Anders als im übrigen Bundesgebiet besteht übrigens in Berlin mit der Alliierten Kommandantura noch eine Behörde, die für die Kontrolle von nach M R G 52 beschlagnahmtem Vermögen zuständig ist; hier haben sich die West-Alliierten in Art. 2 des Deutschland-Vertrages ihre bisherigen Rechte vorbehalten, und die Kommandantura setzt noch immer gelegentlich eigenes Recht mit Hilfe sogenannter B K O s (Berlin Kommandantura Orders). Die Fortdauer der Kontrolle über Vermögen, das dem M R G 52 unterliegt, ergibt sich im Umkehrschluß aus der Β K O (52) 24. Diese Order, die noch wirksam ist 27 , nimmt ausdrücklich auf das M R G 52 Bezug und überträgt die Durchführung seiner Bestimmungen hinsichtlich bestimmter Vermögenswerte, nämlich für die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen, dem Senat von Berlin. Da das Beschlagnahmevermögen von Goebbels nicht zu solchen Vermögenswerten gehört, ist es von der genannten B K O nicht betroffen und wird daher weiter von den Alliierten kontrolliert.
Dolle/Zweigert (Fn. 14) Rdn. 117 (S. 134). Palandt/Gramm (Fn. 14) Anm. 1 zu Art.I und zu Art. II MRG 52; Dölle/ Zweigert (Fn. 14) Rdn. 19 (S.48) und 128 (S. 158); Nehlen (Fn. 17) S.49, Fn. 15; Kleinrahm, Gesetz Nr. 2 und 52 in der gerichtlichen Praxis, Essen 1948, S. 17; Trojahn/Hintze, Beschäftigungsverbot, Vermögenssperre und Sühnemaßnahmen nach dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5.3.1946, Wiesbaden 1947, S. 24. M B G H LM Nr. 2 zu Art. II M R G 52 27 Sie wurde durch die B K O (55) 15 geändert, vgl. Höhn, Chronologisches Register zum Recht der Alliierten Kommandanturen in Berlin, Stand 30.6. 88, FU Berlin, FB Politische Wissenschaft, Occasional Papers Nr. 23, Berlin 1988, S. 77, 82. 24 25
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II. Persönlichkeitsrecht In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, daß schutzfähige Werte der Persönlichkeit über den Tod des ursprünglichen Rechtsträgers hinaus wirken28. Seit der „ M e p h i s t o " - E n t s c h e i d u n g des Bundesverfassungsgerichts wird der Schutz unmittelbar auf Art. 1 Abs. 1 G G gestützt, da das eigentliche Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) mit dem Tod des Rechtsträgers erlischt29. Allerdings wirkt nach dieser Entscheidung nicht das Persönlichkeitsrecht als ganzes nach, sondern nur einzelne seiner Ausstrahlungen30. Auch das allgemein-persönlichkeitsrechtliche Veröffentlichungsrecht gehört zum postmortal geschützten Bereich, wie der Bundesgerichtshof in der „Cosimo-Wagner "-Entscheidung anerkannt hat31. Dieser Entscheidung lag allerdings ein Tagebuch im engeren Sinne, nämlich ein solches zugrunde, das die innere Gedanken- und Gefühlswelt seiner Verfasserin widerspiegelte und damit der Intimsphäre, also dem inneren Kern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, zuzurechnen war32. Die Intimsphäre genießt absoluten Schutz und ist einer öffentlichen Darstellung grundsätzlich ganz verschlossen33. Dies trifft freilich nach Entstehungsgeschichte und Inhalt auf die „Tagebücher" des Joseph Goebbels nicht zu. Die eigene innere Gedanken- und Gefühlswelt diktiert man kaum beliebig wechselnden Sekretärinnen; sie läßt sich auch nicht durch ein stellvertretendes Diktat von Adjutanten zum Ausdruck bringen. Zudem erörtert Goebbels, wie die beigefügte Faksimile-Wiedergabe einer Seite aus seinem „Tagebuch" zeigt, Kriegsereignisse und politische Fragen. Eine persönliche Note haben dabei allenfalls die von ihm in diesem Zusammenhang geäußerten Ansichten. Aufklärung aus dem Bereich auch nur der privaten Lebensführung von Joseph Goebbels ist aus ihnen nicht zu gewinnen. Daran ändert die Tatsache nichts, daß die „Tagebücher" seinerzeit als vertrauliche oder sogar geheime Dokumente anzusehen gewesen sind. Das Interesse ihres Verfassers an ihrer Geheimhaltung leitete sich nicht aus der Wiederspiegelung seiner Persönlichkeit, sondern aus ihrer politischen Bedeutung zur damaligen Zeit her. Ein politisches oder staatliches
28 BVerfG NJW 1971, 1645 (1647) „Mephisto"; B G H Z 15, 249 (259) „Cosimo, Wagner"; 50, 133 (136) „Mephisto"; LG München UFITA 20 (1955 II), 230 (233) „von Witzlehen"; L G Berlin UFITA 34 (1961), 233 (236) „Renate Müller"·, LG Berlin UFITA 51 (1968), 394 (398) „Sauerbruch"; L G Berlin, G R U R 1980, 187 (188) „Der eiserne Gustav". Ώ AaO (Fn.28) S. 1647. 30 Vgl. auch B G H Z 50, 133 (136) „Mephisto". 31 B G H Z 15, 249 (259) „Cosima Wagner". 32 Vgl. Palandt/Thomas, 48. Aufl., §823 B G B Anm. 14 B, c. 33 Palandt/Thomas (Fn.32) §823 BGB Anm. 14 D, a.
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Interesse an der Geheimhaltung eines Schriftstücks ist aber - ähnlich wie das Geschäftsgeheimnis - nicht durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert, sondern durch Sonderregeln, insbesondere solche des Strafrechts; man denke etwa an die §§ 93 ff StGB für das Staatsgeheimnis. Ein staatliches Interesse an der Geheimhaltung der Goebbels-Tagebücher kann aber schon seit Kriegsende nicht mehr bestanden haben. Unabhängig vom Inhalt der Aufzeichnungen ist ihr Schutz gegen Veröffentlichung aber auch aus Gründen, die in der Person des Autors selbst liegen, beschränkt. Goebbels gehörte und gehört zu den Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte (vgl. § 2 3 Abs. 1 Nr. 1 K U G ) . Wer wegen eines politischen Einflusses im Rampenlicht der Öffentlichkeit gestanden hat oder steht, muß sich auch eine Beleuchtung seiner individuellen Äußerungen in der Öffentlichkeit gefallen lassen 34 . Zudem hatte Goebbels selbst die Veröffentlichung seiner Tagebücher 20 Jahre nach seinem Tod vorgesehen 35 . Gleichwohl noch immer geltend zu machende persönlichkeitsrechtliche Interessen der Angehörigen von Goebbels - nur diese kämen in Betracht, nicht seine davon etwa verschiedenen Erben, vgl. § 2 2 Satz 3 und 4 K U G - müßten freilich einem klar überwiegenden allgemeinen Interesse an der Veröffentlichung weichen 36 . Angesichts der Schlüsselrolle Goebbels' im Dritten Reich stellt eine Publikation seiner „Tagebücher" einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des Geschehens durch die historische Wissenschaft dar. Sie ist somit als einer der wenigen Ausnahmefälle zu betrachten, in denen auch die Vertreter eines strengen Persönlichkeitsrechtsschutzes die Zulässigkeit einer Veröffentlichung bejahen würden 37 , wobei freilich auch die Art der Publikation eine Rolle spielt: Das überwiegende Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist eher bei wissenschaftlich-kritischen Editionen zu bejahen, die keinerlei Auslassungen oder Hinzufügungen befürchten lassen, sondern auf Authentizität der Wiedergabe Wert legen 38 . Die Frage nach der Schutzdauer des postmortalen allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann bei diesem Ergebnis offenbleiben. Allerdings dürfte das vom Bundesgerichtshof für maßgebend erachtete Verblassen der Erinnerung der noch Lebenden an die Person des verstorbenen
34 Statt vieler: Harm Peter Westermann, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach dem Tode seines Trägers, F a m R Z 1969, 561, 569 mit weiteren Nachweisen. 35 Fröhlich (Fn. 13) S . 4 9 5 Fn. 18. 3 6 Vgl. schon B G H Z 15, 249, 251 „Cosima Wagner 37 Vgl. Wiese, Probleme bei der Edition von Briefen, in: Festschrift für Wilhelm Herschel, München 1982, S . 4 8 3 , 501. 38 Auslassungen oder Hinzufügungen würde die Rechtsprechung als unzulässig ansehen, vgl. B G H Z 13, 334, 339 „Hjalmar Schacht".
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Rechtsinhabers 39 45 Jahre nach dem Tode von Joseph Goebbels ohnehin eingetreten sein 40 .
III. Urheberrecht Vorab sei bemerkt, daß die diesem Beitrag beigegebene FaksimileWiedergabe einer Seite aus den „Tagebüchern" ein ausgesprochen typisches Beispiel für Diktion und Inhalt auch der übrigen Teile der „Tagebücher" ist; ebensogut hätte an ihre Stelle auch die Wiedergabe irgendeiner anderen beliebigen Seite treten können. Die „Tagebücher" des Joseph Goebbels fallen unter die Werkart der „Sprachwerke" im Sinne des §2 Abs. 1 Nr. 1 U r h G ; die von § 2 Abs. 2 U r h G geforderte persönliche geistige Schöpfung kann hier nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs in Inhalt, Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes liegen 41 . Die Literatur hält die Unterscheidung von Inhalt und Form zwar meist für überflüssig 42 , kommt aber letztlich zu keinen anderen Ergebnissen als Rechtsprechung. Mit Sprachwerken, die den vorliegenden Aufzeichnungen Goebbels vergleichbar wären, hat sich die Rechtsprechung bislang nicht auseinanderzusetzen gehabt. In der Art ihrer Erstellung und ihrer Orientierung am Tatgeschehen ähneln sie Tagebüchern und Briefen; in ihrem Inhalt, der sich überwiegend der Bewertung der außen- und innenpolitischen sowie der Kriegslage widmet, stehen sie politischen Kommentaren und (populär-)wissenschaftlichen Werken nahe. Der Maßstab, den die Rechtsprechung an die Schutzfähigkeit solcher Aufzeichnungen anlegt, ist eher streng. Schon das Reichsgericht macht darauf aufmerksam, daß die Frage, ob ein Schriftstück urheberrechtlichen Schutz verdiene, zu trennen sei von der Frage, ob es wegen des darin enthaltenen Tatsachenmaterials und wegen der Person des Verfassers allgemein interessant und literarisch verwertbar sei. Zu fragen sei vielmehr, ob es auch abgesehen davon und als Zeugnis eines beliebigen Verfassers originellen Gedankeninhalt oder künstlerische Formgebung
B G H Z 50, 133, 140 „Mephisto". Das L G Berlin hat bei 40 Jahren ( G R U R 1980, 187, 188 „Der eiserne Gustav"), ja sogar schon bei 22 Jahren das Erlöschen des postmortalen Persönlichkeitsrechts angenommen ( U F I T A 34 [1961] 233, 235 „Renate Müller"). 41 B G H G R U R 1981, 352 (353) » S t a a t s e x a m e n s a r b e i t s t d . Rspr., so bereits B G H G R U R 1961, 85 (87) „ P f i f f i k u s - D o s e " ; G R U R 1980, 227 (230) „Monumenta Germaniae Histórica"; G R U R 1981, 520 (521) „Fragensammlung". 42 Vgl. dazu Schricker/Loewenheim, § 2 R d n . 2 8 f mwN; grundlegend zu der Kritik an der Unterscheidung von Inhalt und Form vor allem Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980, S. 122. 39
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aufgrund der besonderen Anmut und Kraft des Stiles aufweise43. Im gleichen Sinne entschied das Reichsgericht, daß gewöhnliche Briefe, deren Inhalt sich im wesentlichen auf Mitteilungen, die Besprechung geschäftlicher Angelegenheiten oder dergleichen beschränke, keine Schriftwerke sein könnten. Auch vereinzelt eingeflochtenen Bemerkungen betrachtender Art könne kein Gewicht beigemessen werden 44 . Maßstab für das, was für Inhalt und Form als „gewöhnlich" anzusehen sei, sei die Gesellschaftsschicht des Verfassers45. Diese Kriterien wendet ein Urteil des Landgerichts Berlin insbesondere auf kommentierende und reflektierende Äußerungen über politisches Zeitgeschehen in einem Brief an (und erkennt ihnen Schutzfähigkeit zu)46. Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an ein Schriftwerk unlängst 47 wie folgt zusammengefaßt: Die Frage, ob ein Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemesse sich nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbestehenden Gestaltungen. Ließen sich bei einem solchen Vergleich schöpferische Eigenheiten feststellen, so seien diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordere ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials. Noch strengere Maßstäbe legt die Rechtsprechung bei Schriftwerken an, die einen wissenschaftlichen Gegenstand haben. Das wissenschaftliche Gedankengut eines Werkes (also die wissenschaftliche Lehre als solche) ist nicht Gegenstand des Urheberschutzes 48 . Schutzfähig ist dagegen die Eigentümlichkeit der schöpferischen Sammlung, Anordnung und Darbietung des dargestellten wissenschaftlichen Materials49. Keinen (Inhalts-) Schutz kann ferner beanspruchen, was Gemeingut ist oder sich tatsächlich ereignet hat50. Diese Kriterien werden von der Literatur weitgehend gebilligt51. Überprüft man die beigefügte Textprobe nach den vorstehend skizzierten Maßstäben, so ergibt sich folgendes Bild:
43
RGZ 69, 401 (404 f) „Friedrich-Nietzsche-Briefe". RGZ 41, 43 (49) »Richard-Wagner-Briefe". 45 BGHZ 31, 308 (311) „Alte Herren". « LG Berlin UFITA 56 (1970), 349 (352) „Alfred-Kerr-Briefe". 47 BGH GRUR 1986, 739 (740f) „Anwaltsschriftsatz". 48 BGH GRUR 1979, 464 (465) „Flughafenpläne". 49 BGH GRUR 1980, 227 (230) „Monumenta Germaniae Histórica"; GRUR 1981, 352 (353) „Staatsexamensarheit"; GRUR 1986, 739 (740) „Anwaltsschriftsatz". 50 BGHZ 9, 262 (268) „Lied der Wildhahn I"; ausdrücklich OLG München GRUR 1956, 432 (434) „Solange Du da bist"; OLG Celle GRUR 1961, 141 „La Chatte". 51 Fromm/Nordemann/Vinck §2 Rdn.25, 29f; SchrickerlLoewenheim §2 Rdn.55, 58; Huhmann (Fn.22) S.98f, 296; Schuhe S. 183 ff; Ulmer S. 137. 44
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Das Interesse an den Aufzeichnungen Joseph Goebbels' beruht in erster Linie auf ihrer Bedeutung als historische Quelle, nicht ihrer Form oder ihrem eigenschöpferischen Inhalt an sich. Hält man sich das vor Augen, so muß festgestellt werden, daß sich die Texte formal nicht von dem abheben, was von einem Akademiker als rein handwerkliche Tätigkeit erwartet werden kann. Dafür, daß die Aufzeichnungen ohne besondere Ansprüche an die Form geschaffen wurden, spricht indiziell schon der Herstellungsprozeß. Die Texte wurden diktiert und von einer Sekretärin geschrieben. Dabei kamen Tageseinträge von bis zu 62 Seiten zustande (allerdings mit der großen „Führertype" mit 45-50 Anschlägen pro Zeile und 14 Zeilen pro Seite). Allein die Menge des Stoffes verbot demnach - unter Berücksichtigung auch der sonstigen Aufgaben des Verfassers - eine individuelle Durcharbeitung. Unabhängig davon weist aber die äußere Form, im Sinne der am Ausdrucksmittel orientierten Gestaltung (beim Schriftwerk Satzbau und Wortwahl) 52 keinerlei individuelle Prägung auf. Dies zeigt sich schon daran, daß bei der Erstellung der Tagebücher wechselnde Adjutanten mitgewirkt haben, und zwar in dem Sinne, daß sie Teile selbständig diktiert oder geschrieben haben, ihr Anteil aber stilistisch nicht von dem Goebbels' zu scheiden ist. Angesichts der Tatsache, daß die Tagebucheinträge jeweils in einen rein berichtenden (mit der Darstellung der militärischen Lage) und einen kommentierenden Teil zerfallen, liegt es zwar nahe, ersteren den Adjutanten zuzuschreiben. In Wortwahl und Satzbau ist aber kein Unterschied festzustellen. Goebbels sind sogar immer wieder Stilfehler unterlaufen, auf der Beispielsseite gleich zwei: Immer noch fürchtet sich das englische Volk vor dem Einsatz neuer deutscher G e heimwaffen, die wie ein Alpdruck auf der britischen Öffentlichkeit lasten. (6.10.1944, S. 10 [Unsinnig bezogener Relativsatz: allenfalls die Bedrohung könnte wie ein Alpdruck auf der Bevölkerung lasten]). Anderserseits kann man feststellen, daß Frankreich immer mehr in die Linie des Bolschewismus hineinrutscht. (6.10.1944, S. lOf. [In eine Linie kann niemand hineinrutschen.])
Die äußere Form ist somit streckenweise sogar mangelhaft. Eine eigenschöpferische Prägung ist nicht zu erkennen. Die Gliederung, Einteilung und Anordnung des Stoffes (innere F o r m " ) besitzt ebenfalls keine individuelle Prägung. Die eben schon erwähnte Einteilung in berichtenden und kommentierenden Teil beruht 52 53
Hubmann (Fn. 22) S. 34. Im Sinne von Hubmann (Fn.22) S.34.
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offensichtlich auf der Arbeitsteilung zwischen Goebbels und seinem jeweiligen Adjutanten. Diese beiden geschlossenen Textblöcke stehen jeweils beziehungslos nebeneinander. Der kommentierende Teil läßt sich immer unabhängig von den Lageberichten verstehen und umgekehrt. Zwei solchermaßen voneinander unabhängige Texte können nicht in individueller Weise einander zugeordnet sein, da es nur zwei Ordnungsmöglichkeiten gibt, nämlich den Lagebericht an den Anfang oder ihn an das Ende zu setzen. Das beigegebene Textbeispiel läßt freilich seiner Kürze wegen nicht erkennen, daß auch die Sammlung und Anordnung des Stoffes nichts besonderes, über das handwerkliche Hinausgehendes aufweist: Ziemlich stereotyp wird stets zunächst die Lage an der Ostfront, dann die Lage an der Westfront dargestellt, jeweils von Norden nach Süden fortschreitend. Dem folgen Berichte über die Lage an den Mittelmeerfronten und am Schluß über die Luftangriffe der Alliierten. Auch in den jeweiligen kommentierenden Teilen der Aufzeichnungen läßt sich eine Sammlung und Anordnung von eigenschöpferischem Gehalt nicht ausmachen. Goebbels wechselt willkürlich und ohne innere Ordnung von einem Thema zum nächsten über. Ein gestalterischer Wille wird nirgends erkennbar. Es gibt auch immer wieder - möglicherweise bedingt durch Unterbrechungen, die die laufenden Dienstgeschäfte mit sich brachten ungewollte Wiederholungen einerseits und die getrennte Erörterung von zusammengehörigen Dingen andererseits. Die kommentierenden Äußerungen knüpfen stets an Einzelnachrichten an und bewerten diese stereotyp, fast propagandistisch, zugunsten der eigenen (nationalsozialistisch-deutschen) Position. Im folgenden sei dies mit einigen wenigen Beispielen aus den Tagebucheintragungen zu verschiedenen Daten belegt. Ein Beispiel aus der Eintragung vom 1 2 . 2 . 1 9 4 4 : Was die Invasion anlangt, so haben die Engländer und Amerikaner dafür auf dem englischen Mutterland etwa 800 000 Mann Truppen bereitstehen, allerdings einschließlich aller Hilfsvölker. Es sind sehr viele Tschechen, Polen und auch Juden dabei, Kanadier in großer Anzahl; Engländer selbst sind nur mit einer Zahl von 1 8 0 0 0 0 vertreten. (S. 6 f)
Der Kommentar dazu lautet: Sollten diese Unterlagen, die wir durch Vertrauensmänner bekommen, stimmen, so kann man der Invasion mit absoluter innerer Sicherheit entgegenschauen. Ich bin dann fest davon überzeugt, daß es uns gelingen wird, die Engländer und Amerikaner, wenn sie kommen sollten, in hohem Stil zurückzuwerfen. Man könnte jetzt fast schon wünschen, daß die Invasion möglichst bald stattfinden würde. (S. 7)
Ein Beispiel aus der Eintragung vom 6 . 1 0 . 1 9 4 4 : Die Feindseite ist sich immer noch nicht im klaren darüber, o b die Versteifung unseres Widerstandes im Westen von Dauer sein wird oder ob sie eine temporäre Erscheinung
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darstellt. Man sagt deshalb in maßgebenden englischen Blättern, daß die Entscheidung über einen kommenden Winterkrieg in ca. drei W o c h e n fallen werde. H i e r werde man Gewißheit darüber gewinnen, o b eine lange Pause in den Kampfhandlungen eintreten werde oder ob es doch noch möglich erscheine, bis zum Rhein und darüber hinaus vorzustoßen. D a ß die letzten Angriffshandlungen der Amerikaner im Räume von Aachen zu keinem Ergebnis geführt haben, hat L o n d o n und Washington sehr enttäuscht. M a n hatte sich mehr davon versprochen. ( S . 7 f )
Es handelt sich um die zusammenfassende Wiedergabe englischer Zeitungsmeldungen. Goebbels' Kommentar dazu lautet: Es ist natürlich ein Unfug, zu behaupten, daß das Wetter daran schuld sei. Das Wetter ist in den letzten Tagen so gut gewesen, daß die Engländer und Amerikaner ausgedehnte Terrorangriffe gegen das deutsche Hinterland machen konnten. Sie beschuldigten also das Wetter, ohne irgendeine Veranlassung dazu zu haben. (S. 8 f)
Ein weiteres Beispiel aus derselben Eintragung vom 6.10.1944: Meine Rede in Köln wird von der neutralen Presse außerordentlich stark hervorgehoben und behandelt, insbesondere auch in der spanischen. Eine Sensation stellt meine These dar: „Jedes Haus eine Festung!" Man bringt sie in Verbindung mit einem kürzlich im „Schwarzen K o r p s " erschienenen Artikel über den Partisanenkrieg und erwartet, daß die Partei zusammen mit der SS einen Guerillakrieg großen Stils, insbesondere im Westen, vorbereitet. (S. 9)
Die Aufnahme einer eigenen Rede in der neutralen Presse wird mit deren Schlußfolgerung resümiert, es sei ein Partisanenkrieg zu befürchten. Der Kommentar lautet: V o r einer solchen Möglichkeit haben vor allem die Engländer große Angst.
Der nächste Abschnitt derselben Eintragung lautet wie folgt: Aus dem außenpolitischen Lagebericht ist auch zu entnehmen, daß man in London jetzt stärker gegen Moskau eingestellt ist, als im vergangenen Jahr. Man sieht allerdings noch keine Anzeichen dafür, daß die Konfliktstoffe innerhalb der feindlichen Koalition zu zünden beginnen. I m m e r noch fürchtet sich das englische V o l k vor dem Einsatz neuer deutscher Geheimwaffen, die wie ein Alpdruck auf der britischen Öffentlichkeit lasten. (S. 10)
Abschließend noch ein Beispiel aus der Eintragung vom 6.12.1944: Aus verschiedenen Unterlagen ist zu schließen, daß die Feindseite im Westen jetzt doch unter einem erheblichen Material-, insbesondere Munitionsmangel leidet, ein Beweis dafür, daß sie nicht mehr aus dem Vollen schöpft, sondern zum großen Teil schon Vorräte aus den kommenden Monaten, zum Teil sogar schon aus dem März verbraucht. (S.7)
Der Kommentar dazu: Die Abnutzungsschlacht, die sie jetzt gegen unsere Verteidigungslinie durchführt, ist ein ausgesprochener Verzweiflungsakt. Sie will unter allen Umständen den Krieg noch vor Einbruch des neuen Jahres b e e n d e n . . . (Rest unleserlich, S. 7)
Dieses Grundmuster der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem ihm zur Verfügung stehenden Material prägt das Gesamtbild der Aufzeichnungen Goebbels'. Es fehlt völlig an einer übergreifenden analyti-
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sehen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen 54 . Die Aufzeichnungen erheben sich im Gegenteil nur ganz gering über die bloße Wiedergabe von Fakten, und wenn dies geschieht, so ist stets vorhersehbar, in welchem Tenor Goebbels die jeweiligen Fakten kommentieren wird. Dabei beharrt er bei ein und derselben Sichtweise: Die eigene Position wird nie in Zweifel gezogen. Statt dessen werden alle dem Gegner nachteiligen Entwicklungen hervorgehoben, die eigenen Verluste allenfalls schlicht festgestellt. Ein Zusammenhang, eine inhaltliche Perspektive, könnte sich möglicherweise in der Zusammenschau einer großen Zahl von Tagebucheintragungen zeigen, dies freilich nicht wegen einer übergreifenden Komposition, die nicht existiert, sondern aufgrund der geschichtlichen Vorgänge, die aus ihnen ablesbar werden. Solche jedoch können Joseph Goebbels nicht als persönliche geistige Schöpfung zugerechnet werden. Die „Tagebücher" von Joseph Goebbels sind also der wissenschaftlich-kritischen Edition frei zugänglich, da sie weder einen Schutz aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht noch einen solchen aus dem Urheberrecht genießen und demnach auch keinen Vermögenswert darstellen, der dem Nachlaß ihres Verfassers zuzurechnen wäre und damit einer Vermögenssperre nach dem M R G 52 unterläge.
die Entscheidung über einen kommenden Winterkrieg in ca. drei W o c h e n fallen werde. Hier werde man Gewißheit darüber gewinnen, o b eine lange Pause in den Kampfhandlungen eintreten werde oder ob es doch noch möglich erscheine, bis zum Rhein und darüber hinaus vorzustoßen. D a ß die letzten Angriffshandlungen der Amerikaner im Räume von Aachen zu keinem Ergebnis geführt haben, hat in London und Washington sehr enttäuscht. Man hatte sich mehr davon versprochen. E s ist natürlich ein Unfug, zu behaupten, daß das Wetter daran schuld sei. Das Wetter ist in den letzten Tagen so gut gewesen, daß die Engländer und Amerikaner ausgedehnte Terrorangriffe in das deutsche Hinterland machen konnten. Sie beschuldigen also das Wetter, ohne irgend eine Veranlassung dazu zu haben. Meine Rede in Köln wird in der neutralen Presse außerordentlich stark hervorgehoben und behandelt, insbesondere auch in der spanischen. Eine Sensation stellt meine These dar: „Jedes Haus eine F e s t u n g ! " Man bringt sie in Verbindung mit einem kürzlich im „Schwarzen K o r p s " erschienenen Artikel über den Partisanenkrieg und erwartet, daß die Partei zusammen mit der SS einen Guerillakrieg großen Stils, insbesondere im Westen, vorbereitet. V o r einer solchen Möglichkeit haben vor allem die Engländer große Angst. Aus dem außenpolitischen Lagebericht ist auch zu entnehmen, daß man in London jetzt stärker gegen Moskau eingestellt ist als im vergangenen Jahr. Man sieht allerdings noch keine Anzeichen dafür, daß die Konfliktstoffe innerhalb der feindlichen Koalition zu zünden beginnen. Immer noch fürchtet sich das englische V o l k vor dem Einsatz neuer deutscher Geheimwaffen, die wie ein Alpdruck auf der britischen Öffentlichkeit liegen.
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Darauf stellt zu Recht L G Berlin aaO (Fn. 4 6 ) „ A l f r e d - K e r r - B r i e f e " ab.
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Wilhelm Nordemann Aus Frankreich wird berichtet, daß dort in großem Umfang der „weiße Maquis" in Tätigkeit getreten sei. Die Collaborationisten werden ja auch durch die Hinrichtungen am laufenden Band zur Verzweiflung getrieben. Andererseits kann man feststellen, daß Frankreich immer mehr in die Linie des Bolschewismus hineinrutscht. Pétain hat zum ersten Mal in einer Unterredung unter vier Augen zum Ausdruck gebracht, daß er sich immer noch als Staatschef fühle und demnächst auch wieder seine Funktionen aufnehmen werde. Der spanische Parteiminister Arrese hat unserem Botschafter mitgeteilt, daß Spanien seine bisherige Außenpolitik weiter betreiben wolle, ohne Rücksicht auf die militärische Lage. Das allerdings ist zu schön, um wahr zu sein. Aus Italien wird über ein zunehmendes Chaos berichtet. In Bulgarien haben auch antibolschewistische Partisanen das Wort ergriffen, die den Sowjets außerordentlich viel zu schaffen machen.
Die geschäftliche Verleumdung nach § 15 U W G G E R D PFEIFFER
I. Vorbemerkung Ein Unternehmen ist gegen das Verbreiten unwahrer Behauptungen besonders empfindlich. Das Vertrauen, das es bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern usw. genießt und ohne das es nicht bestehen kann, wird dadurch sehr leicht beeinträchtigt und oft zerstört 1 . Die gesetzlichen Regelungen gegen Geschäftsehrverletzungen stoßen aber immer wieder an das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG, das für die Auslegung aller Gesetze maßgebend ist2. Art. 5 GG und auch der freie Wettbewerb fordern, daß jedermann, insbesondere die Medien, wahre Tatsachen auch über Unternehmen, ihre Waren, Leistungen ungehindert mitteilen und sonstwie verbreiten dürfen. Im wirtschaftlichen Bereich sind ebenfalls die Grenzen zulässiger Meinungsäußerungen im Konflikt mit Rechten und Interessen Betroffener weit zu ziehen. Die Grenze zwischen den grundrechtlich geschützten Bereichen der Handlungs- und der Meinungsfreiheit läßt sich im Konfliktsfall nur auf Grund einer Interessenabwägung ziehen3. Die gesetzlichen Regelungen sind schwer zu überschauen. Zu unterscheiden sind die Vorschriften, die ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs voraussetzen, wie § 14 UWG (Anschwärzung) sowie § 1 UWG (Generalklausel), und die Vorschriften, die keinen Wettbewerb erfordern. Es sind dies §823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff StGB, § 824 BGB (Kredit- und Erwerbsschädigung), § 826 BGB (vorsätzlich sittenwidrige Schadenszufügung) und § 823 Abs. 1 BGB, der das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am Unternehmen schützt 4 sowie § 15 UWG (Geschäftliche Verleumdung).
1 Rittner, Einführung in das Wettbewerbs- und Kartellrecht, 2. Aufl., Heidelberg 1985, S. 74. 2 BVerfGE 7, 198, 208; B G H Z 45, 296, 308; s. auch II. 3 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 15. Aufl., München 1988, U W G vor §14, 15 Rdn. 1; s. auch II. 4 Baumbach/Hefermehl (Fn.3) U W G vor 14, 15 Rdn. 2; s. auch II.
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Gerd Pfeiffer
II. Allgemeines § 1 4 U W G (Anschwärzung) und § 1 5 (Geschäftliche Verleumdung) schützen das Unternehmen gegen unwahre Tatsachenbehauptungen. Von diesen sind Werturteile, also bloße Meinungsäußerungen zu unterscheiden 5 . Für die Unterscheidung zwischen Tatsachen und Werturteile kommt es darauf an, ob der Gehalt der Äußerung einer objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht. Die Frage der Wahrheit oder der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung - im Einzelfall zumeist ein Beweisproblem — steht infolgedessen im Mittelpunkt der beiden Vorschriften (vgl. V. 1). Die privatrechtliche Bestimmung des § 14 Abs. 1 U W G löst sie anders als die Strafvorschrift des § 15 U W G . Während nach § 15 U W G dem Täter die Unwahrheit nachgewiesen werden und er zudem noch „wider besseres Wissen" gehandelt haben muß, fällt nach § 14 U W G dem Mitteilenden die Beweislast zu. Gelingt ihm der Beweis nicht, dann haftet er aus dem Umstand des Behauptens und Verbreitens; ein Verschulden wird nicht vorausgesetzt 6 . Im Gegensatz zu der zivilrechtlichen Regelung des § 14 U W G setzt die Strafvorschrift des § 15 U W G kein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs voraus, wohl aber - als betriebsbezogene Parallelvorschrift zu § 1 8 7 StGB - unwahre Behauptungen über geschäftliche Verhältnisse mit der Eignung zur Betriebsschädigung. Im Ergebnis ohne praktische Bedeutung ist die Beschränkung des Tatbestandes des § 15 Abs. 1 U W G auf die Eignung zur Betriebsschädigung, da die - in § 14 Abs. 1 U W G daneben genannte - Kreditschädigung regelmäßig auch eine Betriebsschädigung darstellt 7 . Die heutige Fassung des § 15 U W G ist seit Erlaß des Gesetzes im Jahre 1909 im wesentlichen nicht geändert worden. Durch Art. 4 und 5 Abs. 4 des 1. Strafrechtsreformgesetzes vom 2 5 . 6 . 1 9 6 9 (BGBl. I S. 645) und Art. 139 E G S t G B vom 2 . 3 . 1 9 7 4 (BGBl. I S.469) ist §15 U W G in seinen Straffolgen der Strafrechtsreform angepaßt worden. Der materielle Tatbestand ist unberührt geblieben 8 . § 15 U W G ist eine Vorschrift, die als allgemeines Gesetz die Grundrechte der freien Meinungsäußerung, der Presse-, Funk- und Filmfreiheit (Art. 5 Abs. 1 G G ) zulässig nach Art. 5 Abs. 2 G G einschränkt. Sie ist aber verfassungskonform, d. h. unter Berücksichtigung der Wertvor-
Rittner (Fn. 1) S.74. Rittner (Fn. 1) S. 74. 7 v.Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Erster Halbband, Köln-Berlin-Bonn-München 1987, Kap. 49 Rdn.33. 8 Fuhrmann in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd. 3, Kommentar, Loseblattausgabe, München, § 15 UWG Anm. 1 a; v. Gamm (Fn. 7) Kap. 49 Rdn. 32. 5
Die geschäftliche Verleumdung nach § 15 U W G
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Stellungen des Grundgesetzes, auszulegen 9 . Stoßen dabei verfassungsrechtliche Grund- und Freiheitsrechte aufeinander, so bedarf es einer Güter- und Interessenabwägung die sich jeweils auf den konkreten Einzelfall beziehen muß. Auch die Massenmedien unterliegen dem Wettbewerbsrecht. Sie besitzen insoweit keine Sonderstellung 10 .
III. Rechtsgut § 1 5 U W G dient gemeinsam mit § 1 4 U W G dem Schutz der Wirtschaft vor geschäftsschädigenden Behauptungen. Durch diese beiden Vorschriften soll bei der Kritik fremder Leistungen sichergestellt werden, daß sie nicht durch Unwahrheit, Lüge und Schwindel verfremdet und dadurch unlauter wird". Die §§ 14, 15 U W G sind den §§ 186, 187 S t G B nachgebildet worden. Während die Bestimmungen des S t G B jedoch Schutz vor allen ehrverletzenden tatsächlichen Behauptungen gewähren, geht es bei diesen Vorschriften des U W G nur um den wirtschaftlichen Ruf eines geschäftlichen Betriebes, seines Inhabers oder Leiters sowie der von ihm angebotenen Waren oder gewerblichen Leistungen. Während § 14 U W G die Fälle der üblen Nachrede ( § 1 8 6 S t G B ) erfaßt, fallen unter § 15 U W G die schwerwiegenden Fälle der wirtschaftlich relevanten Verleumdung ( § 1 8 7 StGB) 1 2 . § 1 5 U W G unterscheidet sich von § 187 S t G B dadurch, daß er auf die gewerbliche Verleumdung beschränkt ist und ferner keine Herabwürdigung in der öffentlichen Meinung verlangt. So kann eine Tatschenbehauptung die Ehre unangetastet lassen und trotzdem auf das Geschäft vernichtend einwirken, ζ. B. die Behauptung, die beste Ware des Geschäfts sei verbrannt oder verdorben. § 187 StGB umfaßt die Straftat des § 15 U W G nicht allseitig und schützt nicht dasselbe Rechtsgut. § 1 8 7 S t G B schützt die Ehre, § 1 5 U W G den Betrieb 13 .
IV. Täter Täter ist derjenige, der die betriebsgefährdende Behauptung aufstellt oder verbreitet hat, auch wenn er kein Mitbewerber, ja selbst kein Geschäftsmann ist 14 . Auch wer stillschweigend duldet, daß ein anderer » BVerfGE 7, 198, 209; 20, 162, 176; B G H Z 50, 1, 5; s. auch I. Fuhrmann (Fn. 8) § 15 U W G Anm. 1 b; s. auch I. " RGSt. 44, 158, 159; Fuhrmann (Fn. 8) § 15 U W G Anm. 1 a. 12 Fuhrmann (Fn. 8) § 15 U W G Anm. 1 a. 13 Baumbach/Hefermehl (Fn. 3) § 15 Rdn. 1; Lackner, StGB, 18. Aufl., München 1989, Vor §185 Anm. 1. 14 Rosenthal/Leffmann, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Kommentar, 9. Aufl., Berlin und Frankfurt 1969, § 15 U W G Rdn. 2; Baumbach/H efermehl (Fn. 3) § 15 10
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gegen § 15 U W G verstößt, kann je nach seiner Willensrichtung Mittäter oder Gehilfe sein, wenn er zur Verhinderung dieser Tat - durch Widerspruch - verpflichtet ist. Voraussetzung dafür ist aber eine Garantenstellung (§ 13 StGB) 1 5 .
V. Äußerer Tatbestand Es muß der Wahrheit zuwider eine zur Geschäftsschädigung geeignete Tatsache über ein Erwerbsgeschäft, über die Person des Inhabers oder Leiters, über fremde Waren oder gewerbliche Leistungen behauptet oder verbreitet worden sein. 1. Tatsachen sind gegenwärtige oder vergangene Verhältnisse, Zustände oder Geschehnisse 16 , die objektiv nachprüfbar sind17 und daher dem Beweis zugänglich sind 18 ; dagegen grundsätzlich keine Ereignisse, die in der Zukunft liegen 19 , wie ζ. B. die künftige Zahlungsunfähigkeit 20 . Die Voraussage eines künftigen Ereignisses stellt sich als Vorbringen einer Tatsache nur dann dar, wenn sie erkennbar aus einem Ereignis der Vergangenheit hergeleitet wird, daß das angekündigte Geschehen hervorzurufen geeignet ist 21 . Auch innere Vorgänge und Zustände (Beweggründe, Zwecke, Charaktereigenschaften) können unter den Begriff der Tatsache fallen, wenn sie zu bestimmten äußeren Geschehnissen, durch die sie in das Gebiet des Wahrnehmens getreten sind, in erkennbare Beziehungen gesetzt werden. Es ist deshalb auch möglich, daß ein bestimmter Charakterzug oder eine innere Haltung als so unmittelbar hingestellt werden, zumal in Anknüpfung an äußere Tatsachen, daß die Behauptung einer dem Beweis zugängliche Tatsache vorliegt 22 . Im Gegensatz zu Tatsachen stehen Werturteile, die bloße Meinungen ausdrücken, ohne daß sie durch Tatsachen belegt werden 23 . Sie fallen nicht
UWG Rdn. 6; von Godin, Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., Berlin - New York 1974, § 15 UWG Anm. 4. 15 Fuhrmann (Fn. 3) § 15 UWG Anm. 7. 16 BGH bei Daliinger MDR 1973, 18; O L G Koblenz NJW 1976, 63; Fuhrmann (Fn. 8) §15 UWG Anm. 2 a. 17 BGHZ 3, 270, 273; Fuhrmann (Fn. 8) § 15 UWG Anm. 2 a. 18 RGSt. 55, 129, 131; Lackner (Fn. 13) §186 Anm. 3. " RGSt. 3, 332. 20 Fuhrmann (Fn. 8) §15 Anm. 2 a. 21 BGH bei Daliinger MDR 1952, 408; Pfeiffer/Maul/Schulte, Strafgesetzbuch, Kommentar an Hand der Rechtsprechung des BGH, Essen 1969, §186 Rdn. 2. 22 BGH bei Daliinger MDR 1951, 404; Pfeiffer/Maul/Schulte (Fn.21) §186 Rdn.2. 23 RGSt. 22, 158, 159; Fuhrmann (Fn. 8) §15 UWG Anm. 2 a; Dreher/Tröndle, StGB, 44. Aufl., München 1988, § 186 Rdn. 2 A.
Die geschäftliche Verleumdung nach § 15 U W G
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unter §15 UWG (vgl. auch II.). Die Grenze zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung ist flüssig 24 und Sache der tatsächlichen Feststellungen im Einzelfall, d. h. des Tatrichters im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung 25 . Ergibt die Gesamtwürdigung der Äußerung des Täters, daß es ihm im wesentlichen darauf ankam, ein Werturteil auszusprechen, während das tatsächliche Vorbringen nur dazu diente, dieses Werturteil zu erläutern, zu begründen oder zu bekräftigen, so ist nach h. M. für die Anwendung der §§186, 187 a StGB kein Raum 26 und damit auch nicht für § 15 UWG. In der Rechtsprechung sind u. a. als Tatsachenbehauptung angenommen worden 27 : Eine Ware sei wertlos (RG GRUR 1921, 68); eine Ware sei verdorben (RGSt. 31, 63); ein Mitbewerber habe Konkurs gemacht (RGSt. 31, 84); der Kokurrent kommt in diesem Jahr nicht mehr in den Ort (RGSt. 44, 158); die Firma M. hat noch erhebliche Schulden (BGH GRUR 1962, 382); die Teppichmaschine, die jeden Teppich zerpflückt (BGH N J W 1966, 2010). 2. Der Täter muß die Tatsache der Wahrheit zuwider behaupten oder verbreiten. Die Tatsache muß objektiv unwahr sein. Das muß dem Täter nachgewiesen werden 28 . 3. Behaupten heißt, eine Tatsache als nach eigener Uberzeugung wahr hinstellen, selbst wenn man sie nur von dritter Seite erfahren und nicht selbst gemacht hat29. Es ist nicht erforderlich, daß der Täter die Richtigkeit der Tatsache in bestimmter Form versichert und sich für sie verbürgt. Wesentlich ist, daß er sich mit der von ihm geäußerten Tatsache identifiziert und dabei zu erkennen gibt, daß er an ihre Richtigkeit glaubt. Es genügt, wenn die Tatsache in versteckter Form oder in ausgeklügelter Wendung vorgetragen wird 30 , oder wenn der Täter sie lediglich in Form bloßer Vermutungen oder eines Verdachts mitteilt, sie in Form einer Frage kleidet 31 . Die Zufügung einschränkender Zusätze (ζ. B. „wie ich glaube" oder „wahrscheinlich") nimmt der geäußerten
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Otto JR 1983, 5; Geppert Jura 1983, 541; Dreher/Tröndle (Fn.23) § 186 Rdn.2. RGSt. 64, 12; 67, 269; BGHSt. 6, 159, 162; O L G Celle N J W 1988, 353; Fuhrmann (Fn. 8) § 1 5 A n m . 2 a ; Dreher/Tröndle (Fn.23) § 1 8 6 Rdn.2. 26 BGH N J W 1955, 3 1 1 ; Pfeiffer/Maul/Schulte (Fn.21) Rdn.3. 17 Fuhrmann (Fn. 8) § 1 5 U W G A n m . 2 a ; RGSt. 31, 63, 65 mit weiteren Beispielen. 28 Fuhrmann (Fn. 8) § 15 U W G Anm. 2 b; von Godin (Fn. 14) § 15 U W G Anm. 2. 29 RGSt. 38, 368; Dreher/Tröndle (Fn.23) § 1 8 6 Rdn.6; Lackner (Fn. 13) § 1 8 6 Anm. 5. 30 RGSt. 67, 268, 270; Fuhrmann (Fn. 8) § 15 U W G Anm. 2 c. 31 RGSt. 38, 368; 60, 373, 374; O L G Hamm N J W 1971, 853; Fuhrmann (Fn. 8) § 15 U W G Anm. 2 c. 25
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Tatsache nicht den Charakter der Tatsachenbehauptung. Es kommt jeweils auf den objektiven Sinn der Äußerung an32. 4. Verbreiten heißt eine Tatsache mitteilen, und zwar als von anderer Seite gehört, nicht als Gegenstand eigener Uberzeugung 33 . Gleichgültig ist es, in welcher Form die Mitteilung gemacht wird. Sie kann mündlich, schriftlich, schlüssig oder in der verklausulierten Form gemacht werden, in der auch Tatsachen behauptet werden können 34 (s. auch V. 3.). Eine öffentliche Mitteilung ist nicht erforderlich; eine solche an einen einzelnen ist ausreichend, und zwar auch dann, wenn sie nicht weitergegeben werden soll35. Kennt der Empfänger die mitgeteilte Tatsache bereits, so liegt kein Verbreiten vor, es sei denn, daß der Dritte mit Wissen des Täters in seinem Glauben an das Gehörte bestärkt wird 36 . Es genügt auch, wenn der Täter die Tatsache nur als Gerücht verbreitet 37 , auch dann, wenn er die Richtigkeit des Gerüchts bezweifelt 38 . Wer dem durch ihn mitgeteiltem Gerücht ernstlich entgegentritt, wird in der Regel nicht rechtswidrig handeln 39 . Dies gilt vor allem dann, wenn die Presse, um die Öffentlichkeit angemessen unterrichten zu können, Gerüchte mitteilt, die sie als falsch bezeichnet 40 . 5. Der Begriff Erwerbsgeschäft eines anderen ist dem geschäftlichen Betrieb oder dem Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 12, 17 U W G gleichzusetzen. Er umfaßt jede auf Dauer angelegte Unternehmung, die außerhalb des privaten Bereichs ihre wesensgemäße Aufgabe dadurch vollzieht, daß sie durch Austausch von Leistung und Gegenleistung am Wirtschaftsleben teilnimmt 41 . 6. Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts. Hier müssen sich die unwahren Äußerungen auf die Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts beziehen. In Betracht kommen nicht nur Angriffe auf seine Tätigkeit im Geschäftsleben, sondern auch auf sein privates Verhalten.
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RGSt. 60, 373; 63, 112; OLG Köln NJW 1962, 1121; Fuhrmann (Fn.8) §15 U W G Anm. 2 c; Dreher/Tröndle (Fn.23) §186 Rdn.6. 33 RGSt. 38, 368; Dreher/Tröndle (Fn.23) §186 Rdn.7. 34 Fuhrmann (Fn.8) §15 U W G Anm.2d. 35 RGSt. 55, 276, 277; Fuhrmann (Fn. 87 §15 U W G Anm. 2d; Dreher/Tröndle (Fn. 23) § 186 Rdn. 7; Lackner (Fn. 13) § 186 Anm. 5. 3