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German Pages [364] Year 1984
RICHARD GEORG PLASCHKA MATROSEN • OFFIZIERE • REBELLEN KRISENKONFRONTATIONEN ZUR SEE 1900-1918 I
VERÖFFENTLICHUNGEN DES ÖSTERREICHISCHEN OST- UND SÜDOSTEUROPA-INSTITUTS Band XII HERAUSGEGEBEN VON RICHARD GEORG PLASCHKA GESAMTREDAKTION DER REIHE: KARLHEINZ MACK
R I C H A R D GEORG PLASCHKA
MATROSEN OFFIZIERE REBELLEN KRISENKONFRONTATIONEN ZUR SEE 1900-1918 TAKU • TSUSHIMA • CORONEL/FALKLAND POTEMKIN" • WILHELMSHAVEN • CATTARO
I. BAND Faktoren der Expansion
1984
HERMANN BÖHLAUS NACHF.
WIEN - KÖLN - GRAZ
Gedruckt mit Unterstützung durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und die Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Plaschka, Richard Georg: Matrosen, Offiziere, Rebellen: Krisenkonfrontationen zur See ; 1 9 0 0 - 1 9 1 8 ; Taku, Tsushima, Coronel-Falkland, „Potemkin", Wilhelmshaven, Cattaro / Richard Georg Plaschka. - Wien ; Köln ; Graz : Böhlau, Bd. 1 Faktoren der Expansion - 1984. (Veröffentlichungen des österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts ; Bd. 12) ISBN 3-205-08098-X NE: österreichisches Ost- und Südosteuropa-Institut [Wien] : Veröffentlichung des österreichischen Ost- und SüdosteuropaInstituts.
Alle Rechte vorbehalten ISBN 3-205-08098-X Copyright © 1984 by Hermann Böhlaus Nachf. Gesellschaft m.b.H., Graz - Wien Satz: Fotosatz Rizner, Salzburg. Druck: StiepandruckgesmbH., 2544 Leobersdorf
INHALT
I. Band: Faktoren der Expansion
Vorwort Einleitung
I.
7 13
1. „Hochstraße des Erdballs" 2. Die Stunde der Kriegsflotten 3. Die Entwicklung des 19. Jahrhunderts: Antrieb, Geschoß und Panzerung 4. Die Front der Großkampfschiffe
24 35
Taku
47
A. Vis-à-vis dem Aufruhr gegen die „fremden Teufel" 1. Struktur und Herausforderung der Boxerbewegung 2. Religiöse und wirtschaftliche Einbruchzonen 3. Die Herrscherin in der verbotenen Stadt
47 47 57 62
B. Die Flotte als Interventionsbasis 1. Wachdetachements für die Gesandtschaften 2. Durchbruchsversuch in die Hauptstadt 3. „Kein einziger der .himmlischen S o l d a t e n ' e n t k a m . . . " 4. Ultimatum vor Taku: „Der letzte Termin für ihre Übergabe..."
71 71 74 83 89
C. „Wann immer Du einen Fremden triffst, erschlage i h n . . . " 1. En Hai: „Ich schoß den ersten S c h u ß . . . " 2. Kämpfe in Tientsin und Peking 3. Um Eingrenzung der Interventionsvorhaben 4. Im Zeichen von Ausrottung und Befreiung
13 20
98 98 102 108 113
4
II.
Inhalt D. „Pardon wird nicht gegeben..." 1. Großaufmarsch der Mächte 2. Gegen Pei-t'ang und Shan-hai-kuan 3. Paraden, Plünderungen, Rivalitäten 4. „ . . . kein heiliger K r i e g . . . "
121 121 128 132 141
Tsushima
145
A. Aufbruch an der Ostsee 1. „ Z d r a v i j a M a e m , Va5e Imperatorskoe Velicestvo!" 2. Um Schiffe und Besatzungen 3 à l'Extrême-Orient"
145 145 151 163
B. Marsch der Verfemten 1. „Geschwader des tollen Hundes" 2. Von Tanger zur Lüderitzbucht 3. Um das Kap der Guten Hoffnung nach Sainte-Marie
170 170 177 186
C. Vor Madagaskar 1. Im Treibhausklima von Nossi-Bé 2. Um Disziplin und Gefechtsbereitschaft 3. Im Kreuzfeuer der Kritik: der Admirai 4. Um Kohle und Strategie
196 196 201 209 215
D. Vor der Küste Annams 1. Über den Indischen Ozean 2. „Überall jagt man uns fort" 3. Die Ankunft des III. Geschwaders und die Anfahrt Richtung Tsushima
227 227 233
E. Die Schlacht 1. „Am heutigen hohen Feiertage der heiligen Krönung Ihrer Majestäten..." 2. „Haufen aus Fleischfetzen und Knochen" 3. Zersprengt, kapituliert, versenkt 4. Gericht und Untersuchungskommission in St. Petersburg 5. Admirai im Zwielicht
251
III. Coronel und Falkland 1. 2. 3. 4.
Maritime Präsenz Operationsfeld Pazifik „Mit Gottes Hilfe ein schöner Sieg" „It was magnificent"
Anmerkungen zum Band I
242
251 261 269 278 286 297 297 303 310 320 333
Inhalt
5
II. Band: Keimzellen der Revolution
I.
II.
„Potemkin"
9
A. Unter den Vorzeichen des Widerstands 1. Paraden und Tumult 2. Agitationsherd Sevastopol' 3. Impulse aus Sankt Petersburg 4. Tanz auf dem Vulkan
9 9 13 19 30
B. Die Revolte in der Tendra-Bucht 1. Schiffe, Stände, Konfrontationen 2. Die Fleischstücke auf dem Aufbaudeck 3. „Schlagt die Drachen! Schlagt die Parasiten!"
36 36 45 51
C. Auf der Reede von Odessa 1. „Vor Euch liegt der Leichnam eines brutal getöteten Matrosen..." 2. Das Massaker auf der Richelieutreppe 3. Zweimal Demonstration - Begräbnis und Beschuß 4. Aug in Aug mit dem Geschwader 5. Irrfahrt im Schwarzen Meer
57 57 63 70 75 82
Wilhelmshaven
91
A. Die Herausforderung der ersten Kriegsmonate 1. Formen und Traditionen - Flottenbesuch in Kiel 2. Erste Krisen zwischen Back und Messe 3. „Sieh dich vor, John Bull..."
91 91 97 105
B. Das Erlebnis der Schlacht 1. „.. .the Huns were in sight..." 2. Aufeinanderprall und „Crossing the T" 3. „Schlachtkreuzer ran an den Feind, voll einsetzen!" 4. Rechnung und Gegenrechnung
110 110 119 124 130
C. Der Durchbruch zum Aufbegehren 1. „ . . . wird die Saat des Hasses in die Halme schießen..." 2. Politik, Partei, Protestaktionen 3. Der Lostag der „Prinzregent Luitpold"
135 135 140 146
6
Inhalt
III. Cattaro
155
A. Das Geschwader im Süden 1. Generalstreik 2. In Reservestellung 3. Klagen und Anklagen 4. Gegenklagen und Kriegsartikel
155 155 158 161 167
B. Die Ordnung zerbirst 1. Der Fall des Flaggenschiffs 2. „Gäa" und „Kaiser Karl VI." 3. „.Helgoland' naprijed!" 4. Die Entwicklung auf den Zerstörern und Torpedobooten 5. Die Forderungen
174 174 178 182 187 192
C. An den Dämmen der Disziplin 1. „Helgoland" und „Novara": Noch führen Offiziere 2. „Versteht Mannszucht e i n z u f ü h r e n . . . " 3. Ultimatum des KHK 4. „La bandiera rossa trionferà!"
198 198 205 211 218
D. Die Krisis 1. „Kronprinz Erzherzog Rudolph" unter Beschuß 2. Der Seefähnrich 3. „Novara" bricht aus 4. „ . . . ein Glas Wein a conto der Freiheit!"
227 227 232 235 244
E. „Bei jeder Revolution muß Blut f l i e ß e n . . . " 1. Letztes Aufbäumen 2. „Falls bis morgen 3. II. 10h v o r m . . . . " 3. Die Revolte erstickt 4. „Im Namen Seiner M a j e s t ä t . . . "
250 250 255 261 269
Nachwort
279
Anmerkungen zum Band II
295
Anhang 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Schiffsskizzen Schiffsstände Rangbezeichnungen der Seeoffiziere Quellen- und Literaturverzeichnis Bild- und Lageskizzennachweis Personenregister
337 346 354 355 379 385
VORWORT Sie gingen Anker auf, durchfurchten die See, zogen vor ferne, fremde Küsten, forderten, wurden gefordert, zeigten Flagge, schössen Salut und schössen Wirkungsfeuer - Avantgarde der Macht und, Dämme brechend in Matrosenrevolten, Avantgarde der Gegenbewegung zugleich: Panzerschiffe und Kreuzer der europäischen Mächte im Golf von Chih-li vor Taku, Landungseinheiten im Vormarsch auf P e k i n g . . . das russische II. Pazifische Geschwader vor dem Kap der Guten Hoffnung, vor Madagaskar, auf dem Marsch durch den Indischen Ozean, bei T s u s h i m a . . . das Tsingtau-Geschwader in der Südsee, vor Coronel, vor den F a l k l a n d s . . . die „Potemkin" im Aufruhr in der TendraBucht, im Hafen von O d e s s a . . . Schlachtschiffe im Treffen vor dem Skagerrak, im Aufbegehren in Wilhelmshaven... rote Flaggen über den Kreuzern in den Bocche di Cattaro . . . Eine klassische Flottenintervention - die an der Küste von Taku 1900 eröffnet diese Reihe. Und Flotteninterventionen prägen heute wie einst die Krisenbilder der Weltpolitik mit. Über die Funktionskategorien hinaus aber scheinen jene Konfrontationsfälle des beginnenden 20. Jahrhunderts geeignet, zur Erschließung der Gebundenheit des Einzelnen in expansions- und sozialbezogenen Entwicklungen und Gefügen ebenso beizutragen wie zu der aufkommender Verneinung und zu der der Führung in schwierigen Lagen. Flottenaufmärsche und Anlandungen, Flottengroßkampf und Meuterei an Bord - Panzerschiffe und Panzerkreuzer, Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer: Die Einheiten waren Sinnbild des Aufbruchs, Träger wie Symptom der Entwicklung des Zeitalters des klassischen Imperialismus, Fortschritt signalisierend in ihrer Konstruktion und technischen Ausstattung, geballte Kraft in der Linienführung ihrer Erscheinungsform, Stolz, Hoffnung, Selbstvertrauen im Rollenbild der Nationen, weltweites Positionsdenken in den Stabsstellen der Mächte. Hinter ihren Stahlwänden fanden sich die für die Zeit signifikanten gesellschaftspolitischen Strömungen bis zur Polarisierung verdichtet: in der Enge des Zusammenlebens, in der Schärfe der sozialen Differenzierung, in der Härte der abverlangten Disziplin, insgesamt angesichts der Bedeutung der Schiffe als Machtinstrument, der Brisanz ihrer Waffensysteme und der Herausforderung in ihrer Aufgabenstellung.
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Vorwort
Nicht die operativen Belange, die Fragen von Strategie und Taktik sollten im Rahmen der vorliegenden Untersuchung im Vordergrund stehen, sondern vielmehr nur soweit dargestellt sein, als sie für den Teilnehmer von damals in seiner Haltung und für den Betrachter von heute zu seinem Verständnis von Bedeutung sind. In erster Linie sollten jene Quellen zur Geltung kommen, die Aufschluß über die Erlebnisstrukturen und die daraus resultierenden Motivationen und Leitbilder der in Beziehung zu Schiff und See und in die Entscheidungen der Zeit zwischen 1900 und 1918 gestellten Menschen geben: an den Nahtstellen der Entwicklung, in Grenzlagen, unter dem Druck von Krisen, in den Bezügen zu sozialen Gruppen, im Sog von Verhaltensmustern, im Aufbäumen der Persönlichkeit und oft unter der Forderung eines Augenblicks. Einander überschneidend die Kreise der widerstreitenden Haltungskräfte: Gehorsam und Auflehnung, Verzweiflung, Angst und Mut und nicht selten Einsatzbereitschaft bis zur Todesverachtung. In die Kreise der Haltung einwirkend die zusätzlich prägende, Extreme einbeziehende Umwelt: Heimathäfen und ferne Meere, Dockanlagen und Palmeninseln, Messen und Leitstände, Geschütztürme und Kesselräume. Einzelschicksale, die Gesamtentwicklungen mitbestimmten: im Bann der Einordnung wie im Erlebnis großer Fahrt, in der Bereitschaft zur Entbehrung wie in der Lust am Abenteuer, im Feuerhagel des Gegners wie beim Aufruhr an Deck, unter brennenden Aufbauten wie vor dem Peloton des Exekutionskommandos. Die Handlungsebene griff in die Weite: Wie die Marschrouten der Schiffe führten die Ideengänge und Verhaltensweisen der Besatzungen in weltumspannende Perspektiven. Als Ereignisträger boten sich - in sechs exemplarischen Studien zusammengefaßt - russische, deutsche und österreichisch-ungarische Einheiten an: Schiffe jener Flotten, in denen zur gegebenen Zeit die Extremsituationen besonders deutlich wurden. Und die Studien markieren die Entwicklung von der Gemeinsamkeit des Auftretens der Industriestaaten bis zur Aufspaltung in nationale Kriege und bis zur Abspaltung schichtbezogener sozialer Bewegungen innerhalb der nationalen unter Rückbeziehung auf internationale Gemeinschaften. Die Vorgänge zielten dorthin, wo sich noch Höhepunkte wie auch schon Überleitungen zum Verlust der globalen Machtstellung Europas abzeichneten. Aber für den historischen Stellenwert entscheidend war nicht nur, daß die Krisen in besonderem Maße politische und vor allem gesellschaftspolitische Relevanz aufwiesen und entsprechende Folgen zeitigten, sondern daß die in ihnen zur Ausprägung gelangten Haltungen und Sinndeutungen selbst geschichtsbildend wurden und Vorbild- und Schlüsselfunktion für Bewegungen und Entwicklungen quer durch das 20. Jahrhundert gewannen - das Krisenerlebnis erhielt paradigmatischen Rang. Und es wirkte als ein Aspekt europäischer Identität.
Vorwort
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Alexis de Tocqueville wollte in seinem „1* Ancien régime et la Révolution" zeigen, wie in der Zerstörung der alten Gesellschaft sich bereits die neue formierte, wie die Revolution, die den Staat vernichtet hatte, sich „seiner Trümmer" bediente, wie relativ konstant in den Veränderungen „die Gesinnungen, Gewohnheiten, ja sogar die Ideen des alten Staates" blieben, wie die Triebkräfte weit zurückliegend ansetzten, wie die Tendenzen bis in die Gegenwart und weiter zielten, um sogar den Versuch „d'entrevoir notre avenir" zu erlauben. Was auf jenen Schiffen in komprimierter Form vor sich ging, ist ebenso Teil auch unserer Entwicklungsbahnen, versieht manchen Erscheinungsschub unserer Gegenwart mit der Dimension der Zeitperspektive, uns selbst mit der Erkenntnis, in Wandlungs-, aber auch in Beharrungsprozessen zu stehen. Und das nachvollzogene Erlebnis vermag darüber hinaus Maßstäbe zu verdeutlichen, die nicht zuletzt Sinn und Spielräume möglichen Handelns abschätzen lassen. Einbezogen, mag sein, in jenes Verlangen Alfred Heuß' im „Verlust der Geschichte", die Geschichte „verbindlich zu machen". Mancher meerverbundene Platz gewährte noch heute Eindrücke der Erlebniswelt jener Jahre: so Peterhof, das Zarenschloß an hohem Ufer mit dem Blick über die Bläue des Finnischen Meerbusens; Helgoland, die Felseninsel, Wachtposten vor der Nordsee-Küste; Cattaro, Seefestung tief unter Steilwänden, Bucht auf Bucht, Inseln und Kirchen, Palmen und Zypressen; Singapur, Tor nach Ostasien, Hindu- und Buddhatempel, Geschütze draußen auf Sentosa, die Reede Zwischenstation ganzer Generationen von Kriegsschiffen; Schanghai, vom Yang-tzu-chiang herauf Kräne und Docks und Schiff an Schiff, Hochhäuser am „Bund", Grotten in Altstadtgärten; Hongkong, Symbol machtexpansiver Tradition, Metropole zwischen Ufer und Grenze, Artilleriestellungen über Hängen und Meeresarmen; New York, Hauptziel der Atlantik-Liner, ihre letzten Großen noch am Pier, die britische „Queen Elizabeth", die deutsche „Europa", die amerikanische „United States" . . . Und in New York auch war es Garrett Mattingly, Professor an der Columbia-University, der mit seiner „Armada" in hervorragender Weise der fesselnden Bewältigung eines seegeschichtlichen Phänomens Ausdruck zu geben verstand. Die Darstellung hatte rasch wechselnden Schauplätzen und Standorten und ebenso wechselnden handelnden Personen und Zeugen zu folgen, von Schiff zu Land, von Schiff zu Schiff, von Schiffsbereich zu Schiffsbereich. Und oft setzte in den Quellen - ob Bericht oder Brief, Tagebuch oder Sammelerinnerung, Sitzungs- oder Einvernahmeprotokoll - das Detail einen entscheidenden Akzent. Selbst das Anzünden einer Zigarette, der Tonfall eines Befehls, ein Schimpfwort, ein Trinkspruch konnten in dieser Hinsicht - ob im Hinblick auf die Haltung einer Person oder auf die Besonderheit eines Sachverhaltes - ergänzende Aussagekraft aufweisen.
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Vorwort
Die Schreibung der Personen-, Orts- und Schiffsnamen sowie die Einordnung der Rangstufen der Marinen der verschiedenen Staaten gab Anlaß zu einigen grundsätzlichen Überlegungen. Insgesamt blieb die Bezeichnung von Orten und Ländern - in Übereinstimmung mit den Quellen - der des behandelten Zeitabschnittes angepaßt. Den damals amtlichen und im Deutschen üblichen Namen so „Cattaro" - wurde Vorrang gegeben. Zur Form russischer Namen: Die Namen von Personen, Orten und Schiffen des Russischen Reiches wurden grundsätzlich in der Transliteration wissenschaftlicher Bibliotheken des deutschsprachigen Raumes wiedergegeben, z. B. „Rozestvenskij", nicht „Roschestwenski". Ausgenommen hievon wurden einige Personennamen nicht-russischer Herkunft - sie folgen der Schreibweise, die ihre Träger bei Anwendung lateinischer Buchstaben benützten, z. B. „Vietinghoff"; weiters Städtenamen, für die eine von der einheimischen verschiedene deutsche Wortgestalt gebräuchlich war und ist, z. B. „Moskau", nicht „Moskva". Bei Personennamen konnten sich bisweilen Unterschiede zwischen der Schreibung in einer Autorenangabe und der Namensnennung im Text oder in einer zweiten Autorenangabe ergeben, so „Ssemenow" - „Semenov", „Krawtschenko" - „Kravcenko". Zur Form chinesischer Namen: Die Namen von Personen, Orten und Schiffen Chinas wurden grundsätzlich in der Transliteration nach dem Wade-GilesSystem erfaßt. Ausgenommen wurden nur die seinerzeit amtlichen deutschen Bezeichnungen für den Bereich von Kiautschou, weiters im Deutschen allgemein eingebürgerte Schreibungen wie „Peking", „Hongkong", „Schanghai", „Tientsin". Unterschiede bei Ortsnamen konnten zwischen der Schreibung in einer Quelle und im Text auftreten, so „Chefoo" - „Chih-fu". Die Rangstufen wurden jeweils dem Gebrauch der Marinen der einzelnen Staaten entsprechend angeführt - so z. B. „Kapitän zur See", „Linienschiffskapitän", „Kapitän 1. Ranges" und „Captain". Dementsprechend wurden auch leichte Abwandlungen in den Funktionsbezeichnungen wie „Flaggoffizier" und „Flaggenoffizier" oder „Flaggschiff" und „Flaggenschiff" berücksichtigt. Die Rechtschreibung, sich wandelnd auch im gegebenen Zeitabschnitt, wurde allerdings vereinheitlicht - so „Konteradmiral" statt „Contreadmiral". Für die gewährte Hilfe - von Hinweisen zur Quellenlage bis zu Literaturangaben und Zurverfügungstellung von Quellenmaterial - habe ich besonders zu danken: Archivoberrat Dr. Hans-Heinrich Fleischer, Rat Dr. Hermann Frodl, Prof. Dr. Tofik Islamov, Prof. Dr. B. I. Krasnobaev, Prof. Dr. M. N. Kuz'min, Archivdirektor Dr. Hansjosef Mairhöfer, Regierungsrat Amtsdirektor Leopold Moser, Prof. Dr. Jaroslav Scapov, Dr. Olga Velicko, Hofrat Dr. Walter Wagner. Für wohlwollende Unterstützung habe ich Univ.-Prof. Dr. Otto Ladstätter
Vorwort
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und seinen Mitarbeitern, Univ.-Prof. Dr. Josef Breu und dessen Mitarbeitern, ebenso Helmut Pemsel, Univ.-Doz. Dr. Horst Haselsteiner, Dr. Arnold Suppan und Oberrat Dr. Karlheinz Mack zu danken. Für freundschaftliche intensive Mitarbeit bis zur Durchsicht von Manuskript, Druckfahnen und Umbruch bin ich Honorarprofessor Dr. Otto Back aufrichtigen Dank schuldig. Zu Dank verpflichtet bin ich dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Hochschuljubiläumsstiftung der Stadt Wien für die materielle Unterstützung sowie dem Verlag Hermann Böhlaus Nachf., besonders Dr. Robert Paula, für die entgegenkommende Obsorge in der Veröffentlichung der Arbeit. Für wertvolle Hilfe bei der Manuskripterstellung und Korrektur habe ich Frau Margit Schlemmer und Frau Christa Stetten herzlichen Dank abzustatten. Meiner Frau Maria Theresia danke ich für ständig begleitende Mitarbeit bis zu den Schlußkorrekturen und das Verständnis im Hinblick auf den notwendigen Zeitaufwand.
Wien, im Sommer 1984
Richard G. Plaschka
EINLEITUNG 1. „Hochstraße des Erdballs" Noch lockte seine Weite, das Unberechenbare seiner Gefahren und Abenteuer, und doch war das Meer bereits in neue Zusammenhänge einbezogen. Als „Hochstraße des Erdballs", als „Paradeplatz der Nationen", als „Tummelplatz der Kraft und des Unternehmungsgeistes für alle Völker der Erde" hatte Friedrich List die See gekennzeichnet. Und er hatte damit umrissen, was sie für die Ära des klassischen Imperialismus bedeutete. Zunehmend hatte die ökonomische und politische Entwicklung der Industriestaaten den Blick auch über die Meere gelenkt: die sich Zug um Zug durchsetzende technologische und wirtschaftliche Überlegenheit dieser Staaten, ihre Tendenz zur politischen Stützung der ökonomischen Expansion, das Streben nach verbesserten Gewinnchancen über Kolonien, die Verkehrung des Leitsatzes „The flag follows the trade" in „The trade follows the flag", die daraus resultierende Verschärfung des nationalen Wettbewerbs, das Einmünden schließlich in ökonomische Zwangslagen, als die nationalen Produktionskapazitäten die Nachfrage des Binnenmarktes deutlich zu überschreiten begannen. „Wir brauchen Märkte für unsere wachsende Erzeugung", ließ John A. Hobson 1902 die „Imperialisten" argumentieren, „wir brauchen neue Unterbringungsmöglichkeiten für unser überschüssiges Kapital und für die Energien des unternehmungslustigen Überschusses unserer Bevölkerung; eine solche Expansion ist für ein Volk mit unseren großen und weiter zunehmenden Produktionskräften geradezu eine Lebensnotwendigkeit." Und noch deutlicher: „Ein immer größerer Prozentsatz unserer Bevölkerung ist in den Maschinensälen und Kontoren der Städte beschäftigt; sein Lebensunterhalt und seine Arbeit sind von den Nahrungsmitteln und Rohstoffen aus fremden Ländern abhängig..." Und bereits die signalisierte Ausweglosigkeit: „Wie kostspielig, wie gefahrenvoll dieser Vorgang der imperialen Ausdehnung auch sein mag, er ist für den weiteren Bestand und das Fortschreiten unseres Volkes unumgänglich..." Nicht mehr nur als Möglichkeit, als Notwendigkeit, als nationales Erfordernis war der Imperialismus annonciert..
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Einleitung
Neben die Argumentation der Wirtschaft war die ideologische des nationalen Rollenbildes getreten. Rosebery wollte 1899 den Imperialismus als „that greater pride in Empire . . . which is a larger patriotism" definiert wissen. Die Geschichtsdarstellung, eben zu beachtlicher Breitenwirkung gelangt, sorgte vielfach für die Untermauerung expansiver Motivation: durch Hervorheben machtintensiver Zeiten wie ihrer Gestalter und Helden, jener Männer, die nicht zuletzt im Sinn von Angriffs- und Abenteuergeist, der Lust an der Eroberung brillierten. Und weit über die nationalen Anliegen hinaus langte die ethisch-sittliche Rechtfertigung, die sich auf die Verbreitung von Fortschritt und Zivilisation, auf die Durchführung kultureller und religiöser Missionen stützte. 2 Der Appell aus solchen ökonomischen wie ideologischen Weichenstellungen, der Ruf nach Macht, der zugleich zu einem Kriterium der nationalen Integrationsideologie geworden war, trug Früchte. Daß die gegebene Entwicklung auch die Macht der Stabsstellen der Bürokratien und nicht zuletzt die des Militärs zu fördern geeignet war, hatte man freilich ebenfalls bald zu registrieren. Das Wirtschaftswachstum der Industriestaaten aber erreichte bisher kaum vorstellbare Höhen: Die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland hielten die Spitze, Frankreich und Japan folgten, weiters Österreich-Ungarn, Italien, Rußland. Steigende Kapitalinvestitionen, neue Produktionsverfahren, Konzentrationen zu Großunternehmen, Verflechtungen von Staat und Wirtschaft, zum Teil allerdings auch überhitzte Vorgänge, zeichneten die Strukturen, gewaltige Industrieanlagen, Großbauten für den Verkehr wie Häfen, Bahnen und Kanäle, Schiffe auf den Weltmeeren, die ersten Flugzeuge und Zeppeline in der Luft das äußere Bild. Und die kolonialen Erwerbungen, so hieß es, würden neben einem Höchstmaß an Arbeitsmöglichkeiten die Autarkie ebenso wie den Schutz vor Übervölkerung sicherstellen. Und 68% der Erde, so gaben es die Atlanten wieder, waren 1914 bereits Kolonialstaaten und Kolonialgebiete, und 11% durften als Halbkolonien angesehen w e r d e n . . . Die sprunghafte Entwicklung hatte auch die wehrwirtschaftlichen Belange in vollem Maß erfaßt: mit der steigenden Großproduktion von Waffen und Gerät, mit dem Einsatz der Dampfkraft, die zu Lande wie auf dem Meer Groß verbände einschließlich Nachschub rascher und weiter als früher zu bewegen vermochte und zur See neue Flotten erstehen ließ, mit dem Einsatz neuer Nachrichtenmittel wie Telephon und Telegraph, die erst die Voraussetzung für die zweckentsprechende Lenkung der neuen Heereskontingente und Geschwader bildeten, mit der Bereitstellung von Massenheeren, die über die allgemeine Wehrpflicht zu den Mobilmachungen ein Fünftel bis ein Viertel der Einwohner eines Landes erfassen ließ, Kinder, Frauen, Greise mitgerechnet. Aber auch die soziale Struktur der Mobilisierten änderte sich: Zunehmend traten neben die Soldaten aus bäuerlicher Schicht jene aus der Schicht der Arbeiter.
1. „Hochstraße des Erdballs"
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Die Angriffsfelder des derart aufgebauten militärischen Potentials der Industriestaaten lagen in den letzten Jahren des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts - sieht man vom Zugriff Österreich-Ungarns auf Bosnien-Herzegowina ab - außerhalb Europas. Es waren die noch als herrenlos oder halb herrenlos eingestuften Territorien der Erde. Im Vordergrund standen Afrika und Ostasien. Der Ausgang der Kolonialkriege des 19. Jahrhunderts war selten lange offen gewesen. Gegen die von den Industriestaaten ausgerüsteten Verbände hatten die Streitkräfte der einheimischen Bevölkerungen - oft Stammesaufgebote, zum Teil noch speerbewaffnet - wenig Chancen. Zwar nutzten da und dort entschlossene Führer das vertraute Gelände zum Kleinkrieg, zur Guerilla, oder es trug religiöser Glaube zu letzter Kampfbereitschaft bei, das schließliche Ergebnis aber wurde meist nur verzögert. In Afrika wie Ostasien nahm die Intensität der Konfrontationen nun zu. Afrika erlebte drei letzte Brennpunkte des Kolonialkampfes: Ägypten, Äthiopien, die Burenstaaten. Als in Ägypten 1882 eine Revolte nationaler Offiziere ausgebrochen war, griff Großbritannien, seit einigen Jahren Hauptaktionär der Suez-Gesellschaft, ein: mit einem Flottenbombardement Alexandrias und Okkupation des Landes; erst 1898 vermochten die Briten gegen den Aufstand des Mahdi nach der Schlacht bei Omdurman auch den Sudan endgültig zu unterwerfen. Äthiopien, die älteste Monarchie Afrikas, hatte die Italiener gelockt: Von Ausgangspositionen an den Stränden Eritreas und Somalias griffen sie nach dem äthiopischen Hochland und wurden geschlagen - bei Adua 1896, in einer vernichtenden Niederlage von immerhin 20.000 Mann, bleibendes Symbol des Widerstandes Schwarzafrikas gegen die Weißen. Im Burenkrieg 1899- 1902 waren nochmals die Briten angetreten, hatten in einer mit Erbitterung und nachhaltiger Härte geführten Auseinandersetzung sich durchgesetzt, die Burenrepubliken - mit der Zusage baldiger innerer Autonomie - zu Kronkolonien erklärt. Ostasien sah das Vorgehen der Mächte auf den letzten noch verbliebenen Freiraum, auf China, konzentriert: mit wirtschaftlicher Durchsetzung, mit Eindrücken der Grenzen, mit Zugriffsaktionen auf Häfen. Schon schien die Aufteilung des Landes bevorzustehen. 1898 hatten die bedrängten Chinesen als Antwort an den Westen eine Reformbewegung von oben versucht, 1900 brach sich als eruptive Bewegung von unten der Boxeraufstand Bahn. Die Industriestaaten, an deren Seite eben eine aufstrebende asiatische Macht - Japan - auftauchte, intervenierten über eine alliierte Flotte vor Taku, erlebten die Belagerung ihrer Gesandtschaften, führten mit angelandeten Einheiten Expeditionen durch, standen im begrenzten Krieg. Um die ostasiatischen Positionen aber gerieten zwei der eben noch alliierten Mächte wenig später in Konflikt: Rußland und Japan. Der Krieg 1904 und 1905
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Einleitung
sollte der aufmerksam beobachtenden Welt erstmals die aufkommenden Kampfformen der neuen Technologien vorführen: Die neuen Schnellfeuerwaffen drückten die Heere an die Erde, in Schützengräben, Stacheldrahtverhaue sicherten die Grabensysteme, die Kavallerie fand sich an die Flanken verwiesen, bei Tsushima schien für den Seekrieg die Frage nach Artillerie und Torpedo ihre Beantwortung gefunden zu haben. Waffenarsenale und taktisches Vorgehen waren in ihren Inhalten damit bis tief in den Ersten Weltkrieg hinein und darüber hinaus bestimmt. Auf diesen Großkrieg war nun der Aufbau des Rüstungspotentials der Mächte ausgerichtet. Die Rüstungsindustrie arbeitete von neu konzentrierten Schwerpunkten aus: so Schneider-Creuzot in Frankreich, Krupp in Deutschland, Vikkers und Armstrong in Großbritannien, Skoda in Österreich-Ungarn, Putilov in Rußland. Neue Wege der Waffenentwicklung bahnten sich an: im Bereich der Handfeuerwaffen Maschinengewehre, in dem der Artillerie Schnellfeuer- sowie schwere und schwerste Geschütze, im Gegenzug Stahlbeton der Festungsanlagen, Panzerstahl der Kriegsschiffe, dann schon erste Modelle für Panzer und Panzerauto, schließlich für die Auseinandersetzung in der Luft Flugzeug und Luftschiff für Aufklärung und Bombenabwurf. Diese umfassende Entwicklung - die zu- und ausgreifende Wirtschaftsexpansion, die weltumspannenden politischen Ziele, die Bereitstellungen an Waffenpotential - fand ihren wohl signifikantesten Ausdruck dort, wo der globale Zusammenhang am augenfälligsten wurde: in der Einbeziehung des Meeres. Das Meer sollte in seiner Beziehung zum Menschen nun einen ganz neuen Stellenwert erhalten. Selbst in bisher kontinental ausgerichteten Staaten lernte man die Küste weniger als Grenze, mehr als Absprungzone zu werten, drängte man zur See, glaubte man sich auf sie angewiesen. Das Bild der neuverteilten Welt wies unübersehbar auf die ebenso vielversprechende wie verunsichernde Perspektive der Abhängigkeit der modernen Industriestaaten von überseeischen Territorien und damit vom Seeverkehr hin. Und eindringlich präsentierte sich über die wachsenden Handelsflotten die See als die Hauptverbindungsebene des Weltverkehrs überhaupt, zu der der Binnenverkehr - Bahnen, Straßen, Kanäle - zunehmend nur die Funktion des Zubringerdienstes zu übernehmen schien. Die Zufuhr von Rohstoffen, die von ihr abhängige Industrieproduktion, die Ausfuhr der Fertigprodukte, die wieder auf ihr basierende Beschäftigungsquote, die dieser entspringende soziale Sicherstellung und Mobilität kreisten als letztlich seebezogene Elemente vor dem Bewußtsein der erfolgs- und gewinnorientierten Schichten des Bürgertums ebenso wie der um ihre Besserstellung ringenden Arbeiterschaft. Immer größer, immer schneller waren die Flotten von Fracht- und Passagierdampfern geworden, die die Meere durchfurchten. Eine Entwicklung, die in
1. „Hochstraße des Erdballs"
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ihrer technischen, ökonomischen und sozialen Dynamik ihresgleichen sucht, hatte Platz gegriffen. 3 1819 hatte das erste kombinierte Dampf-Segelschiff den Atlantik überquert, die 350 BRT große „Savannah", die 25 Tage auf Fahrt war, einen guten Teil davon - 18 Tage - unter zusätzlicher Verwendung ihrer Hilfsdampfmaschine. Sie war von ihrem Heimathafen Savannah nach Liverpool gefahren. Die ersten mit Dampfkraft über die Gesamtdistanz vorgenommenen Atlantiküberfahrten waren die des niederländischen Dampfers „Curaçao" 1827, der „Royal William" 1833, der „Sirius" und der „Great Western" 1838. Die „Curaçao", ein kleiner Raddampfer von 438 t, fuhr von Rotterdam nach Südamerika, die in Quebec erbaute „Royal William" von Amerika nach Europa. Die „Sirius", ein Zweimaster von 703 t, hatte ihre gesamte Inneneinrichtung verheizt, als sie im April 1838 von London kommend in New York einlief. Die 1.320 t große „Great Western", die wenige Stunden später eintraf, hatte die Strecke von Bristol aus in einer Fahrzeit von 15 Tagen bewältigt und sollte in den folgenden Jahren den Atlantik noch 64mal überqueren. Noch hatte die „Great Western" einen Eichenholzrumpf. Neue Maßstäbe für den Ozeandienst setzte die 1843 von Stapel gelaufene „Great Britain", mit einer Wasserverdrängung von 3.618 t, der erste Schraubendampfer mit Eisenrumpf. Der Vorteil des Eisens: seine Festigkeit und seine Formgerechtigkeit, nicht zuletzt sein relativ geringes Eigengewicht. Machte das Gewicht des Holzschiffs rund 4 6 - 5 0 % der Wasserverdrängung aus, so betrug es beim Eisenschiff 3 5 - 4 4 % . Die Einführung von Stahlplatten gegen das Jahr 1880 hatte eine weitere Reduzierung auf 2 9 - 3 6 % zur Folge. Die zweite Neueinführung auf der „Great Britain", die Schiffsschraube, von Josef Ressel 1829 erfunden, machte die Nachteile der Radmaschine an Gewicht, Materialbeanspruchung und Fahrtüchtigkeit wett und sollte gegen Ende des Jahrhunderts durch den Einbau mehrerer Schrauben zu weiterer Erhöhung von Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit führen. Neue Strukturen im Seeverkehr schufen die Liniendienste. Die erste Nordatlantik-Linienverkehrsverbindung wurde, noch von Seglern getragen, 1816 zwischen New York und Liverpool durch die American Black Ball Line eröffnet. Die erste nordatlantische Dampferlinie zwischen Liverpool und Nordamerika wurde 1840 durch die Cunard-Linie aufgenommen, ein Unternehmen, das lange Zeit im Atlantikverkehr vorherrschend sein sollte. 1847 wurde eine Postlinie der Ocean Steam Navigation Company zwischen New York und Bremen eingeführt. Ebenfalls 1847 wurde in Hamburg die HAPAG, die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, und 1857 in Bremen der Norddeutsche Lloyd gegründet.
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Noch war allerdings auch die Segelschiffahrt im Vormarsch. Sie erlebte um 1880, als man zum Eisenbau übergegangen war, nochmals einen Höhepunkt nie gab es mehr Segelschiffe auf den Weltmeeren als damals - und stellte 1890 mit 9,1 Millionen BRT noch 41,3% der Gesamttonnage der Welt. Zu dieser Zeit hatte der Aufstieg des Dampfers sich freilich auch schon nachdrücklich als Verdrängungsfaktor für den Segler auszuwirken begonnen. Schon verglich man den Boom der Dampferflotten. Unter den großen europäischen Schiffahrtsstaaten verfügte Großbritannien an Dampfschiffen 1910 über 10,8 Millionen NRT, Deutschland über 2,5 Millionen NRT, Frankreich über 830.000 NRT. Österreich-Ungarn hatte für 1907 379 Dampfer mit 419.000 NRT gemeldet, Italien für 1906 548 Dampfer mit 498.000 NRT, das europäische Rußland für 1908 906 Dampfer mit 441.000 NRT. In Ostasien war Japan 1909 auf 2.295 Dampfer mit 1,2 Millionen NRT herangewachsen. 4 Durchbrüche neuer Kanäle hatten zudem im Seeverkehr gewaltige Umschichtungen herbeigeführt. Der Suezkanal hatte das Mittelmeer zu einer hochrangigen Weltverkehrsstraße gemacht: Fuhren 1870 486 Schiffe mit 437.000 NRT durch den Kanal, waren es 1909 4.239 mit 15,4 Millionen NRT. 1895 war der NordOstsee-Kanal dem Verkehr übergeben worden. Von Juli 1895 bis Juni 1896 passierten ihn 16.834 Schiffe mit 1,5 Millionen NRT und 1909/10 38.547 Schiffe mit 6,5 Millionen NRT. Und in Amerika ging der Panamakanal seiner Vollendung entgegen. 5 Auf betrieblich-organisatorischem Gebiet leitete der steigende Kapitalbedarf den Aufbau von Großreedereien ein, zum Teil „Universalreedereien", deren Liniennetze die gesamte Erde umspannten. Deutsche und britische Schiffahrtsunternehmen führten: Die H A P A G in Hamburg hatte sich nach dem Tonnengehalt ihrer Schiffe 1910 mit zusammen 1,023.315 BRT an die Spitze der Reedereien der Welt gesetzt. Der Norddeutsche Lloyd, die White-Star- und die Cunard-Linie folgten in den nächsten Positionen. Nach der Netto-Tonnage der ankommenden Seeschiffe war Hamburg 1910 auch der größte Hafen des europäischen Kontinents, nach New York, London und Liverpool 1911 der viertgrößte der Welt. 1914 hatte die Welthandelstonnage einen Umfang von 49,1 Millionen BRT erreicht. Güter und Menschen waren unter sprunghaften Zuwachsraten von Fracht- und Passagierschiffen über die Straßen der Weltmeere bewegt worden. Der Welthandel erreichte 1900 einen Wert von 82,2 und 1913 von 160,2 Milliarden RM und hatte sich damit binnen dreizehn Jahren nahezu verdoppelt. In diesem Jahr, 1913, stieg der Güterverkehr über See nach fundierten Schätzungen auf 300 Millionen t. Die durchschnittliche Beförderungsweite betrug 5.640 km. Die Hochseeschiffahrt hatte zur Bewegung der Güterströme des Weltverkehrs
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vor allem zwischen den Ballungsräumen der Industrie und den in ihrer Entwicklung zurückbleibenden Räumen in Übersee entscheidend beigetragen. Schon hatten auch entsprechende Spezialisierungen in den Schiffstypen eingesetzt, so liefen bereits Tankschiffe mit nach achtern versetztem Maschinenraum und voneinander getrennten Tankgruppen. Die Tankertonnage betrug im Jahre 1914 1,4 Millionen BRT. Die Schiffe aber trugen auch Millionen Menschen über die Meere - von Auswanderern bis zu Luxusreisenden. Eine Tabelle der wichtigsten New York anlaufenden Gesellschaften weist für das Jahr 1913 die Ankunft von 152.416 Passagieren erster, 230.437 Passagieren zweiter Klasse und von 955.363 Zwischendeckpassagieren aus. 6 Tief in den Schiffsrümpfen waren auf den großen Verkehrsdampfern die Zwischendeckpassagiere untergebracht. So gut wie alle waren Auswanderer. In jenem Jahr 1913reisten 1,414.000 von ihnen auf den nordamerikanischen Kontinent. Bis zu der Zeit, da zu Beginn der zwanziger Jahre die Einwanderung in die Vereinigten Staaten stark beschränkt wurde, hatten 30 Millionen Menschen die Überfahrt im Zwischendeck absolviert - anfangs unter schlimmsten hygienischen Verhältnissen, in überfüllten Räumen, bei unzumutbarer Verpflegung und verdorbenem Trinkwasser, mit auf manchen Fahrten bis an die 10% hochschnellenden Sterblichkeitsraten. Im November 1853 waren im Hafen von New York 28 Segelschiffe verschiedener europäischer Staaten eingelaufen: Von deren 13.762 Passagieren waren unterwegs an Entbehrung und Krankheit 1.141 umgekommen. Um die Jahrhundertwende besserten sich die Verhältnisse, vor allem auf den deutschen Schiffen. Und das Zwischendeck der „Vaterland", die 1914 in Dienst gestellt wurde, besaß bereits eine eigene Küche und einen Speisesaal, in dem dreimal täglich von Stewards einfache Mahlzeiten verabreicht wurden. Auf den meisten Schiffen jedoch war das Zwischendeck eine ungesunde, unangenehme Region geblieben, wo einem Bericht des amerikanischen Kongresses gemäß „alles schmutzig war und jeder Anblick ein Ärgernis". 7 Zur sozialökonomischen Bedeutung der Linien und Schiffe aber trat die als Prestigeobjekt: Symbol der wirtschaftlichen und technischen Fähigkeiten der Nationen. 1840 war die „Britannia", das Flaggschiff der ersten Cunard-Flotte, ein hölzerner Schaufelraddampfer, zu ihrer Jungfernfahrt von Liverpool nach Halifax ausgelaufen. Als 1907 die Cunard-Dampfer „Mauretania" und „Lusitania" in Dienst gestellt wurden, rechnete man vor, daß deren Leistung - 68.000 Pferdestärken - im Verhältnis 34:1 zu der der „Britannia", ihre Tonnage 32.000 BRT - 27:1 und ihr Passagiervolumen 20:1 zu den Werten des ersten Flaggschiffs standen. Und die Schiffe bewegten die Massen, begeisterten: Als die „Lusitania" an einem Septemberabend des Jahres 1907 von Liverpool aus ihre Jungfernfahrt antrat, drängten sich 200.000 Menschen am Ufer.
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Um Größe, Schnelligkeit und Ausstattung der Schiffe aber setzten auch die Rivalitäten der Mächte ein. Die 1851 bis 1858 gebaute „Great Eastern" hatte erstmalig die neuen Maßstäbe erkennen lassen: 22.500 BRT, mit Schaufelrad- wie Schraubenantrieb versehen; ein Mammutschiff, ein Ungetüm, technisch am Rande des zu ihrer Zeit Bewältigbaren, bildete sie in ihrer aufwendigen Ausstattung zugleich den Ansatz zum Schiff der Luxushotellerie, zum luxuriösen Nordatlantik-Liner. 1877 leiteten die „City of New York" und „City of Paris", mit über 10.000 BRT nach der „Great Eastern" auch die nächstgrößten Schiffe, den Wettkampf um das „Blaue Band" ein. Das Band, das es offiziell nie gegeben hat, wurde jeweils jenem Schiff zuerkannt, das auf der Atlantikstrecke zwischen dem Ausgang des Ärmelkanals - Bishop Rock/Cornwall - und der Einfahrt in den New Yorker Hafen - Ambros Light - den Geschwindigkeitsrekord hielt. Die begehrte Trophäe gewannen 1890 „Fürst Bismarck" der Hamburg-AmerikaLinie mit 19,5 Knoten, 1893 die Cunard-Linie mit „Campania" und „Lucania", die 21 Knoten liefen, 1897 „Kaiser Wilhelm der Große" des Norddeutschen Lloyd, zugleich der erste Überseedampfer, der mit drahtloser Télégraphié ausgestattet war, 1900 die „Deutschland" der Hamburg-Amerika-Linie, 1904 „Kaiser Wilhelm II." des Norddeutschen Lloyd, 1907 die „Mauretania" der CunardLinie, versehen mit den nach ihrem Erfinder Charles A. Parsons benannten Dampfturbinen. 1912 sank die „Titanic", das neue Flaggschiff der White-StarLinie, ein Riese von 47.000 BRT, nach Kollision mit einem Eisberg, im Zeitdruck der Tempokonkurrenz, wenn auch ohne Anwartschaft auf das B a n d . . . Knapp vor dem Krieg stellten die neuen Schiffe der Hamburg-Amerika-Linie, „Imperator", „Vaterland" und „Bismarck", 1913 und 1914 in Dienst gestellt, bzw. 1914 vom Stapel gelaufen, mit 52.000 bis 57.000 BRT neue Relationen auch in den Schiffsgrößen her. Mit der „France", 24.000 BRT, hatte die französische Compagnie Générale Transatlantique 1912 ebenfalls größenmäßig aufzuschließen vermocht. Die Schiffe signalisierten zugleich einen Höhepunkt in der Ausstattung, in Eleganz und Extravaganz, manche wohl auch Akzente der Übersteigerung: Säle, Treppen in Monumentalarchitektur, so das Entree des Hauptspeisesaals der „France", das der Prunktreppe eines aus dem 18. Jahrhundert stammenden Schlosses der Grafen von Toulouse nachgebildet war, eine Vision in Gold und Marmor. 8
2. Die Stunde der Kriegsflotten Die zunehmende Beanspruchung des Meeres als Transportebene, die im Dienst der nationalen Wirtschaft darauf unterwegs befindlichen Handelsflotten, die sprunghaft ansteigenden, dem Seeverkehr überantworteten Volkswirtschaft-
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liehen Werte, die sich eröffnende Zugriffsmöglichkeit auf Küstenzonen selbst über Ozeane hinweg veranlaßten die Mächte zum Ausbau auch ihrer Seestreitkräfte. Den eigenen Seeverkehr zu schützen, Herrschaft oder Mitherrschaft zur See auszuüben, Fernwirkung eigener Macht in Übersee herbeizuführen war ihnen als Aufgabe vorgezeichnet. Und die technisch hochentwickelten Einheiten und Kriegsflotten wurden zu wesentlichen Machtmitteln der expansionsdisponierten Mächte. Für flexible Einsätze konnten Kriegsschiffe schon in Friedenszeiten als wirkungsvoll anzuwendende Instrumente gelten: Sie vermochten über das eigene Hoheitsgebiet hinaus effektvoll aufzutreten, jeden über See erreichbaren Ort anzusteuern, präsentierten sich als Träger konzentrierter Waffensysteme und bildeten ein im Ansatz ebenso mobiles wie variabel zu führendes Interventionsmittel. Die Variabilität der Intervention barg freilich auch ihre mögliche Eskalation in sich: von der Präsenz mit außenpolitischer Funktion über die Krisenintervention bis zum Krieg. 9 a) Präsenz mit außenpolitischer
Funktion
Die Friedenspräsenz ging aus vom „Flaggezeigen": der demonstrativen Selbstdarstellung maritimer Macht durch Anlaufen fremder Häfen oder Reeden, die Einheit oder die Einheiten als, wie Dieter Mahncke es ausdrückt, ein Faktor „mobiler Souveränität" ihres Landes, als nationales Prestigesymbol; das „Flaggezeigen" als Machtdemonstration, vordergründig ohne aktuellen Zweck, nach Edward Wegener ein „Element psychologischer Strategie", oft auch Element im Rahmen der Rivalität der Mächte. Der Effekt, der erwartet wurde, lag im Signal der Werbung, im Sinne allgemein politischer oder handelspolitischer Interessen, im Verlangen von Respekt, nicht zuletzt im Anspruch auf oder der Beteiligung an Seeherrschaft. Allerdings blieb in Betracht zu ziehen, daß auch Friedenspräsenz über solchen Anspruch hinaus oft bereits ein Element des Drucks beinhalten konnte: das Signal der Fähigkeit, den Aufgesuchten mit militärischen Machtmitteln erreichen und gegebenenfalls mit zureichenden Seestreitkräften bekämpfen zu können. Damit war bereits der Übergang zur Krisenpräsenz gegeben. Als solche konnten aufmarschierte Einheiten - solange sie sich auf internationalen Gewässern befanden, auch völkerrechtlich unanfechtbar - dennoch ein hohes Maß an Entschlossenheit und politischer und militärischer Bedrohung deutlich machen. Die für den konkreten Fall vorgesehene Signalwirkung mündete damit in die unmittelbare psychologische Druckwirkung, die Präsenz aus dem freundschaftlichen oder neutralen Bereich in den unfreundlichen bis feindlichen.
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b) Die Krisenintervention Die maritime Krisenintervention konnte als begrenzter Machteinsatz unter Gewaltdrohung oder Gewaltanwendung zum Ausdruck kommen: durch Einwirkung auf ein anderes Land oder dessen Schiffe; mit der Möglichkeit, über weite Strecken hinweg, d. h. entfernt von den eigenen Heimatzentren, Wirkung herbeizuführen; mit Spielraum in den Ansatzpunkten, ob gegenüber Schiffen oder an der Küste des zu treffenden Opponenten. Der begrenzte Machteinsatz konnte rein seebezogen auch als Blockade angesetzt sein: Sperrung von Seewegen, um bestimmte Vorhaben des Gegners - z. B. durch Blockierung der Waffeneinfuhr - zu vereiteln oder eine bestimmte Verhaltensweise durch wirtschaftliche Schwächung zu erzwingen. Mußte die Blokkade schon die Gefahr des Krieges im völkerrechtlichen Sinn herbeiführen, so galt dies in erhöhtem Maß für das Übergreifen des begrenzten Einsatzes auf Küstenbereich und Küste: Eindringen in fremde Hoheitsgewässer, Häfen und Flüsse und - das Vorgehen erweiternd - Anlandung von Landeeinheiten, beides unter Inkaufnahme von Waffeneinsatz. Präsenz und Krisenintervention mit begrenztem Machteinsatz galten als vorherrschende Mittel der Expansion - nicht zuletzt im Kolonialkrieg. Der volle, geschlossene Einsatz der Flotten aber war erst für den Fall eines Krieges unter den Großmächten zu erwarten.
c) Der Seekrieg Auch im Krieg konnten die Seestreitkräfte auf das Landgebiet des Gegners einwirken - durch Beschuß und Bombardierungen Landoperationen unterstützen oder durch eigene Anlandungen. Die klassische Form der Auseinandersetzung zur See aber sah man im Kampf um die Kontrolle der Seewege: Drängt man den Gegner von der Verkehrsmöglichkeit zur See ab, so schmälert man seine nationalen Existenzbedingungen im gleichen Maße, als sie von der See abhängig sind. Gewinnt man Seeherrschaft, zumindest in bestimmten Seebereichen, so entfernt man damit den Druck des Gegners im Vorfeld des eigenen Landes oder vermag selbst, im Falle des Vortragens der eigenen Herrschaft, Druck auf die Küste des Gegners auszuüben. 10 Deutlich zeichnete sich am Beginn des Jahrhunderts für einen zu erwartenden Kampf zur See der Wirtschaftsdruck bereits als Mittel ab, die Widerstandskraft des Gegners herabzusetzen oder zu brechen. Zweifellos warf die in Betracht zu ziehende Auseinandersetzung um die Kontrolle der Seewege auch eine Reihe von Seerechtsfragen auf. Eben in diesen Jahren vor dem Ersten Weltkrieg sah man sich in den Stabsstellen mit diesen Fragen konfrontiert: mit dem Recht auf Wegnahme gegnerischen Privateigentums auf See, dem Seebeuterecht, dem Recht, auch neutrale Schiffe zu „guter Prise" zu erklären, dem Prisenrecht, dem
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Recht, im Kriegsgebiet alle Handelsschiffe anzuhalten, um Nationalität, Ladung und Bestimmung festzustellen, dem Visitationsrecht. Die Rechtsfragen der Blokkade, der effektiven, der weiten oder der engen, des Kreuzer- und des U-BootKrieges, der Konterbande warfen ihre Schatten voraus. Erste Streitfälle hatten sich ergeben: Zur Zeit des Burenkrieges zweifelten Deutsche am Recht britischer Kriegsschiffe, deutsche Handelsschiffe auf der Höhe von Aden anzuhalten; zur Zeit des russisch-j apanischen Krieges sahen es nun Briten als unzulässige Ausdehnung des Visitationsrechts an, als im selben Adener Bereich russische Kreuzer die Schiffahrt nach Ostasien unter Kontrolle nahmen. Und die Frage der Ausdehnung des Begriffs Kriegskonterbande ließ ihre weitreichenden Folgemöglichkeiten erkennen, als im russisch-japanischen Krieg auch Eisenbahn- und Telegraphenmaterial wie Kohle und Lebensmittel als solche angesehen und entsprechend behandelt wurden. Außerdem tauchte die Problematik der Begegnung von Flottenverbänden über weite Strecken auf: schon im Hinblick auf die Ergänzung der Vorräte, im Hinblick auf Troß- und Hilfsschiffe, auf Etappenhäfen und Operationsbasen. Die Fahrt russischer Flotteneinheiten nach Fernost hatte die Bedeutung des Vorhandenseins oder Fehlens eines eigenen Stützpunktsystems aufgezeigt. Aber die Fahrt des II. Pazifischen Geschwaders hatte, bei aller Differenziertheit der Meinungen der Mächte in Einzelfragen, auch das Recht verdeutlicht, sich mit Hilfe der Neutralen mit einem Flottenverband an den Kriegsschauplatz und an den Gegner heranzuschieben. Erst dort war die Grenze gesetzt und die Hilfe der Neutralen versagt worden, wo am erreichten Rand des Kriegsschauplatzes die Benützung eines Hafens diesen zugleich zur Operationsbasis gemacht hätte. Noch suchte man den Kulminationspunkt des künftigen Seekrieges - und auch diese Hypothese schien der russisch-japanische Krieg zu stützen - in der Schlacht. Die Frage der Seeherrschaft, die den Enderfolg des Krieges zur See bestimmt, könne, so deklarierte Julian S. Corbett, dies freilich vor allem aus britischer Sicht, „durch kein anderes Mittel" entschieden werden: „Die Schlacht muß früher oder später herbeigeführt werden, je früher um so besser." 11 Daß sie auch aus der strategischen Defensive heraus gesucht und taktisch offensiv angenommen werden konnte, schien Admiral Togo bewiesen zu haben. Lange Zeit war das taktische Bild der zu erwartenden Schlacht unklar gewesen. Verunsichernd, ja irreführend hatte 1866 noch die Schlacht bei Lissa gewirkt. Man hatte in der Analyse die Dwarsformation als Angriffsgruppierung und den Rammstoß als schlachtentscheidend registriert und den Entschluß und den Wagemut des österreichischen Flottenführers und die Artilleriewirkung gegen das in Brand geschossene Panzerschiff „Palestro" hintangesetzt. Man hatte eine neue taktische Ära in Betracht gezogen: Statt im Artilleriekampf schien
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die Entscheidung im Rammkampf zu liegen, statt in der Formation im Mêlée; statt der Breitseite glaubte man der Aufstellung der Artillerie in Bugrichtung erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden zu müssen, um sie einleitend beim Anlaufen zum Rammkampf möglichst wirksam einsetzen zu können; und darüber hinaus schien angemessene Beachtung der notwendigen Rundumverwendung in den rasch wechselnden Positionen des Mêlées ratsam. Die Verunsicherung hatte zunächst das Linienschiff als Träger eines bestimmten Kampfauftrags in Frage gestellt, und sie hatte zu einer Reihe wenig zielbewußter Entwicklungsketten geführt. Das Aufkommen der Torpedofahrzeuge hatte für den taktischen Aufbau der künftigen Schlacht weitere PlanspielVarianten eröffnet. Folgerichtig hatte die französische neue Schule den Zeitpunkt für gegeben erachtet, sich von solcher konzentrierter Kampfentscheidung überhaupt abzuwenden zu versuchen. Die Dynamik der technischen Entwicklung aber stellte das Linienschiff nochmals in den Vordergrund: Sie drückte die Taktik in Richtung des Formationskampfes in Kiellinie mit der Artillerie als Rückgrat, der Hintanstellung der Bewertung des Boots- und Schiffstorpedos und der Mine und der Bedachtnahme auf die Geschwindigkeit als gefechtstaktischen Faktor. Sie ließ die Krise des Linienschiffes überwinden und drängte auf die Entscheidung in der Schlacht. Tsushima schien die neuen Annahmen zu bestätigen. Die Anstöße, die aus den Erkenntnissen der Schlacht hervorgegangen waren, erfaßten die taktische Bewertung der Torpedoträger, die Einsatzführung und entsprechende Typenentwicklung im Kreuzerbereich und den antretenden Wettlauf der Mächte im Übergang vom Panzerschiff zum Schlacht- und Großkampfschiff - Erhöhung der Kaliber, Erhöhung der Deplacements, Erhöhung der Zahl der Einheiten, Erhöhung der Marineetats: Schlachtflotten bestimmten Prestige und Respekt im Kreis der Seemächte. Auf die Schlacht, auf „den Tag" ausgerichtete Flotten fuhren in den Ersten Weltkrieg. 12 Wie war die Entwicklung dieser Schiffe und Schlachtflotten erfolgt? Sie reflektierte über rund hundert Jahre die technische Dynamik des Industriezeitalters.
3. Die Entwicklung des 19. Jahrhunderts: Antrieb, Geschoß und Panzerung Die Seeschlacht bei Navarino im Jahre 1827 zwischen einer türkisch-ägyptischen und einer britisch-französisch-russischen Flotte war die letzte reine Segelschiffschlacht gewesen. Schon Jahre vorher, im Krieg der Vereinigten Staaten gegen Großbritannien 1812 bis 1814, war ein erstes Dampf-Kriegsschiff, die
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Doppelrumpf-Dampffregatte „Demologos", später nach ihrem Erbauer „Fulton" genannt, konstruiert worden. Als Blockadebrecher gegen die britische Blokkade gedacht, mit einer Maschinenanlage in den Doppelrümpfen und mit einem Schaufelrad zwischen ihnen ausgestattet, kam die „Demologos" allerdings zu spät, um sich noch im Kriegseinsatz zu bewähren. Die technologische Revolutionierung der Kriegsflotten hatte eingesetzt. Sie sollte sich in erster Linie in Richtung Dampfantrieb, Sprenggranate und Panzerung entwickeln. 13 Mit Symingtons erstem brauchbarem Raddampfer und eben jenes Robert Fultons „City of Clermont", dem ersten Dampfer, der sich 1807 auf dem Hudson zwischen New York und Albany im Linienverkehr auch wirtschaftlich als erfolgversprechend erwiesen hatte, war auch das Kriegsschiff mit den neuen Antriebsmöglichkeiten konfrontiert worden. Die Atlantiküberquerung der „Savannah" 1819 und das erste eiserne Dampfschiff 1821 ließen auch die Flottenführungen aufhorchen. Dennoch zeigten sich die Seemächte dem Dampfantrieb gegenüber im Kriegsschiffbau zunächst zurückhaltend. Die ersten Maschinen waren wohl störungsanfällig - und das könne, so argumentierte man, im Ernstfall bei einem Kriegsschiff schwerwiegende Folgen haben. Die mit Dampf betriebenen Schiffe seien zudem abhängig vom Brennstoffvorrat - das schränke ihren Aktionsradius gegenüber einem Segelschiff stark ein. Kessel, Maschine, Brennstoff und Wasser nähmen überhaupt allzuviel an Gewicht und Raum der Schiffe in Anspruch das gehe zu Lasten der Bewaffnung. Außerdem müßten die Raddampfer schärfer gebaut werden - das heißt, die Schiffe verlören an Breite. Und die Schaufelräder nähmen überdies ein Drittel der Breitseite in Anspruch - das bedeute, sie schwächten damit die Artilleriekapazität der Batteriedecks. Und wenn die Dampfer in der Schlacht auch überlegene Manövrierfähigkeit erwarten ließen — die Schaufelräder und die Maschinen schienen dafür vergleichsweise leicht und damit das Schiff lebensgefährlich verwundbar. Die geäußerten Bedenken führten dazu, daß die entscheidenden Erprobungen und Verbesserungen der Pionierphase der Dampfschiffahrt der Handelsmarine überlassen blieben. Die Kriegsflotten begnügten sich mit kleineren Dampffahrzeugen, Avisos und Schleppern. Nur die Marine der Vereinigten Staaten schaltete sich in die Weiterentwicklung ein und ließ nach dem 1837 erfolgten Stapellauf des kleineren Raddampfers „Fulton II" im Jahre 1842 die „Mississippi" und „Missouri", zwei 3.200-t-Schiffe mit seitlichen Schaufelrädern, von Stapel. Inzwischen hatte eine technische Neuerung auch den Kriegsflotten weitere Impulse vermittelt: die 1829 von Josef Ressel erfundene erste verwendbare Schiffsschraube. John Ericsson, ein Schwede, und Francis Petit-Smith entwickelten sie unabhängig voneinander weiter, und 1842 genehmigte die Marine der Ver-
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einigten Staaten - die Royal Navy hatte abgewunken - den Bau eines Schraubenschiffes nach Ericssons Angaben: die Kriegssloop „Princeton" und damit das erste schraubengetriebene Kriegsschiff. Nun zog die britische Admiralität nach, baute die Schraubensloop „Rattler" und nahm an einigen Schiffen Umbauten auf Dampf und Schraube als Zusatzantrieb vor. 1850 setzte Frankreich den abschließenden Schritt: den Stapellauf des ersten, von Anfang an als solches geplanten Schraubenlinienschiffes, der „Napoléon". Großbritannien, Österreich, Dänemark und die Vereinigten Staaten folgten. Die Schraube erlaubte wieder die geschlossene artilleristische Ausnützung der Bordseiten, die Decks waren nicht mehr durch Radkästen und die querschiffs liegende Radachse durchbrochen. Der Dampfantrieb hatte sich damit entscheidend durchgesetzt. Und ab rund 1860 galten in den führenden Flotten Kriegsschiffe ohne Dampfantrieb bereits als nicht mehr zeitgemäß. Noch für Jahrzehnte blieb auf Kriegsschiffen allerdings der Dampf mit dem Segel kombiniert. Erst mit Ende des 19. Jahrhunderts sollte man auf Segel durchwegs verzichten. Ein weiterer, inzwischen eingetretener Fortschritt: der Eisenschiffbau. Im frühen Opiumkrieg hatte die Ostindische Kompanie erste Dampfkanonenboote mit Eisenrümpfen eingesetzt. In den vierziger Jahren experimentierten die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Mexiko mit eisernen Rümpfen. Inzwischen setzte die britische Handelsmarine 1844 jenen ersten eisernen Schraubendampfer, die „Great Britain", im Atlantikdienst ein. Erst als 1859 Frankreich ein gepanzertes Holzschiff von Stapel ließ, gab die britische Admiralität im Gegenzug ein großes Panzerschiff mit Eisenrumpf in Auftrag. Nur ein Rumpf aus Eisen schien der Gewichtsbeanspruchung des neuen Panzerschiffes mit seinen Panzerplatten, starken Maschinen und 40 Geschützen gewachsen. Mit dem Stapellauf der „Warrior" 1860 war die Ära der Holzkriegsschiffe verlassen. Später sollte dem Eisen der Stahl folgen. Die neuen Technologien trieben den Kriegsschiffbau in einen weiteren Wettstreit: den zwischen Angriff und Abwehr - Artillerie und Panzer. Schwerere, leistungsfähigere Geschütze riefen verstärkte Panzerung auf den Plan und umgekehrt. Wände und Decks gegen Artilleriebeschuß abzusichern war ein Streben, das zur Panzerung führte. Erste moderne Ansätze: die schwimmenden Batterien der Franzosen vor Gibraltar 1782 mit schrägwandigen Kasematten aus 1 Vi m starken Balken. Oder jene „Demologos" der Vereinigten Staaten aus dem Krieg 1812/14, deren Bordwände ebenfalls überdimensioniert waren. Das 19. Jahrhundert öffnete schließlich den Weg zum dampfgetriebenen „Panzerschiff": zum Kriegsschiff, dessen Rumpf durch Eisenplatten geschützt wurde. Erster überzeugender Einsatz: drei französische schwimmende Panzerbatte-
3. Die Entwicklung des 19. Jahrhunderts: Antrieb, Geschoß und Panzerung
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rien im Krimkrieg 1855 vor Kinburn, einer Festung an der Bug-Dnepr-Mündung - „Dévastation", „Tonnante" und „Lavé". Der eindrucksvolle Erfolg: schwere Wirkung des Schiffsfeuers in den Küstenwerken, geradezu wirkungslos der Kugel- und Bombenbeschuß gegenüber den Batterieschiffen - bei 60 bis 70 Treffern nur höchstens 5 cm tiefe Scharten in der Panzerung. Frankreich wie Großbritannien - auch die Briten hatten Panzerbatterien entwickelt - fühlten sich damit in ihren Plänen und Versuchen bestärkt. Sie führten bei den Franzosen zum Stapellauf des ersten Hochsee-Panzerschiffs: der „Gloire" im Jahre 1859 - einem Holzschiff von 5.620 t, rundum gepanzert mit 114 mm dicken Eisenplatten bei einem Panzer-Gesamtgewicht von 9001. Die Briten folgten 1860 mit dem Stapellauf der „Warrior", dem Eisenschiff von 9.2101, ebenfalls mit einem 114 mm starken Gürtelpanzer versehen, allerdings auf nur rund zwei Drittel der Schiffslänge bemessen. Querschotten schlössen den Panzer der „Warrior", damit erste „Panzerkasematten" bildend, ab. Das Rennen zwischen Angriffs- und Abwehrkraft aber ließ dem Panzerausbau keine Atempause. Die zunehmende, im Sinn des Wortes explodierende Wirkung der Artillerie forderte ständig wachsende Panzerstärken heraus: 20, 30, 40, 60 cm. Der technische Fortschritt schließlich ließ das Eisen durch Stahl und durch Stahl immer höherer Härtegrade ablösen. Der Panzerschutzgedanke erfaßte in neuer Form auch die Geschütze. Das relativ schmale Deck und der durch Maschine, Kessel und Kohlen begrenzte Raum der Raddampfer schon hatten zu neuer Aufstellung der Artillerie gezwungen: zur Mittelpivotlafette an Oberdeck. Und die in vollem Kreis drehbaren Geschütze sollten nun auch durch einen kreisförmigen Panzer gedeckt werden. Man dachte an die „Barbette", den oben offenen Brustwehrpanzer. Die Steilfeuerwirkung forderte jedoch die Schließung des Panzers auch nach oben, die Rieht- und Schwenkfähigkeit des Geschützes nach Höhe und Seite freilich wieder die entsprechende Durchbrechung der Panzerhaube. Die Lösung: die Konstruktion eines Panzers, der der Geschützbewegung folgte - des Panzerturms. Die Konstrukteure, die parallel arbeiteten: Theodore R. Timby, ein Amerikaner, John Ericsson, der Schwede, der nach Nordamerika zog, als er in seiner Heimat mit seiner Erfindung auf kein Verständnis stieß, und Kapitän Cowper P. Coles, ein Brite. Timby hatte 1843 ganz allgemein ein Patent für ein „metallisches, drehbares Fort" für Land- wie Seeverwendung angemeldet. Ericsson baute seinen Turm über einer drehbaren Achse, die das Oberdeck des Schiffes nach unten durchbrach und durch Menschenkraft, später durch Dampf oder Hydraulik, bewegt wurde. Coles drehte seinen Turm über Rollen einer auf dem Oberdeck eingebauten Bahn. Erste Bewährung eines Panzerturms: das erbitterte, wenn auch unentschiedene Gefecht des Turmschiffs „Monitor" der Nordstaaten gegen das Panzerschiff
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„Virginia" der Südstaaten auf Hampton Roads 1862. Der Name der „Monitor", 987 t, 52 m lang, das Deck nur 30 cm über Wasser, der Turmdurchmesser knapp über 6 m, sollte zur Typenbezeichnung werden - bis zu den Donaumonitoren der österreichisch-ungarischen Marine im Ersten Weltkrieg. Der Hinweis auf die Panzerung aber schob sich auch in die Bezeichnung der Schiffsklassen ein. Die in Ablösung begriffenen hölzernen Linienschiffe hatten zwei oder drei Batteriedecks und zusätzliche Geschütze an Oberdeck, Fregatten ein Batteriedeck und Oberdeckgeschütze, Korvetten nur Oberdeckgeschütze. In Anlehnung daran sprach man nun bei Panzerschiffen von Panzerfregatten und Panzerkorvetten. Die Bewährungsfrage der Panzerschiffe kulminierte in einem ersten Großeinsatz: in der Seeschlacht bei Lissa im Jahre 1866. Den Kern der gegeneinander anlaufenden Kriegsflotten Italiens und Österreichs bildeten elf und sieben Panzerschiffe. Die italienischen Panzerschiffe zählten sechs neue Panzerfregatten „Formidabile" war beim mißglückten Landungsversuch außer Gefecht gesetzt worden. Die neuesten, „Re d'Italia" und „Re di Portogallo", trugen 120-mmPanzerung und 36 bzw. 28 Geschütze vor allem Kaliber 16 cm. Ein neues TurmRammschiff, der „Affondatore", war eben aus England zur Flotte gestoßen. Die österreichischen Panzerschiffe, durchwegs Fregatten, Panzerung 119 bis 128 mm, waren mit 12 bis 30 Geschützen ausgerüstet, allerdings mit meist kleinerem Kaliber als die italienischen Schiffe. Zu den Panzerschiffen kamen an holzgebauten, ungepanzerten Einheiten auf italienischer Seite sieben, auf österreichischer Seite sechs Dampffregatten bzw. -korvetten, auf österreichischer Seite zusätzlich ein Linienschiff, der „Kaiser", mit 92 Geschützen bestückt. Die von den Österreichern mit einem Angriff eröffnete Schlacht wurde zu einem klaren Erfolg des Konteradmirals Wilhelm von Tegetthoff und der österreichischen Flotte. Der italienische Oberbefehlshaber, der Admirai Graf Carlo di Persano, hatte sich gegenüber dem Offensivgeist der zahlenmäßig unterlegenen Österreicher in dem sich entwickelnden Mêlée nicht durchzusetzen vermocht. Die Italiener verloren die „Re d'Italia" und „Palestro", „Affondatore" sank nach dem Rückzug, offensichtlich noch als Folge von Beschädigungen in der Schlacht. Die Österreicher behielten ihre Schiffe gefechtsklar, nur „Kaiser" bedurfte kurzer Überholung. Die Verluste der Italiener betrugen 667 Tote und 39 Verwundete, die der Österreicher 38 Tote und 138 Verwundete. 14 Die taktischen Erkenntnisse blieben unsicher. Einer der Höhepunkte der Schlacht war zweifellos ein Rammvorgang: das Rammen der „Re d'Italia" durch Tegetthoffs Flaggenschiff „Ferdinand Max". Die zahlreichen Rammpositionen im Mêlée zogen deren spätere Überbewertung für Taktik und Ausstattung nach sich - sowohl die der Dwarsformation gegenüber der Kiellinie als auch des Rammsporns als Waffe. Noch hatte vor Lissa die Artillerie keine entscheidende
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Wende signalisiert, noch blieb ihre Wirkung dem Panzer gegenüber nicht durchschlagend - selbst der hölzerne „Kaiser" hatte trotz schwerer Beschießung sich passabel zu halten vermocht. Und dennoch barg der Tag die Wende in sich: Mit dem „Kaiser" und dem „Affondatore" standen das letzte hölzerne Linienschiff und das erste Turmschiff in einer Seeschlacht. Die technische Entwicklung des 19. Jahrhunderts allerdings trieb auch die Artillerie und deren Wirkung in bisher ungeahnte Bereiche. Der Anfang des Jahrhunderts hatte noch die Ausgangsebene des 16. Jahrhunderts erkennen lassen: das Breitseitenschiff, Zwei- und Dreidecker mit 74 und 120 Kanonen, 600 m als weiteste geeignet erscheinende Gefechtsentfernung, Kugeltreffer als kaliberstarke runde Löcher, falls sie überhaupt durchdrangen, Ziel vor allem die Wasserlinie, um Wassereinbrüche herbeizuführen. Über „Mittelkaliber" war die Segelschiffszeit nicht hinausgekommen, das größte Schiffskaliber war bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts 19 cm. Noch in der Napoleonzeit waren die Kriegsschiffe nahezu ebenso armiert wie zwei Jahrhunderte vorher, noch bei Kap Trafalgar 1805 war die Schlachtentscheidung im Nahkampf gefallen. Der einsetzende Dampfantrieb und die damit verbundene neue Raumverteilung und dementsprechende Verringerung der Geschützzahl und im selben Maße die zunehmende Panzerung forderten die Erhöhung der Artilleriewirkung: durchschlagskräftigere Munition, vervollkommnetes Abfeuergerät, vergrößertes Kaliber. Und erstmalig stellte sich für die Artillerie nun die Aufgabe des Einsatzes nicht nur als Vorbereitungswaffe für den Kampf Mann gegen Mann, sondern als kampfentscheidende Waffe mit dem Ziel der Vernichtung des gegnerischen Schiffes. Die Schiffsartilleristen griffen nach den Sprenggranaten: Abschied vom Vollgeschoß, Einführung des Hohlgeschosses mit Sprengladung. Seit 1700 hatten die Landheere bereits Haubitzen verwendet, die mit Zündern versehene Granaten abfeuerten. Der französische General Henri-Joseph Paixhans trieb die Entwicklung nun in der Marine voran. Das Kennzeichen der Wende: erfolgreiche Versuche mit 22-cm- und 27 -cm-Rohren, 27-kg-Bomben, 1.200 bis 2.000 m Schußweiten. Erst nach Eindringen in das Schiffsinnere wurde die Sprengladung im Geschoß durch eine Brandröhre gezündet. Die Zünderzeit wurde durch kürzeres oder längeres Abschneiden der hölzernen Brandröhre, deren Anfang beim Schuß in Brand gesetzt wurde, der Flugzeit angepaßt: eine primitive Zeitzündung, die für Holzschiffe gleichwohl tödlich sein konnte. 1824 führte Paixhans die vernichtende Wirkung durch Beschuß eines Zweideckers vor. Aber nur Zug um Zug trennte man sich in den Flotten vom Vollgeschoß, noch faßte man die neue Munition als Spezialwaffe auf. Erst die ersten Bewährungsproben der Sprenggranaten überzeugten.
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1849: Die Verteidigung von Eckernförde. Zwei Dänen, das Linienschiff „Christian VIII." und die Fregatte „Gefion", beschossen den Platz. Preußen hatte die neuen Bombenkanonen in der Küstenverteidigung eingeführt. Die Strandbatterien, die die Dänen nicht zum Schweigen zu bringen vermocht hatten, zwangen die beiden Schiffe, die noch über keinen Dampfantrieb verfügten und durch starken Wind im Schußbereich gehalten wurden, zum Streichen der Flagge. Der brennende „Christian VIII." flog mit den eigenen und den an Bord gegangenen Löschmannschaften in die Luft. 1853: Angriff bei Sinop im Krimkrieg. Ein russisches Geschwader unter Vizeadmiral Pavel Stepanovic Nachimov - sechs Linienschiffe, zwei Fregatten und eine Brigg - griff ein auf der Reede von Sinop liegendes türkisches Geschwader unter Vizeadmiral Osman Pascha - sieben Fregatten, drei Korvetten und drei Dampfer - an. Die Russen schössen mit den neuen Sprenggranaten. Sie versenkten alle sieben Fregatten, brachten die Küstenbatterien zum Schweigen und setzten die Stadt in Brand. Die Türken verloren 2.960 Mann an Toten, die Russen 37. Briten und Franzosen erhoben Beschuldigungen gegen das grausame Vorgehen des russischen Admirals und traten in den Krieg ein. In den Flotten der Welt aber erkannte man, in welch hohem Maß die neuen Sprenggranaten die hölzernen Schiffe entwerteten und den alten Vollkugeln überlegen waren. Und ein Jahr später, bei der Beschießung von SevastopoF, erlebten britische Segellinienschiffe schwer getroffen die Bestätigung dieser Überlegenheit am eigenen Leib. Eine weitere Neuerung: die Ablösung der Kugelform des Geschosses durch die langgezogene. Dadurch wurde nicht nur die Auftreffwucht erhöht, das Langgeschoß war zugleich die Voraussetzung für die Anwendung des Aufschlagzünders. Das Langgeschoß wieder mußte zu einer Neuerung am Geschütz führen: Die längliche Granate, die mit der Spitze auftreffen sollte, mußte am Überschlagen gehindert werden. Das geschah am besten, indem sie um ihre Längsachse rotierte. Dies zu erreichen, hatten Handfeuerwaffen seit dem Ende des 15. Jahrhunderts bereits den Weg gewiesen: gezogene statt glatter Rohrläufe. Nun bewirkten die Züge auch bei Geschützen die Stabilisierung der Flugbahn - den Drall. Die Neueinführung erfolgte um 1860. Im nächsten Schritt - ab 1864 - setzten sich auch die Hinterlader-Geschütze durch. Noch stellte die britische Marine zwar 1881 auf der „Inflexible" einen 80t-Vorderlader von 40,6-cm-Kaliber auf. Die Entwicklung entsprechender Rohrverschlüsse jedoch überwand die Explosionsanfälligkeit der Hinterlader. Das schwerste Geschütz des Jahrhunderts auf einem britischen Schiff war bereits ein Hinterlader: 1101 schwer, Kaliber 41,3 cm, 1889 auf der „Victoria" montiert. Die technische Entwicklung ließ auch die Durchschlagskraft der Geschosse emporschnellen. Schmiedeeisen ersetzte das Gußeisen der Geschützrohre, ab
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den 80er Jahren Stahl das Schmiedeeisen. Höhere Mündungs- und Auftreffgeschwindigkeit bzw. größere Reichweite wurde durch Verlängerung des Rohres erzielt. Die neu entwickelte hydraulische Rücklaufbremse fing die gesteigerte Kraft des Rückstoßes auf. Ein weiterer Fortschritt: Das „rauchschwache" Pulver, zunächst 1887 in Frankreich eingeführt, ließ Pulverrückstände und das Übermaß an „Pulverdampf" überwinden. Auf den großen Schiffen wurde nun auch das Verfahrenschießen mit Feuerleitung, Aufschlagbeobachtung, Verbesserung und laufender Berücksichtigung der Entfernungsänderung durch die Bewegungen der Schiffe eingeführt. Anfangs wurde die Feuerleitung mit Stimme und Melderketten vorgenommen. Ab den 80er und 90er Jahren arbeiteten Feuerleitanlagen mit Fernsprechern und Telegraphen. Der Telegraph gab die Befehle nach elektromagnetischem Verfahren weiter. Klingeln und Hupen vermittelten Feuer- und Haltbefehle, grüne und rote Lämpchen Schieberrichtung und Gefechtsseite. Verfeinerte Entfernungsmeßgeräte erleichterten die Einstellung auf entsprechende Gefechtsentfernungen. Der fortdauernde Wettlauf zwischen Artillerie und Panzer aber führte jetzt zu weiteren Neuerungen auch wieder auf der Panzerseite. Zunächst erlaubten die Fortschritte in der Metallurgie die Reduzierung der Panzerstärken: Das HarveyVerfahren und schließlich das Krupp-Verfahren von 1895, die Einführung des einseitig gehärteten Nickel-Stahl-Panzers ließen die Panzerstärken schrumpfen, Platten von 300 bis 350 mm schienen allen Anforderungen zu genügen. Parallel dazu erfolgte die Verstärkung der den Panzer tragenden Schiffsrümpfe: In den 80er und 90er Jahren setzten sich, zunächst bei den Briten, dann bei den Franzosen, Stahlkonstruktionen durch. Die Artillerie antwortete auf die Verbesserung des Panzerschutzes mit Kalibersteigerung. 1863 waren die Briten zum 24-cm-Geschütz übergegangen, 1870 zum 30,5-cm-Geschütz. Darüber hinausgehende Kaliber zeigten noch zu geringe Lebensdauer. Von 1893 bis 1909 sollte das 30,5-cm-Geschütz das schwerste bleiben. Die steigenden Geschützkaliber aber zwangen nun zur Reduzierung auch der Panzerflächen. Denn der nun notwendig gewordene schwerste Panzer konnte nicht mehr gleicherweise für den gesamten Schiffskörper vorgesehen, sondern mußte auf die für die Kampfkraft des Schiffes wichtigsten Positionen konzentriert werden: Geschütze, Munition, Maschinen, Schiffsführung, Wasserlinie. Der Weg dazu war über Extreme gegangen: Bei ihren Boxships 1876-1886 hatten die Briten den Panzer bis auf eine kleine Zitadelle im Mittelschiff eingeengt. Zunächst die Franzosen hatten darauf mit neuen Granaten mit hochbrisantem Sprengstoff geantwortet, und die Briten hatten ihre Panzerflächen gleich wieder ausgedehnt.
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Aber auch die neu entwickelten und in Verwendung genommenen schnellfeuernden kleineren Kaliber erforderten entsprechende Panzerabsicherung. Armstrong lieferte um 1899 12- und 15,2-cm-Schnellfeuergeschütze, die 12 cm mit zehn Schüssen in 48 Sekunden, Krupp in Deutschland und Canet in Frankreich bauten ähnliche Modelle. Die Antwort in der Panzerung war ein leichter Panzerschutz für das gesamte Schiff. Die sich daraus ergebende Forderung, um das Gesamtgewicht zu halten: reduzierte Panzerstärken des Gürtel- und Turmpanzers und Schutzausgleich durch verbesserte Panzerqualität. Schotteneinteilung und Panzerdeck waren weitere Schutzvorkehrungen. Das Panzerdeck schloß jenen Schiffsraum ab, der in seiner Wasserverdrängung die Schwimmfähigkeit sicherstellte. Es wurde Kennzeichen der „Geschützten" Kreuzer. Damit war auch die Entwicklung und Differenzierung für einen neuen Schiffstyp beschritten: leichtere, schnellere Schiffe für Kreuz- und Kolonialaufgaben - Kreuzer. Die Korvetten setzten sich in den Geschützten Kreuzern fort, in kleineren - bis etwa 3.000 Tonnen - , in mittleren und großen Varianten letztere als Große Geschützte Kreuzer im Schnitt bis um 10.000 Tonnen. Die größeren Schraubenfregatten fanden ihre Fortsetzung in den Panzerkreuzern. Zur Entwicklung der Panzerkreuzer hat besonders die russische Marine beigetragen. Der Vizeadmiral A. A. Popov hat ab 1870 versucht, durch Reduzierung von Panzerung und Artillerie schnellere Panzerschiffe zu bauen. Die konsequent weiterentwickelten russischen Panzerkreuzer der 90er Jahre hatten eine Wasserverdrängung von 10.0001 und darüber, hatten Gürtelpanzer, Panzerdeck und vier 20,3-cm-Geschütze, aufgestellt zunächst in über die Bordwand hinausragenden Barbettetürmen, später in ähnlich hinausragenden Kasematten. Parallele Entwicklungen mit schweren und mittleren Geschützen setzten in den 80er und 90er Jahren in allen Flotten ein, mit Klassen bis um die 14.000 t, gegen die Jahrhundertwende mit Ansätzen zu Gewichtsreduzierungen. Parallel zu den Panzerkreuzern liefen die Entwicklungen Geschützter Kreuzer. Die Konzentrierung erfolgte schließlich in Richtung Großer und Kleiner Kreuzer. Die Kleinen Kreuzer, als Aufklärungsschiffe für schwerere Verbände und als Stationsschiffe für Übersee geplant, erreichten bis 1900 - Elemente mittlerer Typen wirkten nach - 1.500 bis 5.000 t, liefen um 20 Knoten und trugen als Hauptbewaffnung 10,2-, 10,5-und 12-cm-, einzelne auch 15,2-cm-Geschütze. Inzwischen verlangte eine neue Waffenentwicklung neue Träger und neue Vorkehrungen: die Unterwasserwaffen. Schon waren erste Minen verwendet worden, von den Amerikanern 1812, von den Russen im Krimkrieg zum Schutz der Ostseehäfen. Als viel einschneidendere Waffe aber erwies sich der Torpedo - eine dem Fregattenkapitän Johann Luppis zuzuschreibende österreichische Erfindung des Jahres 1866. Verbesserung und erste gelungene Vorführung 1872 in Fiume erfolgten durch den Engländer Robert Whitehead. 15
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Die Erfindung schien auf das Ende der Linienschiffe abzuzielen. Noch waren zwar die ersten preßluftgetriebenen Torpedos mit acht Knoten zu langsam und zu unberechenbar im Kurs. In den 70er Jahren hatte man ganze Boote mit Spieren-Torpedos - nach Verlassen durch die Besatzung - mit Angriffskurs bis zum Aufprall auf den Gegner zu lenken versucht. Auch diese besonders von der deutschen Marine vorgetriebenen Versuche erwiesen sich als zu umständlich und zu langsam für den Ernstfall. Der preßluftgetriebene Torpedo aber gewann an Kurssicherheit und erreichte bis 1898 eine Geschwindigkeit von 30 Knoten. Bald stellte sich die Frage nach dem leistungsfähigsten Träger. Panzerschiffe und Kreuzer waren mit Lanzierapparaten ausgestattet worden. Vor allem aber hatte man ab den 70er Jahren begonnen, spezielle „Torpedoboote" zu bauen: zunächst das Lanzierrohr im Bug, später schwenkbar an Oberdeck, nach dem Ansteigen der Größe der Boote auf 100 Tonnen und mehr auch Zwillingsrohre. Erste Erfolge der neuen Waffe: 1878 versenkten die russischen Torpedoboote „Cesma" und „Sinop" vor Batumi das türkische Wachschiff „Intibach". Weitere Torpedotreffer mit Versenkungserfolg gelangen 1880 im chilenisch-peruanischen Krieg den Chilenen, 1884 im französisch-chinesischen Krieg den Franzosen, 1891 im chilenischen Bürgerkrieg und 1894 in der brasilianischen Revolution. Die erzielten Erfolge der Waffe forcierten die Entwicklung ihrer neuen Träger: Die Torpedoboote wurden im Hinblick auf ihre Größe und damit auch auf ihre Seetüchtigkeit von den Unter-30-Tonnen-Booten der zweiten Hälfte der 70er Jahre auf 100 bis 130 Tonnen in der zweiten Hälfte der 80er Jahre angehoben. Die Bewaffnung stieg auf drei bis fünf Lanzierapparate. Und schon baute man auch Torpedokreuzer mit rund 1.000 Tonnen. Die erfolgreiche Entwicklung forderte entsprechende Abwehr heraus: Die leichte und mittlere Artillerie der Panzerschiffe erhielt zusätzlich zur Aufgabe des Beschüsses der ungepanzerten Teile des Gegners die der Abwehr der Torpedoboote. Die Anforderungen an diese Artilleriegruppen aber mußten wieder mit der Weiterentwicklung der Torpedoträger steigen, nicht zuletzt im Hinblick auf rascheres Feuer: die Bereitstellung von Schnellfeuerkanonen. Und zur Bekämpfung der Torpedoboote begann man bereits in den 80er Jahren eigene Torpedokanonenboote zu konstruieren, die bei einer Größe von 300 bis 700 t nicht nur mit Torpedobewaffnung, sondern auch mit leichten Schnellfeuergeschützen ausgestattet waren. Aber erst die von den Briten in den 90er Jahren entwickelten Torpedobootzerstörer, mit 240 bis 400 t zwar kleiner, aber wendiger und schneller als die Torpedokanonenboote, waren als zunächst den Torpedobooten wirksam überlegene Konstruktion anzusehen. Die neu eingeführten Turbinen - auf Charles A. Parsons' Erfindung zurückgehend - trieben um die Jahrhundertwende die Geschwindigkeit der britischen Zerstörerneubauten auf 36 Knoten hinauf. 1 6
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Der Torpedo aber gewann einen weiteren Träger: das U-Boot. Längst hatte das Jahrhundert auch schon Experimente mit Unterwasserfahrzeugen gebracht. Erste Versuche waren schon im ausgehenden 18. Jahrhundert und um 1800 erfolgt. Um 1850 setzte der Deutsche Wilhelm Bauer in Deutschland und wenig später in Rußland erneut mit „Brandtaucher" und „Morskoj cort" zu Experimenten an. Vor allem in Rußland wurden die Erprobungen durch S. K. Dzeveckij und I. F. Aleksandrovskij fortgesetzt. Sie führten vom ersten Stadium des durch Menschenkraft betriebenen Bootes - parallel zu einem französischen Modell von 1862/63 - zum Preßluftmotor-U-Boot von 1863/66 mit 355 t. Die Weiterentwicklung der U-Boote in einer Reihe von Flotten führte gegen die Jahrhundertwende zu Booten mit Über- und Unterwassermarsch, Kommandoturm und Sehrohr und Reichweiten von mehreren 100 Seemeilen. Das 19. Jahrhundert hatte die Basis-Entwicklung der grundlegenden Kriegsschiffstypen für die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts vollzogen. Im Schnitt: Panzerschiffe bis 15.000 t, bestückt mit 30,5-cm-Geschützen in schweren Türmen, mit einer Geschwindigkeit bis 19 Knoten; Panzerkreuzer, fast ebenso groß, die bisherigen Großen Kreuzer aufsaugend, ausgestattet mit bis 24-cm-Geschützen, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 24 Knoten; Geschützte Kreuzer, nun vor allem auf die Kleinen beschränkt, versehen mit Schnellfeuergeschützen bis 15,2 cm und 20 bis 24 Knoten Fahrt; Torpedoboote und Zerstörer, die bis zu 4001 Wasserverdrängung und an die 36 Knoten Höchstfahrt erzielten. Unausgegoren, weitgehend offen präsentierten sich noch die seetaktischen Maßnahmen angesichts dieser sprunghaften technischen Entwicklung. Weitgehend unbewältigt erschienen noch die taktischen Konsequenzen aus dem Dampfantrieb, aus dem Wettlauf von Panzerschutz und Durchschlagskraft der Artillerie, aus der Entwicklung der Torpedowaffe. Noch wirkte die Rammtheorie im Nachklang zu Lissa, schon verkündeten die Anhänger der „Jeune Ecole" die Strategie der Handelskriegsführung und des Küstenschutzes, wesentlich getragen von Kreuzern, U-Booten, Torpedobooten und Küstenpanzern. Auf Intensivierung zielte auch der Umgang mit dem neuen Instrument: Die Flotten unter Dampf, im Schiffsmaterial differenzierter, insgesamt beweglicher, in der Beherrschung schwieriger, in ihrer Reaktionsfähigkeit vielfältiger und anspruchsvoller geworden, forderten heraus zu neuer Gliederung und dauernder Erprobung ihrer Möglichkeiten, zur Vervollkommnung der Führung wie Bedienung der Waffe in ständig wiederkehrenden systematischen Evolutions- und Manöverübungen. Trotz des Torpedos, nicht zuletzt im Hinblick auf die Verwundbarkeit der Torpedoträger, sprach man nach wie vor der Artillerie die beherrschende Rolle in der gefechtsmäßigen Auseinandersetzung zu. Das 19. Jahrhundert hatte sie
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zur schiffsvernichtenden Waffe entwickelt, hatte ihre Überlegenheit gegenüber dem Holzschiff herbeigeführt, ließ sie nun gegenüber dem Panzer erneut um die Vorhand ringen. Die notwendig gewordene Einschränkung der Panzerung hat ihre Bedeutung nochmals unterstrichen. Zwar war die Vorstellung, ein einziger schwerer Treffer könne zur Ausschaltung eines Schiffes führen, in diesem 19. Jahrhundert nicht erfüllt worden. Und noch blieb offen, inwieweit massenhafte Treffer bei der relativ geringen Zahl und dem relativ langsamen Feuer der schweren Geschütze erzielt werden könnten. Noch rechneten manche auch mit dem Fernkampf der Artillerie als einleitender Auseinandersetzung, mit einem alle Waffen umfassenden Nahkampf als Entscheidung. Aber zunehmend traute man insgesamt der Artillerie zu, durch gesteigerten Granathagel, möglicherweise auf verkürzte Entfernung, den Kampf auch zu Ende zu führen. Das Maximum der artilleristischen Feuerkraft in der Breitseite — so meinten schließlich die meisten Taktiker - ließ daher als Basisformation für das laufende Gefecht auch nun die Kiellinie als erstrebenswert erscheinen. Doch blieben, um möglichst allen Anforderungen zu entsprechen, in den Konstruktionen stets auch Bug- und Heckfeuer mitberücksichtigt. Die Bedeutung der Flotten in machtstrategischer Hinsicht aber gewann neue überzeugende Verkündigung. Eine der wirksamsten: Alfred Thayer Mahan umriß in aufsehenerregenden Thesen Voraussetzung und Wirkung offensiv aufgebauter Seemacht. 17
4. Die Front der Großkampfschiffe Mit Panzerschiffen als Linienschiffen, die mit schwerer Artillerie ihr Rückgrat bildeten, waren die Flotten in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gefahren. Ihre allgemeine Markierung: 9.000 bis 15.000 t; 16 bis 19 Knoten; schwere Artillerie: vier 30,5-cm-Geschütze in zwei Zwillingstürmen an Bug und Heck; Mittelartillerie: 15- bis 17-cm-Geschütze, meist einzeln in Kasematten; leichte Artillerie in verschiedener Zahl; dazu zwei bis fünf Unterwassertorpedorohre. Deutschland und Österreich-Ungarn hatten zunächst geringere Hauptkaliber: 24 cm, Deutschland dann 28 cm. Die Vereinigten Staaten reduzierten das 33-cm- zugunsten des allgemein eingeführten 30,5-cm-Kalibers. Italien versuchte relativ bald ein Zwischenkaliber zur schwereren Artillerie durch Steigerung des Kalibers der Mittelartillerie einzuschieben. Österreich-Ungarn hat mit der „Erzherzog"-Klasse die Mittelartillerie schon auf 19 cm gesteigert. Rußland, Frankreich und die Vereinigten Staaten erprobten die Aufstellung der Mittelartillerie in Einzel- oder Zwillingstürmen. Rußland erprobte außerdem mit „Osljabja" und ihrer Klasse zwischenzeitig Hauptkaliber 25 cm.
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An die 30 Schiffe entwickelten die Briten in diesem Stil, 20 die Deutschen. Typische Vertreter: die „Majestic"- bis „Formidable"-Klasse bei den Briten, die „Kaiser"- bis „Deutschland"-Klasse bei den Deutschen; „Tri Svjatitelja" und „Potemkin" 1 8 in der russischen Schwarzmeerflotte, die bald nach Fernost verlegten „Cesarevic", „Retvisan", „Petropavlovsk", „Poltava" und „Sevastopol'" sowie „Navarin", „Sisoj Velikij", „Slava" und die „Borodino"-Klasse in der Ostseeflotte; weiters die kleine „Habsburg"- und die „Erzherzog"-Klasse in Österreich-Ungarn, die „Regina-Margherita"-Klasse in Italien, die „Charlemagne"Klasse, „Suffren" und die „République"-Klasse in Frankreich, die „Alabama"und „Maine"-Klasse in den Vereinigten Staaten, „Fuji" und die „Mikasa"-Klasse in Japan. In einer weiteren Stufe wurden die Linienschiffe nicht nur größer, sondern auch mit Zwischenkalibern als Verstärkung der gleichbleibenden schweren Artillerie von 30,5 cm bzw. mit gesteigertem Kaliber der bisherigen Mittelartillerie 20,3 bis 25,4 cm - ausgerüstet. Diese Ausbaustufe erfaßte nicht die Deutschen und relativ spät Österreich-Ungarn - im Ansatz mit der „Erzherzog"-Klasse, voll mit der „Franz-Ferdinand"-Klasse, die bereits als Halb-„Dreadnought" gewertet werden konnte. 1 9 Diese Stufe war in Großbritannien mit der „KingEdward-VII"- und „Nelson"-Klasse, in Italien in der „Regina-Elena"-Klasse bei auf zwei reduzierten 30,5-cm-Geschützen, in Rußland in der „Svjatoj-Evstafij"und „Imperator-Pavel-I"-Klasse, in Frankreich in der „Démocratie"- und der spät noch gebauten „Danton"-Klasse, in den Vereinigten Staaten in der „Virginia"- und „Connecticut"-Klasse und in Japan mit der „Katori"-Klasse, der „Satsuma" und der „Aki" repräsentiert. „Satsuma" und „Aki" waren im ursprünglichen Entwurf bereits mit zwölf 30,5-cm-Geschützen ausgestattet. Japan stand aber eben im Krieg gegen Rußland und wollte in dieser auch finanziell angespannten Situation die gewaltigen Kosten eines solchen Schiffes noch nicht auf sich nehmen. Der Russisch-japanische Krieg aber sollte dennoch einen Ausgangspunkt für neue Entwicklungen bilden. Gebannt hatte man nicht zuletzt in den Marinestäben rund um die Welt die Entwicklung in diesem Krieg verfolgt. 20 Die Lehren, die man vor allem aus der Schlacht von Tsushima zog: Schwere Artillerie und Panzerung hatten ihren Wert unterstrichen; der Torpedo war im Hintergrund geblieben; Schiffe desselben Typs mit gleichartigen taktischen Eigenschaften waren geeignet, Gruppen- und Flottenoperationen zu erleichtern; die Kiellinie war als entscheidende Gefechtsformation bestätigt; die Gefechtsentfernungen waren bedeutend angestiegen auf 4.000 bis 7.000 m; der Funk hatte erstmals seine Bedeutung erkennen lassen; in den Seeoperationen des ersten Kriegsteils waren außerdem die Einsatzmöglichkeiten der Mine aufgezeigt worden; insgesamt ergab sich der Wert von eigenen Stützpunkten für Flottenoperationen.
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Damit waren bisherige theoretische Überlegungen nicht zuletzt im Hinblick auf die Schiffsartillerie erhärtet worden: Die größeren Schußweiten der Artillerie ließen zwangsläufig wachsende Gefechtsentfernungen erwarten. Die Folge: Die Trefferchancen sanken, und die individuelle Führung der Geschütze wurde unökonomisch. Die zusätzliche Folge, um der schweren Artillerie dennoch die notwendige Massenwirkung zu sichern: weitere Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten, Verbesserung der Ausbildung und der Schießverfahren, Erhöhung der Geschützzahl und effizientere Geschützanordnung. Es kam die zusammengefaßte Feuerleitung und der Übergang zum Salvenschießen. Ganze Geschützgruppen feuerten gemeinsam - gleich gerichtet, auf dasselbe Ziel, denn Vollsalven hatten maximale Trefferaussichten. Gleichzeitig wurden auch technische Neuerungen eingeführt, wurden die Verschlüsse auch der schweren Geschütze zum Schnelladen eingerichtet. Und die Feuergeschwindigkeit der schweren Artillerie wurde bis auf drei Salven pro Minute hinaufgeschraubt. Damit hatte aber nun auch der Zug zur Vereinheitlichung des Kalibers nach oben starke Beweggründe erhalten. Die Artillerieausstattung der schweren Schiffe hatte eben einer bemerkenswerten Aufsplitterung Raum gegeben. So waren die amerikanischen Linienschiffe der „Connecticut"-Klasse mit 30,5-cm-, 20,3cm-, 17,7-cm-, 7,6-cm-, 5,8-cm-, 4,7-cm- und 3,7-cm-Geschützen bestückt. Abgesehen von den neuen taktischen Erfordernissen mußte sich der Gedanke einer Vereinheitlichung auch aus rationellen Gründen ergeben. Diese Überlegungen sollten bald ihren Niederschlag in neuen Konstruktionen finden. Die Kaliberkonzentrierung bei den Briten in Richtung des seit 1893 eingeführten 30,5-cmGeschützes, ab 1910 zum 34,3-cm-, ab 1913 zum 38-cm-Geschütz, bei den Deutschen erst 1909 zum 30,5-cm-, 1915 zum 38-cm-Geschütz setzte ein. Sie war vergleichsweise konsequent bei den Russen in Richtung 30,5-cm-Kaliber seit den 90er Jahren erfolgt. In der Geschoßfabrikation erzielten die Deutschen mit der „Panzersprenggranate" ein besonders wirkungsvolles Geschoß, das hohe Durchschlagskraft mit hoher Sprengwirkung im Inneren des Schiffes vereinigte. Für die Geschützanordnung blieb als Leitgedanke die möglichst starke Feuermöglichkeit über den gesamten Horizont. Über Zwischenstadien mit Seitenturmaufstellungen verlief für die schwere Artillerie die Entwicklung in Richtung der Turmaufstellung in der Mittellinie des Schiffes in Zwillings-, in einzelnen Flotten in Drillingstürmen. Die Mittelartillerie blieb mittschiffs unter dem Oberdeck, die leichte, in Gruppen zusammengefaßt, wurde auf dem Aufbaudeck konzentriert. Damit war der Weg zum Großkampfschiff beschritten, das höchste Offensivkraft und höchste Widerstandskraft mit hochgetriebener Geschwindigkeit in sich vereinen sollte.
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Schon 1903 hatte der Italiener Vittorio Cuniberti für das künftige Linienschiff neben höherer Geschwindigkeit eine Konzentrierung auf das schwerste Kaliber, zwölf 30,5-cm-Geschütze, unter Verzicht auf die Mittelartillerie gefordert. In Japan, in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien hatte man sich in entsprechende Entwürfe vertieft. Der 1904 zum Ersten Seelord berufene J. A. Fisher, seit langem mit der Idee eines „All-Big-Gun-Schlachtschiffes" befaßt, setzte dessen erste Realisierung für Großbritannien durch - in zugleich überragender Bauzeit: Kiellegung 2. Oktober 1905, Stapellauf 10. Februar, Aufnahme der Probefahrten 3. Oktober 1906. Das Ergebnis: die „Dreadnought", das erste Großkampfschiff der Welt mit 18.1001, zehn 30,5-cm-Geschützen in Doppeltürmen, keiner Mittelartillerie, 24 7,6-cm-Geschützen als leichter Artillerie. Ein hoher Dreibeinmast entsprach dem Zug zur vergrößerten Gefechtsentfernung. Der Vier-Schrauben-Antrieb mit Dampfturbinen - das erste größere Kriegsschiff mit Turbinenantrieb - steigerte die Höchstgeschwindigkeit auf 21 Knoten und gewährte damit gute Möglichkeit, die vorgesehene Entfernung auch im Gefecht zu bestimmen. Zweifellos, Großbritannien hatte mit diesem Schiff ein Zeichen gesetzt. 21 Aber Großbritannien setzte gleich ein zweites: im Kreuzerbau. Noch hatte man von der Jahrhundertwende an die Panzerkreuzer-Entwicklung vorangetrieben. In Großbritannien markierten „Defence", „Shannon" und „Minotaur", Stapellauf 1906/07, mit 14.800 t, vier 23,4-cm- und zehn 19-cmGeschützen, rund 23 Knoten, den Höhepunkt dieser Entwicklung; in Deutschland „Scharnhorst" und „Gneisenau", 1906, mit 11.600 t, mit acht 21-cm- und sechs 15-cm-Geschützen, ebenfalls rund 23 Knoten. In Rußland liefen „Admiral Makarov", „Pallada" und „Bajan", 1906/07, mit 8.0001, zwei 20,3-cm- und acht 15,2-cm-Geschützen, rund 22 Knoten, und der starke „Rjurik", 1906, mit 15.400 t, vier 25,4-cm-, acht 20,3-cm- und 20 12-cm-Geschützen und 22 Knoten, von Stapel. In Österreich-Ungarn ist als einziger nach der Jahrhundertwende gebauter Panzerkreuzer „Sankt Georg", 1903, mit 7.400 t, zwei 24-cm-, fünf 19-cmund vier 15-cm-Geschützen und 22 Knoten anzuführen; in Italien die ihm deutlich überlegene „Pisa"-Klasse, 1907/08, mit knapp über 10.000 t, vier 25,4-cmund acht 19-cm-Geschützen und 22 bis 23 Knoten; in den Vereinigten Staaten die „Tennessee"-Klasse ab 1904, bis 16.200 t, mit vier 25,4-cm- und 16 15,2-cmGeschützen und 22 bis 23 Knoten. Alle diese Panzerkreuzer erreichten Geschwindigkeiten zwischen 21 und 24 Knoten, und sie führten Kaliber bis zwischen 21 und 25,4 cm. Auch die deutsche „Blücher", 1908, die zwar mit 15.8001, mit einer Geschwindigkeit von 26 Knoten und mit der Geschützaufstellung schon neue Ansätze verriet, verharrte noch bei zwölf 21-cm- und acht 15-cm-Geschützen. Frankreich blieb mit seinen 13 ab der Jahrhundertwende bis 1908 auf Stapel gelegten Panzerkreuzern bei 14.100 t der letzten, der „Edgar-Quinet"-Klasse,
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1907/08, beim Höchstkaliber von 14 19,4 cm und 23 bis 24 Knoten. Nur Japan, mit „Kasuga" und „Nishin", 1902 und 1903, bei 7.800 t noch in der üblichen Bestückungsbreite, tastete sich mit der „Tsukuba"- und „Ibuki"-Klasse, 1905 bis 1907, bei 14.000 und 14.8501 mit je vier 30,5-cm-Geschützen und weiteren zwölf 15,2-cm- bzw. acht 20,3-cm-Geschützen und 20 bis 22 Knoten bereits deutlich an eine weitere Entwicklungsstufe im Kreuzerbau heran. Diese weitere Stufe sollte - entsprechend den neuen Großkampfschiffen der Linie - nun auch einen neuen Großkampfkreuzer präsentieren: in Kreuzeraufgaben geeignet für gewaltsame Aufklärung wie für die Absicherung leichter Kreuzeroperationen gegenüber schweren Schiffen, in der Schlacht - hier klar aus den Erfahrungen im Russisch-japanischen Krieg schöpfend - verwendbar für die Verlängerung der eigenen Schlachtlinie durch eine für Überflügelungsmanöver besonders günstig anzusetzende schnelle schwere Gruppe wie für die Verfolgung eines geschlagenen feindlichen Gros und schließlich im Handelskrieg verwendbar für die Niederkämpfung von Handelsstörern - bis zum Panzerkreuzer seiner bisherigen Klassen. Das Ergebnis: die „Invincible", der erste Schlachtkreuzer, der der „Dreadnought" entsprechende neue Kreuzertyp, von Stapel gelaufen 1907, mit 17.6001, acht 30,5-cm-Geschützen in Doppeltürmen, nur leichter weiterer Bestückung von 16 10,2-cm-Geschützen, Dreibeinmasten, Vier-Schrauben-Antrieb durch Parsons-Turbinen, die eine Geschwindigkeit von rund 26 Knoten erreichen ließen. Die relativ geringen Panzerstärken konnten freilich im Falle der Verwendung in der Schlachtlinie zu Schwierigkeiten Anlaß geben. 22 Die neuen Typen führten zu einem Wettlauf im Dreadnought-Bau. Verstärkt trat zum Konkurrenzdenken in der Waffe das des nationalen Prestiges. „Großkampfschiffe", „Schlachtschiffe" für die Linienschiffe, „Schlachtkreuzer" für die fortentwickelten Panzerkreuzer waren die neuen, allmählich angewandten Bezeichnungen. Stapelläufe und Indienststellungen vermehrten Zug um Zug die Flotten um neue Symbole der Kampfkraft - der Gewalt wie des Ansehens. 23 Großbritannien setzte vom „Dreadnought" aus mit der „Bellerophon"- und „St.-Vincent"-Klasse sofort mit einem intensiven Schlachtschiff-Bauprogramm an. Ab 1910 gingen die Briten mit Vergrößerung der Schiffe auf zehn Geschütze mit 34,3-cm-Hauptkaliber über: in der „Orion"-Klasse mit 23.000 t, in der „King-George-V"-Klasse mit 23.400 t und in der „Iron-Duke"-Klasse mit 25.400 t. Mit der „Iron Duke" kehrten auch die Briten wieder zur Aufstellung von zwölf Geschützen 15,2-cm-Mittelartillerie zurück. Die „Queen-Elizabeth"-Klasse, 29.100 t, ab 1913, führte nicht nur mit acht Geschützen das 38,1-cm-Hauptkaliber ein, sondern bildete mit 25 Knoten Geschwindigkeit auch bereits einen Übergang zum schnellen Schlachtschiff der Nachkriegszeit. Die Voraussetzung: die Auslegung für reine Ölfeuerung, seestrategisch aus Gründen des Nachschubs heftig
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umstritten. Die fünfte der fünf Einheiten der Klasse, „Malaya", präsentierte sich als „Geschenk" der gleichnamigen Kolonie. Mehr als die spätere „Revenge"Klasse und die unausgegorene Sonderform der „Courageous"-Klasse bildeten die „Queen Elizabeths" einen Höhepunkt des britischen Kriegsschiffbaues. Das britische Schlachtkreuzerprogramm erreichte inzwischen über die „Invincible"- und „Indefatigable"-Klasse entsprechende Breitenentwicklung. In der „Lion"-Klasse, ab 1910, wurde eine Vergrößerung auf 26.800 bis 27.400 t und durch Steigerung der Antriebsleistung von 44.000 PS bei der „Indefatigable" auf 70.000 PS beim „Lion" eine Erhöhung der Geschwindigkeit auf 28 Knoten vorgenommen. Das Hauptkaliber betrug nun acht 34,3-cm-Geschütze. Der 1913 von Stapel gelaufene „Tiger", 29.000 t, verfügte außerdem wieder über zwölf Geschütze 15,2-cm-Mittelartillerie. Die „Queen Mary" der „Lion"-Klasse und der „Tiger" wurden auch optisch zu den eindrucksvollsten Schiffen der britischen Flotte gezählt. Weniger überzeugend die Nachfahren: Übereilt hergestellt - 1916 Stapellauf und Fertigstellung - und mit zu schwacher Panzerung versehen, galten die beiden Schlachtkreuzer der „Renown"-Klasse als problembeladen. 24 Deutschland überwand den britischen Vorsprung im „Dreadnought"-Bau relativ schnell. Lord Fisher hatte sowohl im Hinblick auf die Kosten seiner neuen Schiffe als auch auf die Abmessungen des Kaiser-Wilhelm-Kanals, die ein Passieren von Schiffen der erhöhten Dimensionen nicht gestatteten, gehofft, nicht zuletzt die Deutschen abzuschütteln. Die Deutschen aber entschlossen sich ebenso zum Bau von Großkampfschiffen wie zur Erweiterung des Kanals. Kaum fünf Monate nach dem „Dreadnought"-Stapellauf, im Juni 1906, entschied sich das Reichsmarineamt auch für den Übergang zum Hauptkaliber 30,5 cm. Die „Nassau"- und „Helgoland"-Klasse, ab 1908 und 1909, 18.900 und 22.800 t, verfügten in je sechs Doppeltürmen über zwölf schwere Geschütze, die „Nassau"-Klasse 28 cm, die „Helgoland"-Klasse 30,5 cm. Auch verzichtete man im Gegensatz zu den Briten neben der leichten Artillerie nicht auf die zwölf bzw. 14 Geschütze 15-cm-Mittelartillerie. Die „Kaiser"-Klasse, 24.700 t, ab 1911, war der erste deutsche Schlachtschifftyp mit Turbinenantrieb. Sie zog - bei zehn Geschützen - die schweren Türme zum Teil, die „König"-Klasse, 25.800 t, ab 1913, zur Gänze in die Mittschiffslinie. Hinzu kamen 14 Geschütze 15-cm-Mittelartillerie. Mit der „Bayern"-Klasse, 28.000 t, ab 1915, das Hauptkaliber erhöht auf acht 38-cm-Geschütze, dazu 16 15-cm-Geschütze Mittelartillerie, hatte die deutsche Marine eine zweifellos hervorragende Lösung im Kompromiß zwischen Angriffskraft und Panzerschutz gefunden. 2 5 Dem britischen Vorbild in mancher Hinsicht überlegen war die deutsche Antwort auf die „Invincible": „von der Tann", 19.4001, Stapellauf 1909, 28 Knoten,
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acht 28-cm-Geschütze, zehn 15-cm-Geschütze - auch hier Beibehaltung der Mittelartillerie neben der leichten. Die Panzerung war besser, die Unterteilung sorgfältiger durchgebildet als auf den britischen Gegenstücken, so daß die deutschen Schlachtkreuzer von Anfang an ihre britischen Gegner an Standfestigkeit übertrafen und zunehmend „schnellen Schlachtschiffen" nahekamen. Die „Moltke"-Klasse, ab 1910, und „Seydlitz", 1912, 23.000 und 25.0001, hatten als Hauptkaliber noch zehn 28-cm-, die „Derfflinger"-Klasse, ab 1912, 26.600 t, trug acht 30,5-cm-Geschütze. Die Schiffe waren mit zwölf bzw. 14 Geschützen 15-cm-Mittelartillerie ausgestattet und liefen über 28 Knoten. Die „Derfflinger"Klasse wird, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Waffenwirkung der deutschen Schlachtkreuzer in der Skagerrakschlacht, mit einigem Grund als beste Klasse ihrer Größenordnung im Ersten Weltkrieg angesprochen. In weitere Zukunft sollte die 1917 von Stapel gelaufene, nicht fertiggestellte „Mackensen", 30.5001, acht 35,6-cm-Geschütze, zielen. 26 Japan und Rußland waren es, die ebenfalls den Bau von Schlachtkreuzern aufnahmen. Japan präsentierte die ab 1912 von Stapel laufende „Kongo"-Klasse, 26.3001, mit acht 35,6-cm-Geschützen unter Beibehaltung der Mittelartillerie von 16 Geschützen 15,2 cm, dem Typ nach dem „Tiger" vergleichbar. Die Japaner verfügten damit zweifellos ebenfalls über eine sehr starke Klasse, die von Großbritannien im Ersten Weltkrieg zwecks Verstärkung seiner Flotte gegen die Deutschen vergeblich zur Ausleihung erbeten wurde. Rußland schaltete sich allerdings nur in unvollendeter Form in den Schlachtkreuzerbau ein: mit der ab 1915 von Stapel laufenden „Borodino"-Klasse, 30.0001, zwölf 35,6-cm-Geschütze, 26,5 Knoten, die mit keiner Einheit zur Fertigstellung gelangte. 27 Frankreichs Schlachtkreuzer blieben nur Projekt. Die Türkei übernahm 1914 als „Yavuz Sultan Selim" den deutschen Schlachtkreuzer „Goeben" der „Moltke"-Klasse. Zug um Zug entwickelten sämtliche größeren Flotten nun eine breite Front von Schlachtschiffen. Italien, als erste Seemacht mit Drillingstürmen auftretend, präsentierte, Stapellauf 1910 bis 1913, die „Dante Alighieri", 19.5001, mit zwölf 30,5-cm-, die „Conte-di-Cavour"-Klasse, 22.500 t, mit 13 30,5-cm-, und die „Andrea-Doria"-Klasse, 22.700 t, mit ebenfalls 13 30,5-cm-Geschützen. Erst bei der „Andrea Doria" wurde die Mittelartillerie wieder von 12-cm- auf 16 Geschütze 15,2-cm-Kaliber erhöht. Österreich-Ungarn, mit der „Franz-Ferdinand"-Klasse in ein Halb-„Dreadnought"-Stadium eingetreten, stellte in seiner Antwort auf die italienischen Konstruktionen mit Stapelläufen ab 1911 die „Viribus-Unitis"Klasse in Dienst, 21.000 t, ausgestattet mit zwölf 30,5-cm- und zwölf 15-cmGeschützen, die schwere Artillerie ebenfalls in Drillingstürmen, in der Panzerung den Italienern leicht überlegen. Frankreich baute seine Flotte mit der „Courbet"- und der „Bretagne"-Klasse aus, ab 1911, beide 23.5001, erstere mit zwölf 30,5-cm-, letztere mit zehn 34-cm-
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Einleitung
Geschützen bei jeweils 22 14-cm-MittelartiIIerie. Rußland hatte für den Zeitraum 1909 bis 1930 ein umfangreiches Ergänzungsprogramm für seine Schlachtflotte vorgesehen: für die Ostsee-Flotte waren 20 Schlachtschiffe und vier Schlachtkreuzer geplant. Gelangten die Schlachtkreuzer der „Borodino"-Klasse nur zum Stapellauf, so kamen die Schlachtschiffe der „Gangut"-Klasse mit Stapellauf 1911 noch in den Dienst: 23.400 t, zwölf 30,5-cm-Geschütze. Parallel dazu gegenüber der Türkei im Schwarzen Meer: die „Imperatrica-Marija"-Klasse ab 1913, 22.800 t und ebenfalls zwölf 30,5-cm-Geschütze. Die Mittelartillerie blieb mit 16 12-cm- bzw. 20 13-cm-Geschützen geringkalibrig. Japan reihte neben seinen Schlachtkreuzern der „Kongo"-Klasse mit Stapelläufen ab 1910 die „Kawachi"- und ab 1914 die „Fuso"-Klasse in seine Flotte ein, 21.800 und 31.1001, mit zwölf 30,5- bzw. 35,6-cm-Kaliber bestückt, dazu zehn bzw. 16 15,2-cm-Geschütze Mittelartillerie. Die „Fuso"-Klasse und die aus ihr hervorgegangene „Hiyuga"-Klasse waren als Antwort auf die Entwicklung in den Vereinigten Staaten zu verstehen. Die Staaten hatten das durchgehende 30,5-cm-Kaliber ab 1908 in der „Michigan"-, „North-Dakota"-, „Utah"- und „Arkansas"-Klasse eingebaut, die Größe von 17.900 auf 27.0001 gesteigert und waren ab 1912 mit der „Texas"-, „Oklahoma"- und „Pennsylvania"-Klasse von 27.000 auf 32.0001 und zehn bzw. zwölf 35,6-cm-Geschütze übergegangen. Die Mittelartillerie, bei der „Michigan"-Klasse überhaupt fehlend, blieb bei 12,7 cm unverändert. Der Zug zum Schlachtschiff aber erfaßte, wenn auch nur in jeweils wenigen Exemplaren, auch weitere Flotten der Welt - so Spanien, Argentinien und Brasilien, im Bauprogramm auch Chile. Neben den Großkampfschiffen liefen Bauprogramme für Kleine bzw. Leichte Kreuzer, Zerstörer bzw. Torpedoboote und U-Boote. Für die Leichten Kreuzer setzten sich im Schnitt 3.400 bis 6.000 t als Größe durch, als Bewaffnung acht bis zwölf mittlere Geschütze, als Panzerschutz Deckpanzer und Wasserlinienschutzpanzer, als Geschwindigkeit 25 bis 30 Knoten, als Antrieb Turbinen. Die Aufgaben lagen im Einsatz als Führerkreuzer für Zerstörer- und Torpedobootflottillen, als Aufklärer und als Handelsstörer. Die Entwicklung der Zerstörer und Torpedoboote führte im Schnitt zu Booten von 600 bis 1.0001, zur Einführung des Turbinenantriebes mit Geschwindigkeiten bis 36 Knoten und zur schwenkbaren Aufstellung von doppelten und dreifachen Torpedo-Rohrsätzen. Die See-Eigenschaften waren allein schon durch die Größe so verbessert, daß die Boote die schweren Einheiten in fast jeder Situation zu begleiten in der Lage waren. Als verstärkte Typen kamen Flottillenführer hinzu. Kleinere - 200 bis 400 t - bis Kleinst-Typen von Torpedoträgern für küstennahe Verwendung wurden stellenweise ebenfalls gebaut. Im U-Boot-Bau waren bis zum Ersten Weltkrieg hochseefähige Typen auf breiter Basis entwickelt worden. Das Zwei-Hüllen-Boot mit Dieselmotor-
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Front der Großkampfschiffe
1906,1907,1908
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Der DreadnoughtBestand der Großmächte
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