Experimentelle Einführung in die anorganische Chemie [30.–32. Aufl. Reprint 2019] 9783111508870, 9783111141602

De Gruyter Book Archive (1933-1945) This title from the De Gruyter Book Archive has been digitized in order to make it

181 72 19MB

German Pages 201 [204] Year 1942

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Aus den Vorworten zur 21. bis 29. Auflage
Vorwort zur 30. Ms 32. Auflage
Inhalt
Einleitung
Nichtmetallverbindungen, erster Teil
Metallverbindungen, erster Teil
Nichtmetallverbindungen, zweiter Teil
Metallverbindungen, zweiter Teil
Namen- und Sachregister
Recommend Papers

Experimentelle Einführung in die anorganische Chemie [30.–32. Aufl. Reprint 2019]
 9783111508870, 9783111141602

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

HEINRICH BILTZ

Experimentelle Einführung in die anorganische Chemie 30.-32. Auflage herausgegeben v o n

W I L H E L M K L E M M und W E R N E R F I S C H E R

Mit 24 Figuren u n d t T a f e l

B E R L I N

W A L T E R

DE

1 9 4 2

G R U Y T E R

&

vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung / J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J. Trübner / Veit & Comp.

C O .

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Copyright (942 by W a l t e r d e G r u y t e r & Co. vormals GJ.Gflschen'sche Verlagshandlung —J.Guttentag,Verlagsb u c h h a n d l u n g — Georg Reimer — Karl J . T r ü b n e r — Veit & Comp. Berlin W 35, Woyrschstraße 13 Printed in Germany / Druck von Metzger & Wittig In Leipzig Ardilv-Nr. 520742

Aus den Vorworten zur 21. bis 29. Auflage Die erste Auflage dieses Buches wurde von H. B i l t z im Jahre 1898 für den Gebrauch im Kieler chemischen Universitätslaboratorium verfaßt. Seit dieser Zeit ist es in fast 20000 Exemplaren verbreitet worden und hat eine sehr große Zahl von Chemikern darin unterstützt, sich die ersten Kenntnisse in der Chemie zu erwerben. 40 Jahre sind für ein sich so rasch fortentwickelndes Gebiet wie die anorganische Chemie eine lange Zeit; es haben sich in dieser Zeit nicht nur die Kenntnisse vermehrt, sondern auch die theoretischen Anschauungen vertieft. Auch haben sich die Ansichten darüber, wie man den Studenten mit dem bestmöglichen Wirkungsgrade die Grundzüge der Chemie lehrt, in manchem geändert. Als daher Herr Prof. B i l t z uns im Einvernehmen mit dem Verleger aufforderte, einmal zu überprüfen, ob das Buch nicht an manchen Stellen den Anforderungen der Jetztzeit noch besser angepaßt" werden könnte, haben wir diese Aufgabe sehr gern übernommen; denn wir haben beide als Lernende (W. K l e m m als Schüler von H. B i l t z , W. F i s c h e r als Schüler von W. B i l t z ) wie als Lehrende das Buch gründlich kennen und schätzen gelernt. Bei dieser Neubearbeitung lag kein Grund dafür vor, an dem Gesamtcharakter des Buches etwas zu ändern. Insbesondere haben wir davon abgesehen, Versuche und theoretische Abschnitte aufzunehmen, durch die sich der Student den Molekularbegriff und das Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen selbst erarbeitet. Denn einmal halten wir nicht viel davon, wenn der Anfänger sich mit halbquantitativen Versuchen herumquält, bei denen er einerseits die Waagen mißhandelt und zum anderen einen ganz falschen Begriff von der Leistungsfähigkeit quantitativer Messungen und seiner eigenen Meßkunst erhält. Zum anderen soll das Buch kein Ersatz für Vorlesung und Lehrbuch sein. Es soll vielmehr n e b e n diesen benutzt werden und dem Anfänger die Kenntnis des stofflichen Verhaltens und einen Einblick in die theoretischen Fragen vermitteln, die ihm das Verständnis und die Ordnung der Fülle der Einzelerscheinungen erleichtern. Unsere Überarbeitung beschränkte sich vielmehr auf folgendes: Einmal wurde das P e r i o d e n - S y s t e m der Elemente, das leitende Prinzip alles Lernens und Forschens, zur Grundlage der Einteilung gemacht. Auf diese Weise hoffen wir, schon dem Anfänger das Ver-

IV

Aus den Vorworten zur 21. bis 29. Auflage

ständnis größerer Zusammenhänge zu erleichtern. Die bisherige Einteilung des Stoffes nach vorwiegend a n a l y t i s c h e n Gesichtspunkten bringt, wie wir des öfteren feststellen konnten, leicht Mißverständnisse mit sich. Überhaupt haben wir den Charakter des Buches als Einführung in das analytische Arbeiten eine Kleinigkeit zurücktreten lassen. Dagegen haben wir den Stoff dadurch vermehrt, daß wir außer den in Anfängerbüchern in der Regel allein behandelten Elementen auch einige Angaben über die meist zu Unrecht als „selten" bezeichneten Elemente angeführt haben, da diese in Wissenschaft und Technik eine von Tag zu Tag steigende Bedeutung gewinnen. Es wird sich jedoch empfehlen, diesen Teil erst durchzuarbeiten, nachdem einige Erfahrungen in der qualitativen Analyse der anderen Elemente gesammelt worden sind. — Auf den Wunsch aus Benutzerkreisen wurden einige Reaktionen mit organischen Reagentien aufgenommen. Berücksichtigt sind dabei nur solche Fälle, die für die qualitative Analyse von Bedeutung sind. Reagentien, die nur für die quantitative Analys'e in Frage kommen (z. B. Oxychinolin, Cupferron) sind nicht aufgeführt. Zum anderen sind die t h e o r e t i s c h e n Abschnitte neubearbeitet und zum Teil wesentlich erweitert worden. Es handelt sich dabei meist um Fragen, die in der Experimentalvorlesung nicht in dieser Ausführlichkeit besprochen werden, ohne deren Kenntnis aber ein erfolgreiches analytisches Arbeiten nicht möglich ist. Der Studierende wird am Anfang mit diesen Abschnitten manchmal eine gewisse Mühe haben. Er begnüge sich aber in keinem Falle mit einem oberflächlichen Lesen und einem halben Verständnis. Vielmehr mache er es sich zur Regel, diese Abschnitte immer wieder durchzuarbeiten. Besonders fruchtbar wird es sein, wenn er sich nach dem Durcharbeiten eines Teiles des Buches die an früherer Stelle stehenden Abschnitte erneut vornimmt; es wird dann manches klar werden, was beim ersten Lesen vielleicht unverständlich blieb. Einzelne Sätze, die grundlegende Definitionen enthalten und daher am besten auswendig zu lernen sind, sind fett gedruckt worden. Die neue Nomenklatur ist überall durchgeführt; in vielen Fällen sind jedoch die bisherigen Bezeichnungen in Klammern beigefügt, damit beim Studium von Lehrbüchern und älterer Originalliteratur keine Schwierigkeiten entstehen. Es dürfte zweckmäßig sein, die qualitativ-analytische Ausbildung mit der Durcharbeitung der „Experimentellen Einführung" etwa in folgender Reihenfolge zu verbinden: 1. Experimentelle Einführung: Nichtmetallverbindungen I.Teil. Metallverbindungen I. Teil. 2. Qual.-anal. Ausbildung: Einfacher Kationengang; „Schulanalyse".

Vorwort zur 30. bis 32. Auflage

v

3. Experimentelle Einführung: Nichtmetallverbindungen II. Teil. 4. Qual.-anal. Ausbildung: Säuren; Säuren kombiniert mit den Kationen der Schulanalyse. 5. Experimentelle Einführung: Metallverbindungen II. Teil. 6. Qual.-anal. Ausbildung: Analysen über alle Elemente; insbesondere Mineralien, technische Produkte usw. Man kann auch schon nach S. 69 Beispiele aus der Ammoniumcarbonat- und der Magnesium-Alkalimetall-Gruppe, nach S. 136 die Ammoniak- und Ammoniumsulfid-Gruppe und nach S. 159 die Salzsäure- und Schwefelwasserstoff-Gruppe bearbeiten lassen. Nach Punkt 1 und 6 wird zweckmäßigerweise ein kurzes Kolloquium mit dem Institutsleiter eingeschaltet. In Erwägung zu ziehen ist weiterhin, ob nicht nach 2. bereits einige einfache quantitative Bestimmungen ausgeführt werden, deren erzieherischer Wert sowohl für das chemische Denken wie für das experimentelle Arbeiten an dieser Stelle besonders groß ist. Den neuen Bestimmungen für das Chemiestudium (1939) entspricht diese Einführung ebenso wie den früheren. Die Verkürzung der Studienzeit verlangt eine ganz besonders solide Grundlage; der Student sollte daher auf das Erlernen der in dieser Einführung behandelten Grundbegriffe ganz besondere Sorgfalt verwenden. Sehr erfreut hat uns die von befreundeter Seite ausgesprochene Anerkennung, daß sich das Buch unter den Kriegsverhältnissen, d. h. bei einem starken Andrang von Studierenden und einem Mangel an Assistenten, besonders bewährt hat.

Vorwort zur 30. Ms 32. Auflage Da die 27.—29. Auflage bereits nach weniger als einem Jahr zur Neige geht, haben wir uns zur Beschleunigung der z. Z. erschwerten Drucklegung auf einige kleinere Änderungen beschränkt. Juli 1942 W. Klemm

W. Fischer

Inhalt Theoretische Abschnitte sind kursiv gedruckt Einleitung Allgemeine Vorsichtsmaßregeln beim Arbeiten im Laboratorium . . . . Das Umfüllen von Reagentien Filter und Filtrieren 1 Der Bunsenbrenner, das Gebläse und 4as Lötrohr Die Bearbeitung des Glases Kork bohren N i c h t m e t a l l v e r b i n d u n g e n , e r s t e r Teil Säuren, Basen, Salze Salzsäure und Chlor Chemische Umsetzungen • Konzentration der Lösungen; Normallösungen Schwefelsäure . Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre Chemische Bindungskräfte Oxydation und lteduktion Schweflige Säure Salpetersäure und Stickstoffoxyde Kohlendioxyd und Kohlensäure Schwefelwasserstoff Phosphorsäure, Saure Salze Namen anorganischer Stoffe

;

Metallverbindungen, e r s t e r Teil Alkalimetalle Natrium Kalium Ammonium : Erdalkalimetalle und Magnesium Erdalkalimetalle Calcium Strontium und Barium ,Magnesium Chemisches Oleichgewicht A. Das Wesen der chemischen Gleichgewichte B. Das Massenwirkungsgesetz C. Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen in wäßriger Lösung D. Bedeutung des Massenwirkungsgesetzes für heterogene Reaktionen E. Ursachen für den Eintritt von Reaktionen Aluminium Säuren- und basenbildende Oxyde

Sjeite

" 1 4 5 6 8 10 13 15 15 16 20 21 22 25 29 32 34 35 40 42 45 50 52 52 52 57 59 62 62 62 66 67 69 69 73 76 83 85 87 91

Inhalt Elemente der Gruppe Xb Silber Komplexverbindungen und Doppelsalze Kupfer Elektroaffinität Elemente der Gruppe I I b Zink Cadmium Quecksilber Übergangselemente Eisengruppe Eisen Kobalt Nickel Chrom Mangan Aufschließen Weitere Elemente der b-Gruppen Zinngruppe Zinn Kolloide Lösungen Blei Sulfide Arsengruppe Arsen Antimon .Wismut

VII Seite

95 95 98 103. 107 108 108 111 111 116 117 117 124 126 127 133 136 138 139 139 142 144 147 148 148 155 158

N i c h t m e t a l l v e r b i n d u n g e n , z w e i t e r Teil VII. Gruppe Halogene Halogenwasserstoffe Halogensauerstoffverbindungen VI. Gruppe Wasserstoffperoxyd Säuren des Schwefels Selen und Tellur V. Gruppe Hydrazin, Hydroxylamin Salpetrige Säure und Nitrite Phosphorige Säure IV. Gruppe Silicium III. Gruppe Borsäuren

160 160 160 160 162 166 166 167 169 171 171 171 173 174 174 176 176

M e t a l l v e r b i n d u n g e n , z w e i t e r Teil Lithium, Beryllium Seltene Erden Titan, Zirkonium, Thorium Vanadin, Niob, Tantal Molybdän, Wolfram, Uran Thallium Namen- und Sachregister

178 178 179 180 181 183 186 187

1

Einleitung Zum flotten Arbeiten im chemischen Laboratorium sind einige Hilfsmittel nötig, die der Praktikant sich auf seinem Arbeitsplatze zu halten hat, nämlich: eine Schere, ein Glasmesser zum Glasschneiden, eine an ihrer stärksten Stelle noch nicht ganz bleistiftdicke Rundfeile zum Glätten und Erweitern von Löchern in Korken, ferner Pinzette, Lötrohr und einige einseitig geschlossene Glasröhrchen, deren Anfertigung auf S. 11 bis 12 beschrieben ist. Dazu kommen: eine ausreichende Anzahl von Probiergläsern verschiedener Größe1) mit Gestell, Trichter, Kölbchen, einige dünne Glasstäbe mit rund geschmolzenen Enden, kleine Bechergläschen, eine Spritzflasche, Porzellantiegel und Abdampfschalen, schließlich ein Filtriergestell, ein eiserner Dreifuß (oder ein Stativ mit verschiebbarem Ring) nebst Drahtnetz als Kochgestell und ein Gasbrenner 2 ). Der für manche Zwecke benötigte Spatel kann aus Glas, Porzellan, Horn oder Reinnickel bestehen; v e r n i c k e l t e oder v e r c h r o m t e Instrumente sind im chemischen Laboratorium n i c h t b r a u c h b a r . Erforderlich ist ferner ein Platindraht von etwa 5 cm Länge und etwa 0,4 mm Durchmesser, der an einem Ende in einen dünnen Glasstab eingeschmolzen ist; er wird — mit dem Glasstabe in einem Kork befestigt — in einem mit Salzsäure halbgefüllten Probierglase aufbewahrt. Als Ersatz können in manchen Fällen — z. B. zur Herstellung von Phosphorsalz- oder Boraxperlen — Magnesiastäbchen und -Rinnen verwendet werden. Für die seltenen Fälle, in denen ein Platintiegelchen (es empfehlen sich die in der Lötrohranalyse gebräuchlichen „Plattner-Schälchen") unentbehrlich ist, leiht man ein solches vom Assistenten. Ferner sollte jeder im Besitz einer einfachen Schutzbrille mit splittersicherem Glase sein 3 ). Schließlich sind ein Wischtuch und ein Handtuch unentbehrlich; empfehlenswert ist eine Hasenpfote zum Reinigen des Arbeitsplatzes. ') Für die meisten",Versuche sind Probiergläser der normalen Größe von etwa 16 mm Durchmesser und 160 mm Länge zweckmäßig; daneben benötigt man einige größere (etwa 20 x 200 mm), vor allem aber auch kleinere von verschiedenen Abmessungen. 2 ) Früher benutzte man zum Halten heißer Probiergläser oft Probierglasklemmen. Dafür verwendet man besser ein Stück Papier von etwa Oktavgröße, das durch einige Längskniffe zu einem Streifen zusammengefaltet ist. ') Z. B. zu beziehen von Robert Kirsten, Düsseldorf. B i l t z , K l e m m , F i s c h e r , Einfüliruiig. 30 —82. Aufl.

1

2

Einleitung

A l l e G l a s s a c h e n seien s t e t s s a u b e r . Bechergläser werden gereinigt, mit destilliertem Wasser ausgespült und nach dem Abtropfen mit nach unten gestellter Öffnung auf Filtrierpapier, mit dem der Schrank zum Teile ausgelegt ist, aufbewahrt. Die gereinigten und getrockneten Kölbchen bewahrt man nach Verschluß mit etwas Filtrierpapier, das über den Rand geknifft wird, gegen Staub gesichert auf. D i e P r o b i e r g l ä s e r werden s t e t s b a l d n a c h den V e r s u c h e n g e r e i n i g t . Dazu reicht meist Wasser und eine Gänsefeder oder eine Probierglasbürste aus; zur Entfernung fest haftender Niederschläge nimmt man eventuell einige Tropfen roher, konzentrierter Salzsäure zu Hilfe 1 ). Diese Reinigung gelingt fast immer leicht und schnell, wenn sie bald vorgenommen wird, ist aber oft recht mühsam und zeitraubend, wenn sie bis zum nächsten Tage verschoben wird. Man spült auch hier stets mit destilliertem Wasser nach. Zum Abtropfen stellt man die Probiergläser mit der Mündung nach unten auf die Zapfen, die zu diesem Zwecke an der Hinterseite des Gestells angebracht sind, oder auch in die Öffnungen des Probierglasgestells. Man halte sich stets einige trockene Probiergläser vorrätig, weil solche zu manchen Versuchen nötig sind. Durch Befolgen dieser Vorschriften kann man sich Zeitverlust und Mißerfolge ersparen. Überhaupt muß mit größtem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß m a n sich b e i c h e m i s c h e n A r b e i t e n von v o r n h e r e i n an die g r ö ß t e S a u b e r k e i t gewöhnen muß. Auch das Innere der Schubladen und Schränke sei stets vorbildlich sauber und ordentlich gehalten sowie mit Verständnis geordnet. Eisensachen, Filter, Glas- und Porzellansachen dürfen kein malerisches Durcheinander bilden, sondern müssen getrennt aufbewahrt werden. • Die meisten Versuche dieses Leitfadens werden in Probiergläsern ausgeführt. Es ist zweckmäßig, zu jeder Umsetzung n u r wenig S u b s t a n z zu nehmen und mit stark verdünnten Lösungen zu arbeiten; denn die meisten Erscheinungen sind bei verdünnten Lösungen viel klarer zu erkennen als bei konzentrierten. Ferner beachte man, daß man, von einigen Ausnahmen abgesehen, mit 1 j 2 —1 ccm der Lösungen vollständig auskommt. Man halte sich an diese Vorschrift nicht nur zu dem Zwecke, keine Chemikalien zu vergeuden, sondern vor allem, um Zeit zu sparen. Wichtig ist es auch, daß man sich von vornherein darin übt, G e w i c h t e und R a u m m a ß e a b z u s c h ä t z e n . Es empfiehlt sich, ein Probierglas zunächst leer, dann zum Fünftel, zur Hälfte, schließlich ganz mit Wasser gefüllt zu wägen, um dadurch eine Vorstellung 1 ) Zum Reinigen von Glasoberflächen, die mit Fett oder ähnlichen Stoffen verschmutzt sind, benutzt man eine Auflösung von Alkalipyrochromat (vgl. S. 132) in konzentrierter Schwefelsäure („Chrom-Schwefelsäure") oder eine alkalische Lösung von Alkalipermanganat (vgl. S. 133/34).

Einleitung

3

vom Inhalte eines Probierglases und seiner Teile zu erhalten. Auch ist anzuraten, ein Probierglas durch Einwägen von 1, 2, 3 g usw. Wasser zu kalibrieren und die betreffenden Höhen an einem aufgeklebten Papierstreifen zu verzeichnen. Ein solcher einfacher Meßzylinder ist oft nützlich. Es ist unbedingt erforderlich, daß über die Arbeiten im Laboratorium sorgfältig und ausführlich Protokoll geführt wird, und zwar nicht auf losen Zetteln, Zigarettenschachteln und ähnlichem, sondern in einem Heft. Der Studierende gewöhne sich vom ersten Tage daran, j e d e Beobachtung, und sei sie noch so geringfügig, so aufzuschreiben, als ob sie von ihm erstmalig gemacht sei. Man verlasse sich nicht darauf, daß ja alles „im Buche" stehe, sondern protokolliere sofort nach Ausführung des Versuches die Beobachtungen, ohne das Buch zur Hilfe zu nehmen, weil man sonst leicht in den Fehler verfällt, das Buch abzuschreiben. Durch diese Art der Niederschrift lernt der Anfänger, die chemischen Ausdrücke zu verwenden. Wenn er es sich ferner zum Grundsatze macht, jede im Probierglase beobachtete Umsetzung auch formelmäßig auszudrücken, übt er sich, chemische Gleichungen aufzustellen. Schließlich ist diese Erziehung zum sorgfältigen Protokollieren auch als Vorbereitung für das spätere selbständige Arbeiten unentbehrlich, bei dem mangelhafte Protokollführung zu schweren Irrtümern und erheblichem Zeitverlust führen kann. Das Laboratoriumstagebuch braucht keine schön geschriebene Reinschrift zu sein, aber es sei übersichtlich und auch für einen anderen lesbar. Das allenvichtigste Erfordernis für ein erfolgreiches und flottes Durcharbeiten dieses Leitfadens ist das häusliche Studium. Kein Abschnitt soll im Laboratorium vorgenommen werden, bevor er sorgfältig unter Hinzuziehung eines L e h r b u c h s d e r C h e m i e zu Hause theoretisch durchgearbeitet und aufgeklart ist. Unklarheiten und Zweifel lasse man nicht auf sich beruhen, sondern frage den Assistenten um R a t . Zwar sind in den experimentellen Teil zahlreiche theoretische Abschnitte eingestreut, deren Studium vielfach Aufklärung geben wird; selbstverständlich sind dièse theoretischen Abschnitte nicht imstande, das Hören einer Vorlesung über analytische Chemie, die sich auf der Theorie der wäßrigen Lösungen und dem Massenwirkungsgesetze aufbaut, zu ersetzen. Zu einem näheren Studium der theoretischen Verhältnisse sei namentlich auf „Die wissenschaftlichen Grundlagen der analytischen Chemie" von W. O s t w a l d (Verlag Steinkopff, Dresden und Leipzig) und auf die „Qualitative Analyse" von W. B ö t t g e r (Verlag von W. Engelmann, Leipzig) verwiesen.

1*

4

Allgemeine Vorsichtsmaßregeln beim Arbeiten im Laboratorium Schon an dieser Stelle sei auf einige Vorsichtsmaßregeln hingewiesen, die beim Arbeiten im Laboratorium unbedingt beachtet werden müssen: 1. Beim Erhitzen von Flüssigkeiten im Probierglase, besonders von solchen, in denen feste Teilchen ausgeschieden sind, ist das Probierglas leicht und andauernd zu bewegen. Durch diese leichten Schüttelbewegungen wird einem Siedeverzuge und dem damit verbundenen Herauskochen der Flüssigkeit aus dem Rohre vorgebeugt. Außerdem werden dadurch die Wände des Rohrs innen, soweit sie erhitzt werden, andauernd mit Flüssigkeit befeuchtet, wodurch eine Überhitzung der Glaswände vermieden wird. B e i m K o c h e n im P r o b i e r g l a s e h a l t e m a n s t e t s die M ü n d u n g v o n s i c h u n d a n d e r e n P e r s o n e n a b , damit niemand verbrüht werde, falls doch einmal ein Herauskochen stattfinden sollte. 2. Versuche, bei denen übelriechende oder giftige Gase entstehen, müssen unter allen Umständen unter dem Abzüge ausgeführt werden. Der Chemiker ist sowieso genötigt, bei seinen Arbeiten oft genug schlechte Luft in Kauf zu nehmen. Es ist eine selbstverständliche Pflicht gegenüber den Arbeitskameraden, alles zu vermeiden, was die Laboratoriumsluft in unnötiger Weise verschlechtert. Die Fenster unbenutzter Abzüge sind geschlossen zu halten, weil die EntlüftungsWirkung in den anderen sonst geschwächt wird. 3. Bei manchen Versuchen muß man mit giftigen Substanzen (z. B. Natriumcyanid) arbeiten. In diesen Fällen ist besonders aiif peinlichste Sauberkeit zu achten (nichts verschütten, sofortiges Säubern der Geräte und der Hände). Man bringt sonst sich selbst in Lebensgefahr und gefährdet unter Umständen andere. Uberhaupt ist es selbstverständlich, daß man sich nach j e d e m Arbeiten sorgfältig die Hände wäscht. Man weiß nie, ob nicht Spuren schädlicher Stoffe an ihnen haften. 4. Gelegentlich hat man es mit Umsetzungen zu tun, die zu Explosionen führen können. Kennt man die Gefahr, so kann man durchaus solche Versuche ausführen; denn durch zweckmäßige Anordnung des Versuches kann man sich schützen. Auf keinen Fall versäume man in den Fällen, in denen auch nur die entfernte Möglichkeit einer Explosion oder des Verspritzens von Alkalien und Säuren besteht, die Augen durch eine Schutzbrille zu schützen (vgl. S. 1).

Das Umfüllen von Reagentien

6

Das Umfüllen von Reagentien Das Eingießen von flüssigen Reagentien aus einer Flasche in ein Probierglas ist eine der kleinen Handhabungen, die der Chemiker besonders häufig auszuführen hat. Da bei unsachgemäßer Durchführung mancherlei Übelstände auftreten, gewöhne man sich von vornherein an folgende Art der Ausführung. Die Flasche ist mit vollem Griff zu. fassen, und zwar so, daß die Beschriftung bei waagerechter Lage der Flasche nach oben kommt. Macht man es anders, so könnte ein herunterlaufender Tropfen die Beschriftung beschädigen. Das Probierglas wird mit dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger der linken Hand gehalten. Mit den beiden noch freien Fingern und dem Handballen nimmt man den Stopfen von der Flasche (Fig. l a ) und gießt die Flüssigkeit ein, ohne dabei den Rand der Flasche auf den des Probierglases aufzusetzen (Fig. lb). Berührt man das Probierglas, so kann der Rand und damit der Inhalt der Flasche verunreinigt werden — besonders, wenn man es gewohnheitsmäßig macht! —, was bei späterem Gebrauch der Reagensflüssigkeit Anlaß zu Irrtümern gibt. Nach dem Ausgießen der Flüssigkeit hängt am Rande der Flasche in der Regel ein dicker Tropfen. Diesen streicht man nicht am Probierglase Figur 1. Ausgießen von ab noch läßt man ihn außen an der Flüssigkeiten Flasche herunterlaufen, sondern man führt den Flaschenrand, ohne dabei die Flasche aus ihrer schrägen Lage wesentlich aufzurichten, an den Hals des Stopfens, streicht hier den Tropfen ab (Fig. 1 c), setzt den Stopfen auf und stellt die Flasche an ihren Platz. Gewöhnt man sich an diese Art der Ausführung, so bleiben die Reagentien stets sauber, die Flaschen und ihre Beschriftung sowie die Reagentienregale werden nicht beschmutzt, und es kann niemals vorkommen, daß man einen Stopfen auf eine falsche Flasche setzt.

6

Filter und Filtrieren

F ü h r t man Reaktionen durch, bei denen sich beim Zugeben einer Reagensflüssigkeit Gase entwickeln (vgl. z. B. S. 17), so gießt man die Lösung nicht aus der Reagentienflasche zu; denn in diesem Falle besteht die Gefahr, daß die sich entwickelnden Gase den ganzen Inhalt der Flasche verunreinigen. Vielmehr füllt man in diesem Falle erst die erforderliche Menge der Flüssigkeit in ein sauberes Probierglas und gießt sie von dort in das Probierglas mit der zu untersuchenden Substanz. Das Ausschütten von festen Reagentien aus Flaschen ist nach Möglichkeit zu vermeiden, da man dabei schlecht dosieren kann. Man entnimmt die benötigte Menge vielmehr mit einem s a u b e r e n Spatel oder Löffel. Hat man dabei einmal etwas mehr genommen, als benötigt wird, so gibt man den Rest — wenn es sich nicht um besonders kostbare Substanzen handelt — nicht in die Flasche zurück, sondern in den Schmutzbehälter. Dies gilt unter allen Umständen von Anteilen, die auf den Arbeitstisch gefallen sind. Filter und Filtrieren Zur Herstellung von „glatten Filtern" benutzt man in der Regel fertig geschnittene runde Scheiben aus Filtrierpapier. Für die vorliegenden Versuche genügen die billigen „qualitativen" Filter; die besonders aschearmen, teureren „quantitativen" Filter sind nicht erforderlich. Man halte sich einen größeren Vorrat von Filtern verschiedener Größe (etwa 7 und 9 cm Durchmesser) stets vorrätig, und zwar nicht lose im Schubfach herumliegend, sondern in einer geeigneten Pappschachtel. Zum Gebrauch faltet man das Filter zweimal im rechten Winkel (vgl. Fig. 2a), so daß es das Aussehen von Fig. 2 b erhält. Diese Papiertüte wird geöffnet (Fig. 2c) und in einen Trichter gesteckt, dessen konischer Teil wenigstens um 1 cm höher ist als das Filter; auf keinen Fall darf das Filter ü b e r den R a n d des T r i c h t e r s h i n a u s r a g e n . J e t z t gießt man mit der Spritzflasche Wasser in das Filter und drückt es mit einem Finger an die Trichterwand fest an (Fig. 2d). Das Filtrat läuft nur dann gut ab, wenn das Papier oben überall gut an der Glaswand anliegt, so daß keine Luftblasen auftreten 1 ); denn nur dann wirkt die Flüssigkeitssäule im Trichterrohr saugend auf die Flüssigkeit im Filter. H a t der Trichter nicht genau den Winkel von 60°, so muß man das beim 1 ) Es ist praktisch, die in Fig. 2 c gestrichelt gezeichnete Ecke abzureißen oder auch nur einzureißen und um die Knickstelle nach rechts umzuschlagen; denn das Filter liegt dann meist noch besser an.

Filter und Filtrieren

7

Kniffen des Filters berücksichtigen. Man lernt dies wie überhaupt die Anfertigung eines gut arbeitenden Filters am besten von Geübteren. Für präparative Arbeiten sind oft die uFaltenfllter" vorzuziehen, da sie ein schnelleres Filtrieren ermöglichen. Man ver-

Figur 2. Filter einlegen

wendet sie aber nur dann, wenn es nicht darauf ankommt, den auf dem Filter gesammelten Niederschlag gut auszuwaschen. Faltenfilter kann man bereits fertig geknifft beziehen. Will man selbst eines herstellen, so geht man am besten von einem kreisförmigen

Figur 3. Faltenfilter

Stück Filtrierpapier aus und beginnt dann in genau der gleichen Weise wie in den Fig. 2 a und 2 b, nur wird der Viertelkreis (Fig. 2 b) noch zweimal im Winkel gefaltet bis zum Sechzehntel-Kreisausschnitte. Dann öffnet man zum Halbkreise (Fig. 3 a) und knifft von einer Seite beginnend, jedes Achtel des Halbkreises aus freier Hand nochmals mit den Daumen, Zeige- und Mittelfingern beider Hände; dabei dienen die mit den Spitzen aneinander gelegten Mittelfinger als Unterlage. In Fig. 3 b ist die linke Hälfte des Filters so behandelt, die rechte noch nicht. Nun wird das Filter zur Tüte geöffnet und in den Trichter eingesetzt (Fig. 3 c).

8

Der Bunsenbrenner, das Gebläse und das Lötrohr

Beim Filtrieren gießt man das Filter nie ganz voll, damit nichts über den Rand des Filters steige. Mit dem Auswaschen, zu dem die Spritzflasche verwendet wird, beginnt man erst, wenn alle Flüssigkeit aus dem Filter abgelaufen ist, und nachdem man sich durch Zugabe eines Tropfens des Fällungsmittels zum Filtrat davon überzeugt hat, daß die Fällung vollständig war. Beim Auswaschen läßt man das Filter jedesmal erst ganz abtropfen, ehe man weiteres Waschwasser aufspritzt 1 ). Die Hauptregel für das Auswaschen ist: o f t m a l s m i t wenig W a s s e r a u s w a s c h e n u n d j e d e s m a l möglichst vollständig ablaufen lassen! Da der Filtrationsprozeß bei feinflockigen Niederschlägen sehr langsam verläuft, ist es zuweilen empfehlenswert, die Fällung im Glase absitzen zu lassen, darauf zunächst die über dem Niederschlage stehende klare Flüssigkeit, ohne diesen aufzuwirbeln, durch das Filter abzugießen und erst dann den Niederschlag mit etwas Wasser aufs Filter zu spülen. Man bezeichnet dieses Abgießen einer Flüssigkeit von einem Niederschlage als „Dekantieren"; es gelingt bei schweren Niederschlägen leicht. Der Bunsenbrenner, das Gebläse und das Lötrohr Der Bunsenbrenner. Zur Erzeugung höherer Temperaturen benutzt man im chemischen Laboratorium heute sehr oft den von R o b e r t B u n s e n erfundenen und nach ihm benannten Gasbrenner. Dieser besitzt an dem unteren Teile des eigentlichen Brennerrohres ein mit Öffnungen versehenes Rohrstück, das so verstellt werden kann, daß der Gasstrom mehr oder weniger große Mengen Luft ansaugt. Stellt man es so ein, daß keine Luft eintritt, so erhält man eine gelbe, „ l e u c h t e n d e " Flamme. Dieses Leuchten rührt daher, daß infolge der ungenügenden Luftzufuhr eine unvollständige Verbrennung stattfindet. Von den Verbindungen aus Kohlenstoff und Wasserstoff, aus denen das Leuchtgas besteht, vereinigt sich dabei der Wasserstoff leichter mit dem Luftsauerstoff, während der Kohlenstoff im wesentlichen nur am Flammenrand verbrennt. Bei der Flammentemperatur leuchten die vorübergehend gebildeten festen Kohlenstoff-(Ruß-)-Teilchen. Infolge dieses Gehaltes an unverbrarmten brennbaren Stoffen kann diese Flamme solchen Stoffen, die leicht Sauerstoff abgeben, den Sauerstoff entziehen: sie wirkt schwach „ r e d u z i e r e n d " 2 ) . Stärkere Reduktionswirkungen erzielt man mit dem Lötrohr (s. S. 10). Bei schleimigen Niederschlägen, wie z. B. Aluminiumhydroxyd (vgl. S. 89), darf man das Ablaufen der Filterflüssigkeit nur so weit fortschreiten lassen, daß der Niederschlag noch feucht bleibt. Denn beim Trockenwerden springt die Masse in kleine Schollen entzwei, zwischen denen das Waschwasser wirkungslos vorbeilaufen würde. 2 ) Näheres über die Begriffe „Reduktion" und „Oxydation" siehe S. 17 u. S. 32.

Der Bunsenbrenner, das Gebläse und das Lötrohr

9

Läßt man dagegen durch die Öffnung Luft zutreten, so verbrennt auch der Kohlenstoff rascher. Da die Flamme infolgedessen glühende feste Teilchen nicht enthält, leuchtet sie nicht ( „ e n t l e u c h t e t e " Flamme). In diesem Falle unterscheidet man einen inneren, blauen Kegel und einen äußeren, bei reinem Brenner und staubfreier Luft nahezu farblosen Mantel. Der i n n e r e Kegel ist verhältnismäßig kalt. Hält man ein Stückchen Holz (Streichholz ohne Kuppe) einen Augenblick quer in die Flamme, so verkohlt es nur an den Stellen, mit denen es sich in dem äußeren Mantel befindet. Da der innere Kegel unverbranntes Gas im Überschuß enthält, wirkt er reduzierend. Besonders geeignet für Reduktionswirkungen ist seine oberste Spitze, weil er an dieser am heißesten ist. Am äußeren Rande des ä u ß e r e n Kegels findet sich ein geringer Sauerstoffüberschuß; dieser Teil wirkt daher s c h w a c h o x y d i e r e n d , er kann hineingebrachten Substanzen Sauerstoff zuführen. Bessere Oxydationswirkungen erzielt man jedoch mit dem Gebläse (s. unten) oder dem Lötrohr (s. S. 10). Ist die Luftzufuhr zu groß oder der Gasdruck zu klein, so „schlägt" der Brenner „zurück", d. h. die Verbrennung erfolgt im Inneren des Brennerrohres an der Gaseintrittsdüse. In solchen Fällen muß die Gaszufuhr sofort abgestellt werden 1 ), da sonst der Brenner beschädigt wird. Nach dem Erkalten des Brenners stellt man dann die Luftzufuhr etwas kleiner oder die Gaszufuhr größer. Den I n s t i t u t e n erwachsen durch den Gasverbrauch große Unkosten. Es ist deshalb eine s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e P f l i c h t e i n e s j e d e n S t u d i e r e n d e n , G a s v e r s c h w e n d u n g zu v e r m e i d e n . Bei Nichtbenutzung des Brenners lasse man daher nur die Sparflamme brennen. Ist eine entsprechende Einrichtung an dem Brenner nicht vorhanden, so stellt man die Luftzufuhr ab und drosselt dann die Gaszuführung so stark, daß nur noch eine kleine Flamme brennt. Gebläse. Braucht man h ö h e r e T e m p e r a t u r e n , so benutzt man einen G e b l ä s e b r e n n e r , bei dem dem Gase vor der Verbrennung komprimierte Luft zugeführt wird. Das Einblasen der Luft erfolgt meist durch ein maschinell betriebenes Gebläse oder ein Wasserstrahlgebläse. Benutzt man ein Tretgebläse, so trete man nur so schnell, als es zur Erreichung des Zweckes unbedingt erforderlich ist. Ein Überschuß ist Kraftvergeudung und schädigt die Einrichtung. Noch höhere Temperaturen erzielt man durch ein S a u e r s t o f f - L e u c h t gasgebläse, bei dem an Stelle von Luft komprimierter Sauerstoff zugeführt wird, den man einer Stahlflasche entnimmt. Die Flamme wirkt in diesem Falle stark oxydierend. Für die üblichen Laboratoriumsarbeiten des Studierenden ist jedoch dieses Gebläse ebensowenig erforderlich wie das noch heißere Wasserstoff-Sauerstoff-(„Knallgas")-Gebläse. x

) In leichteren Fällen hilft oft ein kurzer Schlag auf den Gasschlauch!

Die Bearbeitung des Glases

10

Gebrauch des Lötrohres. Die Verwendung des früher allgemein benutzten Lötrohres ist heute in vielen Laboratorien zu Unrecht in den Hintergrund getreten; in Hüttenlaboratorien usw. wird es auch jetzt noch mit bestem Erfolge vielfach benutzt. Das Lötrohr dient dazu, eine kräftige Stichflamme horizontal zu treiben, damit Stoffe, die auf einer die Wärme schlecht leitenden Unterlage, gewöhnlich einem Stücke Holzkohle, liegen, hoch erhitzt werden können. Durch Regelung der Luftzufuhr gelingt es dem Geübten leicht, in der Flamme einen Überschuß an unverbranntem Gase oder an sauerstoffhaltiger Luft vorherrschen zu lassen; man unterscheidet demnach die „Reduktionsflamme" und die „Oxydationsflamme". Die beiden Flammen sicher und rein zu erzeugen, ist nicht leicht und erfordert viel Übung. Ebenso ist es nicht ganz einfach, längere Zeit ununterbrochen zu blasen. Man muß dabei durch die Nase atmen, ohne daß der mit dem Munde erzeugte Luftstrom unterbrochen wird. Das Atmen erfolgt dabei ganz normal, die Brust darf nicht aufgeblasen sein. Die Hauptsache ist, mit dem Gaumensegel den Mundraum abzuschließen und nur mit dem Druck der Backenmuskeln und keinesfalls mit der Lunge zu blasen. Von Zeit zu Zeit werden die Backen neu aufgeblasen. Am besten erlernt man dies von einem Geübten. Als F l a m m e benutzt man am besten eine Öllampe mit flachem Dochte; für viele Zwecke genügt die l e u c h t e n d e Flamme des Bunsenbrenners 1 ). Um eine O x y d a t i o n s f l a m m e zu erhalten, führt man die Spitze des Lötrohres 1—2 cm über der Mündung des Brenners mitten in die Flamme ein und bläst kräftig, so daß aus der Brennerflamme ein Flammenspitzchen seitlich herausgeblasen wird; in ihm erkennt man deutlich einen kurzen, inneren Kegel und den ihn zum Teile umhüllenden, zum Teile fortsetzenden Flammenmantel, den eigentlichen Oxydationsraum. Zur Erzeugung einer R e d u k t i o n s f l a m m e taucht man die Spitze des Lötrohres nicht in die Flamme des Bunsenbrenners ein, sondern führt sie nur an die •— natürlich nicht entleuchtete — Flamme heran und bläst nur, schwach, so daß ein großer Teil der Flamme, in dem sich weder ein innerer Kern noch ein äußerer Mantel erkennen lassen, zur Seite schlägt. Die Bearbeitung des Glases Der Chemiker kommt beim Zusammenstellen von Apparaten und bei anderen Gelegenheiten oft in die Lage, Glasröhren biegen zu müssen, sie abzuschmelzen, Bruchstellen abzurunden usw. Es ist sehr erwünscht, wenn er sich darin bald eine gewisse Fertigkeit 1

) Leuchtgas ist aber meist nicht ganz frei von Schwefelverbindungen!

Die Bearbeitung des Glases

11

aneignet. Im folgenden seien einige Fingerzeige über die allereinfachsten Glasarbeiten gegeben; besser als aus ihnen wird man die Sache durch Z u s e h e n b e i e i n e m G e ü b t e n lernen. Sehr empfehlenswert ist es, während des Studiums möglichst frühzeitig an einem G l a s b l a s e k u r s u s teilzunehmen. Glasrohr schneiden. Glasröhren bis zu 1 cm Durchmesser zerschneidet man in folgender Weise. Mit einem scharfen Glasmesser wird das Glasrohr zum Fünftel bis Viertel seines Umfanges mit einem Einschnitte versehen. Dann f a ß t man das Rohr gemäß Fig. 4 voll mit beiden Händen und bricht es unter schwachem Ziehen auseinander. Bricht das Rohr nicht bei leisem Drucke, so muß man die Einschnittstelle vertiefen. Handelt es sich darum, weitere Glasröhren zu zerlegen oder engere dicht an einem Ende abzuschneiden, so empfiehlt es sich, die Röhren a b z u s p r e n g e n . Zu diesem Zwecke Figur 4. Glasrohr brechen. ritzt man ebenfalls und berührt Die durch den Strich zwischen den dann das eine Ende des Ritzes Daumen angedeutete Ritzstelle bemit der auf Rotglut erhitzten findet sich auf der vom Beschauer Spitze eines dünnen Glasstabes. abgewendeten Seite des Glasrohres Enden abrunden. Bei jedem Glasrohre, das verwendet werden soll, müssen die scharfkantigen Bruchstellen des Glases abgerundet werden. Dies macht man einfach dadurch, daß man das Ende des Rohres in der leuchtenden Flamme des Gebläses (d. h. ohne Luftzufuhr) 2—3 cm weit unter Drehen anwärmt und dann das äußerste Ende des Rohres in der entleuchteten Gebläseflamme (d. h. mit Luftzufuhr) unter beständigem Drehen erweicht; dabei schmilzt der Rand glatt. Man hüte sich, ein zu großes Stück des Glasrohres zu erweichen, weil sonst leicht der Durchmesser des Rohres durch Einfallen des erhitzten Teiles am Ende enget wird. Bei sehr weiten Röhren muß sehr sorgfältig angewärmt werden, da sonst leicht Sprünge entstehen. Herstellung einseitig geschlossener Glasröhrchen. Zu Glühund Sublimationsversuchen verwendet man vielfach einseitig geschlossene Röhrchen. Zu ihrer Herstellung schneidet man ein Glasrohr von etwa 0,6 cm äußerem Durchmesser in etwa 12 cm lange Stücke. Ein solches Stück erweicht man in der Mitte unter fortwährendem Drehen in der Gebläseflamme; wenn das Glas ganz weich geworden ist, nimmt man es aus der Flamme und zieht es sofort so aus, daß ein etwa 10—15 cm langes, enges Glasröhrchen die beiden weiteren Stücke verbindet. Die Mitte dieses engen

Die Bearbeitung des Glaaes

12

Teiles hält man nun noch einen Augenblick in die Flamme, bis das Glas weich wird (Fig. 5a), und zieht dann auseinander. Nun nimmt man die eine Hälfte, erweicht unter beständigem Drehen die Verjüngungsstelle und zieht den Glasfaden ab, so daß das etwa 6 cm lange Röhrchen jetzt vollkommen geschlossen ist (Fig. 5b). Um den zunächst zugespitzten und ungleichmäßigen Verschluß abzurunden, erhitzt man das Ende nochmals unter beständigem Drehen und bläst nach f\ dem Herausnehmen aus ® l'lj der Flamme mit dem j Munde vorsichtig auf; b dies wird, wenn nötig, wiederholt, bis das Glasröhrchen durch eine

>

Figur 5. Herstellung einseitig geschlossener Glasröhrchen

R u n d u n g von g l e i c h mäßigerWandstärke

geschlossen ist (Fig. 5c). Bleibt an einer Stelle eine Verdickung, so springt das Glas beim Erhitzen leicht. In gleicher Weise können P r o b i e r g l ä s e r , deren Boden zerbrochen ist, wiederhergestellt werden. Gläsrohr biegen. Zum Biegen enger Glasröhren kann man zur Not die leuchtende Flamme eines sogenannten Schnittbrenners verwenden, die es gestattet, eine längere Strecke gleichmäßig zu erhitzen. Besser ist es, wenn sich schon der Anfänger daran gewöhnt, das Biegen von Glasröhren unter Benutzung der Gebläseflamme ^ vorzunehmen, da man so auch weitere Röhren verarbeiten kann. Ein richtig gebogenes Rohr j) soll überall gleichen Durchmesser und annähernd gleiche Wandstärke besitzen (Fig. 6 a), nicht einen Knick, wie in Fig. 6b. Das Schwierigste beim Biegen ist das gleichmäßige Erhitzen des Glasrohres auf eine genügende Länge. Da die Gebläseflamme nur eine geringe Breite Fi ur 6 Glasrohr hat, muß man so vorgehen, daß man das zu biegen biegende Glasrohr unter fortwährendem Drehen so lange in der Gebläseflamme erhitzt, bis es an der erhitzten Stelle dickwandig geworden ist (Fig. 7a). Dabei faßt die linke Hand von oben (Fig. 8); sie trägt das Rohr und bestimmt die Geschwindigkeit des Drehens. Die Rechte, die das Rohr von unten hält, sorgt dafür, daß sich die rechte Seite des Rohres mit der gleichen Geschwindigkeit dreht wie die linke. Dieses Drehen einer weichgewordenen Glasmasse ist nicht ganz einfach; da es aber das A und 0 aller Glasarbeiten ist, muß man es unbedingt beherrschen.

Kork bohren

13

Sobald der in Fig. 7a dargestellte Zustand erreicht ist, nimmt man das Rohr aus der Flamme, stellt es senkrecht und biegt es u n t e r g l e i c h z e i t i g e m Z i e h e n . Dabei nimmt der Durchmesser an der Biegungsstelle etwas ab. Durch vorsichtiges A u f b l a s e n wird dieses ausgeglichen. Zu diesem Zwecke darf das Rohr nur an einer Seite offen sein, an der anderen ist es vorher (etwa durch einen Korkstopfen) zu verschließen. Nach dieser Vorschrift stelle man sich ein rechtwinkelig gebogenes Glasrohr her, von dem dereine Schenkel etwa 4 cm, der andere etwa 12 cm lang ist; dies b Rohr wird zum Einleiten Figur 7. Spitze ausziehen von Gasen in Flüssigkeiten benutzt. Spitze ausziehen. Um eine Spitze, etwa für eine Spritzflasche, zu machen, darf man nicht so verfahren, wie es bei der Herstellung der einseitig geschlossenen Röhrchen beschrieben wurde, weil der zugespitzte Teil des Rohres dabei zu dünnwandig wird. Man muß vielmehr in diesem Falle ganz ähnlich vorgehen, wie es soeben für das Biegen von Glasröhren beschrieben ist. Nachdem man den in Fig. 7a dargestellten Zustand hergestellt hat, nimmt man das Glasrohr aus der Flamme und zieht langsam aus, bis die gewünschte Verjüngung erreicht ist. Nach dem Erkalten schneidet man an geeigneter Stelle ab und schmilzt die Ränder rund (vgl. Fig. 7 b). Kork bohren Um in einen Kork ein Loch zu bohren, wählt man einen Korkbohrer, der eine Kleinigkeit enger ist, als es das gewünschte Loch sein soll, wärmt seine Schneide in der Flamme eines Bunsenbrenners etwas an (auf keinen Fall bis zum Glühen!) und setzt ihn auf die zu bohrende Stelle auf. Dabei hält man den Korkbohrer in der vollen rechten Hand, ihn gegen die Handfläche stemmend, und den Kork mit der linken Hand so, wie es die Fig. 9 zeigt. Nun wird gebohrt, indem der Korkbohrer stets nach derselben Richtung gedreht und dabei leicht gegen den Kork gedrückt wird. Mach

14

Kork bohren

es Schwierigkeiten, das Loch auf einmal durchzubohren, so zieht man den Bohrer heraus, entfernt aus ihm das etwa mitgenommene Korkstöpselchen, erwärmt ihn nochmals und bohrt jetzt völlig durch. Auf jeden Fall muß das Bohren aus freier Hand geschehen; es därf nicht etwa der Tisch als Unterlage benutzt werden, weil dabei sowohl der Tisch als auch der Korkbohrer leiden würde. Etwaige Beschädigungen des Korkbohrers, die kaum vorkommen, wenn in der angegebenen Weise verfahren wird, bessert man mit einem KorkbohrerSchärfer oder von innen mit der Rund- und von außen mit einer dreikantigen Feile aus. Korke, die ein Kölbchen verschließen sollen, wählt man stets etwas größer, als zunächst nqtig erscheint. Durch vorsichtiges, allmählich verFigur 9. Korke bohren stärktes Pressen in einer K o r k p r e s s e unter öfterem Drehen des Korkes macht man den Kork weich, so daß er sich jetzt in den Hals des Kölbchens eindrehen läßt und einen festen Verschluß abgibt. Soll durch einen solchen Kork ein Loch gebohrt sein, so drückt man zunächst den Kork weich, bohrt dann das Loch und drückt schließlich den durch das Bohren erweiterten Kork nochmals leicht in der Korkpresse, wobei das Loch entweder durch die Rundfeile oder den entsprechenden Korkbohrer ausgefüllt ist. In Gummistopfen können Löcher in der gleichen Weise gebohrt werden, wenn der Korkbohrer gut geschärft und mit etwas Natronlauge oder Glyzerin befeuchtet, aber nicht erwärmt ist. Besser benutzt man in diesem Falle allerdings eine kleine Bohrmaschine.

Größte Vorsicht ist beim Einführen von Glasröhren in durchbohrte Stopfen erforderlich, da bei falscher Ausführung schwere Verletzungen eintreten können. Man faßt den Stopfen mit der Unken H a n d so, daß die Bohrung nicht auf die Innenfläche der Hand zeigt, sondern nach beiden Seiten frei ist, ähnlich wie dies für die linke Hand in der Fig. 9 dargestellt ist. Die rechte Hand faßt das einzusetzende Glasrohr, das vorher rund zu schmelzen und gegebenenfalls anzufeuchten ist, g a n z k u r z vor dem einzuführenden Ende. Nun schiebt man das Rohr u n t e r d a u e r n d e m D r e h e n mit s c h w a c h e m Druck in die Öffnung. F a ß t man das Rohr weit vom Korken entfernt und drückt stark, so bricht es leicht ab, und die scharfen Bruchstellen führen zu schweren Verletzungen (schmerzhafte, langsam heilende Fleischwunden, Sehnendurchschneidungen u. ä.).

15

Nichtmetallyerbindungen, erster Teil Säuren, Basen und Salze Säuren sindwasserstoffhaltige Verbindungen, deren Wasserstoff ganz oder teilweise durch Metall ersetzt werden kann. Man erkennt das Vorliegen einer Säure an dem Verhalten ihrer wäßrigen Lösung gegen sogenannte „Indikatoren"; so wird z.B. blaue Lackmuslösung rot gefärbt. 1. Man stelle das Verhalten verschiedener Indikatoren selbst fest, indem man in Probiergläser etwas verdünnte Salz-, Schwefeloder Salpetersäure gibt und sie mit wenigen Tropfen der Lösungen folgender Indikatoren versetzt: Lackmus, Phenolphthalein, Methylorange, Methylrot, Kongorot. Man notiere, welche Farben die Lösungen annehmen. Einbasische Säuren enthalten nur ein durch Metall ersetzbares Wasserstoffatom (Salzsäure HCl; Salpetersäure HN0 3 ; Überchlorsäure HC104). In zwei-, drei-, vierbasischen Säuren sind zwei, drei, vier solcher Wasserstoffatome vorhanden (Schwefelsäure H 2 S0 4 ; Orthophosphorsäure H 3 P0 4 ; Pyrophosphorsäure H4P207). Entzieht man einer sauerstoffhaltigen Säure Wasser, so erhält man die Säure-Anhydride: H 2 S0 4 - H 2 0 = SO,; 2HNO3 - H 2 0 = N 2 0 5 ; 2 H 3 P0 4 — 3 H 2 0 = P2Ö5; 2 HC104 - H 2 0 = C120,. Wie die Beispiele zeigen, sind die Säure-Anhydride Oxyde vonNichtmetallen. Durch Wasseranlagerung an die Anhydride entstehen wieder die Säuren. Beim Ersätze der Säurewasserstoffatome durch Metallatome entstehen aus den Säuren die Salze. Neutrale Salze entstehen aus den Säuren dadurch, daß aller überhaupt durch Metall vertretbare Wasserstoff durch Metall ersetzt wird (z. B. Kaliumchlorid KCl; Natriumsulfat Na 2 S0 4 ; Natriumphosphat Na3P04). In sauren Salzen ist nicht aller ersetzbare Wasserstoff durch Metall ersetzt (z.B. NaHS0 4 ; Na 2 HP0 4 . Über die nähere Benennung solcher saurer Salze vgl. S. 46/47). Den Gegensatz zu den Säuren bilden die Basen, das sind Verbindungen von Metallen mit einer oder mehreren Olf-(Hydroxyl-) Gruppen. Wir nennen: NaOH Natriumhydroxyd, seine Lösung: Natronlauge; KOH Kaliumhydroxyd, seine Lösung: Kalilauge; Ca(OH)2 Calciumhydroxyd, seine Lösung: Kalkwasser. Je nach der Zahl der Hydroxylgruppen spricht man von ein-, zwei-, dreisäurigen Basen, (weil sie 1, 2 oder 3 Säurewasserstoffe zu neutralisieren vermögen; vgl. folgende Seite oben). Auch die Basen bilden Anhydride, z. B.: Ca(OH)2—H20 =CaO. Diese BasenAnhydride sind Metalloxyde. Man kann daher auch definieren: Basen sind Stoffe, die durch Wasseranlagerung an Metalloxyde entstehen. Entsprechend den sauren gibt es auch basische Salze, in denen nur ein Teil der OH-Gruppen durch den Säurerest ersetzt ist. Genannt seien: Pb(0H)C104 und SbOCl; das letztere kann man als Anhydrid des eigentlichen basischen Salzes Sb(OH)2Cl auffassen.

16

Salzsäure und Chlor

2 . Man stelle das Verhalten von Lackmuslösung und den übrigen Indikatoren gegen Basen durch den Versuch fest. Läßt man die Lösung einer Säure mit der einer Base reagieren, so bildet sich Wasser und ein Salz. Diesen Neutralisationsvörgang erläutert der folgende Versuch: 3 . Zu einer mit Lackmuslösung versetzten, also rot gefärbten Salzsäurelösnng gebe man tropfenweise verdünnte Natronlauge. Dabei bleibt die Farbe zunächst unverändert; bei weiterer Zugabe von Lauge schlägt sie p l ö t z l i c h in Blau um. Im Augenblick der Farbänderung ist gerade alle vorhandene Salzsäure gemäß der Gleichung jj^ H a + N a 0 H = NaC1 + umgesetzt. Es ist das n e u t r a l reagierende S a l z (NaCl) u n d W a s s e r entstanden. Bei weiterer Zugabe von Natronlauge erfolgt keine weitere Umsetzung mehr und der Lackmusfarbstoff wird blau, weil nunmehr überschüssige Natronlauge vorhanden ist. Entsprechend können sich Salze auch aus Säure- bzw. Base-Anhyd r i d e n bilden: CaO + 2 HCl = CaCl2 + H 2 0 2Na(OH) + C0 2 = Na 2 C0 3 + H 2 0 CaO + S0 3 = CaS0 4 . Salzsäure und Chlor Chlorwasserstoff HCl ist ein farbloses, stechend riechendes, an der Luft unter Wasseranziehung nebelbildendes Gas, das sich in Wasser sehr reichlich löst; die Lösung ist die Chlorwasserstoffsäure oder „ S a l z s ä u r e D i e „konzentrierte" Salzsäure des Laboratoriums ist eine 35- bis 40-proz., die „verdünnte" eine etwa 10-proz., die .^normale" 1 ) eine 7,05-proz. wäßrige Lösung des Gases. Rohe Salzsäure enthält oft etwas Eisenchlorid und ist dadurch gelb gefärbt. In warmem Wasser, ferner in Lösungen seiner Salze und in anderen Säuren ist Chlorwasserstoff weniger löslich als in reinem, kaltem Wasser. Kleinere Mengen Chlorwasserstoffgas kann man deshalb. durch Zutropfen von konzentrierter Schwefelsäure zu starker Salzsäure herstellen. Größere Mengen stellt man durch Erhitzen von Natriumchlorid mit Schwefelsäure her; dieses Verfahren wird auch in der Technik verwendet. — Salzsäure löst viele Metalle unter Abgabe von Wasserstoff auf, z. B. Eisen, Zink, Aluminium. Ein Anhydrid kann die Salzsäure nicht bilden, weil sie keinen Sauerstoff enthält. Das in der Salzsäure enthaltene Chlor kann man durch Erwärmen mit Stoffen, die leicht Sauerstoff abgeben (z. B. Bleidioxyd Pb0 2 , Mangandioxyd, „Braunstein" Mn0 2 ), frei machen. Diesen Vorgang kann man sich s c h e m a t i s c h in verschiedener Weise in Einzelstufen zerlegt denken, so z. B. in die folgenden 2 ): MnOa = MnO + O 1 n , .. ^ , ,,. ,T 2 HCl + 0 = H O + C1 | uxydatioris-Keduktions-Vorgang M n O + 2 HCl = MnCl2 + H a O Neutralisation Mn0 2 + 4HCl = MnCl2 + 2H a O + Cl2 Gleichung der Gesamtumsetzung. Über den Begriff „normal" vgl. S. 22. 2 ) Eine bessere, an dieser Stelle aber noch nicht verständliche Zerlegung lernen wir S. 33 kennen.

17

Salzsäure und Chlor

Stoffe wie Bleidioxyd und Mangandioxyd bezeichnet man als Oxydationsmittel. Man versteht darunter Stoffe, die an andere Stoffe Sauerstoff abgeben (1. Definition) oder — wie in unserem Falle — ihnen Wasserstoff entziehen können (2. Definition). Das Gegenteil von Oxydation, also die Wegnahme von Sauerstoff oder die Zuführung von Wasserstoff, nennen wir Beduktion. Aus der Definition geht hervor, daß Oxydation und Reduktion stets miteinander gekoppelt auftreten müssen: der Stoff, der oxydierend wirkt (z. B. Sauerstoff abgibt), wird selber reduziert (ihm wird Sauerstoff weggenommen). Eine umfassendere Definition werden wir S. 32 kennenlernen. Chlor zersetzt viele Farbstoffe und wird daher zum Bleichen benutzt. Aus Jodiden und Bromiden verdrängt es die Halogene und setzt sie in Freiheit. Zum Nachweis von Salzsäure und ihren Salzen dient der weiße Niederschlag von Silberchlorid, den man in wäßriger Lösung mit Silbernitrat erhält. Silberchlorid löst sich in Ammoniaklösung, nicht aber in Salpetersäure.

1. Man erhitze in einem Probierglase 1—2 ccm (10—20 Tropfen) konzentrierte Salzsäure unter dem Abzüge; es entweicht feuchtes Chlorwasserstoffgas. 2. Zu 1—2 ccm konzentrierter Salzsäure, die sich in einem Probierglase befinden, gieße man, ebenfalls unter dem Abzüge, aus einem zweiten Probierglase (vgl. S. 6) t r o p f e n w e i s e vorsichtig etwa die doppelte Raummenge konzentrierter Schwefelsäure. Es entwickelt sich unter starkem Aufschäumen ein kräftiger Strom von C h l o r w a s s e r stoffgas. 3. Eine Spatelspitze Natriumchlorid übergieße man im Probierglase unter dem Abzüge mit etwa 1 ccm konzentrierter Schwefelsäure. Es entweicht Chlorw a s s e r s t o f f g a s , das man bei dieser Darstellungsmethode wasserfrei erhält.

&

NaCl + H 2 S0 4 = HCl + N a H S 0 4 .

4. In ein etwa 50 ccm fassendes Kölbchen bringe man etwa 4 g granuliertes Zink, befeuchte es mit einigen Tropfen Wasser und übergieße es mit so viel konzentrierter Salzsäure, daß die Metallstücke eben bedeckt sind. Sofort decke man auf den Hals des Figur 10. Kölbchens einen Trichter — die Öffnung nach unten — Wasserund halte über das nach oben gerichtete Abflußrohr des Trichters ein Probierglas, ohne es auf den Trichter stoff-Entwicklung selbst aufzusetzen. Nach 1/2—1 Minute hebe man das Probierglas hoch, schließe die Mündung sofort mit dem Daumen, drehe es verschlossen um und öffne es dicht an einer Flamme. Das aus dem Metall und der Säure nach der Gleichung Zn + 2HC1 = ZnCl2 + H2 Biltz, Klemm, Fischer

Einführung. 30.—32. Aufl.

2

18

Salzsäure und Chlor

entwickelte W a s s e r s t o f f g a s entzündet sich und brennt mit farbloser, kaum sichtbarer Flamme im Probierglase herab. 2H 2 + 0 2 = 2 H 2 0 . Nachdem die Flamme v o l l k o m m e n erloschen-ist, halte man das Probierglas noch einmal, aber kürzere Zeit über den Trichter, so daß die Luft aus ihm nur zum Teile verdrängt werde. Beim Entzünden explodiert nun der Inhalt des Probierrohres — je nach dem Mengenverhältnisse der Mischung — mehr oder weniger lebhaft ( „ K n a l l g a s " ) . 5. Man erwärme eine Spatelspitze Bleidioxyd mit etwa 1 ccm konzentrierter Salzsäure im Probierglase unter dem Abzüge. Es entweicht C h l o r , ein gelblichgrünes Gas von charakteristischem, unangenehmem Gerüche. Chlor greift die Schleimhäute stark an; man hüte sich also davor, viel davon einzuatmen. Im Probierglase bleiben neben überschüssiger Salzsäure weiße Kristalle von B l e i c h l o r i d zurück. P b 0 2 + 4 HCl = PbCl 2 + Cl2 + 2 H 2 0 . 6. Zur Darstellung von Chlor kann man statt des teueren Bleidioxyds auch das Figur 11. Chlor-Entwicklung

^

r

°he

Mangandioxyd

(„Braunstein ) verwenden. Man stelle sich einen kleinen Gasentwicklungsapparat nach Fig. 11 her. Das Kölbchen fasse 50 ccm; das Glasrohr sei so zum Winkel von 65—75° gebogen, daß der eine Schenkel etwa 6 cm, der andere etwa 16 cm lang ist; die Glasrohrenden seien rund geschmolzen. Wenn der Apparat zusammengestellt, aber noch nicht gefüllt ist, prüfe man, ob er dicht schließt, indem man am Glasrohre saugt und feststellt, ob die Zunge einige Zeit haften bleibt. In diesen Apparat bringe man etwa 2 g Braunstein und 5—7 ccm konzentrierte Salzsäure, verschließe ihn und befestige unter dem A b z ü g e den Kolben-, hals mit einer Klammer an einem Stativ in solcher Höhe, daß der Kolbenboden etwa 5 cm über einen darunter gestellten, noch nicht angezündeten Bunsenbrenner zu stehen kommt. Dann schiebe man ein zum Drittel mit Wasser gefülltes Probierglas, das man mit der Hand hält, über das Gasableitungsrohr und erwärme den Kolben

Salzsäure und Chlor

19

gelinde mit kleiner, fächelnder Flamme. Zuerst entweicht durch das vorgelegte Wasser Luft; dann kommt C h l o r g a s , das zum Teile vom Wasser gelöst wird und dieses gelblich färbt. Es bildet sich „Chlorwasser", das bis zu 0,8 Gewichtsprozent elementares Chlor enthalten kann. Na'ch einigen Minuten nimmt man das vorgelegte Probierglas fort und entfernt erst dann die Flamme. Würde man die Flamme zuerst entfernen, so würde das Chlorwasser in den schnell erkaltenden Apparat zurücksteigen. 7. In das den oberen Teil des Probierglases erfüllende Chlorgas halte man etwas rotes und etwas blaues angefeuchtetes Lackmuspapier; es tritt Entfärbung des Lackmusfarbstoffes ein. Zu 1 ccm Indigo - Lösung gebe man etwas Chlorwasser•,sofort verschwindet die tiefblaue Farbe des Indigos, und eine schmutzig gelbe von Oxydationsprodukten des Indigos tritt auf. 8 . Man gebe zu einigen Tropfen Kaliumjodid-Lösung und zu einigen Tropfen Kaliumbromid-Lösung je einen Tropfen Chlorwasser-, es tritt Braun- bzw. Gelbfärbung von frei gewordenem J o d bzw. B r o m auf. 2 K J + Cl2 = 2 KCl + J2 2KBr + Clg = 2 KCl + Br 2 . Man verteile die so erhaltenen brom- bzw. jodhaltigen Lösungen auf je zwei Probiergläser und schüttele das eine mit 1 ccm Schwefelkohlenstoff, das andere mit 1 ccm Chloroform, kräftig durch. Nachdem sich die Flüssigkeit wieder in zwei Schichten getrennt hat, erkennt man, daß das Brom und das Jod in die nichtwäßrige Schicht übergegangen sind ( „ A u s s c h ü t t e l n " ) . Man notiere die Farben, die dabei auftreten. 9 . Man vermische einen Tropfen verdünnter Salzsäure mit einigen Kubikzentimetern destillierten Wassers und füge etwas verdünnte Silbernitrat - Lösung hinzu; es entsteht ein weißer Niederschlag von S i l b e r c h l o r i d , der sich beim Umschütteln oder Erwärmen flockig zusammenballt. HCl + A g N 0 3 = AgCl + H N 0 3 . Auf Zusatz einer ausreichenden Menge Ammoniak-Lösung löst sich der Niederschlag wieder auf. 1 0 . Löst man ein Körnchen Natriumchlorid in destilliertem Wasser auf und fügt einige Tropfen Salpetersäure und alsdann etwas Silbernitrat-hösung hinzu, so fällt ebenfalls S i l b e r c h l o r i d aus. NaCl + AgNOg = AgCl + N a N 0 3 . Auch andere Salze der Salzsäure geben die gleiche Reaktion. Diese Tatsache ist nicht selbstverständlich; denn andere Chlorverbindungen, wie z. B. Überchlorsäure HC104 oder Chloroform CHC13, geben keine Fällung mit Silber2*

20

Chemische Umsetzungen

nitrat-Lösung. Eine Erklärung für dieses verschiedenartige Verhalten werden wir S. 28 kennenlernen. Silberchlorid ist in Salpetersäure u n l ö s l i c h , wird aber, wie soeben gezeigt wurde, durch Zusatz von A m m o n i a k - L ö s u n g gelöst. Die Löslichkeit in Ammoniak unterscheidet das Silberchlorid vom Silberjodid, das sich nicht in Ammoniak-Lösung auflöst. Näheres vgl. S. 100 ff. Die Unlöslichkeit des Silberchlorids in Salpetersäure zu kennen, ist deshalb wichtig, weil das Auftreten eines schwer löslichen Niederschlages allein die Anwesenheit von Salzsäure oder Chloriden nicht mit Sicherheit verbürgt. Aus neutralen, d. h. nicht salpetersauren Lösungen fallen auch schwer lösliche Silbersalze anderer Säuren aus.

11. Man stelle dies mit einem Tropfen Natriumcarbonat- Lösung fest, den man mit etwas Wasser und einigen Tropfen SilbernitratLösung versetzt. Es entsteht ein dicker Niederschlag von S i l b e r c a r b o n a t ; dieser löst sich aber auf Zusatz von Salpetersäure auf. Ist diese Lösung jetzt völlig klar, so war das Natriumcarbonat völlig frei von Natriumchlorid; bleibt eine Trübung, so enthielt es etwas davon. Ähnliches Verhalten beobachtet man z. B. mit Kaliumnitrit- und Natriumphosphat-Lösung. Infolgedessen gibt man zur Prüfung auf Chloride stets soviel Salpetersäure hinzu, daß die Lösung deutlich sauer reagiert. 12. Von Salpetersäure nur wenig gelöst wird auch das Silbersulf at. Versetzt man ziemlich konzentrierte Silbernitrat-'Lösxmg mit Schwefelsäure, so fällt ein weißer Niederschlag, der bei Zugabe von Salpetersäure-Lösung nicht verschwindet. Verdünnt man jedoch mit destilliertem Wasser stärker, so geht er -— im Gegensatz zum Silberchlorid — in Lösung. Unter den Bedingungen des analytischen Arbeitens ist daher eine Verwechslung nicht zu befürchten. 13. Zum Nachweise von Chloriden im Leitungswasser fülle man dieses in ein Probierglas und gebe einige Tropfen Salpetersäure und etwas Silbernitrat-Lösung hinzu. Eine Trübung zeigt einen geringen, ein Niederschlag einen größeren Gehalt an Chloriden an. Durch Zugabe von Ammoniak überzeuge man sich, daß wirklich Chloride vorliegen. Zur Anstellung aller dieser Versuche sind natürlich — wie stets! — Probiergläser zu verwenden, die sorgfältig mit destilliertem Wasser ausgespült sind. Der Salzsäure stehen die Bromwasserstoffsäure HBr, die Jodwasserstoffsäure HJ, die Cyanwasserstoffsäure HCN, die Cyansäure HOCN, die Rhodanwasserstoffsäure HSCN und die Stickstoffwasserstoffsäure HN 3 sehr nahe; sie verhalten sich in den meisten Umsetzungen ganz ähnlich. Diese Säuren werden zum Teil später besprochen werden.

Chemische Umsetzungen Unter einer chemischen Umsetzung oder Reaktion versteht man einen Vorgang, bei dem sich aus vorhandenen Stoffen neue Stoffe bilden. Bei der Umsetzung zwischen Salzsäure und Silbernitrat z. B. bilden sich Silberchlorid und Salpetersäure.

Konzentration der Lösungen; Normallösungen

21

Die meisten der in dieser Anleitung beschriebenen Umsetzungen werden in w ä ß r i g e r L ö s u n g durchgeführt, weil man für die Reaktionen der analytischen Chemie meist dieses Lösungsmittel benutzt. Es sei jedoch schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Abwesenheit von Wasser keineswegs Voraussetzung für chemische Umsetzungen ist. Es gibt auch Reaktionen in anderen Lösungsmitteln, in Gasen, Schmelzen, ja bei höheren Temperaturen auch zwischen festen Stoffen. Schließlich können auch Gase mit flüssigen und festen Stoffen reagieren usw. Beispiele für Umsetzungen bei Abwesenheit von Wasser, die in der präparativen Chemie heute sehr häufig durchgeführt werden, werden wir auch in dieser Einführung gelegentlich kennenlernen. Zum E r k e n n e n von Stoffen durch chemische Umsetzungen (Nachweisoder Erkennungs-Reaktionen) benutzt man solche Umsetzungen, bei denen Stoffe von recht augenfälligen Eigenschaften — insbesondere farbige oder unlösliche Stoffe — entstehen. Eine Reaktion ist „ s p e z i f i s c h " oder „ e i n d e u t i g " , wenn sie nur bei Gegenwart eines bestimmten Stoffes eintritt. Allerdings wird dieser Idealfall Dur selten erreicht; die meisten Umsetzungen sind nicht für einen Stoff, sondern jeweils für eine ganze G r u p p e von Stoffen charakteristisch; solche Reaktionen nennt man „ s e l e k t i v " . Wenn man z. B. eine zu untersuchende Lösung mit Silbernitrat-Lösung versetzt, so beweist, wie wir oben sahen, das Auftreten eines weißen flockigen Niederschlages, der in Salpetersäure unlöslich, in Ammoniak-Lösung leicht löslich ist, die Gegenwart von Salzsäure oder von einem ihrer Salze. Diese Reaktion ist also charakteristisch für die Salzsäure und ihre Salze. — Eine Reaktion ist „ e m p f i n d l i c h " , wenn sie schon unter Anwendung einer sehr geringen Stoffmenge ausführbar ist. So ist Silbernitrat ein empfindliches Reagens auf Salzsäure oder Chloride, weil schon äußerst kleine Mengen dieser Stoffe auf Zugabe von Silbernitrat einen Niederschlag liefern. F ü r d e n a n a l y t i s c h e n C h e m i k e r i s t es w i c h t i g , die c h e m i s c h e n U m s e t z u n g e n , die zum N a c h w e i s eines S t o f f e s b r a u c h b a r s i n d , zu k e n n e n . E r m u ß d a b e i die B e d i n g u n g e n , u n t e r d e n e n diese' R e a k t i o n e n e i n t r e t e n , u n d i h r e Z u v e r l ä s s i g k e i t , d. h. i h r e S p e z i f i t ä t und Empfindlichkeit, sorgfältig beachten.

Konzentration der Lösungen; Normallösungen Es ist zweckmäßig, bei Umsetzungen die richtigen Mengen der sich umsetzenden Stoffe zu verwenden; ein größerer Überschuß eines der Stoffe würde — von besonderen Ausnahmefällen abgesehen — zweckloser Ballast, d. h. also Materialverschwendung sein und oft Veranlassung zu Störungen geben. Deshalb verwendet man in den Laboratorien Lösungen von bestimmtem Gehalte. Den Gehalt einer Lösung an gelöstem Stoffe kann man in zweierlei Weise bezeichnen: entweder gibt man den Prozentgehalt oder die Konzentration an. Unter Prozentgehalt versteht man die Angabe der Gramme gelösten Stoffes, die in 100 Gramm (also einer bestimmten G e w i c h t s m e n g e ! ) der Lösung enthalten sind; unter Konzentration die Angabe der Menge gelösten Stoffes, die in einem bestimmten Volumen der fertigen Lösung enthalten ist. Da das Volumen der Lösung sich — im Gegensatz zum Gewicht! — in der Regel nicht genau additiv aus den Bestandteilen zusammensetzt, ist stets eine Dichtebestimmung der Lösung erforderlich, wenn man beide Größen miteinander in Beziehung setzen will. Früher — und gelegentlich auch jetzt noch — verwendete man Lösungen von festgesetztem P r o z e n t g e h a l t e , meist 10-proz. Lösungen. Das ließ sich leicht merken, und man konnte beim Gebrauche sich durch eine Überschlagsrechnung schnell ausrechnen, wieviel man von jeder Lösung brauchte, um eine glatte Umsetzung zu erzielen. Auch entsprechen einige der wichtigsten

22

Schwefelsäure

gleichprozentigen Reagens-Lösungen einander annähernd: so die Salzsäureund die Natriumhydroxyd-Lösung und, wenn auch weniger gut, Schwefelsäure- und Salpetersäure-Lösungen. In einer Ammoniak-Lösung ist aber zweibis dreimal so viel Ammoniak enthalten, als zur Neutralisation des gleichen Raumteiles der genannten gleichprozentigen Säurelösungen erforderlich ist. Heute stellt man deshalb — viel sachgemäßer — die Lösungen meist nach einem anderen Gesichtspunkte her. Man löst nicht, wie eben geschildert, von jedem Stoffe das gleiche Gewicht, etwa 10 g, für 100 g Lösung auf, sondern man berechnet ein für alle Male, wieviel von jedem Stoffe zu einem L i t e r Lösung gelöst werden muß, damit alle Lösungen für gleiche Raumteile gleichwertig („äquivalent") werden, und stellt die Lösungen nach diesem Ansätze her. So kann man von den einwertigen Säuren und Basen, d. h. einbasischen Säuren und einsäurigen Basen ein Gramm-Molekelgewicht (ein „ Mol") zu je einem Liter Lösung mit Wasser lösen, also 36,46 g Chlorwasserstoff HCl; 63,02 g Salpetersäure HN0 3 ; 40,00 g Natriumhydroxyd NaOH; 56,10 g Kaliumhydroxyd KOH; 17,03 g Ammoniak NH 3 . Gleiche Raumteile dieser Lösungen entsprechen dann einander vollkommen; je ein Kubikzentimeter jeder dieser Säure-Lösungen wird genau durch einen Kubikzentimeter jeder dieser Base-, Lösungen neutralisiert. Von zwei basischen Säuren und zwei säurigen Basen wird ein halbes Mol, von dreiwertigen ein drittel Mol gelöst; also Vs x 98,08 t= 49,04 g Schwefelsäure H 2 S0 4 ; V2 x 171,38 = 85,69 g Bariumhydroxyd Ba(OH)2. Von Salzen verwendet man entsprechende Mengen, z. B. 169,89 g Silbernitrat AgN0 3 ; V2 X 208,27 = 104,135g Bariumchlorid BaCl2; V3 X 162,21 = 54,07 g Ferrichlorid FeCl3. Die Größe: „Molekelgewicht dividiert durch Wertigkeit" nennt man ein „ Ä q u i v a l e n t " . Man verwendet also im Laboratorium nach Möglichkeit Lösungen gleicher K o n z e n t r a t i o n , gemessen in Äquivalenten je Liter. Lösungen, die 1 Äquivalent im Liter gelöst enthalten, nennt man „Normallösungen", z. B. „norm. Natriumhydroxyd-Lösung" oder „n-Natriumhydroxyd-Lösung". Lösungen von doppelter Konzentration heißen „Doppeltnormal-Lösungen"; Lösungen, die ein Zehntel so stark sind, „Zehntelnormal-Lösungen" usw.; z.B. „2n-Salzsäure-Lösung", „n/10-SchwefelsäureLösung". Von Doppeltnormal-Lösungen braucht man selbstverständlich das halbe Raummaß, von Zehntelnormal-Lösungen das Zehnfache, um gleichviel des gelöstene nStoffes zu haben, wie von Normal-Lösungen. Die v e r d ü n n t e n 5- bis 10%'g Lösungen des L a b o r a t o r i u m s sind meist etwa doppelt normal. Von den Normal-Lösungen sind die molaren Lösungen zu unterscheiden. Sie sind dadurch definiert, daß ein Liter von ihnen ein GrammMolekelgewicht des gelösten Stoffes enthält. Manchmal sind normale und molare Lösungen gleich, so bei Salzsäure und Natronlauge. Bei Schwefelsäure enthält jedoch die molare Lösung doppelt soviel wie die normale.

Schwefelsäure Die Schwefelsäure ist eine farblose, geruchlose Flüssigkeit. Die dickölige „konzentrierte" Schwefelsäure des Laboratoriums enthält etwa 97 bis 98V2% H2SO„, die „verdünnte" 10%, die „2 norm." 9,25%- Konzentrierte Schwefelsäure vereinigt sich begierig mit Wasser; beim Mischen mit Wasser erwärmt sie sich stark. Infolge dieser wasserentziehenden Wirkung zerstört sie viele organische Stoffe, oftmals unter Verkohlung. Beim Arbeiten mit Schwefelsäure ist also besonders große Vorsicht und S a u b e r k e i t nötig 1 ). Andererseits kann man diese wasserentziehende Wirkung benutzen, x ) In Kleider frißt konzentrierte Schwefelsäure gewöhnlich Löcher; verdünnte erzeugt rote Flecke, die durch Betupfen mit Ammoniak-Lösung — auch nach einiger Zeit noch — zu entfernen sind.

Schwefelsäure

23

um chemische Reaktionen zu erzwingen. So entsteht z. B. aus Ameisensäure (HCOjH) und konzentrierter Schwefelsäure Kohlenmonoxyd CO (auch kurz „Kohlenoxyd" genannt), ein brennbares, giftiges Gas. Das Anhydrid der Schwefelsäure, S0 3 , „Schwefelsäureanhydrid" oder „Schwefeltrioxyd", kommt in zwei Formen vor, als farbloses öl oder als farbloser, in langen Nadeln („asbestartig") kristallisierender fester Stoff. Beide rauchen an der Luft unter Wasseranziehung stark. Durch Auflösen von Schwefeltrioxyd in konzentrierter Schwefelsäure erhält man die „ r a u c h e n d e S c h w e f e l s ä u r e " ( „ O l e u m " ) . In ihr ist eine neue Verbindung „Pyroschwefelsäure" H 2 S 2 0 7 vorhanden, die durch Vereinigung einer Molekel Schwefelsäure und einer' Molekel Schwefeltrioxyd entsteht: H 2 S0 1 + S0 3 = H 2 S 2 0 7 Die „rauchende Schwefelsäure" des Handels ist ein Gemisch dieser Pyroschwefelsäure mit konzentrierter Schwefelsäure oder mit Schwefeltrioxyd. Sie gibt beim Erwärmen Dämpfe von Schwefeltrioxyd ab.

1. Man übergieße ein Stück Filtrierpapier, das in einer Abdampfschale

liegt,

mit einigen Tropfen

konzentrierter

Schwefel-

säure-, es löst sich langsam unter Bildung einer hellgelben Lösung auf. Man werfe ein Stückchen Streichholz (ohne Kuppe) in ein Probierglas zu ein wenig konzentrierter Schwefelsäure; unter Schwarzfärbung tritt Zerstörung der organischen Substanz ein. 2. Zu 3 ccm Wasser gieße man aus einem zweiten Probierglase etwa

den

gleichen

Raumteil

konzentrierter

Schwefelsäure.

Die

Mischung erwärmt sich stark. Man merke sich als Regel, daß bei Herstellung größerer Mengen verdünnter Schwefelsäure stets die konzentrierte Säure langsam und unter guter Durchmischung zum Wasser gegossen werden muß, nicht umgekehrt das Wasser zur Säure. H e i ß e k o n z e n t r i e r t e S c h w e f e l s ä u r e darf k e i n e s f a l l s v e r d ü n n t oder in d e n A u s g u ß g e g o s s e n w e r d e n ! 3. Man versetze unter dem Abzüge 2—3 ccm konzentrierte Ameisensäure

mit

etwa

1 ccm

konzentrierter

Schwefelsäure.

Das

sich entweder sofort oder bei geringem Erwärmen bildende K o h l e n o x y d g a s (Kohlenoxyd ist giftig!) brennt, wenn man die Mündung des Probierglases an die Flamme bringt, mit intensiv blauer Flamme.

H C 0 2 H - H 2 0 = C0 2 CO + 0 2 = 2 C 0 2 .

4. Man erhitze unter dem Abzüge etwa 1 ccm rauchende Schwefel-

säure in einem trockenen Probierglase; es entweicht S c h w e f e l t r i o x y d S0 3 , das mit der Feuchtigkeit der Luft dicke, weiße Nebel bildet. Verdünnte Schwefelsäure löst viele M e t a l l e (z. B. Eisen, Aluminium, Zink) unter Wasserstoff-Entwicklung zu ihren schwefelsauren Salzen (Sulfaten) auf; sie reagiert also entsprechend wie Salzsäure. Fe + H 2 S0 4 = FeS0 4 + H 2 . Konzentrierte Schwefelsäure dagegen verhält sich ganz anders; sie löst die genannten M e t a l l e bei Zimmertemperatur nicht auf. Bei höherer

24

Schwefelsäure

Temperatur bilden sioli zwar ebenfalls Sulfate, aber es wird kein Wasserstoff frei, sondern es entwickelt sich Schwefeldioxyd S0 2 . Für Eisen z. B. kann man diesen Vorgang folgendermaßen formulieren: Fe + 2H 2 S0 4 = FeS0 4 + 2H 2 0 + S 0 2 . Zum Verständnis dieser Umsetzung ist es wesentlich, daß die Schwefelsäure dabei als Oxydationsmittel wirkt, wobei sie selbst zu Schwefeldioxyd reduziert wird. Das durch Oxydation entstandene Eisenoxyd bildet sofort mit weiterer Schwefelsäure Ferrosulfat. Die voranstehende Gleichung kann somit zerlegt werden in zwei Gleichungen: Fe + H 2 S0 4 = FeO + S0 2 + H„0 Oxydation-Reduktion FeO + H 2 S0 4 = FeS0 4 + H 2 0 " Neutralisation. (Besser werden diese Vorgänge auf S. 33/34 klar werden.) Schwefelsäure ist also in v e r d ü n n t e m Zustande nur eine Säure, in k o n z e n t r i e r t e m Zustande in der Wärme aber auch ein Oxydationsmittel; als solches hat sie große Bedeutimg. Bei Umsetzung mit Zink erleidet heiße konzentrierte Schwefelsäure sogar Reduktion zu elementarem Schwefel und in geringem Umfange sogar zu Schwefelwasserstoff H 2 S; Zink ist also ein stärkeres Reduktionsmittel als Eisen. Man entwickele die Umsetzungs-Gleichungen in entsprechender Weise. 5. Man übergieße.in einem Probierglase Granalien von t e c h n i s c h e m ( d . h . verunreinigtem, vgl. S. 109) Zink mit verdünnter Schwefelsäure, der man zweckmäßig einige Tropfen konzentrierter Schwefelsäure beimischt. Das Zink löst sich lebhaft zu Z i n k s u l f a t , und W a s s e r s t o f f entweicht reichlich. 6. I n einem trockenen Probierglase erhitze man u n t e r d e m Abz ü g e ein Stückchen Stangenzink von etwa 1 cm Länge mit wenig konzentrierter Schwefelsäure so stark, daß eine Umsetzung unter schwachem Aufschäumen beginnt. Die Umsetzung geht dann meist ohne weitere Wärmezufuhr fort; sollte sie nachlassen, so werde sie durch erneutes Erwärmen wieder in Gang gebracht. I m oberen Teile des Probierglases bildet sich ein gelber Beschlag von festem S c h w e fe 1, und gelbe Schwefeltröpfchen scheiden sich ab — ein eleganter Beweis für das Vorhandensein von Schwefel in der Schwefelsäure. Entweichendes S c h w e f e l d i o x y d — und manchmal auch S c h w e f e l w a s s e r s t o f f g a s — sind am Gerüche zu erkennen. Granuliertes Zink oder Zinkspäne dürfen bei diesem Versuche nicht verwendet werden, da sie zu heftig einwirken. Zum Nachweis von Schwefelsäure und ihren Salzen werden lösliche Bariumsalze benutzt, mit denen sich das auch in Salz- und Salpetersäure praktisch unlösliche B a r i u m s u l f a t bildet: BaCl2 + H 2 S0 4 = BaS0 4 + 2 HCl Ba(N03)2 + Na2S04 = BaS0 4 + 2NaN0 3 . 7. Man verdünne einen Tropfen verdünnter Schwefelsäure mit einigen Kubikzentimetern Wasser und setze einige Tropfen Bariumchlorid-Lösxmg hinzu: es fällt weißes B a r i u m s u l f a t aus. Der Niederschlag ist feinkristallin und seinem ganzen Aussehen nach von dem S. 19 besprochenen Silberchlorid deutlich verschieden. Beim Zusatz von Salz- oder Salpetersäure löst sich der Niederschlag nicht auf. (Wichtige Erkennungsprobe.)

Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre

25

Auch alle wasserlöslichen Sulfate geben diese Reaktion. Zweckmäßig fügt man stets wenig Salz- oder Salpetersäure hinzu, weil auch Salze anderer Säuren (Carbonate, Phosphate) mit Bariumchlorid Niederschläge geben, die aber nur aus neutralen oder alkalischen Lösungen ausfallen. Bariumsulfat ist (neben dem S. 174/76 zu besprechenden Bariumsilicofluorid) der einzige Bariumsalz-Niederschlag, der auch aus saurer Lösung ausfällt.

8. Man weise Schwefelsäure im Kupfersulfat und im Natriumsulfat nach, verwende von beiden Salzen aber nur sehr kleine Proben. 9. Wird zu Bariumchlorid - Lösung konzentrierte Salzsäure oder konzentrierte Salpetersäure gesetzt, so fällt nach kurzer Zeit ebenfalls ziemlich schwer lösliches B a r i u m c h l o r i d bzw. B a r i u m n i t r a t in derben Kristallen aus; beim Versetzen der Mischungen mit Wasser lösen sich diese Niederschläge aber wieder auf. Man hüte sich bei der Prüfung auf Schwefelsäure vor einem aus diesem Verhalten entspringenden Irrtume. Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre Elektrolyten Leiter 2. Klasse. In den beiden Klemmen eines Elektrölysenstativs (vgl. Fig. 12) befestige man zwei dünne Bogenlampenkohlen in etwa 1—2 cm Abstand in solcher Höhe, daß sie fast bis auf den Boden eines 100 ccm fassenden Becherglases reichen, das auf einem Dreifuß oder Holzklotz steht. Die beiden Kohlen verbinde man mittels isolierter Zuleitungen (Klingeldraht) mit den Klemmen von 3 hintereinandergeschalteten Akkumulatoren (d. h. einer Spannungsquelle von 3 X 2,1 = 6,3 Volt) und schalte ein Amperemeter in Figur 12. Leitfähigkeits-Versuch den Stromkreis, das bis zu 5 Amp. abzulesen gestattet. 1 . Nun gieße man so viel Chloroform in das Becherglas, daß die Kohlen eben hineintauchen; das Amperemeter zeigt keinen Ausschlag. Chloroform ist also ein I s o l a t o r . Destilliertes Wasser und Alkohol, die man in gleicher Weise prüfe, sind ebenfalls Nichtleiter.

26

Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre

E b e n s o zeigen L ö s u n g e n v o n Zucker oder Alkohol in destilliertem Wasser m i t unserer A n o r d n u n g keine m e ß b a r e Leitfähigkeit. 2. A n d e r s ist es, w e n n m a n L ö s u n g e n folgender Stoffe p r ü f t : Schwefel-, Salz- u n d Salpetersäure, N a t r o n l a u g e , Kochsalz,. N a t r i u m c a r b o n a t , Magnesiumchlorid, K u p f e r s u l f a t . (Man b e n u t z e die e t w a 2 n - L ö s u n g e n des Arbeitsplatzes.) B r i n g t m a n diese Stoffe n a c h e i n a n d e r i n d a s Becherglas (das selbstverständlich j e d e s m a l g u t m i t destilliertem W a s s e r auszuspülen ist!), so zeigt d a s A m p e r e m e t e r einen erheblichen Ausschlag, dessen Größe m a n in d a s A r b e i t s h e f t eintrage. M a n überzeuge sich ferner, d a ß a u c h das Leitungswasser infolge der in i h m gelösten Salze im Gegensatz z u m destillierten Wasser eine deutlich nachweisbare Leitfähigkeit zeigt. Die eben genannten Lösungen leiten also den elektrischen Strom. Man bezeichnet daher Stoffe wie Salz-, Salpeter- und Schwefelsäure, Natronlauge, Natriumchlorid und -carbonat, Magnesiumchlorid, Kupfersulfat — oder allgemeiner gesagt, Säuren, Basen und Salze — als Elektrolyte. Die Leitfähigkeit der Elektrolytlösungen ist allerdings längst nicht so groß wie die von Metallen. Außerdem unterscheiden sich diese Stoffe von den Metallen auch dadurch, daß bei ihnen mit dem Stromdurchgang stets eine chemische Umsetzung verbunden ist. Während ein Metalldraht bekanntlich durch den Stromdurchgang stofflich in keiner Weise verändert, wird, beobachtet man bei den wäßrigen Lösungen bei unseren Versuchen an den Kohlestäben, den „Elektroden", entweder Gasentwicklung (Wasserstoff, Chlor, Sauerstoff) oder Metallabscheidung (Kupfer beim Kupfersulfat). Daher unterscheidet man diese Lösungen als L e i t e r 2. K l a s s e von den Metallen, den Leitern 1. Klasse. Den durch das Anlegen einer Spannung erzwungenen Stromdurchgang unter Stoffabscheidung an den Elektroden bezeichnet man als „ E l e k t r o l y s e " . Molehelgewichte in Lösungen. In der Experimental-Vorlesung werden die Methoden besprochen, mit denen man die Molekelgewichte gelöster Stoffe bestimmen kann (z. B. durch Messung der Gefrierpunkts-Erniedrigung bzw. der Siedepunkts-Erhöhung). Untersucht man nach diesen Methoden die Molekelgewichte von solchen Lösungen, die den elektrischen Strom nicht leiten, so findet man die erwarteten Werte. Prüft man dagegen gut leitende Lösungen, so findet man z. B. für Natriumchlorid statt 58,5 (23 + 35,5) nur wenig mel}r als 29 (l/'2 X 58,5), für Magnesiumchlorid nur wenig mehr als 31 (Ys X 94,3), oder ganz allgemein Werte, die nur 1 / 2 bis 1 / s so groß sind, wie man es nach der formelmäßigen Zusammensetzung der Molekeln erwarten würde. Dies ist ein zweites Kennzeichen der „Elektrolyte". Ionenlehre. Die geschilderten Erscheinungen bei den Elektrolytlösungen führten den Schweden S v a n t e A r r h e n i u s 1887 zu der Erkenntnis, daß die in ihnen gelösten Molekeln in kleinere Spaltstücke zerfallen sind, die elektrisch geladen sind. Für diese geladenen Spaltstücke benutzte er die schon von F a r a d a y stammende Bezeichnung Ionen. So zerfällt z. B. Chlorwasserstoffgas beim Auflösen in Wasser in positiv geladene Wasserstoffionen und negativ geladene Chlorionen. Natriumchlorid bildet neben positiv geladenen Natriumionen ebenfalls Chlorionen. Aus Natriuinsulfat Na 2 S0 4 entstehen positiv geladene Natriumionen und negativ geladene Sulfationen, von den ersten doppelt soviel wie von den zweiten usw. Diese Ionen sind wegen ihrer Ladung grundsätzlich verschieden von den elektrisch ungeladenen freien Elementen. So zeigt eine Kochsalz-Lösung, die ja positiv geladene Natrium- und negativ geladene Chlor-Ionen enthält, nichts von den Eigenschaften des Natriummetalls oder des freien Chlors. Letzteres löst sich zwar auch in Wasser, aber

Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre

27

Chlorwasser sieht gelbgrün aus, ätzt und riecht nach freiem Chlor, während eine Kochsalz-Lösung färb- und geruchlos ist. Betrachten wir nun die Eigenschaften der Ionen im einzelnen. Man erkennt das Vorzeichen der Ladung eines Ions daran, daß das Ion bei der Elektrolyse an die Elektrode entgegengesetzten Vorzeichens wandert, dort seine Ladung ausgleicht und in elektrisch nicht geladener Form in Erscheinung tritt. So wandern alle positiv geladenen Ionen (àie Kationen) zur negativen Elektrode (der Kathode), die n e g a t i v geladenen Anionen dementsprechend zur positiven E l e k t r o d e (der Anode). An der Kathode werden z. B. die positiv geladenen Wasserstoffionen unter Aufnahme negativer Ladung zu ungeladenen Wasserstoffatomen entladen, die sich paarweise zu ebenfalls ungeladenen Wasserstoffmolekeln vereinigen. Entsprechend werden die negativ geladenen Chlorionen an der Anode entladen; es entstehen ungeladene Chlormolekeln. Die Metallatome und der Wasserstoff bilden positiv geladene Ionen; viele Nichtmetallatome, die Hydroxyl-Gruppe und die Säurereste treten als negative Ionen auf. Über die Größe der Ladungen haben Versuche, die hier nicht im einzelnen besprochen werden können, folgendes ergeben: Mißt man die Ladung der einzelnen Ionen in der Einheit der sogenannten Elementarladung, so findet man, daß nur ganzzahlige Vielfache dieser Elementarladung vorkommen. Die Zahl dieser Ladungen ist gleich der Wertigkeit des betreffenden Atoms bzw. der Atomgruppe und wird deshalb auch „ E l e k t r o v a l e n z z a h l " genannt. Bezeichnet man eine positive Elementar-Ladung mit einem hochgestellten Plus-, eine negative mit einem Minus-Zeichen, so kommen demnach z. B. folgende Ionen vor: H+, Na+, Mg2+ (bzw. Mg++), Al3+; CI", OH-, N 0 3 - , 2_ 3S , SO/-, P 0 4 Dabei ist natürlich der Absolutwert der positiven Elementarladung gleich dem der negativen; denn die Ladungen der entgegengesetzt geladenen Ionen einer Elektrolytlösung heben sich ja gegenseitig auf, die Lösung erscheint nach außen „elektroneutral". Manche Elemente können Ionen verschiedener Ladung bilden. So gibt es z. B. Cu2+- und Cu+-Ionen sowie Fe3+- und Fe2+-Ionen. Säuren, Basen, Salze. Die Ionenlehre gestattet, eine neue D e f i n i t i o n von Säuren, Basen und Salzen zu geben: Säuren bilden in wäßriger Lösung Wasserstoffionen und negativ geladene Säurerestionen. s Z. B. : HCl = H++ C1-; II 22S0 4 = H+ + HSO4- bzw. I I S 0 4 - = H+ + S0 4 ~ oder H 2 S0 4 = 2H+ + S0 4 - . Basen zerfallen in negativ geladene Hydroxylionen und positiv geladene Baserestionen; bei den letzteren handelt es sich vorwiegend um Metallionen. Beispiele : NaOH = Na+ + OH-; Ca(OH)2 = Ca2+ + 20H~; NH4OH = NH4+ + OH". Salze schließlich bilden positiv geladene Baserestionen (meist Metallionen) und 2 negativ 2 geladene Säurerestionen: NaCl = Na+ + Cl~; CaS04 = Ca + + S0 4 -; (NH4)2C03 = 2NH4+ + C0 3 2 -. Weiterhin erklärt die Ionenlehre Farbe der Elektrolyt-Lösungen. ohne weiteres die auffällige Tatsache, daß die Farbe der wäßrigen ElektrolytLösungen meist in einem sehr leicht zu übersehenden Zusammenhange mit der Art des gelösten Stoffes steht. So sind — vorausgesetzt, daß man genügend verdünnte Lösungen betrachtet — alle Lösungen von Salzen des zweiwertigen Kupfers deswegen blau, weil der färbende Bestandteil das in allen Lösungen zweiwertiger Kupfersalze vorhandene gelöste (vgl. dazu auch S. 30) Cu2+-Ion ist. In ähnlicher Weise sind alle gelösten Nickelsalze grün gefärbt, alle Chromate geben gelbe, alle Permanganate dunkelviolette Lösungen. ] ) Daneben ist noch eine andere Bezeichnungsweise in Gebrauch, bei ber eine positive Ladung durch einen Punkt, eine negative durch ein Komma dezeichnet wird, also: H", Na", Mg", AI'"; Cl', OH', NO/, S", S0 4 ", P0 4 '".

28

Elektrolytische Dissoziation; Ionenlehre

Ionenreaktionen. Soeben wurde gezeigt, daß Säuren Stoffe sind, die in wäßriger Lösung H+-Ionen abspalten. Damit wird sofort verständlieh, warum gewisse Umsetzungen von allen Säuren in gleicher Weise gegeben werden, so z. B. die Farbreaktionen mit Indikatoren und die Auflösung unedler Metalle unter Wasserstoff-Entwicklung. Ebenso versteht man, warum bestimmte Umsetzungen aller Basen untereinander gleich sind; es handelt sich um Wirkungen der OH~-Ionen. Der Vorgang der N e u t r a l i s a t i o n einer Säure mit einer Base in wäßriger Lösung besteht also nach der Ionenlehre in folgendem: Wenn die Säure (z. B. H+, Cl~) zur Base (z. B. Na+, OH - ) gegeben wird, so vereinigen sich die Wasserstoffionen mit den Hydroxylionen zu dem elektrolytisch nur minimal dissoziierten Wasser; die Säurerest- und die Baserestionen bleiben dagegen unverändert in Lösung: H+ + Cl- + Na+ + OH- = H 2 0 + Cl~ + Na+ . Der einzige Stoff, der sich bei dem Neutralisations-Vorgange wirklich bildet, ist das Wasser, wie man besonders deutlich sieht, wenn man auf beiden Seiten der Gleichung die gleichen Summanden streicht; es bleibt dann als allgemeine Neutralisationsgleichung: H+ + OH- = H 2 0 . Auch die Erscheinung, daß Salzsäure und alle ihre Salze mit Silbernitrat-Lösungen die gleiche Umsetzung, nämlich eine Fällung von Silberchlorid, geben, wird nun verständlich. Diese Umsetzung ist nämlich charakteristisch für das Cl ~-Ion. Statt die ausführlichen Gleichungen zu schreiben, wie : HCl + AgN03 = AgCl + HNOo NaCl + AgN03 = AgCl + NaNÖ3 CaCl2 + 2AgN03 = 2 AgCl + Ca(N0 3 ) 2 , genügt es daher zur Beschreibung aller drei Beispiele vollständig, wenn man, ähnlich wie es soeben für die Neutralisation abgeleitet wurde, nur die wirklich unter den Ionen vorgehenden Veränderungen schreibt: Cl- + Ag+ = AgCl. Daß es sich dabei tatsächlich um eine Ionenreaktion handelt, erkennt mari daran, daß Chloroform (CHC13) diese Umsetzung- nicht gibt. Chloroform ist ja nach S. 25 ein Isolator, liefert also keine Cl -Ionen. In ganz entsprechender Weise läßt sich der Nachweis von Schwefelsäure bzw. Sulfaten durch Fällung mit Bariumchlorid-Lösung durch folgende Gleichung beschreiben: Ba2+ + S 0 4 2 - = BaS0 4 . Gleichungen, wie die eben genannten, bezeichnet man als Ionengleichungen. Sie haben vor den bisher verwendeten Summen- oder BruttoGleichungen den Vorteil, daß sie erkennen lassen, was wirklich in der Lösung vorgeht. So ersieht man z. B. .aus der allgemeinen Neutralisationsgleichung: H+ + O H - = H 2 0, daß bei der Neutralisation von Natronlauge mit Salzsäure der Zustand der Na+- und Cl--Ionen nicht verändert wird. Dagegen läßt die Ionengleichung z. B. nicht ersehen, was vorgeht, wenn man die Lösung eindampft; dann vereinigen sich die Na+- und Cl_-Ionen natürlich zu festem Natriumchlorid. Dies ersieht man erst aus der Bruttogleichung. Wir werden im folgenden in der Hauptsache die bisher benutzten Bruttogleichungen weiter verwenden und nur in einzelnen Fällen auch die Ionengleichung angeben. Man übe sich aber möglichst o f t , die B r u t t o gleichungen in Ionengleichungen umzuschreiben. Dissoziationsgrad; starke und schwache Elelitrolyte. Viele Elektrolyts sind in wäßriger Lösung praktisch vollständig in Ionen zerfallen;

Chemische Bindungskräfte

29

bei anderen ist dies nicht der Fall. Man überzeuge sich davon durch folgende Versuche: 3 . Mit der S. 25 beschriebenen Einrichtung prüfe man bei gleichem Abstand der Kohle-Elektroden wie früher die elektrische Leitfähigkeit v o n verdünnter Essigsäure und v o n Ammoniaklösung (Näheres vgl. S. 60). Die Ausschläge des Amperemeters sind jetzt erheblich kleiner als die früher bei Natriumchlorid-, Schwefelsäure-usw. Lösungen beobachteten. Elektrolyte, die in wäßriger Lösung nur teilweise in Jonen gerfallen, bezeichnet man als „schwach" im, Gegensatz zu den praktisch vollständig dissoziierten „starken" Elektrolyten, wie Natriumchlorid, Salzsäure, Natronlauge usw. Schwache Elektrolyte findet man insbesondere bei Säuren (z. B. Essigsäure, Blausäure, Schwefelwasserstoff) und Basen (z. B. Ammoniaklösung). Bei den Salzen sind schwache Elektrolyte sehr selten [vgl. z. B. S. 114/15 über HgCl2 und Hg(CN).J. Bei Elektrolytlösungen nennt man denjenigen Bruchteil aller gelösten Moleküle, der in Ionen zerfallen ist, den „ D i s s o z i a t i o n s g r a d V o l l ständiger Dissoziation entspricht also der Dissoziationsgrad 1. Anschaulicher ist es, den Dissoziationsgrad in Prozenten auszudrücken. Bei den starken Elektrolyten liegt er nahe bei 100°/o> bei den schwachen ist er kleiner, oft sogar sehr klein. So sind z. B. in 1 norm. Lösung in Ionen zerfallen: Salzsäure zu fast 100%, Schwefelsäure dagegen nur zu etwa 60%, Phosphorsäure zu 7 % , Essigsäure zu etwa 0,4%. Eine Angabe über den Dissoziationsgrad irgendeines gelösten Stoffes hat nur Sinn, wenn, wie es eben geschehen ist, gleichzeitig die Konzentration angegeben ist; denn mit steigender V e r d ü n n u n g steigt, wie wir S. 76/77 noch an einem Versuch sehen werden, der Dissoziationsgrad an. So erklärt sich z. B. der S. 23/24 besprochene Unterschied zwischen verdünnter und konzentrierter Schwefelsäure aus der Tatsache, daß in der verdünnten Säure vorwiegend Ionen, in der konzentrierten vorwiegend undissoziierte Molekeln vorliegen. Die Kenntnis der Stärke der Säuren und Basen ist von großer Bedeutung für das Verständnis des chemischen Verhaltens. So werden, um an dieser Stelle nur ein Beispiel zu nennen, schwache Säuren die typischen Säurereaktionen nicht so ausgeprägt zeigen wie die starken; denn diese Reaktionen beruhen ja auf der Anwesenheit von H + -Ionen. Z. B. lösen sich Metalle, wie Zink, in starken Säuren viel schneller auf als in schwachen. Weitere zahlreiche Beispiele werden wir bei der Besprechung des Massenwirkungsgesetzes kennenlernen. 4 . Man gebe zwei gleich große Stücke v o n granuliertem t e c h n i s c h e m , d. h. verunreinigtem Z i n k (reines Zink löst sich zu langsam, vgl. auch S. 109) in 2 n-Salzsäure und 2 n-Essigsäure und vergleiche die Lösungsgeschwindigkeiten. Chemische B i n d u n g s k r ä f t e Ionenbindung. Auch i m k r i s t a l l i s i e r t e n Z u s t a n d e sind die Salze aus positiv und negativ elektrisch geladenen Atomen aufgebaut, über deren räumliche Anordnung wir durch Beugungsversuche mit Röntgenstrahlen (v. Laue) in der Mehrzahl der Fälle gut unterrichtet sind (vgl. das „Kristallgitter" von Kochsalz in Fig. 13, S. 30). Allerdings leiten die festen Salze in der überwiegenden Mehrzahl den elektrischen Strom nicht, da die geladenen Atome im „Kristallgitter" ihre Plätze wegen der elektrostatischen Anziehung durch die entgegengesetzt

30

Chemische Bindungakräfte

geladenen Nachbaratome nicht ohne weiteres wechseln können1). Diese elektrostatischen Kräfte erklären u. a. auch die Härte und den hohen Schmelzpunkt der meisten Salze. Beim Auflösen in Wasser dagegen schiebt sich Wasser zwischen die Ionen (Näheres siehe S. 99ff.) und drängt sie gegen die elektrostatische Anziehung auseinander. Die gelösten Ionen lassen sich nun leicht von einer Stelle an die andere bewegen; daher leiten Elektrolyt-Lösungen den Strom. Daß gelöste Ionen mit einer Hülle fest gebundener Wassermolekeln umgeben („liydratisiert") sind, erkennt man in einigen Fällen an ihrer F a r b e . So ist z.B. wasserfreies Kupfersulfat farblos; Cu 2+ -Ionen sind demnach farblos. Bindet Kupfersulfat dagegen Wasser, so daß das feste Hydrat CuS0 4 -5H 2 0 („Kupfervitriol") entsteht, so beobachtet man bereits die blaue Farbe, die für die wäßrigen Kupfersalz-Lösungen kennzeichnend ist. Die blaue Farbe muß also durch eine Wechselwirkung zwischen den Cu2+-Ionen und den an diese gebundenen Wassermolekeln zustande kommen.

1. Man erhitze ein Kupfersulfat-Kriställchen im Reagenzglase; es verdampft Wasser und die blaue Farbe verschwindet. Befeuchtet man das entstandene farblose Kristallpulver mit Wasser, so färbt es sich wieder blau.

Figur 13. Kochsalz-Gitter

Figur 14. Tetraeder

Allerdings muß man mit der eben benutzten Schlußweise vorsichtig sein; es ist keineswegs immer zulässig, aus der Farbe der f e s t e n Salze auf die Farbe der Ionen zu schließen. Denn ebensogut, wie die Wechselwirkung von Cu 2+ -Ionen und Wasser zur blauen Farbe führt, kann auch die Wechselwirkung zwischen den Cu2+-Teilchen und den negativ geladenen Gitternachbarn zu Änderungen der Farbe führen. So ist z. B. festes Kupferchlorid CuCl2 braun, Kupferbromid CuBr2 schwarzbraun, Kupferoxyd CuO schwarz. Auch zusammengesetzte, „Komplexe" Jonen (Näheres vgl. S. 98), wie z.B. das [S0 4 ] 2_ -Ion, können wir uns nach W. Kossei aus geladenen Teilchen aufgebaut denken 2 ): o2 _wb -2 o_ Wegen der hohen Ladung des S-Teilchens ist L o 0J hier nun aber die elektrostatische Anziehung so stark, daß die einzelnen Teilchen beim Auflösen in Wasser nicht mehr voneinander getrennt werden; daher x ) Trotz des Fehlens einer merklichen Wanderungsfähigkeit der Teilchen spricht man auch bei derartigen Kristallgittern oft von „Ionen", um den elektrisch geladenen Zustand zu kennzeichnen. 2 ) Dies ist zwar nicht s t r e n g richtig, aber sozusagen als stenographische Schreibweise zur angenäherten Beschreibung gewisser Eigenschaften der Verbindungen sehr nützlich.

Chemische Bindungskräfte

31

liegt die ganze Gruppe in der Lösung als eine Einheit vor. Obwohl also in diesem Falle einzelne S 6 + - I o n e n nicht auftreten, ist es doch sinnvoll, gemäß der oben angegebenen Ladungsverteilung innerhalb des Komplexes dem Schwefel die Elektrovalenzzahl 6 + zuzuschreiben. Wir bezeichnen den Ladungszustand derartig geladener Atome, die nicht als selbständige Ionen auftreten, durch über das Atomsymbol gesetzte Plus- oder Minuszeichen, während wir die Ladung der in wäßriger Lösung auftretenden Ionen rechts oben neben das Formelsymbol des Ions schreiben. Auch bei den komplexen Ionen sind wir durch verschiedene physikalische Methoden über die räumliche Lagerung der Atome innerhalb der Komplexe genau unterrichtet. So liegen z. B . beim [ S 0 4 ] 2 - - I o n die Sauerstoffteilchen symmetrisch an den Ecken eines Tetraeders (Fig. 14) 1 ), in dessen 2

Mitte sich das Schwefelteilchen befindet. 2 -

2 - ,

r o 6+ o 3 _ 2 - P 2 Lo oJ Dagegen bilden

Auch das Phosphation

2-.

OttO sind tetraedrisch gebaut. ICl^ LÖ 0 0 1 + 2- 2— die Sauerstoffteilchen des Carbonat-Ions i - C 0 ein gleichseitiges Dreieck, 0 in dessen Mittelpunkt der Kohlenstoff liegt. und das Perchloration

Elektrovalenzzahl

und Perioden'System

der Elemente.

Für

die abgeleiteten Elektrovalenzzahlen gelten einfache Beziehungen zu ihrer Stellung im Perioden-System (vgl. die Tafel am Ende des Buches). So ist die höchste p o s i t i v e Elektrovalenzzahl in der Regel gleich der Nummer der 4+

5+

6+

Gruppe, zu der das Element gehört (z. B. Na+, C a 2 + , AI3"1", Si, P, S). Daneben treten oft kleinere Werte auf, bevorzugt solchc, die um 2 Einheiten kleiner sind 6+

4+

(so neben S auch S, z. B . im S 0 2 ) . N e g a t i v e Elektrovalenzzahlen kommen nur bei den Elementen vor, die im Perioden-System 1—4 Stellen vor einem Edelgase stehen. Ihre Größe ist dabei stets gleich der Anzahl Stellen, um die 2-

3-

das betreffende Element von dem Edelgase entfernt ist, z. B . C1~,' 0 , N. Andere Bindungsarten. Durchaus nicht in allen Verbindungen wird der Zusammenhalt der Atome durch die elektrostatische Anziehung zwischen Ionen hervorgerufen. Ganz anderer Art sind z. B . die sogenannten Atombindungen, die die Atome in den Molekeln der Gase: Cl 2 , N 2 , 0 2 und in der Mehrzahl der organischen Molekeln binden. D a diese im Gegensatz zu den allseitig wirkenden elektrostatischen Kräften in ganz bestimmten Richtungen wirken, lassen sie sich treffend durch B i n d e s t r i c h e zwischen den H I

Atomen, „Valenzstriche", darstellen, z. B . Cl—Cl, H — C — 0 — H usw. Eine i H dritte Bindungsart (metallische Bindung) haben wir zwischen den Atomen von Metallen und Legierungen anzunehmen. Die Natur bietet uns nur selten Fälle, in denen eine dieser drei Bindungsarten allein in Erscheinung tritt. I m allgemeinen haben wir es m i t Ü b e r g ä n g e n zwischen jenen Extremen zu tun. Dabei ist es dann oft mit gleicher Berechtigung möglich, eine Verbindung entweder mit Elektrovalenzzahlen oder mit Valenzstrichen zu formulieren. Wenn wir in dieser Einführung vielfach den ersten Weg vorziehen, so muß man sich darüber klar sein, daß dies eine gewisse Schematisierung bedeutet. *) I n der Zeichnung sind nur die Atomschwerpunkte angegeben. I n Wirklichkeit ist die Ausdehnung der Atome so groß, daß sie sich berühren.

32

Oxydation und Reduktion Oxydation und Reduktion

Unter Oxydation hatten wir bisher die Zuführung von Sauerstoff oder die Wegnahme von Wasserstoff, unter Reduktion die entgegengesetzten Vorgänge verstanden. Die Ionenlehre gestattet uns, eine vertiefte und verallgemeinerte Auffassung dieser Vorgänge zu geben. 1 . In das Kölbchen der in Fig. 15 gezeichneten Apparatur bringe man Wasser und füge zur Verhinderung von Überhitzung einige kleine Tonscherben („Siedesteinchen") zu. In die Kugel des Kugelrohres .aus schwer schmelzendem Glase gebe man etwas Magnesiumpulver. Man erhitze das Wasser zum Sieden, so daß bei A ein gleichmäßiger, nicht zu lebhafter Wasser dampf ström entströmt, und erhitze darauf mit einem zweiten Brenner die Kugel zunächst vorsichtig, bis etwa konFigur 15. Umsetzung zwischen densiertes Wasser vertrieben ist, und Magnesium und Wasserdampf dann mit der entleuchteten Flamme stark. Bei der nach einiger Zeit unter Feuererscheinung plötzlich einsetzenden Reaktion geht das Metall in weißes M a g n e s i u m o x y d über, während bei A W a s s e r s t o f f entweicht, der sich entzündet: Mg + H 2 0 = MgO + H 2 . Bei dieser Reaktion ist also das Magnesium oxydiert, der Wasserstoff des Wassers reduziert worden. Der Versuch läßt den bereits S. 17 betonten Satz, daß O x y d a t i o n u n d R e d u k t i o n u n t r e n n b a r m i t e i n a n d e r v e r k o p p e l t s i n d , noch einmal besonders deutlich erkennen. Das ist allerdings nicht immer ohne weiteres zu übersehen, so z. B. bei dem folgenden Versuch: 2. In einemProbierglase aus schwer schmelzbarem Glase( Assistent), das schräg in einem Stativ befestigt wird, wird rotes Quecksilberoxyd k r ä f t i g erhitzt. Es bildet sich ein Beschlag von metallischem Q u e c k s i l b e r ; ein in das Glas eingeführter glühender Holzspan (Wurstspeil) glüht hell auf, also hat sich S a u e r s t o f f gebildet: 2HgO = 2Hg + 0 2 . Hier ist kein Zweifel, daß das Quecksilber des Quecksilberoxyds reduziert worden ist, während man nicht ohne weiteres einsehen kann, was oxydiert wurde. Umgekehrt ist bei der S. 23 besprochenen Oxydation von Kohlenoxyd durch Sauerstoff nicht sofort zu sehen, was eigentlich reduziert wird. Diese Schwierigkeit verschwindet aber sofort, wenn wir folgende umfassendere Definition benutzen: Oxydation ist die Zunahme an positiver oder die Abnahme an negativer Ladung, Reduktion die Zunahme an negativer oder die Abnahme an positiver Ladung1). Da in Wirklichkeit nur negative Ladungen (Elektronen) ausgetauscht werden (Näheres in der Vorlesung!), definiert man oft auch: Oxydation ist die Abgabe, Reduktion die Aufnahme von Elektronen.

Oxydation und Reduktion

33

Um diese Definition allgemein anwenden zu können, bedienen wir uns der S. 30/31 beschriebenen Auffassung der Wertigkeit als elektrischer Ladung. Freie Elemente sind dabei natürlich als ungeladen anzusehen. Demnach ergibt sich für die Reaktion zwischen M a g n e s i u m und Wasserdampf: ±0

2 X 1 + 2—

2 + 2—

±0

Mg + H 2 0 = MgO + H 2 . +

An das Magnesiumatom sind also 2 positive Ladungen von 2H-Teilchen abgegeben worden, die dadurch zur ungeladenen H2-Molekel geworden sind: Das Magnesium ist oxydiert, der Wasserstoff reduziert worden. Durch diese Auffassung lassen sich nun auch für die Z e r s e t z u n g d e s Q u e c k s i l b e r o x y d s und ähnliche Reaktionen die Schwierigkeiten beseitigen. Wir erhalten: 2+ 2—

±0

±0

2 H g 0 = 2Hg + 0 2

und sehen also, daß das Quecksilber reduziert, der Sauerstoff oxydiert worden ist. Die neue Definition hat ferner den großen Vorteil, daß sie auch solche Reaktionen einschließt, bei denen Sauerstoff oder Wasserstoff gar nicht mitwirken, so z. B. die S. 19 beschriebene Einwirkung von C h l o r g a s a u f K a l i u m b r o m i d und - j o d i d . Die Gleichung: 2 K B r + Cl2 = 2 KCl + Br 2 wird zur Ionengleichung: ±o ±o 2 B r - + Cls = 2C1" + Br 2 . Hier ist also das Brom oxydiert, das Chlor reduziert worden. Eine andere Oxydationsreaktion lernten wir bei der D a r s t e l l u n g d e s C h l o r s kennen. Wir haben dort die Einwirkung von Braunstein auf Salzsäure bereits S. 16 in Teilreaktionen zerlegt. Besser als die dort gegebene Aufteilung ist die nachstehende: 1. MnOz + 4HCl = MnCl„ + 2 H 2 0 , 2. Mn 4 + + 4C1- = Mn 2 + + 2C1~ + Cl° . Reaktion 1. ist eine reine Neutralisation; die Oxydation-Reduktion wird durch 2. dargestellt: das Mn 4 + geht in Mn 2 + über, es wird also reduziert; dafür werden zwei von den vier C1 "-Ionen in eine neutrale Chlor-Molekel übergeführt, also oxydiert. Die E i n w i r k u n g e i n e s M e t a l l s wie Zink auf irgendeine v e r d ü n n t e S ä u r e — gleichgültig ob Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure oder ähnliche — wird durch die Gleichung: I n + 2 H + = Zn 2 + + H 2 dargestellt. Auch hier liegt also eine Oxydations-Reduktionswirkung vor: Das Zink ist oxydiert, die H+- Ionen sind reduziert worden. Liegt dagegen k o n z e n t r i e r t e , d. h. nahezu wasserfreie Schwefelsäure vor, so sind freie H+-Ionen in nennenswerter Konzentration nicht vorhanden (vgl. S. 29), die eben genannte Reaktion tritt daher nicht ein. Dagegen kommt nun zur Geltung, daß die u n d i s s o z i i e r t e H 2 S 0 4 - M o l e k e l im Gegensatz zum [ S 0 4 ] 2 _ - I o n ein recht starkes O x y d a t i o n s m i t t e l ist; es reagiert daher das Zink-Metall mit der H 2 S0 4 -Molekel nach der Gleichung: Zn + 2 H 2 S 0 4 = Z n S 0 4 + 2 H 2 0 + S 0 2 . B i l t z , K l e m m , F i s c h e r , Einführung.

30 — 32 Aufl.

3

34

Schweflige Säure

Diese können wir uns wieder in 2 Teilgleichungen zerlegen1): ±0

6+

2+

4+

1. Zn + HjS0 4 = ZnO + S0 2 + H 2 0 (Oxydation-Reduktion) 2. ZnO + H 2 S0 4 = ZnS0 4 + H 2 0 (Neutralisation), aus deren Addition — wobei sich das ZnO heraushebt! — sich die obige Gleichung ergibt. Gleichung 1. zeigt, daß hier an das Zn zwei positive 6+ 4+ Ladungen vom S abgegeben sind, das dadurch zum S geworden ist. Wollen wir die Bildung von neutralem Schwefel bzw. S c h w e f e l w a s s e r s t o f f bei dieser Reaktion formulieren, so müssen wir bedenken, daß dazu pro Schwefel-Atom 6 bzw. 8 positive Ladungen abgegeben werden müssen, 6+ ±0 2 - ' um vom S zum S bzw. S zu kommen; wir müssen daher 3 bzw. 4Zn mit 1H 2 S0 4 reagieren lassen, denn jedes Zink-Atom nimmt ja 2 positive Ladungen auf. Man erhält so: bzw.

±0

6+

2+

±0

6+

2+

±0

3Zn + H 2 S0 4 = 3 ZnO + S + H 2 0 2-

4Zn + H 2 S0 4 = 4 ZnO + H 2 S . Daran schließt sich dann jedesmal die Neutralisation des Zinkoxyds. Um O x y d a t i o n s - R e d u k t i o n s - G l e i c h u n g e n s o f o r t ohne langes P r o b i e r e n r i c h t i g a n z u s e t z e n , b e a c h t e man, d a ß s t e t s soviel posit i v e L a d u n g e n , wie vom O x y d a t i o n s m i t t e l a b g e g e b e n w e r d e n , vom R e d u k t i o n s m i t t e l a u f g e n o m m e n werden. Wenn also z. B. ein Oxyi+ 2+ dationsmittel von A auf A übergeht, also 3 positive Ladungen abgibt, ein 2-

±o

Reduktionsmittel dagegen von B zu B oxydiert wird, also 2 positive Ladungen aufnimmt, so müssen 2A mit 3B reagieren usw. Schweflige Säure Schuiefeldioxyd S0 2 entsteht u. a. beim Verbrennen von Schwefel. Beim Auflösen des Gases in Wasser entsteht die schweflige Säure H 2 S0 3 . In dieser sind die Bestandteile nicht sehr fest gebunden, beim Erhitzen verflüchtigt sich das Anhydrid S0 2 allmählich wieder vollständig. Schweflige Säure ist ein kräftiges Reduktionsmittel, da sie das Bestreben hat, unter Sauerstoffaufnahme in Schwefelsäure überzugehen. Schwefligsäure-Lösung, die lange gestanden hat, zeigt die H 2 S0 3 -Reaktionen nur noch schwach, weil sie, soweit sie nicht überhaupt als Schwefeldioxyd verflüchtigt ist, durch den Luftsauerstoff zu Schwefelsäure oxydiert worden ist. 1 . Unter dem Abzüge entzünde man auf einem Porzellan-Tiegeldeckel ein Stückchen Schwefel. Der Schwefel verbrennt mit blauer Flamme. Das gebildete S c h w e f e l d i o x y d entweicht als farbloses Gas von charakteristischem, stechendem Geruch. 2 . U m Schwefeldioxyd im Laboratorium im größeren Maßstabe herzustellen, kann man Kupfer auf heiße konzentrierte Schwefelsäure einwirken lassen. Man bringe in den zur Darstellung von Chlorwasser schon benutzten kleinen Gasentwicklungsapparat (Fig. 11, S. 18) einige Stückchen Kupferblech zu 5—10 ccm konzentrierter Schwefel1 ) Man beachte, daß hier wie in vielen späteren Beispielen in den Gleichungen die Ladungen nur bei den Atomen angegeben sind, bei denen sie für die Umsetzung von Bedeutung sind!

Salpetersäure und Stickstoffoxyde

35

säure u n d erhitze in der beschriebenen Weise, vermeide aber sorgfältig ein Zurücksteigen des vorgelegten Wassers, da es auf die heiße Schwefelsäure explosionsartig einwirken würde 1 ). Man erhält im vorgelegten Probierglase eine wäßrige Lösung von s c h w e f l i g e r Säure H2S03. 3. Man erhitze einen Teil dieser Lösung; es entweicht Schwefeldioxyd-Gas, das am Geruch leicht zu erkennen ist. 4. Vielfach stellt m a n Schwefeldioxyd auch durch Einwirkung von Salzsäure auf eine starke Lösung von saurem Natriumsulfit N a H S O s („Bisulfitlauge") her: N a H S 0 3 + HCl = NaCl + H 2 0 + S 0 2 . Man führe den Versuch im Probierglase aus, gebe aber die verdünnte Salzsäure nur tropfenweise aus einem zweiten Probierglase (vgl. S. 6) zu. 5. Um die Heduktionswirkung der schwefligen Säure zu erproben, mache man mit der soeben hergestellten SchwefligsäureLösung folgende Versuche: Jod- sowie .Brom-Lösung werden entfärbt. J2 + H2S03 + H20 = 2 H J + H2S04 bzw. ±0

4+

6+

J 2 + [ S 0 3 p - + H 2 0 = 2 J - + [SOJ»- + 2H+. 6. Man gieße zu etwas Quecksilber(II)-chlorid-Lösung drei bis vier Raum teile Schwefligsäure -Lösung. Beim Erwärmen fällt aus der zunächst klaren Mischung langsam weißes Q u e c k s i l b e r ( I ) - c h l o r i d aus, das sich später infolge weiterer Reduktion zu Q u e c k s i l b e r meist grau färbt. 2HgCl 2 + H 2 S 0 3 + H 2 0 = Hg 2 Cl 2 + H 2 S 0 4 + 2HC1 Hg 2 Cl 2 + H 2 S 0 3 + H 2 0 = 2 Hg + H 2 S 0 4 + 2 HCl b Z W

"

4+

±0

6+

[Hg 2 p+ + [S0 3 ] 2 ~ + H 2 0 = 2 Hg + [SOJ«- + 2 H + . Salpetersäure und Stickstoffoxyde Salpetersüure HN0 3 ist eine farblose Flüssigkeit, die sieh am Lichte unter geringer Zersetzung gelb färbt. Die konzentrierte Salpetersäure des Laboratoriums ist etwa 66-proz., die „verdünnte" etwa 1,0 -proz., die „2 norm.'' 11,8-proz. Die „rauchende Salpetersäure" enthält über 95% HN0 3 ; sie ist. durch einen Gehalt an Stickstoffdioxyd N0 2 gelbbraun gefärbt. Wasserfreie Salpetersäure siedet bei etwa 86° unter schwacher Zersetzung. Sie wird durch Erhitzen von Nitraten (z. B. Natriumnitrat NaN03) bzw. von halbkonzentrierter Salpetersäure mit konzentrierter Schwefelsäure dargestellt,, wobei sie überdestilliert. *) Es ist gut, zur Sicherheit eine kleine, leere sogenannte „Waschflasche" (Assistent!) so zwischen zu schalten, daß das Gas in das kurze Rohr ein-, aus dem langen austritt! 3*

Salpetersäure und Stickstoffoxyde

36

Konzentrierte Salpetersäure ist ein sehr aggressiver Stoff. Viele Farbstoffe werden durch sie entfärbt, Papier wird unter Gelbfärbung gelöst, Holz und Kork werden sofort intensiv gelb gefärbt und bald zerstört, ebenso die Haut. Auf Kleidern erzeugt Salpetersäure gewöhnlich dunkelgelbe Flecke, die nicht mehr zu entfernen sind und später meist Löcher geben. Beim A r b e i t e n m i t S a l p e t e r s ä u r e ist also große Vorsicht nötig. Das Verhalten von Salpetersäure gegenüber Metallen ist je nach den Versuchsbedingungen verschieden. I. Bei konzentrierter Säure und höheren Temperaturen reagieren ähnlich wie bei konzentrierter Schwefelsäure nur die undissoziierten HN0 3 Molekeln; diese werden dabei zu dem braunen Stickstoffdioxyd reduziert. Da sich in diesem Falle die Elektrovalenz des Stickstoffs von fünf auf vier erniedrigt, ist dieser Vorgang folgendermaßen zu formulieren: Zn + 2HN0 3 = ZnO + 2N0 2 + H 2 0 Oxydation-Reduktion ZnO + 2HN0 3 - Zn(N03)2 + H2Q Neutralisation Zn + 4HN0 3 = Zn(NOs)s + 2N0 2 + 2H 2 0. II. Auch bei halbkonzentrierter Säure und niedrigeren Temperaturen sind im wesentlichen die HN03-Molekeln wirksam; in diesem Falle entsteht aber in der Hauptsache das farblose Stickstoffoxyd NO. Die Elektro, valenz des Stickstoffs ändert sich hier von 5 + auf 2 + : ±0

5+

2+

2+

3Zn + 2HN0 3 = 3ZnO + 2N0 + H 2 0 Oxydation-Reduktion 3 ZnO + 6HNQ3 = 3Zn(NQ3)2 + 3H2Q Neutralisation 3Zn + 8HN0 3 = 3Zn(N03)2 + 2NO + 4H„0 . Unter den unter I. und II. beschriebenen Bedingungen, bei denen die HN0 3 Molekeln wirksam sind, ist Salpetersäure ein sehr starkes Oxydationsmittel; sie löst dann auch Metalle wie Kupfer oder Silber, die von Salzsäure oder verdünnter Schwefelsäure nicht gelöst werden. III. Verdünnt man Salpetersäure sehr s t a r k , so sind fast gar keine HN03-Molekeln mehr vorhanden, sondern nur H+- und NOs~-Ionen. In diesem Falle reagiert Salpetersäure genau so wie verdünnte Salz- oder Schwefelsäure; es wird Wasserstoff frei: Zn + 2H+ = Zn2+ + H 2 . Diese Umsetzung ist, ebenso wie die folgende, nur mit verhältnismäßig unedlen Metallen möglich. IV. In alkalischer Lösung kann die reduzierende Wirkung von Metallen nur am N0 3 ~-Ion angreifen; es bildet sich dann Ammoniak NH 3 , wobei die Elektrovalenz des Stickstoffs von 5 + auf 3 — sinkt: 4Zn + [N03]~ + 2H s O = 4 ZnO + NH 3 + 0H~. Im Falle IV löst sich dann das Zinkoxyd nach einer Umsetzung, die wir S. 92/93 und 109 kennenlernen werden. Eine Reihe von Metallen (z. B. Gold, Platin), die sich in Salpetersäure allein nicht lösen, können durch ein Gemisch von Salpetersäure und Salzsäure, das Sogenannte , , K ö n i g s w a s s e r i n Lösung gebracht werden; meist benutzt man ein Gemisch von 11 Teil konzentrierter Salpetersäure mit etwa 3 Teilen konzentrierter Salzsäure ). In diesem Falle kommt zu der oxydierenden Erhitzt man ein solches Gemisch vorsichtig, so bilden sich stets etwas N i t r o s y l c h l o r i d (NOC1), das an der Braunfärbung der Flüssigkeit zu erkennen ist, sowie etwas freies Chlor (Geruch!): HN0 3 + 3HC1 = NOC1 + Cl2 + 2 HsO.

Salpetersäure und Stickstoffoxyde

37

Wirkung der Salpetersäure noch die Fähigkeit der Salzsäure, mit den entstandenen Metallionen besonders stabile Verbindungen wie H[AUC14] und H 2 [PtCl 6 ], sogenannte „Komplexverbindungen" (vgl. dazu S. 98 ff.), zu bilden. Stickstoffoxyde. Das A n h y d r i d der Salpetersäure N 2 0 5 ist ein sehr unbeständiger Stoff, der sich nur schwierig rein darstellen läßt. Wichtiger ist das Stickstoffdioxyd JV0 2 . Dieses ist ein Gas, das bei nicht zu hohen Temperaturen neben den braunen N0 2 - auch fast farblose N204-Molekeln enthält (vgl. dazu S. 72/73). Man erhält es in reiner Form am einfachsten durch Erhitzen von Bleinitrat, das dabei nach der Gleichung 2Pb(N0 3 ) 2 = 2PbO + 4 N 0 2 + 0 2 zerfällt. In ähnlicher Weise zersetzen sich alle Nitrate von zwei- und dreiwertigen Elementen. Die A l k a l i n i t r a t e dagegen bilden beim Erhitzen N i t r i t e , z. B. KN0 2 (vgl. S. 130 und 171); A m m o n i u m n i t r a t gibt Distickstoffoxyd N , 0 (vgl. S. 60 u. 62). Die U m s e t z u n g von S t i c k s t o f f d i o x y d m i t W a s s e r führt nicht unter einfacher Wasseranlagerung zu einer Säure des vierwertigen Stickstoffs, sondern unter Wertigkeitsänderung zu zwei Spaltstücken, von denen das eine h ö h e r - , das andere niedrigerwertigen Stickstoff enthält: 3N0 2 -f H 2 0 = 2 HNO, + NO . Das entstehende farblose Stickstoffoxyd NO (abgekürzt auch Stickoxyd genannt) löst sich nicht in Wasser. Ist aber Sauerstoff zugegen, so wird das Stickstoffoxyd wieder zu Stickstoffdioxyd oxydiert, das dann in gleicher Weise weiterreagiert. Eine Reaktion, wie die eben beschriebene, bei der eine Verbindung eines Elementes in mittlerer Wertigkeitsstufe zum Teil in eine höhere, zum Teil in eine niedrigere Stufe übergeht, nennen wir Disproportionierung. Auch mit L a u g e n erleidet das Stickstoffdioxyd eine Disproportionierung, die aber neben Nitrat zu N i t r i t führt: 2 NO2 + 2NaOH = NaN0 3 + NaNO a + H 2 0 . Da alle S t i c k s t o f f o x y d e g i f t i g s i n d , f ü h r e m a n die V e r s u c h e u n t e r dem Abzüge a u s ! 1 . In einem Probierglase übergieße man etwas Kaliumnitrat („Salpeter") eben mit konzentrierter Schwefelsäure und erwärme. S a l p e t e r s ä u r e destilliert in den oberen Teil des Probierrohres, verdichtet sich an den Wänden und rinnt an ihnen herab. 2 . Etwa 1 ccm Wasser werde mit einigen Tropfen Indigo-Lösung dunkelblau gefärbt. Die Mischung werde mit einem Tropfen verdünnter Salpetersäure versetzt. Gibt man jetzt reichlich 1 / 2 ccm leonzentrierte Schwefelsäure zu, so erwärmt sich die Mischung etwas und es bilden sich unter der wasserentziehenden Wirkung der Schwefelsäure undissoziierte HNO S -Molekeln, die den Indigofarbstoff unter Gelbfärbung oxydieren. I m folgenden werden einige Versuche beschrieben, die den Unterschied der Wirkungsweise der Salpetersäure (bzw. des Nitrat ions) mit wechselnder Konzentration bzw. bei saurer und alkalischer Reaktion erkennen lassen. Die römischen Ziffern beziehen sich auf die vier Fälle, die in den klein gedruckten Vorbemerkungen besprochen wurden.

38

Salpetersäure und Stickstoffoxyde

3. (Fall I.) In ein Probierglas gebe man zu 1—2 ccm konzentrierter Salpetersäure 1—2 Zinkgranalien. Es tritt heftige Entwicklung von rotbraunen S t i c k s t o f f d i o x y d d ä m p f e n ein. Nachdem man dies beobachtet hat, bremse man die Reaktion durch Verdünnen mit viel Wasser. 4. (Fall I.) In einem Probierglase werde etwas Zinnfolie ebenfalls mit konzentrierter Salpetersäure unter Bewegen des Glases mäßig erwärmt. Das Zinn wird dabei zu weißem Z i n n d i o x y d Sn0 2 oxydiert, das ungelöst bleibt. Dabei entstehen ebenfalls rotbraune Dämpfe von S t i c k s t o f f d i o x y d . 5 . (Fall II.) Man bereite in einem Probierglase durch Versetzen von etwas konzentrierter Salpetersäure mit etwas mehr als dem gleichen Volumen Wasser halbkonzentrierte Salpetersäure, gebe einige Zinkgranalien zu und erwärme. Die sich entwickelnden Gase sind im Gegensatz zu dem Versuch 3 nur schwach braun gefärbt; es entsteht ein G e m i s c h v o n viel S t i c k s t o f f o x y d m i t etwas Stickstoffdioxyd. 6. (Fall II.) Zur Reindarstellung von Stickstoffoxyd führe man folgenden Versuch aus: Man entwickle in der in Fig. 16 abgebildeten Apparatur aus Kupfer und konzentrierter Salpetersäure, die mit 2 Teilen Wasser versetzt ist, Stickstoffoxyde. Nachdem die Luft verdrängt ist, stülpe man über die Öffnung des Gasentbindungsrohres ein mit Wasser gefülltes Probierglas. Dabei beobachtet man im Kolben mehr oder weniger rotbraune Dämpfe, die ein G e m i s c h v o n Stickstoff oxyd und S t i c k s t o f f d i o x y d darstellen. Beim Durchgang Figur 16. Pneumatische Wanne durch das Wasser reagiert nun das letztere unter Bildung von Salpetersäure und Stickstoff oxyd, so daß das im Probierglase aufgefangene Gas nur aus farblosem S t i c k s t o f f o x y d besteht. Hebt man nun das Probierglas aus dem Wasser heraus, so färbt sich der Inhalt von der Mündung her schnell braun, weil sich das Stickstoffoxyd mit dem Luftsauerstoff zu S t i c k s t o f f d i o x y d (bzw. z. T. zu Stickstofftetroxyd) umsetzt. 2NO + 0 2 = 2 N 0 2 . 2 NO 2 = N 2 0 4 .

Salpetersäure und Stickstoffoxyde

39

7. (Fall III.) In einem Probierglase verdünne man etwas verdünnte Salpetersäure auf das Doppelte, setze einige Zinkgranalien zu und erwärme. Es entwickelt sieh ein farbloses Gas, das sich auch bei Luftzutritt an der Mündung des Reagenzglases nicht braun färbt; es besteht aus W a s s e r s t o f f . 8. (Fall IV.) In einem Probierglase werden etwa 6 Tropfen verdünnter Salpetersäure mit 2 ccm Natronlauge und einer Messerspitze Zinkstaub zum Kochen erhitzt. In die Dämpfe werde ein Streifen feuchtes rotes Lackmuspapier so gehalten, daß er die Wände nicht berührt; er bläut sich bald durch Einwirkung des entwickelten Ammoniakgases. Oft ist auch der Ammoniakgeruch deutlich wahrzunehmen. 9. Man erhitze etwas festes Bleinitrat im Glühröhrchen. Es entweichen braune Dämpfe von S t i c k s t o f f d i o x y d . 10. Man erhitze etwas Kaliumnitrat im Probierglase. Es schmilzt zunächst und gibt bei weiterer Steigerung der Temperatur ein farbloses Gas ab, das durch einen glühenden Wurstspeil als S a u e r s t o f f erkannt werden kann. Der Rückstand enthält neben unverändertem Nitrat K a l i u m n i t r i t . Farbreaktionen: 11. E i n Tropfen verdünnter Salpetersäure werde mit 2 ccm Wasser in einem Probierglase verdünnt und mit etwa 2ccm einer frisch bereiteten, starken Lösung von Eisen(II)-sulfat versetzt. Dann lasse man bei schräg gehaltenem Glase vorsichtig an der Glaswand entlang etwa 1 ccm konzentrierte Schwefelsäure zufließen. Man erhält an der Grenze der beiden Flüssigkeitsschichten eine b r a u n e Zone. Die Erscheinung beruht auf folgenden Vorgängen: Die Salpetersäure wird durch das Eisen(II)-sulfat zu S t i c k s t o f f o x y d reduziert, wobei sich Eisen(III)sulfat bildet. Das Stickstoffoxyd liefert mit überschüssigem Eisen(II)-sulfat ein tief dunkelbraun gefärbtes, wasserlösliches Anlagerungsprodukt: 2+

5+

2X3+

2+

6FeS0 4 + 2HN0 3 + 3H 2 S0 4 = 3 Fe 2 (S0 4 ) 3 + 2 N 0 + 4H 2 0 NO + FeSOi = FeS0 4 -NO . Die erste dieser Gleichungen ist leichter als Ionengleichung zu übersehen: 3Fe5+ + [NCy- + 4H+ = 3Fe3+ + NO + 2H 2 0 .

12. Benutzt man an Stelle von Eisen(II)-sulfat wenig Diphenylaminsalz und verfährt im übrigen genau so wie oben, so erhält man ah der Trennungsfläche eine, t i e f b l a u e Färbung. Diese beiden Reaktionen sind nicht nur für Salpetersäure charakteristisch; sie werden vielmehr auch von salpetriger Säure (vgl. S. 172) gegeben. Die Diphenylaminsalz-Reaktion ist so empfindlich, daß schon die geringen Spuren von Salpetersäure und salpetriger Säure, die manchmal in konzentrierter Schwefelsäure enthalten sind, ihr Eintreten veranlassen können.

40

Kohlendioxyd und Kohlensäure

13. Man überzeuge sich durch einen „ b l i n d e n V e r s u c h " , d . h . einen in gleicher Weise, aber o h n e Zusatz von Salpetersäure angestellten Versuch von der Brauchbarkeit der Schwefelsäure. Für den Nachweis von Salpetersäure in der qualitativen Analyse eignet sich besonders die Probe mit Eisen(II)-sulfat.

Kohlendioxyd und Kohlensäure Kohlendioxyd C02 ist ein farbloses Gas. Es entsteht beim Verbrennen von Kohlenstoff, bei der Zersetzung organischer Stoffe, im lebenden Organismus (die ausgeatmete Luft enthält Kohlendioxyd), ferner bei der Einwirkung von Säuren auf Carbonate. 1 Raumteil Wasser löst bei Zimmertemperatur etwa 1 Raumteil Kohlendioxyd von Atmosphärendruck. In dieser Lösung liegt der größte Teil des Kohlendioxyds im wesentlichen unverändert, „physikalisch" gelöst, vor; nur ein kleiner Teil verbindet sich chemisch mit Wasser zu H2C03, Kohlensäure. Dieser Anteil ist weitgehend in Ionen gespalten, Kohlensäure ist also eigentlich eine ziemlich starke Säure; weil aber daneben die große Menge nur „physikalisch" gelösten Kohlendioxyds C02 vorhanden ist, die natürlich keine H+-Ionen liefern kann, wirkt eine wäßrige Lösung von Kohlendioxyd nur sehr schwach sauer. Wegen dieses Sachverhalts ist reine Kohlensäure H2C03 nicht bekannt, sondern nur verdünnte wäßrige Lösungen von ihr. Bei dem Versuch, sie in konzentrierter Form darzustellen, zerfällt sie wieder: H2C03 = C02 + H 2 0 . Da sich die Kohlensäure demnach wie eine schwache Säure verhält, bildet sie neutrale Salze („Carbonate") nur mit den stark basischen Metallen; genannt seien: Natriumcarbonat („Soda") Na2C03, Kaliumcarbonat („Pottasche") K2C03; Calciumcarbonat („Kalkstein", „Kreide", „Marmor") CaC03. Diese neutralen Carbonate sind mit Ausnahme der Alkalimetallcarbonate und des Ammoniumcarbonats in Wasser schwer löslich. Mit den schwächer basischen Metallen entstehen in Gegenwart von Wasser basische Salze, während die am schwächsten basischen Metalle, so die meisten drei- und höherwertigen Metalle, überhaupt keine Carbonate bilden. Fast alle Carbonate zerfallen bei starkem Erhitzen in Oxyd und Kohlendioxyd, z.B.: CaC03 = CaO + C02 (vgl. dazu auch S. 63); Ausnahmen: Natrium- und Kaliumcarbonat. Wichtig sind die sauren Salze der Kohlensäure; man bezeichnet sie nach der offiziellen Nomenklatur (vgl. S.46u.50) a l s H y d r o g e n c a r b o n a t e , weil sie noch Wasserstoff enthalten. Viel in Gebrauch ist die Bezeichnung „ B i c a r b o n a t e " , die zum Ausdruck bringt, daß in ihnen pro Äquivalent Base die doppelte Menge Säure enthalten ist: z. B. NaHC03, Ca(HC03)2. Das letztgenannte Salz ist im Gegensatz zum neutralen Carbonat CaC03 in Wasser verhältnismäßig leicht löslich, aber nur bei einem gewissen KohlensäureÜberschuß in der Lösung beständig. Kocht man die Lösung, so entweicht Kohlendioxyd und das neutrale Carbonat fällt aus: Ca(HC03)2 = CaC03 + H 2 0 + C0 2 . Ganz ebenso verhält sich die Magnesiumverbindung. Im Fluß- und Quellwasser sind Calcium und Magnesium zum Teil als Hydrogencarbonate gelöst enthalten (neben anderen Salzen des Calciums und Magnesiums bedingen sie die „ H ä r t e " des Wassers) und fallen beim Stellenlassen oder Aufkochen des Wassers aus (Kesselschlamm). Auch festes Natriumhydrogencarbonat gibt schon beim gelinden Erhitzen Kohlendioxyd und Wasser ab: 2NaHC03 = Na2C03 + H 2 0 + C02.

Kohlendioxyd und Kohlensäure

41

1 . Eine Spatelspitze Calciumcarbonat werde im Probierglase mit Verdünnter Salzsäure Übergossen. Unter starkem Aufschäumen entweicht K o h l e n d i o x y d . Ein in das Glas hineingehaltenes Stück feuchtes Lackmuspapier wird rot. Ein brennender Wurstspeil erlischt. 2 . I n dem kleinen Gasentwicklungsapparate (Fig. 11, S. 18) werde ein Stückchen Marmor mit Salzsäure Übergossen; der Kork werde schnell aufgesetzt und das entweichende Gas in ein Probierrohr geleitet, auf dessen Boden sich etwa 1 ccm Natronlauge befindet; das Glasrohr soll in diese nicht eintauchen. Nach einer Minute etwa werde das Probierglas von dem Gasentwicklungsapparate entfernt, schnell mit dem Daumen verschlossen und tüchtig geschüttelt. Beim Wegnehmen des Daumens merkt man einen Widerstand und hört Luft in das Glas treten; das Kohlendioxyd ist beim Schütteln von der Natronlauge absorbiert worden, wobei sich Natriumcarbonat gebildet hat. 2 N a O H + C0 2 = Na 2 C0 3 + H 2 0 . 3. J e t z t werde das Gasableitungsrohr des Apparates abgespült, die Kohlendioxydentwicklung im Kölbchen durch Zugabe von etwas Salzsäure wieder in Gang gebracht und das Ableitungsrohr in ein neues Probierglas getaucht, das zum Drittel mit stark verdünntem Kalkwasser gefüllt ist. Es entsteht ein flockiger Niederschlag von C a l c i u m c a r b o n a t , der sich bei längerem Einleiten als H y d r o g e n c a r b o n a t Ca(HC0 3 ) 2 löst. Ca(OH) 2 + C0 2 = CaC0 3 + H 2 0 CaC0 3 + H 2 0 + C0 2 = Ca(HC0 3 ) 2 . 4. Kocht man diese Lösung einige Zeit, so t r ü b t sie sich wieder unter Ausscheidung von Calciumcarbonat CaC0 3 . 5. Man erhitze in einem mit Gasentbindungsrohr versehenen Glasrohre etwas Natriumhydrogencarbonat ganz gelinde und weise das gebildete Kohlendioxyd durch die Einwirkung auf Kalkwasser nach. 6. Zum Nachweise kleiner Mengen Kohlendioxyd kann man verschiedene Versuchsanordnungen benutzen. Z. B. kann man so vorgehen, daß man die zu prüfende Substanz (eine stecknadelkopfgroße Menge Natriumcarbonat oder Kreide) in ein Probierglas bringt und einen Tropfen verdünnter Salzsäure zugibt, worauf Kohlendioxyd unter schwachem Aufbrausen entweicht. N u n wird ein Glasstab, an dessen Ende ein Tropfen Kalkwasser oder besser Barytwasser (Ba(OH) 2 ) hängt, senkrecht vorsichtig in das Probierglas so eingeführt, daß er die Wände nicht berührt. Zweckmäßig läßt man ihn, wie die umstehende Figur 17 a zeigt, an dem Zeigefinger der linken H a n d hinabgleiten, wodurch eine ruhige Führung des Glasstabes erreicht wird. Wenn der Stab tief genug eingetaucht

42

Schwefelwasserstoff

ist, kommt der Tropfen in die kohlendioxydhaltige Luftschicht und trübt sich. Dies ist eine empfindliche Probe auf Kohlendioxyd. 7 . Sehr empfindlich ist auch die folgende Prüfung a u f t r o k k e n e m W e g e : Man bringt die zu prüfende Probe in ein nach S. 11/12 hergestelltes Röhrchen (A) von etwa 5 mm Durchmesser und zieht dieses

b zu einer Spitze aus, die etwas seitlich abgebogen ist (vgl. Fig. 17b). Dann füllt man ein zweites Röhrchen (B) mit einem Tropfen Baryta wasser, steckt die Spitze von A in 0 B und erhitzt die Probe einige Zeit, wobei man sie mittels B hält. Dann schüttelt man sofort das Röhrchen B für sich allein kräftig durch. Um ^ sicher zu sein, daß die beobachtete Figur 17. Ausführungsformen Trübung nicht von etwaigem S0 3 aus des C02-Nachweises Sulfaten herrührt, prüfe man, ob sich der Niederschlag mit Salzsäure löst. 8. Um das in der ausgeatmeten Luft enthaltene Kohlendioxyd nachzuweisen, blase man die Ausatmungsluft zwei- bis dreimal langsam mit einem Glasrohre durch ein zu zwei Dritteln mit Barytwasser gefülltes Probierglas. 9. Kohlendioxyd ist schwerer als atmosphärische Luft. Man entwickele in einem Probierglase aus Natriumcarbonat und ganz wenig Salzsäure etwas Kohlendioxyd und gieße dieses Gas, als ob es eine Flüssigkeit sei, langsam in ein zweites Probierglas. Dann weise man in letzterem das Kohlendioxyd mit dem Barytwassertropfen nach. Schwefelwasserstoff Schwefelwasserstoff H 2 S ist ein farbloses, unangenehm riechendes, giftiges Gas, das mit blauer Hamme zu Schwefeldioxyd verbrennt. 2H 2 S + 30 2 = 2H 2 0 + 2 S 0 2 . I n W a s s e r i s t Schwefelwasserstoff etwas löslich; die konzentrierte Lösung, „Schwefelwasserstoff wasser", enthält etwa 0,5% Schwefelwasserstoff, ist also etwas stärker als 0,1 molar. Die Lösung reagiert schwach s a u e r , weil ein geringer Teil des gelösten Schwefelwasserstoffs in die Ionen: H+, H S - und

Schwefelwasserstoff

43

ganz untergeordnet S2~ zerfällt. Schwefelwasserstoffsäure ist also eine schwache Säure. Als sauerstofffreie Säure kann sie — ebenso wie die Salzsäure — ein Anhydrid nicht bilden. Schwefelwasserstoff ist ein R e d u k t i o n s m i t t e l . Bei seiner Oxydation geht der zweifach negative Schwefel in den elementaren, ungeladenen Zustand über. Sämtliche Metalle lassen sich mit Schwefel zu den Sulfiden verbinden. Diese können als Salze der Schwefelwasserstoffsäure aufgefaßt werden; andererseits zeigen sie manche Beziehung zu den Oxyden (Schwefel steht im Perioden-System unter dem Sauerstoff!). Die Sulfide einiger S c h w e r m e t a l l e , z. B. von Kupfer, Blei, Quecksilber, Zinn, können durch Einwirkung von Schwefelwasserstoff wasser auf die Lösungen von Salzen dieser Metalle hergestellt werden; dabei scheiden sich die in Wasser schwer löslichen Sulfide in fester Form aus, während die Säure des angewandten Salzes in Freiheit gesetzt wird, z. B.: CuS0 4 + H 2 S = CuS + H 2 S0 4 . Auf Grund der verschiedenen Löslichkeit ihrer Sulfide lassen sich die Metalle in einzelne Gruppen scheiden; hiervon macht man in der analytischen Chemie Gebrauch (vgl. dazu S. 147/48). Leitet man Schwefelwasserstoffgas in Ammoniak-Lösung bis zur Sättigung ein, so bildet sich Ammoniumhydrogensulfid (oder Ammoniumbisulfid), das saure Ammoniumsalz der Schwefelwasserstoffsäure. Wird zu der Ammoniumhydrogensulfid-Lösung noch einmal die gleiche Menge AmmoniakLösung gesetzt, die vorher mit dem Schwefelwasserstoff gesättigt wurde, so entsteht die Lösung des neutralen Ammoniumsulflds. NH 3 + H 2 S = NH 4 SH NH 4 SH + NH 3 = (NH4)2S . Die zunächst farblose Ammoniumsulfid-Lösung wird an der Luft durch Oxydation bald gelb, indem sich „ P o l y s u l f t d e " des Ammoniums bilden, d. h. Salze der Säuren H2S2, H 2 S 3 usw. 2(NH4)22S + 0 2 = 4NH 3 + 2 H 2 0 + 2S° (NH4)2S + - S = (NH4)2S2 bzw. (NH4)2S + 2S = (NH4)2S3 usw. Ammoniumsulfid- und -polysulfid-Lösungen, früher oft als „ f a r b l o s e s " bezw. „ g e l b e s S c h w e f e l a m m o n i u m " bezeichnet, sind wichtige B«agentien. Ammoniumsulfid fällt außer den meisten auch durch Schwefelwasserstoff ausfällbaren Metallen noch manche andere Schwermetalle als Sulfide, so z. B. Eisen (vgl. S. 147/48). FeS0 4 + (NH4)2S = FeS + (NH 4 ) 2 S0 4 . Beim S c h m e l z e n eines beliebigen schwefelhaltigen Stoffes m i t N a t r i u m c a r b o n a t u n d K o h l e entsteht — wenn nötig, unter dem reduzierenden Einflüsse der Kohle — N a t r i u m s u l f i d , z. B.: CuS0 4 + Na 2 C0 3 = CuO + C0 2 + Na 2 S0 4 6+ ±0 22+ Na 2 S0 4 + 4C = Na 2 S + 4CO . Auf dieser Umsetzung beruht die wichtige , ¿-Hepar "-Reaktion für den Nachweis von Schwefel in beliebigen Verbindungen. Alle A r b e i t e n m i t S c h w e f e l w a s s e r s t o f f u n d A m m o n i u m s u l f i d s i n d u n t e r d e m Abzüge oder im S c h w e f e l w a s s e r s t o f f r a u m e v o r zunehmen!

1. In den kleinen Gasentwicklungsapparat (Fig. 11, S. 18) werden etwa fünf erbsengroße Stücke Eisensulfid gegeben und mit etwas verdünnter Salzsäure eben Übergossen; zweckmäßig gibt man

44

Schwefelwasserstoff

ein wenig konzentrierte Salzsäure hinzu und erwärmt, wenn nötig, so lange, bis die Gasentwicklung in Gang kommt. FeS + 2HCl = FeCl 2 + H 2 S . Das entweichende Gas werde zuerst in etwas Wasser (1/3 Probierglas voll) geleitet. Nach einiger Zeit werde ein zweites Probierglas, das zu einem Fünftel mit Ammoniak-~Lös\mg gefüllt ist, vorgelegt. Zuletzt werde das Gas, nachdem das Ableitungsrohr abgetrocknet ist, in ein drittes Probierglas geleitet, in dem einige Kubikzentimeter leonzentrierter Schwefelsäure enthalten sind. I m ersten Glase bildet sich S c h w e f e l w a s s e r s t o f f - W a s s e r , im zweiten A m m o n i u m s u l f i d - (bzw. Ammoniumhydrogensulfid-) Lösung. I m dritten scheidet sich ein feiner weißlicher Niederschlag von S c h w e f e l ab, dessen Entstehen sich dadurch erklärt, daß der sechsfach positiv geladene Schwefel der Schwefelsäure durch den doppelt negativ geladenen Schwefel des Schwefelwasserstoffs reduziert wird, wobei beide in elementaren, d. h. ungeladenen Schwefel übergehen: «+ 2±0 H2S04 + 3H2S = 4H20 + 4 S . Schwefelwasserstoff kann also nicht mit Schwefelsäure getrocknet werden! 2 . Man versetze einige Tropfen alkoholischer Jod-Lösung mit Schwefelwasserstoff-Wasser. Unter R e d u k t i o n des Jods zu Jodwasserstoff tritt Entfärbung und eine milchige Trübung durch abgeschiedenen Schwefel ein. 2-

±0

1-

±0

H 2 S + J2 = 2 H J + S . 3 . Zu Kupfersulfat-, Bhiacetat-1) und Zinn(II)-chlorid-Lösung gebe man Schwefelwasserstoff-Wasser. Es fallen die entsprechenden S u l f i d e aus, die alle dunkel gefärbt sind. CuS0 4 + H 2 S = CuS + H 2 S 0 4 Pb(CH 3 C0 2 ) ä + . H 2 S = PbS + 2CH 3 C0 2 H SnCl2 + H 2 S = SnS + 2 H C l . 4 . Dieselben Niederschläge entstehen auch, wenn die MetallsalzLösungen schwach angesäuert sind. Dagegen wird aus einer schwach mit Salz- oder Schwefelsäure angesäuerten Probe Kobalt- oder Zinksalz-Lösung durch Schwefelwasserstoff n i c h t s gefällt. 5 . Von dem bereiteten Ammoniumsulfid setze man je ein paar Tropfen zu etwas Kupfer-, Kobalt- und Zm&salz-Lösung. Aus allen drei Lösungen fallen die S u l f i d e aus. CuS0 4 + (NH 4 ) 2 S = CuS + (NH 4 ) 2 S0 4 COC12 + (NH 4 ) 2 S = CoS + 2 N H 4 C 1 ZnS0 4 + (NH 4 ) 2 S = ZnS + (NH 4 ) 2 S0 4 . Acetate sind Salze der Essigsäure CH 3 C0 2 H; von den vier Wasserstoffatomen besitzt nur das an letzter Stelle geschriebene sauren Charakter.

Phosphorsäure. Saure Salze

45

Man notiere und merke sich die Farben dieser und der oben hergestellten Sulfide. 6. Ein Tropfen Ammoniumsulfid-'Lösung werde auf eine Silbermünze gebracht; es entsteht nach kurzer Zeit ein schwarzer Fleck von S i l b e r s u l f i d Ag2S. Dabei wird Sauerstoff aus der Luft aufgenommen : ±0 ±0 2X1+ 22(NH 4 ) 2 S + 4Ag + 0 2 = 2Ag 2 S + 4NH 3 + 2 H 2 0 . 7. Man gebe ein Tröpfchen Ammoniumsulfid-Tiösung zu einigen Kubikzentimetern einer frisch bereiteten, äußerst verdünnten Lösung des kompliziert zusammengesetzten Natriumnitroprussids (vgl. dazu Seite 123); die Lösung nimmt bald eine prächtige R o t v i o l e t t Färbung an, die später verblaßt. Diese Umsetzung, der Geruch und die Fähigkeit, „Bleipapier", d. h. ein jnit Bleisalz-Lösung befeuchtetes Papier, zu schwärzen, dienen zum N a c h weise von Schwefelwasserstoff.

8. Zum Nachweise von Schwefel, in einer beliebigen Verbindung, etwa Kupfersulfat, nach der „Hepar"-Reaktion verfährt man folgendermaßen. Ein Körnchen des Salzes werde mit einer Spatelspitze wasserfreien Natriumcarbonats gemischt; die Mischung werde auf einem Stück Holzkohle in der reduzierenden Lötrohrflamme geschmolzen. Um ein Fortblasen des Pulvers zu verhindern, kann man die Mischung vor dem Glühen mit einem Tröpfchen Wasser befeuchten. Nach dem Erkalten werde der Schmelzkuchen auf eine Silbermünze gelegt, mit Wasser befeuchtet und mit einem Spatel oder Glasstabe zerdrückt. In kurzer Zeit bildet sich ein am Silber fest haftender schwarzer Fleck von Silbersulfid. Man kann auch den wäßrigen Auszug der Schmelze mit Natriumnitroprussid prüfen. Phosphorsäure.

Saure Salze

Phosphorsäure. Beim Verbrennen von Phosphor entsteht Phosphor(V)-oxyd P 2 0 6 (oder Diphosphorpentoxyd, früher Phosphorpentoxyd genannt), das durch geringe Mengen Phosphor(III)-oxyd P 2 0 3 (oder Diphosphortrioxyd, früher Phosphortrioxyd) verunreinigt ist. Phosphor(V)-oxyd ist das Anhydrid von drei Phosphorsäuren. Durch Anlagerung e i n e r Molekel Wasser entsteht die Metaphosphorsäure P205 + H20 = 2 H P ( V ) , durch Anlagerung z w e i e r Molekeln Wasser die Pyrophosphorsäure Pa05 + 2H20 = H4P20,, durch Anlagerung d r e i e r Molekeln Wasser die Orthophosphorsäure P 2 0 6 + 3 H 2 0 = 2 H 3 P0 4 . 1

) Statt H P 0 3 sollte es richtiger heißen (HP0 3 ) n , weil die Metaphosphorsäuremolekeln in von Fall zu Fall wechselnder, verwickelter Weise aus zahlreichen HP0 3 -Gruppen zusammengesetzt sind. Darauf beruht u. a. ihre fällende Wirkung auf Eiweißlösungen (vgl. S. 49).

46

Phosphorsäure. Saure Salze

Welche dieser drei Phosphorsäuren sich beim Auflösen von Phosphor(V)-oxyd in Wasser zunächst bildet und welche aus der zuerst gebildeten beim Aufbewahren der Lösung weiter entsteht, möge durch eigene Versuche (vgl. S. 49) festgestellt werden. Andererseits sind Pyro- und Metaphosphorsäure aus der Orthophosphorsäure durch W a s s e r a b s p a l t u n g entstanden zu denken: der Austritt einer Molekel Wasser aus zwei Molekeln Orthophosphorsäure führt zu Pyrophosphorsäure, der Austritt einer Molekel Wasser aus einer Molekel Orthophosphorsäure zur Metaphosphorsäure: 2H 3 P0 4 — H 2 0 = H 4 P 2 0 7 H 3 P 0 4 - H 2 0 = HP03. Das Präfix „ortho(i bezeichnet auch sonst stets die Verbindung, die am meisten Wasser aufgenommen hat oder Derivate davon; die Präfixe „pyro" und „ m e i a " dienen in einigen, dem Beispiele der Phosphorsäuren entsprechenden Fällen zur Unterscheidung wasserärmerer Verbindungen, z. B. Orthoarsensäure H 3 As0 4 ; Pyroarsensäure H 4 As 2 0 7 ; Metaarsensäure HAs0 3 ; Pyroschwefelsäure H 2 S 2 0 7 (vgl. S. 23 und 47). Unter Phosphorsäure schlechthin wird die Orthophosphorsäure verstanden; sie stellt im reinen Zustande einen kristallinischen, farblosen Stoff dar, der schon bei geringer Temperaturerhöhung zu einem zähflüssigen Öle schmilzt; sie zieht leicht Wasser an. Bei stärkerem Erhitzen geht die Orthophosphorsäure in die Pyrophosphorsäure, bei noch höherer Temperatur in die Metaphosphorsäure über. Phosphor(V)-oxyd läßt sich aus dieser durch Erhitzen nicht gewinnen. In w ä ß r i g e r Lösung spaltet die Orthophosphorsäure nur ein Wasserstoffion in erheblichem Umfange ab; in bezug auf die Reaktion H 3 P0 4 = H+ + [H 2 P0 4 ]~ ist sie also als eine m ä ß i g s t a r k e Säure anzusehen. Dagegen erfolgt die Abspaltung des zweiten und namentlich die des dritten H+-Ions nur in sehr geringem Umfange. [H 2 P0 4 ]~ ist eine s c h w a c h e , [HP0 4 ] 2 _ eine ä u ß e r s t schwache Säure. Eine derartige „stufenweise Dissoziation," findet man bei allen mehrbasischen Säuren und mehrsäurigen Basen (vgl. auch S. 82). So ist z. B. Schwefelsäure in bezug auf die Dissoziation H 2 S0 4 = H+ + H S 0 4 eine sehr starke, in bezug auf die Dissoziation HS0 4 ~ = H+ + S0 4 2 - dagegen nur eine mittelstarke Säure. Salze der Phosphorsäure; allgemeines über saure Salze. Im Gegensatz zur Salzsäure haben Säuren wie H 2 S0 4 , H 3 P0 4 , H 4 P 2 0 7 u. a. mehrere durch Metall ersetzbare Wasserstoffatome. Sie bilden daher neben den neutralen Salzen, wie K 2 S0 4 , Na 3 P0 4 , bei denen alle Wasserstoffatome durch Metall ersetzt sind, wie S. 15 bereits erwähnt, auch saure Salze. Wir nannten bereits: NaHS0 4 , Na 2 HP0 4 , Ca(HC03)2. Handelt es sich um eine „zweibasische" Säure1), so gibt es nur eine Art von sauren Salzen, die man am korrektesten als ,,Hydrogen"-Sulfate, -Carbonate usw. bezeichnet (vgl. dazu S. 40). Oft wird, wie S. 40 bereits erwähnt, auch die Bezeichnung ,,Bi"Sulfate, -Carbonate usw. verwendet. Bei den „dreibasischen" Säuren, wie H 3 P0 4 , gibt es zwei Reihen von sauren Salzen, zu deren Unterscheidung man vielfach die W o r t e , , p r i m ä r " 1 ) Einbasische Säuren, wie HCl usw., bilden überhaupt keine sauren Salze. Allerdings kennt man Verbindungen, wie z. B. KHF 2 ; dieses kann man aber auch als ein Anlagerungsprodukt von H F an K F ansehen.

Phosphorsäure. Saure Salze

47

und „sekundär" verwendet; die entsprechenden neutralen Salze bezeichnet man als „tertiär". NaH 2 P0 4 primäres Natriumphosphat (Mononatriumdihydrogenphosphat) Ca(H2P04)2 primäres Calciumphosphat Saure Salze Na,HP0 sekundäres Natriumphosphat (Dinatriummono4 hydrogenphosphat) CaHPO, sekundäres Calciumphosphat Neutrale Na 3 P0 4 tertiäres Natriumphosphat (Trinatriumphosphat) S a l z e ( Ca3(P04)2 tertiäres Calciumphosphat Sekundäre Phosphate enthalten also immer die Gruppe [HP0 4 ] 2 - , primäre die Gruppe [H2P04]"~. Sehr wichtig ist, daß man durch Erhitzen der sauren Salze unter Wasseraustritt Salze der wasserämeren Säuren erhält. So gehen H y d r o g e n s u l f a t e in Pyrosulfate über: z. B . : 2 K H S 0 4 E-rhltzeQ->- H 2 0 + K 2 S 2 0 7 . Bei der P h o s p h o r s ä u r e verhalten sich primäre und sekundäre Salze verschieden; die ersteren geben Meta-, die letzteren Pyrophosphate. NaH 2 P0 4 -> H 2 0 + NaP0 3 2Na 2 HP0 4 -> H 2 0 + Na 4 P 2 0 7 . Tertiäre Phosphate verändern sich beim Erhitzen nicht. — Die Ammoniumsalze der Phosphorsäure verhalten sich anders als die Salze von nicht flüchtigen Basen, weil sie beim Erhitzen NH 3 abgeben; vgl. z. B. unten bei Phosphorsalz. Außer den Phosphaten der Alkalimetalle sind fast alle neutralen Phosphate in Wasser unlöslich; in starken Säuren hingegen lösen sie sich fast ausnahmslos. Unter „ N a t r i u m p h o s p h a t " schlechthin versteht man das sekundäre Salz Na 2 HP0 4 . „ P h o s p h o r s a l z " ist Na(NH 4 )HP0 4 ; es gibt beim Erhitzen außer Wasser auch Ammoniak ab und liefert das Metaphosphat NaP0 3 . 1 . Unter dem Abzüge werde gemäß Fig. 18 ein Porzellantiegeldeckel — mit dem Griff nach unten — in eine Abdampfschale gelegt und auf ihn so viel roter Phosphor gebracht, wie eine Erbse ausmacht. Durch Berühren mit einer Flamme werde der Phosphor entzündet, worauf man sofort einen trockenen Trichter über die Flamme in die Abdampfschale stellt; an der einen Seite schiebe man zwischen Trichter und Schale ein Streichholzstückchen, damit ein Spalt bleibe, durch den die zur Verbrennung nötige Luft eintreten kann. Der Phosphor verbrennt langsam, und weißes P h o s p h o r Figur 18. ( V ) - o x y d setzt sich im Konus und im Phosphor-Verbrennung Rohre des Trichters ab, während auf dem .Tiegeldeckel eine rote Masse, die niedere Oxyde des Phosphors enthält, zurückbleibt. Das Phosphor(V)-oxyd werde mit etwas Wasser vom Trichter in die Schale gespült; es löst sich sofort unter Zischen Vgl. aber S. 81/82 über Hydrolyse!

48

Phosphorsäure. Saure Salze

auf, weil es sich mit Wasser sehr energisch verbindet 1 ). Die Lösung werde zu weiteren Versuchen beiseite gestellt. Orthophosphorsäure. Wenige Tropfen einer Natriumphosphat-Lösung werden mit etwa 2—3 ccm AmmoniummolybdatLösung ((NH 4 ) 2 Mo0 4 ) versetzt und 1—2 ccm konzentrierter Salpetersäure zugesetzt. Die Lösung färbt sich gelb; bei schwachem Erwärmen entsteht allmählich ein feinkörniger, gelber, schwerer Niederschlag vom A m m o n i u m s a l z e d e r M o l y b d a t o p h o s p h o r s ä u r e (NH 4 ) 3 [P(Mo 3 O 10 ) 4 ] 2 ). Bei Gegenwart größerer Phosphorsäuremengen erscheint der Niederschlag auch schon bei Raumtemperatur. Bei der Ausführung der Umsetzung ist wichtig, daß v i e l Ammoniummolybdat und Salpetersäure zugesetzt werden; ferner darf nicht zu stark erhitzt werden, weil sonst Molybdänsäure ausfallen kann. Der Molybdatophosphorsäure-Niederschlag löst sich leicht in Ammoniak-Lösung zu einer farblosen Lösung. Wichtige und quantitative Fällung der Phosphorsäure aus s a u r e r Lösung! 3. Wenige Tropfen einer Natriumphosphat-Lösving werden mit ebensoviel konzentrierter Salzsäure vermischt; dazu werde die gleiche Menge Magnesiumchlorid-Lösung gesetzt. Zur Mischung gebe man alsdann Ammoniak - Lösung, bis sie auch nach dem Umschütteln noch deutlich danach riecht. Es fällt — aus stark verdünnter Lösung erst nach einiger Zeit — A m m o n i u m m a g n e s i u m p h o s p h a t 3 ) aus. Der Zusatz von Salzsäure h a t den Zweck, die Bildung von etwas Ammoniumchlorid zu ermöglichen, welches ein Ausfallen von Magnesiumhydroxyd aus der ammoniakalischen Lösung verhindert (näheres vgl.' S. 85). Wichtige und quantitative Fällung der Phosphorsäure aus a m m o n i a k a l i s c h e r Lösung! N a 2 H P 0 4 + MgS0 4 + N H 3 = NH 4 MgP0 4 + N a 2 S 0 4 . Ammoniummagnesiumphosphat geht beim Glühen in Magnesium pyrophosphat über. 2 N H 4 M g P 0 4 = Mg 2 P 2 0 7 + 2 N H 3 + H 2 0 . 4. Wenige Tropfen Natriumphosphat-USsang werden mit etwas Silbernitrat - Lösung versetzt. Es fällt gelbes S i l b e r o r t h o p h o s p h a t Ag 3 P0 4 aus. Der Niederschlag ist sowohl in Salpetersäure als auch in Ammoniak-Lösung löslich. *) Mit dem in der Luft enthaltenen Wasserdampf verbindet sich Phosphor(V)-oxyd ebenfalls; es zerfließt daher, wenn man es offen an der Luft stehen läßt. Solche Stoffe bezeichnet man als hygroskopisch, vgl. dazu S. 71. 2 ) In der Molybdatophosphorsäure, die zu den sogenannten „Heteropolysäuren" (vgl. 2-S. 183) gehört, ist jedes Oa_-Teilchen der Phosphorsäure durch eine (MosO10) -Gruppe ersetzt. 3 ) Dieses Salz kristallisiert mit 6 Molekeln Kristallwasser; hier und in anderen Fällen ist dies in den Formeln nicht zum Ausdruck gebracht, um den Anfänger nicht unnötig zü belasten.

Phosphorsäure.

Saure Salze

49

5. Einige Tropfen Natriumphosphat-Lösung werden mit etwas klarer Eiweiß-Lösung und einigen Tropfen Essigsäure versetzt; es tritt k e i n e Fällung ein. Pyrophosphorsäure. 6. Etwas Natriumphosphat werde auf der Magnesiarinne in der Gebläseflamme bis zum klaren Schmelzfluß erhitzt. Das entstandene Pyrophosphat werde in 2 ccm Wasser unter Kochen gelöst. Ein Teil der Lösung gibt mit Silbernitrat eine w e i ß e Fällung von S i l b e r p y r o p h o s p h a t Ag 4 P 2 0 7 ; ein anderer Teil gibt mit Eiweiß - Lösung auch nach Zusatz von etwas Essigsäure ebenso wie die Orthophosphate k e i n e Fällung. Metaphosphorsäure. 1. Phosphorsalz werde auf der Magnesiarinne stark erhitzt und das entstandene Metaphosphat in wenig kochendem Wasser gelöst. Die Lösung bringt Eiweiß-Lösung nach Zusatz von etwas Essigsäure zum G e r i n n e n . Sie gibt ferner mit Silbernitrat eine w e i ß e Fällung von S i l b e r m e t a p h o s p h a t . Diese Reaktion tritt jedoch nur in genau neutraler Lösung ein. Man prüfe daher mit Lackmus und neutralisiere gegebenenfalls mit g a n z v e r d ü n n t e r Ammoniak- bzw. Salpetersäurelösung. 8. Mit der Silbernitrat- und der Eiweißprobe können somit die drei Phosphorsäuren unterschieden werden. Zur Prüfung, welche der drei Phosphorsäuren sich beim Auflösen des Phosphor(V)-oxyds in Wasser bildet, stelle man mit einem Teile der aufbewahrten Lösung die eben angeführten zwei Versuche an. Es wird sich zeigen, daß Metaphosphorsäure vorliegt. 9. Bei längerem Stehen der wäßrigen, aus Phosphor(V)-oxyd erhaltenen Lösung oder beim Aufkochen nach Säurezusatz wird weiteres Wasser angelagert, und es bildet sich Orthophosphorsäure. Um dies festzustellen, säuere man einige Tropfen der Phosphor(V)oxyd-Auflösung an und prüfe mit Ammoniak und MagnesiumsalzLösung; es fällt kein Niederschlag. Eine zweite Probe säuere man ebenfalls an und koche kurze Zeit auf. P r ü f t man jetzt wiederum mit Ammoniak und Magnesiumsalz-Lösung, so fällt Ammoniummagnesiumphosphat aus. Phosphorsalz-Perle. Geschmolzenes Natriummetaphosphat hat die Fähigkeit, M e t a l l o x y d e aufzulösen, wobei g e f ä r b t e G l a s f l ü s s e entstehen. Dies kann man so auffassen, als ob sich die entsprechenden Orthophosphate bildeten: N a P 0 3 + CuO = N a C u P 0 4 . 10. Man tauche das heiße Ende eines Magnesiastäbchens in etwas Phosphorsah und schmelze das haftengebliebene Salz in dem heißesten Teile der Bunsenbrennerflamme, bis eine klare Schmelze entstanden ist, aus der sich keine Blasen mehr entwickeln. An diese Perle bringe man sehr wenig von dem Oxyde oder einem Salze eines der Metalle Kupfer, Kobalt, Nickel, Eisen und erhitze die Perle nochmals einige B i l t z , K l e m m , F i s c h e r , Einführung. 30.—32. Aufl.

4

Namen anorganischer Stoffe

50

Zeit zum Schmelzen. Man beachte die Farbe der Perle in der Hitze und während des Abkühlens und wiederhole den Versuch mit neuen Perlen und den Salzen der anderen Metalle. Namen anorganischer Stoffe I n der anorganischen Chemie lag bisher für den Lernenden eine besondere Schwierigkeit darin, daß für ein und denselben Stoff verschiedene Namen verwendet wurden. Dies ist aus der historischen Entwicklung zu erklären. Da dieser Zustand jedoch zu Schwierigkeiten und Mißverständnissen führte, sind 1940 von der I n t e r n a t i o n a l e n U n i o n f ü r C h e m i e u n t e r m a ß g e b e n d e r M i t w i r k u n g d e u t s c h e r Stellen R i c h t s ä t z e f ü r die B e n e n n u n g ano r g a n i s c h e r V e r b i n d u n g e n aufgestellt worden. Es ist zu erwarten, daß sich diese Bezeichnungen bald allgemein durchsetzen werden. Sie sind daher auch dieser Einführung zugrunde gelegt worden. Damit sich der Studierende aber auch in solchen Büchern und Arbeiten zurechtfindet, in denen noch andere Nomenklaturen verwendet werden, sind auch diese kurz berücksichtigt. A. Wir beginnen mit den einfachsten Verbindungen aus je zwei Atom arten, die sich in verschiedenem Mengenverhältnis verbinden. 1. Veraltet sind folgende Bezeichnungen, die nicht mehr verwendet werden sollten: a) Man bezeichnet die h ö h e r w e r t i g e Verbindung als O x y d bzw. C h l o r i d (Bromid usw.), die n i e d e r w e r t i g e als O x y d u l , C h l o r ü r (Bromür usw.): F e 2 0 3 Eisenoxyd FeO Eisenoxydul FeCl 3 Eisenchlorid FeCl 2 Eisenchlorür CuO Kupferoxyd Cu 2 0 Kupferoxydul CuBr 2 Kupferbromid CuBr Kupferbromür b) Man hängt an den abgekürzten l a t e i n i s c h e n Namen bei der höherwertigen ein i, bei der niederwertigen ein o: FeCl 3 CuO

Ferrichlorid Cuprioxyd.

FeCl 2 Ferrochlorid Cu 2 0 Cuprooxyd

2. Nach den Internationalen Richtsätzen sollen folgende Bezeichnungen angewendet werden: a) Insbesondere f ü r Verbindungen aus Metall- und Nichtmetallatomen, d. h. also s a l z a r t i g e S t o f f e ist folgende Bezeichnungsart geeignet, die auf einen Vorschlag von A. S t o c k zurückgeht: Die E l e k t r o v a l e n z z a h l des betreffenden Elements wird durch eine an seinen Namen unmittelbar angehängte römische Ziffer bezeichnet, z. B. FeCl 2 Eisen(Il)-chlorid (sprich: Eisen-zwei-chlorid); FeCl 3 Eisen(Ill)-chlorid; Cr 2 0 3 Chrom(III)-oxyd. b) A l l g e m e i n a n w e n d b a r , d. h. also sowohl f ü r Salze wie f ü r Verbindungen, die nur aus Nichtmetallatomen bestehen, ist die Bezeichnung der Zahl der Atome im Molekül durch g r i e c h i s c h e Z a h l w ö r t e r ; das Vorwort „Mono" wird dabei in der Regel weggelassen: N20 NO N2O3 NO 2 N A NA

Distickstoff(mon)oxyd Stickstoffoxyd Distickstofftrioxyd Stickstoffdioxyd Distickstofftetroxyd Distickstoffpentoxyd

PC15 PC13 Ag a E Fe(C0 6 ;

Phosphorpentachlorid Phosphortrichlorid Disilberfluorid Eisenpentacarbonyl

Namen anorganischer Stoffe

51

Neben diesen „ s t ö c h i o m e t r i s c h e n " können auch „ f u n k t i o n a l e " Benennungen angewandt werden, z. B.: N 2 0 3 Salpetrigsäureanhydrid N206 Salpetersäureanhydrid B. Bei Salzen von Sauerstoffsäuren pflegt man den meist lateinisch gewählten Namen der Säure mit der Endung „at" an das Metall anzuhängen. Natriumsulfat Na 2 S0 4 Ammonium magnesium phosphat (NH4)MgP04 Kaliumpyrosulfat K 2 S 2 0 7 Calciumnitrat Ca(N03)2 Ammoniumcarbonat (NH4)2C03 Kaliumjodat K J 0 3 Leiten sich von einem Nichtmetalle mehrere sauerstoffhaltige Säuren mit v e r s c h i e d e n e m L a d u n g s z u s t a n d e des betreffenden säurebildenden Elements ab, so werden die Salze der praktisch wichtigsten, die meist, aber nicht immer, die sauerstoffreichsten sind, durch die Endung „at" gekennzeichnet. Für sauerstoffärmere wird die Endung „it" benutzt, die außerordentlich unglücklich gewählt ist, da 6ie Verwechselungen mit der Endung „id" für die Salze der sauerstoff-freien Säuren zuläßt: Schwefelsäure 4+

H 2 SO 3 2 -

aber H 2 S 5+ h n o

3

3-1HN0 2 3— aber NH 3

Na,S0 4

Natriumsulfat

Schweflige Säure

Natriumsulfit

Schwefelwasserstoff

Natriumsulfid

Salpetersäure

Mg(N03)2

Magnesiumnitrat

Salpetrige Säure

Mg(N02)2

Magnesiumnitrit

Ammoniak

Mg3N2

Magnesiumnitrid.

Manchmal ist noch eine weitere Unterteilung notwendig: HC104

Überchlorsäure

KC104

Kaliumperchlorat

hc!o

Chlorsäure

kcio

3

Kaliumchlorat

HC102

Chlorige Säure

kcio

2

Kaliumchlorit

HCÌO

Unterchlorige Säure

KCIO

Kaliumhypochlorit

Chlorwasserstoff

KCl

Kaliumchlorid.

3+

aber HCl

3

Nicht zu verwechseln mit diesen Säurereihen, die sich in der Elektrovalenzzahl des betreffenden säurebildenden Elementes unterscheiden, sind solche, die sich bei gleicher Elektrovalenzzahl nur im W a s s e r g e h a l t unterscheiden, wie z. B. Ortho-, Pyro-, Meta-Phosphorsäure; vgl. dazu S. 45. Über die Benennung s a u r e r Salze vgl. S. 46/47. Bedauerlich ist, daß die in Apotheken noch gebrauchten lateinischen Namen Verwechslungen begünstigen; so heißt z. B. Kaliumchlorid KCl dort. „Kalium chloratum", Kaliumchlorat KC103 dagegen „Kalium chloricum".

4*

52

Metallverbindungen, erster Teil Für die Anordnung des Folgenden ist im wesentlichen das PeriodenSystem zugrunde gelegt (vgl. am Ende des Buches). Auf das PeriodenSystem können wir zwar im einzelnen nicht eingehen; es sei aber mit größtem Nachdruck darauf hingewiesen, daß der Studierende schon in den ersten Wochen seines Studiums dieses System unbedingt in sich aufnehmen muß, da es die Grundlage sowohl des Lernens wie auch der Forschung in der anorganischen Chemie ist. In den folgenden Abschnitten werden zunächst die wichtigeren Metalle und ihre Verbindungen besprochen, während am Schluß des Buches einige kurze Angaben über die weniger wichtigen und zum Teil selteneren Metalle folgen.

Alkalimetalle Die Alkalimetalle, L i t h i u m Li, N a t r i u m Na, K a l i u m K, R u b i d i u m Eb und C a e s i u m Cs, sind weiche Stoffe von silberweißer Farbe und metallischem Aussehen. Sie besitzen eine außerordentlich große Neigung, sich zu oxydieren. Infolgedessen überziehen sie sich an der Luft sofort mit einer Kruste von Hydroxyd und Carbonat. Man hebt sie deshalb meist in sauerstofffreien Flüssigkeiten, am besten in Benzin, auf. Lithiummetall ist der leichteste aller bei Zimmertemperatur festen Stoffe (Dichte 0,53); Rubidium und Caesium sind schwerer als Wasser. Die Alkalimetalle bilden nur einfach positiv geladene Ionen. Sie zerlegen Wasser unter Wasserstoffentwicklung und Bildung der Hydroxyde. Diese Hydroxyde sind die stärksten Basen, die wir kennen; sie setzen sich mit gasförmigem Kohlendioxyd zu den Carbonaten um. Die Mehrzahl der Salze der Alkalimetalle, so z. B. die C h l o r i d e , N i t r a t e , S u l f a t e , sind in Wasser sehr leicht löslich; auch die C a r b o n a t e und P h o s p h a t e , mit Ausnahme derer des Lithiums, lösen sich leicht in Wasser. Salze von so geringer Löslichkeit wie etwa das Bariumsulfat oder die Schwermetallsulfide bilden die Alkalimetalle überhaupt nicht, Wegen dieses Mangels an schwer löslichen Verbindungen bereitet in der Analyse die Abscheidung der Alkalimetalle gewisse Schwierigkeiten. Alle Alkalimetalle und ihre Verbindungen färben die Flamme in charakteristischer Weise. Von den Alkalimetallen besprechen wir an dieser Stelle nur die beiden häufigsten, Natrium und Kalium. Rubidium und Caesium sind nach ihren chemischen Umsetzungen kaum von Kalium zu unterscheiden. Über Lithium finden sich einige Angaben auf S. 178. Außerdem behandeln wir im Anschluß an Kalium noch die ¿mmom'ttm-Verbindungen, da diese den entsprechenden Kalium- und Rubidiumverbindungen in vielen Eigenschaften sehr ähnlich sind.

Natrium Das Natrium ist das häufigste der Alkalimetalle. Seine Verbindungen gehören zu den wichtigsten Stoffen; sie finden in der Technik und im Laboratorium ausgedehnte Anwendung und spielen unter den anorganischen Bestandteilen der belebten Natur eine wesentliche Rolle.

Natrium

53

Das Natrium ist das Alkalimetall, das die wenigsten schwer lösliehen Salze bildet. Viele seiner Salze kristallisieren mit Kristallwasser. Das Natriumoxyd Na 2 0 ist schwer erhältlich und spielt praktisch keine Rolle. Wichtiger ist das Natriumperoxyd Na 2 0 2 , das man beim Verbrennen von Natriummetall erhält. — Leicht zugänglich ist das Hydroxyd NaOH, „Ätznatron". Seine wäßrige Lösung heißt Natronlauge. Zur Erkennung des Natriums dienen: die gelbe Flammenfärbung, die Kristallform des Natrium uranyl a c e t a t e s und die geringe Löslichkeit des Natriumsalzes der Antimonsäure. Bei allen Versuchen mit Natriummetall komme man mit Gesicht und Händen nicht zu nahe, fasse das Metall stets nur mit der Pinzette und schütze die Augen durch eine Schutzbrille, da einzelne Partikelchen Natrium leicht verspritzen und böse Verletzungen verursachen können.

Natriumhydroxyd. 1 . Ein Stück Natrium, so groß wie eine Erbse, werde abgeschnitten, mit etwas Filtrierpapier abgetrocknet und in ein kleines, hinter der Glasscheibe des Abzugs stehendes Becherglas auf etwa 10 ccm Wasser geworfen. Mit großer Heftigkeit wirkt das Natrium darauf ein; es schmilzt zu einer Kugel, die auf der Wasseroberfläche schwimmt oder vielmehr schwebt, bald kleiner wird und schließlich ganz verschwindet. Der gebildete W a s s e r s t o f f entweicht währenddessen, und das N a t r i u m h y d r o x y d löst sich im Wasser. 2 Na + 2 H 2 0 = 2 NaOH + H 2 . Man wiederhole den Versuch in der Weise, daß man das Natriumstückchen mit der Pinzette auf ein auf dem Wasser schwimmendes Stück Filtrierpapier bringt, wodurch es an seiner Fortbewegung gehindert wird; dabei erwärmt es sich stärker als beim ersten Versuche, so daß der gebildete Wasserstoff sich entzündet und mit einer durch Natriumdämpfe gelb gefärbten Flamme verbrennt. Oft verspritzt dabei das Metall zum Schluß, nachdem die Flamme schon erloschen zu sein scheint. V o r s i c h t ! Wegen dieser Eigenschaften des Natriums hüte man sich, auch die kleinsten Natriumreste in die Ausgüsse der Wasserleitung zu werfen, da sie sich in den Röhren festsetzen und zu heftigen Explosionen des gebildeten Knallgases Anlaß geben können. Größere Mengen von Natriumresten zerstört man durch Aufgießen von Alkohol, mit dem sie sich gefahrlos umsetzen, oder man gibt sie im Freien nach und nach in eine offene, mit Wasser gefüllte Schale.

Die bei den obigen Versuchen entstandene Flüssigkeit ist eine verdünnte N a t r i u m h y d r o x y d - L ö s u n g ( „ N a t r o n l a u g e " ) ; sie färbt rotes Lackmuspapier blau. 2. Natronlauge kann man auch durch Umsetzung von (wenig!) Äo CaO + C0 2 . Andererseits kann sich Calciumoxyd mit Kohlendioxyd wieder zu Calciumcarbonat vereinen: CaO + C0 2 CaC0 3 . Beide Gleichungen kann man unter Verwendung eines Doppelpfeiles zu der Gleichung: CaO + C0 2 C aC0 3 ^ vereinen, die ausdrücken soll, daß die Umsetzung je nach den herrschenden Bedingungen entweder von links nach rechts oder von rechts nach links verläuft. Man spricht deshalb auch von einer „umkehrbaren ReaktionErhitzt man Kalkstein in einem abgeschlossenen Räume, so stellt sich ein ganz bestimmter Kohlendioxyd-Druck, ein „Gleichgewichtsdruck", ein, der mit steigender Temperatur in ganz entsprechender Weise ansteigt, wie es Fig. 19 für den Sättigungsdruck des Wassers gezeigt hat. (Voraussetzung ist natürlich wieder, daß so reichlich Kalkstein verwendet wurde, daß er noch nicht vollständig zersetzt ist.) Stört man auch hier dieses Gleichgewicht, indem man z. B. in einem offenen Gefäß erhitzt und durch Überleiten von Luft das Kohlendioxyd dauernd entfernt, so wird laufend weiter Kohlendioxyd abgespalten, bis das Calciumcarbonat vollständig zersetzt ist. I I I . Löslichkeit (z. B . flüssige und feste Phase). Weitere Beispiele für physikalisch-chemische Gleichgewichte bietet uns die Erscheinung der Lösl i c h k e i t . Die meisten Stoffe, wie z. B. Kochsalz, Kaliumnitrat usw., lösen sich in Wasser bis zu einer bestimmten Sättigungskonzentration 1 ). Überschüssig zugesetzter fester Stoff löst sich nicht mehr, sondern bleibt unverändert am Boden des Gefäßes zurück („Bodenkörper"). Die überstehende Lösung bezeichnet man dann als „gesättigt". Die Sättigungskonzentration ist unabhängig von der anwesenden Menge des festen Bodenkörpers. Eindunsten der Lösung stört das Löslichkeitsgieichgewicht ebenso, wie eine Verminderung des Volumens das Verdampfungsgleichgewicht beeinflußt. Die dadurch willkürlich erzeugte Erhöhung der Konzentration wird durch Auskristallisieren einer entsprechenden Menge des gelösten Stoffes rückgängig gemacht. Die Größe der L ö s l i c h k e i t bewegt sich bei verschiedenen Stoffen innerhalb sehr weiter Grenzen. So lösen 100 g Wa,sser bei Zimmertemperatur l ) Manche Stoffe lösen sich allerdings in bestimmten anderen Stoffen in unbegrenzter Menge auf, z. B. Alkohol in Wasser („völlige Mischbarkeit").

Das Wesen der chemischen Gleichgewichte

71

unlösliche Stoffe gibt es nicht; auch von den schwer löslichen Stoffen (zu denen das Quecksilbersulfid gehört) gehen geringe Beträge in Lösung, wie das z. B. der Versuch 2. auf S. 66/67 für Erdalkali-Sulfate gezeigt hatte. Infolgedessen kann man durch Fällung einen Stoff auch nie restlos aus der Lösung entfernen. Allerdings ist die Löslichkeit vieler Niederschläge für die meisten praktischen Zwecke zu vernachlässigen. Wie alle Gleichgewichte hängt auch das Löslichkeitsgieichgewicht von der T e m p e r a t u r ab, aber bei den einzelnen Stoffen in verschiedener Weise. Die Sättigungskonzentration eini- - - - - s o — r• i i•1 i i— ger Stoffe fällt mit steigender Temperatur (z. B. Natrium-Sulfat oberhalb 31°). In der Regel steigt sie mit der Temperatur an, bei 60 manchen Stoffen (z. B. Natriumchlorid) schwach, bei anderen (Kaliumnitrat) stark (vgl. Fig. 20). Kühlt man eine heiß gesätHa, SOt / / tigte Lösung eines Stoffes der y / Nb Cl letzten Art ab, so sollte entspre- •20 chend der Abnahme der Löslichkeit mit fallender Temperatur ein Teil des gelösten Stoffes auskristallisieren. Oft unterbleibt aber diese 10' 20' 30• 40' 50' 60° 70' SO' 30" —» Tempera/i/r Ausscheidung, man erhält sogenannte „ ü b e r s ä t t i g t e " L ö Figur 20. Löslichkeiten s u n g e n . Diese stellen natürlich keinen Gleichgewichtszustand dar. Die ausgebliebene Kristallisation kann meist durch Hinzufügen eines winzigen Kriställchens („Keims") des betreffenden Stoffes oder aber durch Kratzen der Gefäßwand mit einem Glasstabe momentan ausgelöst werden: der „labile" Zustand geht damit in das „stabile" Gleichgewicht über. Manchmal gelingt die Aufhebung des übersättigten Zustandes aber nur schwierig (z. B. bei Kaliumhydrogentartrat- oder Calciumoxalat-Lösungen; vgl. S. 59 u. 65). Der D a m p f d r u c k einer L ö s u n g ist stets geringer als der des reinen Lösungsmittels bei der gleichen Temperatur. Die Dampfdruckerniedrigung ist um so größer, je höher die Konzentration der Lösung ist. Infolgedessen haben gesättigte Lösungen sehr leicht löslicher Stoffe einen kleineren Dampfdruck, als der mittleren Luftfeuchtigkeit entspricht. Daher ziehen solche Stoffe, z. B. Calciumchlorid, im festen Zustande Wasserdampf aus der Luft an und bilden damit gesättigte Lösungen; sie sind „ h y g r o s k o p i s c h " und zerfließlich 1 ). Auch bei der Auflösung v o n ' G a s e n in Flüssigkeiten handelt es sich um Gleichgewichte. In diesem Falle ist aber die Sättigungskonzentration des gelösten Stoffes verschieden je nach dem D r u c k (Partialdruck), unter dem das zu lösende Gas mit der Lösung in Berührung steht. Mit Erhöhung des Druckes steigt die Löslichkeit (Henrysches Gesetz). Mit steigender T e m p e r a t u r nimmt in allen praktisch bedeutsamen Fällen die Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten ab. IV. Homogene Gleichgewichte. Bei den bisher besprochenen Beispielen handelte es sich stets um Gleichgewichte zwischen mehreren Phasen, 1 ) In manchen Fällen besitzt aber auch nur das f e s t e H y d r a t eines Stoffes einen geringeren Wasserdampfdruck als der Luftfeuchtigkeit entspricht, nicht aber die gesättigte Lösung dieses Hydrats. Solche Stoffe, z. B. wasserfreies Kupfersulfat, sind hygroskopisch — sie nehmen Wasserdampf aus der Luft zur Bildung des festen Hydrats auf —, sie sind aber nicht zerfließlich.

72

Das Wesen der chemischen Gleichgewichte

z. B. zwischen flüssiger und gasförmiger, zwischen fester und flüssiger Phase usw. Nicht weniger wichtig als diese „heterogenen" Gleichgewichte sind die „ h o m o g e n e n " . Unter homogenen Reaktionen versteht man solche chemischen Umsetzungen, die sich nur in einer Phase abspielen. Hierher gehören z. B. alle Umsetzungen, die in einer Lösung ohne Niederschlagsbildung oder Gasentwicklung verlaufen, oder solche, die ausschließlich im Gaszustande vor sich gehen. Bei derartigen Fällen sind wir bisher auf die Erscheinung des Gleichgewichts deswegen noch nicht aufmerksam geworden, weil bei ihnen die Umsetzungen meist weniger augenfällig sind und oft nur indirekt erkannt werden können. Erhitzt man z. B. reines B r o m w a s s e r s t o f f g a s auf Rotglut, so zersetzt es sich nach _ 2 H B r = ^ + ^ Das entstandene freie Brom färbt das vorher farblose Gas braun und läßt sich, ebenso wie der entstandene elementare Wasserstoff, auf chemischem Wege nachweisen. Die Zersetzung verläuft aber n i c h t v o l l s t ä n d i g , denn man kann in dem Gasgemisch auch noch unveränderten Bromwasserstoff nachweisen. Erhitzt man andererseits ein HBr-freies Gemisch von Wasserstoff und Brom auf Rotglut, so zeigt sich, daß sich ein Teil dieser Gase nach der Umkehrung der obigen Gleichung: H 2 + Br 2 = 2 H B r zu Bromwasserstoff vereinigt. Wir haben es also mit einer u m k e h r b a r e n R e a k t i o n H 2 + Br 2 2HBr zu tun, die zu einem Gleichgewicht f ü h r t : Brom und Wasserstoff vereinigen sich zwar miteinander, aber nicht vollständig, sondern nur so lange, bis die entstandene Brom wasserstoffmenge einen bestimmten Wert besitzt; diesen Endzustand bezeichnen wir als das G l e i c h g e w i c h t . Umgekehrt zerfällt Bromwasserstoff beim Erhitzen, aber ebenfalls nicht vollständig, sondern nur bis zur Erreichung des Gleichgewichtsgemisches von H 2 , Br 2 und HBr. Die Lage des Gleichgewichtes, d. h. die Zusammensetzung des Gleichgewichtsgemisches, ändert sich im allgemeinen bei Änderungen der äußeren Bedingungen (Temperatur, Druck)1). So stehen z. B. die dunkelbraunen Molekeln des Stickstoffdioxyds N 0 2 mit den fast farblosen doppelt so großen Molekeln des Distickstofftetroxyds N 2 0 4 (vgl. S. 37) in einem Gleichgewicht: 2N02 ^ N204, das sich mit steigender Temperatur zugunsten der N0 2 -Molekeln verschiebt; bei tiefer Temperatur sind im Gleichgewicht neben viel N 2 0 4 -Molekeln nur wenige N0 2 -Molekeln vorhanden, bei hoher Temperatur ist es umgekehrt. Diese Erscheinung läßt sich wegen der verschieden tiefen Farbe der beiden Reaktionsteilnehmer leicht bei folgendem Versuch erkennen:

1. Von zwei gleichen Glasrohren, die mit gasförmigem Stickstoffdioxyd gefüllt und dann abgeschmolzen sind (Assistent)2), kühle man das eine mit einem Gemisch von kleingestoßenem Eis und Wasser: die Farbe wird heller (Zunahme von N 2 0 4 auf Kosten von N0 2 ), was besonders beim Vergleich mit dem anderen, nicht x ) Näheres ersieht man aus den Lehrbüchern ( B r a u n - L e C h a t e l i e r sches Prinzip). 2 ) Bei der Füllung, die etwa ein älterer Student als präparative Arbeit durchführen kann, ist darauf zu achten, daß die Rohre gleiche Durchmesser (etwa 20—30 mm) haben und bis zu gleicher Farbtiefe mit gasförmigem Stickstoffdioxyd gefüllt werden.

Das Massenwirkungsgesetz

73

gekühlten Rohr deutlich wird. N u n hänge man das erste Rohr in einen weiten Glaszylinder mit unten angeschmolzener Erweiterung (Assistent) mit Hilfe einer mehrfachen Drahtschlinge ein (Fig. 21). Die Erweiterung des großen Zylinders sei zur Hälfte mit Wasser beschickt; ferner enthalte es einige Stückchen unglasierten Tons (Siedesteinchen), damit kein Siedeverzug auftritt. Bringt man jetzt das Wasser zum Sieden, so vertieft sich die Farbe des Gases nach dunkelbraun in dem Maße, wie es durch die aufsteigenden Wasserdämpfe erwärmt wird (Zunahme v o n N 0 2 auf Kosten von N 2 0 4 ) . Ebenso wie es völlig unlösliche Stoffe nicht gibt, so führen auch fast alle chemischen Reaktionen zu Gleichgewichten, bei denen Ausgangsstoffe und entstehende Stoffe n e b e n e i n a n d e r vorliegen. Allerdings liegt das Gleichgewicht vielfach sehr weit zugunsten der einen Seite der UmCJ setzungsgleichung, so daß entweder die Ausgangsstoffe oder die entstehenden Stoffe nur in verschwindend kleiner Menge zugegen sind. Auch bei chemischen Umsetzungen gibt es V e r z ö g e r u n g e n der Gleichgewichtseinstellung, ähnlich wie wir es S. 71 bei den übersättigten Lösungen kennengelernt haben. So sollte das „Knallgas", d. h. ein Gemisch von Wasserstoff und Sauerstoff, bei Zimmertemperatur eigentlich zu einem Gleichgewicht

©

>

2H 2 + 0 2

2H20

führen, das praktisch vollständig zugunsten des Wassers liegt. Tatsächlich bleibt aber „Knallgas" bei Zimmertemperatur praktisch unverändert. Der Grund für diese Erscheinung ist der, daß die G e s c h w i n d i g k e i t , mit der sich WasserFigur 21. Erhitzung des stoff und Sauerstoff vereinigen, bei Zimmertemmit Stickstoffdioxyd geperatur so gering ist, daß das Gleichgewicht erst füllten Rohres nach Millionen von Jahren erreicht werden würde. Durch Temperaturerhöhung werden die Geschwindigkeiten aller chemischen Reaktionen stark vergrößert. Erhitzt man das Knallgasgemisch an einer Stelle, so setzt hier die Reaktion ein; die dabei frei werdende Energie bringt die benachbarten Teile auf eine Temperatur großer Reaktionsgeschwindigkeit, und nun schreitet die Umsetzung fast momentan durch die ganze Mischung fort: E x p l o s i o n .

B . Das Massenwirkungsgesetz Bringt man die Gase S c h w e f e l d i o x y d S0 2 und Chlor Cl2 bei erhöhter Temperatur zusammen, so bildet sich teilweise S u l f u r y l c h l o r i d S02C12; es stellt sich dabei folgendes Gleichgewicht ein: s o 2 + ci 2 ^

so2ci2.

Die nähere Untersuchung ergibt für das Verhältnis, in dem die drei Stoffe im Gleichgewicht nebeneinander vorhanden sind, eine sehr einfache, zahlen-

74

Das Massenwirkungsgesetz

mäßige Beziehung. Bezeichnen wir die K o n z e n t r a t i o n e n 1 ) der drei Stoffe im Gleichgewichtszustände mit c g 0 i , c c l j und c go,ci,' s o Cs

°» CI - = const. S0>' Ccii Die Konsentration des entstehenden Stoffes, dividiert durch das Produkt aus den Konzentrationen der Ausgangsstoffe, ist gleich einem konstanten Zahlenwert, der „Gleichgewichtskonstanten". Es ist dabei keineswegs notwendig, daß man von „stöchiometrischen" Mengen Schwefeldioxyd und Chlor ausgeht; es ist vielmehr ganz gleichgültig, ob man viel Schwefeldioxyd und wenig Chlor zusammengibt oder umgekehrt: Für den sich einstellenden Gleichgewichtszustand erweist sich die obige Gleichung unter allen Umständen als gültig. Gibt man z. B. zu einem im Gleichgewicht befindlichen System neues Schwefeldioxyd, so daß c g 0 vergrößert wird, so bildet sich mehr Sulfurylchlorid; es werden also c c l j kleiner und c g 0 j C l i größer, und zwar in solchem Umfange, daß der Quotient "90,01, / c S 0 i ' cCli wieder den gleichen Zahlenwert erreicht wie vorher. Voraussetzung ist dabei nur, daß die T e m p e r a t u r die gleiche bleibt. Untersucht man das Gleichgewicht bei verschiedenen Temperaturen, so erhält man auch verschiedene Zahlenwerte für die Gleichgewichtskonstante. — Außerdem ist selbstverständlich die Gleichgewichtskonstante von Reaktion zu Reaktion verschieden. Es handelt sich also nicht um eine generelle Konstante, wie es etwa bei der Gaskonstanten R der Fall ist. C

Liegt ein Gleichgewicht vor, bei dem ein Reaktionspartner mit mehreren Molekeln an der Umsetzung beteiligt ist, wie z. B. bei dem S. 72 besprochenen Gleichgewicht der Bromwasserstoffbildung: H 2 + Br 2 2HBr, *) Die . K o n z e n t r a t i o n eines Stoffes in einem G a s g e m i s c h ist durch die gleiche Definition festgelegt wie in einer L ö s u n g (vgl. S. 21/22): Die Konzentration eines Stoffes ist seine Menge in der Volumeneinheit. — Nach dem Gasg e s e t z : p = BT-n/v (B = Gaskonstante, T = absol. Temperatur, n = Anzahl Mole, v — Volumen; also n/v = Anzahl Mole in der Volumeneinheit, d. h. n/v = c ist die Konzentration) ist bei gegebener Temperatur der D r u c k eines gasförmigen Stoffes seiner K o n z e n t r a t i o n p r o p o r t i o n a l . Liegt ein Gemisch mehrerer gasförmiger Stoffe vor, so entspricht der Konzentration j eden Stoffes ein b e s o n d e r e r Druckwert, den wir dann als Teildruck oder P a r t i a l d r u c k dieses Stoffes bezeichnen. Der Partialdruck eines Stoffes ist der Druck, den man messen würde, wenn man alle anderen gasförmigen Stoffe entfernen würde, ohne das Volumen zu ändern. Liegt ein Gemisch mehrerer gasförmiger Stoffe vor, so ist die Summe ihrer Partialdrucke gleich dem auf die Gefäßwände wirkenden Gesamtdruck. — Ersetzt man nun in den Gleichungen im Text, die für gasförmige Partner gelten, die Konzentrationen nach dem Gasgesetz durch die Partialdrucke c = p/ BT, so erhält man die Formulierung des Massenwirkungsgesetzes mit Partialdrucken, die der obigen Formulierung mit Konzentrationen formal und inhaltlich gleicht. Für das Ammoniak-Gleichgewicht (S. 75) ergibt sich z. B. , - ^ « V = const . Pn.'PB. Dabei wird, wie man leicht einsieht, der Zahlenwert von const. dann ein anderer, wenn die Zahl der Molekeln auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung verschieden ist, wie es hier, nicht aber z. B. bei dem Bromwasserstoffgleichgewicht der Fall ist.

Das Massenwirkungsgesetz

75

so können wir dafür auch schreiben: H 2 + Br 2 ^ HBr + HBr . Die Konzentrationen im Gleiphgewichtszustande sind dementsprechend durch folgende Beziehung: c HBr' c HBr = const. , _ "HBr = const oder C c Hi' CBr, H,"cBr» miteinander verknüpft: Nimmt ein Partner mit mehreren Molekeln an der Umsetzung teil, so ist demnach seine Konzentration in die Gleichgewichtsbedingung mit der entsprechenden P o t e n z einzusetzen. Weitere wichtige Beispiele für die Anwendung dieses Gesetzes auf Gasreaktionen sind: 1. Die Darstellung von Schwefel t r i o x y a : c32 0 2S0 2 + 0 2 ^ 2S0 3 ' = const. C S0,' C 0. 2. Die Gewinnung von A m m o n i a k aus Stickstoff und Wasserstoff: c2 N2 + 3H 2 ^ 2NH 3 = con3t. C N.' CHa In der gleichen Form hat das Gesetz auch Gültigkeit für die Reaktionen in Lösungen. Beispiele hierfür werden in den nächsten Abschnitten behandelt. Das soeben besprochene Gesetz wurde 1867 von den beiden Norwegern G u l d b e r g und W a a g e entdeckt. Da diese das, was wir heute „Konzentration" nennen, als „aktive Masse" bezeichneten, sprachen sie es in folgender Form aus: Die Wirkung eines Stoffes ist seiner aktiven Masse proportional. Daher heißt das Gesetz heute noch das Massenwirkungsgesetz. Man lasse sich aber nicht zu der Ansicht verleiten, als ob die a b s o l u t e Masse eines Reaktionsteilnehmers für das Gleichgewicht von Bedeutung sei. Das Entscheidende ist vielmehr immer die in der V o l u m e n e i n h e i t vorhandene Masse, d. h. die „Konzentration". Es ist heute meist üblich, die Konzentration eines Stoffes dadurch zu bezeichnen, daß man das chemische Symbol eines Stoffes in eckige Klammern schließt. So ist z. B. zu lesen: [HBr] = Konzentration des Bromwasserstoffes; [Cl2] = Konzentration des molekularen Chlors; [Cl_] = Konzentration der Chlorionen usw. Für die allgemeine Umsetzungsgleichung: mA + nB + oC + =uP + vQ + wR+ lautet dann das Massenwirkungsgesetz: [ P f - K f - [ - R f --- = const [A}m • [Bf-[Cf • Der eingangs dieses Kapitels (S. 69) benutzte Vergleich des chemischen mit dem mechanischen Gleichgewicht hinkt wie alle Vergleiche, insbesondere insofern, als das mechanische Gleichgewicht ein statisches, das chemische ein dynamisches Gleichgewicht ist. Das chemische Gleichgewicht kommt nicht dadurch zustande, daß bei den Bedingungen des Gleichgewichts die Molekeln der vorhandenen Stoffe überhaupt nicht mehr miteinander reagieren. Vielmehr erfolgen auch im Gleichgewichtszustande dauernd Reaktionen im Sinne der Umsetzungsgleichung, und zwar sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links. Jedoch ist unter den Gleich-

76

Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw.

gewichtsbedingungen der Umsatz in beiden Richtungen gleich groß. Infolgedessen verändern sich die Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer nicht, so daß der Beobachter fälschlicherweise den Eindruck gewinnt, als ob alles in Ruhe sei. Auf Grund der Vorstellung, daß ein dynamisches Gleichgewicht vorliegt, läßt sich das Massenwirkungsgesetz leicht ableiten. Geht man von einer Reaktion der allgemeinen Form: aus, so •wird die Geschwindigkeit, mit der die Stoffe A und B miteinander reagieren, von der Wahrscheinlichkeit abhängen, mit der ihre Molekeln zusammenstoßen. Diese ¡st proportional dem Produkt der in jedem Augenblick vorhandenen Konzentrationen. Nun braucht jedoch nicht jeder Zusammenstoß zur Reaktion zu führen; ob eine solche eintritt oder nicht, hängt noch von anderen Faktoren ab. Dementsprechend gilt für die Geschwindigkeit v a der Umsetzung zwischen A und B, der „Hin"reaktion: vB = ka-[A\-{B], wobei also ein Maß für die Wahrscheinlichkeit der Zusammenstöße darstellt, während kjj zum Ausdruck bringt, welcher Prozentsatz der Zusammenstöße zur Umsetzung führt. Sobald nun aber etwas O und D gebildet sind, so werden sich diese Stoffe wieder mehr oder weniger stark unter Rückbildung von A und B umsetzen. Für die Geschwindigkeit VR dieser „Rück"reaktion gilt nach dem Vorhergehenden: vR = kR- [C] -[DJ , wobei kjt in der Regel von kg verschieden sein wird. Gleichgewicht ist erreicht, wenn VR gleich V^ geworden ist. Es gilt dann also: kR-VC]- m = ks • [A] • [-B] bzw.

=

I R

= K

-

Die Gleichgewichtskonstante K ist somit der Quotient aus den Proportionalitätskonstanten der Hin- und der Rückgeschwindigkeit. C. Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen in wäßriger Lösung I. Alle Dissoziationsreaktionen von in Wasser gelösten Elektrolyten führen zu Gleichgewichten, die allerdings bei den meisten Salzen und den starken Säuren und Basen weitgehend zugunsten der Dissoziationsprodukte liegen. Bei diesen „ s t a r k e n " Elektrolyten ist das Massenwirkungsgesetz nur in äußerst verdünnten Lösungen gültig, weil in konzentrierteren die Ladungen der Ionen Störungen verursachen. Für die nicht so weitgehend dissoziierenden „schwachen" Elektrolyte gilt dagegen das Massen Wirkungsgesetz auch noch für Lösungen mittlerer Konzentration. II. Einfluß der Verdiinnung auf den Dissosiationsgrad. Für die elektrolytische Dissoziation folgt, wie im einzelnen in den Lehrbüchern gezeigt wird, daß der Dissoziationsgrad mit der Verdünnung zunimmt. So beruht z. B. der S. 23 f. u. 36 beschriebene Unterschied zwischen konzentriertem und verdünntem Zustande bei Schwefel- und Salpetersäure darauf, daß im ersten Falle im wesentlichen Molekeln, im zweiten hauptsächlich Ionen vorliegen. Sehr deutlich läßt sich die Zunahme der Dissoziation mit der Verdünnung an folgendem Versuch erkennen, zu dem ein Salz benutzt

Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw. 77 wird, das im dissoziierten Zustande eine andere Farbe besitzt als im nicht dissoziierten. 2. Man stelle ein wenig einer annähernd gesättigten Lösung von Kupfer(II)-chlorid her. Da die in Wasser gelösten Cu 2 + -Ionen blau, die CuCl2-Molekeln aber gelbbraun gefärbt sind 1 ), und da ferner in einer konzentrierten Kupfer(II)-chlorid-Lösung das Salz nur zum Teil dissoziiert ist, so besitzt die Lösung eine Mischfarbe von blau und gelb, also grün. Wird diese Lösung nun allmählich mit Wasser verdünnt, so wird sie blaustichiger. Bei starker Verdünnung geht der F a r b t o n schließlich — einer vollständigen Dissoziation des gelösten Kupfer(II)-chlorids entsprechend — in reines Blau über. Noch auffälliger ist der Farbumschlag bei Verwendung des schwarzbraunen Kupfer(II)-bromids. III. Wirkung gleichioniger Zusätze. Für das Dissoziationsgleichgewicht des Kupfer(II)-chlorides: CuCl2 ^ Cu2+ + 2C1ergibt das Massen Wirkungsgesetz: [ C U 2 + ] - [ C 1 _ ] 2 / [ C U C 1 2 ] = const. Daraus ersieht man, daß eine Erhöhung der Chlorionenkonzentration den Anteil der Cu2+Ionen zugunsten der undissoziierten CuCla-Molekeln zurückdrängen muß. 3. Man setze zu konzentrierter grüner Kupfer(II)-chlorid-'Lösmig etwas konzentrierte Salzsäure hinzu; dabei wird das Grün gelbstichiger. Bei starkem Salzsäurezusatz geht es in das reine Gelbbraun des undissoziierten Kupfer(II)-chlorides über. Diese Verminderung der Dissoziation durch gleichionigen Zusatz ist bei dem eben angeführten Versuche wegen der Farbänderung besonders augenfällig. Nicht so leicht erkennbar, aber wichtiger ist die gleiche Erscheinung bei schwachen Basen und Säuren. 4. Man gebe in zwei Reagenzgläser je % ccm verdünnter Ammoniak-Lösung (nicht mehr!) und versetze die eine Probe mit viel Ammoniumchlorid - Lösung, die andere mit der gleichen Menge Wassers. Gibt man dann zu beiden Lösungen 1—2 Tropfen Phenolphthalein-Lösung, so zeigt nur die ammoniumchloridfreie Probe die rote Farbe, die Phenolphthalein in alkalischem Medium a n n i m m t ; die andere bleibt praktisch farblos. S t a t t Ammoniumchlorid kann man dabei auch Ammoniumsulfat oder -nitrat benutzen. In der ammoniumsalzhaltigen Probe muß also die OH_-Ionenkonzentration so gering sein, daß sie von dem Phenolphthalein nicht mehr angezeigt wird. Das Massenwirkungsgesetz gestattet, diese Erscheinung zu erklären. Das Gleichgewicht in einer wäßrigen Ammoniak-Lösung gehorcht der Gleichung: [NH4+].[OH-3 a [NH3]-[H20] Streng genommen spielt bei der Farbe der konzentrierten bzw. HC1haltigen Lösungen (vgl. später) die Bildung von Komplexionen (vgl. dazu S. 98 ff.) eine wichtige Rolle; das ist aber für das Wesentliche des Vorganges ohne Bedeutung.

78 Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw. Da sieh, wie wir S. 60 sahen, Ammoniak-Lösung wie eine sehwache Base verhält, ist der Zahlenwert der Gleichgewichtskonstanten K klein; d. h. nur ein kleiner Bruchteil der NH3-MolekeIn setzt sich mit Wasser unter Bildung von NH 4 + - und OH~-Ionen um. A m m o n i u m c h l o r i d ist dagegen als Salz fast vollständig in seine Ionen NH 4 + und C l - dissoziiert. Die Zugabe von Ammoniumchlorid zu der Ammoniak-Lösung erhöht deshalb die NH 4 +-Ionenkonzentration stark. Damit der obige Ausdruck für das Gleichgewicht der Ammoniak-Lösung seinen Wert K behält, muß also — wie wir es beobachtet haben — die an sich schon geringe OH - -Ionenkonzentration sinken, wodurch gleichzeitig die Konzentration der NH3-Molekeln etwas ansteigt. Hiermit hängt unter anderem die Löslichkeit von Magnesiumhydroxyd in Ammoniumchlorid-Lösung (vgl. S. 68) zusammen, auf die wir S. 85 noch einmal zurückkommen werden. Ganz entsprechend erhält man stets eine Zurückdrängung der Dissoziation, d. h. eine Verminderung der H+- bzw. OH~-Ionenkonzentration, wenn man zu der Lösung einer schwachen Base oder Säure ein Salz derselben Base oder Säure zusetzt. Die eben genannten Systeme aus einer schwachen Base (Säure) und einem Salz dieser Base (Säure) mit einer starken Säure (Base) haben aber noch eine weitere Bedeutung. Es werden nämlich von derartigen Kombinationen H + bzw. OH _ -Ionen, die durch eine Umsetzung entstehen, "bis zu einem gewissen Grade weggefangen, so daß die Konzentration der H+- bzw. OH - -Ionen fast konstant bleibt. So gilt z. B. f ü r die Dissoziation der Essigsäure (CH 3 C0 2 H) die Gleichung [H+][CH 3 C0 2 -]/[CH 3 C0 2 H] = Ii. Setzt man viel eines essigsauren Salzes, z. B. Natriumacetat, zu, so wird, weil Essigsäure eine schwache Säure ist, [H + ] um mehrere Zehnerpotenzen kleiner sein als [CH 3 C0 2 H] und [CH 3 C0 2 - ]. Entstehen jetzt in der Lösung durch irgendeine Reaktion H + -Ionen, so vereinigen sie sich mit den CH3C02~-Ionen zu undissoziierter Essigsäure. Ist die aufzufangende H+-Ionenmenge klein gegen die vorhandene CH 3 C0 2 - lonenmenge, so wird die Konzentration an CH 3 CO a - -Ionen und CH 3 C0 2 HMolekeln nur verhältnismäßig wenig geändert. Damit muß sich auch fast die gleiche H+-Ionenkonzentration einstellen wie vorher. Gemische von der Art wie das eben besprochene aus Essigsäure und Natriumacetat bezeichnet man daher als Puffer-Lösungen. Es sei nochmals betont, daß ein solcher Puffer nur dann voll wirksam bleiben kann, wenn die Anzahl der hinzukommenden H+-Ionen klein gegenüber der Zahl der vorhandenen Acetationen bleibt. Eine Zugabe etwa von viel Salzsäure würde auch hier zu einer starken Erhöhung der H+-Ionenkonzentration führen. Diese Betrachtungen haben auch Bedeutung für den Fall, daß man stark saure bzw. stark basische Lösungen „ a b s t u m p f e n " , d. h. schwach sauer bzw. schwach basisch machen will. So kann man die H+-Ionenkonzenträtion einer salzsauren Lösung bis auf etwa den in der Essigsäure vorhandenen Wert vermindern, wenn man v i e l Natriumacetat, d. h. das Salz einer s c h w a c h e n S ä u r e , zugibt. Die obigen Betrachtungen zeigen, daß man dabei — vorausgesetzt, daß von vornherein nicht zu viel H+-Ionen vorhanden waren — sogar unter die H+-Ionenkonzentration der Essigsäure kommt. Ganz entsprechend vermindert man die OH~-Ionenkonzentration einer starken L a u g e , wie Natronlauge, durch die Zugabe von Ammoniumchlorid, dem Salz einer s c h w a c h e n Base. Dieses Verfahren des Abstumpfens hat den Vorteil, daß mit Sicherheit vermieden wird, daß die saure bzw. alkalische Reaktion der Ausgangslösung durch das zufällige Hinzufügen eines Überschusses des Abstumpfungsmittels in das Gegenteil umschlägt. Diese Gefahr bestünde z. B., wenn man eine starke Säure wie Salzsäure durch Zugabe einer starken Base wie Natronlauge abstumpfen wollte.

5. Man überzeuge sich, daß die S. 67 erwähnte Fällung von B a r i u m c h r o m a t auch dann eintritt, wenn man zu einer schwach

Anwendungen des Massen Wirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw.

79

salzsauren L ö s u n g viel Natriumacetat-Lösung zugibt. Als Beispiel für die a b s t u m p f e n d e W i r k u n g v o n A m m o n i u m c h l o r i d a u f N a t r o n l a u g e vgl. m a n die a u f S. 8 8 / 8 9 beschriebene fällende W i r k u n g v o n A m m o n i u m c h l o r i d a u f eine AluminatTLösung. IV. Hydrolyse. Salze wie Natriumchlorid (NaCI), Natriumcyanid (NaCN) und Aluminiumehlörid (A1C13) hatten wir früher, S. 15, als „neutrale Salze" bezeichnet im Gegensatz zu den „sauren Salzen", die noch durch Metall ersetzbaren Wasserstoff enthalten, und den „basischen Salzen", die noch durch Säurereste ersetzbare Hydroxylgruppen besitzen. Diese Bezeichnungsweise bezieht sich lediglich auf die f o r m e l m ä ß i g e Z u s a m m e n s e t z u n g der festen Salze; in w ä ß r i g e r L ö s u n g können scheinbar widersprechende Erscheinungen auftreten, es können z. B. Lösungen „neutraler" Salze gegen Lackmus basisch oder sauer reagieren, wie der folgende Versuch zeigt: 6 . M a n prüfe L ö s u n g e n v o n Natriumchlorid, Natriumcyanid und Aluminiumchlorid m i t L a c k m u s p a p i e r . E s zeigt sich, d a ß zwar die N a t r i u m c h l o r i d - L ö s u n g neutral reagiert, die N a t r i u m c y a n i d - L ö s u n g aber alkalisch u n d die A l u m i n i u m c h l o r i d - L ö s u n g sauer. Beim Auflösen des Natriumcyanids muß also freie Lauge, beim Aluminiumchlorid freie Säure entstanden sein. Das ist nur unter Mitwirkung des Wassers möglich; beim N a t r i u m c y a n i d z. B. nach der Gleichung: NaCN + H 2 0 ^

N a O H + HCN .

(1)

Diese Umsotzung verläuft allerdings nicht vollständig nach rechts, sondern sie f ü h r t zu einem Gleichgewicht, was in der Gleichung durch den Doppelpfeil angedeutet ist. Beim Auflösen des Natriumcyanids entstellt demnach g l e i c h z e i t i g B a s e u n d S ä u r e ; daß die Natriumcyanid-Lösung trotzdem b a s i s c h reagiert, wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die gebildete Natronlauge eine s t a r k e Base, die Blausäure (HCN) jedoch eine s c h w a c h e Säure ist. Beim A l u m i n i u m c h l o r i d hingegen entstehen eine schwache Base (Aluminiumhydroxyd) und eine starke Säure (Salzsäure); deshalb reagiert die Aluminiumchlorid-Lösung sauer. Diese Erscheinung der Spaltung eines Salzes durch Wasser bezeichnet man als Hydrolyse ; sie ist, wie die obige Gleichung erkennen läßt, die Umkehrung der Neutralisation. Wie wir weiter unten noch ausführlicher zeigen werden, tritt die Hydrolyse immer bei solchen Salzen auf, bei denen entweder die Base oder die Säure oder beide schwach sind. Wenden wir auf das Hydrolysengleichgewicht das M a s s e n w i r k u n g s g e s e t z an, so gilt z. B. f ü r das Natriumcyanid [vgl. die obige Umsetzungsgleichung (1)]: [NaOH] • [HCN] _ [NaCN] • [H 2 0] ~ ^Hydrolyse •

(2)

Diese Gleichung läßt die Erscheinungen des folgenden Versuchs verstehen: *7. E i n e Natriumcyanid-Lösung riecht n a c h B l a u s ä u r e , weil sie ja infolge der H y d r o l y s e freie Blausäure e n t h ä l t . Man setze zu der L ö s u n g reichlich starke Natronlauge: der Geruch v e r s c h w i n d e t , w e i l n a c h Gleichung (2) eine E r h ö h u n g der N a O H - K o n z e n t r a t i o n eine Verkleinerung der H C N - K o n z e n t r a t i o n (sowie eine Vergrößerung der N a C N - K o n z e n t r a t i o n ) zur F o l g e h a b e n m u ß : D i e H y d r o l y s e

80 Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw.

wird duich'Zusatz eines Überschusses des einen Hydrolysenproduktes zurückgedrängt. Zu einem tieferen Verständnis des Hydrolysengleichgewichtes gelangen wir, wenn wir beachten, daß die einzelnen Partner in der wäßrigen Lösung elektrolytisch dissoziieren: NaOH ^ Na+ + O H - usw. Dabei müssen wir ferner berücksichtigen, daß auch das Wasser zu einem sehr geringen Betrage nach der Gleichung: H 2 0 ^ H + + O H - dissoziiert; den Beweis hierfür liefert u. a. die Beobachtung, daß auch reinstes Wasser eine, allerdings außerordentlich geringe elektrolytische Leitfähigkeit aufweist; Näheres siehe im Abschnitt V. Das Massenwirkungsgesetz liefert dann f ü r die 4 Partner des Hydrolysengleichgewichtes folgende 4 Gleichungen: [Na+]-[OH-] [NaÖH] ~ *Ba3e

[Na+]-[CN~] _ [NaCN] ~

^

——TErTSi [H 2 0]

[HCN]

~ = -Ksätue ^

~

=

Salz

•^•Wasser •

Formt man diese Gleichungen um in: [NaOH] =

i^HOH-] ABase

usw. und setzt man die so erhaltenen Ausdrücke in die Hydrolysengleichung (2) ein, so erhält man, da sich alle Ionenkonzentrationen forthoben, die Gleichung: -KSalz ' -^Wasser ir jr — A Hydrolyse • — A Säure ' ABase

/q\ \o)

Da fast alle Salze sehr weitgehend in Ionen dissoziieren 1 ), ist der Zähler dieses Ausdruckes, JTsalz ' ^Wasser» hei fest allen Salzen von gleicher Größe. Säuren und Basen aber können stark oder schwach, .Ksäure und .Kitase also groß oder klein sein. Demnach wird laut Gleichung (3) ^Hydrolyse groß, wenn eine s c h w a c h e Säure oder eine s c h w a c h e Base vorliegen; ein großer Zahlenwert für .^Hydrolyse bedeutet nach Gleichung (2) aber weitgehende Umsetzung des Salzes in Säure und Base, d. h. s t a r k e H y d r o l y s e . Besonders stark wird die Hydrolyse eines Salzes sein, das aus einer schwachen Base und einer schwachen Säure ausgebaut ist, d. h. wenn ÄBaBO und Ks&uie gleichzeitig klein sind. Umgekehrt wird die Hydrolyse verschwindend gering bei Salzen aus starken Basen mit starken Säuren; deshalb reagiert die Natriumchlorid-Lösung neutral. Vergleicht man Salze derselben Base mit verschiedenen Säuren, so muß die Hydrolyse um so stärker sein, je schwächer die entsprechende Säure ist; so reagiert z. B. Natriumchlorid neutral, Natriumacetat schwach, Natriumcarbonat deutlich basisch 2 ). 1 ) Einige w e n i g e S a l z e sind nur s c h w a c h d i s s o z i i e r t , z . B . einige Hg(II)-Salze. In diesem Falle tritt nach Gleichung (3) auch dann keine wesentliche Hydrolyse ein, wenn das Anion einer schwachen Säure zugehört, z. B. bei Hg(CN) 2 . 2 ) Die Gleichung (3) läßt ferner den T e m p e r a t u r e i n f l u ß auf die Hydrolyse erkennen, der z. B. bei der S. 87/88 u. 90 zu besprechenden Acetatmethode eine wichtige Rolle spielt. Alle Dissoziationskonstanten wie l^Basei KWasser usw. werden mit steigender Temperatur größer. Da aber -KVasser mit der Temperatur sehr viel stärker ansteigt als alle anderen isT-Werte, so folgt daraus, daß mit steigender Temperatur ^Hydrolyse größer, die Hydrolyse also verstärkt wird.

Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw. 81 Gleichgewichtszustände sind ja dadurch ausgezeichnet, daß sie von beiden Seiten erreicht werden können. Das bedeutet in unserem Falle, daß man bei den Beispielen, in denen beim A u f l ö s e n eines Salzes in W a s s e r Hydrolyse eintritt, auch umgekehrt durch Zusammenbringen von Säure- und BasenLösung keine vollständige Vereinigung zum Salz erhält; d. h. starke Basen werden durch schwache Säuren und starke Säuren werden durch schwache Basen n i c h t v o l l s t ä n d i g n e u t r a l i s i e r t . Im folgenden seien die Verhältnisse bei der Hydrolyse noch an einigen Beispielen von einem etwas anderen Standpunkt aus erläutert. Als Salz einer starken Base mit einer schwachen Säure betrachten wir wiederum N a t r i u m c y a n i d . Beim Auflösen dissoziiert dieses praktisch vollständig in Na+- und CN~-Ionen. Diese Ionen sind also in sehr großer Zahl vorhanden. Nun sind außerdem infolge der Dissoziation des Wassers einige wenige H+und OH _ -Ionen in zunächst gleicher Anzahl in der Lösung. Da die CN~Ionon als Anionen der s c h w a c h e n Blausäure (HCN) ein großes Bestreben haben, sich mit H+-Ionen zu vereinigen, bilden sie mit den H+-Ionen u n d i s s o z i i e r t e HCN - Molekeln. Dadurch wird aber das Gleichgewicht [H+] • [0H - ]/[H 2 0] = i f j j 0 gestört; es müssen sich also neue H+- und OH - -Ionen bilden. Die ersteren vereinigen sich wieder mit den CN~-Ionen zu undissoziierten HCN-Molekeln. Die OH~-Ionen dagegen bleiben unverändert in der Lösung; denn Natriumhydroxyd ist ja eine starke Base, die in der Lösung praktisch vollkommen dissoziiert ist. Diese OH~-Ionen sind es, die die alkalische Reaktion verursachen. Demnach kann man die Hydrolyse außer in der S. 79 gewählten Form auch als I o n e n g l e i c h u n g formulieren; sie lautet dann für diesen Fall: CN- + H 2 0 = HCN + OH- . Bei der Betrachtung dieser Gleichung kann leicht ein Bedenken kommen: Blausäure sei zwar eine schwache Säure, sie sei aber immerhin merklich in Ionen dissoziiert; Wasser dagegen dissoziiere doch noch wesentlich weniger. Es erscheine demnach schwer verständlich, wieso die CN _ -Ionen den H 2 0Molekeln H+-Ionen entreißen können. Die Erklärung ergibt sich aus dem Massenwirkungsgesetz. Beim Beginn des Hydrolysenvorganges sind die C o lonen in großer Konzentration vorhanden, die OH _ -Ionen dagegen nur in äußerst geringer; HCN-Molekeln gibt es zunächst gar nicht. Diese wenigen OH~-Ionen können dem Bestreben der CN~-Ionen, sich mit H+-Ionen zu vereinigen, wenig Widerstand entgegensetzen. Mit der Bildung von HCN-Molekeln ist nun aber zwangsläufig eine Verminderung der H+-Ionen- und damit eine Erhöhung der OH - -Ionen-Konzentration verbunden. Infolgedessen wird der Widerstand der OH _ -Ionen gegen die weitere Vereinigung von H+-und CN~-Ionen um so größer, je weiter die Hydrolyse fortschreitet. Dazu kommt noch, daß auch die gebildeten HCN-Molekeln der Bildung von neuen HCN-Molekeln entgegenwirken. Die Hydrolyse kommt daher bei dem „ H y d r o l y s e n g l e i c h g e w i c h t " zum Stillstand, das man bei der Darstellung als Ionengleichung für diesen Fall zu formulieren hätte: [HCN]-[0H-]/[CN-]-[H 2 0] = K. Um ganz entsprechende Vorgänge handelt es sich, wenn das Salz einer schwachen Base und einer starken Säure, wie z . B . A l u m i n i u m c h l o r i d , vorliegt. Hier fangen die Al 3+ -Ionen die OH~-Ionen des Wassers ein und es bilden sich undissoziierte Al(OH)3-Molekeln. Dadurch bekommt die Lösung einen Überschuß an H+-Ionen und reagiert sauer. Man könnte den Einwand erheben, daß die Bildung des Aluminiumhydroxyds sich durch das Auftreten eines Niederschlages bemerkbar machen müßte, weil diese Verbindung ja sehr schwer löslich sei; tatsächlich bleibe die B i l t z , K l e m m , F i s c h e r , Einführung. 30 —32. Aufl.

6

82 Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes auf homogene Reaktionen usw. Lösung aber klar. Dies liegt unter anderem daran, daß die Bildung der Base Al(OH)3 in mehreren Stufen verläuft: 1. AP+ + O H - = Al(OH)2+, 2+ 2. Al(OH) + OH- = Al(OH)2+ , 3. Al(OH)2+ + OH- = Al(OH)a. Von diesen tritt bei der Hydrolyse des Aluminiumchlorides nur die erste in nennenswertem Umfange ein. Unlöslich ist aber nur das nach 3. gebildete Al(OH)3. Außerdem spielen noch kolloidchemische (vgl. S. 142ff.) Erscheinungen eine wichtige Bolle; ferner haben komplexchemische (vgl. S. 98ff.) sowie Alterungsvorgänge (vgl. z. B. S. 124 und 144), auf die hier nicht eingegangen werden kann, einen gewissen Einfluß. Eine „ s t u f e n w e i s e " Hydrolyse, wie wir sie soeben kennenlernte!), tritt stets auf, wenn eine mehrsäurige Base oder eine mehrbasische Säure beteiligt ist, weil diese stufenweise dissoziieren (vgj. S. 46). Ganz ähnlich wie Aluminiumchlorid verhält sich Eisen(III)- chlorid, bei dem man diese Hydrolysenerscheinungen noch besonders schön an den Änderungen der Farbe erkennen kann. Während nämlich Fe3+-Ionen eine wäßrige Lösung gelb färben, besitzen die beschriebenen Produkte der teilweisen Hydrolyse eine dunklere, orangerote Farbe. 8 . Man versetze eine wäßrige Eisen^Ify-chlorid-Lösimg mit verdünnter Salpetersäure und beachte die Aufhellung der Farbe, die als Folge der Zurückdrängung der Hydrolyse durch die H+-Ionen erfolgt. Bringt man schließlich das Salz einer schwachen Säure und einer schwachen Base mit Wasser zusammen, so treten die beiden oben geschilderten Vorgänge gleichzeitig ein: Die Anionen des Salzes fangen die H + Ionen, die Kationen des Salzes die OH_-Ionen des Wassers fort. Daher führt in derartigen Fällen die Hydrolyse oft zu vollständiger Zersetzung des Salzes. So zerfällt z. B. Aluminiumsulfid mit Wasser praktisch vollständig nach der Gleichung: A12S3 + 6H 2 0 = 2A1(0H)3 + 3H2S . In diesem Falle wird das Fortschreiten der Hydrolyse noch besonders dadurch unterstützt, daß beide Reaktionsprodukte aus der Lösung entfernt werden, das Aluminiumhydroxyd, weil es ausfällt, der Schwefelwasserstoff, weil er als Gas entweicht. V. Die Dissoziation des Wassers; der Wasserstoffionenexponent. Wie wir soeben gesehen haben, ist auch reines Wasser in sehr geringem Umfange in Ionen dissoziiert. Nach dem Massenwirkungsgesetz gilt: [H+] • [OH - ] / [H 2 0] = Ä'H 0 . Da in einem Liter Wasser von 1000 g Gewicht 1000/18 = 55,6 Mole Wasser enthalten sind, beträgt in reinem Wasser die Konzentration der undissoziierten H20-Molekeln 55,6 Mole/Liter. Da sich diese Konzentration nur unwesentlich ändert, wenn man statt reinen Wassers verdünnte wäßrige Lösungen betrachtet, so kann man sie für die meisten Betrachtungen als konstant annehmen. Also gilt: [H+] • [0H~] = Km0 -[H 2 0] = Kw, wobei Kw als Produkt zweier konstanter Größen ebenfalls eine Konstante ist. Dieses I o n e n p r o d u k t des Wassers [H+] • [OH - ] hat bei Zimmertemperatur einen Zahlenwert von etwa 10 -14 , wenn man die Konzentrationen wie üblich in Mol/Liter (bzw. Gramm-Ion/Liter) mißt. Infolgedessen beträgt in reinem Wasser, in dem ja die Menge der H+-Ionen gleich der der OH_-Ionen sein muß, die Konzentration dieser -7 beiden Ionen je 10 Gramm-Ionen/Liter; oder anders ausgedrückt: l g H + -

Bedeutung des Massenwirkungsgesetzes für heterogene Reaktionen

83

Ionen und 17 g OH~-Ionen sind in 107 Litern, das sind 10000 t Wasser enthalten. Diese Tatsache führt zu folgenden Überlegungen: Selbst bei der Neutralisation einer starken Säure mit einer starken Base werden die H+- und OH - -Ionen nicht r e s t l o s zu H20-Molekeln vereinigt, sondern es bleibt stets ein kleiner Bruchteil übrig, nämlich so viel, daß [H+] • [OH - ] = 10 -14 ist. Es sind also selbst in alkalischer Lösung neben sehr viel OH - -Ionen auch einige wenige H+-Ionen und in saurer Lösung neben den H+-Ionen auch ganz wenig OH~-Ionen vorhanden. So ist in einer 1-normalen Lösung einer starken Säure, in der ja [H + ] annähernd gleich 1 ist, [OH - ] = 1 0 - u und umgekehrt in einer 1-normalen Lauge [H+] = 10 -14 . Wegen dieser eindeutigen Verknüpfung der H+-Ionenund der OH - -Ionenkonzentration kann man sowohl alkalische als auch saure Lösungen durch eine dieser Größen allein charakterisieren. Man pflegt dazu die H+-Ionenkonzentration zu benutzen, und zwar nicht ihren Zahlenwert selbst, sondern dessen negativen Logarithmus. Diese Größe pH = — log [H+] nennt man den Wasserstoffionenexponenten. Sein Wert beträgt also in neutraler Lösung 7, in 1-normaler Säure 0, in 1-normaler Lauge 14. D . Bedeutung des Massenwirkungsgesetzes für heterogene Reaktionen I.DasLöslichkeitsprodukt. Für die Dissoziation eines Elektrolyten A B in seine Ionen gilt: [4+] • [ £ - ] / [ 4 £ ] = K oder [4+1 • [£"] = Ii • [.AB]. Diese Gleichung haben wir bisher nur auf u n g e s ä t t i g t e Lösungen angewandt, bei denen also weniger von den betreffenden Stoffen gelöst ist, als der Löslichkeit entspricht. Die Gleichung muß aber auch dann noch ihre Gültigkeit behalten, wenn S ä t t i g u n g an dem festen Salz vorhanden ist. Auch in diesem Falle bedeutet [AB] die Konzentration der g e l ö s t e n undissoziierten Molekeln. Diese. Konzentration hat nun aber in der gesättigten Lösung, in der nach S. 70 Gleichgewicht mit dem festen Bodenkörper vorhanden ist, für eine gegebene Temperatur einen ganz bestimmten Wert. Für g e s ä t t i g t e Lösungen gilt also: [AB] = const; darausfolgt: [A+] • [B~~\ = K • conat = LABDiese Gleichung, die pach dem eben Dargelegten nur für die g e s ä t t i g t e L ö s u n g gilt, besagt, daß das Ionenkonzentrationsprodukt eines Elektrolyten in seiner gesättigten Lösung einen konstanten Wert LAB besitzt. Man bezeichnet Lab als das L ö s l i c h k e i t s p r o d u k t des Salzes AB. Das Löslichkeitsprodukt gibt demnach das Produkt der Jonenkonzentrationen in gesättigter Lösung an. Die Einzel werte der lonenkonzentrationen können dabei beliebige Werte annehmen; je größer aber die Konzentration einer Ionensorte ist, desto kleiner muß die der anderen sein. Das Löslichkeitsprodukt stellt demnach ein allgemeiner gültiges Maß für die Löslichkeit eines Salzes dar als der Wert seiner Löslichkeit in reinem Wasser. So gilt z. B. eine Angabe über die Menge Silberchlorid, die sich in Wasser löst, nur unter der Voraussetzung, daß in der gesättigten Lösung gleich viel Ag + und Cl"-Ionen in der Lösung sind. Beim analytischen Arbeiten wird dies aber kaum jemals der Fall sein, da man die Mengenverhältnisse nicht sot genau einhalten kann und — wie das folgende zeigt — auch nicht einhalten will. Man wird vielmehr in der Regel mit einem geringen Ü b e r s c h u s s e von Ag+oder Cl - -Ionen zu rechnen haben. Auch für diesen Fall gibt das Löslichkeitsprodukt -die Verhältnisse wieder. II. Löslichkeitsverminderung durch gleichionige Zusätze. Es kommt oft darauf an, ein Ion aus einer Lösung m ö g l i c h s t w e i t g e h e n d zu e n t f e r n e n . Aus der eben angestellten Überlegung folgt, daß dieses Ziel am besten erreicht wird, wenn man das zur F ä l l u n g z u g e s e t z t e I o n im Überschüsse a n w e n d e t . So werdenz. B.Ba 2+ -Ionen bei der Fällung mit S0 4 2 - -Ionen 6*

84

Bedeutung des Massenwirkungsgesetzes für heterogene Reaktionen

durch einen Überschuß der letzteren noch weitergehend entfernt, als sie durch den Zusatz der nur gerade äquivalenten Menge S0 4 2 "-Ionen gefällt würden, wie man ohne weiteres dem Löslichkeitsprodukt des Bariumsulfats: [Ba 2 +]-[S0 4 2 _ ] = ¿Bago, entnimmt. Allerdings wurde schon davor gewarnt, den Überschuß zu groß zu nehmen, weil dann andere Erscheinungen (Komplexbildung, vgl. S. 98) wieder erhöhend auf die Löslichkeit einwirken können. Das O p t i m u m des Überschusses schwankt von Stoff zu Stoff in weiten Grenzen. 9. Die Herabsetzung der Löslichkeit von Kaliumchlorat auf Zusatz gleichioniger Stoffe zeigt folgender Versuch: Man bereite eine bei Zimmertemperatur gesättigte Kaliumchlorat - Lösung, indem man eine Probe Kaliumchlorat in heißem Wasser löst und die Lösung unter Umschwenken in dem Strahle der Wasserleitung auf etwa Zimmertemperatur abkühlen läßt; hierbei soll ein Teil des gelösten Kaliumchlorats auskristallisieren. Nach einer Stunde filtriere man ab und versetze je eine Probe der Lösung mit einigen Tropfen Kaliumchlorid-, Kaliumnitrat-, Natriumchlorat-, Natriumchlorid - Lösung. Die ersten drei Gemische trüben sich in etwa einer Minute, schneller beim Umschütteln, und lassen Kaliumchlorat auskristallisieren. Die vierte Probe, zu der kein gleichioniger Zusatz gekommen ist, bleibt klar. Ganz ähnliche Überlegungen, wie wir sie soeben für die Löslichkeit fester Stoffe, die in Lösung Ionen bilden, anstellten, gelten für Lösungen von Gasen, die sich in Wasser unter Ionenbildung lösen. Säuert manz. B. eine N a t r i u m carbonat-Lösung, die Na+- und C0 3 2_ -Ionen und wegen der Hydrolyse auch etwas HC0 3 _ -und OH~-Ionen enthält, mit einer starken S ä u r e an, d. h. geben wir reichlich H+-Ionen hinzu, so werden diese zum Teil von den C0 3 2 - - und HC0 3 _ -Ionen abgefangen unter Bildung von undissoziierter Kohlensäure H 2 C0 3 . Diese zerfällt sofort fast vollständig in Wasser und Kohlendioxyd, welch letzteres aber in Wasser nur mäßig löslich ist. War die benutzte Natriumcarbonat-Lösung nicht zu verdünnt, so .entsteht beim Ansäuern Kohlendioxyd in höherer Konzentration, als der Löslichkeit bei Zimmertemperatur und Atmosphärendruck entspricht. Deshalb e n t w e i c h t K o h l e n d i o x y d aus der Lösung unter Aufbrausen. Ähnlich ist das Auflösen von manchen in Wasser schwer löslichen Stoffen, wie z. B. C a l c i u m c a r b o n a t , in Säuren zu verstehen. Wasser nimmt bei der Berührung mit dem Salz entsprechend dem Löslichkeitsprodukt [Ca2+] -[C0 3 2 - ] = £ C a C 0 j eine sehr geringe Menge Ca 2+ - und C0 3 2 "-Ionen auf. Gibt man eine starke Säure, d. h. viel H+-Ionen, hinzu, so werden zunächst HC0 3 ~-Ionen gebildet und dadurch die C0 3 2 "-Ionenkonzentration vermindert. Dadurch kann neues Calciumcarbonat in Lösung gehen, die neu gelösten C0 3 2_ -Ionen vereinigen sich wieder mit H+-Ionen unter Bildung von HC0 3 _ Ionen und weiterhin von H 2 0 und C0 2 , und so geht der Prozeß weiter, bis die Lösung an K o h l e n d i o x y d g a s übersättigt ist und dieses e n t w e i c h t . Infolgedessen löst sich Calciumcarbonat bei Säureüberschuß vollständig. Ist nicht genügend Säure vorhanden, so geht die Auflösung nur so lange weiter, bis die H+-Ionenkonzentration auf einen Wert abgesunken ist, der durch die erwähnten Gleichgewichte festgelegt ist. Man hat so übrigens eine weitere Möglichkeit, die H+-Ionenkonzentration einer sauren Lösung bis auf einen bestimmten Wert abzusenken, zu „puffern". Die entsprechende Pufferung mit ßariumearbonat verwendet man in der analytischen Chemie, weil die dabei entstehende OH~-Ionenkonzentration

Ursachen für den Eintritt von Reaktionen

85

gerade ausreicht zur Fällung der Hydroxyde der dreiwertigen Elemente Eisen, Aluminium und Chrom, deren Eöslichkeitsprodukte äußerst klein sind, während die etwas leichter löslichen Hydroxyde" der zweiwertigen Elemente Zink, Kobalt, Nickel, Mangan, Calcium, Magnesium usw. nicht gefällt werden ( „ B a r i u m c a r b o n a t m e t h o d e " , vgl. S. 90). Fällungen mit Ammoniak. Ein im vorigen Kapitel beschriebenes Gleichgewicht in homogener wäßriger Lösung hat indirekt auch große Bedeutung für gewisse Fällungen. Es war S. 77 gezeigt worden, daß die Gegenwart von A m m o n i u m s a l z e n s t a r k e r Säuren das Gleichgewicht einer Ammoniak-Lösung beeinflußt und die O H - - I o n e n k o n z e n t r a t i o n e r n i e d r i g t . Die OH~-Ionenkonzentration von ammoniumsalzfreier Ammoniak-Lösung reicht aus, um z. B. mit Mg2+-Ionen das Löslichkeitsprodukt des M a g n e s i u m h y d r oxyds zu überschreiten, diejenige von ammoniumsalzlialtiger AmmoniakLösung aber erzeugt keine Fällung mehr/ Aber auch aus MagnesiumsalzLösungen, die ursprünglich frei von Ammonium-Salzen waren, ist die Fällung von Magnesiumhydroxyd unvollständig. Denn bei der Umsetzung etwa von Magnesiumchlorid mit Ammoniak bildet sich ja nach MgCl2 + 2NH 3 + 2H a O = Mg(OH)2 + 2NH4C1 Ammoniumchlorid, das in der geschilderten Weise die OH~-Ionenkonzentration herabsetzt. — Ebenso wie das Mg2+-Ion verhalten sich eine Reihe anderer zweiwertiger Ionen, z. B. Mn2+. Die Hydroxyde dreiwertiger Elemente haben dagegen durchweg ein so kleines Löslichkeitsprodukt (vgl. den vorigen Absatz), daß auch die sehr geringe OH - -Ionenkonzentration ammoniumsalzhaltiger Ammoniak-Lösungen genügt, um sie aus ihren Salz-Lösungen auszufällen. 1 0 . Man versetze Proben von Magnesiumchlorid-, Mangansulfat-, Zinkchlorid-, Eisen(III)-chloridund AluminiurnchloridLösungen tropfenweise mit verdünnter Ammoniak - Lösung. In allen Fällen tritt eine F ä l l u n g auf 1 ). Versetzt man die gleichen Salz-Lösungen mit Ammoniak-Lösung, die man reichlich mit Ammoniumchlorid versetzt hat, so bleibt die Fällung bei den z w e i w e r t i g e n Metallen aus, während sie bei den d r e i w e r t i g e n nicht verhindert wird. E. Ursachen für den Eintritt von Reaktionen Die Frage, warum gewisse Stoffe beim Zusammenbringen miteinander reagieren, andere wiederum nicht, mit anderen Worten die Frage nach der Verwandtschaft oder Affinität der Stoffe zueinander, können wir hier nicht allgemein beantworten. Aber einige Beobachtungen, die wir in dieser Hinsicht in den voraufgehenden Versuchen bereits gelegentlich gemacht haben, seien hier kurz zusammengestellt. I. Bringen wir zwei wäßrige Elektrolyt-Lösungen zusammen, so wird vielfach gar nichts geschehen, z. B. bei der Vereinigung der Lösungen von Natriumchlorid und Kaliumjodid, von Magnesiumsulfat und Kaliumchlorid, von Natriumchlorid und verdünnter Schwefelsäure usw. Reaktion tritt ein, wenn zwei oder mehrere der zusammengebrachten gelösten Ionen l ) Der Zinkhydroxyd-Niederschlag löst sich bei Zugabe eines Überschusses von Ammoniak-Lösung wieder auf; auf die Ursache dieser Erscheinung, die mit der vorliegenden Betrachtung nichts zu tun hat, kommen wir später zurück (vgl. S. 110).

Ursachen für den Eintritt von Reaktionen

86

a) einen wenig dissoziierten Stoff bilden; z.B.: H+ + N 0 3 - + Na+ + OH= H 2 0 + Na+ + N0 3 H+ + Cl- + Na+ + CH 3 C0 2 ~= CH3C02H + Na+ + C1-. Als Sonderfall kann der wenig dissoziierte Stoff — entweder selbst oder seine Zerfallsprodukte — als Gas aus der Lösung entweichen, z. B.: 2NH 4 ++ S 2 - + 2H+ + 2C1- = 2NH4+ + 2C1- + H2S-Gas 2Na+ + C0 3 2 - + 2H+ + 2C1- = 2Na+ + 2 CT" + H2C03 H 2 C0 3 = H 2 0 + COj-Gas b) einen Stoff mit einem kleinen L ö s l i c h k e i t s p r o d u k t e ergeben; Z- B :

"

Ag+ + N0 3 - + Na+ + Cl- = AgCl + Na+ + N 0 3 - .

Kommen mehrere Vorgänge nach a) oder b) in Frage, so bildet sich der am wenigsten dissoziierte bzw. der am schwersten lösliche Stoff. II. Bei Abwesenheit von Wasser spielen andere Dinge eine Rolle. Es können dann auch Reaktionen eintreten, die bei Gegenwart von Wasser nicht erfolgen und umgekehrt. Aus der großen Fülle verschiedener Erscheinungen sei nur eine herausgegriffen. Während verdünnte wäßrige Lösungen von Natriumchlorid und Schwefelsäure nicht miteinander reagieren, wirkt k o n z e n t r i e r t e Schwefelsäure auf festes Kochsalz bereits in der Ivalte ein nach: N a C 1 + j ^ g ^ = N a H S O l 4- HCl . Diese Reaktion tritt ein, weil sich im Gleichgewicht mehr Chlorwasserstoff bildet, als der geringen Löslichkeit dieses l e i c h t f l ü c h t i g e n Stoffes in konz. Schwefelsäure entspricht. Infolgedessen entweicht das Chlorwasserstoffgas, und durch diese Störung des Gleichgewichts tritt weiterer Umsatz ein, bis die Reaktion praktisch vollständig im Sinne der obigen Gleichung abgelaufen ist. Erhöht man die Temperatur, so nimmt die Löslichkeit des Chlorwasserstoffs noch weiter ab; es ist dann sogar die nach der Gleichung NaHS0 4 + NaCl = Na 2 S0 4 + HCl im Gleichgewicht gebildete sehr geringe Menge Chlorwasserstoff größer, als der Löslichkeit entspricht. Auch hier tritt durch das Entweichen des HC1Gases eine dauernde Störung des Gleichgewichts ein; die Reaktion verläuft praktisch vollständig von links nach rechts. Es wäre ganz verfehlt, aus diesem Versuch etwa ableiten zu wollen, daß Schwefelsäure eine stärkere Säure sei als Salzsäure; denn der Begriff „stark" bezieht sich ja auf die Dissoziation in wäßriger Lösung. Tatsächlich ist die Dissoziation der Schwefelsäure nach H 2 S0 4 = H+ + HS0 4 ~ sogar eine Kleinigkeit geringer, die nach HS0 4 _ = H+ + S0 4 2 - sogar erheblich kleiner als die der Salzsäure. Das Entscheidende ist vielmehr die geringe Löslichkeit des leichtflüchtigen Chlorwasserstoffs in dem wasserfreien System. J e d e schwache Säure (bzw. ihr Anhydrid) kann beim E r h i t z e n eine s t a r k e Säure (bzw. ihr Anhydrid) aus ihren Salzen a u s t r e i b e n , wenn nur die l e t z t e r e in ausreichendem Maße leichter f l ü c h t i g ist. Z. B. reagiert bei hohen Temperaturen das Anhydrid der sehr schwachen Kieselsäure mit Gips glatt unter Austreiben von S0 3 , das bei diesen Temperaturen allerdings sofort in S0 2 und 0 2 dissoziiert: 2 Si0 2 + 2 CaS04 = 2 CaSi03 + 2 S0 2 + 0 2 . III. Bei den Fällen 1 und 2 behielten die einzelnen Atome ihre Elektrovalenz; das ist aber, wie wir S. 32 ff. gesehen haben, sehr oft nicht der Fall.

Aluminium

87

Kommen Stoffe zusammen, die verschieden große Verwandtschaft zur (positiven oder negativen) elektrischen Ladung haben, so kann ein Ladungsaustausch, d. h. eine Oxydations-Redwktions-Jteaktion eintreten, z. B. 2 J - + Cl2 = 2C1- + J 2 (vgl. dazu den Abschnitt „Elektroaffinität"). Auch in diesem Falle kann der Ablauf der Reaktionen stark dadurch beeinflußt werden, daß durch Ausscheidung eines Stoffes das Gleichgewicht gestört wird.

Aluminium Von den Elementen der dritten Gruppe des Perioden-Systems gehört Bor zu den Nichtmetallen; sein Oxyd bildet mit Wasser Säuren. Wir besprechen diese an späterer Stelle (S. 176). Von den übrigen Elementen dieser Gruppe ist A l u m i n i u m das bei weitem wichtigste. Es ist ein silberweißes Metall, das bei 660° schmilzt. Es ist sehr unedel, setzt sich aber doch mit Wasser nicht in nennenswertem Umfange um, da es sich oberflächlich mit einer Oxydschicht bedeckt, die man heute bei Gebrauchsgegenständen oft noch künstlich verstärkt: 2 AI + 3 H 2 0 = AI 2 0 3 + 3H 2 . Da das Oxyd eine festhaftende, nahezu porenfreie Haut bildet und außerdem in Wasser unlöslich ist, schützt es das Metall vor weiteren Einwirkungen. Gegen Reagentien, die Aluminiumoxyd 1 ) lösen, wie Säuren und Basen (vgl, dazu unten), schützt die Haut natürlich nicht mehr. Aluminiummetall löst sich daher unter Wasserstoffentwickelung sowohl in Säuren als auch in Basen, ja sogar in Sodalösung, die ja infolge von Hydrolyse alkalisch reagiert. Aluminiumhydroxyd hat weder ausgesprochen sauren noch basischen Charakter. S c h w a c h e n Basen und Säuren gegenüber ist es völlig ind i f f e r e n t . S t a r k e n S ä u r e n gegenüber reagiert es so, als ob es eine schwache Base wäre; es löst sich z. B. in Salzsäure nach der Gleichung: Al(OH)3 + 3 HCl = AlCIj + 3H 2 0. S t a r k e n L a u g e n gegenüber verhält es sich wie eine sehr schwache S ä u r e ; es bildet mit ihnen Salze, die man Aluminate nennt: bzw.

H3AIO3 + NaOH = NaH 2 A10 3 + H 2 0

H3A103 + 3 NaOH = Na3A103 + 3 H 2 0 . Derartige Hydroxyde bezeichnet man als „amphoter", sich nach beiden Seiten neigend, weil sie je nach dem Charakter des Gegenpartners als Base oder Säure reagieren können; Näheres S. 92. Dem äußerst schwachen Basencharakter des Aluminiumhydroxyds entspricht es, daß Salze wie Aluminiumchlorid A1C13, Aluminiumsulfat Ä12(S04)3 usw. in Lösung s t a r k h y d r o l y s i e r t sind und sauer reagieren. Aluminium salze schwacher Säuren hydrolysieren noch stärker. Kocht man z. B. eine A l u m i n i u m a c e tat-Lösung, so fällt das gesamte Aluminium als Hydroxyd und als ebenfalls schwer lösliches basisches Acetat (als Produkt der stufenweisen Hydrolyse, vgl. S. 81/82) aus. Beim Abkühlen löst sich durch Rückgang Bei diesem Oberflächenoxyd handelt es sich nicht um das stabile, sehr reaktionsträge «-Oxyd (Korund), sondern um ein instabiles, reaktionsfähigeres Oxyd, das sogenannte y-Oxyd. Seine Umsetzungen entsprechen vollkommen denen des Hydroxyds, dessen Anhydrid es ist.

88

Aluminium

der Hydrolyse ein Teil des Niederschlages wieder auf. Nach S. 80, Anm. 2 rührt dies daher, daß die Dissoziation des Wassers H 2 0 = H+ -f O H - mit fallender Temperatur sehr stark abnimmt; so kommt es, daß nur nahe der Siedetemperatur des Wassers die OH _ -Ionenkonzentration zur vollständigen Hydrolyse des Aluminiumacetates ausreicht. Auch Lösungen beliebiger Salze des Aluminiums lassen sich so fällen, wenn man sie reichlich mit N a t r i u m a c e t a t versetzt. Enthielt die Lösung freie Säure, so reicht das Pufferungsvermögen der Acetationen (vgl. S. 78) allerdings nicht zu einer genügenden Erniedrigung der H+-Ionenkonzentration aus; man muß dann die Lösung vor dem Natrium-Acetatzusatz neutralisieren, z. B. mit Soda. In gleicher Weise läßt sich auch dreiwertiges Eisen ausfällen, während die Acetate der stärker basischen zweiwertigen Elemente Mangan, Kobalt, Nickel, Zink usw. nicht bis zur Fällung des Hydroxydes hydrolysiert werden. Man benutzt dieses Verfahren bei der Analyse zur Trennung von zwei- und dreiwertigen Elementen (Natrium-Acetatmethode). Die Aluminiumsalze, die das Aluminium als Kation enthalten, stellen ein schönes Beispiel für die Tatsache dar, daß die Hydrolyse mit zunehmender Schwäche der Säure zunimmt. So reagiert eine Aluminiumchlorid-Lösung zwar stark sauer, ist aber selbst durch Kochen nicht fällbar; Aluminiumacetat-Lösung wird beim Kochen vollständig hydrolysiert. Das nur auf trockenem Wege darstellbare Aluminiumsulfid A12S3 wird schon bei Raumtemperatur völlig hydrolytisch gespalten (vgl. auch S. 82), während schließlich ein Aluminiumsalz der noch schwächeren Kohlensäure überhaupt nicht mehr darstellbar ist. Da Al(OH)3 auch als Säure nur schwach ist, sind die Lösungen der Aluminate ebenfalls stark hydrolysiert und reagieren stark basisch. Setzt man einer solchen Lösung A m m o n i u m c h l o r i d zu, so werden unter Abstumpfung der basischen Reaktion (vgl. S. 78) die durch die Hydrolyse entstehenden OH _ -Ionen immer wieder abgefangen, bis die Hydrolyse vollständig und das Aluminium quantitativ als Hydroxyd ausgefällt ist. Das gleiche Ziel erreicht man auch durch Herabsetzung der OH~-Ionenkonzentration mittels Zugabe einer sehr schwachen Säure, die noch nicht imstande ist, durch ihre Säureeigenschaften das Al(OH)3 als Base wieder aufzulösen, wie z. B. Kohlensäure: 2Na3A103 + 6 H 2 0 + 6 C0 2 = 6NaHC0 3 + 2H3A103 . Durch Erhitzen von Aluminiumhydroxyd bzw. durch Oxydation von Aluminiummetall entsteht Aluminiumoxyd. Beim Erhitzen auf hohe Temperaturen (> 1000°) bildet sich die S. 87, Anm. 1 schon erwähnte stabile «-Form des A1203, der Korund, der weder in Säuren noch in Basen löslich ist; er muß vielmehr durch Schmelzen mit Kaliumpyrosulfat oder alkalischen Stoffen a u f g e s c h l o s s e n werden (vgl. dazu S. 136). 1 . Ein Stückchen Aluminiummetall werde mit Natronlauge erwärmt; es löst sich unter Wasserstoffentwicklung, wobei sich A l u m i n a t bildet. 2 AI + 2 N a O H + 4 H 2 0 = 2NaH 2 A10 3 +

3H2.

Ganz ähnlich verhält sich Aluminium gegen »Soda-Lösung. 3 . Durch Auflösen von Aluminium in verdünnter Salzsäure stelle man sich eine A l u m i n i u m c h l o r i d - L ö s u n g her: 2AI + 6HCl = 2A1C13 + 3 H 2 .

Aluminium

89

Durch Eindampfen dieser Lösung läßt sich wasserfreies Aluminiumchlorid nicht darstellen, da das Chlorid dabei unter Hydrolyse in basisches Aluminiumchlorid übergeht. Einen solchen Prozeß haben wir schon beim Calciumchlorid kennengelernt; beim Aluminiumchlorid tritt er aber viel eher ein und geht viel weiter. Wasserfreies Aluminiumchlorid wird im Laboratorium durch Überleiten von trockenem Chlor- oder Chlorwasserstoffgas über erhitztes Aluminium dargestellt.

Die salzsaure Aluminiumchlorid-Lösung werde filtriert und zu folgenden Umsetzungen der Aluminiumsalse benutzt: 3. Natriurnhydroxyd: Man gebe zu der Lösung einige Tropfen Natronlauge; es fällt A l u m i n i u m h y d r o x y d als gelatinös flockige Masse aus. Durch Zusatz von Salzsäure kann dieses wieder gelöst werden. ^ ^ + 3NaOH = A1(0H)3 + 3NaCl. Die A u f f a s s u n g der Niederschläge, die man aus den Lösungen dreiwertiger Ionen mit OH~-Ionen enthält, als H y d r o x y d e ist eine Zeitlang angezweifelt worden. Man hat vielmehr angenommen, daß es sich bei diesen stark wasserhaltigen, sehr voluminösen Niederschlägen um die Anlagerungsprodukte von Wasser an die Oxyde — „ O x y d h y d r a t e " — handelt. Die neuere Forschung hat gezeigt, daß diese Produkte sehr verschiedenartig sein können und in ihrer Zusammensetzung von Fall zu Fall wechseln. Es ist daher überhaupt nicht möglich, eine allgemein gültige Formel anzugeben. Es liegt aber andererseits heute kein Grund mehr gegen die Annahme vor, daß es sich in der Mehrzahl der Fälle um stark wasserhaltige H y d r o x y d e handelt. Man darf daher Formeln wie A1(0H)3 durchaus benutzen, muß sich aber darüber klar sein, daß sie eine sehr schematisierende Vereinfachung bedeuten.

4 . Zu einer zweiten Probe der Aluminiumchlorid-Lösung gebe man viel Natronlauge-, der zuerst ausfallende Niederschlag geht in diesem FaHe als A l u m i n a t wieder in Lösung. 5 . Zu einem Teil der so erhaltenen Aluminat-Lösung gebe man reichlich festes Ammoniumchlorid; A l u m i n i u m h y d r o x y d fällt wieder aus. Das gleiche erreicht man, wenn man die Lösung erst mit Salzsäure ansäuert und dann mit Ammoniak-Lösung versetzt. 6. In eine andere Probe der Aluminat-Lösung leitet man Kohlendioxyd ein; A l u m i n i u m h y d r o x y d scheidet sich ebenfalls ab.

7. Ammoniak: Daß aus Aluminiumsalz-Lösungen durch Ammoniak-Lösung das H y d r o x y d gefällt wird, ergibt sich bereits aus dem Vorhergehenden. Ebenso wurde S. 85 gezeigt, daß die Fällung des Alumimumhydroxydes — im Gegensatz zu der der Hydroxyde des Magnesiums und der meisten 2 wertigen Metalle — durch Ammoniumsalze starker Säuren n i c h t verhindert wird. 8. Dagegen ist darauf hinzuweisen, daß sowohl mit Ammoniak als auch mit Natronlauge ein Niederschlag a u s b l e i b t , wenn h y d r o x y l h a l t i g e o r g a n i s c h e Verbindungen, wie z. B. Weinsäure, in der Lösung vorhanden sind (vgl. S. 102). Man überzeuge sich hiervon.

90

Aluminium

9. Natriumcarbonat: Eine Probe der Aluminiumchlorid-Lösung werde mit s e h r wenig 1 ) Soda-Lösung versetzt; unter Kohlendioxyd entwicklung fällt A l u m i n i u m h y d r o x y d aus (Hydrolyse!). 2A1C13 + 3Na 2 C0 3 + 3 H 2 0 = 2A1(0H) 3 + 3C0 2 + 6NaCl. 10. Bariumcarbonat: Eine Probe der Aluminiumchlorid-Lösung werde mit überschüssigem Bariumcarbonatbrei geschüttelt. Dabei fällt alles Aluminium als H y d r o x y d aus (Hydrolyse; vgl. S. 84/85). Man filtriere; aus dem Filtrat darf, nach vorhergehendem Ansäuern mit einigen Tropfen Salzsäure (Prüfen mit Lackmuspapier!) und Aufkochen, auf Zugabe von Ammoniak kein Aluminiumhydroxyd mehr fallen. 11. Natriumacetat: Man neutralisiere in einem Becherglase eine Probe der Aluminiumchlorid-Lösung annähernd mit Natriumcarbonat. Sollte dabei etwas Hydroxyd ausfallen, so bringe man es durch Zusatz von einigen Tropfen verdünnter Salzsäure wieder in Lösung. Man füge etwa den gleichen Raumteil Natriumacetat-Lösung hinzu, verdünne stark mit Wasser und erhitze die Mischung zum Kochen. Es fällt Aluminiumhydroxyd bzw. b a s i s c h e s A c e t a t aus. Wenn der Niederschlag h e i ß abfiltriert wird, ist die Fällung quantitativ. 12. Ammoniumsulfid: Eine Probe der saueren AluminiumchloridLösung werde mit Ammoniak annähernd neutralisiert und mit Ammoniumsulfid versetzt; es fällt quantitativ A l u m i n i u m h y d r o x y d aus. 2A1C13 + 6(NH 4 ) 2 S + 6 H 2 0 = 2A1(0H) 3 + 6(NH 4 )HS + 6NH 4 C1 . 13. Natriumphosphat: Zu ebenfalls fast neutralisierter Aluminiumchlorid-Lösung gebe man Natriumphosphat-Lösung. Es fällt ein voluminöser Niederschlag von A l u m i n i u m p h o s p h a t . AICI3 + 2 N a 2 H P 0 4 = A1P0 4 + 3NaCl + N a H 2 P 0 4 . Durch starke Säuren und Laugen wird der Niederschlag wieder gelöst. 14. T h e n a r d s B l a u : Man stelle sich durch Fällung aus heißer Lösung Aluminiumhydroxyd her, filtriere, wasche mit Wasser aus und trockne einigermaßen durch Aufstreichen auf eine mehrfache Schicht Filtrierpapier. Dann glühe man das Präparat auf der Magnesiarinne oder einem Stück Holzkohle. Der weiße Glührückstand werde mit e i n e m T r o p f e n sehr verdünnter KobaltsalzLösung befeuchtet und nochmals geglüht. Er ist dann blau gefärbt. Vgl. dazu S. 94. Aluminiumhydroxyd und ähnliche Hydroxyde (z. B. von Zinn, Chrom) bilden mit gewissen organischen Farbstoffen Adsorptionsverbindungen („FarbBenutzt man viel Sodalösung, so entwickelt sich natürlich kein Kohlendioxyd, weil sich dann Natriumhydrogencarbonat bildet!

Säuren- und basenbildende Oxyde

91

lacke"), die man u. a. technisch benutzt, um diese Farbstoffe an die Faser zu binden. Auf der Bildung eines solchen Farblackes beruht auch eine sehr empfindliche Nachweisreaktion für Aluminium.

15. Man gebe zu sehr verdünnter, nur ganz schwach saurer Aluminiumsalz-Lösxmg etwa 1 ccm einer 0,l°/ 0 igen Lösung von älizarinsulfonsawrem

Natrium

und dann so viel Ammoniak, daß die

Mischung dunkelrot wird. Säuert man jetzt mit verdünnter Essigsäure an (Prüfung mit Lackmus-Papier!), so scheidet sich der rote Farblack flockig aus. Säuren- und basenbildende Oxyde • Löst man das Oxyd eines Metalles in Wasser, so erhält man eine Base, z. B.: + ^ = 2 NaOH = 2Na+ + 20H~ . Löst man das Oxyd eines N i c h t m e t a l l e s in Wasser, so erhält man eine S ä u r e , z. B.: g ^ + H>() = j ^ g ^ ^ 2 H + + g ^ . _ Diese eben genannten Sätze geben aber nur die groben Unterschiede wieder. Um die feineren Abstufungen zwischen jenen Extremen genauer zu betrachten, wollen wir an Hand des Perioden-Systems vorgehen. I. Die Horisontalreihen. Wir behandeln die Elemente Natrium bis Chlor. Die Verbindungen, die man durch Wasseranlagerung an die Oxyde dieser Elemente in ihrer höchsten positiven Wertigkeitsstufe erhält, sind: NaOH, Mg(OH)2, A1(0H)3, Si(OH)4, 0P(0H) 3 , 0 2 S(0H) a , 03C1(0H). In dieser Formelreihe haben wir die letzten drei Verbindungen nicht durch die üblichen Formeln H 2 S0 4 usw. gekennzeichnet; denn diese geben nur die Bruttozusammensetzung der Verbindung an. Durch die oben gewählte Schreibweise soll aber außerdem die räumliche Lagerung der Atome in der Molekel ausgedrückt werden. Wir wissen nämlich, daß z. B. in der Schwefelsäuremolekel die 4 Sauerstoffteilchen tetraedrisch dicht um das Schwefelteilchen gepackt sind, während die 2 Wasserstoffteilchen außen an je ein Sauerstoffteilchen gebunden sind, also das Schwefelteilchen n i c h t berühren. In der obigen Reihe steht nun links die s t ä r k s t e Base, Natriumhydroxyd, r e c h t s d i e s t ä r k s t e S ä u r e , Überchlorsäure. Der Basencharakter nimmt nach rechts ab (Mg(OH)a ist eine schwächere Base als NaOH), der Säurecharakter nach links (H 2 S0 4 ist schwächer als HC104, H 3 P0 4 schwächer als H 2 S0 4 usw.). So nimmt es nicht wunder, daß wir in der Mitte auf Glieder stoßen, die zugleich Basen- und Säurenatur besitzen, „ a m p h o t e r " sind, wie wir es beim Aluminiumhydroxyd soeben kennengelernt haben. Das Verhalten der obigen Verbindungsreihe von NaOH bis 03C1(0H) ist leicht zu verstehen auf Grund der S. 30 geschilderten Vorstellungen von Kossei. Danach darf man sich einen großen Teil der anorganischen Verbindungen in erster Annäherung aus kugelförmigen, elektrisch geladenen Atomen aufgebaut denken. Die „Bindimg" wird durch die anziehenden Kräfte zwischen den verschieden geladenen Atomen bewirkt. Augenscheinlich wird dabei nach den aus der Physik bekannten Gesetzen der Elektrostatik die Anziehung zwischen zwei Teilchen um so größer sein, je größer ihre Ladung und je kleiner ihre Entfernung voneinander, d. h. bei Berührung der Teilchen: je kleiner ihr Radius ist. Nun steigt in unserer Reihe die Ladung vom +

7+

Na zum Cl, während gleichzeitig die Radien dieser Teilchen in derselben

Säuren- und basenbildende Oxyde

92

Richtung abnehmen. Beides bewirkt eine Festigung der Bindung zwischen der negativ geladenen Hydroxylgruppe und dem positiv geladenen Metallbzw. Nichtmetallteilchen. Die Trennung von NaOH in Na+ und O H - erfolgt beim Auflösen in Wasser verhältnismäßig leicht; die Abspaltung der OH - Ionen wird aber von Glied zu Glied der Reihe schwieriger. Die letzten Glieder können in wäßriger Lösung praktisch keine OH _ -Ionen mehr abspalten. — Damit ist erklärt, daß der Basencharalcter vom Natriumhydroxyd zur Überchlorsäure hin abnimmt. Wollen wir auf der anderen Seite die Zunahme des Säurecharakters zur Überchlorsäure hin verstehen, so müssen wir in ähnlicher Weise, wie es soeben für die 0H~-Gruppe geschehen ist, die Festigkeit der Bindung zwischen Sauerstoff und Wasserstoff erörtern; je lockerer diese ist, desto stärker wird der Säure Charakter sein. Nun ist der Wasserstoff in allen Fällen direkt an Sauerstoff gebunden; der Einfluß des Sauerstoffteilchens wird in erster Näherung immer der gleiche sein. Um also die Unterschiede in der Festigkeit der O-H-Bindung zu verstehen, müssen wir auch noch den Einfluß der Teilchen untersuchen, an die +

5+

7+

der Sauerstoff gebunden ist. Diese Teilchen (z. B. Na, P, Cl) sind alle positiv geladen; sie stoßen daher das H-Teilchen ab und erleichtern seine Abspaltung. Bei den Endgliedern mit sehr hoher Ladung und sehr geringer Größe des Zentral7+

teilchens, z. B. 0 3 C10H, wird daher das Wasserstoffteilchen nur locker gebunden sein; hier erfolgt die Abspaltung eines H+-Ions sehr viel leichter als die eines OH~-Ions. Auf der anderen Seite wird beim NaOH die Bindung des H-Teilchens an den Sauerstoff durch das nur einfach geladene und wesentlich größere Na-Teilchen so wenig gestört, daß eine Abspaltung von H+-Ionen eine sehr große Arbeit erfordern würde. Da auf der anderen Seite nach dem oben Dargelegten die Abspaltung der 0H~-Gruppe verhältnismäßig leicht erfolgt, so dissoziiert NaOH in Na+- und OH~-Ionen. Beim Aluminiumhydroxyd schließlich ist die Hydroxyl-Gruppe bereits recht fest gebunden, andererseits das Wasserstoffteilchen noch nicht genügend gelockert; hier besteht überhaupt wenig Neigung, irgendwelche Ionen abzuspalten. Erst wenn das Bestreben in großer Konzentration vorhandener H+-Ionen, mit OH _ -Ionen undissoziiertes Wasser zu bilden, dies erzwin'gt, gibt Aluminiumhydroxyd OH _ -Ionen ab. In gleicher Weise können aber auch in hoher Konzentration vorhandene OH _ -Ionen die Abspaltung von H+-Ionen erzwingen. Damit haben wir ein Verständnis für das Auftreten ampholerer Hydroxyde, wie Al(OH) 3 , gewonnen. Das soeben Dargelegte ist noch nach zwei Richtungen zu ergänzen. Einmal ist darauf hinzuweisen, daß gerade die amphoteren Hydroxyde, wie Al(OH)3 und Si(OH)4 und auch das Nachbarglied Mg(OH)2, in W a s s e r s c h w e r l ö s l i c h sind. Es hängt dies in gewisser Weise damit zusammen, daß diese Stoffe keinerlei Neigung besitzen, irgendwelche Ionen abzuspalten 1 ). Ferner haben wir S. 30 gesehen, daß sich die Ionen im Wasser mit einer Hülle festgebundener Wassermoleküle umgeben. Betrachten wir nun die Reihe der Anionen [AI0 3 ] 3 -, [SiOJ 4 ", [P0 4 ] 3 -, [S0 4 ] 2 -, [C10 4 ] 1_ , so fällt zunächst auf, daß beim Aluminium nur drei Sauerstoffionen angegeben sind, bei allen anderen dagegen vier. Berücksichtigen wir weiterhin, daß die Größe der Teilchen 7+

3+

7+

vom Cl zum AI stark ansteigt, so ergibt sich, daß der Raum um das Cl- und Freilich gibt es noch andere Faktoren, die die Löslichkeit beeinflussen; denn man kennt andere OH-haltige Stoffe, z. B. B(OH)3, Essigsäure, Zucker, die ebenfalls wenig oder gar nicht dissoziieren und doch in Wasser leicht löslich sind.

Säuren- und basenbildende Oxyde

93

das S-Teilchen durch die O-Teilchen vollständig ausgefüllt sein wird, beim [A10 3 ] 3_ jedoch nicht. Das [A10 3 ] 3_ -Ion wird deshalb noch Wasser-Molekeln anlagern können. Nimmt man an, daß es noch 3 Wassermolekeln aufnimmt, so erhielte man das Anion [(H 2 0) 3 A10 3 ] 3_ . Dieses geht aber durch Wanderung der Wasserstoffteilchen in [(HO) 3 Al(OH) 3 ] 3 - bzw. [AlfOHy 3 über 1 ). Ähnliches findet man auch bei anderen Anionen amphoterer Hydroxyde 3+

2+

wie [Cr0 3 ] 3 - bzw. [ZnOJ 2 -, die richtiger als [Cr(OH)6]3~ bzw. [Zn(OH)J 2 aufzufassen sind. Man kann daher die Auflösung von Aluminiumhydroxyd in Natronlauge auch als Komplexbildung (vgl. dazu S. 98) gemäß 3NaOH + A1(0H)3 = Na3[Al(OH)6] auffassen und Salze wie Na^AIfOHJJ als „Hydroxo"-Verbindungen von den „Oxo"-Salzen wie Na 2 [S0 4 ] unterscheiden. Jedoch werden dadurch die obigen Überlegungen in keiner Weise beeinträchtigt. I I . Die Vertikalreihen. Wir betrachten die Hydroxyde der zweiten Hauptgruppe: Be(OH) 2 , Mg(OH)2, Ca(OH)2, Sr(OH) 2 , Ba(OH) 2 . Bei diesen nimmt der basische Charakter vom Barium- bis zum Magnesiumhydroxyd ab. Dieser Reihenfolge schließt sich das Berylliumhydroxyd an; denn es ist noch schwächer basisch als Mg(OH)2 und zeigt sogar schon sehr schwach saure Eigenschaften, ist also amphoter. Ganz ähnlich ist in der dritten Gruppe die Reihe B(OH) 3 , Al(OH) ? , Se(OH)3, Y(OH) 3 , La(OH) 3 abgestuft. Von diesen Verbindungen haben wir in diesem Buch allerdings erst das amphotere Aluminiumhydroxyd kennengelernt. Analog dem Verhalten der zweiten Gruppe nimmt der basische Charakter allmählich über Sc(OH)3, Y(OH)3 zum La(OH) 3 zu; Lanthanhydroxyd ist bereits eine ziemlich starke Base. Andererseits ist die Borsäure B(OH)3 wesentlich stärker sauer als die Aluminiumsäure. Auch das Verhalten dieser Reihen verstehen wir mittels der K o s s e i sehen Vorstellungen. Die Ladungen der Partner sind in jeder Vertikalreihe 2+

2+

3+

3+

gleich, aber der Radius nimmt vom Be zum Ba und vom B zum La zu. Daher nimmt in dieser Richtung auch die Festigkeit, mit der die Hydroxylgruppen gebunden werden, ab und damit der basische Charakter zu. Andererseits wächst der saure Charakter mit abnehmendem Atomgewicht, weil natürlich + die abstoßende Wirkung der positiv geladenen Metallatome auf die H-Teilchen 2+ + beim Berylliumhydroxyd infolge des kurzen Abstandes Be — H wesentlich 2+ + stärker ist als beim Bariumhydroxyd, bei dem die Entfernung Ba — H bedeutend größer ist. I I I . Wechsel des basischen bzw. sauren Charakters bei ein und demselben Element. Tritt ein Element in v e r s c h i e d e n e n W e r t i g k e i t s s t u f e n auf, so gilt die Regel, daß mit dem S t e i g e n d e r p o s i t i v e n W e r t i g k e i t die B a s e n s t ä r k e ab- u n d die S ä u r e n a t u r z u n i m m t . So ist z. B. das Cr(OH)2 eine Base; CT(OH)3 ist amphoter, während das Oxyd des 6 wertigen Chroms saure Eigenschaften besitzt und Salze wie z. B. 6+

Na 2 [Cr0 4 ] bildet. Ahnlich liegen die Verhältnisse beim Mangan und anderen Metallen. Auch hier ergibt sich die Erklärung zwangsläufig aus den Kosseischen Anschauungen. Vergleichen wir z. B. die Hydroxyde Fe(OH)2 und Fe(OH) 3 , Die Elemente AI, Cr, Zn usw. bilden außer den oben als Beispielen genannten auch noch anders zusammengesetzte Hydroxo-Komplexe; vor allem im kristallisierten Zustand kennen wir viele verschiedenartig aufgebaute, zum Teil komplizierte Verbindungen.

Säuren- und basenbildende Oxyde

04

die sich vom 2- bzw. 3 wertigen Eisen 3 ableiten. Wir erwarten, daß das höher + geladene und außerdem kleinere Fe-Teilchen die Hydroxylgruppen fester 2+

binden wird als das Fe-Teilchen. Beide Verbindungen erweisen sich als basisch, Eisen (III)-hydroxyd aber in der Tat in schwächerem Maße; denn die Salze des 3 wertigen Eisens neigen wesentlich stärker zur Hydrolyse als die des 2 wertigen. Außerdem ist Eisen (Ill)-hydroxyd schwerer löslich als Eisen (Il)-hydroxyd. Auch bei den S a u e r s t o f f s ä u r e n der Halogene, z. B. des Chlors, nimmt entsprechend der obigen Regel die Stärke der Säuren von der sehr starken Überchlorsäure 03C10H bis zur äußerst schwachen unterchlorigen 1+

Säure ClOH ab. Aber die sauerstofffreie Chlorwasserstoffsäure ist wieder eine sehr starke Säure, deren Stärke an die der Überchlorsäure heranreicht. Das widerspricht unserer Anschauung nicht; denn die obigen Überlegungen gelten ja nur, wenn der Wasserstoff an Sauerstoff und nicht, wie im Chlorwasserstoff, an das säurebildende Element selbst gebunden ist. Vergleicht man verschiedene E l e m e n t e miteinander, so erweist sich — sofern sich nur ihre Atomgewichte nicht zu stark unterscheiden — ganz allgemein die Elektrovalenssahl als die Eigenschaft, die am stärksten den basischen bzw. sauren Charakter bestimmt. So ist der basische Charakter der 2 wertigen Hydroxyde von Magnesium, Mangan, Eisen, Kobalt, Nickel und Kupfer nicht stark voneinander verschieden, während die 3 wertigen Hydroxyde von Aluminium, Chrom und Eisen deutlich schwächer basisch und außerdem schwerer löslich sind als jene. IV. Basische und saure Oxyde, Doppeloxyde. Die Salze von Sauerstoffsäuren (Oxosäuren, vgl. S. 93) kann man meist außer aus Säure und Base, z. B. Ca(OH)2 + H 2 S0 4 = CaS04 + 2H 2 0, nach S. 16 auch aus den entsprechenden Anhydriden darstellen: CaO + S0 3 = CaS04 . In diesem Zusammenhang spricht man auch von basischen und sauren Oxyden, obwohl man, wenn man sich streng an die Definition hält, von sauren und basischen Eigenschaften nur bei wäßrigen Lösungen sprechen darf, wenn H+- oder OH_-Ionen vorhanden sind. In diesem übertragenen Sinne unterscheidet man auch in manchen Verbindungen, die man z. T. nur in Abwesenheit von Wasser, etwa durch gemeinsames Erhitzen zweier Oxyde darstellen kann, wie z. B.: MgO + A1203 = Mg[Al204] den basischeren (MgO) von dem saureren Partner (A1203) und gibt der entstandenen Verbindimg einen Namen, als sei sie ein Salz. So spricht man in unserem Beispiel von „Magnesium-Aluminat" und deutet diese Auffassung durch die Formel: Mg[Al204] oder Mg[A102]2 an. Da die Unterschiede im sauren bzw. basischen Charakter zwischen den beiden Partnern derartiger Verbindungen oft sehr geringfügig sind, bezeichnet man sie aber auch ebenso gut als Doppeloxyde und schreibt die Formel etwa: Mg0-Al 2 0 3 . Dieser — als Mineral auch Spinell genannten — Verbindung ist eine Reihe von Verbindungen analog, in denen das Magnesium durch andere 2 wertige, das Aluminium durch andere 3wertige Metalle ersetzt ist; dazu gehört z. B. das S. 90 besprochene T h e n a r d s Blau. Es können auch, wie z. B. in dem Mineral Magnetit Fe 3 0 4 , der 2- und der 3wertige Partner das gleiche Element sein. In ähnlicher Weise kann die Mennige Pb 3 0 4 als das Blei(II)-salz der Bleisäure mit 4wertigem Blei' aufgefaßt werden.

Elemente der Gruppe I b — Silber Spinell

Chromeisenstein

MgO • Al a 0 3 =Mg[A10 2 ] 2 FeO • Cr 2 0 3 =Fe[Cr0 2 ] 2 Magnesiumaluminat Eisen(II)-chromit

95

Kobalt(II)-kobalt(III)-oxyd CoO • Co203 = Co[Co02]2 Kobalt(II)-kobaltat(III)

Magnetit

Mennige

Fe0-Fe 2 0 3 = Fe[Fe0 2 ] 2 Eisen(II)-ferrit

2 P b 0 P b 0 2 = Pb 2 [Pb0 4 ] Blei(II)-plumbat Zu dieser Gruppe von Verbindungen gehören unter anderem auch die Silic ate. Die eben genannten Verbindungen (Spinelle, Silicate usw.) sind dadurch ausgezeichnet, daß man sie nur in f e s t e m (und z. T. in geschmolzenem) Zustande kennt und daß sie in Wasser praktisch unlöslich sind. Die obigen Formeln sind nur als schematische Bilder ihres Aufbaues aufzufassen. Ein volles Verständnis für ihren Bau gewinnt man erst bei der Betrachtung ihrer Kristaljgitter.

Elemente der Gruppe I b Silber Während bisher nur solche Metalle besprochen wurden, die den kleinen Perioden bzw. den a- Gruppen der großen Perioden angehören, lernen wir im Silber den ersten Vertreter der b-Gruppen kennen. Auf den ersten Blick erkennt man wesentliche Unterschiede. Während die Alkalimetalle ebenso wie die Erdalkali- und Erdmetalle sehr unedle Leichtmetalle sind, ist Silber ein Schwermetall von ausgesprochen edlem Charakter. Es setzt sich nicht mit Wasser um und löst sich auch nicht in Salz- oder verdünnter Schwefelsäure. Erst durch die Oxydationswirkung von Salpetersäure bzw. von heißer konzentrierter Schwefelsäure kann man das Metall in Silberionen überführen. Den niedrigen Schmelz- und Siedepunkten der Alkalimetalle (Natrium schmilzt z. B. bei 98° und siedet bei Atmosphärendruck bei 883° C) stehen hohe Werte beim Silber (Schmelzpunkt 960°, Siedepunkt ~2000°) gegenüber. In Verbindungen kommt Silber fast nur e i n w e r t i g vor. Obwohl demnach die Verbindungen in ihrer formelmäßigen Zusammensetzung denen der Alkalimetalle weitgehend entsprechen, sind ihre Eigenschaften ganz andere: Von den Halogeniden ist nur das Fluorid leicht in Wasser löslich; Silberchlorid, -bromid und -jodid sind schwer löslich. Im Gegensatz zu den farblosen und leicht löslichen Sulfiden des Natriums und Kaliums ist das Silbersulfid Ag2S schwarz und äußerst schwer in Wasser löslich. Silberhydroxyd ist überhaupt noch nicht dargestellt; statt seiner bildet sich aus Ag+- und OH~-Ionen unter Wasserabspaltung Silberoxyd Ag 2 0. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß das Silber eine sehr große Neigung hat, sogenannte komplexe Verbindungen zu bilden, mit deren Wesen wir uns im nächsten Kapitel beschäftigen werden. Da Silber in D e u t s c h l a n d schwer zu b e s c h a f f e n ist, gieße man s i l b e r h a l t i g e Lösungen n i c h t g e d a n k e n l o s weg. Sie sind v i e l m e h r in einem im L a b o r a t o r i u m a u s s t e h e n d e n G e f ä ß e zu sammeln! 1 . Ein Weg zur Darstellung von reinem der Schwerlöslichkeit seines Chlorids. Man

Silber beruht auf löse etwas silber-

96

Silber

haltige Legierung (Assistent!) in wenig halbkonzentrierter Salpetersäure auf, verdünne die Lösung mit Wasser und füge unter Umrühren so viel Salzsäure hinzu, bis eine neu hinzugesetzte Probe Salzsäure keinen weiteren Niederschlag erzeugt. Der dichte käsigflockige Niederschlag werde auf einem glatten Filter gesammelt und das Filtrat mit einem Tropfen Salzsäure auf Vollständigkeit der Fällung geprüft. Dann wasche man den Niederschlag auf dem Filter g r ü n d l i c h mit destilliertem Wasser aus; das durchfließende Waschwasser darf schließlich nicht mehr sauer reagieren. D a b e i v e r g e s s e m a n n i c h t , a u c h d a s F i l t e r s o r g f ä l t i g a u s z u w a s c h e n : man spritze mit der Spritzflasche einige Male auf dem oberen Rande des Filters rund herum; das von dort herabfließende Waschwasser durchzieht dann die gesamte Papiermasse des Filters und entfernt die fremden Stoffe -— in unserem Falle Kupfersalze und überschüssige Säure — auch aus seinem oberen Rande, in dem sie sich gerne festsetzen. 2. Einen Teil des Silberchlorids bringe man in eine Abdampfschale, übergieße es mit etwas verdünnter Salzsäure und lege ein Stengelchen reines Zink in den Brei. Sofort beginnt das Silberchlorid sich in der Nähe des Zinks zu bräunen und geht in 5—10 Minuten in eine graubraune schwammige Masse von reinem S i l b e r über. 2AgCl + Zn = 2Ag + ZnCl 2 . Man entferne nun das Zinkstückchen und wasche das entstandene Zinkchlorid und die Salzsäure sorgfältig mit heißem, destilliertem Wasser fort. Am besten kocht man das Silber in der Abdampfschale mehrfach mit destilliertem Wasser auf und gießt jedesmal vorsichtig ab, ehe man die Masse aufs Filter bringt. Gibt man schließlich den so erhaltenen Silberschwamm in eine kleine Vertiefung eines Stückes Lötrohrkohle und erhitzt mit dem Lötrohr oder der Gebläseflamme, so schmilzt er zu einer Kugel von Silbermetall zusammen. 3. Man kann die Reduktion des Silberchlorids statt mit Zink auf nassem Wege auch auf trockenem Wege durchführen. Man mischt dazu etwas im Trockenschrank getrocknetes Silberchlorid mit der doppelten Gewichtsmenge Soda und erhitzt das Gemisch auf Kohle mit der Lötrohr- oder Gebläseflamme. Es bildet sich Silbercarbonat, das in M e t a l l , Kohlendioxyd und Sauerstoff zerfällt:

2 AgCl + Na 2 C0 3 = Ag 2 C0 3 + ,2NaCl Ag 2 C0 3 = Ag 2 0 + C0 2 2Ag 2 0 = 4Ag + 0 2 .

Den erhaltenen Regulus koche man mit verdünnter Salzsäure, um so die anhaftenden Salzreste aufzulösen.

97

Silber

4. Die so erhaltenen Silberkugeln werden mit m ö g l i c h s t w e n i g Salpetersäure gelöst. Die Lösung benutze man zu den folgenden Umsetzungen der Silbersalze. 5. Natriumhydroxyd fällt braunes S i l b e r o x y d (Silberhydroxyd ist nicht bekannt!). 2AgN0 3 + 2NaOH = Ag 2 0 + H 2 0 + 2 N a N 0 3 . 6. Natriumcarbonat fällt hellgelbes S i l b e r c a r b o n a t , das beim Erhitzen der Mischung Kohlendioxyd abspaltet und in Silberoxyd übergeht. 2 A g N 0 3 + Na 2 C0 3 = Ag 2 C0 3 + 2 N a N 0 3 . 7. Ammoniak fällt, wenn es in sehr kleiner Menge zugesetzt wird, aus neutraler Lösung ebenfalls S i l b e r o x y d ; der geringste Überschuß löst das ausgefällte Silberoxyd wieder auf. Aus salpetersaurer Lösung bildet sich überhaupt kein Niederschlag. Man benutze daher zu diesem Versuche nicht die selbst hergestellte Silbernitratlösung, die überschüssige Salpetersäure enthält, sondern eine Lösung von festem Silbernitrat in Wasser. 8. Schwefelwasserstoffwasser schwarzes S i l b e r s u l f i d .

oder

Ammoniumsulfid

fällen

2AgN0 3 + H 2 S = Ag2S + 2 H N 0 3 . 9. Salzsäure und Chloride fällen, wie S. 19 bereits gezeigt wurde, S i l b e r c h l o r i d , das sich in Ammoniak-Lösung leicht und vollständig löst. Die Erklärung wird S. 100 gegeben werden. 1 0 . Während sich Silberchlorid in schwach salzsäurehaltigem Wasser weniger löst als in reinem Wasser (Wirkung eines gleichionigen Zusatzes), löst es sich, wie man sich durch den Versuch leicht überzeugt, in starker Salzsäure merklich, wenn auch nicht reichlich. Wahrscheinlich bildet sich dabei Chlorosilbersäure HAgCl2. 11. Kaliumbromid fällt hellgelbes S i l b e r b r o m i d , das in Ammoniak - Lösung w e n i g e r l e i c h t löslich ist als das Chlorid. 12. Kaliumiodid fällt gelbes S i l b e r j o d i d , das sich in Ammoniak- Lösung überhaupt n i c h t löst. 13. Natriumcyanid: Wird eine frisch bereitete Natrium cyanidLösung ( V o r s i c h t , n a c h d e m V e r s u c h s o f o r t die H ä n d e a b s p ü l e n ! ) in geringer Menge zugesetzt, so fällt weißes S i l b e r cyanid. AgN0 3 + NaCN = AgCN + N a N 0 3 . 14. In überschüssiger .Natriumcyanid-luösung löst sich Silbercyanid leicht zum Natriumsalze der C y a n o s i l b e r s ä u r e : AgCN + NaCN = Na[Ag(CN) 2 ]. B i l t z , K l e m m , F i s c h e r , Einführung. 30.—32. Aufl.

7

98

Komplexverbindungen und Doppelsalze

15. Natriumthiosulfat1) - Lösung fällt, wenn in geringer Menge zugesetzt, weißes S i l b e r t h i o s u l f a t . 2 A g N 0 3 + Na2S203 = Ag2S203 +

2NaN03.

Der weiße Niederschlag wird beim Stehenlassen erst gelb, dann braun und schließlich schwarz, weil er sich unter Bildung von S i l b e r s u l f i d zersetzt: A g 2 S 2 0 3 + H 2 0 = Ag 2 S + H 2 S 0 4 . 16. Ein Uberschuß von Natriumthiosulfat-Lösung löst das Silberthiosulfat unter Bildung des T h i o s u l f a t o a r g e n t a t - K o m p l e x e s [Ag(S 2 0 3 ) 3 ]5-. Auch Silberchlorid und -bromid lösen sich in Thiosulfat-Lösung; davon macht man in der Photographie Gebrauch („Fixieren"). AgBr + 3 N a 2 S 2 0 3 = Na ä [Ag(S 2 C 3 ) 3 ] + NaBr . Komplcxverbindungen und Doppelsalze Bei der Besprechung der Silberverbindungen haben wir eine Reihe eigenartiger Umsetzungen kennengelernt: Das schwer lösliche Silberchlorid ging bei der Zugabe von Ammoniak-Lösung wieder in Lösung; Silbercyanid, das aus Silbernitrat-Lösungen bei Zugabe von wenig Natriumcyanid-Lösung ausfiel, löste sich beim Zusatz von mehr Cyanid-Lösung wieder auf. Diese Versuche zeigen, daß tiefgreifende Veränderungen erfolgt sein müssen. I. Kompleacbildung durch Anlagerung von Ionen an eine neutrale Molekel. Schon S. 15 haben wir besprochen, daß sich aus Schwefe l t r i o x y d und W a s s e r Schwefelsäure bildet. Berücksichtigen wir die Dissoziation der Schwefelsäure, so ergibt sich folgende Gleichung: H 2 0 + S0 3 = 2H+ + [S0 4 ]*- . Dieses tritt in wäßriger Lösung stets als Einheit auf; es bildet weder freie S - noch 0 2 ~-Ionen. Solche zusammengesetzte Jonen, die nicht in die Einselbestandteile dissoziieren, bezeichnet man als komplexe Ionen (vgl. auch S. 30/31). Komplexbildung liegt auch bei der soeben besprochenen Umsetzung von S i l b e r c y a n i d mit N a t r i u m c y a n i d vor. Diese ist durch die Gleichung Na+ -f CN- + AgCN = Na+ + [Ag(CN)2][S0 4 ] 2_ -Ion 6+

zu beschreiben. Die eckige Klammer (die nicht mit dem S. 75 angeführten Zeichen für „Konzentration" zu verwechseln ist!) soll andeuten, daß sich ein komplexes Ion gebildet hat, das aus einem Silberteilchen und zwei Cyangruppen besteht. Daß f r e i e Silberionen tatsächlich nicht vorhanden sind, erkennt man durch folgende Versuche: x ) Im N a t r i u m t h i o s u l f a t Na 2 S 2 0 3 (vgl. auch S. 169) ist an Stelle eines Sauerstoffatoms des NatriumsiilfatsNa 2 S0 4 ein Schwefelatom getreten. Die Vorsilbe „Thio" wird allgemein benutzt, um den Ersatz von Sauerstoff durch Schwefel zum Ausdruck zu bringen: KOCN = Kaliumcyanat; KSCN = Kaliumthiocyanat (Kaliumrhodanid; vgl. S. 121 und S. 161). Na 3 As0 4 = Natrium arsenat; Na3AsS4 = Natriumthioarsenat (vgl. S. 139).

Komplexverbindungen und Doppelsalze

99

1. Zu einer nach S. 97, Nr. 14 hergestelltenNatriumcyanoargentatLösüng gebe man a) Natriumchlorid-Lösung, b) Natronlauge. Es fällt weder Silberchlorid noch -oxyd aus. 2. Ganz ähnlich verhält sich das entsprechend aufgebaute Kalium cyanoferrat(II) K 4 [Fe(CN) 6 ], das wir S. 122 f. noch näher besprechen werden. In einer wäßrigen Lösung dieses Salzes sind nur K+- und [Fe(CN) c ] 4 ~-Ionen vorhanden. Dementsprechend gibt sie mit ÜberChlorsäure einen Niederschlag von Kaliumperchlorat; mit Natronlauge fällt jedoch kein Eisen(II)-hydroxyd Fe(OH) 2 — wie z. B. aus einer Eisen(II)-sulfat-Lösung — aus, weil die Fe 2 + -Ionen komplex gebunden sind. Man führe die beiden Versuche aus. Bei den Komplexen von der Art des [S0 4 ] 2 ~-, des [Ag(CN)2]1_- und des [Fe(CN) 6 ] 4_ -Ions ist die G e s a m t l a d u n g von der des Z e n t r a l t e i l c h e n s s t e t s v e r s c h i e d e n . So beträgt z. B. im [S0 4 ]-"-Komplex die Ladung des Schwefelteilchens (des „Zentralatoms") + 6 ; die vier Sauerstoffteilchen (die „Liganden") tragen jedoch insgesamt 4 • 2 =- 8 negative Ladungen. Die Gesamtladung des Komplexes ist also + 6 — 8 = — 2. Es bereitet dem Anfänger in der Regel Schwierigkeiten, zu verstehen, wieso z. B. eine AgCN-Molekel, in der doch scheinbar die positive Ladung des Silberions und die negative des Cyanions sich gegenseitig vollständig abgesättigt haben, noch ein weiteres CN~-Ion zu binden vermag. Betrachtet man jedoch die Gruppierung: ^ C N ^ ^ A ^ ^ ^ C N ^ ,

wio sie in dem

Komplex vorliegt, so sieht man, daß die linke CN-Gruppe von dem Ag-Teilchen stärker angezogen als von der weiter entfernten rechten CN-Gruppe abgestoßen wird; für die rechte CN-Gruppe gilt das gleiche. Insgesamt resultiert also für jede der beiden CN-Gruppen tatsächlich eine Anziehungskraft. Freilich können nun nicht beliebig viel CN-Gruppen angelagert werden; denn mit steigender Zahl der CN-Gruppen nimmt die Abstoßung zu, die die negativen Ladungen aufeinander ausüben. Zu diesem Einfluß der Ladung kann nun noch ein r ä u m l i c h e r kommen. Um das Zentralteilchen herum kann ja nur eine bestimmte Anzahl von Ionen oder Molekeln untergebracht werden. Die Zahl der im Einzelfalle vorhandenen „Liganden" bezeichnet man als die , , K o o r d i n a t i o n s z a h l S i e beträgt in sehr vielen Fällen 6, oft auch 4; andere Zahlen kommen seltener vor. Die eben geschilderte Art von Komplexen wird besonders leicht von Cyangruppen gebildet, jedoch kommt sie auch bei anderen Anionen vor. So gehören hierher das [PtCl e ] 2_ -Ion (vgl. auch S. 57/58) und die Hydroxoverbindungen, wie Na2[Zn(OH)4] (vgl. S. 93 u. 109). II.Kohiplexbildung durch Anlagerung von Dipolmolekeln an ein Ion. S. 30 haben wir besprochen, daß die Ionen in wäßriger Lösung „hy dra t i s i e r t " sind, d. h. daß sie die Wassermolekeln in ihrer nächsten Umgebung besonders fest binden. Diese Bindimg der Wassermolekeln ist dadurch bewirkt, daß die Wassermolekeln nicht linear gebaut sind (entsprechend HÖH), sondern gewinkelt (entsprechend H^H). Dies bedingt eine elektrische Uneymmetrie, ein sogenanntes „ l H p o l m o m e n t K o m m t nun eine solche Dipolmolekel sehr nahe an ein positives Ion, so wird dieses die Dipolmolekel 7*

100

Komplexverbindungen und Doppelsalze

so zu drehen versuchen, daß seine negative Seite, d. h. das Saueratoffteilehen, sich zu ihm hin, die positive Seite, d. h. die Wasserstoffteilchen, sich von 2+

2-

+

ihm weg richten: H 2 0 • Ag. Bei negativen Ionen erfolgt das entsprechende. Bei dieser gegenseitigen Stellung der beiden Partner zueinander tritt natürlich eine elektrostatische Anziehung auf, obwohl die Wassermolekel als Ganzes keine überschüssige freie Ladung besitzt. Ein solches hydratisiertes Ion stellt demnach ebenfalls einen Komplex dar, der durch Anlagerung von Wassermolekeln als Liganden an das Ion als Zentralteilchen entstanden ist. Die Ladung eines d e r a r t i g e n Komplexes i s t gleich der des Zentralteilchens. Der Einfachheit halber pflegt man in den Reaktionsgleichungen, die sich auf Vorgänge in wäßriger Lösung beziehen, diese Wasserhülle nicht besonders anzugeben. Alle „Ionenreaktionen", die wir kennengelernt haben bzw. noch kennenlernen werden, beziehen sich aber in Wirklichkeit auf solche hydratisierte Ionen. Dipolmolekeln wie das Wasser gibt es in großer Zahl. Wichtig ist auch die Ammoniakmolekel. Sie stellt eine dreiseitige Pyramide dar, an deren Spitze sich der negativ geladene Stickstoff, an deren Grundfläche sich die drei positiv geladenen Wasserstoffteilchen befinden. Das Silberion z. B. bindet Ammoniakmolekeln fester als Wassermolekeln. Gibt man daher zu einer Lösung, die Ag+-Ionen enthält, Ammoniak-Lösung, so verdrängen die NH3Molekeln trotz ihrer wesentlich geringeren Konzentration die Wassermolekeln, und es bildet sich der Komplex [Ag(NH3)2]+. Dieser gibt ganz andere Umsetzungen als das gewöhnliche h y d r a t i s i e r t e Silberion. Während z. B. Chlorionen die Hydrathülle des Ag+-Ions beiseite schieben, so daß sich schwer lösliches Silberchlorid bildet, lassen sich die Ammoniakmolekeln. durch Chlorionen nicht verdrängen; Natriumchlorid-Lösung fällt deshalb aus ammoniakalischer Lösung kein Silberchlorid. Umgekehrt wird bei der Umhüllung des_ Silberteilchens mit Ammoniakmolekeln die Anziehung der Ag+- und Cl -Teilchen überwunden; das in Wasser nahezu unlösliche Silberchlorid löst sich, wie wir S. 19 u. 97 gesehen haben, in Ammoniak-Lösung glatt auf. Sorgt man dafür, daß der [Ag(NH3)2]+-Komplex zerstört wird, so findet man wieder die Umsetzungen der normalen hydratisierten Silberionen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn man ansäuert und so die NH3-Molekeln durch Zugabe von H+-Ionen in NH4+-Ionen überführt. Diese NH4+-Ionen werden natürlich nicht von den Ag+-Ionen gebunden; denn einmal besitzen sie kein Dipolmoment mehr und außerdem werden sie wegen ihrer positiven Ladung von dem Ag+-Teilchen abgestoßen. 3. Man fälle aus Silbernitrat-Lösung mit Natriumchlorid-Lösung Silberchlorid und löse dies durch Zugabe von Ammoniak - Lösung wieder auf. Zu dieser Lösung gebe man eine beliebige starke Säure (z. B. Salpeter- oder Schwefelsäure). Es fällt wieder SilberChlorid aus: ^ ^ ^ + 2 H + = Ag+ + 2 N H + . Komplexsalze kennt man auch im festen Zustande, und zwar sowohl Ionen- als auch Dipolkomplexe. Zu den ersteren gehört z. B. das feste Kaliumcyanoferrat(II), zu den'letzteren die H y d r a t e und Ammoniakate, z.B. CaS0 4 -2H 2 0 1 ) Calciumsulfatdihydrat („Gips"), CuS0 4 -5H 2 0 Kupfersulfatpentahydrat („Kupfervitriol"), [Cu(NH3)1]S04-H20Tetramminkupfer(II)') In den meisten Fällen weiß man noch nicht, ob die Wassermolekeln nur an das Metallteilchen gebunden sind oder ob ein Teil von ihnen dem Säurerest zuzuordnen ist. Daher gibt man nur die oben angeführten Bruttoformeln, nicht Komplexformeln mit eckigen Klammern an.

Komplexverbindungen und Doppelsalze

101

sulfatmonohydrat, [Co(NH3)6](N03)3 Hexamminkobalt(III)-nitrat usw. Bezgl. der Namen vgl. S. 102. I I I . Doppelsalze. Es gibt Stoffe, die imkristallisiertenZustande, ebenso wie die Ionenkomplexe, aus zwei oder mehreren einfachen Salzen zusammengesetzt sind und sich in ihren kristallographischen usw. Eigenschaften durchaus von einem Gemenge ihrer Bestandteile unterscheiden. Im Gegensatz zu den Komplexverbindungen zeigen sie jedoch in wäßriger L ö s u n g die Reaktionen sämtlicher Einzelionen; sie verhalten sich also wie ein Gemisch der Lösungen der Einzelsalze. Solche „ D o p p e l s a l z e " erhält man in der Regel dadurch, daß man eine Lösung, die die Einzelsalze enthält, zur Kristallisation bringt. So entsteht z. B. aus Kalium- und Aluminiumsulfat der K a l i u m a l a u n KA1(S04)Ü • 12H 2 0. Hierher gehören ferner die anderen Alaune, wie NH4A1(S04)2- 12H 2 0, KCr(S0 4 ) 2 -12H 2 0, das Mohrsche Salz (NH4)2Fe(S04)26H 2 0 (das übrigens nicht zu den Alaunen gehört!), der Carnallit KMgClg • 6 H 2 0 U. a. 4. Man versetze drei Proben von Kalium aZaim-Lösung gesondert mit verdünnter Überchlor säure, Ammoniak- und BariumchloridLösung. Es treten die normalen Niederschläge von Kaliumperchlorat, Aluminiumhydroxyd und Bariumsulfat auf. IV. Starke und schwach e Komplexe. Doppel- und Komplexsalze sind idealisierte Grenzfälle, zwischen denen es in Wirklichkeit die mannigfachsten Ü b e r g ä n g e gibt. Völlig undissoziierte Komplexe kennt man ebensowenig wie vollkommen unlösliche Stoffe. So ist z. B. der [Fe(CN)6]4 "-Komplex doch in ganz geringem Umfange in Fe 2 + und CN "-Ionen dissoziiert. Freilich ist bei diesem „starken" Komplex der Grad dieser Dissoziation so schwach, daß er nur durch physikalische Methoden nachgewiesen werden kann. Dagegen gibt es keine chemische Methode, um die Fe 2+ -Ionen nachzuweisen. Auch die CN _ -Ionen lassen sich bei Zimmertemperatur 1 ) nicht chemisch erfassen. Selbst in salzsaurer Lösung genügt das Bestreben der H+-Ionen, undissoziierte Blausäure zu bilden, nicht, um CN _ -Ionen aus dem Komplex herauszuziehen. 5. Man versetze Kaliumcyanoferrat(II)Lösung reichlich mit verdünnter Salzsäure. Es tritt kein Geruch nach Blausäure auf, der schon bei der Gegenwart sehr geringer Mengen dieser Säure merklich wäre. Dagegen sind z. B. die Silberionenkomplexe [Ag(CN)2]~ und [Ag(NH3)2]+ nur mäßig stark; sie sind doch so weit in Ag + - und CN~-Ionen bzw. Ag+Ionen und NH3-Molekeln dissoziiert, daß man die einzelnen Bestandteile durch genügend empfindliche Reaktionen nachweisen kann. Die Dissoziation der Komplexe wird durch die Gleichgewichtskonstante gemessen, die bei dem zweiten Komplex durch den Ausdruck [Ag+][NH 3 ] 2 /[[Ag(NH 3 ) 2 ]+] = K [ A g ( N H j ) > ] + gegeben ist. Man nennt sie deshalb auch die Beständigkeitskonstante des Komplexes. Sie ist in diesem Falle zu klein, als daß die Konzentration an Ag+-Ionen ausreichte, um mit der in Lösungen erreichbaren Konzentration an Cl_-Ionen das verhältnismäßig große Löslichkeitsprodukt des Silberchlorides zu erreichen. Die Silberionenkonzentration ist aber groß genug, daß auf Zugabe von Jod- bzw. Sulfidionen die Löslichkeitsprodukte vom Silberjodid bzw. Silbersulfid überschritten werden. l

) Wohl aber bei höheren Temperaturen; vgl. S. 123, Nr. 26.

102

Komplexverbindungen und Doppelsalze

6. Man versetze eine Lösung von Silberchlorid Lösung mit Lösungen von: Natriumchlorid'. Es fällt kein Silberchlorid. Kaliumjodid: Es fällt Silberjodid aus. Ammoniumsulfid: Es fällt Silbersulfid.

in

Ammoniak-

7. Entsprechendes gilt für den Komplex [Ag(CN) 2 ]~. Man versetze etwas Silbernitrat-Lösung mit so viel Natriumcyanid-Lösung, daß der Niederschlag von Silbercyanid eben wieder in Lösung geht, und prüfe mit folgenden Lösungen: Natriumchlorid: Es fällt kein Silberchlorid. Natronlauge: Es fällt kein Silberoxyd. Ammoniumsulfid: Es fällt Silbersulfid. Verdünnte Salpetersäure: Die Lösung riecht nach Blausäure; außerdem fällt Silbercyanid wieder aus. Durch die H+-Ionen der starken Salpetersäure wird gemäß [H+][CN-]/[HCN] = K h c n unter Bildung freier Blausäure die CN~-Ionenkonzentration in der Lösung so weit herabgesetzt, daß das Gleichgewicht [Ag+][CN-]V[Ag(CN)2]- = K ( A g ( C N ) s ] gestört wird und der Komplex zerfällt, wobei die gebildeten CN~-Ionen immer wieder von den H+-Ionen abgefangen werden. Andererseits ist die CN - -Ionenkonzentration trotz der Anwesenheit der H+-Ionen der Salpetersäure noch so groß, daß das Löslichkeitsprodukt des Silbercyanids überschritten wird. Als verhältnismäßig schwache Komplexe werden wir S. 110 die Ionen der Cyanozink- und der Cyanocadmiumsäure kennenlernen. V. Innere Komplexsalze. Eine Reihe von Metallionen, insbesondere 3wertige, wie Al3+, Fe 3 + usw., aber auch z. B. Cu 2+ , werden, wie bereits S. 89, Nr. 8 erwähnt wurde, durch organische Stoffe, die gleichzeitig durch Metall ersetzbaren Wasserstoff und Dipolgruppen (z.B. die Hydroxylgruppe — OH) enthalten, wie Weinsäure, Zucker usw., in wäßriger Lösung so fest komplex gebunden, daß sie mit manchen Reagentien, z. B. Alkalihydroxyden, nicht mehr fällbar sind. In solchen Lösungen ist das Metallion in z w e i f a c h e r Weise an den organischen Rest gebunden, einerseits salzartig durch Ersatz des Wasserstoffs, andererseits an die Dipolgruppe des organischen Restes. Derartige Verbindungen nennt man „ i n n e r e " K o m p l e x s a l z e . Die oben genannten Beispiele sind besonders deshalb von Bedeutung, weil man so verhindern kann, daß durch Zugabe von alkalischen Reagentien die Hydroxyde Al(OH)3, Cu(OH)2 usw. ausfallen. Andererseits stört dieses Verhalten gelegentlich bei der Analyse von Substanzen, die hydroxylhaltige organische Stoffe enthalten (z. B. beim Nachweis von Metallgiften in Speisen); man muß daher die organischen Bestandteile in diesem Falle vorher zerstören. — Zu der Klasse der inneren Komplexsalze gehört auch das S. 127, Nr. 6 zu besprechende Nickel diacetyldioxim. VI. Die Namengebung für die Komplexverbindungen erfolgt nach den internationalen Richtsätzen auf Grundlage der Regeln, die wir S. 50/51 besprachen. Der Name des Kations steht an erster Stelle, der des Anions, das im allgemeinen durch die Endung -at gekennzeichnet wird,

Kupfer

103

an zweiter. Beim Kation wie beim Anion gehen dem Namen des Zentralteilchens die Namen der Liganden (vgl. S. 99) voraus, letztere meist mit der Endung -o (C1 = chloro, ,H 2 0 = aquo usw., aber NH 3 = ammin), während die Wertigkeit durch eine angehängte römische Ziffer angegeben wird, also z . B . : [CO(NH3)6]C1? Hexamminkobalt(II)-chlorid, K4[Fe(CN)6] Kalium hexacyanoferrat(II). Diese Art der Benennung geht im wesentlichen zurück auf A l f r e d W e r n e r , den erfolgreichsten Forscher auf dem Gebiete der Komplexverbindungen. Kupfer Kupfer tritt ein- und zweiwertig auf. Die Kupfer(II)-verbindungen stellen eine der seltenen Ausnahmen von der Regel dar, daß die höchste positive Elektrovalenzzahl eines Elementes gleich seiner Gruppennummer im PeriodenSystem ist (vgl. S. 31). Die Verbindungen des einwertigen Kupfers (früher als Cuproverbindungen bezeichnet) entsprechen in ihren Eigenschaften weitgehend den Silberverbindungen. Sie sind in der Regel wenig beständig und werden leicht zu den Verbindungen der zweiwertigen Stufe oxydiert. Am beständigsten sind unter den Kupfer (I)-verbindungen das Jodid CuJ (Kupfer(II)-jodid zerfällt in Kupfer(I)-jodid und Jod!), das Cyanid CuCN, das Rhodanid CuSCN und das Oxyd Cu 2 0. Die Verbindungen des zweiwertigen Kupfers (früher Cupriverbindungen) sind denen des zweiwertigen Nickels und Eisens (vgl. S. 126 u. 118) ähnlich. Sie sind in kristallwasserhaltiger Form blau oder grün gefärbt. Die Neigung zur Komplexbildung ist bei beiden Wertigkeitsstufen ausgeprägt. Das Metall ist in reinem Zustande hellrot; meist ist es durch oberflächliche Oxydation dunkler gefärbt. Es schmilzt bei 1083°; ein nicht zu dicker Kupferdraht kann in der Flamme des Bunsenbrenners zum Schmelzen gebracht werden. Kupfer ist wesentlich unedler als Silber; das Oxyd zersetzt sich beim Erhitzen auf Rotglut nicht. 1. Kupferhalogenide färben die Flamme b l a u mit grünem Saum. Das Nitrat und andere Verbindungen färben die Flamme gleichmäßig g r ü n . Man bringe mit dem Platindraht einmal etwas Kupferchlorid, ein anderes Mal etwas Kupfernitrat .in die entleuchtete Bunsenflamme. Nach dem Erkalten sieht der Draht schwarz aus, weil sich oberflächlich eine Schicht von Kupferoxyd gebildet hat. Mit verdünnter Salpetersäure läßt sich diese leicht wieder ablösen. 2 . Die Phosphorsalzperle wird durch Kupferverbindungen in der Oxydationsflamme g r ü n gefärbt. Bringt man zu der Perle ein Stückchen Zinn und glüht nochmals, aber jetzt in der Reduktionsflamme, so wird die Perle infolge der Reduktion des zweiwertigen Kupfers undurchsichtig und d u n k e l r o t , etwa von der Farbe des Packsiegellacks. Man führe diesen Versuch an einem Magnesiastäbchen, nicht am Platindraht durch, da sich das Platin mit dem Zinn legieren würde. Beim Auflösen von Kupfermetall in warmer Salpetersäure oder heißer konzentrierter Schwefelsäure entstehen Verbindungen des ') Weitere Ausnahmen kommen nur noch beim Gold (ein- und dreiwertig) und einigen seltenen Erden (vgl. S. 179) vor.

104

Kupfer

z w e i w e r t i g e n K u p f e r s (Kupfer(II)-nitrat bzw. -sulfat). Uber die Reaktionen der Kupfer(IJ)-salse unterrichten folgende Versuche: 3 . Natriumhydroxyd: Es fällt matt-grünlichblaues K u p f e r ( I I ) h y d r o x y d aus, das beim Aufkochen der Masse zuerst braun und weiterhin schwarz wird, weil es unter Wasserabspaltung über Zwischenstufen in wasserfreies K u p f e r ( I I ) - o x y d übergeht. CuS0 4 + 2 N a O H = Cu(OH) 2 + Na 2 S0 4

Cu(OH)2 = H20 + CuO . 4 . Ammoniak fällt, wenn es in geringer Menge zugesetzt wird, ebenfalls Kupfer(II)-hydroxyd aus. Ein Überschuß von Ammoniak löst die Fällung, wobei sich tiefblau gefärbte T e t r a m m i n k o m plexionen bilden: CuS0 4 + 2 N H 3 + 2 H 2 0 = Cu(OH) 2 + Cu(OH) 2 + 4 N H 3 =

(NH 4 ) 2 S0 4

[CU(NH 3 ) 4 ] 2 +

+ 2OH- .

5. Schwefehvasserstoff fällt schwarzbraunes K u p f e r ( I I ) - s u l f i d . Die Fällung werde heiß und in saurer Lösung durchgeführt, da sich dann der Niederschlag leichter in gut filtrierbarer Form absetzt (vgl. auch S. 143). Feuchtes Kupfersulfid oxydiert sich an der Luft leicht zum Sulfat. Läßt man z. B. ein feuchtes Kupfersulfid enthaltendes Filter eine Stunde lang stehen und wäscht dann mit Wasser aus, so geht das gebildete Kupfersulfat in Lösung, und das Filtrat ergibt mit Schwefelwasserstoffwasser eine durch das Ausfallen von etwas Kupfersulfid bewirkte leichte Braunfärbung. 6. Schwefelammonium fällt ebenfalls Kupfer(II)-sulfid. Mit gelbem Schwefelammonium ist die Fällung nicht ganz vollständig; es bleibt etwas Kupfer gelöst. 7. Natriumcarbonat fällt b a s i s c h e s K u p f e r ( I I ) - c a r b o n a t von wechselnder Zusammensetzung. 8. Kaliumcyanoferrat(II) fällt aus neutraler oder schwach saurer Lösung braunes K u p f e r ( I l ) - c y a n o f e r r a t ( I I ) , in dem meist ein Teil des Kupfers durch Kalium ersetzt ist. 2CuS0 4 + K 4 [Fe(CN) 6 ] = Cu 2 [Fe(CN) 6 ] +

2K2S04.

Zur Herstellung von Verbindungen der einwertigen Stufe geht man in der Regel ebenfalls von Kupfer(II)-salz-Lösungen aus. 9 . Am leichtesten ist das Kupfer(I)-jodid herzustellen. Gibt man zu einer Kupfer(II)-salz-Lösung Kaliumjodid, so fällt unter Abscheidung von Jod K u p f e r ( I ) - j o d i d .

2CuS04 + 4KJ = 2CuJ + J2 + 2K2S04.

Kupfer

105

Durch Zugabe von Schwefligsäure-Lösung wird das braune Jod zu Jodwasserstoff reduziert, und die weiße Farbe des Kupfer(I)-jodidniederschlages wird deutlich erkennbar. 10. Kv/pfer(II)-chlorid und -bromid zerfallen in Lösung nicht von selbst in die Kupfer(I)-verbindung und freies Halogen. Hier ist die Anwendung von Reduktionsmitteln erforderlich. Zur Reduktion sind schweflige Säure oder auch Kwpfermetall brauchbar. Man gebe in ein Reagenzglas eine stark saizsaure Lösung von Kupfer(II)chlorid oder -sulfat, füge etwas Kupferpulver zu und koche auf. Das dabei gebildete Kupfer(I)-chlorid bleibt, ähnlich wie Silberchlorid in konzentrierter Salzsäure, gelöst als D i c h l o r o k u p f e r ( I ) säure: CuCl2 + Cu = 2CuCl CuCl + HCl = HCUC1 2 . Die zunächst grüne Lösung färbt sich zunächst dunkel 1 ), und wird dann fast farblos. Man gieße die Lösung so in viel Wasser, daß das Kupferpulver zurückbleibt. Der Komplex zerfällt, und das schwer lösliche farblose K u p f e r ( I ) - c h l o r i d fällt aus. Filtriert man den Niederschlag ab, so färbt er sich schon nach kurzer Zeit grün, weil feuchtes Kupfer(I)-chlorid an der Luft sehr leicht zu basischem Kupfer(II)-chlorid oxydiert wird. 11. In der Mitte zwischen dem beständigen Kupfer(I)-jodid und dem leicht oxydablen Kupfer(I)-chlorid stehen die Rhodan- und die Cyanverbindung. Kupfer(II)-sulfatlösung gibt auf Zusatz einer Lösung von Kaliumrhodanid einen schwarzen unbeständigen Niederschlag von K u p f e r ( I I ) - r h o d a n i d . CuS0 4 + 2KSCN = CU(SCN)2 + K 2 S 0 4 . Setzt man reichlich Schwefeldioxyd - Lösung hinzu, so wird der schwarze Niederschlag heller und nach einiger Zeit weiß; er wird zu K u p f e r ( I ) - r h o d a n i d reduziert. 2Cu(SCN)2 + S0 2 + 2 H 2 0 = 2CuSCN + 2HSCN + H 2 S 0 4 . Kupfer(I)-rhodanid ist in Wasser sehr wenig löslich und kann deshalb zur quantitativen Fällung von Kupfer verwendet werden. 12. Etwas verwickelt ist die Einwirkung von Cyanionen auf Kupfer(II)-salzlösungen. Wird frisch bereitete Natriumcyanid-Lösxxng t r o p f e n w e i s e zu Kupfer(II)-sulfat-Lösung gesetzt, so fällt unbeständiges hellbraunes K u p f e r ( I I ) - c y a n i d aus; es wird bald Diese dunkle Farbe rührt wahrscheinlich von Kupfer (I, II)-Verbindungen her.

106

Kupfer

heller und zuletzt — schneller beim Erwärmen — weiß, indem es unter C y a n b i l d u n g in K u p f e r ( I ) - c y a n i d übergeht. CuS0 4 + 2NaCN = Cu(CN)2 + N a 2 S 0 4 2Cu(CN) 2 = 2CuCN + (CN) 2 . Der Übergang in Kupfer(I)-Cyanid erfolgt auf Zusatz Schwefeldioxyd-Lösxmg rascher.

von

13. Gibt man viel Cyanid-Lösung zu einer Kupfer(II)-salzLösung, so löst sich alles zu einer farblosen Lösung, in der das Kupfer in Form eines sehr beständigen K o m p l e x e s [Cu(CN)4]3~ mit e i n w e r t i g e m Kupfer vorhanden ist, der nach der Gleichung Cu(CN) + 3NaCN = Na 3 [Cu(CN) 4 ] entsteht. I n diesem Falle bildet sich kein Cyan 1 ). 14. Das Anion [Cu(CN)4]3~ ist außerordentlich wenig dissoziiert und gibt keine Kupferreaktionen mehr. Man setze zu einer Probe der Lösung etwas Natronlauge: es fällt nichts aus. Dann füge man etwas Ammoniumsulfid - Lösung hinzu: es erfolgt ebenfalls keine Fällung 2 ). Von H+-Ionen wird der Komplex jedoch zerstört. Man gebe zu einer Probe der farblosen Flüssigkeit etwas Salzsäure. Es entsteht B l a u s ä u r e , die am Geruch zu erkennen ist (Vorsicht!), und K u p f e r ( I ) - c y a n i d scheidet sich in weißen Flocken aus. Schließlich ist als beständige Verbindung des einwertigen Kupfers noch das JKupfer(I)-oxyd zu nennen. Um dieses herzustellen, reduziert man am besten eine alkalische Lösung eines Kupfer(II)-salzes. Um zu verhindern, daß durch den Alkalizusatz Kupfer(II)-hydroxyd ausfällt, muß man — wie es S. 102 besprochen ist — geeignete hydroxylhaltige organische Stoffe zugeben. Viel verwendet wird zu diesem Zwecke Weinsäure.

15. Man gebe zu einer Probe Kupfer{II)-sulfat- Lösung etwa den doppelten Raumteil Weinsäure-Lösung und dann Natronlauge. Es entsteht-eine tiefblaue Lösung, die das Natriumsalz einer innerkomplexen K u p f e r w e i n s ä u r e enthält. Diese Lösung f ü h r t den Namen „ F e h l i n g s c h e Lösung". Man setze zu einer Probe F e h l i n g s c h e r Lösung als Reduktionsmittel ein wenig Traubenzucker - Lösung und erwärme die Mischung. Es scheidet sich zuerst gelbes, bald dichter und dabei rot werdendes K u p f e r ( I ) - o x y d ab. Diese Probe wird in der physiologischen Chemie zum Nachweis von Zucker im H a r n usw. benutzt. ') Die (CN)2-Molekeln setzen sich nämlich mit den durch Hydrolyse in der NaCN-Lösung gebildeten OH _ -Ionen nach der Gleichung (CN)2 + 2 0 H = OCN - + C N - + H 2 0 ZU Cyanat- und Cyanidionen um. Dies entspricht völlig der S. 162 f. zu behandelnden Umsetzung der Halogene mit OH _ -Ionen. 2 ) Man beachte das abweichende Verhalten des Natriumcvanocadmats (vgl. S. 110, Nr. 12 u. S. 111, Nr. 5)!

Elektroaffinität

107

Elektroaffinität 1 . Etwas blankes Eisen, etwa eine saubere Messerklinge, werde in Kwpfer(II)-sulfat-Lösxmg gegeben. Die Klinge färbt sich rot, weil sich K u p f e r a b s c h e i d e t , während eine äquivalente Menge E i s e n sich auflöst: ±o ±o Fe + Cu 2+ = Fe 2 + + Cu . Dieser Versuch zeigt, daß die beiden Metalle Kupfer und Eisen eine verschieden große Neigung haben, positiv geladene Ionen zu bilden; das Kupferion hält die positive Ladung nicht sehr fest und wird daher durch das Eisen entladen. Das unedlere Eisen hat eine größere positive „Elektroaffinität" als das edlere Kupfer. Durch ganz entsprechende Versuche kann man eine Reihenfolge für die Elektroaffinitäten aller Metalle festlegen. Die so erhaltene Reihe bezeichnet man auch als „ S p a n n u n g s r e i h e w e i l man sie, wie im einzelnen in der Vorlesung gezeigt wird, durch die. Messung elektrischer Spannungen zahlenmäßig genau festlegen kann. Für einige wichtige Metalle sei diese Reihenfolge angeführt: (Unedel) Na, Mg, Zn, Fe, Ni, Pb, H 2 , Cu, Hg, Ag, Au (Edel). In ihr stehen am Anfange die unedelsten Metalle, am Ende die Edelmetalle. Die Beobachtung, daß Eisenmetall Kupferionen entladen kann, kommt in der Spannungsreihe dadurch zum Ausdruck, daß Eisen vor Kupfer steht. Das gleiche gilt für die S. 96 behandelte Reduktion von Silberchlorid, d. h. also von Silberionen durch Zinkmetall. Man sieht aus der Spannungsreihe, daß man für diese Reduktion ebensogut ein anderes Metall, etwa Magnesium oder Eisen, benutzen könnte. In der Spannungsreihe ist auch der Wasserstoff angeführt, obwohl es sich gar nicht um ein Metall handelt. Das ist jedoch für die hier vorliegende Fragestellung belanglos; wesentlich ist vielmehr, daß er wie die Metalle positive Ionen zu bilden vermag. So geht z. B. aus der Spannungsreihe hervor, daß alle Metalle, die vor dem Wasserstoff stehen, in der Lage sind, H+-Ionen zu entladen; sie lösen sich also in verdünnten Säuren. Auf der anderen Seite lassen sich Kupfer und Silber mit verdünnten Säuren nicht in Lösung bringen; sie sind edler als Wasserstoff. Um diese edlen Metalle zu lösen, muß man konzentriertere Lösungen von Sauerstoffsäuren wie Salpetersäure verwenden, deren undissoziierte Molekeln stärker oxydierend wirken als die H+-Ionen. positives Ion ist auch der Wechsel Ähnlich wie der Übergang Metall der p o s i t i v e n W e r t i g k e i t , etwa der Übergang Fe2+ ->• Fe+ 3 bzw. Sn 2 + -> H g ± 0 + H g 2 + , vgl. S. 37), z. B. unter der Einwirkung von Ammoniak. Dieses bildet z. B. mit Quecksilber(/)-chlorid zunächst Q u e c k s i l b e r ( I ) - a m i n o c h l o r i d (etwa Hg2NH2Cl), das dann bei längerer Einwirkung von Ammoniak in Q u e c k s i l b e r und Quecksilber (II)-aminochlorid zerfällt. Die Gesamtgleichung lautet demnach Hg2Cl2 + 2NH 3 = Hg + Hg(NH2)Cl + NH4C1. Man führe den Versuch aus. Der Niederschlag sieht schwarz aus, da das fein verteilte Quecksilber den Präzipitatniederschlag dunkel färbt. Nach dieser Reaktion bezeichnet man das Quecksilber (I)chlorid auch als „ K a l o m e l " (schön schwarz). 21. Kaliumjodid: Wird wenig Kaliumjodid-Lösung zu Quecksilber(I)-nitrat-Lösung gesetzt, so fällt ein dunkelgrüngelber Niederschlag von Q u e c k s i l b e r ( I ) - j o d i d . Bei Erwärmen der Mischung geht das Quecksilber(I)-jodid in ein Gemisch von rotem Quecksilber(II)-jodid und feinst verteiltem grauen Quecksilber über. Auf Zusatz eines Kaliumjodidüberschusses löst sich das Quecksilber(II)jodid, so daß die Fällung dann rein grau erscheint. Hg2(N03)2 + 2 K J = Hg 2 J 2 + 2KN0 3 Hg 2 J 2 = HgJ 2 + Hg . 22. Natronlauge und Schwefelwasserstoff geben dunkel gefärbte Niederschläge, die aus Quecksilbermetall und Quecksilber(II)oxyd bzw. -sulfid bestehen.

Übergangselemente Von den Elementen der g r o ß e n Perioden des Perioden-Systems (vgl. Tafel I am Ende des Buches) schließen sich sowohl die ersten (d. h. die Gruppen Ia, I I a usw.) als auch die letzten (d. h. die Gruppen V l l b , V l b usw.) in ihrem chemischen Verhalten eng an die Elemente der entsprechenden Gruppen in den beiden ersten, k l e i n e n Perioden an. Die mittleren Elemente der großen Perioden hingegen nehmen eine gewisse Sonderstellung ein; man nennt sie Übergangselemente. Von diesen behandeln wir an dieser Stelle ausführlicher von der ersten jener Reihen die Eisengruppe (Eisen, Kobalt, Nickel) sowie Chrom und Mangan. Über die wichtigsten übrigen Übergangselemente findet man einige Angaben auf S. 180ff. Die Elemente dieser Reihen sind dadurch ausgezeichnet, daß sie fast durchweg Verbindungen mehrerer Wertiglceitsstufen bilden; in vielen Fällen ist dabei die Maximalwertigkeit kleiner als es der Gruppenzahl entspricht. Infolge dieses Auftretens mehrerer Wertigkeitsstufen ist die Chemie dieser Elemente oft verwickelt. Für eine erste Übersieht ist die Regel nützlich, daß das chemische Verhalten (Basen- bzw. Säurecharakter, Löslichkeit usw.; vgl. auch S. 85 u. 94) in erster Linie von der Wertigkeit bestimmt wird. So zeigen alle zweiwertigen Verbindungen dieser Gruppe Ähnlichkeit mit den Verbindungen des Magnesiums und noch mehr mit denen des zwei-

Eisengruppe — Eisen

117

wertigen Kupfers. Die d r e i wertigen ähneln vielfach den AluminiumVerbindungen. Die Chromate mit sechswertigem Chrom sind den Sulfaten ähnlich usw. Dadurch ist es verhältnismäßig leicht, ein übersichtliches Bild über die Eigenschaften der verschiedenen Verbindungen zu erhalten. Für das chemische Verhalten dieser Elemente ist ferner charakteristisch, daß der Übergang von einer WertigUeitsstufe in eine andere oft sehr leicht erfolgt; infolgedessen ist mit der Möglichkeit von Disproportionierungen (vgl. S. 37) bzw. Oxydations-Reduktions-Reaktionen zu rechnen. Einzelne Verbindungen, z. B. die Chromate und Permanganate, sind starke, viel benutzte Oxydationsmittel. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Mehrzahl der in diesem Abschnitt zu behandelnden Verbindungen im Gegensatz zu den meisten der bisher besprochenen farbig ist. Dabei tritt die schon S. 30 hervorgehobene Erscheinung sehr deutlich auf, daß die wasserfreien Salze oft eine andere Farbe besitzen als die Hydrate bzw. die wäßrigen Lösungen: FeCl2jFeBr2

FeJ 2

CoCl2|CoBr2

CoJ2

NiCl2 NiBr2

wasserfrei farb- gelb- ¡schwarz' blau i grün schwarz gelb los lieh j j Hydrat bzw. wäßrige Lösung

bläulich bis grünlich

rosa

NiJ 2

gelb schwarz

apfelgrün

Eisengruppe Die Elemente Eisen, Kobalt und Nickel widersprechen den Regelmäßigkeiten des Perioden-Systems insofern, als das Atomgewicht des Kobalts größer ist als das des Nickels (vgl. die Tafel I am Ende des Buches). Über die Wertigkeitsverhältnisse unterrichtet die nachstehende Tabelle, in der die unbeständigen Verbindungen des sechswertigen Eisens, wie z. B. BaFe0 4 , sowie die ebenfalls äußerst instabilen Komplexverbindungen der einwertigen Stufe nicht berücksichtigt sind:

Eisen Kobalt Nickel

Überhaupt vorkommende Wertigkeiten

Beständigste Stufe in einfachen Verbindungen

zwei und drei zwei und drei zwei *)

drei zwei zwei

Beständigste Stufe in Komplexverbindungen | j j

zwei drei zwei

Eisen Das Eisen ist ein grauweißes Metall. Technisch unterscheidet man einerseits kohlenstoffreiches Eisen (mehr als 1,7% Kohlenstoff): „ R o h e i s e n " , „ G u ß e i s e n " und andererseits kohlenstoffarmes Eisen (weniger als 1,7% Kohlenstoff): „schmiedbares E i s e n " , „ S t a h l " . Außerdem enthält 1

) Dazu noch eine unbekannte höhere Wertigkeitsstufe in wasserhaltigen Oxyden.

118

Eisen

das Roheisen nicht unerhebliche Mengen von Si und Mn sowie meist von S und P; beim Stahl sind Si, S und P nur in Spuren vorhanden. Roheisen schmilzt bei 1000—1100°, schmiedbares Eisen —- je nach seinem Kohlenstoffgehalte — höher. Der Schmelzpunkt des reinen Eisens liegt bei 1530°. An trockener Luft hält sich das Eisen bei Raumtemperatur beliebig lange; in Gegenwart von Feuchtigkeit wird es durch Luft allmählich zu wasserhaltigem Eisen(III)-oxyd Fe 2 0 3 („Rost") oxydiert. Da diese Rostschichten porös sind, können sie — im Gegensatz zum Aluminium — das Eisen vor weiteren Angriffen nicht schützen. Man muß daher das Metall mit Anstrichen von Ölfarben usw. versehen. Auch kann man es durch Glühen und geeignete Behandlung („Brünieren", z. B. bei Gewehrläufen) mit einer dichten glatten schwarzen Schicht von Oxyden überziehen, die es vor weiterer Oxydation schützt. Mit reinem Sauerstoff setzt sich Eisen nach Einleitung der Reaktion durch Erhitzen energisch um („autogenes Schneiden"); desgl. mit Schwefel. Die Verbindungen der zweiwertigen Stufe (früher als Ferro Verbindungen bezeichnet) sind in wäßriger Lösung bläulich-grünlich, die der d r e i wertigen Stufe (früher Fernverbindungen) gelbbraun. Das Verhalten der letzteren unterscheidet sich von dem der Aluminiumverbindungen vor allem dadurch, daß Eisen(III)-hydroxyd sich nicht in Natronlauge löst. Verbindungen, die zwei- u n d d r e i w e r t i g e s E i s e n , d. h. also zwei verschiedene Wertigkeitsstufen, gleichzeitig enthalten (Magnetit FeO-Fe 2 O a und das S. 122 zu besprechende Berliner Blau), zeichnen sich durch i n t e n s i v e F a r b e n aus; es entspricht dies einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit. 1. Etwas Eisensalz färbt die Phosphorsalzperle in der Oxydationsflamme gelb. Beim Abkühlen blaßt die Farbe ab; falls nur wenig Eisensalz genommen war, verschwindet sie ganz. 2 . Etwa 1 g Eisenspäne werde in nicht zuviel verdünnter Salzsäure, der etwas konzentrierte Salzsäure zugesetzt ist, gelöst (Abzug). Es entweicht Wasserstoffgas, das durch eine kleine Beimengung übelriechender anderer Gase verunreinigt ist. Im Kölbchen bleibt eine grüne Lösung von E i s e n ( I I ) - c h l o r i d FeCI2, die vom Ungelösten abfiltriert werde. Fe + 2 HCl = H 2 + FeCl 2 . 1iisen(II)-salze. Ein Teil dieser Lösung werde zu den folgenden Umsetzungen der Eisen(II)-verbindungen benutzt, die sofort auszuführen sind, da sich die Eisen(II)-chlorid-Lösung an der Luft schnell oxydiert. Der Rest der Lösung werde für spätere Versuche zurückgestellt. 3 . Natronlauge fällt grünlich-weißes flockiges hydroxyd. FeCl 2 + 2 N a O H = Fe(OH) 2 + 2 N a C l .

E i s e n (II)-

Der Niederschlag wird beim Umschütteln dunkelgrün, dann dunkelgrau und schließlich von oben her rotbraun: er wird durch den Luftsauerstoff zu E i s e n ( I I I ) - h y d r o x y d oxydiert. Ganz reines Eisen(II)-hydroxyd sieht weiß aus. 4Fe(OH) 2 + 0 2 + 2 H 2 0 = 4 F e ( O H ) 3 .

U9

Eisen

4. Ammoniak fällt ebenfalls E i s e n ( I I ) - h y d r o x y d . Die Fällung ist unvollständig. Sind in der Lösung reichlich Ammoniumsalze vorhanden, so unterbleibt die Fällung (vgl. S. 85). 5. Natriumperoxyd: Setzt man zu einer Eisen(II)-salz-Lösung eine frisch und ohne Erwärmung bereitete Lösung von Natriumperoxyd, so fällt sofort ein dichter flockiger Niederschlag von rotbraunem E i s e n ( I I I ) - h y d r o x y d aus. 6. Natriumcarbonat

fällt weißes

Eisen(II)-carbonat.

FeCl 2 + Na 2 C0 3 = FeC0 3 + 2 N a C l . Unter dem Einflüsse des Luftsauerstoffs wird der Niederschlag bald oxydiert; er geht schließlich in Eisen(III)-hydroxyd über, weil Eisen(III)-carbonat als Salz einer schwachen Base und einer schwachen Säure hydrolytisch vollständig zerfällt. 7. Schwefelwasserstoff fällt aus saurer Lösung nichts. Auch aus neutraler Lösung scheidet sich nur ein sehr geringer Niederschlag des s c h w a r z e n E i s e n ( I I ) - s u l f i d e s FeS ab, da die bei der Ausfällung des Sulfides frei werdende Säure die weitere Ausfällung hindert.

FeCl 2 + H 2 S = FeS + 2 H C l .

Wesentlich weiter geht die Abscheidung des Sulfides bei Anwesenheit von viel Natriumacetat. Vollständig ist die Fällung jedoch nur in alkalischer Lösung. 8. Ammoniumsulfid fällt schwarzes E i s e n ( I I ) - s u l f i d . Hat man g e l b e s Schwefelammonium im Überschuß zugesetzt, so nimmt die Lösung meist eine grüne Farbe an. Diese rührt davon her, daß ein Teil des Eisen(II)-sulfids zunächst in kolloider Form (vgl. S. 142f.) gelöst bleibt. Beim Filtrieren erhält man ein klares grünes Filtrat; läßt man es stehen, so fällt nach einiger Zeit weiteres Eisen (II)sulfid in schwarzen Flocken aus. Feuchtes Eiseri(II)-sulfid oxydiert sich an der Luft leicht zu basischem Eisen(III)-sulfat und verhält sich dann beim Auswaschen entsprechend, wie es beim Kupfersulfid beschrieben ist (vgl. S. 104, Nr. 5). 9. Natriumphosphat: Zu einer Probe Eisen(II)-chlorid-Lösung setze man reichlich Ammoniumchlorid-Tiösung, mache ammoniakalisch und füge Natriumphosphat-Lösung hinzu; es fällt E i s e n ( I I ) - a m m o n i u m p h o s p h a t aus. FeCl2 + N a 2 H P 0 4 + NH 3 = Fe(NH 4 )P0 4 + 2NaCl. Eisen(llJ)-salze. 10. Um zum Eisen(III)-salz zu oxydieren, setze man zu der Eisen(II)-chlorid-Lösung etwas konzentrierte Salpetersäure und erwärme. Die Lösung wird erst dunkel und hellt sieh dann plötzlich zu einer gelben Flüssigkeit auf.

120

Eisen

Dies ist so zu erklären, daß die Sa-lpetersäure durch das Eisen (Il)-salz zu Stickstoffoxyd reduziert wird: 3FeCl2 + HN0 3 -r 3HC1 = 3FeCl3 + NO + 2H 2 0 . Dieses Stickstoffoxyd gibt mit dem noch vorhandenen Eisen(lI)-chlorid eine der schon S. 39 besprochenen analoge dunkle Anlagerungsverbindung. Sobald alles Eisen(II)-chlorid zum Eisen(III)-chlorid oxydiert ist, verschwindet auch die dunkle Farbe. Die Oxydation einer Eisen(II)-salz- zur Eisen(III)-salz-Lösung kann man auch mit anderen Oxydationsmitteln durchführen, so z. B. mit Chlor- oder Bromwasser usw. und besonders bequem mit Wasserstoffperoxyd.

Mit der erhaltenen Eisen(III)-salz-'Lösm\g führe man die nachstehenden Umsetzungen aus: 11. Natronlauge oder Ammoniak fallen flockiges braunrotes Eisen ( I I I ) - h y d r o x y d . FeCl3 + 3NaOH = Fe(OH)3 + 3NaCl. Die Fällung ist in beiden Fällen q u a n t i t a t i v und c h a r a k t e ristisch. Durch Ammoniumsalze starker Säuren wird sie n i c h t verhindert. 12. Natriumcarbonat: Es entsteht ein Niederschlag von Eisen (III)-hydroxyd. 2 FeCl3 + 3Na 2 C0 3 + 3H 2 0 = 2Fe(OH)3 + 3C0 2 + 6NaCl. 13. Bariumcarbonat fällt, wie S. 84/85 besprochen, ausEisen(III)salz-Lösungen das Eisen als E i s e n ( I I I ) - h y d r o x y d . 14. Natriumacetat: Schon S. 88 wurde erwähnt, daß man — ebenso wie bei Aluminium — auch das Eisen durch Kochen einer mit reichlich Natriumacetat versetzten Eisen(III)-salz-Lösung quantitativ als Eisen(III)-hydroxyd abscheiden kann. Man führe den Versuch durch, indem man die Eisen(III)-chlorid-Lösung zunächst mit SodaLösung annähernd neutralisiert, reichlich Natriumacetat zugibt (die dabei auftretende Rotfärbung rührt von kompliziert zusammengesetzten Komplexen her), stark verdünnt und kocht. 15. Natriumphosphat gibt einen gelblich-weißen Niederschlag von E i s e n ( I I I ) - p h o s p h a t FeP0 4) der in Mineralsäuren löslich (vgl. dazu aber S. 123), in Essigsäure unlöslich ist. Man gebe daher vor der Fällung etwas Natriumacetat zur Lösung, um die Mineralsäure abzustumpfen. Sind bei der vorher beschriebenen Natriumacetatfällung Phosphat-Ionen in der Lösung vorhanden, so gehen sie als Eisen(III)-phosphat in den Niederschlag, und zwar vollständig, wenn die Menge der Eisen-Ionen die der Phosphat-Ionen überwiegt. Entsprechendes gilt für die Ammoniakfällung, weil Eisen(III)-phosphat auch in Ammoniak-Lösung unlöslich ist.

Eisen

121

16. Schwefelwasserstoff macht unter Reduktion des Eisen(III)salzes zum Eisen(II)-salz Schwefel frei, der in der Lösung zunächst als weiße Trübung schweben bleibt, ohne sich abzusetzen. 2FeCl3 + H 2 S = 2FeCl2 + S + 2 HCl. (Man formuliere die entsprechende Ionengleichung!) 17. Ammoniumsulfid erzeugt einen schwarzen Niederschlag von E i s e n (II)-sulfid und Schwefel, der je nach den Fällungsbedingungen mehr oder weniger große Mengen des instabilen Eisen(III)-sulfids Fe2S3 enthält, 2FeCl3 + 3(NH4)2S = 2FeS + S + 6NH4C1 . 18. Kaliumrhodanid färbt die saure Eisen(III)-salz-Lösung unter Bildung von wenig dissoziiertem, wahrscheinlich dimolekularem E i s e n ( I I I ) - r h o d a n i d intensiv rot. 2 FeCl3 + 6KSCN = [Fe(SCN)3]2 + 6KC1. Beim Schütteln mit Äther geht das Rhodanid mit roter Farbe in den Äther über. 19. Dies ist die empfindlichste Probe auf Eisen(III)-verbindungen. Man gebe einen Tropfen Eisen(III)-salz-Lösung in ein Becherglas voll angesäuerten Wassers, gieße den Inhalt fast ganz aus, fülle wieder mit Wasser auf und setze Kaliumrhodanid-Lösung hinzu. Es tritt in dieser enormen Verdünnung noch deutlich Rotfärbung auf. 20. Eisen(II)-salz-Lösungen zeigen diese Reaktion gewöhnlich auch, weil sie stets Spuren Eisen(III)-salz enthalten. Man löse etwas „Eisenvitriol" (kristallwasserhaltiges Eisen(II)-sulfat FeS0 4 -7H 2 0) in viel Wasser auf und prüfe einige Tropfen der Lösung mit Kaliumrhodanid. Dabei wird eine deutliche Rotfärbung auftreten. Den Rest säuere man mit Schwefelsäure schwach an und gebe etwas Eisenpulver hinzu, wodurch die wenigen vorhandenen Eisen(III)zu Eisen(II)-ionen reduziert werden. Nach einigen Minuten gieße man einige Tropfen der Lösung ab und prüfe mit Kaliumrhodanid. Die Lösung wird jetzt farblos bleiben oder sich nur noch ganz schwach färben. Nach weiterem Stehen über Eisenpulver wird eine dritte Probe keine Färbung mehr zeigen. Zur Feststellung, ob ein Eisensalz der Eisen(II)- oder der Eisen(III)-reihe angehört, ist die Kaliumrhodanidprobe nicht empfehlenswert, da sie zu empfindlich ist. Geeigneter sind hierzu die Versuche 22 und 23! Eisencyanverbindungen. 21. Etwas Eisen(II)-salz-Lösung versetze man tropfenweise mit Natronlauge, bis eben eine Trübung von Eisen(II)-hydroxyd auftritt. Dann gebe man ein wenig Natriumcyanid-Uisviiig hinzu: es fällt rotbraunes E i s e n ( I I ) - c y a n i d Fe(CN)2 flockig aus. Ein nicht zu geringer Überschuß von Natriumcyanid

122

Eisen

löst bei schwachem Erwärmen den Niederschlag zu einer hellgelben Lösung, die filtriert werde. FeCl2 + 2NaCN = Fe(CN)2 + 2NaCl Fe(CN)2 + 4NaCN = Na4[Fe(CN)6] . Die Lösung enthält das N a t r i u m s a l z der H e x a c y a n o e i s e n ( I I ) - s ä u r e H4[Fe(CN)6] (abgekürzt Cyanoeisen(II)-säure, früher Ferrocyanwasserstoffsäure). Das entsprechende Kaliumsalz ist das „gelbe Blutlaugensalz". Der [Fe(CN)6]4_-Komplex ist, wie bereits S. 101 besprochen wurde, einer der festesten Komplexe, die wir kennen. 22. Eine Probe der Natriumcyanoferrat(II)-Lösung säuere man mit verdünnter Salzsäure an (Abzug! Aus dem überschüssigen Natriumcyanid entwickelt sich Blausäure!) und gebe einen Tropfen f r i s c h b e r e i t e t e r Eisen(II)-sulfat-Lös\mg hinzu. Es entsteht ein hellbläulichweißer Niederschlag, vielleicht —• aber nicht sicher — das Eisen(II)-salz der Cyanoeisen(II)-säure. Na4[Fe(CN)6] + 2FeS0 4 = Fe2[Fe(CN)6] + 2 Na 2 S0 4 . Beim Stehenlassen, schneller beim Durchschütteln der Masse mit Luft, wird der Niederschlag tiefblau: er oxydiert sich dabei zum Eisen(III)-salz der Cyanoeisen(II)-säure (vgl. unten). 2 3 . Eine zweite Probe der Natriumcyanoferral(II)-Lös\mg säuere man ebenfalls an (Abzug!) und setze einen Tropfen Eisen(III)chlorid-Liösung hinzu; es entsteht ein tiefblauer Niederschlag von komplizierter Zusammensetzung, den man in grober Näherung als Eisen(III)-salz der C y a n o e i s e n ( I I ) - s ä u r e auffassen kann. 3Na4[Fe(CN)0] + 4FeCI3 = Fe4[Fe(CN)6]3 + 12NaCl. Der Niederschlag findet unter dem Namen „ B e r l i n e r B l a u " Verwendung als Farbstoff. Wichtige Erkennungsprobe zum Nachweis von Eisen! Wie diese letzten beiden Versuche zeigen, kann Alkalimetallcyanoferrat(II) außerdem zu der Entscheidung der Frage benutzt werden, ob ein gegebenes Eisensalz der Eisen(II)- oder der Eisen(III)-reihe angehört. Handelt es sich lim den Nachweis sehr geringer Mengen von Eisen(III)-ionen, so ist die Cyanoferrat(II)-Lösung unmittelbar vor der Verwendung herzustellen, da eine ältere Lösung stets, wenn auch nur spurenweise, zersetzt ist und sich daher beim Ansäuern durch Bildung sehr geringer Mengen Berliner Blau grünlich färbt und bei längerem Stehen einige Flöckchen Berliner Blau absetzt. Man überzeuge sich davon durch einen Versuch mit der stark zu verdünnenden Kaliumcyanoferrat(II)-Lösung des Laboratoriums.

24. Etwas Kaliumcyanoferrat(II)-Lösung aus der Standflasche des Laboratoriums werde mit etwa dem doppelten Raumteile Bromwasser versetzt und aufgekocht, bis der Überschuß des Broms weggekocht ist und nur farblose Wasserdämpfe aus dem Probierglase aufsteigen. Die bräunliche Lösung enthält jetzt K a l i u m h e x a -

Eisen

123

c y a n o f e r r a t ( I I I ) K 3 [Fe(CN) 6 ] (abgekürzt Kaliumcyanoferrat(IlI), früher Kaliumferricyanid, Trivialname: „rotes Blutlaugensalz"). 2 K 4 [Fe(CN) 6 ] + Br 2 = 2K 3 [Fe(CN) 6 ] + 2 K B r . 25. Mit dieser Lösung -werden dieselben Versuche wie mit der Natriumcyanoferrat(II)-Lösung angestellt. Man erhält mit Natronlauge, k e i n e n Niederschlag und mit Ammoniumsulfid nur eine Abscheidung von S c h w e f e l . Eisen(IIl)-chlorid gibt keine Fällung, sondern nur Dunkelfärbung der Lösung. Dagegen erhält man mit einem Eisen(II)-salz einen tiefblauen Niederschlag von B e r l i n e r B l a u . Die auffällige Bildung von Berliner Blau erklärt sich daraus, daß Ivaliumeyanolerrat(III) das Eison(II)-salz zunächst zum Eisen(III)-salz oxydiert, wobei es selbst in Kaliumcyanoferrat(II) übergeht; gleichzeitig setzen sich Eisen(Ill)-salz und Kaliiimcvanoferrat(II) unter Abscheidung von Berliner Blau um.

2C. Während der Cyanoferrat(II)-komplex, wie S. 101, Nr. 5 gezeigt wurde, gegen k a l t e Säuren beständig ist, wird er durch h e i ß e v e r d ü n n t e S ä u r e n zersetzt. Ein erbsengroßes Stück Kaliumcyanajcrrat(II) werde unter dem Abzüge im Probierglase mit 1—2 com verdünnter Schwefelsäure bis zum Kochen der Lösung erhitzt. Es entweicht B l a u s ä u r e , die an ihrem Gerüche (Vors i c h t ! ) leicht zu erkennen ist. 27. Durch h e i ß e k o n z e n t r i e r t e Schwefelsäure wird auch die Blausäure zerlegt, und zwar in Kohlenoxyd und Ammoniak: HCN + H 2 0 = CO + NH 3 . Ein bohnengroßes Stück Kaliumcyanoferrat(II) werde im Probierglase mit 2 ccm konzentrierter Schwefelsäure erhitzt, bis Aufschäumen auftritt. Die von der Flamme entfernte Masse kocht lebhaft weiter, wobei farbloses K o h l e n o x y d entweicht, das mit blauer Flamme brennt. Der Umsetzungsverlauf entspricht etwa folgender Gleichung: K 4 [Fe(CN) 6 ] + 6 H 2 0 + 6 H 2 S 0 4 = 6CO + F e S 0 4 + 2 K 2 S 0 4 + 3 ( N H 4 ) 2 S 0 4 . Zu den komplexen Eisencyaniden gehört auch das S. 45 erwähnte N a t r i u m n i t r o p r u s s i d ; es besitzt die Formel Na 2 [Fe(CN) 5 NO]-2H 2 0. Ferner bilden die Fo 3+ -Ioncn mit vielen anderen Anionen mehr oder weniger feste Komplexe, so z. B. auch mit C l ~ - I o n e n [FeCl 6 ] 3- -Komplexe. Daher sind salzsaure Eisen(III)-salz-Lösungen stärker gelb gefärbt als schwefelsaure. Besonders fest sind die Komplexe mit P h o s p h a t - I o n e n , die farblos sind. Man erkennt dieses Verhalten an folgendem Versuch:

3 8 . Man oxydiere nach S. 119, Nr. 10 Eisen(II)-sulfat mit Salpetersäure zur Eisen(III)-salz-Lösung. Die fast farblose Lösung versetze man mit etwas konzentrierter Salzsäure: die Lösung wird gelbbraun. Dann gebe man reichlich Pfiosphorsäure-Lösung hinzu: die Lösung wird fast vollständig entfärbt.

124

Kobalt

Kobalt Das grausilberweiße, bei 1490° schmelzende Metall löst sich in verdünnten starken Säuren. Dabei entstehen Salze des zweiwertigen Kobalts. Von einfachen Salzen des dreiwertigen Kobalts kennt man nur das Fluorid CoF3, sowie das außerdem zweiwertiges Kobalt enthaltende Oxyd Co 3 0 4 (vgl. S. 94/95). Dagegen leiten sich vom dreiwertigen Kobalt zahlreiche beständige Kompleocverbindungen ab, z. B. mit Cyanwasserstoff, Ammoniak, salpetriger Säure usw.

1. Eine Probe einer Kobalt-Verbindung färbt die Phosphorsalzperle t i e f b l a u . Die gleiche Farbe zeigt kobalthaltiges Glas, was man in der Glasindustrie und in der Keramik verwendet. Einfache Kobaltsalze. 2. Natronlauge: Etwas KobaltsalzLösung werde mit etwas Natronlauge versetzt; es fällt blaues basisches Salz aus, das beim Erwärmen der Mischung mit mehr Natronlauge in schön rosenrotes K o b a l t ( I I ) - h y d r o x y d übergeht. CoCl2 + 2NaOH = Co(OH)2 + 2NaCl. 3. Bei Zusatz von Bromwasser erhält man schwarzes wasserhaltiges K o b a l t ( I I I ) - h y d r o x y d . 2Co(OH)2 + Br 2 + 2 Na OH = 2Co(OH) s -f 2NaBr . Über das Verhalten gegen Ammoniak vgl. S. 125, Nr. 7. 4. Schwefelwasserstoff verhält sich ganz ähnlich wie gegen Eisen(II)-salz-Lösungen. 5. Ammoniumsulfid fällt das schwarze K o b a l t ( I I ) - s u l f i d quantitativ aus. Sehr merkwürdig ist es, daß sich der einmal gebildete Niederschlag nicht nennenswert in 1-normaler Salzsäure wieder auflöst, obwohl er aus einer Lösung dieses Säuregrades nicht ausfällt. Man überzeuge sich davon, indem man den Niederschlag abfiltriert, mit Wasser auswäscht, etwas davon in ein Probierglas bringt, mit 5-proz. Salzsäure versetzt und durchschüttelt. Dabei löst sich fast nichts auf. Worauf diese verminderte Lösbarkeit beim „ A l t e r n " des Kobaltsulfides zurückzuführen ist, weiß man noch nicht sicher. 6. Ammoniumrhodanid: Eine kleine Probe äußerst verdünnter Kobaltsalz-Lösung werde bis z u r S ä t t i g u n g mit festem Ammonium(nicht Kalium)-rhodanid versetzt und dann etwa mit dem halben oder viertel Raumteil Äther, dem einige Tropfen Amylalkohol zugesetzt sind, durchgeschüttelt. Es bildet sich K o b a l t r h o d a n i d , das sich in der Äther-Amylalkohol-Schicht mit tiefblauer Farbe löst. Co(N03)2 + 2NH 4 CNS = 2NH 4 N0 3 + Co(CNS) 2 . Dies ist eine der empfindlichsten Prüfungsmethoden auf Kobalt, mit deren Hilfe sehr kleine Mengen Kobalt auch neben viel Nickel nachgewiesen

Kobalt

125

werden können. Ist gleichzeitig Eisen zugegen, so verhindert man die Bildung des Eisen (Ill)-rhodanids — das durch seine tiefrote Farbe die Blaufärbung auch größerer Kobaltmengen verdecken könnte, da es sich ebenfalls im Äther löst und diesen intensiver färbt — durch Zusatz von etwas festem Natriumfluorid, das die Eisen (Ill)-ionen in farblose, in Äther nicht lösliche fluorhaltige Komplexe, z. B. [ F e F J 3 - , überführt. — Freie Salpetersäure in erheblicher Konzentration stört die Reaktion, weil sie das. Rhodanid durch Oxydation unter Bildung roter Zersetzungsprodukte zerstört.

Komplexverbindungen. Die Komplexverbindungen des z w e i wertigen Kobalts sind unbeständig und werden leicht zu solchen der dreiwertigen Stufe oxydiert. 7. Gibt man z. B. zu einer Kobalt(II)-salz-Lösung r e i c h l i c h Ammoniak-Lösung, so löst sich das zunächst gebildete blaue basische Salz zu einer gelblich-braunen Lösung auf, die komplexe A m m o n i a k a t e der zweiwertigen Stufe enthält. Bald aber ändert sich die Farbe der Lösung; sie wird rötlich, weil unter der Einwirkung des Luftsauerstoffs ein Übergang in die dreiwertige Stufe erfolgt. 8. Versetzt man Kobaltsalz-Lösung mit sehr wenig frisch bereiteter Natriumcyanid-Lösuiig, so fällt schmutzigbraunes K o b a l t (II)c y a n i d aus. Ein Überschuß von Natriumcyanid löst den Niederschlag zu einer hellbraunen Lösung des sehr unbeständigen komplexen N a t r i u m (he x a ) c y a n o c o b a l t a t s (II). Co(N0 3 ) 2 + 2NaCN = Co(CN)2 + 2 N a N 0 3 Co(CN)2 + 4NaCN = Na4[Co(CN)6] . Ein kleiner Teil der Lösung werde sofort angesäuert (Abzug! aus dem überschüssigen NaCN bildet sich Blausäure!): es fällt wieder K o b a l t ( I I ) - C y a n i d aus. Der Versuch gelingt am besten, wenn die Kobaltsalz- und die Natriumcyanid-Lösung jede für sich aufgekocht und dadurch von gelöster Luft befreit, vor dem Mischen aber wieder abgekühlt waren. 9. Die übrige Lösung schüttele man im Probierglase tüchtig mit Luft durch oder koche sie besser einige Minuten lang; sie oxydiert sich zu N a t r i u m ( h e x a ) c y a n o c o b a l t a t ( I I I ) - L ö s u n g ; während dieser Oxydation färbt sie sich vorübergehend dunkelbraun. 4Na 4 [Co(CN) 6 ] + 2 H 2 0 + 0 2 = 4Na 3 [Co(CN) 6 ] + 4 N a O H . Der [Co(CN) 6 ] 3_ -Komplex ist äußerst wenig dissoziiert. Weder Ammoniumsulfid noch Natronlauge noch Natronlauge und Bromwasser (Unterschied von Nickel, vgl. S. 126, Nr. 5) geben einen Niederschlag. Durch Salzsäure (Abzug!) wird er ebensowenig angegriffen wie der [Fe(CN) 6 ] 4 "-Komplex. 10. Schließlich sei noch ein Komplex beschrieben, der sich überhaupt nur mit d r e i wertigem Kobalt bildet. Gibt man zu einer neutralen

126

Nickel

Kobalt(II)-salz-Lösung einen reichlichen Überschuß einer konzent r i e r t e n Lösung von Kaliumnitrit ( K N 0 2 ) , so bildet sich kein Niederschlag. Setzt m a n jedoch jetzt Essigsäure zu, so oxydiert die d a d u r c h in Freiheit gesetzte salpetrige Säure (vgl. S. 171) •— von der die H a u p t menge in Wasser u n d Stickoxyde zerfällt, die entweichen — das K o b a l t in die dreiwertige Form, u n d es bildet sich ein gelber Niederschlag von K a l i u m h e x a n i t r i t o c o b a l t a t ( I I I ) (K 3 [Co(N0 2 ) 6 ]). D a das entsprechende Natriumsalz leicht löslich ist, k a n n m a n diese R e a k t i o n bei entsprechender U m ä n d e r u n g zu einem empfindlichen Nachweis f ü r K a l i u m benutzen.

Nickel Nickel ist als Metall dem Kobalt sehr ähnlich. Es bildet — wenn man von einem wasserhaltigen höheren Oxyd von noch unbekannter Zusammensetzung absieht — nur Verbindungen der zweiivertigen Stufe. Auch die Komplexverbindungen leiten sich im Gegensatz zum Kobalt nur von der zweiwertigen Stufe ab. Die Umsetzungen der Nickelsalze sind denen der Kobaltsalze sehr ähnlich.

1 . Die Phosphor salzperle der Nickelverbindungen H i t z e b r ä u n l i c h g e l b , nach dem E r k a l t e n heller.

ist

in der

Einfache Nickelsalse. 2. Natronlauge, fällt hellgrünes N i c k c l h y d r o x y d — also kein basisches Salz wie beim K o b a l t . Auf Zusatz von Bromwasser entsteht ein schwarzes, wasserhaltiges h ö h e r e s O x y d u n b e k a n n t e r Zusammensetzung. 3 . Schwefelwasserstoff u n d Ammoniumsulfid geben dieselben Erscheinungen wie beim K o b a l t . F ü h r t m a n die Fällung mit gelbem Ammoniumsulfid a u s , so erhält m a n Nickelsulfid zum Teil in kolloidem Zustande (vgl. S. 142f.), das beim Filtrieren als braune Lösung durch das Filter läuft. Aus dieser Lösung läßt sich das Nickelsulfid n u r schwierig abscheiden. Beim analytischen Arbeiten verwende m a n deshalb zur Fällung von Nickelsulfid nur f r i s c h e , f a r b l o s e Ammoniumsulfid-Lösung, die jene Erscheinung nicht zeigt. Nickelsulfid zeigt ähnliche Alterungserscheinungen wie Kobaltsulfid. Komplexsalse. 4. Ammoniak fällt, wenn es tropfenweise zugesetzt wird, zunächst hellgrünes N i c k e l h y d r o x y d . Der geringste Überschuß an Ammoniak löst den Niederschlag wieder, weil sich die komplexen H e x a m m i n n i c k e l i o n e n [ N i ( N H 3 ) 6 ] 2 + bilden; ihre Lösung sieht tiefblau aus m i t schwachem Stich ins Rötliche. 5 . Natriumcyanid fällt, wenn in geringer Menge weißgrünliches N i c k e l c y a n i d . Ni(N0 3 ) 2 + 2 N a C N = Ni(CN) 2 + 2 N a N G 3 .

zugesetzt,

Chrom

127

Ein Überschuß an Natriumcyanid löst zu einer gelben Lösung des komplexen N a t r i u m ( t e t r a ) c y a n o n i c k e l a t s Na 2 [Ni(CN) 4 ]. Dieser Komplex ist nur mittelstark. Zwar fallen mit Natronlauge und Ammoniumsulfid keine Niederschläge. Säuert man jedoch an (Abzug!), so fällt Nickelcyanid wieder aus und Blausäure entweicht. Gibt man schließlich reichlich Bromwasser und Natronlauge zu, so wird der Komplex ebenfalls zerstört (Unterschied von Kobalt!) und schwarzes höheres Nickeloxyd fällt aus. Zum Nachweis der Elemente Kobalt und Nickel nebeneinander und zu ihrer Trennung sind bei der Ähnlichkeit ihrer Reaktionen nur wenige Umsetzungen geeignet. Zum N a c h w e i s von K o b a l t neben Nickel kann die Ammoniumrhodanidreaktion dienen. Zur T r e n n u n g läßt sich der K3[Co(N02)6]-Komplex verwenden. Auch kann man die verschiedene Beständigkeit der Cyankomplexe (Verhalten gegen Brom und Natronlauge) heranziehen. Die beste Nachweisreaktion für N i c k e l und gleichzeitig die beste T r e n nungsmethode ist die nachstehende Diacetyldioximreaktion. Diacetyldioxim1) bildet nämlich in essigsaurer oder ammoniakalischer Lösung mit Nickel ein sehr schwer lösliches Salz, das zur Klasse der innerkomplexen Salze (vgl. S. 102) gehört. Das Nickel-diacetyldioxim ist gleichzeitig ein besonders charakteristisches Beispiel für die Verwendung organischer Reagentien in der analytischen Chemie, die steigend an Bedeutung gewinnen (vgl. z. B. auch S. 91, 111 132, 172/73, 179, 181, 184). 6. Ein Tropfen Nickelsalz-Lösung werde mit Wasser auf etwa einen Kubikzentimeter verdünnt. Nach Zugabe von etwa 1 / 2 ccm einer 1-proz. alkoholischen Lösung von Diacetyldioxim färbt sich die Lösung rot, und alsbald scheidet sich ein voluminöser hochroter Niederschlag ab, der aus feinen Nädelchen (Mikroskop!) besteht. Aus mineralsaurer Lösung fällt der Niederschlag erst beim Neutralisieren mit Ammoniak oder nach dem Abstumpfen mit Natriumacetat aus. Chrom Während beim Eisen die der Gruppenzahl entsprechende (vgl. S. 31) positive Höchstwertigkeit 8 bei keiner Verbindung erreicht wird, kennt man bei dem in der 7. Gruppe stehenden Element Mangan Salze der Übermangansaure mit siebenwertigem Mangan und bei dem in der 6. Gruppe stehenden Chrom eine Reihe von Verbindungen mit sechswertigem Chrom. Diese Verbindungen gehen leicht in niederwertige Verbindungen über und stellen daher besonders starke O x y d a t i o n s m i t t e l dar, die viel verwendet werden. Die meist gelb gefärbten C h r o m a t e , Salze der im freien Zustande nicht darstellbaren Chromsäure H 2 Cr0 4 , stehen in ihren Löslichkeitsverhältnissen den entsprechenden Sulfaten nahe. Die gelben [Cr0 4 ] 2_ -Ionen sind nur in alkalischen oder neutralen Lösungen vorhanden; bei Zuführung von H+-Ionen bilden sich nicht den Hydrogensulfationen analoge [HCr0 4 ] - -Ionen, sondern unter Wasserabspaltung rote [Cr 2 0 7 ] 2_ -Ionen: 2[Cr0 4 ] 2 " + 2H+ = [Cr 2 0,] 2 - + H 2 0 . a

)

HaC • C • C • CH3 . ;; , auch als Dimethylglyoxim bezeichnet.

128

Chrom

Die ebenfalls roten Salze, z. B. K 2 Cr 2 0„ bezeichnet man als „ P y r o Chromate" oder als „ D i c h r o m a t e " (die früher gelegentlich benutzte Bezeichnung „Bichromate" sollte vermieden werden). Beim stärkeren Ansäuren bilden sich Tri- und T e t r a c h r o m a t i o n e n ([Cr3O10]2~ bzw. [Cr 4 0 13 ] 2- ). Versetzt man schließlich eine konzentrierte Pyrochromatlösung mit konzentrierter Schwefelsäure, so scheidet sich nicht die Chrom- oder die Pyrochromsäure, sondern das Anhydrid Cr0 3 , C h r o m t r i o x y d , in tiefroten Nadeln ab. Ferner 2 -

kennt man noch ein „ P e r o x y d " Cr05. In diesem sind zwei O-Teilchen des Cr0 3 durch doppelt negativ geladene 0 2 -Gruppen ersetzt, wie sie auch im Na 2 0 2 vorhanden sind (vgl. S. 57 u. 166/67). Cr0 5 enthält also ebenfalls nur sechswertiges Chrom: 0Cr(0 2 ) 2 . Dreiwertiges Chrom. Die Chrom(III)-verbindungen (früher als Chromiverbindungen bezeichnet) sind den Aluminium- und Eisen(III)-verbindungen ähnlich. Chrom(III)-hydroxyd Cr(OH)3 ist amphoter wie Aluminiumhydroxyd. Die K o m p l e x v e r b i n d u n g e n des dreiwertigen Chroms schließen sich mehr denen des dreiwertigen Kobalts als denen des dreiwertigen Eisens an. Die große Beständigkeit und Vielgestaltigkeit der komplexen Chrom (Ill)-verbindungen (einschließlich der Hydrate) bedingen ihr verwickeltes Verhalten. Diese Komplexbildung äußert sich u. a. darin, daß w a s s e r h a l t i g e Chrom(III)-salze in manchen Fällen violett, in anderen grün aussehen. Dies ist auf einen verschiedenen Aufbau von Komplexen zurückzuführen; so entspricht z.B. das kristallisierte b l a u v i o l e t t e Chrom(III)-chloridhydrat der Formel [Cr(H20)6]Cl3, das g r ü n e der Formel [Cr(H20)4Cl2]Cl-2H20. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß man auch Salze der ziveiivertigen Stufe (früher als Chromosalze bezeichnet) kennt; diese sind jedoch wenig beständig. Oxydationswirkungen des sechswertigen Chroms. Bringt man Chromate oder Pyrochromate mit oxydierbaren Substanzen zusammen, so gehen sie in die dreiwertige Stufe über; je Chromatom werden also 3 positive Ladungen abgegeben. So verläuft z. B. die Einwirkung zwischen Kaliumpyrochromat und k o n z e n t r i e r t e r S a l z s ä u r e (verdünnte Salzsäure wird nicht nennenswert oxydiert!) nach der Gleichung1) K 2 Cr 2 0 7 + 14 HCl = 3C12 + 2CrCl3 + 2 KCl + 7H 2 0 . Besser noch ersieht man aus der Ionengleichung: [Cr207P~ + 6C1- + 14H+ = 3C12 + 2Cr3+ + 7H 2 0 , daß je 3 positive Ladungen von den beiden sechsfach positiv geladenen Chromatomen abgegeben und zur Oxydation von 6Cl~-Ionen benutzt worden sind. Gleichzeitig werden aber dabei sehr viel H+-Ionen verbraucht. So kann z. B. bei der Einwirkung von Dichromat auf S c h w e f e l w a s s e r s t o f f bei u n g e n ü g e n d e r S ä u r e m e n g e die Reaktion der Lösung a l k a l i s c h werden, so daß am Anfang die Umsetzung nach der Gleichung [Cr 2 0,] 2 " 4- 3H 2 S~+ 8H+ = 3S°+ 2Cr3+ + 7H 2 0 erfolgt, am Ende jedoch nach der Gleichung 2[Cr0 4 ]'- + 3 S 2 - + 8H 2 0 = 3S°+ 2Cr(OH)3 + 10OH" . *) Geht man von C h r o m a t aus, so gilt die gleiche Umsetzungsgleichung, da ja Cr0 4 2_ -Ionen in saurer Lösung in Cr 2 0 7 2- -Ionen übergehen.

Chrom

129

Führt man die eben besprochene Einwirkung zwischen Dichromat und Salzsäure bei Abwesenheit von Wasser in Anwesenheit eines wasserbindenden Mittels durch, z. B. durch Erhitzen eines Gemisches von Kaliumdichromat, Kochsalz und konzentrierter Schwefelsäure, so bildet sich neben etwas Chlor eine leicht flüchtige Verbindung der Zusammensetzung Cr02Cl2. Dieses „Chromylchlorid,"1) ist das „Sä'urechlorid" der hypothetischen Chromsäure, in der die beiden Hydroxylgruppen durch Chlor ersetzt sind: 0

OH HCl Cr + = 2 H , 0 + 0,CrCL . O OH HCl Die Chromsäure wirkt hier gleichsam als Base. Da sie natürlich eine äußerst achwache Base ist, entsteht Chromylchlorid nur unter der wasserbindenden Wirkung von Schwefelsäure. Kommt Chromylchlorid mit Wasser zusammen, so tritt H y d r o l y s e ein, es bilden sich die freie „Base" (Chromsäure, die sofort in Pyrochromsäure übergeht) und die freie Säure (Salzsäure). Mit Lauge erfolgt die entsprechende Umsetzung: Cr02Cl2 + 4NaOH = Na 2 Cr0 4 + 2NaCl + 2H 2 0 . Chrommetall ist dem Eisen ähnlich; es besitzt eine hellgraue Farbe mit einem Stich ins Blaue und schmilzt oberhalb 1700°. In verdünnter Salzoder Schwefelsäure löst es sich unter Wasserstoffentwicklung. In Salpetersäure dagegen löst es sich kaum ( „ P a s s i v i e r u n g " ) . Da sich Chrom — wie Aluminium — an der Luft mit einer f e s t h a f t e n d e n Oxydschicht bedeckt, halten sich verchromte Gegenstände sehr gut, vorausgesetzt, daß sie nicht Säuredämpfen ausgesetzt werden. I m L a b o r a t o r i u m sind sie ebenso u n b r a u c h b a r wie v e r n i c k e l t e (vgl. S. 1). 1. Chromverbindungen färben die Phosphorsalzperle sowohl in der Oxydations- als auch in der Reduktionsflamme g r ü n . 2 . Man löse etwas fein gepulvertes violettes Chrom(III)-sulfat oder „Chromalaun" (vgl. S. 101, Nr. 4) in kaltem Wasser, wobei eine violette, bald mehr ins Blaue, bald mehr ins Rote schillernde Lösung entsteht. Man koche eine Probe dieser Lösung auf; sie färbt sich tief grün. Beim Stehen in verdünnter Lösung bei Zimmertemperatur wird die grüne Lösung langsam wieder violett. .'Reaktionen der Chrom(IU)-salze. Zu den folgenden Umsetzungen werde die violette Lösung benutzt. 3 . Natronlauge, in geringer Menge zugesetzt, fällt graugrünes Chrom (III)-hydroxyd. Cr 2 (S0 4 ) 3 + 6 N a O H = 2Cr(OH 3 ) + 3 N a 2 S 0 4 . l ) Die Endung „yl" bezeichnet ganz allgemein geladene Gruppen aus einem Metall oder Nichtmetall und Sauerstoff, die gleichsam als einheitlicher 3+ Bestandteil in Verbindungen eintreten. Z. B.: [SbO] + Antimonyl, SbOCl 6+

Antimonylchlorid; [U0 2 ] 2+ Uranyl, U0 2 (N0 3 ) 2 Uranylnitrat. Man kann diese Verbindungen auch als Anhydride von — hypothetischen — basischen Salzen auffassen: Sb(OH)2Cl— H 2 0 = SbOCl. Biltz, Klemm, Fisoher,- Einführung. 30.—32. Aufl. 9

130

Chrom

Ein Überschuß von Natronlauge löst das Chrom(III)-hydroxyd zu einer prächtig smaragdgrünen Lösung von N a t r i u m c h r o m i t . 3NaOH + H 3 Cr0 3 = Na 3 Cr0 3 + 3 ^ 0 bzw. 3 Na OH + Cr(OH)3 = Na 3 [Cr(OH) 6 ]. Verdünnt man diese Lösung und kocht einige Minuten, so fällt das Chromhydroxyd infolge von Hydrolyse wieder aus. 4. Ammoniak fällt graugrünes C h r o m ( I I I ) - h y d r o x y d , von dem meist ein wenig in der ammoniakalischen Lösung komplex gelöst bleibt und sie rötlich färbt. Man filtriere und koche das rosafarbige Filtrat einige Minuten: es entfärbt sich, und der Rest Chrom(III)hydroxyd fällt aus. 5. Natriumcarbonat fällt unter Kohlendioxydentwicklung graugrünes C h r o m ( I I I ) - h y d r o x y d . Cr 2 (S0 4 ) 3 + 3Na 2 C0 3 + 3 H 2 0 = 2Cr(OH) 3 + 3C0 2 + 3 N a 2 S 0 4 . 6. Schwefelwasserstoff fällt nichts. 7• Ammoniumsulfid

fällt C h r o m ( I I l ) - h y d r o x y d .

Cr 2 (S0 4 ) 3 + 6(NH4)2S+ 6H 2 0=2Ct(0H) 3 + 6(NH4)HS+ 3(NH 4 ) 2 S0 4 . C h r o m ( I I I ) - s u l f i d Cr2S3 ist nur auf trockenem Wege darstellbar; mit Wasser erleidet es Hydrolyse. Den Übergang von der dreiwertigen in die sechswertige Stufe kann man sowohl auf nassem wie auf trockenem Wege bewirken; er erfolgt am leichtesten in alkalischem Medium.

8. Man erwärme eine A Ikalichrornit - Lösung mit einem Oxydationsmittel , z. B. Bromwasser oder Wasserstoffperoxyd; sie färbt sich gelb. 2Na3[Cr(OH)6] + 3Br 2 + 4NaOH = 2Na 2 Cr0 4 + 6NaBr + 8H 2 0 . Die O x y d a t i o n a u f t r o c k e n e m W e g e erfolgt im Laboratorium durch die Soda-Salpeter-Schmelse. Das Alkalinitrat dient dabei als Oxydationsmittel, weil es sich bei höheren Temperaturen in Nitrit und Sauerstoff zersetzt (vgl. S. 37). Die Soda liefert das erforderliche Alkali. Die Oxydation von Chrom (Ill)-oxyd zum Chromat kann man demnach folgendermaßen formulieren: 2KN0 3 = 2 K N 0 2 + 0 2 2 0 ^ 0 3 + 3 0 2 = 4Cr0 3 Cr0 3 + Na 2 C0 3 = Na 2 Cr0 4 + C 0 2 .

9. Etwas Chrom(III)-hydroxyd werde auf eine mehrfache Schicht Filtrierpapier gestrichen, die das Wasser aufsaugt und den Niederschlag somit einigermaßen trocknet. Der nur noch schwach feuchte Rückstand werde mit etwa der doppelten bis dreifachen Menge eines Gemisches von Kaliumnitrat und wasserfreiem Natriumcarbonat auf einer Magnesiarinne geschmolzen. Die entstehende gelbe Schmelze liefert mit Wasser gelbe Chromat-Lösung.

Chrom

131

Sechsivertiges Chrom. Zu den folgenden Umsetzungen werde e t w a s , K a l i u m c h r o m a t - L ö s u n g des Laboratoriums verwendet. 10. Gibt man zu der gelben Lösung verdünnte Schwefel- oder Salzsäure, so wird sie r o t , weil Pyrochromationen entstehen. 2 [Cr0 4 ] 2- + 2H+ = [Cr 2 0 7 ] 2 - + H 2 0 . Gibt man zu der roten Pyrochromat-Lösung Natronlauge oder Ammoniak-Lösung, so wird sie wieder gelb. [Cr 2 0 7 ] 2 - + 2 O H - = 2[Cr0 4 ] 2 - + H 2 0 . Diese Überführung von [Cr0 4 ] 2_ -Ionen in [Cr 2 0 7 ] 2_ -Ionen und umgekehrt kann man mit der gleichen Probe beliebig oft durchführen. Die beiden Gleichungen kann man — unter Benutzung der S. 82 abgeleiteten Gleichung [H+]-[OH _ ] = Kw — zu folgender Gleichgewichtsgleichung zusammenfassen:

[[CrQ4]2~]2- [H~fc]a

=

k

[[CrAPi Diese Gleichung erklärt ohne weiteres, warum nach S. 66/67 B a r i u m c h r o m a t nur aus essigsaurer, nicht aber aus mineralsaurer Lösung ausfällt. Im letzten Falle ist nämlich infolge der großen H+-Ionenkonzentration die Konzentration an [Cr0 4 ] 2_ -Ionen so klein, daß das an sich sehr kleine Löslichkeitsprodukt des Bariumchromats nicht überschritten wird. In essigsaurer Lösung ist [H+] wesentlich kleiner; die Konzentration an [Cr0 4 ] 2_ -Ionen ist zwar gegenüber der der [Cr 2 0 ? ] 2- -Ionen immer noch klein, sie reicht aber zur Fällung von Bariumchromat aus.

11. Bleiacetat fällt einen sattgelben Niederschlag von Bleic h r o m a t („Chromgelb"), der in Essigsäure unlöslich, in Salpetersäure oder Natronlauge löslich ist. K 2 Cr0 4 + Pb(CH 3 C0 2 ) 2 = PbCr0 4 + 2K(CH 3 C0 2 ) PbCr0 4 + 4NäOH = Na 2 [Pb(OH) 4 ] + Na 2 Cr0 4 . Beim Übergießen mit Ammoniaklösung geht der Bleichromatniederschlag in bräunlich-rotes basisches Bleichromat über. 12. Silbernitrat erzeugt einen dunkelbraunroten Niederschlag von S i l b e r c h r o m a t . Auf Zusatz von Salzsäure oder Chloriden wird der Niederschlag weiß, weil er sich zu Silberchlorid umsetzt. K 2 Cr0 4 + 2AgN0 3 = Ag 2 Cr0 4 + 2 K N 0 3 2Ag 2 Cr0 4 + 4 HCl = 4AgCl + H 2 0 + H 2 Cr 2 O v . Silberchlorid hat also ein geringeres Löslichkeitsprodukt als Silberchromat. 13. Quecksilber(l)-nitrat gibt einen tief orangeroten Niederschlag von amorphem Q u e c k s i l b e r ( I ) - C h r o m a t Hg 2 Cr0 4 . Beim Aufkochen der mit etwas Salpetersäure versetzten Masse entstehen daraus Kristalle von prachtvoll roter Farbe. 9*

132

Chrom

14. Wasserstoffperoxyd: Ein Tropfen KaliumpyrochromatLösung werde mit wenigen Tropfen verdünnter Schwefelsäure und wenig Wasserstoffperoxyd-Lösung versetzt. Es entsteht eine tiefblaue Lösung von C h r o m p e r o x y d Cr0 5 . Schüttelt man diese sofort mit 1—2 com Äther, so geht das blaue Oxyd in den Äther über. Später verblaßt die Farbe, weil nach folgender Gleichung Zersetzung erfolgt: 4CrO s + 6 H 2 S 0 4 = 2Cr 2 (S0 4 ) 3 + 6 H 2 0 + 7 0 2 . 15. Man verdünne einen Tropfen verdünnter AlkalichromatLösung im Probierglase mit etwa 20—30 ccm Wasser, mische gut durch, gieße die gesamte Lösung bis auf den am Glase haftenden Rest aus, gebe einige ccm verdünnter Schwefelsäure und ein wenig festes Diphenylcarbazid (C 6 H 5 -NH NH) 2 :CO zu: Beim Umschütteln färbt sich die Lösung r o t v i o l e t t . Sehr empfindlicher Nachweis. 16. C h r o m y l c h l o r i d : Man pulvere und mische so viel festes Kaliumpyrochromat, wie eine Erbse ausmacht, mit ebensoviel Kaliumchlorid und erwärme die Mischung in einem Probierglase mit Gasableitungsrohr (vgl. auch Fig. 11, S. 18) mit 1—2 ccm konzentrierter Schwefelsäure. Den entstehenden braunen Dampf von Cr0 2 Cl 2 leite man so in ein vorgelegtes Probierglas über 2—3 ccm verdünnte Natronlauge, daß das Ableitungsrohr nicht in die Natronlauge eintaucht. I n der Natronlauge läßt sich dann das durch Hydrolyse gebildete Chromat mit Schwefelsäure und Wasserstoffperoxyd leicht nachweisen. Als Chromsäurechlorid kann also das Chrom leicht destilliert werden. Ein entsprechendes Chromyl-Bromid oder - Jodid existiert nicht. Infolgedessen kann das Auftreten einer flüchtigen Chrom Verbindung, das an dem Chromgehalte der vorgelegten Natronlauge zu erkennen ist, zum N a c h w e i s e v o n Chlor, das sich neben Jod und Brom sonst schwer mit Sicherheit erkennen läßt, dienen. Überdestillierendes Brom sieht zwar ganz ähnlich aus wie Chromylchlorid; es würde jedoch mit der Natronlauge eine farblose oder fast farblose und vor allem chromfreie Lösung geben.

Oxydationen mit Chromat und Pyrochromat. 17. Man koche etwas Kaliumpyrochromat mit starker' Salzsäure. Es entweicht C h l o r , während sich die Lösung unter Reduktion des Chromates zu Chrom(III)-salz grün färbt (vgl. S. 128). 18. Zu einer mit verdünnter Schwefelsäure angesäuerten Pyrochromat-Lösung gebe man Schwefelwasserstoff wasser. Die Lösung färbt sich grün, und es scheidet sich weißer S c h w e f e l aus. 19. Man wiederhole den Versuch mit einer Chromat-Lösung ohne Säurezusatz. Es fällt ein Gemisch von S c h w e f e l und graug r ü n e m C h r o m ( I I I ) - h y d r o x y d . Lackmuspapier zeigt alkalische Reaktion der Lösung an. Über die Umsetzungsgleichungen vgl. S. 128. 20. Man versetze ein wenig Kaliumpyrochromat-Lösung reichlich mit Schwefligsäure-Lösung; das Chromat wird zu Chrom(III)-sulfat

Mangan

133

reduziert, wobei eine entsprechende Menge Schwefel aus der vierfach in die sechsfach positiv geladene Stufe übergeht. K 2 Cr 2 0 7 + 4 H 2 S 0 3 = & 2 (S0 4 ) 3 + K 2 S + 0 3 + 4 H 2 0 . 21. Man erwärme etwas Kaliumpyrochromat-Lösung mit ebensoviel Alkohol und etwas verdünnter Schwefelsäure und achte auf den dabei auftretenden eigentümlichen Geruch von A l d e h y d , einem Oxydationsprodukte des Alkohols. 2K 2 Cr 2 0 7 + 8 H 2 S 0 4 = 2Cr 2 (S0 4 ) 3 + 30^ + 8 H 2 0 + 2 K 2 S 0 4 2CH 3 CH 2 OH + 0 2 = 2 H 2 0 + 2CH 3 CHO Alkohol

Aldehyd

22. Der vorletzten Gleichung entsprechend kann man durch Erwärmen von gepulvertem Kaliumpyrochromat mit konzentrierter Schwefelsäure auch S a u e r s t o f f g a s darstellen. Man stelle dies durch einen Probierglasversuch fest, wobei man den entstehenden Sauerstoff durch das Aufflammen eines glimmenden Spanes nachweise. Mangan Mangan kommt in ungewöhnlich zahlreichen Wertigkeitsstufen vor. Die schwach rosa gefärbten Mangan(ll)-salse (früher Manganosalze) stehen den Eisen (II)- und besonders den Magnesiumsalzen nahe. Die Mangan(III)salze (früher Manganisalze) sind unbeständig. Vom vierwertigen Mangan leitet sich das Mangandioxyd Mn02 ab, der Hauptbestandteil des „Braunsteins". Bei der Soda-Salpeterschmelze entstehen die grünen Manganate (z. B. K2Mn04), die sechswertiges Mangan enthalten. Mit Wasser disproportionieren diese gemäß 3K2Mn04 + 2H 2 0 = 2KMn04 + Mn02 + 4 K 0 I I , wobei neben Braunstein mit vierwertigem Mangan Perm anganat mit siebenwertigem Mangan entsteht. Festes Kaliumpermanganat KMn04 bildet tiefrote, fast schwarze Kristallnadeln, die sich in Wasser mit tiefvioletter Farbe lösen. Permanganate sind starke Oxydationsmittel. Durch oxydierbare Stoffe werden sie in alkalischer Lösung in Braunstein überführt. Je Mangan-Atom werden dabei drei positive Ladungen abgegeben, z.B.: 2KMn04 + 3(NH4)2S = 3S + 2Mn02 + 2K0H + 6NH3 + 2H 2 0 bzw. 2[MnO]4l~ + 3S 2 ~ + 4H 2 0 = 3S + 2Mn02 + 80H~ . Als Zwischenstufe bildet sich dabei Manganat: 2[Mn0 4 ] 1 - + S 2 - = S°+ 2[Mn04]2- . In saurer Lösung geht die Reduktion bis zum Mangan(Il)-salz; jedes Manganatom gibt in diesem Falle fünf positive Ladungen ab: [Mn04]1_ + 5Fe 2+ + 8H+ = Mn2+ + 5Feä+ + 4H 2 0 . Aus diesen Umsetzungen folgt, daß die beständigste Stufe des Mangans in saurer Lösung die zweiwertige ist, während in alkalischer die vier-

134

Mangan

w e r t i g e bevorzugt ist. Die Unbeständigkeit des vierwertigen Mangans in s a u r e r Lösung folgt auch aus dem Versuch auf S. 18, bei dem sich bei der Einwirkung von Salzsäure auf Braunstein Chlor bildete. Hier entsteht als Zwischenprodukt vermutlich Mangantetrachlorid MnCl4 (vgl. S. 33); dieses ist jedoch als Derivat des vierwertigen Mangans in saurer Lösung nicht beständig und zerfällt daher in Mangan (Il)-chlorid und Chlor. Andererseits erkennt man die Unbeständigkeit des zweiwertigen Mangans in a l k a l i s c h e r Lösung auch daran, daß eine Fällung von Mangan(Il)-hydroxyd Mn(OH) 2 , die man durch Einwirkung von Natronlauge auf Mangan(II)-salz - Lösungen erhält, an der Luft dunkel wird, weil sie schon durch den Luftsauerstoff oxydiert wird. Allerdings wird dabei die vierwertige Stufe nicht erreicht, man erhält vielmehr Mangan (Ill)-hydfoxyd Mn(OH)3.

Mangan(IJ)-verbindungen. Diese entsprechen so weitgehend den Magnesiumverbindungen, daß die S. 68/69 für diese angegebenen Vorschriften auch für die Mangan(II)-verbindungen gelten. Man führe unter Benutzung einer Mangan(II)-salz-Lösung des Laboratoriums Versuche mit folgenden Reagentien durch: 1. Natronlauge: Weiße Fällung von H y d r o x y d , das sich im Überschuß nicht auflöst. 2. Ammoniak: Ebenfalls H y d r o x y d f ä l l u n g , nicht löslich in viel Ammoniak - Lösung, aber löslich durch Ammoniumchlorid-Zusatz. Man hebe die Probiergläser mit den Versuchen mit Natronlauge und Ammoniak für später (Nr. 6) auf. Natriumcarbonat: Weißer Niederschlag, der hier allerdings aus n e u t r a l e m C a r b o n a t besteht. 4. Natriumphosphatplus Ammoniak - Lösung: Fällung von Ammonium mangan(II)-phosphat. 5. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Mangan(II)- und Magnesiumverbindungen besteht jedoch darin, daß ausMangan(II)-salzen mit Ammonium-Sulfid ein je nach den im Einzelfalle gewählten Bedingungen fleischfarbenes oder grünes S u l f i d fällt. I n Essigsäure sowie in Mineralsäuren löst sich dieses auf. Schwefelwasserstoff gibt selbst aus schwach essigsaurer Lösung unter Abstumpfung mit viel Natriumacetat keine Fällung. Übergang in die dreiwertige Stufe. 6. Betrachtet man die mit Natronlauge erhaltene Fällung von Mangan(II)-hydroxyd nach einiger Zeit wieder, so sieht man, daß sie sich von oben her dunkel färbt. Der Luftsauerstoff oxydiert bis zum M a n g a n (III) - h y d r o x y d Mn(OH) 3 . Ebenso fällt aus einer mit Ammoniumchlorid- und Ammoniak-Lösung versetzten klaren Mangan(II)-salz-Lösung nach einiger Zeit schwarz-braunes Hydroxyd der dreiwertigen Stufe aus, das also im Gegensatz zu dem Hydroxyd der zweiwertigen Stufe auch bei Gegenwart von Ammoniumchlorid nicht löslich ist.

7. Man schmelze auf einer Magnesiarinne I Alkalimanganat. | ein wenig Braunstein mit. dem Drei- bis Vierfachen eines Gemisches

Mangan

135

von etwa gleich viel wasserfreiem Natriumcarbonat und Kaliumnitrat (vgl. S. 130). Es entsteht eine tiefdunkelgrüne Schmelze, deren Auftreten für das Vorhandensein auch sehr geringer Mengen von Mangan charakteristisch ist. Diese Schmelze wird deshalb in der Analyse zum Nachweis von Mangan benutzt. 2MnO z + 2Na 2 C0 3 + 0 2 = 2Na 2 Mn0 4 + 2 C 0 2 . I n kaltem Wasser löst sich die Schmelze mit der grünen Farbe der M a n g a n a t i o n e n . Nach kurzem Stehen tritt jedoch infolge Disproportionierung die violette Farbe des P e r m a n g a n a t i o n s auf, und B r a u n s t e i n fällt aus. Später verschwindet auch die violette Farbe wieder infolge der reduzierenden Wirkung des bei der Schmelze entstandenen Nitrits (vgl. S. 130 u. 172). Übermangansaure. 8. Man kann Übermangansäure auch unmittelbar durch Oxydation von Mangan(II)-salz mit Bleidioxyd erhalten. Zu diesem Zwecke koche man eine Mischung von etwa 5 ccm verdünnter und 1 ccm konzentrierter Salpetersäure mit einer Spatelspitze Bleidioxyd und zwei Tropfen Mangan(II)-sulfat-Lösung wenige Minuten und lasse dann das Ungelöste sich absetzen. Die überstehende klare Lösung zeigt dann die rotviolette Farbe der Übermangansaure 1 ). Bei dieser Umsetzung würde die Gegenwart von Chloriden stören. Lösung. Oxydationen mit Per mang anat in alkalischer 9 . Man versetze 5 ccm verdünnte Kaliumpermanganat - Lösung mit einigen Tropfen verdünnter Natronlauge und setze mit einem Glasstabe einen Tropfen verdünnter Ammoniumsulfid-Lösung hinzu. Sofort geht das Rot violett in das tiefe Grün des K a l i u m m a n g a n a t e s über. Auf Zusatz von etwas mehr Ammoniumsulfid tritt Entfärbung ein, und ein dicker brauner Schlamm von wasserhaltigem M a n g a n d i o x y d setzt sich zu Boden. 10. Ma,n versetze 5 ccm verdünnte Kaliumpermanganat-Lösung mit einigen Tropfen Natronlauge und setze einige Tropfen Alkohol hinzu. Auch hier tritt zunächst Grünfärbung auf. Erhitzt man die Masse, so geht die Umsetzung weiter: Die Lösung entfärbt sich, und M a n g a n d i o x y d fällt aus. Dabei wird der Alkohol zu A l d e h y d (vgl. S. 133) oxydiert, dessen charakteristischer Geruch wahrzunehmen ist. 11. Die Reduktion des Permanganats kann in alkalischer Lösung auch mit Mangan(II)-salz erfolgen, wobei auch dieses in B r a u n s t e i n übergeht: 3MnCl2 + 2 K M n 0 4 + 4 K O H = 5Mn0 2 + 6 KCl + 2 H 2 0 . ') Eine Abtrennung des überschüssigen Bleidioxyds durch Filtration ist nicht empfehlenswert, weil das Filtrierpapier die Übermangansäure reduzieren kann.

136

Aufschließen

Man entfärbe eine alkalische Permanganat-Lösung durch Zutropfen von Mangan(II)-salz-Lösung. Dieser Versuch zeigt besonders deutlich, daß die vierwertige Stufe des Mangans in alkalischer Lösung bevorzugt ist. Oxydation in saurer Lösung. 12. Zu einer verdünnten Permanganat-Lösung gebe man verdünnte Schwefelsäure und Eisen(II) sulfat-Lösung; die violette Farbe verschwindet und es tritt die schwach gelbe Farbe von E i s e n (III)-salz-Lösungen auf (vgl. S. 133). IB. Zu einer verdünnten Permanganat-Lösung gebe man Schwefligsäure-Lösung; es tritt Entfärbung ein. Die Umsetzung verläuft im wesentlichen nach der Gleichung: 2[Mn0 4 ] 1 — + 5[SÖ 8 ] 2— + 6 H + = 2Mn 2 + + 5 [ S 0 4 ] 2 - + 3 H 2 0 . Daneben treten jedoch noch andere Reaktionen (Bildung komplizierterer Schwefelsäuren, vgl. S. 168 f.) auf, so daß diese Umsetzung für quantitative Zwecke nicht brauchbar ist. 14. Man gebe zu 5 ccm verdünnter Kaliumpermanganat-Lösung einige Tropfen O x a l s ä u r e - L ö s u n g und 1 / 2 —1 ccm konzentrierter Schwefelsäure. Die Lösung entfärbt sich. Dabei wird die Oxalsäure zu W a s s e T und K o h l e n d i o x y d oxydiert. Am besten macht man sich das so klar, daß das Oxalat-ion [0 2 C—CO a ] 2_ zu zweimal C0 2 entladen wird. Für ein Mol Oxalsäure braucht man also zwei positive Ladungen. Demnach sind Permanganat, das in saurer Lösung fünf Ladungen abgibt, und Oxalsäure im Molverhältnis 2 : 5 anzusetzen und man erhält: 2KMn0 4 + 5H0 2 C • C0 2 H + 3H 2 S0 4 = 10C0 2 + 2MnS0 4 + K 2 S0 4 + 8H 2 0. bzw. 2[Mn0 1 ] 1 - + 5[0 2 C-C0 2 ] 2 - + 16H+ = 10C0 2 + 2Mn2+ + 8H 2 0 . Über die Umsetzung des Permanganats mit Wasserstoffperoxyd vgl. S. 167, Nr. 2, über die mit salpetriger Säure S. 172, Nr. 3.

Aufschließen Viele feste Stoffe, z. B., hochgeglühte Oxyde von Aluminium, Eisen und Chrom, Bariumsulfat, Edelstahle usw. sind weder durch die Einwirkung von wäßrigen Lösungen noch durch konzentrierte Säuren oder Laugen in Lösung zu bringen; sie müssen vielmehr „aufgeschlossen" werden. Dieser Prozeß besteht meist im Zusammenschmelzen mit derart ausgewählten anderen Stoffen, daß neue, leichter in Lösung zu bringende Verbindungen entstehen. So gehen basische Oxyde, z. B. Eisen(III)-oxyd, beim Schmelzen mit dem s a u r e n Aufschlußmittel K a l i u m p y r o s u l f a t in die wasserlöslichen Sulfate über: Fe 2 0 3 + 3K 2 S 2 0, = Fe 2 (S0 4 ) 3 + 3K 2 S0 4 . Da das Pyrosulfat über die Formel K 2 S0 4 hinaus S0 3 enthält, das bei höherer Temperatur abgegeben wird (vgl. auch S. 137, Nr. 1), so liegt hier eine Einwirkung von Schwefelsäure-Anhydrid bei Temperaturen weit über dem Siedepunkt der Schwefelsäure vor.

Aufschließen

137

Saure Oxyde schmilzt man entsprechend mit basischen Stoffen wie Soda (seltener Borax) oder dem stärker wirksamen Ä t z n a t r o n . Dabei geht z. B. Siliciumdioxyd in wasserlösliches Natriumsilikat über. Si0 2 + Na2C03 = Na2Si03 + C 0 2 . Entsprechend behandelt man Verbindungen von Elementen, die lösliche Thiosalze bilden (Arsen, Antimon, Zinn; Näheres s. S. 139 u. ff.), mit N a t r i u m p o l y s u l f i d , das beim Zusammenschmelzen von Soda und Schwefel entsteht. Z. B.: 2Sn0 2 + 5Na2C03 + 9S = 2Na2SnS3 + 3Na 2 S0 3 + 5C0 2 . Amphotere Oxyde, wie Aluminiumoxyd, lassen sich sowohl sauer als auch basisch aufschließen. Oxyde von Elementen, die in höherer Wertigkeitsstufe sauren Charakter zeigen, behandelt man am besten mit basischen Aufschlußmitteln unter gleichzeitiger Oxydation. So erhält man mit der SodaSalpeterschmelze, wie wir S. 130, Nr. 9 u. S. 134, Nr. 7 sahen, aus Cbrom(III)-oxyd Chromat, aus niederen Manganoxyden Manganat. Für hartnäckigere Stoffe steht uns als am stärksten oxydierendes alkalisches Aufschlußmittel das N a t r i u m p e r o x y d zur Verfügung. Der Aufschluß von unlöslichen Sulfaten und dergleichen beruht auf einer anderen Erscheinung. Erhitzt man z. B. Bariumsulfat mit wasserfreiem Natriumcarbonat bis zum Schmelzen, so scheiden sich beim Abkühlen der Schmelze — wie bei wäßrigen Lösungen — diejenigen Salze zuerst aus, die am schwersten in der Schmelze löslich sind. In unserem Falle kristallisiert das Bariuni als Carbonat, das Sulfat als Natriumsalz aus; es ist also die Umsetzung eingetreten: BaS0 4 + Na 2 C0 3 = BaC03 + Na 2 S0 4 . Behandelt man die erkaltete Schmelze mit Wasser, so lösen sich das Natriumsulfat und das überschüssige unverbrauchte Natriumcarbonat, während das Bariumcarbonat zurückbleibt. Nach dem Filtrieren und Auswaschen läßt sich dann das Bariumcarbonat leicht in verdünnter Salz- oder Salpetersäure lösen. Über den wichtigen Aufschluß von Silikaten vgl. S. 174f. 1. Eine kleine Spatelspitze sehr fein gepulverten Eisenoxyds schmelze man einige Zeit im Platinlöffel 1 ) mit der fünf- bis sechsfachen Menge Kalium- oder Natriumpyrosulfat bei einer solchen Temperatur, daß nur wenig Schwefeltrioxyd-Nebel entweichen. Nach dem Erkalten erwärme man das Tiegelchen im Probierglase mit etwas Wasser und verdünnter Schwefelsäure. Wenn der Aufschluß gelungen ist, erhält man eine klare Lösung, aus der AmmoniakLösung Eisenhydroxyd fällt. Bei zu hoher Temperatur während des Aufschließens entweicht das aus dem Pyrosulfat entstehende Schwefeltrioxyd rasch und der Aufschluß bleibt unvollständig. — Steht kein Pyrosulfat zur Verfügung, so entwässere man in einem Porzellantiegel zuvor die notwendige Menge Kalium- oder Natriumhydrogensulfat: 2KHS0 4 = K 2 S 2 0 7 + H 2 0 . P l a t i n g e r ä t e dürfen nicht mit reduzierender Flamme oder mit Schwefel, Phosphor oder Schwermetalle abgebenden Stoffen erhitzt werden. Die Reinigung erfolgt durch Ausschmelzen mit Pyrosulfat.

138

Weitere Elemente der b-Gruppen

2 . Man erhitze im Platintiegelchen etwas gefälltes, d. h. reaktionsfähiges Siliciumdioxyd mit der fünffachen Menge wasserfreier Soda. Nachdem die Gasentwicklung aufgehört und sich alles zu einer klaren Schmelze umgesetzt hat, schrecke man das Ganze dadurch ab, daß man die U n t e r s e i t e des Tiegelchens in kaltes Wasser taucht (Schutzbrille!). Der Schmelzkuchen, der sich auf diese Weise gut von der Tiegelwand abtrennt, ist in Wasser löslich. 3 . Man fälle nach S.67, Nr. 3 Bariumsulfat heiß aus, wasche es gut aus und lasse es trocknen. Dann mische man es mit der zwei- bis dreifachen Menge wasserfreier Soda und schmelze das Gemisch einige Minuten lang im Platin tiegelchen. Nach dem „Abschrecken" (vgl. oben) zerdrücke man den Schmelzkuchen, übergieße ihn mit heißem Wasser und koche noch 1 Minute lang. Dann filtriere man vom Ungelösten ab und wasche sorgfältig aus, bis einige der zuletzt durchgeflossenen Tropfen mit Bariumchlorid-Lösung keine Trübung mehr ergeben, also frei von Sulfat sind. Der ausgewaschene Niederschlag löst sich dann glatt in Salzsäure auf.

Weitere Elemente der b-Gruppen Von den Elementen der b-Gruppen sind Kupfer und Silber sowie. Zink, Cadmium und Quecksilber schon besprochen. Gallium und I n d i u m sind seltene Elemente, die in dieser Einführung niclit behandelt zu werden brauchen. Einige Versuche mit Thalliumsalzen werden später durchgeführt werden. Auch G e r m a n i u m ist sehr selten. Wichtig sind dagegen Zinn und Blei sowie Arsen, Antimon und Wismut. Diese Elemente stellen typische Ü b e r g a n g s g l i e d e r von den M e t a l l e n zu den N i c h t m e t a l l e n ' dar. Namentlich Arsen, aber auch Zinn und Antimon zeigen manche Eigenschaften, die auf nichtmetallischen Charakter hinweisen. In Verbindungen zeigen alle diese Elemente a u ß e r der durch die Gruppenzahl bestimmten M a x i m a l w e r t i g k e i t noch die um zwei E i n h e i t e n g e r i n g e r e W e r t i g k e i t . So kommen Zinn und Blei zwei- und vierwertig, Arsen, Antimon und Wismut drei- und fünfwertig vor. Allerdings tritt bei Blei und Wismut die Höchstwertigkeit nur in sehr wenigen, unbeständigen Verbindungen auf. Beim Blei sind Bleidioxyd und einige Komplexsalze zu nennen, beim Wismut das nur unter Wasserausschluß herstellbare BiP5 und die Metabismutate, z. B. KBi0 3 . Die überwiegende Mehrzahl der Verbindungen .leitet sich vom zweiwertigen Blei und dreiwertigen Wismut ab. Diese Unbeständigkeit der höchsten Stufe findet sich übrigens auch beim Thallium; sie drückt sich ferner in der leichten Zersetzlichkeit der Quecksilber- und Goldverbindungen aus (vgl. die Stellung dieser Elemente im Perioden - System). Die Oxyde bzw. Hydroxyde der h ö c h s t e n Wertigkeitsstufe zeigen im allgemeinen s a u r e n Charakter, insbesondere in der fünften Gruppe. Bei den z w e i - bzw. dreiwertigen Hydroxyden liegen bei den Elementen Zinn, Arsen und Antimon ausgesprochen a m p h o t e r e Stoffe vor. Auch Pb(OH)2 löst sieh in Natronlauge; dies ist bei Bi(OH)3 zwar — beim Vergleich mit Pb(OH)2 auffälligerweise! — nur dann der Fall, wenn man höchst konzentrierte Lauge benutzt; doch drückt sich die Schwäche des basischen Charakters hier deutlich durch die starke Neigung der Wismutsalze zur Hydrolyse aus.

Zinngruppe — Zinn

139

Alle Sulfide der fünf Elemente sind in verdünnten Säuren unlöslich. Die Sulfide des vierwertigen Zinns (nicht des zweiwertigen!) sowie des drei- und fünfwertigen Arsens und Antimons sind dadurch ausgezeichnet, daß sie m i t A m m o n i u m s u l f i d - L ö s u n g unter Komplexbildung reagieren und in L ö s u n g g e h e n . Es entspricht dies weitgehend der Umsetzung zwischen einem Basen- und einem Säureanhydrid: CaO (NH 4 ) 2 S 3(NH 4 ) 2 S 3(NH 4 ) 2 S

+ + + +

S0 3 SnS 2 As 2 S 3 Sb 2 S 5

= = = =

Ca[S0 4 ] (NH 4 ) 2 [SnS 3 ] 2(NH 4 ) 3 [AsS 3 ] 2(NH 4 ) 3 [SbS 4 ] .

Die entstehenden Komplexionen stellen die Anionen von Säuren dar, in denen der Sauerstoff durch Schwefel ersetzt ist, sogenannten „Thiosüuren'il): H 3 As0 3 arsenige Säure, H 3 AsS 3 thioarsenige Säure. Allerdings sind diese Thiosäuren selbst nicht darstellbar; denn beim Versuch, sie durch Zugabe starker Säuren aus ihren Salzen abzuscheiden, zerfallen die Komplexe und es bilden sich neben Schwefelwasserstoff wieder die schwer löslichen Sulfide: (NH 4 ) 2 SnS 3 + 2 HCl = 2NH 4 C1 + SnS 2 + H 2 S . Der Grund hierfür liegt, ähnlich wie es S. 100 besprochen wurde, darin, daß die H+-Ionen in ihrem Bestreben, undissoziierten Schwefelwasserstoff zu bilden, dem Komplex die Sulfidionen entziehen.

Zinngruppe Als „Zinngruppe" seien das Zinn und das jBlei zusammengefaßt. Beide Metalle verbinden sich beim Erhitzen mit dem Sauerstoff der Luft zu Oxyden, die im Gegensatz zum Quecksilber- oder Silberoxyd bei höherer Temperatur nicht wieder in Metall und Sauerstoff zerfallen, wohl aber durch reduzierende Mittel verhältnismäßig leicht zu den Metallen reduzierbar sind. Blei oxydiert sich schon bei Zimmertemperatur oberflächlich und sieht deshalb gewöhnlich mattgrau aus. Zinn schmilzt bei 232°, Blei bei 327°.

Zinn Das silberweiße, sehr dehnbare Metall löst sich in Salzsäure zu Z i n n ( I I ) c h l o r i d (früher Stannochlorid). Durch Oxydationsmittel gewinnt man aus den Zinn(II) - salzen Zinn(IV)-Verbindungen (früher Stanniverbindungen). Diese sind als Verbindungen' einer sehr schwachen Base weitgehend hydrolysiert. Durch sehr geringe Laugenzusätze fällt aus Zinn(IV)-salz-Lösungen ein Niederschlag, den man im wesentlichen als das Hydroxyd ansehen kann. Dieses ist amphoter und löst sich in Säuren wie in Basen wieder auf, leicht aber nur in frisch gefälltem Zustande ( „ a - Z i n n s ä u r e " ) . Beim Stehen, rascher beim Erhitzen, geht es in weniger reaktionsfähige, wasserärmere Produkte über ( „ b - Z i n n s ä u r e " ) , die man auch direkt durch Oxydation von Zinn mit Salpetersäure erhält (Zinnmetall kann also mit Salpetersäure nicht in Lösung gebracht werden!). Noch weniger reaktionsfähig ist das wasserfreie Z i n n d i o x y d , das nach dem Glühen bei hoher Temperatur selbst von geschmolzener Soda nur schwer angegriffen wird. Wegen der leichten Hydrolysierbarkeit der Zinn(IV)-salze lassen sich w a s s e r f r e i e H a l o g e n i d e des vierwertigen Zinns nicht aus wäßriger Lösung gewinnen. Zinntetrachlorid SnCl4 kann man durch Überleiten von trockenem Chlor über geschmolzenes Zinn als farblose, dünnflüssige, bei 114° siedende Flüssigkeit darstellen. ') Über die Bezeichnung „Thio" vgl. S. 98, Anm. 1.

Zinn

140

• Durch starke Reduktionsmittel (z. B. Zinkmetall) werden Zinii(IV)-salze in das Metall übergeführt; schwächere (z. B. Eisenmetall) reduzieren nur bis zur zweiwertigen Stufe (vgl. auch S. 107). Zinn(Il)-salze zeigen auf der anderen Seite ein starkes Bestreben, in den vierwertigen Zustand überzugehen und werden daher vielfach als Reduktionsmittel benutzt. Alle festen Zinnverbindungen werden beim Schmelzen mit wasserfreiem N a t r i u m c a r b o n a t und N a t r i u m c y a n i d zum Metall reduziert, wobei das Cyanid als Reduktionsmittel wirkt und in Cyanat übergeht: Sn0 2 + 2NaCN = Sn + 2NaCNO .

Reaktionen der Zinn(Il)-salze. 1. Man löse etwas Zinn in wenig konzentrierter Salzsäure auf, verdünne, filtriere und verwende die so erhaltene Z i n n ( I I ) - c h l o r i d - L ö s u n g zu den folgenden Umsetzungen : 2. Kali- oder Natronlauge fällen, wenn man sie in geringer Menge zusetzt, Z i n n ( I I ) - h y d r o x y d , das sich bei Überschuß der Lauge zum S t a n n i t löst. SnCl 2 + 2NaOH = Sn(OH) 2 + 2NaCl Sn(OH) 2 + NaOH = Na[Sn(OH) 3 ] . 3 . Ammoniak fällt weißes Z i n n ( I I ) - h y d r o x y d . Ein Überschuß löst den Niederschlag nicht auf (Gegensatz zum Zink und Cadmium!). 4 . Schwefelwasserstoff fällt kaffeebraunes Z i n n ( I I ) - s u l f i d . Dieses löst sich in farblosem Ammoniumsulfid nicht auf, da 2+

sich der Komplex [ S n S 2 ] 2 - nicht bildet. Entsprechend der für Sauerstoffverbindungen geltenden Regel hat auch bei Schwefelverbindungen das zweiwertige Zinn schwächer sauren Charakter als das vierwertige. Wohl aber löst sich Zinn(II)-sulfid in gelbem — also polysulfidhaltigem — Ammoniumsulfid beim Stehenlassen, rascher bei Erwärmen auf, da es dann zur Zinn(IV)-verbindung oxydiert wird: SnS + (NH 4 ) 2 S 2 =

(NH 4 ) 2 [SnS 3 ].

Durch Ansäuern erhält man aus dieser Lösung natürlich nicht das braune Zinn(II)-sulfid, sondern das gelbe Z i n n ( I V ) - s u l f i d .

Reaktionen der Zinn(IV)-salze. 5 . Man tropfe zu Zinn(ll)chlorid-Lösxmg Bromwasser, bis die gelbe Farbe eben bestehen bleibt, und koche den Überschuß an freiem Brom fort. Durch die oxydierende Wirkung des Broms sind die Zinn(II)- in Z i n n (IV) -ionen übergeführt: Sn 2 + + B r 2 = S n 4 + + 2 B r Die so erhaltene Zinn(IV)-saIz-Lösung ist stark h y d r o l y t i s c h g e s p a l t e n ; das gebildete Zinn(IV)-hydroxyd bleibt jedoch kolloid (vgl. S. 142) gelöst. Durch Zugabe von Salz-Lösungen (es eignen sich besonders Sulfate, auch Schwefelsäure selbst) oder durch Aufkochen läßt sich der kolloide Zustand zerstören, Zinn(IV)-hydroxyd fällt aus.

6> Eine kleine Probe der Zinn(/ F) - safc-Lösung werde verdünnt und aufgekocht, eine zweite Probe mit Schwefelsäure oder der Lösung

Zinn

141

eines Alkalisulfates versetzt: Bei beiden Proben tritt eine T r ü b u n g von Zinn(IV)-hydröxyd infolge von Zerstörung der kolloiden Lösung auf (vgl. S. 143). Die soeben dargestellte Zinn(IV)-salz-Lösung werde ferner zu folgenden Umsetzungen benutzt: I . Natronlauge- fällt, in sehr geringer Menge zugesetzt, Zinn (IV)h y d r o x y d , ,,a-Zinnsäure". Ein Überschuß löst zum S t a n n a t : Sn(ÖH)4 + 2NaOH = Na2[Sn(OH)6] . Man überzeuge sich, daß sich ,,b-Zinnsäure" (vgl. S. 139), die sich durch Behandeln von Zinn mit honzentrierter Salpetersäure oder durch Abrauchen irgendeiner Zinnsalz-Lösung mit konzentrierter Salpetersäure bildet, in Natronlauge oder Salzsäure n i c h t löst. Dagegen läßt sie sich durch Behandeln mit schmelzendem Natriumhydroxyd (vgl. S. 137) im Nickeltiegel in Natriumstannat überführen. 8. Schwefelwasserstoff fällt gelbes Zinn(IV)-sulfid, das sich in gelbem wie in farblosem Ammoniumsulfid zu A m m o n i u m t h i o s t a n n a t löst. Aus dieser Lösung wird durch Säuren Zinn(IV)-sulfid wieder gefällt. Auch .sonst neigen die Zinn(IV)-ionen zu K o m p l e x b i l d u n g . So verbindet sich Zinntetrachlorid mit Ammoniumchlorid zum Ammoniumsalz der komplexen ( H e x a ) c h l o r o z i n n ( I V ) - s ä u r e („Pinksalz"). SnCl4 + 2NH4C1 = (NH 4 ) 2 [SnC) 6 ] .

9. Man löse eine Probe dieses schön kristallisierten Salzes in Wasser auf: es löst sich klar. Die Hydrolyse ist wegen der Komplexbildung viel schwächer als in einer Lösung von Zinn(IV)-chlorid allein. Durch Schwefelwasserstoff wird aus der Lösung Zinn(IV)sulfid gefällt; der Komplex ist also nicht sehr stark. Oxydations

- Iteduktions

- Reaktionen.

10. Man schmelze in

einem einseitig geschlossenen Glasröhrchen etwas festes Zinn(II)chlorid mit etwa gleichen Teilen von wasserfreiem Natriumcarbonat und Natriumcyanid. Im geschlossenen Ende des Röhrchens sieht man ein Tröpfchen geschmolzenen Zinns, das man nach dem Abkühlen durch Zerschlagen des Rohres leicht von der erstarrten Salzschmelze trennen kann. I I . Man versetze sowohl Zinn(II)- als auch Zinn(IV)-chloridLösung mit einigen Stückchen Zink. In beiden Fällen scheidet sich Z i n n m e t a l l langsam feinkristallinisch als schwammige glitzernde Masse ab. 12. Man behandle eine salzsaure Zinn(IV)-salz-Lösung mit Eisenpuker. Es erfolgt keine Abscheidung von Zinnmetall, sondern nur Reduktion zu Zinn(II)-ionen, deren Anwesenheit man an ihrer R e d u k t i o n s w i r k u n g , z. B. gegenüber Quecksilber(II)-Verbindungen (vgl. S. 115, Nr. 19), erkennt: Man filtriere die soeben er-

142

Kolloide Lösungen

haltene Lösung und gebe zu dem Filtrat etwas Quecksilber(II)-chloridLösung; es fällt weißes Q u e c k s i l b e r ( I ) - c h l o r i d bzw. graues Q u e c k s i l b e r m e t a l l aus. Ein Beispiel für die R e d u k t i o n s w i r k u n g von Zinn(II)v e r b i n d u n g e n in a l k a l i s c h e r Lösung werden wir. auf S. 159 kennenlernen.

Kolloide Lösungen Schon mehrfach haben wir Beispiele dafür kennengelernt, daß Stoffe, die nach ihrer äußerst geringen Löslichkeit ausfallen sollten, unter gewissen Bedingungen in Lösung bleiben, so z. B. S. 109, Nr. 5 für Zinkhydroxyd, S. 119, Nr. 8 für Eisensulfid, S. 126, Nr. 3 für Nickelsulfid und insbesondere" S. 140, Nr. 5 u. 6 für a-Zinnsäure. Die nähere Untersuchung zeigt, daß die so erhaltenen Lösungen gegenüber den gewöhnlichen Lösungen wesentliche Unterschiede aufweisen: Molekulargewichtsbestimmungen haben ergeben, daß die gelösten Teilchen in ihnen nicht aus Einzelionen oder -molekeln bestehen, sondern 1000- bis lOOOOOOmal so groß sein müssen. Dementsprechend gehen sie zwar meist noch durch die großen Poren eines Papierfilters hindurch, sie diffundieren aber nicht mehr durch die engen Poren einer Pergamentmembran. Läßt man einen Lichtstrahl seitlich durch die Lösung hindurchtreten, so zeichnet er sich leuchtend ab (Tyndall-Effekt), ähnlich wie Staubteilchen in einem Sonnenstrahl aufleuchten; kolloide Lösungen erscheinen deshalb, obwohl sie im durchfallenden Licht klar aussehen, bei schräger Beleuchtung trüb, opaleszierend. So kann man auch in solchen Lösungen mit Hilfe des sogenannten „Ultramikroskops" die einzelnen Teilchen, die im durchfallenden Licht wegen ihrer Kleinheit unsichtbar bleiben, bei seitlicher Beleuchtung an den durch sie hervorgerufenen Beugungserscheinungen wahrnehmen (Einzelmolekeln hingegen sind so klein, daß sie selbst auf diese Weise mit sichtbarem Licht nicht erkennbar werden). Man bezeichnet solche Lösungen nach dem Vorschlage ihres Entdeckers, des Engländers Graham, als kolloide („leimartige") Lösungen. Zeigen die eben genannten Versuche, daß die gelösten Teilchen in kolloiden Lösungen sehr viel größer sind als in den echten Lösungen, so läßt sich auf der anderen Seite leicht nachweisen, daß sie viel kleiner sind als die in „Suspensionen" (z. B. Lehmwasser) enthaltenen Teilchen. So setzen sie sich z. B. beim Stehen oder Zentrifugieren nicht, ab, sie sind mit einem gewöhnlichen Mikroskop nicht zu sehen, sie gehen durch ein Papierfilter hindurch u. a. m. Da es sich bei den kolloiden Lösungen meist um äußerst schwer lösliche Stoffe handelt, die sich eigentlich zu größeren Teilchen vereinigen und ausfallen müßten, so muß es eine Ursache geben, die ihre Vereinigung verhindert. Es ist dies ihre elektrische Ladung. Die Teilchen einer kolloiden Lösung 1 sind alle im gleichen Sinne gegen das Lösungsmittel aufgeladen ). Treffen daher zwei Teilchen infolge der Wärmebewegung aufeinander, so stoßen sie einander elektrostatisch ab und entfernen sich wieder voneinander. Freilich ist diese Aufladung nicht so stark wie bei Ionen, bei denen ja jedes einzelne Atom oder zum mindesten jede Gruppe aus wenigen Atomen eine oder mehrere Ladungen trägt. Bei den Kolloiden kommt im Gegensatz dazu erst auf sehr viele Atome eine Ladung. Diese Ladung der Kolloidteilchen kann verschiedene Ursachen haben. So können z. B. bei einer kolloiden Säure, wie z. B. Zinnsäure, von den an der Oberfläche liegenden Atomgruppen H+-Ionen in die Lösung geschickt werden. Das Kolloid ist in diesem Falle negativ geladen. Gibt das Kolloid OH_-Ionen ab, so bleibt Nur in der organischen Chemie kennt man Teilchen, die auch ohne elektrische Ladung aus anderen Gründer! kolloide Lösungen zu bilden vermögen.

Kolloide Lösungen

143

es positiv geladen zurück. Kolloidteilchen von Aluminium-, Eisen(III)- und Chiom(III)-hydroxyd sind daher positiv geladen. Die Metallionen an der Oberfläche vieler kolloider Sulfide binden S2~-Ionen aus der Lösung; diese Sulfide sind natürlich negativ geladen. Versetzt man andererseits eine sehr verdünnte Kaliumjodid-Lösung mit einem kleinen Überschuß an Silbernitrat-Lösung, so sind die entstehenden Silberjodid-Teilchen positiv geladen, weil an der Oberfläche der Kolloidteilchen Ag+-Ionen adsorbiert werden. — In den kolloid gelösten Teilchen können lie Atome bzw. Molekeln entweder — wie in einem makroskopischen, mit dem Auge unmittelbar sichtbaren Kristall — regelmäßig angeordnet sein (das ist z. B. in den Teilchen einer kolloiden Goldlösung der Fall), sie können aber auch zu einem ungeordneten Haufwerk zusammengeballt, amorph (vgl. S. 64/65) sein (z. B. bei den meisten kolloiden Lösungen von Hydroxyden). Eine Zerstörung der kolloiden Lösung, ein „ A u s f l o c k e n " des Kolloids, kann man auf verschiedenen Wegen erreichen. Oft hilft Erwärmen der Lösung bis zum Kochen. Hierdurch wird die Bewegung der Teilchen vergrößert. Sie treffen infolgedessen mit solcher Wucht aufeinander, daß die elektrostatische Abstoßung nicht mehr ausreicht, um eine Vereinigung zu verhindern. Oder aber man teutralisiert die Ladungen in geeigneter Weise. So fällen sich z. B. kolloide Lösungen mit entgegengesetzt geladenen Teilchen innerhalb gewisser Konzentrationsgrenzen g e g e n s e i t i g aus, wobei eine Zusammenlagerung beider Kolloide zu einer sogenannten „Adsorptionsverbindung" stattfindet. So fällt z. B. eine kolloide Eisen(III)-hydroxvd-Lösung eine kolloide Antimonsulfid-Lösung. Meist benutzt man zum Ausflocken kolloider Lösungen E l e k t r o l y t e , vou denen die der Ladung der Kolloidteilchen entgegengesetzt geladenen Ionen wirksam sind. Die Wirkung des Elektrolyten steigt mit der Ladung des fällenden Ions; so wirken z. B. auf negativ geladene Kolloide Ca2+- und insbesondere Al 3+ -Ionen viel stärker fällend als etwa K+-Ioncn. Besonders wirksam ist auch das sehr kleine H+-Ion. 1 . Man verdünne Kupfersulfat-Lösung sehr stark und verteile sie auf zwei Probiergläser. Zu der einen Probe gebe man reichlich konzentrierte Salzsäure und fälle dann beide Lösungen mit Schwefelwasserstoffwasser. In der säurefreien Lösung entsteht nur eine braune Färbung; das gebildete Sulfid flockt äußerst langsam aus. In der zweiten, salzsäurehaltigen Probe ballt sich der Niederschlag rasch zu schwarzen Flocken zusammen. Erwärmen beschleunigt dies noch. Sollte auch in der säurefreien Lösung sofort eine Fällung auftreten, so sind die Versuche mit stärker verdünnten Lösungen zu wiederholen. 2. Etwas Eisen(III)-chlorid-Lösung des Laboratoriums werde mit Wasser so stark verdünnt, daß sie fast farblos erscheint. Eine Probe davon reagiert intensiv mit Kaliumrhodanid, ein Zeichen dafür, daß E i s e n ( I I I ) - i o n e n vorhanden sind. Eine zweite Probe werde nun aufgekocht, wobei sie sich dunkler, braunstichig färbt; jetzt gibt diese Probe auf Zusatz von Kaliumrhodanid keine Rotfärbung mehr; nach einiger Zeit scheiden sich einige Flöckchen von Eisen(III)hydroxyd aus. Nach dem Aufkochen waren also k e i n e E i s e n (III)i o n e n mehr in der Lösung, sondern alles Eisen(III)-chlorid war unter Hydrolyse in Chlorwasserstoff und Eisen(III)-hydroxyd übergegangen, welches letztere kolloid gelöst blieb und erst durch Zusatz eines Elektrolyten (Kaliumrhodanid) ausgeflockt wurde. Auch in

144

Blei

gewöhnlichen Eisen(III)-chlorid- und Aluminiumchlorid-Lösungen ist diese Hydrolyse teilweise vor sich gegangen (vgl. S. 79ff.). Kolloide Lösungen nennt man auch Sole; ist Wasser als Lösungsmittel benutzt, so spricht man von H y d r o s o l e n . Beim Eindampfen hinterlassen die Sole einen festen Rückstand; in einigen Fällen löst sich dieser ohne weiteres in dem ursprünglichen Lösungsmittel wieder kolloid auf, z. B. Leim, Molybdänblau in Wasser (reversible Kolloide); in anderen Fällen nicht, z. B. Gold, Kieselsäure (irreversible Kolloide). Die aus Solen durch Eindampfen oder Ausflocken erhaltenen Rückstände können lösungsmittelfrei sein (z. B. Gold aus wäßriger kolloider Goldlösung), oft enthalten sie aber eine große Menge des Lösungsmittels mehr oder weniger fest, aber nicht in stöchiometrischem Verhältnis gebunden und bilden schleimige Flocken, die man sich wie einen Schwamm als von feinsten unregelmäßigen Kanälen durchzogen vorstellen muß. Solche Gebilde bezeichnet man als Gele; sind sie aus Wasser gewonnen, als H y d r o g e l e (Beispiel: Aluminiumhydroxyd). Wegen ihrer eigenartigen Struktur ist die Oberfläche der Gelteilchen sehr groß. Sie besitzen deshalb gewisse charakteristische Eigenschaften, besonders ein großes „ A d s o r p t i o n s v e r m ö g e n " : Fremdstoffe werden an ihrer Oberfläche festgehalten. Gele entstehen nicht nur bei der Zerstörung von Solen; gewisse schwer lösliche Stoffe können, wenn man sie durch Zusammengeben entsprechender Lösungen ausfällt, auch ohne erkennbares Durchlaufen des Solzustandes unmittelbar als Gele entstehen, insbesondere viele Hydroxyde, z. B. von Aluminium, Eisen, Silicium. Frisch ausgefällte Gele sind r e a k t i o n s f ä h i g , lösen sich z. B. rasch in geeigneten Lösungsmitteln. Im Laufe der Zeit, besonders in der Wärme, werden sie reaktionsträger, sie a l t e r n ; dabei spalten sie — selbst bei Aufbewahrung unter überschüssigem Lösungsmittel — in mehr oder weniger großem Umfange die gebundenen Lösungsmittelanteile ab. Beim F i l t r i e r e n und A u s w a s c h e n von Fällungen, die die Neigung haben, kolloide Lösungen zu bilden, sind besondere Vorsichtsmaßregeln notwendig, um zu verhindern, daß der abfiltrierte Niederschlag „durchs Filter laufe". Man wäscht deshalb in solchen Fällen nicht mit reinem Wasser, sondern mit Lösungen geeigneter Elektrolyte aus, die das Entstehen der kolloiden Lösungen verhindern und die ferner beim Glühen des Niederschlages durch Verdampfen entfernt werden können. So wäscht man z. B. a-Zinnsäure mit verdünnter Salpetersäure, Aluminiumhydroxyd mit heißer Ammoniumnitratlösung usw. Namentlich für die quantitative Analyse ist dies von Bedeutung.

Blei Das grauglänzende, weiche, dehnbare Metall löst sich in Salpetersäure zu Bleinitrat, das sich ebenso wie die überwiegende Mehrzahl der Bleiverbindungen vom zweiwertigen Blei ableitet. Schwer löslich sind das Oxyd PbO, das Hydroxyd Pb(OH) 2 , das Sulfat PbSO„, das Chromat PbCr0 4 , das Jodid PbJ 2 ; ziemlich schwer löslich ist das Chlorid PbCl 2 . Bleioxyd ist von gelbbräunlicher Farbe, Bleijodid ist gelb; die übrigen Blei (II)-Verbindungen mit farblosem Anion sind farblos. Von den Verbindungen der viertvertigen Stufe ist nur das Bleidioxyd Pb0 2 zu nennen. Ferner kennt man noch ein rotes Oxyd, die Mennige, die 2+ 4+ zwei- und vierwertiges Blei enthält und gemäß der Formel Pb 2 [Pb0 4 ] formal so 2+ aufgefaßt werden kann, als ob das mehr basische Pb(OH)2 mit dem mehr sauren 4-t-

H 4 Pb0 4 ein Salz gebildet hätte (vgl. auch S. 94/95). Durch die starke Salpetersäure wird die schwache Bleisäure ausgetrieben; es bildet sich neben dem

Blei

145

löslichen Bleinitrat Pb(N0 3 ) 2 das unlösliche Anhydrid P b 0 2 der Bleisäure. Die Säure selbst ist nicht herstellbar; sie zerfällt ähnlich der Kohlensäure in Bleidioxyd und Wasser. B l e i s a l z e s i n d g i f t i g ! Bleirohrleitungen, die wegen ihrer leichten Verformbarkeit zu Abfallwasserleitungen benutzt werden, bilden oberflächlich eine Haut von Sulfat oder Carbonat, die verhindert, daß Blei in Lösung geht. Auf diese Weise ist Blei sogar gegen konzentrierte Schwefelsäure beständig.

Die folgenden Umsetzungen der Blei(II)-salze (früher Plumbosalze) führe man mit Bleinitrat-Lüsung aus: 1. Natronlauge fällt weißes B l e i h y d r o x y d aus, das sich im Überschuß der Lauge, namentlich beim Erwärmen, leicht als N a t r i u m p l u m b i t löst. Pb(NO„) 2 + 2 NaOH = Pb(OH), + 2 N a N 0 3 Pb(OH) 2 + 2 N a O H = Na 2 [Pb(ÖH) 4 ] . 2. Ammoniak fällt B1 e i h v d r o x y d ; ein Überschuß löst es nicht wieder auf. 3. Natriumcarbonat fällt b a s i s c h e s B l e i c a r b o n a t von wechselnder Zusammensetzung ( „ B l e i w e i ß " ) . 4. Salzsäure fällt weißes B l e i c h l o r i d . Beim Aufkochen der gegebenenfalls stark zu verdünnenden Mischung löst sich dieses und kristallisiert beim Erkalten in langen glänzenden Nädelchen wieder aus. 5. Kaliumjodid fällt gelbes B l e i j o d i d , das sich in Wasser noch weniger löst als Bleichlorid. Beim Aufkochen der s t a r k v e r d ü n n t e n Mischung löst es sich und kristallisiert beim Abkühlen in gelben, prächtig glitzernden Blättchen wieder aus. 6. Schwefelsäure fällt das in Wasser sehr wenig lösliche, in Alkohol fast unlösliche B l e i s u l f a t . Dieses ist in verdünnter, namentlich warmer Salpetersäure etwas löslich. Mit Natronlauge löst es sich glatt zu Plumbit. Auf Zusatz von Weinsäure und Ammoniak-Lösung geht es in der Hitze langsam in das Ammoniumsalz der innerkomplexen Bleiweinsäure über, deren Formel nicht sicher ist. Der Schwerlöslichkeit des Bleisulfats entspricht es, daß auch B l e i c h r o m a t schwer löslich ist, wie es S. 131, Nr. 11 bereits besprochen wurde.

V. Schwefelwasserstoff oder Ammoniumsulfid fällen schwarzes B l e i s u l f i d . Aus chloridhaltigen Lösungen fällt zunächst — ähnlich wie bei Quecksilber(II)-salzen — ein orangebraunes sulfobasisches Salz. Bleisulfid löst sich n i c h t in Ammoniumsulfid-Lösung. Bleidioxyd. 8. Etwas Bleiacetat - Lösung des Laboratoriums werde mit einer ohne Erwärmen frisch bereiteten starken Natriumperoxyd-Lösung versetzt; es fällt dunkelbraunes B l e i d i o x y d P b 0 2 aus. Pb(CH 3 C0 2 ) 2 + Na 2 0 2 = P b 0 2 + 2Na(CH 3 C0 2 ) . B i l t z , K l e m m , F i s c h e r , Einführung.

30.—32. Aufl.

10

146

Blei

9 . Eine zweite Probe Bleiacetat-Lösung werde mit Bromwasser versetzt; es fällt ebenfalls B l e i d i o x y d aus. Pb(CH 3 C0 2 ) 2 + Br 2 + 2 H 2 0 = P b 0 2 + 2CH 3 C0 2 H + 2HBr . 1 0 . Etwas Mennige werde mit Salpetersäure Übergossen. Die Masse färbt sich dunkel (Pb0 2 ); im Filtrat läßt sich das gebildete Bleinitrat durch eine der oben beschriebenen Bleireaktionen nachweisen. Reduktion zum, Metall. 11. Um aus Bleiverbindurgen met a l l i s c h e s B l e i zu gewinnen, schmelze man sie mit wasserfreiem Natriumcarbonat und Kohle zusammen. Um diese Umsetzung mit kleinen Mengen sicher ausführen zu können, breche man von einem Streichhölzchen die Kuppe ab, tränke das Holz durch Alstreichen eines Kristalles von wasserhaltiger Soda, der durch kuizes Einhalten in eine Flamme oberflächlich zum Schmelzen gebracht ist, zu zwei Dritteln mit Soda und glühe den bestrichenen Teil des Hölzchens, bis das Holz verkohlt ist und der nach dem Veijagen des Kristallwassers wieder fest gewordene Natriumcarbonat übeizug eben zu schmelzen beginnt. Dann bringe man an die Spitze ein wenig des auf Blei zu prüfenden Stoffes und glühe die Stelle, ar der sich die Probe befindet, im Reduktionsraume der Bunsenbrenrorflammo (vgl. S. 9), bis das Natriumcarbonat geschmolzen ist und die Spitze des Kohlestäbchens völlig überzogen hat. Dabei äeht man das entstandene Metallkügelchen in der Schmelze schwimmen. Nach dem Erkalten kann man es mit einiger Vorsicht leich: herauspräparieren und mit dem Messer auf seine Weichheit — es muß sich leicht zu einer Platte drücken lassen — prüfen. A l f Papier gibt es einen ,.Bleistrich". 12. Mit einiger Vorsicht gelingt es unschwer, das Blekügelchen auf einem Objektträger in einem Tropfen Salpetersäure uid einem Tropfen Wasser zu lösen, die überschüssige Säure wegzidampfen, den Rückstand in zwei Tropfen Wasser zu lösen und in Teilen der Lösung das Blei durch einige M i k r o r e a k t i o n e n (:. B. als PbCr0 4 , PbJ 2 ) auch chemisch sicher nachzuweisen. Kan führe dies durch. Ähnliche Metallkügelchen und Wismutverbindungen.

erhält

man aus Zinn-, Silber-. Antimon-

13. Aus seinen L ö s u n g e n wird Blei durch unedlere Metalle in feinen Blättchen als „ B l e i b ä u m " ausgefüllt. Man stelle den Versuch mit einem halben Probierglase voll BleinitratLösung an, in der man einen Streifen Zinkblech üler Nacht stehen läßt.

147

Sulfide

Sulfide Die Sulfide zeigen in ihrem Verhalten gegenüber Wasser, Alkalien und Säuren große Unterschiede. Alkalimetallsulfide sind in Wasser leicht und unzersetzt löslich. Die Erdalkalimetallsulfide dagegen sind aus wäßriger Lösung nicht erhältlich; auf trockenem W e g e dargestellte Präparate zersetzen sich unter Hydrolyse mit Wasser vollständig. Mangan(II)-sulfid ist zwar wasserbeständig, fällt aber nur aus alkalischen Lösungen. Eisen-, Kobalt- und Nickeisulfid fallen zwar bei Zugabe v o n Schwefelwasserstoff auch aus neutralen Lösungen, aber unvollständig. Zinksulfid läßt sich aus essigsaurer Lösung quantitativ ausscheiden. Cadmiumsulfid fällt auch aus schwach mineralsaurer Lösung, löst sich aber in stärker sauren Lösungen auf. Kupfer-, Bleiund Quecksilbersulfid schließlich lassen sich auch aus stark salzsauren Lösungen abscheiden. A l s besonders unempfindlich gegen hohe Säurekonzentration erweist sich dabei das Quecksilbersulfid. Der Unterschied zwischen dem Verhalten der einzelnen Sulfide liegt darin begründet, daß sich die Löslichkeitsprodulcte — obwohl sie bei allen Schwermetallsulfiden klein sind — s t a r k v o n e i n a n d e r u n t e r s c h e i d e n . Sie steigen in der Reihenfolge: H g S , CuS, CdS, ZnS, FeS, M n S , CaS. Beim H g 2 + - I o n genügt also schon eine äußerst geringe S 2 "-Ionenkonzentration, um das Löslicbkeitsprodukt des Sulfides zu überschreiten. Bei M n 2 + - I o n e n dagegen ist schon eine merkliche S 2 "-Ionenkonzentration zur Ausscheidung des Sulfids erforderlich. Beim Calcium schließlich reicht auch die höchste erreichbare S 2 - -Ionenkonzentration nicht zur Fällung aus. N u n besagt das M a s s e n W i r k u n g s g e s e t z über die Abhängigkeit der S 2 "-Ionenkonzentration v o m p n - W e r t der Lösungen folgendes: Schwefelwasserstoff dissoziiert nach den Gleichungen: H

2

S = ^ H + + HS-

und

H S - ^ H +

+

S2-.

Dies liefert die Beziehungen: [H+]-[HS-] [H~S]~

[ H + ] • [S2~] =

K l

^

[HS"]

=

A

"

Multipliziert man diese Gleichungen, so f o l g t : [H+]2-[S2J "[H2"S]

„ 1

_ 2

R

~

Zu jeder H+-Ionenkomentration gehört also eine ganz bestimmte S 2 _ Ionenkonzentration. Ist [ H + ] sehr groß ( s t a r k s a u r e Lösung), so ist [ S 2 ~ sehr klein, und es werden nur die Sulfide mit dem allergeringsten Löslichkeitsprodukt ausfallen ( H g S , CuS, P b S ) . Ist [ H + ] dagegen sehr klein ( a l k a l i s c h e Lösung), so ist [ S 2 " ] groß und es f ä l l t auch das verhältnismäßig leicht lösliche Mangan(II)-sulfid aus. Unterhalb bestimmter [ H + j - W e r t e mittlerer Größe fallen entsprechend Sulfide mit mittleren Löslichkeitsprodukten (CdS, ZnS) aus. Diese Abstufung der Löslichkeitsprodukte ist v o n großer Bedeutung, weil man es durch eine genügend hohe H+-Ionenkonzentration (also Fällung in saurer Lösung) erreichen kann, daß nur ein Teil der schwer löslichen Sulfide ausfällt. Bei Erniedrigung der H+-Ionenkonzentration durch Zugabe von Ammoniak — oder, was die gleiche Wirkung hat, bei Zugabe, von Ammoniumsulfid — fallen dann auch die übrigen Sulfide aus. A u f diese Weise kann man bei der Analyse die Elemente in drei Gruppen scheiden: Solche, die auch in s a u r e r Lösung Sulfide bilden, solche, die als Sulfid nur in a l k a l i s c h e r Lösung ausfallen, und schließlich 6olche, die mit S 2 " - I o n e n überhaupt k e i n e Niederschläge bilden. 10*

148

Arsengruppe — Arsen

Die säureunlöslichen Sulfide lassen sich nun noch dadurch weiterhin trennen, daß einzelne von ihnen sich in Atnmoniumsulftd wieder a u f l ö s e n (vgl. S. 139). Es sind dies Zinn(IV)-sulfid sowie die Sulfide von Arsen und Antimon. Filtriert man die so erhaltenen Lösungen der Salze der Thiosäuren ab und säuert an, so scheiden sich die Sulfide dieser drei Elemente wiederum ab, so daß man mit ihnen weitere Reaktionen vornehmen kann. Diese verschiedenen Trennungsmöglichkeiten machen verständlich, warum der Schwefelwasserstoff trotz seiner unangenehmen physiologischen Eigenschaften ein im analytischen Laboratorium so viel benutztes Reagens ist.

Arsengruppe Als „Arsengruppe" seien die Elemente Arsen, Antimon und Wismut zusammengefaßt. Außerdem gehören in diese Gruppe des Perioden-Systems noch die in ihren wichtigsten Verbindungen schon besprochenen Elemente S t i c k s t o f f und P h o s p h o r . In dieser Fünfergruppe von Elementen zeigen sich zahlreiche Gesetzmäßigkeiten, wenn man die Elemente nach den Atomgewichten ordnet: J e größer das Atomgewicht ist, desto höher liegen die Siedepunkte. (Die Schmelzpunkte dagegen zeigen ein verwickeltes Verhalten!) Ausgesprochen metallische Eigenschaften h a t das Wismut; die übrigen sind um so deutlicher Nichtmetalle, je kleiner das Atomgewicht ist. Das Wismuthydroxyd ist eine Base, die übrigen Hydroxyde haben mit fallendem Atomgewicht steigend immer stärker saure Eigenschaften. Der Siedepunkt der Trichloride, die flüssig oder leicht schmelzbar sind, steigt mit zunehmendem Molekulargewicht. Alle Elemente dieser Gruppe bilden Verbindungen mit Wasserstoff von der Formel X H 3 , die mit steigendem Atomgewicht des Elements unbeständiger werden.

Arsen Arsen bildet spröde, metallisch glänzende Kristalle oder dunkelgraue Stücke, die an der L u f t m a t t werden, da sie sich oberflächlich zu As 2 0 3 (Arsen(III)-oxyd oder Diarsentrioxyd) oxydieren. Bei Atmosphärendruck läßt sich Arsen nicht schmelzen, da es vorher sublimiert. Sein Dampf riecht knoblauchartig. Von den Verbindungen der dreiwertigen Stufe ist A r s e n ( I I I ) - o x y d As 2 0 3 („Arsenik") nur wenig in Wasser löslich; die Lösung reagiert schwach sauer, weil sich a r s e n i g e S ä u r e H 3 As0 3 bildet. Starken Säuren gegenüber kann diese auch als Base reagieren. So ist z. B. die Löslichkeit von Arsenik nicht nur in Natronlauge, sondern auch in starker Salzsäure wesentlich größer als in Wasser. Das im zweiten Falle gebildete Trichlorid ASC13 erfährt als Salz einer sehr schwachen Base durch Wasser eine weitgehende hydrolytische Spaltung, namentlich in Gegenwart von viel Wasser. Salzsäure drängt die Hydrolyse zurück; deshalb geht beim Kochen einer stark mit Salzsäure versetzten Arsenigsäure-Lösung Arsen als leichtflüchtiges Arsentrichlorid mit den Wasserdämpfen fort. Dagegen läßt sich eine Lösung der A r s e n s ä u r e , in der das Arsen fiinftvertiff ist, auch nach dem Versetzen mit viel Salzsäure ohne Verlust an Arsen eindampfen, weil beim Arsen (im Gegensatz zum Phosphor und Antimon!) ein Pentachlorid ASC15 nicht existiert. Eine Lösung von Arsensäure erhält man leicht durch Oxydation von Arsen(III)-oxyd bei Gegenwart von Wasser. Die durch Fällung daraus entstehenden Salze leiten sich meist von der Orthosäure H 3 As0 4 ab, manchmal jedoch auch von der Pyro- bzw. der Metasäure (H 4 As 2 0 7 bzw. HAs0 3 ). Man muß daher annehmen, daß in der Lösung verschiedene Hydratationsstufen nebeneinander vorhanden sind, die sich —

Arsen

149

anders als bei der Phosphorsäure! — sehr leicht ineinander umwandeln. Durch Fällung mit irgendeiner Salzlösung entsteht jeweils die Verbindung,' die am schwersten löslich ist. — Durch Einengen einer Arsensäure - Lösung erhält man Kristalle der Zusammensetzung H 3 As0 4 - V 2 H 2 0. Durch Erhitzen entstehen daraus zunächst wasserärmere Verbindungen, deren Zusammensetzung jedoch nicht der Pyro- oder Metaphosphorsäure entspricht. Als Endprodukt der Entwässerung bildet sich schließlich As 2 0 5 ( A r s e n ( V ) - o x y d oder Diarsenpentoxyd). (Gegensatz zu Phosphorsäure, die sich nur bis zur Metasäure entwässern läßt!) — Die A r s e n a t e sind den Phosphaten außerordentlich ähnlich. So ist an dem Paar K H 2 P 0 4 und KH 2 As0 4 von M i t s c h e r l i c h die , , I s o morphie" entdeckt worden, d. h. die Tatsache, daß zwei Stoffe verschiedener Zusammensetzung nahezu die gleiche Kristallgestalt besitzen und Misch- und Überwachsungskristalle bilden können. Dementsprechend sind auch die chemischen Umsetzungen von Arsen- und Phosphorsäure sehr ähnlich, so daß man sich vor Irrtümern hüten muß. Eine Abtrennung des Arsens läßt sich jedoch leicht über die s c h w e r l ö s l i c h e n S u l f i d e As 2 S 3 bzw. AS,S5 durchführen. Auch läßt sich Arsensäure im Gegensatz zur Phosphorsäure schon durch schwache Reduktionsmittel bis zur dreiwertigen Stufe, durch starke sogar bis zur nullwertigen Stufe, d. h. zum elementaren Arsen, reduzieren. Arsenverbindungen sind sehr giftig! Namentlich beim Experimentieren mit Arsen Wasserstoff und anderen flüchtigen Arsen Verbindungen ist g r ö ß t e V o r s i c h t erforderlich!

Arsen und Arsenik. 1. Man erhitze ein Stückchen Arsen von der Größe einer Erbse in einem trockenen Probierglase (Abzug!). Zuerst sublimiert etwas Arsen (Ill)-oxyd und bildet einen weißen Beschlag. Erhitzt man so stark, daß das Glas erweicht, so beginnt das Arsen zu sublimieren und sich in den kälteren Teilen des Rohres als schwarzer spiegelnder Beschlag („Arsenspiegel") niederzuschlagen. Wenn alles Arsen verdampft ist, unterbreche man den Versuch und zerschlage nach dem Abkühlen das Glas. Das aus metallisch glänzenden Kristallen bestehende Sublimat läßt sich von den Glasscherben leicht ablösen. 2 . Ein stecknadelkopfgroßes Stück Arsen werde unter dem Abzüge mit der Lötrohrflamme auf Kohleunterlage erhitzt. Es verdampft und wird zum Teile zu A r s e n ( I I I ) - o x y d oxydiert, das als weißer Rauch entweicht oder sich auf den kälteren Stellen der Kohle als Beschlag niedersetzt. Dabei zeigt sich der eigentümliche Geruch des Arsendampfes deutlich. 3 . Ar sen ( I I I ) - o x y d ist ein weißes kristallinisches Pulver oder — als zweite Modifikation — eine glasartige, amorphe Masse, die beim Aufbewahren langsam in die kristallinische Modifikation übergeht. Beim Sublimieren setzt sich Arsen(III)-oxyd in kleinen, stark lichtbrechenden Oktaedern ab. Man sublimiere im einseitig geschlossenen Rölrchen einige Körnchen Arsen{III)-oxyd und betrachte das Sutlimat unter dem Mikroskop.

4 . Unter dem Einfluß von R e d u k t i o n s m i t t e l n (Natriumeyanid vgl. S. 140 u. 141, Nr. 10, Kohle, Zinn(II)-chlorid) geht

150

Arsen

Arsenik leicht in A r s e n über. Man erhitze ein kleines Körnchen von Arsen(III)-oxyd oder einer beliebigen Arsenverbindung im einseitig geschlossenen Glasröhrchen mit ein wenig eines Gemisches von gleich viel trockenem Natriumcarbonat und Natriumcyanid. An den kälteren Teilen des Röhrchens bildet sich ein A r s e n s p i e g e l . c

5 . Man ziehe ein Stück Glasrohr zu einem etwa 2 mm weiten, Figur 23. Reduktion von Arsenik etwa 2—3 cm langen Röhrchen aus, wie es Fig. 23 zeigt. I n die verschlossene Spitze bringe man ein Körnchen Arsen(III)-oxyd und lege ein schon vorher passend zurechtgeschnittenes Splitterchen Holzkohle darüber. Nun halte man das Röhrchen waagerecht in die Flamme, so daß zunächst der Kohlesplitter ins Glühen kommt, und richte es dann, ohne die eben erhitzte Stelle aus der Flamme zu bringen, etwas auf, so daß das Arsen(III)-oxyd zu verdampfen beginnt. Sein Dampf streicht dann über die glühende Kohle, wird durch sie reduziert, und das gebildete Arsen schlägt sich als schwarzer Spiegel an der Übergangsstelle des engen Rohrteiles zum weiten nieder. 6. In wäßriger Lösung eignet sich zur Reduktion Zinn(II)-chlorid. Zu einigen Körnchen Arsen(lII)-oxyd bringe man etwa ein Gramm festes Zinn(II)-chlorid und 1—2 ccm konzentrierte Salzsäure. Beim Stehenlassen, schneller beim gelinden Erwärmen, bildet sich durch Reduktion elementares Arsen, das in kolloider Form die Lösung bräunt und später in Flocken a u s f ä l l t ( „ B e t t e n d o r f s A r s e n p r o b e " ) . Reaktionen der arsenigen Säure. 7 . Man koche eine Spatelspitze Arsen(III)-oxyd in einem Kölbchen einige Minuten mit etwa 10 ccm Wasser, filtriere die Lösung ab, so daß das Ungelöste möglichst im Kölbchen bleibe, und hebe es zur Darstellung von Arsensäure (Vers. Nr. 14) im Kölbchen auf. Das Filtrat, welches a r s e n i g e S ä u r e gelöst enthält, benutze man zu folgenden Versuchen: 8. Schwefelwasserstoff färbt die Lösung gelb, indem sich kolloides A r s e n ( I I I ) - s u l f i d (oder Diarsentrisulfid) As 2 S 3 bildet. Erst auf Zusatz von Salzsäure oder von Salzen wird das Arsen(III)sulfid ausgeflockt. In farblosem Ammoniumsulfid löst sich das Arsen(III)-sulfid zu A m m o n i u m t h i o a r s e n i t , in gelbem Ammoniumpolysulfid zu A m m o n i u m t h i o a r s e n a t . AS2S3 + 3(NH 4 ) 2 S = 2(NH 4 ) 3 [AsS 3 ] AS 2 S 3 + 3 ( N H 4 ) 2 S + 2 S = 2(NH 4 ) 3 [AsS 4 ] .

I n Ammoniumcarbonat-hösung löst sich Arsen(III)-sulfid zu einem Gemisch von Arsenit und Thioarsenit.

Arsen

151

9. Silbernitrat fällt zunächst nichts. Wird jedoch zu der Mischung mit einem Glasstabe vorsichtig ein Tröpfchen AmmoniakLösung gebracht, so wird die freiwerdende Säure neutralisiert und es fällt g e l b e s S i l b e r a r s e n i t aus (Unterschiedsprobe gegen Arsenate). Salpetersäure löst den Niederschlag wieder auf. Ebenso löst ein Überschuß von Ammoniak- Lösung. H 3 AS0 3 + 3 A g N 0 3 + 3 N H 3 = Ag 3 As0 3 + 3NH 4 N0 3 Ag 3 As0 3 3 H N 0 3 = 3 A g N O j + H 3 As0 3 Ag,A80j + 6 N H 3 = [Ag(NH 3 ) 2 ] 3 As0 3 . 10. K a k o d y l r e a k t i o n . Ein Körnchen Arsen{III)-oxyd werde mit ein wenig Natriumacetat verrieben und das Gemisch im Glühröhrchen stark erhitzt. Es tritt ein durchdringender, unangenehmer Geruch nach einer organischen Arsenverbindung (Kakodylo x y d ) auf. 11. Schließlich ist zu erwähnen, daß Lösungen von arseniger Säure mit sehr vielen Metallionen in alkalischer Lösung Niederschläge geben, die jedoch meist nicht sehr charakteristisch sind. Man stelle als Beispiel Niederschläge mit Kalkwasser sowie mit (wenig!) Kupfer salz-Lösung und Natronlauge her. Arseiisünre. Zur Überführung von arseniger Säure in Arsensäure eignen sich die verschiedensten Oxydationsmittel. Analytisch wichtig ist die Umsetzung mit J o d , die nach folgender Gleichung verläuft:

[AS0 3 ] 3 - + J° + H 2 0 ^

[AsOj] 3- + 2H+ + 2 J- .

Diese Reaktion verläuft je nach der K o n z e n t r a t i o n d e r H + - I o n e n von links nach rechts oder umgekehrt. Hält man [ H + ] k l e i n , so erfolgt quantitative Oxydation zur A r s e n s ä u r e . Das Wegfangen der bei der Umsetzung gebildeten H+-Ionen kann natürlich durch Natronlauge erfolgen. Dann würde aber die Entfärbung der Jod-Lösung wenig charakteristisch sein ¡dennnachS. 164u. 165,Nr.ll entfärbt Natronlauge Jod-Lösung auch ohne Gegenwart von arseniger Säure. Das gleiche gilt für Soda-Lösung, die ja infolge von Hydrolyse alkalisch reagiert. Dagegen eignet sich für den Versuch N a t r i u m h y d r o g e n c a r b o n a t , weil es wohl die H+-Ionen unter Bildung der wenig dissoziierten Kohlensäure (bzw. von H 2 0 und C 0 2 , das entweicht) wegfängt, für sich allein jedoch Jod-Lösung nicht entfärbt. — Hält man umgekehrt die H + -Ionenkonzentration g r o ß , so verläuft die Reaktion von rechts nach links.

12. Man gebe zu einer A rsenigsäure - Lösung etwas Natriumhydrogencarbonat-PulveT und einige Tropfen Jod-Lösung. Die braune Jodfarbe verschwindet. 13. Man gebe zu der soeben erhaltenen Lösung von Arsensäure und Jod-Ionen nach und nach (Vorsicht wegen des durch die Kohlen dioxydentwicklung bedingten Schäumens!) reichlich konzentrierte Salzsäure. Die braune Jodfarbe tritt wieder auf. 14. Für präparative Zwecke eignet sich zur Oxydation besser Salpetersäure. Man übergieße den bei dem Versuch Nr. 7, S. 150 im

152

Arsen

Kölbchen verbliebenen Rest Arsen(III)-oxyd mit 1—2 ccm konzentrierter Salpetersäure, koche auf und dampfe die Lösung unter dem Abzüge in einer Porzellanschale auf dem Sandbade fast zur Trockene ein. Den Rückstand löse man in etwas Wasser und benutze die Lösung zu folgenden U m s e t z u n g e n der A r s e n s ä u r e : 15. Schwefelwasserstoff fällt aus s t a r k s a l z s a u r e r Lösung gelbes A r s e n ( V ) - s u l f i d (oder Diarsenpentasulfid) As2S5. Der Niederschlag ist in Ammoniumsulfid-Lösung zu A m m o n i u m t h i o a r s e n a t löslich. As2S5 + 3 (NH4)2S = 2 (NH4)3[AsS4]. Auch in Ammoniumcarbonat-Lösung löst er sich, und zwar zu einem Gemische von Arsenat und Thioarsenat. Aus w e n i g e r stark sauren Lösungen fällt ein Gemisch von Arsen (III)s u l f i d u n d S c h w e f e l ; diese Fällung erfolgt langsam und ist erst nach längerer Zeit vollständig. Es liegt dies daran, daß es sich hier n i c h t um Ionenreaktionen handelt. Vielmehr bilden sich zunächst gemäß: H 3 Äs0 4 + H 2 S ^ H 3 As0 3 S + H 2 0 Monothio arsensäure sowie weitere Zwischenstufen. In stark saurer Lösung setzen sich diese leidlich rasch zu As 2 S 5 um. In schwach saurer Lösung und bei höherer Temperatur ist dagegen unter den verschiedenen möglichen, durchweg langsam verlaufenden Umsetzungen der Monothiosäure der Zerfall in arsenige Säure und Schwefel der verhältnismäßig schnellste und damit der vorherrschende Vorgang. Die so entstehende arsenige Säure setzt sich dann erst mit weiterem Schwefelwasserstoff zu As 2 S 3 um.

Bei den folgenden Umsetzungen beachte man die Ä h n l i c h k e i t mit den S. 48 beschriebenen Reaktionen der P h o s p h o r s ä u r e : 16. Wenig Arsensäure-Lösung werde mit Salpetersäure stark angesäuert und mit dem m e h r f a c h e n Volumen Ammoniummolybdat-Lösung versetzt; bei schwacher (vgl. S. 48, Nr. 2) Erwärmung der Mischung treten eine Gelbfärbung und bald ein gelber Niederschlag vom A m m o n i u m s a l z e der k o m p l e x e n M o l y b d a t o a r s e n s ä u r e (NH4)3[As(Mo3O10)4] auf. IT. Magnesiumsalze fällen aus der mit Ammoniumchlorid- und Ammoniak - Lösung versetzten A rsensäure - Lösung kristallwasserhaltiges A m m o n i u m m a g n e s i u m a r s e n a t NH 4 MgAs0 4 (Mikroskop! Vgl. S. 69, Nr. 8). Fällung stehen lassen für Versuch Nr. 19. 18. Silbernitrat fällt zunächst nichts. Wird aber —- am besten tropfenweise mit einem Glasstabe — die zur Bindung der freien Säure nötige Menge Ammoniak-Lösung (nicht mehr!) hinzugesetzt, so fällt r o t b r a u n e s S i l b e r a r s e n a t . H3AS04 + 3AgN0 3 + 3NH 3 = Ag 3 As0 4 + 3 N H 4 N 0 3 . Silberarsenat ist in Salpetersäure und auch in Ammoniak-Lösung löslich.

Arsen

153

Die Silberarsenatreaktion kann nicht nur zu der E n t s c h e i d u n g dienen, ob drei- oder f ü n f w e r t i g e s Arsen vorliegt, sie gestattet auch, im Magnesium ammonium arsenat-Niederschlage die Arsensäure nachzuweisen und so diesen Niederschlag von dem e n t s p r e c h e n d e n P h o s p h a t n i e d e r s c h l a g e zu u n t e r s c h e i d e n : 19. Man lasse den soeben dargestellten Niederschlag von Magnesium ammonium arsenat eine Viertelstunde stehen, filtriere ab und wasche den Niederschlag auf dem Filter mit Wasser gut aus. Da die Fällung aus Cl~-Ionen-haltiger Lösung erfolgte, kann man die erfolgreiche Beendigung des Auswaschens leicht daran feststellen, daß einige Tropfen des ablaufenden Waschwassers, die man in einem Reagensglas auffängt, auf Zusatz von verdünnter Salpetersäure und Silbernitrat-Lösung keine Trübung mehr geben. (In entsprechender Weise verfährt man bei allen analytischen Fällungen!) Ist die beschriebene Prüfung negativ ausgefallen, so werde eine Probe des Niederschlages mit einem Tropfen neutraler Silbernitrat-hösung befeuchtet; er färbt sich durch Bildung von Silberarsenat r o t b r a u n . 20. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Arsensäure — ähnlich wie die Phosphorsäure — mit nahezu allen zwei- und dreiwertigen Ionen in a l k a l i s c h e r , zum Teil auch in s c h w a c h s a u r e r L ö s u n g schwer lösliche Niederschläge liefert. Als Beispiel fälle man mit Bariumhydroxyd-Lösung Bariumarsenat. Arsenwasserstoff AsH3 und Antimonwasserstoff SbH3 sind weniger beständig als Ammoniak. Schon beim gelinden Erhitzen zersetzen sie sich in Wasserstoff und Metall, das sich an der Gefäßwand als Spiegel abscheidet. Zündet man Arsenwasserstoff an, so verbrennt er an der Luft zu Arsen(III)-oxyd und Wasser. Der Wasserstoff reagiert dabei schneller als das Arsen. Bringt man einen kalten Gegenstand in die Flamme, so scheidet sich das noch unverbrannte Arsen als „ A r s e n f l e c k " ab. Da sich Arsenwasserstoff schon mit äußerst kleinen Mengen einer beliebigen Axsenverbindung bildet, kann man ihn zum N a c h w e i s k l e i n e r A r s e n m e n g e n in der Giftanalyse benutzen (Marshsche Arsenprobe). Zur Darstellung von Arsenwasserstoff behandelt man eine beliebige Arsenverbindung mit einem unedlen Metall (z.B. Zink) und Säure 1 ): H31S03 + 3Zn + 6 HCl = AsH3 + 3ZnCl2 + 3H20 . Bei dem n a c h s t e h e n d e n V e r s u c h b e a c h t e m a n , d a ß ArsenwasscrStoff sehr giftig ist. Das Einatmen des Gases kann zum Tode führen. Vor allem sei man beim Auseinandernehmen der Apparatur vorsichtig! Gelegentlich findet man als Erklärung der Reduktionswirkung des Zinks bei Gegenwart von Säure die Annahme, es bilde sich zunächst eine besonders reaktionsfähige Form des Wasserstoffs, der Wasserstoff „in statu nascendi", der seinerseits dann die beobachteten Reduktionsreaktionen bewirke. Diese Annahme ist überflüssig; denn Zink selbst ist ja ein starkes Reduktionsmittel (vgl. seine Stellung in der Spannungsreihe, S. 107), und der aus Zink und Säure entstehende Wasserstoff könnte höchstens ein schwächeres, keinesfalls aber ein stärkeres Reduktionsmittel als das Zink sein.

154

Arsen

21. Man setze unter dem Abzüge den in Fig. 24 dargestellten Apparat aus folgenden Teilen zusammen: einem 200 ccm fassenden Kölbchen, einem Einfülltrichter, einem Calciumchloridrohre (b), in das zum Trocknen des Gases einige Stücke gekörntes Calciumchlorid zwischen zwei Wattebäuschchen kommen, und dem Zersetzungsrohre. Letzteres wird aus einem schwer schmelzbaren, außen 7 mm weiten Glasrohre nach der Zeichnung gefertigt. Die Rohre werden mit kurzen Stücken Gummischlauch so miteinander verbunden, daß Glas an Glas stößt. In den Kolben kommen acht je etwa 1 cm lange Stängelchen reinen Zinks, dazu ein wenig verdünnte Schivefelsäure und ein

c

Figur 24. Marsh sehe Probe

Tropfen Kupfersulfat-Lösung. Sobald lebhafte Gasentwicklung im Gange ist und die Zinkstückchen sich mit ausgeschiedenem Kupfer überzogen haben, gieße man die Flüssigkeit von den Zinkstückchen möglichst ab, gebe neue, etwa 20-proz. Schwefelsäure (verdünnte Säure, der etwas konzentrierte Säure zugesetzt ist) hinzu und setze den Apparat völlig zusammen. Über die Ausströmungsöffnung des Zersetzungsrohres stülpe man ein umgekehrtes Probierglas. Nach etwa 1 / 2 Minute entfernt man das Probierglas, verschließt es sofort mit dem Daumen, nähert es einer entfernt von der Apparatur stehenden Flamme und öffnet es wieder. Explodiert der Inhalt mit lautem Knall, so ist noch Luft in der Apparatur. Nachdem die Flamme im Reagensglas s i c h e r e r l o s c h e n ist, wiederholt man die Prüfung, bis der Inhalt des Probierglases sich fast lautlos entzünden läßt 1 ). D a n n e r s t erhitze man das Zersetzungsrohr kurz vor einer ausgezogenen Stelle (vgl. Fig. 24) bis zum Glühen, während man den vor und hinter dieser Stelle befindlichen Teil des Rohres durch den Ring des Kochgestelles stützt. Auch nach ') Apparaturen, die mit Wasserstoff gefüllt werden müssen, prüft man stets in der oben beschriebenen Weise auf die Abwesenheit von Sauerstoff, ehe man sie in Betrieb nimmt.

Antimon

155

längerer Zeit — im Ernstfalle etwa einer halben Stunde; hier mögen einige Minuten genügen — darf bei x kein Arsenspiegel im Rohre entstehen; andernfalls wären die Materialien arsenhaltig und müßten durch neue ersetzt werden. Scheidet sich kein Arsenspiegel ab, so gebe man e i n e n T r o p f e n verdünnter Arsenigsäure-Lösung in den Trichter und spüle ihn mit einigen Tropfen verdünnter Schwefelsäure in den Kolben. Nach einiger Zeit wird sich jetzt hinter der erhitzten Stelle bei x ein A r s e n s p i e g e l niederschlagen. Wenn der erste Arsenspiegel dunkel genug geworden ist, kann man durch Erhitzen bei c an der zweiten Verjüngungsstelle einen zweiten Spiegel entstehen lassen. Jetzt entferne man die Flamme und entzünde das ausströmende Gas. Die Flamme färbt sich weißlich, und ein w e i ß e r R a u c h v o n A r s e n ( I I I ) - o x y d steigt auf. Wird die Flamme jetzt durch eine kalte Abdampfschale niedergedrückt, so bildet sich innerhalb des flammenbedeckten Teiles an der Schale ein braunschwarzer A r s e n f l e c k . Charakteristisch für den Arsenspiegel bzw. die Arsenflecke ist die namentlich am Rande deutlich wahrzunehmende B r a u n f ä r b u n g (die ähnlichen Antimonflecke sind tiefsammetschwarz). Ein Fleck werde mit einem Tropfen gelber Ammoniumsulfid - Lösung bet u p f t ; bei vorsichtigem Abrauchen der Lösung hinterbleibt ein g e l b e r Fleck von Arsensulfid. Ein zweiter Arsenfleck werde in etwas frischer Natriumhypochlorit • Lösung (NaCIO; vgl. S. 162/64) aufgelöst, wobei er sich zu Arsensäure oxydiert. Ein Antimonfleck würde sich nicht lösen. 2 As + 5 NaCIO + 3 H 2 0 = 2H 3 As0 4 + S N a C l . Antimon Antimon ist als Element und in seinen Verbindungen dem Arsen recht ähnlich. Es ist silberweiß, spröde und schwerer flüchtig als Arsen. An Oxyden bzw. Hydroxyden kennt man außer dem Antimon(III)-oxyd (oder Diantimontrioxyd) Sb 2 0 3 und dem nur in wasserhaltiger Form bekannten A n t i mon(V)-oxyd (oder Diantimonpentoxyd) Sb 2 0 5 noch weitere Verbindungen, die drei- und fünfwertiges Antimon nebeneinander enthalten; ihre Erforschung ist jedoch noch nicht ganz abgeschlossen. Die Antimonoxyde sind ziemlich schwer flüchtig; sie sind, ähnlich wie Zinndioxyd, in Wasser und Salpetersäure fast unlöslich. Scheidet man das Trioxyd oder das Pentoxyd aus Antimoniten oder Antimonaten ab, so entstehen Produkte mit wechselndem Wassergehalte, die im folgenden der Einfachheit halber als Sb(OH)3 bzw. Sb 2 0 5 formuliert werden. Antimonige Säure ist schwächer sauer als arsenige Säure und noch ausgesprochener amphoter. Die Verbindungen, in denen Sb(OH)3 als Base fungiert, sind stark hydrolysiert. Vielfach findet sich in basischen Verbindungen die Gruppe (SbO)+, die als „Antimonylgruppe" bezeichnet wird; z. B. SbOCl Antimonylchlorid (vgl. dazu auch S. 129, Anm. 1). Das in Wasser fast unlösliche Oxyd des fünfwertigen Antimons löst sich zwar in Salzsäure, verhält sich aber in der Mehrzahl seiner Umsetzungen als typisches Säureanhydrid.

Antimon

156

Verbindungen des dreiwertigen Antimons können r e d u z i e r e n d , die des fünfwertigen o x y d i e r e n d wirken. Die R e d u k t i o n zu M e t a l l gelingt in wäßriger Lösung sehr leicht, so z. B. schon mit Eisen (Unterschied gegen Zinn!).

1. Man erhitze etwas Antimon in einem einseitig geschlossenen Glasröhrchen. Es schmilzt bei 630°; bei der Hitze des Bunsenbrenners läßt es sich nicht verdampfen. Beim Erhitzen mit der Lötrohrflamme auf Kohle gibt Antimon einen weißen Beschlag von Oxyden, der beim Erwärmen wesentlich weniger flüchtig ist als beim Arsen. Dreiwertiges Antimon. 2. Man erhitze etwas gepulverten Grauspießglanz (Sb2S3) in einem Probierglase mit 2 ccm konzentrierter Salzsäure (Abzug!). Unter Entwicklung von Schwefelwasserstoff löst sich der Grauspießglanz zum Teile auf. Sb 2 S 3 + 6HCl = 2SbCl 3 + 3H 2 S . Nach dem Erkalten filtriere man und koche das Filtrat bis zur Entfernung des gelösten Schwefelwasserstoffes. Nachdem man die Lösung vorsichtig tropfenweise mit Wasser verdünnt hat — eine etwa entstehende Trübung werde mit einem Tropfen konzentrierter Salzsäure wieder in Lösung gebracht — verwende man sie zu den folgenden Umsetzungen. 3. Wasser hydrolysiert und fällt weißes A n t i m o n y l c h l o r i d , das bei längerem Stehen mit viel Wasser in wasserhaltiges Antimon(III)-oxyd übergeht. 4. Wird zu dieser Mischung konzentrierte Salzsäure gesetzt, so löst sich das Antimonylchlorid wieder auf. Beim Verdünnen bildet sich dann wieder ein Niederschlag usw. Ein schönes Beispiel für die M a s s e n w i r k u n g : SbCL + H 2 0

HCl

SbOCl + 2 HCl.

5. Auf Zusatz von Weinsäure löst sich der Aniimonylchloridniederschlag zur innerkomplexen (vgl. S. 102) A n t i m o n y l W e i n s ä u r e auf; das Kaliumsalz dieser Säure ist als „ B r e c h w e i n s t e i n " auch in fester Form bekannt. Aus einer Lösung dieses Salzes (also bei Abwesenheit überschüssiger freier Weinsäure) fällt verdünnte Salzsäure wieder Antimonylchlorid aus, weil die Antimonylweinsäure nur ein mäßig starker Komplex ist. 6. Natronlauge, in geringer Menge zugesetzt, fällt wasserhaltiges A n t i m o n ( I I I ) - o x y d , das amphoter ist und daher oft als Antimonige Säure (H 3 Sb0 3 ) bezeichnet wird; ein Überschuß von Natronlauge löst das Oxyd zu N a t r i u m a n t i m o n i t auf. SbCl3 + 3NaOH = Sb(OH)3 + 3NaCl NaOH + Sb(OH)3 = Na[Sb(OH)„] bzw. NaOH + H 3 Sb0 3 = NaH 2 Sb0 3 + H 2 0 = Na[Sb(OH)J.

Antimon

157

7. Schwefelwasserstoff fällt A n t i m o n ( I I I ) - s u l f i d (oder Diantimontrisulfid) Sb 2 S 3 in roter flockiger Form. 2 SbCl 3 + 3H 2 S = Sb 2 S 3 + 6HC1. Dieses rote Antimon(III)-sulfid stellt eine zweite i n s t a b i l e Modif i k a t i o n neben dem grauschwarzen Grauspießglanz dar. Beim Erwärmen unter Luftausschluß geht die rote Form in die grauschwarze über.

8. In farblosem Ammoniumsulfid ist das Antimon(III)-sulfid zu A m m o n i u m t h i o a n t i m o n i t , in gelbem Ammoniumpolysulfid zu A m m o n i u m t h i o ä n t i m o n a t löslich. Sb 2 S 3 + 3(NH 4 ) 2 S = 2(NH 4 ) 3 [SbS 3 ] Sb 2 S 3 + 3(NH 4 ) 2 S + 2 S = 2(NH 4 ) 3 [SbS 4 J . Umsetzungen des fünftvertigen Antimons. 9. In einer Abdampfschale erwärme man etwas gepulvertes Antimon mit wenig konzentrierter Salpetersäure mit kleiner Flamme und verdampfe die Salpetersäure vorsichtig unter Blasen mit dem Munde fast völlig. Etwas von dem weißen Rückstände, der aus wasserhaltigem A n t i m o n ( V ) - o x y d (oder Diantimonpentoxyd, ,.Metaantimonsäure") besteht und den man möglichst von Antimonteilchen befreit, werde mit etwas wasserfreier Soda und Kaliumnitrat, das in diesem Falle nur als Flußmittel dient, auf einem Porzellantiegeldeckel geschmolzen. Beim Aufnehmen der Schmelze mit Wasser bleibt N a t r i u m a n t i m o n a t Na[Sb(OH) e ] ungelöst. Es ist eines der wenigen in Wasser schwer löslichen Natriumsalze (vgl. S. 55). Statt Metaantimonsäure können auch andere beliebige Verbindungen des Antimons genommen werden; niederwertige Verbindungen werden durch das Nitrat oxydiert. 10. Eine weitere Probe der Metaantimonsäure löse man unter Erwärmen in wenig verdünnter Salzsäure. Die so gebildete A n t i m o n p e n t a c h l o r i d - L ö s u n g , die viel kolloid gelöstes Antimon(V)oxyd enthält, verwende man zu folgenden Umsetzungen: 11. Wasser: Zu einigen Tropfen Antimonpentachlorid-Lösung setze man einige Kubikzentimeter Wasser und lasse stehen. Nach einiger Zeit scheidet sich durch Hydrolyse gebildetes wasserhaltiges Antimon(V)-oxyd aus. 2 SbCl 5 + 5 H 2 0 = Sb 2 0 5 + 10 H C l . 12. Schwefelwasserstoff fällt aus Antimonpentachlorid-Lösung rotes A n t i m o n ( V ) - s u l f i d bzw. Antimon(III)-sulfid und Schwefel. Auf Zusatz von Ammoniumsulfid -Lösung löst sich der Niederschlag zu A m m o n i u m t h i o a n t i m o n a t . Oxydations-Beduktions-Realctionen. 1 $ . Zu Natriumanti•monit-Lösung gebe man etwas Diam.rninsilbersa.lz - Lösung, z. B.

158

Wismut

Silbernitrat-Lösung, die bis zur Auflösung des zuerst ausgefällten Silberoxydniederschlages mit Ammoniak-Lösung versetzt ist. Die anfangs farblose Mischung bräunt sich bald, und es scheidet sich schwarzbraunes S i l b e r in Flocken aus. Schwaches Erwärmen beschleunigt den Vorgang. [Sb(OH)4]~ + 2[Ag(NH3)2]+ + 4 0 H 10 5+ = 2Ag + [Sb0 4 ] 3 - + 4NH 3 + 4H 2 0. Das Antimonit geht also in Antimonat über, wobei es das Silber salz zu metallischem Silber reduziert. Durch dies Verhalten unterscheidet man dreiwertige Antimonverbindungen von fünfwertigen.

I

14. Ein Tropfen stark mit Salzsäure angesäuerter, also im wesentlichen Antimonpentachlorid - haltiger Antimonsäure - Lösung werde mit etwas Kaliumjodid -Lösung gemischt und erwärmt. Es scheidet sich J o d aus, das sich beim Durchschütteln der abgekühlten Mischung mit etwas Chloroform mit violetter Farbe in diesem löst. Unterschiedsprobe gegen die Verbindungen des dreiwertigen Antimons! 6+ 13+ ±0 SbCl5 + 2 K J = SbCl3 + 2KCl + J 2 . 15. In etwas salzsaure Antirnonsalz-Lösung (gleichgültig ob dreioder fünfwertig) bringe man einen Eisennagel. Elementares A n t i m o n scheidet sich in schwarzen Flocken ab. 16. Einen Tropfen einer salzsauren Antimonsalz - Lösung bringe man auf ein Platinblech und gebe ein Stückchen Zink hinein. Bald bildet sich auf dem Bleche ein schwarzer, f e s t h a f t e n d e r A n t i m o n fleck, während Zink in Lösung geht. Nach einiger Zeit spüle man den Fleck mit Wasser ab und löse ihn mit einigen Tropfen Salpetersäure, die mit Weinsäure versetzt ist. Verdünnt man die entstandene Lösung und gibt Schwefelwasserstoffwasser hinzu, so scheidet sich r o t e s A n t i m o n s u l f i d aus. Antimonwasserstoff. 17. Der M a r s h sehe Versuch werde in gleicher Weise wie beim Arsen mit etwas Antimonsalz-Lösung ausgeführt. Man erhält im Glasrohre und auf der Porzellanschale m a t t s a m m e t a r t i g e s c h w a r z e F l e c k e n . Sie geben beim Betupfen mit Ammoniumsulfid einen r o t e n Fleck von Antimonsulfiden. Auch lösen sie sich n i c h t in frischer Natriumhypochlorit - Lösung, wodurch sie sich von den ähnlichen Arsenflecken unterscheiden. Wismut Wismut ist ein hellgraues Metall mit rötlichem Farbtone. Es schmilzt schon bei 271°, ist aber sehr schwer flüchtig. In starker Salpetersäure löst es sich zu Wismutnitrat Bi(N03)3, d. h. also zur dreiwertigen Stufe. Wismut-

159

Wismut

hydroxyd Bi(OH) 3 ist eine schwache Base; saure Eigenschaften fehlen ihm fast völlig. Von der f ü n f w e r t i g e n Stufe sind nur wenige, unbeständige Verbindungen bekannt (vgl. S. 138).

1. Man löse ein Stückchen Wismut in wenig konzentrierter Salpetersäure unter Erwärmen auf, verdünne die Lösung tropfenweise mit Wasser und gieße oder filtriere ab, ehe eine bleibende Trübung entsteht. 2. Wasser: Wird zu der Lösung reichlich kochendes Wasser gesetzt, so fallen basische W i s m u t n i t r a t e , etwa Bi(0H) 2 N0 3 , aus: Bi(N0 3 ) 3 + 2H 2 0 = Bi(0H) 2 N0 3 + 2 H N 0 3 . Fügt man vor dem Verdünnen wenig Natriumchlorid zu, so fällt das noch schwerer lösliche B i s m u t y l c h l o r i d BiOCl aus. Enthält die Wismutsalz-Lösung viel freie Säure, so erfolgt ein Niederschlag erst nach dem Zusatz von sehr viel Wasser und nach längerem Stehen. Durch Zusatz von Weinsäure kann das Entstehen dieses Niederschlages •— anders als beim Antimon —• nicht verhindert werden. 3. Natronlauge fällt W T i s m u t h y d r o x y d , das sich im Überschuß von Natronlauge n i c h t löst. Wird WasserstoffperoxydLösung oder Bromwasser zu der Mischung gegeben, so färbt sich der Niederschlag hellbraun, weil das Wismut teilweise in den f ü n f wertigen Zustand übergeht. 4. Bi2S3.

Schwefelwasserstoff fällt

schwarzbraunes

Wismutsulfid

5« Kaliumjodid fällt schwarzrotes W i s m u t j o d i d BiJ 3 . Ein Überschuß an Kaliumjodid-Lösung löst das Wismutjodid zum komplexen Kalium (tetra) jodobismutit K[BiJ 4 ]. 6. Stannit-Lösung: Wird zu einer Wismutnitrat - Lösung Natriumstannit-Lösung (vgl. S. 140 bis 142) gesetzt, so fällt schwarzes e l e m e n t a r e s W i s m u t aus. 3+

2+

±0

4+

2Bi(OH) 3 + 3Na[Sn(OH) s ] + 3 Na OH = 2Bi + 3Na 2 [Sn(OH) B ].

160

Nichtmetallverbindungen, zweiter Teil Im folgenden sind die Elemente nach dem geordnet.

Perioden-System

VII. Gruppe Halogene Zu der Gruppe der Halogene gehören die Elemente Fluor, Chlor, Brom und Jod. Von diesen haben wir das Chlor bereits besprochen. Auch vom Brom und Jod haben wir schon einige charakteristische Eigenschaften kennengelernt. So haben wir S. 19, Nr. 8 die Charakterisierung dieser Elemente durch die beim Ausschütteln auftretenden Farben der Lösungen in Chloroform besprochen. Besonders kennzeichnend ist die intensive b l a u e Farbe,