Experimentalphysik: Band 3 Elektrizität, Magnetismus, Elektromagnetische Schwingungen und Wellen 9783110445695

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German Pages 429 [430] Year 2016

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Table of contents :
Vorwort
Zum Inhalt von Band III
Danksagung
Inhalt
Symbolverzeichnis Band III
1 Elektrostatik
1.1 Coulombsches Gesetz, Elementarladung, elektrisches Feld
1.1.1 Coulombsches Gesetz
1.1.2 Elektrische Ladung
1.1.3 Elektrisches Feld und elektrische Feldstärke
1.2 Elektrischer Fluss, Gaußsches Gesetz
1.2.1 Elektrischer Fluss
1.2.2 Gaußsches Gesetz
1.2.3 Anwendungsbeispiele
1.3 Elektrostatisches Potenzial
1.4 Der elektrische Dipol
1.4.1 Multipole
1.4.2 Der elektrische Dipol
1.4.3 Der Dipol im elektrischen Feld
1.4.4 Der elektrische Quadrupol
1.5 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie
1.5.1 Influenz
1.5.2 Der Kondensator (Capacitor)
1.5.3 Im elektrischen Feld gespeicherte Energie
1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum
1.6.1 Die dielektrische Polarisation
1.6.2 Bestimmungsgleichung des elektrischen Feldes im Medium
1.6.3 Die elektrische Feldenergie im Dielektrikum
1.7 Zusammenhang der elektrostatischen und mechanischen Bestimmungsgleichungen
1.7.1 Elektrostatik als Fernwirkungstheorie
1.7.2 Elektrostatik als Nahwirkungstheorie
1.7.3 Elektrostatik in Substanzen
1.7.4 Bestimmungsgleichungen des elektrischen Feldes bei gegebener Ladungsverteilung
Zusammenfassung
Anhang 1 Die Clausius-Mosotti-Gleichung
Anhang 2 Elektrisches Feld an Grenzflächen
A2.1 Grenzfläche zwischen Dielektrika
A2.2 Feldkomponenten auf einer Leiteroberfläche
Anhang 3 Der elektrische Quadrupoltensor
2 Stationäre elektrische Ströme
2.1 Der elektrische Strom
2.1.1 Der Strom als Ladungstransport
2.1.2 Wirkung und Richtung des elektrischen Stromes
2.1.3 Die Kontinuitätsgleichung
2.1.4 Driftgeschwindigkeit und elektrischer Widerstand
2.1.5 Stromleistung und Joulesche Wärme
2.2 Einfache Schaltkreise
2.2.1 Ohmscher Widerstand und Spannungsteiler
2.2.2 Aufladung und Entladung eines Kondensators
2.2.3 Die Kirchhoffschen Regeln
2.2.4 Serien- und Parallelschaltung von Widerständen, Widerstandsvergleich in der Wheatstone Brücke
2.2.5 Schaltung von Strom- und Spannungsmessern
2.2.6 „Eingeprägte Kraft“: EMK und EKL; Innenwiderstand von Spannungsquellen
2.3 Mechanismen der Stromleitung
2.3.1 Festkörper: Leiter und Halbleiter
2.3.2 Leitungsmechanismen in Flüssigkeiten (Elektrolyse); Faraday- Gesetze
2.3.3 Stromleitung in Gasen und im Vakuum
Zusammenfassung
3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)
3.1 Die Lorentz-Kraft
3.1.1 Die Kraft auf bewegte Ladungen im Magnetfeld
3.1.2 Magnetische Feldlinien
3.1.3 Magnetischer Fluss und magnetisches Gaußsches Gesetz
3.1.4 Gekreuztes elektrisches und magnetisches Feld
3.1.4.1 Bestimmung der spezifischen Ladung e/m des Elektrons nach J. J. Thomson, Massenspektrometer
3.1.4.2 Hall-Effekt
3.1.4.3 Zyklotron und Synchrozyklotron, Synchrotron
3.1.5 Stromdurchflossener Leiter und Leiterschleife im Magnetfeld, magnetischer Dipol
3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme
3.2.1 Das Gesetz von Biot-Savart
3.2.2 Beispiele für Feldberechnungen
3.2.2.1 Langer gerader Leiter
3.2.2.2 Kreisbogen, Kreisschleife, ideale Spule
3.2.3 Das Amperesche Gesetz (Durchflutungsgesetz, Verkettungsgesetz, Ampere’s circuital law)
3.2.4 Beispiele für Magnetfeldberechnungen
3.2.4.1 Magnetfeld einer langen Spule (Solenoid)
3.2.4.2 Magnetfeld eines Toroids
3.2.5 Die stromdurchflossene Leiterschleife als magnetischer Dipol
3.2.6 Das Vektorpotenzial
3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip
3.3.1 Kraft zwischen parallelen, stromdurchflossenen Leitern
3.3.2 Kraft zwischen bewegten Ladungen
3.3.3 Das elektrische Feld einer bewegten Ladung
3.3.4 Ablenkung eines Elektronenstrahls im Magnetfeld eines zum Strahl parallelen, stromdurchflossenen Leiters
3.3.5 Die Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes
3.3.6 Das Biot-Savart-Gesetz als relativistisches Coulomb-Gesetz
3.3.7 Parallel zueinander bewegte Ladungen
3.4 Magnetismus der Materie
3.4.1 Magnetisierung und magnetische Suszeptibilität
3.4.2 Das magnetische Moment von Atomen
3.4.3 Diamagnetismus
3.4.4 Paramagnetismus
3.4.5 Ferromagnetismus
3.4.6 Antiferro- und Ferrimagnete
3.5 Rückblick auf statische Felder
Zusammenfassung
Anhang 1 Magnetfeld innerhalb und außerhalb eines stromdurchflossenen, geraden Leiters
Anhang 2 Lorentz-Transformation von Impuls, Energie und Kraft
Anhang 3 Gaußsche Methode der Bestimmung des magnetischen Moments eines Stabmagneten und der Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes
4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen
4.1 Faradaysches Induktionsgesetz
4.2 Selbstinduktion, Gegeninduktion, Energie des elektromagnetischen Feldes
4.2.1 Selbstinduktion
4.2.2 Schaltvorgang im LR-Kreis
4.2.3 Gegeninduktion (mutual induction)
4.2.4 Die Energie des elektromagnetischen Feldes
4.3 Induzierte Magnetfelder
4.4 Die Maxwell-Gleichungen (1855/56)
Zusammenfassung
Anhang 1 Der Maxwellsche Verschiebungsstrom (Maxwellsche Ergänzung, displacement current)
5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen
5.1 Der Wechselstromkreis
5.1.1 Nur rein ohmscher Widerstand R im Kreis
5.1.2 Wechselstromleistung am ohmschen Widerstand, Effektivwert, Zeigerdiagramm
5.1.3 Nur eine Spule mit Induktivität L im Kreis
5.1.4 Nur ein Kondensator mit Kapazität C im Kreis
5.1.5 Der R-L- und der R-C-Kreis
5.1.6 Der L-C-R Serien-Kreis
5.1.7 Wechselstromleistung bei Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung
5.1.8 Der Transformator
5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis
5.2.1 Der freie, ungedämpfte Schwingkreis
5.2.2 Gedämpfte Schwingung im freien L-C-R-Kreis
5.2.3 Erzwungene Schwingung
5.2.3.1 Serienschwingkreis (Spannungsresonanz)
5.2.3.2 Parallelschwingkreis (Stromresonanz)
5.3 Der „offene“ Schwingkreis = Hertzscher Dipol
5.4 Die Abstrahlung einer beschleunigten Ladung
5.5 Elektromagnetische Wellen
5.5.1 Rückblick auf den Maxwellschen Verschiebungsstrom (= Maxwellsche Ergänzung) und die Ladungserhaltung (Kontinuitätsgleichung)
5.5.2 Die Wellengleichung
5.5.3 Ebene elektromagnetische Wellen
5.5.4 Energietransport, Impulstransport und Drehimpuls einer elektromagnetischen Welle
5.5.5 Wellenausbreitung auf Leitungen
5.5.6 Das elektromagnetische Spektrum
Zusammenfassung
Anhang 1 Der Transformator
A1.1 Unbelasteter, idealer Eisentransformator
A1.2 Belastung der Sekundärspule mit einer Impedanz Z
Anhang 2 Zur Synchrotronstrahlung
Anhang 3 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle
A3.1 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle auf frei bewegliche Metallelektronen in einem klassischen Modell
A3.2 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle auf Moleküle mit Dipolmoment in einem klassischen Modell
Anhang 4 Lösung der Telegraphengleichung
Literatur
Register
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Experimentalphysik: Band 3 Elektrizität, Magnetismus, Elektromagnetische Schwingungen und Wellen
 9783110445695

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Wolfgang Pfeiler Experimentalphysik De Gruyter Studium

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Set Experimentalphysik Wolfgang Pfeiler, 2017 ISBN 978-3-11-044784-4

Wolfgang Pfeiler

Experimentalphysik Band III: Elektrizität, Magnetismus, Elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Unter Mitarbeit von Karl Siebinger

Physics and Astronomy Classification Scheme 2010 01.30.M-, 01.30.Os, 01.55.+b, 06.20.Dk, 06.20.fa, 43.20.+g, 43.64.+r, 43.75.+a, 45.20.-d, 45.50.-j, 46.40.-f, 47.10.-g, 47.15.-x,47.27.-i, 62.20.-x Autor Ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pfeiler Universität Wien Fakultät für Physik Boltzmanngasse 5 1090 Wien, Österreich [email protected]

Oberrat Dr. Karl Siebinger leitete bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2001 das „Physikalisches Praktikum für Vorgeschrittene“ an der Fakultät für Physik der Universität Wien.

ISBN 978-3-11-044557-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-044569-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-044589-3 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutsche Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverabbildung: Nomadsoul1 / iStock / thinkstock Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Was ist der Grund, den vielen Lehrbüchern der Physik ein weiteres hinzuzufügen? Das ist das Ziel des vorliegenden Lehrbuches: Es soll den Studierenden die Experimentalphysik in einer Art und Weise nahebringen, die Freude am Experimentieren weckt und gleichzeitig den Übergang zur Theoretischen Physik ebnet. Dieses Lehrbuch führt von elementaren Grundlagen zu einem tiefen Verständnis der physikalischen Modelle. Die so erworbenen Kenntnisse der Experimentalphysik erleichtern es dann auch, unterstützt durch genau erklärte Versuche und durch viele Abbildungen und Beispiele, die aktuelle theoretisch-abstrakte Beschreibung der Materie und der wirkenden Kräfte im Rahmen der Theoretischen Physik zu erfassen und zu verstehen. Ausgangspunkt der Betrachtungen sind immer die physikalischen Phänomene, wobei aber auf ihre Beschreibung durch mathematische Gleichungen und ihre Ableitungen aus fundamentalen Postulaten bzw. Modellen nicht verzichtet wird, denn die mathematische Formulierung ist die eindeutige und daher unmissverständliche „Sprache“ der Physik. Es werden aber nicht einfach „Endformeln“ angegeben, sondern auch der mathematische Weg dorthin schrittweise gezeigt sowie eine entsprechende physikalische Interpretation gegeben. Dieses Lehrbuch bietet daher für Lehrende und Lernende der Physik sowie aller anderen Naturwissenschaften eine Brücke von den physikalischen Erscheinungen und Experimenten und der dadurch motivierten Modellbildung zu den weiterführenden Theorien. Der Aufbau der Darstellung ist anschaulich, klar und übersichtlich, logisch strukturiert und so gestaltet, dass die Studierenden dem durchgehenden „roten Faden“ durch die experimentelle Physik folgen können. Lernhilfen auf verschiedenen Ebenen unterstützen dies: Nach einer Vorstellung der Lerninhalte und Konzepte am Kapitelanfang werden im folgenden Text die Zusammenhänge deutlich gemacht, Formeln konsequent hergeleitet und mit vielen Abbildungen erläutert. Am Kapitelende werden die wichtigsten Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst dargestellt. In den Text eingearbeitet sind Vorlesungsversuche mit detaillierten Erklärungen und sehr viele ausgearbeitete Beispiele, die die Darstellung ergänzen und mit Anwendungen erweitern. Wichtige Formeln, die „Lehrsätze“ und die gezeigten Experimente sind blau hinterlegt. Die „Lehrsätze“ sind zusätzlich mit einem 1 versehen, auf die Experimente lenkt ein Blitz 4 die Aufmerksamkeit. Beispiele und Übungen sind grau hinterlegt, die Übungen am Ende jedes Kapitels sind zusätzlich noch mit einem Schreibstift 5 gekennzeichnet. Für die Anordnung der physikalischen Themen wurde die klassische Methode gewählt. Sie orientiert sich weitgehend am historischen Verlauf der physikalischen Entdeckungen und den dazu entwickelten Modellvorstellungen, aber auch an deren Versagen und den dadurch erzwungenen Verbesserungen bzw. an der Entwicklung neuer Modelle. In dieser Darstellung zeigt sich am besten der „rote Faden“,

VI

Vorwort

der von der phänomenologischen Erfassung der mechanischen Bewegung und ihrer mathematischen Beschreibung bis zur modernen Quantenphysik führt. So ist der erste Band (I) Mechanik, Schwingungen, Wellen den Bewegungen unter dem Einfluss von mechanischen Kräften gewidmet. Dies umfasst die Modelle des Massenpunktes und des starren Körpers, die Verformung fester Körper und die Bewegung von Fluiden. Einen wichtigen Teil stellen mechanische Schwingungen und Wellen dar. Im zweiten Band (II) Wärme, Nichtlinearität, Relativität werden die thermisch bedingten Veränderungen an Gasen studiert und die Grundbegriffe der Thermodynamik vorgestellt. Weiters werden nichtlineare („chaotische“) Systeme und ihre Eigenschaften betrachtet und die Grundzüge der speziellen Relativitätstheorie erarbeitet. Im dritten Band (III) Elektrizität, Magnetismus, Elektromagnetische Schwingungen und Wellen werden dann die Grundlagen der Elektrizität und des Magnetismus sowie elektromagnetischer Schwingungen und Wellen unter Verwendung der Prinzipien der Relativitätstheorie besprochen. Der vierte Band (IV) Optik, Strahlung enthält die Wellenoptik, die Strahlenoptik und überschreitet mit der Wärmestrahlung zum ersten Mal die Grenze von der klassischen Physik zur Quantenphysik: Die Vorstellung, dass sich die Strahlungsenergie, die ein (heißer) Körper abgibt oder aufnimmt kontinuierlich verändern kann, muss aufgegeben werden. Im fünften Band (V) Quanten, Atome, Kerne, Teilchen geht es um die moderne Physik: Im atomaren und subatomaren Bereich sind die Größen und Vorgänge nicht mehr kontinuierlich, sondern gequantelt. Der Aufbau des Atoms und seines Kerns wird studiert und die kleinsten, nicht mehr weiter zerteilbaren „Fundamentalteilchen“, aus denen sich alle Arten von Materie und Antimaterie zusammensetzen, werden vorgestellt. Der Band schließt mit einem kurzen Ausflug in die Kosmologie und die Entwicklung unseres Universums. Der sechste Band (VI) Statistik, Festkörper, Materialien beschäftigt sich mit großen Vielteilchensystemen. Viele Bereiche aktueller physikalischer Forschung mit enormer Bedeutung für die technische Anwendung haben hier ihren Ausgangspunkt. Die Inhalte der einzelnen Bände sind stark miteinander vernetzt und durch viele Querverweise verbunden: Die sechs Bände bilden eine Einheit. Dieses Lehrbuch wird nicht nur den Studierenden bei ihrem Eindringen in die interessanten und für unser Leben und Wirken wichtigen Bereiche der Physik hilfreich sein, sondern auch für die Vortragenden eine gute Grundlage und Unterstützung bei der Vorbereitung ihrer Vorlesungen darstellen. Wien, im August 2016

Wolfgang Pfeiler

Es ist nicht das Wissen, sondern das Lernen, nicht das Besitzen, sondern das Erwerben, nicht das Dasein, sondern das Hinkommen, das den größten Genuss gewährt. Carl Friedrich Gauß Es gibt keine bessere Methode Wissen im Geist zu verankern, als es auf so viele verschiedene Arten, wie wir nur können, zu präsentieren. James Clerk Maxwell

Zum Inhalt von Band III Im vorliegenden dritten Band „Elektrizität, Magnetismus, Elektromagnetische Schwingungen und Wellen“ werden die Grundlagen der Elektrostatik, elektrischer Ströme und magnetischer Felder besprochen. Die relativistische Betrachtung zeigt, dass ruhende Ladungen das elektrische Feld erzeugen, Magnetfelder aber mit bewegten Ladungen verknüpft sind. Alle elektromagnetischen Erscheinungen können in den Maxwell-Gleichungen zusammengefasst werden. Wichtig für die Anwendung sind der Wechselstromkreis und die Wirkung der Wechselstromwiderstände. Dies führt zum elektromagnetischen Schwingkreis und der Abstrahlung elektromagnetischer Wellen durch beschleunigte Ladungen, z. B. in einem Hertzschen Dipol. Elektromagnetische Wellen sind mit Energie- und Impulstransport und einem Drehimpuls verbunden.

Danksagung Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Lehrer und Freund Karl Siebinger. Ohne seine Mithilfe – mehrfaches, kapitelweises Durchlesen des ganzen Manuskripts, Diskussionen und Reflexionen zum Inhalt, detaillierte Vorschläge von Anwendungsbeispielen und Ergänzungen – wäre dieses Lehrbuch nicht zustande gekommen. Seine fundamentale und breite Kenntnis in vielen Bereichen der Physik und ihrer Anwendungen in der Technik und in den Naturwissenschaften sowie seine Liebe zum Experiment und auch zur Genauigkeit haben sehr zum Gelingen der vorliegenden Darstellung beigetragen. Für die Mithilfe danke ich herzlich: Wolfgang Püschl – Für das Überlassen fast aller Übungsbeispiele, für viele gemeinsame fachliche Diskussionen, für das Durchlesen vieler Kapitel; Franz Sachslehner – Für seine Hilfe bei den Experimenten und ihr Festhalten auf Bildern; Frau Eva Deutsch danke ich für die Erstellung einer ersten, rohen Textversion nach meinem handschriftlichen Vorlesungsmanuskript; Frau Andrea Decker danke ich für das Scannen von Bildern. Bedanken möchte ich mich auch bei den Studentinnen und Studenten meiner Vorlesungen für ihre positiven Rückmeldungen. Die geeignete Aufbereitung und Darstellung der meist nicht einfachen physikalischen Materie war mir immer ein Anliegen. Die größte Freude empfand ich, wenn ich von den Mienen der Hörer quasi im Gegenzug das Verstehen der oft komplexen Zusammenhänge ablesen konnte bzw. bei den mündlichen Prüfungen das grundlegende Verständnis für die angesprochene Problematik erkannte. Sehr herzlich möchte ich mich bei Edmund H. Immergut (Brooklyn, New York City, USA) bedanken, der mir geholfen hat, mit De Gruyter einen passenden und international renommierten Verlag zu finden. Er war auch einer jener, die von Anfang an überzeugt waren, dass dieses Buch ein notwendiger Beitrag für Lehrende und Lernende der Physik darstellen wird und bestärkte mich deshalb ganz entscheidend in meinem Durchhaltevermögen. Zuletzt gilt mein großer Dank meiner lieben Frau Heidrun, die mit viel Geduld die Mehrbelastung ertrug, die mein mehr als 10-jähriges Buchprojekt für sie und unsere ganze Familie bedeutete. Sie stand mir immer mit gutem Rat und bereitwilliger Hilfe zu Seite.

Inhalt Vorwort

V

Zum Inhalt von Band III Danksagung

IX

Symbolverzeichnis Band III 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.7

VII

XVI

Elektrostatik 1 3 Coulombsches Gesetz, Elementarladung, elektrisches Feld 3 Coulombsches Gesetz 5 Elektrische Ladung 8 Elektrisches Feld und elektrische Feldstärke 12 Elektrischer Fluss, Gaußsches Gesetz 12 Elektrischer Fluss 13 Gaußsches Gesetz 15 Anwendungsbeispiele 18 Elektrostatisches Potenzial 26 Der elektrische Dipol 26 Multipole 29 Der elektrische Dipol 33 Der Dipol im elektrischen Feld 36 Der elektrische Quadrupol 38 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie 38 Influenz 42 Der Kondensator (Capacitor) 47 Im elektrischen Feld gespeicherte Energie 51 Das elektrische Feld im Dielektrikum 52 Die dielektrische Polarisation 62 Bestimmungsgleichung des elektrischen Feldes im Medium 65 Die elektrische Feldenergie im Dielektrikum Zusammenhang der elektrostatischen und mechanischen 67 Bestimmungsgleichungen 67 1.7.1 Elektrostatik als Fernwirkungstheorie 68 1.7.2 Elektrostatik als Nahwirkungstheorie 69 1.7.3 Elektrostatik in Substanzen 1.7.4 Bestimmungsgleichungen des elektrischen Feldes bei gegebener 70 Ladungsverteilung 71 Zusammenfassung

XII Anhang 1 Anhang 2 A2.1 A2.2 Anhang 3

Inhalt

Die Clausius-Mosotti-Gleichung 77 Elektrisches Feld an Grenzflächen 81 Grenzfläche zwischen Dielektrika 81 Feldkomponenten auf einer Leiteroberfläche Der elektrische Quadrupoltensor 87

85

91 Stationäre elektrische Ströme Der elektrische Strom 91 Der Strom als Ladungstransport 91 Wirkung und Richtung des elektrischen Stromes 94 Die Kontinuitätsgleichung 95 Driftgeschwindigkeit und elektrischer Widerstand 96 Stromleistung und Joulesche Wärme 102 103 Einfache Schaltkreise 103 Ohmscher Widerstand und Spannungsteiler 105 Aufladung und Entladung eines Kondensators 110 Die Kirchhoffschen Regeln Serien- und Parallelschaltung von Widerständen, 111 Widerstandsvergleich in der Wheatstone Brücke 113 2.2.5 Schaltung von Strom- und Spannungsmessern 2.2.6 „Eingeprägte Kraft“: EMK und EKL; Innenwiderstand von 114 Spannungsquellen 118 2.3 Mechanismen der Stromleitung 118 2.3.1 Festkörper: Leiter und Halbleiter 2.3.2 Leitungsmechanismen in Flüssigkeiten (Elektrolyse); Faraday120 Gesetze 122 2.3.3 Stromleitung in Gasen und im Vakuum 126 Zusammenfassung

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4

133 3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme) 136 3.1 Die Lorentz-Kraft 136 3.1.1 Die Kraft auf bewegte Ladungen im Magnetfeld 139 3.1.2 Magnetische Feldlinien 141 3.1.3 Magnetischer Fluss und magnetisches Gaußsches Gesetz 142 3.1.4 Gekreuztes elektrisches und magnetisches Feld 3.1.4.1 Bestimmung der spezifischen Ladung e/m des Elektrons nach 142 J. J. Thomson, Massenspektrometer 146 3.1.4.2 Hall-Effekt 149 3.1.4.3 Zyklotron und Synchrozyklotron, Synchrotron 3.1.5 Stromdurchflossener Leiter und Leiterschleife im Magnetfeld, 153 magnetischer Dipol 160 3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

Inhalt

XIII

160 Das Gesetz von Biot-Savart 162 Beispiele für Feldberechnungen 162 Langer gerader Leiter 164 Kreisbogen, Kreisschleife, ideale Spule Das Amperesche Gesetz (Durchflutungsgesetz, Verkettungsgesetz, 165 Ampere’s circuital law) 168 3.2.4 Beispiele für Magnetfeldberechnungen 168 3.2.4.1 Magnetfeld einer langen Spule (Solenoid) 171 3.2.4.2 Magnetfeld eines Toroids 172 3.2.5 Die stromdurchflossene Leiterschleife als magnetischer Dipol 177 3.2.6 Das Vektorpotenzial 179 3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip 179 3.3.1 Kraft zwischen parallelen, stromdurchflossenen Leitern 181 3.3.2 Kraft zwischen bewegten Ladungen 182 3.3.3 Das elektrische Feld einer bewegten Ladung 3.3.4 Ablenkung eines Elektronenstrahls im Magnetfeld eines zum Strahl 190 parallelen, stromdurchflossenen Leiters 3.3.5 Die Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes 201 3.3.6 Das Biot-Savart-Gesetz als relativistisches Coulomb-Gesetz 205 3.3.7 Parallel zueinander bewegte Ladungen 207 3.4 Magnetismus der Materie 209 3.4.1 Magnetisierung und magnetische Suszeptibilität 209 3.4.2 Das magnetische Moment von Atomen 217 3.4.3 Diamagnetismus 219 3.4.4 Paramagnetismus 221 3.4.5 Ferromagnetismus 223 3.4.6 Antiferro- und Ferrimagnete 230 3.5 Rückblick auf statische Felder 232 Zusammenfassung 235 Anhang 1 Magnetfeld innerhalb und außerhalb eines stromdurchflossenen, geraden Leiters 242 Anhang 2 Lorentz-Transformation von Impuls, Energie und Kraft 243 Anhang 3 Gaußsche Methode der Bestimmung des magnetischen Moments eines Stabmagneten und der Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes 248 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.3

4 4.1 4.2 4.2.1

253 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen Faradaysches Induktionsgesetz 254 Selbstinduktion, Gegeninduktion, Energie des elektromagnetischen Feldes 262 Selbstinduktion 262

XIV

Inhalt

4.2.2 Schaltvorgang im LR-Kreis 265 268 4.2.3 Gegeninduktion (mutual induction) 269 4.2.4 Die Energie des elektromagnetischen Feldes 271 4.3 Induzierte Magnetfelder 277 4.4 Die Maxwell-Gleichungen 279 Zusammenfassung Anhang 1 Der Maxwellsche Verschiebungsstrom (Maxwellsche Ergänzung, 284 displacement current) 5

Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und 289 Wellen 290 5.1 Der Wechselstromkreis 290 5.1.1 Nur rein ohmscher Widerstand R im Kreis 5.1.2 Wechselstromleistung am ohmschen Widerstand, Effektivwert, 291 Zeigerdiagramm 294 5.1.3 Nur eine Spule mit Induktivität L im Kreis 298 5.1.4 Nur ein Kondensator mit Kapazität C im Kreis 301 5.1.5 Der R-L- und der R-C-Kreis 5.1.6 Der L-C-R Serien-Kreis 306 5.1.7 Wechselstromleistung bei Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung 310 5.1.8 Der Transformator 314 5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis 317 5.2.1 Der freie, ungedämpfte Schwingkreis 317 5.2.2 Gedämpfte Schwingung im freien L-C-R-Kreis 320 5.2.3 Erzwungene Schwingung 324 5.2.3.1 Serienschwingkreis (Spannungsresonanz) 324 5.2.3.2 Parallelschwingkreis (Stromresonanz) 329 5.3 Der „offene“ Schwingkreis = Hertzscher Dipol 333 5.4 Die Abstrahlung einer beschleunigten Ladung 342 5.5 Elektromagnetische Wellen 344 5.5.1 Rückblick auf den Maxwellschen Verschiebungsstrom (= Maxwellsche Ergänzung) und die Ladungserhaltung (Kontinuitätsgleichung) 344 5.5.2 Die Wellengleichung 346 5.5.3 Ebene elektromagnetische Wellen 348 5.5.4 Energietransport, Impulstransport und Drehimpuls einer elektromagnetischen Welle 355 5.5.5 Wellenausbreitung auf Leitungen 362 5.5.6 Das elektromagnetische Spektrum 369 Zusammenfassung 372 Anhang 1 Der Transformator 378

Inhalt

A1.1 A1.2 Anhang 2 Anhang 3 A3.1

A3.2 Anhang 4

XV

378 Unbelasteter, idealer Eisentransformator 379 Belastung der Sekundärspule mit einer Impedanz Z⇀ Zur Synchrotronstrahlung 382 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische 386 Welle Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle auf frei bewegliche Metallelektronen in einem klassischen 386 Modell Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle 390 auf Moleküle mit Dipolmoment in einem klassischen Modell 392 Lösung der Telegraphengleichung

Literatur

401

Register

403

Symbolverzeichnis Band III (alphabetisch) AH A​⇀(r​⇀) a, a​⇀ B, B​⇀ C CC CF C′, L′, R′, G′ c D* D, D​⇀ D​⇀ E, E​⇀ E​⇀Diel , E​⇀Vak Epot EKL EMK e e− F F, F​⇀ F​⇀C​ , F​⇀B​ , F​⇀E​M​ H, H​⇀ I I​⇀ Ip, Is IS, θ IV j, j​⇀ k k, k​⇀ L L, L​⇀ L12 M, M​⇀ m me mS N NA Np, Ns n P

Hall-Konstante Vektorpotenzial Beschleunigung (a​ = υ​̇ = r​ )̈ magnetische Induktion (magnetische Flussdichte, „Magnetfeld“) elektrische Kapazität Curie-Konstante elektrochemisches Äquivalent Leitungsbeläge (Wellenausbreitung auf Leitungen) Lichtgeschwindigkeit im Vakuum (c = 299 792 458 m/s) Direktionsmoment Drehmoment dielektrische Verschiebung (elektrische Kraftflussdichte) elektrische Feldstärke elektrische Feldstärke im Dielektrikum bzw. im Vakuum potenzielle Energie Klemmenspannung elektromotorische Kraft (Quellenspanung) Elementarladung Elektron Faraday Konstante (F = NA ⋅ e = 96485,3365 C/mol) Kraft Coulombkraft, Lorentz-Kraft, Lorentz-Gesamtkraft magnetische Feldstärke (magnetische Erregung) elektrische Stromstärke, Intensität „Zeiger“ für den Wechselstrom Strom in der Primär-, Sekundärspule (Transformator) Trägheitsmoment d​ΦE​ ) Verschiebungsstrom (I​V​ = ε​0 d​t​ Stromdichte Boltzmannkonstante Wellenzahl, Wellenvektor Induktivität, Selbstinduktionskoeffizient Drehimpuls Gegeninduktivität, Gegeninduktionskoeffizient Magnetisierung Masse Masse des Elektrons magnetische Spinquantenzahl Teilchenzahl Avogadrozahl ((6,02214078 ± 0,00000018) ⋅ 1023 mol−1) Windungzahlen der Primär- und Sekundärspule (Transformator) N​ Teilchendichte (n​ = ) V​ d​W​ ), Polstärke elektrische Leistung (P​ = d​t​

XVII

Symbolverzeichnis Band III P​⇀ PS PW, PS, PB p p, p​⇀ p​ ̃ p​⇀e​ , p​⇀m​ p​⇀L​m​ p​⇀S​m​ Q Q​̃2 Q0, Q1, Q2 q, Q R S, S​⇀ S, S​⇀ T Tc U U​⇀ Uind V VMol υ, υ​⇀ υph, υgr W WW w

dielektrische Polarisaion Strahlungsdruck Wirk-, Schein-, Blindleistung Reflexionsfaktor (Wellenausbreitung auf Leitungen) Impuls Impulsdichte (elektromagnetische Welle) elektrisches und magnetisches Dipolmoment durch den Bahndrehimpuls verursachtes magnetisches Dipolmoment (beim Elektron μ​ eL​​ ) durch den Eigendrehimpuls (Spin) verursachtes magnetisches Dipolmoment (beim Elektron μ​ e​S​ ) Gütefaktor (Schwingkreis) Quadrupoltensor Monopol-, Dipol-, Quadrupolanteil Ladung elektrischer ohmscher Widerstand Momentane Energiestromdichte, Poynting-Vektor Eigendrehimpuls (Spin) Umlaufzeit, Schwingungsperiode Sprungtemperatur (Supraleiter) elektrische Spannung (Potenzialdifferenz) „Zeiger“ für die Wechselspannung induzierte Spannung Volumen M​ Molvolumen (V​Mol = , M … Molekulargewicht, ρ … Massendichte) ρ​ Geschwindigkeit (υ = r​ )̇ Phasen-, Gruppengeschwindigkeit Arbeit, Energie Wechselwirkung W​ Energiedichte (w​ = ) V​

Z​⇀

„Zeiger“ für den Wechselstromwiderstand

Z​⇀L​ , Z​⇀C​

komplexer induktiver und kapazitiver Widerstand (Z​⇀L​ = i​ω​L​, Z​⇀C​ = −

|

Z​L​ |, |Z​C​ |

Z0 α β γ

Δ ⇀ ∇ ε

i​ ω​C​

)

Impedanz einer Spule, Impedanz eines Kondensator ( |Z​L​ | = ω​L​, |Z​C​ | =

1 ω​C​

)

Wellenwiderstand Polarisierbarkeit, Temperaturkoeffizient (spezifischer elektrischer Widerstand) Geschwindigkeitsparameter (β​ = υ​ / c​) 1 1 = Gravitationskonstante, Lorentz-Faktor (γ​ = ), Dämpfungs2 2 √1−υ​ /​c​ √1 − β​ 2 konstante (Schwingkreis), Fortpflanzungsfaktor (Wellenausbreitung auf Leitungen) Laplace-Operator (Δ =

∂​

2

+

∂​

2

+

∂​

2

2 2) ∂​y​ ∂​z​ ∂​ ∂​ ⇀ = e​⇀x​ + e​⇀y​ + e​⇀z​ ) Nablaoperator (∇ ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​

∂​x​ ∂​

2

Permittivität (Dielektrizitätskonstante)

XVIII ε0 εr η θ λ μ μ0 μr μB ν, ω ρ ρ​ (R​⇀) Σ, Σ′ σ τS, τ τC, τL ΦE ΦM Φ ΦM, ΦD, ΦQ χDiel χm Ω ω0, ωR ωL, ω​⇀L​

Symbolverzeichnis Band III Influenzkonstante (Permittivität des Vakuums) relative Permittivität (relative Dielektrizitätskonstante) dynamischen Zähigkeit (Viskosität), Elliptizität (Ladungsverteilung des Atomkerns) Debye-Temperatur lineare Ladungsdichte, Wellenlänge Beweglichkeit, Permeabilität magnetische Feldkonstante, Permeabilität des Vakuums relative Permeabiliät e​ℏ​ −24 −1 Bohrsches Magneton (μ​B​ = = 9,274 ⋅ 10 J​T​ ) 2 m​e​ Frequenz, Kreisfrequenz (ω = 2 πν) Ladungsdichte (ρT …Teilchendichte, ρL … Luftdichte), spezifischer elektrischer Widerstand Ladungsverteilung mit konstanter Geschwindigkeit relativ zueinander bewegte Bezugssysteme Flächenladungsdichte, elektrische Leitfähigkeit Stoßzeit kapazitive und induktive Zeitkonstante elektrischer Fluss magnetischer Fluss elektrostatisches Potenzial, Austrittsarbeit (Glühemission) Monopol-, Dipol-, Quadrupolpotenzial dielektrische Suszeptibilität magnetische Suszeptibilität Raumwinkel Eigenfrequenz, Resonanzfrequenz (Schwingkreis) Larmorfrequenz, Larmor-Winkelgeschwindigkeit

Wichtige physikalische Größen, Band III Elementarladung Influenzkonstante

e = (1,6021766208 ± 0,0000000098) ⋅ 10−19 C ε0 = 8,854187817 ⋅ 10−12 Fm−1 (oder AsV−1 m−1 oder C2N−1m−2) 1 9 = 8,99 ⋅ 10 Nm2/C2 4 π​ε0​

magnetische Feldkonstante Wellenwiderstand elektromagnetischer Wellen im Vakuum Lichtgeschwindigkeit Avogadrozahl

μ0 = 4 π ⋅ 10−7 VsA−1m−1 = 1,2566370614 ⋅ 10−6 VsA−1m−1

Boltzmannkonstante

k​ =

Reduziertes Plancksches Wirkungsquantum

ℏ​ =

Z0,Vak = 377 Ω c = 299 792 458 m/s 23 −1 N​A​ = (6,022140857 ± 0,000000074) ⋅ 10 mol R​ N​A​ h​ 2 π​

−23

= (1,38064852 ± 0,00000079) ⋅ 10

−1

J⋅K

= (1,054571800 ± 0,000000013) ⋅ 10−34 Js

1 Elektrostatik Einleitung: Es gibt zwei Arten elektrischer Ladungen, positive und negative: Gleichnamige Ladungen stoßen einander ab, ungleichnamige ziehen einander an. Die Kraftwirkung von Ladungen aufeinander wird durch das Coulombsche Gesetz 1 q​1 ⋅ q​2 r​⇀ beschrieben. Die kleinstmögliche freie Ladung ist die ElementarF​⇀= 4 π​ε0​ r​ 2 r​ −19 ladung e​ = 1,602177 ⋅ 10 C, die das Elektron mit sich führt. Zur Beschreibung der Kraftübermittlung im Raum wird das elektrische „Feld“ eingeführt: Für jeden Raumpunkt wird die dort bestehende Kraftwirkung F​⇀(r​⇀) auf F​⇀(r​⇀) angegeben. eine positive Probeladung q0 als elektrische Feldstärke E​⇀(r​⇀) = q​0 Die elektrische Kraftwirkung kann durch elektrische Feldlinien dargestellt werden. Die Zahl der Feldlinien, die eine Fläche durchsetzen, bestimmt den elektrischen Fluss ΦE. Mit dieser Größe kann das Coulombsche Gesetz als Gaußsches ρ​ Gesetz divE​⇀= und damit als 1. Maxwell-Gleichung geschrieben werden: Die elekε​0 trischen Ladungen sind die Quellen und Senken des elektrischen Feldes, die elektrischen Feldlinien entspringen und enden daher in Ladungen. Analog zum Gravitationsfeld gilt: Das elektrostatische Feld (Coulombfeld) ist konservativ, es kann daher ein elektrostatisches, skalares Potenzial Φ(r​⇀) gebildet werden, aus dem die elektrische Feldstärke durch Gradientenbildung berechnet werden kann (E​⇀(r​⇀) = −grad​ Φ(r​⇀)). Das elektrostatische Feld ist ein wirbelfreies Quellenfeld, die Äquipotenzialflächen stehen senkrecht auf den Feldlinien. Zwei ungleichnamige Ladungen in einem Abstand l​ bilden einen elektrischen Dipol mit einem elektrischen Dipolmoment p​⇀e​ = q​ ⋅ l​⇀. Im äußeren homogenen elektrischen Feld wirkt auf den Dipol i. Allg. ein Drehmoment. Die potenzielle Energie des Dipols ist am kleinsten, wenn er in Feldrichtung ausgerichtet ist. In einem Leiter werden die freien Ladungen im äußeren elektrischen Feld verschoben, er lädt sich durch Influenz auf, wenn die abgestoßenen Ladungen abfließen können. Dadurch kann im Kondensator elektrische Energie gespeichert werden. Ist der felderfüllte Raum nicht Vakuum, sondern ein isolierender Stoff (Dielektrikum) mit der Dielelektrizitätskonstante ε​ = ε​r​ ⋅ ε​0, so wird er polarisiert (dielektrische Polarisation P​⇀). Das elektrische Feld erzeugt bei unpolaren Molekülen ein induziertes Dipolmoment bzw. richtet ein bereits vorhandenes permanentes Dipolmoment bei polaren Molekülen aus. Die dadurch entstehenden Polarisationsladungen erzeugen ein Gegenfeld, das das elektrische Feld im Inneren des Mediums schwächt. Es wird daher zur Beschreibung des Feldes im Dielektrikum zusätzlich zum Feldstärkevektor E​⇀, der die Kraftwirkung auf eine Ladung beschreibt, eine neue Feldgröße, die dielektrische Verschiebung D​⇀= ε​0 E​⇀Diel + P​⇀= ε​0 ε​r​ E​⇀, eingeführt, deren Quellen die von außen eingebrachten Ladungen ρ​frei sind. Die Quellen des

2

1 Elektrostatik

E​⇀-Vektors E​⇀Diel sind die um die fixen Polarisationsladungen ρ​Pol (mit ρ​Pol = −div P​⇀) ρ​frei + ρ​Pol . vermehrten freien Ladungen, also div E​⇀Diel = ε​0 Im elektrostatischen Feld ist Energie enthalten; dies beschreibt die Energie1 1 2 dichte des elektrostatischen Feldes w​el = ε​r​ ε​0 E​ = E​D​. 2 2 Schon im 18. Jh. waren die Kenntnisse über Elektrizität und Magnetismus u. a. durch Benjamin Franklin (1706–1790), Luigi Galvani (1737–1798) und Alessandro Volta (Alessandro Giuseppe Antonio Anastasio Graf von Volta, 1745–1827) gewaltig angewachsen. Sie führten im 19. Jh. besonders durch die Arbeiten von James Clerk Maxwell (1831–1879) zu einer geschlossenen Darstellung der Wirkung der elektromagnetischen Kräfte in der Elektrodynamik durch das elektromagnetische Feld. Die Elektrodynamik ist die Grundlage der Optik, der Elektrotechnik und Elektronik und sie trug zur Entwicklung der Relativitätstheorie bei. Eine Reihe experimenteller Befunde soll hier nur kurz dargestellt werden.1 – Es existieren zwei Arten von elektrischen Ladungen, positive und negative, die sich durch unterschiedliche Kraftwirkung aufeinander bzw. untereinander sowie durch entgegengesetzte Ablenkung im elektrischen und magnetischen Feld unterscheiden. – Gleichnamige Ladungen stoßen einander ab, ungleichnamige ziehen einander an. Die Abstoßung gleichnamiger Ladungen bildet einen wesentlichen Unterschied zur Gravitations-Wechselwirkung. – Ladungen sind immer an massenbehaftete Materieteilchen gebunden. Wir kennen als Träger negativer Ladung z. B. das Elektron (e– mit der Ladung –e), negative Ionen, das Antiproton (p–, Ladung: –e) und die nur in gebundenen Zuständen existierenden Quarks up, charm und top (–2/3 e). Positive Ladung tragen z. B. das Proton (p+, Ladung: +e), der Atomkern, positive Ionen, das Positron (+e) und die nicht frei vorkommenden Quarks down, strange und bottom (+1 ∕ 3 e). – Ladungen sind ‚gequantelt‘. Die kleinste, mit freien Teilchen verknüpfte Ladung, ist die Elementarladung. – Die Gesamtladung bleibt in einem abgeschlossenen System zeitlich konstant (Ladungserhaltung), nicht aber die positive und negative Ladung einzeln betrachtet (Annihilation von Ladungen). 1 Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Elektrizität (Reibungselektrizität) wurden von W. Gilbert (William Gilbert, 1544–1603) durchgeführt. Es zeigte sich zu Beginn des 18. Jh., dass Glas (mit Seide gerieben) und Harz (Bernstein) bzw. Hartgummi (mit einem Tierfell gerieben) die beiden entgegengesetzt wirkenden „Elektrizitäten“ tragen. Sie wurden 1734 von du Fay (Charles François de Cisternay du Fay (auch Dufay), 1698–1739) als Glaselektrizität und Harzelektrizität bezeichnet, später kürzer, aber völlig willkürlich, als positive und negative Elektrizität. Hätte man damals die Harzelektrizität als positiv bezeichnet, dann würde das Elektron heute eine positive Elementarladung tragen.

3

1.1 Coulombsches Gesetz, Elementarladung, elektrisches Feld

– –

Ladungen lassen sich ‚abschöpfen‘ und transportieren. Elektrischer Strom ist Ladungstransport und daher auch Massentransport. Die uns umgebende Materie ist i. Allg. elektrisch neutral. Durch Ladungstrennung (Reibung, Influenz) können Ladungen eines Vorzeichens erzeugt werden.

1.1 Coulombsches Gesetz, Elementarladung, elektrisches Feld 1.1.1 Coulombsches Gesetz Mit der Coulombschen Drehwaage (nach Charles Augustin de Coulomb, 1736–1806) wurde die Kraftwirkung elektrisch geladener Körper aufeinander studiert.

4

Lichtstrahl

Q1

Q2

⁄⁄ ⁄⁄

r0

⁄⁄

Eine aufladbare Kugel (Q1) ist am Balken einer Torsionswaage angebracht, die andere (Q2) fest mit dem Gehäuse verbunden. Der tordierte Aufhängefaden bewirkt ein rücktreibendes Drehmoment bis Kräftegleichgewicht herrscht (siehe Band I, Kapitel „Mechanik deformierbarer Körper“, Abschnitt 4.2.2, Beispiel ‚Torsion eines Stabes oder Drahtes‘). Anschließend wird der Balken durch Torsion des Fadens in entgegengesetzter Richtung am oberen Torsionskopf mit Hilfe des Lichtzeigers wieder in die Ausgangsposition r0 gebracht und der Torsionswinkel (mit Nonius) gemessen. Der Torsionswinkel ist proportional zur elektrischen Kraftwirkung. Ganz links: Historische Drehwaage an der Fakultät für Physik der Universität Wien.

Das Experiment ergibt eine Proportionalität der elektrischen Kraftwirkung zum Produkt der Ladungsmengen der beiden Körper und einen reziproken Zusammenhang mit dem Quadrat des Abstands F​⇀∝

Q​1 ⋅ Q​2 2 . r​ 2

(III-1.1)

2 Dabei ist vorausgesetzt, dass die die beiden Ladungen Q1 und Q2 tragenden leitenden Kugeln sehr klein gegen ihren Mittelpunktsabstand r0, im Idealfall also punktförmig sind. Die definierbare

4

1 Elektrostatik

Im SI-Einheitensystem wird die Ladung in Amperesekunden = Coulomb (1 As = 1 C) angegeben. Dabei ist 1 C jene Ladungsmenge, die bei einer Stromstärke von 1 A in 1 s durch den Leiterquerschnitt fließt. Es ist dies eine für Laborverhältnisse sehr große Menge freier Ladungen. Wird die Ladung in diesen Einheiten gemessen, ergibt sich die Proportionalitätskonstante als messbare Naturkonstante und es gilt für die Kraft zwischen einer beweglichen (ruhenden oder bewegten) Punktladung q1 und einer ruhenden q2 (Abb. III-1.1):

F​⇀=

1 q​1 ⋅ q​2 r​⇀ 4 π​ε0​ r​ 2 r​

Coulombsches Gesetz.



z

F

q1

r − r2



y

r q2

q2 x



F

q1

 



r

(III-1.2)



z

r2 O

y x

Abb. III-1.1: Die Kraft F​⇀, die die als ruhend gedachte Punktladung q2 auf die bewegliche Punktladung q1 ausübt, greift bei q1 an und besitzt die Richtung des Ortsvektors r​⇀, wenn der 1 q​1 ⋅ q​2 r​⇀ Koordinatenursprung in der Ladung q2 liegt (links, r​⇀2 = 0) F​⇀= . Befindet sich die 4π​ε0​ r​ 2 r​ ruhende Ladung q2 bei r​⇀2 ≠ 0 (rechts), so gilt für die Kraft F​⇀: q​1 ⋅ q​2 r​⇀− r​⇀2 1 F​⇀= . 4 π​ε0​ | r​⇀− r​⇀ |2 | r​⇀− r​⇀ | 2 2

Dabei ist

ε​0 = 8,854 ⋅ 10−12 C2 N−1 m−2

die Influenzkonstante = Dielektrizitätskonstante des Vakuums = elektrische Feldkonstante (permittivity of vacuum)

(III-1.3)

Veränderung der Ladungen Q1 und Q2 erfolgt durch Berührung mit einer dritten, ungeladenen leitenden Kugel gleicher Größe. Die Ladung der beiden ursprünglich ungeladenen Balkenkugeln erfolgt in analoger Weise durch Berührung mit einer dritten geladenen leitenden Kugel gleicher Größe. Die Ladung einer leitenden Kugel kann aus ihrer Kapazität C (ihrem Radius) bei Berührung mit einer bekannten Spannungsquelle U sofort berechnet werden: Q​ = C​ ⋅ U​ = 4 π​ε​0 r​ ⋅ U​ (siehe Abschnitt 1.5.3).

5

1.1 Coulombsches Gesetz, Elementarladung, elektrisches Feld

und der im Coulombgesetz auftretende Faktor 1 = 8,99 ⋅ 109 Nm2 /​C2. 4 π​ε0​

(III-1.4)

Der Faktor 1 ∕ 4π berücksichtig die Kugelsymmetrie des Feldes einer Punktladung.

1.1.2 Elektrische Ladung 4

Blick auf das Mikroskopobjektiv und den Raum zwischen den Platten eines Plattenkondensators mit den geladenen Teilchen (Anordnung nach Ehrenhaft).

positive y-Richtung Abwärtsbewegung

Aufwärtsbewegung



+

 E

 ʋ

 

FG − FA −



−q⋅(−E ) = qE





 E ʋ



−q⋅E

 



FR↑

FG − FA

FR↓ +

Millikan3 in Kalifornien, USA (zusammen mit Fletcher4), und Felix Ehrenhaft (1879–1952) in Wien versuchten die kleinste Ladungsmenge freier Teilchen, die Elementarladung, zu bestimmen. Dazu wurden durch Zerstäubung geladene

3 Robert Andrews Millikan, 1868–1953. Nobelpreis 1923 für die Bestimmung der Elementarladung. Wegen eines Einspruchs von Felix Ehrenhaft wurde ihm der Preis nicht schon 1920 verliehen. 4 Harvey Fletcher, 1884–1981, Dissertant von Millikan.

6

1 Elektrostatik

Teilchen5 (Wasser- oder Öltröpfchen) in einen Plattenkondensator eingebracht und ihre Bewegung im elektrischen Feld beobachtet. Es wirken folgende Kräfte: –q⋅E … Coulombkraft auf das negativ geladene Teilchen6 (E … elektrische Feldstärke, siehe Abschnitt 1.1.3); FG – FA … um den Auftrieb FA verminderte Schwerkraft; FR … Reibungskraft (nach Stokes: F​R​Y = 6 π​η​ r​υ​[, der Pfeil am Kraftindex gibt die Richtung entgegen der Bewegung an, also die Feldrichtung). Bei Kräftegleichgewicht wird eine konstante Geschwindigkeit der Teilchen beobachtet: Kräftegleichgewicht bei Aufwärtsbewegung: q​ ⋅ E​ − (F​G​ − F​A​ ) − F​R​Y = 0 bei Abwärtsbewegung: −q​ ⋅ E​ − (F​G​ − F​A​ ) + F​R​[ = 0; Die Differenz ergibt: 2 q​E​ = F​R​[ + F​R​Y .



q​ =

6 π​η​ r​ 3 π​η​ r​d​ = (υ​Y + υ​[ ) ⏟ (υ​Y + υ​[ ) .7 2 E​ U​ U​ E​ =

d​

Der noch unbekannte Teilchenradius r folgt aus der Summe des Kräftegleichgewichts bei Auf- und Abwärtsbewegung unter Verwendung der Teilchendichte ρT und der Luftdichte ρL: −2(F​G​ − F​A​ ) = F​R​Y − F​R​[ = −(F​R​[ − F​R​Y ) 3



4 π​r​ (ρ​T​ − ρ​L​ ) = 3 π​η​ r​ (υ​Y − υ​[ ) mit υ​Y > υ​[. 3 ⇒

r​ =

3 √η​ (υ​Y − υ​[ ) . 2 (ρ​T​ − ρ​L​ )

Die Geschwindigkeiten υ​Y und υ​[ ergeben sich aus den Fall- und Steigzeiten der Teilchen zwischen zwei kalibrierten Strichmarken im Mikroskopokular. Als Ergebnis erhält man die Ladung q der Teilchen nicht kontinuierlich verteilt, sondern als Vielfaches der Elementarladung q = –n⋅e mit n = 1, 2, 3, … . Da der Durchmesser der verwendeten Öltröpfchen in der Größenordnung ihrer mittleren freien Weglänge liegt, muss dies in der Luftreibung der Teilchen

5 Flüssigkeitsteilchen werden bereits beim Zerstäubungsvorgang verschieden stark geladen („Wasserfallelektrizität“) und können durch Bestrahlung mit Röntgenstrahlen umgeladen werden. 6 Hier wird also bereits angenommen, dass die Teilchen negative Elementarladung tragen. 7 F​R​[ und υ​Y bzw. F​R​Y und υ​[ besitzen ja entgegengesetztes Vorzeichen!

7

1.1 Coulombsches Gesetz, Elementarladung, elektrisches Feld

entsprechend berücksichtigt werden (Cunningham-Korrektur). In diesem Fall ergibt sich die Elementarladung e mit dieser Messmethode auf etwa 1 % genau.

e​ = 1,602177 ⋅ 10

−19

C

Elementarladung (elementary charge).8

(III-1.5)

Die elektrische Ladung ist also keine beliebig teilbare Größe, sondern gequantelt mit der Elementarladung ± e als kleinstem Wert.9 Beispiel: Vergleich mit dem Gravitationsgesetz. F​⇀= −γ​ ⋅

m​1 m​2 r​⇀ ⋅ r​ r​ 2

Gravitationsgesetz.

Der wesentliche Unterschied zum Coulomb-Gesetz besteht darin, dass die Gravitationswechselwirkung nur anziehend und nicht auch abstoßend wirkt. Für die Gravitationskonstante gilt γ = 6,67⋅10–11 Nm2/kg2 (siehe Band I, Kapitel „Mechanik des Massenpunktes“, Anhang A1.1). 1. Welche Kraft üben zwei Ladungen von je 1 C aufeinander aus, wenn sie einen Abstand von 1 m voneinander haben? 9

F​C = 8,99 ⋅ 10 ⋅

1⋅1 9 = 8,99 ⋅ 10 N. 1

Wir vergleichen das mit der Kraft, mit der die Masse 1 kg auf die Unterlage drückt, das ist 1 kp = 1 gErdbeschl ⋅1 N = 9,81 N . Für die Coulombkraft der beiden Ladungen ergibt sich also F​C =

2.

8,99 ⋅ 109 8 = 9,2 ⋅ 10 kp ! 9,81

Selbst wenn die Distanz der beiden Ladungen 1 km beträgt, ergeben sich noch 920 kp! Ein für die Elektrostatik realistischerer Fall: Zwei Ladungen mit 0,05 μC = 50 nC befinden sich in einem Abstand von 10 cm.

8 Derzeit genauester Wert: e = (1,6021766208 ± 0,0000000098) ⋅ 10–19 C (CODATA 2014). 9 Bei den nicht frei auftretenden Bestandteilen der Nukleonen, den Quarks, treten allerdings gebrochene Werte der Elementarladung auf (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitt 3.2.3.2).

8

1 Elektrostatik

F​C = 8,99 ⋅ 109 ⋅

−8 (5 ⋅ 10 )2 2

−3

= 2,25 ⋅ 10 N = 230 mp,

(0,1)

das entspricht der Kraft, mit der 230 mg auf die Unterlage drücken. Wie viele Elementarladungen (Elektronen) sind zur Erzeugung von 50 nC nötig? n​ =

5 ⋅ 10−8 q​ = 3,1 ⋅ 1011 . = e​ 1,6 ⋅ 10−19

3. Wir erinnern uns an den Vergleich von Coulombkraft und Gravitationskraft, die zwei Protonen (q = +e, mp = 1,67⋅10–27 kg) aufeinander ausüben (siehe Band I, Kapitel „Mechanik des Massenpunktes“, Abschnitt 2.2, Beispiel ‚Massenanziehung zweier Protonen und ihrer Coulomb-Abstoßung’). Da beide Kraftwirkungen mit 1/r 2 abfallen, bleibt ihr Verhältnis vom Abstand unabhängig: 9 −19 2 F​C = 8,99 ⋅ 10 ⋅ (1,60 ⋅ 10 ) ⋅

1 1 , F​G = 6,67 ⋅ 10−11 ⋅ (1,67 ⋅ 10−27 )2 ⋅ 2 2 r​ r​

F​C 1010 ⋅10−38 ≅ = 1036 . F​G 10−10 ⋅10−54 Wenn in Prozessen die Ladung eine Rolle spielt, ist die Gravitation i. Allg. vernachlässigbar. Makroskopische Körper sind aber i. Allg. elektrisch neutral, zwischen ihnen wirkt dann nur die Gravitation.

1.1.3 Elektrisches Feld und elektrische Feldstärke Wie üben die Ladungen die Coulombkraft aufeinander aus? Eine Ladung erzeugt ein elektrisches Feld, das im ganzen Raum existiert und auf eine zweite Ladung die Coulombkraft ausübt. Die Kraftwirkung der ersten Ladung „überspringt“ daher nicht mehr die Distanz zur zweiten, wie es bei einer Fernwirkung der Fall wäre, sondern wird durch das elektrische Feld an den Ort der zweiten Ladung vermittelt (Nahwirkung). Das ist entscheidend für den Fall bewegter Ladungen, da sich Feldänderungen nur mit der zwar großen, aber durchaus endlichen Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Im elektrischen und magnetischen Feld herrschen mechanische Spannungen, und zwar in Richtung der Feldlinien eine Zug-, senkrecht dazu eine gleich große Druckspannung, die durch den maxwellschen Spannungstensor beschrieben werden und schon von Michael Faraday (1791–1867) postuliert worden waren. Diese Spannungen machen sich vor allem an den Oberflächen elektrisierter

9

1.1 Coulombsches Gesetz, Elementarladung, elektrisches Feld

Körper bemerkbar, wo die Kraftlinien enden und wo sie die Kraftwirkungen hervorrufen, die als Coulombkräfte gemessen werden. Das elektrische (und auch das magnetische Feld) besitzt weiters in jedem Raumpunkt eine bestimmte Energiedichte, also auch Massendichte (siehe Band II, Kapitel Relativistische Mechanik, Abschnitt 3.9.3). Um das elektrische Feld in jedem Raumpunkt zu bestimmen, nehmen wir entweder eine positive Probeladung q0, die so klein ist, dass sie das Feld der anderen Ladungen nicht verändert oder wir nehmen an, dass die Ladungen, die das Feld erzeugen, örtlich fest sind. Wir können nun das Coulombsche Gesetz für die Kraftwirkung einer festen Ladung q auf die bewegliche Probeladung q0 auch so schreiben: F​⇀=

1 q​0 ⋅ q​ r​⇀ = q​ ⋅ E​⇀(r​⇀) 4 π​ε​0 r​ 2 r​

(III-1.6)

und definieren damit die elektrische Feldstärke als Kraft auf die positive Probeladung, geteilt durch diese, d. h., als Kraft pro positiver Ladungseinheit:

E​⇀(r​⇀) =

F​⇀(r​⇀) 1 q​ r​⇀ elektrische Feldstärke einer Punktladung q = q​0 4 π​ε0​ r​ 2 r​ (Coulomb-Feldstärke).

(III-1.7)

Einheit der elektrischen Feldstärke: [E] = 1 N/C. Ist also im allgemeinen Fall am Ort einer Punktladung q0 die Feldstärke E​⇀ – hervorgerufen durch unverrückbare Ladungen – gegeben, dann wirkt auf q0 die Kraft F​⇀= q​0 ⋅ E​⇀.

(III-1.8)

Wir gehen zunächst von punktförmigen Ladungen (Punktladungen) aus. Ist eine bestimmte feste Anordnung von Punktladungen gegeben, so beschreibt das elektrische Feld E​⇀(r​⇀) den Zustand des Raumes außerhalb der Punktladungen, der durch sie erzeugt wurde. Durch Ausmessung mit der Probeladung q0 kann das elektrische Feld bestimmt werden, sodass an jedem Punkt des Raumes die elektrische Feldstärke E​⇀nach Größe und Richtung bekannt ist. Das elektrische Feld kann durch die elektrischen Feldlinien beschrieben werden. Das sind Kurven, deren Tangenten in jedem Punkt mit der Richtung des elektrischen Feldes übereinstimmen. Die Zahl der Feldlinien, die die Flächeneinheit senkrecht durchsetzen, also die Feldliniendichte, wird proportional zur elektrischen Feldstärke angesetzt (siehe „elektrischer Fluss“, Abschnitt 1.2.1). Die Feldlinien entspringen in den positiven Ladungen (Quellen) und enden in den negativen Ladungen (Senken) und sind damit in statischen Feldern niemals geschlossene Linien.

10

1 Elektrostatik

4

+

+





F





F

F

+



F

Darstellung elektrischer Feldlinien. In einer Petrischale werden Grieskörner in Rizinusöl gleichmäßig verteilt. Dann werden Elektroden eingetaucht und mit einer Spannungsquelle verbunden (ganz oben). Links: Aufladung der Elektroden mit unterschiedlichem Vorzeichen, darunter schematisches Feldlinienbild ungleichnamiger Ladungen (Anziehung). Rechts: Aufladung mit gleichem Vorzeichen, darunter Feldlinienbild gleichnamiger Ladungen (Abstoßung). Die Feldlinienbilder veranschaulichen eindrucksvoll die im Feld längs der Feldlinien herrschenden Zugspannungen und die senkrecht dazu vorliegenden gleich großen Druckspannungen.

Befinden sich im Raum mehrere Punktladungen qi, so muss die resultierende Gesamtkraft auf die Probeladung durch Vektoraddition der Einzelkräfte bestimmt werden (Superpositionsprinzip, siehe Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.1.2). Für die resultierende Gesamtkraft am Ort der Probeladung q0 gilt F​⇀= ∑F​⇀i​ = i​

q​0 q​ r​⇀ ∑ i​ i​ 4 π​ε0​ i​ r​ 2i​ r​i​

und damit für die Feldstärke (Abb. III-1.2)

(III-1.9)

11

1.1 Coulombsches Gesetz, Elementarladung, elektrisches Feld

∑F​⇀i​ i​

E​⇀=

= ∑E​⇀i​ .

q​0

(III-1.10)

i​

   

E = E1 + E2 + E3



 E

E1

2



E3

+

q0

+ q3

+ q1

q2

+

Abb. III-1.2: Befinden sich im Raum mehrere Punktladungen qi, so ergibt sich die resultierende Feldstärke nach dem Superpositionsprinzip durch Vektoraddition der einzelnen Feldstärken E​⇀i​ .

Liegt statt einer Verteilung von Punktladungen eine kontinuierliche Ladungsverteid​q​ aus und erhalten lung im Raum vor, so gehen wir von der Ladungsdichte ρ​ = d​V​ für die Gesamtladung im Volumen Q​ = ∫ρ​ d​V​ = ∫ρ​ (r​⇀)d​ 3 r​ . V​

(III-1.11)

V​

d​q​ Ist eine Flächenladungsdichte σ​ = gegeben, so erhält man für die Gesamtlad​ A dung einer Fläche Q​ = ∫σ​ d​ A .

(III-1.12)

A

Bei einer linearen Ladungsdichte λ​ =

d​q​ ergibt sich die Gesamtladung zu d​l​

Q​ = ∫λ​d​l​ . l​

(III-1.13)

12

1 Elektrostatik

1.2 Elektrischer Fluss, Gaußsches Gesetz 1.2.1 Elektrischer Fluss Wir wollen uns jetzt überlegen, wie wir eine Verteilung von Punktladungen oder eine kontinuierliche Ladungsverteilung mit dem dadurch erzeugten elektrischen Feld am besten verknüpfen können. Dazu betrachten wir eine beliebige Fläche A im Raum, in dem sich Punktladungen qi befinden (Abb. III-1.3).

 e



df

n

• • • • • qi •• • • • • • • •• • •• ••

df

Fläche A, beliebig gekrümmt, als Teil einer geschlossenen Fläche, die die Ladungen qi umschließt.

Abb. III-1.3: Zur Definition des elektrischen Flusses.

Der Vektor des Flächenelements d​f⇀ ​ = e​⇀n​ ⋅ d​f​ vom Betrag df steht auf dem Flächenelement senkrecht und weist positiv nach außen, wenn wir die Fläche A als Teil einer räumlich geschlossenen Fläche betrachten. Die von der Ladungsverteilung qi erzeugten elektrischen Feldlinien durchsetzen die Fläche A mit ihren Flächenelementen d​f⇀ ​. Wenn wir der Feldstärke E​⇀die Anzahl | E​⇀| = E an Kraftlinien zuordnen, dann ist die Zahl der Feldlinien, die ein Flächenelement d​f⇀ ​ durchsetzen der elektrische Fluss dΦE durch df

​ ) = E​⇀⋅ d​f⇀ ​ d​ΦE​ = E​ ⋅ d​f​ ⋅ cos ​ (E​⇀,d​f⇀

elektrischer Fluss = Zahl der Feldlinien, die das Flächenelement d​f⇀ ​ durchsetzen.10

(III-1.14)

Damit erhalten wir den gesamten elektrischen Fluss durch die Fläche A durch Aufsummieren:

10 Steht das Flächenelement d​f​ senkrecht auf E​⇀(also d​f⇀ ​ ⫽ E​⇀) und besitzt die Größe 1 (z. B. 1 m2), ⇀ dann ist die Zahl der Kraftlinien, die d​f​ durchsetzen, numerisch gleich der Feldstärke E. Eine Kraftlinie pro m2 entspricht E = 1.

1.2 Elektrischer Fluss, Gaußsches Gesetz

13

elektrischer Fluss (electric flux) (III-1.15) durch die Fläche A.

ΦE​ = ∫E​⇀⋅ d​f⇀ ​ A​

Achtung: Es ‚fließt‘ nichts, weder Materie, also Teilchen (z. B. Ladungen), noch Energie! Der Begriff kommt aus der Analogie zum Strömungsfeld von Flüssigkeiten (siehe Band I, „Mechanik deformierbarer Körper“, Abschnitt 4.3.1).

1.2.2 Gaußsches Gesetz S​

aus (vergleiche Band I, Ka2 R​ pitel „Einleitung“, Abschnitt 1.2). Dabei ist S die Kugelfläche, die der Kegel des Raumwinkels Ω aus der Kugel mit dem Radius R ausschneidet. Der gesamte Raum2 4 π​R​ = 4 π​. winkel der Kugel beträgt R​ 2 Wir legen den Ursprung O unseres Koordinatensystems an einen beliebigen Ort der Ladungsverteilung (Abb. III-1.4). Wir gehen von der Definition des Raumwinkels Ω =

   r /r

df, df = endf

df⋅cos θ

O



θ r



en

Abb. III-1.4: Um das Raumwinkelelement dΩ zu erhalten, unter dem das Flächenelement df von O aus gesehen wird, muss d​f⇀ ​ = e​⇀n​ d​f​ auf die Ebene projiziert werden, die normal auf r​⇀/​r​ steht und mit 1/r2 multipliziert werden.

Wenn das Flächenelement d​f⇀ ​ nicht senkrecht auf dem vom Ursprung ausgehenden Radiusvektor r​⇀steht, ist die Fläche, die von O aus gesehen wird, kleiner als S. Die Flächennormale e​⇀n​ bildet mit r​⇀/​r​ den Winkel θ. Für den Raumwinkel, unter dem das Flächenelement d​f⇀ ​ gesehen wird (Raumwinkelelement dΩ), gilt dann (d​f⇀ ​ muss auf die Ebene projiziert werden, die normal auf r​⇀/​r​ steht) d​Ω =

​ ⋅ r​⇀/​r​ d​f​ ⋅ cos​ θ​ d​f⇀ = . 2 r​ r​ 2

(III-1.16)

Nehmen wir jetzt an, dass eine Punktladung q von einer beliebigen Fläche A ganz umschlossen wird. Wie groß ist der durch die Ladung q erzeugte Fluss durch die gesamte Fläche? Dazu bestimmen wir zuerst den elektrischen Fluss durch ein Ober-

14

1 Elektrostatik

flächenelement unter Benützung des Raumwinkelelements und integrieren dann über die gesamte Oberfläche, also ​= d​ΦE​ = E​⇀⋅ d​f⇀

1 q​ r​⇀ ⇀ 1 q​ d​Ω, d​f​ = 4 π​ε0​ r​ 2 r​ 4 π​ε0​

​= ΦE​ = ∮E​⇀d​f⇀ A​

(III-1.17)

1 q​ q​ ∮d​Ω = . 4 π​ε0​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ε​0 A​

(III-1.18)

4 π​

Für den Fluss einer Gesamtladung Q​ = ∑q​i,​ die von einer beliebigen Fläche A i​

eingeschlossen wird, gilt dann, da der Fluss ΦE,i jeder einzelnen Ladung qi gleich q​i​ beträgt ε​0 q​i​ Q​innen ΦE​ = ∮E​⇀⋅ d​f⇀ ​=∑ = ε​ ε​0 0 i​ A​

Gaußsches Gesetz in integraler Form = 1. Maxwell-Gleichung im Vakuum

(III-1.19)

Das Gaußsche Gesetz, das unmittelbar aus dem Coulomb-Gesetz (Gln. (III-1.2) und (III-1.6)) folgt, stellt die 1. Maxwell-Gleichung in integraler Form dar. Es verknüpft die Gesamtladung Q​ = ∑q​i​ im Inneren einer geschlossenen Oberfläche A (‚Gaußi​

sche Oberfläche‘) mit den Normalkomponenten E​⇀⋅ d​f⇀ ​ = E​⇀⋅ e​⇀n​ ⋅ d​f​ = E​n​ d​f​ des elektrischen Feldes auf dieser Oberfläche. Der Zusammenhang mit dem Coulomb-Gesetz ergibt sich sofort, wenn man eine Punktladung q mit einer um diese Ladung zentrierten Kugelfläche als Gaußscher Oberfläche umgibt. In diesem Fall sind die Vektoren aller Oberflächenelemente d​f⇀ ​ parallel zur elektrischen Feldstärke E​⇀dieses Zentralkraftfeldes gerichtet:

∮E​⇀⋅ d​f⇀ ​

=⏟

∮E​ ⋅ d​f​

cos​ (d​f⇀ ​,E​⇀) = 1

=⏟

E​∮d​f​ = E​ ⋅ 4 π​r​ 2 =

E​ = const. auf Kugeloberfläche​

q​ . ε​0

(III-1.20)

1 q​ . 4 π​ε0​ r​ 2 Um zu einer differentiellen Schreibweise des Gaußschen Gesetzes zu kommen, verwenden wir den mathematischen Gaußschen Satz ∮υ​⇀⋅ d​f⇀ ​ = ∫ div υ​⇀⋅ d​V​, wobei Es ergibt sich also als Betrag der Coulomb-Feldstärke (Gl. III-1.7) E​ =

A​

V​ (A​)

A die Oberfläche (Rand) des Volumens V ist. Damit kann der elektrische Fluss umgeschrieben werden

1.2 Elektrischer Fluss, Gaußsches Gesetz

ΦE​ = ∮E​⇀⋅ d​f⇀ ​ = ∫ div E​⇀⋅ d​V​ = A​

V​ (A​)

Q​innen . ε​0

15 (III-1.21)

Betrachten wir jetzt an Stelle von Punktladungen eine kontinuierliche Raumladung mit der Ladungsdichte ρ​ = d​q​/​d​V​ im Volumen V, so gilt ΦE​ = ∫ divE​⇀⋅ d​V​ = V​ (A​)

1 ∫ ρ​ ⋅ d​V​ ε​0V​ (A​)

(III-1.22)

und wir erhalten für die Integranden ⇀E​⇀= div E​⇀= ∇

d​ ΦE​ ρ​ = d​V​ ε​0

Gaußsches Gesetz in differentieller Form = 1. Maxwell-Gleichung im Vakuum.

Aus ΦE​ = ∫ divE​⇀⋅ d​V​ und div E​⇀= V​ (A​)

(III-1.23)

d​ ΦE​ ρ​ = sehen wir die Bedeutung von div E​⇀als d​V​ ε​0

elektrischer Fluss durch irgendeine geschlossene Fläche A pro Volumeneinheit des von A eingeschlossenen Volumens V(A): Das ist nach der Definition der Hydrodynamik (siehe Band I, Kapitel „Mechanik deformierbarer Körper“, Abschnitt 4.3.1, Gl. Ι-4.50) eine Quellstärke (= Quellergiebigkeit, source strength), die nach der Beρ​ aus der Existenz der elektrischen Ladungen pro Volumeneinziehung divE​⇀= ε​0 heit folgt. Es gilt also Die elektrischen Ladungen sind die Quellen und Senken des elektrischen Feldes. Die positive Ladungsdichte ist die Quellstärke, die negative Ladungsdichte ist die Senkenstärke des elektrischen Feldes.

1.2.3 Anwendungsbeispiele Das Gaußsche Gesetz ist besonders nützlich zur Berechnung der elektrischen Feldstärke, wenn eine symmetrische Ladungsverteilung (z. B. Kugel- oder Zylindersymmetrie) gegeben ist. In diesem Fall können sehr leicht geeignete Gaußsche Oberflächen gefunden werden, auf denen die elektrische Feldstärke konstant ist und auf die die Feldlinien normal gerichtet sind. Damit wird die Berechnung des elektrischen Flusses und in Folge der elektrischen Feldstärke sehr einfach.

1

16

1 Elektrostatik

Beispiel 1: Gegeben sei eine unendlich lange Linienladung der Dichte λ​ =

l

+ + r + + + df + + + + λ +

d​q​ . d​l​



En

Als Gaußsche Oberfläche wählen wir einen zu l​ koaxialen Kreiszylinder mit Radius r und Länge l​, der an den Endflächen geschlossen ist. Da das Feld aus Symmetriegründen radial zur Linienladung ist (Er), wird der elektrische Fluss durch die Deckflächen gleich null (der Winkel im Skalarprodukt von Feldstärke und Flächenelement ist ja 90°, der Kosinus also Null). Damit wird der gesamte Fluss durch die Gaußsche Oberfläche ΦE​ = ∮E​n​ d​f​ = E​r​ ∮d​f​ = E​r​ 2 π​r​l​. Die Gesamtladung im Inneren der Gaußschen Oberfläche ist λ​ ⋅ l​, das Gaußsche Gesetz lautet daher ΦE​ =

Q​innen​ λ​l​ = = E​r​ ⋅2 π​r​l​ ε​0 ε​0

und wir erhalten für die elektrische Feldstärke der Linienladung E​r​ =

1 λ​ . 2 π​ε0​ r​

1.2 Elektrischer Fluss, Gaußsches Gesetz

17

Beispiel 2: Gegeben sei eine unendlich ausgedehnte, dünne Isolatorfläche, z. B. eine Kunststofffolie, mit einer konstanten Flächenladungsdichte σ auf einer der Oberflächen. (Im Falle einer Leiterfläche sitzen die Flächenladungen zur Hälfte auf jeder der beiden Oberflächen, was zum gleichen Ergebnis führt).

 E

A

l

+ + + + + + + + + + + + +

A

A



E l

Die elektrische Feldstärke E​⇀steht wieder aus Symmetriegründen auf beiden Seiten der Folie senkrecht. Als Gaußsche Oberfläche wählen wir einen geschlossenen Kreiszylinder, der durch die Folie hindurchgeht und auf beiden Seiten um l​ heraussteht. Die Feldstärke ist parallel zur Zylinderwand gerichtet, elektrischer Fluss tritt also nur durch die Stirnflächen A des Zylinders auf. Gesamter elektrischer Fluss durch die Gaußsche Oberfläche: ΦE​ = E​ ⋅ A​ + E​ ⋅ A​ = 2 E​ ⋅ A​, im Zylinder eingeschlossene Ladung: Q = σ⋅A. Gaußsches Gesetz: ΦE​ =

σ​ ⋅ A​ = 2 E​ ⋅ A​. ε​0

Damit ergibt sich für die elektrische Feldstärke E​ =

σ​ . 2 ε​0

Dieser Betrag der Feldstärke gilt bei einer unendlich ausgedehnten Fläche unabhängig von der Distanz, solange diese endlich bleibt.

18

1 Elektrostatik

1.3 Elektrostatisches Potenzial Wir gehen ähnlich vor wie bei einem mechanisch wirkenden Kraftfeld (Band I, Kapitel „Mechanik des Massenpunktes“, Abschnitt 2.2.3). Das Verrichten einer Arbeit W bei der Verschiebung einer Ladung im elektrischen Feld der Feldstärke E​⇀von P1 nach P2 schreiben wir dann so: P​2

P​2

W​ = ∫F​⇀d​r⇀= ​ q​0 ∫E​⇀d​r⇀​; P​1

(III-1.24)

P​1

W < 0: vom Feld geleistete Arbeit; W > 0: gegen das Feld geleistete Arbeit. Da das Coulombfeld so wie das Gravitationsfeld konservativ ist, muss gelten ∮E​⇀d​r⇀= ​ 0 .11

(III-1.25)

Das hat zur Folge, dass die Arbeit W vom Weg von P1 nach P2 unabhängig ist. Wenn wir von einem bestimmten, festgehaltenen Raumpunkt P1 ausgehen, können wir daher jedem Raumpunkt P​⇀2 (r​⇀) eine potenzielle Energie E​pot zuordnen, wobei für deren Zusammenhang mit der vom Feld verrichtete Arbeit W bei der Verschiebung der Ladung vom Punkt P1 zum Punkt P2 per definitionem gilt: P​2

​ − (E​pot (P​2 ) − E​pot (P​1 )) = −Δ E​pot . W​ = q​0 ∫E​⇀d​r⇀=

(III-1.26)

P​1

Das negative Vorzeichen ist konventionell und hat zur Folge, dass die elektrische Feldstärke von einem Ort höherer potenzieller Energie zu einem Ort niedrigerer potenzieller Energie weist: E​pot (P​1 ) > E​pot (P​2 ). Δ E​pot = E​pot (P​2 ) − E​pot (P​1 ) < 0 ist der Abfall der potenziellen Energie bei der Verschiebung von q0 von P1 nach P2 in Feldrichtung; er ist numerisch gleich der vom Feld verrichteten Arbeit wie in der Mechanik (Band I, Kapitel „Mechanik des Massenpunktes“, Abschnitt 2.2.3). Wir definieren als elektrostatisches Potenzial Φ(r​⇀) im Raumpunkt P​2 (r​⇀) in Bezug auf den fixen Raumpunkt P​1 (fix​)

11 Das bedeutet, dass im statischen Feld bei einem geschlossenen Umlauf keine Arbeit gewonnen werden kann, andernfalls wäre ein perpetuum mobile 1. Art möglich. Aus ∮E​⇀d​r⇀= ​ 0 folgt mit dem Stokesschen Satz der Vektoranalysis ∮E​⇀d​r⇀= ​ ∫ rot E​⇀d​f⇀ ​ = 0 (A(C) ist eine C​

C​

A​(C​)

von einer geschlossenen Kurve C umrandete Fläche A) ⇒ rot E​⇀≡ 0. Man sieht daher schon hier: Das elektrostatische Feld ist wirbelfrei und damit ein wirbelfreies Quellenfeld (siehe dazu weiter unten).

1.3 Elektrostatisches Potenzial P​2 (r​⇀)

Φ(r​⇀) = −

W​ Δ E​pot = − ∫ E​⇀d​r⇀= ​ q​0 q​0 P​ (f​i​x​)

elektrostatisches Potenzial in Bezug auf den fixen Punkt P​1 (fix​) .

1

19

(III-1.27)

Für die Potenzialdifferenz Δ Φ1,2 zwischen zwei Punkten P​ (r​⇀1 ) und P​ (r​⇀2 ) gilt daher r​⇀2

r​⇀1

r​⇀2

r​⇀fix​

r​⇀2

Δ Φ1,2 = Φ(r​⇀1 ) − Φ(r​⇀2 ) = −∫d​Φ = − ∫ E​⇀d​r⇀​ + ∫ E​⇀d​r⇀​ = ∫ E​⇀d​r⇀+ ​ ∫ E​⇀d​r⇀= ​ r​⇀1 r​⇀2

r​⇀fix​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

r​⇀fix​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

Φ (r​⇀1 )

−Φ (r​⇀2 )

r​⇀1

r​⇀fix​

= ∫E​⇀d​r⇀​

(III-1.28)

r​⇀1



d​Φ = −E​⇀d​r⇀​.

(III-1.29)

Achtung: Wir bezeichnen mit ΦE​ den elektrischen Fluss und mit Φ das elektrostatische Potenzial. Aus dem Potenzial Φ(r​⇀) kann sofort die Feldstärke E​⇀berechnet werden, wenn man beachtet, dass dΦ ein totales Differential ist. Aus d​Φ =

∂​Φ ∂​Φ ∂​Φ ​ (III-1.30) d​x​ + d​y​ + d​z​ = −E​⇀d​r⇀= ​ −[E​x​ d​x​ + E​y​ d​y​ + E​z​ d​z] ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​

folgt − E​x​ =

∂​Φ ; ∂​x​

− E​y​ =

∂​Φ ; ∂​y​

− E​z​ =

∂​Φ ∂​z​

(III-1.31)

bzw. ⇀Φ. E​⇀= −gradΦ = −∇

(III-1.32)

Der Nullpunkt r​⇀1 = r​⇀fix​, Φ(r​⇀1 ) = 0 für das elektrostatische Potenzial Φ(r​⇀) ist wie bei der potenziellen Energie E​pot (r​⇀) frei wählbar; wir wählen als Nullpunkt den unendlich fernen Punkt r​ = ∞​, sodass das elektrostatische Potenzial im Unendlichen verschwindet, P1 also im Unendlichen liegt:12

12 In der Praxis wird aus messtechnischen Gründen das Potenzial auf der Erdoberfläche Null gesetzt: ΦErde​ = 0. Da immer nur Potenzialdifferenzen messbar sind, hat dies keine grundsätzliche Bedeutung.

20

1 Elektrostatik

Φ(∞​) = 0

(III-1.33)

r​⇀



∞​

Φ(∞​ Φ(r​⇀) = ∫E​⇀d​r⇀​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟) − ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Φ (r​⇀1 )

= Φ (r​⇀2 )



Φ(r​⇀) − ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Φ(∞​) = ∫E​⇀d​r⇀​, =0

∞​

(III-1.34)

r​⇀

also ∞​

Φ(r​⇀) = ∫E​⇀d​r⇀​.

(III-1.35)

r​⇀

Damit ergibt das Produkt q⋅Φ die Arbeit, die gewonnen wird oder die aufzuwenden ist, wenn die Ladung vom Punkt P​ (r​⇀) ins Unendliche oder aus dem Unendli∞​

​ Φ(r​⇀) > 0; chen zum Punkt P​ (r​⇀) gebracht wird: Gewonnen wird dann, wenn ∫E​⇀d​r⇀= r​⇀

r​⇀

aufzuwenden ist daher, wenn ∫E​⇀d​r⇀= ​ −Φ(r​⇀) < 0. Damit wird die von einer äußeren ∞​

Kraft F​⇀ext = −q​0 E​⇀gegen die Feldkraft zu verrichtende Arbeit wie in der Mechanik positiv, und die von ihr gewonnene Arbeit negativ gerechnet.13 Für die Differenz des elektrostatischen Potenzials, die Potenzialdifferenz, wird auch die Bezeichnung elektrische Spannung U verwendet. Zwischen zwei Punkten P​1 und P​2 gilt dann elektrische Spannung = Potenzialdifferenz (potential difference).

P​2

U​1,2 = Φ(P​1 ) − Φ(P​2 ) = ∫E​⇀d​r⇀​ P​1

(III-1.36)

Für die Einheit der elektrischen Spannung U gilt entsprechend der Definition des elektrostatischen Potenzials Φ (Gl. III-1.27):

r​⇀2

r​⇀2

∞​

r​⇀2

∞​

∞​

13 W​ext = ∫F​⇀ext d​r⇀= ​ −q​0 ∫E​⇀d​r⇀= ​ −q​0 [ ​ ∫E​⇀d​r⇀​] ] = −q​0 [ ​ ∫E​⇀d​r⇀​] ]= [∫E​⇀d​r⇀+ [∫E​⇀d​r⇀− r​⇀1

r​⇀1

[

r​⇀1

∞​

]

[

r​⇀1

r​⇀2

]

= q​0 [Φ(r​⇀2) − Φ(r​⇀1)] ⇒ Wext > 0 für Φ(r​⇀2) > Φ(r​⇀1) … Arbeitsaufwand beim Verschieben von q0 vom niedrigeren zum höheren Potenzial, also entgegen der Feldrichtung mit Gewinn an potenzieller Energie; Wext < 0 für Φ(r​⇀2) < Φ(r​⇀1) … Arbeitsgewinn beim Verschieben von q0 vom höheren zum niedrigeren Potenzial, also in Richtung der Feldstärke unter Verlust an potenzieller Energie.

1.3 Elektrostatisches Potenzial

[U] = 1 Volt = 1 V =

21

[W​] Nm kg m m 2 −1 −3 = kg m A s . = = 2 [Q​] As s As​

Ist E​⇀konstant und der Abstand P​1 P​2 = ̄ d​ längs einer Feldlinie gemessen, dann gilt U​1,2 = E​ ⋅ d​



E​ =

U​1,2 . d​

(III-1.37)

Damit ergibt sich die praktische Einheit der elektrischen Feldstärke, das Volt pro Meter: [E] =

V . m

Beispiel: Potenzial einer Punktladung q. Wir bringen die Probeladung q​0 vom Abstand r​1 von q auf den Abstand r​2 = ∞​. Dann ist die dabei auftretende Arbeit pro Ladung, also das Potenzial ∞​

Φ(r​1 ) = ∫E​⇀d​r⇀= ​ r​1

q​ ∞​ d​r​ q​ 1 q​ 1 1 (− + ) = ( ). ∫ = 2 4 π​ε0​ r​ r​ 4 π​ε​0 ∞​ r​1 4 π​ε0​ r​1 1

Damit ergibt sich für das Potenzial Φ einer Punktladung im Abstand r: Φ=

q​ 1 ⋅ . 4 π​ε0​ r​

Die Potenzialgleichung Im konservativen, statischen elektrischen Feld können wir, wie wir schon oben gesehen haben (Gl. III-1.32), die elektrische Feldstärke als negativen Gradienten des elektrischen Potenzials schreiben: ⇀Φ. E​⇀= −grad​Φ = −∇ Wir wissen aus der Mathematik: rot(grad​Φ) = 0 ⇒

rot E​⇀= 0

(III-1.38)

bzw. Das elektrostatische Feld ist ein wirbelfreies Quellenfeld.

1

22

1 Elektrostatik

Nach dem Gaußschen Gesetz (Gl. III-1.23) gilt div E​⇀= schreiben ⇀(∇ ⇀Φ) = −Δ Φ = div E​⇀= −div grad​Φ = −∇

ρ​ , wir können daher ε​0 ρ​ . ε​0

Das ist die Potenzialgleichung:

ΔΦ = −

ρ​ ε​0

⇀2 = (e​⇀x​ dabei ist Δ = ∇

Potenzialgleichung = Poisson-Gleichung ;

(III-1.39)

∂​ ∂​ ∂​ ∂​ ∂​ ∂​ 2 + e​⇀y​ + e​⇀z​ ) = 2 + 2 + 2 der Laplace Operator. ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​ ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​

Die Potenzialgleichung dient zur Berechnung des elektrostatischen Feldes bei vorgegebener Verteilung der Ladungen (= Quellen). Man erhält daraus das Potenzial Φ und daraus durch Gradientenbildung das elektrische Feld. Wenn der Raum ladungsfrei ist, folgt ΔΦ = 0

Laplace-Gleichung .

(III-1.40)

Äquipotenzialflächen Als Äquipotenzialflächen bezeichnet man die Flächen mit Φ(r​⇀) = const. Die Feldlinien folgen dem Gradienten des Potenzials, also grad​Φ (r​⇀), und stehen daher normal auf den Äquipotenzialflächen (Abb. III-1.5): 1

Die Äquipotenzialflächen sind Orthogonalflächen zu den elektrischen Feldlinien. Welche Arbeit müssen wir verrichten, um eine Ladung auf einer Äquipotenzialfläche zu verschieben? ⇀d​r⇀​ = 0 , W​ = q​∫ E​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-1.41)

cos 90° = 0

das heißt, es wird keine Arbeit verrichtet! Die Beschreibung eines Feldes mit Hilfe der Potenzialfunktionen (der Äquipotenzialflächen) ist mathematisch wesentlich einfacher als mit Feldstärken, da die Potenziale der Ladungen in einem Raumpunkt skalar addiert werden können.

1.3 Elektrostatisches Potenzial

23

Abb. III-1.5: Elektrische Feldlinien (schwarz) und Schnitt durch die Äquipotenzialflächen (blau) einer positiven Punktladung.

Beispiel: Geladene, leitende Hohlkugel. Der Radius der Kugel sei R, ihre Flächenladungsdichte σ. 2 Die Gesamtladung der Kugel ist dann: Q​ = 4 π​R​ σ​. 1. Feldstärke im Innenraum (r < R) Im Innenraum befinden sich für r < R keine Ladungen. Dann gilt E​⇀= 0 : Das Innere einer leitenden Hohlkugel ist feldfrei. Würde nämlich in einem ladungsfreien Hohlraum in einem Metall ein elektrisches Feld existieren, dann müsste jede Feldlinie an einer positiven Ladung an der inneren Wand entspringen und analog an einer gleich großen negativen Ladung enden – geschlossene Feldlinien sind ja im statischen Feld auszuschließen. Wegen der freien Beweglichkeit der Ladungen in der metallischen Wand würden sich diese beiden Ladungen anziehen, sofort annihilieren und so das Feld zum Verschwinden bringen. Die obige Aussage gilt für jeden von einem Leiter umschlossenen, ladungsfreien Raum: Das elektrische Feld dringt nicht ein! Das ist die Basis der Abschirmung elektrischer Felder durch einen Faraday-Käfig, einen Raum, begrenzt durch ein engmaschiges Gitter aus einem leitfähigen Material. Auf einem Leiter können sich die elektrischen Ladungen verschieben und zwar so lange, bis Gleichgewicht herrscht, also keine tangentiale Feldkomponente mehr vorliegt.

1

24

1 Elektrostatik

⇒ Die Oberfläche eines jeden Leiters stellt daher eine Äquipotenzialfläche dar und die Feldlinien stehen normal auf die Leiteroberfläche. Frei bewegliche Ladungen im Inneren eines Leiters würden sich aufgrund ihrer gegenseitigen Abstoßung bis zur Oberfläche voneinander entfernen. ⇒ Sitz der Ladung eines Leiters ist daher nur seine Oberfläche, sein Inneres ist feldfrei. (Zu den Normal- und Tangentialkomponenten der elektrischen Feldstärke an Grenzflächen siehe Anhang 2) Wie lautet die Laplace-Gleichung? Im Inneren einer leitenden Hohlkugel gilt bei Ladungsfreiheit Δ Φ = 0, auf der Kugeloberfläche Φ = const., denn im Inneren der Kugel ist E​⇀= 0 und daher Φ = const. Wegen der Stetigkeit des Potenzials muss die Konstante an der Oberfläche und im Inneren gleich groß sein (wäre das Potenzial an der Oberfläche unstetig, würde dort eine d​Φ unendlich große Feldstärke |E​⇀| = auftreten, was ausgeschlossen ist). d​r​

2.

Das Innere der Hohlkugel ist also feldfrei, das Gleiche gilt für eine leitende Vollkugel. Feldstärke im Außenraum (r ≥ R)



E



df

r

1 Q EK = ____ ⋅ ___ 4πε0 R2

R Q Kugel mit Ladung Q

Da die Feldstärke im Außenraum der Kugel aus Symmetriegründen überall parallel zum Vektor des entsprechenden Flächenelements d​f⇀ ​ ist, gilt im Skalarprodukt cos α​ = 1 und damit für den Fluss Q​ ​ = E​ ⋅ 4 π​r​ 2 = ΦE​,Kugel​ = ∮ E​⇀d​f⇀ ε​ Kugel​ 0



E​ =

Q​ 1 ⋅ 2 für r​ ≥ R​ 4 π​ε0​ r​

25

1.3 Elektrostatisches Potenzial

Damit ergibt sich im Außenraum für die Hohl- und Vollkugel das gleiche Feld wie bei einer Punktladung Q im Zentrum der Kugel (des Hohlraumes) mit ∞​

ΦE​,Punktladung​ = ∫E​d​r​ = r​

Q​ 1 1 d​Φ Q​ ⋅ mit E​ = − ⋅ 2 für r​ ≠ 0 = 4 π​ε0​ r​ d​r​ 4 π​ε0​ r​

Potenzial Φ und Feldstärke E einer geladenen Kugel: +

+ + +

+

+ + + Φ = const. + + E =0 + + + + + + + + + +



Außenraum: 1 1 Φ = ____ Q __ 4πε0 r 1 1 E = ____ Q __2 4πε0 r

Φ

E Q _______ 4πε0 R 2

Q ______ 4πε0 R

1/r2 1/r

0

r

R

0

R

Geladene Hohl- oder Vollkugel: Elektrisches Feld im Inneren verschwindet, im Außenraum stimmt das Feld mit dem einer Punktladung Q im Zentrum der Kugel (des Hohlraums) überein.

Für das Potenzial ergibt sich: ∞​

Φ = ∫E​d​r​ = r​

∞​ Q​ ∞​ −2 Q​ Q​ 1 1 −1 | r​ | = − ∫r​ d​r​ = − ( − )= r​ 4 π​ε0​ r​ 4 π​ε​0 4 π​ε0​ ∞​ r​ ⏟ 0

Q​ 1 = ∝ . 4 π​ε0​ r​ r​ Auf der Oberfläche und innerhalb der Kugel gilt für das Potenzial Φ=

Q​ . 4 π​ε0​ R​

r

26

1 Elektrostatik

Zahlenbeispiel: Wie groß ist die Spannung (= Potenzialdifferenz) einer geladenen Kugel bezüglich des Referenzpotenzials im Unendlichen (Φ∞​ = Φ(∞​) = 0)? Kugelradius R = 1 m, Ladung Q = 1 nC Für die Spannung auf der Kugeloberfläche gilt, wenn Φ∞​ = 0 für r​ = ∞​ : 1 Q​ 10−9 9 U​ = ΦKugel​ − Φ∞​ = ΦKugel​ = = 8,99 ⋅ 10 ⋅ = 8,99 V​ 4 π​ε0​ R​ 1 ⇒

E​ (R​) = −grad​ Φ(R​) =

Q​ 4 π​ε0​ R​ 2

9

= 8,99 ⋅ 10 ⋅

10−9 12

−1

= 8,99 V​m​ .

1.4 Der elektrische Dipol 1.4.1 Multipole Die Potenzialgleichung (Abschnitt 1.3, Gl. III-1.39) ΔΦ = −

ρ​ ε​0

ist eine partielle lineare Differentialgleichung (DG) 2. Ordnung. Bei einer linearen Gleichung gilt das Superpositionsprinzip (siehe dazu auch Band II, Kapitel „Nichtlineare Dynamik und Chaos“, Abschnitt 2.1.4), d. h., die Coulomb-Potenziale Φi​, die durch im Raum verteilte Punktladungen q​i​ erzeugt werden (Potenzial einer Punkt1 q​ ladung: Abschnitt 1.3, Beispiel ‚Potenzial einer Punktladung q‘: Φ = ), über4 π​ ε0​ r​ 14 lagern sich in einem Aufpunkt P​ linear. Gegeben seien N Punktladungen q​i​ (R​⇀i​ ) in einem räumlich begrenzten Gebiet bzw. eine auf ein Volumen V räumlich begrenzte Ladungsverteilung ρ​ (R​⇀). Das Gesamtpotenzial im „Aufpunkt“ P​ (r​⇀), an dem sich die Probeladung befindet, ist dann N​

Φ(r​⇀) =

q​ 1 ∑ i​ 4 π​ε0​ i​ = 1 |r​⇀− R​⇀| i​

bzw.

Φ(r​⇀) =

1 ρ​ (R​⇀) ∫ d​V​ . 4 π​ε0​ V​ |r​⇀− R​⇀|

(III-1.42)

Dabei ist r​⇀der Ortsvektor vom Ladungsschwerpunkt Sq zum Aufpunkt P und die R​⇀i​ bzw. R​⇀sind die Ortsvektoren zu den q​i​ bzw. zu ρ​ (R​⇀)d​V​.

14 Die Coulomb-Potenziale der qi sind Lösungen der Poisson-Gleichung mit ρ = 0, wobei die singulären Stellen der Punktladungen mit r = 0 auszuschließen sind. Der Raum zwischen den Punktladungen ist also quellenfrei, Φ gehorcht dort der Laplace-Gleichung.

27

1.4 Der elektrische Dipol

 

r −R



P

dV

R



r z θ

Sq

Sq = Ladungsschwerpunkt; für ihn gilt:



y

x

 

R i⋅qi = 0 bzw.

R ⋅ρ(R )dV = 0

i

Abb. III-1.6: Zur Multipolentwicklung des Potenzials einer Ladungsverteilung um ihren Ladungsschwerpunkt.

Unter der Multipolentwicklung einer Ladungsverteilung versteht man eine TaylorEntwicklung des Potenzials der Ladungsverteilung um R​ = 0, den Ladungsschwerpunkt der Ladungsverteilung, und damit des Potenzials im Aufpunkt P​ (r​⇀) für R​ ≪ 1, also für einen genügend weit entfernten Punkt P (Abb. III-1.6). r​ Wir können umformen: −1∕2

2 1 R​ R​ = = (1 − 2 cos​ θ​ + ) 2 2 r​ r​ r​ 2 | r​ ⇀− R​⇀| √r​ − 2 r​R​ cos​ θ​ + R​

1

1

=

1 −1 ∕ 2 (1 − x​ ) r​

=

(III-1.43)

mit x​ =

R​ 2 2 R​ cos​ θ​ − 2 . r​ r​

Die Potenzreihenentwicklung ergibt 15

(1 − x​ )−1 ∕ 2 = 1 +

1 3 2 x​ + x​ + ... 2 8

1 2

3 2

(III-1.44)

(− )(− )

1

n​ n​ 15 (1−x​) = 1 + ( )(−x​) + ( )(−x​) + ... = 1 + (− )(−x​) + 1 2 2 2

n​

=1+

1 2

x​ +

3 8

2

x​ + ...

1⋅2

2

(−x​) + ... =

28

1 Elektrostatik

und wir erhalten ∞​

1 |

=

r​⇀− R​⇀|

Für

2 n​ 1 1 R​ R​ R​ 3 2 (1 + cos​ θ​ + 2 ( cos​ θ​ − ) + ...) = ∑ n​ + 1 P​n​ (cos​ θ​) .16 2 r​ r​ r​ r​ 2 n​ = 0

(III-1.45)

R​ ≪ 1 kann bereits nach dem zweiten Glied abgebrochen werden. r​ Für das Potenzial Φ(r​⇀) ergibt sich damit

Φ(r​⇀) =

=

1 Q​0 Q​1 (r​⇀/​r​) Q​2 (r​⇀/​r​) Q​0 Q​1 (θ​) Q​2 (θ​) 1 ( ( + + ...) ≡ + + 2 + 3 + ...) = 4 π​ε0​ r​ 4 π​ε0​ r​ r​ 2 r​ 3 r​ r​ 1 Monopolanteil + Dipolanteil + Quadrupolanteil + ... ). ( ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 4 π​ε0​ hängen nur von der Ladungsverteilung ρ​ (R​⇀) und von der Richtung (r​⇀/​r​) bzw. θ​ ab (III-1.46) Q​0 = ∫ρ​ (R​⇀)d​V​ = Q​

(III-1.47)

ist der Monopolanteil mit der Gesamtladung Q, also eine Punktladung mit der Größe der Gesamtladung am Ort des Ladungsschwerpunkts Sq . Q​1 = ∫d​V​ρ​ (R​⇀) ⋅

R​ cos​ θ​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ r​⇀ ⇀ (Komponente​ = R​ ⋅ r​ von​ R​⇀in Richtung​ r​⇀)

r​⇀ r​⇀ = (∫d​V​ρ​ (R​⇀) R​⇀) = p​⇀e​ ⋅ r​ r​

ist der Dipolanteil mit p​⇀e​ = ∫d​V​ρ​ (R​⇀)R​⇀

(III-1.48)

als Dipolmoment der Ladungsverteilung. Dieses verschwindet, wenn die Ladung – wie z. B. im Atomkern – nur ein Vorzeichen besitzt. Q1 ist daher die Komponente r​⇀ von p​⇀e​ in die Richtung . r​

16 Pn(cos θ) sind die Legendreschen Polynome, die in der Atomphysik eine große Bedeutung haben (siehe Band V, Kapitel „Atomphysik“, Anhang 3) und sich hier als die Summen der Reihenentwick1 lung von ergeben. |r​ ⇀− R​⇀|

1.4 Der elektrische Dipol

29

Das heißt: Sehr weit von der Ladungsverteilung entfernt entspricht ihr Potenzial dem der Gesamtladung Q in R​ = 0 (Monopol). Kommen wir etwas näher, macht sich das Dipolmoment p​⇀e​ zusätzlich bemerkbar. Kommen wir noch näher, werden weitere Terme wichtig, als nächstes das Quadrupolmoment Q2 (siehe Abschnitt 1.4.4).

1.4.2 Der elektrische Dipol Wir betrachten jetzt anstelle einer kontinuierlichen Ladungsverteilung nur zwei gleich große Ladungen entgegengesetzten Vorzeichens +q und –q im festen Abstand l​⇀, einen (physikalischen) elektrischen Dipol.17 Für das Dipolmoment dieses Dipols gilt p​⇀e​ = q​ ⋅ l​⇀

Dipolmoment eines elektrischen Dipols.

(III-1.49)

l​⇀ist eine „gerichtete Strecke“ und weist definitionsgemäß von der negativen zur positiven Ladung. Achtung: Der Vektor des elektrischen Dipolmoments weist daher von Minus (–) nach Plus (+), also gegen die elektrische Feldstärke zwischen den beiden Ladungen! Die Einheit des elektrischen Dipolmoments ist [pe] = 1 Cm (Coulomb. Meter). Wir betrachten das Potenzial im Aufpunkt P​ (r​⇀), das durch Überlagerung des Potenzials der zwei Punktlagerungen entsteht (Abb. III-1.7): ΦD​ (r​⇀) =

1 4 π​ε0​ (

q​ l​⇀ 2

| r​⇀− |



q​

.

l​⇀) 2

(III-1.50)

| r​⇀+ |

17 Lässt man l​⇀immer kleiner und gleichzeitig ±q​ immer größer werden, und zwar so, dass das Produkt q​ ⋅ l​⇀= p​⇀e​ erhalten bleibt, so erhält man im Grenzfall l​⇀% 0, ±q​ % ∞​ einen mathematischen Dipol mit dem Dipolmoment p​⇀e​, dessen Feld bis zum Ursprung (r​⇀= 0) mit den Formeln für den physikalischen Dipol übereinstimmt.

30

1 Elektrostatik

 

Dipolachse

l r − __ 2 +q

 p





r

l __ 2

e

P



 

l r + __ 2

θ

l __ 2 −q

Abb. III-1.7: Physikalischer Dipol. Das nachfolgend berechnete Dipolfeld gilt in dieser Anordnung l​ nur für r​⇀≫ . 2

Mit der Entwicklung

1 1 r​⇀l​⇀ l​ = (1 ∓ + ...) erhalten wir für ≪ r​ 18 2 2 r​ 2 l​⇀ r​ | r​⇀± | 2 1

q​ q​ r​⇀⋅ l​⇀ 1 1 r​⇀l​⇀ 1 1 r​⇀⋅ l​⇀ ( +​ )= − + = 3 3 4 π​ε0​ r​ 2 r​ r​ 2 r​ 4 π​ε0​ r​ 3 1 q​ ⋅ l​⇀ r​⇀ 1 p​⇀e​ r​⇀ 1 p​e​ cos​ θ​ ⋅ = ⋅ = = 4 π​ε0​ r​ 2 r​ 4 π​ε0​ r​ 2 r​ 4 π​ε0​ r​ 2

ΦD​ (r​⇀) =

(III-1.51)

l​ ≪ r​ kompensieren einander die Monopole ±q im Punkt P​ (r​⇀), das Dipol2 1 moment mit ΦD​ ∝ 2 bleibt übrig. Das Potenzial eines Dipols fällt also schneller ab r​ als das Potenzial einer Punktladung, da sich mit wachsendem Abstand vom Dipol die entgegengesetzten Potenziale von +q und –q immer besser kompensieren.

Für

l​⇀ 18 | r​⇀± | = 2

2

⇀ √(r​⇀± l​ ) = √r​⇀2 ± r​⇀l​⇀+ l​ 2

2

4

2

= r​





r​⇀⋅ l​⇀ l​ r​⇀l​⇀ + ≅ r​√1 ± 2 2 r​ 4 r​ r​ 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ≅0



1 l​⇀ 2

| r​⇀± |

1

≅ r​





1

1 r​⇀l​⇀

≈ (1 ∓ ) 2 r​ 2 r​⇀l​⇀ r​ r​ 2

1.4 Der elektrische Dipol

31

In der Symmetrieebene normal auf die Dipolachse ist θ​ = 90° ⇒ cos​ θ​ = 0 ⇒ ΦD​ = 0. Hier kompensieren sich die Potenziale der beiden Punktladungen in allen Entfernungen vollständig. Zur Darstellung des durch den Dipol erzeugten elektrischen Feldes rechnen wir auf Polarkoordinaten = Kugelkoordinaten r, θ, φ um (siehe Band I, Kapitel „Mechanik des Massenpunktes“, Abschnitt 2.1). In kartesischen Koordinaten gilt für das elektrische Feld E​⇀D​ = −grad​ ΦD​ ∂​Φ ∂​Φ ∂​Φ , , }, ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​

(III-1.52)

∂​Φ 1 ∂​Φ 1 d​Φ }; , , ∂​r​ r​ ∂​θ​ r​ sin θ​ d​φ​

(III-1.53)

(grad​ Φ)kart​ = {

in Polarkoordinaten

(grad​ Φ)polar​ = {



E​⇀D​ = −grad​ ΦD​ =

2 p​e​ cos​ θ​ p​e​ sin​ θ​ , , 0⏟ 4 π​ε0​ r​ 3 4 π​ε0​ r​ 3 E​φ​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ E​r​

+

E​θ​

Feld des elektrischen Dipols.

(III-1.54)



Abb. III-1.8: Feld des elektrischen Dipols. Blau: Feldlinien; schwarz strichliert: Äquipotenziallinien.

32

1 Elektrostatik

1 und ist zylindersymmetrisch zur Dipolr​ 3 achse und daher unabhängig von der Koordinate φ (Abb. III-1.8). π​ Die Feldstärke für θ = 0 bzw. für θ​ = ergibt sich zu 2 Das elektrische Feld des Dipols fällt mit

E​θ​ = 0 = E​r​ =

1 p​e​ 2 π​ε0​ r​ 3

(III-1.55)

(Eθ = 0, E​⇀liegt in der Dipolachse und weist in Dipolrichtung) und

Eθ = π/2 = E​θ​ =

1 p​e​ E​θ​ = 0 = 4 π​ε​0 r​ 3 2

(III-1.56)

(Er = 0, E​⇀liegt in der Dipolachse und weist gegen die Dipolrichtung). Man beachte: Gemäß der Darstellung von E​⇀D​ = {E​r,E​ ​ θ,E​ ​ φ} ​ in Komponenten längs der Einheitsvektoren (e​⇀r​,e​⇀θ​,e​⇀φ​), weist E​θ​ bei θ​ = 0 in die Richtung e​⇀r​, also in Richtung der (in Dipolrichtung orientierten) Dipolachse und E​θ​ bei θ = π/2 in die Richtung von e​⇀θ​, also entgegen der Dipolachse; E​θ​ = 0 und Eθ = π/2 sind also entgegengesetzt gerichtet (Abb. III-1.9), wie auch aus dem Feldlinienbild des Dipols (Abb. III1.8) hervorgeht. Dipolachse



er

P

 r





Breitenkreis

  e





er

P



r θ

θ

+



Dipolachse Längenkreis

θ + −

Abb. III-1.9: Links: Darstellung der orthogonalen Einheitsvektoren e​⇀r​,e​⇀θ​,e​⇀φ​ bezüglich der Lage eines elektrischen Dipols; rechts: Ebener Schnitt normal zu e​⇀φ​. Für θ = 0 liegt E​⇀θ​ = 0 in Richtung von e​⇀r​ (e​⇀θ​ = 0 = 0); für θ = π/2 weist E​⇀θ​ = π​/​2 in die Gegenrichtung von E​⇀θ​ = 0, sie sind also parallel bzw. entgegengesetzt zur Dipolachse gerichtet.

1.4 Der elektrische Dipol

33

1.4.3 Der Dipol im elektrischen Feld Wir nehmen an, dass die Ladungen des Dipols starr miteinander verbunden seien (permanenter Dipol) und betrachten die Wirkung eines homogenen elektrischen Feldes auf den Dipol (Abb. III-1.10):

 p

l

e



q +

F+







Drehmoment:

−dφ φ

D //(−dφ)



E



F−

− q

Abb. III-1.10: Ein nicht in Feldrichtung ausgerichteter elektrischer Dipol erfährt im äußeren homogenen elektrischen Feld ein Drehmoment.

Im homogenen Feld gilt F​⇀+ = q​E⇀​,

F​⇀− = −q​E⇀​,

(III-1.57)

die resultierende Kraft verschwindet also, der Schwerpunkt des Dipols bleibt somit in Ruhe, es wirkt aber ein Drehzwilling = Kräftepaar = (reines) Drehmoment. Wir wissen aus der Mechanik (Band I, Kapitel „Mechanik des starren Körpers“, Abschnitt 3.1.1), dass für ein Drehmoment D​⇀gilt

|

D​⇀| = Kraft​ ⋅ Normalabstand​ = q​ ⋅ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ E​ ⋅ l​ ⋅ sin​ φ​

(III-1.58)

= |l​⇀× E​⇀| ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ |p​⇀e​ × E​⇀|

Im homogenen elektrischen Feld wirkt also auf den elektrischen Dipol das Drehmoment D​⇀= p​⇀e​ × E​⇀,

(III-1.59)

welches den Winkel φ zu verkleinern sucht. Damit ist D​⇀= 0 wenn p​⇀e​[[E​⇀ (sin​ φ​ = 0); das heißt: Ein freier Dipol richtet sich in Richtung des Feldes aus.19 19 Auch wenn p​⇀e​[YE​⇀steht, ist D​⇀= 0, allerdings ist diese Lage instabil, da eine kleine Verdrehung den Dipol in die Richtung von E​⇀umklappen lässt.

34

1 Elektrostatik

Wir berechnen die potenzielle Energie E​pot des Dipols im homogenen elektrischen Feld. Der Dipol hat die kleinste E​pot (stabile Gleichgewichtslage!), wenn p​⇀e​[[E​⇀, da dann jede Drehung mit einer Verschiebung der Ladungen entgegen E​⇀, also mit äußerem Arbeitsaufwand, verbunden ist. Wir wählen willkürlich den Nullpunkt: E​pot = 0 für φ​ = 90°, also wenn der Dipol ⊥ zu E​⇀ steht, also ⫽ zu den Äquipotenziallinien. Welche Arbeit verrichtet das Feld am Dipol bei einer kleinen Drehung im Sinne des wirkenden Moments, also um den Winkel (–dφ) (siehe Abb. III-1.10)? Für die Rotationsarbeit eines Drehzwillings beim Drehen gilt (Band I, Kapitel „Mechanik des starren Körpers“, Abschnitt 3.1.1) d​W​rot = D​⇀d​φ⇀​ = D​ ⋅ d​φ​,

(III-1.60)

wenn D​⇀und φ​⇀parallel gerichtet sind. In unserem Fall sind D​⇀und −d​φ⇀parallel, ​ daher ist d​W​rot = D​ ⋅ (−d​φ​).

(III-1.61)

Die gesamte Rotationsarbeit des Feldes bei der Drehung von φ1 nach φ2 mit φ1 > φ2 wird so zu φ​2

W​ = ∫ φ​1

φ​2

(−d​φ⇀​ ) = −p​e​ ⋅ E​∫sin​ φ​d​φ​ = p​e​ ⋅ E​ ⋅ cos​ φ​ |φ​φ​21 > 0, (III-1.62)

D​⇀ ⏟

φ​1

= p​e​ ⋅E​ ⋅ sin​ φ​

wegen φ1 > φ2 ⇒

φ​ = 0

0

W​ |φ​ = 180 = p​e​ ⋅ E​ ⋅ cos​ φ​ |180 = 2 p​e​ ⋅ E​.

(III-1.63)

Die beim Drehen um den Winkel dφ > 0 gegen die Feldkräfte von außen zu verrichtende Arbeit beträgt ​ D​ext ⋅ d​φ​ , d​W​ext = d​Ep​ ot = D​⇀ext ⋅ d​φ⇀=

(III-1.64)

da D​⇀ext ⫽d​φ⇀​; mit Dext = D ergibt sich der Anstieg der potenziellen Energie zu d​Ep​ ot = D​ ⋅ d​φ​.

(III-1.65)

1.4 Der elektrische Dipol

35

Die von außen zu verrichtende Arbeit beim Drehen aus der Parallel- in die Antiparallelstellung erhöht die potenzielle Energie des Dipols und beträgt somit φ​ = 180 φ​ = 180

ΔE​ pot​ |φ​ = 0 =



φ​ = 180

φ​ = 180

D​d​φ​ =

p​e​ E​ sin​ φ​d​φ​ = − ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ p​ e​ E​ cos​ φ​ |



φ​ = 0

=

Skalaprodukt​ φ​ = 0 ⇀ ⇀e​ ⋅E​ p​

φ​ = 0

= −p​e​ E​ (−1 − (+1)) = 2 p​e​ E​ .

(III-1.66)

Die potenzielle Energie Epot erhalten wir also durch Integration von d​E​pot = p​e​ E​ sin​ φ​d​φ​ von φ = 90° (Nullpunkt von Epot) bis zum beliebigen Winkel φ φ​ φ​ E​pot = ∫ p​e​ E​ sin​ φ​d​φ​ = − p​ e​ E​ cos​ φ​ |90 = −p​e​ E​ cos​ φ​ = −p​⇀e​ E​⇀,

(III-1.67)

90

also: E​pot = −p​⇀e​ ⋅ E​⇀.

(III-1.68)

min​ E​ pot = −p​e​ E​ für p​⇀e​[[E​⇀; max​ größter Wert für φ = 180°: E​ pot = p​e​ ⋅ E​ für p​⇀e​Y[E​⇀.

Kleinster Wert für φ = 0:

In einem inhomogenen elektrischen Feld E​⇀(r​⇀) sind die an den beiden Ladungen angreifenden Kräfte nicht mehr genau entgegengesetzt gerichtet und nicht mehr gleich groß; auf den Dipol wirkt daher jetzt außer einem Drehmoment auch eine resultierende Kraft. Wir betrachten einen Dipol p​⇀e​ = q​ ⋅ l​⇀in der x-Richtung liegend, in der auch die Feldstärke wirken soll (Abb. III-1.11): F−q

  p

F+q

l



+

x

e

Ex

∂Ex Ex + ___ l ∂x

Abb. III-1.11: Ausgerichteter Dipol im inhomogenen elektrischen Feld.

Die resultierende Kraft ergibt sich zu

F​x​ = q​ (−E​x​ + E​x​ +

∂​E​x​ ∂​E​x​ ∂​Ex​ ​ l​) = q​ ⋅ l​ ⋅ = p​e​ ⋅ . ∂​x​ ∂​x​ ∂​x​

(III-1.69)

36

1 Elektrostatik

Liegt der Dipol schief zur Feldrichtung und sind seine Komponenten pex,pey,pez, dann ergibt sich die x-Komponente der Kraft in Verallgemeinerung der vorhergehenden Gleichung (III-1.69): F​x​ = p​e​x​

∂​Ex​ ​ ∂​Ex​ ​ ∂​Ex​ ​ + p​e​y​ + p​e​z​ . ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​

(III-1.70)

∂​ ∂​ ∂​ + p​e​y​ + p​e​z​ ) ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​

(III-1.71)

Nun ist aber ⇀ = (p​e​x​ p​⇀e​ ∇

und damit ⇀)E​x​ F​x​ = (p​⇀e​ ∇

(III-1.72)

und analog für die beiden anderen Komponenten.



F​⇀=

⇀) E​⇀ ⇀e​ ⋅ ∇ (p​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

≡ (p​⇀e​

Vektorgradient ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

d​ )E​⇀.20 d​r⇀​

(III-1.73)

p​⇀− Vektorgradient von E​⇀

1.4.4 Der elektrische Quadrupol Wir erinnern uns zuerst an das Potenzial des physikalischen Dipols ΦD​ (r​⇀) im Raumpunkt P​ (r​⇀) (siehe Abschnitt 1.4.2, Gl. III-1.51) ΦD​ (r​⇀) =

1 q​ ⋅ l​⇀ r​⇀ ⋅ , 4 π​ε0​ r​ 2 r​

(III-1.74)

1 r​⇀ 1 das mit grad​ ( ) = − und dem Potenzial des „Monopols“ (Abschnitt 1.4.1, r​ r​ 2 r​ Gl. III-1.46) ΦM​ =

1 q​ so geschrieben werden kann 4 π​ε0​ r​ ΦD​ (r​⇀) = −l​⇀⋅ grad​ ΦM​ ,

(III-1.75)

also als Skalarprodukt des Ladungsabstands l​ und dem Gradienten des Monopolpotenzials (= Coulombpotenzial der Ladung q). ⇀)E​⇀= p​⇀e​ ⋅ gradE​⇀. 20 Man schreibt manchmal auch: (p​⇀e​ ⋅ ∇

37

1.4 Der elektrische Dipol

−q −

y



+q +



P(r )

r



l

 l



d

+ +q

x − −q

Abb. III-1.12: Elektrischer Quadrupol: zwei entgegengesetzt orientierte elektrische Dipole (Ladungsabstand l​⇀) im Abstand d​⇀.

Jetzt zum physikalischen Quadrupol (Abb. III-1.12). d​⇀ ist der gerichtete Abstand zwischen den Dipolen.21 Für große Entfernung vom Quadrupol (r ≫ l​,d) heben die Dipolfelder einander praktisch auf und es gilt das Quadrupolpotenzial ΦQ​ (r​⇀) mit den d​⇀ d​ΦD​ d​⇀ d​⇀ ⇀ΦD​ ⋅ : ⋅ ≡ ΦD​ (r​⇀) ± ∇ ΦD​ (r​⇀± ) ≅ ΦD​ (r​⇀) ± 2 d​r⇀​ 2 2 für

d​⇀ ΦQ​ (r​⇀) = ΦD​ (r​⇀+ ) − ΦD​ (r​⇀− 2

beiden

Dipolpotenzialen

d​⇀ ⇀ΦD​ . ) = d​⇀⋅ ∇ 2

(III-1.76)

Wenn man für das Dipolpotenzial einsetzt, so erhält man für das Potenzial ΦQ​ (r​⇀) r​⇀ dieser speziellen Art eines physikalischen Quadrupols (r​⇀0 = ) r​ Quadrupolanteil​ Q​2 (r​⇀0 )

ΦQ​ (r​⇀) =

q​ 4 π​ε​0

l​⇀ r​⇀ ⇀( ⋅ ) d​⇀⋅ ∇ r​ 2 r​

⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Potenzial des​ physikalischen Quadrupols​

q​ ⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ d​⇀l​⇀− 3(l​⇀r​⇀0 )(d​⇀r​⇀0 ) = 4 π​ε0​ r​ 3

.

(III-1.77)

Allgemein versteht man unter dem Quadrupolanteil am Potenzial einer Ladungswolke in der Richtung (r​⇀/​r​) bzw. θ (θ wird ja von r​⇀/​r​ aus gemessen, siehe Abb. III-1.6) 1 1 den im 3. Term der Multipolentwicklung des Potenzials nach dem Faktor 4 π​ε0​ r​ 3 stehenden Ausdruck (siehe Abschnitt 1.4.1, Gln. (III-1.42) und (III-1.46))

21 Der Abstand d​⇀kann zu l​⇀beliebig orientiert sein; ist d​⇀⫽ l​⇀spricht man von einem axialen Quadrupol.

38

1 Elektrostatik

Q​2 (θ​) = ∫ρ​d​V​

Mit cos​ θ​ =

R​ 2 2 (3 cos θ​ − 1). 2

(III-1.78)

R​⇀⋅ r​⇀ und R​⇀= {X​,Y​,Z​} sowie r​⇀= {x​,y​,z​} folgt R​ ⋅ r​

Q​2 (r​⇀/​r​) = ∫ρ​d​V​

1 [3(R​⇀⋅ r​⇀)2 − (R​ ⋅ r​)2] 2 r​ 2

Quadrupolanteil in r​⇀-Richtung.

(III-1.79)

Dimension von Q2: Ladung mal Fläche, also [Q2] = C⋅m2. 2 2 Wird der Term (R​⇀⋅ r​⇀) ausgerechnet und auch (R​ ⋅ r​) berücksichtigt, dann können die Faktoren von X2, Y2, Z2, XY usw., die nur von den Koordinaten Xi der Ladungswolke abhängen, als Komponenten eines symmetrischen Tensors 2. Stufe, des Quadrupoltensors Q​̃ 2 aufgefasst werden. Dieser Quadrupoltensor Q​̃ 2 hängt von der räumlichen Ladungsverteilung in ähnlicher Weise ab wie der Trägheitstensor von der räumlichen Massenverteilung (siehe Band I, Kapitel Mechanik des starren Körpers, Abschnitt 3.3.2). Zur Darstellung des Quadrupoltensors siehe Anhang 3. Mit dem Quadrupolanteil Q2 kann die Multipolentwicklung (Abschnitt 1.4.1) fortgesetzt werden22

Φ(r​⇀) =

1 4 π​ε0​

Monopolanteil ( ⏞⏞⏞⏞⏞ Q​0

r​

+

Dipolanteil ⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ Q​1 (r​⇀/​r​)

r​ 2

+

Quadrupolanteil ⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ Q​2 (r​⇀/​r​)

r​ 3

) + ... .

(III-1.80)

Dabei hängen die Qi nur von der Ladungsverteilung ρ​ (R​⇀) und der Richtung (r​⇀/​r​) bzw. θ ab.

1.5 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie 1.5.1 Influenz Man unterscheidet in der Elektrostatik die Stoffe sehr grob in elektrische Leiter und in Isolatoren. In einem Leiter befinden sich bewegliche Ladungen (Metallelektronen oder Ionen), die unter dem Einfluss der elektrischen Feldstärke verschoben werden können (z. B. in Metallen und Elektrolyten); ein Isolator dagegen besitzt keine beweglichen Ladungen (Glas, Kunststoffe, Öl). Bringen wir einen Leiter in ein elektri-

22 Für alle praktisch wichtigen Fälle ist eine kontinuierliche Ladungsverteilung anzunehmen, sodass q durch ∫ρ​(r​⇀)d​V​ zu ersetzen ist.

1.5 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie

−− 0 ++ − ++ − − + + − − + −− + + −0+

+

39



Abb. III-1.13: Bringt man eine ungeladene Metallkugel in ein elektrisches Feld, so werden auf der Oberfläche durch Ladungsverschiebung (Influenz) Ladungen so hervorgerufen, dass das durch diese Influenzladungen resultierende Feld im Inneren dem äußeren entgegengesetzt gleich und so der Innenraum wieder feldfrei ist.

sches Feld, dann werden die Ladungen so lange verschoben, bis im Leiter ein entsprechendes Gegenfeld aufgebaut ist, das das äußere Feld in ihm gerade kompensiert (Abb. III-1.13). Man nennt dieses Phänomen Influenz (electric induction). Zum Nachweis von Ladungen und Spannungen dienen Elektroskope (kalibriert: Elektrometer) und statische Voltmeter23. Beim Elektroskop wird die Abstoßung gleichnamiger Ladungen auf beweglichen Trägern zur Messung des Ladungszustands verwendet, ein Beispiel ist das Blättchenelektroskop (Abb. III-1.14).

Isolation aus Bernstein

Gold- oder Aluminiumplättchen

Abb. III-1.14: Blättchenelektroskop. Links: schematische Zeichnung. Rechts: Historisches Goldplättchenelektroskop am Physik-Department der Universität „La Sapienza“ in Rom (Gebäude G. Marconi). Wird die aufgesetzte Platte, die leitend mit den Metallplättchen (blau) verbunden ist, aufgeladen, entfernen sich die beweglichen Enden der Plättchen durch die Abstoßung gleichnamiger Ladungen voneinander, die Entfernung hängt von der aufgebrachten Ladung ab. Die beweglichen Metallplatten links und rechts der Blättchen beim historischen Instrument dienen zur vollständigen Entladung und Glättung.

23 Bei einem statischen Voltmeter werden hohe Spannungen leistungslos allein durch die statische Kraftwirkung gemessen, also ohne dass ein Strom durch das Gerät fließt und dadurch Ladungen verloren gehen.

40

1 Elektrostatik

Beispiel: Becherelektroskop. Bei einem Becherelektroskop ist ein Elektroskop (Blättchenelektroskop, statisches Voltmeter, Elektrometer) mit einem Faradaybecher verbunden. 1. Führt man eine, an einem isolierten Stab befestigte, durch Berühren mit dem positiven Pol einer Spannungsquelle, z. B. positiv geladene Kugel, in das Innere des Bechers ohne ihn zu berühren, so zeigt das Elektroskop eine der Ladung der Kugel entsprechende positive Ladung an. Zieht man die Kugel ohne zu berühren wieder aus dem Becher heraus, zeigt das Elektroskop keine Ladung mehr, der Becher ist wieder ungeladen (neutral). Erklärung: Die positive Ladung der Kugel zieht die beweglichen Metallelektronen an, sodass sich die Innenseite des Bechers mit einer gleich großen negativen Influenzladung auflädt. Dadurch befinden sich auf der Außenseite und den Blättchen jetzt weniger Metallelektronen, die Außenseite mit den Blättchen ist durch Influenz entsprechend positiv aufgeladen. Wird die Kugel herausgezogen, gleichen sich die Influenzladungen aus, der Becher ist wieder ungeladen, das Elektroskop zeigt keinen Ausschlag mehr. Der Becher verstärkt die auch ohne ihn vorhandene Influenz, da fast alle von der Kugel ausgehenden Kraftlinien in seinem Inneren an den verschobenen Ladungen enden. 2. Berührt man den Becher mit der positiv aufgeladenen Kugel an der Außenseite, so verteilen sich die Ladungen über Becher und Kugel, der Becher wird aufgeladen, die Kugel verliert entsprechend Ladungen, wobei beide gleiches Potenzial annehmen. Bei wiederholter Berührung des Bechers von außen mit der immer wieder neu aufgeladenen Kugel fließen so lange Ladungen auf den Becher über, bis sich die Spannung des Bechers bei der Berührung mit der geladenen Kugel nicht mehr ändert. 3. Berührt man den Becher an der Innenseite mit der positiv geladenen Kugel, so gleichen sich die positive Ladung der Kugel und die negative Influenzladung an der Innenseite des Bechers aus und man kann die Kugel ungeladen aus dem Becher herausziehen. Die positive Influenzladung verteilt sich an der Becheraußenseite, der Becher mit den Blättchen ist positiv aufgeladen, das Elektroskop zeigt auch nach Entfernen der jetzt ungeladenen Kugel einen entsprechenden Ausschlag. Die an das Innere des leitenden Bechers abgegebene Ladung ist also vollständig auf die Außenseite des Bechers geflossen, das Innere des Bechers ist feldfrei (siehe Abschnitt 1.3, Beispiel ‚Geladene, leitende Hohlkugel‘). Dieser Aufladevorgang kann mehrfach wiederholt und der Becher dadurch auf hohe Spannungen gebracht werden.

1.5 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie

41 4

aufgeladene Metallkugel

BecherElektroskop statisches Voltmeter

Spannungsquelle = Ladungspumpe Pol zum Aufladen der Metallkugel

Mit einer an der Spannungsquelle aufgeladenen Metallkugel wird die Innenseite des Becherelektroskops berührt. Die Influenzladungen und die Ladungen auf der Kugel gleichen sich aus, die Kugel und die Innenseite des Bechers sind wieder ladungsfrei. Auf der Außenseite des Bechers bleibt eine dem Ladungszustand der Kugel entsprechende positive Ladung zurück, die sich über den Becher verteilt; der Becher ist positiv aufgeladen. Dieser Aufladungsvorgang kann mehrfach wiederholt und so der Becher auf sehr hohe Spannungen aufgeladen werden.

Eine Anwendung ist der Van-de-Graaff Bandgenerator (nach Robert Jemison Van de Graaff, 1901–1967, US-amerikanischer Physiker) bei dem Ladungen auf ein isolierendes, geschlossenes Band aufgesprüht und mit einer leitenden Bürste im Inneren einer großen metallischen Hohlkugel abgesaugt werden. Die Ladungen verteilen sich auf der Außenseite der Kugel, das Band ist nach dem Absaugen ladungsfrei und kann erneut mit Ladungen besprüht werden. Die erreichbare Spannung wird praktisch nur durch die Durchschlagsfestigkeit der umgebenden 6 Luft (U​D​F​ = 3 ⋅ 10 V/​m bei P = 1 bar begrenzt und kann 5 Millionen Volt (5 MV) gegen Erde betragen.

42

1 Elektrostatik

1.5.2 Der Kondensator (Capacitor) 1

U − +

2

+ + + + + + + + + +

U − +

3

4

+− +− +− +− +− +− +− +− +− +−

+− +− +− +− +− +− +− +− +− +−

+ + + + + + + + + +

− − − − − − − − − −

Q

U

=

− +

+ + + + + + + + + +

+− +− +− +− +− +− +− +− +− +−

Q

z.B. Ehrenhaft-MillikanKondensator (siehe Abschnitt 1.1.2) Abb. III-1.15: Erklärung zum Plattenkondensator. Zunächst wird eine isolierte Metallplatte an einer Spannungsquelle gegen ein Bezugspotenzial (Erde, in der Abb. ) aufgeladen (1). Wird eine zweite ungeladene Metallplatte genähert, so werden darauf (bei sehr kleinem Abstand) gleich große Influenzladungen erzeugt, auf der der geladenen Platte näheren Oberfläche vom entgegengesetzten, auf der entfernteren Oberfläche vom gleichen Ladungstyp (2). Die Ladung der aufgeladenen Platte bleibt bei Trennung von der Spannungsquelle erhalten. Wird die Außenseite der vorher ungeladenen Platte mit Erde verbunden, fließen die dort befindlichen Influenzladungen ab (3). Die gleich großen Ladungsmengen entgegengesetzten Ladungstyps an den Innenflächen der Platten bleiben erhalten und erzeugen ein statisches elektrisches Feld; der Plattenkondensator ist aufgeladen (4). Das elektrische Feld ist homogen, wenn man von den Randbereichen absieht. Bleibt die linke Platte mit der Spannungsquelle, die rechte mit der Erde verbunden, dann liegt die gleiche Feldverteilung wie in (4) vor, sie ist aber weniger von Störungen durch Ladungsträger in der Luft beeinflusst.

Was können wir über den Zusammenhang zwischen der Ladung Q und der entstehenden elektrischen Spannung U am System der Abb. III-1.15 sagen? Nach dem Coulombschen Gesetz gilt für den Betrag der elektrischen Feldstärke E​ = |E​⇀| ∝ Q​

(III-1.81)

43

1.5 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie 2

und mit U​2,1 = ∫E​⇀d​r⇀folgt ​ U​2,1 ∝ E​ und daher nach Gl. (III-1.81) U​2,1 ∝ Q​, also 1

Q​ = const​ ⋅ U​2,1 .

(III-1.82)

Die Spannung zwischen zwei Punkten eines elektrischen Feldes ist der felderzeugenden Ladungsmenge proportional; die Proportionalitätskonstante hängt nur von der Geometrie der Ladungsanordnung (Q​ = ∑q​i)​ ab, ihr Reziprokwert wird als Kapazitätskonstante = Kapazität bezeichnet. Befinden sich die gleichen, aber entgegengesetzt großen Ladungsmengen +Q und –Q auf zwei Leitern (bzw. einem Leiter und der Erde) und ist U die Spannung zwischen beiden Leitern (bzw. dem Leiter und der Erde), dann definieren wir die elektrische Kapazität (elektrisches Fassungsvermögen, capacitance) C dieses Zweileitersystems als Quotient der Ladung Q auf einem Leiter zur Spannung U zwischen beiden Leitern:

C​ =

Q​ U​

elektrische Kapazität (Capacitance )

(III-1.83)

bzw. Q​ = C​ ⋅ U​ mit C ... Kapazität (Capacitance). Die Kapazität ist also numerisch gleich der Ladungsmenge, die pro Volt Spannung im System gespeichert ist. Das System der beiden Leiter in Abb. III-1.15, die die Ladungen +Q und –Q tragen, wird als Kondensator bezeichnet. Einheit der Kapazität: [C​] =

1C = 1F (1 Farad​). 1V

Bei vorgegebener Ladung sinkt also die Spannung am Kondensator mit steigender Kapazität C. Im Kondensator können daher bei großer Kapazität große Mengen elektrischer Ladungen angesammelt werden, ohne dass das Potenzial zu große Werte annimmt und zu einem elektrischen Durchschlag24 führt. 24 Wird an einen Isolator eine zu hohe elektrische Spannung angelegt (> „Durchschlagsspannung“), so kommt es zu einem Stromfluss (bei einen Isolator umgebenden Gasen zu einem Überschlag), der bei festen oder flüssigen Isolatoren i. Allg. zu einer bleibenden Zerstörung der Isolationseigenschaften führt. Werte der Durchschlagsfestigkeit einiger Stoffe in kV/mm: Luft: 3,3; Schwefelhexafluorid: 8; Isolieröl: 20–40; Glimmer; 25–40; Porzellan: 30–35; Quarzglas: 40; Teflon (PTFE): 40–80; PVC: 30–50; Polypropylen: bis 100; Polyethylenterephthalat (PET): bis 500.

1

44

1 Elektrostatik

Der Plattenkondensator (parallel plate capacitor) Wir betrachten zunächst zwei unendlich große Metallplatten mit den Ladungs+

dichten σ + und σ –, mit σ​ = | σ​

1

 E

2

(III-1.16).

|



EA,r

A,l

+





σ+

 

+



E l+= −ex σ+/2 ε0

E r+= ex σ+/2 ε0

+ + + +





EA,l

EA,r −

  E = e |σ |/2 ε  = e σ /2 ε − l



0

x +

x

σ−

− =

0





  = −e σ /2 ε

E r− = −ex |σ −|/2 ε0 = +



x

0

− −



 



EA,l = E l+ + E l− = 0

 

EA,r = E r+ + E r− = 0

Abb. III-1.16: Zwei unendlich große Metallplatten sind mit den Ladungsdichten +

σ + und σ – belegt, wobei σ​ = |σ​



|

gilt.

Aus Symmetriegründen müssen die E​⇀-Vektoren senkrecht auf den Platten stehen und links (l​) und rechts (r) die gleiche Größe bei entgegengesetzter Richtung besitzen. Das Gaußsche Gesetz liefert dann die in der obigen Abb. III-1.16 angegebenen

1.5 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie

45

Werte für die elektrischen Feldstärken links und rechts (siehe auch Abschnitt 1.2.3, Beispiel 2); außerhalb beider Platten (Außenraum A) kompensieren sich die Feldstärken: + − + − E​⇀A​,l​ = E​⇀l​ + E​⇀l​ = E​⇀A​,r​ = E​⇀r​ + E​⇀r​ = 0.

(III-1.84)

Jetzt bringen wir die Platten in eine zueinander parallele Position im Abstand d (Abb. III-1.17): d 1

2

+

σ

σ−

+



+



+



+



+



+

− El = σ+ = __ ε 0

Abb. III-1.17: Zwei parallele Metallplatten mit den + − Flächenladungsdichten σ + und σ – (σ​ = |σ​ |) im Abstand d.

Nach dem Superpositionsprinzip heben sich die Feldstärken links von Platte 1 und rechts von Platte 2 auf. Innerhalb der Platten verstärken sich die Feldstärken zu +



E​I​ = E​ r​ + E​ l​ =

2 σ​ + σ​ + = . 2 ε​0 ε​0

(III-1.85)

Daraus ergibt sich als Spannung zwischen den Platten

U​1,2 = E​I​ ⋅ d​ =

σ​ + ⋅ d​ . ε​0

(III-1.86)

Wir betrachten einen Plattenkondensator mit der Plattenfläche A und dem Platteabstand d und nehmen an, dass √A​ ≫ d​ (Abb. III-1.18). Dann erfolgt die Verteilung der Ladung Q beim Aufladen des Kondensators homogen über die Plattenoberfläche und das Feld zwischen den Platten ist auch homogen, wenn wir Randeffekte vernachlässigen.

46

1 Elektrostatik

Gaußsche Oberfläche



Kreisscheiben als Platten

df +Q −Q − + − + − + − + + E − − + − + − + − + − +



A

d

Abb. III-1.18: Plattenkondensator. Links: historisches Gerät für Vorlesungsversuche an der Fakultät für Physik der Universität Wien (Kohlrausch-Kondensator), rechts: schematisch.

Um die Kapazität zu berechnen, ermitteln wir zunächst den Betrag der elektrischen Feldstärke. Es gilt d​

d​

U​ = ∫E​d​r​ = E​∫d​r​ = E​ ⋅ d​ 0

(III-1.87)

0

also E​ =

U​ . d​

(III-1.88)

Für den elektrischen Fluss gilt (Gaußsches Gesetz, Abschnitt 1.2.2, Gl. III-1.19) Q​innen​ ΦE​ = ∮E​⇀d​f⇀ ​= . Wir wählen die Gaußsche Oberfläche so (siehe Abb. III-1.18), ε​0 dass die Ladungen auf der positiven Platte durch zur Ladung parallele Flächen eingeschlossen sind. Dann ist E​⇀⫽d​f⇀ ​ und damit ΦE​ = E​ ⋅ A​ =

und mit

Q​ ε​0



E​ =

Q​ U​ = ε​0 ⋅ A​ d​



Q​ ε​0 ⋅ A​ = U​ d​

(III-1.89)

Q​ = C​ U​



C​ = ε​0

A​ d​

Kapazität eines Plattenkondensators mit sehr kleinem Plattenabstand d.

(III-1.90)

1.5 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie

47

Wir sehen, die Kapazität des Plattenkondensators ist direkt proportional zu seiner Plattenfläche A und indirekt proportional zur Distanz der Platten d.

1.5.3 Im elektrischen Feld gespeicherte Energie Wenn man die Platten eines aufgeladenen Kondensators mit einem Glühlämpchen verbindet, so leuchtet es kurz auf, bis der Kondensator entladen ist. Offensichtlich ist im elektrischen Feld des aufgeladenen Kondensators „elektrische Energie“ gespeichert. Wir berechnen die Arbeit dW, die beim Aufladen eines beliebigen Kondensators mit der differentiell kleinen Ladungsmenge dq verrichtet wird: d​W​ = d​q​

(Φ 1 − Φ2 ) ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Potenzialdifferenz​ zwischen den beiden​ Leitern​

= U​ ⋅ d​q​ .

(III-1.91)

Damit ist die gesamte Arbeit beim Aufladen Q​

Q​

q​ 1 Q​ 2 1 1 2 W​ = ∫U​d​q​ = ∫ d​q​ = = Q​U​ = C​U​ . C​ C​ 2 2 2 0 0

(III-1.92)

Wenn also der Kondensator auf die Spannung U aufgeladen wird, so enthält er die 1 Energie W​ = C​U​ 2, diese Energie ist im elektrischen Feld gespeichert: 2

W​el =

1 2 C​U​ 2

Energie des elektrischen Feldes im Kondensator mit der Kapazität C .

Speziell gilt beim (mit Luft gefüllten) Plattenkondensator C​ = ε​0 also

W​el =

(III-1.93)

A​ und U​ = E​ ⋅ d​, d​

1 A​ 2 2 1 1 2 A​ ⋅ d​ = ε​0 E​ 2 ⋅ V​ . ε​0 E​ d​ = ε​0 E​ ⋅ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2 d​ 2 2 = Volumen​ V​

(III-1.94)

Für die Energiedichte des elektrischen Feldes erhält man damit

w​el =

W​el 1 2 = ε​0 E​ V​ 2

Energiedichte des elektrischen Feldes. (III-1.95)

48

1 Elektrostatik

Dieser Betrag für die Energiedichte des elektrischen Feldes gilt ganz allgemein für beliebige (auch inhomogene) elektrische Felder. Wir können uns das etwa so vorstellen: Wirkt in jedem Raumpunkt die elektrische Feldstärke E​⇀(r​⇀), so ist die potenzielle Energie pro Volumeneinheit (= Energiedichte)

1 E​pot (r​⇀) 2 in diesem Punkt w​el = ε​0 E​ (r​⇀) . V​ 2

Beispiel 1: Kapazität eines luftgefüllten Plattenkondensators (Kohlrausch-Kondensator). Plattenfläche A = 100 cm2, Plattenabstand d = 1 mm. −12 2 −1 −2 Für ε0 kennen wir den Wert ε​0 = 8,854 ⋅ 10 C N m (Abschnitt 1.1.1, Gl. III-1.3). Wir rechnen die Einheit von ε0 um: 2

1V = 1

kg​ m As​

=1

C Nm C ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ =1V

3

=1

⋅m

=⏟ 1 N​ = 1

1 kg​ m

2 Nm Nm C C = =1 ; mit 1 F = 1 erhalten wir 1 2 As C V Nm

S​ 2

F C = 1 . Die Influenzkonstante ε0 kann daher bei gleichem Vm m

numerischen Wert auch in der Einheit 1

F angegeben werden, also m

ε​0 = 8,854 ⋅ 10−12 C2 N−1 m−2 = 8,854 ⋅ 10−12 Fm−1. Die Kapazität des Plattenkondensators beträgt also −4

C​ = ε​0

2

A​ m −12 −1 100 ⋅ 10 ≈ 1 ⋅ 10−10 F = 100 pF ,​ = ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 8,85 ⋅ 10 Fm −3 d​ 10 m ≈ 1⋅10−11

d. h. 100 Pikofarad. Wird der Kondensator auf eine Spannung von U​ = 12 V aufgeladen, so sitzt folgende Ladungsmenge entgegengesetzten Vorzeichens auf seinen Platten: −10

Q​ = C​ ⋅ U​ = 10

F ⋅ 12 V = 1,2 ⋅ 10−9 C = 1,2 nC .

Ma sieht, dass 1 F eine sehr große Kapazität ist. Die im Kondensator gespeicherte Energie beträgt: 1 1 W​ = C​U​ 2 = 10−10 ⋅ 144 = 7,2 nJ . 2 2

1.5 Influenz, Kondensator, gespeicherte elektrische Energie

49

Beispiel 2: Berechnung der Zugspannung σZ im Kondensatorfeld. F

Δd

+Q

ΔV = AΔd Q Q σ U E = __ = ____ = ____ = __ d d⋅C ε0⋅A ε0

d

V = A⋅d −Q

A

W​ ε​0 E​ 2 = . V​ 2 Wächst d um Δd, so vergrößert sich das Volumen um Δ V​ = A​ ⋅ Δ d​ bei gleicher Feldstärke (die Ladungsdichte σ ist ja konstant), also gleicher Energiedichte w. 2 ε​0 E​ 2 ε​0 E​ Somit vergrößert sich W um Δ W​ = ΔV​ = A​ ⋅ Δd​. Nach dem Energiesatz 2 2 muss dieser Energiezuwachs durch die äußere Zugkraft F aufgebracht werden, wenn – wie vorausgesetzt – der Kondensator an keine Spannungsquelle angeschlossen ist. Die Energiedichte im freien, geladenen Kondensator beträgt: w​ =



ε​0 E​ 2 A​ ⋅ Δd​ = F​ ⋅ Δd​ 2



σ​Z​ =

F​ ε​0 E​ 2 W​ = = = w​. A​ 2 V​

Mit dieser mechanischen Spannung werden die Platten gegeneinander gezogen und – wären sie frei – beschleunigt aufeinander zufliegen. Die Zugspannung σZ des Feldes ist also numerisch gleich der Energiedichte w. Dies gilt auch für die senkrecht zu E​⇀vorhandenen Druckspannungen σD, die sich allerdings bei den sehr großen Platten (homogenes Feld) nicht bemerkbar machen; bei kleinen Platten bewirken sie das Ausbuchten des Randfeldes. Im Vakuum (Luft) findet man entsprechend der geometrischen Anordnung der an der Ladungsspeicherung beteiligten Flächen mit Hilfe des Gaußschen Gesetzes die Kapazitäten für:

Plattenkondensator:

Zylinderkondensator:

A​ = ε​0 ⋅ ΛPlatten , d​ A … Plattenfläche, d … Plattenabstand; C​Platten = ε​0

C​Zylinder​ = 2 π​ε​0

l​ b​ ln​ a​

= ε​0 ⋅ ΛZylinder

(III-1.96)

(III-1.97)

50

1 Elektrostatik

l​ … Zylinderlänge, a, b … Radien des inneren und äußeren Zylinders; Kugelkondensator:

a​ ⋅ b​ = ε​0 ⋅ ΛKugel​ b​ − a​ a, b … Radien der inneren und äußeren Kugel.

C​Kugel​ = 4 π​ε​0

(III-1.98)

Λ hat die Dimension einer Länge und gibt multipliziert mit der Influenzkonstante ε0 die Kapazität der jeweiligen geometrischen Anordnung. Wir haben gesehen, dass das Potenzial einer frei stehenden, also weit von der Erdoberfläche entfernten Metallkugel vom Radius r Φ=

Q​ 4 π​ε​0 r​

beträgt (Abschnitt 1.3, Beispiel ‚Geladene, leitende Hohlkugel‘). Da Φ als Potenzial die Spannung gegenüber dem Nullpotenzial auf der Erde bedeutet, gilt auch U​ =



Q​ 1 Q​ = 4 π​ε0​ r​ C​Kugel​ C​Kugel​ = 4 π​ε​0 r​ .

(III-1.99)

(III-1.100)

Dieser Kondensator wird aus der Metallkugel mit der Ladung +Q und der Erdoberfläche mit der Ladung –Q bzw. den sehr weit entfernten Ladungen –Q des Weltraums gebildet. Die Kapazität der Erdkugel (r = 6,37⋅106 m) beträgt daher C​Erde​ = 4 π​ ⋅ 8,85 ⋅ 10− 12 ⋅ 6,37 ⋅ 106 F = 7,084 ⋅ 10−4 F = 708 μF. (III-1.101) Für die Ladungsdichte σ einer Kugel folgt aus Q​ = 4 r​ 2 π​σ​ = C​ ⋅ U​ = 4 π​ε0​ r​ ⋅ U​ σ​ =

ε​0 U​ . r​

(III-1.102)

Damit ist auf einem metallischen Körper (U = const.) an den Stellen mit kleinem σ​ Krümmungsradius (das sind Spitzen!) σ und damit auch E​ = sehr groß (Durchε​0 schlagsgefahr bzw. Anwendung beim Blitzableiter).

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum

51

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum Am Kondensator gilt U​ =

Q​ , d. h., wenn die Ladungsmenge konstant gehalten wird, C​

der Kondensator also „frei“ und nicht mit einer Spannungsquelle = Ladungspumpe verbunden ist, sinkt die Spannung am Kondensator, wenn seine Kapazität steigt, wenn er also mehr Ladungen fassen kann. Die Kapazität eines Kondensators kann nun durch Füllung mit einem isolierenden Stoff, einem Dielektrikum, erhöht werden. Befindet sich im Kondensator ein Dielektrikum, so gilt für die Kapazität C​Diel = ε​r​ C​Vak = ε​r​ ⋅ ε​0 ⋅ Λ

(III-1.103)

mit ε​r​ > 1, dimensionslos. ε​r​ ist die dimensionslose relative Permittivität (= Permittivitätszahl, relative Dielektrizitätskonstante (DK)) des Isolators (relative permittivity = relative dielectric constant). Ein Dielektrikum ist inhomogen, wenn ε​r​ = ε​r​ (r​⇀) räumlich variiert. Wir befassen uns im folgenden nur mit homogenen Dielektrika: ε​r​ = const.​ Da der Betrag des elektrischen Feldes im Kondensator proportional zur Spannung am Kondensator ist (E​ ∝ U​), muss mit dem Sinken der Spannung U als Folge der Kapazitätserhöhung beim Einführen eines Dielektrikums in den freien Kondensator auch ein Absinken des Feldes E um den Faktor εr verbunden sein. Für eine Punktladung im Inneren eines homogenen Dielektrikums (Isolator) gilt daher

E​⇀Diel =

1 q​ r​⇀ 1 = E​⇀Vak . 4 π​εr​ ​ ε​0 r​ 2 r​ ε​r​

(III-1.104)

In einem Gebiet, das ganz mit Dielektrikum gefüllt ist, muss daher in allen elektrostatischen Gleichungen ε​0 durch ε​ = ε​r​ ⋅ ε​0 ersetzt werden: ε​ ist die Permittivität ( = Dielektrizitätskonstante (DK), permittivity), ε​0 die Influenzkonstante (= Permittivität des Vakuums), ε​r​ =

ε​ die relative Permittivität ε​0

(Permittivitätszahl, relative DK). Die relative Permittivität ist stark frequenzabhängig und in kristallinen Substanzen ein Tensor zweiter Stufe.

52

1 Elektrostatik

Medium

εr

Vakuum Luft Benzol Glyzerin Wasser Polyethylen Germanium

 1,0  1,00059  2,28 42,5 80,1  2,4 16,6

1.6.1 Die dielektrische Polarisation Der Grund für die Schwächung des elektrischen Feldes im Dielektrikum liegt im Auftreten zusätzlicher Ladungen im Inneren, sogenannter Polarisationsladungen, die der angelegten Feldstärke entgegen wirken: Im elektrischen Feld wird der Isolator elektrisch polarisiert. Wir unterscheiden folgende Arten von dielektrischen Materialien: 1. Polare Dielektrika (= Parelektrika), die im elektrischen Feld eine Orientierungspolarisation aufweisen. 0 Manche Moleküle besitzen ein permanentes elektrisches Dipolmoment p​ e​ : 0 0 0 Wasser (p​ e​ = 1,84 D25), Alkohol (p​ e​ = 1,7 D), Nitrobenzol ( p​ e​ = 4,23 D). Ohne Feld sind die Dipolmomente entsprechend der thermischen Bewegung im Mittel über alle Richtungen statistisch verteilt. Im Feld versuchen sie sich auszurichten, und zwar umso stärker, je größer das angelegte elektrische Feld und je niedriger die Temperatur ist. Durch diese Ausrichtung, die Orientierungspolarisation, wird ein elektrisches Feld erzeugt, das dem angelegten entgegengerichtet ist. Die Orientierungspolarisation ist wegen der Trägheit der Moleküle stark frequenzabhängig. 2. Nichtpolare Dielektrika (Dielektrika im eigentlichen Sinn) zeigen im Feld eine Verschiebungspolarisation, die wegen der kleinen Masse der verschobenen Elektronen (e–) kaum frequenzabhängig ist. 0 In Molekülen, die kein permanentes Dipolmoment (p​ e​ = 0) aufweisen (aber ebenso in Molekülen, die bereits ein permanentes Dipolmoment besitzen, 0 p​ e​ ≠ 0), wird im elektrischen Feld ein Dipolmoment induziert, das bei kugelsymmetrischen Molekülen zu dem angelegten Feld parallelgerichtet ist; durch diese Verschiebungspolarisation fallen positive und negative Ladungsschwerpunkte des Moleküls nicht mehr wie ursprünglich zusammen, sodass ein Zusatzfeld entsteht, das wie im Falle der permanenten Dipole dem angelegten Feld entgegenwirkt (Abb. III-1.19). Diese Zusatzfelder können sich in homogenen Dielektrika (εr variiert nicht im Raum) aber nur an deren Grenzflächen

25 1 D = 1 Debye …. atomare Einheit des Dipolmoments: 1 D = 3,33 ⋅ 10–30 Cm.

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum

53

bemerkbar machen, da sich die Dipolladungen aneinanderstoßender Moleküle kompensieren (siehe weiter unten Abb. III-1.20). Ein Beispiel sind die Grieskörner, die zur Sichtbarmachung der elektrischen Feldlinien im Vorlesungsversuch verwendet werden (siehe Abschnitt 1.1.3, Bilder elektrischer Feldlinien).



E



pe +



+



Abb. III-1.19: Molekül mit induziertem Dipolmoment im elektrischen Feld. Der Vektor des Dipolmoments p​⇀e​ weist bei kugelsymmetrischen Molekülen in Feldrichtung, sein Betrag ist proportional zur induzierenden Feldstärke. Damit zeigt auch der Polarisationsvektor P​⇀in die Richtung des angelegten Feldes, während die zugehörige Polarisationsfeldstärke E​⇀Pol (die Feldstärke weist ja von der positiven zur negativen Ladung) gegen die Richtung des angelegten Feldes zeigt.

Für beide Arten von Dipolen in dielektrischen Materialien schreiben wir das elektrische Dipolmoment p​⇀e​ (das i. Allg. temperatur- und frequenzabhängig ist) wie früher (Abschnitt 1.4.2, Gl. III-1.49) ​ Dipolmoment p​⇀e​ = q​l⇀ mit der Einheit [p​e]​ = 1 Cm​. Wir bezeichnen die Dichte der Dipolmomente in einem Dielektrikum als dielektrische Polarisation (electric polarization) P​⇀,26 also

P​⇀=

1 ∑p​⇀e​,i​ ⏟ = V​ i​ wenn alle

n ⋅ p​⇀e​

dielektrische Polarisation. (III-1.105)

Dipole gleich

N​ ) , die Moleküldichte, an, V​ wenn alle Moleküle das gleiche Dipolmoment besitzen. Da die Polarisation also ein Dipolmoment pro Volumeneinheit ist, gilt für ihre Einheit n gibt die Zahl der Moleküle in der Volumeneinheit (n​ =

[P​] = 1

C [p​e]​ = 1 2. V​ m

P hat daher die gleiche Dimension wie eine Flächenladungsdichte σ. 26 Beachte, dass es für die Polarisation P​⇀ noch eine zweite, völlig gleichwertige Definition gibt (siehe weiter unten). Diese geht davon aus, dass durch die Ladungsverschiebung beim Anlegen

54

1 Elektrostatik

Das induzierte Dipolmoment p​⇀e​, das auch bei Molekülen mit einem permanen0 ten Dipolmoment p​⇀e​ auftritt, ist zur Feldstärke proportional, wenn man sich die Ladungswolke der Moleküle wie mit einer Federkraft an den Kern gebunden vorstellt. Da das elektrische Feld im Dielektrikum kleiner ist als das Feld der gleichen geometrischen Anordnung im Vakuum,27 geben wir den Feldstärken im Dielektrikum und im Vakuum einen entsprechenden Index: E​⇀Diel und E​⇀Vak . Für das induzierte Dipolmoment gilt also ind p​⇀e​ = p​⇀e​ = α​ ⋅ E​⇀Diel .28

(III-1.106)

Dieser einfache Ansatz, der für das induzierte Dipolmoment nichtpolarer (p​⇀0e​ = 0) 0 und polarer Isolatoren gilt ( p​⇀e​ ≠ 0), wird in einer atomistischen Theorie verfeinert und führt zur Clausius-Mosotti-Gleichung für die Molekülpolarisation (siehe Anhang 1). Der Koeffizient α heißt Polarisierbarkeit (polarizability); er ist ein Maß für die Rückstellkräfte im Molekül und ist wegen deren Richtungsabhängigkeit eine tensorielle Größe, d. h. E​⇀ und p​⇀e​ liegen im Allgemeinen nicht parallel. Ihre Einheit ist C2 m Cm2 [α​] = 1 = . Damit können wir für die Polarisation P​⇀schreiben als N V P​⇀= n​ ⋅ p​⇀e​ = n​α​E⇀​Diel = ε​0 χ​Diel E​⇀Diel 29

(III-1.107)

mit

χ​Diel =

n​ ⋅ α​ ε​0

dielektrische Suszeptibilität (electric susceptibility).

(III-1.108)

eines Feldes an ein Dielektrikum an dessen Oberfläche Polarisations-Flächenladungen σPol entstehen (im inhomogenen Dielektrikum Polarisationsraumladungen ρPol auch in dessen Innerem). Beim Einschalten des elektrischen Feldes tritt durch die Polarisation die Ladungsmenge Pn df durch das Flächenelement df in Richtung der Normalen. An seiner Oberfläche entstehen dadurch im polarisierten Dielektrikum Flächenladungen der Dichte σPol = Pn. Diese Polarisationsladungen sind die σ​Pol P​n​ Quellen der Polarisationsfeldstärke E​⇀Pol​,n​ = = − , die im Inneren des Dielektrikums dem Polaε​0 ε​0 risationsvektor entgegengerichtet ist (e​⇀n​ ist der Einheitsvektor senkrecht auf die Oberfläche des + − Dielektrikums und weist immer von σ​ Pol nach σ​ Pol ). 27 Es setzt sich ja aus dem ursprünglichen Vakuumfeld und dem entgegen gerichteten Dipolfeld zusammen; dieses wird durch die Oberflächen-Polarisationsladungen der positiven und negativen Dipole (Influenzladungen) hervorgerufen und, wenn divE​⇀Diel ≠ 0 ist, auch durch Raumladungen infolge ungleichmäßiger Polarisation. 28 Oft werden E​⇀Diel auch als E​⇀i​, i für inneres Feld, und E​⇀Vak als E​⇀a​, a für äußeres Feld, bezeichnet. 29 Man nennt einen isolierenden Stoff dann Dielektrikum, wenn die dielektrische Polarisation P​⇀ proportional zur Feldstärke ist, also die obige Beziehung gilt.

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum

55

Die dielektrische Suszeptibilität χ​Diel ist eine reine Zahl, wie die Dimensionsbetrachtung sofort zeigt:30

1

[χ​Diel] =

3 m ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ [n​] = N​/​V​



C2 m



Nm2

N ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

2 C ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

α​

1/​ε0​

= dimensionslos.

Im homogenen Feld kompensieren sich die durch die Polarisation erzeugten Ladungen im Inneren des Dielektrikums, an der Oberfläche bleiben aber Ladungen mit Wirkung nach innen und außen übrig; es kann aber keine Ladungstrennung erfolgen, es handelt sich ja um molekular gebundene Ladungen. Diese Polarisationsladungen, man spricht auch von „scheinbaren Ladungen“, erzeugen ein elektrisches Polarisationsfeld, das das elektrische Feld im Inneren des Dielektrikums (E​⇀Diel) gegenüber jenem, das im Vakuum vorhanden wäre (E​⇀Vak), schwächt. Wir betrachten einen Plattenkondensator, der teilweise mit einem Dielektrikum gefüllt ist (Abbn. III-1.20 und III-1.21):

 E

+Qfrei −QPol

−Qfrei +QPol

Pol

l

l

+Qfrei

−Qfrei



E Vak

−QPol



+ −

+



+ −

+



+ −

+



+ −

+



+ −

+

 E

Diel



E Vak

+QPol

− Flächenladungsdichte an der Innenseite der Platten mit Fläche A: σfrei = Qfrei / A

Grenzschichten der Dicke l mit Polarisationsladungen entgegengesetzten Vorzeichens: |QPol| = σPol⋅A = n⋅q⋅l⋅A Abb. III-1.20: Schiebt man ein Dielektrikum in ein homogenes elektrisches Feld, so entstehen an den Stirnseiten des Dielektrikums Polarisationsladungen QPol, die das durch die freien Ladungen Qfrei auf den Platten erzeugte Feld im Inneren des Dielektrikums schwächen.

30 Wie die Polarisierbarkeit α ist auch die dielektrische Suszeptibilität χDiel eine tensorielle Größe.

56

1 Elektrostatik



+Qfrei

en



−Qfrei

E Vak



E Pol



E Diel +

− −σPol

−σPol +Qfrei _____ = +σfrei A



P

+σPol

A

+σPol

−Qfrei −σfrei = _____ A

Abb. III-1.21: Feldlinien im Inneren des Dielektrikums: Die Ladungen σPol sind die Quellen E​Vak E​Vak der Polarisationsfeldstärke E​⇀Pol (blau). Hier ist E​Diel = angenommen, also εr = 2; = ε​r​ 2 damit wird jede 2. Vakuumfeldlinie durch eine Feldlinie des Polarisationsfeldes annulliert. Der Polarisationsvektor P​⇀(strichliert) weist in Feldrichtung, die Polarisationsfeldstärke E​⇀Pol (blau) weist entgegen die Feldrichtung E​⇀Vak .

Für die Flächenladungsdichte σ​Pol der Polarisationsladungen gilt mit einer Plattenfläche A und einer Schichtdicke der Oberflächen-Polarisationsladungen l​ (l ist von der Größenordnung der vom Feld induzierten Ladungsverschiebung) V​ p​e​ Q​Pol n​ ⋅ q​ ⋅ l​⏞⏞⏞⏞⏞ ⋅ A​ = = n​ ⋅ q​⏞⏞⏞⏞⏞ ⋅ l​ = |P​⇀| = P​ , σ​Pol = A​ A​

(III-1.109)

sie ist also betragsmäßig gleich der Polarisation. Aus Abb. III-1.21 ist ersichtlich, dass E​⇀Pol =

σ​Pol e​⇀n​ , ε​0

(III-1.110)

wobei e​⇀n​ der Einheitsvektor senkrecht auf die Trennfläche („Flächennormalenvektor“) in Richtung des Ladungsgefälles ist (von + zu –, siehe obige Abb. III-1.21). Es gilt also: Die Ladungen σPol sind die Quellen der Polarisationsfeldstärke E​⇀Pol. Im Gegensatz zu den „scheinbaren“ Polarisationsladungen sind die Ladungen auf den Platten „freie“ Ladungen, die von den Kondensatorplatten bei der Entladung des Kondensators abfließen: σ​frei =

Q​frei A​

freie Ladungsdichte, von der Spannungsquelle aufgebracht .

(III-1.111)

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum

57

In einem Dielektrikum sind somit als felderzeugende Ladungen von Bedeutung (dargestellt für die Ladungen eines Plattenkondensators): 1. Freie Ladungen Qfrei: Diese werden von einer externen Spannungsquelle auf die Kondensatorplatten gebracht und sind die Quellen des später definierten Q​frei . dielektrischen Verschiebungsvektors D​⇀; es gilt: σ​frei = A​ 2. Polarisationsladungen QPol: Diese sitzen unverrückbar auf der Oberfläche des polarisierten Dielektrikums (beim inhomogenen Dielektrikum auch in dessen Inneren); es sind „scheinbare“ Ladungen, die nicht aus dem Kondensator abfließen können, sondern an das Dielektrikum gebunden sind.31 Die Polarisationsladungen sind die Quellen der Polarisationsfeldstärke E​⇀Pol : σ​Pol Q​Pol P​⇀ e​⇀n​ und P​⇀= −σ​Pol e​⇀n​ = − ⇒ E​⇀Pol = − . e​⇀n​ E​⇀Pol = ε​0 A​ ε​0 3.

Ladungsdifferenz Qfrei – QPol:32 Die Differenz aus den freien Ladungen und den sie teilweise neutralisierenden Polarisationsladungen des angrenzenden Dielektrikums σ​frei − σ​Pol. Diese Ladungsdifferenz ist die Quelle der elektrischen Feldstärke E​⇀Diel im Dielektrikum.

Im Vakuum gilt am Plattenkondensator entsprechend dem Gaußschen Gesetz (Abschnitt 1.2.2, Gl. (III-1.19) und Abschnitt 1.5.2, Gl. (III-1.89)), wenn die Gaußsche Oberfläche durch eine Kondensatorplatte hindurchgeht Q​frei ​ =⏟ E​Vak ⋅ A​ = , ΦE​ = ∫E​⇀Vak d​f⇀ ε​0 E​⇀⫽d​f⇀ ​

(III-1.112)

damit ergibt sich eine Vakuumfeldstärke von E​Vak =

Q​frei σ​frei . = ε​0 A​ ε​0

(III-1.113)

31 Zu beachten ist aber: Die Polarisationsladungen werden erst beim Anlegen der Spannung U an den Kondensator, also bei Zufuhr der Ladung Q = CDiel ⋅ U, erzeugt und neutralisieren einen Teil der zugeführten freien Ladung, die somit bei einer bestimmten Spannung U größer sein muss, als bei dem gleichen Kondensator im Vakuum (CDiel > CVak). Obwohl also die Polarisationsladungen selbst unbeweglich sind, erhöhen sie die freie Ladung, die bei einer bestimmten Kondensatorspannung zugeführt werden muss. Diese um die Polarisationsladungen vergrößerte freie Ladung fließt nach Abschaltung der angelegten Spannung entsprechend einer zeitlichen Exponentialfunktion wieder ab (die ausgerichteten Moleküle kehren nicht schlagartig in den ungeordneten Zustand zurück). 32 Achtung: In der älteren Literatur werden die hier als „frei“ betrachteten, von der Spannungsquelle eingebrachten Ladungen, als „wahre Ladungen“ bezeichnet, während die für die Feldstärke im Dielektrikum verantwortliche Ladungsdifferenz (hier Q frei – QPol) als „freie Ladung“ bezeichnet wird. Für die Polarisationsladungen wird der Begriff „scheinbare Ladungen“ verwendet.

58

1 Elektrostatik

Im mit Dielektrikum gefüllten Kondensator gilt analog ΦE​ = (E​ Vak − E​Pol ) ⋅ A​ = (σ​frei − σ​Pol ) ⋅ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ =

σ​frei

A​ ε​0

(III-1.114)

ε​0

und damit für die Polarisationsfeldstärke

E​⇀Pol =

σ​Pol P​⇀ e​⇀n​ = − ε​0 ε​0

Polarisationsfeldstärke

(III-1.115)

Der Vektor der Polarisationsfeldstärke E​⇀Pol weist also gegen den Vektor der Polarisation P​⇀(siehe auch nochmals Abb. III-1.21). Vakuum

Dielektrikum: EDiel = EVak − EPol +σfrei − σPol

+σfrei

EVak A

EVak

A

EPol Qfrei = σfrei⋅A Gaußsche Oberfläche

Qfrei − QPol = = (σfrei − σPol )⋅A

Platte

Gaußsche Oberfläche

Abb. III-1.22: Elektrisches Feld im gefüllten Plattenkondensator. Links: Kondensator im Vakuum: Q​frei A​ ⋅ σ​frei σ​frei A​ ⋅ E​Vak = = , 0 E​Vak = . ε​0 ε​0 ε​0 Rechts: Kondensator mit Dielektrikum: Q​frei − Q​Pol A​ (σ​frei − σ​Pol ) = A​ ⋅ E​Diel = ε​0 ε​0

0

E​Diel =

σ​frei − σ​Pol ε​0

=

σ​frei ε​0



σ​Pol ε​0

= E​Vak − E​Pol .

Die reduzierte Feldstärke im Dielektrikum erhalten wir so durch Überlagerung der Feldstärke im Vakuum und der Polarisationsfeldstärke (Abb. III-1.22):

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum

E​⇀Diel = E​⇀Vak + E​⇀Pol = E​⇀Vak −





P​⇀ E​⇀Vak = ε​0 ε​r​

P​⇀ E​⇀Vak 1 E​⇀Vak = E​⇀Vak − = E​⇀Vak (1 − ) = (ε​r​ − 1) ε​0 ε​r​ ε​r​ ε​r​ P​⇀= ε​0

E​⇀Vak (ε​r​ − 1) = E​⇀Diel ⋅ ε​0 (ε​r​ − 1) = ε​0 χ​Diel E​⇀Diel ε​r​

59 (III-1.116)

(III-1.117)

(III-1.118)

mit der dielektrischen Suszeptibilität (Gln. III-1.107 und III-1.108)

χ​Diel =

n​ ⋅ α​ = ε​r​ − 1 . ε​0

(III-1.119)

χ​Diel beschreibt also die Abweichung der relativen Dielektrizitätskonstante ε​r​ =

ε​ = 1 + χ​Diel von Eins. ε​0

Im inhomogenen Feld ist die Dipolausrichtung (≙ effektives Dipolmoment), d. h. die Polarisation P​⇀, nicht an jedem Ort des Dielektrikums gleich. Ist aber χ​Diel = χ​Diel (r​⇀) eine Funktion des Ortes, das Dielektrikum also nicht homogen, dann treten auch im homogenen Feld im gesamten Volumen V Polarisationsladungen ρPol auf.33 Wir betrachten einen Volumenbereich im Dielektrikum mit Überschussladung. Für die Quellen von E​⇀Diel gilt div E​⇀Diel = div E​⇀Vak −

1 1 div P​⇀= ( ρ​frei + ρ​Pol ) . ε​0 ε​0

(III-1.120)

Die Summe aus den freien Ladungen und den Polarisationsladungen ρ​frei + ρ​Pol stellt also die Quelle der (inneren) Feldstärke E​⇀Diel im Dielektrikum dar, wobei die Beziehung

33 Für eine konzentrierte Ladung („Punktladung“) im Inneren eines homogenen Dielektrikums q​ r​⇀ k​ ⋅ r​⇀ (χ​Diel = const.) gilt: E​⇀Diel = ⇒ P​⇀= ε​0 χ​Diel E​⇀Diel = mit k = const.; mit ρ​Pol = −divP​⇀ 4 π​εr​​ ε​0 r​ 3 r​ 3 r​⇀ r​⇀ (siehe weiter unten Gl. III-1.121) folgt ρ​Pol = −k​ ⋅ div . Nun ist aber div = 0 (Ausführung der Difr​ 3 r​ 3 ferentiation): Obwohl also das Feld einer Punktladung inhomogen, also auch die Polarisation P​⇀von Ort zu Ort verschieden ist, treten keine räumlichen Polarisationsladungen ρPol auf, daher −divP​⇀= ρ​Pol = 0.

60

1 Elektrostatik

divP​⇀= −ρ​Pol

(III-1.121)

verwendet wurde.34 Ferner gilt: Verschwindet im Dielektrikum die freie Ladungsdichte ( ρfrei = 0) und ist εr keine Funktion des Ortes (homogenes Dielektrikum mit εr = const.), dann verschwindet auch die Polarisationsladungsdichte: ρPol = 0.35 Analog zeigte sich schon im homogenen Feld des Plattenkondensators ⇀ P​ = −σ​Pol ⋅ e​⇀n​ (Gl. III-1.115): Der Flächenladungsdichte σPol entspricht im Raum die Raumladungsdichte ρPol ; divP​⇀im Raum entspricht im ebenen Fall die Flächendivergenz P​2,n​ − P​1,n​ (der Flächennormalenvektor e​⇀n​ weist vom Medium 2, dem Dielektrikum, zum Medium 1, der metallischen Kondensatorplatte ⇒ P​1,n​ = 0 und P​2,n​ = −σ​Pol ⋅ e​⇀n​). Im Fall der Abb. III-1.23 mit einem homogenen Dielektrikum (χDiel = const.) verlassen alle eintretenden Kraftlinien das Volumen V wieder, daher ist divE​⇀Diel = 0 und damit divP​⇀= divε​0 χ​Diel E​⇀Diel = 0

(III-1.122)

ρ​Pol = 0 .



(III-1.123)

Liegt aber ein inhomogenes Dielektrikum vor, gilt also χ​Diel = χ​Diel (r​⇀), dann ist ⇀χ​Diel (r​⇀) ⋅ E​⇀Diel ) = ε​0 ∇ ⇀χ​Diel (r​⇀) ⋅ E​⇀Diel + χ​Diel (r​⇀)∇ ⇀E​⇀Diel = div P​⇀= ε​0 (∇ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ =0

= ε​0 ⋅ E​⇀Diel ⋅ grad​ χ​Diel (r​⇀) = −ρ​Pol ≠ 0 .

(III-1.124)

34 Diese kann aus der potenziellen Energie aller Dipole mit dem Moment d​P⇀​ = P​⇀⋅ d​V​ im Volu⇀Φd​V​; aus ∇ ⇀(Φ ⋅ P​⇀) = P​⇀⋅ ∇ ↼Φ + Φ∇ ⇀P​⇀ folgt men V gewonnen werden: E​pot = ∫− P​⇀⋅ E​⇀d​V​ = ∫− P​⇀⋅ ∇ V​

V​

⇀(ΦP​⇀)d​V​ − ∫Φ∇ ⇀P​⇀d​V​ =⏟ ∮Φ(P​⇀⋅ e​⇀n​)d​f⇀ ⇀P​⇀)d​V​ ≡ E​pot = ∫∇ ​ + ∫Φ(−∇ V​

Gauß A​

V​

V​

≡ ∫Φ ⋅ σ​Pol d​f​ + ∫Φ ⋅ ρ​Pol d​V​ A​

V​

⇀P​⇀= −divP​⇀. mit σ​Pol = P​⇀⋅ e​⇀n​ und ρ​Pol = −∇ ⇀(a​A⇀​ ) = A​⇀⋅ ∇ ⇀a​ + a​ ⋅ ∇ ⇀A​⇀: 35 Aus P​⇀= E​⇀Diel ⋅ ε​0(ε​r​ − 1) folgt mit ε​r​ = ε​r(r​ ​ ⇀) und der Vektorgleichung ∇ 1 ⇀P​⇀= ε​0(ε​r​ − 1)∇ ⇀E​⇀Diel + ε​0 E​⇀Diel ⋅ ∇ ⇀ε​r​ = ε​0 [ ⇀ε​r] −ρ​Pol = div P​⇀= ∇ ( ρ​ + ρ​Pol ) (ε​r​ − 1) + E​⇀Diel ∇ ​] [ [ ] ε​0 frei [⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ] ⇒

⇀ε​r​ ρ​Pol(−1 + 1 − ε​r​) = ρ​frei(ε​r​ − 1) + ε​0 E​⇀Diel ⋅ ∇



ρ​Pol = ρ​frei(

1 ε​r​

−1) −

ε​0 ε​r​

[

⇀E​⇀ =∇ Diel

]

E​⇀Diel ⋅ grad ε​r​ . Das heißt: Verschwindet die freie Ladungsdichte

( ρfrei = 0) und ist ε​r​(r​⇀) = const. (χDiel = const.), dann sind im Inneren des Dielektrikums keine Polarisationsladungen vorhanden (ρPol = 0).

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum



E Diel +

A



+ Poben V



+



− −

ρfrei = 0 χDiel = const. ρPol = 0



Punten > Poben

− −

Abb. III-1.23: Ein Volumenbereich V eines Dielektrikums mit der Oberfläche A für χDiel = const. in einem inhomogenen elektrischen Feld.



P

+ + + + + + + + + σPol



E

− − − − − − − − σ− Pol

Elektret

Abb. III-1.24: Bei einem Elektret wurden die mikroskopischen Dipole im äußeren Feld zunächst ausgerichtet und diese Ausrichtung dann durch Abkühlung eingefroren. Das Elektret erzeugt daher in seinem Inneren und im Außenraum ein elektrisches Feld.

61

62

1 Elektrostatik

Werden Dipole gewisser Substanzen (z. B. Harze) im flüssigen Zustand des Dielektrikums im elektrischen Feld ausgerichtet, dann kann ihre Orientierung beim Abkühlen in den festen Zustand „eingefroren“ werden, sodass P​⇀– von einer kleinen Verschiebungspolarisation abgesehen – nicht mehr von E​⇀Diel abhängt.36 Ein derartiger Stoff, der in seinem Inneren und im Außenraum ein elektrisches Feld erzeugt, wird in Analogie zu Permanentmagneten Elektret 37 genannt (Abb. III1.24). Siehe dazu genauer die Darstellung in: William T. Scott, The Physics of Electricity and Magnetism, John Wiley, New York 1977.

1.6.2 Bestimmungsgleichung des elektrischen Feldes im Medium Damit ergeben sich folgende Bestimmungsgleichungen des elektrischen Feldes in einem dielektrischen Medium: ρ​frei ; Im Vakuum galt (Gaußsches Gesetz, Abschnitt 1.2.2, Gl. III-1.23) div E​⇀Vak = ε​0 für die Feldstärke im Dielektrikum fanden wir (Abschnitt 1.6.1, Gl. III-1.116) P​⇀ E​⇀Diel = E​⇀Vak + E​⇀Pol = E​⇀Vak − ε​0



E​⇀Vak = E​⇀Diel +

P​⇀ . ε​0

(III-1.125)

Damit können wir die Feldstärke mit und ohne Dielektrikum so schreiben div E​⇀Vak =

ρ​frei P​⇀ = div (E​⇀Diel + ) ε​0 ε​0

(III-1.126)

bzw.

⇀ ⇀ ⇀ ⇀D​⇀= ρ​frei div(ε​⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 0 E​ Diel + P​) = divD​ = ∇ D​

differentielles Gaußsches Gesetz mit (P​⇀≠ 0) . und ohne Dielektrikum (P​⇀= 0) .

(III-1.127)

Dabei ist die so definierte Größe

36 Ein homogen polarisiertes Elektret wie in Abb. III-1.24 erhält man, wenn man die Substanz im flüssigen Zustand in der Form eines langen Zylinders in ein homogenes E​⇀-Feld bringt und nach dem Erstarren den Mittelteil herausschneidet, da dort der Einfluss der bei den Endflächen sitzenden Polarisationsladungen, die im flüssigen Zustand die Homogenität von P​⇀stören, am geringsten ist. 37 Der Name stammt von Oliver Heavyside, britischer Physiker, 1850–1925.

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum

63

D​⇀= ε​0 E​⇀Diel + P​⇀= ε​0 E​⇀Diel + ε​0 (ε​r​ − 1) E​⇀Diel = ε​0 ε​r​ E​⇀Diel = ε​0 ε​r​ E​⇀= ε​E⇀​38 die dielektrische Verschiebung39 (= elektrischer Hilfsvektor = elektrische Kraftflussdichte = dielektrische Erregung, electric displacement) (III-1.128) 2

mit der Einheit [D​] = C/​m (siehe Abb. III-1.25). Es ist ersichtlich, dass die freien Ladungen ρfrei sowohl im Inneren des Dielektrikums als auch im Außenraum (Vakuum) die Quellen (und Senken) des Verschiebungsvektors D​⇀sind. Die Normalkomponente Dn des Vektors D​⇀geht daher durch eine ungeladene Anordnung verschiedener Dielektrika und Vakuum ungeändert hindurch, da dort ja keine freien Ladungen vorhanden sein sollen; es ändert sich aber die Richtung von D​⇀(siehe Anhang 2, Abb. III-1.30). Andererseits ändert sich die Normalkomponente En der E​⇀-Linien beim Durchgang durch eine Grenzfläche, da ein Teil von ihnen an den dort sitzenden Polarisationsladungen endet (Abb. III1.25). Der Vektor der dielektrischen Verschiebung D​⇀ist sowohl für die Feldberechnungen in isotropen Dielektrika als auch in anisotropen kristallinen Substanzen

Kondensatorplatten mit freien Ladungen

σfrei

+

+

+

+



Vakuum

+

+



+



+

+

+

+





− D −



−E − Diel





E Pol −

+

+

+

+

+

+

+

+

+

















Dielektrikum Vakuum σfrei

+





+



− P + −



+

+





σPol

+

+

σPol





Dielektrikum

Abb. III-1.25: Vergleich der drei, in dielektrischen Materialien entscheidenden Größen D​⇀, E​⇀Diel und P​⇀im Falle eines unendlich ausgedehnten Plattenkondensators. Der Verschiebungsvektor D​⇀durchsetzt ungeändert Vakuum und Dielektrikum. Seine Quellen sind die freien Ladungen der Flächenladungsdichte σfrei . Die elektrische Feldstärke E​⇀wird entsprechend der relativen Permittivität εr 1 P​⇀ verringert. Es gilt E​⇀Diel = E​⇀Vak = E​⇀Vak + E​⇀Pol = E​⇀Vak − . Die dielektrische Polarisation P​⇀, deren ε​r​ ε​0 Feld das angelegte Feld schwächt (sogenanntes „entelektrisierendes Feld“), entsteht durch die gebundenen Ladungen der Polarisationsladungsdichte σPol an der Grenzfläche des Dielektrikums durch die ausgerichteten molekularen Dipole.

38 Der Index „Diel“ an E​⇀ wird in der Literatur meist weggelassen und E​⇀≡ E​⇀Diel als elektrische Feldstärke sowohl im Vakuum als auch im Dielektrikum bezeichnet (für εr = 1 ist ja E​⇀Diel = E​⇀Vak/​εr​​ = E​⇀Vak). 39 Die Bezeichnung stammt von Maxwell in Anlehnung an die Elastizitätstheorie.

64

1 Elektrostatik

nützlich, in denen die relative Permittivität ein Tensor zweiter Stufe ist. Andererρ​frei − ρ​Pol seits ist das elektrische Feld E​⇀ in der Elektrostatik durch div E​⇀= und ε​0 rot E​⇀= 0 eindeutig bestimmt, während für die dielektrische Verschiebung i. Allg. gilt rot D​⇀≠ 0. D​⇀ ist daher durch die Ladungsverteilung der freien Ladungen ρfrei allein nicht eindeutig bestimmt, falls ε eine Ortsfunktion ist, sondern nur eine Hilfskonstruktion, wenngleich die Maxwell-Gleichungen i. Allg. unter Verwendung von D​⇀formuliert werden (was aber nicht notwendig ist). Die obige Gleichung für das Gaußsche Gesetz (Gl. III-1.127) kann auch in integraler Form geschrieben werden. Im Vakuum gilt (Abschnitt 1.6.1, Gl. III-1.112) Q​innen, frei​ = ∮E​⇀Vak ⋅ d​f⇀ ​= , im Dielektrikum dagegen mit Verwendung des Verε​0 A​ schiebungsvektors D​⇀= ε​0 ε​r​ E​⇀Diel Vak

ΦE​

Diel

ΦD​

= ∮D​⇀⋅ d​f⇀ ​ = ∮ div D​⇀d​V​ = ∮ρ​ ⋅ d​V​ = Q​frei , A​

A​

(III-1.129)

V​

also

integrales Gaußsches Gesetz im Dielektrikum

ΦD​ = ∮D​⇀⋅ d​f⇀ ​ = ε​0 ∮ε​r​ E​⇀Diel d​f⇀ ​ = Q​frei A​

A​

(III-1.130)

und bei konstantem εr Diel

ΦE​

D​⇀ ⇀ Q​frei 40 d​f​ = . ε​0 ε​r​ A​ ε​0 ε​r​

= ∮ E​⇀Diel ⋅ d​f⇀ ​=∮ A​

(III-1.131)

Auch im homogenen Dielektrikum sind daher innerhalb einer Gaußschen Oberfläche A nur „freie Ladungen“ für den entstehenden Fluss der Feldstärke E​⇀von Be-

40 Vgl. dazu das Coulombsche Gesetz (elektrische Feldstärke) im Dielektrikum (Abschnitt 1.6, (

Gl. III-1.104): E​⇀=

q​frei 4 π​ε0​ ε​r​



r​⇀ r​

3

=

q​frei ) ε​r​

4 π​ε0​



ρ​Pol = −div P​⇀= −ε​0 χ​Diel div E​⇀Diel = −ε​0 χ​Diel q​Pol = ρ​Pol d​V​ = −

− χ​Diel 1 + χ​Diel

ρ​frei d​V​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ q​frei



r​⇀ q​frei . Dabei ist = q​frei + q​Pol mit qPol < 0, denn: 3 ε​r​ r​ 1

ε​0

(ρ​frei + ρ​Pol)

q​Pol = −

χ​Diel 1 + χ​Diel



ρ​Pol =

− χ​Diel 1 + χ​Diel

ρ​frei



q​frei < 0 für qfrei > 0.

Die Ladung qPol am Ort von qfrei schirmt einen Teil von qfrei ab, sodass nur

q​frei ε​r​

zur Wirkung kommt.

65

1.6 Das elektrische Feld im Dielektrikum

deutung. Die induzierten Oberflächenladungen werden durch die relative Permittivität εr unter dem Ringintegral berücksichtigt, an die Stelle der Influenzkonstante ε0 tritt die Permittivität ε = εr ε0. Da εr nicht konstant über die ganze Oberfläche sein muss, kann εr i. Allg. nicht vor das Integral gezogen werden. Für den dielektrischen Verschiebungsvektor D​⇀ gilt per definitionem (Gl. III1.128) D​⇀= ε​0 E​⇀Diel +

P​⇀ ⏟ = ε​0 χ​Diel E​⇀Diel

= ε​0 E​⇀Vak = ε​0 E​⇀Diel (1 + χ​Diel ) = ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ε​r​

= ε​0 ε​r​ E​⇀Diel = ε​ E​⇀Diel = ε​ E​⇀41

(III-1.132)

mit ε​r​ = 1 + χ​Diel ≥ 1 und damit ΦD​ = ∮D​⇀d​f⇀ ​ = ε​0 ∮ε​r​ E​⇀Diel d​f⇀ ​ = ε​0 ∮E​⇀Vak d​f⇀ ​ = Q​frei A​

A​

(III-1.133)

A​

Integrales Gaußsches Gesetz mit und ohne Dielektrikum. Hier wird wieder ersichtlich, dass der Vektor ε​0 E​⇀Vak mit dem Vektor D​⇀identisch ist.

1.6.3 Die elektrische Feldenergie im Dielektrikum Wie betrachten einen Kondensator, der mit Dielektrikum gefüllt ist. Dann gilt für seine Kapazität C (Abschnitt 1.5.2, Gl. (III-1.90) und Abschnitt 1.6, Gl. (III-1.103)) A​ , d​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

C​ = ε​r​ ε​0

C​Vak

die Kapazität C steigt also im Medium (Dielektrikum) um den Faktor ε​r,​ d. h. bei gleicher Spannung ist die Ladung höher.42 Wir haben in Abschnitt 1.5.3 die Arbeit zum Aufladen eines Kondensators und damit die im elektrischen Feld gespeicherte Energie zu W​el =

1 2 C​U​ berechnet 2

(Gl. III-1.93). Im mit einem Medium gefüllten Kondensator ergibt sich daher 41 Wenn man in einem Dielektrikum von „der elektrischen Feldstärke“ spricht, meint man immer D​⇀ und statt E​⇀Diel fast E​⇀= E​⇀Diel , siehe Fußnote 38. In der Literatur wird statt E​⇀Vak praktisch immer ε​0 ⇀ immer E​ geschrieben. 42 Die höhere wahre Ladung auf den Platten muss die Polarisationsladung kompensieren, um die gleiche Feldstärke (Spannung) zwischen den Platten zu erzielen.

66

1 Elektrostatik

W​el​ =

1 1 A​ 2 2 1 2 2 = C​U​ = ε​r​ ε​0 E​ d​ ⏟ ε​r​ ε​0 E​ ⋅ V​ 2 2 d​ A​ ⋅ d​ = V​ 2

(III-1.134)

und damit die Energiedichte wel

w​el​ =

W​el​ 1 1 2 ⏟ = = ε​r​ ε​0 E​ E​D​ V​ 2 ε​r​ ε​0 E​ = D​ 2

Energiedichte des elektrostatischen Feldes.

(III-1.135)

Im mit einem Dielektrikum gefüllten Kondensator erhöht sich bei konstant gehaltener Spannung U (durch Verbindung mit einer Spannungsquelle) die Energiedichte also um jene Energie, die für die Ladungsverschiebung in den Molekülen bzw. deren Ausrichtung notwendig ist; sie wird aus der Spannungsquelle bezogen. Wird in den freien Kondensator (keine Spannungsquelle angeschlossen) ein Dielektrikum eingebracht, dann bleibt Q konstant und es gilt für die Energie (siehe 1.5.3, Gl. III-1.92)

W​ =

2 2 1 Q​ Q​ = ; 2 C​ 2 ε​0 ε​r​ ⋅ A​/​d​

diese verringert sich also beim Einbringen des Dielektrikums um

(III-1.136)

1 . Dieser Verlust ε​r​

kompensiert die beim Einbringen des Dielektrikums geleistete mechanische Arbeit: Das Dielektrikum wird in den Kondensator hineingezogen und erhöht dabei die potenzielle Energie des äußeren Kraftsystems, das in jedem Augenblick die dielektrische Platte beim Einbringen im Gleichgewicht hält. Es erfolgt also eine Umwandlung von elektrischer Energie in potenzielle Energie, diese kann wieder in elektrische Energie rückverwandelt werden, wenn die Gegenkraft differentiell größer als die elektrische Kraft gewählt wird. Ist keine Gegenkraft vorhanden, dann tritt die Platte beschleunigt in den Kondensator ein und nimmt einen äquivalenten Betrag an kinetischer Energie auf. Die Platte schwingt dann durch den Kondensator hinund her, wobei periodisch elektrische Energie in kinetische Energie umgewandelt wird und umgekehrt; die elektrische Energie übernimmt dann die Rolle der potenziellen Energie bei rein mechanischen Schwingungen.

67

1.7 Elektrostatische und mechanische Bestimmungsgleichungen

1.7 Zusammenhang der elektrostatischen und mechanischen Bestimmungsgleichungen 1.7.1 Elektrostatik als Fernwirkungstheorie Wir betrachten mehrere Punktladungen q​i​ mit den zugehörigen Massen m​i​ an den Orten r​⇀i​. Die Bewegung der Ladungen wird durch die Mechanik beschrieben, die Punktladungen genügen den Bewegungsgleichungen (Newton 2) m​i​ r​⇀i​̈ (t​) = F​⇀i​ .

(III-1.137)

F​⇀i​ ist die auf die i-te Ladung wirkende Kraft, die sich aus den von allen übrigen Ladungen q​k​ herrührenden elektrostatischen Wechselwirkungen F​i​k​ zusammensetzt F​⇀i​ = ∑F​⇀i​k​

mit

k​ ≠ i​

F​⇀i​k​ =

1 r​⇀i​ − r​⇀k​ q​i​ q​k​ ⋅ . 4 π​ε0​ |r​⇀ − r​⇀ |2 | r​ | ⇀ ⇀ − r​ i​ k​ i​ k​

(III-1.138)

Die Elektrostatik beschäftigt sich mit den Kräften, die ihren Ursprung in der vorgegebenen Ladungsanordnung besitzen: CoulombGesetz Q



F

Kraft M Bewegungsgleichung

unterer Pfeil:

Die Kräfte wirken auf die Ladungen und damit, da diese massenbehaftet sind, auf die zugehörigen Massen. Wenn die Kräfte F​⇀i​ bekannt sind, kann die zukünftige Ladungsanordnung beschrieben werden. oberer Pfeil: Für eine bekannte Ladungsanordnung können die wirkenden Kräfte berechnet werden. Als Problem tritt auf: Die Kraft F​⇀i​k​ wirkt bei r​⇀i​ auf die Ladung q​i,​ ihre Ursache liegt aber in einer anderen Ladung q​k​ am Ort r​⇀k​, die durch den leeren Raum zeitgleich auf die Ladung am Ort r​⇀i​ wirkt; die Kraftwirkung muss also den Raum zwischen den Ladungen überspringen = Fernwirkung.

68

1 Elektrostatik

1.7.2 Elektrostatik als Nahwirkungstheorie



Felderzeugung Q

E

I

spezifische IV Ladung

M

I:

CoulombII kraft



III

F

Bewegungsgleichung

Am Ort R​⇀ wird durch die Ladungen qk bei r​k​ (t​) das elektrische Feld hervorgerufen:43 E​⇀(R​⇀,t​) =

II:

1 q​k​ R​ − r​k​ (t​) ∑ . 4 π​ε0​ k​ ≠ i​ |R​ − r​ (t​) |2 |R​ − r​ (t​) | k​ k​

(III-1.139)

Eine bestimmte Feldverteilung E​⇀hat auf die Ladung q​i​ am Ort r​⇀i​ (t​) eine Kraftwirkung zur Folge, die durch die am Ort der Ladung herrschende Feldstärke verursacht wird = Nahwirkung: F​⇀i​ = q​i​ E​⇀(R​⇀,t​) |R​⇀= r​⇀i​ (t​) = q​i​ E​ (r​⇀i​ (t​),t​) .

(III-1.140)

III: Die zukünftige Massenanordnung M wird wieder durch die Kraftwirkung bestimmt: m​i​ r​⇀i​̈ (t​) = F​⇀i​ (r​⇀i​ (t​),t​) .

(III-1.141)

q​ IV: Die Kopplung von Ladung an Masse ist durch die spezifische Ladung κ​ = m​ ρ​ (r​⇀,t​) gegeben, die die Labzw. durch die spezifische Ladungsdichte κ​ (r​⇀,t​) = μ​ (r​⇀,t​) dungsdichte ρ mit der Massendichte μ in Beziehung setzt:

q​i​ = κ​i​ m​i​

bzw.

ρ​ (r​⇀,t​) ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Ladungsdichte

= κ​ (r​⇀,t​) ⋅

μ​ (r​⇀,t​) . ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Massendichte

(III-1.142)

43 Wenn das Feld durch bewegte Ladungen (Massen) hervorgerufen wird, ist es zeitlich nicht konstant; das übersteigt den Gültigkeitsbereich der Elektrostatik. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass sich die Änderung der Felder im Raum mit endlicher Geschwindigkeit, der Lichtgeschwindigkeit, ausbreitet.

1.7 Elektrostatische und mechanische Bestimmungsgleichungen

69

Der Prozess I stellt die Hauptaufgabe der Elektrostatik dar, die Berechnung der Felder für bekannte Ladungsverteilungen. Die Prozesse II, III und IV beschreiben die Rückwirkung auf die Felder, wenn die Ladungen beweglich sind.

1.7.3 Elektrostatik in Substanzen

Q

Felderzeugung, elektrostatische Bestimmungsgleichung I



E

V Kopplung von Ladung IV und Masse

M

II Kraftwirkung

III



F

mechanische Grundgleichung

In Substanzen kommt zu der Felderzeugung durch die vorgegebenen (freien) Ladungen q aufgrund der elektromagnetischen Grundgleichung (Coulombsches Gesetz) (I), der Kraftwirkung elektrostatischer Felder (II), den mechanischen Grundgleichungen (III) und der Kopplung von Ladungen an Massen (IV) noch als fünfter Prozess hinzu: V: Im Inneren der Materie gibt es freie (im Leiter) und lokalisierte Ladungen (Nichtleiter, Halbleiter) sowie elektrische (und magnetische) Dipole. Unter dem Einfluss von elektrischen Feldern treten Kräfte auf diese Ladungen und Dipole auf (II), die sie zu neuen Gleichgewichtslagen verschieben (III). Die Felder in Substanzen werden daher nicht nur durch die Ladungen bestimmt (I), sondern sie üben gleichzeitig über die Prozesse II, III, IV eine Rückwirkung auf die Ladungen aus, die der Pfeil V symbolisiert, wodurch die Felderzeugung durch die vorgegebenen Ladungen modifiziert wird. Die Elektrostatik in Substanzen beschäftigt sich mit den Gesetzmäßigkeiten des Prozesses V und ihrer Berechnung durch II, III und IV bei gleichzeitiger Gültigkeit von Prozess I.

70

1 Elektrostatik

1.7.4 Bestimmungsgleichungen des elektrischen Feldes bei gegebener Ladungsverteilung Im Vakuum (Abschnitt 1.2.2, Gl. III-1.23):

div E​⇀=

ρ​ ε​0

Die Ladungen ρ = ρfrei (freie Ladungen) sind die Quellen des elektrischen Feldes.

und (Abschnitt 1.3, Gl. III-1.38)

rot E​⇀= 0

Es gibt kein „elektrostatisches Wirbelfeld“, das elektrostatische Feld ist ein wirbelfreies Quellenfeld.

In der Materie (Abschnitt 1.6.2, Gln. III-1.127 und III-1.128): div D​⇀= div (ε​0 E​⇀Diel + P​⇀) = ρ​frei

bzw.

div E​⇀Diel =

ρ​frei ε​0 ε​r​

Die freien Ladungen sind die Quellen des Verschiebungsvektors, die Polarisationsladungen müssen durch die relative Permittivität berücksichtigt werden. und

rot E​⇀Diel = 0

Auch im Dielektrikum gibt es keine geschlossenen Kraftlinien.

(III-1.143)

Zusätzlich gilt die „Materialgleichung“ (Abschnitt 1.6.1, Gl. III-1.107): P​⇀= ε​0 χ​Diel E​⇀Diel . In beiden Fällen ist das Feld E​⇀ ein wirbelfreies Quellenfeld, wodurch sich E​⇀ als negativer Gradient eines skalaren Potenzials Φ(r​⇀) darstellen lässt (Abschnitt 1.3, Gl. III-1.32) ⇀⋅ Φ(r​⇀) . E​⇀= −grad​ Φ(r​⇀) = −∇ Die für die Feldberechnung notwendige Differentialgleichung für das elektrische ρ​ ⇀E​⇀= Potenzial Φ(r​⇀) ergibt sich daraus mit div E​⇀= ∇ zu ε​0

Zusammenfassung

⇀E​⇀= −(∇ ⇀⋅ ∇ ⇀)Φ(r​⇀) = −Δ Φ(r​⇀) = ∇

71

ρ​ (r​⇀) ε​0

also (Abschnitt 1.3, Gl. III-1.39)

Δ Φ(r​⇀) = −

ρ​ (r​⇀) ε​0

Poisson-Gleichung.

Sind keine Raumladungen ρ​ (r​⇀) vorhanden, dann gilt die einfachere Beziehung (Abschnitt 1.3, Gl. III-1.40) Δ Φ(r​⇀) = 0

Laplace-Gleichung,

deren allgemeine Lösungen die in der Mathematik wohlbekannten harmonischen Funktionen = Kugelfunktionen sind. Bei der Feldberechnung konkreter Probleme, z. B. „Vakuumkugel“ im unendlich ausgedehnten Dielektrikum (siehe Ableitung der Clausius-Mosotti-Gleichung in Anhang 1) müssen immer auch die Grenzbedingungen E⫽,1 = E⫽,2 und D⊥,1 = D⊥,2 (siehe Anhang 2) herangezogen werden.

Zusammenfassung 1.

Das Coulombsche Gesetz beschreibt die Kraft zwischen einer beweglichen (ruhenden oder bewegten) Ladung q1 und einer ruhenden Ladung q2: F​⇀=

2.

1 q​1 ⋅ q​2 r​⇀ 4 π​ε0​ r​ 2 r​

Ladungen sind an Massen, also an materielle Teilchen gebunden. Die kleinste Ladung freier Teilchen ist die Ladung, die das Elektron mit sich führt, die „Elementarladung“ e mit e​ = 1,602177 ⋅ 10− 19 C

3.

Coulombsches Gesetz.

Elementarladung.

Zur Umgehung des Problems der Fernwirkung, bei der die Kraftwirkung den Raum zwischen den Ladungen zeitlos „überspringen“ muss, wird das elektrische Feld eingeführt: Jedem Raumpunkt wird eine Feldstärke E​⇀ als Kraft auf

72

1 Elektrostatik

eine Probeladung q0 zugeordnet; im Falle einer felderzeugenden „Punktladung“ q:

E​⇀(r​⇀) =

F​⇀(r​⇀) 1 q​ r​⇀ = q​0 4 π​ε0​ r​ 2 r​

elektrische Feldstärke.

4. Das Gaußsche Gesetz verknüpft die Gesamtladung im Inneren einer geschlossenen Oberfläche mit den Normalkomponenten des elektrischen Feldes auf der Oberfläche:

ΦE​ = ∮E​⇀⋅ d​f⇀ ​= A​

⇀E​⇀= div E​⇀= ∇

5.

Q​innen​ ε​0

ρ​ ε​0

Gaußsches Gesetz im Vakuum in integraler

und differentieller Form

(1. Maxwell-Gleichung).

Das Gaußsche Gesetz besagt, dass die gesamten elektrischen Ladungen die Quellen des elektrischen Feldes sind – die elektrischen Ladungen erzeugen das elektrische Feld. In der Materie (Dielektrikum) sind die frei verschieblichen Ladungen ρ​frei die Quellen des D​⇀-Vektors. Analog zum Kraftfeld der Mechanik wird beim Verschieben von Ladungen gegen das elektrische Feld Arbeit verrichtet. Damit kann jedem Raumpunkt das skalare elektrostatische Potenzial Φ(r​⇀) zugeordnet werden, aus dem sich die elektrische Spannung und auch das elektrische Feld ergeben: r​⇀

Φ(r​⇀) =

Δ E​pot = −∫E​⇀d​r⇀​ q​0 P​

elektrostatisches Potenzial,

1

P​2

U​1,2 = Φ(P​1 ) − Φ(P​2 ) = ∫E​⇀d​r⇀​

elektrische Spannung = Potenzialdifferenz.

P​1

⇀Φ, E​⇀= −grad​ Φ = −∇ das Feld weist also in Richtung der Potenzialabnahme. 6. Aus der mathematischen Gesetzmäßigkeit rot grad Φ = 0 folgt für das statische elektrische Feld rot E​⇀= 0 ,

Zusammenfassung

das heißt (zusammen mit div E​⇀= 7.

73

ρ​ ): Das elektrostatische Feld ist ein wirbelε​0

freies Quellenfeld. Zur Berechnung elektrostatischer Felder bei vorgegebener Ladungsverteilung dient

ΔΦ = −

ρ​ ε​0

Poissongleichung,

bzw., wenn der Raum ladungsfrei ist,

ΔΦ = 0

Laplace-Gleichung.

8. Die Darstellung des elektrischen Feldes kann geometrisch durch Feldlinien erfolgen, die den Feldverlauf durch ihre Richtung und die Feldstärke durch ihre Flächendichte senkrecht zu den Feldlinien darstellen. Die elektrischen Feldlinien entspringen in den positiven Ladungen und laufen in die negativen. Auf ihnen stehen die Äquipotenzialflächen normal; bei der Verschiebung von Ladungen auf diesen Flächen wird keine Arbeit verrichtet. 9. Für das Dipolmoment p​⇀e​ eines elektrischen Dipols gilt p​⇀e​ = q​ ⋅ l​⇀

elektrisches Dipolmoment,

wobei l​⇀die von –q zu +q weisende „gerichtete Strecke“ ist, das Dipolmoment weist also gegen die Feldrichtung zwischen den beiden Ladungen. 10. Im elektrischen Feld wirkt auf einen elektrischen Dipol das Drehmoment D​⇀= p​⇀e​ × E​⇀,

dem Dipol kommt daher die potenzielle Energie E​pot = −p​⇀e​ ⋅ E​⇀ zu, wobei der Nullpunkt von Epot für p​⇀e​ ⊥ E​⇀gewählt wurde. Im inhomogenen d​E⇀​ ⇀)E​⇀. Feld wirkt auf den Dipol zusätzlich eine Kraft F​⇀= p​⇀e​ = (p​⇀e​ ⋅ ∇ d​r⇀​

74

1 Elektrostatik

11. Für die Kapazität gilt

C​ =

Q​ U​

und je nach geometrischer Anordnung A​ Plattenkondensator: C​ = ε​0 , A … Plattenfläche, d​ d … Plattenabstand; l​ Zylinderkondensator: C​ = ε​0 2 π​ , l​ … Zylinderlänge, ln​ b​ ∕ a​ a, b … Radien des inneren und äußeren Zylinders; Kugelkondensator: C​ = ε​0 4 π​

a​b​ , a, b … Radien der inneren und äußeren b​ − a​

Kugel. 12. In einem ganz mit Dielektrikum gefüllten Gebiet ist in allen Gleichungen die ε​ Influenzkonstante ε​0 durch die Permittivität ε​ = ε​r​ ε​0 zu ersetzen; ε​r​ = ist die ε​0 relative Permittivität. 13. Die Moleküle polarer Dielektrika haben ein permanentes Dipolmoment p​⇀0e​, das im Feld ausgerichtet wird; in nichtpolaren und polaren Dielektrika wird durch das Feld ein Dipolmoment p​⇀e​ induziert, das in Feldrichtung weist und zur Feldstärke proportional ist (im Falle polarer Dipole ist die Ausrichtung temperaturund frequenzabhängig). In beiden Fällen ergibt sich als dielektrische Polarisation = Dipoldichte P​⇀= n​ ⋅ p​⇀e​ = n​ ⋅ α​ ⋅ E​⇀Diel = ε​0 χ​Diel E​⇀Diel,

wobei χ​Diel ⋅ dichte n​ =

n​ ⋅ α​ = ε​r​ − 1 die dielektrische Suszeptibilität ist (n ist die Molekülε​0

N​ , E​⇀Diel ist die Feldstärke im Dielektrikum). V​

14. Durch die in einem homogenen elektrischen Feld ausgerichteten bzw. induzierten Dipole entstehen an der Oberfläche des Dielektrikums Polarisationsladungen, „scheinbare Ladungen“, der Dichte σ​Pol = P​⇀⋅ e​⇀n​ . Sie erzeugen eine Polarisationsfeldstärke E​⇀Pol, die dem erzeugenden Feld entgegenwirkt („entelektrisierendes Feld“). Im einfachen Fall des (großen) Plattenkondensators ist E​⇀Diel und somit auch P​⇀konstant und homogen:

E​⇀Pol = −

P​⇀ ε​0

Polarisationsfeldstärke;

Zusammenfassung

damit ist in diesem Fall E​⇀Diel = E​⇀Vak + E​⇀Pol = E​⇀Vak −

75

P​⇀ . ε​0

Im inhomogenen Dielektrikum ist εr räumlich nicht konstant, wodurch im inhomogenen Dielektrikum (χ​Diel = χ​Diel (r​⇀)) auch im Inneren des Dielektrikums Polarisationsladungen auftreten div P​⇀= −ρ​Pol ≠ 0 . 15. Im Dielektrikum ändert sich daher das Gaußsche Gesetz, die Bestimmungsgleichung des elektrischen Feldes: Q​innen​,frei​ ρ​frei ​= und div E​⇀= . Im Vakuum galt ΦE​ = ∮E​⇀⋅ d​f⇀ ε​0 ε​0 A​ Im Medium: div D​⇀= ρ​frei

und

ΦD​ = ∮D​⇀d​f⇀ ​ = ε​0 ∮ε​r​ E​⇀Diel d​f⇀ ​ = Q​frei ; A​

div E​⇀Diel =

A​

ρ​frei + ρ​Pol . ε​0

Die Normalkomponente D⊥ des Verschiebungsvektors D​⇀ durchsetzt unverändert die Grenze zwischen Vakuum und ungeladenem Medium ebenso wie die Grenze zwischen zwei verschiedenen Medien. Für den Vektor D​⇀gilt im isotropen Medium D​⇀= ε​0 E​⇀Diel + P​⇀= ε​0 E​⇀Diel (1 + χ​Diel ) = ε​0 ε​r​ E​⇀Diel = ε​ ⋅ E​⇀Diel ≡ ε​ ⋅ E​⇀

mit

ε​r​ = 1 + χ​Diel ≥ 1 .

16. Für die Energiedichte des elektrischen Feldes fanden wir

w​el =

1 1 2 ε​r​ ε​0 E​ = E​ ⋅ D​ . 2 2

76 5

1 Elektrostatik

Übungen: 1. Ein geladenes Teilchen schwebt in einem aufwärts gerichteten elektrischen Feld zwischen zwei horizontalen, parallelen, geladenen Platten, die einen Abstand von 2 cm haben. Berechne die Potenzialdifferenz zwischen den Platten! Das Teilchen hat eine Masse von 4⋅10–13 kg, und seine Ladung beträgt 2,4⋅10–18 C. 2. Auf welches absolute Potenzial würde sich die Erde (r = 6378 km) aufladen, wenn auf ihre Oberfläche gleichmäßig verteilt eine Ladung von einem Coulomb aufgebracht würde? 3. Berechne die Ablösearbeit für ein Elektron in eV, das sich in der Anfangsdistanz von 0,1 nm von einer Metalloberfläche (= ebene Leiteroberfläche) befindet. Hinweis: Beachte, dass eine gedachte, gleich große Ladung entgegengesetzten Vorzeichens, die sich im gleichen Abstand unter der Leiteroberfläche befindet (Spiegelladung), zusammen mit der ursprünglichen Ladung genau den gewünschten Feldverlauf an der Leiteroberfläche liefert. 4. Ein elektrischer Quadrupol bestehe aus zwei Dipolen, deren Dipolmomente den gleichen Betrag, aber entgegengesetzte Richtungen haben. z d

d

+





+

+q

−q

−q

+q



−p



P

+p

Zeige, dass der Betrag E des elektrischen Feldes in einem Punkt P auf der Quadrupolachse, der im Abstand z (z ≫ d) vom Mittelpunkt des Quadrupols liegt, gegeben ist durch E​ =

3Q​ 4 π​ε0​ z​ 4

Dabei bezeichnet Q = 2 qd 2 das elektrische Quadrupolmoment der Ladungsverteilung. 5. Berechne die Kapazität pro Längeneinheit eines konzentrischen Zylinderkondensators (Länge l, Außenradius r1, Innenradius r2). Zeige, dass sich im Grenzfall r1 / r2 die Formel für den Plattenkondensator ergibt. 6. Ein Plattenkondensator mit rechteckigen Platten (F = a⋅b, Plattenabstand d) liege an der konstanten Spannung U. Wird zwischen die Platten ein genau passendes parallelepipedisches Stück Dielektrikum langsam eingeschoben, so erfährt es eine Kraft, die es in das Feld (in den Kondensator) hineinzieht. Berechne diese Kraft durch eine Energiebetrachtung.

Anhang 1 Die Clausius-Mosotti-Gleichung

77

Anhang 1 Die Clausius-Mosotti-Gleichung Die phänomenologische Beziehung p​⇀e​ = α​ ⋅ E​⇀Diel (Abschnitt 1.6.1, Gl. III-1.106) setzt eine im gesamten Volumen konstante elektrische Feldstärke voraus. Tatsächlich ist jedoch E​⇀Diel ein räumlicher Mittelwert über die örtlich sehr stark schwankenden Molekülfelder. Für die Berechnung des Dipolmoments p​⇀e​ eines Moleküls muss aber gerade das Feld am Ort des betrachteten Moleküls herangezogen werden, das besonders in Flüssigkeiten und Festkörpern auch von der Wirkung der Nachbarmoleküle abhängt. Eine einfache, näherungsweise Methode, die mit der Erfahrung gut übereinstimmende Resultate liefert, besteht nach Clausius44 und Mosotti (Ottaviano Fabrizio Mossotti, 1791–1863) darin, das betrachtete Molekül gedanklich mit einer so kleinen Kugel zu umgeben, dass sich darin keine weiteren Moleküle befinden. Das Feld F​⇀el in diesem kugelförmigen Hohlraum des ansonsten ungestörten Dielektrikums kann berechnet werden (siehe z. B. W. Greiner: Klassische Elektrodynamik, Verlag Harri Deutsch, 2002) und ergibt den gegenüber dem Mittelwert E​⇀Diel aufgrund der Polarisationsladungen auf der inneren Kugeloberfläche erhöhten Wert F​⇀el = E​⇀Diel +



P​⇀ 3 ε​0

P​⇀= n​α​ (E​⇀Diel +

P​⇀ ) 3 ε​0

(III-1.144)

(III-1.145)

bzw. P​⇀=

3 ε​0 E​⇀Diel . 3 ε​0 −1 n​α​

(III-1.146)

Mit P​⇀= ε​0 χ​Diel E​⇀Diel (Abschnitt 1.6.1, Gl. III-1.107) erhalten wir die dielektrische Suszeptibilität χ​Diel =

3 3 ε​0 −1 n​α​

(III-1.147)

und mit ε​r​ = 1 + χ​Diel

44 Rudolf Julius Emanuel Clausius, 1822–1888. Clausius formulierte u. a. den 2. Hauptsatz der Thermodynamik und führte den Begriff der Entropie ein (siehe Band II, Kapitel „Physik der Wärme“, Abschnitt 1.3 und speziell 1.3.1.3).

78

1 Elektrostatik

ε​r​ = 1 +



3 3 ε​0 −1 n​α​

=

(III-1.148)

3 ε​0 −1 n​α​

n​α​ ε​r​ − 1 = . 3 ε​0 ε​r​ + 2

Multiplikation mit dem Molvolumen V​Mol​ = sendichte) ergibt schließlich

M​ α​ ε​r​ − 1 M​ α​ ⋅ n​ ⋅ = ⋅ N​A​ = P​M​ ⋅ = ε​r​ + 2 ρ​ 3 ε​0 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ρ​ 3 ε​0 = N​A​

3 ε​0 +2 n​α​

(III-1.149)

M​ (M ... Molekulargewicht, ρ ... Masρ​

Clausius-MosottiGleichung für unpolare Moleküle.

(III-1.150)

PM heißt Molekülpolarisation; aus dieser Beziehung kann bei bekannter relativer Permittivität εr die Polarisierbarkeit α berechnet werden. Die Gleichung gilt sehr gut für Substanzen, deren Moleküle nur wenig wechselwirken (Gase, verdünnte Lösungen in unpolaren Flüssigkeiten). 0 Besitzen die Moleküle ein permanentes elektrisches Dipolmoment p​⇀e​ , dann kommt zum induzierten Moment p​⇀e​ = α​ ⋅ F​⇀el noch die über die verschiedenen Ein0 0 stellungen von p​⇀e​ im Feld F​⇀el gemittelte Komponente von p​⇀e​ in Richtung F​⇀el hinzu (Abb. III-1.26).



Fel

φ



pe0 p0e,F = p0e cosθ dΩ = sinθdθdφ 0 ≤ φ ≤ 2π 0≤θ≤π

θ

0

Abb. III-1.26: Molekül mit permanentem elektrischem Dipolmoment p​⇀e​ im äußeren elektrischen Feld der Feldstärke F​⇀el.

0 Die verschiedenen Einstellungen von p​⇀e​ sind mit unterschiedlichen potenziellen 0 Energien verbunden (siehe Abschnitt 1.4.3, Gl. III-1.68): E​pot = −F​el p​⇀e​ cos​ θ​; die Wahrscheinlichkeit w für das Auftreten eines Winkels θ im Raumintervall dΩ be-

79

Anhang 1 Die Clausius-Mosotti-Gleichung

trägt daher nach der kanonischen Verteilung (siehe Band VI, Kapitel „Statistische Physik“, Abschnitt 1.3.4) d​w​ = C​ ⋅ e​

−E​pot /​k​T​

0

d​Ω = C​ ⋅ e​

mit der Abkürzung A​ =

F​el p​ e​ cos​ θ​/​k​T​

d​Ω = C​ ⋅ e​

d​Ω

(III-1.151)

F​el p​ 0e​ . Daraus folgt k​T​

2 π​ π​

1 = ∫d​w​ = C​ ⋅ ∫ ∫e​

A​ cos​ θ​

u​ (π​)

A​ cos​ θ​

sin​ θ​d​θ​d​φ​

=⏟

2 π​

u​ = A​ cos​ θ​

0 0

C​ u​ ∫ e​ (−d​u​) = A​ u​ (0)

u​ (0)

= 2 π​

C​ C​ A​ 2 sinh​ A​ u​ −A​ ∫ e​ d​u​ = 2 π​ (e​ − e​ ) = 2 π​C​ A​ u​ (π​) A​ A​

(III-1.152)

0



2 π​C​ =

1 F​el p​ e​ ⋅ . k​T​ 2 sinh A​

(III-1.153)

Damit kann der Mittelwert p​ ̅ e0​,F​ der Komponente p​ e0​,F​ = p​ 0e​ ⋅ cos​ θ​ des Dipolmoments in Feldrichtung berechnet werden: 0

0

0

A​cos​ θ​ sin​ θ​ d​θ​ d​φ​ p​ e̅ ​,F​ = ∫p​ e​ cos​ θ​d​w​ = C​∫p​ e​ cos​ θ​ e​ Ω

Ω

=⏟ p​ e​0 =

A​ ⋅ k​T​ F​el u​ (0)

π​

= 2 π​C​

k​T​ k​T​ A​ cos​ θ​ u​ ∫A​ cos​ θ​ e​ sin​ θ​ d​θ​ =⏟ 2 π​C​ ∫ u​e​ d​u​ = F​el 0 F​el u​ (π​) A​ cos​ θ​ = u​

= 2 π​C​

k​T​ u​ k​T​ A​ u​ (0) −A​ [e​ (u​ − 1)]| = 2 π​C​ [e​ (A​ − 1)−e​ (−A​ − 1)] = u​ (π​) F​el F​el

=

1 cosh​ A​ − sinh​ A​] [ [ ] A​ [ ] ] 0[

2 π​C​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ =

F​el p​ e​0 k​T​



1

1 k​T​ ⋅ 2 A​ [cosh​ A​ − sinh​ A​] = 2 p​ e​ F​el A​ [

2 sinh​ A​

]

=

2 sinh​ A​

1 p​ 0e​ F​el k​T​ 0 = p​ 0e​ [coth​ A​ − ] = p​ 0e​ [coth​ − 0 ] = p​ ̅ e​,F​ , A​ k​T​ p​ e​ F​el ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = L​ (

p​ e​0 F​el k​T​

)

(III-1.154)

80

1 Elektrostatik

wobei A​ −A​ A​ −A​ A​ −A​ e​ (A​ − 1) − e​ (−A​ − 1) = A​ (e​ + e​ ) − (e​ − e​ ) = 2 A​ cosh​ A​ − 2 sinh​ A​ = 1 = 2 A​ (cosh​ A​ − sinh​ A​) A​

verwendet wurde. Damit haben wir die Langevin-Gleichung erhalten

0

0

p​ ̅ e​,F​ = p​ e​ ⋅ L​ (

L​ (

p​ 0e​ F​el ) k​T​

Langevin-Gleichung .

p​ 0e​ F​el p​ 0e​ F​el k​T​ ) = [coth​ − 0 ] k​T​ k​T​ p​ e​ F​el

(III-1.155)

(III-1.156)

ist die Langevin Funktion, die besonders in der Theorie des Paramagnetismus von Bedeutung ist. Nehmen wir an, dass p​ 0e​ ⋅ F​el ≪ k​T​, dann kann die Reihenentwicklung von 1 x​ coth​x​ = + + ... nach dem 2. Glied abgebrochen werden (lineare Näherung) und x​ 3 wir erhalten p​ 0e​ F​el (p​ 0e​ )2 F​el k​T​ k​T​ p​ ̅ e​0,F​ = p​ 0e​ [ + ] = − . 0 0 3 k​T​ p​ e​ F​el 3 k​T​ p​ e​ F​el

(III-1.157)

Das ist der Debyesche Orientierungsbeitrag zum Dipolmoment im Feld Fel (1905 publiziert). In der Clausius-Mosotti-Gleichung kommt also im Falle polarer Moleküle mit dem Dipolmoment p​ 0e​ zur vorher berechneten Polarisierbarkeit α noch der Orientie0 (p​ e​ )2 rungsbeitrag hinzu (Abb. III-1.27): 3 k​T​

0

P​M​ =

2 (p​ e​ ) ε​r​ − 1 M​ N​A​ ⋅ = [α​ + ] ε​r​ + 2 ρ​ 3 ε​0 3 k​T​

Clausius-Mosotti-Gleichung für polare Moleküle.

(III-1.158)

Die Polarisation hängt so für polare Moleküle auch von der Temperatur ab, man spricht daher manchmal vom Curieschen Gesetz der Elektrostatik (siehe dazu auch das Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.4.4).

81

Anhang 2 Elektrisches Feld an Grenzflächen

p0e,F /p0e 1 pe0 Fel _____ 3 kT

⎛ p 0F ⎞ e el L ⎜ _____ ⎟ … Langevin Funktion ⎝ kT ⎠

0,75

0,5 lineare Näherung, (hier verwendet) 0,25

0

1

2

3

4

5

pe0 Fel _____ kT

6

0 0 p​ e̅ ​,F​ /​p​ e​

Abb. III-1.27: Orientierungsbeitrag polarer Moleküle zum Dipolmoment im äußeren Feld. 0 Blau durchgezogen Langevin-Funktion; blau strichliert: lineare Näherung für p​ e​ ⋅ F​el ≪ k​T​.

Anhang 2 Elektrisches Feld an Grenzflächen A2.1 Grenzfläche zwischen Dielektrika An der Grenzfläche zu einem Dielektrikum wird die elektrische Feldstärke im Dielektrikum durch das sich überlagernde Feld der Polarisationsladungen gegenüber dem Vakuumfeld geschwächt. Wir haben dies bisher nur für den Fall senkrecht zur Grenzfläche verlaufender Feldlinien am Platenkondensator untersucht. Laufen die Feldlinien abweichend von der Grenzflächennormalen, so tritt an der Grenzfläche Vakuum – Dielektrikum oder zwischen zwei Dielektrika unterschiedlicher Permittivität eine Brechung der elektrischen Feldlinien (E​⇀-Linien) und der Linien der dielektrischen Verschiebung (D​⇀-Linien) auf. Wir betrachten zunächst ein Stück einer Grenzfläche zwischen einem Dielektrikum (εr > 1) und Vakuum (εr = 1) und erörtern nur die Komponenten der Feldstärken parallel zur Grenzfläche, die Tangentialkomponenten E∥ (Abb. III-1.28). Für einen geschlossenen Weg in einem statischen Feld muss die Summe der Potenzialdifferenzen im Vakuum und im Dielektrikum Null sein (siehe Abschnitt 1.3, Gl. III-1.25). Wir wählen einen Weg, der sich ganz eng an die Trennfläche anschmiegt. Dann folgt B​

A​

B​

B​

Δ ΦA​,B​ + Δ ΦB​,A​ = ∫E​Vak​,∥ d​r1​ + ∫E​Diel​,∥ d​r2​ ⏟ = ∫E​Vak​,∥ d​r1​ − ∫E​Diel​,∥ d​r1​ = A​

B​

= (E​Vk​,∥ − E​Diel​,∥ )d​r1​ = 0.

d​r2​ = d​r1​

A​

A​

(III-1.159)

82

1 Elektrostatik

EDiel,∥

Dielektrikum εr > 1

dr2 A

B EVak,∥

dr1

Vakuum εr = 1

Abb. III-1.28: Komponenten der elektrischen Feldstärken parallel zur Grenzfläche zwischen einem Dielektrikum (εr > 1) und Vakuum (εr = 1).

Daraus folgt E​Diel​,∥ = E​Vak​,∥

(III-1.160)

und ebenso für zwei unterschiedliche Medien 1 und 2 E​Diel​,∥,1 = E​Diel​,∥,2 .

1

(III-1.161)

Die Tangentialkomponenten der elektrischen Feldstärke E∥ durchsetzen die Grenzfläche stetig.45 Wird ein Flächenelement dA der Grenzfläche, die keine freien Ladungen enthalten soll (σdA,frei = 0), mit einem dosenförmigen Volumenelement der Basisfläche dA und der Höhe d​h​ ≪ √d​A​ umgeben (Abb. III-1.29), dann tritt durch die Seitenflächen im Grenzwert dh / 0 kein Fluss aus und das Gaußsche Gesetz (Abschnitt 1.6.2, Gl. III-1.133) liefert (D​Diel​, ⊥ − D​Vak​, ⊥ ) ⋅ d​A​ = σ​d​A​,frei​ ⋅ d​A​ ⋅ d​h​ = 0 .

(III-1.162)

Daraus folgt D​Diel​, ⊥ = D​Vak​, ⊥

(III-1.163)

45 Dies folgt auch unmittelbar aus der im Vakuum und im Dielektrikum geltenden Beziehung rot​E⇀​ = 0 bzw. E​⇀= −grad​ Φ: Wird eine Ladung auf einer geschlossenen Kurve herum bewegt, wird dabei keine Arbeit verrichtet.

Anhang 2 Elektrisches Feld an Grenzflächen

83

und ebenso für zwei unterschiedliche Medien 1 und 2 D​Diel​, ⊥ ,1 = D​Diel​, ⊥ ,2

(III-1.164)

Die Normalkomponenten der dielektrischen Verschiebung D⊥ durchsetzen die Grenzfläche stetig.

dA

DDiel,⊥

dh

Dielektrikum εr > 1

Vakuum εr = 1

DVak,⊥

Abb. III-1.29: Zum Gaußschen Satz an der Grenzfläche zwischen einem Dielektrikum (εr > 1) und Vakuum (εr = 1).

Für die Normalkomponenten der elektrischen Feldstärke E⊥ und die Tangentialkomponenten der dielektrischen Verschiebung D∥ beim Übertritt aus einem Medium 1 mit der Permittivität ε1 in ein Medium 2 mit ε2 folgt aus der in beiden Medien geltenden Beziehung (Abschnitt 1.6.2, Gl. III-1.128) D​⇀1 = ε​1 E​⇀1, bzw. D​⇀2 = ε​2 E​⇀2, also D​1,∥ D​2,∥ = E​2,∥ = D​1, ⊥ = E​1, ⊥ ⋅ ε​1 = D​2, ⊥ = E​2, ⊥ ⋅ ε​2 bzw. E​1,∥ = ε​1 ε​2 E​2, ⊥ =

ε​1 E​1, ⊥ ε​2

(III-1.165)

D​2,∥ =

ε​2 D​1,∥ ε​1

(III-1.166)

und

(siehe Abb. III-1.30). Beim optischen Brechungsgesetz (siehe dazu Band IV, Kapitel „Wellenoptik“, Abschnitt 1.4.1) wird der Lichtstrahl beim Übergang vom optisch dünneren zum optisch dichteren Medium zum Lot gebrochen. Bei den Feldlinien erfolgt beim Übergang vom Medium mit kleinerer zu jenem mit größerer Permittivität ε eine Brechung vom Lot.

1

84

1 Elektrostatik



E1



Medium 1 ε1

α

Medium 1 ε1

D1 α

E1,∥ = E2,∥ E1,∥ = E2,∥



β

D1,⊥ = D2,⊥

E2 Medium 2 ε 2 > ε1



ε1 E1,∥/E1,⊥ tan α E -Linien: _____ = ________ = __ ε2 tan β E2,∥/E2,⊥

D1,⊥ = D2,⊥

β



D2

Medium 2 ε2 > ε1



ε1 D1,∥/D1,⊥ tan α D-Linien: _____ = ________ = __ ε2 D2,∥/D2,⊥ tan β

Abb. III-1.30: Brechungsgesetz der E​⇀- und D​⇀-Linien. Die Parallelkomponenten der elektrischen Feldstärke und die Normalkomponenten der dielektrischen Verschiebung durchsetzen die Grenzfläche tan ​α​ ε​1 stetig. Für die Winkel zur Normalen auf die Grenzfläche gilt in beiden Fällen = . tan ​β​ ε​2

Während die Anzahl der D​⇀-Linien in beiden Medien gleich groß ist, ist die Anzahl der E​⇀-Linien im 2. Medium kleiner als im 1. Medium, falls ε​2 > ε​1 ist (Abb. III-1.31). Es endet eben ein bestimmter Anteil der E​⇀-Linien des ersten Mediums auf den negativen Polarisationsflächenladungen −σ​Pol : E​1, ⊥ − E​2, ⊥ = −

σ​Pol 1 = (P​1, ⊥ − P​2, ⊥ ) ε​0 ε​0

P​2, ⊥ > P​1, ⊥ .

(III-1.167)



E1



D1 Medium 1 σfrei = 0 σPol − ____ = E1,⊥ − E2,⊥ ε0

ε1 < ε2 Medium 2



E2



D2 Abb. III-1.31: E​⇀-Linien und D​↼-Linien an der Grenzfläche zweier Medien 1 und 2 mit ε1 < ε2.

Anhang 2 Elektrisches Feld an Grenzflächen

85

A2.2 Feldkomponenten auf einer Leiteroberfläche In einem Leiter befinden sich frei bewegliche Ladungen, im metallischen Leiter sind das die Leitungselektronen. Bringt man den Leiter in ein elektrisches Feld, so werden diese Ladungen so lange verschoben, bis keine Kraft mehr auf sie ausgeübt wird, also Gleichgewicht (GG) herrscht. Bevor das GG erreicht ist, gilt

%

F​ = q​ ⋅ E​⇀= −q​

∂​Φ . ∂​r⇀​

(III-1.168)

Nach Erreichen des Gleichgewichts gilt an allen Punkten des Leiters F​⇀= 0,

E​⇀= 0



Φ = const.​

(III-1.169)

Das Gaußsche Gesetz für den elektrischen Fluss (Abschnitt 1.2.2, Gl. III-1.19) Q​innen​ ​= liefert ΦE​ = ∮E​⇀⋅ d​f⇀ ε​0 A​ ε​0 ∮E​⇀⋅ d​f⇀ ​ = Q​innen​ = 0

(III-1.170)

A​

für die Oberfläche A jedes Teilvolumens des Leiters: Das Innere des Leiters ist daher ladungsfrei, alle Ladungen sind über seine Oberfläche (= „Rand“ seines Volumens V) verteilt:

Φ = const. ladungsfrei

Wie sieht die Feldstärke am Rande des Leiters aus (Abb. III-1.32)? Gilt für die Tangentialkomponente Et auf der Leiteroberfläche E​t​ ≠ 0, dann ist das GG noch nicht erreicht und die Ladungen werden entsprechend verschoben. Im GG muss daher gelten E​t​ = 0 ,

(III-1.171)

86

1 Elektrostatik

die Tangentialkomponenten Et der elektrischen Feldstärken müssen auf der Leiteroberfläche verschwinden.



E



en

En

dA Et

Abb. III-1.32: Feldstärke E​⇀und ihre Komponenten E​n​ und E​t​ am Rand eines Leiters.

Für den Fluss ΦE​ durch ein kleines Stück dA der Oberfläche gilt außen​ innen​ ε​0 ∫ E​⇀d​f⇀ ​ = ε​0 d​A​ ⋅ e​⇀n​ (E​⇀außen​ − E​⇀innen​ ) = ε​0 d​A​ ⋅ (E​ n​ − E​ n​ ) = Q​d​A​ .46

(III-1.172)

d​A​

Dabei ist QdA die Gesamtladung auf dem Oberflächenstück dA und e​⇀n​ der Normaleneinheitsvektor. Für das Feld im Innern des Leiters gilt E​⇀= 0, daher auch innen​

E​ n​

= 0.

(III-1.173)

Für die Normalkomponente im Außenraum ergibt sich daher

außen​

E​ n​

=

Q​d​A​ σ​d​A​ = ε​0 d​A​ ε​0

(III-1.174)

Q​ . Die Feldstärke im Außenraum d​A​ eines Leiters steht also normal auf die Leiteroberfläche (Abb. III-1.33). Die Ladungsdichte σ ist i. Allg. auf der Oberfläche des Leiters nicht konstant; die Tatsache, dass die elektrische Feldstärke im Außenraum normal auf die Leiteroberfläche stehen muss, erfordert, dass σ auf stärker gekrümmten Flächen größer mit der Flächenladungsdichte des Leiters σ​d​A​ =

46 Dies erkennt man wieder mit Hilfe eines dosenförmigen Volumenelements der Grundfläche dA und der verschwindend kleinen Höhe dh bei Anwendung des Gaußschen Gesetzes.

Anhang 3 Der elektrische Quadrupoltensor

87

ist, als auf schwach gekrümmten und daher dort die Feldliniendichte, also die Feldstärke, höher ist (vgl. Kapazität einer Kugel C​Kugel​ = 4 π​ε​0 r​ in Abschnitt 1.5.3, Gl. III-1.100 und beachte U​ =

Q​ ). C​ metallische Kugel



E

Metallplatte Abb. III-1.33: Verlauf der elektrischen Feldlinien zwischen einer metallischen Kugel und einer Metallplatte.

Anhang 3 Der elektrische Quadrupoltensor Entsprechend der Multipolentwicklung des Potenzials einer Ladungswolke in Richr​⇀ tung vom Ladungsschwerpunkt (Abschnitt 1.4.1, Gl. III-1.46) kann der dritte Term r​ Q​2 (r​⇀/​r​) geschrieben werden, wobei Q​2 (r​⇀/​r​) der Quadrupolanteil der Entwicklung als r​ 3 der Entwicklung ist, für den gilt (Gl. III-1.78) Q​2 (θ​) = ∫ρ​ d​V​

R​ 2 2 (3 cos​ θ​ − 1) . 2

R​⇀⋅ r​⇀ und R​⇀= {X​,Y​,Z​} sowie r​⇀= {x​,y​,z​} umgeschrieben werR​ ⋅ r​ den und ergibt als Quadrupolanteil in r​⇀-Richtung (Gl. III-1.79) Das kann mit cos​ θ​ =

Q​2 (r​⇀/​r​) = ∫ρ​d​V​

1 2r​

2

[3(R​⇀⋅ r​⇀)2 − (R​ ⋅ r​)2] .

2 2 Die in (R​⇀⋅ r​⇀) und (R​ ⋅ r​) auftretenden Faktoren von x2, y2, z2, xy, xz und yz, die nur von den Koordinaten Xi der Ladungswolke abhängen, können als Komponen-

88

1 Elektrostatik

ten eines symmetrischen Tensors 2. Stufe, des Quadrupoltensors Q​̃2 aufgefasst werden47 2

3 x​ − r​ Q​2̃ = (3 y​x​ 3 z​x​

2

3 x​y​ 3 x​z​ 2 2 3 y​ − r​ 3 y​z​ ). 2 2 3 z​y​ 3 z​ − r​

(III-1.175)

Berücksichtigt man die Regeln der Matrizenmultiplikation, dann kann der Quadrupolanteil Q​2 (r​⇀/​r​) in Richtung r​⇀durch den Quadrupoltensor Q​̃2 dargestellt werden:

Q​2 (r​⇀/​r​) = ∫ρ​ d​V​

1 2 r​

2

(r​⇀⋅ Q​̃2 ⋅ r​⇀) = ∫ρ​ d​V​

1 (r​⇀0 ⋅ Q​̃2 ⋅ r​⇀0 ) 2

(III-1.176)

r​⇀ mit r​⇀0 = . r​ Das aus dem Quadrupolanteil Q​2 (r​⇀/​r​) folgende Quadrupolmoment und der Quadrupoltensor haben eine besondere Bedeutung in der Physik der Atomkerne: Atomkerne mit Kernspin I ≥ 1 besitzen ein Quadrupolmoment (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitt 3.1.2.3). Bei einer rotationssymmetrischen Ladungsverteilung, wie sie z. B. oft bei Atomkernen mit Spin I > 1 vorliegt (Rotationsellipsoid mit Hauptachse c, Nebenachse a), lässt man die z-Achse des Koordinatensystems mit der Rotationsachse c zusammenfallen. Dann verschwinden aus Symmetriegründen die Nichtdiagonalelemente und die ersten beiden Diagonalelemente sind gleich. Da außerdem – wie man schnell nachrechnet – die Spur (= Summe der Diagonalelemente) von Q​̃2 Null ist, nimmt Q​̃2 eine äußerst einfache Gestalt an: − Q​̃2 = (

Q​33 2 0 0

0

0

) Q​33 − 0 2 0 Q​33

Quadrupoltensor für eine rotationssymmetrische Ladungswolke (z-Richtung längs der Rotationsachse).

(III-1.177)

2 2 In diesem Fall genügt eine einzige Größe Q​33 = 3 z​ − r​ zur Beschreibung des Quadrupoltensors. Q33 wird daher zur Definition des Quadrupolmoments Q2,sym

einer rotationssymmetrischen Ladungsverteilung verwendet: Mit r​⇀0 = {0,0,1} er-

47 Vgl. hiezu: W. B. Cheston, Elementary Theory of Electric and Magnetic Fields, Wiley, 1964.

89

Anhang 3 Der elektrische Quadrupoltensor

gibt sich für den Quadrupolanteil in Richtung der c-Achse, der als Quadrupolmoment bezeichnet wird, 1 1 2 2 Q​2,sym​ (c​⇀) = ∫ρ​ d​V​ ⋅ Q​33 = ∫ρ​ d​V​ (3 z​ − r​ ) 2 2

(III-1.178)

Quadrupolmoment einer rotationssymmetrischen Ladungsverteilung (per def.). Ist ρ = const., wie im einfachsten Kernmodell angenommen, dann kann Q2,sym für eine Rotationsellipsoid leicht berechnet werden. Zunächst findet man mit 2 2 2 x​ + y​ = ξ​ und d​V​ = 2 π​ξ​d​ξ​d​z​ 48

∫ (3 z​

2

2

2

2

2

2

2

− r​ )d​V​ = ∫ (2 z​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ − x​ − y​ )d​V​ = ∫ (2 z​ − ξ​ )d​V​ = −ξ​ 2

+ c​

z​ 2 a​√1 − ( ) c​

= ∫ d​z​



− c​

0

(2 z​ 2 − ξ​ 2 )2 π​ξ​d​ξ​ =

8 π​ 2 2 2 a​ c​ (c​ − a​ ) . 15

(III-1.179)

Mit e als Elementarladung und Z als Kernladungszahl gilt für die Ladungsdichte ρ​ =

e​ ⋅ Z​ 3 e​Z​ , = V​ 4 π​a​ 2 c​

(III-1.180)

woraus folgt Q​2,sym​ (c​⇀) =

1 8 π​ 2 2 (c​ 2 − a​ 2 ) 3 2 ⋅ c​ ( c​ − a​ ) = e​ ⋅ Z​ ⋅ e​ ⋅ Z​ a​ = e​ ⋅ Q​ . 2 15 5 4 π​a​ 2 c​

(III-1.181)

Q​2,sym​ (c​⇀) für das Quadrue​ polmoment eines Atomkerns angegeben. Q hat dann die Dimension einer Fläche und wird wie der Kernquerschnitt in barn = 10–24 cm2 angegeben. Die Wechselwirkung des Quadrupolmoments mit dem elektrischen Feld der Hüllelektronen am Kernort modifiziert das Hyperfeinspektrum des Atoms, wodurch Q mit den Methoden der Mikrowellenspektroskopie gemessen werden kann. In den Tabellen der Kernphysik wird immer der Wert Q​ =

48 Für das Rotationsellipsoid mit c als Rotationsachse und a als Nebenachse gilt: z​ c​

2 2

+

ξ​ a​

2

2 2

=1



√1 − (z​ ) . ξ​ = a​ c​

90

1 Elektrostatik

Die Abweichung von der Kugelgestalt der Ladungsverteilung wird durch die c​ − a​ a​ + c​ Elliptizität η beschrieben: η​ = , r​ ̅ = ist dabei der mittlere Radius der r​ ̅ 2 Ladungsverteilung, also mit Gl. (III-1.181)

η​ =

c​ − a​ 2(c​ − a​) 2(c​ 2 − a​ 2 ) 5 Q​ = ⋅ . = = r​ ̅ a​ + c​ (a​ + c​)2 2 Z ​r​ 2̅

(III-1.182)

In der nachfolgenden Tabelle sind die Q- und η-Werte für einige Nuklide (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitt 3.1.1) angeführt: 2 1H 27

13Al

71Lu

175

33 16S 63 29Cu 123 Sb 51

(I = 1) (I = 5/2) (I = 7/2)

Q = 0,00274 barn; η = 9,5 % Q = 0,156 barn; η = 7,4 % Q = 5,9 barn; η = 14,8 %

verlängertes Ellipsoid

(I = 3/2) (I = 3/2) (I = 7/2)

Q = –0,08 barn; η = –2,7 % Q = –0,13 barn; η = –1,6 % Q = –1,2 barn; η = –5,3 %

abgeplattetes Ellipsoid

2 Stationäre elektrische Ströme Einleitung: Wenn ein elektrischer Strom fließt, werden elektrische Ladungen transportiert. Der elektrische Strom ist fast immer mit Wärmeentwicklung im transportierenden Medium und immer mit einem Magnetfeld in der Umgebung der fließenden Ladungen verbunden. Der elektrische Widerstand von Stromleitern entsteht durch Stöße der sich im Feld bewegenden Ladungsträger mit Hindernissen (Wärmebewegung der Atome, Fremdatome, Gitterdefekte usw.). Zweigströme und Zweigspannungen in Schaltkreisen können mit Hilfe der Kirchhoffschen Regeln berechnet werden. Der Leitungsmechanismus hängt vom leitenden Material ab. In Metallen erfolgt die Stromleitung durch Elektronen, in Halbleitern durch Elektronen oder Defektelektronen. In Elektrolyten wandern Ionen im elektrischen Feld; die Faradayschen Gesetze beschreiben die an den Elektroden abgeschiedenen Stoffmengen. In Gasen ist der Stromdurchgang bei kleinen Spannungen unselbstständig, d. h., im Gas müssen von außen Ladungsträger (durch Glühemission, radioaktive Bestrahlung etc.) erzeugt werden. Bei sehr hohen Spannungen wird er dann selbstständig, wenn Ladungsträger durch Stoßionisation im Gas erzeugt werden können. Im Hochvakuum müssen Ladungsträger von außen eingebracht werden, damit ein Strom fließt. Dies geschieht in evakuierten Elektronenröhren durch Glühemission von Elektronen an der Kathode.

2.1 Der elektrische Strom 2.1.1 Der Strom als Ladungstransport Wenn wir an einen elektrischen Leiter eine Spannungsquelle (= „Ladungspumpe“) anschließen oder einen aufgeladenen Kondensator über einen Leiter geeignet entladen, fließen durch den Leiter elektrische Ladungen, deren Menge pro Zeiteinheit durch die angelegte Spannung und den Widerstand bestimmt wird, den der Leiter dem Ladungstransport entgegensetzt. Dass ein „Strom“ fließt, macht sich durch eine Wärmeentwicklung im Leiter (siehe nächster Abschnitt 2.1.2) und ein Magnetfeld in der Umgebung des Leiters (siehe Kapitel „Statische Magnetfelder“) bemerkbar. Für den elektrischen Strom I gilt also

I​ =

d​Q​ d​t​

elektrische Stromstärke

(III-2.1)

92

2 Stationäre elektrische Ströme

mit der Einheit [I​] = 1

1

C = 1 Ampere = 1 A. s

Elektrischer Strom = Transport elektrischer Ladungen durch ein leitendes Medium oder auch Vakuum, falls Ladungen von außen bereitgestellt werden. Der elektrische Strom kann gut mit dem Fließen von Wasser verglichen werden: Die Spannungsquelle stellt als Ladungspumpe ein Potenzialgefälle (entspricht einer Höhendifferenz) für die Ladungen her, die Ladungen fließen wie Wassermoleküle durch das Leitersystem (entspricht einer Rohrleitung, einem Bach- oder Flussbett) in Richtung des Potenzialgefälles (entspricht dem Gefälle); der elektrische Widerstand der Leiter entspricht dem Strömungswiderstand der Rohrleitungen.1 Wir unterscheiden zwischen elektronischen Leitern, bei denen der Strom hauptsächlich durch Elektronen getragen wird (das sind z. B. Metalle und Halbleiter), Ionenleiter, bei denen der Strom überwiegend durch Ionen getragen wird (z. B. in Elektrolyten, das sind Säuren, Laugen und Salzlösungen) und gemischte Leiter bei denen sowohl Elektronen als auch Ionen zum Strom beitragen (z. B. bei Gasentladungen und in Plasmen). Wir definieren als Stromdichte j​⇀einen Vektor in Richtung des Ladungstransports, also in Richtung der Geschwindigkeit υ​⇀der Ladungsträger, sodass für den Gesamtstrom I durch eine beliebige Fläche A im Leiter gilt I​ = ∫j​⇀d​f⇀ ​ = ∫j​n​ d​f​ , A​

(III-2.2)

A​

1 Diese Analogie versagt aber bei energetischen Betrachtungen! Während das strömende Wasser die kinetische Energie zum Antrieb einer Turbine (oder zur Deckung der Reibungsverluste) mit sich führt, ist die kinetische Energie der Elektronen im Leitungsdraht verschwindend gering (siehe Beispiel ‚Energietransport in der Oberleitung‘ in Abschnitt 2.1.4). Die Energie zum Betrieb elektrischer Geräte (z. B. Elektrolokomotiven) wird nicht durch den Leitungsdraht transportiert, sondern strömt im gesamten elektromagnetischen Feld, das den Leiter konzentrisch umgibt, vom Generator zum Verbraucher (den Elektromotoren der Lokomotive). Der Leitungsdraht (die Oberleitung) dient nur zur Bündelung des elektromagnetischen Feldes und damit des Poynting-Vektors S​⇀, der den Energiefluss beschreibt (siehe Kapitel „Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.3 und speziell 5.5.4), in der Umgebung der Leitung hin zum Verbraucher. Der Poynting-Vektor S​⇀weist ja bei einer idealen Leitung (R = 0) in Richtung der Leitung, denn es gilt 1 S​⇀= (E​⇀× B​⇀) = E​⇀× H​⇀mit E​⇀radial zur Leitung und H​⇀zirkular zur Leitung (H​⇀ist die „magnetische μ​0 Erregung“, siehe Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.4.1). Der Energiefluss S​⇀nimmt daher wie H mit 1/r von der Drahtoberfläche ab und strömt also nur in einer engen Röhre rings um den Draht. (vgl. aber Abschnitt 2.1.5, insbesondere Fußnote 14, für den Fall einer Leitung mit Widerstand, bei der S​⇀im Außenraum geneigt zur Leiteroberfläche verläuft, sodass ein Teil des Energieflusses S​⇀in den Leiter eindringt, um dort die Joulesche Wärme bereitzustellen).

2.1 Der elektrische Strom

93

​ pro Zeiteinheit wobei j​n​ d​f​ die Ladungsmenge bedeutet, die das Flächenelement d​f⇀ in Richtung des Normalenvektors e​⇀n​ durchsetzt (Abb. III-2.1).2 beliebige Fläche im Leiter

j

n



A

 j = ρ ⋅ʋ

df

el

ʋ

Abb. III-2.1: Zur Definition der Stromdichte j​⇀.

Wir werden später sehen, dass die Stromdichte als Verursacher eines magnetischen Feldes angesehen werden kann (Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.2.3); die Ladungsdichte ρ (Quelle des elektrischen Feldes E​⇀) und die Stromdichte j​⇀(Verursacher des magnetischen Feldes, beschrieben durch B​⇀) stellen daher zusammen die 4-komponentige Ursache des elektromagnetischen Feldes dar. Zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen transportierter Ladung und Stromdichte betrachten wir n Ladungen q pro Volumeneinheit (Teilchendichte N​ n​ = ), die sich mit der Geschwindigkeit υ​⇀ durch den Querschnitt df bewegen V​ (d​f⇀ ​ = d​f​ ⋅ e​⇀n​).3 Im Zeitintervall Δ t durchströmen die Ladungen das Volumen d​V​ = d​f⇀ ​ ⋅ υ​⇀⋅ Δ t​ .

(III-2.3)

Die Gesamtladung Δ Q in diesem Volumen beträgt Δ Q​ =



n​ ⋅ q​ ⋅ d​f​ ⋅ υ​⇀⋅ Δ t​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Q​ = ρ​el = V​ Ladungsdichte

= ρ​el ⋅ d​V​ ;

(III-2.4)

damit ergibt sich der Strom dI zu d​I​ =

Δ Q​ ​ ⋅ υ​⇀= ρ​el d​fn​ ​ ⋅ υ​ , = n​ ⋅ q​ ⋅ d​f⇀ ​ ⋅ υ​⇀= ρ​el d​f⇀ Δ t​

(III-2.5)

2 Das Strömungsfeld υ​⇀muss nicht homogen sein, man denke an den Strom aus einer kugelförmigen Elektrode. 3 Der betrachtete Querschnitt muss differentiell klein sein, damit υ​⇀über ihn konstant ist.

94

2 Stationäre elektrische Ströme

dabei ist dfn das zu υ​⇀senkrechte Querschnittselement. Damit erhalten wir für den Betrag der Stromdichte j​⇀

|

d​I​ j​⇀| = = ρ​el ⋅ υ​ d​fn​ ​

(III-2.6)

bzw. für den Vektor der Stromdichte, da ja j​⇀per definitionem in die Richtung von υ​⇀weist j​⇀= ρ​el ⋅ υ​⇀= n​ ⋅ q​ ⋅ υ​⇀

elektrische Stromdichte.

(III-2.7)

Die Vektoren j​⇀ergeben von einem Punkt ausgehend aneinandergereiht die Stromlinien der Ladungsbewegung, sie sind mit den elektrischen Feldlinien deckungsgleich.4 In einem stationären Stromsystem kann es an keiner Stelle zu einer Ladungsveränderung (Anhäufung bzw. Entleerung) kommen5, die Stromdichte j​⇀besitzt daher keine Quellen oder Senken und es gilt div j​⇀= 0

(III-2.8)

und damit 1

Die Stromlinien stationärer Ströme sind stets geschlossen.

2.1.2 Wirkung und Richtung des elektrischen Stromes Als Wirkungen des elektrischen Stromes werden beobachtet: 1. Erwärmung: Beim Stromfluss wird der Leiter warm, die Erwärmung ist proportional zum Quadrat des Ladungstransports, indirekt proportional zum Leiterquerschnitt und proportional zur Länge des Leiters.

4 Bei sogenannten linearen Leitern, wie sie in technischen Schaltkreisen verwendet werden, sind die (konstanten) Querschnittsdimensionen der Leiter viel kleiner als ihre Längsausdehnung. Die Stromlinien fallen dann mit den Leitern zusammen, was viele Berechnungen sehr vereinfacht. So braucht z. B. immer nur das außerhalb des Leiters vorhandene Magnetfeld berücksichtigt werden und das Biot-Savartsche Gesetz nimmt die angegebene Gestalt an (siehe Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.2.1, Gl. III-3.52). 5 Auch in den Spannungsquellen (Batterien, galvanische Elemente) kommt es beim Stromfluss zu keiner Ladungsanhäufung – der Strom durchläuft die Quellen unverändert.

2.1 Der elektrische Strom

2. 3.

95

Kraftwirkung: Gleichsinnig durchflossene parallele Leiter ziehen einander an, gegensinnig durchflossene Leiter stoßen einander ab. Magnetismus: Eine Magnetnadel zeigt, dass ein stromdurchflossener Leiter von einem Magnetfeld umgeben ist, dessen geschlossene Feldlinien den Leiter umschlingen.

Die Stromrichtung wird so vereinbart: Wird der Leiter mit der rechten Hand so umfasst, dass die gekrümmten Finger mit ihren Spitzen in Magnetfeldrichtung zeigen, so weist der Daumen in die Stromrichtung.

1

Bei Stromtransport durch Elektronen wird als technische Stromrichtung aus historischen Gründen jene vom höheren (+) zum niedrigeren Potenzial (–) vereinbart, also in Richtung der elektrischen Feldstärke; diese Richtung weist gegen den tatsächlichen Strom der negativen Elektronen. Die Kraftwirkung zwischen stromdurchflossenen Leitern (siehe Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.3.1) wird für die Definition der Stromeinheit, das Ampere, verwendet (nach André-Marie Ampère, 1775–1836): Das Ampere (A) bezeichnet die Stärke des elektrischen Stromes, der durch zwei gerade, dünne, unendlich lange Leiter, die in 1 m Abstand im leeren Raum parallel zueinander angeordnet sind, unveränderlich fließend bewirken würde, dass diese beiden Leiter aufeinander eine Kraft von 2⋅10–7 N je 1 m Länge ausüben.6

2.1.3 Die Kontinuitätsgleichung Wie bei den strömenden Flüssigkeiten (Band I, Kapitel „Mechanik deformierbarer Körper“, Abschnitt 4.3.1) fragen wir: Wie viel Ladung strömt aus einer geschlossenen Oberfläche A mit dem Volumen V (A „Rand“ von V) mit dem Ladungsinhalt Q? Es muss gelten

6 Diese für praktische Zwecke ungeeignete Anordnung wurde von Rayleigh (John William Strutt, dritter Baron Rayleigh, 1842–1919) und anderen dahingehend abgeändert, dass an Stelle der geraden Leiter horizontal liegende, kreisförmige Leiter verwendet wurden: Zwei große Leiterkreise werden fest auf einer Waage montiert und von entgegengesetzt gerichteten Strömen durchflossen. Ein zwischen beiden liegender kleiner Kreisleiter ist am Waagebalken aufgehängt. Durch Messung der exakt berechenbaren Kraft (siehe Biot-Savartsches Elementargesetz in Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.2.1) kann so die Größe des Stromes, der durch die drei Leiter fließt, in der Einheit Ampere ermittelt werden („Rayleighsche Stromwaage“).

1

96

2 Stationäre elektrische Ströme

∂​Q​ ∂​t​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

⇀⇀ =

j​d​f​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ A​ (V​) Strom durch Oberfläche A​ ∮

=−



zeitliche Abnahme der eingeschlossenen Ladungen

∂​ ∫ ρ​el d​V​ . ∂​t​ V​ (A​)

(III-2.9)

Mit dem Gaußschen Integralsatz ∮u​⇀⋅ d​f⇀ ​ = ∫ div u​⇀⋅ d​V​ folgt daraus A​

∂​ρe​ l + div j​⇀= 0 ∂​t​

V​ (A​)

Kontinuitätsgleichung.

(III-2.10)

Das heißt, dass sich die Ladung im Inneren der geschlossenen Oberfläche nur durch Stromfluss durch die Oberfläche ändern kann. Im Rahmen der klassischen Elektrodynamik gilt also7 1

In einem abgeschlossenen System können Ladungen weder erzeugt noch vernichtet werden.

2.1.4 Driftgeschwindigkeit und elektrischer Widerstand Ohne äußeres elektrisches Feld führen die freien Ladungsträger, die Leitungselektronen in einem metallischen Leiter, eine der Temperatur entsprechende ungeordnete thermische Bewegung aus: Der Mittelwert der Impulse aller Ladungsträger ist Null und es gilt für den zeitlichen Mittelwert der Stromdichte mit der Ladungsträgerdichte n​ =

N​ V​ 〈j​⇀〉 = −n​ ⋅ e​ ⋅〈υ​⇀〉 = 0 ,

(III-2.11)

da 〈υ​⇀〉 = 0 ist. Dieses Temperatur-GG wird durch Stöße der Leitungselektronen mit den „festen“ Ionenrümpfen erzielt, wobei für die mittlere Zeit τS zwischen zwei Stößen

7 Kernreaktionen und Prozesse der Elementarteilchen, z. B. die Paarerzeugung und Paarvernichtung von Elektron und Positron (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitte 3.1.5.4.3 und 3.2.1), verlaufen immer so, dass die Gesamtladung im System nicht geändert wird. Es wird allgemein angenommen, dass auch die Gesamtladung im Universum seit dessen Beginn (Urknall) konstant ist.

97

2.1 Der elektrische Strom

τ​S​ =

Λ 〈υ​〉

(III-2.12)

gilt; Λ ist dabei die mittlere freie Weglänge (mittlerer Weg zwischen aufeinanderfolgenden Stößen). Die mittlere Zahl der Stöße pro Zeiteinheit beträgt 1/τS ; im Zeitd​t​ intervall dt ist daher die mittlere Stoßzahl . τ​S​ Bei Anlegen eines elektrischen Feldes, z. B. in x-Richtung, ergibt sich eine Kraftwirkung F​⇀x​ = e​ ⋅ E​⇀x​ auf die Elektronen der Masse me und damit eine Beschleunigung a​x​ =

∂​〈υ​x〉​ F​⇀x​ −e​E​x​ | = = . Durch die Stöße stellt sich aber bald eine ∂​t​ Feld m​e​ m​e​

gleichförmige Driftgeschwindigkeit υD ein und es gilt 8 〈υ​x〉​ −e​Ex​ ​ − =0 m​e​ τ​S​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Feldterm



〈υ​x〉​ = υ​D​ = −

e​τS​ ​ E​x​ . m​e​

(III-2.13)

Stoßterm

Damit ergibt sich für die Stromdichte

j​x​ = −n​ ⋅ e​ ⋅ υ​D​ =

n​ ⋅ e​ 2 ⋅ τ​S​ 1 ⋅ E​x​ = E​x​ = σ​Ex​ ​ , m​e​ ρ​

(III-2.14)

n​ ⋅ e​ 2 ⋅ τ​S​ m​e​

die elektrische Leitfähigkeit

(III-2.15)

wobei

σ​ =

(Einheit: [σ​] = 1

ρ​ =

A −1 = 1 Sm = 1 Siemens​ pro​ Meter​) ist und V⋅m

1 m​e​ = σ​ n​ ⋅ e​ 2 ⋅ τ​S​

der spezifische elektrische Widerstand

8 Die Feldkraft −e​ ⋅ E​x​ erteilt dem e– während der Zeit τS die Geschwindigkeit 〈υ​x​〉 =

(III-2.16)

−e​Ex​​ m​

τ​S​ ; nach

dem erfolgten Stoß ist die erlangte mittlere Geschwindigkeit wieder „vergessen“. Siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.6.1.1, insbesondere Fußnote 88.

98

2 Stationäre elektrische Ströme

(Einheit: [ρ​] = 1

Einige Werte Metalle: Halbleiter: Elektrolyte:

V m = 1 Ω ⋅ m = 1 Ohmmeter). A

für den spezifischen elektrischen Widerstand ρ bei 20° C in Ω m Ag: 1,587⋅10–2; Cu: 1,678⋅10–2; Al: 2,65⋅10–2; Edelstahl: 7,2⋅10–1. Ge: 4,6⋅105; Si: 2,3⋅109. destilliertes Wasser: 1⋅1010; Schwefelsäure (10 %): 2,5⋅104; Kupfersulfatlösung (10 %): 3⋅105; Aluminiumoxid: 1⋅1018. Bernstein: 1⋅1022; Porzellan: 1⋅1018; Polypropylenfolie: 1⋅1011.

Isolatoren:

Im allgemeinen Fall eines räumlich ausgedehnten Leiters gilt in jedem Punkt j​⇀= σ​ ⋅ E​⇀

Ohmsches Gesetz (für die Feldwirkung),

(III-2.17)

wobei die Leitfähigkeit σ in anisotropen Materialien ein symmetrischer Tensor 2. Stufe ist. Beispiel: Energietransport in der Oberleitung (Cu, d = 15 mm) beim Betrieb einer schweren Elektrolokomotive (Leistung P = 6000 kW, Strom J = 400 A). Wir berechnen die kinetische Energie der Leitungselektronen, die pro Sekunde durch den Querschnitt A der Oberleitung fließen: n = Zahl der Cu-Atome/cm3 (jedes Atom gibt ein e– in das Leitungsband ab) ⇒

n​ =

ρ​Cu ρ​Cu 8,96 g /​cm3 23 −1 = = ⋅ 6,022 ⋅ 10 Mol = M​Cu M​Mol​,Cu / ​NA​ ​ 63,5 g / ​Mol​ = 8,499 ⋅ 1022 cm−3

A​ =

d​ 2 π​

=

(1,5 cm)2 π​

4



= 1,77 cm2



4

υ​D​ =

j​ n​ ⋅ e​

j​ =

J​

=

A​

400 A 2

226 A cm−2

=

22

−3

8,499 ⋅ 10 cm ⋅ 1,602 ⋅ 10

= 1,660 ⋅ 10

−4

ms

−19

= 226 A cm−2

1,77 cm

= 1,660 ⋅ 10−2 cm s−1 = As​

−1

Beachte die sehr kleine Driftgeschwindigkeit! In einer Sekunde überstreichen die e– ein Volumen von V​ −2 −1 2 −2 3 −1 = υ​D​ ⋅ A​ = 1,660 ⋅ 10 cm​ s ⋅ 1,77 cm = 2,938 ⋅ 10 cm s ; t​

99

2.1 Der elektrische Strom

In diesem Volumen bewegen sich pro Sekunde

N​ V​ = n​ ⋅ Ladungsträger: t​ t​

N​ 22 −3 −2 3 −1 21 −1 = 8,499 ⋅ 10 cm ⋅ 2,938 ⋅ 10 cm s = 2,497 ⋅ 10 s ; t​ diese transportieren pro Sekunde durch den Querschnitt eine kinetische Energie von 2 (1,660 ⋅ 10−4 ms−1 )2 E​kin​ N​ υ​ D​ 21 −1 −30 = ⋅ m​e​ = 2,497 ⋅ 10 s ⋅ 0,911 ⋅ 10 kg ⋅ = t​ t​ 2 2

= 3,134 ⋅ 10

−17

W​ ,

ein gegen die in den Fahrmotoren freigesetzte Leistung von P​ = 6000 kW​ vernachlässigbar kleiner Wert. Die Energie fließt also nicht mit den Elektronen in der Oberleitung zu den Motoren, sondern über das die Leitung begleitende elektromagnetische Feld. Für die Driftgeschwindigkeit eines Elektrons kann man schreiben (Gl. III-2.13) υ​⇀D​ = −

e​ ⋅ τ​S​ E​⇀= −μ​e​ ⋅ E​⇀, m​e​

(III-2.18)

und damit μ​e​ =

e​ ⋅ τ​S​ σ​ = m​e​ n​e​

als die Elektronenbeweglichkeit

(III-2.19)

bzw. allgemein für Ladungsträger der Ladung q

μ​ =

σ​ n​ ⋅ q​

die Ladungsträgerbeweglichkeit bzw. Beweglichkeit (mobility).

Einheit der Beweglichkeit: [μ​] = 1

(III-2.20)

m2 . V⋅s

Die durch das Ohmsche Gesetz gegebene Beziehung zwischen der Stromdichte und der elektrischen Feldstärke (Gl. III-2.17) ist bei hinreichend kleinen Feldstärken für die meisten Materialien erfüllt; bei großen Feldstärken treten Abweichungen vom ohmschen Leitungsverhalten auf.

100

2 Stationäre elektrische Ströme

Betrachten wir jetzt den Gesamtstrom durch einen beliebig geformten Leiter mit dem Spannungsabfall UR zwischen seinem Anfang und Ende. Für den Spannungsabfall zwischen zwei Punkten eines Leiterkreises gilt auf einem beliebigen Weg durch den Leiter (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.3, Gl. III-1.36) Ende

U​R​ = Φ(Anfang) − Φ(Ende) =



E​⇀d​r⇀​

(III-2.21)

Anfang

und für den Strom durch einen beliebigen Querschnitt A des Leiters (Abschnitt 2.1.1, Gl. III-2.2) ​. I​ = ∫j​⇀d​f⇀ A​

Wir wollen nun das Ohmsche Gesetz für den in der Praxis wichtigen linearen Leiter formulieren. Dieser ist dadurch definiert, dass seine Querdimensionen (Querschnitt A​ (r​⇀)) viel kleiner sind als seine Länge. Die Stromrichtung ist dann durch die Leiterrichtung festgelegt: j​⇀⫽d​r⇀​, wenn d​r⇀das ​ Wegelement längs des Leiters ist bzw. j​⇀⋅ d​f⇀ ​ = j​ ⋅ d​f​, wobei j​⇀über den kleinen Querschnitt A​ (r​⇀) ebenso wie E​⇀konstant ist und immer parallel zum Leiter liegt. Im Fall eines linearen Leiters gilt also I​ = ∫j​⇀d​f⇀ ​ = ∫j​ ⋅ d​f​ = j​∫d​f​ = j​ ⋅ A​ (r​⇀) = const.​ A​

A​



(III-2.22)

A​

j​ (r​⇀) =

I​ . A​ (r​⇀)

(III-2.23)

E​

Setzen wir jetzt in den Ausdruck für U​R​ = ∫E​⇀d​r⇀​ das Ohmsche Gesetz j​⇀= σ​ ⋅ E​⇀ (III-2.17) ein, dann folgt mit j​⇀⫽d​r⇀​ E​

A​

j​ ⋅ d​r​ d​r​ = I​ ⋅ ∫ = I​ ⋅ R​ σ​ (r​⇀) σ​ (r​⇀) ⋅ A​ (r​⇀) A​

U​R​ = ∫

Spannungsabfall am Widerstand R

(III-2.24)

bzw.

I​ =

U​R​ R​

Ohmsches Gesetz für den Spannungsabfall in einem linearen Leiter. 9

(III-2.25)

9 In dieser Form wurde das Gesetz im Jahre 1821 erstmals von Georg Simon Ohm (1789–1854) formuliert.

2.1 Der elektrische Strom

101

Damit es in einem Leiterkreis bzw. –netzwerk überhaupt zu einem stationären Stromfluss kommt, muss an mindestens einer Stelle eine Potenzialdifferenz Ue „eingeprägt“ werden, z. B. durch ein galvanisches Element (Batterie, siehe Abschnitt 2.2.6) oder einen technischen Stromgenerator.10 Diese Potenzialdifferenz liefert die elektrische Feldstärke E​⇀, die den Stromfluss j​⇀= σ​ ⋅ E​⇀ nach dem Ohmschen Gesetz bewirkt. Da auch im Falle eines stationären Stromflusses das Potenzial eindeutig bleibt, also ∮E​⇀d​r⇀= ​ 0 gilt, muss die Summe der Spannungsabfälle in den einzelnen Teilen des Leiterkreises (seinen Widerständen Ri) gleich der Summe der eingeprägten Spannungen sein, also

∑U​ e​i​ = ∑U​ jR​​ = ∑I​j​ R​j​. Ist der Leiteri​

j​

kreis nicht verzweigt, dann ist nur ein Strom I vorhanden und es gilt

∑U​ e​i​ = U​ e​ = I​∑R​j​ = I​ ⋅ R​, also j​

I​ =

U​ e​ R​

Ohmsches Gesetz eines unverzweigten, geschlossenen Leiterkreises. 11

(III-2.26)

Dabei ist R der elektrische Widerstand des Leiters; er hängt von der Geometrie des Leiters und seinem spezifischen Widerstand ρ bzw. seiner Leitfähigkeit σ ab. Für einen homogenen, stabförmigen Leiter mit Länge l​ und dem konstanten Querschnitt A gilt für den Widerstand E​

R​ =

U​ d​r​ l​ ρ​ ⋅ l​ =∫ = = I​ A​ σ​ (r​⇀) ⋅ A​ (r​⇀) σ​ ⋅ A​ A​

ohmscher Widerstand. (III-2.27)

Die Einheit des elektrischen Widerstandes ist [R​] = 1

V = 1 Ω = 1 Ohm.12 A

10 Man muss streng zwischen dem Spannungsabfall UR an einem Widerstand, der eine Folge der für den Stromfluss notwendigen Feldstärke E​⇀ist, und der den Stromfluss auslösenden eingeprägten R​ e​ R​ Spannung Ue unterscheiden! U​ j​ und U​ j​ besitzen entgegengesetztes Vorzeichen, da U​ j​ ein Spane​ R​ e​ nungsabfall ist, U​ j​ jedoch die Spannung im Kreis anhebt; aus rot​E⇀​ = 0 ⇒ ∑U​ j​ − ∑U​ i​ . j​

i​ e​

11 Das Ohmsche Gesetz kann auch mit dem Leitwert G = 1/R als I​ = G​ ⋅ U​ geschrieben werden. A Einheit des Leitwerts [G​] = 1 = 1 S = 1 Siemens. V 12 Der Widerstand von 1 Ω wurde bis 1948 nach einem Vorschlag von W. von Siemens (Ernst Werner von Siemens, 1816–1892, deutscher Ingenieur und Industrieller; er war bahnbrechend für die elektrische Messtechnik) durch einen 106,3 cm langen Hg-Faden von 1 mm2 Querschnitt bei 0° C realisiert. Dies ermöglichte die Kalibrierung von Widerständen in Messbrücken (siehe Abschnitt 2.2.4) ohne Verwendung geeichter Volt- und Amperemeter.

102

2 Stationäre elektrische Ströme

2.1.5 Stromleistung und Joulesche Wärme Mit dem Stromfluss durch einen Leiter, der durch das Anlegen einer Spannung (Anschließen an eine Spannungsquelle = Ladungspumpe = eingeprägte Spannung Ue) hervorgerufen wird, ist ein „Reibungsvorgang“ verbunden, sodass sich trotz der wirkenden Kraft eine konstante Driftgeschwindigkeit einstellt. Für die vom Feld verrichtete Arbeit beim Verschieben einer Ladung q vom Ort 1 mit dem Potenzial Φ1 an den Ort 2 mit dem Potenzial Φ2 gilt (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.3, Gln. (III-1.24), (III-1.28) und (III-1.36)) W​ = q​ ⋅ (Φ1 − Φ2 ) = q​ ⋅ U​ .

(III-2.28)

d​Q​ pro Zeiteinheit d​t​ durch den Leiter fließt, wird die elektrische Leistung P aufgebracht:

Wenn wir die Spannung konstant halten und die Ladungsmenge

P​ =

d​W​ d​Q​ = U​ = U​ ⋅ I​ d​t​ d​t​

elektrische Leistung.

Die Einheit der Leistung ist [P​] = 1 V ⋅ A = 1

(III-2.29)

J = 1 W = 1 Watt​ (nach dem schottis

schen Erfinder James Watt, 1736–1819). Beim Fließen des elektrischen Stromes wird also Arbeit verrichtet, die der Spannungsquelle entnommen wird. Für die Stromarbeit im Zeitintervall Δ t​ = t​2 − t​1 gilt t​2

W = ∫U​ ⋅ I​ ⋅ d​t​ = U​ ⋅ I​ ⋅ Δ t​

(III-2.30)

t​1

mit [W] = 1 J = 1 Ws = 1 Nm.13 Die elektrische Energie zur Überwindung der Reibungskräfte im Leiter wird in Joulesche Wärme umgewandelt, der Leiter wird warm oder heiß, je nachdem ob ein relativ kleiner oder ein großer Strom durch ihn fließt.14 Die zulässige Erwärmung 13 1 kWh = 1000 ⋅ 3600 Ws = 3,6 ⋅ 106 Ws = 3,6 ⋅ 106 Nm = 1,1626 ⋅ 10-3 kcal. 14 Diese Energie wird nicht von den strömenden Elektronen bereitgestellt – ihre kinetische Energie ist viel zu gering (siehe Beispiel ‚Energietransport in der Oberleitung‘ in Abschnitt 2.1.4) –, sondern strömt durch das elektromagnetische Feld außerhalb des Leiters von der Spannungsquelle ausgehend senkrecht zur Leiteroberfläche in jedes Volumenelement des Leiters hinein. Der PoyntingVektor S​⇀= E​⇀× B​⇀ der Energieströmung (siehe Kapitel „Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.5.4) besitzt außerhalb des Leiters eine Komponente senkrecht zu dessen Oberfläche. Im Inneren des Leiters besitzt er im Gegensatz zum Außenraum keine Komponente in Richtung des Leiters, im Leiter wird daher keine Energie längs seiner Achse trans-

2.2 Einfache Schaltkreise

103

des Isolationsmaterials bestimmt den erforderlichen Leiterquerschnitt (in Haushaltsleitungen aus Cu ca. 6 A/mm2). In ohmschen Leitern, in denen das Ohmsche Gesetz U​ = R​ ⋅ I​ gilt, kann man für die Wärmeleistung auch schreiben P​ = U​ ⋅ I​ = R​ ⋅ I​ 2

Joulesches Gesetz

(III-2.31)

(nach James Prescott Joule (sprich „tschul“), 1818–1889). Wird in einem Leiter der Strom konstant gehalten, wird die meiste Leistung dort verbraucht, wo der größte Widerstand vorliegt; wird andererseits die Span2 U​ die verbrauchte nung am Widerstand R konstant gehalten, so steigt wegen P​ = R​ Leistung, wenn der Widerstand sinkt!

2.2 Einfache Schaltkreise 2.2.1 Ohmscher Widerstand und Spannungsteiler Am ohmschen Widerstand (= ohmscher Leiter) gilt das Ohmsche Gesetz (Abschnitt 2.1.4, Gl. III-2.25) U​ = R​ ⋅ I​ bzw. I​ =

U​ : R​

Der Spannungsabfall U entlang des ohmschen Leiters ist dem Strom I proportional; die Stromstärke ist der Spannung an den Enden des Widerstands (Leiters) direkt, seinem Widerstand indirekt proportional.

Wird ein (ohmscher) Leiter der Länge l​ vom Strom I durchflossen, so tritt entlang des Leiters in seinem Inneren ein Potenzialgefälle (= Spannungsabfall) und damit eine elektrische Feldstärke auf, die die „Reibungskraft“ kompensieren muss. Ist

portiert, sondern nur in abnehmender Stärke senkrecht zu ihr von der äußeren Begrenzung bis zur Achse, wo S​⇀= 0 ist wegen B​⇀Achse​ = 0! Im Inneren des Leiters ist ja aufgrund des Ohmschen Gesetzes j​⇀= σ​E⇀​innen​ die elektrische Feldstärke E​⇀innen​ konstant und parallel zur Achse des zylindrisch angenommenen Leiters. B​⇀innen​ liegt auf Kreisen konzentrisch zur Drahtachse und nimmt von dort bis zum Mantel von Null ausgehend proportional zum Kreisradius r zu ⇒ S​⇀innen​ = E​⇀innen​ × B​⇀innen​ ⊥ Drahtachse mit zur Achse fallender Größe. Dieser Vektor S​⇀innen​ der Energieströmung ist proportional zu I2 (sowohl E​⇀ als auch B​⇀ sind ja proportional zu I) und liefert für jedes Volumenelement des Drahtes die dort freigesetzte Joulesche Wärme. (siehe dazu Clemens Schäfer, Einführung in die Theoretische Physik, Band III, 1. Teil, de Gruyter, 1951)

1

104

2 Stationäre elektrische Ströme

der Leiter geradlinig und in x-Richtung orientiert, so gilt für das Potenzialgefälle bis zum Punkt x​ ≤ l​ U​ (x​) = Φ1 (x​ = 0) − Φ2 (x​) = R​ ⋅ I​ ⋅

x​ . l​

(III-2.32)

Damit ergibt sich die Möglichkeit, eine vorgegebene Spannung zu „teilen“: Wir betrachten einen Stromkreis, bestehend aus einer Spannungsquelle U und zwei ohmschen Widerständen R1 und R2 , die durch Drahtleitungen verbunden sind, deren Widerstand vernachlässigbar klein ist (Abb. III-2.2). Im ganzen StromU​ U​ kreis fließe derselbe, konstante Strom I​ = = . R​ R​1 + R​2 Verbindungsdraht, idealer, widerstandsloser Leiter

I R1

U1 = R1⋅I

R2

U2 = R2⋅I

U+ −

Abb. III-2.2: Spannungsteiler.

Die gesamte angelegte Spannung der Spannungsquelle U muss an den beiden Widerständen R1 und R2 abfallen, also R​1 ⋅ I​ + ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ R​2 ⋅ I​ = U​1 + U​2 . U​ = R​ ⋅ I​ = (R​1 + R​2 ) ⋅ I​ = ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = U​1

(III-2.33)

= U​2

Für die beiden Teilspannungen U1 und U2 können wir daher schreiben U​1 = R​1 ⋅ I​ =

R​1 U​ R​1 + R​2

und

U​2 = R​2 ⋅ I​ =

R​2 U​ . R​1 + R​2

(III-2.34)

R​1 des einzelnen Widerstands zum GesamtR​1 + R​2 widerstand, kann z. B. an R1 jede Spannung zwischen 0 (R​1 ≪ R​2) und U (R​1 ≫ R​2) Durch Änderung des Verhältnisses

2.2 Einfache Schaltkreise

105

eingestellt werden. Bei Verwendung eines kontinuierlich einstellbaren Widerstands, z. B. eines Widerstands-Schleifdrahtes (Schleifdrahtpotentiometer) oder eines Regelwiderstands, erhält man einen kontinuierlichen Spannungsteiler (Abb. III-2.3). U (R1 + R2) R1 U1

l1 U1 = __ U l (Schleifdrahtpotentiometer)

l

l1

Schleifdraht

Spannungsmesser Schleifkontakt

U R1, regelbar

R2

Vorwiderstand, begrenzt den maximalen Strom Spannungsmesser (RL) Abb. III-2.3: Schleifdrahtpotentiometer (oben) und Spannungsteiler mit Regelwiderstand (unten).

Damit der Spannungsmesser das Teilerverhältnis wenig stört, muss sein Innenwiderstand möglichst groß sein;15 am besten verhält sich in diesem Sinne ein statisches Voltmeter (Elektrometer, siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.5.1, Fußnote 23).

2.2.2 Aufladung und Entladung eines Kondensators Der Vorgang beim Auf- bzw. Entladen eines Kondensators ist ein nichtstationärer Vorgang in einem nichtgeschlossenen Leiterstromkreis. Mit dem Schließen des Schalters S zum Zeitpunkt t = 0 wird der anfänglich ungeladene Kondensator der Kapazität C über den Vorwiderstand R mit einer Spannungsquelle der Spannung U0 verbunden und es beginnt die Aufladung des Kon-

15 Man spricht dann von einem unbelasteten Spannungsteiler. Ist der Widerstand RL des an R1 angeschlossenen Gerätes (z. B. des Spannungsmessers) gegenüber R1 nicht mehr vernachlässigbar (belasteter Spannungsteiler), dann wird die Spannung an R1 kleiner, da die Parallelschaltung von R1 und RL einen kleineren Widerstand als R1 besitzt.

106

2 Stationäre elektrische Ströme

densators (Abb. III-2.4). Zu diesem Einschaltzeitpunkt t = 0 sind die Ladung und die Spannung am Kondensator Q​ (0) = U​ (0) = 0 und es fließt der Anfangsladestrom I​ (0) =

S

U0

R

U​0 . R​

(III-2.35)

I(t)

C

U(t)

Abb. III-2.4: Nach Schließen des Schalters S wird der Kondensator C über den Vorwiderstand R von der Spannungsquelle U0 aufgeladen.

Die Ladungen fließen also zunächst ungehindert auf den Kondensator und werden dort gespeichert. Mit zunehmender Aufladung Q(t) baut sich am Kondensator eine zur angelegten Spannung entgegengerichtete Spannung UC (t) auf und der Ladestrom wird kleiner. Bei vollständiger Aufladung auf die Spannung U0 kommt der Ladestrom (beim als verlustlos angenommenen Kondensator) zum Erliegen, da am Widerstand kein Spannungsabfall mehr vorhanden ist (⇒ I​ (t​ = ∞​) = 0) und daher die Spannungsquelle keine weiteren Ladungen auf den Kondensator „pumpen“ kann: Durch einen verlustlosen Kondensator wird nach einiger Zeit eine Unterbrechung des Stromkreises hervorgerufen. Für die Zeitabhängigkeit des Stromflusses während des Aufladevorgangs können wir also schreiben (I​0 = I​ (0)) I​ (t​) =

U​0 − U​ (t​) U​0 Q​ (t​) = − . R​ R​ R​ ⋅ C​

(III-2.36)

Der Ladestrom I(t) wird durch die auf den Kondensator fließenden Ladungen bed​Q​ (t​) wirkt, also I​ (t​) = . Damit ergibt sich für die Ladungen auf dem Kondensator d​t​ die inhomogene lineare Differentialgleichung (DG) 1. Ordnung d​Q​ (t​) 1 U​0 + Q​ (t​) = . d​t​ R​ ⋅ C​ R​

(III-2.37)

Die allgemeine Lösung dieser Gleichung hat die Form Q​ = Q​p​ + K​ ⋅ e​

−a​t​

,

(III-2.38)

2.2 Einfache Schaltkreise

wobei Qp eine partikuläre Lösung der inhomogenen DG und K​ ⋅ e​

−a​t​

107

die allgemeine

1 der Koeffizient R​ ⋅ C​ von Q(t) und K eine Konstante, die aus den Anfangsbedingungen bestimmt werden d​Q​ muss. Eine partikuläre Lösung findet man für = 0 im Endzustand bei t = ∞. Da d​t​ gilt Lösung der zugehörigen homogenen DG darstellt. Dabei ist a​ =

U​0 Q​p​ = R​ ⋅ C​ R​



Q​p​ = U​0 ⋅ C​ .

(III-2.39)

In die allgemeine Lösung (Gl. III-2.38) eingesetzt erhalten wir Q​ = U​0 ⋅ C​ + K​ ⋅ e​ −a​t​ .

(III-2.40)

Aus der Anfangsbedingung Q = 0 für t = 0 ergibt sich K​ = −U​0 ⋅ C​ und damit die allgemeine Lösung Q​ (t​) = U​0 ⋅ C​ (1 − e​ −t​ / ​R​ ⋅ C​ ) .

(III-2.41)

Damit wird der Ladestrom zu

I​ (t​) =

d​Q​ U​0 −t​ / ​R​ ⋅ C​ = I​0 e​ −t​ / ​R​ ⋅ C​ = e​ d​t​ ⏟⏟⏟⏟⏟ R​ = I​

(III-2.42)

0

und die Spannung am Kondensator zu

U​C​ (t​) =

Q​ − t​ / ​R​ ⋅ C​ ). = U​0 (1 − e​ C​

(III-2.43)

Im Endzustand (t = ∞) ist daher im Kondensator die Ladungsmenge Q​ = U​0 C​ gespeichert, er ist auf die Spannung U0 der Spannungsquelle aufgeladen und der Ladestrom ist zum Erliegen gekommen (Abb. III-2.5).

108

2 Stationäre elektrische Ströme

12

Ladung QC [μC]

10 8

R = 3000 Ω

6

R = 2000 Ω R = 1000 Ω

4 2 0 0

2

4

6

8

10

12

0

2

4

6

8

10

12

0

2

4

6 Zeit [ms]

8

10

12

12

Ladestrom [mA]

10 8 6 4 2 0 12

Spannung UC [V]

10 8 6 4 2 0

Abb. III-2.5: Aufladung eines Kondensators mit der Kapazität C = 1 μF durch eine Spannungsquelle U = 10 V. Die Bilder zeigen die Ladung QC(t) am Kondensator (oben), den Ladestrom I(t) (Mitte) und die Spannung UC(t) (unten). Der Vorwiderstand R bestimmt die kapazitive Zeitkonstante τC = R ⋅ C: R = 1000 Ω 0 τC = 1 ms; R = 2000 Ω 0 τC = 2 ms; R = 3000 Ω 0 τC = 3 ms.

Man sieht aus Abb. III-2.5: Je kleiner der Zuleitungswiderstand R ist, desto rascher erreicht der Kondensator seinen Endlade- und Endspannungszustand U0, und zwar bei steigender Anfangsstromstärke I(0).

2.2 Einfache Schaltkreise

109

Da der Exponent in der Exponentialfunktion der obigen Formeln dimensionslos sein muss, hat das Produkt R⋅C die Dimension einer Zeit:16 kapazitive Zeitkonstante (capacitive time constant).

τ​C​ = R​ ⋅ C​

(III-2.44)

Nach der Zeit t = τC ist die Ladung am Kondensator auf Q​ (τ​) = U​0 ⋅ C​ (1 − e​ −1 ) = 0,63 U​0 ⋅ C​

(III-2.45)

angewachsen, das entspricht 63 % des endgültigen Wertes. Für die Entladung des Kondensators entfernen wir die Spannungsquelle und schließen den geladenen Kondensator an den Vorwiderstand R an. Dann gilt für den Entladestrom durch die (abnehmende) Spannung des aufgeladenen Kondensators in die Gegenrichtung des Ladestromes I​ (t​) =

U​ (t​) Q​ (t​) d​Q​ =− =− , d​t​ R​ R​ ⋅ C​

(III-2.46)

also d​Q​ 1 + Q​ (t​) = 0 . d​t​ R​ ⋅ C​

(III-2.47)

Die Lösung dieser homogenen DG (siehe die obige Berechnung für die Aufladung des Kondensators, die zur allgemeinen Lösung Gl. (III-2.41) führt) ergibt die zeitliche Abnahme der Ladungen auf dem Kondensator: Q​ (t​) = U​0 C​ ⋅ e​ −t​ / ​R​ ⋅ C​ .

(III-2.48)

Eingesetzt, erhalten wir für den Entladestrom I und die Spannung UC d​Q​ (t​) U​0 ⋅ C​ ⋅ e​ I​ (t​) = = d​t​ R​C​



t​ R​C​

t​

=

− U​0 ⋅ e​ R​C​ R​

(III-2.49)

t​

U​C​ (t​) =

− Q​ = U​0 ⋅ e​ R​C​ . C​

16 [R] = 1 Ω = 1 V/A; [C] = 1 F = 1 C/V = 1 A ⋅ s/V



[R ⋅ C] = s.

(III-2.50)

110

2 Stationäre elektrische Ströme

2.2.3 Die Kirchhoffschen Regeln Aus der Kontinuitätsgleichung (Abschnitt 2.1.3, Gl. III-2.10) folgt die 1. Kirchhoffsche Regel, die Knotenregel, die an Verzweigungspunkten elektrischer Leitungen gilt: 1

Am Verzweigungspunkt mehrerer Leiter ist die Summe der zufließenden (I > 0) gleich der Summe der abfließenden Ströme (I < 0): (∑I​k​ ) k​

= 0.

Knoten

Da wegen der Eindeutigkeit des elektrischen Potenzials der gesamte Spannungsabfall in einer geschlossenen Leiterschleife Null sein muss (Anfangs- und Endpunkt sind ja identisch und daher dort das Potenzial gleich), gilt in geschlossenen Leiterschleifen die 2. Kirchhoffsche Regel, die Schleifenregel: 1

In einem geschlossenen Stromkreis ist die algebraische Summe der Spannungen aus Quellen Uk gleich der algebraischen Summe der Spannungsabfälle R​l​ ⋅ I​l​ : (∑U​k​ − k​

∑R​l​ I​l​ ) l​

= 0.

Schleife

Der Umlaufsinn in einer Schleife und die Stromrichtungen können beliebig gewählt werden. Stimmt die angenommene Stromrichtung mit dem Umlaufsinn überein, dann ist R​l​ ⋅ I​l​ positiv zu zählen; wird eine Spannungsquelle von + nach – durchlaufen, dann ist sie positiv einzusetzen. Ergibt sich in der Rechnung ein Stromwert negativ, dann fließt er entgegengesetzt zur angenommenen Richtung. Beispiel: Gegeben sei die nachfolgende Schaltung mit den zwei Spannungsquellen U1 und U2 und den drei Widerständen R1, R2, R3. I1

U1 + −

I2 U2 − +

A I3

R1

R2

R3

I3 I1

B

I2

1. Kirchhoffsche Regel Knoten A: I​2 + I​3 = I​1 (Gleichung 1) Knoten B: I​1 = I​2 + I​3; 2. Kirchhoffsche Regel linke Schleife: −U​1 + R​1 I​1 + R​2 I​3 = 0 (Gleichung 2) rechte Schleife: −U​2 − R​2 I​3 + R​3 I​2 = 0 (Gleichung 3).

111

2.2 Einfache Schaltkreise

Wir erhalten 3 Gleichungen für die 3 unbekannten Ströme I1, I2, I3 . Gleichung 1 in Gleichung 2 eingesetzt ergibt −U​1 + R​1 (I​2 + I​3 ) + R​2 I​3 = 0



I​2 =

U​1 R​2 − I​3 − I​3 . R​1 R​1

In Gleichung 3 eingesetzt erhalten wir U​1 R​2 R​3 R​3 − R​3 I​3 − I​3 = 0 −U​2 − R​2 I​3 + R​1 R​1 ⇒

−U​2 R​1 + U​1 R​3 = I​3 (R​1 R​2 + R​1 R​3 + R​2 R​3 )



I​3 =

R​3 U​1 − R​1 U​2 . R​1 R​2 + R​1 R​3 + R​2 R​3

I2 ergibt sich dann aus Gleichung 3: I​2 = −

U​2 R​2 + I​3 und anschließend I1 aus R​3 R​3

Gleichung 1. Wir sehen also: Ist R3U1 > R1U2, dann fließt der Strom I3 in der angenommenen Richtung, also vom Knoten B zum Knoten A, andernfalls wird I3 negativ und I3 fließt vom Knoten A zum Knoten B.

2.2.4 Serien- und Parallelschaltung von Widerständen, Widerstandsvergleich in der Wheatstone Brücke Sind in einer Schaltung mehrere Widerstände hintereinander geschaltet und werden so vom selben Strom durchflossen, so spricht man von einer Serienschaltung (Abb. III-2.6). U1 = I⋅R1

U2 = I⋅R2

R1

R2

Schleifenregel: −U0 + I⋅R1 + I⋅R2 = 0 U0 = I⋅R1 + I⋅R2 = I(R1 + R2) = Rk = I⋅Rges

= I⋅ I + I

k

− U0

Abb. III-2.6: Serienschaltung zweier ohmscher Widerstände.

In diesem Fall addieren sich die Widerstände Ri zum Gesamtwiderstand R​ges​ = ∑R​k​ .

(III-2.51)

k​

Werden dagegen mehrere Widerstände parallel zueinander geschaltet, spricht man von Parallelschaltung (Abb. III-2.7).

112

2 Stationäre elektrische Ströme

I0

I2 U0 U0 ___ U I0 = ____ = I1 + I2 = ___ + 0 = R ges R1 R2

I1 U0

R1

R2

⎛1 1⎞ = U0 ⎜__ + __ ⎟ = U0 R R 2⎠ ⎝ 1

I1 I0

k

1 __ Rk

I2

Abb. III-2.7: Parallelschaltung zweier ohmscher Widerstände.

Bei der Parallelschaltung addieren sich die Kehrwerte der Widerstände (= Leitwerte) zum Kehrwert des Gesamtwiderstands (= Gesamtleitwert): 1 1 =∑ . R​ges​ R​ k​ k​

(III-2.52)

Die Wheatstone 17 Brücke (1845) Ein bequemes Verfahren zur Bestimmung von Widerständen ist der Vergleich mit bekannten Eichwiderständen in der Wheatstone Brücke (Abb. III-2.8): U0

R1

I0

R2

C

I1 A

I0 I1

I I2

R3

R4

I2

B

D Abb. III-2.8: Die Wheatstonesche Brückenschaltung zur Messung eines unbekannten Widerstandes.

Die „Brücke“, bestehend aus den vier Widerständen R1, R2, R3, R4 an der Spannungsquelle U0, ist dann abgeglichen, wenn zwischen den Knoten C und D kein Strom fließt, die Punkte C und D also auf gleichem Potenzial liegen. Dann gilt:

17 Nach Sir Charles Wheatstone (1802–1875), vielseitiger englischer Physiker (Akustik, Optik, Telegraphie). Die Brücke zur Bestimmung unbekannter Widerstände geht eigentlich auf eine Erfindung von Samuel Hunter Christie (1784–1865) im Jahre 1833 zurück.

2.2 Einfache Schaltkreise

113

In der linken Schleife − R​1 I​1 + R​3 I​2 = 0



R​1 I​1 = R​3 I​2 ;

(III-2.53)



R​2 I​1 = R​4 I​2 .

(III-2.54)

in der rechten Schleife − R​2 I​1 + R​4 I​2 = 0 Damit wird R​1 I​2 R​2 = = R​3 I​1 R​4

(III-2.55)

oder R​1 R​3 = . R​2 R​4

(III-2.56)

Im abgeglichenen Brückenzustand kann also ein Widerstand aus den drei bekannten anderen bestimmt werden. Durch die hohe Genauigkeit und den extrem hohen Innenwiderstand heutiger Spannungsmesser (Digitalvoltmeter) und der hohen Konstanz von Strömen aus („stromkonstanten“) Spannungsquellen können Widerstände auch direkt aus dem Spannungsabfall U = R⋅I berechnet werden: Sowohl der Spannungsabfall U als auch der Strom I durch den Widerstand (durch Spannungsmessung an einem in Serie geschalteten hochgenauen „Normalwiderstand“) werden durch eine Spannungsmessung bestimmt.

2.2.5 Schaltung von Strom- und Spannungsmessern Strommesser (= Amperemeter, ammeter) werden direkt in den Leiterkreis geschaltet, um den durch ihn fließenden Strom zu bestimmen. Es ist klar, dass der Widerstand, den der Strommesser in der Leitung darstellt (Innenwiderstand Ri des Strommessers), klein gegen die anderen, den Strom bestimmenden Widerstände sein muss, damit der zu messende Strom nicht durch die Messung gestört wird. Strommesser (Amperemeter) haben daher einen kleinen Innenwiderstand Ri ; sie werden direkt in den Leiter geschaltet, durch den der Strom gemessen werden soll. Spannungsmesser (= Voltmeter, voltmeter) müssen parallel zu dem Leiterabschnitt geschaltet werden, an dem die Potenzialdifferenz gemessen werden soll. Daraus

1

114

2 Stationäre elektrische Ströme

folgt, dass der Innenwiderstand Ri eines Spannungsmessers groß sein muss gegen die anderen Widerstände der Schaltung. 1

Spannungsmesser (Voltmeter) haben einen großen Innenwiderstand Ri. Sie werden parallel zu dem Widerstand („Verbraucher“) geschaltet, an dem der Spannungsabfall gemessen werden soll.

2.2.6 „Eingeprägte Kraft“: EMK und EKL; Innenwiderstand von Spannungsquellen Eine Spannungsquelle stellt eine „Ladungspumpe“ dar, die in jedem Zeitintervall dt die Ladungsmenge dQ auf ein hinreichend hohes Potenzial hebt und somit durch jeden Querschnitt der Leiterschleife transportiert. Diese Ladungsmenge tritt dann am Pol der Spannungsquelle mit dem niedrigeren Potenzial (–), der Kathode, wieder ein und verlässt sie am anderen Pol (+), der Anode. Die Spannungsquelle verrichtet daher an den Ladungen Arbeit, um sie zu verschieben. Die von der Spannungsquelle gelieferte Potenzialerhöhung U0 wird als eingeprägte elektromotorische Kraft (EMK) bezeichnet, da die erforderliche Energie von Quellen außerhalb des Stromkreises stammt (chemische Energie, unterschiedliches Ferminiveau etc.). Wird in der Spannungsquelle durch interne (z. B. chemische) Vorgänge an der Ladungsmenge dQ die Arbeit dW verrichtet, dann gilt für die aufgebaute EMK:

d​W​ = U​0 = E​M​K​ d​Q​

elektromotorische Kraft (EMK, Quellenspannung, electromotive force).

(III-2.57)

Eine ideale Spannungsquelle arbeitet verlustfrei und reversibel. Sie besitzt daher keinen inneren Widerstand, an dem bei Stromfluss Joulesche Wärme entwickelt würde, also Energie verloren ginge. In einer realen Spannungsquelle wirkt immer ein (wenn auch sehr kleiner) innerer Widerstand Ri gegen den inneren Ladungstransport. Wird der Spannungsquelle kein Strom entnommen, z. B. bei einer Messung mit einem idealen Spannungsmesser mit Ri = ∞, so weist diese unbelastete Spannungsquelle die Spannung U0 = EMK auf. Wird aber ein Strom I über einen Außenwiderstand Ra entnommen, so sinkt die Spannung durch den entstehenden Spannungsabfall I​ ⋅ R​i​ am inneren Widerstand Ri von U0 auf U​ = U​0 − I​ ⋅ R​i​ : U​ = U​0 − I​ ⋅ R​i​ = E​M​K​ − = E​M​K​

E​M​K​ R​i​ )= ⋅ R​i​ = E​M​K ​ (1 − R​i​ + R​a​ R​i​ + R​a​

R​a​ = E​K​L​ < E​M​K​ . R​i​ + R​a​

(III-2.58)

115

2.2 Einfache Schaltkreise

EKL ist die Klemmenspannung (terminal voltage), die mit zunehmender Belastung der Spannungsquelle (steigender Strom I bzw. sinkender Lastwiderstand Ra) sinkt. Als maximaler Strom aus einer Spannungsquelle ergibt sich so für EKL = 0 (Ra = 0) aus U​0 = E​M​K​ = I​max​ ⋅ R​i​ I​max​ =

E​M​K​ R​i​

Kurzschlussstrom einer Spannungsquelle (Ra​ = 0).

(III-2.59)

Beispiel: Kurzschluss- und Starterstrom beim Bleiakkumulator im PKW. Ein Bleiakkumulator für einen PKW besitzt bei einer EMK = 12 V einen Innenwiderstand Ri = 0,01 Ω. Im Falle eines Kurzschlusses (Ra = 0) würden also kurzfristig I​max​ =

12 V = 1200 A fließen! Dieser Strom würde die Platten des Akkus 0,01 Ω

sehr schnell schädigen (Aufplatzen der Plattenoberfläche). Bei der üblichen Ladekapazität von Q​ = 60 Ah​ = 2,16 ⋅ 105 As​ könnte dieser Strom theoretisch 2,16 ⋅ 105 As Q​ = t​ = = 180 s lang fließen und dabei in der Batterie eine LeisI​max​ 1200 A tung von P​max​ = I​ 2max​ ⋅ R​i​ = (1200)2 ⋅ 0,01 Ω = 14 400 W = 14,4 kW entwickeln. In den 180 s würde eine Arbeit von W​ = P​max​ ⋅ t​ = 14 400 W ⋅ 180 s = 2,592 ⋅ 106 J verrichtet werden, die vollständig zur Erwärmung der Batterie verbraucht würde; in 1 s würden sich 4 kg Pb um ca. 28 K erwärmen (mit cp,Pb = 129,3 Jkg–1K–1). Der Startermotor eines PKW besitzt eine Leistung von P​St​ = U​St​ ⋅ I​St​ = 1 kW = 735 W. Das Starterkabel aus Cu besitzt einen so großen Quer1,36 schnitt, dass sein Widerstand gegenüber Ri vernachlässigt werden kann; dann ist U​St​ = E​M​K​ − R​i​ I​St​ 1 PS =



P​St​ = (E​M​K​ − R​i​ I​St​ ) ⋅ I​St​



I​St​ =



2

I​ St​ −

E​M​K​ P​St​ I​St​ + =0 R​i​ R​i​

2 E​M​K​ 12 735 E​ M​K​ 2 P​St​ 12 ) − ) − − √( = − √( = 64,7A. 2 R​i​ 2 R​i​ R​i​ 2 ⋅ 0,01 2 ⋅ 0,01 0,01

Dieser Starterstrom lässt die Spannung an den Batteriepolen auf E​K​L​ = U​St​ = 12 − 64,7⋅0,01 = 11,35 V abfallen. In der Batterie wird jetzt nur mehr die 2 2 Leistung P​Batt​ = I​ St​ ⋅ R​i​ = (64,7A) ⋅ 0,01 Ω = 41,9 W in Wärme umgewandelt. Würde das Starterkabel einen Widerstand RKabel = Ri besitzen, dann würde die Starterspannung auf U​St​ = E​M​K​ − (R​i​ + R​Kabel​ ) ⋅ I​St​ = E​M​K​ − 2 R​i​ ⋅ I​St​ abfallen. Um die gleiche Motorleistung zu erhalten, muss jetzt der Starterstrom ISt ansteigen und zwar ergibt die obige Formel für ISt (Ri ist durch Ri + RKabel zu ersetzen)

116

2 Stationäre elektrische Ströme

jetzt den Wert I​St​ = 69,2 A. Die großen Querschnitte der Starterkabel finden in diesen Beziehungen ihre Begründung. (Widerstand eines 2 m langen Kabels von −6 60 mm2 Querschnitt aus Cu, ρ​Cu​ = 1,555 ⋅ 10 Ω cm : 200 cm l​ −4 R​Kabel​ = ρ​Cu​ = 1,55 ⋅ 10−6 Ω cm ⋅ = 5,17 ⋅ 10 Ω ≪ R​i​ ). 2 0,6 cm F​ Die EMK einer Spannungsquelle kann mit der Poggendorfschen Kompensationsmethode (nach Johann Christian Poggendorff, 1796–1877) gemessen werden, da bei diesem Verfahren nach geeigneter Verschiebung des Schleifers C durch die Quelle Ux kein Strom fließt (Abb. III-2.9). Die beiden Widerstände AC und CB stellen einen unbelasteten Spannungsteiler für UHilf dar. I Ux + − I=0 IDraht A

B

C

+ − UHilf = EMKHilf − IDraht⋅Ri = const. Abb. III-2.9: Poggendorfsche Kompensationsschaltung zur (unbelasteten) Messung der EMK einer unbekannten Spannungsquelle Ux.

In Abb. III-2.9 ist ein Widerstandsdraht mit Schleifkontakt blau gezeichnet. Zunächst wird die unbekannte Spannungsquelle Ux in den oberen Zweig gesetzt. Wenn der Strommesser im oberen Zweig stromlos ist (unbelastete unbekannte Spannungsquelle Ux), stehe der Schleifkontakt gerade bei der Position C: U​x​ =

A​C​ ⋅ U​Hilf . A​B​

(III-2.60)

Jetzt wird die unbekannte Spannungsquelle durch eine bekannte Referenzquelle mit der EMK = URef ersetzt;18 es ergibt sich eine andere Position des Schleifdrahts C*: 18 Heute wird das Westonelement (= Hg-Cd-Element) mit U0 = 1,01830 V bei 20° C als Referenzquelle verwendet, da es einen sehr kleinen Temperaturkoeffizienten von U0 besitzt: d​U0​ −1 = −0,0000406 VK bei 20° C. d​T​

2.2 Einfache Schaltkreise

U​Ref​ =

A​C​ ∗ ⋅ U​Hilf . A​B​

117 (III-2.61)

Der Vergleich zeigt U​x​ A​C​ = U​Ref​ A​C​ ∗ ⇒

U​x​ =

A​C​ A​C​ ∗

(III-2.62)

⋅ U​Ref​ .19

(III-2.63)

Die Bedingung für einen möglichen Abgleich zur Stromlosigkeit im Strommesser ist, dass UHilf > Ux und URef ist, was durch Serienschaltung mehrerer Hilfsquellen stets erreicht werden kann. Nach der so bestimmten EMK = Ux der unbekannten Zelle kann ihr Innenwiderstand Ri durch eine Strommessung (I) der mit einem Vorwiderstand RV belasteten Zelle ermittelt werden: I​ =

E​M​K​ R​V​ + R​i​



R​i​ =

E​M​K​ − R​V​ . I​

(III-2.64)

Dabei kann auch festgestellt werden, ob der Innenwiderstand Ri von der Stromentnahme I abhängt. „Eingeprägte“ elektromotorische Kräfte („Ladungspumpen“) haben i. Allg. nichtelektrische Ursachen: Bei Stellen unterschiedlicher Konzentration eines Elektrolyten kommt die Energie aus der Differenz in der freien Energie (siehe Band II, Kapitel „Physik der Wärme“, Abschnitt 1.3.2.2.3), bei einem galvanischen Element 20 sind chemische Vorgänge die Ursache, bei einem Thermoelement 21 kommt

19 Durch dieses Verfahren wird die Spannung UHilf der belasteten Hilfsquelle zwischen A und B, die zwar konstant, aber nicht genau bekannt sein muss, eliminiert. 20 Ein galvanisches Element (nach dem italienischen Arzt Luigi Galvani (1737–1798), der den Stromfluss durch einen mit verschiedenen Metallen berührten Froschschenkel durch die Beobachtung von Muskelzuckungen entdeckte) ist eine Kombination von zwei unterschiedlichen Elektroden und einem Elektrolyten zur Umwandlung von chemischer in elektrische Energie; es dient als Spannungsquelle für Gleichspannungen (wegen des konstanten Spannungswertes wird z. B. für Eichzwecke das Westonelement verwendet: Hg, Cd als Anode und Kathode, CdSO4 in H2O als Elektrolyt. EMK = 1,01830 V bei 20° C). Während die galvanischen Elemente ihre chemischen Substanzen beim Stromdurchgang unwiederbringlich verbrauchen, sind die sekundären Elemente wiederaufladbar; sie dienen als Energiespeicher für elektromotorische Antriebe, bekanntestes Beispiel ist der Bleiakkumulator. 21 Ein Thermoelement besteht aus zwei verschiedenen Metallen oder Halbleitern, die über zwei Verbindungen „Lötstellen“ einen inhomogenen Leiterkreis bilden. Wird dieser in einem der beiden homogenen Teile aufgetrennt, dann misst man zwischen diesen beiden Trennstellen eine Span-

118

2 Stationäre elektrische Ströme

die Energie aus den Wärmereservoiren, die die Temperaturdifferenz der Lötstellen aufrechterhalten. Wird die Spannungsquelle an einen Verbraucher angelegt, sodass ein Strom fließt, so führt das zu einer Wärmeentwicklung durch Joulesche Wärme (siehe Abschnitt 2.1.5). Das heißt also: Durch die EMK wird ein stationäres elektrisches Feld erzeugt, durch das eine nichtelektrische Energie in Wärme, also auch eine nichtelektrische Energieform, umgewandelt wird.

2.3 Mechanismen der Stromleitung 2.3.1 Festkörper: Leiter und Halbleiter In einem vereinfachten Bild der metallischen Leitfähigkeit gibt jedes Atom des Metallkristalls ein bis zwei der äußersten Elektronen (Valenzelektronen) an den gesamten Kristall ab. Diese sind also an keinen bestimmten Ort gebunden und können daher bei Anlegen eines elektrischen Feldes verschoben werden; sie stellen den elektrischen Strom durch den Leiter dar. Infolge von Stößen, vor allem mit Gitterdefekten und den Gitterschwingungen (Phononen) des Kristalls, tritt durch eine „Reibungskraft“ der elektrische Widerstand, auf, sodass eine statistisch gleichförmige Bewegung der Leitungselektronen erfolgt und ein Gleichstrom fließt; dann gilt das Ohmsche Gesetz (siehe Abschnitt 2.1.4). Für die genauere Darstellung siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.6.1.1. Bei sehr niederen Temperaturen, im Grenzwert T/ T0 = 0, wird der Widerstand nur durch die Gitterdefekte bestimmt, da die Gitterschwingungen „einfrieren“ und daher sein Phononenanteil ρPh verschwindet; man spricht dann vom Restwiderstand ρ0. Wenn das elastische Schwingungsspektrum des Kristalls als von den Gitterdefekten unabhängig angesehen werden kann, sind auch die beiden Beiträge zum elektrischen Widerstand voneinander unabhängig und es gilt die Matthiessensche Regel ρ​T​ (T​) = ρ​Ph​ (T​) + ρ​0

Matthiessensche Regel

(III-2.65)

(nach Augustus Matthiessen, 1831–1870).

nung (Thermospannung) falls sich die beiden Verbindungsstellen der beiden Leiter („Lötstellen“) auf verschiedener Temperatur befinden. Der Grund dafür ist die Temperaturabhängigkeit des Kontaktpotenzials an den beiden „Lötstellen“. Thermoelemente werden sehr häufig zur Temperaturmessung verwendet und dienen als Sicherheitsschalter bei offenen Flammen (Gasherd, Durchlauferhitzer). Bei Verwendung halbleitender Materialien finden sie auch als thermoelektrische Generatoren Verwendung.

2.3 Mechanismen der Stromleitung

119

Für die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstandes findet man für Temperaturen oberhalb der Debye-Temperatur θ (siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.3.4)22 2

ρ​T​ (T​) = ρ​0 (1 + α​T​ + β​T​ ) ,

(III-2.66)

wobei der quadratische Term eine meist vernachlässigbare Korrektur darstellt, die erst bei sehr hohen Temperaturen wichtig wird (β​T​ ≪ α​). Bei Metallen ist der Temperaturkoeffizient α > 0, für Kohlenstoff und intrinsische Halbleiter (siehe weiter unten und Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.6.2.7) gilt α < 0.

Supraleitung Kamerlingh Onnes23 entdeckte 1911 bei Experimenten an Quecksilber mit flüssigem Helium, dass bei der sogenannten Sprungtemperatur Tc (T​c​ (Hg​) = 4,15 K) der elektrische Widerstand schlagartig verschwindet. Für die meisten Metalle und Legierungen liegt diese Temperatur im Bereich von 2–30 K. 1986 entdeckten Müller und Bednorz,24 dass in speziellen Oxidkeramiken Supraleitung bei verhältnismäßig hohen Sprungtemperaturen von Tc = 80 K und höher eintritt. Während die „klassische Supraleitung“ in Metallen und Legierungen durch die „BCS-Theorie“ 25 erklärt werden kann, ist das Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung (high temperature superconduction, „High-Tc) in den komplexen keramischen Werkstoffen noch weitgehend unverstanden.

5

T​ 22 Im Bereich sehr niedriger Temperaturen (T ≪ θ) nimmt ρPh sehr rasch mit T ab: ρ​Ph​ ∝ ( ) . θ​ 23 Heike Kamerlingh Onnes, 1853–1926. Für seine Untersuchungen über die Eigenschaften der Materie bei tiefen Temperaturen, die unter anderem zur Erzeugung von flüssigem Helium führten, erhielt er 1913 den Nobelpreis für Physik. 24 Karl Alexander Müller, geb. 1927 und Johannes Georg Bednorz, geb. 1950. Für ihren wichtigen Durchbruch in der Entdeckung der Supraleitfähigkeit keramischer Materialien erhielten Bednorz und Müller 1987 den Nobelpreis für Physik. 25 Nach John Bardeen (1908–1991), Leon Neil Cooper (geb. 1930) und John Robert Schrieffer (geb. 1931). Für ihre gemeinsam entwickelte Theorie der Supraleitung, die „BCS-Theorie“ erhielten Bardeen, Cooper und Schrieffer 1972 den Nobelpreis für Physik. Die BCS-Theorie erklärt die Supraleitung als kollektives Phänomen der Leitungselektronen: Durch die WW der Leitungselektronen mit den Phononen des Gitters kommt es zu einer sehr schwachen, paarweisen Anziehung zwischen e– und damit zur Bildung von Cooper-Paaren mit insgesamt ganzzahligem Spin, die als Bosonen nicht mehr der Fermi-Statistik (siehe Band VI, Kapitel „Statistische Physik“, Abschnitt 1.4.4) und damit dem Pauli-Verbot unterliegen (siehe Band VI, Kapitel „Statistische Physik“, Abschnitt 1.4.1), sondern in unbeschränkter Zahl den Grundzustand besetzen können (Bose-Statistik).

120

2 Stationäre elektrische Ströme

Halbleiter In intrinsischen Halbleitern (= Eigenhalbleiter ohne eingebaute Fremdatome) stehen bei tiefen Temperaturen fast keine Ladungsträger für die Stromleitung zur Verfügung, das Leitungsband (siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.6.2.7) ist unbesetzt. Mit zunehmender Temperatur werden Ladungsträger (Elektronen) thermisch aktiviert in das Leitungsband gehoben (ΔE: „Energielücke“ = „verbotene Zone“ = energy gap) und die Leitfähigkeit steigt. Es wird gemäß der Boltzmann-Statistik eine exponentielle Abhängigkeit der Ladungsträgerkonzentration n von der Temperatur beobachtet: n​ (T​) = n​0 e​ −Δ E​ / ​k​T​

intrinsische Leitfähigkeit (= Eigenleitung) .

(III-2.67)

Eigenhalbleiter weisen also einen negativen Temperaturkoeffizienten des elektrischen Widerstandes auf (α < 0). Durch Einbringen von Fremdatomen mit kleinerem ΔE in das Kristallgitter wird die Ladungsträgerkonzentration bei Raumtemperatur gegenüber der Eigenleitung wesentlich erhöht (Störstellenleitung, siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.6.2.7).

2.3.2 Leitungsmechanismen in Flüssigkeiten (Elektrolyse); Faraday-Gesetze In einer Flüssigkeit können sich geladene Teilchen (i. Allg. Ionen26) im elektrischen Feld bewegen. Löst man Salze27, Säuren oder Basen in Wasser, so spaltet sich das gelöste Aggregat in die ionischen Bestandteile auf (elektrolytische Dissoziation)28, da der Energiegewinn durch Anlagerung der Ionen an die H2O-Dipolmoleküle größer ist, als die zur Aufspaltung notwendige Dissoziationsenergie. Die entstandene Lösung geladener Partikel, der Ionen, wird als Elektrolyt bezeichnet (Abb. III-2.10). Im elektrischen Feld wandern die Ionen eines Elektrolyten zu den jeweils entgegengesetzt geladenen Elektroden und setzen sich dort unter Ladungsabgabe ab; der Stromtransport mittels Ionen ist daher immer ein messbarer Massentransport. Ist M​I​ = N​ ⋅ m​I​ die Gesamtmasse von N transportierten Ionen der Masse mI und

26 Nach gr. ιων bzw. ιον = gehend, das Wandernde. 27 Salze sind chemische Stoffe, die aus positiven und negativen Ionen zusammengesetzt sind. Anorganische Salze sind Ionenkristalle (siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.1.3.1), die meist aus einem positiven Metallion und dem negativen Ion eines Nichtmetalls (z. B. Halogen) gebildet werden. (Das Salz ist ein einziges, riesiges „Molekül“). 28 Nach lat. dissociare = trennen.

121

2.3 Mechanismen der Stromleitung

Q​ = N​ ⋅ z​ ⋅ e​ die transportierte Gesamtladung der N Ionen mit der Ladung z⋅e, so gilt für die in der Zeit t transportierte Gesamtmasse M

M​I​ =

Q​ I​ ⋅ t​ ⋅ m​I​ = ⋅ m​I​ = C​F​ ⋅ I​ ⋅ t​ z​ ⋅ e​ z​ ⋅ e​

1. Faradaysches Gesetz.

(III-2.68)

Die an einer Elektrode abgeschiedene Stoffmenge ist der durch den Elektrolyten hindurchgegangenen Elektrizitätsmenge (= Stromstärke mal Stromdauer) proportional.

Anode

Kathode

+



− +

Anion

Kation

Elektrolyt

Abb. III-2.10: In einem Elektrolyt sind gelöste Molekülaggregate in ihre ionischen Bestandteile (Kationen und Anionen) aufgespaltet. Anionen (negativ) wandern zur Anode, Kationen (positiv) wandern zur Kathode.

C​F​ =

m​ ist das elektrochemische Äquivalent; es gibt die Masse an, die von der z​ ⋅ e​

Ladung 1 [I​ ⋅ t​] = 1 A ⋅ s = 1 C an einer Elektrode abgeschieden wird. Umgeschrieben erhalten wir das 2. Faradaysche Gesetz:

= M​m​

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ N​A​ ⋅ m​ m​ C​F​ = = z​ ⋅ e​ N​A​ ⋅ z​ ⋅ e​

⏟ = N​A​ ⋅e​ = F​

M​m​ z​ ⋅ F​

2. Faradaysches Gesetz.

(III-2.69)

Mm ist die molare Masse, das Molekulargewicht der Ionen, Mm /z ist das Äquivalentgewicht, NA = (6,02214078 ± 0,00000018)⋅1023 mol−1 die Avogadrozahl.

1

122 1

2 Stationäre elektrische Ströme

Die durch die gleiche Elektrizitätsmenge in verschiedenen Elektrolyten abgeschiedenen Stoffmengen sind den chemischen Äquivalentgewichten dieser Stoffe proportional. F​ = N​A​ ⋅ e​ = 96485,3365 C/​mol​

ist die Faraday Konstante.

(III-2.70)

Mit zunehmender Ionenkonzentration n = N/V im Elektrolyten nimmt seine Leitfähigkeit σel zunächst zu, bei großen Konzentrationen sinkt sie wieder, da die Beweglichkeit μ der Ionen sinkt, wenn ihr mittlerer Abstand sehr klein wird (Abb. III-2.11).29 σel

n Abb. III-2.11: Ionenleitfähigkeit σel eines Elektrolyten als Funktion der Ionenkonzentration n = N/V. Für H2SO4 liegt das Maximum bei einer Konzentration von ca. 30 Gew.% H2SO4 in H2O.

Mit zunehmender Temperatur nimmt die elektrolytische Leitfähigkeit σel zu, da einerseits die Viskosität des Lösungsmittels (z. B. H2O) sinkt und daher die Beweglichkeit μ der Ionen steigt und andererseits die Dissoziation der Moleküle, also die Zahl der Ionen, zunimmt.

2.3.3 Stromleitung in Gasen und im Vakuum Im normalen Zustand sind Gase gute Nichtleiter, durch Ionisierung der Gasatome wird das Gas aber leitfähig. So kann ein Kondensator mit den beiden Platten als Elektroden in einem Gas entladen werden, wenn Gasionen vorhanden sind.30 Diese 29 Die mittlere Stoßzeit τS wird kleiner und damit auch μ (siehe Abschnitt 2.1.4). 30 Das ist das Prinzip der in der Kernphysik viel verwendeten Ionisationskammer, bei der die Ionisation durch schnelle geladene Teilchen (radioaktive Substanzen, Höhenstrahlung etc.) erfolgt. Die Schnelligkeit der Kondensatorentladung bzw. die Größe des Sättigungsstromes bei fester, hoher Kondensatorspannung ist ein Maß für die Intensität der ionisierenden Strahlung. Dabei ist zu beachten, dass die einzelnen Teilchenarten (α-Teilchen, Protonen, Elektronen) ein sehr unterschiedli-

123

2.3 Mechanismen der Stromleitung

Gasentladung kann in einer unselbstständigen Entladung erfolgen, wenn zur Aufrechterhaltung der Entladung ständig von außen Ionen oder Elektronen zugeführt werden müssen; oder in einer selbstständigen Entladung, wenn neue Ionen durch Stoßionisation beim Entladungsvorgang selbst entstehen und für jeden durch Rekombination verlorengehenden Ladungsträger vorher ein Ersatz entstanden ist. Werden im Gas von außen her Ladungsträger erzeugt und ein schwaches elektrisches Feld angelegt, so steigt der Strom dieser unselbstständigen Entladung zunächst linear an, der Widerstand ist konstant: Das GG zwischen Erzeugung und Rekombination, also die Dichte n der freien Ladungsträger, wird bei kleiner Spannung (Feldstärke) nur unwesentlich gestört; konstantes n bedeutet aber konstanten Widerstand (siehe Abschnitt 2.1.4). Mit zunehmender Spannung werden die entgegengesetzt geladenen Ladungsträger (z. B. positive Ionen und e–) immer schneller aus dem Kondensator gezogen, bis schließlich bei genügend hoher Spannung der Entladungsstrom sättigt, da alle pro Sekunde erzeugten Ladungsträger ohne zu rekombinieren (die Verweilzeit im Stoßraum ist zu kurz) zu den Elektroden gezogen werden:

d​U​ d​I​ = 0 ⇒ der differentielle Widerstand R​diff​ = = ∞​, wird also unendd​U​ d​I​

lich groß. Der Sättigungsstrom IS hängt dann nur mehr von der Ionisierungsrate ab. Bei weiterer Steigerung der Spannung tritt durch Stoßionisation der Gasatome die selbstständige Entladung ein, der Durchbruch (Abb. III-2.12). I

Proportionalbereich

Sättigungsbereich

Spannungsdurchbruch (selbstständige Entladung)

Sättigungsstrom Is

U Abb. III-2.12: Strom-Spannungs-Kennlinie einer unselbstständigen Gasentladung.

Erzeugungsmechanismen von Gasionen sind: – Volumenionisation durch Röntgenstrahlung oder radioaktive Substanzen; – Volumenionisation bei hohen Temperaturen: Durch die thermische Bewegung der Gasmoleküle tritt dann Stoßionisation ein;

ches Ionisationsvermögen (= Zahl der Ionenpaare pro cm Teilchenweg) abhängig von der Teilchenenergie und dem ionisierten Gas besitzen.

124 –

2 Stationäre elektrische Ströme

Oberflächenionisation durch den äußeren Photoeffekt: Elektromagnetische Strahlung im UV-Bereich löst e– aus Metallen aus; Ionisation an Glühelektroden: Beim Erhitzen auf Weißglut treten aus Leitern (Metallen und Graphit) e– aus.



Wird die Spannung im Gas so stark erhöht, dass es zur selbstständigen Entladung kommt, können drei Strombereiche unterschieden werden (Abb. III-2.13). Zunächst steigt der Entladungsstrom mit der Spannung ohne Auftreten einer Leuchterscheinung stark an („Dunkelentladung“). dann setzt die Glimmentladung ein, zu deren d​I​ < 0, negative Strom-SpanAufrechterhaltung eine kleinere Spannung ausreicht ( d​U​ nungs-Charakteristik). Bei weiterer Spannungserhöhung tritt die Bogenentladung ein, die durch große Ströme und heiße, e– emittierende Kathoden gekennzeichnet ist; die Strom-Spannungscharakteristik ist dabei stark fallend (starke Zunahme der Ladungsträgerdichte und somit Abnahme des Widerstandes mit steigendem Strom). I[A] 103 Bogenentladung

1

Zündung der Bogenentladung 10−3

Glimmentladung Zündung der Glimmentladung

10−6 10−9

Dunkelentladung 10−12 10−15 1

10

100

Vorentladung U[V] 1000

Sättigungsstrom

Abb. III-2.13: Vollständige Strom-Spannungs-Kennlinie einer Gasentladung (schematisch). An den Bereich der unselbstständigen Vorentladung, der durch Ionisierung von außen (z. B. Höhenstrahlung) ausgelöst wird, schließen sich die Dunkelentladung, die Glimmentladung und die Bogenentladung an. Die Kennlinie weist zwei Bereiche mit negativer Charakteristik (dI/dU < 0) auf.

Eine Funkenentladung ist eine kurzzeitig auftretende Bogenentladung wie etwa beim Blitz. Bei Blitzen aus Gewitterwolken kommt es zu Entladungen von bis zu 109 V mit Stromstärken von 20 000 A. Bei einer angenommenen Dauer31 von 1 ms = 10–3 s bedeutet das eine Entladungsenergie von ca. 5000 kWh = 2⋅107 kJ. 31 In einem Blitz erfolgen meist Vorentladungen von etwa 0,01 Sekunden und mehrere Hauptentladungen von ca. 30 μs; nach kurzen Pausen von etwa 30–50 ms können weitere Entladungen folgen.

125

2.3 Mechanismen der Stromleitung

Leitung im Hochvakuum Von „Hochvakuum“ spricht man bei Drücken zwischen 1⋅10–3 – 1⋅10–4 Pa (= 10–5 – 10–6 mbar), das entspricht einem Verbleib von noch etwa 1010 Moleküle/ cm3 der ursprünglich etwa 3⋅1019 Moleküle/cm3 und einer mittleren freien Weglänge der Moleküle von ca. 100 m. Die Leitung kann in diesem Fall daher nur unselbstständig durch ins Vakuum eingebrachte Elektronen (durch Photoeffekt oder Glühemission) erfolgen. Betrachten wir eine Röhrendiode, einen evakuierten Glaskolben, in den zwei Elektroden führen, von denen eine zum Glühen gebracht werden kann (Abb. III-2.14).

UH,2 > UH,1

IS,1

UH,1

A

IA UA

IA IS,2

UA

K UH US,1 US,2

UA

Abb. III-2.14: Schaltung einer Röhrendiode mit indirekter Kathodenheizung zur Messung der Strom-Spannungs-Charakteristik (links) und Anodenstrom IA als Funktion der Anodenspannung UA für zwei Werte der Heizspannung UH,1 und UH,2 > UH,1 (rechts).

Aus der mit dem negativen Pol der Spannungsquelle verbundenen, geheizten Elektrode, der Kathode, treten Elektronen aus („Kathodenstrahlen“); für die in der Röhre entstehende Stromdichte gilt das Gesetz der Glühemission von RichardsonDushman32:

j​Em​ = Ã​ ⋅ T​ 2 ⋅ e​ −Φ/​k​T​

Richardson-Dushman Gesetz der Glühemission

(III-2.71)

mit der Richardson-Konstante

32 Nach Owen Willans Richardson, 1879–1959 und Saul Dushman, 1883–1954. Für sein Werk zur Glühemission und die Entdeckung der damit verbundenen Gesetzmäßigkeit erhielt Richardson 1928 den Nobelpreis.

126

2 Stationäre elektrische Ströme

Ã​ =

e​me​ ​ k​ 2 2 3

= 1,20173 ⋅ 106 AK−2 m−2 .

(III-2.72)

2 π​ ℏ​

Φ ist die Austrittsarbeit,33 das ist die Arbeit, die aufgewendet werden muss, um ein e– aus dem Ferminiveau des Kathodenmaterials zu befreien. Die e– aus dem „Boltzmannschwanz“ der Verteilungsfunktion der e– im Kathodenmaterial können diese Energiebarriere bei erhöhter Temperatur überwinden und bilden in der Nähe der Kathode eine negative Ladungswolke, aus der die e– zur Anode gezogen werden („virtuelle Kathode“). Siehe dazu Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“ den Abschnitt 2.6.1.2.5. Bei kleinen Anodenspannungen werden nicht alle aus der Glühkathode austretenden e– zur positiven Anode gezogen, sondern im Kathodenraum wird eine negative Raumladung aufgebaut, die die Anodenspannung abschirmt und die austretenden e– wieder zum Teil in die Kathode zurücktreibt. Der Rest wird zur Anode gezogen und bildet den Anodenstrom IA. Mit zunehmender Anodenspannung steigt die Zahl der zur Anode wandernden e–, der Anodenstrom wächst in diesem Raumladungsbereich parabolisch nach dem Langmuir-Schottkyschen Raumladungsgesetz an (nach Irving Langmuir (1881−1957, Nobelpreis für Chemie 1932) und Walter Hans Schottky (1886−1976)) : 3∕2

I​R​ = C​ ⋅ U​ A​

Langmuir-Schottkysches Raumladungsgesetz.

(III-2.73)

Bei genügend großen Anodenspannungen erreichen alle emittierten e– die Anode, die negative Raumladungswolke verschwindet und der Anodenstrom sättigt. Da die Emission nach dem Gesetz der Glühemission von der Kathodentemperatur und damit vom Heizstrom bzw. der Heizspannung abhängt, steigt der Sättigungsstrom IS mit steigender Heizspannung.

Zusammenfassung 1.

Der elektrische Strom I ist ein Transport elektrischer Ladungen durch ein leitendes Medium oder Vakuum (mit von außen bereitgestellten Ladungen):

I​ =

d​Q​ ​. = ∫j​⇀d​f⇀ d​t​ A​

Einheit: 1 Ampere = 1 A.

33 Viel verwendete Kathodenmaterialien sind Wolfram und Bariumoxid: Φ (Wolfram): 4,5 eV; mit T = 2400 K beträgt die Sättigungsstromdichte jS = 0,1 A/cm2 Φ (BaO): 1,0 bis 1,5 eV; mit T = 1000 K ist jS = 2 A/cm2.

Zusammenfassung

127

Die Stromdichte j​⇀weist im Falle positiver Ladungsträger in die Richtung der Geschwindigkeit υ​⇀der Ladungsträger: j​⇀= n​ ⋅ q​ ⋅ υ​⇀. 2.

Es gilt die Kontinuitätsgleichung ∂​ρe​ l + div j​⇀= 0 ; ∂​t​

für stationäre Stromsysteme ist ⇀j​⇀= 0 . div j​⇀= ∇ 3.

Durch Stöße mit den Ionenrümpfen im metallischen Leiter ergibt sich bei Anlegen eines elektrischen Feldes eine gleichförmige Driftgeschwindigkeit υD der Leitungselektronen und damit für die Stromdichte (Feld in x-Richtung):

j​x​ = −n​ ⋅ e​ ⋅ υ​D​ =

n​ ⋅ e​ 2 ⋅ τ​S​ 1 ⋅ E​x​ = E​x​ = σ​ ⋅ E​x​ m​e​ ρ​

bzw. allgemein j​⇀= σ​ ⋅ E​⇀;

1 σ ist die elektrische Leitfähigkeit (Einheit: 1 Sm–1), ρ​ = der spezifische elekσ​ trische Widerstand (Einheit: 1 Ωm). In linearen Leitern gilt

I​ =

U​R​ R​

R​ =

Ohmsches Gesetz für den Spannungsabfall;

l​ ρ​ ⋅ l​ U​ = = I​ σ​ ⋅ A​ A​

ohmscher Widerstand

eines homogenen, linearen Leiters der Länge l​ mit Querschnitt A.

128

2 Stationäre elektrische Ströme

4. Die „Reibungsvorgänge“ beim Stromfluss haben zur Folge, dass elektrische Leistung verbraucht wird:

P​ =

d​W​ d​Q​ = U​ = U​ ⋅ I​ d​t​ d​t​

elektrische Leistung.

In ohmschen Leitern gilt P​ = U​ ⋅ I​ = R​ ⋅ I​

5.

2

Joulesches Gesetz.

Bei der Aufladung eines Kondensators ergibt sich für die Ladungen Q(t) am Kondensator die inhomogene lineare DG 1 d​Q​ (t​) U​0 + Q​ (t​) = d​t​ R​ ⋅ C​ R​

mit der Lösung Q​ (t​) = U​0 ⋅ C​ (1 − e​ −t​ / ​R​ ⋅ C​ ) . Für den Ladestrom und die Spannung am Kondensator findet man

I​ (t​) =

d​Q​ −t​ / ​R​ ⋅ C​ = I​0 e​ d​t​

und

U​C​ (t​) =

Q​ −t​ / ​R​ ⋅ C​ ). = U​0 (1 − e​ C​

6. Für die Berechnung von Strömen und Spannungsabfällen in Schaltkreisen sind die Kirchhoffschen Regeln wichtig:

1

Knotenregel: Am Verzweigungspunkt mehrerer Leiter ist die Summe der zufließenden gleich der Summe der abfließenden Ströme. Schleifenregel: In einem geschlossenen Stromkreis ist die algebraische Summe der Spannungen aus Quellen gleich der algebraischen Summe der Spannungsabfälle.

Bei der Serienschaltung von Widerständen gilt

Zusammenfassung

129

R​ges​ = ∑R​k​ , k​

bei der Parallelschaltung 1 R​ges​

1 =∑ . R​k​ k​

7.

Strommesser (Amperemeter) haben einen kleinen Innenwiderstand und werden direkt in den Leiterkreis geschaltet. Spannungsmesser (Voltmeter) haben einen großen Innenwiderstand Ri ; sie werden parallel zum Verbraucher geschaltet, an dem der Spannungsabfall gemessen werden soll. 8. Spannungsquellen liefern eine Potenzialerhöhung: die eingeprägte elektromotorische Kraft EMK. Reale Spannungsquellen besitzen einen (kleinen) Innenwiderstand Ri , sodass die gelieferte Spannung bei Stromfluss durch den Spannungsabfall an Ri auf die Klemmenspannung EKL abfällt: E​K​L​ = E​M​K​

R​a​ < E​M​K​ . R​i​ + R​a​

Einer Spannungsquelle kann kurzfristig maximal der Kurzschlussstrom entnommen werden (Ra = 0): I​max​ =

9.

E​M​K​ . R​i​

Metallische Leitung: Sie wird von den Leitungselektronen getragen. Die wesentlichen Anteile des elektrischen Widerstandes sind ein temperaturabhängiger, durch die Gitterschwingungen verursachter Anteil ρT und ein nahezu temperaturunabhängiger Anteil ρ0, der von den Gitterdefekten herrührt. Für die Temperaturabhängigkeit gilt für T > θ ρ​T ​ (T​) = ρ​0 (1 + α​T​ + β​T​ 2 ) mit den Temperaturkoeffizienten α > 0 und βT ≪ α. Halbleiter: Bei intrinsischen Halbleitern (Eigenhalbleitern) werden die für die Leitung notwendigen Elektronen erst mit zunehmender Temperatur aktiviert; für die Ladungsträgerkonzentration n gilt Δ E​

n​ (T​) = n​0 e​ − k​T​ ,

130

2 Stationäre elektrische Ströme

der Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstandes ist daher negativ (α < 0). Durch Einbringen von geeigneten Fremdatomen wird die Ladungsträgerkonzentration stark erhöht (Störstellenleitung). 10. Für den Ionentransport in Elektrolyten gelten die Faradayschen Gesetze: 1.

M​I​ = C​F​ ⋅ I​ ⋅ t​ : Die an einer Elektrode abgeschiedene Stoffmenge MI ist der durch den Elektrolyten hindurchgegangenen Elektrizitätsmenge I⋅t proportional.

m​ das elektrochemische Äquiz​ ⋅ e​ valent, das die Masse m angibt, die von der Einheitsladung 1 C abgeschieden wird. Dafür gilt

Mit N​ ⋅ z​ ⋅ e​ = Q​ als Gesamtladung ist C​F​ =

2.

C​F​ =

M​m​ : z​ ⋅ F​

Die durch die gleiche Elektrizitätsmenge in verschiedenen Elektrolyten abgeschiedenen Stoffmengen sind den elektrochemischen ÄquivalentM​m​ dieser Stoffe proportional; F = NA ⋅e = 96 485,34 C/mol ist gewichten z​ die Farady Konstante. 11. Bei der unselbstständiger Entladung in Gasen müssen ständig von außen Ionen oder Elektronen zugeführt werden (z. B. durch radioaktive Strahlung), bei der selbstständigen Entladung entstehen bei hohen Spannungen genügend Ionen durch Stoßionisation beim Entladungsvorgang selbst. Bei der selbstständigen Entladung unterscheidet man drei Strombereiche: Dunkelentladung (keine Leuchterscheinung) Glimmentladung (negative Strom-Spannungs-Charakteristik

d​I​ < 0) d​U​

Bogenentladung (große Ströme und heiße, e–-emittierende Kathoden, starke Abnahme des Widerstandes mit steigendem Strom). Im Hochvakuum (1⋅10–3 – 1⋅10–4 Pa = 10–5 – 10–6 mbar) müssen Elektronen z. B. durch Glühemission eingebracht werden j​Em​ = Ã​ ⋅ T​ 2 ⋅ e​ −Φ/​k​T​

Richardson-Dushman-Gesetz.

Zusammenfassung

131

Übungen: 1. Aus einer Platte leitenden Materials der Dicke d und der Leitfähigkeit σ wird ein Hohlzylinder geschnitten. Der innere Radius ist ri und der äußere Radius ra. Wie groß ist der elektrische Widerstand, wenn a) die äußere und die innere Zylinderfläche als Elektroden dienen, b) wenn der Hohlzylinder radial aufgeschnitten und die beiden Schnittflächen als Elektroden benützt werden? 2. a) Ein Amperemeter hat einen Widerstand von 0,006 Ω. Benachbarte Striche auf der Skala bedeuten einen Stromunterschied von 1 A. Wie muss ein zusätzlicher äußerer Widerstand geschaltet werden und wie groß muss er sein, damit das Amperemeter einen Strom von 5 A pro Skaleneinheit anzeigt? b) Ein Voltmeter hat einen Widerstand von 4000 Ω und zeigt 1 V je Skaleneinheit an. Wie muss ein zusätzlicher Widerstand geschaltet werden und wie groß muss er sein, damit das Voltmeter eine Spannung von 10 V pro Skaleneinheit anzeigt? 3. Schichtwiderstände haben einen positiven Temperaturkoeffizienten von einem 1 ‰/° (1 Promille pro Grad). Mit ihrer Hilfe und mit im Handel erhältlichen Widerständen mit einem negativen Temperaturkoeffizienten von –4 %/° (NTC-Widerstände) kann man einen temperaturunabhängigen Widerstand R zusammensetzen. Zeichne die Schaltung und berechne die Widerstandwerte für R = 10 kΩ. 4. Die Spannung als Funktion der Stromstärke an einem Lichtbogen wird a​ näherungsweise durch die „Ayrtonsche Formel“ V​ (I​ ) = + b​ beschrieben I​ (nach Phoebe Sarah Hertha Ayrton, 1854–1923, englische Ingenieurin, Mathematikerin und Physikerin), wobei a und b vom Elektrodenmaterial und der Bogenlänge abhängen. Der Lichtbogen wird durch eine Batterie mit 220 V gespeist und brennt über einen Vorwiderstand von 30 Ω. Berechne den Strom I unter der Annahme a = 160 W und b = 60 V. Wie groß kann der Vorschaltwiderstand maximal sein, bei dem der Bogen noch brennen kann? Hinweis: Der Strom muss immer reell sein.

5

1

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme) Einleitung: Während das statische elektrische Feld von ruhenden Ladungen erzeugt wird, wird das magnetische Feld durch bewegte Ladungen erzeugt. Dies können stromdurchflossene Leiter sein, die von einem konzentrischen Magnetfeld umgeben sind, oder Dauermagnete, deren Magnetfeld durch die Spins und Bahndrehimpulse der Elektronen ihrer Atome entsteht. Auf bewegte elektrische Ladungen wirkt im Magnetfeld die Lorentz-Kraft. Sie steht normal sowohl auf die Bewegungsrichtung der Ladung als auch auf die Magnetfeldrichtung. Das magnetische Feld ist quellen- und senkenfrei, die magnetischen Feldlinien sind daher im Gegensatz zu den statischen elektrischen Feldlinien geschlossene Kurven. Gekreuzte elektrische und magnetische Felder haben wichtige Anwendungen: Massenspektrometer, Hall-Effekt, Zyklotron. Das Magnetfeld eines stromdurchflossenen Leiterstücks kann mit dem Gesetz von Biot-Savart berechnet werden; aus diesem kann das Ampèresche Durchflutungsgesetz und damit ein Teil der 4. Maxwell-Gleichung abgeleitet werden. Das Magnetfeld einer stromdurchflossenen Leiterschleife stellt einen magnetischen Dipol dar und ist identisch mit jenem eines kurzen, homogen magnetisierten Permanentmagneten. Im konservativen Feld der Elektrostatik kann ein ortsabhängiges skalares elektrisches Potenzial angegeben werden, aus dem sich die elektrische Feldstärke durch Gradientenbildung ergibt. Das Magnetfeld ist aber ein Wirbelfeld und daher nicht konservativ. Es lässt sich jedoch ein ortsabhängiges Vektorpotenzial A​⇀(r​⇀) angeben, aus dem das entsprechende Magnetfeld durch Bildung der Rotation hervorgeht: B​⇀= rot A​⇀mit div A​⇀= 0 (Coulombeichung). Wirken in einem Raumbereich gleichzeitig ein elektrisches und ein magnetisches Feld, so üben sie auf eine Ladung q die Lorentz-Gesamtkraft F​⇀E​M​ = q​{E​⇀+ (υ​⇀ × B​⇀)} aus. Diese Kraft hängt aber in Größe und Richtung von der Wahl des Bezugssystems ab, da immer ein System gefunden werden kann, in dem sich die Ladung q nicht bewegt, sodass die auf sie wirkende Kraft rein elektrostatisch ist und somit keine magnetische Kraft wirkt: Das elektrische und das magnetische Feld sind eng miteinander verknüpft und bilden das elektromagnetische Feld. Mit Hilfe der Lorentz-Kraft und den Lorentz-Transformationsgleichungen einer Kraft können die Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes aufgestellt werden, mit deren Hilfe der elektrische und der magnetische Anteil des elek-

1 Aus lithos magnes (gr.): Magnetstein, Stein aus Magnesia, einer Stadt im antiken Kleinasien.

134

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

tromagnetischen Feldes in unterschiedlich bewegten Bezugssystemen berechnet werden kann. Der Magnetismus der Materie ergibt sich durch das magnetische Moment der beteiligten Atome, das durch die Vektorsumme der magnetischen Momente seiner Elektronen, jeweils zusammengesetzt aus Bahnmoment und Spinmoment unter Beachtung der Wechselwirkungsenergie, bestimmt wird. Dadurch und durch die Anordnung unterschiedlicher Atome im Festkörper ergeben sich 5 unterschiedliche Arten von Magnetismus: Dia-, Para, Ferro-, Antiferro- und Ferrimagnetismus.

Das Gaußsche Gesetz der Elektrostatik (siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.2.2, Gln. (III-1.19) und (III-1.23)) besagt: Elektrische Ladungen erzeugen das elektrische Feld. Das elektrische Feld ist ein Vektorfeld, das durch die elektrische Feldstärke E​⇀, die „Kraft auf die positive Ladungseinheit“ charakterisiert wird. Die das Feld erzeugende Ladung ist ein elektrischer Monopol. Im Gegensatz dazu zeigen alle bisherigen magnetischen Phänomene und Experimente, dass es nur magnetische Dipole und deren Felder gibt, aber keine magnetischen Monopole.2 Es kann daher kein „magnetisches Coulombgesetz“ formuliert werden, da das Magnetfeld nicht durch „magnetische Ladungen“ erzeugt wird. Damit kann auch eine zur elektrischen Feldstärke analoge magnetische Feldstärke nicht als Kraft auf eine „magnetische Probeladung“ (oder Polstärke) definiert werden, sondern nur mit Hilfe des auf einen magnetischen Dipol im homogenen Magnetfeld wirkenden Drehmoments. Dieses verschwindet, wenn der Dipol in Feldrichtung weist (siehe Abschnitt 3.1.5).3 Es stellt sich damit die Frage: Wie werden Magnetfelder erzeugt? 1

Bewegte Ladungen (makroskopische, also elektrische Ströme, und atomare) erzeugen Magnetfelder. Wir unterscheiden: 1. Das Magnetfeld stromdurchflossener Leiter: Lineare, von einem stationären Strom durchflossene Leiter sind von einem Magnetfeld so umgeben, dass sich

2 Es gibt einerseits Überlegungen von Paul Dirac, dass die Existenz magnetischer Monopole die Quantisierung der elektrischen Ladung (in Vielfachen der Elementarladung) leicht erklärt. Andererseits ergibt sich ein Hinweis auf die Existenz von magnetischen Monopolen aus der Großen Vereinheitlichten Theorie (Grand Unified Theory, GUT), in der die Vereinheitlichung der starken, der schwachen und der elektromagnetischen Wechselwirkung bei hohen Energien beschrieben wird (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitte 3.2.5 und 3.2.6.5). Ein experimenteller Nachweis magnetischer Monopole ist allerdings bisher fehlgeschlagen. 3 Im inhomogenen Magnetfeld wirkt auf einen magnetischen Dipol neben dem Drehmoment noch eine Kraft (siehe Abschnitt 3.1.5).

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

135

kleine Magnetnadeln auf Kreisen um den geraden Leiter einstellen und so die Richtung des wirkenden Magnetfeldes anzeigen (Abb. III-3.1).4 4

Abb. III-3.1: Magnetisches Feld um einen geraden, stromdurchflossenen Leiter. Links: Ein stromdurchflossener Kupferdraht durchstößt eine mit Eisenfeilspänen bestreute Fläche. Zunächst fließt der Strom von unten nach oben, dann von oben nach unten. Mitte und rechts: Schematische Darstellungen des den Leiter umgebenden Magnetfeldes: Strom aus der Papierebene heraus (Mitte, ⊙) und in die Papierebene hinein (rechts, ⊗); kleine Magnetnadeln würden sich in Pfeilrichtung ausrichten.

Es gilt die „Rechte-Hand-Regel“: Fließt der Strom in Richtung des Daumens, so ist das Magnetfeld kreisförmig in Richtung der Spitzen der anderen Finger gerichtet (Abb. III-3.2).5 Stromrichtung

Magnetfeld Abb. III-3.2: Rechte-Hand-Regel. Fließt der Strom in Daumenrichtung, so ist das ihn umgebende Magnetfeld kreisförmig in Richtung der Spitzen der anderen Finger gerichtet.

2.

Dauermagnete, „permanente Magnete“: Quantenmechanische Postulate besagen, dass mit jedem Bahndrehimpuls und Eigendrehimpuls eines Elementarteilchens, also auch der e– der Atomhülle, ein magnetisches Dipolmoment (siehe Abschnitt 3.1.5) verbunden ist. Das Magnetfeld des Permanentmagneten er-

4 Dies zeigte der Oerstedsche Versuch, der von Christian Oersted (Hans Christian Ørsted, 1777–1851) 1820 durchgeführt wurde: Durch Beobachtung einer Magnetnadel beim Herumführen um einen geraden, stromdurchflossenen Leiter in einem „geschlossenen galvanischen Kreis“ konnte er feststellen, dass der elektrische Strom von einem kreisförmigen Magnetfeld umgeben ist. 5 Auch die „Rechtsschrauben-Regel“ ist als mnemotechnische Hilfe verwendbar: Wird eine (Rechts-)Schraube in Richtung des Stromes eingeschraubt, dann gibt die Drehrichtung den Drehsinn des Magnetfeldes an.

136

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

gibt sich dann als Summe der Felder aller durch atomare Wechselwirkung mehr oder weniger ausgerichteten atomaren Dipolmomente (siehe Abschnitte 3.4.2 und 3.4.5).

3.1 Die Lorentz-Kraft 3.1.1 Die Kraft auf bewegte Ladungen im Magnetfeld Das elektrische Feld wird durch die elektrische Feldstärke E​⇀charakterisiert. Das magnetische Feld wird durch die magnetische Induktion B​⇀(= magnetische Flussdichte oder einfach das „Magnetfeld“ (magnetic field, magnetic flux density, magnetic induction) charakterisiert.6 Die physikalische Größe B​⇀ wird durch die Kraftwirkung auf eine im Magnetfeld bewegte Ladung q definiert. Schießen wir z. B. ein geladenes Teilchen in unterschiedlichen Richtungen und mit verschiedenen Geschwindigkeiten υ​⇀durch genau den Punkt im Magnetfeld, an dem B​⇀ bestimmt werden soll, so finden wir als Ergebnis folgende Kraftwirkung auf das Teilchen F​⇀B​ = q​ (υ​⇀ × B​⇀)

Lorentz-Kraft. 7

(III-3.1)

Die Lorentz-Kraft ist zur Ladung des Teilchens, seiner Geschwindigkeit und zum wirkenden Magnetfeld B​⇀ proportional und steht auf dem Geschwindigkeitsvektor υ​⇀und dem Magnetfeld B​⇀im betrachteten Punkt normal. Für den Betrag von F​⇀B​ gilt mit φ​ =∠ (υ​⇀,B​⇀) |

1

F​⇀B​ | = q​ ⋅ |υ​⇀| ⋅ |B​⇀| ⋅ sin​ (υ​⇀,B​⇀) = q​ ⋅ υ​ ⋅ B​ sin​ φ​ .

(III-3.2)

Erinnerung an das Vektorprodukt Für das Vektorprodukt gilt die Rechte-Hand-Regel: Die Fingerspitzen schieben den ersten Faktor zum zweiten hin; der Daumen gibt die Richtung des Vektorprodukts:8

6 Für die Beschreibung der magnetischen Erscheinungen im Vakuum ist der Vektor B​⇀ausreichend, für die Erklärung der Vorgänge in der Materie erweist sich noch ein zweiter Feldvektor H​⇀als vorteilhaft (siehe Abschnitt 3.4.1). 7 Nach Hendrik Antoon Lorentz, 1853–1928. In Anerkennung der geleisteten Dienste durch Untersuchungen zum Einfluss des Magnetfeldes auf Strahlungsphänomene erhielt er zusammen mit Pieter Zeeman 1902 den Nobelpreis für Physik. 8 Oder: Wird der Vektor a​⇀auf kürzestem Weg in den Vektor b​⇀ gedreht, dann gibt der bei dieser Drehung eintretende Vorschub einer auf a​⇀und b​⇀senkrecht stehenden Rechtsschraube die Richtung von c​⇀= a​⇀× b​⇀an.

3.1 Die Lorentz-Kraft

137

   (F = q(ʋ × B ))

c =a×b

B

 

b (B )

sin φ

 

a (ʋ )

In der Formel für die Lorentz-Kraft F​⇀B​ auf eine bewegte Ladung im Magnetfeld wird das Kreuzprodukt (υ​⇀ × B​⇀) noch mit dem Wert der Ladung q des Teilchens multipliziert. Dieser kann positiv sein (z. B. +e, wie beim Positron, aber auch –e, wie beim Elektron). Ist die Ladung negativ, so weist die Kraft in die Gegenrichtung der von der „Rechte-Hand-Regel“ angezeigten Richtung.



B

sin φ



ʋe



 

FB = q(ʋ × B ) Bei einer negativen Ladung, z. B. beim Elektron, weist die Lorentz-Kraft in die Gegenrichtung der von der „Rechte-Hand-Regel“ angezeigten Richtung.

Liegt zusätzlich noch ein elektrisches Feld (Coulombfeld Vektor FC) vor, dann gilt für die Gesamtkraft auf eine bewegte Ladung im elektromagnetischen Feld 9

F​⇀E​M​ = F​⇀C​ + F​⇀B​ = q​{E​⇀+ (υ​⇀ × B​⇀)}

Lorentz-Gesamtkraft bei Wirken eines elektrischen und magnetischen Feldes.

(III-3.3)

Die Einheit der magnetischen Induktion (des „Magnetfeldes“) B​⇀ergibt sich aus der Lorentz-Kraft: [B​] = 1

Ns C m ⏟ = A⋅s

=1

N Am

=1

Nm 2

Am

=1

AVs 2

Am

=1

Vs m2

= 1 Tesla = 1 T .10

9 Die Bewegung von q ändert also die elektrische Kraft auf q gegenüber dem statischen Fall nicht; E​⇀ist gemäß dem Nahwirkungsgesetz (siehe Kapitel „Elektrostatik“ Abschnitte 1.1.3 und 1.7.2) die zu jedem Zeitpunkt am Ort von q vorliegende elektrische Feldstärke. 10 Mit großen Elektromagneten erreicht man im Luftspalt Felder von etwa B ≈ 6 T; am Kernort der Atome beträgt B ≈ 105 T!

138

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Wir betrachten kurz die Kraft, die das Magnetfeld auf eine mit υ​⇀bewegte Ladung ausübt. Für den Betrag der Kraft gilt, wenn φ der Winkel zwischen υ​⇀und B​⇀ist F​ = q​ ⋅ υ​ ⋅ B​ ⋅ sin​ φ​ .

(III-3.4)

Das heißt: F​B​ = 0, wenn q = 0 oder υ = 0 oder υ​⇀⫽B​⇀. Andererseits wird FB = max für υ​⇀⊥ B​⇀. Da F​⇀B​ stets ⊥ zu υ​⇀ gerichtet ist, hat F​⇀B​ keine Komponente in Richtung der Geschwindigkeit υ​⇀des Teilchens, d. h., seine Ekin bleibt im Magnetfeld ungeändert, nur seine Richtung wird geändert. Ein schönes Beispiel für die Wirkung der Lorentz-Kraft auf bewegte, geladene Teilchen kann bei der Paarbildung (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitt 3.1.5.4.3) im homogenen Magnetfeld beobachtet werden. Paarbildung ist die gleichzeitige Erzeugung eines Elektrons und eines Positrons aus einem energie-

BlasenkammerAufnahme

e–

e+

von -Quant aus H-Atom gestoβenes e−

e–

e+

Abb. III-3.3: Paarbildung. Links: Teilchenspuren in einer Blasenkammer, die sich in einem starken, homogenen Magnetfeld befindet, das in die Papierebene hinein zeigt. Rechts: Innerhalb der Beobachtungszeit wurden zwei Paarbildungsprozesse registriert, die hier herausgefiltert wurden. Die vom oberen Bildungsprozess nach unten links führende Spur stammt von einem Elektron, das vom erzeugenden γ-Quant aus einem H-Atom gestoßen wurde. (Lawrence Berkeley National Laboratory, USA)

3.1 Die Lorentz-Kraft

139

reichen γ-Quant (E​γ​ > 1,02 MeV) im Coulombfeld eines Atomkerns. Im Magnetfeld bewegen sich das frisch erzeugte Elektron (e–) und das Positron (e+) wegen des längs der Bahn auftretenden Energieverlusts auf entgegengesetzten Spiralbahnen (Abb. III-3.3). Ein weiteres Beispiel ist die Ablenkung von „Kathodenstrahlen“ mit einem Dauermagneten. In einer Vakuumdiode werden die von einer geheizten Kathode durch Glühemission (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.3.3) freigesetzten Elektronen im elektrischen Feld zu einer gelochten Anode hin beschleunigt. Der Elektronenstrahl hinter der Lochblende kann mit Hilfe eines Leuchtschirms parallel zur Bahn sichtbar gemacht werden. Nähert man dem Strahlrohr von außen einen Hufeisenmagneten, so wird der Elektronenstrahl entsprechend der LorentzKraft abgelenkt (Abb. III-3.4). Elektronenstrahl am Leuchtschirm

Hufeisenmagnet

S

4

Daumenrichtung der „Rechte-Hand-Regel“ N N



ʋ

S



B



FEM

Leuchtschirm gelochte Anode Abb. III-3.4: Ablenkung eines Elektronenstrahls im Magnetfeld. Die durch Glühemission an der Kathode freigesetzten Elektronen werden im elektrischen Feld gegen eine gelochte Anode beschleunigt, die sie durchsetzen. Auf einem Leuchtschirm parallel zur Bahn kann der Elektronenstrahl sichtbar gemacht werden. Im Magnetfeld eines Hufeisenmagneten wird die Bahn des Strahls entsprechend der Lorentzkraft abgelenkt (Skizze rechts: Wegen der negativen Ladung des Elektrons wird die Richtung der mit der „Rechte-Hand-Regel“ bestimmten Kraftwirkung umgekehrt). Per definitionem laufen im Außenraum eines Magneten die B​⇀-Linien vom Nordpol zum Südpol.

3.1.2 Magnetische Feldlinien Analog zu den elektrischen Feldlinien (E​⇀-Linien) führt man magnetische Feldlinien (B​⇀-Linien) ein, die die Richtung des magnetischen Feldes in jedem Raumpunkt anzeigen; sie verlaufen immer in Richtung der magnetischen Induktion, also des B​⇀Vektors, und ihre Flächendichte ist proportional zur Stärke des Magnetfeldes. Wie schon am Beginn des Kapitels ausgeführt, kann die Richtung der B​⇀-Linien mit Hilfe

140

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

einer kleinen Magnetnadel – einem physikalischen magnetischen Dipol – festgelegt werden. Kennt man das magnetische Dipolmoment p​⇀m​ der Nadel, dann kann aus dem im Feld gemessenen maximalen Drehmoment der Nadel auf die Größe von B​⇀geschlossen werden (D​⇀= p​⇀m​ × B​⇀, siehe Abschnitt 3.1.5). Unterschiede zwischen elektrischen und magnetischen Feldlinien: Statisches elektrisches Feld

Statisches magnetisches Feld

1. Die Kraft auf die Ladung wirkt entlang der Feldlinie 2. Die elektrischen Feldlinien ( E​⇀) beginnen in den positiven und enden in den negativen Ladungen. Das statische E​⇀-Feld ist wirbelfrei.

Die Kraft auf die bewegte Ladung wirkt normal zu Feld und Bewegungsrichtung. Die magnetischen Feldlinien ( B​⇀) sind im Raum geschlossen, sie enden nirgends im Raum. Das B​⇀-Feld ist quellenfrei.

Die durch Eisenfeilspäne sichtbar gemachten magnetischen Feldlinien eines kurzen Stabmagneten zeigt Abb. III-3.5. An den Enden eines langen Stabmagneten beobachtet man einen nahezu radialen Feldverlauf. Dies hat zu der historischen Bezeichnung „magnetischer Pol“ geführt. Die Richtung des Feldes im Außenraum verläuft vom Nordpol (N) zum Südpol (S), die im Raum geschlossenen Feldlinien treten am Südpol in den Magneten ein und verlassen ihn am Nordpol. Im Inneren verlaufen die Feldlinien also vom Süd- zum Nordpol, im Außenraum vom Nord- zum Südpol, wobei auch an der Mantelfläche des Stabes Feldlinien ein- und austreten. Der gesamte Feldlinienverlauf wird erst nach der Einführung des Vektors der Magnetisierung M​⇀ (siehe Abschnitt 3.4.1) verständlich, der im Falle eines homogen magnetisierten Stabmagneten über das gesamte Magnetvolumen konstant und parallel zur Magnetisierungsachse in Richtung von S nach N verläuft (sog. „hartmagnetischer“ Werkstoff). 4

N

S

Abb. III-3.5: Magnetische Feldlinien um einen Stabmagneten. Links und Mitte: Eisenfeilspäne richten sich in der Nähe des quaderförmigen Dauermagneten in Richtung der magnetischen Feldlinien aus. Rechts: Schematische Darstellung der Feldlinien in und um einen stabförmigen Dauermagneten im ebenen Schnitt. Die Feldlinien (B​⇀-Linien) sind im Raum geschlossene Kurven, die im sogenannten „Nordpol“ aus dem Stab austreten und im „Südpol“ wieder eintreten; im Inneren des Dauermagneten laufen sie vom Südpol zum Nordpol zurück.

3.1 Die Lorentz-Kraft

141

S

N Abb. III-3.6: Hufeisenmagnet. Im Inneren des hufeisenförmig gebogenen Dauermagneten verlaufen die magnetischen Feldlinien vom Süd- zum Nordpol. Der im Außenraum verlaufende Teil der Feldlinien ist vom Nord- zum Südpol gerichtet.

Den Feldlinienverlauf im Außenraum eines „Hufeisenmagneten“ zeigt Abb. III-3.6. Für die gegenseitige Wechselwirkung von Dauermagneten bei Annäherung gilt analog zu den elektrischen Ladungen: Gleichnamige Pole stoßen einander ab, ungleichnamige Pole ziehen einander an, wobei in erster Näherung die Wechselwirkungskraft ebenfalls reziprok zum Quadrat des Abstands abnimmt.11

3.1.3 Magnetischer Fluss und magnetisches Gaußsches Gesetz Als elektrischer Fluss wurde definiert (siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.2.1, Gl. III-1.15): ​. ΦE​ = ∫E​⇀d​f⇀ A​

Analog definieren wir jetzt den magnetischen Fluss ΦM​ als Maß für die Zahl der Feldlinien, die durch eine bestimmte Fläche treten: ΦM​ = ∫B​⇀d​f⇀ ​

magnetischer Kraftfluss.

(III-3.5)

A​

Einheit des magnetischen Kraftflusses: [ΦM] = 1 Tm2 = 1 Weber = 1 Wb. Die magnetischen Feldlinien sind geschlossen, es gibt keine Quellen. Das Integral des magnetischen Kraftflusses über eine geschlossene Fläche muss daher Null er11 Charles Augustin de Coulomb (1736–1806): 1785, Beginn der wissenschaftlichen Untersuchung des Magnetismus. Schon um 1600 hat der Leibarzt von Königin Elisabeth I, William Gilbert (1544– 1603) in seinem Buch „Tractatus, sive physiologia nova de magnete, magneticisque corporibus et de magno magnete tellure. Sex libris comprehensus“ den Erdmagnetismus und andere magnetische und elektrostatische Phänomene qualitativ beschrieben.

142

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

geben, da gleich viele Feldlinien sowohl in den von der Fläche umschlossenen Raum eindringen als ihn auch verlassen.



∮B​⇀d​f⇀ ​≡0 A​

magnetisches Gaußsches Gesetz (2. Maxwell-Gleichung in integraler Form).

(III-3.6)

Mit dieser Aussage gleichbedeutend ist: 1

Das magnetische Feld ist quellen- und senkenfrei. Wir wenden wie in der Elektrostatik den mathematischen Gaußschen Satz an12 ∮ B​⇀d​f⇀ ​ = ∫ div B​⇀d​V​ ≡ 0 A​ (V​)



div B​⇀= 0

(III-3.7)

V​ (A​)

magnetisches Gaußsches Gesetz in (III-3.8) differentieller Form (2. Maxwell-Gleichung).

3.1.4 Gekreuztes elektrisches und magnetisches Feld 3.1.4.1 Bestimmung der spezifischen Ladung e/m des Elektrons nach J. J. Thomson, Massenspektrometer Wir betrachten einen Elektronenstrahl, der ein elektrisches und ein dazu gekreuztes magnetisches Feld durchläuft (Abb. III-3.7). Wirkt nur ein Magnetfeld auf ein bewegtes, geladenes Teilchen, so erfährt es die Lorentz-Kraft F​⇀B​ = q​ (υ​⇀ × B​⇀) und wird normal zum Feld abgelenkt. Ist die Teilchengeschwindigkeit υ​⇀normal zur Feldrichtung B​⇀ (also sin​ (υ​⇀,B​⇀) = 1), so gilt für den Betrag der Kraft F​B​ = q​ ⋅ υ​ ⋅ B​ .

(III-3.9)

Bei konstanter Geschwindigkeit υ des Teilchens ist auch die Kraft F​B​ konstant und normal zu υ, sie wirkt als Zentripetalkraft und zwingt das Teilchen auf eine Kreisbahn. Aus der Mechanik wissen wir (siehe Band I, Kapitel „Mechanik des Massen-

12 Gilt für jedes Volumen V(A) einer geschlossenen Oberfläche A. Im Allgemeinen kann aus dem Verschwinden des Integrals nicht auf das Verschwinden des Integranden geschlossen werden. Dies ist nur möglich, wenn das Integral für jedes beliebige Volumen gleich Null ist.

143

3.1 Die Lorentz-Kraft

punktes“, Abschnitt 2.1.3), dass bei der gleichförmigen Kreisbewegung eines Teilchens für die zum Zentrum der Kreisbahn wirkende „Normalkraft“ gilt

F​n​ =

m​υ​ 2 . r​

(III-3.10)

Mit der obigen Kraft F​B​ = q​ ⋅ υ​ ⋅ B​ ergibt sich für den Bahnradius 2

r​ =

m​ ⋅ υ​ m​ ⋅ υ​ = . q​ ⋅ υ​ ⋅ B​ q​ ⋅ B​

(III-3.11)

Spule vor und hinter dem Kondensator („Helmholtzsches Spulenpaar“) gelochte Anode

+



Leuchtschirm

B

Glühkathode



Elektronenstrahl

E −

ISpule

evakuierter Glaskolben

Abb. III-3.7: Elektronen im gekreuzten elektrischen und magnetischen Feld. Ein von einer Glühkathode ausgehender Elektronenstrahl durchsetzt die gelochte Anode und wird anschließend gleichzeitig von einem elektrischen und einem dazu senkrecht (in die Papierebene hinein) wirkenden magnetischen Feld abgelenkt, sodass die beiden Feldkräfte in entgegengesetzter Richtung auf das e– wirken. Der Auftreffpunkt des Strahls wird auf einem Leuchtschirm sichtbar. Die Feldstärke B​⇀kann aus der Spulengeometrie und dem Spulenstrom ISpule berechnet werden.

Der Bahnradius eines geladenen Teilchens im Magnetfeld hängt also von der Masse m des Teilchens ab. Das ist die Basis für das Massenspektrometer (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik, Abschnitt 3.1.2.1), bei dem ionisierte Atomstrahlen gleicher Geschwindigkeit entsprechend ihrer Masse räumlich aufgetrennt werden. Wirkt auf ein geladenes Teilchen nur ein elektrisches Feld, dann bewegt sich das Teilchen analog zur Bewegung eines Massenpunktes im Gravitationsfeld („freier Fall“, siehe Band I, Kapitel „Mechanik des Massenpunktes“, Abschnitt 2.1.3) auf der Bahn einer quadratischen Parabel (Abb. III-3.8). Beim negativ geladenen Elektron erfolgt im Feld eine Beschleunigung ay entgegen der Feldrichtung

144

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

a​y​ =

F​ q​ ⋅ E​ = = const.​ m​ m​

(III-3.12)

y Elektron, me, qe = −e



+

E

x

0 − l

Abb. III-3.8: Bewegung eines horizontal einfallenden Elektrons im elektrischen Feld.

Wie groß ist zur Zeit t nach Eintritt des Teilchens in das elektrische Feld die in yRichtung durchlaufene Wegstrecke y beim Austritt aus dem Kondensator? Wir nehmen dabei an, dass das Teilchen zur Zeit t = 0 nur die Geschwindigkeitskomponente υ​x​ ≠ 0 besitzt, also vy = vz = 0 ist. Es gilt a​y​ =

d​υ​y​ d​t​

d​υy​ ​ = a​y​ d​t​



(III-3.13)

und integriert (1. Integration der Bewegungsgleichung)

υ​y​ = a​y​ ⋅ t​ +

υ​⏟0 . = 0 für t​ = 0

(III-3.14)

Mit d​y​ = υ​y​ d​t​ folgt (2. Integration)

y​ =

a​y​ 2 υ​0 t​ + t​ + ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2 =0

y​0 . ⏟⏟⏟⏟⏟ = 0 für​ t​ = 0

(III-3.15)

In x-Richtung durchläuft das Teilchen die Wegstrecke l​ entsprechend seiner konsl​ tanten Geschwindigkeit vx in der Zeit t​ = . Daher ergibt sich für die Wegstrecke υ​x​ y in der Zeit t

y​ =

2 q​E​l​ 2 a​y​ l​ = . 2 υ​ x2​ 2 m​υ​ x2​

(III-3.16)

3.1 Die Lorentz-Kraft

145

Thomson-Methode13 zur Bestimmung der spezifischen Ladung e/m des Elektrons: 1. Bestimmung des Nullpunkts des Elektronenstrahls bei Durchgang durch den feldfreien „Filterkondensator“: E = 0 und B = 0 2.



y = 0.

Jetzt wird B bei eingeschaltetem E so gewählt, dass der Strahl in der unabgelenkten Position mit y = 0 verbleibt. Für diese gilt offenbar q​ ⋅ E​ = q​ ⋅ υ​x​ ⋅ B​ .

(III-3.17)

Das ermöglicht durch Anbringung einer Lochblende am Ende des Kondensa-

3.

tors bei y = 0 die Auswahl von Teilchen mit einer bestimmten Geschwindigkeit E​ υ​x​ = und wird als „Wien-Filter“ 14 in Spektrometern und TeilchenbeschleuniB​ gern eingesetzt. Nun wird die Ablenkung y der so ausgefilterten Teilchen mit der Geschwindigkeit vx in einem weiteren Kondensator der Länge l bei der gleichen Feldstärke E gemessen. Setzt man υ​x​ = erhält man

E​ in die Formel für die Ablenkung y oben ein (Gl. III-3.16), so B​

y​ =

2 2 q​ ⋅ E​ ⋅ l​ B​

2 m​E​ 2

(Ablenkung der gefilterten Teilchen im E-Feld)

(III-3.18)

und daraus die spezifische Ladung q/m des abgelenkten Teilchens q​ 2 y​E​ . = m​ l​ 2 B​ 2

(III-3.19)

Thomson benützte bei seinem Versuch die bei der Glühemission emittierten Teilchen und stellte fest, dass sie negativ geladen und etwa 1000-mal leichter waren als H-Atome; er hatte damit die Existenz der Elektronen nachgewiesen.

13 Nach Sir Joseph John Thomson, 1856–1940. In Würdigung der großen Verdienste seiner theoretischen und experimentellen Untersuchungen der elektrischen Leitung von Gasen erhielt er 1906 den Nobelpreis. 14 Nach Wilhelm Carl Werner Otto Fritz Franz Wien, 1864–1928. Für seine Entdeckungen bezüglich der Gesetze der Wärmestrahlung (siehe Band II, Kapitel „Wärmestrahlung“, Abschnitt 3.4) erhielt er 1911 den Nobelpreis.

146

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

3.1.4.2 Hall-Effekt Wir betrachten einen Streifen (Breite b, Dicke d) aus einem elektrischen Leiter durch den ein Strom I fließt, also durch Anlegen eines elektrischen Feldes Elektronen mit der Driftgeschwindigkeit υ​⇀D​ entgegen der Stromrichtung transportiert werden.15 Bringt man den Leiterstreifen in ein Magnetfeld B​⇀, das senkrecht zur Driftgeschwindigkeit gerichtet ist, so werden die Elektronen entsprechend der LorentzKraft auf eine Seite des Leiters abgelenkt. Dadurch baut sich ein elektrisches Feld, das Hall-Feld (nach Edwin Herbert Hall, 1855–1938), normal zur Stromrichtung auf, das im Gleichgewicht gerade die Lorentz-Kraft kompensiert (Abb. III-3.9).16



B z



x + + + + + + + EH − − − + + + + F − − − − − −B− − −b



y 0 I

j

 ʋ

I

j

d

D

UH = Φ0 − Φ−b b Abb. III-3.9: Aufbau der Hall-Spannung in einem Leiter (Breite: b, Dicke: d). Das Koordinatensystem wird folgendermaßen festgelegt: x-Richtung in Stromrichtung j​⇀, y-Richtung in Richtung B​⇀× j​⇀, z-Richtung in B​⇀-Richtung. Zum Zeitpunkt des Einschaltens des Magnetfeldes (B​⇀weist nach oben in z-Richtung) werden die Ladungsträger (Elektronen mit Ladung q = –e, Stromrichtung I nach rechts in x-Richtung, Driftgeschwindigkeit υ​⇀D​ nach links in –x-Richtung) von ihrer ursprünglichen Bahn durch die Lorentz-Kraft F​⇀B​ nach vorne (in –y-Richtung) abgelenkt, wodurch sich die vordere Seitenfläche negativ auflädt. Im Gleichgewicht ist die durch die Aufladung entstehende CoulombFeldkraft F​⇀C​ = −e​ ⋅ E​⇀H​ in y-Richtung gerade entgegengesetzt gleich der Lorentz-Kraft F​⇀B​ und die Ladungsträger bewegen sich ohne Ablenkung mit ihrer ursprünglichen Driftgeschwindigkeit υ​⇀D​.

Zunächst setzen wir negative Ladungsträger voraus, also Elektronen. Fließt durch den Leiter ein Strom I und wird das Magnetfeld B​⇀zum Zeitpunkt t = 0 eingeschaltet, so erzeugt es die Lorentz-Kraft F​⇀B​ auf die sich mit der Driftgeschwindigkeit υ​⇀D​ in der negativen x-Richtung bewegende Ladung q = –e, hier mit sin​ (υ​⇀D​,B​⇀) = 1. Pro Volumeneinheit wirkt also eine Lorentz-Kraft

15 Die Driftgeschwindigkeiten υD in Leitern im Haushaltsbereich liegen in der Größenordnung von ≈ 3 ⋅ 10–5 m/s ≅ 10 cm/h. Für Cu bei einer Stromdichte von 10 A/mm2 ergibt sich eine Driftgeschwindigkeit von etwa 0,735 mm/s = 7,35 ⋅ 10–4 m/s ≅ 250 cm/h. (vgl. auch die Abschätzung der Driftge−4 −1 schwindigkeit in der Oberleitung für Elektrolokomotiven von υ​D​ = 1,66 ⋅ 10 ms im Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.1.4, Beispiel ‚Energietransport in der Oberleitung‘). 16 Im Inneren eines Leiters muss ja die Feldstärke (= Gesamtkraft/Ladung) Null sein.

147

3.1 Die Lorentz-Kraft B​

D​

F​ y​ = −n​ ⋅ e​ ⋅ υ​ x​ ⋅ B​z​ ,

(III-3.20)

wenn n die Ladungsträgerdichte ist, das ist die Zahl der Ladungsträger pro Volumeneinheit. Durch die damit verbundene Ladungstrennung – die positiven Atomrümpfe bleiben ja ortsfest – baut sich ein elektrisches Feld auf (Hall-Feld) auf, das im Falle negativer Ladungsträger wie die Lorentz-Kraft orientiert ist, auf die negativen e– also in der y-Richtung wirkt. Im Gleichgewicht (GG) muss die dadurch E​ verursachte Coulomb-Feldkraft F​ y​ dem Betrage nach gleich der Lorentz-Kraft, ihr aber entgegengerichtet sein:17 B​

D​

E​

F​ y​ = −n​e​υ​ x​ ⋅ B​z​ = −F​ y​ = n​ ⋅ e​ ⋅

H​ E​ y​ , ⏟⏟⏟⏟⏟ Hall​Feldstärke​

(III-3.21)

also H​

D​

E​ y​ = −υ​ x​ ⋅ B​z​

(III-3.22)

(weist in die negative y-Richtung). Als Potenzialdifferenz zwischen linkem und rechtem Rand des Leiterstreifens, der Hallspannung, können wir schreiben y​ = −b​ 18 Φ0 − Φ−b​ = U​H​ = ∫ E​ y​ ⋅ d​y​ = −b​ ⋅ E​ y​ = b​ ⋅ υ​ x​ ⋅ B​z​ . H​

H​

D​

(III-3.23)

0

Für den Gesamtstrom I durch den Leiterquerschnitt gilt im Rahmen des Drudeschen Modells der elektrischen Leitfähigkeit (siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.6.1.1) mit der Stromdichte für negativ geladene Elektronen19 j​x​ = −n​e​ 〈υ​x〉​ ⇒ 〈υ​x〉​ = −

j​x​ I​ =− Φ0,20 mit A​H​ = −

1 n​ ⋅ e​

Hall-Konstante (= Hall-Koeffizient, Hall coefficient) für Elektronenleitung. 21

(III-3.26)

1 mit q​ ≷ 0, wenn positive (>) oder negative Ladungsträger n​ ⋅ q​ ( 0, z. B. positive „Löcher“ im Halbleiter, siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.6.2.6), so weist ihre Driftgeschwindigkeit in der obigen Abb. III-3.9 nach rechts (in x-Richtung), am vorderen Rand sammeln sich die positiven Ladungsträger an und das entstehende Hall-Feld weist nach hinten in y-Richtung. In diesem Fall ergibt sich daher eine positive Hall-Spannung. Das Vorzeichen der Hall-Spannung gibt damit den Ladungsträgertyp (positiv oder negativ) an. Werden I, B, UH und d gemessen, dann kann bei bekannter Ladung q die Ladungsträgerdichte n bestimmt werden: Allgemein ist A​H​ =

n​ = |

I​ ⋅ B​ |. U​H​ ⋅ q​ ⋅ d​

(III-3.27)

Der Hall-Effekt ist daher ein wichtiges Hilfsmittel bei der Untersuchung der Stromleitung in Halbleitern. Eine andere Anwendung des Hall-Effektes ist die Hall-Sonde zur Messung des Magnetfeldes (der magnetischen Induktion): U​H​ = −

I​ ⋅ B​ . n​ ⋅ e​ ⋅ d​

(III-3.28)

20 Wie aus Abb. III-3.9 ersichtlich ist, muss ja Arbeit aufgewendet werden, um ein e– von y = 0 zu y = –b, also zur negativ geladenen Fläche, zu transportieren. 21 Für viele Metalle stimmen der so bestimmte Ladungstyp und die Hall-Konstante gut mit experimentellen Werten überein, bei manchen Metallen (z. B. Be, Zn, In) ist die experimentell bestimmte Hall-Konstante aber positiv. Dies ist dann der Fall, wenn das Leitungsband des Metallkristalls nahezu voll besetzt ist. Dann tritt an die Stelle der Ladungsträgerdichte der negativen Elektronen die Dichte der positiven „Löcher“, d. h., die negativen Leitungslektronen verhalten sich im Magnetfeld als hätten sie eine positive Ladung („Defektelektron“).

3.1 Die Lorentz-Kraft

149

Die gemessene Hallspannung ist also proportional zum Magnetfeld B. Wird daher die Hall-Spannung eines Leiterelements in einem berechenbaren Magnetfeld, z. B. einem Helmholtz-Spulenpaar22 bei einem vorgegebenen Strom I durch die HallI​ Sonde gemessen, so ist damit der Proportionalitätsfaktor zwischen UH und B n​e​d​ bestimmt, die Hallsonde also kalibriert und so kann ein unbekanntes Magnetfeld mit Hilfe von UH direkt gemessen werden. 3.1.4.3 Zyklotron 23 und Synchrozyklotron, Synchrotron Wir wissen aus der Mechanik: Auf ein kreisendes Teilchen, d. h., ein Teilchen mit konstanter Bahngeschwindigkeit auf einer Kreisbahn, wirkt nur eine konstante Zentripetalkraft, die es auf der Kreisbahn hält. Bewegt sich ein geladenes Teilchen mit der Ladung q (z. B. ein Elektron) mit konstanter Geschwindigkeit in einem homogenen, konstanten Magnetfeld, so wirkt die Lorentz-Kraft als Zentripetalkraft und führt zu einer Teilchenbahn mit Radius r (siehe oben Abschnitt 3.1.4.1, Gl. (III-3.11), Abb. III-3.10) r​ =

m​ ⋅ υ​ q​ ⋅ B​

Radius.

Für die Umlaufzeit T auf dieser Kreisbahn gilt T​ =

2 r​π​ 2 π​ m​υ​ 2 π​ ⋅ m​ = = υ​ υ​ q​ ⋅ B​ q​ ⋅ B​

(III-3.29)

und damit für die Umlauffrequenz ν​ =

1 q​ ⋅ B​ = T​ 2 π​m​

Umlauffrequenz.

(III-3.30)

22 Ein Helmholtz-Spulenpaar besteht aus zwei flachen Spulen vom Radius R, die parallel zueinanr​ pader und koaxial im Abstand R voneinander montiert sind. In einer Umgebung x​ ≤≈ um die Mittel4 ebene beider Spulen und der Spulenachse ist das Magnetfeld bei gleichsinnigem Stromfluss durch beide Spulen weitgehend konstant und bequem zu berechnen (siehe z. B. K. Simonyi, Theoretische Elektrotechnik, VEB-Verlag, Berlin 1980 oder W. Taussig Scott, The Physics of Electricity and Magnetism, John Wiley, New York 1966). 23 Das Zyklotron wurde 1929/30 von Ernest Orlando Lawrence (1901–1958) entwickelt. Dafür und für die damit erzielten Ergebnisse, speziell an künstlichen radioaktiven Elementen, erhielt er 1939 den Nobelpreis.

150

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Elektronenbahn



B



FB



ʋ

Abb. III-3.10: Elektronen auf einer Kreisbahn in einem Magnetfeld. Links: Fadenstrahlrohr; die Elektronenbahn wird durch die Anregung von Restgasatomen in der evakuierten Glaskugel sichtbar. Die Quelle befindet sich unten, die Elektronen laufen im Uhrzeigersinn. Rechts: Schematische Darstellung der Lorentz-Kraft mit Rechter-Hand-Regel (positive Ladung q) für –e (ein e– ). Das Magnetfeld B​⇀ist senkrecht in die Papierebene hinein gerichtet. (nach Wikipedia Marcin Białek)

Anders ausgedrückt:

ω​c​ = 2 π​ν​ =

q​ ⋅ B​ m​

Zyklotronfrequenz.

(III-3.31)

Die Größen T bzw. ω hängen (solange υ ≪ c, also p​ = γ​m​υ​ ≅ m​υ​, siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.9.2) nicht von der Teilchengeschwindigkeit υ ab, d. h., die Bahnen schneller Teilchen sind große Kreise, die q​ Bahnen langsamer Teilchen sind kleine Kreise. Alle Teilchen mit gleichem haben m​ gleiche Umlaufzeit. Schaut man in B​⇀-Richtung, so kreisen positive Teilchen gegen den Uhrzeigersinn, negative im Uhrzeigersinn.

3.1 Die Lorentz-Kraft

151

Beispiel: Zyklotron: Kreisbeschleuniger, beschleunigt geladene Teilchen im Magnetfeld auf Kreisbahnen. Oszillator, V = V0 sin ωc t

p-Quelle



⊗B

Strahl Strahlablenkung Zyklotron = Kreisbeschleuniger. In einem homogenen Magnetfeld B​⇀, das senkrecht in die Papierebene gerichtet ist, befinden sich zwei hohle Metallkammern in der Form zweier gegenübergestellter „D“ (die „D’s“) mit einem kleinen Abstand (Spalt). Geladene Teilchen (z. B. Elektronen oder Protonen (p)) werden mit geringer Energie von einer Quelle im Zentrum eingebracht und durch das Magnetfeld nach jedem Spaltdurchgang auf eine Kreisbahn gebracht (positive Teilchen (obige Skizze): Antiuhrzeigersinn, negative: Uhrzeigersinn). An die Metallkammern wird ein Hochfrequenzfeld so gelegt, dass die Teilchen im Spalt vom elektrischen Feld beschleunigt werden. Innerhalb der Kammern wirkt auf die Teilchen nur die Lorentz-Kraft, da das elektrische Feld in die Kammern nicht eindringt (Faraday-Käfig). Durch die Beschleunigung im Spalt wird die Kreisbahn nach jedem Spaltdurchgang etwas größer.

Zwei hohle Metallkammern in „D“-Form (im Englischen „the D’s“), z. B. aus CuBlech, werden in einer Vakuumkammer in ein starkes homogenes Magnetfeld B​⇀ gebracht. Zur Beschleunigung der ins Zentrum der insgesamt kreisförmigen Anordnung gebrachten geladenen Teilchen (Elektronen, Protonen oder Ionen), wird an die Kammern eine oszillierende Potenzialdifferenz so angelegt, dass sie q​ ⋅ B​ über den Spalt zwischen den D’s mit V​ = V​0 sin​ ω​c​ t​ variiert; ω​c​ = m​ ist die Zyklotronfrequenz. Das elektrische Feld im Inneren der D’s ist durch ihre Wirkung als FaradayKäfig abgeschirmt, es ist nur im Spalt wirksam. In den D’s bewegen sich die Teilchen daher auf Kreisbahnen, im Spalt erfolgt jeweils eine Beschleunigung durch das elektrische Feld, wenn es genau im richtigen Moment umgepolt wird. Im jeweils anderen D sind die Teilchen dann etwas schneller und bewegen sich auf einer größeren Kreisbahn. Unabhängig von der Ausgangsphase der angelegten Wechselspannung V erreichen die Teilchen den Spalt immer wieder zur gleichen Phasenlage, da die Umlaufzeit nicht von ihrer Geschwindigkeit abhängt. Daher werden alle Teilchen beschleunigt, benötigen aber bis zum Austritt eine unterschiedlich lange Zeit, also eine unterschiedlich große Zahl von Umläufen. Wirkt die Spannung bremsend, dann gehen die Teilchen schon in der Nähe der Quelle verloren.

152

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Wenn die Wand fast erreicht ist, verlässt ein zeitlich kontinuierlicher Strahl das Zyklotron nach einer entsprechenden Ablenkung durch ein Fenster. Der ausgekoppelte Strahl kann für Hochenergie-Experimente in der Teilchenphysik (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitt 3.1.5.1 Beispiel Kernreaktionen und Abschnitt 3.2.4.2, Fußnote 151) benützt werden. Wesentliche Voraussetzung für die Beschleunigung der Teilchen ist, dass die q​B​ des Teilchens gleich der festen Frequenz des elektriUmlauffrequenz ω​c​ = m​ schen Oszillators bleibt. Größere Probleme treten erst auf, wenn υ gegenüber c nicht mehr vernachlässigt werden kann und der relativistischer Impuls beachtet werden muss: (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.9.2) p​rel​ =

m​υ​ 2

= γ​​m​υ​

mit

γ​ =

υ​ √1 − c​ 2

1

> 1.

υ​ 2 √1 − c​ 2

Dann ergeben sich die Zyklotronfrequenz ωc und Umlaufzeit T zu ω​c​ =

q​B​ γ​m​

und

T​ = γ​

2 π​m​ q​B​

und T ist nicht mehr unabhängig von der Teilchengeschwindigkeit υ. Bei fester Oszillatorfrequenz ω​c​ und festem Magnetfeld kommt daher die Beschleunigung für relativistische Teilchengeschwindigkeiten außer Takt. Um dieses Problem zu lösen, wird beim Synchrozyklotron entweder bei konstantem B die Frequenz des elektrischen Oszillators laufend der abnehmenden Zyklotronfrequenz ωc angepasst oder es wird bei konstanter Oszillatorfrequenz das Magnetfeld B dem mit steigender Geschwindigkeit, also dem steigenden Bahnradius, zunehmenden Teilchenimpuls angepasst, das Magnetfeld also nach außen hin anwachsend gestaltet. Zwecks Fokussierung der Teilchen ist das Magnetfeld in Sektoren mit alternierenden Gradienten unterteilt („starke Fokussierung“): sogenanntes FFAG-C = fixed field alternating gradient cyclotron. In beiden Fällen beträgt die maximal erreichbare Protonenenergie 1 GeV. Diese Geräte müssen ebenso wie das Synchrotron (siehe unten) im Pulsbetrieb verwendet werden. Das weltgrößte Synchrozyklotron TRIUMF („Tri University Meson Facility“) befindet sich an der University of British Columbia in Vancouver, British Columbia, Kanada; dort werden Protonen mit einer Energie bis zu 500 MeV erzeugt. Bei der leistungsfähigsten Teilchenbeschleunigungsmaschine, dem Synchrotron, wird sowohl B in den Führungsmagneten (Quadrupolmagnete mit alternie-

3.1 Die Lorentz-Kraft

153

rendem Feldgradient in radialer und axialer Richtung) als auch die Frequenz der Beschleunigungsspannung in Abhängigkeit von der Teilchenenergie so geändert, dass die Teilchen im Takt bleiben und sich dauernd auf der gleichen mittleren Kreisbahn bewegen; dann muss sich nicht der gesamte Beschleuniger im Magnetfeld befinden, was für große Energien praktisch undurchführbar ist,24 sondern es genügt, die Magnete entlang der festgelegten Teilchenbahn zu positionieren. Die größte erreichbare Teilchenenergie ist durch die mit der Zentripetalbeschleunigung wachsenden Verluste infolge der Synchrotronstrahlung begrenzt.25

3.1.5 Stromdurchflossener Leiter und Leiterschleife im Magnetfeld, magnetischer Dipol Der Hall-Effekt hat gezeigt (Abschnitt 3.1.4.2): Ein Magnetfeld übt auf eine bewegte Ladung im Leiter eine Kraft aus, die Lorentz-Kraft. Da die Ladung im Leiter gebunden ist, wirkt diese Kraft auf den Leiter selbst und bewegt ihn entsprechend, falls er frei ist. Wird die Richtung des Magnetfeldes oder die Richtung des Stromes, also der Driftgeschwindigkeit der Ladungsträger umgekehrt, so wirkt die Kraft in die entgegengesetzte Richtung. Die Ablenkung des Leiters erfolgt entsprechend der Lorentz-Kraft in dieselbe Richtung, gleichgültig, ob es sich um positive Ladungsträger handelt, die sich in technischer Stromrichtung bewegen bzw. negative, z. B. Elektronen (e–), gegen die technische Stromrichtung. Wir betrachten ein Stück eines linearen Leiters, in dem e– fließen; es befinde sich in einem homogenen Magnetfeld B​⇀ normal zur Leiterrichtung, das aus der Papierebene herausschaut (⊙) (Abb. III-3.11). Im geraden Leiter der Länge l​ und dem Querschnitt A befinden sich N​ = n​ ⋅ l​ ⋅ A​ Ladungsträger (n ... Ladungsträgerdichte), die sich mit der Driftgeschwindigkeit υ​D​ bewegen. Falls B​⇀⊥ l​⇀, also auch B​⇀⊥ j​⇀(mit j​⇀⫽l​⇀) ist, ergibt sich die Lorentz-Kraft auf den linearen Leiter der Länge l​ im homogenen Feld B​⇀zu

F​B​ = N​ ⋅ q​ ⋅ υ​D​ ⋅ B​ = A​ ⋅ l​ ⋅ n​ ⋅ q​ ⋅ υ​D​ ⋅ B​ = A​ ⋅ j​ ⋅ l​ ⋅ B​ = I​ ⋅ l​ ⋅ B​ . ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-3.32)

= j​

24 Für ein 500 GeV Proton in einem Magnetfeld von 1,5 T ist ein Radius von 1,1 km notwendig und die Magnetpolfläche wäre damit 4 ⋅ 106 m2 ! Der Bahnradius des Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf mit einer derzeit maximalen Teilchenenergie von 13 (geplant 14) TeV hat einen Bahnradius von 4,2 km (Bahnumfang: 26,7 km). 25 Andererseits stellen Elektronensynchrotrone die leistungsfähigsten Quellen der in der Forschung (Physik, Chemie, Biologie) wegen ihrer hervorragenden Fokussierungseigenschaften bei sehr hoher Intensität und sehr variabler Frequenz immer mehr an Bedeutung gewinnenden Synchrotronstrahlung dar. (siehe dazu auch Kapitel „Wechselstrom und elektromagnetische Wellen“, Anhang 2 und Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.2.5.1).

154

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)



⊙B



l



FB

e− ʋD

Querschnitt A Abb. III-3.11: Ein gerades Leiterstück, in dem sich e– bewegen, befindet sich in einem homogenen Magnetfeld B​⇀normal zur Leiterrichtung, das aus der Papierebene herausschaut (⊙).

Ist das Magnetfeld B​⇀ nicht normal zum linearen Leiter und damit zum Strom I gerichtet, so wird die Lorentz-Kraft zu F​⇀B​ = I​ (l​⇀× B​⇀) ,

(III-3.33)

denn mit j​⇀⫽l​⇀gilt F​⇀B​ = N​ ⋅ q​ ⋅ υ​⇀D​ × B​⇀= A​ ⋅ l​ ⋅ n​ ⋅ q​ ⋅ υ​⇀D​ × B​⇀= A​ ⋅ n​ ⋅ q​ ⋅ υ​D​ ⋅ l​⇀× B​ = I​ ⋅ (l​⇀× B​⇀) . ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = j​⇀

(III-3.34)

= j​

Ist der Leiter schließlich auch nicht gerade, so muss er in kleine Längenelemente zerlegt werden und es gilt 26 d​F⇀​B​ = I​ (d​l⇀ ​ × B​⇀) .

(III-3.35)

Leiterschleife bzw. flache Spule im Magnetfeld Wir betrachten jetzt eine rechteckförmige, stromdurchflossene Leiterschleife27 (vier im Rechteck verbundene lineare Leiter 1–4) in einem homogenen Magnetfeld B​⇀, die sich um eine Achse senkrecht zum Magnetfeld drehen kann (Abb. III-3.12); die Leiterstücke 1 und 3 stehen stets ⊥ auf B​⇀, die Teile 2 und 4 nicht.

26 Da die Kraftelemente d​F⇀​B​ eines linearen Leiters im homogenen Feld B​⇀gleich groß sind, können sie durch die Summenkraft F​⇀B​ = ∑d​F⇀​B​ ersetzt werden, deren Angriffspunkt in der Mitte des Leiters der Länge l​ liegt. 27 Ströme werden positiv gezählt, wenn sie die Leiterschleife im mathematisch positiven Sinn durchlaufen, also entgegen der Uhrzeigerbewegung.

3.1 Die Lorentz-Kraft

155



n

b



3

n

B θ

I

I 90° + θ θ

I

4



B 90° − θ



2

90°

1 a

I

Drehachse Abb. III-3.12: Rechteckige, stromdurchflossene Leiterschleife (Leiter 1–4) im homogenen Magnetfeld B​⇀; die Leiterschleife ist um eine Achse senkrecht zum Magnetfeld drehbar.

Der Flächennormalenvektor n​⇀(Rechte-Hand-Regel: Gekrümmte Finger, die Fingerspitzen weisen in Stromrichtung, der Daumen weist dann in Richtung des Flächennormalenvektors) schließt mit dem Feldvektor B​⇀den Winkel θ ein. Die Leiterschleife wird sich dann so einstellen, dass n​⇀in die Magnetfeldrichtung B​⇀weist, da damit kein Drehmoment mehr wirksam ist (siehe weiter unten). Wir betrachten zunächst die Kräfte, die auf die vier Leiterstücke mit den Längen l​1 = l​3 = a​ und l​2 = l​4 = b​ wirken: Leiterstücke 2 und 4:

F​⇀B​,2 = I​ (l​⇀2 × B​⇀) mit dem Betrag ⇀B​,2 | = F​B​,2 = I​ ⋅ b​ ⋅ B​ ⋅ sin​ (90° + θ​) = I​ ⋅ b​ ⋅ B​ cos​ θ​ | F​ F​⇀B​,4 | = I​ ⋅ b​ ⋅ B​ ⋅ sin​ (90° − θ​) = I​ ⋅ b​ ⋅ B​ cos​ θ​ = |F​⇀B​,2 |, aber ⇒ F​⇀B​,4 = −F​⇀B​,2 . wegen l​⇀4 = −l​⇀2 |

Die Kräfte F​⇀B​,2 und F​⇀B​,4, haben dieselbe Wirkungslinie28 und denselben Betrag, sind aber entgegengesetzt gerichtet: Sie kompensieren einander. Leiterstücke 1 und 3 (∠ (l​⇀1,B​⇀) = ∠ (l​⇀3,B​⇀) = 90°): ⇀B​,1 | = F​B​,1 = |F​⇀B​,3 | = F​B​,3 = I​ ⋅ a​ ⋅ B​, F​⇀B​,3 = −F​⇀B​,1. | F​ Die Kräfte F​⇀B​,1 und F​⇀B​,3 haben denselben Betrag |F​⇀B​,1 | = |F​⇀B​,3 | = I​ ⋅ a​ ⋅ B​ und sind wegen l​⇀1 = −l​⇀3 entgegengesetzt gerichtet, besitzen aber nicht dieselbe Wirkungslinie, sie bilden daher ein Kräftepaar (Drehzwilling, siehe Band I, Kapitel „Mechanik des starren Körpers“, Abschnitt 3.1.1). Das dadurch entstehende Drehmoment ist so gerichtet, dass die Flächennormale n​⇀die Richtung von B​⇀einzunehmen sucht.

28 Die Angriffspunkte der beiden Kräfte in der Mitte der beiden Stücke 2 und 4 liegen ja in Kraftrichtung gesehen übereinander.

156

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Für das Drehmoment des Drehzwillings gilt hier (Band I, Kapitel „Mechanik des starren Körpers“, Abschnitt 3.1.1, Gl. Ι-3.10) D​⇀= (r​⇀1 − r​⇀3 ) × F​⇀

(III-3.36)

(r​⇀1,r​⇀3 … Angriffspunkte der Kräfte F​⇀und −F​⇀in den Mitten der Stücke 1 und 3) und für seinen Betrag mit dem Normalabstand l​n​ (siehe Abb. III-3.13) |

D​⇀| = D​ = |r​⇀1 − r​⇀3 | ⋅ F​ ⋅ sin​ θ​ = l​n​ ⋅ F​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = b​

(III-3.37)

Im vorliegenden Fall gilt für den Normalabstand der beiden Kräfte F​⇀B​,1 und F​⇀B​,3 l​n​ = b​ sin​ θ​

(III-3.38)

und damit für das von den Kräften F​⇀1 und F​⇀3 erzeugte Drehmoment D​1,3 = I​ ⋅ a​ ⋅ b​ ⋅ B​ sin​ θ​ .





B

FB, 3



(III-3.39)

Leiterstück 3

  I r −r

r3

1



n

3

O

θ



r1

b

θ Leiterstück 4 Leiterstück 1

b⋅sin θ = ln



FB,1

Abb. III-3.13: Seitenansicht der rechteckigen Leiterschleife im homogenen Magnetfeld B​⇀: Der Flächennormalenvektor n​⇀schließt mit B​⇀den Winkel θ ein. Die gleich großen und entgegengesetzt gerichteten Kräfte F​⇀B​,1 und F​⇀B​,3 besitzen aber nicht dieselbe Wirkungslinie; dadurch entsteht das Drehmoment D​ 1,3 = I​ ⋅ a​ ⋅ b​ ⋅ B​ sin​ θ​.

157

3.1 Die Lorentz-Kraft

Nehmen wir jetzt statt einer einzelnen Leiterschleife eine flache Spule (Dicke d klein gegen a und b) aus N Windungen mit der Windungsfläche A​ = a​ ⋅ b​ A​



a​ ⋅ b​ ⋅ B​ ⋅ sin​ θ​ = ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ N​ ⋅ I​ ⋅ A​ ⋅ B​ ⋅ sin​ θ​ . D​ = (N​ ⋅ D​1,3 ) = N​ ⋅ I​ ⋅ ⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞

(III-3.40)

Spuleneigenschaft

Für den Vektor des Drehmoments einer ganz allgemeinen stromdurchflossenen, flachen Spule, die sich in einem homogenen Magnetfeld befindet, gilt also29 D​⇀= N​ ⋅ I​ (A​⇀× B​⇀)

(III-3.41)

mit A​⇀= A​ ⋅ n​⇀, n​⇀ist der Flächennormalenvektor.30 Diese Formel gilt auch für beliebig berandete Flächen, z. B. Kreisscheiben, da sich diese immer in kleine Rechteckflächen zerlegen lassen. Wir definieren als magnetisches Dipolmoment (= magnetisches Moment = magnetic dipole moment = magnetic moment) p​⇀m​ = N​ ⋅ I​ ⋅ A​⇀

magnetisches Dipolmoment

(III-3.42)

2 mit der Einheit [p​m]​ = 1 Am . Die Richtung von p​⇀m​ weist also bei positivem I (entgegen dem Uhrzeigersinn im Rand von A laufend) in Richtung des Flächennormalenvektors n​⇀. Dies zeigt, dass das magnetische Dipolmoment p​⇀m​ im Gegensatz zum elektrischen Dipolmoment p​⇀e​31 in die Richtung des Magnetfeldes B​⇀ auf der Dipolachse weist: Die Richtung des Magnetfeldes der stromdurchflossenen Leiterschleife ergibt sich mit derselben „Rechte-Hand-Regel“! Damit erhalten wir für das Drehmoment einer flachen, stromdurchflossenen Spule im homogenen Magnetfeld – gültig für Leiterschleifen beliebiger Form:

29 Aus D​⇀= N​(b​⇀× F​⇀B​,1 ) und F​⇀B​,1 = I​ ⋅ (a​⇀× B​⇀) folgt D​⇀= N​ ⋅ I​ ⋅[b​⇀× (a​⇀× B​⇀)] = N​ ⋅ I​[a​⇀(b​⇀⋅ B​⇀) − B​⇀(⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ b​⇀⋅ a​⇀)

⏟ = a​⇀= a​ ⋅ a​⇀0 =0 (a​⇀⊥ b​⇀)

N​ ⋅ I​(a​ ⋅ b​ ⋅ B​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ sin​ θ​ ) a​⇀0; cos(b​⇀, B​⇀) = cos(90° − θ​)

mit n​⇀× B​⇀= a​⇀0(B​ sin​ θ​) folgt schließlich D​⇀= N​ ⋅ I ​[a​ ⋅ b​(n​⇀× B​⇀)] = N​ ⋅ I​ (a​ ⋅ b​ ⋅ n​⇀× B​⇀) = N​ ⋅ I​(A​⇀× B​⇀). ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = A​⇀

30 Die Orientierung von n​⇀wird durch den Umlaufsinn der Randkurve der Fläche bestimmt: Bei dem stets verwendeten Rechtssystem ist die Orientierung von n​⇀stets so gerichtet wie der Daumen der rechten Hand, wenn die Spitzen der anderen Finger in Richtung des positiven Umlaufs der Randkurve weisen, also gegen den Uhrzeigersinn. 31 Das elektrische Dipolmoment p​⇀e​ weist von der negativen zur positiven Ladung, also entgegengesetzt zur elektrischen Feldstärke E​⇀zwischen den beiden Ladungen (siehe Kapitel „Elektrostatik“ Abschnitt 1.4.2)!

158

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

D​⇀= p​⇀m​ × B​⇀.

(III-3.43)

Zur Erinnerung: Für das elektrische Dipolmoment fanden wir (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.4.2, Gl. III-1.49) p​⇀= p​⇀e​ = q​ ⋅ l​⇀und für das entstehende Drehmoment im homogenen elektrischen Feld (Kapitel „Elektrostatik“, 1.4.3, Gl. III-1.59) D​⇀= p​⇀e​ × E​⇀. Ein äußeres Magnetfeld übt also auf einen magnetischen Dipol ein Drehmoment aus. Für die Orientierungsänderung eines magnetischen Dipols entgegen diesem Drehmoment ist aber Arbeit notwendig. Daher weist ein magnetischer Dipol (analog zum elektrischen Dipol) in einem magnetischen Feld eine potenzielle Energie auf, die von seiner Orientierung zum Magnetfeld B​⇀abhängt. Beim elektrischer Dipol gilt (Kapitel „Elektrostatik“, 1.4.3, Gl. III-1.68) E​pot = −p​⇀e​ ⋅ E​⇀. Analog gilt beim magnetischen Dipol E​pot = −p​⇀m​ ⋅ B​⇀.

(III-3.44)

min​ Als kleinster Wert ergibt sich E​ pot = −p​m​ ⋅ B​ für p​⇀m​[[B​⇀, als größter Wert max​ E​ pot = p​m​ ⋅ B​ für p​⇀m​[YB​⇀. Die Energiedifferenz zwischen den beiden Stellungen beträgt daher

ΔE​pot = (+p​m​ ⋅ B​) − (−p​m​ ⋅ B​) = 2 p​m​ ⋅ B​ .



max Epot = μ ⋅B

 B

(III-3.45)



min Epot = −μ ⋅B

 

pm = μ

I

 

I

pm = μ

max​

Abb. III-3.14: Antiparallel (maximale Energie E​ pot = +p​m​ ⋅ B​) und parallel min​ zum Magnetfeld B​⇀orientierter magnetischer Dipol (minimale Energie E​ pot = −p​m​ ⋅ B​).

In der Atom- und Kernphysik bezeichnet man magnetische Momente statt p​⇀m​ mit μ​⇀, die Energiedifferenz beträgt dann (Abb. III-3.14)

159

3.1 Die Lorentz-Kraft

ΔE​pot = 2 μ​B​ .

(III-3.45a)

Analog zum elektrischen Dipol (Abschnitt 1.4.3, Gl. III-1.73) wirkt im inhomogenen Magnetfeld außer dem Drehmoment noch eine zusätzliche resultierende Kraft auf den magnetischen Dipol:

F​⇀=

⇀) B​⇀≡ (p​⇀m​ ⇀m​ ⋅ ∇ (p​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Vektorgradient

d​ )B​⇀ d​r⇀​

(III-3.46)

Magnetische Dipole können unterschiedlichen Ursprungs sein: 1. Leiterschleifen 2. Permanente Magnete Beispiel: Eine Kompassnadel versucht sich so zu drehen, dass der magnetische Nordpol in Feldrichtung weist. 3. Ursprünglich unmagnetisierte Eisenfeilspäne werden im Magnetfeld magnetisiert, sie werden zu kleinen Stabmagneten und zeigen in Feldrichtung (Sichtbarmachung von Feldlinien, Abschnitt 3.1.2, Abb. III-3.5): Induzierter Magnetismus (siehe Abschnitt 3.4.1). Das Drehmoment eines Stabmagneten der Länge l​, dem Querschnitt A und der Magnetisierung M​⇀ im Magnetfeld B​⇀beträgt analog zur Leiterschleife (Gl. III-3.43) D​⇀= p​⇀m​ × B​⇀

Drehmoment eines Stabmagneten,

(III-3.47)

wobei sich jetzt p​⇀m​ = A​ ⋅ M​⇀⋅ l​ aus der Summe der spontan mehr oder weniger parallel gerichteten atomaren Dipolmomente des „hartmagnetischen“ Materials des Stabmagneten ergibt: p​⇀m​ =

∑ p​⇀m​, Atom​ = M​⇀⋅ V​ .

(III-3.48)

V​Magnet

Historische Beschreibung der Magnetostatik In der älteren Literatur wird in Analogie zur Kraftwirkung auf eine elektrische Ladung q, also F​⇀= q​ ⋅ E​⇀, die Kraftwirkung auf den Pol 32 eines Magneten im Magnetfeld mit Hilfe der „Polstärke“ P und der magnetischen Feldstärke H​⇀beschrieben: F​⇀= P​ ⋅ H​⇀; die „Polstärke“ P entspricht also der Ladung q. Die Kraftwirkung zweier Pole P und P′ kann dann in Analogie zum Kraftgesetz der Elektrostatik, dem Coulombgesetz (siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.1.1, Gl. III-1.2), als „magneti-

32 Vgl. die Darstellung der Magnetpole eines Stabmagneten in Abschnitt 3.1.2, Abb. III-3.5.

160

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

sches Coulombgesetz“ F​⇀=

1 P​ ⋅ P​ ′ r​⇀ geschrieben werden33 und daraus eine 4 π​μ0​ r​ 2 r​

F​⇀ als Kraft auf den „Einheitspol“ gebildet P​ % 0 P​ B​⇀0 werden, wobei (im Vakuum) gilt: H​⇀= .34 Das magnetische Moment des Dipols μ​0 V​A​s​ m​ [F​] wird dann p​⇀m′​ = P​ ⋅ l​⇀([P​] = = = 1 V​s​) und D​⇀= p​⇀m′​ × H​⇀wie beim elektrischen [H​] A​ m​ „magnetische Feldstärke“ H​⇀= lim​

Dipol (p​⇀= q​ ⋅ l​⇀, D​⇀= p​⇀e​ × E​⇀). Aus heutiger Sicht gibt es aber keine „magnetischen Ladungen“, also keinen „magnetischen Monopol“, wohl aber magnetische Dipole: 1

Die fundamentale Einheit des Magnetismus ist der magnetische Dipol, der durch einen elektrischen Ringstrom (z. B. einer stromdurchflossenen Leiterschleife) realisiert werden kann. Im atomaren Bereich ist das magnetische Dipolmoment eine quantenmechanische Größe, die immer mit dem Drehimpuls (Bahn- oder Eigendrehimpuls) eines geladenen Teilchens verknüpft ist.35 Auch das magnetische Moment eines Stabmagneten kann durch mikroskopische Ringströme beschrieben werden, die durch die e–-Bewegung im Inneren der Atome verursacht werden. Tatsächlich sind aber die quantenmechanischen Dipolmomente dafür verantwortlich – der Stabmagnet ist letztlich ein quantenmechanisches Phänomen!

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme 3.2.1 Das Gesetz von Biot-Savart (1820) Wir haben zu Beginn dieses Kapitels erfahren: Ein Magnetfeld wird durch bewegte Ladungen erzeugt. Wir wollen jetzt das Magnetfeld stromdurchflossener Leiter berechnen.

33 Die Einheit der Polstärke folgt hieraus, wenn die Einheiten der Kraft und der Länge sowie μ0 festgelegt werden. 34 Bezüglich μ0 siehe Abschnitt 3.2.1, Gl. (III-3.53). 35 Siehe dazu Band V, Kapitel „Atomphysik“, Abschnitte 2.5.5 und 2.5.6.2.

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

161

Die Erfahrung aus vielen Experimenten zeigt, dass das magnetische Feld einer sich mit der Geschwindigkeit υ​⇀bewegenden Punktladung q so schreiben kann:36

μ​0 B​⇀= 4 π​

r​⇀ q​ (υ​⇀ × ) r​ r​ 2

37

,

(III-3.49)

wenn r​⇀der Abstandsvektor ist, der von der Ladung q zum Aufpunkt P weist für den B​⇀angegeben wird. 1. Das B​⇀-Feld ist proportional zur Ladung q und zur Geschwindigkeit υ der Ladung. 2. Es ergibt sich keine Komponente des Feldes in der Bewegungsrichtung der Ladung (also wenn r​⇀= k​ ⋅ υ​⇀), B ist ja wegen des Vektorprodukts proportional zu sin​ (υ​⇀,r​⇀). 3. B​⇀steht ⊥ auf υ​⇀und auf r​⇀, dem Abstandsvektor von q zum Aufpunkt. Um hieraus zum Magnetfeld eines elektrischen Stromes (eines stromdurchflossenen Leiters) zu gelangen, zerlegen wir den Leiter in kleine Leiterelemente d​l⇀ ​ mit dem Betrag d​l​ und der Richtung tangential zur Leiterrichtung. Damit können wir ein „Stromelement“ des Leiterstromes als I​ ⋅ d​l⇀ ​ schreiben. Wir wollen zunächst das Feld d​B⇀​ im Aufpunkt P​ (r​⇀) ermitteln, das durch das Stromelement I​d​l⇀ ​ erzeugt wird. Da auch für magnetische Felder das Superpositionsprinzip als experimentelle Tatsache gilt, kann das gesamte B​⇀-Feld der Leiteranordnung dann durch Aufsummierung der Teilfelder, also durch Integration, ermittelt werden. Als Unterschied zwischen der Elektrostatik und der Magnetostatik erkennen wir: Während das Ladungselement dq ein Skalar ist, ist das Stromelement I​d​l⇀ ​ ein Vektor. Mit j​⇀= n​ ⋅ e​ ⋅ υ​⇀und q​ = n​ ⋅ e​ ⋅ A​ ⋅ d​l​ (A … Leiterquerschnitt) folgt j​⇀=

q​ ⋅ υ​⇀ A​ ⋅ d​l​

(III-3.50)

und mit j​⇀⫽d​l⇀ ​

36 Vergleiche dazu das elektrische Feld, das durch eine ruhende Punktladung erzeugt wird (Kapi1 q​ r​⇀ . tel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.1.3, Gl. III-1.7): E​⇀= 4 π​ε0​ r​ 2 r​ 37 Diese Beziehung kann mit Hilfe der Relativitätstheorie aus der Kraft zwischen zwei bewegten Punktladungen abgeleitet werden (siehe Abschnitt 3.3.6).

162

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

q​ ⋅ υ​⇀= j​⇀⋅ A​ ⋅ d​l​ ⏟ = j​A​d​l⇀ ​ = I​ ⋅ d​l​ .

(III-3.51)

j​⇀ ⫽d​l⇀ ​

Eingesetzt in die obige Formel für B​⇀(Gl. III-3.49) ergibt sich

d​B⇀​ =

μ​0 I​ r​⇀ (d​l⇀​ × ) 4 π​ r​ 2 r​

Biot-Savartsches Elementargesetz.

38

(III-3.52)

r​⇀ ist der Einheitsvektor vom betrachteten Stromelement I​d​l⇀ ​ zum Aufpunkt P​ (r​⇀). Wir r​⇀ sehen: Das Feld steht normal auf dem Stromelement I​d​l⇀ ​ und dem Abstandsvektor r​⇀, sein Betrag ist proportional zur Stromstärke I. μ0 ist die magnetische Feldkonstante, deren Wert aus der Festlegung der Einheit der Stromstärke, also aus der Kraftwirkung zwischen zwei parallelen Strömen im Abstand 1 m folgt (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.1.2 und im vorliegenden Kapitel Abschnitt 3.3.1):

μ​0 = 4 π​⋅10

−7

Vs​ −6 Vs​ = 1,2566370614 ⋅ 10 Am​ Am​

(III-3.53)

magnetische Feldkonstante, Permeabilität des Vakuums, Induktionskonstante, (permeability constant, magnetic constant, permeability of free space). Da ein Stromelement I​d​l​ nicht isoliert hergestellt werden kann, ist das Biot-Savartsche Elementargesetz experimentell nicht zu verifizieren; die aus ihm folgenden Gesetze stehen aber mit dem Experiment im Einklang.

3.2.2 Beispiele für Feldberechnungen 3.2.2.1 Langer gerader Leiter Schon der Oerstedsche Versuch (siehe Fußnote 4) zeigte die Wechselwirkung zwischen elektrischen Strömen und magnetischen Feldern. Das einen geraden, stromdurchflossenen Leiter umgebende kreisförmige Magnetfeld kann jetzt mit dem Biot-Savartschen Elementargesetz berechnet werden. Wir betrachten dazu ein kleines, stromdurchflossenes Stück eines geraden Leiters d​l⇀ ​ und betrachten das magnetische Feld B​⇀im Aufpunkt P​ (r​⇀) (Abb. III-3.15).

38 Nach Jean-Baptiste Biot, 1774–1862, französischer Mathematiker und Physiker und Félix Savart, 1791–1841, französischer Arzt und Physiker.

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

163

z

dz



φ = 90° + α

dl

α



z

r

O

α P

R

 

r __ = er r

 e

dB

t

I

Abb. III-3.15: Zur Berechnung des Magnetfeldes eines langen, geraden Leiters mit dem Biot-Savartschen Elementargesetz.

Entsprechend Abb. III-3.15 ist

d​l⇀ ​×

r​⇀ ⇀ r​⇀ sin​ φ​ = e​⇀t​ ⋅ d​z​ ⋅ cos​ α​ . = e​⇀t​ d​ ⏟l​ ⋅ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ r​ r​ cos​ α​ ⏟ d​z​

(III-3.54)

1

Die Richtung des Kreuzprodukts und daher die Richtung von B​⇀ist also tangential zu einem Kreis um den Leiter durch P mit Radius R. Es gilt cos​ α​ =

tan​ α​ =

z​ R​

R​ r​

r​ =



R​ cos​ α​



z​ = R​ ⋅ tan​ α​ und



d​z​ = R​

d​α​ cos​ 2 α​

(III-3.55)

d​z​ 1 = R​ ⋅ d​α​ cos​ 2 α​

.

Damit ergibt sich für den magnetischen Feldvektor B​⇀im Aufpunkt P

(III-3.56)

164

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

B​⇀(R​) =

μ​o​ I​ cos​ α​ e​⇀t​ ∫ 2 d​z​ 4 π​ r​

(III-3.57)

und für seinen Betrag B π​ ∕ 2

B​ (R​) =

=

π​ ∕ 2

3 μ​0 I​ μ​0 I​ cos​ α​ R​ d​α​ = ∫ ∫ cos​ α​ d​ α​ 2 2 4 π​ −π​ ∕ 2 R​ 4 π​R​ −π​ ∕ 2 cos​ α​

μ​0 I​ π​ π​ μ​0 I​ (sin​ + sin​ ) = . 4 π​R​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2 2 2 π​ R​

(III-3.58)

=1

B ist also proportional zu I und zu 1 ∕ R​ . Aus Symmetriegründen sind die Feldlinien konzentrische Kreise mit in Richtung R zunehmendem Abstand voneinander (siehe Abb. III-3.1). In der z-Richtung sind die B-Linien äquidistant, da B nicht von z abhängt.39 Für die Richtung des magnetischen Feldes gilt die Rechte-Hand-Regel (Abb. III-3.2): Der Leiter wird mit der rechten Hand so umfasst, dass der Daumen in Stromrichtung zeigt; dann weisen die Fingerspitzen in die Richtung des den Leiter umgebenden Magnetfeldes.

3.2.2.2 Kreisbogen, Kreisschleife, ideale Spule

P

φ

B



r R

dl

I Abb. III-3.16: Zur Berechnung des Magnetfeldes eines Kreisbogens.

Das Biot-Savart Gesetz ergibt für das magnetische Feld im Zentrum P eines Kreisbogens mit Zentriwinkel φ (B​⇀weist aus der Papierebene heraus, Abb. III-3.16)

39 Die Dichte der Feldlinien ist ja zu |B​⇀| proportional und |B​⇀| fällt in R-Richtung mit 1/R, jedoch nicht in z-Richtung.

165

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

d​B​ =

​ × R​⇀| μ​0 I​ ⋅ d​l​ ⋅ sin​ 90∘ μ​0 I​ ⋅ d​l​ μ​0 I​⋅ |d​l⇀ = = 3 4 π​ R​ 2 4 π​ 4 π​ R​ 2 R​ φ​

φ​



(III-3.59)

μ​0 I​ μ​0 ⋅ I​ φ​ μ​0 I​ ⋅ R​ ⋅ d​φ​ = ∫d​φ​ = B​ = ∫ 2 4 π​ R​ 4 π​ R​ 4 π​ r​ 0 0

(III-3.60)

im Zentrum des Kreisbogens. Für eine komplette Kreisschleife ist φ​ = 2 π​ und daher das Feld in ihrem Mittelpunkt

B​ = μ​0

I​ 2 R​

bzw.

B​⇀= μ​0

I​ ⋅ z​⇀0 , 2 R​

(III-3.61)

z​⇀0 … Einheitsvektor in z-Richtung. Das Feld in P weist also in die positive z-Richtung (aus der Papierebene heraus). Für das Magnetfeld einer idealen, langen Spule (= Solenoid 40) mit N Windungen, deren Länge l​ also viel größer ist als der Windungsradius R, ergibt sich für jeden Punkt (siehe weiter unten Abschnitt 3.2.4.1) in ihrem Innenraum mit der N​ Windungszahldichte n​ = l​ B​ = μ​0

N​ I​ = μ​0 ⋅ n​ ⋅ I​ = μ​0 ⋅ I​ges​ l​

(III-3.62)

N​ I​ = n​ ⋅ I​, der „Strom-Windungszahl“ (= Ampere-Windungszahl) pro l​ Länge der Spule. Im Außenraum verschwindet das Feld (B​ = 0 im Außenraum). mit I​ges​ =

3.2.3 Das Amperesche Gesetz 41 (Durchflutungsgesetz, Verkettungsgesetz, Ampere’s circuital law) Das Gaußsches Gesetz der Elektrostatik, das direkt aus dem Coulombschen Gesetz folgt, verknüpft die Ladung im Inneren einer geschlossenen Oberfläche mit der Normalkomponente des elektrischen Feldes integriert über die gesamte Oberfläche (Ka40 Aus gr. solen = Rinne, Röhre und gr. eides = ähnlich sein. 41 Nach André-Marie Ampère, 1775–1836. Mit dem Namen Amperes ist noch ein weiteres Gesetz der Elektrodynamik verbunden, das Amperesche Kraftgesetz der Kraftwirkung zwischen parallelen Strömen (siehe Abschnitt 3.3.1). Das auch oft als „Amperesches Elementargesetz“ bezeichnete Kraftgesetz zwischen zwei Stromelementen I​1 d​l⇀ ​1 und I​2 d​l⇀ ​2 im Abstand r​⇀(r​⇀weist von Element 1 zu Ele-

166

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

pitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.2.2, Gl. III-1.19). Im magnetischen Feld ergibt sich aus dem Biot-Savartschen Elementargesetz eine analoge Beziehung, die das Integral der Tangentialkomponente von B​⇀über eine geschlossene Kurve C mit dem Strom verknüpft, der durch die von der Kurve C berandete Fläche A hindurchtritt (Durchflutungsgesetz); dabei muss die Fläche A nicht eben sein und die Kurve C nicht in einer Ebene liegen: Amperesches Gesetz (Durchflutungsgesetz), integrale Form (Teil der 4. Maxwell-Gleichung (III-3.63) in integraler Form) im Vakuum.

∮B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 I​A​ C​

​ ist der Strom, der durch die Fläche A hindurchtritt, die durch die geI​A​ = ∫j​⇀A​ d​f⇀ A​

schlossene Kurve C (die „Amperesche Schleife“) begrenzt ist; der Leitungsstrom kann im stationären Fall nirgends beginnen oder enden. In analoger Weise wie das Gaußsche Gesetz zur Berechnung symmetrischer elektrischer Felder verwendet werden kann, eignet sich das Amperesche Gesetz zur Berechnung statischer Magnetfelder, wenn die Anordnung eine hohe Symmetrie besitzt. Beispiel: Magnetfeld außerhalb eines langen, geraden Leiters. Wenn die Enden des Leiters weit voneinander entfernt sind, hat B keine Komponente in Richtung des Leiters. Wir wählen als Amperesche Schleife C einen Kreis um den Leiter, die vom Kreis umrandete Fläche stehe dabei senkrecht zum Leiter.

  dl B

R

I = IA

C

⇒ das Magnetfeld ist tangential zum Kreis und hat an jedem Punkt des Kreises den gleichen Betrag. Es ist

ment 2) d​F⇀​ =

μ​0 I​1 ⋅ I​2 2 π​

r​ 2

r​⇀

(d​l⇀​1 × (d​l⇀​2 × )) wurde aber von Hermann Günther Graßmann (1809–1877) r​

in seiner Arbeit „Neue Theorie der Elektrodynamik“ in Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie 64, 1 (1845) als Verbesserung eines Gesetzes von Ampere aufgestellt.

167

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

∮B​⇀d​l⇀ ​ = B​∮d​l⇀ ​ = B​ ⋅ 2 π​ R​ C​

C​

Mit dem Ampereschen Gesetz gilt dann ∮B​↼d​l⇀ ​ = μ​0 I​A​ = B​ ⋅ 2 π​ R​ C​



B​ =

μ​0 I​ , 2 π​ R​

also das gleiche Ergebnis, das durch direkte Anwendung des Biot-Savartschen Gesetzes erhalten wurde (Abschnitt 3.2.2.1, Gl. III-3.58), die Rechnung ist aber viel einfacher. Über das Magnetfeld innerhalb eines Leiters können wir zunächst noch keine Aussage machen, da die bisherigen Formeln nur für das Vakuum abgeleitet wurden. Vorausgreifend sei aber hier schon festgestellt, dass unter Verwendung des FeldB​⇀ vektors H​⇀= , der magnetischen Feldstärke (= magnetische Erregung, μ … Permeabiμ​ lität) im ganzen Raum, mit oder ohne Materie, das Amperesche Gesetz lautet: ​ = I​A​ = ∫j​⇀A​ d​f⇀ ​ ∮H​⇀d​l⇀ C​

(III-3.64)

A​

bzw. in differentieller Form rot H​⇀= j​⇀A​ .

(III-3.65)

Für den geraden Leiter folgt daraus sowohl im Vakuum als auch in der Materie H​ =

I​ . 2 π​R​

(III-3.66)

Damit kann die Abhängigkeit von H​⇀ vom Radius R innerhalb und außerhalb des Drahtes dargestellt werden (siehe Anhang 1). Die Feldgröße B​⇀ergibt sich dann aus B​⇀= μ​ ⋅ H​⇀

(III-3.67)

mit μ​ = μ​0 μ​r,​ μr … relative Permeabilität, μ​r​ = 1 im Vakuum. Das Amperesche Gesetz (Durchflutungsgesetz, Verkettungsgesetz) sagt aus, dass die magnetischen Feldvektoren B​⇀ des von stromdurchflossenen Leitern er-

168

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

zeugten Magnetfeldes in geschlossenen Kurven verlaufen, die die Leiter umschlingen. Das Magnetfeld bildet also Wirbel um die Ströme herum, die es erzeugen. Der Strom I im Gesetz von Biot-Savart und im Ampereschen-Gesetz ist der Gesamtstrom der durch die Fläche A tretende Stromdichte j​⇀, also I​ = ∫j​⇀A​ d​f⇀ ​.

(III-3.68)

A​

Damit wird das Amperesches Gesetz mit B​ = μ​0 H​ im Vakuum wieder ∮B​⇀d​l​ = μ​0 ∫ j​⇀A​ d​f⇀ ​. C​

(III-3.69)

A​ (C​)

Wir erinnern uns an den Stokesschen Satz aus der Mathematik: 1

Das Ringintegral des Vektors υ​⇀über eine geschlossene Kurve C ist gleich dem Oberflächenintegral der Rotation von υ​⇀über die eingeschlossene Fläche: ⇀ × υ​⇀)d​f⇀ ∮ υ​⇀d​l⇀ ​ = ∮ rot υ​⇀d​f⇀ ​ = ∫ (∇ ​. C​ (A​)

A​ (C​)

A​ (C​)

Wir können daher schreiben ​ = ∫ rot B​⇀⋅ d​f⇀ ​ = μ​0 ∫ j​⇀A​ d​f⇀ ​ ∮ B​⇀d​l⇀ C​ (A​)



1

rot B​⇀= μ​0 j​⇀A​

A​ (C​)

(III-3.70)

A​ (C​)

Amperesches Gesetz, differentielle Form (Teil der 4. Maxwell-Gleichung in differentieller Form) für das Vakuum.

(III-3.71)

Das magnetische Feld ist ein quellenfreies Wirbelfeld, wobei die Wirbel durch die Ströme verursacht werden.

3.2.4 Beispiele für Magnetfeldberechnungen 3.2.4.1 Magnetfeld einer langen Spule (Solenoid) Das Magnetfeld einer Spule ist die Vektorsumme der Magnetfelder, die durch die einzelnen Windungen erzeugt werden. Sehr nahe am Leiter bilden die magnetischen Feldlinien konzentrische Kreise. Abb. III-3.17 zeigt einen ebenen Schnitt durch eine Spule und den Verlauf der sich

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

169

durch Überlagerung ergebenden B​⇀-Linien. In Abb. III-3.17 fließt der Spulenstrom in den oberen Windungsteilen aus der Papierebene (Schnittfläche) heraus, die Feldlinien an der Oberfläche der durchgeschnittenen Leiterteile im oberen Teil sind daher konzentrisch mit Richtung im Gegenuhrzeigersinn; der Spulenstrom in den unteren Windungsteilen fließt in die Papierebene hinein, die an der Leiteroberfläche konzentrischen B​⇀-Linien sind daher im Uhrzeigersinn gerichtet. Zwischen den eng aneinander liegenden Windungen kommt es zur gegenseitigen Auslöschung des Feldes. Im Spuleninneren überlagern sich die Felder konstruktiv, das B​⇀-Feld ergibt sich nahezu parallel zur Spulenachse.

Abb. III-3.17: Magnetfeld einer Spule (ebener Schnitt).

Bei einer idealen, langen Spule, einem Solenoid (unendlich lang mit dicht aneinanderliegenden Windungen eines dünnen Leiters) ist das durch den Spulenstrom erzeugte Magnetfeld im Spuleninneren homogen und parallel zur Spulenachse und verschwindet im Außenraum. Diese Bedingung ist gut erfüllt, wenn die Spulenlänge l sehr viel größer als der Windungsdurchmesser 2 r ist, also l​ ≫ 2r​. Für die Richtung des Magnetfeldes im Inneren der Spule ergibt sich folgende Rechte-Hand-Regel: Die Fingerspitzen der gekrümmten Finger weisen in Stromrichtung, dann weist der Daumen in B​⇀- Richtung.

Zum Beweis dieser Aussagen wenden wir jetzt das Amperesche Gesetz auf eine ideale, lange Spule, ein Solenoid an, wobei wir beachten, dass aus Symmetriegründen das Feld im Spuleninneren überall parallel zur Spulenachse verlaufen muss (Abb. III-3.18). Zunächst erkennen wir durch Betrachtung einer Ampereschen Schleife A′ B′ C D, die sowohl die oberen als auch die unteren Spulendrähte umschlingt (⇒ Durchflutung ∑I​n​ = 0), dass die magnetische Feldstärke außerhalb des Solenoids Null sein muss: Baußen = 0.

1

170

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

l



B

D

C

A

B

A′

B′

I (aus der IPapierebene heraus)

I (in die Papierebene hinein)

Abb. III-3.18: Zur Berechnung des Magnetfeldes einer idealen, langen Spule (Solenoid) mit dem Ampereschen Durchflutungsgesetz.

Als Amperesche Schleife C wählen wir nun das Rechteck ABCD in der obigen Abb. III-3.18. Es gilt B​

c​

d​

B​⇀d​l⇀ ​ +∫ ∮B​⇀d​l⇀ ​ = ∫ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ A​ = B​ ⋅ l​

B​⇀d​l⇀ ​

⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ b​ ⇀ ∠(B​d​l⇀ ​ ) = 90° ⇀ ⇒ cos​ (B​d​l⇀ ​) = 0 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ =0

a​

+ ∫B​⇀d​l⇀ ​+∫ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

c​ B​ = 0 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ =0

B​⇀d​l⇀ ​

= B​ ⋅ l​ .

(III-3.72)

⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ d​ ⇀ cos​ (B​d​l⇀ ​) = 0 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ =0

Wir bestimmen den Strom IC der durch Fläche der Ampereschen Schleife fließt mit n Windungen/Länge, also n​ =

N​ : l​ I​A​ = N​ ⋅ I​ = n​ ⋅ l​ ⋅ I​ .

(III-3.73)

Damit ergibt sich das Amperesche Gesetz zu ∮B​⇀d​l​ = μ​0 ⋅ I​A​ = μ​0 I​ ⋅ n​ ⋅ l​ ,

(III-3.74)

B​ ⋅ l​ = μ​0 I​ ⋅ n​ ⋅ l​

(III-3.75)

also mit Gl. (III-3.72)

bzw. B​ = μ​0 ⋅ n​ ⋅ I​

Magnetfeld eines Solenoids.

(III-3.76)

Das Magnetfeld einer idealen, langen Spule hängt also weder vom Spulendurchmesser noch von der Spulenlänge ab und ist über den Spulenquerschnitt konstant. Dies gilt auch für praktisch ausgeführte Spulen, wenn man nur das Spuleninnere weit weg von den Spulenenden betrachtet.

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

171

3.2.4.2 Magnetfeld eines Toroids Werden die Enden eines Solenoids zusammengefügt, so ergibt sich ein Toroid (Abb. III-3.19). Amperesche Schleife C



B

I (aus der Papierebene heraus)

r

I (in die Papierebene hinein)

Abb. III-3.19: Zur Berechnung des Magnetfeldes eines Toroids mit dem Ampereschen Durchflutungsgesetz.

Aus der Symmetrie des Toroids ergibt sich, dass die B​⇀-Linien im Inneren konzentrische Kreise bilden. Wir wählen daher als Ampèresche Schleife C einen Kreis im Inneren des Toroids mit Radius r und der gleichen Orientierung wie B​⇀. Bei der Integration kann die positive Stromrichtung dann mit einer „Rechte-Hand-Regel“ bestimmt werden: Weisen die Spitzen der gekrümmten Finger in Integrationsrichtung, dann zeigt der Daumen in die positive Stromrichtung. Bei der vorliegenden Integration im Uhrzeigersinn muss daher der Strom im inneren Toroidkreis in die Papierebene hinein, jener im äußeren Toroidkreis aus der Ebene heraus fließen. Da die Integration in der Richtung von B​⇀erfolgt, gilt B​⇀⋅ d​l⇀ ​ = B​ ⋅ d​l​ ⋅ cos​ (B​⇀d​l⇀ ​) ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 1



∮B​⇀d​l⇀ ​ = ∮B​d​l​ = B​

∮d​ l​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Kreis = 2 π​ r​

= B​ ⋅ 2 π​ r​ .

(III-3.77)

172

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Ampèresches Gesetz: ∮B​⇀d​l⇀ ​ = B​ ⋅ 2 π​ r​ = μ​0 I​A​ = μ​0 N​ ⋅ I​ ,

(III-3.78)

wobei der Strom I, der die von der Ampereschen Schleife C begrenzte Fläche durchsetzt, positives Vorzeichen trägt; N ist die Gesamtzahl der Leiterwindungen des Toroids. Damit ergibt sich für das Magnetfeld B im Inneren

B​ = μ​0

N​I​ 1 ⋅ . 2 π​ r​

(III-3.79)

Wie beim Solenoid verschwindet das Feld im Außenraum des Toroids (B = 0), in seinem Inneren ist aber jetzt das Feld nicht mehr konstant über den Querschnitt, sondern hängt von der Distanz r zum Zentrum ab.

3.2.5 Die stromdurchflossene Leiterschleife als magnetischer Dipol Wir haben früher gesehen (Abschnitt 3.1.5): Eine Leiterschleife oder „flache“ Spule verhält sich im Magnetfeld als magnetischer Dipol mit dem Dipolmoment (Gl. III3.42) p​⇀m​ = N​ ⋅ I​ ⋅ A​⇀. In einem Feld B​⇀erfährt sie ein Drehmoment (Abschnitt 3.1.5, Gl. III-3.43) D​⇀= p​⇀m​ × B​⇀. Dabei ist A​⇀= A​n⇀die ​ orientierte Fläche der Schleife mit dem Betrag A und dem Flächennormalenvektor n​⇀. Wir berechnen zunächst das magnetische Feld einer kreisförmigen Leiterschleife (flachen Spule) auf der Symmetrieachse. Abb. III-3.20 zeigt einen ebenen Schnitt durch die Leiterschleife: Nur der hinter der Papierebene gelegene Teil der Schleife ist sichtbar. Wir wenden das BiotSavartsche Elementargesetz zur Berechnung des Feldes an. Dazu betrachte wir das Längenelement d​l⇀ ​ der Schleife in Stromrichtung orientiert, das links aus der Par​⇀ pierebene herausweist. Wir wissen, dass d​B⇀​ ∝ d​l⇀ ​ ⋅ ist, d​B⇀​ steht also im Aufpunkt P r​ auf der Ebene (d​l⇀ ​,r​⇀) normal. Wir zerlegen d​B⇀​ in seine Komponenten parallel zur Schleifenachse (d​B⫽ ​ ) und normal dazu (d​B​⊥). Aus der Symmetrie der Kreisschleife

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

173

folgt, dass die Integration über alle Komponenten d​B⊥ ​ Null ergeben muss, nur die axial gerichteten Komponenten d​B⫽ ​ bleiben übrig. Also B​ = ∫d​B⫽ ​ .

(III-3.80)



dB

α dB ∥ dB⊥

P



r

z

 dl

R α I (aus der Papierebene heraus)

I (in die Papierebene hinein)

Hälfte der kreisförmigen Drahtschleife, die hinter der Papierebene liegt; sie wird durch die Papierebene geteilt. Abb. III-3.20: Zur Berechnung des Magnetfeldes einer Leiterschleife (flache Spule).

Nach dem Biot-Savart Gesetz (Abschnitt 3.2.1, Gl. III-3.52) gilt, da d​l⇀ ​ ⊥ r​⇀ = 1

r​⇀ μ​0 I​ ⋅ d​l​ ⋅⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ sin​ 90° μ​0 ⋅ I​ ⋅ d​l​ μ​0 I​ ( d​l⇀ ​× )= = . d​B​ = 2 4 π​ r​ 4 π​ r​ 2 4 π​ r​ 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟r​

(III-3.81)

= d​l​ ⋅ sin​ 90°

Außerdem ist nach der Abb. III-3.20 cos​ α​ =

d​B⫽ ​ d​B​



d​B​⫽ = d​B​ cos​ α​

(III-3.82)

und damit

d​B​⫽ =

μ​0 I​cos​ α​ ⋅ d​l​ . 4 π​ r​ 2

(III-3.83)

174

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Mit r​ = √R​ 2 + z​ 2

und

cos​ α​ =

R​

=

r​

R​

√R​ 2 + z​ 2

(III-3.84)

ergibt sich μ​0 ⋅ I​ ⋅ R​

d​B​ =

2

⋅ d​l​

2 3∕2

(III-3.85)

4⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ π​ (R​ + z​ )

gleich für alle Elemente der Schleife

und daraus

B​ (z​) = ∫d​B⫽ ​ =

μ​0 I​R​

∫d​l​

4 π​ (R​ 2 + z​ 2 ) 3 ∕ 2

=

⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2 R​π​

μ​0 I​R​ 2 2(R​ 2 + z​ 2 ) 3 ∕ 2

(III-3.86)

also B​ = B​ (z​), d. h., das in P erzeugte Magnetfeld hat die Richtung des auf die Drahtschleife senkrecht stehenden magnetischen Dipolmoments p​⇀m​. Für z = 0 ergibt sich das Feld im Zentrum der Schleife wie früher (Abschnitt 3.2.2.2, Gl. III-3.61)

B​ = μ​0

I​R​ 2 2 R​

3

= μ​0

I​

.

(III-3.87)

2 R​

Für weit entfernte axiale Punkte z ≫ R (Feld in Dipolrichtung) gilt

B​ (z​) ≅ μ​0

I​R​ 2 2 z​

3

=

μ​0 2 π​



I​R​ 2 π​ z​

3

=

μ​0 p​m​ 3 2 π​ z​

(III-3.88)

( |p​m​ | = I​ ⋅ A​ = I​R​ 2 π​), wie es für einen Dipol vom Moment p​⇀m​ in Richtung seiner Achse sein muss (siehe weiter unten Gl. III-3.90). Wir betrachten jetzt statt der Kreisschleife eine „flache Spule“ mit der Querschnittsfläche A​ = R​ 2 π​ und N Windungen. Für das Feld in Dipolrichtung mit z ≫ R erhalten wir dann = p​m​

μ​0 N​ ⏞⏞⏞⏞⏞ I​A​ . B​ (z​) = 2 π​ z​ 3

(III-3.89)

Da das magnetische Dipolmoment p​⇀m​ und das Magnetfeld B​⇀in die gleiche Richtung weisen, können wir oben p​⇀m​ einsetzen:

175

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

B​⇀(z​) =

μ​0 p​⇀m​ 2 π​ z​

Magnetfeld einer stromdurchflossenen, flachen Spule in Dipolrichtung.

3

(III-3.90)

Zur Erinnerung: Für den elektrischen Dipol fanden wir (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.4.2, Gl. III-1.55) für die Feldstärke in Richtung der Dipolachse E​θ​ = 0 = E​r​ =

1

p​e​

2 π​ε0​ r​

und damit

3

E​⇀(z​) =

1

p​⇀e​

2 π​ε0​ z​ 3

.

Eine stromdurchflossene, flache Spule (Leiterschleife) gibt sich in zweierlei Weise als magnetischer Dipol zu erkennen: 1. Im äußeren Magnetfeld wirkt auf sie ein Drehmoment D​⇀= p​⇀m​ × B​⇀. 2. Sie erzeugt ein eigenes Magnetfeld entlang der Spulenachse = Dipolachse.

Permanentmagnet

N



pm



B

I

I

Leiterschleife bzw. „flache Spule“

S

Abb. III-3.21: Das Magnetfeld einer stromdurchflossenen Leiterschleife bzw. „flachen Spule“ ist identisch mit jenem eines kurzen, homogen magnetisierten Permanentmagneten („magnetisches Blatt“) entsprechender Orientierung (p​⇀m​ weist vom Süd- zum Norpol).

Das Magnetfeld einer stromdurchflossenen Leiterschleife bzw. „flachen Spule“ kann durch einen sehr kurzen, homogen magnetisierten Stabmagneten ersetzt werden, der die gesamte Stromschleife überspannt (sogenanntes „magnetisches Blatt“, Abb. III-3.21). Es gilt die Rechte-Hand-Regel: Die Spitzen der gekrümmten Finger

176

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

weisen in die Stromrichtung; dann zeigt der Daumen vom Süd- zum Nordpol, bzw. in die Richtung des magnetischen Dipolmoments p​⇀m​ und der Feldlinien B​⇀im Inneren des Magneten bzw. der Spule. Wir können also sagen: 1

Die stromdurchflossene Leiterschleife (flache Spule) ist einem magnetischen Blatt äquivalent.

Unterschiede zwischen elektrischem und magnetischem physikalischem Dipol Weit entfernt vom Dipol erscheinen die Feldlinien beider Dipole gleich, in seiner Nähe ergeben sich aber wesentliche Unterschiede im Verlauf der Feldlinien (Abb. III-3.22). Beim elektrischen Dipol entspringen die Feldlinien in der positiven Ladung und enden in der negativen. Zwischen den Ladungen verlaufen die Feldlinien daher entgegengesetzt zum elektrischen Dipolmoment p​⇀e​ (E​⇀[Yp​⇀e​). Beim magnetischen Dipol sind die Feldlinien geschlossene Linien, die nirgends enden. Innerhalb der Leiterschleife bzw. des Permanentmagneten verlaufen sie daher parallel zum magnetischen Dipolmoment p​⇀m​ (B​⇀[[p​⇀m​). In der Materie wird ein äußeres elektrisches Feld durch die Ausrichtung elektrischer Dipole geschwächt, während die Ausrichtung magnetischer Dipole im äußeren magnetischen Feld zur Verstärkung des B​⇀-Magnetfeldes führt.

N

 E + + –



E



pe





B

B

I

I



pm

− S

Abb. III-3.22: Vergleich zwischen elektrischem (links) und magnetischem physikalischem Dipol (rechts). Für große Abstände vom Dipol ist der Feldlinienverlauf (E​⇀bzw. B​⇀) in beiden Fällen gleich. In Dipolnähe verlaufen die Feldlinien unterschiedlich: Die elektrischen Feldlinien entspringen in der positiven Ladung und enden in der negativen, sie verlaufen daher zwischen den Ladungen entgegengesetzt zum elektrischen Dipolmoment; die magnetischen Feldlinien sind geschlossen und verlaufen innerhalb der Leiterschleife oder des Permanentmagneten in der Richtung des magnetischen Dipolmoments; an den Seitenflächen des Permanentmagneten sind die geschlossenen B​⇀-Linien unstetig (siehe Abschnitt 3.4.1, Abb. III-3.34).

3.2 Das Magnetfeld stationärer Ströme

177

3.2.6 Das Vektorpotenzial In der Elektrostatik fanden wir (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.3, Gl. III-1.38): rot E​⇀= 0 . Daraus folgt in einem konservativen System, in dem die von der Coulombkraft verrichtete Arbeit zwischen zwei festen Punkten nicht vom Weg abhängt (Gl. III-1.32) E​⇀(r​⇀) = −grad​ Φ (r​⇀) . Für statische Magnetfelder gilt aber (Abschnitt 3.2.3, Gl. III-3.71): rot B​⇀= μ​0 j​⇀A​ woraus im Falle j​⇀A​ ≠ 0 folgt (Gl. III-3.63) ∮B​⇀d​l⇀ ​ ≠ 0, sie sind also nicht konservativ, sondern Wirbelfelder.42 Deshalb kann auch kein skalares, magnetisches Potenzial gebildet werden. Andererseits lautet das Gaußsche Gesetz für statische Magnetfelder (Abschnitt 3.1.3, Gl. III-3.8) im Vakuum div B​⇀= 0 . Wir wollen nun ein Vektorfeld A​⇀(r​⇀) suchen, aus dem sich B​⇀gemäß ⇀ × A​⇀(r​⇀) 43 B​⇀= rot A​⇀(r​⇀) = ∇

(III-3.91)

⇀-Operator berechnen lässt: Damit ist dann div B​⇀= div rot A​⇀≡ 0 mit dem ∇ automatisch erfüllt. In Analogie zum elektrischen Potenzial Φ(r​⇀), aus dem ⇀-Operator finden lässt sich die elektrische Feldstärke E​⇀ ebenfalls mit dem ∇ ⇀Φ(r​⇀)), nennt man (E​⇀= −grad​ Φ(r​⇀) = −∇

42 In der Umgebung eines Stromleiters im Vakuum ist j​⇀= 0, sodass dort rot B​⇀= 0 und das B​⇀-Feld aus einem skalaren Potenzial gewonnen werden kann. Dieses Potenzial ist aber nur dann eindeutig, wenn der geschlossene Integrationsweg C den Stromleiter nicht umschlingt, denn nur dann gilt ∮B​⇀d​l​ = 0. Im Inneren des Leiters ist j​⇀≠ 0 und es existiert dort kein magnetisches Potenzial. Das B​⇀Feld außerhalb des Leiters ist also kein Wirbelfeld, sondern ein Zirkularfeld, (vgl. Band I, Kapitel „Mechanik deformierbarer Körper“, Abschnitt 4.3.7.1) mit rot B​⇀= 0. 43 Das an sich beliebige Vektorfeld A​⇀muss stetig und differenzierbar sein.

178

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

A​⇀(r​⇀)

Vektorpotenzial (magnetic vector potential).

(III-3.92)

A​⇀(r​⇀) ist noch nicht eindeutig bestimmt: A​⇀′ = A​⇀+ grad​ f​ mit einer beliebigen skalaren Ortsfunktion f​ = f​ (r​⇀) passt ebenso, da ja rot grad​ f​ ≡ 0. Aus der Vektoranalysis wissen wir 1

rot rot A​⇀= grad​ div A​⇀− div grad​ A​⇀= grad​ div A​⇀− ΔA​⇀. ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = ΔA​⇀

Da A​⇀ noch nicht eindeutig festgelegt ist, können wir zusätzlich verlangen (ohne Beschränkung der Allgemeinheit) div A​⇀= 0

Coulombeichung,

44

(III-3.93)

die Divergenz des Vektorpotenzials A​⇀soll verschwinden, d. h., A​⇀ist dann quellenfrei. Damit gilt im Vakuum rot rot A​⇀= rot B​⇀= μ​0 j​⇀= −ΔA​⇀ also

ΔA​⇀= −μ​0 j​⇀.

(III-3.94) (III-3.95)

Diese zur Potenzialgleichung (Poisson-Gleichung) der Elektrostatik (ΔΦ = −

ρ​ , sieε​0

he Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.3, Gl. III-1.39) analoge Vektorgleichung ist völlig äquivalent zum Biot-Savartschen Elementargesetz, das daraus abgeleitet werden kann. Die beiden Gleichungen (III-3.91) und (III-3.93) B​⇀= rot A​⇀

und

div A​⇀= 0 ,

woraus unmittelbar ΔA​⇀= −μ​0 j​⇀folgt, können also zur vollständigen Berechnung des B​⇀-Feldes verwendet werden, wenn die Stromdichte j​⇀(r​⇀) im ganzen Raum gegeben ist, da für die Lösung in Analogie zur Potenzialgleichung der Elektrostatik gilt

44 Dieser Ansatz ist immer gerechtfertigt, da die Divergenz von A​⇀mit Hilfe der Funktion grad​ f​(r​⇀) stets zu Null gemacht werden kann, falls div A​⇀≠ 0 sein sollte: div A​⇀′ = div A​⇀+ div grad​ f​ (r​⇀) = 0 ⇒ Δ f​ (r​⇀) = −divA​⇀; daraus kann f​ (r​⇀) berechnet werden und damit ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = Δ f​

auch das zu A​⇀gleichwertige A​⇀′, dessen Divergenz dann verschwindet.

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

j​⇀ A​⇀= μ​0 ∫ d​τ​, r​ V​

wobei

d​τ​ = d​l​ ⋅ f​

179 (III-3.96)

und als Vektorpotenzial eines Leiterstromelements I​d​l​ bei r​⇀= 0: d​A⇀​ =

​ μ​0 I​ ⋅ d​l⇀ . 4 π​ r​

(III-3.96a)

Zuerst folgt aus der „Poisson-Gleichung“ (III-3.95) mit j​⇀das Vektorpotenzial A​⇀und dann aus diesem durch Rotationsbildung B​⇀.45

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip 3.3.1 Kraft zwischen parallelen, stromdurchflossenen Leitern d



dFba

a Ia





b

dlb dl

Ba

Ib Abb. III-3.23: Kraftwirkung paralleler Ströme. Der Strom Ia durch den Leiter a erzeugt am Ort des Längenelements d​l⇀ ​ b​ des Leiters b das Magnetfeld B​⇀a​. Auf den Strom Ib durch den Leiter b und damit auf dessen Längenelement d​l⇀ ​ b​ wirkt im Magnetfeld B​⇀a​ die Lorentz-Kraft d​F​b​a​ in Richtung des Leiters a.

Wir betrachten zwei parallele, in gleicher Richtung stromdurchflossene Leiter im Abstand d (Abb. III-3.23). Das vom Strom Ia durch den Leiter a erzeugte Magnetfeld am Ort des Längenelements d​l​ des Leiters b ist B​a​ =

μ​0 I​a​ 2 π​ d​

(III-3.97)

45 Die Lösung der Potenzialgleichung ist bereits aus der Elektrostatik bekannt. Es gilt in Analogie j​⇀ zum elektrostatischen Potenzial jetzt A​⇀= μ​0 ∫ d​τ​, wobei d​τ​ = d​l​ ⋅ f​ das Volumenelement der Stromr​ V​ bahn ist. Daraus folgt: A​⇀= μ​0 ∫ V​

j​⇀⋅ f​ r​

d​l​ = μ​0 ⋅ I​ ⋅ ∮ C​

d​l⇀ ​ , da j​⇀⫽d​l⇀ ​ und I​ = j​ ⋅ f​, C … geschlossene Stromr​

bahn. Hier ist A​⇀bereits als Integral über die Stromelemente I​d​l⇀ ​ dargestellt. Durch Rotationsbildung folgt daraus das Biot-Savartsche Elementargesetz.

180

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

mit der Richtung nach unten (siehe Abb. III-3.23). Dadurch wirkt auf die sich bewegenden Ladungsträger, dem Strom Ib im Leiter b, die Lorentz-Kraft d​F⇀​b​a​ (siehe Abschnitt 3.1.5, Gl. III-3.35) d​F⇀​b​a​ = I​b​ (d​l⇀ ​b​ × B​⇀a​ )

(III-3.98)

bzw., da d​l⇀ ​ ⊥ B​⇀a​



d​Fb​ ​a​ = I​b​ ⋅ d​l​b​ ⋅ B​a​ ⋅ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ sin​ 90°

(III-3.99)

1

und mit B​a​ =

μ​0 I​a​ von Gl. (III-3.97) 2 π​ d​

d​F​b​a​ =

μ​0 d​lb​ ​ I​a​ I​b​ 2 π​ d​

(III-3.100)

bzw. für parallele Leiter der Länge l​

F​b​a​ =

μ​0 l​ I​a​ I​b​ 2 π​ d​

Ampèresches Kraftgesetz.

(III-3.101)

Entsprechend der Richtung des Kreuzprodukts d​l⇀ ​b​ × B​⇀a​ weist die Kraft F​⇀b​a​ vom Leiter b zum Leiter a. Ganz analog wirkt auf ein Längenelement d​l​a​ des vom Strom Ia durchströmten Leiters a die gleich große Lorentz-Kraft d​F⇀​a​b​ in Richtung des Leiters b. Fließen die beiden Ströme in entgegengesetzter Richtung (Ia = –Ib), dann sind die Richtungen von F​⇀b​a​ und F​⇀a​b​ entgegengesetzt und die beiden Leiter stoßen einander ab. Das heißt also: 1

Parallele Ströme ziehen einander an, antiparallele stoßen einander ab. Die Kraftwirkung paralleler elektrischer Ströme aufeinander wird zur Definition der Einheit der Stromstärke, des „Ampere“, benützt (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.1.2)46, durch die der Wert der magnetischen Feldkonstanten μ0 festgelegt wird (Abschnitt 3.2.1, Gl. III-3.53): 46 Das Ampere (A) bezeichnet die Stärke des elektrischen Stromes, der durch zwei gerade dünne unendlich lange Leiter, die in 1 m Abstand im leeren Raum parallel zueinander angeordnet sind, unveränderlich fließend bewirken würde, dass diese beiden Leiter aufeinander eine Kraft von 2 ⋅ 10–7 N je 1 m Länge ausüben.

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

181

Ia = Ib = 1 A, Fba = Fab = 2⋅10–7 N, d = 1 m, l = 1 m ⇒

μ​0 = 4 π​ ⋅ 10−7 N/​A2 .

Diese Anziehungskraft wirkt auch auf die Stromfäden in einem Plasma,47 sodass bei einem starken Strompuls das Plasma stark komprimiert und damit auch erhitzt wird: Das ist der Pincheffekt in thermonuklearen Fusionsreaktoren (siehe dazu auch Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitt 3.1.5.3.3).

3.3.2 Kraft zwischen bewegten Ladungen Im Magnetfeld erfährt eine bewegte Punktladung die Lorentz-Kraft, erzeugt aber als bewegte Ladung selbst ein Magnetfeld. Wir müssen also versuchen, die LorentzKraft mit dem Biot-Savartschen Elementargesetz in Beziehung zu setzen. Bewegen sich die beiden Ladungen q​1 und q​2 mit den Geschwindigkeiten υ​⇀1 und υ​⇀2, so erzeugen sie die Magnetfelder B​⇀1 und B​⇀2. Dadurch entstehen die LorentzKräfte F​⇀12 von q​1 auf q​2 und F​⇀21 von q​2 auf q​1 mit

μ​0 F​⇀12 = q​2 υ​⇀2 × B​⇀1 = q​2 υ​⇀2 × ( 4 π​

q​1 υ​⇀1 × 2

r​⇀12 r​12)

(III-3.102)

r​ 12

und analog

μ​0 F​⇀21 = q​1 υ​⇀1 × B​⇀2 = q​1 υ​⇀1 × ( 4 π​

q​2 υ​⇀2 × 2

r​⇀21 r​21)

,

(III-3.103)

r​ 21

wobei r​⇀12 und r​⇀21 die Abstandsvektoren (Verbindungsvektoren) der beiden Ladungen sind. Es ergibt sich aber ein grundsätzliches Problem: Die Kräfte sind nicht immer entgegengesetzt gleich! In Abb. III-3.24 sind zwei Ladungen q1 und q2 dargestellt, die sich mit den Geschwindigkeiten υ​⇀1 und υ​⇀2 bewegen. Die Ladung q2 erzeugt am Ort der Ladung q1 ein Magnetfeld B​⇀2 und es wirkt daher die entsprechende Lorentz-Kraft F​⇀21 auf die Ladung q1. Dagegen erzeugt die Ladung q1 am Ort der Ladung q2 kein Magnetfeld, da sie sich auf der Richtung des Geschwindigkeitsvektors υ​⇀1 befindet, und es wirkt daher im gezeichneten Augenblick auch keine Lorentz-Kraft auf diese Ladung

47 In einem Plasma liegt die Materie überwiegend oder nur mehr als Gas aus positiven Ionen und Elektronen vor.

182

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

(F​⇀12 = 0). Müssen wir daraus schließen, dass hier die Impulserhaltung nicht gilt? Die Lösung dieses Problems ergibt sich aus der räumlich-zeitlichen Wirkung elektromagnetischer Kräfte: 1. Die Änderung der Lage eines Teilchens beeinflusst ein anderes Teilchen erst, wenn die Störung des vorhandenen Feldes den Abstand zwischen den Teilchen zurückgelegt hat. Die Übertragung der Kraftwirkung erfolgt also mit endlicher Geschwindigkeit, nämlich im Vakuum mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c. 2. Damit kommt dem vom Teilchen erzeugten Feld selbst eine physikalische Realität zu: Es enthält Energie und Impuls (siehe dazu auch Kapitel „Wechselstrom und elektromagnetische Wellen“, Abschnitt 5.5.4). Während der Wechselwirkung werden Energie und Impuls durch das Feld zwischen den Teilchen übertragen. Der Impuls des Feldes muss also bei der Bilanz berücksichtigt werden. z

y





F21

q2

q1



ʋ2

ʋ1 x



B2 Abb. III-3.24: Zur Kraft zwischen bewegten Ladungen. Die Ladung q2 bewegt sich entlang der xAchse und erzeugt am Ort der Ladung q1 das nach unten gerichtete Magnetfeld B​⇀2. In diesem Feld wirkt auf die Ladung q1, die sich in y-Richtung bewegt, die Lorentz-Kraft F​⇀21. Da sich die Ladung q2 andererseits gerade in der Richtung des Geschwindigkeitsvektors υ​⇀1 der Ladung q1 befindet (υ​⇀1 ⫽r​⇀12, also υ​⇀1 ⋅ r​⇀12 = 0), erzeugt die Ladung q1 am Ort der Ladung q2 in diesem Moment kein Magnetfeld und es wirkt daher auch auf die Ladung q2 keine Lorentz-Kraft (F​⇀12 = 0). Die zusätzlich vorhandenen Coulombkräfte auf q1 und q2, die ebenfalls unterschiedlich groß sind, wurden der Übersichtlichkeit halber weggelassen (vgl. die Darstellung des elektrischen Feldes einer bewegten Punktladung in Abschnitt 3.3.3, Abb. III-3.27).

3.3.3 Das elektrische Feld einer bewegten Ladung Bringen wir eine bewegte Ladung in ein elektrisches und ein magnetisches Feld, so wirken gleichzeitig zwei Kräfte 1. Die Coulombkraft F​⇀C​ = q​ ⋅ E​⇀im elektrischen Feld 2. die Lorentz-Kraft F​⇀B​ = q​ (υ​⇀ × B​⇀) im magnetischen Feld,

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

183

insgesamt also die Lorentz-Gesamtkraft (Abschnitt 3.1.1, Gl. III-3.3) F​⇀E​M​ = q​{E​⇀+ (υ​⇀× B​⇀)} . Das Relativitätsprinzip sagt nun (siehe dazu Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.1)48, dass es kein bevorzugtes Inertialsystem gibt. Da aber die Geschwindigkeit υ​⇀der bewegten Ladung q vom Bezugssystem abhängt, von dem aus die Felder E​⇀und B​⇀beobachtet werden, so gilt: Größe und Richtung der Lorentz-Kraft sind von der Wahl des Bezugssystems abhängig! Das heißt aber auch, dass sich immer ein Bezugssystem finden lässt, in dem das Feld rein elektrisch ist, nämlich das Ruhesystem der Ladung q. In einem dazu bewegten Bezugssystem hat q eine Geschwindigkeit υ​⇀, das entspricht einem Strom I, der ein Magnetfeld B​⇀ zusätzlich zum elektrischen Feld E​⇀ erzeugt. Wenn ein Beobachter im System der bewegten Ladung seine Beobachtungen in die Koordinaten des Systems der ruhenden Ladung umrechnet – er wendet dazu die Lorentz-Transformation an – muss er zum gleichen Ergebnis für die Kraft kommen, obwohl dort nur die Wirkung eines elektrischen Feldes E​⇀festzustellen ist. Die beiden Bezugssysteme sind ja (nach dem Einsteinschen Relativitätsprinzip) physikalisch gleichwertig – die Kraft zwischen den beiden Ladungen kann also nicht von der Wahl des Bezugssystems abhängen! Wir wollen nun das Feld einer bewegten Ladung Q berechnen. Dazu stellen wir uns folgende Anordnung von zwei Punktladungen q und Q in zwei Bezugssystemen Σ und Σ′ vor (Abb. III-3.25). Die Probeladung q ruhe im Punkt {x,y,z} des Bezugssystems Σ; die felderzeugende Punktladung Q („Feldladung“) bewege sich im System Σ mit der Geschwindigkeit υ​⇀= { υ​x​ ,0,0}. Uns interessiert die Kraft, die die bewegte Feldladung Q auf die ruhende Probeladung q zum Zeitpunkt t = 0 ausübt. Da das Coulombsche Gesetz nur für eine ruhende Feldladung Q gilt – die Probeladung q darf sich beliebig in dem ruhenden Feld von Q bewegen – müssen wir zuerst in das System Σ′ übergehen, in dem Q ruht, das sich daher mit υ​⇀= { υ​x​ ,0,0} relativ zu Σ bewegt (die Probeladung q bewegt sich dann in Σ′ mit − υ​x.​

48 Die im Relativitätsprinzip zusammengefassten Postulate sind die Grundlagen der speziellen Relativitätstheorie Einsteins und lauten: 1. Es gibt kein physikalisch bevorzugtes Inertialsystem. Die Naturgesetze nehmen in jedem Inertialsystem dieselben Formen an. 2. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist in jedem beliebigen Inertialsystem unabhängig vom Bewegungszustand der Lichtquelle und des Beobachters.

1

184

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme) y′

y

Σ′ bewegt sich mit ʋx relativ zu Σ

Σ

t=0



r

q(x,y,z) ruht in Σ

−ʋx

ʋx⋅x t′ = − ____ c2



r′

Q(0,0,0) bewegt sich mit ʋx in Σ

ʋ = ʋx

x

q(x,y,z) bewegt sich mit −ʋx in Σ′

Q(0,0,0) ruht in Σ′; in Σ′ kann daher das Coulombsche Gesetz angewendet werden. Q(0,0,0) gilt zu jeder Zeit, also sowohl für t′ = 0 als auch zur ʋx⋅x Zeit t′ = − ____ c2

x′

Abb. III-3.25: Zur Berechnung des Feldes einer bewegten Ladung. Links: Im System Σ ruht die Ladung q und die Ladung Q bewegt sich mit υ​ = υ​x​. Rechts: Das System Σ′ bewegt sich relativ zum System Σ mit υ​ = υ​x​. In Σ′ ruht die Ladung Q und die Ladung q bewegt sich mit υ​ = −υ​x​.

Zur Zeit t = 0 im Bezugssystem Σ49 sollen die beiden Koordinatensysteme Σ und Σ′ zusammenfallen, die Ladung Q soll sich dann in beiden Systemen im Ursprung {0,0,0} befinden. Wir fragen jetzt nach der Coulombkraft F​⇀C′​ = q​ ⋅ E​⇀′ zum Zeitpunkt t​ ′ im bewegten System Σ′, aus der die Feldstärke E​⇀ der in Σ bewegten Ladung Q folgt. Die Größe der Ladungen q und Q wird durch Bewegung nicht geändert („Ladungsinvarianz“). Die Raumzeitkoordinaten der beiden Ladungen zum Zeitpunkt t = 0 sind in Σ : q: {x​,y​,z​, 0}, Q: {0,0,0,0} in Σ′: q: {x​ ′,y​ ′,z​ ′,t​ ′}, Q: {0,0,0,0} Wir wenden zur Koordinatentransformation die Lorentz-Transformation an (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.2): x​ ′ = γ(x​ − υ​ ⋅ t​), y​ ′ = y​, z​ ′ = z​, t​ ′ = γ(t​ −

υ​ ⋅ x​ c​ 2

)

(III-3.104)

49 Eine wesentliche Konsequenz des Relativitätsprinzips der Einsteinschen (speziellen) Relativitätstheorie ist, dass es keine universelle Zeit t gibt, jedes Bezugssystem hat seine „eigene Zeit“, die Eigenzeit (siehe Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.4.1).

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

185

mit dem Lorentz-Faktor

γ​ =

1

.

(III-3.105)

√1 − υ​ 2 ∕ c​ 2

Während sich also im System Σ die Ladungen q und Q gleichzeitig an den Raumzeitpunkten {x,y,z,0} und {0,0,0,0} befinden, sind sie an den nach Σ ′ transformierten Punkten {x​ ′ = γ​x​, y​′ = y​, z​ ′ = z​, t​ ′ = −γ​

υ​ ⋅ x​ c​

2

} und {0,0,0,0} nicht gleichzeitig! Für

die Berechnung des Abstands r′ zwischen q und Q, für die die Orte q und Q stets zum gleichen Zeitpunkt t′ genommen werden müssen, ist dies bedeutungslos, da sich die Lage von Q in Σ′ nicht ändert; Q befindet sich in Σ′ ja stets im Ursprung (0,0,0), sodass der Abstand zwischen q und Q zu jedem Zeitpunkt gleich dem momentanen Betrag des Radiusvektors r​⇀′ von q zum Ursprung O ist. Für den Abstand der beiden Ladungen gilt also in Σ ′ 2 2 2 1∕2 r​ ′ = (x​ ′ + y​ ′ + z​ ′ ) .

(III-3.106)

Da die Ladung Q im Ursprung von Σ ′ ruht, erzeugt sie in diesem Bezugssystem die bekannte Coulombkraft F​⇀C′​ und das Coulombfeld E​⇀′ F​⇀C′​ ≡ F​⇀′ =

1

q​ ⋅ Q​ 2

r​⇀′



4 π​ε0​ r​ ′

r​⇀′

Q​

, E​⇀′ =

3

.

(III-3.107)

4 π​ε0​ r​ ′

r​ ′

Die Transformation dieser Kraft nach Σ ergibt (in Σ′ ist die Geschwindigkeit der Probeladung q, die ja in Σ ruht, u​ x′​ = −υ​):50

50 Für die Lorentz-Transformation einer Kraft auf einen Massenpunkt, der sich mit der Geschwindigkeit u​⇀in Σ′ bewegt, vom System Σ in das System Σ′, das sich mit der Geschwindigkeit υ in xRichtung relativ zum System Σ bewegt, ergibt sich (siehe Anhang 2) υ​ ⇀ F​ ⋅ u​⇀ 2

F​x​ −

c​

F​ x​′ =

1−

F​y​

, F​ y​′ =

υ​ux​​ c​

γ​(1 −

2

, F​ z​′ =

υ​ux​​ c​

F​z​ γ​(1 −

) 2

,

υ​ux​​ c​

) 2

und für die Rücktransformation von Σ′ nach Σ F​ x​′ + F​x​ =

υ​ ⇀ F​′ ⋅ u​⇀′ 2

c​ 1+

, F​y​ = υ​u​ x​′ c​

2

F​ y′​ γ​(1 +

, F​z​ =

υ​u​ x​′ c​

2

)

F​ z′​ γ​(1 +

.

υ​u​ x​′ c​

2

)

186

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme) −1

= −υ​

υ​ ⏞ u​ x′​

F​x​ = (1 +

= (1 −

c​ υ​ 2 c​

) (F​ x′​ +

2

−1

) (F​ x′​ −

2

υ​ 2 c​

= {−υ​,00}

υ​ c​

2

⏞ u⇀​ ′

F​⇀′ ⋅

1− F​ x′​ ) = F​ x′​

2

)= υ​ 2 2 c​

υ​ 2 1− 2 c​

(III-3.108)

= F​ x′​

und daher = γ​ ⋅ x​

F​x​ = F​ x′​ =

q​ ⋅ Q​ ⋅ ⏞ x​ ′ 3

=

4 π​ε0​ r​ ′

q​ ⋅ Q​



γ​x​

(III-3.109)

3

r​ ′

4 π​ε0​ = y​

F​y​ =

F​ y′​ υ​u​ ′ 1 + 2x​ c​ ) γ( ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

= γ​F​ y′ ​ =



γ​ q​Q​ ⏞ y​ ′ 3

=

4 π​ε0​ r​ ′

q​ ⋅ Q​



4 π​ε0​

γ​y​

(III-3.110)

r​ ′3

υ​ 2 =− c​ 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 1 = γ​ 2

= z​

F​z​ =

F​ z′​ υ​u​ ′ 1 + 2x​ c​ ) γ( ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

= γ​ F​ z′​ =



=−

γ​ q​Q​ ⏞ z​ ′ 3

4 π​ε0​ r​ ′

=

q​ ⋅ Q​



4 π​ε0​

γ​z​ r​ ′3

.

(III-3.111)

υ​ 2 c​ 2

Außerdem gilt für t = 0:

x​ ′ = γ​​x​, ⇒

y​ ′ = y​

2 2

2

und 2 1∕2

r​ ′ = ( γ​ x​ + y​ + z​ )

z​ ′ = z​

.

(III-3.112)

Damit erhalten wir für F​⇀C​

F​⇀C​ =

1

q​ ⋅ Q​ ⋅ γ​ ⋅ r​⇀ 2 2

2 2 3∕2 4 π​ε0​ ( γ​ x​ + y​ + z​ )

= q​ ⋅ E​⇀( γ​,r​⇀)

(III-3.113)

187

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

und da im System Σ die Probeladung ruht, ist Ort von q, also

E​⇀=

F​⇀C​ = E​⇀die elektrische Feldstärke am q​

Q​ γ​ r​⇀ . 2 2 4 π​ε0​ ( γ​ x​ + y​ 2 + z​ 2 ) 3 ∕ 2

(III-3.114)

In Σ gilt daher: Die von der bewegten Ladung Q auf die ruhende Probeladung q ausgeübte Coulombkraft wirkt zwar immer noch zu jedem Zeitpunkt entlang der Verbindungslinie von der Feldladung Q zur Probeladung q, das von Q erzeugte Coulombfeld ist aber nicht mehr kugelsymmetrisch! Die Gleichung für die Feldstärke kann noch umgeschrieben werden, wenn man den Winkel zwischen der Richtung r​⇀zur Probeladung q und der Bewegungsrichtung υ​⇀der Ladung Q mit θ​ =∠(r​⇀,υ​⇀) bezeichnet (Abb. III-3.26):

q (ruht)

z

 r = {x,y,z} y

θ Q

{0,0,0}



ʋ = {ʋx,0,0}

x

Abb. III-3.26: θ​ =∠(r​⇀,υ​⇀) ist der Winkel zwischen der Richtung r​⇀von Q zur Probeladung q und der Bewegungsrichtung υ​⇀der Ladung Q.

cos​ θ​ =

r​⇀⋅ e​⇀x​ x​ ⋅ 1 + y​ ⋅ 0 + z​ ⋅ 0 = = r​ ⋅ e​x​ √x​ 2 + y​ 2 + z​ 2 ⋅ 1

sin​ 2 θ​ = 1 − cos​ 2 θ​ = 1 −



x​

√x​

x​ 2 x​ 2 + y​ 2 + z​ 2

2

=

(III-3.115)

+ y​ 2 + z​ 2 y​ 2 + z​ 2 x​ 2 + y​ 2 + z​ 2

.

(III-3.116)

Damit ergibt sich für die von der bewegten Ladung Q erzeugte Feldstärke E​⇀: E​⇀=

γ​r⇀​

Q​ 2 2

2

= 2 3∕2

4 π​ε0​ ( γ​ x​ + y​ + z​ )

γ​r⇀​

Q​

y​ 2 z​ 2 4 π​ε0​ γ​ (x​ + 2 + 2 ) γ​ γ​ 3

2

3∕2

=

188

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

(1 − =

Q​ 4 π​ε0​

=

[x​ 2 + y​ 2 (1 −

2

Q​ 4 π​ε​0

2

2

[x​ + y​ − y​

2 v​

2

c​

2

v​ 2 )r​⇀ 2 c​ 2

+ z​ − z​

Q​ 4 π​ε0​

2

c​

2

=

3∕2

]

= 2 2 2 x​ + y​ + z​ − [⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = r​ 2

(1 − =

2 v​

v​ 2 )r​⇀ c​ 2

(1 − =

3∕2

2

v​ v​ ) + z​ 2 (1 − 2 )] c​ 2 c​

(1 − =

v​ 2 )r​⇀ c​ 2

Q​ 4 π​ε0​

v​ 2 2 2 y​ + z​ )] 2( c​

3∕2

v​ 2 )r​⇀ c​ 2 3∕2

[

r​ 3 1 −

v​ 2 y​ 2 + z​ 2 ( ) c​ 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ x​ 2 + y​ 2 + z​ 2

=

]

sin​ 2 θ​

(1 − =

Q​

r​⇀

3 4 π​ε0​ r​

v​ 2 ) c​ 2

v​ 2 [1 − 2 sin​ 2 θ​] c​

3∕2

=

Q​

1 ∕ γ​ 2

r​⇀

3 4 π​ε0​ r​

v​ 2 [1 − 2 sin​ 2 θ​] c​

3∕2

. (III-3.117)

Normal zur Bewegungsrichtung (sin​ θ​ = 1) ist

E​⇀=

Q​

r​⇀ 1 ∕ γ​ 2 3

4 π​ε0​ r​ 1 ∕ γ​

3

=

Q​ 4 π​ε​0

⋅ γ​ ⋅

r​⇀ r​ 3

,

(III-3.118)

das Feld der Ladung Q ist in dieser Richtung also um den Faktor γ​ größer als in ihrem Ruhesystem; in der Bewegungsrichtung und gegen die Bewegungsrichtung (sin​ θ​ = 0) gilt dagegen

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

E​⇀=

Q​

2 r​⇀ 1 ∕ γ​

4 π​ε0​ r​

3

1

=

Q​ 4 π​ε0​



1 γ​

2

r​⇀



r​

3

,

189 (III-3.119)

E​⇀ist also um den Faktor 1 ∕ γ​ 2 kleiner, als der kugelsymmetrischen Feldverteilung der ruhenden Ladung Q entspricht. Das Coulombfeld eines schnellen, geladenen Teilchens, z. B. eines Elektrons, wird also plattgedrückt (Abb. III-3.27).





E

ʋ = 0,6⋅c

E

Abb. III-3.27: Das von einer ruhenden Ladung erzeugte elektrische Feld ist kugelsymmetrisch. Links für eine negative Ladung, z. B. ein Elektron. Das Feld einer bewegten Ladung ist in der Bewegungsrichtung um den Faktor 1/γ2 kleiner, normal dazu um den Faktor γ größer. Rechts für eine negative Ladung mit υ = 0,6c (γ = 1,56).

Dieses Coulombfeld ist nicht mehr wirbelfrei, wie das Linienintegral längs der Kurve ABCD zeigt (siehe Abb. III-3.28):51 ∮ E​⇀d​l⇀ ​ = ∫E​1 d​r​ + 0 + ∫E​2 d​r​ + 0 < 0 ,

(III-3.120)

ABCD B​ D​ da E​1 > E​2 und d​ r​ |A​ < 0, d​ r​ |C​ > 0.



E1 A B



dr D E C 2 ʋ

Abb. III-3.28: Vergrößerter Ausschnitt des E​⇀-Feldes einer bewegten Ladung.

51 Zu beachten: dr ist eine differentiell kleine Größe, die Strecken A​B​ und C​D​ in Abb. III-3.28 sind daher als gleich lang zu betrachten.

190

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Außerdem ist die bewegte Ladung entsprechend den Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes (siehe Abschnitt 3.3.5) mit B​⫽ = B​⊥ = 0 von einem zu υ​⇀ konzentrischen B′-Feld umgeben, für das gilt: B​⇀⫽′ = B​⇀⫽ = 0 und γ​ B​⇀⊥′ = − 2 (υ​⇀× E​⇀). c​

3.3.4 Ablenkung eines Elektronenstrahls im Magnetfeld eines zum Strahl parallelen, stromdurchflossenen Leiters Erzeugt man im Vakuum durch Glühemission einen Elektronenstrahl, so kann man ihn sichtbar machen, wenn er streifend auf einen Leuchtschirm trifft (siehe Abschnitt 3.1.1, Abb. III-3.4). Befindet sich parallel zum Strahl ein stromdurchflossener Leiter, so wird der Elektronenstrahl entsprechend der Stromrichtung zum Leiter (Stromrichtung gegen den Strahl) oder vom Leiter (Stromrichtung in Strahlrichtung) abgelenkt.

4

Leiter

e−

Leiterstrom I

Strom I

+



+

− −

e -Strahl



e− −ʋ

e−-Strahl

Leuchtschirm

Abb. III-3.29: Ablenkung eines Elektronenstrahls im Magnetfeld eines stromdurchflossenen Leiters. Parallel zu einem linearen Leiter (im Bild links ein Kupferdraht) wird ein Elektronenstrahl (Kathodenstrahl, von rechts nach links laufend) streifend zu einem Leuchtschirm sichtbar gemacht. Das Einschalten des elektrischen Stroms durch den Leiter bewirkt eine Ablenkung des Elektronenstrahls nach unten. Im Bild und in der Skizze rechts: Strom durch den Leiter von rechts nach links, Ablenkung des Elektronenstrahls nach unten. (vgl. Abschnitt 4.3.1: „Antiparallele Ströme stoßen einander ab“).

In Abb. III-3.29 wird der von rechts nach links laufende Elektronenstrahl vom parallelen, stromdurchflossenen Leiter (Strom von rechts nach links, Elektronenfluss von links nach rechts, also gegen die Strahlrichtung) nach unten, also vom Leiter weg, abgelenkt.52 52 Das entspricht der wirkenden Lorentz-Kraft F​⇀B​ = q​ (υ​⇀ × B​⇀) (siehe Abschnitt 3.1.1): Nach der „Rechte-Hand-Regel“ erzeugt der Strom an den Stellen des Elektronenstrahls ein Magnetfeld B​⇀, das aus der Papierebene herausgerichtet ist. Damit ergibt sich eine Lorentz-Kraft F​⇀B​ auf die negativ

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

191

Wir geben eine Erklärung der Ablenkung der Elektronen (e–) des Strahls im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie. Σ sei das Laborsystem, in dem der stromdurchflossene Leiter (und die ganze experimentelle Anordnung) ruht und sich die Elektronen des Strahls mit der Geschwindigkeit υ​ in (–x)-Richtung bewegen (in Abb. III-3.29 nach links). Σ′ sei das mit den Strahlelektronen mitbewegte Ruhesystem der Strahl-e–. In Σ′ (e–-Geschwindigkeit υ​⇀= 0) verschwindet daher die LorentzKraft F​⇀B​ = q​ (υ​⇀× B​⇀) = 0. Obwohl die Strahlladungen also in Σ′ ruhen, wird trotzdem eine Wechselwirkung mit dem stromdurchflossenen Leiter beobachtet, diese Kraft kann daher im System Σ′ nur elektrischen Ursprungs sein! Die Erklärung kann so erfolgen: Im System Σ ′ bewegt sich der Leiter relativ zu den ruhenden Strahl-e– mit der Geschwindigkeit + υ​⇀, also mit υ in der positiven xRichtung. An den ruhenden Strahl-e– bewegen sich die negativen Leitungs-e– und die positiven Atomrümpfe des Leiters vorbei, wobei der Abstand der e– und der Ionen jeweils Lorentz-kontrahiert ist. Solange der Leiter stromlos ist, haben in Σ′ e– und positive Rümpfe die gleiche Geschwindigkeit wie die Strahl-e– im System Σ, aber mit entgegengesetzter Richtung, die Lorentz-Kontraktion ihres mittleren Abstands ist daher gleich; die von ihnen pro Längeneinheit jeweils hervorgerufenen Coulombkräfte auf die Strahl-e– sind daher entgegengesetzt gleich groß. Ist der Leiter dagegen stromdurchflossen, so haben die Leitungs-e– des Leiters in Σ ′ eine größere Geschwindigkeit als die Rümpfe, da sie sich ja jetzt zusätzlich zur Bewegung des Leiters gegen den ruhenden e–-Strahl bewegen, wodurch sich eine größere Lorentz-Kontraktion des mittleren Abstands der e– im Leiter ergibt; die negativen Ladungen liegen daher im Leiter in Σ′ dichter als die positiven. Dadurch erscheint der stromführende Leiter den Strahl-e– negativ geladen und es erfolgt im System Σ′ eine Coulomb-Abstoßung, die jetzt die Anziehung durch die Atomrümpfe überwiegt. Wird die in Σ′ auftretende Coulombkraft nun wieder mit den Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes (siehe Abschnitt 3.3.5) in das Laborsystem Σ zurück transformiert, so ergibt sich die schon bekannte Lorentz-Kraft. Die Relativitätstheorie erklärt die Lorentz-Kraft im Magnetfeld durch die Coulombkraft, die durch die unterschiedliche Lorentz-Kontraktion des Abstands bewegter elektrischer Ladungen verschiedenen Vorzeichens entsteht. Die Wanderungsgeschwindigkeit der Leitungs-e– im Leiter haben wir schon zu ~ 1 mm/s abgeschätzt (vgl. Abschnitt 3.1.4.2, Fußnote 15), das ist ≪ c! Der beobachtbare Effekt ergibt sich durch die sehr große Zahl an Leitungs-e–, die am Ladungstransport teilnehmen, nämlich ~ 1023 e–/cm3 im Metall.53 In einem Leiter

geladenen Elektronen („Rechte-Hand-Regel“ für das Vektorprodukt mit Umkehrung der Richtung wegen des negativen Vorzeichens der Elektronenladung), die nach unten gerichtet ist. 53 Wenn wir in linearer Richtung nach jedem cm 1 e– anordnen, so reicht diese e–-Kette bis ins Zentrum unserer Galaxie, der „Milchstraße“!

1

192

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

herrscht also eine sehr große Ladungsdichte; daher führt hier eine nur geringfügig unterschiedliche Lorentz-Kontraktion zu einer merkbaren Wirkung der Coulombkräfte. Wir wollen nun berechnen, wie die Lorentz-Kraft, die auf die bewegten Strahle– im System Σ wirkt, sich auf eine reine Coulombkraft zurückführen lässt, die auf die Strahl-e– in ihrem Ruhesystem Σ′ wirkt. Dazu denken wir uns jetzt in einem einfachen Modell den in Σ ruhenden, stromdurchflossenen Leiter als von einer unendlich ausgedehnten Linienladung durchströmt, die aus Punktladungen Q im Anstand d voneinander besteht. Diese bewegen sich mit der Geschwindigkeit u in positiver x-Richtung. Parallel dazu bewegt sich die Punktladung q mit der Geschwindigkeit υ in (–x)-Richtung (die Ladungen Q und q seien positiv). Die mit u bewegte Linienladung der linearen Ladungsdichte λ​ = Q​/​d​ erzeugt ein radiales, 1 Q​/​d​ , die also 2 π​ε​0 r​ mit jener einer ruhenden Linienladung der gleichen Dichte identisch ist (siehe dazu Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.2.3, Beispiel ‚Linienladung‘, r ist der Abstand der Ladung q von der Linienladung), was hier ohne Beweis vorausgesetzt ist.54 Daher wirkt auf die mit υ bewegte Ladung q die Gesamtkraft F​⇀E​M​ in der y-Richtung nach außen gerichtetes elektrisches Feld mit der Feldstärke E​r​ =

1 Q​/​d​ + (υ​⇀× B​⇀)} , F​⇀E​M​ = q​ {E​⇀+ (υ​⇀× B​⇀)} = q​{ 2 π​ε0​ r​

(III-3.121)

sie ist also abstoßend. Da sich die Linienladung bei Stromfluss mit der Geschwindigkeit u in x-Richtung bewegt, ist der Abstand der Ladungen d gegenüber der ruhenden Kette Lorentz-kontrahiert. Mit d​0 als Ladungsabstand im Ruhesystem der Linienladung gilt also für d (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.4.2)

d​ =

1 u​ 2 d​0 = d​0 √1 − 2 . γ​ c​

(III-3.122)

Das durch die bewegte Linienladung erzeugte Magnetfeld B haben wir phänomenologisch schon bei der Anwendung des Biot-Savartschen Elementargesetzes im Abschnitt 3.2.2.1 berechnet (Gl. III-3.58); die Feldlinien sind konzentrische Kreise um die bewegte Linienladung und es ist die Feldstärke im Abstand r B​ =

μ​0 I​ . 2 π​ r​

54 Siehe dazu z. B. A. P. French, Die spezielle Relativitätstheorie. M. I. T. Einführungskurs Physik, Vieweg, Braunschweig 1986.

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

193

Der fließende Strom ergibt sich zu I​ =

Q​ ΔQ​ λ​ Δx​ λ​ ⋅ u​ ⋅ Δt​ = = = λ​ ⋅ u​ = ⋅ u​ . Δt​ Δt​ Δt​ d​

(III-3.123)

Damit erhalten wir für das Magnetfeld B​ =

μ​0 u​⋅Q​/​d​ 2 π​ r​

(III-3.124)

(Q bewegt sich in der (+x)-Richtung) und damit für den Betrag der Gesamtkraft auf die mit υ in (–x)-Richtung bewegte Probeladung q Q​/​d​ 1 1 Q​/​d​ μ​0 u​Q​/​d​ } = q​ ( + μ​0 υ​u) ​ ; + υ​ ⋅ F​E​M​ = q​{ 2 π​ε​0 r​ 2 π​ r​ 2 π​ r​ ε​0

daraus folgt mit d​ = d​0 √1 −

F​E​M​ = q​

(III-3.125)

u​ 2 c​ 2 Q​/​d0​ 1 ( + μ​0 υ​u​) ⋅ 2 π​ r​ ε​0

1

.

(III-3.126)

2 √1 − u​2 c​

Diese gesamte elektromagnetische Kraft auf die bewegte Ladung q besteht also aus zwei Termen, die – falls q und Q gleiches Vorzeichen besitzen – beide abstoßend sind, der erste Term als reine Coulombkraft, der zweite als rein magnetische Lorentz-Kraft. Wir wollen jetzt die elektromagnetische Gesamtkraft F​E​M​ auf die bewegte Probeladung q mit Hilfe der speziellen Relativitätstheorie aus der rein elektrischen Coulombkraft herleiten. Dazu betrachten wir jetzt das System Σ ′, das sich mit –υ gegen Σ bewegt, in dem daher die Ladung q ruht und in dem daher nur eine elektrische Kraftwirkung der Linienladung auf q bestehen kann. Unter Beachtung des 2 2 hier geänderten Lorentz-kontrahierten Abstands d​ ′ = d​0 √1 − u​ ′ ∕ c​ (u′ ist die Geschwindigkeit der Linienladung in Σ ′) lautet die Coulombkraft F​ C′​ auf die Ladung q in Σ ′:55

55 Der Abstand r liegt senkrecht zur Geschwindigkeit –υ und ist daher nicht Lorentz-kontrahiert.

194

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

F​ C′​ = q​ ⋅

1 Q​/​d​ ′ 1 Q​/​d0​ = q​ ⋅ 2 π​ε0​ r​ 2 π​ε​0 r​

1

.

(III-3.127)

u​ ′2 √1 − c​ 2

Dabei wurde wieder (wie in Abschnitt 3.3.3) die experimentell bestens bestätigte Voraussetzung benützt, dass sich die elektrische Ladung beim Übergang von einem Bezugssystem ins andere nicht ändert, dass die Ladung also invariant ist. Wir wenden auf die Geschwindigkeit u​x​ = u​ der Linienladung der Dichte Q​ in der positiven x-Richtung das Additionstheorem an (Band II, Kapitel „Red​ lativistische Mechanik“, Abschnitt 3.8) und beachten, dass in Σ′ zur Geschwindigkeit u infolge des Leitungsstroms noch υ zu addieren ist, wobei beide in die positive x-Richtung weisen, da sich Σ′ mit υ in (–x)-Richtung bewegt. Das Additionstheorem besagt daher im vorliegenden Fall λ​ =

u​ ′ =

u​ + υ​ . u​υ​ 1+ 2 c​

(III-3.128)

Daraus folgt in der obigen Gleichung für F​ C′​ für den Radikand 1 −

1−

u​ ′2 c​ 2

=1−

1

(u​ + υ​)2

c​ 2

u​ υ​ 2 (1 + 2 ) c​

c​ 2 (1 + =

u​ υ​ 2 ) − (u​ + υ​)2 2 c​

u​ υ​ 2 c​ (1 + 2 ) c​

u​ ′2 c​

2

der Wurzel

=

2

u​ 2 υ​ 2 u​ 2 υ​ 2 u​ 2 υ​ 2 2 2 1 − − u​ − 2 u​ υ ​ − υ​ − + 4 c​ 2 c​ 2 c​ 2 c​ = = 2 2 u​ υ​ u​ υ​ (1 + 2 ) c​ 2 (1 + 2 ) c​ c​

c​ 2 + 2 u​υ​ + =

(1 − =

u​ 2 υ​ 2 )( ) 1 − c​ 2 c​ 2 2

u​ υ​ (1 + 2 ) c​

(III-3.129)

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip



F​ C′​ = q​

1 Q​/​d0​ 2 π​ε0​ r​

1+

u​υ​ 2 c​

.

195

(III-3.130)

u​ 2 υ​ 2 √1 − c​ 2 √1 − c​ 2

Jetzt transformieren wir diese Coulombkraft F​ C′​ zurück ins System Σ. In Σ′ gilt die Kraftdefinition (Newton 2) F​ C′​ =

d​p​ ′ , d​t​ ′

(III-3.131)

F​C​ =

d​p​ . d​t​

(III-3.132)

in Σ gilt

Da FC in der y-Richtung wirkt, ist nur die y-Komponente des Impulses zu beachten. Wird der Impuls in der relativistischen Mechanik richtig formuliert (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.9.2), so bleibt die y-Komponente des Impulses bei der Transformation von Σ nach Σ′ erhalten56 (siehe Anhang 2), es gilt also p​ x′​ = γ​ (p​x​ −

υ​ ⋅ E​ c​ 2

), p​ y′​ = p​y,​ p​ z′​ = p​z​ .

(III-3.133)

Daher ist im vorliegenden Fall d​p​ y′​ = d​py​ ​ und es muss nur d​t​ ′ Lorentz-transformiert werden. Da die Ladung q in Σ ′ ruht, ist t​ ′ für q die Eigenzeit und daher das Zeitintervall in Σ dilatiert, also d​t​ = γ​ d​t​ ′ .

(III-3.134)

Für die nach Σ transformierte Coulombkraft F​C​ finden wir so

56 Im Impuls-Energie-Vierervektor (vgl. Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.10.4) entsprechen die Impulskomponenten (px,py,pz) den Raumkomponenten (x,y,z) und E/c2 der Zeitkoordinate des Ereignisvektors. Daher bleiben bei einer Lorentz-Transformation mit υ = vx die Komponenten py, pz ebenso erhalten.

196

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

F​C​ =

d​p​y​ d​t​

=

d​p​ y′​

υ​ 2

d​t​ ′

c​

√1 −

2

= F​ C′​ √1 −

υ​ 2 c​

2

2

1

= q​

Q​/​d0​ (1 + u​υ​/​c​ )

2 π​ε0​

r​

(III-3.135)

u​ 2 √1 − c​ 2

bzw. F​C​ = q​

Q​/​d0​ 2 π​ r​

(

1

u​υ​

+

ε​0 c​

ε​0

2

)

1

.

(III-3.136)

u​ 2 √1 − c​ 2

Wir vergleichen diese „relativistische“ Coulombkraft F​C​ der Linienladung Q auf die „Strahlladung“ q mit der auf q wirkenden „phänomenologischen“ Gesamtkraft F​E​M​ der Linienladung (Gl. III-3.126) F​E​M​ = q​

Q​/​d0​ 1 ( + μ​0 υ​u​) ⋅ 2 π​r​ ε​0

1

√1 −

u​ 2 c​ 2

und sehen, dass beide Gleichungen identisch sind, wenn μ​0 =

1

,

2

(III-3.137)

c​ ε​0

also wenn für die Lichtgeschwindigkeit (die „kritische Geschwindigkeit“) c​ =

1

√ε​0 μ​0

(III-3.138)

gilt. Diese Beziehung wurde experimentell von Weber (Wilhelm Eduard Weber, 1804–1891) und Kohlrausch (Rudolf Hermann Arndt Kohlrausch, 1809–1858) be1 reits 1856 gefunden.57 Der Wert von ergab sich in ihrem Experiment zu ε​0 μ​o​

57 W. Weber und R. Kohlrausch, Annalen der Physik 99, 10 (1856). Im 19. Jh. gab es für jeden Bereich der Physik ein eigenes Einheitensystem und es machte Schwierigkeiten, physikalische Größen von einem System in ein anderes umzurechnen. Der elektrische Strom konnte z. B. im elektro1 4 π​ statischen System (ε​0 = , μ​0 = ) als pro Zeiteinheit durch den Leiterquerschnitt transportierte 4 π​ c​ 2 Elektrizitätsmenge ([q​] = [m​

1/​2 3/​2 −1

l​

t​ ]) definiert werden. Damit erhielt man als Dimension der

197

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip 8

3,1 ⋅ 10 m/​s und stimmte damit sehr gut mit der 1849 von Fizeau (Armand-Hippolyte-Louis Fizeau, 1819–1896, französischer Privatgelehrter) zu 3,15⋅108 m/s bestimmten Lichtgeschwindigkeit in Luft, also in guter Näherung mit der VakuumLichtgeschwindigkeit c überein. Diese Übereinstimmung führte Maxwell zur Idee, dass Licht und Elektromagnetismus eng zusammenhängen müssen. Beispiel: Der Versuch von Weber und Kohlrausch (Bestimmung der „kritischen“ Geschwindigkeit). Es soll die gleiche Stromstärke einmal elektrisch und einmal magnetisch gemessen werden. Dazu wird eine Stimmgabel zu ungedämpften Schwingungen angeregt; an einem Zinken der Gabel ist eine Kontaktfeder angebracht. Nadelgalvanometer (Tangentenbussole)

Berührungskontakte

Spannungsquelle U0 Stimmgabel mit Kondensator C

Schwingt dieser Zinken nach links, so berührt er den linken Kontakt und der Plattenkondensator (siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.5.2) mit der KapaA​ zität C​ = ε​0 wird von der Spannungsquelle U0 aufgeladen. Schwingt er and​

Stromstärke [I​e]​ = [m​ Dimension

der −2

([F​] = [m​ ⋅ l​ ⋅ t​ ] = targesetz

mit −2

t​ ]. Im magnetostatischen System (ε​0 =

l​

Stromstärke −1 2 [l​ ⋅ I​ m​ ⋅ l​ ]

der

1 , μ​0 = 4 π​) ergab sich die 2 4 π​c​ Kraftwirkung paralleler Ströme

1/​2 3/​2 −2

zur −1

z. B.

aus

⇒ [I​m​] = [m​

Ladung

1/​2

der ⋅ l​

äquivalent

([F​] = [m​ ⋅ l​ ⋅ t​ ] = [I​ m​ ⋅ l​ ⋅ P​] = [I​ m​ ⋅ m​

1/​2

⋅ l​

1/​2

1/​2

−1

⋅ t​ ]) oder dem Biot-Savartschen Elemen-

definierten −1

„Polstärke“

⋅ t​ ] zu [I​ m​] = [m​

1/​2

⋅ l​

1/​2

[P​] = [m​

1/​2 3/​2 −1

l​

t​ ]

−1

⋅ t​ ]). Die beiden

−1

Strommaße unterscheiden sich durch die Dimension [I​ e​ /​I​ m​] = [l​ ⋅ t​ ], also die Dimension einer Geschwindigkeit, der sogenannten „kritischen“ Geschwindigkeit. Durch Messung des Durchgangs ein und derselben Elektrizitätsmenge durch einen Leiter einmal mit einer magnetischen und einmal mit einer elektrostatischen Methode fanden Weber und Kohlrausch für den Wert des Verhältnisses [I​ e​ /​I​ m​] den Wert der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit c (siehe das nachfolgende Beispiel ‚Der Versuch von Weber und Kohlrausch‘).

198

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

schließend nach rechts, so berührt er den rechten Kontakt und der jetzt von der Spannungsquelle getrennte Kondensator entlädt sich über ein hinreichend träges Nadelgalvanometer (Tangentenbussole)58, mit dem bei rascher Wiederholung des Vorgangs der Strom I gemessen wird. Berührt der Zinken der Stimmgabel die Kontakte n mal pro Sekunde, so beträgt die mittlere, pro Sekunde durch den Leiterquerschnitt fließende Ladungsmenge = Ladestrom des Kondensators = Entladestrom über das Nadelgalvanometer I​ = n​ ⋅ U​0 ⋅ C​ (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.2.2). Dabei ist vollständige Ladung und Entladung während eines Vorganges vorausgesetzt. Dieser elektrisch bestimmte Entladestrom wird gleichzeitig auch magnetisch durch den Ausschlag des Nadelgalvanometers gemessen. Im Zentrum der Leiterschleife der Bussole mit dem Radius R gilt für das Magnetfeld, das senkrecht zur Leiterschleife gerichtet ist (siehe Abschnitt 3.2.2.2 und 3.2.5) B​ = μ​0

I​ 2 R​

und für eine flache Spule mit N Windungen B​ = μ​0

N​ ⋅ I​ . 2 R​

Wird die Leiterschleife parallel zur Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes B​Erde​ ausgerichtet, so liegt die Magnetnadel im Zentrum der Spule zunächst parallel zur Windungsfläche, solange kein Strom fließt. In der stromdurchflossenen Spule stellt sich die Nadel dann entlang der Resultierenden aus der Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes B​Erde​ und dem von der Spule erzeugten Feld B​0 ein:

58 Die Zeitkonstante τ des Entladungsvorganges muss viel kleiner als die Schwingungsdauer T der Stimmgabel sein (τ ≪ T), damit der Kondensator bei jeder Schwingung vollständig geladen wird, also die Ladung Q = C ⋅ U0 aufnimmt.

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

199

magnetisch S, geographisch N Erdmagnetfeld BErde

α B0 S

N

magnetisch N, geographisch S

Aus der Skizze folgt für den Ausschlag α​ bei Stromfluss: tan ​α​ = ⇒

I​ = tan ​α​ ⋅

B​0 μ​0 N​I​ = B​Erde 2 R​ ⋅ B​Erde

2 R​BE​ rde μ​0 ⋅ N​

magnetisch gemessener Bussolenstrom.

Der Plattenkondensator lädt sich in der Ladephase auf den Wert Q​0 = C​ ⋅ U​0 =

ε​0 A​U0​ d​

auf (A ... Plattenfläche, d ... Plattenabstand). Für den mittleren Strom bei nmaliger Entladung (= strömende Ladung pro Entladezeit T) ergibt sich so I​ =

Q​0 U​0 = n​ ⋅ Q​0 = n​ ⋅ U​0 ⋅ C​ = n​ ⋅ ε​0 A​ T​ d​

elektrisch gemessener Bussolenstrom.

Ist die Bewegung der Nadel des Galvanometers genügend träge, so bleibt die Nadel bei einem Ausschlag stehen, der dem durch die Spule fließenden Strom I entspricht: Aus der Gleichheit der beiden so bestimmten Ströme folgt tan ​α​⋅2 R​BE​ rde U​0 = n​ε0​ A​ d​ μ​0 N​

200

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Damit ergibt sich für das Produkt ε0μ0 2 R​d​BE​ rde tan ​α​ . n​N​A​U0​

ε​0 μ​0 =

Ergibt die Dimension von ε0μ0 wirklich das Quadrat einer reziproken Geschwindigkeit? Wir prüfen mit [B] = Vs/m2 (siehe Abschnitt 3.1.1):

[

l​ ⋅ l​ ⋅ B​ −1 2

]=

m ⋅ m ⋅ Vsm−2 −1

2

s mV

t​ l​ U​

1 −2 2 = m s = [ 2] . υ​

Zahlenbeispiel: Plattenkondensator: Radius der kreisförmigen Platten: r = 10 cm = 0,1 m; 2 ⇒ Fläche A = (0,1) π​ = 0,0314 = 3,14⋅10–2 m2; Plattenabstand: d = 5 mm = 0,005 = 5⋅10–3 m. Nadelgalvanometer: N = 3000 Windungen, R = 5 cm = 0,05 = 5⋅10–2 m. −1 Stimmgabel: Frequenz n = 250 s . Spannung: U​0 = 2000 V. −5 Horizontalkomponente des Erdfeldes: B​Erde​ = 1,8 ⋅ 10 T. −2 Messergebnis für den Nadelausschlag: α​ = 3°20′ ⇒ tan ​α​ = 5,83 ⋅ 10 . Damit erhalten wir ε​0 μ​0 =

2 ⋅ 5 ⋅ 10−2 ⋅ 5 ⋅ 10−3 ⋅ 1,8 ⋅ 10−5 ⋅ 5,83 ⋅ 10−2 2,5 ⋅ 102 ⋅ 3 ⋅ 103 ⋅ 3,14 ⋅ 10−2 ⋅ 2 ⋅ 103

= 11,14 ⋅ 10 ⇒

−18

=

m2 s−2

√ε​0 μ​0 = 3,34 ⋅​ 10−9



1

√ε​0 μ​0

= 2,996 ⋅ 108 m/​s.

Als Ergebnis finden wir also, dass die magnetische Kraft, die auf eine im Laborsystem bewegte Ladung wirkt, auf eine rein elektrische Coulombkraft zurückgeführt werden kann, wenn man die Kraftwirkung im Ruhesystem der Ladung betrachtet. Wird diese mit Hilfe der relativistischen Transformationsformeln (siehe nächster Abschnitt 3.3.5, Gl. III-3.153) auf das Laborsystem zurücktransformiert, dann ergibt sich zusätzlich zu einem Coulombterm ein geschwindigkeitsabhängiger Zusatzterm, die Lorentz-Kraft F​↼B​ = q​ (υ​⇀× B​⇀).59

59 In der Literatur werden oft sowohl die magnetische Kraft F​⇀B​ = q​(υ​⇀× B​⇀) als auch die elektromagnetische Gesamtkraft F​⇀E​M​ = F​⇀C​ + F​⇀B​ = q​{E​⇀+ (υ​⇀× B​⇀)} als „Lorentz-Kraft“ bezeichnet.

201

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

3.3.5 Die Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes Wir betrachten zwei Bezugssysteme: Σ ′(x​ ′,y​ ′,z​ ′,t​ ′) bewege sich gegen Σ(x​,y​,z​,t​) mit einer Geschwindigkeit υ​⇀entlang der gemeinsamen x-Achse, es gilt also υ​⇀= υ​ ⋅ e​⇀x​. Eine Punktladung bewege sich mit der Geschwindigkeit u​⇀in Σ, und mit der Geschwindigkeit u​⇀′ in Σ ′. F​ = q​E​ + q​ (u​⇀× B​⇀), F​ ′ = q​E​ ′ + q​ (u​⇀′ × B​⇀′)

In Σ wirkt auf q die Gesamtkraft: in Σ ′:

Wir wissen, dass die Spezielle Relativitätstheorie die folgenden Transformationsgleichungen für die Geschwindigkeiten und die Kräfte liefert (siehe Anhang 2): u​ x′​ =

u​x​ − υ​ u​y​ u​z​ , u​ z′​ = , u​ y′​ = υ​ υ​ υ​ 1 − 2 u​x​ γ​ (1 − 2 u​x​ ) γ​ (1 − 2 u​x​ ) c​ c​ c​ mit

γ​ =

1

= 2

υ​ √1 − c​ 2

1

(III-3.139)

;

√1 − β​ 2

υ​ ⇀ F​ ⋅ u​⇀ c​ 2 F​y​ F​z​ , F​ y′​ = , F​ z′​ = . υ​u​ υ​u​ υ​u​ 1 − 2x​ γ​ (1 − 2x​ ) γ​ (1 − 2x​ ) c​ c​ c​

F​x​ − F​ x′​ =

(III-3.140)

Jetzt betrachten wir die y-Komponente der wirkenden Kraft in beiden Systemen: Σ:

Σ′ :

F​y​ = q​ (E​y​ + (u​⇀ × B​⇀)y​ ) = q​ (E​y​ + u​z​ B​x​ − u​x​ B​z​ )

(III-3.141)

F​ y′​ = q​ (E​ y′​ + (u​⇀′ × B​⇀′)y​) = q​ (E​ y′​ + u​ z′​ B​ x′​ − u​ x′​ B​ z′​ ) = Krafttransformation

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ u​z​ u​x​ − υ​ F​y​ = q​ ( E​ y′​ + B​ x′​ − B​) = = z′​ υ​u​ υ​u​ υ​u​ γ​ (1 − 2x​ ) 1 − 2x​ γ​ (1 − 2x​ ) c​ c​ c​ =

q​ (E​y​ + u​z​ B​x​ − u​x​ B​z​ ) . υ​u​ γ​ (1 − 2x​ ) c​

(III-3.142)

202



3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

E​y​ + u​z​ B​x​ − u​x​ B​z​ = γ​ (1 −

= γ​ (1 −

υ​ux​ ​ c​

= γ​E​ y′ ​ − γ​

2

υ​ux​ ​ c​

2

)E​ y′​ + γ​ (1 −

υ​ux​ ​

)u​ z′​ B​ x′ ​ 2 c​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = u​z​

− γ​ (1 −

υ​ux​ ​

)u​ x′ ​ B​ z′​ 2 c​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = u​x​ − υ​

=

)E​ y′ ​ + u​z​ B​ x′ ​ − γ​ (u​x​ − υ​)B​ z′​ =

υ​ c​

2

E​ y′ ​ u​x​ + u​z​ B​ x′ ​ − γ​B​ z′​ u​x​ + γ​υ​B​ z′​ ;

(III-3.143)

also E​y​ + B​x​ u​z​ − B​z​ u​x​ = γ​ (E​ y′ ​ + υ​B​ z′​ ) + B​ x′ ​ u​z​ − γ​ (B​ z′​ +

υ​ c​ 2

E​ y′ ​ )u​x​ .

(III-3.144)

In dieser Gleichung wird dieselbe Kraft einmal mit Σ ′-, einmal mit Σ-Komponenten ausgedrückt. Diese Gleichung muss für alle möglichen Werte der Geschwindigkeit u​⇀gelten. Daher müssen die Koeffizienten von uz und ux und die Terme, die von u​⇀ unabhängig sind, einzeln gleich sein, also E​y​ = γ​ (E​ y′ ​ + υ​B​ z′​ ) , B​x​ = B​ x′ ​ , B​z​ = γ​ (B​ z′​ +

υ​ c​

2

E​ y′ ​ ) .

(III-3.145)

Die analoge Überlegung für die z-Komponenten der Lorentz-Kraft ergibt E​z​ = γ​ (E​ z′​ − υ​B​ y′ ​ ) , B​x​ = B​ x′ ​ , B​y​ = γ​ (B​ y′ ​ −

υ​ c​ 2

E​ z′​ ) .

(III-3.146)

Für die x-Komponente der Gesamtkraft F​⇀= q​{E​⇀+ (u​⇀× B​⇀)} gilt in Σ F​x​ = q​ (E​x​ + (u​⇀× B​⇀)x​ ) = q​ (E​x​ + u​y​ B​z​ − u​z​ B​y​ )

(III-3.147)

und in Σ′ F​ x′ ​ = q​ (E​ x′ ​ + (u​⇀′ × B​⇀′)x​) = q​ (E​ x′ ​ + u​ y′ ​ B​ z′​ − u​ z′​ B​ y′ ​ ) =

= q​ E​ x′ ​ + (

=

u​y​ u​z​ B​ z′​ − B​ y′ ​ = υ​u​ υ​u​ ) γ​ (1 − 2x​ ) γ​ (1 − 2x​ ) c​ c​

Krafttransformation

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ υ​ F​x​ − 2 F​⇀⋅ u​⇀ c​ 1−

υ​ux​ ​ c​ 2

=

υ​ υ​ υ​ 1 ⋅ q​ (E​x​ + u​y​ B​z​ − u​z​ B​y​ − 2 E​x​ u​x​ − 2 E​y​ u​y​ − 2 E​z​ u​z​ ) . (III-3.148) υ​u​ c​ c​ c​ 1 − 2x​ c​

203

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

Daraus folgt nach Multiplikation mit (1 −

E​ x′ ​ (1 −

υ​ux​ ​ c​

= E​x​ (1 −

2

)+

υ​ux​ ​ c​

2

υ​ux​ ​ c​ 2

)

u​y​ u​z​ B​ z′​ − B​ y′ ​ = γ​ γ​

) + u​y​ B​z​ − u​z​ B​y​ −

υ​u​y​ c​

2

E​y​ −

υ​u​z​ c​

2

E​z​ .

(III-3.149)

Auf der rechten Seite werden die obigen Beziehungen für Bz, By, Ey, Ez (Gln. III-3.145) und III-3.146) eingesetzt und wir erhalten

u​y​ B​z​ − u​z​ B​y​ −

υ​u​y​ c​

2

E​y​ −

υ​u​z​ c​

2

E​z​ = u​y​ γ​ B​ z′​ + γ​ + γ​ − γ​

υ​uz​ ​

E​ z′​ − γ​

2

E​ z′​ + γ​

= u​y​ B​ z′​ γ​ (1 −

=

c​

2

c​ υ​uz​ ​ c​

υ​uy​ ​ 2

E​ Y′ ​ − u​z​ γ​ B​ y′ ​ +

υ​uy​ ​ 2

c​ υ​uz​ ​

υ​ 2 c​ 2

c​

2

E​ Y′ ​ − γ​

υ​uy​ ​ c​ 2

υ​B​ z′​ −

υ​B​ y′ ​ =

) − u​z​ B​ y′ ​ γ​ (1 −

u​z​ u​y​ B​ z′​ − B​ y′ ​ . γ​ γ​

υ​ 2 c​ 2

)=

(III-3.150)

Daraus folgt aber E​ x′ ​ (1 −

υ​ux​ ​ c​

2

) = E​x​ (1 −

υ​ux​ ​ c​ 2

)



E​x​ = E​ x′ ​ .

(III-3.151)

Für x-Komponenten gilt also E​x​ = E​ x′ ​ ;

B​x​ = B​ x′ ​

(III-3.152)

Für die inversen Transformationen sind die gestrichenen Terme durch ungestrichene und vice versa zu ersetzen und es muss υ durch –υ ersetzt werden. So erhalten wir insgesamt:

204

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

E​ x′ ​ = E​x,​

B​ x′ ​ = B​x​

E​ y′ ​ = γ​ (E​y​ − υ​Bz​ ​ )

B​ y′ ​ = γ​ (B​y​ +

υ​ E​z​ ) c​ 2

E​ z′​ = γ​ (E​z​ + υ​By​ ​ )

B​ z′​ = γ​ (B​z​ −

υ​ E​y​ ) c​ 2

Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes.

(III-3.153)

In Vektorform können die Transformationsgleichungen für die Komponenten der Feldstärken E​⇀ und B​⇀ parallel zur Relativgeschwindigkeit der Bezugssysteme (⫽) bzw. normal dazu (⊥) so geschrieben werden (mit υ​⇀= e​⇀x​ ⋅ υ​):60 E​⇀⫽′ = E​⇀⫽

B​⇀⫽′ = B​⇀⫽

E​⇀⊥′ = γ​ (E​⇀⊥ + υ​⇀× B​⇀)

B​⇀⊥′ = γ​ (B​⇀⊥ −

υ​⇀× E​⇀ ) c​ 2

(III-3.154)

Ist also z. B. im System Σ nur ein E-Feld E​⇀vorhanden (B​⇀= 0), dann tritt im dazu mit υ​⇀ bewegten System Σ′ neben dem Feld E​⇀′ auch noch ein Magnetfeld mit υ​⇀× E​⇀ B​⇀′ = −γ​ 2 senkrecht zu υ​⇀und E​⇀auf! c​ Im Grenzwert nicht-relativistischer Relativgeschwindigkeiten υ ≪ c und damit γ​ ≈ 1 folgt E​⇀′ = E​⇀+ υ​⇀× B​⇀

und

B​⇀′ = B​⇀−

1 c​ 2

υ​⇀× E​⇀.

(III-3.155)

Wesentlich ist:

1

Die Felder E​⇀ und B​⇀ treten gekoppelt auf, das heißt, das elektrische und das magnetische Feld sind eng miteinander verknüpft, wir sprechen daher vom elektromagnetischen Feld.

e​⇀x​ e​⇀y​ e​⇀z​ 60 υ​⇀× B​⇀= | υ​ 0 0 | = e​⇀x​ ⋅ 0 − e​⇀y​(υ​Bz​​ ) + e​⇀z​(υ​By​​ ). Mit E​⇀⊥ = e​⇀y​ E​y​ + e​⇀z​ E​z​ folgt B​x​ B​y​ B​z​ ′ E​⇀⊥ = γ​(E​⇀⊥ + υ​⇀× B​⇀) = γ​(e​⇀y​ E​y​ + e​⇀z​ E​z​ − e​⇀y​ υ​Bz​​ + e​⇀z​ υ​By​​ ) = e​⇀y​ E​ y​′ + e​⇀z​ E​ z​′ und damit durch Vergleich der Koeffizienten von e​⇀y​ und e​⇀z​ ⇒ E​ y′ ​ = γ​(E​y​ − υ​B​z​); E​⇀z​ = γ​(E​z​ + υ​B​y), wie es die Transformationsglei​ chungen verlangen.

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

205

3.3.6 Das Biot-Savart-Gesetz als relativistisches Coulomb-Gesetz Wir wenden jetzt die Transformationsgleichungen (Gl. III-3.153) auf das Feld einer einfachen Punktladung Q an.

z

Σ: ʋQ = 0

y x z = −d Q Abb. III-3.30: Die Punktladung Q ruht im System Σ bei x = 0, y = 0, z = –d.

Die Punktladung Q ruhe im System Σ bei x = 0, y = 0, z = –d (Abb. III-3.30). Sie erzeugt daher in Σ kein Magnetfeld, sondern nur ein Coulombfeld. Die elektrische Feldstärke im Ursprung von Σ ist E​⇀=

1

Q​

2 4 π​ε0​ d​

e​⇀z​ ,

(III-3.156)

also gilt für die Komponenten von E​⇀im Ursprung von Σ E​z​ =

1

Q​

2 4 π​ε0​ d​

, E​x​ = E​y​ = 0 , B​x​ = B​y​ = B​z​ = 0 .

(III-3.157)

Ein Beobachter befinde sich im Bezugssystem Σ ′, das sich mit der Geschwindigkeit υ​⇀= υ​ ⋅ e​⇀x​ relativ zu Σ in x-Richtung bewegt. Betrachten wir die Situation jetzt in dem Augenblick, in dem der Ursprung beider Systeme gerade zusammenfällt: Wie sehen die Felder E​⇀und B​⇀in Σ ′ aus? Dazu wenden wir die Transformationsgleichungen (Gl. III-3.153) von Abschnitt 3.3.5 an: E​ x′ ​ = 0 , E​ y′ ​ = 0 , E​ z′​ = γ​ (E​z​ + 0) = γ​



E​⇀′ = γ​

1

Q​

2 4 π​ε​0 d​

e​⇀z​ .

1

Q​

2 4 π​ε0​ d​

(III-3.158)

(III-3.159)

206

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

B​ x′ ​ = 0 , B​ z′​ = 0 , B​ y′ ​ = γ​ (0 +

2

E​z​ ) = γ​

1

Q​

c​

υ​

B​⇀′ = γ​



υ​

2

c​ 4 π​ε0​ d​

2

υ​

1

2

Q​

c​ 4 π​ε0​ d​

2

e​⇀y​ .

(III-3.160)

(III-3.161)

Wir betrachten jetzt den nicht-relativistischen Grenzfall für v ≪ c, d. h. γ ≈ 1. In diesem Fall gilt E​⇀′ =

1

Q​

2 4 π​ε0​ d​

e​⇀z​ = E​⇀, es ergibt sich also ein Coulombfeld gleich je2

nem in Σ. Für das Magnetfeld gilt aber mit c​ =

B​⇀′ =

1

υ​

Q​

2

c​ 4 π​ε0​ d​

2

e​⇀y​ =

1 ε​0 μ​0

μ​0 υ​ ⋅ Q​ 4 π​ d​

2

e​⇀y​ .

(III-3.162)

Wir schreiben υ​ ⋅ e​⇀y​ als Vektorprodukt (mit e​⇀y​ = −e​⇀x​ × e​⇀z​ und υ​⇀= υ​ ⋅ e​⇀x​ )61 υ​ ⋅ e​⇀y​ = −υ​⇀× e​⇀z​

(III-3.163)

und erhalten damit im gerade zusammenfallenden Nullpunkt beider Systeme zusätzlich zum Coulombfeld E​ z′​ = γ​

1

Q​

4 π​ε0​ d​

B​⇀′ =

2

noch ein Magnetfeld

μ​0 Q​ (−υ​⇀× e​⇀z​ ) 4 π​

d​ 2

,

(III-3.164)

also ein dem Biot-Savartschen Elementargesetz für die bewegte Ladung Q entsprechendes Magnetfeld: Q bewegt sich ja in Σ ′ mit der Geschwindigkeit −υ​⇀! Wir sehen daher wieder: 1

Elektrisches und magnetisches Feld existieren nicht unabhängig voneinander, ein rein elektrisches oder rein magnetisches Feld im einen Bezugssystem ergibt im anderen eine Überlagerung aus beiden!



61

ez

 e  e y

 

ʋ × ez

x



 

ʋ⋅ey = −ʋ × ez



ʋ

207

3.3 Elektromagnetisches Feld und Relativitätsprinzip

3.3.7 Parallel zueinander bewegte Ladungen Wir betrachten jetzt zwei Ladungen, die sich im System Σ parallel zueinander mit der Geschwindigkeit υ in x-Richtung bewegen (Abb. III-3.31). z

z′ Σ′

Σ



Bz

ʋ

Ey = E′y

y



Q1

Q2

ʋ

 ʋ

E′y y′ Q 1

x

x′

r

Q2

Abb. III-3.31: Zwei Ladungen Q1 und Q2 bewegen sich in Σ mit der Geschwindigkeit υ in x-Richtung parallel zueinander. Im System Σ′, das sich mit der Geschwindigkeit υ in x-Richtung relativ zum System Σ bewegt, ruhen beide Ladungen.

Im System Σ′, das sich mit der Geschwindigkeit υ in x-Richtung bewegt, ruht die Ladung Q1 und erzeugt am Ort der ebenfalls ruhenden Ladung Q2 ein elektromagnetisches Feld, das rein elektrischer Natur ist E​ y′ ​ =

1 Q​1 , 4π​ε0​ r​ 2

(III-3.165)

alle anderen Komponenten des Feldes verschwinden, also E​ x′ ​ = 0 , E​ z′​ = 0 , B​ x′ ​ = 0 , B​ y′ ​ = 0 , B​ z′​ = 0 .

(III-3.166)

Wir benützen jetzt wieder die Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes (3.3.5, Gl. III-3.153) und transformieren nach Σ: E​x​ = E​ x′ ​ = 0,

B​x​ = B​ x′ ​ = 0

E​y​ = γ​ (E​ y′ ​ + υ​B ⏟​ z′ ​) = γ​ E​ y′ ​

B​y​ = γ​ (B​⏟y′ ​ −

=0

E​z​ = γ​ ( E​⏟z′​ − υ​B⏟​ y′ ​) = 0 =0

=0

=0

B​z​ = γ​ (B​ ⏟z′ ​ + =0

υ​ c​ 2 υ​ c​

2

E​⏟z′​ ) = 0 =0

E​ y′ ​ ) = γ​

υ​ c​ 2

E​ y′ ​ .

(III-3.167)

Wir sehen: Auf die bewegte Ladung Q2 wirken das elektrische Feld E​y​ = γ​ E​ y′ ​ und υ​ das magnetische Feld B​z​ = γ​ E​ y′ ​ . Die Kraft, die die Ladung Q1 auf die Ladung Q2 c​ 2

208

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

ausübt, erhalten wir durch Einsetzen in die Gesamtkraft F​E​M​ = Q​2 (E​⇀+ (υ​⇀× B​⇀)). Dabei müssen wir beachten, dass sich nur in der y-Richtung eine nicht verschwindende Kraftkomponente ergibt und der magnetische und der elektrische Beitrag in dieser Richtung entgegengesetzt wirken:62 B​,E​M​

F​ y​

= Q​2 (E​y​ − υ​Bz​ ​ ) = Q​2 γ​ (E​ y′ ​ − = Q​2 E​ y′ ​ √1 −

υ​ 2 c​

2

υ​ 2 c​

2

E​ y′ ​ ) = Q​2 γ​ E​ y′ ​ (1 −

υ​ 2 c​

2

)=

.

(III-3.168)

2

Die abstoßende Kraft auf die bewegte Ladung ist also um den Faktor

√1 − υ​2 c​

kleiner, als im Ruhesystem; die bewegten Ladungen „fliegen“ also langsamer auseinander, eine Folge der Zeitdilatation (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.4.1). Im Falle sehr hoher Geschwindigkeiten der Ladungen mit υ ≈ c werden der elektrische und der magnetische Anteil der Kraftwirkung gleich groß, die Kraft verschwindet, da die beiden Anteile entgegengesetzt gerichtet sind. Handelt es sich nicht um einzelne, frei bewegliche Ladungen, wie in unserem Beispiel, sondern um parallele, gleichsinnig stromdurchflossene Leiter, so tritt keine Coulombkraft auf, da die Leiter ja bei beliebigem Stromfluss, also beliebiger Driftgeschwindigkeit u​⇀, elektrisch neutral sind.63 Es wirkt daher nur die magnetische Kraft, die zur Anziehung der beiden Leiter führt (siehe Abschnitt 3.3.1).

62

Bz Ey



ʋ

 



ʋ × B = −ʋ⋅Bz ey 63 Es treten an dem einen Ende eines Leiterstücks genauso viele e– ein, wie am anderen Ende austreten ( divj​⇀= 0). Wird der Leiter immer neutral gehalten, dann ist der mittlere Abstand del der e– immer genau gleich dem Abstand der positiven Ionenrümpfe dIon, gleichgültig wie groß die Driftgeschwindigkeit u​⇀der Elektronen ist! Eine Lorentzkontraktion von del und dIon ist nur bei einem Wechsel des Bezugssystems zu berücksichtigen.

3.4 Magnetismus der Materie

209

3.4 Magnetismus der Materie Wir haben im Kapitel „Elektrostatik“ gesehen, dass die elektrische Feldstärke eines elektrischen Dipols zwischen den Dipolladungen antiparallel zum Dipolmoment liegt (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.4.2) und daher zu einer Schwächung des E​⇀-Feldes führt, wenn ein Dipol darin ausgerichtet wird. Ein Beispiel dafür ist, dass das Feld im Kondensator sinkt, wenn ein polarisierbares Dielektrikum eingeschoben wird. Das Dipolmoment eines magnetischen Dipols ist dagegen in seiner Feldrichtung orientiert (siehe Abschnitt 3.1.5) und die Ausrichtung eines bereits bestehenden Dipolmoments im äußeren Feld führt daher zu einer Verstärkung des B​⇀-Feldes. Dies ergibt ein Ansteigen des Magnetfeldes in einer Spule, wenn ein Eisenkern eingeschoben wird. Materialien können entsprechend dem Verhalten ihrer Moleküle in fünf Gruppen geteilt werden:

dia-

para-

ferro-

antiferro-

ferri-

keine molekulare WW

starke molekulare WW

2 Untergitter mit antiparallelem Moment, bei gleichen Beträgen: Gesamtmoment = 0 starke molekulare WW

2 Untergitter mit antiparallelem Moment, aber Beträge ungleich ⇒ ähnlich wie Ferromagnete, aber schwächer; starke molekulare WW

magnetisch Nur induziertes Dipolmoment, tritt in allen Stoffen auf und ergibt eine Schwächung des B-Feldes, so wie beim el. Dipol das E-Feld geschwächt wird

permanentes magnetisches Dipolmoment

3.4.1 Magnetisierung und magnetische Suszeptibilität Bringen wir Materie in ein starkes Magnetfeld, z. B. eine Spule, so werden die magnetischen Dipolmomente (permanente und induzierte64) ausgerichtet, die Materie wird magnetisch polarisiert, sie wird magnetisch. Dies wird durch den Vektor M​⇀ der Magnetisierung beschrieben, das ist die der dielektrischen Polarisation P​⇀ der Elektrostatik (siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.6.1) entsprechende magnetische Dipoldichte = Dipolmomentdichte, also das resultierende magnetische Moment pro Volumeneinheit

64 Die induzierten magnetischen Dipolmomente sind als Induktionswirkung von vornherein dem angelegten Magnetfeld entgegengesetzt (siehe Abschnitt 3.4.3).

210

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

M​⇀ =

1 ∑ p​⇀m​,i​ V​ i​

Magnetisierung (magnetization, magnetic polarization).

(III-3.169)

2

Am [p​] = 1 3 = 1 A/​m. [V​] m Die Ursache des beobachtbaren Magnetismus der Materie kann im Bild bewegter mikroskopischer Ladungen, also mikroskopischer Ströme, betrachtet werden.65 Schon Ampere erklärte 1825 den Magnetismus im Festkörper durch mikroskopische Kreisströme, die sich im Materialinneren zu Null kompensieren; es bleibt aber ein resultierender Oberflächen-Kreisstrom = Amperescher-Kreisstrom (Abb. III-3.32). Die Einheit der Magnetisierung ist [M​] =

resultierender Oberflächenstrom (gebundener Strom)

Abb. III-3.32: Schematische Darstellung der Ampereschen Erklärung des Festkörpermagnetismus: Die mikroskopischen Kreisströme kompensieren einander im Materialinneren. Es bleibt aber ein resultierender Oberflächenstrom, der jedoch keine Joulesche Wärme freisetzt und sich nur durch seine magnetische Wirkung bemerkbar macht.

Die mikroskopischen Kreisströme sind eine Folge der sich in den Atomen im Coulombfeld des Atomkerns verlustlos bewegenden Elektronen. Wir stellen uns als sehr vereinfachtes Modell eines magnetisierten Körpers eine flache Kreisscheibe der Länge d​l​ und der Fläche dA vor, auf deren zylindrischer Randfläche ein Amperescher Kreisstrom dI fließt (Abb. III-3.33). Für das magnetischer Dipolmoment einer flachen Spule mit N Windungen fanden wir (Abschnitt 3.1.5, Gl. III-3.42) p​⇀m​ = N​ ⋅ I​ ⋅ A​⇀, also für den Betrag p​m​ = N​ ⋅ I​ ⋅ A​. Damit ergibt sich für die flache Kreisscheibe (eine Windung), die von dem kleinen Strom dI umflossen wird

65 Diese Vorstellung ist jedoch problematisch bei der Erklärung der magnetischen Momente von ausdehnungslosen Elementarteilchen wie dem Elektron. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass das magnetische Moment letztlich eine quantenmechanische Größe ist, die immer mit einem gequantelten Drehimpuls verknüpft ist.

3.4 Magnetismus der Materie

p​m​ = A​ ⋅ d​I​ .

211 (III-3.170)

Daraus erhalten wir für die Magnetisierung M, also das Dipolmoment pro VolumenA einheit, wenn d​l​ die Dicke der Kreisscheibe bezeichnet ([M​] = 1 ) m

M​ =

d​p​m​ A​ ⋅ d​I​ d​I​ = = . d​V​ A​ ⋅ d​l​ d​l​

(III-3.171)

dl dI A Abb. III-3.33: Modell eines magnetisierten Körpers: Flache Kreisscheibe der Länge dl und der Fläche dA, auf deren zylindrischer Randfläche ein Amperescher Kreisstrom dI fließt.

Wird ein Zylinder mit Materie gefüllt, deren Moleküle ein bestimmtes Dipolmoment aufweisen, und dann gleichmäßig magnetisiert, also die Dipolmomente in einem homogenen Magnetfeld so weit ausgerichtet, dass die Magnetisierung M beträgt, so erhalten wir seine Magnetisierung unter der Annahme, dass N die Zahl der Scheiben auf der Länge l​ ist und jede Scheibe vom Strom ΔI​ umflossen wird (Δl​ =

l​ 1 1 N​ = = , n​ = … Zahl der Scheiben (= Kreisströme) pro Längeneinheit) N​ N​ n​ l​ l​

M​ =

ΔI​ ΔI​ = = n​ ⋅ ΔI​ = I​l​ . Δl​ 1 n​

(III-3.172)

I​l​ ist der Umfangsstrom pro Längeneinheit des magnetisierten Zylinders ([I​l]​ = 1 A/m). Ist n​⇀0 der Flächennormalenvektor der Mantelfläche, dann gilt vektoriell I​⇀l​ = M​⇀⋅ n​⇀0 .

(III-3.173)

Für das Feld im Inneren einer sehr langen, vom Strom ΔI (Strom durch eine Windung) durchflossenen Spule mit n Windungen pro Längeneinheit (Solenoid) fanden wir im Vakuum (Abschnitt 3.2.4.1, Gl. III-3.76) B​ = B​0 = μ​0 ⋅ n​ ⋅ ΔI​ = μ​0 ⋅ I​l​

(III-3.174)

mit I​l​ als Spulenstrom pro Längeneinheit der Spule. Das Magnetfeld im Inneren des magnetisierten Materiezylinders ist daher mit I​l​ = M​ (Gl. III-3.173)

212

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

B​⇀M​ = μ​0 M​⇀

Feld im Inneren eines magnetisierten Materiezylinders.

(III-3.175)

Eine leere Spule erzeugt in ihrem Inneren also das Magnetfeld B​0 = μ​0 n​ ⋅ I​. Bringen wir jetzt ein magnetisierbares Material in der Form eines Vollzylinders ins Spuleninnere, so wird der Zylinder durch das homogene Feld B0 magnetisiert,66 es ergibt sich eine homogene Magnetisierung M​⇀ und ein resultierendes Magnetfeld im Spuleninneren, das um B​⇀M​ = μ​0 M​⇀ vergrößert ist 67 B​⇀= B​⇀0 + μ​0 M​⇀ = B​⇀0 + B​⇀M​ .

(III-3.176)

Bei Stoffen mit einem permanenten magnetischen Dipolmoment seiner wechselwirkungsfreien Moleküle, also paramagnetischen Stoffen, ist die entstehende Magnetisierung M​⇀ parallel zum erzeugenden Feld B​⇀0 (M​⇀[[B​⇀0), bei diamagnetischen Stoffen antiparallel (M​⇀[YB​⇀0) und in beiden Fällen zu B0 proportional. In diesem Fall wird der Stoff in Analogie zum Dielektrikum als Magnetikum bezeichnet. Man definiert als magnetische Feldstärke (= magnetisches Hilfsfeld, magnetische Erregung, magnetic field intensity, magnetic field strength, magnetizing field):

H​⇀=

1 B​⇀0 μ​0

magnetische Erregung (= magnetische 68 Feldstärke, magnetisches Hilfsfeld)



B​⇀= μ​0 (H​⇀+ M​⇀) .

(III-3.177)

(III-3.178)

Diese Beziehung gilt für alle magnetischen Stoffe, also auch, wenn M​⇀ konstant ist wie im Falle der Permanentmagnete.

66 „Magnetisieren“ heißt also, die permanenten molekularen Dipolmomente mehr oder weniger vollständig ausrichten. 67 Diese Beziehung gilt lokal, also für jeden Punkt im Magnetikum und daher auch für den Fall, dass das magnetisierende Feld B​⇀0 und die resultierende Magnetisierung M​⇀ nicht homogen sind. In diesem Fall muss die Integralbeziehung I​l​ = M​ (oben) durch die Differentialbeziehung j​⇀A​ = rot M​⇀ ersetzt werden (siehe E. M. Purcell, „Elektrizität und Magnetismus“, Berkeley Physik Kurs 2, Vieweg, Braunschweig 1989), wobei jetzt j​⇀A​ die Dichte der gebundenen Ampereschen Ströme ist. Dies sieht man auch aus der Beziehung B​⇀= μ​0(H​⇀+ M​⇀) (weiter unten), wenn auf beiden Seiten die „Rotation“ H​⇀+ rot M​⇀) = μ​0(j​⇀frei + rot M​⇀). rot M​⇀ stellt also ebenfalls eine Stromdichte gebildet wird: rot B​⇀= μ​0(rot ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⇀ ⇀ = j​ = j​ ⇀ frei A​ dar, nämlich j​A​. 68 Im cgs-System ist μ0 = 1 und daher H​⇀≡ B​⇀0; im SI-System sind sie proportional.

3.4 Magnetismus der Materie

213

Die Einheit der magnetischen Erregung H ist gleich jener der Magnetisierung M: [H​] = [M​] = 1

A . m

Befindet sich keine magnetisierbare Materie in der Spule, ist sie also innen und außen von Vakuum umgeben, so ist M​ = 0 und damit B​ = B​0 = μ​0 H​. Da B​0 = μ​0 n​I​ ist, folgt H​ = n​ ⋅ I​

(III-3.179)

(n … Windungen pro Längeneinheit). H ist also unabhängig vom Material in der Spule und dem Spulenstrom I proportional.69 Für diamagnetische und paramagnetische Stoffe (sowie angenähert bei ferromagnetischen Stoffen bei kleinen Feldstärken) ist die Magnetisierung M​⇀ zur magnetischen Erregung H​⇀proportional 70 M​⇀ = χ​m​ H​⇀.

(III-3.180)

χ​m​ ist die magnetische Suszeptibilität (magnetic susceptibility), eine dimensionslose Zahl ([χm] = 1). Mit steigender Temperatur nimmt χ​m​ ab, da die ungeordnete Wärmebewegung der Ausrichtung der magnetischen Dipolmomente entgegenwirkt. Die Funktion χ​m​ (T​) wird durch das Curie-Gesetz beschrieben (siehe Abschnitt 3.4.4):

χ​m​ =

C​C​ T​

Curiesches Gesetz,

(III-3.181)

CC ist die Curie-Konstante. 69 Diese für den Spezialfall einer idealen, also sehr langen Spule abgeleitete Beziehung ist im allgemeinen Fall durch das in jedem Stoff gültige Amperesche Durchflutungsgesetz (= 2. MaxwellB​⇀0 B​⇀0 Gleichung) zu ersetzen: ∮ d​l⇀ ​ = ∮ H​⇀d​l​ = I​A​ bzw. rot = rotH​⇀= j​⇀(siehe Abschnitt 3.2.3, Gln. (IIIμ​ μ​0 C​ 0 C​ 3.65) und (III-3.71)); ist j​⇀= j​⇀(r​⇀) gegeben, dann kann werden (siehe Abschnitt 3.2.6): H​⇀(r​⇀) =

1 μ​0

B​⇀ μ​0

= H​⇀aus dem Vektorpotenzial A​⇀(r​⇀) berechnet

rotA​⇀(j​⇀(r​⇀)).

70 Diese Beziehung zeigt, dass es von Vorteil ist, in der Materie zusätzlich zu B​⇀ einen weiteren B​⇀0 einzuführen, der nur von den vorhandenen freien Strömen bestimmt wird. Vektor H​⇀≡ μ​0

214

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Das Magnetfeld im Inneren von Magnetika (nicht aber von Permanentmagneten) kann unter Verwendung der relativen Permeabilität (Permeabilitätszahl, relative permeability) μ​r​ = (1 + χ​m​ ) so geschrieben werden: + χ​m​ )H​⇀= μ​0 μ​r​ H​⇀. B​⇀= μ​0 (H​⇀+ M​⇀) = μ​0 (H​⇀+ χ​m​ H​⇀) = μ​0 (1 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-3.182)

= μ​r​

Man bezeichnet μ​ = μ​0 μ​r​ = μ​0 (1 + χ​m​ )

(III-3.183)

als Permeabilität (permeability); in kristallinen Feststoffen ist sie im Allgemeinen eine tensorielle Größe. ⇒

μ​r​ =

μ​ B​ B​ = . = μ​0 μ​0 H​ B​0

(III-3.184)

Damit erhalten wir folgenden Zusammenhang zwischen der magnetischen Induktion (dem Magnetfeld) B​⇀und der magnetischen Erregung H​⇀in jedem Magnetikum71 B​⇀= μ​H⇀​ = μ​0 μ​r​ H​⇀.

(III-3.185)

In Kristallen ist μ im Allgemeinen eine tensorielle Größe; dann sind B​⇀und H​⇀nicht mehr parallel (proportional) und zur Bestimmung von B​⇀ muss zuerst H​⇀ aus dem Vektorpotenzial A​⇀(j​⇀(r​⇀)) ermittelt werden. Bei einem hartmagnetischen Material (Pemanentmagnet) ist M​⇀h​m​ = const.​ über das ganze Magnetvolumen. Bei Abwesenheit freier („gewöhnlicher“) Ströme wird das magnetische Feld B​⇀nur durch die gebundenen Ampereschen Oberflächenströme bestimmt. Für einen stabförmigen Permanentmagneten gleicht dann das B​⇀-Feld im Innen- und Außenraum dem einer stromdurchflossenen Spule der gleichen Länge l​, wobei der Strom pro Längeneinheit durch I​l​ = M​ gegeben ist (Abb. III-3.34). B​⇀ Das H​⇀a​-Feld ( = -Feld) im Außenraum (M​⇀h​m​,a​ = 0) gleicht bis auf den konstanμ​0 ten Faktor 1/μ0 dem einer stromdurchflossenen Spule gleicher Länge im Vakuum, im Inneren des Permanentmagneten ist jedoch aufgrund der Beziehung

71 In Analogie zu D​⇀= ε​0 ε​r​ E​⇀= ε​E⇀​ in einem Dielektrikum.

215

3.4 Magnetismus der Materie

B​⇀= μ​0 (H​⇀+ M​⇀) von Gl. (III-3.178) vom Spulenfeld

B​⇀ die konstante Magnetisierung μ​0

M​⇀h​m​ abzuziehen: H​i​ =



  =M×n

0

l



(III-3.186)



Hi-Linie

IAmpere =

B​⇀ − M​⇀h​m​ . μ​0

B -Linie



Mhm



B /μ0



B /μ0

n0

 H

P

i



−Mhm

 H

P

i

Abb. III-3.34: Verlauf der B​⇀- und H​⇀-Linien in einem Permanentmagneten (hartmagnetisches Material) und Beziehung der Feldgrößen B​⇀, H​⇀i​ und M​⇀h​m​ in einem Punkt P im Inneren des Permanentmagneten. H​⇀i​ ist der Magnetisierung M​⇀h​m​ entgegengerichtet und wird daher als entmagnetisierendes Feld bezeichnet. Im Permanentmagneten ist es aber wirkungslos, da die Magnetisierung durch quantenmechanisch bestimmte Kräfte konstant gehalten wird. Wegen B​⇀a​ entspricht (im SI-System) nur jeder μ0-ten B​⇀a​-Linie eine (nicht gezeichnete) H​⇀a​-Linie im H​⇀a​ = μ​0 Außenraum.

Während die B​⇀-Linien geschlossen sind, aber aufgrund der Flächenrotation von B​⇀ (wegen des Ampereschen „Mantelstroms“ I​ = M​h​m​ ⋅ l​ ) am Zylindermantel einen Knick aufweisen, der ihre Richtung an der Manteloberfläche umkehren lässt I​ (Flächenrotation​ B​ = B​i​⫽ − B​a​⫽ = μ​0 = μ​0 M​ ), entspringen die H​⇀-Linien auf der l​

216

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

oberen Deckfläche des Stabmagneten und enden an der unteren aufgrund der Flächendivergenz, die aus dem Sprung der Magnetisierung M​h​m​ ⊥ an den Stirnflächen von M​h​m​ ≠ 0 auf Null im Außenraum resultiert (Abb. III-3.35).

H



B



B

H





Abb. III-3.35: Verlauf der H​⇀-Linien (links) und der B​⇀-Linien (rechts) eines homogen magnetisierten Permanentmagneten. Die im vorliegenden Fall (jfrei = 0) wirbelfreien H​⇀-Linien entspringen aus Quellen an den Stirnflächen und durchsetzen die Mantelfläche kontinuierlich; die stets quellenfreien B​⇀-Linien zeigen Wirbel an den Mantelflächen. Im Außenraum des Permanentmagneten stimmt der Verlauf beider Feldlinien überein. (nach R. Becker und F. Sauter, „Theorie der Elektrizität, Erster Band“, Teubner, Stuttgart 1964)

(Vergleiche die entsprechenden Verhältnisse im Falle eines Dielektrikums (Elektret), Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.6.1, Abb. III-1.24).72 Diamagnetische ( χ​m​ < 0, | χ​m​ | ≪ 1) und paramagnetische Materialien ( χ​m​ > 0, |

χ​m​ | ≪ 1) weisen eine sehr kleine magnetische Suszeptibilität χ​m​ auf, sodass sich

μ kaum von μ​0, der Permeabilität des Vakuums, unterscheidet (μ​r​ ≈ 1). Bei Ferromagnetika dagegen ist μ​r​ ≫ 1 und hängt stark von der Vorgeschichte des Materials ab.

72 Da im Permanentmagnet keine freien Ströme j​⇀frei fließen, ist rot H​⇀= 0; das H​⇀-Feld lässt sich also in vollständiger Analogie zum E​⇀-Feld (auch hier ist rot E​⇀= 0) zweier homogen mit den Flächenladungen ±σ​e​ versehenen Platten berechnen. Ist das H​⇀-Feld ermittelt, so ergibt sich das B​⇀-Feld wieder aus der allgemein gültigen Beziehung (Gl. III-3.178): B​⇀= μ​0(H​⇀+ M​⇀h​m). ​ Es kann also entweder zuerst mit Hilfe des gebundenen „Mantelstroms“ IAmpere das B​⇀-Feld berechnet und dann mit Hilfe der vorgegebenen Magnetisierung M​⇀ die Erregung H​⇀ ermittelt werden oder es wird zunächst aus der konstanten Flächendivergenz an den beiden Deckflächen (divH​⇀D​F​ = M​⇀⊥,i​ − M​⇀⊥,a​ = M​ − 0 = M​), die einer Ladungsträgerdichte äquivalent ist, das H​⇀-Feld unter Verwendung des (magnetischen) Coulombschen Gesetzes bestimmt und dann mit Hilfe von M​⇀ das B​⇀-Feld berechnet. Beide Methoden sind gleichwertig.

3.4 Magnetismus der Materie

217

Suszeptibilitätswerte einiger dimagnetischer und paramagnetischer Substanzen. diamagnetische Substanz

χm ⋅ 10–5

paramagnetische Substanz

χm ⋅ 10–5

Bi Hg Ag Cu

–16,6 –2,9 –2,6 –1,0

Wo Al Li Mg

7,8 2,2 1,4 1,2

Relative Permeabilität μr einiger ferromagnetischer Stoffe. ferromagnetische Substanz

μr = μ/μ0

Stahl Nickel Permalloy Eisen

100 100–600 8000 500–10.000

Paramagnetische Stäbchen werden in ein inhomogenes Magnetfeld hineingezogen, diamagnetische hinausgedrückt. In beiden Fällen wird die potenzielle Energie des Stäbchens verringert.

3.4.2 Das magnetische Moment von Atomen Die Magnetisierung von para- bzw. ferromagnetischen Materialien kann auf die permanenten magnetischen Momente der einzelnen Atome zurückgeführt werden. Wie wir am Beginn dieses Kapitels gesehen haben, erzeugt eine bewegte Ladung ein magnetisches Feld; daher erzeugt auch das sich im Atom bewegende Elektron ein Magnetfeld. Wir werden in Band V, Kapitel „Atomphysik“, Abschnitt 2.5.5, sehen, dass mit dem Bahndrehimpuls L​⇀ des sich um den Atomkern bewegenden L​ L​ Elektrons (e–) ein magnetisches Moment p​⇀m​ = μ​ e​ verknüpft ist 73

L​ p​⇀m​

e​ e​ℏ​ L​⇀ L​⇀ =− L​⇀= − = −μ​B​ 2 m​e​ 2 m​e​ ℏ​ ℏ​

magnetisches Moment des im Atom (III-3.187) umlaufenden Elektrons, Bahnmagnetismus .

73 In der Atom- und Kernphysik bezeichnet man die auftretenden magnetischen Momente mit μ​.

218

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Dabei ist (ℏ = h/2 π, h ... Plancksches Wirkungsquantum, me ... Elektronenmasse)

μ​B​ =

e​ℏ​ −24 2 −24 −1 = 9,274 ⋅ 10 Am = 9,274 ⋅ 10 JT 2 m​e​

das Bohrsche 74 Magneton,

(III-3.188)

die elementare Einheit für das magnetische Dipolmoment. Neben dem aus seiner Bewegung im Atom resultierenden Bahndrehimpuls besitzt jedes e– auch einen Spin (= Eigendrehimpuls) und ein damit verbundenes S​ S​ magnetisches Dipolmoment p​⇀m​ = μ​ e​ (siehe Band V, Kapitel „Atomphysik“, Abschnitt 2.5.6.2)

S​ p​⇀m​ = −

e​ e​ℏ​ S​⇀ S​⇀ S​⇀= − = −2 μ​B​ m​e​ m​e​ ℏ​ ℏ​

Spinmagnetismus.

(III-3.189)

S​⇀ist der Spinvektor oder Eigendrehimpulsvektor des e–, μ​B​ das Bohrsche Magneton. Das „Einstein-de Haas-Experiment“ (siehe Band V, Kapitel „Atomphysik“, Abschnitt 2.5.6.2) zeigt, dass das Verhältnis des mit dem Spin verbundenen magnetischen Moments zum Spinvektor

S​ μ​B​ p​⇀m​ = −2 ist und damit doppelt so groß wie das ⇀ S​ ℏ​

Verhältnis des mit dem mechanischen Drehimpuls verbundene magnetische MoL​ p​⇀m​ μ​B​ ment zum Drehimpulsvektor = − .75 Da die Richtung der Drehimpulsvektoren L​⇀ ℏ​ im Atom nicht festgelegt ist, also jede Richtung eingenommen werden kann, kann der Spinvektor S​⇀(so wie der Drehimpulsvektor L​⇀) selbst nicht gemessen werden, sondern nur seine Komponente in einer Richtung, die von außen, z. B. durch ein äußeres Feld, vorgegeben sein muss. Wenn wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass von außen die z-Richtung z. B. durch ein Magnetfeld vorgege1 ben ist, so gilt für die Komponente S​z​ in diese Richtung S​Z​ = ± ℏ​ = m​S​ ℏ​, wobei 2 1 m​S​ = ± die magnetische Spinquantenzahl ist (Band V, Kapitel „Atomphysik“, Ab2 schnitt 2.5.6) und damit für das entsprechende Dipolmoment

2

74 1 Am = 1

AVs Vs

2

m =1

AVs Vs

=1

J T

2

m

75 Die Quanten-Elektrodynamik (QED) zeigt, dass der Faktor tatsächlich 2,0023 beträgt.

3.4 Magnetismus der Materie

S​

p​ mz​​ = ∓

1 e​ ℏ​ = ∓μ​B​ . 2 m​e​

219

(III-3.190)

Jedes e​ − im Atom besitzt einen Bahndrehimpuls und einen Eigendrehimpuls (Spin); durch (quantenmechanische) Vektoraddition der beiden damit verbundenen Dipolmomente und geeignete Vektoraddition der Dipolmomente aller e​ − des Atoms erhält man das gesamte magnetische Dipolmoment des Atoms. Ergibt diese Gesamtsumme über alle Atomelektronen ein nicht verschwindendes Dipolmoment p​m​ ≠ 0, so ist das Atom magnetisch. Ist der gesamte Bahndrehimpuls L​⇀ und der gesamte Eigendrehimpuls S​⇀ gleich Null, oder ergänzen sich beide zu Null, so ist auch das magnetische Moment p​m​ des Atoms gleich Null und es ist unmagnetisch (in einem äußeren Feld diamagnetisch, siehe nächster Abschnitt 3.4.3). Hat das Atom dagegen ein magnetisches Moment p​m​ ≠ 0, so ist es paramagnetisch. Ferro-, Ferri- und Antiferromagnetismus kommen durch die Wechselwirkung der Atome im Festkörper zustande (siehe die nachfolgenden Abschnitte 3.4.4, 3.4.5 und 3.4.6).

3.4.3 Diamagnetismus Der Diamagnetismus resultiert aus einem von einem äußeren Magnetfeld induzierten76 magnetischen Moment im Atom und tritt in allen Materialien auf, ist aber so klein, dass er bei Vorhandensein permanenter atomarer magnetischer Momente von diesen überdeckt wird. Er wird also praktisch nur dann beobachtet, wenn die Atome oder Moleküle kein permanentes magnetisches Dipolmoment besitzen. Bringt man Atome in ein Magnetfeld B0 , so wird ein Dipolmoment p​⇀m​ induziert, das dem äußeren Feld entgegengerichtet ist. Diamagnetische Körper werden daher im inhomogenen Magnetfeld aus dem Bereich großer Feldstärke herausgedrängt, da dadurch ihre potenzielle Energie verringert wird. Die Größe des induzierten magnetischen Moments eines Atomelektrons ergibt sich größenordnungsmäßig zu (Atomradius r = 10–10 m, Magnetfeld B0 = 1 T)77 76 Siehe dazu das Faradaysche Induktionsgesetz im Kapitel „Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder und Maxwell Gleichungen“, Abschnitt 4.1. 77 Das in einem äußeren Magnetfeld B0 induzierte Dipolmoment ist eine Folge der Präzessionsbewegung (Larmorpräzession) mit der Frequenz ωL (Larmorfrequenz) bzw. der Larmor-Winkelgeschwindigkeit ω​⇀L​, die jedes Hüllenelektron eines Atoms im angelegten Feld B​⇀0 ausführt (siehe dazu Band V, e​ B​⇀0 . Mit dem Bahnradius r folgt so Kapitel „Atomphysik“, Abschnitte 2.5.5 und 2.5.7): ω​⇀L​ = − 2 me​ 2 e​ ⋅ υ​ 2 e​ e​ B​ r​ π​ ⋅ e​⇀z​ = r​ 2 ω​⇀L​ = − r​ 2 B​⇀0 . υ​ = r​ω​L​ und damit ein magnetisches Moment p​⇀m​ = I​ ⋅ A​⇀= 2 π​ r​ 2 4 me​

1

220

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

e​ 2 r​ 2

B​

p​ m​ = −

B​0 = −

4 me​

≈ −10

−28

(1,6 ⋅ 10−19 )2 (10−10 )2 4 ⋅ 9,1 ⋅ 10

−31

⋅ 1 = −7,0 ⋅ 10

−29

2

Am ≈

2

(III-3.191)

Am .

Vergleichen wir das mit dem magnetischen Moment, das mit dem Spin eines e– verbunden ist: S​ −24 p​ m ≅ 1 ⋅ 10−23 Am2 ; ​ = μ​B​ = 9,27 ⋅ 10

(III-3.192)

das induzierte Moment ist also fünf Größenordnungen kleiner als das mit dem Spin des e​ − verbundene magnetische Moment! Beispiel: Abschätzung der Suszeptibilität von Wismut he Fußnote 77). −10 ρBi = 9,78 gcm−3, n = 83, r​ ̅ = 10 m;

N​B​i​ = N​A​

ρ​

= 6,022 ⋅ 1023 mol−1 ⋅

9 ⋅ 78 gcm−3 −1

209 83 Bi

(zur Berechnung sie-

= 2,82 ⋅ 1022 cm−3 =

209 gmol

M​A​ 28

−3

= 2,82 ⋅ 10 m

μ​0 = 1,257 ⋅ 10−6

Vs . Am

Damit ergibt sich die Suszeptibilität zu B​i​

χ​ m​ = −μ​0

n​ ⋅ N​B​i​ ⋅ e​ 4 me​ r​ 2̅

= −1,257 ⋅ 10

2

=

Vs

−6



83 ⋅ 2,82 ⋅ 1028 m−3 ⋅ (1,60 ⋅ 10−19 )2 A2 s2 ⋅ (10−10 )2 m2 4 ⋅ 9,11 ⋅ 10−31 kg

Am −4

= −2,07 ⋅ 10

=

.

Der gegenüber dem Tabellenwert von B​i​ −4 χ​ m ​ = −1,66 ⋅ 10

Ist N die Teilchendichte und n die Zahl der e– pro Teilchen, dann folgt schließlich mit dem mittleren B​ Radius r​ ̅ der n ⋅ N Elektronen: M​⇀ = n​ ⋅ N​ ⋅ p​⇀m​ = −

n​ ⋅ N​ ⋅ e​ 4 m​e​

2 2 r​ ̅ B​⇀0 = −

n​N​e​

2

4 m​e​

2

r​ ̅ μ​0 H​⇀ ⇒ χ​m​ = −μ​0

(siehe dazu K. Simonyi, „Physikalische Elektronik“, Teubner, Stuttgart 1972, S. 623)

n​N​e​

2

4 m​e​

2

r​ ̅ .

3.4 Magnetismus der Materie

221

(siehe Ende von Abschnitt 3.4.1) um 25 % zu große Wert ist auf den um 12 % zu groß geschätzten Wert des mittleren Radius r​ ̅ der 83 Hüllenelektronen des BiAtoms zurückzuführen.

3.4.4 Paramagnetismus −

Wenn sich die mit den Spins und den Bahndrehimpulsen der e​ eines Atoms verbundenen magnetischen Momente nicht aufheben,78 sondern sich vektoriell zu einem resultierenden magnetischen Dipolmoment des Atoms addieren, ist das Atom paramagnetisch. Ohne äußeres Feld sind die magnetischen Momente der Atome eines paramagnetischen Materials durch ihre thermische Bewegung regellos über alle Raumrichtungen verteilt und das Gesamtmoment des Materials verschwindet. In einem äußeren Feld werden die Dipolmomente jedoch partiell ausgerichtet. Die potenzielle Energie eines magnetischen Dipols im äußeren Magnetfeld war (Abschnitt 3.1.5, Gl. III-3.44) E​pot = −p​⇀m​ ⋅ B​⇀ ⇀m​[[B​⇀ und dem größten Wert mit dem kleinsten Wert E​ pmin​ ot = −p​m​ ⋅ B​ für p​ max​ ⇀ E​ pot = p​m​ ⋅ B​ für p​⇀m​[YB​. Für die Energiedifferenz zwischen der antiparallelen ([Y) und der ausgerichteten Stellung ([[) ergibt sich also (Abschnitt 3.1.5, Gl. III-3.45) E​pot = 2 p​m​ B​ . Beispiel: Nehmen wir als magnetisches Moment des Atoms p​m​ = μ​B​ und bringen es in ein äußeres Magnetfeld von B​ = 1 T, so ergibt sich als Energiedifferenz durch Ausrichtung −23 J −23 ⋅ T​ = 2 ⋅ 10 J . ΔE​pot ≅ 2 ⋅ 1 ⋅ 10 T Die thermische Energie freier Teilchen bei Raumtemperatur (TRT = 300 K) ist J E​th = k​T​ = 1,4 ⋅ 10−23 ⋅ 300 K ≅ 4 ⋅ 10−21 J = 25 meV , K ist also 200 mal größer als die Energiedifferenz, die durch Ausrichtung erzielt werden kann. Die Dipolmomente sind also bei dieser Temperatur zufällig verteilt. Sinkt aber die Temperatur bis in die Nähe des Wertes der Curie-Konstante

78 Die Drehimpulse abgeschlossener Subschalen und abgeschlossener Elektronenschalen der Atome (siehe Band V, Kapitel „Atomphysik“, Abschnitt 2.5.4) kompensieren einander zu Null (siehe Band V, Kapitel „Atomphysik“, Abschnitt 2.6.2).

222

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

CC, so führt die Erniedrigung der thermischen Energie zu einer teilweisen Ausrichtung der Dipole. Die Ausrichtung der Dipole erfolgt in die Richtung des äußeren Feldes und führt daher zu seiner Verstärkung. 1

Paramagnete werden im inhomogenen Magnetfeld in die Richtung großer Feldstärke gezogen und verringern so ihre potenzielle Energie. Die Magnetisierungskurve M(H) beschreibt das Verhalten der Magnetisierung M in Abhängigkeit von der Stärke des äußeren Magnetfeldes H = B0/μ0 (Abb. III-3.36). Sie wird als Langevin-Funktion bezeichnet, siehe auch Kapitel „Elektrostatik“, Anhang 1.

M

1 pm B0 M = __ ______ Ms 3 kT

Ms = Npm

H = B0/μ0 Abb. III-3.36: Magnetisierung M als Funktion des äußeren Magnetfeldes H = B0/μ0 für ein paramagnetisches Material. Im schwachen Magnetfeld ist die Magnetisierung proportional zum p​m​ B​0 äußeren Feld, in sehr starken Feldern sättigt die Magnetisierung (MS = Npm ). ist das k​T​ Verhältnis der Maximalenergie eines atomaren Dipols im äußeren Magnetfeld p​m​ B​0 zur thermischen Energie kT und damit eine dimensionslose Zahl.

Ohne äußeres Feld (H = 0) ist die Orientierung der atomaren Dipole regellos und damit M = 0. Ist das äußere Feld schwach, so ist M ∝ H​ = B​0/​μ0​ und es gilt

M​ =

1 p​m​ B​0 ⋅ M​S​ 3 k​T​

(III-3.193)

​ ​ … Sättigungsmagnetisierung, N … Dipoldichte. mit M​S​ = N​pm Für die Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung gilt also M​ ∝ 1/​T​ und die magnetische Suszeptibilität nimmt hyperbolisch mit der Temperatur ab

3.4 Magnetismus der Materie

χ​m​ =

C​C​ T​

Curiesches Gesetz,

79

223

(III-3.194)

CC ist die Curie-Konstante (nach Pierre Curie, 1859–1906, Ehemann von Marie Curie, geb. Sklodowska). Ist dagegen das Magnetfeld sehr stark (p​m​ B​0 ≫ k​T​), so sind praktisch alle atomaren Dipole ausgerichtet und die Magnetisierung sättigt bei M​ = M​S​ = N​pm ​ ​ , der Sättigungsmagnetisierung.

3.4.5 Ferromagnetismus Der Ferromagnetismus ist ein Phänomen der Kristalle, bzw. von amorphen Strukturen mit einer räumlichen Korrelationen zwischen ihren Atomen (topologische Nahordnung, siehe dazu Band VI, Kapitel „Materialphysik“, Abschnitte 3.1 und 3.1.3.3), das nur durch den Spinmagnetismus ungepaarter e– verursacht wird. Bei einigen Materialien (Fe, Ni, Co, Gd, Dy und deren Legierungen; MnBi, CrO2) führt die Austauschwechselwirkung (exchange interaction) zwischen den e–-Spins benachbarter Atome80 zu sehr großen Werten der Suszeptibilität als Folge einer spon79 Das Curiesche Gesetz wurde schon in Abschnitt 3.4.1 als Gl. (III-3.181) vorgestellt. 80 Zwei nahe benachbarte magnetische Dipole versuchen sich antiparallel auszurichten, sodass sich ihre Magnetfelder im Außenraum weitgehend aufheben; es ist dies der Zustand geringster Energie. Die Spins nahe benachbarter Atome sollten sich also antiparallel einstellen; dieser Effekt ist allerdings sehr schwach und wird i. Allg. schon durch die thermische Bewegung überdeckt. In ferromagnetischen Materialien bewirkt die sehr viel stärkere Austauschwechselwirkung zwischen nahe benachbarten Atomen eine parallele Ausrichtung der Spins und damit der magnetischen Momente. Die Austausch-WW ist ein quantenmechanischer Effekt, der mit dem Pauli-Verbot (siehe Band V, Kapitel „Atomphysik“, Abschnitt 2.6.2 und Band VI, Kapitel „Statistische Physik“, Abschnitt 1.4.1) zusammenhängt und zu einer Energieabsenkung eines Systems miteinander in Wechselwirkung stehender identischer Teilchen führen kann – Ergebnis einer Störungsrechnung. Überlappen die Wellenfunktionen der ungepaarten Elektronen (in Fe sind es die e– im 3d-Band, dem vorletzten Energieband), die für das nicht verschwindende magnetische Moment der Atome verantwortlich sind, so ist eine Parallelstellung der Spins (symmetrische Spinfunktion) nach dem Pauliprinzip notwendig mit einem antisymmetrischen Ortsanteil der Ψ-Wellenfunktion der e– verknüpft (siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.1.1.2), was steigende k​⇀-Werte (also steigenden Impuls) der e– im d-Band zur Folge hat. Die damit verbundene Energieerhöhung des e–-Systems kann bei bestimmten Kristallen (Fe, Co, Ni u. a.) bei geeignetem Atomabstand (Gitterkonstante) und Radius der 3d-Schale durch die Energieabsenkung aufgrund der positiven Austausch-WW überkompensiert werden. Die Differenz der potenziellen Energie zwischen der Antiparallel- und der Parallelstellung der Spins ist also eine Folge der Austausch-WW. Mit der Parallelstellung der Spins ist allerdings eine Erhöhung der kinetischen Energie des e–-Systems verbunden, da die betroffenen e– sich in unterschiedlichen Ortszuständen befinden müssen. Die spontane Magnetisierung kann daher nur erfolgen, wenn die Absenkung der potenziellen Energie durch die Austausch-WW die Erhöhung der kinetischen Energie überwiegt. Daher sind nur wenige Materialien ferromagnetisch.

224

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

tanen Magnetisierung: In kleinen Raumbereichen ferromagnetischer Materialien sind die magnetischen Momente durch die Austauschwechselwirkung stets ausgerichtet. So ein Gebiet einheitlicher Ausrichtung der atomaren magnetischen Dipole (Größe etwa 10–8 cm3 ) nennt man magnetische Domäne = Weissscher Bezirk (magnetic domain, Weiss domain, nach Pierre-Ernest Weiss, 1865–1940, französischer Physiker). Die Weissschen Bezirke (Abb. III-3.37) sind durch ca. 1000 Atomlagen dicke Blochwände voneinander getrennt, in welchen ein gleichmäßiger Übergang der Spinorientierung erfolgt; sie besitzen eine positive Wandenergie. Die Orientierung der atomaren Momente unterscheidet sich von Domäne zu Domäne (von Bezirk zu Bezirk). Oberhalb einer kritischen Temperatur T​C​ bricht die spontane Magnetisierung aufgrund der thermischen Bewegung zusammen. Das Material ist dann also paramagnetisch mit einem magnetischen Gesamtmoment, das vom äußeren Feld B​⇀0 abhängt. T​C​ heißt Curie-Temperatur. Weissscher Bezirk (V ≈ 10−8 cm3) Blochwand (d ≈ 1000 Atomlagen)



Mi

Abb. III-3.37: Schematische Darstellung von magnetischen Domänen (Weissschen Bezirken) unterhalb der Curie-Temperatur (T < TC). Innerhalb der Domänen sind die permanenten atomaren Dipolmomente durch die Austausch-WW ausgerichtet (spontane Magnetisierung, blaue Pfeile), das gesamte magnetische Dipolmoment dagegen verschwindet aus energetischen Gründen.

Die Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität ferromagnetischer Materialien weicht vom paramagnetischen Curieverhalten ab, es gilt das Curie-Weiss Gesetz im paramagnetischen Temperaturbereich, also für T​ > T​C​

χ​m​ (T​ ) =

C​C​ T​ − T​C​

Curie-Weiss Gesetz.

(III-3.195)

Bringt man ein Ferromagnetikum in ein äußeres Magnetfeld, dann laufen im Inneren des Materials folgende Prozesse ab: 1. Die Richtung der Magnetisierung M​⇀i​ der magnetischen Domänen (Weißschen Bezirke) klappt innerhalb des Kristalls in solche Richtungen um, dass die kris-

3.4 Magnetismus der Materie

225

tallographisch vorgegebenen Richtungen leichtester Magnetisierung mit dem angelegten Feld B​⇀0 = μ​0 H​⇀den kleinsten Winkel bilden.81 Diese Umorientierung der magnetischen Domänen des Materials erfolgt zunächst vornehmlich in jenen Domänen, deren Magnetisierungsrichtung nahe der Richtung des äußeren Feldes liegt. Mit zunehmendem äußeren Feld werden dann auch die Domänen mit zunehmend abweichender Orientierung in eine Richtung nahe B​⇀0 gekippt. Das führt zu einer stufenförmigen Feinstruktur der Magnetisierungskurve („Barkhausen-Sprünge“, nach Heinrich Georg Barkhausen, 1881−1956) wie in Abb. III-3.38 angedeutet: BM = μ0 M

Barkhausen-Sprünge

B0 = μ0 H Abb. III-3.38: Detailausschnitt aus der Magnetisierungskurve eines ferromagnetischen Materials (schematisch).

2.

3.

Magnetische Domänen (Weisssche Bezirke), die bereits annähernd in Feldrichtung orientiert sind, wachsen durch stetiges Verschieben der Blochwände auf Kosten jener, die noch weiter abseits orientiert sind. Bei sehr hohen äußeren Feldstärken wird die Magnetisierung M​⇀i​ der einzelnen Domänen stetig immer weiter in die Richtung des äußeren Feldes B​⇀0 gedreht, bis vollständige Ausrichtung (Sättigung) vorliegt.

Alle diese Prozesse tragen zur Ausrichtung der atomaren Dipolmomente und damit zu einer Erhöhung der Magnetisierung M​⇀(B​⇀0/​μ0​ ) und daher zur Verstärkung des gesamten Magnetfeldes B bei:

μ​0 M​ (B​0/​μ0​ ) = B​0 + B​M​ (B​0/​μ0​ ) = μ​0 (H​ + M​ (H​)) . B​ = B​0 + ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-3.196)

B​M​

B​M​ = μ​0 M​ ist proportional zum magnetischen Dipolmoment pro Volumeneinheit, zur Magnetisierung M(H). In Magnetisierungskurven wird entweder wie hier in Abb. III-3.39 BM als Funktion des äußeren Magnetfeldes B0 aufgetragen oder (siehe die Hysteresekurve Abb. III-3.40 weiter unten) gleich die Magnetisierung M als Funkti-

81 In Eisenkristallen erfolgt die Ausrichtung der atomaren Magnete am leichtesten (also schon bei kleinem äußeren Feld) in Richtung der Würfelkanten ([100]-Richtung) der kubischen Elementarzelle; dann folgt die [110]-Richtung (Flächendiagonale) und zum Schluss die [111]-Richtung (Raumdiagonale). (siehe K. Simonyi, „Physikalische Elektronik“, Teubner, Stuttgart 1972, S. 632)

226

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

on von H​ = B​0 / μ​0; in der technischen Literatur wird meist B als Funktion von H aufgetragen.82 BM/BM,max 1,0 0,8 Sättigungsmagnetisierung

0,6 0,4 0,2

0

2

4

6

8 −4

[10

10

12

14

B0 = μ0 H

T]

Abb. III-3.39: Magnetisierungskurve von Fe. Für ein äußeres Magnetfeld B0 von ca. 1 ⋅ 10–3 T sind etwa 70 % der atomaren Dipolmomente ausgerichtet (Sättigungsmagnetisierung). Eine annähernd vollständige Ausrichtung wird erst bei sehr hohen äußeren Feldern (ca. 1 T) erreicht. (nach D. Halliday, R. Resnick und J. Walker, Fundamentals of Physics, John Wiley & Sons, New York 1997).

B​M​,max​ ist der maximal mögliche Wert von B​M,​ der dann erreicht wird, wenn alle Domänen ausgerichtet sind. 1

Ferromagnete werden im inhomogenen Feld in die Richtung höherer Feldstärke gezogen.

Einfluss der Vorgeschichte des Materials auf die Magnetisierung: Magnetische Hysterese 83 Wir schieben einen Eisenstab („Eisenkern“) in eine lange zylindrische Spule der N​ Länge l​ mit n​ = Windungen pro Längeneinheit und messen seine Magnetisierung l​ M mit zunehmendem Spulenstrom I (z. B. durch eine induzierte Spannung in einer Hilfsspule um den Eisenstab), also zunehmender magnetischer Erregung H​ = B​0 /​μ0​ in der Spule (Abb. III-3.40).

82 Während in der Elektrostatik die dielektrische Verschiebung D​⇀(der „elektrische Hilfsvektor“) von untergeordneter Bedeutung ist, da die Größe E​⇀ über die Potenzialdifferenz leicht einstellbar und messbar ist, ist der Vektor der magnetischen Erregung H​⇀(die „magnetische Feldstärke“) durch rot​H⇀​ = j​⇀(siehe Abschnitt 3.2.3, Gl. III-3.65) direkt mit der freien Stromdichte verknüpft, die leicht mess- und regelbar ist, und hat daher eine große praktische Bedeutung. 83 Gr. hysteros: hinterher, später.

3.4 Magnetismus der Materie

227

M(H)

MS P2

P1 Neukurve

Remanenzmagnetisierung MR H = B0/μ0 Koerzitivfeld HK = BK/μ0 P4 P3

Abb. III-3.40: Hysteresekurve. Der Einfluss der Vorgeschichte des Materials auf die Magnetisierung führt zur magnetischen Hysterese.

Ist der Eisenkern zu Beginn unmagnetisiert, so beginnt die Messkurve M(H) bei M0 = 0. Die Kurve bis zum Punkt P​1 heißt Neukurve. Die Kurve flacht bei P​1 stark ab (M​ = M​S,​ Sättigungsmagnetisierung). Das tatsächliche Magnetfeld im Eisenkern B​M​ = μ​0 M​ 84 ist meist um einen Faktor von mehreren Tausend größer als das Spulenfeld B​0 = μ​0 n​I​ (I … Magnetisierungsstrom). Nach Erreichen der Sättigungsmagnetisierung bei P1 reduzieren wir die Spulenerregung H wieder und die Magnetisierung nimmt ab. Trotzdem bleibt die Ausrichtung der magnetischen Domänen (Weissschen Bezirke) teilweise erhalten, selbst wenn das Spulenfeld B0 und damit die Erregung H verschwindet. Der Prozess ist also nicht reversibel, es wird Wärmeenergie freigesetzt! Die zugehörige Magnetisierung M(H = 0) = MR im Punkt P2 heißt Remanenzmagnetisierung, das zugehörige Magnetfeld B​R​ = μ​0 M​R​ heißt Remanenzfeld oder einfach Remanenz.85 Wird jetzt der Spulenstrom umgepolt und damit in der Spule ein Magnetfeld in entgegengesetzter Richtung erzeugt, so kann die noch bestehende Remanenzmagnetisierung M​R​ bzw. die Remanenz BR wieder zum Verschwinden gebracht werden. Die dazu nötige magnetische Erregung H​K​ = B​K/​​ μ0​ heißt Koerzitivfeld (= Koerzitivkraft).86 Wird das Spulenfeld (immer noch in Gegenrichtung) weiter erhöht, so wird bei P​3 die Sättigungsmagnetisierung in die entgegengesetzte Richtung erreicht: Nahezu alle magnetischen Momente sind in der Gegenrichtung zu jener bei P​1 orientiert.

84 Das zusätzlich vorhandene Spulenfeld H ist wegen seiner relativen Kleinheit gegenüber M vernachlässigbar. 85 Von lat. remanere = zurückhalten. 86 Von lat. coercere = zwingen.

228

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Wird nun die Erregung H wieder reduziert, so wird bei P​4 die Remanenzmagnetisierung in der Gegenrichtung zur ursprünglichen Ausrichtung bei H = 0 erreicht. Bei einem erneuten Umpolen des Feldes, nun wieder in die ursprüngliche Richtung, nähert sich die Kurve wieder der Sättigungsmagnetisierung bei P​1, geht aber nicht mehr durch den Ursprung bei (H = 0, M = 0): Die Magnetisierung zeigt eine Hysterese, das heißt, die zu einer bestimmten Spulenerregung H gehörende Magnetisierung M(H) hängt von der Vorgeschichte der Magnetisierung ab, zu jedem Wert von H gibt es zwei oder mit der Neukurve drei Werte von M. Im nachfolgenden Kapitel „Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder und Maxwell Gleichungen“ werden zunächst die Induktionserscheinungen behandelt (Abschnitte 4.1 und 4.2). Im Abschnitt 4.2.4 (‚Die Energie des elektromagnetischen Feldes‘) wird anschließend gezeigt, dass für die Arbeit dW, die in einer idealen (ohmscher Widerstand R = 0), mit einem Magnetikum gefüllten Spule im Zeitelement dt zu verrichten ist, wenn durch die Spule mit N Windungen ein Strom I(t) fließt und sich der magnetische Fluss um dΦM ändert, gilt (Gl. III-4.30)

A​ ⋅ d​B​ . d​W​ = ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ U​ind​ ⋅ I​ (t​) ⋅ d​t​ = N​ ⋅ I​ (t​)d​ΦM​ = N​ ⋅ I​ (t​) ⋅ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = N​

(III-3.197)

d​ΦM​

d​ΦM​ d​t​

Dabei ist A die Windungsfläche der Spule, l​ die Spulenlänge und A​ ⋅ l​ = V​ das N​ Spulenvolumen = Volumen des Magnetikums in der Spule. Mit H​ = I​ ⋅ n​ = I​ ⋅ l​ (siehe Abschnitt 3.4.1, Gl. III-3.179) ergibt sich87 H​l​ A​ ⋅ d​B​ = V​ ⋅ H​ ⋅ d​B​ . N​

(III-3.198)

d​W​ = H​ ⋅ d​B​ . V​

(III-3.199)

d​W​ = N​ ⋅

Daraus folgt

Mit B​ = B​0 + μ​0 M​ (H​) und B​0 = μ​0 H​ ≪ μ​0 M​ (H​), also d​B​ = μ​0 d​M​ (H​) erhalten wir für die Magnetisierungsarbeit 88 87 Um die Feldschwächung an den Spulenenden zu vermeiden, kann auch eine mit dem Ferromagnetikum gefüllte toroidförmige, geschlossene Spule mit sehr kleinem Querschnitt betrachtet werden (siehe Abschnitt 3.2.4.2). M​max​ W​M​ 88 Wird exakt gerechnet, so kommt zur Magnetisierungsarbeit = μ​0 ∫ H​d​M​ noch die „VakuV​ 0 H​max​

umarbeit“ W​Vak =

∫ 0

H​max​

H​d​B0​ = μ​0

∫ 0

H​d​H​ =

μ​0 2

2

H​ max​ hinzu; im Ferromagnetikum ist immer WM ≫

WVak. Für die geschlossene Hysteresiskurve verschwindet selbstverständlich die reversible Vakuum-

3.4 Magnetismus der Materie

d​W​M​ 89 = μ​0 H​d​M​ (H​) , V​

229 (III-3.200)

das ist das schraffierte Flächenelement in der Magnetisierungskurve (Abb. III-3.41): μ0 M(H)

μ0 Mmax

1

2

dWm /V

0

H

I

Abb. III-3.41: Zur Berechnung der Magnetisierungsarbeit.

Daher ist

M​max​

W​M​ = μ​0 ∫ H​d​M​ , V​ 0

(III-3.201)

das ist in Abb. III-3.41 die Fläche (0,1,2) über der Magnetisierungskurve. Wird das Integral über die geschlossene Hysteresiskurve erstreckt, dann stellt es die Fläche innerhalb derselben dar, es gilt also: Die Fläche, die von der Hysterese-Kurve umrandet wird, stellt den Energieaufwand pro Magnetisierungszyklus pro Volumeneinheit des magnetisierten Stoffes dar, der in Wärmeenergie umgewandelt wird.

arbeit und es ist der gesamte Arbeitsaufwand W​M​ V​

W​ges​ V​

= μ​0 ∮H​d​M​.

89 Denn [μ​0 H​M​] = 1

Vs Am

⋅1

A m

⋅1

A m

=

VAs m3

=

Arbeit Volumen

.

= ∮H​d​B​ gleich der Magnetisierungsarbeit

1

230

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

∮M​d​B​ gibt also den Energieverlust pro Volumeneinheit beim einmaligen Durchlaufen der Hystereseschleife des Ferromagneten an. Ferromagneten mit einer schmalen Hysterese und daher kleinem Energieverlust nennt man magnetisch weich: Sie weisen eine kleine Koerzitivkraft auf (Anwendung: Transformatorbleche) Ferromagneten mit einer breiten Hysterese und daher großer Koerzitivkraft nennt man magnetisch hart: Sie eignen sich zur Herstellung permanenter Magnete und als Magnetspeicher zur Speicherung digitaler Signale im binären Zahlenformat. Natürliche Permanentmagnete entstehen z. B. bei Blitzeinschlägen im Boden: Durch das bei den sehr hohen Stromstärken mit dem Blitz verbundene Magnetfeld kann ferromagnetisches Material (Magnetit = Magneteisenstein Fe3O4) im Felsen magnetisiert werden. Unterhalb der Curie-Temperatur von 578 °C richten sich beim Mineral Magnetit (Fe3O4) die atomaren Dipole bevorzugt in Richtung des Erdmagnetfeldes aus und konservieren so das Erdmagnetfeld zum Zeitpunkt seiner Entstehung; Änderungen in der Richtung des Erdmagnetfeldes in der Vergangenheit (z. B. Umkehrung der Polarität) können so festgestellt werden (Paläomagnetismus).

3.4.6 Antiferro- und Ferrimagnete Antiferromagnetische Substanzen weisen eine magnetisch „geordnete“ Struktur auf, das gesamte magnetische Moment ohne Feld ist aber Null. Sind z. B. in einem kubisch-raumzentrierten Kristall die magnetischen Momente der Atome schichtweise antiparallel ausgerichtet, so verschwindet das Gesamtmoment (Abb. III-3.42).

Abb. III-3.42: Bei schichtweise antiparalleler Ausrichtung der magnetischen Dipolmomente der Atome in einem kubisch-raumzentrierten Kristallgitter verschwindet das Gesamtmoment.

Antiferromagnetismus wurde zuerst an MnO entdeckt, bei dem die paramagnetischen Mn-Metallionen und die paramagnetischen O-Ionen in ein NaCl-Gitter eingebaut sind. Oberhalb der Neel–Temperatur T​λ​ ist die Ausrichtung der atomaren Dipolmomente durch die thermische Bewegung zerstört und die antiferromagnetischen Materialien verhalten sich paramagnetisch. Unterhalb T​λ​ wird die gegengerichtete Ordnung mit sinkender Temperatur immer besser und die Magnetisierung sinkt und damit auch die magnetische Suszeptibilität χ​m​ (Abb. III-3.43).

3.4 Magnetismus der Materie

231

Abb. III-3.43: Messungen der Suszeptibilität (in cgs-Einheiten, χm,cgs = 1/(4 π) ⋅ χm,SI) von MnO als Funktion der Temperatur für zwei Stärken des äußeren Magnetfeldes (1 Gauss = 10–4 T = 0,1 mT). C. Squire, H. Bizette und B. Tsaii, Comptes Rendus, 207, 449 (1938).

Auch bei ferrimagnetischen Stoffen sind die Dipolmomente in einer geordneten Struktur angeordnet, die magnetischen Momente in den antiparallelen Schichten sind aber nicht gleich groß, es bleibt daher ein magnetisches Gesamtmoment übrig. Die Magnetisierungskurve verläuft ähnlich wie bei Ferromagneten, aber mit einer kleineren Sättigungsmagnetisierung. Durch den passenden Einbau paramagnetischer Atome in Form von Metalloxiden in das entstehende Spinellgitter kann eine für die Anwendung geeignete Magnetisierungskurve (Hysterese) erzielt werden, man spricht von Ferriten (hart- bzw. weichmagnetische Ferrite). Diese werden durch Sintern90 des sehr fein gemahlenen Oxidpulvers bei etwa 1200° C gepresst. Sie sind elektrische Nichtleiter (ρ ≈ 105 Ωm) mit sehr hoher Permeabilität (μr ≈ 10 000) und eignen sich daher sehr gut für Spulenkerne in der Hochfrequenztechnik (keine Wirbelstromverluste) und für Permanentmagnete.

90 Feinkörnige keramische oder metallische Materialien werden knapp unterhalb ihres Schmelzpunktes unter Druck erhitzt.

232

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

3.5 Rückblick auf statische Felder Das statische elektrische Feld wird durch ruhende Ladungen erzeugt, das statische Magnetfeld durch stationäre Ströme. Wir fassen die wesentlichen Beziehungen der statischen Felder nochmals zusammen: Wir betrachten zunächst die elektromagnetischen Kräfte. Kraft auf eine Ladung im Feld E​⇀(Gl. III-1.6): F​⇀E​ = q​E⇀​ Kraft auf ein Stromelement im Feld B​⇀(Gl. III-3.35): d​F⇀​B​ = I​ (d​l⇀ ​ × B​⇀) Die mit Ladungen und Stromelementen verbundenen Felder sind: Coulombfeld einer infinitesimalen Punktladung q​ = d​Q​ (Gl. III-1.7):

d​E⇀​ (r​⇀) =

1 d​Q​ r​⇀ 4 π​ε0​ r​ 2 r​

Magnetfeld eines Stromelements I​d​l​ (Biot-Savartsches Elementargesetz, Gl. III3.52):91 r​⇀ ​× ) I​ (d​l⇀ r​ μ​0 d​B⇀​ (r​⇀) = 4 π​ r​ 2

91 Elementargesetze sind experimentell nicht verifizierbar, da Stromelemente (im Gegensatz zu Ladungen) nicht isoliert werden können. Es können daher immer nur Folgerungen für einen geschlossenen Stromkreis, z. B. das Magnetfeld für eine Leiterschleife, verifiziert werden. Aus diesem Grund gibt es mehrere unterschiedliche Elementargesetze, die aber für den geschlossenen Kreis (das „Linienintegral“) das gleiche Resultat liefern müssen!

3.5 Rückblick auf statische Felder

233

Für die Potenziale gilt: Potenzial einer Punktladung q = dQ im Aufpunkt r​⇀(Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.3, Beispiel ‚Potenzial einer Punktladung q‘): 1 d​Q​ 4 π​ε0​ r​

d​Φ =

Potenzial (Vektorpotenzial) eines Leiterstromelements I​d​l​ bei r​⇀= 0 (Gl. III-3.96a):

d​A⇀​ =

μ​0 I​ ⋅ d​l⇀ ​ . 4π​ r​

Das gesamte Potenzial Φ(r​⇀) bzw. A​⇀(r​⇀) erhält man durch Integration über alle vorhandenen infinitesimalen Ladungen bzw. Stromelemente. Daraus ergeben sich dann die zugehörigen Felder durch (Gln. (III-1.32) und (III-3.91)) E​⇀= −grad​ Φ(r​⇀) B​⇀= rot A​⇀(r​⇀) .

Integralbeziehungen zwischen Ladungen bzw. Strömen und den von ihnen erzeugten Feldern Gaußsches Gesetz (Gln. (III-1.19) und (III-3.6):

∮E​⇀d​f⇀ ​= A​

Q​ ε​⏟0

∮B​⇀d​f⇀ ​=0 A​

Quellen des E⇀-Feldes

Das statische elektrische Feld ist also ein Quellenfeld, das statische Magnetfeld ist quellenfrei. Potenzialgesetz (Gl. III-1.25):

Amperesches (Durchflutungs-) Gesetz (Gl. III-3.63):

​ 0 ∮E​⇀d​r⇀=

∮B​⇀0 d​l​ = μ​0 I​

C​

C​

Das statische elektrische Feld ist daher wirbelfrei, das statische Magnetfeld ist in jenen Raumgebieten, in denen j​⇀≠ 0 ist, ein Wirbelfeld, sonst ein Potenzialfeld.

234

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Differentialbeziehungen Aus der Ladungsdichte ρ und der Stromdichte j​⇀= ρ​ ⋅ υ​⇀ergeben sich die Ladung Q im Volumen V und der Strom I durch Fläche A​⇀(Gln. (III-1.11) und (III-2.2)): Q​ = ∫ρ​ d​V​

I​ = ∫j​⇀d​f⇀ ​.

V​

A​

Gaußsches Gesetz (Gln. (III-1.23) bzw. (III-1.127) und Gln. (III-3.8) bzw. (III-3.65)):

div E​⇀=

ρ​ ε​0

bzw.

div D​⇀= ρ​

div B​⇀0 = 0

bzw.

rot H​⇀= j​⇀.

Das heißt, das statische elektrische Feld E​⇀ist ein Quellenfeld, das statische Magnetfeld B​⇀ist quellenfrei. Im Vakuum gilt (Gln. (III-1.38) und (III-3.71): rot E​⇀= 0

rot B​⇀= μ​0 j​⇀.

Das statische elektrische Feld ist daher wirbelfrei, das statische Magnetfeld ist ein Wirbelfeld, wenn j​⇀≠ 0 ist. In der Materie gilt allgemein (Gln. (III-1.128) und (III-3.178) sowie laufendes Kapitel, Abschnitt 3.4.1, Fußnote 67) D​⇀= ε​0 E​⇀+ P​⇀

B​⇀= μ​0 (H​⇀+ M​⇀)

rot B​⇀= μ​0 (j​⇀+ rot M​⇀)

und speziell für Dielektrika (P​⇀= ε​0 χ​Diel E​⇀, Gln. (III-1.118), (III-1.128), Gl. (III-1.119)) und Magnetika (M​⇀ = χ​m​ H​⇀,Gln. (III-3.180), (III-3.185), (III-3.183)): D​⇀= ε​0 ε​r​ E​⇀

mit

ε​r​ = 1 + χ​Diel

B​⇀= μ​0 μ​r​ H​⇀

mit

μ​r​ = 1 + χ​m​

Der Zusammenhang zwischen j​⇀und E​⇀ ist durch die weitere Materialgleichung (Ohmsches Gesetz für die Feldwirkung, Gl. III-2.17): j​⇀= σ​ ⋅ E​⇀ gegeben, wobei σ die elektrische Leitfähigkeit ist. Für den Zusammenhang zwischen der Dielektrizitätskonstante ε​0 und der Permeabilität μ​0 des Vakuums gilt die Relation (siehe Abschnitt 3.3.4, Beispiel ‚Der Versuch von Weber und Kohlrausch‘):

Zusammenfassung

1

√ε​0 μ​0

235

= c​ .

Zusammenfassung 1.

2.

Bewegte makroskopische Ladungen, also elektrische Ströme und bewegte (mit einem Drehimpuls behaftete) Elektronen im Atom erzeugen Magnetfelder. Die Richtung der geschlossenen magnetischen Feldlinien ist durch die Fingerspitzen der „Rechte-Hand-Regel“ (Daumen in Stromrichtung) gegeben. Auf eine bewegte Ladung q wirkt im magnetischen Feld B​⇀die Lorentz-Kraft F​⇀B​ = q​ (υ​⇀ × B​⇀)

Lorentz-Kraft.

Ist zusätzlich ein elektrisches Feld vorhanden, wirkt die elektromagnetische Lorentz-Gesamtkraft F​⇀E​M​ = q​{E​⇀+ (υ​⇀ × B​⇀)}

Lorentz-Gesamtkraft bei elektrischem und magnetischem Feld.

3. Während die elektrischen Feldlinien in den positiven Ladungen entspringen und in den negativen enden und die elektrische Kraft auf die Ladung entlang der Feldlinien wirkt, sind die magnetischen Feldlinien geschlossen, enden also nirgends im Raum, und es wirkt die magnetische Kraft auf die bewegte Ladung normal zu Feld und Bewegungsrichtung. ​ durch die Fläche A ergibt sich als mag4. Mit dem magnetischen Fluss ΦM​ = ∫B​⇀d​f⇀ A​

netisches Gaußsches Gesetz und damit als 2. Maxwell-Gleichung ∮B​⇀d​f⇀ ​≡0 A​

5.

bzw.

div B​⇀= 0

magnetisches Gaußsches Gesetz (2. Maxwell-Gleichung).

Das magnetische Feld ist also quellen- und senkenfrei. Eine stromdurchflossene Leiterschleife oder „flache Spule“ mit N Windungen und Querschnittsfläche A erfährt im homogenen magnetischen Feld B​⇀ ein Drehmoment D​⇀= N​ ⋅ I​ ⋅ (A​⇀× B​⇀) = p​⇀m​ × B​⇀,

236

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

wobei p​⇀m​ = N​ ⋅ I​ ⋅ A​⇀ das magnetische Dipolmoment der flachen Spule ist. Das von der flachen Spule in der Symmetrieachse erzeugte Magnetfeld ergibt sich in Richtung von p​⇀m​ als

B​⇀(z​) =

μ​0 p​⇀m​ 3 2 π​ z​

Magnetfeld einer stromdurchflossenen, flachen Spule in Dipolrichtung z.

Im inhomogenen Magnetfeld erfährt ein magnetischer Dipol zusätzlich zum Drehmoment noch eine ablenkende Kraft. Das magnetische Feld (Feldlinienverlauf) einer stromdurchflossenen, flachen Spule und eines sehr kurzen, stabförmigen Permanentmagneten (magnetisches Blatt) sind identisch. 6. Zur Berechnung des magnetischen Feldes stromdurchflossener Leiter dient das Biot-Savartsche Elementargesetz, das jenes Magnetfeld angibt, das ein stromdurchflossenes Leiterelement I​d​l⇀ ​ im Abstand r​⇀im Raum erzeugt

d​B⇀​ =

μ​0 I​ r​⇀ (d​l⇀​ × ) 4 π​ r​ 2 r​

Biot-Savartsches Elementargesetz.

μ0 ist die magnetische Feldkonstante mit dem Wert μ​0 = ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 12,57 ⋅ 10−7 = 4 π​

7.

Vs . Am

Aus dem Biot-Savart Gesetz kann das Amperesche Gesetz (Durchflutungsgesetz) im Vakuum abgeleitet werden ∮B​⇀0 d​l⇀ ​ = μ​0 I​A​

bzw.

rot B​⇀0 = μ​0 j​⇀A​



rot H​⇀= j​⇀A​

C​

Amperesches Gesetz (Durchflutungsgesetz, Teil der 4. Maxwell-Gleichung).

Das magnetische Feld ist also ein quellenfreies Wirbelfeld. 8. Entsprechend dem magnetischen Gaußschen Gesetz (im Vakuum) div B​⇀0 = 0 kann ein Magnetfeld B​⇀0 aus B​⇀0 = rot A​⇀(r​⇀)

Zusammenfassung

237

berechnet werden, wobei A​⇀(r​⇀) in Analogie zum skalaren elektrostatischen Potenzial Φ(r​⇀) im Vakuum aus ΔA​⇀(r​⇀) = −μ​0 j​⇀(r​⇀) folgt und als Vektorpotenzial bej​⇀ zeichnet wird, für das gilt: A​⇀= μ​0 ∫ d​τ​ (dτ = dl⋅f ist das Volumenelement der r​ V​ Strombahn). Für A​⇀(r​⇀) wird verlangt div A​⇀= 0

Coulombeichung.

9.

Für stromdurchflossene, parallele Leiter gilt das Amperesche Kraftgesetz: Parallele Ströme ziehen einander an, antiparallele stoßen einander ab. 10. Aus der Lorentz-Transformation der Coulombkraft ergibt sich, dass das elektrische Feld einer bewegten Ladung sich gegenüber dem einer ruhenden ändert:

E​⇀=

γ​ r​⇀

Q​ 2 2

2 2 3∕2 4 π​ε​0 ( γ​ x​ + y​ + z​ )

.

Das von einer ruhenden Ladung erzeugte elektrische Feld ist kugelsymmetrisch, das Feld einer bewegten Ladung ist dagegen in der Bewegungsrichtung 2 um den Faktor 1/​γ​ kleiner, normal dazu um den Faktor γ größer, also plattgedrückt. 11. Die spezielle Relativitätstheorie zeigt, dass Größe und Richtung der LorentzKraft von der Wahl des Bezugssystems abhängen und erklärt die Lorentz-Kraft im Magnetfeld allein durch eine elektrische Coulombkraft, die durch die unterschiedliche Lorentz-Kontraktion des Abstands in entgegengesetzter Richtung bewegter Ladungen verschiedenen Vorzeichens entsteht, wenn die Probeladung in ihrem Ruhesystem betrachtet wird. Es kann daher die elektromagnetische Lorentz-Gesamtkraft F​⇀E​M,​ die auf eine bewegte Ladung wirkt, auf eine rein elektrische Coulombkraft zurückgeführt werden, die auf die Ladung in ihrem Ruhesystem wirkt. Daraus ergeben sich als Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes: E​ ′x​ = E​x,​ E​ ′y​ = γ​ (E​y​ − υ​Bz​ ​ )

B​ ′x​ = B​x​ B​ ′y​ = γ​ (B​y​ +

υ​ E​z​ ) c​ 2

E​ ′z​ = γ​ (E​z​ + υ​By​ ​ )

B​ ′z​ = γ​ (B​z​ −

υ​ E​y​ ) c​ 2

Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes. Die Felder E​⇀und B​⇀treten also gekoppelt als elektromagnetisches Feld auf.

238

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

12. Die Dichte der magnetischen Dipole eines Magnetikums bestimmt seine Magnetisierung

M​⇀ =

1 ∑ p​⇀m​,i​ V​ i​

Magnetisierung.

Daraus ergibt sich als Dipolanteil des im Allgemeinen ortsabhängigen Magnetfeldes im Inneren eines magnetisierten Materievolumens (mit permanentem Dipolmoment seiner Moleküle) B​⇀M​ (r​⇀) = μ​0 M​⇀(r​⇀) . 13. In einer mit Materie gefüllten Spule mit einem erregenden Feld H​⇀, also einem äußeren Spulenfeld B​⇀0 = μ​0 H​⇀, herrscht daher das Feld B​⇀= B​⇀0 + B​⇀M​ = B​⇀0 + μ​0 M​⇀ = μ​0 (H​⇀+ M​⇀)

Diese Beziehung gilt allgemein auch für inhomogene Felder, wobei

H​⇀=

1 B​⇀0 μ​0

die magnetische Erregung ist. 14. Für viele Stoffe (Ferromagnetika bei kleinen Feldstärken) gilt M​⇀ = χ​m​ ⋅ H​⇀, die Konstante χm ist die magnetische Suszeptibilität. Für deren Temperaturabhängigkeit gilt mit der Curie-Konstanten CC

χ​m​ =

C​C​ T​

das Curiesche Gesetz.

15. Unter Verwendung der relativen Permeabilität μ​r​ = (1 + χ​m​ ) und der Permeabilität μ​ = μ​0 μ​r​ kann man für das Magnetfeld B​⇀in der Materie mit Ausnahme von Permanentmagneten schreiben:

Zusammenfassung

239

B​⇀= μ​H⇀​ = μ​0 μ​r​ H​⇀. 16. Wir unterscheiden: Diamagnetika: (χ​m​ < 0, | χ​m​ | ≪ 1): Ihre Atome besitzen kein permanentes magnetisches Dipolmoment, im äußeren Feld wird aber ein sehr kleines Moment induziert, das dem angelegten Feld stets entgegengerichtet ist. Paramagnetika: (χ​m​ > 0, | χ​m​ | ≪ 1): Ihre Atome besitzen ein kleines permanentes Dipolmoment. Ferromagnetika: Die starke Austauschwechselwirkung zwischen den Spins benachbarter Atome führt zur spontanen Magnetisierung, d. h. zur Ausbildung magnetischer Domänen (Weissscher Bezirke), in denen die permanenten atomaren Dipole einheitlich ausgerichtet sind. Die Magnetisierung: M(H) von Ferromagnetika zeigt eine Hysterese, sie hängt von der Vorgeschichte der Magnetisierung ab. Die Fläche, die von der Magnetisierungskurve umrandet wird, stellt den Energieaufwand pro Magnetisierungszyklus pro Volumeneinheit dar. Für Stoffe mit schmaler Hysterese ist der Energieaufwand beim Ummagnetisieren also klein, sie sind „magnetisch weich“ (kleine Remanenz); Stoffe mit breiter Hysterese erfordern zum Ummagnetisieren einen großen Energieaufwand, sie sind „magnetisch hart“ und geeignet zur Herstellung permanenter Magnete. Antiferromagnetika weisen eine magnetisch geordnete Struktur mit paarweise entgegengesetzt orientierten, gleich großen Momenten auf, sodass das gesamte magnetische Moment ohne äußeres Feld unterhalb der Neel-Temperatur verschwindet. Ferrimagnetika weisen eine geordnete Struktur wie Antiferromagnetika auf, für die das gesamte magnetische Moment aber nicht verschwindet; die Hysterese kann durch die Wahl der Atome in der Struktur der Anwendung angepasst werden.

240 5

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Übungen: 1. Ein Stäbchen aus reinem n-Germanium mit einem Querschnitt von 1 cm mal 1 cm befindet sich in einem transversalen Magnetfeld von B = 0,13 T. Bei einer Stomstärke von I = 10 mA wird eine Hallspannung von UH = 1,2 mV gemessen. 1 Wie groß ist die Hallkonstante AH​ = − ? n​ ⋅ e​ 2.

Wie viele freie Ladungsträger befinden sich in der Volumeneinheit? Im Zyklotron werden geladene Teilchen durch ein Magnetfeld B auf Kreisbahnen gezwungen und nach jedem halben Umlauf durch ein elektrisches Feld E zwischen den beiden „D’s“ weiter beschleunigt. Die Energiezunahme beim Übergang von einem „D“ zum anderen beträgt e⋅U0 (U0 = 40 kV). B

D1 D2

Ũ0

a) Wie groß ist die Kreisfrequenz des Umlaufs für Protonen bei einem Magnetfeld B = 1 T? b) Berechne die Energie der Protonen in MeV bei einem Bahnradius von 0,4 m (Protonenmasse mp = 1,672⋅10–27 kg). c) Welche Strecke durchlaufen die Protonen, bis sie die Endgeschwindigkeit υ erreicht haben, wenn ihre Anfangsenergie vernachlässigt werden kann? 3. Berechne die magnetische Kraftflussdichte B in Luft in 5 cm Abstand von einem langen, geraden Draht, durch den ein Strom von 15 A fließt. 4. Vergleiche die magnetischen Feldstärken B im Mittelpunkt a) eines Kreises mit dem Durchmesser d, b) eines Quadrates der Kantenlänge d, die von einem Strom I durchflossen werden. 5. Berechne mit Hilfe des Biot-Savart-Gesetzes das Magnetfeld B im Mittelpunkt einer langen Spule mit 1000 Windungen und einer Länge von 20 cm, einem Radius von 2 cm, bei einer Stromstärke von 1 A. Wie groß wird B, wenn die Spule unendlich lang ist?

Zusammenfassung

241

Berechne das Magnetfeld im Inneren einer unendlich langen Spule alternativ mit Hilfe des Ampèreschen Gesetzes. Wie sieht mit einer analogen Überlegung das Magnetfeld auf der Achse einer torusförmigen Spule aus? 6. Ein Elektromagnet wird durch 2800 Windungen erregt, durch die ein Strom von 3,2 A fließt. Welcher Strom würde bei nur 650 Windungen dieselbe magnetische Flussdichte erzeugen? 7. Eine 25 cm lange, sehr dünne eisenlose Zylinderspule mit 240 Windungen hat im Inneren dieselbe magnetische Flussdichte wie eine halb so lange Spule mit 150 Windungen. In welchem Verhältnis stehen die Stromstärken zueinander? 8. In zwei langen, parallelen Drähten, die einen Abstand von 10 cm haben, fließen Ströme von 6 A bzw. 4 A. Welche Kraft wirkt pro Meter Drahtlänge, wenn die Ströme einmal in gleicher und dann in entgegengesetzter Richtung fließen? 9. Im Labor herrscht ein homogenes statisches Magnetfeld, aber kein elektrisches Feld. Ein Elektron bewegt sich mit der Geschwindigkeit υ​⇀durch das Labor. Welche Felder herrschen in dem mit dem Elektron mitbewegten System? 10. Aus Aluminium (Suszeptibilität χm = 2,2⋅10–5) werde ein Toroid (mittlerer Umfang L = 20 cm hergestellt und gleichmäßig mit N = 100 Drahtwindungen bewickelt. Durch den Draht soll ein Strom I = 10 A fließen. Wie groß ist die Magnetisierung des Materials? Wie groß ist das Feld B im Aluminiumkern? Welcher Strom müsste fließen, damit in der leeren Spule (ohne Aluminiumkern) das gleiche Feld B herrscht, wie im Aluminiumkern, wenn der Strom 10 A fließt?

242

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Anhang 1 Magnetfeld innerhalb und außerhalb eines stromdurchflossenen, geraden Leiters Außerhalb des Leiters (Drahtes) mit dem Radius R0, durch den der Strom IA fließt, gilt für die magnetische Erregung H (Abb. III-3.44) H​a​ (R​) =

I​A​ 1 ∝ . 2 π​ R​ R​

(III-3.202)

IA

⎛R ⎞ i ⎟ Ii (Ri) = IA ⎜___ ⎝ R0 ⎠

2

μ=1

Hi (Ri ) Ha(R)

Ri

R0

R

R

Abb. III-3.44: Magnetisches Feld im Innen- und Außenraum eines stromdurchflossenen, geraden Leiters.

Für das Feld im Inneren des Leiters gilt nach dem Ampereschen Gesetz, abhängig vom Abstand Ri vom Zentrum des Leiters

H​i​ (R​i​ ) =

I​i​ (R​i​ ) 2 π​ R​i​

=

1 2 π​ R​i​

2

I​A​

R​ i​ π​ 2 R​ 0 π​

=

I​A​ R​i​ 2

2 π​ R​ 0

∝ R​i​ .

(III-3.203)

243

Anhang 2 Lorentz-Transformation von Impuls, Energie und Kraft

Anhang 2 Lorentz-Transformation von Impuls, Energie und Kraft Wir suchen die Transformationsgleichungen für die Kraft zwischen zwei Systemen Σ und Σ′, wobei sich Σ′ mit der Geschwindigkeit υx = υ relativ zu Σ bewegen soll. In den beiden Systemen lautet die Definition der Kraft (Newtonsche Bewegungsgleichung, Newton 2) F​⇀=

d​p⇀​ ̇ = p​⇀ d​t​

und

F​⇀′ =

d​p⇀​′ ̇ = p​⇀′ . d​t​ ′

(III-3.204)

Wir betrachten einen Massenpunkt (Teilchen): Er befinde sich in Σ zur Zeit t am Raumpunkt (x,y,z), also am Raumzeitpunkt P(x,y,z,t) und habe dort den Impuls p​⇀ und die Energie E; im System Σ′ habe er am gleichen Raumzeitpunkt P′(x′,y′,z′,t′) den Impuls p​⇀′ und die Energie E′. Zwischen den Koordinaten von P und P′ vermittelt die Lorentz-Transformation (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.2, Gl. II-3.28) mit dem Lorentz-Faktor γ​ = γ​ (υ​) = (1 −

υ​ 2 c​ 2

−1 ∕ 2

)

x​ ′ = γ​ (x​ − υ​t​) y​ ′ = y​ z​ ′ = z​ υ​x​ t​ ′ = γ​ (t​ − 2 ) . c​

:

(III-3.205)

⇀′(u​ x′ ,u​ Für die Teilchengeschwindigkeiten u​⇀(u​x,u​ ​ y,u​ ​ z​ ) und u​ ​ y′ ,u​ ​ z′ ​ ) in den beiden Bezugssystemen Σ und Σ′ gilt das Additionstheorem (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, 3.8, Gl. II-3.126): u​ x′ ​ =

u​x​ − υ​ , υ​ 1 − 2 u​x​ c​

u​ y′ ​ =

u​y​ , υ​ γ​ (1 − 2 u​x​ ) c​

u​ z′​ =

u​z​ . υ​ γ​ (1 − 2 u​x​ ) c​

(III-3.206)

Zur Ableitung der Lorentz-Transformation für die Kraft F​⇀ brauchen wir zunächst die Lorentz-Transformation für den Impuls p​⇀und die Energie E des Massenpunkts. Wir betrachten Impuls und Energie in den beiden Systemen Σ und Σ′ und beachten, dass der Lorentz-Faktor γ jetzt für die beiden Systeme verschieden groß ist, also γ​ (u​) = (1 −

u​ 2 c​ 2

−1 ∕ 2

)

und γ​ (u​ ′) = (1 −

u​ ′ 2 c​ 2

−1 ∕ 2

)

:

244

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

p​x​ = γ​ (u​)m​ ⋅ u​x​ ,

Σ:

p​y​ = γ​ (u​)m​ ⋅ u​y​ ,

p​z​ = γ​ (u​)m​ ⋅ u​z​

E​ = γ​ (u​)m​c​ 2 p​ x′ ​ = γ​ (u​ ′)m​ ⋅ u​ x′ ​ ,

Σ′:

(III-3.207) (III-3.208)

p​ y′ ​ = γ​ (u​ ′)m​ ⋅ u​ y′ ​ ,

p​ z′​ = γ​ (u​ ′)m​ ⋅ u​ z′​

E​ ′ = γ​ (u​ ′)m​c​ 2 .

(III-3.209) (III-3.210)

Wir drücken nun γ​ (u​ ′) durch Größen im System Σ aus und erhalten

γ​ (u​ ′) = (1 −

u​ ′2 c​

2

−1 ∕ 2

)

= (1 −

u​ x′ ​ 2 c​

2



u​ y′ ​ 2 c​

2



u​ z′​ 2 c​

2

−1 ∕ 2

)

.

(III-3.211)

Zunächst setzen wir nur für u​ x′ ​ nach dem Additionstheorem ein

1−

u​x′​ 2 c​ 2

(u​ x​ − υ​)2

=1−

c​ 2 (1 − =

υ​ u​ 2 c​ (1 − 2x​) c​

=

=

υ​ u​ 2 c​ (1 − 2x​) c​

2

(1 −

υ​ ux​ ​ 2 ) − (u​ x​ − υ​)2 2 c​ 2

υ​ ux​ ​ 2 1 ) − 2 (u​ x​ − υ​)2 c​ 2 c​

=

υ​ u​ 2 (1 − 2x​ ) c​ 1− =

2 2 υ​u​x​ 2 υ​ux​ ​ υ​ 2 υ​ ux​ ​ 2 u​x​ ( ) + − + − 2 c​ 2 c​ 2 c​ 2 c​ 2 c​

υ​ u​ 2 (1 − 2x​ ) c​

(1 − =

u​x​ 2 υ​ 2 )( ) 1 − c​ 2 c​ 2

.

υ​ u​ 2 (1 − 2x​ ) c​ Jetzt setzen wir für u​ y′ ​ und u​ z′​ ein und erhalten

1− =

u​x​ 2 υ​ 2 υ​ ux​ ​ 2 ( ) − + c​ 2 c​ 2 c​ 2 2

=

υ​ u​ (1 − 2x​ ) c​

(III-3.212)

Anhang 2 Lorentz-Transformation von Impuls, Energie und Kraft

u​y​ u​ y′ ​ c​

u​ z′​ c​

2

2

c​ 2

=

=

u​z​ 2 2 c​

=

=

−1

2

(1 −

c​ 2

u​ x′ ​ 2 c​

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ u​ ′2 1− 2 = c​

c​ 2

) (III-3.213)

.

(III-3.214)

υ​ u​ 2 (1 − 2x​ ) c​

Wir subtrahieren diese beiden Gleichungen von 1 −

= 1 ∕ γ​ 2 (u​ ′)

2

u​z​ 2 υ​ 2 (1 − 2 ) 2 c​ c​

υ​ ux​ ​ 2 υ​ 2 (1 − 2 ) (1 − 2 ) c​ c​

= 1 ∕ γ​ 2 (u​)

υ​

υ​ u​ 2 (1 − 2x​ ) c​

−1

υ​ 2 υ​ u​ 2 (1 − 2 ) (1 − 2x​ ) c​ c​

2

2

u​y​

2

245

2

; das ergibt

= 1 ∕ γ​ 2 (υ​)

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ ⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ u​ 2 υ​ 2 (1 − 2 ) (1 − 2 ) c​ c​ ,

υ​ u​ 2 (1 − 2x​ ) c​

(III-3.215)

und damit γ​ (u​ ′) = γ​ (υ​) ⋅ γ​ (u​)⋅ (1 −

υ​ux​ ​ c​ 2

)

(III-3.216)

und mit E​ = γ​ (u​)m​c​ 2 folgt für E​′ = γ​ (u​ ′)m​c​ 2 E​ ′ = γ​ (υ​) (⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ γ​ (u​)m​c​ 2 − υ​⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ γ​ (u​)m​ux​ ​ ) = E​

(III-3.217)

= p​x​

also E​ ′ = γ​ (υ​) (E​ − υ​px​ ​ ) Für p​ x′ ,​ p​ y′ ​ und p​ z′​ ergibt sich

Lorentz-Transformation der Energie.

(III-3.218)

246

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

υ​ux​ ​

p​ x′ ​ = γ​ (u​ ′)m​ ⋅ u​ x′ ​ = γ​ (υ​) ⋅ γ​ (u​) ⋅ (1 −

= γ​ (υ​) ⋅ γ​ (u​) ⋅ m​ ⋅ (u​x​ − υ​) = γ​ (υ​)

c​

2

) ⋅ m​ ⋅

γ​ (u​)m​ux​ ​ − ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ γ​ (u​)m​υ​ = ) ( ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = p​ υ​ ⋅ E​ x​

= γ​ (υ​) (p​x​ −

υ​ ⋅ E​ c​ 2

u​x​ − υ​ = υ​ux​ ​ 1− 2 c​

=

c​ 2

(III-3.219)

);

p​ y′ ​ = γ​ (u​ ′)m​ ⋅ u​ y′ ​ = γ​ (υ​) ⋅ γ​ (u​) ⋅ (1 −

υ​ux​ ​ c​

2

u​y​

)m​

=

υ​u​ γ​ (υ​) (1 − 2x​ ) c​

= γ​ (u​) ⋅ m​ ⋅ u​y​ = p​y;​

(III-3.220)

p​ z′​ = γ​ (u​ ′)m​ ⋅ u​ z′​ = γ​ (υ​) ⋅ γ​ (u​) ⋅ (1 −

υ​ux​ ​ c​

2

u​z​

)m​

=

υ​u​ γ​ (υ​) (1 − 2x​ ) c​

= γ​ (u​) ⋅ m​ ⋅ u​z​ = p​z​ ⋅

(III-3.221)

Damit erhalten wir für die Transformation des Impulses:

p​ x′ ​ = γ​ (p​x​ −

υ​ ⋅ E​ c​

2

Lorentz-Transformation (III-3.222) des Impulses .

), p​ y′ ​ = p​y,​ p​ z′​ = p​z​

2

p​ , Im Unterschied zur nicht-relativistischen (Newtonschen) Mechanik mit E​ = 2 m​ 92 hängen hier Impuls und Energie nur linear voneinander ab. 92 In Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.10.4, wurde gezeigt, dass der EnerE​ E​ gie-Impuls-Vektor p​⇀̂ = { ,p​⇀R​} = { ,p​x​,p​y,p​ ​ z​} ein Vierervektor ist, sich also genauso transformiert c​ c​ wie der Ereignisvektor r​⇀̂ = {c​t​,r​⇀} = {c​t​,x​,y​,z​}. Mit dieser Kenntnis können sofort die TransformatiE​ onsgleichungen für p​⇀und hingeschrieben werden: 2 c​ p​ x​′ = γ​(p​x​ −

υ​ ⋅ E​ c​

2

), p​ y​′ = p​y​, p​ z​′ = p​z​,

E​ ′c​

2

= γ​(

E​ c​

2



υ​ ⋅ p​x​ c​

2

) bzw. E​ ′ = γ​(E​ − υ​ ⋅ p​x​).

247

Anhang 2 Lorentz-Transformation von Impuls, Energie und Kraft

Jetzt wenden wir uns den Kräften zu. In Σ′ wirkt die Kraft (Gl. III-3.204) F​⇀′ =

d​p⇀​′ . d​t​ ′

Wir drücken nun in den Kraftkomponenten die Impulskomponenten und die Zeit in Σ′ durch die entsprechenden Größen in Σ aus: d​p​ x′ ​ γ​ (d​px​ ​ − υ​2 d​E​) F​ − υ​ d​E​ x​ d​t​ c​ d​t​ c​ 2 d​t​ d​p​ x′ ​ F​ x′ ​ = . = d​t​ = = υ​ d​x​ υ​u​ d​t​ ′ d​t​ ′ γ​ (1 − 2 ) 1 − 2x​ d​t​ c​ d​t​ c​

(III-3.223)

d​E​ ist die durch die Kraft verursachte, zeitliche Energieänderung des Massenpunkd​t​ tes in Σ, das entspricht der von der Kraft am Massenpunkt pro Zeiteinheit verrichteten Arbeit F​⇀⋅ u​⇀.93 Damit erhalten wir für die Lorentz-Transformation der Kraftkomponenten: υ​ ⇀ F​ ⋅ u​⇀ 2 c​ , υ​u​ 1 − 2x​ c​

F​x​ − F​ x′ ​ =

d​py​ ​ d​t​

d​p​ y′ ​ d​t​ =

F​ y′ ​ = d​t​ ′ d​t​ F​ z′​ =

F​y​

= υ​u​ γ​ (1 − 2x​ ) c​

F​z​

,

υ​u​ γ​ (1 − 2x​ ) c​ (III-3.224)

.

υ​u​ γ​ (1 − 2x​ ) c​

93 Für das Differential der am Massenpunkt verrichteten Arbeit gilt bei einer Verschiebung um d​r⇀​ d​r⇀​ d​W​ d​E​ = = F​⇀⋅ = F​⇀⋅ u​⇀. Diese Überlegung gilt auch in der relativisd​W​ = F​⇀d​r⇀​, also für die Leistung d​t​ d​t​ d​t​ tischen Mechanik, da aus dem „relativistischen Energiesatz“ (siehe Band II, Kapitel „Relativistische 2

2

2

2

Mechanik“, Abschnitt 3.9.3, Gl. II-3.161) E​ = (p​ ⋅ c​) + E​ 0 = c​ (p​⇀⋅ p​⇀) + E​0 2

d​(E​ ) d​t​ Mit

= 2 E​

d​E​ d​t​

⇀​ 2 d​p = 2 ⋅ c​ p​⇀ d​t​

E​ = γ​m​c​

2

und damit

folgt daraus

d​E​ d​t​

E​

d​E​ d​t​

⇀​ 2 d​p 2 = c​ p​⇀ = c​ p​⇀⋅ F​⇀. d​t​

2

= F​⇀⋅

c​ p​⇀ γ​m​c​

2

2

= F​⇀⋅

c​ γ​m​u⇀​ = F​⇀⋅ u​⇀. 2 γ​m​c​

2

folgt

248

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)

Das heißt:

F​x​ − F​ x′ ​ =

υ​ ⇀ F​ ⋅ u​⇀ 2 c​

1−

,

F​y​

F​ y′ ​ =

υ​ux​ ​ 2 c​

γ​ (1 −

,

F​z​

F​ z′​ =

υ​ux​ ​ ) 2 c​

γ​ (1 −

υ​ux​ ​ ) 2 c​ (III-3.225)

Lorentz-Transformation der Kraft.

Für die inversen Transformationen muss das Vorzeichen von υ in (–υ) geändert und müssen die ungestrichenen mit den gestrichenen Termen vertauscht werden: F​ x′ ​ + F​x​ =

υ​ ⇀ F​′ ⋅ u​⇀′ 2 c​

υ​u​ ′ 1 + 2x​ c​

,

F​ y′ ​

F​y​ =

,

F​ z′​

F​z​ =

υ​u​ ′ γ​ (1 + 2x​ ) c​

.

(III-3.226)

υ​u​ ′ γ​ (1 + 2x​ ) c​

Wir sehen: Bewegt sich der Massenpunkt in Σ nicht zusätzlich zur Relativbewegung υ der beiden Systeme Σ und Σ′, gilt also u​⇀= 0, so wird die Lorentz-Transformation der Kraft zu F​ x′ ​ = F​x​ ,

F​ y′ ​ =

1 F​y​ , γ​

F​ z′​ =

1 F​z​ . γ​

(III-3.227)

Das Ergebnis der Krafttransformation zeigt: Während im Ruhesystem des Massenpunktes (Teilchens) die auf ihn wirkende Kraft nur von der Lage des Teilchens abhängt, aber nicht von seiner Geschwindigkeit, so hängt im dazu bewegten System die wirkende Kraft zusätzlich von der Teilchengeschwindigkeit ab.

Anhang 3 Gaußsche Methode der Bestimmung des magnetischen Moments eines Stabmagneten und der Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes Die Gaußsche Methode erlaubt die gleichzeitige Bestimmung der Horizontalkomponente eines unbekannten, homogenen Magnetfeldes B​⇀0 und des magnetischen Mo-

Anhang 3 Gaußsche Methode der Bestimmung des magnetischen Moments

249

ments pm eines Stabmagneten. Dazu wird zunächst der unbekannte Stabmagnet im unbekannten Feld B​0 zu Torsionsschwingungen um seine Vertikale angeregt. In Band I, Kapitel „Mechanik deformierbarer Körper“, Abschnitt 4.2.2 ergab sich für die Schwingungsdauer einer solchen Drehschwingung (Gl. Ι-4.18) T​ = 2 π​√

I​S​ D​

*

.

Dabei sind IS das Trägheitsmoment des schwingenden Körpers in Bezug auf die Drehachse und D* das entsprechende Direktionsmoment (Drehmoment D​ = D​ ∗ ⋅ φ​, φ … Drehwinkel). Im vorliegenden Fall gilt für das Drehmoment des Stabmagneten D​⇀= p​⇀m​ × B​⇀0

D​ = p​m​ ⋅ B​0 ⋅ sin​ φ​ .



(III-3.228)

Für sehr kleine Auslenkungen kann sin​ φ​ = φ​ gesetzt werden und es gilt

D​ ∗ =

D​ = p​m​ ⋅ B​0 . sin​ φ​

(III-3.229)

Damit ergibt sich für die Schwingungsdauer des Stabmagneten

T​ = 2 π​√

I​S​ p​m​ ⋅ B​0

(III-3.230)

bzw. für das Produkt der gesuchten Größen

p​m​ ⋅ B​0 =

4 π​ 2 I​S​

.

T​ 2

(III-3.231)

In einem zweiten Schritt richtet man eine Magnetnadel im unbekannten Feld B​⇀0 aus und betrachtet ihre Auslenkung aus dieser Ruhelage im Feld des Stabmagneten mit dem gesuchten Dipolmoment p​m​ . Ist die Längsachse des Stabmagneten senkrecht zur Achse der Magnetnadel orientiert (1. Gaußsche Hauptlage, siehe Abb. III-3.45), so gilt für sein Magnetfeld B​⇀′ am Ort der Magnetnadel bei genügend großem Abstand analog zum Magnetfeld einer stromdurchflossenen Spule (siehe Abschnitt 3.2.5, Gl. III-3.90) B​⇀′(z​) =

μ​0 p​⇀m​ 3 2 π​ z​

.

250

3 Statische Magnetfelder (Magnetfeld stationärer Ströme)



B0

α Magnetnadel N Stabmagnet

S

N

S z



B0

Abb. III-3.45: Zur Bestimmung des magnetischen Moments eines Stabmagneten. 1. Gaußsche Hauptlage. Nadel

Damit übt der Permanentmagnet (p​m,​ B​⇀′) auf die Magnetnadel (p​ m​ ment aus Nadel

D​ ′ = p​ m​

B​ ′ ⋅ sin​ (90 − α​) =

μ​0 2π​ ⋅ z​

Nadel

3

p​ m​

p​m​ cos​ α​ .

) ein Drehmo-

(III-3.232)

Andererseits erfährt die Nadel im homogenen, gesuchten Magnetfeld B​⇀0 das Drehmoment Nadel

D​ = p​ m​

⋅ B​0 ⋅ sin​ α​ .

(III-3.233)

Im Gleichgewicht muss D​ = D​ ′ sein, also μ​0 2 π​ ⋅ z​

Nadel

3

p​ m​

Nadel

p​m​ cos​ α​ = p​ m​

B​0 sin​ α​ ;

(III-3.234)

daraus ergibt sich p​m​ 2 π​ ⋅ z​ 3 = tan ​α​ . μ​0 B​0

(III-3.235)

Anhang 3 Gaußsche Methode der Bestimmung des magnetischen Moments

251

Der Abstand z und der Auslenkwinkel α können leicht gemessen werden und man p​m​ durch Multiplikation und Division: erhält aus den Gleichungen für p​m​ ⋅ B​0 und B​0

p​m​ =

B​0 =

2 π​ z​ 2 π​ √ μ​0 I​S​ ⋅ z​ ⋅ tan ​α​ T​

(III-3.236)

1 I​S​ 2 π​μ0​ . √ z​ ⋅ T​ z​ ⋅ tan ​α​

(III-3.237)

Voraussetzung für die Berechnung ist, dass die Abmessungen von Magnetnadel und Permanentmagnet klein gegen ihren gegenseitigen Abstand sind. Mit dieser Methode bestimmte Gauß (Johann Carl Friedrich Gauß, 1777–1855) 1832 die Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes und das magnetische Moment eines Permanentmagneten.

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen Einleitung: Auf bewegte Ladungen wirkt im Magnetfeld die Lorentz-Kraft und bewirkt im stromdurchflossenen Leiter den Hall-Effekt (Kapitel „Statische Magnetfelder“). Eine stromdurchflossene Leiterschleife erfährt im Magnetfeld ein Drehmoment. In einer Leiterschleife, die sich im Magnetfeld dreht oder in der auf andere Weise eine Änderung des magnetischen Flusses, der die Leiterschleife durchsetzt, entsteht, wird eine elektrische Spannung erzeugt (Faradaysches Induktionsgesetz). Maßgebend für das induzierte elektrische Wirbelfeld ist die zeitliche Änderung des ​. Dabei wirken die durch Induktion entstehenden magnetischen Flusses ΦM​ = ∫B​⇀d​f⇀ A​

Ströme, Felder und Kräfte stets dem die Induktion hervorrufenden Vorgang entgegen (Lenzsche Regel). In Wechselstromkreisen führt dies in Spulen zu zusätzlichen Spannungsabfällen durch Selbstinduktion und Gegeninduktion. 1 1 1 2 2 B​ = Aus der Energiedichte w​E​ = ε​0 E​ des elektrischen und w​M​ = 2 2 μ​0 1 2 2 ε​0 c​ B​ des magnetischen Feldes ergibt sich als Summe die Energiedichte des 2 1 elektromagnetischen Feldes im Vakuum w​E​M​ = ε​0 (E​ 2 + c​ 2 B​ 2 ). 2 Das Maxwellsche Induktionsgesetz besagt, dass Magnetfelder nicht nur von Leitungsströmen IA, sondern auch von sich zeitlich verändernden elektrischen d​ Feldern – Verschiebungsströmen I​V​ = μ​0 ∫E​⇀⋅ d​f⇀ ​ – erzeugt werden. d​t​ A​ Von Maxwell wurden die für das elektromagnetische Feld bestimmenden, experimentell gefundenen Zusammenhänge in vier Gleichungen, den Maxwell-Gleichungen, zusammengefasst, die im Vakuum folgende Formen annehmen: 1.

​= ∮E​⇀⋅ d​f⇀ A​

2.

Q​innen​ ε​0

∮B​⇀⋅ d​f⇀ ​=0

ρ​ ε​0



⇀⋅ E​⇀= ∇



⇀⋅ B​⇀= 0 ∇

A​

∂​B⇀​ ∂​t​

3.

d​ ∮E​⇀⋅ d​l⇀ ​ = − ∫B​⇀d​f⇀ ​ d​ t​ A​ C​



⇀ × E​⇀= − ∇

4.

d​ ∮B​⇀⋅ d​l⇀ ​ = μ​0 I​A​ + ε​0 μ​0 ∫E​⇀⋅ d​f⇀ ​ d​t​ A​ C​



⇀ × B​⇀= μ​0 j​⇀+ ε​0 μ​0 ∇

∂​E⇀​ ∂​t​

254

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

4.1 Faradaysches 1 Induktionsgesetz (1831) Wir wissen, dass auf einen stromdurchflossener Leiter, der sich in einem (homogenen) Magnetfeld befindet, die Lorentz-Kraft wirkt (Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.1.1, Gl. (III-3.1) und Abschnitte 3.1.4.2 und 3.1.5). Handelt es sich um eine stromdurchflossene Leiterschleife oder flache Spule mit N Windungen im Magnetfeld, so entsteht ein Drehmoment D​⇀= N​ ⋅ I​ (A​⇀× B​⇀), wenn A​⇀der Flächennormalenvektor der Windungsfläche ist. Die Frage ist nun, gilt auch die Umkehrung, wird also in einer Leiterschleife Strom erzeugt, wenn sie in einem Magnetfeld durch Ausübung eines Drehmoments gedreht wird? Experimentell stellt man fest, dass ein elektrischer Strom in einer Leiterschleife entsteht, wenn eine geeignete Relativbewegung zwischen Magnetfeld und Schleife auftritt, also wenn z. B. eine Leiterschleife im Magnetfeld in bestimmter Weise gedreht oder hin und her bewegt wird (Abb. III-4.1); man spricht von Induktion.

N

S

I Abb. III-4.1: Bewegt man eine Leiterschleife im stationären Magnetfeld eines Permanentmagneten oder bewegt man umgekehrt den Magneten gegen die ruhende Leiterschleife, so wird in der Schleife vorübergehend ein elektrischer Strom induziert.

Man findet: 1. Ein elektrischer Strom fließt in der Leiterschleife (Spule) nur, solange eine Relativbewegung zum Magnetfeld besteht, er hört auf, wenn die Relativbewegung aufhört. 2. Je schneller die Bewegung erfolgt, desto größer ist der induzierte Strom. 3. Bei einer Änderung der Bewegungsrichtung (Schleife oder Magnet) ändert sich auch die Stromrichtung.

1 Nach Michael Faraday, 1791–1867, englischer Naturforscher und einer der bedeutendsten Experimentalphysiker; er führte etwa 30 000 Experimente durch.

255

4.1 Faradaysches Induktionsgesetz (1831)

Im obigen Induktionsexperiment zur Stromerzeugung in einer Leiterschleife (Abb. III-4.1) kann der Permanentmagnet durch eine stromdurchflossene Leiterschleife (flache Spule) ersetzt werden (Abb. III-4.2):

R

U

S

I Abb. III-4.2: Ersetzt man den Permanentmagneten beim Induktionsexperiment durch eine stromdurchflossene Spule, so kann in der ursprünglich stromlosen, festen „Induktionsspule“ eine Stromerzeugung in zwei Weisen erfolgen: Entweder wird die stromdurchflossene Spule verschoben (Relativbewegung) oder es wird der Strom aus- und/oder eingeschaltet.

Sowohl bei der Relativbewegung der beiden Leiterschleifen (Spulen) als auch bei der Änderung der Stromstärke in der stromdurchflossenen Schleife wird die Zahl der magnetischen Feldlinien geändert, die die feste Schleife durchsetzen. Entscheidend für die Erzeugung eines Stroms ist offenbar die Zahl der magnetischen Feldlinien, die durch die Fläche A der festen Schleife (der Induktionsspule) hindurch​ (Kapitel „Statische Magnetfeltreten, also der magnetische Fluss ΦM​ = ∫B​⇀d​f⇀ A​

der“, Abschnitt 3.1.3, Gl. III-3.5). Ändert sich ΦM​, so wird in der Schleife ein Strom induziert. Für eine flache Spule mit N Windungen ist der magnetische Fluss, der die Windungsfläche A durchsetzt ​. ΦM​ = ∫N​ ⋅ B​⇀d​f⇀

(III-4.1)

A​

Durch die Änderung des magnetischen Flusses durch die Spulenfläche wird am Umfang der Spule eine elektrische Spannung Uind induziert, die die Ursache eines Stromes ist

U​ind​ = −

d​ΦM​ d​t​

Faradaysches Induktionsgesetz.

(III-4.2)

256

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

Als mögliche Änderungen des magnetischen Flusses kommen in Frage: 1. Änderung der Stromstärke in der stromdurchflossenen Spule; 2. Relativbewegung zwischen der Induktionsspule und der stromdurchflossenen Spule (Schleife) oder dem felderzeugenden Permanentmagneten; 3. Änderung der Orientierung der Spule zum Magnetfeld, z. B. durch Drehen; 4. Änderung der Schleifenfläche bei fester Orientierung im festen Feld. Aus der Elektrostatik wissen wir, dass das elektrostatische Feld, das Coulombfeld, konservativ ist, dass also für das Feld ruhender Ladungen ∮ E​⇀d​r⇀= ​ 0 ist (siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.3, Gl. III-1.25). Jetzt wird aber in der Leiterschleife, also entlang einer geschlossenen Kurve C mit dem (gerichteten) Längenelement ​ erzeugt: d​l⇀ ​ eine nicht verschwindende Spannung U​ind​ = ∮ E​⇀d​l⇀ C​

​=− ∮ E​⇀d​l⇀ C​

d​ ΦM​ 2 . d​t​

(III-4.3)

Das können wir umschreiben

d​ ΦM​ d​ U​ind​ = ∮ E​⇀d​l⇀ ​=− ​ = − ∮ B​⇀d​f⇀ d​ t ​ d​ t​ A​ C​

Faradaysches Induktionsgesetz (integrale Form, 3. Maxwell-Gleichung)

(III-4.4)

und weiter unter Verwendung des Stokesschen Satzes ( ∮ υ​⇀d​l⇀ ​ = ∮ rot​ υ​⇀d​f⇀ ​): C​ (A​)

A​ (C​)

∂​ B​⇀⋅ d​f⇀ ​ ∂​ t​ A​

​ = ∫ rot​ E​⇀⋅ d​f⇀ ​ = −∫ ∮ E​⇀d​l⇀ C​ (A​)



rot​ E​⇀= −

A​ (C​)

∂​B⇀​ ∂​t​

Faradaysches Induktionsgesetz (differentielle Form, 3. Maxwell-Gleichung).

(III-4.5)

(III-4.6)

2 Das negative Vorzeichen ist eine Folge der allgemeingültigen Lentzschen Regel, dass nämlich die Wirkung – in diesem Falle das durch die induzierte Spannung über den induzierten Strom hervorgerufene Magnetfeld – der Ursache, also der Flussänderung, entgegengerichtet ist (siehe weiter unten).

4.1 Faradaysches Induktionsgesetz (1831)

257

Das heißt:

Ein sich zeitlich änderndes Magnetfeld erzeugt ein elektrisches Wirbelfeld.

1

Das induzierte E​⇀-Feld ist also nicht konservativ, daher ist die Feldstärke in diesem Fall nicht von einem Potenzial ableitbar, das elektrische Potenzial wird bei induzierten Feldern sinnlos! Wie hängt die Richtung des induzierten Stroms mit der Relativbewegung Schleife – Magnetfeld zusammen? Die experimentell gefundene Antwort wird in der Lenzschen Regel zusammengefasst (nach Heinrich Friedrich Emil Lenz, 1804– 1865, baltischer Physiker):

Die durch Induktion entstehenden Ströme, Felder und Kräfte wirken stets dem die Induktion hervorrufenden Vorgang entgegen. Lenzsche Regel

∂​B⇀​ = −rot​E⇀​ zu elektri∂​t​ schen Feldwirbeln, es werden also Wirbelströme (eddy currents) erzeugt. In ausgedehnten Leitern führt die Induktion entsprechend

Beispiel 1: Leitender Ring im Magnetfeld. Im Feld eines Hufeisenmagneten hängt ein leitender, aber unmagnetischer Kreisring aus Aluminium an einem dünnen, nichtleitenden Faden; seine Kreisfläche ist normal zu den magnetischen Feldlinien ausgerichtet. Bewegt man den Magneten relativ zum Ring, der eine Induktionsspule darstellt, so wird in diesem ein elektrischer Ringstrom induziert, der nach der Lenzschen Regel der Bewegung entgegenwirkt, die die Induktion verursacht. Wird der Magnet vom Ring wegbewegt, so „zieht“ er den Ring mit. Diese durch die Induktion entstehende Bewegung des Kreisrings wirkt der Ursache der Induktion, nämlich der Distanzänderung zwischen Magnet und Ring entgegen. Bewegt man umgekehrt den Hufeisenmagneten auf den Ring zu, so weicht dieser zurück. Die Bewegung des Rings wirkt wieder der Ursache der Induktion, in diesem Fall der Annäherung des Magneten an den Ring, entgegen.

1

258

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

isolierender, dünner Faden

Al-Kreisring

N

S

Hufeisenmagnet

Ein leitender Kreisring aus Aluminium (blau) hängt mit seiner Fläche senkrecht zu den Magnetfeldlinien eines Hufeisenmagneten. Wird der Magnet in Pfeilrichtung bewegt, so folgt der Ring der Bewegung und behindert so die Ursache der Induktion, in diesem Fall die Wegbewegung vom Ring. Nähert man dagegen den Magneten dem Ring, so weicht der Ring zurück, die Annäherung, die jetzt die Ursache der Induktion ist, wird dadurch behindert.

Ganz analog wird die Bewegung des durch die Polschuhe des Hufeisenmagneten schwingenden Rings durch den beim Hin- und Herschwingen in die eine und die andere Richtung induzierten Ringstrom sehr stark gedämpft. Die in massiven leitenden Medien bei der Bewegung im Magnetfeld auftretenden Wirbelströme werden als Wirbelstrombremse (eddy current damping) verwendet. Beispiel 2: Induktion durch Magnetfeldänderung. In einer äußeren, stromdurchflossenen Spule („Feldspule“) befindet sich eine zunächst stromlose Induktionsspule (blau). Wird der Strom in der Feldspule erhöht und damit das Magnetfeld der Spule vergrößert, so wird in der Induktionsspule ein Strom erzeugt. Dieser Induktionsstrom fließt entgegengesetzt zum Strom in der Feldspule; dadurch wird der Vergrößerung des Magnetfeldes entsprechend der Lenzschen Regel entgegengewirkt.

259

4.1 Faradaysches Induktionsgesetz (1831)

Feldspule

Induktionsspule

I

I

Iind

Iind

Iind

U

I In einer „Feldspule“ wird durch Erhöhung des Spulenstroms I das Magnetfeld vergrößert; dadurch wird in der Induktionsspule (blau), die sich zunächst stromlos in ihrem Inneren befindet, ein Induktionsstrom Iind induziert. Dieser Induktionsstrom muss der Vergrößerung des äußeren Magnetfeldes als Ursache der Induktion entgegenwirken und fließt daher entgegengesetzt zum Strom in der Feldspule.

⇀ × A​⇀(r​⇀,t​) (siehe Kapitel Mit Hilfe des Vektorpotenzials A​⇀(r​⇀,t​) mit B​⇀= rot​ A​⇀(r​⇀,t​) = ∇ „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.2.6, Gl. III-3.91) kann das Induktionsgesetz auch so geschrieben werden: rot​ E​⇀= −



E​⇀= −

∂​ ∂​A⇀​ (r​⇀,t​) ∂​B⇀​ = − rot​ A​⇀(r​⇀,t​) = −rot​ ∂​t​ ∂​t​ ∂​t​

∂​A⇀​ (r​⇀,t​) ∂​t​

Faradaysches Induktionsgesetz.

(III-4.7)

(III-4.8)

Wir betrachten noch folgendes Experiment („Leiterschaukel“, Abb. III-4.3): Ein geradliniger, leitender dünner Stab ist beweglich so aufgehängt, dass er im Magnetfeld eines Hufeisenmagneten schwingen und der durch ihn fließende Induktionsstrom gemessen werden kann. Schwingt der Leiter bei fester Position des Hufeisenmagneten, so wird in ihm ein Strom induziert, dessen Richtung sich entsprechend der Schwingungsrichtung der „Schaukel“ ändert. Wird umgekehrt der Magnet bei

260

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

I Drehachse

Hufeisenmagnet

N Leiter

S Abb. III-4.3: Leiterschaukel. Ein beweglich aufgehängter Leiter schwingt im stationären Magnetfeld; im Leiter wird ein Strom induziert, der den Schwingungen entsprechend die Richtung wechselt. Ruht der Leiter und wird der Magnet hin- und herbewegt, tritt derselbe Effekt auf. Die Erklärung erfolgt unterschiedlich, siehe Text.

ruhender Schaukel bewegt, so wird ebenfalls ein Strom induziert, der seine Richtung entsprechend der Bewegungsrichtung des Magneten ändert. Die Erklärung der Ursache des Induktionsstromes erfolgt zunächst in beiden Fällen unterschiedlich: Bewegter Leiter, ruhendes Magnetfeld: Die im Leiter beweglichen Ladungsträger (Elektronen) haben bei schwingender Schaukel (abgesehen von den Umkehrpunkten) eine Geschwindigkeit υ ≠ 0 normal zur Stabrichtung, daher wirkt im Magnetfeld auf sie die Lorentz-Kraft (analog zum Hall-Effekt, siehe Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.1.4.2), im vorliegenden Fall in Stabrichtung; die sich dadurch in Stabrichtung bewegenden Elektronen stellen den Induktionsstrom dar. Ruhender Leiter, bewegtes Magnetfeld: Jetzt ruhen die Leitungselektronen des Stabes und es wirkt daher auf sie keine Lorentz-Kraft. Die Bewegung der Elektronen im Induktionsstrom muss also die Folge einer rein elektrischen Kraftwirkung sein. Die Lösung und Aufhebung der Asymmetrie der beiden Fälle liefert die spezielle Relativitätstheorie mit ihren Transformationsgleichungen des elektromagneti-

4.1 Faradaysches Induktionsgesetz (1831)

261

schen Feldes (siehe Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.3.5). Damit lässt sich zeigen, dass ein bewegter Permanentmagnet ein elektrisches Feld mit sich führt, das in Stabrichtung gerichtet ist und die Bewegung der Leitungselektronen im Induktionsstrom verursacht. Analog kann auch die Induktion im Fall der schwingenden Schaukel durch eine rein elektrische Kraftwirkung erklärt werden: Im Ruhesystem der Leitungselektronen schwingt der Permanentmagnet und erzeugt wie beim ruhenden Stab ein elektrisches Feld in Stabrichtung. Das Drehmoment, das eine stromdurchflossene Spule im Magnetfeld erfährt und die Induktion eines Stromes in einer von außen gedrehten Spule im Magnetfeld finden ihre technischen Anwendungen als Elektromotoren und Stromgeneratoren. Die Induktionswirkung alleine wird in größtem Umfang zur Spannungsänderung in Transformatoren eingesetzt 3 (siehe dazu Kapitel „Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.1.8). Wir betrachten eine flache Spule, die in einem statischen Magnetfeld gedreht wird (dabei soll der Flächennormalenvektor A​⇀der Spule mit dem Magnetfeld B​⇀den Winkel θ bilden). Der magnetische Fluss ΦM durch die Spule mit N Windungen ist

ΦM​ = ∫N​B⇀​d​f⇀ ​ = ∫N​B​ cos​ θ​ d​f​ = N​B​ cos​ θ​ ∫d​f​ = N​B​A​ cos​ θ​ . A​

A​

(III-4.9)

A​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Fläche​ A​

Damit ergibt sich der maximale Fluss ΦM​max​ , wenn die Spulenfläche normal auf die Magnetfeldlinien steht, also für θ = 0: ΦM​max​ = N​B​A​ .

(III-4.10)

Wird die Spule mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ω gedreht, so ändert sich der magnetische Fluss und eine Spannung wird an den Spulenenden induziert. Ist der Winkel θ​ zwischen dem Flächennormalenvektor A​⇀der Spule und dem Magnetfeld B​⇀zum Zeitpunkt t = 0 gerade θ​ = δ​ , so gilt während der Drehbewegung θ​ = ω​t​ + δ​ und damit für den magnetischen Fluss ΦM​ = N​B​A​ cos​ (ω​t​ + δ​) .

(III-4.11)

Durch die Änderung des magnetischen Flusses wird in der Spule eine Spannung induziert:

3 Siehe für eine genauere Darstellung z. B. Y. Rocard, Elektrizität, Hochschulbücher der Physik, Band X, herausgeg. von Franz X. Eder und Robert Rompe, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1958.

262

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

U​ind​ = −

d​ΦM​ d​ = −N​B​A​ cos​ (ω​t​ + δ​) = N​B​A​ ω​ sin​ (ω​t​ + δ​) . d​t​ d​t​

(III-4.12)

Damit ergibt sich eine sinusförmige „Generatorspannung“ an den Enden der Spule, deren Vorzeichen also wechselt, eine „Wechselspannung“ (siehe Kapitel „Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.1): U​ = U​0 sin​ (ω​t​ + δ​)

Wechselspannung

(III-4.13)

mit U​0 = U​max​ = N​B​A​ω​. Wird der Spule über Schleifkontakte ein „Wechselstrom“ I entnommen, der Generator also belastet, so muss – abgesehen von Reibungseffekten – bei der Drehung von außen im Zeitmittel die Leistung P​ = 〈I​ ⋅ U​〉

(III-4.14)

als mechanische Arbeit aufgebracht werden, da die jetzt bewegte stromdurchflossene Spule im Magnetfeld durch den Induktionsstrom ein Drehmoment erfährt, das nach der Lenzschen Regel der äußeren Drehung entgegenwirkt. Legt man umgekehrt eine Wechselspannung an die ruhende, drehbar im stationären Magnetfeld aufgehängte Spule über Schleifkontakte an, so bewirkt diese ein Drehmoment an der Spule, die Spule dreht sich synchron mit der Frequenz der angelegten Wechselspannung. Generatoren und Motoren verwandeln also unter Verwendung des Induktionsprinzips mechanische Energie in elektrische und umgekehrt. Sie bestehen aus einem ruhenden Ständer (Stator, stator) und einem drehbaren Läufer (Rotor, rotor). Entsprechend der Art des erzeugten oder zugeführten Stroms spricht man von Gleichstrom- und Wechselstrommaschinen (Drehstrommaschinen). Zur technischen Ausführung von Generatoren und Motoren siehe z. B. Charles S. Siskind, Electrical Machines. Direct and Alternating Current, McGraw-Hill, 1959.

4.2 Selbstinduktion, Gegeninduktion, Energie des elektromagnetischen Feldes 4.2.1 Selbstinduktion Eine Spule sei über einen Schalter S und einen ohmschen Widerstand R an eine Spannungsquelle U0 angeschlossen (Abb. III-4.4). Sobald der Schalter S geschlossen wird und ein Strom durch die Spule fließt, entsteht ein entsprechendes, mit anwachsendem Strom ebenfalls anwachsendes

4.2 Selbstinduktion, Gegeninduktion, Energie des elektromagnetischen Feldes

263

R

S Uind U0

I Abb. III-4.4: Zur Selbstinduktion einer Spule.

Magnetfeld. Dieses sich ändernde Magnetfeld erzeugt in der Spule durch Induktion eine Spannung Uind, die der angelegten Spannung entgegen wirkt. Man nennt diesen Induktionsvorgang, der durch den „eigenen“ Spulenstrom ausgelöst wird, Selbstinduktion (self inductance). Analog tritt Selbstinduktion auf, wenn an eine Spule Wechselspannung angelegt wird und ein Wechselstrom durch die Spule fließt. Legt man an eine verlustlose Spule einen sinusförmigen Wechselstrom I, so ist π​ die durch ihn erzeugte Selbstinduktionsspannung an der Spule um − phasenver2 schoben (Abb. III-4.5, vgl. Kapitel „Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.1.3). Das Magnetfeld einer Spule ist zum Strom I proportional, der durch sie fließt; N​ bei der idealen Spule, dem Solenoid gilt z. B. B​ = μ​0 ⋅ n​ ⋅ I​, n​ = ist dabei die Winl​ dungszahldichte. Wir setzen daher auch den magnetischen Fluss ΦM durch die Spule proportional zum Strom I an: ΦM​ = ∫B​⇀d​f⇀ ​ = L​ ⋅ I​ .

(III-4.15)

A​

Die Proportionalitätskonstante L nennt man Selbstinduktionskoeffizient oder Induktivität (inductance). Wb 1 V ⋅ s [ΦM​] =1 = = 1 Henry​ = 1 H (nach Joseph Einheit der Induktivität: [L​] = [I​] A A Henry, 1797–1878, US-amerikanischer Physiker). Damit kann das Induktionsgesetz so geschrieben werden, wobei jetzt L ganz allgemein die Selbstinduktion einer beliebigen Leiterschleife ist:

U​ind​ = −

d​ΦM​ d​I​ = −L​ . d​t​ d​t​

(III-4.16)

264

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

I Maximale Stromänderung

Keine Stromänderung

I = I0 sin ωt

I0

t

Uind

Maximale induzierte Spannung

U0

t

U=– Keine induzierte Spannung

dΦM = –L dI = –I0ω cos ωt = U0 sin (ωt – π ) dt dt 2 = U0

Abb. III-4.5: Sinusförmiger Wechselstrom an einer verlustlosen Spule (oben) und durch ihn π​ erzeugte, um − phasenverschobene Selbstinduktionsspannung an der Spule (unten). 2

Beispiel: Induktivität einer sehr langen Zylinderspule (Solenoid) mit N WinN​ dungen und Spulenlänge l​ (n​ = ). l​ Magnetfeld im Inneren ⫽ zur Spulenachse: B​ = μ​0 n​I​; ⇒

magnetischer Fluss (Spulenfläche A liegt ⊥ Feld



​ = B​ ⋅ A​ ⋅ = μ​0 n​A​ ⋅ I​. ΦM​ = ∫B​⇀d​f⇀ Wenn sich der Spulenstrom ändert, gilt d​I​ d​QM ​ ​ = μ​0 n​A​ , d​t​ d​t​ dadurch wird die Spannung Uind induziert: d​I​ d​QM ​ ​ d​I​ 2 = −μ​0 n​ l​A​ = −L​ . d​ t ​ d​ t ​ d​t​ n​ ⋅ l​

N​ U​ind​ = − ⏟

cos​ (B​⇀,d​f⇀ ​ ) = 1):

265

4.2 Selbstinduktion, Gegeninduktion, Energie des elektromagnetischen Feldes

Daraus ergibt sich die Induktivität der Zylinderspule: 2

L​Solenoid​ = μ​0 n​ A​ ⋅ l​ .

4.2.2 Schaltvorgang im LR-Kreis R

I −

U0

S

L

Uind

+ I Abb. III-4.6: Einschaltvorgang in einem Kreis aus Spule und ohmschem Widerstand.

Wir betrachten den Einschaltvorgang in einem Leiterkreis mit Spannungsquelle, Widerstand und Spule näher und schalten dazu wieder eine Spannungsquelle U0 über einen ohmschen Widerstand R an eine Spule mit der Induktivität L (Abb. III4.6). Bei geschlossenem Schalter S ist die Quelle kurzgeschlossen, die Klemmenspannung ist Null und im Kreis fließt kein Strom (U0 fällt zur Gänze am inneren Widerstand der Quelle ab, was dieser aber nur kurz zugemutet werden darf, da sie sonst wegen der Wärmeentwicklung Schaden nimmt). Nach Öffnen des Schalters S liegt die Spannung U0 im Kreis, es fließt der Strom I und erzeugt am Widerstand den Spannungsabfall R⋅I. An der Spule wird durch Selbstinduktion eine Spannung U​ind​ = −L​

d​I​ erzeugt, die der angelegten Spannung U0 entgegenwirkt. Die And​t​

wendung der Kirchhoffschen Schleifenregel (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.2.3) ergibt:4 −U​0 + R​ ⋅ I​ − U​ind​ = 0

(III-4.17)

und führt daher auf die inhomogene lineare Differentialgleichung 1. Ordnung

4 In der Kirchhoffschen Schleifenregel ist die Spannung einer Quelle, die von – nach + durchlaufen wird, negativ einzusetzen.

266

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

L​

d​I​ + R​ ⋅ I​ = U​0 d​t​

(III-4.18)

mit der Lösung (analog zur Aufladung eines Kondensators, siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.2.2) R​

I​ =

− t​ U​0 U​0 −t​/​τ​ (1 − e​ L​ ) = (1 − e​ L​ ) R​ R​

(III-4.19)

mit

τ​L​ =

L​ R​

induktive Zeitkonstante (inductive time constant) (III-4.20)

(Abb. III-4.7). I IS = U0/R L3 > L2

U0 0,63⋅ ___ R

L2 > L 1 L1

t Abb. III-4.7: Einschaltvorgang im RL-Kreis. Mit zunehmender Induktivität L der Spule nimmt die Zeitkonstante τ = L/R und damit die Zeit bis zum Erreichen des Stromendwerts IS = U0/R zu.

Setzen wir für t die induktive Zeitkonstante τL ein, also t​ = τ​L,​ so erhalten wir für den Strom, der zu diesem Zeitpunkt fließt I​ =

U​0 U​0 −1 (1 − e​ ) = 0,63 ⋅ ; R​ R​

(III-4.21)

der Strom erreicht also innerhalb der Zeit τL 63 % seines Endwertes U0 /R. Wir sehen also: Wenn eine Induktivität (Spule) im Leiterkreis vorhanden ist, steigt der Strom beim Einschalten nicht sprunghaft auf seinen Endwert an, sondern

4.2 Selbstinduktion, Gegeninduktion, Energie des elektromagnetischen Feldes

267

kontinuierlich mit einer zeitlichen Verzögerung; die Selbstinduktion im Stromkreis verhindert daher sprunghafte Stromänderungen. Die Induktivität (Spule) wirkt anfänglich der Stromänderung entgegen, aber nach längerer Zeit verhält sie sich nur mehr wie ein normaler Leiter.5 Schließen wir nun in der obigen Schaltung den Schalter S nach Erreichen des Stromendwertes IS, so wird die Spannung U0 durch Kurzschluss aus dem Kreis genommen, der jetzt nur mehr aus Induktivität (Spule) und ohmschem Widerstand besteht. Der im Augenblick des Kurzschlusses zur Zeit t = 0 fließende Strom U​0 (Anfangsbedingung für die Integration) bleibt momentan erhalten, nimmt I​S​ = R​ in der Folge aber mit der Zeit ab. Nach der Kirchhoffschen Schleifenregel gilt dann R​ ⋅ I​ − U​ind​ = R​ ⋅ I​ + L​

d​I​ = 0. d​t​

(III-4.22)

Die Anfangsbedingung lautet: für t = 0 (Kurzschluss der Spannungsquelle) ist I = IS. Damit ist die Lösung der DG I​ = I​0 ⋅ e​ − t​ ∕ τ​L​ .

(III-4.23)

Beim Überbrücken von U0 (= Ausschalten der Spannung ohne den Kreis zu unterbrechen) verschwindet also der Strom nicht sofort, sondern die in der Spule gespeicherte Energie sorgt für einen exponentiellen Abfall (Abb. III-4.8). I U0 IS = ___ R

t0 U0 zugeschaltet, S offen

U0 kurzgeschlossen, S geschlossen

t

Abb. III-4.8: Beim Ausschalten der Spannung ohne den Kreis zu unterbrechen (Kurzschließen der Spannungsquelle U0) verschwindet also der Strom nicht sofort, sondern klingt exponentiell ab.

5 Gerade umgekehrt ist das Verhalten eines Kondensators im RC-Kreis (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.2.2, Abb. III-2.5): Anfänglich fließt im Kreis der Ladestrom des Kondensators, der mit zunehmender Aufladung abnimmt; nach längerer Zeit verhält sich der ideale Kondensator dann nur mehr wie eine Leitungsunterbrechung und es fließt kein Strom mehr.

268

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

4.2.3 Gegeninduktion (mutual induction) Wir betrachten jetzt zwei nahe benachbarte Spulen: Eine Spule ist über einen Schalter S mit einer Spannungsquelle U, die andere ist nur mit einem Spannungsmesser verbunden (Abb. III-4.9). Ein Teil Φ′1,M​ des magnetischen Flusses Φ1,M​ im „primären“, stromdurchflossenen Leiterkreis 1 durchsetzt den „sekundären“ Leiterkreis 2 und erzeugt dort einen magnetischen Fluss Φ2,M​ , der proportional zum Strom I1 im Leiterkreis 1 ist: Φ′1,M​ = Φ2,M​ = L​12 I​1 ;

(III-4.24)

L​12 ist der Gegeninduktionskoeffizient oder die Gegeninduktivität (mutual induction) mit der Einheit [L12] = 1 H. Kreis 1

S

U

Kreis 2

Uind

Abb. III-4.9: Zur Gegeninduktion in zwei nahe benachbarten Spulen.

Wird in der ersten Spule durch Ein- oder Ausschalten der Strom I1 und dadurch der magnetische Fluss Φ1,M​ geändert, so wird dadurch eine Spannung U​ 2,ind im Sekundärkreis induziert:

U​ 2,ind​ = −

d ​Φ2,M​ d​I1​ = −L​12 . d​t​ d​t​

(III-4.25)

Fließt andererseits im Leiterkreis 2 ein zeitlich veränderlicher Strom, so wird dadurch eine Induktionsspannung im Kreis 1 erzeugt: U​ 1,ind​ = −

d ​Φ1,M​ d​I2​ = −L​21 ; d​t​ d​t​

(III-4.26)

269

4.2 Selbstinduktion, Gegeninduktion, Energie des elektromagnetischen Feldes

Allgemein gilt für je zwei beliebige Leiterkreise i und k: L​k​i​ = L​i​k​ ;

(III-4.27)

für die obige Anordnung ist dies schon aus Symmetriegründen ersichtlich. 4.2.4 Die Energie des elektromagnetischen Feldes Für die Energie des elektrischen Feldes (die im elektrischen Feld gespeicherte Energie) fanden wir am Beispiel des Plattenkondensators (siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.5.3, Gln. (III-1.93) und (III-1.95)) W​el =

1 1 2 1 2 Q​ = C​U​ 2 C​ 2

(III-4.28)

und für die Energiedichte w​el = w​E​ =

1 2 ε​0 E​ . 2

(III-4.29)

Um einen Strom durch eine Spule fließen zu lassen, ist – abgesehen von den meist vernachlässigten ohmschen Verlusten – wegen der Selbstinduktion ein Energieaufwand erforderlich, der anschließend im erzeugten Magnetfeld steckt. Schaltet man dann die äußere Spannungsquelle ab, so fließt der Strom weiter und klingt exponentiell ab; die erforderliche Energie kommt aus dem Magnetfeld der Spule. Die vom Strom in der Zeit t2 – t1 in der Spule verrichtete Arbeit ist t​2

t​2

W​ = ∫P​d​t​ = ∫I​ ⋅ U​ ⋅ d​t​ . t​1

(III-4.30)

t​1

Vom Zeitpunkt t = 0 der Spannungsabschaltung an wird der noch weiter fließende Strom (siehe Abb. III-4.8) durch das noch vorhandene Magnetfeld erzeugt und daher magnetische Arbeit verrichtet t​2 = ∞​

t​2 = ∞​

W​M​ = ∫ I​ ⋅ U​ ⋅ d​t​ = ∫ I​ 2 ⋅ R​ ⋅ d​t​ . t​1 = 0

(III-4.31)

t​1 = 0

Nach Abschaltung der äußeren Spannungsquelle U0 nimmt der Spulenstrom exponentiell ab (Abschnitt 4.2.2, Gl. III-4.23): I​ = I​0 e​

− t​/​τL​ ​

mit der induktiven Zeitkonstante τ​L​ =

= I​0 e​



R​ L​

⋅t​

L​ (Abschnitt 4.2.2, Gl. III-4.20). R​

270

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

Damit erhalten wir die vom Magnetfeld verrichtete Arbeit unter Verwendung 1 von ∫e​ a​x​ d​x​ = e​ a​x​ a​ ∞​

W​M​ =

2 ∫I​ 0 e​



2 R​ L​

t​

⋅ R​d​t​ =

0

2 I​ 0

∞​ − 2 R​ t​ R​∫e​ L​ d​t​ 0

=

2 I​ 0

L​ − R​ | − e​ 2 R​

2 R​ L​

∞​ t​

2

= I​ 0 R​

| 0

1 2 = L​I​ 0 ⋅ 2

L​ = 2 R​ (III-4.32)

Für die Induktivität eines Solenoids fanden wir oben (Abschnitt 4.2.1, Beispiel ‚Induktivität einer sehr langen Zylinderspule (Solenoid)’) L​Solenoid​ = μ​0 n​ 2 A​ ⋅ l​ = μ​0 n​ 2 ⋅ V​

(III-4.33)

(Spulenvolumen V​ = A​ ⋅ l​). Für die Energiedichte ergibt sich damit w​M​ =

Setzen wir noch für den Strom I​0 = ids) ein, so erhalten wir

w​M​ =

1 1 2 B​ 2 μ​0

W​M​ 1 2 2 = μ​0 n​ I​ 0 . V​ 2

(III-4.34)

B​ (aus dem Magnetfeld B​ = μ​0 n​I0​ des Solenoμ​0 n​

Energiedichte des magnetischen Feldes.

(III-4.35)

Wir fassen die Energiedichten des elektrischen und des magnetischen Feldes zusammen: 1 1 2 w​E​M​ = w​E​ + w​M​ = (ε​0 E​ 2 + B​ ) . 2 μ​0

(III-4.36)

Mit 1

√ε​0 μ​0

= c​,

1 2 = ε​0 c​ μ​0

(Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.3.4, Gl. (III-3.138) und Versuch von Weber und Kohlrausch) folgt daraus

271

4.3 Induzierte Magnetfelder

w​E​M​ =

1 2 2 2 ε​0 (E​ + c​ B​ ) 2

(III-4.37)

Energiedichte des elektromagnetischen Feldes im Vakuum (energy density of the electromagnetic field in vacuum). In der Materie müssen die relativen Permittivitäten εr und Permeabilitäten μr berücksichtigt werden (D​ = ε​0 ε​r​ E​, H​ =

1 1 2 B​), daher (mit = ε​0 c​ ) μ​0 μ​r​ μ​0

1 1 1 2 2 w​E​M​ = (ε​0 ε​r​ E​ + B​ ) = (E​ ⋅ D​ + B​ ⋅ H​) 2 μ​0 μ​r​ 2

(III-4.38)

Energiedichte des elektromagnetischen Feldes in der Materie ohne permanente Polarisation (energy density within (linear) substance).

4.3 Induzierte Magnetfelder d​ΦM​ Das Faradaysche Induktionsgesetz ∮ E​⇀d​ l​⇀= − (Abschnitt 4.1, Gl. III-4.4) besagt, d​t​ C​ d​ ΦM​ dass eine zeitliche Änderung des magnetischen Flusses durch eine von der d​t​ Schleife C begrenzte Fläche ein elektrisches Wirbelfeld entlang dieser geschlossenen Schleife C erzeugt. Wir fragen: Erzeugt die zeitliche Änderung eines elektrischen Flusses auch ein magnetisches Wirbelfeld? Die Antwort wurde von Maxwell 6 in seinem Induktionsgesetz gegeben: d​ΦE​ ∮ B​⇀0 d​l⇀ ​ = μ​0 ε​0 d​t​ C​

Maxwellsches Induktionsgesetz im Vakuum .

(III-4.39)

Magnetfelder werden also nicht nur von Strömen, sondern auch von sich zeitlich verändernden elektrischen Feldern erzeugt!

6 James Clerk Maxwell, 1831–1879, schottischer Physiker. In den nach ihm benannten „MaxwellGleichungen“ fasste er die experimentellen Tatsachen der elektromagnetischen Erscheinungen zusammen (siehe Abschnitt 4.4).

272

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

Beispiel: Aufladung eines Plattenkondensators.



E

I

+



+



+



+



+



+



+



+







B0-Feld bei wachsendem E I

Beim Aufladen eines Plattenkondensators entsteht durch den Ladestrom ein wachsendes elektrisches Feld E​⇀zwischen den Platten und damit ein steigender elektrischer Fluss ΦE. Dadurch wird innerhalb und außerhalb der Kondensatorplatten ein Magnetfeld mit Zylindersymmetrie erzeugt, also ein Feld mit geschlossenen Feldlinien (Wirbeln). Im Beispiel der obigen Skizze verläuft das durch den Ladestrom verursachte Magnetfeld entsprechend der „Rechte-HandRegel“ in konzentrischen Kreisen im Uhrzeigersinn, wenn man in die Richtung des Ladestroms blickt. Würde dagegen in einem zum obigen elektrischen Feld analogen homogenen magnetischen Feld der magnetische Fluss ansteigen, so entstünde ein elektrisches Wirbelfeld mit kreisförmigen, geschlossenen elektrischen Feldlinien, die entsprechend dem negativen Vorzeichen der Flussänderung im Faradayschen Induktionsgesetz (siehe Abschnitt 4.1, Gl. III-4.4) gegen den Uhrzeigersinn gerichtet wären. Erinnern wir uns an das Amperesche Durchflutungsgesetz (siehe Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.2.3, Gl. III-3.63), das die Erzeugung eines magnetischen Wirbelfeldes B​⇀0 entlang einer geschlossenen Schleife C durch einen Leitungsstrom IA beschreibt, der durch die Fläche der Schleife hindurchtritt: ∮B​⇀0 d​l​ = μ​0 I​A.​ C​

Auch das Maxwellsche Induktionsgesetz beschreibt die Erzeugung eines magnetischen Wirbelfeldes B​⇀entlang einer geschlossenen Schleife C, und zwar durch die zeitliche Änderung des elektrischen Flusses ΦE​ = ∫E​⇀⋅ d​f⇀ ​ A​

(III-4.40)

273

4.3 Induzierte Magnetfelder

durch die Schleife. Beide Gesetze beschreiben also die Erzeugung eines Magnetfeldes in der gleichen Form, wir können sie daher zu einem kombinierten Gesetz zusammenfassen: d​ΦE​ ∮B​⇀0 d​l⇀ ​ = μ​0 I​A​ + μ​0 ε​0 d​t​ C​

Ampere-Maxwell Gesetz im Vakuum.7

Wir sehen aus der obigen Gleichung, dass ε​0

(III-4.41)

d​ΦE​ die Dimension eines elektrischen d​t​

Stromes haben muss, man nennt ihn den Maxwellschen Verschiebungsstrom IV :

I​V​ = ε​0

d​ΦE​ d​t​

Maxwellscher Verschiebungsstrom im Vakuum.8

(III-4.42)

Damit können wir das Ampere-Maxwell-Gesetz auch so schreiben: Ampere-Maxwell Gesetz im Vakuum;9

∮ B​⇀0 d​l⇀ ​ = μ​0 (I​A​ + I​V​ ) C​

(III-4.43)

I​V​ ist der „Verschiebungsstrom“, der durch die Schleife C hindurchtritt.

Anschauliche Bedeutung des Verschiebungsstromes Wir betrachten dazu nochmals den Ladestrom eines Plattenkondensators: Der Ladestrom bringt Ladungen auf die eine Platte und entleert die andere, dadurch ändert sich das elektrische Feld zwischen den Platten, es fließt zwischen den Platten der Verschiebungsstrom!

7 In der „linearen“ Materie gilt: ∮ B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 μ​r​ I​A​ + μ​0 μ​r​ ε​0 ε​r​ C​

8 In der „linearen“ Materie muss es heißen: I​V​ =

d​ΦD​ d​t​

d​ΦE​ d​t​

= ε​0 ε​r​



∮ H​⇀d​l⇀ ​ = I​A​ + C​

d​ΦE​ d​t​

d​t​

.

. Zur genaueren Betrachtung des

Verschiebungsstroms und seiner anschaulichen Bedeutung siehe Anhang 1. 9 Bzw. ∮ H​⇀d​l​ = I​A​ + I​V​ in der (linearen) Materie. C​

d​ΦD​

274

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

Für das Vakuum-Feld im Plattenkondensator gilt (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.5.2, Gl. III-1.89) E​ =

1 Q​ ε​0 A​



Q​ = ε​0 A​E​

ΦE​ = ∫E​⇀d​f⇀ ​ ⏟ = E​∫d​f​ = E​ ⋅ A​



(III-4.44)

E​⇀⫽d​f⇀ ​ A​

A​

Damit ergibt sich für den Ladestrom in den Zuleitungsdrähten

I​ =

d​Q​ ∂​E​ = ε​0 A​ . d​t​ ∂​t​

(III-4.45)

Entsprechend der obigen Gl. (III-4.42) gilt für den Verschiebungsstrom zwischen den Platten

I​V​ = ε​0

∂​E​ d​ ΦE​ = ε​0 A​ , d​t​ ∂​t​

(III-4.46)

das heißt I​V​ = I​, der Verschiebungsstrom ist gleich dem Ladestrom:

1

Der Verschiebungsstrom verbindet den außerhalb des Kondensators real fließenden Ladestrom zwischen den Kondensatorplatten, wodurch auch bei der Aufladung eines Kondensators ein geschlossener Stromkreis vorliegt!

Wir wollen jetzt das Ampere-Maxwell Gesetz in eine differentielle Form bringen. Dazu schreiben wir es um, indem wir zunächst zur Stromdichte j​⇀und zur elektrischen Feldstärke E​⇀übergehen: ​ = μ​0 ( ⏟ I​A​ + ∮ B​⇀0 d​l⇀ C​

​ = ∫j​⇀d​f⇀ A​

= ε​0

I​V​ ⏟ ∂​

).

∫E​⇀d​f⇀ ​

∂​t​ A​

Die Anwendung des Stokesschen Satzes ⇀ × υ​⇀)d​f⇀ ​ = ∮ rot ​υ⇀​d​f⇀ ​ = ∫ (∇ ​) ( ∮ υ​⇀d​l⇀ C​ (A​)

A​ (C​)

A​ (C​)

(III-4.47)

4.3 Induzierte Magnetfelder

275

ergibt 10 ∂​E​ ⇀ d​f​ ∂​t​ A​

⇀ × B​⇀0 d​f⇀ ∮ B​⇀0 d​l⇀ ​ = ∫rot​B⇀​ 0 d​f⇀ ​ = ∫∇ ​ = μ​0 ∫j​⇀d​f⇀ ​ + ε​0 μ​0 ∫ A​

C​ (A​)

A​

A​

und damit unter Verwendung von ε​0 μ​0 =

⇀ × B​⇀0 = μ​0 j​⇀+ rot​ B​⇀0 = ∇

1 ∂​E⇀​ c​ 2 ∂​t​

(III-4.48)

1 c​ 2

Ampere-Maxwell Gesetz im Vakuum in differentieller Schreibweise.

(III-4.49)

Man kann leicht zeigen, dass damit die Kontinuitätsgleichung erfüllt ist, also erst das kombinierte Ampere-Maxwell Gesetz die Ladungserhaltung richtig wiedergibt. Wir bilden dazu div rot​ B​⇀=





⇀ ⇀ × B​ ) ∇ (∇ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Spatprodukt ​ ⇒ die​ Vektoren​ können​ zyklisch​ vertauscht​ werden​

⇀ ⇀) = 0 = B​⇀(∇ ×∇ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-4.50)

=0

∂​ ⇀(∇ ⇀ × B​⇀) = μ​0 ∇ ⇀j​⇀+ ε​0 μ​0 ∇ ⇀E​⇀= 0 . ∇ ∂​t​

(III-4.51)

Wir wissen vom differentiell formulierten elektrostatischen Gaußschen Gesetz (Abschnitt 1.2.2, Gl. III-1.23), dass gilt ⇀E​⇀= ∇

ρ​ ε​0

und sehen daher ∂​ρ​ ⇀j​⇀+ ∇ =0 ∂​t​

Kontinuitätsgleichung (= Ladungserhaltung).

(III-4.52)

10 Andere Möglichkeit, die auch in der (linearen) Materie gilt:



B​⇀o​

C​(A​) μ​0

d​l⇀ ​ = ∫j​⇀d​f⇀ ​+∫ A​

A​

∂​(ε​0 E​⇀) ∂​t​

d​f⇀ ​



∮ H​⇀d​l⇀ ​ = ∫j​⇀d​f⇀ ​+∫ C​(A​)

A​

∂​D⇀​

∂​t​ A​



rot ​H⇀​ = j​⇀+

∂​D⇀​ . ∂​t​

276

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

Beispiel: In einem kreisförmigen Plattenkondensator induziertes Magnetfeld. Der Abstand der Platten soll im Vergleich zu ihrem Radius so klein sein, dass das Streufeld am Plattenrand vernachlässigt werden kann. Wir betrachten den Raum zwischen den Platten des Kondensators als „imaginären“ Leiter mit kreisförmigem Querschnitt und dem Radius R der Kondensatorplatten. Ändert sich die Ladung des Kondensators, also auch das elektrische Feld zwischen den Platten, so fließt durch diesen „imaginären“ Leiter der Verschiebungsstrom I​V.​ Plattenkondensator



Ampere Schleife, Integrationsweg C

B



dl C

Verschiebungsstrom Iv , aus der Zeichenebene heraus, homogen über die Plattenfläche verteilt r R Blick ins Innere eines kreisförmigen Plattenkondensators normal zur Plattenfläche gegen die Richtung des Ladestroms und damit auch gegen den Verschiebungsstrom.

Das Magnetfeld innerhalb der Platten gleicht aufgrund des Verschiebungsstroms dem Magnetfeld eines dicken, geraden, stromdurchflossenen Leiters, sodass gilt: ∮B​⇀d​l⇀ ​ ⏟ = B​∮d​l​ = B​ ⋅ 2 π​ r​ . C​

B​⇀⫽d​l⇀ ​ C​

Wir nehmen an, dass der Verschiebungsstrom zwischen den Kondensatorplatten homogen über den Querschnitt verteilt ist. Für den Strom IA innerhalb des kreisförmigen Integrationsweges C gilt dann I​A​ = I​V​

r​ 2 π​ R​ 2 π​

,

wenn IV der gesamte Verschiebungsstrom im Kondensator, r der Radius der Ampere Schleife (Integrationsweg C) und R der Radius der Kondensatorplatte ist.

4.4 Die Maxwell-Gleichungen (1855/56)

277

Das Amperesche Durchflutungsgesetz lautet dann im Inneren des Kondensators (r < R): ∮B​⇀d​l⇀ ​ = B​ ⋅ 2 π​ r​ = μ​0 I​V​

r​ 2 π​ 2

R​ π​

μ​0 I​V​ )r​ B​innen​ = ( 2 2 π​ R​



wie im Falle eines metallischen Leiters (siehe Anhang 1). Magnetfeld außerhalb der Platten (r > R): Jetzt ist der Radius der Ampere Schleife größer als der Radius der Kondensatorplatte und es wirkt der ganze Verschiebungsstrom IV unabhängig von der Größe von r. Damit ergibt sich das Amperesche Durchflutungsgesetz zu B​ ⋅ 2 π​ r​ = μ​0 I​V​ ⇒

B​außen​ =

μ​0 I​V​ . 2 π​ r​

Wichtig: Der Verschiebungsstrom IV (siehe Gl. III-4.42) ist nur dann konstant, ∂​E​ wenn sich das E​⇀-Feld mit zeitlich konstanter Rate ändert ( = const.​). ∂​t​

4.4 Die Maxwell-Gleichungen (1855/56)

11

Die für das elektrische und magnetische Feld, also das elektromagnetische Feld, bestimmenden, experimentell gefundenen Zusammenhänge, können in vier Gleichungen, den Maxwell-Gleichungen, in integraler oder differentieller Darstellungsweise zusammengefasst werden. Wir schreiben sie zuerst für die Felder im Vakuum auf.

1. Maxwell-Gleichung: Elektrisches Gaußsches Gesetz ≙ Coulomb-Gesetz Die erste Maxwell-Gleichung, die das statische, elektrische Feld bestimmt, ist das Gausssche Gesetz, das dem Coulomb-Gesetz entspricht (Gln. (III-1.19) und (III-1.23)):

11 Den Verschiebungsstrom fügte Maxwell erst 1861/62 hinzu.

278

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

integrale Darstellung ∮E​⇀⋅ d​f⇀ ​= A​

differentielle Darstellung

Q​innen​ 1 = ∫ρ​ d​V​ ε​0 ε​0 V​

⇀⋅ E​⇀= ∇

ρ​ . ε​0

Die integrale Darstellung setzt den elektrischen Netto-Fluss durch eine geschlossene Fläche A zur darin eingeschlossenen Ladung Qinnen in Beziehung, die differentielle Darstellung verknüpft die elektrische Feldstärke mit der räumlichen Verteilung der Ladungsdichte ρ. Es folgt daraus, dass das Feld einer Punktladung mit dem 1 Abstand r proportional zu 2 fällt. r​

2. Maxwell-Gleichung: Magnetisches Gaußsches Gesetz ∮ B​⇀⋅ d​f⇀ ​=0

⇀⋅ B​⇀= 0 ∇

A​

(Gln. (III-3.6) und (III-3.8)). D. h.: Es existieren keine „magnetischen Ladungen“ (isolierte magnetische Pole), das magnetische B​⇀-Feld ist also quellenfrei, die magnetischen Feldlinien sind geschlossene Linien, die nirgends im Raum entspringen oder enden.

3. Maxwell-Gleichung: Faradaysches-Induktionsgesetz d​ ∮ E​⇀⋅ d​l⇀ ​ = − ∫B​⇀d​f⇀ ​ d​t​ A​ C​

⇀ × E​⇀= − ∇

∂​B⇀​ ∂​t​

(Gln. (III-4.4) und (III-4.6)). Während das statische elektrische Feld konservativ ist und daher das Wegintegral der Feldstärke zwischen zwei Punkten nicht vom Weg ​ = 0), ist ein elektrisches Feld, das durch ein sich abhängt (E​⇀= −grad​ Φ ⇔ ∮ E​⇀d​l⇀ C​

zeitlich änderndes magnetisches Feld induziert wird, ein (nicht-konservatives), quellenfreies Wirbelfeld.

4. Maxwell-Gleichung: Ampere-Maxwell Gesetz d​ ∮ B​⇀⋅ d​l⇀ ​ = μ​0 I​A​ + ε​0 μ​0 ∫E​⇀⋅ d​f⇀ ​ d​t​ A​ C​

∂​E⇀​ ⇀ × B​⇀= μ​0 j​⇀+ ε​0 μ​0 ∇ ∂​t​

Zusammenfassung

279

(Gln. (III-4.41) und (III-4.49)). Die Ursache für magnetische Felder sind also einerseits elektrische Ströme, andererseits sich zeitlich ändernde elektrische Felder. Während statische und induzierte Magnetfelder immer nicht-konservative Wirbelfelder sind, sind nur die induzierten elektrischen Felder Wirbelfelder, statische elektrische Felder sind konservativ. Alle Maxwell-Gleichungen beschreiben experimentelle Befunde, sie sind nicht aus Grundprinzipien ableitbar! Die Maxwell-Gleichungen verändern sich nicht, wenn die Lorentz-Transformationen auf sie angewendet werden (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.2, Gl. II-3.28): 1

Die Maxwell-Gleichungen sind Lorentz-invariant. Im allgemeinen Fall, d. h. sowohl im Vakuum als auch in der Materie, lauten die Maxwell-Gleichungen in differentieller Form: ⇀⋅ D​⇀= ρ​ ∇ ⇀⋅ B​⇀= 0 ∇ ∂​B⇀​ ∂​t​ ∂​D⇀​ ⇀ × H​⇀= j​⇀+ ∇ ∂​t​

⇀ × E​⇀= − ∇

(III-4.53)

Zusätzlich gelten die Materialgleichungen (Gln. (III-1.132), (III-3.177) und (III-2.17)): D​⇀= ε​⏟ ⋅ E​⇀ ε​0 ⋅ε​r​

B​⇀= ⏟ μ​ ⋅ H​⇀ μ​0 μ​r​

j​⇀= σ​E⇀​, wobei im Vakuum ε​ = ε​0 (ε​r​ = 1) und μ​ = μ​0 (μ​r​ = 1) zu setzen ist.

Zusammenfassung 1. Wenn sich der magnetische Fluss durch eine von einer Kurve C umschlossenen Fläche A ändert, wird längs der Kurve C ein elektrisches Feld erzeugt, dessen Feldlinien geschlossene Linien entlang C sind, also ein elektrisches Wirbelfeld:

280

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

d​ΦM​ d​ U​ind​ = ∮E​⇀d​l⇀ ​=− ​ = − ∮ B​⇀d​f⇀ d​t​ d​t​ A​ C​

bzw.

rot​E⇀​ = −

d​B⇀​ d​t​

Faradaysches Induktionsgesetz (3. Maxwell-Gleichung).

2.

⇀ × A​⇀(r​⇀,t​)) kann das FaraMit Hilfe des Vektorpotenzials A​⇀(r​⇀,t​) (B​⇀= rot​ A​⇀(r​⇀,t​) = ∇ daysche Induktionsgesetz auch so geschrieben werden:

E​⇀= −

∂​A⇀​ (r​⇀,t​) . ∂​t​

3.

Die Lenzsche Regel besagt, dass die durch Induktion entstehenden Ströme, Felder und Kräfte stets dem die Induktion hervorrufenden Vorgang entgegenwirken. 4. Fließt durch eine Spule mit der Selbstinduktion L ein zeitlich veränderlicher Strom I(t), der einen zeitlich veränderlichen magnetischen Fluss ΦM​ durch ihre Windungsfläche erzeugt, so entsteht durch Selbstinduktion an den Spulenenden eine Spannung Uind , die der eingeprägten Stromänderung entgegenwirkt:

U​ind​ = −

d​ΦM​ d​I​ = −L​ , d​t​ d​t​

wobei L der Selbstinduktionskoeffizient ist, ein Proportionalitätsfaktor zwischen dem den Leiterkreis durchsetzenden magnetischen Fluss ΦM​ und dem Strom I im Kreis: ΦM​ = L​ ⋅ I​ .

5.

Der an der Spule stets auftretende Spannungsabfall beträgt Uind; er hält einer von außen an der Spule angelegten Spannung U0 das Gleichgewicht: U​0 − U​ind​ = 0. Durchsetzt der magnetische Fluss einer stromdurchflossenen Spule (1) die Windungsfläche einer nahe benachbarten Spule ohne äußere Stromquelle (2) zumindest teilweise, so wird an den Enden dieser Spule durch Gegeninduktion eine Spannung U​ 2,ind​ erzeugt:

U​ 2,ind​ = −

d​Φ2,M​ d​I1​ = −L​12 , d​t​ d​t​

Zusammenfassung

281

wobei L12 der Koeffizient der Gegeninduktion ist, für den gilt Φ2,M​ = L​12 ⋅ I​1 . 6. Für die Energiedichte des magnetischen Feldes ergibt sich

w​M​ =

1 1 2 B​ 2 μ​0

Energiedichte des magnetischen Feldes.

1 2 ε​0 E​ zur Ener2 giedichte des elektromagnetischen Feldes zusammengefasst werden

Dies kann mit der Energiedichte des elektrischen Feldes w​E​ =

w​E​M​ =

1 2 2 2 ε​0 (E​ + c​ B​ ) 2

Energiedichte des elektromagnetischen Feldes.

Betrachtet man das elektromagnetische Feld in der Materie, so müssen noch die relativen Permittivitäten ε r und Permeabilitäten μ r berücksichtigt werden und es ergibt sich 1 1 1 w​E​M​ = (ε​0 ε​r​ E​ 2 + B​ 2 ) = (E​ ⋅ D​ + B​ ⋅ H​) 2 μ​0 μ​r​ 2 Energiedichte des elektromagnetischen Feldes in der Materie.

7.

d​ ΦE​ durch eine von einer Schleife C begrenzd​t​ ten Fläche, so wird ein magnetisches Wirbelfeld entlang dieser geschlossenen Schleife C erzeugt:

Ändert sich der elektrische Fluss

d​ ΦE​ ∮ B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 ε​0 d​t​ C​

Maxwellsches Induktionsgesetz (4. Maxwell-Gleichung für I​A​ = 0).

Magnetfelder werden also nicht nur von Leitungsströmen I​A,​ sondern auch von d​ ΦE​ zeitlich veränderlichen elektrischen Feldern erzeugt. ε​0 = I​V​ ist der Maxd​t​ wellsche Verschiebungsstrom im Vakuum. Erst durch Hinzunahme des Verschiebungsstroms zwischen den Kondensatorplatten ist im Plattenkondensator

282

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

∂​ρ​ = 0 und damit die Geschlossenheit des Stro∂​t​ mes im Falle einer anliegenden Wechselspannung erfüllt. 8. Das Maxwellsche Induktionsgesetz der Erzeugung magnetischer Wirbelfelder durch sich zeitlich ändernde elektrische Felder kann mit dem Ampereschen Gesetz der Erzeugung magnetische Wirbelfelder durch stationäre Ströme zum Ampere-Maxwell Gesetz kombiniert werden; im Vakuum gilt: ⇀j​⇀+ die Kontinuitätsgleichung ∇

d​ ΦE​ ∮ B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 I​A​ + μ​0 ε​0 d​t​ C​

⇀ × B​⇀= μ​0 j​⇀+ rot​ B​⇀= ∇

9.

1 ∂​E⇀​ c​ 2 ∂​t​

integrale Darstellung

differentielle Darstellung des Ampere-Maxwell Gesetzes (4. Maxwell-Gleichung).

Damit können die Maxwellschen Gleichungen formuliert werden, die alle experimentellen Befunde zusammenfassen; zunächst nur für das Vakuum: integrale Darstellung 1.

​= ∮ E​⇀⋅ d​f⇀ A​

2.

differentielle Darstellung

Q​innen​ ε​0

⇀⋅ E​⇀= ∇

∮ B​⇀⋅ d​f⇀ ​=0

ρ​ ε​0

⇀⋅ B​⇀= 0 ∇

A​

∂​B⇀​ ∂​t​

3.

d​ ∮ E​⇀⋅ d​l⇀ ​ = − ∫B​⇀d​f⇀ ​ d​ t​ A​ C​

⇀ × E​⇀= − ∇

4.

d​ ​ = μ​0 I​A​ + ε​0 μ​0 ∫E​⇀⋅ d​f⇀ ​ ∮ B​⇀⋅ d​l⇀ d​t​ A​ C​

⇀ × B​⇀= μ​0 j​⇀+ ε​0 μ​0 ∇

∂​E⇀​ . ∂​t​

10. In der Materie und im Vakuum (mit ε​r​ = μ​r​ = 1) lauten die Maxwell-Gleichungen: ⇀⋅ D​⇀= ρ​ ∇ ⇀⋅ B​⇀= 0 ∇ ∂​B⇀​ ∂​t​ ∂​D⇀​ ⇀ × H​⇀= j​⇀+ ∇ ∂​t​

⇀ × E​⇀= − ∇

Zusammenfassung

283

Zusätzlich gelten die Materialgleichungen: D​⇀= ε​⏟ ⋅ E​⇀ ε​0 ⋅ε​r​

B​⇀= ⏟ μ​ ⋅ H​⇀ μ​0 μ​r​

j​⇀= σ​E⇀​.

Übungen: 1. Ein 30 cm langer Kupferstab bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 50 cm/s rechtwinklig zu einem Magnetfeld von B = 0,8 T. Bestimme die im Stab induzierte Spannung (EMK). Hinweis: Verwende die Lorentz-Kraft auf die bewegten Elektronen des Stabes. 2. Eine Spule mit 20 Windungen und 400 cm2 Fläche rotiert gleichmäßig mit 10 U/s um eine Achse in der Spulenebene (die Spulenachse steht normal auf die Spulenebene) senkrecht zu einem homogenen Feld mit der Flussdichte B von 0,3 T. Wie groß ist die in der Spule induzierte mittlere EMK? 3. Lenzsche Regel: Gegeben sei ein metallischer Ring mit der Fläche F und dem Widerstand R. Der Ring sei nur in der z-Richtung verschiebbar und soll ein inhomogenes, um z rotationssymmetrisches Magnetfeld in z-Richtung durchfallen. Die Ringebene bleibt während des ganzen Vorganges so, dass ihre Flächennormale n​⇀in Feldrichtung zeigt. Bestimme die Bewegungsgleichung des Ringschwerpunktes und den durchfallenen Weg als Funktion der Zeit für den Fall, dass B = b⋅z. 4. Eine Spule, die einen ohmschen Widerstand von 15 Ω und eine Selbstinduktivität von 0,6 H besitzt, wird mit einer 120 V Gleichspannungsquelle verbunden. Wie verläuft der Strom als Funktion der Zeit a) nach dem Einschalten b) wenn nach längerem Betrieb die Spule von der Spannungsquelle getrennt und kurzgeschlossen wird? 5. Eine Serienschaltung aus einer Spule mit einer Induktivität von 0,14 H und einem Widerstand von 12 Ω sowie einem Kondensator von C = 0,5 mF liegt an einer Wechselspannung von Ueff = 110 V und 25 Hz. Berechne a) den Strom, b) den Phasenwinkel zwischen Strom und angelegter Spannung.

5

284

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

Anhang 1 Der Maxwellsche Verschiebungsstrom (Maxwellsche Ergänzung, displacement current) Ein stationärer, geradliniger elektrischer Strom erzeugt ein Magnetfeld, dessen Feldlinien kreisförmig um den Strom verlaufen (Kapitel „Stationäre Magnetfelder“, Abschnitt 3.2.3, Gl. (III-3.63) und Beispiel ‚Magnetfeld außerhalb eines langen, geraden Leiters‘): ∮ B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 I​A​ = μ​0 ∫ j​⇀d​f⇀ ​. C​ (A​)

(III-4.54)

A​ (C​)

Wir betrachten jetzt einen nicht-geschlossenen Stromkreis, z. B. einen Stromkreis mit einem Kondensator, auf dessen einem Pol (z. B. Platte) sich Ladungen anhäufen (Abb. III-4.10):

1 +Q

I

−Q +



+



+



+



+



+



+



+



I

Abb. III-4.10: Stromkreis, der durch einen Plattenkondensator unterbrochen ist.

Der Kondensator wird aufgeladen, es fließt im Leitersystem außerhalb des Kondensators der Ladestrom I. Zu einem gewissen Zeitpunkt der Aufladung befinden sich auf den Platen des Kondensators die Ladungsmengen +Q und –Q und zwischen den Platten herrscht das elektrische Feld E​⇀. Wählen wir als Gaußsche Oberfläche eine geschlossene Fläche (1), die die linke, positiv aufgeladene Platte des Kondensators umschließt, so lautet das Gaußsche Gesetz:

285

Anhang Der Maxwellsche Verschiebungsstrom

∮ E​⇀d​f⇀ ​= 1

Q​ . ε​0

(III-4.55)

Wird der Kondensator weiter aufgeladen, so nimmt die Ladungsmenge Q auf den Platten zu

Q​̇ =

d​Q​ d​ ​ > 0. = ε​0 ∮ E​⇀d​f⇀ d​t​ d​t​ 1

(III-4.56)

Während der Zeit dt fließt über den Leitungsdraht die Ladungsmenge d​Q​ = I​L​ ⋅ d​t​

(III-4.57)

auf die Platten. Wir untersuchen jetzt das durch den Strom verursachte Magnetfeld. Als Amperesche Schleife nehmen wir zunächst eine Schleife C um die Stromachse weit außerhalb des Kondensators, die eine Fläche A(2) umrandet (Abb. III-4.11):

C(2) IL

+



+



+



+



+



+



+



+



IL

A(2)

Abb. III-4.11: Amperesche Schleife C um die Stromachse weit außerhalb des Kondensators.

Für das Amperesche Durchflutungsgesetz gilt damit ∮ B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 ∫ j​⇀d​f⇀ ​. C​ (2)

(III-4.58)

A​ (2)

Die Integrationsfläche A(2) ist aber beliebig, solange sie von der gleichen Grenzkurve C(2) begrenzt wird. Wir wählen daher eine flaschenähnliche Integrationsfläche

286

4 Zeitlich veränderliche Felder und Maxwell Gleichungen

A(3): Der „Flaschenhals“ endet in der gleichen Grenzkurve C​ (3) = C​ (2) , aber der „Flaschenboden“ umschließt die linke Kondensatorplatte (Abb. III-4.12): A(1)

C(3) = C(2) IL A(3)

+



+



+



+



+



+



+



+



IL

Abb. III-4.12: Flaschenähnliche Integrationsfläche A(3) (dick blau ausgezogen): Der „Flaschenhals“ endet in der gleichen Grenzkurve C​ (3) = C​ (2) , aber der „Flaschenboden“ umschließt die linke Kondensatorplatte.

Durch die Fläche (3) fließt kein Leitungsstrom IL! Daher lautet in diesem Fall das Amperesche Durchflutungsgesetz



j​⇀d​f⇀ ​=0





B​⇀d​l⇀ ​ = 0;

(III-4.59)

C​ (3) = C​ (2)

A​ (3)

das Amperesche Gesetz liefert also hier kein eindeutiges Ergebnis! Damit sich auch bei der flaschenförmigen Fläche A(3) der gleiche Wert für das Magnetfeld wie für die Fläche A(2) ergibt, verlangen wir



B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 ε​0

C​ (3) = C​ (2)

d​ ∫ E​⇀d​f⇀ ​. d​t​ A​ (3)

(III-4.60)

Die Integration über die Fläche A(3) kann durch die Integration über die Fläche A(1) ersetzt werden, die im Zwischenraum zwischen den Kondensatorplatten verläuft, da das sich ändernde elektrische Feld E​⇀nur zwischen den Kondensatorplatten vorhanden ist und der geschlossene „Flaschenhals“ (Fläche A(3) – A(2)) wegen fehlender Feldstärke keinen Beitrag ergibt. Also

Anhang Der Maxwellsche Verschiebungsstrom

∮ B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 ε​0 C​ (2)

287

d​ d​ ∫ E​⇀d​f⇀ ​ = μ​0 ε​0 ∫ E​⇀d​f⇀ ​ = μ​0 Q​̇ = μ​0 I​V​ = μ​0 I​L​ ; (III-4.61) d​t​ A​ (3) d​t​ A​ (1)

IV ist der Verschiebungsstrom (displacement current), der durch die von C(2) berandeten Fläche A(3) hindurchtritt und genauso groß ist wie der Leitungsstrom IL, der durch die Fläche A(2) hindurchtritt, die von derselben Kurve C(2) berandet wird. Beide Flächen ergeben nach dem Ampereschen Durchflutungsgesetz längs C(2) das gleiche Magnetfeld B​⇀, der Verschiebungsstrom IV schließt also den Leitungsstrom IL. Wir kombinieren diese Erzeugung von magnetischen Wirbelfeldern durch sich zeitlich ändernde elektrische Felder mit dem Ampereschen Durchflutungsgesetz und erhalten das Ampere-Maxwell Gesetz ̇ ∮ B​⇀d​l⇀ ​ = μ​0 ∫ (j​⇀+ ε​0 E​⇀)d​f⇀ ​ C​ (A​)

(III-4.62)

A​

bzw. in differentieller Darstellung ⇀ × B​⇀= μ​0 (j​⇀+ ε​0 E​⇀̇ ) . ∇

(III-4.63)

Bilden wir die Divergenz davon ∂​ ∂​ ⇀(∇ ⇀ × B​⇀) ≡ div rot​B⇀​ ≡ 0 = μ​0 (∇ ⇀j​⇀+ ε​0 ∇ ⇀E​⇀) = μ​0 (div j​⇀+ ε​0 divE​⇀) ∇ ∂​t​ ∂​t​

⇀E​⇀= und setzen nach dem Gaußschen Gesetz ∇

(III-4.64)

ρ​ ein, so erhalten wir ε​0

∂​ρ​ ⇀j​⇀+ ∇ = 0, ∂​t​

(III-4.65)

also die Kontinuitätsgleichung, die bei Ladungserhaltung gelten muss (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.1.3, Gl. III-2.10). Wir sehen also: Erst mit der „Maxwellschen Ergänzung“, dem Verschiebungsstrom, wird die Ladungserhaltung auch bei nicht geschlossenen Leitungsströmen ⇀j​⇀≠ 0) erfüllt! (∇

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen Einleitung: Es werden zunächst einfache Wechselstromkreise besprochen: ein rein ohmscher, rein induktiver und rein kapazitiver Kreis, dann der Kreis mit ohmschem und induktivem bzw. ohmschem und kapazitivem Widerstand und schließlich der L-C-R-Serienkreis. Ein L-C-Kreis mit vernachlässigbarem ohmschen Widerstand stellt einen ungedämpften elektromagnetischen Schwingkreis dar, in dem die Ladungen, die Spannungen und der Strom ohne äußere Anregung im Kreis schwingen, wenn der zunächst aufgeladene Kondensator sich im Kreis entlädt. Ist der ohmsche Widerstand nicht zu vernachlässigen, stellt er für die Schwingung eine Dämpfung dar. Wird die Schwingung von außen angeregt, so kommt es für Anregungsfrequenzen im Bereich der Resonanzfrequenz beim Serienschwingkreis zur Spannungsüberhöhung an Spule und Kondensator gegenüber der Anregungsspannung, im Parallelschwingkreis zur Stromüberhöhung durch Spule und Kondensator gegenüber dem Strom durch die Quelle. Der schwingende Hertzsche Dipol sendet als „offener“ Schwingkreis elektromagnetische Wellen in den Raum, er ist ein Sender. Das liegt daran, dass im schwingenden Dipol fortwährend elektrische Ladungen eine beschleunigte Bewegung ausführen: Während eine ruhende Ladung ein elektrisches Feld erzeugt und eine bewegte Ladung zusätzlich ein magnetisches Feld, strahlt eine beschleunigt bewegte Ladung elektromagnetische Wellen ab. Elektromagnetische Wellen genügen den Wellengleichungen für E​⇀und B​⇀. Analog zu mechanischen Wellen muss die Wellengleichung unter den vorgegebenen Randbedingungen gelöst werden, um die Wellenfunktionen E​⇀ und B​⇀ für ein bestimmtes Problem zu ermitteln. Mit der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen im Raum ist der Transport von Energie, Impuls und Drehimpuls verbunden. Die momentane Energiestromdichte gibt der Poynting-Vektor an, ihr zeitlich gemittelter Betrag ist die Intensität der Welle, die gemessen werden kann. Das Spektrum elektromagnetischer Wellen reicht von Radiowellen mit Wellenlängen λ > 1 m über Lichtwellen mit λ ≈ 10–6 m und die Röntgenstrahlung (λ ≈ 10–10 m) bis zur γ-Strahlung, die bei einem Zerfall den Atomkern mit λ ≈ 10–14 m verlässt. Die 4. Maxwell-Gleichung (Ampere-Maxwell-Gesetz, siehe Kapitel „Zeitlich veränderliche elektrische Felder und Maxwell-Gleichungen“, Abschnitt 4.3, Gl. ∂​E⇀​ ⇀ × B​⇀= μ​0 j​⇀+ ε​0 μ​0 beschreibt für das Vakuum, (III-4.49) und Abschnitt 4.4) ∇ ∂​t​

290

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

dass die Ursache für magnetische Felder einerseits elektrische Leitungsströme (Leitungsstromdichte j​⇀), andererseits sich zeitlich ändernde elektrische Felder (Ver∂​E​ schiebungsstromdichte ε​0 ) sind. Wenn also in einem Leiterkreis eine sich zeit∂​t​ lich ändernde elektrische Feldstärke auftritt, so stellt der Verschiebungsstrom einen Teil des gesamten Stromes dar. Wir befassen uns nun zunächst aber mit Vorgängen, die so langsam ablaufen, dass die Verschiebungsstromdichte im Vaku∂​E​ um und in der Materie ε​0 ε​r​ gegenüber der Leitungsstromdichte j​⇀vernachlässigt ∂​t​ werden kann; das sind quasistationäre Vorgänge. In diesem Fall sind die auftretenden elektrischen und magnetischen Felder eng an die im Kreis vorhandenen Schaltelemente wie Kondensatoren und Spulen gebunden und die auftretenden Ströme sind ortsunabhängig.

5.1 Der Wechselstromkreis Wenn sich eine flache Spule in einem homogenen Magnetfeld mit der Winkelgeschwindigkeit ω dreht, wird eine Wechselspannung U​ (t​) = U​0 sin​ (ω​t​ + δ​) induziert (vgl. Kapitel „Zeitlich veränderliche Felder“, Abschnitt 4.1, Gl. III-4.13).1 Wir gehen nun von einer solchen sinusförmigen Wechselspannung aus und wählen ohne Beschränkung der Allgemeinheit den Phasenwinkel, den wir hier anstatt des sonst π​ üblichen φ mit δ bezeichnen, zu δ​ = − . 2 Damit ergibt sich π​ U​ (t​) = U​0 sin​ (ω​t​ − ) = U​0 cos​ ω​t​ . 2

(III-5.1)

5.1.1 Nur rein ohmscher Widerstand R im Kreis Wir betrachten den Strom, der durch diese Wechselspannung durch einen ohmschen Widerstand R „getrieben“ wird (Abb. III-5.1).

1 Bei der in Europa üblichen Wechselspannung von 50 Hz, das entspricht 50 Perioden pro Sekunde, also 3000 Perioden pro Minute, sind daher bei einem Generator mit vierpoligem Rotor, d. h., vier Polwechsel und damit 2 Perioden pro Umdrehung, 3000/2 = 1500 U/min nötig.

5.1 Der Wechselstromkreis

+ −

− + Ua

~ + −

291

R

I⋅R − +

Abb. III-5.1: Wechselspannung Ua am ohmschen Widerstand R.

Am ohmschen Widerstand gilt auch im Falle von Wechselspannungen bei quaU​R​ (t​) sistationären Vorgängen zu jedem Zeitpunkt das Ohmsche Gesetz I​ (t​) = (siehe R​ Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.1.4, Gl. III-2.25), sodass durch R ein Wechselstrom (alternating current, AC) fließt. Die angelegte Spannung U​a​ (t​) und der Spannungsabfall (−I​ (t​) ⋅ R​) müssen sich nach der Kirchhoffschen Schleifenregel (2. Kirchhoffsche Regel, siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.2.3) zu Null ergänzen: U​a​ (t​) − I​ (t​) ⋅ R​ = 0 ;

(III-5.2)

mit U​a​ (t​) = U​0 cos​ ω​t​ folgt I​ (t​) =

U​0 cos​ ω​t​ = I​0 cos​ ω​t​ . R​

(III-5.3)

Am ohmschen Widerstand R sind also Strom (allgemein geschrieben: I​ (t​) = I​0 cos​ (ω​t​ + φ​)) und Spannung U​a​ (t​) = U​0 cos​ ω​t​ in Phase, also φ​ = 0, und es gilt für die Amplituden

I​0 =

U​0 . R​

(III-5.4)

5.1.2 Wechselstromleistung am ohmschen Widerstand, Effektivwert, Zeigerdiagramm Als Wechselstromleistung bezeichnen wir die momentane Wirkleistung P​ (t​)= U​ (t​) ⋅ I​ (t​), am ohmschen Widerstand also (Abb. III-5.2) P​ (t​) = U​ (t​) ⋅ I​ (t​) = U​0 I​0 cos​ 2 ω​t​

momentane Wirkleistung am ohmschen Widerstand.

(III-5.5)

292

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

U[V] I[A] P[W] P U I

0

T

t

Abb. III-5.2: Wechselstromleistung P = I ⋅ U am ohmschen Widerstand. Phasenverschiebung φ = 0 zwischen Strom I und Spannung U.

Bildet man den Mittelwert 〈P​〉 der Leistung über eine Periode, so erhält man T​

T​

1 U​0 I​0 2 2 ∫cos​ ω​t​d​t​ = 〈P​ 〉R​ = ∫U​0 I​0 cos​ ω​t​d​t​ = _ T​ 0 T​ 0 T​

=

=

T​ U​0 I​0 1 U​0 I​0 t​ 1 ( + ∫ (1 + cos​ 2ω​t​)d​t​ = sin​ 2 ω​t​) = T​ 0 2 T​ 2 4 ω​ 0

T​ 1 1 2 1 4 π​ U​0 I​0 1 ⋅ sin​ ⋅ t​ | ) = ⏟⏟⏟⏟⏟ U​0 I​0 = I​ 0 R​ . ( T​ + T​ 2 4 ω​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ T​ 2 2 = I​ R​ 0 0 _ =0

(III-5.6)

Diese elektrische Wirkleistung wird im ohmschen Widerstand in Wärme verwandelt (Widerstandsheizung). Wir fragen: Welcher Gleichstrom erzeugt am ohmschen Widerstand die gleiche Wir nennen ihn „Effektivwert“ des Wechselstroms Ieff. Leistung, also P​= = 〈P​A​C〉? ​ Für die Gleichstromleistung am ohmschen Widerstand gilt (Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.1.5, Gl. III-2.31) 2 P​= = I​ ⋅ R​;

2

damit folgt aus I​ eff​ ⋅ R​ = P​= = 〈P​AC 〉 = Ieff und der Wechselspannung Ueff

1 2 I​ 0 R​ für den Effektivwert des Wechselstroms 2

5.1 Der Wechselstromkreis = U​

I​eff​ =

I​0

√2



U​eff​ = I​eff​ ⋅ R​ =

293

0

I​⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ 0 ⋅ R​

√2

=

U​0

√2

,

also I​eff​ =

I​0

√2

= 0,707 ⋅ I​0

und

U​eff​ =

U​0

√2

= 0,707 ⋅ I​0

(III-5.7)

Effektivwerte von sinusförmigem Wechselstrom und sinusförmiger Wechselspannung. Beispiel: Die Wechselspannung, die den europäischen Haushalten als Netzspannung an der Steckdose zugeführt wird, hat eine Spannung von U​eff​ = 230 V und eine Frequenz von ν​ = 50 Hz​. Damit ergibt sich eine Spannungsamplitude U0 von U​0 = √2 ⋅ 230 V = 325,27 V und ein Augenblickswert U(t) von U​ (t​) = 325,27 ⋅ cos​ (2 π​ ⋅ 50 Hz) = 325,27 ⋅ cos​ (314,16 ⋅ t​), wobei die Zeit t in Sekunden zu nehmen ist. Hat ein Heizlüfter eine Heizleistung von 2000 W = 2 kW, so fließt durch seine Heizwicklung 〈P​〉 = 8,7 A ,2 I​eff​ = U​eff​ also ein für einen Haushalt beachtlicher Strom. Entsprechend dem üblichen Ansatz3 U​ (t​) = U​0 cos​ ω​t​ = U​0 e​ i​ω​t​ = U​⇀

2 Aus dem Mittelwert 〈P​〉 nach Gl. (III-5.6) folgt ja: 〈P​〉 =

U​0 I​0 2

=

U​0

√2

(III-5.8)



I​0

√2

= U​eff​ ⋅ I​eff​ . Diese Bezie-

hung gilt aber nur für eine rein ohmsche Belastung, bei der Strom und Spannung keine Phasendifferenz aufweisen – der allgemeine Fall mit Phasendifferenz φ wird in Abschnitt 5.1.7 behandelt. 3 Mit den Eulerschen Formeln eiz = cos(z) + i sin(z) und e–iz = cos(z) – i sin(z) kann die Funktion cos​ (ω​t​ + φ​) als Realteil der Funktion e​ i​(ω​t​ + φ​) – einem „Zeiger“ in der Gaußschen Zahlenebene – geschrieben werden, also: cos​ (ω​t​ + φ​) = Re​[e​ i​(ω​t​ + φ​)]; die Angabe, dass es sich nur um den Realteil handelt, wird dabei weggelassen. Genauer siehe Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.1.1, ‚Veranschaulichung des Schwingungsvorganges im Zeigerdiagramm‘. Die „Zeigerdarstellung“ von Wechselstromgrößen darf aber nur für lineare Beziehungen verwendet werden, für die ja gilt: Re​(a​⇀+ b​⇀) = Re​a⇀+ ​ Re​b⇀​; hier ist sie vor allem für die Darstellung und Berechnung von Winkelbeziehungen sehr nützlich. Für nichtlineare Beziehungen wie z. B. die Wechselstromleistung liefert sie aber wegen Re​(a​⇀⋅ b​⇀) ≠ Re​a⇀​ ⋅ Re​b⇀​ (bitte nachrechnen!) falsche Ergebnisse.

294

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

können Wechselstrom und Wechselspannung in einem Zeigerdiagramm dargestellt werden (Abb. III-5.3): Spannung und Strom werden als Zeiger U​⇀und I​⇀in der komplexen Zahlenebene dargestellt und rotieren mit der Winkelgeschwindigkeit ω​ = 2 π​ν​ gegen den Uhrzeigersinn. Die Augenblickswerte U​ (t​) = U​0 cos​ ω​t​ = U​0 e​ i​ω​t​ und I​ (t​) = I​0 cos​ (ω​t​ + φ​) = I​0 e​

i​ (ω​t​ + φ​)

⏟ = I​0 cos​ ω​t​ mit​ φ​ = 0

= I​0 e​

i​ω​t​

von Spannung und

Strom können als Projektion der Zeiger U​⇀ und I​⇀auf die reelle Achse abgelesen werden. Am ohmschen Widerstand sind Spannung und Strom in Phase, schließen also keinen Phasenwinkel φ miteinander ein. Im

I0

U0



ω





U

I

ωt

Re U(t)

I(t)

Abb. III-5.3: Zeigerdiagramm von Wechselspannung und Wechselstrom am ohmschen Widerstand. Die Zeiger U​⇀von Spannung (blau) und I​⇀von Strom (schwarz) rotieren mit der Winkelgeschwindigkeit ω im Gegenuhrzeigersinn. Die „sinusförmigen“ Augenblickswerte U​ (t​) = U​0 cos​ ω​t​ = U​0 ⋅ e​ i​ω​t​ und I​ (t​) = I​0 cos​ ω​t​ = I​0 ⋅ e​ i​ω​t​ können als Projektion von U​⇀und I​⇀auf die reelle Achse abgelesen werden.

5.1.3 Nur eine Spule mit Induktivität L im Kreis Jetzt betrachten wir eine Spule der Induktivität L mit vernachlässigbarem ohmschen Widerstand, die mit einer Wechselspannungsquelle verbunden ist (Abb. III5.4). An dieser Spule induziert der Strom I die Spannung (Spannungsabfall = „Ged​I​ (siehe Kapitel „Zeitlich veränderliche elektromagnetigenspannung“) U​ind​ = −L​ d​t​ sche Felder und Maxwell-Gleichungen“, Abschnitt 4.2.1, Gl. III-4.16); im Kreis wirkt also die außen angelegte Spannung U​a​ (t​) = U​0 cos​ ω​t​ und die der angelegten Span-

5.1 Der Wechselstromkreis

295

d​I​ an der Spule. Da sich d​t​ nach der 2. Kirchhoffsche Regel, der Schleifenregel, in einem geschlossenen Leiterkreis die Summe der Spannungen aus Quellen (hier Ua) und aus Spannungsabfällen (hier Uind) zu Null ergänzen müssen, gilt in einem Kreis aus Wechselspannungsquelle und Induktivität (Spule) nung entgegenwirkende induzierte Spannung U​ind​ = −L​

U​o​ cos​ ω​t​ = L​

− + Ua

+ − ~

L

+ −

− +

d​I​ . d​t​

(III-5.9)

dl Uind = −L __ dt

Abb. III-5.4: Wechselspannung Ua an einer Spule der Induktivität L mit vernachlässigbarem ohmschen Widerstand.

Mit dem Ansatz (siehe Abschnitt 5.1.2, Gl. (III-5.8) und Fußnote 3) U​ (t​) = U​0 cos​ ω​t​

bzw.

U​⇀(t​) = U​0 e​ i​ω​t​ 4

ergibt die Lösung der obigen Differentialgleichung für I(t) U​0 i​ω​t​ e​ d​t​ , L​

(III-5.9a)

U​0 −1 i​ω​t​ U​0 i​ (ω​t​ − π​ ∕ 2) = I​0 e​ i​ (ω​t​ − π​ ∕ 2) (i​ ) e​ = e​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ω​L​ −i​ π​ ω​L​

(III-5.10)

d​I⇀​ =

und für den Strom I​⇀(t​)

5

I​⇀(t​) =

= e​

2

bzw. im Reellen

4 Wechselspannungs- und Wechselstromgrößen in komplexer Schreibweise sollten immer als Zeiger geschrieben werden, da sie ja Größen in der Gaußschen Zahlenebene sind. 5 Die Integrationskonstante kann ohne Beschränkung der Allgemeinheit Null gesetzt werden.

296

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

I​ (t​) =

U​0 π​ ⋅ cos​ (ω​t​ − ) = I​0 ⋅ sin​ ω​t​ ω​L​ 2

(III-5.11)

U​0 . Strom und Spannung sind also nicht mehr in Phase, sondern der ω​ L​ π​ π​ Strom eilt der angelegten Spannung in der Spule um nach (φ​ = − , gezählt 2 2 vom Spannungszeiger U​⇀aus). Als induktiven Wechselstromwiderstand Z​⇀definiert man

mit I​0 =

Z​⇀L​ =

i​ω​t​ U​⇀(t​) U​0 e​ = ω​ L​e⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ​ i​ π​ ∕ 2 = i​ω​L​ , = I​⇀(t​) I​0 e​ i​ (ω​t​ − π​ ∕ 2) = i​

(III-5.12)

also den komplexen Zahlenwert

Z​⇀L​ = i​ω​L​

komplexer induktiver Widerstand.

(III-5.13)

Den Betrag eines komplexen Spulenwiderstands bezeichnet man als Impedanz (= Scheinwiderstand, Induktanz, impedance); die Impedanz an der Spule ist also

|

Z​L​ | =

U​0 = ω​L​ I​0

Impedanz einer Spule (Induktanz, reactance of an inductor).

(III-5.14)

Wir sehen: Induktive Widerstände nehmen mit der Frequenz zu! Im Zeigerdiagramm ergibt sich für Spannung und Strom ein Bild, wie in Abb. III-5.5 gezeigt. Um die Beziehung zwischen Spannung und Strom phasengerecht zu beschreiU​ U​ ben, wird das Ohmsche Gesetz R​ = bzw. I​ = (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, I​ R​ Abschnitt 2.1.4, Gl. (III-2.25)) und werden auch die Kirchhoffschen Regeln (siehe Kapitel „Stationäre Ströme“, Abschnitt 2.2.3) für die komplexen Zeiger U​⇀und I​⇀erweitert:

I​⇀=

U​⇀ Z​⇀

Ohmsches Gesetz für Wechselstrom mit den Zeigern I​⇀, U​⇀ und Z​⇀.

(III-5.15)

5.1 Der Wechselstromkreis

297

Im



ω U0



U ωt



Re

φ = −π/2 ω



I0 = U0/(ωL)

I I(t)

U(t) Abb. III-5.5: Zeigerdiagramm von Wechselspannung U​⇀(blau) und Wechselstrom I​⇀(schwarz) an einer Spule mit vernachlässigbarem ohmschen Widerstand. Der Strom eilt der angelegten Spannung um π/2 nach.

Die Impedanz Z​⇀kann so wie U​⇀und I​⇀als Zeiger in der komplexen Ebene dargestellt werden, der aber nicht rotiert:6 Für eine Spule weist der Zeiger ihrer Impedanz Z​⇀L​ = i​ω​L​ stets in die Richtung der imaginären Achse (Abb. III-5.6).

Im

  Z = iωL U = I ⋅Z

φ = −π/2



I

Re Abb. III-5.6: Darstellung des komplexen induktiven Widerstandes Z​⇀L in der komplexen Ebene als nicht rotierender Zeiger. Der Phasenwinkel φ zwischen Spannung und Strom hängt nicht von der augenblicklichen Lage von I​⇀ab (hier und im Folgenden willkürlich in die reelle Achse gelegt), denn die Multiplikation bzw. Division mit i ergibt stets eine Drehung um π/2 bzw. –π/2 in der Gaußschen Ebene.

6 Z​⇀ist – mathematisch gesehen – ein Operator, der neben dem Größenverhältnis auch die phasengerechte Beziehung zwischen Strom und Spannung vermittelt. Dies gilt auch für die anderen im Folgenden behandelten komplexen Widerstände. Physikalische Bedeutung aller komplexen Größen haben immer nur die Realteile. Grundsätzlich können alle Beziehungen im Reellen berechnet werden, was aber oft umständliche Rechenarbeit mit trigonometrischen Beziehungen erfordert.

298

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Die in der verlustlosen Spule umgesetzte mittlere Leistung (= Wirkleistung) 〈P​〉L​ verschwindet, denn T​

T​

1 π​ U​ I​0 〈P​〉L​ = ∫U​0 I​0 cos​ ω​t​ ⋅ cos​ (ω​t​ − ) d​t​ = 0 ∫cos​ ω​t​ ⋅ sin​ ω​t​ d​t​ = T​ 0 T​ 0 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = sin​ ω​t​ T​

=

U​0 I​0 −U​0 I​0 T​ 2 ∫cos​ ω​t​ ⋅ d​ (−cos​ ω​t​) = cos​ ω​t​ | = 0 . 0 ω​T​ 0 2 ω​T​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-5.16)

=0

sin​ 2 ω​t​ pendelt in jeder Periode T 2 zweimal zwischen Spannungsquelle und Spule hin und her (Abb. III-5.7). Die Leistung P​ (t​) = U​0 I​0 cos​ ω​t​ ⋅ sin​ ω​t​ = U​0 I​0

U[V] I[A] P[W] U P

I 0

T

t

Abb. III-5.7: Wechselstromleistung P = I ⋅ U an einer Spule. Der Strom I ist gegen die Spannung U um φ = –π/2 phasenverschoben.

5.1.4 Nur ein Kondensator mit Kapazität C im Kreis Wir betrachten jetzt die Wechselspannung an einem Kondensator (Abb. III-5.8), an dem ja gilt (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.5.2, Gl. III-1.83) U​C​ (t​) =

Q​ (t​) . C​

(III-5.17)

5.1 Der Wechselstromkreis

+ −

− + Ua

~

C − +

+ −

299

1 UC = − __ Idt C

Abb. III-5.8: Wechselspannung Ua an einem Kondensator der Kapazität C.

Während der Aufladung verändert sich die Spannung am Kondensator, die der angelegten Spannung Ua entgegenwirkt und daher negativ zu zählen ist: −

d​U​C​ (t​) 1 d​Q​ (t​) 1 = = ⋅ I​ (t​) , d​t​ C​ d​t​ C​ ⇒

1 U​C​ (t​) = − ∫I​ (t​)d​t​ .7 C​

(III-5.18)

(III-5.19)

1 Nach der Kirchhoffschen Schleifenregel gilt U​a​ + U​C​ = U​a​ − ∫I​ (t​)d​t​ = 0 und damit C​ 1 U​0 cos​ ω​t​ = ∫I​ (t​)d​t​. Daraus folgt mit einer angelegten Wechselspannung C​ 1 U​⇀a​ (t​) = U​0 e​ i​ω​t​ für den Strom I​⇀(t​) mit U​⇀a​ (t​) = U​0 e​ i​ω​t​ = ∫I​⇀(t​)d​t​ durch Differenzieren C​

I​⇀(t​) = C​

d​U⇀​a​ (t​) = d​t​

⏟i​ U​0 ω​C​e​ = e​ i​ π​ / 2

i​ω​t​

= U​0 ω​C​e​ i​ (ω​t​ + π​/​2) = I​0 e​ i​ (ω​t​ + π​/​2)

(III-5.20)

bzw. im Reellen π​ I​ (t​) = U​0 ω​C​ cos​ (ω​t​ + ) = −U​0 ω​C​ sin​ ω​t​ = −I​0 sin​ ω​t​ 2

(III-5.21)

mit I​0 = U​0 ω​ C​. Der Strom am Kondensator eilt also der angelegten Spannung π​ π​ U​a​ = U​0 cos​ ω​t​ um voraus (φ​ = + , wieder vom Spannungszeiger U​⇀aus gezählt). 2 2 Für den kapazitiven Wechselstromwiderstand ergibt sich Z​⇀C​ =

U​⇀(t​) 1 U​0 e​ i​ω​t​ i​ = e​ −i​ π​ ∕ 2 ⋅ = =− i​ ω t ​ ​ i​ π​ ∕ 2 ⇀ I​ (t​) U​0 ω​C​e​ e​ ω​C​ ω​C​

7 Auch hier wurde die Integrationskonstante o.B.d.A. Null gesetzt.

300

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

also

Z​⇀C​ = −

i​ ω​C​

komplexer kapazitiver Widerstand.

(III-5.22)

Die Impedanz (Reaktanz) eines Kondensators ist daher

|

Z​⇀C​ | =

U​0 1 = I​0 ω​C​

Impedanz eines Kondensators (Reaktanz, reactance of a capacitor).

(III-5.23)

Wir sehen: Kapazitive Widerstände nehmen mit der Frequenz ab! Die Darstellung von Strom und Spannung im Zeigerdiagramm zeigt Abb. III-5.9. Auch der komplexe kapazitive Widerstand Z​⇀C​ kann in der komplexen Ebene als nicht rotierender Zeiger dargestellt werden (Abb. III-5.10, vergleiche mit Abb. III-5.6). Im

 I



φ = π/2



ω U0

ω

I0 = U0 ωC



U ωt

I(t)

Re

U(t)

Abb. III-5.9: Zeigerdiagramm von Wechselspannung U​⇀(blau) und Wechselstrom I​⇀(schwarz) an einem Kondensator. Der Strom eilt der angelegten Spannung um π/2 voraus.

Im



I

Re

φ = +π/2





i Z = − ___ ωC

U

Abb. III-5.10: Darstellung des komplexen kapazitiven Widerstandes Z​⇀C​ in der komplexen Ebene als nicht rotierender Zeiger.

301

5.1 Der Wechselstromkreis

Die im verlustlosen Kondensator umgesetzte mittlere Leistung (Wirkleistung) 〈P​〉C​ verschwindet wieder, denn

T​

T​

1 π​ U​0 I​0 ∫cos​ ω​t​ ⋅ (−sin​ ω​t​)d​t​ 〈P​〉C​ = ∫U​0 I​0 cos​ ω​t​ ⋅ cos​ (ω​t​ + ) d​t​ = T​ 0 2 T​ 0 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = −sin​ ω​t​ T​

=

U​0 I​0 U​0 I​0 T​ 2 ∫cos​ ω​t​ ⋅ d​ (cos​ ω​t​) = cos​ ω​t​ | = 0 ω​T​ 0 ω​T​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟0

(III-5.24)

=0

Die Leistung P​ (t​) = −U​0 I​0 cos​ ω​t​ sin​ ω​t​ pendelt wieder in jeder Periode T zweimal zwischen Spannungsquelle und Kondensator hin und her (Abb. III-5.11).

U[V] I[A] P[W] U

P

T 0

t I

Abb. III-5.11: Wechselstromleistung P = I ⋅ U an einem Kondensator. Der Strom I ist gegen die Spannung U um φ = +π/2 phasenverschoben.

5.1.5 Der R-L- und der R-C-Kreis Wir betrachten je einen Wechselstromkreis mit einer Spule der Selbstinduktion L sowie einem Kondensator der Kapazität C, aber jetzt jeweils in Serie mit einem (rein) ohmschen Widerstand R (Abb. III-5.12). Der ohmsche Widerstand einer realen Spule soll in R mitberücksichtigt sein.

302

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

+ −

+ −

L − +

− + Ua

C

~ + −

+ −

− +

− + Ua

~

+ −

+ − R

R

− +

− +

Abb. III-5.12: Wechselstromkreis mit Spule L und ohmschem Widerstand R (links) sowie mit Kondensator C und ohmschem Widerstand R (rechts).

Die Wechselspannungsquelle im Kreis liefere die Spannung U​⇀a​ (t​) = U​0 e​ i​ω​t,​ die im Kreis einen Wechselstrom I​⇀(t​) = I​0 e​ i​ (ω​t​ + φ​)

(III-5.25)

mit einer Phasenverschiebung φ gegen die angelegte Spannung erzeugt. Die 2. Kirchhoffsche Regel für die Spannungssumme in den beiden Kreisen lautet: U​⇀a​ (t​) + U​⇀L​ (t​) + U​⇀R​ (t​) = U​⇀a​ (t​) − L​

d​I⇀​ (t​) − I​⇀(t​) ⋅ R​ = 0 d​t​

(III-5.26)

Q​⇀(t​) − I​⇀(t​) ⋅ R​ = 0 C​

(III-5.27)

im Spulenkreis und U​⇀a​ (t​) + U​⇀C​ (t​) + U​⇀R​ (t​) = U​⇀a​ (t​) −

im Kondensatorkreis. Wir differenzieren beide Gleichungen nach der Zeit t und erhalten d​U⇀​a​ d​I⇀​ (t​) d​ 2 I​⇀(t​) + R​ = L​ 2 d​t​ d​t​ d​t​

(III-5.28)

d​I⇀​ (t​) d​U⇀​a​ 1 = ⋅ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ I​⇀(t​) + R​ d​t​ C​ d​t​ d​Q⇀​ (t​)

(III-5.29)

im Spulenkreis und

=

im Kondensatorkreis.

d​t​

303

5.1 Der Wechselstromkreis i​ω​t​ Mit U​⇀a​ (t​) = U​⇀0 e​ folgt

d​U⇀​a​ (t​) i​ω​t​ = i​ω​U⇀​0 e​ .8 Für den Spulenkreis gilt also d​t​

i​ω​U⇀​0 e​ i​ω​t​ = L​

d​ 2 I​⇀(t​) d​t​

2

+ R​

d​I⇀​ (t​) ; d​t​

(III-5.30)

das ist eine inhomogene, lineare DG 2. Ordnung. Die Lösung der zugehörigen homogenen DG verschwindet mit der Zeit, sodass für den stationären, also ungedämpften Zustand, nur die spezielle Lösung der allgemeinen DG von Bedeutung i​ω​t​ ist. Mit dem Lösungsansatz I​⇀(t​) = I​⇀0 e​ folgt aus der obigen DG (Gl. III-5.30) i​ω​U⇀​0 e​ i​ω​t​ = −ω​ 2 L​I⇀​ (t​) + i​R​ω​ I​⇀(t​) ⇒

1 U​⇀0 = I​⇀0 (− ω​L​ + R​) = I​⇀0 (i​ω​L​ + R​) i​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-5.31) (III-5.32)

= i​

und damit

Z​⇀R​L​ =

U​⇀0 = i​ω​L​ + R​ I​⇀0

komplexer Widerstand des R-L-Kreises.

(III-5.33)

Analog folgt für den Kondensatorkreis aus der DG i​ω​t​ i​ω​U⇀​0 e​ =

I​⇀(t​) d​I⇀​ (t​) + R​ C​ d​t​

(III-5.34)

i​ω​t​ wieder mit dem Lösungsansatz I​⇀(t​) = I​⇀0 e​

i​ω​U⇀​0 =



I​⇀0 1 + i​ω​R​I⇀​0 = I​⇀0 ( + i​ω​R) ​ C​ C​

I​⇀0 = U​⇀0

i​ω​ 1 U​⇀0 = U​⇀0 = 1 i​ 1 R​ + R​ − + i​ω​R​ C​ i​ω​C​ ω​C​

(III-5.35)

(III-5.36)

und damit

8 U​⇀0 soll jetzt eine beliebige Anfangsphase besitzen und wird daher mit einem Zeiger versehen; ist die Anfangsphase φ = 0, dann ist U​⇀0 = U​0 eine reelle Zahl.

304

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Z​⇀R​C​ =

U​⇀0 i​ =− + R​ I​⇀0 ω​C​

komplexer Widerstand des R-C-Kreises.

(III-5.37)

Die Impedanzen sind die Beträge der komplexen Wechselstromwiderstände

|

|

Z​⇀R​L​ | =

Z​⇀R​C​ | =

U​0 = √(ω​ L​)2 + R​ 2 I​0

Impedanz des R-L-Kreises

U​0 1 2 = √(− ) + R​ 2 I​0 ω​ C​

Impedanz des R-C-Kreises.

(III-5.38)

(III-5.39)

Bei Berücksichtigung der komplexen Werte Z​⇀R​L​ und Z​⇀R​C​ ergeben sich die beiden folgenden Zeigerdiagramme (Abb. III-5.13): Spule und Widerstand Im



ω U0

 ω

φ



I0

Kondensator und Widerstand Im

ω

ω

I

φ

I0

ωt







 U

U0



U ωt

Re

U(t)

Re

I(t)

I I(t)

U(t) I0 =

U0 2

(ωL) + R

, −π/2 < φ < 0 2

I0 =

U0 2 ⎛___ 1 ⎞ ⎜ ⎟ + R2 ⎝ ωC ⎠

, 0 < φ < π/2

Abb. III-5.13: Darstellung von Strom und Spannung im Zeigerdiagramm. Links: Spule und ohmscher Widerstand in Serie; rechts: Kondensator und ohmscher Widerstand in Serie.

Die festliegenden Widerstände Z​⇀R​L​ und Z​⇀R​C​ sind in Abb. III-5.14 gezeigt; der Strom I​⇀(t​) ist hier zu einem Zeitpunkt t0 dargestellt, in dem er sich mit der reellen Achse deckt (dann ist ja I​⇀0 = I​0).

5.1 Der Wechselstromkreis

305

Im

    U = Z ⋅I = Z RL

Im

RL⋅I0



ZRL = iωL + R ωL

R





−π/2 < φ < 0

I

I

Re 1 − ___ ωC

R

Re

0 < φ < +π/2



i ZRC = − ___ + R ωC

   

U = ZRC⋅I = ZRC⋅I0 Abb. III-5.14: Die komplexen Widerstände im Zeigerdiagramm. Links: R-L-Kreis; rechts: R-C-Kreis. In beiden Fällen ist I​⇀0 = I​0.

Die Phasenverschiebung φ des Stromes in Bezug auf die Spannung findet man entsprechend den obigen Abbildungen III-5.13 und III-5.149 für den R-L-Kreis (immer negativ, der Strom eilt der Spannung nach) aus10 tan ​φ​ =

−Im​ (Z​⇀R​L​ ) ω​L​ =− Re​ (Z​⇀R​L​ ) R​

(III-5.40)

und für den R-C-Kreis (immer positiv, der Strom eilt der Spannung voraus) aus der Beziehung

9 Der Phasenwinkel φ wird hier immer von der Spannung (vom Spannungszeiger) ausgehend gezählt (beachte die Pfeilrichtung in den obigen Darstellungen). In den Darstellungen der komplexen Widerstände ist daher im induktiven Fall −ω​L​ als Gegenkathete zu nehmen, im kapazitiven Fall 1 + . In anderen Darstellungen wird der Phasenwinkel vom Stromzeiger ausgehend gezählt und ω​C​ trägt daher das umgekehrte Vorzeichen. In unserer Darstellung eilt daher im induktiven Kreis der Strom der Spannung nach (−π​/​2 < φ​ < 0) und im kapazitiven Kreis der Strom der Spannung voraus (0 < φ​ < π​/​2), während in anderen Darstellungen im induktiven Kreis die Spannung dem Strom voraus (0 < φ​ < π​/​2) und im kapazitiven Kreis nach eilt (−π​/​2 < φ​ < 0). Beide Darstellungen sind völlig äquivalent, es kommt nur auf die Definition des Phasenwinkels φ an. 10 Der Phasenwinkel φ des Stromes in Bezug auf die Spannung ist in dieser Darstellung also das Im​Z⇀​ Negative des Arguments der Impedanz Z​⇀: tan​(arg ​Z⇀​ ) = , also φ​ = −arg ​Z⇀​. Hätten wir hingegen Re​Z⇀​

306

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

tan ​φ​ =

−Im​ (Z​⇀R​C​ ) 1 = . Re​ (Z​⇀R​C​ ) ω​C​R​

(III-5.41)

5.1.6 Der L-C-R Serien-Kreis Auf Grund der Kirchhoffschen Schleifenregel muss gelten, wobei wir jetzt die unterschiedlichen Phasenlagen der einzelnen Spannungen und Ströme als Zeiger durch Vektorpfeile berücksichtigen müssen: U​⇀a​ + U​⇀L​ + U​⇀C​ + U​⇀R​ = 0 .

(III-5.42)

Daraus folgt entsprechend Abb. III-5.15 U​⇀a​ − L​

d​I⇀​ Q​⇀ − − I​⇀⋅ R​ = 0 d​t​ C​

(III-5.43)

bzw. nach t differenziert 2 d​I⇀​ 1 d​ I​⇀ d​U⇀​a​ = L​ 2 + R​ + I​⇀ . ⏟ d​t​ d​t​ C​ d​Q⇀​ d​t​ =

(III-5.44)

d​t​

+ − L − + + −

− + Ua

C

~ + −

− + + − R − +

Abb. III-5.15: L-C-R Serien-Kreis.

unter φ den Winkel der Spannung U​⇀in Bezug auf den Strom I​↼verstanden, dann wäre das Vorzeichen von φ gleich jenem von arg ​Z⇀​.

5.1 Der Wechselstromkreis

Mit U​⇀a​ = U​⇀0 e​

i​ω​t​

307

i​ω​t​ und I​⇀= I​⇀0 e​ ergibt sich11

1 2 i​ω​ U​⇀0 = (−L​ω​ + i​ω​R​ + ) ⋅ I​⇀0 C​

(III-5.45)

und damit U​⇀0 = (−

L​ω​ i​ i​ 1 i​ ⋅ + R​ + ⋅ ) ⋅ I​⇀0 = (R​ + i​ω​L​ − ) ⋅ I​⇀0 . i​ i​ i​ω​C​ i​ ω​C​

Als komplexen Wechselstromwiderstand Z​⇀=

Z​⇀=

U​⇀0 = R​ ⏟ I​⇀0 Wirkwiderstand

+ i​ (ω​L​ −

(III-5.46)

U​⇀ erhalten wir so I​⇀

1 ) ω​C​

⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

Komplexer Wechselstromwiderstand des L-C-R Serienkreises.

(III-5.47)

Blindwiderstand

Dies zeigt, dass sich der komplexe Widerstand Z​⇀einer Serienschaltung von R, L, und C wie im Gleichstromfall als Summe der komplexen Wechselstromwiderstände R, iωL, –i/ωC ergibt. Mit Hilfe dieser Wechselstromwiderstände kann jedes (R,L,C)Netzwerk wie im Gleichstromfall analysiert werden. Die Impedanz (Scheinwiderstand) des Serienkreises ist gleich dem Betrag des komplexen Wechselstromwiderstandes Z​⇀, der auch die Phasenlage von Spannung und Strom wiedergibt:

|

Für ω​L​ =

Z​⇀| =

U​0 1 2 ) = √R​ 2 + (ω​ L​ − I​0 ω​C​

Impedanz des L-C-R Serienkreises

(III-5.48)

1 1 bzw. ω​ = √ nimmt die Impedanz ihren Minimalwert |Z​⇀| = R​ an; ω​C​ L​C​

der Imaginärteil von Z​⇀verschwindet, Z​⇀ist reell, sodass U​⇀und I​⇀in Phase sind: Es herrscht Resonanz12 (siehe Abschnitt 5.2.3). 11 Der Phasenwinkel in den beiden Ansätzen ist bereits durch die Pfeile der Zeiger U​⇀0 und I​⇀0 i​φU ​ ​ i​φI​ ​ berücksichtigt (komplexe Amplituden: U​⇀0 = U​0 e​ , I​⇀0 = I​0 e​ ). 12 Der Resonanzfall eines allgemeinen Wechselstromkreises ist durch das Verschwinden des Imaginärteils von Z​⇀definiert, |Z​⇀| ist dann minimal oder maximal (wie z. B. beim Parallelkreis von R,C,L, vgl. Abschnitt 5.2.3).

308

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Die Darstellung von Spannung und Strom im Zeigerdiagramm zeigt Abb. III-5.16: Im

I0

U0



ω





U

I

φ Re

ωt U(t) I(t)

Abb. III-5.16: Zeigerdiagramm von Wechselspannung und Wechselstrom, wenn im Kreis neben einem ohmschen Widerstand auch Induktivität und Kapazität in Serie vorhanden sind. Die Zeiger von Spannung U​⇀(blau) und Strom I​⇀(schwarz) rotieren mit der Winkelgeschwindigkeit ω i​ω​t​ im Gegenuhrzeigersinn. Die Augenblickswerte U​ (t​) = U​0 cos​ ω​t​ = Re​[U​0 ⋅ e​ ] und i​ (ω​t​ + φ​) I​ (t​) = I​0 cos​ (ω​t​ + φ​) = Re​[I​0 ⋅ e​ ] können als Projektion auf die reelle Achse abgelesen werden. Spannung und Strom sind nicht mehr in Phase. φ ist der Phasenwinkel des Stroms relativ zur Spannung; in der Zeichnung ist φ positiv („kapazitiver Kreis“).

Z​⇀kann umgeschrieben werden

Z​⇀=

i​ω​t​ U​0 −i​φ​ U​⇀ U​0 e​ = e​ = |Z​ | ⋅ e​ −i​φ​ = i​ ( ω​ t ​ + φ​ ) I​⇀ I​0 e​ I​0

(III-5.49)

und lässt sich so als (fester) Zeiger in der komplexen Zahlenebene darstellen (Abb. III-5.17). Der komplexe Widerstand Z​⇀ bewirkt eine Phasenverschiebung φ des Stroms I​⇀0 gegenüber der Spannung U​⇀0. Wird der Strom I​⇀0 wie in Abb. III-5.17 willkürlich in die reelle Achse gelegt, dann weist die Spannung U​⇀ in die Richtung von Z​⇀ (U​⇀= I​⇀0 ⋅ Z​⇀).

5.1 Der Wechselstromkreis

309

Im



U0 ωL



Z = |Z|e−iφ



Im(Z) = ωL −1/(ωC)



φ = −arg Z

I0 Re

−1/(ωC)

R

Abb. III-5.17: Darstellung des Wechselstromwiderstandes Z​⇀des L-C-R-Serienkreises in der komplexen Zahlenebene.

Aus Abb. III-5.17 lesen wir ab:13 1 −ω​L​ + −Im​ (Z​⇀) ω​C​ 14 tan ​φ​ = = . Re​ (Z​⇀) R​

(III-5.50)

1 ist der Blindwiderstand, Re​ (Z​⇀) = R​ der Wirkwiderstand.15 Für ω​C​ 1 ω​L​ = ist Im​ (Z​⇀) = 0 ⇒ φ = 0, es tritt also keine Phasenverschiebung zwischen ω​C​ Strom und Spannung auf. Befindet sich nur ein induktiver Widerstand im Kreis Im​ (Z​⇀) = ω​L​ −

π​ 1 = R​ = 0, L​ ≠ 0), so gilt tan ​φ​ = −∞​ ⇒ φ​ = − , der Strom eilt der Spannung um ω​C​ 2 π​ π​ ) i​ (ω​t​ + φ​) = I​0 e​ i​ (ω​t​ − 2 . Befindet sich nur ein kapazitiver Widerstand nach: I​ (t​) = I​0 e​ 2

(

13 Siehe Fußnote 9. 14 Ist das Argument φ des komplexen Widerstands Z​⇀ positiv, dann folgt aus der Beziehung i​(arg​Z⇀​ ) −i​φ​ U​⇀0 = Z​⇀⋅ I​⇀0 = Z​ ⋅ e​ ⋅ I​⇀0 = |Z​ | ⋅ e​ ⋅ I​⇀0 (mit –φ > 0), dass die Spannung U​⇀0 dem Strom I​⇀0 um den Winkel φ voreilt, bzw. der Strom I​⇀0 der Spannung U​⇀0 also um φ nacheilt, denn U​⇀0 1 −i​φ​ I​⇀0 = = ⋅ e​ U​⇀0. Z​⇀ Z​⇀ 15 Die Bezeichnungen rühren daher, dass im Widerstand Im​(Z​⇀) im zeitlichen Mittel keine Leistung π​ umgesetzt wird (φ​ = ± wie bei der verlustlosen Spule bzw. dem verlustlosen Kondensator); beim 2 Wirkwiderstand ist aber φ​ = 0, sodass elektrische Leistung verbraucht wird (siehe folgender Abschnitt 5.1.7).

310

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

1 π​ ≠ 0), so gilt tan ​φ​ = + ∞​ ⇒ φ​ = + , der Strom eilt also der ω​C​ 2 π​ π​ i​ (ω​t​ + φ​) i​ (ω​t​ + ) = I​0 e​ . Spannung um voraus: I​ (t​) = I​0 e​ 2 2

im Kreis (ω​L​ = R​ = 0,

5.1.7 Wechselstromleistung bei Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung 16 i​ω​t​ Die angelegte Spannung U​⇀(t​) = U​0 e​ ≙ U​0 cos​ ω​t​ verursacht im Kreis den Strom i​ (ω​t​ + φ​) ≙ I​0 cos​ (ω​t​ + φ​). Die im Kreis umgesetzte Wechselstromleistung I​⇀(t​) = I​0 e​ P​ = U​⇀⋅ I​⇀ ergibt sich als Differenz zweier zeitabhängiger Terme17, dem Wirkleis-

tungsanteil und dem Blindleistungsanteil = U​eff​ ⋅ I​eff​

P​ = U​0 I​0 cos​ ω​t​ ⋅ cos​ (ω​t​ + φ​) =

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ 1 U​0 I​0 [cos​ φ​ + 2

= cos​ φ​cos​ 2 ω​t​ − sin​ φ​sin​ 2 ω​t​

⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞⏞ cos​ (2 ω​t​ + φ​)

= U​ U​eff​ I​eff​ sin​ φ​ [sin​ 2 ω​t​] eff​ ⋅ I​eff​ ⋅ cos​ φ​[1 + cos​ 2 ω​t​] − ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Wirkleistung P​

] (III-5.51)

Blindleistung P​

W

B

Wechselstromleistung. Der zeitliche Mittelwert von P über eine Periode (die Terme mit cos​ 2 ω​t​ und sin​ 2 ω​t​ fallen dann weg) ergibt die Wirkleistung P​W = U​eff​ ⋅ I​eff​ ⋅ cos​ φ​

Wirkleistung.

(III-5.52)

Diese Leistung fließt von der Spannungsquelle in den Kreis und wird im Widerstand R in Wärme umgewandelt.18

16 Siehe z. B. E. Philippow, Grundlagen der Elektrotechnik, 10. Auflage, Verlag Technik, Berlin, 2000. 1 17 Mit cos​ α​ ⋅ cos​ β​ = [cos​ (α​ − β​) + cos​ (α​ + β​)]; in unserem Fall ist α​ − β​ = −φ​, cos​ (−φ​) = cos​ φ​, 2 T​

α​ + β​ = 2 ω​t​ + φ​ und ∫cos​ (2 ω​t​ + φ​)d​t​ = 0. 0

18 Kann im Kreis auch Arbeit verrichtet werden (Elektromotor), dann wird ein Teil von PW auch in mechanische Arbeit verwandelt. Wie aus der Formel für P ersichtlich, schwingen sowohl der Wirkleistungsanteil von P als auch der Blindleistungsanteil mit der Frequenz 2 ω. Während der Blindleistungsanteil aber um den Ordinatennullpunkt schwingt – der zeitliche Mittelwert über eine Periode verschwindet daher – schwingt der Wirkleistungsanteil hingegen um den Ordinatenwert U​eff​ I​eff​ cos​ φ​, sodass sein Periodenmittelwert U​eff​ I​eff​ cos​ φ​ = P​W ist.

311

5.1 Der Wechselstromkreis

Das Produkt U​eff​ ⋅ I​eff​ bezeichnet man als Scheinleistung: P​S = U​eff​ ⋅ I​eff​

(III-5.53)

Scheinleistung.

Die Wirkleistung ist die im Wechselstromkreis tatsächlich verbrauchte Leistung: Es 1 U​0 statt mit I​0 mit der „Wattkomponente“ I​0 cos​ φ​ multipliziert, das ist die 2 Projektion des Stromzeigers in Richtung U​⇀0, die sich mit U​⇀0 in Phase befindet; cosφ

wird

ist der Leistungsfaktor (Abb. III-5.18). Im Wattkomponente I0 cos φ



U0 φ

Blindkomponente I0 sin φ

Re



I0

Abb. III-5.18: „Wattkomponente“ I​0 cos​ φ​ und „Blindkomponente“ I​0 sin​ φ​ des Wechselstroms.

1 U​0 mit der „Blindkomponente“ I​0 sin​ φ​, der Projektion des 2 Stromzeigers auf die Richtung senkrecht zu U​⇀0, so ergibt sich die Amplitude PB der

Multipliziert man

mit 2 ωt hin- und her schwingende Blindleistung (siehe Gl. III-5.51)

P​B =

1 U​0 I​0 sin​ φ​ = U​eff​ I​eff​ sin​ φ​ = P​S sin​ φ​ 2

Blindleistung. (III-5.54)

Die Blindleistung gibt die im Wechselstromkreis pulsierende Leistung an, die als elektrische und magnetische Energie zwischen Kondensator und Spule hin- und T​

1 her pendelt und die im Periodenmittel verschwindet ( ∫P​B cos​ 2 ω​t​d​t​ = 0). BlindT​ 0 leistungen können aber erheblich sein; die Dimensionierung der Leitungen und Komponenten im Stromkreis muss daher entsprechend der Scheinleistung erfolgen, 2 2 die sich aus der Wirk- und der Blindleistung zusammensetzt: P​S = √P​ W + P​ B .

Alle drei Leistungen können im Leistungsdiagramm dargestellt werden (Abb. III-5.19):

312

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen PW = PS cos φ φ PB = PS sin φ PS

Abb. III-5.19: Leistungsdiagramm aus Wirkleistung PW, Scheinleistung PS und Blindleistung PB. 2 2 2 Es gilt: P​ s = P​ W + P​ B.

π​ Ist der Phasenwinkel 90° (φ​ = ), so verschwindet die Wattkomponente I​0 cos​ φ​ 2 und damit verschwindet auch die Wirkleistung (P​W = 〈P​〉 = 0); es liegt nur Blindleistung vor, es fließt ein Strom, der keine Arbeit leistet („wattloser Strom“); dennoch müssen die Leiterquerschnitte ausreichend dimensioniert werden. Die Abbildungen III-5.20, III-5.21 und III-5.22 zeigen die Wechselstromleistung P​ = I​ ⋅ U​ jeweils für rein ohmsche Belastung, für induktive Belastung (die Induktivität im Kreis ist größer als die Kapazität) und für rein induktive Last.

U[V] I[A] P = I⋅U[W]

P

U0

I0 0

T

t

I U

Abb. III-5.20: Wechselstromleistung P = I ⋅ U. Strom I und Spannung U sind in Phase (φ = 0, rein U​0 U​0 I​0 I​0 cos​ (0) = ohmsche Belastung). P​W = 〈P​〉 = ⋅ = U​eff​ ⋅ I​eff​ = P​S 2 √2 √2 P​B = P​S ⋅ sin​ φ​ = P​S sin​ (0) = 0 .

5.1 Der Wechselstromkreis

313

U [V] I [A] P = I⋅U [W]

P

U

U0

I I0 0

T

t

Abb. III-5.21: Wechselstromleistung P = I ⋅ U. Der Strom I ist gegen die Spannung U um φ​ = −π​/​4 phasenverschoben (Induktivität größer als Kapazität, „induktive Belastung“). π​ U​eff​ I​eff​ P​S = P​W = 〈P​〉 = U​eff​ ⋅ I​eff​ ⋅ cos​ φ​ = U​eff​ ⋅ I​eff​ cos​ (− ) = 4 √2 √2 π​ P​S = P​W . P​B = P​S |sin​ φ​ | = P​S | sin​ (− ) | = 4 √2

U [V] I [A] P = I⋅U [W]

U

P I

U0 I0

0

T

t

Abb. III-5.22: Wechselstromleistung P = I ⋅ U. Der Strom I ist gegen die Spannung U um φ​ = −π​/​2 π​ phasenverschoben (rein induktive Last): „wattloser Strom“. P​W =〈P​〉 = U​eff​ ⋅ I​eff​ ⋅ cos​ (− ) = 0; 2 π​ P​B = U​eff​ ⋅ I​eff​ ⋅ sin​ (− ) = U​eff​ ⋅ I​eff​ = P​S . 2

314

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

5.1.8 Der Transformator Beim Transport elektrischer Energie über weite Strecken tritt ein kleinerer Energieverlust auf, wenn eine höhere Spannung verwendet wird (Hochspannungsleitung), da dann der Leitungsstrom und damit die Joulesche Wärme entsprechend kleiner werden, was auch zu einer Gewichtsverringerung mit Materialersparnis führt. Für die übertragene elektrische Leistung gilt P​ = U​ ⋅ I​

(III-5.55)

und für den Verlust an Joulescher Wärme19 P​V = I​ 2 ⋅ R​ .

(III-5.56)

Damit ergibt sich als relativer Leistungsverlust P​V I​ 2 R​ I​ ⋅ R​ R​ = = = 2 ⋅ P​ , P​ U​ ⋅ I​ U​ U​

(III-5.57)

der relative Leitungsverlust sinkt also bei vorgegebener übertragener Leistung mit U2.20 Außerdem ergibt sich entlang der Leitung ein Spannungsabfall ΔU

ΔU​ = I​ ⋅ R​



ΔU​ I​ 2 ⋅ R​ P​V = = , U​ I​ ⋅ U​ P​

(III-5.58)

der ebenfalls mit U 2 kleiner wird. Beispiel: Übertragungsverluste auf Leitungen. Wir betrachten eine Leitung mit einem Gesamtwiderstand von 10 Ω. Bei einer zu übertragenden Leistung von 2000 W = 2 kW und einer Spannung von 230 V muss ein Strom von I​ =

P​ 2000 W = = 8,7 A fließen. Für den Spannungsabfall U​ 230 V

am Leitungswiderstand gilt

19 Neben Wärmeverlusten tritt an Freileitungen auch Stromverlust durch Coronaentladung in die umgebende Luft auf. 20 Dies gilt aber nur, wenn der Leitungswiderstand R unabhängig von der übertragenen Spannung gleich bleibt, was i. Allg. nicht zutrifft, da mit kleiner werdendem I die Leiterquerschnitte kleiner gewählt werden und damit R größer wird.

5.1 Der Wechselstromkreis

315

ΔU​ = R​ ⋅ I​ = 10 Ω ⋅ 8,7 A = 87 V ; am Leitungsende stehen also nur mehr 143 V zur Verfügung, mehr als 87 V ⋅ 8,7 A ≅ 760 W wurden in Joulesche Wärme umgesetzt („verbraten“). Die Spannung an derselben Leitung betrage jetzt 20 000 V. Zur Übertragung einer Leistung von 2 kW ist nur mehr ein Strom von 0,1 A erforderlich. Es ergibt sich so ein Spannungsabfall ΔU​ = R​ ⋅ I​ = 10 Ω ⋅ 0,1 A = 1 V. Es stehen so am Leitungsende immer noch 19 999 V, also praktisch die ganze ursprüngliche Spannung zur Verfügung. Aus der Energiebilanz der Übertragung einer Leistung P an den Endverbraucher mittels einer Leitung vom Widerstand R bei einer angelegten Spannung U folgt

2

I​ ⋅ U​ = I​ R​ + P​



I​ =

2 U​ P​ U​ − −√ 2 2 R​ R​ 4 R​

(für P​ = 0 ist I​ = 0).

Die maximal übertragbare Leistung Pmax ergibt sich für Nullsetzen der Wurzel (maximaler Strom) zu

P​max​ =

U​ 2 . 4 R​

Mit U​ = 230 V und R​ = 10 Ω erhält man P​max​ = von I​max​ =

(230)2 = 1326 W bei einem Strom 4 ⋅ 10

U​ 230 = = 11,5 A. Eine größere Leistung kann mit einer 10-Ω-Lei2 R​ 2 ⋅ 10

tung bei einer Spannung von 230 V nicht an den Endverbraucher übertragen werden. Am Endverbraucher liegt dabei nur eine Spannung von U​Verbr ​ = U​ − I​ ⋅ R​ = 230 V − 11,5 A ⋅ 10 Ω = 115 V. Ist der Verbraucher auf U​Verbr​ = 230 V ausgelegt, dann kann durch Zwischenschaltung eines Transformators (Haustransformator) diese Spannung erreicht werden, wobei aber der Strom entsprechend auf I​Verbr​ =

P​max​ 1326 W​ = = 5,77 A​ (beim verlustlosen Trafo!) absinkt. U​Verbr​ 230 V​

Man erkennt: Die maximal übertragene Leistung P​max​ = 2

der in der Leitung „verbratenen“ Leistung P​R​ = I​ max​ R​ =

U​ 2 4 R​

2

U​ 2 ist dann gleich 4 R​ ⋅ R​ =

U​ 2 = P​max​ . 4 R​

316

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

In einem Transformator (abgekürzt „Trafo“) können Wechselspannungen von einer Spannung in eine andere (höhere oder niedrigere) umgeformt, transformiert, werden. Ein Transformator besteht aus zwei Spulen, einer Primär- und einer Sekundärspule mit den Windungszahlen Np und Ns, die durch ein Eisenjoch so verbunden sind, dass der magnetische Fluss ΦM der Primärspule die Sekundärspule vollständig durchsetzt (idealer Trafo, Abb. III-5.23). Eisenjoch ΦM

Is = 0

Ip = IM

Up = Ua

NP

NS

Us

Abb. III-5.23: Idealer, unbelasteter Eisentransformator (Is = 0). Np,Ns sind die Windungszahlen der Primär- und der Sekundärspule. Die für das Verhalten des Trafos bestimmende Größe ist der vom Magnetisierungsstrom Ip = IM im Eisenjoch erzeugte Magnetisierungsfluss ΦM, der beide Spulen durchsetzt und bei jeder Belastung nur durch die angelegte Spannung Up ∂​ΦM ). bestimmt ist (U​p = −N​p ∂​t​

Beim unbelasteten, idealen Transformator (Is = 0) ergibt sich ein Spannungsübersetzungsverhältnis zwischen der Spannung in der Sekundärspule US und in der Primärspule UP, das dem Verhältnis der Windungszahlen in den beiden Spulen gleich ist, also N​s U​s =− . U​p N​p

(III-5.59)

Für das Verhältnis der Ströme beim belasteten Transformator (Is ≠ 0) ergibt sich dagegen unabhängig von der Art der Belastung wegen der Konstanz des Magnetisierungsflusses ΦM bei vorgegebener Spannung Up (der primäre Lastfluss Φp ∝ N​p I​p muss entgegengesetzt gleich dem sekundären Lastfluss Φs ∝ N​s I​s sein) N​p I​s =− . I​p N​s

Daraus folgt

(III-5.60)

317

5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis

U​p I​p = U​s I​s ,

(III-5.61)

d. h., die der Primärspule zugeführte Energie ist der der Sekundärspule entnommenen Energie gleich. Der ideale Trafo arbeitet also verlustlos. Zur näheren Diskussion der Spannungsumformung am unbelasteten und belasteten Transformator siehe Anhang 1.

5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis 5.2.1 Der freie, ungedämpfte Schwingkreis 21 Wir betrachten einen L-C-Kreis mit vernachlässigbarem ohmschen Widerstand (ungedämpfter Kreis, Abb. III-5.24); der Kondensator sei zum Zeitpunkt t​ = 0 aufgeladen, es befinde sich aber keine Spannungsquelle im Kreis (freier Kreis). Das System ist jedoch nicht im Gleichgewicht, da sich der Kondensator über die Spule entladen kann, was zur Energiespeicherung im Magnetfeld der Spule führt. Der nun folgende Abbau des Magnetfeldes bewirkt die entgegengesetzte Aufladung des Kondensators u.s.w.



B -Feld (entspricht beim Pendel der kinetischen Energie)



I + + L



E -Feld (entspricht beim Pendel der potenziellen Energie) C

− Abb. III-5.24: Ungedämpfter L-C-Kreis; zum Zeitpunkt t​ = 0 sei der Kondensator aufgeladen, es befindet sich aber keine Spannungsquelle im Kreis (freier Kreis).

Q​ Für die Spannung am Kondensator gilt U​C​ = , für die Spannung an der Spule C​ d​I​ U​L​ = −L​ ; diese Spannungen müssen zu jedem Zeitpunkt gleich sein,22 also UL = d​t​ UC und damit

21 Die Zeitabhängigkeit von I​ ≡ I​(t​), U​ ≡ U​(t​), Q​ ≡ Q​(t​) usw. wird im Folgenden nicht mehr besonders angegeben. 22 Das obere Ende der Spule besitzt wegen der als widerstandsfrei angenommenen Verbindung das gleiche Potenzial wie die obere Kondensatorplatte, ebenso wie das untere Spulenende das Potenzial der unteren Kondensatorplatte besitzt.

318

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

L​

Mit I​ =

d​I​ Q​ + = 0. d​t​ C​

(III-5.62)

d​Q​ folgt d​t​

2

d​ Q​ d​t​

2

+

1

Q​ = 0

L​C​

Differentialgleichung der ungedämpften harmonischen Ladungschwingung.

(III-5.63)

Offensichtlich schwingen die Ladungen harmonisch im Kreis; als mechanisches Analogon bietet sich die Schwingung des harmonischen Federpendels an, bei der fortwährend potenzielle und kinetische Energie ineinander umgewandelt werden (vgl. Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitte 5.1.1 und 5.2.4). Bei unserem ungedämpften elektrischen Schwingkreis entspricht die elektrische Energie der potenziellen und die magnetische Energie der kinetischen Energie: Der Kondensator ist der Speicher für die elektrische Energie, die Spule für die magnetische Energie. Muss ein ohmscher Widerstand im Kreis berücksichtigt werden, dann ist er für die Dämpfung der Schwingung (den „Energieverzehr“) verantwortlich. Als Lösungsansatz für die lineare, homogene DG verwenden wir wie stets (siehe Abschnitt 5.1.2, Gl. III-5.8) Q​ = Q​0 e​

und erhalten mit

i​ω0​ t​

d​Q​ d​ 2 Q​ 2 = i​ω0​ Q​ und 2 = −ω​ 0 Q​ d​t​ d​t​ 2

−ω​ 0 Q​ +

1 Q​ = 0 L​C​



2

ω​ 0 =

1 L​C​

(III-5.64)

bzw.

ω​0 =

1

√L​C​

Eigenfrequenz des L-C-Schwingkreises, 23 Thomson-Gleichung.

(III-5.65)

23 Nach William Thomson, später (1892) 1 st Baron Kelvin, 1824–1907, meist nur Lord Kelvin genannt.

5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis

319

Wir erinnern uns (Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.1.1, Gl. Ι-5.9): Für mechanische Schwingungen galt für die Eigenfrequenz ω​0 = √

k​ . m​

In der Analogie zur Mechanik entspricht also, wie aus der DG (III-5.63) ersichtlich, die Induktivität L der Spule der Masse m und der Reziprokwert der Kapazität des Kondensators 1/C der Federkonstante k. Aus ω​0 =

2 π​ = T​

1

√L​C​

folgt für die Schwingungsdauer

T​ = 2 π​√L​C​

Schwingungsdauer im L-C-Kreis.

(III-5.66)

Wir betrachten jetzt die im Schwingkreis vorhandene Energie. Die Energie im Kondensator, also die im elektrischen Feld vorhandene Energie, ist (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.5.3, Gl. III-1.93)

W​E​ =

1 Q​ 2 ; 2 C​

(III-5.67)

die Energie in der Spule, also die im magnetischen Feld enthaltene Energie, ist (Kapitel „Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder und Maxwell-Gleichungen“, Abschnitt 4.2.4, III-4.32) W​M​ =

1 2 L​I​ . 2

(III-5.68)

Da keine dissipativen Vorgänge (Widerstand, Ausstrahlung) angenommen wurden, ist die Summe dieser beiden Energien zeitlich konstant. Während der Schwingung ist die Energie einmal nur elektrisch und befindet sich ganz im Feld des Kondensators, einmal ist die Energie nur magnetisch und befindet sich ganz im Feld der Spule. d​Q​ = −ω​0 Q​0 sin​ ω​0 t​ ergibt sich für die elektrische Energie Mit Q​ = Q​0 cos​ ω​0 t​ und I​ = d​t​

W​E​ =

und für die magnetische Energie

Q​ 2 1 Q​ 20 2 = cos​ ω​0 t​ 2 C​ 2 C​

(III-5.69)

320

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

W​M​ =

1 Q​ 20 L​I​ 2 1 2 2 2 2 = L​ ⏟⏟⏟⏟⏟ ω​ 0 Q​ 0 sin​ ω​0 t​ = sin​ ω​0 t​ . 2 2 2 C​ 1 =

(III-5.70)

L​C​

Damit erhalten wir als elektromagnetische Gesamtenergie

W​ges​ = W​E​ + W​M​ =

1 Q​ 20 1 Q​ 20 2 2 ω​0 t​ + sin​ ω​0 t​) = (cos​ . ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 2 C​ 2 C​ =1

(III-5.71)

Wir sehen daraus: max​

1.

Die Maximalwerte von W​E​ und W​M​ betragen jeweils W​ E​

2.

Die momentane Gesamtenergie beträgt

max​

= W​ M​

=

1 Q​ 20 ; 2 C​

2

1 Q​ 0 = const.​ 2 C​

3. Wenn die elektrische Energie gerade maximal ist, also W​E​ =

1 Q​ 20 = max​, dann 2 C​

1 Q​ 20 = max​ dann gilt W​E​ = 0. 2 C​

folgt W​M​ = 0; umgekehrt, wenn W​M​ =

Wir haben gesehen: Die Ladung im Schwingkreis schwingt zwischen Kondensator und Spule (Gl. III-5.63); mit der Ladung schwingen auch Strom und Spannung:

Ladung:

2 d​ Q​

d​t​

2

+

1 Q​ = 0; L​C​

durch Differenzieren nach der Zeit t folgt für den Strom:

d​ 2 I​ d​t​

2

+

1 I​ = 0 L​C​

(III-5.72)

und mit Q​ = C​ ⋅ U​ für die Spannung am Kondensator sowie der Spule:

2 d​ U​

d​t​

2

+

1 U​ = 0 . L​C​

(III-5.73)

5.2.2 Gedämpfte Schwingung im freien L-C-R-Kreis Da es sich in der Abb. III-5.25 bei den Spannungen um Spannungsabfälle handelt, ist jeweils das negative Vorzeichen zu verwenden. Ist der ohmsche Widerstand im

5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis

321

+ dI L, UL = −L ___ dt − I

+ −

− Idt Q C, UC = _____ = − __ C C

+ R, UR = −I⋅R − Abb. III-5.25: Gedämpfte elektromagnetische Schwingung im freien L-C-R-Kreis.

freien Schwingkreis nicht vernachlässigbar, muss der zusätzliche Spannungsabfall I.R berücksichtigt werden. Die Schwingungsgleichung für die Ladung lautet dann aus U​L​ + U​C​ + U​R​ = 0 nach Differentiation nach t

L​

d​ 2 Q​ d​t​

+

2

d​Q​ Q​ ⋅ R​ + = 0 d​t​ C​ ⏟⏟⏟⏟⏟

Ladungsschwingung im freien, gedämpften L-C-R-Kreis.

(III-5.74)

= I​

Nochmalige Differentiation nach der Zeit ergibt die Stromschwingung:

2

d​ I​ d​t​

Dabei sind ω​0 =

2

+ 2 γ​

1

√L​C​

d​I​ 2 + ω​ 0 I​ = 0 d​t​

Stromschwingung im freien, gedämpften L-C-R-Kreis.

(III-5.75)

die Eigenfrequenz des ungedämpften Schwingkreises (R​ = 0)

und

γ​ =

R​ 2 L​

die Dämpfungskonstante.

(III-5.76)

λ​t​ Mit dem Ansatz I​ = a​ ⋅ e​ folgt die charakteristische Gleichung (vgl. Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.1.1, Gl. (Ι-5.18) und Abschnitt 5.2, Gl. (Ι-5.88))

322

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen 2

2

λ​ + 2 γ​λ​ + ω​ 0 = 0

(III-5.77)

λ​1,2 = −γ​ ± √γ​ 2 − ω​ 20

(III-5.78)

mit der Lösung

und damit als allgemeine Lösung für die Zeitabhängigkeit des Stroms im freien, gedämpften Schwingkreis I​ (t​) = e​ −γ​t​ [C​1 e​ √γ​

2

2

− ω​ 0 ⋅ t​

+ C​2 e​ −√ γ​

2

2

− ω​ 0 ⋅ t​]

.

(III-5.79)

Wir unterscheiden:24 a) schwache Dämpfung: γ​ 2 =

R​ 2 4L​

2

2

< ω​ 0 =

1 L​C​



2 R​
ω​ 0

2

R​ >



323

4 L​ . C​

Die Wurzel ist jetzt reell, der Ausschlag nähert sich exponentiell der t-Achse ohne diese zu schneiden. c) aperiodischer Grenzfall (= kritisch gedämpft): 2

2

γ​ = ω​ 0



2

R​ =

4 L​ . C​

In diesem Fall ergibt sich für die Zeitabhängigkeit des Stroms aus der Theorie der Differentialgleichungen I​ (t​) = e​

−γ​t​

(I​0 + c​1 t​) ,

(III-5.82)

das bedeutet die rascheste exponentielle Rückkehr in den schwingungslosen Zustand. Wir überlegen uns die Gesamtenergie im freien L-C-R-Schwingkreis. Wir starten mit dem vollständig aufgeladenen Kondensator mit der Energie (Abschnitt 5.2.1, Gl. III5.67) W​E​ =

1 Q​ 2 , 2 C​

das ist die maximal mögliche Energie im Schwingkreis. Unter der Annahme schwacher Dämpfung ergibt sich für die Ladung durch Lösung der Ladungs-Schwingungs-DG (III-5.74) Q​ (t​) = Q​0 e​ ⇒

2

−γ​t​ 2

Q​ (t​) = Q​ 0 e​

cos​ (ω​ ′t​ + φ​)

−2 γ​t​

2

cos​ (ω​ ′t​ + φ​) .

(III-5.83) (III-5.83a)

Damit erhalten wir als elektrische Energie zum Zeitpunkt t

W​E​ =

Q​ 20 −2 γ​t​ cos​ 2 (ω​ ′t​ + φ​) . e​ 2C​

(III-5.84)

Die maximale elektrische Energie zum Zeitpunkt t und damit die maximale Gesamtenergie ergibt sich für cos​ 2 (ω​ ′t​ + φ​) = 1, also

W​gesamt =

Q​ 20 −2 γ​t​ . e​ 2 C​

(III-5.85)

324

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Aufgrund der ohmschen Verluste in R (Umwandlung der Schwingungsenergie in Wärme) nimmt die Gesamtenergie also mit der Dämpfungskonstante 2 γ​ =

R​ zeitL​

lich ab.

5.2.3 Erzwungene Schwingung 5.2.3.1 Serienschwingkreis (Spannungsresonanz) i​ω​t​ Wir legen jetzt an den L-C-R-Kreis eine Wechselspannung U​⇀A​C​ = U​0 e​ (Abb. III5.26) und erhalten so für die Ladungs- bzw. Stromschwingung aus der Kirchhoffschen Schleifenregel 2

L​

d​ Q​ d​t​

2

+ R​

d​Q​ Q​ i​ω​t​ + = U​0 e​ d​t​ C​

Schaltskizze:

bzw.

L​

d​I​ Q​ i​ω​t​ + R​ ⋅ I​ + = U​0 e​ . d​t​ C​ Zeigerdiagramm (ω-abhängig):

 I

Im iωL

L



−i/ωC

Z



UAC = U0 e iωt ~

(III-5.86)

C φ



R



U0

Re

  



i Z = R + iωL − ___ ωC

R

−φ 1/Z

I0 = U0/Z

 

1 ωL − ___ ωC Z = |Z |eiφ, tan φ = ________ R UAC 1 1 −iφ __ __ ___ = e ,I = |Z | Z Z





 





U0 iωt −iφ I0 = ___ e e |Z | Abb. III-5.26: Erzwungene Schwingung im Serienschwingkreis. Links: Schaltskizze; rechts: Zeigerdiagramm.

325

5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis

Das ergibt differenziert 26

L​

d​ 2 I​ d​t​

2

+ R​

d​I​ 1 i​ω​t​ i​ (ω​t​ + π​ ∕ 2) + I​ = i​ω​U0​ e​ = ω​U0​ e​ d​t​ C​

(III-5.87)

R​ und damit für die Stromschwingung mit der Dämpfungskonstante γ​ = und 2 L​ 1 2 ω​ 0 = L​C​ d​ 2 I​ d​t​

2

+ 2 γ​

d​I​ ω​ U​0 i​ (ω​t​ + π​ ∕ 2) 2 . + ω​ 0 I​ = e​ d​t​ L​

(III-5.88)

Eine spezielle Lösung dieser inhomogenen DG wird durch den Ansatz I​ = A​ ⋅ e​ i​ω​t​ gefunden, wodurch der Exponentialterm e​ i​ω​t​ weggekürzt werden kann. Da die Lösung der homogenen DG mit der Zeit verschwindet (gedämpfte Schwingung), folgt, dass die Ladung und der Strom mit der äußeren Anregungsfrequenz ω der Quellenspannung schwingen. Für den Wechselstromwiderstand des Kreises gilt entsprechend der Serienschaltung

Z​⇀= R​ + i​ (ω​L​ −

1 2 i​φ​ 1 2 i​φ​ ) = √R​ + (ω​ L​ − ) ⋅ e​ = |Z​⇀| ⋅ e​ ω​C​ ω​C​ mit tan ​φ​ =

R​ ω​L​ −

1 ω​C​

(III-5.89)

.

Z​⇀ wird minimal, wenn der imaginäre Anteil verschwindet, wobei dann: Z​⇀R​ = Z​⇀min​ = R​ ist; dann wird die Wirkung der Selbstinduktion durch die Wirkung der Kapazität gerade aufgehoben. In diesem Fall der Resonanz ist die Stromamplitude I​0 =

U​0 |

im Kreis maximal, nämlich I​0max​ =

Z​⇀|

U​o​ . Die Resonanzfrequenz folgt aus R​

der Bedingung

π​ 26 Die Multiplikation mit der imaginären Einheit i bedeutet eine Drehung um φ​ = + = +90°. 2

326

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

ω​R​ L​ −

1 =0 ω​R​ C​

(III-5.90)

und ergibt sich unabhängig vom Dämpfungswiderstand zu

ω​R​ = √

1 = ω​0 L​C​

Resonanzfrequenz im Serienkreis;

(III-5.91)

sie ist daher gleich der Frequenz der ungedämpften freien Schwingung des Kreises (siehe Abschnitt 5.2.1, Gl. III-5.65). Wie bei der erzwungenen mechanischen Schwingung wird hier zwar auch die anregende Spannung von außen aufgeprägt, in die DG für den Strom I geht aber nur ihre Ableitung ein. Daher hängt im Unterschied zur mechanischen Analogie (ω​R​ = √ω​ 20 − 2γ​ 2, siehe Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.3.2, Gl. Ι-5.135) die Resonanzfrequenz für den Schwingungsausschlag des Stromes nicht von der Dämpfungskonstante γ ab.27 Die Größe des Stromes im Resonanzfall wird nur durch Z​⇀R​ = R​ bestimmt und für Z​⇀R​ = R​ = 0 wird daher I​R​ = ∞​, es tritt die Resonanzkatastrophe ein. Da im Resonanzfall die Effektivwerte der Spannungen UL und UC an der Spule R​ und am Kondensator bei geringer Dämpfung, also bei kleinem viel höher werden, L​ als der Spannungsabfall am ohmschen Widerstand, nennt man dies Spannungsüberhöhung und die Resonanz im Serienkreis Spannungsresonanz. Im Resonanzfall gilt:

√ L​

U​res​,L​ = I​res​ |Z​⇀L​ | = I​res​ ω​res​ L​ = I​res​

= U​0 ⋅

L​

√L​C​

= I​res​ √

C​ L​ = U​0 = C​ R​

L​ ω​0 1 √ = U​0 ⋅ R​ ≫ U​0 R​ L​C​ L​

(III-5.92)

27 Betrachten wir jedoch die Schwingungsgleichung (III-5.86, 1. Gleichung) für die Ladung Q (also auch für die Spannung UC = Q/C am Kondensator), dann fehlt hier rechts der Faktor ω. Die DG ist jetzt identisch mit jener für den mechanischen Fall des Ausschlags eines von außen angeregten Schwingers und wie dort ist jetzt die Resonanzfrequenz für die Ladung Q bzw. die Kondensatorspannung UC entsprechend der Beziehung ω​R​,Q​ =



2

ω​ 0 −

R​

2

2 L​

2

vom Widerstand R abhängig. Ande-

rerseits ist die Geschwindigkeit υ der Masse m eines mechanischen Schwingers υ​ =

d​x​ d​t​

und die DG für

5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis

U​res​,C​ = I​res​ |Z​⇀C​ | = I​res​

= U​0 ⋅

1 ω​res​ C​

= I​res​

√L​C​ C​

327

√ L​

= I​res​ √

C​ L​ = U​0 = C​ R​

ω​0 = U​res​,L​ ≫ U​0 , R​ L​

(III-5.93)

das bedeutet Spannungsüberhöhung: L​

√ C​

U​res​,L​ = U​0 R​ L​

√ C​

(III-5.94)

Spannungsüberhöhung.

heißt Schwing- oder Kennwiderstand; bei guten Serienschwingkreisen ist

L​

√ C​ ≫ R​. Das Verhältnis von Blindwiderstand ω​0 L​ = ω​R​ L​ zum Widerstand R bei Resonanz ist der Gütefaktor L​

√ C​

Q​ =

ω​R​ L​ = R​ R​

Gütefaktor (= Kreisgüte).

(III-5.95)

Die Spannungsüberhöhung ist also gleich dem Gütefaktor Q, der auch die Schärfe der Resonanzkurve bestimmt: Beim Strom I​ = kurve

I​res​

√2

gilt für die Breite der Resonanz-

2 Δω​ 1 = (siehe das folgende Beispiel), also ω​R​ Q​

υ entspricht damit völlig jener für den Strom I (Gl. III-5.87) ⇒ die Geschwindigkeits-Resonanzfrequenz ωr,v ist unabhängig von der Dämpfungskonstante γ (ω​r​,υ​ = ω​0 = √

k​ m​

).

328

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

2 Δω​ =

ω​R​ ω​R​ R​ = Q​ ω​0 L​

⏟ = ω​R​ = ω​0

R​ . L​

(III-5.96)

Für den Phasenwinkel φ (Winkel zwischen U​⇀0 und I​⇀0) ergibt sich ω​L​ − tan ​φ​ =

1 ω​C​

R​

;

(III-5.97)

bei der Resonanzfrequenz ω​ = ω​R​ ist also φ​ = 0. Beispiel: Herleitung der Breite der Resonanzkurve. I​Δ ω​ ist der Strom bei der Frequenz ω​R​ + Δ ω​. I​res​

|

Z​⇀Δω​ |

= I​Δω​

1 =

|

Z​⇀res​ |

R​

√R​ 2 + [ (ω​ R​ + Δ ω​)L​ − (ω​

R​

1 + Δ ω​)C​

2

] = √2 ,

das bestimmt per definitionem die Breite 2Δω der Resonanzkurve.





2=

2

1

Δω​ 1 { } } { } [R​ 2 + { ] )− ω​ R​ L​ (1 + { } [ ] ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ { } [ ] { } 2[ [ ] { } ω​ ] { }] R ​ Δω​ [ ] R​ [ L​ [ ] ) ] ω​R​ C​ (1 + ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ [ ] =√ { [ { } [ ] ω​R​ } { } C​ [ ] { } [ ] { } [ ] C​ { } [ ] { } =√ { } L​ { }] [ 1

2

L​ 2 Δω​ (√ ⋅ ) 1≅ 2 C​ ω​R​ R​



2 Δω​ R​ 1 = = . ω​R​ L​ Q​ √ C​

Abb. III-5.27 zeigt den Verlauf von Strom I, den Spannungen UL, UC, UR an Induktivität, Kapazität und ohmschem Widerstand, und den Phasenwinkel φ als Funktion der Kreisfrequenz ω in einem Serienschwingkreis mit R = 100 Ω, L = 1 Hy, C = 10 μF und einer Anregungsspannung U0 = 200 V. Bei der Resonanzfrequenz ω​R​ = 316,2 Hz hat der Strom I seinen größten Wert. U​⇀ U​0 Ist der Strom I​⇀= bzw. I​0 = im Schwingkreis ermittelt, dann ergeben sich Z​⇀ ⇀| | Z​ die Spannungen an R, L, und C mit Hilfe des Ohmschen Gesetzes für WechselströI​⇀ me: U​⇀R​ = I​⇀⋅ R​ mit |U​⇀R​ | = I​0 ⋅ R​; U​⇀L​ = I​⇀⋅ (i​ω​L​) mit |U​⇀L​ | = I​0 ω​L​; U​⇀C​ = mit i​ω​C​ I​0 ⇀C​ | = | U​ . ω​C​

329

5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis

U[V]

2Δω = R/L

I[A]

1000

2

I0

800

φ[°]

I

I0

80

φ

2

600

60

1 400

40 UC

200

UL

UL

U0

20

UC

L Rkenn = __ = C

1 Hy _________ = 316 Ω 10⋅10−6 F

R ωR L _____ 316 Ω Q = ____ = kenn = ______ = 3,16 R R 100 Ω 316 s−1 ωR 2Δω = ___ = _______ = 100 s−1 Q 3,16

UR 0 0

100

200

300

400 ωR

500

600

ω[Hz]

–20

φ –40 –60 Abb. III-5.27: Verlauf von Strom I, Spannungen UL, UC, UR an Induktivität, Kapazität und ohmschem Widerstand, und Phasenwinkel φ in einem Serienschwingkreis als Funktion von ω. (R = 100 Ω, L = 1 Hy, C = 10 μF, Anregungsspannung U0 = 200 V. Bei der Resonanzfrequenz (ωR = 316,2 Hz) hat der Strom I im Kreis seinen maximalen Wert; die Spannungen UL und UC sind im Bereich von ωR groß gegen UR (Spannungsüberhöhung). (nach L. Bergmann und C. Schaefer „Lehrbuch der Experimentalphysik, II. Band: Elektrizitätslehre“, de Gruyter, Berlin 1950)

Wie die Berechnung der Extremwerte zeigt, wird die maximale Spannung am Kondensator bei ω​C​,max​ = √ω​ o2 ​ −

R​ 2 2L​

2

, an der Spule bei ω​L​,max​ ≅ √ω​ o​ + 2

R​ 2 2 L​ 2

erreicht

(vgl. Abb. III-5.27).28

5.2.3.2 Parallelschwingkreis (Stromresonanz) Für die Hochfrequenztechnik ist auch die erzwungene Schwingung des Parallelschwingkreises (sogenannter Sperrkreis) von Interesse (Abb. III-5.28).

|

28 Es gilt: U​C​ = |I​⇀| |Z​⇀C​ | = U​ ⋅ 0

Z​⇀C​ |

|

d​ d​ω​

|

(

Z​⇀C​(ω​) |

|

Z​⇀(ω​) |

)=0

und

|

und

U​L​ = |I​⇀| |Z​⇀L​ | = U​ ⋅ 0

Z​⇀| d​

d​ω​

Z​⇀L​ |

|

|

(

Z​⇀L​(ω​) |

|

Z​⇀(ω​) |

) = 0.

Z​⇀|

; die Maxima ergeben sich aus

330

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Schaltskizze:

 I

L,R



AC

= U0 e

iωt

Im

C

L

I

 U

Zeigerdiagramm (ω-abhängig):

 I



ZL,R

C

~

iωL



α

R

α−φ

R



U



Re

    

G = 1/Z

I = G ⋅U IC = iωC⋅U





e−iα 1 GL,R = ____ = __________ ZL,R R 2 + ω2 L2





 

IL,R = G L,R⋅U

GC = iωC Abb. III-5.28: Erzwungene Schwingung im Parallelschwingkreis. Links: Schaltskizze; rechts: Zeigerdiagramm. Da sich bei Parallelschaltung von Widerständen die Leitwerte G​⇀i​ addieren, wird hier mit den G​⇀i​ gerechnet: I​⇀= G​⇀⋅ U​A​C​ R​ − i​ω​L​ 1 1 1 −i​α​ + i​ω​C​ = G​⇀= = G​⇀L​,R​ + G​⇀C​ = + i​ω​C​ = e​ + i​ω​C​ 2 2 2 Z​⇀ R​ + i​ω​L​ 2 2 2 √ R​ + ω​ L​ R​ + ω​ L​ R​ 2

2 2

2

2 2

Re​G⇀​ R​ + ω​ L​ R​ ω​L​ = = tan ​α​ = ; tan ​φ​ = R​ Im​G⇀​ −ω​L​ + ω​C​ ω​C​ − ω​L​ R​ + ω​ L​

Der Widerstand im Spulenzweig ist Z​L​,R​ = R​ + i​ω​L​ ,

(III-5.98)

im Kondensatorzweig Z​C​ = −i​

1 . ω​C​

(III-5.99)

Damit wird der Wechselstromwiderstand dieser Parallelschaltung von L und C 1 R​ L​ (R​ + i​ω​L​) (−i​ ) − i​ Z​L​,R​ Z​C​ ω​C​ C​ ω​C​ = = Z​ = = . 1 1 1 1 Z​L​,R​ + Z​C​ + R​ + i​ (ω​L​ − ) R​ + i​ (ω​L​ − ) Z​L​,R​ Z​C​ ω​C​ ω​C​ 1

(III-5.100)

331

5.2 Der elektromagnetische Schwingkreis

Nach Multiplikation von Zähler und Nenner mit R​ − i​ (ω​ L​ −

1 1 L​ 2 2 2 (R​ + ω​ L​ − ) − i​ 2 ω​ C ​ C​ ω​ C​

R​

1 ) erhält man ω​C​

2

Z​ =

1 2 ) R​ + (ω​ L​ − ω​C​

.

(III-5.101)

2

Im Resonanzfall ω​ = ω​R​ verschwindet der Klammerausdruck im Zähler von Z: 2

2

2

R​ + ω​ R​ L​ −

L​ = 0; C​

(III-5.102)

daher

ω​R​ =

1

√L​C​

√ 1 − R​

2 C​

Resonanzfrequenz im Parallelkreis.

L​

(III-5.103)

Die Resonanzfrequenz ωR hängt also leicht vom ohmschen Widerstand R ab. Im Grenzfall R = 0 gilt ω​R​ =

1

√L​C​

.

(III-5.104)

Meist kann der Einfluss des ohmschen Widerstands auf die Frequenz vernachlässigt und daher sowohl R​ 2 + ω​ 2R​ L​ 2 −

L​ 1 = 0 als auch ω​R​ L​ − = 0 angenommen C​ ω​ R​ C​

werden. In diesem Fall folgt für den Resonanzwiderstand im Kreis sofort aus der Beziehung für Z von oben (Gl. III-5.101)

R​ Z​R​ =

1 2 ω​ R​ C​ 2 R​

2

=

1 2 ω​ R​ C​ 2 R​

=

1 L​ = , 1 2 C​ ⋅ R​ C​ R​ L​C​

(III-5.105)

d. h., bei sehr kleinem ohmschen Widerstand wird der Wechselstromwiderstand Z sehr groß, der Strom, der durch den Parallelkreis fließt, daher sehr klein, es ist ein

332

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Sperrkreis. Die Beiträge der Ströme im Kreis durch L und C sind annähernd gleich groß und entgegengesetzt gerichtet; sie heben einander als Blindströme auf, sind aber jeweils groß gegen den Effektivwert des Stroms durch den Resonanzwiderstand |Z​⇀R​ |, man spricht daher von Stromüberhöhung und nennt die Resonanz im Parallelkreis Stromresonanz.29 Für die Stromüberhöhung finden wir mit U​0

I​L​,R​ ≈ I​C​,R​ = |

= U​0 ω​R​ C​ = U​0

Z​⇀C​,R​ |

1

√L​C​

⋅ C​ = U​0 √

C​ L​

(III-5.106)

und I​R​ =

U​0 |

U​0 C​R​ L​

=

Z​⇀R​ | C​

(III-5.107)

L​

√ L​

√ C​

I​C​,R​ = = Q​ . = I​R​ C​ ⋅ R​ R​ L​



(III-5.108)

Dies ist derselbe Ausdruck wie bei der Spannungsüberhöhung in Abschnitt 5.2.3.1 Gln. (III-5.94) und (III-5.95). Für die Kreisgüte Q gilt also wie beim Serienschwingkreis (siehe 5.2.3.1, Gl. III-5.95) L​

√ C​

Q​ =

ω​R​ L​ = . R​ R​

Abb. III-5.29 zeigt den Verlauf von Strom I = IL + IC, den Strömen IL und IC durch Induktivität und Kapazität, und von Phasenwinkel φ als Funktion der Kreisfrequenz ω in einem Parallelschwingkreis mit R = 50 Ω, L = 1 Hy, C = 10 μF und einer Anregungsspannung U0 = 100 V. Bei der Resonanzfrequenz ω​R​ = 316,2 Hz​ hat der Gesamstrom I seinen minimalen Wert.

29 I​C​,R​ =

U​0 1 ω​C​

= U​0 ω​C​ = U​0

C​

=

U​0

√L​C​ √ L​ C​

; I​L​,R​ =

U​0

√ω​ L​

2 2

= + R​

2

U​0 2

2 √ L​L​C​ + R​

=

U​0 2 L​ √ C​ + R​



U​0 L​ √ C​

= I​C​,R​

5.3 Der „offene“ Schwingkreis = Hertzscher Dipol

333

I[A] 0,8

φ IL

0,6

IC

I

90° I

0,4

80°

φ

60° IL

0,2

40° 20°

0

0° 0

100

200

300

400 ωR

500

600

ω [Hz]

–20° –40° –60°

φ

–80° –90°

Abb. III-5.29: Verlauf von Strom I = IL + IC, den Strömen IL und IC durch Induktivität und Kapazität, und von Phasenwinkel φ als Funktion von ω in einem Parallelschwingkreis. (R = 50 Ω, L = 1 Hy, C = 10 μF, Anregungsspannung U0 = 100 V. Bei der Resonanzfrequenz (316,2 Hz) ist der Gesamtstrom sehr gering, die Ströme durch Induktivität und Kapazität sind etwa gleich groß und entgegengerichtet, ihr Betrag ist aber etwa sechsmal so groß wie der Gesamtstrom I (Stromüberhöhung). (Nach L. Bergmann und C. Schaefer „Lehrbuch der Experimentalphysik, II. Band: Elektrizitätslehre“, de Gruyter, Berlin 1950).

5.3 Der „offene“ Schwingkreis = Hertzscher Dipol Im Folgenden berücksichtigen wir auch die zeitliche Änderung der elektrischen ∂​E​ Feldstärke, d. h. die Verschiebungsstromdichte ε​0 ε​r​ . Damit verlassen wir das für ∂​t​ die Starkstromtechnik wichtige Gebiet der quasistationären Vorgänge, bei denen nur in Spulen und Kondensatoren konzentrierte Felder eine Rolle spielen. In einem elektrischen Schwingkreis oszillieren die beiden Anteile der Gesamtenergie: Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist sie als elektrische Feldenergie ganz im Kondensator konzentriert, dann nimmt die elektrische Energie im Kondensator ab und es bildet sich zunehmend magnetische Feldenergie in der Spule, bis schließlich die gesamte Energie als magnetische Feldenergie in der Spule konzentriert ist; dann nimmt die magnetische Energie in der Spule ab und es bildet sich wieder zunehmend elektrische Feldenergie im Kondensator, bis die Gesamtenergie wieder als elektrische Energie ganz im Kondensator konzentriert und der Ausgangszustand damit erreicht ist. Im geschlossenen, freien Schwingkreis (vgl. Abschnitt 5.2.1) sind also elektrisches und magnetisches Feld zeitlich abwechselnd im Kondensator und der Spule räumlich lokalisiert, bei einem Schwingkreis aus einem idealen Kondensator und einer idealen Spule jeweils gänzlich ohne Streufelder, es befindet sich also kein elektromagnetisches Feld im Außenraum.

334

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Stellt man sich im Gegensatz dazu einen Schwingkreis vor, in dem sowohl Spule als auch Kondensator immer mehr von der Idealisierung ohne Streufeld abweichen (Abb. III-5.30) – also zunächst als Spule nur mehr eine Drahtschleife mit den Kondensatorplatten an den Enden, dann statt der Drahtschleife nur mehr ein Stück Draht mit kleinen Platten an den Enden, schließlich überhaupt nur mehr ein Stück Draht (ohne Platten) – so erfolgt mit jeder Änderung eine immer größere Streuung der elektrischen und magnetischen Feldlinien in den Raum, beim Drahtstück erstrecken sich elektrisches und magnetisches Feld schließlich weit in den Raum hinaus, man spricht vom offenen Schwingkreis.30 I(t)



B



I(t)





E

E



B

E

I(t, x)



I(t, x)



E



B

B

Abb. III-5.30: Vom geschlossenen (ganz links) zum offenen Schwingkreis (ganz rechts).

Andererseits schwingen auch in dem Drahtstück die über seine Länge ungleichmäßig verteilten elektrischen Ladungen hin und her, es handelt sich also um einen verteilten schwingenden Dipol (Abb. III-5.31). +dQ

+

−dQ



Abb. III-5.31: Teil des momentanen Feldlinienbildes eines schwingenden linearen Dipols; die beiden Ladungselemente ± dQ schwingen gerade auseinander. Neben den elektrischen Feldlinien (blau) sind die magnetischen Feldlinien angedeutet, die oberhalb des Drahtstücks (dick schwarz) in die Papierebene eintreten und unterhalb austreten.

30 Die elektrische und die magnetische Feldenergie können jetzt nicht mehr lokalisierten Bauteilen zugeordnet werden, sondern sind über den ganzen Raum verteilt.

5.3 Der „offene“ Schwingkreis = Hertzscher Dipol

335

Das elektrische Dipolmoment zweier Punktladungen ± q im Abstand l​ (Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.4.2, Gl. III-1.49) p​⇀e​ = q​ ⋅ l​⇀

(III-5.109)

wird beim schwingenden Dipol durch periodische Änderung von l​ zeitabhängig: i​ω​t​ p​⇀(t​) = p​⇀0 e​ .

(III-5.110)

Die elektrischen und magnetische Kraftlinien des schwingenden Dipols breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit nach außen in den Raum aus. Das Feld schwingt aber aufgrund der schwingenden Dipolladungen, d. h., einmal befindet sich die positive Ladung links (Abb. III-5.31), dann schwingt sie nach rechts und die negative Ladung befindet sich links und so fort. Bei unendlich rascher Ausbreitung des Feldes erwarten wir bei der Umpolung eigentlich, dass alle Kraftlinien, die sich bereits in den Raum ausgebreitet haben, wieder zum Dipol zurückkommen: Das Feld im gesamten Raum würde nur durch den augenblicklichen Zustand des Dipols bestimmt werden. Da die Lichtgeschwindigkeit aber endlich ist, kann das bereits existierende entfernte Feld der Änderung der Ladungsverteilung des Dipols nicht unmittelbar folgen,31 sondern breitet sich weiterhin mit Lichtgeschwindigkeit c aus. In der Folge löst sich während jeder Periode als Ergebnis der Feldumkehr am Ort des Dipols ein Teil des Feldes vom Dipol ab und wandert als abgestrahlte elektromagnetische Welle nach außen. Der schwingende Dipol ist ein Sender elektromagnetischer Wellen. Die theoretische Beschreibung der Abstrahlung des elektromagnetischen Feldes durch einen schwingenden Dipol geschieht mit „retardierten Potenzialen“: Die Änderung des elektrischen und des magnetischen Feldes in einem bestimmten Raumpunkt braucht eine gewisse Zeit, bis sie zu einem anderen Raumpunkt gelangt, man spricht von „Retardierung“; die Elektrodynamik ist eine lokale Theorie, Zustandsänderungen an einem Raumpunkt haben an einem anderen Raumpunkt keine unmittelbare Wirkung, die Wirkung breitet sich mit einer endlichen Geschwindigkeit, der Vakuumlichtgeschwindigkeit c aus. Das Feld im Abstand r vom Oszillator zur Zeit t wird daher durch den Oszillatorzustand, also das Dipolmoment, zur r​ Zeit t​ ′ = t​ − bestimmt. Zeitlich aufeinanderfolgende Zustände des Dipols setzen c​

31 Die Ausbreitungsgeschwindigkeit müsste im Vakuum ihre Richtung umkehren, was ohne äußere Einwirkung (z. B. Spiegel) nicht möglich ist. Im Photonenbild (siehe Band V, Kapitel „Quantenoptik“, Abschnitt 1.3) müssten die Lichtquanten ohne Wechselwirkung ihre Geschwindigkeit umkehren.

1

336

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

sich in räumlich und zeitlich periodische elektromagnetische Felder um, deren äquivalente Phasen einander mit Lichtgeschwindigkeit nachjagen. Dabei eilt der π​ Maximalwert des Magnetfeldes, also der Maximalwert des Stroms am Dipol, um 2 gegen den Maximalwert des elektrischen Feldes voraus (in Analogie zum Durchgang eines Wechselstroms durch einen Kondensator). Diese Phasenbeziehung gilt aber nur für die unmittelbare Umgebung des Dipols, das sogenannte Nahfeld, in genügend weiter Entfernung schwingen elektrisches und magnetisches Feld in Phase32 (vgl. z. B. Clemens Schaefer, Lehrbuch der Theoretischen Physik, III. Band (Elektrodynamik und Optik), 1. Teil, deGruyter 1950). Die Abb. III-5.32 zeigt schematisch Momentaufnahmen der elektrischen und magnetischen Feldlinien: Die magnetischen Feldlinien sind geschlossene Kreise, konzentrisch um die Dipolachse. Die elektrischen Feldlinien sind nierenförmig, ebenfalls geschlossen. Beide Felder sind also quellenfreie Wirbelfelder, die sich mit Lichtgeschwindigkeit vom Dipol ausgehend in den Raum ausbreiten. Mit Hilfe der Maxwell-Gleichungen findet man für die Feldstärken |E​⇀| und |

H​⇀| im Vakuum in großer Entfernung vom Dipol, im sogenannten Strahlungsfeld

(Fernfeld)

|

r​ r​ p​̈ p​̈ E​⇀| = μ​0 sin​ (ω​[t​ − ]) ⋅ sin​ θ​; |H​⇀| = √ε​0 μ​0 sin​ (ω​[t​ − ]) ⋅ sin​ θ​ r​ c​ r​ c​

(III-5.111)

mit dem Dipolmoment p​⇀(t​) = Q​ ⋅ z​ (t​) = Q​ ⋅ l​⇀0 sin​ ω​t​ für den in z-Richtung schwingenden Dipol. Dabei ist p​⇀̈ sin​ θ​ = Q​z̈ ​ sin​ θ​ die senkrecht zur Ausstrahlungsrichtung r​⇀auftretende Beschleunigung der Ladung Q. Die gegenseitige Lage von E​⇀ und H​⇀ ist aus Abb. III-5.33 ersichtlich (die Figur ist um die z-Achse rotationssymmetrisch).

32 Der Grund für das verschiedenartige Verhalten in naher und weiter Entfernung vom Dipol liegt darin, dass die allgemeine Lösung für das Dipolfeld aus Summanden mit verschieden starker Entfer1 1 1 nungsabhängigkeit ( , , ) besteht (siehe Kapitel „Elektrostatik“, Abschnitt 1.4.1), was in Dipolr​ r​ 2 r​ 3 nähe andere Funktionen zum Tragen bringt, als in Dipolferne.

5.3 Der „offene“ Schwingkreis = Hertzscher Dipol



I

B

t = t0



+

E



B



t = t0 + T/4



E

t = t0 + T/2



B



E −

t = t0 + 3T/4



+

B



E

t = t0 + T



B

Abb. III-5.32: Schwingender, elektrischer Dipol: Momentaufnahmen der elektrischen (E​⇀, blau durchgezogen) und magnetischen Feldlinien (B​⇀, blau strichliert) zu den Zeitpunkten t = 0, t = T/4, t = T/2, t = 3T/4 und t = T. Der Pfeil im Dipol-Leiterstück gibt die Richtung des augenblicklichen Stromflusses an. Nach einer halben Schwingungsperiode lösen sich die Feldlinien vom Dipol, dessen Moment gerade verschwindet, sodass keine Feldlinien mehr von ihm entspringen und breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit in den Raum aus.

337

338

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

z

   

S = (E × H ) ∥ r (= Ausbreitungsrichtung)



r

θ





H

p (t)



x

E

Abb. III-5.33: Lage von E​⇀, H​⇀und S​⇀im Strahlungsfeld des schwingenden Dipols.

Die Energie breitet sich längs des Poynting-Vektors (siehe Abschnitt 5.5.4) S​⇀=

1 (E​⇀× B​⇀) = (E​⇀× H​⇀) ⫽ r​⇀aus; E​⇀und H​⇀bzw. B​⇀stehen senkrecht aufeinander. μ​0

Für das Verhältnis von |E​⇀| zu |H​⇀|, den Wellenwiderstand Z0,Vak gilt im Vakuum: |

Z​0,Vak = |

E​⇀|

=

H​⇀|

μ​0

√ε​0 μ​0

=√

μ​0 ε​0

=√

1,257 ⋅ 10−6 VsA−1 m−1

=

8,854 ⋅ 10−12 AsV−1 m−1 (III-5.112)33.

= μ​0 ⋅ c​ = 377 Ω

Beispiel: Abschätzung der Schwingungsamplitude der Ladungsschwingung im schwingenden Dipol. Wir betrachten als Beispiel einen offenen Schwingkreis, der induktiv an einen Serienschwingkreis mit erzwungenen Schwingungen gekoppelt ist (Lges ist die Gegeninduktivität der beiden (schwach) gekoppelten Spulen):

33 Wird statt mit |H​⇀| mit |B​⇀| gerechnet, dann gilt im Vakuum: 1 Z​Vak

|

B​⇀|

=

= ⇀| |E​

μ​0 |H​⇀| ⇀| |E​

=

μ​0 √ε​0 μ​0 μ​0

= √ε​0 μ​0 =

1 c​

−9

= 3,336 ⋅ 10

−1

sm .

339

5.3 Der „offene“ Schwingkreis = Hertzscher Dipol

Antennenkreis

z l __ 2

Erregerkreis C



 



Ip

Ls, Us

Up = U0p cos ωR t ~

Lp

l=0

Lges R

l − __ 2 Offener Schwingkreis (schwingender Dipol), induktiv gekoppelt an einen von außen angeregten Serienschwingkreis. Lges ist die Gegeninduktivität der beiden (schwach) gekoppelten Spulen. Der Erregerkreis ist ein Resonanzkreis hoher Güte Q, damit ein großer Strom I​⇀p​ im Primärkreis erzielt wird: Z​⇀= R​, I​⇀p​ =

U​⇀s​ = L​ges​

d​I⇀​p​ d​t​

= −L​ges​

U​0p​ R​

ω​ (−sin​ ω​t​) = U​0p​

L​ges​ ω​ R​

U​⇀p​ R​

=

U​⇀0p​ R​

cos​ ω​t​, ω​R​ =

1

√L​C​

= ω​0, ω​0 =

π​ l​

⋅ c​.

π​ cos​ (ω​t​ − ) 2

Der im Stab (Drahtstück) fließende Wechselstrom ist am Stabende stets Null, in der Stabmitte periodisch maximal und minimal. Die Spannung ist gegenüber dem Strom um π/2 phasenverschoben (der Strom eilt um π/2 vor) und in der Mitte stets Null bzw. minimal (wegen der Spannungseinspeisung). π​ I​ (z​,t​) = I​0 (z​)cos​ (ω​t​ − ) = I​0 (z​)sin​ ω​t​ 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ rein induktive Kopplung

340

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

mit der Randbedingung, dass der Strom am Stabende verschwindet, also l​ I​ (z​ = ± ) = 0 . 2 Der Strom in der Stabantenne entspricht einer stehenden Welle mit einer maximalen Wellenlänge (Grundschwingung mit Wellenlänge λ0) λ​ max​ = λ​0 = 2 l​. Der maximalen Wellenlänge λ​ max​ entspricht eine minimale Frequenz ν​min​ = ν​0. Für die Grundfrequenz ω0 der Schwingungen im Stab finden wir: ω​0 = 2 π​ν0​ =

2 π​ π​ υ​p​h​ = υ​p​h​ . l​ λ​⏟0 = 2 l​

Im Vakuum gilt υ​p​h​ = c​ =

1

√ε​0 μ​o​

,

in einem Dielektrikum ist υ​p​h​ =

1

=

1

√ε​ ⋅ μ​ √ε​0 ε​r​ μ​0 μ​r​

.

Im Stab schwingen die Leitungs-e​ − gegen das Gitter der festsitzenden Ionenrümpfe des Leiters; damit schwingt auch das Dipolmoment der Stabantenne. Ist der leitende Stab (Dipolantenne) in z-Richtung angeordnet, so gilt für das Dipolmoment aufgrund der sich fortwährend verschiebenden Ladungsschwerpunkte Q p​⇀(t​) = Q​ ⋅ d​⇀(t​) = e​⇀Z​ ⋅ Q​0 d​0 cos​ ω​t​ .

5.3 Der „offene“ Schwingkreis = Hertzscher Dipol

341

−Q

 

d = d0 cos ωt

+Q

Momentaufnahme der Ladungsschwerpunkte des schwingenden Dipols. −

Die Driftgeschwindigkeit vD der Leitungs-e​ in einem Kupferdraht bei einer Stromstärke von ≈ 1 A beträgt etwa 30 μms–1 (vgl. Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.1.4.2, Fußnote 15), es gilt also sicher υ​ ≪ c​. Wir überlegen die Größe der Schwingungsamplitude d0 der Grundschwingung der Leitungselektronen in der Mitte des Dipols, dem Ort des Strommaximums; sie wird nach der halben Schwingungsdauer T/2 der Kosinus-Ladungsschwingung erreicht, also d​0 = υ​ ⋅

Mit

T​ =

T​ . 2

1 λ​ 2 l​ = = ν​ c​ c​

d​0 =

folgt

l​ ⋅ υ​ ≪ l​ , c​

⇒ die Schwingungsamplitude d0 der im Stab schwingenden Elektronen ist also auch bei sehr großen Antennenströmen sehr viel kleiner als die Länge der Stabantenne; sie rühren sich praktisch nicht von der Stelle! Grund ist die extrem hohe Ladungsdichte im z. B. Cu-Metall, sodass schon eine winzige Verschiebung aller Elektronen gegen das Gitter der Atomrümpfe eine messbare Ladung Q hervorruft.

342

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Im ganzen Raum stehen die elektrischen Feldlinien (E​⇀-Linien) normal auf den magnetischen Feldlinien (B​⇀-Linien). Im Nah- und Mittelbereich um den Dipol (r​ ≅ l​ und r​ > l​, r … Distanz von der Dipolmitte zum Aufpunkt, l​ Dipollänge) sind die beiden π​ Felder um gegeneinander phasenverschoben. Im Fernfeld (r​ ≫ l​) sind E​⇀-Feld 2 und B​⇀-Feld phasengleich. Der Grund dafür ist die gegenseitige Induktion zwischen elektrischem und magnetischem Feld: B​⇀erzeugt E​⇀, E​⇀erzeugt B​⇀und so fort. Im Fernfeld (r​ ≫ l​) gilt: B​⇀steht ⊥ auf die Dipolachse und die Ausbreitungsrichtung, E​⇀steht ⊥ auf die Ausbreitungsrichtung, also die Richtung r​⇀vom Dipol zum Aufpunkt (vgl. Abb. III-5.33) und ⊥ zu B​⇀. B​⇀und E​⇀sind jetzt gleichphasig.

5.4 Die Abstrahlung einer beschleunigten Ladung Man kann zeigen,34 dass im Strahlungsfeld in einem großen Abstand vom Dipol die elektrische und die magnetische Feldstärke proportional zur zweiten Zeitableitung des Dipolmoments und umgekehrt proportional zum Abstand vom Dipol sind, also ∝ p​̈ /​r​ (siehe voriger Abschnitt 5.3, Gl. III-5.111):

E​ ∝ p​̈ =

d​ 2 d​t​

2

Q​ ⋅ l​ = Q​ ⋅ l​ ̈ ;

(III-5.113)

l​ ist der Abstand der beiden entgegengesetzt geladenen Ladungsschwerpunkte ±Q. Die Feldstärken im abgestrahlten Feld sind daher proportional zur Beschleunigung der Ladung. Wir können daher zusammenfassend sagen: 1

Die ruhende Ladung erzeugt das statische elektrische Feld, die bewegte Ladung erzeugt zusätzlich das magnetische Feld und die beschleunigte Ladung strahlt. Eine wichtige, messbare Größe der elektromagnetischen Strahlung ist die Bestrahlungsstärke I (= Intensität = Energiestromdichte, irradiance, genauer in Band IV, Kapitel „Wärmestrahlung“, Abschnitt 3.1.3) das ist die Strahlungsenergie, die pro Zeiteinheit durch die Flächeneinheit transportiert wird (Einheit: [I] = 1 W/m2). In Abschnitt 5.5.4, Gl. (III-5.150) werden wir sehen, dass gilt 2 I​ = ε​0 c​ 〈E​ 〉 ,

(III-5.114)

2 also I​ ∝ 〈E​ 〉 , daraus folgt

34 Siehe z. B. Jerry B. Marion, Classical Electromagnetic Radiation, Academic Press 1965, S. 220 ff.).

5.4 Die Abstrahlung einer beschleunigten Ladung 2

I​ ∝ 〈l​ 〉̈ .

343 (III-5.115)

Die Winkelverteilung der Intensität der von einem Dipol ausgesandten elektromagnetischen Strahlung ergibt sich als Funktion von sin2 θ, wenn θ der Winkel zwischen der Schwingungsrichtung der Ladung (Dipolachse) und der beobachteten Strahlungsrichtung ist (vgl. Gl. (III-5.111) für |E​⇀| in Abschnitt 5.3). Damit ergibt sich die folgende charakteristische Richtungsverteilung der abgestrahlten Intensität eines Dipols (Abb. III-5.34): z θ I(θ)

Abb. III-5.34: Polardiagramm der Intensitätsverteilung der Strahlung eines Dipols. θ ist der Winkel zwischen der Beschleunigungsrichtung der Ladungen (Schwingungsrichtung = Dipolachse) und der Beobachtungsrichtung der Strahlung. Die Strahlungs-Charakteristik ist bezüglich der z-Achse rotationssymmetrisch.

Wir betrachten kurz zwei weitere wichtige Formen von Strahlung, die durch beschleunigte Ladungen erzeugt werden:

1. Röntgenbremsstrahlung − e​ werden in der Röntgenröhre durch Glühemission freigesetzt und im elektrischen Feld beschleunigt. Sie treffen auf die Anode = Antikathode und werden dort in aufeinanderfolgenden Stößen in verschiedenen Richtungen sehr rasch abgebremst, also negativ beschleunigt. Dadurch liefern sie das kontinuierliches Spektrum der Röntgenstrahlung (Bremsstrahlung), das z. B. im Laue-Verfahren zur Strukturbestimmung und Orientierung von Kristallen verwendet werden kann (siehe Band VI, Kapitel „Festkörperphysik“, Abschnitt 2.2.5.6).

2. Synchrotronstrahlung − e​ werden in einem Elektronen-Synchrotron (siehe dazu Kapitel „Statische Magnetfelder“ Abschnitt 3.1.4.3) auf hohe Energien (MeV–GeV) beschleunigt. Auf der − Kreisbahn ihres Umlaufs wirkt auf die e​ dauernd die Zentrifugalbeschleunigung 2 υ​ a​ = ; die abgestrahlte Intensität ist I​ ∝ a​ 2. Ist die Umlaufgeschwindigkeit υ der R​ e– klein (Geschwindigkeitsparameter β = υ/c ≅ 0), dann gleicht die Strahlungs-

344

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

charakteristik jener der Dipolstrahlung (Abb. III-5.34), wobei als Rotationssymmetrieachse jetzt an Stelle des schwingenden Dipols, der seine Richtung mit der Frequenz des umlaufenden e– ständig ändernde Vektor der Zentripetalbeschleunigung υ​ 2 a​⇀= e​⇀n​ tritt (siehe Band I, Kapitel „Mechanik des Massenpunktes“, AbR​ schnitt 2.1.3, Gl. Ι-2.15a). 1.0

~0 β=

y 0.5

θ

0

φ

x

–0.5 θ = 90° – φ –1.0 –1.0

0

0.7 0.5 0.3 0.1 –0.1 –0.3 –0.5 –0.7

1.0

β = 0.5

y φmax x

–1 0

1

2

3

4

5

6

7

8

Abb. III-5.35: Polardiagramm der Intensitätsverteilung der Strahlung einer Ladung mit Bewegung υ​⇀in x-Richtung und dazu senkrechter Beschleunigung a​⇀in y-Richtung (z.B. Bewegung auf einer Kreisbahn: x-Richtung tangential, y-Richtung zum Kraftzentrum gerichtet). Links υ ≪ c (β ≅ 0), 2 2 θ = 90° – φ, sin​ θ​ = cos​ φ​; die maximale Intensität I(θ = π/2) ist auf 1 normiert. Rechts υ = 0,5 c (β = 0,5). (nach Wilhelm Raith, „Bergmann-Schaefer Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 2“, de Gruyter, Berlin 2006).

Wenn die Energie der umlaufenden e​ −z. B. ≈ 6 GeV beträgt, liegt die minimale Wellenlänge der Synchrotronstrahlung im Röntgenbereich, also bei etwa 0,03 nm. Bei großen Geschwindigkeiten der umlaufenden Ladung erfolgt die Abstrahlung aber bevorzugt in Vorwärtsrichtung (Abb. III-5.35, „Strahlungskeule“); das ergibt sich aus der Transformation der Komponenten (u′,υ′) der Photonengeschwindigkeit − vom momentanen Ruhesystem der e​ ,35 das sich mit υ​⇀relativ zum Laborsystem bewegt und in dem die Abstrahlung unter dem Winkel θ′ erfolgt, in das Laborsystem, in dem die Abstrahlung unter dem Winkel θ erfolgt. Siehe dazu genauer in Anhang 2.

5.5 Elektromagnetische Wellen 5.5.1 Rückblick auf den Maxwellschen Verschiebungsstrom (= Maxwellsche Ergänzung) und die Ladungserhaltung (Kontinuitätsgleichung) Wir betrachten die Maxwell-Gleichungen im ladungs- und stromfreien Vakuum, lassen aber zunächst den Maxwell-Induktionsterm (den Verschiebungsstrom) weg:

35 Eine lineare Koordinatentransformation ändert einen Beschleunigungsvektor – hier a​⇀– nicht.

5.5 Elektromagnetische Wellen

⇀ × E​⇀= − ∇

∂​B⇀​ , ∂​t​

⇀ × B​ = 0 , ∇

⇀E​⇀= 0 ∇

345 (III-5.116)

⇀B​ = 0 . ∇

(III-5.117)

Wir wissen aus der Mechanik (siehe Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.5.3, Gl. Ι-5.192) dass die Wellengleichung für eine vektorielle Wellenfunktion u​⇀(r​⇀,t​) eine partielle Differentialgleichung (DG) 2. Ordnung für u​⇀(r​⇀,t​) ist Δu​⇀=

2 1 ∂​ u​⇀ 2

υ​ p​h​ ∂​t​

2

;

für eine analoge Beschreibung elektromagnetischer Wellen sollte in den obigen Maxwell-Gleichungen (III-5.116) und (III-5.117) also eine Verknüpfung der partiellen Ableitungen der Wellenfunktion, in unserem Falle also von E​⇀und B​⇀, nach dem Ort mit partiellen Ableitungen nach der Zeit enthalten sein. Diese Forderung ist beim ∂​B⇀​ ⇀ × E​⇀= − erfüllt, beim Ampereschen Gesetz Faradayschen Induktionsgesetz ∇ ∂​t​ ∂​E⇀​ ⇀ × B​ = 0 im Vakuum aber nicht! Es fehlt ein Term ∇ ⇀ × B​⇀= C​ ⋅ ∇ , das ist der ∂​t​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Verschiebungsstrom

Maxwellsche Verschiebungsstrom („Maxwellsche Ergänzung“), sodass auch für B​⇀ in Analogie zu E​⇀gilt

⇀ × B​⇀= ε​0 μ​0 ∇

∂​E⇀​ ∂​t​

(III-5.118)

(siehe dazu Kapitel „Zeitlich veränderliche Felder“, Abschnitt 4.3 und Anhang 1). Wir haben auch gesehen, dass erst mit dieser „Maxwellschen Ergänzung“ die Ladungserhaltung erfüllt ist und die Kontinuitätsgleichung (Kapitel „Zeitlich veränderliche Felder“, Anhang 1, Gl. III-4.65) ∂​ρ​ ⇀j​⇀+ =0 ∇ ∂​t​ gilt. Denken wir uns jetzt einen Plattenkondensator im ladungs- und stromfreien Vakuum mit weit auseinander liegenden Platten und legen eine Wechselspannung an: Es entsteht ein sich änderndes elektrisches Feld; die sich zeitlich ändenden E​⇀Linien sind von geschlossenen magnetischen B​⇀-Linien umgeben, das sich ändernde B​⇀-Feld erzeugt wieder in sich geschlossene elektrische Feldlinien, die ihrerseits von geschlossenen magnetischen Feldlinien umgeben sind und so fort. Wir sehen: Die von Maxwell eingeführte „Ergänzung“ zum Ampereschen Gesetz (4. Maxwell-

346

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Gleichung: Ampere-Maxwellsches Gesetz, siehe Kapitel „Zeitlich veränderliche elektrische Felder“, 4.4) ermöglicht die Beschreibung sich frei im Raum ausbreitender elektrischer und magnetischer Felder ohne die Mitführung elektrischer Ladungen oder Ströme, also im Vakuum.

1

Die das elektromagnetische Feld im Vakuum beschreibenden Gleichungen ⇀ × E​⇀= − ∇

∂​B⇀​ ∂​t​

(Faraday-Induktion)

⇀ × B​⇀= ε​0 μ​0 ∇

und

∂​E⇀​ ∂​t​

(Maxwell-Induktion)

bewirken, dass sich unter geeigneten Anfangsbedingungen elektrische und magnetische Felder im Vakuum laufend gegenseitig erzeugen und vernichten können, ohne dass Ladungen und Ströme unmittelbar beteiligt sind: Elektrische und magnetische Felder können sich als elektromagnetische Wellen ohne Mitwirkung von Ladungen und Strömen im Raum ausbreiten.36

Dieses Ausbreitungsprinzip der elektromagnetischen Wellen wurde von Maxwell 1855 vorhergesagt, Heinrich Hertz (1857–1894) gelang 1888 ihre eindeutige Erzeugung und die Beobachtung ihrer Eigenschaften (Interferenz, Brechung, Beugung) und damit die glänzende Bestätigung des elektromagnetischen Ursprungs des Lichts als elektromagnetischer Welle.

5.5.2 Die Wellengleichung Wir betrachten jetzt die vollständigen Maxwell-Gleichungen im ladungs- und stromfreien Vakuum (q = 0, j​⇀= 0)

⇀ × E​⇀= − ∇

∂​B⇀​ ∂​t​

Faradaysches Induktionsgesetz

(Gl. III-4.6)

∂​E⇀​ ∂​t​

Maxwellsches Induktionsgesetz

(Gl. III-4.49 für j​⇀= 0)

⇀ × B​⇀= ε​0 μ​0 ∇

und bilden die Rotation beider Gleichungen:

36 Ladungen und Ströme sind jedoch die unverzichtbaren Quellen des sich ausbreitenden elektromagnetischen Wellenfeldes (z. B. der Hertzsche Dipol, siehe Abschnitt 5.3).

347

5.5 Elektromagnetische Wellen

⇀ × (∇ ⇀ × E​⇀) = −∇ ⇀× ∇

⇀ × (∇ ⇀ × B​⇀) = ε​0 μ​0 (∇ ⇀× ∇

∂​B⇀​ ∂​ ⇀ × B​⇀) = − (∇ ∂​t​ ∂​t​

(III-5.119)

∂​E⇀​ ∂​ ⇀ × E​⇀) ) = ε​0 μ​0 (∇ ∂​t​ ∂​t​

(III-5.120)

Die

Zeitableitungen können vorgezogen werden, da der Nablaoperator ∂​ ∂​ ∂​ ∂​ ∂​ ∂​ ⇀ = { , , } = e​⇀x​ + e​⇀y​ + e​⇀z​ nicht von Zeit abhängt. Das ergibt mit Ver∇ ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​ ∂​x​ ∂​y​ ∂​z​ wendung der beiden vorseitigen Induktionsgesetze

⇀ × (∇ ⇀ × E​⇀) = −ε​0 μ​0 ∇

⇀ × (∇ ⇀ × B​⇀) = −ε​0 μ​0 ∇

2 ∂​ E​⇀

∂​t​

2

∂​ 2 B​⇀ ∂​t​ 2

.

(III-5.121)

(III-5.122)

Jetzt wenden wir folgende allgemeine Beziehung für Vektorfelder u​⇀(r​⇀) an:37 ⇀ × (∇ ⇀ × u​⇀) = ∇ ⇀(∇ ⇀u​⇀) − Δu​⇀. ∇ ⇀E​⇀= In unserem Falle eines ladungsfreien Raumes (q = 0) gilt ∇ ⇀B​⇀= 0. Damit bleibt mit ε​0 μ​0 = ist immer ∇

1

q​ = 0; außerdem ε​0

(siehe Kapitel „Statische Magnetc​ 2 felder“, Abschnitt 3.3.4, Gl. (III-3.137) und Beispiel‚ ‚Versuch von Weber und Kohlrausch‘)

ΔE​⇀= ΔB​⇀=

1 ∂​ 2 E​⇀ c​ 2 ∂​t​ 2 1 ∂​ 2 B​⇀

Wellengleichungen des elektrischen und 38 des magnetischen Feldes.

c​ 2 ∂​t​ 2

(III-5.123)

⇀(A​⇀⋅ B​⇀). 37 Entwicklungssatz: A​⇀× (B​⇀× C​⇀) = B​⇀(A​⇀⋅ C​⇀) − C​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ = (A​⇀⋅B​⇀)C​⇀

38 Die Wellengleichungen der elektromagnetischen Wellen enthalten zweite Ableitungen nach dem Ort (Laplace-Operator) und zweite Ableitungen nach der Zeit. Sie werden durch reelle Lösungen erfüllt. Die entsprechende „Wellengleichung“ für Materiewellen, die Schrödingergleichung, enthält zweite Ableitungen nach dem Ort, aber nur erste Ableitungen nach der Zeit und wird daher nur durch komplexe Lösungen erfüllt. Vgl. dazu Band V, Kapitel „Atomphysik“, Abschnitt 2.3.1)

348

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen



E





E

E



B



B



B

Abb. III-5.36: Ein sich zeitlich änderndes elektrisches Feld erzeugt entsprechend dem Faradayschen Induktionsgesetz ein sich zeitlich änderndes magnetisches Feld, das seinerseits wieder ein sich änderndes elektrisches Feld erzeugt und so fort.

Die Maxwell-Gleichungen des elektrischen und des magnetischen Feldes im Vakuum beschreiben also gekoppelte raum- und zeitabhängige Felder E​⇀(r​⇀,t​) und B​⇀(r​⇀,t​),39 die sich gleichzeitig im leeren Raum durch Faraday Induktion und Maxwell Induktion ständig gegenseitig erzeugen und sich mit der Phasengeschwindigkeit c des Lichts ausbreiten. So kann die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen ohne koppelndes Medium erfolgen. Wesentlich ist: Eine beschleunigte Ladung, also ein sich zeitlich änderndes elektrisches Feld E​⇀(t​), z. B. im schwingenden Dipol, induziert ein magnetisches Feld B​⇀(t​), das seinerseits nicht zeitlich konstant ist und daher wieder ein zeitlich veränderliches E​⇀(t​)Feld induziert usf. Das E​⇀- und das B​⇀-Feld sind also verkoppelt: Während sich ein Feld verändert, erzeugt es ein neues Feld, das sich ein bisschen weiter ausdehnt. Das ergibt eine Welle im Raum: Zeitlich variierende elektrische und magnetische Felder erneuern sich wechselseitig in einem endlosen Zyklus (Abb. III-5.36). In dieser Weise der fortwährenden „Selbsterzeugung“ der elektromagnetischen Wellen durch Induktion ist das Licht aus dem Zentrum der Milchstraße, einer relativ „nahen“ Distanz in unserem Universum (siehe Band V, Kapitel „Subatomare Physik“, Abschnitt 3.2.6.5, Fußnote 193) etwa 30 000 Jahre unterwegs!

5.5.3 Ebene elektromagnetische Wellen Ein Dipol sende harmonische elektromagnetische Wellen aus. In großer Distanz zum Sender sind die Flächen konstanter Phase dann konzentrische Kugelflächen, 39 Die beiden Wellengleichungen sind nicht gekoppelt, sie enthalten jeweils nur E​⇀bzw. B​⇀. Die E​⇀bzw. B​⇀-Felder sind über die Maxwell-Gleichungen gekoppelt.

349

5.5 Elektromagnetische Wellen

die Wellen sind Kugelwellen, deren Amplitude mit 1/r abnimmt. Kleine Ausschnitte davon ergeben praktisch ebene Flächen. In einer bestimmten Richtung breiten sich die elektromagnetischen Wellen also bei genügend großer Distanz vom Sender als ebene Wellen aus, bei denen sich das E​⇀-Feld und das B​⇀-Feld senkrecht zur Ausbreitungsrichtung nicht ändern. Nehmen wir als Ausbreitungsrichtung die x-Richtung, dann werden die Wellengleichungen (III-5.123) zu 2 2 ∂​ E​⇀ 1 ∂​ E​⇀ = ∂​x​ 2 c​ 2 ∂​t​ 2

Wellengleichung für ebene elektromagnetische Wellen in x-Richtung.

2 2 ∂​ B​⇀ 1 ∂​ B​⇀ = ∂​x​ 2 c​ 2 ∂​t​ 2

(III-5.124)

Diese zwei Gleichungen stellen aber noch keine Beziehung zwischen E​⇀und B​⇀her, da sie voneinander unabhängig – nicht gekoppelt – sind. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit ist eine mögliche Lösung für das elektrische Feld die folgende Wellenfunktion für ebene Wellen: i​ (ω​t​ − k​x​) = E​⇀(x​,t​) = e​⇀y​ E​y​ = e​⇀y​ E​0 cos​ (ω​t​ − k​x​) = e​⇀y​ E​0 e​

= e​⇀y​ E​0 e​

i​ω​ (t​ −

x​

υ​p​h​

)

,

(III-5.125)

das ist eine Schwingung der elektrischen Feldstärke in y-Richtung bei einer Ausbreitung in x-Richtung, also eine Transversalwelle. Wenn die Schwingung stets nur in einer Richtung erfolgt, hier der y-Richtung, handelt es sich um eine „linear polarisierte“ Welle (Abb. III-5.37).

y

Phasenflächen 0

max 0

min

0

max

0

min

0 max



E (x, t)



k



B (x, t)

x

z

Abb. III-5.37: Ebene, harmonische elektromagnetische Welle: elektrischer Feldvektor E​⇀(blau durchgezogen), Phasenflächen und magnetischer Feldvektor B​⇀(blau gestrichelt).

350

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Wie bei jeder Wellenausbreitung gilt auch für elektromagnetische Wellen (vgl. die mechanischen Wellen in Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.5.1, Gln. (Ι-5.162) und (Ι-5.163)):40 υ​p​h​ = c​ = ν​ ⋅ λ​ =

ω​ ω​ ⋅ λ​ = . 2 π​ k​

(III-5.126)

2 π​ Dabei ist k​ = |k​⇀| = die Wellenzahl, k​⇀der Wellenvektor der elektromagnetischen λ​ Welle, der in die Ausbreitungsrichtung weist. In unserem Fall ist k​⇀= e​⇀x​

2 π​ . λ​

Wenn nun eine ebene Welle z. B. durch E​⇀(x​,t​) = e​⇀y​ E​0 e​ i​ (ω​t​ − k​x​) gegeben ist, also E​y​ = E​0 e​ i​ (ω​t​ − k​x​), E​x​ = E​z​ = 0, wie können wir das zugehörige Magnetfeld B​⇀berechnen? Die 3. Maxwell-Gleichung, die das Faradaysche Induktionsgesetz beschreibt (Kapitel „Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder und Maxwell-Gleichungen“, Abschnitt 4.1, Gl. III-4.6), liefert den entsprechenden Zusammenhang zwischen E​⇀und B​⇀: ⇀ × E​⇀= − rot​ E​⇀= ∇

∂​B⇀​ . ∂​t​

⇀ × E​⇀ Wir müssen also zur Bestimmung von B​⇀alle drei Komponenten von rot​ E​⇀= ∇ ⇀ ⇀ bilden und dann über die Zeit integrieren. Wir bilden zunächst ∇ × E​: ∂​E​z​ ∂​E​y​ − = 0, ∂​y​ ∂​z​

(III-5.127)

∂​E​x​ ∂​Ez​ ​ − = 0, ∂​z​ ∂​x​

(III-5.128)

∂​E​y​ ∂​Ex​ ​ ∂​Ey​ ​ − = , ∂​x​ ∂​y​ ∂​x​

(III-5.129)

⇀ × E​⇀)x​ = (∇

da E​z​ = 0 und E​y​ nicht von z abhängt; ⇀ × E​⇀)y​ = (∇

da E​x​ = 0 und E​z​ = 0; ⇀ × E​⇀)z​ = (∇

da E​x​ = 0. Also 40 Die Phasengeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen im Vakuum wird als c, die Lichtgeschwindigkeit, bezeichnet.

5.5 Elektromagnetische Wellen

⇀ × E​⇀= e​⇀z​ ∇

∂​Ey​ ​ . ∂​x​

351 (III-5.130)

Damit erhalten wir ∂​Bx​ ​ ∂​By​ ​ ∂​Bz​ ​ ∂​E​ ∂​B⇀​ ⇀ × E​⇀) = −e​⇀z​ y​ ; = e​⇀x​ + e​⇀y​ + e​⇀z​ = −(∇ ∂​t​ ∂​t​ ∂​t​ ∂​t​ ∂​x​

da hieraus folgt

(III-5.131)

∂​Bx​ ​ ∂​B​y​ = = 0, sind die Lösungen für B​x​ und B​y​ zeitlich konstante ∂​t​ ∂​t​

Felder, die keinen Beitrag zur Welle liefern. Wir können die Randbedingungen so wählen, dass die Konstanten verschwinden. B​⇀ schwingt also nur in z-Richtung, das B​⇀-Feld besitzt nur eine z-Komponente Wir bilden

∂​Ey​ ​ ∂​Bz​ ​ = −e​⇀z​ . ∂​t​ ∂​x​

∂​ ∂​Ey​ ​ ∂​ i​ (ω​t​ − k​x​) i​ω​t​ −i​k​x​ i​ω​t​ −i​k​x​ )= = = (E​0 e​ (E​0 e​ e​ ) = E​0 e​ (−i​k​)e​ ∂​x​ ∂​x​ ∂​x​ = −i​k​E0​ e​

i​ (ω​t​ − k​x​)

(III-5.132)

= −i​k​Ey​ ​

und erhalten ∂​Ey​ ​ ∂​B⇀​ ∂​B​z​ = = −e​⇀z​ = e​⇀z​ i​k​Ey​ ​ . ∂​t​ ∂​t​ ∂​x​

(III-5.133)

Durch Integration ergibt sich für Bz B​z​ = i​k​E0​ ∫e​ i​ (ω​t​ − k​x​)d​t​ = i​k​E0​ e​ −i​k​x​ ∫e​ i​ω​t​ d​t​ = =

1 k​ 1 i​ (ω​t​ − k​x​) ⏟ = E​y​ = ⋅ i​k​E​0 e​ E​y​ . ω​ i​ω​ ω​ c​ = c​

(III-5.134)

k​

Wir erhalten also als schwingendes Magnetfeld B​⇀(x​,t​) mit B​x​ = B​y​ = 0 B​⇀(x​,t​) = e​⇀z​ B​z​ = e​⇀z​ ⋅

E​y​ E​0 i​ (ω​t​ − k​x​) = e​⇀z​ e​ c​ c​

zum schwingenden elektrischen Feld (Gl. III-5.125) E​⇀(x​,t​) = e​⇀y​ E​y​ = e​⇀y​ E​0 cos​ (ω​t​ − k​x​) = e​⇀y​ E​0 e​ i​ (ω​t​ − k​x​)

(III-5.135)

352

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

⇀ mit E​⇀= { 0,E​y​ ,0} , B​⇀= { 0,0,B​z} ​ und B​ = | B​ | = B​z​ =

B​ =

⇀| | E​ 1 = c​ oder E​ bzw. c​ ⇀| | B​

1 E​ , c​

(III-5.136)

wobei E​⇀und B​⇀gleichphasig schwingen, d. h., E​⇀und B​⇀erreichen zur gleichen Zeit ihren Extremwert und ihren Nulldurchgang. Der Wellenvektor k​⇀= k​ ⋅ e​⇀x​ = k​ ⋅ {1,0,0} weist in die Ausbreitungsrichtung, E​⇀ und B​⇀stehen darauf normal:

B​⇀=

1 ⇀ 1 k​⇀ (k​ × E​⇀) = ( × E​⇀) . ω​ c​ k​

(III-5.137)

i​ (ω​t​ − k​x​) aus Wir gehen jetzt vom gerade gewonnenen magnetischen Feld B​⇀= e​⇀z​ B​0 e​ und berechnen daraus zur Probe wieder das elektrische Feld E​⇀. Die 4. Maxwell-Gleichung, die die Maxwell Induktion beschreibt, lautet im Vakuum (Kapitel „Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder und MaxwellGleichungen“, Abschnitt 4.2.4, Gl. III-4.49)

⇀ × B​⇀= ε​0 μ​0 ∇

∂​E⇀​ . ∂​t​

Wir bilden (mit B​x​ = B​y​ = 0) ⇀ × B​⇀)x​ = (∇

∂​B​z​ ∂​⏟y​



∂​B​y​ =0 ∂​z​

(III-5.138)

0

⇀ × B​⇀)y​ = (∇

∂​B​x​ ∂​B​z​ ∂​B​z​ − =− ∂​z​ ∂​x​ ∂​x​

(III-5.139)

∂​B​y​ ∂​B​x​ − = 0; ∂​x​ ∂​y​

(III-5.140)

∂​Bz​ ​ . ∂​x​

(III-5.141)

⇀ × B​⇀)z​ = (∇



Mit E​x​ = E​z​ = 0 gilt

⇀ × B​⇀) = −e​⇀y​ (∇

∂​E​x​ ∂​Ez​ ​ = = 0 und aus ∂​t​ ∂​t​

5.5 Elektromagnetische Wellen

1 ∂​E⇀​ ⇀ × B​⇀) (∇ = e​⇀y​ ∂​t​ ε​0 μ​0

353 (III-5.142)

ergibt sich e​⇀y​

Für

∂​Ey​ ​ 1 ∂​Bz​ ​ = −e​⇀y​ . ∂​t​ ε​0 μ​0 ∂​x​

(III-5.143)

∂​B​z​ finden wir ∂​x​ ∂​B​z​ ∂​ i​ω​t​ −i​k​x​ = (B​0 e​ e​ ) = −i​k​Bz​ ​ ∂​x​ ∂​x​

(III-5.144)

∂​Ey​ ​ 1 1 ∂​E⇀​ i​k​Bz​ ​ = e​⇀y​ i​k​B0​ e​ i​ (ω​t​ − k​x​) . = e​⇀y​ = e​⇀y​ ∂​t​ ∂​t​ ε​0 μ​0 ε​0 μ​0

(III-5.145)

und damit

Durch zeitliche Integration erhalten wir

E​y​ =

1 1 k​ i​k​B0​ ∫e​ i​ (ω​t​ − k​x​) d​t​ = B​z​ = c​Bz​ ​ , ε​0 μ​0 ε​0 μ​0 ⏟ ω​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-5.146)

= c​ 2 = 1 c​

1 E​y​ übereinstimmt. c​ In dem hier benützten SI-System ist also im Schwingungsfeld die elektrische Feldstärke c-mal größer als die magnetische Feldstärke. Da c dimensionsbehaftet ist, gilt außerdem was mit der Beziehung Gl. (III-5.134) B​z​ =

l​ [E​] =[c​ ⋅ B​] =[c​] ⋅[B​] mit [c​] = .41 t​

41 [E​] =

V m

; [B​] =

V⋅s 2

m



[E​] =

V m



s m



m s

=

V⋅s 2

m



m s

= [B​] ⋅[c​] .

354

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Zusammenfassung der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen im Vakuum 1. E​⇀und B​⇀stehen normal auf die Ausbreitungsrichtung, d. h., elektromagnetische Wellen sind Transversalwellen. 2. E​⇀steht normal auf B​⇀ 3. E​⇀× B​⇀weist in die Ausbreitungsrichtung der elektromagnetischen Wellen 4. Die Felder E​⇀und B​⇀variieren sinusförmig mit gleicher Frequenz und sind weit vom Dipol entfernt in Phase. ⇀E​⇀= 0 (für Die Transversalität elektromagnetischer Wellen im Vakuum folgt aus ∇ ⇀B​⇀= 0 (gilt immer) sowie den Maxwell-Gleichungen. Daher gibt es im q = 0) und ∇ ladungsfreien Vakuum weder Quellen und Senken des elektrischen Feldes noch Quellen und Senken des magnetischen Feldes.42

Polarisation elektromagnetischer Wellen Entsprechend der Schwingungsrichtung des elektrischen Feldvektors E​⇀(und natürlich ebenso des magnetischen Feldvektors B​⇀ ⊥ E​⇀) unterscheidet man polarisierte und unpolarisierte elektromagnetische Wellen: E​⇀schwingt nur in einer Richtung ⊥ k​⇀; Projektion der Spitze des E​⇀-Vektors auf eine Ebene ⊥ zur Ausbreitungsrichtung e​⇀x​ ist ein Kreis in der in z-yEbene;43 elliptisch polarisiert: Projektion der Spitze des E​⇀-Vektors auf eine Ebene ⊥ zur Ausbreitungsrichtung e​⇀x​ stellt eine Ellipse in der z-y-Ebene dar;44 unpolarisierte Wellen: E​⇀weist keine zeitlich konstante Richtung auf, sondern ändert seine Richtung im Laufe der Zeit statistisch;

linear polarisiert: zirkular polarisiert:

Eine Lichtwelle natürlichen Lichts besteht aus einer Überlagerung der Anteile von vielen statistisch orientierten schwingenden Dipolen, den angeregten Atomen; sie ist daher i. Allg. nicht polarisiert.

42 Für longitudinale Schwingungen (stehende Wellen) wären an den Knoten Senken und an den Bäuchen Quellen notwendig. 43 Zirkular polarisierte Wellen ergeben sich aus der Überlagerung zweier zueinander senkrecht polarisierter Wellen gleicher Amplitude mit einer zeitlichen Phasendifferenz von ± π/2. (vgl. dazu auch Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitte 5.1.2 und 5.5.3). 44 Elliptisch polarisierte Wellen ergeben sich bei gleicher Amplitude für eine Phasendifferenz ≠ π/2 bzw. in jedem Fall bei ungleicher Schwingungsamplitude der beiden senkrecht zueinander polarisierten Wellenzüge.

5.5 Elektromagnetische Wellen

355

5.5.4 Energietransport, Impulstransport und Drehimpuls einer elektromagnetischen Welle Für die Energiedichte des elektromagnetischen Feldes fanden wir (Kapitel „Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder und Maxwell-Gleichungen“, Abschnitt 4.2.4, Gl. III-4.37)

w​E​M​ =

1 2 2 2 B​ ) = ε​0 ⋅ ε​0 (E​ + c​ ⏟⏟⏟⏟⏟ 2 1 =

c​ 2

2 E​ ⏟⏟⏟⏟⏟ = c​ 2 B​ 2 =

E​ 2

mit der Einheit [w​E​M] ​ =

J​ m​ 3

= B​ 2

B​ 2 E​ ⋅ B​ ε​0 = = √ ⋅ E​ ⋅ B​ 45 μ​0 μ​0 c​ μ​0

(III-5.147)

ε​0 μ​0

.

Diese Energiedichte wird von der elektromagnetischen Welle (EM-Welle) im Vakuum mit der (Phasen-)Geschwindigkeit c in die Ausbreitungsrichtung, also die 2 π​ transportiert, pro Sekunde also auf der Strecke Richtung des Wellenvektors k​⇀= λ​ c⋅1 s. Wir erhalten daher als momentane Leistungsdichte (= Energiedichte pro Zeiteinheit)

S​mom​ = w​E​M​ ⋅ c​ = ε​0 c​E​ 2 =

momentane Leistungsdichte (Energiestromdichte) einer EM-Welle im Vakuum,

E​ ⋅ B​ μ​0

(III-5.148)

das ist die pro Sekunde durch eine Fläche von 1 m2 senkrecht zur AusbreitungsJ W richtung transportierte Energie (Einheit: [S​mom​] = = 2 ). 2 sm m Der Energieinhalt eines Raumbereichs läuft also mit der Geschwindigkeit c der Welle mit. Dabei ist die Energiestromrichtung gleich der Ausbreitungsrichtung, steht also normal auf E​⇀ und B​⇀; die Energiestromdichte kann offensichtlich als Kreuzprodukt von E​⇀und B​⇀beschrieben werden

S​⇀=

45

ε​0

√ μ​

0

−12

=

momentane Energiestromdichte einer elektromagnetischen (III-5.149) Welle = Poynting-Vektor.

1 2 (E​⇀× B​⇀) = ε​0 c​ (E​⇀× B​⇀) μ​0

8,854 ⋅ 10

√ 1,257 ⋅ 10

−6

−1

−1

AsV m −1

−1

VsA m

−3 A

= 2,65 ⋅ 10

V

=

1 377 Ω ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Wellenwiderstand des Vakuums

.

356

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Für die Einheit ergibt sich: [S​] = 1

W​ 2

=1

m

J​ 2

.

m s​

Der Poynting-Vektor S​⇀ (nach John Henry Poynting, 1852–1914) einer elektromagnetischen Welle gibt in jedem Raumpunkt Größe und Richtung des Energietransports pro Zeiteinheit, also der transportierten Leistungsdichte (die Energie, die pro Zeiteinheit durch eine Einheitsfläche senkrecht zur Ausbreitungsrichtung hindurchtritt) im Strahlungsfeld an.46

Intensität einer EM-Welle Unter der Intensität einer EM-Welle versteht man den Mittelwert der durch die Flächeneinheit hindurchtretenden Energie pro Zeiteinheit, also eine Flächenleistungsdichte, das ist gleich einer Energiedichte (Energie pro Volumeneinheit) multipliziert mit der Geschwindigkeit c, mit der sich die Energie bewegt.47 Für eine linear polarisierte ebene Welle E​⇀= E​⇀0 cos​ (ω​t​ − k​⇀r​⇀) ergibt sich durch die zeitliche Mittelung über die Wellenfunktion

I​ = < |S​⇀| > = < w​E​M​ > ⋅ c​ =

1 2 ⏟

1 E​0 B​0 1 2 = ε​0 c​ 2 E​0 B​0 = ε​0 c​E​ 0 μ​0 2 2

(III-5.150)

zeitliche Mittelung

Intensität einer linear polarisierten EM-Welle.

Impulsdichte p̃EM einer EM-Welle Wir führen eine Dimensionsbetrachtung zur Größe Impuls pro Volumeneinheit durch: 46 Bei der praktischen Anwendung des Poynting-Vektors S​⇀ist Vorsicht geboten, da er gemäß seiner exakten Herleitung nur für den gesamten Energiefluss durch eine geschlossene Fläche verwendet werden darf. Wird dies nicht beachtet, kommt man oft zu paradoxen Ergebnissen, wie z. B. im Falle des statischen Magnetfeldes zwischen den Polen eines Hufeisenmagneten, wenn senkrecht dazu ein konstantes elektrisches Feld mit Hilfe zweier Kondensatorplatten angelegt wird: Durch eine Fläche senkrecht zu E​⇀und B​⇀muss aus dieser statischen Anordnung ständig Energie entweichen! Betrachtet man aber, wie gefordert, eine geschlossene Fläche, z. B. einen kleinen Würfel zwischen den beiden Polschuhen, dann tritt diese Energie an einer anderen Stelle wieder ein und es ergibt sich keine Nettoänderung. 47 Vgl. dazu auch die Definition der Intensität in der Strahlungsphysik als Bestrahlungsstärke d​Φ cos​ ε​2 d​W I​ = ist dabei die Strahlungsleistung in W, A2 die Empfängerfläche der = J​ in W/m2. Φ = d​A2​ d​t​ R​ 2 Strahlung, ε2 der Winkel zwischen der einfallenden Strahlung und der Flächennormalen der Empfängerfläche und R der Abstand der Empfängerfläche vom punktförmig gedachten Strahlungssender (siehe Band IV, Kapitel „Wärmestrahlung“, Abschnitt 3.1.3).

5.5 Elektromagnetische Wellen

[p​ ̃ ] =

2 [I​m​p​u​l​s]​ [E​n​e​r​g​i​e​d​i​c​h​t​e]​ m​υ​ m​υ​ =[ ]=[ ]= V​ V​ ⋅ υ​ [V​o​l​u​m​e​n]​ [G​e​s​c​h​w​i​n​d​i​g​k​e​i​t]​

357

.

S​ S​ (Gl. III-5.148) folgt demnach p​ ̃ E​M​ = 2 und damit c​ c​ für die Impulsdichte einer EM-Welle

Aus S​ = w​E​M​ ⋅ c​ bzw. w​E​M​ =

p​ ̃ E​M​ =

1 c​

2

S​⇀= ε​0 (E​⇀× B​⇀)

Impulsdichte einer EM-Welle.

Für ihren Betrag können wir schreiben (folgt aus w​E​M​ =

|

p​ ̃ E​M​ | = p​ ̃ E​M​ = ε​0 E​ ⋅ B​ =

w​E​M​

=

c​

S​ c​

2

(III-5.151)

E​ ⋅ B​ , siehe Gl. III-5.147) μ​0 c​ .48

(III-5.152)

Strahlungsdruck Ps einer EM-Welle Wird die auf einen Körper auftreffende elektromagnetische Welle von ihm absorbiert, so wird wie bei einem inelastischen Stoß dabei Impuls auf den Körper übertragen und er erfährt einen Rückstoß. Wird die Welle dagegen bei senkrechtem Einfall reflektiert, so erfolgt wie bei einem elastischen Stoß gegen eine feste Wand der doppelte Impulsübertrag (siehe Band I, Kapitel „Mechanik des Massenpunktes“, Anhang A2.1, Gl. Ι-2.146). Wir führen wieder eine Dimensionsbetrachtung durch. Die Dimension der Energiestromdichte, also des Poynting-Vektors ist

[S​] =

[E​n​e​r​g​i​e]​ ; [F​l​ä​c​h​e]​ ⋅ [Z​e​i​t]​

48 Dies deckt sich mit dem Photonenbild der elektromagnetischen Strahlung (siehe Band V, Kapitel „Quantenoptik“, Abschnitt 1.3.2): Ist NPhot die Photonendichte im Strahlungsfeld einer monochromatischen Strahlung der Frequenz ν, dann beträgt die Energiestromdichte: S​Phot​ = N​Phot​ ⋅ h​ν​ ⋅ c​. In der Relativitätstheorie (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.9.4, ℏ​ω​ h​ν​ Gl. II-3.171) wurde gezeigt, dass für den Impuls eines Photons gilt: p​Phot​ = = . Die Impulsdichte im c​ c​ h​ν​ S​Phot​ 2 ⇒ S​Phot​ = P​Phot​ ⋅ c​ bzw. P​Phot​ = Strahlungsfeld ist daher P​Phot​ = N​Phot​ ⋅ ; . 2 c​ c​

358

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen



[I​m​p​u​l​s]​ [L​ä​n​g​e]​ [I​m​p​u​l​s]​ S​ [ ] = [p​ ̃ ⋅ c​] = ⋅ = ; c​ [V​o​l​u​m​e​n]​ [Z​e​i​t]​ [Z​e​i​t]​ ⋅ [F​l​ä​c​h​e]​ [I​m​p​u​l​s]​ = [K​r​a​f​t] ​ [Z​e​i​t]​ ⇒

und

[K​r​a​f​t]​ = [D​r​u​c​k] ​ [F​l​ä​c​h​e]​

S​ [ ] = [w​E​M] ​ = [P​S] ​ . c​

Es ergibt sich somit

P​S​ =

S​ 2 = c​ ⋅ p​ ̃ E​M​ = ε​0 E​ = w​E​M​ . c​

Der Strahlungsdruck PS (Dimension [P​S]​ =[w​E​M]​ = 1

J 3

m giedichte an der Oberfläche des bestrahlten Körpers.

(III-5.153)

N

=1

2

) ist gleich der Ener-

m

Beispiel 1: Berechnung des Strahlungsdrucks einer ebenen EM-Welle, die auf die ebene Oberfläche eines frei beweglichen Empfängers im Zeitintervall Δt einfällt. Wir nehmen zunächst an, dass das Objekt die Strahlung vollständig absorbiert. Dann gewinnt es im Zeitintervall Δt die Energie ΔE. Aus dem relativistischen Energiesatz (Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“, Abschnitt 3.9.3, Gl. II-3.161) 2

2 2 2 2 2 E​ = (p​ ⋅ c​) + (m​ c​ ) = (p​ ⋅ c​) + E​ 0

folgt für masselose Teilchen (Photonen, m = 0) folgende Energie-Impuls-Beziehung E​ = p​ ⋅ c​

bzw.

p​ =

E​ . c​

Damit ergibt sich für den Impulsübertrag einer (aus Photonen bestehenden) EMWelle bei totaler Absorption Δp​ =

ΔE​ , c​

wobei der „Stoß“ in der Richtung der einfallenden Welle erfolgt.

5.5 Elektromagnetische Wellen

359

Jetzt nehmen wir an, dass die Strahlung vom Objekt vollständig reflektiert wird und die reflektierte Strahlungsenergie sich entgegengesetzt zur einfallenden Welle wieder fortbewegt. In diesem Fall (elastischer Stoß gegen eine feste Wand) erfolgt der doppelte Impulsübertrag auf das Objekt, also Δp​ =

2ΔE​ c​

bei Totalreflexion.

Wir berechnen den Strahlungsdruck auf eine kleine Fläche A senkrecht zur einfallenden EM-Welle (siehe auch Band V, Kapitel „Quantenoptik“, Abschnitt 1.3.2). Für den Energiefluss durch die Fläche A in der Zeit Δt gilt ΔE​ = I​ ⋅ A​ ⋅ Δt​ , W J wenn I die Intensität der einfallenden Welle ist ([I​ ] = = ). Bei vollständi2 2 m m s ger Absorption gilt Δp​ =

I​ ⋅ A​ ⋅ Δt​ c​

F​ =



Δp​ I​ ⋅ A​ = . Δt​ c​

Bei Totalreflexion erhalten wir dagegen Δp​ =

2 ⋅ I​ ⋅ A​ ⋅ Δt​ c​



F​ =

2 ⋅ I​ ⋅ A​ . c​

Daraus ergibt sich für den Strahlungsdruck F​ I​ bei vollständiger Absorption und P​S​ = = A​ c​ 2 ⋅ I​ bei Totalreflexion. P​S​ = c​ Beispiel 2: Eine Doppelwendelglühlampe der Leistung P​ = 100 W sendet ca. 5 % der zugeführten elektrischen Leistung als Strahlungsenergie – überwiegend im infraroten Spektralbereich – aus; 95 % gehen als Wärmeenergie in die Umgebung. In r​ = 2 m Entfernung beträgt daher die Strahlungsenergiestromdichte bei isotroper Ausstrahlung S​ =

P​ ⋅ 0,05 2

4 r​ π​

=

100 W ⋅ 0,05 4 ⋅ 22 m2 ⋅ π​

damit ergibt sich ein Strahlungsdruck von

= 0,10 Wm−2 ;

360

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

P​S​ =

−2 S​ 0,1 Wm = 3,33 ⋅ 10−10 Pa . = c​ 3 ⋅ 108 ms−1

Beispiel 3: Ein Effekt, der nicht durch den Strahlungsdruck, wohl aber durch die Strahlungsenergie verursacht wird, ist die Rotation des Crookesschen „Radiometers“ (nach Sir William Crookes, 1832–1919), auch „Lichtmühle“ genannt. In einem Glaskolben mit niederem Luftdruck ist ein kleines leichtes Flügelrad auf einer Nadelspitze leicht drehbar aufgehängt. 4

Crookessches Radiometer: Die Flügel (Glimmerplättchen) des kleinen, auf einer Nadelspitze leicht drehbar aufgehängten Flügelrades sind auf einer Seite rußgeschwärzt, auf der anderen Seite glänzend, reflektierend.

Beleuchtet man das kleine Flügelrad durch einfallendes Sonnenlicht oder eine Lampe, so beginnt es sich zu drehen. Die Drehrichtung weist dabei in die Richtung der reflektierenden Seite der Plättchen, also umgekehrt, als man es erwarten würde, wenn der höhere Strahlungsdruck auf der reflektierenden Seite die Ursache der Drehung wäre. Die Ursache der Drehung liegt in der stärkeren Erwärmung der geschwärzten Plättchenseiten im Licht. Dadurch verlassen die Gasmoleküle des Restgases im Glaskolben beim Stoß mit den berußten Flächen diese mit einer höheren Energie als beim Stoß mit den glänzenden; die geschwärzten Flächen erfahren dadurch einen größeren Rückstoß als die glänzenden und das Flügelrad beginnt sich zu drehen. Der Gasdruck im Kolben muss klein genug sein (ca. 5 PA = 5⋅10–5 bar,

5.5 Elektromagnetische Wellen

361

das entspricht 3,8⋅10–2 Torr), damit die Wechselwirkung der Gasmoleküle untereinander vernachlässigbar ist und sie nicht sofort nach Verlassen der berußten Flächen wieder zurückgestoßen werden. Im Hochvakuum dreht sich die Lichtmühle nicht, da der Unterschied im Strahlungsdruck der beiden Plättchenseiten zu klein ist. Das Crookessche Radiometer ist daher eine glänzende Bestätigung der kinetischen Gastheorie! Die Wirkung des Strahlungsdrucks kann am „Schweif“ von Kometen beobachtet werden. Kometen49 sind kleine, meist Eis enthaltende Himmelskörper von einigen Kilometern Durchmesser auf einer Sonnenumlaufbahn. In Sonnennähe ist der feste Kern des Kometen durch Gasentwicklung von einer „Koma“ aus Staubteilchen umgeben, das einige Millionen Kilometer Ausdehnung haben kann und im Sonnenlicht oft leuchtet. Die Staubteilchen der Koma werden durch den Strahlungsdruck der Sonne so abgelenkt, dass sich ein diffuser, gekrümmter „Schweif“ ausbildet (Abb. III-5.38).50 Durch eine EM-Welle wird beim Auftreffen auf Materie auch Drehimpuls übertragen. Im Photonenbild der Quantenoptik (siehe Kapitel „Quantenoptik“, Abschnitt 1.3) wird die Übertragung von Energie, Impuls und Drehimpuls auf Materie durch eine einfallende elektromagnetische Welle als Strom von Photonen mit der h​ ℏ​ω​ E​ p​kin​ p​h​ = und dem (Eigen-)DrehEnergie E​ kin​ = h​ν​ = ℏ​ω​, dem Impuls p​p​h​ = ℏ​k​ = c​ c​ k​⇀ impuls (Spin) S​⇀p​h​ = ± ℏ​ beschrieben. Die Übertragung von Drehimpuls durch die k​ Photonen einer Lichtwelle auf Materie konnte im Experiment von R. A. Beth (siehe Band V, Kapitel „Quantenoptik“, Abschnitt 1.3.3.2) nachgewiesen werden. Beispiele für die klassische Berechnung der Übertragung von Energie und Drehimpuls durch eine zirkular polarisierte Welle auf ein freies Elektron und ein polares Molekül werden in Anhang A3.1 und A3.2 aufgegeben.

49 Nach κομητηζ (gr.): Schopfstern. 50 Meist kann neben dem „Staubschweif“ auch noch ein zweiter, weniger gekrümmter Kometenschweif beobachtet werden, der „Plasmaschweif“. Er komm dadurch zustande, dass im Koma vorhandene Molekülionen durch das Magnetfeld des Sonnenwinds, einer von der Sonne kommenden Teilchenstrahlung (vorwiegend Protonen, Elektronen und α-Teilchen), abgelenkt werden.

362

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Abb. III-5.38: Bild des Kometen Hale-Bopp (astronomische Bezeichnung C/1995 O1), aufgenommen am 4. April 1997 mit einer Belichtungszeit von 10 min. (Aufnahme: E. Kolmhofer, H. Raab; Johannes-Kepler-Sternwarte, Linz, Österreich)

5.5.5 Wellenausbreitung auf Leitungen Die Untersuchung der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen auf Parallel- oder Koaxialleitungen über weite Distanzen (Fernleitung) ist für die Übertragung elektromagnetischer Schwingungen und damit von elektromagnetischer Energie vom Generator zum Verbraucher (z. B. Sender) oder von der Empfangsantenne zum Empfängersystem von großer Bedeutung. Die Ableitung der die Ausbreitung beschreibenden Differentialgleichungen kann dann – wie im Folgenden vorgenommen – quasistationär erfolgen, wenn wir annehmen, dass der Abstand d der Leiter klein gegen die vorhandene Wellenlänge λ ist. In quasistationären Stromkreisen, wie sie im Abschnitt 5.1 besprochen wurden (siehe dazu die einleitenden Bemerkungen

5.5 Elektromagnetische Wellen

363

zu diesem Kapitel), ist die Stromstärke entlang eines Leiters zu einem gegebenen Zeitpunkt überall gleich groß und die Raumbereiche großen Magnetfeldes sind von jenen getrennt, in denen das elektrische Feld groß ist, d. h., Induktivitäten und Kapazitäten sind an verschiedenen Punkten des Leiterkreises konzentriert. Bei Fernleitungen hingegen ändert sich die Stromstärke zu einem bestimmten Zeitpunkt entlang der Leitung und außerdem variieren elektrische und magnetische Feldenergie (Selbstinduktion und Kapazität) stetig entlang der gesamten Leitung. Ist aber d ≪ λ, dann kann der Einfluss entfernter Leitungsabschnitte auf Spannung und Strom am Untersuchungsort (siehe weiter unten Abb. III-5.40) vernachlässigt werden und man braucht nur die dort zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegenden Größen zu berücksichtigen (quasistationäre Methode). Wir betrachten zwei eng nebeneinander liegende, zylindrische Leiter (Doppelleitung oder Lecher-System, Abb. III-5.39), die Überlegungen gelten aber auch für Koaxialleitungen.51 Generator r0

I(x, t) U(x, t)d

−I(x, t)

Verbraucher

−x x dx x = −L

x=0

Abb. III-5.39: Paralleldrahtsystem als endlich lange Fernleitung (schematisch).

Wir nehmen an, dass die Kapazität der Parallelleitung pro Längeneinheit (Kapazitätsbelag) den Wert C′ F/m, ihre Induktivität (Induktivitätsbelag) L′ H/m, ihr Längswiderstand R′ (ohmscher Widerstandsbelag, R′/2 für einen Leiter) Ω/m und der Leitwert zwischen den Leitern G′ (Ableitungsbelag) S/m beträgt. Außerdem betrachten wir nur einen so kleinen Abschnitt dx der Leitung, dass dort die Änderungen von U und I längs der Leitung durch das erste Differential dx hinreichend genau beschrieben werden. Wird auf die geschlossene Linie C = ABCD eines Leitungsabschnitts der Länge dx (Abb. III-5.40) das Faradaysche Induktionsgesetz angewendet (siehe Kapitel

51 Da die beiden Leiter des Lecher-Systems (nach Ernst Lecher, 1856–1926, österreichischer Physiker, Begründer der Messtechnik im Hochfrequenzbereich) überall leicht zugänglich sind, wird es in der Physik als Messleitung verwendet, währen das Koaxialkabel äußere Felder abschirmt und daher zur Informationsübertragung (Energieübertragung) verwendet wird.

364

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

∂I I(x, t) + ___ dx ∂x

I(x, t) A

B

∂U U(x, t) + ___ dx ∂x

U(x, t) Fläche A

C

D

dx x + dx

x

Abb. III-5.40: Anwendung des Faradayschen Induktionsgesetzes auf die Grenzkurve C = ABCD der schraffierten Fläche A zwischen den Leiterstücken dx (vgl. Kapitel „Zeitlich veränderliche elektro∂​ d​ΦM​ magnetische Felder und Maxwell-Gleichungen“, Abschnitt 4.1): U​ind​ = ∮E​⇀d​l⇀ = − ∮B​⇀d​f⇀ ​=− ​. d​t​ ∂​t​ A​ C​

„Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder und Maxwell-Gleichungen“, Abschnitt 4.1, Gl. III-4.4), so erhalten wir ​=− U​ind​ = ∮E​⇀d​l⇀ C​

∂​ΦM​ ∂​ ​ ,52 = − ∮B​⇀d​f⇀ ∂​t​ ∂​t​ A​

(III-5.154)

wenn C die Randkurve ABCD darstellt, die die Fläche A begrenzt. Die Spannung zwischen den Punkten A und D der beiden Leiter sei U​ (x​,t​), jene zwischen B und C betrage U​ (x​,t​) +

∂​U​ d​x​. ∂​x​

​ ist gleich der Summe der Randspannungen, die durch Das Linienintegral ∮E​⇀d​l⇀ C​

die Querspannungen und die ohmschen Spannungsabfälle längs dx gegeben sind: ∮E​⇀d​l⇀ ​ = ∑U​i​ = U​A​B​ + U​B​C​ + U​C​D​ + U​D​A​ = i​

C​

=

R​ ′ ∂​U​ R​ ′ I​d​x​ + U​ (x​,t​) + d​x​ + I​d​x−U​ ​ (x​,t​) = 2 ∂​ x ​ 2 ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ A​B​

B​C​

∂​U​ ∂​ΦM​ = R​ ′I​d​x​ + d​x​ = − . ∂​x​ ∂​t​

C​D​

D​A​

(III-5.155)

52 Da sich jetzt das elektrische und das magnetische Feld nicht nur mit der Zeit, sondern auch entlang der Fernleitung ändern, sind die entsprechenden partiellen Ableitungen zu verwenden.

5.5 Elektromagnetische Wellen

365

Der magnetischen Fluss ΦM durch die Fläche A mit der Randkurve C​ = A​B​C​D​ ist proportional zur Stromstärke I (siehe Kapitel „Zeitlich veränderliche elektromagnetische Felder und Maxwell-Gleichungen“, 4.2.1, Gl. III-4.15): ΦM​ = L​ ′I​d​x​ .

(III-5.156)

Diese Gleichung stimmt nur näherungsweise, da die Stromstärke I sich längs dx um dI ändert. Die differentielle Stromstärke dI ergibt jedoch mit dem Differential dx multipliziert eine Größe, die von zweiter Ordnung klein ist und daher vernachlässigt werden kann, sodass wir mit dem Wert von Gl. (III-5.156) für ΦM weiterrechnen können. Damit kann das Induktionsgesetz so geschrieben werden: R​ ′I​d​x​ +

∂​I​ ∂​U​ d​x​ = −L​ ′ d​x​ ∂​x​ ∂​t​

(III-5.157)

bzw. −

∂​U​ ∂​I​ = R​ ′I​ + L​ ′ . ∂​x​ ∂​t​

(III-5.158)

Das heißt: Die Spannungsdifferenz U zwischen den Leitern ändert sich entlang der Leitung, da der ohmsche Leitungswiderstand (R′) einen ohmschen, die Induktivität der Leitung aber einen induktiven Spannungsabfall bewirkt. Wir untersuchen jetzt, wie sich die Stromstärke entlang der Leitung ändert und betrachten dazu die Erhaltung der Ladung entsprechend der Kontinuitätsgleichung (siehe Kapitel „Stationäre elektrische Ströme“, Abschnitt 2.1.3) in einem Raumelement der Leitung (Abb. III-5.41, strichliert eingezeichnet).

∂I I(x,t) + ___ dx ∂x

I(x,t)

U(x,t)G′dx

x

x + dx

Abb. III-5.41: Zur Berechnung der Änderung der Stromstärke entlang der Leitung mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung (Ladungserhaltung).

366

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Durch die linke Querschittsfläche des oberen Leiters tritt an der Stelle x der ∂​I​ Strom I​ (x​,t​) ein, an der Stelle x + dx verlässt ihn der Strom I​ (x​,t​) + d​x​ . Die Diffe∂​x​ renz wird zum Teil durch einen Querstrom zum anderen Leiter verursacht, der proportional zur Spannungsdifferenz ist; dieser Ableitungsstrom beträgt U​ (x​,t​)G​ ′d​x​. Außerdem häuft sich im Leitungsabschnitt dx Ladung an oder verliert sich entspre∂​Q​ ∂​C​ ′d​x​U​ (x​,t​) ∂​U​ chend = = C​ ′d​x​ . Damit ergibt sich aus der Kontinuitätsglei∂​t​ ∂​t​ ∂​t​ chung für den Strom: ∂​U​ ∂​I​ d​x​ + U​ (x​,t​)G​ ′d​x​ + C​ ′d​x​ = I​ (x​,t​) . ∂​x​ ∂​t​

I​ (x​,t​) +

(III-5.159)

Es gilt also −

∂​U​ ∂​I​ = G​ ′U​ + C​ ′ . ∂​x​ ∂​t​

(III-5.160)

Das heißt: Die Stromstärke I ändert sich entlang der Leitung, da ein Teil des Stromes, der Ableitungsstrom, auf den anderen Leiter übergeht und ein anderer Teil sich als Ladung anhäuft (oder verschwindet). Die beiden gekoppelten linearen Differentialgleichungen (III-5.158) und (III5.160), die von Ort und Zeit abhängen, beschreiben das Verhalten von Spannung und Strom längs der Leitung vollständig, wenn die Randbedingungen (Abschlusswiderstand, Länge der Leitung) vorgegeben sind. Sind die „Leitungsbeläge“ C′, L′, R′, G′ konstant, so können die Gleichungen (III-5.158) und (III-5.160) entkoppelt werden. Dazu wird die Gl. (III-5.158) nach x differenziert:



∂​ 2 U​ ∂​x​ 2

=

∂​I​ ∂​ 2 I​ ∂​I​ ∂​ ∂​I​ R​ ′ + L​ ′ = R​ ′ + L​ ′ . ∂​x​ ∂​x​∂​t​ ∂​x​ ∂​t​ ∂​x​

In diese Gleichung wird nun

∂​ 2 U​ ∂​x​



2

∂​I​ aus der Gl. (III-5.160) eingesetzt: ∂​x​

= (G​ ′U​ + C​ ′

∂​ 2 U​ ∂​x​

2

(III-5.161)

= L​ ′C​ ′

∂​U​ ∂​ ∂​U​ )R​ ′ + L​ ′ (G​ ′U​ + C​ ′ ) ∂​t​ ∂​t​ ∂​t​

∂​ 2 U​ ∂​t​

2

+ (C​ ′R​ ′ + L​ ′G​ ′)

∂​U​ + G​ ′R​ ′U​ ∂​t​

Telegraphengleichung für U (x,t).

(III-5.162)

(III-5.163)

367

5.5 Elektromagnetische Wellen

Differenzieren wir jetzt Gl. (III-5.160) nach x und setzen

∂​U​ aus der Gl. (III-5.158) ∂​x​

ein, so erhalten wir für I(x,t) die analoge Gleichung 2

∂​ I​ ∂​x​

2

= L​ ′C​ ′

∂​ 2 I​ ∂​t​

2

+ (C​ ′R​ ′ + L​ ′G​ ′)

∂​I​ + G​ ′R​ ′I​ ∂​t​

(III-5.164)

Telegraphengleichung für I (x,t). Es ergeben sich damit zwei partielle DG’s 2. Ordnung, die als Telegraphengleichung (Telegrapher’s equation) bezeichnet werden; jede dieser Gleichungen enthält nur mehr eine Variable. Es ist allerdings zu beachten, dass diese entkoppelten Gleichungen nicht mehr vollkommen äquivalent zum Ausgangssystem der Gleichungen (III-5.158) und (III-5.160) sind: Jede Lösung des Systems (III-5.158) und (III5.160) ist auch eine Lösung der entkoppelten Gleichungen, aber nicht jede Lösung der entkoppelten Gleichungen ist auch eine Lösung für das System (III-5.158) und (III-5.160). Bei den entkoppelten Gleichungen handelt es sich um Wellengleichungen. Wir erwarten also wellenförmige Spannungs- und Stromverläufe als Lösungen der Telegraphengleichung, die im Allgemeinen wegen der Energieverluste in R′ und G′ gedämpft sein werden. Wir betrachten jetzt vereinfachend den Fall einer idealen, verlustlosen Leitung (Index vL) mit vollkommener Isolierung und unendlich guten elektrischen Leitern, also ein System, für das R​ ′ = 0 und G​ ′ = 0 gilt.53 In diesem Fall breiten sich Wellen auf dem Leitungssystem ungedämpft aus. Für die entkoppelten Gleichungen gilt dann 2 ∂​ U​

∂​x​ 2 ∂​ 2 I​ ∂​x​ 2

= L​ ′C​ ′

= L​ ′C​ ′

∂​ 2 U​ ∂​t​ 2

∂​ 2 I​ ∂​t​ 2

.

(III-5.165)

(III-5.166)

Mit dem Wellenansatz für die Spannung (hochgestelltes + bedeutet Ausbreitungsrichtung nach rechts, hochgestelltes – Ausbreitungsrichtung nach links) + i​ω​t​ − γ​x​

U​ (x​,t​) = U​ 0 e​

+ U​ 0 e​ i​ω​t​ + γ​x​ −

(III-5.167)

ergibt sich ein Strom

53 Zur ausführlicheren Beschreibung der Lösung der Telegraphengleichung siehe Anhang 4.

368

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

I​ (x​,t​) = I​ 0 e​ i​ω​t​ − γ​x​ + I​ 0 e​ i​ω​t​ + γ​x​ = +



U​ +0 i​ω​t​ − γ​x​ U​ −0 i​ω​t​ + γ​x​ e​ − e​ , Z​0 Z​0

(III-5.168)

wobei

Z​0v​L​ = √

ist (mit

U​ + I​

+

= Z​0,

U​ − I​



L​ ′ C​ ′

(III-5.169)

der Wellenwiderstand

= −Z​0) und

der Fortpflanzungsfaktor (= Übertragungskonstante).

γ​v​L​ = i​ω√ ​ L​ ′C​ ′

(III-5.170)

Für die Scheitelwerte des Stroms I0 und der Spannung U0 gilt

U​0 = √U​ +0 2 + U​ −2 0 , I​0 =

mit



(

+

2



U​ 0 U​ ) + ( 0) Z​0 Z​0

2

(III-5.171)

U​0 = Z​0 . I​0

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wellen auf der idealen Parallelleitung ergibt sich zu υ​v​L​ =

1

√L​ ′C​ ′

= c​ .54

(III-5.172)

54 Für die Eigenfrequenz eines Schwingkreises mit der Kapazität C und der Induktivität L ergab 1 (Abschnitt 5.2.1, Gl. III-5.65). Die obigen Größen C′ und L′ sich die Thomson-Gleichung: ω​0 = √L​C​ sind aber auf die Längeneinheit bezogene Größen mit den Einheiten [C′] = F/m und [L′] = H/m: 1

[ ]= √L​ ′C​ ′

1 1



m

= HF​ m2

√1

As Vs ⋅1 A V

=

m s

.

369

5.5 Elektromagnetische Wellen

Im Idealfall sind also die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen und der Wellenwiderstand frequenzunabhängig, der Wellenwiderstand hat ohmschen Charakter, Strom- und Spannungswelle sind entlang der Leitung in Phase. Wird das Ende der Leitung mit einem Widerstand überbrückt, dessen Wert etwa dem Wellenwiderstand Z0 entspricht, so ist die Leitung reflexionsfrei angeschlossen, es entstehen keine stehenden Wellen durch Reflexion am Leitungsende. Soll die transportierte Energie vollständig an den Verbraucher abgegeben werden, muss dessen Widerstand daher gleich dem Wellenwiderstand sein (Anpassung des Verbrauchers). Zur genaueren Betrachtung der Wellenausbreitung durch Lösung der Telegraphengleichung siehe Anhang 4.

5.5.6 Das elektromagnetische Spektrum Durch Verwendung eines Hertzschen Dipols als Sender und eines anderen als Empfänger kann die Wellenausbreitung des elektromagnetischen Feldes im Raum experimentell nachgewiesen werden55 und damit auch die Gültigkeit der MaxwellGleichungen, insbesondere der Maxwell-Induktion, also der Erzeugung von Magnetfeldern durch sich zeitlich verändernde elektrische Felder als Zusatz zum Ampereschen Gesetz. Abb. III-5.42 zeigt die Schwingungen des elektrischen (E​⇀) und des magnetischen Feldvektors (B​⇀) in einer ebenen (linear polarisierten) elektromagnetischen y λ



E (x, t)





B (x, t)

 E (x, t)



k

B (x, t)

z

Abb. III-5.42: Ebene, harmonische elektromagnetische Welle: elektrischer Feldvektor E​⇀ (blau durchgezogen), magnetischer Feldvektor B​⇀(blau punktiert).

55 Erstmals 1888 durch Heinrich Hertz in Karlsruhe.

x

370

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Welle. Wir kennen eine Vielzahl von unterschiedlichen Quellen, die elektromagnetische Wellen ausstrahlen, das elektromagnetische Spektrum reicht von Radiowellen mit Wellenlängen λ > 1 m über Lichtwellen mit λ ≈ 10–6 m bis zur γ-Strahlung, die bei Zerfällen den Atomkern mit λ ≈ 10–14 m verlässt (Abb. III-5.43). Die Ausbreitungsmedien können für Teile des Spektrums undurchlässig, für andere durchlässig sein, der Brechungsindex ist dann frequenzabhängig. In leitenden Medien (Metalle, Salzlösungen wie z. B. Meerwasser etc.) breiten sich die Wellen nur in gedämpfter Form aus, da die elektromagnetische Wellenenergie laufend in Wärme verwandelt wird. Wir unterscheiden: Radiowellen: Mikrowellen: Infrarot: Sichtbares Licht: Röntgenstrahlung: γ-Strahlung: Höhenstrahlung:

1 m–103 m 10–3–10–2 m 10–6–10–4 m 380–780 nm, ≈ 10–6 m 10–11–10–8 m, Größenordnung des Atomdurchmessers 10–14–10–12 m, Größenordnung des Atomkerndurchmessers –15 –14 10 –10 m Steigende Frequenz ν (Hz)

24

10

22

10

-Strahlung

20

10

18

10

10

16

RöntgenUV strahlung

10–16 10–14 10–12 10–10

10–8

10

14

10

12

Infrarot 10–6

10–4

10

10

10

Mikrowellen 10–2

8

106

Radiowellen 100

104

102

100

Langwellen

102 104 106 108 Steigende Wellenlänge λ (m)

sichtbares Licht

400

500 600 Steigende Wellenlänge λ (nm)

700

Abb. III-5.43: Das Spektrum elektromagnetischer Wellen. Das sichtbare Licht (380–780 nm) stellt nur einen sehr kleinen Ausschnitt dar.

Alle Wellen dieser Quellen sind elektromagnetischer Art, sie unterscheiden sich nur durch ihre Frequenz, d. h. ihre Photonenenergie hν. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) für alle Frequenzen im Vakuum ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit

5.5 Elektromagnetische Wellen

υ​p​h​ = υ​gr​ = c​ = ν​ ⋅ λ​ =

ω​ −1 56 = 299792458 ms . k​

371 (III-5.173)

In der Materie sind die Wechselwirkungen mit elektromagnetischer Strahlung und damit viele physikalische Eigenschaften frequenzabhängig, z. B. Absorption, Streuung, Dispersion, Reflexion. Diese Thematik wird im nächsten Band IV, Kapitel „Wellenoptik“ behandelt.

Spektrale Empfindlichkeit des Auges Das menschliche Auge ist nicht gleichmäßig für alle Frequenzen des sichtbaren Lichts empfindlich, es weist für Tageslicht ein Empfindlichkeitsmaximum im gelbgrünen Bereich des sichtbaren Lichts bei ca. 550 nm auf. Für das „Nachtsehen“, das durch andere Rezeptoren in der Netzhaut („Stäbchen“) als für das „Tagsehen“ („Zäpfchen“) vermittelt wird, liegt das Empfindlichkeitsmaximum bei kleinerer Wellenlänge (λmax,Nacht = 510 nm) im blaugrünen Bereich (Abb. III-5.44). (UV) 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 350

(IR) 100% 98% 82% 79%

56%

Tagsehen

50% Nachtsehen 20% 18%

10% 10%

2%

400

450 435,8

500 486,1 510

550 546,1

600 587,6

0%

650

700

656,3

(UV)

750 800 λ (nm) (IR)

Abb. III-5.44: Spektrale Empfindlichkeit des menschlichen Auges bei Tagsehen und Nachtsehen. (Nach „astro-foren.com, W. Rohr 2014: DIN 5031–3 (Tagsehen), H. J. Charwat, in: „Hütte: Das Ingenieurwissen“ 33. Auflage 2007, Springer Verlag (Nachtsehen)).

56 υgr ist die Gruppengeschwindigkeit υ​gr​ =

d​ω​ d​k​

= υ​p​h​ − λ​

d​υ​p​h​ d​λ​

, υ​p​h​ =

ω​ k​

ist die Phasengeschwindig-

keit; im Vakuum stimmen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit überein.

372

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Zusammenfassung 1.

Für eine angelegte Wechselspannung der Form U​ = U​0 cos​ ω​t​ ≙ U​0 e​

i​ω​t​

sind an einem rein ohmschen Widerstand R Strom I und Spannung U in Phase, eilt an einer Induktivität L der Strom I der Spannung U um π/2 nach, eilt an einem Kondensator der Kapazität C der Strom I der Spannung U um π/2 voraus. Es gilt das Ohmsche Gesetz für die komplexen Zeiger der Spannung U​⇀, des Stroms I​⇀und des Wechselstromwiderstands Z​⇀:

I​⇀=

2.

U​⇀ Z​⇀

Am ohmschen Widerstand tritt die Wechselstromleistung als Wirkleistung auf

P​ (t​) = U​ (t​) ⋅ I​ (t​) = U​0 I​0 cos​ 2 ω​t​

I​eff​ =

I​0

√2

= 0,707 ⋅ I​0

und

momentane Wirkleistung am ohmschen Widerstand, U​eff​ =

U​0

√2

= 0,707 ⋅ U​0

Effektivwerte von sinusförmigem Wechselstrom und sinusförmiger Wechselspannung.

3.

Für die Wechselstromwiderstände Z​⇀L​ und Z​⇀C​ gilt: Z​⇀L​ = i​ω​ L​

komplexer induktiver Widerstand (= Induktanz)

|

Z​⇀C​ = −

|

Z​L​ | =

i​ ω​C​

Z​⇀C​ | =

U​0 = ω​ L​ I​0

Impedanz einer Spule;

komplexer kapazitiver Widerstand, (Reaktanz)

U​0 1 = I​0 ω​C​

Impedanz eines Kondensators.

Zusammenfassung

373

4. Im L-C-R-Serienkreis gilt:

Z​⇀=

U​⇀0 = R​ ⏟ I​⇀0 Wirkwiderstand

|

Z​⇀| =

Komplexer Wechselstromwiderstand des L-C-R Serienkreises,

1 ) = |Z​⇀| ⋅ e​ i​φ​ ω​ C​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

+ i​ (ω​ L​ −

Blindwiderstand

U​0 1 2 2 ) = √R​ + (ω​ L​ − I​0 ω​ C​

Im​ (Z​⇀) = tan​φ​ = Re​ (Z​⇀)

Impedanz des L-C-R Serienkreises,

ω​L​ −

1 ω​C​

R​

.

5. Wir unterscheiden im Wechselstromkreis zwischen der im Kreis umgesetzten Wirkleistung P​W​ =〈P​〉 = U​eff​ ⋅ I​eff​ ⋅ cos​ φ​ = P​S​ cos​ φ​ , der Scheinleistung P​S​ = U​eff​ ⋅ I​eff​ und der Blindleistung P​B​ = P​S​ sin​ φ​ , die im Periodenmittel zwar verschwindet, aber für die Dimensionierung der Leitungen und Komponenten berücksichtigt werden muss. 6. Im Transformator werden Wechselspannungen und Wechselströme umgeformt. Für den idealen Trafo ist das Spannungsübersetzungsverhältnis gleich dem Verhältnis der Windungszahlen, die Stromübersetzung ist dem Reziprokwert dieses Verhältnisses gleich. 7. für den freien, ungedämpften elektrischen Schwingkreis (LC-Kreis) gilt die Differentialgleichung der ungedämpften harmonischen Schwingung d​ 2 Q​ d​t​

2

+

1 Q​ = 0 . L​C​

374

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen i​ω​ t​

Mit dem Lösungsansatz Q​ = Q​0 e​ 0 für die schwingenden Ladungen ergibt sich für die Eigenfrequenz ω0 die Thomson-Gleichung ω​0 =

1

√L​C​

.

8. Für die gedämpfte Schwingung im L-C-R-Kreis gilt

L​

d​ 2 Q​ d​t​

2

+

d​Q​ Q​ ⋅ R​ + = 0 d​t​ C​

mit der Dämpfungskonstante γ​ =

bzw.

2 d​ I​

d​t​

2

+ 2 γ​

d​I​ 2 + ω​ 0 I​ = 0 d​t​

R​ . Die allgemeine Lösung ist 2 L​

in Analogie zu mechanischen Schwingungen

√γ​

I​ (t​) = e​ −γ​t​ [C​1 e​ 9.

2

2

− ω​ 0 ⋅ t​

+ C​2 e​

√γ​



2

2

− ω​ 0 ⋅ t​]

.

In einem Schwingkreis ergibt sich die Resonanzfrequenz aus dem Verschwinden des Imaginärteiles des komplexen Widerstandes Z​⇀. Für einen Serienschwingkreis beträgt daher die Resonanzfrequenz

ω​R​ = √

1 L​C​

und der Resonanzwiderstand Z​⇀R​ = R​. Im Resonanzfall tritt Spannungsüberhöhung ein, UL,eff und UC,eff werden viel höher als UR,eff . Im Parallelschwingkreis ist die Resonanzfrequenz

ω​R​ =

1

√L​C​

√1 − R​

2 C​

L​

.

Im Resonanzfall tritt hier Stromüberhöhung ein, die Effektivwerte der Ströme durch L und C werden sehr groß gegen den Strom durch den Gesamtwiderstand, also durch den Resonanzwiderstand Z​⇀R​ =

L​ . C​R​

Zusammenfassung

375

10. Der offene Schwingkreis = Hertzscher Dipol ist ein Sender elektromagnetischer Wellen. In unmittelbarer Umgebung des Dipols sind die Maximalwerte von Strom und Spannung gegeneinander um π/2 versetzt, im Fernfeld schwingen die Feldvektoren E​⇀und B​⇀in Phase; sie stehen aufeinander normal und beide stehen normal auf die Ausbreitungsrichtung k​⇀. 11. Die ruhende Ladung erzeugt das statische elektrische Feld, die bewegte Ladung erzeugt zusätzlich das magnetische Feld und die beschleunigte Ladung strahlt. 12. Die Wellengleichungen des elektromagnetischen Feldes lauten

ΔE​⇀= ΔB​⇀=

1 ∂​ 2 E​⇀ c​ 2 ∂​t​ 2 1 ∂​ 2 B​⇀ 2

c​ ∂​t​

2

und für ebene Wellen der Ausbreitungsrichtung x​⇀ ∂​ 2 E​⇀ 1 ∂​ 2 E​⇀ = ∂​x​ 2 c​ 2 ∂​t​ 2 ∂​ 2 B​⇀ 1 ∂​ 2 B​⇀ = ∂​x​ 2 c​ 2 ∂​t​ 2

13. Für den Zusammenhang zwischen den Feldvektoren gilt

B​⇀=

1 ⇀ 1 k​⇀ (k​ × E​⇀) = ( × E​⇀) ω​ c​ k​

und

B​ =

1 E​ . c​

14. Die momentane Leistungsdichte einer elektromagnetischen Welle ist

S​mom​ = w​E​M​ ⋅ c​ = ε​0 c​E​ 2 =

E​ ⋅ B​ , μ​0

die momentane Energiestromdichte beschreibt der Poynting-Vektor

S​⇀=

1 (E​⇀× B​⇀) = ε​0 c​ 2 (E​⇀× B​⇀) . μ​0

376

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Für die Intensität einer linear polarisierten Welle gilt

I​ = < |S​⇀| > = < w​EM > ⋅ c​ =

1 E​0 B​0 1 1 2 = ε​0 c​ 2 E​0 B​0 = ε​0 c​E​ 0 . 2 μ​0 2 2

15. Eine elektromagnetische Welle führt Impuls mit sich

̃ = p​EM

1 S​⇀= ε​0 (E​⇀× B​⇀) c​ 2

Impulsdichte einer EM-Welle

und kann daher Impuls als Strahlungsdruck PS übertragen:

̃ = P​S​ = c​ ⋅ p​EM

S​ 2 = ε​0 E​ = w​EM . c​

16. Die Telegraphengleichungen für Spannung ∂​ 2 U​ ∂​x​

2

= L​ ′C​ ′

∂​ 2 U​ ∂​t​

2

+ (C​ ′R​ ′ + L​ ′G​ ′)

∂​U​

+ G​ ′R​ ′U​

∂​t​

und Strom ∂​ 2 I​ ∂​x​

2

= L​ ′C​ ′

∂​ 2 I​ ∂​t​

2

+ (C​ ′R​ ′ + L​ ′G​ ′)

∂​I​

+ G​ ′R​ ′I​

∂​t​

sind Wellengleichungen und beschreiben in vereinfachter, entkoppelter Form das Verhalten von Spannung und Strom längs einer Doppelleitung (LecherLeitung oder auch für eine Koaxialleitung), wenn die Randbedingungen (Abschlusswiderstand, Länge der Leitung) gegeben sind.

5

Übungen: 1. An einer Spule mit einer Induktivität von 0,14 H und einem Widerstand von 12 Ω liegt eine Wechselspannung von 110 V und 25 Hz. Berechne a) den Strom in der Spule,

Zusammenfassung

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

377

b) den Phasenwinkel zwischen Strom und angelegter Spannung, c) den Leistungsfaktor, d) die in der Spule absorbierte Leistung. Eine Wechselspannung von 110 V und 60 Hz wird einem Stromkreis aufgeprägt, der aus einem ohmschen Widerstand von 100 Ω, einer Spule von 0,01 H Induktivität (verschwindendem ohmscher Widerstand) und einem Kondensator mit einer Kapazität von 20 μF besteht, die alle in Reihe geschaltet sind. Berechne a) den Strom im Kreis, b) den Phasenwinkel zwischen Strom und angelegter Spannung. Ein spannungserhöhender Transformator wird am Eingang mit einer 120 V Leitung verbunden. Er liefert am Ausgang 1800 V. Die Primärspule besteht aus 100 Windungen. Wie viele Windungen hat die Sekundärspule? Ein Transformator an einer 120 V Leitung liefert sekundär 2 A bei 200 V. Welcher Strom fließt in der Eingangsleitung bei einem Wirkungsgrad von 100 %? Ein spannungsreduzierender Transformator wird von einer 2,5 kV Leitung gespeist und wird sekundärseitig mit 80 A belastet. Das Verhältnis der Primär- zu den Sekundärwindungen beträgt 20 : 1. Bestimme die Sekundärspannung, den Primärstrom und die Leistungsabgabe unter der Voraussetzung eines Wirkungsgrades von 100 %. Wie kann in Kraftfahrzeugen mit dem Zündstrom aus dem 12-Volt Akkumulator eine Spannung von mehreren Hundert Volt erzeugt werden, die den ca. 0,5 mm breiten Spalt der Zündkerze mit einem Funken überbrücken kann? Die Gesamtenergie in einem L-C-Schwingkreis mit einer Induktivität von 5 H beträgt 5,7 μJ. Die maximale Ladung des Kondensators ist 175 μC. Wie groß sind a) die Masse, b) die Federkonstante, c) die Amplitude der Auslenkung, d) die Geschwindigkeitsamplitude einer mechanischen Schwingung gleicher Gesamtenergie und gleicher Schwingungsdauer? Ein Serienresonanzkreis bestehend aus einer Spule mit dem ohmschen Widerstand R = 0,2 Ω, der Induktivität L = 50 μH und einem Kondensator der Kapazität C = 300 pF, ist an eine Spannung U0 = 4 V angeschlossen. Ermittle die Resonanzfrequenz, den Resonanzstrom und die bei Resonanz an Induktivität bzw. Kapazität anliegende Spannung. Zeige, dass die Breite der Resonanzkurve I(ω) eines Serienresonanzkreises (R, L, C) gleich R/L ist. Unter der Resonanzbreite versteht man die Breite der Resonanzkurve an der Stelle, an der die Stromamplitude den Wert I​/√ ​ 2 der

Maximalamplitude hat (das ist die Halbwertsbreite der Leistungsfunktion). Welche Bedeutung hat die Resonanzbreite? 10. Durch einen Draht fließt ein Gleichstrom, der ein Magnetfeld um sich erzeugt. In welche Richtungen weisen E​⇀und H​⇀? In welche Richtung weist der

378

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Poynting-Vektor S​⇀? Überlege die Energiebilanz des elektromagnetischen Feldes im Leiter mit einem spezifischen Widerstand ρ. Kann der PoyintingVektor parallel zur Leiteroberfläche liegen?

Anhang 1 Der Transformator A1.1 Unbelasteter, idealer Eisentransformator Bei einem Eisentransformator kann wegen der nichtlinearen Beziehung zwischen B und H ∝ M (Hysterese) kein konstanter Selbstinduktionskoeffizient angegeben werden – es muss daher mit dem sich sinusförmig verändernden magnetischen Fluss ΦM gerechnet werden. Im unbelasteten Transformator fließt kein Strom in der Sekundärspule, also I​S​ = 0. Im idealen Trafo werden alle Verluste (ohmsche Verluste, Hystereseverluste, Wirbelstromverluste und Verluste durch die Streufelder der Spulen) vernachlässigt. An die Primärspule wird eine Wechselspannung U​p​ = U​0 p​ cos​ ω​t​ angelegt. Damit ergibt sich in der Primärspule der Strom I0p, der wie in einer idealen Spule der Spannung um π/2 nacheilt. Dieser Strom ist allerdings wegen der Hysterese im Eisenkern nicht sinusförmig, wohl aber der durch ihn erzeugte magnetische Fluss. Bezeichnen wir mit ΦM den magnetischen Fluss durch eine Windung der Primärspule, so ergibt das Faradaysche Induktionsgesetz (siehe Kapitel „Zeitlich veränderliche elektrische Felder und Maxwell-Gleichungen“, Abschnitt 4.1, Gl. III-4.2) für d​ΦM​ . Diese Spannung muss nach der die Primärspule mit Np Windungen: U​ind​ = −N​p​ d​t​ Kirchhoffschen Schleifenregel der angelegten Spannung Up das Gleichgewicht halten: N​p​



mit Φ0M​ =

d​ΦM​ + U​p​ = 0 d​t​

1 U​0p​ U​0p​ ∫U​p​ d​t​ = ∫cos​ ω​t​ d​t​ = sin​ ω​t​ = N​p​ N​p​ ω​Np​ ​ π​ = ΦM​0 cos​ (ω​t​ − ) 2

(III-5.174)

ΦM​ =

(III-5.175)

U​0p​ ⇀M​ – er eilt der angelegten Spannung Up . Der magnetische Fluss Φ ω​Np​ ​

π​ nach – ist die zentrale, das gesamte Verhalten des Trafos bestimmende 2 Größe, die sich auch bei allen Belastungsfällen nicht ändern kann, da ihre Zeitableitung stets der angelegten Spannung das Gleichgewicht halten muss (Kirchhoffsche

um φ​ =

379

Anhang 1 Der Transformator

Schleifenregel 57 im Primärkreis). Außerdem ist er die bestimmende Größe für den Querschnitt des Eisenjochs. Im idealen Trafo durchsetzt der magnetische Fluss ΦM​, der Hauptfluss, beide Spulen (siehe Abb. III-5.23 in Abschnitt 5.1.8), also auch die Sekundärspule und erzeugt dort durch Induktion die Sekundärspannung U​s:​ U​s​ = −N​s​

N​s​ d​ΦM​ U​0 p​ d​ N​s​ = −N​s​ (sin​ ω​t​) = − U​0 p​ cos​ ω​t​ = − U​p​ , d​t​ ω​Np​ ​ d​t​ N​p​ N​p​

(III-5.176)

also N​s​ U​s​ =− . U​p​ N​p​

(III-5.177)

Das negative Vorzeichen berücksichtigt die Phasendifferenz von π​ = 180° zwischen Up und U​s.​ Das heißt also für den idealen, verlustlosen Trafo: Die Spannungen verhalten sich wie die Windungszahlen oder das Spannungsübersetzungsverhältnis ist gleich dem Verhältnis der Windungszahlen.

A1.2 Belastung der Sekundärspule mit einer Impedanz Z⇀ Wird die Sekundärspule, an der beim idealen Trafo die Spannung (Urspannung bzw. Quellenspannung oder auch elektromotorische Kraft EMK) U​s​ = −U​p​

N​s​ N​p​

(III-5.178)

anliegt, mit einem beliebigen Wechselstromwiderstand Z​⇀= Z​ ⋅ e​ i​φ​ belastet, dann fließt durch Z​⇀und damit auch durch die Sekundärspule der Strom I​⇀s​ =

U​⇀0s​ U​⇀0s​ −i​φ​ = e​ , Z​⇀ Z​

(III-5.179)

57 Die Kirchhoffsche Schleifenregel ist eine unmittelbare Folge der Eindeutigkeit des elektrischen Potenzials, was mit ∮E​⇀d​r⇀= ​ 0 bzw. ∑U​i​ = 0 in einem Leiterkreis gleichbedeutend ist (siehe Kapitel i​

„Elektrostatik“, Abschnitt 1.3 und Kapitel „Stationäre elektrische Ströme“, Abschnitt 2.2.3).

1

380

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

der der Spannung U​⇀0s​ um den Winkel φ nacheilt. Dieser Sekundärstrom erzeugt im Eisenjoch infolge des Durchflutungsgesetzes (Amperesches Gesetz, siehe Kapitel „Statische Magnetfelder“, Abschnitt 3.2.3) einen phasengleichen Fluss ⇀M​,s​ = k​ ⋅ N​s​ I​⇀s​ Φ

(k … Proportionalitätskonstante),

(III-5.180)

⇀M​ addiert und wie dieser beide Spulen der sich zum schon vorhandenen Fluss Φ ⇀ durchsetzt. Die von ΦM​,s​ in der Primärspule induzierte Spannung stört das Spannungsgleichgewicht in der Primärspule – die angelegte Spannung U​⇀0p​ kann nicht ⇀M​ + Φ ⇀M​,s​ kompensiert werden. Es muss mehr durch die zeitliche Änderung von Φ daher in der Primärspule zusätzlich zum Magnetisierungsstrom I​⇀M​ (beim unbelasteten Trafo ist I​⇀M​ = I​⇀p​) jetzt ein Primärstrom gezogen werden, der die ursprüngliche ⇀M​ wiederherstellt, also einen dem Sekundärfluss Φ ⇀M​,s​ entgegenMagnetisierung Φ ⇀M​,p​ = −Φ ⇀M​,s​ erzeugt. Mit Φ ⇀M​,s​ = k​ ⋅ N​s​ I​⇀s​ (Gl. III-5.180) folgt gesetzten Primärfluss Φ daher ⇀M​,s​ ΦM​, p​ = k​ ⋅ N​p​ I​⇀p​ = −Φ

(III-5.181)

und so N​s​ I​s​ = −N​p​ I​p​ bzw. N​p​ I​s​ =− I​p​ N​s​

(III-5.182)

oder 1

Die Ströme in den Spulen des idealen Transformators verhalten sich umgekehrt wie die Windungszahlen, unabhängig von der Art der Belastung Z​⇀! Daraus folgt mit

N​s​ U​s​ =− U​p​ N​p​ U​p​ I​p​ = U​s​ I​s​ ,

(III-5.183)

d. h., die Scheinleistungen auf beiden Trafoseiten sind gleich. ⇀M​, p​ dem Strom I​⇀s​ bzw. Φ ⇀M​,s​ entgegengerichtet Da der Strom I​⇀p​ wie der Fluss Φ ist (siehe nachfolgende Abb. III-5.45), ist auch der Phasenwinkel φ zwischen Spannung uns Strom auf der Primär- und der Sekundärseite gleich groß (φ​s​ = φ​p​ = φ​):

381

Anhang 1 Der Transformator



L​0p​ = U​0p​ ⋅ I​0p​ cos​ φ​

L​0s​ = U​0s​ ⋅ I​0s​ cos​ φ​ = (−U​0p​ ⋅

(III-5.184)

N​s​ N​p​ )(I​0p​ ⋅ )cos​ φ​ = N​p​ N​s​

= U​0p​ I​0p​ cos​ φ​ = L​0p​ ,

(III-5.185)

also L​0s​ = L​0p​

bzw.

L​s​ = L​p​ ;

(III-5.186)

die auf der Primärseite zugeführte Wirkleistung ist gleich der auf der Sekundärseite abgegebenen. Man beachte: Der Magnetisierungsstrom I​⇀M​ eilt der angelegten Spannung U​⇀p​ um π/2 nach und verursacht daher keine Wirkleistung (Abb. III-5.45). Daraus folgt: Der ideale Transformator arbeitet verlustlos (Wirkungsgrad 100 %); aber selbst die verlustbehafteten Großtransformatoren erreichen einen Wirkungsgrad von 99 % ! Im Falle des verlustbehafteten Trafos erhält man die Quellenspannung U​⇀p​ (= EMKp), indem man von der angelegten Spannung U​⇀a​ den ohmschen Spannungsabfall U​⇀R​, p​ = I​p​ ⋅ R​p​ und den induktiven Spannungsabfall durch den Streufluss ΦStr​,p​ (U​⇀Str​, p​ = k​p​ i​ω​I⇀​p​)58 zeigermäßig abzieht. Analog sind bei Belastung mit dem Lastwiderstand Z​⇀l​ auf der Sekundärseite die Verlustspannungen U​⇀R​,s​ = I​⇀s​ ⋅ R​s​ und U​⇀Str​,s​ = k​s​ i​ω​I⇀​s​ von U​⇀s​ abzuziehen, was die messbare sekundäre Lastspannung U​⇀l​ N​s​ ergibt. Auch hier gilt wieder U​⇀s​ = − U​⇀p​ . Außerdem sind noch die Eisenverluste N​p​ durch Hysterese und Wirbelströme durch einen zu I​⇀M​ senkrechten Wirkstrom I​⇀F​e​ ⫽U​⇀p​ zu berücksichtigen. Das Zeigerdiagramm wird nun von U​⇀l​ ausgehend mit Hilfe des vorgegebenen Lastwiderstandes Z​⇀l​ aufgebaut. Ist der Strom im Sekundärkreis I​⇀s​, dann ergibt er sich im Primärkreis zu I​⇀p​ = −

N​s​ I​⇀s​ + I​⇀M​ + I​⇀F​e​ . Dadurch erhöht N​p​

sich die primäre Wirkleistung gegenüber der sekundären und der Wirkungsgrad wird < 1. Zum genaueren Studium des für die Elektrotechnik sehr wichtigen Transformators sei das Buch von E. Philippow „Grundlagen der Elektrotechnik“, 10. Auflage, Vlg. Technik, Berlin 2000, empfohlen.

58 kp und ks sind ein Maß für die primärseitige und sekundärseitige Streuinduktivität.

1

382

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen



 I

Ip

IM

p, ges





ΦM

  Φ = −Φ p

Φp, ges



s

Up φ





ΦM

IM

φ



Is



Φs



Us Abb. III-5.45: Zeigerdiagramm eines idealen Transformators mit Ns = 2 Np und Belastung U​⇀s​ U​⇀s​ i​φ​ − i​φ​ = e​ . Im gezeichneten Fall eilt der Strom Is der Spannung Us um den Z​⇀= Z​ ⋅ e​ , also I​⇀s​ = Z​⇀ Z​ Winkel φ vor (kapazitive Belastung). Das Transformatordiagramm muss von der Sekundärseite her aufgebaut werden, da hier durch den vorgegebenen Lastwiderstand Z​⇀der Phasenwinkel φ zwischen Spannung U​⇀s​ und Strom I​⇀s​ festgelegt ist. Die Flüsse Φp und Φs in den beiden Transformatorschenkeln sind gleich groß und entgegengesetzt gerichtet. Φp​ ∝ N​p​ I​p​ ; Φs​ ∝ N​s​ I​s​ .

Anhang 2 Zur Synchrotronstrahlung υ​ der mit R​ − der Geschwindigkeit υ​⇀umlaufenden e​ relativ zum Laborsystem Σ dreht, erfolge die Abstrahlung der Photonen unter dem Winkel θ ′ gegen die konstante Zentripetalbeschleunigung a​⇀n​ mit den Komponenten Im Ruhesystem Σ′ des e​ −, das sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω​ =

u​′ = c​ ⋅ sin​ θ​ ′

(⊥ zu a​⇀n​ )

(III-5.187)

Anhang 2 Zur Synchrotronstrahlung

w​ ′ = c​ ⋅ cos​ θ​ ′

(⫽ zu a​⇀n​ )

383 (III-5.188)

siehe Abb. III-5.46). y Abstrahlungsrichtung im Ruhesystem Σ′ der Elektronen

u′



c (Photonen)



a

w′ Abstrahlungsrichtung im Laborsystem Σ

θ′ u θ



w

φ

ʋ (Elektronen)

x

Abb. III-5.46: Geschwindigkeitsdiagramm. Ein sich auf einer Kreisbahn mit der Geschwindigkeit υ​⇀ (β = 0,9c) bewegendes Elektron strahlt Photonen aus. Die Abbildung zeigt die Abstrahlrichtung im Ruhesystem Σ′ der Elektronen und im Laborsystem Σ (schematisch).

Das Laborsystem Σ besitze gegenüber Σ′ die momentane Geschwindigkeit − υ​⇀⊥ a​⇀n​ mit |υ​⇀| = ω​R​ in der x-Richtung. Damit ergeben sich die entsprechenden Geschwindigkeitskomponenten der abgestrahlten Photonen im Laborsystem zu (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Mechanik“ Abschnitt 3.8, ‚Das Additionstheorem für Geschwindigkeiten’) u​ =

w​ = w​ ′

u​′ + υ​ u​′υ​ 1+ 2 c​

√1−υ​ 2/​c​ 2 1+

u​′υ​ c​ 2

(III-5.189)

.

(III-5.190)

Daraus folgt tan ​θ​ =

sin​ θ​ ′ + υ​/​c​ u​′ + υ​ u​ = . = 2 2 w​ w​ ′ √1−υ​ /​c​ cos​ θ​ ′ √1−υ​ 2/​c​ 2

(III-5.191)

Nehmen wir z. B. θ′ = 45° (Abb. III-5.46), so ergibt sich für den Winkel θ im Laborυ​ system in Abhängigkeit von β​ = : c​

384

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

υ​ β​ = = c​

0,9 0,99 0,999 0,9999

{

%

θ​ =

79,1° 86,6° 88,9° 89,7° .

{

Die Winkelbreite φ​ = 90° − θ​ der „Strahlungskeule“ (siehe Abschnitt 5.4, Abb. III5.35, rechtes Bild) kann aus der Formel für tan θ abgeleitet werden (mit

φ​ ≅ tan ​φ​ = tan ​ (90° − θ​) = cot ​θ​ =

1 = tan ​θ​

cos​ θ​ ′ sin​ θ​ ′ + β​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ 1 ≈ 1 für θ​ ′ = 0 β​ Minimalwert = 0 für θ​ ′ = 90°

υ​ = β​ ≅ 1): c​

⋅ √1 − β​ , 2

Maximalwert

(III-5.192)

1 also φmax ≅ √1 − β​ 2 = . γ​ Für die relativistische Gesamtenergie (Ruheenergie E0 + kinetische Energie Ekin) eines im Synchrotron umlaufenden Elektrons gilt (siehe Band II, Kapitel „Relativistische Physik“, 3.9.3, Gl. II-3.157) E​ = m​e​ γ​c​ 2 =

m​e​ c​ 2

√1 − β​ 2

und damit für die maximale Winkelbreite φmax

φ​max​ ≅

1 m​e​ ⋅ c​ 2 2 = √1 − β​ = . γ​ E​

(III-5.193)

Für E = 6 GeV und mec2 = 0,5 MeV wird φ​max​ =

0,5 ⋅ 106 eV 6 ⋅ 109 eV

= 8,33 ⋅ 10

−5

rad​ = 4,77 ⋅ 10− 3 Grad​ = 17,2 Bogensekunden.​

Die von einem bestimmten Ort der Umlaufbahn im Synchrotron erfolgende Abstrahlung in eine vorgegebene Richtung geschieht in extrem kurzen Pulsen der Dauer Δ t nach jedem Bahnumlauf des e​ − tangential zur Elektronenbahn. Die Intensität der Pulse ändert sich im Laufe der Zeit nicht, da die ausgestrahlte Energie im Synchrotron nachgeliefert wird. Die ausgestrahlte Energie I(t) als Funktion der Zeit 2 R​π​ stellt also eine „Kammfunktion“ mit der Grundperiode T​ = (R … Bahnradius, c​

Anhang 2 Zur Synchrotronstrahlung

385

2 π​ c​ = dar (Abb. III-5.47). Mit R = 20 m ergibt T​ R​ 3 ⋅ 108 ms−1 2 π​ 2 π​ 7 −1 s = 4,19 ⋅ 10− 7 s. = = 1,5 ⋅ 10 s bzw. T​ = sich ω​0 = 20 m ω​0 1,5 ⋅ 107 ≈ 20 m) bzw. der Grundfrequenz ω​0 =

I(t) T

Δt

t Abb. III-5.47: Theoretischer Intensitätsverlauf der Synchrotronstrahlung.

Die Zeitdauer Δ t der Pulse (Pulsbreite) kann aus der Umlaufgeschwindigkeit υ ≈ c und der Winkelbreite der Pulse φmax berechnet werden: 3

Δ t​ =

1 R​ 3 m​ c​ 2 φ​ max​ ( e​ ) = 6 ω​0 E​ 6 c​

(III-5.194)

(siehe W. Raith, „Bergmann Schaefer Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 4“, de Gruyter, Berlin 1992). Im Beispiel von oben (E = 6 GeV, R = 20 m) ergibt sich die Pulsbreite zu 20 m (8,33 ⋅ 10−5 )3 = 6,42 ⋅ 10−21 s. Δ t​ = 6 ⋅ 3 ⋅ 108 ms−1 Aus der theoretischen Intensitätsfunktion („Kammfunktion“) I(t) würde sich entsprechend der Entwicklung periodischer Funktionen in Fourierreihen (siehe Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.1.3) eine streng periodische Spektralfunktion I(ω) als Fourierreihe mit der Grundfrequenz 2 π​ c​ = ergeben, deren höchste Frequenz durch die Pulsbreite Δ t bestimmt T​ R​ 2 π​ 2 π​ = 9,79 ⋅ 1020 s−1, dem wird: ω​max​ ≅ . In unserem Beispiel: ω​max​ ≈ −21 Δ t​ 6,42 ⋅ 10 s

ω​0 =

entspricht eine kürzeste Wellenlänge von 8 −1 c​ 3 ⋅ 10 ms λ​min​ = = 1,93 ⋅ 10−12 m = 1,93 ⋅ 10−3 nm. = 2 π​ ⋅ ω​max​ 9,79 ⋅ 1020 s−1 2 π​ Die theoretischen Überlegungen werden aber in der Praxis durch die unvermeidlichen Bahnstörungen im Synchrotron entscheidend modifiziert: Die Einzelpulse der

386

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Kammfunktion werden so stark verbreitert, dass sie miteinander verschmelzen und sich eine glatte Spektralfunktion ergibt, die in der folgenden Abb. III-5.48 schematisch als Funktion fallender Wellenlänge also steigender Photonenenergie dargestellt ist: Intensität

1 GeV

Elektronenenergie:

103 Infrarot

102

Sichtbares Licht

101 Ultraviolett

100

2 GeV

4 GeV

10–1

7.5 GeV

10–2

λ[nm]

weiche harte Röntgenstrahlung

Abb. III-5.48: Spektrale Energieverteilung der Synchrotronstrahlung: Intensität gegen fallende Wellenlänge, also als Funktion der Photonenenergie. Parameter ist die Elektronenenergie der im Synchrotron umlaufenden Elektronen. Mit steigender e–-Energie erweitert sich der Spektralbereich zu immer kürzeren Wellenlängen. (Nach C. Kunz, Physikalische Blätter 31, Heft 1 (1976), S. 9).

Anhang 3 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle A3.1 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle auf frei bewegliche Metallelektronen in einem klassischen Modell Trifft eine zirkular polarisierte elektromagnetische Welle der Kreisfrequenz ω und Wellenvektor k​⇀ auf Materie, so beschleunigt das rotierende elektromagnetische Feld die als frei beweglich angenommenen e– der Materie (z. B. eines Metalls), die infolge ihres Bahndrehimpulses L​⇀ebenfalls mit ω „zirkulieren“ mögen. Das Magnetfeld B​⇀ liegt parallel zu υ​⇀; es übt keine Kraft auf die e– aus, da es relativ zur Welle ruht, wenn die Kreisfrequenz der Welle und die des zirkulierenden e– übereinstimmen. Das Elektron wird von dem rotierenden Feld E​⇀auf eine Kreisbahn gezwungen, auf der sich bei einer kleinen Änderung dE der elektrischen Feldstärke die Energie, der Drehimpuls, die Geschwindigkeit und der Radius differentiell ändern müssen.

387

Anhang 3 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle



Lichtwelle

k



E

e− m





B





F = −e⋅E

ʋ



  r

L = m(r × ʋ )



ω, Elektron Abb. III-5.49: Freies Elektron (e–, blau) im elektrischen Feld einer Lichtwelle.

Die folgende Analyse ergibt die Änderung des Drehimpulses dL als Funktion der gesamten Energieänderung dE des Elektrons (Abb. III-5.49). Für die Kraft F​⇀auf das e– ergibt sich mit E​⇀= E​{cos​ ω​t​,sin​ ω​t​,0}

F​⇀= −e​ ⋅ E​⇀= −e​E​{cos​ ω​t​,sin​ ω​t​,0} =

F​0 cos​ ω​t​,F​0 sin​ ω​t​,0} {⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-5.195)

im​ Gegenuhrzeigersinn​ rotierende​ Kraft​

mit F0 = –e⋅E. Aus Newton 2 (F​⇀= m​ ⋅

F​0 cos​ ω​t​ = m​x,​̈

d​ 2 r​ d​t​ 2

) folgt mit r​⇀= {x​,y​,z​} und me ≡ m

F​0 sin​ ω​t​ = m​ÿ ,​

0 = m​z​̈ .

(III-5.196)

Wir integrieren zweimal mit geeigneter Wahl der Anfangsbedingungen x​̇ = υ​x​ =

F​0 sin​ ω​t​, m​ω​

ẏ​ = υ​y​ = −

F​0 cos​ ω​t​, m​ω​

ż​ = 0

(III-5.197)

388

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen 2

υ​ = √



F​ 0 2

m​ ω​

2

(sin​ 2 ω​t​ + cos​ 2 ω​t​) =

e​ ⋅ E​ m​ω​

(III-5.198)

und sehen, da F​⇀⋅ υ​⇀= 0 ist, dass die durch F​⇀erzeugte Geschwindigkeit υ​⇀senkrecht zu F​⇀liegt, also längs der Elektronenbahn: F​⇀⋅ υ​⇀= 0 2 2 Mit |υ​⇀| = √υ​ x​ + υ​ y​ =

υ​⇀⊥ F​⇀und​ E​⇀.



(III-5.199)

F​0 e​E​ = (Gl. III-5.198) folgt damit für die zusätzliche kinetim​ω​ m​ω​

sche Energie Ekin

E​kin​ =

2 2 m​υ​ 2 e​ E​ = 2 2 2 m​ω​

(III-5.200)

und damit für die Änderung der kinetischen Energie dEkin , wenn sich die Feldstärke um dE ändert

d​E​kin​ =

e​ 2 E​ m​ω​ 2

d​E​ .

(III-5.201)

Die Integration von {ẋ​,ẏ​} ergibt x​ = −

F​0 m​ω​

2

cos​ ω​t​ = −

F​0x​ m​ω​

2

,

F​0

y​ = −

m​ω​

2

sin​ ω​t​ = −

F​0y​ m​ω​ 2

,

(III-5.202)

d. h., das e– bewegt sich wie die Feldstärke E​⇀gegen den Uhrzeiger und F​⇀ist dem F​0 e​E​ Radiusvektor r​⇀ entgegengerichtet. Mit |r​⇀| = √x​ 2 + y​ 2 = = folgt für den 2 2 m​ω​ m​ω​ Drehimpuls L des Elektrons

L​ = m​r​υ​ =

2 2 e​ E​

m​ω​ 3

(III-5.203)

und damit für die Änderung des Drehimpulses dL, wenn sich die Feldstärke um dE ändert (Gl. III-5.201)

Anhang 3 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle 2

d​L​ = 2

e​ E​ m​ω​

3

d​E​

2 d​E​kin​ . ω​

=⏟

d​E​ =

m​ω​

2

389 (III-5.204)

d​Ekin​ ​

e​ 2 E​

Andererseits besitzt das im Feld der zentral gerichteten Kraft F​⇀= −e​ ⋅ E​⇀kreisende e– auch potentielle Energie, deren Änderung dEpot bei einer Änderung der Feldstärke um dE sich als Folge der damit verbundenen Änderung des Bahnradius um dr ergibt: ​ e​E​d​r​. d​Ep​ ot = −F​⇀⋅ d​r⇀=

(III-5.205)

Der Zusammenhang zwischen dE und dr folgt aus dem Kräftegleichgewicht 2 e​E​ = m​r​ω​ des kreisenden e– d​r​ =



d​Ep​ ot = e​E​ ⋅

e​ ⋅ d​E​

(III-5.206)

m​ω​ 2

e​ ⋅ d​E​ m​ω​ 2

=

e​ 2 E​ m​ω​ 2

d​E​ = d​Ek​ in​ .

(III-5.207)

Damit ist die gesamte Energieänderung des e– bei einer Änderung der Feldstärke um dE d​Eg​ es​ = d​Ek​ in​ + d​Ep​ ot = 2 d​E​kin​

(III-5.208)

und für dL folgt

d​L​ =

2 d​E​ges​ d​E​kin​ = . ω​ ω​

(III-5.209)

Nimmt daher das e– aus dem Strahlungsfeld die kleinstmögliche Energieportion, also ein Photon mit d​Eg​ es​ = ℏ​ω​ auf, dann ändert sich sein Drehimpuls um

d​L​ =

ℏ​ω​ = ℏ​ . ω​

(III-5.210)

Dieser Energieportion, dem Energiequant ℏ​ω​, muss also gleichzeitig der Drehimpuls d​L​ = ℏ​ zugeschrieben werden.

390

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

A3.2 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle auf Moleküle mit Dipolmoment in einem klassischen Modell Als weiteres Modell für die klassische Berechnung der Energie- und Drehimpulsübertragung durch eine zirkular polarisierte Welle betrachten wir jetzt ein Molekül mit permanentem Dipolmoment p​⇀= e​ ⋅ l​⇀, das um eine stabile Schwerpunktsachse mit der Winkelgeschwindigkeit ω0 rotiert („starrer Rotator“, ω​⇀0⫽z-Achse). Sein Trägheitsmoment sei θ, p​⇀liege in der Zeichenebene. Die elektromagnetische Welle mit der Winkelgeschwindigkeit ω falle parallel zur Drehachse ein (Abb. III-5.50). y





F = e⋅E





e+ p = e⋅l .

 E

φ S

x



l e−

  F = −e⋅E

ω0



k ∥ z-Achse

Abb. III-5.50: Zur Berechnung der Energie- und Drehimpulsübertragung durch eine zirkular polarisierte Welle auf ein Molekül mit permanentem Dipolmoment p​⇀= e​ ⋅ l​⇀.

Der Feldstärkevektor E​⇀= {E​0 cos​ ω​t​,E​0 sin​ ω​t​,0} der Lichtwelle übt auf den Dipol das Drehmoment D​⇀= p​⇀× E​⇀= p​ ⋅ E​ ⋅ sin​ φ​ aus. Eine Beschleunigung des Moleküls (entspricht einer Energieaufnahme, φ > 0) bzw. eine Verzögerung (entspricht einer Energieabgabe, φ < 0) kommt nur dann zustande, wenn sich über ein gewisses, wenn auch kleines Zeitintervall τ der Winkel φ zwischen E​⇀und p​⇀nur wenig ändert (Δφ ≪ 0). Dies verlangt, dass das einfallende Feld und das Molekül etwa gleichschnell rotieren: Wir setzen daher ω = ω0. Aus θ​ ⋅

d​ω​0 = D​ (Newton 2, Vektorpfeile sind unnötig, da D​⇀⫽ zur stabilen Drehd​t​

achse ω​⇀0 liegt) folgt für die Änderung von ω0 in der Zeit τ τ​

1 D​ Δ ω​0 = ∫D​ ⋅ d​t​ ≈ τ​ , θ​ 0 θ​

(III-5.211)

⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ Drehstoß​

denn φ und damit auch D sollen sich ja in der Zeit τ nur sehr wenig ändern.

391

Anhang 3 Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle

Aus Δ φ​ ≈ Δ ω​0 ⋅ τ​ ≪ 1 folgt für die „Stoßzeit“ τ59 τ​ ≪

1 . Δ ω​0

(III-5.212)

Andererseits kann Δω0 aus der geforderten Energieübertragung Δ E​ = ℏ​ω0​ berechnet werden: 2 θ​ω​ 0 (der Rotator besitzt nur kinetische Energie) folgt bei Absorption Aus E​ = 2 eines Photons ℏ​ω0​ Δ E​ = θ​ω0​ Δ ω​0 = ℏ​ω0​

(III-5.213)

und damit Δ ω​0 =

Δ E​ ℏ​ = . θ​ω0​ θ​

(III-5.214)

Daraus ergibt sich als Bedingung für die Stoßzeit τ​ ≪

θ​ . ℏ​

(III-5.215)

Wenn also das Molekül in der Zeit τ die Energie Δ E​ = ℏ​ω0​ aus dem Feld E​⇀aufgenommen hat, dann ist auch der Drehimpuls L​ = θ​ω0​ um Δ E​ ℏ​ ℏ​ω​0 Δ L​ = θ​Δ ω​0 = = θ​ ⋅ = = ℏ​ angewachsen und damit ω​0 θ​ ω​0 Δ L​ = ℏ​

(III-5.216)

aus dem Feld übernommen worden. Damit in der Zeit τ, in der sich φ nur sehr wenig ändert, die Energie Δ E​ = ℏ​ω0​ übertragen werden kann, ergibt sich auch eine Bedingung für die Feldstärke E der Lichtwelle: Aus Δ ω​0 =

ℏ​ D​ ℏ​ 2 ℏ​ 2 ℏ​ = τ​ folgt D​ = ≫ und mit D​ = p​ ⋅ E​ ⋅ sin​ φ​ ≫ folgt ⏟ θ​ θ​ τ​ θ​ θ​ θ​ τ​



ℏ​

59 Das ist die Zeitdauer der Einwirkung der auf den Rotator auftreffenden Welle.

392

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen 2 ℏ​ 2 ℏ​ ≈ für φ ≈ π/ 2. p​ ⋅ sin​ φ​ ⋅ θ​ p​ ⋅ θ​

E​ ≫

(III-5.217)

Sind viele Moleküle z. B. in einem Kristallverband vorhanden, dann übernimmt bei Absorption eines Photons ℏ​ω​ der gesamte Kristall die Energie- und Drehimpulsänderung, die somit unmerklich klein werden. Beispiel: Für das HCl-Molekül liefert die Spektroskopie: pHCl = 3,44⋅10–30 Asm; θHCl = 2,65⋅10–47 kgm2. Damit ergibt sich E​ ≫

ℏ​

2

p​H​C​l​ θ​H​C​l​

(1,054 ⋅ 10−34 )2

=

3,44 ⋅ 10

−30

⋅ 2,65 ⋅ 10

−47

= 1,22 ⋅ 108 V/m.

Das ist ein unvernünftig hoher Wert, der nur zeigt, dass die obige klassische Rechnung für atomare Teilchen versagt! Schon für ein großes, kugelförmiges Eiweismolekül wie z. B. Hämoglobin mit m = 1,06⋅10–22 kg (Molekulargewicht M = 64 000) und zwei Elementarladungen an den Kugelpolen (R = 2,57⋅10–9 m, p = 8,23⋅10–28 Asm, θ = 2,80⋅10–40 kgm2) ergibt sich 2

(

ℏ​ ) p​θ​

= 0,048 V/m.

Hämogl.​

Anhang 4 Lösung der Telegraphengleichung Bei Einspeisung mit sinusförmiger Spannung der Frequenz ω, kann zur Lösung der Telegraphengleichung (Abschnitt 5.5.5, Gl. III-5.163) der Ansatz U​ (x​,t​) = U​0 e​ i​ω​t​ − γ​

(III-5.218)

verwendet werden.60 Berechnet man damit die in der Telegraphengleichung auftretenden Differentialquotienten, dann ergibt sich als Fortpflanzungsfaktor γ​ = ± √(R​′ + i​ω​L​′)(G​′ + i​ω​C​′) = α​ + i​k​ ,

(III-5.219)

+ für Welle nach rechts, – für Welle nach links. In den Lösungsansatz eingesetzt, folgt: 60 Die Größen U und I sind Funktionen von (x,t), was aus Bequemlichkeit nicht immer angegeben wird. Die konstanten Amplituden (im Allgemeinen komplex) werden mit U0 und I0 bezeichnet. Ein hochgestelltes + bzw. – gibt die Ausbreitungsrichtung an.

393

Anhang 4 Lösung der Telegraphengleichung ± −α​x​

±

U​ (x​,t​) = U​ 0 e​

⋅ e​

i​ (ω​t​ ∓ k​x​)

für −∞​ < x​ < +∞​ .

(III-5.220)

Das sind gedämpfte (α ist reell) nach rechts bzw. nach links fortschreitende Leitungswellen. Eine analoge Gleichung ergibt sich für die Stromwelle ±

± −α​x​ i​ (ω​t​ ∓ k​x​) I​ (x​,t​) = I​ 0 e​ ⋅ e​ ±

für −∞​ < x​ < +∞​ .

(III-5.221)

±

U​ (x​,t​) und I​ (x​,t​) sind aber nicht unabhängig voneinander: Das Verhältnis U​ +0 +

I​ 0

heißt Wellenwiderstand (Wellenimpedanz );

= Z​0

(III-5.22)

es hängt i. Allg. von der Frequenz und den Leitungsbelägen (C′, L′, R′, G′) ab. Aus der Wellenfunktion in Gestalt der Ansatzgleichung (III-5.218) folgt



d​U​ + + = γ​U​ ; d​x​

(III-5.223)

andererseits liefert Gl. (III-5.158) aus Abschnitt 5.5.5



U​



I​

+

+

=

d​U​ + + + = I​ (R​′ + i​ω​L​′) = γ​U​ d​x​

R​′ + i​ω​L​′ = γ​

R​′ + i​ω​L​′

√(R​′ + i​ω​L​′)(G​′ + i​ω​C​′)

(III-5.224)

(III-5.225)

und damit U​ + I​

+

= Z​0 = √

R​′ + i​ω​L​′ G​′ + i​ω​C​′

Wellenwiderstand der gedämpften Leitung.

(III-5.226)

Für die zurücklaufende Welle gilt U​ − I​



=

R​′ + i​ω​L​′ = −Z​0 . − γ​

(III-5.227)

± ± Der Wellenwiderstand Z0 ist also i. Allg. eine komplexe Zahl; U​ und I​ sind daher i. Allg. gegeneinander phasenverschoben.

394

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Sind auf der unendlich langen Leitung hin- und rücklaufende Wellen gleichzeitig vorhanden, dann gilt + i​ω​t​ − γ​x​

U​ (x​,t​) = U​ 0 e​

I​ (x​,t​) = I​ +0 e​ i​ω​t​ − γ​x​ + I​ −0 e​ i​ω​t​ − γ​x​ =

− i​ω​t​ − γ​x​

+ U​ 0 e​

(III-5.228)

U​ +0 i​ω​t​ − γ​x​ U​ −0 i​ω​t​ − γ​x​ e​ − e​ . Z​0 Z​0

(III-5.229)

Im Folgenden wollen wir uns nur mehr mit der verlustlosen Leitung befassen. Der Wellenwiderstand wird mit R​′ = G​′ = 0 zu (Abschnitt 5.5.5, Gl. III-5.169) Z​0v​L​ = √

L​′ . C​′

Da jetzt Z0vL eine reelle Zahl ist, sind auf der verlustlosen Leitung Spannung und Strom phasengleich. Für den Fortpflanzungsfaktor γvL gilt jetzt (Abschnitt 5.5.5, Gl. III-5.170) ​ L​′C​′ = i​k​ , γ​v​L​ = i​ω√

(III-5.230)

also k​ = ω​√L​′C​′;

α​ = 0 ,

(III-5.231)

da γ rein imaginär ist. Damit erhalten wir ±

±

k​

± i​ (ω​t​ ∓ k​x​) = U​ 0 e​ i​ω​ (t​ ∓ ω​ U​ (x​,t​) = U​ 0 e​

x​)

±

x​

= U​ 0 e​ i​ω​ (t​ ∓ υ​v​L​ ) ,

(III-5.232)

also ebene Wellen, wie wir sie in Abschnitt 5.5.3, Gl. (III-5.125) betrachtet haben. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) υvL der Leitungswellen ergibt sich zu (Abschnitt 5.5.5, Gl. III-5.172)

υ​v​L​ =

ω​ ω​ = = k​ ω​√L​′C​′

1

√L​′C​′

= c​ .

(III-5.233)

Da daher bei der verlustlosen Leitung (sehr kleiner spezifischer Widerstand der Leiter, sehr geringer Leitwert zwischen den Leitern) die Ausbreitungsgeschwindigkeit von der Frequenz unabhängig ist und die Wellenausbreitung ungedämpft erfolgt, können sich in diesem Fall beliebige Störungen verzerrungsfrei ausbreiten.

Anhang 4 Lösung der Telegraphengleichung

395

L′ und C′ sind nicht voneinander unabhängig: Großes C′ (Leiter sehr nahe beieinander) bedingt kleines L′ und umgekehrt. Für das Lecher-System gilt

C​′ =

μ​ d​ π​ε​ ; L​′ = ln​ d​ π​ r​0 ln​ r​0

1



=

1

1



√ε​μ​ √ε​r​ μ​r​

≈ c​

(III-5.234)

c​ .

(III-5.235)

√ε​0 μ​0

für eine Leitung in Luft (ε​r​ = μ​r​ ≈ 1). Für die Koaxialleitung gilt:

C​′ =

2 π​ε​ μ​ r​a​ ; L​′ = ln​ r​a​ 2 π​ r​i​ ln​ r​i​

1



=

1

√ε​μ​ √ε​r​ μ​r​



1

=

1

√ε​0 μ​0 √ε​r​ μ​r​

Im allgemeinen Fall der gedämpften Leitung (gL) hängt die Ausbreitungsgeschwindigkeit υgL von allen Leitungsbelägen C′, L′, R′, G′ und auch von ω ab. Es kann gezeigt werden (siehe z. B. K. Simonyi, Theoretische Elektrotechnik, VEB Verlag, 8. Auflage, 1980), dass immer gilt υgL < c. Mit υ​g​L​ = υ​ (ω​,C​′,L​′R​′,G​′) und α​ = α​ (ω​,C​′,L​′R​′,G​′) ist eine Verzerrung einer nicht-sinusförmigen Welle bei der Ausbreitung verbunden. Bisher haben wir unendlich lange Leitungen (von x​ = −∞​ bis x​ = +∞​) betrachtet. Bei Anwendungen wird die Leitung aber an der Stelle x = 0 mit einer Impedanz Z (i. Allg. komplex) überbrückt, also abgeschlossen. Z kann z. B. der Eingangswiderstand einer Antenne oder eines Empfängers, im Falle der Messleitung ein Kondensator oder ein Kurzschlussbügel (Z = 0) sein oder die Leitung bleibt bei x = 0 offen (Z​ = ∞​). Bei x = 0 gilt also U​ + (x​,t​) I​ + (x​,t​)

|

= Z​

Abschlussbedingung.

(III-5.236)

x​ = 0

Dies kann durch die einfallende Welle nicht erfüllt werden, da für diese stets U​ + (x​,t​) = Z​0 gilt (für alle x, also auch bei x = 0). Zur Erfüllung der AbschlussbedinI​ + (x​,t​) gung ist also noch eine zweite Welle notwendig, die durch Reflexion an Z entstehen U​ − (x​,t​) − − = −Z​0 (siehe kann und daher nach links läuft: U​ (x​,t​) und I​ (x​,t​) mit − I​ (x​,t​) Gl. III-5.227). Die Amplitude der reflektierten Welle ist durch Z festgelegt:

396

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

1+ Z​ = Z​0 1−

U​ −0 + U​ 0 1 + p​ − = Z​0 1 − p​ U​ 0

(III-5.237)

+

U​ 0

mit p​ =

U​ −0 + U​ 0

=

Z​ − Z​0 Z​ + Z​0

Reflexionsfaktor.

(III-5.238)

Wichtige Spezialfälle 1. Z​ = Z​0: ⇒ p​ = 0; es entsteht keine reflektierte Welle, die gesamte, von der Welle transportierte Energie wird im Abschlusswiderstand Z umgesetzt – Idealfall für technische Anwendungen (reflexionsfreie Anpassung des Verbrauchers). 2. Z​ = ∞​: p​ = 1, offene Leitung; die reflektierte Welle hat die gleiche Amplitude − + wie die einfallende: U​ 0 = U​ 0 = U​0. Es bilden sich auf der verlustlosen, unendlich langen Leitung bei jeder Frequenz stehende Wellen: + i​ (ω​t​ − k​x​)

U​ (x​,t​) = U​ 0 e​



+ U​ 0 e​ i​ (ω​t​ + k​x​) = 2 U​0 e​ i​ω​t​ ⋅ cos​ k​x​ ;

(III-5.239)

λ​ λ​ 3 λ​ Bäuche bei x​ = 0, − , ...; Knoten bei x​ = − , − ... 2 4 4

I​ (x​,t​) =

U​ +0 i​ (ω​t​ − k​x​) U​ −0 i​ (ω​t​ + k​x​) U​0 i​ω​t​ e​ − = −2 i​ e​ e​ ⋅ sin​ k​x​ ; Z​0 Z​0 Z​0

(III-5.240)

λ​ 3 λ​ λ​ Bäuche bei x​ = − , − ...; Knoten bei x​ = 0, − , ... . 4 4 2 π​ Beachte: Der Strom eilt der Spannung um −i​ ≙ − nach. 2 λ​ einmal die Spannung, also auch die elektri4 sche Feldstärke E​⇀, einmal der Strom, also auch die magnetische Erregung H​⇀ verschwinden. An diesen Stellen ist daher der Poynting-Vektor S​⇀, der parallel zur Leitung liegt, Null: Wir erkennen, dass im Abstand

S​⇀= E​⇀× H​⇀= 0

für x​ = n​ ⋅

− λ​ , 4

n = 0, 1, 2, …,

(III-5.241)

Anhang 4 Lösung der Telegraphengleichung

397

Die während des Einschaltvorganges auf der Leitung gespeicherte Energie kann diese Stellen nicht überschreiten, sie ist in Abschnitten der Länge λ​ Δ x​ = „gefangen“. 4 3.

Z​ = 0: ⇒ p​ = −1, bei x​ = 0 kurzgeschlossene Leitung. Es gilt: + i​ (ω​t​ − k​x​)

I​ (x​,t​) =

− i​ (ω​t​ + k​x​)

− U​ 0 e​

= −2 i​U​0 e​

i​ω​t​

⋅ sin​ k​x​

(III-5.242)

+ − U​0 i​ω​t​ U​ 0 i​ (ω​t​ − k​x​) U​ 0 i​ (ω​t​ + k​x​) e​ + e​ =2 e​ ⋅ cos​ k​x​ Z​0 Z​0 Z​0

(III-5.243)

U​ (x​,t​) = U​ 0 e​

Spannung und Strom haben also gegenüber dem 2. Fall nur ihre Rollen vertauscht. Daher bringt dieser Fall nichts wesentlich Neues; was in Fall 2 über U​ (x​,t​) gesagt wurde, gilt hier für I​ (x​,t​) und umgekehrt. 4.

Z​ = R​ ≠ Z​0: ⇒ p​ =

R​ − Z​0 reell und < 1; R​ + Z​0 U​ (x​,t​) = U​ +0 e​ i​ (ω​t​ − k​x​) + U​ −0 p​e​ i​ (ω​t​ + k​x​)

(III-5.244)

i​ (ω​t​ − k​x​) U​ (x​,t​) = ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ U​0 (1 − p​)e​ i​ (ω​t​ − k​x​) + U​ U​0 p​e​ i​ (ω​t​ + k​x​) . 0 p​e​ ⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟

(III-5.245)

und damit

fortschreitend​

stehend​

Es ergibt sich so die Überlagerung einer zum Widerstand R laufenden Welle, die dort absorbiert wird, und einer stehenden Welle mit maximaler Amplitude + in den Bäuchen (am Leitungsende) von ⏟⏟⏟⏟⏟ U​0 = 2 p​U​ 0 . Bauch​

Wird die Leitung auch am linken Ende bei x​ = −L​ durch einen Kopplungsbügel, + der die Einkopplung von U​ 0 ermöglicht, kurzgeschlossen, dann verhält sich die Leitung der Länge L als Resonator,61 der nur mehr bei bestimmten diskreten Welc​ 2 π​c​ lenlängen λ​n​ = bzw. Frequenzen ω​n​ = die Ausbildung von stehenden ν​n​ λ​n​ 2 L​ , n = 1, 2, … ). Es besteht vollständige Analogie zum Verhaln​ ten von offenen bzw. gedackten Pfeifen in der Akustik (siehe Band I, Kapitel „Me-

Wellen erlaubt (λ​n​ =

61 In Analogie zur Kundtschen Röhre in der Akustik (siehe Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.5.4, Beispiel ‚Bestimmung des E-Moduls in der Kundtschen Röhre‘).

398

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

chanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.6.1), wenn I(x,t) durch den Schallwechseldruck P​ ̃ (x​,t​) und U(x,t) durch die Schallschnelle υ(x,t) ersetzt wird (Band I, Kapitel „Mechanische Schwingungen und Wellen“, Abschnitt 5.6.4, Gln. (Ι-5.258) und (Ι-5.255). Am offenen Pfeifenende ist P​ ̃ = 0 und υ​ = max​; am geschlossenen Ende ist hingegen P​ ̃ = max​ und υ​ = 0; also U​ (x​,t​) ≙ υ​ (x​,t​), I​ (x​,t​) ≙ P​ ̃ (x​,t​) . Beispiel: Bestimmung der relativen Dielektrizitätskonstante (relative Permittivität) εr einer Flüssigkeit für sehr hohe Frequenzen mit der Mess(Lecher)-Leitung (Kondensatormethode nach Drude). Die Leitung wird mit einem Kondensator der Kapazität C0 abgeschlossen, der in ein kleines Fläschchen eingeschmolzen ist. εr

εr⋅C0

Das Fläschchen kann mit einer geringen Menge der Messflüssigkeit (εr) gefüllt werden. Die Messung in Luft (ohne Flüssigkeit) liefert zunächst C0: 1 − Z​0 i​ ω ​C0​ 1 − i​ω​C​0 Z​0 ρ​ ⋅ e​ −i​α​ 1 −2 i​α​ = = = e​ ⇒ p​ = Z​ = i​ω​C​ 1 1 + i​ω​C0​ Z​0 ρ​ ⋅ e​ i​α​ + Z​0 i​ω​C0​ mit tan ​α​ = ω​C​0 Z​0 bzw. α​ = arctan​ ω​C0​ Z​0. Damit erhalten wir +

+

+

U​ (x​,t​) = U​ 0 e​ i​ (ω​t​ − k​x​) + p​U​ 0 e​ i​ (ω​t​ + k​x​) = U​ 0 e​ i​ω​t​ (e​ −k​x​ + e​ −2 i​α​ e​ i​k​x​ ) = = U​ +0 e​ i​ω​t​ e​ −i​α​ (⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟⏟ e​ i​ (k​x​ − α​) + e​ − i​ (k​x​ − α​) ) = 2 U​ +0 e​ i​ (ω​t​ − α​) ⋅ cos​ ( = 2 cos​ (k​x​ − α​)

=

2 π​ + i​ω​t​ i​ (ω​t​ − α​) ⋅ cos​ ( U​ 0 e​ e​ λ​

(x​ − d​))

2 π​ x​ − α​) = λ​ Gleichung (1)

λ​ λ​ α​ = arctan ​ω​C0​ Z​0. Dies ist eine stehende Welle, deren erstes Span2 π​ 2 π​ nungsmaximum bei x = d > 0 liegt, wo aber keine physische Leitung mehr existiert (alle messbaren x müssen < 0 sein!). mit d​ =

Anhang 4 Lösung der Telegraphengleichung

λ x1,0 = − __ 4

399

U(x,t) 0 x

d0 λ/4

Die offene Leitung scheint durch die Abschlusskapazität C0 mathematisch um λ​ λ​ arctan​α​ = arctan​ ω​C0​ Z​0 verlängert zu sein. Bei Kenntnis von d0 kann 2 π​ 2 π​ somit C0 berechnet werden. d0 ergibt sich aus der Messung des ersten Spand​0 =

nungsknotens bei x​1,0 = d​0 −

λ​ . Es muss gelten: 4

π​ 2 π​ (x​1,0 − d​0 ) = − λ​ 2

d​0 = x​1,0 +



λ​ 4

(x1,0 < 0)

damit x1,0 negativ wird. Aus Gl. (1) folgt: λ​ 2 π​ = arctan ​ω​C0​ Z​0 (x​1,0 + ) 4 λ​

tan​ ( ⇒

tan​ (



C​0 =

2 π​ λ​ (x​1,0 + )) = ω​C0​ Z​0 λ​ 4

λ​ 2 π​ (x​1,0 + )) λ​ 4 .

ω​Z0​

Gleichung (2)

Wird das Fläschchen mit der Messflüssigkeit (εr) gefüllt, dann vergrößert sich C0 auf εrC0, gleichzeitig verschiebt sich der erste Spannungsknoten zu x​1,ε​r​ > x​1,0 . Daraus ergibt sich tan​ ( ε​r​ C​0 =

λ​ 2 π​ (x​1,ε​r​ + )) λ​ 4 ω​Z0​

.

Gleichung (3)

400

5 Wechselstromkreis und elektromagnetische Schwingungen und Wellen

Aus den Gln. (2) und (3) erhält man durch Messung der beiden ersten Knotenstellen bei x​1,0 und x​1,ε​r​: tan​ (

λ​ 2 π​ (x​1,ε​r​ + )) λ​ 4

ε​r​ C​0 = tan​ (

2 π​ λ​ (x​1,0 + )) λ​ 4

,

x​1,ε​r​ < 0, x​1,0 < 0.

Literatur Für die Themen aller Bände geeignete Literatur David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker. 1997. „Fundamentals of Physics, Extended“. 5th edition. John Wiley & Sons, New York. Stephen W. Koch, David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker. 2005. „Physik“. Wiley-VCH. Michael Mansfield, Colm O’Sullivan. 1998. „Understanding Physics“. John Wiley & Sons, New York. Paul A. Tipler. 1994. „Physik“. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg. Wolfgang Demtröder. 1998. „Experimentalphysik, 1. Mechanik und Wärme“. Springer. Wolfgang Demtröder. 2008. „Experimentalphysik, 2. Elektrizität und Optik“. Springer. Wolfgang Demtröder. 2003. „Experimentalphysik, 3. Atome, Moleküle Festkörper“. Springer. Wolfgang Demtröder. 2009. „Experimentalphysik, 4. Kern-, Teilchen- und Astrophysik“. Springer. Charles Kittel, Walter D. Knight, Malvin A. Ruderman. Berkeley Physik Kurs (Berkeley Physics Course). „Band 1 Mechanik“. Vieweg. Edward M. Purcell. Berkeley Physik Kurs (Berkeley Physics Course). „Band 2. Elektrizität und Magnetismus“. Vieweg. Frank S. Crawford, Jr. Berkeley Physik Kurs (Berkeley Physics Course). „Band 3. Schwingungen und Wellen“. Vieweg. Eyvind H. Wichmann. Berkeley Physik Kurs (Berkeley Physics Course). „Band 4. Quantenphysik“. Vieweg. Frederick Reif. Berkeley Physik Kurs (Berkeley Physics Course). „Band 5. Statistische Physik“. Vieweg. Alan M. Portis. Berkeley Physik Kurs (Berkeley Physics Course). „Band 6. Physik im Experiment“. Vieweg. Christian Gerthsen, Hans Otto Kneser, Helmut Vogel. 1974. „Physik“. Springer. R. W. Pohl. 1941. „Einführung in die Mechanik, Akustik und Wärmelehre“. Springer. R. W. Pohl. 1940. „Einführung in die Elektrizitätslehre“. Springer. R. W. Pohl. 1941. „Einführung in die Optik“. Springer. Bergmann-Schaefer. 1998. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. Band 1. Mechanik, Relativität, Wärme. De Gruyter, Berlin. Bergmann-Schaefer. 2008. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. Band 2. Elektromagnetismus. De Gruyter, Berlin. Bergmann-Schaefer. 2008. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. Band 3. Optik. De Gruyter, Berlin. Bergmann-Schaefer. 2008. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. Band 4. Bestandteile der Materie. De Gruyter, Berlin. Bergmann-Schaefer. 2008. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. Band 5. Gase, Nanosysteme Flüssigkeiten. De Gruyter, Berlin. Bergmann-Schaefer. 2008. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. Band 6. Festkörper. De Gruyter, Berlin. Bergmann-Schaefer. 2008. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. Band 7. Erde und Planeten. De Gruyter, Berlin. Bergmann-Schaefer. 2009. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. Band 8. Sterne und Weltraum. De Gruyter, Berlin. Georg Joos. 1964. „Lehrbuch der Theoretischen Physik“. Akademische Verlagsgesellschaft Leipzig.

402

Literatur

Speziell für die Themen von Band III geeignete und weiterführende Literatur Wolfgang Demtröder. 2008. „Experimentalphysik, 2. Elektrizität und Optik“. Springer. Edward M. Purcell. 1989. Berkeley Physik Kurs (Berkeley Physics Course). „Band 2, Elektrizität und Magnetismus“. Vieweg. R. W. Pohl. 1940. „Einführung in die Elektrizitätslehre“. Springer. Bergmann-Schaefer. 2008. „Lehrbuch der Experimentalphysik“. „Band 2. Elektromagnetismus“. De Gruyter. Macke, Wilhelm. 1965. „Elektromagnetische Felder“. Akademische Verlagsgemeinschaft, Leipzig. Simonyi, K. 1980. „Theoretische Elektrotechnik“. VEB-Verlag, Berlin. Simonyi, K. 1972. „Physikalische Elektronik“. Teubner, Stuttgart. Philippow, E. 2000. „Grundlagen der Elektrotechnik“. Verlag Technik, Berlin.

Register A abgestrahlte elektromagnetische Welle 335 Ableitungsbelag 363 Ableitungsstrom 366 Abschirmung 23 Abschlussbedingung 395 Abschlusswiderstand 366 Abstrahlung einer beschleunigten Ladung 342 Ampère, André-Marie 95, 165 Ampere (Einheit) 95, 180 Ampere-Maxwell Gesetz 273, 275, 278, 287, 289, 346 Amperesche Schleife 166, 169, 285 Amperescher-Kreisstrom 210 Amperesches Gesetz (Durchflutungsgesetz) 166, 168, 242, 272, 277, 285, 345 Ampèresches Kraftgesetz 180 Anfangsladestrom 106 Anion 121 Anode 114, 121 Anodenspannung 126 Antiferromagnete 230 Antiferromagnetismus 230 Antikathode 343 Antiproton 2 aperiodischer Grenzfall (kritisch gedämpft) 323 Äquipotenzialfläche 22 Äquivalentgewicht 121 Aufladung eines Kondensators 106 Ausbreitungsgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) 394 Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wellen auf der idealen Parallelleitung 368 Austauschwechselwirkung 223 Austrittsarbeit 126 Ayrtonsche Formel 131 B Bahnmagnetismus 217 Bardeen, John 119 Barkhausen, Heinrich Georg 225 Barkhausen-Sprünge 225 BCS-Theorie 119 Becherelektroskop 40 Bednorz, Johannes Georg 119 belasteter Spannungsteiler 105 belasteter Transformator 316

Belastung (Transformator) 316, 379 Bestimmungsgleichungen des elektrischen Feldes 70 Bestimmungsgleichungen (elektrostatische und mechanische im Vergleich) 67 Bestrahlungsstärke 356 Bestrahlungsstärke (Intensität) 342 Beweglichkeit 99 bewegte Ladungen (elektrisches Feld) 182 bewegte Ladungen (erzeugen Magnetfeld) 134 bewegte Ladungen (im Magnetfeld) 136 bewegte Ladungen (Kraftwirkung aufeinander) 181 Biot, Jean-Baptiste 162 Biot-Savart-Gesetz als relativistisches Coulomb-Gesetz 205 Biot-Savartsches Elementargesetz 94, 162, 172, 178, 181 Blättchenelektroskop 39 Bleiakkumulator 115 Blindleistung 311 Blindwiderstand 309 Blitz 124 Blitzableiter 50 Blochwände (Ferromagnet) 224 Bogenentladung 124 Bohrsche Magneton 218 Bose-Statistik 119 Boson 119 Breite der Resonanzkurve (elektromagnetischer Schwingkreis) 327 Bremsstrahlung 343 C charakteristische Gleichung 321 Clausius, Rudolf Julius Emanuel 77 Clausius-Mosotti-Gleichung 54, 77–78, 80 Cooper-Paare 119 Coulomb, Charles Augustin de 3, 141 Coulombeichung 178 Coulombkraft 182, 192 Coulombsche Drehwaage 3 Coulombsches Gesetz 3 Crookes, Sir William 360 Crookessches „Radiometer“ 360 Curie-Konstante 223 Curiesches Gesetz 213, 223

404

Register

Curiesches Gesetz der Elektrostatik (Clausius-Mosotti-Gleichung für polare Moleküle) 80 Curie-Temperatur 224 Curie-Weiss Gesetz 224 D Dämpfungskonstante 321, 325 Dauermagnet 135 Debyescher Orientierungsbeitrag 80 Debye-Temperatur 119 Defektelektron („Loch“) 148 diamagnetische Materialien 216 Diamagnetismus 219 Dielektrikum 51 dielektrische Polarisation 52–53 dielektrische Suszeptibilität 54, 59, 77 dielektrische Verschiebung (elektrischer Hilfsvektor, elektrische Kraftflussdichte, dielektrische Erregung 63, 81 Dielektrizitätskonstante des Vakuums (elektrische Feldkonstante) 4 Digitalvoltmeter 113 Dipolanteil (Multipolentwicklung) 28 Dipolantenne 340 Dipolmoment (elektrischer Dipol) 29, 53 Dipolmoment (magnetischer Dipol) 157 Dipolpotenzial 37 Dirac, Paul 134 Direktionsmoment 249 Doppelleitung 363 Drehimpuls 386 Drehmoment 33, 156, 254 Drehstrommaschine 262 Drehzwilling (Kräftepaar) 33, 155 Driftgeschwindigkeit 96–97, 146 Dunkelentladung 124 Durchbruch 123 Durchflutungsgesetz (Amperesches Gesetz) 166, 168, 242, 272, 277, 285, 345, 380 Durchschlagsgefahr 50 Durchschlagsspannung 43 E ebene elektromagnetische Wellen 348 Effektivwert 292 Ehrenhaft, Felix 5 Eigenfrequenz des L-C-Schwingkreis 318 Eigenzeit 184

Einstein-de Haas-Experiment 218 Eisenjoch 379 Eisentransformator 378 EKL 115, 265 Elektret 62 elektrische Energie (Dielektrikum) 65 elektrische Energie (Vakuum) 47, 319 elektrische Feldlinien 9, 22 elektrische Feldstärke 9 elektrische Kapazität 43 elektrische Ladung 2 elektrische Leistung 102 elektrische Leitfähigkeit 97 elektrische Spannung 20 elektrische Stromdichte 94 elektrische und magnetische Feldlinien (Vergleich) 140 elektrischer Dipol 29, 33 elektrischer Dipol im inhomogenen Feld 35 elektrischer Fluss 12 elektrischer Leiter 38, 91 elektrischer Monopol 134 elektrischer Quadrupol 36 elektrischer Strom 3, 91 elektrischer Widerstand 92, 118 elektrisches Feld einer bewegten Ladung 182 elektrisches Wirbelfeld 257 elektrochemisches Äquivalent 121 Elektrolyse (Elektrolyt) 117, 120 elektrolytische Dissoziation 120 elektromagnetische Gesamtenergie 320 elektromagnetische Wellen 335, 344, 346, 354 elektromagnetischer Schwingkreis 317 elektromagnetisches Feld 93, 204, 277 elektromagnetisches Spektrum 369 Elektromotor 261 elektromotorische Kraft (EMK) 114, 379 Elektron 2, 95, 138 Elektronenbeweglichkeit 99 Elektronenstrahl im Magnetfeld 190 Elektronen-Synchrotron 343 elektronische Leiter 92 Elektroskop 39 Elektrostatik in Substanzen 69 elektrostatisches Potenzial 18 Elementarladung 2, 5, 7 elliptisch 354 EMK 114 Energie des elektrischen Feldes 47, 66 Energiedichte des elektromagnetischen Feldes 271, 355

Register Energiedichte des magnetischen Feldes 270 Energielücke (verbotene Zone, energy gap) 120 Energiestromdichte 342, 355–356 Entladestrom (Kondensator) 109 Entladung eines Kondensators 109 entmagnetisierendes Feld 215 Erzwungene Schwingung (Parallelschwingkreis) 330 Erzwungene Schwingung (Serienschwingkreis) 324 F Faraday Konstante 122 Faraday, Michael 8, 254 Faraday-Gesetz 120 Faraday-Käfig 23 2. Faradaysches Gesetz (Elektrolyse) 121 1. Faradaysches Gesetz (Elektrolyse) 121 Faradaysches Induktionsgesetz 278, 346, 350, 363, 378 Feld des elektrischen Dipols 32 Feldberechnungen (Beispiele) 162 Feldspule 258 Fermi-Statistik 119 Fernfeld 336 Fernleitung 362 Fernwirkung 8 Fernwirkungstheorie 67 Ferrimagnete 230 Ferrite 231 Ferromagnetika 216 Ferromagnetismus 223 Fizeau, Armand-Hippolyte-Louis 197 flache Spule 175 Flächenladungsdichte 11, 17, 53 Fortpflanzungsfaktor (Übertragungskonstante) 368, 392 Franklin, Benjamin 2 Freie Ladung, freie Ladungsdichte 56–57 freier, ungedämpfter Schwingkreis 317, 333 Funkenentladung 124 G Galvani, Luigi 2, 117 galvanisches Element 117 Gasentladung 123 Gasionen (Erzeugungsmechanismen) 123 Gauß, Johann Carl Friedrich 251 Gaußsche Gesetz 134 1. Gaußsche Hauptlage 249

405

Gaußsche Methode (magnetisches Moment, Erdmagnetfeld) 248 Gaußsche Oberfläche 14, 284 Gaußsches Gesetz 13–15, 62, 64–65, 277, 284 gedämpfter Schwingkreis 320–321 Gegeninduktion 268 Gegeninduktionskoeffizient 268 Gegeninduktivität 268 gemischte Leiter 92 Generatorspannung 262 gerade Leiter 242 geschlossene Feldlinie (Wirbel) 272 Geschwindigkeitsdiagramm 383 Gitterdefekt 118 Gitterschwingung 118 Gleichstrom 118 Gleichstrommaschine 262 Glimmentladung 124 Glühelektrode 124 Glühemission 125, 139, 190 Gravitationsgesetz 7 Grenzfläche 81 Große Vereinheitlichte Theorie (Grand Unified Theory, GUT) 134 γ-Strahlung 370 Gütefaktor (Kreisgüte) 327 H Halbleiter 120, 148 Hall, Edwin Herbert 146 Hall-Effekt 146 Hall-Feld 146 Hall-Konstante (Hall-Koeffizient) 148 Hall-Sonde 148 Hallspannung 147 hartmagnetisch 140, 159, 214 Hauptfluss (Transformator) 379 Heavyside, Oliver 62 Heizspannung 126 Helmholtz-Spulenpaar 149 Hertz, Heinrich 346 Hertzscher Dipol (offener Schwingkreis) 333– 334 historische Beschreibung der Magnetostatik 159 Hochtemperatur-Supraleitung 119 Hochvakuum 125 Höhenstrahlung 370 homogenes Dielektrikum 60 homogenes elektrisches Feld 33, 55

406

Register

homogenes Magnetfeld 154 Horizontalkomponente des Erdmagnetfeldes 198, 248 Hufeisenmagnet 139, 141 Hyperfeinspektrum des Atoms 89 Hysterese 228, 378 Hystereseverluste 378

Ionisationskammer 122 Isolator 38, 51

I ideale, lange Spule (Solenoid) 164–165, 168 ideale Spannungsquelle 114 ideale verlustlose Leitung 367 idealer Trafo 316 Impedanz des L-C-R Serienkreises 307 Impedanz des R-C-Kreises 304 Impedanz des R-L-Kreises 304 Impedanz einer Spule 296 Impedanz eines Kondensators 300 Impedanz (Scheinwiderstand) 296 Impulsdichte 357 Impuls-Energie-Vierervektor 195 Induktanz 296 Induktion 254 Induktionsgesetz 254, 345 Induktionskonstante 162 Induktionsspule 255 induktive Zeitkonstante 266 induktiver Wechselstromwiderstand 296 Induktivität 263, 294 Induktivitätsbelag 363 induzierter Magnetismus 159 induziertes Magnetfeld 271 Inertialsystem 183 Influenz 3, 38 Influenzkonstante 4 Influenzkonstante (Permittivität des Vakuums) 4, 51 Infrarot 370 inhomogenes Dielektrikum 60 inhomogenes elektrisches Feld 35, 59 inhomogenes Magnetfeld 159 Innenwiderstand 113 Intensität 342, 356 Intensität einer linear polarisierten EMWelle 356 intrinsische Halbleiter (Eigenhalbleiter) 120 intrinsische Leitfähigkeit (Eigenleitung) 120 Ionenleiter 92 Ionenleitfähigkeit 122

K Kamerlingh Onnes, Heike 119 Kammfunktion (Synchrotronstrahlung) 384 Kapazität der Erdkugel 50 Kapazität eines Plattenkondensators 47 Kapazitätsbelag 363 kapazitive Zeitkonstante 109 kapazitiver Widerstand 300 Kathode 114, 121 Kathodenstrahlen 125, 139 Kation 121 Kelvin, William Thomson, 1 st Baron Kelvin („Lord Kelvin“) 318 Kennwiderstand (Schwingkreis) 327 Kernmodell (Atomkern) 89 Kernphysik 88–89 Kirchhoffsche Regeln (Knotenregel, Schleifenregel) 110 Kirchhoffsche Schleifenregel 265, 291, 295, 378 klassische Supraleitung 119 Klemmenspannung 265 Klemmenspannung (EKL) 115 Koaxialleitung 362, 395 Koerzitivfeld (Koerzitivkraft) 227 Kohlrausch, Rudolf Hermann Arndt 196 Kohlrausch-Kondensator 48 Koma 361 Komet 361 Kondensator 43, 298 Kondensatormethode nach Drude 398 konservatives Kraftfeld 18 kontinuierliche Ladungsverteilung 11 kontinuierlicher Spannungsteiler 105 kontinuierliches Spektrum der Röntgenstrahlung (Bremsstrahlung) 343 Kontinuitätsgleichung (Ladungserhaltung) 95, 275, 287, 366 Kräftepaar (Drehzwilling) 33, 155 Kreisbogen (Magnetfeld) 164 Kreisgüte 332 Kreisschleife (Magnetfeld) 164

J Joule, James Prescott 103 Joulesche Wärme 102, 314 Joulesches Gesetz 103

Register Kriechfall (gedämpfter Schwingkreis) 323 kritische Geschwindigkeit 196 Kugelkondensator 50 kurzgeschlossene Leitung 397 Kurzschlussstrom 115 L Ladestrom 107, 274 Ladungen: Quellen des elektrischen Feldes 15, 70 Ladungsdichte 11 Ladungsinvarianz 184 Ladungsschwingung (Schwingkreis) 321 Ladungsträgerbeweglichkeit 99 Ladungsträgerdichte 147 Ladungsträgertyp 148 Ladungstransport 3, 91 Ladungstrennung 3, 55, 147 Langevin Funktion 80 Langevin-Gleichung 80 Langmuir-Schottkysches Raumladungsgesetz 126 Laplace-Gleichung 22, 71 Larmorfrequenz 219 Larmorpräzession 219 Lastwiderstand 115 Laue-Verfahren 343 Lawrence, Ernest Orlando 149 L-C-Kreis 317 L-C-R Serien-Kreis 306 Lecher, Ernst 363 Lecher-System 363, 395 Leistungsdiagramm 311 Leistungsfaktor 311 leitende Hohlkugel 23 Leiter 92 Leiteroberfläche 85 Leiterschaukel 259 Leiterschleife 154, 159 Leitung im Hochvakuum 125 Leitungsband 120 Leitungsbeläge 366 Leitungsstromdichte 290 Leitungswellen (Wellen auf Leitersystemen) 394 Leitwert 101, 112 Lenzsche Regel 257 Lichtmühle 360 Lichtwellen 370 linear polarisierte Welle 349, 354, 356

407

lineare Ladungsdichte 11 lineare Leiter 94, 100 Linienladung 16 Loch (Defektelektron) 148 lokale Theorie 335 Lorentz, Hendrik Antoon 136 Lorentz-Faktor 185 Lorentz-Gesamtkraft 137, 183 Lorentz-Invariante 279 Lorentz-Kontraktion 191 Lorentz-Kraft 136, 181–182, 192, 200, 254 Lorentz-Transformation 184, 243, 279 Lorentz-Transformation der Energie 245 Lorentz-Transformation der Kraft 248 Lorentz-Transformation des Impulses 246 M Magnetfeld 91, 95 Magnetikum 212 magnetisch Gaußsches Gesetz 141 magnetisch hart 230 magnetisch weich 230 magnetische Domäne (Weissscher Bezirk) 224, 227 magnetische Energie 319 magnetische Erregung (magnetische Feldstärke) 134, 160, 167, 212, 396 magnetische Feldkonstante 162 magnetische Feldlinien 139 magnetische Feldstärke (magnetische Erregung) 167 magnetische Flussdichte („Magnetfeld“) 136 Magnetische Hysterese 226 magnetische Induktion 136 magnetische Spinquantenzahl 218 magnetische Suszeptibilität 213 magnetischer Dipol 134, 172 magnetischer Dipol im inhomogenen Feld 159 magnetischer Fluss (Kraftfluss) 141, 378 magnetischer Monopol 134 magnetischer Pol 140 magnetisches Blatt 176 magnetisches Coulombgesetz 160 magnetisches Dipol 158 magnetisches Dipolmoment (magnetisches Moment) 135, 157 magnetisches Hilfsfeld (magnetische Erregung, magnetische Feldstärke) 212 magnetisches Moment des Elektrons 217 magnetisches Moment eines Stabmagneten 248

408

Register

magnetisches Moment (magnetisches Dipolmoment) 135, 157 magnetisieren 212 Magnetisierung 209 Magnetisierungsarbeit 228 Magnetisierungskurve 222, 225 Magnetismus der Materie 209 Magnetnadel 135, 249 Magnetostatik, historische Beschreibung 159 Massenspektrometer 143 Materialgleichung 70, 234, 279 Materiewelle 347 mathematisches Dipolmoment 29 Matthiessen, Augustus 118 Matthiessensche Regel 118 Maxwell, James Clerk 2, 271 1. Maxwell-Gleichung 14–15, 72 2. Maxwell-Gleichung 142, 235 3. Maxwell-Gleichung 256 4. Maxwell-Gleichung 166, 168, 236 Maxwell-Gleichungen 14–15, 72, 142, 166, 168, 235–236, 256, 277, 289 Maxwellsche Ergänzung 284, 287, 345 Maxwellscher Verschiebungsstrom 273, 284, 345 Maxwellsches Induktionsgesetz 271, 346 metallische Leitfähigkeit 118 Mikrowellen 370 Mikrowellenspektroskopie 89 Millikan, Robert Andrews 5 mittlere freie Weglänge 97, 125 Molekül mit permanentem Dipolmoment 390 Molekülpolarisation 78 momentane Energiestromdichte 355 momentane Leistungsdichte 355 momentane Wirkleistung 291 Monopolanteil (Multipolentwicklung) 28 Mossotti, Ottaviano Fabrizio 77 Müller, Karl Alexander 119 Multipole 26 Multipolentwicklung 27, 87 N Nachtsehen (Auge) 371 Nahfeld 336 Nahwirkung 8 Nahwirkungstheorie 68 Neel–Temperatur 230 negative Strom-Spannungs-Charakteristik 124 nicht konservatives Kraftfeld 177

Nichtpolare Dielektrika 52 Nordpol (Permanentmagnet) 140 Normalkomponente 83, 86 Normalwiderstand 113 O Oberflächenionisation 124 Oberleitung 98 Ørsted, Hans Christian 135 Oerstedscher Versuch 135, 162 offene Leitung 396 offener Schwingkreis (Hertzscher Dipol) 333– 334 Ohm, Georg Simon 100 ohmsche Verluste 378 ohmscher Widerstand 101, 103, 290 ohmscher Widerstandsbelag 363 Ohmsches Gesetz 98, 100–101 Ohmsches Gesetz für Wechselstrom 296 optisches Brechungsgesetz 83 Orientierungspolarisation 52 P Paarbildung (Paarerzeugung) 96, 138 Paarvernichtung 96 parallele stromdurchflossene Leiter 179 Parallelleitung (Lechersystem) 362, 398 Parallelschaltung 111 paramagnetische Materialien 216 Paramagnetismus 221 permanenter Magnet 135, 159 permanentes elektrisches Dipolmoment 78 Permeabilität des Vakuums 162 Permeabilität (Permeabilitätszahl) 214, 271 Permittivität (Dielektrizitätskonstante, DK) 51 271 phänomenologische Gesamtkraft 196 Phasenverschiebung 305, 308 Phasenwinkel 290, 294, 328 Phonon 118 Photoeffekt 125 Photon 361 physikalischer Dipol 29, 36 Pincheffekt 181 Plattenkondensator 42, 44, 49 Poggendorfsche Kompensationsmethode 116 Poisson-Gleichung 22, 71, 178 Polare Dielektrika = Parelektrika 52 Polarisation (Lichtwelle) 354 Polarisationsfeldstärke 54, 57–58

Register Polarisationsladungen 52, 55, 57 Polarisierbarkeit 54 Polstärke 134, 159 Positron 2, 138 Potenzialdifferenz 19–20 Potenzialgefälle (Spannungsabfall) 92, 103 Potenzialgleichung 21 potenzielle Energie 158 Poynting, John Henry 356 Poynting-Vektor 92, 102, 338, 355, 396 Primärfluss (Transformator) 380 Primärspule 316, 378 Primärstrom 380 Probeladung 9 Proton 2 Punktladung 9 Q Quadrupolanteil (Multipolentwicklung) 37, 87 Quadrupolmoment 89 Quadrupolpotenzial 37 Quadrupoltensor 38, 87–88 Quarks (Elementarteilchen) 2 quasistationäre Methode (Leitungen) 363 quasistationärer Vorgang 290 Quelle 9 Quellen und Senken des elektrischen Feldes 15 quellenfreies Feld 140, 142 quellenfreies Wirbelfeld 168 Quellenspannung (EMK) 379 Quellstärke (Quellergiebigkeit) 15 R Radiowellen 370 Raumwinkel 13 Rayleighsche Stromwaage 95 R-C-Kreis 301 reale Spannungsquelle 114 Rechte-Hand-Regel 135–136, 155, 157, 164, 169, 171, 175 Rechtsschrauben-Regel 135 Reflexionsfaktor 396 reflexionsfrei anschließen (Leitung) 369 Regelwiderstand 105 relative Permeabilität 167, 214 relative Permittivität (Permittivitätszahl, relative Dielektrizitätskonstante, DK) 51, 398 relativistische Coulombkraft 196

relativistische Gesamtenergie 384 Relativitätsprinzip 183 Remanenz (Remanenzfeld) 227 Remanenzmagnetisierung 227 Resonanz (Schwingkreis) 307 Resonanzfrequenz 325 Resonanzfrequenz im Parallelkreis 331 Resonanzfrequenz im Serienkreis 326 Resonanzkatastrophe 326 Resonator 397 Restwiderstand 118 retardiertes Potenzial 335 Richardson, Owen Willans 125 Richardson-Dushman Gesetz 125 Richardson-Konstante 125 R-L-Kreis 301 Röhrendiode 125 Röntgenbremsstrahlung 343 Röntgenstrahlung 370 Rotationsarbeit 34 Rotor (Generator, Elektromotor) 262 S Sättigungsmagnetisierung 223 Sättigungsstrom 123, 126 Savart, Félix 162 Schallschnelle 398 Schallwechseldruck 398 Schaltvorgang im LR-Kreis 265 Scheinleistung 311, 380 Schleifdrahtpotentiometer 105 Schleifenregel (Kirchhoff) 110 Schrödingergleichung 347 schwache Dämpfung (Schwingkreis) 322 Schweif eines Kometen 361 schwingender Dipol 334 Schwingungsdauer im L-C-Kreis 319 Schwingwiderstand 327 Sekundärfluss (Transformator) 380 Sekundärspule 317, 379 Sekundärstrom 380 Selbstinduktion 262 Selbstinduktionskoeffizient 263 selbstständige Entladung 123 Sender 335 Senke (für Ladungen) 9 senkenfreies Feld 142 Serienschaltung 111 sichtbares Licht 370 Siemens, Ernst Werner von 101

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Solenoid 168, 264, 270 Spannung am Kondensator 107 Spannungsabfall 100, 265 Spannungsmesser (Voltmeter) 113 Spannungsquelle („Ladungspumpe“) 91 Spannungsresonanz im Serienschwingkreis 324, 326 Spannungsteiler 103 Spannungsüberhöhung (Serienschwingkreis) 326 Spannungsübersetzungsverhältnis 379 spektrale Empfindlichkeit des Auges 371 spektrale Energieverteilung der Synchrotronstrahlung 386 Sperrkreis 329, 332 spezielle Relativitätstheorie 183 spezifische Ladung 142 spezifischer elektrischer Widerstand 97 Spin (Eigendrehimpuls) 218 Spinmagnetismus 218 spontane Magnetisierung 224 Sprungtemperatur 119 Spule, ideale, lange 164–165, 168 Spule (induktiver Kreis) 294 Stabantenne 340 Stäbchen (Auge) 371 Stabmagnet 159, 175 starrer Rotator 390 stationäres Stromsystem 94 statisches Feld 232 Stator (Generator, Elektromotor) 262 stehende Welle 396 Störstellenleitung 120 Stoßionisation 123 Strahlungsdruck 357 Strahlungsfeld 336, 342 Strahlungskeule (Abstrahlung einer beschleunigten Ladung) 344, 384 Strahlungsleistung 356 Streuinduktivität 381 Stromarbeit 102 Stromdichte 92 stromdurchflossene flache Spule (Leiterschleife) 172, 175 Stromgenerator 261 Stromkreis 104 Stromleistung 102 Stromlinie 94 Strommesser (Amperemeter) 113 Stromresonanz im Parallelschwingkreis 329, 332

Stromrichtung 95 Stromschwingung (Schwingkreis) 321 Stromstärke 91 Stromüberhöhung im Parallelschwingkreis 332 Südpol (Permanentmagnet) 140 Superpositionsprinzip 26, 45, 161 Supraleitung 119 Synchrotron 152 Synchrotronstrahlung 153, 343, 382 Synchrozyklotron 152 T Tagsehen (Auge) 371 Tangentenbussole 198 Tangentialkomponente (elektrische Feldstärke, dielektrische Verschiebung) 81, 85 technische Stromrichtung 95 Telegraphengleichung 366–367, 392–393 Temperaturkoeffizient (elektrischer Widerstand) 119 Thermoelement 117 Thermospannung 118 Thomson, Joseph John 145 Thomson, William, 1 st Baron Kelvin („Lord Kelvin“) 318 Thomson-Gleichung 318 Thomson-Methode 145 Toroid 171 Trafo (Transformator) 261, 314, 316, 378 Transformationsgleichungen des elektromagnetischen Feldes 201, 204 Transformator (Trafo) 261, 314, 316, 378 Transversalwelle 349, 354 U Übertragung von Drehimpuls durch eine elektromagnetische Welle 386, 390 Übertragungsverluste (Leitung) 314 unbelasteter Spannungsteiler 105, 116 unbelasteter Transformator 378 ungedämpfte harmonische Ladungschwingung 318 unpolarisierte Wellen 354 unselbstständige Entladung 123 Urspannung (EMK) 379 V Vakuumlichtgeschwindigkeit 370 Valenzelektron 118 Van de Graaff, Robert Jemison 41

Register Van-de-Graaff Bandgenerator 41 Vektorpotenzial 177–178, 259 Verbraucher 114 Verlust durch Streufelder 378 verlustbehafteter Trafo 381 verlustlose Leitung 394 Verschiebungspolarisation 52 Verschiebungsstrom 273, 287 Verschiebungsstromdichte 290, 333 Versuch von Weber und Kohlrausch 197 Verzweigungspunkt (Kirchhoff) 110 virtuelle Kathode (Glühemmission) 126 Volta, Alessandro 2 Volumenionisation 123 W Watt, James 102 Wattkomponente (Wechselstromleistung) 310, 312 wattloser Strom 312 Weber, Wilhelm Eduard 196 Wechselspannung 262, 290 Wechselstrom 291 Wechselstromkreis 290 Wechselstromleistung 291, 310 Wechselstromleistung an einem Kondensator 301 Wechselstromleistung an einer Spule 298 Wechselstrommaschine 262 Wechselstromwiderstand des L-C-R Serienkreises 307 Weissscher Bezirk (Magnetische Domäne) 224, 227 Wellen auf Leitersystemen 394 Wellenausbreitung auf Leitungen 362 Wellenfunktion für ebene Welle 349 Wellengleichung 346, 349, 367

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Wellengleichungen des elektrischen und des magnetischen Feldes 347 Wellenvektor 350 Wellenwiderstand der gedämpften Leitung 393 Wellenwiderstand (Wellenimpedanz) 338, 368, 393 Wellenzahl 350 Westonelement 116 Wheatstone Brücke 112 Wheatstone, Sir Charles 112 Widerstand des R-C-Kreises 304 Widerstand des R-L-Kreises 303 Widerstandsheizung 292 Wien, Wilhelm Carl Werner Otto Fritz Franz 145 Wien-Filter 145 Windungszahl 379 Wirbelfeld 177, 271 wirbelfreies Quellenfeld 18, 21, 70, 140 Wirbelstrom 257 Wirbelstrombremse 258 Wirbelstromverlust 378 Wirkleistung 310, 381 Wirkwiderstand 309 Z Zäpfchen (Auge) 371 Zeigerdiagramm 294, 296, 300, 304, 308, 381–382 Zeigerdiagramm eines idealen Transformators 382 Zentripetalkraft 142 zirkular polarisierte elektromagnetische Welle 354, 386 Zyklotron 149 Zyklotronfrequenz 150 Zylinderkondensator 49