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German Pages [285] Year 2017
PLATON Werke Übersetzung und Kommentar
Im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz herausgegeben von Ernst Heitsch, Carl Werner Müller und Kurt Sier
VI 1 Euthydemos
Vandenhoeck & Ruprecht
PLATON Euthydemos
Übersetzung und Kommentar von Michael Erler
Vandenhoeck & Ruprecht
Gedruckt mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-30413-2 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Thematik und Lehrinhalt: Vielfalt der Methode, Einheit des Ziels? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Der Titel Euthydemos oder Eristikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Echtheitsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Datierung des dramatischen Geschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Relative und absolute Datierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Schauplatz und Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Schauplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Euthydemos und Dionysodoros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Die Sokratesfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Ktesippos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Kleinias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.5 Kriton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.6 Anonymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Strukturelle Vielfalt und thematische Einheit . . . . . . . . . . . . . 18. Sprachliche Eigentümlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Literarische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Der Euthydemos als komisches Drama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Komische Sokratesfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.2 Weiteres komisches Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.3 Struktur und komische Handlungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.4 Sokrates’ Hilferuf: ein Motiv aus dem Satyrspiel . . . . . . . . . . . .
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Inhalt Der Euthydemos und die Protreptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literarische Darstellung und Argumentation im Euthydemos . . . .
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10. Eristik im Euthydemos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Begriff ‚Eristik‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Eristik und Sophisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Eristik und Megariker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Eristik und Brauchtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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19.2 19.3
11. Sokrates’ methodisches Gegenangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 11.1 Elenktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 11.2 Formale Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 11.3 Der Euthydemos: Eine ‚implizite‘ Topik Platons? . . . . . . . . . . . . 96 11.4 Philosophisch-platonischer Hintergrund mancher Sophismen . . . 98 11.5 Auseinandersetzung mit Isokrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 11.6 Der Euthydemos und Aristoteles’ Sophistici Elenchi . . . . . . . . . . 101 12. Der Euthydemos und seine Leser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 13. Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 14. Abweichungen von Burnets Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 11. Prolog des Rahmengespräches (271a–272e) . . . . . . . . . . . . . 109 12. Prolog des erzählten Gespräches (272e–275d) . . . . . . . . . . . . 119 13. Erste eristische Szene (275d–277c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 14. Erste Überleitung (277d–278e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 15. Erste protreptische Szene (278e–282d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 16. Zweite Überleitung (282d–283b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 17. Zweite eristische Szene (283b–288b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 18. Dritte Überleitung (288bd) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 19. Zweite protreptische Szene (288d–292e) . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10. Vierte Überleitung (292e–293a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 11. Dritte eristische Szene (293a–303a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 12. Epilog des erzählten Gespräches (303b–304b) . . . . . . . . . . . 226 13. Epilog des Rahmengespräches (304b–307c) . . . . . . . . . . . . . 230 13.1 Wer ist der anonyme Redner (304b–306d)? . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 13.2 Bildung des Kritoboulos (306d–307b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Abkürzungen antiker Autoren und Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Abkürzungs- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Vorwort Der Dialog Euthydemos gehört zu den lange Zeit von der Forschung vernachlässigten Dialogen Platons. Daran mögen nicht zuletzt jene spielerischen und komödienhaften Züge schuld gewesen sein, die ihn in formaler und inhaltlicher Hinsicht in besonderem Maße auszeichnen. Die beiden Eristiker Euthydemos und Dionysodoros werden als Scharlatane vorgeführt, die in ihrem Verhalten an Figuren aus der Komödie erinnern. Grund für die eher zurückhaltende Bewertung des Dialoges durch moderne Leser wird aber wohl auch der Inhalt der im Euthydemos dargebotenen argumentativen Schaustücke sein. Wenn Euthydemos und Dionysodoros ihrem Partner Ktesippos beweisen, dass ihr Vater auch der Vater Ktesippos’ und darüber hinaus aller Lebewesen, vor allem aller Seeigel, Ferkel und Hunde sei, oder dass der Hund des Ktesippos der Vater junger Hunde und zugleich der Vater seines Besitzers, Ktesippos, sei (298be), und wenn die anwesenden Anhänger der Eristiker diesen Unsinn mit Gelächter und tosendem Beifall quittieren, liegt es nahe, bloßen ‚Mummenschanz‘ zu vermuten und philosophischen Ernst zu vermissen. Allmählich hat sich jedoch die Bereitschaft durchgesetzt, sich auf den Spielcharakter der vorgeführten Schaustücke einzulassen und in ihrer literarischen Gestaltung ein Glanzstück Platonischen Humors und Platonischer Komödienkunst zu sehen. Zudem erweist sich bei genauem Hinsehen der Spielcharakter der vorgeführten Streitkunst und das Verhalten der beiden Streitkünstler, aber auch der Inhalt der Schaustücke auf eine Weise kunstvoll gestaltet, dass sie sich gleichsam als negatives Spiegelbild zum Ernst Platonischer Methode, Platonischer Philosophie und des Platonischen Philosophen erweisen. So wird im Dialog ein Bezug zwischen spielerischen und ernsten Elementen hergestellt, der nach Platons Auffassung Komödienhaftes auch im philosophischen Kontext akzeptabel macht. Wie in den anderen Dialogen auch, haben im Euthydemos Platon der Autor und Platon der Philosoph Hand in Hand gearbeitet. Der vorliegende Kommentar möchte gleichfalls für diese positivere Sichtweise des Dialoges werben. Übersetzung und sprachliche, sachliche und philosophische Kommentierung wollen versuchen, dem Leser den engen Zusammenhang zwischen literarischer Gestaltung und philosophischer Botschaft nahe zu bringen.
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Vorwort
Die Übersetzung, die auf der Ausgabe von Burnet (131965) beruht, aber auch kommentierte Ausgaben wie die von Gifford (1905) oder Winckelmann (1833) heranzieht, bemüht sich, auch einem des Griechischen weniger kundigen Leser einen Zugang zu Form und Gehalt des Dialoges zu eröffnen, wobei die von Platon vorgeführten Wortspiele, die im Deutschen nicht immer deckungsgleich abzubilden sind, eine besondere Herausforderung darstellen. Unebenheiten im Ausdruck werden in Kauf genommen, wenn sie der Klärung des Inhaltes dienen. Die von Platon später selbst als beschwerlich empfundenen Interjektionen „sagte ich/sagte er“ des erzählenden Dialoges (Theaet. 143c) wurden belassen, auch wenn sie die Lektüre bisweilen etwas mühsam machen. Die etwas allgemeiner gehaltene Einleitung möchte dem Leser Orientierungshilfe bei philosophisch-inhaltlichen, literarisch-formalen und methodischen Aspekten bieten, die sich aus der im Euthydemos vorgeführten Dialogkunst Platons ergeben können. Die literarischen Gesichtspunkte werden dabei immer auch mit Blick auf die philosophische Aussage behandelt. Die Einleitung möchte auf diese Weise das Verständnis des Euthydemos als philosophischer Text und als literarisches Kunstwerk und so die Freude bei seiner Lektüre fördern. Der Kommentar versucht ebenfalls, philosophischen und literarischen Leserinteressen gerecht zu werden und dazu anzuregen, in dem Dialog mehr als nur eine Art Handbuch von Sophismen mit Anregung zu deren Analyse zu sehen, wie sie Aristoteles in den Sophistici Elenchi bietet. Schon Marsilio Ficino war überzeugt, dass die Aporien im Dialog nicht zuletzt Teil einer didaktischen Strategie Platons sind und vom Leser überwunden werden können, wenn er die begrenzte Aufnahmefähigkeit der Gesprächspartner berücksichtigt.1 Der Kommentar bietet deshalb zunächst Einführungen in die einzelnen Abschnitte und dann fortlaufend einzelne Sachinformationen und Erläuterungen zu Sprache, textkritischen Problemen und Parallelen in anderen Dialogen Platons. Wenn in diesen Erläuterungen davon gesprochen wird, Sokrates, Dionysodoros oder Euthydemos hätten etwas gesagt, geschieht dies im Bewusstsein, dass diese Äußerungen nicht als Aussagen historischer Personen, sondern als solche zu werten sind, die Platon seinen Figuren im Text in den Mund gelegt hat. Der Kommentar bemüht sich zudem, der wissenschaftlichen Diskussion der dargestellten Probleme gerecht zu werden und zieht auch ältere Kommentarliteratur soweit wie möglich heran, beansprucht aber mit Blick auf die Fülle der Literatur keine Vollständigkeit.2
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Erler 2010a, 249–255. Weitere Literatur aufgearbeitet in Erler 2007.
Vorwort
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Das vorliegende Buch hat eine lange Entstehungsgeschichte, was nicht zuletzt diversen Aufgaben an der Universität oder im Vorstand verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften geschuldet ist. Dass die Arbeit an dem Buch dennoch hat beendet werden können, verdanke ich der vielfältigen Hilfe, die mir von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften und MitarbeiterInnen meines Lehrstuhls in Würzburg zuteil wurde und für die ich mich herzlich bedanken möchte: Zu danken habe ich für Korrekturarbeiten Birgit Breuer, Vincenzo Damiani, Jana Hoffmann, Anne Kram, Marco Löw, Marion Schneider, Elisabeth Schröter, Moritz Stock, Jeremy Wink-Yagmur, Vanessa Zetzmann und Albrecht Ziebuhr, sowie Dr. Jan Erik Heßler und Vanessa Zetzmann für das Koordinieren der redaktionellen Arbeiten und Vincenzo Damiani für das Erstellen der Indices. In Seminaren und bei Vortragseinladungen konnte ich einzelne Aspekte der Arbeit zur Diskussion stellen. Auch hier bin ich für manche Anregung sehr dankbar. Immer habe ich von Hinweisen und Kritik profitiert. Natürlich bin und bleibe ich für alle Defizite selbst verantwortlich.
ÜBERSETZUNG
Euthydemos Personen: Sokrates und Kriton
Kr.: Wer war es, Sokrates, mit dem du dich gestern im Lykeion unterhalten hast? Wirklich viele Leute standen um euch herum, so dass ich nichts richtig verstehen konnte, als ich hinzutrat und zuhören wollte. Doch als ich mich über die Köpfe reckte, gelang es mir, zu sehen, und mir schien es ein Fremder zu sein, mit dem du dich unterhieltest. Wer war es? So.: Nach welchem der beiden fragst du denn, Kriton? Nicht einer nämlich, sondern zwei waren es. Kr.: Der, den ich meine, saß als dritter rechts von dir. In der Mitte von 271b euch war der junge Sohn des Axiochos. Der hat tüchtige Fortschritte gemacht, wie mir schien, Sokrates, und ist an Alter nicht weit entfernt von unserem Kritoboulos. Jener jedoch ist schmächtig, dieser aber ist weit für sein Alter und schön anzusehen. So.: Euthydemos ist der, Kriton, nach dem du fragst; der neben mir zu meiner Linken saß, ist sein Bruder Dionysodoros. Auch dieser hatte Anteil am Gespräch. Kr.: Keinen von beiden kenne ich. Wie es scheint, handelt es sich bei 271c diesen schon wieder um neue Sophisten. Woher kommen sie? Und was ist ihre Kunstfertigkeit? So.: Sie stammen, glaube ich, irgendwoher aus Chios und sind nach Thurioi ausgewandert; von dort in die Verbannung geschickt, halten sie sich schon viele Jahre in unseren Breiten auf. Was aber die Kunst der beiden angeht, nach der du fragst, so ist sie wunderbar, Kriton. Alleswisser sind die beiden tatsächlich im Wortsinn. Bis dahin wusste ich gar nicht, was Allkämpfer sind. Denn diese beiden kennen sich gewiss in jedem Kampf aus; nicht nur in den Disziplinen, in denen die beiden Brü271d der aus Akarnanien Allkämpfer waren. Denn jene beiden waren nur fähig, mit dem Körper zu kämpfen; diese beiden aber sind erstens körperlich sehr gewandt, gerade in einem Kampf, mit dem man alle besiegen kann – in Waffen nämlich sind die beiden sehr kundig zu kämpfen 271a
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Übersetzung
und sind in der Lage, auch einen anderen, der Geld dafür bezahlt, darin kundig zu machen –, sie sind zudem aber auch äußerst geschickt darin, Kämpfe vor Gericht zu führen und auch einen anderen zu unterrichten, Reden zu halten und Reden schriftlich zu verfassen, wie sie bei Gericht hilfreich sind. Bis jetzt waren die beiden nur darin kundig, jetzt aber haben sie der Allkampfkunst die Krone aufgesetzt. Denn auch in der Kampfart, welche die beiden bisher nicht praktizierten, haben sie sich jetzt so eingeübt, dass nicht einer in der Lage wäre, sich mit ihnen auch nur zu messen. So geschickt sind beide darin geworden, mit Worten zu fechten und zu widerlegen, was immer gesagt wird, ganz gleich, ob es falsch oder wahr ist. Ich habe daher vor, Kriton, mich selbst den beiden Männern anzuvertrauen. Denn sie behaupten beide, in kurzer Zeit könnten sie bewirken, dass jeder andere in eben diesen Dingen kundig wird. Kr.: Wie, Sokrates? Hast Du keine Bedenken wegen deines Alters, dass du schon zu alt bist? So.: Keineswegs, Kriton, denn ich habe einen hinreichenden Beweis und Zuspruch, keine Furcht zu haben. Denn diese beiden selbst haben sozusagen als alte Leute mit dieser Kunst begonnen, nach der ich strebe, mit der Eristik. Voriges oder vorvoriges Jahr waren die beiden noch nicht weise. Eines allein aber fürchte ich, dass ich wiederum den beiden Fremden Schande bringe wie dem Konnos, Sohn des Metrobios, dem Kitharaspieler, der mich auch heute noch im Kitharaspielen unterrichtet. Die Knaben, die mit mir den Unterricht besuchen, lachen mich aus, wenn sie mich sehen, und rufen Konnos ‚Greisenlehrer‘. Ich befürchte, dass einer die beiden Fremden mit eben demselben Ausdruck beschimpft. Vielleicht fürchten sie aber gerade dies und wollen mich deshalb womöglich als Schüler nicht aufnehmen. Ich habe aber, Kriton, andere alte Leute überredet, mit mir als Mitschüler dorthin zu gehen; und jetzt will ich andere zu überzeugen versuchen. Und du, warum kommst du nicht auch mit zum Unterricht? Gleichsam als Köder für sie wollen wir deine Söhne mitführen. Denn weil sie diese als Schüler haben wollen, werden sie sicherlich auch uns ausbilden. Kr.: Aber nichts hindert uns daran, wenn es dir wirklich gut scheint. Zunächst aber schildere mir, über was für eine Kunstfertigkeit die beiden Männer verfügen, damit ich weiß, was wir denn lernen werden. So.: Das sollst du sofort hören. Denn keineswegs kann ich wohl sagen, ich hätte den beiden keine Aufmerksamkeit geschenkt, sondern ich habe genau aufgepasst und erinnere mich und will versuchen, dir von Anfang an alles zu schildern. Nach dem Willen eines Gottes nämlich saß ich zufällig gerade dort, wo du mich gesehen hast, im Umkleideraum alleine und hatte eben vor aufzustehen. Als ich aber aufstehen
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wollte, zeigte sich das gewohnte göttliche Zeichen. Also setzte ich mich wieder und wenig später kamen die beiden hinein – Euthydemos und Dionysodoros – und zugleich mit ihnen in großer Zahl andere Schüler, wie ich glaube. Die beiden kamen herein und gingen im bedeckten Umgang umher. Und sie hatten noch nicht zwei oder drei Gänge gemacht; da kam Kleinias herein, von dem du zu Recht sagst, er habe viele Fortschritte gemacht. Hinter ihm kamen sehr viele seiner Liebhaber, darunter auch Ktesippos, ein junger Mann aus dem Demos Paiania, sehr schön von Gestalt und gut vom Wesen, freilich etwas überheblich infolge seiner Jugend. Als Kleinias vom Eingang aus mich alleine sitzen sah, kam er geradewegs her und setzte sich zu meiner Rechten, wie auch du sagst. Als aber die beiden, Dionysodoros und Euthydemos, ihn bemerkten, blieben sie zuerst stehen und sprachen miteinander, wobei sie das eine und andere Mal zu uns herschauten – denn ich achtete sehr auf sie; darauf kamen sie beide, und der eine, Euthydemos, setzte sich neben den Jungen, der andere neben mich selbst zu meiner Linken, die anderen aber ein jeder, wie es sich gerade traf. Ich begrüßte die beiden, weil ich sie lange Zeit nicht gesehen hatte. Danach sagte ich zu Kleinias: Kleinias, diese beiden Männer hier sind weise, Euthydemos und Dionysodoros, nicht in geringen, sondern in wichtigen Dingen. Denn sie kennen sich aus in allen Dingen, die den Krieg betreffen, was einer alles wissen muss, der in Zukunft ein guter General sein will, die Schlachtordnungen, wie man ein Heer befehligt, und was alles man lernen muss, um in Waffen zu kämpfen. Zudem sind beide in der Lage, jemanden zu befähigen, sich vor Gericht selbst zu helfen, wenn einer ihm Unrecht tut. Mit meinen Worten erregte ich ihren Spott. Jedenfalls lachten beide und sahen einander an und Euthydemos sagte: Damit beschäftigen wir uns nicht mehr hauptsächlich, Sokrates, sondern betreiben es nur noch nebenbei. Da staunte ich und sagte: Da betreibt ihr aber, scheint mir, eine schöne Sache, wenn solch bedeutende Dinge für euch nur noch Nebensache sind; bei den Göttern, sagt mir, um was es sich bei dieser schönen Sache handelt. Die Tüchtigkeit, sagte er, Sokrates, glauben wir, am besten und schnellsten unter den Menschen vermitteln zu können. Bei Zeus, was für eine Sache, sprach ich, sagt ihr beide da. Wo habt ihr diesen Schatz her? Ich habe immer schon von euch gedacht, wie ich es eben sagte, dass ihr beide besonders befähigt darin seid, also im Waffenkampf, und rühmte das beständig an euch. Als ihr beide nämlich früher schon einmal hier wart, erinnere ich mich, dass ihr beide dies anbotet. Wenn ihr aber jetzt wirklich diese Kompetenz besitzt, dann seid bitte barmherzig – denn geradewegs wie zwei Götter spreche ich euch beide
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an und bitte um Verzeihung für das, was ich zuvor gesagt habe. Aber seht ihr beide doch zu, Euthydemos und Dionysodoros, dass ihr die Wahrheit sagt. Denn bei der Größe der Ankündigung ist es kein Wunder, wenn man ungläubig ist. Aber du wisse genau, Sokrates, sagten sie beide im Chor, dass sich dies so verhält. Ich preise euch also wegen dieses Besitzes viel mehr glücklich als einen Großkönig wegen seines Reiches. Soviel aber sagt mir, ihr beiden, ob ihr im Sinn habt, diese Weisheit vorzuführen, oder was ihr für Pläne habt. Eben dazu sind wir hier, Sokrates, dass wir beide sie vorführen und unterrichten, wenn einer sie lernen will. Dass alle, die nicht über Wissen verfügen, das wünschen werden, dafür verbürge ich mich euch, zuerst ich selbst, dann Kleinias hier, zusätzlich zu uns aber auch Ktesippos hier und diese anderen, sagte ich, wobei ich auf die Liebhaber des Kleinias zeigte; die aber hatten sich gerade schon um uns herumgestellt. Denn wie es sich traf, hatte Ktesippos entfernt von Kleinias Platz genommen; und als Euthydemos, wie es mir schien, gerade mit mir sprach und sich vornüber beugte und dem Ktesippos die Sicht verdunkelte, weil Kleinias zwischen uns saß, sprang Ktesippos auf, weil er seinen Liebling sehen und zugleich genau zuhören wollte, und trat als erster uns gerade gegenüber. Auf diese Weise stellten sich auch die anderen um uns herum, als sie ihn sahen, die Liebhaber des Kleinias und die Gefährten des Euthydemos und des Dionysodoros. Auf diese zeigte ich und sagte Euthydemos, dass wohl alle bereit seien zu lernen. Ktesippos pflichtete eifrig bei und die anderen ebenfalls. Und sie drangen alle gemeinsam in die beiden, zu zeigen, wozu ihre Weisheit denn in der Lage sei. Also sagte ich: Euthydemos und Dionysodoros, tut wirklich auf alle Weise diesen den Gefallen und gebt auch mir zuliebe eine Probe. Das Wichtigste vorzuführen ist natürlich keine geringe Sache. Doch sagt mir so viel, ob ihr nur denjenigen, der bereits überzeugt ist, dass man von euch lernen muss, wohl zu einem guten Menschen machen könnt, oder auch jenen, der noch nicht überzeugt ist, weil er prinzipiell nicht glaubt, dass diese Sache, die Tugend, lehrbar sei, oder, weil er nicht glaubt, dass ihr beide Lehrer der Tugend seid? Auf denn, ist es das Werk derselben Kunst, auch den, der so denkt, zu überzeugen, dass Tugend lehrbar ist und dass ihr diejenigen seid, bei denen man dies wohl am besten lernen kann, oder ist dies Sache einer anderen Kunst? Eben dieser, Sokrates, sagte Dionysodoros. Ihr versteht euch also, sagte ich, Dionysodoros, von den heutigen Menschen wohl am besten darauf, zur Philosophie und zur Sorge um die Tugend aufzumuntern?
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Das glauben wir gewiss, Sokrates. Von den anderen Dingen also, sagte ich, mögt ihr uns ein andermal die Probe geben; doch dieses eine führt uns jetzt vor. Überzeugt diesen jungen Mann hier, dass man philosophieren und sich um die Tugend kümmern muss, und ihr beide werdet mir und allen diesen Anwesenden hier damit einen Gefallen tun. Denn die Situation für diesen Jungen ist ungefähr so: Ich und alle Anwesenden hier möchten, dass er ein möglichst guter Mensch wird. Es handelt sich bei ihm um den Sohn des Axiochos, Enkel des alten Alkibiades, leiblicher Vetter des jetzigen Alkibiades. Sein Name ist Kleinias. Er ist jung und wir machen uns schon Sorgen um ihn, wie es bei einem Jungen seines Alters natürlich ist, dass jemand sein Denken vorschnell auf eine andere Beschäftigung richtet und es verdirbt. Ihr beide kommt daher wie gerufen. Wenn euch also nichts dagegen steht, stellt den Jungen auf die Probe und unterhaltet euch mit ihm in unserer Gegenwart. Als ich ungefähr eben dies gesagt hatte, meinte Euthydemos beherzt und zugleich mutig: Dem steht wirklich nichts entgegen, Sokrates, wenn der junge Mann nur antworten will. Aber eben daran, sagte ich, ist er doch schon gewöhnt. Denn häufig treten diese Leute hier an ihn heran und fragen ihn vieles und unterhalten sich mit ihm, so dass er ziemlich mutig im Antworten ist. Was nun folgte, Kriton, wie sollte ich dir das angemessen erzählen? Denn keine Kleinigkeit ist es, von einer unübertrefflich großen Weisheit in allen Einzelheiten zu berichten. Deshalb ist es für mich nötig, wie die Dichter, zu Beginn des Berichtes die Musen und Mnemosyne anzurufen. Euthydemos also begann ungefähr damit, wie ich glaube: Kleinias, welche von den Menschen lernen, die Weisen oder die Unwissenden? Der Junge aber errötete, weil es eine gewaltige Frage war, und sah mich ratlos an. Und ich merkte, dass er verunsichert war und sagte: Fasse Mut, Kleinias, und antworte beherzt, was dir scheint. Vielleicht nämlich hast du den größten Nutzen davon. In der Zwischenzeit beugte sich Dionysodoros ein wenig zu meinem Ohr und sagte mit einem breiten Lächeln im Gesicht: Und vollends sage ich dir, Sokrates, voraus, dass, was immer der junge Mann antwortet, widerlegt wird. Noch während er dies sagte, gab Kleinias schon seine Antwort, so dass ich keine Gelegenheit hatte, dem Jungen zuzurufen, vorsichtig zu sein; er aber antwortete, dass es die Klugen seien, die lernen. Da sagte Euthydemos: Gibt es welche, die du Lehrer nennst oder nicht? – Er stimmte zu, dass es welche gibt. – Die Lehrer sind also Lehrer von Lernenden, wie der Kitharaspieler
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und der Schreiblehrer doch wohl deine Lehrer waren und die der anderen Kinder, ihr aber Schüler? – Er stimmte zu. – Nicht wahr, als ihr lerntet, wusstet ihr noch nicht das, was ihr lerntet? – Nein, sagte er. – Also wart ihr klug, als ihr das noch nicht wusstet? – Nein, sagte er. – Also wenn nicht klug, dann dumm? – Gewiss. – Als ihr also lerntet, was ihr nicht wusstet, lerntet ihr, weil ihr dumm wart. – Der Knabe nickte. – Die Dummen also lernen, Kleinias, aber nicht die Klugen, wie du meinst. Als er das gesagt hatte, da klatschten jene Begleiter des Euthydemos und Dionysodoros wie ein Chor auf das Zeichen des Chorleiters Beifall und brachen dabei in Gelächter aus. Und ehe der junge Mann richtig Luft holen konnte, nahm Dionysodoros das Wort auf und sagte: Was aber, Kleinias, wenn euch der Elementarlehrer etwas vorgesagt hat; welche von den Schülern haben dann das Vorgesagte gelernt, die Klugen oder die Dummen? – Die Klugen, sagte Kleinias. – Die Klugen also lernen, aber nicht die Dummen; und du hast also eben dem Euthydemos keine richtige Antwort gegeben. Hier brachen die Liebhaber der beiden Männer wiederum in schallendes Gelächter aus und klatschten Beifall aus Bewunderung für deren Weisheit. Wir anderen aber waren wie vom Schlag getroffen und schwiegen. Als aber Euthydemos merkte, dass wir schockiert waren, ließ er nicht von dem Knaben ab, damit wir ihn noch mehr bewunderten, sondern fragte, gab wie die guten Tänzer der Frage nach derselben Sache eine doppelte Drehung und sagte: Lernen denn die Lernenden das, was sie wissen oder was sie nicht wissen? Da flüsterte mir Dionysodoros wieder leise zu und sagte: Auch das, Sokrates, ist wieder ein solches Kunststück wie das vorherige. Bei Zeus, sagte ich, auch die vorherige schien uns wirklich eine gelungene Frage zu sein. Alle derartigen Fragen, sagte er, Sokrates, die wir stellen, sind unausweichliche Fangfragen. Daher, sagte ich, scheint ihr euch bei den Schülern großen Ansehens zu erfreuen. In der Zwischenzeit hatte Kleinias dem Euthydemos geantwortet, dass die Lernenden das lernen, was sie nicht wüssten. Der aber fragte ihn auf dieselbe Weise wie schon zuvor. Was denn?, sagte er, kennst du nicht Buchstaben? – Ja doch, sagte er. – Und zwar alle? – Er stimmte zu. – Wenn also einer irgendetwas diktiert, sagt er dann nicht Buchstaben vor? – Er stimmte zu. – Also diktiert er dann nicht etwas von dem, was du weißt, wenn du sie alle kennst? – Auch dem stimmte er zu. – Was also?, sagte er. Kann es sein, dass du nicht lernst, was einer vorsagt, dass aber einer, der Buchstaben nicht kennt, lernt? – Nein, sagte er, sondern ich lerne. – Also, was du weißt,
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sagte er, lernst du, wenn du wirklich alle Buchstaben kennst. – Er stimmte zu. – Also hast du nicht richtig geantwortet, sagte er. Und Euthydemos hatte dies noch nicht richtig ausgesprochen, da fing Dionysodoros das Argument wie einen Ball auf, warf es wieder dem Knaben zu und sagte: Euthydemos täuscht dich, Kleinias. Sage mir nämlich, bedeutet ‚lernen‘ nicht, sich Wissen von dem anzueignen, was man lernt? Kleinias stimmte zu. – Und ‚wissen‘, sagte er, bedeutet dies etwas anderes als ‚Wissen schon zu haben‘? – Er stimmte zu. – ‚Nicht zu wissen‘ bedeutet also, ‚noch kein Wissen zu haben‘? – Er gestand ihm dies zu. – Welche nun sind die, die sich etwas aneignen – diejenigen, die es schon haben, oder die, die es nicht haben? – Die, die es nicht haben. – Du hast doch zugestanden, dass zu denen, die etwas nicht haben, auch die Nichtwissenden gehören? – Er nickte. – Die Lernenden gehören also zu denen, die sich aneignen, aber nicht zu denen, die haben? – Das bejahte er. – Die Nichtwissenden also, sagte er, lernen, Kleinias, aber nicht die, die wissen. Hierauf startete Euthydemos einen dritten Niederwurf gegen den Jungen, als ob es sich um einen Ringkampf handelte. Ich aber erkannte, dass der Junge schon ganz ‚untergetaucht‘ war. Da ich ihm eine Gelegenheit zur Erholung verschaffen wollte, damit er den Mut nicht sinken lasse, sagte ich ihm zur Ermutigung: Kleinias, wundere dich nicht, wenn dir die Argumente ungewohnt scheinen. Vielleicht merkst du nicht, wie die beiden Fremden mit dir umgehen. Sie gehen beide nämlich genauso vor wie Korybanten bei einem Initiationsritus, wenn sie jemanden, den sie einweihen wollen, inthronisieren. Denn auch bei diesem Anlass gibt es Tanz und Unterhaltung, wenn du eingeweiht bist. Nicht anders verhalten sich diese beiden jetzt, wenn sie um dich herum einen Tanz aufführen und dich scherzend gleichsam umtanzen, mit dem Wunsch, dich danach einzuweihen. Stelle dir also vor, dass du jetzt den ersten Teil der sophistischen Mysterien hörst. Zuerst nämlich, wie Prodikos sagt, muss man den richtigen Gebrauch der Wörter lernen. Und es ist genau das, was die beiden Fremden dir offenbar zeigen, dass du nicht wusstest, dass die Menschen zum einen dazu ‚lernen‘ sagen, wenn jemand zuerst überhaupt kein Wissen von einer Sache hat, sich dann aber Wissen davon aneignet, dass sie aber gerade auch dann von ‚lernen‘ sprechen, wenn einer schon über Wissen verfügt, mit diesem Wissen aber eben diese Sache prüft, sei es, dass es um eine Handlung oder eine Aussage geht. In diesem Fall sprechen wir häufiger von ‚verstehen‘ als von ‚lernen‘, aber bisweilen eben auch von ‚lernen‘; eben dies ist dir, wie die beiden zeigen, entgangen, dass dasselbe Wort auf Menschen angewandt wird, die sich gegensätzlich verhalten, auf denjenigen, der weiß, und auf denjenigen, der nicht weiß. Ganz ähnlich gelagert wie dies ist die zweite
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Frage, bei der sie dich fragten, ob die Menschen lernen, was sie wissen oder was sie nicht wissen. Dabei handelt es sich bei den Unterweisungen nun offenbar nur um ein Spiel; deshalb sage ich dir auch, dass sie nur Scherz mit dir treiben; und ich nenne es Scherze deshalb, weil, auch wenn man vieles oder alles von dieser Art lernte, man von den Dingen um nichts mehr wüsste, wie sie sich verhalten, sondern wohl nur in der Lage wäre, mit den Menschen sein Spiel zu treiben, indem man ihnen mit Hilfe der Wortunterschiede ein Bein wegzieht und sie umwirft, wie wenn man einem, der sich setzen will, den Stuhl wegzieht und sich dann freut und lacht, sobald man ihn rücklings umgefallen sieht. Betrachte also als Spiel, was diese mit dir machen. Was aber das angeht, was darauf folgt, so ist klar, dass dir eben die beiden die ernsthaften Dinge vorführen werden; und ich will ihnen den Weg weisen, damit sie einlösen, was sie versprochen haben. Die beiden sagten nämlich, sie würden uns die werbende Kunst vorführen. Für den Augenblick aber, so scheint mir, glaubten sie, mit dir zuvor Scherze treiben zu sollen. Habt also, Euthydemos und Dionysodoros, nun euren Spaß gehabt, und es ist jetzt wohl genug damit. Was nun aber folgt, führt ihr beide nun vor, indem ihr dem jungen Mann die Notwendigkeit aufzeigt, sich um Weisheit und Tugend zu kümmern. Zunächst aber will ich euch beiden vorführen, wie ich mir dies vorstelle und wie ich es zu hören wünsche. Wenn ich euch dabei laienhaft und lächerlich vorzugehen scheine, lacht mich nicht aus. Denn nur aus dem Wunsch heraus, eure Weisheit zu hören, will ich wagen, vor euch unvorbereitet zu sprechen. Haltet euch also zurück und hört mich ohne Gelächter an, ihr selbst und eure Schüler. Du aber, Kind des Axiochos, antworte mir. Wollen wir Menschen alle, dass es uns gut geht? Oder gehört diese Frage zu denen, von denen ich fürchtete, dass sie lächerlich sind? Denn unvernünftig ist offenbar, eine solche Frage zu stellen. Wer von den Menschen will nämlich nicht, dass es ihm gut geht? – Es gibt keinen, der das nicht will, sagte Kleinias. – In Ordnung, sagte ich. Die nächste Frage danach ergibt sich: Da wir wollen, dass es uns gut geht, wie könnten wir bewirken, dass es uns gut geht? Etwa dann, wenn wir viele Güter haben? Oder ist diese Frage noch törichter als jene? Denn auch dies ist irgendwie klar, dass es sich so verhält. – Er stimmte zu. – Wohlan, welche von den Dingen sind gut für uns? Oder ist auch das keine schwere Frage und bedarf es offenbar keineswegs einer besonderes wichtigen Persönlichkeit, dies herauszufinden? Jeder nämlich dürfte uns wohl sagen, dass es gut ist, reich zu sein. Nicht wahr? – Gewiss, sagte er. – Also auch gesund zu sein und schön zu sein und auch über das andere, was den Körper betrifft, hinreichend zu verfügen? – Das schien ihm ebenfalls so. – Aber auch ausgezeichnete Geburt, Macht und Ansehen
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im eigenen Land sind offensichtlich Güter. – Er stimmte zu. – Welche Güter also, sagte ich, bleiben uns weiter übrig? Wie steht es denn damit, besonnen, gerecht und tapfer zu sein? Meinst du, bei Zeus, Kleinias, dass wir richtig festlegen werden, wenn wir diese für Güter halten oder wenn wir dies nicht tun? Vielleicht wird nämlich jemand mit uns darüber streiten. Wie aber scheint es dir? – Güter sind es, sagte Kleinias. – Gut, sagte ich. Wo in diesem Chor von Dingen wollen wir die Weisheit ansiedeln? Unter den Gütern, oder wie meinst du? – Unter den Gütern. – Überlege, damit wir nicht etwas von den Gütern auslassen, was der Rede wert ist. – Aber mir scheint, sagte er, dass wir nichts auslassen, sagte Kleinias. – Da erinnerte ich mich an etwas und sagte: Bei Zeus, bald hätten wir wirklich das größte der Güter ausgelassen! – Welches denn?, fragte er. – Das gute Glück, Kleinias. Von dem sagen alle, auch die sehr Mittelmäßigen, es sei das größte der Güter. – Du hast Recht, sagte er. – Da besann ich mich wieder anders und sagte: Wir waren drauf und dran, uns lächerlich zu machen vor den Fremden, ich und du, Sohn des Axiochos. – Warum denn das?, fragte er. – Weil wir das gute Glück schon in der Liste der Güter ansetzten und jetzt wieder über dasselbe geredet haben. – Was soll denn das heißen? – Es ist doch offenbar lächerlich, das, was schon lange Thema ist, wieder zum Thema zu machen und zweimal dasselbe zu sagen. – Wie meinst du das?, sagte er. – Die Weisheit ist offenbar, sagte ich, gutes Glück. Das weiß doch wohl jedes Kind. – Er aber wunderte sich darüber; so jung und einfältig ist er noch. – Und ich merkte, dass er sich wunderte, und fragte: Weißt du denn nicht, Kleinias, dass die Flötenspieler im Bezug auf gutes Gelingen am erfolgreichsten sind beim Flötenspiel? – Er stimmte zu. – Und beim Schreiben und Lesen von Buchstaben die Grammatiklehrer? – Gewiss. – Was aber? Glaubst du etwa, dass mit Blick auf die Gefahren des Meeres irgendwelche Menschen mehr gutes Glück als die kundigen Steuermänner haben, um allgemein zu sprechen? – Auf keinen Fall. – Was aber? Mit wem möchtest du lieber bei einem Feldzug Gefahr und Geschick teilen, mit einem weisen oder mit einem unwissenden Feldherrn? – Mit einem weisen. – Weiter: Wenn du krank bist, mit wem möchtest du gerne eine Behandlung wagen, mit einem weisen Arzt oder mit einem unwissenden? – Mit einem weisen. – Nicht wahr, sagte ich, weil du meinst, du wirst wohl besser fahren, wenn du mit einem Weisen Dinge tust als mit einem Unwissenden? – Das gab er zu. – Die Weisheit also bringt überall den Menschen gutes Glück. Denn wirklich niemals wohl geht Weisheit fehl, sondern sie handelt notwendig richtig und hat Erfolg: Sonst ist sie ja wohl keine Weisheit mehr. Am Ende wurden wir uns irgendwie darüber einig, dass es sich in der Hauptsache so verhält, dass, wenn Weisheit da ist, man, sobald sie anwesend ist, zusätzlich kei-
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nes guten Glückes bedarf. Da wir darin übereinstimmten, wollte ich wieder von ihm wissen, wie es sich mit dem verhalte, worin wir zuvor Übereinstimmung gefunden hatten. Wir hatten nämlich darin übereingestimmt, sagte ich, dass wir wohl glücklich seien und es uns gut ginge, wenn wir viele Güter hätten. – Er stimmte zu. – Sind wir wohl glücklich wegen der vorhandenen Güter, wenn sie uns nicht nützen oder wenn sie uns nützen? – Wenn sie uns nützen, sagte er. – Ist uns denn wohl etwas von Nutzen, wenn wir es nur hätten, es aber nicht gebrauchten? Z. B. wenn wir viele Speisen hätten, aber nicht äßen, oder Getränke, aber nicht trinken würden, hätten wir dann einen Nutzen davon? – Keineswegs, sagte er. – Was aber? Wenn alle Handwerker alles bereit hätten, ein jeder, was er für seine Tätigkeit braucht, es aber nicht gebrauchten, wären diese dann glücklich wegen des Besitzes, weil sie alles hätten, was der Handwerker besitzen muss? Z.B hätte der Zimmermann, wenn er alles Werkzeug bereit hätte und genug Holz, aber nicht bauen würde, irgendeinen Nutzen von diesem Besitz? – Keineswegs, sagte er. – Weiter: Wenn einer Reichtum besäße und alle die Güter, von denen wir sprachen, diese aber nicht gebrauchte, wäre er dann glücklich durch den Besitz dieser Güter? – Keineswegs, Sokrates. – Es muss also, sagte er, wie es scheint, wer glücklich sein will, solche Güter nicht nur besitzen, sondern sie auch gebrauchen. Denn aus dem bloßen Besitz erwächst kein Nutzen. – Du hast Recht. – Ist also, Kleinias, das schon hinreichend, um einen glücklich zu machen, der Besitz von Gütern und ihr Gebrauch? – So scheint es mir. – Wenn einer sie richtig gebraucht, sagte ich, oder auch wenn nicht? – Wenn er sie richtig gebraucht. – Recht hast du, sagte ich. Denn größeren Schaden, glaube ich beinahe, gäbe es, wenn einer etwas nicht richtig verwendet als wenn er es beiseite lässt. Denn im ersten Fall ist es schlecht, im zweiten weder schlecht noch gut. Oder sagen wir nicht so? – Er stimmte zu. – Was also? Gibt es bei Arbeit und Umgang mit Holz etwa etwas anderes, das den richtigen Gebrauch bewirkt, als das Wissen des Zimmermanns? – Gewiss nicht, sagte er. – Weiterhin ist es auch bei Arbeiten, welche die Herstellung von Geräten betreffen, ein Wissen, das den richtigen Umgang bewirkt. – Er stimmte zu. – War es also, sagte ich, auch beim Gebrauch der zuerst angeführten Güter – des Reichtums, der Gesundheit und der Schönheit – ein Wissen, das den richtigen Gebrauch von allem derartigen leitete und die Handlung richtig lenkte, oder etwas anderes? – Wissen, sagte er. – Nicht nur gutes Gelingen also, sondern auch Wohlergehen bringt, wie es scheint, das Wissen den Menschen bei jedem Besitz und jeder Tätigkeit. – Er stimmte zu. – Gibt es also, bei Zeus, irgendeinen Nutzen beim Erwerb anderer Dinge ohne Vernunft und Weisheit? Hat wohl ein Mensch Nutzen, wenn er viele Dinge besitzt und viel tut, aber keine Vernunft hat,
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oder wenn er wenig besitzt und tut? Betrachte es so: Wenn man weniger tut, macht man da wohl nicht weniger Fehler; und wenn man weniger Fehler macht, ginge es einem dann nicht weniger schlecht; und wenn es einem weniger schlecht geht, ist man dann wohl nicht weniger unglücklich? – Gewiss, sagte er. – Tut man folglich wohl dann weniger, wenn man arm oder wenn man reich ist? – Arm, sagte er. – Wenn man schwach ist oder wenn man stark ist? – Schwach. – Wenn geehrt oder wenn ehrlos? – Ehrlos. – Tut man weniger, wenn man tapfer [und besonnen] oder wenn man feige ist? – Feige. – Also gilt das auch, wenn man ein träger Mensch ist eher, als wenn man ein tätiger Mensch ist? – Er stimmte zu. – Und ein langsamer eher als ein schneller, und einer, der schlecht sieht und hört, eher als einer, der scharf sieht und hört? – All diese Dinge gaben wir einander zu. – Zusammengefasst also, sagte ich, Kleinias, scheint es nicht richtig, bei allen Gütern, von denen wir zuerst sagten, sie seien gut, zu behaupten, dass sie an und für sich gut sind, sondern es verhält sich, wie es scheint, so: Wenn Dummheit über sie bestimmt, sind sie umso größere Übel als ihr Gegenteil, je mehr sie in der Lage sind, demjenigen, der über sie verfügt und schlecht ist, zu Diensten zu sein. Wenn sie aber Vernunft und Weisheit leiten, sind sie größere Güter; an und für sich aber sind weder die einen noch die anderen von ihnen etwas wert. – Offenbar verhält es sich, wie es scheint, so wie du sagst. – Was ergibt sich also aus dem Gesagten? Etwa, dass von den anderen Dingen nichts weder gut noch schlecht ist, von diesen beiden Dingen aber die Weisheit etwas Gutes, die Dummheit aber etwas Schlechtes? – Er stimmte zu. Lass uns nun, sagte ich, betrachten, was übrig ist. Da wir alle glücklich sein wollen, sich aber zeigte, dass wir so werden, wenn wir die Dinge gebrauchen und wenn wir sie richtig gebrauchen, und da Wissen diese Richtigkeit und das gute Gelingen bietet, muss offenbar, wie es scheint, jeder Mensch auf jede Weise eben dafür sorgen, dass er möglichst weise wird. Oder nicht? – Ja, sagte er. – Und für jemanden, der meint, dass er vom Vater diesbezüglich offenbar viel mehr als Geld erhalten muss und von Vormündern und Freunden, sowohl von den anderen als auch denen, die behaupten, Liebhaber zu sein, von Fremden und Mitbürgern. Und für jemanden, der bittet und fleht, ihm an der Weisheit Anteil zu geben, ist es nicht schimpflich, Kleinias, und nicht tadelnswert, deshalb einem Liebhaber und jedem Menschen zu dienen und sich zu unterwerfen und bereit für jeden ehrenvollen Dienst zu sein, im Wunsch, weise zu werden. Oder scheint dir dies, sagte ich, nicht so? – Sehr richtig scheinst du mir zu sprechen, sagte er. – Aber nur, Kleinias, sagte ich, wenn die Weisheit wirklich lehrbar ist und nicht von selbst den Menschen zuteil wird. Das nämlich haben wir noch nicht betrachtet
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und haben du und ich noch nicht zwischen uns festgesetzt. – Aber mir, sagte er, Sokrates, scheint sie lehrbar zu sein. – Da freute ich mich und sagte: Schön sprichst du, bester Mann, und tust mir einen Gefallen, weil du mir eine lange Untersuchung über eben dieses ersparst, ob die Weisheit lehrbar ist oder nicht. Da sie dir in der Tat lehrbar und alleine von den Gütern den Menschen glücklich und erfolgreich zu machen scheint, bist du gewiss überzeugt, dass man philosophieren muss, und hast selbst vor, dies zu tun? – Gewiss, sagte er, Sokrates, so sehr dies irgend möglich ist. Ich hörte dies mit Freude und sagte: Dies ist mein Beispiel, Dionysodoros und Euthydemos, wie ich mir werbende Reden wünsche, unprofessionell vielleicht, und sehr ausführlich und mit Mühe vorgetragen. Nun mag von euch beiden, wer es will, eben dasselbe professionell vorführen. Wenn ihr beide dies aber nicht wollt, dann knüpft dort an, wo ich aufhörte, und führt dem Knaben das, was darauf folgt, vor: Ob er jedes Wissen erwerben muss oder ob es ein einziges Wissen ist, welches man nehmen muss und mit dem man dann glücklich und ein guter Mensch wird, und welches dieses Wissen ist. Wie ich nämlich zu Beginn sagte, ist uns sehr viel daran gelegen, dass dieser Junge hier weise und gut wird. Dies also sagte ich, Kriton. Ich achtete sehr genau darauf, was sich danach ergeben würde, und beobachtete, auf welche Weise sie die Rede gestalten und wo sie anfangen würden mit ihrer Ermunterung an den Knaben, Weisheit und Tugend zu üben. Der ältere von ihnen, Dionysodoros, begann zuerst mit der Rede, und wir alle schauten auf ihn in der Erwartung, sogleich ganz wunderbare Worte zu hören. Und das trat dann auch ein. Denn mit einer wunderbaren Rede, Kriton, begann der Mann, welche zu hören sich für dich lohnt, weil es eine Rede war, die zur Tugend aufforderte. Sage mir, sagte er, Sokrates und ihr anderen, die ihr den Wunsch äußert, dass dieser junge Mann weise wird, ob ihr dies scherzhaft sagt oder dies wirklich wünscht und es euch Ernst ist? Da hatte ich den Eindruck, die beiden hätten geglaubt, dass wir früher einen Scherz machten, als wir sie aufforderten, mit dem Jungen zu sprechen, und dass dies der Grund war, weshalb sie mit ihm ihren Scherz trieben und die Sache nicht ernst nahmen. Weil ich diesen Eindruck hatte, beteuerte ich noch mehr, dass wir es wirklich ernst meinten. Da sagte Dionysodoros: Gib acht, Sokrates, dass du nicht abstreiten wirst, was du jetzt noch behauptest. – Ich habe wohl acht gegeben, sagte ich. Ich werde es niemals bestreiten. – Was also?, sagte er. Ihr behauptet, dass ihr wollt, dass er weise wird? – Gewiss. – Jetzt aber, sagte er, ist Kleinias weise oder nicht? – Er ist es nicht, sagt er ja selbst zumindest; er ist aber, sagte ich, ein bescheidener Mensch. – Ihr aber, sagte er,
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wollt, dass er weise wird, aber nicht unwissend ist? – Das gestanden wir ein. – Also wollt ihr, dass er einer wird, der er nicht ist, und dass er nicht mehr ist, der er jetzt ist. – Als ich das hörte, geriet ich in Verwirrung. Er aber nutzte meine Verwirrung und sagte: Indes, da ihr wollt, dass er nicht mehr derjenige ist, der er jetzt ist, wollt ihr offenbar, dass er zugrunde geht? Obgleich, viel wert sind wohl solche Freunde und Liebhaber, die alles daransetzen, dass ihr Liebling völlig vernichtet wird. Als Ktesippos dies hörte, wurde er unwillig wegen seines Lieblings und sagte: Fremder aus Thurioi, wenn es nicht zu unfein wäre, hätte ich ‚Zum Teufel mit dir‘ gesagt, weil es dir in den Sinn kommt, über mich und die anderen als Lüge aufzutischen, was nach meiner Meinung frevelhaft ist nur zu sagen, nämlich dass ich den Tod des Kleinias wünschte. Was denn, Ktesippos?, sagte Euthydemos. Scheint es dir denn möglich zu lügen? – Bei Zeus, ja, wenn ich nicht vollkommen verrückt bin. – Indem man den Gegenstand anspricht, von dem die Rede ist, oder nicht anspricht? – Indem man ihn anspricht, sagte er. – Wenn er also einen Gegenstand anspricht, spricht er dann nicht ein anderes von den Dingen an als jenes, was er anspricht? – Wie denn wohl, sagte Ktesippos. – Und auch jenes eine, das er anspricht, ist eines von den Dingen, die es gibt, und ist gesondert von den übrigen Dingen? – Gewiss. – Indem er also jenes anspricht, sagte er, spricht er etwas an, das ist? – Ja. – Aber gewiss sagt die Person, die sagt, was ist, die Wahrheit. So dass Dionysodoros, wenn er Dinge sagt, die sind, Wahres sagt und dir keine Lügen auftischt. – Ja, sagte er. Aber wer das sagt, sagte Ktesippos, mein Euthydemos, sagt nicht, was ist. – Und Euthydemos sagte: Die Dinge aber, die nicht sind, existieren ganz gewiss nicht? – Sie existieren nicht. – Indes, das, was nicht ist, ist also nirgendwo seiend? – Nirgendwo. – Ist es nun möglich, dass irgendjemand, wer immer es sei, mit den Dingen, die nicht sind, etwas so macht, dass sie existieren, auch wenn sie nirgendwo sind? – Das scheint mir nicht so, sagte Ktesippos. – Was also? Sobald Redner vor dem Volk sprechen, tun sie dann nichts? – Sie tun in der Tat etwas, sagte er. – Und wenn sie also etwas tun, machen sie dann auch etwas? – Ja. – Das Reden ist also ein Handeln und ein Machen? – Er stimmte zu. – Also, sagte er, sagt niemand das, was nicht ist. Er macht dann nämlich schon etwas. Du aber hast zugestimmt, dass keiner in der Lage sei, etwas zu machen, was nicht ist. Deiner Aussage zufolge lügt also keiner, sondern wenn Dionysodoros spricht, dann sagt er Wahres und spricht von Dingen, die sind. – Bei Zeus, Euthydemos, sagte Ktesippos. Aber er spricht in gewisser Weise von dem, was ist, nicht freilich so, wie es sich verhält.
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Wie meinst du das, Ktesippos?, sagte Dionysodoros. Gibt es denn welche, die von den Dingen sprechen, wie sie sich verhalten? – Freilich gibt es solche, sagte er, die Edlen und Guten und die, welche die Wahrheit sagen. – Wie denn? sagte er. Verhält sich nicht das Gute gut und das Schlechte schlecht? – Dem stimmte er zu. – Du stimmst zu, dass die Guten sagen, wie die Dinge sich verhalten? – Ich stimme zu. – Schlecht also, sagte er, Ktesippos, sprechen die Guten von schlechten Dingen, wenn sie wirklich sagen, wie es sich verhält. – Ja, bei Zeus, sagte er, jedenfalls tun sie das sehr von den schlechten Menschen; wenn du einen Rat willst, dann hüte dich, zu denen zu gehören, damit die Guten nicht von dir schlecht sprechen. Weil du wohl weißt, dass die Guten von den Schlechten schlecht sprechen. – Und von den Großen, sagte Euthydemos, sprechen sie groß und von den Warmen warm? – Allerdings, sagte Ktesippos, von den Kalten sprechen sie jedenfalls kalt und behaupten, dass sie auf diese kalte Weise sprechen. – Du schimpfst, sagte Dionysodoros, du schimpfst, Ktesippos. – Bei Zeus, das tue ich nicht, Dionysodoros, sagte er, denn ich mag dich. Ich tadle dich nur wie einen Freund, und versuche, dich zu überreden, mir niemals so grob ins Gesicht zu sagen, ich wolle, dass die zugrunde gehen, an denen mir am meisten liegt. Da mir nun schien, dass sie allzu heftig aufeinander losgingen, versuchte ich, einen Scherz mit Ktesippos zu machen und sagte: Ktesippos, mir scheint, wir sollten akzeptieren, was die Fremden sagen, wenn sie freigiebig sein wollen, und uns nicht um ein Wort streiten. Wenn sie sich nämlich wirklich darauf verstehen, Menschen auf die Weise untergehen zu lassen, so dass sie aus schlechten und törichten Menschen nützliche und vernünftige machen, und wenn die beiden dieses Verderben und einen solchen Untergang selbst gefunden oder von einem anderen gelernt haben, dass sie einen schlechten Menschen untergehen und als nützlichen Menschen wieder erscheinen lassen; wenn sich die beiden darauf verstehen – und offenbar verstehen sie sich darauf: Sie behaupten ja, dass ihre Kunst, die sie jüngst entdeckten, darin bestünde, gute Menschen aus schlechten zu machen – dann wollen wir ihnen dies zugestehen. Mögen sie uns den Knaben umbringen und dadurch vernünftig machen – und uns alle anderen auch. Wenn ihr Jungen euch aber fürchtet, dann sollen sie es ‚mit dem Karer‘ versuchen, wie es heißt, und ich will die Gefahr auf mich nehmen. Denn weil ich schon ein alter Mann bin, stehe ich bereit, die Gefahr auf mich zu nehmen und liefere mich selbst diesem Dionysodoros, wie der Medea in Kolchis, aus. Soll er mich umbringen, ja, wenn er will, mich kochen, oder, was er will, mit mir machen. Nur soll er mich zu einem Guten machen. Da sagte Ktesippos: Ich bin auch selbst bereit, mich den beiden Frem-
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den auszuliefern, auch wenn sie mich noch mehr schinden wollen als sie es jetzt tun, wenn mir die Schinderei nur nicht in einem Schlauch endet, wie bei Marsyas, sondern in der Tugend. Und doch glaubt Dionysodoros hier, ich sei ihm böse. Ich bin ihm aber nicht böse, sondern ich widerspreche nur dem, was er mir nicht richtig zu sagen scheint. Du aber, sagte er, nenne das ‚widersprechen‘, mein guter Dionysodoros, nicht ‚schimpfen‘. Denn ‚schimpfen‘ ist etwas ganz anderes. Da sagte Dionysodoros: Du sprichst so, als ob es das Widersprechen überhaupt gäbe? Aber natürlich, sagte er, und ganz gewiss so. Oder glaubst du, Dionysodoros, dass es ein Widersprechen nicht gibt? – Du wirst auf jeden Fall wohl nicht beweisen können, sagte er, dass du jemals einen hast einer anderen Person widersprechen hören. – Du hast Recht, sagte er. Aber wir wollen jetzt hören, ob ich es dir beweisen kann, wenn Ktesippos dem Dionysodoros widerspricht. – Willst du tatsächlich hierfür Rede stehen? – Gewiss, sagte er. Was also?, sagte er. Gibt es Aussagen über jedes von dem, was ist? – Gewiss. – Geben diese wieder, wie ein jedes ist oder wie es nicht ist? – Wie es ist. – Wenn du dich nämlich erinnerst, Ktesippos, sagte er, haben wir eben gezeigt, dass niemand etwas von etwas sagt, wie es nicht ist. Denn offenbar sagt keiner etwas, das nicht ist. – Was also soll das?, sagte Ktesippos. Widersprechen wir einander deshalb weniger, ich und du? – Widersprechen wir denn wohl dann, sagte er, wenn wir beide eine Bestimmung derselben Sache vortragen, oder sagen wir in diesem Fall wirklich wohl dasselbe? – Er stimmte zu. – Aber sobald keiner von uns, sagte er, das sagt, was über eine Sache zu sagen ist, widersprechen wir wohl dann einander? Oder hätte in diesem Fall keiner von uns die Sache überhaupt im Sinn? – Auch dem stimmte er zu. – Folglich, wenn ich etwas über eine Sache sage, du aber etwas anderes über eine andere Sache, widersprechen wir uns dann? Oder spreche ich dann zwar von der Sache, du aber ganz und gar nicht? Wie aber könnte derjenige, der nicht spricht, jemandem widersprechen, der spricht? Da verfiel Ktesippos in Schweigen. Ich aber staunte über die Rede und sagte: Wie, Dionysodoros, meinst du das? Denn gewiss habe ich diese Rede schon oft und von vielen gehört und staune immer darüber – die Anhänger des Protagoras nämlich bedienten sich dieses Argumentes sehr und noch ältere. Mir freilich schien das Argument immer ganz staunenswert zu sein, weil es die anderen Argumente und auch sich selbst umwirft. – Ich meine aber, dass ich von dir am besten die Wahrheit darüber erfahren werde. Nicht wahr, ‚man kann nicht lügen‘ – das ist doch, was das Argument sagen will, oder nicht? – Vielmehr, dass die Person, die spricht, die Wahrheit sagt oder dass sie überhaupt nicht spricht? Das
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räumte er ein. – Ist es also zwar nicht möglich zu sagen, was nicht gilt, wohl aber, es zu meinen? – Auch nicht zu meinen, sagte er. – Also gibt es, sagte ich, auch keinesfalls eine falsche Meinung? – Nein, sagte er. – Also auch nicht Dummheit und nicht dumme Menschen. Oder bedeutet nicht Dummheit, wenn es sie denn wirklich gibt, sich über Gegenstände zu irren? – Gewiss, sagte er. – Aber dies gibt es nicht, sagte ich. – Nein, sagte er. – Sagst du dies, Dionysodoros, nur wegen des Argumentes – um etwas Provozierendes zu sagen – oder scheint es dir wirklich so zu sein, dass kein Mensch dumm ist? – So widerlege mich doch, sagte er. – Ist dies denn deiner Ansicht nach aber überhaupt möglich zu widerlegen, wenn keiner etwas Falsches sagt? – Das ist nicht möglich, sagte Euthydemos. – Also habe ich, sagte Dionysodoros, eben auch nicht aufgefordert zu widerlegen? Denn wie könnte einer jemanden zu etwas auffordern, was es nicht gibt? – Du forderst aber auf? Ich frage dies, weil ich mich, sagte ich, Euthydemos, auf diese feinen und cleveren Dinge nicht sehr verstehe, sondern nur plump denke. Vielleicht also werde ich eine allzu törichte Frage stellen; aber verzeihe es mir. Sieh vielmehr zu: Wenn es weder möglich ist, Falsches zu sagen, noch Falsches zu vermuten, noch dumm zu sein, dann, nicht wahr, ist es doch auch nicht möglich, Fehler zu machen in dem, was man tut? Denn es ist nicht möglich, dass einer, der handelt, bei dem, was er tut, einen Fehler macht. Meint ihr das nicht so? – Gewiss, sagte er. – Und dieses ist schon, sagte ich, die dumme Frage. Wenn wir nämlich keine Fehler machen, weder beim Handeln noch beim Reden noch im Denken, bei Zeus, wenn es sich so verhält, als Lehrer wofür seid ihr hierhergekommen? Oder sagtet ihr nicht eben, ihr verstündet euch am besten darauf, jedem Menschen, der will, Tugend zu vermitteln? – Also, Sokrates, sagte und übernahm Dionysodoros das Wort, bist du so ein alter Kronos, dass du daran erinnerst, was wir am Anfang sagten; und wenn ich etwas letztes Jahr gesagt hätte, würdest du es jetzt in Erinnerung rufen, könntest aber nichts mit dem anfangen, was jetzt gesagt wird? – Die Argumente sind nämlich sehr schwierig, sagte ich, zu Recht, werden sie doch von weisen Männern gesprochen; gerade mit diesem letzten nämlich, das du vorbringst, ist schwer umzugehen. Denn was meinst du mit dem Ausdruck ‚Ich weiß nichts damit anzufangen‘, Dionysodoros? Offenbar meinst du damit, dass ich das Argument nicht widerlegen kann? Sage deshalb, was sonst der Satz, dass ich ‚nichts mit der Rede anfangen kann‘, meint. – Aber zumindest mit dem, was du gerade sagst, ist es nicht sehr schwer umzugehen, entgegnete er. Deshalb antworte mir. – Bevor du geantwortet hast, sagte ich, Dionysodoros? – Antwortest du nicht?, sagte er. – Ist das richtig so? – Ganz richtig, sagte er. – Aus welchem Grund?, sagte ich. Doch wohl aus dem Grund, dass du jetzt als ein hoch gebildeter Mann
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im Argumentieren zu uns gekommen bist, und weißt, wann man antworten muss und wann nicht. Und jetzt antwortest du wohl überhaupt nicht, weil du erkennst, dass du jetzt nicht musst. – Du redest Unsinn, sagte er, und kümmerst dich nicht darum zu antworten. Aber mein Guter, gehorche und antworte, da du ja zugibst, dass ich weise bin. – Ich werde wohl gehorchen müssen, sagte ich, und mit Notwendigkeit, wie es scheint. Du nämlich leitest das Gespräch. Also stelle deine Frage. – Meinen Dinge, die etwas meinen, insofern sie eine Seele haben, oder handelt es sich um Dinge ohne Seele? – Insofern sie eine Seele haben. – Kennst du ein Wort, das eine Seele hat? – Bei Zeus, nein. – Warum fragtest du mich eben, was der Satz meint? – Was anderes, sagte ich, als dass ich aus Dummheit einen Fehler gemacht habe? Oder habe ich keinen Fehler gemacht, sondern auch das richtig gesagt, dass die Worte etwas meinen? Glaubst du, ich habe einen Fehler gemacht oder nicht? Wenn ich nämlich keinen Fehler gemacht habe, wirst du mich auch nicht widerlegen, obgleich du weise bist, und weißt dann nichts mit der Rede anzufangen. Wenn ich aber einen Fehler gemacht habe, dann hast du auch so nicht Recht, wenn du sagst, es sei nicht möglich, Fehler zu machen. Und das sage ich nicht gegen das, was du letztes Jahr gesagt hast. Sondern dieses Argument, sagte ich, Dionysodoros und Euthydemos, scheint mir immer auf demselben Fleck zu bleiben und ‚wie in der alten Zeit‘ auch jetzt selbst zu fallen, wenn es andere umwirft. Und nicht einmal eure Kunst hat ein Mittel dafür gefunden, dass ihm dies nicht passiert, und das, obgleich diese Kunst doch so bewundernswert ist für die Genauigkeit der Worte. Da sagte Ktesippos: Wunderbares sagtet ihr wirklich, Männer aus Thurioi oder aus Chios oder woher auch immer und wie ihr beide genannt werden wollt. So gar nicht kümmert es euch, Unsinn zu reden. Da fürchtete ich, dass Streit entstehen könnte, versuchte, Ktesippos wieder zu besänftigen und sagte: Ktesippos, was ich eben zu Kleinias sagte, eben dasselbe sage ich auch zu dir, dass du nämlich nicht erkennst, wie wunderbar die Weisheit der Fremden ist. Aber beide wollen nicht Ernst machen und sie uns vorführen, sondern sie ahmen den Proteus, den Sophisten aus Ägypten, nach und bezaubern uns. Wir aber wollen es dem Menelaos nachmachen und von den beiden Männern nicht ablassen, bis sie uns das sehen lassen, womit es ihnen Ernst ist. Ich glaube nämlich, sie werden uns etwas ganz Wunderbares zeigen, wenn sie beginnen, Ernst zu machen. Aber wir wollen sie bitten und mahnen und anflehen, es zu zeigen. Ich bin entschlossen, auch selbst wieder die Führung zu übernehmen und anzuzeigen, als welche Personen sich die beiden mir bitte zeigen sollen. Wo ich nämlich vorhin aufhörte, von da will ich versuchen, das Folgende mit ihnen durchzugehen, wie immer
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ich kann, wenn ich sie damit irgendwie locken kann und die beiden aus Erbarmen und Mitleid mit mir, wenn ich mich ernsthaft anstrenge, auch selbst Ernst machen. Du aber, Kleinias, sagte ich, erinnere mich, wo wir vorhin stehen geblieben sind. Wie ich glaube, in etwa dort: Wir stimmten zuletzt überein, dass man philosophieren muss. Nicht wahr? – Ja, sagte er. – Die Philosophie aber ist Erwerb von Erkenntnis. Nicht so?, sagte ich. – Ja, sagte er. – Welches Wissen aber sollen wir erwerben, um es dann wohl richtig zu erwerben? Ist es nicht einfach so, dass es das ist, welches uns nützen wird? – Ganz gewiss, sagte er. – Würde es uns etwas nützen, wenn wir uns darauf verstünden, herumzugehen und zu erkennen, wo auf der Erde das meiste Gold vergraben ist? – Vielleicht, sagte er. – Aber zuvor, sagte ich, haben wir eben das begründet, dass wir auch dann, wenn wir alles Gold der Welt hätten, sogar ohne Mühe und ohne Aufgraben der Erde, in keiner Weise mehr Nutzen hätten; sogar wenn wir Steine zu Gold zu machen verstünden, wäre dieses Wissen nichts wert. Wenn wir nämlich das Gold nicht zu gebrauchen wüssten, dann würde sich aus ihm offensichtlich kein Nutzen ergeben. Oder erinnerst du dich nicht?, sagte ich. – Gewiss, sagte er, erinnere ich mich. – Und keineswegs, wie es scheint, gibt es einen Nutzen bei den übrigen Erkenntnissen, weder bei der Erwerbskunst noch bei der Arztkunst noch bei einer anderen Kunst, die zwar etwas hervorzubringen, aber nicht zu gebrauchen weiß, was sie herstellt. Ist das nicht so? – Er stimmte zu. – Nicht einmal, wenn es ein Wissen davon gäbe, so dass man Menschen unsterblich machen kann; aber ohne ein Wissen, wie man diese Unsterblichkeit gebraucht, scheint es mir nicht einmal bei diesem einen Nutzen zu geben, wenn man sich an dem orientieren muss, was bisher zugestanden wurde. – Das alles schien uns richtig. – Ein solches Wissen also ist für uns notwendig, schöner Knabe, sagte ich, bei dem das Herstellen mit dem Wissen zusammenfällt, das zu gebrauchen, was man herstellt. – Es scheint so, sagte er. – Keineswegs also, wie es scheint, dürfen wir Hersteller von Lyrainstrumenten und in einem derartigen Wissen gebildet sein. Denn hier ist offenbar die Kunst, eine Lyra herzustellen, geschieden von derjenigen Kunst, die Lyra spielen kann, obgleich sie dieselbe Sache betrifft. Denn die Kunst, eine Lyra herzustellen, und diejenige, eine Lyra zu spielen, unterscheiden sich sehr voneinander. Ist es nicht so? – Er stimmte zu. – Klar ist auch, dass wir die Kunst, wie man Flöten herstellt, nicht benötigen. Denn auch diese ist eine andere Kunst von der Art. – Das schien ihm auch so. – Aber, bei den Göttern, sagte ich, wenn wir das Redenschreiben lernten, ist es dann diese Kunst, deren Besitz uns glücklich machen muss? – Das glaube ich nicht, gab Kleinias zur Antwort.
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Welchen Grund gibst du an?, sagte ich. Ich sehe gewisse Redenschreiber, sagte er, welche die Reden, die sie selbst verfasst haben, nicht zu gebrauchen wissen, genauso wie die Lyrahersteller nicht wissen, wie sie die Lyra gebrauchen sollen, sondern auch hier sind es andere, die fähig sind, zu gebrauchen, was jene Redenschreiber verfasst haben, sind aber selbst unfähig, Reden zu verfassen. Offenbar ist auch bei den Reden die Kunst des Verfassens von der des Gebrauchens getrennt. Hinreichend scheinst du mir begründet zu haben, sagte ich, dass die Kunst des Redenschreibers nicht diejenige sein kann, durch deren Erwerb einer wohl glücklich ist. Dennoch meinte ich, es würde sich in diesem Zusammenhang irgendwo das Wissen zeigen, nach dem wir schon lange suchen. Denn immer, wenn ich mit Redenschreibern selbst zusammen bin, scheinen sie mir äußerst weise zu sein, Kleinias, und ihre Kunst göttlich und erhaben. Das ist freilich kein Wunder. Denn ihre Kunst ist Teil der Beschwörungskunst und nur wenig geringer als diese. Denn die Beschwörungskunst besteht in einem Besingen von Schlangen, Spinnen, Skorpionen und anderen wilden Tieren und Heilung von Krankheiten, während die Redekunst aus Bezauberung und Besingen von Richtern, Teilnehmern an Volksversammlungen und von anderen Menschenmassen ist. Oder, sagte ich, scheint es dir anders zu sein? – Nein, sondern so scheint es mir, sagte er, wie du es vorträgst. – Wohin also, sagte ich, sollen wir uns denn nun wenden? Zu welcher Kunst? – Ich weiß mir keinen Rat, sagte er. – Aber ich glaube, sagte ich, sie gefunden zu haben. – Welche ist es?, sagte Kleinias. – Die Feldherrnkunst scheint mir, sagte ich, mehr als jede andere jene Kunst zu sein, durch deren Erwerb man wohl glücklich sein kann. – Das scheint mir nicht. – Weshalb?, sagte ich. – Es handelt sich bei ihr ja wirklich um eine Kunst, die Jagd auf Menschen macht. – Was also?, sagte ich. – Keine Art wirklicher Jagdkunst, sagte ich, zielt auf mehr, als darauf zu jagen und etwas in die Hand zu bekommen. Wenn sie aber das in die Hand bekommen haben, wonach sie jagen, können sie damit nichts anfangen, sondern die Jäger und Fischer übergeben das Erjagte den Köchen, die Mathematiker wiederum und Astronomen und die Rechenkünstler aber – Jäger nämlich sind auch diese; denn jeder von ihnen erstellt die Figuren nicht, sondern sie entdecken solche, die schon existieren – weil sie selbst nicht in der Lage sind, sie zu gebrauchen, sondern nur zu jagen, übergeben sie ihre Entdeckungen doch wohl den Dialektikern zum Gebrauch, jedenfalls diejenigen von ihnen, die nicht ganz und gar unverständig sind. Nun gut, sagte ich, bester und klügster Kleinias: Verhält sich dies so? – Gewiss. Auch die Feldherren, sagte er, verhalten sich auf eben diese Weise. Sobald sie eine Stadt erjagt haben oder ein Lager, übergeben sie
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diese den Politikern – selbst nämlich wissen sie nicht zu gebrauchen, was sie erjagt haben – wie es auch, glaube ich, die Wachteljäger bei den Wachtelmästern tun. Wenn wir also, sagte er, jene Kunst benötigen, die auch selbst kundig ist, davon Gebrauch zu machen, was sie erwirbt, indem sie es herstellt oder erjagt, und wenn es eine solche Kunst ist, die uns glücklich machen wird, dann muss man freilich, sagte er, eine andere suchen als die Feldherrenkunst. Kr.: Was meinst du, Sokrates? Das hat dir jener Knabe gesagt? So.: Meinst du nicht, Kriton? Kr.: Bei Zeus, nein. Denn ich glaube, wenn er das sagte, braucht er weder Euthydemos noch einen anderen Menschen für die Erziehung. So.: Dann aber, bei Zeus, war es vielleicht Ktesippos, der das sagte, und ich erinnere mich nur nicht mehr daran? Kr.: Ach was, Ktesippos! So.: Das eine jedoch weiß ich zumindest genau, dass weder Euthydemos noch Dionysodoros es waren, die dies sagten. Indes, göttlicher Kriton, ob etwa eines der ‚höheren Wesen‘ anwesend war und das verlauten ließ? Denn dass ich das wirklich gehört habe, das weiß ich gewiss. Kr.: Ja, bei Zeus, Sokrates. Eines von den ‚höheren Wesen‘ scheint es mir in der Tat gewesen zu sein, und dies sehr. Aber danach habt ihr euch weiter auf die Suche nach einer Kunst gemacht? Habt ihr sie gefunden, nach der ihr suchtet, oder nicht? So.: Wo wir sie, Glücklicher, gefunden haben? Vielmehr haben wir uns sehr lächerlich gemacht. Wie die Kinder, die hinter Lerchen herjagen, glaubten wir immer, wir würden jede aus dem Bereich der Wissenschaften gleich fangen, die aber machten sich immer davon. Was soll ich dir denn die vielen Dinge erzählen? Als wir zur königlichen Kunst kamen und sie daraufhin untersuchten, ob sie diejenige sei, die Glück bereitstellt und hervorbringt, gerieten wir dort gleichsam in ein Labyrinth, und als wir glaubten, bereits am Ziel zu sein, drehten wir wieder um und fanden uns praktisch am Anfang unserer Untersuchung wieder in der gleichen Ratlosigkeit, wie als wir mit der Untersuchung begannen. Kr.: Wie ist euch das passiert, Sokrates? So.: Ich will es dir sagen. Uns schien nämlich die politische und königliche Kunst dieselbe zu sein. Kr.: Und was weiter? So.: Und dass dieser Kunst die Kriegskunst und die anderen in die Herrschaft die Werke übergeben, die sie selbst herstellen, weil nach ihrer Meinung sie alleine kundig sei, diese zu verwenden. Ganz klar also schien es uns diese Kunst zu sein, nach der wir suchten, und dass sie die Ursache richtigen Handelns in der Stadt ist, und – um geradezu mit Ais-
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chylos zu sprechen – dass sie allein am Steuer der Stadt sitzt, wie ein Kapitän alles lenkt, über alles herrscht und alles nützlich macht. Kr.: Und das schien euch also keine gute Idee, Sokrates? So.: Du wirst das entscheiden, Kriton, wenn du auch hören willst, wie es uns danach erging. Wir stellten uns nämlich erneut die Frage – etwa so: Wohlan, bringt die königliche Kunst, die alles beherrscht, irgendein Produkt für uns hervor oder nicht? Ganz gewiss tut sie das, sagten wir zueinander. Sagst du dies wohl nicht auch, Kriton? Kr.: Ja. So.: Was also sagst du wohl ist ihr Werk? Z. B. wenn ich dich fragte, welches Werk die Heilkunst, wenn sie alles beherrscht, was sie beherrscht, hervorbringt. Würdest du dann wohl nicht sagen, die Gesundheit? Kr.: Aber ja. So.: Was aber? Eure Kunst, die Landwirtschaft, welches Werk bringt sie hervor, wenn sie alles beherrscht, was sie beherrscht? Würdest du nicht sagen, dass sie uns die Nahrung aus der Erde verschafft? Kr.: Aber ja. So.: Was aber? Die königliche Kunst, was bringt sie hervor, wenn sie alles beherrscht, was sie beherrscht? Vielleicht weißt du hier nicht leicht eine Antwort. Kr.: Bei Zeus, Sokrates, nein. So.: Genau, auch wir nämlich nicht, Kriton. Aber so viel weißt du, dass sie, wenn sie es wirklich ist, die wir suchen, etwas Nützliches sein muss. Kr.: Gewiss. So.: Also muss sie uns etwas Gutes verschaffen? Kr.: Notwendig, Sokrates. So.: Gut aber, so waren ich und Kleinias miteinander übereingekommen, ist nichts anderes als eine Art von Erkenntnis. Kr.: Ja, so sagtest du. So.: Also alle anderen Werke, die man für Werke der Staatskunst halten könnte, – deren aber gibt es wohl viele, wie z. B. die Bürger reich zu machen und frei und unbehelligt von innerem Aufruhr – schienen weder schlecht noch gut; aber die Kunst musste sie weise machen und sie an Wissen teilhaben lassen, wenn es wirklich diese Kunst sein sollte, die Nutzen bringt und glücklich macht. Kr.: So ist es. Damals jedenfalls wart ihr so darin übereingekommen, wie du von den Gesprächen erzähltest. So.: Macht also die königliche Kunst die Menschen weise und gut? Kr.: Was hindert sie daran, Sokrates? So.: Aber macht sie auch alle gut und gut in jeder Hinsicht? Ist sie es,
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die jedes Wissen verleiht, das Wissen eines Schusters, eines Architekten und alle anderen Erkenntnisse? Kr.: Das glaube ich nicht, Sokrates. So.: Aber welches Wissen denn? Und wozu nutzen wir es? Es darf nämlich keines der Produkte herstellen, die weder gut noch schlecht sind; und es darf kein anderes Wissen vermitteln als sich selbst. Wollen wir sagen, um welches Wissen es sich handelt und wozu wir es nutzen? Stimmst du zu, wenn wir sagen, Kriton, es sei dasjenige Wissen, mit dessen Hilfe wir andere gut machen? Kr.: Gewiss. So.: Worin werden uns diese gut sein und worin nützlich? Oder wollen wir weiter sagen, dass sie andere gut machen werden, jene anderen aber wieder andere? Worin sie denn gut sind, zeigt sich uns nirgends, da wir alle Werke verworfen haben, die als Werke der politischen Kunst gelten; vielmehr liegt geradezu ein Fall des sprichwörtlichen ‚Korinthus, Sohn des Zeus‘ vor; und, wie ich sagte, sind wir in der gleichen Schwierigkeit wie zuvor oder sogar in noch größerer, wenn es um die Frage geht, welches denn jenes Wissen ist, das uns glücklich machen wird? Kr.: Bei Zeus, Sokrates, ihr seid, wie es scheint, in wirklich große Verlegenheit geraten. So.: Weil ich also auch selbst, Kriton, in diese ausweglose Lage geraten war, bot ich meine ganze Stimme auf und flehte die beiden Fremden an, wie man die beiden Dioskuren bittet, uns zu retten, mich und den Knaben, aus der dreifachen Welle der Argumente, und auf jede Weise Ernst zu machen und dabei zu zeigen, welches denn das Wissen ist, mit dem wir das restliche Leben gut verbringen würden. Kr.: Und was geschah? War Euthydemos bereit, sich darüber zu äußern? So.: Wie denn nicht? Er begann, mein Freund, die Rede wirklich sehr vornehm auf diese Weise. – Möchtest du, sagte er, Sokrates, dass ich dich in diesem Wissen, über das ihr schon lange ratlos seid, belehre, oder soll ich zeigen, dass du bereits über dieses Wissen verfügst? – Glückseliger, sagte ich, liegt das in deiner Macht? – Gewiss, sagte er. – Dann zeige mir, bei Zeus, sagte ich, dass ich das Wissen schon habe. Viel leichter ist dies nämlich als es zu erlernen für einen Mann in meinem Alter. – Wohlan denn, antworte mir, sagte er. Gibt es etwas, das du weißt? – Gewiss, sagte ich, wirklich viele Dinge, freilich unbedeutende. – Das genügt, sagte er. Meinst du, es sei möglich, dass etwas, was ist, eben dies, was es gerade ist, zugleich nicht ist? – Aber bei Zeus, das meine ich nicht. – Also du weißt etwas?, sagte er. – In der Tat. – Also bist du wissend, wenn du wirklich etwas weißt. – Gewiss, in eben dem. – Das macht keinen Unterschied. Aber weißt du nicht notwendig alles,
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wenn du wirklich wissend bist? – Bei Zeus, nein, sagte ich; wo ich doch viele andere Dinge nicht weiß. – Wenn du also etwas nicht weißt, bist du ‚nicht wissend‘? – In eben jenem, mein Freund, sagte ich. – Bist du deshalb nicht etwas weniger ‚nicht wissend‘?, sagte er. Eben aber hast du behauptet, wissend zu sein. Und so bist du eben der, der du bist, und bist es auch wieder nicht, mit Blick auf dieselben Dinge zugleich. Wohlan, sagte ich, Euthydemos; nach dem Sprichwort ist nämlich alles schön, was du sagst. Wie also weiß ich jenes Wissen, nach dem wir suchen? Denn da es ja offenbar unmöglich ist, dass dasselbe ist und nicht ist, weiß ich alles, wenn ich eines weiß – denn ich könnte wohl nicht zugleich wissend und nicht wissend sein. Da ich aber alles weiß, verfüge ich auch über jenes Wissen. Meinst du das so, und ist dies das Kunststück? – Du widerlegst dich doch selbst, sagte er, Sokrates. – Was also, Euthydemos?, sagte ich. Ist es dir nicht ganz genauso gegangen? – Was ich mit dir und diesem Dionysodoros hier erleide, liebes Haupt, soll mich überhaupt nicht verdrießen. Sage mir, wisst ihr beide nicht einige Dinge, wisst aber andere nicht? – Keineswegs, Sokrates, sagte Dionysodoros. – Was meint ihr beide?, sagte ich. Wisst ihr beide also nichts? – Im Gegenteil, sehr viel wissen wir, sagte er. – Alles also, sagte ich, wisst ihr beide, da ihr etwas wisst? – Alles, sagte er. Auch du weißt alles, wenn du auch nur eines weißt. – Zeus, sagte ich, was sagst du Wunderbares und welch großes Gut hat sich gezeigt! Es wissen doch wohl etwa nicht auch die anderen Menschen alle alles oder nichts? – Offenbar nämlich, sagte er, können sie nicht das eine wissen, das andere aber nicht, und sind zugleich wissend und nicht wissend. – Aber was folgt nun? sagte ich. – Alle, sagte er, wissen also alles, wenn sie wirklich eines wissen. – Bei den Göttern, sagte ich, Dionysodoros – offenbar ist es euch beiden nämlich Ernst, und ich habe euch endlich dazu gebracht, ernsthaft zu sein – wisst ihr selbst beide wirklich alles? Z. B. die Kunst des Zimmermanns oder die des Schusters? – Gewiss, sagte er. – Oder seid ihr beide in der Lage, zu schustern? – Und auch, bei Zeus, Schuhe zu flicken. – Wisst ihr etwa auch solches, wie viele Sterne es gibt und wie viel Sand? – Gewiss, sagte er. Du glaubst etwa, wir würden dem nicht zustimmen? – Da nahm Ktesippos das Wort und sagte: Bei Zeus, Dionysodoros, zeige mir einen solchen Beweis dafür, durch den ich weiß, dass ihr die Wahrheit redet. – Was soll ich zeigen?, sagte er. – Weißt du von Euthydemos, wie viele Zähne er hat, und weiß Euthydemos, wie viele du hast? – Dir genügt nicht, zu hören, dass wir alles wissen? – Aber keineswegs, sagte er, sondern das nur sollt ihr beide uns sagen und zeigen, dass ihr die Wahrheit sagt. Und wenn ihr sagt, wie viele Zähne ein jeder von euch beiden hat, und es sich gezeigt hat, dass ihr es wisst, wenn wir sie
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zählen, dann werden wir euch auch in anderen Dingen glauben. Die beiden glaubten nun, sie würden verspottet und wollten nicht, sondern bestanden beide darauf, alle Dinge zu wissen, als sie von Ktesippos nach jedem einzelnen gefragt wurden. Denn Ktesippos stellte ganz unverhüllt jede nur mögliche Frage, am Schluss auch nach den schimpflichsten Dingen, ob sie die wüssten. Die beiden aber machten sich äußerst tapfer an die Fragen, wobei sie zustimmten, es in jedem Fall zu wissen, ganz wie wilde Schweine auf die, die sie mit dem Messer schlachten, losgehen, so dass auch ich selbst, Kriton, mich aus Unglauben schließlich gezwungen sah zu fragen, ob Dionysodoros auch zu tanzen wisse. Der aber antwortete: Gewiss. – Doch ich vermute nicht, sagte ich, dass du in deinem Alter an Weisheit so weit fortgeschritten bist, über Schwerter zu tanzen und dich auf der Scheibe zu drehen? – Da ist nichts, sagte er, was ich nicht kann und weiß. – Wisst ihr denn beide, sagte ich, alles nur jetzt oder auch immer? – Auch immer, sagte er. – Auch als ihr beide noch Kinder und gerade geboren wart, wusstet ihr alles? – Beide sagten ja. – Uns schien die Sache wirklich unglaublich zu sein. Doch Euthydemos sagte: Du glaubst es nicht, Sokrates? – Nur, sagte ich, dass ihr zweifellos weise seid. – Aber, sagte er, wenn du mir antworten willst, will ich dir zeigen, dass auch du diese wunderbaren Dinge eingestehst. – Aber, sagte ich, mit großer Freude will ich mich in diesen Dingen widerlegen lassen. Wenn ich nämlich weise bin, ohne dass ich selbst es weiß, du aber zeigst, dass ich immer alles weiß, welch größeren Fund als diesen könnte ich in meinem ganzen Leben machen? – Antworte also, sagte er. – Frage nur; ich werde antworten. Also, sagte er, Sokrates, weißt du etwas oder nicht? – Gewiss. – Bist du also auch durch das wissend, durch das du weißt, oder durch etwas anderes? – Wodurch ich wissend bin. Denn ich denke, du meinst die Seele. Oder meinst du das nicht? – Schämst du dich nicht, sagte er, Sokrates? Du bist der Gefragte und stellst Gegenfragen? – Gut, sagte ich. Wie aber soll ich vorgehen? Ich möchte es so machen, wie du es befiehlst. Wenn ich nicht weiß, was du fragst, befiehlst du, dass ich dennoch antworte, aber keine Gegenfrage stelle? – Du verstehst doch irgendetwas bei dem, sagte er, was ich sage? – Freilich, sagte ich. – Mit Blick darauf, was du verstehst, antworte nur. – Was also?, sagte ich. Wenn du bei deiner Frage das eine im Sinn hast, ich bei meiner Antwort aber anderes denke und dann mit Blick darauf antworte; genügt es dir, wenn ich nicht zum Gesagten antworte? – Mir genügt das, sagte er; nicht freilich dir, wie ich vermute. – So will ich, bei Zeus, nicht eher antworten, sagte ich, bevor ich die Frage verstanden habe. – Du willst nicht antworten, sagte er, mit Blick auf das, was immer du verstehst, weil du beständig Unsinn redest und altmodischer bist als notwendig. –
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Da merkte ich, dass er böse auf mich war, weil ich differenzierte bei dem, was er sagte, weil er mich jagen wollte, indem er mich mit Worten umstellte. Ich erinnerte mich an Konnos, wie auch der mir jedes Mal böse war, sobald ich ihm nicht folgte, und dass er als Folge sich weniger Mühe mit mir gab, weil ich seiner Meinung nach dumm war. Da ich aber im Sinn hatte, gerade auch bei ihm Unterricht zu nehmen, glaubte ich, ihm nachgeben zu müssen, damit er mich nicht für einen törichten Schüler hielte und mich abweise. Ich sagte also: Aber wenn es dir gut scheint, Euthydemos, es so zu machen, dann will ich es tun. Du nämlich verstehst dich auf jede Weise als Sachverständiger besser auf Untersuchungen im Gespräch als ich, der Laie. Frage also wieder von Anfang an. – Antworte nunmehr wieder, sagte er, ob du das, was du weißt, mit etwas weißt oder nicht? – Das tue ich, sagte ich, mit der Seele. – Schon wieder, sagte er, fügt dieser dem Gefragten in der Antwort etwas hinzu. Denn ich frage dich nicht, womit du weißt, sondern, ob du mit etwas Wissen hast. – Mehr als erlaubt, sagte ich, habe ich wieder aus Mangel an Bildung geantwortet. Aber verzeihe mir. Ich will nämlich nun einfach antworten, dass ich mit Hilfe von etwas weiß, was ich weiß. – Immer mit eben demselben, sagte er, oder mal mit diesem, mal mit einem anderen? – Immer mit diesem, wenn ich etwas weiß, sagte ich. – Wirst du nicht aufhören, sagte er, wieder Ergänzungen hinzuzufügen? – Aber ich füge es nur hinzu, damit uns nicht dieses ‚immer‘ täuscht. – Uns gewiss nicht, sagte er; wenn aber einen, dann dich. Aber antworte: Weißt du wirklich immer mit diesem? – Immer, sagte ich, da doch das ‚wenn‘ fort gelassen werden muss. – Also immer weißt du mit diesem. Wenn du aber immer wissend bist, weißt du das eine mit diesem, mit dem du weißt, anderes aber mit anderem, oder mit diesem alles? – Mit diesem alles, sagte ich, was ich wirklich weiß. – Da ist es wieder, sagte er. Da kommt derselbe Zusatz wieder. – Aber ich nehme das ‚was ich wirklich weiß‘ zurück, sagte ich. – Aber auch nicht eines sollst du zurücknehmen, sagt er. Ich bitte dich nicht um einen Gefallen. Vielmehr antworte mir. Könntest du wohl alles zusammen wissen, wenn du nicht alles einzeln wüsstest? – Das wäre doch ein Wunder, sagte ich. – Füge nur immer hinzu, was du willst, sagte er. Denn du gibst zu, alles zu wissen. – So scheint es, sagte ich; da der Ausdruck ‚was ich weiß‘ gar keine Bedeutung haben soll, weiß ich alles. – Aber du hast auch schon zugegeben, dass du immer weißt, mit Hilfe dessen, was du weißt, sei es sobald du weißt, sei es wie du es sagen willst. Immer nämlich – so hast du zugegeben – weißt du und weißt alles zugleich. Klar ist, dass du auch schon als Knabe wusstest und als du geboren wurdest und als du gezeugt wurdest. Sogar bevor du geboren wurdest und bevor Himmel und Erde waren, wusstest du alles, wenn es
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wahr ist, dass du immer weißt. Bei Zeus, sagte er, du selbst wirst immer wissen und wirst alles wissen, wenn ich es so will. – Aber du magst ruhig wollen, du viel verehrter Euthydemos, wenn du wirklich die Wahrheit sagst. Aber ich glaube dir nicht recht, dass du dazu fähig bist, wenn nicht auch dein Bruder hier, Dionysodoros, mit dir gleicher Meinung ist. Auf diese Weise aber könnte es vielleicht gelingen. Sagt ihr beide mir, sprach ich, – mit Blick auf andere Dinge sehe ich keine Möglichkeit mit euch, die ihr solche Wunder an weisen Menschen seid, zu streiten, dass ich nicht alles weiß, da ihr behauptet, dass ich es tue – was aber gilt mit Bezug auf solche Dinge? Wie kann ich behaupten zu wissen, Euthydemos, dass gute Menschen ungerecht sind? Los, sage mir, weiß ich das oder weiß ich das nicht? – Du weißt es freilich, sagte er. – Weiß was?, sagte ich. – Dass die Guten nicht ungerecht sind. – Gewiss, sagte ich, schon lange. Aber das frage ich nicht. Sondern ich fragte, dass die Guten ungerecht sind, wo habe ich das gelernt? – Nirgendwo, sagte Dionysodoros. – Dann weiß ich es also nicht, sagte ich. – Du verdirbst uns das Argument, sagte Euthydemos zu Dionysodoros. Und dieser Kerl hier wird sich als einer erweisen, der nicht weiß und als einer, der zugleich wissend ist und nicht weiß. – Da errötete Dionysodoros. Aber du, sagte ich, was sagst du, Euthydemos? Scheint dir dein alles wissender Bruder nicht richtig zu sprechen? – Ein Bruder nämlich bin ich des Euthydemos, warf da Dionysodoros fragend schnell ein und nahm das Wort. Da sagte ich: Lass das, Bester, bis Euthydemos mich darüber belehrt hat, dass ich weiß, dass gute Menschen ungerecht sind, und missgönne mir nicht dieses Lehrstück. – Du läufst fort, Sokrates, sagte Dionysodoros, und willst nicht antworten. – Natürlich, sagte ich. Unterlegen bin ich nämlich einem jeden von euch, so dass ich drauf und dran bin, vor euch beiden zu fliehen. Ich bin nämlich weitaus weniger wert als Herakles, der nicht gegen die Hydra kämpfen konnte, jener Sophistin, die, wenn einer ihrem Satz einen Kopf abschnitt, raffinierterweise anstatt des einen viele Köpfe wachsen ließ, und auch nicht gegen jenen anderen Sophisten, den Seekrebs, der aus dem Meer gekommen war, eben erst, wie mir scheint. Als dieser Seekrebs ihm zusetzte, indem er ihn von der linken Seite ansprach und biss, rief Herakles seinen Neffen Iolaos zu Hilfe, der ihm mit Erfolg half. Wenn aber mein Iolaos käme, würde er wohl alles nur noch schlimmer machen. – Antworte also, sagte Dionysodoros, wenn du mit deiner Litanei fertig bist. War Iolaos wohl mehr der Neffe des Herakles als der deine? – Ich denke, es ist wohl am besten für mich, Dionysodoros, sagte ich, dir zu antworten. Denn du wirst mit der Fragerei bestimmt nicht aufhören, – das weiß ich nahezu mit Sicherheit,
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weil du aus Neid sogar verhindern willst, dass Euthydemos mich jenes Wissen lehrt. – Antworte also, sagte er. – Meine Antwort ist, dass Iolaos Herakles’ Neffe war, meiner aber, wie mir scheint, auf gar keine Weise. Denn nicht Patrokles, mein Bruder, war sein Vater, obgleich Herakles’ Bruder, Iphikles, einen ziemlich ähnlichen Namen hatte. – Patrokles aber, sagte er, ist dein Bruder. – Gewiss, sagte ich, mütterlicherseits, nicht freilich väterlicherseits. – Er ist also dein Bruder und nicht dein Bruder? – Väterlicherseits nicht, mein Bester, sagte ich. Denn sein Vater war Chairedemos, meiner aber Sophroniskos. – Vater also, sagte er, waren Sophroniskos und auch Chairedemos? – Gewiss, sagte ich. Der eine meiner, der andere von jenem. – Also war, sagt er, Chairedemos ein anderer als der Vater? – Als der meine gewiss, sagte ich. – War er also Vater, obgleich er ein anderer war als Vater? Oder bist du derselbe, wie der sprichwörtliche Stein? – Ich fürchte wohl, sagte ich, dass du beweisen wirst, dass ich es bin, ich glaube es aber nicht. – Also bist du, sagte er, ein anderer als der Stein? – Ein anderer, gewiss. – Nicht wahr, wenn du ein anderer als ein Stein bist, sagte er, bist du kein Stein? Und wenn du ein anderer als Gold bist, kein Gold? – Das stimmt. – Also ist Chairedemos, sagte er, wohl kein Vater, wenn er ein anderer als Vater ist? – Offenbar, sagte ich, ist er kein Vater. – Denn wenn nämlich Chairedemos ein Vater ist, sagte Euthydemos, indem er das Wort ergriff, dann ist wiederum Sophroniskos ein anderer als Vater und kein Vater, so dass du, Sokrates, vaterlos bist. Da griff Ktesippos ins Gespräch ein und sagte: Ist euer Vater nicht in derselben Lage? Ist er ein anderer als mein Vater? – Weit gefehlt, sagte Euthydemos. – Also, sagte er, derselbe? – Derselbe, in der Tat. – Das gefällt mir wohl nicht. Aber, sage mir, Euthydemos, ist er allein mein Vater oder auch Vater der anderen Menschen? – Auch der anderen Menschen, sagte er. Oder meinst du, derselbe Mann sei Vater und nicht Vater? – Eben das meinte ich, sagte Ktesippos. – Was aber?, sagte er. Gold wäre dann auch nicht Gold? Oder ein Mensch auch nicht Mensch? – Wenn du nur nicht, Euthydemos, sagte Ktesippos, Leinen mit Leinen zusammennähst, wie man so sagt. Denn eine bemerkenswerte Sache behauptest du, wenn dein Vater Vater von allen ist. – Aber das ist er, sagte er. – Nur von Menschen, sagte Ktesippos, oder auch von Pferden und allen übrigen Lebewesen? – Von allen, sagte er. – Und auch deine Mutter die Mutter von allen? – In der Tat, auch die Mutter. – Also ist deine Mutter, sagt er, Mutter auch von Seeigeln? – Das ist auch die deine, sagte er. – Also bist du Bruder von jungen Kühen, jungen Hunden und Ferkeln? – Aber auch du, sagte er. – Ein Eber also ist dein Vater und ein Hund. – Auch deiner, sagte er. – Sofort, sagte Dionysodoros, wirst du mir das zugestehen, Ktesippos, wenn du mir antwortest. Sage mir
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nämlich, hast du einen Hund? – Und einen recht bösen dazu, sagte Ktesippos. – Hat er auch Junge? – Ja, eben solche, sagte er. – Also ist der Hund deren Vater? – Ich sah selbst, sagte er, wie er die Hündin besprang. – Was also? Ist der Hund nicht der deine? – Gewiss, sagte er. – Also ist er Vater und deiner, so dass der Hund zu deinem Vater wird und du zum Bruder der jungen Hunde? Da griff erneut schnell Dionysodoros ein, damit ihm Ktesippos nicht zuvorkäme, und sagte: Und eine Kleinigkeit beantworte mir noch. Schlägst du diesen Hund? – Da lachte Ktesippos. Bei den Göttern, sagte er. Denn dich kann ich nicht schlagen. – Also, sagte er, schlägst du deinen eigenen Vater? – Viel besser, sagte er, sollte ich euren Vater dafür schlagen, dass er so weise Söhne zeugte. Aber gewiss doch wohl, Euthydemos, hat euer und der jungen Hunde Vater viel Gutes von dieser eurer Weisheit erfahren. – Aber er braucht nicht viele Güter, Ktesippos, weder jener noch du. – Auch du selbst nicht, Euthydemos?, sagte er. – Auch kein anderer Mensch. Sage mir nämlich, Ktesippos, ob du es für gut hältst, einem Kranken Arznei zu trinken zu geben, wenn er ihrer bedarf, oder nicht für gut. Oder wenn einer in den Krieg zieht, dass er lieber mit Waffen geht als ohne. – Mir scheint dies so. Obgleich ich glaube, dass du etwas von deinen Kunstgriffen vorbringen wirst. – Du wirst es am besten herausfinden, sagte er. Antworte aber nur. Da du nämlich zustimmst, dass es gut für einen Menschen ist, Arznei zu trinken, wenn er ihrer bedarf, muss er da nicht wohl möglichst viel von diesem Guten trinken und wird sich wohl befinden, wenn einer ihm ein ganzes Fuder Nieswurz zerriebe und eingäbe? – Da sagte Ktesippos: Gar sehr, Euthydemos, wenn der Trinkende so groß wäre wie das Standbild in Delphi. – Auch, sagte er, wenn es im Krieg gut ist, Waffen zu haben, so muss man so viele Speere und Schilde wie möglich haben, da es ja gut ist? – Aber ganz gewiss doch, sagte Ktesippos. Du aber meinst das nicht, Euthydemos, sondern nur einen Schild und einen Spieß? – Ja. – Würdest du wirklich auch den Geryones, sagte er, und den Briareus so bewaffnen? Ich aber glaubte, dass du dich hierauf besser verstündest, weil du Waffenkämpfer bist, genauso wie dein Freund hier. – Da verstummte Euthydemos. Dionysodoros aber kam auf die früheren Antworten von Ktesippos zurück und stellte die Frage: Scheint es dir nicht auch gut, Gold zu haben?, sagte er. – Freilich, und zwar viel, sagte Ktesippos – Was also? Meinst du nicht, dass man gute Dinge immer haben muss und überall? – Ganz gewiss, sagte er. – Und das Gold hältst du doch auch für gut? – Dem habe ich zugestimmt, sagte er. – Also musst du es immer haben und überall und vornehmlich bei dir selbst? Und es ist wohl besonders glücklich, wer drei Talente Gold im Bauch hätte, ein Talent im Schädel, einen Goldtaler in jedem Auge? – Man sagt
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doch, Euthydemos, sprach Ktesippos, dass diese die glücklichsten und besten Männer unter den Skythen sind, die viel Gold in ihren eigenen Schädeln haben, ganz auf die Weise wie du eben vom Hund als meinem Vater sprachst, und, was wirklich noch wunderbarer ist, dass sie sogar aus ihren eigenen, vergoldeten Schädeln trinken, und die Innerei ihres eigenen Schädels sehen, den sie in ihren Händen tragen. – Sehen die Skythen und die anderen Menschen, sagte Euthydemos, was (man) sehen kann oder was (man) nicht sehen kann? – Offenbar das, was in der Lage ist zu sehen. – Also auch du? – Auch ich. – Du siehst also unsere Kleider? – Ja. – Sie sind also fähig zu sehen (gesehen zu werden)? – Aber ganz sicher, sagte Ktesippos. – Was aber sehen sie?, sagte er. – Nichts. Du aber glaubst vielleicht nicht, dass es möglich ist, dass sie sehen. So naiv bist du. Aber du scheinst mir, Euthydemos, mit offenen Augen zu schlafen und, wenn es möglich ist, zu reden und nichts zu sagen, dann scheinst du mir genau dieses zu tun. – Ist es denn nicht möglich, sagte Dionysodoros, dass ein Schweigender redet (man von einem Schweigenden redet)? – Ganz und gar nicht, sagte Ktesippos. – Also auch nicht zu schweigen, obgleich man spricht (über einen, der spricht)? – Noch weniger, sagte er. – Sobald du also von Steinen, Holz und Eisen sprichst, sprichst du da nicht von Dingen, die schweigen? – Keineswegs, wenn ich in die Schmiede komme, sagte er; vielmehr sagt man, dass das Eisen tönt und gewaltig schreit, wenn man es anrührt, so dass dir aus übergroßer Weisheit entgangen ist, dass du Unsinn gesagt hast. Aber zeigt mir nun auch das andere, wie es für einen Redenden möglich ist zu schweigen. – Mir schien, dass Ktesippos sehr für seinen Geliebten in Sorge war. – Sobald du schweigst, sagte Euthydemos, schweigst du da nicht in jeder Hinsicht über alles? – Das tue ich, sagte er. – Also auch hinsichtlich der Dinge, die reden, schweigst du, wenn diese zu allen Dingen gehören – Was aber?, sagte Ktesippos. Schweigen denn nicht alle Dinge? – Offenbar nicht, sagte Euthydemos. – Also, Bester, reden alle Dinge? – Das, was offenbar redet. – Aber, sagte er, danach frage ich nicht, sondern nach allen Dingen, ob sie schweigen oder reden? – Keines von beidem und beides, sprang Dionysodoros eilig ein. Denn ich weiß genau, dass du mit der Antwort nichts wirst anfangen können. Da lachte Ktesippos laut auf, wie er es zu tun pflegte: Euthydemos, dein Bruder hat das Argument zweideutig gemacht, – er ist verloren und unterlegen. Auch Kleinias freute sich sehr und lachte, so dass Ktesippos vor Stolz mehr als zehnfach anschwoll. Mein Eindruck war, dass Ktesippos wegen seiner Schlauheit eben dieses Verfahren von ihnen selbst abgehört hat. Denn eine Kunstfertigkeit von der Art gibt es bei anderen Menschen, die heute leben, nicht. Und ich sagte: Warum lachst du, Kleinias, über so ernste und schöne
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Dinge? – Hast du denn schon jemals, Sokrates, ein schönes Ding gesehen?, sagte Dionysodoros. – Habe ich, sagte ich, und wirklich viele, Dionysodoros. – Waren die verschieden von dem Schönen, sagte er, oder das gleiche wie das Schöne? Da befand ich mich in jeder Hinsicht in einer ganz schlimmen Falle, und dachte, dass mir Recht geschehen sei, weil ich einen Mucks gemacht hatte. Dennoch antwortete ich: ‚Verschieden von dem Schönen selbst‘. Denn bei jedem von ihnen ist eine gewisse Schönheit anwesend. – Wenn bei dir also, sagte er, ein Rind anwesend ist, bist du dann ein Rind, und weil ich jetzt bei dir bin, bist du Dionysodoros? – Schweig um Himmels willen wenigstens darüber, sagte ich. – Aber auf welche Weise, sagte er, kann das Andere anders sein, wenn ein anderes bei einem anderen anwesend ist? – Darüber, sagte ich, bist du ratlos? Denn schon begann ich, die Weisheit der beiden Männer nachzuahmen, weil ich sie begehrte. Wie nämlich soll ich nicht ratlos sein, sagte er, ich genauso wie alle anderen Menschen, über etwas, das nicht möglich ist? – Was sagst du, sagte ich, Dionysodoros? Ist nicht das Schöne schön und das Hässliche hässlich? – Wenn es mir so scheint, sagte er. – Scheint es dir also? – Gewiss, sagte er. – Gilt also auch, dass dasselbe dasselbe und das Verschiedene verschieden ist? Denn offenbar ist das Verschiedene nicht dasselbe, sondern ich meinte, nicht einmal ein Kind würde Zweifel daran haben, dass das Verschiedene verschieden ist. – Aber, Dionysodoros, du hast das willentlich übersehen, da du und dein Bruder mir in jeder anderen Hinsicht die Argumentation sehr schön durchzuführen scheint, wie die Handwerker, die ein jedes, wie es ihm nach Art ihrer Kunstfertigkeit zukommt, verfertigen. – Weißt du also, sagte er, was jedem Handwerker an Kunstfertigkeit zukommt? Zuerst, weißt du, wem das Schmieden zukommt? – Ja, einem Schmied. – Wem das Töpfern? – Einem Töpfer. – Was aber ist mit Schlachten und Häuten und Fleisch in kleine Teile zu zerlegen, kochen und braten? – Einem Koch, sagte ich. – Wenn einer also, sagte er, das tut, was ihm als Tätigkeit zukommt, wird er dann richtig handeln? – Gewiss. – Ist es aber, wie du sagst, angemessen, den Koch zu schlachten und zu häuten (dass der Koch schlachtet und häutet)? Hast du das zugegeben oder nicht? – Ich habe es zugegeben, sagte ich, aber sieh es mir nach. – Klar ist offenbar, sagte er, dass er das Angemessene tut, wenn einer den Koch schlachtet, zerlegt, kocht und brät. Und wenn jemand den Schmied selbst schmiedet und den Töpfer töpfert, dann wird auch dieser das Angemessene tun. – Poseidon, sagte ich, jetzt setzt du deiner Weisheit die Krone auf! – Wird sich diese Weisheit je bei mir einstellen, so dass sie mein eigen wird? Du erkennst sie wohl, Sokrates, wenn sie dir eigen ist? – Wenn du willst, sagte ich, dann gewiss. – Wie das, sagte er, du glaubst, das Deine zu erkennen? –
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Wenn du nicht etwas anderes sagst. Denn mit dir muss man anfangen, bei Euthydemos hier aber enden. – Du meinst also, sagte er, das sei ‚deines‘, worüber du gebietest und was du nach Belieben gebrauchen kannst? Z. B. Rinder und Schafe; meinst du wohl, die wären dein, weil du sie verkaufen, verschenken und opfern kannst, welchem der Götter du willst? Und womit es sich nicht so verhält, das ist demnach nicht ‚deines‘? – Und da ich merkte, dass wieder eine schöne Sache aus den Fragen selbst auftauchen würde, und weil ich zugleich sie möglichst schnell hören wollte, sagte ich: Genauso verhält es sich. Nur Dinge dieser Art sind meine. – Was aber? Lebewesen, sagte er, nennst du doch alles das, was eine Seele hat? – Ja, sagte er. – Stimmst du zu, dass alleine diejenigen von den Lebewesen deine sind, über die du die Macht hast, alles das zu tun, was ich eben erwähnte? – Ich stimme zu. – Und er tat so, als hielte er inne, um etwas ganz Wichtiges zu bedenken, und sprach: Sage mir, Sokrates, hast du einen ‚angestammten‘ Zeus? – Da argwöhnte ich, dass ein Argument kommen würde, das ausgehen würde, wie es auch ausging, und drehte und wendete mich vergeblich, wie bereits in einem Netz gefangen. Nein, habe ich nicht, Dionysodoros, sagte ich. – Dann bist du ein ganz armer Kerl und auch kein Athener, der du nicht einmal ‚angestammte‘ Götter hast noch Heiliges noch anderes Schönes und Gutes. – Höre auf, Euthydemos, sagte ich, schweige und belehre mich nicht auf so harte Weise. Denn ich habe allerdings Altäre und eigene und ‚angestammte‘ Heiligtümer und das übrige, was die anderen Athener von dieser Art haben. – Was also ist mit den anderen Athenern, sagte er, haben die keinen ‚angestammten‘ Zeus? – Nein, sagte ich, diese Bezeichnung gibt es bei keinem der Ionier und auch nicht bei denen, die von dieser Stadt aus Kolonien gegründet haben, und nicht bei uns, sondern Apollon heißt bei uns ‚angestammt‘, weil er Ion hervorgebracht hat. Zeus wird bei uns nicht ‚angestammt‘ genannt, sondern ‚Verteidiger des Gehöfts‘ und ‚der Brüderlichkeit‘ und auch die Athene ‚Athene von der Bruderschaft‘. – Aber das reicht, sagte Dionysodoros. Es gibt nämlich bei dir, wie es scheint, einen Apollon, einen Zeus und eine Athene. – Gewiss, sagte ich. – Also sind auch diese wohl deine Götter?, sagte er. – Ahnen, sagte ich, und Gebieter. – Aber deine, sagte er; oder hast du nicht zugegeben, dass sie deine seien? – Das habe ich zugegeben, sagte ich; was geschieht mit mir? – Nun, sind diese Götter Lebewesen?, sagte er. Denn du hast eingeräumt, dass Lebewesen ist, was eine Seele hat. Oder haben diese Götter keine Seele? – Haben sie, sagte ich. – Also sind sie Lebewesen? – Lebewesen, sagte ich. – Von den Lebewesen aber hast du zugegeben, sagte er, sind diejenigen deine, die du verschenken, verkaufen oder einem Gott deiner Wahl opfern kannst. – Das habe ich ein-
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geräumt, sagte ich. Es gibt kein Entkommen für mich, Euthydemos. – So komm denn und sage mir sofort, meinte er: Da du zugibst, Zeus und die übrigen Götter seien dein, ist es dir dann erlaubt, sie zu verkaufen, zu verschenken oder sonst mit ihnen zu machen, was du willst, wie mit anderen Lebewesen? – Da lag ich also, Kriton, sprachlos, von der Argumentation gleichsam niedergestreckt. Ktesippos aber eilte herbei, um zu helfen, und sagte: Pyppax, Herakles, welch ein schönes Argument! – Da sagte Dionysodoros, ist denn Herakles Pyppax oder Pyppax Herakles? – Poseidon, rief Ktesippos, welch gewaltige Reden. Ich gebe auf. Die beiden Männer sind unschlagbar. Da war keiner von den Anwesenden, mein lieber Kriton, der die Rede und die beiden Männer nicht über die Maßen gelobt hätte, und vor Lachen, Beifall und Freude kamen sie beinahe um. Denn auch bei jedem einzelnen der vorherigen Schaustücke gab es gehörig Beifall allein unter den Liebhabern des Euthydemos. Jetzt aber stimmten beinahe sogar die Säulen des Lykeions in den Beifall über die beiden Männer mit ein und freuten sich. Sogar ich selbst war so hingerissen, dass ich eingestand, niemals so weise Männer gesehen zu haben. So völlig bezwungen war ich von der Weisheit der beiden, dass ich sie zu loben und zu preisen begann, und ich sagte: Ihr beiden Glückseligen, welch wunderbare Begabung habt ihr, die ihr eine so wichtige Sache so schnell und in kurzer Zeit zur Vollendung gebracht habt. Denn viele andere schöne Dinge bieten eure Reden, Euthydemos und Dionysodoros. Von denen aber ist sogar dies das bedeutendste, dass ihr euch um den größten Teil der Menschen, auch die ehrwürdigen und angesehenen, nicht kümmert, sondern nur um die, welche euch gleich sind. Ich weiß nämlich sehr wohl, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die euch gleichen und diese Argumente schätzen, dass die anderen aber so von ihnen denken, dass sie – wie ich genau weiß – sich wohl mehr schämen, andere mit solchen Reden zu widerlegen als selbst widerlegt zu werden. Und da gibt es diesen anderen gewissermaßen volkstümlichen und milden Aspekt bei euren Reden: Wann immer ihr bestreitet, dass es etwas Schönes, Gutes oder Weißes oder etwas anderes dieser Art gibt oder dass es überhaupt anders als anderes ist, dann näht ihr sozusagen tatsächlich den Mund der Menschen zu, wie ihr selbst sagt. Dass ihr das aber nicht nur bei anderen, sondern auch bei euch selbst wohl zu tun scheint, ist sehr erfreulich und nimmt den Reden alles Unangenehme. Das Größte aber ist, dass die Sache so beschaffen und von euch kunstvoll ausgedacht ist, dass sie jedermann in sehr kurzer Zeit lernen kann. Ich habe auch auf Ktesippos geachtet und merkte, wie schnell er aus dem Stegreif imstande war, euch nachzuahmen.
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Diese charakteristische Eigenschaft eurer Tätigkeit, schnell vermittelt werden zu können, ist eine schöne Sache, doch nicht geeignet für eine öffentliche Vorführung. Vielmehr solltet ihr euch hüten – wenn ihr mir folgen wollt – vor vielen zu sprechen, damit sie euch nicht schnell die Sache auswendig lernen, ohne euch Dank zu wissen. Redet beide vornehmlich nur alleine untereinander. Wenn aber nicht, sondern wenn ihr vor einem anderen sprecht, dann nur vor einem, der euch Geld dafür gibt. Eben dies ratet auch euren Schülern, wenn ihr vernünftig seid, niemals mit einem anderen Menschen eure Redekunst zu praktizieren, sondern nur mit euch selbst. Das Rare nämlich, Euthydemos, ist wertvoll, das Wasser, obgleich es das Beste ist, wie Pindar sagte, ist das Wohlfeilste. Wohlan denn, sagte ich, nehmt auch mich und Kleinias hier als Schüler auf. Das, lieber Kriton, und einiges wenige andere noch besprachen wir und gingen fort. Sieh also zu, dass auch du dich zu den beiden in die Schule begibst. Denn die beiden behaupten, jeden unterrichten zu können, der Geld dafür bezahlen will, und dass keine Veranlagung und kein Alter daran hindere – was aber gerade für dich interessant ist zu hören, dass sie sagen, auch nichts sei einer Gelderwerbstätigkeit hinderlich – und dass jeder Beliebige sich ohne Mühe ihre Kunst aneignen könne. Kr.: Gewiss, Sokrates, bin ich einer, der gerne zuhört und gerne etwas lernen möchte; freilich scheine auch ich nicht zu denen zu gehören, die Euthydemos gleichen, sondern zu denen, von denen du auch sagtest, sie würden sich lieber von solchen Argumenten widerlegen lassen als selbst mit solchen andere zu widerlegen. Nun scheint es mir lächerlich, dich zurechtzuweisen; gleichwohl will ich dir kundtun, was ich hörte. Wisse also, dass einer von denen, die aus eurem Kreis fortgingen, auf mich zutrat, als ich umherging, ein Mann, der viel von sich hält, einer von denen, die Experten im Verfassen von Gerichtsreden sind; und der sagte: Kriton, hörst du diesen weisen Männern nicht zu? – Nein, bei Zeus, sagte ich. Ich konnte nämlich wegen der vielen Leute nichts hören, obgleich ich nahe hinzutrat. – Schade, sagte er, es war wirklich hörenswert. – Weshalb?, fragte ich. – Weil du in diesem Fall Männer hättest reden hören, die in solcher Art von Reden zurzeit am kundigsten sind. – Darauf sagte ich: Welchen Eindruck haben diese Reden denn auf dich gemacht? – Was erwartest du, sagte er, die Art von Reden, die man von solchen Schwätzern wohl hören kann, die auf wertlose Dinge unangemessenen Eifer verwenden. – Das waren in etwa seine Worte. Da sagte ich: Aber etwas wirklich Erfreuliches ist die Philosophie. – Was heißt ‚erfreulich‘, mein Lieber? Nichts wert ist sie. Vielmehr hättest du dich, wenn du jetzt dabei gewesen wärest, glaube ich, für deinen Freund sehr geschämt. Der war so seltsam, denn er war bereit, sich Menschen
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als Schüler preiszugeben, denen nichts daran liegt, was sie sagen, die sich vielmehr an jedes Wort anhängen. Und eben diese gehören, was ich eben sagte, zu den gegenwärtig Besten. Aber in Wirklichkeit, Kriton, sagte er, ist die Sache selbst und sind die Menschen, die sich mit dieser Sache beschäftigen, wertlos und lächerlich. Mir freilich, Sokrates, schien er die Sache nicht mit Recht zu tadeln und zwar weder dieser noch wenn ein anderer sie kritisiert. Auf der anderen Seite schien er mir an der Bereitschaft, sich mit Leuten dieses Schlages in der Öffentlichkeit einzulassen, mit Recht Anstoß zu nehmen. So.: Kriton, wundersam sind solche Menschen. Aber ich weiß noch nicht, was ich sagen soll. Zu welcher Art von Leuten gehörte der, der zu dir hintrat und die Philosophie tadelte? Handelte es sich um einen von denen, die vor Gericht zu streiten verstehen, einen Redner, oder war es einer von denen, die solche Redner hinschicken, ein Verfasser der Reden, welche die Redner im Prozess benutzen? Kr.: Er war keineswegs, bei Zeus, ein Redner; ich glaube auch nicht, dass er je vor Gericht aufgetreten ist. Aber man sagt, er verstehe sich auf die Sache, bei Zeus, sei ein Meister und verfasse meisterhafte Reden. So.: Ich verstehe schon. Von eben diesen Leuten wollte ich jetzt auch selbst sprechen. Denn diese sind es, Kriton, von denen Prodikos sagte, sie bilden den Grenzbereich zwischen Philosoph und Politiker; die aber meinen von allen Menschen am weisesten zu sein, und nicht nur zu sein, sondern auch bei sehr vielen als solche zu gelten, so dass nur die Leute, die sich mit Philosophie befassen, sie daran hindern, bei allen in Ruhm zu stehen. Sie glauben, wenn sie diese Leute in den Ruf brächten, dass man sie für wertlos hält, dann wäre bereits bei allen der Siegpreis für sie im Wettbewerb um den Ruhm der Weisheit unbestritten. Denn in Wahrheit seien sie am weisesten; wenn sie aber in ihren privaten Unterredungen Nachteile hätten, dann sei das den Leuten aus dem Kreis des Euthydemos zuzuschreiben. Sie halten sich für sehr weise, und das mit Recht. Maßvoll beschäftigten sie sich nämlich mit Philosophie, maßvoll mit Staatsgeschäften – nach ihrer einleuchtenden Behauptung – sie befassten sich mit beidem in dem Maße, wie es notwendig wäre, und könnten so die Früchte der Weisheit ernten, weil sie sich außerhalb der Gefahr und Auseinandersetzungen hielten. Kr.: Was denn? Scheinen sie dir, Sokrates, etwas Richtiges zu sagen? Denn, wie du zugeben musst, das Argument der Leute klingt recht plausibel. So.: Richtig, Kriton, es hat mehr Plausibilität als dass es wahr ist. Denn es ist nicht leicht, sie zu überzeugen, dass Menschen und alles andere, was zwischen zwei Dingen ist und an beiden teilhat, für den Fall besser als das eine, schlechter aber als das andere ist, dass eines der
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Dinge schlecht und das andere gut ist; dass es aber für den Fall, dass es an zweierlei Gutem mit distinktem Bereich teilhat, schlechter ist als jedes von beiden mit Blick darauf, wofür ein jedes von den beiden, aus denen es zusammengesetzt ist, nützlich ist. Nur in dem Fall, dass Dinge in der Mitte sind und an zwei distinkten Übeln teilhaben, sind diese besser als jedes der beiden, an denen sie Anteil haben. Wenn also die Philosophie gut ist und auch die Tätigkeit des Staatsmannes, jede von beiden in Hinsicht auf anderes, und wenn diejenigen, die an diesen beiden teilhaben, in der Mitte stehen, dann ist mit der Behauptung nichts gesagt – denn schlechter sind sie als beide; wenn aber Philosophie und Politik gut und schlecht sind, dann sind sie besser als die einen, schlechter als die anderen. Wenn aber beide schlecht sind, dann haben sie wohl Recht. Im anderen Fall aber keineswegs. Nun glaube ich nicht, dass sie zustimmen würden, weder, dass beide schlecht sind, noch, dass das eine schlecht, das andere gut ist. Aber in der Tat, wenn diese an beidem teilhaben, sind sie schlechter als beide mit Bezug jeweils darauf, worauf die Staatskunst und die Philosophie wertvoll sind, und obgleich sie in Wahrheit drittrangig sind, suchen sie, als erstrangig zu gelten. Freilich muss man ihnen das Bestreben nachsehen und nicht zürnen, darf sie allerdings nur für das halten, was sie sind. Jeden Menschen muss man nämlich schätzen, der auch nur etwas vorbringt, was mit Vernunft zu tun hat, und dies tapfer und mit Mühe durcharbeitet. Kr.: Und doch, Sokrates, bin ich, wie ich dir immer wiederhole, auch selbst wegen meiner Söhne ratlos, auf welche Weise man sie erziehen soll. Der eine ist noch jünger und kleiner, Kritoboulos aber wächst schon heran und muss jemanden haben, der ihn fördert. Sobald ich mit dir zusammen bin, geht es mir so, dass ich es für Wahnsinn halte, um der Kinder willen in vielem anderen solche Mühe aufgewandt – für die Ehe, damit sie eine Mutter aus gutem Hause erhalten, und für das Vermögen, damit sie möglichst wohlhabend sind –, ihre Erziehung aber vernachlässigt zu haben. Sobald ich mir aber nun diejenigen anschaue, die behaupten, Menschen erziehen zu können, bin ich erschrocken, und jeder einzelne von ihnen scheint bei Betrachtung sehr extravagant zu sein, um dir die Wahrheit zu sagen. Folglich weiß ich nicht, wie ich den jungen Mann zur Philosophie hinlenken soll. So.: Mein lieber Kriton, weißt du nicht, dass bei jedem Geschäft die Unfähigen zahlreich und nichts wert sind, die Fähigen wenige und alles wert? Oder scheint die Turnkunst nicht etwas Schönes zu sein, und die Kunst des Gelderwerbs, die Redekunst und die Kunst des Feldherrn? Kr.: Aber gewiss sehr. So.: Was also? Siehst du nicht, dass bei jeder dieser Beschäftigungen die meisten sich mit Blick auf alles lächerlich anstellen?
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Kr.: Bei Zeus, ja, das ist völlig richtig. So.: Willst du dich selbst deshalb etwa wirklich allen Beschäftigungen entziehen und auch deinen Söhnen keine Erlaubnis dazu geben? Kr.: Das wäre wirklich nicht richtig, Sokrates. So.: Tu also nicht, was du nicht sollst, Kriton, sondern lass die beiseite, die sich mit Philosophie befassen, ob sie gut oder schlecht sind, 307c und prüfe die Sache selbst genau und gut; wenn sie dir zufolge wirklich schlecht ist, rate jedem davon ab, nicht nur deinen Söhnen. Wenn sie aber zu sein scheint, wofür ich sie halte, dann gehe ihr getrost nach und übe sie, wie man so sagt, ‚du selbst und deine Kinder‘.
KOMMENTAR
Einleitung
1. Inhalt Lebendige und detailreiche Beschreibungen von Lokalität und Personen wie die zu Beginn des Euthydemos versetzen den Leser wie auch bei anderen Dialogen in eine lebensweltliche und alltägliche Situation, aus der sich die Gespräche wie von selbst und auf natürliche Weise zu entwickeln scheinen. Es geht Platon in diesem Dialog vor allem um eine kontrastierende Darstellung sophistischer Streitkunst und sokratischplatonischer Wahrheitssuche im Kontext einer Werbung für die Philosophie. Dabei wird Platons literarische Meisterschaft besonders deutlich: Der Dialog, der kunstvoll die direkte und indirekte Darstellungsform verbindet, beginnt mit einer dramatischen Darstellung, in der Kriton Sokrates bittet, ihm zu berichten, mit welchen Leuten er sich am Vortag im Lykeion unterhalten hat. Sokrates kommt der Bitte nach und berichtet, dass es sich um die ‚Allkämpfer‘ Euthydemos und Dionysodoros handelte, die Lehrer in vielen Dingen (militärische Kampfkunst, Redenschreiben, Rhetorik) gewesen seien und es jetzt in der eristischen Debattierkunst zu großer Kunstfertigkeit gebracht hätten, so dass sie alles widerlegen könnten, was man ihnen vortrage. Sokrates möchte die eristische Kunst der beiden Sophisten lernen und schlägt vor, dass Kriton es ihm gleichtun soll (271a–272d). Kriton ist bereit, möchte aber zunächst erfahren, welcher Art die Kunst der Eristiker ist (272de). Deshalb erzählt Sokrates, wie die Diskussion am Vortag verlaufen ist: Sokrates sieht, wie sich Euthydemos und Dionysodoros mit ihren Schülern im Lykeion unterhalten und als Lehrmeister der Tugend (ἀρετή) auftreten. Kleinias kommt mit einer Gruppe seiner engen und zum Teil in ihn verliebten Freunde, unter ihnen Ktesippos, hinzu (272e– 273c). Sokrates bittet die Eristiker um eine Probe ihrer Kunst und fordert sie auf, Kleinias zu beweisen, dass man die Weisheit lieben und lernen kann und der Tüchtigkeit (ἀρετή) folgen soll. Kleinias aber möge auf ihre Fragen antworten (273e–275c). Nach einem Musenanruf durch Sokrates stellen Euthydemos und Dionysodoros die erste Frage: Wer lernt, derjenige, der etwas weiß, oder derjenige, der nicht etwas weiß
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Kommentar
(275c–276c)? Dionysodoros raunt Sokrates zu, Kleinias werde widerlegt, was auch immer er sage – und das geschieht: Sowohl Kleinias’ Antwort ‚Lernende seien wissend‘ als auch die gegenteilige These werden widerlegt. Dann folgt das zweite Sophisma: Lernt man, was man weiß oder was man nicht weiß (276d–277c)? Kleinias verwickelt sich wiederum in Widersprüche. Um die Verwirrung zu lösen, interveniert Sokrates und bietet eine Lösung des Sophismas an, die auf sprachlicher Analyse basiert. Er will verdeutlichen, wie er sich dieses ernsthafte Vorgehen vorstellt (277d–278e). Es folgt der erste Teil einer protreptischen Argumentation, die dann in einem zweiten Teil in einer Aporie endet: Ausgangspunkt ist die Annahme, dass alle glücklich sein wollen. Es werden Güter aufgezählt, die zum Glück beitragen, und die Rolle des glücklichen Zufalls wird gegenüber der des Wissens herabgesetzt (278e–280a). Der bloße Besitz von Gütern reiche nicht, denn entscheidend sei der richtige Gebrauch. Erst das Gebrauchswissen sei eine Grundlage für das Urteil, ob sich etwas als gut oder schlecht erweise. Wissen sei deshalb das wahre Gut, Unwissen das wahre Übel (280a– 281e). Folglich sei nach einem größtmöglichen Wissenserwerb zu streben, wenn Wissen lehrbar ist (282ad). In diesem Augenblick greifen die beiden Eristiker wieder ihr Streitgespräch auf, bei dem es offensichtlich nicht um die Wahrheitssuche, sondern darum geht, beim Partner Verwirrung zu stiften und ihn zu besiegen. Es folgt ein drittes Sophisma des Dionysodoros: Wenn Sokrates will, dass Kleinias wissend wird, will er damit zugleich, dass Kleinias nicht mehr der ist, der er ist (282d–283d). Der in Kleinias verliebte Ktesippos reagiert heftig auf dieses Argument. Dies führt zum vierten Sophisma des Euthydemos und der Frage, ob es überhaupt möglich ist zu lügen (283e–284e): Da jeder, der etwas sage, etwas Bestimmtes sage, was ist, Nichtseiendes aber nirgends seiend sei und alles, was ist, wahr ist, folgt, dass jede Aussage, die man macht, wahr ist und es also keine Lüge geben kann. Zudem könne man mit dem, was nicht ist, nichts machen (283e–284c) und man kann von den Dingen nicht so sprechen, wie sie sind (284ce). Ktesippos weigert sich, das zu akzeptieren, doch er ist bereit, die Diskussion weiterzuführen (284e–285d). So ergibt sich als Sophisma des Dionysodoros die These, es sei unmöglich zu widersprechen (ἀντιλέγειν), und damit der Schluss, Ktesippos habe eben gar nicht widersprochen (285d–286b). Dass sich dann auch Irrtum als unmöglich erweist, führt zum Einwurf des Sokrates: Wenn es unmöglich ist, Falsches sowohl zu denken als auch zu tun, weshalb sollte es dann Lehrer geben (286b–287b)? Da die Diskussion zu eskalieren droht, möchte Sokrates erneut ein Beispiel für eine Rede bieten, die er eigentlich von den Sophisten hören möchte (287b–288d). Er setzt deshalb das Gespräch mit Kleinias über die Frage
Einleitung
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fort, welches Wissen zum Erlangen der Weisheit und des Glückes notwendig ist. Es geht um den Nutzen des Wissens. Die Sichtung verschiedener Künste ergibt, dass ein Wissen nützlich ist, das Herstellungs- und Gebrauchswissen vereint (288d–290d). Denn es reiche nicht, ein Instrument nur herstellen zu können, man müsse es auch zu spielen verstehen. Dies wird am Beispiel von Redenschreibern und Feldherren verdeutlicht. Denn beide müssen ihre Produkte – die Reden oder die Siege – anderen überlassen, wie z. B. den Politikern, die diese Ergebnisse dann verwenden. Hier bricht die Rahmenhandlung in den Bericht des Sokrates ein, denn Kriton unterbricht ihn und greift Sokrates’ Argument auf. Dabei ergibt sich, dass keine Kunst, auch die königliche Herrschaftskunst nicht, das geforderte Wissen ist, und die Frage bleibt offenbar ungelöst (290e– 292e). Sokrates erhofft sich – ironisch – Hilfe von den Eristikern (292e– 293a). Es schließt sich ein weiterer Teil des Berichtes des Sokrates über diese Streitrunde an: Euthydemos und Dionysodoros bieten weitere eristische Schaustücke. Es folgt die These, dass Sokrates das Wissen, das er sucht, bereits besitze. Denn wer etwas wisse, wisse alles, und wer etwas nicht wisse, wisse gar nichts (293b–294b). Jeder Mensch sei von Geburt allwissend – zwar können sie Ktesippos’ provokante Frage, wie viele Zähne der andere hat, nicht beantworten, doch bieten sie andere abstruse Folgerungen an und ziehen auch angesichts extremer Konsequenzen ihre These nicht zurück (294b–298b). Ktesippos hat das Prinzip, nach dem die Eristiker vorgehen, nun offenbar verstanden und stellt den Eristikern seinerseits Fangfragen (298b). Die Eristiker ihrerseits treiben dann ihr Spiel weiter u. a. mit Verwandtschaftsverhältnissen und mit den Possessivpronomen ‚mein‘ und ‚dein‘, das z. B. zur These führt, Sokrates könne Götter verschenken oder verkaufen, wie es ihm beliebe. Auch wird bewiesen, dass Sokrates vaterlos sei (297d–298b), dass Ktesippos seinen Vater schlage (298b–299a), dass es gut sei, möglichst viel von dem, was gut ist, z. B. Medizin, zu haben, und dass es gut sei, dies überall – auch im Kopf – zu haben (299ae). Nach weiteren Sophismen z. B. darüber, dass es möglich ist, dass Schweigende reden, dass verschiedene Dinge nicht zugleich schön sind, dass man Köche schlachten darf und was ‚mein‘ und ‚dein‘ bedeutet (300a–303a), berichtet Sokrates dem Kriton vom hohen Lob, das er Euthydemos und Dionysodoros vor dem Fortgehen gezollt habe (303b–304b). Kriton wird erneut aufgefordert, mit Sokrates Schüler der beiden Eristiker zu werden. Doch Kriton ist zurückhaltender, berichtet seinerseits von der Polemik eines der Rhetorik kundigen, beim Gespräch anwesenden Anonymus gegen die Eristiker im Lykeion (304d–305b): Die Kunst der Eristiker sei wertlos, aber auch die Philosophie schätze er nicht sehr. Sokrates habe sich falsch ver-
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halten, sich auf die Scharlatane einzulassen. Kriton akzeptiert zwar die Kritik an der Philosophie nicht, findet aber den Tadel an Sokrates’ Auseinandersetzung mit den Eristikern richtig. Sokrates betont, dass der Anonymus einer jener Leute sei, die zwischen Philosophie und Rhetorik stünden. Da Kriton sich um die Erziehung seiner Söhne sorgt, beweist ihm Sokrates, dass nicht der vom Anonymus propagierte Mittelweg der richtige sei, sondern dass Kriton die Philosophie prüfen und, wenn sie sich bewähre, mit den Kindern praktizieren solle (305b–307c).
2. Thematik und Lehrinhalt: Vielfalt der Methode, Einheit des Ziels? Die kunstvolle und vielfältige Struktur des Dialoges wird durch eine thematische Einheit zusammengehalten, welche u. a. in der Darstellung der Palintonos Harmonia von Sophistik und sokratisch-platonischer Philosophie hinsichtlich ihrer Methode und Zielsetzung besteht. Die Methode und die inhaltlichen Fragestellungen lassen nämlich Konvergenzen erkennen, die freilich durch unterschiedliche Zielsetzungen und unterschiedlichen Gebrauch der Mittel in einen starken Gegensatz treten. Der Wunsch, auf diese Palintonos Harmonia hinzuweisen, leitet zum einen die kontrastierende Illustration des unterschiedlichen kommunikativen Verhaltens in den eristischen und protreptischen Partien, er verbindet die vielfältigen Teile des Dialogs aber auch in inhaltlicher Hinsicht. Denn sowohl beim eristischen Spiel als auch beim Ernst der sokratischen Elenktik in diesem Dialog geht es jeweils um ähnliche Fragen, wie die Frage nach Wissen und Wissensvermittlung, ontologisch die Frage nach Sein und Werden, die Frage nach Bedingungen von wahrheitsorientierter und nicht wahrheitsorientierter Kommunikation (Burnyeat 2002), die Frage nach dem Nutzen von Gütern (299ae), die Frage nach der Anwesenheit der Idee in Einzeldingen (300e–301a), die Frage nach dem Schönen und seinem Bezug zu den Phänomenen (300e– 301c), die Frage nach der Gerechtigkeit, die Frage nach Identität und Individuation (300cd; McCabe 1998) oder die Frage von Scham in der Kommunikation (303d), die z. B. auch im Gorgias geradezu Leitmotiv ist (Kobusch 1978; Cürsgen 2004, 36 f.). Dies alles sind auch wichtige Themen des sokratisch-platonischen Philosophierens. Die Illustration und Kontrastierung des Verhaltens von Sophisten und Philosophen in platonischem Sinn in methodischer und sachbezogener Hinsicht kann als das Leitmotiv des Dialoges angesehen werden, das die Teile verbindet. Die Darstellung von der Möglichkeit und dem Ziel wahren Philoso-
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phierens macht deshalb nicht nur den protreptischen Teil, sondern den gesamten Dialog zu einer Werbeschrift für die Philosophie Platons. Der Euthydemos gehört wie der Protagoras, der Gorgias, der Ion oder der Hippias Minor zu jenen Dialogen, in denen sich Platon mit konkurrierenden ‚Weisheitslehrern‘ oder Sophisten auseinandersetzt und den Lesern mit seinem Protophilosophen Sokrates in Bezug auf Inhalte, Verhalten, Methode und Intention ein Alternativangebot macht. Er verdeutlicht offenbar Platons Wunsch, sich im Kontext konkurrierender philosophischer Richtungen zu positionieren. Man darf hier auch an die zur Zeit des Euthydemos vielleicht geplante oder schon vollzogene Gründung der Akademie (um 387 v. Chr.) denken und vermuten, dass Platon mit Blick hierauf seine Vorstellung von Wissenserwerb und Wissensvermittlung von konkurrierenden Konzepten abzugrenzen versuchte (Guthrie, Bd. 4, 275 f.; Chance 1992, 3–6. 18–21; Canto 1989, 37–40; Erler 2007, 124 f.; Palpacelli 2009, 33–41; für eine Abfassung des Euthydemos vor der Akademiegründung vgl. Festugière 1973, 159–170). Deshalb bietet er mit der Darstellung der Eristiker und ihrer Methode geradezu eine Parodie dessen, was er unter einem Philosophen und methodisch unter Philosophie versteht. Platon möchte diese Differenzen aber nicht nur illustrieren, sondern seinen Lesern auch konkret Gelegenheit zur eigenen Erprobung geben und deshalb eine Lektüre bieten, die seinem eigenen Verständnis von Wissensvermittlung entspricht und sich von dem der Sophisten absetzt (Erler 1987a, 60–77). Behandelt Platon in anderen Sophistendialogen vor allem politisch-ethische Probleme, so ist dies im Euthydemos eher indirekt der Fall. Der Dialog macht vielmehr eine Form der sophistischen Methode, die Streitkunst, selbst zum Thema und kontrastiert mit ihr die sokratisch-platonische Hinführung zur Philosophie (Protreptik) und die Befreiung von Illusion und Öffnung für wahre Erkenntnis (Elenktik). Der Euthydemos illustriert und kritisiert die Zurschaustellung eristischer Kunst, insofern er die Eristiker Trugschlüsse vorführen lässt, die irritieren, aber auch imponieren und damit für die Eristiker werben sollen. Der Leser soll verstehen, dass sich eristische und sokratisch-platonische Methode trotz mancher Ähnlichkeit in Verfahren, Fragen und Intention grundlegend unterscheiden. Denn für Platons Sokrates ist der Anlass der Diskussionen nicht der Wunsch, über andere zu siegen und sich dadurch zu profilieren, sondern die Sorge um die Seele (θεραπεία τῆς ψυχῆς) und sein Wunsch, die Aussage des Orakels in Delphi zu falsifizieren, er sei der weiseste der Menschen (Ap. 21a). Infolge der Erkenntnis, dass er insofern ‚weiser‘ ist als andere Menschen, da er nicht zu wissen glaubt, was er in Wirklichkeit nicht weiß (Ap. 20e–22e), fühlt sich Sokrates gedrängt, andere von eingebildetem Wissen zu befreien (Ap. 23b), und hofft, dass nach
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ihm andere diese Aufgabe übernehmen werden. „Mehrere werden sein, die euch zur Untersuchung ziehen, welche ich nur bisher zurückgehalten, ihr aber gar nicht bemerkt habt. Und um desto beschwerlicher werden sie euch werden, je jünger sie sind, und ihr um desto unwilliger“ (Ap. 39cd; Üb. Schleiermacher). Diese in der Apologie geäußerte Hoffnung kann als ‚Selbstdeutung‘ Platons und auch als Funktionsbeschreibung seiner Dialoge – insbesondere jener Dialoge mit aporetischem Ausgang – verstanden werden (Erler 2006, 101 ff.). Sie sollen demnach durch die Irritationen, die sie beim Leser auslösen und auslösen sollen, ebenjenen Befreiungsprozess fördern, um den es Platon geht. In diesem Zusammenhang ist es zu sehen, wenn im Euthydemos neben Absurditäten auch philosophisch relevante Probleme zur Sprache kommen, wie Fragen, die in anderen Dialogen (Menon, Phaidon, Politeia, Theaitetos, Sophistes) im Kontext platonischer Philosophie eine Rolle spielen: die Anamnesislehre, die Frage, wie Nicht-Seiendes dennoch ‚sein‘ kann, die logische Möglichkeit von Negation, Irrtum und Widerspruch, weil es nicht nur absolutes, sondern auch relatives Nichtsein gibt, das Wesen des Logos, die Bedeutung von Identität und Differenz, die Selbstwiderlegung, die Nutzung der Mathematik durch die Dialektik. Letztlich stehen die Grundlagen jener Methode der Wahrheitssuche – und ihre Perversion – auf dem Prüfstand. Die Aporie am Ende von Sokrates’ zweiter protreptischer Rede z. B. erweist sich als durchaus vermeidbar, wenn man jene ‚königliche Kunst‘ mit dem Guten als oberstem Objekt des Wissens (μέγιστον μάθημα) in den Blick nimmt, von dem Platon in der Politeia (Rp. 505a ff.) spricht. Der Euthydemos als geschriebener Dialog hat somit unterschiedliche Funktionen bei unterschiedlicher Lesehaltung und spricht verschiedene Leser an. Für den einen kann er als Werbung für eine bestimmte Methode philosophischer Auseinandersetzung dienen, für andere mag er ein Handbuch von Sophismen mit Anregung zu einer Art der Analyse sein, wie sie Aristoteles in den Sophistici Elenchi bietet. Für den mit Grundlehren platonischer Philosophie vertrauten Leser können die Hinweise auf die Konzepte seiner Philosophie (Wiedererinnerung, Ideen, Dialektik) geradezu als Erinnerungshilfe im Sinne von Platons Schriftkritik, als Anregung zu erneutem Durchdenken und Festigen von schon Gehörtem und damit als Unterstützung bei jenem selbsttätigen Lernprozess dienen, den Platon vom philosophisch interessierten Leser erhofft (Erler 1987a, 78–96). Literarisch zeichnet sich der Euthydemos durch eine kunstvolle Gliederung aus: In die eristischen Partien mit den Sophistengesprächen sind zwei sokratische Teile eingelagert, in denen zu Demonstrationszwecken ein Protreptikos in Form eines aporetischen Gespräches vorgetragen
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wird. In diesem soll gezeigt werden, dass nicht Besitz, sondern der richtige Umgang mit Gütern für das menschliche Wohlergehen wichtig ist. In der zweiten Diskussionsrunde steht das Wissen auf dem Prüfstand, das bei der Anwendung dieses Wissens leitend sein soll. Das Gespräch endet zwar in Ratlosigkeit (Aporie), doch werden – wie auch in anderen Dialogen, die ergebnislos enden – dem Leser Hinweise gegeben, die den Weg zu einer Lösung weisen und über die es sich nachzudenken lohnt. Die eristischen Wortkämpfe der beiden Virtuosen, welche die protreptischen Teile in drei Akte gliedern und in denen Euthydemos und Dionysodoros alles widerlegen, ‚was immer gesagt wird, ganz gleich, ob es falsch oder wahr ist‘ (272b), illustrieren hingegen Topik und Praxis eristisch-sophistischer Argumentationsweise. Der Kontrast dieser Methode zu der in den zwei protreptischen Gesprächen vorgeführten, sachorientierten Gesprächsführung sokratischer Elenktik dient der Bewahrung der sokratischen Methode vor einer Verwechslung mit der Eristik, gegen Missverständnis und jenen Missbrauch vor allem durch junge Leute, vor dem Platon auch sonst warnt. Es gehört zur Ironie des Sokrates, dass er die angeblich erstaunlichen Kenntnisse der beiden Eristiker über die Maßen lobt (Dorion 2012, 753), und zur Ironie Platons, dass er ausgerechnet beim inhaltlich leeren Spiel der Eristiker den Ernst philosophisch-platonischer Elemente durchscheinen lässt, wenn man den von Sokrates scheinbar beiläufig in die Diskussionen eingefügten Hinweisen folgt. Diese Hinweise deuten an, dass die Eristiker nicht um Lösungen bemüht sind, sondern durch Trugschlüsse nur irritieren wollen. Sie wären gar nicht in der Lage, Lösungen zu finden, Sokrates hingegen hätte mehr zu sagen.
3. Der Titel Euthydemos oder Eristikos In seiner Übersicht über die Tetralogienordnung des Corpus Platonicum listet Diogenes Laertios den Euthydemos zusammen mit dem Protagoras, dem Gorgias und dem Menon in der sechsten Tetralogie auf. Wie oft bei Platons Dialogen (z. B. bei Charmides, Laches und Lysis; vgl. Diog. Laert. 3, 58 ff.; dazu Hoerber 1957, 10 f.; Dörrie/Baltes 1990, 338–344; Erler 2007, 19) trägt das Werk einen Haupttitel, Euthydemos, und einen Alternativtitel, ‚eristischer Dialog‘ (ἢ ἐριστικός, Diog. Laert. 3, 59 = Dörrie/Baltes 1990, 48. 1, 42). Dabei meint das Wort ἐριστικός wohl weniger die Charakteristik des Dialogs als die Art der Person, um die es geht, den Eristiker (zum Begriff s. Einleitung Kapitel 10), wie dies ähnlich auch bei anderen Alternativtiteln, z. B. Protagoras oder
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Sophisten (ἢ σοφισταί), der Fall ist. Der eigentliche Titel, mit dem der Dialog auch in der Antike zitiert wird, ist Euthydemos . Der Dialog, in dem sich Sokrates streitig mit Gegnern – den Eristikern – einlässt, wird auch als widerlegend – anatreptisch – klassifiziert (ἀνατρεπτικός sc. χαρακτήρ, Diog. Laert. 3, 59 = Dörrie/Baltes 1990, 48. 1, 42). Als anatreptischer Dialog gehört er zu einer Untergruppe der als ‚agonistisch‘ klassifizierten Dialoge im Corpus Platonicum (wie z. B. der Gorgias, der Hippias I und II), zu denen als weitere Unterklasse die ‚zur Schau stellenden‘ (ἐνδεικτικοί) Dialoge gehören (Diog. Laert. 3, 49; Erler 2007, 20 f.; zur Unterscheidung von ‚anatreptisch‘ und ‚endeiktisch‘ innerhalb der Gruppe der agonistischen Dialoge vgl. Manuwald 1999, 84 f.; anders Nüsser 1991, 126 ff.). Die Qualifikation ‚zur Schau stellend‘ passt zwar in gewisser Weise auch zum Euthydemos, in dem eristische und sokratische Methoden kontrastiv vorgeführt werden (vgl. 278bd), doch überwiegt der kämpferische und konkurrierende Aspekt bei der Präsentation der Methoden, weshalb die Charakterisierung als anatreptisch angemessen ist. Denn das Wort ‚widerlegen‘ (ἀνατρέπειν) kann auch ‚niederwerfen‘ im Sinne der Ringersprache (vgl. καταβάλλειν) heißen (Nüsser 1991, 130). Ringkampfmetaphorik kommt im Euthydemos in der Tat nicht selten zur Bezeichnung der Auseinandersetzung vor (271cd. 277d. 278c). Anatreptische Diskussionen bietet Platon auch sonst bei der Auseinandersetzung mit den Sophisten. Sie enden mit einer Widerlegung und mit dem Unwillen der sophistischen Partner des Sokrates (vgl. Gorg. 505bd). Wenn sich Sokrates am Ende des Euthydemos bei seinem Rückblick auf die Geschehnisse im geschilderten Dialog wie ein geschlagener Boxer geriert (303a), ist dies als ein ironisches Spiel mit der eigenen Metaphorik zu sehen, die er sonst mit Bezug auf die Sophisten und Eristiker verwendet. Der Witz liegt dann in der Konkretisierung dieser Metaphorik – wie dies oft in der Komödie des Aristophanes zu beobachten ist. Mit ‚Euthydemos‘ ist der Name eines wichtigen Gesprächspartners des Sokrates im Dialog als Haupttitel gewählt. Freilich gibt es in diesem Dialog mit Euthydemos und Dionysodoros zwei zentrale Figuren und Partner des Sokrates. Diese werden als so eng verbunden vorgeführt (Hirzel 1895, 210; Friedländer 1964, 168; Erler 1987a, 213 Anm. 4), dass Sokrates von ihnen bisweilen im Dual spricht (vgl. 271c6 ff. 272b9. 273b. 274a. 277d6; dritte statt zweite Person Dual in 273e2. 273e5. 294e9; vgl. dazu Polleichtner 2011). Kriton als Berichterstatter will sogar nur eine Person gesehen haben und Sokrates glaubt bisweilen, er habe sich nur mit Euthydemos unterhalten (Hüffmeier 2000, 30). Auch sonst werden die beiden Protagonisten dramaturgisch oft als eine Person wahrgenommen (Canto 1989, 26) und als Paar beschrieben (Erler
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1987a, 213 Anm. 4). Doch sind für die Vorführung des eristischen Spiels zwei Partner notwendig und es sind durchaus Unterschiede in der Personenzeichnung festzustellen. Weil im Dialog nicht zuletzt durch die Dualformen so sehr betont wird, dass es sich um genau zwei Eristiker handelt, kann man sich fragen, warum sich Platon für Euthydemos als Namensgeber des Dialoges entschieden hat und was er damit signalisieren möchte. Natürlich können über Platons Bevorzugung nur Vermutungen angestellt werden (Hüffmeier 2000). Euthydemos scheint die maßgebliche Figur zu sein. Er tritt im späteren Dialogverlauf zunehmend allein auf (293a ff.) und wird eher als Partner gesucht (297ab; 299a; 299e). Andererseits kommt er bisweilen nicht dazu, Fragen zu beantworten, weil Dionysodoros spontaner reagiert (296e–297b. 300b. 300d). Obgleich als der ältere beschrieben (283a), ist Dionysodoros in der Tat schneller bei der Abwehr (284e. 287b. 297a. 297b. 299cd. 300d. 300e) und übt klug Zurückhaltung (275e. 276de). Freilich scheint Euthydemos dramaturgisch wichtiger als Dionysodoros, z. B. im zentralen eristischen Teil (283e–284c), und oft gehen die Initiativen von ihm aus. Ist von beiden Eristikern die Rede, wird er fast immer zuerst erwähnt, nur fünfmal ist es umgekehrt (vgl. Hüffmeier 2000, 31 Anm. 22). Er eröffnet z. B. den ersten Streitgang (275d) – Dionysodoros hingegen reagiert eher (276c) – und beginnt auch den letzten Teil (293ab) und wird hier nochmals angeredet. Zum Schluss ist sogar von οἱ ἀμφὶ Εὐθύδημον die Rede (vgl. 305d), so dass dem Leser sein Name im Gedächtnis bleibt (Canto 1989, 204 Anm. 130; Hüffmeier 2000, 29). Von Beginn des Dialogberichtes an wird der Fokus des Lesers auf Euthydemos als Ursache für den Dialog zwischen Kriton und Sokrates gerichtet. Die Person des Dionysodoros wird nachgeliefert. Alles dies zeigt die Leselenkung Platons und seinen Wunsch, Euthydemos in den Vordergrund zu stellen. Mit Blick hierauf ist die Titelgebung ‚Euthydemos‘ konsequent und gerechtfertigt.
4. Echtheitsfrage Die Echtheit des Euthydemos wurde in der Antike offenbar nicht bezweifelt (Did. de dub. Plat. 37, p. 273. 58, p. 281 f. Valente; Sch. Aristoph. Ran. 202; Alb. 3, p. 148, 37 Hermann; Poll. 3, 150. 10, 48; Diog. Laert. 9, 53; Alex. Aphr. in Arist. S. E. 2, 3, p. 24, 14 ff. p. 2, 20 ff. Wallies; Simp. in Arist. Cat. CAG 8, p. 22, 10 ff. Kalbfleisch; Eustath. ad Od. 4, 717; An.Bek. 1, p. 84 s. v. βλάξ; dazu Keulen 1971, 4 Anm. 16). Soweit zu erkennen ist, hat kein antiker Autor, der als unecht erachtete
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Dialoge Platons erwähnt, dabei auch den Euthydemos genannt. Noch in der Spätantike führt Olympiodorοs bei seiner Aufzählung der von ihm als unecht erachteten Dialoge den Euthydemos nicht an (Olymp. Prol. 26) und Kolotes hätte gegen den Euthydemos wohl kaum eine polemische Schrift verfasst, wenn er ihn für unecht erachtet hätte (Crönert 1906, 5 f.; Westman 1955, 33 f.; Kechagia 2011, 62–68; zur vermeintlichen Erwähnung des Euthydemos bei Galen vgl. Kalbfleisch 1902, 96 f.; Keulen 1971, 4 Anm. 16). In der modernen Forschung wurde die Echtheit vor allem von Ast angezweifelt (Ast 1816, 414; vgl. Hermann 1839, 467). Wenn Lüddecke im Euthydemos das Werk eines Aristotelikers sah, der Platons und Aristoteles’ Werk exzerpierte, um Aristoteles im Kampf gegen Isokrates zu unterstützen (Lüddecke 1897; vgl. Ausland 2000, 21), unterstellt er immerhin einen ernsten Gehalt der Schrift. Mittlerweile sind jedoch alle Bedenken gegen die Echtheit ausgeräumt worden, nicht zuletzt auch aufgrund sprachstatistischer Überlegungen (Keulen 1971, 49 f. Anm. 28; Erler 2007, 121).
5. Datierung 5.1 Datierung des dramatischen Geschehens Die Szenen des Dialoges geben Hinweise auf die zeitlichen Umstände der dramatischen Handlung, so dass sich das Datum des erzählten Gespräches einigermaßen eingrenzen lässt (Erler 2007, 121; Palpacelli 2009, 41 f.): Sokrates (469–399 v. Chr.) wird als ‚alt‘ bezeichnet (285c), Protagoras (ca. 490 – mindestens ca. 421 v. Chr., vgl. Kerferd/Flashar 1998, 28–30; Manuwald 1999, 96–98) ist offenbar schon tot (286c) und Alkibiades lebt noch (275b). Er ist im Jahr 404 v. Chr. gestorben. Mögliche historische Anspielungen sprechen für eine Zeit nach 411 (Nails 2002, 307 f.). Andere wiederum (Kahn 2000) halten eine Zeit um 405 für plausibler. Die Gründung von Thurioi (444 v. Chr.), wo Dionysodoros und Euthydemos lebten (271c), liegt viele Jahre zurück. Kriton fühlt sich zu alt, um noch zu lernen (272b), und der Kritoboulos, der in der Apologie alt genug ist, um gemeinsam mit Kriton, Platon und Apollodoros Geld für Sokrates’ Strafe anzubieten (Ap. 38b), ist im Euthydemos Gegenstand erzieherischer Fürsorge, ist also noch jung. Die Betonung der Bedeutung von Kleinias’ Familie (Axiochos, der Vater des Kleinias, ist in den Hermokopidenfrevel und die Sizilienexpedition verstrickt) und die Anspielung auf Ameipsias’ Komödie Konnos (aufgeführt 423) sowie die Jugend des Kleinias (14 Jahre alt), des Kritoboulos und das
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schon fortgeschrittene Alter des Sokrates (wohl über 60; vgl. 285c) mögen auf eine Zeit vor 416 verweisen. Alles das zeigt, dass es Platon nur an einem plausiblen Zeitraum, nicht an einer genauen Zeitangabe gelegen ist. Das Datum des dramatischen Geschehens ist also nicht eindeutig festgelegt. Die Erzählung der dramatischen Ereignisse und des Gesprächs liegt zeitlich einen Tag später als die erzählten Ereignisse (271a).
5.2 Relative und absolute Datierung Nicht gesichert ist die chronologische Einordung des Dialoges, weder relativ innerhalb des Corpus Platonicum noch absolut (Erler 2007, 121). Eine absolute Datierung des Euthydemos ist ähnlich schwierig wie bei allen Dialogen der ersten Phase des platonischen Schaffens (Erler 2007, 18–28, bes. 25). Man dachte an eine Datierung vor Sokrates’ Tod (Ritter 1888, 126–127), andere machten eine spätere Zeit in der frühen Periode oder eine Zeit nach Phaidros, Symposium und Politeia geltend (Erler 2007, 121 f.). Der Stil weist den Euthydemos als zur ersten Phase gehörig aus (nur vier der von Ritter aufgelisteten 43 Elemente des späten Stils sind wie im Protagoras auch im Euthydemos zu beobachten). Innerhalb des Frühwerks wird er bisweilen mit Gorgias, Hippias Minor, Lysis, Menexenos und Menon eher spät angesiedelt, etwa nach Platons Rückkehr aus Syrakus und der Gründung der Akademie, also etwa zwischen 387–380. Zum Kontext der Akademiegründung mögen die protreptische Intention des Dialoges und Platons Versuch passen, im Euthydemos seiner eigenen Methode und seinem eigenen Philosophenkonzept im Kontrast zu den Eristikern Profil zu geben. Die protreptischen Teile, der platonische Hintergrund mancher Sophismen, die Kontrastierung von eristischer und dialektischer Methode, die Gegenüberstellung von Eristikern und platonischem Philosoph und der funktionale Aspekt des Euthydemos als Dialog (Erler 1987a, 213 f.) mögen dafür sprechen, dass der Euthydemos in eine Zeit fällt, in der Platon die von ihm in der Akademie gepflegte philosophische Praxis noch gegen andere Konkurrenten absetzen muss (s. Einleitung Kapitel 2; s. Guthrie, Bd. 4, 275 f.; Chance 1992, 3–6. 18–21; Erler 2007, 121 ff.; Palpacelli 2009, 33 f.). Man wird auch an einen Bezug zum Konkurrenten Isokrates (289d–290a. 304d– 306d; s. Einleitung Kapitel 11. 5 und Kommentar Kapitel 13a) und dessen anders geartete Haltung zur Philosophie und Sophistik denken dürfen, wie sie z. B. in dessen programmatischer Schrift In Sophistas (ca. 391/0) zum Ausdruck kommt (zu den Unterschieden beim Terminus ‚Eristiker‘ in Isokrates’ Gegen die Sophisten und Helena vgl. Eucken
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1983, 45–53), doch ist dieser Bezug nicht ohne Probleme (Hawtrey 1981, 27; Palpacelli 2009, 41). Auch die Auseinandersetzung mit dem Anonymus am Ende des Euthydemos (s. Kommentar ad loc.) könnte eine Reaktion darauf sein. Außerdem sind Bezüge zu Antisthenes erwogen worden (Palpacelli 2009, 47–50). Freilich ist vieles unsicher (Ausland 2000) und auch ein Datierungsversuch mit Blick auf formal typische Elemente ist kaum möglich (generell Erler 2007, 18 f.). Wer z. B. für die Aporien der protreptischen Teile auf die sogenannten Jugenddialoge verweist und diese als Kriterium für eine frühe Einordnung wählt, muss die inhaltlichen platonischen Elemente erklären, die Platon im Euthydemos bewusst anklingen lässt und die den Dialog in die Nähe z. B. der Politeia rücken. Man denke an die Hinweise auf die Hierarchie der Wissenschaften und die inhaltlichen Bezüge mancher Sophismen auf platonische Lehrinhalte (Bonitz 1886, 121 f.; Narcy 1984, 183; Erler 2007, 121 f.). Das Abfassungsdatum wird jetzt zunehmend in die Zeit nach der ersten Sizilienreise (388/87) gelegt, aber auch die Zeit kurz vorher wird erwogen. Genaueres muss Spekulation bleiben (zuletzt agnostisch Ausland 2000; Kahn 2000). Viel diskutiert ist das relative Verhältnis des Euthydemos zum Gorgias und zum Menon . In der Tat lassen sich inhaltliche und thematische Verbindungen zum Menon feststellen (vgl. z. B. für den Zusammenhang von Wissen und dem Guten 278e–281e mit Men. 87c–89a). Die Gewissheit, mit der Kleinias die Lehrbarkeit der Tugend vertritt (vgl. 282c), auf der einen und die Diskussion der richtigen Meinung (ὀρθὴ δόξα) im Menon auf der anderen Seite wird als Argument für eine zeitlich frühere Einordnung des Euthydemos gewertet (vgl. Chance 1992, 4–5 mit Anm. 17. 18). Jedoch muss dies, auch wenn im Menon, im Symposium und im Phaidon die Aporetik durch positive (hypothetische) Aussageformen ersetzt wird, nichts über die chronologische Anordnung aussagen. Bei einem Autor, der sein Personal adressatenorientiert diskutieren lässt und dabei der im Phaidros explizierten Regel folgt, bisweilen aus gesprächsstrategischen Gründen nicht alles zu sagen, um den Partner nicht zu überfordern (s. Einleitung Kapitel 6. 2.2), wird man nur unter Vorbehalt das Vorhandensein bzw. Fehlen bestimmter inhaltlicher Elemente als Merkmal der geistigen Biographie werten wollen (Erler 1987a, 213–256; Erler 2007, 23). Deshalb ist zu erwägen, dass das im Euthydemos zu beobachtende Spiel mit Andeutungen, die über das Niveau der Partner hinausgehen, vor diesem Hintergrund verstanden werden kann und nicht als Zeugnis einer geistigen Biographie, die auch für die Chronologie des Dialoges verwendet werden kann, zu deuten ist. Das bedeutet nicht, dass man immer ein schon voll entwickeltes philosophisches Konzept voraussetzen muss, wohl aber davon ausgehen darf,
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dass Reflexionen z. B. über die Anamnesis vorhanden sind, die den Hintergrund für das doppeldeutige Spiel Platons bilden und es zumindest ermöglichen, die Doppelbödigkeit zu erkennen (Szlezák 1985; Erler 1987a, 216–256; Palpacelli 2009, 296–298). Wirklich sichere Kriterien für eine relative Anordnung des Euthydemos innerhalb der Gruppe sind nicht gefunden, obgleich es plausibel scheint, mit Cherniss zu vermuten, dass der Euthydemos „a dialogue earlier than the Republic and roughly contemporary with the Meno“ ist (Cherniss 1977, 249). Eine Abfassung zur Zeit der späten ‚kritischen Dialoge‘ wie des Sophistes wird zwar erwogen (Chance 1992, 5 Anm. 19), die These muss jedoch aufgrund statistischer Beobachtungen als unwahrscheinlich gelten.
6. Schauplatz und Personal 6.1 Schauplatz Der Ort, an dem Kriton Sokrates bittet, ihm von seiner Diskussion mit Euthydemos und Dionysodoros am Vortag zu berichten (271c), ist nicht näher bezeichnet. Die Szene des erzählten Gespräches ist wie im Charmides und Lysis das Lykeion (Λύκειον). Das Lykeion als dem Apollon Lykeios geweihter Ort liegt etwas nordöstlich außerhalb der Stadt Athen (heute in der Nähe des Syntagma-Platz, entdeckt im Zuge der Bauarbeiten für das Gourlandis Museum für Kykladische Kunst) mit einem Heiligtum und einem Gymnasium. Dort lehrten Sophisten, Protagoras und dann Aristoteles (Lynch 1972). Das Lykeion wird von Platon nahezu wie eine zuschauende Person vorgeführt, wenn am Schluss die Säulen des Gymnasiums zu lachen anfangen (303b).
6.2 Personal Im Euthydemos ist die Charakterzeichnung des zahlreichen Personals (Erler 2007, 12 f.; Guthrie, Bd. 4, 267 f.; Nails 2002, 317 f.; Canto 1989, 36 f.) besonders interessant und gelungen. Teilnehmer sind neben Sokrates sowie den beiden Protagonisten Euthydemos und seinem Bruder Dionysodoros, die beide aus Chios bzw. Thurioi stammen (Nails 2002, 152), Kleinias, der Sohn des Axiochos (Nails 2002, 100 f.), Ktesippos aus Paiania, Kriton aus Alopeke (Nails 2002, 114–116) als Beobachter (271a), viele Liebhaber des Kleinias (273a) und viele Zuschauer (271a).
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6.2.1 Euthydemos und Dionysodoros Hauptpersonen sind die beiden Eristiker Euthydemos und Dionysodoros (vgl. Narcy 1994; Narcy 2000a; Keulen 1971, 7–9; Döring 1998, 90 f.; Erler 2007, 122; Palpacelli 2009, 45). Die beiden werden als Scharlatane gezeichnet, gleichwohl aber von Sokrates ironisch in die Nähe von Göttern gerückt (273e), als Dioskuren apostrophiert (293a) und Sophisten genannt (271bc. 277e. 303b). Wir erfahren, dass beide ohne festen Wohnsitz sind, aus Chios stammen und über die 444 v. Chr. gegründete Kolonie Thurioi in Unteritalien, von wo sie verbannt wurden, vor vielen Jahren nach Attika gekommen sind (271c). Sie sind zum Datum des fiktiven Geschehens im Euthydemos alte Männer (272b) und werden als Sophisten bezeichnet (271c), die zahlreiche Schüler haben (273a). Freilich sind sie als solche Kriton unbekannt (271ab). Ihr Renommee resultiert aus ihrer Tätigkeit als Lehrer im Waffenkampf (Hoplomachie) und forensischer Rede (271c–272a. 273c). Jetzt im Alter (272b) ist ihnen der ursprüngliche Beruf zur Nebensache (273d) geworden. Schnell sind sie Lehrer im Tugendunterricht geworden (273d) und lassen sich hierfür bezahlen. Ihre Vorführung (ἐπίδειξις) dient der Werbung (ἐπάγγελμα). Die beiden sind voller Selbstbewusstsein (einmal allerdings errötet Dionysodoros, vgl. 297a) und ernten Sokrates’ überschwängliches, aber ironisch gemeintes Lob (271c). Ihr Verhalten wird als Kontrast zu dem dargestellt, was Platon vom wahren Philosophen erwartet (vgl. Szlezák 1980, bes. 84–89). Obgleich Dionysodoros als der ältere beschrieben wird (283a), scheint Euthydemos die maßgebliche Figur zu sein (s. Einleitung Kapitel 3; Hüffmeier 2000): Initiativen gehen oft von ihm aus, er eröffnet den ersten Streitgang (275d) und reduziert Dionysodoros zum reagierenden Teil. Im späteren Verlauf des Dialogs tritt er zunehmend allein auf (293a ff.) und wird als Partner gesucht (297ab. 299a. 299e. 304b). Zum Schluss bleibt er durch den Hinweis auf seine Anhänger (οἱ ἀμφὶ Εὐθύδημον, vgl. 305d) im Gedächtnis (vgl. Einleitung Kapitel 3; Canto 1989, 204 Anm. 130). Andererseits kommt er nicht dazu, Fragen zu beantworten, weil Dionysodoros schneller reagiert (297ab. 300b. 300d). Es fällt auf, dass sie oft als ein Paar beschrieben werden (vgl. Einleitung Kapitel 3 zu den Dualformen z. B. in 273c; Erler 1987a, 213 Anm. 4; Hirzel 1895, 210; Canto 1989, 26; Sprague 1972, 295), und Kriton glaubt, Sokrates habe sich nur mit einer Person unterhalten (271a). Offenbar sind beide Eristiker – wie auch die Sokratesfigur – stilisiert. Freilich kann man vermuten, dass diese Paarbildung eine Erfindung Platons ist, denn es ist unsicher, ob die Figuren auch sonst zusammen auftreten – bei Aristoteles ist nur von Euthydemos, bei Xenophon nur von Dionysodoros die Rede. Im Kratylos nennt Platon nur
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Euthydemos (Hösle 2004, 253). Die Paarbildung als Erfindung Platons würde zu den sprachlichen Indizien (Dual) passen (s. Einleitung Kapitel 8). Es wird auch diskutiert, ob es sich bei den beiden Protagonisten des Dialoges überhaupt um historische Figuren handelt. Dass sie Brüder sind (271b), ist jedenfalls sonst nicht bezeugt. Vielleicht ist dies ein Kunstgriff Platons (Keulen 1971, 8 f.). Die Rolle der beiden im Euthydemos hat man nicht unpassend mit der von Rosencrantz und Guildenstern in Shakespeares Hamlet verglichen (Hawtrey 1981, 14). Für eine historische Existenz spricht Folgendes: Aristoteles bringt Euthydemos mit der Eristik in Verbindung und führt Sophismen von ihm an, die nicht im Euthydemos stehen und die er somit offenbar nicht von Platon übernommen hat (Aristot. S. E. 177b12 ff.; Rh. 1401a26 ff.; vgl. Zeller 1920, 1382 Anm. 2; Wilamowitz 1919, Bd. 1, 299). Auch Platon erwähnt Euthydemos im Kratylos mit einer Ansicht, die sich nicht im Euthydemos findet (Crat. 386d). Ob man so weit gehen soll zu folgern (Wilamowitz 1919, Bd. 2, 155), Platon habe in seinem Dialog aus einem Sophismenbuch des Euthydemos geschöpft, ist allerdings sehr zweifelhaft, liegt dabei doch wohl ein sprachliches Missverständnis des Textes vor (278a; vgl. Erler 1987a, 217 f. Anm. 18). Bei Dionysodoros mag es sich um den Lehrer von Feldherrnkunst handeln, der in Xenophons Memorabilien auftritt (Xen. Mem. 3, 1,1). Die These, beide Eristiker hätten real nicht existiert, hat Praechter mit guten Gründen bestritten (Praechter 1932, 133–135). Manche wollten in Dionysodoros den Redner Lysias erkennen, doch stehen entsprechende Argumente auf schwankendem Boden (vgl. Hawtrey 1981, 196–198; Palpacelli 2009, 50 f.). Andere Interpreten möchten eine Ähnlichkeit der Eristiker zu den Megarikern sehen (Dorion 2000). Man verweist dabei auf Bezüge z. B. bei Sextus Empiricus (Sext. Emp. Math 7, 13) oder Diogenes Laertios (Diog. Laert. 2, 30), doch ist diese These nicht unumstritten. Ob ein methodischer Bezug zu Antisthenes hergestellt werden soll, ist ebenfalls diskutiert, aber nicht beweisbar. Stellen wie 272b erinnern zwar an Antisthenes (Hawtrey 1981, 46), doch sind die bisweilen angeführten Bezüge fraglich, weil entsprechende Lehren für ihn nicht nachgewiesen sind (Palpacelli 2009, 49). Euthydemos und Dionysodoros wurden in der Antike offenbar durchaus ernst genommen. Jedenfalls berichtet Sextus Empiricus, dass sie sich vornehmlich, wenn nicht ausschließlich, mit Logik beschäftigt hätten und Wahrheit als relativ betrachteten (Sext. Emp. Math. 7, 64; vgl. Keulen 1971, 68–90; zur Lehre der Eristiker vgl. Döring 1998, 90 f.). Dazu passt, dass Platon Euthydemos im Kratylos die Ansicht zuschreibt, wonach alles zugleich und immer in gleicher Weise allen gehört (Crat. 386d). Das wird von manchen Interpreten als ‚Allprädikationsdoktrin‘ verstanden (Döring 1998, 91), kann aber auch
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dahingehend interpretiert werden, dass unterschiedliche Wahrnehmungen der Menschen gleichen Wert haben (Gifford, 46). Ein Bezug zu Protagoras’ Homo-Mensura-Satz liegt offenbar vor, wie ihn z. B. Dionysodoros vertritt (284cd), wonach jede Aussage wahr ist und es keinen Widerspruch gebe. Diese Thematik spielt im philosophischen Diskurs der Zeit eine wichtige Rolle – man wird die Eristiker also in dieser Hinsicht ernst nehmen müssen. 6.2.2 Die Sokratesfigur Sokrates hat im Euthydemos eine Doppelfunktion als Erzähler und als Gesprächsteilnehmer, wie es etwa auch bei Phaidon im gleichnamigen platonischen Dialog der Fall ist (Dawidowicz 1983; Palpacelli 2009, 56; zur Erzählerfigur bei Platon vgl. Erler 2013a). Gerade die Sokratesfigur im Euthydemos macht deutlich, dass es sich bei ihr um eine zwar historische, aber von Platon literarisch gestaltete Figur handelt (Blondell 2002), die wohl Platons Konzept vom wahren Philosophen Überzeugungskraft geben soll (Erler 2009d). Sokrates’ Verhalten wird von Platon geradezu als Kontrast zu dem dargestellt, wie sich die Eristiker geben, denn Sokrates illustriert, was Platon vom wahren Philosophen erwartet (Szlezák 1985, 49 ff.; Erler 1987a, 213 ff.). Wenn die Eristiker das Streitgespräch zu beherrschen scheinen, greift Sokrates da, wo es inhaltlich wichtig wird (z. B. bei der Themenvorgabe für den Protreptikos, 272cd. 282de), lenkend ein und zeigt, dass und wie mit Blick auf den Adressaten Wissen zurückgehalten werden soll. Besonders der Phaidros und seine Beschreibung des Philosophen gibt eine gute Kontrastfolie ab (vgl. Szlezák 1980, 79–81. 84–89): Es geht um eine Initiation (277de und Phaedr. 250bc). Der Philosoph weiß, wann er spielt und wann es ihm ernst ist (277de. 278bc und Phaedr. 262cd. 276b–277a), er behält – wie ein guter Redner – Kenntnisse zurück, wenn es die Situation erfordert (287cd und Phaedr. 275d–276a), er ist bei der Wahl seiner Partner wählerisch (304cd und Phaedr. 276e), er betreibt ein mühevolles Geschäft (τηλικαῦτα, 273d und Phaedr. 272bc u. ö.), es geht ihm um wichtige Dinge (273c u. ö. und Phaedr. 278d), er praktiziert eine Kunst (τέχνη, 295e und Phaedr. 273ce) und er fördert seine Beweisführung mit Hilfe von Argumenten und Wissen, das den Horizont des Gesprächspartners überschreiten kann (293a und Phaedr. 278cd). In den protreptischen Teilen geht Sokrates vor, wie man es aus den aporetischen Dialogen gewohnt ist (Erler 1987a, 213 ff.). Er erweist sich als idealer Schüler der Eristiker, denn schnell hat er die Regeln erkannt, kritisiert sie (295bc) und ‚spielt‘ mit, wobei er diese bewusst bricht, um Hinweise auf mögliche Lösungen zu geben (z. B. durch das Hinzufügen
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von παραφθέγματα, 296ab; s. Einleitung Kapitel 10. 1 u. Kommentar ad loc.). Dabei sorgt er sich um die Entwicklung der Jungen, Ktesippos und Kleinias, und gibt trotz seiner Freundlichkeit Proben seiner Ironie. Sokrates’ Gesprächsführung ist wie auch sonst voller Ironie. Seine Ironiesignale sind im Euthydemos jedoch besonders ausgeprägt, wie sich u. a. in den geradezu religiös geprägten Lobpreisungen der beiden Eristiker oder im Vergleich ihrer Kunst mit religiöser Initiation (277de) manifestiert. Der Euthydemos ist aber auch ein gutes Beispiel für platonische Ironie, insofern er an offenbar vorausgesetztes Vorwissen seiner Leser appelliert, vor dessen Hintergrund viele Partien im Text über den Horizont der Partner des Sokrates hinausweisen (zur dramatischen oder platonischen Ironie vgl. Clay 2000, 143 f.; Erler 2007, 77 f.). Die Sokratesfigur im Euthydemos ist in besonderer Weise literarisch geformt, nicht zuletzt mit aus der Komödie entliehenen Facetten wie z. B. dem Motiv des ‚späten Schülers‘. Sie unterstreicht durch Habitus und Redeweise den komödienhaften Charakter des Dialoges (Erler ‚Verkenne dich selbst‘). 6.2.3 Ktesippos Ktesippos aus Paiania (Brisson 1994c; Nails 2002, 119 f.) ist vor allem Beobachter (271a). Er ist etwas älter als Kleinias und in ihn verliebt (283e. 300c). Als enger Freund des Sokrates war er an dessen letzten Tagen im Gefängnis anwesend (Phaed. 59b). Er wird als aufmerksam und begabt vorgestellt und kann ebenfalls bei den eristischen Streitrunden ‚mitspielen‘ (298b–300d). Dafür lobt Sokrates ihn (303e). Er ist nicht ohne Temperament, denn er besitzt bei allem Talent einen jugendbedingten Hang zum Hochmut (273b). Dies wird illustriert, wenn Ktesippos Dionysodoros angreift (283e). Er kann die Sophisten mit deren eigenen Waffen in Bedrängnis bringen. Ktesippos ist auch im Dialog Lysis präsent, wo er als Lehrer der Eristik begegnet (Lys. 211bc), dort freilich weniger sichtbar als im Euthydemos . 6.2.4 Kleinias Kleinias (Brisson 1994a; Nails 2002, 100 f.), Sohn des Axiochos, hat zwar nur einen kleinen Part im Dialog, doch ist die Frage nach seinem Wohlergehen Anlass und gleichsam Grundthema des Dialoges (275ab). Er ist noch jung, wirkt physisch aber reif für sein Alter (271b; s. Kommentar ad loc.), stammt aus einer guten Familie (Cousin des Alkibiades), hat die Studien beim Elementarlehrer beendet (276b) und geht jetzt ins Gymnasium. An den eristischen Szenen nimmt er kaum teil, lacht jedoch bei einer gelungenen Reaktion des Ktesippos (300d) und wird
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wichtiger im zweiten protreptischen Teil (289d. 290bd). Er steht als Beispiel für die fruchtbare Anwendung richtiger Erziehungsmethoden (Hawtrey 1981, 12). 6.2.5 Kriton Kriton aus Alopeke (Brisson 1994b; Nails 2002, 114–116; Erler 2007, 117) begegnet uns auch in der Apologie (Ap. 33de. 38b) und ist ein Sprecher im Kriton und im Phaidon . Er ist Alters- (geb. um 470) und Demengenosse (Alopeke) des Sokrates (Ap. 33de) und dessen enger Freund. Verheiratet ist er mit einer Frau aus dem Hochadel (306e), mit der er Söhne hat (272d. 306d), von denen uns nur einer – Kritoboulos – mit Namen genannt wird (271b. 306d; Ap. 33de; Nails 2002, 116–119). Diogenes Laertios nennt für Kritons Söhne drei weitere Namen (Diog. Laert. 2, 121): Hermogenes, Epigenes und Ktesippos, doch sind diese Namen angezweifelt worden (vgl. Brisson 1994b, 522; Nails 2002, 116). Am Schluss des Dialogs ergibt sich, dass es wegen seines Alters besonders Kritoboulos ist, dem die Sorge Kritons mit Blick auf die Erziehung gilt (306d). Da Kriton wohlhabend ist, unterstützt er seine Freunde finanziell (Diog. Laert. 2, 20. 31. 105. 121) und schützt sie vor Sykophanten (Xen. Mem. 2, 9,4–8). Vor allem soll er sich dem Ackerbau gewidmet haben (291e; vgl. Xen. Mem. 2, 9,2. 2, 9,4). Kriton wird hier – wie sonst auch – als freundlicher Athener bezeichnet, ist Sokrates wohlgesonnen, zurückhaltend gegenüber der Philosophie und an der Erziehung der Kinder interessiert (vgl. 304c ff.). Mit Kritoboulos nimmt Kriton am Prozess gegen Sokrates teil (Ap. 33de). Er bietet (wie andere) 30 Minen als mögliche Strafe und Bürgschaft an (Ap. 38b) und will dafür einstehen, dass Sokrates in der Zeit des Wartens auf die Rückkehr des heiligen Schiffes aus Delos nicht flieht (Phaed. 115d), um ihm den Gefängnisaufenthalt zu ersparen. Im gleichnamigen Dialog diskutiert Kriton mit Sokrates über die mögliche Berechtigung des Sokrates zu fliehen (dazu, dass es sich um denselben Kriton wie im Euthydemos handelt, vgl. Kato 2000, 129–131). Kritons Angebot wird nicht akzeptiert. Mit Kritoboulos ist er beim Tod des Sokrates anwesend (Phaed. 59b). Seine Diener sollen Xanthippe und eines von Sokrates’ Kindern nach Hause bringen (Phaed. 60ab). Kriton ist an Philosophie interessiert und will auch seine Söhne in dieser Wissenschaft ausbilden lassen, doch hat er im Phaidon nicht verstanden, dass Sokrates das Selbst des Menschen nicht im Körper, sondern in der Seele sieht, und sorgt sich deshalb um seinen Leichnam (Phaed. 115c). Nach der Hinrichtung des Sokrates kümmert er sich um das Opfern eines Hahnes (Phaed. 118a). Im Euthydemos ist Kriton zunächst der Anlass für den Bericht des So-
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krates über ein Gespräch im Gymnasium, das am Tag zuvor geführt worden war und das Kriton schlecht hatte hören können, weil zu viele Leute anwesend waren (304d). Am Ende entscheidet sich Kriton gegen Sokrates’ Vorschlag, die beiden Eristiker als Erzieher für sich und seinen Sohn zu wählen (306d), und erzählt von seinem Gespräch mit einem anonymen Kritiker der Philosophie (304d ff.), gegenüber dem er sich distanziert verhält (305ab), weil er selbst Philosophie für eine schöne Sache hält (304e). Eine dramaturgisch bedeutende und inhaltlich wichtige Rolle spielt Kriton insofern, als er an zentraler Stelle des Gespräches in Sokrates’ Bericht eingreift (290e). 6.2.6 Anonymus Viel diskutiert wird die Frage nach der Identität des Anonymus (304d ff.), von dem gegen Ende des Dialoges die Rede ist (Eucken 1983, 47–53; Canto 1989, 33–36; Heitsch 2000; Erler 2007, 123; Palpacelli 2009, 220–226; s. Kommentar ad loc.). Dieser vollzieht nach Kritons Bericht die von Sokrates im Dialog suggerierte Unterscheidung zwischen Eristik und sokratisch-platonischer Dialektik nicht mit, will weder als Philosoph noch als Redner gelten, hält Philosophie für wertlos (304e–305a) und ist sehr von sich überzeugt. Von den vorgeschlagenen Identifikationsangeboten für den Anonymus (vgl. Guthrie, Bd. 4, 282 f.; für die Gleichsetzung mit Kandidaten wie z. B. Lysias, Antiphon, Polykrates, Thrasymachos vgl. Chance 1992, 200; für die Sichtweise, dass es sich hier um kein Individuum, sondern einen ‚Typ‘ handelt, vgl. Bluck 1961, 115 Anm. 4) ist die Gleichsetzung mit Isokrates die plausibelste (Ries 1959, 35 ff.; Eucken 1983, 277; Hawtrey 1981, 189; Heitsch 2000; Palpacelli 2009, 220–233) – wie sie auch am Ende des Phaidros wohl anzunehmen ist (schon Heindorf 1806, 413; Eucken 1983, 47–53. 277 u. a.; Heitsch 1997, 257–262): Der Anonymus ist nie vor Gericht gewesen (305c; vgl. Isocr. 15, 38) und verachtet Philosophie (Isocr. 12, 18 f.) und Wortgefechte (Isocr. 13, 1; vgl. 12, 10 f.).
7. Strukturelle Vielfalt und thematische Einheit Der Euthydemos bietet die neben dem Phaidon und dem Symposium komplexeste und interessanteste narrative Form eines platonischen Dialoges. Wilamowitz spricht bei aller sonstigen Kritik am Euthydemos von einer „Kunst des Aufbaus und der Dramatik […], die den Werken der höchsten Meisterschaft ebenbürtig“ sei (Wilamowitz 1919, Bd. 1, 296). Auf diese Weise wird der oft als Skandalon empfundene Inhalt durch
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eine Würdigung der Form aufgewogen. Gewinnt im Phaidon die Erzählung von Sokrates’ Diskussionen über die Unsterblichkeit der Seele an seinem letzten Tag emotionale Tiefe, weil aus der Sicht trauernder Freunde berichtet wird (Michelini 2000, 528; Erler 2008a, 28–34), so ist im Euthydemos Sokrates selbst der Erzähler, wie auch im Lysis, Charmides oder der Politeia . Anders jedoch als in diesen Dialogen nutzt Platon im Euthydemos die Rolle einer weiteren Figur, Kriton, dessen Intervention (290e–291a) hilft, Sokrates’ Bericht z. B. als unsicher zu qualifizieren (Kato 2000, 128 f.). Formal stellt der Dialog eine Mischform aus dramatischen und dihegematischen (erzählenden) Teilen dar: Ein Einleitungsgespräch zwischen Sokrates und Kriton (271a–272e) bildet den Rahmen für den Bericht über eine Diskussion des Sokrates mit zwei Eristikern vom Vortag und ist ‚dramatisch‘ gestaltet. Wie im Dialog Protagoras tritt dabei eine dramatis persona, die am vergangenen Gespräch teilgenommen hat, als Berichterstatter auf. Als Erzähler fungiert vor allem Sokrates, am Schluss aber auch Kriton (304d–305a). Wie im Phaidon (Phaed. 88c ff.) durchbricht das Rahmengespräch die Erzählung an zentraler Stelle (290e–293a) und wirkt wie ein Kommentar. Anders als Echekrates im Phaidon wird Kriton im Euthydemos aber bei seiner Intervention von Sokrates in ein Gespräch verwickelt. Die klare Gliederung des Dialoges wurde auch schon in der Antike gewürdigt (vgl. [Dem. Phal.] Eloc. 226). Mit Blick auf diese Struktur hat man sogar an das Aufführen des Dialogs gedacht, wofür der leichte Konversationsstil angeführt wird ([Dem. Phal.] Eloc. 226; vgl. Charalabopoulos 2012, 113 f.). Das referierte Gespräch bietet zum einen eristische Streitrunden mit Euthydemos und Dionysodoros, die formal letztlich wohl auf mündliches Brauchtum zurückgehen (s. Einleitung Kapitel 10. 4). Die Wortkämpfe der beiden Eristiker mit Sokrates, die alles widerlegen, ‚was immer gesagt wird, ganz gleich, ob es falsch oder wahr ist‘ (272b), illustrieren die Topik und Praxis sophistischer Argumentationsweise. Zum anderen sind in diese eristischen Streitrunden zwei Gespräche des Sokrates mit Kleinias bzw. mit Kriton eingelegt, die zu Demonstrationszwecken einen Protreptikos bieten (Teil 1: 278e–282d, Teil 2: 288d–293a; vgl. Hösle 2004, 248). Dieser wird in Form eines aporetischen Gespräches vorgetragen (Gill 2000; s. Einleitung Kapitel 9. 2). Der Dialog Euthydemos will den Leser also zur Philosophie hinführen, indem er zum einen mit den eristischen Partien zeigt, was Philosophie nicht ist, und zum anderen vorführt, dass wahre Philosophie in einem Suchen nach Wahrheit besteht, das scheitern kann, aber dabei durchaus Auswege erkennen lässt. Der Dialog wird eröffnet durch einen zweiteiligen Prolog (A) und abgeschlossen durch einen ebensolchen Epilog (A) und bietet im Wech-
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sel drei eristische (B) und zwei protreptische Partien (C), so dass sich als Schema A B C B C B A ergibt. Zwischen den eristischen und protreptischen Partien finden sich Überleitungen, in denen Sokrates die beiden unterschiedlichen Methoden, Eristik und Dialektik, kommentiert oder analysiert. (A) 271a–272e und 272e–275d (B) 275d–277c 1. Überleitung: 277d–278e (C) 278e–282d 2. Überleitung: 282d–283b (B) 283b–288b 3. Überleitung: 288bd (C) 288d–292e 4. Überleitung 292e–293a (B) 293a–303a (A) 303b–304b und 304b–307c Schon beim Euthydemos ist zu erkennen, was man bei späteren Dialogen als „Omphalosstruktur“ (Wyller 1970) erkannt hat: Entscheidendes findet sich hier wie dort zumeist genau in der Mitte der Werke. Denn auch im Euthydemos findet sich der durch Kritons Intervention dramatisch herausgehobene Hinweis auf die alles entscheidende Wissenschaft, bei der hervorbringendes und gebrauchendes Wissen zusammenfallen, ebenfalls genau in der Mitte des Werkes (289b). Die referierten Gespräche selbst zeichnen sich durch eine Sprecherkonstellation aus, die an die fünf Akte des griechischen Dramas erinnert (Gifford, 10; Bonitz 1886, 104 ff.; Wilamowitz 1919, Bd. 1, 305 ff.; eine gute Analyse bietet auch Grote 1865, 527 ff.). 1. Episode: Euthydemos, Dionysodoros, Kleinias, Sokrates (272e– 277c) 2. Episode: Sokrates, Kleinias (277d–282e) 3. Episode: Dionysodoros, Sokrates, Ktesippos, Euthydemos (283a– 288b) 4. Episode: Sokrates, Kleinias (288c–290d) 5. Episode: Euthydemos, Sokrates, Dionysodoros, Ktesippos, Kleinias (293b–304b) Diese fünf Akte werden jeweils durch ‚Zwischenspiele‘ verbunden (Palpacelli 2009, 240 f.), die bisweilen sehr kurz sind und Metaphern oder Hinweise auf Mythen beinhalten:
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1. Interludium (272e–275d): Bericht des Sokrates über die Gesprächssituation als Einleitung für den Bericht über die Gespräche 2. Interludium zwischen der 1. und 2. Episode (277d–278c): Tröstung des Kleinias durch Sokrates 3. Interludium zwischen der 2. und 3. Episode (282d): Entschuldigung des Sokrates für seine amateurhafte Rede 4. Interludium (285ad): Vermittlungsversuch des Sokrates zwischen Ktesippos einerseits und Euthydemos und Dionysodoros andererseits; Vergleiche mit Medea und Marsyas 5. Interludium zwischen der 3. und 4. Episode (288bc): Bild von Menelaos und Proteus 6. Interludium zwischen der 4. und 5. Episode (292e–293a): Sokrates’ Hilferuf an die Eristiker; Vergleich dieser mit den Dioskuren Weiterhin findet sich ein ‚Intermezzo‘ (290e–293a; zur Funktion derartiger ‚Intermezzi‘ bei Platon vgl. Dalfen 1989) nach der 4. Episode, in dem Kriton seine Verwunderung über eine These des Kleinias ausdrückt. Dieser Einbruch des Rahmengespräches als ein Gespräch über das Gespräch erinnert an die Parabase in der Alten Komödie. Insgesamt ergibt sich für den gesamten Dialog eine klare Grundstruktur: 271a–275d 271a–272e 272e–275d 275d–277c 277d–278e 278e–282d 282d–283b 283b–288b 288bd 288d–292e 292e–293a 293a–303a 303b–307c 303b–304b 304b–307c
Prolog Prolog des Rahmengespräches Prolog des erzählten Gespräches 1. Episode: 1. eristische Szene 1. Überleitung 2. Episode: 1. protreptische Szene 2. Überleitung 3. Episode: 2. eristische Szene 3. Überleitung 4. Episode: 2. protreptische Szene 4. Überleitung 5. Episode: 3. eristische Szene Epilog Epilog des erzählten Gespräches Epilog des Rahmengespräches
Man kann die kunstvolle Struktur auch mit rhetorischen Kategorien fassen (Chance 1992, 211): Die fünf Akte stellen die narratio des Sokrates für seinen Freund Kriton dar, innerhalb deren man neben anderen Teilen ein exordium (272e–275d), eine eigentliche narratio (z. B. 293b–303a) und eine peroratio (303b–304b) feststellen kann.
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Innerhalb der eristischen Auseinandersetzungen von Sokrates mit Euthydemos und Dionysodoros werden nach der Zählung von Bonitz 1886, 95 ff. 21 Sophismen geboten, die zum Teil von Aristoteles in den Sophistici Elenchi analysiert worden sind und die durch Streitrunden strukturiert und bisweilen zu mehreren zusammengefasst werden: Eristische Argumente I. Erste Streitrunde 11. Lernen die Weisen oder die Dummen? (275d–276c) 12. Lernen die Lernenden das, was sie wissen oder was sie nicht wissen? (276d–277c; vgl. Aristot. S. E. 165b30 ff. 166a30 f.) II. Zweite Streitrunde 13. Kann man weise werden? (283bd) 14. Es ist unmöglich zu lügen (283e–284a) 15. Es ist unmöglich etwas zu sagen, was nicht ist (284bc) 16. Gute sprechen von den Dingen, wie sie sind (284c–285a) 17. Widerspruch ist unmöglich (285d–286b) 18. Sätze haben keine Bedeutung (287de) III. Dritte Streitrunde 19. Sokrates besitzt bereits das Wissen, wonach er strebt (293be; vgl. Aristot. S. E. 166a30 f.) 10. Sokrates weiß alle Dinge immer (295a–296d) 11. Sokrates ist vaterlos (297d–298b) 12. Ein Vater ist Vater von allen Lebewesen (298bd) 13. Ktesippos schlägt seinen Vater, da der Hund sein Vater ist (298d–299a; vgl. Aristot. S. E. 179a34 f. 179b14 f. b39. 180a4 ff.) 14. Soll man viele Güter besitzen? (299ac) 15. Man soll Gold in sich selbst haben (299ce) 16. Dinge können sehen (300a; vgl. Aristot. S. E. 166a9 f.) 17. Spricht das Schweigende und schweigt das Sprechende? (300bd; vgl. Aristot. S. E. 166a12–14. 177a22. a25 f.) 18. Man ist eine Sache, wenn man dieselbe Eigenschaft wie diese Sache hat (300e–301c) 19. Man darf den Koch kochen (301cd) 20. Sokrates kann seinen Zeus verkaufen oder opfern (301e–303a) 21. Ist Herakles Pyppax? (303a)
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8. Sprachliche Eigentümlichkeiten Die Sprache und der Stil des Euthydemos weisen ihn als einen relativ frühen – zur ersten oder zweiten Gruppe gehörigen (vgl. Dittenberger 1881; Schanz 1886; Ritter 1888; Ritter 1935; Erler 2007, 23–26. 121– 122) – Dialog aus: Er lässt nur vier von 43 Merkmalen von Platons spätem Stil erkennen (Erler 2007, 121). Besonders fällt auf, dass einmal das Wort ὄντως benutzt wird, während sonst τῷ ὄντι steht. Während in der ersten Gruppe der Frühdialoge nur τῷ ὄντι verwendet wird, wird in der zweiten Gruppe der mittleren Dialoge sowohl τῷ ὄντι als auch ὄντως und in der dritten Gruppe der späten Dialoge allein ὄντως verwendet (vgl. Schanz 1886, bes. 442). Der Dialog ist reich an bildhafter Sprache, die, dem Inhalt und der Lokalität angemessen, oft aus dem Bereich des Faustkampfes entnommen ist, um an strukturell wichtigen Punkten die Art der Argumentation zu kennzeichnen (Hawtrey 1981, 34). Auffällig ist in der Tat die besonders große Anzahl der sprichwörtlichen Ausdrücke (276d. 277b. d. 278bc. 283e. 285c; vgl. Tarrant 1946; 1958b), der Wortspiele (271c– 272a) und der seltenen und gesuchten Ausdrücke (z. B. σκληφρός, 271b; ἕρμαιον, 273e; ἀλλόκοτος, 306e u. ä.) und der von Platon neugeprägten Worte (σοφίστρια, 297c; vgl. zum Thema Jowett/Campbell 1894, Bd. 2, 260–279). Der Euthydemos bietet zudem viele treffende Bilder und Vergleiche, z. B. den Vergleich des Dionysodoros mit Medea (285c), des Dionysodoros und Euthydemos mit Proteus (288b), des Sokrates mit Herakles, der nicht fähig war, mit der Hydra zu kämpfen (297c), des Ktesippos mit Marsyas (285cd) oder der Sophisten mit wilden Ebern (294d). Bemerkenswert ist auch das Bild von den drei Wellen von Argumenten, in die Sokrates und Ktesippos geraten sind (293a), das an ein entsprechendes Bild in der Politeia erinnert (Rp. 472a). Der Spiel- und Showcharakter der eristischen Argumentation wird durch Anspielungen auf das Theater (χορός, 276b. 279c) unterstrichen oder durch Vergleiche mit der Vogeljagd illustriert. Zudem finden wir Parodien und Ironie, wie die Behandlung der Brüder als Götter, die in Gebetssprache angesprochen werden (273e. 293a. 296d), Sokrates’ religiöse Ausdrucksweise bei der Anrufung der Musen und der Mnemosyne (275cd) und die bemerkenswert altertümliche Dualform für die beiden Eristiker (vgl. Polleichtner 2011). Parodisch ist wohl auch der häufige Bezug zur aristophanischen Komödie, z. B. zu Aristophanes’ Thesmophoriazusen (vgl. z. B. 284ce mit Aristoph. Th. 149–67), und immer wieder zu den Wolken anzusehen (vgl. 285cd mit Aristoph. Nub. 439–442. 453; 277e mit Aristoph. Nub. 143; 277d mit
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Aristoph. Nub. 250–254; 272c mit Ameipsias’ Konnos, PCG 2 fr. 7–11 Kassel/Austin). Schon Ast hat auf die im Vergleich z. B. mit dem Protagoras besonders lebendige Mimik und Komik des Dialoges auch in der Sprache hingewiesen (vgl. z. B. 275d. 288a. 303a). Zahlreiche Kolloquialismen (Tarrant 1946) finden sich, die den Stil des Dialoges prägen, wobei es entsprechend der kunstvollen Struktur und den unterschiedlichen Personenzeichnungen zu unterschiedlichen Stilformen kommt (Thesleff 1967, 130–133). Sokrates’ Sprache zeichnet sich im bezeichnenden Kontrast zu seinen Partnern durch einen eher pathetischen Stil aus (Thesleff 1967, 131), bei dem sich ironische Untertöne feststellen lassen. Besonders interessant ist die Beobachtung (Brock 1990, 43), dass Platon im Euthydemos die Sprache der Sophisten, die Aristophanes in den Wolken Sokrates zuschreibt, Sokrates’ Gegnern Euthydemos und Dionysodoros gibt (vgl. z. B. τερατώδεσιν, 296e mit Aristoph. Nub. 364). Die Eristiker treten selbstbewusst auf und drücken sich entsprechend aus (273d. 274a. 283b), wobei ihre Sprache aber beinahe zum Vulgären neigt (287b), wenn z. B. Ktesippos als Bomolochos (Brock 1990, 44; Michelini 2000) die Untersuchung auf das Niveau von Fragen über die Zähne von jemandem reduziert (294bd) und aus Fragen nach Eltern Fragen über Schweine (298a–299a) werden lässt. Ktesippos’ Sprache ist dabei lebendig (283e. 284de). In der Tat lassen Motive und sprachliche Anspielungen im Euthydemos vor allem einen Bezug zur Sprache der Komödie erkennen (Greene 1920; De Vries 1949; Rankin 1967): Die beiden Eristiker und Sokrates bieten einen Redeagon, der voller komischer Momente ist und bei dem sich sprachliche Reminiszenzen an die Komödie häufen (Winckelmann 1833, XLIV-VIII; Clay 1975; Michelini 2000; Erler 2017), insbesondere an die des Aristophanes (Brock 1990, 43). Es sei hier an Ausdrücke wie γέροντε ὄντε (272b, vgl. Norwood 1932, 310) und ἔγρυξα (301a; Aristoph. Eq. 294; Ve. 374. 741; Th. 1095; Ran. 913) erinnert, oder auch an Feminin-Formen wie σοφίστρια (vgl. 297c mit Aristoph. Pl. 970: συκοφάντρια). Die Häufung dieser sprachlichen Merkmale im Euthydemos, die auch in anderen Dialogen nicht fehlen, mag mit Blick auf dieses Werk auffällig sein, rechtfertigt sich aber durch den besonderen, komisch-satirischen und durch die inhaltliche Intention bedingten Charakter des Dialoges (Thesleff 1982, 144–145).
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9. Literarische Fragen Die platonischen Dialoge gewinnen ihren besonderen literarischen Charakter nicht zuletzt dadurch, dass sie Elemente anderer Gattungen rezipieren, transformieren und integrieren und dadurch die philosophische Aussage unterstreichen oder gar kommentieren (Erler 2007, 78). Dies betrifft auch Elemente der Tragödie (Gaiser 1984; Kuhn 1941–1942; Halliwell 1996; Charalabopoulos 2012, 90–103) – man denke an die Anspielung auf Euripides’ Amphion im Gorgias (Nightingale 1995) – und der Komödie (Clay 1994, 37–41; Charalabopoulos 2012, 71–77). Letzteres zeigt z. B. der Beginn des Protagoras, der auf die Kolakes des Eupolis Bezug nimmt (Eup. PCG 5 fr. 157 Kassel/Austin; Manuwald 1999, 130). Tragische oder komische Dramenelemente werden rezipiert durch sprachliche Reminiszenzen und durch die Übernahme von Motiven und typischen Strukturmerkmalen (Dalfen 1979–1980; Nightingale 1995; Charalabopoulos 2012, 66–68). Zudem finden sich Stellen in den Dialogen, die man als Reflexionen über die Anwendung derartiger Elemente deuten kann (Erler 1994a; Erler 2001b; Erler ‚Plato poeta doctus‘). Platon lässt in seinen Dialogen jene Verbindung von Komödie und Tragödie erkennen, für die er Sokrates am Ende des Symposium argumentieren lässt (Symp. 223d). Manche Dialoge, wie z. B. der Phaidon, zeichnen sich durch eher tragische Elemente aus, der Euthydemos hingegen lehnt sich nicht nur in der Sprache, sondern auch in der Struktur und Motivik eng an die Komödie an, so dass man sagen kann, mit dem Euthydemos transponiert Platon die klassische Komödie in Prosa (Palpacelli 2009, 239–254).
9.1 Der Euthydemos als komisches Drama Unter den Dialogen Platons hat besonders der Euthydemos die modernen Interpreten zu Vergleichen mit dem Drama, insbesondere mit der Komödie und dem Satyrspiel angeregt. In der Tat wird das Vorgehen der Eristiker wiederholt als Scherz und damit als Kontrast zum eigentlich von ihnen erwarteten Ernst apostrophiert. Die Atmosphäre des Wettstreites ist gelöst und heiter. Nirgends in Platons Dialogen wird so viel gelacht wie im Euthydemos (273d. 275e. 276b. 276d. 298e. 300d; Michelini 2000; Halliwell 2008, 188 f. 287–290) und auch die Säulen des Gymnasiums scheinen in das Gelächter über die Scherzrunden einzustimmen (303b). Es kann deshalb nicht erstaunen, dass man den Euthydemos bisweilen als „Mummenschanz“ (Praechter 1926, 250), als
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„un contraltare all’opera di Aristofane“, insbesondere der Wolken (Zeppi 1969, XC; vgl. Palpacelli 2009, 243–246) oder gar als Satyrspiel (Natorp 1921, 119) angesehen hat. Auch wenn bei solchen Urteilen zumeist nicht die literarische Beziehung gewürdigt, sondern der Inhalt disqualifiziert werden soll, lohnt es sich, die Beziehungen zum komischen Drama – zur Komödie, aber auch zum Satyrspiel – ernst zu nehmen. Dieser Bezug wird nicht nur durch das komische Dialoggeschehen und die Figurenzeichnung, sondern auch durch Hinweise auf die Komödienhandlung bestärkt. 9.1.1 Komische Sokratesfigur Die Sokratesfigur im Euthydemos ist nicht nur – wie in den anderen Dialogen auch – eine literarisch gestaltete Figur, bei der ein historischer Kern (Erler 2013c) mit der philosophisch-platonischen Verhaltensvorgabe versehen ist (Szlezák 1985), sondern sie hat komische Elemente, die zum komödienartigen Kontext des Dialoges passen. In der Tat erinnern Motive an den Bereich des komischen Dramas, das Sokrates gerne als Intellektuellen zeichnet und zum Gegenstand des Gespötts macht (Eup. PCG 5 fr. 386 Kassel/Austin; Zimmermann 1993). Dass der Sokrates im Symposium nicht nur mit einem Silen verglichen wird (Symp. 215ac. 216cd. 221de; vgl. Theaet. 143e. 144d; Xen. Symp. 4, 19. 5, 7; Aristoph. Nub. 360–363; zur Stilisierung des Sokrates in Phaidons Zopyros vgl. Cic. Fat. 10; Tusc. 4,37,80; Kahn 1996, 11; Zanker 1995, 38–45), sondern die Sokratesfigur auch in Aussehen und Verhalten entsprechend gestaltet wird (Taplin 1993, 35), passt zur Stilisierung von Sokrates als komischer Figur, wie wir es sonst bei Platon finden, und wird auch als Reaktion auf die Darstellung des Sokrates durch Komiker wie Aristophanes zu verstehen sein. Insgesamt ist die Sokratesfigur im Euthydemos philosophisch zwar als Gegenbild zu den Eristikern und positiv als platonischer Protophilosoph gezeichnet (Szlezák 1985, 49 ff.; Erler 1987a, 213 ff.), literarisch jedoch hat die Sokratesfigur im Euthydemos komische, ja satyrhafte Züge (Thesleff 1982, 124) und wirkt bisweilen geradezu wie ein Papposilen. Das betrifft das äußere Erscheinungsbild (Zanker 1995, 38–45) ebenso wie – insbesondere im Euthydemos – sein Verhalten (Charalabopoulos 2012, 70–77. 174–178). Sokrates wird nicht nur mit einem Silen verglichen (Erler 2017), auch sein umfangreicher Bauch war bekannt (Taplin 1993, 35). Sein Verhalten wird in anderen Dialogen bisweilen als kindisch oder unmännlich empfunden (Gorg. 485ae; Michelini 2000, 514 f.; vgl. Aristoph. Nub. 1015– 1023). Beim Euthydemos lassen sich auch Handlungselemente mit der
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Komödie, vor allem den Wolken des Aristophanes, vergleichen: Schon Sokrates’ erster Auftritt hat komische Züge, wenn er von seinem Musikunterricht bei Konnos berichtet und erzählt, dass er als Spätlerner von diesem als unbotmäßiger Schüler weniger beachtet worden sei (272bc. 295d; Michelini 2000, 519). Wir hören an der Stelle (295d) weiter, dass er sich dann auf Konnos eingestellt habe, damit er nicht abgewiesen werde. Inwieweit bei diesen Bemerkungen im Euthydemos Ameipsias’ Konnos im Hintergrund steht, wird jetzt diskutiert (Orth 2013, 213–247, bes. 214 ff.; genauer hierzu s. Einleitung Kapitel 8). Später bieten sich Sokrates und Ktesippos als Schüler an, wie Strepsiades in den Wolken (vgl. 285cd mit Aristoph. Nub. 439–442. 453; προδίδασκε, 302c mit Aristoph. Nub. 476; σκαιόν, 295d mit Aristoph. Nub. 629). Das Motiv von Sokrates als Spätlerner gibt den Ton für den komischen Charakter der gesamten folgenden Konversation an (vgl. ἀρχαιότερος, 295c und Κρόνος, 287b mit Aristoph. Nub. 821. 398. 929. 1070). Zudem ist auf den komischen Topos ‚jugendliches Verhalten alter Männer‘ hinzuweisen, der ebenfalls an Aristophanes’ Wolken erinnert (vgl. Thphr. Ch. 27). Hier sind die Verhältnisse freilich umgekehrt: Platon bietet Aristophanes’ Wolken mit vertauschten Rollen, insofern bei ihm Sokrates nicht als der ungeduldige Experte, sondern als ältlicher Novize vorgeführt wird (vgl. Cratin. PCG 4 fr. 28 Kassel/Austin; Crichton 1993; Michelini 2000, 519). In diesem Kontext eines eher naiven Alten ist vielleicht auch die von Sokrates oft bemühte – natürlich ironisch gemeinte – religiöse Sprache im Euthydemos zu sehen (vgl. Rp. 350e; Michelini 2000, 521). Auch der von Sokrates öfter evozierte Kontrast von Spiel und Ernst, trivialem Verhalten der Eristiker und Seriosität des elenktischen Philosophen ähnelt dem Verhältnis von tragischen Elementen in der Komödie z. B. bei Aristophanes (Michelini 2000, 530). 9.1.2 Weiteres komisches Personal Aber nicht nur die Sokratesfigur mit ihrer auch aus anderen Dialogen bekannten Selbstverkleinerung (Gaiser 1959, 139), ihrer nahezu naiv wirkenden Frömmigkeit, ihren Hinweisen auf die göttliche Macht ihrer Partner (Michelini 2000, 514) oder ihrem Wunsch, deren Schüler zu werden, wirkt im Euthydemos komisch. Die Figur des Ktesippos ist wie ein Bomolochos gezeichnet, wenn er z. B. das Tierreich in die Frage nach der Elternschaft einbezieht (298c–299a; s. a. Einleitung Kapitel 8). Komisch sind auch die Figuren der Eristiker selbst wegen der von ihnen vorgetragenen Inhalte gezeichnet, insofern sie in ihrem Reden und Handeln geradezu wie das Negativ zum Positiv des platonischen Philoso-
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phen dargestellt sind (Szlezák 1980; Erler 1985). Wenn Sokrates ihnen unterstellt, sie könnten nach ihrem Gusto spielerisch argumentieren oder auf philosophischen Ernst umschalten, formuliert er seine Erwartung an einen Philosophen, welche die Eristiker aber nicht einlösen können, obwohl sie dies glauben. Gleiches gilt bei seiner Erwartung, sie könnten adressatenorientiert Wichtiges zurückhalten oder vortragen, wie er es tun kann (287cd. 301c). Anders als Sokrates und Platon nehmen die Eristiker jeden Schüler unabhängig von seiner Begabung an (304c) und glauben, Wissen in sehr kurzer Zeit übermitteln zu können, was aus Platons Sicht eben nicht möglich ist (273d. 303c. 303e. 304a. 304c). Die Partner des Sokrates im Euthydemos wirken nicht zuletzt auch deshalb komisch, weil dieser sie in ihrem Verhalten so darstellt, dass sie komisch wirken müssen. Wenn Sokrates unterstellt, sie seien nicht mit kleinen, sondern großen Dingen befasst (273c. 300e), dann gilt das nicht für sie, sondern für ihn selbst. Das ist auch der Fall, wenn sie glauben, das Gespräch zu beherrschen, und wenn sie als Retter bezeichnet werden (293a). Wenn Platon Sokrates im Euthydemos andeuten lässt, dass seine Lehrer Euthydemos und Dionysodoros ebenfalls schon älter sind, dann mag dies auch als eine Anspielung auf Isokrates’ Postulat gelesen werden, dass das eristische Spiel nur von jungen Leuten gespielt werden soll. Im Gegensatz dazu warnt Platon andernorts davor, die Dialektik in die Hände von jungen Menschen zu geben, die daraus ein agonales, eristisches Spiel machen (vgl. 272bc; Isocr. 10, 6 f.; Gorg. 484c–485d; Rp. 538d–539d). 9.1.3 Struktur und komische Handlungselemente Auch die Struktur des Dialoges erinnert stark an das Drama, insbesondere an die Komödie oder das Satyrspiel. Man beobachtet nämlich neben Prolog und Schluss in der Tat eine Fünf-Akt-Struktur (s. Einleitung Kapitel 7; Hamilton 1991; Poe 1999; zur Diskussion über die Komödienstruktur vgl. Narcy 1984, 59 f.; Hawtrey 1981, 33; Palpacelli 2009, 239–254). Zudem evozieren mehrere Szenen und Bemerkungen die Nähe zum Theater, wie z. B. die Finalszene des letzten Streitgesprächs (303b), in der das Publikum vor Begeisterung außer sich gerät. Der Bezug zum Drama wird zudem unterstrichen, wenn die Sophistenschüler als Chor bezeichnet (276b) und Euthydemos als Choreograph apostrophiert wird (276d). Auch weitere Signale, wie z. B. die Parodie des Musenanrufs, weisen auf das Drama. Kaum zufällig spielen die Wolken des Aristophanes eine Rolle (Greene 1920; Post 1926; De Vries 1949, 187–222; Brock 1990): Dort ist Strepsiades alt – wie es Sokrates im Euthydemos von
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sich behauptet – und will bei Sokrates lernen. Im Euthydemos will Sokrates bei den Eristikern in die Lehre gehen. Auch das Bild von der Initiation, als Kleinias auf die ersten beiden Sophismen reagiert, hat in den Wolken eine Parallele (vgl. 277de mit Aristoph. Nub. 143. 250–254; vgl. Adkins 1970; Hawtrey 1976). Wenn Ktesippos den Marsyas-Mythos heranzieht als Ausdruck der Hoffnung, dass es ihm bei den Sophisten nicht so wie jenem ergehen soll, finden wir Ähnliches bei Aristophanes (vgl. 285cd mit Aristoph. Nub. 439–442. 453). Und die Streitrunden über Zeus Patroos erinnern an eine Partie in den Wolken (302bd mit Aristoph. Nub. 1467–1471). Am Schluss der Wolken will Pheidippides seinen Vater schlagen und beruft sich auf Sokrates (Aristoph. Nub. 1321–1443) – in 298be ist vielleicht eine Reminiszenz daran zu sehen: Der Vater ist ein Hund, man kann ihn also schlagen. Ob diese Bezüge bei Platon bewusst hergestellt sind, ist nicht sicher zu sagen. Doch fällt auf, dass Sokrates’ Sprache in den Wolken, die an die sophistische Terminologie angelehnt ist, von Platon auf die Eristiker übertragen wurde (s. Einleitung Kapitel 8; s. Brock 1990, 43). Man hat mit Grund darauf hingewiesen, dass Platon als Autor in der Tat jene Verbindung von Komödien- und Tragödiendichter zu verkörpern scheint, für die er Sokrates am Ende des Symposiums argumentieren lässt (s. auch Einleitung Kapitel 9; Symp. 223d; vgl. Xen. Symp. 5, 7), die aber zu seiner Zeit unpassend scheint (Gaiser 1984, 55 ff.). 9.1.4 Sokrates’ Hilferuf: ein Motiv aus dem Satyrspiel Mit Blick auf Platons Transformation von Motiven aus dem Drama ist eine Stelle von Interesse, an der Platon offenbar eine Standardsituation des Satyrspiels evozieren will (Erler 2017). Es handelt sich um die Stelle, an der Sokrates die beiden Eristiker als Dioskuren zu Hilfe ruft, weil er sich einem Ansturm dreier Wogen (τρικυμία) von Argumenten ausgesetzt fühlt und in einer Aporie unterzugehen fürchtet (292e–293a). Das Motiv des Hilferufs findet sich im Euthydemos nochmals an späterer Stelle, an der von einer Hilfe die Rede ist, die Herakles von Iolaos erfährt (297cd). Generell ist es ein in Platons Dialogen wiederkehrendes Motiv (z. B. in Lach. 194c, wo Nikias Laches helfen soll), das von den Interpreten zumeist unter philosophischen Gesichtspunkten gewürdigt wird (Szlezák 1985, 154 f.), doch sollte die literarische Herkunft und Besonderheit unserer Stelle nicht übersehen werden. Platon bezieht sich nämlich auf ein Motiv des Dramas. Das Motiv des Hilferufs findet man im Drama in unterschiedlichen, etwa rechtlichen Kontexten, wenn eine Figur glaubt, Unrecht erlitten zu haben oder wenn sie Waffen benötigt (Steffen 1965; vgl. Aeschl. Ag. 1315 ff.; Soph. Ant. 940 ff.; Eur. Her.
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698 f.; Aristoph. Ach. 566 ff.; vgl. Taplin 1977, 160). Dabei findet es sich in der Tragödie (vielleicht in Soph. O. C. 1491 ff.; vgl. Taplin 1971, 31) und vor allem im komischen Drama, z. B. bei Aristophanes (Zimmermann 1984, 141 ff.), wo der Chor verschiedentlich zur Unterstützung eines Schauspielers erscheint (Aristoph. Eq. 242 ff.; Pl. 253–321), wie z. B. in Aristoph. Pax 292–300, wo die Friedensgöttin aus dem Abgrund herausgeholt werden soll und Trygaios Menschen zu Hilfe ruft (Sutton 1980, 18 f.; Zimmermann 1984, 30). Gerne wird das Motiv auch im Satyrspiel verwendet (Taplin 1977, 220. 419 Anm. 1). Es sei hier vor allem auf die Diktyulkoi verwiesen, in denen es um die Bedrängnis und Rettung des Mädchens Danae und des jungen Perseus am Strand von Seriphos durch die ‚Netzzieher‘ geht (vgl. Aeschl. TrGF 3 fr. 46a Radt; dazu Wessels/Krumreich 1999; Lämmle 2013, 295–305). Es geht also beim vergeblichen Bemühen, den Kasten an Land zu ziehen, dramatisch darum, die Handlung in Gang zu setzen. Auch wenn das Fragment abbricht (die von Steffen vorgeschlagene Verbindung von F 46a mit F 46c wurde als problematisch erachtet von Taplin 1977, 419 Anm. 1), ist zu erwarten, dass aufgrund des Hilferufs nun unerwartet – gerufen wurden Bauern und Weinstockbuddler – die Satyrn auftreten, was sicherlich zu komischen Effekten führte. Denn Satyrn sind nicht nur unbeholfen, sondern auch faul. Wir haben also das Motiv des Hilferufs, verbunden mit einer enttäuschten Erwartung. Dieses Motiv findet sich auch in den Ichneutai des Sophokles, wo Apollon seine Rinder sucht und um Hilfe ruft. Dies bringt die Satyrn auf die Bühne, die helfen wollen, aber wieder keine Hilfe sind (vgl. Soph. TrGF 4 fr. 314, 45 ff. Radt; dazu Scheurer/Bielfeldt 1999; Lämmle 2013, 313–320). Es ist deutlich, dass das Motiv des Hilferufs und die durch die nutzlosen Satyrn enttäuschte Erwartung den passenden Hintergrund für die Situation der Euthydemstelle bieten: Die beiden Eristiker sollen helfen und wollen dies auch, können es aber in Wirklichkeit nicht, obgleich sie dies selbst nicht merken. Der Subtext des Satyrspiels an unserer Stelle unterstreicht den komischen Charakter des Euthydemos .
9.2 Der Euthydemos und die Protreptik Es ist ein Bestreben des Euthydemos, die Differenz zwischen eristischer und sokratischer Argumentation aufzuzeigen, um Verwechslungen zu vermeiden. Denn diese wie auch die bisweilen problematischen Argumente auf Seiten des Sokrates in den Dialogen waren offenbar Anlass zur Kritik der sokratisch-platonischen Methode (Guthrie, Bd. 4, 275 f.), wie der Anonymus am Ende der Schrift zeigt (304de). Sokrates selbst
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warnt davor, dass Elenktik in den falschen Händen zum Mittel von Spiel und Demütigung werden könnte (Ap. 23cd; vgl. Theaet. 167c–168b). In der Tat zeigt der Euthydemos, dass auch Sokrates die Mittel sophistischer Argumentation beherrscht, sie aber mit anderer Intention einsetzen kann und will als die Sophisten. Den Sophisten und den Eristikern freilich geht es darum vorzuführen, was sie können und was man von ihnen durch Nachmachen lernen kann. Für Platons Sokrates hingegen steht die Änderung des Lebens und die Wahl einer neuen Lebensform im Mittelpunkt, wobei vom Adressaten eine aktive Teilnahme erwartet wird. Dieses Spannungsverhältnis von Elenktik in den sokratischen Teilen und von Eristik in den Redeteilen mit Euthydemos und Dionysodoros wie auch die Schlussunterhaltung des Sokrates mit Kriton über die richtige Erziehung lassen protreptische Züge erkennen (306d–307c; Slings 1999, 149 Anm. 283). Wenn Sokrates Kriton am Schluss rät, die Philosophie selbst auf die Probe zu stellen, setzt er im Grunde die eigene protreptische Partie im Dialog fort, wo es heißt, dass man philosophieren müsse (282cd). Damit illustriert der Euthydemos eine Werbung für die Philosophie und legt nahe, ihn mit protreptischer Literatur in Verbindung zu bringen (Isocr. 3, 57. 4, 75; Xen. Mem. 1, 4,1. 1, 2,64; Cyr. 2, 2,14). Es wird also eine Textsorte präsentiert, die im sophistischen Kontext eine wichtige Rolle spielt (Gaiser 1959; Slings 1995; Michelini 2000, 510 ff.). Diese Werbemethode und möglicherwiese auch das Literaturgenre sind maßgeblich im sokratischen Umfeld gefördert worden (Swancutt 2005; jetzt Collins 2015). Bei den beiden protreptischen Partien im Euthydemos handelt es sich um die ersten überlieferten literarischen Protreptikoi. Einen Protreptikos in Form einer eigenen Schrift wie Aristoteles, Theophrastus, Demetrios von Phaleron oder Poseidonios hat Platon allerdings nicht verfasst (Slings 1995; Gaiser 1959, 197–221; Festugière 1973; Slings 1999, 127–137). Die Protrepse als Versuch, zur Philosophie hinzuwenden, wird einerseits mit den Sophisten, andererseits auf besondere Weise mit Sokrates verbunden (vgl. Slings 1999, 58 f.; Michelini 2000, 510 Anm. 7). Das Wort ‚Protreptikos‘ (278cd. 282d) scheint allgemein eher im philosophischen Kontext gebraucht zu sein (Hawtrey 1981, 75 f.). Zwar kann man im Grunde alle Dialoge Platons als protreptisch im Sinne einer Werbung für die Philosophie bezeichnen. Doch hat Platon auch eigentlich protreptische Partien als Hinwendung zur ἀρετή, wie sie z. B. in der Apologie (Ap. 29d–30b. 36bd; vgl. [Plat.] Clit. 408d; Slings 1999, 103–183) vorgeführt werden, verschiedentlich in das Dialoggeschehen des Euthydemos eingebettet und bisweilen auch so bezeichnet (vgl. 274e ff. 278cd; vgl. Gaiser 1959; Festugière 1973). Im Gegensatz zu den meisten anderen Dialogen, in denen die Protrepse nur eine Nebenwirkung der behandelten Sachfragen
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ist (z. B. Gorg. 456a–457c. 526d–527e; Lach. 178a–190e; Phaed. 114d– 115a; Symp. 173cd), wird allein im Euthydemos in zwei zwar getrennten, aber inhaltlich eng verbundenen Partien (278e–282d. 288d–293a) eine Hinführung zur Philosophie im Sinne des Sokrates geboten (274e ff. 278cd. 282d–283c; Hösle 2004, 248). In diesen beiden protreptischen Partien des Euthydemos wirbt Sokrates für die Philosophie, indem er ein Gespräch in Aporie enden lässt, wie es in den frühen aporetischen Dialogen oft geschieht. Der Euthydemos ist zunächst also weniger ein protreptischer Dialog als ein Dialog, der von Protreptik handelt. Die beiden protreptischen Teile des Sokrates – insgesamt das erste uns erhaltene Beispiel eines Protreptikos – zeichnen sich durch das inhaltsbezogene Suchen nach Wahrheit und durch alle weiteren Elemente aus, die auch den elenktischen Gesprächsverlauf anderer aporetischer Dialoge kennzeichnen. Dabei wird die Protreptik umfunktionalisiert im Sinne einer neuen Rhetorik, die den Partner nicht bloß irritieren oder unterhalten, sondern von Unwissen befreien will. Das protreptischelenktische Gespräch endet in einer Aporie, deren Lösbarkeit freilich angedeutet wird. Dramaturgisch dient diese dann dem Wiederauftritt der um Hilfe gebetenen Eristiker. Der Leser wird aufgefordert, diese als lösbar geschilderte Aporie mit dem von den Eristikern intendierten, bloßen Verstummen des Partners zu vergleichen. Diese Andeutungen einer inhaltlichen Lösbarkeit auf einem höheren Reflexionsniveau (Erler 1987a, 234–241) stellen eine Art Eigeninterpretation platonischer Aporetik allgemein dar und verweisen auf den auch anderen Schaustücken des Dialoges zugrundeliegenden philosophischen Hintergrund. In der Tat ist die erste Gesprächsrunde mit Sokrates (278e3–282d3) als Modell eines protreptischen Argumentes gestaltet. Die Argumentation der beiden Protreptikos-Teile verläuft in sieben Schritten (278e ff): 1. Jeder strebt nach einem glücklichen Leben (278e). 2. Man glaubt, Glück bestehe im Besitz vieler Dinge (279a ff.). 3. Zu traditionellen Gütern wie Geld, Gesundheit, Unsterblichkeit gehört rechter Gebrauch (280be). 4. Wissen ist folglich notwendig für das Glück und intrinsisch gut (281de). 5. Jeder muss nach Wissen streben – philosophieren (282ad). 6. Nicht jedes, nur für das Glück notwendiges, nützliches Wissen ist zu suchen (288de). Da nützlich allein das ist, was wir richtig gebrauchen, muss es also um ein Wissen gehen, bei dem das Tun, d. h. das Erkennen, mit dem Wissen konvergiert, wie man das Erkannte oder Getane richtig verwendet (289b).
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7. Die Frage nach der Existenz eines solchen Wissens führt in die Aporie (292e–293a). Vor allem erweist sich die Politik (βασιλικὴ τέχνη, 291bd) nicht als das gesuchte Wissen. Die ersten Argumentationsschritte zeigen also plausibel, dass man philosophieren soll. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es auch Güter gibt, die nicht durch rechten Gebrauch gut werden, sondern weil das, was aus ihnen folgt, als gut angesehen wird, wie z. B. bei der Lust (vgl. Rp. 357b–358a; Kutschera 2002, 205 f.). Daneben gibt es Güter, die an sich (intrinsisch) gut sind, wie Erkenntnis (vgl. 281e; dazu Men. 87e–89a). Wenn aber nur Wissen an sich gut oder wertvoll ist, dann gehört dieses Wissen bei allem dazu, wenn es wertvoll werden soll. Die Aporie ergibt sich nun bei der Suche nach diesem Wissen und der Frage, ob die Philosophie dieses Wissen anbieten kann. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass Wissen hier offenbar wie in anderen frühen Dialogen als τέχνη, d. h. als Wissen, wie man etwas macht, verstanden wird. Technisches Wissen bewirkt ein ἔργον (291de), das erst dann nützlich und damit gut wird, wenn man es recht verwendet (292ac). Das gilt für das Handwerkwissen der Redenschreiber, der Astronomen oder der Geometriefachleute, die ihr Wissen den Dialektikern geben (290bc). Man benötigt also ein Wissen, das dieses Wissen nicht nur hervorbringt, sondern es auch richtig zu gebrauchen weiß: ein Wissen des Guten oder ein Wissen vom Wert der Dinge. Nur dieses Wertwissen macht glücklich, wie z. B. der Charmides andeutet (Ch. 174ad) und die Politeia lehrt (Rp. 505a). Die Aporie entsteht, weil gefordert ist, dass dieses gesuchte Wissen nur Wissen seiner selbst als Wertwissen sein soll, nicht Wissen von Dingen, die erst Wert erhalten sollen (292d). Man hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Argumentation, die in die Aporie führt, im Grunde den Grundsatz von Hume, dass Wertwissen und Sachwissen getrennt sind, voraussetzt (Kutschera 2002, 207). Da Sokrates im Gespräch folgerte, dass an sich gut nur ein Wissen ist, welches gerade nicht Wissen von neutralen Dingen ist (technisches Wissen), ist Gegenstand des gesuchten Wissens dieses Wissens selbst. Damit bleibt die Frage nach dem Gegenstand des gesuchten Wissens offen und es ergibt sich ein recursus ad infinitum (Goldschmidt 1947, 79 f.; O’Brien 1967). Denn auch wenn man sagt, das gesuchte Wissen sei dazu da, andere gut zu machen, bedeutet dies nur, sie wissend zu machen ohne Angabe dessen, worin es sie gut macht. Diese Aporie lässt sich freilich dann lösen (Erler 1987a, 238–240; anders Vlastos 1991, 128; s. aber Kahn 1996, 307–309), wenn man sie mit einer ähnlich gelagerten Aporie in der Politeia vergleicht (Rp. 505ae). Dabei gibt es natürlich auch Differenzen zu beobachten, wie
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z. B. das Fehlen der Stereometrie im Euthydemos, die in Rp. 528 zu finden ist, und auch das Verhältnis von intrinsisch Gutem und Wissen scheint nicht deckungsgleich (McCabe 2002a). Dort wird nahegelegt, dass die Aporie zu meiden ist, wenn man für das technische Wissen ein an Ideen gebundenes Gebrauchswissen einsetzt, das den Dingen Sein, aber auch Nutzen gibt. In der Tat kann die Dialektik, wie sie der platonische Sokrates andernorts versteht, das Problem überwinden, insofern sie die Produktion und Verwendung von Wissen zu verbinden weiß (Phaedr. 276e–277a). Im Euthydemos jedoch biegt die Argumentation ab und verbleibt auf dem technischen Horizont des Gesprächspartners, z. B. der Kunst der Jagd (290bc). Denn Mathematiker, Astronomen und Rechenkünstler übergeben ihre Kunst den Dialektikern (290bc). Diese von Sokrates als erstaunlich qualifizierte und von Kriton kommentierte Bemerkung des Kleinias deutet diese Beschränkung des Wissensbegriffes an (vgl. Rp. 533cd), ohne dass Kleinias sich der Tragweite der Aussage bewusst ist – eine Stelle von tragischer Ironie, wie nicht selten bei Platon (Clay 2000, 143 f.; Vlastos 1991, 31). In der Tat ergibt sich kein Regress, wenn Wissen existiert, das impliziert, wie man mit ihm als Sach- und Gebrauchswissen umgeht. Dieses existiert für Platon in der Dialektik. Die Aporie ist also aus Platons Sicht nicht ‚echt‘, sondern ergibt sich vor einem nicht-platonischen Wissenshorizont, ein Umstand, der auch in anderen aporetischen Dialogen zu beobachten ist und von Sokrates im Höhlengleichnis geradezu kommentiert wird (Erler 2006, 93). Platon lässt diese Möglichkeit dramatisch anklingen, indem er Kleinias genau jene Lösung in der Politeia andeuten lässt – die Handwerker müssen ihre Kunst den Dialektikern übergeben – und Kriton aus dem Rahmengespräch kommentierend auftreten lässt, indem er sein Erstaunen über diese Bemerkung des Kleinias äußert (290e). Das Beispiel des Protreptikos ist also nicht nur eine Illustration dessen, was Sokrates unter einem Protreptikos versteht, sondern gleichzeitig eine Art Eigenkommentar zur Intention und Konstruktion anderer aporetischer Dialoge (Erler 1987a).
9.3 Literarische Darstellung und Argumentation im Euthydemos Spätestens seit Schleiermacher, aber vielleicht schon seit Ficino (Erler 2010a) wissen wir, dass Platon, der Philosoph, und Platon, der Schriftsteller, untrennbar zusammengehören und dass die literarische Gestaltung Teil seiner philosophischen Botschaft ist. Diese Erkenntnis ist gerade auch in der jüngeren Forschung mit Gewinn für die Interpretation der platonischen Dialoge fruchtbar gemacht worden (Blößner 1997,
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243–288). Man sollte die Erwartung des Echekrates im Phaidon beherzigen, der nicht nur erfahren möchte, was Sokrates gesagt, sondern auch, was er getan hat (Phaed. 58c). In der Tat kann die pragmatische Ebene des Dialogs die Ergebnisse der philosophischen Argumentation nicht nur affirmieren (vgl. Erler 2009d), sondern auch konterkarieren, wenn z. B. im Parmenides die Ideentheorie argumentativ scheitert, aber gleichwohl als Grundlage jenes dialektischen Diskurses postuliert wird, der im Dialog praktiziert wird (Parm. 135bc; Damschen 1999, 91). Derartige performative Widersprüche finden sich verschiedentlich in den Dialogen (vgl. Crat. 433ab; Gorg. 482bc; Prot. 338e–339e) und sind philosophisch relevant. Auch im Euthydemos ist Derartiges zu beobachten (Damschen 1999; zur Performanz in der Wissensliteratur vgl. Fuhrer/Renger 2012, dort bes. der Beitrag von Fuhrer, 129–147), z. B. bei der Diskussion der Eristiker über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit des Widerspruches (285d–288a). Diese Frage ist nicht nur Basis des diskutierten Problems, ob und was man lehren und lernen kann, sondern Bedingung der Möglichkeit der Gespräche, die im Euthydemos vorgeführt werden, überhaupt. Die Eristiker postulieren – wohl in Anlehnung an Antisthenes (Diog. Laert. 3, 35 = SSR 2 fr. 5 A 148 Giannantoni; Döring 1998, 273 unter Hinweis auf Euthyd. 285d–286b), wobei die These auch bei Protagoras und Prodikos anklingt – ein Logikmodell, das nur das Wahre als Wahrheitswert besitzt (286c). Man kann demnach nur sagen, was nicht falsch ist. Denn entweder man spricht die Wahrheit oder man spricht gar nicht (zu diesem Problem vgl. Burnyeat 2002). Diese These, wonach einem Ding nur ein Logos, was etwas ist, zukommt, hat zur Konsequenz, dass Widerspruch nicht möglich ist und man nichts Falsches sagen kann (s. Kommentar ad loc.). Wenn es nämlich nur einen zugehörigen Logos für eine Sache x gibt, dann bedeutet das, dass jemand, wenn er einen anderen Logos von x formuliert, entweder nichts sagt oder eine andere Sache sagt, nicht aber dieselbe Sache meinen kann. Damit aber ist ein Widerspruch mit Blick auf dieselbe Sache ebenso nicht möglich wie etwas Falsches zu sagen. Denn entweder ist, was der eine oder der andere von x sagt, ein zugehöriger Logos von x und damit wahr oder er nennt den einer anderen Sache (y) zugehörigen Logos, der aber dann auch nicht falsch ist. Denn der Logos trifft die Sache x gar nicht, ist aber für y wahr. Diese These ist relevant für die Frage des Lernens, wenn man in ihm ein Nachahmen sieht, wie es die Eristiker im Euthydemos und die Sophisten erwarten. Denn eine Infragestellung ist dann nicht möglich, wenn man es wie Sokrates mit seiner ihm eigenen, dynamischen Auffassung von Lernen im Sinne des Selbstfindens und vom damit verbundenen Wandel der Lebensform versteht. Im Euthydemos wird diese These von Sokrates mit Blick auf die
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Konsequenz aus der These, dass man nichts Falsches sagen kann (284c. 286c), diskutiert. Sokrates weist auf den Widerspruch hin (286e φορτικώτερόν τι ἐρήσομαι), dass auf der eristischen Grundlage die Lehre z. B. von Tugend nicht nötig wäre, weil jeder dann – d. h. bei einwertiger Logik – korrekt rede und handle (286e–287b). Die Eristiker, die ja als Lehrer auftreten, stellen also mit ihrem Verhalten einen performativen Widerspruch zu ihrer These dar, dem sie im Gespräch durch ihre Polemik auszuweichen versuchen (287bc). Doch in der folgenden Diskussion über den doppeldeutigen Ausdruck νοεῖ τοῦτο τὸ ῥῆμα (287c; s. Kommentar ad loc.) kommt die Option ins Spiel, dass Sokrates etwas Falsches gesagt hat. Sokrates, der ebenfalls auf seine Weise lehren will und dabei kein Nachmachen erwartet, sondern Falsches erkennen und beseitigen will, muss an einer Widerlegung gelegen sein (Damschen 1999, 95 ff.). Damit legen sich die Eristiker jene zweiwertige Logik mit Alternativen zugrunde, deren Existenz sie gerade bestreiten. Die performativ-dramatische Ebene der Dialoge ist nicht einfach nur eine Ergänzung oder Erläuterung des philosophischen Diskurses, sie bringt vielmehr zum Ausdruck, was der philosophische Diskurs nach Maßgabe der diskutierten Eristiker gar nicht regulieren kann – nämlich einen Widerspruch zur These. Platon propagiert die Bedeutung des performativen Widerspruches also auch im Euthydemos (Hösle 2006, 404). Dabei wird konkret, was gemeint ist, wenn die dramatische Handlung Teil der argumentativen Botschaft wird und Platon, der Autor, auch Platon, dem Philosophen, die Hand führt.
10. Eristik im Euthydemos 10.1 Begriff ‚Eristik‘ Der heutige Leser wird mit dem Wort ‚Eristik‘ sicherlich eine negative Konnotation verbinden und als eristisch eine Argumentation bezeichnen, die nicht zur Sache und zumeist auch gegen eine Person gerichtet ist. Diese negative Bewertung ist nicht zuletzt Platon und hier vor allem dem Euthydemos geschuldet (Keulen 1971, 62 f. Anm. 6). Das Wort ‚Eristik‘ ist vor Platon durchaus nicht negativ besetzt und wird auch von Platon bisweilen neutral verwendet (Prot. 343d). Im Euthydemos bezeichnet es eine Kunstfertigkeit, die Sokrates lernen will, was natürlich ironisch gemeint ist (272b). Ansonsten ist das Wort ‚eristisch‘ bei Platon negativ konnotiert (Men. 75cd. 80e; Rp. 499a) oder ambivalent verwendet (Soph. 225a–226a; Rp. 454b). Anders als für Platon handelt
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es sich für Isokrates, aber auch Platons Kallikles bei der Eristik um ein Spiel, das nur für Junge geeignet ist (Isocr. 10, 6 f.; Gorg. 484c–485d; vgl. Eucken 1983, 44–47; Nightingale 1995, 27 f.). Die literarische Gestaltung des Euthydemos und die dort vorgeführte eristische Argumentation von Euthydemos und Dionysodoros sollen, sowohl was die Methode als auch was den Inhalt angeht, zunächst einen unseriösen Eindruck auf den Leser machen. Wilamowitz bezeichnet sie als „Gelichter“ und „Taschenspieler“ (Wilamowitz 1919, Bd. 1, 299; vgl. Praechter 1932, 121). Diese Bewertung ist in Platons Sinn, denn eine Intention des Euthydemos ist es ja, die eristische Methode abzuwerten. Natürlich ist diese negative Bewertung – legt man den Maßstab inhaltlicher und methodischer Seriosität an – durchaus gerechtfertigt, wenn die Eristiker fordern, Sokrates solle auf ihre Fragen irgendetwas antworten (295c), und wenn sie unsinnige Thesen aufstellen und beweisen wollen. Das Verfahren der Antilogik, das bisweilen auch als Eristik bezeichnet wird, ist im Kontrast zu sokratischer Elenktik zu sehen (Phaed. 90bc. 100a– 102a; Rp. 537e–539d; Soph. 231b–233d. 267e–268d; Aristot. S. E. 164a20–165a13. 171b3–172b9). In der Antilogik (Robinson 1953, 84– 88; Kerferd/Flashar 1998, 21 ff.) oder Eristik geht es um eine Entgegensetzung von Thesen, die nicht im eigentlichen Sinne dialogisch ausgetragen wird. Vielmehr werden Argumente miteinander konfrontiert, deren Gewichtung bisweilen eines Schiedsrichters bedarf (Rp. 348ab). Ziel ist, eine These oder einen Gegenstand als gegenteilig bestimmt auszuweisen (Szaif 1998, 260). Die Fragen werden als unvermeidbar bezeichnet (ἄφυκτα, 276e), weil sie aus dem Partner herausgezwungen werden und sich die Eristiker auf sie einstellen können. Trotz der Scharlatanerie des Verfahrens lohnt sich eine Betrachtung der Streitrunden mit Blick auf die Regeln des Verfahrens, weil sich hier Parallelen zu anderen Kommunikationsformen und anderen Genres ergeben (Erler 1986, bes. 85 f.; Erler 1990): a) Fragen und Antworten werden hin- und hergeworfen wie ein Ball (277b). b) Bestimmend ist immer der Fragende, der dem Befragten Alternativen bietet. c) Es gibt keine innere Ordnung des Argumentationsverlaufes, stattdessen werden aus dem Gesagten beliebige Begriffe aufgegriffen, mit denen ein neues Dilemma formuliert wird, ohne dass ein inhaltlicher Bezug gegeben sein muss (Catchword-Technik; vgl. 305a παντὸς δὲ ῥήματος ἀντέχονται; 283e–284a. 284cd. 285d. 297de). d) Ziel ist nicht die Klärung der aufgeworfenen Frage, sondern die Niederlage des Gegners, die sich im Verstummen manifestiert (303e).
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e) Merkmal der eristischen Gesprächsführung ist die Schnelligkeit (277d. 297b. 298e). Es kommt auf eine verblüffende Widerlegung an, die den Gegner zum Schweigen bringt (299c). f) Als Regel ist zu entnehmen, dass Klärung suchende Nachfragen und erklärende Zusätze (παραφθέγματα) verboten sind (293bc. 295b. 295e. 296ab). Denn auf diese Weise könnte es zu einer Präzisierung der Antwort kommen, welche die von den Eristikern intendierte Vorgehenswiese konterkariert (vgl. dazu Aristot. S. E. 175b10–14; Keulen 1971, 47 f. 71; Erler 1986; Erler 1987a). Αuf schon Gesagtes darf man sich aus dem gleichen Grund nicht beziehen. Vielmehr bestehen die Eristiker oft auf ein klares Ja oder Nein als Antwort (295e. 297d; vgl. dazu Aristot. S. E. 175b7–10; interessant in diesem Zusammenhang Gell. 16, 2,1) und insistieren auf der Fragerolle, damit dieses Schema nicht durchbrochen werden kann, während Sokrates durchaus in den elenktischen Gesprächen anderer Dialoge bereit ist, auch einmal die Rolle des Antwortenden zu übernehmen. Man soll antworten, wie man es versteht (295c). Allein die Existenz einer Antwort zählt, damit das Spiel weitergehen kann. Eristik ist also eine Kunst, die den Widerspruch sucht (272ab ἐξελέγχειν τὸ ἀεὶ λεγόμενον, ὁμοίως ἐάντε ψεῦδος ἐάντε ἀληθὲς ᾖ; vgl. Soph. 225c), und deshalb ein Kontrast zur Dialektik (Müri 1944). Man klammert sich nur an Worte (305a; vgl. Theaet. 168bc) und streitet um Worte (286d). Es ist wegen der sich an der Wortoberfläche orientierenden Streitkunst kein Zufall, dass diese Diskursform als Spiel (παιδιά, 277d. 278b. 278c; De Vries 1949, 19 f.) bezeichnet wird. Wenn Sokrates dahinter immer wieder ernste philosophische Inhalte erwartet, so ist das aus seiner Sicht verständlich, doch dem Spielcharakter eigentlich nicht angemessen. Zu dem Spielcharakter gehört nämlich, dass die Eristiker den Anschein erwecken, sie hätten etwas Ernstes in Reserve. Damit folgen sie einer rhetorischen Argumentationsstrategie, die diesen Eindruck erwecken will, ihn aber nicht erfüllen muss, ganz im Kontrast zur Kunst des Sokrates, dessen sachbezogene Kunst des Diskurses – wie er in seinem Protreptikos zeigt – eine inhaltliche Ergänzung nicht nur erlaubt, sondern erwartet (Erler 2013b, 35–39). Sokrates könnte solchen ernsten Inhalt auch bieten, hält ihn aber mit Blick auf den Denkhorizont seines Partners zurück (Erler 1985). Infolge ihres inhaltlichen Desinteresses sind die Eristiker auch nicht daran interessiert, ob ihre Partner verstehen, was zur Diskussion steht (295c) – es geht nur darum, die Partner in Verlegenheit (302b) und zum Schweigen zu bringen oder sie mit Worten zu umstellen (295d), ganz gleich ob diese etwas Richtiges oder Falsches
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vertreten (275e). Der Sieg, nicht die inhaltliche Klärung ist das Ziel (vgl. Aristot. S. E. 171b25 f.). Ein derartiger eristischer Logos findet sich auch im Menon, wo der besiegte Gegner in geistige Trägheit verfällt und glaubt, nicht weitersuchen zu können (Men. 80e; Keulen 1971, 67; Erler 2007, 126). Zur Eristik gehört eine Fragemethode (Keulen 1971, 69 f. mit Anm. 35), die das Ziel hat, jede geäußerte Antwort zu widerlegen. Bisweilen geschieht dies auf eine Weise, die an das disputare in utramque partem der Akademie erinnert (Cic. de orat. 3, 107. Ac. 1, 46), die aber schon für Protagoras überliefert ist (fr. 80 A 20 Diels/Kranz). Die Eristiker Euthydemos und Dionysodoros (Döring 1998, 90 f.) erheben den Anspruch, jegliche Antwort auf ein von ihnen gestelltes Problem ad absurdum führen zu können (275e), egal, ob es richtig oder falsch ist (272b), was an Gorgias’ Anspruch erinnert, auf Zuruf jede Art von Rede halten zu können. Oft finden sich bei den Eristikern im Euthydemos Alternativfragen nach Art von πότεροί εἰσι τῶν ἀνθρώπων οἱ μανθάνοντες, οἱ σοφοὶ ἢ οἱ ἀμαθεῖς (275d, vgl. 276c. 276d. 277c. 283c. 283e. 286a. 287d. 293b. 295b. 295e. 296a. 296b. 297d. 300a. 303a). Zwei Antworten sind möglich, die widerlegt werden. Dies wird als Kunstfertigkeit verstanden, wobei auffällig ist, dass nach Platons Darstellung nur Euthydemos eine eigene Lehre der Eristik zugesprochen wird, die Dionysodoros unterstützt, ohne aber etwas Eigenes zu bieten (Narcy 1994, 876). Die Streitreden zeigen, dass es sich fast immer um einen Streit um Worte, weniger um Inhalte handelt.
10.2 Eristik und Sophisten Manche halten die Sophisten für die Initiatoren des widerlegenden Verfahrens, des Elenchos (Kerferd 1986, 23 ff.). Dabei dient als Grundlage oft Platons Bemerkung im Sophistes, wo Sokrates als Widerleger beschrieben wird (Soph. 230ad). Doch sollte eben nicht übersehen werden, dass Sokrates, nicht die Sophisten gemeint sind (Dorion 1995, 38; Trevaskis 1955). Man hat z. B. in Protagoras einen der Begründer der Dialektik gesehen (fr. 80 A 1 Diels/Kranz = Diog. Laert. 9, 50 ff.), wie auch der Titel Antilogiai nahe legt. Doch dies ist dann problematisch, wenn Sokrates im Gorgias behauptet, dass Elenchoi z. B. im gerichtlichen Kontext bisher auf Zeugnissen und Zeugen basieren und dass er sich erstmals von dieser Prozesspraxis absetzt (Gorg. 471d–472c; Dorion 1995, 43–47). Dies wäre eine erstaunliche Behauptung, wenn schon Protagoras den Elenchos in die Philosophie eingeführt hätte (zur Praxis elenktisch-juristischer Fragen vgl. z. B. die Widerlegung des
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Meletos, Ap. 24b–26a; Lys. 12, 24 ff.). Als Hintergrund für das oder Wurzel von dem eristischen Verfahren, wie es Euthydemos und Dionysodoros praktizieren, hat man neben dem mündlichen Brauch auf die eleatische Schule, andere sokratische Schulen (Megariker) oder andere Sophisten (vgl. die Dissoi Logoi) verwiesen. Freilich ist die Quellenlage nicht günstig (Keulen 1971, 77–82).
10.3 Eristik und Megariker Auch Eukleides und die Megariker werden oft als ἐριστικοί bezeichnet (fr. 31. 33. 34 Döring; Döring 1998, 207). Ob sie sich selbst als Eristiker verstanden (Hawtrey 1981, 28), ist umstritten (Dorion 2000, 47 ff.). Man nimmt heute aber mehrheitlich an, dass die Megariker Dialektik im Sinne eristischer Kunst praktizierten (Dorion 2000, 48; zur Megarikerthese vgl. auch Dorion 2012, 750–752). Jedenfalls kann man bestimmte Argumente als von den Megarikern entwickelt ansehen: Viele von den bei Aristoteles in den Sophistici Elenchi überlieferten sind megarischen Ursprungs (Dorion 2000, 47 f.) und es gibt auch Parallelen bei Argumenten im Euthydemos . Darin hat man einen Angriff Platons auf diese Schule – den eigentlichen Zweck des Euthydemos – gesehen (Hawtrey 1981, 30; Canto 1989, 28; Muller 1988, 40), nicht zuletzt weil Eukleides Schüler des Sokrates war (fr. 1. 2. 37 Döring). Euthydemos und Dionysodoros werden deshalb als Megariker angesehen (Dorion 2000). Da diese Personen allerdings als negative Gegenbilder zum Ideal des platonischen Philosophen gezeichnet sind, ist die Frage nach dem historischen Kern der Personen freilich problematisch. Es geht Platon um die Werbung für die eigene Methode und deshalb um die negative Konnotierung einer falsch verstandenen Elenktik. Man hat darauf hingewiesen, dass diese Widerlegungsmethode eigentlich nicht typisch für die Sophisten ist (Muller 1988, 138–150). Andererseits wurde z. B. der Megariker Alexinos Ἐλεγξῖνος (‚Widerleger‘) genannt (fr. 73 Döring). Man mag auch die in Aristoteles’ Sophistici Elenchi genannten Eristiker (z. B. Aristot. S. E. 171b26) als Zielscheibe sehen. Auf jeden Fall jedoch darf man in ihnen einen möglichen Hintergrund für die Polemik Platons sehen. Das Hauptanliegen aber bleibt die Rechtfertigung und Profilierung des sokratischen Elenchos, der sich in der Tat methodisch in manchem dem gleicht, was die Eristiker bieten, wie ein methodischer Vergleich von Sokrates’ aporetischen Argumenten in den beiden protreptischen Partien und in den eristischen Partien zeigt.
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10.4 Eristik und Brauchtum Eristische Streitgespräche haben – wie der Euthydemos andeutet – offenbar bei einem weiteren Publikum Eindruck gemacht und wurden nicht als bloßer Unsinn angesehen. Ein Grund hierfür mag sein, dass das Spiel Elemente erkennen lässt, die an Formen der Streitauseinandersetzung in anderen literarischen Genres erinnern und aufzeigen, dass die Intention des Streitgespräches Unterhaltung ist. Es handelt sich um eine Methode, die auf Mündlichkeit und punktuelle Überraschung angewiesen ist. Es sei hier nur an die ähnlichen Regeln in anderen Streitdiskursen – wie sie z. B. in den Hirtengesprächen Theokrits gespiegelt werden – erinnert, die ebenfalls zum mündlichen Brauch gehören (dazu Erler 1986, 75–81). Und auch die mitstenographierten theologischen Disputationen Augustins mit den Manichäern (Erler 1990) lassen noch erkennen, dass trotz aller inhaltlichen Unterschiede und trotz literarischer Überformungen dieselben Grundregeln befolgt werden, wie man sie im literarisch gestalteten, eristischen Dialog Euthydemos beobachten kann (z. B. dass man versucht, den Gegner zum Schweigen zu bringen; vgl. auch 305a παντὸς δὲ ῥήματος ἀντέχονται). In Theokrits Hirtengedichten z. B. geht es nicht um die Inhalte, sondern um das ‚Aussingen‘ (Theocr. id. 5, 22), um die Variation der Vorgabe, um den Zwang, Vorgaben zu folgen. Wie in der Eristik muss der Antwortende dem Fragenden folgen, gleichzeitig aber gibt der Antwortende das Niveau vor, auf das sich der Fragende einstellen muss. Man hat auf Parallelen in den sfide in Italien oder den Schnaderhüpfeln in Bayern und Österreich hingewiesen (Merkelbach 1956, 98 ff.). Außerdem mag man an das par pari respondes dicto bei Plautus denken (Plaut. Pers. 223), an den Agon der Komödie (Radermacher 1954, 24 ff.), aber auch an die Stichomythie in der Tragödie. Die Parallelen der im Euthydemos vorgeführten eristischen Methode mit den Streitgesprächen sind deutlich (s. Einleitung Kapitel 10. 1; Erler 1986, 85 ff.). Wenn Platon im Euthydemos Regelbrüche einbaut (z. B. Gegenfragen), wird nicht einfach nur die Regel des Spiels gebrochen, sondern in der Tat die Grundlage des Spiels aufgehoben. Das Spiel wird als Spiel entlarvt. Insofern ist der Protest von Euthydemos und Dionysodoros berechtigt. Die von Platon intendierte Abqualifizierung wird zudem allein schon durch die Verschriftlichung des Spiels im literarisch gestalteten Dialog bewirkt. Denn die schriftliche Aufzeichnung ermöglicht das, was den Spielregeln widerspricht: ein innehaltendes, eben nicht situationsgebundenes Reflektieren des Inhalts. Der Leser kann und soll – nicht zuletzt mit der Unterstützung von Hinweisen – darüber nachdenken, wie eine inhaltsbezogene Diskussion
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aussehen müsste (vgl. Forschner 2013, 35 in Bezug auf den Euthyphron).
11. Sokrates’ methodisches Gegenangebot 11.1 Elenktik Es ist ein wesentliches Anliegen des Euthydemos, Sokrates’ philosophische Methode der Elenktik aufgrund der Verwechslungsmöglichkeit von derjenigen der Eristiker abzusetzen (Robinson 1953; Stemmer 1992, 72–151; Benson 1995; Blondell 2002, 113–164; Gill 2000). Platons Sokrates selbst weist darauf hin, dass das dialektisch-elenktische Verfahren in den falschen Händen zu einer Waffe werden kann, die Unheil anrichtet (vgl. Rp. 538de). Nicht selten artikulieren Sokrates’ Partner Unwillen, weil sie Eristik und sokratische Dialektik verwechseln (Ap. 23ad; Rp. 336bd; Men. 94e–95a). Der Euthydemos selbst zeigt, dass die Eristiker ein Prüfungsverfahren praktizieren, das – anders als der sokratische Elenchos – nicht Sache, Person und Leben testet, sondern auf Entlarvung und Demütigung des Partners aus ist. Für Sokrates ist die Elenktik wesentlicher Bestandteil seines göttlichen Auftrages, Wissensansprüche zu prüfen (Ap. 20e–21e). Der sokratische Elenchos soll dem Nachweis der Inkohärenz der von seinen Partnern vertretenen Positionen dienen (Benson 2000). Es handelt sich dabei um ein Verfahren mit ethischem Anspruch (Renaud 2002), bei dem Aussagen (vgl. Lach. 187e–188b; Prot. 333c), aber vor allem die Personen (vgl. Ap. 29d–30b; Robinson 1953, 15–17) geprüft werden. Diese kathartische Wirkung des Elenchos wird freilich oft als bloße Polemik empfunden (vgl. z. B. Ch. 166cd). Zwar scheint das Ergebnis elenktischer Diskurse immer negativ zu sein, denn in der Tat kann der Elenchos nicht die allgemeingültige Richtigkeit einer These beweisen. Doch kann eine mehrfache Überprüfung (Theaet. 148e; Men. 85cd) diese als besonders widerlegungsresistent erweisen (vgl. Rp. 534e ff.; Stemmer 1992, 142 f.), so dass sie als momentan gültig angesehen wird, wie z. B. Sokrates’ These von der Unfreiwilligkeit des Unrechttuns (Gorg. 468e ff. 527b). Umstritten ist die Auffassung, dass zum Elenchos gehöre, dass die Partner glauben, was sie sagen (Vlastos 1994, 1–37; Benson 2000; Gill 2004). Man hat mehrere Anwendungsarten von Elenchoi unterschieden (Woodruff 1986, bes. 26): den reinigenden Elenchos, der die Gewissheit im Wissen des Partners erschüttern will, den verteidigenden Elenchos, der auf Inkonsistenzen bei der Ablehnung einer These hinweist, den
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prüfenden Elenchos, der eine These oder Definition auf die Probe stellt. Besonders letzterer kommt in den aporetischen Dialogen (was-ist-xFrage) zur Anwendung. Die Regeln des Elenchos werden in den Dialogen nirgends explizit gemacht, sind aber erkennbar (Kapp 1942; Kapp 1968; Stemmer 1992, 96 ff.). Es handelt sich um ein Rollenspiel zwischen einem Fragenden und einem Antwortenden mit festen Vorgaben (Men. 75d; Prot. 338ce): Man benötig jemanden, den man mit Alternativfragen testen kann und der sich den Regeln unterwirft, d. h. die Rolle des Fragenden dem Testenden überlässt. Auf die Frage, was etwas ist, bietet der Antwortende eine These oder Definition. Dabei wird meist vorausgesetzt, dass der gesuchte Begriff ἀγαθόν, ὠφέλιμον oder καλόν sei. Bisweilen wird die formelle Korrektheit der Vorschläge zugegeben, der Wahrheitsgehalt aber in Frage gestellt (Ch. 159b ff. 162de; Euthyph. 7a; Men. 78c; Rp. 339a; Theaet. 151e ff.). Der Fragende muss auf die These inhaltlich eingehen (Euthyph. 14c), lenkt die Argumentation – bisweilen ergeben sich durch den Befragten auch Irrwege (Euthyph. 14c) –, bereitet den Boden für die Widerlegung und bestimmt insofern den Verlauf der Argumentation. Gelingt es dem Fragenden, Zustimmung zu einem Beispiel zu erhalten, wonach der Thesenbegriff nicht ἀγαθόν, ὠφέλιμον oder καλόν ist, ergibt sich ein Widerspruch zur These. Der Antwortende kann nichts mehr zum Gespräch beitragen und verstummt (Rp. 487bc). Er hat ‚verloren‘. Dieser negative Ausgang weist aber nur auf einen Widerspruch hin und besagt nicht, dass der Definitionsvorschlag notwendig falsch ist. Das Ergebnis ist von der Qualität der Prämissen und dem Vorverständnis des Partners abhängig und somit vorläufig (Erler 1987a, 78 ff.). Von zentraler Bedeutung für Sokrates’ Verfahren ist die gegenseitige Homologie der Partner bei jedem Schritt, die freiwillig gesucht und bestätigt werden soll. Homologie ist im Gegensatz zum eristischen Gespräch ein wichtiger Bestandteil des elenktischen Gesprächs (Men. 75d) und meint freilich nicht ‚dasselbe sagen‘, sondern die Übereinstimmung auf der Grundlage rationaler Übereinkunft (λόγον διδόναι). In den Dialogen Platons versichert sich Sokrates möglichst immer der Zustimmung des Partners, die aber auch verweigert werden kann (vgl. Thrasymachos in Rp. 343a–344d). Das Konzept der Homologie (Geiger 2006, 96–104) entlehnt Platons Sokrates dem politischen oder forensischen Kontext (Demosth. 46,10). Wenn dort eine Übereinkunft (ὁμολογία) erreicht wird, gilt diese Übereinkunft als Grundlage für weitere Diskussionen (Demosth. 42,12). Aufgrund des rationalinhaltlichen und nicht bloß oberflächlichen Verständnisses von Homologie wie bei den Eristikern wird diese akzeptiert und Bemerkungen wie ‚wenn du denn willst‘ nicht als Grundlage gebilligt (vgl. Prot. 331bc).
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Es hängt nicht vom Willen des Partners ab, ob man Homologie findet (Gorg. 515de). Sie ist demnach mehr als bloß eine subjektive Meinung und bedeutet für Platon eine rational begründete und deshalb bindende Grundlage für das weitere Gespräch (Gorg. 487de). Freilich ist Homologie zwischen den Sprechenden kein Garant für die Richtigkeit des formulierten Sachverhaltes, denn sie richtet sich immer am Horizont des Partners aus (Geiger 2006, 96–104). Nicht zuletzt aus diesen Gründen ist Sokrates’ philosophische Elenktik trotz mancher Ähnlichkeit von der forensischen Elenktik unterschieden (Gorg. 471e–472c). Der Elenchos ist besonders von Aristoteles in den Sophistici Elenchi analysiert und als negativer Syllogismus bestimmt worden (Aristot. S. E. 165a2 f. 168a35–37; zum Unterschied von Eristik und Dialektik vgl. Primavesi 1996, 134; Basakos 1981). Ein direkter Bezug mag vorliegen, wenn Sokrates im Euthydemos dazu auffordert, genau achtzugeben, wie die Eristiker vorgehen (ἐπεσκόπουν, 283a), und diese Art von Betrachtung (σκέψις) in Aristoteles’ Topik zum Terminus wird (Aristot. Top. 155b7–10).
11.2 Formale Analysen Innerhalb der eristischen Teile werden 20 oder 21 Sophismen bzw. Streitrunden geboten (vgl. Bonitz 1886, 95 ff.), die zum Teil von Aristoteles in den Sophistici Elenchi analysiert worden sind (s. Einleitung Kapitel 7). Insgesamt basieren die Trugschlüsse der Eristiker auf der mangelnden Fähigkeit, zwischen verschiedenen Bedeutungen eines Wortes zu unterscheiden oder den Gültigkeitsbereich einer Aussage zu bestimmen. Es wird zudem nicht beachtet, dass man derselben Sache eine Eigenschaft zuschreiben und diese in einem anderen Kontext wieder absprechen kann, so dass jede Aussage widerlegt werden kann, die nicht tautologisch ist. Weiterhin werden relative mit absoluten Eigenschaften verwechselt oder die verschiedenen Gebrauchsweisen von εἶναι (prädizierend, identifizierend) nicht beachtet (Thiel 2004, 37–42). Die im Euthydemos vorgeführten Sophismen lassen sich den Fehlern also wie folgt zuordnen (Kutschera 2002, 202): a) b) c) d)
Ambiguität des Ausdrucks: Nr. 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 15, 16, 19, 20 Verwechseln von Prädikation und Existenzaussage: Nr. 3 Verwechseln von Prädikation und Identität: Nr. 11, 18 Verwechseln relativer und absoluter Eigenschaften: Nr. 9, 12, 20
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Es sind also sprachliche Fehler zu registrieren, die bedingt sind durch die Ambiguität von Wörtern, eine Verwechslung von Prädikation und Existenz, von Prädikation und Identität oder von relativer und absoluter Eigenschaft, durch eine Amphibolie in der syntaktischen Komposition (Kutschera 2002, 203), durch eine falsche Teilung (z. B. wenn die Aussage ‚Sokrates ist ein guter Schuster‘ geteilt wird in: ‚Sokrates ist gut‘ und ‚Sokrates ist Schuster‘), durch die Betonung (οὗ [wo] oder οὐ [nicht], vgl. Kutschera 2002, 203) und durch eine semantische Irreführung durch die sprachliche Form. Weiterhin sind sprachunabhängige Fehler zu registrieren, wie das Akzidens (vgl. 297d–298b: Sokrates ist vaterlos), der Schluss vom Relativen auf Absolutes (a dicto secundum quid ad dictum simpliciter), die ignoratio elenchi oder die petitio principii . Bisweilen wird aus der Falschheit einer Konklusion die Falschheit der Prämissen geschlossen (non causa pro causa; dazu hilfreich Kutschera 2002, 202–204).
11.3 Der Euthydemos: Eine ‚implizite‘ Topik Platons? Der Euthydemos und die Präsentation der in ihm vorgeführten Streitgespräche sind eine wichtige Grundlage für die Diskussion über die Frage nach der Kompetenz Platons im Bereich der Logik. Viel diskutiert ist die Frage, ob die logischen Probleme in den Dialogen und insbesondere im Euthydemos als bewusst angewandte und analysierte Strategie zu verstehen sind (Schmitt 1973, 29 ff.). Seit Stenzel war die verbreitete Ansicht der Interpreten, Platon habe erst in den späten Dialogen auch die logischen Probleme als solche reflektiert, die in seinen früheren Dialogen zu beobachten sind (Stenzel 1961, 1 f.). Sprague hat diese Frage dann auf den Euthydemos fokussiert, da hier die Fehler so evident seien, dass sich die Frage nach der Bewusstheit der Fehlerhaftigkeit eigentlich nicht stelle (Sprague 1962, XII). Es gehe Platon in diesem Dialog darum, Fehler in der Kenntnis um ihre Fehlerhaftigkeit zu entlarven. Dabei sollte freilich zunächst unterschieden werden, ob man derartige Analysen den Figuren im Text – den Eristikern – zutraut oder nur dem Autor Platon. Bei den Eristikern spricht ihr Festhalten an absurden Ergebnissen für ihre Unkenntnis oder zumindest für ihr Desinteresse an der logischen Analyse. Da sie wegen der Spielregeln ihrer Kunst an den Ergebnissen – seien sie auch noch so absurd – festhalten müssen, um durch ‚Aussingen‘ den Sieg zu erringen (s. Einleitung Kapitel 10. 4), wäre eine Analyse nicht nur unnötig, sondern sogar hinderlich. Man darf also aus ihrem Festhalten am Ergebnis nicht folgern, dass sie die Fehler nicht kennen, sondern nur, dass sie an einer expliziten Analyse nicht
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interessiert sein können. Es mag also sein, dass die Eristiker unfreiwillig im Sinne einer nicht logisch analysierten Strategie vorgehen – das gilt aber dann für Platon gerade nicht. Ktesippos jedenfalls durchschaut offenbar die Regeln des Spiels und auch die Verwechslung von absoluten und relativen Eigenschaften. Er lernt aber durch Nachmachen, nicht durch Analyse. Im Übrigen ist zu beachten, dass ein starres Festhalten an einem ‚logisch‘ erreichten Ergebnis, das bei den Eristikern negativ ausgelegt wird, auch bei Sokrates selbst eine Rolle spielt, wenn er sich nämlich vom Logos treiben oder packen lässt und wenn er vom Zwang des Logos spricht und davon, dass man Argumenten folgen muss (Rp. 607b; Erler 1987a, 268 ff.). Hier aber ist es gerade die logische Stringenz, die dieses Verharren legitimiert. Bei Sokrates fällt auf, dass er an entscheidenden Stellen in der Diskussion Einschränkungen macht, welche von den Gesprächspartnern als unangenehme Regelbrüche empfunden werden, die aber gerade den Weg zur Lösung weisen, z. B. wenn Sokrates auf die Frage, ob er etwas wisse, nicht mit einem einfachen ‚Ja‘, sondern differenziert mit ‚Das tue ich […], mit der Seele‘ antwortet (295e) oder wenn er auf dieselbe Frage, ob er etwas wisse, antwortet: ‚Gewiss […], wirklich viele Dinge, freilich unbedeutende‘ (293b). Diese Einschränkungen werden von den Eristikern entweder unwirsch kommentiert (296ac) oder einfach übergangen. In der Tat stören sie ihre Strategie und weisen auf die wesentlichen Inhalte. Beides entspricht nicht den Regeln ihres Spiels. Sokrates’ Einschränkungen stören aber nicht nur die Argumentationsstrategie, sondern regen den Leser zur Suche nach den Lösungen für die Sophismen an. Wenn Sokrates z. B. auf die Zweideutigkeit von μανθάνειν hinweist und Kleinias von einem Widerspruch freispricht, weil seine Antworten sich nicht auf dasselbe bezogen haben (277e–278a), dann legt dies nahe, dass Platon um die Bedeutung der Zweideutigkeit für die Validität eines Schlusses und offenbar auch um die Vermeidbarkeit des secundum-quid-Fehlers wusste (Sprague 1962, 23). Eine entsprechende Analyse logischer Fehler findet sich bei Gifford, dann bei Sprague 1962, die auf zwei Grundfehler reduziert: Äquivokation und secundum quid (vgl. dazu Schmitt 1973, 36 Anm. 2; Bonitz 1886, 93–151). Man darf deshalb vermuten, dass Platon im Euthydemos die Fehler durchschaut hat (so z. B. Schmitt 1973, 19 ff.). Freilich bedeutet die Darstellung von Fehlern noch nicht, über eine Analyse zu verfügen, wie sie z. B. Aristoteles in der Topik bietet. Allerdings ist zu bedenken, dass die literarische Form des Dialoges eine derartige explizite Analyse auch nicht erlaubt, doch über indirekte Mitteilungsmöglichkeiten verfügt (Gundert 1968, 5–13). Zudem sollte man berücksichtigen, dass die Topik im Kreis der Akademie entstanden ist
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und auf den Euthydemos rekurriert (Hambruch 1904). Der Dialog ist also in der Schule diskutiert worden. Die Simplizität und Durchschaubarkeit der vorgeführten eristischen logischen Tricks können zudem als Hilfsmittel zu jenem Selbstlernen und jener aktiven Lesehaltung verhelfen, die Platon verlangt und denen u. a. seine Dialoge und auch der Euthydemos dienen sollen (Erler 1987a). Hilfreich dabei sind Partien wie 275d–278e (Sprague 1962, 3–8) und 293a–296d (mit Sprague 1962, 22–31) mit ihren impliziten Hinweisen, die darüber hinaus an Aristoteles erinnern. Was Aristoteles analysiert, passt jedenfalls zu dem, was Platon illustriert (vgl. 297d–298e mit Aristot. S. E. 166b28 ff. 179a26– b6). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Sokrates bei seiner Betrachtung das Wort σκέψις (vgl. 282c) verwendet und dass genau dieser Begriff in Aristoteles’ Topik wichtig und geradezu zum Terminus für logische Analyse wird (Aristot. Top. 155b7–10; s. hierzu auch Einleitung Kapitel 11. 1). Mit Blick auf derartige Kongruenzen ist man versucht, von einer impliziten Topik Platons im Euthydemos zu sprechen. Viel spricht jedenfalls dafür (Kapp 1942, 53. 58), dass schon Platon über eine Theorie verfügte, wie Fehlschlüsse, z. B. die im Euthydemos vorgeführten, zustande kommen.
11.4 Philosophisch-platonischer Hintergrund mancher Sophismen Lange schon hat man gesehen, dass Platon das eristische Spiel und Sokrates’ Antworten im Euthydemos auf eine Weise gestaltet hat, dass hinter dem Spiel der Ernst philosophischer Konzepte erkennbar wird und offenbar werden soll, die auch in anderen Dialogen (z. B. Menon, Phaidon, Politeia, Theaitetos, Sophistes) eine Rolle spielen (Friedländer 1960; Keulen 1971, 25–40. 49–56; Hawtrey 1981, 141. 149. 155 f.; Sprague 1967; Szlezák 1980; Erler 1987a; Sprague 2000; Kahn 2000, 89–91; De Pinotti 2000). Die situationsgebundenen, oberflächlich betrachtet sinnlosen Trugschlüsse gewinnen an philosophischer Tiefe, wenn man sie vor dem Hintergrund der platonischen Ideenlehre liest (anders Guthrie, Bd. 4, 278 ff.), wie sie in der Politeia, aber andeutungsweise auch im Menon begegnet (Friedländer 1964, 171 ff.; Keulen 1971, 25–40; Erler 1987a, 213 ff.). Zwar wird im Dialog zu Recht auf die Wortkunst des Prodikos hingewiesen, die in der Tat hilfreich sein kann (277e), doch findet man auch Hinweise, dass die Sophismen aus platonisch-sokratischer Sicht inhaltlich mehr zu bedeuten haben, als den Eristikern selbst klar ist. Diese geben zu erkennen, dass sie mehr wissen als das, was sie sagen, in Wirklichkeit aber verfügen sie über kein entsprechendes Wissen. So erweist sich die Hoffnung, dass die
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Eristiker inhaltlich mehr zu bieten hätten, als verfehlt. Sokrates’ Erwartung ist ironisch zu verstehen (274e–275b. 278c. 283b. 288bd. 293a. 294b), doch wird der Leser, der ein wenig von Platons Grundlehre weiß, durchschauen, dass das eristische Spiel mit Blick auf einen derartigen Hintergrund an philosophischem Ernst gewinnt. Diese Doppelbödigkeit ist offenbar gewollt. Sie tritt nämlich vornehmlich da auf, wo Sokrates die Regeln z. B. durch Zusatzfragen bricht. Dass Sokrates auf die Frage, ob er etwas wisse, differenziert mit ‚Das tue ich […], mit der Seele‘ (295e) antwortet, scheint in diesem Kontext inhaltlich kaum zufällig. Die Betonung der Seele als Wissensorgan ist für einen Kenner der platonischen Lehre ein Hinweis, denn für Platon ist die Seele der Ort des Wissens (Men. 86ab) und Wissenserwerbs (Theaet. 184c–185e). Wenn dann spielerisch argumentiert wird, Sokrates wisse immer schon alles, sogar schon vor seiner Geburt, dann ist dies oberflächlich unsinnig, gewinnt aber vor dem Hintergrund platonischer Vorstellungen Sinn. Im Menon wird aus der Beobachtung, dass der Sklave ohne Lehrgang geometrische Probleme lösen kann, geschlossen, dass er das Wissen schon immer besessen habe (Men. 82a–85d). Dies gilt auch für die Streitfrage, ob der Wissende oder der Unwissende lernt. Platons Philosoph lernt weder als Wissender noch als Unwissender (vgl. 275d), wie der Lysis (Lys. 218ab), aber auch das Symposium zeigen (Symp. 203e ff.). Das zweite Sophisma (276d–277c) bezüglich der Lerninhalte erhält mit Blick auf die Anamnesislehre des Menon eine unvermutete Bedeutung (Men. 80d ff.): Die Wiedererinnerung ist ein Wissen, das aber durch Reflexion noch festgebunden, d. h. gelernt werden muss. Auch das neunte Sophisma (293b-e) gewinnt vor dem Hintergrund der Allverwandtschafts- und Seelenlehre einen interessanten Doppelsinn. Denn aus platonischer Sicht ist die gesamte Natur verwandt (Men. 81cd), wie z. B. die Seele mit dem, was sie erkennen soll, weshalb sie auch etwas suchen kann, das sie nicht kennt. Freilich kann mit dieser philosophischen Auffassung auch gespielt werden, wie die Burleske über die Verwandtschaft von Menschen und jungen Hunden im Euthydemos (298be) zeigt. Schließlich ist auf ein Spiel mit dem Parusie-Begriff hinzuweisen (301a: die Anwesenheit der Schönheit), der nicht nur an die Differenzierung dieses Begriffes im Lysis (Lys. 217ce), sondern auch an die Ideenlehre (vgl. Rp. 476cd) und ihre kritische Diskussion im ersten Teil des Parmenides erinnert (vgl. Sprague 1967; Chance 1992, 177 Anm. 112). Entsprechendes gilt für die Aporie des sokratisch-protreptischen Gespräches mit dem eindeutigen Hinweis auf die Politeia, wenn davon die Rede ist, dass alles Wissen den Dialektikern übergeben werden muss (290bc mit Rp. 510c ff. 531c ff.). Denn die Aporie hängt damit zusammen, dass das Hervorbringen und Gebrauchen von Wissen in
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einer Hand liegen muss (289cd). Auch wenn Fragen offen bleiben, lässt sich die Aporie meiden, wenn man in der ‚königlichen Kunst‘ der Politeia das oberste Objekt des Wissens (μέγιστον μάθημα) erkennt, das über der Mathematik steht und nur mithilfe der Dialektik erreicht werden kann. Philosophisch Ernsthaftes klingt auch beim Spiel mit verschiedenen Bedeutungen von ‚Sein‘ (existenzial, prädikativ, veridisch, faktisch; vgl. Kahn 1973; Neitzel 1984, 373; Burnyeat 2002) an – die später im Sophistes analysierte Unterscheidung von Differenz und Negation spielt hierbei eine wichtige Rolle. Bemerkenswert ist die Anwendung des sich selbst widerlegenden Argumentes (Unmöglichkeit von Falschheit), wie es im Theaitetos gegen Protagoras eingesetzt ist. Die Bezüge zu anderen Dialogen und die Frage, ob und wie in anderen Dialogen Entwickeltes hier bereits zugrunde liegt, haben zu Diskussionen über die Chronologie der Dialoge geführt. Freilich sind bei derartigen Diskussionen der jeweilige Kontext der entsprechenden Partien und die von Platon im Phaidros aufgestellten Regeln für die philosophische Kommunikation zu beachten. Eine Analyse der Dialoge zeigt, dass der Autor Platon sich bei der Gestaltung der Dialoge an diese Grundregel philosophischer Kommunikation hält. Wenn also Kontext und das Niveau des jeweiligen Gesprächspartners des Sokrates mitbestimmen, was in den jeweiligen Diskussionen zur Sprache kommt, dann können aus dem Umstand, dass bestimmte Positionen an einer Stelle zur Sprache kommen, an anderen Stellen aber nicht, keine chronologischen Folgerungen gezogen werden (Erler 1987a, 268–279, bes. 277 ff.; Erler 2015b). Freilich lassen sich bei Platon in diesem Zusammenhang oft Hinweise erkennen, dass es aus Platons Sicht mehr zu sagen gäbe, wie dies im Euthydemos nicht selten der Fall ist. Dies muss nicht bloß im Sinne einer proleptischen oder metaleptischen (McCabe 2002a) Lektüre, sondern darf auch als Appell an die Leserschaft verstanden werden, die mit derartigen Hinweisen etwas anfangen kann und die Doppelbödigkeit der Darstellung im Euthydemos würdigen kann. Die literarische Gestaltung des Dialoges zeigt, dass eine solche Lektüre durchaus intendiert ist (Erler 1987a).
11.5 Auseinandersetzung mit Isokrates Der Euthydemos dient sicherlich der Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Gegnern im sokratischen Zirkel (z. B. Antisthenes), aber auch mit zeitgenössischen Konkurrenten außerhalb der sokratischen Tradition. Insbesondere ist hier an Isokrates zu denken, der einmal in Platons Phaidros – durchaus mit Respekt – genannt (Heitsch 1997, 218–225.
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257–262) und im Euthydemos wohl indirekt angesprochen wird (304e. 305c–306d; s. Kommentar ad loc.). Isokrates war der einflussreichste und ein von Platon geachteter (Phaedr. 278e–279a) Rhetoriklehrer, Schulgründer und Redenschreiber im 4. Jh. v. Chr. Er war nach eigenem Verständnis ein Philosoph und ein durchaus erfolgreicher Konkurrent Platons (Ries 1959; Eucken 1983), der sich verschiedentlich kritisch auf diesen bezieht (vgl. Isocr. 13 und 10; vgl. dazu Eucken 1983, 45–52). Isokrates setzt sich mit den Sokratikern in seiner Schrift Gegen die Sophisten (zwischen 395 und 390 v. Chr.) und zunehmend auch mit Platon auseinander, wobei sich manche Schriften Platons (z. B. der Menexenos) wie eine Antwort auf Werke des Isokrates (z. B. den Panegyrikos) lesen lassen (Müller 1991). Vermutlich reagiert Platon mit dem Euthydemos nicht zuletzt auf Isokrates’ Schrift Gegen die Sophisten . Dabei werden Differenzen in der Auffassung von Philosophie und der Bedeutung der Rhetorik ebenso deutlich wie hinsichtlich der jeweiligen Bildungsprogramme. Manche Thesen Platons, wie z. B. das Postulat, dass Rhetorik sich nicht an der Meinung, sondern an Wissen zu orientieren habe, gewinnen vor Isokrates’ gegenteiliger Meinung Profil. Der Kontrast des Vorgehens der Eristiker zu der an Sachlösungen orientierten, protreptischen Diskussionsweise des Sokrates dient nicht zuletzt der Verteidigung der sokratisch-platonischen Methode gegen Missverständnisse seines Philosophierens, wie sie Isokrates produziert zu haben scheint (dazu Heitsch 2000 = 2001).
11.6 Der Euthydemos und Aristoteles’ Sophistici Elenchi Der Euthydemos ist offenbar in der Akademie diskutiert worden, wie Aristoteles’ Sophistici Elenchi zeigen (Dorion 1995). Natürlich sind bei beiden Texten unterschiedliche philosophische und literarische Intentionen zu berücksichtigen, die sich für die Deutung des Euthydemos aber gerade als hilfreich erweisen können. Denn Aristoteles unterscheidet in den Sophistici Elenchi Fehlerkategorien: z. B. sprachliche Fehler wie Äquivokation, Amphibolie, Fehler durch den Akzent (z. B. οὗ und οὐ) und Fehler durch eine semantische Irreführung sowie sprachunabhängige Fehler wie Akzidens, a dicto secundum quid ad dictum simpliciter, ignoratio elenchi, petitio principii u. a., die von einer – wenn auch unterschiedlichen – Relevanz für die Sophisten im Euthydemos sind (s. o. Einleitung Kapitel 11. 2). Freilich gibt es Bezüge zum Euthydemos, die Aristoteles möglicherweise als Leser des Dialogs erweisen. Zumindest zeigt er sich mit einigen speziellen Sophismen, die hier vorgeführt werden, vertraut. Dabei wird zumeist auf sechs Sophismen des Euthydemos
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hingewiesen (Narcy 1984, 204 Anm. 258; Kutschera 2002, 197–205; Canto 1987, 277 f. Anm. 106; Canto 1989, 199 f. Anm. 109): 1. 275d3–277c7; 277e5–278b2 und Aristot. S. E. 165b31–34 (vgl. auch 166a18–21. a30 f. sowie Rh. 1401a29 f.) 2. 283e–284a und Aristot. S. E. 166a11 3. 296a1–c10 und Aristot. S. E. 166a30–32 4. 298a1–b3 und Aristot. S. E. 166b32–36 5. 298e4 f. und Aristot. S. E. 179a34 (vgl. auch 179b14. b39. 180a4) 6. 300a1–b8 und Aristot. S. E. 166a9–14 (vgl. auch 171a19 f.) Es gibt darüber hinaus noch ein Argument aus dem Euthydemos (299b5–8), das sich nicht in den Sophistici Elenchi, sondern nur in der aristotelischen Rhetorik (Aristot. Rh. 1401a31–32) findet. Freilich ist die These vom Einfluss sowohl spezifischer Sophismen wie auch des allgemeinen Typs von Sophismen im Euthydemos auf die Sophistici Elenchi bezweifelt und eine neue Liste vorgeschlagen worden (Dorion 1995, 92–104): 1. 2. 3. 4. 5.
276c und Aristot. S. E. 165b31–34 277a9–b1 und Aristot. S. E. 166a30 f. 298e4 f. und Aristot. S. E. 179a34. b14. b39. 180a4 300a und Aristot. S. E. 166a9 f. 300b und Aristot. S. E. 166a12–14. 171a8. a28–30. 177a12. a25 f.
Trotz der Ähnlichkeiten ist nicht sicher, ob Aristoteles diese Sophismen nicht aus einer anderen Quelle haben kann, z. B. aus dem akademischen Unterricht oder einer Sammlung. Bedenklich ist vor allem, wenn Aristoteles in S. E. 177b12 f. ein Sophisma als von Euthydemos stammend präsentiert, das aber in Platons Euthydemos nicht zu finden ist. Hier mag es sich um die historische Person des Euthydemos handeln (Hawtrey 1981, 13 f.; Dorion 1995, 100 Anm. 2). Offenbar war der Euthydemos nicht die einzige Quelle – wenn er überhaupt eine war – für Aristoteles’ Sophistici Elenchi (vgl. Keulen 1971, 20 f.). Wenn zum anderen darauf hingewiesen wird, dass Aristoteles zum einen generell durch die Tradition von Sophismen beeinflusst war und zudem die Sophistici Elenchi ein Handbuch zum Euthydemos darstellen, dann ist zu bedenken, dass von den 5 Argumentationszielen, von denen Aristot. S. E. 165b12 ff. spricht (Dorion 1995, 102), nur die Widerlegung (ἔλεγχος) im Euthydemos verwendet wird. Und von den 13 Arten der Widerlegung, die in den Sophistici Elenchi analysiert werden, sind nur 5 im Euthydemos zu finden: die Amphibolie, die Homonymie, das a dicto secundum quid ad
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dictum simpliciter, die vielfache Frage und das Akzidens (Hawtrey 1981, 2 f.; Canto 1989, 45–48. 50–52). Allerdings lässt eine wörtliche Anspielung mit geradezu programmatischem Charakter (vgl. 282a mit Aristot. Top. 155b7–10) vermuten, dass der Euthydemos bei innerakademischen Diskussionen eine Rolle gespielt und ihn beeinflusst hat. Manche Analyse im Euthydemos, wie das von Sokrates vorgeführte ‚Auseinandersetzen des Gesagten‘ (διαστέλλειν τὰ λεγόμενα, vgl. 295d), das er verwendet, um mittels Wortdifferenzierungen den Fallen der Eristiker zu entgehen, kann als ein Angebot an den Leser angesehen werden (vgl. z. B. Simp. in Arist. Cat. CAG 8, p. 22, 10–13 Kalbfleisch). In der Tat bietet Platon Hilfen für die Analyse, z. B. in 277e–278a mit dem Hinweis auf die Bedeutungsstufen von μανθάνειν im Sinne eines primären Lernens von Elementarwissen (acquirere scientiam) und eines Verstehens der Verwendungsmöglichkeiten des Elementaren (συνιέναι; intellegere scientia utendo). Diese Analyse wird auf das zweite Sophisma angewandt (278a; s. Kommentar ad loc.). Gleichwohl bleibt der Unterschied zu den Sophistici Elenchi, wo sich explizit didaktische Intention mit Analyse verbindet, während im Euthydemos implizit durch die Mittel literarischer Mimesis zur Analyse aufgefordert wird. Der Euthydemos unterscheidet sich also von den Sophistici Elenchi entsprechend der unterschiedlichen Auffassung von Didaktik bei Platon und Aristoteles (Erler 2003a): Sokrates analysiert die Sophismen nicht als Propositionen, sondern als Sprechakte (Hösle 2004, 263). Da er den pragmatischen Aspekt im Blick hat, kann er auch die Psychologie der Eristiker vorführen. Aristoteles hingegen achtet auf die verallgemeinernde Form der Trugschlüsse und sieht sich in der Tradition eines bestimmten Umgangs mit Sophismen (vgl. Aristot. S. E. 170b12 ff.). Auf seine Weise gehört auch der Euthydemos in diese Tradition, aber vielleicht auch jene Bücher über Lyseis, wie sie z. B. Diogenes Laertios dann Xenokrates zuspricht (Diog. Laert. 4, 13; Dorion 1995, 104).
12. Der Euthydemos und seine Leser Die Vielfalt an vorgeführten Methoden, literarischen Elementen und inhaltlichen Aspekten im Euthydemos lässt an eine Vielzahl von ihm zugedachten Funktionen und intendierten Leserschaften denken. Denn er kann nach außen hin als Protreptikos für Platons Methode wirken, aber schulintern auch als Grundlage für Diskussionen über diese Methode in Auseinandersetzung mit anderen Verfahren dienen. Der Euthydemos gehört wie der Protagoras, der Gorgias, der Ion oder der
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Hippias Minor zu jenen Dialogen, in denen sich Platon mit konkurrierenden ‚Weisheitslehrern‘ oder Sophisten auseinandersetzt und den Lesern mit seinem Protophilosophen Sokrates in Inhalten, Verhaltensregeln, Methoden und Intention ein Alternativangebot macht. Der Euthydemos steht also für Platons Wunsch, sich im Kontext konkurrierender philosophischer Richtungen zu positionieren. Deshalb bietet er mit der Darstellung der Eristiker und ihrer Methode geradezu eine Parodie dessen, was Platon unter einem Philosophen und methodisch unter Philosophie versteht. Platon möchte diese Differenzen aber nicht nur illustrieren, sondern seinen Lesern auch konkret Gelegenheit zu einer Lektüre bieten, die seinem eigenen Verständnis von Wissensvermittlung entspricht. Der Leser soll verstehen, dass sich die eristische und die sokratisch-platonische Methode trotz mancher Ähnlichkeit in den Verfahren, den Fragen und der Intention grundlegend unterscheiden und dass Platon von der Eristik als Methode nichts hält (278bc. 304ac; Keulen 1971, 62–68). Denn für Platons Sokrates ist der Anlass der Diskussionen allein die Sorge um die Seele (θεραπεία τῆς ψυχῆς) und sein Wunsch, die Aussage des Orakels in Delphi, er sei der weiseste der Menschen, zu falsifizieren (Ap. 21a). Infolge der Erkenntnis, dass er insofern weiser ist als andere Menschen, weil er nicht zu wissen glaubt, was er in Wirklichkeit nicht weiß (Ap. 20e–22e), fühlt sich Sokrates gedrängt, andere von eingebildetem Wissen zu befreien (Ap. 23b) und hofft, dass nach ihm andere diese Aufgabe übernehmen werden. „Mehrere werden sein, die euch zur Untersuchung ziehen, welche ich nur bisher zurückgehalten, ihr aber gar nicht bemerkt habt. Und um desto beschwerlicher werden sie euch werden, je jünger sie sind, und ihr um desto unwilliger“ (Ap. 39cd, Üb. Schleiermacher). Diese Hoffnung kann als ‚Selbstdeutung‘ Platons und als Funktionsbeschreibung seiner Dialoge – insbesondere derjenigen mit aporetischen Partien, wie es auch der Euthydemos ist – verstanden werden (Erler 2006, 101), die infolge der Irritationen, die sie beim Leser auslösen und auslösen sollen, eben den Befreiungsprozess fördern, um den es Platon geht. In diesem Kontext ist es zu sehen, wenn im Euthydemos neben Absurditäten und der Aporie im protreptischen Teil philosophisch relevante Probleme angesprochen werden, die auch in anderen Dialogen (Menon, Phaidon, Politeia, Theaitetos, Sophistes) im Kontext platonischer Philosophie eine Rolle spielen. Wie in anderen aporetischen Dialogen (Erler 1987a) erweist sich die Aporie am Ende von Sokrates’ zweiter protreptischer Rede dann als durchaus vermeidbar, wenn man jene ‚königliche Kunst‘ mit dem Guten als dem obersten Objekt des Wissens in den Blick nimmt, von dem Platon in der Politeia spricht. Dass der Euthydemos in Platons Kreis diskutiert wurde, zeigen Aristo-
Einleitung
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teles’ Sophistici Elenchi und die Topica (s. Einleitung Kapitel 11. 6). Und noch in der Kaiserzeit legt Alkinoos’ Didaskalikos (Alcin. 6, 9) diese Funktion nahe, wenn es dort heißt: „Auch die Methode der Trugschlüsse können wir unter den Werken Platons im Euthydemos skizziert finden, wenn wir das Buch präzise lesen, insofern in ihm angedeutet wird, welche Trugschlüsse einerseits infolge der Sprache, welche andererseits infolge der Dinge bestehen, sowie deren Lösungen“ (Üb. Summerell-Zimmer). Offenbar hat der Dialog im Curriculum der Platoniker im Bereich der Logik eine Rolle gespielt. Auch moderne Interpreten und Philosophen sehen im Euthydemos bisweilen eine Art dramatisiertes ‚Handbuch der Täuschungen‘, sozusagen ein Pendant zu Aristoteles’ Sophistici Elenchi (s. Einleitung Kapitel 11. 3). Freilich bietet Platon anders als Aristoteles entsprechend seiner Auffassung vom Lernen kein Analysenbuch, sondern eine Übung, wie man rhetorisch-philosophische Täuschungen mimetisch erlernen und eigenständig durchschauen kann. Man kann dem Urteil Cousins (Cousin 1827, 357: „L’ouvrage d’Aristote, intitulé De la Réfutation des sophismes, n’est pas autre chose que l’Euthydème réduit en formules générales“) also nur bedingt zustimmen (Keulen 1971, 18 Anm. 22) und wird den Euthydemos weniger als Beleg für Platons angebliche Unfähigkeit ansehen, die vorgeführten logischen Probleme selbst lösen zu können (so offenbar Robinson 1942; Robinson 1953). Vielmehr wird man die kunstvollen und andeutungsreichen Darstellungen Platons nicht als bloße Dramatisierung sophistischer Gesprächsstrategien ansehen, sondern in ihnen auch einen Beleg für die Fähigkeit des Autors sehen wollen, in Kenntnis der logischen Probleme und ihrer Lösungsmöglichkeiten Gespräche so zu gestalten, dass sie nicht nur dramenintern wirksam sind, sondern auch bei den Lesern eine pädagogisch-philosophische Funktion erfüllen können (Erler 1987a; Palpacelli 2009). Dies entspricht Platons Auffassung von der aktiven Rolle des Lernenden beim Wissenserwerb (Erler 2003a). Diese Übung soll zur Erkenntnis jenes richtigen philosophischen Verhaltens und jener Methode führen, die in den protreptischen Teilen dann illustriert wird (Hawtrey 1981, 14–18). So wie Sokrates nach Xenophon gemeinsam mit Freunden die Schätze in den Büchern der alten Weisen durchgearbeitet hat (Xen. Mem. 1, 6,14) oder wie Theodoros im Theaitetos anmerkt, dass die Autoren für gemeinsame Lektüre und Vorlesen Möglichkeit zur Diskussion geben (was dort die Herakliteer offenbar nicht tun) (Theaet. 179e–180b), kann der Euthydemos bei einer solchen Lektüre Hilfe und Anregung für Diskussionen auch über die philosophischen Konzepte Platons bieten. Auf diese Weise könnte Vorwissen durch philosophische Diskussion begründet und zu Wissen festgebunden werden.
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13. Rezeption Der Euthydemos ist nicht nur in der Akademie diskutiert worden, sondern blieb darüber hinaus Gegenstand von Diskussionen und Polemik. Im Vergleich mit anderen Dialogen Platons war das Interesse an ihm in der Antike allerdings nicht sehr ausgeprägt, wie z. B. die geringe Zahl von Scholien nahelegt (Keulen 1971, 1 Anm. 1). Der Epikureer Kolotes hat jedoch eine polemische Schrift gegen ihn verfasst: Contra Platonis Euthydemum (PHerc. 1032; Crönert 1906, 167–170; dazu Concolino Mancini 1976, 64–66; vgl. Erler 1994b, 237 f.; Kechagia 2011, 62–68; Corti 2014, 87). Auf einigen Papyrusresten in Herculaneum (PHerc. 1032) sind Fragmente dieses Werks erhalten, die einen Einblick in die Art der polemischen Auseinandersetzung mit diesem Text in Epikurs Schule erlauben (dazu Crönert 1906, 5). Später äußert sich der Platoniker Alkinoos zum didaktischen Wert der Schrift als Übung für die Auflösung von Sophismen (Alcin. 6, 9). Vor allem der Protreptikos im Euthydemos hat Schule gemacht, indem er offenbar u. a. Aristoteles, Epikur und über Aristoteles Cicero (vgl. den Hortensius) und durch diesen Augustinus beeinflusst hat. Clemens Alexandrinus hat diese Textsorte mithilfe des Euthydemos in den christlichen Bereich eingeführt (Rabinowitz 1957; Düring 1961). Inhaltlich hatte er offenbar bei der Diskussion über die Frage Einfluss, welche Dinge für das Erreichen des Glücks Wert haben. Der Protreptikos im Euthydemos war für bestimmte Ansichten der Stoiker (Zenon) innerhalb des Stoizismus von Bedeutung (vgl. Diog. Laert. 2, 31 mit Bezug auf Euthyd. 281e; Long 1996, 13. 24 f.). Es kann sogar vermutet werden, dass die Stoiker wichtige Konzepte ihrer Ethik unter Rekurs auf den Euthydemos entwickelten (Long 1996). Freilich steht der Einfluss des Dialoges im antiken philosophischen Diskurs und auch später weit hinter dem anderer platonischer Dialoge zurück. Immerhin war der Euthydemos für Ficino, der ihn ins Lateinische übersetzt hat, im argumentum zu seiner Übersetzung Anlass für wichtige hermeneutische Überlegungen über den platonischen Dialog allgemein, die ihrerseits die hermeneutische Tradition des Neuplatonismus aufgreifen. Er betont z. B. die Adressatenbezogenheit der Argumentation im aporetisch-protreptischen Teil und plädiert für die Lösbarkeit der Aporie. Sokrates’ zeitweilige Verwirrung sei Merkmal seiner didaktischen Vorgehensweise (vgl. Erler 2010a). In der modernen Forschung des 19. Jahrhunderts (dazu Keulen 1971, 1–5; Ausland 2000) wurde der Euthydemos jedoch vor allem mit Blick auf die eristischen Partien und die scherzhafte Form der Darstellung bisweilen infrage gestellt und abqualifiziert als „comédie“ (Méridier 1931,
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Einleitung
112), „Satyrspiel“ (Natorp 1921, 119), „Fastnachtsschwank“ (Gomperz 1925, 423) oder „Mummenschanz“ (Praechter 1926, 250). Aufgrund derartiger Beobachtungen wurde Platons Autorschaft in Zweifel gezogen. Anstoß dafür war in vieler Hinsicht der Inhalt, den man sich nicht nach Sokrates’ Tod dargestellt vorstellen konnte, so dass der Euthydemos als vor 399 v. Chr. verfasst angesehen wurde (Ritter 1888, 126– 127). Entsprechend wurde der Dialog von modernen Interpreten zunächst recht selten behandelt (dazu Sprague 2000; Scolnicov 1981; Canto 1987, 81 f.; Narcy 1984, 59; Erler 2007, 121–126). Dabei wurden bisweilen richtige Eindrücke mit falschen Urteilen verbunden. Denn in der Tat zeichnet sich der Euthydemos durch komische Züge aus und hat Elemente aus Satyrspiel und Komödie übernommen (s. Einleitung Kapitel 9. 1). Jedoch verbindet er diesen literarischen Spielcharakter mit ernsten inhaltlichen Anliegen, die in der Forschung durchaus auch positiv gewürdigt wurden (z. B. Bonitz 1886, 126). Praechter z. B. lobt den „Reiz höchster schriftstellerischer Kunst, die sich hier entfaltet“ (Praechter 1932, 121) und die „bei jeder erneuten und vertieften Lektüre sich auftuenden Feinheiten der Einzeldarstellung“ (Praechter 1932, 135), ein Urteil, das von Paul Friedländer geteilt wurde (Friedländer 1964, 166 f.; vgl. Erler 2007, 123). Freilich setzte man sich mit dem Euthydemos durchaus kritisch auseinander (vgl. Natorp 1900). Auch Schopenhauer hat offenbar auf ihn Bezug genommen (Schopenhauer 1983). Erst mit Shorey (Shorey 1960, 76 f.) und Friedländer (Friedländer 1964, 165–181) war der Boden für ein gerechteres Urteil bereitet, das dann zu einer inhaltlich wie literarisch angemesseneren Würdigung geführt hat (Sprague 1962; Keulen 1971; Narcy 1984; Hawtrey 1981; Szlezák 1985; Canto 1987; Erler 1987a, 213–256; Chance 1992), so dass der Euthydemos dann sogar Thema des V. Symposium Platonicum in Toronto und zahlreicher Aufsätze seither wurde, die der besonderen philosophischen und literarischen Intention des Dialogs mit unterschiedlichen Ansätzen gerecht zu werden versuchen.
14. Abweichungen von Burnets Text Stelle
Burnet
Erler
271d2 (Kap. 1)
[καὶ μάχῃ, ᾗ πάντων ἔστι κρατεῖν] [ὅσα] . . . [διδακτέον] [ἔφατον]
καὶ μάχῃ, ᾗ πάντων ἔστι κρατεῖν ὅσα . . . διδακτέον ἐφάτην ἐπιδείξατον
273c6 f. (Kap. 2) 274a5 (Kap. 2) 274d6 (Kap. 2)
ἐπιδείξασθον
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Kommentar
Stelle
Burnet
Erler
275d6 (Kap. 3) 276b4 (Kap. 3)
ἐνέβλεψεν οἱ ἀμαθεῖς ἄρα μανθάνουσιν
280b2 (Kap. 5) 281b7 f. (Kap. 5) 281c6 (Kap. 5)
ᾧ ἂν παρῇ ἢ μᾶλλον ὀλίγα νοῦν ἔχων πότερον δὲ ἀνδρεῖος ὢν καὶ σώφρων ἐλάττω ἂν πράττοι ἢ δειλός ὥστ᾽ ἐκεῖνα ἀκούων μὲν νυνί τοῦ αὐτοῦ πράγματος λόγον
ἔβλεπεν οἱ ἀμαθεῖς ἄρα σοφοὶ μανθάνουσιν ὅταν παρῇ ἢ μᾶλλον ὀλίγα [νοῦν ἔχων] πότερον δὲ ἀνδρεῖος ὢν [καὶ σώφρων] ἐλάττω ἂν πράττοι ἢ δειλός ὥστε καὶ εἶναι ἀκούωμεν νῦν εἴ τοῦ αὐτοῦ πράγματος λόγον πῶς ἀντιλέγοι οὐδ᾽ ἄρα ἐκέλευον, ἔφη, ἐγὼ νυνδή, ὁ Διονυσόδωρος, ἐξελέγξαι. τούτῳ γ᾽ οὐ πάνυ χαλεπὸν χρῆσθαι ὑφηγήσεσθαι τοῦτο μὲν ἁπλοῦν [ὅτι ταύτην], ἥτις ἡμᾶς ὀνήσει τί ἔργον Διοσκούρω καλὰ δὴ πάντα λέγεις οὐκοῦν μόνος βοιδίων τὰ λέγοντα πρόβατα νοοῦσιν
284b6 (Kap. 7) 285e5 (Kap. 7) 286a5 (Kap. 7) 286b6 (Kap. 7) 286e5 f. (Kap. 7)
287c3 (Kap. 7) 288c6 (Kap. 8) 288e1 (Kap. 9) 292a1 (Kap. 10) 293a2 (Kap. 10) 293d2 f. (Kap. 11) 298a8 (Kap. 11) 298c1 (Kap. 11) 298d4 (Kap. 11) 300c4 (Kap. 11) 302a1 (Kap. 11) 303d3 (Kap. 12)
πῶς ἀντιλέγοι οὐδ᾽ ἄρα ἐκέλευεν, ἔφην ἐγὼ, νυνδή Διονυσόδωρος, ἐξελέγξαι; [τούτῳ γ᾽ οὐ πάνυ χαλεπὸν χρῆσθαι] ὑφηγήσασθαι τοῦτο μὲν ἁπλοῦν, ὅτι ταύτην ἥτις ἡμᾶς ὀνήσει τί [ἔργον] Διοσκούρων καλὰ δὴ παταγεῖς οὔκουν μόνον κωβιῶν [τὰ λεγόμενα] πρόβατον ἀγνοοῦσιν
Erläuterungen
1. Prolog des Rahmengespräches (271a–272e) Kriton beginnt mit Bemerkungen, die den Leser in Situation und Szene des Dialoges einweisen. Es geht um ein Gespräch, das Sokrates am Vortag mit Euthydemos und Dionysodoros geführt hat. Innerdramatisch folgt Sokrates’ Bericht über das Gespräch am gestrigen Tag als interner Dialog, so dass der Leser Sokrates’ Charakterisierungen der Eristiker mit dem berichteten Geschehen vergleichen kann. Der Euthydemos ist also der Form nach ein aus dramatischem Vorgespräch und Berichten einer an der dramatischen Handlung beteiligten Person (Sokrates) gemischter Dialog und hierin dem Protagoras, dem Symposium und dem Phaidon vergleichbar (Erler 2007, 121–128). Anders als die anderen drei gemischten Dialoge, in denen der Rahmendialog nur als Einleitung fungiert, kehrt der Euthydemos am Schluss zum Rahmendialog zurück. Im Theaitetos, der ähnlich strukturiert ist, wird der interne Dialog als geschriebenes Werk (ὑπόμνημα) ohne Kommentare vorgetragen. Ort des Treffens im Euthydemos ist das Lykeion; wir erfahren, dass am Vortag beim berichteten Gespräch Euthydemos zur Rechten des Sokrates saß, Kleinias zwischen ihnen; zur Linken des Sokrates saß Euthydemos’ Bruder Dionysodoros. Sokrates’ lobende Beschreibung der Eristiker gegenüber Kriton als ‚Alleswisser‘ und ‚Allkämpfer‘ wirkt ironisch, was auch seinem Verhalten gegenüber den Eristikern im internen Dialog entspricht. Ist Sokrates’ Ironie in der Gegenwart der Eristiker passend, so hat sie gegenüber Kriton Interpreten irritiert, da er gleichzeitig vorschlägt, gemeinsam bei ihnen Schüler zu werden (272d. 304b). Manche bestreiten deshalb, dass Sokrates die Eristiker ironisiert (Palpacelli 2009, 152; ein Problem sieht Strauss 1983, 67). Jedoch ist daran zu erinnern, dass Sokrates diesen Unterricht Kriton dadurch schmackhaft zu machen versucht, dass dieser auch als ‚Student‘ bei den Eristikern seinen Geldgeschäften nachgehen könne (304c). Damit wird das vorgeschlagene Schülerverhältnis Kritons aus Sicht des Sokrates ebenfalls ironisiert; Sokrates lehnt im protreptischen Teil des Euthydemos Reichtum ab und Platon steht Geldstreben ablehnend gegenüber (vgl. Schriefl
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Kommentar
2013; Sermamoglou 2014, 129 mit Anm. 219 und 220). Das Vorgespräch wird in Gang gesetzt durch eine Frage Kritons nach Sokrates’ Gesprächspartner, mit dem er sich am Vortag im Lykeion unterhalten habe. Dabei ist bemerkenswert, dass Kriton sie nicht zu kennen behauptet, sie gleichzeitig aber als Sophisten identifiziert (271c). Sokrates berichtigt ihn, dass es sich um zwei Partner gehandelt habe, hochbegabt an Kunstfertigkeit und Weisheit: die Brüder Euthydemos und Dionysodoros. Diese hätten zu ihrer früheren Fertigkeit im Waffenkampf nun die Kunst der Eristik hinzugefügt. Dabei handle es sich um die Kunst, die alles widerlegen kann, was gesagt wird, sei es wahr oder falsch. Sokrates schlägt vor, dass er und Kriton Unterricht bei den beiden Künstlern nehmen sollen. Zuvor möchte Kriton aber einen Bericht über die Art ihrer Weisheit. Einzelerklärungen 271a1 Wer war es | Τίς ἦν: Kritons Interesse scheint sich auf nur eine Person zu richten. Doch geht es, wie Sokrates’ Antwort zeigt, um zwei Gesprächspartner. Schon hier deutet sich an, dass das Eristikerpaar scherzhaft als ‚Einheit‘ aufgefasst wird. Dies wird dadurch unterstrichen, dass Kriton mit der gleichen Frage den Abschnitt abschließt (271a5). 271a1 im Lykeion | ἐν Λυκείῳ: Eines der drei großen Gymnasia (neben Kynosarges und der Akademie) außerhalb der Stadtmauern Athens am Fuße des Lykabettos und am Ilissos (Karte Canto 1989, 236 f.; Greco 2014, 698–702 m. Lageplan), wohl in der Nähe des heutigen Hotel Grande Bretagne am Syntagma-Platz neben dem Parlament in Athen. Geweiht dem Apollon Lykeios. Im Lysis (203a) ist Sokrates auf dem Weg dorthin; im Symposium (223d) zieht er sich nach dem Gelage dorthin zurück. Das Lykeion ist eine von Sokrates geliebte Aufenthaltsstätte. Im Euthyphron ist Euthyphron geradezu erstaunt, Sokrates auf der Agora statt im Gymnasion anzutreffen (Euthyph. 2a). Zwar wird in der Apologie die Agora als eine Wirkungsstätte des Sokrates angegeben; wichtiger Ort für seine Gespräche aber waren die Gymnasien, vor allem das Lykeion (vgl. auch Aeschn. fr. 2 Dittmar). Gymnasien bilden auch die Szenerie im Charmides und Laches . Im Phaidros ist Sokrates vermutlich auf dem Weg ins Lykeion am Ilissos entlang. Im Euthydemos steht das Gymnasion als Ort körperlicher Ertüchtigung im übertragenen Sinn auch für die geistigen Übungsgefechte, die im Euthydemos vorgetragen werden; Gymnasien waren Orte des Unterrichts, auch des Aristoteles und anderer. Der Schauplatz steht im Euthydemos (z. B. 277b3 ff.)
Erläuterungen
111
wie in anderen Dialogen (s. Einleitung Kapitel 6) in Bezug zur Handlung und zu den Gesprächspartnern, z. B. bedient sich Platon gerne metaphorisch der Sportlersprache (Benkendorff 1966). 271a2 wirklich viele Leute | ἦ πολύς … ὄχλος: Zum affirmativen Gebrauch von ἦ s. Denniston 1954, 280 (vgl. Rp. 454a1. 530c2. 567e8; Euthyph. 14b8). ‚Menge‘ ist bei Platon oft pejorativ verwendet (vgl. Gorg. 455a; Rp. 494a; vgl. Voigtländer 1980, 135–414), denn philosophische Begabungen sind selten (Rp. 476b. 491b. 494a). Die Zuhörerschaft bei der Auseinandersetzung mit den Eristikern besteht nach Sokrates (276d) aus Liebhabern (ἐρασταί) der beiden Gesprächspartner Euthydemos und Dionysodoros, die die Kunst der beiden bewundern; die Zuschauer betrachten die Diskussion wie ein Theaterstück (‚Applaus‘ Euthyd. 276b. d1 [s. u.]; vgl. Kritias, der seinen Atlantisvortrag mit Theater in Verbindung bringt [Crit. 108d; vgl. 108b]). 271a3 nichts richtig verstehen | οὐδέν . . . ἀκοῦσαι σαφές: Es geht dabei nicht nur um ‚klare Hörbarkeit‘, sondern auch um inhaltliches Verstehen (vgl. Symp. 172b4). Die gleiche Situation findet sich im Protagoras (Prot. 315e), als Sokrates Prodikos hören, ihn aber nicht verstehen konnte. Da Kriton wegen der großen Menschenmenge, die gleichsam wie ein Chor (vgl. 276b6) für die Protagonisten der Diskussionen fungiert, also die Gesprächsrunden nur hören, aber nicht sehen konnte, wird der Leser gleichsam aufgefordert, die Szene zu visualisieren. 271a3 als ich mich über die Köpfe reckte | ὑπερκύψας: Die Detailgenauigkeit der Szene spielt literarisch mit der Tradition der Beglaubigungstopoi für Erzähltes – wie oft bei Platon – (vgl. Erler 2007, 69 ff.), trägt aber vor allem auch zur Verlebendigung der Szene bei. Die realistischen Szenen mit ihrer historischen Färbung des Dialoggeschehens sind vielleicht eine Besonderheit platonischer Dialogkunst und werden von Platon als Förderung der Glaubwürdigkeit reflektiert (Clay 1994, 43; Erler 2012b). 271a4 gelang es mir, zu sehen | κατεῖδον: κατα- (perfektiv) (vgl. Smyth 1920, §1648) im Sinne des Gelingens (vgl. Euthyph. 2c6). 271a4 mir schien es ein Fremder zu sein | μοι ἔδοξεν εἶναι ξένος τις: Man kennt sich in Sokrates’ Kreis (vgl. die mit Sokrates befreundeten ‚Sokratiker‘ im Phaidon; dazu Erler 2007, 175). Bemerkenswert, dass zunächst nur von einem Gast die Rede ist (vgl. Prot. 309c; HipMa. 281b).
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Kommentar
271a6 nach welchem . . . denn | πότερον καί: καί nach Interrogativum betont die Frage (Denniston 1954, 312). Sokrates’ Reaktion kündigt gleichsam an, dass der Leser es mit zwei Personen als Gesprächspartnern zu tun haben wird. Der Dual (ἤστην) greift dieses Spiel von einer (von Kriton suggeriert) und zwei Personen auf (dazu s. Einleitung Kapitel 8). 271a6 f. sondern zwei waren es | ἀλλὰ δύ᾽ ἤστην: Der Dual spielt im Euthydemos eine wichtige Rolle (Polleichtner 2011) und soll die mangelnde Individualität der beiden Eristiker unterstreichen (vgl. u. a. 271c5–8. 271d3; Friedländer 1964, 168; Canto 1987, 103 f.). 271b1 der junge Sohn des Axiochos | τὸ Ἀξιόχου μειράκιον: Der Name des Kleinias wird erst 273a5 genannt; der Ausdruck μειράκιον (vgl. 275e5 f.) steht für die Altersstufe nach der des παῖς (bis zum 14. Lebensjahr, vgl. Luc. Philops. 11), reicht bis zum 18., 20. oder 21. Lebensjahr und steht damit vor der Altersstufe des Erwachsenen (ἀνήρ). Vgl. Manuwald 1999, 137; zu Axiochos s. Einleitung Kapitel 6. 2. Kleinias’ Alter lässt das Thema der Erziehung anklingen (vgl. 271b4 f.), dazu Sermamoglou 2014, 127. 271b1 f. Der hat tüchtige Fortschritte gemacht | μάλα πολύ . . . ἐπιδεδωκέναι: Gemeint ist Kleinias (273a5). Da Kleinias sitzt, wird mit ‚Fortschritt‘ kaum seine Statur gemeint sein (so De Vries 1972, 42 f.). ἐπιδεδωκέναι (vgl. 273a5) meint offenbar den allgemeinen Fortschritt in der körperlichen und geistigen Entwicklung (wie 271b4 προφερής). 271b3 f. Jener jedoch ist schmächtig, dieser . . . ist weit für sein Alter | ἐκεῖνος μὲν σκληφρός, οὗτος δὲ προφερής: Nicht auf die Eristiker zu beziehen (so Winckelmann, 4; richtig Hawtrey 1981, 41), sondern auf Kleinias und Kritoboulos. Freilich ist der Bezug von οὗτος und ἐκεῖνος auf Kleinias bzw. Kritoboulos nicht ohne Probleme, weil Ersteres eher Näherstehendes, Letzteres Fernerstehendes bezeichnet (Smyth 1920, §1240. 1257; vgl. den gleichen Gebrauch von οὗτος in Εuthyd. 271c8–d1). Dann aber müsste Kritoboulos als fortgeschritten mit Blick auf sein Alter gelten, was der vorausgegangenen Bemerkung (271b2) widerspricht, wo eben dies von Kleinias gesagt wird. Zudem beweist Kleinias später im Dialog seine Fähigkeiten, wie Kriton feststellt (290e ff.). Doch bezeichnet οὗτος in der Verbindung mit ἐκεῖνος nicht selten auch das an Bedeutung gegenüber einem anderen Herausragende (K.-G. 1, 647 f.; Smyth 1920, §1261): „When reference is made to one of two contrasted objects, οὗτος refers to the object nearer to the
Erläuterungen
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speaker’s thought, or to the more important object.“). Der weitere Dialogverlauf zeigt, dass ebendies für Kleinias gilt (288d5 ff.). Zu προφερής (‚fortgeschritten‘): Bemerkenswert ist, dass Xenophon (Xen. Symp. 4, 10) die Schönheit des Kritoboulos lobt, was aber hier zu Platons σκληφρός nicht passt. Wichtig ist die Betonung der äußeren Erscheinung durch Kriton (271b4 f. τὴν ὄψιν). Kleinias ist etwas jünger, aber fast gleich groß wie Kritoboulos, wohingegen Sokrates wenig später mit den gleichen Worten Ktesippos’ Veranlagung beurteilt (273a8 μάλα καλός τε κἀγαθὸς τὴν φύσιν); das Scholion zur Stelle (Schol. in Euthyd. 1 p. 187 f. Cufalo: σκληφρὸς ὁ τῷ μὲν χρόνῳ πρεσβύτερος, τῇ δὲ ὄψει νεώτερος δοκῶν· προφερὴς δὲ ὁ τῷ μὲν χρόνῳ νεώτερος, τῇ δὲ ὄψει πρεσβύτερος) basiert auf einem Missverständnis der Stelle (vgl. De Vries 1972, 42 f.; vgl. Hawtrey 1981, 41). Kleinias ist wohl etwas jünger, hochgewachsen und etwas dürr, Kleinias bereits ein gut aussehender junger Mann. Dazu passt, dass Kritoboulos’ Erziehung zur Debatte steht (vgl. 306d); Kleinias beweist seine Begabung während des Gespräches, wie Kriton konstatiert (290e4 ff.). Kritoboulos ist später an Sokrates’ letztem Tag anwesend und bietet Lösegeld an (Ap. 38b). 271b6: Zu den Brüdern Euthydemos und Dionysodoros s. Einleitung Kapitel 6. 2. 271b8 hatte Anteil | μετέχει: Wohl historisches Präsens. Es geht um den Bericht über eine konkrete Situation, nicht um ein für beide typisches Verhalten (so Gifford, 3). Die Konjektur Heindorfs (μετεῖχε) ist mit Gifford (3) abzulehnen. 271b9 neue | καινοί: Kriton kennt die Personen (τίνες ἄν οὗτοι) nicht; gleichwohl identifiziert er sie als Sophisten (c1). Es ist nicht klar, ob σοφιστής hier in einem spezifisch technischen Sinn (professioneller Weisheitslehrer) gemeint ist. Der Terminus ist bei Platon zumeist negativ besetzt, von anderen wie z. B. Isokrates eher neutral im Sinne eines gelehrten Erziehers verwendet (Isocr. 15, 220; zum Wortgebrauch von σοφιστής im 5. Jh. vgl. Guthrie, Bd. 3, 27 ff.; Edmunds 2006, bes. 418– 421); gegen Ende des Dialoges jedoch wird dies deutlicher werden (303c ff.; dazu Sermamoglou 2014, 127. 136 ff.). Von Ficino und Routh ist die Bemerkung ‚schon wieder neue [Sophisten]‘ Sokrates zugesprochen worden. Doch haben neuere Editoren die Worte zu Recht Kriton gegeben. Sokrates weiß ja, wie sich zeigt, über die Eristiker Bescheid. Die Frage nach dem Woher und nach ihrer Kunst ist bei Sophisten als
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Kommentar
wandernden Wissensschaustellern besonders plausibel (vgl. Isocr. 15, 155 f. über Gorgias; Plat. Soph. 224b; Tim. 19e; Ion 530a; zum Merkmal der Sophisten als ‚Wanderer‘ vgl. Montiglio 2005, 105 ff.; zum Wissen der Sophisten vgl. Canto 1989, 20 f.). Im Gegensatz dazu bleibt Sokrates immer in Athen (vgl. Beginn des Phaidros). Die kleine Szene mit Kritons Bemerkung erinnert an den Ausruf des Pförtners vor Kallias’ Haus im Protagoras (Prot. 314d3 ἔα [. . .] σοφισταί τινες; vgl. Men. 91b4 ff.; Gorg. 520a). 271c3 Sie stammen … aus Chios und sind nach Thurioi ausgewandert | εἰσιν ἐκ Χίου, ἀπῴκησαν δὲ ἐς Θουρίους: Diese biographischen Angaben ergeben – wenn sie nicht historisch sein sollten – doch ein plausibles Bild. Die Insel Chios war mit Athen im Delischen Seebund verbunden; Thurioi nahe Sybaris in Magna Graecia wurde 444/3 gegründet (Nails 2002, 358); eine Verbannung (271c3 f; dazu Ath. 506b, irrtümlich mit Bezug auf Chios) galt nicht als ehrenrührig. 271c6 Allwisser . . . im Wortsinn | πάσσοφοι ἀτεχνῶς: Ironisches Lob, das den umfassenden Wissensanspruch der Eristiker aufspießt (De Vries 1972, 49; vgl. Theaet. 181b4. Zur Ablehnung der Vielwisserei vgl. schon Heraklit fr. 22 B 40 Diels/Kranz). Platon beklagt sie als Folge der Verschriftlichung (Phaedr. 275d). Zum Wissensanspruch der Sophisten vgl. Einleitung Kapitel 10. 1; Prot. 315e7 über Prodikos (πάσσοφος) mit Manuwald 1999, 138; vgl. Theaet. 152c8 über Protagoras. 271c7 Allkämpfer | παγκρατιασταί: Zum Allkampf als härteste Kampfsportart vgl. Gardiner 1930, Kap. 14. 16 und Gardiner 1905. Zum Allkampf bei Platon vgl. Rp. 338c7 ff.; Leg. 795b; Gorg. 456d. Worte mit παν- haben bei Platon zumeist eine negative Konnotation (Hawtrey 1983). Der Artikel ist in der deutschen Übersetzung fortgelassen, weil er im Griechischen hier verallgemeinernd gebraucht ist, wofür im Deutschen ein Artikel fehlen kann (Menge 2011, §3 Anm.); vgl. 296e4. 271c7 kennen sich gewiss in jedem Kampf aus | παμμάχω: πάμμαχοι als ‚Allkämpfer‘ hier zuerst in Prosa; bemerkenswert die Dualformen, durch welche die beiden Eristiker als Einheit gesehen werden. 271c7 f. nicht nur … [wie] die beiden Brüder aus Akarnanien | οὐ κατὰ τὼ Ἀκαρνᾶνε: Subjekt zu ἐγενέσθην müssen die beiden Akarnaner sein (Gifford, 4; Hawtrey 1981, 43). Die einfachste Änderung des Textes ist, mit Gifford ein Komma hinter παμμάχω zu setzen und καθ᾽ ἃ zu lesen (Gifford beobachtet zudem Rasur im Clarcianus beim ersten
Erläuterungen
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α von κατά); wer die Brüder aus Akarnanien waren, ist nicht bekannt.
Akarnanien ist eine Landschaft der westgriechischen Region (vgl. Gehrke 1994). 271d2 diese beiden … sehr gewandt | δεινοτάτω: δεινός avanciert im 5. Jh. zum Ausdruck jenes Lebensgefühls, alles zu können (Meier 1978), das vor allem in der Tragödie thematisiert (z. B. Soph. Ant. 332 ff.), aber auch infrage gestellt wurde (Soph. O. T.). 271d2 in einem Kampf, mit dem man alle besiegen kann | καὶ μάχῃ, ᾗ πάντων ἔστι κρατεῖν: Burnet streicht diese Passage (vgl. Hawtrey 1981, 43 f.); verschiedene Textänderungen werden erwogen: Gifford (5) diskutiert Vorschläge und hält die Worte; Méridier folgt Burnet, lässt ἔστιν aus und verwirft mit einem anonymen Interpreten ᾗ. In der Tat ergibt der Text von TW einen vertretbaren Sinn, wenn man versteht, dass die beiden Eristiker zudem im Waffenkampf stark sind und ausbilden können (zu Hoplomachie als besonders wichtiger Disziplin vgl. Lach. 181e; Gorg. 456d; Leg. 813e. 833ae; zu Hoplomachie und Sophistik vgl. Xen. An. 2, 1,7; Mem. 3, 1,1; vgl. 299c). Sie übertreffen die Akarnaner durch die zusätzliche Kampfkompetenz und dann noch durch diejenige vor Gericht. Die Beschreibung der Eristiker durch Sokrates ist voller Ironie. 271d3 ff. in der Lage, auch einen anderen … kundig zu machen | καὶ ἄλλον … οἵω τε ποιῆσαι: Besitz von Wissen und Kompetenz
der Vermittlung dieses Wissens war Anspruch der Sophisten und Quelle ihres Gelderwerbs (vgl. Blank 1985) – das genaue Gegenteil zur sokratischen Haltung. Das Fragen nach Möglichkeiten dieser Vermittlung ist Thema des Protagoras und des Menon (Erler 1987a, 66 ff.). 272a1 f. Kämpfe vor Gericht | ἐν τοῖς δικαστηρίοις μάχην: Vgl. Men. 75c; Theaet. 154be. Zur Eristik als Kampf s. Einleitung Kapitel 10. 272a3 schriftlich zu verfassen | συγγράφεσθαι: Reden selbst zu schreiben (dazu Hudson 1951) wird wegen der Parallelität mit Waffenkampf (selbst kämpfen können und andere darin unterrichten) verlangt. Man mag an die Notizen denken, die man sich von Sokratesgesprächen macht und sie dann zu einem dramatischen Dialοg gestaltet (Erler 2006, 47–55; vgl. Theaet. 143a ἐγραψάμην […] ὑπομνήματα; Hawtrey 1981, 44 ad loc.). Wohl nicht gemeint ist die Tätigkeit des Logographen, Reden für andere zu schreiben.
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272a5 Krone aufgesetzt | τέλος ἐπιτεθήκατον: Vgl. 301e1. 272a6 nicht praktizierten | ἀργός: ἀργός im Sinne von ‚träge in einer Sache‘ (ταύτην ἄπρακτος) ist bei Aristophanes Merkmal der Sophisten (Aristoph. Nub. 334); vgl. ἀπράγμων (Aristoph. Av. 44; Thuc. 2, 40,2). Zu ‚Trägheit‘ (ἀργία) als Komödienmotiv vgl. Zimmermann 1993, 255–280, bes. 262. Zu Platons Kritik der πολυπραγμοσύνη vgl. Rp. 434c; 551e6 f.; Theaet. 172c3–4a. 272a8 mit Worten zu fechten und zu widerlegen | ἐν τοῖς λόγοις μάχεσθαί τε καὶ ἐξελέγχειν: Definition der Eristiker – es geht rein um das Agonale, nicht um Inhalte, vgl. De Luise 2000, bes. 210 Αnm. 2. 272b2 anzuvertrauen | παραδοῦναι: παραδοῦναι charakterisiert das Verständnis von Wissensvermittlung als Wissensübergabe wie es im sophistischen Kontext typisch ist (vgl. 273d8; Theaet. 198b1–4; Men. 93b; Symp. 175d; Prot. 314b; Ιsocr. 13, 7); Platon hingegen fordert, Wissen von selbst zu suchen und zu finden (Men. 81d; Theaet. 150d, vgl. dazu Erler 1987a, 60 f.). 272b3 f. in kurzer Zeit | ἐν ὀλίγῳ χρόνῳ: Dieser Anspruch steht im Gegensatz zu Sokrates, der für philosophische Überlegungen Zeit und das Recht auf Umwege beansprucht (Theaet. 172d4 ff.; Phaed. 84a4 f.). 272b4 dass jeder andere in eben diesen Dingen kundig wird | ὁντινοῦν τὰ αὐτὰ ταῦτα δεινόν: Ktesippos scheint dem Anspruch zu genügen (299e. 303e). Anders als für Sokrates spielt für Eristiker Begabung kaum eine Rolle. 272b5 f. dass du schon zu alt bist | μὴ ἤδη πρεσβύτερος ᾖς: Von ὀψιμαθής ist Soph. 251b6 mit Blick auf die Frage, ob man einer Sache nur einen Namen geben darf (251a–251c), die Rede. Hier klingt die Diskussion an über die Frage ‚Wann soll man philosophieren?‘. Die Positionen schwanken zwischen: nur in der Jugend, dann etwas Vernünftiges lernen (Kallikles in Gorg. 484c–485e; vgl. ὀψιμαθής Soph. 251b6; Spätlernen bei Thphr. Ch. 27, 2–3. 10–11); Philosophie erst mit fünfzig nach Ausbildung (Plat. Rp. 540a) und immer (Epic. 4, 122; Erler 2000; Heßler 2014, 34–40. 148 f.). In den Kontext gehört auch Solons γηράσκω δ᾽ ἀεὶ πολλὰ διδασκόμενος (Solon IEG 2 fr. 18 West). Der Lehrer kann jünger sein (Plat. Lach. 189b). Es handelt sich um einen in der Komödie gerne behandelten Topos, dass Alte zweimal Kinder sind (z. B. Strepsiades in Aristoph. Nub. 1417; Cratin. PCG 4 fr. 28 Kassel/
Erläuterungen
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Austin, vgl. Crichton 1993; Michelini 2000, 519 Anm. 47; Hubbard 1989). Zu Spätlernern vgl. Isocr. 10, 2: Isokrates billigt der Jugend eine Beschäftigung mit ‚nutzlosen‘ Dingen wie Eristik, Geometrie usw. zu, lehnt dies bei Älteren aber ab (Isocr. 12, 28). 272b9 als alte Leute | γέροντε ὄντε: Ausdruck in der Komödie (Aristophanes; vgl. Norwood 1932, 310 Anm. 2). 272b10 Εristik | ἐριστικῆς: Terminus für Streitkunst (vgl. Aristot. S. E. 171b25 f.; Plat. Rp. 499a; Wortgefecht Thuc. 2, 54,3; Aristoph. Ran. 866. 1105 ἐρίζειν). Isokrates spricht von ἡ περὶ τὰς ἔριδας φιλοσοφία (Isocr. 10, 6; vgl. 10, 11), vielleicht mit Blick auf Platon (dazu Zajonz 2002, 89 f.; zum Bezug auf Platon 58 ff. vgl. auch Eucken 1983, 10), der den Begriff ‚Eristik‘ nicht zuletzt im Euthydemos auf eine agonal orientierte Disputationsweise verengt (vgl. Men. 75cd; Rp. 454a; Soph. 226a; zum Unterschied zu Antilogik vgl. Einleitung Kapitel 10. 1). 272c1 weise | σοφώ: Sokrates spielt hier schon das Spiel, das er von den Eristikern eigentlich ‚erst lernen will‘. Er praktiziert den eristischen Trick des secundum quid (s. Einleitung Kapitel 11. 2–11. 3) – von ‚kundig in einer Sache‘ zu ‚weise‘. 272c2 Konnos | Κόννῳ: Konnos, Sohn des Metrobios und Kitharaspieler, unterrichtete, wie wir aus Menex. 235e–6a erfahren, Sokrates im Kitharaspiel, als dieser schon im Alter fortgeschritten war. Im Euthydemos erzählt Sokrates später (295d), sein Lehrer Konnos sei immer über ihn ärgerlich geworden, wenn er ihm nicht gehorcht habe, und habe ihn, Sokrates, dann mit Nichtbeachtung gestraft. Wir hören aber auch (295d), dass Sokrates sich dann seinem Lehrer Konnos angepasst habe, in der Hoffnung, von diesem nicht weggeschickt zu werden. Ob die Nachricht über Sokrates’ Schülerschaft historisch ist, lässt sich nicht beweisen (Totaro 1998, 152 f.). Konnos war jedenfalls beliebtes Ziel des Komödienspotts (Aristoph. Eq. 533 f.; Ve. 675). Wenn Platon Sokates von Konnos sprechen lässt, möchte er sicherlich an Ameipsias’ Komödie mit dem Titel Konnos erinnern (aufgeführt 423; Am. PCG 2 fr. 7–11 Kassel/Austin). Das Stück erhielt nach der Pytine (‚Flasche‘) des Kratinos den zweiten Preis; Aristophanes’ Wolken erhielten den dritten. In dem Stück Konnos bringt Ameipsias (Patzer 1994, bes. 60–67) wie Eupolis in den 421 v. Chr. aufgeführten Kolakes mit Protagoras einen Intellektuellen auf die Bühne. Der Chor des Konnos bestand aus ‚Denkern‘ (φροντισταί) oder Intellektuellen (Vgl. Orth 2013, 213–247). Es
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Kommentar
ging Ameipsias hier wie auch Aristophanes in den Wolken darum, die Intellektuellen seiner Zeit, die Sophisten, zu verspotten, wobei die Sokratesfigur in den beiden Stücken wohl unterschiedlich dargestellt wurde (dazu Zimmermann 2011, 752). Wichtige Zielscheibe des Spottes war vielleicht auch im Konnos Sokrates (Orth 2013, 218 f.); umstritten ist, ob möglicherweise auch die Nachricht über Sokrates’ Musikunterricht bei Konnos auf diese Komödie zurückgeht. Diskutiert wird auch, ob die Euthyd. 272c erwähnten συμφοιτηταί an den Chor der φροντισταί in Ameipsias’ Stück erinnern sollen; immerhin werden die Mitschüler im Euthydemos als παῖδες bezeichnet, was das Motiv des greisen Schülers Sokrates im Kontrast zu Schülern im üblichen Alter betont (Orth 2013, 220). Vgl. auch Einleitung Kapitel 9. 1.1. 272c5 Greisenlehrer | γεροντοδιδάσκαλον: Dieses Wort, mit dem die Mitschüler Konnos als Lehrer des Sokrates verspotten, ist ein ἅπαξ λεγόμενον. Es soll den großen Altersunterschied zwischen den ‚normalen Schülern‘ des Konnos und Sokrates betonen. Ironisch spielt Sokrates mit der Furcht, er als ‚alter Schüler‘ werde dem Renommee des Lehrers schaden (vgl. 295d; Sermamoglou 2014, 182–185). 272d1 f. Und du, warum kommst du nicht auch mit zum Unterricht? | καὶ σὺ τί οὐ συμφοιτᾶς: Sokrates möchte Kriton überreden, mit ihm Schüler der Eristiker zu werden und seine Söhne mitzubringen. Dies mag eine erste Anspielung auf Aristophanes’ Wolken sein, die im Euthydemos vielfach im Hintergrund stehen (vgl. Palpacelli 2009, 243– 245 und Einleitung Kapitel 9. 1). Diese Aufforderung aber ist ironisch gemeint, vgl. 304b (s. o.). 272d2 Köder | δέλεαρ: Sophisten werden von Platon als Jäger von jungen Menschen bezeichnet (Soph. 223b; Jagdbild auch in Euthyd. 295d). Zu Jagdmetaphern bei Platon vgl. Classen 1960. 272d7 das sollst du sofort hören | οὐκ ἂν φθάνοις ἀκούων: Vgl. Symp. 185e4. Zum kolloquialen Stil dieser Aussage vgl. Tarrant 1958b, 159; vgl. K.-G. 2, 65 mit Anm. 11. 12. Die folgende Demonstration ist also als Epideixis (Zurschaustellung des Wissens, vgl. 274a) der eristischen Kunst (Epideixis als Prunkrede: vgl. Gorg. 447ac) und als Werbung (προτρεπτικός, dazu s. Einleitung Kapitel 9. 2) gemeint, gleichzeitig als Wettbewerb um einen Schüler (zur Situation vgl. Prot. 328d3: Nach Protagoras’ Rede spricht Sokrates von ἐπιδειξάμενος).
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272d7 f. Denn keineswegs kann ich wohl sagen | ὡς οὐκ ἂν ἔχοιμι: Diese Bemerkung lässt das Bemühen um Authentizität des Erzählten erkennen, wie es für den sich historisch gebenden platonischen Dialog mit Beglaubigungstopoi typisch ist (vgl. Symp. 173d8; Parm. 126b1 f.; Theaet. 142d6 f.; Erler 2007, 69–71; vgl. dazu allgemein Erler 2013a).
2. Prolog des erzählten Gespräches (272e–275d) Die Einleitungsszene führt nun zum internen Dialog mit den Eristikern hin. Sokrates’ Bericht wiederholt dabei gleichsam die Beschreibung der Szenerie und der Sitzordnung und auch die Frage nach der Kompetenz der Sophisten. Dabei werden nun freilich Informationen ergänzt. Sokrates informiert Kleinias über die Tätigkeit der eristischen Brüder – es geht um Dinge, die zum Kriegsgeschäft gehören, aber auch dazu befähigen, sich selbst zu verteidigen, wenn Unrecht geschieht. Es fällt auf, dass in diesem Zusammenhang nun nicht Pankration, sondern der Anspruch, Tüchtigkeit (ἀρετή) zu unterrichten, genannt wird (273c, vgl. 271d– 272b). Damit wird deutlich, dass Sokrates in seinem Bericht offenbar nicht genau das wiedergibt, was er von den Sophisten gehört hat; der Bericht für Kriton ist eher eine Interpretation (Sermamoglou 2014, 133). Sokrates erzählt also, wie er dabei war, das Lykeion zu verlassen, aber das göttliche Zeichen ihn daran hinderte. Dies erweckt die Erwartung, dass etwas Besonderes folgt. Es folgen aber die Wortgeplänkel der Eristiker, und man fragt sich, warum das göttliche Zeichen Sokrates am Gehen hinderte. Es folgen aber auch Beispiele sokratischer Protreptik und die Erkenntnis, dass die eristischen Gespräche bei genauem Hinsehen einen philosophisch ernsten Hintergrund haben. Das göttliche Zeichen ist also auch eine Aufforderung an den Leser, bei der Lektüre zu bleiben. Weil er bleibt, erlebt Sokrates das Eintreffen von Euthydemos und Dionysodoros, gefolgt von einer Gruppe Studierender. Dabei gibt er eine detailgenaue Schilderung der lokalen Gegebenheiten und der Verhaltensweisen des Personals. Auch Kleinias kommt mit seinen Verehrern hinzu, darunter befindet sich Ktesippos. Die ‚Sophisten‘ behaupten, sie seien Experten und lehrten die Tugend. Sokrates drückt seine Bewunderung aus und bittet um eine Vorführung. Ihre Kunstfertigkeit erlaubt ihnen offenbar, sowohl denjenigen zu unterrichten, der überzeugt ist, dass Tugend lehrbar ist als auch denjenigen, der davon nicht überzeugt ist. Deshalb bittet Sokrates sie mit Blick auf die Erziehung des Kleinias, diesen zu überreden, dass er Philosophie und Tugend erstreben müsse. Er bittet sie also um eine Werbung für ihre Kunst und eine Vorführung.
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Einzelerklärungen 272e1 nach dem Willen eines Gottes | κατὰ θεὸν γάρ τινα: Vgl. zu diesem etwas pathetischen Ausdruck Leg. 682a1f. 272e2 im Umkleideraum | ἐν τῷ ἀποδυτηρίῳ: Dieser lag an einem überdachten Wandelgang (ἐν τῷ καταστέγῳ δρόμῳ 273a3) als Ort von Treffen und Gesprächen (Delorme 1960, 55. 296–301). 272e3 f. das gewohnte göttliche Zeichen | τὸ εἰωθὸς σημεῖον τὸ δαιμόνιον: Dieses Zeichen hindert Sokrates immer daran, etwas zu tun, das sich als nachteilig erweisen kann (Ap. 31d. 40ac; Euthyph. 3b; Alc. 1 103a; Symp. 202d13 f. 219b3–c2; Phaedr. 248bc; Rp. 496c4; Theaet. 151a2–5; vgl. [Plat.] Theag., dazu Joyal 2000, 41–57. 65–103; Döring 2004, 49 ff., bes. 51). Das Zeichen hat neben einer apotropäischen immer auch eine protreptische Wirkung (Opsomer 1997, bes. 115–121). Dem Leser stellt sich die Frage, was Sokrates verpasst hätte, und erfährt, es wären eristische Gespräche. Dies mag als ironisches Spiel Platons mit einem Topos seiner Dialoge gelten, aber auch als Hinweis Platons, dass sich hinter dem Spiel der Eristiker Ernstes verbergen könnte – wie die Interpretation dann auch zeigen wird (Erler 1987a, 214). 273a2 wie ich glaube | ἐμοὶ δοκεῖν: Zum absoluten Infinitiv δοκεῖν vgl. K.-G. 2, 17 ff. Auch derartige Relativierungen von Aussagen in Erzählpartien sind häufig bei Platon und signalisieren Bemühungen des Erzählers um Wahrheit. 273a3 kamen herein und gingen . . . umher | εἰσελθόντε δὲ περιεπατείτην: Erinnert an die Szenerie in Prot. 314e3 ff. 273a4 f. noch nicht . . . da kam Kleinias herein | οὔπω . . . καὶ εἰσέρχεται Κλεινίας: Zu καί im Sinne von ‚da‘ nach temporalem Vorsatz/ Bestimmung von Zeit, vgl. 277b3 f.; Thuc. 1, 50,5; Xen. Cyr. 2, 1,10; Denniston 1954, 293. Zu Kleinias und Ktesippos s. Einleitung Kapitel 6. 2.3–6. 2.4. Zum Auftritt vgl. den des Charmides im gleichnamigen Dialog. 273a7 f. sehr schön von Gestalt | μάλα καλός τε κἀγαθὸς τὴν φύσιν: Sokrates’ Bericht betrifft Inneres und Äußeres, während Kriton zuvor nur von seinem Äußeren beeindruckt war (ὄψιν 271b5). Zum Ver-
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hältnis von innen und außen z. B. bei Sokrates, vgl. Erler 2010b, bes. 51–54. 273a8 etwas überheblich | ὅσον μὴ ὑβριστὴς [δέ]: Winckelmann streicht zu Recht δέ in a8 (Winckelmann, 12 unter Hinweis auf Phaed. 64d. 83a). Zu Übermut (ὑβριστής) bei Jungen vgl. Leg. 808d4–7; gemeint ist wohl Übermut wie in Agathons Beschreibung des Sokrates (Symp. 175e) und Alkibiades’ Bemerkung über Sokrates’ satyrhaftes Aussehen und Verhalten (Symp. 215b. 221e). 273b4 f. das eine und andere Mal . . . herschauten | ἄλλην καὶ ἄλλην (sc. ὄψιν) ἀποβλέποντε: „Glancing now and then“ (Gifford, 10). 273b6 f. der eine, Euthydemos, setzte sich neben den Jungen | ὁ μὲν παρὰ τὸ μειράκιον ἐκαθέζετο, ὁ Εὐθύδημος: Für die Sitzordnung vgl. die Bemerkung in 297c6–d, wie der Seekrebs Herakles zusetzte, indem er ihn von der linken Seite ansprach und biss; realistische Nachzeichnung der Sitzordnung auch im Symposium (Erler 2007, 193). 273c1 lange Zeit nicht gesehen | ἅτε διὰ χρόνου ἑωρακώς: Vgl. Rp. 328b9 f. 273c3 f. nicht in geringen, sondern in wichtigen Dingen | οὐ τὰ σμικρά, ἀλλὰ τὰ μεγάλα: Diese Unterscheidungen erinnern an die kleinen und großen Mysterien zur Qualifikation des Grades des diesbezüglichen Wissens, vgl. Gorg. 497c; Symp. 210a; größeres Wissen im Sinne von ‚bedeutender‘, vgl. Phaedr. 234e1–4. 235d6 ff. 278d2. 279a: Größeres ist Besseres. 273c6 f. was einer alles wissen … und … lernen muss | καὶ ὅσα . . . διδακτέον: Mit Gifford, Méridier und Hawtrey (1981, 50) sind ὅσα und διδακτέον nicht zu streichen (anders Burnet). Militärkenntnis beschränkt sich nicht auf Hoplomachie; vielleicht ist Xenophons Dionysodoros (Xen. Mem. 3, 1,1) derselbe (Strategieunterricht). Menschen zu ‚erziehen‘ (für Geld) ist bei Platon zunächst ein Merkmal der Sophisten (vgl. Prot. 317b4 ff.; Manuwald 1999, 146). 273c8 sich vor Gericht selbst zu helfen | αὐτὸν αὑτῷ βοηθεῖν ἐν τοῖς δικαστηρίοις: Ebendies kann Sokrates z. B. laut Kallikles nicht (vgl. Gorg. 486ac), was aber eines Bürgers nicht würdig ist (Gorg. 509b). Eben diese Unfähigkeit zur Selbsthilfe im gewöhnlichen Leben der Polis gilt als Defizit des Philosophen (Gorg. 522d), ist für den wah-
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ren Philosophen aber Merkmal (Theaet. 174a ff.). Deshalb bietet Sokrates in der Apologie eine problematische, im Phaidon vor philosophischen Freunden wahre Apologie (Phaed. 62c–69e). Dass die Eristiker ihr Werk nur als Nebensache (παρέργοις) ansehen (273d3), erhält aus Sokrates’ Sicht einen ironischen Unterton. 273d1 f. Jedenfalls lachten beide und sahen einander an | ἐγελασάτην γοῦν ἄμφω βλέψαντε εἰς ἀλλήλους: Zur Verbindung von Plural und Dual (anders z. B. Phaedr. 278b, dazu Gifford, 11) vgl. Criti. 109c6; Xen. Mem. 1, 2,33; K.-G. 1, 70–73. Heindorfs Konjektur γοῦν ‚in der Tat‘ ist plausibel, trotz De Vries (1972, 43), denn Sokrates zieht einen Schluss aus ihren Blicken und ihrem Lachen (‚erregte ich Spott‘). 273d8 f. Die Tüchtigkeit . . . am besten und schnellsten . . . vermitteln zu können | ἀρετήν . . . παραδοῦναι κάλλιστ᾽ . . . καὶ τάχιστα: Zuerst hier im Dialog das Wort Tüchtigkeit (ἀρετή), im Sinn von eristischer Kompetenz. Diese Kompetenz zu schnellerem Vermitteln einer Fähigkeit bestätigt Sokrates gegen Ende des Dialoges (304ac; Bonitz 1886, 94 Anm. 1). Freilich widerspricht dies wie die Vorstellung vom παραδοῦναι ἀρετήν Sokrates’ Auffassung ebenso, wie dass man Wissen ablauschen könne (300d7 f.). Für Sokrates dauert Wissensvermittlung eine lange Zeit und der Anspruch, Wissen schnell ‚übergeben‘ zu können, ist für ihn ein Merkmal sophistischen Unterrichtes (Men. 93b wird διδακτόν durch παραδοῦναι erklärt; Theaet. 198d ff.; vgl. Erler 1987a, 65 ff.). Es klingt die Diskussion des Menon an (Men. 93b; vgl. Prot. 324bd; schnelles Lernen bei Sophisten: Isocr. 13, 7. 10; Robinson 1979, 212). Platon hingegen propagiert ein aktives Selbstlernen (Men. 81de; Theaet. 150d), denn Wissen fließt nicht von selbst wie am Faden in den Schüler (Symp. 175d; Prot. 314b; Rp. 518bd). 273e1 Bei Zeus, was für eine Sache . . . sagt ihr beide da | Ὦ Ζεῦ, οἷον . . . λέγετον πρᾶγμα: Vgl. in ähnlichem Kontext eines Zweifels an der Lehrbarkeit der Tugend Prot. 319a8 und Manuwald 1999, 157 f. 273e1 f. Wo habt ihr . . . her? | πόθεν τοῦτο . . . ηὑρέτην: Hier und an zwei weiteren Stellen (273e5. 294e9) verwendet Platon im erzählten Dialog zwischen Sokrates, Dionysodoros und Euthydemos den Dual der dritten Person Indikativ Aorist Aktiv, wo man den Dual der zweiten Person (-τον) erwarten sollte (Diskussion zuerst Ηasse 1893; zuletzt nach langer Zeit Polleichtner 2011 mit guten Hinweisen auf dramatische Funktion). Man kann in der Tat erwägen, dass ein Ansprechen des Auditoriums im Dialog mitklingt, denn Platon kannte den richtigen Gebrauch
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des Duals in dritter Person (vgl. 273d1 ἐγελασάτην für dritte Person; vgl. f. Medium 271c8. 272b9. 273b4; K.-B. 2, 69 f.). Sokrates’ Bemerkung oszilliert demnach zwischen den Adressaten Dionysodoros und Euthydemos, aber auch – signalisiert durch die dritte Person Dual – dem Auditorium (273e–274a) im Text (vgl. 294e11; Polleichtner 2011, 42 f.) und Kriton. Dieses Vorgehen folgt der Theaterpraxis, s. Einleitung Kapitel 9. 1.3. 273e4 f. schon einmal hier wart . . . anbotet | τὸ πρότερον ἐπεδημησάτην . . . ἐπαγγελλομένω: Aorist Dual deutet einmaligen Besuch an, zum Zweck einer Zurschaustellung ihrer Kunst (ἐπίδειξις) wie bei Sophisten üblich, vgl. Prot. 319a; Gorg. 447c; Men. 95b; Gaiser 1959, 34 ff.; vgl. 274a8; zur Dualform -την als zweite Person statt -τον, s. Goodwin 1930, 147. 273e6 seid bitte barmherzig | ἵλεω εἶτον: ἵλεως gehört zu sakraler Sprache, vgl. 288a8. 293a1 f. μακαρίζω 274a6; das gleiche gilt für ἐπιδημεῖν. Platon nutzt im Euthydemos verschiedentlich religiöse Sprache, um die Eristiker zu ironisieren (s. Einleitung Kapitel 8, zur Form εἶτον vgl. Polleichtner 2011, 39). 274a5 sagten sie beide im Chor | ἐφάτην: Mit Bekker (ihm folgen Gifford, Méridier, Hawtrey 1981) ist ἐφάτην der Streichung des überlieferten ἔφατον (Cobet, ihm folgt Burnet) vorzuziehen; es unterstreicht die ‚Einheit‘ der beiden Eristiker, die im Chor sprechen wie 294d11 (s. Hösle 2004, 253 Anm. 15; Polleichtner 2011, 38). 274a7 Großkönig | μέγαν βασιλέα: Großkönig meint hier wohl den König von Persien, Inbegriff des Reichtums; dass auch dieser ohne Kenntnis von seiner παιδεία nicht glücklich zu nennen ist, zeigt Sokrates Gorg. 470e (vgl. Ap. 40d; Theaet. 175c; Xen. Mem. 3, 5,26; vgl. aber Aristot. S. E. 173a26 ff.). 274a8 vorzuführen | ἐπιδεικνύναι: Gebräuchlicher Ausdruck für die Zurschaustellung sophistischer Kunst, vgl. Gorg. 447a6; HipMa. 282bc; Gorgias’ Helena und Palamedes; Prodikos’ Wahl des Herakles; Xen. Mem. 2, 1,21 ff.; vgl. dazu Prot. 320b8 f. mit Manuwald 1999, 168. 274b2 alle, die nicht über Wissen verfügen | ἅπαντες οἱ μὴ ἔχοντες: Schon hier deutet sich an, was später (275d3) Gegenstand eristischer Diskussion über die Frage wird: Wer lernt – der Wissende oder der Unwissende? Gemeint ist das Unwissen hinsichtlich dessen,
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was die Brüder zu können beanspruchen (ἐπάγγελμα): Wer dieses Wissen nicht hat, wird es lernen wollen, es geht nicht um ein allgemeines Unwissen. 274c1 f. die Sicht verdunkelte | ἐπεσκότει . . . τῆς θέας: Vgl. Aristot. Rh. 1354b11; zum Genetiv Plut. Inv. 538E. 274d6 gebt . . . eine Probe | ἐπιδείξατον: Mit BW gegen T ἐπιδείξασθον (so auch Burnet), weil die Schauvorstellung auf Bitten der Anderen geschieht (vgl. auch 274a10. d7; Gifford, 12; Hawtrey 1981, 53). Es geht hier um sophistische Vorstellung von Unterricht als Nachmachen und Ablauschen (vgl. Euthyd. 300d. 303e; Erler 1987a, 60 ff.). 274e1 jenen, . . . der noch nicht überzeugt ist | ἐκεῖνον τὸν μήπω πεπεισμένον: Man darf hier mit Hawtrey (1981, 54) an Sokrates denken. 274e2 die Tugend | τὴν ἀρετήν: Muss keine Glosse sein (vermutet Gifford, 12), vgl. Prot. 327a; zum Problem der Lehrbarkeit der Tugend vgl. Men. 87b und die Anm. zu 275d3 ff. Zum Hintergrund der Frage nach der Lehrbarkeit der Tugenden im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit diese von Natur aus gegeben sind, vgl. Müller 1975, bes. 220–249. 275a1 aufzumuntern | προτρέψαιτε: Protrepse ist ein Schlüsselbegriff im Euthydemos (vgl. 275a. 278c. 278d. 282d. 307a; vgl. Ap. 29e f. 31d; Symp. 181a; negativ Leg. 863e. 920b; vgl. Rabinowitz 1957; Düring 1961). Angekündigt wird also ein Protreptikos: Jamblich bezieht sich in seinem Protreptikos (vgl. Iambl. Protrept. 5 p. 24–27 Pistelli) nicht ohne Grund auf den Euthydemos als Protreptikos (vgl. 278e–282; Hawtrey 1981, 55; s. Einleitung Kapitel 9. 2). 275a4 f. ein andermal die Probe geben | εἰς αὖθις ἀπόθεσθον: Aufschub ist ein gängiger Topos in Sokrates’ Gesprächen. 275a6 dass man philosophieren . . . muss | ὡς χρὴ φιλοσοφεῖν: Vgl. 282d1. 288d6 f. 275b1 des jetzigen Alkibiades | τοῦ νῦν ὄντος Ἀλκιβιάδου: S. Einleitung Kapitel 6. 2.
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275b4 verdirbt | διαφθείρῃ: Sokrates sorgt sich, dass die Seele des Jungen verdorben werden könnte – die Anklage vor Gericht behauptete das Gegenteil (vgl. Ap. 23ce; zur Sorge vgl. Prot. 313a; Gaiser 1959, 139 f.). 275c1 wenn . . . nur antworten will | ἐὰν μόνον ἐθέλῃ ἀποκρίνεσθαι: Dies erweist sich als Grundvoraussetzung des sokratischen Elenchos (s. Einleitung Kapitel 11. 1), wobei Wohlwollen derartige Tests begleiten soll (vgl. Gorg. 487a3; Theaet. 148c); dies und die Methode konterkariert die Eristik (s. Einleitung Kapitel 11. 1). Zur Methode der Auseinandersetzung in Frage und Antwort und ihrer Tradition vgl. 277e; Prot. 337ac.
3. Erste eristische Szene (275d–277c) Die Szene kann man in vier Abschnitte unterteilen: Zunächst adressiert Euthydemos Kleinias (275d2–276b5); dann übernimmt Dionysodoros (276b6–276c7). In einem dritten Abschnitt stellt Euthydemos eine neue Frage (276d1–277b1). In der vierten Szene (277b3–277c7) übernimmt wieder Dionysodoros. Sokrates beginnt den Bericht mit dem Kommentar, dass so große Weisheit, wie sie sich in dem Gespräch zwischen Euthydemos und Kleinias aufgetan habe, nicht leicht darzustellen sei. Wie ein Dichter ruft er daher Mnemosyne und die Musen in einem Gebet an. Dann erzählt Sokrates seinem Gesprächspartner Kriton die ersten beiden Gesprächsrunden (Sophismen 1 und 2 nach der Zählung von Bonitz 1886) der zwei Eristiker Euthydemos und Dionysodoros mit Kleinias. In zwei eristischen Streitrunden wird Kleinias jeweils mit Hilfe einer Doppelfrage in eine Aporie gestürzt. Zunächst (Sophisma 1; 275d–276c) stellt Euthydemos die Frage, ob bei den Menschen die Wissenden bzw. Klugen (σοφοί) oder die Unwissenden (ἀμαθεῖς) lernen. Dionysodoros flüstert Kleinias ins Ohr, er werde widerlegt werden, welche Antwort er auch gebe (275e). Ermuntert von Sokrates antwortet Kleinias, es seien die Wissenden oder Verständigen (σοφοί), die lernen. Es folgt die erste Widerlegung: Euthydemos fragt, ob nicht Lehrer diejenigen unterrichten, die lernen. Lernt man aber etwas, weiß man noch nicht, was man lernt. Also lernen die Unwissenden. Unter Beifall der Zuhörer bietet Dionysodoros eine zweite Widerlegung und fragt: Wenn ein Lehrer im Unterricht etwas vorsagt, lernen dies dann die Dummen oder die Klugen? Kleinias gibt zu, dass es die Klugen seien. Also ist die andere Seite der Alternative widerlegt. Weder die Klugen noch die
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Dummen scheinen zu lernen. Kleinias und die anderen verfallen in Schweigen (276c). Sofort schließt sich ein weiteres Schaustück an (Sophisma 2), das jetzt den Inhalt des Lernens betrifft. Lernt man, was man weiß oder was man nicht weiß (276d)? Kleinias entscheidet sich für letzteres. Euthydemos fragt ihn, ob er Buchstaben kenne, was Kleinias bejaht. Ein Lehrer, der etwas vorsage, so Euthydemos, bringe doch Buchstaben hervor (277a), also lerne der Schüler etwas, was er schon weiß. Kleinias gibt dies zu und ist geschlagen. Doch es geht weiter: Dionysodoros übernimmt und bestimmt Wissen als Besitz dessen, was man weiß (277b). Nicht zu wissen bedeutet demnach, Wissen nicht zu besitzen. Lernen meint somit Erwerb von Wissen. Also ist es der Nichtwissende, der Wissen erwerben will und somit der Lernende. Wieder sind beide Alternativen widerlegt. Beide Sophismen erweisen sich bei genauem Lesen als Wortspiele, die einen durchaus philosophisch-pädagogisch relevanten Hintergrund haben. Denn sie thematisieren nicht nur die von Platon andernorts (z. B. im Menon) diskutierte Frage nach dem, was ‚lehren‘ und ‚lernen‘ bedeutet, sondern sie sind auch so gestaltet, dass sie dem Leser Lösungen sowohl für die Wortspiele als auch für die philosophische Problematik im Sinne Platons andeuten. Einzelerklärungen 1. Sophisma (275c–276c): Wer lernt? Derjenige, der etwas weiß, oder derjenige, der nicht etwas weiß? 275c7 unübertrefflich großen | ἀμήχανον ὅσην: ἀμήχανον hier wohl adverbial zu verstehen (Palpacelli 2009, 84 Anm. 3; anders Canto 1987, 86). Zur Verbindung mit ὅσος vgl. Slings 1992. 275d1 f. zu Beginn des Berichtes die Musen und Mnemosyne anzurufen | ἀρχόμενος τῆς διηγήσεως Μούσας τε καὶ Μνημοσύνην ἐπικαλεῖσθαι: Μνήμην lesen mit B Méridier, Gifford; Burnet mit TW Μνημοσύνην, die Mutter der Musen (Canto 1987, 86), für die ja auch Μνήμη stehen müsste (Gifford, 14). Zum Musenanruf und Gebet vgl. Phaedr. 237a; Tim. 27b; Crit. 107e–108b; der durch den Musenanruf gesetzte hohe Ton wird konterkariert durch das folgende, sich an der verbalen Oberfläche orientierende eristische Wortgeplänkel (Jackson 1971, 18 ff.). Schon hier wird Platons Spiel mit literarischen Topoi deutlich (Schwierigkeit des Inhaltes [275c6]; Hilfe der Musen [vgl. Schiffskatalog Hom. Il. 2, 484 ff.]; genaue Wiedergabe [275c6 f. οὐ γὰρ σμικρόν [. . .] ἀναλαβεῖν διεξιόντα]; Platon lässt in seinen Dialogen erkennen, dass seine Erzähler sich an Genauigkeit orientieren, und setzt damit
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epische Erzähltraditionen fort, vgl. Erler 2013a). In den beiden Streitgesprächen geht es trotz aller verbaler Eristik inhaltlich um die Thematik ‚Lernen‘. Dabei kann und soll man sich durch die Wortwahl (275c6 ἀναλαβεῖν διεξιόντα) an Platons Anamnesislehre als Hintergrund der Diskussionsrunden erinnert fühlen (Men. 85d4). Dies setzt nicht notwendig die Tatsache voraus, dass der Menon bereits veröffentlicht ist (dazu Erler 2007, 165 ff.), sondern es genügt die Bekanntheit einer der zentralen Lehren platonischer Erkenntnistheorie, die in der Tat eine inhaltliche Lösung für die Aporien bieten kann. Jedenfalls darf man mit Blick auf den Leser von einer Doppelfunktion der Argumentation ausgehen, insofern die Wortspiele aus platonischer Perspektive philosophische Relevanz gewinnen und gewinnen sollen (Erler 1992, bes. 134 f.). Vor diesem Kontext, der Mnemosyne mit platonischem Wissen zusammenbringt, gewinnt auch der traditionelle Musenanruf des Sokrates an Profil (ähnliche Transformation z. B. beim Enthusiasmus, vgl. Giuliano 2004, 137–179; Erler 2007, 148. 492). Es liegt das gleiche Spiel mit einem Topos vor wie bei Sokrates’ Rekurs auf den Daimon, der ihn am Gehen hindert (272e) und ihm zu seinem Zusammentreffen mit den Eristikern verhilft. 275d2 f. begann ungefähr damit, wie ich glaube | ἤρξατο δ᾽ οὖν ἐνθένδε ποθὲν . . . ὡς ἐγᾦμαι: Zögerliche Unsicherheit erinnert an den Beginn epischer Vorträge (Erler 2012a). 275d3 welche … lernen, die Weisen oder die Unwissenden? | πότεροί εἰσι τῶν ἀνθρώπων οἱ μανθάνοντες, οἱ σοφοὶ ἢ οἱ ἀμαθεῖς: Dazu vgl. Keulen 1971, 13 ff.; Sprague 1962, 3 ff.; Erler 1987a, 216 ff. Zur Verfahrensweise der Widerlegung generell s. Einleitung Kapitel 11. 1. Aus der alternativen Frage macht Kleinias’ Antwort ‚Die Weisen sind die Lernenden‘ (276a) eine These. Euthydemos zeigt, dass das kontradiktorische Gegenteil, die Unwissenden sind Lernende, richtig ist: Schüler lernen etwas, was sie noch nicht wissen; sie sind also nicht weise. Danach (276bc) zeigt Dionysodoros, dass die ursprüngliche These – die Weisen lernen – richtig ist: Schüler lernen vom Lehrer etwas und sind daher weise. Umstritten ist, ob der Sophismus an der Doppeldeutigkeit von μανθάνειν im Sinne von ‚lernen‘ oder ‚verstehen‘ oder auch an der Äquivokation von σοφοί und ἀμαθεῖς im Sinne von ‚kenntnisreich‘ und ‚klug‘ bzw. ‚unwissend‘ und ‚unbelehrbar‘ hängt (Hawtrey 1981, 57–59), auf die Platon keinen Hinweis gibt. Das ist freilich kein Grund zur Annahme, dass er sich des Widerspruches nicht bewusst war. Platon benutzt zwar den Terminus ἀμφιβολία nicht. Doch ist das kaum als Zeichen zu werten, dass er sich der Amphibolien im
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Euthydemos nicht bewusst war, mit denen er spielen lässt (s. Einleitung Kapitel 11. 3). Plausibler darüber hinaus ist die Vermutung (Keulen 1971, 13–17; Hawtrey 1981, 59; Papalcelli 2009, 86 Anm. 6; anders Chance 1992, 28–34), dass Platon σοφός hier gar nicht äquivok im Sinn von ‚Kenntnis haben‘ und ‚fähig zu lernen‘ gebraucht (vgl. Ap. 21a–22a ‚wissend, dass ich nicht weiß‘, vgl. Snell 1924, 1–20). ‚Fähig zu lernen‘ wird bei Platon vielmehr als εὐμαθής bezeichnet (Men. 88a8; Rp. 486c). Méridier sieht die einzige Äquivokation bei σοφός/ἀμαθής (Méridier, 150 Anm. 1; nicht überzeugend Stewart 1977, 21–44, bes. 27). Doch wird Sokrates weiter unten eine Lösung des Sophismas vorschlagen, die diese letztere Äquivokation nicht in Betracht zieht. Sprague sieht hier (1962, 3–7) den Fehler des secundum quid . Doch scheint dies problematisch. Man wird also von einer Äquivokation von μανθάνειν auszugehen haben (vgl. i. Ü. Aristot. S. E. 165b31 ff.; Hawtrey 1981, 58–60; Sermamoglou 2014, 68 Anm. 121; anders Keulen 1971, 24). 275d6 errötete | ἠρυθρίασεν: Vgl. Hippokrates in Prot. 312a2; Dionysodoros in Euthyd. 297a8; Thrasymachos in Rp. 350d3. Zum Topos des Errötens vgl. Lys. 213d; Charm. 158c. 275d6 sah mich ratlos an | ἀπορήσας ἔβλεπεν: Mit B und Gifford statt ἐνέβλεπεν (T) und ἐνέβλεψεν (Burnet, Hawtrey 1981, 61) – der durative Aspekt des Imperfekts unterstreicht die Ratlosigkeit. Vgl. für das Imperfekt Charm. 154c7; Euthyd. 283a6; Prot. 328d5. Aorist nur Rp. 536c2. 275d7 verunsichert war | τεθορυβημένον: Emotionaler Zustand, den Eristiker bewirken wollen. Sokrates selbst ist betroffen, weil es nicht um Inhalte geht (s. 283d4). 275e1 Vielleicht | ἴσως: Erste Zweifel und Warnung des Sokrates. 275e5 f. sage ich dir, Sokrates, voraus, dass, was immer der junge Mann antwortet, widerlegt wird | προλέγω ὅτι ὁπότερ᾽ ἂν ἀποκρίνηται . . . ἐξελεγχθήσεται: Dies entspricht dem Anspruch eristischer Kunst. Man erinnert an die Regel der Elenktik, immer das kontradiktorische Gegenteil der These belegen zu können, zeigt demgegenüber aber den reinen, nicht am Inhalt orientierten Spielcharakter der eristischen Methode. Dies geschieht, wenn platonische Dialektik in falsche Hände gerät: Diesen Unterschied trotz manch sonstiger methodischer Ähnlichkeit zur Elenktik zu zeigen, ist eine Intention des Dialoges. Vgl.
Erläuterungen
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Rp. 539d; s. Einleitung Kapitel 11. 1. Dass er dies ‚lächelnd‘ sagt (μειδιάσας 275e4), soll hier die Bösartigkeit unterstreichen. Gleichsam in Kontrast vgl. z. B. Phaed. 86d6. 275e8 f. keine Gelegenheit hatte, dem Jungen zuzurufen, vorsichtig zu sein | οὐδὲ παρακελεύσασθαί μοι ἐξεγένετο εὐλαβηθῆναι τῷ μειρακίῳ: Damit deutet Sokrates an, dass er das Spiel durchschaut oder die Regeln kennt (Hawtrey 1981, 61). 276a1 er aber antwortete | ἀλλ᾽ ἀπεκρίνατο: Kleinias hätte antworten sollen wie Sokrates im Lysis (218a6 ff.) über die Philosophen: λείπονται δὴ οἱ ἔχοντες μὲν τὸ κακὸν τοῦτο, τὴν ἄγνοιαν, μήπω δὲ ὑπ᾽ αὐτοῦ ὄντες ἀγνώμονες μηδὲ ἀμαθεῖς, ἀλλ᾽ ἔτι ἡγούμενοι μὴ εἰδέναι ἴσασιν (Üb. Schleiermacher: „Übrig also bleiben diejenigen, welche jenes Übel zwar haben, den Unverstand, noch nicht aber dadurch unverständig und gelehrig geworden sind, sondern noch der Meinung sind, sie wüssten nicht, was sie wirklich nicht wissen.“), vgl. Hawtrey 1981, 62. 276a3 f. Gibt es welche, die du Lehrer nennst oder nicht | Καλεῖς δέ τινας . . . διδασκάλους, ἢ οὔ: Diese Alternativfrage wird vom Antwortenden durch die Entscheidung für eine der Alternativen zu einer These umgeformt. Diese These soll vom Fragenden widerlegt werden durch Nachweis des kontradiktorischen Gegenteils. Dies gilt auch für Sokrates’ Elenchos. Dieses Verfahren analysiert Aristoteles in der Topik, s. Einleitung Kapitel 11. 3. 276a5 Schreiblehrer | γραμματιστής: Vgl. Prot. 312b1. 276a8 f. Also wart ihr klug, als ihr das noch nicht wusstet? | ἀρ᾽ οὖν σοφοὶ ἦτε, ὅτε ταῦτα οὐκ ἠπίστασθε: Offenbar werden hier σοφία (Disposition, Fähigkeit zu lernen) und ἐπιστήμη (Wissen von etwas) geschieden, was im platonischen Gebrauch der Frühdialoge problematisch ist (dafür steht εὐμαθία, vgl. Men. 88a8; Rp. 486c; Hawtrey 1981, 59; für σοφία im Sinne von ἐπιστήμη vgl. Ap. 22d8; Hawtrey 1972, 4 f.). ‚Weise‘ (σοφός) meint hier aber offenbar das Gegenteil von ‚unwissend‘ (ἀμαθής) und wird also anders als ‚wissend‘ (ἐπιστήμων) verstanden (vgl. 276b2). 276b4 Die Dummen also lernen | οἱ ἀμαθεῖς ἄρα σοφοὶ μανθάνουσιν: Das Wort σοφοί fehlt in T und W, ist aber aufgenommen von Winckelmann und Stallbaum und wird diskutiert von Narcy
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Kommentar
(1984, 97–104, bes. 101), wonach σοφοί proleptisch ist („les ignorants apprennent pour devenir savants“). Euthydemos würde somit sagen, dass Weise und Unwissende lernen und würde damit zu einem Verkünder platonischer Lehre (s. Einleitung). Doch passt das kaum zu dem sonst von Platon im Dialog gezeichneten Bild der beiden Eristiker (Palpacelli 2009, 94 f. Anm. 14). 276b6 f. klatschten . . . wie ein Chor auf das Zeichen des Chorleiters Beifall und brachen dabei in Gelächter aus | ὥσπερ ὑπὸ διδασκάλου χορός . . . ἅμα ἀνεθορύβησάν τε καὶ ἐγέλασαν: Das Bild aus dem Theater (vgl. Chor von Sophisten in Prot. 315b2) erinnert an die Struktur des Dialoges (s. Einleitung Kapitel 9. 1) und strukturiert als narratives Zwischenstück den Dialog (vgl. Hawtrey 1981, 63; zum Gelächter als „canned laughter“ Brock 1990, 45); vgl. 303b. 276c2 Luft holen | ἀναπνεῦσαι: Unterstrichen wird die Eile des Verfahrens – keine Zeit zur Besinnung soll bleiben (Erler 1985), ganz anders wäre das Vorgehen des Philosophen, vgl. Theaet. 173a ff. Zum Ausdruck καλῶς τε καὶ εὖ vgl. 307b8. 276c3 vorgesagt hat | ἀποστοματίζοι: Wissen wird hier zu einer Sache der Nachahmung, ἀμαθής wird verstanden im Sinne einer Unfähigkeit zu lernen, dann aber im Sinn von ‚nichts gelernt haben‘ (es handelt sich um einen Fehler παρὰ τὴν λέξιν, vgl. Aristot. S. E. 165b23 ff.). Das Wort μαθεῖν bedeutet ‚lernen‘ im Sinne von ‚sich gewöhnen an etwas‘ (Hom. Il. 6, 444; Od. 17, 226 f.; Xen. Mem. 2, 1,28; Plat. Men. 90e; Erler, 1987a, 62 f.). Zum Problem des Lernens und der Lehrbarkeit z. B. von Tugend, s. Müller 1975, bes. 220–249. 276d1 f. brachen … wiederum in … Gelächter aus und klatschten Beifall | ἐγέλασάν τε καὶ ἐθορύβησαν: Der Beifall unterstreicht wieder den Schaucharakter der Darbietung, vgl. 273d. 275e. 276b. 276d. 298e. 300d. 303b. 276d6 f. gab … der Frage nach derselben Sache eine doppelte Drehung | διπλᾶ ἔστρεψε τὰ ἐρωτήματα περὶ τοῦ αὐτοῦ: Zum Bild und Bereich des Tanzes vgl. Ar. Th. 982; στρέφειν im Kontext der Argumentation vgl. Rp. 405c1 f. (vgl. auch den Namen des Strepsiades in den Wolken, hierzu Dover 1968, xxv und Ar. Nu. 36. 434. 450).
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2. Sophisma (276d–277c): Lernen die Lernenden das, was sie wissen oder was sie nicht wissen? Es handelt sich wieder um ein Dilemma. Es geht diesmal um Lernende als Personen und um den Stoff des Lernens (Chance 1992, 34–40). Für beide Seiten haben die Eristiker eine Widerlegung parat: Lernt man, was man weiß, oder was man nicht weiß (276d7)? Beide Seiten des Dilemmas werden widerlegt. Aus dem problema wählt Kleinias als Antwortender zunächst die letztere Möglichkeit (‚was sie nicht wissen‘ 276e9). Diese These greift Euthydemos mit der Prämisse an, Kleinias kenne doch Buchstaben, der Lehrer verwende Buchstaben beim Lehren (277a3), folglich lerne der Schüler, was er schon weiß. In der zweiten Runde wählt Kleinias ‚lernen, was sie wissen‘. Diese These greift Dionysodoros mit der Prämisse an: Wissen ist Besitz dessen, was man weiß (277b8); Nicht-Wissen bedeute demnach, noch nicht zu wissen (c1). Lernen ist folglich Erwerb von Wissen (μανθάνειν meint hier ἐπιστήμην λαμβάνειν [277b6]). Der Lernende lernt also, was er nicht weiß. Zunächst ist eine Aspektverschiebung zwischen den beiden eristischen Runden zu beobachten: Euthydemos geht es eher um den Stoff des Lernens, Dionysodoros um die Person des Lernenden. In beiden Runden spielt zudem eine Rolle, dass Lernen einmal als Erwerb von Wissen, dann aber im absoluten Sinn (‚verstehen‘) verwendet wird (vgl. aber 277b7 τούτου οὗ ἄν τις μανθάνῃ), ein Problem, das später eine Rolle im Dialog spielen wird (vgl. Euthyd. 293. 295). Es fällt weiter auf, dass in der ersten Runde Wissensvermittlung als eine Art Nachahmung (ἀποστοματίζειν 277a2) und Wissen offenbar als eine Sache verstanden wird, die man besitzen kann. Zu beachten ist zudem, dass rezitierte Wörter ‚verstanden‘ (Buchstaben und Wörter bekannt) oder ‚gelernt‘ (Schüler kennt Buchstabe, nicht die Wörter) werden können. In letzterem Fall liegt ein Fehler παρὰ τὴν σύνθεσιν vor (Aristot. S. E. 166a23). In der Rhetorik (Rh. 1401a29 ff.) weist Aristoteles nach einem Beispiel aus dem Euthydemos offenbar auf diese Stelle als Beispiel für einen Fehler der Komposition (σύνθεσις) hin. Wichtig ist, dass Sokrates selbst eine Einschätzung (278a-b) der Streitrunde bietet: Das Problem sei mit Prodikos’ Kunst der Wortunterscheidung (ὀνομάτων διαφοράν 278b6 f.; vgl. Aristot. S. E. 165a15 f.) zu meiden (vgl. dazu das 295d empfohlene διαστέλλειν τὰ λεγόμενα). In der Tat liegen in Sophisma 2 wie auch in Sophisma 1 fallaciae secundum dictionem vor (σοφός, ἀμαθής, γράμματα, μανθάνειν). Ein Problem freilich scheinen Sokrates’ Bemerkungen zu bereiten (278a7 ff.), wonach er als Analyse des Sophismas eine Äquivokation von μανθάνειν annimmt und
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dies auch für das erste Sophisma gelten lassen will: παραπλήσιον δὲ τούτῳ [d. h. Sophisma 1] καὶ τὸ ἐν τῷ δευτέρῳ ἐρωτήματι, ἐν ᾧ ἠρώτων σε πότερα μανθάνουσιν οἱ ἄνθρωποι ἃ ἐπίστανται ἢ ἃ μή (vgl. dazu Erler 1987a, 217 Anm. 18). Praechter (1932, 121 ff., bes.
130; vgl. Keulen 1971, 24) kritisiert, dass Platon unerlaubt diese Erklärung der äquivoken Verwendung des Wortes μανθάνειν (die zum zweiten Sophisma in der Tat gut passt), auch auf das erste Sophisma zu beziehen scheine, wo ein äquivoker Gebrauch von μανθάνειν nicht zu beobachten sei (es gehe um eine Äquivokation von σοφός, ἀμαθής; vgl. Keulen 1971, 25). Man hat deshalb an ein Versehen Platons gedacht (Praechter 1932, 130), das Platons generell mangelndes Interesse an Sophismen belege. Und man hat ein solches Versehen als Argument für die These gewertet, dass Platon bei der Gestaltung der Sophismen aus einem Sophismenbuch geschöpft habe (von Euthydemos [?]; Wilamowitz 1919, Bd. 2, 155). Festzuhalten ist jedoch, dass auch das erste Sophisma durchaus als Äquivokation von μανθάνειν verstanden werden kann und wohl auch soll (Hawtrey 1972, 4 f.; Hawtrey 1981, 58). Ein Bezug zum ersten Sophisma ist also nicht unmöglich. Aber selbst wenn nach Platons Intention das erste Sophisma nicht auf einer Äquivokation von μανθάνειν, sondern von σοφός beruhte, lässt sich Sokrates’ Bemerkung sprachlich als bloßer Kommentar zum Sophisma 2 verstehen. Denn das Wort καί (278a8) ist hier keineswegs im Sinne von ‚auch‘, sondern von ‚gerade‘ zu verstehen und betont dadurch geradezu den Bezug zum zweiten Sophisma: ‚Ganz nahe kommt diesem gerade das, was im zweiten Sophisma gesagt wird . . .‘ (vgl. Gorg. 520b4: μόνοις δ᾽ ἔγωγε καὶ ᾤμην τοῖς δημηγόροις ‚gerade den Volksrednern ist nicht erlaubt‘; Phaed. 66d3; Euthyd. 295d5. S. Denniston 1954, 327; Stuart 1983, 64). Die Annahme eines Quellenbuches für die vorgeführten Sophismen bleibt natürlich möglich, ist aber durch diese Stelle nicht erwiesen. Festzuhalten ist auch, dass eine Lösung oder Meidung beider Sophismen nicht nur auf der verbalen, sondern auch auf der inhaltlich-philosophischen Ebene möglich ist. Denn sowohl die Doppeldeutigkeit von Lernen (μανθάνειν) mit Bezug auf Inhalt (d. h. was man weiß oder was man nicht weiß [Sophisma 2]), als auch mit Blick auf den Lernenden (lernt der Wissende oder der Unwissende? [Sophisma 1]) wird im Menon nicht nur thematisiert, sondern auch mit der Anamnesislehre beantwortet (Men. 81c) – dort vorgetragen als Reaktion auf ein eristisches Argument (Keulen 1971, 25–34). Insofern Meinungen in der Seele bereits vorhanden sind, lernt man nämlich in der Tat durch Wiedererinnerung. Also lernt man, was man schon weiß, macht dieses Vorwissen, was nur richtige Meinung ist (ὀρθὴ δόξα, Keulen 1971, 22–25; Erler 1987a, 222 f.), aber durch weiteres Lernen zu Wissen (Lösung
Erläuterungen
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Sophisma 2). Der platonische Hintergrund erlaubt aber kaum, in den Eristikern ‚Sprachrohre‘ Platons zu sehen, so Narcy (1984, 69–93; richtig Palpacelli 2009, 94 Anm. 14). Auch Sophisma 1 ist vor dem Hintergrund platonischer Lehre lösbar oder vermeidbar. Es sind nach Platon die Weisen, die lernen; denn wirklich wissen können nur die Götter (Phaedr. 278d), völlig Unwissende lernen nicht (Lys. 218a; Erler 1987a, 218 ff.; Palpacelli 2009, 255–261, s. Einleitung Kapitel 11. 4). Lernen will nur, wer weder ganz weise noch ganz ignorant ist (vgl. ähnliche Argumentationen in Lys. 218a; Symp. 203e–204c, vgl. auch Ap. 22e). 276d8 oder was sie nicht wissen? | ἃ μὴ ἐπίστανται: Das μή kann als hypothetisch verstanden werden (Gifford, 17), weist aber eher auf den unbestimmten Umfang ihrer Unkenntnis (vgl. Ap. 21d7; Hawtrey 1981, 66); in 276e9 bezeichnet ἅ konkrete Inhalte (vgl. Men. 80e). 276d9 flüsterte | ψιθυρίσας: Hier wird die conclusio des ersten Sophismas als These für ein zweites genommen. Auch 275e flüstert Dionysodoros Sokrates zu, dass Kleinias widerlegt werde, was immer er antworte. Man mag an die Winkelphilosophen denken, von denen im Gorgias die Rede ist (Gorg. 485de). Vgl. vor Platon nur Aristoph. Nub. 1008. 276e3 uns | ἡμῖν: Gegen die Mss. (ὑμῖν), denen Stephanus und Gifford folgen, ist hier ‚uns‘ (ἡμῖν) zu lesen (vgl. De Vries 1972, 44); die Erkenntnis, dass die vorherige Fangfrage grandios war, betrifft weniger die Sophisten als die Zuhörer (Hawtrey 1981, 66). 276e5 unausweichliche (Fangfragen) | ἄφυκτα: Das ist die Sichtweise der Eristiker und Sophisten (vgl. Aristoph. Nub. 1047 mit Dover 1968, 109), muss aber nicht die Platons sein (s. o.). 277a1 f. kennst du nicht Buchstaben? | οὐκ ἐπίστασαι σὺ γράμματα: Die Interpretation dieses Sophisma ist umstritten: Vermischt wird offenbar die Bedeutung von γράμματα als ‚Buchstaben‘ und ‚sinntragende Wörter‘ (vgl. Aristot. Rh. 1401a29 f. τὸν τὰ στοιχεῖα ἐπιστάμενον ὅτι τὸ ἔπος οἶδεν· τὸ γὰρ ἔπος τὸ αὐτό ἐστιν mit Bezug auf den Euthydemos), von ‚Erkennen der Buchstaben‘ und ‚Verstehen der Wörter, die aus bekannten Buchstaben bestehen‘. Hawtrey (1981, 67) sieht Bedeutungsverschiebung nur von Buchstaben und Wörtern. Diese wie andere Partien über Buchstaben bei Platon spricht gegen die These von Ryle (Ryle 1960), dass das Buchstabenmodell bei Platon
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phonetisch verstanden werden soll (dagegen Gallop 1963, bes. 364 f.; vgl. Sprague 1993, 11 Anm. 18). 277a6 nicht lernst | μανθάνεις: Mit Coislinianus, Routh, Heindorf, Burnet gegen BT ist οὐ notwendig zu ergänzen. Denn gefragt ist, ob es sein kann, dass man nicht versteht/lernt, was man rezitiert, während ein Schüler, der Buchstaben nicht kennt, versteht/lernt. 277a8 Nein, . . . sondern ich lerne | οὐκ, ἀλλ᾽ . . . μανθάνω: Betont wird hier das μανθάνειν im Sinne von ‚Lernen‘ (anders De Vries 1972, 44; richtig Hawtrey 1981, 67). 277b4 fing … das Argument . . . wie einen Ball auf | ὥσπερ σφαῖραν ἐκδεξάμενος τὸν λόγον: Das Bild ist wieder Strukturmittel; zum Bild des Hin- und Herwerfens eines Balles, vgl. Plut. Gen. Socr. 582F4 ff.
4. Erste Überleitung (277d–278e) Bevor es zu einem weiteren ‚Niederschlag‘ (277d1 τὸ τρίτον καταβαλῶν) kommen kann, greift Sokrates ein und gibt Kleinias – und dem Leser – Hinweise, wie man sich der beiden Eristiker erwehren kann. Er rät, sich der Kunst des Prodikos zu bedienen, der es um Unterscheidung von Wortbedeutungen geht. Denn die Eristiker verwendeten dieselben Worte in unterschiedlicher Bedeutung (278a). Beim Worte ‚Lernen‘ müsse man z. B. unterscheiden zwischen einem Lernen ohne Vorkenntnisse und einem Lernen mithilfe von schon vorhandenem Wissen (277e6 ff.). Dieses zweite Lernen werde oft als συνιέναι bezeichnet (278a4). Nach Sokrates steht gerade das zweite Sophisma diesem Sachverhalt sehr nahe (παραπλήσιον δὲ τούτῳ καὶ τὸ ἐν τῷ δευτέρῳ ἐρωτήματι 278a7 f.). In der Tat machen sich die beiden Eristiker im ersten Sophisma die Doppeldeutigkeiten von σοφός (‚verständig‘, ‚begabt‘ und ‚kundig‘) und ἀμαθής (‚unwissend‘ und ‚ohne Begabung zu lernen‘; Sprague 1962, 6) zunutze. Zudem machen die Eristiker den Fehler, etwas absolut zu nehmen, was nur in Bezug auf etwas gilt (‚wissen‘ vs. ‚wissen von etwas‘ (a dicto secundum quid ad dictum simpliciter, Aristot. S. E. 166b37 ff.). Dass der Euthydemos Hinweise auf Lösungsversuche bietet, hat man in der Antike gesehen. Man findet die Lehre vom Syllogismus und auch die Lösungsmöglichkeiten im Euthydemos (Alb. 6, p. 150, 30–34 Hermann; Moraux 1984, 458). Die Kunst
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des Prodikos, Gesagtes zu zergliedern (διαστέλλοντι τὰ λεγόμενα 295d1 f.) würde also Kleinias wirklich ein wenig weiterhelfen. Dramaturgisch schildert diese Passage demnach einen Rettungsversuch für Kleinias durch Sokrates (zum Motiv der Rettung im Euthydemos und seinem Komödienkontext vgl. Erler 2017). Sokrates will Kleinias nach dessen zwei Niederlagen im Wortringkampf eine Pause verschaffen, weil dieser nach Sokrates’ Erwartung einem dritten Niederwurf (καταβαλῶν ὥσπερ πάλαισμα 277d1) durch Euthydemos entgegensieht. Der Vergleich des Wortstreites der Eristiker mit einem Initiationsritual (θρόνωσιν 277d7) der Korybanten suggeriert, dass es sich bei den Streitrunden nur um die dort üblichen Scherze handle (παιδιά 277d9), denen nun also in Analogie Ernst folgen müsse. Man hat behauptet, dass Platon mit diesem Vergleich die Nichtigkeit der Analyse von Wortambiguitäten wie die von μανθάνειν, σοφός oder ἀμαθής (s. o. in Sophisma 1 und 2) andeuten will (Robinson 1941, 141; Stewart 1977). Zwar ist richtig, dass Platon derartige Ambiguitäten wohl eher als Spiel sieht und eine Analyse für ihn kein Selbstzweck ist; doch ist kaum richtig, zu sagen, dass er zu einer solchen Analyse nicht fähig sei. Vielmehr sieht er die Relevanz eines richtigen Wortgebrauchs für die Auflösung und Meidung eristischer Sophismen. Dies machen der Euthydemos und andere Dialoge immer wieder deutlich. Dass der Euthydemos keine systematische Analyse der Sophismen bietet, liegt an seinem literarischen Charakter, durch den er sich z. B. von Aristoteles’ Sophistici Elenchi unterscheidet. Gleichwohl lassen sich Beziehungen zu einer ‚impliziten‘ Topik Platons erkennen. Andererseits ist aber richtig, dass Platons Sokrates durch den Vergleich mit dem Ritual der Korybanten einen Rangunterschied (De Vries 1949, 19–20; Edelstein 1949, 470 f.) von derartigen rein sprachlichen Analysen zur wahren Philosophie im Sinne Platons andeutet. Doch ist zu bedenken, dass Spiel bei Platon zwar dem Ernst untergeordnet ist, aber auch als eine Vorstufe zum Ernst des wahren Philosophierens akzeptiert wird (Gundert 1965; Erler 1987a, 221). Gefährlich wird es allerdings, wenn das Spiel vom Ernst abgekoppelt wird. Platon betont verschiedentlich (Rp. 539; Ap. 23c; vgl. 33e, dazu Heitsch 2004a, 92–97) die Gefahr, die solche Wortspiele für junge Menschen haben, die mithilfe der Methode andere nur blamieren, nicht aber nach Wahrheit suchen wollen. In der Tat bergen die Wortgefechte der ersten beiden Sophismen aus Platons Sicht philosophischen Ernst, was heute erkennbar ist, wenn man z. B. Dialoge wie den Menon heranzieht (s. Einleitung Kapitel 11. 4). Freilich wird schnell deutlich, wenn Sokrates solchen Ernst von den beiden Eristikern immer wieder erwartet oder einfordert (277d), dass sie dazu weder in der Lage noch daran interessiert sind (Szlezák 1985, 49–65). Deutlich wird für den aufmerksamen
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Leser aber auch, dass Sokrates zu einem solchen Ernst nicht nur fähig wäre, sondern dass dieser auch in Zusammenhang mit platonischer Lehre stünde, wie sie z. B. im Menon über Lernen, Lehren und Wissensvermittlung entwickelt wird (z. B. als Antwort auf den vorliegenden eristischen Logos, wie man suchen kann, was man nicht weiß; Platon entwickelt u. a. im Menon ja eine Möglichkeit, dass Lernen ein Wiedererinnern ist, also dass man lernen kann, was man im Grunde schon weiß; s. Keulen 1971, 25 zur Frage nach dem Zusammenhang mit dem Euthydemos; s. Einleitung Kapitel 11. 4). Insofern lässt Platon Sokrates hier andeuten, dass er über die Fähigkeit verfügt, neben Spiel auch Ernst zu bieten. Es geht bei diesem Verfahren freilich zunächst nicht um einen spielerischen Umgang mit ‚Esoterik‘ (Szlezák 1985, 49 ff.), sondern um das Spiel mit einer rhetorischen Methode, die bisweilen mit dem Terminus καὶ τὰ ἄλλα bezeichnet wird und darauf abzielt, dass der Argumentierende weitere Argumente in der Tasche hat, die er aber nicht zur Anwendung bringt (Erler 2013b). Diese Methode steht hier in der Auseinandersetzung mit den Eristikern im Vordergrund – Sokrates erweist sich als der bessere Rhetor; das schließt inhaltliche Aspekte natürlich nicht aus. Einzelerklärungen 277d1 f. dritten Niederwurf gegen den Jungen | τὸ τρίτον καταβαλὼν . . . τὸν νεανίσκον: Die Diskussion wird mit Bildern aus dem Bereich des Ringkampfes beschrieben (vgl. zum Bild Rp. 583b; Phaedr. 256b; Aeschl. Eum. 589; vgl. Benkendorff 1966, bes. 33 f.). Demnach wird ein Kampf bei drei Umwürfen von fünf gewonnen (Gardiner 1930, 183). Die Entlehnung von Ausdrücken aus der Welt des Ringkampfes bei der Beschreibung philosophischer Auseinandersetzung oder im philosophischen Kontext ist nicht ungewöhnlich (vgl. Protagoras’ Werk Ἀλήθεια; vgl. Eur. Bac. 201–203 mit Dodds 1953, 92. Zum verbalen Ringkampf vgl. Soph. Phil. 431; Aristoph. Nub. 126; Plat. Rp. 405c; Democr. fr. 68 B 125 Diels/Kranz). Wie auch sonst bisweilen (vgl. 276b6–c1. 276d5–7. 277b4 f.) markiert bildhafte Sprache die Struktur des Dialogs. 277d2 ganz untergetaucht | βαπτιζόμενον: Verwiesen wird oft auf Symp. 176b4, dort aber bedeutet es ‚von Wein benetzt‘ (vgl. Hawtrey 1981, 70). Der Ausdruck hat aber auch kultische Bedeutung. 277d7 Initiationsritus | θρόνωσιν: Bei Platon nur hier (vgl. dazu Adkins 1970); ob eleusinischer Hintergrund anzunehmen ist, ist freilich
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fraglich (vgl. zur Initiation des Strepsiades durch Sokrates Aristoph. Nub. 254 mit Dover 1968, 130 f.; s. a. Aristoph. Nub. 633. 659). Vielleicht hat Platon Aristophanes vor Augen (Hawtrey 1981, 72). Für weitere Beispiele vgl. Gaiser 1972, 347 f. Anm. 26. Zum Ritual 277d6 ff. vgl. Boyancé 1962; De Vries 1973. Wichtige Parallele eines Vergleichs mit Korybanten (‚Wirbler‘; Dämonen, die der kleinasiatischen Kybele dienten) ist Leg. 790c–791b, wo Mütter, die durch wiegende Bewegung und Singen ihre Kinder zum Schlafen bringen, mit Korybanten verglichen werden. Ziel ist eine Beruhigung der Seele in der Überzeugung, dass innere Unruhe durch äußere regelmäßige Bewegung positiv beeinflusst wird (Schöpsdau 2003, 510 f.). Für weitere Vergleiche mit Korybanten bei Platon vgl. Crit. 54d; Ion 533e–534a. 536c; Symp. 215e; Phaedr. 228b (dazu Linforth 1946; Dodds 1951, 77–79; Pretini 1999; vgl. Schöpsdau 2003, 510 f.; allgemein Halliwell 2008, 188 f. 288 ff.). 277d9 Tanz | χορεία: Mit Hawtrey (1981, 72) und W in margine statt χορήγεια mit BTW und Gifford. Tanz passt zum kultischen Kontext besser. Offenbar sieht es Sokrates als plausibel an, dass ein junger Mann an korybantischen Riten teilgenommen hat (277d9 εἰ ἄρα καὶ τετέλεσαι); der Schluss, es ergebe sich, dass Sokrates selbst eingeweiht war (so Dodds 1951, 77 ff.), ist zumindest unsicher. 277e2 f. den ersten Teil der sophistischen Mysterien hörst | τὰ πρῶτα τῶν ἱερῶν ἀκούειν τῶν σοφιστικῶν: Zu einer Unterscheidung zweier Stufen von Initiation in Analogie zu zwei Stufen von Gesprächen (vorphilosophisch und philosophisch) s. Gorg. 497c3 ff. (vgl. Symp. 209e; Men. 76e mit Gaiser 1972, 336 ff.; Szlezák 1985, 191–207; Erler 1987a, 220). 277e4 wie Prodikos sagt | ὥς φησι Πρόδικος: Vgl. Ap. 19e; Charm.163d; Prot. 337a ff.; Men. 96d; Crat. 384a; Aristoph. Nub. 360 ff. Platons Sokrates ironisiert Prodikos’ Wortunterscheidungskunst, aber nur insofern sie als Selbstzweck betrachtet wird, denn in diesem Fall behindert sie die Wahrheitssuche (vgl. Men. 75e; zu Prodikos vgl. Bluck 1961, 400 f.; Hawtrey 1981, 67 ff.; Erler 2007, 474; vgl. Brancacci 1990, 62). Im Protagoras (337a1 ff.) wird Prodikos ebenfalls als Fachmann für Richtigkeit der Wörter mit Blick auf Unterscheidungen von Wörtern mit ähnlichen, für Prodikos aber nicht gleichen Bedeutungen vorgestellt (vgl. auch Crat. 384b6). Zu dieser Wortunterscheidungskunst vgl. auch Schmitt 1973, 67 Anm. 2.
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277e4 den richtigen Gebrauch der Wörter | περὶ ὀνομάτων ὀρθότητος: Vgl. zum Ausdruck Crat. 384ab; hier freilich mit breiterer Bedeutung (Hawtrey 1981, 73). 277e5 ff. dass du nicht wusstest | ὅτι οὐκ ᾔδησθα: Sokrates analysiert das erste Sophisma als Folge der Ambiguität von μανθάνειν, ignoriert aber die Möglichkeit einer Ambiguität von σοφός bzw. ἀμαθής (Palpacelli 2009, 98 Anm. 17), obgleich eine Ambiguität von σοφός zumindest eine plausible Erklärung wäre (Hawtrey 1981, 57 ff.; vgl. Aristot. S. E. 165b30 ff.). Dazu vgl. Fritz 1957. 278a4 f. verstehen | συνιέναι: Man mag auf Aristot. E. N. 1142b34– 1143a18 hinweisen, wo Aristoteles bei der Diskussion von συνιέναι vielleicht diese Stelle vor Augen hat; zu μανθάνειν und συνιέναι vgl. Rp. 511b1. c3. Diese Stelle kommentiert Brancacci (1990, 62) als Hinweis auf den Unterricht durch Prodikos. 278a6 dasselbe Wort | ταὐτὸν ὄνομα: Vgl. Aristoteles’ Bestimmung der Homonymie Cat. 1a1 ff. (vgl. Gifford, 19). 278a7 f. Ganz ähnlich gelagert | παραπλησίον δὲ τούτῳ καὶ τό: S. o. zu Sophisma 2. Mit B, Gifford, Burnet, anders als Méridier, der T und W folgt, ist τῷ τε εἰδότι 278a7 zu lesen (s. a. Palpacelli 2009, 98 Anm. 18). 278b2 Scherz | παιδιά: Vgl. 278c6 f. πρότερον παῖσαι πρὸς σέ. Scherz meint bei Platon nicht Wertlosigkeit, sondern weist auf einen defizitären Zustand hin; andererseits betont auch Platon den Zusammenhang von παιδιά und παιδεία. Vgl. Rp. 537a; Leg. 803c als Vorstufe (vgl. Görgemanns 1960, 22 ff.; Gundert 1965; Ooms 1956, 34 ff.; Palpacelli 2009, 97 f.). Zu dieser ὀρθονομία vgl. Buccellato 1952, bes. 83 f. 278b5 Dingen . . . wie sie sich verhalten | τὰ μὲν πράγματα . . . πῇ ἔχει: Davon handelt Sophisma 6 (284d1 τὰ πράγματα ὡς ἔχει). 278c4 den Weg weisen | ὑφηγήσομαι: Sokrates als Wegweiser und Führer vgl. 288c. Leitende Funktion des Fragenden im Elenchos s. Einleitung Kapitel 11. 1. 278d2 werbende Kunst vorführen | ἐπιδείξατον προτρέποντε: Damit wird auf den protreptischen Charakter des Folgenden hingewie-
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sen und damit eine neue literarische Gattung gleichsam vor- und eingeführt (s. Einleitung Kapitel 9. 2). 278d5 f. Wenn ich euch dabei laienhaft und lächerlich vorzugehen scheine | ἐὰν οὖν δόξω ὑμῖν ἰδιωτικῶς τε καὶ γελοίως αὐτὸ ποιεῖν: Wenn Sokrates sich als Laien bezeichnet, dann mag dies aus der Sicht der Eristiker plausibel sein (Müller 1979). Im Verhältnis zu den Eristikern oder Sophisten ist er in der Tat ein Laie (vgl. Theaet. 154d; Erler 1987a, 135). In Wirklichkeit kennt er die Regeln, denen die Eristiker folgen, bestens (s. Einleitung Kapitel 11), kann sogar mit diesen Regeln zum eigenen Vorteil ‚spielen‘ und zeigt so seine Kompetenz (dazu s. Hippias Minor). 278d7 unvorbereitet zu sprechen | ἀπαυτοσχεδιάσαι: Lesung von W; nur hier, ansonsten αὐτοσχεδιάζειν: Euthyph. 5a7. 16a2; Ap. 20d1; Phaedr. 236d; Crat. 413d3 f.; Menex. 235cd. Zum ‚Lernen‘ im traditionellen und platonischen Sinn vgl. Erler 1987a, 60 ff. 220–221.
5. Erste protreptische Szene (278e–282d) In diesem Abschnitt schildert Sokrates sein Bemühen, Kleinias zur Philosophie hinzuführen. Sokrates will vormachen, wie ein Werbegespräch für Philosophie (προτρεπτικός) auszusehen hat (278d). Es handelt sich also um eine protreptische Partie (s. Einleitung Kapitel 9. 2). Kleinias soll von der Bedeutung des Philosophierens überzeugt werden (275a5 f.; Jordan 1986), was den Eristikern in den ersten Streitreden nicht gelungen zu sein scheint (275a6. 278d2 f.). Mit dem Protreptikos wird inhaltlich und formal ein Kontrastangebot gemacht (Zeppi 1969, lxiii-lxxi), wobei Differenzen und Ähnlichkeiten der sokratischen und der eristischen Methode deutlich werden sollen und werden (Murray 1994; Benson 2000, 85–90). Ausgangspunkt ist die plausible, auch von Sokrates vertretene (Vlastos 1991, 203; Irwin 1995, 52–55; anders Devereux 2008, 158 Anm. 26) These, dass jeder Mensch sich wohl befinden möchte (εὖ πράττειν). Dazu bedarf es eines Besitzes von Gütern, aber auch eines ‚gutes Gelingens‘ (εὐτυχία), was aber mit Weisheit identisch ist. Dieses Wissen kann nicht fehlgehen, denn sonst wäre es kein Wissen. Es hat sich also ergeben, dass die Dinge an sich weder gut noch schlecht sind, sondern dies erst durch Wissen oder Unwissen werden. Zum Glück gehören demnach Güter, Gebrauch und Wissen, das offenbar lehrbar ist. Deshalb bleibt die Notwendigkeit, dass man philosophie-
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ren muss, um glücklich zu sein (282d1). Das Argument verläuft also wie folgt: Alle Menschen wollen glücklich sein; Glück hängt mit dem Besitz von guten Dingen zusammen, externen, die physischer Art sind, und internen, die geistiger Art sind. Freilich kommen diese Güter, ihre Qualität, nur bei richtigem Gebrauch zur Wirkung; ansonsten sind sie nutzlos. Den richtigen Gebrauch aber garantiert allein Wissen. Deshalb muss man um jeden Preis Wissen erwerben, um glücklich zu sein (zur Auffassung von Glück im Euthydemos vgl. Reshotko 2001; Dimas 2002). Die Argumentation ist gestaltet als Werbung für Philosophie (Protrepse) und steht in alter Tradition (Gaiser 1959; Slings 1999, 127–164) in der Philosophie und anderen Bereichen. Die Beispiele v. a. aus der Handwerkskunst legen die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Wissen um eine Kunstfertigkeit unter vielen handelt. Auch die zur Sprache kommenden Güter sind konventionell, können aber auch zu Übeln werden (Sermamoglou 2014, 26–28). Deshalb fällt es Kleinias leicht zuzustimmen (Erler 1987a, 225). Hier freilich ist bemerkenswert, dass Sokrates anders als in früheren aporetischen Dialogen einen Wissensstatus beansprucht, den er seinen Partnern offenbar voraus hat und zu dem er sie hinführen will: die Erkenntnis nämlich, dass Wissen notwendig ist, um glücklich zu sein (278e3 πάντες ἄνθρωποι βουλόμεθα εὖ πράττειν). Dabei spielt der richtige Gebrauch eine wichtige Rolle (280d ff.; Hirschberger 1932, 113–115). Grundlage der Argumentation ist ein Bedeutungsübergang beim Ausdruck εὖ πράττειν, verstanden als Erfolg und Wirkung, zu εὖ πράττειν, verstanden als innerer Zustand im Sinn von Eudaimonie. Diese Bedeutungsverschiebung ist nicht unerlaubt. Denn beide Bedeutungsnuancen werden vom Ausdruck abgedeckt (Hawtrey 1981, 90). Sokrates bietet in diesem Zusammenhang unter Zustimmung des Kleinias eine Liste von Dingen, die als gut angesehen werden: Reichtum, Gesundheit, gutes Aussehen, körperliche Dinge (278e–279b), dazu gute Geburt, Macht und Ehren. Sokrates fügt dann Besonnenheit, Gerechtigkeit und Mut hinzu, wieder unter Zustimmung des Kleinias (279c), bringt schließlich ‚gutes Glück‘ (εὐτυχία) ins Spiel (279c7; zur Bedeutung von εὐτυχία vgl. Bonitz 1886, 96 f.; Wilamowitz 1919, Bd. 1, 108 f.; Wilamowitz 1919, Bd. 2, 167 Anm. 1) und zeigt, dass gutes Glück Weisheit ist. Denn mit Wissen kann man keinen Fehler machen, sondern handelt richtig (280a). Schließlich zeigt er, dass auch alle anderen Güter Weisheit benötigen, damit sie zu einem größeren Gut werden können (281e) und folgert weiter, dass von allen Dingen keines gut oder schlecht ist, sondern nur Weisheit gut und Unwissen schlecht ist (281e). Hier ist ein Unterscheid zur ersten Runde zu beobachten, wo es noch andere Güter gab, obgleich doch ihre Güte davon abhängen soll, dass sie von Weisheit geleitet werden („dependent goods“, vgl. Brickhouse/
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Smith 1987, 3); in der zweiten Bestimmung betont Sokrates, dass das Wissen allein ein ‚unabhängiges‘ Gut ist (Brickhouse/Smith 2000, 77 zu anderen Stellen wie Ap. 30b; Gorg. 467e–468a; Lys. 218e–219a; Men. 88cd, wo offenbar andere Güter als Weisheit akzeptiert werden). Sokrates’ Argument im Euthydemos ähnelt dem Beweisgang im Menon (87d ff.), der zeigen soll, dass Tugend Wissen ist. Trotz zahlreicher Parallelen ist hier der Bezug auf das ‚gute Gelingen‘ (εὐτυχία) als ein Gut neu und überraschend. Denn das Wort εὐτυχία meint zwar Erfolg, schließt aber auch Zufall ein und fügt sich in diesem Aspekt nicht in Platons sokratischen Intellektualismus. Wenn der Aspekt ‚vernunftgeleiteter Erfolg‘ betont wird, passt dies zum argumentativen Kontext, ist aber auch einseitig. Diese Partie des Euthydemos ist später sehr einflussreich gewesen; man kann Bezüge zur stoischen Diskussion der Güterproblematik feststellen (vgl. Long 1996, 1–34 insbes. zu 281de; Gill 2000, bes. 135 f.), Jamblich hat sie in seinem Protreptikos fast wörtlich übernommen (Iambl. Protrept. 5 p. 24–27 Pistelli).
Einzelerklärungen 278e3 Wollen wir Menschen alle, dass es uns gut geht | πάντες ἄνθρωποι βουλόμεθα εὖ πράττειν: Glück (εὐδαιμονία auch ‚das Gute‘ für Platon, s. Stemmer 1988, 563–567; Annas 1993, 127 f.; Morrison 2003; Penner 2003) als Ziel des menschlichen, vernünftigen Handelns ist Grundsatz griechischer und auch Voraussetzung platonischer Ethik (‚Wie soll ich leben?‘, vgl. z. B. Gorg. 467e–468c. 499e; Rp. 505de; Aristot. E. N. 1095a3 f. 1097a30–b6; Forschner 1993). Niemand will für sich Schlechtes (Ap. 25e), sondern dass es ihm gut geht (Symp. 205a). Wenn sich Nachteiliges ergibt, so entspricht das nicht dem, was man will, sondern geschieht gegen den Willen (Gorg. 467c–468e). Erstrebt ist dauerhafter Besitz des Guten (vgl. Euthyd. 282a; Symp. 205a; Phil. 20d). Der Ausdruck εὖ πράττειν ist ambig (gut gehen – gut handeln, z. B. Rp. 621d2); hier wird der Ausdruck reduziert auf ein kompetentes Handeln (vgl. Gorg. 507c mit gleicher Reduzierung auf den Kompetenzaspekt), wie später im Euthydemos (279c7) der Begriff εὐτυχία, der eigentlich kontingentes Gelingen betont, auf vernunftgeleiteten Erfolg reduziert wird. Das Spiel mit Worten hat hier – anders als bei den Eristikern – eine ernsthafte Intention (etwas anders Sprague 1962, 10). 279a6 wichtige Persönlichkeit | σεμνοῦ ἀνδρός: Das Adjektiv σεμνός stammt aus dem religiösen Bereich als Bezeichnung für Götter; hier
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wird es mit ironischem Unterton verwendet wie oft bei Platon (vgl. Euthyd. 303c; dazu De Vries 1944). 279a7 herauszufinden | εὐπορεῖν: Hier im Konkreten wie Plat. Ion 533a5, sonst oft im Kontrast zu ἀπορεῖν im Sinne des Unwissens (Symp. 209b). 279a7 reich zu sein | τὸ πλουτεῖν: Zur Aufzählung von Gütern vgl. auch Euthyd. 289a ff.; Men. 87c; HipMa. 291d; Leg. 631b; Gorg. 451e, wo Gesundheit, Schönheit, Reichtum genannt werden. Das Thema ist populär. Möglicherweise spielt Sokrates auf das bekannte Scholion ὑγιαίνειν μὲν ἄριστον ἀνδρὶ θνατῷ an (Scholia PLG 3 fr. 8 Bergk; vgl. Gorg. 451e mit Dodds 1959, 200), wobei dann die Reihenfolge (Reichtum vor Gesundheit) geändert wäre – vielleicht als Spott auf die einnahmefreudigen Eristiker und Sophisten. Zur Ansicht, Gesundheit sei das Beste für den sterblichen Menschen, vgl. Leg. 661a (mit Schöpsdau 1994, 295 f.); Men. 87e. Zum besonderen Wert der Gesundheit vgl. Simonides PMG fr. 604 Page; Ariphron PMG fr. 813 Page. Jamblich paraphrasiert die Stelle und klassifiziert dreifache Güter ‚mit Blick auf Körper, auf die Seele und äußere Güter‘ (Iambl. Protrept. 5 p. 24, 24 ff. Pistelli: τὰ μὲν ἔστι κατὰ σῶμα […], τὰ δὲ ἐν τοῖς ἐκτός […], τὰ δὲ περὶ ψυχήν […]), wobei er Reichtum auslässt. Dreifach klassifiziert wird Gorg. 477b8 ff.; Leg. 697ab; Aristot. E. N. 1098b12 ff. Reichtum bei den physischen Gütern Men. 87e–88a. 279b8 streiten | ἀμφισβητήσειεν: Der Streit geht darüber, ob besonnen, gerecht und tapfer gut ist. Über Tapferkeit als Tugend wird Konsens geherrscht haben. Die Verbindung von Besonnenheit mit Tapferkeit ist nicht selten bei Platon (Gorg. 507b; Phaed. 68d; Rp. 402. 491b. 536a). ‚Besonnen‘ ist hier in einem wertfreien Sinn verstanden (vgl. Men. 88ac; Sermamoglou 2014, 26). Man mag an Kallikles im Gorgias und seine Geringschätzung von Tugend und Tüchtigkeit (Gorg. 483bd. 508c ff.) oder an Thrasymachos denken, der Ungerechtigkeit als ἀρετή ansieht (Rp. 338c–348e; vgl. Antiphon fr. 87 B 44 Diels/Kranz). Es geht hier um konventionelle Güter, wie die Dialoge Platons und insbesondere der Gorgias zeigen. Sokrates’ Aufforderung zum Philosophieren (275a, vgl. Ap. 30ab) scheint geradezu als Reaktion auf Kallikles’ apotropäische Hinweise im Gorgias gelesen werden zu können, wonach Philosophie jungen Leuten schade (Gorg. 485e). 279c1 Chor | χοροῦ: Zum Bild vgl. mit freilich anderer Konnotation 276b6 f.; man soll vielleicht auch hier an eine Komödiensituation oder
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ein Satyrspiel denken, die im Dialog eine wichtige Rolle spielen (Tarrant 1955, 82 f.; Palpacelli 2009, 106 Anm. 7). 297c7 das gute Glück | εὐτυχίαν: εὐτυχία taucht sonst bei Güteraufzählungen nicht auf (vgl. z. B. Prot. 330b3 ff. 349b1 f.; Gorg. 451e; Men. 74a4 ff.). Der Begriff, der im gewöhnlichen Sprachgebrauch ein gelingendes Zusammentreffen von Umständen bedeutet, die vom Handelnden unabhängig sind (Plat. Men. 99a9), findet sich bei Aristoteles (Aristot. Rh. 1361b39 ff.) zur Bezeichnung des Gütererwerbs aus Zufall. Bei Platon findet sich das Wort sonst viermal (Phaedr. 245b; Men. 72a; Leg. 632a. 798 und einmal in [Plat.] Epin. 975e); in Men. 99a3 wird Zufall als zusätzliche Komponente mit Wissen und Meinung für den Gütererwerb erwähnt (vgl. Bonitz 1886, 96 f. Anm. 4; Hawtrey 1981, 79 f.). Offenbar wird eine vox media (Zufall, Erfolg) hier verengt auf (kompetenzgeleiteten) Erfolg (vgl. Euthyd. 279d. 280a: Fähigkeit, das Richtige zu treffen). Er steht nun in Verbindung mit σοφία für das Gelingen rationalen Handelns. Zum Konzept der Tyche auch in der mittleren und neuen Komödie vgl. Vogt-Spira 1992, 19–74. Die Umwandlung zu einem richtigen Treffen, das von Einsicht abhängig ist, ist offenbar als besonders empfunden worden (vgl. Aristot. E. E. 1247b14). 279c8 ff. die sehr Mittelmäßigen | φαῦλοι: Das Wort meint nicht solche, die schlecht oder nur dumm sind, sondern die durchaus Richtiges wissen, aber es nicht abfragen können (vgl. Rp. 449c, dazu Szlezák 1985, 286) und Defizite haben, z. B. richtige Meinung nicht recht begründen und damit zu Wissen machen können. 279d4 Es ist doch offenbar lächerlich | καταγέλαστον δήπου: Zum ironischen Unterton von δήπου vgl. Denniston 1954, 267. 279d8 einfältig | εὐήθης: Zur durchaus positiven Bedeutung von εὐήθης vgl. Theaet. 155d; Phil. 16; positiv z. B. Phaed. 100d; Theaet. 210a, wozu Erler 1987a, 272 f. Anm. 21. 22. 279d8 merkte | γνούς: Sokrates bemerkt und ist sich bewusst, was Kleinias wirklich benötigt, nämlich dass es weitergehen soll; vgl. 275d7. 277d2; zu einer anderen Art von Bewusstsein, die durch γνούς bezeichnet wird vgl. 279d8. 287d2, dazu Chance 1992, 238 Anm. 23. 279e1 gutes Gelingen | εὐπραγίαν: Meist Wohlergehen; bei Platon spielt die Ambiguität von εὖ πράττειν eine Rolle, vgl. Prot. 345a3 f. Hier beantwortet Sokrates die Frage, worin das gute Handeln denn
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besteht (εὐπραγία), mit dem Hinweis auf ein Wissen z. B. darüber, wie man sich um Kranke kümmert (345a3 f. ἡ τῶν καμνόντων τῆς θεραπείας μάθησις. 345b5 ἐπιστήμης). Damit wird ein Bezug von Wissen, Erfolg (vgl. 281b2–4) und gutem Glück (εὐτυχία) hergestellt und der Wissenscharakter guten und erfolgreichen Handelns betont (Euthyd. 280b). Dieser Zusammenhang von Weisheit und gutem Glück findet sich auch anderorts (vgl. Men. 99a: Erfolg als Folge von Kompetenz); dies wird, wie die ‚technischen‘ Beispiele (z. B. Flötenspieler) zeigen, hier im Euthydemos mit Analogie zu Kunstfertigkeiten begründet. Sokrates widerlegt die als konventionell geltende Ansicht, dass zum Glück viele gute Dinge notwendig seien; denn was allgemein als gut angesehen wird, ist dies nur dank eines bestimmten Gebrauchswissens. 279e1 f. Flötenspieler im Bezug auf gutes Gelingen am erfolgreichsten sind beim Flötenspiel | εὐπραγίαν οἱ αὐληταὶ εὐτυχέστατοι: Flötenspieler ebenso wie Lehrer (e3; vgl. 276a5), Steuermann (e5; vgl. Rp. 341c9. 346a7; Ion 537c6) und – weniger – der Feldherr (e6 f.; vgl. Euthyd. 290b-d) dienen oft als gute Beispiele für technische Kompetenz bei Sokrates. Vgl. Prot. 323a; Men. 90e; Rp. 341c. 346a. 601d. Ion 537c9, wo εὐτυχία und εὐπραγία verbunden werden. 279e3 die Grammatiklehrer | οἱ γραμματισταί: Die Grammatiklehrer sind für den Elementarunterricht zuständig, d. h. Lesen und Schreiben. 279e6 ff. bei einem Feldzug . . . mit einem . . . Feldherrn | στρατευόμενος … μετὰ . . . στρατηγοῦ: Das Argument ist vielfach kritisiert worden (Stewart 1977, 21–44). Glück (εὐτυχία) werde als Glück des Fachmannes (aktiver Sinn) und als Glück des Behandelten (passiver Sinn) verwendet. Doch geht es Platon um den Nachweis, dass εὐτυχία mit σοφία zusammenhängt (280a; Hawtrey 1981, 81). 280a6 Die Weisheit also | ἡ σοφία ἄρα: Die conclusio erfolgt durch Sokrates mittels einer ἐπαγωγή: Wie in der Dichtung in einer Priamel werden argumenta addiert (Kirby 1985; Race 1982; Chance 1992, 64. 239 Anm. 34). Mehrere Beispiele, wo Weisheit Erfolg garantiert, führen zum Schluss, dass dies immer der Fall ist (Hawtrey 1972, 8 f.). Zur ἐπαγωγή vgl. Robinson 1953, 36; zu diesem Argumentationstyp vgl. Aristot. Top. 105a10–19; aber auch schon Hom. Il. 23, 315–325 (Chance 1992, 239 Anm. 27).
Erläuterungen
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280a7 denn wirklich niemals wohl geht Weisheit fehl | οὐ γὰρ δήπου ἁμαρτάνοι γ᾽ ἂν . . . σοφία: Wissen als unfehlbar vgl. Rp. 340d ff.; dies kennzeichnet Wissen (ἐπιστήμη) im Unterschied zu Glauben und Meinen (πίστις, δόξα). Vgl. Gorg. 454d; Rp. 477e. 280b1 wurden wir uns . . . einig | συνωμολογησάμεθα: Vereinbarung (ὁμολογία) als Begriff der Rechtssprache spielt eine zentrale Rolle in sokratisch-platonischer Argumentation, Übereinstimmung ist Grundlage für weitere Diskussion (Gorg. 470b. 499b. 515d; Phaed. 71a. 72a; Bornkamm 1936; Erler 1987a, 270; gut zusammenfassend Geiger 2006, 96–104). Es beginnt ein zweiter Teil des Arguments: Wissen führt zu Glück; Besitz von Gütern ist Bedingung von Glück; es muss aber richtiger Gebrauch hinzutreten, der von Wissen geleitet ist (282c; s. Einleitung Kapitel 1). 280b1 f. in der Hauptsache | ἐν κεφαλαίῳ: Vgl. 281d2; Rp. 522c6; Symp. 186c. 196e. 280b2 sobald sie anwesend ist | ὅταν παρῇ: Um eine Tautologie (so z. B. Winckelmann, 37) des gen. abs. σοφίας παρούσης und der Lesung von BTW ὅταν παρῇ (danach Gifford) zu meiden, hat Casaubon (bei Routh und so auch Burnet) ὅταν παρῇ durch ᾧ ἂν παρῇ ersetzt. Die Konjektur von Casaubon meidet nicht nur die Tautologie, sondern bietet auch ein Subjekt für προσδεῖσθαι. Freilich entstehen dann inhaltliche Probleme (Hawtrey 1977; Hawtrey 1981, 83). Man war im Gespräch übereingekommen, dass Wissen den Erfolg menschlichen Handelns garantiert: Beispiele sind zunächst Flötenspieler, Grammatiker und Kapitän als Besitzer von Wissen; bei weiteren zwei Beispielen wie General und Arzt geht es um das gute Glück des Generals und derjenigen, für die er Verantwortung hat sowie derjenigen, die sich dem Arzt anvertrauen (279d–280a). Übernimmt man nun die Konjektur (ᾧ ἂν παρῇ), dann gilt dies nur für die ersten drei Beispiele (vgl. Palpacelli 2009, 111 Anm. 15); die anderen beiden Beispiele wären ausgeschlossen, denn hier geht es (auch) um das Glück der anderen, bei denen Wissen nicht ‚anwesend‘ ist. Der elenktisch-epagogische Charakter der Beweisführung verlangt aber, dass alle Beispiele der Vorgabe folgen: Dies aber ist nur der Fall, wenn allgemein davon die Rede ist, dass Wissen anwesend ist (ὅταν παρῇ), was durch die Lesung der Handschriften ausgedrückt wird, nicht aber, wenn man Casaubon folgt. Zudem lehrt ein Blick in andere Dialoge Platons, dass auch der Vorwurf der ‚Tautologie‘ für σοφίας παρούσης ὅταν παρῇ nicht sticht. Es gibt nicht wenige Parallelen bei Platon zu dieser ‚Tautologie‘ (vgl. Rp. 347c5;
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Gorg. 468a5; Phaed. 68d8); dabei kann man bisweilen von Redundanz sprechen (Euthyphr. 7d; Rp. 583c); doch kommt dem Ausdruck auch ein durchaus präzisierender Charakter zu im Sinne von ‚wenn x wirklich anwesend ist‘ (Palpacelli 2009, 111 Anm. 15). Zudem ist der unpersönliche Gebrauch von προσδεῖσθαι zwar selten, aber belegt (vgl. [Plat.] Alc. 2 138b; Xen. Ag. 1, 5), allerdings nicht bei Platon. Gleichwohl scheint mehr dafür zu sprechen, die Überlieferung zu halten. 280b8 f. Ist uns denn wohl etwas von Nutzen | ἆρ᾽ οὖν ἄν τι ὠφελοῖ: Hier kommt ein neuer Aspekt des Wissens zum Tragen: es ist nicht nur das größte der Güter, sondern sorgt für richtigen Gebrauch und dafür, dass scheinbare Güter wirkliche Güter werden (Long 1996, 24 f.). 280d1 f. Reichtum besäße | κεκτημένος εἴη πλοῦτον: Reichtum anzuhäufen ist Topos, vgl. Xen. Mem. 3, 9,4. 4, 6,11; Oec. 1, 8–4; Plat. Menex. 87c–88a. 280d5 f. nicht nur besitzen, sondern sie auch gebrauchen | μὴ μόνον κεκτῆσθαι . . . ἀλλὰ καὶ χρῆσθαι: Nützlichkeit ist Ingredienz der Güte einer Sache, vgl. Prot. 334a. Zur Verbindung von Besitz und Gebrauch (κτῆσις und χρῆσις) vgl. Düring 1966, 236. Güter gewinnen Wert oder Unwert erst im Gebrauch; dieser Gebrauch aber muss geleitet sein von Wissen (280b–281e). 280e5 Denn größeren Schaden, glaube ich beinahe, gäbe es | πλέον . . . οἶμαι θάτερόν ἐστιν: zu θάτερον als Euphemismus und Äquivalent für κακόν vgl. Euthyd. 297d; Soph. Phil. παθεῖν μὲν εὖ, παθεῖν δὲ θάτερα; Demosth. 22, 12; Isocr. 19, 25 πλέον θάτερον ἐποίησαν (‚taten mehr Übles als . . .‘); Plat. Phaed. 114e3; Euthyd. 297d2. 281a1 f. Was also | τί οὖν: Das folgende Argument geht aus vom richtigen Gebrauch durch Wissen; es bringt physische und geistige Güter wie Tapferkeit, die zum Übel werden können, in Analogie, vgl. Lach. 192bd. 197ab und besonders Prot. 349d–350e. Zum Gebrauch vgl. Symp. 180e–181a; Leg. 660d. Auch sonst kennt Platon Indifferentes, vgl. Lys. 216e; Gorg. 467e–468a; Prot. 351d1 ff., wozu Manuwald 1999, 386. 281a4 weiterhin | ἀλλὰ μήν που: Die Bedeutung des Ausdrucks ist progressiv (vgl. Denniston 1954, 344). Von τὰ σκεύη (‚Haushaltsgeräte‘) war zuvor nicht die Rede. Es gibt keinen Grund, den Satz ἀλλὰ μήν [. . .] συνέφη mit Hirschig und Badham zu streichen.
Erläuterungen
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281a7 der zuerst angeführten | ὧν ἐλέγομεν: Vgl. 279ab. 281b2 nicht nur | οὐ μόνον: Nach dem Glück bzw. Erfolg (εὐτυχία) spielt nun das richtige Handeln eine Hauptrolle (vgl. Aristot. E. E. 1246b37 ff. über gutes Glück wohl mit Blick auf diese Stelle). Burnet und Gifford lesen mit TW den Dativ τοῖς ἀνθρώποις, Méridier lässt ihn mit cod. B aus (so auch Palpacelli 2009, 114 Anm. 18). 281b3 Wohlergehen | εὐπραγίαν: Vgl. Hawtrey 1981, 80; Palpacelli 2009, 114 Anm. 19. 281b4 Besitz | κτήσει: Hier κτῆσις als Besitz (wie 280c6), nicht als Erwerb zu verstehen wie 288d8; dazu Hawtrey 1981, 85. 281b7 f. oder wenn er wenig besitzt | ἢ μᾶλλον ὀλίγα [νοῦν ἔχων]: Der Ausdruck νoῦν ἔχων findet sich nicht bei Jamblich im Protreptikos, der dem Text Platons sonst ganz eng folgt (Iambl. Protrept. 5 p. 26, 1 Pistelli). Er wird deshalb von vielen Editoren (z. B. Gifford) athetiert (nicht Burnet, erwogen von Hawtrey 1981, 85). Der Ausdruck passt in der Tat nicht zum Argument. 281c1 macht man da wohl nicht weniger Fehler | οὐκ . . . ἐλάττω ἂν ἐξαμαρτάνοι: Gemeint im Sinn von inkompetentem Handeln; κακῶς πράττειν im Sinn von ‚schlecht gehen‘. 281c6 f. wenn man tapfer [und besonnen] oder wenn man feige ist | Πότερον δὲ ἀνδρεῖος ὢν [καὶ σώφρων] ἐλάττω ἂν πράττοι ἢ δειλός: Problematisch ist, dass σώφρων kein korrespondierendes Wort hat wie ἀνδρεῖος mit δειλός. Zudem fällt auf, dass beide Tugenden
wertneutral aufgefasst werden. Tapferkeit wird im Sinn von Kühnheit verstanden (vgl. Lach. 192bd. 197ab als καρτερία μετ᾽ ἀφροσύνης) oder wie die volkstümlichen Tugenden im Phaidon (Phaed. 68d). Auch Besonnenheit gilt hier offenbar als Tugend ohne Wissen (vgl. Phaed. 68d. 82ab; Leg. 710a). Das scheint gerade bei Besonnenheit problematisch, ist doch These des Charmides, dass Besonnenheit mit Wissen einhergeht (Charm. 159b–161b; Verbindung Besonnenheit und Wissen in Prot. 332a–333d, dazu Manuwald 1999, 270). Diese Probleme haben Badham und Gifford veranlasst, καὶ σώφρων zu athetieren. Ihnen folgen Hawtrey 1981, 86; Palpacelli 2009, 118. Andererseits wird im Menon Tapferkeit mit und ohne Wissen diskutiert (88ac), wobei Tapferkeit ohne Wissen als schädlich eingestuft wird und dasselbe in Analogie auch von Besonnenheit behauptet wird. Méridier (158 f. Anm. 3) ver-
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weist auf Gorg. 507b, wo Besonnenheit die Tapferkeit umfasse. Narcy (1984, 110 f.) sieht zwar das Problem, möchte aber σώφρων halten. 281d3 f. scheint … bei allen Gütern . . . sie seien gut | κινδυνεύει σύμπαντα . . . εἶναι: Die Syntax des Satzes ist schwierig: σύμπαντα als Subjekt von κινδυνεύει hängt in der Luft – ὁ λόγος wird zum Subjekt. 281e1 weder die einen noch die anderen von ihnen | οὐδέτερα αὐτῶν: Gemeint sind die Güter und ihr Gegenteil. Alle, auch die sogenannten Übel, sind nicht schädlich, wenn sie nicht benutzt werden. Also auch Zustände wie Armut und Feigheit können im Grunde gut werden, wenn sie von Vernunft geleitet und angewendet werden (z. B. Fliehen im taktisch rechten Augenblick). Die Lehre von den Neutra findet sich auch in Gorg. 467e ff.; man mag an den Arzt denken, der nicht weiß, ob Gesundheit gut ist für den Patienten (vgl. Lach. 195c; Gorg. 511c ff.: Kapitän). Freilich wird hier im Euthydemos mehr noch – wohl aus argumentationsstrategischen Gründen – die Rolle der Rationalität (Wissen als Instanz des Gebrauchens) betont. Zentral hier wie im Gorgias (oder Menon) ist die Perspektive, dass ein Wissen notwendig ist, welches das technische Wissen kontrolliert, leitet und über ihm steht. 281e3 etwa, dass | ἄλλο τι: Die conclusio ist, dass nur Wissen und Unwissen die wahren Güter oder Übel sind. Von Tugend ist nicht die Rede; sie mag aber impliziert sein, wie Men. 87e–89a zeigt. In diesem Dialog geht es jedoch um die Äquivalenz von Tugend und Wissen, hier um Wohlergehen (εὖ πράττειν) und Glück (dazu und zu weiteren Unterschieden vgl. Hawtrey 1981, 89 f.). 282a1 Lass uns nun betrachten . . . was übrig ist | ἔτι τοίνυν . . . τὸ λοιπὸν ἐπισκεψώμεθα: Das Schlussargument der Szene ist kurz und schlüssig: Wenn wir alle glücklich sein wollen und wenn Glück an Wissen hängt, dann müssen wir Wissen erwerben. Wenn Wissen lehrbar ist, dann muss man philosophieren. Und das möchte Kleinias tun. Das Argument greift die Anfangsfrage (278e) auf, ob alle Menschen glücklich sein wollen, wobei dort der ambivalente Ausdruck εὖ πράττειν verwendet wird; hier wird er durch das eindeutige εὐδαίμονες ersetzt und die Bedeutung damit auf ‚Wohlergehen‘ verengt. Zum Begriff der ἐπίσκεψις (Betrachtung, Untersuchung eines Begriffes) und seiner Bedeutung mit Blick auf Aristoteles’ Topik s. z. B. Aristot. Top. 155b7– 10. Vgl. auch Stavru 2005, bes. 148 ff.; Primavesi 1996, 55 ff.
Erläuterungen
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282b3 nicht schimpflich | οὐδὲν αἰσχρόν: Zu der Idee, dass es ehrenhaft sein kann, ein Sklave zu sein, vgl. Symp. 184cd. Vgl. zu dem Motiv Alc. 1 131e–132a; Xen. Mem. 4, 2,22; Gebrauch auch im Zusammenhang mit Liebenden, z. B. Alkibiades. Slings denkt an Aischines’ Alkibiades (Aeschn. fr. 11c Dittmar); vgl. Cic. Tusc. 3, 32,77; dazu Slings 1999, 118. 282c1 f. Weisheit … lehrbar ist | ἡ σοφία διδακτόν: Dazu vgl. das Thema des Menon; was hier formuliert wird, ist eher Allgemeinplatz (vgl. Men. 87c5 ff.), aber keine Lösung des Problems im Menon (Sprague 1993, 21 Anm. 29; Diskussion bei Bluck 1961, 113 f.). Zum Problem vgl. Müller 1975, 220–249. 282c2 von selbst | ἀπὸ ταὐτομάτου: Vgl. Prot. 323c; Men. 70a; Ap. 38c. 282c4 f. Aber mir … scheint sie lehrbar zu sein | ἀλλ᾽ ἔμοιγε . . . διδακτὸν εἶναι δοκεῖ: Mit diesem Zugeständnis ermöglicht Kleinias Sokrates, die Betrachtung (σκέψις) abzukürzen (282c7). Es ergibt sich also ein positives Resultat bei Sokrates’ Gespräch im Kontrast zu den Eristikern. Freilich handelt es sich bei dem Zugeständnis wohl für Kleinias weniger um eine neue Erkenntnis als um eine bekannte und akzeptierte Tatsache (Tugend lehrbar: Men. 87c; vgl. Hawtrey 1981, 92). Es wird also Homologie zwischen den Partnern hergestellt. 282d1
dass man philosophieren muss | ἀναγκαῖον εἶναι φιλοσοφεῖν: Diese Aufforderung ist typisch für das Ende eines Pro-
treptikos (vgl. Slings 1999, 69 f.): Denn das war zu beweisen. Die Bemerkung erinnert gleichsam in Ringkomposition an den Anlass des Protreptikos. Sie verweist auch auf den Beginn des zweiten protreptischen Teils (288d5) und das Ende des Euthydemos (307b6). Es geht in dem Dialog ja nicht zuletzt um die Frage, ob und wie man Philosophie betreiben muss und kann. 282d2 Gewiss, sagte er | πάνυ μὲν οὖν, ἔφη: Also ist Kleinias bekehrt und bereit zur Philosophie: Der Protreptikos war erfolgreich.
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6. Zweite Überleitung (282d–283b) Sokrates hat seinen beispielhaften (παράδειγμα 282d4 f.) Protreptikos abgeschlossen und erbittet (282d4–e6) von den Eristikern eine ‚professionelle‘ Version eines Protreptikos – seine Vorstellung sei amateurhaft (ἰδιωτικόν 282d6) gewesen. Falls sie dies nicht wollen, erhofft er von ihnen in Anknüpfung an seine Ausführungen (283a3–4) den Nachweis, dass jede Erkenntnis oder doch eine einzelne notwendig ist, um glücklich zu sein. Sokrates bittet dies zu zeigen, vor allem mit Blick auf Kleinias, der nach dem Wunsch aller weise und klug werden soll (282e4–6). Dieser Aufgabe wird sich Sokrates selbst dann in der zweiten sokratischen protreptischen Szene (288d–292e) widmen, wobei sich freilich dort ein unendlicher Regress und damit eine Aporie wie auch in der Politeia ergeben wird (Rp. 505bc: Wer das Gute für Wissen hält, muss Wissen des Guten bestimmen und endet damit im Regress). Innerdramatisch fungiert die kurze Partie (283a1–b3) als Einleitung zur zweiten eristischen Szene. Einzelerklärungen 282d5 f. wie ich mir werbende Reden wünsche | οἵων ἐπιθυμῶ τῶν προτρεπτικῶν λόγων: Vorschlag von Routh für das problematische (Gifford, 27 mit Vorschlägen anderer) οἷον . . . τῶν προτρεπτικῶν λόγoν (BT). Freilich handelt es sich dann bei οἵων um eine ungewöhnliche Attraktion für τῶν προτρεπτικῶν λόγων, οἵους ἐπιθυμῶ εἶναι (Gifford, 27; Hawtrey 1981, 93; vgl. aber K.-G. 2, 410 ff.). Als προτρεπτικός wird die erste Partie 278e–282d bezeichnet. Jamblich zitiert diese Partie in seinem Protreptikos (Iambl. Protrept. 5 p. 24–27 Pistelli). Der Bezug des gesamten Satzes zur Einführung des sokratischen Protreptikos (278de) wird durch Parallelität des Ausdrucks unterstrichen (Hawtrey 1981, 76 f.). 282d6 f. unprofessionell . . . und mit Mühe vorgetragen | ἰδιωτικὸν . . . μόλις . . . λεγόμενον: Wenn Sokrates seinen eigenen Protreptikos als unprofessionell, lang und mit Mühe vorgetragen (μόλις vgl. 294b2; Tim. 85d. 86a) kritisiert – freilich relativiert durch ein ‚vielleicht‘ (ἴσως) –, passt das dramatisch zu der von Sokrates reklamierten Rolle als Laie, ist aber objektiv wohl ähnlich zu verstehen wie seine Behauptung in der Apologie (17bc), er sei rhetorisch unbegabt. Diese ist ihrerseits selbst als rhetorischer Topos zu erkennen und wird mit rhetorischen Mitteln ausgedrückt (Heitsch 2004a, 41 ff.). Zu vergleichen ist auch
Erläuterungen
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Theaet. 154d, wo Sokrates sich in der Art sophistischer Prüfung nicht auszukennen behauptet (Erler 1987a, 133). Freilich kennt Sokrates – wie sich ergeben wird – die Regeln, nach denen ein Protreptikos zu erfolgen hat, er kennt auch die Regeln, nach denen Eristiker bei ihrer ‚Werbung‘ vorgehen (dazu s. Einleitung Kapitel 11 und Erler 1986). Denn er weiß sie selbst gegen die Eristiker anzuwenden, aber auch sie zu brechen, wenn es ihm hilfreich erscheint (s. u. zu παραφθέγματα). Die Länge einer Ausführung ist für einen Philosophen nicht ausschlaggebend (vgl. Theaet. 172c. 331). Schließlich muss es keinen Tadel bedeuten, dort kein Fachmann zu sein, wo Euthydemos und Dionysodoros Fachleute sind (282d8 τέχνη). Man kann sogar Sokrates’ Selbstvorwurf positiv verstehen, denn die Suche nach Wahrheit ist langwierig (Phaedr. 272bc). Über die Länge von Ausführungen wird diskutiert (Pol. 286b–287b, dazu Erler 1994a). 282d8 vorführen | ἐπιδειξάτω: Epideixis (vgl. 278d4) als terminologisch angemessenes Wort für sophistische Vorführung nach den Regeln der Kunst (vgl. dazu 274a8) unterstreicht den Paradeigma-Charakter (282d4) des Vorgeführten. 282e2 ff. ob er jedes Wissen erwerben muss oder ob es ein einziges Wissen ist | πότερον πᾶσαν . . . ἢ ἔστι τις μία: Hier klingt die Frage nach Einheit des Wissens und der Tugend an, welche auch den Hintergrund der aporetischen Dialoge bildet (z. B. die Frage nach Einheit der Tugend in Protagoras und Laches). Obgleich in der zweiten sokratischen Szene die Notwendigkeit einer einzigen Wissenschaft angedeutet wird, bleibt die Frage im Euthydemos doch letztlich offen. Sie wird in der Politeia thematisiert (das Gute als höchstes Wissensobjekt), wobei auch dort eine letzte Antwort ausbleibt (mit Rücksicht auf den Gesprächspartner, vgl. Szlezák 1985, 304 ff. 315). Es geht letztlich um die platonische These, wonach technisches Wissen von einem übergeordneten Handlungswissen geleitet sein muss (vgl. Charm. 166c. 167b. 174a; Erler 1987a, 226). 282e4 Wie ich nämlich zu Beginn sagte | ὡς γὰρ ἔλεγον: Mit Hermann, Burnet; ὥσπερ γὰρ ἔλεγον Gifford nach Coislinianus 2 (vgl. Gifford, 27), γὰρ om. BTW, ὥσπερ ἔλεγον Méridier. Die Aussage bezieht sich wohl auf 275a5 ff. 283a2 ich achtete sehr genau darauf | καὶ ἐπεσκόπουν: Vgl. 282a1 und Anm. ad loc.
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283a5 der ältere von ihnen | πρεσβύτερος: Hinweis auf das relative Alter der Brüder. 283a7 ganz wunderbare Worte | θαυμασίους τινὰς λόγους: Die Bedeutung von θαῦμα, θαυμάσιος, θαυμαστόν ist bei Platon ambivalent: Staunen kann demnach admirativ sein, aus Irritation folgen (Mette 1988, 133 ff.) oder als Anfang von Nachfragen und damit dem Philosophieren dienen (vgl. Eur. Bac. 723–724; Plat. Theaet. 155d; Aristot. Metaph. 982b12 ff.; Erler 2015a). Letzteres sollte beim Leser der Fall sein. 283b2 f. Rede …, die zur Tugend aufforderte | ὡς παρακελευστικὸς . . . ἐπ᾽ ἀρετήν: Die Aufforderung hat einen ironischen Klang, es sei denn, man versteht ἀρετή hier im Sinn von Tüchtigkeit in dem, was die Eristiker können. Für sophistisches Verständnis von Tugend spricht die Aufforderung ‚Tugend zu üben‘ (ἀρετὴν ἀσκεῖν) im Sinne eines ‚Sich-daran-Gewöhnens‘ (Erler 1987a, 60 ff.).
7. Zweite eristische Szene (283b–288b) Vor der ersten eristischen Szene waren die Eristiker aufgefordert, Kleinias zu zeigen, dass man philosophieren und sich um die Seele kümmern muss (275a). Es folgten Diskussionsrunden über das Lernen und Lehren. Sokrates greift dann im ersten protreptischen Teil die Aufgabe auf und zeigt Kleinias, dass philosophieren muss, wer glücklich sein will. Am Ende des ersten protreptischen Teils könnten die beiden Eristiker nun diskutieren, ob der junge Mann jede Art von Wissen erwerben kann, um glücklich zu sein, oder ob es sich um eine einzige Art des Wissens handelt (282d4–e6) – eine Frage, die Sokrates selbst in seinem protreptischen Gesprächsteil stellt und die er im zweiten Teil behandeln wird (Sermamoglou 2014, 72 f.). Die Eristiker arbeiten nun nicht mehr mit doppelten Optionen wie in der ersten eristischen Runde, sondern indem sie sich spontan in einer Art Catchword-Technik (Erler 1986) an Worte der Vorredner anhängen (282e5–283b5), um Argumente zu formulieren, ohne sich um inhaltliche Kohärenz zu bemühen. Denn wie in den ersten Streitrunden geht es den Eristikern auch jetzt wieder nicht um inhaltliche Fragen und die kontinuierliche Behandlung eines Themas oder eine kohärente Argumentation, sondern darum, beim Gesprächspartner Verwirrung und bei den Zuhörern Bewunderung zu erzeugen. Sie wollen in der Auseinandersetzung den Sieg davontragen, indem der Partner zum
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Schweigen gebracht wird. Dabei gerät die Aufgabe, Kleinias von der Notwendigkeit des Philosophierens zu überzeugen, in den Hintergrund. Vielmehr wird Ktesippos Hauptpartner in der zweiten eristischen Szene. Dieser Adressatenwechsel wird motiviert durch eine Rettungsaktion, mit der Ktesippos seinem Geliebten Kleinias beispringen will, als dieser durch die Eristiker in Bedrängnis gerät. Dramaturgisch ist die zweite eristische Szene durch mehrfachen Wechsel der Gesprächspartner komplexer als die erste eristische Szene: Kleinias tritt allmählich in den Hintergrund; die Rolle des Antwortenden wird von Ktesippos übernommen und Sokrates übernimmt dann zeitweise die Führung in der Diskussion (zum Aufbau s. Sermamoglou 2014, 83). Erste eristische Runde: 11. Euthydemos – Kleinias 12. Dionysodoros – Kleinias 13. Euthydemos – Kleinias 14. Dionysodoros – Kleinias Zweite eristische Runde: 15. Dionysodoros – Sokrates 16. Euthydemos – Ktesippos 17. Euthydemos – Ktesippos 18. Dionysodoros – Ktesippos 19. Dionysodoros – Ktesippos 10. Sokrates widerlegt Dionysodoros 11. Sokrates widerlegt Euthydemos 12. Dionysodoros – Sokrates Zu Beginn der zweiten eristischen Szene übernimmt Dionysodoros die Führung und spricht nicht Kleinias, sondern Sokrates und eine Gruppe Zuhörer mit der Frage an, ob sie es ernst meinen, wenn sie wollen, dass Kleinias weise werde (282b5). Denn wenn aus einem Unwissenden ein Wissender, dieser also ein anderer Mensch werde, dann existiere der alte Mensch nicht mehr (283ad). Ktesippos, der Liebhaber des Kleinias, versteht dies dahingehend, dass es um die Vernichtung des Geliebten gehe, und weist dies als Lüge zurück. Diesen Vorwurf der Lüge greift Euthydemos auf und fragt, ob es überhaupt möglich sei, zu lügen. Dies wird unter Hinweis darauf, dass Aussagen immer Seiendes betreffen, widerlegt. Obgleich Ktesippos dies nicht akzeptiert, hängt sich Dionysodoros mit einem weiteren Sophismus an und ‚beweist‘, dass es keinen Widerspruch geben könne. Auch ein Irrtum könne nicht existieren. Ktesippos verfällt in Schweigen als Zeichen seiner Niederlage (Erler 1986). Sokra-
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tes hingegen nimmt die These von der Unmöglichkeit einer Falschaussage als Hypothese und weist nach, dass diese Hypothese zu Widerspruch in den Folgerungen führt (286c, vgl. 303e). Sokrates weist darauf hin, dass infolge dieser These die Differenz zwischen Wissen und Unwissen aufgehoben werde und damit Wissensvermittlung und Lehrer unnötig geworden seien. Er geht also argumentationsstrategisch vor wie in aporetischen Dialogen, wo er zunächst Behauptungen seiner Partner als Hypothese für eine Untersuchung akzeptiert und dann auf Probleme bei den Folgerungen hinweist. In der zweiten eristischen Szene werden insgesamt 6 Sophismen vorgeführt (3.–8. Sophisma): 3. Sophisma (283c3–d8): Man kann nicht (wissend) werden, denn wer (wissend) wird, wird ein anderer, hört also auf zu existieren. 4. Sophisma (283e7–284a8): Es ist unmöglich zu lügen; denn wer etwas behauptet, sagt etwas, also etwas Reales, also etwas Wahres. 5. Sophisma (284b1–c6): Mit dem, was nicht ist, kann man nichts machen. Reden ist ein Tun, man kann also nicht über Nichtseiendes reden. 6. Sophisma (284c9–e5): Man kann von den Dingen nicht so sprechen, wie sie sind, sonst müsste man schlecht vom Schlechten und kalt vom Kalten sprechen. 7. Sophisma (285d7–286b6): Es gibt keinen Widerspruch. Denn sonst müsste einer der Kontrahenten Falsches sagen. Doch das ist laut Sophisma 4 nicht möglich. 8. Sophisma (287d7–e1): Aussagen bedeuten nichts. Sagen kann nur, wer eine Seele hat; Aussagen haben keine Seele. War zuvor in den ersten beiden Sophismen (1.–2. Sophisma) das Lernen als Handlung Gegenstand der Auseinandersetzung, so stehen jetzt die Grundlagen zur Disposition, die diesen Prozess erst ermöglichen oder verhindern. Die Polysemie von ‚werden‘ setzt ‚etwas werden‘ und ‚werden‘ gleich, wenn behauptet wird, dass wer das ‚Werden‘ von jemanden möchte auch dessen Vergehen will. Trotz allen oberflächlichen Spiels mit Facetten von Wortbedeutungen (283b9) klingen bei den eristischen Schaustücken inhaltlich zentrale, ‚ontologische‘ Fragen an, die für das Problem des Lernens als Prozess, aber auch allgemein von Bedeutung
Erläuterungen
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sind. Da nämlich das Lernen als Prozess von einem Zustand, dem Unwissen, zu einem anderen, dem Wissen, also von einem Zustand eines ‚Noch-nicht-Seins‘ zu einem Zustand des ‚Seins‘, verstanden wird, geht es letztlich um die zentrale philosophische Frage, was mit ‚Sein‘ und ‚Nichtsein‘ gemeint ist und wie es zu diesem Übergang kommen kann (Denyer 1991; vgl. Burnyeat 2002). Auch das Problem der falschen Aussage und der Lüge gehört in diesen Kontext, weil auch hier ‚Nichtsein‘ eine Rolle spielt. Denn nach den Eristikern ist es unmöglich, zu lügen und Falsches zu sagen (ψεύδεσθαι), weil Aussagen immer Aussagen von etwas und deshalb etwas Wahrem sein müssen und nicht von nichts sein können. Eine entsprechende einwertige Logik macht jeden Satz zu einem Namen (Cürsgen 2004, 27–30). Grundlage der Sophismen ist also die Frage, was Nichtsein bedeutet. Geht man von Nichtsein in einem absoluten Sinn aus, dann verbietet dies, von Lernen im Sinne eines ‚Anderswerdens‘, einer Änderung des Zustandes von einem ‚Nicht-wissend-Sein‘ zu einem ‚Wissend-Sein‘, zu sprechen. Ebenso wäre es problematisch, von einer falschen Aussage (283e), einer unrichtigen Meinung oder einem Irrtum zu sprechen (286d). Problematisch würde auch die Möglichkeit einer Widerlegung (286e). Denn in allen Fällen ist Nichtsein involviert. Ohne Lösung dieses Problems stünden die Grundlagen sowohl der Eristik als auch der sokratischen Elenktik zur Diskussion. Denn in beiden Fällen ist die Möglichkeit von Widerspruch, Unwissen oder Irrtum von grundlegender Bedeutung. Könnte man die Thesen und sophistischen Argumente der Eristiker im Euthydemos ernst nehmen, würden im Euthydemos Formen der Kommunikation vorgeführt, deren Grundlage im Dialog gleichzeitig negiert würde. Platon würde zeigen, dass sowohl die Eristik als auch die Sophistik mit ihrem Anspruch, Menschen besser zu machen (vgl. Prot. 318a), ad absurdum geführt würden. Aber auch die Sokratik mit ihrem Wunsch nach Prüfung des Nächsten hätte kein Fundament (vgl. Gorg. 519b–521a). Das von Platon illustrierte Frageverhalten der Eristiker erweist sich als Widerspruch zu ihren theoretischen Thesen. Sokrates macht sie – aber auch den Leser – auf diese performative Widersprüchlichkeit aufmerksam. Es geht also auch in den eristischen Stücken der zweiten Runde offenbar um mehr als grammatische Probleme wie die Verwechslung von Subjekt und Prädikat (so z. B. Bonitz 1886, 112–114 zu Sophismen 3. 4. 5. 7). Zwar ist umstritten, ob und wann Platon die Unterscheidung zwischen ‚sein‘ im absoluten und unvollständigem Gebrauch gesehen hat (Denyer 1991, 130–139). Doch spricht viel dafür, dass er hier im Euthydemos schon die Problematik literarisch verarbeitet. Die in der zweiten eristischen Partie involvierten Probleme sind jedenfalls von komplexer Natur (Hawtrey 1981, 94 ff.)
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Kommentar
und von hoher philosophischer Relevanz. Es geht um ontologische Fragen (Gibt es Nichtseiendes?), um den Satz vom Widerspruch und um die Grundlagen und Voraussetzungen von Wissensvermittlung. Es stehen philosophische Konzepte wie die des Parmenides und der Eleaten und des Protagoras mit seinem Relativismus (Mensch als Maß aller Dinge; Keulen 1971, 84–90), vermutlich auch Thesen zeitgenössischer Denker wie des Antisthenes im Hintergrund. Platon selbst kommt auf die Fragen in der Politeia oder im Sophistes zurück und bietet dort Konzepte an, die Lösungen der in den Sophismen aufgestellten Paradoxa andeuten und damit die Grundlage für die Möglichkeit auch sokratischplatonischer Dialektik bieten. Einzelerklärungen Sophisma 3 (283c3–d8): Man kann nicht (wissend) werden. 283b5 weise wird | σοφὸν γενέσθαι: ‚Wenn man wünscht, dass jemand weise, also etwas wird, was er nicht ist, und dass er nicht länger ist, was er ist, dann will man, dass er zugrunde geht‘. Der Fehler liegt in einer Äquivokation: ‚sein‘ im existentiellen und im kopulativen Sinn. Man kann auch sagen, dass zu Unrecht angenommen wird, Identität bedeute Gleichheit der Eigenschaften zum gleichen Zeitpunkt (Kutschera 2002, 198). Nach Aristoteles’ Analyse in den Sophistici Elenchi liegt eine fallacia a dicto secundum quid ad dictum simpliciter vor (Aristot. S. E. 166b3 ff.); fortgelassen wird unerlaubt die Qualifikation ‚der er jetzt ist‘ (ὃς νῦν ἐστιν). Äquivok wird auch das Relativum ὅς verwendet, das 283d2 f. für σοφός und d1 für ἀμαθής verwendet wird und mit οἷος äquivalent ist, das dann aber als Substanz verstanden wird (Peck 1952, 47). Freilich ist das richtige Verständnis von grundlegender Bedeutung für die Konstruktion oder das Meiden des Sophismas (Palpacelli 2009, 128 Anm. 5). Man hat auf ähnliche Argumentation im Sophistes (254d f.) hingewiesen (Etablierung von θάτερον und ταὐτόν als μέγιστα γένη; dazu Sprague 1962, 12 ff.) und es ist diskutiert worden, ob dieser Fehler bewusst eingesetzt wird; dies ist von Bedeutung für die Interpretation von Rp. 476–480, wo das Verb ‚sein‘ ähnlich ambig verwendet wird (Sprague 1962, 14 Anm. 10). Eine Parallele in den Dissoi Logoi (fr. 90 5, 15 Diels/Kranz, dazu Sprague 1968a) zeigt, dass eine Lösung der Paradoxa im Euthydemos möglich war, denn dort wird bereits angedeutet, dass man auf jeweils einschränkende Ergänzungen achten muss: τὸ δὲ τὸν αὐτὸν ἄνθρωπον καὶ ἦμεν καὶ μὴ ἦμεν, ἐρωτῶ· ‚τὶ ἢ τὰ πάντα ἔστιν;‘ οὐκῶν αἴ τις μὴ φαίη ἦμεν, ψεύδεται, τὸ τὶ καὶ τὰ πάντα εἰπὼν ταὐτά. πάντα ὦν πῇ ἐστι
Erläuterungen
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(dazu Erler 1987a, 227 Anm. 70). Alles spricht dafür, dass Platon das Sophisma selbst hätte auflösen können. 283b5 dieser junge Mann | τόνδε τὸν νεανίσκον: Die Worte des Dionysodoros greifen eine frühere Bemerkung des Sokrates auf (282e5), wonach der Wunsch besteht, dass der junge Mann (Kleinias) weise und gut werde. Dionysodoros lässt den Aspekt ‚gut‘ fort. Aus Sokrates’ und Platons Perspektive, der es um ein moralisches Bessermachen geht, mag man darin die Vernachlässigung eines ethischen Aspektes sehen (anders Hawtrey 1981, 96). 283b5 f. ob ihr dies scherzhaft sagt | πότερον παίζετε: Die Frage, ob Eristiker nur Scherz treiben oder es ernst meinen, ist ein Leitmotiv des Dialogs (s. Einleitung). 283b8 früher | τὸ πρότερον: Verweist wohl auf 275a4 ff. (vgl. Hawtrey 1981, 96 f.). 283c4 dass du nicht abstreiten wirst | ὅπως μὴ ἔξαρνος ἔσῃ: Die Ironie der Stelle liegt darin, dass bald die Möglichkeit des Widerspruches bestritten werden wird (285d7 ff. = 7. Sophisma); gemeint ist wohl, dass Kleinias weise und gut werden soll. 283d2 f. der er nicht ist, … der er jetzt ist | ὃς μὲν οὐκ . . . ὃς δ᾽ ἔστι νῦν: Es liegt Ambivalenz von ὅς als Relativum und οἷος vor, vgl. K.-G. 2, 400 f.; Gifford, 28; Hawtrey 1981, 97; vgl. Phaedr. 243e; Soph. Ai. 1259 mit Stanford 1963, 213; Eur. Alc. 640. Freilich beruht das grundlegendere Problem in der Ambivalenz von ‚sein‘ als Kopula (wissend bzw. unwissend sein) und als existentielles ‚sein‘ (nicht sein = tot sein; Sprague 1962, 13). Man mag auch an den Fehler des a dicto secundum quid ad dictum simpliciter denken (‚etwas wissen‘ zu ‚wissen absolut‘; Palpacelli 2009, 128 Anm. 5). 283d8 völlig vernichtet wird | ἐξολωλέναι: In Dichtung findet sich der Ausdruck z. B. Hom. Od. 17, 597; Eur. Hip. 725; Aristoph. Pax 366; in Prosa aber nur hier im Euthydemos . Burnyeat (2002, 62 f.) erinnert daran, dass der ‚Tod‘ des Kleinias als Spiel mit der Vorstellung des Sokrates im Phaidon verstanden werden kann, wonach der Philosoph eine ‚Übung‘ im Sterben praktiziert. 283e1 wurde er unwillig | ἠγανάκτησεν: Unwillig zu werden über Situationen eines eristischen, aber auch elenktischen Gespräches, z. B.
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Kommentar
weil man sich unfair behandelt fühlt, ist Motiv und bisweilen sogar Thema von Gesprächen in Platons Dialogen (vgl. Ap. 37b; Phaed. 69de. 115e; Rp. 411c. 603d). Dabei macht Sokrates deutlich, dass dieser Unwille im elenktischen Gespräch nur dann berechtigt ist, wenn er nicht auf den Partner, sondern auf sich selbst gerichtet ist (vgl. Lach. 187e– 188c; Erler 2008a, bes. 31 ff.). Ktesippos’ Verärgerung charakterisiert hier seinen jugendlichen Übereifer (vgl. Euthyd. 273a8 f.), insofern er sich nicht auf sich, sondern auf den Partner richtet. 283e2 wenn es nicht zu unfein wäre | εἰ μὴ ἀγροικότερον: Zum Ausdruck vgl. Ap. 32d2; Gorg. 486c2; Aristoph. Nub. 646 (Tarrant 1946, 111). 283e3 Zum Teufel mit dir | σοὶ εἰς κεφαλήν: Zum Ausdruck (ἐς κεφαλὴν sc. τράποιτο; Kopf als Repräsentant des Menschen vgl. Hom. Il. 11, 55), der im Gebet das Floriansprinzip ausdrückt (Erler 2001a, bes. 161), vgl. Aristoph. Ach. 833; Pax 1063; Pl. 526. 650. 283e3 in den Sinn kommt | ὅτι μαθών: Zum Ausdruck vgl. Euthyd. 299a2; Ap. 36b; in der Komödie: Tarrant 1946, 110; vgl. auch K.-G. 2, 519 Anm. 6. Sophisma 4 (283e7–284a8): Es ist unmöglich zu lügen. Ktesippos tritt in die Diskussion ein und beschuldigt Dionysodoros der Lüge. Das greift Euthydemos auf, thematisiert nicht den konkreten Vorwurf, sondern wirft die prinzipielle Frage nach der Möglichkeit des Lügens auf. Ktesippos ist natürlich von der Möglichkeit überzeugt; Dionysodoros aber ‚weist nach‘, dass dies nicht der Fall ist. Denn das Lügen müsste etwas ausdrücken. Was man aber sagt, ist und ist damit wahr. Ein Widerspruch des Ktesippos wird von Euthydemos abgewiesen. Denn das, was nicht ist, ist auf absolute Weise nicht. Man kann nicht machen, was auf absolute Weise nicht ist. Da das Sprechen ein ‚Machen‘ ist, kann man Nichtseiendes nicht sagen. Mit der Frage ‚scheint es dir möglich zu sein, zu lügen?‘ (δοκεῖ σοι οἷόν τ᾽ εἶναι ψεύδεσθαι;) wird also ein weiteres Sophisma begonnen. Das Problem hat Platon auch später noch beschäftigt (Soph. 236e; Stemmer 1992, 106). Die Unmöglichkeit zu lügen soll sich ergeben, weil derjenige, der etwas sagt, etwas Reales sagt (ὄν λέγει), also etwas Wahres (284a5 f.). Demnach sind falsche Aussagen unmöglich, weil sie etwas sagen würden, das nicht ist. Denn das Νichtseiende ist nicht etwas, weshalb man keine Tätigkeit an ihm vornehmen kann – also auch nicht das Sagen
Erläuterungen
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(284bc). In den Dissoi logoi (fr. 90 4, 1 ff. Diels/Kranz) wird ebenfalls der Unterschied zwischen wahr und falsch bestritten. Es liegt eine fallacia contra amphiboliam vor (Aristot. S. E. 166a6 ff.). Gifford (29) verweist auf den doppelten Gebrauch von λέγειν τι: ‚etwas sagen‘ und ‚über etwas sprechen‘. Zu erinnern ist daran, dass im Griechisch Platons offenbar zwischen Gegenständen und Sachverhalten sprachlich nicht unterschieden wurde (K.-G. 2, 577 ff.). Anders als ‚kennen‘ (mit Objekt) und ‚erkennen (dass)‘ werden εἰδέναι und γιγνώσκειν beide mit direktem Objekt verbunden (vgl. Men. 94b Περικλέα […] οἶσθ᾽ ὅτι δύο ὑεῖς ἔθρεψε), so dass suggeriert wird, dass sich Erkennen immer auf Gegenstände richtet, nicht auf Sachverhalte. Wahrheit gilt als Objekt (vgl. Heitsch 1992, 135). Euthydemos macht sich auch die Ambiguität des Verbs ‚sein‘ zunutze. Es ist zu unterscheiden zwischen ‚sein‘ in einer absoluten (Hamlet: ‚to be or not to be‘) und einer unvollständigen Bedeutung (Kopula: ‚x ist ein Mann/eine Frau‘). Kahn (2009, 19–27; Kahn 1973, 331–370) hat darüber hinaus darauf aufmerksam gemacht, dass der absolute Gebrauch von ‚sein‘ nicht nur im Sinn von ‚existieren‘, sondern auch von ‚wahr sein‘, ‚der Fall sein‘ (veridikal) verwendet wird. Da Euthydemos’ und Dionysodoros’ Strategie auf Widerspruch beruht, kann das Sophisma als Selbstwiderlegung der eigenen Tätigkeit gelten (zur Argumentation Crombie 1964, 112 f.). Andererseits kann es als Selbstrechtfertigung der Eristiker verstanden werden. Man kann dann Eristikern wie Euthydemos nämlich keinen Vorwurf der Täuschung machen, wenn es wirklich keine Lüge gibt (Keulen 1971, 81). Das Wort ψεύδεσθαι hat im Griechischen nicht die moralische Konnotation wie ‚lügen‘ im Deutschen. 283e8 wenn ich nicht vollkommen verrückt bin | εἰ μὴ μαίνομαί γε: Zum Ausdruck vgl. Aristoph. Nub. 660; Th. 470. 284a1 Wenn er also einen Gegenstand anspricht | οὐκοῦν εἴπερ λέγει αὐτό: Diese Bemerkung unterstreicht, dass es hier um separate Gegenstände geht (πράγματα, vgl. 284a4); im Hintergrund steht Parmenides fr. 28 B 6, 1 ff. Diels/Kranz: χρὴ τὸ λέγειν τε νοεῖν τ᾽ ἐὸν ἔμμεναι und wohl die sprachliche Eigentümlichkeit des Griechischen, dass erkennen und kennen (εἰδέναι, γιγνώσκειν) beide mit direktem Objekt verbunden sind (engl. to know) und Konstruktionen wie Περικλέα […] οἶσθ᾽, ὅτι δύο ὑεῖς ἔθρεψε (Men. 94b; K.-G. 2, 577 ff.) erlaubt sind. Diese sprachliche Erscheinung suggeriert, dass Wissen sich nicht auf Sachverhalte, sondern nur auf Gegenstände richtet (Erler 1987a, 228; Sprague 1962, 14 ff.; Heitsch 1992, 135; Chance 1992, 243 Anm. 21).
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Kommentar
Sophisma 5 (284bc): Man kann nicht sagen, was nicht ist. Diese These ist vor und zur Zeit Platons von einigen vertreten worden (Denyer 1991, 24–45). Da das Reden ein Tun ist, kann man über Nichtseiendes nicht reden. Spricht man über einen Sachverhalt, macht man etwas mit diesem. Etwas machen aber kann man nur mit Tatsächlichem, also Realem (Kutschera 2002, 198). Freilich wendet Ktesippos mit Recht ein, dass man, wenn man etwas Falsches sagt, doch von dem, was ist, spricht, aber eben nicht so, wie dieses sich tatsächlich verhält (284c). Das alles erinnert an Sophisma 4, doch ist die Methode verschieden. Grundlage ist wieder ein existentielles Verständnis von ‚sein‘ (Dinge, die existieren; so versteht es Euthydemos). In letzterem Fall aber ist eine Verbindung von Sein und Nichtsein problematisch (Parmenides fr. 28 B 6, 1 ff. Diels/Kranz). Etwas tun kann man nur mit Dingen und realen Sachverhalten. In der Sophistik wurde das Verhältnis von λέγειν und πράττειν diskutiert (vgl. Guthrie, Bd. 3, 212–225; zur Stelle vgl. Festugière 1971, 283–314; zum Problem vgl. auch Soph. 236e– 246e, bes. 237d; Crat. 385b; vgl. dazu auch Schmitt 1973, 63 ff.). 284b2 sagt nicht, was ist | οὐ τὰ ὄντα λέγει: Ktesippos akzeptiert, dass Dionysodoros die Wahrheit sagt, wenn er sagt, was ist. Doch wird dies in diesem Fall bestritten: ὁ ταῦτα λέγων (b1) bezieht sich auf Dionysodoros, vgl. 284c5; Gifford, 30. 284b3 Die Dinge aber, die nicht sind | τὰ δὲ μὴ ὄντα: Euthydemos ändert Ktesippos’ Aussage οὐ τὰ ὄντα in τὰ μὴ ὄντα (Sprague 1993, 24 Anm. 33; vgl. Cherniss 1957, 19). 284b6 ff. etwas so macht, dass | πράξειεν . . . ὥστε καὶ εἶναι: Mit Hermann ist ὥστε καὶ εἶναι zu ergänzen (Gifford, 30; nicht erwähnt bei Burnet). Die Lesungen der Mss. (BW und T), die in verschiedener Weise Kleinias implizieren, müssen falsch sein, da Kleinias nicht zu denen gehört, von denen Ktesippos 283e3 spricht (Gifford, 30). καὶ εἶναι fügt sich in der Tat besser in die Stelle als ἐκεῖνα. Zur Athetese von τὰ μὴ ὄντα (Badham, Schanz, Méridier lesen ὥστ᾽ ἐκεῖνα) vgl. Hawtrey 1981, 100. Giffords Lesung ὥστε καὶ εἶναι ist plausibel und passt in den Kontext; vgl. Kahn 1973, 340 Anm. 12. 366 f. Anm. 39. 284c1 etwas tun, machen sie dann auch etwas | πράττουσι, καὶ ποιοῦσι: Zur Äquivokation von πράττειν und ποιεῖν vgl. Charm. 162e–163d; dort wird zwar prodikeische Wortunterscheidung abgelehnt,
Erläuterungen
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aber auf Probleme aufmerksam gemacht, was auch hier von Bedeutung ist. Zum Spiel von πράττειν und ποιεῖν vgl. Nelz 1911. 284c5 f. sondern wenn Dionysodoros spricht | ἀλλ᾽ εἴπερ λέγει Διονυσόδωρος: Zum Argument vgl. Crombie 1964, 112 f. (vgl. auch Crombie 1971, 486 ff.). Sprague (1993, 25 Αnm. 35) erinnert an Shakespeare, Αs you like it, I 1, 31–32: Oliver: „Now sir! What make you here?“ Orlando: „Nothing; I am not taught to make anything“. Vgl. Aristot. Top. 158a7–13; S. E. 174b8–11. 38–40; Kahn 2009, 16–40. Sophisma 6 (284c7–285a1): Man kann von den Dingen nicht so sprechen, wie sie sind. Das Sophisma entwickelt sich aus einer Behauptung des Ktesippos. Demnach sei es ein Unterschied, auf irgendeine Weise zu sagen, dass die Dinge sind, und zu sagen, wie die Dinge sind (ὡς ἔχει). Ehrenvolle Menschen sagen die Dinge so, wie sie sind, woraus sich ein Streit um das ‚wie‘ und dessen Möglichkeit entspinnt. Denn Euthydemos behauptet, man könne von den Dingen nicht so sprechen, wie sie sind oder sich verhalten. Sonst müsste man schlecht vom Schlechten oder kalt vom Kalten reden. Das Sophisma hängt sich an einen Einwand des Ktesippos, der ὡς ἔχει als Bezug zwischen Subjekt und Prädikat und τὰ ὄντα – anders als noch b2 – im Sinne von Existenz, nicht im Sinne von ‚ist wahr‘ versteht: „Aber er spricht von dem, was ist (τὰ ὄντα), in gewisser Weise (τρόπον τινά), nicht freilich so, wie es sich verhält (ὥς γε ἔχει).“ Dionysodor greift das auf (τὰ πράγματα für τὰ ὄντα, d1) und unterstellt, dass Ktesippos meine, ‚eine Eigenschaft (x) von einem Ding (y) aussagen‘ bedeute ‚auf eine Weise (x) von einem Ding (y) reden‘, z. B. kalt über Kaltes, statt ‚Kaltes ist kalt‘. Im weiteren Verlauf wird die Doppeldeutigkeit griechischer Ausdrücke wie κακῶς λέγειν genutzt (‚schlecht sprechen über etwas‘ oder ‚schlecht sprechen‘). Trotz aller Absurditäten der Argumentation bleibt bemerkenswert, dass der Vorwurf von Ktesippos, Euthydemos spreche von den Seienden auf gewisse Weise, aber nicht wie sie sich verhalten (τὰ ὄντα μὲν τρόπον τινὰ [. . .] οὐ μέντοι ὥς γε ἔχει), nicht widerlegt wird (Bonitz 1886, 106 Anm. 7a; Hawtrey 1981, 102), so dass die Betrachtung der Relation zwischen Subjekt und Prädikat dem Leser als – ernsthafte – Aufgabe bleibt. 284c8 nicht freilich so, wie es sich verhält | ὥς γε ἔχει: Offenbar versteht Ktesippos ὥς ἔχει im Sinne von ‚wahr‘, vgl. Soph. 263b4, λέγει δὲ αὐτῶν (τῶν λόγων) ὁ μὲν ἄλλως τὰ ὄντα ὥς ἐστιν περί σου.
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Kommentar
Vgl. Crat. 385b7 f. und Cornford 1935, 310: „popular definition“ (mit Blick auf die Euthydemos-Stelle), vgl. Hawtrey 1981, 102. 284d5 Schlecht also | κακῶς ἄρα: Das Adverb wird unangemessen zum Objekt gezogen; man mag an Aristoph. Th. 149 f. 168–170 erinnern, wo die Qualität der Aktion von der Qualität des Subjektes abhängig gemacht wird, was als wichtige hermeneutische Regel der Zeit angesehen werden darf, auf der biographische Interpretationen basieren: Man schloss aus den literarischen Produkten auf den Charakter der Produzenten (Arrighetti 1987, 148 ff.; Schorn 2004, 41 ff.). Bei allem Spielcharakter liegt also auch hier eine durchaus populäre und ernstgenommene Auffassung zugrunde. Aristophanes macht sie sich in den Fröschen zur Beurteilung von Aischylos und Euripides zunutze. Eine differenziertere Diskussion findet sich in Plat. Gorg. 476d2 (mit Dodds 1959, 251). 284d7 f. jedenfalls … von den schlechten Menschen | τοὺς γοῦν κακοὺς ἀνθρώπους: Dionysodor versucht offenbar mit Hilfe des Fehlers des secundum quid, insofern er den Zusatz des Objektes τὰ κακά (vgl. 284d6) fortlässt, die Aussage zu verallgemeinern: Dass die Guten schlecht reden (κακῶς λέγουσιν οἱ ἀγαθοί). Ktesippos aber reagiert auf den Versuch, indem er das Objekt zu Menschen ändert (τοὺς γοῦν ἀνθρώπους) und dadurch die Bedeutung zu ‚schlecht sprechen von‘ ändert (Hawtrey 1981, 103); vgl. Sokrates bei Diogenes Laertios: Als ihm jemand von einem erzählte, der schlecht von ihm – Sokrates – spreche (κακῶς λέγειν), antwortete er, dass diese Person nicht gelernt habe, gut zu sprechen (Diog. Laert. 2, 35 πρὸς τὸν εἰπόντα „κακῶς ὁ δεινά σε λέγει“ „καλῶς γάρ“, ἔφη, „λέγειν οὐκ ἔμαθε“). 284e4 f. Von den Kalten sprechen sie jedenfalls kalt | τοὺς γοῦν ψυχροὺς ψυχρῶς: Den unsinnigen Einwurf des Euthydemos (284e3), wonach die Guten von Großem groß und von Warmem warm reden, kontert Ktesippos scheinbar mit gleichem Unsinn: von Kaltem kalt reden. Doch wie oft verbirgt sich hier hinter spielerischem Unsinn vernünftiger Inhalt: Denn kalt oder frostig (ψυχρός) in metaphorischem Sinn wird in der Tat als Stilmerkmal z. B. bei einem Redner verwendet (vgl. Aristot. Rh. 1405b35 f. τὰ δὲ ψυχρά [. . .] κατὰ τὴν λέξιν; Rapp übersetzt ‚kalt‘ (ψυχρός) an der Stelle mit „abschreckend“, vgl. Rapp 2002, 134). Derlei an poetologischer Stilbeurteilung orientierte Wortwitze (vgl. dazu Walsdorff 1927; Hook 1917) spielen auch in der Komödie eine Rolle (vgl. Aristoph. Th. 170. 848; dazu Dover 1993, 21; Gaiser 1974). Ein Witz der Stelle liegt also darin, dass sich trotz des logischen
Erläuterungen
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Unsinns Sinn ergibt, wenn man ψυχρός als Ausdruck für Stil versteht. Auch μεγάλως wird in epischer Sprache in dem hier unterstellten Sinn verwendet (Erler 1987a, 199 Anm. 133). 284e6 du schimpfst | λοιδορῇ: Damit ist ein Regelbruch des eristischen Spiels verbunden. Vgl. Lach. 195a; Gorg. 417d; Rp. 500b3.
Zwischenspiel (285a2–d6): Kommentar des Sokrates Sokrates möchte die Wogen glätten. Er weist Ktesippos darauf hin, dass es nicht um Wortstreit gehen sollte, sondern dass Inhalte zählen (vgl. 278b). Wenn die beiden Eristiker Kleinias auf die Weise untergehen oder sterben lassen wollten, dass aus einem schlechten ein guter und weiser Mensch werde – und sie können das nach Sokrates’ Meinung sicherlich, da sie es behaupten –, dann sollten sie dies ruhig tun. Für den Fall, dass die jungen Leute Furcht hätten, bietet sich Sokrates als weiteres Opfer für Dionysodoros an. Schließlich sei er schon ein alter Mann und die Gefahr würde ihn wie einen ‚Karer‘ treffen, d. h. er wäre ein leichtes Objekt für einen solchen Test (s. u.). Er wolle sich Dionysodoros anvertrauen wie einer Medea in Kolchis. Das gleiche bekräftigt Ktesippos, der sich mit Marsyas vergleicht. Er wolle sich den Eristikern zur Häutung zur Verfügung stellen, wenn denn diese Häutung nicht in einem Schlauch, sondern in Tugend ende. Bemerkenswert sind in dieser kurzen Partie nicht nur die gelehrten literarischen Bilder, wie man sie in derartigen Zwischenspielen bei Platon häufiger findet (Tarrant 1948, 30; Hawtrey 1981, 33), sondern auch der Hinweis darauf, dass generell bei den Wortgefechten im Euthydemos auf Inhalte und nicht nur auf den Wortstreit zu achten ist (vgl. 278b Leitmotiv: Spiel und Ernst; Tarrant 1948, 30; Hawtrey 1981, 104 f.). 285a3 einen Scherz mit Ktesippos zu machen | προσέπαιζόν τε τὸν Κτήσιππον: Scherze bei Sokrates bergen ernsthaften Gehalt, den Sokrates vergeblich bei den Eristikern erwartet. Die Eristiker hingegen erwarten nur Oberflächliches (vgl. 283b6. 283b10; Scherz und zu Unrecht erwarteter Ernst bei Eristikern: vgl. 275d. 278c. 283b. 288b. 293a. 294b). 285a5 sollten akzeptieren | δέχεσθαι: Möglicherweise ein Sprichwort, vgl. Gorg. 499c4 f.; Hdt. 9, 111: τὰ διδόμενα δέκεσθαι (Gifford, 31; Dalfen 2004, 397 zu Gorg. 499c).
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Kommentar
285b4 Kunst, die sie jüngst entdeckten | τέχνην . . . τὴν νεωστὶ ηὑρημένην: Die Sophisten verstanden sich als Innovatoren. Demgegenüber betont Platons Sokrates oft, dass er Wissen von anderen habe (Erler 2003a); im Platonismus gibt es dann häufig den Rekurs auf ‚altes Wissen‘ (Baltes 1999). 285c1 wie mit dem Karer | ὥσπερ ἐν Καρὶ: Gemeint ist, man soll etwas Gefährliches erst bei einem leicht verfügbaren Objekt wie einem karischen Sklaven oder Söldner (so Snodgrass bei Sprague 1993, 26 Anm. 38) versuchen. Vgl. Crat. PCG 4 fr. 18 Kassel/Austin; Eur. Cycl. 654; Schol. in Lach. 12 p. 177 Cufalo; zu Karern vgl. auch Hom. Il. 9, 378. Zur Idee der Gefahr im dialektischen Kontext s. Leg. 890a–891e (Canto 1987, 140 f. m. Anm. 112). 285c2 f. wie der Medea in Kolchis | ὥσπερ τῇ Μηδείᾳ τῇ Κόλχῳ: Anspielung auf die z. B. in Eur. Med. 484 ff. (vgl. Ov. Met. 7, 164–349) überlieferte Geschichte, nach der Medea einen alten Bock ‚jung‘ kochte, um Pelias’ Töchter zu überzeugen, ihren Vater Pelias ebenfalls von ihr ‚jung‘ kochen zu lassen; Thema wohl auch der Peliaden des Euripides. Die Stelle ist wohl in Zusammenhang mit anderen im Euthydemos zu sehen (275a. 278c. 283b. 288b), wo erwartet wird, dass die Eristiker einmal mit dem eigentlichen Ernst ihres Tuns herausrücken werden (Erler 1987a, 230). 285c5 ja wenn [aber anderes] | εἰ δ᾽, ὅτι: Als Ergänzung der Ellipse nach δέ schlägt Gifford βούλεται unter Hinweis auf Parallelen vor, die aber nicht recht zu passen scheinen: Man möchte lieber mit Stephanus ἄλλο τι ergänzen, vgl. Hawtrey 1981, 105. 285c9 f. wenn mir die Schinderei nur nicht in einem Schlauch endet, wie bei Marsyas | εἴ μοι ἡ δορὰ μὴ εἰς ἀσκὸν τελευτήσει, ὥσπερ ἡ τοῦ Μαρσύου: Sokrates und Ktesippos liefern sich den ‚Lehrern‘ aus wie Strepsiades in den Wolken. Die Stelle erinnert in der Tat an Aristoph. Nub. 439–442, wo Strepsiades damit spielt, ‚zu Würsten zerhackt‘ zu werden, aber durch Belehrung doch gerettet werden möchte. Dover (1968, 156) sieht hier ein Echo von Nub. 439 ff.; zu Marsyas, der von Apollon geschunden bzw. gehäutet wurde, vgl. Hdt. 7, 26; Ov. Met. 6, 383–400.
Erläuterungen
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Sophisma 7 (285d7–286b6): Widerspruch ist unmöglich. Ktesippos verleiht in einem Interludium der Hoffnung Ausdruck, dass es ihm im Gespräch nicht gehen solle wie Marsyas, der gehäutet wurde (285b). Er hatte gesagt, dass man Widerspruch nicht als Beleidigung ansehen solle, weil diese etwas anderes sei als Widerspruch. Dionysodoros hängt sich an derartige Bemerkungen an und zeigt, dass es Widerspruch nicht gebe, weil man nicht sagen könne, was nicht ist. Deshalb könne man nicht widersprechen, sei es, dass man von derselben Sache, sei es, dass man von unterschiedlichen Dingen spreche, sei es, dass einer spreche und einer schweige. Die Streitrunde erwächst wiederum aus einer eher beiläufigen Bemerkung, hier des Ktesippos, der dem widersprechen will, was ihm an Dionysodoros’ Meinung (285d3 ἀντιλέγω) nicht gut scheint. Auch wenn Dionysodoros ihm darüber gram sei, so bedeute es doch keine Schmähung (λοιδορεῖν), wenn er widerspreche. Zwischen Widerspruch und Schmähung bestehe doch ein Unterschied (285d5). Eben diese Behauptung ist für Dionysodoros Anlass für die provozierende Frage, ob und warum Ktesippos denn überhaupt annehme, dass es das Widersprechen gebe. Dionysodoros rekurriert zum Beweis, dass Widerspruch existiert, auf Ktesippos’ Widerspruch gegen Dionysodoros. Die Diskussion handelt kurz über die Frage, wie man Dinge beschreibt, die existieren – man sagt nicht, was nicht existiert (vgl. 284c). Dann spielt Dionysodoros die Optionen durch: beide sagen dasselbe, jeder sagt etwas anderes, nur einer besagt, was ist. In keinem Fall gebe es einen Widerspruch – was Ktesippos sprachlos lässt (286b7), weshalb er nach den ‚Regeln‘ des Streitgespräches verloren hat. Sokrates erinnert sich, diese Argumentation schon zuvor von vielen (u. a. Protagoras) gehört zu haben. Bei der Argumentation des Dionysodoros spielt nicht zuletzt eine Äquivokation eine Rolle: Ktesippos meint, dass es λόγοι gibt, die wahr sind, weil sie sagen, wie die Dinge sind (vgl. 284c: ὡς ἔχει). Dionysodoros hingegen will den Ausdruck im Sinne von ‚dass sie sind‘ verstehen (285e9 ff.). Die Frage ist also, ob man jedem Ding einen Logos oder mehrere zubilligt, etwa in dem Sinn, wie es Aristoteles tut, wenn er behauptet, es gebe einen Logos für jedes Ding, der dessen Wesen betrifft, und es gebe mehrere in dem Sinn, dass eine Sache und die Sache verbunden mit einem Attribut in gewisser Weise dieselbe Sache sind (Aristot. Metaph. 1024b29 ff. ἑκάστου δὲ λόγος ἔστι μὲν ὡς εἷς, ὁ τοῦ τί ἦν εἶναι, ἔστι δ᾽ ὡς πολλοί, ἐπεὶ ταὐτό πως αὐτὸ καὶ αὐτὸ πεπονθός; vgl. Hawtrey 1981, 107). Der Übergang vom Plural λόγοι 285e9 zum Singular 286a5 zeigt, dass Platon sich des Problems bewusst ist. Die Stelle macht deutlich, dass die Eristik eine einwertige Logik voraussetzt,
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wonach jeder Satz, der etwas bedeutet, wahr ist und wer nichts Wahres sagt, nichts sagt, so dass kein Widerspruch möglich ist (286a). Die Eristik stellt also die Möglichkeit des Widerspruches (ἀντιλέγειν) infrage. Denn ansonsten müsste einer von zweien, die sich widersprechen, Falsches sagen. Es war aber schon gezeigt worden (4. Sophisma: 283e7– 284a8), dass dies unmöglich ist. Freilich heben die Eristiker mit dieser These die Grundlage jedes Gespräches und Dialoges auf, vor allem aber ihrer eigenen Streitkunst, deren Wesen gerade im Widerspruch besteht. Platon führt in ihrem Verhalten also einen ‚performativen‘ Widerspruch vor (Damschen 1999; Cürsgen 2004, 28), insofern sie den Sprechakt (‚Widersprechen‘) in Widerspruch zum Inhalt des Gesagten bringen. Die Leugnung der Möglichkeit des Widerspruches (wie auch der Falschheit) macht die Suche nach Wahrheit unmöglich, da Irrtum nicht mehr möglich ist. Für Aristoteles ist dieses Problem ein besonders typisches Beispiel für eine dialektische These (Aristot. Top. 104b19–21; zum Satz des Widerspruchs vgl. Keulen 1971, 81 ff.; Schmitt 1973, 64 ff.). Die Begründung wird nicht nur durch die Diskussion im Euthydemos, sondern z. B. auch durch Bemerkungen bei Aristoteles deutlich: Jedes Ding hat demnach nur einen zugehörigen Logos (gemeint ist wohl ‚Definition‘), gerade dann aber kann es keinen Widerspruch geben. Denn entweder man benutzt den zugehörigen Logos – dann besteht Übereinstimmung – oder einen anderen – dann trifft er die Sache nicht und eine Verständigung ist nicht möglich (vgl. 286a; Aristot. Metaph. 1024b32–4). Dann ist ein Widerspruch nur im landläufigen, nicht im konkreten Sinne gegeben, denn beide Gesprächspartner sprechen von verschiedenen Sachen. Wenn keiner von zwei Gesprächspartnern den zugehörigen Logos benutzt (286ab), tritt ebenfalls kein Widerspruch auf. Wenn schließlich der eine den zugehörigen Logos nutzt, der andere nicht (286b3–4), ist ebenfalls keine Basis für einen Widerspruch vorhanden (Keulen 1971, 81 ff.; Erler 1987a, 230 f.). Es geht also darum, dass Sokrates die mit der eristischen Behauptung verbundene einwertige Logik (Cürsgen 2004, 28) widerlegt, um weiter seine eigene philosophische Elenktik praktizieren zu können. Viel spricht dafür, dass ein Hintergrund der Diskussionen die These des Antisthenes ist (Castagnoli 2010, 33), wonach Widerspruch nicht möglich ist (vgl. Aristot. Top. 104b20 f.; Metaph. 1024b32 ff.; Diog. Laert. 3, 35; dazu Döring 1998, 273; s. Einleitung Kapitel 9. 3), die schon zuvor Protagoras (vgl. 286c1–3 = fr. 80 A 19 Diels/Kranz; Keulen 1971, 82–96) und Prodikos (Xen. Symp. 4, 61 f.; Binder/Liesenborghs 1966) vertreten haben sollen. Bei Antisthenes wird die These von der Unmöglichkeit des Widerspruches offenbar als Waffe gegen die These gebraucht, dass es einen zugehörigen Logos zu jeder Sache gebe, der das Wesen der Sache bezeichne (Rekonstruk-
Erläuterungen
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tion des Gedankenganges bei Antisthenes: Döring 1998, 273 f.). Antisthenes will mit seiner These vielleicht keine positive Theorie anbieten, sondern die Theorie problematisieren, dass es einen solchen zugehörigen Logos (oἰκεῖος λόγος, Definition) für eine Sache überhaupt gibt. Wenn es so wäre, würden zwei Personen, die über dieselbe Sache sprechen, denselben Logos brauchen. Dann aber gäbe es keinen Widerspruch. Antisthenes empfiehlt ein vergleichendes, annäherndes Verfahren, z. B. durch Wortuntersuchungen (Arr. EpictD. 1, 17,12 = SSR 2 fr. 5 A 160, 6–7 Giannantoni; dazu Döring 1998, 273). Auch wenn die Widerlegung des Ktesippos etwas anders gelagert ist, zeigt dies doch, dass Dionysodoros’ These eine argumentative Tradition aufgreift und sie für sein eristisches Spiel funktionalisiert. 285e3 f. Du wirst … nicht beweisen können | οὔκουν σύ γ᾽ ἄν . . . ἀποδείξαις: Offenbar hat Dionysodoros ein anderes Sophisma in der Tasche; aber Ktesippos reagiert falsch, indem er zustimmt (Hawtrey 1981, 107). 285e5 Du hast Recht | ἀληθῆ λέγεις: Als Frage verstanden von Burnet, wohl unnötigerweise, vgl. Gifford, 33; Hawtrey 1981, 107; Ktesippos gibt zu, dass er nicht beweisen kann, dass er es gehört hat – er selbst weiß aber, dass er es gehört hat. 285e5 f. Aber wir wollen jetzt hören, ob ich es dir beweisen kann, wenn Ktesippos dem Dionysodoros widerspricht | ἀλλὰ ἀκούωμεν νῦν εἴ σοι ἀποδείκνυμι ἀντιλέγοντος Κτησίππου Διονυσοδώρῳ: Die Übersetzung folgt T und Gifford (vgl. auch Hawtrey 1981, 108). Burnet folgt Badhams ἀκούων μὲν νυνί (wozu vgl. Gifford 1903,
ad loc.). Doch Ktesippos hatte eben (285e5) zugegeben, er könne nicht beweisen, dass er gehört hat; eben das impliziert aber Badhams ansonsten attraktiver Vorschlag ἀκούων μὲν νυνί σοι ἀποδείκνυμι. 285e7 Rede stehen | ὑπόσχοις: In diesem Sinn vgl. Plat. Gorg. 465a; Aristot. Rh. 1354a5; Metaph. 1011a22; Xen. Mem. 4, 4,9. 286a1 erinnerst | μέμνησαι: Vgl. 284c2 f. 286a5 eine Bestimmung derselben Sache | τοῦ αὐτοῦ πράγματος λόγον: Mit Heindorf ist (gegen BT) der Artikel zu ergänzen (vgl. 285e9): Grundlage der Diskussion ist ja, dass jede Sache (πρᾶγμα) nur eine Bestimmung (οἰκεῖος λόγος) hat (Gifford, 34; anders Hawtrey 1981, 108). Wenn beide Partner dasselbe über dieselbe
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Sache sagen, gibt es keinen Widerspruch (zur Frage vgl. Theaet. 200b. 208c). Unberücksichtigt bleibt der Fall, dass Dionysodoros die Bestimmung einer Sache sagt, Ktesippos eine andere derselben Sache (Sprague 1993, 28 Anm. 44). Man mag hier eine Anspielung auf den Kratylos erkennen, wo davon die Rede ist, dass derjenige, der ein unkorrektes Wort benutzt, gleichsam einen Bronzetopf schlägt, d. h. nichts sagt (Crat. 430a4 f.; Hawtrey 1981, 108). 286b6 Wie aber könnte . . . widersprechen | πῶς ἀντιλέγοι: Gifford (34) ergänzt für den Potentialis ἄν; freilich erinnert De Vries (1972, 47; vgl. De Vries 1969, 91 f.) an die Möglichkeit eines Potentialis ohne ἄν. 286b7 Da verfiel Ktesippos in Schweigen | ὁ μὲν Κτήσιππος ἐσίγησεν: Ktesippos verfällt in Schweigen und Sokrates übernimmt die Führung des Gespräches. Mit dem Schweigen wird nach der Regel des eristischen Spiels eine ‚Niederlage‘ signalisiert (Erler 1986; s. Einleitung Kapitel 10). Sokrates’ Kommentar im Euthydemos führt die These auf, dass es unmöglich ist, Falsches zu sagen oder zu denken (286c–287d), was an Sophisma 4 anschließt: Es ist unmöglich zu lügen (283e7– 284a8). Der Satz, dass man nichts Falsches sagen kann, wird „radikalisiert“ (Cürsgen 2004, 30), insofern nun als Alternative entweder (das Wahre) gesprochen wird oder nicht gesprochen wird. Damit schließt der Satz mögliche Aussagen wie Bitte, Vermutung usw. aus (Crat. 385bc. 386d; Theaet. 187d; Soph. 240e). Es bleiben Wissen, wahres Sprechen und Nichtsprechen (Cürsgen 2004, 30). Die Lösung bietet Platon in der Politeia (z. B. 477a), wonach es ein Mittleres zwischen Sein und Nichtsein und zwischen Erkenntnis und Nicht-Erkenntnis gibt: die Meinung, zu der Werden, Lüge und Widerspruch gehören (Erler 1987a, 234). 286c2 Anhänger des Protagoras | οἱ ἀμφὶ Πρωταγόραν: Vgl. dazu z. B. Plat. Theaet. 160cd. Man hat hier an Protagoras selbst gedacht (Κeulen 1971, 84); doch Protagoras akzeptiert, dass es zwei Logoi über alles gibt (Plat. Theaet. 151e. 160b9) und hat Ἀντιλογίαι verfasst, was doch die Möglichkeit eines Widerspruches voraussetzt; Palpacelli (2009, 142 Anm. 11) verweist auf den Ausdruck οἱ ἀμφὶ Πρωταγόραν, doch kann dieser Ausdruck durchaus Protagoras selbst meinen (zur analogen Wendung οἱ περί vgl. Radt 1980. Radt 1988a. Radt 1988b). Sokrates will hier offenbar zur Rettung des Ktesippos und gegen Dionysodoros einfach einwerfen, dass sein Argument gegen die Möglichkeit des ‚Widerspruches‘ alt und im Grunde gleich mit dem gegen die Möglichkeit ‚Falsches zu sagen‘ ist, das in der Tat mit Protagoras’ Position verbunden wird (Gillespie 1913, 487; vgl. Hawtrey 1981, 109).
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286c3 noch ältere | οἱ ἔτι παλαιότεροι: Man wird an Parmenides und die Eleaten, vor allem auch an die Herakliteer denken, mit denen Protagoras verbunden wird, vgl. Plat. Theaet. 151e. 160d; zu Protagoras vgl. Theaet. 152a–172b. 160c. 171c. Beide, Heraklit und Parmenides, haben nach Platon kein Kriterium der Wahrheit. 286c4 sich selbst umwirft | ἀνατρέπων καὶ αὐτὸς αὑτόν: Das καὶ ist hier epexegetisch (Castagnoli 2010, 33 Anm. 7). Der Ausdruck ‚hebt sich selbst auf‘ stammt aus der Ringersprache (vgl. 277d1. 278b. 288a3 f.) und erinnert an Protagoras und den Vorwurf der Selbstwiderlegung im Zusammenhang mit der Diskussion über Protagoras im Theaitetos (Burnyeat 1976a; Burnyeat 1976b). Die Frage, warum es zum Selbstwiderspruch kommt, ist umstritten (Sprague 1962, 19 zielt eher auf pragmatische Inkonsistenz; anders Hawtrey 1981, 109; Castagnoli 2010, 37). 286c5 die Wahrheit | τὴν ἀλήθειαν: Möglicherweise soll der Leser an Protagoras’ Buch Ἀλήθεια denken (Winckelmann, 59). 286c7 f. Vielmehr . . . oder dass sie überhaupt nicht spricht | ἀλλ᾽ ἢ . . . μὴ λέγειν: Vgl. 286bc, wo bestritten wurde, dass man τὰ μὴ ὄντα sagen kann; man erinnert sich an Parmenides fr. 28 B 6, 1 Diels/Kranz, aber auch an den griechischen Ausdruck οὐδὲν λέγειν für ‚Unsinn reden‘ (Hawtrey 1981, 111). Sokrates nimmt die These der Eristiker von der Unmöglichkeit falscher Aussagen als Hypothese an und weist auf die Konsequenzen hin, um zu beweisen, dass es zu Widersprüchen kommt. Dabei argumentiert Sokrates wie in aporetischen Dialogen: Er akzeptiert die These des Partners vorläufig und zeigt dann, dass es zu Widersprüchen bei ebenfalls von dem Partner akzeptierten Folgerungen kommt. 286d1 Ist es also zwar nicht möglich zu sagen, was nicht gilt | πότερον οὖν ψευδῆ μὲν λέγειν οὐκ ἔστι: Sokrates übernimmt die Argumentation. Wenn es freilich keine falsche Aussage gibt, gibt es keine falsche Meinung und kein Unwissen, also keine Widerlegung und somit keine Belehrung z. B. durch die Sophisten (vgl. die gleiche conclusio im ersten eristischen Gespräch [277ab]). Zur Problematik der falschen Meinung vgl. Prot. 358c4. 286d11 wegen des Argumentes | λόγου ἕνεκα: Dieses gesprächstaktische Zugeständnis macht Sokrates auch sonst in den Dialogen bisweilen, z. B. Charm. 169d2, vgl. Erler 1996, 28 f.; Erler 1987a, 78 ff. Vgl.
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Dionysodoros’ Frage zu Beginn der Szene, ob Sokrates Kleinias wirklich weise machen möchte (283b4–7); ihm wird unterstellt, er betreibe nur ein Spiel (Sermamoglou 2014, 81). Sokrates insistiert jedoch auf einer inhaltlichen Prüfung (286e1). 286d12 f. dass kein Mensch dumm ist | οὐδεὶς εἶναι ἀμαθὴς ἀνθρώπων: Sokrates geht sonst von graduellen Unterschieden bei Dummheit aus, vgl. Crat. 386ad; vgl. auch Phaed. 93b–94b. 286e1 widerlege mich doch | ἔλεγξον: Mit seiner Aufforderung, ihn zu widerlegen, ist Dionysodoros in der Falle. Denn wenn es nichts Falsches gibt – wie er behauptet – gibt es auch keine Widerlegung, wie Sokrates zu Recht betont (286e6; Erler 1987a, 231). Seine Bitte beinhaltet aber, dass es nicht unmöglich ist, Falsches zu sagen, was zuvor bestritten worden war (286c6 f.; vgl. Crat. 429d1 ff., welche Stelle insgesamt an die Euthydemos-Stelle erinnert; vgl. Hawtrey 1981, 110 f.). Somit begibt sich Dionysodoros in einen performativen Widerspruch zu seiner eigenen These. 286e2 überhaupt möglich zu widerlegen | ἦ καὶ ἔστι . . . ἐξελέγξαι: Dies zeigt, dass nicht nur Sieg oder Niederlage in dieser Streitrunde, sondern mehr auf dem Spiel steht. Denn die Widerlegungskunst ist Merkmal der Sophisten, aber auch des Sokrates. Beider πρᾶγμα aber ist auf Grundlage der Thesen der Eristiker unmöglich (286c3). 286e4 Das ist nicht möglich, sagte Euthydemos | οὐκ ἔστιν, ἔφη ὁ Εὐθύδημος: Wie kann es ein Widerlegen geben, wenn es nichts Falsches gibt? Dionysodoros stutzt offenbar – Euthydemos springt ein und will seinen Partner retten, indem er an die These erinnert, dass Falsches nicht möglich ist (vgl. Aristoteles zum Elenchos S. E. 165a2 f.). Das ist Vorlage für eine Verteidigungsstrategie: Wenn es keine Widerlegung gibt, kann man dazu auch nicht auffordern. 286e5 ff. Also habe ich, sagte Dionysodoros, eben auch nicht aufgefordert zu widerlegen? Denn wie könnte einer jemanden zu etwas auffordern, was es nicht gibt? | οὐδ᾽ ἄρα ἐκέλευον, ἔφη, ἐγὼ νυνδή, ὁ Διονυσόδωρος, ἐξελέγξαι; τὸ γὰρ μὴ ὂν πῶς ἄν τις κελεύσαι: Der Text ist umstritten. BT überliefern: οὐδ᾽ ἄρα ἐκέλευον, ἔφη, ἐγὼ νῦν δὴ ὁ Διονυσόδωρος (ὁ om. B) ἐξελέγξαι. τὸ γὰρ μὴ ὂν πῶς ἄν τις κελεῦσαι (so Bekker, Stallbaum, Winckelmann). Herrmann (1851–53) freilich ändert BTs ἐκέλευον, ἔφη zu ἐκέλευεν, ἔφην, was Burnet, Méridier, Hawtrey (1981, 112) überneh-
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men gegen BT (T om. οὐδὲ κελεύει ὅτι, dem folgt Wilamowitz 1919, Bd. 2, 368 f.); Gifford hält die Überlieferung unter Hinweis auf 287b2. 289c8. 297a. Freilich ändert er (dazu Neitzel 1984) 286e7 οὐδὲ κελεύεις ὅτι zu σὺ δ᾽ ἐκέλευες; ὅτι W in marg. Auch Hermann, Burnet, Méridier; Gifford ändert zu Imperfekt ἐκέλευες. Hermanns Konjektur verlangt einen unwahrscheinlichen Personenwechsel nach ἐξελέγξαι (e6; s. Neitzel 1984, 374). Gifford verwirft sie zu Recht. Freilich bleibt nach κελεῦσαι ein Problem auch bei Änderung zu σύ (dazu Neitzel 1984, 374). Neitzels Vorschlag ist ansprechend: Demnach reagiert Sokrates mit einer ungläubigen Frage auf Dionysodoros’ Behauptung, er habe Sokrates nicht zu einer Widerlegung seiner These, es gebe kein Unwissen, aufgefordert: ‚Du hast mich nicht aufgefordert?‘ (e7 οὐδ᾽ ἐκέλευες;). Neitzel verweist auf die Dialogpraxis (Wiederholung von Fragen) besonders in der Komödie, z. B. bei Aristophanes Eq. 1073; Ve. 48. 144 ff. (weitere Stellen bei Neitzel 1984, 375 Anm. 8). Daran schließt sich mit elliptischem ‚ich frage, weil‘ der ὅτι-Satz an. ‚Du hast nicht aufgefordert? [Ich frage] weil […].‘ 286e9 nur plump denke | παχέως πῶς ἐννοῶ: Vgl. Pol. 294e1. 295a5. 286e10 eine allzu törichte Frage stellen | φορτικώτερόν τι ἐρήσομαι: Vgl. 287a6; oft bei Aristophanes; bei Platon offenbar zuerst in Prosa, vgl. Ap. 32a; Phaedr. 256b7; Gorg. 482e3; Rp. 442e. 581d. 287a8 f. als Lehrer wofür seid ihr hierhergekommen? | τίνος διδάσκαλοι ἥκετε: Sokrates führt eine weitere Attacke aus: Wenn es keine Unwissenheit gibt, keine Fehler in Handeln und Reden, was wollen die beiden Eristiker, die sich als Lehrer gerieren, denn lehren (287ab)? Ihr Anspruch, Lehrer zu sein, steht im Widerspruch zu ihrer These οὐκ ἔστιν ἀντιλέγειν und dem, was mit ihr zusammenhängt. Denn zu lehren beinhaltet Widersprechen und Befreien von Unwissen. Doch die Eristiker lassen sich auf Sokrates’ Argument (wieder) nicht ein und kritisieren, dass er sich auf zurückliegende Argumente beziehe (d.h ihren Anspruch, Lehrer zu sein), weil er offenbar nicht fähig sei, mit ihren gegenwärtigen Argumenten umzugehen (287b2–5). 287a9 eben | ἄρτι: Vgl. 273d8. 274a. Zur Frage, wie man dann Lehrer sein kann, vgl. die ganz ähnliche Argumentation in Theaet. 161d f. (vgl. Gifford [37] der daraus allerdings fälschlich schließt, dass der Euthydemos später sei als der Theaitetos). Der Hinweis deutet auch die Frage
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Kommentar
an, ob Zeit bei der Beurteilung von Aussagen eine Rolle spielt, vgl. Men. 89c; Theaet. 158d; Chance 1992, 247 Anm. 64. 287b3 so ein alter Kronos | Κρόνος: Vgl. 295c11, Aristoph. Nub. 929. 398; Pl. 581. 287c1 f. was sonst der Satz … meint | τί . . . νοεῖ τοῦτο τὸ ῥῆμα: Dionysodoros tadelt im Folgenden Sokrates’ Ausdrucksweise und hängt ein Sophisma an (287d ff.), wonach jedes νοεῖν die Existenz einer Seele voraussetze. Doch ist der Ausdruck keineswegs so ungewöhnlich wie Dionysodoros tut, vgl. Aristoph. Nub. 1186; Pl. 55, dazu Classen 1959, 117. 287c3 Aber zumindest mit dem . . . ist es nicht sehr schwer umzugehen | τούτῳ γ᾽ οὐ πάνυ χαλεπὸν χρῆσθαι: τούτῳ τῷ πάνυ χαλεπὸν χρῆσθαι ist von Burnet ohne guten Grund und zum Nachteil des Sinnes getilgt; freilich ist Badhams γ᾽ οὐ für τῷ eine Verbesserung (Schanz, Gifford, Hawtrey 1981, 114) und ist auch τοῦτο τό (Bekker, Stallbaum nach der Aldina) vorzuziehen. Offenbar sieht Dionysodoros in Sokrates’ νοεῖ (287c1) einen Aufhänger für ein weiteres Sophisma. 287d1 wann man antworten muss und wann nicht | ὅτε δεῖ ἀποκρίνασθαι καὶ ὅτε μή: Dieses Lob des Sokrates ist ironisch, denn zu wissen, wann man sprechen soll und wann nicht, wird im Phaidros als Grundlage der von ihm vertretenen philosophischen Rhetorik und als Merkmal des Philosophen angesehen (275de), der sich darin u. a. von geschriebenen Texten unterscheidet (Erler 1987a, 29). 287d3 du redest Unsinn | λαλεῖς: Aristoteles sieht in einem derartigen Gerede (ἀδολεσχία) eine eristische Strategie, die auf Sieg im Gespräch aus ist (S. E. 165b15 ff. 173a32 ff.) Die Imperative des Eristikers (gehorche! [πείθου], antworte! [ἀποκρίνου]: 287d3 f.) und das Wort ἄρχειν in diesem Zusammenhang sind bezeichnend. Denn sie lassen einen Wunsch nach Dominanz im Gespräch erkennen, der in dieser Offenheit und Form sokratischer Gesprächsführung widerspricht. Sokrates freilich beherrscht sein Gespräch durchaus; freilich ist er bereit, dabei immer Vorgaben und Rückfragen der Partner zu berücksichtigen (vgl. 278c4 ὑφηγήσομαι; s. Einleitung Kapitel 10 und Erler 1986). 287d3 f. gehorche und antworte | πείθου καὶ ἀποκρίνου: Vgl. 287d5. Derartige Befehle sind typisch für eristische Gesprächshaltung, die auf Herrschaft im argumentierenden Gespräch aus ist: Auch Sokra-
Erläuterungen
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tes leitet das Gespräch, ist aber auf diesem Weg bereit, dem Partner zu folgen, wohin dieser ihn führt (vgl. [Plat.] Alc. 2 113a; Erler 1987a, 230 ff. 268 ff.). Sophisma 8 (287d7–e1): Aussagen besagen nichts. Aussagen besagen nichts. Denn sagen kann nur etwas, was eine Seele hat. Aussagen aber haben keine Seele (Kutschera 2002, 199). Sokrates fragte nach der Bedeutung (τί νοεῖ) der Aussage ‚dass ich nichts mit der Rede anfangen kann‘ (287c1 f.). An das Wort νοεῖν hängt sich Sophisma 8 an. Es beruht auf der Doppeldeutigkeit von νοεῖν; das Wort kann im Zusammenhang mit Aussagen ‚bedeuten‘, bei Menschen aber ‚bemerken, denken, annehmen‘ meinen. Wie auch die anderen Sophismen ist dieses Sophisma als Doppelfrage konstruiert und gewinnt seine Schlagkraft durch die scheinbare Spontanität, mit der es in Anknüpfung an eine beiläufige Bemerkung des Dionysodoros vorgeführt wird – es lebt ‚vom Augenblick‘ und der Pointe wie viele Sophismen der Eristiker (s. Einleitung Kapitel 10). 287d7 f. Meinen Dinge, die etwas meinen, insofern sie eine Seele haben | πότερον οὖν ψυχὴν ἔχοντα νοεῖ τὰ νοοῦντα: Es geht hier um die Homonymie von νοεῖν im Sinne von ‚bedeuten‘ und im Sinne von ‚bemerken, denken, annehmen‘. In 287c1 benutzte Sokrates das Wort νοεῖν, um von der Bedeutung einer Phrase zu sprechen (τί σοι ἄλλο νοεῖ τοῦτο τὸ ῥῆμα). Nun sucht Dionysodoros ein catchword für ein neues eristisches Kunststück, in das er Sokrates verwickeln will, und findet es in dem Wort νοεῖν. Er bildet ein Substantiv (τὰ νοοῦντα), dem die Bedeutung ‚bemerken, denken, annehmen‘ zugrunde liegt; seine Nachfrage, was hierzu imstande ist, provoziert die Antwort, dass nur lebendige Dinge dies können. Indem sich Dionysodoros dann aber auf die Stelle 287c1 bezieht, wo davon die Rede ist, dass eine Phrase νοεῖ, versteht er νοεῖν als ‚bedeuten‘, was für das Wort ‚Phrase‘ (ῥῆμα) passt, aber nicht zu der zuvor aufgestellten Annahme, dass es sich dabei um etwas Lebendiges handeln muss: Eine Phrase ist demnach nicht in der Lage zum νοεῖν, kann also gar nichts ‚bedeuten‘ – Sokrates ist in der Klemme. Die Übersetzung von νοεῖν mit ‚meinen‘ ist ein Versuch, die Doppeldeutigkeit des Griechischen ins Deutsche zu übertragen, insofern ‚meinen‘ ähnlich wie νοεῖν sowohl ‚bedeuten‘ als auch ‚annehmen, erwägen, urteilen‘ heißen kann, so dass auch der kognitive Aspekt von νοεῖν zum Ausdruck kommt und sich der Argumentationsgang im Dialog nachvollziehen lässt.
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Kommentar
287d10 Wort | ῥῆμα: Das Wort meint hier eine bestimmte Gruppe von Worten, vgl. Crat. 399b1, kann aber durchaus in anderem Kontext ‚Verb‘ meinen (Crat. 425a2), vgl. Hawtrey 1981, 115. 287e2 aus Dummheit | διὰ τὴν βλακείαν: Das Wort ist bei Platon zuerst bezeugt, vgl. βλακικός Rp. 432d; Leg. 637e. 288a3 dieses Argument | οὗτος μὲν ὁ λόγος: Vielleicht ist das Argument gegen falsche Aussage und Widerspruch gemeint (Hawtrey 1981, 116). Vgl. 286b f. 288a4 in der alten Zeit | τὸ παλαιόν: Zum Ausdruck vgl. Hdt. 1, 171; Plat. Crat. 401c. Was mit ‚Vergangenheit‘ gemeint ist, ist unklar. Der Satz weist zurück auf 286c. Man hat vermutet, dass der Ausdruck τὸ παλαιόν auf ein Sprichwort verweist oder im Sinne von ‚wie man so im Ringerjargon sagt‘ zu verstehen ist, wofür Belege fehlen. Man kann aber an ein Wortspiel von παλαιόν und τὸ παλαιόν denken (Castagnoli 2010, 33 f. und Anm. 10). 288a4 selbst zu fallen, wenn es andere umwirft | καταβαλὼν πίπτειν: Vgl. 277d. 286c. Der Ausdruck erinnert an die Ringersprache, vielleicht auch an Protagoras’ Schrift Aletheia, welche den Alternativtitel ‚Niederwerfende‘ (καταβάλλοντες sc. λόγοι) hatte, vgl. 288d (dazu Benkendorff 1966, 44 Anm. 1). Mit Blick auf früher Gesagtes schließt sich hier der Kreis. Denn das letzte Argment über νοεῖν verwickelt Dionysodoros in ein Dilemma, auf das Sokrates hinweist (287e–88a). Wenn Sokrates nämlich im zurückgliegenden Argument keinen Fehler gemacht hat, ist Dionysodoros’ Kritik verfehlt; wenn er aber einen Fehler gemacht hat, dann mag Dionysodoros einen punktuellen Sieg erreicht haben, aber gleichzeitig wäre seine These οὐκ ἔστιν ἀντιλέγειν mit allen Folgerungen, die er zog, falsch. Dionysodoros hat dann die gesamte Diskussion verloren. Wie Sokrates schon vermutet hatte, wirft sich Dionysodoros’ Argument damit ‚selbst um‘ (vgl. 286c4. 277d; Phaedr. 256b; Rp. 583b) und widerlegt sich selbst (Castagnoli 2010, 37 f.). Es ergibt sich eine aus der Komödie bekannte Situation (Chance 1992, 108: „a robber robbed or a mugger mugged“).
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8. Dritte Überleitung (288bd) Ktesippos regt sich über das Gerede der Eristiker auf, beschuldigt sie, abzuschweifen und wird von Sokrates unter Hinweis auf den wunderbaren Charakter ihrer Kunst beruhigt. Die beiden Eristiker wollen allerdings – so Sokrates’ Einschätzung – das, womit es ihnen Ernst ist, gar nicht zeigen, sondern ahmen Proteus nach. Sokrates will mit Ktesippos hingegen den Menelaos nachahmen, die Sophisten nicht weglassen und sie zwingen, den Ernst vorzuführen: Zu diesem Zweck möchte Sokrates den beiden Sophisten durch ein Gespräch mit Kleinias zeigen, was er von ihnen erwartet. Einzelerklärungen 288a8 Wunderbares … wirklich | θαυμάσιά γε: Das Wort greift Sokrates’ ironische Bemerkung kurz zuvor auf (288a6), wenn er die Kunst der Eristiker wegen ihrer Genauigkeit (ἀκρίβειαν vgl. 277e8) bewundert, die aber nur die Wortoberfläche betrifft. Das Staunen des Sokrates (vgl. 288b6. 283a7. b1) mit seiner Ambivalenz – wirkliches Staunen oder irritiertes Staunen (vgl. Erler 2015a) – wirkt wie ein Leitmotiv in der Auseinandersetzung mit den Eristikern (813-mal bei Sokrates, davon 12-mal mit Blick auf die Kunst der Eristiker, vgl. Michelini 2000, 517 Anm. 38). 288a8 f. Männer aus Thurioi oder aus Chios oder woher auch immer | ὦ ἄνδρες Θούριοι εἴτε Χῖοι εἰθ᾽ ὁπόθεν: Ktesippos’ Anrede ist eine Parodie von Gebetsprache, in der Namensvollständigkeit und Ortsangabe des adressierten Gottes von Bedeutung ist (vgl. Aeschl. Ag. 160 ff.; vgl. Prot. 358a; Crat. 400e1 ff.; Phaed. 100d6; Norden 1956, 143 ff.). Wiederholt werden die Eristiker in göttliche Sphären gehoben (vgl. 273e ff.). Vgl. Winckelmann, 68 f. Ktesippos bezeichnet die beiden eher abschätzig als ‚Leute aus Thurioi‘ (288b1); er hatte freilich nie erfahren, woher sie stammen (vgl. 283e). Sokrates hatte zuvor Kriton darüber informiert (271c), aber nicht Ktesippos – womöglich basiert dieses Wissen auf Gerüchten (vgl. Charm. 156a; Theaet. 148e–149a; vgl. dazu Chance 1992, 248 Anm. 69). 288b1 wie ihr beide genannt werden wollt | χαίρετον ὀνομαζόμενοι: Zum Dual als Kennzeichnung der engen Verbindung der beiden vgl. 288b7. 288b8. 288c5. 288c6 und 273e4 ad loc.
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288b3 Streit | λοιδορία: Vgl. 284e6. 288b4 eben | νυνδή: Der Hinweis bezieht sich wohl auf Sokrates’ lange Rede 277d1 ff. oder auf 275e f. 288b7 Ernst machen und sie uns vorführen | ἐπιδείξασθαι σπουδάζοντε: Spiel mit ironischer Erwartung von Ernsthaftigkeit (vgl. 278c2 ff.) bei sophistischer Vorführung (dazu vgl. 282e). 288b8 Proteus, den Sophisten aus Ägypten | Πρωτέα . . . τὸν Αἰγύπτιον σοφιστήν: In der Odyssee beschreibt Menelaos seine Begegnung mit Proteus, dem Vielgewandten (vgl. Hom. Od. 4, 435 ff. 6, 149–152); er wird später vorgestellt als Prototyp der Sophisten, weil diese sich immer dem Zugriff entziehen (vgl. Soph. 234c). ‚Proteus‘ im übertragenen Sinne verwendet auch Euthyphron (Euthyph. 15d3; vgl. Ion 541e7; Rp. 381d, wo Proteus als Gott gilt, aber infolge seiner Wechselhaftigkeit in seiner Göttlichkeit angezweifelt wird, weil ein Gott sich nicht wandelt; vgl. Palpacelli 2009, 192). 288b8 bezaubern uns | γοητεύοντε ἡμᾶς: Der magische Aspekt sophistischer Rede wird wiederholt betont und findet sich schon bei Gorgias in der Helena-Rede, aber auch in Platons Gorgias (vgl. 483e6); im Sophistes werden die Sophisten von Platon ebenfalls als Zauberer bezeichnet (γοητεύειν, Soph. 234c; γοητῶν, 235a). Diese Vorstellung des Bezauberns oder Betäubens wird auch auf Sokrates übertragen (Men. 80a; Erler 2015a). 288c5 f. Ich bin entschlossen . . . anzuzeigen | μοῖ δοκῶ . . . ὑφηγήσεσθαι: Mit Heindorf statt dem ὑφηγήσασθαι der Überlieferung. Δοκῶ μοι im Sinne von ‚ich bin entschlossen‘ mit Aorist ist selten (Aristoph. Av. 671, aber mit unsicherer Lesung), die Verbindung mit Inf. Fut. scheint gewöhnlicher (Aristoph. Ve. 177 mit MacDowell [1988, 155], der als Beispiel nur auf Euthyd. 288c und Men. Dysc. 267 verweist; Men. Dysc. 267 hat B Aorist, Sandbach jedoch ändert zu Fut. [Gomme/Sandbach 1973, 178]; vgl. Aristoph. Av. 671). K.-G. (1, 196) vermuten sogar, dass an den wenigen Stellen, an denen Aorist in diesem Zusammenhang anzutreffen ist, Textverderbnis vermutet werden darf. Viel spricht also dafür, Heindorfs Vorschlag zu folgen, vgl. 278c4 und Hawtrey 1981, 118. 288d4 Ernst machen | σπουδάσητον: Sokrates will nun ernsthaft über ernste Dinge sprechen und erwartet dies auch von den Eristikern –
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doch verstehen er und sie unter ‚Ernst‘ etwas anderes. Diese Diskrepanz ist ein Leitmotiv des Dialogs (s. Einleitung Kapitel 10. 1).
9. Zweite protreptische Szene (288d–292e) Das zweite protreptische, von Sokrates geleitete Gespräch schließt an den ersten protreptischen Teil (282cd) an. Indem Sokrates Kleinias fragt, ob er sich an das erste Gespräch erinnert (289a3 f.; vgl. 289b2 f.), wird Kontinuität hergestellt. Nach der Diskussion über die Notwendigkeit des Wissen kommt nun die Frage nach der Art des Wissens hinzu: Reines Produktionswissen ist nicht hinreichend. Reines Gebrauchswissen scheint hilfreich zu sein, erweist sich dann in der Diskussion aber als problematisch. Sokrates fürchtet Streit und Schmähung, wie sie sich am Ende des ersten protreptischen Teils gegenüber Ktesippos andeutete (285c), will Ktesippos beruhigen (κατεπράυνον 288b3 f. bezieht sich auf 285a3) und möchte auch weiterhin den beiden Eristikern durch sein Beispiel zeigen, wie er sich einen philosophischen Diskurs vorstellt (288c5 f.). Im ersten Teil seines Protreptikos erzielte Sokrates mit seinem Partner Einigung darüber, dass Glück und gutes Gelingen mit Wissen zusammenhängen und man deshalb Philosophie betreiben muss, denn Philosophie ist Erwerb von Wissen (288d). Jetzt stellt sich die Frage nach der Art des Wissens, das man benötigt, um glücklich zu sein. Das Gespräch beginnt mit der Suche nach einem Wissen, das glücklich macht, und gelangt zu einem Wissen, das die Menschen gut macht. Die Bedeutung des Produktes einer Kunstfertigkeit wird auch im Gorgias betont (451d–452e). Man ist sich einig, dass das gesuchte Wissen nützlich sein und dafür auf vernünftigem Denken beruhen muss (289a); es muss ein Wissen sein, welches das zu gebrauchen versteht, was es hervorbringt. Bei diesem Wissen müssen also Herstellen und das Gebrauchen zusammenfallen (vgl. Rp. 601de). Freilich unterscheidet Sokrates nicht zwischen Wissen (ἐπιστήμη) und Kunstfertigkeit (τέχνη) (vgl. den Wechsel ἐπιστήμη, 289c1 – τέχνη, 289c2; zu Kunstfertigkeit und Wissen bei Platon vgl. Kube 1969; Festugière 1973, 29 f.; Irwin 1995, 70–72; Sermamoglou 2014, 51 ff.). Mehrere Wissensarten werden erwogen und verworfen, wie Lyra- und Flötenspiel, Astronomie, Geometrie oder Rechenkunst. Sokrates glaubt, die gesuchte Wissenschaft in der Herstellung von Worten und Reden (λογοποιία) gefunden zu haben (289c7). Doch Kleinias findet auch hier Probleme (289cd): Oft kann derjenige, der Reden herstellt, diese nicht angemessen anwenden, während derjenige, der sie gut gebrauchen kann, nicht immer ein guter Her-
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steller von Reden ist. Sokrates erkennt die Problematik an. Auf der weiteren Suche schlägt er die Kriegskunst vor, doch weist Kleinias auch hier auf Probleme hin: Denn diese Kunst sei eine Jagdkunst, wisse aber mit ihrer ‚Beute‘ nichts anzufangen und wende sich schließlich an die Politiker (290d), wie die anderen genannten Künste sich für die Verwendung ihrer Produkte an die Dialektiker (τοῖς διαλεκτικοῖς, 290c) wenden würden. Die Suche nach einer königlichen Kunst ist damit gescheitert. Die Unterredner haben nur erkannt, dass ein Wissen notwendig ist, bei welchem Gebrauchswissen und Herstellungswissen in eines fallen. Doch keine der genannten Wissensarten erfüllt diesen Anspruch. Von der dramatischen Gestaltung her ist dieser Punkt des Gespräches bemerkenswert, weil der Gesprächsbericht durch die Rahmenhandlung unterbrochen wird (vgl. 277d. 285a). Denn Kriton mischt sich ein und übernimmt für eine Zeit die Rolle des Gesprächspartners des Sokrates. Er staunt über die Klugheit des Kleinias und streitet sich mit Sokrates, ob dieser wirklich all dies von Kleinias gehört habe (290e–293a). In dem Gespräch erweisen sich Künste wie Feldherrnkunst, die Mathematik, die Geometrie oder die Astronomie, denen es um extrinsische Güter geht (vgl. Lys. 218d–221c; Men. 87e–99b; Rp. 357b–358a), als eine Art Jagdkunst, die mit der Beute, die sie erjagt, nichts anzufangen weiß und für die richtige Anwendung letztlich Hilfe bei der Dialektik suchen muss. Die Diskussion mündet in Ratlosigkeit (Aporie). Man sei der gesuchten Wissenschaft nachgelaufen wie Kinder den Schwalben, die den Jägern immer wieder entwischten (291b). Offenbar muss es sich um eine Wissenschaft, nicht um viele handeln (vgl. 282e). Man gelangt zur politischen oder Königskunst, die die Produkte aller anderen Kunstfertigkeiten zu gebrauchen weiß. Freilich bleibt unklar, was das Produkt dieser Wissenschaft ist (292a). Klar ist, dass das Produkt gut sein muss; doch hat sich gezeigt, dass nur Wissen intrinsisch gut ist. Da dies also für die Produkte der produzierenden Wissenschaft nicht gilt (292de), bleibt nur, dass der Wissende deshalb sich selbst produzieren muss, wenn das Produkt einer Wissenschaft gut sein soll. Dann aber ergibt sich ein regressus ad infinitum (292d8–e1, vgl. mit Blick auf Kleitophon Slings 1999, 51 f.) – und somit jene Aporie, aus der sich Sokrates Rettung durch Sophisten erhofft. Es handelt sich hier um eine Kernszene des Dialogs, die in ihrem argumentativen Verlauf und dem negativen aporetischen Resultat an die aporetischen Dialoge Platons erinnert und wohl auch erinnern soll. Hier wie dort ergibt sich das Problem aus dem von Sokrates dirigierten, konsequenten Durchdenken der Behauptungen, die von seinen Partnern aufgestellt werden. Hier wie dort ist Sokrates’ Befragung Anlass, aber nicht Ursache der Aporie. Denn seine Befragung fördert ein Problem nur zutage, das schon in der Vorstellung
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von Wissen seiner Partner angelegt ist. In der Tat nämlich produziert traditionell technisch verstandenes Wissen nur etwas, das nicht intrinsisch gut ist, sondern dies erst durch Hinzukommen eines Gebrauchswissens wird. Gleichwohl klingt mit Dialektik ein Beispiel an, bei dem aus Platons Sicht Gebrauchs- und Herstellungswissen in der Tat zusammenfallen (Erler 1987a, 240), wie ein Blick in die Politeia und das dort entwickelte Konzept der Dialektik lehrt (Rp. VII; Hawtrey 1978). Jedenfalls gewinnt die Gesprächssituation hier im Euthydemos Profil, wenn man sie mit Blick auf die Politeia liest (531c ff.), wo es sich als Aufgabe des philosophischen Wissens erweist, Werterkenntnis und Prinzipienforschung zu verbinden (532ab). Die Dialektik, wie sie Sokrates in der Politeia entwickelt (Rp. 505a ff.), erfüllt, was hier im Euthydemos von Wissen erwartet wird: Denn allein die platonische Dialektik vermag es, mit Blick auf das Gute allem Wissen stets Nutzen zu verleihen. Wie es oft in den aporetischen Dialogen geschieht, klingt auch hier in der aporetischen Situation des Euthydemos aus Platons Sicht Richtiges an, wird aber nicht akzeptiert. Man erinnert sich an das auf Selbsterkenntnis basierende ideale Staatskonzept im Charmides (vgl. Erler 1996, bes. 40 f.). Wie im Charmides scheitert ein richtiges Konzept jedoch auch hier, weil es mit falschen Vorstellungen begründet wird. Wie um daran zu erinnern greift denn die Politeia auch im Negativen die Frage nach Wissen und dem Guten auf und führt vor, dass die These – Wissen sei das Gute – scheitert, offenbar weil Wissen als technische Produktionskompetenz ohne Anwendungskompetenz verstanden wird. Auch wenn an der Politeia-Stelle Differenzen zu den Ausführungen im Euthydemos zu erkennen sind, liest sich die Politeia-Stelle wie eine Erinnerung und die weitere positive Entwicklung des Problems wie ein Kommentar zur Euthydemos-Stelle (vgl. Erler 2015b). Es wird verdeutlicht, dass dieses technische Wissen ein Kriterium außerhalb seiner selbst haben muss. Das Wissen um das Gute und der Bildungsgang in mathematischen Fächern gilt als Voraussetzung (vgl. 290bc mit Rp. 518a ff. 522c. 526d. 527d. 532b). Bemerkenswerterweise fehlt bei Kleinias die Stereometrie, vgl. Rp. 528ab (vgl. McCabe 2002a, Anm. 9): Die Aporie im Euthydemos entsteht, weil das Ziel der gesuchten Wissenschaft ungeklärt bleibt. Einzelerklärungen 288d8 Philosophie aber ist Erwerb von Erkenntnis | φιλοσοφία κτῆσις ἐπιστήμης: Der Philosophiebegriff wird hier als Erwerb verstanden, nicht im traditionellen Sinn eines richtigen Umgangs mit vorhandenem Wissen. Traditionell bedeutet φιλοσοφία freilich ‚vertrauter Umgang mit Wissen‘ (Burkert 1960). Platons Transformation des tradi-
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tionell eher statischen Verständnisses von Philosophie (φιλοσοφία) im Sinne von ‚gewohnten Umgang haben mit‘ (vgl. Ch. 153d; Gorg. 485a; Prot. 335d. 342d; Erler 2003b, bes. 394 f.) zu einem dynamischen Verständnis von Philosophie als einem Streben nach Wissen aus dem Bewusstsein eines Mangels heraus – etwa im Symposium (203e ff.) oder Phaidros (278d; vgl. Burkert 1960; Riedweg 2002, 120–128; Hadot 1999, 59 ff.; Erler 2007, 349–354) – wird in der Politeia geradezu gespiegelt: Dort ist in einem frühen Kontext von Hunden als Philosophen, die vertrauten Umgang mit Freund und Feind haben (Erler 2003b, 394 f.), und später im gleichen Dialog von Philosophen, die nach Wissen streben, die Rede. Die Frage nach einer Kunstfertigkeit (τέχνη), die zu Glück befähigen und Glück bringen soll (288d9 ff., vgl. 282c8–d2), wird hier im Protreptikos des Euthydemos also angedeutet, aber nicht beantwortet. 288e1 einfach so, dass es das ist, welches uns nützen wird | τοῦτο μὲν ἁπλοῦν [ὅτι ταύτην], ἥτις ἡμᾶς ὀνήσει: Zum Ausdruck τοῦτο μὲν ἁπλοῦν im Sinne von ‚einfach‘ vgl. Winckelmann, 72; Gifford, 39. Der Ausdruck ὅτι ταύτην zwischen ἁπλοῦν und ἥτις ist wohl mit Winckelmann (A) und Méridier (der B folgt) zu streichen; Burnet hält es mit TW. Es war vorher gezeigt worden (280a6–8), dass Wissen an sich Erfolg verleiht (εὐτυχία) und deshalb nützlich ist. Hier wird suggeriert, dass der Nutzen von Wissen von einem übergeordneten Wissen abhängt, welches andere Arten von Wissen erst nützlich macht. Offenbar sind bestimmte Arten von Wissen (technische Kompetenzen) nicht intrinsisch gut. In der ersten sokratischen Runde ging es ja nur darum, Wissen selbst als notwendige Bedingung von Glück zu etablieren – das bedeutete nicht, dass es auch hinreichende Bedingung ist. Hier ist eine besondere Art von Wissen zu suchen. Es wird also eine Abwertung der anderen Wissenschaften mit Blick auf eine oberste Wissenschaft vorgenommen, auf der Sokrates’ Argument zuvor aufgebaut hatte; es liegt dabei keineswegs ein Sophismus auf Sokrates’ Seite vor. 288e4 zuvor | τὸ πρότερον: Vgl. 280bd. 288e5 begründet | ἐξηλέγξαμεν: Um Widerlegung geht es hier kaum. Zur Bedeutung ‚begründen‘ von ἐλέγχειν vgl. Phaedr. 273b. 288e7 f. Steine zu Gold machen | πέτρας χρυσᾶς . . . ποιεῖν: Das Wort ποιεῖν ist hier zuerst als ‚verwandeln‘ oder ‚machen zu‘ speziell mit Blick auf Stein und Gold gebraucht, wobei vielleicht bemerkenswert ist, dass die Elementenlehre des Timaios eine solche Umwandlung
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erlaubt; es wird dann 289a6 wiederholt, nun aber als Aspekt von Wissen allgemein und schließlich 289b1 mit Blick auf Wissen, wie man Unsterblichkeit produziert (Sermamoglou 2014, 50). Wie oft in Platons Dialogen entwickelt sich ein zunächst beiläufig gebrauchter Begriff zu einem zentralen Begriff der Diskussion. 289a4 ff. keineswegs . . . Nutzen bei den übrigen Erkenntnissen | οὐδέ γε . . . τῆς ἄλλης ἐπιστήμης ὄφελος: Hier werden also alle Kunstfertigkeiten ausgeschlossen, die sonst bei Sokrates der Analogiebildung dienen, z. B. ein Arzt, der nicht weiß, ob es gut ist für den Patienten, behandelt und geheilt zu werden (Lach. 195c; vgl. Kapitän, Gorg. 511d ff.). Die Fähigkeit der Künste, etwas (z. B. Gesundheit) zu produzieren, ist also ein Problem, weil die Anwendungskompetenz fehlt. Bei der Königskunst andererseits wird die Unfähigkeit, etwas zu produzieren, zum Problem (siehe 291d f.; Hawtrey 1981, 121). 289b5 ff. zusammenfällt, das zu gebrauchen, was man herstellt | ἐν ᾧ συμπέπτωκεν . . . ἅμα τό τε ποιεῖν καὶ τὸ ἐπίστασθαι χρῆσθαι τούτῳ ὃ ἂν ποιῇ: Dies ist Hauptpostulat der Diskussion für das gesuchte Wissen (vgl. Crat. 390bd); hier werden und sollen Zweifel an der seit der Apologie gesuchten Analogie von technischem Wissen zu Wissen geweckt werden (Sprague 1976, 43–56). Auch ein Arzt z. B. sollte wissen, wozu er heilt (Lach. 195c). Es ist ein Wissen zu fordern, bei dem Gebrauchs- und Herstellungswissen zusammenfallen (289b4), wie z. B. beim Guten (Rp. 505b, vgl. Erler 1987a, 235). 289b5 schöner Knabe | ὦ καλὲ παῖ: Die Anrede ὦ καλὲ παῖ an Kleinias 289b5 wird bei Platon gerne zur Anrede nicht nur für Kinder, sondern auch junge Männer verwendet (Dickey 1996, 75 f.). 289b7 Keineswegs . . . dürfen wir Hersteller von Lyrainstrumenten . . . sein | πολλοῦ ἄρα δεῖ . . . ἡμᾶς λυροποιοὺς δεῖν εἶναι: Mit Heindorf lesen Badham, Burnet und Gifford (40) δεῖν für δεινούς (BT). Das Thema Musik kam schon mehrfach zur Sprache (272c. 276a. 279e. 289c). 289c3 Denn die Kunst, eine Lyra herzustellen, und diejenige, eine Kithara zu spielen | λυροποιική . . . κιθαριστική: Offenbar verwendet Platon hier Lyra und Kithara in gleichem Sinn (dazu Chailley 1979, 65–74; Barker 1984, 124 ff. 201 f.). Die λογοποιοί werden unterschieden vom ῥήτωρ, der Reden hält (Isocr. 13, 17). Isokrates begann als Logograph, Lysias arbeitete als solcher. Adjektive mit der Endung -ικος
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finden sich im 5. Jh. oft und besonders im Kontext ‚technischer‘ Sprache (vgl. Ammann 1953). Sie werden von Aristophanes z. B. in den Rittern parodiert. 289c9 gab Kleinias zur Antwort | ἔφη . . . ὁ Κλεινίας ὑπολαβών: Kleinias greift immer engagierter und kritischer ins Gespräch ein (294b) – was in die wichtigen Bemerkungen über die politische Kunst mündet (290d); illustriert wird am Beispiel des Kleinias, wie der Protreptikos wirkt. 289d2 gewisse Redenverfasser | τινὰς λογοποιούς: Wohl mit Blick auf den Kontext wählt Platon das Wort λογοποιοί, gemeint sind λογόγραφοι. Dazu Winckelmann, 76. Zum Gebrauch von λογόγραφος und λογοποιός, vgl. Gifford, 40. 289d5 sind aber selbst unfähig, Reden zu verfassen | οἱ λογοποιεῖν αὐτοὶ ἀδύνατοι: Die Phrase οἱ λυροποιεῖν αὐτοὶ ἀδύνατοι haben die Mss.; geändert zu λογοποιεῖν bei Routh; vgl. Winckelmann (76), der allerdings λυροποιεῖν αὐτοὶ ἀδύνατοι athetieren will, vgl. Schanz, Méridier. Die Phrase mag wie eine Glosse klingen, ergibt aber Sinn, wenn sie gehalten wird: Das Lyraspiel dient als Vergleich für Trennung von Herstellung und Gebrauch. Mit ἐνταῦθα (d4) wird wieder die λογοποιία aufgegriffen, bei der andere den Gebrauch dessen verstehen, was jene (die Logographen) hergestellt haben (Schleiermachers Änderung zu λογοποιοί ist plausibel); die Logographen selbst sind hierzu unfähig (der Ausdruck οἱ λογόγραφοι bezieht sich also auf ἄλλοι, vgl. Palpacelli 2009, 156 Anm. 11). Es ergibt sich eine Art Ringkomposition. Der am Ende des Dialoges beschriebene Redenschreiber (305b) verwendet ebenfalls die Reden nicht selbst (s. Kommentar ad loc.). 289d10 in diesem Zusammenhang irgendwo | ἐνταῦθά που: Die leichte Relativierung lässt die Möglichkeit offen, dass in dem Bereich der λογοποιία doch die gesuchte Wissenschaft zu finden sein mag (Hawtrey 1981, 125), was sich mit Blick auf Platons Dialektik als richtig erweist (Erler 1987a, 234–236; Szlezák 1980, 85). Die traditionellen λογοποιοί werden durch für Sokrates charakteristische Übertreibungen (ὑπέρσοφος ‚äußerst weise‘; ihre Kunst sei göttlich [θεσπεσία, vgl. Theaet. 151b] und erhaben [ὑψηλή]) ironisiert. Wenn das Redenschreiben dann (289e5) als magisch (ἐπῳδῶν) bezeichnet wird, dann ist dies ein „Hieb“ (Friedländer 1964, 175. 320 Anm. 16), aber auch ein Hinweis: Man fragt sich, warum Sokrates das gesuchte Wissen gerade bei
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Logographen vermutet hat (Erler 1987a, 235). In der Tat gibt es diese Verbindung von Schreiben und dem gesuchten Anwendungswissen bei Platon, wie der Phaidros zeigen wird (Theuth-Geschichte, vgl. Phaedr. 274d ff.): Der Dialektiker ist der wahre Logograph. 289e5 Teil der Beschwörungskunst | τῆς τῶν ἐπῳδῶν τέχνης μόριον: Beschwören und Besingen (vgl. 289e5. 290a1) kommt auch sonst bei Platon (Phaedr. 267d1; Rp. 358b2 f.) in Verbindung mit Rhetorik vor. Winckelmann (xxxiv ff.) denkt an Thrasymachos als Gegner (dagegen Hawtrey 1981, 124 f.). Wenn 290a1 ff. von Bezauberung und Besingen von ‚Richtern, Teilnehmern an Volksversammlungen und von anderen Massen‘ (ἡ δὲ δικαστῶν τε καὶ ἐκκλησιαστῶν καὶ τῶν ἄλλων ὄχλων κήλησις) die Rede ist, dann erinnert das an den Gorgias (454b ff.) mit der Beschreibung der Rhetorik (Hawtrey 1981, 125, dort zu antikem Wissen um „snake charming“). Im Phaidon wird Sokrates’ Argumentation zu einer tröstenden Epode (Erler 2004; zur Epode bei Platon Helmig 2003). Zum Euthydemos vgl. Szlezák 1985, 141–143; Erler 1987a, 213 ff.; auch im Protagoras wird κηλεῖν mit Protagoras verbunden (Prot. 315a8 ff. unter Bezug auf Orpheus. 328d4; vgl. Menex. 235b; Rp. 358b), man mag an die ψυχαγωγία der Rhetorik denken, von der im Phaidros gesprochen wird (261a. 271c). Die Verbindung zu 305b lässt die Partie nicht als „absolut überflüssig“ erscheinen (so Arnim 1914, 130; Chance 1992, 117). 290a9 Aber ich glaube, . . . sie gefunden zu haben | ἐμὲ οἶμαι ηὑρηκέναι: Zur betonten Stellung des Pronomens vgl. K.-G. 2, 30 ff.; Gifford (41) verweist auf Symp. 175c; Rp. 400c. Man soll sich fragen, warum Sokrates dies gerade hier und nicht bei anderen Beispielen vermutet hat. In der Tat hält Platon die Spaltung von Gebrauch und Herstellung in Bezug auf Redekunst für überwindbar mit Blick auf die Dialektik (Erler 1987a, 235). 290b1 die Feldherrnkunst | ἡ στρατηγική: Ist als Beispiel üblich, vgl. Ion 540d ff.; Pol. 304e f. 290b5 Kunst, die Jagd auf Menschen macht | θηρευτική . . . ἀνθρώπων: Man mag sich an die Bestimmung oder Definition des Sophisten durch Worteinteilung (Dihairese) im Sophistes (219a ff.) oder an den Philebos erinnert fühlen (Hawtrey 1981, 126 f.; Palpacelli 2009, 158 f.), doch wirkt hier eher beiläufig, was im Sophistes schematisiert ist.
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290b7 Keine Art wirklicher Jagdkunst | οὐδεμία . . . τῆς θηρευτικῆς αὐτῆς: Besonders αὐτῆς macht Probleme, vgl. Gifford, 41; Hawtrey 1981, 127; οὐδεμία ist in Verbindung mit τέχνη zu verstehen, davon abhängig der partitive Genetiv τῆς θηρευτικῆς αὐτῆς. αὐτῆς unterstreicht, dass τῆς θηρευτικῆς den generellen Begriff von Jagdkunst meint, von dem eine Unterart gesucht wird, die nicht nur auf Fangen, sondern auch auf Gebrauch zielt (und deren Existenz bezweifelt wird). Sprague (1993, 35) übersetzt passend „No art of actual hunting […]“. 290b10 den Köchen | τοῖς ὀψοποιοῖς: Die Ironie bei der Parallele von Kochkunst zu Dialektik wird mit Blick auf die niedrige Einschätzung der Kochkunst durch Sokrates im Gorgias (462d) deutlich. Eine Art hierarchische Anordnung von Kunstfertigkeiten findet sich auch im Gorgias (517c7–518a5). 290b10 ff. die Mathematiker … und Astronomen und die Rechenkünstler | οἱ δ᾽ αὖ γεωμέτραι καὶ οἱ ἀστρονόμοι καὶ οἱ λογιστικοί: Hier scheint das Curriculum aus Politeia Buch VII mit den propädeutischen Studien vorweggenommen (Rp. 521c–523a, dort Rechenkunst, Geometrie, Stereometrie, Astronomie, Harmonie; Friedländer 1964, 175; Hawtrey 1978). Es sind die Philosophen, denen alle anderen Künste ihre Produkte übergeben (Rp. 533d; Erler 1987a, 235 f.). Das Liniengleichnis illustriert den Gebrauch (Rp. 511bd; Chance 1992, 251 Anm. 24). 290c2 die Figuren | διαγράμματα: Zum Ausdruck διάγραμμα vgl. Men. 82bc; Crat. 436d; Theaet. 169a; Rp. 533bc. 536d (dazu Cherniss 1977, 222–252); es handelt sich wohl um geometrische Figuren, nicht um graphische Darstellungen. Von letzteren kann man kaum sagen, dass sie von der Geometrie ‚entdeckt‘ (ἀνευρίσκουσιν, vgl. 290c3) worden sind (Hawtrey 1978; Hawtrey 1981, 128; Chance 1992, 250 Anm. 20). 290c3 sie entdecken solche, die schon existieren | τὰ ὄντα ἀνευρίσκουσιν: Wohl ohne metaphysischen Hintergrund zu verstehen (Hawtrey 1981, 128; anders Wedberg 1955, 92–94). Die Gegenstände der Mathematik sind nach Kleinias nicht hervorgebracht, sondern objektiv existent (vgl. Rp. 527b. 510de; Chance 1992, 120), aber mit Blick auf den Menon kann auch hier wie in den eristischen Partien über das Lernen ein Spiel mit Platons Lehre vorliegen: Die Figuren existieren und werden nur wiederentdeckt. Dazu vgl. Cherniss 1977, 249. 251.
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290c5 übergeben sie . . . doch wohl den Dialektikern | παραδιδόασι δήπου τοῖς διαλεκτικοῖς: Zu δήπου als Ausdruck leichten Zweifels vgl. Denniston 1954, 267. Mit Dialektik ist hier wohl weniger oder nicht nur die Dialektik im Sinne einer Frage- und Antwortkunst gemeint (sο offenbar Vlastos 1991, 127 f.; vgl. Men. 75d; Rp. 537c; Crat. 390c; Phaedr. 276e), sondern man soll auch an eine philosophische Methode denken (Rp. 533c. 536d–537d), bei der auch geometrische Figuren gebraucht werden können (vgl. Rp. 511bd). Zum Verhältnis von Mathematik und Dialektik bei Platon vgl. Maccioni 1978, bes. 66 f.; allgemein vgl. auch Frajese 1963, 115 f. Der Ausdruck ‚übergeben‘ (παραδοῦναι, vgl. 273d8. 290b10. 291c8. 292c9. 304a2) wird von Platon bewusst für Vermittlung technischen Wissens (vgl. auch Theaet. 198b; Symp. 175d; Isocr. 13, 10) in Kontrast zu in seinem Sinn philosophisch-dynamischer Wissensvermittlung (Rp. 518b; Men. 81d; Theaet. 150d) verwendet (vgl. 291c7; Erler 1987a, 65–70). Denn er markiert ein aus Platons Sicht problematisches Verständnis von Wissensvermittlung, das der traditionellen Auffassung von Lernen und Lehren als einem ‚Sich-Angewöhnen‘ (μαθεῖν) oder Übergeben fertiger Produkte entspricht und im Theaitetos u. a. durch das Taubenschlagbeispiel illustriert wird (197c). Platon hingegen ironisiert dieses statische Verständnis (vgl. Bild vom Umfüllen zu Beginn des Symposium [175d]) und favorisiert ein dynamisches Verständnis von Wissensvermittlung (Erler 2003a) im Sinne von Suchen und Finden (Erler 1987a, 68 f.). Dieses Konzept hängt mit der Auffassung zusammen, dass die Seele alles schon gesehen hat (Men. 81d). Festzuhalten ist, dass politische und dialektische Wissenschaft nicht hinterfragt werden. 290c5 Gebrauch | καταχρῆσθαι: Das Wort καταχρῆσθαι findet sich hier zuerst. Mit der Übersetzung soll angedeutet werden, dass dieser Gebrauch offenbar ein anderer ist als derjenige der Entdecker der mathematischen Figuren, der sich von dem unterscheiden mag, den die Entdecker selbst im Blick hatten (Hawtrey 1978; Chance 1992, 121). Der philosophische Hintergrund wird freilich erst vor dem Horizont z. B. einer Lektüre von Platons Politeia deutlich. 290d4 die Wachteljäger bei den Wachtelmästern | ὀρτυγοθῆραι τοῖς ὀρτυγοτρόφοις: Wachteljäger dienten in der Antike als Kämpfer (Ov. Am. 2, 6,27). Beide Worte sind bei Platon ἅπαξ λεγόμενα (Hawtrey 1981, 129). Guthrie (Bd. 4, 280 Anm. 3) bietet eine fiktive Fortsetzung des Gespräches 290e.
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10. Vierte Überleitung (292e–293a): Sokrates, Kriton und die glückbringende Wissenschaft Kriton unterbricht die Unterredung. Er kann nicht glauben, dass Kleinias wirklich gesagt haben soll, dass die gesuchte Wissenschaft eine Jagdkunst sei, die ihre Beute nicht gebrauchen könne und sich deshalb an Politik oder die Dialektiker wende. Sokrates vermutet zunächst Ktesippos als Quelle dieser Aussagen und dann ein höheres Wesen. Auf Kritons Frage, ob sie die richtige Wissenschaft gefunden hätten, beschreibt Sokrates die Ratlosigkeit, die ihn und Kleinias befallen hätte: Sie hätten gleichsam Lerchen gejagt und geglaubt, sie beinahe zu haben; immer aber seien sie entwischt. Auf Nachfrage Kritons erklärt Sokrates, man habe Staatskunst und königliche Kunst gleichgesetzt als einzige Wissenschaft. Dann beginnt Sokrates Kriton auf dieselbe Weise zu befragen, wie er es zuvor mit Kleinias getan hatte, denn im Gespräch mit diesem hatte sich eine Aporie ergeben: Die Frage nach dem Wesen des Zwecks dieser Wissenschaft, der als ein ‚Gut-Machen‘ bezeichnet wird, war ungeklärt geblieben. Deshalb wandte sich Sokrates wieder den beiden Eristikern zu, von denen er sich ‚wie von den Dioskuren‘ Rettung aus dem Sturm der Argumente erhoffte. Das Intermezzo in Form der Diskussion mit Kriton ist von dramaturgischer und philosophischer Bedeutung. Indem die Rahmenhandlung in die Erzählung ‚einbricht‘ wird die Bedeutung des Geschehens betont, wie dies z. B. auch im Phaidon geschieht (Erler 1987a, 236). In der Tat deutet Kleinias in seiner Aussage wichtige Aspekte an (z. B. Dialektik), die zur Lösung der Aporie beitragen können. Mit seiner Ungläubigkeit, dass Kleinias derartiges gesagt haben könne, bezweifelt Kriton die Vertrauenswürdigkeit des Sokrates als Erzähler, was wenig plausibel ist. Andererseits ist auch nicht sehr plausibel, dass Kleinias wirklich durschaut, was er da wiedergibt. Dies mag Kritons Skepsis rechtfertigen. Beides passt zusammen, wenn man in diesem Intermezzo eine jener Szenen sieht, in denen Gesprächsteilnehmer bisweilen sagen, was auch aus Platons Sicht richtig und wichtig ist, ohne es eigentlich verstanden zu haben und erklären zu können (Erler 2003a). Der Hinweis auf ‚höhere Wesen‘ mag spielerisch sein und aus Sicht des Kriton ironisch einen Bezug auf Sokrates darstellen (Bezug auf Platon bei Palpacelli 2009, 162), unterscheidet sich aber mit Blick auf die in der Tat gegebene inhaltliche Bedeutung von der sokratischen Ironie gegenüber der der Eristiker.
Erläuterungen
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Einzelerklärungen 290e1 f. das hat dir jener Knabe gesagt? | ἐκεῖνο τὸ μειράκιον τοιαῦτ᾽ ἐφθέγξατο: Die Unterbrechung des berichteten Gesprächs des Sokrates mit Kleinias durch Kriton hat Parallelen bei Platon vor allem im Phaidon (Phaed. 88c. 102a). In beiden Fällen dient die literarische Gestaltung der Betonung der inhaltlichen Relevanz des Gesagten. Denn Kriton staunt zu Recht, weil Kleinias in der Tat philosophisch Relevantes auch aus Platons Sicht vorbringt und sich positiv verhält (vgl. 289d2 ff.), auch wenn er sich der Relevanz nicht bewusst ist. Dieses Hören oder Sagen von Richtigem, das aber ungewürdigt bleibt, ist ein beliebter Topos in Platons Dialogen (Erler 2003a). 290e5 noch einen anderen Menschen | οὔτε ἄλλου οὐδενὸς ἔτ᾽ ἀνθρώπου: Also auch nicht Sokrates. Dies ist eine Aussage mit geradezu tragischer Ironie. Denn mit Blick auf den platonischen Gehalt der Aussage stimmt dies – ohne dass es Kriton weiß. Zur tragischen Ironie bei Platon ist z. B. auf das von Sokrates erzählte Höhlengleichnis hinzuweisen, in dem er sein eigenes Schicksal vorwegzunehmen scheint (vgl. Rp. 517a; Clay 2000, 101–103). 290e7 war es vielleicht Ktesippos? | μὴ ὁ Κτήσιππος ἦν: Die Negation μή mit Indikativ kann verwendet werden, um eine zweifelnde Behauptung („doubtful assertion“, vgl. Smyth 1920, §1772) auszudrücken. Vgl. Prot. 312a7 f. mit Manuwald 1999, 113; Riddell 1967, §138d. 291a1 Ach was, Ktesippos! | ποῖος Κτήσιππος: Zu dieser eher verächtlichen Ausdrucksweise vgl. Tarrant 1946, 110; Tarrant 1958b, 158; der Ausdruck ist in der Komödie geläufig (Aristoph. Ach. 62; Nub. 366 f.; Ve. 1368 f.), selten in der Tragödie (Eur. Hel. 567; vgl. Vahlen 1908, 437–439; Kannicht 1969, Bd. 2, 159 f.). 291a4 eines der ‚höheren Wesen‘ | μή τις τῶν κρειττόνων: Der Ausdruck (vgl. Soph. 216b; Leg. 718a; Plat. epist. 7, 326e) bezeichnet übermenschliche Mächte (vgl. Euthyd. 291a6); Kritons Zustimmung kann auch Tote meinen (Aristot. Eud. fr. 44 Rose = 65 Gigon), die ja Lebende mit Fluch oder Segen beeinflussen, oder Götter (Symp. 188d; Soph. 261b) bezeichnen. Vgl. in Platons Nomoi (718a5): „von den Göttern und von denen, die mächtiger sind als wir“ (Üb. Schöpsdau, dazu vgl. Schöpsdau 2003, 219). Die Unsicherheit des Sokrates (τις) ist hier dem urbanen Umgangston geschuldet.
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291a6 f. Εines von den ‚höheren Wesen . . . in der Tat‘ | τῶν κρειττόνων μέντοι τις: Zu μέντοι bei Zustimmung vgl. Denniston 1954, 401; Hawtrey 1981, 130 f. Sokrates meint Götter, Kriton stimmt zu; diese Zustimmung aber ist wohl ironisch zu verstehen (Slings 1999, 153 Anm. 289). Denn viel spricht dafür, dass er hier Sokrates im Blick hat, d. h. er spricht anders als Sokrates, wenn dieser die beiden Eristiker lobend in göttliche Sphären versetzt (vgl. 288a). Anders offenbar Slings (1999, 152 Anm. 289). Manche (dazu Erler 1987a, 237 Anm. 118) möchten hier an Platon selbst denken, wie bei dem μέγας ἀνήρ aus dem Charmides (Charm. 168e–169a), der Fremdbezügliches und Selbstbezügliches zu unterscheiden weiß (Erler 2007, 106). Doch lässt die religiöse Konnotation (vgl. Mette 1988, 175–187) daran zweifeln, dass Platon so auf sich verweisen will. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Platons Ideenlehre als möglicher Lösungsweg evoziert werden soll (nur dies, nicht eine Identifizierung mit μέγας ἀνήρ meint Erler 1987a, 187–191, anders verstehen es offenbar Heitsch/Kutschera 2000, 18 Anm. 24). 291b2 Lerchen | τοὺς κορύδους: Vgl. Thompson 1936, 164–168; vgl. zum Bild Aristoph. Av. 471. Das Jagdbild hier beschreibt metaphorisch das Streben nach Wissen und das Verhalten der bloßen Meinung, welche sich immer davonmacht – ein in den aporetischen Dialogen gerne gesuchtes Bild zur Beschreibung der Ratlosigkeit und seiner Ursache (vgl. Lach. 194a; Euthyph. 6c. 15b; Theaet. 203d; Men. 89c); das Jagen entspricht andernorts bei Platon dem Bild des Fesselns der entweichenden Meinungen (dazu vgl. Erler 1987a, 83 f.). Das Bild vom Entlaufen der Vögel, die bildlich für Meinungen stehen (Classen 1960, 31 ff.), erinnert vor allem an den Euthyphron (11b. 15b) und wird im Menon (96e) als Bild interpretiert, das den Unterschied von Meinung und Wissen verdeutlicht. Der Unterschied besteht darin, dass Meinungen inhaltlich durchaus richtig sein können, aber nicht durch philosophische Begründung gefestigt sind (dazu Erler 1987a, 84 f.). 291b5 zur königlichen Kunst | ἐπὶ . . . τὴν βασιλικὴν … τέχνην: Hier und Gorg. 512d wird die Rolle des Philosophen als Staatsmann angedeutet (Hawtrey 1981, 131; Erler 1987a, 234 ff.). Zum Vergleich ‚königliche Kunst, Politik, Philosophie‘ s. Krämer 1959, 155–158; zum Königsphilosophensatz informiert Erler 2007, 211 f. (447 ff. mit weiterer Literatur). 291b7 gleichsam in ein Labyrinth | ὥσπερ εἰς λαβύρινθον: Eine der ersten Stellen für metaphorischen Gebrauch des Wortes ‚Labyrinth‘.
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Vgl. Kern 1981, 241; zum Labyrinth auf Kreta und der Theseussage vgl. Callim. H. 4, 311. Zum Labyrinth allgemein vgl. Borgeaud 1974, bes. 21–27. 291c7 f. dieser Kunst … übergeben | ταύτῃ τῇ τέχνῃ . . . παραδιδόναι: Für die Feldherrnkunst, angedeutet von Kleinias, vgl. 290c. In der Tat haben die anderen Künste ‚Produkte‘ (ἔργα) zu bieten. Eben hier aber scheitert die Frage nach der königlichen Kunst – was sie produziert, sei Nützliches (292a11). Dass es bei Wissensarten derartige Unterschiede gibt, deutet der Charmides an (165e–166c; vgl. Hawtrey 1981, 132). Die τέχνη-Analogie ist nicht immer hilfreich in dieser Hinsicht. Offenbar meinte Platon hier etwas anderes als die politische τέχνη, die Protagoras unterrichtete (Prot. 318a–319b). 291d1 um geradezu mit Aischylos zu sprechen | κατὰ τὸ Αἰσχύλου ἰαμβεῖον: Sokrates bezieht sich vermutlich auf den Beginn der Septem (Aeschl. Sept. 1–3), wo von wachsender Sorge um die Stadt die Rede ist: Κάδμου πολῖται, χρὴ λέγειν τὰ καίρια / ὅστις φυλάσσει πρᾶγος ἐν πρύμνῃ πόλεως / οἴακα νωμῶν. 291d2 wie ein Kapitän alles lenkt | πάντα κυβερνῶσα: Zur Schiffsmetapher im Zusammenhang mit Staatslenkung bei Platon vgl. Rp. 488a ff. Der Vergleich von Politikern mit Schiffskapitänen ist verbreitet, vgl. [Plat.] Clit. 408b, dazu Slings 1999, 120 f. Der alles beherrschende Aspekt der fraglichen Kunstfertigkeit (πάντων ἄρχουσα) wird dreimal betont (291e5. e8. 292a4). 291d4 Und das schien euch also keine gute Idee? | οὐκοῦν καλῶς ὑμῖν ἐδόκει: Denniston (1954, 432) möchte οὐκοῦν als Zeichen einer „surprised or indignant question“ lesen. Doch scheint Κriton hier nicht indigniert. Auch liest Denniston hier ἡμῖν (B) für ὑμῖν ohne Erklärung. 291d5 Du wirst das entscheiden | σὺ κρίνεις: Kriton wird nun zum Gesprächspartner wie Phaidon im gleichnamigen Dialog (Phaed. 89c– 91c). Das Argument lautet: Königskunst muss etwas produzieren; das Produkt muss gut sein (292a11); gut ist nur Wissen, also muss das Produkt Wissen sein – was zum Regress führt. Das Problem liegt in der Analogiebildung von Arztkunst (deren Produkt Gesundheit ist) und Landwirtschaftskunst (Nahrung als Produkt) mit der gesuchten königlichen Kunst. Bemerkenswert ist, dass im Charmides (171a9) als Definition der Arztkunst ‚Wissen um das Gesunde und Kranke‘ (τοῦ ὑγιεινοῦ καὶ νοσώδου ἐπιστήμη) geboten wird (Hawtrey 1981, 134), also der
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praktische (das Produkt wird nicht von der Kunst getrennt) und nicht der herstellende Aspekt der Arztkunst angesprochen wird. Da für diesen Aspekt die Trennung von Produkt und Kunst nicht gilt, wäre die Analogie zur königlichen Kunst so erfolgreicher verlaufen. 291d5 f. wie es uns danach erging | τὰ μετὰ ταῦτα συμβάντα ἡμῖν: So T, Burnet, Gifford. BW bieten μετὰ γὰρ τὰ ἔμπροσθεν συμβάντα, doch bleibt dabei unklar, was mit τὰ ἔμπροσθεν gemeint ist. 291e6 wohl | : Mit Ast, vgl. De Vries 1972, 49. 291e8 eure Kunst, die Landwirtschaft | ἡ ὑμετέρα τέχνη ἡ γεωργία: Kriton und seine Familie scheinen gemeint (zu Kriton aus Alopeke s. Nails 2002, 114–116; vgl. Euthyd. 304c). 292a1 welches Werk | τί ἔργον: Burnet tilgt mit T ἔργον. Doch ist es mit B und Gifford zu halten (vgl. Charm. 165d; Tim. 30b; Symp. 178d; Rp. 353b. 553c). 292a7 Genau, auch wir nämlich nicht | οὐδὲ γὰρ ἡμεῖς: Der Ausdruck verbindet einen affirmativen und einen negativen Aspekt, vgl. Denniston 1954, 111. 292a8 f. etwas Nützliches sein muss | ὠφέλιμον αὐτὴν δεῖ εἶναι: Der normative Aspekt des Wissens (vgl. 292a11) oder von Kunstfertigkeit wird auch sonst betont (vgl. Charm. 163bc; Gorg. 464bc. 515c. 517bc), so z. B., dass Kenntnisse in Politik oder Schiffsbau nicht hinreichend sind, sondern zusätzlich eines weitergehenden Maßstabes bedürfen. Deshalb bedarf es auch einer besonderen Tüchtigkeit beim Handeln (vgl. z. B. Rp. 427c–432b), die andere Fertigkeiten leitet und die in der Seele zu finden ist (vgl. Argument Rp. 352d–354a). Zu bedenken ist auch, dass Platon mit ὠφελεῖν ein ‚besser machen‘ verbindet (vgl. Ap. 24c4–10; vgl. dazu Slings 1999, 269). 292b1 waren . . . übereingekommen | ὡμολογήσαμεν: Vgl. 282d8–e4. 292b4 alle anderen Werke | τὰ μὲν ἄλλα ἔργα: Vgl. Gorg. 519a ff. Dass das Produkt einer Kunstfertigkeit (τέχνη) getrennt ist von der Kunstfertigkeit selbst (vgl. 292d1), ist Gemeinplatz bei Platon (vgl. Charm. 166a; vgl. auch Aristot. Protrept. B 68, wohl mit der Euthydemos-Stelle im Blick, vgl. Düring 1961, 241).
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292c8 Wissen eines Schusters | σκυτοτομικήν (sc. ἐπιστήμην): Für Sokrates offenbar ein beliebtes τέχνη-Beispiel, vgl. Xen. Mem. 1, 2,37. 292d1 Und wozu nutzen wir es | ᾗ τί χρησόμεθα: Offenbar fokussiert Sokrates weiterhin auf poetische Kunstfertigkeit, die Produkte außerhalb ihrer selbst herstellt. Dies ist aber kein erfolgversprechender Ansatz für die Problemlösung. Hier müsste auch der praktische Aspekt der Kunstfertigkeit (Produkte sind eingeschlossen in Tätigkeit) beachtet werden. 292d2 f. weder gut noch schlecht | τῶν μήτε κακῶν μήτε ἀγαθῶν: Vgl. 281d; zur Unterscheidung von wertneutralen Produkten von schlechten und wertvollen Werken vgl. Charm. 163bc. 292d3 vermitteln | παραδιδόναι: S. o. zu 290c5. 292e3 ff. des sprichwörtlichen ‚Korinthus, Sohn des Zeus‘ | ὁ Διὸς Κόρινθος: Nach dem Scholion zu dieser und anderen Stellen sollen nach einer Revolte der Megarer gegen die Korinther korinthische Unterhändler sich umsonst auf die Autorität des Korinthus, Sohn des Zeus, berufen haben. Die Phrase wurde zu einer leeren Drohung wie Pind. N. 7, 104 f. zeigt. Vgl. Aristoph. Ran. 439 mit Dover 1993, 250 „the same old thing over again“. 292e5 machen | ποιήσει: So Burnet mit Heindorf, Winckelmann. Gifford folgt Stallbaum und liest Optativ ποιήσειε. Freilich ist potentialer Optativ ohne ἄν im Attischen schwierig (K.-G. 1, 226); anders allerdings De Vries (1972, 47), der gleichwohl hier Futur liest; vgl. Hawtrey 1981, 139. 293a1 bot ich meine ganze Stimme auf | πᾶσαν ἤδη φωνὴν ἠφίειν: Übersetzung übernommen von Schöpsdau 2011, 75 (Leg. 890d4); zum Kontext ist Prop. 1, 17,18 optatos Tyndaridas zu vergleichen (Gifford, 45). 293a2 beiden Dioskuren | Διοσκούρω: Der Dual mit Stephanus, Bekker, Gifford, Méridier (Hawtrey 1981, 139) für Διοσκούρων (BT), vgl. Eur. Or. 465; Aristoph. Pax 285. Die Dioskuren waren Retter zur See. 293a3 aus der dreifachen Welle | ἐκ τῆς τρικυμίας: Vgl. Rp. 457b f. 473c. Schon 277d2 war von βαπτίζειν die Rede; Ähnliches Prot. 338a. Zu Ähnlichem bei Aristophanes vgl. Newiger 1957, 29 Anm. 2. Zum
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Hilferufmotiv, das hier wohl an die Praxis vor allem des Satyrspiels erinnern soll, vgl. Erler 2017. Das Motiv fügt sich zu anderen Merkmalen des Dialoges als einer in Platons Sinne ‚erlaubten‘ Komödie (s. o.). Philosophisch ist die Szene ein Beispiel, wie man einem λόγος zu Hilfe kommen soll (Szlezák 1985, 61) oder vielmehr nicht zu Hilfe kommen soll. Denn die Hilfe stellt sich ja als Angebot weiterer eristischer Schaustücke durch die Eristiker dar, die keineswegs aus der Aporie helfen können. 293a4 Ernst zu machen | σπουδάσαι: Vgl. 288b7. c2. c4. d3. d4. Die Erwartung, dass die Eristiker nun endlich Ernst machen sollen, wird natürlich enttäuscht. Zum Motiv s. Einleitung Kapitel 10. 1.
11. Dritte eristische Szene (293a–303a) Nach dem Einbruch der Rahmenhandlung tritt wieder Sokrates’ Bericht über die Auseinandersetzung mit den Eristikern in den Vordergrund. Denn da das protreptische Gespräch in Ratlosigkeit endete, sollen die Eristiker Rettung bringen. Die folgenden eristischen Schaustücke der beiden ‚Dioskuren‘ Euthydemos und Dionysodoros stellen also die Hilfe dar, die sie auf Bitten des Sokrates den beiden in der Aporie gestrandeten Gesprächspartnern Sokrates und Kleinias bieten können. Es wird dabei deutlich, dass die beiden Eristiker wirkliche, an inhaltlicher Problemlösung orientierte Hilfe nicht anbieten können und wollen – sie verfügen nicht über jenen Ernst (293a4), den Sokrates von ihnen erwartet; ihre Art von misslingender Hilfe passt zur Verwendung dieses Motivs im komischen Drama, insbesondere im Satyrspiel (Erler 2017). Deutlich wird aber auch, dass eine entsprechende inhaltliche Hilfe gleichwohl nicht unmöglich ist, aber eher aus anderer – platonischer – Perspektive erfolgen kann und muss. Gleichwohl stellt das Verfahren und seine Bewertung durch Sokrates geradezu eine Parodie auf alles dar, was man sonst aus Platons Dialogen über Methode des Wissenserwerbs und bestimmter Inhalte erfährt. Bemerkenswert ist, dass der junge Schüler Ktesippos offenbar gut lernt. Denn er spielt immer besser das eristische Spiel mit und illustriert den Anspruch der Eristiker, dass man von ihnen schnell lernen könne. Es handelt sich bei der dritten eristischen Szene um den umfangreichsten Teil des Dialoges. Mit den 13 eristischen Sophismen erreicht die Kette von eristischen Schaustücken eine Art furioso bis hin zu reinem Unsinn. Die Verbindung der einzelnen Schaustücke in dieser eristi-
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schen Szene ist gegenüber der ersten Szene lockerer infolge der Regeln des Spiels, dass die Eristiker sich an beliebige Worte, die in der Diskussion fallen, anhängen (Catchword-Technik; vgl. Erler 1986; s. Einleitung Kapitel 10. 1). Bei dessen Beurteilung ist freilich der mündliche Charakter des eristischen Spiels zu beachten, bei dem punktuelle Überraschung, die im Kontext mündlicher eristischer Schaukämpfe intendiert und wohl auch erreicht wird, bei schriftlicher Präsentation und Gestaltung der Sophismen unterlaufen wird (Erler 1985, s. Einleitung Kapitel 10. 1). Die Eristiker führen wiederum eine ganze Reihe von inhaltlich immer unsinniger werdenden Sophismen vor, bei denen es u. a. um Wissen und den Nachweis geht, dass wer etwas weiß, alles weiß. Es werden eristische Spiele mit dem Possessivpronomen ‚mein‘ bzw. ‚dein‘ geboten, die Besitztum anzeigen, mit dem man machen kann, was man will, was z. B. auch für Sokrates und ‚seine Götter‘ gelten soll. Diese eristischen Leistungen von Dionysodoros und Euthydemos lösen beim dabeistehenden Publikum Begeisterung aus. Auch Sokrates gibt sich beindruckt; er rät den Eristikern, ihre Kunst geheim zu halten. Denn den meisten und zudem den ernsthaften Menschen sei diese Streitkunst fremd. Indem Sokrates der Eristik entgegen der Auffassung der Eristiker (s. Einleitung Kapitel 11) eine Art elitären Charakter verleiht, kehrt er um, was er – und Platon – vom Ernst ihrer Philosophie denken, die eben nicht für die Menge geeignet ist, weil diese nicht den Ernst für die Philosophie aufbringen kann (vgl. Rp. 494a). Die Eristik aber hat nach Sokrates – auch dies im Kontrast zur wahren Philosophie – den Vorzug, schnell gelernt werden zu können und alles widerlegen zu können, auch eigene Positionen. Innerdramatisch schließt sich dieser eristische Teil an den zweiten sokratischen Teil an. Dort war die Suche nach einem Wissen, bei dem Produktion und Gebrauch der Güter zusammenfallen, in einen infiniten Regress und damit in eine Aporie geraten. Aus dieser Aporie (vgl. die ‚Wogen‘ der Argumente 293a3, vgl. Rp. 472a; Olymp. in Gorg. fr. 26, 18 Norvin) sollen die beiden Eristiker auf Wunsch des Sokrates heraushelfen. Das nun folgende Wortgeklingel der eristischen Schaustücke, bei denen zunehmend reine Sinnlosigkeit zu konstatieren ist, stellt also die Hilfe (zum Motiv unter philosophischen Gesichtspunkten vgl. Szlezák 1985, 60 f.; Erler 1987a; zum literarischen Motiv vgl. Erler 2017) dar, welche die beiden eristischen ‚Dioskuren‘ anbieten. Deutlich wird aber auch, dass die ständige Aufforderung des Sokrates an sie, endlich Ernst zu machen, unerfüllt bleiben wird (293a). Diese Hilfe ist geradezu die Parodie wirklicher philosophischer Unterstützung, die notwendig wäre und welche Sokrates erwartet. Die Schaustücke können bestenfalls als exercitium logicum angesehen werden. Freilich deutet sich auch
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hier bei drei Sophismen (9. 10. 18; dazu ad 293b1. 295b2. 300e3) hinter dem Scherz der Wortakrobatik durchaus der Ernst philosophischer Fragestellungen an. Die meisten Sophismen basieren auf dem Fehler des secundum quid oder auf Homonymie oder Amphibolie (dazu s. Einleitung Kapitel 11. 6). Die Trugschlüsse fallen also unter das Rubrum fallacia extra dictionem (Aristot. S. E. 166b21) und genauer unter fallaciae a dicto secundum quid ad dictum simpliciter (S. E. 166b22 f.). Zwar analysiert Sokrates in diesem Teil nicht die Sophismen, wie dies im ersten Teil geschah. Doch illustriert er in seinem Verhalten durch sein eindrückliches Insistieren auf Beifügungen (παραφθέγματα, z. B. 296ab), wo die Fehlerquelle zu suchen ist; die Analyse ist also auf die dramatisch-mimetische Ebene verlagert. Dabei wird deutlich, dass diese Beifügungen eine formal-analytische Hilfestellung, aber auch eine inhaltliche bieten, insofern sie auf eine philosophische Ebene verweisen, auf der die eristischen Schaustücke durchaus ernste philosophische Probleme ansprechen. Dies wird freilich erst bei einer wiederholenden Analyse deutlich, welche gegen die Natur des auf Spontaneität beruhenden Spiels geht (vgl. Erler 1985; s. Einleitung Kapitel 11. 2). Insofern weisen die Zusätze als Erkenntnisquelle auf die Problematik des Wissens im Sinne Platons (vgl. Men. 85c ff.) hin. Die Fragen, ob man weiß, was man weiß oder was nicht, und ob man, wenn man eines weiß, alles weiß, verlieren ihren unsinnigen Charakter mit Blick auf die Anamnesislehre: Ihr zufolge hat man Wissen in der Tat immer schon, aber man muss daran erinnert werden. Denn der Menon lehrt, dass alle Dinge verwandt sind, d. h. in einem Zusammenhang stehen (Men. 81cd); diese These von der Allverwandtschaft wird von Sokrates im Menon im Zusammenhang mit der Diskussion eines Einwandes des Menon vorgetragen, der bezweifelt, dass man etwas suchen kann, von dem man nicht weiß, was es ist (80d) – ein von Sokrates als eristisch eingestufter Einwand.
Einzelerklärungen 9. Sophisma (293b1–d1): Wer etwas weiß, ist wissend und weiß folglich alles; denn wüsste er etwas nicht, wäre er zugleich unwissend. Euthydemos fragt, ob er das Wissen, über das Sokrates und Kleinias ratlos sind, lehren solle oder ob er beweisen solle, dass Sokrates dieses Wissen bereits besitze (293b). Letzteres findet Sokrates leichter, weil er ein alter Mann sei. Deshalb beginnt Euthydemos mit seinem ‚Beweis‘ und fragt, ob er denn etwas wisse. Viele Dinge, wenn auch nur kleine und unbedeutende Sachen (293b7 f. πολλά, σμικρά γε) wisse er, gibt
Erläuterungen
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Sokrates zu. Dieses Zugeständnis genügt Euthydemos. Denn nun kann er seinen ‚Beweis‘ anhängen: Er fragt nämlich, ob etwas zugleich sein kann, was es ist, und dieses auch nicht sein kann. Wenn Sokrates wisse, dann wisse er etwas und sei wissend – das gibt Sokrates zu, nicht ohne einzuschränken, er sei wissend in der Sache, welche er weiß (293c3). Euthydemos nimmt das nicht zur Kenntnis, sondern folgert nach der oben genannten Prämisse: Wenn Sokrates in etwas wissend sei, dann wisse er alles. Sokrates widerspricht: Viele Dinge wisse er nicht. Daraus zieht Euthydemos den Schluss, dass Sokrates dann wissend und zugleich unwissend sei (c6), was Sokrates erneut einschränkt, er sei unwissend mit Blick auf die Sache, die er nicht weiß. Das aber berücksichtigt Euthydemos wieder nicht, sondern steuert auf die conclusio zu, die ihm offenbar die ganze Zeit vor Augen stand: Wenn Sokrates behauptet, er sei wissend, aber auch, er sei unwissend, ist er das, was er ist, gleichzeitig auch nicht (293c8), das aber sei unmöglich. Also müsse Sokrates alles wissen – folglich auch die vergeblich gesuchte Wissenschaft, bei der Herstellen und Gebrauch in eines fallen. Das weitere Gespräch führt dann darauf, dass auch Dionysodoros und Euthydemos alles wissen, wenn sie eines wissen und das gelte auch für alle Menschen (294a). Das Gespräch entwickelt sich zu einer Burleske. Denn Ktesippos wünscht sich Beweise für dieses Allwissen („universal omniscience“, vgl. Chance 1992, 137) und fragt, ob Euthydemos wisse, wie viele Zähne Dionysodoros habe. Hier unterbricht Sokrates seine direkte Erzählung vom Gespräch und fasst in einem Bericht die weitere Diskussion für Kriton zusammen (294de). Die Eristiker insistieren demnach darauf, dass sie wirklich alles wüssten, indem sie wie ‚Schweine, die auf Messer auflaufen‘ auf die Fragen losgehen (294d). Es ergeben sich weitere Sophismen, welche z. B. die Frage betreffen, womit man immer alles weiß, was man weiß (Sophisma 10, 295b–296d). In dem Sophisma über das Allwissen (Sophisma 9, 293bd) liegt der Fehler einer unerlaubten Verabsolutierung vor (fallacia a dicto secundum quid ad dictum simpliciter, Aristot. S. E. 166b23; vgl. Men. 81de; Phaedr. 249ae; Theaet. 187d–188e). Von ‚x weiß y‘ kann man nicht folgern, dass x wissend ist, bzw. von ‚x weiß y nicht‘ nicht, dass x unwissend ist. Beziehungen erlauben Schlüsse auf Eigenschaften: ‚x ist Vater von y‘, also ‚x ist Vater‘; doch gilt nicht umgekehrt (‚x ist nicht Vater von y‘), dass x nicht Vater ist. Offenbar konnte geschieden werden zwischen relativen und absoluten Eigenschaften (vgl. Phaed. 102bc; Kutschera 2002, 199); zugrunde liegt das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten, das hier (293b8–c1) zum ersten Mal formuliert wird (vgl. Rp. 436b; Keulen 1971, 42 f.; Schmitt 1973, 46). Wenn Sokrates eine Sache weiß, weiß er alle. Damit wird unterstellt, er verfüge wie auch Kleinias bereits über
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Kommentar
das Wissen, nach dem sie suchen. Der Fehler gehört zu den Fehlschlüssen a dicto secundum quid ad dictum simpliciter (zum Sophisma vgl. Sprague 1962, 22 ff.). Basis ist der Satz vom Widerspruch. Wenn Sokrates wissend ist, kann er nicht zugleich unwissend sein. Platon verdeutlicht, dass er sich des Fehlers in der Argumentation bewusst ist, indem Sokrates störrisch die Bezeichnung ‚wissen‘ immer wieder durch ein betontes Genetivattribut ergänzt und dadurch relativiert: ‚wissend um eben jenes‘ (293c3 τούτου γε αὐτοῦ. 293c6 ἐκείνου γε). Der Übergang (293bc) vom Verb ‚wissen‘ (ἐπίστασθαι) zum Adjektiv ‚wissend‘ ist nicht überflüssig, sondern erlaubt leichtere Anbindung eines Objektes (Hawtrey 1981, 140). Denn die damit verbundenen relativierenden Qualifikationen bieten jene Hinsichten (‚Wissen mit Bezug auf‘), welche den Fehlschluss verhindern würden, wenn man sie ernst nimmt (vgl. unten zu d1). Natürlich ist es in Platons Augen absurd zu sagen, dass jeder alles weiß – Platon ist Elitist, setzt Auswahl voraus (Rp. 412b– 414a); die Menge ist zu richtiger Erkenntnis nicht fähig (Rp. 494a). Gleichwohl wird hinter dem Spiel der eristischen Streitereien auch hier philosophischer Ernst deutlich: Denn natürlich weiß nach Platon jeder Mensch potenziell alles (Men. 81d2), insofern die unsterbliche Seele alles schon vor der Einkörperung gesehen hat und die Chance zur Wiedererinnerung hat. Dabei gilt in der Tat: Wenn man an sich an einige Dinge erinnert, dann kann man alles entdecken (εἴπερ καὶ ἕν ἐπίστασαι 294a2; vgl. Friedländer 1964, 177). Dies mag hinter dem Streitgespräch stehen (Keulen 1971, 53 f.). Jedenfalls scheint deutlich, dass Platon hier mit eigenen Vorstellungen spielt und dass – auch wenn der Menon noch nicht veröffentlicht sein sollte (zur Datierung vgl. Erler 2007, 166; s. Einleitung Kapitel 5) – entsprechende Konzepte in der Schule Platons doch wohl diskutiert worden sind. Hier ist oberflächliches Verständnis des Sophismas Anlass, inhaltlichen Unsinn zu behaupten. Die von Sokrates gebotene Zusammenfassung (293d) weist auf die Gefahr hin, dass auf Grundlage dieses Argumentes Unterschiede beim Wissen verwischt werden. Es ist interessant, dass diese Verwischung von Unterschieden (z. B. zwischen gut und böse, weise und dumm) im Kratylos (z. B. Crat. 385e) gegen Protagoras’ Homo-mensura-Satz und ebenfalls dort gegen Euthydemos’ Argument (Crat. 386d3 ff.) eingesetzt wird, dass allen alles in gleicher Weise zugleich und immer zu eigen sei. Auch im Phaidon spielt ein solcher Hinweis auf mangelnde Differenzierungsmöglichkeit bei der Diskussion der Bestimmung der Seele als Harmonie eine Rolle (Phaed. 92e–94b; Hawtrey 1981, 141). 293a8 f. wirklich sehr vornehm | πάνυ μεγαλοφρόνως: Das Wort ist hier (Hawtrey 1981, 140) wohl, anders als LSJ es verzeichnet, nicht
Erläuterungen
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in einem negativen, sondern in ironischem Sinn zu verstehen; positiv vgl. Rp. 567b12. 293b1 ff. Möchtest du . . . dass ich dich in diesem Wissen . . . belehre oder soll ich zeigen, dass du bereits über dieses Wissen verfügst? | πότερον . . . ταύτην τὴν ἐπιστήμην . . . διδάξω, ἢ ἐπιδείξω ἔχοντα: Die Frage erinnert an das Sophisma über die Möglichkeit des Lernens (275c–278e; zur Verbindung zum ersten eristischen Stück, das negativen Ausgang hatte, vgl. Keulen 1971, 49; Narcy 1984, 81 f.). Die Alternative suggeriert in der Tat, dass die Entscheidung in der Hand des Euthydemos liegt (vgl. 293b3) und er das Gespräch lenkt. Dies ist ein Gegenbild zur Vorstellung des Sokrates von philosophischer Gesprächsführung, wenn er seinen Partnern folgt und sie nicht zu lenken scheint. 293b3 Glückseliger | ὦ μακάριε: Diese ironische Apostrophe, mit der Sokrates Euthydemos in die göttliche Sphäre verweist, passt zu Sokrates’ Rolle als scheinbar naiver Bewunderer der Eristiker und zu seinen diversen entsprechenden ironischen Ausrufen (Dickey 1996, 117–118; Michelini 2000, 516). An dieser Stelle spielt die Ironie mit dem inhaltlichen Ernst, insofern Sokrates unterstellt, es hänge von Euthydemos ab, ob philosophischer Ernst geboten würde – dieser wird aber nicht geboten und kann von Eristikern nicht geboten werden; denn sein Partner müsste dafür Platoniker sein (Erler 1987a, 245 f.). Zum ersten Mal – nach mehr als der Hälfte des Dialoges – ist Euthydemos konfrontiert mit Sokrates. Zuvor (286e) hat er nur wenige Bemerkungen an Sokrates gerichtet, um Dionysodoros vor Widerlegung zu retten (Chance 1992, 132). 293b5 Dann zeige mir . . . dass ich das Wissen schon habe | ἐπίδειξον . . . ἔχοντα: Genau dieses möchte Sokrates im Menon dem Sklaven beweisen (Men. 81d). 293b6 für einen Mann in meinem Alter | τηλικόνδε ἄνδρα: Schon zuvor (271c5) hatte Sokrates mit seinem Alter kokettiert. Man darf auch daran denken, dass das Curriculum in der Politeia erst mit 50 zu philosophieren erlaubt (Rp. 497e–498c). Sophisten wie Kallikles hingegen erlaubten Philosophie nur in früher Jugend (Gorg. 484c). Die Epikureer hingegen empfehlen Philosophie für jedes Lebensalter (Epic. 4, 122; dazu Erler 2000; Heßler 2014, 148–160). Dem erwachsenen Mann gereicht die Philosophie bei Platon demnach zum Verderben (Gorg. 484d). Dass in der ersten Streitrunde Lernen als unmöglich erwiesen wird, ist natürlich vergessen (s. Einleitung Kapitel 10).
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Kommentar
293b7 f. viele Dinge, freilich unbedeutende | πάνυ γε . . . καὶ πολλά, σμικρά γε: Sokrates weiß doch eigentlich nichts; jedenfalls nicht die wichtigsten Dinge (Ap. 22a, dazu Heitsch 2004a, 86 Anm. 117); immerhin scheint Sokrates einiges sicher zu wissen in ‚menschlicher Weisheit‘ (Ap. 20d8. 23a). 293b8 das genügt | ἀρκεῖ: Ergänzungen sind gegen die Spielregeln, helfen aber, die intendierten Fehler zu meiden, wie Sokrates gleich vorführen wird (zu den Regeln des Gespräches vgl. Erler 1986; s. Einleitung Kapitel 10). 293b9–c1 zugleich nicht ist | αὐτὸ τοῦτο μὴ εἶναι: Das Wort ‚sein‘ wird hier im Sinn von Identität verstanden, während es 293c2 Kopula ist (zum Gebrauch vgl. Kahn 1973). Doch es geht hier weniger um die Bedeutung von ‚sein‘ als um den Satz vom Widerspruch (Hawtrey 1981, 142; Narcy 1984, 73–77. 163). Hierbei ist Euthydemos’ spätere Klarstellung κατὰ ταὐτὰ ἅμα (293d1) mitzudenken, die er selbst aber nicht berücksichtigt, wie seine Reaktion (293c3) auf Sokrates’ Einschränkung zeigt. Denn nur so kann Euthydemos aus Sokrates’ Zugeständnis, dass er ‚etwas weiß‘, folgern, er sei wissend (293c2 f.). 293c3 Das macht keinen Unterschied | οὐδὲν διαφέρει: Die Unerwünschtheit (vgl. 287d2 ff. 296 a1. a3. a8. b7. e7. 298e6 f.) von Sokrates’ vorhergehendem Einwurf (παράφθεγμα, dazu Keulen 1971, 71) ist zentral für die eristische Methode; er zeigt aber, dass Platon weiß, wie die Sophismen zu vermeiden sind. Zur Methode des προαποκρίνεσθαι, mit der Korrekturen angebracht werden sollen, die aber als Bruch der Spielregeln empfunden werden, vgl. Alex. Aphr. in Arist. S. E. 175b8 (CAG 2, 3 p. 12, 26–32 Wallies). Vgl. auch Erler 1986. 293c8 f. bist du eben der, der du bist, und . . . wieder nicht | τυγχάνεις ὤν . . . οὐκ εἶ: Bonitz (1886, 106–108) sieht hier eine Vermischung von Subjekt und Prädikat; doch hängt der Sophismus an einem problematischen (Palpacelli 2009, 171) Umgang mit dem Satz vom Widerspruch. 293d1 mit Blick auf dieselben Dinge zugleich | κατὰ ταὐτὰ ἅμα: Die Stelle ist möglicherweise ein Hinweis (Lloyd 1975) auf den Satz vom Widerspruch (Sprague 1993, 40 Anm. 66); vgl. weiter Plat. Rp. 436b; Aristot. Metaph. 1005b19–23; ähnliche Argumentation Plat. Men. 81de; Phaedr. 249ae; Theaet. 187d–188e; vgl. Schmitt 1973.
Erläuterungen
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293d2 f. nach dem Sprichwort ist nämlich alles schön, was du sagst | τὸ γὰρ λεγόμενον, καλὰ δὴ πάντα λέγεις: So BTW, Burnet (erste Ausgabe); Abresch (Bezug auf Hesych, Photius, aber nicht sicher, ob mit Bezug auf die Stelle) liest καλὰ δὴ παταγεῖς (so auch Stallbaum, Schanz, s. aber Heindorf; Schol. T (Schol. in Euthyd. 25 p. 191 Cufalo) hat mit Bezug auch auf unsere Stelle †παντ᾽ ἄγεις†· ἀντὶ τοῦ ἀγγέλλεις). Der Ausdruck καλὰ πάντα hat durchaus sprichwörtlichen Charakter, vgl. Thgn. 282; Hdt. 1, 32; Plut. Apophth. Lac. 236C; bei Platon vgl. Pol. 273b. 284b; Phil. 26b; Leg. 783e; deshalb ist mit De Vries (1972, 49 f.) die Lesung der Mss πάντα λέγεις zu halten. Es mag hier ein Spiel mit Sokrates’ Ablehnung von Wissen vorliegen, zumindest einem Wissen der bedeutenden Dinge (Ap. 23d; vgl. Hawtrey 1981, 142; Chance 1992, 132; Palpacelli 2009, 170 ff.). Festzuhalten ist, dass hier zuerst ein Gespräch mit Euthydemos stattfindet (vgl. Chance 1992, 132): Früher gab es nur kurze Bemerkungen (vgl. 286e) und Dionysodoros erweist sich als der ältere und schwächere Partner. Zu den Einschüben vgl. Schmitt 1973, 46 f.; Erler 1987a, 244. 293d5 f. denn ich könnte wohl nicht zugleich . . . | οὐ γὰρ ἂν εἴην . . . ἅμα: Eben dies aber ist mit Blick auf Platons Anamnesislehre vorausgesetzt (Erler 1987a, 246 ff.; Keulen 1971, 47 ff.), mit Blick auf diese gewinnt die Aussage Sinn (vgl. Men. 81cd). 293d4 denn da es ja offenbar | ὡς δή: Der Sinn ist ironisch (Gifford, 46); zum ironischen Gebrauch von ὡς δή bei Platon vgl. Gorg. 468e6; Denniston 1954, 229 ff. τοῦτο . . . καὶ μή wird von Wilamowitz als Glosse gestrichen, aber mit gutem Grund von De Vries (1972, 50) verteidigt. 293d8 Kunststück | τὸ σοφόν: Hier wird das Argument resümiert, vgl. 303 ff. 293e1 Du widerlegst dich doch selbst | σαυτὸν ἐξελέγχεις: Vgl. 286c. 287e. 293e4 liebes Haupt | φίλης κεφαλῆς: Vgl. 284e, dazu Hom. Il. 8, 281. 18, 114; Eur. Rh. 226; Soph. Ant. 1; Gorg. 513c2; Phaedr. 264a8. Die gehobene Stilhöhe ist als Ironiesignal zu verstehen. 293e4 f. nicht verdrießen | οὐκ ἂν πάνυ ἀγανακτοίην: Sokrates akzeptiert, wenn er Argumente verliert; vgl. Gorg. 458a, wo Sokrates fordert, dass man sich über Widerlegung freut. Man soll keine Scheu
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Kommentar
haben zu widerlegen oder zu kritisieren (Gorg. 457e; Kobusch 1996, bes. 50–53). Diese Freude am Widerlegtwerden ergibt sich aus Sokrates’ Auffassung von Rhetorik als ‚neue Politik‘ (Gorg. 521d ff.), die von Unwissen befreien soll (Erler 2009c), vgl. 303d. 304c6 ff. Deshalb ist Ärger über Widerlegung unpassend; zum Motiv der Verdrießlichkeit vgl. Szlezák 1985, 235 ff. und Erler 2009a, bes. 166 ff. 293e5 f. wisst ihr beide nicht | οὐχὶ τὰ μὲν ἐπίστασθον: Hier findet sich erstmals in der Szene der Dual: Sokrates wendet sich nicht an Euthydemos allein, obgleich dieser die These des Allwissens vorgetragen hat, sondern an beide Sophisten zugleich. Dieses gegenüber dem bisherigen neue Vorgehen des Sokrates ist auch weiter zu beobachten, wenn z. B. Dionysodoros antwortet, Sokrates aber wieder nicht auf ihn direkt reagiert, sondern den Dual verwendet (293e8. 294a1. 294b2 f. 294b6, dazu Sermamoglou 2014, 90 Anm. 158). Auch Ktesippos adressiert beide Eristiker (294c). Später tritt Sokrates in eine weitere Diskussion mit Euthydemos alleine ein, doch wird dann auch Dionysodoros involviert und Sokrates benutzt den Dual (296d7 f.). 294b4 Kunst des Zimmermanns oder die des Schusters | τεκτονικὴν καὶ σκυτικήν: Vgl. 292c8. Man mag bei diesem ironisierten Anspruch auf Allkompetenz an den nicht ironisch gemeinten Anspruch des Hippias denken (HipMi. 368a ff.). 294b7 f. flicken | καττύειν: Vgl. zum Schuhmacher (νευρορραφεῖν) Rp. 421a; καττύειν vielleicht im Sinne von besohlen, vgl. κάσσυμα Aristoph. Ach. 301; Eq. 315. 294b8 f. wie viele Sterne . . . und wie viel Sand | τοὺς ἀστέρας . . . καὶ τὴν ἄμμον: Sprichwörtlich für übergroße Zahl, vgl. Hdt. 1, 47; Pind. O. 2, 98; Pind. P. 9, 46 ff.; Hor. carm. 1, 28,1; vgl. den Titel von Archimedes’ Werk über große Zahlen, Psammites; vgl. Richardson 1977, 24; Hawtrey 1981, 146. 294c4 wie viele Zähne | ὁπόσους ὀδόντας: Vgl. Aristoph. Pl. 1057 (Gifford, 47); dies erinnert an Ratespiele, vgl. Arist. Rh. 1407b1 ff. 294c7 aber keineswegs | μηδαμῶς: Vgl. zu dieser missbilligenden Form des Widerspruches Phaedr. 234e; Riddell 1967, § 136; vgl. 300a5.
Erläuterungen
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294d3 f. ganz unverhüllt | ἀπαρακαλύπτως: Platonische Wortprägung; vgl. Rp. 538c1. Die Fragen, insbesondere die schamlosesten (294d4) erwähnt der Erzähler offenbar nicht. 294d5 f. äußerst tapfer . . . wie wilde Schweine | ἀνδρειότατα . . . ὥσπερ οἱ κάπροι: Vgl. zum Bild Hom. Il. 5, 783. 294d8 ff. gezwungen sah zu fragen | ἠναγκάσθην . . . ἐρέσθαι [τὸν Εὐθύδημον]: Sokrates übernimmt die Fragerolle. Euthydemos oder Dionysodoros (294e1) ist mit Hermann und anderen (Gifford, 47; Burnet; Hawtrey 1981, 147) zu streichen, weil ἥκεις (294e4) ein Subjekt verlangt; 294e3 τηλικοῦτος ὤν spricht dafür, Dionysodoros zu halten, da er der Ältere der beiden ist. Hüffmeier (2000, 32 Anm. 27) erwägt, auch Euthydemos wegen seiner größeren Rolle im Dialog (s. Einleitung Kapitel 6. 2.1) zu halten und mit Stallbaum (161) ἥκεις (294e4) in ἥκει zu ändern. 294e2 f. über Schwerter zu tanzen und dich auf der Scheibe zu drehen | ἐς μαχαίρας γε κυβιστᾶν καὶ ἐπὶ τροχοῦ δινεῖσθαι: Zum Tanz über Schwerter vgl. Xen. Symp. 2, 11; demnach tanzte und sprang eine Tänzerin über und in einem Kreis aufgepflanzter Schwerter (Hawtrey 1981, 147). Zu κυβιστᾶν in diesem Zusammenhang vgl. Plat. Symp. 190a; doch passt der dort beschriebene Tanz nur bedingt (Hawtrey 1981, 148); die zweite Art der Vorführung ist schwieriger zu verstehen, vielleicht gehört Xen. Symp. 2, 22 hierher, besser aber wegen ἐπὶ τροχοῦ Xen. Symp. 7, 3 (Gifford, 47). 294e3 so weit fortgeschritten | πόρρω σοφίας: Vgl. Euthyph. 4b1 zu πόρρω.
294e9 als ihr beide noch Kinder und gerade geboren wart | καὶ ὅτε παιδία ἤστην καὶ εὐθὺς γενόμενοι: ἤστην ist 3. Person Dual, wird aber hier zumeist mit 2. Person übersetzt (mit Blick auf ἠπίστασθε als 2. Pl.) oder wird in ἤστον (2. Pers. Pl.) geändert (Gifford). Man hat auch vorgeschlagen (wie 273e2. 273e5. 294a) in dieser Passage 3. Person Dual zu halten und gleichsam als Illusionsbruch eine weitere berichtende Hinwendung an Kriton zu sehen (Polleichtner 2011, 43 f.). Somit wird Folgendes verstanden: „And when they two were children, and you two knew it when you just were born?“ (Polleichtner 2011, 44). Freilich gehört καὶ εὐθὺς γενόμενοι in den untergeordneten ὅτε-Satz.
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Kommentar
295a3 sagte ich | ἐγώ: Ausgelassen von Mss., ergänzt von Stephanus nach Cornarius. 295a6 will ich mich in diesen Dingen widerlegen lassen | ἥδιστα ταῦτα ἐξελέγχομαι: Dies ist die von Sokrates geforderte und von ihm vorgeführte Haltung (vgl. 293e3). Es ist nach Sokrates der Antwortende, der spricht (Alc. 1 113a7–9). Ihm muss der Fragende folgen (Gorg. 462b ff.; Erler 1987a, 268 f.), eine Rolle, welche die Eristiker – aus ihrer Sicht aus gutem Grund – nicht annehmen wollen. 295a7 Wenn ich nämlich weise bin, ohne dass ich selbst es weiß | λέληθα ἐμαυτὸν σοφὸς ὢν: Das Streben nach Selbsterkenntnis ist
ein Grundanliegen des Sokrates; alleine der Umstand, dass er nicht meine, etwas zu wissen, was er gar nicht weiß, macht die Überlegenheit des Sokrates aus, wie die Apologie zeigt. Die Schwierigkeit der Suche nach Selbsterkenntnis und Selbstbescheidung wird im Charmides diskutiert und illustriert. 10. Sophisma (295b2–296d4): Man weiß immer alles, immer mit demselben (sc. der Seele); man weiß alles. Die Eristiker haben bisher festgestellt, dass Sokrates allwissend ist. Jetzt will man beweisen, dass man immer alles weiß. Obgleich Ktesippos und Sokrates im letzten Streitgang in die Enge getrieben wurden, stellt Sokrates zuletzt doch die Frage, ob denn alle immer alles wüssten (294e6). Das greift Euthydemos auf und ‚beweist‘ dass er und alle immer alles wissen. Sokrates sei doch wissend und er wisse mit einem ‚Organ‘, was er weiß – Sokrates stimmt zu, damit sei wohl die Seele gemeint. Also weiß man immer mit derselben Instanz alles. Es schließt sich ein methodisch interessanter Schlagabtausch an. Denn Euthydemos protestiert gegen Sokrates’ als Gegenfrage formulierten Interpretationsvorschlag (Seele, vgl. 293b8. c3. 295b4. 295e5. 296a7. 296b5), mit dem er sich nach eigenen Worten um inhaltliche Klarheit bemüht. Man meide so die Gefahr, auf etwas anderes zu antworten als das, was Euthydemos mit seiner Frage im Blick habe (295c). Sokrates entschuldigt sich für seine – richtigen und wichtigen – Hinweise ironisch mit seiner ‚Unbildung‘ (296a3). Er habe mehr geantwortet als notwendig sei (Erler 1987a, 243). Doch Euthydemos interessiert dieser wichtige methodische, am Inhalt orientierte Hinweis nicht. Er wird vielmehr ärgerlich, weil Sokrates sich mit sprachlichen Unterscheidungen zu helfen versuche (295d1 f. διαστέλλειν τὰ λεγόμενα). Das Sophisma 10 ist also wie Sophisma 9 mit Wissenserwerb befasst; dort war gezeigt worden, dass man alles weiß,
Erläuterungen
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wenn man etwas weiß. Auch hier spielt der fehlende Zusatz, was man weiß, eine Rolle, auf die Sokrates hinweist. Der Fehlschluss funktioniert durch Sokrates Zustimmung zu ‚immer‘ (ἀεί, 296c6 ff.) und verstößt dann gegen das secundum quid: ‚immer‘ darf nicht absolut genommen werden; der Sophismus basiert auch auf Äquivokation von ‚immer‘ als ‚bei jeder Gelegenheit‘ (wenn man etwas weiß) und unqualifiziertem ‚immer‘. Der Beweisgang ist von Interesse, weil Sokrates scheinbar unfreiwillig den Schluss durch Ergänzungen aufhält, z. B. indem er auf die Seele als Mittel der Erkenntnis hinweist (Keulen 1971, 47 ff.). Dadurch gibt es nicht nur Hinweise, wie logische Fehler gemieden werden können (293b–296b bietet gleichsam eine indirekte Fehleranalyse im Kontrast zur direkten in der Partie 277e–278b, vgl. Sprague 1993, 43 Anm. 71), sondern auch auf inhaltlich-philosophische Relevanz der Aussagen. Wiederum deutet sich hinter dem oberflächlich betrachteten Unsinn platonische Lehre an, gerade wenn man den unerlaubten Zusatz ‚gegen die Regel‘ beachtet. vgl. Men. 81c. 85e–86a; Phaed. 75c; Keulen 1971, 51 ff. Vgl. 296c8 ff. (Seele als Erkenntnismittel). 295b4 f. Denn ich denke, du meinst die Seele | οἶμαι γάρ σε τὴν ψυχὴν λέγειν: Sokrates’ auf Homologie als Merkmal sokratischer Dialektik (s. Einleitung Kapitel 10; Geiger 2006, 96–104) zielende Rückversicherung bricht die Regeln des eristischen Gesprächs, insofern er als ‚Antwortender‘ einen inhaltlich neuen Aspekt in das Gespräch einbringt. Dadurch wird das Bestreben des Fragenden unterminiert, den Befragten zum Fehler des secundum quid zu verleiten, vgl. ‚immer‘ (296a5 ff.) und ‚alles‘ (296c2). Der Zusatz ‚Seele‘ zu dem von Euthydemos genutzten, bewusst neutralen τούτῳ bringt zudem platonische Aspekte in die Diskussion ein (Keulen 1971, 48). Für die erwünschte Konklusion ἀεὶ ἐπίστασαι καὶ ἅμα πάντα sind die Zugeständnisse des Antwortenden ἀεί und πάντα entscheidend (Analyse bei Hawtrey 1981, 149 f.). 295b6 ff. Schämst du dich nicht . . . und stellst Gegenfragen | οὐκ αἰσχύνῃ . . . ἀνερωτᾷς: Gegenfragen sind ein Bruch der eristischen Regel; denn sie können die Strategie des Fragenden zerstören, vgl. Aristot. S. E. 175a31–176b28. Gegenfragen als Spielregelbruch finden sich immer wieder (z. B. 293b8. 293c3. 295b4. 295e5. 296a7. 296b5). Der Wunsch nach inhaltlicher Klärung – die das sokratische Gespräch ausmacht – ist unpassend (vgl. 295b8). Allein der Umstand, dass eine Antwort gegeben wird, erfüllt die Regel (295c1), auch wenn die Antwort nicht zur Sache ist (295c6 ἐὰν μηδὲν πρὸς ἔπος ἀποκρίνωμαι; vgl. Phil. 18d6) – man denkt an οὐδὲν πρὸς λόγον (Prot. 344a4 f.; Phil.
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Kommentar
33c1; Hawtrey 1981, 151). Das Wort ἀνερωτᾶν ist hier erstmals im Sinne von ‚eine Gegenfrage stellen‘ belegt (Hawtrey 1981, 150); Gegenfragen sind im Spiel der Eristiker nicht erlaubt (s. Einleitung Kapitel 10; Erler 1986). Die Partie ist eine indirekte Werbung für die ὀρθότης-ὀνομάτων-Lehre des Prodikos (s. o.), wenn man nicht bei der Wortoberfläche stehen bleibt. Zwar wehrt sich bisweilen auch Sokrates gegen Gegenfragen (z. B. Phil. 42e), doch handelt es sich dort und an anderen Stellen nicht um die gleiche Taktik (so offenbar Beversluis 2000, 39 Anm. 10 mit Blick auf Euthyd. 295bc), sondern es ist dort Teil einer inhaltliche Klärung erstrebenden Strategie des Sokrates. 295c10 f. weil du … Unsinn redest | ὅτι . . . φλυαρεῖς: Zum Ausdruck vgl. Gοrg. 490e4 und Tarrant 1946, 109. Er findet sich vor allem in der Komödie, vgl. Aristoph. Ran. 512; Theocr. id. 14, 8 (zur Erklärung vgl. Dodds 1959, 290). 295c11 altmodischer bist als notwendig | ἀρχαιότερος εἶ τοῦ δέοντος: Vgl. oben 287b2; zu abwertendem ἀρχαῖος vgl. Aristoph. Nub. 821. 915. 984. 1357. 1469; Isocr. 4, 30. 295d1 f. weil ich differenzierte bei dem, was er sagte | διαστέλλοντι τὰ λεγόμενα: Diese Wortunterscheidungen sind in der Tat notwendig, um Sophismen zu meiden (vgl. Aristot. S. E. 176a38 f.); dies jedoch interessiert die Sophisten als ‚Wortjäger‘ (295d2) nicht; das Differenzieren mag an Wortdihairesen z. B. im Politikos oder dem Sophistes erinnern, wobei es dort um inhaltliche Kriterien geht. Simplikios bestätigt in seinem Kommentar zu Aristoteles’ Kategorien (Simp. in Arist. Cat. CAG 8 p. 22, 9–13 Kalbfleisch), dass ein solches διαστέλλειν τὰ ὀνόματα für ein besseres Verständnis hilfreich sein kann (vgl. dazu Wieland 1958; Schmitt 1973, 48). 295d3 Konnos | Κόννου: Vgl. 272c. 295d5 f. gerade auch bei ihm | καὶ παρὰ τοῦτον: Zu diesem Fall von betonendem καί vgl. Denniston 1954, 327; De Vries 1972, 50. 295d6 f. törichten Schüler | σκαιὸν ἡγησάμενος: Erinnert an Sokrates und Strepsiades vgl. Aristoph. Nub. 790. 295e3 von Anfang an | ἐξ ἀρχῆς: Vgl. 295b2.
Erläuterungen
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296a1 fügt . . . in der Antwort etwas hinzu | προσαποκρίνεται: Dies mag Wortschöpfung Platons sein (Hawtrey 1981, 152 f.). Aristoteles hat S. E. 175b10 ff. (ἀνάγκη προσαποκρίνεσθαί τι) offenbar insgesamt die Euthydemos-Stelle vor Augen. 296a3 f. aus Mangel an Bildung | ὑπὸ ἀπαιδευσίας: Wenn sich Sokrates des Mangels an Bildung bezichtigt, weil er Regeln bricht, so ist das aus Sicht der Eristiker richtig (vgl. Aristot. S. E. 175b8 f.), denn die Zusatzfragen können Tricks verhindern, wie Aristoteles zu Recht feststellt (vgl. Aristot. S. E. 175b10 ff.). Noch bei Gellius gilt das Verbot von Gegenfragen als lex disciplinae dialecticae (Gell. 16, 2,1, s. Erler 1987a, 243 Anm. 136) und auch bei Augustinus, z. B. in den antimanichäischen Disputationen, lässt sich diese Haltung beobachten (Erler 1990). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Anekdote, die Diogenes Laertios über Menedem erzählt (Diog. Laert. 2,135). Die Ironie in Sokrates’ Bemerkung liegt also darin, dass er zwar wirklich Regeln bricht und ‚ungebildet‘ ist, dass er dabei aber als ‚Laie‘ (295e) zugleich den Weg zur richtigen Analyse weist. 296a6 immer | ἀεί: Das Wort ‚immer‘ bringt als weiteren Aspekt die Beständigkeit des Wissens in das Gespräch ein, allerdings mit ambiguem Sinn: a) im generellen Sinn b) im Sinn von ‚in jedem Fall‘; vgl. Bonitz 1886, 114; Friedländer 1964, 176 f.; Keulen 1971, 49; O’Sullivan 1979. Nach Hawtrey (1981, 149) liegt hierin, weniger in der Beseitigung der Qualifikation, der Grund für den Sophismus. 296a8 Ergänzungen hinzuzufügen | παραφθεγγόμενος: Auch dieser Ausdruck scheint Platons Wortschöpfung zu sein, vgl. zu derartigen Ergänzungen 287d. 296a1. 296b7. 302d; dazu Keulen 1971, 47. Diese Ergänzungen werden aus eristischer Sicht als störend und – mit Recht – als Bruch der Spielregel empfunden (293c2. 296ab). Vgl. Erler 1986, bes. 85; Erler 1990. Zu derartigen Ergänzungen, die bisweilen inhaltlich den Horizont des Partners überschreiten, vgl. z. B. HipMi. 376a6 f. 376b5 f.; Keulen 1971, 49 Anm. 26; Erler 1987a, 243. 296b1 wenn aber einen, dann dich | ἀλλ᾽ εἴπερ, σέ: Vgl. zur Situation Aristoph. Nub. 227 mit Dover 1968, 127; vgl. Thompson 1961, 262. 296b3 Also immer weißt du mit diesem | ἀεὶ μὲν τούτῳ ἐπίστασαι: Das war als Sophisma 9 ‚bewiesen‘ worden. Das ‚immer‘ (ἀεί) ist
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Kommentar
eng mit ‚dieser‘ (τούτῳ) zu verbinden (vgl. Chance 1992, 150 f. 259 f. Anm. 36 nach Rouse sowie 296c). 296c1 f. alles zusammen . . . alles einzeln | ἅπαντα . . . πάντα: Möglicherweise ist wie in Sophisma 2 (276d ff.) der Fehler der Komposition im Rahmen der fallacia secundum dictionem (Aristot. S. E. 166a23 παρὰ τὴν σύνθεσιν) intendiert. Wer die Teile kennt, kennt auch das Ganze – oder es geht um Buchstaben: Das Wort ἅπαντα schließt das Wort πάντα ein. 296c4 Füge nur immer hinzu, was du willst | προστίθει . . . ὅτι βούλει: Der Eristiker kann großzügig sein. Denn alle Voraussetzungen für den Fehlschluss sind zugegeben. Die Hinzufügung wird ignoriert (Hawtrey 1981, 154). Dass derartige Anmerkungen und Einschränkungen die Argumentation unterbrechen oder in andere Richtung lenken sollen und können, sah Aristoteles (S. E. 175b8–14). 296c9 f. Immer nämlich . . . und weißt alles zugleich | ἀεὶ γάρ . . . καὶ ἅμα πάντα: Euthydemos glaubt in diesem Abschnitt (296c8 ff. οὐκοῦν), den Sieg errungen zu haben. Doch gibt es für den Leser Signale in Form jener Zusätze, welche aus Sicht der Eristiker Regelbrüche darstellen, in Wirklichkeit aber logisch notwendig sind und den Leser auf die Fehlerhaftigkeit von Euthydemos’ ‚Argument‘ hinweisen sollen. Zudem können sie dem kundigen Leser andeuten, dass der wahre Sieger Sokrates bzw. Platon ist. Denn im Hintergrund steht die Anamnesislehre, nach der es in der Tat wahr ist, dass die unsterbliche Seele noch verborgenes Wissen besitzt, und dies immer und unwandelbar. Denn für Platon führt die Anamnesis auf die Ideen und damit auf ein Wissen, das beständig und überall ganz und gleich ist (vgl. Men. 81c. 85e–86a; Phaed. 75c). Keulen (1971, 51) will hier eine „Persiflage des Menon“ erkennen. Man darf aber in der Tat an die ‚Allverwandtschaft‘ bei Platon denken (Herter 1975, 249–258). In 296c8 gehört ‚immer‘ (ἀεί) zu ‚mit diesem‘ (τούτῳ). Es fällt auf, dass Euthydemos in dem darauf folgenden γάρ-Satz (296c9), der eigentlich den vorhergehenden Satz nicht begründet, sondern nur das bekräftigt, was Sokrates angeblich gesagt hat, ‚mit diesem‘ (τούτῳ) auslässt und ‚immer‘ (ἀεί) offenbar mit ‚wissen‘ (ἐπίστασθαι) verbindet. Εr zeigt damit, dass er Sokrates’ qualifizierende Ergänzungen nur als störend und inhaltlich sinnlos empfindet. Euthydemos verwendet ἅμα in dem Satz (296c10) beinahe synonym mit ἄρτι (vgl. 293d1; vgl. Chance 1992, 260 Anm. 45). Euthydemos hat zwar nach seinen Spielregeln den Sieg davongetragen. Der Leser freilich ist mit Hilfe von Sokrates’ Spielregelbruch (Ergänzungen) gewarnt
Erläuterungen
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und sollte diesen Regelbruch als Hinweis verstehen, auf den Inhalt zu achten. Ihm sollte dann klar werden, was die Gesprächspartner im Text ähnlich wie im Fall tragischer Ironie nicht erkennen: Die conclusio formuliert platonische Lehre (ἀνάμνησις). Friedländer (1964, 177), O’Sullivan (1979) und Hawtrey (1979) halten γάρ für problematisch, weil es nicht logisch begründet, sondern die zwei Zugeständnisse (ὡμολόγηκας: immer wissen, alles wissen) verbindet – vorgeschlagen werden Parenthese oder γ᾽ ἄρα. Doch wird man hier eine Art Zusammenfassung sehen dürfen („riepilogo“, vgl. Palpacelli 2009, 180 Anm. 13). Auch das οὐκοῦν (296c8) erinnert an zuvor Gesagtes (296ab). Zum inhaltlichen Aspekt der Stelle vgl. auch Szlezák 1980, 82; Narcy 1984, 82; Erler 1987a, 246 f. 296d3 f. du selbst wirst immer wissen | αὐτὸς ἀεὶ ἐπιστήσῃ: Das Wort αὐτός (BT) wirkt überflüssig (Gifford [50] tilgt es im Apparat, hält es im Text), wobei bessere Alternativen nicht gefunden scheinen; Wilamowitz interpungiert nach ἔφη αὐτός, ἀεί (1919, Bd. 2, 369; s. a. De Vries 1972, 50 f.). 296d4 wenn ich es so will | ἂν ἐγὼ βούλωμαι: Der Anspruch, dass die Argumentation und die Wahrheit ganz in seiner Hand liegt (vgl. 276e5 πάντ᾽, ἔφη [. . .] τοιαῦτα ἡμεῖς ἐρωτῶμεν ἄφυκτα), zeigt das Selbstverständnis des Euthydemos und ist wichtig für das Selbstverständnis des Eristikers: Denn er glaubt, den Verlauf des Gespräches zu beherrschen (vgl. 287d5 f.), ansonsten handelt es sich nach dem eristischen Selbstverständnis um Flucht (vgl. 297b7). Deshalb versuchen Eristiker immer, das Heft des Fragens in der Hand (275c) zu behalten. Der Anspruch wird geradezu imperativisch durchzusetzen versucht (287c. 287d. 293b. 295a. e. 296b. 297d; hilfreich dazu Keulen 1971, 70 f.). Sophisten wie Protagoras bieten Diskursformen zur Auswahl an (Prot. 320c; Erler 1987a, 270). Auch Dionysodoros glaubt, er und Sokrates seien nicht Diener des λόγος, sondern dieser stehe ihnen zur Verfügung (273b). Ebendieses Verhalten lehnt Sokrates ab (dazu Erler 1987a, 268–279; s. Einleitung Kapitel 10). Es ist deutlich, dass hier eine Doppelbödigkeit vorliegt und offenbar intendiert ist; diese zu erkennen ist uns heute durch die Lektüre des Menon möglich (s. Einleitung Kapitel 11. 4; vgl. mit unterschiedlichen Nuancierungen Friedländer 1964, 165 ff.; Keulen 1971, 25–40. 49–56; Szlezák 1980, 82; Narcy 1984, 82; Erler 1985; Chance 1992, 153).
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Kommentar
296d5 du viel verehrter | πολυτίμητε: Vgl. 273e. 288a; für Götter vgl. Aristoph. Pax 978; Ach. 807. Das Wort gehört zur Kultsprache (Kleinknecht 1937, 23; s. a. Erler 1987a, 248 Anm. 160). 296e2 solche Wunder an weisen Menschen | τερατώδεσιν ἀνθρώποις: S. o. 296c3: τέρας, bisweilen verbunden mit religiöser Konnotation; vgl. Aristoph. Nub. 364. Wenn Sokrates vom ‚monströsen Ergebnis‘ der eristischen Argumentation spricht (296c3) und die Eristiker als Monster an Weisheit apostrophiert, dann evoziert er für sich die Rolle des Herakles, der – allerdings allein – gegen Monster kämpft und z. B. bei Antisthenes eine beliebte Figur ist (Michelini 2000, 523 Anm. 64). Zu erinnern ist hier vielleicht auch an die von Isokrates beklagte Wundererzählung (τερατολογία), womit eine besondere Art des Erzählens, der Rhetorik oder der Philosophie gemeint ist, vgl. Isocr. 10, 7; dazu Zajonz 2002, 110–112. Vgl. Isocr. 15, 269, wo bestimmte Theorien der Vorsokratiker als τερατολογία bezeichnet und mit θαυματοποιίαι verglichen werden. 296e4 gute Menschen ungerecht sind | οἱ ἀγαθοὶ ἄνδρες ἄδικοί εἰσιν: Damit rechnet Thrasymachos, vgl. Rp. 348d–349e. 371e–376c; Prot. 343d–345c; Gorg. 483c (Palpacelli 2009, 184. 292–294). Zweimal rekurriert Sokrates auf das Problem (297b4 f. 297d8) als etwas, das er von den Eristikern lernen möchte. 297a5 Du verdirbst uns das Argument | διαφθείρεις: Dionysodoros ist Euthydemos im Gespräch in der Tat unterlegen. ‚Du verdirbst das Argument‘ meint, dass Sokrates wissend und nicht wissend ist, was dem Satz vom Widerspruch widerspricht, wie ihn die Eristiker verstehen. Demnach gibt es zwischen ‚ist‘ und ‚ist nicht‘ nichts Mittleres. Wird das nicht beachtet, folgt aus Sicht der Eristiker eine Niederlage; den Eristikern aber geht es um Sieg (Aristot. S. E. 171b25 f.). Nachdenken hätte eine Lösung ermöglicht. Das Wort ‚gut‘ wird verstanden im Sinne von ‚gut in etwas‘ (wie z. B. Thrasymachos Rp. 348e). Dass ein Guter freiwillig Schlechtes tun kann, ist möglich und muss nicht amoralisch verstanden werden. Dies will z. B. Platons Dialog Hippias minor beweisen, wo gezeigt wird, dass es allein der kompetente Mensch ist, der im Bereich seiner Kompetenz freiwillig z. B. strategische, möglicherweise hilfreiche Fehler machen kann. Dazu vgl. Erler 1987a, 141. 297b2 ein Bruder . . . bin ich | ἀδελφός . . . εἰμι: Offenbar setzt Dionysodoros zu einem eigenen Sophisma an, um davon abzulenken, dass Sokrates ihre Argumentation zu einem irritierenden Schluss geführt hat
Erläuterungen
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(vgl. Gorg. 474c; Sprague 1993, 47 Anm. 73). Dass Dionysodoros ‚schnell‘ (ταχύ) das Wort ergreift, qualifiziert seine unaufmerksame Vorgehensweise (anders als bei Euthydemos), charakterisiert aber auch das Verfahren, das anders als Sokrates’ Dialektik auf Schnelligkeit angelegt ist (298e6; vgl. die Adonisgärtchen in Phaedr. 276b; Erler 1986; Erler 1987a, 249 Anm. 166 und s. Einleitung Kapitel 10). 297b7 f. du läufst fort | φεύγεις: In Wirklichkeit sind die Eristiker widerlegt durch logische Einwände (παραφθέγματα) und durch Hinweise auf Fakten; s. oben 296d3; die Eristiker halten ihre Sophismen für ἄφυκτα ἐρωτήματα, vgl. 276e5, vgl. Theaet. 165b. Zwischenspiel: Von der Hydra und dem Krebs (297bd) Sokrates beklagt sich, dass seine Aufgabe schwerer sei als die des Herakles gegen die ‚Sophistin‘ Hydra und den Seekrebs. Denn Herakles habe der Neffe Iolaos geholfen; bei ihm jedoch würde Hilfe alles noch schlimmer machen. Dionysodoros greift in bekannter Stichworttechnik (s. Einleitung) das Wort ‚Neffe‘ auf und bricht eine Argumentation über Verwandtschaftsverhältnisse vom Zaun. 297c1 weniger wert als Herakles | φαυλότερος τοῦ Ἡρακλέους: Vgl. Phaed. 89c5: πρὸς δύο λέγεται οὐδ᾽ ὁ Ἡρακλῆς. Herakles nämlich rief seinen Neffen Iolaos zu Hilfe, als er von der Hydra mit Unterstützung einer von Hera geschickten Krabbe angegriffen wurde (vgl. Apollod. 2, 5,2; Chance 1992, 156 ff.; Fontenrose 1959). Man mag in der Hilfe eine Anspielung auf Ktesippos sehen (Sprague 1993, 47 Anm. 75; De Vries 1972, 51); Bedenken bei Hawtrey 1981, 159; vgl. Jackson 1990. 297c2 Sophistin | σοφιστρίᾳ: Vgl. c4 für Krebs: Die Wortbildung im Femininum mag platonische Prägung sein (vgl. Chantraine 1984, 1030– 1031; Hawtrey 1981, 159), vielleicht in Anlehnung an Aristoph. Pl. 970 συκοφάντρια (Hawtrey 1981, 159). Die Vielfalt und Wandlungsfähigkeit (ποικιλία) ist auch im Sophistes Merkmal der Sophisten; vgl. dazu Bordoy 2013, 23 f. Passend dazu war bereits weiter oben (288b8) Proteus als Vergleich aus der Mythologie gewählt, weil dieser sich immer verwandelt. Sokrates tut so, als sei er in der Situation des Herakles, der gegen die vielen Argumente der Eristker wie gegen nachwachsende Köpfe der Hydra kämpft. Zwar ist er nicht ohne Erfolg, doch bedrängt ihn dann Dionysodoros so sehr, dass er auf die Hilfe eines Iolaos hofft.
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Kommentar
297d1 mein Iolaos [Patrokles] | ἐμὸς Ἰόλεως [Πατροκλῆς]: Patrokles war der Halbbruder des Sokrates, Sohn von Sokrates’ Mutter und einem gewissen Chairedemos (297e7; Gifford, 52). Wir hören von einem Patrokles aus Alopeke, der auf einer von der Akropolis stammenden Inschrift aus dem Jahr 406/5 als Wettkampfordner genannt ist (IG I2, Nr. 305, 10). Man hat vermutet, dass es sich hierbei um den Halbbruder des Sokrates handelt, vgl. Döring 1998, 146. Πατροκλῆς ist hier mit Burnet, Gifford, Hawtrey (1981, 159) zu athetieren (anders Stephanus; Wells 1881, 63; dazu Palpacelli 2009, 186); umstritten ist, ob Sokrates einen Iolaos konkret im Sinn hat (De Vries 1972, 51), oder man an Ktesippos denken soll (Gifford, 52). Doch ist mit Iolaos wohl eher Ktesippos gemeint, der dem Argument tatsächlich zu Hilfe eilen wird (vgl. 293a. 297c7. 303a; Chance 1992, 157 und Gifford, 52; anders De Vries 1972, 51; Hawtrey 1981, 159). Wir haben es hier wohl wieder mit einer Parodie auf wahre Hilfe zu tun, wie auch schon zuvor (292e–293a, vgl. Erler 2017). Vorgeführt wird wiederum eine scheiternde Art von Hilfe, diesmal des Ktesippos. Mit dem Bezug auf Iolaos wird der ‚Wiederauftritt‘ von Ktesippos vorbereitet. 297d4 Litanei | ὕμνηται: ὕμνηται hier im Sinn von ‚eine Litanei herunterbeten‘. Vgl. Prot. 317a; Rp. 549e; Theaet. 174e; Leg. 871a. 297d9 f. Meine Antwort ist | ἀποκρίνομαι δή: Die Antwort greift die Formulierung (297d9 ἀποκρίνου δή) auf und fungiert wie ein Paraphthegma im Sinn einer ergänzenden Präzisierung (‚Schwestersohn des Herakles‘) der These des Sophisten, ohne dass dieser gegen die Ergänzung diesmal protestiert, obgleich sie sein Sophisma stört. 11. Sophisma (297e8–298b3): Sokrates hat keinen Vater. Dionysodoros greift das Wort ‚Neffe‘ auf, das Sokrates im Interludium verwendet hat und schmiedet daraus ein Sophisma. Die Streitrunde, geleitet erst von Dionysodoros und dann (298b) von Euthydemos, handelt darüber, ob Iolaos mehr Neffe des Herakles als des Sokrates ist. Nein, denn Sokrates’ Bruder Patrokles war nicht Iolaos’ Vater. Ist aber Patrokles Bruder des Sokrates? Er ist es nach Sokrates’ Ansicht mütterlicherseits (297e5), väterlicherseits hingegen nicht. Also, schließt der Eristiker, ist Patrokles Bruder und nicht Bruder, was Sokrates mit der Einschränkung ‚nicht väterlicherseits‘ (e6) akzeptiert. Sokrates’ Vater Sophroniskos ist verschieden von Chairedemos, der Vater des Patrokles ist. Sofort folgert Dionysodoros, dass Chairedemos ein anderer als der Vater ist – wenn er doch verschieden von Sophroniskos ist, der Vater ist.
Erläuterungen
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Das quittiert Sokrates mit dem Einwurf ‚meines Vaters‘ (298a). Doch fährt Dionysodoros unbeirrt mit seinem ‚Argument‘ fort und behauptet, was anderes ist als Gold und Stein ist nicht Gold und Stein. Wenn – so greift Ktesippos ein – (298b4) Chairedemos Vater ist, dann ist also Sophroniskos nicht Vater und deshalb Sokrates vaterlos (b3). Als Syllogismus formuliert lautet der Schluss: Erste Prämisse: Chairedemos ist nicht Sophroniskos. Zweite Prämisse: Sophroniskos ist Vater. Schlussfolgerung: Chairedemos ist nicht ein Vater. Grundlage des Sophismas ist also, dass nicht zwischen Identität und Prädikation, zwischen relativem und absolutem Gebrauch von Eigenschaften (Aristot. S. E. 166b28 ff.) unterschieden wird (Kutschera 2002, 200). x ist von y unterschieden; von ‚x hat Eigenschaft F‘ wird auf ‚y hat nicht Eigenschaft F‘ geschlossen. Man mag an den Fehler des Akzidens denken (fallacia accidentis). Sokrates’ Bemerkungen (298a2. 298c3. 6) weisen freilich darauf hin, dass Platon wohl eher an den Fehler des secundum quid gedacht hat: Inhaltlich lassen die Sophismen über die Verwandtschaftsverhältnisse einen ernsthaften Hintergrund erkennen, wenn man an Platons Lehre von der Allverwandtschaft, z. B. im Dialog Menon, denkt (Szlezák 1980, 82). 298a1 f. Also war … Chairedemos ein anderer als der Vater | οὐκοῦν . . . ἕτερος ἦν Χαιρέδημος τοῦ πατρός: Das Wort ‚anders‘ spielt hier eine wichtige Rolle (vgl. 298a3. 5. 7. 9). Wenn vom Anderssein des Steins übergegangen wird zum Anderssein des Vaters, ist dies gemäß dem Fehler des secundum quid unerlaubt. Aristoteles beschreibt den Fehler παρὰ τὸ συμβεβηκός in S. E. 166b28 ff.: Unerlaubt wird, was vom Subjekt wahr gesagt wird, auf ein Akzidens bezogen (Sprague 1962, 24 ff.). Problematisch ist in 298a2 ff. der Übergang vom Einzelnen (‚der Vater‘) zum Allgemeinen (‚Vater‘). Ausgenutzt wird eine Doppeldeutigkeit von τοῦ (πατρός) – diese möchte Sokrates durch die Hinzufügung von ἐμοῦ klären (vgl. Smith 1975, 36–48). Die Diskussion von Identität und Andersheit hier weist auf die Neubestimmung von ‚anders‘ als relationales Nichtsein im Sophistes (ohne dass man diese hier schon voraussetzen wollte; vgl. Sprague 1993, 49 Anm. 78). 298a3 wie der sprichwörtliche Stein | τῷ λίθῳ: Der Artikel hat demonstrativen Charakter. Ob ‚Stein‘ hier auch sprichwörtlich für Dummheit steht, wie es ein Sprichwort will (vgl. Plat. Gorg. 494a6 ff. mit Dodds 1959, 305 f.; vgl. Symp. 198d), ist zweifelhaft und hier vom
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Kommentar
Kontext nicht gefordert (Chance 1992, 263 Anm. 70). Aristoteles kennt die Stelle offenbar (S. E. 166a10 ff.; De Vries 1972, 52). 298a8 f. Also | οὐκοῦν: Mit Wilamowitz (1919, Bd. 2, 370), Gifford (53) und Hawtrey (1981, 162) ist οὐκοῦν und Fragesatz (anders bei Burnet), mit BT οὐκ ἄν und εἴη (T) zu lesen. Als Frage passt der Satz besser in den Kontext. 298b3 vaterlos | ἀπάτωρ: Hier in Prosa zuerst. 298b4 griff Ktesippos ins Gespräch ein | ὁ Κτήσιππος ἐκδεξάμενος: Ktesippos fängt gleichsam den Ball auf, wie z. B. schon Dionysodoros und Euthydemos im ersten Streitgang (s. o.) – er hat schnell durch Abschauen gelernt und bietet geradezu eine Parodie dessen, was als Hilfe notwendig wäre. Sokrates hatte also Recht, wenn er seine Aufgabe für schwerer als die des Herakles erachtet, weil dieser eine wirkliche Hilfe hatte. 12. Sophisma (298d5–e5; Ktesippos): Dieser Hund ist Vater. Andererseits – so geht das Streitgespräch mit Ktesippos weiter – ist ein Vater immer Vater von etwas, also immer Vater. Er kann nicht kein Vater sein. Dann aber ist er Vater von allem, auch von Lebewesen wie Hunden und Ferkeln (298d4) und Ktesippos ist Bruder von jungen Hunden. Es liegt der Fehler des a dicto simpliciter ad dictum secundum quid vor. Das Wort Vater, das immer spezifiziert werden muss, wird nicht spezifiziert. Es geht um den Unterschied von absoluten und relativen Eigenschaften. Zudem ist der Gebrauch von ‚sein‘ als ‚existieren‘ und ‚besitzen‘ nicht geschieden. 298c1 allein | μόνος: Anders als Burnet ist hier mit Wilamowitz μόνος als Adjektiv (1919, Bd. 2, 370) zu lesen, vgl. Lys. 212b4 f.; K.-G. 1, 275; Hawtrey 1981, 163. 298c2 f. Oder meinst du, derselbe Mann sei Vater und nicht Vater | ἢ οἴει τὸν αὐτὸν πατέρα ὄντα οὐ πατέρα εἶναι: Zugrunde liegt das Prinzip des Widerspruches wie in 293d1 (Sprague 1993, 49 Anm. 79). Allerdings lässt Euthydemos κατὰ ταὐτὰ ἅμα aus, damit das Sophisma funktioniert. Denn natürlich kann man zugleich Vater (von a) und nicht Vater (von b) sein.
Erläuterungen
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298c6 Leinen mit Leinen zusammennähst, wie man so sagt | τὸ λεγόμενον, οὐ λίνον λίνῳ συνάπτεις: Zum Sprichwort vgl. Arist. Phys. 207a17. Ktesippos’ Hinweis ist nicht zu unterschätzen; Robinson (1942, 104) sieht hier einen Beleg für Platons Unkenntnis falscher Analogie. Doch kann auf hilfreiche und einschlägige Hinweise des Ktesippos auf logische Probleme im Gespräch (z. B. Falschheit, 284bc; äquivoker Ausdruck 284e κακῶς λέγειν) und andere, logisch hilfreiche Bemerkungen im Dialog (z. B. 300a. 300cd) hingewiesen werden, die zeigen, dass Platon ganz offensichtlich wusste, wo die logischen Probleme liegen und dass er die Sophismen konstruiert hat (Chance 1992, 264 Anm. 79). 298d4 jungen Kühen | βοιδίων: βοιδίων aus B ist wohl κωβιῶν vorzuziehen wegen des Diminutivs (vgl. junge Hunde, Ferkel). Vgl. Wilamowitz 1919, Bd. 2, 370; De Vries 1972, 52. 298d5 Eber | κάπρος: Badhams (Hoeffer bei Chance 1992, 265 Anm. 82) von Burnet akzeptierte Lesung κάπρος für das καὶ πρός von BTW ist vorzuziehen: Die Bedeutung von καὶ πρός hier ist unklar, ‚Eber‘ greift wie ‚Hund‘ die Diminutive ‚Hündchen‘ und ‚Ferkel‘ auf. 12a. Sophisma (298d7–299a5): Ktesippos schlägt seinen Vater, den Hund. Dionysodoros übernimmt die Rolle des Fragenden und bietet eine ähnliche Argumentation wie in Sophisma 12: Ktesippos besitzt einen Hund, der Hund hatte Junge, der Hund ist seiner (d. h. des Ktesippos); der Hund ist Vater und seiner, der Hund ist sein (Ktesippos’) Vater und Ktesippos ist Bruder von jungen Hunden (d3 f.). Aristoteles greift dieses Sophisma als Beispiel für einen ‚Fehler der Komposition‘ auf (S. E. 179a34–35). Dionysodoros schließt eine ‚kleine‘ Frage an (σμικρόν): ‚Schlägst du deinen Hund?‘. Hieraus folgert er, dass Ktesippos seinen Vater schlägt. Eine Analyse bietet Bueno 1988. 298d7 wenn du mir antwortest | ἄν μοι ἀποκρίνῃ: Hier beginnt ein Sophisma 13, von manchen auch als Ergänzung zu Sophisma 12 gewertet (Kutschera 2002, 200): Ohne Zweifel steht es mit Sophisma 12 in engem Zusammenhang, bietet aber mit der conclusio des Ktesippos als Vater-Schläger eine besondere Pointe (Chance 1992, 265 f. Anm. 85). 298e6 Da griff … schnell Dionysodoros ein | ὑπολαβὼν ὁ Διονυσόδωρος: Sprague (1993, 50 Anm. 82; dazu Hawtrey 1981, 165) schlägt
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Kommentar
als Sprecher Euthydemos vor, vgl. 299a3. Doch handelt es sich nicht um ein neues Sophisma, sondern nur um eine Ergänzung (vgl. auch 298e7 ἔτι γε). 298e7 eine Kleinigkeit | μικρόν: Derartige Fragen nach einer Kleinigkeit sind eigentlich eine von seinen Partnern gefürchtete oder gehasste Spezialität des Sokrates, bei der immer Wesentliches folgt, hier aber folgt eine besondere Absurdität. Man darf sicherlich hier (wie beim gesamten Bild der Eristiker, s. Einleitung) eine Parodie Platons vermuten, die e negativo Wesentliches, d. h. das richtige Bild des Philosophen, durchscheinen lässt. 298e9 f. Also … schlägst du deinen eigenen Vater? | οὐκοῦν τὸν σαυτοῦ πατέρα . . . τύπτεις: Dies erinnert an Strepsiades’ Reaktion auf seinen Sohn Pheidippides, Aristoph. Nub. 1405 ff. Vgl. Menedem bei Diog. Laert. 2,135. Man hat hier eine Anspielung auf Antisthenes und die Kyniker sehen wollen (Rappe 2000), doch ist fraglich, ob der Leser dafür hier völlig vom Kontext absehen kann, was notwendig wäre (Palpacelli 2009, 191 Anm. 31; Sermamoglou 2014, 94 Anm. 163). 299a2 dafür …, dass | ὅτι μαθών: Zum Ausdruck vgl. 283e mit Tarrant 1946, 110; vgl. K.-G. 1, 519 Anm. 6. 13. Sophisma (299a3–c7): Ein Gut sollte man immer und möglichst viel haben. Wenn es gut ist, etwas wie z. B. Gold zu haben, dann ist es am besten, möglichst viel davon zu haben; also ist es ein Bestreben, möglichst viel Arznei zu nehmen, möglichst viele Waffen zu haben usw. Das Sophisma umfasst zwei Argumente (299a9. d1), welche Medizin und Waffen betreffen (Hawtrey 1981, 165). Die Methode besteht in einer reductio ad absurdum: Viele gute Dinge zu haben ist erstrebenswert; für einen Kranken ist Medizin gut; also ist eine große Quantität von Medizin erstrebenswert, was unsinnig ist. Denn es kommt auf die richtige Menge an. Daraus folgt in Konsequenz, es muss ein Wissen vorliegen, damit etwas gut ist. Dies aber war zuvor von Sokrates gezeigt worden (278e– 281e). Also auch hier scheint im völlig Unsinnigen ein ernsthafter Hintergrund durch. 299b8 Nieswurz | ἐλλεβόρου: Vgl. Thphr. H. P. 9,10.
Erläuterungen
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299c1 Standbild in Delphi | ὁ ἀνδριὰς ὁ ἐν Δελφοῖς: Vermutlich ist hiermit die nach den Schlachten von Artemision und Salamis dem Apollo geweihte Statue gemeint (Paus. 10,14,5; vgl. Hdt. 8,121). 299c5 f. auch den Geryones . . . und den Briareus | καὶ τὸν Γηρυόνην ἄν . . . καὶ τὸν Βριάρεων: Sprichwörtliche Giganten mit riesigen Gliedmaßen. Geryones war ein dreiköpfiges und dreileibiges Ungeheuer, das von Herakles getötet wurde; Briareus gehörte zu den von Gaia und Uranos erzeugten Hundertarmigen (Hekatoncheiren), vgl. Hes. Th. 149. 287; Plat. Leg. 795c; Stesich. fr. 5–83 Davies/Finglass.
14. Sophisma (299d1–e3): Gutes sollte man immer und überall haben – auch Geld im Kopf. Nachdem Euthydemos sich argumentativ nicht hat durchsetzen können und in Schweigen verfällt, wie es eristischer Regel entspricht (vgl. 286b7. 334e1–3, s. Einleitung), versucht Dionysodoros seinen Bruder zu verteidigen und befragt Ktesippos, ob es begehrenswert sei, viele Güter zu haben. Da man gute Dinge immer und überall in größtem Maß haben sollte (299d3), schlägt Dionysodoros vor, dass man Gutes immer und überall und im größten Maß bei sich (d7 ἐν ἑαυτῷ) haben sollte. Daraus folgert er, dass man es also ‚im Bauch‘ oder ‚im Kopf‘ haben sollte (299de). Offensichtlich spielt er dabei mit der Bedeutung von ἐν im Sinn von ‚in‘ oder ‚unter Kontrolle‘ und versteht ἑαυτῷ konkret (zur Problematik der Übersetzung ins Englische – wie auch ins Deutsche – vgl. Chance 1992, 167). Bemerkenswert ist hier, wie Ktesippos in der Lage ist, mitzuspielen, wenn er als Beispiel für solche, die Gold ‚in sich‘ haben, auf die Skythen und deren Brauch verweist und auf diese Weise dem Unsinn Sinn abgewinnt (s. u.). Erscheint das eristische Stück auch absurd und eher als ein Witz denn als ein Sophisma (dazu Aristot. S. E. 182b15), so gewinnt auch diese Forderung ernsthaften Hintergrund, versteht man sie im Kontext platonischer Lehre. Diotima sagt im Symposium (206a), dass man das Gute immer im Besitz haben solle. Zum Besitz muss ein Wissen hinzukommen, das den Besitz gut mache. Das Sophisma hängt formal zusammen mit einem äquivoken Gebrauch des Wortes ‚überall‘ (πανταχοῦ). Ktesippos erweist sich also einmal mehr als gelehriger Schüler der Sophisten, indem er sich die Doppeldeutigkeit des Wortes ‚eigen‘ zunutze macht (Hawtrey 1981, 169). Er behauptet deshalb, dass Skythen am glücklichsten seien. Denn sie hätten Gold im eigenen Schädel (299e5), wobei sich Ktesippos ausdrücklich auf Dionysodoros’ Argumentation bezieht (e6). Dort spielte
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Kommentar
die Doppeldeutigkeit von σός eine zentrale Rolle bei der Argumentation. 299d1 ff. Scheint es dir nicht auch gut, Gold zu haben | οὐκοῦν καὶ χρυσίον . . . ἀγαθὸν δοκεῖ σοι εἶναι ἔχειν: Es handelt sich nicht um ein separates Argument (Hawtrey 1981, 167 f.), denn es gleicht dem vorherigen. Wenn man gute Dinge immer und überall haben soll, sollte man Gold im und am Körper haben. Das parodiert platonische Lehre, wie Symp. 206a zeigt. Auch hier gilt, dass der richtige Gebrauch ausschlaggebend ist, wie die erste eristische Szene zeigt (vgl. 279a2); das Thema ist allgemein, nämlich der richtige Gebrauch von Reichtum. 299e4 unter den Skythen | Σκυθῶν: Die Skythen sollen die Schädel der getöteten Feinde als Trinkgefäße benutzt haben, vgl. Hdt. 4, 65; Dissoi logoi 2,14. Ktesippos hat schnell gelernt; denn er bildet hier ein eigenes Sophisma mit Hilfe der Äquivokation von ἑαυτῶν (‚gehören zu‘ und ‚eigen‘). 15. Sophisma (300a1–5): Man sieht nur, was man sehen kann. Es folgen nun Sophismen, die eher auf grammatikalischen Unkorrektheiten beruhen (Bonitz 1886, 110). Euthydemos greift in Ktesippos’ Entgegnung die Wörter ‚Skythen‘ und ‚sehen‘ auf und konstruiert daraus ein neue Fangfrage: Sehen die Skythen und der Rest der Menschen das, was fähig ist zu sehen (τὰ δυνατὰ ὁρᾶν) oder was dazu unfähig (ἀδύνατα) ist? Wenn Ersteres der Fall ist, müssen auch unbeseelte Dinge sehen. Der Fehler liegt in Homonymie und Amphibolie (syntaktische Doppeldeutigkeit) von δυνατός: fähig und möglich; aktiv und passiv (vgl. dazu Aristot. S. E. 166a9 f.). Im Deutschen ist die Zweideutigkeit von δυνατὸν ὁρᾶν kaum nachzumachen. Der Ausdruck ὁρῶσιν […] τὰ δυνατὰ ὁρᾶν (a1 f.) kann bedeuten: ‚sie sehen das, was gesehen werden kann‘ oder ‚sie sehen das, was sehen kann‘. Ersteres erstrebt Ktesippos, Euthydemos aber fragt nach dem Objekt (a5). Der Fehler entsteht, weil das Zugeständnis, dass unbeseelte Gegenstände gesehen werden können, als aktive Bedeutung verstanden wird und dann behauptet wird, dass unbeseelte Gegenstände sehen können. 300a2 was (man) sehen kann oder was (man) nicht sehen kann? | τὰ δυνατὰ ὁρᾶν ἢ τὰ ἀδύνατα: Die Übersetzung ist der Versuch, die Amphibolie und Homonymie des Ausdrucks kenntlich zu machen: Die Skythen sehen, was selbst sehen kann, und was man sehen kann.
Erläuterungen
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300a5 Nichts | μηδέν: Antwort auf die Frage ‚Was aber sehen sie?, sagte er‘ (300a5 τί δέ; ἦ δ᾽ ὅς). Bemerkenswert ist, dass τί δέ hier im Sinne von ‚was‘ steht, nicht wie sonst als Überleitung zu anderen Fragen (Denniston 1954, 175 f.; dazu Hawtrey 1981, 170 f.). Für μηδέν statt οὐδέν in einer missbilligenden Form des Widerspruchs, vgl. Riddell 1967, §136; vgl. Prot. 318b4; Men. 75b1; Euthyd. 294c7. 300a6 dass es möglich ist, dass sie sehen | αὐτὰ ὁρᾶν: Sprague (1993, 53 mit Anm. 90) versteht αὐτά nicht als Subjekt, sondern als Objekt. Die Stelle ist schwierig angemessen wiederzugeben, wenn man den Witz bewahren will. Denn Ktesippos spielt das Spiel der Eristiker mit. Er zahlt es ihnen mit einer weiteren Amphibolie (vgl. Chance 1992, 169. 268 Anm. 100) zurück und zeigt wiederum, dass er durch Nachmachen ihre Technik gut gelernt hat. Denn die Satzkonstruktion kann im Griechischen sowohl bedeuten, dass man die Kleider sehen kann als auch, dass sie selbst (d. h. die Kleider) sehen können (so übersetzen Jowett, Rouse „that they see“, vgl. Chance 1992, Anm. 100); αὐτά wäre hier also nicht Objekts- sondern Subjektsakkusativ. Wenn man hingegen mit Sprague (1993, 53) in αὐτά ein Akkusativobjekt sieht und versteht „And you, perhaps, don’t suppose you see them“, dann wird Euthydemos kritisiert für die Annahme, dass die Kleider nicht gesehen werden können. Um den Witz der Stelle zu würdigen, müsste die Ambivalenz aufrecht erhalten werden, wie es Méridier gut gelingt (Méridier, 186: „Toi, tu leur refuses peut-être la vue“; vgl. Hawtrey 1981, 170: „But you perhaps do not acknowledge the sight of them“). Im Deutschen ist dies kaum nachzumachen. 300a6 So naiv bist du | οὕτως ἡδύς: Vgl. Gorg. 491d11; Rp. 337d6. 16. Sophisma (300b1–d2): Schweigende können reden (σιγῶντα λέγειν), denn man kann von schweigenden Dingen (z. B. Steinen) reden. Ktesippos spottet über Euthydemos, weil er spreche, aber dabei nichts sage. Daraus bildet Dionysodoros eine eristische Argumentation, wobei die erste (Sophisma 16) und die folgende Argumentation (Sophisma 17) eng verbunden sind (300b8 ἕτερον; Chance 1992, 268 Anm. 103), so dass sich für Ktesippos die Gelegenheit ergibt zu zeigen, dass er ein äußerst gelehriger Schüler der Eristiker geworden ist. Dionysodoros fragt, ob es möglich ist, dass Schweigende sprechen (σιγῶντα λέγειν, 300b1 f.), denn man spricht von Steinen oder von Eisen, die schweigen. Doch Ktesippos wehrt sich (300b6) und bietet als Gegenbeispiel die
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Kommentar
Schmiede, in der stummes Eisen Laute von sich gebe: Also ‚spricht‘ das Eisen. Euthydemos kontert mit einer weiteren Frage: Wann immer man schweigt, schweigt man dann nicht in Bezug auf alle Dinge? Dann aber schweigt man auch in Bezug auf das, was spricht. Denn ‚was spricht‘ gehört zu allen Dingen. Hier folgt eine methodisch interessante Partie. Denn Ktesippos bezweifelt (Sprague 1993, 54 f. Anm. 94), dass alle Dinge schweigen. Da Euthydemos dem zustimmt, fragt er, ob denn dann alle Dinge sprechen, und erhält eine einschränkende Antwort von Euthydemos: ‚Alle, die sprechen‘. Eine Einschränkung, wie sie zuvor Sokrates zum Ärger der Eristiker in anderen Kontexten vorgebracht hat. Konsequent besteht deshalb der Eristikschüler Ktesippos – wie zuvor die beiden Eristiker bei Sokrates – darauf, dass er das doch nicht gefragt habe. Er wolle wissen, ob alle Dinge schweigen oder reden. Das bringt ihm die Antwort des Dionysodoros ein: keine und beide – wieder eine Antwort, die zuvor von den Eristikern als Regelbruch abgelehnt worden war und die in der Tat die Strategie eristischer Argumente, die ja nicht zuletzt auf kontradiktorischen Antinomien basieren, zerstören kann. In den Sophismen 16 und 17 wird Gebrauch davon gemacht, dass der Akkusativ bei σιγῶντα λέγειν und λέγοντα σιγᾶν sowohl als Subjektsakkusativ wie auch als Objektsakkusativ verstanden werden kann, d. h. dass der Ausdruck entweder bedeutet, dass ein Schweigender redet, oder dass man von einem Schweigenden redet (vgl. Aristot. S. E. 166a12. 177a22). Er ist im Deutschen kaum nachzumachen. Ktesippos spielt also gut mit, indem er seinen Partner durch eine fallacia plurium interrogationum (300c7, vgl. Aristot. S. E. 168a7 f.) hereinlegt. Ausgenutzt wird die Doppeldeutigkeit der Grammatik (σιγῶντα) als Subjekt und Objekt und die Verabsolutierung einer relativen Eigenschaft (Chance 1992, 170 ff.). Es ergibt sich nämlich eine Antinomie zwischen ‚sprechen‘ und ‚schweigen‘. 300b1 ff. Ist es denn nicht möglich, sagte Dionysodoros, dass ein Schweigender redet (man von einem Schweigenden redet)? | σιγῶντα λέγειν: Die Amphibolie (vgl. Aristot. S. E. 166a12 ff.) ergibt sich, weil σιγῶντα λέγειν (und λέγοντα σιγᾶν b3) sowohl Subjektsakkusativ wie auch Objektsakkusativ sein kann. 300b5 in die Schmiede komme | παρέρχομαι ἐν τοῖς χαλκείοις: Vgl. Aristoph. Ve. 789. 300c1 sehr … in Sorge war | ὑπεραγωνιᾶν: Zuerst hier belegt; Ktesippos will Kleinias beeindrucken (Hawtrey 1981, 171); vgl. Charm. 162c.
Erläuterungen
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17. Sophisma (300c2–4; Umkehrung von 16): Wenn man schweigt, verschweigt man alles, also auch das Sprechende. Hatte Dionysodoros Ktesippos als einen eingeführt, der von etwas spricht, das schweigt, so ist er nach Euthydemos einer, der über alle Dinge schweigt, auch die, die reden. Hawtrey (1981, 171 f.) beobachtet gut, dass Dionysodoros eher empirisch mit Beispielen argumentiert, während Euthydemos hier mehr abstrakt vorgeht. 300c4 die reden | τὰ λέγοντα: Gegen Burnet mit Stephanus für τὰ λεγόμενα (BT), das hier unpassend ist; eine Änderung zu λέγοντα ist der Athetese durch Schanz vorzuziehen. Ktesippos übernimmt hier die Initiative und erweist sich als gelehriger Eristikschüler. Er nutzt die fallacia plurium interrogationum (zwei Fragen zu einer machen, vgl. Aristot. S. E. 167b37 ff.) und fasst mit ‚schweigen oder reden alle Dinge‘ (c7) zwei Fragen (c4–6) zusammen. Euthydemos jedoch ist aufmerksam und reagiert (wie früher Sokrates, vgl. 293c3. 6) mit einer Ergänzung (παράφθεγμα). Ktesippos bemerkt, dass dies seine Sophismen verhindern könnte (300c7). Die Rollen sind also gleichsam vertauscht; Euthydemos (300c6) antwortet z. T. wie früher Sokrates (z. B. 293c3), wohingegen Ktesippos auf seiner Frage insistiert (300c7). 300d1 Keines von beidem und beides | οὐδέτερα καὶ ἀμφότερα: Dionysodoros will zu Recht mit dieser Frage die fallacia plurium interrogationum verhindern (vgl. Aristot. S. E. 181a36 f.). 300d4 f. hat das Argument zweideutig gemacht | ἐξημφοτέρικεν τὸν λόγον: Vgl. Rp. 479bc;. Aristot. S. E. 165b13 ff. Es geht bei den Sophismen ja um Paradoxa. 300d7 Mein Eindruck war | ὁ δέ μοι δοκεῖ: Gifford möchte mit BT lesen ὃ δέ μοι πανοῦργος ὤν und versteht μοι als dativus commodi . Es geht demnach um das Interesse des Sprechenden. Zu beachten ist jedoch, dass wir uns in einer kommentierenden Erzählpartie des Sokrates befinden (300d), in der Sokrates das Verhalten des Kleinias und Ktesippos beschreibt. Man fragt sich mit Blick hierauf, warum es für Sokrates von Vorteil (dativus commodi) sein soll, dass Ktesippos sich eristische Tricks abgelauscht hat. Das ist bestenfalls für Ktesippos ein Vorteil. Referiert wird allein eine Vermutung des Sokrates – und hierfür passt das von Burnet vorgeschlagene (von Gifford erwogene, von Hawtrey [1981, 173] und Sprague akzeptierte) μοι δοκεῖ, verstanden als kommentierende Parenthese ‚so scheint mir‘, besser.
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Kommentar
300d8 abgehört | παρηκηκόει: Mit Ablauschen wird eine für Sophisten typische Lehrerwartung formuliert, vgl. 303e; Theaet. 195a5 (vgl. Erler 1987a, 267 Anm. 36; zum Motiv der Hörens und auch ‚Falschhörens‘ von jemandem vgl. Erler 2003a). 18. Sophisma (300e3–301a9): Verschiedene Dinge sind nicht zugleich schön, denn sonst wären sie identisch. Ktesippos also hat seine eristische Kunstfertigkeit unter Beweis gestellt, freut sich über seinen Erfolg und verkündet sogar, sein Gegner sei zugrunde gegangen und besiegt (300d3 ff. μέγα πάνυ ἀνακαγχάσας) – ganz im Kampfmodus seiner eristischen Partner (s. Einleitung Kapitel 10). Auch Kleinias kann vor Bewunderung (300e1) ein Lachen nicht unterdrücken und Ktesippos ‚schwillt an‘ vor Stolz, ‚mehr als zehnfach‘ (πλείον ἢ δεκαπλάσιος, 300d6 f.). Das bringt Sokrates zur Frage, warum Kleinias über etwas lache, das so ernst und schön sei (300e1 f.). Eben hier sieht Dionysodoros nun offenbar eine Chance, sich wieder zu Wort zu melden, sich an ein Wort anzuhängen (‚schön‘, καλόν) und daraus ein Sophisma zu bilden. Ausgehend von der Frage (300e3), ob er denn schon jemals etwas Schönes (καλὸν πρᾶγμα) gesehen habe, gibt Sokrates zu, dass er viele schöne Dinge gesehen habe. Dionysodoros möchte wissen, ob diese vielen schönen Dinge unterschieden seien vom Schönen oder ob sie mit ihm identisch seien. Seine Strategie zielt darauf ab, zu zeigen, dass es nicht möglich ist, alle diese Dinge mit dem Prädikat ‚schön‘ zu bezeichnen und bedient sich des Gegensatzes von Gleichheit und Unterschied (vgl. auch 298a), wie das Eristiker offenbar gern tun (vgl. Rp. 454ac). Es geht um das Problem von Einheit und Vielheit, das Platon möglicherweise im Euthydemos nicht zuletzt literarisch parodiert, indem er die zwei Eristiker oft im Dual präsentiert. Wenn der Unterschied gilt, kann Dionysodoros (vgl. 298a f.) argumentieren, dass sie dann nicht schön sind; anderenfalls gibt es keine Pluralität schöner Dinge. Wenn freilich verschiedene Dinge schön sind, sind sie nicht zugleich schön, weil sie sonst identisch wären. Sie haben eine gewisse Schönheit bei sich (παρεῖναι). Sokrates gibt sich ratlos (301a2). Doch zeigt seine folgende Reaktion, dass er mit der Strategie des Eristikers vertraut ist. Er antwortet nämlich, dass die verschiedenen schönen Dinge andere sind als das Schöne selbst (αὐτοῦ γε τοῦ καλοῦ), dass etwas (der) Schönheit (καλλός τι) in jedem Schönen anwesend ist. Auf diese Weise, so legt er also nahe, ist das Schöne einerseits etwas anderes als diese schönen Dinge, aber zugleich auf besondere Weise das gleiche wie sie. Dionysodoros greift das Problem der ‚Anwesenheit‘ (παρουσία) auf und zieht mit
Erläuterungen
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Βlick auf den körperlichen Bereich den Schluss, dass dann, wenn ein
Ochse bei Sokrates anwesend sei, dieser ein Ochse sei; und weil nun er, Dionysodoros, bei Sokrates anwesend sei, sei Sokrates nun Dionysodoros (301a5). Offensichtlich liegt das Problem darin, dass das Wort ‚anwesend‘ homonym verwendet wird: Sokrates verwendet den Begriff im übertragenen, Dionysodoros aber in einem physischen Sinn. Wenn ein Gegenstand durch die Anwesenheit einer Eigenschaft x zu x (schön) würde, dann würde derjenige ein Ochse, der einen Ochsen bei sich hat. Es liegt auch hier das Problem vor, dass der Unterschied zwischen prädikativem und identifizierendem Gebrauch nicht beachtet wird. Trotz des unsinnig scheinenden Beispiels spricht er freilich ein für Platons Philosophie wichtiges Problem an (Friedländer 1964, 167 f.; Sprague 1962, 25–31; Sprague 1967; Keulen 1971, 56–58; Szlezák 1980, 83; Erler 1987a, 252 ff.; Chance 1992, 175 ff. 269 f. Anm. 112). Es ist ein Problem, das dann der Parmenides thematisiert (Parm. 130e ff.; Sprague 1967; anders Guthrie, Bd. 4, 278. 280), wo es im ersten Teil um das Verhältnis von Idee und Einzelseiendem geht (130e). Es stellt sich auch dort die Frage, ob die Idee als ganze oder nur als ein Teil bei dem Einzelseienden anwesend ist (Parm. 131a4). Und auch dort spielt eine materielle Auffassung eine Rolle und führt zur Aporie der Unterredner, wie man schon in der Antike sah (Erler 1987b). Damit klingt im Euthydemos generell das Problem der Selbstprädizierung an, das nach Vlastos (1954) vor allem mit Blick auf den platonischen Parmenides diskutiert wird, doch schon hier (300e–301c) von Bedeutung ist. Von zentralem Interesse ist die Thematisierung des παρουσία-Problems, das in Platons Ideenlehre eine Rolle spielt (Lys. 217b; Phaed. 100d) und auch im Parmenides Anlass für Kritik wird (130e ff.), weil παρουσία in einem besonderen Sinne verstanden wird (Homonymie: παρουσία im metaphorischen und im physikalischen Sinn). Möglicherwiese deutet sich hier das Problem vom Verhältnis der Idee zu ihren vielen Erscheinungsformen in der phänomenalen Welt bereits an, diskutiert unter den Stichworten ‚Anwesenheit‘ (παρουσία) und ‚Teilhabe‘ (μέθεξις, dazu Fronterotta 2001). Jedenfalls scheint auch hier die Anamnesislehre und die Ideenlehre im Hintergrund zu stehen (Erler 1987a, 253 f.). 301a2 befand ich mich in jeder Hinsicht | ἐν παντὶ ἐγενόμην: Kolloquial, vgl. Tarrant 1946, 109, wo Symp. 194a4; Rp. 579b1 zitiert werden. 301a3 einen Mucks | ἔγρυξα: Sokrates ärgert sich, dass er überhaupt den Mund aufgemacht hat – oft in Aristophanes, vgl. Aristoph. Eq. 294; Ve. 374. 741; Ran. 913.
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Kommentar
301a7 schweig um Himmels willen wenigstens darüber | εὐφήμει τοῦτό γε: Die Partikel γε ist hier einschränkend im Sinne von ‚wenigstens‘ zu verstehen. 301a8 f. Aber auf welche Weise … kann das Andere anders sein | ἀλλὰ τίνα τρόπον . . . τὸ ἕτερον ἕτερον ἂν εἴη: Gemeint ist: Wie kann ein Ding verschieden sein durch Anwesenheit von etwas Differentem (Guthrie, Bd. 4, 278 Anm. 2). Der Satz mag unklar formuliert scheinen (vgl. Hawtrey 1981, 176 mit Hinweis auf Aristot. S. E. 165b13 ff. und 173a34 ff.); aber zu bedenken ist der polemische Kontext. Der Eristiker will ja die Absurdität der Annahme zeigen, dass das Schöne und die schönen Dinge sich unterscheiden, um sein Beweisziel (Identität von allen: Ochse und Sokrates) zu beweisen. Doch ist der Inhalt eigentlich klar. Offenbar wird gesagt (Sprague 1993, 57): „But in what way […] can the different be different […]?“ und gemeint (Guthrie, Bd. 4, 278): „How can one thing be made different […]?“ (dazu Chance 1992, 270 f. Anm. 116; Brancacci 1990, 61–64; Narcy 1984, 91; anders Hawtrey 1981, 176 f., dazu Palpacelli 2009, 200 Anm. 44: „Il fatto che ci sia ἀλλά […] può anche significare […] l’insistenza.“). Zugrunde liegt das Problem der μέθεξις, zu verstehen vielleicht auch als Reaktion auf derartige sophistische Verwirrspiele (Sprague 1968b). 301b2 nachzuahmen | μιμεῖσθαι: ‚Nachahmen‘ ist wie ‚Ablauschen‘ Teil sophistischer Unterweisung (Erler 1987a, 60 ff.). 301b6 Wenn es mir so scheint | ἐὰν ἔμοιγε … δοκῇ: Signalisiert wird wieder jene Beliebigkeit im Verhalten der Sophisten, die Sokrates ablehnt (vgl. 296d4. 301e6). Die Verwendung von Relationsbegriffen wie ‚anders‘ oder ‚gleich‘ spielten schon im Sophisma 12 eine Rolle; wer dort alle durchschaut, hat auch hier eine Hilfe. Ob man Hinweise auf Platons spätere Lehre (Sophistes) erkennen kann (Hawtrey 1981, 178 f.), muss offen bleiben. 301c2 willentlich übersehen | ἑκὼν παρῆκας: Damit unterstellt Sokrates den Eristikern, sie könnten über ihr Wissen frei verfügen; das stimmt mit Blick auf ihre Wortspiele, nicht aber mit Blick auf deren philosophische Grundlagen (Szlezák 1985, 49 ff.). Zur Freiwilligkeit als Beliebigkeit vgl. HipMi. 373ce.
Erläuterungen
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19. Sophisma (301c6–d8): Tut man das Passende, handelt man richtig; der Koch handelt richtig, wenn er schlachtet. Also handelt man richtig, wenn man Köche schlachtet. Nach diesem impliziten philosophischen Höhenflug bringt das nächste Schaustück wieder das Wesen der eristischen Spielerei zum Vorschein. Entsprang das wichtige Thema der παρουσία dem zufälligen Aufgreifen des Wortes ‚schön‘, so hängt sich das nächste Sophisma an das Wort ‚zukommend‘ (προσήκει, 301c4) an, das Sokrates in Zusammenhang mit Handwerkern gebraucht. Denn Sokrates vergleicht die Eristiker mit Experten (Handwerkern), für die es zukommend ist, ihrem Geschäft nachzugehen. Dieses Wort ‚zukommend‘ greift Dionysodoros auf, konstruiert ein Sophisma aus der Frage ‚Weißt du, was für jene Handwerker angemessen ist?‘ (301c6 f.) und fragt somit nach spezifischen Tätigkeiten unterschiedlicher Handwerker (Schmied, Töpfer, Koch). Dann folgert er allgemein, wobei er die Einschränkung ‚in seinem Fach‘ fortlässt: ‚Wenn einer also […] das tut, was ihm als Tätigkeit zukommt, wird er dann richtig handeln?‘ Da Sokrates dieser Art von Reihung zustimmt, die aus sokratischen Gesprächen durchaus bekannt ist, kann Dionysodoros von diesem allgemeinen Satz wieder zurück zu der speziellen Aussage: Wenn es für den Koch angemessen ist, zu schlachten, dann ist es angemessen, den Koch zu schlachten (301d2–8). Grundlage dieser unsinnigen Folgerung ist die Ambiguität von Koch als Subjekt oder Objekt des Schlachtens im Griechischen (301d2 προσήκει [. . .] τὸν μάγειρον κατακόπτειν καὶ ἐκδέρειν). Indem das Wort ‚Koch‘ im Griechischen einen Artikel hat, signalisiert Dionysodoros, dass Sokrates darin den Subjektsakkusativ sehen soll (Chance 1992, 184 f.). 301c6 was jedem Handwerker … zukommt | ὅτι προσήκει ἑκάστοις τῶν δημιουργῶν: Platon spielt hier (301c4. c6. c7. d2. 304c3) mit dem wichtigen Begriff des Zukommenden, der im Gorgias im Kontext von der Behandlung der Tugend diskutiert wird (vgl. v. a. Gorg. 507b, aber auch 485b. 491d. 517e). Als Bestimmung der Gerechtigkeit wird erwogen, jedem das Zukommende zu geben (Rp. 332bc). Philosophisches kommt nicht jedem zu (Phaedr. 275e2 οὐδὲν προσήκει). 301e1 f. jetzt setzt du . . . die Krone auf | κολοφῶνα ἐπιτιθεῖς: Vgl. Theaet. 153c8; Leg. 673d10. 674c5. Strabo (14,1,28) berichtet, dieser Ausdruck stehe in Zusammenhang mit den Reitern aus Kolophon, die immer die Schlachten zu entscheiden pflegten.
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Kommentar
301e4 Du erkennst sie wohl | ἐπιγνοίης ἂν αὐτήν: Möglicherweise klingt hier das eristische Problem an (Men. 80d), wie man erkennen kann, was man nicht weiß. 20. Sophisma (301e7–303a3): Sokrates verkauft Zeus. Als Sokrates sich voller Bewunderung für das letzte eristische Schaustück die Frage stellt, ob diese Kunst jemals die seine oder ihm eigen (μοι οἰκεία) werden könne (301e2), greift Dionysodoros das Wort ‚eigen‘ (οἰκείαν) auf, versteht es im literalen Sinne und konstruiert daraus ein Sophsima. Er definiert ‚eigen‘ als Besitz, den man ‚nach Belieben gebrauchen‘ kann. Als weiteres Argument führt er ein: Was eine Seele hat, ist ein Lebewesen (302b). Auf dieser Grundlage fragt Dionysodoros ‚ironisch‘ (εἰρωνικῶς, 302b3), ob Sokrates einen angestammten Zeus (Ζεὺς πατρῷος, 302b5) habe. Sokrates ahnt, worauf das Argument hinausläuft und versucht, sich zu wehren (302b3–8). Er bestreitet, dass er einen solchen Zeus habe, so dass er nach Dionysodoros offenbar nicht einmal Athener sei, wo Zeus doch in hohen Ehren stehe. Dionysodoros insistiert, dass Sokrates einen angestammten Gott habe (302d). Die Götter aber haben eine Seele, sind also Lebewesen. Als solche sind sie also dann ‚seine (sc. des Sokrates)‘ (σά, 302e4). Also könne er mit Göttern wie Zeus machen, was er wolle. Trotz des offensichtlichen Unsinns ist auch hier die klare Strategie bemerkenswert, mit welcher der Eristiker das Gespräch so lenken kann, dass es ihm Gelegenheit zur gewünschten Schlussfolgerung bietet. Wieder spielt die Homonymie eine zentrale Rolle, wobei wie in Sophisma 13 die Ambiguität von ‚dein‘ genutzt wird (vgl. Aristot. S. E. 176b4). 301e8 f. Denn mit dir muss man anfangen | ἀπὸ σοῦ: Mit diesem Ausdruck (vgl. 273e5 ff. 288a8 ff.) wird religiöser Kontext evoziert, insofern man immer mit Zeus beginnen soll. Vgl. Pind. N. 2,1 ff.; Hes. Th. 47 ff.; Gow 1952, Bd. 2, 327. 302a1 Rinder und Schafe | βοῦς καὶ πρόβατα: πρόβατα gegen Burnet nach dem Korrektor von T und P.Oxy. 881 statt πρόβατον (so Gifford, 61), das wohl einem falschen Verständnis von βοῦς (als Sg.) geschuldet ist (Wilamowitz 1919, Bd. 2, 371). 302b3 f. tat so, als hielte er inne, um etwas ganz Wichtiges zu bedenken | εἰρωνικῶς πάνυ ἐπισχὼν ὥς τι μέγα σκοπούμενος: εἰρωνεία hat bei Platon und auch sonst bis in die Spätantike die negativ
Erläuterungen
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besetzte Bedeutung ‚sich verstellen‘ zum Zweck der Täuschung, vgl. Boder 1973. 302b5 ‚angestammten‘ Zeus | Ζεὺς πατρῷος: Ζεὺς πατρῷος als Patron der Vorfahren, vgl. Rp. 391e8 f.; Soph. Tr. 287 f. 753 (vgl. Praechter 1932, 122 f.; Wilamowitz 1919, Bd. 2, 155 f.). Ζεὺς πατρῷος als Wächter über die Verehrung der Eltern: vgl. Leg. 881d; Eur. El. 671. Vgl. Winckelmann, 159–168. 302c4 f. Denn ich habe allerdings Altäre | ἔστι γὰρ ἔμοιγε καὶ βωμοί: Diese spielerische Betonung des religiösen ‚Besitzes‘ gewinnt Profil vor dem Hintergrund des 399 v. Chr der Gottlosigkeit angeklagten Sokrates (Apologie). 302c3 belehre mich nicht auf so harte Weise | μή . . . προδίδασκε: Vgl. Aristoph. Nub. 476 mit Dover 1968, 161. 302c7 ff. diese Bezeichnung | ἡ ἐπωνυμία: Dionysodoros stammt aus Chios und ist Ionier (vgl. Mathieu 1932). Die Chier kannten Ζεὺς πατρῷος (Dittenberger, Nr. 987; Hawtrey 1981, 183). Platon irrt also, Wilamowitz (1919, Bd. 2, 155 f.) schließt daraus auf ein Sophismenbuch des Euthydemos als Quelle, dem Platon diesen Sophismus entnommen und deshalb den Fehler begangen habe. S. a. Anmerkung zu 278a8 und Einleitung. 302d2 Verteidiger des Gehöfts und der Brüderlichkeit | ἔρκειος δὲ καὶ φράτριος: Zur Bedeutung vgl. Aristot. Ath. 55, 3; zu Ion vgl. Eur. Ion 64–75. Vgl. dazu Canto 1989, 229 f. 302e6 kein Entkommen für mich, Euthydemos | οὐκ . . . ἀνάδυσις, ὦ Εὐθύδημε: Das Wort ἀνάδυσις als Substantiv hier zuerst belegt; bemerkenswert ist, dass hier Euthydemos angesprochen wird, der seit 300c geschwiegen hatte. 21. Sophisma (303a5–9): Ist Herakles Pyppax oder Pyppax Herakles? Sokrates fühlt sich vom letzten Sophisma geschlagen und ist sprachlos (303a4 ὥσπερ πληγεὶς ὑπὸ τοῦ λόγου ἐκείμην ἄφωνος). Gleichzeitig ist er immer ungeduldiger geworden (302a5–6. c2 f. d8). Ktesippos möchte ihm zu Hilfe kommen und ruft voll Bewunderung ‚Pyppax, Herakles, welch ein schönes Argument!‘ Dionysodoros ist in Hochform,
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greift diesen Ausruf auf und formt daraus ein weiteres, letztes Sophisma mit der Alternativfrage ‚Ist denn Herakles Pyppax oder Pyppax Herakles?‘. Er wandelt einen Ausruf also in einen Namen um. Welche Alternative Sokrates wählt, Dionysodoros wird ihn widerlegen; Ktesippos ist begeistert und gibt auf (303a8 f.). Der Unsinn dieses Sophismas darf nicht über seine Funktion im Spiel hinwegtäuschen. Gewonnen hat, wer das letzte Wort, bzw. hier das letzte Paradoxon bieten kann (Erler 1986; s. Einleitung Kapitel 10). Nur dann versteht man, warum Ktesippos diesen Unsinn als Hilfe verstehen kann (303a5). Die exclamatio im Vokativ wird von Dionysodoros als Nominativ genommen und amphibolisch behandelt; dem ist Ktesippos nicht gewachsen und gibt auf (ἀφίσταμαι, 303a9). 303a6 Pyppax | Πυππάξ: Dionysodoros greift den Ausruf auf und macht daraus eine Fangfrage. ‚Pyppax‘ ist ein Ausruf, vgl. Aristoph. Eq. 680 f.: Οἱ δ᾽ ὑπερεπῄνουν ὑπερεπύππαζόν τέ με / ἅπαντες; Aristoph. Ve. 625. Vgl. Cratin. PCG 4 fr. 56 Kassel/Austin: οἱ δὲ πυππάζουσι περιτρέχοντες. Der Sophismus besteht im Übergang vom Ausruf zur Personifikation, das ist gut aristophanisch. Andere glauben, es handle sich um eine fallacia prosodiae, dafür spricht die Wortstellung. 303a5 da lag ich . . . sprachlos | ἐκείμην ἄφωνος: Vgl. Phil. 22e. Hier am Ende wird wieder an die im Gespräch oft gebrauchte Ringkampfmetaphorik erinnert. Sprachlosigkeit bedeutet bei Eristikern Niederlage (s. Einleitung Kapitel 10. 4).
12. Epilog des erzählten Gespräches (303b–304b) Wir kehren zum Bericht des Sokrates an Kriton über das Gespräch zurück. Der dritte eristische Streitgang ging nach dem Bericht des Sokrates unter großem Applaus (303b1–3) zu Ende, in den auch die Gebäude mit einstimmten (303b5 f. καὶ οἱ κίονες οἱ ἐν τῷ Λυκείῳ). Sokrates preist die Eristiker in einer Lobrede und rühmt ihre Weisheit. Dabei kommen Merkmale zur Sprache, die wie das Negativ zum Positiv des von Sokrates praktizierten und intendierten dialektischen Gesprächs wirken: Gelobt wird ihre Veranlagung, ihre Distanz zur öffentlichen Meinung (303c4 ff.); gepriesen wird, dass sie den Gegnern den Mund verschließen, und die Schnelligkeit, mit der jeder ihre Kunst lernen kann. Ktesippos ist im Dialog gleichsam Illustration hiervon. Deshalb rät Sokrates, dass sie ihre Kunst nicht öffentlich, sondern nur unterei-
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nander praktizieren oder nur bei zahlendem Publikum. Sokrates fordert Kriton auf, bei den beiden Meistern zu studieren. Hier wird in ironischer Spiegelung nicht nur das eristische Ideal karikiert, sondern das platonisch-sokratische Philosophenideal angedeutet (Erler 1987a, 254; Szlezák 1980, 80): Wenn Schnelligkeit gepriesen wird (272b2. 273d. 303c5), kontrastiert dies mit Sokrates’ Forderung nach Zeit für Philosophie, vgl. Phaedr. 272bc. 274a. 276b (Gleichnis vom Bauern und dem schnell wachsenden Adonisgärtchen). Im Theaitetos zeichnet sich der Philosoph gegenüber dem Redner dadurch aus, dass ihm die Muße (σχολή) niemals fehlt und er in Ruhe Untersuchungen anstellen kann, während den Redner die Redneruhr treibt (Theaet. 172c). Wenn gerühmt wird, dass sie sich um viel Publikum bemühen (303c), ist dies ein Gegenbild zu Sokrates’ Forderung nach Auswahl der Gesprächspartner (ἐκλογή, Rp. 535a; Leg. 969b8 ff.; Phaedr. 276e): Wenn dazu geraten wird, sich bezahlen zu lassen, dann widerspricht dies Sokrates’ und Platons Haltung (Blank 1985). Einzelerklärungen 303b3 f. und vor Lachen … kamen sie beinahe um | καὶ γελῶντες . . . ὀλίγου παρετάθησαν: Gegen B καὶ γελῶντε und T γελῶντε ist mit Gifford und Clarcianus καὶ γελῶντες zu lesen, vgl. Lys. 204c. Badham (es folgen Gifford, Burnet) weist darauf hin, dass doch wohl kaum die beiden Eristiker sich vor Lachen und Applaus über sich selbst erschöpfen, sondern das lobpreisende Publikum (zum Lachen im Euthydemos s. Einleitung Kapitel 9. 1). 303b5 f. sogar die Säulen | καὶ οἱ κίονες: Vgl. Rp. 492bc. 303c2 f. zu loben und preisen | ἐπὶ τὸ ἐπαινεῖν τε καὶ ἐγκωμιάζειν: Die folgende Sprache ist religiös-enkomiastisch, hat aber einen ironischen Unterton, z. B. der Preis der Schnelligkeit (303c7, vgl. 272b10 ff.), der für Platons Philosophen Zeichen eines Defizites ist. Platon kritisiert das traditionelle Enkomium und verlangt, dass wahres Lob Tadel, Kritik, ja Demütigung einschließen muss, um zur Selbsterkenntnis zu führen (vgl. Lys. 205e–206a. 210e und Nightingale 1995, 107 f.). Schnelligkeit ist gerade nicht, was Sokrates beim Lernen erwartet (Phaedr. 272b; Erler 1987a, 254 ff.). 303c6 f. Euthydemos und Dionysodoros | ὦ Εὐθύδημέ τε καὶ Διονυσόδωρε: Vgl. 273e–274a.
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303c7 das bedeutendste | μεγαλοπρεπέστατον: So nach Stephanus, übernommen von Burnet, Gifford, Hawtrey (1981, 185); mit BT μεγαλοπρεπέστερον liest Méridier; zum ironischen Gebrauch von μεγαλοπρεπής bei Platon vgl. Prot. 338a3 f.; Men. 94b. 303c8 ehrwürdigen | σεμνῶν: Es folgt eine Seligpreisung voller Ironie mit Doppeldeutigkeit. Zu σεμνός bei Platon vgl. De Vries 1944. 303d2 wenige Menschen | ὀλίγοι: Auch Platons Sokrates hat ein elitäres Bewusstsein, denn die Menge kann nicht philosophisch sein (Rp. 494a4); wenige sind Philosophen (Rp. 503b7). Doch ist diese Überzeugung bei Platons Sokrates sachbezogen und folgt aus der Schwierigkeit der zu erreichenden Erkenntnis. Denn wahre Philosophie ist nicht nur langwierig, sondern exklusiv (Phaedr. 276e), während die Eristiker keinen ausschließen (272b4. 304c2 f.). Zum Vergleich mit den Dialektikern vgl. Szlezák 1985, 62 f. 303d3 so . . . denken | οὕτω . . . νοοῦσιν: Parallelen wie Rp. 508d4; Phaedr. 246c7 sprechen dafür, οὕτω νοοῦσιν mit BW (Gifford) gegen Burnet zu halten, T liest οὕτως ἀγνοοῦσιν. Dadurch wird die Ironie bissiger. Denn andere zu widerlegen ist ja gerade therapeutische Intention sokratisch-platonischer Elenktik und Rhetorik (vgl. Gorg. 457e ff. 471e ff. [rhetorisch-gerichtlicher Elenchos]; 470c [Widerlegung ist Zeichen von Wohlwollen]). Sokrates würde sich nicht schämen, nur wenn es sich um eristische Logoi handelt. 303d4 schämen, … zu widerlegen | αἰσχυνθεῖεν … ἐξελέγχοντες: Vgl. dazu Ap. 30d; Gorg. 469b. Scham oder Zurückhaltung ist wie Freimut (παρρησία) wichtige und vieldiskutierte Grundlage des sokratischdialektischen Gespräches. Im Gorgias fordert Sokrates Freimut und Zurückhaltung, warnt aber auch vor zu viel Scham während einer Diskussion (487ab). Kallikles konstatiert (482e6–483a2), es widerspreche sich oft, wer sich schäme und keinen Mut habe, seine Meinung zu sagen. ‚Sage, was du denkst‘ ist daher ständig Forderung des Sokrates (Men. 83d1; Prot. 319a9 f.; Rp. 349a5 f.; vgl. Sokrates’ Vorwurf gegenüber Kallikles Gorg. 495a, vgl. Robinson 1953, 79). Man soll nicht aus Scham etwas zugestehen (Rp. 501e f.). Scheu, z. B. vor dem Ansehen Homers, hindert Sokrates nicht an Kritik (Rp. 595bc; etwas anders Theaet. 183e); zur Scham vgl. Kobusch 1978; McKim 1988; Erler 2009b; Geiger 2006, 120–131. Widerlegung bringt wie ‚Strafe als Hilfe durch Rhetorik‘ keinen Nachteil, sondern Gewinn, vgl. Gorg. 487a.
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303d6 volkstümlichen und milden Aspekt | δημοτικόν τι καὶ πρᾷον: Wohlwollen ist ebenso Forderung des Sokrates für das philosophische Gespräch wie Übereinstimmung (ὁμολογία) seine Grundlage ist (Gorg. 486e5 ff.; vgl. Muthmann 1972; Geiger 2006, 108 ff.). Gespräche sollen ohne Verdruss ablaufen (Soph. 217d; Milde: Phaed. 88e. 89a), Grobheit ist Zeichen von Philosophielosigkeit (Rp. 411d7 f.); verlangt ist Wohlwollen (εὔνοια, Gorg. 487a). Die Eristiker verhalten sich genau gegenteilig (Erler 1987a, 255). 303d7 Wann immer ihr bestreitet | ὁπόταν φῆτε: Die Sophisten behaupten allerdings im Euthydemos nicht, dass es keine Prädikationen gibt, wie hier offenbar unterstellt wird. Vgl. aber 300e3ff. (Sophisma 18), wo bestritten werden soll, dass es ein καλὸν πρᾶγμα gibt. Manche denken hier an Antisthenes, der Prädikation als unmöglich angesehen haben soll; aber dies ist wohl nicht der Fall (Guthrie, Bd. 3, 209 ff., bes. 213; v. a. Döring 1998, 273 zur Lehre vom zugehörigen Logos mit Blick auf Euthyd. 285d–286b). Lykophron soll den Gebrauch der Kοpula bestritten haben (Aristot. Phys. 185b25 ff.; Döring 1998, 53). Platon spottet über derartige Ansichten (vgl. Soph. 251bc). Dass das Wort ‚ist‘ immer ‚Identität‘ meint, haben Megariker wie z. B. Stilpon behauptet (Döring 1998, 232 ff.) und ebenso die Eretriker (Döring 1998, 244 ff.), obgleich dies von Platon und Aristoteles längst widerlegt war. Jedenfalls würde eine solche Auffassung in der Tat ‚den Mund zunähen‘ (303e1). Dieses ‚zum Schweigen bringen‘ ist aber Ziel des eristischen Spiels (Erler 1986; s. Einleitung Kapitel 10. 4). 303e2 wie ihr selbst sagt | ὥσπερ καὶ φατέ: Das geschah vielleicht 272a7ff. Das καί betont hier die Aussage (vgl. Denniston 1954, 321ff.). In der Tat behaupten die Eristiker ja, jeden und jederzeit widerlegen zu können (vgl. 272a7ff.). 303e8 aus dem Stegreif imstande war, euch nachzuahmen | ὑμᾶς ἐκ τοῦ παραχρῆμα μιμεῖσθαι οἷός τε ἦν: Vgl. 301b2. Das hat Ktesippos wieder und wieder bewiesen. 304a1 eurer | σφῶν: Mit T; vgl. 293d. 304c f.; Eur. Bac. 203. 304a3 ff. hüten … vor vielen zu sprechen, damit sie euch nicht schnell die Sache auswendig lernen, ohne euch Dank zu wissen | μὴ πολλῶν ἐναντίον λέγειν, ἵνα μὴ ταχὺ ἐκμαθόντες ὑμῖν μὴ εἰδῶσιν χάριν: Auswendiglernen (ἐκμανθάνειν) ist ebenfalls Merkmal sophistischer Methode, diese wird von Platon abgelehnt (Erler
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1986). Die Aufforderung, nicht vor vielen zu sprechen, ist ironisch; es suggeriert, dass Eristiker und Sophisten sich nicht einmal ihrer eigenen Schüler sicher sein können, vgl. dazu Sokrates im Gorgias 519d. 304b4 wie Pindar sagte | ὡς ἔφη Πίνδαρος: Vgl. z. B. Pind. O. 1, 1f.: Ἄριστον μὲν ὕδωρ, ὁ δὲ χρυσὸς αἰθόμενον πῦρ / ἅτε διαπρέπει νυκτὶ μεγάνορος ἔξοχα πλούτου. Offenbar eine ‚marktwirtschaftliche‘ Überlegung. Sophisten sind an Geld interessiert, müssen also ihr Produkt rar machen, um den Wert zu steigern.
13. Epilog des Rahmengespräches (304b–307c) 13.1 Wer ist der anonyme Redner (304b–306d)? Der Bericht über die Streitgespräche ist beendet. Der Dialog kehrt zum Rahmengespräch zwischen Kriton und Sokrates zurück: Kriton ist von der Kunst der beiden Eristiker nicht überzeugt (304c6 ff.). Er gehöre zu denen, die lieber widerlegt werden als durch solche Tricks andere zu widerlegen. Er fragt sich, warum Sokrates sich mit den Eristikern abgegeben hat. Ein unbekannter Rhetor habe ihn gestern nach dem Gespräch mit den Eristikern angesprochen. Er habe sich gewundert, dass Sokrates sich als Schüler von Euthydemos und Dionysodoros zur Verfügung gestellt habe. Die eristischen Auseinandersetzungen habe er als Merkmal der Nutzlosigkeit von Philosophie (305a) angesehen. Denn die Eristiker hätten sich nur an Worte angehängt, der Inhalt habe keine Rolle gespielt. Kriton hält diesen Mann, dessen Name nicht genannt wird, für sehr intelligent. Er sei begabt für Reden vor Gericht; Philosophie halte er zudem nicht für gänzlich nutzlos. Sokrates ist sich unsicher, wie er den Anonymus einordnen soll, als Redner oder als Redenschreiber. Er sei kundig in Rhetorik und Philosophie, nehme gleichsam eine Mittelstellung zwischen beiden ein. Er gehöre damit zu einer Gruppe, die sich für sehr klug halte, und das mit Recht. Kriton räumt ein, dass die Argumente dieser Leute einige Plausibilität haben und fragt Sokrates nach seiner Meinung über sie. Auch Sokrates billigt ihren Argumenten Plausibilität zu, bezweifelt aber, dass sie über Wahrheit verfügen (306a1). Er will den Anspruch des Anonymus und seiner Anhänger, dass sie weise sind in Philosophie und Rhetorik, weil sie einen Mittelweg einschlagen, beurteilen und sich dabei von Konflikten fernhalten. Um dies zu beweisen, analysiert er zunächst allgemein das Verhältnis, in dem etwas Mittleres zu den beiden Polen, zwischen denen es sich befindet, stehen kann.
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Dann beweist er, dass der Wahrheitsanspruch des Anonymus und seiner Anhänger, wonach ihr Mittelweg die beste Option sei, fraglich ist. So sieht Sokrates drei Möglichkeiten: Von den beiden Dingen, zwischen denen ein Mittleres steht, kann demnach a) eines schlecht, eines gut sein; b) können beide gut sein mit unterschiedlichem Ziel; c) beide schlecht sein mit unterschiedlichem Ziel. In Fall a) ist das Mittlere schlechter als das eine und besser als das andere; im Fall b) schlechter als jedes der beiden. Nur im Fall c) ist das Mittlere besser als die beiden Dinge, zwischen denen es steht. Nun ist aber klar, dass Philosophie und Rhetorik vom Anonymus nicht als etwas Schlechtes, sondern als jeweils Gutes mit unterschiedlichem Ziel angesehen werden (306c). Dann aber gilt Fall c). Die Tätigkeit des Anonymus und seiner Anhänger als Mittleres zwischen Philosophie (gut) und Politik (gut) wäre dann nicht die beste Option, sondern schlechter als jeweils Philosophie und Politik und erhält deshalb nur den dritten Platz (306c). Hier endet die Kommentierung des Sokrates. Kriton geht darauf nicht weiter ein, sondern wendet sich der Frage nach der Ausbildung seines Sohnes zu. Sokrates’ These bleibt somit eine Aufgabe für den Leser. Denn offensichtlich ist in der Sache nicht das letzte Wort gesagt. Ein Verteidiger des Anonymus könnte darauf verweisen, dass Sokrates bei Option b) voraussetze, beide seien gut mit unterschiedlichem Ziel, und dann folgere, dass ein Mittleres in diesem Fall schlechter sein müsse. Man fragt sich natürlich dann – und soll sich offenbar fragen –, was der Fall wäre, wenn beide das gleiche Ziel verfolgten. Sokrates’ conclusio lässt offensichtlich diese Option offen, die freilich wichtig ist. Wenn Rhetorik oder Politik und Philosophie gut sind, folgt nämlich nicht notwendig, dass ein Mittleres schlechter ist als beide. Das gilt nur dann, wenn beide – wie von Sokrates vorausgesetzt wird – unterschiedliche, nicht wenn sie gleiche Ziele haben. Dann können beide konvergieren. Nach gängiger, im Gorgias diskutierter Vorstellung haben nun Politik und Philosophie unterschiedliche Ziele. Der Gorgias zeigt aber auch, dass dies aus Sicht Platons nicht so sein muss. Sokrates macht im Gorgias vielmehr deutlich, dass diese Vorstellung zwar für traditionelle Rhetorik und Politik, nicht aber für das gilt, was er ‚wahre Politik‘ nennt (Gorg. 521d) und mit Sokrates’ philosophischer Praxis identisch ist. Sokrates’ ‚wahre Politik‘ im Sinne einer wahren Rhetorik und Philosophie geht es um die Fürsorge für die Seele des Partners oder der Partnerin und deren Heilung von Illusion, wie es z. B. das Höhlengleichnis illustriert (vgl. Erler 2009c). Allein vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass Sokrates’ Verteidigung (Apologie) eigentlich eine Anklage der Richter ist, die diese von ihrem Unwissen befreien
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soll (vgl. Erler 2008b, 46–49). Wenn man also Politik und Philosophie im Sinne Platons und nicht im Sinne des Anonymus versteht, ist das ‚Mittlere‘ nicht schlechter als die beiden Dinge, in deren Mitte es steht, wie behauptet wird. Denn sie haben dasselbe Ziel und konvergieren also. Unter dieser ‚platonischen‘ Voraussetzung würde sich ergeben: Die von Sokrates kritisierte These wird nicht als an sich völlig falsch, sondern nur als falsch begründet erwiesen. Der Anspruch des Anonymus wäre berechtigt, wenn er aus platonischer Perspektive begründet würde. Da die angeführten Merkmale des Anonymus es in der Tat nahe legen, an Isokrates zu denken (Diskussion bei Ries 1959, 40–46; Eucken 1983, 48–53), würde ihn Platon hier ebenso mit einer Mischung aus Respekt und Zurückhaltung bewerten, wie er dies im Phaidros tut, wo er ihn für nicht unphilosophisch hält (Phaedr. 279a: φύσει γὰρ […] ἔνεστί τις φιλοσοφία τῇ τοῦ ἀνδρὸς διανοίᾳ; Heitsch 1997, 219. 257–262). Sokrates zeigt zudem, dass es Einheit von Philosophie und politischem Handeln geben muss. Auf Probleme einer Identifizierung mit Isokrates weist jetzt Sermamoglou hin (2014, 147): Z. B. unterscheidet der Anonymus zwischen Sokrates und Sophisten, was Isokrates nicht tut. Einzelerklärungen 304c6 Gewiss . . . bin ich einer, der gerne zuhört | καὶ μὴν . . . φιλήκοος μὲν ἔγωγε: Das gilt auch für Ktesippos, vgl. 274c3. Es ist dies eine Eigenschaft, die den Spartanern nachgesagt wurde (vgl. HipMa. 285e); zur Eigenschaft vgl. Rp. 475d. 476b. 535d. 548e. Kritons Bericht vom Treffen mit einem Anonymus gleicht dem Beginn des Euthydemos (vgl. 271a1–5 mit 304d7 ff.; dazu Chance 1992, 200 f.). 304c8 f. von denen du auch sagtest | ὧν δὴ καὶ σὺ ἔλεγες: Vgl. 302d2. 304d5 ein Mann, der viel von sich hält | ἀνὴρ οἰόμενος πάνυ εἶναι σοφός: Viel diskutiert wird die Frage nach der Identität des Anonymus (304c–306d; Bericht bei Palpacelli 2009, 220 f. Anm. 9). Dieser Anonymus vollzieht nach Kritons Bericht die von Sokrates im Dialog suggerierte Unterscheidung zwischen Eristik und sokratisch-platonischer Dialektik nicht mit. Wir erfahren über den Anonymus, dass er weder als Philosoph noch als Redner gelten möchte, dass er nicht vor Gericht aufgetreten sei (vgl. Isocr. 15, 2. 36 ff.), hohes Selbstbewusstsein habe (vgl. 305c-d), dass er bei vielen angesehen und geschätzt sei, dass er einen Platz zwischen Philosophie und Politik suche (Isocr. 13,1–8. 9 f.),
Erläuterungen
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wohingegen Sokrates ja im Gorgias erklärt (521d), dass Politik und Philosophie konvergieren müssen. Vieles davon passt sehr gut zu dem, was wir von und über Isokrates zu wissen glauben (z. B. hohes Selbstbewusstsein, vgl. Isocr. 13,13. 4,188 f.; Ansehen, vgl. 4, 3; vgl. Alexiu 1995). Dass Platon hier im Euthydemos wahrscheinlich Isokrates vor Augen hat und auf ihn hinweisen möchte, wird deutlich mit Blick auf das, was er im Phaidros über ihn zu sagen hat (Heitsch 1997, 257–262; Heitsch 2000). Von den vorgeschlagenen Identifikationsangeboten (vgl. Guthrie, Bd. 4, 282 f.; Palpacelli 2009, 220 f. Anm. 9 mit Lit.; zur Diskussion auch anderer Kandidaten wie Lysias, Antiphon, Polykrates, Thrasymachos vgl. Chance 1992, 200. 275 Anm. 14; Hawtrey 1981, 190) ist die Gleichsetzung mit Isokrates die plausibelste – wie auch das Ende des Phaidros nahelegt (schon Heindorf 1806, 413; Schleiermacher 1996, 227; Thompson 1868, 179–182; Eucken 1983, 47–53 u. a.; Heitsch 2000; Tulli 1990; Palpacelli 2009, 222–226); anders Wilamowitz (1919, Bd. 2, 165–167), dessen Gründe aber nicht überzeugen. Méridier (133–138) sieht Bezüge zu Isokrates als wahrscheinlich, eine Identifikation aber nicht als sicher an; andere (Canto 1987, 197) sehen im Anonymus eher einen Typus, weniger eine individuelle Figur. 304d6 Experten im Verfassen von Gerichtsreden | τοὺς λόγους τοὺς εἰς τὰ δικαστήρια δεινῶν: Von Isokrates’ Reden sind sechs forensischen Charakters; sie können möglicherweise vor den Euthydemos datiert werden (zum Euthydemos s. Erler 2007, 121 f.). 304e4 ff. die auf wertlose Dinge unangemessenen Eifer verwenden | περὶ οὐδενὸς ἀξίων ἀναξίαν σπουδὴν ποιουμένων: Die Ausdrucksweise soll wohl an gorgianischen Stil erinnern (Paronomasie, Alliteration); suggeriert wird nahezu ein Zitat (e5 f. οὑτωσὶ γάρ πως καὶ εἶπεν τοῖς ὀνόμασιν, so Hawtrey 1981, 191; Eucken 1983, 49). Freilich findet sich bei Isokrates eine solche Formulierung nicht; es gibt aber Formulierungen bei Isokrates (vgl. Isocr. 13,16. 15,192), die Platon inspiriert haben mögen, Gorgianisches spielerisch ‚á la Isokrates‘ zu verwenden (Heitsch 2000, 402 Anm. 22). 304e7 was heißt ‚erfreulich‘ | ποῖον . . . χαρίεν: Vgl. 291a1 ποῖος Κτήσιππος über Ktesippos. Kaum wird Philosophie vom Kritiker aber ganz abgewertet worden sein; denn er hat begrenztes Interesse (305d7). Für Isokrates’ eingeschränktes Interesse an Philosophie vgl. Isocr. 15, 271; Hawtrey 1981, 191.
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305a3 seltsam | ἄτοπος: Vgl. Erler 1987a, 190 f. Zur Atopia des Sokrates und bei Platon vgl. Erler 2015a. 305a4 an jedes Wort anhängen | παντὸς δὲ ῥήματος ἀντέχονται: Beschreibt gut die rein an der Wortoberfläche orientierte Argumentationsform der Eristiker, aber auch sonstige Streitgespräche, wie z. B. von Hirten bei Theokrit (vgl. Erler 1986) oder aber bei polemischen Auseinandersetzungen, wie sie von Augustinus mit Manichäern als Mitschriften überliefert sind (Erler 1990). Das vom Clarcianus überlieferte χρήματος ergibt an dieser Stelle keinen Sinn. Zur Interpretationsmethode im Mittelplatonismus, die sich mit diesem Ausdruck beschreiben lässt, vgl. Petrucci 2016; vgl. Attic. fr. 14 Des Places. 305b6 f. Handelte es sich um einen von denen, die vor Gericht zu streiten verstehen | πότερον τῶν ἀγωνίσασθαι δεινῶν ἐν τοῖς δικαστηρίοις: Hier werden von Isokrates eingeführte Ausdrücke (Isocr. 13,15 ἀγωνιστὰς μὲν ἀγαθοὺς ἢ λόγων ποιητάς) verwendet, vgl. Teichmüller 1884, 241; Heitsch 2000, 400 Anm. 13. 305c2 vor Gericht aufgetreten | ἐπὶ δικαστήριον ἀναβεβηκέναι: Vgl. Ap. 17d. 305c7 Grenzbereich | μεθόρια: Die Worte sind bei Prodikos fr. 84 A 20 Diels/Kranz als Zitat aufgeführt. Dann wäre ὁ πολιτικός als Politiker erstes Auftreten des Wortes. Doch mag auch μεθόρια allein Zitat sein (Hawtrey 1981, 192). 305d6 in privaten Unterredungen | ἐν δὲ τοῖς ἰδίοις λόγοις: Vgl. Gorg. 522a; Theaet. 177b; Rp. 499a. 305d6 f. Leuten aus dem Kreis des Euthydemos | ὑπὸ τῶν ἀμφὶ Εὐθύδημον: Vgl. dazu Palpacelli 2009, 224 f. Anm. 16. 305d8 maßvoll | μετρίως: Das erinnert an die Position des Kallikles im Gorgias (vgl. 484c ff.). Redenschreiber wissen ein wenig von Philosophie und von Politik, aber nicht genug von beidem. Es ist bemerkenswert, dass Sokrates darüber sprechen wollte, bevor Kriton die Sache aufbrachte (vgl. 305c5–6). Dies mag vorbereitet sein im Protreptikos (289d10–290a5), wo die Kunst des Redenschreibens im Zusammenhang mit der Eudaimoniefrage diskutiert, dann aber verworfen wurde (305c5–6; Sermamoglou 2014, 144).
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305e4 einleuchtenden | εὐπρέπειαν: Vgl. Phaed. 92d2 f.: μετὰ εἰκότος τινὸς καὶ εὐπρεπείας. 306b3 jede von beiden in Hinsicht auf anderes | πρὸς ἄλλο δὲ ἑκατέρα: Trennung von Rhetorik und Philosophie ist nicht im Sinne Platons, vgl. Sokrates als wahrer Politiker Gorg. 521d; die Stelle suggeriert nicht, dass Sokrates hier eine Trennung propagiert (Morrison 1958, 209), sondern ist hypothetisch (Hawtrey 1981, 194) und erlaubt deshalb keine Überlegung zu einer Datierung des Dialoges etwa im Sinne eines ‚noch nicht‘ (z. B. vor Gorgias oder Politeia [Philosophenkönig]). 306c5 f. nachsehen | συγγιγνώσκειν: Wenn man hier Isokrates im Blick hat, wird man die gleiche Nachsicht registrieren wie sie im Phaidros (279a9 f. φύσει γάρ […] ἔνεστί τις φιλοσοφία τῇ τοῦ ἀνδρὸς διανοίᾳ) zu beobachten ist, wo Platon ihm Elemente von Philosophie zugebilligt hat (Hawtrey 1981, 194). 306c8 jeden Menschen muss man nämlich schätzen | πάντα γὰρ . . . ἀγαπᾶν: Vgl. Soph. 241c; Crat. 391c; Gorg. 483c. 306d2 f. bin … wegen meiner Söhne ratlos | περὶ τῶν ὑέων . . . ἐν ἀπορίᾳ: Vgl. die Situation im Laches 178a ff. Nach Diogenes Laertios (vgl. Diog. Laert. 2,121, dazu vgl. Phaed. 59b) hatte Kriton vier Söhne, die alle Schüler des Sokrates waren. Der Name des jüngeren Sohnes ist unbekannt (s. Einleitung Kapitel 6. 2; Hawtrey 1981, 195; Keulen 1971, 8 f.).
13.2 Bildung des Kritoboulos (306d–307b) Kriton scheint von Philosophie beeindruckt; er zweifelt jedoch, wem er seinen Sohn Kritoboulos anvertrauen soll. Doch Sokrates fordert ihn auf, er solle sich nicht im Wunsch entmutigen lassen, dass seine Söhne Philosophie lernen sollen. Kriton tue Recht daran, wenn er seine Söhne von sophistischer Erziehung fernhalten will (306d); er irre jedoch, wenn er in Sokrates nicht den richtigen Lehrer erkennen und offenbar sokratisch-platonische Dialektik nicht von Eristik scheiden kann (306d). Als der wahre Erzieher hat sich – zumindest für den Leser – freilich Sokrates im Gespräch erwiesen. Seine Schlussworte (307a), dass man die Sache prüfen solle, ob sie gut sei, wirken wie eine Aufforderung an den Leser.
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Kommentar
Einzelerklärungen 306d5 Kritoboulos | Κριτόβουλος: S. Einleitung Kapitel 6. 2. 306e3 vernachlässigt zu haben | ἀμελῆσαι: Zur Unterscheidung zwischen gewöhnlicher Unterrichtung und παιδεία vgl. Prot. 319a–320b; Men. 93b. 306e5 extravagant | ἀλλόκοτος: Vgl. Rp. 487cd. Philosophen wie Sokrates sind Außenseiter, vgl. Theaet. 173e–174a zu Thales (vgl. Erler 2015a). 307a2 hinlenken | προτρέπω: Greift das Thema auf, vgl. 275a. 278d. 307b8 prüfe die Sache selbst | αὐτὸ τὸ πρᾶγμα βασανίσας: Sokrates betont wiederholt, es gehe ihm nicht um Personen, sondern um das Argument (vgl. Gorg. 453c. 486de; Rp. 361c. 413e). Selbst Homer stehe nicht über der Wahrheit (Rp. 595c, vgl. Charm. 161c). Der Vergleich von sokratischem und eristischem πρᾶγμα ist Leitfaden der Diskussion im Euthydemos (s. Einleitung Kapitel 10 und 11); dem Leser eine Differenzierungshilfe zu bieten, ist eine Intentionen des Dialoges. 307b8 genau und gut | καλῶς τε καὶ εὖ: Vgl. 276c; Lach. 188a; Rp. 503d. 307c4 wie man so sagt, ‚du selbst und deine Kinder‘ | τὸ λεγόμενον . . . αὐτός τε καὶ τὰ παιδία: Beinahe sprichwörtlich und damit eine gute Formulierung am Ende, Rp. 372b; Leg. 804d. Vgl. Tarrant 1946, 112. Dass man zudem nicht nur seine Kinder, sondern auch sich selbst in Weisheit unterrichten sollte, ist ein Motiv des Protreptikos, vgl. Prot. 357e; [Plat.] Clit. 407c, dazu Slings 1999, 105 f.
Abkürzungen antiker Autoren und Werke
Aeschl. Ag. Eum. Sept.
Aeschylus Agamemnon Eumenides Septem contra Thebas
Aeschn.
Aeschines
Alex. Aphr. in Arist. S. E.
Alexander Aphrodisiensis In Aristotelis Sophisticos Elenchos commentaria
Alb.
Albinus
Alcin.
Alcinous
Am.
Amipsias
An.Bek.
Anecdota Graeca ed. Bekker
Apollod.
Apollodori Bibliotheca
Aristoph. Ach. Av. Eq. Nub. Pax Pl. Ran. Th. Ve.
Aristophanes Acharnenses Aves Equites Nubes Pax Plutus Ranae Thesmophoriazusae Vespae
Sch. Aristoph. Ran.
Scholia in Aristophanem Ranae
Aristot. Ath. E. E. E. N. Metaph. Phys.
Aristoteles Atheniensium Respublica Ethica Eudemia Ethica Nicomachea Metaphysica Physica
238
Abkürzungen antiker Autoren und Werke
Protrept. Rh. S. E. Top.
Protrepticus Rhetorica Sophistici Elenchi Topica
Arr. EpictD.
Arrian Epicteti Dissertationes
Att.
Atticus
Callim. H. 4
Callimachus Hymnus in Delum
Cic. Ac. de orat. Fat. Tusc.
Cicero Academicorum libri De oratore De fato Tusculanae Disputationes
Cratin.
Cratinus
[Dem. Phal.] Eloc.
Pseudo-Demetrius Phalereus [Rhetor] De elocutione
Democr.
Democritus
Demosth. 22 42 46
Demosthenes Adversus Androtionem Contra Phaenippum In Stephanum
Did. de dub. Plat.
Didymus [Grammaticus] De dubiis apud Platonem lectionibus
Diog. Laert.
Diogenes Laertius
Epic. 4
Epicurus Epistula ad Menoeceum
Eur. Alc. Bac. Cycl. El. Hel. Her. Hip. Med. Rh.
Euripides Alcestis Bacchae Cyclops Electra Helena Heraclidae Hippolytus Medea Rhesus
Eup.
Eupolis
Abkürzungen antiker Autoren und Werke Eustath. ad Od.
Eustathius Commentarii ad Homeri Odysseam
Gell.
Aulus Gellius
Hom. Il. Od.
Homerus Ilias Odyssea
Hor. carm.
Horatius Carmina
Hdt.
Herodotus
Iambl. Protrept.
Iamblichus Protrepticus
Isocr. [Isocr.] 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Isocrates Ad Demonicum Ad Nicoclem Nicocles Panegyricus Philippus Archidamus Areopagiticus De pace Euagoras Helenae encomium Busiris Panathaenaicus In sophistas Plataicus Antidosis De bigis Trapeziticus In Callimachum Aegineticus In Lochitem In Euthynum
Luc. Philops.
Lucianus Philopseudes
Lys. 12
Lysias In Eratosthenem
Men. Dysc.
Menander Dyscolus
Olymp. in Gorg.
Olympiodorus In Platonis Gorgiam commentaria
239
240
Abkürzungen antiker Autoren und Werke
Prol.
Prolegomena
Ov. Am. Met.
Ovidius Amores Metamorphoses
Paus.
Pausanias (Graeciae descriptio)
Pind. N. O. P.
Pindarus Nemea Olympica Pythica
Plat. Alc. 1 [Plat.] Alc. 2
Plato Alcibiades 1
Ap. Ch. [Plat.] Clit. Crat. Crit. Criti. [Plat.] Epin. [Plat.] epist. Euthyd. Euthyph. Gorg. HipMa. HipMi. Ion Lach. Leg. Lys. Men. Menex. Parm. Phaed. Phaedr. Phil. Pol. Prot. Rp. Soph. Symp. Theaet. [Plat.] Theag. Tim.
Alcibiades 2 Apologia Socratis Charmides Clitopho Cratylus Crito Critias Epinomis Epistulae Euthydemus Euthyphro Gorgias Hippias maior Hippias minor Io Laches Leges Lysis Meno Menexenus Parmenides Phaedo Phaedrus Philebus Politicus Protagoras Respublica Sophista Symposium Theaetetus Theages Timaeus
Abkürzungen antiker Autoren und Werke Plaut. Pers.
Plautus Persa
Plut. Apophth. Lac. Gen. Socr. Inv.
Plutarchus Apophthegmata Laconica De genio Socratis De invidia et odio
Poll.
Pollux
Prop.
Propertius
Sext. Emp. Math.
Sextus Empiricus Adversus Mathematicos
Simp. in Arist. Cat.
Simplicius In Aristotelis Categorias commentaria
Soph. Ai. Ant. O. C. O. T. Phil. Tr.
Sophocles Aiax Antigone Oedipus Coloneus Oedipus Tyrannus Philoctetes Trachiniae
Theocr. id.
Theocritus Idyllia
Thgn.
Theognis
Thphr. Ch. H. P.
Theoprastus Characteres Historia plantarum
Xen. Ag. An. Cyr. Mem. Oec. Symp.
Xenophon Agesilaus Anabasis Institutio Cyri Memorabilia Oeconomicus Symposium
241
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Register
1. Stellen a) Platon Alcibiades I 103a 113a7–9 131e–132a Apologia –
17bc 17d 19e 20d1 20d8 20e–21e 20e–22e 21a 21a–22a 21d7 22a 22d8 22e 23a 23ad 23b 23c 23cd 23ce 23d 24b–26a 24c4–10 25e 29d–30b 29ef 30ab 30b 30d
120 202 149
60, 68, 110, 122, 202, 225, 231 150 234 137 139 198 93 55, 104 55, 104 128 133 198 129 133 198 93 55, 104 135 82 125 199 91 190 141 82, 93 124 142 141 228
31d 32a 32d2 33de 33e 36b 36bd 37b 38b 38c 39cd 40ac 40d Charmides – 153d 154c7 156a 158c 159b ff. 159b–161b 161c 162c 162de 162e–163d 163bc 163d 165d 165e–166c 166a 166c 166cd 167b 168e–169a 169d2 171a9 174a 174ad
120, 124 171 158 68 135 158 82 158 60, 68, 113 149 56, 104 120 123
57, 63, 70, 110, 179, 202 180 128 175 128 94 147 236 218 94 160 190, 191 137 190 189 190 151 93 151 188 169 189 151 84
264
Register
Cratylus – 384a 384ab 384b6 385b 385b7 f. 385bc 385e 386ad 386d 386d3 ff. 390bd 390c 391c 399b1 400e1 ff. 401c 413d3 f. 425a2 429d1 ff. 430a4 f. 433ab 436d
64, 65 137 138 137 160 162 168 196 170 65, 168 196 181 185 235 174 175 174 139 174 170 168 86 184
Critias 109c6
122
Crito – 54d 107e–108b 108b 108d
68 137 126 111 111
Epistulae VII 326e
187
Euthyphro – 2a 2c6 3b 4b 1 5a7 6c 7a 7d 11b 14b8 14c 15b
93 110 111 120 201 139 188 94 146 188 111 94 188
15d3 16a2 Gorgias –
417d 447a6 447ac 447c 451d–452e 451e 453c 454b ff. 454d 455a 456a–457c 456d 457e 457e ff. 458a 462b ff. 462d 464bc 465a 467c–468e 467e ff. 467e–468a 467e–468c 468a5 468e ff. 468e6 469b 470b 470c 470e 471d–472c 471e ff. 471e–472c 474c 476d2 477b8 ff. 482bc 482e3 482e6–483a2 483bd 483c 483e6 484c 484c ff.
176 139
54, 55, 57, 58, 61, 62, 76, 90, 103, 142, 223, 228, 231, 235 163 123 118 123 177 142, 143 236 183 145 111 83 114, 115 200 228 199 202 184 190 167 141 148 141, 146 141 146 93 199 228 145 228 123 90 228 95 209 162 142 86 171 228 142 208, 235 176 197 234
265
Register 484c–485d 484c–485e 484d 485a 485b 485de 485e 486ac 486c2 486de 486e5 ff. 487a 487a3 487ab 487de 490e4 491d 491d11 494a6 ff. 495a 497c 497c3 ff. 499b 499c 499c4 f. 499e 505bd 507b 507c 508c ff. 509b 511c ff. 511d ff. 512d 513c2 515c 515d 515de 517bc 517c7–518a5 517e 519a ff. 519b–521a 519d 520a 520b4 521d 521d ff. 522a 522d 526d–527e 527b
79, 88 116 197 180 223 133 142 121 158 236 229 228, 229 125 228 95 204 223 217 211 228 121 137 145 163 163 141 58 142, 148, 223 141 142 121 148 181 188 199 190 145 95 190 184 223 190 155 230 114 132 231, 233, 235 200 234 121 83 93
Hippias Maior – 281b 282bc 285e 291d Hippias Minor – 368a ff. 373ce 376a6 f. 376b5 f.
58 111 123 232 142
55, 58, 61, 104, 139, 208 200 222 205 205
Ion – 530a 533a5 533e–534a 536c 537c6 537c9 540d ff. 541e7
55, 103 114 142 137 137 144 144 183 176
Laches – 178a ff. 178a–190e 181e 187e–188b 187e–188c 188a 189b 192bd 194a 194c 195a 195c 197ab
57, 110, 151 235 83 115 93 158 236 116 146, 147 188 80 163 148, 181 146, 147
Leges I 631b 632a 637e II 660d 661a 673d10 674c5 III
142 143 174 146 142 223 223
266 682a1 f. 697ab IV 710a 718a 718a5 VI 783e VII 790c–791b 795b 795c 798 803c 804d 808d4–7 813e VIII 833ae IX 863e 871a 881d X 890a–891e 890d4 XI 920b XII 969b8 ff. Lysis – 203a 204c 205e–206a 210e 212b4 f. 213d 216e 217b 217ce 218a 218a6 ff. 218ab 218d–221c 218e–219a Menexenus – 235b 235cd
Register 120 142 147 187 187
235e–6a Meno –
199 137 114 215 143 138 236 121 115 115 124 210 225 164 191 124 227
57, 61, 63, 67, 70 110 227 227 227 212 128 146 221 99 133 129 99 178 141
61, 101 183 139
70a 72a 74a4 ff. 75b1 75c 75cd 75d 75e 76e 78c 80a 80d 80d ff. 80e 81c 81cd 81d 81d2 81de 82a–85d 82bc 83d1 85c ff. 85cd 85d4 85e–86a 86ab 87b 87c 87c5 ff. 87c–88a 87c–89a 87d ff. 87e 87e–88a 87e–89a 87e–99b 88a8 88ac 88cd 89c 90e 91b4 ff. 93b
117
56, 57, 61, 62, 63, 98, 104, 115, 126, 136, 148, 184, 207, 211 149 143 143 217 115 87, 117 94, 185 137 137 94 176 194, 224 99 87, 90, 133 132, 203, 206 99, 194, 199 116, 185, 197 196 122, 195, 198 99 184 228 194 93 127 203, 206 99 124 142, 149 149 146 62 141 142 142 84, 148 178 128, 129 142, 147 141 172, 188 130, 144 114 116, 122, 236
267
Register 94b 94e–95a 95b 96d 96e 99a 99a3 99a9 Parmenides – 126b1 f. 130e ff. 131a4 135bc Phaedo –
58c 59b 60ab 62c–69e 64d 66d3 68d 68d8 69de 71a 75c 82ab 83a 84a4 f. 86d6 88c 88c ff. 88e 89a 89c5 89c–91c 90bc 92d2 f. 92e–94b 93b–94b 100a–102a 100d 100d6 102a
159, 228 93 123 137 188 144 143 143
102bc 114d–115a 114e3 115c 115d 115e 118a Phaedrus –
86, 99, 221 119 221 221 86
56, 62, 68, 69, 70, 76, 86, 98, 104, 109, 111, 122, 157, 183, 186, 196, 247 86 67, 68, 235 68 122 121 132 142, 147 146 158 145 203, 206 147 121 116 129 187 70 229 229 209 189 88 235 196 170 88 143, 221 175 187
228b 234e 234e1–4 235d6 ff. 236d 237a 243e 245b 246c7 248bc 249ae 250bc 256b 256b7 261a 262cd 264a8 267d1 271c 272b 272bc 273b 273ce 274a 274d ff. 275d 275d–276a 275e2 276b 276b–277a 276e 276e–277a 278b 278cd 278d 278d2 278e–279a 279a 279a9 f.
195 83 146 68 68 158 68
61, 62, 66, 69, 100, 110, 114, 172, 232, 233 137 200 121 121 139 126 157 143 228 120 195, 198 66 136, 174 171 183 66 199 183 183 227 66, 151, 227 180 66 227 183 114 66 223 209, 227 66 66, 185, 227, 228 85 122 66 66, 133, 180 121 101 121, 232 235
268
Register
Philebus – 16 18d6 20d 22e 26b 33c1 42e
183 143 203 141 226 199 204 204
Politicus – 273b 284b 286b–287b 294e1 304e f.
204 199 199 151 171 183
Protagoras –
309c 312a2 312a7 f. 312b1 313a 314b 314d3 314e3 ff. 315a8 ff. 315b2 315e 315e7 317a 317b4 ff. 318a 318a–319b 318b4 319a 319a–320b 319a8 319a9 f. 320b8 f. 320c 323a 323c 324bd 328d3
55, 57, 61, 70, 75, 76, 103, 109, 115, 151, 165, 168, 183, 240, 253, 257 111 128 187 129 125 116, 122 114 120 183 130 111 114 210 121 155 189 217 123 236 122 228 123 207 144 149 122 118
328d4 328d5 330b3 ff. 332a–333d 333c 334a 335d 337a ff. 337a1 ff. 337ac 338a 338a3 f. 338ce 338e–339e 342d 343d 343d–345c 344a4 f. 345a3 f. 345b5 349b1 f. 349d–350e 351d1 ff. 357e 358a 358c4 Respublica –
183 128 143 147 93 146 180 137 137 125 191 228 94 86 180 87 208 203 143 144 143 146 146 236 175 169
56, 61, 62, 63, 70, 74, 85, 98, 100, 104, 151, 156, 185, 235
I 328b9 f. 332bc 336bd 337d6 338c–348e 338c7 ff. 339a 340d ff. 341c 341c9 343a–344d 346a 346a7 347c5 348ab 348d–349e 348e 349a5 f. 350d3
121 223 93 217 142 114 94 145 144 144 94 144 144 145 88 208 208 228 128
269
Register 350e 352d–354a 353b
78 190 190
II 357b–358a 358b 358b2 f. 361c 371e–376c 372b 381d III 391e8 f. 400c 402 405c 405c1 f. 411c 411d7 f. 412b–414a 413e IV 421a 427c–432b 432d 434c 436b 442e V 449c 454a 454a1 454ac 454b 457b f. 472a 473c 475d 476–480 476b 476cd 477a 477e 479bc VI 486c 487bc 487cd 488a ff. 491b 492bc 494a 494a4
84, 178 183 183 236 208 236 176 225 183 142 136 130 158 229 196 236 200 190 174 116 195, 198 171 143 117 111 220 87 191 74, 193 191 232 156 111, 232 99 168 145 219 128, 129 94 236 189 111, 142 227 111, 193, 196 228
496c4 497e–498c 499a 500b3 501e f. 503b7 503d 505a 505a ff. 505ae 505b 505bc 505de 508d4 510c ff. 510de 511b1-c3 511bd VII – 511bd 517a 518a ff. 518b 518bd 521c–523a 522c 522c6 526d 527b 527d 528 528ab 530c2 531e ff. 532ab 532b 533bc 533c 533cd 533d 534e ff. 535a 535d 536a 536c2 536d 536d–537d 537a 537c 537e–539d 538c1 538d–539d
120 197 87, 117, 234 163 228 228 236 84 56, 179 84 181 150 141 228 99 184 138 184 179 185 187 179 185 122 184 179 145 179 184 179 85 179 111 99, 179 179 179 184 185 85 184 93 227 232 142 128 184 185 138 185 88 201 79
270 538de 539 539d 540a VIII 548e 549e 551e6 f. 553c 567b12 567e8 IX 579b1 581d 583b 583c X 595bc 595c 601d 601de 603d 607b 621d2 Sophista –
216b 217d 219a ff. 223b 224b 225a–226a 226a 230ad 231b–233d 234c 235a 236e 236e–246e 237d 240e 241c 251a–251c 251b6 251bc 254d f. 261b 267e–268d
Register 93 135 129 116 232 210 116 190 197 111 221 171 136, 174 146 228 236 144 177 158 97 141
56, 63, 90, 98, 100, 104, 156, 204, 209, 211, 222 187 229 183 118 114 87 117 90 88 176 176 158 160 160 168 235 116 116 229 156 187 88
Symposium –
172b4 173cd 173d8 175c 175d 175e 176b4 178d 180e–181a 181a 184cd 186c 188d 190a 194a4 196e 198d 202d13 f. 203e ff. 203e–204c 205a 206a 209b 209e 210a 215ac 215b 215e 216cd 219b3-c2 221de 221e 223d Theaetetus –
142d6 f. 143a 143e 144d 148c 148e 148e–149a
61, 62, 69, 76, 77, 80, 99, 107, 109, 121, 180, 215, 240, 241, 244, 247, 251, 257 111 83 119 183 116, 122, 185 121 136 190 146 124 149 145 187 201 221 145 211 120 99, 180 133 141 215, 216 142 137 121 77 121 137 77 120 77 121 76, 80, 110
56, 98, 100, 104, 105, 109, 227 119 115 77 77 125 93 175
271
Register 150d 151a2–5 151b 151e 151e ff. 152a–172b 152c8 153c8 154be 154d 155d 158d 160b9 160c 160cd 160d 161d f. 165b 167c–168b 168bc 169a 171c 172c 172c3–4a 172d4 ff. 173a ff. 173e–174a 174a ff. 174e 175c 177b 179e–180b 181b4 183e 184c–185e 187d 187d–188e 195a5 197c 198b 198b1–4 198d ff. 200b 203d 208c 210a Timaeus 19e 27b 30b
116, 122, 185 120 182 168, 169 94 169 114 223 115 139, 151 143, 152 172 168 169 168 169 171 209 82 89 184 169 151, 227 116 116 130 236 122 210 123 234 105 114 228 99 168 195, 198 220 185 185 116 122 168 188 168 143
114 126 190
[Plato] Alcibiades II 113a 138b Clitopho 407c 408b 408d Epinomis 975e Theages
173 146 236 189 82 143 120
b) Andere Autoren Aeschines Socraticus Alcibiades (Dittmar) fr. 2 fr. 11c Aeschylus Agamemnon 160 ff. 1315 ff. Dictyulci (Radt) TrGF 3 fr. 46a TrGF 3 fr. 46c Eumenides 589 Septem contra Thebas 1–3
110 149
175 80 81 81 136 189
Albinus (Hermann) 3, p. 148, 37 6, p. 150, 30–3
59 134
Alcinous Didascalicus 6, 9
105, 106
Alexander Aphrodisiensis In Aristotelis Sophisticos Elenchos commentaria (Wallies) CAG 2, 3 p. 2, 20 ff. 59 CAG 2, 3 p. 12, 26–32 198 CAG 2, 3 p. 24, 14 ff. 59 Amipsias Connus (Kassel/Austin) – PCG 2 fr. 7–11
60, 78, 117 75, 117
272
Register
Anecdota Graeca (Bekker) 59 I p. 84 (βλάξ) Antipho Sophista (87 Diels/Kranz) fr. B 44 142 Antisthenes (SSR 2 V A) fr. 148 fr. 160, 6–7
86 167
Apollodorus 2, 5,2
209
Archimedes Psammites
200
Ariphron (Page) PMG fr. 813
142
Aristophanes Acharnenses 62 301 566 ff. 807 833 Aves 44 471 671 Equites – 242 ff. 294 315 533 f. 680 1073 Nubes –
36 143 126 227 250–254 254 334 360 ff. 360–363 364 366 f.
187 200 81 208 158 116 188 176 182 81 75, 221 200 117 226 171 75, 77, 78, 79, 117, 118, 130, 164 130 74, 80 136 205 75, 80 137 116 137 77 75, 208 187
398 434 439 ff. 439–442 450 453 476 629 633 646 659 660 790 821 915 929 984 1008 1047 1070 1186 1321–1443 1357 1405 ff. 1417 1467–1471 1469 Pax 285 292–300 366 978 1063 Plutus 55 253–321 526 581 650 970 1057 Ranae – 439 512 866 913 1105 Thesmophoriazusae 149 f. 149–67 168–170
78 130 164 74, 78, 80, 164 130 74, 78, 80 78, 225 78 137 158 137 159 204 78, 204 204 78, 172 204 133 133 78 172 80 204 214 116 80 204 191 81 157 208 158 172 81 158 172 158 75, 209 200 162 191 204 117 75, 221 117 162 74 162
273
Register 170 470 848 982 1095 Vespae 48 144 ff. 177 374 625 675 741 789 1368 f. Aristoteles Atheniensium Respublica 55, 3 Categoriae – 1, 1a1 ff. Ethica Eudemia VII 13, 1246b37 ff. 14, 1247b14 Ethica Nicomachea I 3, 1095a3 f. 7, 1097a30-b6 8, 1098b12 ff. VI 9, 1142b34–1143a18 Eudemus sive De anima fr. 44 Rose = 65 Gigon Metaphysica
162 159 162 130 75 171 171 176 75, 221 226 117 75, 221 218 187
225 204 138
147 143
141 141 142 138 187
Α
2, 982b12 ff.
152
3, 1005b19–23 6, 1011a22
198 167
Γ
Δ
28, 1024b32 ff. 28, 1024b32–4 Physica I 3, 185b25 ff. III 6, 207a17 Protrepticus (Düring) fr. B 68
166 166
229 213 190
Rhetorica I 1, 1354a5 1, 1354b11 5, 1361b39 ff. II 24, 1401a26 ff. 24, 1401a29 f. 24, 1401a29 ff. 24, 1401a31–32 III 2, 1405b35 f. 5, 1407b1 ff. Sophistici Elenchi –
1, 164a20–165a13 2, 165a2 f. 2, 165a15 f. 2, 165b12 ff. 3, 165b13 ff. 3, 165b15 ff. 4, 165b23 ff. 4. 165b30 ff. 4, 165b31 ff. 4, 165b31–34 4, 166a6 ff. 4, 166a9 f. 4, 166a9–14 4, 166a10 ff. 4, 166a11 4, 166a12 4, 166a12 ff. 4, 166a12–14 4, 166a18–21 4, 166a23 4, 166a30 f. 4, 166a30–32 4, 166a30 f. 4, 166b3 ff. 4, 166b21 4, 166b22 f. 4, 166b23 4, 166b28 ff. 5, 166b32–36 5, 166b37 ff. 6, 167b37 ff. 6, 168a35–37 6, 168a7 f. 9, 170b12 ff. 10, 171a8 10, 171a19 f.
167 124 143 65 102, 133 131 102 162 200 8, 56, 73, 91, 95, 101, 103, 105, 135 88 95, 170 131 102 219, 222 172 130 73, 138 128 102 159 102, 216 102 212 102 218 218 73, 102 102 131, 206 102 102 73 156 194 194 195 98, 211 102 134 219 95 218 103 102 102
274
Register
10, 171a28–30 11, 171b3–172b9 11, 171b25 f. 11, 171b26 12, 173a26 ff. 13, 173a32 ff. 13, 173a34 ff. 15, 174b8–11 15, 174b38–40 16, 175a31–176b28 17, 175b7–10 17, 175b8 f. 17, 175b8–14 17, 175b10 ff. 17, 175b10–14 17, 176a38 f. 17, 176b4 19, 177a12 19, 177a22 19, 177a25 f. 20, 177b12 f. 23, 179a26-b6 24, 179a34 24, 179a34 f. 24, 179b14 24, 179b14 f. 24, 179b39 24, 180a4 24, 180a4 ff. 29, 181a36 f. 33, 182b15 Topica – I 11, 104b19–21 11, 104b20 f. 12, 105a10–19 VIII 1, 155b7–10 2, 158a7–13
102 88 117, 208 91 123 172 222 161 161 203 89 205 206 205 89 204 224 102 73 73, 102 65, 102 98 102 73, 213 102 73 73, 102 102 73 219 215 97, 105, 129 166 166 144 95, 98, 103, 148 161
Arrianus Epicteti Dissertationes I 17, 12
167
Athenaeus 506b
114
Atticus (Des Places) fr. 14
Aulus Gellius XVI 2, 1
89, 205
Callimachus Hymnus in Delum 311
189
Cicero Academica I 46 90 De fato 10 77 De oratore III 107 90 Hortensius 106 Tusculanae Disputationes III 32, 77 149 IV 37, 80 77 Colotes Contra Platonis Euthydemum 106 Cratinus (Kassel/Austin) Boukoloi PCG 4 fr. 18 Deliades PCG 4 fr. 28 Drapetides PCG 4 fr. 56 Pytine
226 117
[Demetrius Phalereus] De elocutione 226
70
164 78, 116
Democritus (68 Diels/Kranz) fr. B 125 136
234
Demosthenes Adversus Androtionem 12 Contra Phaenippum 12 In Stephanum 10
146 94 94
275
Register Didymus Grammaticus De dubiis apud Platonem lectionibus (Valente) 37, p. 273 59 58, p. 281 f. 59 Diogenes Laertius II 20 30 31 35 105 121 135 III 35 49 58 ff. 59 IV 13 IX 50 ff. 53
68 65 68, 106 162 68 68, 235 205, 214 86, 166 58 57 57, 58 103 90 59
Euripides Alcestis 640 Amphion Bacchae 201–203 203 723–724 Cyclops 654 Electra 671 Helena 567 Heraclidae 698 f. Hippolytus 725 Ion 64–75 Medea 484 ff. Orestes 465 Peliadae Rhesus 226
157 76 136 229 152 164 225 187 81 157 225 164 191 164 199
Dissoi Logoi (90 Diels/Kranz) – 2, 14 4, 1 ff. 5, 15 Epicurus Epistula ad Menoeceum 122
91 216 159 156
116, 197
Euclides Megaricus (Döring) fr. 1 91 fr. 2 91 fr. 37 91 fr. 31 91 fr. 33 91 fr. 34 91 Eupolis (Kassel/Austin) Kolakes – PCG 5 fr. 157 PCG 5 fr. 386
117 76 77
Eustathius Commentarii ad Homeri Odysseam 4, 717 59 Gorgias (82 Diels/Kranz) Helenae encomium (fr. B 11) 123 Palamedes (fr. B 11a) 123 Heraclitus (22 Diels/Kranz) fr. B 40 114 Herodotus I 32 47 171 IV 65 VII 26 VIII 121 IX 111
199 200 174 216 164 215 163
276 Hesiodus Theogonia 47 ff. 149 287 Homerus Ilias II 484 ff. V 783 VI 444 VII 281 IX 378 XI 55 XVIII 114 XXIII 315–325 Odyssea IV 435 ff. VI 149–152 XVII 226 f. 597
Register
224 215 215
126 201 130 199 164 158 199 144
176 176 130 157
Antidosis 2 36 ff. 38 155 f. 192 220 269 271 Helenae encomium – 2 6 6 f. 7 11 In sophistas – 1 1–8 7 9 f. 10 13 15 16 17 Nicocles 57 Panathenaicus 10 f. 18 f. 28 Panegyricus – 3 30 75 188 f.
232 232 69 114 233 113 208 233 61 117 117 79, 88 208 117 61, 101 69 232 116, 122 232 122 233 234 233 181 82 69 69 117
Horatius Carmina I 28, 1
200
Iamblichus Protrepticus (Pistelli) 5 p. 24–27 5 p. 24, 24 ff. 5 p. 24–27 5 p. 26, 1
124 142 141, 150 147
Iulius Pollux Onomasticon 3, 150 10, 48
59 59
210
Lucianus Philopseudes 11
112
146
Lysias In Eratosthenem 24 ff.
91
Inscriptiones Graecae I2 Nr. 305, 10 Isocrates Aegineticus 25
101 233 204 82 233
277
Register Menander Dyscolus 267
De invidia et odio 538E
Olympiodorus In Platonis Gorgiam commentaria (Norvin) fr. 26, 18 193 Prolegomena 26 60 Ovidius Amores II 6, 27 Metamorphoses VI 383–400 VII 164–349
124
176 POxy. 881
224
Prodicus (84 Diels/Kranz) fr. A 20 fr. B 2
234 123
Propertius I 17, 18
191
Protagoras (80 Diels/Kranz) 185
Ἀλήθεια ἢ Καταβάλλοντες
164
(fr. B 1) Antilogiai (fr. B 5) fr. A 1 fr. A 19 fr. A 20
164
136, 169, 174 90 90 166 90
Parmenides (28 Diels/Kranz) fr. B 6, 1 169 fr. B 6, 1 ff. 159, 160
Scholia in Aristophanem Ranae 202
Pausanias X 14, 5
215
Scholia in Euthydemum (Cufalo) 271b4: 1 p. 187 f. 113 293d2–3: 25 p. 191 199
Phaedo Socraticus Zopyros
77
Scholia in Lachetem (Cufalo) 187b1: 12 p. 177 164
PHerc. 1032
106
Pindarus Nemea 2, 1 ff. 7, 104 f. Olympica 1, 1 f. 2, 98 Pythica 9, 46 ff. Plautus Persa 223
224 191 230 200 200
92
Plutarchus Apophtegmata Laconica 236C 199 De genio Socratis 582F4 ff. 134
59
Scholia PLG (Bergk) 3 fr. 8
142
Sextus Empiricus Adversus Mathematicos VII 13 64
65 65
Simonides (Page) PMG fr. 604
142
Simplicius In Aristotelis Categorias commentaria (Kalbfleisch) CAG 8 p. 22, 9–13 204 CAG 8, p. 22, 10 ff. 59 CAG 8, p. 22, 10–13 103 Solon (West) IEG 2 fr. 18
116
278 Sophocles Aiax 1259 Antigone 1 332 ff. 940 ff. Ichneutai (Radt) TrGF 4 fr. 314, 45 ff. Oedipus Coloneus 1491 ff. Oedipus Tyrannus Philoctetes 431 Trachiniae 287 f. 753
Register II 157 199 115 80 81 81 115 136 225 225
Stesichorus (Davies/Finglass) fr. 5–83 215 Strabo XIV 1, 28
223
Theocritus Idyllia 14, 8 5, 22
204 92
Theognis 282
199
Theophrastus Characteres 27, 10–11 27, 2–3 Historia plantarum IX 10 Thucydides I 50, 5
78 116 116
214
120
40, 2 54, 3 Xenophon Agesilaus 1, 5 Anabasis II 1, 7 Institutio Cyri II 1, 10 2, 14 Memorabilia I 2, 33 2, 37 2, 64 4, 1 6, 14 II 1, 21 ff. 1, 28 9, 2 9, 4 9, 4–8 III 1, 1 5, 26 9, 4 IV 2, 22 4, 9 6, 11 Oeconomicus 1, 8–4 Symposium 2, 11 2, 22 4, 19 4, 61 f. 5, 7 7, 3
116 117
146
115
120 82
122 191 82 82 105 123 130 68 68 68 65, 115, 121 123 146 149 167 146 146 201 201 77 166 77, 80 201
Register
279
2. Namen
a) Personen aus der Antike1
Lykophron 229 Lysias 65, 69, 181, 233 Menedem 214
Alexinos 91 Alkibiades 17, 60, 67, 121, 124, 149 Anonymus2 5, 53, 54, 62, 69, 81, 230, 231, 232, 233 Antiphon 69, 233 Antisthenes 62, 65, 86, 100, 156, 166, 167, 208, 214, 229 Apollodoros 60 Aristophanes 74, 75, 77, 78, 80, 81, 116, 118, 137, 162, 171, 182, 191, 221 Aristoteles 6, 8, 56, 60, 63, 64, 65, 73, 82, 91, 95, 97, 98, 101, 102, 103, 105, 106, 110, 129, 131, 135, 138, 143, 156, 165, 166, 170, 172, 205, 206, 211, 212, 213, 229 Augustin 92, 106, 205, 234 Axiochos 13, 17, 20, 21, 60, 63, 67, 112 Chairedemos 39, 210, 211 Cicero 106 Clemens Alexandrinus 106 Demetrios von Phaleron 82 Diogenes Laertios 57, 65, 68, 103, 205, 235 Epigenes 68 Epikur 106 Eukleides 91 Euthyphron 110
Olympiodoros 60 Parmenides 156, 169 Phaidon 66, 189 Pheidippides 80, 214 Photius 199 Polykrates 69, 233 Poseidonios 82 Prodikos 19, 46, 86, 98, 111, 114, 131, 134, 135, 137, 138, 166, 204 Protagoras 60, 63, 66, 86, 90, 100, 117, 118, 156, 166, 168, 169, 183, 189, 196, 207 Sextus Empiricus 65 Sophroniskos 39, 210, 211 Stilpon 229 Strepsiades 78, 79, 116, 130, 137, 164, 204, 214 Theodoros 105 Theokrit 92, 234 Theophrastus 82 Thrasymachos 69, 94, 128, 142, 183, 208, 233 Xenophon 64, 65, 121 Zenon 106
Galen 60 Gorgias 233 Heraklit 105, 114, 169 Hermogenes 68 Hesych 199 Isokrates 6, 60, 61, 69, 79, 88, 100, 101, 113, 117, 181, 208, 232, 233, 234, 235 Kallikles 88, 116, 121, 142, 197, 228, 234 Kolotes 60, 106 Konnos 14, 37, 75, 78, 117, 118, 204 Kritoboulos 6, 13, 47, 60, 68, 112, 113, 235, 236
b) Moderne Autoren Adkins, A.W.H. 80, 136 Alexiu, E. 233 Ammann, A.N. 182 Annas, J. 141 Arnim, H. von 183 Arrighetti, G. 162 Ast, F. 60, 75, 190 Ausland, H.W. 60, 62, 106 Austin, C. 76, 117
1 Unberücksichtigt bleiben Platon, Sokrates, Euthydemos, Dionysodoros, Kleinias, Kriton, Ktesippos. 2 S. Einleitung Kapitel 6. 2.6.
280
Register
Badham, C. 146, 147, 160, 167, 172, 181, 213 Baltes, M. 57, 58, 164 Barker, A. 181 Basakos, P. 95 Bekker, I. 123, 170, 172 Benkendorff, K.A. 111, 136, 174 Benson, H.H. 93 Beversluis, J. 204 Binder, G. 166 Blank, D.L. 115, 227 Blondell, R. 66, 93 Bluck, R.S. 69, 137, 149 Boder, W. 225 Bonitz, H. 62, 71, 73, 95, 97, 107, 122, 125, 140, 143, 155, 161, 198, 205, 216 Bordoy, F.C. 209 Borgeaud, P. 189 Bornkamm, G. 145 Boyancé, P. 137 Brancacci, A. 137, 138, 222 Brickhouse, T.C. 140, 141 Brisson, L. 67, 68 Brock, R. 75, 79, 80, 130 Buccellato, M. 138 Bueno, A.A. 213 Burkert, W. 179, 180 Burnet, J. 8, 107, 115, 121, 123, 124, 126, 128, 134, 138, 145, 147, 151, 160, 167, 170, 171, 172, 180, 181, 190, 191, 199, 210, 212, 213, 219, 224, 227, 228 Burnyeat, M.F. 54, 100, 155, 169, 244 Campbell, L. 74 Canto, M. 55, 58, 59, 63, 64, 69, 91, 102, 103, 107, 110, 112, 114, 126, 164, 225, 233 Castagnoli, L. 166, 169, 174 Chailley, J. 181 Chance, T.A. 55, 61, 62, 63, 69, 72, 99, 107, 128, 131, 143, 144, 159, 172, 174, 175, 183, 184, 185, 195, 196, 197, 199, 206, 207, 209, 210, 212, 213, 215, 217, 218, 220, 221, 222, 223, 232, 233 Chantraine, P. 209 Charalabopoulos, N.G. 76, 77 Cherniss, H. 63, 184 Classen, C.J. 118, 172, 188 Clay, D. 67, 75, 76, 85, 111, 187 Collins, J.H. 82 Concolino Mancini, A. 106 Cornford, F.M. 162 Corti, A. 106
Cousin, V. 105 Crichton, A. 78, 117 Crombie, I.M. 159, 161 Crönert, W. 60, 106 Cürsgen, D. 54, 155, 166, 168 Dalfen 72, 76, 163 Damschen, G. 86, 87, 166 Dawidowicz, T. 66 De Luise, F. 116 De Pinotti, G.E.M. 98 De Vries, G.J. 75, 79, 89, 112, 113, 122, 133, 134, 135, 137, 142, 168, 190, 191, 199, 204, 207, 209, 210, 212, 213, 228 Delorme, J. 120 Denniston, J.D. 111, 112, 120, 132, 143, 146, 185, 188, 189, 190, 199, 204, 217, 229 Denyer, N. 155, 160 Devereux, D. 139 Dickey, E. 181, 197 Diels, H. 90, 114, 136, 142, 156, 159, 160, 166, 169, 234 Dimas, P. 140 Dittenberger, W. 74, 225 Dodds, E.R. 136, 137, 142, 162, 204, 211 Döring, K. 64, 65, 86, 90, 91, 120, 166, 167, 210, 229 Dorion, L.-A. 57, 65, 90, 91, 101, 102, 103 Dörrie, H. 57, 58 Dover, K.J. 130, 133, 137, 162, 164, 191, 205, 225 Düring, I. 106, 124, 146, 190 Edelstein, L. 135 Edmunds, L. 113 Erler, M. 1, 3, 6, 8, 10, 11, 12, 48, 49, 50, 55, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 74, 75, 76, 77, 79, 80, 83, 84, 85, 86, 88, 89, 90, 92, 94, 97, 98, 100, 103, 104, 105, 106, 107, 109, 111, 115, 116, 119, 120, 121, 122, 124, 127, 130, 132, 133, 135, 136, 137, 139, 140, 143, 145, 151, 152, 153, 157, 158, 159, 163, 164, 166, 168, 169, 170, 172, 173, 175, 176, 179, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 192, 193, 194, 196, 197, 198, 199, 200, 202, 204, 205, 207, 208, 209, 210, 220, 221, 222, 226, 227, 228, 229, 231, 232, 233, 234, 236, 237 Eucken, C. 61, 69, 88, 101, 117, 232, 233 Festugière, A.-J. 55, 82, 160, 177
Register Ficino, M. 8, 85, 106, 113 Fontenrose, J. 209 Forschner, M. 93, 141 Frajese, A. 185 Friedländer, P. 58, 98, 107, 112, 182, 184, 196, 205, 207, 221 Fritz, K. von 138 Fronterotta, F. 221 Fuhrer, T. 86 Gaiser, K. 76, 78, 80, 82, 123, 125, 137, 140, 162 Gallop, D. 134 Gardiner, E.N. 114, 136 Gehrke, H.-J. 115 Geiger, R. 94, 95, 145, 203, 228, 229 Gifford E.H. 8, 66, 71, 97, 113, 114, 115, 121, 122, 123, 124, 126, 128, 133, 137, 138, 145, 147, 150, 151, 157, 159, 160, 163, 164, 167, 168, 171, 172, 180, 181, 182, 184, 190, 191, 199, 200, 201, 207, 210, 212, 219, 224, 227, 228 Gill, C. 70, 93, 141 Gillespie, C.M. 168 Giuliano, F.M. 127 Goldschmidt, V. 84 Gomme, A.W. 176 Gomperz, T. 107 Goodwin, W.W. 123 Görgemanns, H. 138 Gow, A.S.F. 224 Greco, E. 110 Greene, W.C. 75, 79 Grote, G. 71 Gundert, H. 97, 135, 138 Guthrie, W.K.C. 61, 63, 69, 81, 98, 113, 160, 185, 221, 222, 229, 233 Hadot, P. 180 Halliwell, F.S. 76, 137 Hambruch, E. 98 Hamilton, R. 79 Hasse, E. 122 Hawtrey, R.S.W. 62, 65, 68, 69, 74, 79, 80, 82, 91, 98, 102, 103, 105, 107, 112, 113, 114, 115, 121, 123, 124, 127, 128, 129, 130, 132, 133, 134, 136, 137, 138, 140, 143, 144, 145, 147, 148, 149, 150, 155, 157, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 167, 168, 169, 170, 172, 174, 176, 179, 181, 182, 183, 184, 185, 188, 189, 191, 196, 198, 199, 200, 201, 203, 204, 205, 207, 209, 210, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 222, 225, 228, 233, 234, 235
281
Heindorf, L.F. 69, 167, 176, 181, 191, 199, 233 Heitsch, E. 2, 69, 100, 101, 135, 150, 159, 188, 198, 232, 233, 234 Helmig, C. 183 Hermann, K.F. 60, 160, 171, 201 Herter, H. 206 Heßler, J.E. 9, 116 Hirschberger, J. 140 Hirzel, R. 58, 64 Hoerber, R.G. 57 Hook, L. van 162 Hösle, V. 65, 70, 83, 87, 103, 123 Hubbard, T.K. 117 Hudson-Williams, H.L. 115 Hüffmeier, A. 58, 59, 64, 201 Irwin, T.H. 139, 177 Jackson, B.D. 126 Jackson, R. 209, 252 Jordan, M.D. 139 Jowett, B. 74, 217 Joyal, M.A. 120 Kahn, C.H. 60, 62, 77, 84, 98, 100, 159, 160, 198 Kalbfleisch, K. 60 Kannicht, R. 187 Kapp, E. 94, 98 Kassel, R. 75, 76, 77, 78, 117, 164, 226 Kato, Sh. 68, 70 Kechagia, E. 60, 106 Kerferd G.B. 60, 88, 90 Kern, H. 189 Keulen, H. 59, 60, 64, 65, 87, 90, 91, 98, 102, 104, 105, 106, 107, 127, 128, 132, 136, 156, 159, 166, 168, 195, 196, 197, 198, 199, 203, 205, 206, 207, 221, 235 Kirby J.T. 144 Kleinknecht, H. 208 Kobusch, T. 54, 200, 228 Krämer, H.J. 188 Kube, J. 177 Kuhn, H. 76 Kutschera, F. von 84, 95, 96, 102, 160, 173, 188, 195, 211, 213 Lämmle, R. 81 Linforth, I.M. 137 Lloyd, G.E.R. 198 Long, A.A. 106, 141, 146 Lüddecke, K. 60 Lynch, J.P. 63
282
Register
MacDowell, D.M. 176 Maccioni, L. 185 Manuwald, B. 58, 60, 76, 112, 114, 121, 122, 123, 146, 147 Mathieu, G. 225 McCabe, M.M. 54, 85, 100, 179 McKim, R. 228 Meier, C. 115 Menge, H. 114 Méridier, L. 106, 115, 121, 123, 126, 128, 138, 147, 151, 160, 170, 171, 180, 182, 191, 217, 228, 233 Merkelbach, R. 92 Mette, A. 152, 188 Michelini, A.N. 70, 75, 76, 77, 78, 82, 117, 175, 197, 208 Montiglio, S. 114 Moraux, P. 134 Morrison, D.R. 141 Morrison, J.S. 235 Müller, C.W. 101, 124, 130, 149 Müller, G. 139 Muller, R. 91 Müri, W. 89 Murray, J.S. 139 Muthmann, F. 229 Nails, D. 60, 63, 67, 68, 114, 190 Narcy, M. 62, 64, 79, 90, 102, 107, 129, 133, 148, 197, 198, 207, 222 Natorp, P. 77, 107 Neitzel, H. 100, 171 Nelz, C.F. 161 Newiger, H.-J. 191 Nightingale, A.W. 76, 88, 227 Norden, E. 175 Norwood, G. 75, 117 Nüsser, O. 58 O’Brien, M.J. 84 O’Sullivan, J.N. 205, 207 Ooms, I. 138 Opsomer, J. 120 Orth, C. 78, 117, 118 Palpacelli, L. 55, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 69, 77, 79, 105, 118, 126, 133, 138, 143, 145, 146, 147, 156, 157, 168, 176, 182, 183, 186, 198, 199, 207, 208, 210, 214, 222, 232, 233, 234 Patzer, A. 117 Peck, A.L. 156 Penner, T. 141 Petrucci, F.M. 234
Poe, J.P. 79 Polleichtner, W. 58, 74, 112, 122, 123, 201 Post, L.A. 79 Praechter, K. 65, 76, 88, 107, 132, 225 Pretini, R. 137 Primavesi, O. 95, 148 Rabinowitz, W.G. 106, 124 Race, W.H. 144 Radermacher, L. 92 Radt, S. 81, 168 Rankin, H.D. 75 Rapp, C. 162 Rappe, S.L. 214 Renaud, F. 93 Renger, A.-B. 86 Reshotko, N. 140 Richardson, W.F. 200 Riddell, J. 1, 187, 200, 217 Riedweg, C. 180 Ries, K. 69, 101, 232 Ritter, C. 61, 74, 107 Robinson, R. 88, 93, 105, 135, 144, 213, 228 Robinson, T.M. 122 Routh, M.J. 113, 134, 145, 150, 182 Ryle, G. 133 Sandbach, F.H. 176 Schanz, M. 74, 160, 172, 182, 199, 219 Schleiermacher, F. 56, 85, 104, 129, 233 Schmitt, A. 96, 97, 137, 160, 166, 195, 198, 199, 204 Schopenhauer, A. 107 Schöpsdau, K. 137, 187, 191 Schorn, S. 162 Schriefl, A. 109 Scolnicov, S. 107 Sermamoglou-Soulmaidi, G. 110, 112, 113, 118, 119, 128, 142, 152, 153, 170, 177, 181, 200, 214, 232, 234 Shakespeare, W. 161 Shorey, P. 107 Slings, S.R. 82, 126, 140, 149, 178, 188, 189, 190, 236 Smith, J.L. 211 Smith, N.D. 141 Smyth, H.W. 111, 112, 187 Snell, B. 128 Sprague, R.K. 64, 96, 97, 98, 99, 107, 127, 134, 141, 156, 157, 159, 160, 161, 164, 168, 169, 181, 184, 196, 198, 203, 209, 211, 212, 213, 217, 218, 219, 221, 222
Register Stallbaum, G. 129, 170, 172, 191, 199, 201 Stanford, W. 157 Stavru, A. 148 Steffen, W. 80, 81, 259 Stemmer, P. 93, 94, 141, 158 Stenzel, J. 96 Stephanus, H. 133, 164, 191, 219, 228 Stewart, M.A. 128, 135, 144 Strauss, L. 109 Stuart, D.G. 132 Sutton, D.F. 81 Swancutt, D.M. 82 Szaif, J. 88 Szlezák, T.A. 63, 64, 66, 77, 79, 80, 98, 107, 135, 136, 137, 143, 151, 182, 183, 192, 193, 200, 207, 211, 221, 222, 228 Taplin, O. 77, 81 Tarrant, D. 74, 75, 118, 158, 163, 187, 204, 221, 236 Teichmüller, G. 234 Thesleff, H. 75, 77 Thiel, R. 95 Thompson, D’A.W. 188 Thompson, E. 233 Thompson, E.S. 205 Totaro, P. 117
283
Trevaskis, J.R. 90 Tulli, M. 233 Vahlen, J. 187 Valente, S. 59, 260 Vlastos, G. 84, 85, 93, 139, 185, 221 Vogt-Spira, G. 143 Voigtländer, H.-D. 111 Wallies, M. 198 Walsdorff, F. 162 Wedberg, A. 184 Wells, G.H. 210 Wessels, A. 81 Westman, R. 60 Wieland, W. 204 Wilamowitz-Moellendorff, U. von 65, 69, 71, 88, 140, 171, 199, 207, 212, 224, 225 Winckelmann, A.W. 8, 75, 112, 121, 129, 145, 169, 175, 180, 182, 183, 191, 225 Woodruff, P. 93 Wyller, E.A. 71 Zajonz, S. 117, 208 Zanker. P. 77 Zeller, E. 65 Zeppi, S. 77, 139 Zimmermann, B. 22, 77, 81, 116, 118
Platon Werke Übersetzung und Kommentar Im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz herausgegeben von Ernst HeitscK&arl Werner MülleUXQG.XUW6LHU Bei Subskription ca. 5% Nachlass.
Gesamtplan der Ausgabe I
1 Euthyphron (M. Forschner) 2 Apologie (E. Heitsch) 3 Kriton (W. Bernard) 4 Phaidon (T. Ebert)
VI
1 Euthydemos (M. Erler) 2 Protagoras (B. Manuwald) 3 Gorgias (J. Dalfen) 4 Menon (J. Szaif)
II
1 Kratylos (P. Staudacher) 2 Theaitetos (O. Primavesi) 3 Sophistes (B. Lienemann) 4 Politikos (F. Ricken)
VII
1 Größerer Hippias (E. Heitsch) 2 Kleinerer Hippias (K. Sier) 3 Ion (E. Heitsch) 4 Menexenos (P. Roth)
III
1 Parmenides (B. Strobel) 2 Philebos (D. Frede) 3 Symposion (K. Sier) 4 Phaidros (E. Heitsch)
IV
1 Alkibiades I (K. Döring) 2 Alkibiades II (H. Neuhausen) 3 Hipparchos (C. Schubert) 4 Erastai (W. Deuse)
VIII 1 Kleitophon (N.N.) 2 Politeia I–IV (J. +DUG\) Politeia V–VII (A. Schmitt) Politeia VIII–X (N. Blössner) 3 Timaios (F. Karfik) 4 Kritias (H.-G. Nesselrath)
V
1 Theages (K. Döring) 2 Charmides (E. Wöckener-Gade) 3 Laches (J. Hardy) 4 Lysis (M. Bordt)
IX
1 Minos (J. Dalfen) 2 Nomoi (K. Schöpsdau) 3 Epinomis (K. Geus) 4 Epistolae (K. Trampedach)
* bereits erschienen Weitere Informationen sowie Leseproben zu den erschienenen Bänden finden Sie auf www.v-r.de
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