Europäisches Schuldvertragsrecht: Das europäische Recht der Unternehmensgeschäfte (nebst Texten und Materialien zur Rechtsangleichung) [Reprint 2012 ed.] 9783110893700, 9783110163469


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German Pages 1247 [1252] Year 1998

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Table of contents :
1. Teil: Grundlagen
§ 1 Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts
I. Ius Communitatis und ius commune – ein Spannungsverhältnis
II. Europäisches Schuldvertragsrecht – Kernmaterie des Europäischen Privatrechts, Unternehmensaußenrecht und Transaktionsrecht
III. Das Harmonisierungskonzept des Europäischen Schuldvertragsrechts
§ 2 EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht („negative Standards“)
I. EG-Primärrecht als Schranke für nationale Regulierung
II. EG-Sekundärrecht als Schranke für nationale Regulierung
§ 3 EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht („positive Standards“)
I. Schuldvertragsrecht in EG-Richtlinien und -Verordnungen
II. Durchsetzung von Schuldvertragsrecht in EG-Richtlinien bei nicht deckungsgleicher Umsetzung
III. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für mitgliedstaatliches Einschreiten bei Verletzung von Standards des Europäischen Schuldvertragsrechts
IV. Schuldvertragsrecht in allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten – ius commune als lex lata?
V. Einzelbereiche des Europäischen Schuldvertragsrechts im Überblick – ein fortgeschrittener Binnenmarkt der Unternehmensgeschäfte
2. Teil: Texte mit Erläuterungen zum Schuldvertragsrecht (Recht der Unternehmensgeschäfte) in Europa
§ 4 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen
§ 5 Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht (qualifiziert einseitige Unternehmensgeschäfte)
I. Übersicht
II. Abschlußbezogene Regeln
III. (Überwiegend) inhaltsgestaltende Regeln
§ 6 Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern
I. Übersicht
II. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern – Gleichbehandlung und Auskunftsfragen
III. Inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern – Unternehmensumstrukturierungen, Überlastungs- und Gesundheitsschutz, Kollisionsrecht
IV. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Handelsvertretern
§ 7 Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten – Individual- und vor allem Funktionsschutz
I. Übersicht
II. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln in der Tourismusbranche
III. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln für Bank-, Kredit- und Zahlungsgeschäfte
IV. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Kapitalanlegern
V. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln im Versicherungssektor
§ 8 Zweiseitige Unternehmensgeschäfte – ausschließlich wirtschaftspolitisch motivierte Standards im Europäischen Schuldvertragsrecht
I. Übersicht
II. Vom Kartellverbot freigestellte Standardverträge (Gruppenfreistellungsverordnungen)
III. Abschlußbezogene Regeln des Öffentlichen Auftragswesens (mit Bau und Telekommunikation)
IV. Regeln zur vertraglichen Überlassung und Zuordnung von Rechten des geistigen Eigentums
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Europäisches Schuldvertragsrecht: Das europäische Recht der Unternehmensgeschäfte (nebst Texten und Materialien zur Rechtsangleichung) [Reprint 2012 ed.]
 9783110893700, 9783110163469

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Stefan Grundmann Europäisches Schuldvertragsrecht ZGR-Sonderheft 15

Zeitschrift für Unternehmensund Gesellschaftsrecht herausgegeben von Peter Hommelhoff, Klaus J. Hopt, Marcus Lutter, Walter Odersky, Herbert Wiedemann

Sonderheft 15

W G DE

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Stefan Grundmann

Europäisches Schuldvertragsrecht Das europäische Recht der Unternehmensgeschäfte (nebst Texten und Materialien zur Rechtsangleichung)

W DE

G Walter de Gruyter · Berlin · New York · 1999

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einhettsaufnahme [Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht / Z G R Sonderheft] Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht. Z G R Sonderheft. - Berlin; New York : de Gruyter Früher Schriftenreihe Reihe Sonderheft zu: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 15. Europäisches Schuldvertragsrecht. - 1999 Europäisches Schuldvertragsrecht : das europäische Recht der Unternehmensgeschäfte (nebst Texten und Materialien zur Rechtsangleichung) / Stefan Grundmann. - Berlin; New York : de Gruyter, 1999 (Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht : Z G R Sonderheft; 15) ISBN 3 - 1 1 - 0 1 6 3 4 6 - 2

© Copyright 1998 by Walter de Gruyter GmbH & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherungen und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Konvertierung: Dörlemann Satz GmbH Sc Co KG, 49448 Lemförde Druck und Bindung: Kösel GmbH & Co., D-87409 Kempten Printed in Germany

Für Michaela

Vorwort Als Marcus Lutter 1979 sein „Europäisches Gesellschaftsrecht" als ZGR-Sonderheft 1 veröffentlichte, war das Europäische Privatrecht noch lückenhaft und vor allem als Gesetzgebungsrecht präsent - einigen Spezialisten. Das Buch hat sich bewährt, bis zur vierten Auflage fortentwickelt und beschreibt inzwischen das „Europäische Unternehmensrecht", genauer: die Organisation, Beaufsichtigung und Finanzierung von Unternehmen. Heute ist das Europäische Privatrecht tägliche Realität. Längst handelt es sich nicht mehr nur um Gesetzgebungsrecht, längst ist eine Gesamtsystematik aus Eckpunkten entstanden, die für das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht schon mehrfach eingehend beschrieben wurde. Längst prägen auch die Judikate und die Dogmatik das Europäische Privatrecht mit. Es wird zunehmend mit einer Dichte praktiziert, wie sie nur aus den nationalen Rechtssystemen bekannt ist. Und dies gilt im Europäischen Schuldvertragsrecht noch ungleich stärker als im Europäischen Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und (Bank-)Aufsichtsrecht, den Herzstücken des angesprochenen Europäischen Unternehmensrechts. Man denke nur an die zahllosen Judikate zum Arbeits vertragsrecht oder zum Gesamtkomplex der Gruppenfreistellungsverordnungen oder des öffentlichen Auftragswesens. Eine Darstellung des Europäischen Schuldvertragsrechts, die das einschlägige geltende Gemeinschaftsrecht zum Gegenstand hat, muß diese größere Dichte berücksichtigen. Die Kommentierungen zu den gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen übertreffen die abgedruckten Texte selbst häufig deutlich an Länge, sie mußten schon nach Art eines Kurzkommentars aufbereitet werden. Damit sollte ein dreifacher Kontrapunkt geschaffen werden. Im Europäischen Schuldvertragsrecht ist die Beschäftigung mit der lex lata des Gemeinschaftsrechts schwächer ausgeprägt als diejenige mit einem „gemeineuropäischen Geist", der als ius commune umschrieben wird. Das ius commune des bürgerlichrechtlichen Schuldvertragsrechts, das keine lex lata darstellt, ist monographisch beschrieben und in Prinzipienkatalogen zusammengestellt, das harte geltende Europarecht des Schuldvertrages hingegen nicht. Dies ist für die nationale Praxis und für diejenige des EuGH schädlich. Im Europarecht des Schuldvertrages steht sodann in der Wissenschaft die Systembildung noch aus, die im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht geleistet wurde. Die Auswahl der Gebiete, die harmonisiert wurden, folgt nämlich entgegen einer landläufigen Meinung durchaus einem schlüssigen System und dieses ist, anders als im Gesellschaftsrecht, schon heute relativ lückenlos durchgeführt. Zuletzt ist das Europäische Schuldvertragsrecht, wie es von der Gemeinschaft geschaffen wurde, primär als Unternehmensaußenrecht zu verstehen und allenfalls daneben auch als Verbraucherrecht, wie dies herkömmlich und in zahlreichen Monographien geschieht. In der Tat tritt zum Unternehmensorgansations- oder -innenrecht auch im Europäischen Privatrecht das Unternehmensaußenrecht und als dessen Kernmaterie das Europäische Schuldvertragsrecht. Dies ist für das Verständnis von

Vili

Vorwort

Europäischem Schuldvertragsrecht entscheidend. Das Europäische Schuldvertragsrecht regelt, erstens, einseitige Unternehmensgeschäfte. Dabei wurde nicht nur der alte Kaufmannsbegriff durch den des Unternehmens ersetzt. Vielmehr soll dieses Unternehmensrecht auch nicht mehr nur den Handelsverkehr frei und flüssig gestalten, sondern gleichfalls seinen Risiken begegnen. „Handelsrecht der sozialen Verantwortung" hat am Ende des 20. Jh das „Handelsrecht des laissez faire" des 19. Jh angereichert - nicht verdrängt. Denn die erstgenannte Dimension fehlt keineswegs. In der Tat wirkt, zweitens, Europäisches Schuldvertragsrecht im Bereich der einseitigen Unternehmensgeschäfte nicht nur verbraucherschützend, sondern stellt auch die Unternehmen von weiterreichenden Beschränkungen beim grenzüberschreitenden Angebot frei. Sie können, wenn sie nur den angeglichenen Mindeststandard achten, ihr Angebot für die gesamte EG gleich, nach ihrem Heimatrecht zuschneiden. Und, drittens, tritt neben den Bereich der einseitigen Unternehmensgeschäfte auch der der zweiseitigen (etwa der Standardverträge, die durch die Gruppenfreistellungsverordnungen vorgegeben werden) oder solcher Geschäfte, deren Regelung gleichermaßen verbraucherschützend und wirtschaftspolitisch motiviert ist (im Kapitalmarkt-, Bankund Versicherungsrecht). Was demgegenüber gänzlich fehlt, ist eine Harmonisierung im Bereich der rein bürgerlichrechtlichen Rechtsgeschäfte. Europäisches Schuldvertragsrecht regelt allein - um mit deutschen Systembegriffen zu sprechen - die ein- und zweiseitigen „Handels-" oder Unternehmensgeschäfte (einschließlich des diesbezüglichen Wirtschaftsrechts). Diese regelt es jedoch durchaus intensiv in nahezu allen zentralen Bereichen. Das Europäische Schuldvertragsrecht ist nicht nur Unternehmensrecht, es bildet sogar eine zweite Kernmaterie desselben. Zur Begründung reicht neben dem Hinweis auf die häufig unterschätzte Breite des diesbezüglichen Regelungswerkes allein schon die Überlegung, daß für die Errichtung des Binnenmarktes auf unternehmerische Initiative, nicht staatliche Planung gesetzt wurde. Es ging also darum, die Privatautonomie über die Grenzen zu erstrecken. Instrument der Privatautonomie ist der Schuldvertrag. Die Materie ist heute so weit gewachsen, daß eine Systematisierung und Zusammenstellung angezeigt ist. So unvollkommen der Binnenmarkt sein mag, die wichtigsten zivil- und wirtschaftsrechtlichen Behinderungspotentiale für grenzüberschreitende Schuldverträge sind inzwischen vom Gemeinschaftsgesetzgeber angegangen. Die Harmonisierung hat sechs Jahre nach Eintritt in den Binnenmarkt einen Vollendungsgrad erreicht, der nach Zusammenfassung und Erörterung ruft (vgl im einzelnen 1. Teil Rn 199-215). Angestrebt ist nicht nur eine Sammlung einiger exemplarischer Rechtsakte, sondern grundsätzlich die Aufarbeitung des Gesamtgebiets, dh des gesamten gemeinschaftsrechtlichen Rahmens, der Abschluß und Inhalt von Schuldverträgen beeinflußt. Hier brachte die Breite des neuen Rechtsgebiets für die vorliegende Zusammenstellung auch Probleme. In vielen Regelungskomplexen des Europäischen Wirtschaftsrechts sind versprengt schuldvertragliche Regelungen zu finden. Fast in jedem dieser Komplexe finden sich immerhin zivilrechtsrelevante

Vorwort

IX

Einwirkungen auf Schuld vertrage: etwa in Form der Nichtigkeitssanktion, der Pflicht zu vorvertraglicher Aufklärung oder eines Kontrahierungszwangs. Einige stehen dem Schuldvertragsrecht dennoch eher fern: Die Einwirkung auf den Schuldvertrag bleibt häufig punktuell auf eine einzige Frage beschränkt, wobei zudem nur die Alternative von ja oder nein bleibt (etwa bei Kontrahierungszwang oder Wirksamkeitshindernissen); zugleich sind die tragenden Gesichtspunkte häufig nicht die eines privatrechtlichen Interessenausgleichs, sondern beispielsweise diejenigen von Machtzusammenballung bei Medien oder hoher Hand. Diese Bereiche, namentlich die Etikettierungsregeln und die Telekommunikation wurden zur Zeit noch ausgespart, desgleichen der Transport, dessen europarechtliche Darstellung nicht ohne den ungleich breiteren Komplex internationaler Übereinkommen möglich gewesen wäre. Hier stieß die Sammlung umfangmäßig an Grenzen. N u r kleinere Abstriche wurden demgegenüber im Bereich des geistigen Eigentums gemacht. Rechtsakte wurden hier zwar nicht in voller Länge abgedruckt oder gar erläutert, sondern nur hinsichtlich der vertragsrechtlichen Teile. Es wurden jedoch alle wesentlichen in diesem Rechtsgebiet zu findenden Strukturen anhand einer Auswahl von denjenigen Regelungsmaßnahmen erörtert, die jeweils das größte Gewicht und insbesondere den intensivsten Bezug zum Schuldvertragsrecht aufweisen. Die übrigen Maßnahmen sind jeweils vollständig nachgewiesen. Die gleiche Form der Darstellung wurde im Bereich des Arbeitsschutzes gewählt. Die Nachfrage aus der Praxis mag zeigen, o b auch diese Gebiete oder manche von ihnen in Z u k u n f t umfassend einbezogen werden sollten. Die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte sind jeweils im aktualisierten Wortlaut zu finden, wobei die Änderungen und damit auch die älteren Fassungen im Fundstellenverzeichnis dokumentiert sind. Durch dieses sind auch die Umsetzungsmaßnahmen erschlossen. Auf einen Abdruck wurde angesichts der guten Zugänglichkeit verzichtet. Umgekehrt wurde versucht, auch ausländische Umsetzungsakte (durch den Hinweis auf Bezugsquellen) möglichst weitgehend zu erschließen. So tritt die gemeinschaftsrechtliche Maßnahme deutlicher als die zentrale Gliederungsvorgabe hervor, die in den geregelten Bereichen den Z u griff auf die einander stark angenäherten nationalen Schuldrechte sehr viel leichter gestaltet als bisher üblich. Der Band enthält Literaturverzeichnisse zu jeder gemeinschaftsrechtlichen M a ß n a h m e gesondert, außerdem zu zusammenhängenden Gebieten wie dem Arbeitsrecht und, nochmals gesondert, auch zum Gesamtbereich des Europäischen Schuldvertragsrechts mit seinen gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen. Darin wird die üppig aufgeblühte Diskussion des Europäischen Privatrechts (schwerpunktmäßig in einem Kernbereich) dokumentiert. Ebenfalls zu finden sind rechtsvergleichende Literaturhinweise zur Umsetzung in den anderen Mitgliedstaaten (vgl S 1172). In kaum einem Gebiet sind Anregungen so reich und so wichtig wie in einem noch nahezu unbestellten. Herzlich danken möchte ich für Gespräche, Kritik und Anregung vor allem den Herren Kollegen Mads Andenas, Adolf Dietz, Peter Hommelhoff, Klaus J. H o p t , Wolfhard Kohte, Knut Werner Lange und Marcus

χ

Vorwort

Lutter sowie Herrn Dr Peter Troberg (EG-Kommission). Im Europäischen Privatrecht entstehen eine Reihe von Habilitationen oder Monographien. Intensiv diskutiert habe ich das Manuskript mit Frau Dr Martina Deckert und den Herren Dr Heinz-Peter Mansel und Dr Karl Riesenhuber. Am Lehrstuhl seien Frau Sylvi Naether und die Herren Nico Elster, Stephan Heinze und Christian Wejnar besonders hervorgehoben sowie für die Betreuung des Gesamtmanuskripts Frau Corinna Burg, alle wissenschaftliche Assistenten. Danken möchte ich auch für die emsige Mithilfe meiner studentischen, auch externen Mitarbeiter, besonders Frau Anja Brucken und Dorothee Müller sowie Herrn Matthias Pannier, und früheren Assistenten und Mitarbeitern während der letzten zweieinhalb Jahre. Das Buch ist in allen seinen Teilen auf dem Stand von Mai 1998. Benutzungshinweise Das Werk unterfällt in zwei Hauptteile, einen monographischen Grundlagenteil (§§ 1 - 3 ) und einen Kommentarteil zu den einzelnen Rechtsakten (§§ 4 - 8 ) , in dem für die eingehendere Darstellung der Grundlagenfragen jeweils nach vorne verwiesen wird. Im 1. Teil werden in drei Kapiteln die Grundlagen zusammenhängend beschrieben: zunächst das Konzept und der Standort in der Gesamtrechtsordnung (§ 1), sodann die zwei möglichen Wirkungsweisen von Gemeinschaftsrecht: Primärund Sekundärrecht drängen die Macht des nationalen Gesetzgebers zur Regelung von Lebenssachverhalten zurück (§ 2). Umgekehrt enthält Sekundärrecht, nur ausnahmsweise auch Primärrecht, selbst Regelungen der Lebenssachverhalte, dh die Regeln des Schuldvertragsrechts, wobei es überwiegend einer Inkorporierung ins nationale Recht bedarf ( § 3 ) . Der 2 . Teil enthält die Kommentierungen der einzelnen Rechtssetzungsakte (Richtlinien und Verordnungen). Die Grobgliederung hierfür ist am Ende des 1. Teils erläutert (1. Teil Rn 1 9 9 - 2 1 0 ) . Jede Normengruppe ist nochmals zusammengefaßt in einem Übersichtsartikel am Anfang jedes der fünf Kapitel des 2. Teils (§§ 5 - 8 , anders nur § 4 mit 1.01). Die Kommentierung jedes Rechtsakts in zwei Fällen wurden mehrere parallele zusammengefaßt (3.10/3.11 und 5 . 2 2 - 5 . 2 5 ) - wird eröffnet mit einer kurzen Inhaltsangabe (1 a), gefolgt von einem Abschnitt 1 b zu Bedeutung (mit rechtspolitischem Anliegen), Geschichte (Gesetzgebungsverlauf vom ersten Programm bis zur Verabschiedung, einschließlich späterer Änderungen) und Umfeld (ergänzende oder parallele Gesetzgebung, teils mit Abgrenzungsfragen). Ebenfalls vorweg beschrieben ist jeweils die grundsätzliche Wirkungsweise (1 c), dh vor allem das Zusammenspiel der Richtlinie mit den nationalen Rechten (Kompetenz; Sperrwirkung), jedoch auch verschiedener nationaler Rechte (Kollisionsrecht). Der eigentliche Inhalt des Rechtsakts ist unter 2. beschrieben, jeweils streng der Artikelzählung folgend, allerdings aufeinander folgende Normen auch zu Themengruppen zusammenfassend, jeweils beginnend mit dem Anwendungsbereich (sachlich, persönlich, teils räumlich). Knappe Hinweise zur Umsetzung (3.) beschließen die jeweilige Kommentierung.

Vorwort

XI

Von einem Abdruck einiger Rechtsakte wurde abgesehen, weil sie gut und mehrfach zugänglich sind, weil sie teils ohnehin bald auslaufen und weil sie fast alle anderen, hier abgedruckten Rechtsakten weitgehend gleichen, zumindest strukturell (3.45,4.25, 5.01, 5.02, 5.04, 5.05, 5.06, 5.07, 5.23-5.25). Abgesehen wurde außerdem vom Abdruck der Kommentierungen zweier ArbeitsschutzRichtlinien für besondere Personengruppen (3.46, 3.47) und der heute in den Hintergrund getretenen ersten Liberalisierungs-Richtlinie zum öffentlichen Auftragswesen (5.20). Auf andere Veröffentlichungsquellen wird jeweils hingewiesen. Alle Texte werden zudem, leicht zugänglich, im Internet verfügbar gemacht (http://www.ecohal.uni-halle.de). Binnenverweise erfolgen innerhalb des jeweiligen Teils (§§ 1-3 bzw der jeweiligen Einführung zu §§ 5-8 bzw des jeweiligen Rechtsakts, etwa 1.01, 2.01 etc) nur unter Angabe der Rn bzw Fn, soweit hingegen auf einen anderen Teil verwiesen wird, unter Spezifizierung desselben (etwa 1. Teil Rn 7 oder § 5 Einl Rn 3 oder 1.01 Rn 4). Aus- und inländische Literatur und EuGH-Rechtsprechung wurden umfangreich berücksichtigt, Anmerkungen zu den EuGH-Urteilen nur ganz punktuell. Einfache und umfassende Referenz hierfür ist: Cour de Justice des Communautés européennes, Notes - Références des notes de doctrine aux arrêts de la Cour de Justice et du Tribunal de première instance des Communautés européennes, Luxemburg (Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaft) 2/1998. Die Zählung primärrechtlicher Normen folgt der aktuell geltenden im Unionsvertrag. Auf inhaltliche Abweichungen im Amsterdamer Vertrag wird jeweils hingewiesen. Eine Konkordanz der genannten Normen findet sich am Ende des Werkes. Halle/Saale im Sommer 1998

Inhaltsübersicht

1. Teil: Grundlagen § 1 Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts . . . I. lus Communitatis und ius' commune ein Spannungsverhältnis II. Europäisches Schuldvertragsrecht - Kernmaterie des Europäischen Privatrechts, Untemehmensaußenrecht und Transaktionsrecht III. Das Harmonisierungskonzept des Europäischen Schuldvertragsrechts § 2 EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht („negative Standards") I. EG-Primärrecht als Schranke für nationale Regulierung II. EG-Sekundärrecht als Schranke für nationale Regulierung . . . . § 3 EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht („positive Standards") I. Schuldvertragsrecht in EG-Richtlinien und -Verordnungen . . . . II. Durchsetzung von Schuldvertragsrecht in EG-Richtlinien bei nicht deckungsgleicher Umsetzung III. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für mitgliedstaatliches Einschreiten bei Verletzung von Standards des Europäischen Schuldvertragsrechts IV. Schuldvertragsrecht in allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten - ius commune als lex lata? V. Einzelbereiche des Europäischen Schuldvertragsrechts im Überblick - ein fortgeschrittener Binnenmarkt der Unternehmensgeschäfte

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9 18 38 38 77 89 89 107

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2. Teil: Texte mit Erläuterungen zum Schuldvertragsrecht (Recht der Unternehmensgeschäfte) in Europa § 4 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen § 5 Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht (qualifiziert einseitige Unternehmensgeschäfte) I. Übersicht II. Abschlußbezogene Regeln III. (Überwiegend) inhaltsgestaltende Regeln § 6 Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern I. Übersicht II. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern - Gleichbehandlung und Auskunftsfragen . .

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XIV

Inhaltsübersicht

III. Inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern Unternehmensumstrukturierungen, Überlastungs- und Gesundheitsschutz, Kollisionsrecht 427 IV. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Handelsvertretern 561 § 7 Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten - Individual- und vor allem Funktionsschutz 580 I. Übersicht 580 II. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln in der Tourismusbranche 602 III. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln für Bank-, Kreditund Zahlungsgeschäfte 655 IV. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Kapitalanlegern 716 V. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln im Versicherungssektor 801 § 8 Zweiseitige Unternehmensgeschäfte ausschließlich wirtschaftspolitisch motivierte Standards im Europäischen Schuldvertragsrecht 905 I. Übersicht 905 II. Vom Kartellverbot freigestellte Standardverträge (Gruppenfreistellungsverordnungen) 936 III. Abschlußbezogene Regeln des Öffentlichen Auftragswesens (mit Bau und Telekommunikation) 1050 IV. Regeln zur vertraglichen Überlassung und Zuordnung von Rechten des geistigen Eigentums 1110

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis

XIII XV XXIII XXXV 1. Teil: Grundlagen

§ 1 Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts I. lus Communitatis und ius commune - ein Spannungsverhältnis . 1. lus commune (modernum) 2. lus Communitatis 3. Europäisches Schuldvertragsrecht oder Gemeinschaftsschuldvertragsrecht? II. Europäisches Schuldvertragsrecht - Kernmaterie des Europäischen Privatrechts, Unternehmensaußenrecht und Transaktionsrecht. . 1. Schuldvertragsrecht als Kernmaterie des Europäischen Privatrechts 2. Europäisches Schuldvertragsrecht als Untemehmensaußenrecht (Recht der Unternehmensgeschäfte) 3. Europäisches Schuldvertragsrecht - gemeinschaftsrechtliche Begriffsbildung 4. Europäisches Schuldvertragsrecht als Transaktionsrecht (rechtlicher Rahmen für Schuldverträge) III. Das Harmonisierungskonzept des Europäischen Schuldvertragsrechts 1. Das Konzept der Gemeinschaft a) Mindestharmonisierung im Privatrecht b) Die Umsetzung im Schuldvertragsrecht: Harmonisierung allein des international zwingenden Schuldrechts 2. Kritik am Konzept der Gemeinschaft a) Demokratiedefizit und EG-Richtlinie als unpraktikables Instrument b) Pauschalität zentraler inhaltlicher Kritikpunkte c) Der Vorwurf mangelnder Kohärenz und Wirtschaftsrelevanz des Europäischen Schuldvertragsrechts d) Der Vorwurf der einseitigen Verbraucherorientierung im Europäischen Schuldvertragsrecht 3. Alternativkonzepte a) Die bloße Kollisionsrechtsharmonisierung b) Ein Kodex (Vollharmonisierung)

1 1 4 7 9 9 11 14 15 18 18 18 20 22 22 24 25 29 32 32 34

XVI

Inhaltsverzeichnis

§ 2 EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht („negative Standards") I. EG-Primärrecht als Schranke für nationale Regulierung 1. Die Grundfreiheiten - Formen ihrer Beschränkung und Probleme ihrer gegenseitigen Abgrenzung a) Formen der Beschränkung b) Abgrenzung der Grundfreiheiten untereinander Konvergenz 2. Insbesondere: Das Konzept von den Maßnahmen gleicher Wirkung - Herkunftslandprinzip a) Vorliegen von (beschränkenden) Maßnahmen gleicher Wirkung b) Rechtfertigung von Maßnahmen gleicher Wirkung . . . . 3. Privatrechtsnormen als mögliche Maßnahmen gleicher Wirkung 4. Ausnahmen vom Konzept der Maßnahmen gleicher Wirkung: Rechtswahl freiheit und Verkaufsmodalitäten a) Rechtswahlfreiheit b) Verkaufsmodalitäten 5. Regelungsbereiche im Schuldvertragsrecht ohne Rechtswahlfreiheit a) Verbraucher(vertrags)recht b) Arbeitsvertragsrecht c) Wirtschaftspolitisch motivierte Normen d) Sozialpolitisch motivierte Normen e) Ordre-public-Vorbehalt f) Bindungswirkung von Schweigen g) Rein interne Fälle h) Lex mercatoria II. EG-Sekundärrecht als Schranke für nationale Regulierung . . . . 1. Schranke gegenüber strengerem nationalen Recht im Inlandssachverhalt a) Zulassung in fast allen Einzelrechtsakten b) Beurteilung 2. Schranke gegenüber strengerem nationalen Recht im Auslandssachverhalt a) Sperrwirkung als Grundsatz b) Ausnahmen c) Anwendung § 3 EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht („positive Standards") I. Schuldvertragsrecht in E G-Richtlinien und -Verordnungen . . . . 1. Die Kompetenz der EG zur Setzung von Schuldvertragsrecht. a) System der Einzelkompetenzen

38 38 38 40 43 44 45 48 52 52 54 55 56 61 64 68 69 72 73 73 77 77 77 79 81 82 84 86

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Inhaltsverzeichnis b) Subsidiaritätsgrundsatz c) Erforderlichkeitsgrundsatz 2. Gesetzgebungsverfahren (Organzuständigkeit) 3. Die Auslegung von Schuldvertragsrecht in EG-Richtlinien und -Verordnungen a) Leitlinien b) Einzelne Auslegungsmethoden II. Durchsetzung von Schuldvertragsrecht in EG-Richtlinien bei nicht deckungsgleicher Umsetzung 1. Unmittelbare Anwendung a) Voraussetzungen und Grenzen b) Kritik und Begründung der Grenzen 2. Europäischer ordre public? 3. Richtlinienkonforme Auslegung a) Verwaltungsprivatrecht b) Privatrecht: Meinungsstreit c) Mittelweg 4. Staatshaftung a) Vorrang des gemeinschaftsrechtlichen Rahmens b) Verstöße gegen E G-Primärrecht c) Nichtumsetzung von EG-Richtlinien 5. Exkurs: Prozeßrechtliche Durchsetzung des Primats des Europäischen Schuldvertragsrechts im Vorlageverfahren . . . III. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für mitgliedstaatliches Einschreiten bei Verletzung von Standards des Europäischen Schuldvertragsrechts 1. Schmaler Bestand an spezifischer Regelung im Sekundärrecht 2. Primärrechtliche Regelungsvorgaben für die mitgliedstaatlichen Sanktionsregeln IV. Schuldvertragsrecht in allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten - ius commune als lex lata? 1. Die Rechtsprechung des EuGH zum Grundrechtskatalog als Leitlinie 2. Allgemeine Rechtsgrundsätze des Schuldvertragsrechts keine generelle lex lata 3. Zulässige Fälle einer Heranziehung allgemeiner Rechtsgrundsätze des Schuldvertragsrechts a) Ausschließliche Zuständigkeit b) Aktualisierung immanenter Schranken c) Auslegungsmaxime 4. Bisherige Anerkennung allgemeiner Rechtsgrundsätze des Schuldvertragsrechts in der EuGH-Rechtsprechung und in der EG-Gesetzgebung a) EuGH-Rechtsprechung b) EG-Gesetzgebung

XVII 94 95 98 100 100 102 107 107 107 109 111 111 112 113 116 119 119 120 121 123

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V. Einzelbereiche des Europäischen Schuldvertragsrechts im Überblick - ein fortgeschrittener Binnenmarkt der Unternehmensgeschäfte 1. Zwei Hauptgruppen im Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen 2. Regelungen primär für Ungleichgewichtslagen a) Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht (qualifiziert einseitige Unternehmensgeschäfte) b) Europäisches Arbeitsvertragsrecht 3. Regelungen mit primär oder ausschließlich wirtschaftspolitischer Motivation a) Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten b) Zweiseitige Unternehmensgeschäfte 4. Ein fortgeschrittener Binnenmarkt für Unternehmensgeschäfte a) Regelungsboom in den Jahren um 1990 b) Manche noch kommende Entwicklung

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2. Teil: Texte mit Erläuterungen zum Schuldvertragsrecht (Recht der Unternehmensgeschäfte) in Europa § 4 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen 1.01 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen § 5 Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht (qualifiziert einseitige Unternehmensgeschäfte) I. Übersicht 1. Allgemeines Verbrauchervertragsrecht oder branchenübergreifendes Recht der einseitigen Unternehmensgeschäfte? . . . a) Zwei unterschiedliche Perspektiven - ein Gegenstand b) Vom Handelsrecht des laissez faire zum Unternehmensrecht der sozialen Bindung und des level playing field c) Der Rang der Privatautonomie d) Unternehmen oder Verbraucher als Motor der Integration?. 2. Recht der einseitigen Unternehmensgeschäfte als Kerngebiet einer Europäischen Verbraucherpolitik 3. Abschlußbezogenes und inhaltsgestaltendes Vertragsrecht . . 4. Die Rechtsangleichungsmaßnahmen zu branchenübergreifenden Verbraucherschutzstandards II. Abschlußbezogene Regeln 2.01 Haustürwiderrufs-Richtlinie 2.02 Fernabsatz-Richtlinie III. (Überwiegend) inhaltsgestaltende Regeln 2.10 AGB-oder Klausel-Richtlinie

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Inhaltsverzeichnis 2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (Gemeinsamer Standpunkt) 2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag) § 6 Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern I. Übersicht 1. Kompetenzordnung I: Art 100,100a EGV und die Frage nach der Binnenmarktrelevanz ungleicher Arbeitsbedingungen a) Art 100 EGV als die Ausgangsnorm b) Ergänzung durch Art 100a EGV? c) Abbau von Behinderungen (Aufschließung von Grenzen) ν Abbau von „Wettbewerbsverzerrungen" (Angleichung von Kostenfaktoren) d) Maßnahmen zur bloßen Angleichung von Kostenfaktoren schlechter zu rechtfertigen e) Beurteilung der bisherigen Entwicklung unter diesem Gesichtspunkt 2. Kompetenzordnung II: Der Weg über Art 100, 100a EGV hinaus a) Art 118a EGV als die erste genuin arbeitsrechtliche Kompetenznorm b) Sonstige Konstruktionen (Art 235 EGV, Art 117f EGV, Art 57 und 66 EGV sowie das Maastrichter Protokoll zur Sozialpolitik) c) Die Normsetzung durch Sozialpartner nach Art 4 II des Protokolls zur Sozialpolitik d) Die Neuordnung durch den Amsterdamer Vertrag 3. Das materielle Recht im Überblick a) Die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte als Programm b) Das Gesamtprogramm in historischer und systematischer Sicht 4. Wichtigste Einzelgebiete (mit Kurzhistorie) a) Diskriminierungsverbote b) Minimumtransparenz durch Nachweispflichten c) Schutzregeln bei Unternehmensumstrukturierungen . . . . d) Überlastungsschutz - Arbeitszeit e) Arbeitsschutzrecht f) Annexe und ausgesparte Gebiete g) Zusammenfassung II. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern - Gleichbehandlung und Auskunftsfragen . . . . 3.01 Arbeitnehmerfreiziigigkeits-Verordnung (Auszüge)

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XX

Inhaltsverzeichnis

3.10 und 3.11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3.20 Nachweis-Richtlinie III. Inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern Unternehmensumstrukturierungen, Überlastungs- und Gesundheitsschutz, Kollisionsrecht 3.30 Massenentlassungs-Richtlinie 3.31 Betriebsiibergangs-Richtlinie 3.40 Arbeitszeit-Richtlinie 3.43 Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 3.44 Bildschirmarbeits-Richtlinie 3.45 Mutterschutz-Richtlinie 3.46 Jugendarbeitsschutz-Richtlinie 3.47 Zeit- und Leiharbeits-Gesundheitsschutz-Richtlinie . . . . 3.60 Arbeitnehmerentsende-Richtlinie IV. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Handelsvertretern 3.80 Handelsvertreter-Richtlinie § 7 Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten - Individual- und vor allem Funktionsschutz I. Übersicht 1. Branchen- und marktbezogene Regelung als Konzept a) Binnenmarktrelevante Branchen, Märkte und Einsatzfelder als Regelungsgegenstand b) Die Auswahl der Branchen und der Regelungsgegenstände c) Die Intensivierung der wirtschaftspolitischen Ausrichtung. 2. Vertragsrecht für die Tourismusbranche 3. Vertragsrecht für Bank-, Kredit- und Zahlungsgeschäfte (Commercial Banking) a) Die Stellung im Vertragsrecht der Finanzdienstleister aufsichtsrechtliche Regelung des Commercial Banking . . b) Regelung des Vertragsrechts des Commercial Banking. . . 4. Vertragsrecht der Kapitalanlage (Investment Banking) a) Aufsichtsrechtliche Regelung des Investment Banking . . . b) Regelung des Vertragsrechts des Investment Banking . . . 5. Versicherungsvertragsrecht a) Aufsichtsrechtliche Regelung der Versicherungsunternehmen b) Regelung der Versicherungsverträge c) Regelung der Intermediäre II. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln in der Tourismusbranche 4.01 Pauschalreise-Richtlinie 4.02 Timesharing-Richtlinie

376 412

427 427 440 463 484 512 526 535 535 536 561 561

580 580 580 583 585 586 587 587 589 591 591 591 593 593 596 599 602 602 632

Inhaltsverzeichnis

III. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln für Bank-, Kreditund Zahlungsgeschäfte 4.10 Verbraucherkredit-Richtlinie 4.13 Überweisungs-Richtlinie IV. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Kapitalanlegern 1. Regeln zu den Transaktionen (Abschlüssen) auf den Kapitalmärkten 4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (Auszüge) 4.21 Insiderhandels-Richtlinie 2. Inhaltsregeln zu vertraglich strukturierten Anlageinstrumenten 4.25 Investmentfonds-Richtlinie V. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln im Versicherungssektor . 4.30-1/2/3 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden (Auszüge) . . . 4.31-1/2/3 Versicherungs-Richtlinie(n) Leben (Auszüge) . . . . § 8 Zweiseitige Unternehmensgeschäfte - ausschließlich wirtschaftspolitisch motivierte Standards im Europäischen Schuldvertragsrecht I. Übersicht 1. Vielfalt der Rechtsgebiete - Leitidee der Auswahl a) Vielfalt der Rechtsgebiete, Instrumente und Zielsetzungen . b) Leitidee der Auswahl 2. Vertragsrecht für den Bereich der Kartellierung a) Europäisches Schuldvertragsrecht in Art 85 f EGV, insbesondere Art 85 III EGV b) Gruppenfreistellungsverordnungen als quasiverbindliche Europäische Vertragsmuster - Kompetenz, System, Wirkungsweise, Grundelemente c) Grundzüge der verfahrensmäßigen Umsetzung 3. Vertragsrecht für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe 4. Vertragsrecht für den Bereich des geistigen Eigentums . . . . a) Vertragsrechtliche Fragen des geistigen Eigentums und rudimentärer Harmonisierungsstand b) Lex lata des Vertragsrechts im Urheberrecht und beim Marken-und Bezeichnungs-sowie Erfindungsschutz . . . II. Vom Kartellverbot freigestellte Standardverträge (Gruppenfreistellungsverordnungen) 5.01 GVO Alleinvertriebsvereinbarungen 5.02 GVO Alleinbezugsvereinbaningen 5.03 GVO KfZ-Vertriebsvereinbarungen 5.04 GVO Franchisevereinbarungen 5.05 GVO Technologietransfervereinbarungen

XXI

655 655 690 716 716 716 752 779 779 801 801 858

905 905 905 906 909 909

913 922 923 927 927 931 936 936 946 955 981 991

XXII

Inhaltsverzeichnis

5.06 GVO Spezialisierungsvereinbarungen 1006 5.07 GVO Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen. . . 1013 5.08 GVO Versicherungswirtschaft 1026 III. Abschlußbezogene Regeln des Öffentlichen Auftragswesens (mit Bau und Telekommunikation) 1050 5.20 Liberalisierungsrichtlinie Lieferaufträge 1050 5.22 bis 5.25 Koordinierungs-Richtlinien Lieferaufträge, Bauaufträge, Dienstleistungsaufträge und für Aufträge in speziellen Sektoren 1050 IV. Regeln zur vertraglichen Überlassung und Zuordnung von Rechten des geistigen Eigentums 1110 5.30 Computerprogramm-Richtlinie 1110 5.31 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie 1131 5.32 Satelliten-und Kabel-Richtlinie 1144 5.38 Halbleitertopographien-Richtlinie 1138 Hinweise zur Umsetzung in den anderen Mitgliedstaaten Konkordanz: EG-Vertrag - Amsterdamer Vertrag Stichwortverzeichnis

1172 1172 1173

Abkürzungsverzeichnis aA aaO abl AB1EGC AB1EG L abw AcP aE AEntG

aF AG AGB AGB-Banken AGBG

AiB AIG

AJCL AktG allg allgM Alt Anh Anm AO AöR AP

ArbeitsstättenVO ArbG ArbPlSchG

ArbSchG

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Serie C (Jahr, Nummer und Seite) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Serie L (Jahr, Nummer und Seite) abweichend Archiv für civilistische Praxis (Band, Jahr und Seite) am Ende Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) vom 26. 2. 1996, BGBl 1996 I, S 227 alte Fassung Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft - Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Jahr und Seite), Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB der (privaten) Banken Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9. 12. 1976, BGBl 1976 I, S 3317 Arbeitsrecht im Betrieb (Jahr und Seite) Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile, über die Besteuerung ihrer Erträge sowie zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Kapitalgesellschaften (Auslandsinvestitionsgesetz), BGBl 1969 I, S 986; idF BGBl 1990 I, S 266 The American Journal of Comparative Law - a Quarterly (Band, Seite und Jahr) Aktiengesetz vom 6. 9. 1965, BGBl 1965 I, S 1089 allgemein allgemeine Meinung Alternative Anhang Anmerkung Abgabenordnung vom 16. 3. 1976, BGBl 1976 I, S 613, ber BGBl 1977 I, S 269 Archiv des öffentlichen Rechts (Band, Jahr und Seite) Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts (bis 1954 Zeitschrift: Arbeitsrechtliche Praxis)(Gesetzesstelle, Entscheidungsnummer; Nummer ohne Gesetzesstelle bezieht sich auf den kommentierten Paragraphen) Verordnung über die Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) vom 20. 3. 1975, BGBl 1975 I, S 729 Arbeitsgericht Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei der Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) idF vom 14. 4. 1980, BGBl 1980 I, S 425 Gesetz zur Durchführung vom Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der

XXIV

ArbZG ArbZRG arg Art AÜG

Aufl AuA AuR AVB AWD Az BAG BAnz BArbBl BauR BayObLG BB Bd, Bde BdA BDI-Drs BDSchG

Begr, begr Beil BerDGesVR bes betr BetrVG BFHE BFuP BG BGB BGBl I, II, III BGH BGHZ

Abkürzungsverzeichnis Beschäftigten beider Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) vom 7. 8.1996, BGBl 1996 I, S 2970 Arbeitszeitgesetz vom 6. 6. 1994, BGBl 1994 I, S 1170 Gesetz zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts (Arbeitszeitrechtsgesetz) vom 6. 6.1994, BGBl 19941, S 1170 argumentum Artikel, article Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) und zur Änderung anderer Gesetze idF vom 3. 2. 1995, BGBl 1995 I, S 2970 Auflage Arbeit und Arbeitsrecht - Monatsschrift für die betriebliche Praxis (Jahr und Seite) Arbeit und Recht (Jahr und Seite) Allgemeine Versicherungsbedingungen Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Berater (seit 1975 RIW) (Jahr und Seite) Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht, auch Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band und Seite) Bundesanzeiger (Nummer, Jahr und Seite) Bundesarbeitsblatt (Nummer/Jahr und Seite) Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht (Jahr und Seite) Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Jahr und Seite) Band, Bände Bund deutscher Arbeitgeber Bundesverband deutscher Industrie - Drucksache Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz) idF vom 20. 12. 1990, BGBl 1990 I, S 2954 Begründung, begründet Beilage Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht (Jahr und Seite) besonders, besondere (r, s) betreffend Betriebsverfassungsgesetz idF vom 23. 12.1988, BGBl 19891, S 1, S 902 Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs (Band und Seite) Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Jahr und Seite) Die BG - Fachzeitschrift für Arbeitssicherheit und Unfallversicherung (Jahr und Seite) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896, RGBl 1896, S 195, BGBl III 4 0 0 - 2 Bundesgesetzblatt, mit I = Teil I; mit II = Teil II; mit III = Teil III (Jahr und Seite, außer III) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band und Seite), ab 1951

Abkürzungsverzeichnis BildscharbV

B1 BörsG BR-Drs Bsp BT-Drs BuB BullEG BUrlG Bus.L.Rev. BVerfG BVerfGE bzw

XXV

Verordnung über Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit am Bildschirm (Bildschirmarbeitsverordnung) vom 4. 12. 1996, BGBl 1996 I, S 1841 Blatt Börsengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. 5. 1908, RGBl 1908, S 215, BGBl III 4110-1 Bundesrats-Drucksache Beispiel Bundestags-Drucksache Bankrecht und Bankpraxis Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) vom 8. 1. 1963, BGBl 1963 I, S 2 Business Law Review (Jahr und Seite) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band und Seite) beziehungsweise

Cal.L.Rev. Cardozo L.Rev. CDE cic CLJ Clunet CMLR CompLLJ Cornell L.Rev. CR

California Law Review (Band, Seite und Jahr) Cardozo Law Review (Band, Seite, Jahr) Cahiers de droit européen (Jahr und Seite) culpa in contrahendo Consumer Law Journal (Jahr und Seite) Journal du droit international (Clunet) (Band, Jahr und Seite) Common Market Law Review (Band, Jahr und Seite) Comparative Labour Law Journal (Jahr und Seite) Cornell Law Review (Band, Seite und Jahr) Computer und Recht - Forum für die Praxis des Rechts der Datenverarbeitung, Kommunikation und Automation (Jahr und Seite)

DAR DB DepotG

Deutsches Autorecht (Jahr und Seite) Der Betrieb (Jahr und Seite) Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz - DepotG) vom 4. 2.1937, RGBl 1937, S 171, BGBl III 4130-1 das heißt Die Bank, Zeitschrift für Bankpolitik und Bankpraxis (Jahr und Seite) (verlagsmäßig nicht veröffentlichte) Dissertation Verhandlungen des Deutschen Juristentages (Zählung, Jahr, Band [nur vor 1945] und Seite [seit 1972 nach Gutachten, Referaten und Sitzungen durch Buchstaben getrennt]) Deutsche Notar-Zeitschrift - Verkündungsblatt der Bundesnotarkammer (Jahr und Seite) Dokument Die öffentliche Verwaltung (Jahr und Seite) Droit et pratique du commerce international - International trade law and practice (Jahr und Seite) Das Recht der Arbeit (Jahr und Seite) Drucksache Deutsches Steuerrecht - Zeitschrift für Praxis und Wissenschaft des gesamten Steuerrechts (Jahr und Seite)

dh Die Bank Diss DJT

DNotZ Dok DÖV DPCI/ITLP DRdA Drs DStR

XXVI Duke J.Comp.Int.L. DVB1 DZWir EAS EBLR EC ECLJ ECLR Ed(s) EEC EG EGBGB EGV

EGWG Einf Einl EIPR ELJ ELR endg EntLR entspr Entw EP ERPL EU EuGel EuGH EuGRZ EuGVÜ

EuR EUV EuZW evtl EVU

EWiR

Abkürzungsverzeichnis Duke Journal of Comparative and International Law (Band, Jahr und Seite) Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr und Seite) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ab 1990) (Jahr und Seite) Europäisches Arbeits- und Sozialrecht European Business Law Review (Jahr und Seite) European Community European Community Law Journal (Jahr und Seite) European Competition Law Review (Jahr und Seite) Editor(s) European Economic Community Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. 8. 1896, RGBl 1896, S 604, BGBl III 400-1 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957, BGBl 1957 II, S 755, 766; heute Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, in der Fassung des Vertrags über die Europäische Union vom 7. 2. 1992, BGBl 1992 II, S 1253/1256; 1993 II, S 1947 Einführungsgesetz zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. 5. 1908, RGBl 1908 I, S 305 Einführung Einleitung European Intellectual Property Review (Jahr und Seite) European Law Journal (Jahr und Seite) European Law Review (Band, Jahr und Seite) endgültig Entertainment Law Review (Jahr und Seite) entsprechend Entwurf Europäisches Parlament European Review of Private Law - Revue européenne de droit privé - europäische Zeitschrift für Privatrecht (Jahr und Seite) Europäische Union Europäisches Gericht 1. Instanz (zit wie EuGH) Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft, (jeweils Datum, Rechtssache, Name, Jahr, uU Abteilung und Seite) Europäische Grundrechte Zeitschrift (Jahr und Seite) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. 9. 1968, BGBl 1972 I, S 774 Europarecht (Jahr und Seite) Vertrag über die Europäische Union (Maastrichter Vertrag vom 7. 2. 1992, BGBl 1992 II, S 1253 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite) eventuell Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. 6. 1980, BGBl 1986 II, S 809, idF vom 18. 5. 1992, BGBl 1995 II, S 307 Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Gesetz, Nummer/Jahr und Seite)

Abkürzungsverzeichnis EWG EWGV EWR EWS EzA

XXVII

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957, BGBl 1957 II, S 766 Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Jahr und Seite) Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht (Gesetzesstelle, Entscheidungsnummer; Nr ohne Gesetzesstelle bezieht sich auf den kommentierten Paragraphen)

f, ff FLF Fn Fordham Int.LJ. Foro it. Frh FS (Name)

folgende Finanzierung, Leasing, Factoring (Jahr und Seite) Fußnote Fordham International Law Journal (Band, Seite und Jahr) Foro italiano (Jahr und Abteilung, Seite) Freiherr Festschrift (Festgabe, auch ausländische) für (Name, evtl Band)

GATT

Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade) vom 30. 10. 1947, BGBl 1951 II, S 173 Anlageband 1, 2; BGBl 1957 II, S 621; BGBl 1967 II, S 2007 Generaldirektion Gefahrstoffverordnung idF vom 19. 9. 1994, BGBl 19941, S 2557 Gewerbearchiv (Jahr und Seite) Gewerbeordnung idF vom 1. 1. 1987, BGBl 1987 I, S 425 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Agreement on Government Procurement Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr und Seite) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (bis 1967 Auslands- und Internationaler Teil; Jahr und Seite) Gedächtnisschrift für (Name) Gemeinsamer Standpunkt betr eine EG-Richtlinie (im Besonderen Teil stets der im entsprechenden Abschnitt behandelte) Gruppenfreistellungsverordnung(en) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen idF vom 20. 2. 1990, BGBl 1990 I, S 235

GD GefahrstoffVO GewArch GewO GmbH GPA GRUR GRUR Int GS (Name) GSRL GVO GWB HGB HGrG hL HLSchG hM HOAI Hrsg, hrsg HS HWiG HV + HM IAO ICLQ

Handelgesetzbuch vom 10. 5. 1897, RGBl 1897, S 219, BGBl III 4100-1 Haushaltsgrundsätzegesetz vom 19. 8.1969, BGBl 1969 I, S 1273 herrschende Lehre Halbleiterschutzgesetz vom 22. 10. 1987, BGBl 1987 I, S 2294 herrschende Meinung Honorarordnung für Architekten und Ingenieure idF vom 4. 3. 1991, BGBl 1991 I, S 533 Herausgeber, herausgegeben Halbsatz Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16. 1. 1986, BGBl 1986 I, S 122 HV-Journal (früher Der Handelsvertreter und Der Handelsmakler; offizielles Organ der CDH) (Jahr und Seite) Internationale Arbeitsorganisation International and Comparative Law Quarterly (Band, Seite und Jahr)

XXVIII idF idR idS iErg ieS IGH IIC ILJ Ill.App.Ct. ILR Ine InformationsV insbes Int.Bus.Law. IntJComp Labour Law IntJCompLLIR Int.Lawy. IP IPR IPRax IPRspr iSd iS(v) iVm iwS iZw JA JArbSchG Jb JB1 JCP

Jh JJZ J.L.Econ. J.Legal Stud. JöR JR JTrib Jura JuS

Abkürzungsverzeichnis in der Fassung in der Regel in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinne Internationaler Gerichtshof International Review of Industrial Property and Copyright Law (Band, Seite und Jahr) The Industrial Law Journal (Jahr und Seite) Illinois Appelate Court International Law Review (Jahr und Seite) Incorporated Verordnung über die Informationspflichten von Reiseveranstaltern vom 14. 11. 1994, BGBl 1994 I, S 3436 insbesondere The International Business Lawyer (Band, Seite und Jahr) The International Journal of Comparative Labour Law (Jahr und Seite) The International Journal of Comparative Labour Law and Industrial Relations (Jahr und Seite) The International Lawyer (Jahr und Seite) Intellectual Property Internationales Privatrecht Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Jahr und Seite) Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts; Sonderheft von RabelsZ (Jahr und Seite) im Sinne des/der im Sinne (von) in Verbindung mit im weiteren Sinn, im weiten Sinne im Zweifel Juristische Arbeitsblätter - Ausbildung, Examen, Fortbildung (Jahr und Seite) Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) vom 12. 4. 1976, BGBl 1976 I, S 965 Jahrbuch Juristische Blätter (Jahr und Seite) Journal of Consumer Policy - Consumer Issues in Law, Economics and Behavioural Sciences (Band, Jahr und Seite) bzw JurisClasseur Périodique - la Semaine Juridique: Doctrine - Jurisprudence - Textes (Jahr, Teil, Nummer) Jahrhundert Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler (Jahr und Seite) The Journal of Law and Economics (Band, Seite and Jahr) The Journal of Legal Studies (Band, Seite und Jahr) Jahrbuch öffentlichen Rechts (Band, Jahr und Seite) Juristische Rundschau (Jahr und Seite) Journal des Tribunaux (Jahr und Seite) Jura - Juristische Ausbildung (Jahr und Seite) Juristische Schulung - Zeitschrift für Studium und Ausbildung (Jahr und Seite)

Abkürzungsverzeichnis

XXIX

JW JZ

Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) Juristen-Zeitung (früher Deutsche Rechts-Zeitschrift und Süddeutsche Juristen-Zeitung) (Jahr und Seite)

KAGG

(Neufassung des) Gesetz(es) über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) vom 14. 1. 1970, BGBl 1970 I, S 127, idF von Art 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Finanzmärkte (Finanzmarktförderungsgesetz) vom 22. 2. 1990, BGBl 1990 I, S 266 Kapitel Karlsruher Forum (Jahr und Seite) Kommanditgesellschaft, Kammergericht (Berlin) Dokument(e) der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Jahr und Nummer) Dokument(e) des Sekretariats der Kommission (Jahr und Seite) kritisch Kündigungsschutzgesetz idF vom 25. 8.1969, BGBl 1969 I, S 1317 Gesetz über das Kreditwesen idF ν 11. 7.1985, BGBl 19851, S 1472

Kap KF KG KOM KOM Doc.Sec krit KSchG KWG LAG Lfg LG lit. LKV LM

L.Q.Rev. MDR mE Mio Mrd MuSchG mwN MWSt n° Nachw NachwG N.E. [2d] nF NJW NJW-CoR

NJW-RR Nov Nr NVwZ

Landesarbeitsgericht Lieferung Landgericht Buchstabe, litera Landes- und Kommunalverwaltung (Jahr und Seite) Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, begründet von Lindenmaier und Möhring, neu hrsg von Nirk ua (Gesetzesstelle, Entscheidungsnummer) The Law Quarterly Review (Band, Seite und Jahr) Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) meiner Einsicht Million(en) Milliarde(n) Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter idF vom 17. 1. 1997, BGBl 1997 I, S 293 mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer Number, Nummer Nachweis (e) Nachweisgesetz vom 20. 7. 1995, BGBl 1995 I, S 946 North Eastern Reporter [Second Series] (Band, Seite, Jurisdiktion [letztinstanziell, wenn nicht anders vermerkt], Jahr) neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) NJW-CoR - Computerreport der Neuen Juristischen Wochenschrift - Informationsmanagement und Büroorganisation in der juristischen Praxis (Jahr und Seite) (bis 1993 Heft, Jahr und Seite) NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (Jahr und Seite) Novelle Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr und Seite)

XXX NWB NZA NZA-RR NZV ÖBA ÖJZ ÖZW OGAW OLG OLGZ Ordo

Abkiirzungsverzeichnis Neue Wirtschaftsbriefe (Jahr und Seite) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Jahr und Seite); seit 1992: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA Rechtsprechungs-Report (Jahr und Seite) Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Jahr und Seite) österreichisches Bank-Archiv - Zeitschrift für das gesamte Bankund Sparkassen-, Börsen- und Kreditwesen (Jahr und Seite) Österreichische Juristen-Zeitung (Jahr und Seite) Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr und Seite) Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (vgl 4.25) Oberlandesgericht (mit Ortsnamen) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Band und Seite), ab 1965 Jahrbuch für Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Jahr und Seite)

oV

ohne Verfasser, ohne Vorname

p. PHI PPLR Prot pW RabelsZ

page» Seite Produkthaftungspflicht international (Jahr und Seite) Public Procurement Law Review (Jahr und Seite) Protokolle positive Vertragsverletzung Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Band, Jahr und Seite) Revidierte Berner Ubereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst idF vom 24. 7. 1971, BGBl 1973 II, S 1069 Recht der Arbeit - Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts (Jahr und Seite) Recueil des Cours - Collected Courses of the Hague Academy of International Law (Band, Jahr und Seite) Recueil Dalloz (Sirey) (Jahr und Seite) Revue européenne de droit de la consommation (Jahr und Seite) Referentenentwurf Regierungsentwurf Revue critique de droit international privé (Band, Jahr und Seite) Revista española de Derecho internacional (Band und Jahr) Revue internationale de droit comparé (Jahr und Seite) Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band und Seite) Rivista di diritto internazionale privato e processuale (Jahr und Seite) Rivista di diritto europeo (Jahr und Seite) Recht der internationalen Wirtschaft, Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters (bis 1974 AWD) (Jahr und Seite) EG-Richtlinie (im Besonderen Teil stets die im entsprechenden Abschnitt behandelte) Revue du Marché Commun et de l'union européene (Jahr und Seite) Randnummer, Randziffer Rechtsprechung

RBÜ RdA RdC Ree. Dalloz (Sirey) REDC RefEntw RegEntw Rev.crit.d.i.p. Rev.esp. de der.int. Rev.int.dr.comp. RG RGZ Riv.d.i.p.proc. Riv.dir.europ. RIW RL RMC Rn Rspr

Abkürzungsverzeichnis

XXXI

RTDE rvgl

Revue trimestrielle de droit européen (Jahr und Seite) rechtsvergleichend

s. S SchwZW

section Seite, Satz Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - Revue suisse de droit des affaires - Swiss Review of Business Law, bis 1989 SchwAG (Jahr und Seite) Dokumente des Sekretariats der Kommission sequens, sequentes (subsequent oder suivante) Sozialgerichtsbarkeit (Jahr und Seite) Sammlung sogenannt Sonderbeilage Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitätsgesetz) vom 8. 6. 1967, BGBl 1975 I, S 705 Das Standesamt (früher: Zeitschrift für Standesamtswesen) (Jahr und Seite) strittig ständige Rechtsprechung Steuerliche Vierteljahreszeitschrift (Jahr und Seite) Society for Worldwide Interbank Financial Transactions Zeitschrift für die Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Band und Seite)

SEK seq SGb Slg sog Sonderbeil StabG StAZ str stRspr StVj S.W.I.F.T. SZR

TranspR TRIPs TvC Tz TzWrG

Transport- und Speditionsrecht (Jahr und Seite) Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights Tijdschrift voor Consumentenrecht (Jahr und Seite) Textziffer Teilzeitwohnrechtegesetz vom 20. 12. 1996, BGBl 1996 I, S 2154

ua uä UA Überbl Übk UmwG

unter anderem, und andere und ähnlich(es) Unterabsatz Überblick Übereinkommen Umwandlungsgesetz vom 28. 10. 1994, BGBl 1994 I, S 3210, ber BGBl 1995 I, S 428 unstreitig unveröffentlicht unzutreffend Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9. 9. 1965, BGBl 1965 I, S 1273 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. 6. 1909, RGBl 1909, S 499, BGBl III 43-1

unstr unv unzutr UrhG UWG

ν VAG Va J.Int'l L. VerbrKrG

von, versus (gegen) Gesetz über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) idF vom 17.12.1992, BGBl 19931, S 2 Virginia Journal of International Law (Band, Seite und Jahr) Gesetz über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozeßordnung und anderer Gesetze vom 17. 12. 1990, BGBl 1990 I, S 2840

XXXII VerkProspG

VersR VersRdsch vgl VO VOB VOF vol VOL

VRL VuR WG VW WährG WiB WiVerw WM WpHG

WRP WSA WSI-Mitt

WTO WuB WuM WuR

WuW WuW/E

Yale L.J. YbEL

Abkürzungsverzeichnis Gesetz über Wertpapier-Verkaufsprospekte und zur Änderung von Vorschriften über Wertpapiere vom 13. 12. 1990, BGBl 1990 I, S 2749; mit Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) vom 17. 12.1990, BGBl 19901, S 2869 Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung (Jahr und Seite) Versicherungsrundschau (Jahr und Seite) vergleiche Verordnung(en) (im Besonderen Teil stets die im entsprechenden Abschnitt behandelte) Verdingungsordnung für Bauleistungen, Fassung 1979, BAnz 1979 Nr 208 Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen Volume Verdingungsordnung für Leistungen, ausgenommen Bauleistungen, Teil A, Ausgabe 1984, BAnz Nr 190; Teil B, Ausgabe 1960, Beil BAnz Nr 105 Vorschlag zu einer EG-Richtlinie (im Besonderen Teil stets der im entsprechenden Abschnitt behandelte) Verbraucher und Recht (Jahr und Seite) Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. 5. 1908, RGBl 1908, S 263, BGBl III, S 7 Nr 7 6 3 2 - 1 Versicherungswirtschaft (Jahr und Seite) Währungsgesetz vom 20. 6. 1948, BGBl III, N r 7 6 0 0 0 - 1 - a Wirtschaftsrechtliche Beratung, Zeitschrift für Wirtschaftsanwälte und Unternehmensjuristen (Jahr und Seite) Wirtschaft und Verwaltung (Jahr und Seite) Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapier-Mitteilungen, Teil IV (Jahr und Seite) Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Art 1 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes) vom 26. 7. 1994, BGBl 1994 I, S 1749 Wettbewerb in Recht und Praxis (Jahr und Seite) Wirtschafts- und Sozialausschuß WSI-Mitteilungen - Monatszeitschrift des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Jahr und Seite) World Trade Organization, Welthandelsorganisation Wirtschaft und Wettbewerb (Jahr und Seite) Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Jahr und Seite) Wirtschaft und Recht - Zeitschrift für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsrecht mit Einschluß des Sozial- und Arbeitsrechtes (Jahr und Seite) Wirtschaft und Wettbewerb - Competition and Trade Regulation - Concurrence et Marché (Jahr und Seite) Wirtschaft und Wettbewerb, Entscheidungssammlung zum Kartellrecht Yale Law Journal (Band, Seite und Jahr) Yearbook of European Law (Jahr und Seite)

Abkürzungsverzeichnis ZaÖVR ZAS zB ZBB ZERP ZEuP ZfA ZfgKW ZfRV ZfV ZGR ZgS ZHR

ZIAS Ziff ZIP

ZIR

zit ZPO ZRP ZTR ZSR ZUM zust zutr ZVersWiss ZvglRW zZ ZZP

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Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Volkerrecht (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht (Jahr und Seite) zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Jahr und Seite) Zentrum für europäische Rechtspolitik (Bremen) Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr und Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr und Seite) Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (Jahr und Seite) Zeitschrift für Rechtsvergleichung (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für Versicherungswesen (Jahr und Seite) Zeitschrift für Gesellschafts- und Untemehmensrecht (Jahr und Seite) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, ab 1981 ZgS/JITE (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht) (Band, Jahr und Seite) Zeitschrift für ausländisches und Internationales Sozialrecht (Jahr und Seite) Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (1-7/1980 Insolvenzrecht - Zeitschrift für die gesamte Insolvenzrechtspraxis, dann bis 12/1982 Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis) (Jahr und Seite) Zeitschrift für Internationales Recht (bis 1910 Niemeyers Zeitschrift für Internationales Privat- und Strafrecht) (Band, Jahr und Seite) zitiert Zivilprozeßordnung in der Fassung vom 12. 9. 1950, BGBl 1950 I, S 533, BGBl III 310-4 Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr und Seite) Zeitschrift für Tarifrecht (Jahr und Seite) Zeitschrift für Schweizerisches Recht - Revue de droit suisse - Rivista di diritto svizzero (Jahr, Abteilung, Band und Seite) Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht, Film und Recht (Jahr und Seite) zustimmend zutreffend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (Jahr und Seite) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (wechselnde Titel) (Band, Jahr und Seite) zur Zeit Zeitschrift für Zivilprozeß (Band, Jahr und Seite)

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3. Sonstige abgekürzt zitierte Literatur, insbesondere auch aus der Lehrbuch und Kommentarliteratur zum Europarecht -

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1. Teil: Grundlagen §1

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts Unternehmen müssen sich organisieren und finanzieren. Das ist ihre materielle 1 Grundlage. Das ist der Gegenstand des Europäischen Unternehmensrechts (oder Unternehmensorganisationsrechts), das Lutter im deutschen Schrifttum als Rechtsgebiet etabliert hat.1 Ihr eigentliches, operationales Ziel ist es freilich, am Markt zu handeln, Transaktionen zu tätigen. Das Mittel hierzu ist der Schuldvertrag. Bei der Errichtung eines Europäischen Binnenmarktes steht nun zwar nicht mehr ausschließlich, jedoch historisch und auch heute noch primär die wirtschaftliche Integration im Mittelpunkt.2 Daher bildet das Europäische Schuldvertragsrecht, das Recht der Parteiautonomie und ihrer Grenzen im Binnenmarkt, das letzte Desiderat des gesamten Rechts des Binnenmarktes. So gesehen, ist das heute erwachte Interesse in diesem Bereich nur zu verständlich. Es ist noch nicht sehr deutlich gerade auf das Europäische Schuldvertragsrecht zugeschnitten. Hier stehen wir noch am Anfang.

1. lus Communitatis und ius commune - ein Spannungsverhältnis 1. lus commune

(modernum)

Der Begriff des „Europäischen (Schuld-)Vertragsrechts" scheint spätestens seit 2 1996 besetzt. Grund hierfür ist das gleichnamige Werk von Kötz und Flessner.3 Dessen Spezifikum liegt in zweierlei. Zum einen sollte der gesamte Kernbestand des Schuldvertragsrechts Gegenstand der Ausführungen sein, genauer: das „.allgemeine' Vertragsrecht, also derjenige Stoff ..., der in einem Lehrbuch des englischen Vertragsrechts dargestellt wird".4 Zum anderen ist wichtig, daß das dargestellte „Recht nirgends ,gilt"'.5 Ziel war, ein für ganz Europa einheitliches 1

2 3

4 5

Lutter, Europäisches Untemehmensrecht. Lutter hat, für das folgende bedeutsam, auch bereits mustergültig herausgearbeitet, daß auch die Gesellschaftsrechtsharmonisierung in weiten Teilen der Sicherheit der Transaktionen, also Zielen des Europäischen Schuldvertragsrechts, dient; plastisch so schon Hallstein, RabelsZ 28 (1964) 211 (212). Zur Zielehierarchie überzeugend idS wieder: Basedow, FS Everling 1995, 49 (bes 56-68). Bisher erschien der erste Teil von Kötz, Europäisches Vertragsrecht; gleiche Terminologie etwa bei Zimmermann, J Z 1995, 477 oder in englisch bei Lando / Beale (Eds), Principles; ergänzt wird das Projekt von Flessner und Kötz - im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse - durch ν Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht - die Kernbereiche des Deliktsrechts, seine Angleichung in Europa und seine Einbettung in die Gesamtrechtsordnungen, 1996. Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S VIII-IX. Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S VI. Zum Ansatz, ein ius commune modemum aus dem klassischen ius commune, dem gemeinen Recht, zu entwickeln, grundlegend Coing,

2

1. Teil - Grundlagen

„Recht" auf der Basis gemeinsamer geschichtlicher Wurzeln und mit dem Instrumentarium der kritischen und funktionalen Rechtsvergleichung zu beschreiben, in dem „die Regeln der nationalen Rechtsordnungen ... nur als lokale Variationen eines einheitlichen europäischen Themas" erscheinen. Es sollte das Gemeine Recht, das ius commune in Europa, dargestellt werden - sachlich flächendekkend, normtheoretisch jedoch ohne Geltungskraft. 3

Der Schwerpunkt dieses ius commune liegt, wie Kötz selbst bereits früh feststellte, im Schuld(vertrags)recht.6 Nicht von ungefähr legte er das erste große rechtsvergleichende Lehrbuch gerade in diesem Gebiet vor. 7 Insoweit ist das Einsatzfeld vergleichbar demjenigen der sogenannten lex mercatoria. Auch sie wird - mit wenigen Ausnahmen, die gesellschaftsrechtlich qualifiziert werden können - 8 im Bereich des Schuldvertragsrechts der beruflich Tätigen propagiert. Zudem wird auch sie teils auf allgemeine Rechtsgrundsätze gestützt, überwiegend jedoch auf detaillierter ausformuliertes Klauselrecht. 9 Das Anliegen, ein ius commune in diesem Sinne auszubilden, ist offensichtlich legitim und in hohem Maße zu begrüßen. Es geht um die Ausbildung eines einheitlichen Geistes, darum, wie Coing es früh formulierte, „bei den Juristen unserer

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7

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9

Die Bedeutung der europäischen Rechtsgeschichte für die Rechtsvergleichung, RabelsZ 32 (1968) 1; Zimmermann, J Z 1992, 8; heute bis in die Ausbildungszeitschriften hinein: Kniitel, JuS 1996, 768; sowie Hübner, Sinn und Möglichkeiten retrospektiver Rechtsvergleichung, FS Kegel 1987, 235. Kötz, FS Zweigert 1981, 481 (486): „Dieses ,corpus of law' ist nun nichts anderes als jener schon erwähnte Grundbestand an allgemeinen schuldrechtlichen Regeln und Begriffen, die bisher in den Prozeß der Vereinheitlichung oder Angleichung nicht einbezogen wurden." Vgl auch die Aufzählung aaO S 487. Oben Fn 3; vorher schon ähnlich (allerdings unter Einbeziehung des Deliktsrechts): ν Mehren / Gordley, The Civil Law System2, 1977 (1. Aufl 1957) (als die einzigen beiden Gebiete des materiellen Zivilrechts, im Verhältnis zueinander etwa 1 : 1 ) ; Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S 314-716 (1. Aufl 1969, damals noch als eigener Band „Institutionen") mit den behandelten Gebieten „Vertrag" (etwa 3/5), „ungerechtfertigte Bereicherung" (etwa 1/10) und „Delikt" (etwa 3/10). Schuldvertragsrechtlich sind aus dem Bereich der Klauselwerke (vgl sogleich im Text) etwa die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive, Dokumenten-Inkassi und Garantien, die S.W.I.F.T.-Regeln, ISDA-Code und BBAIRS-Terms für Swaps und die zahlreichen, international üblich gewordenen Standardvertragsbedingungen im Bereich von Handel, Dienstleistung und Finanzierung. Vgl die Bsp bei: Stein, Lex mercatoria - Realität und Theorie, 1995, S 39-41. Gesellschaftsrechtlich können Konsortialverhältnisse ausgestaltet sein, freilich fehlt es insoweit häufig an der Einheitlichkeit der Klauselwerke bzw der Veröffentlichung: vgl nur Hinsch / Horn, Das Vertragsrecht der internationalen Konsortialkredite und Projektfinanzierungen, 1985, S 11 f; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, S 25 f; Horn, Das Recht der internationalen Anleihen, 1972, S 142-145, 537f. Zu diesen beiden Normgruppen der lex mercatoria und ihrer (unterschiedlichen) rechtspolitischen Bewertung Grundmann, Lex mercatoria und Rechtsquellenlehre - insbesondere die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive, JJZ 1991, 43 (bes 44-52); allgem zur rechtspolitischen Bewertung ν Hoffmann, Grundsätzliches zur Anwendung der „lex mercatoria" durch internationale Schiedsgerichte, FS Kegel 1987, 215 (217-220); Stein (vorige Fn), S 240-251.

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

3

Länder wieder ein gemeinsames Vorverständnis zu schaffen, eine gemeinsame Denktradition ..." 1 0 Als Hauptziel gilt heute insoweit, die Einheit im juristischen Denken in Europa zu gewährleisten, die das geltende Recht in Europa nicht aufweist - wie die US-amerikanische Rechtswissenschaft in den USA.11 Es zeigen sich jedoch mehrere Unterschiede zur Lage in den USA. Zunächst ist 4 die einheitsstiftende Wirkung der auf rechtsvergleichender Basis geschriebenen Werke zum ius commune europeum offensichtlich noch schwächer als diejenige der US-amerikanischen Universitäten für das common law. Offensichtlich gilt auch ein auf nur einen Einzelstaat ausgerichteter Ansatz (etwa auf Kalifornien oder die Bundesrepublik) in Europa keineswegs als provinziell, in den USA tendenziell durchaus. Dieser erste Unterschied mag sich überleben und sagt auch mehr über den status quo als über die wünschenswerte Struktur eines gemeinschaftlichen Schuldvertragsrechts aus. Für das folgende sind daher ein zweiter und dritter Unterschied wichtiger: In den USA leben das „ius commune", der gemeinsame Bestand in der Vielzahl von einzelstaatlichen Rechten, und die Materien, die bundesrechtlich geregelt sind, in Forschung und Lehre selbstverständlich nebeneinander. Beide Regelkomplexe werden in einem Rechtsgebiet zusammen gesehen. So prägt die Parallelität zwischen Einzelstaats- und Bundesstaatsrecht etwa im Gesellschaftsrecht das Bild. Daher stellt die gesellschaftsrechtliche Lehre in Schrifttum und Hörsaal das Bundesrecht, insbesondere die Securities Regulations, entweder in einer gesonderten Einheit gleichrangig neben dem einzelstaatlichen Organisationsrecht dar oder aber im Verbund mit diesem in einem einzigen Werk.12 Das „ius commune americanum" wird in den USA um des gemeinschaftlichen Geistes willen dargestellt, jedoch nie ohne das lus Communitatis als die bundesstaatliche lex lata der Schlüsselbereiche. Je stärker handelsbezogen oder wirtschaftsrechtlich die Materie ist, desto breiter ist tendenziell das Bundesrecht - und sei es nur solches in (unverbindlichen) Mo-

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12

Coing, lus Commune, nationale Kodifikation und internationale Abkommen: drei historische Formen der Rechtsvereinheitlichung, in: Le nuove frontiere del diritto e il problema dell'unficazione, Atti del Congresso internazionale di Bari I, 1979, 171, 198 f; später noch expliziter als der Ruf nach einer einheitlichen Europäischen Rechtswissenschaft formuliert in: Coing, NJW 1990, 937. Grundlegend Koschacker, Europa und das römische Recht 2 , 1953, S 346 et passim. Neben den Zitaten von Coing (vorige Fn) vgl etwa Kötz, FS Zweigert 1981, 481 (498-500); Zimmermann, J Z 1992, 8 (19 f) (die diesbezügliche Fruchtbarkeit einer Beschäftigung mit den gemeinsamen Wurzeln betonend); ders, J Z 1995, 477 (477); sowie auch Hommelhoff, „Europarechtliche Bezüge" im Zivilrecht - Überlegungen zur Gestaltung des akademischen Unterrichts, FS Helmrich 1994, 329; stärker bereits den Aspekt der befruchtenden Vielfalt betonend: Junker, J Z 1994, 921 (927 f); den Grundansatz für im wesentlichen verfehlt haltend: etwa Legrand, 45 ICLQ 52 (1996). Überblicksartig zu den Tendenzen, die gemeinsamen historischen Wurzeln (ius commune) fruchtbar zu machen: Luig, ZEuP 1997, 405. Zu einer weiteren Dimension, der Ausarbeitung eines zukünftigen Zivilgesetzbuches, und den diesbezüglichen Initiativen, insbes der sog Lando-Kommission, vgl unten Rn 48. Vgl nur statt vieler: Clark, Corporate Law, 1986·, Jennings / Buxbaum, Cases and Materials 5 , 1979.

Corporations -

4

1. Teil - Grundlagen

dellgesetzen. Neben der Darstellung des ius commune des Schuldvertragsrechts in Europa durch Kötz und Flessner bleibt dieser Schlüsselbereich im Europäischen Schuldvertragsrecht offen. Es fehlt das zweite „Standbein". Dieses bildet, dies belegt die Zusammenstellung im folgenden, den eigentlichen Kernbereich des Rechts der Unternehmensgeschäfte; und Unternehmen sind der mit Abstand kräftigste Motor einer Integration durch rechtsgeschäftliche Transaktionen. Der dritte Unterschied besteht darin, daß die einheitsstiftende Lehre in den USA längst nicht mehr von dem Bemühen getragen ist, aus dem ius commune einmal tatsächlich eine einheitliche lex lata entstehen zu lassen, also nicht nur einen gemeinsamen Geist zu stiften, sondern einen Gemeinschaftskodex. Die Vielfalt wird heute als nützlich empfunden. Gerade ein einheitlicher Kodex ist demgegenüber teils das ausdrückliche, teils auch das implizite Anliegen von Protagonisten eines Europäischen ius commune, vor allem im deutschsprachigen Schrifttum.13 Bei allen Bemühungen um das ius commmune sollte jedoch auch in Europa heute und in absehbarer Zeit stets im Auge behalten werden, daß das durch Rechtsvergleichung ermittelte ius commune außerhalb des Anwendungsbereichs von EG-Richtlinien nicht als geltendes Recht zu verstehen ist. Für Coing bedeuteten die Bemühungen um ein ius commune denn auch nur eine Abrundung, die Schaffung der „... gemeinsame[n] Denktradition, welche den vereinheitlichten Normen gerecht werden kann und ihre gleichmäßige Anwendung sichert."14 2. Ius Communitatis 5 Wenn die flankierende Wirkung des ius commune betont wird, ist auch der Kernbestand der bereits vereinheitlicht geltenden Normen, des lus Communitatis, in der wissenschaftlichen Diskussion weniger stiefmütterlich zu behandeln als bisher. Es ist dies die Materie, zu deren Abrundung das ius commune dient. Fast hat es den Anschein, als sei das Gesamtwerk eines ius commune so viel attraktiver und bereits so real, daß das Rumpfwerk eines Schuldvertragsrechts, wie es tatsächlich vereinheitlicht wurde, weniger Aufmerksamkeit verdient. Das mag damit zusammenhängen, daß dieses Rumpfwerk in erheblichem Umfang moderne Vertragstypen mit sehr hohen Handelsvolumina zum Gegenstand hat, zu denen eine bürgerlichrechtlich geprägte Rechtsvergleichung, die eventuell gar stark historisch beeinflußt ist, kaum Beiträge leisten kann. In diesem Rumpfwerk sind nur Schlüsselfragen vereinheitlicht, darunter auch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Gerade von diesen, dies fällt bei historischer Sicht auf, nahmen die Bemühungen des Wissenschaftlers ihren Ausgang, der als erster das neue ius commune europeum in einem „Restatement Contract" zusammen13

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Zum ius commune als Rechtsquelle und Grundlage eines zukünftigen Kodex unten Rn 48. Außerhalb des deutschsprachigen Schrifttums bes prominent: Hondius, Tijdschrift voor Privatrecht 31 (1994) 1455; Lando, 31 AJCL 653, 6 5 7 - 6 5 9 (1983); Lando / Beale (Eds), Principles, p. X V - X X I . Zum Spannungsverhältnis zwischen ius commune und lus Communitatis plastisch Mansel,]Z 1991, 5 2 9 ; sowie Grundmann, FS Fikentscher 1998, 671.

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

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faßte. 1 5 Die Suche nach einem flächendeckenden ius c o m m u n e sollte in der Tat die Bemühungen um die Schlüsselfragen, in denen bereits Vereinheitlichungserfolge erzielt wurden, nicht in den Hintergrund treten lassen. Die Darstellung dieses Bereichs hat auch den Reiz, daß allein das Netz der schuldvertraglichen Grundkoordinaten - der „Essentials" - aufscheint, die (aus Sicht der E G ) für einen funktionierenden Binnenmarkt oder für ein Europäisches

Recht der

Unternehmensgeschäfte

unverzichtbar sind. Und der wirtschaftliche Erfolg dieser Vereinheitlichungsbemühungen im Schuldvertragsrecht ist erheblich - unabhängig v o m guten o d e r

'

schlechten Image des Rechtsgebiets, in dem Defizite weniger konkret aufgespürt werden als im bekannteren Unternehmensorganisationsrecht. Die Zahlen sprechen beeindruckend für erhebliche Effizienzsteigerung und Integrationswirkung durch das Binnenmarktprogramm im Transaktionsrecht. 1 6 So ist im folgenden kein ius c o m m u n e für das gesamte Schuldvertragsrecht darzustellen, umgekehrt jedoch Europäisches Schuldvertragsrecht von unmittelba-

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Lando, Unfair Contract Clauses and a European Uniform Commercial Code, in: Cappelletti (Ed), New Perspectives for a Common Law of Europe, 1978, 267. Ausführliches Zahlenmaterial in der Studie „Wirkung und Wirksamkeit der Binnenmarktmaßnahmen, KOM(96) 520; am beeindruckendsten wohl die Steigerung des Anteils an den weltweiten Direktinvestitionen von 28 % in den 80er Jahren auf 4 4 % Anfang der 90er Jahre, der verläßlichsten Zahl für die Attraktivität des Binnenmarktes bei Unternehmen, und die Steigerung des binnenmarktgrenzüberschreitenden Verkehrs im gleichen Zeitraum um fast ein Drittel. Außerdem zu Wirkung und Wirksamkeit der Binnenmarktmaßnahmen: etwa Eurostat, Panorama, S 29 bis 45; Monti, Der Binnenmarkt und das Europa von morgen - ein Bericht der Europäischen Kommission, 1997, S 9 2 95: durchschnittlicher Anstieg des Anteils der Ausfuhr in andere EU-Länder an der Gesamtausfuhr von 53,7 % auf 67,8 %, dh um gut 14 % (Waren) bzw von 42,6 % auf 50,2 %, dh um 7 , 6 % (Dienstleistungen) im Zeitraum von 1985 bis 1995 - dies trotz Liberalisierung auch im (demnach relativ zurückgegangenen) Handel mit Drittländern. Nimmt man die betroffenen Branchen, so ist eine Konzentration auf die volumenstarken, die zudem bes große grenzüberschreitende Relevanz haben, unverkennbar: zum Kreditund Versicherungssektor mit knapp 25 % am Bruttosozialprodukt der Gemeinschaft und zur Tourismusbranche mit etwa 5,5 % Anteil unten § 7 Einl Rn 7 und 4.01 Fn 5, zur KfZBranche mit knapp 4,5 % Anteil und zum öffentlichen Auftragswesen mit nahe 15 % Anteil unten § 8 Einl Rn 8. Zugrunde gelegt wird insoweit die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts der EU (für die 15 Mitgliedstaaten) von 1994 bis 1997 von 5557,8 Mrd ECU auf 5946,71 Mrd ECU (Quelle: Eurostat, Eurostatistik - Daten zur Konjunkturanalyse eurostatistics - data for short-term economic analysis - eurostatistiques - données pour l'analyse de la conjoncture, 4/1998, S 31); etwas höher angesetzt in: Eurostat, Panorama, S 1 (etwa 6,5 Mrd). Hinzukommen die zentralen Bereiche des geistigen Eigentums (vgl unten § 8 Einl Rn 8) und alle wichtigen Absatzwege, die vom ungestörten Verhandlungsmechanismus beim Händler in polypolen Märkten abweichen, die also insoweit Marktversagen nahelegen (vgl unten § 5 Einl Rn 12). Noch nicht eingerechnet ist das allgem Kaufrecht, für das mit der Gewährleistungshaftungs-Richtlinie die aus Verbrauchersicht wohl zentralen Vertragsfragen geregelt wurden (vgl 2.12 Rn 6, 9, 37 f) und das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (2.10), das etwa 80 % aller mit Gewerbetreibenden geschlossenen Verträge betrifft. Demgegenüber pauschal und ohne empirische Untermauerung Kritiken wie etwa bei: Hinz, ZEuP 1994, 553 (557 f) (konkreter zum Gesellschaftsrecht aaO 5 5 5 - 5 5 7 ) ; Taupitz, J Z 1993, 533 (535).

β

6

1. Teil - Grundlagen

rer praktischer Relevanz. Erörtert werden die Grundstrukturen und der Bestand des lus Communitatis, des Privatrechts der Europäischen Gemeinschaft, im Bereich des Schuldvertragsrechts. Es ist dies allein der Bestand an Vereinheitlichungsinstrumenten und -maßnahmen in Schlüsselfragen, der zur Errichtung eines Marktes für erforderlich gehalten wurde, auf dem an den Binnenmarktgrenzen nicht erheblich höhere Transaktionskosten anfallen als auf einem nationalen, vollständigen Binnenmarkt - des Europäischen Binnenmarktes. Anders als im ius commune findet sich im lus Communitatis also keineswegs eine flächendeckende Regelung des Schuldvertragsrechts. Vielmehr sind es im wesentlichen drei Bereiche, die einer Regelung zugeführt wurden: das Schuldvertragsrecht mit verbraucherschützender Tendenz, das Schuldvertragsrecht, in dem wirtschaftspolitisch motivierte Standards vorgegeben werden, und - im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Gebieten nicht erschöpfend geregelt - das Arbeitsvertragsrecht.17 Anders als das ius commune ist das lus Communitatis jedoch geltendes Recht: sicherlich verpflichtend für die Mitgliedstaaten, im Regelfall sogar unmittelbar anwendbar innerhalb derselben, also geltendes Recht, aus dem Rechte und Pflichten für Privatrechts Subjekte erwachsen.18 Der Ansatz ist also zurückhaltender, indem nur Schlüsselmaterien erörtert werden, zugleich jedoch konkreter, indem er Materien betrifft, in denen die Rechtseinheit (näherungsweise) auch bereits gilt. Nur das Recht ist darzustellen, das zweifelsfrei einheitlich gilt. Aufzuzeigen ist freilich auch, daß mit diesem Recht wohl bereits binnenmarktähnliche Verhältnisse geschaffen wurden. 7 Die Suche nach einem ius commune ist wichtig und reizvoll. Erst das bestehende lus Communitatis des Schuldvertragsrechts scheint jedoch für die Wirtschaft binnenmarktähnliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Seine geistige Durchdringung und Systematisierung ist angezeigt, vor allem aus zwei Gründen·. Das Rechtsgebiet wird besser handhabbar, die jeweilige Norm besser auffindbar, gerade auch für die Praxis, die sich eines Europäischen Schuldrechts noch weniger bewußt ist als etwa eines Europäischen Gesellschafts- und eines Europäischen Kapitalmarktrechts,19 Bank-20 oder auch Arbeitsrechts.21 Fast noch wichtiger ist,

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18 19

Vgl genauer unten Rn 79, 82-84, 89. Zum Binnenmarktbegriff näher Hayder, RabelsZ 53 (1989) 622 (635-654); Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn 198-200, 231. Vgl im Detail unten Rn 148-163. Zum Gesellschaftsrecht vgl die Zusammenstellungen und Ubersichten von Behrens, Gesellschaftsrecht, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, E.III, Rn 18 f, 20-165; Deckert, Europäisches Unternehmensrecht - Stand und Probleme, EWS 1996, 265; Hopt / Wymeersch, European Company and Financial Law 2 , 1994; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht; Pfister, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1993; ν Wilmowsky, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in einem gemeinsamen Markt, RabelsZ 56 (1992) 521. Vgl auch Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 (76 f): „So wird man wohl behaupten dürfen, zivilrechtlich sei die EG-Rechtsangleichung bis zum heutigen Tage am relativ weitesten im Bereich des Gesellschaftsrechts vorangeschritten." Zum Kapitalmarktrecht zudem Assmann / Buck, Europäisches Kapitalmarktrecht, EWS 1990, 110, 190 und 220; Deckert / ν Rüden, Anlegerschutz durch Europäisches Kapitalmarktrecht - Publizität statt Verbot, EWS 1998, 46; Grundmann, Z S R 115 nF (1996) 103.

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

7

daß das lus Communitatis als geltendes Recht durch den Europäischen Gerichtshof ausgelegt wird. Möglichen Defiziten in Systematik und auch Praktikabilität der gefundenen Ergebnisse 22 kann nur durch verstärkte wissenschaftliche Diskussion begegnet werden. In ihr kann auf breiterer Basis als vor dem E u G H die Palette von Lösungsansätzen durchdacht und bewertet werden. Aufgrund des Vorrangs von EG-Recht wirken die Judikate des E u G H erheblich und potentiell petrifizierend. Daher darf, wenn diese Entscheidungen gerade im Bereich des Schuldvertragsrechts im Ergebnis als unbefriedigend empfunden werden, die Diskussion nicht ex post ansetzen, ohne Hoffnung auf baldige Revision. 23 3. Europäisches

Schuldvertragsrecht

oder

Gemeinschaftsschuldvertragsrecht?

Für das so umschriebene geltende Europäische Privatrecht prägte Müller-Graff den Begriff des „Gemeinschaftsprivatrechts", von dem er das Gemeineuropäische Privatrecht (hier: ius commune) und das Konventionsprivatrecht abgrenzt (das Recht der internationalen Übereinkommen, deren Zeichnerkreis sich mit dem der Mitgliedstaaten decken mag, jedoch nicht muß). 2 4 Für solch eine Begriffsbildung mag ihre Exaktheit sprechen sowie die Tatsache, daß der Schwerpunkt der Rechtsvereinheitlichung im Bereich des Schuldvertragsrechts von berufener Seite sichtlich außerhalb der EG geortet wird. 25 Die Exaktheit ist jedoch relativ, wie etwa das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen (1.01) zeigt, das nicht einmal auf Art 2 2 0 EGV gestützt wurde und bei dem es sich demnach nicht um Gemeinschaftsprivatrecht handeln dürfte. 26 Jedenfalls wurde für die offizielle Be20 vgl vor allem Sousi-Roubi, Droit bancaire européen, 1995; Troberg, in: Schimansky / Bunte / Lwowski (Hrsg), Bankrechtshandbuch, 1997, §§ 134-138; kurzer Überblick über die zentralen Richtlinien auch bei Grundmann, Bankaufsichtsrecht, S 5-9. 21

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Vgl die Zusammenstellungen und Ubersichten von Birk, Europäisches Arbeitsrecht, 1990; Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht; Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht; Oetker / Preis, Europäische Rechtsvorschriften zum Arbeitsrecht - Kurzausgabe aus Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS). Bes intensiv ist die Kritik im Arbeitsrecht, dem Bereich des Schuldvertragsrechts, den bisher weit mehr als die Hälfte der schuldvertragsrechtsbezogenen Judikate des EuGH betraf: vgl nur Junker, NJW 1994, 2527; weitere Nachw unten § 6 Einl Fn 99. „Vordenken" statt „Nachdenken" - so könnte man in Anlehnung an Börner oder Hommelhoff (AcP 192 [1992] 71 [106]) sagen; zust etwa Müller-Graff, FS Börner 1987, 17 (50 f); Taupitz, JZ 1993, 533 (536); und der Sache nach Remien, RabelsZ 60 (1996) 1 (39). Das BAG legt demgegenüber geme mehrfach nach Art 177 EGV vor. Etwa Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht, 7 (15-29). Vgl die Terrainsichtung bei Schlechtriem, ZEuP 1993, 217 (218-220). Verneinend: Martiny, in: ν Bar (Hrsg), Gemeinschaftsrecht, 211 (225); Nolte, Zur Technik der geplanten Einführung des EG-Schuldvertragsübereinkommens in das deutsche Recht aus völkerrechtlicher Sicht, IPRax 1985, 71 (74 f); Schwartz, Übereinkommen zwischen den EG-Staaten: Völkerrecht oder Gemeinschaftsrecht?, FS Grewe 1981, 551 (591) (selbst für Übk nach Art 220 EGV); bejahend: Wuermeling, Kooperatives Gemeinschaftsrecht - die Rechtsakte der Gesamtheit der Mitgliedstaaten, insbesondere die Gemeinschaftskonventionen nach Art 220 EWGV, 1988, S 34 f, 50-53; dies immerhin erwägend: Pirrung, Die Einführung des EG-Schuldvertragsübereinkommens in die nationalen

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1. Teil - Grundlagen

Zeichnung gerade nicht der enge, „präzise" Begriff gewählt, sondern ein umfassenderer und weniger präziser. Noch störender sind zwei weitere Punkte: Der Begriff Gemeinschaftsschuldvertragsrecht läßt nicht anklingen, daß im hier behandelten Bereich stets auch die Einwirkung auf das nationale Recht von Bedeutung ist und daß nationales Recht ebenso wie vor allem die Klauselpraxis Alternativen und Mitspieler des lus Communitatis sind. Zudem würde bei dieser Begriffsbildung die Rechtsmaterie, die sich im europäischen Raum ungleich dynamischer entwickelt als jede andere und deren erhebliche Breite die vorliegende Sammlung belegt, den farblosesten Namen erhalten. Dem Begriff des Gemeinschaftsprivatrechts entspräche im Schuldvertragsrecht derjenige des „Gemeinschaftsschuldvertragsrechts" oder im Unternehmensrecht der des „Gemeinschaftsunternehmensrechts", der zumindest für den Wettbewerbsrechtler seltsam zweideutig klänge. Lutter hat sich zu Recht gegen ihn und für den des Europäischen Unternehmensrechts entschieden. Er gab damit den Begriffen das ihnen zustehende Gewicht. 9 Für das Schuldvertragsrecht würde es ebenfalls befremdlich anmuten, wollte man den klingenderen Begriff des Europäischen Schuldvertragsrechts für eine Materie wählen, die keine lex lata darstellt, die bei der Auslegung von „Gemeinschaftsschuldvertragsrecht" flankierend, dh dienend heranzuziehen ist und die zur lex lata allein in der Form von lus Communitatis oder „Gemeinschaftsschuldvertragsrecht" werden kann.27 Eine Wahl des farbloseren Begriffs läuft auch Gefahr, die historische Dimension von „Gemeinschaftsrecht" zu verkürzen. „Europäische" (nicht auf weltweite Ratifikation ausgelegte) Übereinkommen von Rang, die nicht auf eine EG-Initiative zurückgehen, gibt es im Bereich des Schuldvertragsrechts nicht (und auch in anderen Bereichen allenfalls sehr vereinzelt). Charakteristisch für die Entwicklung der EG in den 70er, 80er und 90er Jahren war doch gerade, daß in kleinem Kreise erstaunliche Vereinheitlichungsergebnisse erzielt wurden, etwa für das gesamte Kollisionsrecht der Schuldverträge (EVÜ) und für Kerngebiete des Internationalen Zivilprozesses im Vermögensrecht (EuGVÜ), jedoch ebenso, wie sich zeigen wird, in weiten Bereichen des Richtlinien-Rechts, und daß diese Vereinheitlichungergebnisse mit der Erweiterung der Union und Assoziierung weiterer Staaten als sogenannter aquis communautaire fast paneuropäische Verbindlichkeit erlangten. Das Europäische Privatrecht (im Sinne von lus Communitatis) ist in Europa schon so prägend wie das „amerikanische" in Amerika. In dem Begriff Europäisches Schuldvertragsrecht ist - und hierin ähnelt das Anliegen demjenigen, das Kotz vorantreibt - eine (schon weitgehend realisierte) Vision angelegt: daß im Großteil Europas nationale Normen, die grenzüberschreitende, schuldvertraglich getragene Transaktionen erheblich behindern (könnten), so einheitlich gestaltet sind, daß diese Gefahr minimiert ist. Im folgenden wird daher mangels gegenteiliger Präzisierung

27

Rechte, in: ν Bar (Hrsg), Gemeinschaftsrecht, 21 (36) („Gemeinschaftsrecht in einem ganz weiten Sinn"); vermittelnd: ν Hoffmann, ZfRV 36 (1995) 45 (48); ausweichend: Müller-Graff, in: Miiller-Graff (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht, 7 (18). Vgl unten Rn 140, 187-192 und schon den Nachw oben Fn 4.

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

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der Begriff des EG-Schuldvertragsrechts und des Europäischen Schuldvertragsrechts synonym verwandt. Es umfaßt, soweit dieses die lex lata beeinflußt oder auch einmal darstellt, 28 auch das ius commune europeum auf dem Gebiet des Schuldvertragsrechts.

II. Europäisches Schuldvertragsrecht - Kernmaterie des Europäischen Unternehmensaußenrecht und Transaktionsrecht 1. Schuldvertragsrecht

als Kernmaterie des Europäischen

Privatrechts,

Privatrechts

Aus Sicht des Privatrechts bilden die Grundfreiheiten das Herz des EG-Primärrechts. Mit diesem Prüfungsmaßstab beschäftigt sich die ganz überwiegende Mehrzahl der Beiträge zum Europäischen Privatrecht, soweit sie Primär-, nicht Sekundärrecht zum Gegenstand haben. 29 Die fünf Grundfreiheiten30 bilden im Bereich des Privatrechts das Mittel, um binnenmarktähnliche Verhältnisse zu schaffen. Das Wesen der Grundfreiheiten wurde schon früh dahingehend umschrieben, daß mit ihrer Hilfe solch ein Markt nicht durch Staatsintervention geschaffen werden sollte, sondern durch private Initiative, der nur freie Hand zu lassen war.31 Mit den Grundfreiheiten sollte also die Privatautonomie über die Grenzen erstreckt werden. 32 Das zentrale Mittel zur Verwirklichung von Privatautonomie ist der Schuldvertrag. Daher liegt eine erste Schlußfolgerung auf der Hand: Das Schuldvertragsrecht bildet das Herz eines Europäischen Privatrechts (vielleicht noch vor, jedenfalls jedoch mit dem Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht). Diese Schlußfolgerung ergibt sich nicht nur bei Betrachtung der Grundfreiheiten. Aufschlußreich ist auch der Diskussions- und Regelungsstand in verschiedenen

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Dazu näher unten Rn 187-197. Grundlegend: Basedow, RabelsZ 59 (1995) 1; Roth, RabelsZ 55 (1991) 623 und ZEuP 1994, 5; Samtleben, RabelsZ 45 (1981) 218; Steindorff, EuR 1981, 426; früh auch Grundmann, Bankaufsichtsrecht, S 15-17, 30-32, 36-46. Zur Zählung sogleich im Text. Zu Regulierung und Deregulierung (Intervention und Stärkung der Privatautonomie) als Mittel für die Schaffung eines Europäischen Binnenmarkts: Bratton / McCabery / Picciotto/Scott (Eds), International Regulatory Competition, bes part 3; van der Esch, CDE 1990, 499; Lurger, Regulierung und Deregulierung. Müller-Graff, NJW 1993, 13 (14); Rittner, JZ 1990, 838 (841 f); im Grundsatz schon ν Simson, Die Marktwirtschaft als Verfassungsprinzip in den Europäischen Gemeinschaften, in: Zur Einheit der Rechts- und Staatswissenschaften, 1967, 55 (62-68); Zuleeg, Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Gemeinschaften, in: Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ordnungsprobleme der Europäischen Gemeinschaften, 1978, 73 (80); der Sache nach auch Bleckmann, Europarecht, Rn 755-782. Zur zentralen Rolle der Privatautonomie als einer der vier Ecksteine einer europäischen Wirtschaftsverfassung: Basedow, CM LR 33 (1996) 1169 (1179 seq, 1181-1184). Aufgrund dieses Abbaus (hoheitlicher) Hindernisse, jedoch auch staatlicher Monopolbereiche, ist in der Gemeinschaft mit Fug und Recht von einem gewaltigen Schritt zum Primat einer Privatrechtsgesellschaft zu sprechen. Zu dieser im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsrecht monographisch Mayer / Scheinpflug, Privatrechtsgesellschaft.

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1. Teil - Grundlagen

Bereichen des Privatrechts, letztlich also die sekundärrechtliche Ausgestaltung. Andere Kernmaterien des Zivilrechts treten in der europarechtlichen Diskussion neben dem Schuldvertrags- und dem Gesellschaftsrecht (mit Kapitalmarktrecht) zurück. Entweder werden europarechtliche Bezüge nur für bestimmte Ausschnitte gesehen. Dies gilt für das Sachenrecht, in dem bisher vor allem die Kreditsicherheiten und ihre grenzüberschreitende Anerkennung im Europäischen Binnenmarkt diskutiert und als angleichungsbedürftig gesehen wurden.33 Oder sie werden auch von Befürwortern eines gemeineuropäischen Zivilgesetzbuches als Materien eingestuft, die in nationaler Gesetzgebungskompetenz verbleiben sollten, so das Familien- und Erbrecht.34 Weitere Kernmaterien in den nationalen Privatrechten bilden das Arbeitsrecht, das Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, das jedenfalls insoweit privatrechtsrelevant ist, als es Wirksamkeit und Ausgestaltung von Verträgen beeinflußt. Alle bilden Kernstücke des Europäischen Schuldvertragsrechts. 12 Das Europäische Arbeitsrecht ist bisher mit seinen Gleichbehandlungssätzen (3.01, 3.10, 3.11) und den Regeln zum Betriebsübergang (3.31) am stärksten ins allgemeine Bewußtsein getreten,35 also mit arbeitsvertraglichen Regeln. Hinzu treten vor allem die Arbeitnehmerentsende-Richtlinie (3.60), die eine Anwendung zwingender schuldrechtlicher Regelungen des Gastlandes anordnet, die Nachweis-Richtlinie (zur Aufklärungspflicht in Arbeitsverträgen, 3.20), die Massenentlassungs-Richtlinie (3.30) sowie die Arbeitszeit-Richtlinie (3.40) und die EGRichtlinien zum Arbeitsschutz (3.43 bis 3.46, auch 3.47). Die zuletzt genannten EG-Richtlinien enthalten zwar primär behördlich durchzusetzende Verhaltensanforderungen, ihre Standards fließen jedoch - zumindest in einigen Mitgliedstaaten, wie Deutschland - auch in den Pflichtenkanon des jeweiligen Arbeitsvertrages ein,36 gestalten diesen also aus. Europäisches Arbeitsrecht zählt folglich in den genannten Kernmaterien zum Europäischen Schuldvertragsrecht - Besonderer Teil - und ist in diesem Umfang im folgenden weitestgehend mit einzubeziehen. 33

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Vgl nur monographisch: Kieninger, Mobiliarsicherheiten im Europäischen Binnenmarkt (Hauptthesen in ERPL 1996, 41); ν Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht; auch Seif, Der Bestandsschutz besitzloser Mobiliarsicherheiten im deutschen und englischen Recht, 1997, S 274-310 (Folgerungen für Harmonisierungsfragen); zu den persönlichen Sicherheiten, die dem Europäischen Schuldvertragsrecht zuzurechnen wären, vgl den Überbl über die (noch heute unrealisierten) Projekte bei Drobnig, Die Harmonisierung der persönlichen Sicherungsrechte in der EWG, FS Bärmann 1975, 249-263. So (zumindest „zunächst einmal") auch der dezidierteste Verfechter der Idee von einer Kodifizierung des Europäischen Privatrechts: Tilmann, FS Oppenhoff 1985, 495 (503); vgl ansonsten die weiteren Nachw bei Hirte, Wege, S 15 Fn 25. Vgl näher § 6 Einl Rn 39, 44; für die ganze Palette der Regelungsmaßnahmen des Europäischen Schuldvertragsrechts vgl überblicksweise unten Rn 199-215. Statt aller: Nipperdey, Die privatrechtliche Bedeutung des Arbeitsschutzrechts, FS Reichsgericht 1929, Bd IV, 203 (215-226); Hanau, Arbeitsvertragliche Konsequenzen des Arbeitsschutzes, FS Wlotzke 1996, 37; Wank / Börgmann, Deutsches und europäisches Arbeitsschutzrecht - eine Darstellung der Bereiche Arbeitsstätten, Geräte- und Anlagensicherheit, Gefahrstoffe und Arbeitsorganisation mit Abdruck der einschlägigen EG-Richtlinien, 1992, S 11; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht5, 1998, S 342f.

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

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Der primär- und sekundärrechtliche Befund zum überragenden Gewicht des Eu- 13 ropäischen Schuldvertragsrecht wird eindrucksvoll untermauert durch einen Blick auf diejenigen Materien, in denen sich zeigt, daß die Unternehmen die eigentlichen Regelungsadressaten des gesamten Europäischen Schuldvertragsrechts sind. 2. Europäisches Schuldvertragsrecht als Unternehmensaußenrecht (Recht der Unternehmensgeschäfte) Das Handelsrecht des Handelsgesetzbuches - jenseits von Gesellschafts- und 14 Kapitalmarktrecht - scheint nur in erstaunlich wenigen Bereichen Gegenstand Europäischer Harmonisierungsbemühungen geworden zu sein. Abgesehen vom Bilanzrichtlinien-Gesetz, das Kernbereiche des Europäischen Gesellschafts- und Unternehmensrechts in deutsches Recht umsetzte (§§ 238-341o HGB), 3 7 handelt es sich vor allem um die Rechtsscheinregelung in § 15 III HGB, die auf der 1. gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie beruht und über deren sachlichen Anwendungsbereich hinausreicht,38 und um das Handelsvertreterrecht (3.80). Der erste Schein trügt jedoch. Im Europäischen Recht wurde das Schuldvertragsrecht ganz im Gegenteil umfassend als ein Recht der Unternehmensgeschäfte ausgebildet, also als Unternehmensaußenrecht (sowie Arbeitsvertragsrecht). Es wurde also die Tendenz vorweggenommen, die für das deutsche Handelsrecht vor allem Karsten Schmidt anmahnt:39 Handelsrecht wurde als Unternehmensaußenrecht, dh als Recht der beruflich Tätigen oder Recht der Unternehmensgeschäfte, nicht als Kaufmannsrecht (mit all seinen historischen Zufälligkeiten) konzipiert. Das Europäische Schuldvertragsrecht ist also wie das Recht der Handelsgeschäfte (vor allem im Vierten Buch des Handelsgesetzbuches) ein Schuldvertragsrecht der beruflich Tätigen.40 An dieser Entwicklung sind drei Punkte bemerkenswert: Zunächst wurde der 15 Kaufmannsbegriff durch den des beruflich Tätigen ersetzt. Von noch grundlegenderer Bedeutung sind die anderen beiden Punkte: Das Europäische Schuldvertragsrecht wurde nicht als allgemeines Schuldvertragsrecht ausgestaltet, sondern allein als ein Sonderrecht der beruflich Tätigen; da es einen zwingenden Gestaltungsrahmen für ihre geschäftlichen Transaktionen vorgibt, handelt es sich um Unternehmensaußenrecht.41 Zugleich wurde dieses Sonderrecht jedoch grund37

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Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinien-Gesetz - BiRiLiG) vom 19. 12. 1985, BGBl 1985 I, S 2355. Baumbach / Hopt, § 15 HGB, Rn 1. Vgl dazu (insbes auch zur Reformdiskussion): K. Schmidt, Handelsrecht 4 ,1994, S 48-61 ; MiinchKomm {-Schmidt), § 1 HGB, Rn 116-121; und jüngst Henssler, Gewerbe, Kaufmann und Unternehmen - Herkunft und Zukunft der subjektiven Anknüpfung des Handelsrechts, ZHR 161 (1997) 12 (bes 44-50). Demgegenüber findet sich für die wenigen sachenrechtlichen Normen im HGB, etwa für die Regelung dinglicher Handelsgeschäfte in § 366 HGB, kein Pendant im EG-Recht. Unternehmensaußenrecht iwS ist als das Recht zu verstehen, das Außenbeziehungen spezifisch für Unternehmen (beruflich oder gewerblich) Tätige zum Gegenstand hat: so etwa für das Handelsrecht K. Schmidt (oben Fn 39) S 11 f, für das Gesellschaftsrecht:

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1. Teil - Grundlagen

sätzlich anders verstanden als im Handelsgesetzbuch. In diesem geht es im Recht der Handelsgeschäfte schwerpunktmäßig um eine Erleichterung des Handelsverkehrs (Stichwort: Beschleunigungsfunktion)42 - dies, obwohl auch im HGB durchaus die einseitigen Handelsgeschäfte als der Regelfall verstanden werden (§ 345 HGB), die meisten Regeln also nicht nur auf zweiseitige Handelsgeschäfte Anwendung finden.43 Das Handelsrecht des 19. Jh war vor allem Freiheitsrecht in dem Sinne, daß Ausnahmen von Regeln des Bürgerlichen Rechts statuiert wurden, die den Handelsverkehr in seinem prompten und reibungslosen Ablauf behindert hätten. Im Europäischen Schuldvertragsrecht wurde das Unternehmensaußenrecht demgegenüber in dem prominenteren der beiden Zweige als ein Schutzrecht zugunsten der schwächeren Vertragspartei in typischen Ungleichsgewichtslagen ausgestaltet.44 Aus dem „Handelsrecht des laissez faire" des 19. Jh wurde ein „Handelsrecht (genauer: ein Unternehmenaußenprivatrecht) der sozialen Bindung". Dennoch bildet auch das Europäische Schuldvertragsrecht selbst im Bereich dieser Schutzregeln gleichfalls ein Freiheitsrecht: Durch diese Schutzregeln werden nämlich für die grenzüberschreitend anbietenden Unternehmen zugleich Behinderungen im grenzüberschreitenden Verkehr ausgeräumt45 (um den Preis der Beachtung eines einheitlichen Minimumschutzstandards). Die Regeln mit Beschleunigungsfunktion, vor allem diejenigen, die allein zwischen Kaufleuten oder beruflich Tätigen Anwendung finden, fehlen demgegenüber im Corpus der vereinheitlichten Regeln. Ein binnenmarktgleicher Markt kann entstehen, ohne daß sie einheitlich hoheitlich vorformuliert werden. Wo der Bedarf besteht, schaffen die Kreise der beruflich Tätigen sie sich heute häufig selbst. Fraglich ist nur, ob nicht die Grundfreiheiten des Primärrechts diesen selbstgeschaffenen Klauselwerken in besonders weitgehendem Maße zum Durchbruch verhelfen.46

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Wiedemann, Gesellschaftsrecht - ein Lehrbuch des Unternehmens- und Verbandsrechts, Bd I: Grundlagen, 1980, S 21. Jedenfalls der zwingende Rahmen für diese Außenbeziehungen wird, wenn er, wie etwa das Kartellrecht (5.01 bis 5.08), spezifisch auf Unternehmen zugeschnitten ist, allgem als Unternehmensaußenrecht bezeichnet. Vgl statt aller: K. Schmidt (oben Fn 39) S 3 5 (auch die „Rechtsklarheit, Publizität und Vertrauensschutz" ist hierher zu rechnen, und die „Internationalität" ist für das Europäische Vertragsrecht selbstverständlich). Auch auf einseitige Handelsgeschäfte finden §§ 3 5 2 II, 3 5 5 - 3 5 7 , 3 5 8 - 3 6 1 , 362, 3 6 3 - 3 6 5 HGB, alle Regeln über den Handelskauf (außer β 3 7 7 - 3 7 9 HGB) und (außerhalb des Schuldvertragsrechts) die Gutglaubensvorschriften der §§ 3 6 6 f H G B Anwendung, allein auf zweiseitige Handelsgeschäfte die §§ 3 4 6 - 3 5 2 I, 353, 354, 3 6 8 - 3 7 2 , 3 7 7 - 3 7 9 HGB. Vgl Baumbach / Hopt, $ 3 4 5 HGB, Rn 1. Den zweiten Schwerpunkt bilden die schuldvertragsrechtlichen Regeln in zweiseitigen Unternehmensgeschäften, vor allem im Bereich der Europäischen Politiken, etwa mit den GVO. Siehe dazu unten § 8. Vgl nur Ulmer, J Z 1992, 1 (3 f). Zu Recht wird betont, daß Verbraucherschutz niemals die einzige Zielvorstellung ist; plakativ wird der Verbraucherschutz gar nur als „Nebenprodukt" („by-product") bezeichnet in: Bourgoignie / Trubek, Consumer Law, p. 2 0 0 seq; ähnlich Reich, Förderung und Schutz diffuser Interessen, S 36 („Huckepack"); sowie ν Hoffmann, ZfRV 36 (1995) 4 5 (49); Hommelhog AcP 192 (1992) 71 (72 f). Vgl dazu unten Rn 1 0 0 - 1 0 4 .

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

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Demnach stellt sich EG-Gesellschaftsrecht als Unternehmensorganisations- oder 16 -innenrecht dar, EG-Schuldvertragsrecht als Unternehmenstransaktionsoder -außenrecht. Unter diesem Gesichtspunkt verwundert es denn auch nicht, daß beide im Primärrecht gemeinschaftlich verfaßt sind: Beide Rechtsgebiete bilden nicht nur die Kernmaterien eines Europäischen Privatrechts, sie hängen auch aus europarechtlicher Sicht eng, fast untrennbar zusammen. Denn das EG-Gesellschaftsrecht gestaltet die Niederlassungsfreiheit, das EG-Schuldvertragsrecht vor allem die Dienstleistungsfreiheit aus. Beide Freiheiten sind eng miteinander verknüpft. Das zeigt sich schon in der Begriffsbildung, wenn von vier oder, wenn man die Zahlungsverkehrsfreiheit hinzunimmt, von fünf 7 Grundfreiheiten gesprochen wird. Denn offenbar tritt neben die Warenverkehrsfreiheit nach Art 30 EGV, die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 48 EGV sowie die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 73 EGV die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit nach Art 52 und 59 EGV als eine einzige, die dritte Grundfreiheit.48 Im EG-Vertrag kommt dies dadurch zum Ausdruck, daß in der Regelung der Dienstleistungsfreiheit weitgehend auf die Regelung der Niederlassungsfreiheit verwiesen wird (vgl Art 66 EGV). 49 Auch die ersten zentralen Urteile zur Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, die Versicherungsurteile,50 ergingen zu beiden (Teil-)Freiheiten gleichermaßen und stellten die Parallelitäten zwischen ihnen heraus. Und auch die auf der Grundlage von Art 57 EGV bzw Art 57 iVm 66 EGV erlassenen EG-Richtlinien betreffen regelmäßig beide Freiheiten.51 EG-Schuldvertragsrecht und EG-Gesellschafts- und -Unternehmensrecht gestalten demnach zusammengenommen eine einzige zusammenhängende Freiheit aus. Die gegenseitige Nähe beider Rechtsgebiete zeigt sich also im EG-Primärrecht ebenso wie bei ihrer Ausgestaltung im Sekundärrecht jeweils als Unternehmensrecht, als Unternehmensinnen- und als Unternehmensaußenrecht. Ein Schwerpunkt der Regelungstätigkeit der Gemeinschaft, vielleicht sogar der 17 wichtigste, liegt im Wirtschaftsrecht (verstanden primär als die Regulierung von

So die Begriffsbildung von Börner, Die fünfte Freiheit des Gemeinsamen Marktes: der freie Zahlungsverkehr, FS Ophüls 1965, 19 (19, 22); aufgenommen etwa von: Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Smits), Art 106 EWGV, Rn 1; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S 649; Oppermann, Europarecht, Rn 1379; krit Harz, Die Schutzklauseln des Kapital- und Zahlungsverkehrs im EWG-Vertrag, 1985, S 94 f. 48 Demgegenüber sieht Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Troberg), Vor Art 52-58 EGV, Rn 1 in der Niederlassungsfreiheit und der (Arbeitnehmer-)Freizügigkeit gemeinsam die zweite Freiheit, weil beide die Standortwahl zum Gegenstand haben. Regelungstechnisch hängen beide demgegenüber nicht zusammen. 4 9 Im einzelnen Geiger, Art 66 EGV, Rn 1 - 7 ; Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 66 EWGV, Rn 1-14. 5 0 EuGH 4. 12. 1986 - Rs 220/83 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung)·, 252/83 (Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung)·, 205/84 (Freier Dienstleistungsverkehr - Versicherung), 206/84 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung), Slg 1986, 3702; 1986, 3742; 1986, 3793; 1986, 3843. « Vgl etwa Geiger, Art 57 EGV, Rn 7 - 9 , Art 66 EGV, Rn 5. 47

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1. Teil - Grundlagen

Marktversagen und die staatliche Wirtschaftslenkung). 52 Dieses Gebiet betrifft nicht nur das Schuldvertragsrecht, 53 jedoch auch. Versteht man Schuldvertragsrecht, wie es durch die gemeinschaftsrechtlichen Regelungsakte nahegelegt wird, 54 als den rechtlichen Rahmen für den Abschluß von Schuldverträgen, also funktional, so sind zahlreiche klassisch als wirtschaftsrechtlich verstandene Regelungsakte in ihrer ganzen Breite zugleich auch Bestandteil des Europäischen Schuldvertragsrechts: so der gesamte Kanon der Gruppenfreistellungsverordnungen, so manche Teile des Kapitalmarktrechts (4.20, 4.21, 4.25), so die gesamte Regelung des öffentlichen Auftragswesens oder so auch das Vertragsrecht des geistigen Eigentums. 55

3. Europäisches Schuldvertragsrecht - gemeinschaftsrechtliche Begriffsbildung 1 8 Viele Regelungen des EG-Sekundärrechts werden in allen Mitgliedstaaten als schuldvertragsrechtlich verstanden, sie bilden den gesicherten Kernbestand eines Europäischen Schuldvertragsrechts. In Randbereichen bestehen jedoch Divergenzen. Eine so wichtige Europäische Regelungsmaßnahme wie die EG-Produkthaftungs-Richtlinie betrifft eine Frage, die etwa in Frankreich als schuldvertraglich verstanden wird 56 und für die solch ein Ansatz bekanntlich auch im deutschen Recht zumindest diskutiert wurde. 57 Der Umfang eines Europäischen Schuldvertragsrechts ist weniger leicht zu bestimmen als der eines Europäischen Gesellschaftsrechts, soweit man dieses nicht zum Unternehmensrecht erweitert; denn für das Europäische Gesellschaftsrecht äußerte sich der Europäische Gesetzgeber durch Benennung der EG-Richtlinien selbst zur Frage der Kategorienbildung. Für die Bestimmung der Grenzen eines Europäischen Schuldvertragsrechts steht nur der Ausgangspunkt außer Zweifel: Die Grenzziehung kann nicht (allein) anhand des nationalen deutschen Rechts erfolgen. Näher liegt schon ein rechtsvergleichender Ansatz. Zwar ist außerhalb des Anwendungsbereichs der einzelnen Gemeinschaftsrechtsakte auf rechtsvergleichende Befunde kein positives Europäisches Schuldvertragsrecht zu grün-

52

53 54 55 56

Berühmt geworden ist Jacques Delors Prognose, 80 % des Wirtschafts-, Sozial- und Steuerrechts werde im Jahre 2 0 0 0 auf EG-Primär- oder -Sekundärrecht beruhen: vgl nur Götz, NJW 1992, 1849 (1850). Zur Richtigkeit dieser Annahme vgl die Ausführungen unten Rn 89. Vgl näher unten Rn 22, 89. Hierzu sogleich unter 3 und 4. Vgl näher vor allem § 8. Vgl etwa Hager, Zum Schutzbereich der Produzentenhaftung, AcP 184 (1984) 413 (429-431); Sack, Das Verhältnis der Produkthaftungsrichtlinie der EG zum nationalen Produkthaftungsrecht, VersR 1988, 439 (440); Sonnertberger, Neue Wege der Produzentenhaftung im französischen Recht, FS Steindorff 1990, 7 7 7 (778-781).

" Vgl etwa B G H Z 51, 91 ( 9 2 - 9 7 ) ; Sack, VersR 1988, 4 3 9 (440). Wenn der Bereich im folgenden dennoch ausgeklammert wird, so auch deswegen, weil auch der EuGH bei der Auslegung der einschlägigen Rechtsakte die sog action directe - implizit und aufgrund autonomer Auslegung - nicht als vertragsrechtlich qualifiziert: EuGH 27. 9. 1988 Rs 189/87 (Kalfelis), Slg 1988, 5 5 6 5 (5584 f).

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

15

den.S8 Die Auslegung des positiven Europäischen Schuldvertragsrechts, wie es sich vor allem in diesen Regelungsmaßnahmen findet, erfolgt jedoch unstreitig (auch) rechtsvergleichend. Und die Bestimmung der Grenzen setzt eine Ermittlung der wesentlichen gemeinsamen Strukturen voraus, letztlich also Auslegung. Wichtig ist allerdings: Nicht gefragt ist Rechtsvergleichung im nicht harmonisierten Bereich. Anzusetzen ist an den gesetzgeberischen Maßnahmen im Europäischen Schuldvertragsrecht. Dabei sind für eine Grenzziehung Gemeinschaftsrechtsakte aussagekräftiger, die nach ihrem Anspruch das gesamte Schuldvertragsrecht zum Gegenstand haben. Am schlüssigsten können daher die Grenzen des Europäischen Schuldvertrags- 19 rechts unter Rückgriff auf das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen vom 19. 6. 1980 (EVÜ, 1.01) gezogen werden. Es handelt sich um die einzige „Europäische" Regelungsmaßnahme im Schuldvertragsrecht mit Querschnittscharakter, die einzige also, die das Schuldvertragsrecht - wenn auch lediglich unter einem bestimmten Aspekt - umfassend regelt. Es handelt sich insoweit auch nicht um irgendeinen beliebigen Gesichtspunkt, sondern um den eigentlichen Ausgangspunkt: Zwar besteht das EG-Schuldvertragsrecht zum größten Teil aus Sachrecht und regelt das Ubereinkommen nur das Kollisionsrecht. Europäisches Schuldvertragsrecht wird freilich - wie allgemein Europäisches Privatrecht - auf absehbare Zeit durch das Zusammenspiel verschiedener Rechtsordnungen geprägt sein, das jedoch so zu gestalten ist, daß die Marktteilnehmer wie in einem Binnenmarkt agieren können. Daher bildet die Frage des Zusammenspiels, also die kollisionsrechtliche Frage, eine in jedem Einzelfall zu beantwortende Kardinalfrage.59 Ebenfalls unschädlich ist, daß das Übereinkommen keine EG-Regelungsmaßnahme im technischen Sinne darstellt; denn in der praktischen Anwendung kommt es einer solchen - abgesehen von der (noch) fehlenden Auslegungskompetenz des EuGH - sehr nahe.60 4. Europäisches Schuldvertragsrecht als Transaktionsrecht (rechtlicher Rahmen für Schuldverträge) Der Begriff des Schuldvertragsrechts wird in diesem Übereinkommen weit und - in 20 bester rechtsvergleichender Tradition - funktional gefaßt. Nicht nur die Materien, die im Ersten und Zweiten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt sind, werden dem Schuldvertragsrecht zugerechnet. Wichtig ist vielmehr, ob ein Rechtsgebiet als rechtlicher Rahmen für Schuldverträge fungiert.61 Manche richten, wie etwa Kartell- oder Währungsrecht, Wirksamkeitshindernisse auf (vgl § 1 GWB und § 3 WährG). Andere bilden, wie etwa die Insiderhandelsregeln und die wertpapierhandelsrechtlichen Wohlverhaltensregeln, sowohl den Ansatzpunkt öffentlich58 59

60 61

Siehe oben Fn 4 und unten Rn 187-192. Zu den verschiedenen kollisionsrechtlichen Gehalten von EG-Primär- und EG-Sekundärrecht näher unten Rn 45, 59-66, 110-120. Im einzelnen unten 1.01 Rn 8. Plastisch: Kirchner, in: Weyers (Hrsg), Europäisches Vertragsrecht, 103 (106) (Europäisches Vertragsrecht entsteht „von den Rändern her" und ist so zu verstehen).

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1. Teil - Grundlagen

rechtlicher Aufsicht als auch die Grundlage zivilrechtlicher Pflichten im Verhandlungs- und/oder Vertragsabschlußstadium (vgl §§ 12-14 und 31 f WpHG), teils auch, wie die Arbeitsschutzregeln, eine Konkretisierung des zivilrechtlichen Pflichtenkanons im bestehenden Vertrag. Gemeinsam ist all diesen Regeln, daß die jeweilige Rechtsfolge der betroffenen Partei nicht unabhängig von Vertragsverhandlungen oder Vertragsabschluß, sondern in Abhängigkeit von diesen auferlegt wird. 21 Die zentrale Vorschrift, auf die sich solch ein erweitertes Verständnis des Begriffs „Schuldvertragsrecht" stützt, bildet Art 7 EVÜ (umgesetzt in Art 34 EGBGB). Schuldvertragsrecht im Sinne des Europäischen Vertragsrechtsübereinkommens ist also das Recht, das Parteien als teils (national oder international) dispositiven, teils (national oder international) zwingenden Gestaltungsrahmen vorfinden. Dieser Gestaltungsrahmen gilt für die Verhandlungsphase, jedenfalls jedoch für Abschluß und Durchführung des Vertrages. In seinem weitesten Umfang gilt dieser Rahmen, wie sich aus Art 5 EVÜ (Art 29 EGBGB) ergibt, nur für beruflich Tätige (Unternehmen). Schuldvertragsrecht ist also das gesamte unmittelbar transaktionsbezogene Recht. Dabei soll die Vertragsanbahnung miteinbezogen werden, weil diesbezügliche Regeln, soweit sie nicht Schwächen des Deliktsrechts ausgleichen sollen, ganz überwiegend in verschiedenen Vertragsstaaten nach den Grundsätzen des Vertragsrechtsübereinkommens angeknüpft werden.62 Dem Ubereinkommen liegt also auch insoweit ein weiter und funktionsgerechter Vertragsbegriff („Sonderrechtsverhältnis") zugrunde. 2 2 Bezogen auf einzelne Rechtsgebiete ist die Abgrenzung zwischen transaktionsrechtlichen Regeln und Normen, die unabhängig von rechtsgeschäftlichen Transaktionen eingreifen, unterschiedlich problematisch. EG-Richtlinien, die Verbraucher bei Individualabsprachen oder in Klauselverträgen schützen, zählen zweifelsohne zum so verstandenen Schuldvertragsrecht. Gleiches gilt jedoch etwa auch für die Regeln, die Standardverträge für bestimmte kartellierende Absprachen zwischen Unternehmen zum Gegenstand haben. Schwierig ist eine Abgrenzung in anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts, vor allem im Bereich des Kapitalmarktrechts. Regeln und Materien des Wirtschaftsrechts sind entweder organisationsbezogen oder vertragsbezogen oder - zwischen beidem - marktbezogen. Organisationsbezogene Regeln, insbesondere die Aufsichtsrechte, die Solvenz und Liquidität des jeweiligen Marktteilnehmers sicherstellen sollen,63

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Vgl Frick, Culpa in contrahendo - eine rechtsvergleichende und kollisionsrechtliche Studie, 1 9 9 2 , S 1 5 7 - 2 3 1 ; für das deutsche IPR vgl Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 2 6 2 f. Außerdem wird die Vertragsabschlußphase in zahlreichen EG-Richtlinien des Schuldvertragsrechts ebenfalls geregelt. Vgl die Übersichten bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 2 . Teil, 2 . Kap (für das Bankaufsichtsrecht, vor allem mit der Eigenmittel-, der Solvabilitäts-, der Großkredit-, der Konsolidierungs- und der Einlagensicherungs-Richtlinie sowie, für Wertpapierdienstleister, der Kapitaladäquanz- und der Anlegerentschädigungs-Richtlinie); sowie Hopt / Wymeersch (oben Fn 19) B o o k 1, Part VI bzw die bei Beck erschienene Textsammlung „Europäische Wirtschaftsgesetze", N r 3 4 0 - 3 4 8 (für das Versicherungsaufsichtsrecht, grundlegend jeweils die erste Generation der Versicherungs-Richtlinien, die für die Solvenzaufsicht in den zwei folgenden Generationen nur verfeinert wurde). In der Pauschal-

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

17

stehen dem Gesellschaftsrecht nahe und können im folgenden ausgeblendet bleiben. Marktbezogene Regelungen 6 4 können Rechte und Pflichten entweder unabhängig von Vertragsabschluß, Vertragsverhandlung oder sonstigem geschäftlichen Kontakt statuieren oder in Abhängigkeit von solchen Kategorien. Im ersten Fall - vor allem bei den zahlreichen Publizitätsregeln - ist der Bezug zum Schuldvertragsrecht allenfalls ein mittelbarer. 6 5 Diese Regeln k o m m e n zur Anwendung, weil ein Markt in Anspruch g e n o m m e n wurde, ohne daß es zu einer Transaktion g e k o m m e n sein muß. So bildet in Art 4 der EG-VerkaufsprospektRichtlinie 6 6 das öffentliche Angebot den Anknüpfungspunkt, das kein Angebot iSv § 1 4 5 B G B darstellt. 6 7 Diese Regeln m ö g e n auf Transaktionen ausgerichtet sein, ihr Eingreifen setzt solche jedoch nicht voraus. Demgegenüber finden sich auf dem Sekundärmarkt zentrale (ebenfalls marktbezogene) Regelungen, die eine bestimmte Pflicht nur im Rahmen von Vertragsverhandlungen oder gar nur für den Vertragsabschluß statuieren, Pflichten also in Abhängigkeit v o m Eintritt in Vertragsverhandlungen regeln: So betreffen die Wohlverhaltensregeln der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie ( 4 . 2 0 ) die Beratung bei Vertragsanbahnung; und so geht das wichtigste Verbot der Insiderhandels-Richtlinie (4.21) alternativ dahin, einen Vertragsabschluß zu unterlassen oder aber die Insiderinformation (spätestens beim Vertragsabschluß) offenzulegen. Diese zweite Kategorie marktbezogener Regelungen darf grundsätzlich nicht aus dem Bereich des Europäischen Schuldvertragsrechts ausgeklammert werden.

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reise-Richtlinie bildet die Solvenzsicherung eher einen Annex der schuldvertragsrechtlichen Regelung (vgl daher unten 4.01 Rn 34 f). Für einen juristischen Begriff des Marktes und marktbezogener Regeln vgl jüngst vor allem Weber, Kapitalmarktrecht, bes S 13-16 et passim. So können Werbeaussagen Verbrauchererwartungen begründen, die im Rahmen der EGProdukthaftungs-Richtlinie, des Gemeinsamen Standpunktes für eine Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (2.12) und des Vorschlages für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (2.13) erheblich sind. Vgl für die erstgenannte EG-Richtlinie: Hollmann, Die EGProdukthaftungs-Richtlinie, DB 1985, 2 3 8 9 (2394); Rolland, Produkthaftungsrecht, 1990, S 132; Schlechtriem, Angleichung der Produkthaftung in der EG - zur Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25. 7. 1985, VersR 1986, 1033 (1036). Der Vorschlag für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (2.13) lehnt sich im insoweit entscheidenden Kriterium der „berechtigten Erwartungen" des Verbrauchers an die EGProdukthaftungs-Richtlinie an (vgl Art 1 III VRL und Art 6 I RL). Der Gemeinsame Standpunkt für eine Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (2.12) weist mit Art 1 II lit. e und Art 5 einen eigenen Haftungstatbestand für fehlerhaft durch Werbung geweckte Erwartungen auf, vgl 2.12 Rn 3 0 - 3 6 . Damit haben auch die Normen, die Werbeaussagen unabhängig von Vertragsanbahnung regulieren, mittelbar vertragsrechtliche Relevanz. Richtlinie des Rates 8 9 / 2 9 8 / E W G vom 17. 4. 1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, AB1EG 1989 L 124/8. Zum Begriff vgl Carl / Machunsky, Der Wertpapier-Verkaufsprospekt, Gesetz - Kommentar - Anhang, 1992, S 34 f; Paskert, Informations- und Prüfungspflichten bei Wertpapieremissionen - Verkaufsprospekt, Börsenzulassungsprospekt, Untemehmensbericht, 1991, S 2 0 f; Weber, Kapitalmarkt-, Börsen- und Investmentrecht, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, F.III, Rn 2 0 - 2 8 ; ders, Kapitalmarktrecht, S 203-211.

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1. Teil - Grundlagen

23 Die ausgefeilteste Regelung des Vertragsanbahnungsstadiums, zugleich wohl auch die vom Transaktionsvolumen her bedeutendste, enthalten die EG-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen (5.20 und besonders 5.22 bis 5.25). Umgekehrt wirken auch Regelkomplexe auf den Vertragsabschluß und -inhalt ein, in denen die Produktbeschreibung im Vordergrund steht und mit denen primär technische Handelshemmnisse abgebaut werden sollen. Dies gilt etwa im Bereich der Bauprodukte, teils auch im Arbeits- und allgemeiner im Gesundheitsschutz.68 In diesen Bereichen liegt es nahe, die Auswahl stärker exemplarisch, nicht erschöpfend anzulegen. In ihnen geht es primär um die Produktgestaltung. In ihnen wirkt die zentrale Zielvorstellung des Europäischen Schuldvertragsrechts, die Idee einer Erstreckung der Privatautonomie über die Grenzen oder einer Setzung gemeinschaftsrechtlicher Schranken für die Privatautonomie, weniger prägend als in den Hauptmaterien des Europäischen Schuldvertragsrechts. Den Gesundheitsschutz betreffen schwerpunktmäßig auch die EG-Etikettierungs-Richtlinien, die deswegen ebenfalls ausgespart bleiben können.69

III. Das Harmonisierungskonzept

des Europäischen

Schuldvertragsrechts

24 Das Harmonisierungskonzept der EG-Kommission - und damit auch das System des Europäischen Schuldvertragsrechts - erhält überwiegend schlechte Noten.70 Bei Betrachtung allein des Europäischen Schuldvertragsrechts und des diesbezüglichen Harmonisierungsstandes ist dies keineswegs zwingend. Es muß nur das Harmonisierungskonzept näher beleuchtet werden (1), um zentrale Kritikpunkte als zu pauschal und auch sachlich unzutreffend zurückzuweisen und um den Vorwurf fehlender Kohärenz und Eignung sowie einseitiger Verbraucherorientierung jedenfalls für das Schuldvertragsrecht zu entkräften (2). Neben die destruktive Kritik tritt die alternative Modellbildung. Die wichtigsten Alternativen (3) erweisen sich als unterlegen. 1. Das Konzept der

Gemeinschaft

a) Mindestharmonisierung im Privatrecht 25 Im Weißbuch von 1985 verkündete die EG-Kommission eine „Neue Strategie", einen wesentlich geänderten Harmonisierungsansatz: Harmonisiert werden sollte (fortan) nur (noch) das für unabdingbar erachtete Minimum, also ein Gerüst mit den wichtigsten Eckpunkten; im Rest sollen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Regelungen gegenseitig anerkennen.71 Damit wurde die Idee, Rechtsgebiete vollVgl im einzelnen unten § 6 Einl Rn 5, 52. Vgl im einzelnen unten Rn 201. 7 ° Etwa Hinz, ZEuP 1994, 553 (557 f); Taupitz, J Z 1993, 533 (535) (Privatrecht allgem); demgegenüber mustergültig in seiner Beschränkung auf eine gezielte Einzelkritik der Rechtsakte: Hommelhog AcP 192 (1992) 71 (81-88). 71 Vollendung des Binnenmarktes: Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM(85) 310 endg, S 18 f, 2 7 et passim, aufbauend auf der integrationsfreundlichen 68

69

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

19

ständig durchzuharmonisieren, zugunsten eines Harmonisierungsansatzes verworfen, der allein den unverzichtbaren Mindestbestand erfaßt. Vereinheitlichungsbemühungen mußten fortan inhaltlich gerechtfertigt werden. Sie müssen für die Förderung binnenmarktähnlicher Verhältnisse notwendig erscheinen. Angleichung wird nicht mehr als Wert an sich gesehen. Die Rechtfertigung für diese neue Strategie ist vielgestaltig. Das Konzept stand im Einklang nicht nur mit dem Subsidiaritätsprinzip (vor allem) der katholischen Soziallehre, sondern auch mit einem starken, wohl sogar dem vorherrschenden Trend in Rechtsvergleichung und Harmonisierungsbewegung. 72 Zudem kam dieses Konzept ökonomischen Effizienzüberlegungen entgegen, die dahin gehen, daß auch Gesetzgeber ökonomisch umso effizienter handeln (umso effizientere Regeln suchen), je lebhafter die gegenseitige Konkurrenz ist, der sie ausgesetzt sind (je offener sie ihre Grenzen halten). 73 Mit anderen Worten: Was für Unternehmen als eine unverzichtbare Grundlage ökonomisch effizienten Handelns universal anerkannt ist, wurde auch für Gesetzgeber bedeutsam. Zugleich wurde der Gefahr eines „race to the bottom", des sog Delaware-Effekts, einer Angleichung an die laxesten Standards, 74 dadurch (teilweise) begegnet, daß jeweils zu-

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Rspr des EuGH, die bei Mindestvergleichbarkeit nationaler Regeln jede auch faktische Behinderung grenzüberschreitender Angebote untersagte. Für den Warenverkehr: EuGH 20. 2. 1979 - Rs 120/78 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 649; EuGH 12. 3. 1987 Rs 178/84 (Reinheitsgebot für Bier), Slg 1987, 1262 (1273-1276); und später entsprechend für den Dienstleistungssektor: EuGH 4. 12. 1986 - Rs 220/83 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung)·, 252/83 (Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung)·, 205/84 (Freier Dienstleistungsverkehr - Versicherung), 206/84 (.Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung), Slg 1986, 3702 (3709); 3742 (3748 f); 3793 (3803-3809); 3843 (3850); zur Neuen Strategie: Bruha, ZaöRV 46 (1986) 1; Hayder, RabelsZ 53 (1989) 622 (629-635). Behrens, RabelsZ 50 (1986) 19; ν der Groeben, NJW 1970, 359 (bes 361); Taupitz, JZ 1993, 533 (537). Vgl nur Bratton / McCahery / Picciotto / Scott (Eds), International Regulatory Competition; Η. Schmidt, in: Buxbaum / Hertig / Hirsch / Hopt (Eds), European Business Law, 51 (51-60); Streit, FS Mestmäcker 1996, 521; ähnlich (jedoch stärker von der bestehenden Struktur der Gemeinschaft her argumentierend) Ehlermann, Integration 1995, 11 (17-21). Dazu und zum Gegenszenario („Race to the Bottom - Climb to the Top"), des Wettbewerbs, der zu den best ausgewogenen Schutzstandards führt: Coffee, The Future of Corporate Federalism - State Competition and the New Trend toward de facto Federal Minimum Standards, 8 Cardozo L.Rev. 759 (1987); Fox, The Role of the Market Model in Corporate Law Analysis - a Comment on Weiss and Winter, 76 Cal.L.Rev. 1015 (1988); Romano, Law as a Product - some Pieces of the Incorporation Puzzle, 1 Journal of Law, Econonomics & Organization 225 (1985); dies, The Genius of American Corporate Law, 1993; aus dem europäischen Schrifttum: Kirchner, in: Weyers (Hrsg), Europäisches Vertragsrecht, 103 (116-121); Meyer-Schatz, American Legal Harmonization from a European Perspective, in: Buxbaum / Hertig / Hirsch / Hopt (Eds), European Business Law, 61 (69-79). Aus der jüngeren Literatur zum Konzept des Wettbewerbs der Rechtsordnungen: Antonioiii Deflorian, Competizione e circolazione dei modelli giuridici; Brattati / McCahery / Picciotto / Scott (Eds), International Regulatory Competition; Ehlermann, Integration 1995, 11; Lurger, Regulierung und Deregulierung, S 83-102; Merkt,

26

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1. Teil - Grundlagen

mindest ein Sockelbestand an einheitlich geltenden Schutznormen vorgesehen wurde. Das Konzept der Minimumharmonisierung wird daher zwar möglicherweise in den konkreten Anwendungsbeispielen kritisiert, weil etwa die Erforderlichkeit der Harmonisierung nicht hinreichend dargetan sei; im Grundsatz überzeugt es jedoch in hohem Maße.75 Denn es erlaubt weiterhin nationale Besonderheiten, so daß unterschiedliche Systeme miteinander in Wettbewerb treten können; umgekehrt vermeidet es jedoch neue Behinderungen grenzüberschreitender Transaktionen, da strengere nationale Regeln nur inländische Anbieter treffen. Diese mögen dann den nationalen Gesetzgeber von der mangelnden Kompetitivität bestimmter strengerer nationaler Regeln im internationalen Wettbewerb (der Rechtssysteme) überzeugen. Ihre Lobbies sind dazu auch am ehesten im Stande. b) Die Umsetzung im Schuldvertragsrecht: Harmonisierung allein des international zwingenden Schuldrechts 27 Im Schuldvertragsrecht wirkt sich das Konzept der Minimumharmonisierung nicht nur dahin aus, daß die Schutzstandards in den einzelnen harmonisierten Regelungskomplexen weniger flächendeckend ausgebildet werden (sollen). Vielmehr sind Harmonisierungsbemühungen überhaupt nur in ausgewählten Bereichen zu konstatieren. Mit Ausnahme des Handelsvertreterrechts (3.80) sind nur Regelungsfragen harmonisiert worden, für die keine Rechtswahlfreiheit besteht, die Parteien also das anwendbare Recht (nach dem in den Mitgliedstaaten einheitlich geltenden Kollisionsrecht) nicht frei wählen können. Umgekehrt wurden jedoch diese Regelungsfragen auch fast lückenlos harmonisiert. Im Schuldvertragsrecht ist der Schnitt zwischen kaum behindernden nationalen Normen und behindernden nationalen Normen ungewöhnlich scharf zu ziehen, schärfer als in jedem anderen Rechtsgebiet. Kaum behindernd wirken die durch Rechtswahl abwählbaren nationalen Normen, potentiell erheblich behindernd wirken demgegenüber die international zwingenden nationalen Normen. Ausnahmen bilden allein das Arbeitsrecht76 und diejenigen Rechtsgebiete, die - wie etwa das Mietrecht - mit ihren Schutznormen regelmäßig nur rein interne Sachverhalte erfassen. Mit anderen Worten: Die Rechtsgebiete mit hohem Behinderungspotential wurden, wenn sie zudem potentiell eine nicht unerhebliche grenzüberschreitende Dimension aufwiesen, in ihrem unabdingbaren Sockelbestand harmonisiert. Ob in der Tat immer der Sockelbestand richtig bestimmt und inhaltlich optimal geregelt wurde, ist eine gesonderte Frage. Sie bleibt für jeden Einzelakt stets diskussionswürdig. RabelsZ 5 9 (1995) 5 4 5 ; Reich, C M L R 2 9 ( 1 9 9 2 ) 8 6 1 ; Sun / Pelkmans, Journal o f C o m mon Market Studies 1 9 9 5 , 6 7 ; speziell für die Ausfuhr Roth, Z H R 1 5 9 (1995) 7 8 ; skeptisch gerade für den Bereich des Vertragsrechts: Basedow, C M L R 3 3 (1996) 1 1 6 9 (1184-1186). 75

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Jüngst bestechend, wenn auch eher implizit: Kirchner, in: Weyers (Hrsg), Europäisches Vertragsrecht, 1 0 3 ( 1 1 7 - 1 2 1 , 1 3 2 f). Dazu und zur Begr dieser Ausnahme vgl unten § 6 Einl Rn 8 - 1 3 .

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

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Der genannte Schnitt ist viel klarer als ein zweiter, den der EuGH in seiner Keck- 2 8 Rechtsprechung entwickelte, in dem - vor allem für das Recht des unlauteren Wettbewerbs - zwischen Verkaufsmodalitäten und Produktnormen unterschieden wird. Dieser Schnitt wird zwar für das Europäische Privatrecht viel diskutiert, ist jedoch für den Harmonisierungsansatz wenig bedeutsam (geworden). Im Schuldvertragsrecht ist außergewöhnlich klar, welches die notwendigen Eck- 2 9 punkte sind: Diese liegen dort, wo einerseits Allgemeininteressen und/oder Interessen einer schwächeren Vertragspartei zu schützen sind und wo andererseits die Vielfalt von international zwingend durchgesetzten Schutzstandards für die Unternehmen ein erhebliches Behinderungspotential schafft, von dessen Unwägbarkeiten sie durch Vereinheitlichung der Schutzstandards befreit werden können. Das Harmonisierungskonzept im Europäischen Schuldvertragsrecht erschließt sich daher am stringentesten beim Blick auf das Zusammenspiel von nationalem Recht mit den primärrechtlichen und sekundärrechtlichen Vorgaben:77 Schuldvertragsrechtliche Regelungen finden sich im EG-Recht praktisch ausschließlich in den Bereichen, in denen nationales Recht binnenmarktgrenzüberschreitende Transaktionen (erheblich) behindern kann, möglicherweise jedoch nach der Dogmatik zu den Maßnahmen gleicher Wirkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (unten § 2 11-3), also trotz Behinderungswirkung fortbestehen könnte. Eine erhebliche Behinderung ist nach der EuGH-Rechtsprechung - unmittelbar einsichtig - allein bei denjenigen Normen des nationalen Schuldvertragsrechts zu befürchten, die international zwingend wirken, also auch in der grenzüberschreitenden Sachverhaltsgestaltung nicht durch Rechtswahl abbedungen werden können (unten § 2 I 4-5). Diese Bereiche - und nur diese - sind im Schuldvertragsrecht weitgehend durch EG-Sekundärrecht harmonisiert (mit den genannten signifikant anders gelagerten Ausnahmen). Dies wirkt sich dann dahingehend aus, daß in diesen harmonisierten Bereichen nationale Vorschriften mit behindernder Wirkung unzulässig geworden sind (unten § 2 II 2). Heute sind die wichtigsten möglichen (nationalen) Behinderungen teils schon 3 0 durch Primärrecht gänzlich untersagt, etwa im Bereich der Art 73 ff EGV. Die anderen sind Gegenstand von Rechtsangleichungsmaßnahmen geworden. Es wird also ein schlüssiges System der Harmonisierung der wesentlichen Eckpunkte erkennbar: wesentlich aus Sicht der grenzüberschreitend anbietenden Unternehmen, weil in diesen Punkten die schwersten Behinderungen drohen und diese durch Harmonisierung ausgeräumt werden; wesentlich jedoch auch aus der Sicht der anderen Vertragspartei und der Allgemeinheit, weil diejenigen Normen harmonisiert wurden, die offensichtlich ihre wichtigsten Interessen schützen, so wichtig, daß die Gesetzgeber auf ihre Durchsetzung auch im internationalen Verkehr nicht verzichten wollen. Einzelne Harmonisierungsmaßnahmen mögen inhaltliche Schwächen aufweisen. Die Abgrenzung zwischen international zwingenden Normen und Normen, die einer Rechtswahl zugänglich sind, mag in Art 5 - 7 EVU in manchen Einzelfragen nicht völlig überzeugend gelöst sein. Insgesamt ist der Harmonisierungsansatz jedoch sehr stimmig durchgeführt.

77

Dazu daher sogleich genauer unten § 2 .

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1. Teil - Grundlagen

2. Kritik am Konzept der Gemeinschaft 31 Wenn das Europäische Schuldvertragsrecht dennoch sehr negativ bewertet wird, so liegt dies auch daran, daß Kritiken für den heutigen Rechtszustand unzutreffend oder daß sie zu pauschal formuliert wurden. Solche Kritik verstellt den Blick für die wahrhaft neuralgischen Punkte, an denen Bestehendes fortzuentwickeln ist. a) Demokratiedefizit

und EG-Richtlinie als unpraktikables

Instrument

32 Zunächst wird und wurde eine so weitreichende Harmonisierungstrategie, wie sie die EG verfolgt, unter Hinweis auf die fehlende demokratische Legitimation des EG-Gesetzgebers kritisiert. Die nationalen Exekutiven schaffen durch Zusammenarbeit auf EG-Ebene Normen, die den Maßnahmen der nationalen Legislative sogar noch vorgehen.78 Die Kritik ist nach Einführung des Mitentscheidungsverfahrens gemäß Art 189b EGV nicht aufrecht zu erhalten. Die wichtigsten Kompetenzgrundlagen für Regelungsvorhaben im Europäischen Privatrecht Art 54, 57 und 100a EGV - setzen nämlich eine Mitentscheidung des Parlaments nach Art 189b EGV voraus (Art 54 II, 57 I, 100a I 2 EGV, anders nur Art 118a EGV). Das - direkt gewählte - 7 9 Europäische Parlament hat nach dieser Norm ein unumstößliches Vetorecht. Man mag das fehlende Alleinbestimmungs- oder Initiativrecht des Parlaments kritisieren. Zumindest soweit Rechtsakte zustande gekommen sind, beruhen sie jedoch auch auf einer umfassenden parlamentarischen Zustimmung. 33 Sodann wurde kritisiert, das Instrument der EG-Richtlinie sei zu kompliziert: Dies gelte für das Nebeneinander von EG-rechtlichem Hintergrund und nationaler (Umsetzungs-)Norm;80 zudem seien EG-Richtlinien häufig so detailliert,

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Neben den zahlreichen Stellungnahmen im öffentlichrechtlich ausgerichteten Schrifttum: Everting, FS Steindorff 1990, 1154 (1165); Möschel, Politische Union für Europa Wunschtraum oder Alptraum?, J Z 1992, 877 (877); Taupitz, J Z 1993, 533 (536); auch noch nach Inkrafttreten des Unionsvertrages findet sich diese Kritik häufig sehr pauschal: vgl nur Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Bieber), Art 4 EGV, Rn 9. Bestehen bleibt allerdings noch das sog interne Demokratiedefizit des Europäischen Parlaments, die fehlende Gleichheit im Zählwert der Stimmen, dh der Repräsentation der Bürger verschiedener Mitgliedstaaten. Dazu (auch zu den schärferen verfassungsrechtlichen Anforderungen im innerstaatlichen Bereich) statt aller: Emmert, Europarecht, S 1 9 6 - 2 0 1 ; sowie die Begr des Nichtannahmebeschlusses in BVerfG EuGRZ 1995, 5 6 6 . Dieses Defizit wird jedoch als ungleich weniger gewichtig eingestuft und weniger diskutiert als die (inzwischen minimierten) Defizite bei der Entscheidungskompetenz des Europäischen Parlaments: vgl nur Bieber, Das Gesetzgebungsverfahren der Zusammenarbeit gemäß Art 149 EWGV, NJW 1989, 1395 (1395); Groeben / Thiesing / Ehlermann {-Bieber), Art 4 EGV, Rn 9 ; Hilf, Die rechtliche Bedeutung des Verfassungsprinzips der parlamentarischen Demokratie für den europäischen Integrationsprozeß, EuR 1984, 9 (bes 16-30). Taupitz, J Z 1993, 5 3 3 (535); präziser Blaurock, in: Starck (Hrsg), Rechtsvereinheitlichung durch Gesetze, 9 0 (109); die Argumente gegeneinander abwägend: Everting, FS Steindorff 1990, 1154 (1166 f).

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

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dal? nach Art 189 E G V die Verordnung das richtige Regelungsinstrument sei. 81 In der Tat ergeht im Bereich des Privatrechts EG-Sekundärrecht - außerhalb des Wettbewerbsrechts - vor allem als EG-Richtlinienrecht. 8 2 Mit dem zweiten Kritikpunkt wird der deutsche Wortlaut des Art 189 III E G V überbewertet, nach dem allein die „Ziele" festzulegen sind. Freilich verwies schon Ipsen auf den abweichenden Wortlaut der Norm im Englischen und in den romanischen Sprachen („results", „résultats" etc) und belegte damit, auf welch tönernen Füßen das Wortlautargument in der deutschen Literatur steht. 8 3 Spätestens die Väter des Unionsvertrages mußten davon ausgehen, daß EG-Richtlinien detailliert sein können. Wenn nun die Kommission dazu verpflichtet wurde, sich im Privatrecht des Instruments der Richtlinie zu bedienen (und nicht der unmittelbar anwendbaren Verordnung, neben die kein nationales Gesetz tritt), so wegen zweier Anliegen: Zum einen soll ein Souveränitätsrest des nationalen Gesetzgebers gewahrt bleiben, zum anderen sein Spielraum bei der Einpassung ins nationale Recht. 8 4 Im Schuldvertragsrecht bedeutet dies etwa, daß vorrangig die Normen zu den vertraglichen Pflichten (den Primäransprüchen) harmonisiert werden, kaum jedoch diejenigen zur Verletzung dieser Pflichten und die Sanktionen, also das gesamte sehr komplex durchsystematisierte Leistungsstörungsrecht (der Sekundäransprüche). Die Einpassung ins nationale Recht ist bei solch einer Kompetenzaufteilung in der Tat stark erleichtert. Insgesamt ist das Nebeneinander von EG-Richtlinie und nationaler Norm bei Heranziehung des Instruments der richtlinienkonformen Auslegung, wenn hierbei die genannten Ziele zum Tragen kommen, relativ einfach zu handhaben - und darauf ist auch jeweils zu achten. 8 5 Das Nebeneinander fordert also nicht mehr als einen Bewußtseins-

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Oldekop, Die Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR 21 (1972) 55 (92-98); jedoch auch noch: Hauschka, JZ 1990, 521 (525-529, 532); Langenfeld / Schlemmer-Schulte, Die TA Luft - kein geeignetes Instrument zur Umsetzung von EGRichtlinien, EuZW 1991, 622 (623); Taupitz, J Z 1993, 533 (536); und in der Tendenz: Hommelboff, AcP 192 (1992) 71 (74). In der Einheitliche Europäischen Akte geht die Protokollerklärung zu Art 100a EGV dahin, daß der Richtlinie als Form in all den Fällen Vorrang gegenüber derjenigen der VO einzuräumen sei, in denen in einem Mitgliedstaat die Änderung eines förmlichen Gesetzes nötig wird. BullEG Beil 2/86, S 24. Ähnliches wird aus Art 3b III EGV hergeleitet: Jarass, Innerstaatliche Bedeutung des EG-Rechts, S 29; Möschel, Zum Subsidiaritätsprinzip im Vertrag von Maastricht, NJW 1993, 3025 (3026 f). Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, FS Ophüls 1965, 67 (73 f); ders (oben Fn 47) S 458 f; heute in vielen Abhandlungen zu Recht hervorgehoben: etwa Bach, Direkte Wirkung von EGRichtlinien, JZ 1990, 1108 (1109); Grabitz / Hilf {-Grabitz), Art 189 EWGV, Rn 57; Groeben / Thiesing / Ehlermann {-Schmidt), Art 189 EGV, Rn 37; Hilf, EuR 1993, 1 (4); Oldenbourg, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien, S 4, Fn 6. Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S 195 f; Bleckmann, Europarecht, Rn 417; Grundmann, ZEuP 1996, 399 (405, Fn 13 f); Oldenbourg, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien, S 5 f. Zu stützen ist diese (weit überwiegend vertretene) Auffassung mit dem Hinweis auf die genannte Protokollerklärung zu Art 100a EGV im Annex zur Einheitlichen Europäischen Akte. Dazu unten Rn 160-163. Zu Recht betont Lutter (JZ 1992, 593 [607]), daß eine europäische Privatrechtswissenschaft, die sich in allzu großer Komplexität ergeht, den Ruf

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1. Teil - Grundlagen

wandel in dem Sinne, daß in einem geeinten Europa eine (!)86 zusätzliche rechtliche Ebene als selbstverständlich hingenommen wird. Die inakzeptable Alternative hierzu könnte allein darin liegen, das Ziel einer behutsamen Einpassung in die Systematiken der nationalen Privatrechte aufzugeben.87 b) Pauschalität zentraler inhaltlicher Kritikpunkte 34 Gehen die beiden genannten - auf Verfahren und Instrumentarium bezogenen Kritiken demnach fehl, so erweist sich die Kritik im zentralen inhaltlichen Punkt häufig als allzu pauschal. Für das Bild des Europäischen Schuldvertragsrechts ist es von Nachteil, daß in der Literatur meist pauschal „das" Harmonisierungskonzept der EG-Kommission erörtert wird, allenfalls eingegrenzt auf „das" Harmonisierungskonzept im Bereich des Privatrechts. Es wird nicht zwischen verschiedenen Rechtsgebieten unterschieden. Da jedoch Ausgangspunkt jeder Harmonisierung die von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet divergierenden Grundstrukturen sein müssen, ist auch nur Kritik aussagekräftig, die das jeweilige Rechtsgebiet gesondert und mit seiner spezifischen Struktur beleuchtet. Die Durchführung des Harmonisierungsansatzes kann in verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich überzeugend sein.88 35 Die negative Bewertung der Harmonisierung in einem Rechtsgebiet schlägt tendenziell auch auf diejenige in anderen Rechtsgebieten durch. So stößt es in der Wirtschaft auf Unverständnis, daß das Europäische Gesellschaftsrecht89 (einschließlich der Vorschläge) eine hohe Harmonisierungsdichte aufweist, daß beispielsweise auch mittelständische Unternehmen einem gemeinsamen Europäischen Rechnungslegungsstandard unterworfen wurden, daß umgekehrt jedoch kein Instrument bereitgestellt wurde, um die Niederlassungsfreiheit effektiv durchzusetzen: Bei grenzüberschreitender Sitzverlegung einer nach nationalem Recht gegründeten Gesellschaft muß trotz Harmonisierung befürchtet werden, daß der Grenzübertritt zur Auflösung und Liquidation der Gesellschaft und zur

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nach Vereinfachung fördert und damit wohl nur eine Alternative: Die „Vereinfachung ... aber könnte nicht in einer Re-Nationalisierung, sondern nur in einer verstärkten Europäisierung bestehen: Rechtsangleichung würde fließend übergehen in eine faktische Rechtseinheit." Insofern ist die Lage in der EG nicht mit dem „furor codificandi", der im internationalen Einheitsrecht häufig beklagt wird, zu vergleichen: Dort wird bedauert, daß die unterschiedlichsten Organisationen Abkommen mit einander überlappenden sachlichen Anwendungsbereichen vorbereiten, die dann unterschiedliche Kreise von Vertragsstaaten ratifizieren. Vgl etwa ν Bar, IPR I, Rn 178; Majores, Die Krise der internationalen Kodifikationspolitik - einige Gedanken und Anregungen unter besonderer Berücksichtigung der Staatsverträge privatrechtlichen Inhalts, ZRP 1973, 65 (67); Taupitz, J Z 1993, 533 (535). Zur Untragbarkeit dieser Vorstellung etwa zuletzt wieder ausführlich: Steindorff, EGVertrag und Privatrecht, S 5 0 - 5 3 . Plastisch etwa Roth, ZEuP 1996, 5 5 4 (557) (Rezension Taupitz)·. „Ohne Hinwendung zu den einzelnen Sachgebieten und ohne Erschließung der spezifischen Problemlagen sind ... gehaltvolle Aussagen zum Thema nicht zu erwarten." Zur Kritik im folgenden etwa Hinz, ZEuP 1994, 553 (555 f).

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Neugründung führt (mit entsprechenden Kosten). Eine Europäische Gesellschaftsform für wahrhaft europäisch agierende Unternehmen wurde der Wirtschaft bis heute nicht an die Hand gegeben. Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) ist, da sie keine Holdingfunktionen übernehmen darf und auf eine Arbeitnehmerzahl von 500 beschränkt ist, hierfür ungeeignet. Ebenfalls Rechtsunsicherheit schaffte der Umstand, daß das Recht des unlauteren Wettbewerbs lange Zeit nur im Bereich der irreführenden Werbung harmonisiert war:90 Zum einen werden diese Normen in den einzelnen Mitgliedstaaten international zwingend durchgesetzt; Rechtsunsicherheit kann also nicht durch Parteiabrede seitens der Wirtschaft ausgeräumt werden. Zum anderen hat der EuGH diese international zwingende Durchsetzung mit der Keck-Rechtsprechung auch noch insofern sanktioniert, als er ihre Rechtfertigung in weiten Bereichen nicht einmal anhand der Grundfreiheiten des EG-Vertrages überprüft. Angesichts der Dichte der Harmonisierung in anderen Bereichen wird Unverständnis auch angesichts des Fehlens eines harmonisierten Mobiliarsicherheitenrechts geäußert.91 c) Der Vorwurf mangelnder Kohärenz und Wirtschaßsrelevanz des Europäischen Schuldvertragsrechts aa) Beschränkt man die inhaltliche Betrachtung - zutreffend - auf das Europäi- 3 6 sehe Schuldvertragsrecht, so leidet dessen Bild auch darunter, daß die einzelnen, durchaus schon zahlreichen Harmonisierungsmaßnahmen nur aufgezählt und unverbunden nebeneinander gestellt werden.92 In der Tat wirken Arbeitsschutzregeln, die Kapitalverkehrsfreiheit und Gruppenfreistellungsverordnungen neben einer Regelung zum Verbraucherkredit oder gar zum Handelsvertreter seltsam inhomogen, wenn das einende Band zwischen diesen Bereichen nicht genannt wird. Genereller wird daher konstatiert, die jeweilige Rechtsangleichung erfolge fragmentarisch, ohne System, geradezu „pointillistisch".91 90

Richtlinie 8 4 / 4 5 0 / E W G des Rates vom 10. 0 9 . 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, AB1EG 1 9 8 4 L 2 5 0 / 1 7 ; zur Kritik: Hinz, ZEuP 1994, 5 5 3 (558). Heute freilich wurde dieser zweite Teil in die Änderung zur Richtlinie über die irreführende Werbung eingearbeitet: AB1EG 1 9 9 7 L 2 9 0 / 1 8 . Rvgl (auch zur Umsetzung) Schotthöfer (Hrsg), Handbuch des Werberechts in den EU-Staaten einschließlich Norwegen, Schweiz, Liechtenstein und USA 2 , 1997.

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Hinz, Z E u P 1994, 5 5 3 (558); Kreuzer, La reconnaissance des sûretés mobilières Conventionelles étrangères, Rev.crit.d.i.p. 8 4 (1995) 4 6 5 ( 4 8 4 - 5 0 5 ) ; auch ν Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht, S 1 f; schon Coing, Probleme der Anerkennung besitzloser Mobiliarpfandrechte im Raum der EWG, ZfRV 8 (1967) 6 5 ( 7 8 - 8 2 ) ; schwächer: Kieninger, Mobiliarsicherheiten im Europäischen Binnenmarkt, S 3 6 et passim.

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Etwa bei Hinz, Z E u P 1994, 5 5 3 (557). Der Begriff wurde eingeführt von Kötz, RabelsZ 5 0 (1986) 1 (5), auf das Vertragsrecht bezogen von Heiss, ZfRV 3 6 (1995) 5 4 (55 f) und pauschal auf die gesamte Privatrechtsharmonisierung etwa von Taupitz, J Z 1993, 5 3 3 (535); ähnlich etwa Hauschka, J Z 1990, 521 (523); Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S 5 2 („Stückwerk"). Entspr Kritik speziell zur Harmonisierung des Schuldvertragsrechts (das meist jedoch enger umrissen wird als im folgenden): Broggini, FS Heini 1995, 7 3 (85) („disordinato"); Immenga,

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37 Zwei Punkte aus den bisherigen Ausführungen zum Harmonisierungskonzept im Europäischen Schuldvertragsrecht erscheinen besonders wichtig. Beide belegen, daß das einende Band in einer Metaebene zu suchen ist und daher weniger unmittelbar ins Auge springt. Zum einen ist der Begriff des Europäischen Schuldvertragsrechts weit zu verstehen als das Recht, das die Parteien als teils (national oder international) dispositiven, teils (national oder international) zwingenden Gestaltungsrahmen vorfinden. Er gilt für die Verhandlungsphase, jedenfalls jedoch für Abschluß und Durchführung des Vertrages. Schon diese Kategorienbildung, die sich aus dem Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen als dem einzigen Instrument des Europäischen Schuldvertragsrechts mit Querschnittscharakter ergibt, ist funktional ausgerichtet. Sie erfolgt nicht rechtskonstruktiv, wie in den meisten nationalen Rechten, auch etwa dem deutschen Bürgerlichen Recht. Wer vor allem in juristisch-konstruktiven Systemen denkt, etwa Schuldvertragsrecht als das Recht der Verpflichtungen in Sonderrechtsverhältnissen definiert, mag solch einen funktionalen Ansatz als fragmentierend empfinden. Wer demgegenüber die Gestaltungsaufgabe für die Vertragsparteien als Ausgangspunkt wählt, wird gegenteilig urteilen. Zum anderen, und damit zusammenhängend, wurde gezeigt, daß die Harmonisierung (bei nur einer Ausnahme) allein die Bereiche erfaßte, in denen nationale Normen wegen ihres international zwingenden Charakters erhebliche Behinderungswirkung für (binnenmarkt)grenzüberschreitende Transaktionen zeitigen können. Transaktionskosten steigen und Transaktionen werden unwahrscheinlicher, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen nach 15 verschiedenen Rechten ausgerichtet und daher 15 Fassungen ausgearbeitet werden müssen. Gleiches wird im folgenden für die verschiedensten Regelungsmaßnahmen plausibel gemacht. Dabei darf für die Frage nach dem Behinderungspotential nicht auf den Einzelfall abgestellt werden. Vielmehr muß der Gesamtumfang der Dienstleistungs- und Warenverkehrsströme - auch etwa in Länder mit weniger liberalem Außenhandelsrecht als Deutschland - ausschlaggebend sein. Prognoseentscheidungen sind nötig. Dieser Bereich der potentiell behindernden Normen ist umgekehrt im weit verstandenen Schuldvertragsrecht (außer im Arbeitsrecht) in den wichtigsten Bereichen durchharmonisiert. Wenn überhaupt, so ist also eher zu erwägen, ob nicht die Harmonisierung zu weit reicht, als daß sie fragmentarisch sein könnte. Lückenhaft sind eher die Einzelmaßnahmen, häufig erst aufgrund der Intervention des Rates, also der nationalen Regierungen. Beispielhaft ist die Geschichte der AGBund Klausel-Richtlinie und der dort beklagten fehlenden Harmonisierung der nationalen dispositiven Rechte, die den Referenzpunkt einer Klauselkontrolle

EuZW 1993, 169 (Editorial); Junker, NJW 1994, 2 5 2 7 (2528) (Arbeitsvertragsrecht); Ulmer, J Z 1992, 1 (4); entspr zum Verbraucherschutzrecht: Krämer, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, H.V, Rn 65 f (Vorauflage); der Sache nach zu den GVO: Martinek / Habermeier, Das Chaos der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen - Analyse, Kritik und Verbesserungsvorschläge, Z H R 158 (1994) 107 (114, 147 f); sowie (nicht nur auf die Gemeinschaft bezogen) Irti, L'età della decodificazione3, 1989; dagegen etwa Hirte, Wege, S 2 2 - 2 6 ; Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, S 30 f.

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bilden.94 Insoweit richtet sich der Vorwurf, Regelungen seien allzu punktuell getroffen, stärker gegen die Mitgliedstaaten als gegen die Gemeinschaft und gegen die in diesen geführten wissenschaftlichen Diskussionen, die zur Systembildung tendenziell weniger beitragen als zur pauschalen Systemkritik. Sieht man die Regelungsgegenstände des Schuldvertragsrechts als Gesamtheit, 38 so erweist sich der Bestand des Europäischen Schuldvertragsrechts als fragmentarisch, weil er weite Bereiche gänzlich ausspart. Erwägt man jedoch die Frage, wie in zwei zur Verfügung stehenden Rechtsordnungen die Regelungskompetenzen optimal aufzuteilen sind, und wendet man hierbei einen eher dynamischen als statischen Systembegriff an, so urteilt man ganz anders. Der Vorwurf des Fragmentierenden verkennt meist, daß es im Europäischen Schuldvertragsrecht nicht nur auf die inhaltliche Ausgestaltung (und Regelung der wichtigen Rechtsfragen) ankommt, sondern ebenso sehr auf die Frage, welche Regelungsgegenstände der Gemeinschaftsgesetzgeber überhaupt auswählen soll. bb) Mit dem Vorwurf des Fragmentarischen hängt der Vorwurf eng zusammen, 39 Maßnahmen des Gemeinschaftsgesetzgebers gingen an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbei?5 Diese Kritik ist bereits im Ausgangspunkt fragwürdig: Selbst soweit dieser Vorwurf berechtigt ist, spricht er nicht für ein weniger an Europäischer und ein mehr an nationaler Gesetzgebung. Angesprochen ist hiermit vielmehr das Verhältnis von Regulierung und Deregulierung, also die Frage, ob nicht den beteiligten Wirtschaftskreisen die Regelung ihrer Belange selbst überlassen bleiben sollte. Es geht nicht um die Alternative vereinheitlichte oder unvereinheitlichte Gesetzgebung, sondern um das ja oder nein von Gesetzgebung überhaupt. In der Tat erhoben die Protagonisten einer lex mercatoria exakt diesen Vorwurf vor allem gegen die nationalen Gesetzesrechte. 96 Eine lex mercatoria wird nach dem Gesagten vor allem für den Bereich des Schuldvertragsrechts propagiert. Hier hat diese Überlegung offenbar Gewicht, hierfür allein ist sie zu erörtern. Gerade im Schuldvertragsrecht trifft der genannte Vorwurf nun die nationalen 40 Rechte ungleich härter als das Gemeinschaftsrecht, dies aus zwei Gründen: Zum einen überzeugt der Anspruch der Wirtschaft, ihre Belange selbst zu regeln, aus

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Vgl unten 2.10 Rn 4 f, 11-15. Hinz, ZEuP 1994, 553 (555-557); Mertens, RabelsZ 56 (1992) 219 (220-223); Taupitz, J Z 1993, 533 (534); lesenswert Blaurock, in: Starck (Hrsg), Rechtsvereinheitlichung durch Gesetze, 90 (93-103) (Akzeptanzprobleme); vgl demgegenüber die Zahlen oben Fn 16; mehr die Chancen einer dynamischen Entwicklung betonend, soziologisch argumentierend: Collins, ELR 1997, 407. Boneil, Das autonome Recht des Welthandels - Rechtsdogmatische und rechtspolitische Aspekte, RabelsZ 42 (1978) 485 (496-500); ν Hoffmann, FS Kegel 1987, 215 (219 f); Horn (oben Fn 8) S 492; Kahn, Lex mercatoria et euro-obligations, FS Schmitthoff 1973, 215 (219 f, 224); Siehr, Sachrecht im IPR, transnationales Recht und lex mercatoria, in: Internationales Privatrecht - Internationales Wirtschaftsrecht, 1985, 103 (103 f); zu den psychologischen Problemen internationaler Handelskreise mit staatlich formuliertem Einheitsrecht: Fontaine, Recht des internationalen Warenkaufs - Das Wiener Ubereinkommen und die Standardvertragsbedingungen, FS Steindorff 1990, 1193.

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rechtsethischen (und ökomomischen) Überlegungen heraus besonders, soweit Belange anderer Kreise kaum tangiert sind, also im Recht der zweiseitigen Unternehmensgeschäfte. 97 Anders als die nationalen Gesetzesrechte beschränkt sich das Europäische Schuldvertragsrecht nach dem Gesagten auf die Regelung einseitiger Unternehmensgeschäfte (mit Verbrauchern) bzw auf zweiseitige Unternehmensgeschäfte, soweit in klar umrissenen Ausnahmebereichen Regelungen zum Schutz des Allgemeininteresses für unabdingbar gehalten werden, etwa zum Schutz funktionierender Märkte. 98 Das harmonisierte Schuldvertragsrecht filtert also zielgenau diejenigen Bereiche heraus, in denen am ehesten der angesprochene „selbstsüchtige Willen" der Wirtschaft gebändigt werden muß. 99 Zum anderen hält das EG-Primärrecht Mechanismen bereit, die es erlauben, auch in den ungeregelt gebliebenen Räumen mehr Freiheit zu verbürgen als die nationalen Rechte. Wenn die hM eine lex mercatoria mit eigenem Rechtsquellencharakter auch für die zweiseitigen Unternehmensgeschäfte negiert, so bedeutet dies doch vor allem, daß international übliche Klauselwerke wie etwa die Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive der Inhaltskontrolle nach nationalem Recht, etwa §§ 9 - 1 1 A G B G , unterworfen werden. Das EG-Primärrecht schafft insoweit Freiheit für die Wirtschaft und erklärt diese nationale Inhaltskontrolle für europarechtswidrig - soweit in der Tat „Egoismen" der Wirtschaft ausgeschlossen sind. Es schafft in den weiten Bereichen, in denen Drittinteressen oder strukturell bedingtes Verhandlungsungleichgewicht fehlen, Freiheit für die - von Betroffenen auf ihre eigenen Bedürfnisse zugeschnittene - lex contractus, sowie - strikt als bloße Reserverechtsordnung zu verstehen - die nationalen Vertragsrechte. 100 Insofern ist das Europäische Schuld-

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In der Tat wiegt die rechtspolitische Kritik am eigenen Rechtsquellencharakter einer lex mercatoria wohl am schwersten, wo Ungleichgewichtslagen und Allgemeininteressen im Spiel sind. Dort ist es in der Tat plausibel, daß die staatlichen Rechtsordnungen die Kontrolle bewahren müssen, damit „das Schuldverhältnis nötigenfalls auch gegen den selbstsüchtigen Willen des wirtschaftlich stärkeren Partners oder auch beider Parteien unter der Berücksichtigung der jeweiligen allgemeinen Belange ... geregelt wird.": so RG JW 1936, 2 0 5 9 ; sowie ν Bar, IPR I, S 81; Batiffol, Problèmes de base de philosophie du droit, 1 9 7 9 , 1 0 5 (108,110); Boneil, RabelsZ 42 (1978) 4 8 5 (496); Lagarde, Approche critique de la lex mercatoria, FS Goldman 1983, 125 (126).

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Im einzelnen zu diesen beiden Bereichen des Europäischen Schuldvertragsrechts vgl unten Rn 2 0 0 - 2 0 9 . Gänzlich anders sehen dies vor allem Kitch und Teile der Chicago-School, die davon ausgehen, daß bei offenen Grenzen der Wettbewerbsdruck (mittelfristig) für das richtige Maß auch an Verbraucherschutz sorge. Vgl hierzu etwa Kitch, Business Organization Law: State or Federal? - an Inquiry into the Allocation of Political Competence in Relation to Issues of the Business Organization Law in a Federal System, in: Buxbaum / Hertig / Hirsch / Hopt (Eds), European Business Law, 35 (Gegenteil nur bei Fehleinschätzung seitens der Einzelstaaten oder wenn Regulierungskosten tatsächlich zu hoch). Für die in der Gemeinschaft favorisierte Strategie sprechen jedoch zahlreiche empirische Befunde über strukturelles Versagen von Märkten in Ungleichgewichtslagen.

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Zur Bedeutung der lex contractus vgl nur Armbrüster, RabelsZ 60 (1996) 7 2 (75 f); Kötz, RabelsZ 50 (1986) 1 (9). Zu den primärrechtlichen Mechanismen, auf die diese Freiheit zu stützen ist, vgl unten Rn 1 0 0 - 1 0 4 .

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vertragsrecht getreue Ausformung der Leitlinien der grundsätzlich ordoliberalen Wirtschaftsverfassung der Gemeinschaft - mit dem Primat von Marktfreiheit, soweit nicht Marktversagen anzunehmen und zu kurieren ist.101 d) Der Vorwurf der einseitigen Verbraucherorientierung im Europäischen Schuldvertragsrecht Daß der Vorwurf des Fragmentarischen und Wirtschaftsfremden fehl geht, daß 4 1 die Auswahl der Regelungsgegenstände im Europäischen Schuldvertragsrecht grundsätzlich zu überzeugen vermag, bedeutet nicht, daß das „Wie" von Einzelregelungen nicht diskussions- und teils kritikwürdig wäre. Natürlich sind Verbesserungen angezeigt, diese Punkte sollten jedoch im Detail angesprochen werden und nicht in einer Pauschalkritik untergehen. So würde eine Zusammenfassung der verbraucherschützenden Normen des Europäischen Schuldvertragsrechts in einem Regelungswerk die Begriffs- und Systembildung erleichtern, etwa zur Findung eines einheitlichen Verbraucherbegriffs oder eines einheitlichen Begriffs des beruflich Tätigen beitragen. Auch die stärkere Abstimmung der unterschiedlichen Gruppenfreistellungsverordnungen aufeinander wäre sinnvoll. Solche Forderungen nehmen jedoch zum Teil nur vorweg, was in der Logik gegenwärtiger Bemühungen der EG-Kommission um die Zusammenfassung von Richtliniengruppen in Gesetzeswerke ohnehin angedacht ist.102 Hiermit ist das Konkretisierungsniveau angesprochen, auf dem konstruktive Kritik verstärkt ansetzen müßte. Paradigmatisch ist der Diskussionsstand zum Topos „Verbraucherschutzrecht". Wiederum werden Vorwürfe primär auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau laut. Das Europäische Schuldvertragsrecht leidet unter dem Image eines reinen Verbraucherschutzrechtes.103 Das Europäische Verbraucherschutzrecht ist monographisch und fast lehrbuchartig bereits vielfach aufbereitet worden,104 das Europäische Schuldvertragsrecht (im Sinne eines EG101 Vgl nur Basedow, Zur europäischen Wirtschaftsverfassung; und im Zusammenhang mit dem (Arbeits-)Vertragsrecht: Windbichler, RdA 1992, 74. Allerdings wird gerade von deutschen Autoren (ähnlich wie für das Grundgesetz) gerne vom Fehlen solch einer Wirtschaftsverfassung ausgegangen: etwa Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn 195-198, 226. Spätestens seit der Neuformulierung im Maastricht-Vertrag ist dies nicht aufrechtzuerhalten und wird im Ausland als deutsche „Marotte" gesehen: etwa Mortelmanns, Legal Issues of European Integration 1996, 23 (35). Aus dem Bereich des Europäischen Schuldvertragsrechts vgl für das öffentliche Auftragswesen unten § 8 Einl Fn 90, für das Versicherungsrecht unten § 7 Einl Rn 25. Auch für den Bereich der GVO wird ein vergleichbarer Schritt angemahnt: Martinek /Habermeier, Z H R 158 (1994) 107 (114, 147 f). 103 Etwa Broggini, FS Heini 1995, 73 (87); Hinz, ZEuP 1994, 553 (557); ähnlich Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 (79); auch Hirte, Wege, S 25; gar generell für die „zivil- und wirtschaftsrechtlichen Harmonisierungsaktivitäten": Martinek, Das Teilzeiteigentum an Immobilien in der Europäischen Union - Kritik des Timesharing-Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission, ZEuP 1994, 470 (478). 104 Ygi monographisch bzw als Sammelbände allein aus den letzten drei Jahren und zum EG-Recht: Hommelhoff, Verbraucherschutz; Howells / Wilhelmsson, EC Consumer Law; Kendall, EC Consumer Law; Reich, Europäisches Verbraucherrecht; ders, Privatrecht und Ver-

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1. Teil - Grundlagen

Schuldvertragsrechts) noch nicht. 1043 Das so gezeichnete Bild des Europäischen Schuldvertragsrechts ist in mehrfacher Hinsicht unzutreffend. Zunächst gibt es einen praktisch sehr bedeutsamen Bereich schuldvertragsrechtlicher Regeln für zweiseitige Unternehmensgeschäfte. Sie gelten ausschließlich oder typischerweise für das Verhältnis von Unternehmen untereinander. Genannt seien die zahlreichen Regelwerke der Gruppenfreistellungsverordnungen, die in der Praxis wie (zwingende) Vertragsmuster wirken, oder das Schuldvertragsrecht des geistigen Eigentums. Zu nennen ist ebenfalls das öffentliche Auftragswesen und der Bestand der Grundfreiheiten, die Wirksamkeitshindernissen für Schuldverträge beispielsweise devisenrechtlicher Art - entgegenstehen, so daß die Parteiautonomie über die Grenzen erstreckt wird. Auch kann Arbeitsvertragsrecht nicht schlicht mit Verbraucherschutzrecht gleichgesetzt werden, obwohl es ebenfalls den Schutz einer schwächeren Vertragspartei zum Gegenstand hat. Sodann sprechen auch die jeweiligen Präambeln der EG-Richtlinien typischerweise nicht allein von Verbraucherschutz, sondern durchweg vom Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und Behinderungen auf dem Binnenmarkt für die Unternehmen. 105 Die zweitgenannte Zielsetzung war auch insofern lange Zeit die primäre, als durchaus umstritten war, ob Rechtsangleichungsmaßnahmen mit überwiegend oder ausschließlich verbraucherschützender Zielsetzung überhaupt auf die Kompetenznorm des Art 100 aF E G V gestützt werden durften. 106 Zuletzt kann auch

braucherschutz; Scknyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht; frühe Ansätze: Isken, Verbraucherpolitik im EWGV; Krämer, EWG-Verbraucherrecht; vgl auch aus der Aufsatzliteratur etwa: Dauses / Sturm, ZÍRV37 (1996) 133; Kleindiek, in: Hommelhoff / Jayme / Mangold (Hrsg), Europäischer Binnenmarkt, internationales Privatrecht und Rechtsangleichung, 297; Räch, ERPL 1995,285; Tonner, JZ 1996, 533; ν Wilmowsky, ZEuP 1995, 735. Charakteristisch Hondius, Kaufen ohne Risiko - der europäische Richtlinienentwurf zum Verbraucherkauf und zur Verbrauchergarantie, ZEuP 1997, 130 (131): „Insbesondere die Verbraucherschutzrichtlinien haben dazu beigetragen, ein europäisches Privatrecht zu gestalten." Sogar eine Europäische Zeitschrift für Verbraucherrecht wird herausgegeben (seit 1986), während noch Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 (79) und Schwartz, ZEuP 1994, 559 (561) bei der Bestandsaufnahme vorhandener Harmonisierung das Europäische Schuldvertragsrecht nicht einmal erwähnten (anders nur für Teilbereiche desselben). i04a Anders ist dies jetzt im EG-Ausland: Quigley, Contract Law (Zusammenstellung und Kommentierung der Rechtsakte allein auf der Basis der EuGH-Rechtsprechung, ohne systematischen Teil). 105 Vgl e t w a J _3 u n j 7 Erwägungsgrund der Präambel der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) bzw 2.-5. Erwägungsgrund der Präambel der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10). Zu dieser Doppelfunktion von EG-Richtlinien zu einseitigen Unternehmensgeschäften vgl auch schon die Nachw oben Fn 45. Manche Regelungen schuldvertragsrechtlicher Art stellen sogar die zweitgenannte Zielsetzung ganz in den Vordergrund und sehen Anleger- bzw Verbraucherschutz nur als ein Mittel zum Funktionsschutz. Vgl den 3.-6. Erwägungsgrund der Präambel der Insiderhandels-Richtlinie (4.21). 106 Auch der EuGH hat sich nie dahingehend festgelegt: EuGH 13. 05. 1997 - Rs C-233/94 (Deutschland / Parlament und Rat), Slg 1997, 1-2405 (2459): „Verbraucherschutz [ist] zwar eines der Ziele der Gemeinschaft, offenkundig aber nicht ihr einziges Ziel"; außerdem: EuGH 8. 10. 1996 - verb Rs C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 und C-190/94 (Dillenkofer ua), Slg 1996,1-4845 (4882) („auch").

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

31

„Verbraucherschutzrecht" als Berufsrecht verstanden werden.107 Anders als im Handelsrecht des 19. Jh stehen freilich nicht die Regeln im Vordergrund, die den Rechtsverkehr beschleunigen, sondern die Berufsregeln der sozialen Bindung, die international zwingend durchgesetzt werden. Ihre Harmonisierung wirkt jedoch für die Unternehmen oder beruflich Tätigen doch wiederum auch befreiend: Wird Verbraucherschutzrecht harmonisiert, werden zwar Verbraucher einheitlich geschützt, zugleich jedoch Unternehmen jedes Mitgliedstaates von 14 abweichenden Verbraucherrechten anderer Mitgliedstaaten freigestellt. So falsch das Bild des Europäischen Schuldvertragsrechts als reinen Verbraucher- 43 schutzrechtes ist, so fruchtbar ist - auf einer niedrigeren Abstraktionsebene - die Frage nach dem sinnvollen Umfang des Verbraucherschutzes, in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist stets sicherzustellen, daß Regelungsmaßnahmen nur ergehen, soweit tatsächlich (strukturell) Verhandlungsungleichgewicht herrscht und Marktversagen.108 Zum anderen ist auch und gerade im Europäischen Schuldvertragsrecht stets nach dem rechten Verhältnis zwischen zwingendem Recht und Privatautonomie zu fragen. Sehr viele seiner Regeln werden für zwingend erklärt, teils wird gerade darin das prominenteste Charakteristikum des Europäischen Verbrauchervertragsrechts gesehen.109 Anders als im nationalen Schuldvertragsrecht scheint die Vertragsfreiheit gerade nicht die Regel zu bilden. Der Befund ist allerdings zunächst einmal abzuschwächen: Die starke Präsenz zwingender Regeln im Europäischen Schuldvertragsrecht ist auch damit zu erklären, daß hier vorrangig gerade der Bereich zwingender Regelungen harmonisiert wurde (Verbraucherschutzregeln, wirtschaftspolitisch motivierte Regeln). Außerdem ist das Bild deutlich differenzierter als häufig angenommen: So nehmen in den Richtlinien zum Commercial Banking (4.10, 4.13) die Transparenzregeln den weit überwiegenden Teil ein, Verbotsregeln und inhaltlich zwingende Normen sind nur ganz vereinzelt zu finden. Ähnlich ist das Bild im Versicherungsvertragsrecht (4.30-1/2/3 und 4.31-1/2/3). Und die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) bietet ein interessantes Modell, indem sie nur eine geringe Margenabweichung vom jeweiligen nationalen Recht zuläßt, dieses jedoch unharmonisiert beläßt und damit io? Vgl s c h o n oben Rn 1 4 - 1 6 . Diese Seite verkennt Reich, Z E u P 1 9 9 4 , 3 8 1 ( 3 8 6 ) , der e t w a der A G B - o d e r Klausel-Richtlinie (2.10) die Funktion, H e m m n i s s e abzubauen, ganz abspricht und meint, sie ziele allein auf Verbraucherschutz ab. 108

Immenga,

E u Z W 1 9 9 3 , 1 6 9 (Editorial); Kleindiek,

in: H o m m e l h o f f / J a y m e / M a n g o l d

(Hrsg), E u r o p ä i s c h e r Binnenmarkt, internationales Privatrecht und Rechtsangleichung, 2 9 7 ( 2 9 9 - 3 0 7 ) (auch zur Gegenauffassung Reichs,

insbesondere für das E u r o p ä i s c h e

Verbraucherschutzrecht); krit insoweit e t w a Hommelhoff,

AcP 1 9 2 ( 1 9 9 2 ) 7 1 ( 1 0 3 f);

und hinsichtlich der Tiefe des Schutzes, der in Zentralpunkten „Vertragsfreiheit und Selbstverantwortung . . . v e r w ä s s e r n " k ö n n e : Hommelhoff, Martinek,

Verbraucherschutz, S 6 - 1 2 .

Z E u P 1 9 9 4 , 4 7 0 ( 4 7 8 f) spricht allgem von „ H y p e r t r o p h i e des Verbraucher-

schutzes in der Rechtspolitik der U n i o n " . 109

Schiemann,

E G - r e c h t l i c h e Haftung für Dienstleistungen, in: Schnyder / Heiss / Rudisch

(Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 ( 1 3 4 ) ; tendenziell a u c h

Deutsch,

A s p e k t e für ein europäisches Haftungsrecht - Versuch einer kritischen, d o g m a t i s c h e n Bestandsaufnahme, K F 1 9 9 2 , 4 (8); z u m U m g e h u n g s s c h u t z : Reich, Privatrecht und Verbraucherschutz, S 3 1 f.

32

1. Teil - Grundlagen

bei Standardverträgen etwas ähnliches schafft wie 15 nationale Standardtypen ( „ M a r k e n " von Standardverträgen). Ein Gegenbeispiel bildet der Gemeinsame Standpunkt einer Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (2.12), der durchweg zwingende Regeln vorhält, etwa auch für den Gebrauchsgüterkauf, und solchermaßen die Differenzierung in der vertraglichen Gestaltung, dh das Entstehen einer Produktpalette unterbindet. Ähnliches gilt für die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (4.20). Es zeigt sich, daß von Rechtsakt zu Rechtsakt im einzelnen zu bestimmen ist, in welchen Bereichen Transparenz herstellbar erscheint und zwingendes Recht abzulehnen ist, oder in welchen Bereichen zumindest das Angebot von zwei Alternativen zugelassen werden muß (etwa Haftungsausschluß und gleichzeitiges Angebot von Versicherungsschutz mit Aufpreis).

3. Alternativkonzepte a) Die bloße Kollisionsrechtsharmonisierung 4 4 Positiv gewendet wird die Kritik, soweit Alternativmodelle zu demjenigen der Minimumharmonisierung angedacht werden. Wichtig sind vor allem zwei: 110 Das erste reicht weniger weit, das zweite weiter, indem die Schaffung eines Europäischen Gesetzbuches (mit Schuldvertragsrecht) angemahnt wird. Im ersten Ansatz soll hingegen die Sachrechtsangleichung weitestgehend einer bloß kollisionsrechtlichen Harmonisierung weichen. Auch dieser Vorschlag kann sinnvoll nur für einzelne Rechtsgebiete, hier das Europäische Schuldvertragsrecht, erörtert werden. Zu wenig konkret ist auch die Formel: „Soviel Kollisionsrechtsvereinheitlichung wie möglich und nur soviel Sachrechtsvereinheitlichung wie nötig." 111

45 Schon das Konzept der Minimumharmonisierung hat kollisionsrechtliche Gehalte, namentlich folgende zwei: Bezogen auf die Wirkungsweise des Primärrechts (und hier zu Recht bezogen auf das gesamte Privatrecht) hat vor allem Basedow den kollisionsrechtlichen Kerngehalt herausgearbeitet: Das durch die Grundfreiheiten favorisierte Herkunftslandprinzip kann auch als Kollisionsnorm verstanden werden, die das Recht des anbietenden Unternehmens für anwendbar erklärt, wobei der ordre-public-Einwand bei Eingreifen „zwingender Gründe des Allgemeinin-

110 Wenig Wirkung gezeitigt hat bisher die Idee, das Sachrecht zu harmonisieren, jedoch nur für die grenzüberschreitenden Transaktionen. Dazu Broggini, FS Heini 1995, 73 (84). Im Europäischen Schuldvertragsrecht findet sich mit der Überweisungs-Richtlinie (4.13) nur ein Rechtsakt, bei dem dieser Weg eingeschlagen wurde. Zu Nachteilen vgl dort Rn 16. Zu weiteren Ansätzen, etwa Modellgesetzen, der sog Harmonisierung „von unten" und dem Zusammenspiel mit internationalen Ubk - etwa im Bereich des Kaufrechts - vgl Hirte, Wege, S 2 9 - 4 1 ; und demgegenüber der Sammelband: Starck (Hrsg), Rechtsvereinheitlichung durch Gesetze, 9 0 ( 9 3 - 1 0 3 ) (Akzeptanzprobleme). 111

So Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung, S 66; ders, J Z 1993, 5 3 5 (539); ebenfalls in Richtung stärkerer Beschränkung auf die bloß kollisionsrechtliche Harmonisierung: Koch, ERPL 1995, 3 2 9 ; Weber, in: Kroeschell / Cordes (Hrsg), Vom nationalen zum transnationalen Recht, 101 (106-113) (allerdings für das Personenrecht); dagegen: Lando, in: Kreuzer / Scheuing / Sieber (Hrsg), Europäisierung, 41 (43 f); und mustergültig anhand des Bsp der Kreditsicherheiten schon: Coing, ZfRV 8 (1967) 65 (78-82).

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

33

teresses" des Gastlandes (solange es an Harmonisierungsmaßnahmen fehlt) vorbehalten bleibt. 112 Ein zweiter kollisionsrechtlicher Gehalt des Primärrechts ist als die kollisionsrechtliche Vorfrage der Anwendbarkeit des Instituts der Maßnahmen gleicher Wirkung zu umschreiben. Insoweit wird unterschieden zwischen nationalen Normen, die einer Rechtswahl zugänglich sind, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Nur im zweiten Bereich sind nach der Rechtsprechung des E u G H Maßnahmen gleicher Wirkung überhaupt denkbar. Da diese Unterscheidung nach dem Gesagten zum wichtigsten Schnitt im Sekundärrecht führte, hat auch dieses einen zentralen kollisionsrechtlichen Gehalt. Wenn jedoch ein mehr an Kollisionsrechtsvereinheitlichung gefordert wird und 4 β ein weniger an Sachrechtsvereinheitlichung, so kann das für das Schuldvertragsrecht nur bedeuten, daß es mit der Ausarbeitung des Europäischen Vertragsrechtsübereinkommens (1.01) sein Bewenden (gehabt) haben sollte. Das Kollisionsrecht ist im Schuldvertragsrecht bereits weitestgehend vereinheitlicht. Der wichtigste Ausnahmebereich - mit den sogenannten international zwingenden Normen nach Art 7 EVÜ - wurde durch EG-Sekundärrecht fast erschöpfend ausgestaltet. Er kann auch, da in diesem Bereich unstreitig die Zwecke der jeweiligen Sachnorm den Anknüpfungspunkt bilden, nur durch Sachrechtsangleichung weiter ausgestaltet werden. Im Europäischen Schuldvertragsrecht ist die Kollisionsrechtsharmonisierung an ihre Grenzen gestoßen, das Harmonisierungsmaximum ist hier erreicht. Denkbar wäre allenfalls, daß die Einheit jetzt durch viele Einzelkollisionsnormen in EG-Richtlinien wieder aufgebrochen werden soll - das ist allenfalls in engen Sonderbereichen wirklich wünschenswert. Wer im Europäischen Schuldvertragsrecht weiter auf Kollisionsrecht setzt, ver- 4 7 kennt: Zwar sind sowohl für das Primär- als auch für das Sekundärrecht die genannten kollisionsrechtlichen Gehalte von zentraler Bedeutung. Wo nationale Normen international zwingend sind, verbleiben jedoch, soweit nicht die Rechte der Mitgliedstaaten bereits stark konvergieren, 113 nur zwei Wege: Gleichwertigkeit kann nur durch Sachrechtsvereinheitlichung hergestellt werden und ein binnenmarktähnlicher Raum nur durch zusätzliche Statuierung von Anerkennungsgeboten. Andernfalls muß auf Gleichwertigkeit verzichtet werden und, wenn dennoch ein binnenmarktähnlicher Raum gewünscht wird, ebenfalls ein Anerkennungsgebot ausgesprochen werden. Dann kann nur darauf vertraut werden, daß der Marktmechanismus genügend Verbraucherschutz verbürgt. Es muß also darauf vertraut werden, daß das Fehlen von Verbraucherschutz in manchen Rechten im Wettbewerb der Rechtssysteme einen Nachteil darstellt und kein „race to the b o t t o m " einsetzt. 114 Einfach zu erkennen ist, welche Wirkungen 112

113 114

Basedow, RabelsZ 59 (1995) 1 (bes 12-27); monographisch hierzu jetzt Drasch, Herkunftslandprinzip; und auch Höpping, Warenverkehrsfreiheit und IPR; krit ν Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht, S 52-61. Mit der Ausarbeitung von Sekundärrecht wird dann nach dem hier vertretenen Konzept der ordre-public-Vorbehalt für die sekundärrechtlich geregelten Fragen ausgeräumt. Vgl näher unten Rn 110-120. In diesem Fall reicht ein Vorgehen nach Art 100b EGV. Zu dieser Sicht vor allem von Kitch vgl oben Fn 99. Daß sich diese Prämisse zumindest in den sog Gran-Canaria-Fällen als unzutreffend erwies, konstatiert (widerwilllig) auch

34

1. Teil - Grundlagen

umgekehrt ein System zeitigt, in dem zwar weiter Gleichwertigkeit gefordert werden darf 115 und in dem auf kollisionsrechtlicher Ebene eine zwingende Anknüpfung vorgenommen wird, jedoch auf sachrechtlicher Ebene keine ausreichende Harmonisierung erfolgt: Es wird kein Binnenmarkt entstehen, für den Grenzüberschritt werden weiter erhebliche Transaktionskosten anfallen. Im Transaktionsrecht ist dies noch ungleich bedenklicher als im Organisationsrecht, wo ebendieser Zustand noch in stärkerem Maße festzustellen ist. Dies belegt ein Blick auf die zentrale EuGH-Entscheidung zur Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse in der Nachbardisziplin: Im Gesellschaftsrecht entspräche Kollisionsnormen wie Art 5 und 7 EVÜ (Art 2 9 und 34 E G B G B ) eine Einigung auf die Sitztheorie. Diese hält der EuGH in der Daily Mail Entscheidung für primärrechtskonform, 116 da eine (sachrechtliche) Harmonisierung weiterreichend (oder: genügend weitreichend) nicht erfolgt ist und vom EG-Vertrag in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt sei. Mangels Sachrechtsvereinheitlichung muß also in denjenigen Bereichen, in denen keine Rechtswahlfreiheit besteht, in Kauf genommen werden, daß der Grenzübertritt zur Auflösung und Liquidation einer Gesellschaft und zur Neugründung führt (mit entsprechenden Kosten). Ganz ähnlich sind die Verhältnisse in vielen Bereichen des Wirtschaftsrechts, soweit es Schuldverträge berührt (als Nichtigkeitsgrund uä), jedoch auch im sonstigen international zwingenden Schuldvertragsrecht, etwa im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die kollisionsrechtliche Vereinheitlichung ist hier bereits erfolgt. Dennoch wären ohne Sachrechtsvereinheitlichung bei jedem Grenzüberschritt neue Lizenzen, neue AGB oder sonstige neue Rechtsprodukte notwendig. Die Verhältnisse wären nicht binnenmarktähnlich. 117 b) Ein Kodex

fVollharmonisierung)

4 8 Der zweite Alternativvorschlag für das Schuldvertragsrecht weist in die Zukunft. Es würde nicht bei der Harmonisierung wichtiger Eckpunkte bleiben. Vielmehr wird ein Kodex gefordert, der auch das gesamte Schuldvertragsrecht, nach vielen Autoren nur dieses umfassen sollte. 118 Gewicht hat diese Forderung deswegen,

115

117

118

ein zentraler Verfechter der Idee einer bloß kollisionsrechtlichen Vereinheitlichung: Taupitz, Kaffeefahrten deutscher Urlauber auf Gran Canaria - deutscher Verbraucherschutz im Urlaubsgepäck?, BB 1990, 6 4 2 (bes 647 f). Zu den Gran-Canaria-Fällen näher vgl unten 2.01 Rn 7. So die bestehende, wohl auch von den Mitgliedstaaten ihrer Ratifikation des Unionsvertrages zugrunde gelegte Grundfreiheitendogmatik. Die bisherige EuGH-Rspr wird man seit der Grundsatzreform durch den Unionsvertrag zumindest in ihren Eckpunkten als aquis communautaire verstehen dürfen. EuGH 27. 9. 1988 - Rs 8 1 / 8 7 (Daily Mail), Slg 1988, 5 4 8 3 (5512). Im Versicherungsvertragsrecht wird der Stand der gegenwärtigen Harmonisierung exakt aus diesem Grunde kritisiert, vgl unten 4 . 3 0 - 1 / 2 / 3 Rn 24. Gandolfi, Revue trimestrielle de droit civil 1992, 707 (bes 713); Lando, in: Kreuzer / Scheuing / Sieber (Hrsg), Europäisierung, 41 (bes 52); Rolland, Problems relating to European Union Legislation in the Field of Private Law, as illustrated by the Commission's Proposal for a Service Directive, in: Rabello (Ed), Essays on European Law and Israel,

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

35

weil sie vom Europäischen Parlament unterstützt wird. 119 Außerdem scheint mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe um Ole Lando auch schon inhaltlich Grund gelegt für solch einen Kodex. 1 2 0 Grundidee ist insoweit, daß der bisher erzielte Angleichungserfolg zu gering sei. Dennoch hat die Diskussion um solch einen Kodex gerade erst begonnen. Praktisch ist sie gegenwärtig ungleich weniger wichtig als die Frage, inwieweit allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Schuldvertragsrecht schon heute eine lex lata darstellen. 121 Zur Zeit bildet der Kodex lediglich einen der zwei prominenteren Alternativvorschläge zur lex lata und dem hinter ihr stehenden Harmonisierungskonzept. Praktische Schwierigkeiten bei der Erarbeitung eines Kodex verstehen sich von selbst. 122 Die Befürworter versprechen sich von ihm vor allem, daß die Zivilrechtswissenschaft zwangsläufig auf diesen neuen Kodex fokusiert und damit wahrhaft europäisiert werde - 1 2 3 besonders für einen möglicherweise entstehenden Bundesstaat von Gewicht. Hiergegen wird auch nicht eingewandt werden können, daß der EG-Vertrag ebenfalls einheitlich gilt und dennoch die Diskussion noch recht national in den einzelnen Mitgliedstaaten geführt wird. Denn der Umgang mit einem Europäischen Gesetz wird dann nicht mehr ein Randphänomen darstellen, sondern das Kerngeschäft. Die Befürworter versprechen sich von dem Kodex außerdem, daß er machtvoller in einer globalen Welt wirkt, daß der Export von juristischen Ideen gerade in Konkurrenz zum US-amerikanischen Recht erleichtert wird und daß auch die Rechtswahl eher einmal nach Europa

1996, 587 (596 seq); Tilmann, FS Oppenhoff 1985, 495 (bes 5 0 0 - 5 0 7 ) ; vorsichtig auch Hondius, in: Hartkamp / Hesselink / Hondius / du Perron / Vranken (Eds), European Civil Code, 1 (bes 11-13); demgegenüber etwa: Mengoni, Un codice per l'Europa?, p. 4 5 48 et passim, bes p. 1 - 4 (gegenteiliger Parlamentsbeschluß „reichlich unüberlegt"); Sandrock, EWS 1994, 1 (3-8); Zimmermann, J Z 1992, 8 (11 f). Eine ausführliche Diskussion verschiedener Standpunkte findet sich in: Un codice dei contratti per l'Europa il colloquio di Pavia, abgedruckt großteils in Rivista di diritto civile 1991 II; vgl auch ibidem 1993 II; Bericht: Sturm, J Z 1991, 555. 119

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. 05. 1989 zu den Bemühungen um eine Angleichung des Privatrechts der Mitgliedstaaten, AB1EG 1989 C 158/400; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. 5. 1994 zur Angleichung bestimmter Bereiche des Privatrechts der Mitgliedstaaten, AB1EG 1994 C 205/518; dazu Tilmann, ZEuP 1995, 534. Die niederländische Ratspräsidentschaft griff den Vorschlag auf: vgl jayme, Ein Europäisches Zivilgesetzbuch - die Initiative der Niederlande, IPRax 1997, 375.

120

Lando / Beale (Eds), Principles; zuletzt: Lando, in: Kreuzer / Scheuing / Sieber (Hrsg), Europäisierung, 41 (bes 52); dazu etwa Heiss, ZfRV 36 (1995) 54 (56-58); Zimmermann, J Z 1995, 477; ders, ZEuP 1995, 731; vgl außerdem Unidroit, Principles. Zu dieser Frage daher ausführlicher unten Rn 187-197 bei der Darstellung der positiven Standards. Etwa Hondius, in: Hartkamp / Hesselink / Hondius / du Perron / Vranken (Eds), European Civil Code, 1 (7); sehr differenziert die Darstellung von Vorzügen, Nachteilen und Modellvarianten bei Remien, ZfRV 36 (1995) 116 (119-122). Lando, in: Kreuzer / Scheuing / Sieber (Hrsg), Europäisierung, 41 (53); Tilmann, FS Oppenhoff 1985, 495 (bes 500 f); für die Lando-Principles ähnlich: Zimmermann, J Z 1995, 477 (479).

121

122

123

49

36

1. Teil - Grundlagen

führen kann. Nun ist die Bevorzugung des Rechtes des Staates New York vor dem der (etwa vierfach so großen) Bundesrepublik Deutschland offenbar keine Frage der Größe. Nichts ändern würde sich auch an der Aversion etwa der USamerikanischen Praxis gegen Codices, an der Vorliebe anglo-amerikanischer Juristen für ausgefeilte, speziell adaptierte Vertragsdokumente und an dem Problem, daß die Verhandlungssprache Englisch gegen die Einbeziehung Europäischen Rechts spricht: Wird ein in 12 Sprachen authentischer Kodex in der Tat US-amerikanische Bedenken gegen ausländisches Gesetzesrecht zerstreuen? Zuletzt wird auch davon ausgegangen, der grenzüberschreitende Verkehr in Europa werde durch einen einheitlichen Kodex erleichtert. 124 Dabei wird teils übersehen, daß die Behinderungen von Gewicht allein schon mit der Harmonisierung der international zwingenden Statuten ausgeräumt werden. Es wird sich zeigen, wie stark dann immer noch die weniger starken Behinderungen, die von nicht vereinheitlichtem Recht weiter ausgehen mögen, wirken oder ob nicht vielmehr, wie in den USA, die Wirtschaft ein uneinheitliches, aber bei Grenzübertritt dispositives Recht gut zu handhaben versteht. Einen Kodex ohne empirische Absicherung in dieser Frage anzudenken oder gar auszuarbeiten, erscheint angesichts denkbarer Wohlfahrtsverluste sehr problematisch. Für die Wirtschaft wird es in den Bereichen, in denen Rechtswahlfreiheit herrscht, stärker auf den Inhalt des Kodex ankommen als auf seine Einheitlichkeit. 125 Gestaltungsmöglichkeiten, die erst die Rechtswahlfreiheit im binnenmarktgrenzüberschreitenden Verkehr eröffnet, werden entfallen. Die Unternehmen werden im europäischen Geschäft nicht mehr nur auf international zwingendes Recht festgelegt sein, sondern auch auf innerstaatlich zwingendes (hier das zwingende Recht des Kodex). 50

Solange keine Einigkeit zwischen allen Mitgliedstaaten und allen Organen der Gemeinschaft über den Kodex besteht, entscheidet ein Gegenargument die Frage. Für den Kodex fehlt der Gemeinschaft die Kompetenz. Das Subsidiaritätsprinzip des Art 3b II E G V wird heute dahingehend verstanden, daß es eine zweifache Voraussetzung für Gemeinschaftsgesetzgebung festschreibt: Die Gemeinschaft muß nicht nur effizienter Recht setzen können, sondern die Mitgliedstaaten müssen unfähig sein, das spezifische Problem hinreichend zu lösen. 126 Angesichts

124

126

Lando, in: Kreuzer / Scheuing / Sieber (Hrsg), Europäisierung, 41 (bes 52); Tilmann, FS Oppenhoff 1985, 495 (bes 506); tendenziell auch: Hinz, ZEuP 1994, 553 (558); referierend: Kirchner, in: Weyers (Hrsg), Europäisches Vertragsrecht, 103 (117 f). Ähnlich Hinz, ZEuP 1994, 5 5 3 (554 f). Statt aller: Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S 9 4 - 9 9 ; Geiger, Art 3b EGV, Rn 8; Grabitz / Hilf (-v Bogdandy / Nettesheim), Art 3b EGV, Rn 31, 3 3 - 3 7 ; Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Zuleeg), Art 3b EGV, Rn 19; Pipkom, Das Subsidiaritätsprinzip im Vertrag über die Europäische Union - rechtliche Bedeutung und gerichtliche Überprüfbarkeit, EuZW 1992, 697 (699); Schweitzer / Fixson, Subsidiarität und Regionalismus in der Europäischen Gemeinschaft, Jura 1992, 579 (581). Daher sogar schon für so punktuelle Regelungsvorhaben wie dasjenige zur Dienstleistungshaftung: Wirtschafts- und Sozialausschuß, AB1EG 1991 C 2 6 9 / 4 0 (41): „... ob die Kommission nicht ihre Kompetenzen und ihren europapolitischen Auftrag überschreitet, wenn sie das Privatrecht der Mitgliedstaaten vereinheitlichen ... will . . . "

Konzept und Standort eines Europäischen Schuldvertragsrechts

37

dessen, daß die Gesetzgebungskompetenz nach Art 100 EGV aF schon bisher die Erforderlichkeit voraussetzte und die Unterschiedlichkeit der Rechtslage in den Mitgliedstaaten allein hierfür nicht als ausreichend angesehen wurde, daß bei der Ratifikation des Unionsvertrages diese Rechtslage zugrunde gelegt wurde und das Subsidiaritätsprinzip tendenziell als Beschränkung der Gemeinschaftskompetenzen verstanden wurde, und daß der Grundsatz der beschränkten Einzelermächtigung stets besonders betont wurde, kann Art 3b II EGV nur als Kompetenzsperre gegen eine umfassende Vereinheitlichung des Kernbereichs des Privatrechts verstanden werden.127 Hinzu kommen rechtspolitische Überlegungen. Hiermit ist die Frage möglicher 51 Wohlfahrtsverluste durch weitere Vereinheitlichung angesprochen. In der wirtschafte- und gemeinschaftsrechtlich ausgerichteten Rechtsvergleichung wird erkannt, daß Vereinheitlichung umgekehrt tendenziell die Reformfähigkeit mindern kann.128 Bei vereinheitlichtem Recht wächst die Gefahr der Versteinerung, da die Konsenshürden im internationalen Verkehr tendenziell höher liegen. Der Abbau des Einstimmigkeitserfordernisses in der Gemeinschaft kann diese Gefahr mindern. Außerdem enthalten die jüngeren EG-Richtlinien regelmäßig eine Überprüfungsklausel, nach der die Kommission verpflichtet ist, periodisch über die Auswirkungen des Rechtsakts zu berichten. Und zunächst würde ein möglicherweise sehr moderner Kodex ältere ersetzen. Schwerer wiegt daher ein zweites rechtspolitisches Argument. Ein Wettbewerb von Rechtsordnungen und gesetzgeberischen Ideen129 wird erstickt, desgleichen tendenziell manch ein Konzept insbesondere des anglo-amerikanischen Rechts, das eine Alternative zu staatlicher Regulierung darstellt. Es gab bisher in noch keiner erfolgreichen Marktwirtschaft einen Kodex für 320 Millionen Einwohner. Diese geschichtlich abgesicherte Erkenntnis sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Zuletzt ist nicht zu verkennen, daß ganz erhebliche Resourcen - Manpower, aber auch Konsenskapazität - ge- und verbraucht werden. Vielleicht sind andere Aufgaben wichtiger.

127

Etwa Armbrüster, RabelsZ 60 (1996) 7 2 (89 f) (unter Heranziehung von Art 3b III EGV); Grabitz / Hilf (-v Bogdandy /Nettesheim), Art 3b EGV, Rn 3 3 ; Remien, ZfRV 3 6 (1995) 116 (120); Rittner, DB 1996, 2 5 (25); sowie (schon vor Einführung dieser Kompetenzschranke): Tilmann, FS Oppenhoff 1985, 4 9 5 (502 f); aA etwa Basedow, FS Mestmäcker 1996, 3 4 7 ( 3 5 8 - 3 6 3 ) ; lesenswert: Emiliou, ELR 1992, 383. In Deutschland ist das Ratifikationsgesetz nur unter der Prämisse beschränkter Einzelkompetenzzuweisung verfassungsgemäß: BVerfGE 89, 155 (210).

128

Grundlegend: Behrens, RabelsZ 5 0 (1986) 19 (26-31); genereller auf wirtschaftliche Bedürfnisse und Globalisierungstendenzen rekurrierend: Sandrock, EWS 1994, 1 (3-8); jüngst: Kirchner, in: Weyers (Hrsg), Europäisches Vertragsrecht, 103 (118-121). Zur Förderung dieses Wettbewerbs durch das gegenwärtige Harmonisierungskonzept vgl oben Rn 26. Für weitere Nachteile (etwa hinsichtlich Rechtssicherheit ua) vgl nur Rittner, DB 1996, 2 5 (25-27).

129

38

1. Teil - Grundlagen

§2 EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht („negative Standards") 5 2 Wirkung im positiven Recht entfaltet das Konzept eines Europäischen Schuldvertragsrechts (§ 1) auf zwei, grundlegend unterschiedliche Arten. Zum einen untersagen EG-Primärrecht und nochmals verschärft bestehendes EG-Sekundärrecht nationale Regelungen, die den grenzüberschreitenden Verkehr behindern, jedenfalls soweit sie nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen sind (§ 2). Insoweit wird also Regulierung, hier solche des nationalen Gesetzgebers, zurückgeschnitten - Gemeinschaftsrecht wirkt als „negativer Standard". Dadurch wird freilich tendenziell jeweils privatautonomes Handeln weiterreichend ermöglicht (und der Schutz der schwächeren Vertragspartei oder von Allgemeininteressen abgebaut). Die Grundfreiheiten des Primärrechts dienen hier dazu, die Privatautonomie über die Grenzen zu erstrecken. Neben diese deregulierende Wirkung des Gemeinschaftsrechts tritt die re-regulierende. Im EG-Sekundärrecht, kaum im EG-Primärrecht, finden sich nämlich zum anderen auch positive Standards (§ 3). Hier erfolgt die schuldvertragsrechtliche Regelung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene. Diese kann freilich auch dahin gehen, daß die Privatautonomie beschränkt wird, um eine Vertragspartei oder Allgemeininteressen vor Übergriffen der anderen oder beider Vertragsparteien zu schützen.

I. EG-Primärrecht

als Schranke für nationale

1. Die Grundfreiheiten - Formen ihrer Beschränkung ihrer gegenseitigen Abgrenzung a) Formen der

Regulierung und

Probleme

Beschränkung

5 3 Beschränkungen greifen unterschiedlich tief in den (binnenmarkt)grenzüberschreitenden Verkehr ein. Die weiterreichenden, die Beschränkungen ieS, auf deren Abschaffung die EG-Kommission zuerst drang, 130 sind im Europäischen Schuldvertragsrecht kaum (mehr) von Bedeutung. Das Schuldvertragsrecht der Mitgliedstaaten wirkt, selbst wenn es, wie hier, weit und funktional gefaßt wird, nicht (mehr) beschränkend im eigentlichen Sinne. Es untersagt grenzüberschreitende Transaktionen nicht schlichtweg, es kontingentiert sie auch nicht. Auch finden sich in schuldvertragsbezogenen Normen kaum Regeln, die nach der »» Vgl Blaurock, J Z 1 9 9 4 , 2 7 0 (271); Hallstein, RabelsZ 28 (1964) 211 (211-214) (zugleich zu Recht die Irrelevanz der Unterscheidung öffentliches und Privatrecht für den Integrationsprozeß betonend); Hinz, ZEuP 1994, 5 5 3 (555); Hommelboff, AcP 192 (1992) 71 (75 f); Ulmer, J Z 1992, 1 (2); schon früh sehr deutlich idS auch der Gemeinschaftsgesetzgeber in: Entschließung des Rates vom 21. 1. 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm, AB1EG 1974 C 13/1 (4).

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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Staatsangehörigkeit unterscheiden, allenfalls unter den wirtschaftspolitisch motivierten zwingenden Normen: In den Aufsichtsrechten ist die Anknüpfung an den Sitz der Gesellschaft gemeinschaftsrechtlich vorgegeben. Im Währungsrecht ist eine Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit (oder Ansässigkeit) des Kreditnehmers bei der Mindestreservepflicht denkbar. Maßnahmen der geldpolitischen Steuerung waren nach Art 2 der diesbezüglichen Liberalisierungs-Richtlinie 8 8 / 3 6 1 / E W G zulässig und dies wird - trotz des weniger expliziten Wortlauts auch heute noch für Art 7 3 b E G V so gesehen. 131 Schwieriger und auch für das Europäische Schuldvertragsrecht von Gewicht ist die Frage, ob das Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot auch Drittwirkung zu Lasten von Privatrechtssubjekten zeitigt. Für die Beschränkungsregeln wurde dies im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes der Sache nach angenommen: Es wurde der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz entwickelt. 132 An das Diskriminierungsverbot hat der E u G H Privatrechtssubjekte bisher nur im Falle von Machtbündelung ausdrücklich gebunden, etwa Monopolisten und bei Setzung kollektiver Regelwerke, letzteres besonders prominent im Falle Bosnian.133 Außerhalb dieser Fallgruppen wird teils Art 119 E G V als das zweite große europarechtliche Diskriminierungsverbot argumentativ fruchtbar ge131

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Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. 6. 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, AB1EG 1988 L 178/5; dazu Grundmann, Nationales Währungsrecht und EG-Kapitalverkehrsfreiheit, EWS 1990, 214 (217-219); heute etwa Grabitz / Hilf (-Ress / Ukrow), Art 73b EGV, Rn 31. Ist die Ware einmal mit Zustimmung des Schutzrechtsinhabers in Verkehr gebracht, kann das Schutzrecht nicht in einem anderen Mitgliedstaat nochmals geltend gemacht werden: So vor allem EuGH 20. 1. 1981 - verb Rs 55 und 57/80 (Musik-Vertrieb membran / GEMA), Slg 1981, 147 (148); EuGH 14. 7. 1981 - Rs 187/80 (Merck / Stephar), Slg 1981, 2063 (2064); EuGH 9. 7. 1985 - Rs 19/84 (Pharmon / Hoechst), Slg 1985, 2281 (2297); EuGH 17. 10. 1990 - Rs C-10/89 (CNL-Sucal / Hag), Slg 1990, 1-3711 (3758). Ausdrücklich aufgenommen wurde der Grundsatz später etwa in Art 7 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, AB1EG 1989 L 40/1. EuGH 30. 4.1974 - Rs 155/73 (Sacchi), Slg 1974,409 (431 f); EuGH 12. 12.1974 - Rs 36/74 (Walrave), Slg 1974, 1405 (1419 f); EuGH 14. 7. 1976 - Rs 13/76 (Dona), Slg 1976, 1333 (1340 f); vgl auch EuGH 9. 6. 1977 - Rs 90/76 (van Ameyde), Slg 1977, 1091 (1127 f); ähnlich Möllers, EuR 1998, 20 (34-37); ebenso für das Recht des Vertragsschlusses: Grabitz / Hilf (-V Bogdandy), Art 6 EGV, Rn 31; monographisch: Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S 299; Jaensch, Drittwirkung der Grundfreiheiten; Schäfer, Die unmittelbare Wirkung des Verbots der nichttarifären Handelshemmnisse (Art 30 EWGV) in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten, 1987; sowie Roth, FS Everling 1995, 1231; Sundberg-Weitmann, Addressees of the Ban on Discrimination Enshrined in Article 7 of the EEC Treaty, CMLR 10 (1973) 71 (73-80). Auch EuGH 15. 12. 1995 - Rs C-415/93 (Bosman), Slg 1995, 1-4921 (5065-5067) fügt sich in dieses Bild, weil die Entscheidung für die Anwendbarkeit von Art 48 EGV auf private Organisationen darauf abstellt, ob eine „kollektive [n] Regelung" angegriffen wird; aA Kluth, Die Bindung privater Wirtschaftsteilnehmer an die Grundfreiheiten des EG-Vertrages - eine Analyse am Beispiel des Bosman-Urteils des EuGH, AöR 1997, 557 (eine Beurteilung allein nach Grundsätzen des Wettbewerbsrechts befürwortend).

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1. Teil - Grundlagen

macht, 1 3 4 also jedes Privatrechtssubjekt auch den Diskriminierungsverboten des Art 6 EGV und der Grundfreiheiten unterworfen. Überwiegend wird demgegenüber auf analoge Überlegungen rekurriert wie in der deutschen Grundrechtsdogmatik und nur eine „vorsichtige Drittwirkung" befürwortet. 135 Die nationalen Schuldvertragsrechte können binnenmarktgrenzüberschreitende Transaktionen jedoch durchaus auch verteuern, wenn sie keine Beschränkungen ieS oder Diskriminierungen enthalten - zumal mit ihren wirtschafts- und sozialpolitisch motivierten Normen. Sie können zusätzliche, erhebliche Transaktionskosten begründen, die allein aufgrund des Grenzübertritts anfallen. Dieser Gefahr begegnet der E u G H mit den Grundsätzen über die Maßnahmen gleicher Wirkung. Maßnahmen gleicher Wirkung werden wie Beschränkungen ieS und Diskriminierungen anhand der Grundfreiheiten auf ihre Primärrechtskonformität hin überprüft. 136

b) Abgrenzung der Grundfreiheiten untereinander - Konvergenz 56

Das Europäische Schuldvertragsrecht gestaltet vor allem die Dienstleistungsfreiheit aus, 137 teils auch die Kapitalverkehrs- und die Zahlungsverkehrsfreiheit. Die Niederlassungsfreiheit wird demgegenüber durch Gesellschaftsrecht, nur am Rande auch durch Kapitalmarktrecht138 ausgestaltet. Auch die Harmonisierung des Arbeitsrechts dient, anders als diejenige des Sozialrechts, nur peripher der besseren Verwirklichung der Freizügigkeit gemäß Art 48 EGV. 139 Die Abgrenzung der drei zuerst genannten Freiheiten voneinander ist heute praktisch ohne große Bedeutung: Alle drei sind seit 1. 7 . 1 9 9 0 unmittelbar anwendbar, Privatrechtssubjekte können aus ih-

Etwa: Grabitz / Hilf (-v Bogdandy), Art 6 EGV, Rn 31 (allerdings im vorliegend erörterten Vertragsrecht zumindest für den Abschluß nur bei Vorliegen der Aufgreifkriterien des Art 86 EGV); bes weitgehend Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S 277-301. 135 Etwa: Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Zuleeg) 4 , 1991, Art 7 EWGV, Rn 19 (in der Neuauflage der Sache nach, unter Weglassung des Zitats, Art 6 EGV, Rn 18); Bleckmann, Europarecht, Rn 1769 f und die dort Zitierten. 136 Dazu sogleich unter 2. 137 Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Zuleeg), Art 6 EGV, Rn 18. 138 Die kapitalmarktrechtlichen Regelungen mit schuldvertragsrechtlichem Inhalt wurden auf unterschiedliche Kompetenznormen gestützt: Die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (4.20) und die Investmentfonds-Richtlinie (4.25) ergingen allein auf der Grundlage der speziell niederlassungsrechtlichen Kompetenznorm des Art 57 II EGV - wohl weil der Schwerpunkt der Regelungen im Zulassungsrecht liegt. Die Insiderhandels-Richtlinie (4.21) wurde demgegenüber auf der Grundlage allein von Art 100a EGV erlassen, was für eine Zuordnung zur Dienstleistungsfreiheit spricht. Alle weiteren zentralen EGRichtlinien zum Primär- und Sekundärmarkt (vgl die Ubersicht bei Grundmann, ZSR 115 nF (1996) 103 [109-114]) wurden auf Art 100/100a EGV und niederlassungsrechtliche Kompetenznormen gleichermaßen gestützt - außer die Verkaufsprospekt-Richtlinie (oben Fn 66) und die eher periphere Beteiligungstransparenz-Richtlinie. 139 Vgl genauer unten § 6 Einl Rn 8-13. Daher finden sich die Kompetenznormen, auf die die Angleichungsmaßnahmen des Arbeitsrechts gestützt werden, (mit einer Ausnahme) auch nicht in Art 48 ff EGV, sondern in Art 100, 100a, 118a EGV. Vgl genauer unten § 6 Einl Rn 2 - 7 , 16-22. 134

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nen (Freiheits-)Rechte ableiten, die auch innerstaatlich wirken. Dies war vorher schon für die Dienstleistungs- 140 und die Zahlungsverkehrsfreiheit anerkannt, 141 gilt seit 1990 jedoch auch für die Kapitalverkehrsfreiheit.142 Außerdem gilt das Konzept der Maßnahme gleicher Wirkung, das dem Wortlaut nach allein in Art 3 0 E G V angelegt ist, gleichermaßen im Rahmen der anderen Freiheiten: Der E u G H selbst hat es auf die Dienstleistungsfreiheit erstreckt; 143 für die Kapitalverkehrsfreiheit ist es a maiore heranzuziehen, 144 und es gilt auch im Rahmen der Zahlungsverkehrsfreiheit. Überhaupt konvergieren die Dogmatiken der verschiedenen Grundfreiheiten zunehmend. 145 Bedeutung hat die Abgrenzung vor allem noch bei Anwendung der Vorbehaltsklauseln, die je nach Freiheit verschieden formuliert sind. Leicht abzugrenzen ist die Zahlungsverkehrsfreiheit, hat sie doch nur dienende Funktion bei der Durchsetzung der anderen vier Freiheiten; 1 4 6 dementsprechend EuGH 4. 12. 1986 - Rs 220/83 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung)·, 252/83 (Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung); 205/84 {Freier Dienstleistungsverkehr - Versicherung), 206/84 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung), Slg 1986, 3702 (3708); 3742 (3747 f); 3793 (3802); 3843 (3848 f); zuerst in: EuGH 3. 12. 1977 - Rs 33/74 (van Binsbergen), Slg 1974, 1299 (1311 f); Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 59 EWGV, Rn 9 - 1 4 ; Kapteyn / Verloren van Themat, Law of the European Communities, p. 753 seq. 141 Beutler /Bieber /Pipkorn / Streil, Europäische Union, S 338; Burgard, Einige Bemerkungen zu Artikel 106 des EWGV, Integration 1970, 104 (105 f); Ehle / Meier, EWG-Warenverkehr, 1971, Rn B208; implizit auch EuGH 11. 11. 1981 - Rs 203/80 (Casati) Slg 1981, 2595 (2621). i « EuGH 23. 2. 1995 - verb Rs C-358/93 und C-416/93 (Bordessa ua), Slg 1995, 1-361 (387); Geiger, Art 73b EGV, Rn 1; Grabitz / Hilf (-Ress / Ukrow), Art 73b EGV, Rn 6; Grundmann, EWS 1990, 214 (214-216); Weber, Kapitalverkehr und Kapitalmärkte im Vertrag über die Europäische Union, EuZW 1992, 561 (562). 143 EuGH 4. 12. 1986 - Rs 220/83 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung)·, 252/83 (Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung)·, 205/84 (Freier Dienstleistungsverkehr - Versicherung), 206/84 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung), Slg 1986, 3702 (3709); 3742 (3748 f); 3793 (3803-3809); 3843 (3850); dann: EuGH 25. 7. 1991 - Rs C-76/90 (Saeger / Dennemeyer), Slg 1991, 1-4221 (4241 f); EuGH 24. 3. 1994 - Rs C-295/92 (Lotterien), Slg 1994,1-1039 (1093); EuGH 9. 8.1994 - Rs C-43/93 (OMI), Slg 1994,1-3803 (3823 f); unentschieden noch etwa Roth, EuR 1986, 340 (356 f). 144 Grabitz / Hilf (-Ress / Ukrow), Art 73b EGV, Rn 11 f; Grundmann, EWS 1990,214 (215 f); Weber, EuZW 1992, 561 (562 f). 145 Behrens, EuR 1992, 145; Classen, EWS 1995, 97 (allerdings die Grenzüberschreitungsfälle von den anderen unterscheidend); Steindorff, J Z 1994, 95 (96) (Urteilsanm); Weber/ Bohr, in: Röttinger / Weyringer (Hrsg), Handbuch der europäischen Integration - Strategie, Struktur, Politik im EG-Binnenmarkt, 315 (345 f); speziell mit Hinblick auf das Schuldvertragsrecht: Armbrüster, RabelsZ 60 (1996) 72 (77); demgegenüber will Mülbert, ZHR 159 (1995) 2 (28-33) in der Rspr zu Art 48, 52 EGV eine viel weiterreichende Überprüfung nationaler zwingender Regeln konstatieren als in der Rspr zu Art 30, 59 EGV. Traditionell wird allenfalls umgekehrt der Liberalisierungsgrad im Bereich der Niederlassungsfreiheit als geringer angesehen als in demjenigen der Dienstleistungsfreiheit, vgl unten Rn 65. EuGH 23. 11. 1978 - Rs 7/78 (Thompson), Slg 1978, 2247 (2274 f); EuGH 11. 11. 1981 - Rs 203/80 (Casati) Slg 1981, 2595 (2616 f und 2629 [Generalanwalt Capo140

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1. Teil - Grundlagen

ist sie hinsichtlich des gesamten Liberalisierungsstandes, auch hinsichtlich der Vorbehaltsklauseln, der jeweiligen Hauptfreiheit angepaßt: Soweit die charakteristische Leistung durch die Hauptfreiheit von Behinderungen freigestellt ist, ist es die neutrale Leistung (in Geld) auch für die Gegenleistung. 58

Die Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit weisen demgegenüber in der Tat unterschiedliche Vorbehaltsklauseln auf. Herkömmlich werden sie nach dem Gegenstand der Transaktion abgegrenzt: Leistungen, welche sich in der Kapitalbewegung erschöpfen, sind danach der Kapitalverkehrsfreiheit zu unterstellen. 147 Von den im Europäischen Schuldvertragsrecht harmonisierten Bereichen unterfiele daher - berücksichtigt man auch Art 61 II E G V 1 4 8 - praktisch das gesamte Bankgeschäft nicht der Dienstleistungsfreiheit. 149 Dies beträfe namentlich das in der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10) geregelte (Verbraucher-)Kreditgeschäft, 1 5 0 sowie den Effektenkauf (4.21) 1 5 1 und - unter Anwendung von Art 61 II E G V - den in der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (4.20) auch mit schuldrechtlichen Regeln angesprochenen Wertpapierhandel. 152 Gleiches hätte für den

torti})·, EuGH 31. 1. 1984 - Rs 286/82 und 26/83 (Luisi & Carbone) Slg 1984, 377 (402, 404 f); Börner, FS Ophüls 1965, 19 (22); Everling, Geld und Währung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, EuR 1984, 361 (362); Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Smits), Art 106 EWGV, Rn 2; Hahn, Währungsrecht, 1990, S 333 f. 147 EuGH 31. 1. 1984 - Rs 286/82 und 26/83 (Luisi & Carbone), Slg 1984, 377 (404); Bleckmann, Europarecht, Rn 1702; Börner, Rechtsfragen des Zahlungs- und Kapitalverkehrs in der EWG, EuR 1966, 97 (110-113); Grabitz / Hilf (-Ress / Ukrow), Art 73b EGV, Rn 9; Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Kiemet), Art 73b EGV, Rn 1; Schöne, Das deutsche Bankaufsichtsrecht (KWG) und die Dienstleistungsfreiheit nach Art 59 ff EWG-Vertrag, WM 1989, 873 (874). 148 Vgl z u dieser Vorschrift, die nach hM alle gemischten Transaktionen, dh solche mit Dienstleistungs- und mit Kapitalverkehrselementen, dem Regime der Kapitalverkehrsfreiheit unterstellt (mit Bsp): Bopp, Europäische Aufsicht über Kreditinstitute, 1982, S 60; Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 61 EWGV, Rn 7; Schöne, WM 1989, 873 (874) („Dienstleistungselemente und Kapitalverkehrselemente in engem Zusammenhang"); etwas abgemildert: Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Troberg), Art 61 EGV, Rn 4-12. 149 Der Dienstleistungsfreiheit unterfielen danach nur sehr „wenige, zudem atypische Bankdienstleistungen": Schöne, WM 1989, 873 (874) (Schließfachverträge, Erstellung von Marktstudien, Vermittlung von Beteiligungserwerb ohne finanzielle Abwicklung); ebenso: Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 61 EWGV, Rn 9; Römer, Harmonisierung der Bankenaufsicht in der Europäischen Gemeinschaft - Grundlagen und Ansätze, 1977, S 41. 150 Bleckmann, Europarecht, Rn 1702; Börner, EuR 1966, 97 (112 f); Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Troberg), Art 61 EGV, Rn 7; Schöne, WM 1989, 873 (874); aA schon Grundmann, Bankaufsichtsrecht, S 4 0 - 4 6 (Unzulässigkeit von Darlehenszinsfestschreibung an der Dienstleistungsfreiheit zu messen). 151 Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Troberg), Art 61 EGV, Rn 7; Römer (oben Fn 149) S 40; Schöne, WM 1989, 873 (874). 152 Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Troberg), Art 61 EGV, Rn 7; Schöne, WM 1989, 873 (874); aA für die Wertpapierverwahrung: Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Troberg), Art 61 EWGV, Rn 9 (Vorauflage). In diesem Zusammenhang ist auch die Investmentfonds-Richtlinie (4.25) zu nennen.

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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Zahlungsverkehr durch Überweisung (4.13) zu gelten, der freilich bei Zusammenhang mit einem liberalisierten Grundgeschäft unter die (unbeschränkte) Freiheit des Zahlungsverkehrs nach Art 7 3 b II E G V (Art 106 E W G V aF) fällt.·« Auch Zahlungsweisen mit Einräumung von Sicherungsrechten wie das Dokumentenakkreditiv oder die Bankgarantie wären hierher zu zählen. 154 Sinnvoller ist es jedoch, die Abgrenzung aus den Zielen der betroffenen Grundfreiheiten, namentlich aus dem Zweck der Vorbehaltsklauseln, zu entwickeln. 1 5 5 Das tragende Argument für den Sonderweg bei der Liberalisierung der Kapitalverkehrsfreiheit wurde stets darin gesehen, daß der Kapitalverkehr eng mit der Währungspolitik zusammenhängt, 1 5 6 die noch der autonomen Kompetenz der Mitgliedstaaten unterliegt. Der geringere Grad an Liberalisierung im Kapitalverkehr - oder: die besondere Gestaltung der Vorbehaltsklauseln - ist dementsprechend auch auf die Fälle zu beschränken, in denen solch ein Zusammenhang mit der nationalen Währungspolitik besteht. Entscheidend für die Abgrenzung beider Freiheiten ist demnach, welche Ziele die nationale zwingende Norm verfolgt, die am europäischen Liberalisierungsmaßstab zu messen ist. Die Kapitalverkehrsfreiheit gibt insoweit den Liberalisierungsstandard für devisen- und währungsrechtliche nationale Normen vor. Erfaßt sind Normen, welche die Ausgeglichenheit der Zahlungsbilanz sowie die Kaufkrafterhaltung der inländischen Währung zum Ziel haben, allenfalls noch die Funktionsfähigkeit des inländischen Kapitalmarkts, soweit diese geeignet ist, die Kaufkraft der Währung erheblich zu beeinflussen. Für andere Typen von zwingenden Regeln gibt demgegenüber die Dienstleistungsfreiheit den Liberalisierungsstandard vor, insbesondere für Normen, welche die Fairness und Transparenz der von Kreditinstituten abgeschlossenen Verträge verbürgen sollen. Heute ergibt sich ebendies aus Art 73d II E G V zumindest für die Niederlassungsfreiheit. 2. Insbesondere:

Das Konzept von den Maßnahmen Herkunftslandprinzip

gleicher

Wirkung

-

Im Europäischen Schuldvertragsrecht ist von den verschiedenen Beschränkungsformen praktisch nur die sogenannten Maßnahme gleicher Wirkung wichtig. Hierbei handelt es sich um nationale Normen, die den grenzüberschreitenden Verkehr zumindest mittelbar und/oder potentiell behindern. Da solche Regeln durch die Anwendung der Grundfreiheiten zurückgedrängt werden und diejenigen des Gastlandes bisher praktisch eine ungleich größere Rolle spielten, wird

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Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Troberg), Art 61 EGV, Rn 5; und Nachw oben Fn 146. Schöne, WM 1989, 873 (874). Zur Relevanz des Europäischen Schuldvertragsrechts für das Dokumentenakkreditiv oder die Bankgarantie unten Rn 100-104, 4.13 Rn 8. Ansatzweise ebenso: Groeben / Thiesing / Ehlermann {-Troberg), Art 61 EGV, Rn 9, 11 f. Einhellige Meinung, vgl nur Seidel, Freier Kapitalverkehr und Währungspolitik, FS Kutscher 1981, 397 (410-413); und für einzelne Vorbehaltsklauseln: Ipsen (oben Fn 47) S 797, 801.

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1. Teil - Grundlagen

insoweit von der Etablierung des Herkunftslandprinzips gesprochen.157 Zu messen ist die nationale Norm, die eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellen könnte, im Bereich des Schuldvertragsrechts an den Vorgaben der Dienstleistungs-, in Einzelfällen auch an denen der Kapitalverkehrsfreiheit. Sind nationale Normen als Maßnahmen gleicher Wirkung zu qualifizieren (a), bedürfen sie der Rechtfertigung (b). a) Vorliegen von (beschränkenden) Maßnahmen gleicher Wirkung 6 0 Nationale Normen, die den Gestaltungsrahmen für Schuldverträge vorgeben, werden anhand der Grundfreiheiten nicht nur überprüft, wenn sie beschränkend im eigentlichen Sinne wirken oder ausdrücklich zwischen Angehörigen verschiedener Mitgliedstaaten diskriminieren, sondern auch, wenn sie als Maßnahmen gleicher Wirkung zu qualifizieren sind. Erstmals in den Entscheidungen in Sachen Dassonville und Cassis de Dijon erörterte der EuGH nationale Normen, die Inlands- und Importware gleichen Standards unterwarfen. Er qualifizierte sie als Maßnahmen gleicher Wirkung, wenn sie zumindest de facto ausländische Anbieter ungleich schwerer belasteten als inländische,158 etwa weil jener daran gehindert war, „Produkte" (Waren oder Dienstleistungen)159 in dem Zuschnitt anzubieten, den er ihnen auf dem Heimatmarkt gegeben hatte. Daß diese Normen formal in- und ausländische Unternehmen gleich behandelten, hielt der EuGH fast immer für unerheblich.160 Das Schwergewicht von Rechtsprechung und Diskussion ging sogar darüber hinaus: Gefragt wurde jeweils, ob nicht die Behinderung eines Angebots aus dem EG-Ausland auch dann schon eine Maßnahme gleicher Wirkung darstelle, wenn die Norm inländische Anbieter de facto gleich schwer trifft. Die Befürworter dieser Lösung können auf die Leitentscheidung in Sachen Dassonville verweisen.161/162 Sicher ist seit der Entscheidung in Sachen Nachw oben Fn 112. 158 E u G H 11. 7 . 1 9 7 4 - Rs 8 / 7 4 (Dassonville), Slg 1974, 8 3 7 (837); E u G H 2 0 . 2 . 1 9 7 9 - Rs 1 2 0 / 7 8 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 6 4 9 . 1 5 9 Zur Begriffsverwendung vgl Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt - die Privatversicherung und ihre rechtliche Gestaltung, 1991, bes 63 f, 1 4 7 - 1 8 2 ; außerdem die Diskussion um den Vorschlag für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (2.13). " o Der Sache nach: E u G H 15. 12. 1 9 8 2 - Rs 2 8 6 / 8 1 (Oosthoek), Slg 1982, 4 5 7 5 ( 4 5 8 7 f); explizit dann: E u G H 16. 5. 1 9 8 9 - Rs 3 8 2 / 8 7 ( £ 8 5 ) , Slg 1989, 1 2 3 5 (1251). Wenige Ausnahmen finden sich bei einigen privatrechtskonditionierenden Normen. Schon die formale Gleichbehandlung hielten für ausreichend: E u G H 7. 3- 1 9 9 0 - Rs C - 6 9 / 8 8 (Krantz), Slg 1990, 1-583 (597) (Besonderheiten in Pfändungsrechten); E u G H 11. 7. 1 9 9 0 - Rs C - 2 3 / 8 9 (Quietlynn und Richards), Slg 1990, 1-3059 (3081) (Konzessionierung des Verkaufs pornographischer Schriften). 161 Danach sind als Maßnahmen gleicher Wirkung anzusehen alle diejenigen nationalen Normen, „die geeignet [sind], den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern . . . " ; E u G H 11. 7. 1974 - Rs 8 / 7 4 {Dassonville), Slg 1974, 8 3 7 (837); danach stRspr, etwa E u G H 12. 3. 1 9 8 7 - Rs 1 7 8 / 8 4 (Reinheitsgebot für Bier), Slg 1987, 1 2 2 7 (1269). In diesen Fällen eine Maßnahme gleicher Wirkung allgem bejahend: Schricker, W R P 1993, 617 (617) (Urteilsanm); und für die produktdefinierenden Normen auch noch nach Keck: Fezer, J Z 1994, 317 ( 3 2 0 f). 157

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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Keck, daß der E u G H eine so weite Ausdehnung des Konzepts jedenfalls für bloße Verkaufsmodalitäten ablehnt. 163 Ebenso sicher ist heute aufgrund der Nachfolgeentscheidungen von Keck, daß die hiervon abzugrenzenden produktdefinierenden (und vergleichbaren) Normen jedenfalls dann noch immer als Maßnahmen gleicher Wirkung eingestuft werden, wenn sie ausländische Anbieter de facto ungleich schwerer belasten als inländische. Weniger sicher ist allein die zusammenfassende Bewertung im sonstigen. Sie geht jedoch wohl dahin, daß der E u G H auch Verkaufsmodalitäten noch immer als Maßnahmen gleicher Wirkung qualifiziert, wenn sie faktisch ausländische Anbieter erheblich und deutlich schwerer belasten als inländische, und produktdefinierende Normen stets, wenn sie das grenzüberschreitende Angebot nennenswert behindern. 164

b) Rechtfertigung von Maßnahmen gleicher Wirkung Maßnahmen gleicher Wirkung bedürfen der Rechtfertigung. Der E u G H geht bei Vorliegen solcher Gründe davon aus, daß eine Maßnahme gleicher Wirkung gar nicht vorliegt (immanente Schranke des Konzepts). Die Palette möglicher Maßnahmen gleicher Wirkung ist jedoch ungleich offener als diejenige von Beschränkungen ieS und von Diskriminierungen, weshalb auch diejenige der Rechtfertigungsgründe offener sein muß: Beschränkungen ieS und Diskriminierungen sind nur nach den Schutzklauseln zu rechtfertigen (Art 6 6 iVm Art 5 6 I E G V für die Dienstleistungsfreiheit). In ihnen sind die Rechtferti-

Diese Lösung läßt einem echten Wettbewerb der Rechtssysteme noch breiteren Raum. Zu diesem Konzept vgl Nachw oben Fn 73 f. 163 EuGH 24. 11. 1993 - verb Rs C-267/91 und C-268/91 (Keck & Mitbouard), Slg 1993, 1-6097 (6130-6132); EuGH 15. 12. 1993 - Rs C-292/92 (Hünermund), Slg 1993, 1-6787 (6822 f); präzisiert vor allem in zwei Entscheidungen: EuGH 6. 7. 1995 - Rs C-470/93 (Mars), Slg 1995,1-1923 (1941) ([Werbe-]Regelung, die den Hersteller zu gesonderter Verpackung für einen Mitgliedstaat zwingt, ist nicht Verkaufsmodalität und stellt auch bei unterschiedsloser Anwendung eine Maßnahme gleicher Wirkung dar); EuGH 10. 5. 1995 - Rs C-384/94 (Alpine Investment), Slg 1995, 1-1141 (1176-1178) („Vertriebsmodalitäten" des Herkunftslandes wirken, wenn auch auf den Export angewandt, durchaus faktisch bes belastend, dh als Maßnahmen gleicher Wirkung); Fezer, J Z 1994, 317 (320 f); Grabitz / Hilf (-Matthies / ν Borries), Art 30 EGV, Rn 31. Aus der umfangreichen Literatur zur Keck-Rspr vgl vor allem monographisch: Hödl, Keck-Entscheidung; Keßler, Warenverkehrsfreiheit; Lang, Freiheit des Warenverkehrs; Weyer, Freier Warenverkehr; sowie: Fezer, J Z 1994,317; Stuyck, L'arrêt Keck et Mithouard (vente à perte) et ses conséquences sur la libre circulation des marchandises, CDE 1993, 435. i " Vgl Nachw in Fn 160, 161 und 163; ebenso Weatherill, CM LR 33 (1996) 885, bes 904 seq; und die zusammenfassende Prüfliste bei: Grabitz / Hilf (-Matthies / ν Borries), Art 30 EGV, Rn 31. Die Leitentscheidung in Sachen Keck & Mithouard stellt ausdrücklich darauf ab, daß die (kontrollfreien) Regeln zu Verkaufsmodalitäten „nicht geeignet [sind], den Marktzugang für diese [ausländischen] Erzeugnisse ... stärker zu behindern . . .". Diese Fragen müssen hier für das Schuldvertragsrecht nicht weiter vertieft werden, da sie angesichts nahezu flächendeckender Harmonisierung im Bereich international zwingender Normen (vgl unten Rn 79, 89, auch 92) fast nie bedeutsam werden. 162

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1. Teil - Grundlagen

gungsgriinde enumerativ und abschließend (nicht analogiefähig) aufgezählt. 165 Für Maßnahmen gleicher Wirkung besteht demgegenüber ein offener Kreis von Rechtfertigungsgründen, die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit als „zwingende und nichtwirtschaftliche Gründe des Allgemeininteresses" umschrieben werden und die in der Schutzklausel aufgeführten Gründe sowie unbenannte weitere umfassen. Zu ihnen zählen vor allem auch die Lauterkeit des Wettbewerbs 1 6 6 und die schützenswerten Interessen von Verbrauchern. 167 Vom Gewicht her entsprechen sich die in beiden Kanones enthaltenen Rechtfertigungsgründe einander jedoch grundsätzlich. 168 Die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses müssen also vergleichbares Gewicht haben wie die in Art 6 6 iVm Art 5 6 I EGV genannten Gründe. Insbesondere muß eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung dargetan werden, generalpräventive Überlegungen reichen allein nicht aus, 1 6 9 desgleichen auch nicht wirtschaftliche Überlegungen. 170

EuGH 25. 1. 1977 - Rs 46/76 (Bauhuis), Slg 1977, 5 (15); EuGH 17. 6. 1981 - Rs 113/80 (Kommission / Irland), Slg 1981, 1625 (1638); EuGH 9. 6. 1982 - Rs 95/81 (Kommission / Italien), Slg 1982, 2187 (2204); Bleckmann, Europarecht, Rn 1522, 2899; Grabitz / Hilf (-Matthies / ν Borries), Art 36 EGV, Rn 3; Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Müller-Graff), Art 36 EGV, Rn 25-28. ! " Grundlegend: EuGH 20. 2. 1979 - Rs 120/78 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 649 (662); sodann stRspr, etwa EuGH 15. 12. 1982 - Rs 286/81 (Oosthoek), Slg 1982, 4575 (4587); desweiteren die Aufzählungen in den unten Fn 292 genannten Entscheidungen. 167 Grundlegend: EuGH 20. 2. 1979 - Rs 120/78 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 649 (662); sodann stRspr, etwa EuGH 15. 12. 1982 - Rs 286/81 (Oosthoek), Slg 1982, 4575 (4587). Außerdem wurden bisher in einer nicht abschließenden Liste genannt: Arbeitnehmerschutz, Einhaltung von Berufsregeln zugunsten von Empfängern von Dienstleistungen sowie, für das Schuldvertragsrecht regelmäßig wenig bedeutsam, Schutz des geistigen Eigentums und Schutz des historischen und künstlerischen Erbes, jedoch auch Schutz der Umwelt (vgl Nachw unten Fn 292). Zur Kohärenz des nationalen Rechts, die ebenfalls als Rechtfertigungsgrund postuliert wird, unten Rn 117. 168 Grabitz / Hilf (-Matthies / ν Borries), Art 30 EGV, Rn 21; tendenziell: Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Müller-Graff), Art 30 EGV, Rn 231; wohl auch Bleckmann, Europarecht, Rn 1523 f; sowie: EuGH 19. 2. 1981 - Rs 130/80 (Keldermann), Slg 1981, 527 (535 f). Für Art 36, 48 III EGV grundlegend: EuGH 26. 2. 1975 - Rs 67/74 (Bonsignore), Slg 1975, 297 (305-307). 170 StRspr des EuGH seit EuGH 19. 12. 1961 - Rs 7/61 (Kommission / Italien), Slg 1961, 693 (720) (Art 36 EWGV nur für „Tatbestände nicht wirtschaftlicher An"); Art 2 II der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. 2. 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, AB1EG 1964, 850/64 („nicht für wirtschaftliche Zwecke"); Grabitz / Hilf (-Matthies / ν Borries), Art 36 EGV, Rn 3 - 5 ; Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 48 f und Art 56 EWGV, Rn 8; Weber, Schutznormen und Wirtschaftsintegration - zur völkerrechtlichen, europarechtlichen und innerstaatlichen Problematik von Schutzklauseln und ordre-public-Vorbehalten, 1982, S 110 f, 151,170; speziell für die zwingenden Erfordernisse bzw Gründe des Allgemeininteresses: Groeben / Thiesing / Ehlermann (-MüllerGraff), Art 36 EGV, Rn 204, 226.

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Die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses müssen nicht nur gewichtig 62 sein, die Berufung auf sie ist auch ultima ratio: Sie müssen die Anforderungen des gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfüllen: Die Zielvorgabe im nationalen Recht - etwa diejenige, die schwächere Vertragspartei vor ungerechtfertigten Vermögenseinbußen zu bewahren - ist mit dem Gemeinschaftsziel, etwa der Dienstleistungsfreiheit, in optimale Konkordanz zu bringen.171 Seine wohl wichtigste Ausformung hat dieser Grundsatz im Prinzip des Vorrangs des Transparenzmodells gefunden: Danach ist dem nationalen Gesetzgeber, der sein Recht gegenüber einem Anbieter aus dem EG-Ausland und seinem Recht (zwingend) durchsetzen will, die Berufung auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses in den Fällen versagt, in denen dem durchschnittlichen Verbraucher die wesentlichen Leistungspflichten beider Vertragsparteien bei gehörigem Bemühen transparent gemacht werden können.172 Wichtiges Indiz ist insoweit, daß das Geschäft, auf welches das inländische Recht zwingend angewandt werden soll, im EG-Ausland (als dem Herkunftsland) ohne Mißstände praktiziert wird. Die Stärke dieses Grundsatzes liegt zum einen darin, daß er die nationalen Gesetzgeber dazu zwingt, die Regulierung auf das nötige Minimum zu reduzieren. Zum anderen können bloße Informationsregeln leichter auf andere Rechtsordnungen übertragen werden als inhaltliche Festlegungen und sind daher tendenziell offen für Vereinheitlichungsbemühungen. Zwar wurde der Vorrang des Transparenzmodells bisher nur für Fälle des Warenverkehrs postuliert, und im Bereich der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit stehen mit den Versicherungsurteilen173 Judikate im Vordergrund, in denen hinreichende Transparenz verneint wurde. Damit wurde jedoch nicht der Grundsatz in Zweifel gezogen, sondern nur der Umstand unterstrichen, daß im Bereich der Dienstleistungsfreiheit Transparenz häufig schwerer herzustellen ist. Denn im Bereich der Dienstleistungsfreiheit geht es häufig um die Transparenz von Vertragswer-

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Für den Dienstleistungssektor grundlegend: EuGH 17. 12. 1981 - Rs 279/80 (Webb), Slg 1981, 3305 (3324 f) und die in Fn 50 zit Versicherungsurteile. Zu dieser Abwägung beider Ziele in der EuGH-Rspr: Everting, Zur neueren EuGH-Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht, EuR 1982, 301, 303-307. Weitere Nachw bei: Grabitz / Hilf {-Matthies / ν Borries), Art 30 EGV, Rn 21. Zur Herleitung ausführlich: Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 1988, Bd 2, S 690-698. Vgl außerdem die Zitate in der folgenden Fn. EuGH 20. 2. 1979 - Rs 120/78 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 649 (664); EuGH 22. 6. 1982 - Rs 220/81 (Roberston), Slg 1982, 2349 (2361 f); EuGH 11. 7. 1984 - Rs 51/83 (Kommission /Italien), Slg 1984, 2793 (2805 f); dazu mwN: Hommelhoff, Verbraucherschutz, S 4 4 - 4 8 ; Reich, Europäisches Verbraucherrecht, S 304 f („Informationsparadigma"); Roth, ZEuP 1994, 5 (15). Zudem erklärt der EuGH nationale Normen, die die Informationsbeschaffung behindern, für unzulässig: EuGH 7. 3. 1990 - Rs C-362/88 (GB-Inno-BM), Slg 1990, 1-667 (689). Die Kommission, Verbraucherpolitik - Zweiter dreijähriger Aktionsplan - 1993-1995 - der Binnenmarkt im Dienst der europäischen Verbraucher (KOM[93] 378 endg, S 19) formuliert: „Information ist die entscheidende Voraussetzung dafür, daß der Verbraucher sich die Vorteile des Binnenmarkts zunutze macht." Nachw oben Fn 50.

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1. Teil - Grundlagen

ken, im Bereich der Warenverkehrsfreiheit - anschaulicher - um Warenbeschreibungen. Immerhin bilden Informations- und Transparenzgebote auch in EGRichtlinien zum Europäischen Schuldvertragsrecht häufig den dominierenden Teil, so etwa in der Fernabsatz-Richtlinie (2.02), der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10) oder der Insiderhandels-Richtlinie (4.21), jedoch auch in den Versicherungs-Richtlinien (4.30-3, 4.31-3). 63 Noch weiter beschnitten wird die Möglichkeit einer Rechtfertigung nationaler Normen, die den grenzüberschreitenden Verkehr behindern, wenn an das Vorliegen zwingender Gründe des Allgemeininteresses höchste Anforderungen gestellt werden. Besonders prominent tat dies Manfred Wolf, der für wichtige Normen des Bankvertragsrechts das Vorliegen solcher Gründe verneinte.174 Besonders gut ist solch eine tendenzielle Festlegung in den Fallgruppen zu rechtfertigen, in denen zwar die konkrete Rechtsfrage - etwa die Fairness von Vertragsbedingungen - nicht geregelt ist, wohl aber ein funktionelles Äquivalent - etwa die Zuverlässigkeit des beruflich tätigen Vertragspartners. Eine Zuverlässigkeitsüberwachung, wie sie im Kreditwesen gemeinschaftsrechtlich vorgeschrieben ist, mag daher auch mittelbar Wirkung zeitigen: Die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, die dafür sprechen, die von Kreditinstituten abgeschlossenen Verträge auf ihre Fairness hin zu überprüfen, mögen weniger zwingend erscheinen.175 Jedenfalls wird heute von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wohl nicht mehr so leicht ausgegangen wie noch 1978, als der EuGH § 61 BörsG aF für europarechtskonform erklärte.176 3. Privatrechtsnormen als mögliche Maßnahmen gleicher Wirkung 64 Die Grundsätze zu den Maßnahmen gleicher Wirkung wurden vor allem für öffentlichrechtliche Regeln entwickelt, jedoch belegt etwa das Beispiel des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb, daß auch zivilrechtliche Normen durchaus als Maßnahmen gleicher Wirkung angesehen und teils für grundfreiheitswidrig eingestuft wurden.177 In der Literatur wurde dieser Ansatz - besonders nach dem 174

175 176

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Praktisch zeitgleich drei frühe Abhandlungen zum Bankvertragsrecht: Wolf, W M 1990, 1941 (1943-1952); ähnlich Grundmann, Bankaufsichtsrecht, S 43-46, 6 2 - 6 7 ; im Ansatz schon Schneider / Troberg, W M 1990, 165 (168-172); ablehnend: Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 (100-102); Müller-Graff, NJW 1993, 13 (18). Vgl näher unten Rn 120, 2.02 Rn 12. E u G H 24. 10. 1978 - Rs 15/78 (Börsentermingeschäfte und freier Dienstleistungsverkehr)I, Slg 1978, 1971 (1980). Die zentralen Entscheidungen ergingen zu Preisnachlässen außerhalb der Schlußverkäufe, zu Werbeverboten (vergleichende Preiswerbung / Werbung außerhalb von Apotheken) und zu Verboten eines Wiederverkaufs unter dem Einstandspreis: vgl (einen Verstoß gegen Grundfreiheiten bejahend) E u G H 7. 3. 1990 - Rs C-362/88 (GB-InnoBM), Slg 1990,1-667 (689); E u G H 18. 5. 1993 - Rs C-126/91 (Yves Rocher), Slg 1993, 1-2361 (2386-2391); demgegenüber (solch einen Verstoß ablehnend): E u G H 24. 11. 1993 - verb Rs C-267/91 und C-268/91 (Keck & Mithouard), Slg 1993,1-6097 (61306132); E u G H 15. 12.1993 - Rs C-292/92 (Hünermund), Slg 1993,1-6787 (6822 f); vgl außerdem: E u G H 13. 12. 1990 - Rs C-238/89 (Pali / Dahlhausen), Slg 1990, 1-4827

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Urteil des EuGH in Sachen § 61 BörsG aF - zunehmend auf das gesamte Zivilrecht und auch das (zwingende) Schuldrecht (etwa § 61 BörsG) bezogen.178 Und in der Tat wird für den ausländischen Anbieter auch durch international zwingendes Schuldrecht eine absolute Schranke errichtet, sein „Produkt" in der Form, die er ihm im Heimatmarkt gab, auf den inländischen Markt zu bringen. Daß diese absolute Schranke erst ex post ihre Wirkung zeitigt und nur über den Privatmann als Durchsetzungsorgan für öffentliche Interessen, stellt, da der EuGH von einer funktionalen Definition ausgeht, keinen entscheidenden Unterschied dar. Was bei Waren Eigenschaften sind, ist bei vielen Dienstleistungen ihre rechtliche Ausgestaltung. Den Europäischen Gesetzgeber hat dieser Umstand jüngst dazu veranlaßt, den Fristanlauf für den Widerruf von Vertragsabschlüssen im Fernabsatz differenziert zu regeln: Die Frist läuft bei Warenkaufverträgen erst ab Eingang der Ware, bei Dienstleistungsverträgen schon ab Vertragsschluß (Art 6 I 2. UA der Fernabsatz-Richtlinie [2.02]). Die Widerrufsfrist, so die Überlegung des Gemeinschaftsgesetzgebers, soll erst laufen, sobald der Verbraucher den Produkttyp mit seinen Eigenschaften gesehen hat. Bei Warenlieferung im Fernabsatz liegt dem Verbraucher regelmäßig kein Muster vor, so daß die Widerrufsfrist erst laufen darf, sobald er erstmals die Eigenschaften im Original sieht. Bei Dienstleistungen kann er demgegenüber den Typ mit seinen Eigenschaften nach Erkenntnis des Europäischen Gesetzgebers typischerweise bereits dem Vertrag entnehmen. Zweifel daran, daß die Grundsätze zu den Maßnahmen gleicher Wirkung das 6 5 Schuldvertragsrecht erfassen und daß demnach auch in diesem Rechtsgebiet nationale Normen, die Anbieter aus dem EG-Ausland belasten, der Rechtfertigung durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses" bedürfen, nährt am ehesten die Hauptentscheidung des EuGH zum Internationalen Gesellschaftsrecht (Gesellschaftskollisionsrecht). Die Sitztheorie, die im internationalen Gesellschaftsrecht in den meisten EG-Mitgliedstaaten auf dem Kontinent dominiert und nach der das Recht am effektiven Verwaltungssitz der Gesellschaft ihre rechtlichen Verhältnisse regelt,179 schränkt die Rechtswahlfreiheit ein.180 Die Kosten, die die

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(4847-4850) (R[egistred] als Warenzeichenzusatz darf durch nationale Normen nicht deshalb verboten werden, weil die Registrierung nur im EG-Ausland erfolgte). Zum Problemkreis etwa Fezer, JZ 1994, 317; Ullmann, Die Europäische Union und das nationale Wettbewerbs- und Urheberrecht, J Z 1994, 928 (931-935); Veelken, Gemeinschaftsrechtliche Einwirkung im Recht des unlauteren Wettbewerbs, EWS 1993, 377. Erste Ansätze dahingehend bei Zweigert, FS Hallstein 1966, 555 (566-569); (Überprüfung des ordre-public-Vorbehalts, freilich nur anhand von Art 5 und 6 EGV); und für § 61 BörsG aF: Samtleben, RabelsZ 45 (1981) 218, 237-250; Steindorff, EuR 1981, 426 (435-441); ders, IPRax 1982, 49 (50); anders noch etwa Häuser / Welter, Nationale Gestaltungsschranken bei ausländischen Börsentermingeschäften, WM Sonderbeil 8/1985 S 15. Vgl die Nachw (auch rvgl) bei: Kegel, IPR, S 414-416; MünchKomm {-Ebenroth), Nach Art 10 EGBGB, Rn 177 ff; Staudinger (-Großfeld}, Internationales Gesellschaftsrecht13, 1993, Rn 3 3 - 7 2 , 146-151. Die zunehmende Erosion des Anwendungsbereichs der Sitztheorie und Aushöhlung durch gesonderte Statuten (etwa im Kapitalmarktrecht) belegt eindringlich und rvgl untermauert: Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht - das

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Sitztheorie verursacht, etwa im Falle der Sitzverlegung (mit Auflösung und Neugründung), können auch erheblich sein. 181 Dennoch ging der E u G H in der Daily Mail Entscheidung davon aus, die Niederlassungsfreiheit, also die Parallelfreiheit zur Dienstleistungsfreiheit, die das Schuldvertragsrecht regelt, sei nicht verletzt. 1 8 2 Er begründete dies freilich mit einer Sonderbehandlung der Niederlassungsfreiheit durch den EG-Vertrag selbst: Bei dieser Freiheit spreche Art 5 4 III lit. g und der Wortlaut von Art 5 8 E G V dafür, daß die Mitgliedstaaten über die letzten diesbezüglichen Integrationsschritte selbst entscheiden wollten. Im Bereich der Dienstleistungsfreiheit finden sich weder Normen noch Formulierungen, die auf einen entsprechenden Vorbehalt schließen ließen: Art 6 6 E G V verweist gerade nicht auf Art 5 4 III lit. g E G V ; die Sitztheorie, deren Duldung Art 5 8 E G V zu entnehmen sei, hat im Schuldvertragsrecht kein Pendant. Der E u G H hat in seinen verschiedenen Entscheidungen, die das Schuldvertragsrecht betreffen, ein ähnlich eingeschränktes Grundfreiheitenkonzept bisher auch nicht angedeutet. Die hM vor allem in Deutschland versteht daher die für den Bereich des Schuldvertragsrechts nicht völlig explizite EuGH-Rechtsprechung zu Recht dahin, daß schuldvertragsrechtliche Normen, soweit sie nicht durch Rechtswahl abbedungen werden können und nicht das Äquivalent bloßer Verkaufsmodalitäten darstellen, Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen können. 1 8 3 Sie betont Kollisionsrecht der Gesellschaften und sein Verhältnis zum Internationalen Kapitalmarktrecht und zum Internationalen Unternehmensrecht, 1996. 180 Zum Maß der Einschränkung und zum Maß der verbleibenden Freiheit: Grundmann, Deutsches „Anlegerschutzrecht" in internationalen Sachverhalten - vom internationalen Schuld- und Gesellschaftsrecht zum internationalen Marktrecht, RabelsZ 54 (1990) 283 (299 f). 181 Zu diesen Fragen, insbes auch dazu, ob stets Auflösung und Neugründung nötig sind, vgl Kegel, IPR, S 419 f; Kropholler, IPR, S 489 f. Zur identitätswahrenden Sitzverlegung (nur durch Neugründung): BGHZ 97, 269 (271-273). 182 EuGH 27. 9. 1988 - Rs 81/87 (Daily Mail), Slg 1988, 5483 (5512). 183 Zunehmend (und zu Recht) wird dies dahingehend formuliert, daß das nationale, etwa das deutsche IPR (im Schuldvertragsrecht Art 6, 29 f, 31 II und 34 EGBGB) auf einen Verstoß gegen die EG-Grundfreiheiten hin überprüft werden kann: Basedow, RabelsZ 59 (1995) 1 (28-30); Brödermann, MDR 1992, 89 (90, 95); Fallon, RdC 253 (1995-1) 9 (70-85, 119-149, 231-266); Grundmann, Bankaufsichtsrecht, S 3 6 - 4 6 ; ν Hoffmann, ZfRV 36 (1995) 45 (45); Radicati di Brozolo, Rev.crit.d.i.p. 82 (1993) 401 (406-410); Remien, J Z 1992, 277 (281); Roth, RabelsZ 55 (1991) 623 (654-656); MünchKomm (-Sonnenberger), Einl IPR, Rn 158; geradezu monographisch: Struycken, RdC 232 (1993-1) 257; auch Fallon aaO; demgegenüber für das Schuldvertragsrecht unergiebig: Brödermann / Iversen, Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht; im Grundsatz schon Steindorff, EuR 1981, 426 (435-441); und sogar Savatier, Rev.crit.d.i.p. 48 (1959) 237 (250-258) („tout un droit des conflits de jurisdiction, devra donc être construit"); lange Zeit wurden international zwingende Normen von vielen Autoren schlicht nicht an den Grundfreiheiten gemessen: so etwa von Schneider / Troberg, WM 1990, 165 (170-172); Follak, Die Vereinheitlichung der Bankenaufsicht in Europa, ÖBA 1990, 150 (155); Hoffmann, Banken- und Börsenrecht der EWG, 1990, S 77. Keine der oben genannten Stellungnahmen unterscheidet freilich zwischen verschiedenen Grundfreiheiten, alle unterwerfen allgem das nationale Kollisionsrecht einer Kontrolle durch EG-Primärrecht.

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auch, daß solche Normen bei Behinderung von Anbietern aus dem EG-Ausland folglich der Rechtfertigung durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses" bedürfen. Im Bereich des Schuldvertragsrechts ist der E G-primärrechtliche Liberalisierungsstandard demnach höher als beim Gesellschaftsrecht. Die Grundsätze zu den Maßnahmen gleicher Wirkung erfassen auch das Schuld- 6 6 vertragsrecht. Sie zwingen dazu, nationale Regeln mit Behinderungswirkung im grenzüberschreitenden Verkehr mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu rechtfertigen. Zudem ist der Kanon der möglichen Rechtfertigungsgründe durch den grundsätzlichen Vorrang des Transparenzmodells weiter reduziert. Dennoch ist die Rückwirkung des Primärrechts auf das Schuldvertragsrecht gering. Der EuGH hat bisher für keine Norm eines nationalen Schuldvertragsrechts einen Verstoß gegen Grundfreiheiten angenommen, mehr noch: Schon die Zahl der schuldvertragsrechtlichen Fälle, in denen von einem Spannungsverhältnis zu den EG-Grundfreiheiten ausgegangen wurde, ist gering.184 Und auch in den sonstigen Bereichen des Privatrechts hat der EuGH Verstöße gegen Grundfreiheiten eher vereinzelt angenommen.185 Schon dieser Befund spricht gegen die mehrfach geäußerte Befürchtung, daß das EG-Primärrecht mit seinen weit gefaßten Freiheiten und den Grundsätzen zu den Maßnahmen gleicher Wirkung die nationalen Privatrechte substantiell verändern, in ihren Systematiken an jeder Stelle und völlig unvorhergesehen treffen und dadurch zerstören könne.186 Der tiefere Grund hierfür wird bei den skeptischen Äußerungen regelmäßig übersehen: Die Grundsätze zu den Maßnahmen gleicher Wirkung sind stets nur auf nationale Normen anzuwenden, für die keine Rechtswahl- und damit auch keine Abwahlmöglichkeit besteht, also für die sogenannten international zwinEuGH 24. 10. 1978 - Rs 15/78 (Kaestler), Slg 1978, 1971 (§ 61 BörsG aF aufrechterhalten); EuGH 24. 1. 1991 - Rs C-339/89 (Alsthom Atiantique), Slg 1991,1-107 (124) (ungewöhnlich strenge französische Mängelhaftung aufrechterhalten); sowie: EuGH 13. 10. 1993 - Rs C-93/92 (CMC Motorradcenter), Slg 1993, 1-5009 (5021 f) (Grundsätze der cic nicht behindernd); ähnlich die Bewertung bei Hirte, Wege, S 42; Steindorff, in: Brüggemeier (Hrsg), Verfassungen für ein ziviles Europa, 131 (140-143) (Schuldvertragsrecht „weißer Flecken" in der Grundfreiheitendogmatik). 185 Ähnlich Roth, ZEuP 1994, 5 (7). Gemeint sind die Entscheidungen zum unlauteren Wettbewerb (oben Fn 177), wohl nur sekundär diejenigen zum gewerblichen Rechtsschutz (oben Fn 132). Zunehmend (wenn auch noch peripher) ist auch das Prozeßrecht betroffen, wo es um diskriminierende Regeln, wie diejenigen über die Ausländersicherheit und den bes Arrestgrund in § 917 II ZPO, geht; vgl dazu EuGH 10. 2. 1994 - Rs C-398/92 (Mund & Fester), Slg 1994,1-467 (478-481); bestätigt in EuGH 26. 9 . 1 9 9 6 Rs C-43/95 (Data Delecta Aktiebolag), Slg 1996, 1-4661 (4678); EuGH 2. 10. 1997 Rs C-122/96 (Saldanha), Slg 1997 1-5325 (5347); und Besprechung in: Koch, Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Verfahrensrecht, EuZW 1995, 78; Schack, Rechtsangleichung mit der Brechstange des EuGH - vom Fluch eines falsch verstandenen Diskriminierungsverbots, ZZP 108 (1995) 47; Ch. Wolf, Die faktische Grundrechtsbeeinträchtigung als Systematisierungsmethode der Begleitfreiheiten nach dem EG-Vertrag, J Z 1994, 1151. 186 Wo von der höheren Wertigkeit der nationalen Dogmatik und Systembildung ausgegangen wurde, war von „Horror iuris" die Rede: etwa Steindorff, J Z 1994, 95 (96-98) (Urteilsanm); und zust Mülbert, ZHR 159 (1995) 2 (7).

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genden nationalen Normen. Der Bereich der international zwingenden nationalen Normen ist jedoch in den wichtigsten Eckpunkten durch EG-Richtlinien bereits harmonisiert. Dies wird für alle Normengruppen, die den Gestaltungsrahmen für Schuldverträge bilden, im folgenden zu zeigen sein, gilt jedoch auch darüber hinaus. 187 Und dort, wo Rechtsangleichungsmaßnahmen und entsprechende Vorüberlegungen erfolgt sind, fehlt es am unvorhergesehenen, „willkürlichen" Zugriff auf die Systematiken nationaler Rechte. Wo also die Rechtswahl nach den nationalen Rechten der Mitgliedstaaten bzw dem Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen eingeschränkt ist - und allein in diesem Bereich geht der EuGH überhaupt von Maßnahmen gleicher Wirkung aus - dominieren ohnehin die EG-Richtlinien.

4. Ausnahmen vom Konzept der Maßnahmen gleicher Wirkung: Rechtswahlfreiheit und Verkaufsmodalitäten 6 7 Wichtiger als der Grundsatz, daß nationale Normen des Privatrechts (einschließlich des Schuldvertragsrechts) am Standard der Grundfreiheiten zu messen sind, sind gerade für das Schuldvertragsrecht die zwei Fallgruppen, in denen der EuGH solch eine Überprüfung pauschal ablehnt.

a) Rechtswahlfreiheit 6 8 Die erste, eben bereits kurz angeklungene, ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Denn sie umfaßt den weit überwiegenden Teil des nationalen Schuldvertragsrechts und bildet schon bisher offensichtlich (wenn auch teils wohl unbewußt) den Maßstab, nach dem die Bereiche ausgewählt wurden, in denen Schuldvertragsrecht bisher harmonisiert wurde. Insoweit ist von der kollisionsrechtlichen Vorfrage für eine Heranziehung der Grundsätze zu den Maßnahmen gleicher Wirkung zu sprechen: Alle nationalen Normen, etwa des Schuldvertragsrechts, für die Rechtswahlfreiheit besteht, die also gemäß Art 3 EVÜ bzw Art 2 7 E G B G B durch Rechtswahl abbedungen werden können, können nach der Rechtsprechung des EuGH keine Behinderungen, Maßnahmen gleicher Wirkung etc im Sinne der Grundfreiheitendogmatik darstellen. In seiner Entscheidung Alsthom Atiantique ging der Gerichtshof davon aus, eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit, hier des Art 34 EGV, durch die strenge französische Sachmängelhaftung habe im zu entscheidenden Fall schon deswegen nicht vorgelegen, weil ein anderes Recht hätte gewählt werden können. 188 Allein die nationalen Normen, die nach den internationalprivatrechtlichen Grundsätzen des Europäischen Vertragsrechtsübereinkommens (1.01) nicht durch Rechtswahl abbedungen werden können, 189 bedürfen danach einer Rechtfertigung aus EG-primärrechtlicher Sicht.

ι»7 Vgl die Auflistung in Grundmann, J Z 1996, 2 7 4 (279); auch Armbrüster, RabelsZ 60 (1996) 7 2 (87). >8» EuGH 24. 1. 1991 - Rs C - 3 3 9 / 8 9 (Alsthom Atiantique), Slg 1991,1-107 (124). 1 8 9 Zu diesen unten 5.

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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Eine Mindermeinung versteht auch die abwählbaren nationalen Normen als po- 6 0 tentiell behindernd. Damit würde dem Grundkonzept des Europäischen Schuldvertragsrechts, wie es den bisherigen Harmonisierungsschritten und der EuGHRechtsprechung zugrunde liegt und im folgenden dargestellt wird, also dem Europäischen Schuldvertragsrecht in Legislative und Judikative, der Boden entzogen. Soweit die abweichenden Stellungnahmen überhaupt die Leitentscheidung in Alsthom Atiantique reflektieren,'90 werden vor allem die Leitscheidungen des EuGH in Dassonville und Cassis de Dijon ins Felde geführt: Auch die Informationskosten zu einem potentiell anwendbaren und zur Abwahl anstehenden Rechts könnten eine grenzüberschreitende Transaktion im Vergleich zur rein inländischen erschweren und daher „mittelbar" oder „potentiell" behindern.191 Diese Argumentation kann auf verschiedenen Ebenen entkräftet werden. Bei einer Betrachtung der Hauptzielrichtung, die mit der Verpflichtung auf die vier Grundfreiheiten und mit der Errichtung des Binnenmarktes verfolgt wurde, ergibt sich: Private, nicht staatliche Initiative sollte diesen Markt entstehen lassen, ihr war nur freie Hand zu geben.192 Bei solch einem Ausgangspunkt sind auch nur Regeln zu beanstanden, die diese private Initiative nicht ausräumen kann. Gegen die Mindermeinung sprechen jedoch auch zwingende Praktikabilitätserwägungen. Manche jüngere Entscheidungen des EuGH, insbesondere diejenige in Sachen Keck, verfolgen sichtlich das Ziel, Fallgruppen herauszuarbeiten, in denen Behinderungen weniger schwer wiegen. Bei ihrer Tolerierung entsteht dann zwar kein vollständiger Binnenmarkt,193 jedoch ein Markt, der diesem Idealbild nahe kommt. Denn in diesen Fallgruppen sind die spezifisch für den Grenzübertritt anfallenden Transaktionskosten so gering,194 dai? das Gros der (binnenDies ist nicht immer der Fall: Mülbert, Z H R 159 (1995) 2 (10); Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S 78 f.; v. Wilmowsky, ZEuP 1995, 735 (736 f). 191 Basedow, CMLR 33 (1996) 1169 (1174-1178); ν Wilmowsky, J Z 1996, 590 (595 f), argumentierend auf dem Hintergrund der Entscheidung EuGH 11. 7. 1974 - Rs 8/74 (Dassonville), Slg 1974, 837 (837), in der auch die genannten Schlüsselbegriffe geprägt wurden. i " Vgl Nachw oben Fn 32. 193 Weil in einem solchen keine Transaktionskosten auftreten, die allein darauf beruhen, daß Transfers in einen bestimmten anderen Teil des Binnenmarkts erfolgen. Auch in den USA existiert kein idS vollkommener Binnenmarkt, da Informationskosten über andere Teilrechte jedenfalls beim Verkauf an Endverbraucher, der vom Uniform Commercial Code nur teilweise erfaßt ist, anfallen können. Der Begriff des „unvollkommenen Binnenmarkts", den vor allem Steindorff (ZHR 158 [1994] 149 [160]) als Schlagwort gebraucht hat, meint demgegenüber einen Markt mit höheren Binnenmarktgrenzen. Dort wird nämlich davon ausgegangen, daß Anbieter an den Grenzen weiterhin einen Wechsel des Rechts gewärtigen müssen - ein zunehmend aufgrund von Harmonisierungsmaßnahmen unrealistisches Szenario. 194 Ein weiteres Bsp aus der EuGH-Rspr bildet die Tolerierung einer Erhebung von Daten im binnenmarktgrenzüberschreitenden Kapitalverkehr, EuGH 31. 1. 1984 - Rs 2 8 6 / 8 2 und 2 6 / 8 3 [Luisi & Carbone) Slg 1984, 377 (405-407); bestätigt in EuGH 24. 6 . 1 9 8 6 Rs 157/85 (Brugnoni / Ruffinengo), Slg 1986, 2013 (2030 f); EuGH 14. 7. 1988 - Rs 3 0 8 / 8 6 (Lambert), Slg 1988, 4369 (4390 f). Diese EuGH-Rspr hat auch der Gemeinschaftsgesetzgeber (mehrfach) bestätigt, heute in Art 73 I lit. b EGV. Für eine generelle 190

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1. Teil - Grundlagen

markt)grenzüberschreitenden Transaktionen dennoch stattfinden wird.195 Dahinter steht eine zutreffende Bewertung: Sollen spezifisch für den Grenzübertritt anfallende Transaktionskosten gänzlich ausgeschlossen werden, würden also nationale Normen mit eher geringer Behinderungswirkung nicht von einer Überprüfung anhand der Grundfreiheiten pauschal freigestellt, so wäre angesichts der bereits bestehenden Belastung des EuGH eine vertretbare Prozeßdauer bei Vorlageverfahren nach Art 177 EGV utopisch. 196 Strebt der EuGH Perfektion an und scheidet er weniger wichtige Fallgruppen nicht a limine aus, so fehlt die Zeit für die zentralen Fragen. Sollen weniger schwere Fälle a limine ausscheiden, so bieten sich die abwählbaren Normen geradezu an. Sie verursachen in der Tat für Unternehmen aus dem EG-Ausland im Regelfall ungleich geringere (Transaktions-)Kosten als die international zwingenden Normen. Die Abgrenzung zwischen beiden Normgruppen ist zudem aufgrund extensiver vorbereitender Diskussion im Internationalen Privatrecht des Europäischen Vertragsrechtsübereinkommens schon heute ungleich sicherer vorzunehmen als etwa diejenige zwischen Verkaufsmodalitäten und Produktstandards gemäß der Keck-Rechtsprechung. b) Verkaufsmodalitäten 70

Ebenfalls als Fall minderer Behinderungswirkung ist die zweite Fallgruppe zu verstehen, in der der EuGH die Grundsätze allenfalls eingeschränkt heranzieht. Sie lag schon einer Reihe von Entscheidungen zugrunde,197 ehe sie der EuGH im Urteil in Sachen Keck allgemein formulierte: Danach stellen bloße Verkaufsmodalitäten in nationalen Normen, soweit sie für inländische Anbieter und solche aus dem EG-Ausland bei ihrem Vertrieb im Inland gleichermaßen gelten, nicht einmal potentiell Behinderungen dar und müssen daher nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden.198 Bedeutsam wird deshalb die Ab-

195

196

197 198

de minimis Regel, allerdings nur bei der Rechtfertigung: Schricker, WRP 1993, 617 (617) (Urteilsanm); zweifelnd: Ulimann, J Z 1994, 9 2 8 (934); wohl auch gegen eine de minimis Regel im Zusammenhang mit der Lehre von der verdeckten Sacheinlage: Meilicke, Die „verschleierte Sacheinlage" - eine deutsche Fehlentwicklung, 1989, S 99. Der komparative Überschuß ist regelmäßig größer als die anfallenden Transaktionskosten (hier: Informationskosten). Zum Konzept der Transaktionskosten, ihrer Beeinflussung durch rechtliche Gestaltung und der Aufgabe der Rechtspolitik, einer Verhinderung (effizienzsteigernder) Transaktionen durch Minimierung der Transaktionskosten entgegenzuwirken: Coase, The Problem of Social Cost, 3 J.L.Econ. 1 (1960); dazu: Cooter, The Cost of Coase, 11 J.Legal Stud. 1 (1982); und aus dem deutschen Schrifttum: Endres, Die Coase-Kontroverse, ZgS 133 (1977) 6 3 7 ; Schanze, Der Beitrag von Coase zu Recht und Ökonomie des Unternehmens, ZgS 137 (1981) 6 9 4 ; Wegehenkel, Coase-Theorem und Marktsystem, 1980. Z Z ist von einer Prozeßdauer von etwa zweieinhalb Jahren auszugehen. Ende 1996 und noch Anfang 1997 wurden Verfahren, die 1994 eröffnet wurden, abgeschlossen: vgl die Bsp oben Fn 106. Etwa Geiger, Art 3 0 EGV, Rn 20. EuGH 24. 11. 1993 - verb Rs C-267/91 und C - 2 6 8 / 9 1 (Keck &Mithouard), Slg 1993, 1-6097 (6131); auch EuGH 15. 12. 1993 - Rs C - 2 9 2 / 9 2 (Hünermund), Slg 1993,1-6787 (6822 f).

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grenzung zwischen Verkaufsmodalitäten, die, soweit sie nicht (mittelbar) diskriminieren, pauschal als europarechtskonform eingestuft werden, und Waren- oder Produktstandards, die allein schon deswegen, weil sie Anbieter aus dem EG-Ausland behindern, mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden müssen. Im Schuldvertragsrecht, im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit, entspräche wohl am ehesten die Vertragsabschlußregel dem, was im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit die Verkaufsmodalitität darstellt. Der privilegierte Bereich der Verkaufsmodalitäten ist jedoch rechtlich weniger leicht zu handhaben als derjenige, in dem Rechtswahlfreiheit herrscht. Zum einen ist bei den Verkaufsmodalitäten, anders als bei Normen, die der Rechtswahl zugänglich sind, nicht klar, ob sie umfassend von der primärrechtlichen Kontrolle freigestellt sind oder nur, wenn sie nicht nur formal, sondern auch de facto ausländischen Anbietern keine Sonderbelastung auferlegen.199 Zum anderen wirkte sich die Unterscheidung zwischen Verkaufsmodalitäten und Produktstandards nicht im Harmonisierungskonzept aus - wiederum anders als diejenige zwischen international zwingenden und abwählbaren nationalen Normen. Während nämlich diejenigen Bereiche des Schuldvertragsrechts, für die Rechtswahlfreiheit herrscht, nicht harmonisiert wurden (mit einer frühen Ausnahme, der Handelsvertreter-Richtlinie [3.80]), gilt keineswegs gleiches für schuldvertragsrechtliche Abschlußregeln. Solche Regeln enthalten etwa die EG-Kennzeichnungs-Richtlinien, die Haustürwiderrufs-Richtlinie und die Fernabsatz-Richtlinie (2.01, 2.02), die Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn und die Nachweis-Richtlinie (3.10, 3.20), oder auch die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (4.20), die Insiderhandels-Richtlinie (4.21) und der gesamte Regelungskomplex öffentliches Auftragswesen (5.20, 5.22-5.25). Ob Rechtsangleichung überhaupt in Bereichen zulässig ist, in denen nach 71 EuGH-Rechtsprechung nationale, nichtdiskriminierende Normen keiner speziellen Rechtfertigung bedürfen, weil die behindernde Wirkung typischerweise gering ist, ist eine Frage der Gesetzgebungskompetenz der EG. 2 0 0 5. Regelungsbereiche

im Schuldvertragsrecht ohne

Rechtswahlfreiheit

Nimmt man das Judiz in Sachen Alsthom Atiantique als Ausgangspunkt, so kön- 7 2 nen nur solche zivilrechtliche Regeln Behinderungen in Form von Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen, die nicht der Rechtswahl zugänglich sind. Über diese Frage befindet das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen, das vor allem vier zwingende Statuten kennt. Zulässig ist der Ausschluß der Rechtswahlfreiheit nämlich nur in den Fallgruppen, die das Übereinkommen hierfür eröffnet. Denn dessen Grundregel, Art 3 EVÜ (Art 27 EGBGB), verdrängt außerhalb der zugelassenen Fallgruppen gegenstehende nationale Kollisionsnormen201 und 199 Vgl genauer oben Rn 60. 200 Vgl daher dazu unten Rn 135 (etwa für die Handelsvertreter-Richtlinie und die genannten Richtlinien zu schuldvertragsrechtlichen Abschlußregeln). 201

Statt aller: Grundmann, Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen, EWG-Vertrag und § 12 AGBG, IPRax 1992, 1 (1 f); Mankowski, RIW 1993, 453 (456). Zum Vorrang des EVÜ vor nationalem Recht näher unten 1.01 Rn 11 und 43.

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1. Teil - Grundlagen

verbürgt hier Rechtswahlfreiheit. Im Schuldvertragsrecht sind demgemäß international zwingend allein die Regelungen iSv Art 5 f EVÜ (Art 29, 3 0 E G B G B ) , also verbraucherschützende und arbeitsrechtliche Regelungen (a/b), sowie Regelungen iSv Art 7 EVÜ (Art 34 E G B G B ) , also solche mit (wirtschafte- und sozialpolitischer Zielsetzung (c/d), außerdem die Regeln, die dem nationalen ordre public zuzurechnen sind (Art 16 EVÜ bzw Art 6 E G B G B ) (e). Weniger prominent sind vier weitere Fallgruppen. Die ersten drei (f-h) sind mit den Stichworten Schweigen beim Vertragsschluß (Art 8 II EVÜ bzw Art 31 II E G B G B ) , analoge Anwendung von Art 3 III EVÜ bzw Art 27 III E G B G B und Anerkennung einer lex mercatoria als einer eigenständigen Rechtsquelle umschrieben. Demgegenüber betrifft § 12 AGB G allein die Inhaltskontrolle von Klauselverträgen und wird in diesem spezielleren Zusammenhang behandelt. 202 73 Für alle Begriffe und Tatbestandsmerkmale der genannten Regeln gilt zunächst, daß sie autonom und einheitlich in der Gemeinschaft, dh regelmäßig (auch) rechtsvergleichend, auszulegen sind.203 Effektiver durchgesetzt wird dieses Gebot durch die (projektierte) Zuständigkeit des EuGH zur Auslegung im Vorlageverfahren. Europäisches Recht beschränkt die nationale Freiheit, die genannten Kollisionsnormen in integrationshemmender Weise auszulegen, jedoch nicht nur auf diese Weise. Stets ist daneben auch die Disziplinierungswirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages zu sehen: Gebietet es einmal nicht der Grundsatz einer einheitlichen Auslegung der Kollisionsnormen, den Kreis der zwingenden Statuten im Schuldvertragsrecht eng zu ziehen, so mögen immer noch die Grundfreiheiten dazu führen, daß solche Kollisionsnormen unangewendet bleiben müssen und zum Grundsatz der Rechtswahlfreiheit zurückzukehren ist. Die erste Schranke schneidet die nationale Auslegungsfreiheit auch für Rechtsanwendungsfragen im Verhältnis zu Drittstaaten zurück, 204 die zweite nur im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander. a) Verbraucher(vertrags)recht 74 Das wohl prominenteste zwingende Statut regelt Art 5 EVÜ (inhaltlich identisch: Art 29 EGBGB). Denn herkömmlich wird Europäisches Schuldvertragsrecht vor allem als Verbraucher(vertrags)recht verstanden. Dieses erfaßt überwiegend Art 5 EVÜ. Legt man den bisher beschriebenen Integrationsmechanismus zugrunde, so stellen sich für alle zwingenden Statuten und daher auch für Art 5 EVÜ vor allem zwei Fragen: Zunächst fragt sich, wie weit die zwingende Anknüpfung reicht, und hierbei vor allem, ob der sachliche Anwendungsbereich der Kollisionsnorm °

2 2 203

204

Unten 2.10 Rn 50. Vgl nur Art 18 EVÜ; Martiny, in: ν Bar (Hrsg), Gemeinschaftsrecht, 211 (231 f [Art 16 EVÜ]; 234 [Art 5 und 7 EVÜ]); und näher, auch zur anvisierten Auslegungskompetenz des EuGH, unten 1.01 Rn 8. Die Regeln des Übk gelten als sog loi uniforme; vgl unten 1.01 Rn 7. Teils ist das hier propagierte Ergebnis dennoch bestritten, wie hier (für den ordre public) jedoch etwa: Jayme, Methoden der Konkretisierung des ordre public im internationalen Privatrecht, 1989, bes S 49-57.

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eröffnet ist und der notwendige Anknüpfungspunkt vorliegt, sowie, ob nicht die eben genannten zwei integrationsfördernden Konzepte des Europäischen Schuldvertragsrechts die zwingende Anknüpfung zurückdrängen. Sodann fragt sich, wie weit die jeweiligen Fragen des Sachrechts harmonisiert sind und ob eine strengere nationale Regelung zulässig ist (regelmäßig nur für den Inlandssachverhalt). aa) Art 5 EVÜ enthält eine allseitige Kollisionsnorm, 2 0 S nach der in- und auslän- 75 dische Sachnormen mit verbraucherschützender Tendenz zwingend an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers anzuknüpfen sind. Die Norm statuiert ua eine Ausnahme vom Grundsatz der Rechtswahlfreiheit (Art 5 II EVÜ). 2 0 6 Allein in diesem Teil ist sie für die Grundfreiheitendogmatik von Interesse, weil sie nach der EuGH-Rechtsprechung in Sachen Alsthom Atiantique allein mit ihm beschränkend wirken kann. Zwingend angeknüpft werden zwingende Sachnormen, die (auch) dem Schutz 76 des Verbrauchers dienen. 2 0 7 Da jedoch die Rechtswahl in Verbraucherverträgen nicht pauschal ausgeschlossen wurde, also nicht alle zwingenden Normen gemeint sind, bedarf es einer Eingrenzung: Von der ratio der Norm her ist zu fordern, daß die zwingend anzuknüpfende Sachnorm eine vermutete, dh typisierte Ungleichgewichtslage zum Gegenstand hat, also einem strukturellen Gefalle im Markt entgegenwirken soll. 2 0 8 Solche Regeln kann auch die Rechtsprechung aus Normen entwickeln, denen, wie etwa § 138 B G B , ursprünglich keine solche Zielsetzung zugrunde lag. Die Ungleichgewichtslage muß nur abstrakt, nicht in jedem konkreten Einzelfall vorliegen. 2 0 9 Verbraucherschützend in diesem Sinne sind (im deutschen Sachrecht) vor allem Vorschriften über Allgemeine Geν Hoffmann, Inländische Sachnormen mit zwingendem internationalem Anwendungsbereich, IPRax 1989, 261 (262 f); MünchKomm (Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 36; Palandt (-Heldrich), Art 34 EGBGB, Rn 4; Reithmann / Martiny (-Reithmann), Internationales Vertragsrecht, Rn 294. 206 ν Hoffmann hatte die Sonderanknüpfung (abw von der Rechtswahl) zugunsten der schwächeren Partei gefordert: ν Hoffmann, Über den Schutz des Schwächeren bei internationalen Schuldverträgen, RabelsZ 38 (1974) 396 (bes 407-417); ihm grundsätzlich folgend etwa: Kroeger, Schutz der „marktschwächeren" Partei, bes S 154-192; Kropholler, Das kollisionsrechtliche System des Schutzes der schwächeren Vertragspartei, RabelsZ 42 (1978) 634 (644-657). Kropholler hatte die Idee ausgebaut und gefordert, daß bereits die objektive Anknüpfung iS eines Schutzes der schwächeren Partei einzurichten sei: Kropholler aaO; Kropholler folgen in dieser Frage: Kroeger aaO; Pocar, La protection de la partie faible en droit international privé, RdC 188 (1984) 339 (372-394); MünchKomm {-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 3; und letztlich BT-Drs X / 5 0 3 , S 27. 207 Nicht nötig ist, daß die Norm spezifisch und ausschließlich auf Verbraucher zugeschnitten ist: MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 25; Kroeger, Schutz der „marktschwächeren" Partei, S 80. 205

208

209

Kroeger, Schutz der „marktschwächeren" Partei, S 83 f; Morse, The EEC Convention on the Law Applicable to Contractual Obligations, YbEL 1982, 107 (136); Palandt (-Heidrich), Art 29 EGBGB, Rn 5; aA Masch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz eine Untersuchung zu den Art 29 I, 2 7 III und 34 EGBGB, 1993, S 4 3 - 5 2 ; MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 35. Kroeger, Schutz der „marktschwächeren" Partei, S 84 f.

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1. Teil - Grundlagen

schäftsbedingungen, 210 über den Widerruf von Haustürgeschäften, 2 1 1 über Pauschalreiseverträge (vgl nur Art 5 V EVÜ) und Verbraucherkredite. 212 Verbraucher ist, wer die Leistung weder zu beruflichen noch zu gewerblichen Zwecken entgegennimmt. Dabei kommt es auf den überwiegenden vertraglich vorausgesetzten oder objektiv erkennbaren Zweck an. 2 1 3 Gewinnerzielungsabsicht allein schadet nicht, 2 1 4 weil die Unterlegenheit in Verhandlungsposition und Informationsbeschaffungsmöglichkeiten typischerweise bestehen bleibt. 7 7 Erfaßt sind jedoch nur Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung einer Dienstleistung sowie diesbezügliche Finanzierungsverträge. Zwar ist der Begriff der Dienstleistung weit auszulegen. 215 Ausgeklammert ist mit diesem Begriff jedoch die Gebrauchsüberlassung ohne Tätigkeitselement. 2 1 6 Für den Darlehensvertrag ergibt sich dies auch daraus, daß in Art 5 I EVÜ ausdrücklich nur der sogenannte gebundene, nicht der ungebundene („einfache") Verbraucherkredit genannt ist. 2 1 7 Ebenfalls ausgeklammert sind damit mietrecht-

OLG Frankfurt RIW 1989, 646 (647); Landfermann, AGB-Gesetz und Auslandsgeschäfte, RIW 1977, 445 (452); Meyer-Sparenberg, Rechtswahlvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, RIW 1989, 347 (350); MiinchKomm (-Martiny), An 29 EGBGB, Rn 36; Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen und internationales Privatrecht, 1984, S 147; Ulmer / Brandner / Hensen (-Schmidt), § 2 AGBG, Rn 2a; Wolf / Horn / Lindacher, AGB-Gesetz 3 , 1994, Anh § 2 AGBGB, Rn 2. 2 » BGHZ 123, 380 (384); Fischer, J Z 1994, 367 (Urteilsanm); Reithmann / Martiny {-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 740. 212 Bülow, Zum internationalen Anwendungsbereich des deutschen Verbraucherkreditgesetzes, EuZW 1993, 435 (435 f); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 740. 213 Giuliano /Lagarde, AB1EG 1980 C 282/1 (23); BT-Drs X/503, S 26; 10/504, S 79; Kropholler, IPR, S 428; MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 5 f (mit Nachw zur abw subjektivistischen Meinung); Palandt (-Heldrich), Art 29 EGBGB, Rn 3; krit zumindest zum zweitgenannten Kriterium: Lüderitz, „Verbraucherschutz" im internationalen Vertragsrecht - ein Zuständigkeitsproblem, FS Riesenfeld 1983, 147 (156 f). 214 OLG Düsseldorf WM 1989, 50 (54); OLG Köln ZIP 1989, 838 (je für Art 13 EuGVÜ); MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 11; Wach / Weberpais, Inländischer Gerichtsstand für Bereicherungsklagen gegen ausländische Brokerfirmen aus unverbindlichen Termin- und Differenzgeschäften, AG 1989, 193 (196); positiv referierend: Häuser / Welter, Rechtlicher Regelungsrahmen der Börsentermingeschäfte, in: Assmann / Schütze (Hrsg), Handbuch des Kapitalanlagerechts2, 1997, § 16 Rn 554 f; aA Schütze, EWiR § 61 BörsG 1/89, 681 (Anm zu OLG Köln aaO); Triebet / Peglow, Positive Funktion des ordre public bei Termingeschäften, ZIP 1987, 613 (616); offengelassen von BGH WM 1987, 1089 (1091); 1987, 1153 (1155). 215 ν Bar, IPR II, Rn 432; Kaiser, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden elektronischen Zahlungsverkehrs, EuZW 1991, 83 (84) (für alle neuen Techniken des Überweisungsverkehrs); Kroeger, Schutz der „marktschwächeren" Partei, S 4 8 - 5 0 ; Kropholler, IPR, S 428; MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 10. MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn I I a ; Palandt (-Heldrich), Art 29 EGBGB, Rn 2; krit (und eine Sonderanknüpfung praeter legem auch hierfür befürwortend) ν Hoffmann, IPRax 1989, 261 (271). 217 ν Bar, IPR II, Rn 430; MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 12; Palandt (-Heldrich), Art 29 EGBGB, Rn 2; ν Hoffmann, IPRax 1989, 261 (271). 210

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liehe Schutzvorschriften, außerdem noch kraft ausdrücklicher Regelung Beförderungsverträge, die nicht Pauschalreiseverträge sind (vgl Art 5 IV lit. a, V EVÜ). Diese Arten von Verträgen bilden die praktisch relevante Lücke im sachlichen Anwendungsbereich des Art 5 EVÜ. Die zwingende Anknüpfung setzt voraus, dal? die Nähekriterien des Art 5 II, 1 . - 3 . Spiegelstrich EVÜ erfüllt sind und daß bei Verträgen über Dienstleistungen - die praktisch sehr bedeutsame Ausnahme des Art 5 IV lit. b EVÜ nicht eingreift. 218 Verbraucherschützende Normen werden neben dem gewählten Recht angewandt und setzen sich gegen dieses durch, falls sie für den Verbraucher günstiger sind. Beide Statuten sind also, wenn sie nicht mangels Rechtswahl zusammenfallen (Art 5 III EVÜ), im Sinne eines favor kumulativ anzuwenden. 2 1 9 Dabei ist auf das jeweilige Einzelbegehren abzustellen, um festzustellen, welches Recht im konkreten Fall das günstigere ist. 2 2 0 Zwingend durchzusetzen sind auch ausländische Verbraucherschutzvorschriften gegenüber inländischem Vertragsstatut, 221 nicht aber gegenüber einer sonstigen Sonderanknüpfung inländischen zwingenden, wirtschaftspolitisch motivierten Rechts gemäß Art 7 II E V Ü (Art 3 4 EG Β GB).222

78

bb) Bei Durchsicht derjenigen Normen des deutschen Rechts, die typisierte Un- 7 9 gleichgewichtslagen regeln und einem strukturellen Gefälle im Markt entgegenwirken sollen, fällt auf, daß die Sachnormen, die gemäß Art 5 EVÜ bzw Art 2 9 E G B G B zwingend angeknüpft werden, in ihrem Kernbestand durchweg Gegenstand von gemeinscbaftsrechtlichen Angleichungsmaßnahmen wurden. Dies gilt für den Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (2.10) ebenso wie für den der Haustürgeschäfte (2.01), zusätzlich den des Fernabsatzes (2.02), desglei-

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221 222

Im einzelnen dazu sowie - kontrovers - zur Frage der Analogiefähigkeit der aufgezählten räumlichen Berührungspunkte: BGH NJW 1997, 1697 (1699); OLG Hamm NJW-RR 1989, 496; ν Hoffmann, IPRax 1989, 261 (264 f); Lorenz, Zum neuen internationalen Vertragsrecht aus versicherungsvertraglicher Sicht, FS Kegel 1987, 303 (317-321); MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 8, 18-22; Palandt (-Heldrich), Art 29 EGBGB, Rn 5. Gaudemet-Tallon, Le nouveau droit international privé européen des contrats, RTDE 17 (1981) 215 (254); Giuliano /Lagarde, AB1EG 1980 C 282/1 (25) (für die entspr Vorschrift für Arbeitsverhältnisse); Kropholler, IPR, S 430; Lorenz, Die Rechtswahlfreiheit im internationalen Schuldvertragsrecht - Grundsatz und Grenzen, RIW 1987, 569 (577); MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 38; Schurig, Zwingendes Recht, „Eingriffsnormen" und neues IPR, RabelsZ 54 (1990) 217 (224 f). Ein abstrakter Gesamtvergleich der Rechtsordnungen des Schuldstatuts und des Aufenthaltsrechts des Verbrauchers findet nicht statt: Jayme, Das römische Übereinkommen vom 19. 6. 1980 über das auf Verträge anwendbare Recht, IPRax 1982, 122; Kroeger, Schutz der „marktschwächeren" Partei, S 158; Lorenz, RIW 1987, 569 (576 f); Kropholler, IPR, S 430; MünchKomm {-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 37 f; einschränkend: Müsch (oben Fn 208) S 37-43. Vgl oben Fn 204. Lorenz, RIW 1987, 569 (580); MünchKomm (-Martiny), Art 29 EGBGB, Rn 46; Palandt (-Heldrich), Art 29 EGBGB, Rn 7, Art 34 EGBGB, Rn 3, 6.

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1. Teil - Grundlagen

chen jedoch für die Etikettierungsregeln. Dies gilt ebenso für die sektorspezifisch ausgerichteten Regelungskomplexe, für den Bereich der Pauschalreisen (4.01), zusätzlich denjenigen des Timesharing (4.02), ebenso wie für denjenigen der Verbraucherkredite (4.10) und, nicht nur für Verbraucher geregelt, der Überweisungen (4.13); hinzu treten Regeln für den kapitalmarktrechtlichen Bereich (Wohlverhalten bei der Anlageberatung in Effekten und Derivaten, Insiderhandelsrecht, Investmentfonds, 4.20,4.21,4.25) und für den versicherungsrechtlichen Bereich unterhalb der Schwelle der Großrisiken (vgl insbesondere 4.30-1/2/3), die nur den beruflich Tätigen treffen. Damit sind die wesentlichen Techniken erfaßt, in denen Informationsasymmetrien zu Lasten des Verbrauchers ausgenutzt und/oder dieser „überrumpelt" wird (Allgemeine Geschäftsbedingungen, Haustürgeschäfte, Fernabsatz), sowie der klassische Bereich, in dem Schutz wegen Unerfahrenheit und/oder Willensschwäche gewährt wird, der Bereich des Verbraucherkredits (eine Gemengelage von Gründen gilt im Versicherungsbereich).223 Hinzu tritt die umfassende Harmonisierung des Kapitalmarktrechts zum Zwecke des Anlegerschutzes, die auch seine wenigen schuldvertragsrechtlichen Aspekte umfaßt. Erst im Recht des unlauteren Wettbewerbs blieben weite Bereiche, in denen das deutsche Recht (auch) verbraucherschützende Normen bereithält, im EG-Sekundärrecht offen. Das Recht des unlauteren Wettbewerbs führt jedoch nicht nur über das Schuldvertragsrecht (selbst das weit verstandene) hinaus, es fällt auch nicht mehr in den sachlichen Anwendungsbereich des Art 5 EVÜ. 224 8 0 In den genannten Bereichen werden im EG-Sekundärrecht jeweils strengere nationale Normen ausdrücklich zugelassen, so im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der Haustürgeschäfte, des Fernabsatzes, der Pauschalreisen, des Timesharing, der Verbraucherkredite, des Insiderhandels, des Wohlverhaltens bei der Anlageberatung in Effekten und Derivaten, bei den Investmentfonds und im Versicherungsbereich.225 Die flächendeckende Harmonisierung der Eckpunkte im gesamten Bereich des Art 5 EVÜ hat eine Reihe von Konsequenzen, die im folgenden im einzelnen zu erörtern sind: Strengere nationale Normen sind zwar für den inländischen Verkehr zulässig, dürfen jedoch Anbietern aus dem EG-Ausland grundsätzlich nicht entgegengehalten werden (außer in Lücken).226 Für Privatrechtssubjekte wird ein gemeinsamer Standard des EG-Sekundärrechts verbürgt

223

Vgl die Zusammenstellung in der Beck'schen Textsammlung „Europäisches Wirtschaftsrecht", Nr 110-118 und ausführlicher den zum 1.6. und 1.12. jeden Jahres erstellten Fundstellennachweis des geltenden Gemeinschaftsrechts, Gliederungspunkt 15.20; vgl auch etwa Dauses / Sturm, ZfRV 3 7 (1996) 133 (135-137); Tonner, J Z 1996, 533 (537 f).

224

Vielmehr ist das Recht des unlauteren Wettbewerbs an den Markt anzuknüpfen, auf dem die wettbewerblichen Interessen aufeinandertreffen. Für ausländische Wettbewerber: B G H Z 35, 329 (Kindersaugflaschen) dann allgem: B G H Z 40, 391 (Stahlexport); für die berühmten Kaffeefahrten: B G H ZIP 1991, 3 3 8 (Ort der Kaufveranstaltung, jedenfalls wenn Anbahnung erst dort); vgl auch B G H ZIP 1990, 1348. Im einzelnen unten Rn 106. Vgl unten Rn 110-120.

225

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

61

(zumindest durch einen Staatshaftungsanspruch), im gesamten Bereich können ergänzend allgemeine Rechtsgrundsätze herangezogen werden, und die Sanktionen müssen europarechtlichen Leitlinien entsprechen.227 b)

Arbeitsvertragsrecht

Ein zweites Gebiet zwingender Statuten bildet das Europäische Arbeitsvertrags- 81 recht. Seine Grundstrukturen sind jedoch weniger klar als diejenigen des Europäischen Verbrauchervertragsrechts, dies vor allem in zwei Hinsichten. Zum einen ist häufig streitig, ob eine Norm nach Art 6 EVÜ anzuknüpfen ist (bzw inhaltlich identisch: Art 30 EGBGB) oder aber nach Art 7 EVÜ (bzw wörtlich mit Art 7 II EVÜ praktisch identisch: Art 34 EGBGB). Zum anderen ist das Arbeitsvertragsrecht nur in Teilen harmonisiert. Daher kann, anders als im Verbrauchervertragsrecht nicht davon ausgegangen werden, daß nationale Regeln jeweils an der häufig sehr detailliert ausformulierten Regelung einer EG-Richtlinie zu messen ist. Für einen Überblick soll deshalb vom Bestand der Harmonisierungsmaßnahmen ausgegangen und erst dann für jede von ihnen die kollisionsrechtliche Frage, insbesondere diejenige der Zuordnung zu Art 6 EVÜ oder aber zu Art 7 EVÜ, erörtert werden. Auch alle sonstigen, nicht harmonisierten arbeitsvertragsrechtlichen Regelungskomplexe sind entweder nach Art 6 EVÜ oder nach Art 7 EVÜ anzuknüpfen228 und können, da beide Statuten international zwingend ausgestaltet sind, „Behinderungen" darstellen. Bei Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses sind diese nationalen Normen jedoch weiterhin gerechtfertigt. aa) Die Harmonisierung im Arbeitsvertragsrecht erfolgte weniger flächendek- 82 kend als im Bereich der verbraucherschützenden und der wirtschaftspolitisch motivierten Regeln des Schuldvertragsrechts. Hier wirkt sich aus, daß die Harmonisierung in den weitesten Teilen des Arbeitsvertragsrechts nur mittelbar mobilitätsrelevant ist; denn die Harmonisierung dient kaum einmal dem Ziel, die Privatautonomie über die Grenzen zu erstrecken und zum Grenzübertritt anzuregen, sondern demjenigen, wichtige Schutzstandards und damit auch Kostenfaktoren an Produktionsstätten in verschiedenen Staaten einander anzugleichen. 229 Die Harmonisierung des Arbeitsvertragsrechts dient also weniger dem Abbau von Behinderungen als demjenigen möglicher Wettbewerbsverzerrungen. Aus diesem Grunde ist eine flächendeckende Harmonisierung ausgeschlossen. Zum einen erscheint eine flächendeckende Angleichung von Kostenfaktoren aufgrund ihrer Vielfalt illusorisch. Zum anderen ist die rechtspolitische Bewertung von unterschiedlichen Kostenfaktoren anders als diejenige von Behinderun227 228

229

Vgl unten Rn 160-171 bzw Rn 187-192 bzw Rn 179-181. Birk, in: Richardi / Wlotzke (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd I, Rn 73 f; junker, Internationales Arbeitsrecht, §§ 9, 10 (daneben noch Leistungsmodalitäten); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1362, 1365; implizit auch BAG NZA 1990, 841 (844 f). Vgl im einzelnen unten § 6 Einl Rn 8-13.

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1. Teil - Grundlagen

gen des grenzüberschreitenden Verkehrs. Bei Unterschieden in Kostenfaktoren ist nicht klar, ob sie ungerechtfertigte Vorteile („Wettbewerbsverzerrungen") begründen oder ob sie nicht vielmehr unter dem Gesichtspunkt eines Wettbewerbs der Rechtsordnungen zu begrüßen sind und in einer (Binnen-)Marktwirtschaft die (wünschenswerte) Normalität darstellen. Daß eine „Verzerrung" vorliegt, ist also jeweils zu belegen. Wenn zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen nach Abbau von Behinderungen - in der Tat ein Wettbewerb angestoßen werden kann, ist die ökonomische Effizienz solch eines Systems zumindest nicht unwahrscheinlich.230 Dabei liegen im Unterschied der Kostenfaktoren Wettbewerbschancen für diejenigen (südeuropäischen) Mitgliedstaaten und Unternehmen, die über weniger Marktmacht verfügen. 83 Die wichtigsten Harmonisierungsmaßnahmen im Arbeitsvertragsrecht231 betrafen zwei Gleichbehandlungsgrundsätze - zur Staatsangehörigkeit und zum Geschlecht - , die Transparenz und Nachweisbarkeit von Arbeitsverträgen, den Schutz bei Massenentlassungen und den Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang, die Arbeitszeit und den Arbeitsschutz sowie die Frage, welche Regelungen auf entsandte Arbeitnehmer Anwendung finden sollen. 84 Die Frage nach der Zulässigkeit strengerer nationaler Regeln ist im Europäischen Arbeitsvertragsrecht nicht so einheitlich zu beantworten wie im Europäischen Verbrauchervertragsrecht. Bei Gleichbehandlungssätzen ist die Frage nur eingeschränkt sinnvoll. Das Verbot einer Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit ergibt sich ohnehin aus einer EG-Verordnung, die als solche einheitlich anzuwenden ist. Das Verbot einer Diskriminierung nach dem Geschlecht wurde vom EuGH dahingehend interpretiert, daß jedenfalls jeder Automatismus auch zugunsten des schwachen Geschlechts unzulässig sei. 232 Auch mit manchen sonstigen EG-Richtlinien des Arbeitsvertragsrechts ist Gleichbehandlung, nicht Besserstellung intendiert.233 Nur im Rahmen der EG-Richtlinien zu Form und Nachweis des Arbeitsvertrags, zum Schutz bei Massenentlassungen sowie zu Arbeitszeit und -schütz sind strengere nationale Regeln, die den Arbeitnehmer besser schützen, sinnvoll und werden hier auch stets zugelassen.234 230

231 232

233

234

Zur ökonomischen Bewertung des Modells vom Wettbewerb der Rechtssysteme vgl Nachw oben Fn 73 f. Im einzelnen unten § 6 Einl Rn 3 7 - 5 5 . EuGH 17. 10. 1995 - Rs C - 4 5 0 / 9 3 {Kaianke), Slg 1995,1-3051 ( 3 0 7 6 - 3 0 7 8 ) ; jetzt präzisiert durch: EuGH 11. 11. 1997 - Rs C - 4 0 9 / 9 5 {Marschalt), Slg 1997 1-6363 ( 6 3 9 0 - 6 3 9 3 ) ; Anm Lenz, NJW 1998, 1619. Art 7 der Betriebsiibergangs-Richtlinie (3.31) kann also nur eine nationale Norm meinen, die den Rechtserhalt noch besser absichert als die EG-Richtlinie. Nicht intendiert sein kann, dai? der Arbeitsvertrag anläßlich des Betriebsübergangs ex lege „aufgebessert" wird. Auch bei der Arbeitnehmerentsendung (3.60) ist nur Gleichbehandlung mit inländischen Kollegen angezeigt. So in der Tat: Art 7 Nachweis-Richtlinie (3.20), Art 5 Massenentlassungs-Richtlinie (3.30); Art 15 Arbeitszeit-Richtlinie (3.40), Art 1 III Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie (3.43) (und damit alle Einzel-Richtlinien Gesundheitsschutz, etwa Art 1 III der Mutterschutz-Richtlinie [3.45]), Art 16 Jugendarbeitsschutz-Richtlinie (3.46) und Art 9 Zeitund Leiharbeits-Gesundheitsschutz-Richtlinie (3.47).

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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bb) Bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung der genannten Regelungen stellt sich 85 stets die Frage, ob Art 6 EVÜ oder Art 7 EVÜ heranzuziehen ist. Besser geklärt ist der Ausgangspunkt für die vergleichbare Abgrenzungsfrage zwischen Art 5 EVÜ und Art 7 EVÜ: Die sorgfältige Umschreibung der Anknüpfungspunkte in Art 5 und 6 EVÜ darf nicht durch eine pauschale und undifferenzierte Anwendung des Art 7 EVÜ illusorisch gemacht werden. 2 3 5 Daher verdrängt Art 6 EVÜ grundsätzlich Art 7 E V Ü für die vor allem individualschützenden Regeln des Arbeitsvertragsrechts. 2 3 6 Zwingende Regeln iSv Art 6 E V Ü mit arbeitnehmerschützender Tendenz sind alle zwingenden Regeln des Individualarbeitsrechts, 237 jedoch auch tarifvertragliche und gar öffentlichrechtliche Regeln mit individualschützender Tendenz. 2 3 8 Das Verbot, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren, ist, da in einer VerOrdnung enthalten, bei Kollisionen zwischen verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten als einheitlich geltendes Recht stets durchzusetzen. Ist das Recht eines Drittstaates Arbeitsvertragsstatut, so ist davon auszugehen, daß Gerichte der Mitgliedstaaten in jedem Falle eine Diskriminierung zwischen Angehörigen verschiedener Mitgliedstaaten verhindern sollen. Sie haben die Regel nach Art 7 EVÜ durchzusetzen. Das Verbot einer Diskriminierung nach dem Geschlecht wurde auch vom E u G H als individualschützend verstanden, 2 3 9 so daß eine Anknüpfung nach Art 6 EVÜ naheliegt. 2 4 0 Fragen der Entstehung des Arbeitsvertrages (und damit Nachweis- und Formfragen) unterfallen Art 6 EVÜ, 2 4 1

» Vgl für Art 5 EVÜ vor allem B G H Z 123, 380 (390 f); und näher unten Rn 91-93. BAG NZA 1990, 841 (844 f); Firsching / ν Hoffmann, Internationales Privatrecht - einschließlich der Grundzüge des Internationalen Zivilverfahrensrechts5, 1997, S 406 f; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1365; in der Tendenz auch Birk, in: Richardi / Wlotzke (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd I, Rn 87f. Allerdings setzt sich eine Anknüpfung nach Art 7 EVÜ, soweit sie vorzunehmen ist, auch gegen das Arbeitsvertragsstatut durch. 237 Birk, in: Richardi / Wlotzke (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd I, Rn 75-78; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1343. 238 ν Bar, IPR II, Rn 448; Giuliano /Lagarde, AB1EG 1980 C 282/1 (25); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1343; zum Tarifvertrag genauer: Wimmer, Neuere Entwicklungen im internationalen Arbeitsrecht - Überlegungen zur Politik des Arbeitskollisionsrechts, IPRax 1995, 207 (211-213). 239 Vgl etwa EuGH 10. 4. 1984 - Rs 14/83 (von Colson und Kamann), Slg 1984, 1891; EuGH 10. 4. 1984 - Rs 79/83 (Harz), Slg 1984, 1921. 2 4 0 Palandt (-Heldrich), Art 30 EGBGB, Rn 6; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1372; aA Birk, in: Richardi / Wlotzke (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd I, Rn 116 (Einstellungsort); Bittner, Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz und ausländisches Arbeitsvertragsstatut, NZA 1993, 161 (165 f); Droste, Der Begriff der „zwingenden Bestimmung" in Art 27 ff EGBGB, 1991, S 182 f (jeweils An 7 EVÜ). 241 Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1371. Birk, Das Nachweisgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 91/533/EWG in das deutsche Recht, NZA 1996, 281 (285) will demgegenüber deutsches Recht zu den Nachweispflichten unabhängig davon anwenden, ob es Vertragsstatut ist, da es sich „in erster Linie um Ordnungsvorschriften" handele. 2

236



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1. Teil - Grundlagen

Formfragen zusätzlich Art 9 E V Ü (Art 11 E G B G B ) . Mit den Regeln zum Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang werden (auch) individualrechtliche Schutzziele verfolgt, weshalb sie überwiegend nach Art 6 EVÜ (Art 3 0 E G B G B ) angeknüpft werden. 2 4 2 Wohl bereits nach Art 7 EVÜ anzuknüpfen sind Regeln zum Schutz bei Massenentlassungen. 2 4 3 Auch Regeln zur Arbeitszeit dienen nicht zuletzt auch dem Übermüdungs- und damit dem Arbeits- und Unfallschutz, so daß sie zu Recht wie diesbezügliche Normen angeknüpft werden: 2 4 4 Regeln zum Arbeitsschutz haben nicht nur individualrechtliche Relevanz (als Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers). Traditionell hatten sie sogar primär allgemeine ordnungsrechtliche Bedeutung. In vielen Fällen einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsangleichung sollen durch sie auch Produktstandards festgelegt werden. Daher werden diese Regeln ganz überwiegend zumindest auch nach Art 7 EVÜ angeknüpft. 2 4 5 Die Logik des individualschützenden Ansatzes der jüngeren EG-Richtlinien legt eine Anknüpfung auch nach Art 6 EVÜ nahe. Aus dem Rahmen fällt die Arbeitnehmerentsende-Richtlinie (3.60) mit ihrer - von Art 6 II E V Ü (Art 3 0 II E G B G B ) - abweichenden kollisionsrechtlichen Regelung, deren Stütze im Primärrecht zweifelhaft ist. 2 4 6

c) Wirtschaftspolitisch motivierte Normen 87

aa) Anders strukturiert ist die Anknüpfungsvorschrift des Art 7 EVÜ (bzw mit Art 7 II EVÜ wörtlich praktisch identisch: Art 3 4 E G B G B ) . Die Frage, welche Normen des nationalen Sachrechts als „zwingend" im Sinne dieser Kollisionsnor242

243

244

24î

246

BAG IPRax 1994,123; Palandt (-Heldrich), Art 30 EGBGB, Rn 6; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1381 (bisheriges Arbeitsstatut); monographisch: Franzen, Der Betriebsinhaberwechsel nach § 613a BGB im internationalen Arbeitsrecht, 1994. Der 6. Erwägungsgrund der Präambel der Betriebsübergangs-Richtlinie, der eine territoriale Anknüpfung an den Betriebsstandort (innerhalb der Gemeinschaft) vorsieht, steht dem nicht entgegen, da dies für die im Betrieb Tätigen der Sache nach mit dem Anknüpfungspunkt des Art 6 EVÜ bzw Art 30 EGBGB (gewöhnlicher Arbeitsort) übereinstimmt. Vgl dazu Wimmer, IPRax 1995, 207 (208 f). BAG NZA 1990, 841 (844 f) (obiter dictum); Birk, in: Richardi / Wlotzke (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd I, Rn 91. Für die ganz überwiegend befürwortete gegenteilige Behandlung des allgem Kündigungsschutzes: Junker, Internationales Arbeitsrecht, S 262; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationles Vertragsrecht, Rn 1380. Birk, in: Richardi / Wlotzke (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd I, Rn 156, 158; Droste (oben Fn 240) S 184; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1385. Birk, Das Arbeitskollisionsrecht der Bundesrepublik Deutschland, RdA 1984, 129 (135); Gamillscheg, Ein Gesetz über das internationale Arbeitsrecht, RdA 1983, 307 (345-348); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1385. Zur Abweichung von Art 6 II EVÜ vgl 3.60 Rn 8, zur Problematik unter primärrechtlichem Aspekt 3.60 Rn 9 f, 13-17. Nach EuGH 27. 3. 1990 - Rs C-113/89 (Rush Portuguesa), Slg 1990,1-1417 (1442-1445) ist die Dienstleistungsfreiheit tangiert, teils wird auch auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit verwiesen: Gerken / Löwisch / Rieble, Der Entwurf eines Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in ökonomischer und rechtlicher Sicht, BB 1995, 2370 (2372 f).

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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men zu verstehen sind, gehört zu den schwierigsten und am wenigsten geklärten Fragen des Internationalen Schuldvertragsrechts im EVÜ (vgl Literaturverzeichnis zu 1.01). Jedenfalls und vor allem hierher zählen (primär) wirtschaftspolitisch motivierte Normen. 2 4 7 Auch staatspolitisch motivierte Normen und Maßnahmen, etwa Embargos, unterfallen unzweifelhaft Art 7 EVÜ, haben jedoch im Europäischen Schuldvertragsrecht (noch) keine Bedeutung. Art 7 II EVÜ ist nicht allseitig formuliert. In Deutschland, Großbritannien, Irland und Luxemburg, die vom Vorbehalt nach Art 22 I lit. a EVÜ Gebrauch gemacht und Art 7 I EVÜ nicht übernommen haben, ist deshalb allein die Anwendbarkeit inländischer zwingender Normen (lois d'application immédiate) geregelt. Diese Normen können abweichend vom Vertragsstatut und auch entgegen einer anders lautenden Rechtswahl angewandt werden. Entscheidendes Kriterium für die Sonderanknüpfung ist der Zweck, den die jeweilige Sachnorm verfolgt: Gebietet dieser, die Norm im konkreten Fall anzuwenden, so ist sie heranzuziehen. 248 Das Resultat kann von Sachnorm zu Sachnorm differieren. 249 Nach dem Wortlaut des Übereinkommens gelten für solch eine Sonderanknüpfung keinerlei einschränkende Kautelen. Die Freiheit der Mitgliedstaaten, dadurch den Grundsatz der Rechtswahlfreiheit (Art 3 EVÜ) zu beschneiden, ist dennoch nicht grenzenlos, schon aufgrund der Auslegung des Art 7 II EVÜ: Insbesondere muß es sich um Normen handeln, die nicht allein die Vertragsgerechtigkeit im Zweipersonenverhältnis zum Gegenstand haben. 250 Ansonsten erscheinen die Grenzen vage: So muß wohl die Rechtswahlfreiheit in der Gesamtschau den Grundsatz bilden, die zwingende Anknüpfung die Ausnahme. Und es mag sich, wenn der EuGH den Begriff autonom auslegen sollte, 251 ein rechtsvergleichender Standard herauskristallisieren. Ungleich wich247

248

249

250

251

Statt aller und so nahezu unstr: Reithmann / Martiny (-Limmer), Internationales Vertragsrecht, Rn 391 („ordnungspolitische Interessen", nicht „in erster Linie ... Interessenausgleich des Privatverkehrs"). Monographie: Droste (oben Fn 240). Zur genannten Bewertung etwa Junker, Die „zwingenden Bestimmungen" im neuen internationalen Arbeitsrecht, IPRax 1989, 69 (75); Lorenz, RIW 1987, 569 (578 f). Kropholler, IPR, S 441 f; MünchKomm (-Martiny), Art 34 EGBGB, Rn 91 („allgM"); Reithmann / Martiny (-Limmer), Internationales Vertragsrecht, Rn 390; Wengler, Die Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts im internationalen Privatrecht, ZvglRW 54 (1941) 168 (173-181). Reithmann / Martiny (-Limmer), Internationales Vertragsrecht, Rn 279. Im Vordergrund steht freilich im Wettbewerbsrecht ebenso wie im Kapitalmarktrecht eine Anknüpfung an den betroffenen Markt: vgl Nachw oben Fn 224; sowie Grundmann, RabelsZ 54 (1990) 283 (299-301, 306 f). BAG IPRax 1994, 123 (128); Rehbinder, Zur Politisierung des Internationalen Privatrechts, J Z 1973, 151 (156-158); Reithmann / Martiny (-Limmer), Internationales Vertragsrecht, Rn 391. Dagegen spricht freilich, daß der E u G H mehrfach die (angedeutete) Intention der Mitglied- bzw Vertragsstaaten, den letzten Integrationsschritt noch nicht unbedingt vollziehen zu wollen, sehr ernst genommen hat und etwa die unmittelbare Anwendbarkeit von Regeln des EG-Vertrages verneint hat: Vgl etwa zu Art 67 EGV aF: E u G H 11. 11. 1981 - Rs 203/80 (Casati) Slg 1981, 2595 (2614 f); bestätigt in E u G H 31. 1. 1984 Rs 286/82 und 26/83 (Luisi & Carbone) Slg 1984, 377 (405); und zu Art 54 III lit. g EGV: E u G H 27. 9. 1988 - Rs 81/87 (Daily Mail), Slg 1988, 5483 (5512).

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1. Teil - Grundlagen

tiger ist die hinzukommende, strikt gemeinschaftsrechtliche Schranke, die jedoch nur das Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander betrifft. Inländische Sachnormen dürfen, soweit sie einen relevanten Kostenfaktor und daher eine Maßnahme gleicher Wirkung darstellen, nur international zwingend angeknüpft werden, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses angeführt werden können und der Fragenkomplex zudem nicht harmonisiert wurde. Letzteres ist jedoch nahezu flächendeckend geschehen. 88

Deutschland, Großbritannien, Irland und Luxemburg haben sich ihren Vertragspartnern gegenüber nicht verpflichtet, vergleichbare ausländische zwingende Normen gemäß Art 7 I EVÜ durchzusetzen. Auch das EG-Primärrecht verbietet zwar mit seinen Grundfreiheiten Behinderungen und beschränkt solchermaßen die Durchsetzung zwingender nationaler Normen, gebietet jedoch umgekehrt keinem Mitgliedstaat, wirtschaftspolitisch motivierte zwingende nationale Normen anderer Mitgliedstaaten durchzusetzen. 252

89

bb) Der Kanon der wirtschaftspolitisch motivierten Normen ist, soweit sie auf (binnenmarktgrenzüberschreitende) Verträge einwirken und Teil eines Europäischen Schuldvertragsrechts sind, weitgehend „europäisiert"·. Entweder ist er durch einheitlich und unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht geregelt (EG-Primärrecht oder EG-Verordnungsrecht) oder Rechtsangleichungsmaßnahmen (EG-Richtlinien) gestalten ihn aus. Das ist so - das Schuldvertragsrecht allenfalls punktuell berührend - bei den Aufsichtsrechten (im Bank- und Versicherungsrecht) und im Kapitalmarktrecht (mit den EG-Prospekt- und Publizitäts-Richtlinien, insbesondere aber auch der Wertpapierdienstleistungs-, der Insiderhandels- und der In252

Zu den Techniken, mittels derer auch in Deutschland ausländische zwingende Normen iSv Art 7 I EVÜ zur Anwendung kommen können: MünchKomm (-Martiny), Art 34 EGBGB, Rn 49-53; Reithmann / Martiny (-Limmer), Internationales Vertragsrecht, Rn 464-469. Internationalprivatrechtlich handelt es sich (neben der Frage danach, welche Normen denn als Eingriffsnormen zu verstehen sind) um die wohl interessanteste Frage zu Art 7 EVÜ: vgl nur die Monographien von Anderegg, Brüning, Erne, Kratz, Kreuzer, Lehmann und Mentzel, auch schon Schulte (alle nachgewiesen unten 1.01). Handelt es sich um einen Mitgliedstaat, drängt das Gemeinschaftsrecht die Anwendung dieser ausländischen Normen grundsätzlich ebenso weit zurück wie die Anwendung deutschen Rechts. In der Praxis ist das Problem jedoch weniger virulent, da deutsches Recht vor deutschen Gerichten nach kollisionsrechtlichen Standards weitergehend durchgesetzt wird. Handelt es sich um einen Drittstaat, so wird mit der einen, wichtigeren Durchsetzungstechnik allein darauf abgestellt, daß eine Partei im Drittstaat zur Einhaltung der Pflicht gezwungen werden kann, also nicht „frei" ist. Dieser Gedanke setzt sich auch im Verhältnis der Gemeinschaft (hier Deutschland) zum Drittstaat durch, die Grundfreiheiten wirken sich insoweit grundsätzlich nicht aus. Umgekehrt ist Art 5 EGV nicht tangiert, wenn ausländisches zwingendes Recht nicht durchgesetzt wird, da diese Generalklausel für die hier erörterte Frage von den Mitgliedstaaten in Art 22 I lit. a EVÜ ausgestaltet wurde. Zum Vorrang solcher konkreter Regeln vor Art 5 EGV: EuGH 24. 10. 1973 - Rs 9/73 (Schlüter), Slg 1973, 1135 (1160); EuGH 12. 7. 1990 - Rs C-35/88 (Kommission / Griechenland), Slg 1990,1-3125 (3160 f); bes: EuGH 3 . 3 . 1 9 9 4 - verb Rs C-332/92, C-333/92 und C-335/92 (Eurico Italia/EnteNazionale Risi), Slg 1994,1-711 (736); Grabitz / Hilf (-v Bogdandy), Art 5 EGV, Rn 30 f.

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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vestmentfonds-Richtlinie [4.20, 4.21, 4.2S]). 253 Jedes deutsche Gesetz in diesem Bereich beruht in seinem Kernbestand auf EG-Richtlinien. Dies ist ebenfalls so im - klassisch häufig über das Schuldvertragsrecht durchgesetzten - Devisenund Währungsrecht: Heute sind alle Instrumente des nationalen Rechts, die Verträge über Kapitaltransfers für nichtig erklären, unzulässig; allein die Mindestreservepflicht und damit eine Einwirkung auf Kreditverträge der Kreditinstitute ist noch zulässig.254 Als vierte wichtige wirtschaftsrechtliche Normengruppe - neben Aufsichts-, Kapitalmarkt- sowie Devisen- und Währungsrecht - wurde auch das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen weitgehend gemeinschaftsrechtlich überformt. Relevanz für das Schuldvertragsrecht hat allein das Kartell-, nicht das Fusionsrecht, peripher auch das Recht der marktbeherrschenden Unternehmen, soweit sie einem Kontrahierungszwang unterworfen werden. Außerhalb des Fusionsrechts unterfallen die Sachverhalte von binnenmarktgrenzüberschreitender Bedeutung, soweit die Marktanteile nicht unerheblich sind, unmittelbar und einheitlich geltendem Gemeinschaftsrecht. Dieses schafft Einheit, zumindest soweit es ein Verbot bzw einen Kontrahierungszwang ausspricht oder soweit es umgekehrt das Verhalten von den Verboten gezielt freistellt (Art 85 III EGV), also auch soweit EG-Gruppenfreistellungs-Verordnungen Anwendung finden (5.01-5.08). 255 Einheitliche Standards gelten daher nur in den Fällen nicht, in denen das Gemeinschaftsrecht ein Kartell nicht beanstandet, umgekehrt jedoch auch nicht nach Art 85 III EGV freistellt.256 In Deutschland stellt dies - wegen der Parallelität der Regelungen - eine nur theoretische Möglichkeit dar. Soweit der gemeinschaftsrechtliche Standard unmittelbar und einheitlich gilt, 9 0 stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit strengeren nationalen Rechts nicht. Dies gilt für das Devisen- und Währungsrecht ebenso wie für das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Anders ist dies bei den Harmonisierungsmaßnahmen des Aufsichts- und Kapitalmarktrechts, soweit sie - punktuell - auf das Schuldvertragsrecht einwirken. In den insoweit wichtigsten Rechtsakten, in Art 11 der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (4.20), Art 6 der InsiderhandeisRichtlinie (4.21) und Art 1 VII der Investmentfonds-Richtlinie (4.25) werden jeweils strengere nationale Normen ausdrücklich zugelassen.257

253

254 255 256

257

Vgl zu all dem die Zusammenstellung in der Beck'schen Textsammlung „Europäisches Wirtschaftsrecht", Nr 320-346 und ausführlicher den zum 1.6. und 1.12. jeden Jahres erstellten Fundstellennachweis des geltenden Gemeinschaftsrechts, Gliederungspunkt 6.20; sowie die oben Fn 19 f genannten Sammelwerke. Vgl Nachw oben Fn 131. Vgl im einzelnen unten § 8 Einl Rn 11 f, 2 4 - 2 6 . Festzustellen ist freilich auch in dieser Fallgruppe eine sog Harmonisierung von unten, eine freiwillige Angleichung der nationalen Rechte an die Regelung in der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsordnung: dazu etwa Blaurock, J Z 1994, 270 (270); Großfeld / Bilda, ZfRV 33 (1992) 421 (423 f). Es wird also immer seltener, daß das Ergebnis nach nationalem Recht in diesen Fällen von demjenigen nach Gemeinschaftsrecht abweicht. Zu den Folgen im grenzüberschreitenden Verkehr vgl neben Rn 110-120 auch 4.20 Rn 9 und 4.21 Rn 10.

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1. Teil - Grandlagen

d) Sozialpolitisch motivierte

Normen

91 aa) Auch andere als wirtschaftspolitisch, vor allem sozialpolitisch motivierte Normen können nach fast einhelliger Meinung von Art 7 EVÜ erfaßt werden. Soll jedoch die Rechtswahlfreiheit nach Art 3 EVÜ nicht willkürlich beschnitten werden, muß die zwingende Anknüpfung in diesem Bereich positiv begründet werden. Gemeint sein können, wie auch sonst im Kernbereich des Art 7 EVÜ, bei den wirtschaftspolitisch motivierten Normen, nur Vorschriften, die öffentliche Güter (Staatsinteressen) schützen. Außerdem muß das Problem einer Abgrenzung gegenüber Art 5 EVÜ befriedigend gelöst werden. Daher können diejenigen sozialpolitisch motivierten Normen, die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Art 5 EVÜ fallen, nach Art 7 II EVÜ zwingend angeknüpft werden.258 Betroffen sind nach dem Gesagten vor allem die Beförderungs-, die Gebrauchsüberlassungs- und Darlehensverträge. 92 bb) Der Verkehr ist Gegenstand einer eigenen Politik (mit ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz der Gemeinschaft). Das Recht der Darlehens vertrage mit Verbraucherbezug wurde durch die Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10) harmonisiert. Von den (sonstigen) Gebrauchsüberlassungsverträgen mit Verbraucherbezug haben diejenigen über Wohnraum die größte Bedeutung. Diesbezügliches nationales Recht wurde bisher nicht harmonisiert - mit zwei Ausnahmen. Sie betreffen beide primär ein Wohnen im Zusammenhang mit Reisen. Prägend für beide Bereiche ist also nicht das sonst übliche Bild einer Wohnraummiete, die regelmäßig nicht grenzüberschreitend erfolgt, sondern innerstaatlich verankert ist. Europäisch geregelt ist in der Pauschalreise-Richtlinie (4.01) die Wohnraummiete, die Teil einer Kombination von Reiseleistungen ist, allerdings nicht die isolierte Vermittlung von Ferienwohnung. Europäisch geregelt ist sodann in der Timesharing-Richtlinie (4.02) die Einräumung von Teilzeitnutzungsrechten an einer Wohnung, ebenfalls typischerweise einer Ferienwohnung. Die erste Form ist zentral für den grenzüberschreitenden Verbrauchervertrag, weil sie die übliche Form der Ferienwohnungsmiete durch einen weniger aktiven und mündigen Verbraucher darstellt und weil die Reiseindustrie etwa 5,5% des gemeinschaftsweiten Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. Die zweite Form erschien regelungsbedürftig, weil die Investition, die der Verbraucher tätigt, meist recht erheblich ist. Beide EG-Richtlinien lassen strengere nationale Normen zu. 93 cc) Fällt hingegen ein Vertrag in den sachlichen Anwendungsbereich des Art 5 EVÜ, sind jedoch die Nähekriterien des Art 5 II, 1.-3. Spiegelstrich EVÜ nicht erfüllt, so ist dieses ausdifferenzierte System von Anknüpfungspunkten zu achten: Verbraucherschützende Normen dürfen unter diesen Umständen nicht gemäß Art 7 II EVÜ international zwingend angeknüpft werden. Allenfalls ist über 258

Tendenziell: BGHZ 123, 380 (390 f); Coester-Waltjen, Der Eskimo-Mantel aus Spanien - ist der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz zu kurz gestrickt?, FS Lorenz 1991, 297 (313-319); Fischer, JZ 1994, 364 (369 f) (Urteilsanm); Roth, Verbraucherschutz über die Grenze, RIW 1994, 275 (277 f).

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

69

eine Rechtsfortbildung bei den Anknüpfungspunkten des Art 5 II E V Ü nachzudenken. Art 5 EVÜ bildet insoweit eine lex specialis. Davon geht inzwischen auch der Bundesgerichtshof unter Berufung auf die deutsche Gesetzgebungsgeschichte aus, 2 5 9 ein Ergebnis, das auch für das EVÜ die größere Überzeugungskraft für sich hat. 2 6 0

e) Ordre-public-Vorbehalt aa) Seitdem Eingriffsnormen im Internationalen Schuldvertragsrecht nach Art 7 EVÜ angeknüpft werden, ist hier der sachliche Anwendungsbereich des Ordrepublic-Vorbehalts (Art 16 EVÜ bzw Art 6 E G B G B ) erheblich reduziert. 261 Denn überwiegend wird solch ein Vorbehalt für unzulässig gehalten, soweit Art 5 und 7 EVÜ eingreifen. 262 Der Vorbehalt kann jedenfalls nicht mehr herangezogen werden, um deutsche zwingende Normen zur Anwendung zu bringen (positiver ordre public), sondern nur, um exorbitante Ergebnisse zu verhindern, die sich aus der Anwendung ausländischen Rechts ergeben. 2 6 3 Sieht man daher von der Durchsetzung deutscher Normen mit wirtschafts-, staats- oder sozialpolitischer Zielsetzung ab, so zeitigte der Vorbehalt im Schuldvertragsrecht schon herkömmlich nur vereinzelt Wirkung: 2 6 4 vor allem mit den Regeln zur arglistigen Täuschung und Drohung (etwa § 123 B G B ) , 2 6 5 mit der Nichtigkeitsregel des

25' B G H Z 123, 380 (390 f) (unter Berufung auf BT-Drs 10/504, S 83); Masch (oben Fn 208) S 178; Reithmann / Martiny {-Limmer), Internationales Vertragsrecht, Rn 397; Roth, RIW 1994, 275 (277 f). Zur darauffolgenden Literatur zu diesem Problemkreis: Palandt (-Heldrich), Art 34 EGBGB, Rn 3. 2 6 0 Aus dem ausländischen Schrifttum ebenso etwa für Frankreich: Lagarde, Le nouveau droit international privé des contrats après l'entrée en vigueur de la convention de Rome du 19 juin 1980, Rev.crit.d.i.p. 80 (1991), 287 (316 seq); aA Kassis, Le nouveau droit européen des contrats internationaux, 1993, p. 341; für Großbritannien: Lasok / Stone, Conflict of Laws, p. 380. 261 Lüderitz, Fortschritte im deutschen internationalen Privatrecht, FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, 1988, S 271 (289); sowie (für Art 30 EGBGB bzw Art 6 EVÜ): Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1369 (mwN). 262 Baumert, Sonderanknüpfung zur Durchsetzung von EG-Recht, S 84-125, 281; MünchKomm (-Martiny), Art 34 EGBGB, Rn 96; Reithmann / Martiny (-Limmer), Internationales Vertragsrecht, Rn 385; Plender, The European Contracts Convention - the Rome Convention on the Choice of Law for Contracts, 1991, p. 157; wohl auch Kropholler, I PR, S 224. 263 Reithmann / Martiny (-Limmer), Internationales Vertragsrecht, Rn 385; wohl auch Kropholler, IPR, S 224. 264 ν Bar, IPR I, Rn 638; zum Hauptanwendungsgebiet im Familienrecht: Lüderitz, FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, 1988, S 271 (289 f). 2 « RGZ 46, 193 (196); KG IPRspr 1928 Nr 10; OLG Düsseldorf IPRspr 1929 Nr 48; Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands3, 1954, S 65 f; einschränkend: RG IPRspr 1933, Nr 7 (33 f).

94

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1. Teil - Grundlagen

ξ 138 B G B (bei Sittenwidrigkeit) 266 und mit § 2 4 2 B G B , zumal soweit aus ihm immanente Schranken der Rechtsausübung hergeleitet werden (vor allem der Einwand des Rechtsmißbrauchs). 267 Die hM zählt auch § 343 B G B zum ordre public, nach dem eine unangemessen hohe Vertragsstrafe herabgesetzt werden kann. 268 Mit keiner der vier Regeln verfolgte der Gesetzgeber spezifisch wirtschaftspolitische oder verbraucherschützende Ziele. Art 5 und 7 EVÜ sind also jeweils nicht anwendbar und verdrängen Art 16 EVÜ nicht. Allein in der Bürgschaftsrechtsprechung wurde dezidiert auf die spezifische Unerfahrenheit nicht beruflich tätiger Kunden abgestellt. 269 9 5 Während der Anwendungsbereich des Ordre-public-Vorbehalts offener ist als derjenige von Art 5 und 7 EVÜ, sind die Voraussetzungen für das Eingreifen des Vorbehalts strenger. Es genügt nicht, daß das Ergebnis für den Verbraucher ungünstiger ist als nach seinem Aufenthaltsrecht bzw daß die deutschen wirtschaftspolitischen Interessen durch die Anwendung der deutschen Norm gefördert werden. Vielmehr muß die Anwendung des ausländischen Sachrechts Grundgedanken des deutschen Rechts im konkreten Einzelfall so sehr widersprechen, daß das Ergebnis „unerträglich" erscheint. 270 Alle drei zwingenden Statuten setzen hingegen auf ähnliche Weise einen Inlandsbezug voraus. Im Rahmen von Art 5 EVÜ ist dieser allerdings tatbestandsmäßig präzise ausgestaltet, bei den anderen beiden zwingenden Statuten generalklauselmäßig offen: 271 Beim ordre-public-Vorbehalt muß das Ergebnis umso verwerflicher erscheinen, je lokkerer dieser Bezug. 272 9 6 Nicht nur der sachliche Anwendungsbereich des Ordre-public-Vorbehalts ist enger geworden. Es kommt hinzu, daß seine Ausübung heute europarechtlichen Standards genügen muß. Die nationalen Rechte entscheiden zwar weiterhin, welche ihrer (Sach-)Normen und Grundgehalte sie als Teil des ordre public an-



B G H Z 35, 3 2 9 (337); BT-Drs X / 5 0 4 , S 4 3 ; MünchKomm {-Sonnenberger), Art 6 EGBGB, Rn 63 f; Spickhoff, Der ordre public im internationalen Privatrecht: Entwicklung - Struktur - Konkretisierung, 1989, S 170, 1 7 2 - 1 7 4 ; Stoll, Rechtliche Inhaltskontrolle bei internationalen Handelsgeschäften, FS Kegel 1987, 623 (634); vgl auch (einschränkend bei rechtspolitischen Zweifeln an der fraglichen Norm, hier § 817 S 2 BGB): B G H NJW 1966, 730. 2«7 LG Frankfurt/M NJW 1981, 56 (58); Spickhoff (oben Fn 266) S 170; Stoll, FS Kegel 1987, 623 (634). 268 Vgl im einzelnen Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 2 6 0 (mwN). 269

270

271 272

BVerfG NJW 1994, 2749 (2750); und entspr: BGH NJW 1994, 1278 (1279); 1994, 1341 (1342); 1994, 1726 (1728). Statt aller: B G H Z 47, 3 2 4 (333); 50, 370 (375); Jayme (oben Fn 204) S 33; Kegel, IPR, S 3 7 4 - 3 7 9 ; MünchKomm (-Sonnenberger), Art 6 EGBGB, Rn 5 9 - 6 1 , 80. Fraglich ist, ob im Grundrechtsbereich etwas anders gilt und jede „Durchsetzung von Wertvorstellungen des Grundgesetzgebers über die innerstaatliche Sozialordnung" auf den Ordrepublic-Vorbehalt zu stützen ist; vgl B G H NJW 1979, 488. Für die zwingende Anknüpfung wirtschaftspolitisch motivierter Normen vgl oben Rn 87. MünchKomm (-Sonnenberger), Art 6 EGBGB, Rn 82; Spickhoff (oben Fn 266) S 97; tendenziell: B G H Z 50, 3 7 0 (378).

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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sehen, welche abweichenden Ergebnisse als untragbar. Ob sich dieses Gebot auch durchsetzt, entscheiden hingegen europarechtliche Standards. Es liegt nahe, von einem Zweischrankenkonzept zu sprechen: Neben das Untragbarkeitsverdikt des nationalen Rechts muß die Tolerierung dieses Verdikts durch das Europäische Recht treten. Im Europäischen Recht muß dieses Verdikt nun wiederum den zwei genannten Prüfungsmaßstäben genügen: Zum einen ist der Begriff des ordre public, wie alle anderen im Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen, autonom (regelmäßig rechtsvergleichend) auszulegen. Wird der E u G H hier auf die Grundsätze der wertenden Rechtsvergleichung zurückgreifen, so werden voraussichtlich besonders weitreichende Interpretationen des Ordre-public-Gehalts zurückgedrängt werden, 2 7 3 wohl auf ein Durchschnittsmaß. Dies hat, da es sich beim Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen um eine loi uniforme handelt, auch gegenüber Drittstaaten zu gelten. 2 7 4 Dieses Durchschnittsmaß muß zum anderen wiederum dem Prüfungsmaßstab der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses genügen. Das Gewicht der Gründe muß daher demjenigen in den Schutzklauseln des E G V (etwa Art 5 6 E G V ) entsprechen. 2 7 5 Es muß also eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung dargetan werden, und eine Berufung auf den ordre public darf nicht allein auf generalpräventive und auch nicht auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt werden. Auf diese Weise, als Prüfungsmaßstab, kommt also die bisherige Rechtsprechung des E u G H zu den Schutzklauseln auch für Art 16 E V Ü zum Tragen, für den sie unmittelbar nicht eingreift. 276 Da insoweit die Grundfreiheiten des E G V herangezogen werden, ist die zweite Stufe der Prüfung auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander beschränkt. bb) Anders als der Bereich der international zwingenden Normen iSv Art 5 und 7 97 EVÜ wurde derjenige des ordre public nur in einigen wenigen Punkten durch Gemeinschaftsrechtsakte ausgestaltet. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Die Fälle sind einer Typisierung weniger zugänglich. Eigene Rechtsangleichungsmaßnahmen fehlen vollständig für die immanenten Schranken von Rechtspositionen (§ 2 4 2 B G B ) . Im Bereich der Willensmängel nach § 123 B G B fand eine Teilharmonisierung immerhin bei der irreführenden Werbung statt, für das Vorfeld der arglistigen Täuschung. 2 7 7 Die projektierte GewährleistungshaftungsRichtlinie (2.12) regelt demgegenüber zwar Hauptbereiche des Mängelgewährleistungsrechts, nicht jedoch Ansprüche des Geschädigten bei arglistiger Täuschung. Im Bereich von § 138 B G B war mit dem ersten Entwurf der A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10) immerhin eine Minimumharmonisierung für die FallSo im Grundsatz Jayme (oben Fn 204) bes S 49-57; rvgl zu den Standards Spickhoff (oben Fn 266) bes S 45-67. 274 Davon geht auch Jayme (oben Fn 204) bes S 49-57 aus; aA wohl Martiny, in: ν Bar (Hrsg), Gemeinschaftsrecht, 211 (228-230). 275 Ygi j m einzelnen oben Rn 61. 276 Demgegenüber werden beide Standards häufig eher unverbunden nebeneinander diskutiert: vgl etwa Martiny, in: ν Bar (Hrsg), Gemeinschaftsrecht, 211 (212-222). 277 Nachw zum Rechtssetzungsstand oben Fn 90. 273

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1. Teil - Grundlagen

gruppen angestrebt worden, in denen Verbraucher beruflich Tätigen den Sittenwidrigkeits- oder Mißbrauchseinwand entgegenhalten. Die verabschiedete Fassung enthält die Regelung nur noch für die Fälle, in denen die Klausel „vorformuliert" wurde. 278 In der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10) wurde der Hauptanwendungsfall des Sittenwidrigkeitsvorwurfes, hier des Zinswuchers, gänzlich von der Harmonisierung ausgenommen. Bei der Aktualisierung immanenter Schranken von Rechten, die das Gemeinschaftsrecht einräumt, und bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht können jedoch allgemeine Rechtsgrundsätze stets zur Anwendung kommen, 2 7 9 die dann wiederum insoweit das nationale Recht und seinen ordre-public-Vorbehalt verdrängen würden. f) Bindungswirkung von Schweigen 9 8 Neben diese Hauptfälle einer Einschränkung der Rechtswahlfreiheit treten speziell für das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen § 12 A G B G 2 8 0 sowie - allgemein geltend - zwei stark punktuell wirkende zwingende Anknüpfungen (f/g): So setzt sich auch die Anknüpfung des Art 8 II EVÜ (wörtlich identisch: Art 31 II E G B G B ) in gewissem Umfang gegen eine Rechtswahl durch. Charakteristisch für die Sonderanknüpfung ist jedoch: Sie ist eng umrissen, grundsätzlich bleibt das Vertragsstatut anwendbar; und das Behinderungspotential von Art 8 II EVÜ ist schwach. 281 In aller Kürze: Die Norm betrifft die Bindungswirkung von Schweigen, dh die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten der Partei(en) als Zustimmung zu werten ist. Primär entscheidet hierüber bereits das Vertragsstatut, das durchaus auch durch Rechtswahl bestimmt sein kann. Behindernd im Sinne der Grundfreiheitendogmatik kann erst die zwingende (kumulative) Sonderanknüpfung nach Art 8 II EVÜ wirken, die vom Vertragsstatut abweicht. Sie erfolgt jedoch nur unter der engen Voraussetzung, daß die Bindung nach dem Vertragsstatut für den Betroffenen unangemessen wäre, weil keiner der Kontakte, die zum Vertragsstatut aufgebaut wurden, ihm zugerechnet werden kann. Außerdem betrifft die Sonderanknüpfung nur die Zustimmungswirkung von Schweigen, nicht die sonstigen Fragen der Rechtsgeschäftslehre. Das Behinderungspotential ist nicht nur eng umrissen, es ist auch schwach. Denn kaum ein Unternehmen wird seine Absatzstrategie darauf abstellen, daß ein Abnehmer schweigt, Schweigen jedoch als Zustimmung qualifiziert wird. 282 Im engen sachlichen Anwendungsbereich des Art 8 II EVÜ fehlen denn auch Rechtsangleichungsmaßnahmen weitestgehend. Dies gilt auch für den wichtigsten Fall

278 Vgl i m einzelnen unten 2 . 1 0 Rn 19. 279 Vgl ¡ m einzelnen unten Rn 1 8 7 - 1 9 2 . 280 281

282

Dazu unten 2 . 1 0 Rn 5 0 . Daher wird die N o r m besser mit sonstigen Fragen des Vertragsstatuts, in dem Abschnitt zum E V Ü , erörtert, nicht schon hier mit den Normen, die (typischerweise) Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen (können). Vgl deshalb näher zum folgenden unten 1.01 Rh 3 1 - 3 5 . Die Relevanz der Keck-Rspr des E u G H (oben Fn 163) in diesem Bereich ist unverkennbar.

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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mit Massengeschäftscharakter, die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10) enthält nur eine Unklarheitenregel, keine sonstigen Regeln über eine Einbeziehungkontrolle. Eine Ausnahme bildet nunmehr Art 9 2. Spiegelstrich der Fernabsatz-Richtlinie (2.02). g) Rein interne Fälle Eine Einschränkung der Rechtswahlfreiheit wird auch für diejenigen Fälle pro- 9 9 pagiert, in denen ein (schuldvertraglicher) Sachverhalt Rechtsordnungen von mehreren Mitgliedstaaten berührt, jedoch nicht solche von Drittstaaten. Diese Fälle seien hinsichtlich der Durchsetzung der Richtlinienregelung wie rein interne Fälle zu behandeln. In ihnen sei der Mindeststandard, den eine EG-Verordnung oder EG-Richtlinie einheitlich für alle Mitgliedstaaten vorsieht, nicht zur Disposition der Parteien gestellt: Die Wahl eines dritten Rechts sei unwirksam gemäß Art 3 III EVÜ analog (inhaltlich identisch: Art 2 7 III E G B G B ) . Genauer: Sie sei nur als materiell-rechtliche Verweisung zu verstehen. Denn allein die Gemeinschaft sei berührt. Mit dieser Einschränkung der Rechtswahlfreiheit wird jedoch nicht etwa eine potentielle Behinderung des Rechtsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten geschaffen. Vielmehr geht es um die Durchsetzung des einheitlichen Standards, von dem - sachlich nicht gerechtfertigt - die Parteivereinbarung auf einen Drittstaat ausweichen will. 283 Weiter geht in dieser Frage teils das E G Sekundärrecht: In Regeln wie Art 6 II der A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10), Art 12 II der Fernabsatz-Richtlinie (2.02) oder Art 6 II des Gemeinsamen Standpunktes für eine Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (2.12) wird die Anwendung des Rechts von Drittstaaten bereits zurückgedrängt, wenn der Sachverhalt einen „engen Zusammenhang" mit dem Gebiet eines Mitgliedstaates aufweist. 2 8 4 Offenbar ist weder notwendig, daß dies der engste Zusammenhang ist, noch, daß der Sachverhalt allein Bezüge zum Gebiet der Gemeinschaft aufweist. h) Lex

mercatoria

In einem letzten Fall hält die h M eine Rechtswahl für unzulässig: soweit Parteien 100 die sogenannte lex mercatoria heranziehen. 285 Insoweit geht es im folgenden nur

283

284

285

Daher wird die Norm im einzelnen erst mit sonstigen Fragen der Rechtswahl, in dem Abschnitt zum EVÜ, erörtert, nicht schon hier mit den Normen, die (typischerweise) Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen (können). Vgl daher näher zum folgenden unten 1.01 Rn 18. Hierzu, insbes zu der Frage, ob damit EG-Richtlinienrecht mit verbraucherschützender Tendenz weitergehend zur Anwendung kommt als dies nach Art 5 EVÜ der Fall wäre, unten 2.10 Rn 3 6 - 3 9 . Anders konzipiert sind demgegenüber zwei weitere kollisionsrechtliche Sonderregelungen, die ebenfalls das Verhältnis zu Drittstaaten betrifft und in Art 9 der Timesharing-Richtlinie (4.02) bzw Art 5 der Insiderhandels-Richtlinie (4.21) enthalten sind: vgl dort Rn 8. Die hM hält eine Kontrolle der Regeln der lex mercatoria an den Maßstäben einer nationalen Rechtsordnung für unabdingbar: Etwa Kegel, The Crisis of Conflict of Laws, RdC 112 (1964 II) 91 (237-268); Lagarde, FS Goldman 1983, 125; Lorenz, Die Lex

74

101

1. Teil - Grundlagen

um einen der beiden Zweige der lex mercatoria und auch insoweit nur um die stärker institutionalisierten Ausprägungen: Erörtert werden allein die Klauselwerke, die unter Mitwirkung aller betroffenen Kreise von einer solchermaßen „neutralen" Stelle formuliert wurden. Denn der zweite Zweig, den die allgemeinen Rechtsgrundsätze bilden, ist rechtspolitisch und auch rechtsquellenmäßig gänzlich anders zu bewerten. 2 8 6 Es verwundert daher auch nicht, daß er gerade im Europäischen Schuldvertragsrecht eine eigene Geschichte durchlebt hat: Für die allgemeinen Rechtsgrundsätze ist heute im Europäischen Schuldvertragsrecht gesondert zu fragen, ob sie nicht zu einem (sekundärrechtlichen) positiven Standard herangewachsen sind. 287 Daß international gängige Klauselwerke, die von einer „neutralen" Stelle ausformuliert wurden, nach der Rechtsquellenlehre des Völkerrechts (partiell) als eigene Rechtsquelle anzusehen sind und insbesondere keiner nationalen Inhaltskontrolle unterworfen werden dürfen, wurde an anderer Stelle begründet. 288 Wenn solche Klauselwerke nationalen Normen, vor allem der nationalen Inhaltskontrolle, unterworfen werden und dadurch der grenzüberschreitende Verkehr behindert wird, stellt sich zusätzlich die Frage, ob nicht die EG-Grundfreiheiten berührt sind. Wird die (kollisionsrechtliche) Wählbarkeit solcher Klauselwerke mit dem Argument abgelehnt, intemationalprivatrechtliche Rechtswahlregeln bezögen sich stets nur auf staatliche Rechte, so bedeutet dies zugleich, daß die Grundsätze zu den Maßnahmen gleicher Wirkung anwendbar bleiben. Denn nach

Mercatoria: Eine internationale Rechtsquelle?, FS Neumayer 1985, 407; Mann, Internationale Schiedsgerichte und nationale Rechtsordnung, ZHR 130 (1968) 97; Batiffol (oben Fn 97) p. 105-110 vergleicht den internationalen Kaufmannsstand als rechtssetzende Gemeinschaft plakativ mit Augustinus Räuberbande. Demgegenüber etwa: Goldman, Frontières du droit et lex mercatoria, Archives de philosophie du droit 1964, 177 (183); Horn (oben Fn 8) bes 517 f; Schmitthoff, Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964) 47 (65 f). Gegen eine Argumentation allein aus dem Gefüge des nationalen IPR heraus: Grundmann, JJZ 1991, 43 (52, 57). 286 Vgl ausführlich: Grundmann, JJZ 1991, 43 (bes 46-59). Vor Schiedsgerichten ist dieser zweite Zweig der lex mercatoria in seiner rechtlichen Einordnung eher unproblematisch, insbes, soweit sie ermächtigt sind, „ex aequo et bono" zu entscheiden und daher auch eine Entscheidung nach einer lex mercatoria unstr zulässig ist: vgl die Aufzählung der internationalen Abkommen, die diese Möglichkeit eröffnen oder eine Anerkennung von internationalen Schiedssprüchen ohne inhaltliche Uberprüfung vorsehen, zB bei Boneil, The Relevance of courses of dealing, usages and customs in the interpretation of international commercial contracts, in: Unidroit, New directions in international trade law, Reports 1977, 109 (118); ν Hoffmann, „Lex mercatoria" vor internationalen Schiedsgerichten, IPRax 1984, 106 (107); zu den entspr nationalen Vorschriften: ders, FS Kegel 1987,215 (226 f Fn 37); hagarde, FS Goldman 1983, 125 (148 seq) (für das für internationale Schiedsgerichte bes wichtige französische Recht); monographisch: Dasser, Internationale Schiedsgerichte und lex mercatoria, 1989; Weise, Lex mercatoria, Materielles Recht vor der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1990. 287 288

Vgl daher unten Rn 182-197. Grundmann, JJZ 1991, 43 (bes 54-70); dagegen wieder mit dem Argument, die Rechtswahlfreiheit nach dem EVU bezöge sich nur auf staatliche Rechte: Kassis (oben Fn 260) p. 373-397.

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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dem Gesagten sind sie nur auf diejenigen Fálle nicht anzuwenden, in denen Rechtswahlfreiheit herrscht. Nun mag zwar das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen vorgeben, daß nur staatliche Rechte gewählt werden dürfen. Dies ist jedoch im vorliegenden Zusammenhang irrelevant: Dieses Übereinkommen steht gegenüber den Grundfreiheiten zurück (Art 2 0 EVÜ). Daher sind diese vollumfänglich anzuwenden: Die Durchsetzung nationalen Rechts (etwa der Regeln zur Inhaltskontrolle) gegenüber diesen Klauseln ist als Maßnahme gleicher Wirkung zu qualifzieren, wenn damit potentiell der grenzüberschreitende Verkehr behindert wird. Da der Hauptwert von Klauselwerken wie den S.W.I.F.T.-Bedingungen und den Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen (für Inkassi, Dokumentenakkreditive und Garantien auf erstes Anfordern) in der Sachnähe, vor allem jedoch in der hohen Vorhersehbarkeit für die Parteien liegt, 2 8 9 ist jede Einbuße in dieser Hinsicht erheblich 2 9 0 und in der Tat zumindest potentiell behindernd. Folglich stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung. Jede Inhaltskontrolle nach nationalen Regeln muß auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses gestützt werden können. Mit Hinblick auf die A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10) ist schon fraglich, ob nicht die Klauselinhaltskontrolle dort harmonisiert wurde und daher eine weiterreichende Klauselinhaltskontrolle nach nationalem Recht im grenzüberschreitenden Verkehr a limine ausscheidet - unabhängig von der Frage, ob zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen. 291 Selbst wenn diese Richtlinie den Schutz eines beruflich Tätigen im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht (negativ) geregelt haben sollte, müßte eine Klauselinhaltskontrolle, wie jede behindernde Regelung, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen sein. Nun wurde der Schutz von beruflich

289

290

291

Böckstiegel, Die Bestimmung des anwendbaren Rechts in der Praxis internationaler Schiedsgerichtsverfahren, FS Beitzke 1979, 443 (451); abwägend Lando, The lex mercatoria in international commercial arbitration, 34 ICLQ 747, 754 (1985); weitere Nachw für diesbezügliche Kritik am staatlichen Recht bei Stein (oben Fn 8) S 19, Fn 17. So wird im deutschen Schrifttum als Einwand gegen die Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs aus Akkreditiv teils der Einwand des fehlenden Deckungsverhältnis (etwa bei gänzlichem Fehlen eines wirksamen Auftrags) zugelassen: Etwa Canaris, in: Großkommentar HGB, Bankvertragsrecht4, 1988, Rn 1027; aA Nielsen, Auslandsgeschäft BuB, 12/1978 Rn 5/296; Raith, Das Recht des Dokumentenakkreditivs in den USA und in Deutschland, 1985, S 156. Nach Nr 10 lit. a der Einheitlichen Richtlinie und Gebräuche für Dokumentenakkreditive handelt es sich freilich um einen „feststehenden" Anspruch, so daß kein Einwand möglich erscheint. Dieses Ergebnis grammatikalischer Auslegung wird bestätigt durch die teleologische Auslegung: Die Sicherungsfunktion des Instruments des Dokumentenakkreditivs geht dahin, daß das Akkreditiv anstelle von Bargeld gegeben wird. Eine Gleichstellung mit anderen Dreieckskonstellationen, etwa der innerstaatlichen Uberweisung, würde im internationalen Verkehr nicht verstanden. Zur Sperrwirkung von EG-Sekundärrecht unten Rn 110-120. Immerhin wurde die Einbeziehung von beruflich Tätigen in den Schutzbereich durchaus intensiv diskutiert und abgelehnt: Vgl Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABIEG 1991 C 159/34 (36).

102

76

1. Teil - Grundlagen

Tätigen, anders als der Verbraucherschutz, vom EuGH noch nicht unter den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses genannt. 292 103 Daß zwingende Gründe des Allgemeininteresses fehlen, kann jedoch noch deutlich spezifischer mit Kerngedanken des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegt werden. Eine Einbeziehung beruflich Tätiger in den Schutzbereich eines AGB-Gesetzes ist doch vor allem damit zu rechtfertigen, daß auch insoweit Informationsasymmetrien zugunsten des Verwenders strukturell vorgegeben sind: Der Verwender hat angesichts der Vielzahl der geplanten Einsätze jeden Anlaß, für die Erstellung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kosten aufzuwenden, während die andere Seite dies nicht hat; ihre Informationskosten sind, bezogen auf den einen Fall des Einsatzes der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ungleich höher als diejenigen des Verwenders bezogen auf jeden einzelnen der vielen Fälle des Einsatzes. 293 Diese Form der Informationsasymmetrie ist jedoch zwischen beruflich Tätigen die einzige Form einer strukturell bedingten Ungleichgewichtslage, und allein strukturell bedingte Ungleichgewichtslagen sind es, die eine schärfere Inhaltskontrolle als diejenige nach einem Sittenwidrigkeitsmaßstab rechtfertigten.294 Bei international üblichen Klauselwerken fehlt es nun an der eben beschriebenen Ungleichgewichtslage, die für den Einsatz eigener Allgemeiner Geschäftsbedingungen typisch ist: Die andere Vertragsseite ist mit solchen „öffentlichen" Klauselwerken keineswegs typischerweise viel seltener konfrontiert als der „Verwender"; sie muß daher nicht typischerweise, bezogen auf jeden Einzelfall ihres Einsatzes, ungleich höhere Informationskosten aufwenden als der Verwender. 104 Eine nationale Inhaltskontrolle von international üblichen und unter Beteiligung der betroffenen Kreise ausformulierten Klauseln, deren Anwendung die Parteien 292

Vgl die Aufzählungen in: E u G H 20. 2. 1979 - Rs 120/78 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 649 (662); E u G H 25. 7.1991 - Rs C - 2 8 8 / 8 9 (Stichting Gouda), Slg 1991,1-4007 (4041) (allerdings auch „Berufsregeln" zum Schutz von Dienstleistungsempfängern); E u G H 25. 7. 1991 - Rs C - 3 5 3 / 8 9 {Kommission / Niederlande), Slg 1991, 4 0 6 9 (4094); E u G H 9. 7. 1992 - Rs C - 2 / 9 0 (Kommission/Belgien), Slg 1992,1-4431 (4477); Geiger, Art 3 0 E G V , Rn 15, 17-19; vgl auch die „Fallgruppen" in: Grabitz / Hilf {-Matthies / ν Borries), Art 30 E G V , Rn 3 5 - 4 2 ; monographisch: Ahlfeld, Zwingende Erfordernisse.

293

Ausführlich dazu: Adams, Ökonomische Begründung des AGB-Gesetzes - Verträge bei asymmetrischer Information, BB 1989, 781 (787); Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen - eine Untersuchung zu den Schranken der Privatautonomie unter besonderer Berücksichtigung der Fälle typischerweise gestörter Vertragsparität, 1992, S 108 f; Frh ν Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 A G B - G e s e t z - ein Kommentar, 1991, Rn 19 f; Köndgen, Grund und Grenzen des Transparenzgebots im A G B Recht - Bemerkungen zum „Hypothekenzins-" und zum „Wertstellungs-Urteil" des B G H , N J W 1989, 943 (946 f); Koller, Das Transparenzgebot als Kontrollmaßstab Allgemeiner Geschäftsbedingungen, FS Steindorff 1990, 667 (669 f); und aus ökonomischer Sicht: Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts 2 , 1995, S 420-422.

294

Lieb, Sonderprivatrecht für Ungleichgewichtslagen? Überlegungen zum Anwendungsbereich der sogenannten Inhaltskontrolle privatrechtlicher Verträge, AcP 178 (1978) 196 (203); speziell für den Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen: Habersack (vorige Fn) S 106 f.

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

77

vereinbart haben, ist nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen. Nationale Normen zur Inhaltskontrolle sind insoweit wegen Verstoßes gegen die EG-Grundfreiheiten unanwendbar.

II. EG-Sekundärrecbt als Schranke für nationale Regulierung Auch EG-Sekundärrecht enthält Vorgaben für nationale Regulierungsmaßnahmen. Dies ist selbstverständlich bei nationalem Recht, das hinter dem Standard des EG-Richtlinienrechts zurückbleibt. 295 Insoweit gebietet EG-Sekundärrecht ein Mindestmaß an nationaler Regulierung. Es schneidet jedoch die Zulässigkeit von (strengerer) nationaler Regulierung auch erheblich zurück, noch weitergehend als Primärrecht. Diese weiterreichende Schrankenwirkung von EG-Sekundärrecht ist freilich allein auf der Grundlage des zum Primärrecht Gesagten zu verstehen. 2 9 6

105

1. Schranke gegenüber strengerem nationalen Recht im Inlandssachverhalt a) Zulassung in fast allen Einzelrechtsakten Die meisten EG-Richtlinien zur Regelung des Schuldvertragsrechts lassen strengere nationale Normen ausdrücklich zu. Bei EG-Verordnungen auf der Grundlage von Art 8 5 III E G V ( 5 . 0 1 - 5 . 0 8 ) stellt sich die Frage - wegen des insoweit verdrängenden Charakters von EG-Recht - nicht. Bei EG-Richtlinien zur Gleichbe-

295

Zu den verschiedenen Formen von Sperrwirkung (während des Gesetzgebungsverfahrens und während der Umsetzungsfrist) vgl nur Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S 9 f; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S 2 2 - 2 6 ; ders, FS Everling 1995, 765 (jeweils mwN); und für die Zeit während der Umsetzungsfrist zuletzt (bejahend): EuGH 18. 12. 1997 - Rs C-129/96 (Inter-Environnement Wallonie ASBL), Slg 1997 1-7411 (7447-7451); ausführlich zum Gesamtbereich: Furrer, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts auf die nationalen Rechtsordnungen - die Grenzen des nationalen Gestaltungsspielraums durch sekundärrechtliche Vorgaben unter besonderer Berücksichtigung des „nationalen Alleingangs", 1994, S 90-158. Davon zu unterscheiden und wiederum nach dem Ziel des jeweiligen Rechtssetzungsakts zu beantworten ist die Frage, ob der nationale Gesetzgeber strengere nationale Regeln später bis auf das Maß der Richtlinie zurückschneiden darf. Art 6 der Gleichbehandlungs-Richtlinie Beweislast (vgl 3.10/3.11 Fn 29) statuiert nunmehr: „Die Durchführung dieser Richtlinie rechtfertigt in keinem Fall eine Beeinträchtigung des allgemeinen Schutzniveaus der Arbeitnehmer in dem von ihr abgedeckten Bereich; das Recht der Mitgliedstaaten, als Reaktion auf eine veränderte Situation Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die sich von denen unterscheiden, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie in Kraft waren, bleibt unberührt, solange die Mindestvorschriften dieser Richtlinie eingehalten werden." Für den Bereich Gesundheitsschutz vgl demgegenüber 3.45 Fn 13.

296

Dies ergibt sich bereits daraus, daß die zentralen diesbezüglichen Entscheidungen des EuGH, die sog Versicherungsurteile (oben Fn 50), zum Primärrecht ergingen, zugleich jedoch die Veränderung der Rechtslage beschrieben, die eintritt, wenn eine Harmonisierung durch EG-Richtlinien erfolgt.

106

78

1. Teil - Grundlagen

handlung (vgl 3.01, 3.10, 3.11, 5.22-5.25) ist solch eine Regelung kaum von Bedeutung, weil Gleichheit Regelungsziel ist und ein nationaler Gesetzgeber nur hinsichtlich der Durchsetzung ein „mehr" bereitstellen könnte. 297 Außerhalb dieser beiden Bereiche jedoch finden sich diesbezügliche Regel in fast allen Rechtssetzungsakten des Europäischen Schuldvertragsrechts. Dies ist so in Art 8 der Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01), Art 14 der Fernabsatz-Richtlinie (2.02), Art 8 der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) und Art 7 Vorschlages einer Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (2.12), in den arbeitsrechtlichen EG-Richtlinien, etwa in Art 5 der Massenentlassungs-Richtlinie (3.30),298 in Art 8 der PauschalreiseRichtlinie (4.01), Art 11 der Timesharing-Richtlinie (4.02), Art 15 der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10), in fast allen Einzelnormen der Überweisungs-Richtlinie (4.13),299 in Art 11 der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie für die dort enthaltenen Wohlverhaltensregeln (4.20), Art 6 der Insiderhandels-Richtlinie (4.21), Art 1 VII der Investmentfonds-Richtlinie (4.25). Etwas komplizierter, allerdings grundsätzlich gleich ist die Rechtslage bei den versicherungsrechtlichen EGRichtlinien (4.30-1/2/3 und 4.31-1/2/3). 300 Eine Ausnahme bilden allein die älteren E G-Richtlinien zur Produkthaftung 301 und zum Handelsvertreterrecht (3.80).302 107 In der Tat hat sich die EG-Kommission auf eine grundsätzliche Zulassung strengeren nationalen Rechts erst mit der neuen Strategie festgelegt, die sie im Weißbuch von 1985 formulierte und bis heute verfolgt. Harmonisiert werden soll, wie bereits erwähnt, das für unabdingbar erachtete Minimum; im Rest sollen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Regelungen gegenseitig als gleichwertig anerkennen. 303 Ein - strengerer - nationaler Rest wird also auch nach der Harmonisierung vorausgesetzt. Die strengeren nationalen Regeln muß nicht notwendig

297

Vgl etwa unten 5.22-5.25 Rn 62f. Vgl die Übersicht oben Fn 234. 299 Vg[ ¡ m einzelnen dort Rn 12-14. 300 pür j e n Hauptharmonisierungsbereich, die Informationsregeln, ist von der Zulässigkeit strengerer nationaler Regeln auszugehen, bei der Direktversicherung Schaden sogar im Verhältnis zu ausländischen Anbietern: vgl 4.30-1/2/3 Rn 52 bzw 4.31-1/2/3 Rn 28-36. Für die Inhaltskontrolle gilt auch im Versicherungsbereich die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) mit ihrem Art 8; insoweit wurde freilich eine früher übliche Form der strengeren nationalen Regel, nämlich die systematische Uberprüfung durch die Aufsichtsbehörde oder das behördliche Genehmigungserfordernis, für unzulässig erklärt: vgl 4.30-1/2/3 Rn 3 5 - 3 7 bzw 4.31-1/2/3 Rn 25 f. 298

301

Richtlinie des Rates 85/374/EWG vom 25. 7. 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, AB1EG 1985 L 210/29; daher wird die Regelung in dieser Richtlinie teils als Höchststandard gesehen, etwa von Bleckmann, RIW 1987, 929 (932). Auch im (1994 zurückgezogenen) Vorschlag für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (2.13) fand sich keine entspr Regel. Dazu etwa Hirte, Berufshaftung, 1996, S 221. 302 Daher sieht die hM (iErg zu Recht) die Regelung in dieser Richtlinie als Höchststandard an, soweit nicht einzelne Regeln ausdrücklich eine Ausnahme zulassen: vgl Nachw unten 3.80 Fn 22. 303 Nachw oben Fn 71.

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

79

ein normsetzendes Organ erlassen. Auch Gerichte sind hierfür berufen. 3 0 4 Dies ist gerade für das Privatrecht wichtig. 3 0 S

b) Beurteilung Eine Nichtzulassung Primärrecht.

strengerer

nationaler

Normen

verstieße

überwiegend gegen

Es fehlt an der Erforderlichkeit iSv Art 3 b III E G V , wenn sich die

Existenz unterschiedlicher Standards in verschiedenen Ländern für den grenzüberschreitenden Verkehr nicht hinderlich auswirkt. Deswegen wird heute auch im Gesellschaftsrecht, w o die ausdrückliche Zulassung strengerer nationaler N o r m e n die Ausnahme bildet, davon ausgegangen, daß solche dennoch nur in zwei Fällen unzulässig seien: beim ausdrücklichen (primärrechtskonformen) Verbot oder wenn die Ziele der fraglichen Richtlinie nur bei vollständiger Gleichheit der nationalen Regeln zu erreichen ist. 3 0 6 Zwei Überlegungen sind leitend: Z u m einen dient die Minimumharmonisierung zuvörderst dem Ziel, Bedenken gegen unsolide Anbieter aus dem EG-Ausland auszuräumen; 3 0 7 strengere nationale Re°

3 4

305

306

307

EuGH 16. 12. 1992 - verb Rs C-132/91, C-138/91, C-139/91 (Grigorios Katsikas ua), Slg 1992,1-6577 (6610 f). Bspe bilden die Fragen, ob der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang widersprechen kann bzw ob die deutsche Rspr über die verdeckte Sacheinlage sekundärrechtskonform ist. Für diese Fragen hatten das BAG bzw der B G H ebenfalls bereits die Meinung vertreten, daß auch die Gerichte (im Rahmen ihrer durch das nationale Recht vorgegebenen Kompetenzen) zur Entwicklung strengerer nationaler Regeln berufen sind: BAG AP Nr 21 zu § 613a B G B (B1 117) (implizit) bzw B G H Z 110, 47 (69-74) (implizit); B G H DB 1993, 825 (828 f) (jetzt ausdrücklich und unter Berufung auf die Entscheidung Katsikas). Bei der Vorlage an den EuGH in Sachen Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß hat sich der B G H freilich nicht auf eine entspr Überlegung gestützt (WM 1995, 390 [391 f]). Die ausufernde Literatur zu dem Thema ist in den Entscheidungen großteils aufgeführt. Lutter, J Z 1992, 593 (606) („Höchstregeln müssen sich mithin aus dem Text oder einer erkennbaren speziellen und nicht nur allgemeinen Zielsetzung der Richtlinie selbst ergeben"); und iErg für Binnenmarktrichtlinien nach Art 100a EGV: Jarass, Binnenmarktrichtlinien und Umweltschutzrichtlinien - zur Abgrenzung des Anwendungsfeldes und zu den Möglichkeiten nationalen Abweichens, EuZW 1991, 530 (532); Merkt, RabelsZ 61 (1997) 647 (bes 6 6 9 - 6 8 4 ) ; ähnlich schon Bleckmann, RIW 1987, 929 (932 f) (Obergrenze vor allem, wenn Unternehmen in ganzer EG gleichermaßen zu entlasten sind und wenn Vielfalt zu Unübersichtlichkeit führen würde); monographisch nunmehr: Drinkuth, Die Kapitalrichtlinie - Mindest- oder Höchstnorm?, 1998. Lutter freilich geht - entgegen der hM im Europarecht - davon aus, daß dem nationalen Gesetzgeber durch eine Richtlinienregelung die Gesetzgebungskompetenz genommen werde, und folgert daraus, daß nur bereits bestehendes strengeres nationales Recht beibehalten werden dürfe. Diskutiert wurde das Problem speziell für die 2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie; vgl dazu die Nachw in: Grundmann, J Z 1996, 274 (277, Fn 34). Manchen zentralen Entscheidungen des EuGH zur Niederlassungsfreiheit liegt denn auch die Idee zugrunde, daß diese Freiheit nicht dahin verstanden werden muß, daß die Niederlassung im EG-Ausland stets nur noch eine Formalie darstellen darf. Genannt sei etwa: EuGH 27. 9. 1988 - Rs 81/87 {Daily Mail), Slg 1988, 5483 (5512). Der Gerichtshof hält in dieser Entscheidung die sog Sitztheorie für mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar; er beanstandet also nicht einmal einen (häufig bestehenden) Zwang dahin-

108

80

1. Teil - Grundlagen

geln schaden diesem Ziel nicht. Umgekehrt gefährden strengere nationale Normen, wenn sie nach den im folgenden (unten 2) entwickelten Regeln gehandhabt werden, auch nicht das zweite Ziel der Minimumharmonisierung: daß nämlich der binnenmarktgrenzüberschreitende Verkehr nicht behindert wird. Die Ziele der fraglichen EG-Richtlinie werden daher im Europäischen Schuldvertragsrecht durch die Existenz strengerer (und damit oberhalb des Mindeststandards divergierender) nationaler Regeln nur gefährdet, wenn diese in erheblichem Maße Intransparenz Vorschub leistet oder wenn die Kompatibilität von Systemen allein durch Gleichheit der nationalen Normen zu erreichen ist. 1 0 9 Auch die Zulassung strengeren nationalen Rechts überprüft der EuGH zu Recht am Maßstab des Primärrechts.308 Sie verletzt nicht etwa deswegen Primärrecht, weil dadurch inländische Anbieter strengeren Standards unterworfen werden als solche aus dem EG-Ausland. Zwar entstehen unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen, wenn bei parallelen Angeboten im Inland strengere nationale Regeln inländische Anbieter binden, nicht jedoch, wie unten (2) ausgeführt, Anbieter aus dem EG-Ausland. Nicht nur der EuGH läßt diese Form der Inländerdiskriminierung unbeanstandet.309 Vielmehr bildet sie trotz zahlreicher Kritiken auch die plausibelste Lösung für ein unausweichliches Dilemma; zwei Zielvorstellungen sind nicht ohne Einbußen zu verwirklichen: Einerseits soll den nationalen Gesetzgebern durch die Zulassung strengerer nationaler Normen eine gewisse Flexibilität erhalten bleiben und der Eingriff in die nationalen Rechtsordnungen minimiert, also auf eine Vollharmonisierung oder die Festschreibung eines einheitlichen (niedrigeren) Standards verzichtet werden.310 Andererseits soll Anbie-

308

309

310

gehend, daß eine Gesellschaft bei Sitzverlegung innerhalb der EG im einen Mitgliedstaat die Liquidation durchlaufen muß, um im anderen neu gegründet zu werden. Dazu (auch dazu, daß es nicht immer zu solch einer Liquidation kommen muß): BayObLG ZIP 1992, 842 = EuZW 1992, 548 mit Anm Bebrens aaO 550; Roth, ZEuP 1994, 5 (20-22). Obwohl Art 8 und die letzte Begründungserwägung der Präambel der Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01) das französische Verbot ihrem Wortlaut nach offensichtlich rechtfertigten, stützte das Gericht seinen Spruch vorrangig auf eine positive Entscheidung zur primärrechtlichen Zulässigkeit: EuGH 16. 5. 1989 - Rs 3 8 2 / 8 7 (EBS), Slg 1989, 1235 (1251-1253). EuGH 13. 3. 1979 - Rs 86/78 (Grandes Distilleries Peureux), Slg 1979, 897 (914); EuGH 27. 10. 1982 - verb Rs 3 5 / 8 2 und 3 6 / 8 2 (Morsoti undJhanjan), Slg 1982, 3723 (3736 f); EuGH 15. 1.1986 - Rs 4 4 / 8 4 (Hurd/Jones), Slg 1 9 8 6 , 2 9 (84 f); EuGH 19. 3. 1992 - Rs C-60/91 (Batista Moráis), Slg 1992, 1-2085 (2105 f); EuGH 16. 2. 1995 verb Rs C - 2 9 / 9 4 bis 3 5 / 9 4 (Aubertin), Slg 1995,1-301 (316 f); monographisch: Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen. Zum zentralen Argument, es handele sich möglicherweise um einen Verstoß gegen die Wettbewerbsordnung der Gemeinschaft (vgl Art 3 lit. g EGV), sogleich im Text. Eine Vollharmonisierung verstieße heute zudem wohl gegen Art 3b II und III EGV: vgl oben Fn 127. Die Festschreibung eines gemeinsamen (niedrigeren) Standards ist zumindest im Schuldvertragsrecht unter dem Gesichtspunkt bedenklich, daß sich die Gemeinschaft auf ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau verpflichtet hat (Art 100a III EGV). Teil dieser Verpflichtung ist wohl auch, nationale Normen mit bes hohem Verbraucherschutzniveau nicht weitergehend zurückzuschneiden, als es die Integra-

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

81

tern aus dem EG-Ausland nicht wieder der mit der Harmonisierung angestrebte Liberalisierungsvorteil genommen werden; ebendies wäre jedoch der Fall, wenn ihnen diese strengeren Regeln weiterhin entgegen gehalten werden dürften. Effiziente Liberalisierung durch Einführung des Herkunftslandprinzips und Verzicht auf Vollharmonisierung bzw auf eine europaweite Festschreibung des niedrigsten gemeinsamen Nenners sind nebeneinander nur unter Zulassung der sogenannten Inländerdiskriminierung möglich. 311 Es muß darauf vertraut werden, daß ein Wettbewerb der Rechtsordnungen untereinander auf der Grundlage einer Basishomogenität funktionieren kann und daß die Lobby der nationalen Anbieter die Abschaffung ineffizienter oder auch allzu drückender Sonderregeln betreibt. Die Diskussion bei der Umsetzung der EG-Eigenmittel-Richtlinie 312 zeigt, wie effizient solche Lobbies tatsächlich arbeiten. 2. Schranke gegenüber

strengerem nationalen Recht im

Auslandssachverhalt

Während strengeres nationales Recht im Inlandssachverhalt im Schuldrecht durchweg zulässig ist, können strengere nationale Regeln zu einer Rechtsfrage, die eine EG-Richtlinie oder EG-Verordnung regelt und die Maßnahmen gleicher Wirkung darstellen, gegen Anbieter aus dem EG-Ausland nicht durchgesetzt werden. Soweit der Regelungsgehalt der EG-Richtlinie reicht, kann also das strengere nationale Recht gegenüber Anbietern aus dem EG-Ausland nicht mehr unter Berufung auf „zwingende Gründe des Allgemeininteresses" zur Anwendung gebracht werden. Auf drei Punkte ist näher einzugehen. Der Grundsatz selbst ist zu belegen, die Ausnahmen sind zu spezifizieren und es ist zu klären, wie weit jeweils der Regelungsgehalt der EG-Richtlinie reicht.

tionsbedürfnisse gebieten: Armbrüster, RabelsZ 60 (1996) 72 (87); Geiger, Art 3b EGV, Rn 12; Merkt, RabelsZ 61 (1997) 647 (672-683); demgegenüber jegliche Bindungswirkung der Regel verneinend: Smit / Herzog (-Melia), § 100A.02. Außerdem fehlt der Gemeinschaft sogar die Kompetenz, die Anwendung strengerer nationaler Regeln im reinen Inlandsfall zu untersagen: In stRspr geht der EuGH davon aus, daß Grundfreiheiten nicht berührt sind, wenn die fragliche Tätigkeit „mit keinem Element über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausreicht." Vgl etwa EuGH 19. 3. 1992 Rs C-60/91 (Moráis), Slg 1992,1-2085 (2105) (mwN). 311

Für eine Erklärung aus der Kompetenzordnung des Vertrages heraus, der den rein inländischen Fall nicht erfasse: Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Zuleeg), Art 6 EGV, Rn 15 f; vgl dazu vorige Fn. Der Vertrag erfaßt jedoch, wie etwa Art 189 III EGV zeigt, durchaus auch rein inländische Sachverhalte, soweit es um die Erreichung des Mindeststandards geht, nur nicht, soweit es um die Einschränkung nationaler Regulierung geht: vgl dazu etwa Grundmann, Einige deutsch-portugiesische Beiträge zu einem Privatrecht der Europäischen Gemeinschaft, in: Jayme / Mansel (Hrsg), Auf dem Wege zu einem gemeineuropäischen Privatrecht - 100 Jahre B G B und die lusophonen Länder, 1997, 119 (123 f). Richtig (und von beiden Erklärungsansätzen her zwingend) ist, daß die Ungleichbehandlung inländischer Unternehmen beim Export durchaus anhand des Primärrechts überprüft wird (vgl nur Art 34 EGV).

312

Richtlinie 8 9 / 2 9 9 / E W G des Rates vom 17. 4. 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten, AB1EG 1989 L 124/16; Änderungen AB1EG 1991 L 339/33; 1992 L 75/48 und 110/52; Umsetzung BGBl 1997 I, S 1823.

110

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1. Teil - Grundlagen

a) Sperrwirkung als Grundsatz 111 Der genannte Grundsatz ist in der Literatur teils bestritten, 3,3 selten in dieser Breite anerkannt. 314 Der genannte Grundsatz liegt jedoch der gesamten gemeinschaftsrechtlichen Praxis, auch des Gerichtshofs, zugrunde315 und ist auf zwingende teleologische und systematische Argumente auf der Grundlage des EG-Vertrages zu stützen.316 112 Aus der gemeinschaftsrechtlichen Praxis ist zunächst die grundlegende Harmonisierungsstrategie im Weißbuch 1985 zu nennen. Angestrebt wird eine Mindestharmonisierung unter gleichzeitiger Anerkennung im Rest.317 Letzteres bedeutet, daß die Staaten im grenzüberschreitenden Verkehr die anderen Rechtsordnungen, soweit sie dem harmonisierten Mindeststandard genügen, für den verbleibenden Rest als gleichwertig anzuerkennen haben, also nicht mehr eigene zwingende Gründe des Allgemeininteresses einwenden dürfen. Diesen ist durch die Harmonisierung in Eckpunkten genügt.318 Expliziter ging der EuGH in den Versicherungsurteilen von ebendieser Annahme aus, als er das Fehlen von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die nationale Niederlassungshindernisse rechtfertigen sollten, in konkreten Einzelfragen folgendermaßen begründete: „Die Richtlinie 78/473 soll ... das Minimum an Koordinierung erreichen, das für erforderlich gehalten wird, um die tatsächliche Ausübung der Mitversicherungstätigkeit auf Gemeinschaftsebene zu erleichtern ... [und nach 313

3,4

315

316 317 318

Roth, ZEuP 1994, 5 (32 f); Baumert, Sonderanknüpfung zur Durchsetzung von EGRecht, S 232-234; Mülbert, Die EG-Richtlinien über den Verbraucherkredit und ihre Umsetzung durch das geplante Verbraucherkreditgesetz, in: Hopt (Hrsg), Kongreß Junge Juristen und Wirtschaft der Hanns Martin Schleyer-Stiftung: Europäische Integration als Herausforderung des Rechts: mehr Marktrecht - weniger Einzelgesetze, 1991, 105 (109) (Einwendungsdurchgriff trotz EG-rechtlicher Regelung national strenger regelbar, dies auch im Verhältnis zum ausländischen Anbieter); Smulders / Glazener, Harmonization in the Field of Insurance Law through the Introduction of Community Rules of Conflict, CM LR 29 (1992) 775 (797); implizit Hinz, ZEuP 1994, 553 (557); Lutter, J Z 1992, 593 (606); ähnlich Müller-Graff, NJW 1993, 13 (19); vor den Versicherungsurteilen auch: Bleckmann, RIW 1987, 929 (933); anders jedoch heute en passant (und wie selbstverständlich): ders, Z G R 1992, 364 (373). Für das Gesellschaftsrecht.· Steindorff, Gesellschaftsrechtliche Richtlinien der EG und strengeres staatliches Recht, EuZW 1990, 251 (252 f); implizit und eher en passant wird dieselbe Regel auf alle Richtlinien bezogen in: Steindorff, EG-Kompetenzen, S 84; heute auch Bleckmann, Z G R 1992, 364 (373); für den ordre-public-Vorbehalt ebenso: Martiny, in: ν Bar (Hrsg), Gemeinschaftsrecht, 211 (218, Fn 29); recht einheitlich im hier propagierten Sinne etwa die italienische Doktrin: vgl nur Mengozzi, Riv.dir.europ. 1993, 447 (459 seq). Teils wird das Problem ohne Bezug auf die EG-rechtliche Praxis diskutiert, etwa von Roth, ZEuP 1994, 5 (32 f). Ausführlicher zum folgenden: Grundmann, J Z 1996, 274 (277-281). Nachw oben Fn 71. Auch Troberg, der Leiter der (damaligen) Abteilung „Anwendung des Gemeinschafts [sekundär] rechts" in der G D XV, legte diese Annahme seinen Überlegungen als selbstverständlich zugrunde in: Europäisches Bankaufsichtsrecht: System oder Wildwuchs?, W M 1991, 1745 (1748).

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

83

einer Kurzbeschreibung des Inhalts der Richtlinie] ... Somit ist festzustellen, daß für die Mitversicherung auf Gemeinschaftsebene bereits ein Instrument besteht, das es dem Niederlassungsstaat erlaubt, dem Allgemeininteresse auch im Hinblick auf die in anderen Mitgliedstaaten erbrachten Dienstleistungen Rechnung zu tragen". 3 1 9 Für das hier propagierte Verständnis des Harmonisierungsmechanismus sprechen auch Teleologie und Systematik des Vertrages. Daß zwingende Gründe des Allgemeininteresses in unharmonisierten Fragen angeführt werden können, liegt daran, daß sich die Mitgliedstaaten hier noch nicht positiv und spezifisch auf diesen Bereich bezogen zum letzten Integrationsschritt entschlossen haben und daß sie andernfalls in ihrer gesamten Rechtsordnung und deren Systematik unverhofft und ohne Vorbehalt getroffen werden könnten. Beide Gründe entfallen nach der Harmonisierung, die die Diskussion konkreter Integrationsmaßnahmen und die Entscheidung für sie voraussetzt. Der Eingriff ins eigene Recht sollte nicht mehr unverhofft erfolgen. Daß er manchmal unwillentlich erfolgt, ist die Gefahr jeder mehrheitlich getroffenen Entscheidung. Jeder Mitgliedstaat wird sich - wie die deutsche Literatur etwa im Falle der A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10) - schon im Verhandlungsstadium verstärkt Gedanken zu machen haben, welche systematischen Konsequenzen sich möglicherweise ergeben. Hinzu kommen drei systematische Argumente. Für Art 100b und Art 100a E G V gelten die gleichen Kautelen zur EG-Kompetenz und zum einzuhaltenden Verfahren. Eine Maßnahme nach Art 100b E G V , die stets ohne vorherige Harmonisierung ergeht, führt nun offensichtlich dazu, daß den als gleichwertig anerkannten ausländischen Rechten nicht mehr inländische zwingende Gründe des Allgemeininteresses entgegengehalten werden dürfen. 320 Gleiches muß a maiore gelten, wenn, wie in Art 100a E G V , die Gleichwertigkeit durch vorangegangene Harmonisierung sichergestellt wird. 321 Art 100a E G V enthält in Absatz 5 und vor allem Absatz 4 Fallgruppen, in denen ein Mitgliedstaat strengere nationale Normen aufrechterhalten darf - gemeint sein kann nur: auch gegenüber Anbietern aus dem EG-Ausland, da eine Durchsetzung gegenüber inländischen Anbietern nach dem Gesagten durchweg möglich ist. Wie immer diese Ausnahmen in-

319

320

321

EuGH 4. 12. 1986 - Rs 220/83 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung), Slg 1986, 3702 (3710); Zitate für die sonstigen Versicherungsurteile vgl oben Fn 50. Im Bereich des Warenverkehrs schon: EuGH 20. 2. 1979 - Rs 120/78 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 649 (662); sowie EuGH 11. 5. 1989 - Rs 25/88 (Wurmser, Bouchara und Firma Norlaine), Slg 1989, 1105 (1127 f) und zuletzt (implizit, weil nicht entscheidungserheblich) wieder EuGH 13. 05. 1997 - Rs C-233/94 (Deutschland / Parlament und Rat), Slg 1997,1-2405 (2458 f). Grabitz / Hilf (-Langeheine), Art 100b EGV, Rn 3 (nur noch „Herkunftslandprinzip"); Matthies, Zur Anerkennung gleichwertiger Regelungen im Binnenmarkt der EG (Art 100b EWG-Vertrag), FS Steindorff 1990, 1287 (1298 et passim). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Anwendung von Art 100b EGV voraussetzt, daß ein gewisses Maß an Gleichwertigkeit im Schutzniveau der verschiedenen Mitgliedstaaten vorliegt. So etwa Steindorff, EG-Kompetenzen, S 102 (mwN).

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1. Teil - Grundlagen

haltlich zu verstehen sind, 322 belegen sie doch im Umkehrschluß, daß jenseits ihres Anwendungsbereichs strengere nationale Normen Anbietern aus dem EGAusland nicht entgegen gehalten werden dürfen. Für das Europäische Vertragsrecht ist wichtig, daß nach Art 100a IV, V EGV nur der Schutz bestimmter, enumerativ aufgezählter Interessen verfolgt werden darf, zu denen zwar Gesundheit und Leben zählen, nicht jedoch wirtschaftliche Interessen, die der weit überwiegende Teil des Europäischen Schuldvertragsrechts betrifft. Zuletzt ist auch auf die aufsichtsrechtlichen EG-Richtlinien hinzuweisen, bei deren Beachtung sich Unternehmen unstreitig auch im EG-Ausland auf die Einhaltung der Herkunftslandstandards berufen können. Daß für das Transaktionsrecht etwas anderes gelten soll, müßte angesichts der funktionalen Ausgestaltung des Behinderungsbegriffs durch den EuGH, positiv begründet werden. 1 1 5 Dürfen demnach strengere nationale Normen ausländischen Anbietern nicht mehr entgegengehalten werden, so bedeutet dies dennoch einen nur moderaten Eingriff in die nationale Schuldrechtsgesetzgebung. Zum einen wurden im Schuldvertragsrecht nur bestimmte Regelungskomplexe überhaupt harmonisiert: die verbraucherschützenden, die wirtschaftspolitisch motivierten, teils die arbeitsvertraglichen Normen. Zum anderen bleibt die Inlandswirkung strengerer nationaler Normen erhalten. Wie Basedow für das Primärrecht, kann man hier für das Sekundärrecht die gemeinschaftsrechtliche Lösung auf einen kollisionsrechtlichen Gehalt reduzieren: Der Anwendungsbereich von Art 5 - 7 EVÜ bzw Art 29 f, 34 EGBGB wird eingeschränkt, soweit in dem Mitgliedstaat, in dem der Anbieter domiziliert ist, der für die Rechtsfrage in der EG-Richtlinie vorgesehene Minimumstandard verbürgt ist. Strengere Regeln (einschließlich der richterrechtlichen) dürfen im Sachrecht durchaus aufrechterhalten werden. 323 b) Ausnahmen 116 Die einzige gesicherte Ausnahme von Gewicht eröffnet Art 100a IV EGV - zugleich die wichtigste Vorgabe in der Frage nach sonstigen Ausnahmen. Vorausgesetzt wird die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens. Vor allem jedoch muß einer der Gründe, die abschließend aufgezählt sind, eingreifen. Nach einer starken Meinung muß sogar hinzukommen, daß der fragliche Mitgliedstaat bei Erlaß der EG-Richtlinie überstimmt wurde, 324 oder jedenfalls (aufgrund des Wortlauts der Norm durchaus überzeugend), daß diese nicht einstimmig verabschiedet

322 323

324

Dazu unten Rn 116. Für den Strauß der Intensitätsgrade eines Eingriffs ins nationale Recht vgl Roth, ZEuP 1994, 5 (10 f). So Grabitz / Hilf {-Langeheine), Art 100a EGV, Rn 62 f (mit Nachw für die Gegenmeinung); Müller-Graff, EuR 1989, 107 (145 f) (außer bei Vorbehaltserklärung); aA insbes Hailbronner, Alleingang, S 30; Hayder, RabelsZ 53 (1989) 622 (679). Für eine strikte Prüfung von Ausnahmeklauseln (hier Begründungspflicht) selbst in den Fällen, in denen deren weite Auslegung den Schutz der Souveränität der Mitgliedstaaten verstärken würde: EuGH 17. 5. 1994 - Rs C-41/93 (PCP-Verbot), Slg 1994,1-1829 (1849 f).

EG-Recht als Schranke für zwingendes nationales Schuldvertragsrecht

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wurde. 3 2 5 Letzteres bedeutet, daß die Kernaussagen der vorliegenden Ausführungen keineswegs nur für EG-Richtlinien gelten, die auf Art 100a EGV nF gestützt werden, sondern auch für solche, die noch auf der Grundlage von Art 100 EGV aF und dessen Einstimmigkeitsprinzip ergingen. Daneben sind weitere ungeschriebene Ausnahmen, die in der Literatur vorgeschlagen werden, abzulehnen. So kann die uneingeschränkte Durchsetzung des Herkunftslandprinzips nach erfolgter Harmonisierung nicht erst dann befürwortet werden, wenn der Produktenstrom über die Grenzen spürbar beeinträchtigt ist. 3 2 6 Solch ein Spürbarkeitskriterium ist bei Marktregeln angebracht, weil von minimalen Beschränkungsabreden noch keine negativen Auswirkungen auf Dritte ausgehen, nicht jedoch bei subjektiven Rechten einzelner, wie sie die Grundfreiheiten verbürgen. Die Schwelle des Spürbarkeitskriterium von etwa 5 % des relevanten Marktes dürfte zB Cassis de Dijon nicht erreicht haben. Schon wenn die Beschränkung nur 0,1 % des Verkehrs betrifft, werden Anbieter gegen ihren Willen behindert. Ebenfalls abzulehnen ist eine Ausnahme in den Fällen, in denen der nationale Gesetzgeber besondere Schwierigkeiten bei der Einpassung ins nationale Recht hat. 3 2 7 Zum einen hat die oben dargelegte Lösung kollisionsrechtlichen Gehalt und tangiert das Sachrecht nicht einmal. Zum anderen erweisen sich Systembrüche und Einpassungsschwierigkeiten - dies belegen unzählige Beispiele aus der Fortentwicklung jeder Rechtsordnung - regelmäßig nur für einen Übergangszeitraum als schmerzlich und „unüberwindlich". 328

325

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327

328

So Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Pipkorn), Art 100a EWGV, Rn 99 (mit Nachw auch zur Gegenmeinung); aA (neben den in der vorigen Fn Genannten) auch Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der Einheitlichen Europäischen Akte, EuR 1989, 152 (172 f). Dieses Argument kann zwar für Rechtsangleichungsakte, die auf Art 118a EGV gestützt werden, nicht angeführt werden, weil dort eine vergleichbare Ausnahmeregelung fehlt. Diese Akte haben jedoch ohnehin nicht die grenzüberschreitende Transaktion zum Gegenstand, sondern den Schutz von Arbeitnehmern und die Angleichung von Kostenfaktoren, die jeweils innerhalb eines Mitgliedstaates anfallen. Für diese Forderung: Fezer, J Z 1994, 317 (324); dagegen ausführlicher: Grundmann, J Z 1996, 274 (280 f); sowie ähnlich Armbrüster, RabelsZ 60 (1996) 72 (78 f). Dafür zuletzt wieder Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S 50-53, 409 f et passim (Abwägung zwischen den Interessen, die für die vollständige Umsetzung der EG-Richtlinie sprechen, und den nationalen Interessen daran, die Systematik eines Zivilgesetzbuches zu erhalten). Der EuGH geht demgegenüber in stRspr davon aus, daß Schwierigkeiten bei der Einpassung keinen Entschuldigungsgrund darstellen, etwa: EuGH 28. 3. 1985 - Rs 215/83 {Kommission / Belgien), Slg 1985, 1039 (1054). Prononciert: Hirte, Wege, S 20 (nicht echte Systembrüche und Einpassungsschwierigkeiten, sondern .„einfache' Rechtsänderung" und „Bequemlichkeit"). Speziell im Europäischen Schuldvertragsrecht kann auf den Streit um den Vorschlag zur AGB- oder Klausel-Richtlinie verwiesen werden, insbes dessen Art 2, nach dem auch individuell ausgehandelte Klauseln einer Inhaltskontrolle unterliegen sollten. Canaris sah die Grundfesten der deutschen, marktwirtschaftlich-freiheitlichen Zivilrechtsordnung erschüttert. Vgl im einzelnen unten 2.10 Rn 4 f. Art 2 des Vorschlages sah vor: „Eine Vertragsklausel ist mißbräuchlich, wenn sie ... ein erhebliches Mißverhältnis ... verursacht oder ... ungebührliche Nachteile mit sich bringt oder ... [von den berechtigten Verbrauchererwartungen] erheblich ... abweicht oder ... mit den Geboten von

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1. Teil - Grundlagen

c) Anwendung 118 Wichtiger als die Frage nach den Ausnahmen von der Grundregel ist die Frage nach ihrer Anwendung im konkreten Einzelfall: Nicht immer ist klar, ob eine Harmonisierungsmaßnahme auch die aufgeworfene Rechtsfrage regelt, so daß diesbezüglich eine strengere nationale Norm mit Behinderungspotential im grenzüberschreitenden Verkehr nicht mehr unter Hinweis auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses durchgesetzt werden darf. Auszugehen ist von den zwei Fallgruppen, die die Eckpunkte markieren und außer Zweifel stehen: In der ersten Fallgruppe ist die konkrete Rechtsfrage in der EG-Richtlinie geregelt, im nationalen Recht jedoch strenger. So sieht Art 5 der Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01) als Minimumstandard für den Verbraucher eine Widerrufsfrist von sieben Tagen ab Belehrung vor, das griechische Recht hingegen eine Widerrufsfrist von zehn Arbeitstagen ab Belehrung.329 Wirkt diese griechische Regelung für einen Anbieter aus dem EG-Ausland, der in Übereinstimmung mit seinem Heimatrecht eine Widerrufsfrist von sieben Tagen gewährt und darüber auch belehrt hat, behindernd, so kann die griechische Regelung ihm nicht entgegengehalten werden. Den Gegenpol bildet eine zweite Fallgruppe. Hier fällt die nationale Regelung gänzlich aus dem Anwendungsbereich der EG-Richtlinie heraus. Dies ist bereits der Fall, wenn eine Definitionsvorschrift der EG-Richtlinie eine Fallgruppe von ihrem (eigentlich eröffneten) Anwendungsbereich ausnimmt. So fällt nicht nur eine nationale Insiderhandelsregelung, die andere Geschäfte als solche in Effeken und Derivaten iSv Art 1 Nr 2 Insiderhandels-Richtlinie (4.21) betrifft,330 aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie heraus. Vielmehr nimmt diese auch den Insiderhandel in Effekten, die nicht in einem staatlich geregelten oder überwachten Markt zugelassen sind, von ihrem Anwendungsbereich aus (vgl ihren Art 1 aE). Nationale Regelungen dieses Bereichs unterliegen ebenfalls allein den Schranken des Primärrechts.

329

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Treu und Glauben unvereinbar ist." Kaum ein Jahr nach Verabschiedung der Richtlinie, mit der dieser Teil des Vorschlages verworfen wurde, zog das BVerfG (NJW 1994, 2 6 [39]) in der Biirgschafts-Rspr ausdrücklich den Maßstab von „Treu und Glauben" iSv S 2 4 2 BGB für Individualklauseln heran und der BGH judizierte (NJW 1994, 1278 [1278]): „Eine Bürgschaft kann schon deshalb nichtig sein, weil ein besonders grobes Mißverhältnis . . . " vorlag und kaum ein wirtschaftliches „Eigeninteresse". Vgl nur Alexandridou, Die Harmonisierung des griechischen Verbraucherschutzrechts nach den EG-Richtlinien zur irreführenden Werbung, zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zu Haustürgeschäften, in: Tomuschat / Kötz / von Maydell (Hrsg), Europäische Integration und nationale Rechtskulturen, 99 (104). Ausgeklammert sind etwa Geschäfte in Rohstoffmärkten - Öl, Getreide etc - , jedoch auch auf Wechselkurse und Referenzzinssätze bezogene Derivate - alles nicht selbstverständlich: vgl Hausmaninger, Insider Trading - eine systemvergleichende Untersuchung amerikanischer, europäischer und österreichischer Regelungen, 1997, S 2 2 0 ; Schweizer, Insiderverbote - Interessenkonflikte und Compliance - Auswirkungen der Insiderregulierung auf deutsche Banken, 1996, S 128. Im Vergleich zu den USA ist freilich der Anwendungsbereich der EG-Richtlinie (4.21) hinsichtlich des Anlageinstruments eher sogar weit: vgl Hausmaninger aaO S 2 1 6 - 2 2 4 ; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel - eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung des US-amerikanischen und britischen Rechts, 1996, S 2 8 4 - 2 8 7 .

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Die problematischen Fallgruppen liegen zwischen diesen beiden Eckpunkten. 119 Wiederum bilden zwei davon die Grundkonstellationen: So kann sich aus der Gesetzgebungsgeschichte der EG-Richtlinie oder aus einem offensichtlich unterschiedlich großen Schutzbedürfnis in zwei Regelungsfragen ergeben, daß zwar nur eine der beiden harmonisiert wurde, die andere aber nur deswegen nicht, weil in ihr die Schutzinteressen niedriger eingestuft wurden. Beispiel hierfür ist die Solvenzsicherung in der Pauschalreise-Richtlinie (4.01). Nach der verabschiedeten Fassung muß der Veranstalter, will er Pauschalreisen anbieten, (nur noch) die Gewähr dafür bieten, daß Versicherungsschutz für die empfangenen (An-)Zahlungen besteht. Die zusätzliche Absicherung in einem Anspruchssicherungsfonds, dem der Reiseveranstalter angehören muß, sieht die Richtlinie nicht vor. Das Insolvenzrisiko erscheint dennoch erschöpfend geregelt, da diese zusätzliche Absicherung in anderen Bereichen, etwa bei Kreditinstituten, vorgesehen und auch für Pauschalreiseveranstalter erwogen wurde.331 In solch einem Fall deckt die EG-Richtlinie auch die nicht positiv geregelte Frage ab, indem sie insoweit auf einen Schutz verzichtet. Die Harmonisierung erfaßt auch diese Frage, allerdings mit einer negativen Regelung, indem sie den gemeinschaftsrechtlich geforderten Schutzstandard insoweit auf Null festsetzt. Strengere nationale Regeln sind dann zwar noch im Inlandsfall anwendbar, nicht jedoch im Verhältnis zu Anbietern aus dem EG-Ausland. Umgekehrt bleiben manche Rechtsfragen im Anwendungsbereich von EG-Richtlinien gänzlich ungeregelt, obwohl sie offensichtlich erhebliche Schutzinteressen tangieren. So läßt beispielsweise die Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10) den Zinswucher gänzlich ungeregelt. Dennoch ist nicht davon auszugehen, daß Regeln über den Zinswucher nicht auch ausländischen Anbietern entgegen gesetzt werden können. Eine Berufung auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses bleibt hier also möglich. Für das Vorliegen dieser zweiten Fallgruppe spricht vor allem der Umstand, daß ein Kompromiß für ein Anliegen, das einem oder mehreren Mitgliedstaaten ersichtlich wichtig war, nicht gefunden wurde. Wenn also der Anwendungsbereich der EG-Richtlinie zwar eröffnet, die konkrete Rechtsfrage jedoch nicht geregelt ist, sind zwei Möglichkeiten denkbar. Entweder sollte oder konnte die Frage noch nicht harmonisiert werden oder aber das Schweigen ist beredt, dh es wurde davon ausgegangen, daß ein Kundenschutz hier weniger wichtig ist. Es handelt sich hierbei um eine Auslegungsfrage der EG-Richtlinie. Gerade wenn aussagekräftige Materialien fehlen, kann auch die Rechtsvergleichung Hilfestellung leisten und eine Vermutung dahingehend, daß bei ungeregelten Fragen der Kundenschutz (den meisten Mitgliedstaaten) weniger wichtig erschien, erhärten. Eine weitere Fallgruppe ist von Bedeutung. Hier bleibt die konkrete Rechtsfrage, 120 die in den Anwendungsbereich der EG-Richtlinie fällt, ungeregelt, obwohl sie ersichtlich wichtig ist. Umgekehrt findet sich jedoch eine gemeinschaftsrechtliche Regelung, die auf die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit des Verbrauchers in der konkret aufgeworfenen Rechtsfrage ausstrahlt: Ein Typ von Schutzregeln, etwa eine Aufsichtsregel, mag einen anderen, etwa eine Regelung zur Fairness « ι Vgl unten 4.01 Rn 3 4 - 3 6 .

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1. Teil - Grundlagen

der Vertragsgestaltung, zumindest teilweise überflüssig machen. So sollen etwa die Aufsichtsregeln der Art 5 II 2 und 17 der Zweiten EG-Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie 332 die Zuverlässigkeit der Kreditinstitute sicherstellen. Wenn nun Anleger- und Einlegerschutz in der Tat durch Überwachung der Mittler und sonstigen beruflich tätigen Geschäftspartner effizienter gewährleistet wird als durch Geschäftsregeln, 333 so ist zumindest zu erwägen, ob nicht die Regelungen in beiden Bereichen einander beeinflussen. So könnte der Gemeinschaftsgesetzgeber das zwingende Anliegen, das der nationale Gesetzgeber mit dem Erlaß von Geschäftsregeln verfolgte, durch Harmonisierung der Zuverlässigkeitsaufsicht bereits (partiell) befriedigt haben. 3 3 4

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Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15. 12. 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG, AB1EG 1989 L 386/1. So die heute international häufig geteilte Grundidee der Habilitation von Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken - gesellschafts-, bank- und börsenrechtliche Anforderungen an das Beratungs- und Verwaltungsverhalten der Kreditinstitute, 1975. Die Gesamtproblematik wird in Zukunft zunehmend diskutiert werden müssen. Erste Ansätze bei Grundmann, Bankaufsichtsrecht, S 16 f, 55 f; und besonders weitgehend: Wolf, WM 1990,1941 (1943 f) (allerdings mit einer Argumentation vom effet utile her).

EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht

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§3 E G - R e c h t als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht („positive Standards") Gemeinschaftsrecht setzt positive Standards des Schuldvertragsrechts, soweit es 121 (Minimum)Regeln festschreibt. Gemeinschaftsrecht erklärt insoweit, anders als im Bereich seiner Schrankenwirkungen (oben § 2), nicht nur zu strenges und damit behinderndes nationales Recht für unanwendbar, sondern schreibt selbst eine gewisse Strenge der Standards verbindlich vor. Mit positiven Standards regelt Gemeinschaftsrecht sach- oder kollisionsrechtliche Fragen selbst (wenn auch im Falle von EG-Richtlinien nur mittelbar), während es mit negativen Standards nationale Normen, die sach- oder kollisionsrechtliche Fragen regeln, für unanwendbar erklärt. Dies bedeutet jedoch nicht, daß positive Standards den Parteien den Vertragsschluß stets erleichtern. Auch Nichtigkeitsnormen für Schuldverträge in EG-Richtlinien stellen positive Standards in diesem Sinne dar. Während EG-Sekundärrecht ebenso wie EG-Primärrecht auch negative Stan- 1 2 2 dards setzt, ergeben sich positive Standards weitgehend allein aus EG-Sekundärrecht. Hierbei ist nur fraglich, inwieweit auch der EuGH positive Standards aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herleiten kann. Im Primärrecht werden kaum positive Standards gesetzt. Wird Schuldvertragsrecht, wie vorliegend, weit definiert und das Transaktionsrecht in all seinen Facetten betrachtet, so bilden Art 85 f EGV eine wichtige Ausnahme. In diesen Regeln finden sich durchaus auch positive Standards des Europäischen Schuldvertragsrechts: Verträge werden für nichtig erklärt. Allerdings stehen diese Regeln in einem Europäischen Schuldvertragsrecht eher am Rande: Die marktrechtlichen Bezüge dieser Verbote stehen im Vordergrund und ihr schuldvertragsrechtlicher Gehalt ist wenig komplex - es wird nur die Nichtigkeit angeordnet. 335 Auch im Bereich des Wettbewerbsrechts wirkt das EG-Sekundärrecht mit den EG-GruppenfreistellungsVerordnungen ungleich stärker als Standard des Schuldvertragsrechts: Es werden insoweit einheitlich Vertragsmuster vorgegeben, bei deren Verwendung die Nichtigkeitsfolge nach Europäischem und auch nach nationalem Recht entfällt. Ähnlich ist das Verhältnis zwischen Art 119 EGV und den GleichbehandlungsRichtlinien (3.10, 3.11).

I. Schuldvertragsrecht in EG-Richtlinien und -Verordnungen Regelungen im Europäischen Schuldvertragsrecht erfolgen regelmäßig, soweit nicht die unverbindliche Empfehlung ausreicht, durch Erlaß einer EG-Richtlinie. Dieses Instrument soll nach der erwähnten Protokollerklärung zum Unionsvertrag 336 demjenigen der EG-Verordnung vorgezogen werden, wenn sich die Regelung auf Art 100a EGV stützt und in mindestens einem Mitgliedstaat die Ände335

Vgl näher unten § 8 Einl Rn 9.

336

Vgl oben Fn 8 2 .

123

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1. Teil - Grundlagen

rung eines Gesetzes erforderlich macht. Nur in zwei Bereichen erfolgt die Regelung durch E G-Verordnung: bei den vom Kartellverbot freigestellten Vereinbarungen (Art 85 III EGV), weil die Freistellung von einem im Gemeinschaftsrecht selbst verankerten Verbot (Art 85 I EGV) nur durch Gemeinschaftsrecht erfolgen konnte (und nicht durch nationales Recht, das Gemeinschaftsrecht umsetzt); und bei den schuldvertragsrechtlichen Regelungen des Transportrechts, wobei in diesem Bereich von einem Ermessensspielraum bei der Wahl des Regelungsinstruments ausgegangen wird. 337 1 2 4 Wichtige Fragen der Rechtssetzungskompetenz (1) und des Rechtssetzungsverfahrens (2) haben sich in den letzten Jahren tendenziell geklärt, andere, insbesondere im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Erforderlichkeitsgrundsatz (1 b/c), sind in den Vordergrund getreten. Hier (und bei der primärrechtskonformen Auslegung, unten 3) liegen derzeit die praktisch zentralen Fragen, die sich hinsichtlich der notwendigen Primärrechtskonformität von EG-Sekundärrecht stellen. Wichtig ist, daß sich die meisten Probleme im Verhältnis von Privatrechtssubjekten zueinander ganz anders stellen als im öffentlichen oder im Verwaltungsprivatrecht und daß daher die Ergebnisse von dort grundsätzlich nicht übertragen werden können. 338 Auch die Auslegung von EGRichtlinien und EG-Verordnungen folgt erheblich anderen Regeln als diejenige nationalen Rechts (3).

1. Die Kompetenz der EG zur Setzung von Schuldvertragsrecht 125

Die Frage nach der Rechtssetzungskompetenz der Gemeinschaft im Schuldvertragsrecht - ob sie überhaupt solches Recht setzen darf und wie detailliert - hat verschiedene Aspekte. Alle sind in der Grundnorm des Art 3b EGV angesprochen: die Frage, ob eine konkurrierende oder ausschließliche Kompetenz besteht (Art 3b I E G V iVm den Einzelkompetenznormen) (a); sowie die damit zusammenhängenden, sich jedoch zunehmend verselbständigenden Fragen nach der Subsidiarität der (grundsätzlich bestehenden) Gemeinschaftskompetenz (Art 3b II EGV) (b) und nach dem (erforderlichen) Maß, das bei der Ausübung dieser EGKompetenz einzuhalten ist (Art 3b III EGV) (c).

a) System der Einzelkompetenzen 126

Für die Freistellung von Vereinbarungen, die dem Kartellverbot des Art 85 I EGV unterfallen, verfügt die Gemeinschaft über eine ausschließliche Rechtssetzungskompetenz.339 Sie ergibt sich aus Art 85 III, 87 EGV. Fragen der Subsidiarität 337 338

"9

Geiger, Art 7 5 E G V , Rn 5. Ausführlich Grundmann, J Z 1 9 9 6 , 2 7 4 (zusammenfassend 2 8 6 f). Z u weiteren primärrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen institutioneller Art: Steindorff, EG-Kompetenzen, S 6 5 - 6 7 (mwN); Müller-Graff, EuR 1 9 8 9 , 1 0 7 ( 1 3 3 - 1 3 9 ) . K O M . D o c . S e c . ( 9 2 ) 1 9 0 0 endg, BullEG 1 0 - 1 9 9 2 , 118 (123); Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Schröter), Art 8 7 E W G V - Erster Teil, Rn 15 f, 18 ( V O oder Richtlinie gleichermaßen); Müller-Graff, Z H R 159 (1995) 3 4 (60); Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S 397.

EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht

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stellen sich bei ausschließlicher Gemeinschaftskompetenz nicht, wie Art 3 b II E G V klarstellt. Gleiches gilt wohl für Fragen der Erforderlichkeit (Art 3 b III E G V ; vgl auch Art 3 lit. g E G V ) . Für die transportrechtlichen Vorschriften schuldvertragsrechtlicher Art ergibt sich die Kompetenz aus Art 7 5 I lit. a und b EGV. Wie im Rahmen von Art 8 5 III, 8 7 E G V sind sie integrativer Bestandteil der diesbezüglichen Politik. Überwiegend wird daher auch diese Kompetenz als ausschließlich verstanden (mit den genannten Folgen hinsichtlich Art 3 b II, III E G V ) . 3 4 0 Probleme wirft also letztlich vor allem das Europäische Schuldvertragsrecht auf, das auf EG-Richtlinien beruht. Zweifelhaft ist das Vorliegen einer (konkurrierenden) (Art 3b I EGV

Gemeinschaftskompetenz

iVm den Einzelkompetenznormen) heute fast nur n o c h in Berei-

chen des öffentlichen Rechts (in der Kulturpolitik, etwa für die EG-FernsehRichtlinie, in Fragen der Ausbildungsförderung und der Wirtschaftspolitik). 3 4 1 Uneingeschränkt zu bejahen ist die Gemeinschaftskompetenz jedenfalls im gesamten Bereich des Europäischen Schuldvertragsrechts, auch etwa unter Einbeziehung des Rechts der privaten Finanzdienstleister und -Institutionen und des Rechts der v o m Kartellverbot freigestellten Vereinbarungen. Für den kartell- und transportrechtlichen Bereich bestehen ohnehin die genannten ausdrücklichen Gemeinschaftskompetenzen. Demgegenüber wurde lange Zeit gerade die gemeinschaftsrechtliche Kompetenz nach Art 1 0 0 E W G V aF (heute Art

100a

E G V ) 3 4 2 kontrovers diskutiert. Teile der Literatur hielten eine Privatrechtsharmonisierung auf dieser Kompetenzgrundlage für nur begrenzt zulässig. 3 4 3 Früh schon wurde demgegenüber betont, Art 1 0 0 E W G V (heute Art 1 0 0 a E G V ) sei

340 KOM.Doc.Sec.(92) 1900 endg, BullEG 1 0 - 1 9 9 2 , 1 1 8 (123); Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S 80. 341

342

343

Grenzen der EG-Kompetenz werden aktualisiert etwa in den Entscheidungen EuGH 21. 6. 1988 - Rs 3 9 / 8 6 (Lair), Slg 1988, 3161 (3195) (Stipendien außerhalb des Anwendungsbereichs des EWGV aF); EuGH 9. 7. 1987 - verb Rs 2 8 1 , 2 8 3 bis 285 und 287/85 (Wanderungspolitik), Slg 1987, 3203 (3252 f) (kulturelle Eingliederung von Wanderarbeitern aus Drittländern außerhalb der Kompetenz nach Art 118 EGV). Art 100 EGV wird von Art 100a EGV verdrängt (vgl nur Groeben / Thiesing / Ehlermann [-Taschner], Vor Art 100-102 EWGV, Rn 3). Anders ist dies nur in dessen Ausnahmebereichen, insbes den in Art 100a II EGV genannten, also im öffentlichen Recht (Steuer- und EG-Ausländerrecht) und in Teilen des Arbeitsrechts. Zum letztgenannten Bereich, dem einzigen unter den in Art 100a II EGV genannten, der das Europäische Schuldvertragsrecht berührt, sogleich noch. Ausführlich zum politischen Gewicht der jüngeren Kompetenznorm Hayder, RabelsZ 53 (1989) 622 (654-687). Grabitz / Hilf {-Langeheine), Kommentar zum EWG-Vertrag, Stand 9/1992, Art 100 EWGV, Rn 29, eingeschränkt in Grabitz / Hilf (-Langeheine), Art 100 EGV, Rn 29; auch noch Canaris, Verfassungs- und europarechtliche Aspekte der Vertragsfreiheit in der Privatrechtsgesellschaft, FS Lerche 1993, 873 (890 f); gegen solche Grenzen: Groeben / Thiesing / Ehlermann {-Taschner), Art 100 EWGV, Rn 28 Fn 70; Schneider, NJW 1991, 1985 (1988). Vereinzelt wurde gar davon ausgegangen, Art 100 EWGV aF sei als Kompetenzgrundlage für jegliche Privatrechtsharmonisierung ungeeignet, etwa: Rittner, J Z 1990, 838 (842); auch immenga, EuZW 1993, 169 (Editorial), soweit Begrenzungen der Privatautonomie intendiert (was im Gemeinschaftsrecht der Normalfall ist).

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1. Teil - Grundlagen

sehr weit, weil funktional gefaßt. 3 4 4 O b privatrechtsharmonisierende Maßnahmen ergriffen würden, sei daher eher eine Frage des politischen Wollens als der rechtlichen K o m p e t e n z ; 3 4 5 diese sei stets offen genug. So wurde die Kompetenz auch in der Praxis der E G - O r g a n e gehandhabt. 3 4 6 Durch Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte und des Unionsvertrages sowie durch die diesbezügliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde den geäußerten Zweifeln weitgehend die Grundlage entzogen. 128

Z u m einen war den nationalen Parlamenten bei der Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte erkennbar, daß Art 1 0 0 E W G V aF extensiv gehandhabt und dies zu vielen privatrechtsharmonisierenden Richtlinien kritisch diskutiert worden w a r , 3 4 7 daß sich die Praxis dennoch nicht änderte und daß Art 1 0 0 E W G V a F in seinen materiellen Voraussetzungen unverändert in Art 1 0 0 a E G V Eingang fand. Die letztgenannte Vorschrift m u ß daher im Lichte dieser früheren Praxis verstanden werden. Z u m anderen wurden Art 1 0 0 a III E G V und Art 1 2 9 I lit. a E G V eingeführt und damit der Zweifel ausgeräumt, der für das Privatrecht, speziell das Schuldvertragsrecht, am häufigsten geäußert worden war: Umstritten war, ob Harmonisierungsschritte vorrangig dem Ziel dienen dürfen, Belange des Verbraucherschutzes zu stärken. 3 4 8 Daher sind, wenn Art 1 0 0 a E G V fortan als Kompetenzgrundlage herangezogen wird, Zweifel nur angebracht, wenn eine spezielle restriktivere Kompetenzgrundlage eingreift. So gibt es Kompetenzen,

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Vgl die weite Formulierung schon bei Hallstein, RabelsZ 28 (1964) 211 (214); heute Jarass, Innerstaatliche Bedeutung des EG-Rechts, S 11; Lecheler, Subsidiaritätsprinzip, S 99; Müller-Graff, NJW 1993, 13 (17); Schmidt-Aßmann, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht - wechselseitige Einwirkungen, DVB1 1993, 924 (931). So der Sache nach vor allem schon Hallstein, RabelsZ 28 (1964) 211 (230); vgl heute auch Jarass, Innerstaatliche Bedeutung des EG-Rechts, S 12, Fn 16. Daher können Kritiker dieser großzügigen Praxis für ihre These, der EuGH verstehe Gemeinschaftskompetenzen restriktiv, nur auf Entscheidungen zu Nebensächlichkeiten verweisen. So zieht etwa Steindorff, EG-Kompetenzen, S 91 die Entscheidung EuGH 29. 9. 1987 - Rs 126/86 (Giménez Zaera), Slg 1987, 3697 (3715) als Kronzeuge für solch eine angebliche Tendenz heran. Nach dieser Entscheidung bezieht sich „die nach dem Vertrag vorgesehene Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften nicht auf die Gesetzgebungstechniken", im konkreten Fall auf die Frage, ob die Umsetzung in einem Haushaltsgesetz erfolgen durfte oder in einem Gesetz im materiellen Sinne erfolgen mußte. Etwa zur EG-Produkthaftungs-Richtlinie: Börner, Die Produkthaftung oder das vergessene Gemeinschaftsrecht, FS Kutscher 1981, 43; demgegenüber: Taschner, Produkthaftung, 1986, Einf Rn 8. Zur Handelsvertreter-Richtlinie bzw Verbraucherkredit-Richtlinie: Hauschka, J Z 1990, 521 (526 bzw 528). Zum Vorschlag für eine DienstleistungshaftungsRichtlinie vgl die kompetenzrechtliche Diskussion (schon auf der Grundlage von Art 100a EGV) bei Heinemann, Auf dem Wege zur europäischen Dienstleistungshaftung, ZIP 1991, 1193 (1201-1203); außerdem unten 2.13 Rn 5. Vgl zu diesem Problemkomplex Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1202-1204); MüllerGraff, NJW 1993, 13 (17); und (offenbar für eine Möglichkeit einer Ausrichtung allein an Verbraucherschutzgesichtspunkten) Ulmer, JZ 1992, 1 (4).

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auf die nur Koordinierungsmaßnahmen gestützt werden dürfen, 3 4 9 oder Kompetenzen, mit denen nur ein eingegrenzter Kreis von Zielen verfolgt werden darf. 3 5 0 Auch die Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt die Gemeinschaftskompetenz zum Erlaß privatrechtsharmonisierender Maßnahmen und schürt nicht etwa Zweifel: In seinen Ausführungen zur Gemeinschaftskompetenz äußert das Gericht Bedenken zur Handhabung von Art 2 3 5 E G V , nicht von Art 100, 100a E G V (sowie Art 5 4 , 5 7 und 118a EGV), 3 5 1 auf die EG-Richtlinien zur Regelung schuldvertragsrechtlicher Materien gestützt werden. Hinzu kommt, daß die Demokratiedefizite, mit denen das Bundesverfassungsgericht gewisse Reserven begründet, 3 5 2 gerade im Bereich des Schuldvertragsrechts erheblich abgebaut wurden. 3 5 3 Außerhalb des Wettbewerbs- und Transportrechts ist demnach Europäisches Schuldvertragsrecht auf Art 100a EGV zu stützen. Komplizierter erscheint die Kompetenzfrage im Arbeitsvertragsrecht.354 Grund hierfür ist zunächst die Ausnahmeregelung des Art 100a II EGV. Sie beläßt es hinsichtlich der „Rechte und Interessen der Arbeitnehmer" bei der Anwendbarkeit des Art 100 E G V und damit beim Einstimmigkeitsprinzip. 355 Zudem ist unklar, ob und inwieweit die Binnenmarktkompetenz nach Art 1 0 0 , 1 0 0 a E G V auch auf die typischen arbeitsvertragsrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen zugeschnitten ist: Sie zeichnen sich dadurch aus, daß nicht Behinderungen und Diskriminierungen beim Grenzübertritt abgebaut werden sollen, sondern Kostenfaktoren bei der innerstaatlichen Produktion. Außerdem kommt mit Art 118a E G V eine gesonderte (und gesicherte) Kompetenznorm für den Gesundheitsschutz hinzu, zu der noch einige zweifelhafte Kompetenzgrundlagen treten. Der Amsterdamer Vertrag wird einerseits eine einheitliche Kompetenzgrundlage (mit wenigen Ausnahmebereichen) bringen und solchermaßen die kompetenzrechtliche Grundlage klären, andererseits jedoch in der Praxis zu keinem grundlegenden Neubeginn führen, da weitgehend das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten wurde.

Etwa im Bereich der Wirtschaftspolitik, so zu Recht Steindorff¡ EG-Kompetenzen, S 48, 120 f et passim. Diese Aussage kann freilich nicht allgem gelten, insbes nicht für diejenige Normen, in denen, wie in Art 118 EGV (Arbeitsrecht ua), Koordinierungskompetenzen „unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrages" eingeräumt werden. 350 So im Bereich der Kulturpolitik, in deren Rahmen wirtschaftspolitisch motivierte Maßnahmen unzulässig sind: EuGH 9. 7. 1987 - verb Rs 281, 283 bis 285 und 287/85 ('Wanderungspolitik), Slg 1987, 3203 (3252 f); Steindorff, EG-Kompetenzen, S 54 f; ähnlich für Art 118a EGV: EuGH 12. 11. 1996 - Rs C-84/94 {Vereinigtes Königreich / Rat), Slg 1996,1-5755 (5811). " i BVerfGE 89, 155 (210). BVerfGE 89, 155 (182 ff, bes 187). 353 Vgl näher oben Rn 32. 354 Ausführlicher zu ihr unten § 6 Einl Rn 1-27. 355 Hilf/ Willms, JuS 1992, 368 (370). 349

129

1. Teil - Grundlagen

94 b)

Subsidiaritätsgrundsatz

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Das Schwergewicht der Diskussion hat sich wegverlagert von der Frage nach dem grundsätzlichen Bestehen der Gemeinschaftskompetenz hin zur Frage nach den Ausübungsschranken, denen diese Kompetenz im Einzelfall unterliegt. Heute bilden das Subsidiaritätsprinzip und der Erforderlichkeitsgrundsatz des Art 3b II, III EGV die zentralen Kompetenzschranken im Europäischen Schuldvertragsrecht. 3 5 6

131

Für Art 100a EGV, die zentrale Kompetenznorm im Europäischen Schuldvertragsrecht, gilt dies freilich nur eingeschränkt: Sind die dort genannten Kautelen beachtet, so sind auch die Voraussetzungen des Art 3b II EGV (Subsidiaritätsgrundsatz) erfüllt: 357 Wirken Unterschiede in den zwingenden Statuten der nationalen Rechtsordnungen behindernd für den grenzüberschreitenden Verkehr, so sind diese, ex ante betrachtet, 3 5 8 nur durch Rechtsangleichung auszuräumen. Diese hat, wiederum ex ante betrachtet, bei autonomem Handeln der Mitgliedstaaten nur im Ausnahmefall Aussicht auf hinreichenden Erfolg. Anders ist dies freilich in dem Teilbereich, in dem Maßnahmen des Gemeinschaftsrechts Kostenfaktoren angleichen, also Unterschiede in den Wettbewerbsbedingungen reduzieren sollen: Im Arbeitsrecht liegt eine Argumentation dahingehend nahe, daß jedenfalls die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts bei den Kosten primär den nationalen Rechtsordnungen, insbesondere denjenigen mit starrem und hohem Lohnniveau, überantwortet bleiben muß; nur subsidiär wäre an eine Angleichung der Kostenfaktoren (und deren Anhebung in Ländern mit niedrigerem Lohnniveau) zu denken. 359

356

357

358

359

Häufig werden beide Grundsätze als Einheit gesehen, etwa von: Jarass, Innerstaatliche Bedeutung des EG-Rechts, S 29; Pieper, Subsidiaritätsprinzip - Strukturprinzip der Europäischen Union, DVB1 1993, 705 (709); anders etwa Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S 103-113, 244-247 et passim. Nachw zur überreichen Literatur (neben den wenigen im Literaturverzeichnis genannten Titeln) etwa bei Calliess aaO; Hrbek (Hrsg), Subsidiaritätsprinzip; Pieper, Subsidiarität. Im Grundsatz ebenso Armbrüster, RabelsZ 60 (1996) 72 (83 f) (allerdings Intensitätsschranken); Jarass, Innerstaatliche Bedeutung des EG-Rechts, S 20, 30 f; Müller-Graff, NJW 1993, 13 (17); eine Angleichung durch Parallelgesetzgebung ebenfalls für wenig wahrscheinlich haltend: Schwartz, ZEuP 1994, 559 (574). Zur Frage, ob der Subsidiaritätsgrundsatz insoweit überhaupt eingreift: Toth, CM LR 29 (1992) 1079 (1095-1097) sowie übernächste Fn. Gänzlich unangreifbar ist diese Grundaussage, wenn man die Rspr des EuGH in dieser Frage zugrunde legt. Einen Verstoß gegen Art 3b II und III EGV bejaht er nur bei einem „offensichtlichen Irrtum oder Ermessensmißbrauch". EuGH 12. 11. 1996 - Rs C-84/94 (Vereinigtes Königreich / Rat), Slg 1996, 1-5755 (5811); Anm Calliess, EuZW 1996, 757; schon Smit / Herzog (-Herzog), § 3b.03 e. Bei der Anwendung von Art 3b II und III EGV verfügt der Gemeinschaftsgesetzgeber über einen Prognosespielraum: EuGH 12. 11. 1996 - Rs C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg 1996,1-5755 (5809-5814); Grabitz / Hilf (-v Bogdandy / Nettesheim), Art 3b EGV, Rn 36, 41, 50. Durchaus überzeugend hält die Kommission sich in Fragen der Ausräumung von Behinderungen für ausschließlich zuständig, so daß sich die Frage der Subsidiarität nicht stellt, in Fragen der Angleichung von Kostenfaktoren in den einzelnen Mitgliedstaaten

EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht

95

c) Erforderlichkeitsgrundsatz Im Kernbereich des Europäischen Schuldvertragsrechts bildet daher der Er-

forderlichkeitsgrundsatz den wichtigsten kompetenzrechtlichen Prüfungsmaßstab für Gemeinschaftsrechtsakte. Das Erfordernis ist im Bereich der Rechtsangleichung (Art 100, 100a EGV), also für nahezu das gesamte Europäische Schuldvertragsrecht, keineswegs neu. In diesem Bereich galt schon bisher der Erforderlichkeitsgrundsatz des Art 3 lit. h E G V , neben den nunmehr der allgemeinere nach Art 3b III E G V getreten ist. Vor allem die deutsche Literatur sieht hierin die Kodifikation des Verhältnismäßigkeitsprinzips iwS mit den Elementen Geeignetheit, Erforderlichkeit und Proportionalität (Verhältnismäßigkeit ieS). 3 6 0 Dieses Prinzip galt schon bisher auch für Rechtsangleichungsmaßnahmen, weil die stets notwendigen Eingriffe in Freiheitsrechte der einen durch entsprechende Schutzinteressen anderer gerechtfertigt werden mußten. 3 6 1 Art 3 b III E G V stellt nun klar, daß das Prinzip auch im Verhältnis der Gemeinschaft zu den Mitgliedstaaten gilt, seinem Wortlaut nach jedoch nur mit dem Element der Erforderlichkeit. Dieses hatte freilich unter den drei Elementen in der EuGH-Rechtsprechung auch das größte Gewicht. 3 6 2 Bezogen auf Rechtsangleichungsmaßnahmen bedeutet dies, daß sie nur erlassen werden dürfen, soweit spezifisch durch den Grenzüberschritt hervorgerufene Transaktionskosten ohne Vornahme von Rechtsangleichungsmaßnahmen fortbestehen würden. 363 Auch das Element der Geeignetheit hier zur Reduktion dieser Transaktionskosten - wird man als rechtsstaatliches Minimumerfordernis auf das Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten übertragen können. Für die Frage der Erforderlichkeit und der Geeignetheit ist jedoch gleichermaßen eine ex-ante-Perspektive angezeigt: Der Gemeinschaftsgesetzgeber verfügt auch insoweit über einen Ermessensspielraum bei der Pro-

hingegen nicht: vgl KOM.Doc.Sec.(92) 1900 endg, BullEG 10-1992, 118 (123) sowie unten $ 6 Einl Rn 8 f; dazu ausführlich: Schwartz, EG-Kompetenzen für den Binnenmarkt (mwN zu den Stellungnahmen der Kommission in Fn 4). 360 Vgl etwa Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S 103-107; Grabitz / Hilf (-17 Bogdandy / Nettesheim), Art 3b EGV, Rn 42, 50-57; Lambers, Subsidiarität in Europa - Allheilmittel oder juristische Leerformel?, EuR 1995, 229 (233 f); Smit / Herzog (-Herzog), § 3b.04 (alle mwN); ebenfalls weiterhin vom „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" spricht in diesem Zusammenhang: EuGH 12. 11. 1996 - Rs C-84/94 (Vereinigtes Königreich / Rat), Slg 1996, 1-5755 (5809-5814). 361 Vgl etwa Bleckmann, Europarecht, Rn 1661 für Art 54 III lit. g EGV (Eingriffe in Rechte des Managements mit Schutzinteressen der Gesellschafter und Dritter zu rechtfertigen). Der EuGH hat diese Kriterien bes für seine Grundrechtsdogmatik herangezogen. 362

363

Vgl Grabitz / Hilf (-v Bogdandy / Nettesheim), Art 3b EGV, Rn 51 ; Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Zuleeg), Art 3b EGV, Rn 29-31. Ausführlich zum Erforderlichkeitsgrundsatz im Bereich der Rechtsangleichung: Miiller-Graff, NJW 1993, 13 (17-19); auch Grabitz / Hilf (-Langeheine), Art 100 EGV, Rn 12-14.

132

96

1. Teil - Grundlagen

gnose. 364 Umgekehrt deutet der Wortlaut des Art 3b III EGV nicht darauf hin, daß eine Abwägung vorzunehmen ist zwischen Rechtsangleichungsinteressen der Gemeinschaft einerseits und Souveränitätsinteressen einzelner Mitgliedstaaten oder Interessen an der Erhaltung der Systematik des nationalen Privatrechtssystems andererseits.365 Eine so grundlegende Neubestimmung des Erforderlichkeitskriteriums hätte sich angesichts der bisher gegenläufigen Praxis deutlicher im Wortlaut niederschlagen müssen. Gegen solch eine kaum handhabbare generelle Ausnahmeregelung spricht auch - systematisch - , daß mit der Statuierung des Subsidiaritätsprinzips und relativ klar umrissener Tatbestandsmerkmale ein Ausgleich dieser Interessen bereits geschaffen wurde (und geschaffen werden sollte).366 133 Die Frage nach der Erforderlichkeit wird bezogen auf das Regelungsinstrument367 und die Regelungsdichte,368 Der erste Punkt ist für das Europäische Schuldvertragsrecht wenig bedeutsam: Die Mitgliedstaaten haben sich nach dem Gesagten verständigt, für Rechtsangleichungsmaßnahmen das Instrument der EGRichtlinie und nicht der EG-Verordnung zu wählen, und im Rahmen des Art 85 III EGV sieht der Vertrag selbst die EG-Verordnung vor. Mit dem zweiten Punkt ist die Alternative zwischen Vollharmonisierung und Mindestharmonisierung angesprochen. Soweit die EG-Kommission ihre „neue Strategie" verfolgt, sind Verstöße gegen das Erforderlichkeitsprinzip ausgeschlossen. 134 Demgegenüber hat Steindorff für einen Teil des Europäischen Schuldvertragsrechts, das Arbeitsvertragsrecht, die Erforderlichkeit verneint: Die Harmonisierung sei allzu punktuell erfolgt.369 Nun wurden zu keinem Bereich des Europäischen Privatrechts mehr Lehrbücher geschrieben,370 zu keinem ergingen mehr 364

Grabitz / Hilf (-v Bogdandy / Nettesheim), Art 3b EGV, Rn 36, 5 0 (für die Geeignetheit), 51 (für die Erforderlichkeit). N o c h zurückhaltender sogar der EuGH, der die Ausübung der Kompetenz allein auf Willkürlichkeit hin überprüft: vgl oben Fn 357. 365 So jedoch Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S 5 0 - 5 3 , 409 f et passim. Nach stRspr des EuGH können Mitgliedstaaten eine auch nur partielle Nichtumsetzung keinesfalls mit „Bestimmungen, Übungen oder Umständen ihrer internen Rechtsordnung ... rechtfertigen." So etwa: EuGH 28. 3. 1985 - Rs 215/83 (Kommission / Belgien), Slg 1985, 1039 (1054). 366 Grabitz / Hilf (-v Bogdandy / Nettesheim), Art 3b EGV, Rn 1 f; unbestimmt: Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S 247f. 367 ν Borries, Das Subsidiaritätsprinzip im Recht der Europäischen Union - deutscher Landesbericht für den XVI. FIDE-Kongreß 1994 in Bonn, EuR 1994, 263 (270 f); Geiger, Art 3b EGV, Rn 12; Smit / Herzog (-Herzog), S 3b.04. 368 ν Borries, EuR 1994, 263 (270 f); Geiger, Art 3b EGV, Rn 12; Smit / Herzog (-Herzog), § 3b.04; Stein, Subsidiarität als Rechtsprinzip?, in: Merten (Hrsg), Subsidiarität, 23 (35) (mwN). 369 Steindorff, EG-Kompetenzen, S 62 f (mit „Vermutung gegen die Notwendigkeit ... einer Gemeinschaftsmaßnahme ..., wenn diese als singuläre Maßnahme ... erscheint."). 370 Vgl Asshoff / Bachner / Kunz, Europäisches Arbeitsrecht; Barnard, EC Employment Law; Bercusson, European Labour Law; Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht; Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung; Hanau, EGBinnenmarkt und Arbeitsrecht; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht; Schiek, Europäisches Arbeitsrecht; vgl ansonsten das Literaturverzeichnis oben S LV.

EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht

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Judikate des E u G H . Zudem würde die These, konsequent zu Ende gedacht, jegliche Harmonisierungstätigkeit lahmen. Die Geschichte der Harmonisierungsbemühungen - etwa im Kreditwesen - m lehrt, daß sich Projekte, ein ganzes Rechtsgebiet umfassend zu kodifizieren, politisch nicht haben durchsetzen lassen. Heute wären sie zudem auch rechtlich fragwürdig, weil der Subsidiaritätsgrundsatz regelmäßig nur noch Teilharmonisierungen, Rechtsangleichungswerke zu den wichtigsten Eckpunkten, zuläßt. 3 7 2 Durchsetzbar war meist nur eine Politik der kleinen Schritte. Steindorffs Auffassung müßte in letzter Konsequenz dazu führen, daß jeweils der erste Schritt mangels Gemeinschaftskompetenz nichtig ist - und dieser Zustand müßte sich perpetuieren. Privatrechtsharmonisierung würde, zumal wenn sie kodifizierte Bereiche betrifft, unmöglich. In letzter Konsequenz wird politisch Unmögliches und - anachronistisch - eine weiter reichende Verdrängung des nationalen Privatrechtsgesetzgebers gefordert. Art 3b III E G V gebietet nicht, daß sich Harmonisierungsmaßnahmen, die für sich genommen Behinderungen abbauen, bereits in ein geschlossenes Gesamtsystem einordnen. In einer zweiten Hinsicht ist das Erforderlichkeitskriterium für das Schuldver- 135 tragsrecht problematisch geworden, seitdem der E u G H bestimmte Fallgruppen geringfügiger Behinderungen pauschal vom primärrechtlichen Rechtfertigungsgebot ausgenommen hat. Im Schuldvertragsrecht handelt es sich um die Bereiche, in denen eine Rechtswahl zulässig ist, und um die Verkaufsmodalitäten. In den erstgenannten Bereich fällt die Handelsvertreter-Richtlinie (3.80), da Normen des Handelsvertreterrechts nicht international zwingend anzuknüpfen sind - nicht nach Art 5 EVÜ, nicht nach Art 6 EVÜ und wohl auch nicht nach Art 7 EVÜ. 3 7 3 Das Äquivalent zu den Verkaufsmodalitäten bilden Normen, die allein die Vertragsabschlußphase betreffen, soweit sich der beruflich Tätige auf sie bei der Vermarktung einstellen kann, ohne sein Produkt umgestalten zu müssen. Die Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01) bildet ein Beispiel für diesen zweiten Bereich. Der E u G H nimmt diese Bereiche pauschal von einer primärrechtlichen Überprüfung aus. Dies bedeutet jedoch nicht notwendig, daß es deswegen für jegliche Harmonisierung an der Erforderlichkeit fehlt (Art 3 lit. h und Art 3b III EGV). Das Profil beider Bereiche ist janusköpfig: Einerseits haben die Normen aus diesen Bereichen tendenziell weniger Behinderungspotential. Andererseits wirkt das Primärrecht in diesen Bereichen nicht disziplinierend ein, so daß diese Nor-

371

Das Projekt zu einer abgeschlossenen Kodifikation des EG-Bankrechts im Richtlinienentwurf vom 28. 6. 1973, AB1EG 1973 L 194/1 scheiterte; dazu Bester, Aufsichtsrechtliche Kontrolle internationaler Bankkonzeme - Möglichkeiten und Grenzen aus Sicht der deutschen Bankenaufsicht, 1986, S 187-190; Bopp (oben Fn 148) S 6 4 - 6 6 ; Römer (oben Fn 149) S 8 0 - 1 1 6 ; Zeitler, Internationales Bankgeschäft als Problem der Bankenaufsicht, 1984, S 207-211.

372

Jarass, Innerstaatliche Bedeutung des EG-Rechts, S 20; Schmidhuber / Hitzler, Binnenmarkt und Subsidiaritätsprinzip, EuZW 1993, 8 (10 f). Vgl im einzelnen unten 3.80 Fn 15 und 23. Pauschal gegen eine Harmonisierungskompetenz in diesem Bereich, allerdings ohne Nennung dieses Rechtsaktes: Armbrüster, RabelsZ 60 (1996) 72 (87).

373

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1. Teil - Grundlagen

men unberührt bleiben von der zunehmenden Integrationsintensität des richterrechtlichen Gemeinschaftsrecht. Bei den anfallenden Transaktionskosten findet keinerlei Prüfung durch den EuGH statt, ob sie nicht im Einzelfall unverhältnismäßig hoch sind. Fallgruppen mit typischerweise schwächerem Behinderungspotential mag der EuGH aus Praktikabilitätsüberlegungen unbeanstandet lassen. Daß der Binnenmarkt insoweit „unvollkommen" bleibt, ist jedoch nicht etwa als primärrechtlich gebotene Schonung der Souveränität der Mitgliedstaaten zu verstehen. Dieser Gesichtspunkt ist wiederum nur im Rahmen der geschriebenen Kompetenzausübungsschranken zu berücksichtigen, namentlich im Rahmen von Art 3b II und III EGV. Auch bei geringerer Behinderungswirkung fallen Transaktionskosten an den Grenzen an. Auch diese können durch Rechtsangleichung ausgeräumt oder reduziert werden. Allerdings führt das typischerweise geringere Behinderungspotential dazu, daß das Erforderlichkeitskriterium häufig nicht erfüllt ist, vielleicht sogar eine dahin gehende Vermutung besteht. In der Tat hat der EG-Gesetzgeber in der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) auf eine Harmonisierung der nationalen Regeln zur Einbeziehungskontrolle verzichtet, die ähnlich wirken wie „Verkaufsmodalitäten". 136 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Gemeinschaftskompetenz für EG-Richtlinien privatrechtlichen Inhalts - anders als für solche zum öffentlichen Recht kaum einmal anzuzweifeln ist, am ehesten bei international nicht zwingenden Statuten und sogenannten Verkaufsmodalitäten. 2. Gesetzgebungsverfahren

(Organzuständigkeit)

137 Die Frage nach dem Gesetzgebungsverfahren wurde weit weniger problematisiert als diejenige nach der Gemeinschaftskompetenz. Bedeutung hat sie, wenn es gilt, die Autorität der jeweiligen Stellungnahmen der verschiedenen Gesetzgebungsorgane zu bestimmen. Die Gesetzgebungsmaterialien sind erst auf dem Hintergrund des Gesetzgebungsverfahrens richtig zu gewichten. Vier Gesetzgebungsverfahren stehen zur Verfügung. 374 Im ersten ergeht ein Rechtsakt nicht ohne positive Zustimmung des Parlaments und reichen seine Mitwirkungsrechte weiter als in den anderen drei (Art 8a, 105 VI, 106 V, 130d, 138 III, 228 III EGV, Art O EUV). Diese Verfahren betreffen nicht den Erlaß zivil- oder schuldvertragsrechtlicher Regelungen. Das Gros dieser Regelungen ergeht jedoch nach dem zweiten, in Art 189b EGV geregelten Verfahren. Die Mitwirkungsrechte des Parlamentes reichen hier fast ebenso weit, ihm ist noch immer ein unumstößliches Vetorecht eingeräumt. Auf dieses Verfahren verweisen neben Art 49, 54 II, 56 II 2, 57 I, II EGV (zur Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit) vor allem auch Art 100a I und 100b I 2 EGV (ansonsten mehrfach die Regeln zu den Politiken und Programmen in Art 126-130s EGV). Die beiden Verfahren, in denen das Parlament kein unumstößliches Vetorecht hat, unterscheiden sich durch das Maß der Einflußnahmerechte des Parlaments: Im Verfahren nach Art 189c EGV ändern sich bei ablehnender Stellungnahme des Parlaments immerhin die Mehr-

374

Zu diesen statt aller: Emmert, Europarecht, S 180-194.

EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht

99

heitserfordernisse im Rat (Einstimmigkeit). Unter den Kompetenzgrundlagen, die für das Schuldvertragsrecht von Bedeutung sind, verweisen Art 7 5 I und Art 118a II E G V , auf diese Verfahrensregel. Sie gilt also für transport- und arbeitsschutzrechtliche Regelungen schuldvertragsrechtlicher Art. Im vierten Verfahren, das nicht in einer eigenen Verfahrensnorm beschrieben wird, verbleibt es jeweils bei der bloßen Anhörung des Parlaments. N a c h diesem Verfahren ist - wiederum nur aus dem Bereich des Schuldvertragsrechts - beim Erlaß von Gruppenfreistellungsverordnungen vorzugehen (Art 8 7 1 E G V ) und bei Verabschiedung von Harmonisierungsmaßnahmen nach Art 1 0 0 E G V (wobei hier im Rat ohnehin das Einstimmigkeitsprinzip gilt). In allen Verfahren ist der Wirtschafts- und Sozialausschuß zu hören (außer beim Erlaß von Gruppenfreistellungsverordnungen nach Art 8 5 III, 8 7 I E G V ) , 3 7 5 und hat allein die EG-Kommission ein Initiativrecht. Sie kann also einem Gesetzgebungsverfahren stets auch dadurch die Grundlage entziehen, daß sie einen Vorschlag zurückzieht (vgl Art 1 8 9 a II E G V ) . 3 7 6 Nicht alle Meinungsäußerungen

im Gesetzgebungsverfahren

haben, soweit sie

überhaupt zugänglich sind, 3 7 7 im Rahmen der historischen Auslegungsmethode autoritative

Kraft. Vielmehr müssen sie von Organen (oder Teilen derselben)

stammen oder in deren Willen aufgenommen worden sein, deren Z u s t i m m u n g den Rechtsakt im konkreten Fall trägt. 3 7 8 Entscheidet der Rat einstimmig, 3 7 9 sind 375 376 377

378

Vgl nur die Übersicht bei Grabitz / Hilf {-Hummer), Art 198 EGV, Rn 2 und 4. Auch etwa im Verfahren nach Art 189b und 189c EGV: Emmert, Europarecht, S 194. Dies ist bei Ratsprotokollen keineswegs verbürgt: vgl nur Lutter, J Z 1992, 593 (600); Zuleeg, EuR 1969, 97 (101 f). Überbl zur Beteiligung der verschiedenen Organe der Gemeinschaft im Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft im Bereich des Schuldvertragsrechts

*

379

Kompetenzgrundlage

Kommissionsvorschlag und (bloße) Anhörung von Wirtschafts- und Sozialausschuß

Rat

Parlament

Art 85 III, 87 EGV

nur ersteres, vgl Fn 376 und 375

qualifizierte Mehrheit

Anhörung

Art 75 I EGV

beides, vgl Fn 376 und 375

Verfahren nach Art 189c E G V "

Art 100 EGV

beides, vgl Fn 376 und 375

Einstimmigkeit

Art 100a, 100b EGV

beides, vgl Fn 376 und 375

Verfahren nach Art 189b EGV*

Art 118a EGV

beides, vgl Fn 376 und 375

Verfahren nach Art 189c E G V "

Anhörung

Vetorecht des Parlamentes, zu Einstimmigkeit bzw qualifizierter Mehrheit im Rat vgl nächste Fn. ** Bloßes Einspruchsrecht des Parlamentes, zu Einstimmigkeit bzw qualifizierter Mehrheit im Rat vgl nächste Fn. So, wenn von einem Kommissionsvorschlag abgewichen wurde (Art 189a I EGV, mit Ausnahmen), im Verfahren nach Art 100 EGV, und in manchen Varianten des Verfahrens nach Art 100a, 100b EGV iVm Art 189b EGV und nach 75 I lit. a und b, 118a II EGV iVm Art 189c EGV (vgl im einzelnen die Schaubilder zu den Verfahren nach Art 189b und 189c EGV bei Emmert, Europarecht, § 17 Rn 9 - 2 0 ) .

138

100

1. Teil - Grundlagen

dies (Protokoll-)Erklärungen eines jeden Ratsmitglieds. Entscheidet der Rat mehrheitlich, so sind dies (Protokoll-)Erklärungen vollumfänglich nur, wenn die Stimme der Erklärenden ursächlich wurde. Beruht ein Rechtsakt in dem Punkt, der im konkreten Fall zur Diskussion steht, auf dem Vorschlag der EG-Kommission, so hat deren Erklärung hierzu ebenfalls autoritatives Gewicht. Ergeht ein Rechtsakt abweichend vom Vorschlag der Kommission, wofür idR ein einstimmiger Beschluß des Rates notwendig ist (vgl Art 189a I EGV), so geschieht dies immerhin deswegen, weil die Kommission ihren ursprünglichen Vorschlag nicht zurückzog (Art 189a II EGV). Erklärungen der EG-Kommission zu diesem Verhalten haben demnach ebenfalls autoritatives Gewicht. Autoritatives Gewicht haben auch Äußerungen des Parlaments in seiner Mehrheit, soweit es ein Vetorecht hat (Art 189b EGV) oder gar seine Zustimmung nötig ist. Gleiches gilt, soweit das Parlament im Verfahren nach Art 189c EGV keinen Einspruch erhoben hat, der Regelung jedoch zugleich eine konkrete Interpretation gegeben hat, wenn umgekehrt der Rat diese Interpretation nicht (als „Änderung") einstimmig zurückgewiesen hat und Einstimmigkeit im konkreten Fall notwendig war.380 Autoritativ ist im Verfahren nach Art 189b EGV auch die Äußerung des Vermittlungsausschusses, soweit er tätig werden und einen geänderten Entwurf vorlegen mußte. 3. Die Auslegung von Schuldvertragsrecht in EG-Richtlinien und -Verordnungen a) Leitlinien 1 3 9 Auslegung im Europäischen Schuldvertragsrecht unterscheidet sich schon in den Leitlinien grundsätzlich von Auslegung klassischen Schuldvertragsrechts im nationalen Bereich. Zum einen stellen sich die Auslegungsfragen im Zusammenhang mit EG-Richtlinien und mit ihrer Einwirkung auf nationales Recht auf zwei Ebenen. Auf der ersten, hier erörterten geht es um die Auslegung der Richtlinie selbst.381 Zum anderen unterscheidet sich auch bei der Auslegung der Richtlinie selbst der Kanon der Auslegungsgrundsätze erheblich von demjenigen im nationalen Recht. Dieser Kanon - grundsätzlich der gleiche wie im EG-Primärrecht - 3 8 2 erinnert zwar begrifflich stark an den aus vielen nationalen Rechten bekannten von historischer, grammatikalischer, teleologischer und systematischer Auslegungsmethode383 (ergänzt um die rechtsvergleichende). Hinter gleichen Begriffen verbirgt sich jedoch jeweils eine in vielen Tunkten modifizierte Auslegungsmethode. 380 Vgl vorige Fn. 381

382

383

Zur Auslegung des nationalen Rechts in Konformität mit der EG-Richtlinie dann unten Rn 1 5 3 - 1 6 3 . Beutler / Bieber / Pipkorrt / Streil, Europäische Union, S 2 4 5 ; Lenz / Erhard, in: Lenz (Hrsg), EG-Handbuch, 85; Oppermann, Europarecht, Rn 578. Allerdings heben Bleckmann, NJW 1982, 1177 (1178) und Meyer, Jura 1994, 4 5 5 (457) ein tendenziell stärkeres Gewicht subjektiver Auslegungskriterien bei der Interpretation von EG-Sekundärrecht hervor. Vgl n u r Buck, Auslegungsmethoden des Gerichtshofs, S 9 0 - 1 3 0 , bes 122 f (für Mitteleuropa); Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, 5 Bde, 1 9 7 5 - 7 7 , Bd I S 543 f, 575 (vor allem Frankreich, Belgien, Italien), Bd II S 118-131

EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht Dies beruht vor allem auf einem Leitgesichtspunkt,

101

der verschiedene Auslegungs-

methoden betrifft: Der wohl wichtigste unter den allgemeineren Auslegungsgrundsätzen 3 8 4 geht dahin, daß (auch) EG-Sekundärrecht in der gesamten Gemeinschaft einheitlich

anzuwenden

und daher entsprechend auszulegen ist. Ziel

ist, a u t o n o m , gemeinschaftsrechtlich verstandene Begriffe und Konzepte zu entwickeln, 3 8 5 wofür die Existenz eines supranationalen Gerichts von größter Bedeutung ist. Völlig unbekannt im nationalen Recht ist eines der zentralen Mittel, mit denen dieses Ziel angestrebt wird. 3 8 6 Gemeinschaftsrechtsakte sind stets rechtsvergleichend

auszulegen. 3 8 7 Auf der Grundlage von Rechtsvergleichung er-

folgt die Auslegung von geschriebenem EG-Primär- und -Sekundärrecht und seiner Begriffe. Von erheblicher Bedeutung ist insoweit, daß die Methoden der kritischen oder wertenden Rechtsvergleichung auch bei der Auslegung heranzuziehen sind. 3 8 8 Entwickelt wurde diese M e t h o d e vor allem in der E u G H - R e c h t sprechung zu einem gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtskatalog. 3 8 9 Danach ist eine rechtsvergleichende Auslegung keineswegs nur möglich, wenn alle Mitgliedstaaten insoweit gleiche Rechtsgrundsätze aufweisen. Vielmehr können die herangezogenen Auslegungsmaximen in ihren Ergebnissen von denen der einzelnen Mitgliedstaaten nach oben und nach unten abweichen. 3 9 0 Z u r rechtsvergleichenden Auslegung zählt auch der Vergleich mit sonstigen international

(England mit schwächerer Ausprägung der teleologischen Auslegung), Bd III S 6 6 8 - 6 8 1 (Mitteleuropa); für die Auslegung von Gemeinschaftsrecht aus der fremdsprachigen Literatur: Bredimas, Methods of Interpretation, p. 15-21 (hierbei systematische Auslegung als Teil der grammatikalischen). 3 8 4 Zu den anderen, die weniger unmittelbar die Auslegung von Normen des Europäischen Schuldvertragsrechts beeinflussen: Lenz / Erhard, in: Lenz (Hrsg), EG-Handbuch, 8 8 - 9 0 ; Lutter, J Z 1992, 593 (598 f); Pescatore, Les objectifs de la Communauté Européenne comme principes d'interprétation dans la jurisprudence de la Cour de Justice contribution à la doctrine de l'interprétation téléologique des traités internationaux, FS Ganshof van der Meersch II 1972, 325. 38î Vgl nur Bleckmann, Z G R 1992, 364 (365 f); Bredimas, Methods of Interpretation, p. 124 seq; Lutter, J Z 1992, 593 (603 f); für den im europäischen Schuldvertragsrecht zentralen Begriff des Verbrauchers: Reich, ZEuP 1994, 381 (389 f) (mwN); für internationales Einheitsrecht allgem: B G H Z 52, 216 (220); und monographisch: Kropholler, Internationales Einheitsrecht, 1975, S 235 ff, bes 2 5 4 - 2 5 8 , 2 7 8 - 2 8 5 . Zu den anderen Mitteln, insbes der Argumentation mit dem effet utile und einer systematischen Auslegung, vgl später im Text. 387 Ygi Nachwe vorvorige Fn und die weiteren Ausführungen zum insoweit zentralen Instrument der allgemeinen Rechtsgrundsätze, unten IV. Zu Recht betont Koopmans, 39 AJCL 493, bes 505 seq (1991), daß hiermit, beginnend beim EuGH, ein sehr grundlegender Stilwechsel in den nationalen Rechtsordnungen Europas eingeläutet wurde. Noch diffuser sieht Joerges, ELJ 1997, 378 den wichtigsten Stilwechsel; ausführlich zum Stil des Europäischen Privatrechts: Remien, RabelsZ 60 (1996) 1. 386

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Bleckmann, Z G R 1992, 364 (367); Meyer, Jura 1994, 455 (457 f). Dazu näher unten Rn 183-186. Allgem hierzu bzw für die rvgl Auslegung: Bleckmann, Z G R 1992, 364 (367). Für diesen Grundsatz speziell bei der Entwicklung eines Grundrechtskatalogs vgl die Nachw unten Fn 518 f.

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102

1. Teil - Grundlagen

anerkannten Übereinkommen, an die die Gemeinschaft selbst nicht gebunden ist. 3 9 1 Ziel ist es, moderne, dynamische Lösungen zu favorisieren. 392 141

Dem nationalen Recht in dieser Intensität ebenfalls unbekannt ist die Vorgabe, daß die Auslegung von EG-Sekundärrecht stets an den Zielen des Primärrechts im EG-Vertrag auszurichten ist. 3 9 3 Das EG-Primärrecht macht deutlich weitergehend Vorgaben als nationales Verfassungsrecht, etwa indem Politiken im EGVertrag in ihren Grundzügen bereits ausformuliert sind. Die auch im nationalen Recht zu findende Ausrichtung der Auslegung an Grundrechten ist von ungleich geringerer Intensität. b) Einzelne

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Auslegungsmethoden

Unter dem Eindruck dieser Leitgesichtspunkte stehen die einzelnen Auslegungsmethoden.

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aa) Die Wortlautauslegung begegnet, anders als diejenige im nationalen Recht, der Schwierigkeit, daß gleichberechtigt alle Sprachen der Mitgliedstaaten autoritativ sind. 3 9 4 Primär ist die Einheit zwischen allen sprachlichen Fassungen zu suchen. 3 9 5 Der nationale Richter darf den fraglichen Begriff jedenfalls nicht nach

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Etwa EuGH 8. 4. 1976 - Rs 43/75 (Defrenne II), Slg 1976, 455 (474). Allgem hierzu bzw für die rvgl Auslegung: Bleckmann, Z G R 1992, 364 (367); ßredimas, Methods of Interpretation, p. 136 seq; Meyer, Jura 1994, 455 (458). Für diesen Grundsatz speziell bei der Entwicklung eines Grundrechtskatalogs vgl die Nachw unten Fn 520. Für einige konkrete Regeln, die der EuGH aus diesem Grundansatz abgeleitet hat, unten Rn 193-197. EuGH 5. 5. 1982 - Rs 15/81 (Schul Douane Expediteur), Slg 1982,1409 (1434); EuGH 4. 12. 1986 - Rs 220/83 (Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung), Slg 1986, 3663 (3707); EuGH 29. 6. 1995 - Rs C-135/93 (Spanien / Kommission), Slg 1995, 1-1673 (1683); Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S 247; Bleckmann, NJW 1982, 1177 (1179); Lenz/Erhard, in: Lenz (Hrsg), EG-Handbuch, 87. Vgl zu den Problemen: Braselmann, Übernationales Recht und Mehrsprachigkeit - linguistische Überlegungen zu Sprachproblemen in EuGH-Urteilen, EuR 1992, 55; Dickschat, Problèmes d'interprétation des traités européens résultant de leur plurilinguisme, Revue Belge de Droit International 1968, 40; Stevens, The Principle of Linguistic Equality injudicial Proceedings and in the Interpretation of Plurilingual Legal Instruments: The Régime Linguistique in the Court of Justice of the European Communities, 62 Northwestern University Law Review 701 (1967). Der EuGH hat sich gegen jegliche bevorrechtigte Berücksichtigung der Arbeitssprachen verwehrt: EuGH 27. 10. 1977 Rs 30/77 (Bouchereau), Slg 1977, 1999 (2010); EuGH 28. 3. 1985 - Rs 100/84 (Kommission / Vereinigtes Königreich), Slg 1985, 1169 (1182); EuGH 7. 12. 1995 - Rs C-449/93 (Rockfon), Slg 1995,1-4291 (4317). EuGH 7. 12. 1995 - Rs C-449/93 (Rockfon), Slg 1995,1-4291 (4317): Beutler /Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S 246; Meyer, Jura 1994, 455 (456); Oppermann, Europarecht, Rn 589 f; keineswegs sind die anderen sprachlichen Versionen erst zu konsultieren, wenn die eigene unklar ist: so Lenz / Erhard, in: Lenz (Hrsg), EG-Handbuch, 86.

EG-Recht als eigenständige Quelle von Schuldvertragsrecht

103

dem Verständnis seiner nationalen Rechtsordnung auslegen.396 Regelmäßig ist also ein autonomer, gemeinschaftsrechtlicher Inhalt des Begriffs zu ermitteln,397 wobei rechtsvergleichenden Betrachtungen besonderes Gewicht zukommt. Der Ansatz der wertenden Rechtsvergleichung verbietet es, bei Divergenz schlicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu rekurrieren.398 Nur in wenigen Ausnahmefällen ging der EuGH davon aus, der jeweilige Gemeinschaftsgesetzgeber habe keinen autonomen Begriff schaffen wollen, und verwies daher für die Ausfüllung des Begriffs auf das jeweilige nationale Recht. 399 Die Wortlautauslegung ist nicht nur schwieriger als in den nationalen Rechten, sie hat auch tendenziell weniger Gewicht. Zwar wurde vereinzelt auf die französische acte-clair-Doktrin rekurriert, nach der bei gänzlich klarem Wortlaut weitere Auslegungsmethoden nicht mehr heranzuziehen sind.400 Der Wortlaut wird jedoch häufig nicht als äußerste Grenze der Auslegung verstanden. Vielmehr wurde auch der klare Wortlaut mehrfach beiseite geschoben, wenn das Ergebnis aus teleologischen Gründen nicht befriedigte.401 Teils wurde dies freilich aus Vertrauensgesichtspunkten für bedenklich gehalten.402 bb) Ebenfalls deutlich anders als im nationalen Recht sind Art und Gewicht der 144 historischen Auslegung. Diese Auslegungsmethode stößt an praktische und theoretische Grenzen: In den meisten Fällen sind für das hier vor allem bedeutsame EG-Sekundärrecht die Überlegungen des zentralen Gesetzgebungsorgans, des Ministerrats, nicht veröffentlicht.403 Da viele der älteren EG-Richtlinien noch auf seiner Alleinentscheidungskompetenz beruhen, ist es problematisch, andere MaBeutler / Bieber / Pipkom l Streit, Europäische Union, S 246; Lenz / Erhard, in: Lenz (Hrsg), EG-Handbuch, 86. 397 Beutler / Bieber / Pipkom / Streit, Europäische Union, S 246; Lenz / Erhard, in: Lenz (Hrsg), EG-Handbuch, 86; Schmidt, RabelsZ 59 (1995), 569 (576). 398 Bleckmann, ZGR 1992, 364 (366); aA jedoch teils (iZw für die am wenigsten eingreifende nationale Regel): Oppermann, Europarecht, Rn 580. Der Rekurs auf den kleinsten gemeinsamen Nenner entspricht der Auslegungsmethode im Volkerrecht. 3 9 9 Etwa: EuGH 7. 7. 1992 - Rs C-369/90 (Micheletti), Slg 1992,1-4239 (4262) (Staatsangehörigkeit); EuGH 6. 10. 1976 - Rs 12/76 (Tessili / Dunlop), Slg 1976, 1473 (1487) (Erfüllungsort im Rahmen des EuGVÜ). 400 Vgl Degan, Procédés d'interprétation tirés de la jurisprudence de la Cour de Justice des Communautés européennes - exposé comparatif avec la jurisprudence de la Cour internationale de Justice, RTDE 1966, 198 (198-202); Buck, Auslegungsmethoden des Gerichtshofs, S 161-165; Oppermann, Europarecht, Rn 579; Schmidt, RabelsZ 59 (1995), 569 (576 f). 401 Beutler / Bieber / Pipkom / Streil, Europäische Union, S 245. Von Nachrang dieser Auslegungsmethode gehen aus: EuGH 11. 7. 1985 - Rs 107/84 (Kommission / Deutschland), Slg 1985, 2655 (2667, bei ,,zwingende[n] Gesichtspunkte[n] für eine weite, über den Wortlaut ... hinausgehende Auslegung"); Bredimas, Methods of Interpretation, p. 47 seq (im Vergleich zur systematischen Auslegung); ähnlich unter Berufung auf den effet utile·. EuGH 10. 4. 1984 - Rs 14/83 (von Colson und Kamann), Slg 1984, 1891 (1907-1909); Meyer, Jura 1994, 455 (456). 4 OLG Celle RIW 1988, 137 (138); ν Bar, IPR II, Rn 546; MünchKomm (-Spellenberg), Art 32 EGBGB, Rn 1 f, 2 5 - 4 8 ; für das deutsche IPR schon vor Umsetzung des EVÜ: R G Z 147, 377 (380); B G H Z 50, 32. »2 OLG Celle RIW 1988, 137 (138); ν Bar, IPR II, Rn 547; MünchKomm (-Spellenberg), Art 32 EGBGB, Rn 1 f, 20-24, 4 9 - 6 0 ; für das deutsche IPR schon vor Umsetzung des EVÜ: B G H Z 9, 34 (37); 38, 252 (256); ausführlich zum Hauptproblem insoweit, der Aufrechnung: Göbel, Neuere Probleme zur Aufrechnung im internationalen Privatrecht, 1983, bes S 29 ff (Zeitpunkt des Untergangs); zur Konkursaufrechnung demgegenüber: B G H Z 95, 256 (273). 113 So für das Zurückbehaltungsrecht als dem zweiten praktisch wichtigen Fall neben der Verjährung: MünchKomm (-Spellenberg), Art 28 EGBGB, Rn 43; für das deutsche IPR schon vor Umsetzung des EVÜ: Magnus, Zurückbehaltüngsrechte und internationales Privatrecht, RabelsZ 38 (1974) 440 (443-447); Sailer, Gefahrübergang, Eigentumsübergang, Verfolgungs- und Zurückbehaltungsrecht beim Kauf beweglicher Sachen im IPR, 1966, S 151. i " OLG Celle RIW 1988,137 (138); ν Bar, IPR II, Rn 547; Kegel, IPR, S 467; für das deutsche IPR schon vor Umsetzung des EVÜ: B G H NJW 1960, 1720 (1721). 115 Grundlegend Binder, Zur Auflockerung des Deliktsstatuts, RabelsZ 20 (1955) 401 (483-491, vgl jedoch auch 478-480); Neuhaus, Rezension „Morris, The proper law of a tort", RabelsZ 16 (1951) 651 (655); seit Umsetzung des EVÜ in deutsches Recht: Gonzenbach, Die akzessorische Anknüpfung, 1986; Patrzek, Die vertragsakzessorische Anknüpfung im internationalen Privatrecht - dargestellt anhand des Deliktsrechts, der Geschäftsführung ohne Auftrag, des Bereicherungsrechts und der culpa in contrahendo, 1992; ν der Seipen, Akzessorische Anknüpfung und engste Verbindung im Kollisionsrecht der komplexen Vertragsverhältnisse, 1989; sowie Mansel, Kollisions- und zuständigkeitsrechtlicher Gleichlauf der vertraglichen und deliktischen Haftung, ZvglRW 86 (1987) 1 (9-19); MünchKomm (-Spellenberg), Vor Art 11 EGBGB, Rn 31 (jedoch nur, soweit der Vertrag auch das Integritätsinteresse schützt); Stoll, Sturz vom Balkon auf Gran Canaria Akzessorische Anknüpfung, deutsches Deliktsrecht und örtlicher Sicherheitsstandard, IPRax 1989, 89 (90-92) (zu B G H IPRax 1989, 102, wo die Frage offen blieb). Π6 v g l genereller zur Kritik: B G H NJW 1976, 1581; OLG Koblenz IPRax 1989, 232 (233); Hepting, RIW 1975, 457 (460); Kegel, IPR, S 478; MünchKomm (-Martiny), Art 28 EGBGB, Rn 80; Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 188; und speziell zu

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Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

rechtfertigt sich jedoch vor allem positiv: Nur sie kann inneren Entscheidungseinklang gewährleisten, dh Normwidersprüche in Form von Normmangel oder -häufung verhindern. 117 Zunehmend setzt sich insoweit die Erkenntnis durch, daß verschiedene Rechtsordnungen im Vertragsrecht auf sehr unterschiedlichen Wegen zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommen. 118 Wer nun die Regelwerke zergliedert, läuft Gefahr, funktional gleichwertige Normen der verschiedenen Rechtsordnungen entweder doppelt oder gar nicht zu berufen. 29 Der Grundsatz der einheitlichen Anknüpfung zeitigt Wirkung auch bei der Auslegung der Ausnahmevorschriften, insbesondere wenn in diesen, wie etwa in Art 10 II EVÜ, offene Begriffe verwandt werden. f) Ausnahmen vom Vertragsstatut 30 Regeln zum Vertragsabschluß und zur schriftlichen Fassung von Schuldverträgen finden sich zahlreich auch im sonstigen Europäischen Schuldvertragsrecht. 119 Den Vertragsabschluß betrifft Art 8 II EVÜ, der eine der meist diskutierten Fragen des internationalen Schuldvertragsrechts der letzten Jahrzehnte regelt, die Form Art 9 EVÜ. Art 8 II EVÜ ist etwas ausführlicher zu behandeln, weil er mit seiner zwingenden Sonderanknüpfung zugunsten einer Vertragspartei in gewissem Maße Behinderungspotential im Binnenmarkt aufweist und deswegen europarechtlich relevant ist. 120 31 aa) Wichtige Fragen der Vertragsabschlußphase sind internationalprivatrechtlich in Art 8 II EVÜ geregelt. Im Gemeinschaftsrecht betreffen diese Phase EG-Sekundär- und EG-Primärrecht gleichermaßen. Zahlreiche EG-Richtlinien haben diese Phase zum Gegenstand, beispielsweise die Haustürwiderrufs-Richtlinie und Fernabsatz-Richtlinie (2.01, 2.02), die Pauschalreise-Richtlinie, die Verbraucherkredit-Richtlinie und die Überweisungs-Richtlinie (4.01, 4.10, 4.13) sowie auch die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10). Gerade die Einbeziehung von AGB bildet auch ein Hauptbeispiel aus dem in Art 8 II EVÜ geregelten Problem-

den Distanzgeschäften: Jayme / Götz, Vertragsabschluß durch Telex - Zum Abschlußort bei internationalen Distanzverträgen, IPRax 1985, 113 (113 f); Zweigert, Zum Abschlußort schuldrechtlicher Distanzverträge, FS Rabel I 1954, 631 (635). 117 Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (25); Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 176; Will, Verwirkung im internationalen Privatrecht, RabelsZ 42 (1978) 211 (219); und allgem Kegel, IPR, S 113 f. »8 Jayme, Z H R 142 (1978) 105 (112-114); Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (25); W. Lorenz, Konsensprobleme bei internationalschuldrechtlichen Distanzverträgen, AcP 159 (1960/61) 193 ( 2 2 7 - 2 3 5 ) ; MünchKomm (-Martiny), Art 2 7 EGBGB, Rn 7 ; Serick, Die Sonderanknüpfung von Teilfragen im IPR, RabelsZ 18 (1953) 631 (635). 119 Die (überwiegend) abschlußbezogenen Regelungen ergeben sich bereits aus dem Inhaltsverzeichnis. Eine schriftliche Fassung des Schuldvertrages bzw des im konkreten Zusammenhang relevanten Teils sehen etwa Art 4 I der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10), Art 4 II lit. b der Pauschalreise-Richtlinie (4.01) oder Art 4 der Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01) vor. >2° Vgl oben 1. Teil Fn 98.

1.01 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

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kreis. Umgekehrt wird diese Phase auch im Primärrecht intensiv diskutiert, besonders prominent die culpa in contrahendo mit der EuGH-Entscheidung in Sachen Motorradcenter.121 Unmittelbar betrifft jedoch nur Axt 9 2. Spiegelstrich der Fernabsatz-Richtlinie (2.02) die Frage, die Art 8 II EVÜ regelt. Grundproblem jeder Anknüpfung in der Vertragsabschlußphase ist, daß das 32 Recht, auf das sich die Parteien einzustellen haben, in diesem frühen Zeitpunkt noch weniger deutlich erkennbar ist. Die Anknüpfungspunkte des internationalen Schuldvertragsrechts, dh Parteiwille und hilfsweise die Vereinbarung einer charakteristischen Leistung, sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht umfassend verwirklicht. Es geht in diesem Zeitpunkt um die Frage, ob und in welchen Fällen die Parteien sich bei ihrem Verhalten schon auf ein mögliches späteres Vertragsstatut einstellen müssen. Angesprochen sind vor allem diejenigen Vorschriften des Sachrechts, welche das Rechtsgeschäft Zustandekommen lassen, auch wenn im konkreten Fall keine umfassende Willensübereinstimmung vorliegt: Auslegung bestimmter Verhaltensweisen, etwa von Schweigen, als Zustimmung, etwa nach § 362 HGB; die Normen über die Bindung an das Angebot; die Regeln zum Risiko fehlgeschlagener sprachlicher Verständigung; und praktisch am wichtigsten - 1 2 2 die Regeln über das Bestätigungsschreiben und die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Zunächst wurde auf dieses Problem mit einer weiten Ausdehnung der Sonder- 33 anknüpfungen - abweichend von derjenigen des Vertragsstatuts - reagiert. Beispielsweise wurden teils alle Fragen des Zustandekommens an das Recht des Abschlußortes angeknüpft123 oder die Willenserklärung jeder Partei nach deren Aufenthaltsrecht beurteilt (teils kumulativ neben dem Vertragsstatut).124 Dem-

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EuGH, 13. 10. 1993 - Rs C-93/92 {CMC Motorradcenter), Slg 1993,1-5009; vgl dazu nur Köhler, Parallelimporte, culpa in contrahendo und freier Warenverkehr im Binnenmarkt, ZEuP 1994, 664. MiinchKomm (-Spellenberg), Art 31 EGBGB, Rn 55; Schwenzer, Einbeziehung von Spediteursbedingungen sowie Anknüpfung des Schweigens bei grenzüberschreitenden Verträgen, IPRax 1988, 86 (88); rvgl insbes Basse, Das Schweigen als rechtserhebliches Verhalten im Vertragsrecht - eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung von England, Schottland und Deutschland, 1986, S 120-192; Ebenroth, Das kaufmännische Bestätigungsschreiben im internationalen Handelsverkehr, ZvglRW 77 (1978) 161 (164-180); zur Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen prägnant etwa Müller / Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 120-125; zur internationalen Durchsetzung des AGBG (vor allem nach § 12 AGBG): unten 2.10 Rn 50. Vgl zu dieser Anknüpfung: Lewald, Das deutsche internationale Privatrecht auf der Grundlage der Rechtsprechung dargestellt, 1931, S 233; Müller-Gindullis, Das internationale Privatrecht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 1971, S 55 f; Staudinger {-Firsching), Vor Art 12 EGBGB, Rn 155. Ursprünglich ging diese Anknüpfung auf den Vater der abendländischen Rechtswissenschaften, Bartolus (de Sassoferrato), zurück (in Ubersetzung sind die internationalprivatrechtlichen Erläuterungen zu Codex iuris 1,1,1 abgedruckt in Meili, ZIR 4 [1894] 260-269, 340-346, 446-455). Ebenroth, ZvglRW 77 (1978) 161 (184-186); Hepting, RIW 1975, 457 (462-464); Jayme, FS Bärmann 1975, 509 (514); Graf ν Westphalen, Internationalprivatrechtliche Probleme und AGB-Gesetz, WM 1978, 1310 (1311); dagegen grundlegend: W. Lorenz, AcP 159 (1960/61) 193 (210-213).

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Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

gegenüber sprachen sich die breitangelegten Untersuchungen seit Ende der 70er Jahre sämtlich für eine Heranziehung allein des Vertragsstatuts aus. 1 2 5 So werde innere Entscheidungseinheit gefördert (kein Zusammenprallen verschiedener Normen unterschiedlicher Rechtsordnungen); 1 2 6 und es werde nicht eine Vertragsseite durch Kumulierung von Schutzvorschriften privilegiert. 127 3 4 Aufgrund der Schutzwürdigkeit wurde jedoch in Rechtsprechung 1 2 8 und Literatur 1 2 9 ganz überwiegend zumindest an der grundsätzlichen Möglichkeit einer Sonderanknüpfung für das Annahmeverhalten festgehalten 1 3 0 - allerdings nur in engem Rahmen, unter einer zweifachen Voraussetzung. Zunächst kann sich eine Partei nach Art 8 II EVÜ auf eine Ausnahme vom Vertragsstatut nur mit der Behauptung berufen, sie habe keine Zustimmung erklärt. Hieraus wurde überzeugend und in Übereinstimmung mit allgemeinen Tendenzen zum Vertrauensschutz im Vertragsrecht abgeleitet, daß das entscheidende Kriterium folgendes sei: Wer zurechenbar zu dem Kontakt zum Vertragsstatut beigetragen hat, der zu dessen Anwendbarkeit führt, kann dessen (ausschließlicher) Anwendung nicht widersprechen. 131 Grundsätze des Vertrauensschutzes sind deswegen heranzuziehen, weil sie zentral die hier relevante Abgrenzung zwischen Parteiinteressen und Verkehrsinteressen zum Gegenstand haben. Mit der (wenn auch möglicherweise fehlerhaften) Zustimmung zum Vertrag wird entweder zur Festlegung der Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (bes 36-48); Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 197-202; Stoll, FS Beitzke 1979, 759 (763-765). 126 Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (25); MünchKomm (-Spellenberg), Vor Art 11 EGBGB, Rn 11-19, Art 31 EGBGB, Rn 1 f; Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 176, 198-200; Stoll, FS Beitzke 1979, 759 (764 f). >27 Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (25 f); MünchKomm {-Spellenberg), Vor Art 11 EGBGB, Rn 15; Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 198-201; Stoll, FS Beitzke 1979, 759 (765). i2« BGHZ 57, 72 (77) (Frankreich); BGH NJW 1973, 2154 (2155) (Italien); 1976, 2075 (Belgien); OLG Hamburg NJW 1980, 1232 (England); OLG Frankfurt RIW 1976, 107 (108 f) (Italien); OLG Frankfurt WM 1983, 129 (Österreich); offengelassen noch in BGH NJW 1971, 2126 (2127) (Niederlande). 129 Vgl nur seit Linkes Grundsatzkritik und vor der Reform: Firsching, IPRax 1981, 37 (42); Kegel, Internationales Privatrecht5, 1985, S 358; Mann, Die Gültigkeit der Rechtswahlund Gerichtsstandsklausel und das internationale Privatrecht, NJW 1984, 2740 (2741); aA Schwung, WM 1984, 1301 (1303). 130 Will das deutsche oder europäische Recht sicherstellen, daß jede ungerechtfertigte Bindung verhindert wird, so ist allein eine Lösung (zumindest auch) über das Kollisionsrecht geeignet, da nur dieses in jedem Fall dem deutschen oder europäischen Recht entnommen wird. Zu den (wenigen) Konstellationen, in denen eine Sonderanknüpfung notwendig bleibt: MünchKomm {-Spellenberg), Art 31 EGBGB, Rn 92-105. 131 So überzeugend: MünchKomm (-Spellenberg), Art 31 EGBGB, Rn 49, 53, 64; auf die Setzung von Vertrauenstatbeständen wird auch für andere Artikel des EVÜ abgestellt in: Giuliano / Lagarde, AB1EG 1980 C 282/1 (23); zu kurz greifen daher alle die Stellungnahmen, die für eine ausschließliche Anwendung des Vertragsstatuts allein auf Kenntnis oder Kennenmüssen abstellen und nicht auch eigenes positives Handeln (Setzung eines Vertrauenstatbestandes) fordern: etwa BGH NJW 1971, 2126 (2127); 1976, 2075; ν Bar, IPR II, Rn 538; Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (29-31); Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 183.

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1.01 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

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charakteristischen Leistung beigetragen oder zur Rechtswahl. Zurechenbar ist dies insbesondere auch, wenn die fragliche Partei einem Willensmangel in der sachrechtlichen Ausgestaltung unterliegt, weshalb eine Sonderanknüpfung der Problematik der Willensmängel nach Art 8 II E V Ü ausscheidet. 1 3 2 Der Gesetzgeber fordert bewußt, daß die betroffene Partei „dem Vertrag [überhaupt] nicht zugestimmt" hat, da sie nur dann keinerlei Kontakt zum Vertragsstatut geschaffen hat. Zurechenbar ist stets auch der Kontakt zum Vertragsstatut, den der Anbietende durch Festlegung der charakteristischen Leistung oder Vorschlag einer Rechtswahl schafft, weshalb eine Sonderanknüpfung des Angebots ausscheidet; 1 3 3 hier geht es nicht um fehlende „Zustimmung". Allerdings meint Art 8 II E V Ü nicht nur vorkonsensuale, sondern auch nachkonsensuale Verhaltensweisen, welche eine (zusätzliche) Bindung nach sich zögen. 1 3 4 Eng ist der Rahmen der Sonderanknüpfung in einem zweiten Punkt: Es muß sich aus den Umständen ergeben, daß es nicht gerechtfertigt wäre, das Vertragsstatut anzuwenden. Zunächst ist also das Vertragsstatut anzuwenden. Die Sonderanknüpfung an das Aufenthaltsrecht erfolgt allein, wenn jenes ungerechtfertigt zu einer Bindung führt. Die Sonderanknüpfung kann also nur zur Verneinung der Bindung führen, nicht zur Wirksamkeit, die das Vertragsstatut verneint (bloße Vetowirkung der Sonderanknüpfung). 135 Das Tatbestandsmerkmal der mangelnden RechtHeute fast einhellige Meinung: MiinchKomm (-Spellenberg), Art 31 EGBGB, Rn 6 2 65, 72 (anders, wenn das Aufenthaltsrecht die Schadensersatzpflicht bei Anfechtung enger regelt); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 226; Staudinger (-Firsching), Vor Art 12 EGBGB, Rn 197 (alle mwN); aA Palandt (-Heldrich), Art 31 EGBGB, Rn 5; und wohl auch Kegel, IPR, S 448f. Früher für eine Sonderanknüpfung etwa: Neuner, Die Beurteilung gegenseitiger Verträge nach dem Recht des Schuldners, RabelsZ 2 (1928) 108 (115 f); Wolff, Das internationale Privatrecht Deutschlands 3 ,1954, S 124 Fn 5; Lewald (oben Fn 123) S 239 f; jedoch bereits nicht die Rspr: RG IPRspr 1933 Nr 16; LAG Frankfurt, IPRspr 1950/51 Nr 20; OLG Frankfurt WM 1972, 1474 (1475); OLG Oldenburg, IPRspr 1975, Nr 15. »3 Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (41 f); W. Lorenz, AcP 159 (1960/61) 193 (212-214); MünchKomm {-Spellenberg), Vor Art 11 EGBGB, Rn 44 (für § 151 BGB); Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 182 f; aA etwa (aus der Zeit vor der gesetzlichen Regelung): Drobnig, FS Mann 1977, 591 (605, 607 f) (mwN aus der älteren Literatur); Graf ν Westpbalen, WM 1978, 1310 (1311). 132

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Gaudement-Tallon, RTD E 17 (1981) 215 (272 f); Müller / Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 121 f; MünchKomm (-Spellenberg), Art 31 EGBGB, Rn 58; Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 193-195; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 205; die gegenteiligen Stellungnahmen stammen aus der Zeit vor der gesetzlichen Regelung: etwa Drobnig, FS Mann 1977, 591 (606); ν Hoffmann, RabelsZ 36 (1972) 510 (522); Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (44). Der deutsche Gesetzgeber hat beispielsweise auf das kaufmännische Bestätigungsschreiben hingewiesen: BT-Drs X/503, S 29; BT-Drs X/504, S 82. Anders ist dies bei Willenserklärungen, die innerhalb eines bestehenden Vertrages abzugeben sind, da der Kontakt zum Vertragsstatut zurechenbar geschaffen ist. Gemeint sind etwa die Kündigung oder der Widerspruch gegen Saldenabschlüsse: BGH WM 1977, 298 (298 f); Hepting, RIW 1975, 457 (463); MünchKomm (-Spellenberg), Art 31 EGBGB, Rn 131.

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Basedow, Rechtswahl, S 8; Gaudement-Tallon, RTDE 17 (1981) 215 (274); Giuliano / Lagarde, AB1EG 1980 C 282/1 (28); Kropholler, IPR, S 389; Mankowski, RIW 1993,

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Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

fertigung ist, will man nicht kasuistisch verfahren, unter Heranziehung des genannten Grundgedankens auszufüllen: Eine Sonderanknüpfung an das Aufenthaltsrecht des Betroffenen scheidet gänzlich aus, wenn er zurechenbar den maßgeblichen Kontakt zum Vertragsstatut geschaffen hat. Sie ist jedoch stets gerechtfertigt, wenn dies nicht der Fall ist und das Vertragsstatut zu einer weiterreichenden Bindung des Betroffenen führt als sein Aufenthaltsrecht. Er hat die Anwendung des Vertragsstatuts noch nicht durch zurechenbares Verhalten legitimiert. 35 Für die wichtigsten verbleibenden Fallgruppen ergibt sich aus diesem Grundansatz: Die Haltung einer Niederlassung im Land des Vertragsstatuts durch die betroffene Partei begründet, wenn über sie der Vertrag geschlossen wurde, einen die Anwendung von Art 8 II EVÜ ausschließenden Kontakt (Art 4 II 2 EVÜ)136 ebenso das regelmäßige Betreiben von Geschäften durch diese Partei im Land des Vertragsstatuts, zumindest wenn hier eine laufende Geschäftsbeziehung auch mit dem Vertragspartner besteht und die in ihrem Rahmen abgeschlossenen Verträge regelmäßig diesem Recht unterstellt wurden.137 Auch der Vertragsabschluß in diesem Land schließt eine Sonderanknüpfung aus,138 obwohl der Abschlußort keinen relevanten Vertragsanknüpfungspunkt darstellt; insoweit ist Art 12 EGBG analog heranzuziehen.139 § 362 HGB und die Regeln über das kaufmännische Bestätigungsschreiben könnten nur ausländische Unternehmen intensiver binden als ihr Aufenthaltsrecht, so daß nur für diese eine Sonderanknüpfung nach Art 8 II EVÜ zu erwägen ist. In beiden Regelkomplexen wird vorausgesetzt, daß das Angebot, auf das hin geschwiegen wird, so gestaltet ist, daß mit Annahme gerechnet werden kann.140 Ausländische Unternehmen haben nun bereits durch das öffentliche Angebot bzw durch die mündliche Aushand453 (455); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 2 0 2 ; Schwenzer, IPRax 1988, 86 (88); und schon nach altem Recht: B G H NJW 1976, 2075. Auch die Unwirksamkeitsfolgen richten sich wieder nach Vertragsstatut, wenn nicht dadurch de facto doch wieder eine Bindung geschaffen wird (etwa durch Statuierung eines dem Aufenthaltsrecht gänzlich unbekannten Schadensersatzanspruches). IErg ebenso: BGH RIW 1982, 55; Hepting, RIW 1975, 4 5 7 (462 f); Buchmüller, NJW 1977, 501 (Urteilsanm); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 203. 1 3 7 Ohne die Einschränkung durch die zweitgenannte Voraussetzung: BGH NJW 1971, 2126 (2127); OLG Karlsruhe NJW 1972, 2185 (implizit); Gaudement-Tallon, RTDE 17 (1981) 215 (273); Giuliano / hagarde, ABIEG 1980 C 2 8 2 / 1 (28); Schwenzer, IPRax 1988, 86 (88); aA Hepting, RIW 1975, 4 5 7 (463). " 8 B G H NJW 1973, 2154 (2155); IPRax 1982, 7 7 ; Drobnig, FS Mann 1977, 591 (605); Jayme, FS Bärmann 1975, 5 0 9 (514) (Analogie zu Art 12 EGBGB); Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 188 f; Reithmann / Martiny {-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 2 0 3 ; aA Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (20) (nur wenn auch Verhandlungen hier); unklar MiinchKomm (-Spellenberg), Art 31 EGBGB, Rn 88; unentschieden Hepting, RIW 1975, 4 5 7 (462 f). i " Drobnig, FS Mann 1 9 7 7 , 5 9 1 (605); Hepting, RIW 1 9 7 5 , 4 5 7 (463); Jayme, FS Bärmann 1975, 5 0 9 (514); Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 188 f. 1 4 0 LG Karlsruhe, Versicherungswirtschaft 50, 2 6 2 ; Baumbach / Hopt, ξ 3 6 2 HGB, Rn 5; K. Schmidt, Handelsrecht 4 , 1994, S 573, 5 8 8 - 5 9 2 .

1.01 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

181

lung eines Vertrages einen Kontakt zu einem Vertragsstatut geschaffen. Neu könnte die Anwendung von § 3 6 2 H G Β und der Regeln über das kaufmännische Bestätigungsschreiben für sie sein, wenn im Angebot der Gegenseite erstmals deutsches Recht gewählt wird. Dies würde aber eine so intensive Neuerung darstellen, daß nach deutschem Sachrecht Schweigen nicht als Zustimmung zu werten wäre. Eine Sonderanknüpfung nach Art 8 II EVÜ wird überflüssig. Gleiches gilt, soweit die Einbeziehung von A G B sich nach § 2 A G B G beurteilt. Die Norm setzt Zustimmung und intensive Kenntnisnahmemöglichkeit seitens des Kunden voraus, so daß dieser den Kontakt zu der Rechtsordnung, nach der die A G B zu beurteilen sind, zurechenbar geschaffen hat. Gleiches gilt im kaufmännischen Verkehr, da und soweit die Rechtsprechung ebenfalls die Zustimmung als Einbeziehungsvoraussetzung versteht. 141 Eine Sonderanknüpfung von Fragen der Wahl der Verhandlungs- und Vertragssprache außerhalb dieser Grundsätze wird heute zu Recht abgelehnt, 1 4 2 da die Sprachwahl grundsätzlich unerheblich für die Anknüpfung ist. bb) Die Formvorschrift des Art 9 EVÜ geht im Grundsatz von der alternativen Anwendbarkeit des Vertragsstatuts oder des Abschlußortrechts aus und schafft damit zur Förderung der Formwirksamkeit den in Formfragen üblichen Favor negotii. 1 4 3 Begründet wird diese Anknüpfung substantiell vor allem mit einem Interesse der Parteien, sich der Ortsform als einer bei Vertragsabschluß besonders leicht zugänglichen bedienen zu können, 1 4 4 tendenziell also einem schwächer legitimierten Interesse als demjenigen, das die Anknüpfung an das Vertragsstatut trägt. 1 4 5 Dennoch wird auch für das Ubereinkommen davon ausgegangen, daß keineswegs das Vertragsstatut (die lex causae) darüber entscheidet, welche

Statt aller: B G H N J W 1985, 1838 (1839). i « B G H WM 1977, 2 9 8 ; BGH NJW 1983, 1489; Beckmann, Das Sprachenstatut bei internationalen Geschäftsverträgen, Diss Bochum 1980, S 154 ff, 158 ff, 170; Ferid, IPR, Rn 5 - 8 7 ; Linke, ZvglRW 79 (1980) 1 (47 f); MünchKomm (-Spellenberg), Art 31 E G B G B , Rn 6 9 ; Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S 1 8 3 - 1 8 5 , 1 9 5 - 1 9 7 ; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 2 0 6 ; Schlechtriem, Das „Sprachrisiko" - ein neues Problem?, FS Weitnauer 1 9 8 0 , 1 2 9 (141). Die Gegenmeinung ging davon aus, eine Partei könne sich auf die Wirkung ihrer Äußerungen nur berufen, wenn sie diese in der Sprache abgefaßt hat, die im Aufenthaltsstaat des Adressaten gesprochen wird: So etwa Drobnig, FS Mann 1977, 591 (607 f); Jayme, FS Bärmann 1975, 5 0 9 (514 f); Schütze, Allgemeine Geschäftsbedingungen bei Auslandsgeschäften, DB 1978, 2 3 0 1 (2304). 1 4 3 Z u m Favor negotii: Fischer, Verkehrsschutz im Internationalen Privatrecht, 1990, S 3 7 f; Lando, On the Form of Contracts in the Conflict of Laws, FS Schmitthoff 1973, 2 5 3 (bes 2 5 5 - 2 6 1 ) ; und monographisch: Abend, Lex validitatis; Marsch (oben Fn 68); Zellweger, Form der schuldrechtlichen Verträge, S 1 0 0 - 1 1 7 (auch zu den gegenläufigen Interessen). 1 4 4 MünchKomm (-Spellenberg) Art 11 E G B G B , Rn 3 6 ; auch Giuliano / Lagarde, AB1EG 1 9 8 0 C 2 8 2 / 1 (29 f). 1 4 5 Z u r Anknüpfung von Formfragen als einer „schwachen Anknüpfung": Grundmann (oben Fn 44) S 8 1 - 8 5 , 1 1 5 - 1 3 0 . 141

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Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

seiner Normen als mehr denn bloße Formvorschriften zu verstehen sind.146 Wiederum ist auf das Sachrecht verwiesen und somit der Renvoi ausgeschlossen. Üblich ist der Favor und unschwer ist der Abschlußort festzustellen im Platzgeschäft (Art 9 I EVÜ). Das Übereinkommen dehnt ihn jedoch im Distanzgeschäft sogar noch dahingehend aus, daß die Erfüllung der Formerfordernisse eines jeden der Aufenthaltsrechte beider Vertragsparteien bei Vertragsschluß zur Wirksamkeit führt (Art 911 EVÜ). Den Parteien stehen also bei Distanzgeschäften drei Rechtsordnungen offen, unter deren Formvorschriften sie wählen können. Bei Distanzgeschäften gilt demnach die jeweilige Ortsform nicht jeweils gesondert für die dort abgegebene Willenserklärung, sondern für den Vertrag in seiner Gesamtheit.147 Bei Vertreterhandeln ist auf den Aufenthaltsort des Vertreters abzustellen (Art 9 III EVÜ), bei einseitigen, vertragsbezogenen Rechtsgeschäften, vor allem bei der Ausübung von Gestaltungsrechten wie etwa der Kündigung,148 auf den Aufenthaltsort des Erklärenden (Art 9 IV EVÜ). 37 Sonderanknüpfungen im Formrecht, die die wirksamkeitsfördernde Wahlmöglichkeit einschränken, finden sich in Art 9 V und VI EVÜ. Wichtiger für das Europäische Schuldvertragsrecht ist Art 9 V EVÜ, der bei Verbraucherverträgen, soweit Art 5 EVÜ zu einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers führt, dieses Recht für ausschließlich anwendbar erklärt. Gerechtfertigt wird dies vor allem mit der Überlegung, daß mit Formvorschriften eben doch häufig materiellrechtliche Schutzzwecke verfolgt werden.149 Bei grundstücksbezogenen Verträgen wird der favor nicht zwingend zurückgedrängt, sondern nur wenn die lex rei sitae seine Normen international zwingend durchsetzen will. Daneben wird erwogen, ob nicht Formvorschriften auch nach Art 7 EVÜ international zwingend durchgesetzt werden können.150 Dagegen spricht,

« Kegel, IPR, S 463 (implizit); MünchKomm {-Spellenberg), Art 11 EGBGB, Rn 7 6 ; Palandt (-Heldrich), Art 11 EGBGB, Rn 3 ; aA (mit der Erwägung, daß die Anknüpfung des Vertragsstatuts besser legitimiert ist): Gamillscbeg, Überlegungen zur Methode der Qualifikation, FS Michaelis 1972, 79 ( 9 3 - 9 6 ) ; Grundmann (oben Fn 44) S 8 1 - 8 5 , 1 1 5 - 1 3 0 ; Wengler, Die Vorfrage im Kollisionsrecht, RabelsZ 8 (1934) 148 ( 2 4 0 - 2 4 2 ) . Zur Begründung des Primats der Ortsform gegenüber gegenläufigen materiellrechtlichen Interessen mit der Überlegung, aufgrund gesteigerter Unwägbarkeiten im internationalen Rechtsverkehr müsse auch die verbürgte Rechtssicherheit intensiviert werden: Kropholler, IPR, S 284. 1 4 7 B G H Z 121, 2 2 4 ; MünchKomm {-Spellenberg) Art 32 EGBGB, Rn 36; Reithmann / Martiny {-Reithmann), Internationales Vertragsrecht, Rn 5 6 1 ; grundlegend: Zweigert, FS Rabel I 1954, 631 (noch eine Anknüpfung an den jeweiligen Vornahmeort favorisierend); zum Problem auch: Jayme / Götz, IPRax 1985, 113. M

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Giuliano / Lagarde, AB1EG 1980 C 2 8 2 / 1 (29); MünchKomm {-Spellenberg) Art 11 EGBGB, Rn 3, 9. Giuliano /Lagarde, AB1EG 1980 C 282/1 (31 f); ausführlich zum Zusammenspiel dieser Interessen: Adamski, Form der Rechtsgeschäfte und materielle Interessen im internationalen Privatrecht, Diss Mainz 1979. Außerhalb von Art 9 V, VI EVÜ entscheidet die hM umgekehrt: vgl Nachw oben Fn 146. Giuliano / Lagarde, AB1EG 1980 C 282/1 (31); Reithmann / Martiny {-Reithmann), Internationales Vertragsrecht, Rn 572.

1.01 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

183

daß das Übereinkommen diesen Mechanismus für Formfragen gezielt in einem konkreten Fall (Art 9 V EVÜ) eingeführt hat, nicht jedoch in anderen. cc) Die Ausnahmevorschrift des Art 10 II EVÜ zu den Erfüllungsmodalitäten ist 38 zurückhaltend formuliert, das Recht am Erfüllungsort ist nur zu „berücksichtigen". Auch die Gründe, die für eine grundsätzlich einheitliche Anknüpfung des Vertragsstatuts sprechen, legen eine restriktive Auslegung nahe.15' Gewährleistet werden soll allein das reibungslose Verfahren bei der Erfüllung. Die Interessenlage entspricht hier also derjenigen der Anknüpfung des Prozeßrechts an die lex fori. „Gerichten [wird] zwar zugemutet, fremdes Recht anzuwenden, nicht aber, ihr eigenes Handeln, nämlich den Ablauf des Gerichtsverfahrens, fremdem Recht anzupassen."152 Das Anknüpfiingsinteresse ist insoweit schwächer als das, das für eine Anknüpfung an den Sitz des Schuldners der charakteristischen Leistung spricht. Wie für die Abgrenzung von Prozeßrecht und materiellem Recht bietet sich daher auch hier der outcome-Test als Grundregel an: Normen, welche bei einer ex ante Betrachtung den Inhalt der Leistungspflicht zwangsläufig beeinflussen, dh ihn mindern, steigern oder sonst ändern, sind nicht als bloße Erfüllungsregeln anzusehen.153 Daher gehören zu den Erfüllungsregeln nach Art 10 II EVÜ allenfalls Regeln über Feiertage,154 über Priifungs- und Rügepflichten155 und über die bei Zurückweisung zu treffenden Maßnahmen.156 Nicht zu den Erfüllungsregeln iSv Art 10 II EVÜ zählen hingegen diejenigen, die Einreden begründen,157 oder Normen über das Schuldwährungsstatut158 oder Devisenregeln159 - letzteres beides in Abkehr von zahlreichen Judizien etwa des Reichsgerichts.160 Krings, Erfüllungsmodalitäten, S 157 f, 166; und wohl auch ν Bar, IPR II, Rn 546; zu dieser Vorschrift ausführlich: Krings aaO; Siehr, Multilaterale Staatsverträge erga omnes und deren Inkorporation in nationale IPR-Kodifikationen - Vor- und Nachteile einer solchen Rezeption, BerDGesVR 27 (1986) 45 (114 f). 152 Kegel, IPR, S 810. 153 Für Teilfragen ebenso MünchKomm (-Spellenberg), Vor Art 32, Rn 126. i « ν Bar, IPR II, Rn 540 (Fn 604); Giuliano / hagarde, ABIEG 1980 C 282/1 (34); BT-Drs X/504, S 82; MünchKomm (-Spellenberg), Art 32 EGBGB, Rn 122. BT-Drs X/504, S 82; ν Bar, IPR II, Rn 540; Giuliano / hagarde, ABIEG 1980 C 282/1 (34); Kegel, IPR, S 495, 431; Kropholler, IPR, S 389; zögernd: MünchKomm (-Spellenberg), Art 32 EGBGB, Rn 127; sehr restriktiv, mit beachtlichen Gründen: Krings, Erfüllungsmodalitäten, S 157 f (nur soweit das nach Vertragsstatut vorgesehene Rügeverfahren, etwa durch amtliches Gutachten, am Handlungsort nicht zur Verfügung steht). »« BT-Drs X/504, S 82; Giuliano / hagarde, ABIEG 1980 C 282/1 (34); Kropholler, IPR, 151

S 389; zögernd: MünchKomm (-Spellenberg), Art 32 EGBGB, Rn 127. i " Gaudement-Tallon, RTDE 17 (1981) 215 (267 f); MünchKomm (-Spellenberg), Art 32 EGBGB, Rn 121. 158 MünchKomm (-Martiny), Anh I nach Art 34 EGBGB, Rn 3, 5, 7 - 9 . BT-Drs X/504, S 82; MünchKomm (-Spellenberg), Art 32 EGBGB, Rn 122. •60 Etwa die Pflicht zur Zahlung von Verzugs- bzw Prozeßzinsen als Erfüllungsmodalität qualifizierend: RGZ 1, 59 (61); 5, 254 (261); teils gar den ganzen „Inhalt der Leistung", zu dem nur die Begr und Auslegung nicht zähle: RGZ 126, 196 (bes 211); vgl auch: RGZ 118, 370 (371-373).

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Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

dd) Die restlichen Regeln (Art 11-14 EVÜ) betreffen Materien, die im sonstigen Europäischen Schuldvertragsrecht kaum einmal relevant werden. Nach Art 11 EVÜ gelten die Regeln des Vertragsstatuts auch für die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit zumindest zugunsten des gutgläubigen Vertragspartners.161 Ein Umkehrschluß für den verbleibenden Bereich ist unzulässig (Art 1 II lit. a EVÜ). Das EVÜ überläßt also den nationalen Kollisionsregeln die Antwort auf die Fragen, ob die Regel des Vertragsstatuts auch zu Lasten des anderen Vertragspartners anzuwenden ist und ob sie nicht auch unabhängig von seiner Gutgläubigkeit gilt. Für das deutsche IPR ist beides zu verneinen, es gilt das Personalstatut.162 Anders wird dies bei spezieller Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit für einzelne Rechtsfragen gesehen. 163 Diese stellt freilich eher ein Phänomen des Familien-, Erb- und Gesellschaftsrechts dar als eines des Schuldvertragsrechts. Für die Zession wird der Grundsatz des einheitlichen Vertragsstatuts in Art 12 EVÜ bestätigt. Der gesetzliche Forderungsübergang auf einen Dritten, der die Forderung tilgt, beurteilt sich gemäß Art 13 EVÜ nach dem Schuldstatut der Verpflichtung, der der Dritte dem Gläubiger gegenüber unterliegt. Fragen der Erfüllung und Abwicklung von Ansprüchen stehen ansonsten weit außerhalb des Europäischen Schuldvertragsrechts, das regelmäßig schon die Sanktionen im Zweipersonenverhältnis ungeregelt läßt. Für Beweisfragen, die im sonstigen Europäischen Schuldvertragsrecht manchmal angesprochen sind, bestätigt Art 14 EVÜ die grundsätzliche Anwendbarkeit des Schuldstatuts (bzw des Formstatuts, soweit die Form Beweiszwecken dient).164 Es muß sich nur um ein Beweismittel handeln, das das Forum ebenfalls kennt (Art 14 II aE EVÜ).

g) Verbliebene Regelungslücken und -freiräume 4 0 Das Übereinkommen geht von einem sehr breiten Begriff des Schuldvertragsrechts aus: Es umfaßt auch das Recht, das auf Schuldverträge einwirkt, etwa Kartellrecht (Art 7 EVÜ). Das Übereinkommen regelt also das gesamte für Schuldverträge relevante Recht unter dem Gesichtspunkt des anwendbaren Rechts. Das Übereinkommen ist auch, anders als die wichtigste kollisionsrechtliche Regelung im Unter dem Gesichtspunkt einer Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf das internationale Privatrecht ausführlich zu Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit: Brödermann / Iversen, Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, S 158-161, 2 2 8 - 2 4 2 . 162 Fischer (oben Fn 143) S 4 6 - 5 4 , 115-118; Reithmann / Martiny (-Haussmann), Internationales Vertragsrecht, Rn 2 0 6 6 ; vorsichtig auch MünchKomm (-Spellenberg) Art 12 EGBGB, Rn 57a (für das Wahlrecht). i " Statt aller: MünchKomm {-Birk) Art 7 EGBGB, Rn 3 9 - 4 5 . 164 Zur materiellrechtlichen Qualifikation von Beweismitteln und Beweislast (und den abw Ansätzen im angloamerikanischen Recht): Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht - das auf den Beweis anwendbare Recht in Rechtsstreitigkeiten mit Auslandsbezug, 1983, bes S 4 3 5 - 4 3 7 (Beweismittel, hier freilich differenzierend) und 2 4 3 - 2 7 5 (Beweislast); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 2 6 4 - 2 6 8 (bei Beweismittel favor); vgl auch die in Fn 41 Genannten; für eine prozessuale Qualifikation hingegen: Donath, Die Statutes of Fraud der US-amerikanischen Bundesstaaten aus der Perspektive des deutschen Kollisionsrechts, IPRax 1994, 333 (339). 161

1.01 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

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Schuldvertragsrecht des EG-Sekundärrechts, nicht insofern lückenhaft, als nur ein beschränkter Raum erfaßt wäre: Das Ubereinkommen gilt nicht etwa nur für Verträge, die Gegenstände (Risiken) betreffen, die in der Gemeinschaft belegen sind. Vielmehr schafft es als loi uniforme eine Regelung, die aus Sicht des Forums weltweit alle schuldvertragsrechtlichen Sachverhalte erfaßt. Auch die Ausnahmen vom Anwendungsbereich betreffen weit überwiegend andere Rechtsgebiete. Anders ist dies nur beim Kollisionsrecht der Direktversicherungsverträge (bei Lage des Risikos in der Gemeinschaft). Auch das Wechsel- und Scheckrecht, das Recht des trust 165 und das Recht der Stellvertretung betreffen intensiv Schuldverträge, wenn hier auch aus kollisionsrechtlicher Sicht schon teils andere Statuten angesprochen sind. Weitere Lücken im sachlichen Anwendungsbereich fehlen. 3. Umsetzung Das Übereinkommen war als internationales Übereinkommen klassischer Prägung 41 zu ratifizieren, nicht umzusetzen. Insbesondere waren, anders als nach Art 189 III EGV, nicht nur die Ziele (genauer: die Ergebnisse) verbindlich, die Mittel hingegen durch den nationalen Gesetzgeber zu wählen. Vielmehr hat der ratifizierende Staat nach klassischer völkerrechtlicher Theorie bei der Inkorporation die Vorgaben des Übereinkommens ohne Ausgestaltungsermessen zu verwirklichen. In Deutschland erfolgte die Inkorporation im Rahmen des IPR-Gesetzes von 4 2 1986 (vgl Fundstellenverzeichnis). Trotz kontroverser Diskussion im Gesetzgebungsverfahren 166 blieb es im wesentlichen beim Regierungsentwurf 167 - bei einer wesentlichen Ausnahme: Auf Intervention des Bundesrates machte der deutsche Gesetzgeber von dem in Art 22 I lit. a EVÜ eröffneten Vorbehalt Gebrauch und verzichtete auf eine kollisionsrechtliche Anknüpfung solcher zwingender Normen einer ausländischen Rechtsordnung, die nicht unter Art 5 EVÜ / Art 29 EGBGB (Verbraucherschutz) fallen (Art 7 I EVÜ).168 Die Kritik in diesem Punkte konnte allein rechtpolitischer Natur sein.169 165

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Insoweit ist freilich darauf hinzuweisen, daß die schuldvertraglich konzipierte deutsche Treuhand ohnehin nicht vom Anwendungsbereich des Ubereinkommens ausgenommen ist: Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 10; zur differenzierten Qualifikation des trust vgl nur Czermak, Der express trust im internationalen Privatrecht, 1986; MünchKomm (-Sonnenberger) Einl IPR Rn 479. Materialien vgl BR-Drs 222/83; 224/84; 224/1/83; BT-Drs Χ/504; X/5632; zur Geschichte: Reithmann / Martiny {-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 3. BR-Drs 224/84. BR-Drs 222/83; BT-Drs X/504 S 100; BT-Drs X/5632 S 45. Art 7 I EVÜ legt die Anwendung dieser ausländischen Normen in das Ermessen des Richters. Vgl dazu ν Bar, Internationales Wettbewerbsbeschränkungsrecht zwischen Sach- und Kollisionsrecht, FS Ferid 1988, 13 (30); MünchKomm [-Martiny), Art 34 EGBGB, Rn 42-45; Sonnenberger, Internationales Privatrecht - Internationales Öffentliches Recht, FS Rebmann 1989, 819 (825); zur Kritik vgl nächste Fn. Däubler, Das neue internationale Arbeitsrecht, RIW 1987,249 (256); Lehmann, Eingriffsnormen dritter Staaten und die deutsche IPR-Reform, ZRP 1987, 319 (319-321); Hentzen, Zur Anwendung fremden Eingriffsrechts seit der IPR-Reform, RIW 1988, 508 (508 f); Grafv Westphalen, Die Neufassung der HERMES-Bedingungen, ZIP 1986, 1497 (1504).

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Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

43 Rechtmäßigkeitsbedenken ergaben sich im Allgemeinen und in einigen Details der Umsetzung. Der deutsche Gesetzgeber verwies nicht nur auf das Übereinkommen (einfaches Vertragsgesetz), sondern inkorporierte das Ubereinkommen in Art 27-37 EGBGB, formulierte die Regeln also neu aus. Dagegen wurden schon von der Technik her Rechtmäßigkeitsbedenken geäußert.170 Insoweit besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Übereinkommen und dem deutschen IPR-Gesetz. Insbesondere stattete der deutsche Gesetzgeber das Übereinkommen - aus nicht nachzuvollziehenden Gründen - nicht mit der sonst vorgesehenen unmittelbaren Anwendbarkeit und dem daraus resultierenden Vorrang vor nationalem Recht aus (vgl Art 3 II 1 EGBGB). 171 Zugleich verpflichtete er in Art 36 EGBGB den Rechtsanwender, die deutschen Vorschriften einheitsfördernd auszulegen (wie das Übereinkommen selbst). Dies ist insbesondere bei den Vorschriften schwierig, die aus dem Verbund der schuldvertragsrechtlichen Kollisionsnormen herausgelöst wurden und nunmehr, wie die ordre-public-Vorschrift des Art 6 EGBGB, teils autonom gesetztes deutsches Recht darstellen, teils einen Teil der Inkorporation des Übereinkommens in deutsches Recht.172 Jedenfalls ist bei Abweichungen des deutschen Wortlauts von demjenigen des Europäischen Vertragsrechtsübereinkommens unklar, ob nun die Pflicht nach Art 36 EGBGB vorgeht oder aber die Überlegung, daß dem Übereinkommen kein Vorrang vor deutschem Recht zukommt; ein gut ausgebildetes Instrument zur Konfliktbewältigung, wie es im Falle von EG-Richtlinien die richtlinienkonforme Auslegung darstellt, fehlt hier.173 Diese Spannungen zeigen sich auch nicht nur bei Fragen der Auslegung, sondern ebenso bei Vorfragen, die im Rah-

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Aus diesem Grunde empfahl die EG-Kommission der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme v o m 15. 1. 1 9 8 5 , den Gerichten den direkten Rückgriff auf das EVU ausdrücklich zu gestatten und Änderungen in Wortlaut und Systematik zu vermeiden: AB1EG 1 9 8 5 L 4 4 / 4 2 (43). Beides ist voneinander zu unterscheiden. Bedenken allein schon wegen der Inkorporationstechnik (unabhängig von den Abweichungen) bei: MaxPlanck-Institut für Internationales Privatrecht, Kodifikation des deutschen Internationalen Privatrechts, RabelsZ 4 7 (1983) 5 9 3 ( 6 0 2 f, 6 6 5 - 6 6 7 ) ; ν Hoffmann, I P R a x 1 9 8 4 , 1 0 ( 1 1 - 1 3 ) (jedenfalls unzweckmäßig); Kohler, E u R 1 9 8 4 , 1 5 5 (bes 1 5 7 - 1 7 3 ) ; ohne rechtliche Bedenken hingegen: Nolte, IPRax 1 9 8 5 , 71 (bes 7 6 ) ; Sandrock, R I W 1 9 8 6 , 841 (843 f) (mwN für beide Meinungen in Fn 19). Art 1 II des (Zustimmungs-)Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. 6. 1 9 8 0 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht v o m 2 5 . 7. 1 9 8 6 , B G B l II, S 8 0 9 ; zur Geschichte etwa Sandrock, R I W 1 9 8 6 , 841 ( 8 4 2 - 8 4 4 ) . Z u r Anwendung des Art 3 6 E G B G B auch auf diese N o r m e n : ν Hoffmann, I P R a x 1 9 8 4 , 10 (12); Martiny, Z E u P 1 9 9 5 , 6 7 (73 f); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 17; Sandrock, R I W 1 9 8 6 , 8 4 1 (844). Krit zu dieser Unsicherheit auch: Junker, RabelsZ 5 5 (1991) 6 7 4 (691). Im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung wäre entscheidend, daß der deutsche Gesetzgeber nach eigenem Bekunden das Übk mit Art 2 7 - 3 7 E G B G B umfassend korrekt umsetzen wollte: vgl etwa BT-Drs X / 5 0 4 , S 7 6 . Unter diesen Umständen wäre den Ergebnissen, die die supranationale Rechtssetzungsmaßnahme zeitigt, innerstaatlich umfassend zum Durchbruch zu verhelfen gewesen: vgl Grundmann, Z E u P 1 9 9 6 , 3 9 9 (bes 4 2 0 - 4 2 3 ) und oben 1. Teil Rn 1 6 0 - 1 6 3 .

1.01 Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

187

men internationaler Übereinkommen überwiegend unselbständig, außerhalb jedoch selbständig angeknüpft werden, oder bei der Qualifikation nach lex fori oder autonom.174 Neben diese Rechtmäßigkeitsbedenken hinsichtlich der Umsetzungstechnik 44 scheinen solche zu treten, die sich auf die Einzelvorschriften beziehen, Änderungen des Wortlauts und kleinerer Details.175 Diese schlagen allerdings kaum einmal durch. Daß Art 1 I und 2 EVÜ nicht ausdrücklich übernommen wurden, ist unschädlich, da sich gleiches aus der Stellung im EGBGB ohnehin ergibt. Die nur teilweise Übernahme der Ausnahmen vom Anwendungsbereich (Art 1 II EVÜ; Art 37 EGBGB) ist ebenfalls unschädlich, da die Ausnahmen nur nicht weitergehen durften. Die Umsetzung in den eigentlichen Anknüpfungsvorschriften (Art 3-14 EVÜ) ist in Art 27 ff EGBGB korrekt erfolgt, einerseits für die wichtigen zwingenden Statuten176 und andererseits für die Regeln zur Rechtswahl, objektiven Anknüpfung und der Reichweite des Vertragsstatuts (mit den Sonderanknüpfungen).177 Allein Art 9 und 11 EVÜ wurden außerhalb der Art 27 ff EGBGB umgesetzt, jeweils inhaltlich identisch, im ersten Fall in Art 11 I-IV und Art 29 III EGBGB, 1 7 8 im zweiten in Art 12 I 1 EGBGB. Unter den Metaregeln der Art 15-21 EVÜ sind nur Art 15 und 19 EVÜ - soweit 45 nötig - in Art 27 ff EGBGB identisch umgesetzt (Art 35 EGBGB), während bei der Umsetzung des Art 18 EVÜ (Art 36 EGBGB) die genannten Probleme auftreten. Art 16 EVÜ wurde inhaltlich grundsätzlich übereinstimmend in Art 6 EGBGB übernommen, allerdings mit etwas divergierendem Wortlaut und mit starrer Regel hinsichtlich des Grundrechtskatalogs, so daß die Übereinstimmung nicht verbürgt erscheint. Art 17, 20 und 21 EVÜ wurden gar nicht explizit übernommen (vgl jedoch Art 220 I EGBGB); insbesondere der Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen (Art 21 EVÜ) ist allein für den Fall verbürgt, daß diese unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht wurden (Art 3 II 2 EGBGB). Die Sicherheit der gemeinschaftsrechtskonformen Rechtsanwen-

174

Vgl nur Matisel,

Z u Auslegungsproblemen des IPR-Reformgesetzes, StAZ 1 9 8 6 , 3 1 5

(316).

17

5 Überbl über die Abweichungen: Kohler, E u R 1 9 8 4 , 155 (156). Art 5 f EVÜ finden sich inhaltlich identisch in Art 2 9 f E G B G B wieder, Art 7 II E V Ü weitgehend sogar wörtlich identisch in Art 3 4 E G B G B , während hinsichtlich Art 7 I EVÜ der Vorbehalt zulässig war.

176

177

Art 3 und 4 E V Ü finden sich - bei gelegentlichen Umstellungen einzelner Sätze, die jedoch auch in Fragen der systematischen Auslegung keine Änderung bedeuten - in Art 2 7 und 2 8 E G B G B inhaltlich, ganz überwiegend gar wörtlich identisch wieder, ohne Zufügungen oder Auslassungen, desgleichen Art 8 und 10 EVÜ in Art 31 und 3 2 I, II E G B G B und Art 12 f E V Ü in Art 3 3 E G B G B .

178

Hier wird freilich allgem auf (ein- und zweiseitige) Rechtsgeschäfte abgestellt, so daß auf den „Vornahmeort" verwiesen wird (Art 11 I E G B G B ) , was bei zweiseitigen Rechtsgeschäften (Verträgen) nicht notwendig so verstanden werden muß wie im EVÜ (Vertragsabschlußort). Absatz 2 bringt insoweit freilich Klarheit (in Übereinstimmung mit dem Übk). Art 11 V E G B G B betrifft dingliche Rechtsgeschäfte.

188

Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

dung, die der EuGH bei Umsetzung von Richtlinien fordert179, erscheint nicht gewährleistet. 46 Bei der Ausformulierung im einzelnen traten also wieder nur im „Allgemeinen Teil" weitere Modifikationen auf, die Rechtmäßigkeitsbedenken hervorrufen könnten. B. Fundstellenverzeichnis 47 Grundlage: Internationales Übereinkommen, jenseits von Art 220 EGV Betr: Auf Schuldverträge anwendbares (nationales) Recht, soweit diesbezüglich kein sonstiges EG-Recht oder internationales Recht eingreift Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1980 L 266/1 = BGBl 1986 II, S 810 (deutsch-englisch-französisch) - in Kraft getreten am 1. 4. 1991 AB1EG 1991 C 52/1 und BGBl 1991 II, S 871 - erstreckt durch das [Luxemburger] Übereinkommen 84/297/ EWG vom 10. 4. 1984 über den Beitritt der Republik Griechenland zu dem am 19. 6. 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (AB1EG 1984 L 146/1; BGBl 1988 II, S 562; 1991 II, S 872) mit Wirkung vom 1. 4. 1991 und durch das Übereinkommen 92/529/EWG [von Funchal] vom 18. 5. 1992 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zu dem am 19. 6.1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (AB1EG 1992 L 333/1; BGBl 1995 II, S 307 und 908) mit Wirkung vom 1. 9. 1995 (im Verhältnis zu Deutschland). Für Finnland, Österreich und Schweden vgl Fn 1. - Vorentwurf von 1972, veröffentlicht in RabelsZ 38 (1974) 211 (deutsch); 21 AJCL 584 (1973) (englisch); Rev.crit.d.i.p. 62 (1973) 209 (französisch). Materialien: Giuliano / Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, AB1EG 1980 C 282/1 (= BT-Drs X/503, S 33); Pirrung, Internationales Privat- und Verfahrensrecht nach dem Inkraftttreten der Neuregelung des IPR, Texte, Materialien, Hinweise, Köln (Bundesanzeiger) 1987; Giuliano / Lagarde / van Sasse van Ysselt, Rapport concernant l'avant-projet de Convention sur la loi applicable aux obligations contractuelles et non-contractuelles, Riv.d.i.p.proc. 9 (1973) 198 Art 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25. 7.1986 Fundstelle: BGBl 1986 I, S 1142; vgl auch BGBl 1986 II, S 809. ™ EuGH 28. 3 . 1 9 8 5 - Rs 2 1 5 / 8 3 (Kommission /Belgien), Slg 1 9 8 5 , 1 0 3 9 (1051 f); EuGH 8. 10. 1996 - verb. Rs C-178/94, C-179/94, C-188/94, C - 1 8 9 / 9 4 und C - 1 9 0 / 9 4 (Dillenkofer ua), Slg 1996,1-4845 (4884).

Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (80/934/EWG)

PRÄAMBEL DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft IN DEM BESTREBEN, die innerhalb der Gemeinschaft insbesondere im Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit und der Vollstrekkung gerichtlicher Entscheidungen bereits begonnene Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts fortzusetzen, IN DEM WUNSCH, einheitliche Normen für die Bestimmung des auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts zu schaffen SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN: TITEL I ANWENDUNGSBEREICH Artikel

1

Anwendungsbereich (1) Die Vorschriften dieses Übereinkommens sind auf vertragliche Schuldverhältnisse bei Sachverhalten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, anzuwenden. (2) Sie sind nicht anzuwenden auf a) den Personenstand sowie die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit von natürlichen Personen, vorbehaltlich des Artikels 11 ; b) vertragliche Schuldverhältnisse betreffend - Testamente und das Gebiet des Erbrechts, - die ehelichen Güterstände, - die Rechte und Pflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf einer Schwägerschaft beruhen, einschließlich der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem nichtehelichen Kind; c) Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, sofern die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen;

d) Schieds - und Gerichtsstandsvereinbarungen; e) Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie z.B. die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person; f) die Frage, ob ein Vertreter die Person, für deren Rechnung er zu handeln vorgibt, Dritten gegenüber verpflichten kann, oder ob das Organ einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person diese Gesellschaft, diesen Verein oder dieser juristische Person gegenüber Dritten verpflichten kann; g) die Gründung von „Trusts" sowie die dadurch geschaffenen Rechtsbeziehungen zwischen den Verfügenden, den Treuhändern und den Begünstigten; h) den Beweis und das Verfahren, vorbehaltlich des Artikels 14. (3) Die Vorschriften dieses Übereinkommens sind nicht anzuwenden auf Versicherungsverträge, die in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft belegene Risiken decken. Ist zu entscheiden, ob ein Risiko in diesen Hoheitsgebieten belegen ist, so wendet das Gericht sein innerstaatliches Recht an. (4) Absatz 3 gilt nicht für Rückversicherungsverträge. Artikel

2

Anwendung des Rechts von Nichtvertragsstaaten Das nach diesem Übereinkommen bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es das Recht eines Nichtvertragsstaats ist.

190

Europäisches Vertragsrechtübereinkommen TITEL II EINHEITLICHE BESTIMMUNGEN Artikel 3 Freie Rechtswahl

(1) Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muH ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen. (2) Die Parteien können jederzeit vereinbaren, daB der Vertrag nach einem anderen Recht zu beurteilen ist als dem, das zuvor entweder aufgrund einer früheren Rechtswahl nach diesem Artikel oder aufgrund anderer Vorschriften dieses Übereinkommens für ihn maßgebend war. Die Formgültigkeit des Vertrages im Sinne des Artikels 9 und Rechte Dritter werden durch eine nach VertragsabschluB erfolgende Änderung der Bestimmung des anzuwendenden Rechts nicht berührt. (3) Sind alle anderen Teile des Sachverhalts im Zeitpunkt der Rechtswahl in ein und demselben Staat belegen, so kann die Wahl eines ausländischen Rechts durch die Parteien - sei sie durch die Vereinbarung der Zuständigkeit eines ausländischen Gerichtes ergänzt oder nicht die Bestimmungen nicht berühren, von denen nach dem Recht jenes Staates durch Vertrag nicht abgewichen werden kann und die nachstehend „zwingende Bestimmungen" genannt werden. (4) Auf das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Einigung der Parteien über das anzuwendende Recht sind die Artikel 8, 9 und 11 anzuwenden. Artikel 4 Mangels Rechtswahl anzuwendendes Recht (1) Soweit das auf den Vertrag anzuwendende Recht nicht nach Artikel 3 vereinbart worden ist, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Läßt sich jedoch ein Teil des Vertrages von dem Rest des Vertrages trennen und weist dieser Teil eine engere Verbindung mit einem anderen Staat auf, so kann auf ihn ausnahmsweise das Recht dieses anderen Staates angewendet werden. (2) Vorbehaltlich des Absatzes 5 wird vermutet, daB der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, wenn es sich um eine Gesellschaft, einen Verein oder eine juristische Person handelt, ihre Hauptverwaltung hat.

Ist der Vertrag jedoch in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Partei geschlossen worden, so wird vermutet, daß er die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem sich deren Hauptniederlassung befindet oder in dem, wenn die Leistung nach dem Vertrag von einer anderen als der Hauptniederlassung zu erbringen ist, sich die andere Niederlassung befindet. (3) Ungeachtet des Absatzes 2 wird, soweit der Vertrag ein dingliches Recht an einem Grundstück oder ein Recht zur Nutzung eines Grundstücks zum Gegenstand hat, vermutet, daB der Vertrag die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem das Grundstück belegen ist. (4) Die Vermutung nach Absatz 2 gilt für Güterbeförderungsverträge. Bei diesen Verträgen wird vermutet, daß sie mit dem Staat die engsten Verbindungen aufweisen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort oder der Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders befindet. Als Güterbeförderungsverträge gelten für die Anwendung dieses Absatzes auch Charterverträge für eine einzige Reise und andere Verträge, die in der Hauptsache der Güterbeförderung dienen. (5) Absatz 2 ist nicht anzuwenden, wenn sich die charakteristische Leistung nicht bestimmen läßt. Die Vermutungen nach den Absätzen 2, 3 und 4 gelten nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist. Artikel 5 Verbraucherverträge (1) Dieser Artikel gilt für Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen an eine Person, den Verbraucher, zu einem Zweck, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Verbrauchers zugerechnet werden kann, sowie für Verträge zur Finanzierung eines solchen Geschäfts. (2) Ungeachtet des Artikels 3 darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, daß dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, gewährte Schutz entzogen wird: -

wenn dem VertragsabschluB ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat oder

-

wenn der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Ver-

1.01 Europäisches Vertragsrechtübereinkommen brauchers in diesem Staat entgegengenommen hat oder -

wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von diesem Staat ins Ausland gereist ist und dort seine Bestellung aufgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum VertragsabschluB zu veranlassen.

(3) Abweichend von Artikel 4 ist mangels einer Rechtswahl nach Artikel 3 für Verträge, die unter den in Absatz 2 bezeichneten Umständen zustande gekommen sind, das Recht des Staates maßgebend, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (4) Dieser Artikel gilt nicht für a) Beförderungsverträge, b) Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (5) Ungeachtet des Absatzes 4 gilt dieser Artikel für Reiseverträge, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen.

191

Artikel 7 Zwingende Vorschriften (1) Bei Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates aufgrund dieses Übereinkommens kann den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufwelst, Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und ihr Gegenstand sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden. (2) Dieses Übereinkommen berührt nicht die Anwendung der nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichtes geltenden Bestimmungen, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln. Artikel 8 Einigung und materielle Wirksamkeit

Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen

(1) Das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrages oder einer seiner Bestimmungen beurteilen sich nach dem Recht, das nach diesem Übereinkommen anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre.

(1) Ungeachtet des Artikels 3 darf in Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, daß dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Absatz 2 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre.

(2) Ergibt sich jedoch aus den Umständen, daß es nicht gerechtfertigt wäre, die Wirkung des Verhaltens einer Partei nach dem in Absatz 1 bezeichneten Recht zu bestimmen, so kann sich diese Partei für die Behauptung, sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt, auf das Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts berufen.

Artikel 6

(2) Abweichend von Artikel 4 sind mangels einer Rechtswahl nach Artikel 3 auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse anzuwenden: a) das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist, oder b) das Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, es sei denn, daß sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

Artikel 9 Form (1) Ein zwischen Personen, die sich in demselben Staat befinden, geschlossener Vertrag ist formgültig, wenn er die Formerfordernisse des auf ihn nach diesem Übereinkommen materiellrechtlich anzuwendenden Rechts oder des Rechts des Staates, in dem er geschlossen wurde, erfüllt. (2) Ein zwischen Personen, die sich in verschiedenen Staaten befinden, geschlossener Vertrag ist formgültig, wenn er die Formerfordernisse des auf ihn nach diesem Übereinkommen materiell-rechtlich anzuwendenden Rechts oder des Rechts eines dieser Staaten erfüllt. (3) Wird der Vertrag durch einen Vertreter geschlossen, so muß bei Anwendung der Absätze

192

Europäisches Vertragsrechtübereinkommen

1 und 2 der Staat berücksichtigt werden, in dem sich der Vertreter befindet. (4) Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das sich auf einen geschlossenen oder zu schließenden Vertrag bezieht, ist formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das nach diesem Übereinkommen für den Vertrag maßgebend ist oder maßgebend wäre, oder die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt, in dem dieses Rechtsgeschäft vorgenommenen worden ist. (5) Die Absätze 1 bis 4 sind nicht anzuwenden auf Verträge, für die Artikel 5 gilt und die unter den in Artikel 5 Absatz 2 bezeichneten Umständen geschlossen worden sind. Für die Form dieser Verträge ist das Recht des Staates maßgebend, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (6) Abweichend von den Absätzen 1 bis 4 beurteilen sich Verträge, die ein dingliches Recht an einem Grundstück oder ein Recht zur Nutzung eines Grundstücks zum Gegenstand haben, nach den zwingenden Formvorschriften des Staates, in dem das Grundstück belegen 1st, sofern diese nach dem Recht dieses Staates ohne Rücksicht auf den Ort des Abschlusses des Vertrages und auf das auf Ihn anzuwendende Recht gelten.

Artikel

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Geltungsbereich des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts (1) Das nach den Artikeln 3 bis 6 und nach Artikel 12 dieses Übereinkommens auf einen Vertrag anzuwendende Recht ist insbesondere maßgebend für a) seine Auslegung, b) die Erfüllung der durch ihn begründeten Verpflichtungen, c) die Folgen der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen, einschließlich der Schadensbemessung, soweit sie nach Rechtsnormen erfolgt, in den Grenzen der dem Gericht durch sein Prozeßrecht eingeräumten Befugnisse, d) die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen sowie die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben, e) die Folgen der Nichtigkeit des Vertrages. (2) In bezug auf die Art und Weise der Erfüllung und die vom Gläubiger im Falle mangelhafter Erfüllung zu treffenden Maßnahmen ist das Recht des Staates, in dem die Erfüllung erfolgt, zu berücksichtigen.

Artikel

11

Rechts - , Geschäfts - und Handlungsunfähigkeit Bei einem zwischen Personen, die sich in demselben Staat befinden, geschlossenen Vertrag kann sich eine natürliche Person, die nach dem Recht dieses Staates rechts-, geschäfts- und handlungsfähig wäre, nur dann auf ihre aus dem Recht eines anderen Staates abgeleitete Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit berufen, wenn der andere Vertragstell bei Vertragsabschluß diese Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit kannte oder infolge Fahrlässigkeit nicht kannte. Artikel

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Übertragung der Forderung (1) Für die Verpflichtungen zwischen Zedent und Zessionar einer Forderung ist das Recht maßgebend, das nach diesem Übereinkommen auf den Vertrag zwischen ihnen anzuwenden ist. (2) Das Recht, dem die übertragene Forderung unterliegt, bestimmt ihre Übertragbarkeit, das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner, die Voraussetzungen, unter denen die Übertragung dem Schuldner entgegengehalten werden kann, und die befreiende Wirkung einer Leistung durch den Schuldner. Artikel

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Gesetzlicher Forderungsübergang (1) Hat eine Person, der Gläubiger, eine vertragliche Forderung gegen eine andere Person, den Schuldner, und hat ein Dritter die Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen, oder befriedigt er den Gläubiger aufgrund dieser Verpflichtung, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten maßgebende Recht, ob der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner gemäß dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht ganz oder zu einem Teil geltend zu machen berechtigt ist. (2) Dies gilt auch, wenn mehrere Personen dieselbe vertragliche Forderung zu erfüllen haben und der Gläubiger von einer dieser Personen befriedigt worden ist. Artikel

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Beweis (1) Das nach diesem Übereinkommen für den Vertrag maßgebende Recht ist insoweit anzuwenden, als es für vertragliche Schuldverhältnisse gesetzliche Vermutungen aufstellt oder die Beweislast verteilt. (2) Zum Beweis eines Rechtsgeschäfts sind alle Beweisarten der lex fori oder eines jener in Ar-

1.01 Europäisches Vertragsrechtübereinkommen tikel 9 bezeichneten Rechte, nach denen das Rechtsgeschäft formgültig ist, zulassig, sofern der Beweis in dieser Art vor dem angerufenen Gericht erbracht werden kann. Artikel 15 Ausschluß der Rück - und Weiterverweisung Unter dem nach diesem Übereinkommen anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter AusschluB derjenigen des internationalen Privatrechts zu verstehen.

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Artikel 20 Vorrang des Gemeinschaftsrechts Dieses Übereinkommen berührt nicht die Anwendung der Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse auf besonderen Gebieten, die in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften oder in dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten innerstaatlichen Recht enthalten sind oder enthalten sein werden. Artikel 21 Verhältnis zu anderen Übereinkommen

Artikel 16 Öffentliche Ordnung Die Anwendung einer Norm des nach diesem Übereinkommen bezeichneten Rechts kann nur versagt werden, wenn dies offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichtes unvereinbar ist. Artikel 17 AusschluB der Rückwirkung Dieses Übereinkommen ist in einem Vertragsstaat auf Verträge anzuwenden, die geschlossen worden sind, nachdem das Übereinkommen für diesen Staat in Kraft getreten ist. Artikel 18 Einheitliche Auslegung Bei der Auslegung und Anwendung der vorstehenden einheitlichen Vorschriften ist ihrem internationalen Charakter und dem Wünsch Rechnung zu tragen, eine einheitliche Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften zu erreichen. Artikel 19 Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung (1) Umfaßt ein Staat mehrere Gebietseinheiten, von denen jede für vertragliche Schuldverhältnisse ihre eigenen Rechtsnormen hat, so gilt für die Bestimmung des nach diesem Übereinkommen anzuwendenden Rechts jede Gebietseinheit als Staat. (2) Ein Staat, in dem verschiedene Gebietseinheiten ihre eigenen Rechtsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse haben, ist nicht verpflichtet, dieses Übereinkommen auf Kollisionen zwischen den Rechtsordnungen dieser Gebietseinheiten anzuwenden.

Dieses Übereinkommen berührt nicht die Anwendung internationaler Übereinkommen, denen ein Vertragsstaat angehört oder angehören wird. Artikel 22 Vorbehalte (1) Jeder Vertragsstaat kann sich bei der Unterzeichnung, der Ratifizierung, der Annahme oder der Zustimmung das Recht vorbehalten, folgende Bestimmungen nicht anzuwenden: a) Artikel 7 Absatz 1, b) Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe e). (2) Jeder Vertragsstaat kann außerdem bei der Notifizierung einer Ausdehnung des Übereinkommens gemäß Artikel 27 Absatz 2 einen oder mehrere dieser Vorbehalte einlegen, deren Wirkung auf die oder einige der Gebiete begrenzt ist, die von der Ausdehnung erfaßt werden. (3) Jeder Vertragsstaat kann jederzeit einen von ihm eingelegten Vorbehalt zurückziehen; der Vorbehalt wird am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach Notifizierung der Rücknahme unwirksam. TITEL III SCHLUSSVORSCHRIFTEN Artikel 23 (1) Wünscht ein Vertragsstaat, nachdem dieses Übereinkommen für ihn in Kraft getreten ist, eine neue Kollisionsnorm für eine bestimmte Gruppe von Verträgen einzuführen, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, so teilt er seine Absicht den anderen Unterzeichnerstaaten über den Generalsekretär des Rates der Europäischen Gemeinschaften mit. (2) Innerhalb von sechs Monaten nach der Mitteilung an den Generalsekretär des Rates kann jeder Unterzeichnerstaat bei diesem beantragen, Konsultationen mit den Unterzeichnerstaa-

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Europäisches Vertragsrechtübereinkommen

ten einzuleiten, um zu einem Einvernehmen zu gelangen. (3) Hat innerhalb dieser Frist kein Unterzeichnerstaat Konsultationen beantragt oder haben die Konsultationen innerhalb von zwei Jahren nach Mitteilung an den Generalsekretär des Rates nicht zu einem Einvernehmen geführt, so kann der betreffende Vertragsstaat sein Recht ändern. Die von diesem Staat getroffene Maßnahme wird den anderen Unterzeichnerstaaten über den Generalsekretär des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Kenntnis gebracht. Artikel 24 (1) Wünscht ein Vertragsstaat, nachdem dieses Übereinkommen für ihn in Kraft getreten ist, einem mehrseitigen Übereinkommen beizutreten, dessen Hauptziel oder eines seiner Hauptziele eine international-privatrechtliche Regelung auf einem der Gebiete dieses Übereinkommens ist, so findet das Verfahren des Artikels 23 Anwendung. Jedoch wird die in Artikel 23 Absatz 3 vorgesehene Frist von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. (2) Das in Absatz 1 bezeichnete Verfahren braucht nicht befolgt zu werden, wenn ein Vertragsstaat oder eine der Europäischen Gemeinschaften dem mehrseitigen Übereinkommen bereits angehört oder wenn sein Zweck darin besteht, ein Übereinkommen zu revidieren, dem der betreffende Staat angehört, oder wenn es sich um ein Im Rahmen der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften geschlossenes Übereinkommen handelt. Artikel 25 Ist ein Vertragsstaat der Auffassung, daß die durch dieses Übereinkommen erzielte Rechtsvereinheitlichung durch den Abschluß anderer als in Artikel 24 Absatz 1 bezeichneter Übereinkommen gefährdet ist, so kann dieser Staat beim Generalsekretär des Rates der Europäischen Gemeinschaften beantragen, Konsultationen zwischen den Unterzeichnerstaaten dieses Übereinkommens einzuleiten. Artikel 26 Jeder Vertragsstaat kann die Revision dieses Übereinkommens beantragen. In diesem Fall beruft der Präsident des Rates der Europäischen Gemeinschaften eine Revisionskonferenz ein. Artikel 27 (1) Dieses Übereinkommen gilt für das europäische Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten ein-

schließlich Grönlands und für das gesamte Hoheitsgebiet der Französischen Republik. (2) Abweichend von Absatz 1 a) gilt dieses Übereinkommen nicht für die Färöer, sofern nicht das Königreich Dänemark eine gegenteilige Erklärung abgibt; b) gilt dieses Übereinkommen nicht für die europäischen Gebiete außerhalb des Vereinigten Königreichs, deren internationale Beziehungen dieses wahrnimmt, sofern nicht das Vereinigte Königreich eine gegenteilige Erklärung in bezug auf ein solches Gebiet abgibt; c) gilt dieses Übereinkommen für die Niederländischen Antillen, sofern das Königreich der Niederlande eine Erklärung in diesem Sinn abgibt. (3) Diese Erklärungen können jederzeit durch Notifikation an den Generalsekretär des Rates der Europäischen Gemeinschaften abgegeben werden. (4) Rechtsmittelverfahren, die im Vereinigten Königreich gegen Entscheidungen von Gerichten in einem der in Absatz 2 Buchstabe b) genannten Gebiete angestrengt werden, gelten als Verfahren vor diesen Gerichten. Artikel 28 (1) Dieses Übereinkommen liegt vom 19. Juni 1980 an für die Vertragsstaaten des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Unterzeichnung auf. (2) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifizierung, Annahme oder Zustimmung durch die Unterzeichnerstaaten. Die Urkunden über die Ratifizierung, Annahme oder Zustimmung werden beim Generalsekretär des Rates der Europäischen Gemeinschaften hinterlegt. Artikel 29 (1) Dieses Übereinkommen tritt am ersten Tag des dritten Monats in Kraft, der auf die Hinterlegung der siebten Urkunde über die Ratifizierung, Annahme oder Zustimmung folgt. (2) Das Übereinkommen tritt für jeden Unterzeichnerstaat, der später ratifiziert, annimmt oder zustimmt, am ersten Tag des dritten Monats in Kraft, der auf die Hinterlegung seiner Urkunde über die Ratifizierung, Annahme oder Zustimmung folgt. Artikel 30 (1) Dieses Übereinkommen wird für zehn Jahre vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Artikel 29 Absatz 1 an geschlossen; dies gilt auch für die Staaten, für die es nach diesem Zeitpunkt in Kraft tritt.

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1.01 Europäisches Vertragsrechtübereinkommen (2) Vorbehaltlich einer Kündigung verlängert sich die Dauer dieses Übereinkommens stillschweigend jeweils um fünf Jahre. (3) Die Kündigung ist dem Generalsekretär des Rates der Europäischen Gemeinschaften mindestens sechs Monate vor Ablauf der zehnjährigen oder fünfjährigen Frist zu notifizieren, sie kann auf eines der Gebiete beschränkt werden, auf das dieses Übereinkommen nach Artikel 27 Absatz 2 erstreckt worden ist. (4) Die Kündigung hat nur Wirkung gegenüber dem Staat, der sie notifiziert hat. Für die anderen Vertragsstaaten bleibt das Übereinkommen in Kraft.

Artikel

33

Dieses Übereinkommen ist in einer Urschrift in dänischer, deutscher, englischer, französischer, irischer, italienischer und niederländischer Sprache abgefaBt, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; es wird im Archiv des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Gemeinschaften hinterlegt. Der Generalsekretär übermittelt der Regierung jedes Unterzeichnerstaats eine beglaubigte Abschrift. Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten ihre Unterschriften unter dieses Übereinkommen gesetzt. Geschehen zu Rom am neunzehnten Juni neunzehnhundertachtzig.

Artikel 31

Der Generalsekretär des Rates der Europäischen Gemeinschaften notifiziert den Vertragsstaaten des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft a) die Unterzeichnungen, b) die Hinterlegung jeder Urkunde über die Ratifizierung, Annahme oder Zustimmung, c) den Tag, an dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt, d) die Mitteilungen gemäB den Artikeln 23, 24, 25, 26, 27 und 30, e) die Vorbehalte und deren Rücknahme gemäB Artikel 22. Artikel

32

Das im Anhang enthaltene Protokoll ist Bestandteil des Übereinkommens.

PROTOKOLL Die hohen Vertragsparteien haben folgende Bestimmung vereinbart, die dem Übereinkommen als Anhang beigefügt ist: Ungeachtet der Vorschriften des Übereinkommens kann Dänemark den Paragraphen 169 des „Solov" (Schiffahrtsgesetz) beibehalten, der das Recht betrifft, das auf Fragen im Zusammenhang mit der Güterbeförderung zur See anzuwenden ist, und diese Vorschrift ohne Einhaltung des Verfahrens des Artikel 23 des Übereinkommens ändern. Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten ihre Unterschriften unter diese Protokoll gesetzt. Geschehen zu Rom am neunzehnten Juni neunzehnhundertachtzig.

196

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

§5 Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht (qualifiziert einseitige Unternehmensgeschäfte)

I. Übersicht 1. Allgemeines Verbrauchervertragsrecht oder branchenübergreifendes der einseitigen Unternehmensgeschäfte?

Recht

a) Zwei unterschiedliche Perspektiven - ein Gegenstand 1 Soweit Schutzstandards im Europäischen Schuldvertragsrecht branchenübergreifend ausgestaltet werden, tritt der Verbraucherbezug deutlich hervor: Der persönliche Anwendungsbereich all dieser Rechtsakte ist nur bei Geschäften zwischen gewerblich oder beruflich Tätigem und Verbraucher eröffnet.1 Dies erklärt, daß in diesem Regelungskomplex stets ein Herzstück des Europäischen Verbrauchervertragsrechts gesehen wurde. Umgekehrt werden jedoch nicht Geschäfte von Verbrauchern mit Verbrauchern erfaßt, sondern stets nur solche mit Unternehmen. Es handelt sich also um Regeln für Geschäfte, auf deren einer Seite zwingend Unternehmen stehen, also um einseitige Untemehmensgeschäfte. Diese sind jedoch, anders als bei den meisten branchenspezifischen Regelungen (§ 7), dahingehend näher umrissen („qualifiziert"), daß die Gegenseite nicht unternehmerisch oder beruflich tätig sein darf. Die branchenübergreifenden Verbrauchervertragsregeln gelten also für qualifiziert einseitige Unternehmensgeschäfte. Auch dieser Teil des Europäischen Schuldvertragsrechts ist also gleichermaßen als Recht der Unternehmensgeschäfte zu verstehen. Auch das Recht der Handelsgeschäfte gilt im deutschen Handelsrecht grundsätzlich bereits, wenn auf nur einer Seite ein Kaufmann tätig wurde (§ 344 HGB) - und auf der anderen ein „Verbraucher". Der Begriff der einseitigen Unternehmensgeschäfte ist ebenso einseitig, jedoch auch nicht einseitiger als der der Verbraucherverträge. Mit ihm wird auf die andere, für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs gleich wichtige Seite abgestellt. In das Gesamtsystem des Europäischen Schuldvertragsrechts, in dem die zweiseitigen Unternehmensgeschäfte einen noch breiteren Raum einnehmen, ordnet sich dieser Begriff sogar ungleich stimmiger ein als der der Verbraucherverträge. b) Vom Handelsrecht des laissez faire zum Unternehmensrecht der sozialen Bindung und des level playing field 2 Ein Blick auf die einseitigen Handelsgeschäfte ist auch für die Charakterisierung der einseitigen Unternehmensgeschäfte hilfreich: Anders als im Handelsgesetzbuch geht die zentrale Frage nicht dahin, ob auch dem Nichtkaufmann die An-

1

Vgl genauer oben 1. Teil Rn 201.

§ 5 Einl - Übersicht

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Wendung der Regeln, die auf die Vereinfachungs- und Beschleunigungsbedürfnisse der Kaufmannschaft zugeschnitten sind, zugemutet werden kann. Vielmehr stehen die Gefahren im Mittelpunkt, die von dem Ungleichgewicht in der Professionalität der Partner ausgehen. Das Recht der einseitigen Handelsgeschäfte ist vor allem Teil eines Handelsrechts des „laissez faire". Das Europäische Recht der einseitigen Unternehmensgeschäfte ist demgegenüber Teil eines Untemehmensaußenrechts der sozialen Bindung. Es werden positive Schutzstandards zugunsten von Verbrauchern in ihrem Verhältnis zu gewerblich oder beruflich Tätigen festgeschrieben. Dennoch ist auch das Europäische Recht der einseitigen Unternehmensgeschäfte Frucht eines Liberalisierungsgedankens. Historisch stand dieser am Anfang, und auch heute noch ist die zentrale Kompetenzgrundlage, Art 100a EGV, so aufgebaut, daß die Liberalisierung das Primärziel bildet (Art 100a I EGV), in dessen Rahmen - sekundär - ein hohes Maß an Verbraucherschutz anzustreben ist (Art 100a III EGV). Die Liberalisierungswirkung ist klar zu umreißen: Durch das Europäische Recht der Unternehmensgeschäfte wird den Unternehmen ein einheitlicher Verbraucherschutzstandard an die Hand gegeben, bei dessen Einhaltung sie ansonsten nach ihrem eigenen Recht über die Grenzen liefern und Dienstleistungen erbringen können. 2 c) Der Rang der

Privatautonomie

Harmonisiertes Verbraucherschutzrecht verbürgt also in besonders hohem Maße, 3 daß im Rest die Privatautonomie über die Grenzen erstreckt wird, 3 daß also ein „level playing field" entsteht. Das Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschutz und Privatautonomie ist 4 in einem, vielleicht sogar dem prominentesten Charakteristikum des Europäischen Verbrauchervertragsrechts besonders offensichtlich: „Grundzug des europäischen Verbraucherschutzrechts ist dessen zwingender Charakter". 4 Fast alle Richtlinienregelungen werden für zwingend erklärt, die nationalen Umsetzungsgesetze dürfen also insoweit keine Privatautonomie zulassen. Diese Ausgestaltung hat ua zur Folge, daß die vereinheitlichte AGB-Inhaltskontrolle in den Fragen, die Gegenstand von Rechtsangleichungsmaßnahmen mit verbraucherschützendem Charakter wurden, praktisch unbedeutend ist: Hier ist nicht mehr nur die mißbräuchliche Abweichung unwirksam, sondern jegliche Abweichung. Die vereinheitlichte AGB-Inhaltskontrolle erfolgt demnach fast nur in den Bereichen, die nicht harmonisiert wurden. Die angeglichenen Standards scheinen demgegenüber fast nirgends Raum für privatautonome Gestaltung zu lassen. Der Eindruck trügt freilich. Die Durchsicht der Maßnahmen zeigt, daß fast immer neben eher punktuell eingesetzten Verbots- und Gebotsregeln auch weitgehend flächendeckende Transparenzregeln stehen, die eine informierte Entschei2 3 4

Vgl im einzelnen oben 1. Teil Rn 110-120. Vgl dazu oben 1. Teil Rn 10. Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (134); tendenziell auch Deutsch, Aspekte für ein europäisches Haftungsrecht Versuch einer kritischen, dogmatischen Bestandsaufnahme, KF 1992, 4 (8).

198

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

dung und damit letztlich Privatautonomie fördern sollen. In der Tat scheint, soweit unterschiedliche rechtliche Gestaltungen transparent gemacht werden können, eine Lösung vorzugswürdig, nach der eine Abweichung zumindest bei gesondert dafür ausgewiesenem Preis zulässig ist, also die Produktpalette erweitert wird. Der mündige Verbraucher erkennt die Alternative und entscheidet selbst über den Preis. Gerade für die Vorschläge zur Gewährleistungshaftung und zur Dienstleistungshaftung (2.12,2.13), die große Bereiche abdecken, wurde das Fehlen solcher flexiblerer Lösungen besonders scharf kritisiert.5 Daneben scheint der Eingriff in die Privatautonomie, den eine Inhaltskontrolle auch von einzeln ausgehandelten Klauseln in Verbraucherverträgen bedeutet hätte, im Ergebnis sogar moderat.6 d) Unternehmen oder Verbraucher als Motor der Integration f 5 Eine neue Dimension eröffnen der Vorschlag für eine GewährleistungshaftungsRichtlinie und ansatzweise bereits die Fernabsatz-Richtlinie.7 Mit allen branchenund vertragstypübergreifenden EG-Richtlinien zuvor sollte für die Unternehmen ein einheitlicher rechtlicher Rahmen geschaffen werden, nach dem sie handeln können und den sie, da insoweit keine Rechtswahlfreiheit herrscht (Art 5 EVÜ), bei divergierenden nationalen Rechten nicht selbst schaffen können. Der Vorschlag für eine Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (2.12) stellt demgegenüber den Verbraucher, der aktiv in anderen Mitgliedstaaten einkauft, in den Mittelpunkt. Unternehmen in einem Staat, in dem Verbraucher verschiedener Mitgliedstaaten einkaufen, könnten zwar weitestgehend nach einem einheitlichen Kaufrecht verfahren (Art 4 EVÜ); Art 5 EVÜ greift mangels spezifischen Verbraucherkaufrechts in den Mitgliedstaaten und angesichts der restriktiv formulierten Anknüpfungspunkte des Art 5 II EVÜ kaum einmal ein. Für Verbraucher, die insbesondere längerlebige, hochwertige Güter im Ausland kaufen und Preisunterschiede nutzen wollen, stellt jedoch die Unsicherheit hinsichtlich der Absicherung der Primärleistungspflicht das wohl wichtigste rechtlich bedingte Kaufhindemis dar. Dieses soll mit der vorgeschlagenen EG-Richtlinie ausgeräumt werden. Vergleichbare Gedanken trugen auch bereits die Fernabsatz-Richtlinie (2.02) zumindest mit. 2. Recht der einseitigen Unternehmensgeschäfte als Kerngebiet einer Europäischen Verbraucherpolitik 6 Im ersten Verbraucherprogramm der Gemeinschaft von 1975 sind fünf Grundrechte der Verbraucher formuliert:8 das Recht auf Schutz der Gesundheit und Sicherheit, das Recht auf Schutz der wirtschaftlichen Interessen, das Recht auf Ent5 Vgl Nachw unten 2.12 Rn 18, 30 bzw 2.13 Rn 12. 6 Zur bes scharfen Kritik an dahin gehenden Vorschlägen der EG-Kommission, die bes das deutsche Schrifttum äußerte, vgl Nachw unten 2.10 Fn 8. 7 Vgl genauer unten 2.12 Rn 11 f bzw 2.02 Rn 7 ; sowie allgemein: Heiss, ZEuP 1996, 625 (627 f, 6 3 9 - 6 4 4 ) . 8 Entschließung des Rates vom 14. 4. 1975 betreffend ein Erstes Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher, AB1EG 1975 C 92/1.

§ 5 Einl - Übersicht

199

Schädigung wirtschaftlicher Interessen, das Recht auf Information und das Recht auf Gehör. Unter diesen sind die ersten beiden, vor allem das zweite, am weitestgehenden umgesetzt. 9 Diese beiden, wiederum vor allem das zweite, betreffen auch den Bereich des Vertragsrechts, so daß gerade im Europäischen Schuldvertragsrecht das Europäische Verbraucherrecht am weitesten gediehen ist. Ein Vergleich mit dem Kanon der verbraucherschiitzenden Gesetze des Schuldvertragsrechts etwa in Deutschland belegt, daß nahezu alle heute als Umsetzung EG-rechtlicher Harmonisierungsmaßnahmen fungieren, das System dieser Harmonisierungsmaßnahmen also nach dem heutigen „Stand der Technik" recht lückenlos erscheint.10 Auf das erste Verbraucherprogramm folgte 1981 ein zweites und 1986 der söge- 7 nannte „Neue Impuls", 11 1990 dann ein erster verbraucherpolitischer Aktionsplan12 und 1993 ein zweiter.13 Das Verbraucherprogramm von 1990 nennt neben Verbrauchersicherheit und -information insbesondere auch „Verbrauchertransaktionen" (Verbraucherverträge), das zweite insoweit vor allem den Bereich der Finanzdienstleistungen (4.10 bis 4.31-1/2/3). Die Verbrauchersicherheit14 ist - naheliegend - regelmäßig unabhängig von einem Vertragsschluß geregelt. Zudem betrifft sie die Produktbeschaffenheit und umfaßt öffentlichrechtlich durchgesetzte Anforderungen an diese. Es handelt sich also insoweit nicht um Transaktionsrecht im hier zugrunde gelegten Sinne. Die Verbraucherinformation hat in der gemeinschaftsrechtlichen Ausgestaltung dienende Funktion, vor allem im Bereich der Verbrauchersicherheit und des Transaktionsrechts.15 Transaktionsrecht im hier zugrunde gelegten Sinne stellt der dritte genannte Be- 8 reich dar, den das Verbraucherprogramm von 1990 in der Tat mit dem Begriff der „Verbrauchertransaktionen" umschrieb, und der Verbraucherverträge um9

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Kritik am (ansonsten) unzureichenden Umsetzungsstand Krämer, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, H.V, Rn 65 f (Vorauflage); etwas abgeschwächt jetzt durch Lecheler, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, H . V , Rn 4 1 - 1 2 4 . Vgl näher oben 1. Teil Rn 79, auch 89, 92. Entschließung des Rates v o m 19. 5. 1981 betreffend ein Zweites Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher, AB1EG 1981 C 133/1; Entschließung des Rates v o m 23. 6. 1986 betreffend die künftige Ausrichtung der Politik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum Schutz und zur Förderung der Interessen der Verbraucher, AB1EG 1986 C 167/1 - eine Antwort auf die diesbezügliche Mitteilung „Neuer Impuls für die Politik zum Schutz der Verbraucher" der Kommission, K O M ( 8 5 ) 314 endg. Dreijähriger verbraucherpolitischer Aktionsplan für die E W G (1990-1992), K O M ( 9 0 ) 98 endg; dazu van Miert, Verbraucher und Binnenmarkt - Drei-Jahres-Aktionsplan der Kommission, E u Z W 1990, 401. Zweiter dreijähriger Aktionsplan der Kommission - 1 9 9 3 - 1 9 9 5 - Der Binnenmarkt im Dienst der europäischen Verbraucher, K O M ( 9 3 ) 378 endg. Vorher die Entschließung des Rates v o m 13. 7. 1992 über die künftigen Prioritäten für den Ausbau der Verbraucherschutzpolitik, AB1EG 1992 C 186/1. Heute: Verbraucherpolitische Prioritäten 1 9 9 6 1998, K O M ( 9 5 ) 519 endg. Z u den insoweit ergangenen Maßnahmen Lecheler, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, H.V, Rn 4 9 - 5 3 , 105-116. Vgl näher etwa Reich, Europäisches Verbraucherrecht, S 63, 304 f, 4 5 2 f.

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

faßt. Wichtige Projekte wurden fallengelassen. Dies gilt für einige EG-Richtlinien zu speziellen Vertragstypen, etwa den Vorschlag zu einer EG-Richtlinie über den Fernunterricht und den Problemkomplex Kreditkarten (unten § 7) ebenso jedoch auch für ein zentrales branchenübergreifendes Projekt, die Dienstleistungshaftung. Das zuletzt genannte Projekt wird zwar nicht in der ursprünglich geplanten Form umgesetzt werden, ist jedoch umgekehrt von so zentraler Bedeutung, daß es nicht fallengelassen werden wird16 und daß eine Diskussion selbst des zurückgezogenen Vorschlags angezeigt erscheint (unten 2.13). 3. Abschlußbezogenes und inhaltsgestaltendes Vertragsrecht 9 Die Vorgaben des Primärrechts legen zwei Gebietsabgrenzungen innerhalb des Europäischen Schuldvertragsrechts nahe: diejenige zwischen international zwingenden Normen und solchen, die der Rechtswahl zugänglich sind; und diejenige zwischen Normen, die den Verkaufsmodalitäten iSd Keck-Rechtsprechung vergleichbar sind, und Normen, die eher den Produktstandards entsprechen. Im EG-Sekundärrecht des Schuldvertrages wurden - außer in der HandelsvertreterRichtlinie (3.80) - keine nationalen Regelungskomplexe harmonisiert, die kraft Parteiautonomie abgewählt werden können. Daher verbleibt innerhalb der positiven (sekundärrechtlichen) Standards des Europäischen Schuldvertragsrechts nur die Unterscheidung zwischen Vertriebsmodalitäten und Produktstandards. Den ersten entsprechen im Vertragsrecht die allein vertragsabschlußbezogenen Regeln, soweit sich der beruflich Tätige auf sie bei der Vermarktung einstellen kann, ohne sein Produkt umgestalten zu müssen. Den Produktstandards entsprechen die sonstigen, insbesondere die inhaltsgestaltenden Regeln.17 Tendenziell spielen bloße Transparenzgebote in den abschlußbezogenen Regelungskomplexen eine wichtigere Rolle. Auch der vom EuGH in der Entscheidung Cassis de Dijon angemahnte Vorrang eines Transparenzmodells vor einem Verbotsmodell18 läßt bloß abschlußbezogene Regeln, soweit sie für Verbraucherschutzzwecke ausreichen, besonders opportun erscheinen. 10 Für die Kategorienbildung im Europäischen Schuldvertragsrecht ist demgegenüber sekundär, daß die Unterscheidung zwischen abschlußbezogenen und inhaltsgestaltenden Normen auch für das wichtigste Gesetz des deutschen allgemeinen, branchenübergreifenden Verbrauchervertragsrechts prägend wurde: für das AGBG mit seinen Regeln zur Einbeziehungs- und zur Inhaltskontrolle.19

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18 19

K O M ( 9 4 ) 2 6 0 endg, S 4 - 6 . A A Armbrüster, RabelsZ 6 0 (1996) 7 2 (77), der das gesamte Schuldvertragrecht als Regelung von Verkaufsmodalitäten verstehen will. Vgl näher oben 1. Teil Rn 6 2 . Im A G B G wurden - aus ökonomischer Sicht zu begrüßen - zwar primär strukturbedingte Informationsasymmetrien zum Ausgangspunkt der Regelung genommen. Dennoch ist der Schutz von Verbrauchern strenger als derjenige kaufmännischer Kunden und in der Rechtsprechung als Leitgesichtspunkt besonders intensiv berücksichtigt worden. Vgl zu all dem nur Ulmer / Brandner / Hensen, Einl, Rn 2 8 - 3 2 ; Wolf/ Horn / Lindacher, Einl, Rn 3 f; und im Zusammenhang mit der A G B - oder Klausel-Richtlinie Hommelhoff, AcP 1 9 2 (1992) 71 (87 Fn 127).

§ 5 Einl - Übersicht

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Selbst der Umstand, daß die Unterscheidung zwischen Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle auch rechtsvergleichend gewisses Gewicht hat,20 ändert hieran nichts; denn in der Europäischen lex lata, der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10), fand dies kaum Niederschlag. Der Anwendungsbereich beider rein abschlußbezogenen EG-Richtlinien des allge- 11 meinen Verbrauchervertragsrechts erfaßt auch Fragen, die manche Mitgliedstaaten lauterkeitsrechtlich regeln. Dessen war sich der Gemeinschaftsgesetzgeber durchaus bewußt. Im letzten Erwägungsgrund der Präambel der HaustürwiderrufsRichtlinie (2.01) findet sich daher ein Vorbehalt zugunsten der nationalen Lauterkeitsrechte: Diese dürfen Verhaltensweisen, die von der Richtlinie erfaßt werden, auch gänzlich verbieten. Und in der Femabsatz-Richtlinie (2.02) finden sich mit Art 9 und 10 Normen, die als lauterkeitsrechtlich verstanden werden können.21 Aus Praktikabilitätsgründen wurde die Grenzlinie im folgenden dort gezogen, wo eine Pflicht erst durch den Eintritt ins Verhandlungsstadium oder gar erst durch den Vertragsabschluß begründet wird. 4. Die Rechtsangleichungsmaßnahmen zu branchenübergreifenden Verbraucherschutzstandards Die Rechtsangleichungsmaßnahmen zu branchenübergreifenden Verbraucher- 12 schutzstandards wurden sämtlich in die Sammlung einbezogen, ihre Zahl ist überschaubar - selbst bei Hinzunahme zweier Vorschläge, die Kerngebiete des Schuldvertragsrechts betreffen. Spezifische Absatzformen und damit allein den Vertragsschluß betreffen die beiden EG-Richtlinien zum Problem Haustürgeschäfte (2.01) und zum Fernabsatz (2.02). Beide Richtlinien sind ins Verhältnis zu setzen zu dem Leitbild des vom Verbraucher initiierten Geschäfts auf einem Markt mit funktionierender Konkurrenz, also einem Leitbild, bei dem die Rahmenbedingungen rational-gewinnmaximierenden Handelns hinsichtlich des Abschlußmechanismus nicht verfälscht sind. Während Wettbewerbsbeschränkungen Gegenstand von Art 85 I und III EGV sind und hinsichtlich der Absatzwege in Gruppenfreistellungsverordnungen geregelt sind (5.01-5.04), erschöpfen die beiden Richtlinien zu Haustürgeschäften und Fernabsatz die Palette wichtiger Abweichungen von dem oben genannten Leitbild, soweit der rational-gewinnmaximierende Überlegungsprozeß beim Verbraucher betroffen ist.22 20

21

22

Fragen der Einbeziehungskontrolle sind nur in einigen Mitgliedstaaten geregelt, namentlich in den Niederlanden, in Luxemburg, Italien, Portugal und Griechenland: vgl Ulmer / Brandner / Hensen, Einl, Rn 84. So etwa Reich, Die neue Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, EuZW 1997, 581 (586 f). Diese Aussage wird nicht durch den Umstand relativiert, daß der Gesamtanteil von Haustürgeschäft und Femabsatz, den sog aggressiven Verkaufsmethoden, an den Absatzwegen gar nicht so erheblich ist. Der Fernabsatz (Versandhandel) (2.02) erreichte in der Gemeinschaft der Elf 6,006 Mrd US-Dollars (Quelle: Tietz, Der Direktvertrieb an Konsumenten - Konzepte und Systeme, 1993, S 65), insgesamt etwa 3 % des gemeinschaftsweiten Absatzes (Tietz aaO S 76 f), unterschiedlich in verschiedenen Ländern (von 0,5 °/o des Absatzes in Italien bis 4,8 % in Deutschland). Zahlen zum Anteil der Haustür-

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

Demgegenüber enthält die heute vielleicht wichtigste EG-Richtlinie des Europäischen Schuldvertragsrechts, die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10), fast keine Vertragsabschlußregeln, sondern vor allem eine ausführliche Regelung der Inhaltskontrolle. Sie erfaßt jedoch in der Praxis nahezu jeden Vertrag von Unternehmen mit Verbrauchern. Bezogen auf das oben genannte Leitbild wird nunmehr das Problem geregelt, daß der Informationszugang behindert sein kann (Informationsasymmetrien) und in diesem Punkt Abweichungen vom Leitbild zu konstatieren sind. 13 Die beiden Vorschläge zur Gewährleistungshaftung (2.12) und zur Dienstleistungshaftung (2.13), von denen die EG-Kommission gegenwärtig den zweitgenannten zurückgezogen hat, während zum erstgenannten bereits der Gemeinsame Standpunkt vorliegt, würden zentrale Bereiche des Leistungsstörungsrechts im Kaufbzw Dienst- und Werkvertragsrecht harmonisieren. Im Dienst- und Werkvertragsrecht blieb bisher jedoch der zentrale Bereich der reinen Vermögensschäden ausgeklammert und damit etwa der Kanon der Verträge zur Vermögensverwaltung und zu ähnlich vermögensbezogenen Dienstleistungen. Da der Vorschlag demnach nicht nur in dieser Form zurückgezogen wurde, sondern auch teilweise deliktsrechtlich ausgerichtet ist, ist er trotz intensiver Erörterung in der Literatur im folgenden nur in seinen Grundfragen eingehender zu diskutieren. Gänzlich ausgeklammert bleibt die EG-Produkthaftungs-Richtlinie.23 Daß die Produkthaftung in einigen Mitgliedstaaten, etwa Frankreich, als vertraglich verstanden wird,24 ist ebenso unerheblich wie es solch eine Einordnung im nationalen deutschen Recht wäre. Entscheidend ist vielmehr, daß der Europäische Gesetzgeber sich bewußt dafür entschied, deliktsrechtliche Fragen aus dem Anwendungsbereich des Vertragsrechts auszunehmen,2S und daß auch der rechtsvergleichende Befund in den Mitgliedstaaten keineswegs überwiegend gegen solch eine Grenzziehung spricht. 14 Auch die beiden genannten Vorschläge sind, soweit sie vertragsrechtlich ausgestaltet sind, zum Allgemeinen Teil des Europäischen Schuldvertragsrechts zu rechnen. Nach nationalem Verständnis würden sie, da sie einem Vertragstyp zu-

23

24 25

geschäfte (2.01, in Deutschland etwa 7 % des Absatzes) unten 2 . 0 1 Rn 4 und für die genannten G V O ( 5 . 0 1 - 5 . 0 4 ) unten § 8 Einl Rn 8. Richtlinie des Rates 8 5 / 3 7 4 / E W G vom 2 5 . 7. 1 9 8 5 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, AB1EG 1 9 8 5 L 2 1 0 / 2 9 . Aus der überreichen Literatur vgl dazu jüngst und mit umfangreichen weiteren Literaturangaben: M ü n c h K o m m (-Cahri), Bd 5 : Schuldrecht Besonderer Teil (§§ 7 0 5 - 8 5 3 ) : Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz - ProdHaftG) 3 , 1 9 9 7 ; sowie Hill-Arning / Hoffman, Produkthaftung in Europa - EG-Produkthaftungsrichtlinie, nationale Produkthaftungsgesetze, weitergehendes Deliktsrecht, Verfahrensrecht und Kosten, 1 9 9 5 ; Schmidt-Salzer / Hollmann, Kommentar EG-Richtlinie Produkthaftung, Bd 1: Deutschland 2 , 1 9 8 8 ; Bd 2, Produkthaftungsgesetze Ausland, 1 9 9 0 ff; Taschner / Frietsch, Produkthaftungsgesetz und E G Produkthaftungsrichtlinie - Kommentar 2 , 1 9 9 0 ; Wandt, Internationale Produkthaftung, 1995. Vgl oben 1. Teil Rn 18. Vgl zur Geschichte in dieser Frage (mwN) unten 1.01 Rn 3.

§ 5 Einl - Übersicht

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geordnet werden können, wohl eher dem Besonderen Teil zugerechnet. Im Europäischen Schuldvertragsrecht sind demgegenüber zwei Gesichtspunkte entscheidend: Jeder Vorschlag gestaltet eine Grundfreiheit in ihrer Gesamtheit aus, derjenige zur Gewährleistungshaftung die Warenverkehrsfreiheit, derjenige zur Dienstleistungshaftung die Dienstleistungsfreiheit. Außerdem werden die Regelungsvorhaben zum Großteil gezielt auf Branchen ausgelegt und auf deren Besonderheiten zugeschnitten. Erst in diesem Bereich dominiert auch die wirtschaftspolitisch motivierte Zielsetzung. Im Europäischen Schuldvertragsrecht ist eine Abkehr vom Denken in Vertragstypen zu konstatieren - zugunsten einer Hinwendung zu den zentralen Regelungsproblemen spezifischer Branchen. Das abstrakte Ordnungskriterium des Vertragstyps tritt gegenüber demjenigen des relevanten Marktes in den Hintergrund. Nicht von ungefähr ging auch ein Hauptvorwurf gegen den Vorschlag für eine Dienstleistungshaftung dahin, dieser differenziere nicht genügend zwischen verschiedenen Branchen und werde ihren unterschiedlichen Anforderungen nicht gerecht. 26 Einzig der Bereich der Kennzeichnungsregeln wird im folgenden aufgrund seiner hohen Technizität ausgespart. Es handelt sich zwar um einen durchaus umfangreichen Regelungskomplex. Außerdem liest sich das erste Verbraucherprogramm von 1975 noch vorrangig wie eine Aufzählung von (geplanten) EG-Kennzeichnungs-Richtlinien. Inzwischen sind jedoch andere Rechtssetzungsakte in den Vordergrund getreten und ist genuines Vertragsrecht entstanden. Vor allem folgende Kennzeichnungs-Richtlinien sind hervorzuheben: 27 die Preisangabe-Richtlinie 79/ 581/EWG (Lebensmittel), die Etikettierungs-Richtlinie 79/112/EWG (Lebensmittel), die Zusatzstoff-Richtlinie 89/107/EWG (Lebensmittel) und die Losangaben-Richtlinie 89/396/EWG (Lebensmittel) sowie - parallel hierzu für Waren außerhalb des Lebensmittelbereichs - die Preisangabe-Richtlinie 88/314/EWG (sonstige Erzeugnisse) und die EG-Richtlinien des Arznei- und Kosmetikabereiches.

26 Vgl Nachw unten 2.13 Fn 21 und 33. 27

Zusammenstellungen in der Beck'schen Textsammlung „Europäisches Wirtschaftsrecht", Nr 115, 120-160; oder bei Bülow, Kennzeichnungsrecht und Produktwerbung für Lebens-, Genuß-, Arzneimittel und Kosmetika (5 Bde), 1989-91 (mit Nachträgen); Horst / Krobn, Lebensmittelrecht, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, C.IV; Meier, Zum gemeinschaftsrechtlichen Schutz des Verbrauchers gegen irreführende Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung, EuZW 1994, 391; Nentwich, Das Lebensmittelrecht der Europäischen Union - Entstehung, Rechtsprechung, Sekundärrecht, nationale Handlungsspielräume, 1994.

204

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

II. Abscblußbezogene Regeln 2.01

Haustürwiderrufs-Richtlinie

Richtlinie des Rates vom 20. 12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (85/577/EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Fischer, Ansgar / Machunsky, Jürgen, Haustürwiderrufsgesetz - Kommentar 2 , Neuwied ua (Luchterhand) 1995; Förschler, Peter, Kritische Betrachtungen zum Haustürwiderrufsgesetz - ein Beitrag zur Gesetzgebungslehre, Aachen (Shaker) 1995; Jannarelle, Antonio (Ed), Le vendite aggressive - Vendite stipulate fuori del locali commerciali e vendite stipulate a distanza nel diritto italiano ed europeo, Neapel (Adoni) 1995; Klauss, Herbert / Ose, Ludwig, Verbraucherkreditgeschäfte - Kommentar zu § 13a UWG, zum Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, zum Gesetz betr die Abzahlungsgeschäfte2, Herne (Neue Wirtschaftsbriefe) 1988; Martis, Rüdiger, Verbraucherschutz - Verbraucherkredit- und Haustürwiderrufsgesetz - systematische Darstellung, München (Beck) 1998; Zerres, Thomas, Die situativen Voraussetzungen des Haustürwiderrufsgesetzes - eine marketingorientierte rechtswissenschaftliche Untersuchung, München / Mering (Hampp) 1997; und etwa die Kommentierungen von Klingsporn, Burkhard, Putzo, Hans, Ulmer, Peter und Wolf, Manfred in: Erman, Palandt, Münchener Kommentar und Soergel. 2. Aufsätze und Beiträge: Basedow, Jürgen, Einfuhrung - zur Umsetzung der Richtlinie über den Widerruf von Haustürgeschäften, ZEuP 1997, 1075-1077; Bennemann, Jürgen, Ein neues Widerrufsrecht für den Verbraucher, JR 1986, 358-364; Bülow, Peter, Sicherungsgeschäfte als Haustür- oder Verbraucherkreditgeschäfte, NJW 1996,2889-2893; Bunte, Hermann-Josef, Bürgschaften und Haustürwiderrufsgesetz, WM 1993, 877-882; Burckhardt, Peter, Telefonwerbung und Haustürwiderrufsgesetz, WRP 1996, 659-664; Castello, Edda, Haustürwiderrufsgesetz und Umgehungsversuche, VuR 1988, 1-4; Coester-Waltjen, Dagmar, Der Eskimo-Mantel aus Spanien - ist der kollisionsrechtliche Verbraucherschutz zu kurz gestrickt?, FS Lorenz, Tübingen 1991, 297-319; Eckert, HansWerner, Teleshopping - vertragsrechtliche Aspekte eines neuen Marketingkonzeptes, DB 1994, 717-723; Engels, Rainer, Zur Anwendbarkeit des „Haustürwiderrufsgesetzes" auf Verträge über Miete und Pacht von Immobilien, WuM 1991, 321-323; Frings, Michael, Bürgschaftsvermittlung durch den Ehepartner kein Haustürgeschäft?, ZIP 1996,1193-1200; Gallois, oV, Die Anwendung des Haustürwiderrufsgesetzes auf den Vertrieb von Bauherren- und Erwerbermodellen, BB 1990, 2062-2065; Gilles, Peter, Das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften - Anmerkungen zum jüngsten Verbraucherschutzsondergesetz im Zivilrecht unter Berücksichtigung seines rechtspolitischen Gesamtkontextes, NJW 1986, 1131-1147; Goller, Fritz, Das neue Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, GewArch 1986, 73-79; Gottwald, Peter, Die Bürgschaft als Anwendungsfall von § 1 I HWiG oder: von der Gratwanderung zwischen Gesetzesauslegung und Rechtspolitik, BB 1992, 1296-1298; Huff, Martin, Haustürwiderrufsgesetz und Freizeitveran-

2.01 Haustürwidernjfs-Richtlinie

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staltung - ein erster Überblick, VuR 1988, 306-312; Jayme, Erik, Haustürgeschäfte deutscher Urlauber in Spanien - horizontale Wirkungen der EG-Richtlinien und internationales Vertragsrecht, IPRax 1990, 2 2 0 - 2 2 2 ; Kaiser, Mathias, Rechtsanwendungsprobleme und Auslegungsfragen beim Widerrufsrecht für Vertragsabschlüsse anläßlich von Freizeitveranstaltungen im Sinne des Haustürwiderrufsgesetzes (HWiG), WRP 1989, 2 2 2 - 2 2 8 ; Klein, Olaf, Zur Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auf Bürgschaften, DZWir 1996, 2 3 0 - 2 3 3 ; Klingsporn, Burkhard, Die Bürgschaft als „Haustürgeschäft", WM 1993, 8 2 9 - 8 3 3 ; Knauth, Klaus-Wilhelm, Das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, WM 1986, 509-517; Oers, Die Bedeutung des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften für die Kreditwirtschaft, WM 1 9 8 7 , 5 1 7 - 5 3 0 ; Kohte, Wolfhard, Verbraucherschutz im Licht des europäischen Wirtschaftsrechts, EuZW 1990, 150-156; Langenfeld, Christine, Noch einmal: Die EG-Richtlinie zum Haustürwiderrufsgesetz und deutsches IPR, IPRax 1993, 155-157; Löwe, Walter, Schutz gegen Überrumpelung beim Vertragsschluß - zum Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, BB 1986, 8 2 1 - 8 3 2 ; Magoulas, Georgias! Schwartze, Andreas, Das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften - eine rechtliche und ökonomische Analyse, JA 1986, 2 2 5 - 2 3 5 ; Michalski, Lutz, Das Haustürwiderrufsgesetz, Jura 1996, 169-175; Pfeiffer, Thomas, Haustürwiderrufs gesetz und Bürgschaft - ein Beitrag zur causa „kausaler" Sicherungsgeschäfte und zum europäischen Zivilrecht, ZBB 1 9 9 2 , 1 - 9 ; Ders, Die Bürgschaft unter dem Einfluss des deutschen und europäischen Verbraucherrechts, ZIP 1998,1129-1138; Reinicke, Dietrich / Tiedtke, Klaus, Schutz des Bürgen durch das Haustürwiderrufsgesetz - eine Besprechung des Urteils des EuGH vom 17. 3. 1998, ZIP 1998, 554, ZIP 1998, 8 9 3 - 8 9 7 ; Roth, Wulf-Henning, Bürgschaftsverträge und EG-Richtlinie über Haustürgeschäfte - über Schwierigkeiten im Umgang mit dem Gemeinschaftsrecht, ZIP 1996, 1285-1289; Schanbacher, Dietmar, Zur Frage der Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auf Bürgschaften, NJW 1991, 3263 f; Schiaus, Wilhelm, Rechtsfragen der Haustürgeschäfte unter besonderer Berücksichtigung der Kredit- und Wertpapiergeschäfte, Z H R 151 (1987) 180-191; Taupitz, Jochen, Kaffeefahrten deutscher Urlauber auf Gran Canaria - deutscher Verbraucherschutz im Urlaubsgepäck?, BB 1990, 6 4 2 - 6 5 2 ; Tepper, Franz, Einige Bemerkungen zur Wirksamkeit von Haustürgeschäften im Kreditgewerbe, JR 1990, 3 5 6 - 3 5 8 ; Teske, Wolfgang, Das neue Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, ZIP 1986, 6 2 4 - 6 3 6 ; Ders, Erste Zweifelsfragen bei der Anwendung des neuen Haustiirwiderrufsgesetzes, NJW 1987, 1186 f; Ders, Verbraucherschutz beim Abschluß von Versicherungsverträgen an der Haustür? ZRP 1990, 412-414; Teske, Wolfgang / Simon, Jürgen, Verbraucherschutz bei Haustürgeschäften?, in: Magoulas, Georgios / Simon, Jürgen (Hrsg), Recht und Ökonomie bei Konsumentenschutz und Konsumentenkredit - interdisziplinäre Studien zu den Problemen und Konzepten des Verbraucherschutzes, Baden-Baden (Nomos) 1985, 311-389; Wassermann, Peter, Zur Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auf Bürgschaftsverträge B G H Z 113, 287 und B G H NJW 1991, 2905, JuS 1992, 908-911; Wenzel, Franz,

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

Keine Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auf Bürgschaften, NJW 1993, 2781-2783; Ulmer, Peter, Direktvertrieb und Haustürwiderrufsgesetz - zivil- und wettbewerbsrechtliche Probleme, WRP 1986, 445-455.

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand 1 Die Haustürwiderrufs-Richtlinie regelt zwei Formen des Direktvertriebs ausdrücklich: Vertragsanbahnungen auf Ausflügen, die der Gewerbetreibende organisiert, bzw Vertragsanbahnungen in Privatwohnungen oder am Arbeitsplatz eines Verbrauchers. Erfaßt sind bei entsprechender Auslegung der Richtlinie auch sonstige Formen des Direktvertriebs mit vergleichbarem Gefahrenpotential. Ausgenommen sind Immobiliengeschäfte (einschließlich Miete), periodisch wiederkehrende Lebensmittellieferungen und kataloggestützte Versandgeschäfte sowie Versicherungs- und Wertpapiergeschäfte. Um das Überrumpelungsrisiko zu neutralisieren, räumt die Richtlinie Verbrauchern gegenüber Gewerbetreibenden in den erfaßten Fällen ein unverzichtbares, mindestens siebentägiges Widerrufsrecht ein, außerdem ein Recht auf schriftliche und detaillierte Belehrung hierüber. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2 Erstmals wurde die Problematik des Direktvertriebs im Ersten Programm des Rates für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher von 1975 angesprochen. 1 Immerhin hatte der Direktvertrieb 1988 in Deutschland mit einem Umsatz von etwa 190 Milliarden DM einen Anteil am gesamten Vertrieb von etwa 7°/o.2 Hierbei geht es insbesondere um den Vertrieb bei Veranstaltungen, in denen der Verbraucher in einer Atmosphäre abschließt, die rational gewinnmaximierendem, dh (rechts)„geschäftlichem" Denken abträglich ist, und um den Vertrieb an Orten der Zuflucht, in denen der Verbraucher den Belästigungsfaktor höher bewerten mag als den Verlust aus einem Handeln, das sehenden Auges das Ziel der Gewinnmaximierung hintanstellt. ι AB1EG 1975 C 92/1, bes Nr 24 und 25. Zu Zahlen: Engelhardt-Witte, Direktvertrieb im Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich, 1990, S 58, 63; Goller, GewArch 1986, 73 (73); Ulmer, WRP 1986, 445 (447); Ζ erres, Die situativen Voraussetzungen, S 29 f. Rechtstatsächliche Untersuchungen vor allem durch Falckenstein, Die Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken durch Verbraucherverbände - Verbraucherreklamationen, Verbandsklage, Haftung der Verbände, 1977; Gilles, Das Recht des Direktmarketing - Kundenwerbung und Verträge außerhalb von Geschäftsräumen, 1982; Schade, Geschäfte an der Haustür durch unbestellte Vertreter, 1978. Allerdings machten etwa in Deutschland 1989 die (vom Anwendungsbereich ausgenommenen) Versicherungsverträge ca. 68% vom Gesamtumsatz aus und werden in der Tat zu gut 80% im Direktvertrieb abgesetzt; Tietz, Der Direktvertrieb an Konsumenten - Konzepte und Systeme, 1993, S 72 f.

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2.01 Haustiirwiderrufs-Richtlinie

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Ein erster Vorschlag von 1 9 7 7 lehnte sich eng an den ersten Entwurf des Bundesrats zu einem Haustürwiderrufs-Gesetz an, 3 den damals der Freistaat Bayern eingebracht hatte. 4 Obwohl die Wichtigkeit auch im Zweiten Programm des Rates für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher von 1981 betont wurde, 5 scheiterte eine Verabschiedung fast zehn Jahre lang am Widerstand der Bundesrepublik. 6 Schon die Begründung mit dem Argument, zunächst müßten im nationalen Gesetzgebungsverfahren vollendete Tatsachen geschaffen werden, 7 erscheint, sobald ein Rechtsangleichungsverfahren eingeleitet ist, integrationspolitisch fragwürdig. Teils wurde der Bundesrepublik darüber hinaus gar doppeltes Spiel vorgeworfen, weil umgekehrt das innerstaatliche Verfahren unter Hinweis auf das laufende Rechtsangleichungsverfahren verschleppt worden sei. 8

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Aufgegeben wurde der Widerstand erst, als das deutsche Haustürwiderrufs-Gesetz verabschiedet war. Angesichts der Entstehungsgeschichte ist es wenig verwunderlich, daß die Diskussion in Deutschland praktisch allein das deutsche Gesetz betraf, nicht die EG-Richtlinie. Selbst die wenigen Arbeiten, die ihrem Titel nach das Gemeinschaftsrecht beleuchten, betreffen nicht vorrangig die EG-Richtlinie, sondern das Kollisionsrecht des Europäischen Vertragsrechtsübereinkommens (1.01), oder beschäftigen sich mit einer Frage, die für die Richtlinie unproblematisch erscheint (Einbeziehung der Bürgschaft in den Anwendungsbereich). 9 Außerdem fußen, nimmt man die Richtlinie als Maßstab, eine ganze Reihe von letztinstanziellen Entscheidungen, die allesamt die Anwendbarkeit des Widerrufsrechts verneinen, keineswegs auf so zweifelsfreien Grundlagen, daß eine Vorlage an den E u G H hätte unterbleiben dürfen. 10

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Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 122; Löwe, BB 1986, 821 (821); Ulmer, WRP 1986, 445 (445); Ζ erres, Die situativen Voraussetzungen, S 57. 4 Entwurf eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 11. 7. 1975, BR-Drs 384/75 = BT-Drs 7/4078 (mit Stellungnahme der Bundesregierung). 5 AB1EG 1981 C 133/1, insbes Nr 29 und 30. 6 Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 122; Gilles, NJW 1986, 1131 (1136); Knauth, WM 1986, 509 (509 f); Löwe, BB 1986, 821 (821 f); MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 6; Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 57. 7 Vgl BT-Drs 10/1859, S 2; Löwe, BB 1986, 821 (821); Ζ erres, Die situativen Voraussetzungen, S 57. 8 Löwe, BB 1986, 821 (821); vorsichtig auch Gilles, NJW 1986, 1131 (1136). » Jayme, IPRax 1990, 220; Langenfeld, IPRax 1993, 155; Pfeiffer, ZBB 1992, 1. Und Förschler, Kritische Betrachtungen, erörtert die Qualität der Arbeit des deutschen Gesetzgebungsverfahrens praktisch ohne Berücksichtigung des gemeinschaftsrechtlichen Hintergrundes; krit zu dieser Sicht Baldus /Becker, ZEuP 1997, 875 (Urteilsanm). 10 Bekanntlich entfällt die Vorlagepflicht der letzten Instanz nur, wenn die gemeinschaftsrechtliche Norm im fraglichen Punkt bereits durch den EuGH ausgelegt wurde oder wenn sie so klar ist, daß mit Sicherheit davon auszugehen ist, daß sie von jedem nationalen Justizwesen in diesem Punkt in dem vorgeschlagenen Sinne entschieden würde: sog acte-clair-Doktrin laut EuGH 6. 10. 1982 - Rs 283/81 (C.I.L.F.I.T.), Slg 1982, 3415 (3430 f); vgl näher oben 1. Teil Rn 173. Allein zum Tatbestandsmerkmal „Besuch ... beim Verbraucher" hat der BGH mehrfach negativ entschieden, ohne vorzulegen, etwa, 3

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

Trotz der fast zehnjährigen Dauer des Gesetzgebungsverfahrens erfolgten in seinem Verlauf keine grundlegenden, umgekehrt jedoch auch nicht gänzlich unerhebliche Änderungen. So wird heute, anders als in den Vorschlägen, nicht nur gefordert, daß die Vertragsanbahnung außerhalb der Geschäftsräume stattfand, sondern daß dies auf einem „Ausflug" geschah; überhaupt wurde die Generalklausel durch eine enumerative Aufzählung der erfaßten Formen des Direktvertriebs ersetzt; außerdem kamen auf Vorschlag des Parlaments, des Wirtschaftsund Sozialausschusses und auch erst durch den Rat eine Reihe von Ausnahmen in den Text, diejenige für Versandhäuser bzw ambulante Lebensmittelhändler bzw Versicherungen und Wertpapiergeschäfte.11 Da auch die verabschiedete Fassung des Haustürwiderrufsgesetzes derjenigen des ersten Entwurfs weitestgehend gleicht,12 ist das deutsche Gesetz als wichtigstes Modell der Richtlinie zu sehen. 5 Kernanliegen der Regelung ist die Ausräumung der Überrumpelungsgefahr. Soweit der Direktvertrieb negativ bewertet wird,13 wird dies damit begründet, daß die Vertriebsmethoden die Richtigkeitsgewähr des Vertragsaushandlungsmechanismusses entscheidend störten - dies in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist beim Direktvertrieb der Konditionenvergleich tendenziell gegenüber den Vertriebsformen eingeschränkt, in denen der Verbraucher initiativ wird14 - mit entsprechenden negativen Effekten für den einzelnen Verbraucher (Richtigkeitsgewähr), jedoch auch für die gesamtwirtschaftliche Allokationseffizienz. Zum anderen werden teils auch Geschäfte eingegangen, die nicht nur andernorts günstiger hätten abgeschlossen werden können, sondern die vom Verbraucher überhaupt nicht gewollt waren, also seiner Präferenzstruktur widersprechen.15 Vor allem Kohte hat überzeugend dargelegt, daß die Richtlinie auch wirtschaftspolitisch motiviert ist.16 Sie beeinflußt zumindest drei Wettbewerbsverhältnisse: Zunächst führt sie insbesondere für seriöse Anbieter des Direktvertriebs dazu, daß die „schwarzen Schafe" der Branche viel von ihrem Wettbewerbsvorsprung verliewenn das Angebot vom Ehepartner überbracht wurde oder per Telefon: vgl nur BGH NJW 1993, 1594 (1595); 1996, 191 (192 f); 1996, 929 (929); vgl demgegenüber jedoch auch BGH NJW 1996, 930 (Vorlage der Bürgschaftsproblematik); dazu ausführlich Pfeiffer, ZBB 1992, 1 (8 f). » Vgl AB1EG 1977 C 241/26 (28) bzw 1977 C 180/39 (41) bzw AB1EG 1985 L 372/31 (32) (im Gegensatz zum vorherigen Art 2 bis des Vorschlages und den Stellungnahmen von Parlament und Wirtschafts- und Sozialausschuß hierzu). 12 Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 27; Goller, GewArch 1986, 73 (73); Löwe, BB 1986, 821 (821); Ulmer, WRP 1986, 445 (445); Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 53. 13 Zur durchaus nicht nur negativen Bewertung MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 2, 10 f; eher negativ hingegen Michalskt, Jura 1996, 169 (169). 14 4. Erwägungsgrund der Präambel; Gilles, NJW 1986, 1131 (1133); Goller, GewArch 1986, 73 (73). 15 Diese, vom Ansatzpunkt eines methodischen Individualismus her ebenso unerfreuliche Folge wird seltener hervorgehoben: vgl etwa andeutungsweise Goller, GewArch 1986, 73 (73); Michalski, ]uta 1996, 169 (169). 16 Kohte, EuZW 1990, 150 (bes 154 f).

2.01 Haustürwiderrufs-Richtlinie

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ren: 1 7 Der Vorteil des Überrumpelungseffekts wird ihnen weitgehend genommen. Sodann wird der Wettbewerb verschiedener Vertriebsarten - des Direktvertriebs und anderer Formen des Vertriebs - beeinflußt. 18 Mögliche, als illegitim verstandene Vorteile des Direktvertriebs werden beseitigt, umgekehrt können mittel- und langfristig Nachteile, die auf Vertrauensverlusten der Verbraucher beruhen, ausgeräumt werden. Zuletzt sollen auch Verzerrungen im Wettbewerbsverhältnis zwischen Anbietern verschiedener Mitgliedstaaten abgebaut werden - durch Angleichung der Vertriebschancen. Insoweit wirkt die Haustürwiderrufs-Richtlinie auch wiederum nicht nur regulierend, sondern, soweit der Richtlinienstandard erfüllt wird, ebenfalls befreiend für die Unternehmen, die grenzüberschreitend anbieten wollen. Das Umfeld bildet heute vor allem die Fernabsatz-Richtlinie (2.02). 1 9 Ergänzend sind außerdem vor allem die Regelungen der A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10), der Versicherungs-Richtlinien Leben ( 4 . 3 1 - 1 / 2 / 3 ) und der Richtlinie über irreführende Werbung 2 0 heranzuziehen. c) Kompetenz und grundsätzliche

Wirkungsweise

Gestützt wurde die Haustürwiderrufs-Richtlinie auf Art 100 EGV. Sie regelt Verkaufsmodalitäten, die der E u G H , soweit sie ausländische Anbieter nicht einmal de facto ungleich schwerer treffen, seit der Entscheidung in Sachen Keck keiner Überprüfung anhand der Grundfreiheiten unterzieht. Dennoch wurde die Kompetenz zum Erlaß der Richtlinie bisher nicht in Zweifel gezogen 2 1 - zu Recht, da der Harmonisierungsbedarf durch diese Rechtsprechung nicht negiert wird. 22 Da der Direktvertrieb für manche Branchen geradezu prägend ist, ist die Annahme nicht willkürlich, die Schaffung größerer Rechtssicherheit für ausländische Anbieter könne zu stärkerer Marktdurchdringung führen (vgl 2. Erwägungsgrund der Präambel). Wie bei anderen EG-Richtlinien wirkt die Harmonisierung nämlich dahingehend, daß sich ausländische Anbieter auf die Erfüllung der Richtlinienstandards berufen können, wenn strengere Vorschriften des Gastlandes ihr Eindringen in den Markt behindern. 23

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Diesen möglicherweise gar branchenfördernden Effekt betonen etwa Löwe, BB 1986, 821 (832); MünchKomm {-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 12. MünchKomm {-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 12. Beschreibung der wichtigsten Formen bei Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 3 6 - 4 8 . Vgl unten 2.02 Rn 5. Nachw oben 1. Teil Fn 90. Zum Verhältnis von Haustürwiderrufs- und Wettbewerbsrecht und außerdem auch zum allgem Zivilrecht (vorrangig im deutschen Kontext): Gilles, NJW 1986, 1131 (1134 f); Löwe, BB 1986, 821 (822 f); MünchKomm {-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 2 2 - 2 9 , 3 2 - 3 6 ; Ulmer, WRP 1986, 445 (448-455); jedoch auch Kohte, EuZW 1990, 150 (153-155). Offensichtlich von einer Kompetenz ausgehend, weil die Richtlinie heranziehend: EuGH 16. 5. 1989 - Rs 3 8 2 / 8 7 {EBS), Slg 1989, 1235 (1251-1253). Vgl näher oben 1. Teil Rn 135. Ausführlich oben 1. Teil Rn 110-120.

β

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

7 Intensiv diskutiert wurde anhand der Haustürwiderrufs-Richtlinie das Problem der horizontalen Direktwirkung und anderer Mechanismen, die ähnliche Wirkung zeitigen. Die Leitentscheidung des EuGH in Sachen Faccini Dori, die eine horizontale Direktwirkung ablehnte, erging zu dieser Richtlinie.24 Umgekehrt waren die sogenannten Gran-Canaria-Fälle25 Anlaß für eine Theorie, nach der der Forumstaat sein Recht, soweit es den Richtlinienvorgaben entspricht, als ordre public durchsetzen kann, wenn ein anderer Mitgliedstaat, dessen Recht aufgrund objektiver Anknüpfung (und Rechtswahl) zur Anwendung kommt, die Richtlinie noch nicht umgesetzt hat.26 Anders als Verfassungsrecht tendiert Gemeinschaftsrecht jedoch dazu, in wirtschaftsrelevanten Rechtsgebieten breitesten Raum einzunehmen.27 Wollte man alle diese Regeln als unverbrüchliche Grundlagen des Rechts des Forumstaates verstehen, so würde der Bereich des ordre public bald den überwiegenden Teil mancher Rechtsgebiete ausmachen.28 Hiervon zu unterscheiden ist eine zweite Frage, die auch heute, da alle Mitgliedstaaten die Haustürwiderrufs-Richtlinie umgesetzt haben,29 noch von Bedeutung ist: Fraglich ist, ob der Richtlinienstandard durch Wahl eines Drittstaatenrechts abbedungen werden kann, wenn der Sachverhalt zwar grenzüberschreitend gestaltet ist (Art 3 EVÜ bzw 27 EGBGB), umgekehrt jedoch nur Rechte verschiedener Mitgliedstaaten berührt. Dies ist auch für die Haustürwiderrufs-Richtlinie unter Hinweis auf eine analoge Anwendung von Art 3 III EVÜ bzw 27 III EGBGB zu verneinen, obwohl die Richtlinie insoweit keine ausdrückliche Regelung enthält. 2. Inhalt a) Anwendungsbereich 8 Den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich umreißt Art 1 RL, wobei die für den persönlichen Anwendungsbereich relevanten Begriffe in Art 2 RL definiert sind. Festgelegt wird der Anwendungsbereich durch zwei Komponenten, die (vertragliche) Bindung eines Verbrauchers einem Gewerbetreibenden gegenüber und die besondere Form der Eingehung dieser Bindung, die insgesamt mit

« EuGH, 14. 7. 1994 - Rs C-91/92 (Faccini Dori), Slg 1994, 3 3 2 5 (3356). 2 5 Zu diesen etwa Coester-Waltjen, FS Lorenz 1991, 2 9 7 ; Jayme, IPRax 1990, 2 2 0 ; Kohte, EuZW 1990, 150; Langenfeld, IPRax 1993, 155; Taupitz, BB 1990, 642. " Jayme, IPRax 1990, 2 2 0 (221 f); ähnlich: Langenfeld, IPRax 1993, 155 (156 f); iErg vergleichbar, jedoch von der wirtschaftspolitischen Motivation der Regelung her argumentierend: Kohte, EuZW 1990, 150 (153-155); und auch Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 141. 27 Jacques Delors geht - häufig zitiert - davon aus, daß im Jahre 2 0 0 0 8 0 % des Wirtschafts-, Sozial- und Steuerrechts auf EG-Richtlinien beruhen wird: vgl nur Götz, NJW 1992, 1849 (1850). 2 8 Für weitere Argumente oben 1. Teil Rn 152. Überwiegend wird der Ansatz daher abgelehnt. Für die Haustürwiderrufs-Richtlinie mit weiteren Argumenten MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 51; Taupitz, BB 1990, 6 4 2 (650 f). 2 9 MünchKomm (-Ulmer), Vor ξ 1 HWiG, Rn 21.

2.01 Haustiirwiderrufs-Richtlinie

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dem Begriff des Direktvertriebs (oder Direktmarketing) umschrieben wird. Hinzu kommt eine Spezifizierung des Aktes, durch den der Verbraucher sich bindet (invitatio ad offerendum, Angebot etc). Nach Art 1 I RL iVm Art 2 RL wird ein Vertrag zwischen Verbraucher und 9 Gewerbetreibendem vorausgesetzt. Entscheidend ist jedoch wohl allein die Bindung des Verbrauchers, wie Art 1 III und IV RL zeigen. Sollte diese in einem nationalen Recht auch durch einseitiges Rechtsgeschäft begründet werden können, muß dies vom Schutzzweck der Richtlinie her ausreichen. Entgeltlichkeit oder ein bestimmter Vertragstyp - etwa ein solcher über Warenlieferung oder Dienstleistung - werden demgegenüber nicht gefordert.30 Daher ist die für das bundesdeutsche Recht umstrittene Frage, ob die vom Verbraucher eingegangene Bürgschaft unter das Haustürwiderrufsgesetz fallt,31 für die Haustürwiderrufs-Richtlinie uneingeschränkt positiv zu beantworten.32 Verbraucher kann nur eine natürliche Person sein. Entscheidend ist die Zielsetzung des konkreten Geschäfts, so daß auch der Gewerbetreibende bei Geschäften des Privatbereichs den Schutz der Haustürwiderrufs-Richtlinie genießt.33 Nicht abgestellt wird auf die konkrete Schutzbedürftigkeit. Nicht einbezogen sind nach der Judikatur des EuGH Geschäfte der beruflichen Existenzgründung und des Verkaufs des Gewerbes.34 Überhaupt ist nicht zwischen Geschäften mit Ausnahmecharakter und laufendem Geschäft zu unterscheiden. Erst recht nicht den Schutz der Richtlinie genießen dann Gewerbetreibende vom Zuschnitt eines Minderkaufmanns. Auf der Gegenseite ist zumindest berufliche Tätigkeit zu fordern, wobei auch Vertreter einbezogen sind. Entscheidendes Gewicht kommt der Umschreibung der Vertragsartbahnungsmo10 dalitäten des Direktvertriebs zu. Einhellig wird davon ausgegangen, daß die beiden in Art 11 RL genannten Situationen eine enumerative (abschließende) Aufzählung darstellen.35 Einerseits sind dies vom Gewerbetreibenden organisierte „Ausflüge" außerhalb seiner Geschäftsräume. Unstreitig ist als Organisation durch den Gewerbetreibenden auch die Beauftragung eines Dritten anzusehen. Unklar ist, ob

Schanbacher, NJW 1991, 3263 (3264); sowie Pfeiffer, ZBB 1992,1 (7): Vielmehr muß nur der Gewerbetreibende generell im Geschäft der Warenlieferung oder Dienstleistung tätig sein, nicht der fragliche Vertrag in diesen Bereich fallen; unzutr Fischer /Machunsky, § 1 HWiG, Rn 7. 31 Vgl Nachw unten Fn 64. « Nunmehr EuGH 17. 3. 1998 - Rs C-45/96 (Bayerische Hypobank / Dietzinger), NJW 1998, 1295 (1296) (anders jedoch, wenn Bürgschaft oder gesicherter Kredit gewerblich erteilt); schon bisher Pfeiffer, ZBB 1992,1 (7 f); zweifelnd Roth, ZIP 1996,1285 (1286 f); zur Entscheidung und (auch vom BGH aufgeworfenen) Folgefragen: Pfeiffer, ZIP 1998, 1129; Reinicke / Tiedtke, ZIP 1998, 893. 33 Für das HWiG: BGH NJW 1994, 2759 (2760); MünchKomm (-Ulmer), § 6 HWiG, Rn 9; Teske, ZIP 1986, 624 (630). 34 EuGH 14. 3. 1991 - Rs C-361/89 (di Pinto), Slg 1991, 1-1189 (1211 f); zum deutschen Recht, in dem dies hinsichtlich Existenzgründungsgeschäften umstritten ist: BGH NJW 1994, 2759 (2760); MünchKomm (-Ulmer), § 6 HWiG, Rn 11. 35 Für die insoweit vergleichbare deutsche Regelung Goller, GewArch 1986, 73 (75); Löwe, BB 1986, 821 (823); MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 13; Teske, ZIP 1986, 624 (628). 30

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

dem Begriff „Ausflug" eigenständige Bedeutung neben der Voraussetzung zukommt, daß die Veranstaltung außerhalb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden stattzufinden hat. Dies ist in zweierlei Hinsicht denkbar: Einerseits wird teils gefordert, daß eine gemeinsame Beförderung (oder Fortbewegung) Element der Veranstaltung ist; 36 andererseits legt die Rechtslage in Deutschland die Erwägung nahe, daß vielleicht auch im Gemeinschaftsrecht eine Veranstaltung mit Freizeitcharakter zu fordern ist. Die klassischen Kaffeefahrten erfüllen beide Voraussetzungen, die Einladung in ein Festzelt (bei eigener Anreise) nicht die erste, die gemeinsame Fahrt zu einer Veranstaltung, die eindeutig als Kaufveranstaltung deklariert ist, nicht die zweite. 37 Entscheidend für die Auslegung muß das Regelungsziel sein, zu fragen ist also nach der jeweiligen Überrumpelungsgefahr. Sie hängt nicht von einer gemeinsamen Beförderung ab, wohl jedoch davon, ob die primär kommerzielle Prägung der Veranstaltung vorher eindeutig geklärt ist (vgl 2. Spiegelstrich aE). Als Ausflug ist daher eine Veranstaltung zu verstehen, deren primär kommerzielle Prägung vorher nicht eindeutig geklärt ist. Allerdings spricht der insoweit eindeutige Wortlaut der Norm dafür, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber der Meinung war, bei Veranstaltungen in den Geschäftsräumen des Gewerbetreibenden werde die primär kommerzielle Prägung stets hinreichend deutlich. 11

Als zweite Vertragsanbahnungsmodalität des Direktvertriebs wird der Besuch am Arbeitsplatz oder in einer Privatwohnung geregelt (Art 1 1 2 . Spiegelstrich, II und Art 3 III RL). Schutz genießen sollte der Verbraucher offenbar in Räumen, in denen ihn rechtsgeschäftliche Kontaktaufnahmen und Folgen besonders unvorbereitet, „privat" und mit anderen Dingen beschäftigt treffen. Diese Zielsetzung spricht dafür, auch den privaten Garten und wohl schon den Betriebsbus hierher zu zählen. 38 Es ist also danach abzugrenzen, ob der Ort der Kontaktaufnahme allgemein zugänglich ist. Der Besuch des Gewerbetreibenden oder seines Vertreters muß Anlaß für die Eingehung der Bindung sein, sie muß demnach nicht bereits beim Besuch selbst erfolgen. Es genügt - dies fordert auch der Schutzzweck der Norm - , daß der Besuch kausal wurde. 39 Streitig ist, ob Anrufe einen „Besuch" darstellen. 40 Der Wortlaut spricht dagegen, und auch die Überrumpelungs- und Belästigungswirkung ist weniger intensiv. Eine Ausnahme gilt, wenn

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So offenbar Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 126. Zu weiteren Bspn (allerdings auf dem Hintergrund der deutschen Rechtslage): Erman {-Klingsporn), § 1 HWiG, Rn 14-17a; MünchKomm (-Ulmer), § 1 HWiG, Rn 2 1 - 2 5 ; Palandt (-Putzo), § 1 HWiG, Rn 10. Für das deutsche Recht: BT-Drs 10/2876, S 11; Erman (-Klingsporn), § 1 HWiG, Rn 12; Palandt (-Putzo), § 1 HWiG, Rn 9. Für das deutsche Recht: Palandt (-Putzo), § 1 HWiG, Rn 5, 7 ; für die Richtlinie wohl aA Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 58. Bejahend für die EG-Richtlinie: Eckert, DB 1994, 717 (722); vgl für das deutsche Recht: Erman (-Klingsporn), § 1 HWiG, Rn 13, 13a; Löwe, BB 1986, 821 (825); Schiaus, Z H R 151 (1987) 180 (182). Für das Teleshopping: MünchKomm (-Ulmer), § 1 HWiG, Rn 36a. Durch die Verabschiedung der Fernabsatz-Richtlinie (2.02) wurde die Frage für das Gemeinschaftsrecht eindeutig im negativen Sinne beantwortet: Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 108-113.

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der Kunde den Besuch bestellte. Hierbei sind drei Konstellationen zu unterscheiden. Ausgangspunkt für alle drei ist, daß die Bestellung ausdrücklich zu erfolgen hat, Schlüsse aus konkludenten Handlungen also unzulässig sind, 41 und daß wohl auch nach Gemeinschaftsrecht die provozierte Bestellung 4 2 nicht als „Wunsch" des Verbrauchers zu verstehen ist. 4 3 Vertragsabschlüsse über Gegenstände, für die die ausdrücklich ausgesprochene Bestellung galt, fallen nicht mehr unter die Richtlinie (Art 1 I aE RL). Betreffen sie demgegenüber andere Gegenstände, so gilt die Richtlinie ebenfalls nicht, falls der Verbraucher zumindest wissen mußte, daß der Gegenstand ins Leistungsrepertoire des Gewerbetreibenden fällt (Art 1 II RL). Ist auch letzteres nicht der Fall, können die Mitgliedstaaten bei Konnexität beider Gegenstände - desjenigen, für den die ausdrücklich ausgesprochene Bestellung galt, und desjenigen, über den kontrahiert wurde - eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Richtlinie vorsehen (Art 3 III RL). Nicht völlig klar ist die Bedeutung von Art 1 III und IV RL. Nach diesen Regeln genießt auch ein „Angebot" des Verbrauchers - gleichgültig, ob bindend oder nicht - den Schutz der Haustürwiderrufs-Richtlinie, wenn es unter „ähnlichen Bedingungen" abgegeben wurde, wie sie in Art 1 I und II R L als Vertragsanbahnungsmodalitäten umschrieben sind. Art 1 III R L meint hierbei die invitatio ad offerendum und ist vor allem auf die Regel des common law zugeschnitten, nach der Angebote mangels consideration keine Bindungswirkung entfalten; Art 1 IV RL meint das bindende Angebot. Nimmt man den Wortlaut ernst, so müssen die Vertragsanbahnungsmodalitäten nur „ähnlich" sein. Auch im englischen und französischen Text ist nicht nur von „entsprechenden", sondern von „ähnlichen Bedingungen" („conditions similar", „conditions semblables") die Rede. Für die Frage nach der Ähnlichkeit bildet dann die Zielsetzung der Regelung in Art 1 1 und II R L das entscheidende Kriterium. Es bestünde eine unwiderlegliche Vermutung für das Vorliegen der Überrumpelungsgefahr bei „Angeboten", die der Verbraucher auf einem Ausflug, in einer Privatwohnung oder am Arbeitsplatz abgibt. Andere Situationen, in denen das Angebot abgegeben wurde, wären demgegenüber „ähnlich", wenn positiv eine vergleichbar gewichtige Überrumpelungsgefahr festgestellt werden kann wie in den ausdrücklich genannten Situationen. Art 1 I RL enthielte dann Regelbeispiele, Art 1 III bzw IV R L eine Generalklausel für unbenannte Situationen, deren notwendiges Gefährdungspotential freilich dadurch präzisiert würde, daß auf die Regelbeispiele verwiesen wird. Darin wäre mehr als eine bloße Umgehungsregel zu sehen, die auch im Gemeinschaftsrecht ohnehin gilt - auch

"i Castello, VuR 1988, 1 (1); MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 8; Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 127 f; aA Michalski, Jura 1996, 169 (174). 42 Zu den verschiedenen Konstellationen auf dem Hintergrund des deutschen Rechts: Castello, VuR 1988, 1 (2); Michalski, Jura 1996, 169 (173 f); MünchKomm {-Ulmer), § 1 HWiG, Rn 46; 8, 21; Palandt (-Putzo), § 1 HWiG, Rn 19; Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 122-126. 43 Im deutschen Recht wird insoweit das Umgehungsverbot des § 5 I HWiG herangezogen: Löwe, BB 1986, 821 (828); Michalski, Jura 1996, 169 (173 f); Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 122-126. Solch ein Umgehungsverbot gilt wohl auch nach Gemeinschaftsrecht, ohne daß es ausdrücklich angeordnet wäre: vgl oben 1. Teil Rn 194.

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ohne ausdrückliche Normierung.44 Eine solchermaßen begründete Generalklausel müßte auch die Fälle erfassen, in denen der Verbraucher nicht das Angebot abgab, sondern den Vertrag durch Annahme zustande brachte. Sollte der EuGH Konstellationen von vergleichbarem Gefahrenpotential in den Anwendungsbereich der Haustürwiderrufs-Richtlinie einbeziehen, so wird dies unter Hinweis auf den „effet utile" und wahrscheinlich Art 1 III, IV RL geschehen. Ausgeschlossen erscheint dies nicht, da der EuGH bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht (vor allem Sekundärrecht) nicht vom völkerrechtlichen Grundsatz einer engen Auslegung ausgeht und auch Analogien für möglich hält.45 Die Gesetzgebungsgeschichte spricht freilich eher gegen solch eine Auslegung, weil die Vorschläge noch eine Generalklausel enthielten, diese jedoch zuletzt durch die enumerative Aufzählung ersetzt wurde46 - wohl um den grenzüberschreitend tätigen Unternehmen eine verläßliche Handhabe zu geben. 13 (Weitere) Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich enthält Art 3 RL, wobei freilich Art 3 I und III RL nur dahin gehende Wahlrechte für die Mitgliedstaaten begründen und allein in Art 3 II RL der Gemeinschaftsgesetzgeber die Ausnahme bereits selbst festlegte. Die Bagatellklausel des Art 3 I RL ist rechtlich unproblematisch, Art 3 III RL steht im Zusammenhang mit Art 1 I aE und II RL. 47 Art 3 II RL wurde teils damit gerechtfertigt, daß für die grenzüberschreitend relevanten Transaktionen in den genannten Bereichen eigene Regelungen geplant waren (so für lit. a, d und e),48 teils damit, daß die Überrumpelungsgefahr aufgrund anderer Umstände deutlich reduziert sei (so bei lit. b und c). Ersteres ist für das Timesharing als das wohl einzige Grundstücksgeschäft, das grenzüberschreitend als Massengeschäft betrieben wird, in der Tat inzwischen geschehen;49 und im Recht der Investmentfonds besteht immerhin ein jederzeitiges Lösungsrecht, im Versicherungsrecht für Lebensversicherungen sogar ein Rücktrittsrecht.50 Mit lit. c sollten eingespielte Formen des Versandhandels nicht künstlich zerstört werden,51 da für diese mit dem Rückgaberecht (3. Spiegelstrich) ohnehin ein funktionelles Äquivalent zu finden ist.

Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Zuleeg), Art 3 EGV, Rn 8 und 10 (mwN aus der EuGH-Rspr); und speziell für die Haustürwiderrufs-Richtlinie: Generalanwalt Lenz in: EuGH, 14. 7. 1994 - Rs C - 9 1 / 9 2 (Faccini Dori), Slg 1994, 3 3 2 5 (3333 f). 45 Bleckmann, Grundgesetz und Völkerrecht, 1975, S 4 7 , 4 9 . Gegen die hier erwogene Auslegung: Generalanwalt Lenz in: EuGH, 14. 7. 1994 - Rs C - 9 1 / 9 2 (Faccini Dori), Slg 1994, 3 3 2 5 (3333 f). « Erman (-Klingspom), Vor § 1 HWiG, Rn 39. 4 7 Vgl oben Rn 11 (aE). 48 Fischer / Machunsky, § 6 HWiG, Rn 34. 4 9 Vgl Art 5 Timesharing-Richtlinie (4.02). 5 0 Art 3 7 der Investmentfonds-Richtlinie (4.25); Art 3 0 der 3. Versicherungs-Richtlinie Leben (4.31-3) (vgl dort Rn 37). Für die insoweit sogar strengere Regelung zumindest im deutschen Versicherungsrecht vgl unten Rn 20. 51 Beim typischen Fall der Direktbestellung seitens eines Einzelkundens fehlt es ohnehin schon an den Tatbestandsvoraussetzungen des Art 1 RL: Löwe, BB 1986, 821 (828 f); Palandt (-Putzo), § 5 HWiG, Rn 9; Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 4 4 - 4 7 , 48 (für das deutsche Recht). 44

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b) Widerrufsrecht Das Widerrufsrecht selbst und die Belehrung darüber sind deutlich kürzer geregelt (und waren ungleich weniger umstritten) als der Anwendungsbereich des Regelwerkes. Art 4 R L statuiert eine Belehrungspflicht des Gewerbetreibenden. Die Form ist so ausgestaltet, daß tatsächliche Aufklärung weitestgehend verbürgt ist: Sie hat schriftlich zu erfolgen, unter Angabe sowohl der Widerrufsfrist (einschließlich des Datums des Fristanlaufs) als auch des Namens und der Adresse des Erklärungsempfängers. Hinzu kommt die Identifizierung des betroffenen Vertrages. Einzig ungeregelt blieb, ob die Belehrung gesondert zu erfolgen hat (so § 2 I 2, 3 HWiG) oder im Vertrag „versteckt" werden darf. Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung des Rechts wird solch eine Gestaltung freilich regelmäßig das Transparenzgebot der A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10) verletzen. 52 Es handelt sich bei der Belehrungspflicht nach Art 4 R L nicht nur um eine Obliegenheit. 53

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Das Widerrufsrecht selbst und seine Ausübung sind in Art 5 und 6 RL in einigen 15 Eckpunkten geregelt, die wenig problematisch erscheinen: Die Frist hat mindestens sieben Tage zu betragen und wird schon durch die Absendung gewahrt. Der Verbraucher kann auf sein Widerrufsrecht weder durch einseitige Erklärung noch durch Vertrag verzichten 54 und dies wohl auch nicht nach Abschluß des Vertrages während der (kurzen!) Laufzeit der Frist, die ihm umfassend erhalten bleiben soll.

c) Verbliebene Regelungslücken und -freiräume Regelungslücken - bezogen auf das Problem der Abweichung vom gewöhnlichen, vom Kunden initiierten Vertragsabschluß in einem Geschäftslokal - ergeben sich

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aus zwei Gründen. Zum einen wurden nur zwei Vertragsanbahnungsmodalitäten

aus dem großen Kreis des Direktvertriebs enumerativ herausgegriffen (Art 1 I RL). Ist Art 1 III, IV R L nicht als (recht versteckte) Generalklausel zu verstehen, traf der Gemeinschaftsgesetzgeber damit freilich auch die Aussage dahingehend, daß ihm andere Vertragsanbahnungsmodalitäten weniger gefährlich erscheinen. Nationale Ausdehnungen sind dann nach Art. 8 R L zwar zugelassen, jedoch ohne Wirkung gegenüber ausländischen Anbietern. Zum anderen schaffen Bereichsausnahmen Regelungslücken, die jedoch nach dem Gesagten überwiegend durch andere Rechtssetzungsakte der Gemeinschaft geschlossen wurden.

Außerdem wurde jedoch kritisiert, daß ein Widerrufsrecht nicht genügend Schutz 17 gewährleiste, 55 also auch die Schutzinstrumente und ihre Intensität „lückenhaft" " Vgl dort Rn 32-35. 53 OLG Stuttgart NJW 1988, 1986 (1987); Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 129; Michalski, Jura 1996, 169 (176). 54 Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 130; ebenso für ξ 5 IV HWiG (trotz gegenteiligen Wortlauts) Palandt (-Putzo), § 6 HWiG, Rn 7. 55 Gilles, NJW 1986, 1131 (1132) spricht von „lediglich ... punktuell geschützten Verbrauchern" und bezeichnet den deutschen und implizit den EG-Rechtssetzungsakt pauschaler als einen „schwächlich geratenen Sprößling"; zustimmend Kaiser, WRP 1989, 222 (222 f); demgegenüber Löwe, BB 1986, 821 (822) (alle mwN zur Bewertung des Rechtssetzungsakts).

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seien. Vom Regelungsansatz der Richtlinie her ist diesem Einwand nicht zu folgen: Es sollten Direktvertrieb und andere Vertriebsformen gleichgestellt werden. Dazu war allein die Überlegungs- und Vergleichsmöglichkeit, die der Verbraucher bei Inanspruchnahme anderer Vertriebsformen genießt, wiederherzustellen. Das Widerrufsrecht gewährleistet dies56 - allerdings unter der doppelten Voraussetzung, daß dem Verbraucher das Fehlen einer (endgültigen) rechtlichen Bindung erkennbar wird und daß das Widerrufsrecht frei ist von belastenden Zusatzvoraussetzungen. Einbußen im ersten Punkt sind allein bei Verletzung der Belehrungspflicht zu befürchten (vgl Art 4 3. UA RL). Das Widerrufsrecht selbst stellt ein Gestaltungsrecht des Verbrauchers dar und bedarf daher keiner Sanktionierung. Jedoch ist auch die Belehrungsregel nach dem Gesagten so ausgestaltet, daß der Verbraucher bei ordnungsgemäßer Belehrung die fehlende rechtliche Bindung erkennen muß. Fehlt solch eine Belehrung, läuft umgekehrt die Widerrufsfrist nicht an, bleibt der Verbraucher also noch ungebunden. Dennoch muß der nationale Gesetzgeber Praktiken verhindern, die darauf abzielen, die Belehrung systematisch in der Hoffnung zu unterlassen, daß wenige Verbraucher ihr Widerrufsrecht erkennen. Hierdurch würde das Widerrufsrecht faktisch leerlaufen. Damit sind die Sanktionen und Rechtsfolgen angesprochen. Dies betrifft auch den zweiten oben genannten Gesichtspunkt, daß das Widerrufsrecht nicht faktisch beschränkt werden darf. Wie die meisten Rechtssetzungsakte zum Europäischen Schuldvertragsrecht regelt auch die Haustürwiderrufs-Richtlinie die Sanktionen nicht. Zu beachten sind bei der Ausgestaltung von Sanktionen im nationalen Recht jedoch die in der EuGH-Rechtsprechung aktualisierten primärrechtlichen Vorgaben.57 Für die Rechtsfolgen des Widerrufs verweist Art 7 RL zwar ausdrücklich auf die nationalen Rechtsordnungen, insbesondere für die Rückabwicklung. Eine versteckte Vorgabe enthält insoweit jedoch Art 3 II lit. c iii RL. Diese hat allgemein zu gelten, da der Versandhandel wohl kaum schlechter gestellt werden sollte als jede sonstige Form des Direktvertriebs.S8 Nach dieser Regelung soll der Verbraucher den Gegenstand der Leistung zwar „angemessen" behandeln, also einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch ausgesetzt sein. Weitere negative Rechtsfolgen dürfen an den Widerruf jedoch nicht geknüpft werden, also auch nicht etwa ein Anspruch des Gewerbetreibenden auf Nutzungsentschädigung. Dies ist die Lösung, die später in der Fernabsatz-Richtlinie (2.02) ausdrücklich gewählt wurde. Dies ist außerdem angesichts der Kürze der Widerrufsfrist, die der Gewerbetreibende selbst durch seine Belehrung beeinflußt, nicht unbillig. In der Tat wurde im Gesetzgebungsverfahren Auch die Kürze der Widerrufsfrist ist nicht kritikwürdig. Soll der Direktvertrieb nicht pönalisiert werden - weil die Vertriebsform an sich nicht nur negativ gesehen werden kann - und soll umgekehrt kein Nutzungsentgelt für die zeitweise Überlassung geschuldet sein, so müssen die Interessen der Anbieter in die Abwägung einfließen. " Dazu oben 1. Teil Rn 1 7 9 - 1 8 1 . 56

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Z u m positiven Bild, das gerade der Versandhandel in den Augen des Gemeinschaftsgesetzgebers genoß: AB1EG 1 9 7 7 C 2 4 1 / 2 6 (27) mit dem wohl wichtigsten unter den Vorschlägen des Parlaments, der fortan denn auch nicht mehr in Zweifel gezogen wurde.

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zur Timesharing-Richtlinie (4.02) die Kürze der Widernifsfrist gerade mit dem Argument begründet, es sollte die prompte Vertragsdurchführung gefördert werden. 5 9 3.

Umsetzung

Vor Erlaß des deutschen Haustürwiderrufsgesetzes war die Bundesregierung 18 nicht zur Aufgabe ihrer Blockadepolitik im Rat der E G zu bewegen. Dieses ging der Haustürwiderrufs-Richtlinie also zeitlich voran. Auch später wurde kein Anlaß gesehen, das Gesetz an die Richtlinienvorgaben anzupassen. 60 Daraus ergeben sich eine Reihe von Abweichungen, zumindest in der Formulierung und in zahlreichen Details. Dennoch fungiert das Gesetz heute als Umsetzung der Haustürwiderrufs-Richtlinie, ist an deren Vorgaben zu messen und richtlinienkonform auszulegen. 61 Das Gesetz begegnete zudem, solange es die Versicherungswirtschaft privilegierte, verfassungsrechtlichen Bedenken. 6 2 Den Anwendungsbereich (mit Ausnahmen) regelte der deutsche Gesetzgeber in 19 §§ 1, 6 H W i G , die daher als Umsetzung von Art 1 - 3 R L zu gelten haben. Die Regelung des Anwendungsbereichs mit ihren drei konstitutiven Elementen mußte mindestens so weit reichen wie diejenige der Richtlinie, konnte jedoch gemäß Art 8 R L auch darüber hinausgehen: Die deutsche Regelung umfaßt in der Tat ebenfalls alle Akte, die eine (evtl auch nur psychologische) Bindung des Verbrauchers herbeiführen (Art 1 III, I V RL); denn nach deutschem Recht setzt die Bindung einen Vertrag voraus und es kommt nach § 1 HWiG nur darauf an, daß die Verhandlungen und (evtl noch unverbindlichen) Erklärungen beim Vertreterbesuch letztlich zu einer Willenserklärung des Verbrauchers geführt haben. Eingeengt wurde demgegenüber die Voraussetzung, daß ein Vertrag vorzuliegen habe; 6 3 denn der deutsche Gesetzgeber fordert zusätzlich Entgeltlichkeit desselben und provozierte damit den schärfsten Auslegungsstreit zu § 1 H W i G : zur

59 Vgl dort Rn 19. 60 Die Richtlinienkonformität wurde überwiegend uneingeschränkt bejaht: Erman (-Klingspom), Vor § 1 HWiG, Rn 40; Goller, GewArch 1986, 73 (78); Langenfeld, IPRax 1993, 155 (155); Löwe, BB 1986, 821 (822); Zerns, Die situativen Voraussetzungen, S 59f. 61 So ausdrücklich für älteres nationales Recht EuGH 13. 11. 1990 - Rs C-106/89 (Marlensing), Slg 1990,1-4135 (4158-4160); für das HWiG: Fischer /Macbunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 123; MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 8, 21; Pfeiffer, ZBB 1992,1 (7); Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 59 f. « Löwe, BB 1986, 821 (830, 831); Teske, ZIP 1986, 624 (634); wohl auch Gilles, NJW 1986, 1131 (1147); krit auch Fischer /Machunsky, § 6 HWiG, Rn 34; Ulmer, WRP 1986, 445 (455); ausführlich zur Diskriminierung der Kreditinstitute Knauth, WM 1987, 517; unsubstantiiert demgegenüber die allgem verfassungsrechtlichen Bedenken bei Kaiser, WRP 1989, 222 (223). Diese Bedenken schlugen, selbst wenn die Überprüfbarkeit von Gemeinschaftsrecht nach nationalem Verfassungsrecht abzulehnen ist, durch; denn eine Einbeziehung der Versicherungswirtschaft war jedenfalls nach Art 8 RL zulässig, so daß das verfassungsrechtliche Gebot nicht hinter Gemeinschaftsrecht zurücktreten mußte. « Vgl oben Rn 9.

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Frage, ob die Bürgschaft in den Anwendungsbereich des Gesetzes falle.64 Die Vertragsanbahnungsmodalitäten, deren Vorliegen zur Anwendbarkeit des Gesetzes führt, ergänzte der deutsche Gesetzgeber um eine weitere (§ 11 Nr 3 HWiG). Ansonsten umschrieb er sie zwar nicht wörtlich identisch, wohl jedoch in zentralen Teilen inhaltlich.65 Dies gilt auch für den in Nr 2 verwandten Begriff der Freizeitveranstaltung, mit dem zwar der in der Richtlinie verwandte Terminus „Ausflug" einengend, wohl jedoch zutreffend interpretiert wurde; weiter geht das deutsche Gesetz in diesem Punkte darin, daß auch Freizeitveranstaltungen in den Geschäftsräumen des Gewerbetreibenden erfaßt sind.66 Demgegenüber fehlt es - wenn man Art 1 III, IV RL in diesem Sinne auslegen sollte - an einer Generalklausel, mit der ähnlich gefährliche Direktvertriebsformen erfaßt werden können.67 Richtlinienwidrig ist sodann, daß die Bestellung seitens des Kunden, die eine Ausnahme vom Anwendungsbereich begründet, nach § 1 II Nr 1 HWiG auch konkludent erfolgen kann.68 2 0 Außerdem durfte der deutsche Gesetzgeber auch sonst in den Ausnahmen (§§ 1 II, 5 II, III, 6 Nr 2 HWiG) nicht weiter gehen, als durch die Richtlinie zugelassen. Insgesamt ist deren Kreis in der Tat enger. Der deutsche Gesetzgeber übernahm nicht alle Ausnahmen des Art 3 II RL (vgl §§ 1 II, 5 III, IV HWiG), bezog die Bagatellklausel des Art 3 I RL allein auf Barzahlungsverträge (§ 1 II Nr 2 HWiG), und auch die vielfach kritisierte Ausnahme für die Versicherungswirtschaft (§ 6

Bejahend (für das deutsche Recht): BGH NJW 1993, 1595 (1596); Bülow, NJW 1996, 2889 (2890 f); Bunte, WM 1993, 877 (879); Frings, ZIP 1996, 1193 (1200); Klingspom, WM 1993, 829 (832 f); Pfeiffer, ZBB 1992,1 (2-7); Schanbacher, NJW 1991,3263 (3264); Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 66; und für die Bestellung einer Sicherungsgrundschuld: BGH NJW 1996, 55 (56); verneinend: BGHZ 113, 287 (288 f); BGH NJW 1991, 2905 (2905); Wenzel, NJW 1993, 2781 (2781); differenzierend: Klein, DZWir 1996, 230 (232); Wassermann, JuS 1992, 908 (911). Zur Rechtslage nach der RL oben Rn 9. 65 Vgl für die Begriffe des Gewerbetreibenden und des Verbrauchers MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 7. Eine Ausweitung enthält S 1 I Nr 3 HWiG: Es wird auch ein überraschendes Ansprechen in Verkehrsmitteln und auf öffentlichen Verkehrsflächen erfaßt. « So die hL: BGH WM 1991, 1634 (1635); OLG Celle, OLGZ 1991, 485; Erman (-Klingsporn), § 1 HWiG, Rn 15; Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 126; Kaiser, WRP 1989, III (227 f); MünchKomm (-Ulmer), § 1 HWiG, Rn 24; Palandt (-Putzo), § 1 HWiG, Rn 10; Zerres, Die situativen Voraussetzungen, S 64; aA Schiaus, ZHR 151 (1987) 180 (187). 67 Das Umgehungsverbot des § 5 I HWiG, das am ehesten in diesem Sinne instrumentalisiert werden könnte, wird überwiegend gerade nicht dahingehend verstanden, daß es eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 1 HWiG rechtfertige: Löwe, BB 1986, 821 (828); Palandt (-Putzo), § 5 HWiG, Rn 3; Wassermann, Grundfälle zum Recht der Haustürgeschäfte (II), JuS 1990, 723 (723 ff); aA Gilles, NJW 1986, 1131 (1144 f) und tendenziell auch MünchKomm (-Ulmer), Vor ξ 1 HWiG, Rn 13. 68 So Gilles, NJW 1986, 1131 (1141 f); Hopt, Die Nichtigkeit von Darlehensverträgen bei Abschluß oder Vermittlung im Reisegewerbe - Rechtsprobleme der § 56 I Nr 6 GewO, § 134 BGB, NJW 1985,1665 (1669); Knauth, WM 1986, 509 (515); Löwe, BB 1986, 821 (827); Palandt (-Putzo), § 1 HWiG, Rn 17; daher zu Recht für eine richtlinienkonforme Auslegung im gegenteiligen Sinne MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 8; wohl auch Erman (-Klingsporn), § 1 HWiG, Rn 27a. 64

2.01 Haustürwiderrufs-Richtlinie

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Nr 2 HWiG) ist heute nicht mehr schädlich. 69 Geblieben ist die - richtlinienwidrige - Ausdehnung der Ausnahme für Immobiliengeschäfte (Art 3 II lit. a RL) auf alle notariell beurkundeten Verträge (§ 1 II Nr 3 H W i G ) . 7 0 Das Widerrufsrecht selbst regelte der deutsche Gesetzgeber in §§ 2 , 5 IV H W i G . 21 Die Belehrungspflicht gestaltete er freilich als bloße Obliegenheit aus. 71 Auch die Datierung und die Identifizierung des betroffenen Vertrages ist nicht ausdrücklich vorgesehen. Umgekehrt ist die Effizienz der Belehrung dadurch gesteigert, daß sie gesondert zu erfolgen hat 7 2 und daß sie sich auch auf das praktisch nicht unwichtige Detail zu erstrecken hat, daß Absendung zur Fristwahrung ausreicht. Als Widerrufsfrist wählte der deutsche Gesetzgeber die kürzest mögliche ( § 1 1 HWiG). Die Regelung ist in Übereinstimmung mit Art 6 RL halbzwingend (§ 5 IV HWiG). Die Rechtsfolgen, die nach Art 7 R L der nationale Gesetzgeber zu gestalten hat, sind in ξ 3 H W i G geregelt. Freilich wird teils die Schwäche der Sanktionen, insbesondere diejenige bei unterlassener Belehrung ( § 2 1 4 HWiG), moniert. 7 3 In der Tat ist fraglich, ob die bloße Fristverlängerung als Verletzungssanktion „jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend" ist. 7 4 Außerdem war der deutsche Gesetzgeber auch bei der Gestaltung der Rechtsfolgen keineswegs frei. Zwar konnte er (verschuldensabhängige) Schadensersatzansprüche für Beschädigung des Vertragsgegenstandes vorsehen (§ 3 I, II HWiG), nicht jedoch ein Nutzungsentgelt (§ 3 III HWiG). 7 s

B.

Fundstellenverzeichnis

Grundlage: Art 100 E G V Betr: Widerrufsrecht von Verbrauchern bei bestimmten Formen des Direktvertriebs durch Gewerbetreibende und diesbezügliche Belehrungspflicht des Gewerbetreibenden «» § 8 IV W G in der seit 21. 7. 1994 geltenden Fassung entspricht § 1 HWiG, geht über diesen in zentralen Punkten sogar hinaus, sowohl in der Strenge der Belehrungspflicht als auch in der Länge der (vierzehntägigen) Widerrufsfrist. 70 Daher zu Recht für einerichtlinienkonformeReduktion: MünchKomm {-¡Jlmer), Vor § 1 HWiG, Rn 8; demgegenüber halten Fischer / Machunsky, Vor § 1 HWiG, Rn 127, die Abweichung für unbedenklich; ebenso Michalski, Jura 1996, 169 (174). 71 So Palandt (-Putto), § 2 HWiG, Rn 6; OLG Stuttgart NJW 1988, 1986 1987); für eine richtlinienkonforme Auslegung als Belehrungsp/Z/cfcf (sowie zu den praktischen Unterschieden) Fischer / Machunsky, vor § 1 HWiG, Rn 117 f; § 2 HWiG, Rn 17. 72 Dazu im einzelnen Michalski, Jura 1996, 169 (174 f); MünchKomm (-Ulmer), § 2 HWiG, Rn 6, 8; Palandt (-Putzo), § 2 HWiG, Rn 6. 73 Vgl MünchKomm (-Ulmer), Vor § 1 HWiG, Rn 8; Fischer /Machunsky, § 2 HWiG, Rn 54; auch Erman (-Klingsporn), § 2 HWiG, Rn 7. 74 So die primärrechtliche Anforderung, die der EuGH an Sanktionen des nationalen Rechts stellt, die die Befolgung gemeinschaftsrechtlich vorgegebener Pflichten sicherstellen sollen: EuGH 21. 9. 1989 - Rs 68/88 (Kommission / Griechenland), Slg 1989, 2965 (2985); EuGH 10. 7.1990 - Rs C-326/88 (Hansen), Slg 1990,1-2911 (2935); näher 1. Teil Rn 179 f. 75 Vgl oben Rn 17; aA etwa Fischer / Machunsky, § 3 HWiG, Rn 16.

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

Fundstellen:

- verabschiedete Fassung AB1EG 1985 L 372/31 - geänderter Vorschlag vom 16. 01. 1978 AB1EG 1978 C 127/6 - ursprünglicher Vorschlag vom 17. 01. 1977 AB1EG 1977 C 22/6

Stellungnahmen:

- zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1977 C 241/26 WSA: AB1EG 1977 C 180/39

Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16. 01. 1986 Fundstelle:

BGBl 1986 I, S 122

Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (85/577/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft insbesondere auf Artikel 100, auf Vorschlag der Kommission«1', nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments'2), nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses'3', in Erwägung nachstehender Gründe: Der AbschluB von Verträgen oder einseitigen Verpflichtungserklärungen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden bildet eine Form der Handelspraxis, die in den Mitgliedstaaten häufig vorkommt. Solche Verträge und Verpflichtungserklärungen sind durch unterschiedliche Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten geregelt. Die Unterschiede zwischen diesen Rechtsvorschriften können sich unmittelbar auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken. Daher ist es nötig, die einschlägigen Bestimmungen anzugleichen. Die Nummern 24 und 25 des Ersten Programms der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher'4) sehen unter anderem vor, dae geeignete Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher vor miBbräuchlichen Handelspraktiken bei Haustürgeschäften getroffen werden. Das zweite Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher'5' hat die Fortführung der Aktionen und Prioritäten des ersten Programms bestätigt.

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ABl. Nr. C 2 2 v o m 29. 1. 1977, S. 6 u n d ABI. Nr. C

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ABI. Nr. C 241 v o m 10. 10. 1977, S. 26.



ABI. Nr. C 180 v o m 28. 7. 1977, S. 39.



ABI. Nr. C 92 vom 25. 4. 1975, S. 2.

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ABI. Nr. C 133 v o m 3. 6. 1981, S. 1.

127 v o m 1. 6. 1978, S. 6.

Verträge, die außerhalb der Geschäftsräume eines Gewerbetreibenden abgeschlossen werden, sind dadurch gekennzeichnet, daB die Initiative zu den Vertragsverhandlungen in der Regel vom Gewerbetreibenden ausgeht und der Verbraucher auf die Vertragsverhandlungen nicht vorbereitet ist. Letzterer hat häufig keine Möglichkeit, Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen. Dieses Überraschungsmoment gibt es nicht nur bei Haustürgeschäften, sondern auch bei anderen Verträgen, die auf Initiative des Gewerbetreibenden außerhalb seiner Geschäftsräume abgeschlossen werden. Um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Verpflichtungen aus dem Vertrag noch einmal zu überdenken, sollte ihm das Recht eingeräumt werden, innerhalb von mindestens sieben Tagen vom Vertrag zurückzutreten. Außerdem ist es geboten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß der Verbraucher schriftlich von seiner Überlegungsfrist unterrichtet ist. Die Freiheit der Mitgliedstaaten, das Verbot des Abschlusses von Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen teilweise oder vollständig beizubehalten oder einzuführen, sofern sie der Auffassung sind, daß dies im Interesse der Verbraucher liegt sollte nicht beeinträchtigt werden HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel

1

(1) Diese Richtlinie gilt für Verträge, die zwischen einem Gewerbetreibenden, der Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt, und einem Verbraucher geschlossen werden: - während eines vom Gewerbetreibenden außerhalb von dessen Geschäftsräumen organisierten Ausflugs, oder - anläßlich eines Besuchs des Gewerbetreibenden i) beim Verbraucher in seiner oder in der Wohnung eines anderen Verbrauchers, ii) beim Verbraucher an seinem Arbeitsplatz, sofern der Besuch nicht auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfolgt.

222

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

(2) Diese Richtlinie gilt auch für Verträge über andere Warenlieferungen oder Dienstleistungen als diejenigen, für die der Verbraucher den Gewerbetreibenden um einen Besuch gebeten hat, sofern der Verbraucher zum Zeltpunkt seiner Bitte nicht gewußt hat oder aus vertretbaren Gründen nicht wissen konnte, daß die Lieferung bzw. Erbringung dieser anderen Ware oder Dienstleistung zu den gewerblichen oder beruflichen Tätigkeiten des Gewerbetreibenden gehört. (3) Diese Richtlinie gilt auch für Verträge, bei denen der Verbraucher unter ähnlichen wie in Absatz 1 oder Absatz 2 genannten Bedingungen ein Angebot gemacht hat, obwohl der Verbraucher durch sein Angebot vor dessen Annahme durch den Gewerbetreibenden nicht gebunden war. (4) Diese Richtlinie gilt auch für vertragliche Angebote, die ein Verbraucher unter ähnlichen wie in Absatz 1 oder Absatz 2 genannten Bedingungen macht, sofern der Verbraucher durch sein Angebot gebunden ist. Artikel

2

Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet - „Verbraucher" eine natürliche Person, die bei den von dieser Richtlinie erfaßten Geschäften zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. - „Gewerbetreibender" eine natürliche oder juristische Person, die beim AbschluB des betreffenden Geschäfts im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, sowie eine Person, die im Namen und für Rechnung eines Gewerbetreibenden handelt. Artikel

3

(1) Die Mitgliedstaaten können entscheiden, daB diese Richtlinie nur auf Verträge angewandt wird, bei denen der vom Verbraucher zu zahlende Gegenwert über eine bestimmte Höhe hinausgeht. Dieser Betrag darf 60 ECU nicht übersteigen. Der Rat überprüft auf Vorschlag der Kommission diesen Betrag alle zwei Jahre, zum erstenmal spätestens vier Jahre nach Bekanntgabe dieser Richtlinie, und ändert ihn gegebenenfalls, wobei er die wirtschaftliche und monetäre Entwicklung in der Gemeinschaft berücksichtigt. (2) Diese Richtlinie gilt nicht für a) Verträge über den Bau, den Verkauf und die Miete von Immobilien sowie Verträge über andere Rechte an Immobilien; Verträge über die Lieferung von Waren und über ihre Einfügung in vorhandene Immobi-

lien oder Verträge über die Reparatur bestehender Immobilien werden von dieser Richtlinie erfaßt. b) Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln oder Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die von ambulanten Einzelhändlern in kurzen Zeitabständen und regelmäßig geliefert werden; c) Verträge über die Lieferung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen, vorausgesetzt, daß die drei folgenden Bedingungen erfüllt sind: i) Der Vertrag wird anhand eines Katalogs eines Gewerbetreibenden geschlossen, den der Verbraucher in Abwesenheit des Vertreters des Gewerbetreibenden eingehend zur Kenntnis nehmen konnte; ii) es wird vorgesehen, daß zwischen dem Vertreter des Gewerbetreibenden und dem Verbraucher im Zusammenhang mit diesem oder einem anderen, später abzuschließenden Geschäft eine ständige Verbindung aufrechterhalten wird; iii) der Katalog und der Vertrag weisen den Verbraucher deutlich auf das Recht hin, dem Lieferer die Waren mindestens binnen sieben Tagen nach Erhalt zurückzusenden oder Innerhalb dieser Frist vom Vertrag zurückzutreten, ohne daß ihm dadurch außer der Verpflichtung, die Waren angemessen zu behandeln, irgendwelche Verpflichtungen entstehen; d) Versicherungsverträge; e) Verträge über Wertpapiere. (3) Die Mitgliedstaaten haben abweichend von Artikel 1 Absatz 2 die Möglichkeit, diese Richtlinie nicht auf Verträge über Warenlieferungen oder Dienstleistungen anzuwenden, die unmittelbar mit der Ware oder der Dienstleistung in Verbindung stehen, für die der Verbraucher den Gewerbetreibenden um einen Besuch gebeten hat. Artikel

4

Der Gewerbetreibende hat den Verbraucher bei Geschäften im Sinne des Artikels 1 schriftlich über sein Widerrufsrecht innerhalb der in Artikel 5 festgelegten Fristen zu belehren und dabei den Namen und die Anschrift einer Person anzugeben, der gegenüber das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann. Diese Belehrung ist zu datieren und hat Angaben zu enthalten, die eine Identifizierung des Vertrages ermöglichen. Sie Ist dem Verbraucher auszuhändigen a) im Fall von Artikel 1 Absatz 1 zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses; b) im Fall von Artikel 1 Absatz 2 spätestens zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses;

2 . 0 1 Haustürwiderrufs-Richtlinie c) im Fall von Artikel 1 Absatz 3 und Artikel 1 Absatz 4 zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots durch den Verbraucher. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daB ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn die in diesem Artikel vorgesehene Belehrung nicht erfolgt. Artikel 5 (1) Der Verbraucher besitzt das Recht, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten, indem er dies innerhalb von mindestens sieben Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem ihm die in Artikel 4 genannte Belehrung erteilt wurde, entsprechend dem Verfahren und unter Beachtung der Bedingungen, die im einzelstaatlichen Recht festgelegt sind, anzeigt. Die Frist gilt als gewahrt, wenn die Anzeige vor Fristablauf abgesandt wird. (2) Die Anzeige bewirkt, daB der Verbraucher aus allen aus dem widerrufenen Vertrag erwachsenden Verpflichtungen entlassen ist. Artikel 6 Der Verbraucher kann auf die ihm aufgrund dieser Richtlinie eingeräumten Rechte nicht verzichten. Artikel 7 Übt der Verbraucher sein Rücktrittsrecht aus, so regeln sich die Rechtsfolgen des Widerrufs nach einzelstaatlichem Recht, insbesondere bezüglich der Rückerstattung von Zahlungen für Waren oder Dienstleistungen und der Rückgabe empfangener Waren.

223 Artikel 8

Die vorliegende Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, noch günstigere Verbraucherschutzbestimmungen auf dem Gebiet dieser Richtlinie zu erlassen oder beizubehalten. Artikel 9 (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie innerhalb von vierundzwanzig Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich hiervon in Kenntnis. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 10 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 20. Dezember 1985. Im Namen des Rates Der Präsident R. K R I E P S

224

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

2.02

Fernabsatz-Richtlinie

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 05. 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (97/7/EG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Jannarelle, Antonio (Ed), Le vendite aggressive - Vendite stipulate fuori dei locali commerciali e vendite stipulate a distanza nel diritto italiano ed europeo, Neapel (Adoni) 1995. 2. Aufsätze und Beiträge: Bodewig, Theo, Die neue europäische Richtlinie zum Fernabsatz, DZWiR 1997, 447-455; Bradgate, Robert, Distance Selling in the United Kingdom and the Proposed EC Directive, CLJ 1993,19-32; Biilow, Peter, Fernabsatzrichtlinie und Verbraucherkreditgesetz, DZWiR 1998, 89-94; Gößmann, Christine, Electronic Commerce - die EU-Femabsatzrichtlinie und ihre Auswirkungen auf den Handel über neue Medien, MultiMedia und Recht 1998, 88-92; van Huffei, Jan, La vente à distance, REDC 1997, 33-50; Köhler, Helmut, Die Rechte des Verbrauchers beim Teleshopping (TV-Shopping, Internet-Shopping), NJW 1998, 185-190; Kronke, Herbert, Electronic Commerce und Europäisches Verbrauchervertrags-IPR - zur Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie, RIW 1996, 985-993; Martinek, Michael, Verbraucherschutz im Fernabsatz - Lesehilfe mit Merkpunkten zur neuen EU-Richtlinie, NJW 1998, 207 f; Micklitz, Hans-Wolfgang, Der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, VuR 1993, 129-139; Reich, Norbert, Die neue Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, EuZW 1997, 581-589.

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand 1 Die Fernabsatz-Richtlinie regelt Vertragsabschlüsse zwischen beruflich Tätigen und Verbrauchern, bei denen zu keinem Zeitpunkt beide Parteien körperlich anwesend waren und die im Rahmen eines Telemarketing-Systems getätigt werden. Ausnahmen bestehen vor allem für Finanzdienstleistungen. Informationen über im einzelnen aufgelistete, vertragswesentliche Punkte sind rechtzeitig vor Vertragsschluß zu geben, desgleichen (nunmehr auf dauerhaftem Datenträger) während der Vertragserfüllungsphase. Klarheit und Verständlichkeit sind geboten. Der Verbraucher hat ein Widerrufsrecht von sieben Werktagen bzw, solange die diesbezügliche Belehrung unterbleibt, von drei Monaten ab Wareneingang bzw (bei Dienstleistungen) ab Vertragsschluß. Bei dessen Ausübung trägt er allein die Kosten der Rücksendung und hat einen Anspruch auf unverzügliche Erstattung erbrachter Leistungen. Ausnahmen bestehen bei Printmedien und in den Fällen, in denen die Leistung, insbesondere eine Dienstleistung, bereits teils konsumiert ist. Das Widerrufsrecht erstreckt sich auf diesbezügliche Kredite, auch bei Drittfinanzierung, die auf einer Vereinbarung mit dem Leistungserbrin-

2.02 Femabsatz-Richtlinie

225

ger beruht. Mangels anderer Vereinbarung hat der beruflich Tätige in dreißig Tagen zu leisten. Der Verbraucher hat Erstattungsansprüche bei Nichterfüllung und bei „betrügerischem" (wohl: weisungswidrigem) Zahlungskartengebrauch. Die unaufgeforderte Leistung mit Zahlungsaufforderung und diejenige per VoiceMail-System oder Telefax sind unzulässig, sonstige Formen des Fernabsatzes ebenfalls, falls der Verbraucher sie offenkundig ablehnt. b) Bedeutung,

Geschichte und Umfeld

Ausgangspunkt der Bemühungen um die Fernabsatz-Richtlinie war, nachdem 2 der Problemkreis bereits im ersten Verbraucherschutzprogramm von 1975 und später mehrfach angesprochen worden war, 1 ein (nicht als solches bezeichnetes) eigenes „Grünbuch" für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz von 1 9 9 2 . 2 Die verabschiedete Regelung hat weniger Harmonisierungs- als Marktaufschließungsfunktion. Behinderungen durch unterschiedliche Verbraucherschutzniveaus sollen erst gar nicht entstehen (Prävention). Zugleich soll die Fernabsatz-Richtlinie innovativ wirken: Da und obwohl in diesem Bereich in kaum einem Mitgliedstaat Verbraucherschutzrecht zu finden ist, soll dieses geschaffen werden. Dadurch soll Verbrauchervertrauen erzeugt und so Grund gelegt werden für die aktive Nutzung der sogenannten passiven Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit durch mündige Verbraucher; denn hierfür hat die Revolution in den technischen Voraussetzungen, vor allem bei den Kommunikationsmitteln, bereits einen fruchtbaren Boden geschaffen. 3 Grundsätzlich wurde der Kommissionsvorschlag vom 21. 5. 1992 positiv beur- 3 teilt (vgl Fundstellenverzeichnis). Das Gesetzgebungsverfahren nahm dennoch fünf Jahre in Anspruch. In seinem Verlauf kam insbesondere die sehr umstrittene Bereichsausnahme für Finanzdienstleistungen hinzu, wurden Fernabsätze, die nicht im Rahmen eines eigenen Telemarketingsystems erfolgen, ausgenommen (vgl Art 2 f RL), und wurde der Kreis derjenigen Techniken, deren Einsatz verboten war, wenn nicht der Verbraucher vorher zustimmte, deutlich reduziert (vgl Art 10 RL). Außerdem wurde darauf verzichtet, die Einrichtung eines Garantiefonds zur Pflicht zu machen. 4 Die Informationspflichten und das Widerrufsrecht (Art 4 - 6 RL) wurden nicht vergleichbar intensiven Modifikationen unterzogen. 1 2

3 4

AB1EG 1975 C 92/1; im einzelnen 5.-7. Erwägungsgrund der Präambel. KOM(92) 11 endg - SYN 411, AB1EG 1992 C 156/14. Reich, EuZW 1997, 581 (581) bezeichnet die Richtlinie denn auch als „grundlegendes EG-Vertriebsgesetz". 2.-4. Erwägungsgrund der Präambel; vgl auch unten Rn 10. Mit diesen vier wichtigsten Modifikationen wurde also das Maß des Verbraucherschutzes zurückgenommen, was Tonner, Die EG-Richtlinie über Pauschalreisen, EuZW 1990, 409 (411) in anderem Zusammenhang als den „gewöhnlichen Verwässerungsprozeß" geißelt. Umgekehrt wird eine überschießende Tendenz des Rechtsaktes beklagt, weil insbes auch Bestellungen, die der Verbraucher per Telekommunikationsmittel aufgibt, zwingend erfaßt werden: bes prägnant Hommelhoff, Verbraucherschutz, S 11 f. Die Wahl einer kostengünstigeren, sofortigen Bindung ist selbst dem mündigen und kundigen Verbraucher verstellt.

226

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

4 Ergänzend zur Fernabsatz-Richtlinie gilt auch fortan eine - nicht bindende Empfehlung vom 7. 4. 1992, J die Regeln zu Verhaltenscodices enthält, die sich Berufsvereinigungen von Lieferern geben sollen. Ihr Umfeld spricht die Fernabsatz-Richtlinie auch direkt an, indem sie in Art 13 vorsieht, daß anderweitige leges speciales vorgehen. Die Regelung hat noch praktisch keine Bedeutung. 5 Das Umfeld der Fernabsatz-Richtlinie bilden heute vor allem die Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01) und die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10). FernabsatzRichtlinie und Haustürwiderrufs-Richtlinie sind komplementär. Im zentralen Regelungsinstrument, dem Widerrufsrecht, lehnt sich die Regelung der jüngeren Fernabsatz-Richtlinie an diejenige der Haustürwiderrufs-Richtlinie an. Es verbleiben jedoch (unnötig) signifikante Unterschiede - von der unterschiedlichen Fristbestimmung (sieben Werktage bzw sieben Tage) bis zur unterschiedlichen Regelung des Fristanlaufs, insbesondere bei fehlender Belehrung (vgl Art 6 I 3. UA RL, der kein Pendant in der Haustürwiderrufs-Richtlinie hat). Darüber hinaus enthält die jüngere Fernabsatz-Richtlinie weitere Regelungskomplexe, insbesondere Informations- und Transparenzgebote. Da außerdem die Ausnahmen vom Anwendungsbereich unterschiedlich breit sind - so erfolgte etwa die Herausnahme von Finanzdienstleistungen in Art 3 lit. d und e der Haustürwiderrufs-Richtlinie noch weniger flächendeckend als in Art 3 1 1 . Spiegelstrich der Fernabsatz-Richtlinie - , ist die Abgrenzung des jeweiligen sachlichen Anwendungsbereichs durchaus von Bedeutung. Die Fernabsatz-Richtlinie weist in Art 4 II ebenso wie Art 5 der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) ein Transparenzgebot auf, wobei freilich nicht angeordnet wird, daß Erklärungen im Zweifel zu Lasten des beruflich Tätigen auszulegen sind. Eigenständige Bedeutung kommt dieser Regelung in der Fernabsatz-Richtlinie zu, solange es (in der Vertragsanbahnungsphase) noch an der vertraglichen Bindung fehlt. Nach Abschluß des Vertrages sind die Erklärungen der Vertragsanbahnungsphase freilich auch im Rahmen von Art 4 II und Art 5 der AGB- oder Klausel-Richtlinie erheblich. Außerdem schreibt die Fernabsatz-Richtlinie nicht nur vor, daß gegebene Informationen bzw vorgenommene vertragliche Regelungen transparent sein müssen, sondern daß bestimmte Informationen überhaupt zu geben sind. Demgegenüber hätte für Klauseln, die vertraglich bindend werden, auch solche zur Definition der Hauptleistung, die Regelung der AGB- oder Klausel-Richtlinie ausgereicht (vgl dort Art 4 II bzw 5 für die Festlegung der Hauptleistungen und für sonstige Leistungsumschreibungen). 6 Keine Überschneidungen gibt es mit der ebenfalls nahestehenden EG-FernsehRichtlinie,6 die in ihrem Art 18 Zeitbegrenzungen für Teleshopping vorsieht. Gleiches gilt für die EG-Richtlinie über irreführende Werbung,7 die zentrale unlauterkeitsrechtliche Rechtsangleichungsmaßnahme, mit der die Fernabsatz5

6 7

Empfehlung 9 2 / 2 9 5 / E W G der Kommission vom 7. 4. 1992 über die Verhaltenscodices zum Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, AB1EG 1992 L 156/21. Nachw oben 1. Teil Fn 578. Nachw oben 1. Teil Fn 90.

2.02 Fernabsatz-Richtlinie

227

Richtlinie nicht nur den teils unlauterkeitsrechtlichen Ansatz gemein hat (vgl Art 9 f RL), sondern auch den Regelungsgegenstand: die Vertragsanbahnungsund -abschlußphase. c) Kompetenz und grundsätzliche

Wirkungsweise

Die Fernabsatz-Richtlinie wurde auf Art 100a E G V gestützt. Wie die Haustür- 7 widerrufs-Richtlinie regelt sie Verkaufsmodalitäten, die der E u G H , soweit sie ausländische Anbieter nicht einmal de facto diskriminieren, seit der Entscheidung in Sachen Keck keiner Uberprüfung anhand der Grundfreiheiten unterzieht. Dennoch ist die Kompetenz zum Erlaß der Richtlinie nicht in Zweifel zu ziehen. 8 Dies ergibt sich aus der üblichen und sogleich noch kurz zu beschreibenden Freistellungswirkung, die die Richtlinie zugunsten von Unternehmen aus dem EGAusland zeitigt. Dies ergibt sich jedoch vor allem schon daraus, daß mit der Fernabsatz-Richtlinie erstmals ein Perspektivwechsel angebahnt wurde, der dann im Vorschlag einer Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (2.12) gänzlich vollzogen und für ihn auch ausführlich kommentiert wurde. 9 Nach ihrem 2 . - 4 . Erwägungsgrund der Präambel hat die Regelung der Fernabsatz-Richtlinie zumindest auch das Ziel, den aktiven Verbraucher zum Kauf jenseits der Grenze zu ermutigen, nicht nur das Ziel, bei (grenzüberschreitendem) Angebot der Unternehmen einen Mindeststandard an Verbraucherschutz zu verbürgen. Diesem aktiven Verbraucher soll die Sicherheit gegeben werden, daß ihm beim Einkauf jenseits der Grenze ein Mindestschutzstandard erhalten bleibt. Beispielsweise muß er sicher sein können, daß er nach Inspektion der Ware, die er im Fernabsatz vorher typischerweise nicht sieht, diese ablehnen und (gegen Übernahme der Rücksendungskosten) zurückschicken kann (Art 6 I, II RL). Diese Sicherheit könnte er auch dadurch erlangen, daß sein Heimatrecht gewählt wird (Art 3 - 5 EVÜ). Für die Regelungen der Fernabsatz-Richtlinie ist jedoch schon nicht umfassend verbürgt, daß eine Rechtswahl überhaupt zulässig ist; 1 0 jedenfalls ist die Möglichkeit regelmäßig eine nur theoretische, so daß die Erwägungen des E u G H in der Entscheidung in Sachen Alsthom Atiantique nicht durchschlagen. Daher konnte dieses Hindernis für einen grenzüberschreitenden Warenstrom, soweit er vom Verbraucher angestoßen werden soll, nur durch Harmonisierung ausgeräumt werden. 8

9 10

Bisher ist die Kompetenz in der Tat auch in der Literatur (implizit) bejaht worden: Bodewig, DZWiR 1997, 447 (447 f); Reich, EuZW 1997, 581 (581); ausdrücklich so zu Art 8 und dem letzten Erwägungsgrund der Präambel der Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01), die inhaltlich Art 14 S 2 RL entsprechen: EuGH 16. 5. 1989 - Rs 382/87 (EBS), Slg 1989, 1235 (1251-1253). Es gilt das oben 2.01 Rn 6 Gesagte entspr. Vgl im einzelnen, auch näher zum folgenden unten 2.12 Rn 11 f. Soweit die Regeln als unlauterkeitsrechtlich zu qualifizieren sind, kommt zwingend das Recht des Marktes zur Anwendung, auf dem die wettbewerblichen Interessen aufeinandertreffen. Vgl Nachw oben 1. Teil Fn 224. Zur Unanwendbarkeit der Grundfreiheitendogmatik bei Bestehen von Rechtswahlfreiheit nach der EuGH-Entscheidung in Sachen Alsthom Atiantique vgl oben 1. Teil Rn 68 f.

228

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

8 Die Fernabsatz-Richtlinie erlaubt es Unternehmen eines Mitgliedstaates, soweit ihr Heimatrecht dem Richtlinienstandard gerecht wird, den Vertrieb in allen Punkten, die die Fernabsatz-Richtlinie regelt, EG-weit nach ihrem Heimatrecht zu organisieren. Strengere nationale Regeln iSv Art 14 S 1 RL darf ihnen ein anderer Mitgliedstaat nicht entgegenhalten.11 Ihnen darf es beispielsweise, soweit der Verbraucher dies nicht offensichtlich abgelehnt hat, nicht untersagt werden, in Deutschland das Produkt per unaufgefordertem Telefonanruf zu vertreiben (Art 10 II RL). Allein beim Vertrieb von Arzneimitteln und von anderen Produkten mit gleich hoher Schutzsensibilität kann jeder Mitgliedstaat nach Art 14 S 2 RL Gebietsausnahmen vorsehen. In ihnen dürfen nationale Regeln dann weiterhin auch ausländischen Anbietern entgegengehalten werden, soweit sie durch (zwingende) Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.12 Insoweit zeigt Art 14 S 2 RL, daß die Mitgliedstaaten den letzten Integrationsschritt noch nicht getan haben und an dem Zustand festhalten wollen, der außerhalb der harmonisierten (und in die Integration vollständig einbezogenen) Bereiche gilt. In Art 12 II enthält die Fernabsatz-Richtlinie eine kollisionsrechtliche Regelung, die inhaltlich mit derjenigen des Art 6 II der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) identisch ist. Die dortigen Ausführungen gelten entsprechend.13 2. Inhalt a)

Anwendungsbereich

9 Den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich umreißen Art 1 f RL, wobei die für den persönlichen Anwendungsbereich relevanten Begriffe in Art 2 Nr 2 und 3 RL definiert sind. Festgelegt wird der Anwendungsbereich durch zwei Komponenten, den Vertragsabschluß zwischen Verbraucher und beruflich Tätigem und - den sachlichen Anwendungsbereich betreffend - die besondere Form des Vertragsabschlusses. 10 Letztere wird insgesamt mit dem Begriff des Fernabsatzes (Telemarketing) umschrieben. Kennzeichnend hierfür sind drei Komponenten: Zunächst wird der Einsatz von Fernkommunikationstechniken vorausgesetzt (Art 2 Nr 5 RL). Hierbei wurde ein für zukünftige Entwicklungen offenes Tatbestandsmerkmal gewählt,14 die fehlende körperliche Anwesenheit beider Vertragsparteien. Die diesbezügliche Liste in Anhang I hat allein beispielhaften Charakter. Sie umfaßt keineswegs nur neue Medien, sondern gleichermaßen traditionelle Kommunikationstechniken wie etwa den Versandhauskatalog.15 Sodann reicht es nicht aus, Ausführlich oben 1. Teil Rn 1 1 0 - 1 2 0 . Ausdrücklich so zu Art 8 und dem letzten Erwägungsgrund der Präambel der Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01), die inhaltlich Art 14 S 2 RL entsprechen: EuGH 16. 5 . 1 9 8 9 Rs 3 8 2 / 8 7 (EBS), Slg 1989, 1235 (1251-1253). 13 2.10 Rn 3 6 - 3 9 . Speziell zu Art 12 II RL Kronke, RIW 1996, 985 ( 9 8 6 - 9 9 3 ) ; Reich, EuZW 1997, 581 (587); kurz auch Martinek, NJW 1998, 2 0 7 (208). M Bodewig, DZWiR 1997, 4 4 7 (448); Kronke, RIW 1996, 985 (985); Micklitz, VuR 1993, 129 (130 f); Reich, EuZW 1997, 581 (582). " Martinek, NJW 1998, 207 (207). 11

12

2.02 Fernabsatz-Richtlinie

229

daß für die Vertragsanbahnung und den Vertragsschluß überhaupt Fernkommunikationstechniken eingesetzt wurden, sondern es müssen ausschließlich solche Fernkommunikationstechniken verwandt worden sein (Art 2 Nr 1 RL). Hierbei wird zwar zwischen Erklärungen, die der Vertragsanbahnung dienen, und solchen, die noch der allgemeinen Werbung dienen, unterschieden.16 Praktisch ist jedoch der Fall nicht denkbar, daß die allgemeine, „anonyme" Werbung unter Anwesenden erfolgt, die Vertragsanbahnung dann ausschließlich unter Abwesenden. Vorstellbar ist nur der umgekehrte Fall. Eine Abgrenzung erübrigt sich also. Denn wenn überhaupt eine Erklärung unter Anwesenden abgegeben wurde und daher fraglich ist, ob das Ausschließlichkeitserfordernis erfüllt ist, wird es sich hierbei um eine vertragsanbahnende Erklärung handeln. Beide Erfordernisse erlauben eine klare Abgrenzung gegenüber dem Anwendungsbereich der Haustürwiderrufs-Richtlinie.17 Als drittes Erfordernis sieht Art 2 Nr 1 RL vor, daß der Einsatz der Fernkommunikationstechniken im Rahmen eines dafür „organisierten Vertriebs- bzw Dienstleistungssystems" erfolgen muß. Wird also nicht zumindest ein Teil der Produkte des Unternehmens systematisch im Fernabsatz vermarktet,18 sondern erfolgt nur gelegentlich ein Verkauf auf diesem Wege, so findet die Femabsatz-Richtlinie keine Anwendung. Aus Sicht der Unternehmen, die in diesem Fall keine entsprechende Routine entwickeln, mag dies verständlich sein. Soll die Fernabsatz-Richtlinie jedoch Kundenvertrauen aufbauen und die fehlende Inspektionsmöglichkeit kompensieren, ist dieses Erfordernis nicht ganz stimmig.19 Die Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich, die Art 3 RL enthält, gelten 11 teils für die Richtlinie als Ganzes (Art 3 I RL), teils nur für die Informations-, Transparenz- und Widerrufsregeln (unten b und c) sowie die dispositive Fälligkeitsregel des Art 7 I RL (Art 3 II RL). Die Ausnahmen des Art 3 I RL beruhen teils darauf, daß bei Warenautomaten, Abschlüssen mit dem Betreiber des Telekommunikationsmittels selbst und Versteigerungen (2., 3. und 5. Spiegelstrich) entsprechende Abschlüsse Tradition haben und es nicht zu Mißständen und Vertrauenseinbußen beim Verbraucher gekommen ist. Die Ausnahme für Geschäfte über Immobilien und Rechte an solchen erklärt sich mit der Existenz anderer Schutzmechanismen. Auch schränkt in diesen Fällen nicht gerade die Vertriebsmethode, der Fernabsatz, Verbraucherrechte ein: Es wird weder ein spezifisches Uberrumpelungsrisiko geschaffen noch werden Inspektionsmöglichkeiten gerade aufgrund des Fernabsatzes vermindert. 16 17

18

19

Reich, EuZW 1997, 581 (582 f). AA Reich, EuZW 1997, 581 (583). Die Harmonisierungsbemühungen zwischen beiden Richtlinien bleiben dennoch sinnvoll, vgl zu diesbezüglichen Absichten der EG-Kommission: AB1EG 1997 L 144/28. Nicht notwendig ist, daß das Unternehmen seine Produkte ausschließlich im Wege des Telemarketing absetzt: Bodewig, DZWiR 1997, 4 4 7 (448); Reich, EuZW 1997, 581 (583). Reich, EuZW 1997, 581 (583) mildert die Konsequenz dieses Erfordernisses dadurch ab, daß er für die Frage, ob ein entsprechendes Vertriebssystem vorliegt, auf die Sicht des Verbrauchers abstellt.

230

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

1 2 Als problematisch wird demgegenüber die pauschale Ausnahme von Finanzdienstleistungen (Bank- und Versicherungsgeschäften) empfunden.20 Sie geht noch weiter als in Art 3 II lit. d und e der Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01). Die eigentliche ratio des Herzstücks der Richtlinienregelung, des Widerrufsrechts nach Art 6 RL, besteht jedoch weniger darin, Überrumpelungsrisiken zu minimieren, als vielmehr darin, daß der Verbraucher bei Fernabsätzen die Eigenschaften des Produkts regelmäßig weniger plastisch erkennen kann als bei Geschäften im Verkaufslokal.21 Die Eigenschaften von Dienstleistungen, insbesondere von Finanzdienstleistungen, werden dem Verbraucher jedoch bei Abschluß im Geschäftslokal keineswegs plastischer vorgeführt. Außerdem bestehen wiederum weitere Schutzmechanismen: Die hoheitliche Überwachung der Finanzdienstleister beinhaltet auch eine Zuverlässigkeitskontrolle etwa nach Art 5 II 2 und 17 der Zweiten EG-Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie22 und Art 3 III, 8 I, 10 der WertpapierdienstleistungsRichtlinie (4.20), so daß auf diesem Wege gegen unlautere Praktiken vorgegangen werden kann; außerdem kommt bei wichtigen Finanzprodukten eine Fairnessprüfung der jeweiligen Verträge und die Prüfung ausreichender Beratung nach verschiedenen EG-Richtlinien hinzu (4.10 bis 4.31). Daß also bereits anderweitig überwachte Finanzdienstleister privilegiert werden, war zumindest vorübergehend hinnehmbar. Insoweit war jedoch zu bedauern, daß der Kreis der ausgenommenen Finanzdienstleistungen in Art 3 I RL und in Anhang II der Richtlinie nicht eindeutig dahingehend umrissen wurde, daß die Ausnahme allein für solche Finanzdienstleistungen gilt, die der genannten Überwachung unterfallen.23 Zuletzt hätte für den Kreditsektor auch der typische Fall geklärt werden müssen, daß innerhalb eines Rahmenvertrages (des sogenannten allgemeinen Bankvertrages), der bei Anwesenheit beider Parteien abgeschlossen wurde (dazu zwingt in Deutschland § 154 AO), Einzelgeschäfte telefonisch getätigt werden. Die pauschale Ausnahme der Finanzdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich ist daher nicht notwendig stärker kritikwürdig als etwa eine undifferenzierte Hereinnahme derselben.24 13 Die Ausnahmen des Art 3 II RL gelten demgegenüber als kaum problematisch, jedenfalls soweit es sich um Geschäfte des täglichen Bedarfs handelt (1. Spiegelstrich; ebenso Art 3 II lit. b der Haustürwiderrufs-Richtlinie), jedoch auch, wenn spezifisch ausgestaltete Beförderungs- und Unterbringungsleistungen Vertragsgegenstand sind.25 Immerhin bestehen in diesen Fällen bei Kombination der Lei2» van Huffei, R E D C 1997, 3 3 ; Micklitz, VuR 1993, 129 (133); Reich, EuZW 1997, 581 (583); positiver Bodewig, DZWiR 1997, 4 4 7 (447, 450) (unter Hinweis auf speziell auf den Finanzsektor zugeschnittene Regelungsüberlegungen). 21 Vgl im einzelnen unten Rn 18. 2 2 Nachw oben 1. Teil Fn 332. 23 Zur Kritik an der unsicheren Grenzziehung, jedoch auch mit Bedenken unter Gleichbehandlungsaspekten Reich, EuZW 1997, 581 (583). 24 Zu begrüßen ist daher die Intention der EG-Kommission, insoweit ein eigenes Grünbuch vorzulegen. Vgl AB1EG 1997 L 1 4 4 / 2 8 . 2 5 Nach Reich, EuZW 1997, 581 (584) sind diese Verträge nicht schutzsensibler als solche zu Gegenständen des täglichen Bedarfs; differenzierend demgegenüber Micklitz, VuR 1993, 129 (133).

2.02 Fernabsatz-Richtlinie

231

stungen noch weitergehende Informationspflichten nach der PauschalreiseRichtlinie (4.01). Und bei isolierter Buchung etwa von Zug- oder Flugreisen, jedoch auch von Unterbringungsleistungen ist die ratio der Regelung allein in ihrem Überrumpelungsschutzaspekt betroffen. Die inhaltlichen Regeln der Fernabsatz-Richtlinie (b-d) gelten zwingend zugun- 14 sten des Verbrauebers. Dies legt Art 12 I R L fest, wobei die Norm klarstellt, daß dies allein für Regeln gilt, die in nationales Recht umgesetzt wurden (oder dort unmittelbar Anwendung finden). Hinzu kommt, daß die dispositive Ausgestaltung von Einzelregeln (leges speciales), insbesondere von Art 7 I R L , unberührt bleibt.

b) Informationspflichten Die Unterrichtung des Verbrauchers vor und nach Vertragsschluß ist in Art 4 und 5 R L vorgesehen - ähnlich wie etwa in der Pauschalreise- und der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.01, 4.10).

15

Die Unterrichtung während der Vertragsanbahnungsphase (Art 4 RL) hat „rechtzeitig" zu erfolgen, was für einen Teil der Pflichten in Art 4 III R L dahingehend präzisiert ist, daß bei Telefonmarketing die Identität des Leistungserbringers und der kommerzielle Zweck des Gesprächs zu Beginn aufzudecken sind. O b die Information rechtzeitig erfolgte, ist für jeden Informationspunkt gesondert festzustellen, je nachdem, wann die diesbezügliche Disposition ansteht. Die Kosten für den Einsatz der Fernkommunikationstechnik müssen beispielsweise möglichst vorher, jedenfalls jedoch, sobald der Einsatz beginnt, offengelegt werden, andere Punkte nur so rechtzeitig, daß Überlegungszeit verbleibt. Daß die Identität nur bei Vorauszahlungen anzugeben ist, erklärt sich damit, daß zu diesem Zeitpunkt noch kein weiterer Anlaß für einen „Zugriff" auf den Leistungserbringer besteht. 2 6 Art 4 II R L enthält zudem ein Transparenzgebot, das in einem zentralen Punkt auch konkretisiert wird - der „kommerzielle Zweck" ist stets aufzudecken - und das im Vertragsanbahnungsstadium nach dem Gesagten noch einen eigenen Anwendungsbereich neben den Transparenzregeln der A G B - oder Klausel-Richtlinie hat. Wie eine Formulierung „klar und verständlich" zu erfolgen hat, beurteilt sich nach dem Standard des mündigen Verbrauchers und möglicherweise differenzierend je nach Fernkommunikationstechnik. 2 7 Sanktionen, die bei Verletzung der Informationspflichten eingreifen, auch bei Verletzung des Rechtzeitigkeitsgebots, deutet Art 4 II R L an: Jedenfalls das nationale Unlauterkeitsrecht muß mit all seinen Sanktionsmechanismen herangezogen werden. Daß dieses selbst nicht harmonisiert wird, 2 8 ist zwar richtig. Es wird jedoch immerhin der Sanktionsapparat, den der nationale

16

26

27 28

Schließfachfirmen soll der Femabsatz nicht mehr möglich sein: vgl Micklitz, VuR 1993, 129 (134); Reich, EuZW 1997, 581 (584). Reich, EuZW 1997, 581 (584). Micklitz, VuR 1993, 129 (135); Reich, EuZW 1997, 581 (584); zum vergleichbaren Problem bei der AGB- oder Klausel-Richtlinie vgl unten 2.10 Rn 11-15.

232

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

Gesetzgeber für von ihm autonom verfolgte Zwecke schuf, in den Dienst der Richtlinienregelung gestellt.29 17 Auch die bei und nach Vertragsabschluß geschuldeten Informationen (Art 5 RL) sind rechtzeitig zu geben, allerdings nicht notwendig vor Vertragsabschluß, sondern „während der Erfüllung". Wiederum ist jeder Informationsgegenstand gesondert zu sehen. So sind die Informationen zur Identität jedenfalls vor Zahlung oder sonstiger Leistung seitens des Verbrauchers geschuldet, Informationen über eventuelle Pflichten aus dem Vertrag gar vor Vertragsabschluß. Dies gilt für den Kundendienst und die Kündigungsbedingungen, desgleichen für die in Art 4 I lit. b-f RL genannten Punkte. Deswegen wäre es einfacher gewesen, für alle Informationen einen Zeitpunkt rechtzeitig vor Vertragsschluß vorzusehen - nicht erst in der häufig weniger klar umrissenen Durchführungsphase. Anders als die vorvertraglichen Informationen müssen diejenigen in der Vertragsabschluß- und -durchfuhrungsphase auf einem dauerhaften Träger zur Verfügung gestellt werden, was auch etwa bei Abschluß über das Internet bei der Möglichkeit eines Herunterladens zu bejahen ist. Art 5 II RL enthält Abmilderungen für Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz einer Fernkommunikatonstechnik (von einem anderen als dem Betreiber) erbracht werden (vgl ansonsten schon Art 3 I 3. Spiegelstrich). Informationen, die vor dem Vertragsschluß gegeben wurden, sind wohl auch im Rahmen der Fernabsatz-Richtlinie kraft Europarechts als Teil der vertraglichen Verpflichtung anzusehen; die Substituierbarkeit ergibt sich deutlich aus Art 5 1 1 . UA RL aE und aus entsprechenden Regeln in allen anderen EG-Richtlinien zum Schuldvertragsrecht, die vorvertragliche Informationsgebote enthalten. Demgegenüber erscheint die spezielle Bindungswirkung von Werbeangaben und sonstiger vorvertraglicher Information, die Art 3 II Pauschalreise-Richtlinie (4.01) vorsieht, mangels ausdrücklicher diesbezüglicher Anordnung nicht auf den Bereich der Fernabsatz-Richtlinie übertragbar. Die Korrektur von früheren Angaben ist also auch ohne diesbezüglichen Vorbehalt einseitig möglich und wohl auch konkludent. c) Widerrufsrecht 1 8 Zweites Herzstück der inhaltlichen Regelung ist ein zeitlich befristetes Widerrufsrecht (Art 6 RL). Nicht gänzlich geklärt ist die ratio der Norm. 30 Es kann wiederum nur darum gehen, eine materielle Gleichbehandlung unterschiedlicher Vertriebsmethoden zu fördern, nicht etwa darum, manche Vertriebsmethoden zu diskreditieren.31 Offenbar besteht, anders als im Bereich der Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01), keineswegs notwendig eine spezifische Überrumpelungsgefahr, deren Folgen ausgeräumt werden müßten, um die genannte materielle 29

30

Gleiches leitet der E u G H freilich bereits aus Art 5 E G V ab. Vgl im einzelnen oben 1. Teil Rn 179 f. Insgesamt wird die Regelung jedoch auch von Autoren, die einer Ausdehnung verbraucherschützender Regelungen reserviert gegenüber stehen, positiv bewertet: Martinek, N J W 1 9 9 8 , 2 0 7 ( 2 0 8 ) ; positiv auch Bodewig, D Z W i R 1 9 9 7 , 4 4 7 ( 4 4 8 , 451). Vgl oben 2 . 0 1 Rn 5.

2 . 0 2 Fernabsatz-Richtlinie

233

Gleichbehandlung zu gewährleisten.32 Solch eine spezifische Überrumpelungsgefahr fehlt beispielsweise bei Abschluß per Fax auf eine Annonce hin. Der Gemeinschaftsgesetzgeber begründet das Widerrufsrecht denn auch damit, daß der Verbraucher bei Vertragsabschluß im Fernabsatz typischerweise das Produkt noch nicht gesehen habe, nicht einmal als Muster, daß er also von seinen Eigenschaften auch bei Kauf nach Katalog etc einen weniger konkreten Eindruck habe als bei Kauf im Verkaufslokal.33 Soll sich Rechtsangleichung auf typische Gefahrenpotentiale konzentrieren, so kann insoweit zwar vielleicht nicht gerügt werden, daß die gleiche Gefahr auch beispielsweise besteht, wenn für den Verbraucher anläßlich eines Besuchs im Geschäftslokal eine gerade nicht vorhandene Ware bestellt wird. Bei Verträgen über Dienstleistungen geht der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch offenbar davon aus, daß allein schon die Beschreibung im Vertrag die Eigenschaften der Dienstleistung so plastisch hervortreten lasse, daß die Widerrufsfrist bereits ab Vertragsschluß zu laufen beginnt. In der Tat wird eine plastischere Beschreibung auch im Geschäftslokal kaum möglich sein. Bei Dienstleistungsverträgen begründet der Fernabsatz, falls kein spezielles Überrumpelungsrisiko besteht, demnach kein gesteigertes - vertriebstypspezifisches Verbraucherrisiko. Die Widerrufsfrist regelt Art 6 I RL. Er legt sie auf sieben Werktage fest (frühe- 19 stens ab Lieferung), wenn die Belehrung nach Art 5 12. UA 1. Spiegelstrich RL erfolgt ist, 34 solange dies nicht der Fall ist, auf drei Monate. Den Fristbeginn regelt der Gemeinschaftsgesetzgeber für Warenkaufverträge und Dienstleistungsverträge aus dem angedeuteten Grunde unterschiedlich: Im ersten Fall läuft die Frist erst ab Eingang beim Verbraucher, im zweiten ab Vertragsschluß (Art 6 1 2 . und 3. UA RL). Die Rechtsfolge des Widerrufs regelt Art 6 II RL, der hierfür im zentralen Punkt 20 eine Regelung in Art 6 1 1 . UA S 2 RL aufnimmt: Dem Verbraucher dürfen einzig die Rücksendungskosten auferlegt werden, nicht etwa Benutzungs- oder Vertragsabschlußgebühren. Den Zeitpunkt der Kaufpreiserstattung regelt der Gemeinschaftsgesetzgeber mit einem offenen Begriff („so bald wie möglich"), den der EuGH voraussichtlich autonom auslegen wird, außerdem und als äußerstes Limit durch eine 30-tägige Frist. Aufgrund der primärrechtlichen Vorgaben für die Sanktionen, die das nationale Recht vorzusehen hat, 35 sind bei Überschreiten jeder dieser Grenzen die deutschen Regeln über den Verzugsschaden anzuwen-

32

Diese besteht nach dem oben Gesagten (vgl 2 . 0 1 Rn 2) darin, daß, verglichen mit dem Abschluß im Geschäftslokal, der Verbraucher eher geneigt ist, abzuschließen, um die Belästigung zu beenden, und daß dem Verbraucher der Konditionenvergleich mit anderen Anbietern zumindest erschwert wird.

33

14. Erwägungsgrund der Präambel; Bodewig, D Z W i R 1 9 9 7 , 4 4 7 (448). Bodewig, D Z W i R 1 9 9 7 , 4 4 7 (451 f); „Lesehilfe" bei Martinek, N J W 1 9 9 8 , 2 0 7 ( 2 0 7 f). Z u r abweichenden Ausgestaltung des Art 5 Haustiirwiderrufs-Richtlinie (7 Tage, nicht Werktage) und dazu, daß die Qualifikation des Werktages durch nationales Recht, also uneinheitlich in der E G erfolgt: Reich, E u Z W 1 9 9 7 , 5 8 1 (585).

34

" Vgl dazu oben 1. Teil Rn 1 7 9 - 1 8 1 .

234

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

den.36 Denn die unbedingte und sofort zu erfüllende Zahlungsanforderung, als die die Mahnung fungiert, erhält Art 6 II RL selbst. Daher gehen die genannten primärrechtlichen Vorgaben dahin, daß die Sanktionen im deutschen Recht nicht milder sein dürfen als beim Verzug mit Pflichten, die sich aus autonom gesetztem deutschen Recht ergeben. 21 Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht (Art 6 III RL) sind mit verschiedenen Überlegungen zu rechtfertigen: Meist ist die Leistung oder die in ihr liegende Chance bereits teilweise konsumiert, so bei bereits teils erbrachter Dienstleistung oder bei spezifisch für den Kunden angefertigten Waren (1. und 3. Spiegelstrich), so auch bei Entsiegelung von Audio- oder Videoaufzeichnungen und Software (4. Spiegelstrich), und auch bei Verträgen über Produkte mit Finanzmarktkursen sowie bei Wett- und Lotterieverträgen (2. und 6. Spiegelstrich). Im Fall der Printmedien wurde das Widerrufsrecht angesichts von Vergänglichkeit und Preis der Ware offensichtlich für übermäßig gehalten (5. Spiegelstrich). 22 Für Leistungen, die der Leistungserbringer kreditiert oder die drittfinanziert werden, enthält Art 6 IV RL eine Parallelregelung zu Art 11 VerbraucherkreditRichtlinie (4.10): Wie dort die Mängel- oder Nichtleistungseinrede, so kann hier die Widerrufseinrede auch erhoben werden, um die Durchsetzung des Kreditvertrages zu verhindern. Unterschiedlich ist freilich bei drittfinanzierter Leistung die Regelung zu der Frage, wann von wirtschaftlicher Einheit zwischen Leistungserbringer und Kreditgeber auszugehen ist: Art 6 IV RL stellt hier - rechtspolitisch überzeugender - allein darauf ab, ob zwischen Leistungserbringer und Kreditgeber eine Vereinbarung über die Vermittlung des Teilzahlungskunden besteht. Davon ist jedenfalls bei Provisionszahlungen oder bei Gewährung sonstiger Vergünstigungen, etwa bei Einräumung günstiger Kredite an den Leistungserbringer, auszugehen. d) Erfüllungspflichten, Zahlungskartenbetrug,

unaufgefordertes

Angebot

23 Die Vertragsdurchführung betrifft Art 7 RL. Art 7 I RL enthält - für verbraucherschützende EG-Richtlinien ungewöhnlich - parteidispositives Recht. 37 Mangels Parteivereinbarung38 wird die Leistung des beruflich Tätigen nach dreißig Tagen fällig. Erstattungsansprüche entstehen, wenn die Leistung nicht verfügbar ist, gemäß Art 7 II RL. Daneben treten (ohne diesbezügliche Mahnung) Schadensersatzansprüche aus Verzug, wenn die Erstattung nicht unverzüglich erfolgt, was in keinem Fall mehr als 30 Tage bedeuten kann.39 Im Recht der Mitgliedstaaten darf es in die privatautonome Regelungsbefugnis der Vertragsparteien gestellt werden, ob der Gläubiger bei preislich und qualitätsmäßig gleichwertigen Leistungen eine Ersetzungsbefugnis haben soll. In diesem Fall ändert sich die 36

37 38

39

Vgl ähnlich Bodewig, DZWiR 1997, 447 (451); sowie (allerdings erst für die Überschreitung der 30-Tage-Frist) Reich, EuZW 1997, 581 (585). Vgl Bodewig, DZWiR 1997, 447 (451); Reich, EuZW 1997, 581 (585). Zu Schranken, die sich hierfür aus der AGB- oder Klausel-Richtlinie ergeben Reich, EuZW 1997, 581 (585). Vgl schon oben Rn 20.

2.02 Fernabsatz-Richtlinie

235

Rechtsfolge des Widerrufs: der Verbraucher hat in diesem Fall nicht einmal mehr die Rücksendungskosten zu tragen.

Art 8 RL eröffnet Rückbuchungsansprüche bei „betrügerischer Verwendung" von 24 Zahlungskarten. Von solch einer Verwendung ist jedenfalls bei Nutzung der Zahlkarte durch Nichtberechtigte auszugehen - diesen Fall meinte offensichtlich der aus anderem Grunde mißverständliche Wortlaut des Art 12 des Vorschlages. Fraglich ist, ob der E u G H den weisungswidrigen Gebrauch oder gar den Gebrauch nach Widerruf gleichstellen wird. 4 0 Die Formulierung ist heute gänzlich offen, jedenfalls nicht gemeint sind die entsprechenden Begriffe in den nationalen (Straf-)Rechten. Bestimmte Formen des unaufgeforderten Angebots werden in Art 9 f R L beson- 2 5 ders geregelt. Während unbestellte Leistungen mit Zahlungsaufforderung auch in manchen anderen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verboten waren 41 und Schweigen insoweit durchweg nicht als Zustimmung qualifiziert wird (Art 9 RL), galt gleiches nicht für andere Formen des Telemarketing. Für sie war umstritten, ob die vorherige Zustimmung zu fordern war (opt-in-System) oder ob sie nur bei geäußerter oder sonst offenkundiger Ablehnung seitens des Verbrauchers unzulässig sein sollte (opt-out-System). 4 2 Alle diskutierten Fälle zeichnen sich nicht etwa dadurch gegenüber anderen Formen des Telemarketing aus, daß die vorherige Inspektionsmöglichkeit nochmals verschlechtert wäre. Vielmehr erscheint das Belästigungspotential in diesen Fällen besonders hoch. 4 3 Art 10 R L stellt einen Kompromiß dar: Grundsätzlich setzte sich das opt-out-System durch, nur zwei Fälle wurden als besonders belästigend ausgesondert und dem opt-in-System unterworfen: der Abschluß per Telefax und per Automat als Gesprächspartner (Voice-Mail-System). Ob allerdings ein Verbraucher - und er, nicht etwa ein beruflich Tätiger ist Schutzobjekt - die Belegung seines Faxgeräts als stärkere Belästigung empfindet als den Telefonanruf, ist fraglich. Angesichts der kontroversen Diskussion verwundert es auch nicht, daß nur die Verbote selbst geregelt sind. Anders als in Art 9 RL sind nicht einmal die zentralen vertragsrechtlichen Verletzungsfolgen geregelt. Es wird nicht einmal festgelegt, ob die Rechtsfolgen wie im deutschen Recht lauterkeitsrechtlicher Art sein müssen 4 4 oder nicht vielmehr auch vertragsrechtlicher Art sein können.

40

41 42

43

44

Verneinend jedenfalls für den letztgenannten Fall Reich, EuZW 1997, 581 (586); offen: Bodewig, DZWiR 1997, 447 (453). Vgl etwa für Belgien: Großkommentar UWG {-Schricker), 1994, Einl, F235. Vgl (auch zur Protagonistenstellung Deutschlands bzw Großbritanniens hinsichtlich erster bzw zweiter Lösung): Reich, EuZW 1997, 581 (586); vgl auch Bodewig, DZWiR 1997, 447 (454). So etwa für die unaufgeforderte Telefonwerbung im deutschen Recht: vgl statt aller Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht19, 1996, § 1 UWG, Rn 67 f (mit Einschränkungen nur bei Anrufen bei Gewerbetreibenden). Davon geht Reich, EuZW 1997, 581 (586) aus.

236

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

e) Verbliebene Regelungslücken und -freiräume 26 Die Fernabsatz-Richtlinie regelt allein Probleme einer spezifischen Vertriebsform. Allein hierfür ist die Frage nach Regelungslücken sinnvoll zu stellen. Die Vertriebsform erfaßt die Richtlinie zunächst umfassend. Sie gilt stets, wenn es an der beiderseitigen körperlichen Anwesenheit fehlt. Es werden, anders als etwa bei der Haustürwiderrufs-Richtlinie, nicht (nur) bestimmte Arten des Telemarketings herausgegriffen und positiv umschrieben. Gewisse Lücken ergeben sich dadurch, daß gelegentlicher Fernabsatz, außerhalb eines Telemarketingsystems nicht erfaßt ist, und durch die Eröffnung von Bereichsausnahmen, insbesondere bei Finanzdienstleistungen. Nationale Regeln zum Telemarketing bei Finanzdienstleistungen fallen nach der Intention des Gemeinschaftsgesetzgebers weiterhin in den unharmonisierten Bereich; eine Sonderregelung ist geplant. Ob gegen gelegentliches Telemarketing im grenzüberschreitenden Verkehr weiterhin nationale Hindernisse aufgebaut werden dürfen, ist demgegenüber sehr fraglich. 27 Die Informationsgebote und die Regelung zum Widerrufsrecht wurden offenbar als ausreichend angesehen. Zusätzliche Anforderungen im nationalen Recht stellen in diesem Bereich stets strengere nationale Regeln iSv Art 14 RL dar und fallen nicht in Regelungslücken. Demgegenüber sind alle sonstigen Festsetzungen so punktuell, daß sie nicht als abschließend verstanden werden können. Gänzlich unharmonisiert blieben Fragen der Zahlungssicherheit und Solvenz, die angesichts der Anonymität des Geschäfts manche Transaktion verhindern mögen. 28 Die Frage nach den Sanktionen wurde zwar - wie üblich - kaum angesprochen; immerhin wurde - über die primärrechtlichen Vorgaben hinausgehend - für die vorvertraglichen Informationspflichten festgelegt, daß das nationale Unlauterkeitsrecht heranzuziehen ist. Daß anderes bei den vertraglichen Informationspflichten zu gelten hätte, ist schwer zu begründen. Art 9 f RL sind ohnehin lauterkeitsrechtlicher Art. 3. Umsetzung 29 Die Umsetzung steht noch aus.45 Es liegt nahe, daß sie in einem Sondergesetz erfolgen wird, vielleicht gemeinsam mit der Problematik der Haustürgeschäfte in einem „Gesetz über Direktverkauf und andere aggressive Vermarktungstechniken". Manche Fragen werden im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu regeln sein. Denn auch die wachsende Bedeutung des Bereichs der aggressiven Vermarktungstechniken wird wohl kaum Anlaß genug sein, um den Gesamtbereich Konkurrenten- und Verbraucherschutz vor unlauteren Vermarktungs- und Wettbewerbspraktiken neu zu ordnen.

45

Einige Gedanken dazu bei Bodewig, DZWiR 1997, 4 4 7 (454); Kranke, RIW 1996, 985 (992); Martinek, NJW 1998, 2 0 7 (208); Reich, EuZW 1997, 581 (589).

2.02 Femabsatz-Richtlinie

237

Β. Fundstellenverzeichnis Grundlage: Art 100a EGV Betr: Informations- und Widerrufsrechte des Verbrauchers bei systematischem Telemarketing sowie (teils eingeschränktes) Verbot einiger diesbezüglicher Vertriebsformen Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1997 L 144/19 - geänderter Vorschlag vom 7. 10. 1993 AB1EG 1993 C 308/18 / KOM(93) 3 9 6 endg - SYN 411 - ursprünglicher Vorschlag vom 21. 05. 1992 AB1EG 1992 C 156/14 / KOM(92) 11 endg - SYN 411 - Gemeinsamer Standpunkt (Rat, Europäisches Parlament) AB1EG 1995 C 288/1 AB1EG 1996 C 17/51 Stellungnahmen: - zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1993 C 176/95 WSA: AB1EG 1993 C 19/111

Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (97/7/EG)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission"!, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses® gemäß dem Verfahren des Artikels 189b des Vertrags'3', aufgrund des am 27. November 1996 vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Entwurfs, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Im Rahmen der Verwirklichung der Ziele des Binnenmarkts sind geeignete Maßnahmen zu dessen schrittweiser Festigung zu ergreifen. (2) Der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen betrifft nicht nur den gewerblichen Handel, sondern auch Privatpersonen. Er bedeutet für den Verbraucher, daß dieser zu den Gütern und Dienstleistungen eines anderen Mitgliedstaats zu den gleichen Bedingungen Zugang hat wie die Bevölkerung dieses Staates. (3) Die Vollendung des Binnenmarkts kann für den Verbraucher besonders im grenzüberschreitenden Fernabsatz sichtbar zum Ausdruck kommen, wie dies unter anderem in der Mitteilung der Kommission an den Rat „Auf dem Weg zu einem Binnenmarkt für den Handel" festgestellt wurde. Es ist für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts unabdingbar, daß der Verbraucher sich an ein Unternehmen außerhalb I»

ABl. Nr. C 156 vom 23. 6. 1992, S. 14 und ABI. Nr. C 308 vom 15. 11. 1993, S. 18.

Bl

ABI. Nr. C 19 vom 25. 1. 1993, S. 111.

; - den Richtlinien 92/49/EWG"« und 92/96/EWGm.

ABI. Nr. L 386 vom 30.12.1989, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 92/30/EWG (ABI. Nr. L 110 vom 28. 4. 1992, S. 52). K3I ABI. Nr. L 228 vom 16. 8.1973, S. 3. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 92/49/EWG (ABI. Nr. L 228 vom 11. 8. 1992. S. 1). « Frey, ZIP 1993, 5 7 2 (578); Schmidt-Salzer, FS Trinkner 1995, 361 (374 f). 144 Für Großbritannien hat der High Court die Frage dem EuGH vorgelegt, ob die Regeln über die Klageverfahren (Verbandsklage) zutr umgesetzt wurden (vgl EuZW 1996,195). 1 4 i Zur Umsetzung ausführlich Baumert, EWS 1995, 57. 141

2.10 AGB- oder Klausel-Richtlinie

279

Umgekehrt wurde der Praxis jedoch sofort eine konkretere Leitlinie an die Hand gegeben. Daß freilich die Regelbeispiele (geringfügig) vom Inhalt des Art 5 II EVÜ (Art 29 II E G B G B ) abweichen mußten, ist unverständlich.

B. Fundstellenverzeichnis Grundlage: Art 100a EGV Betr: Transparenzgebot und Regeln zur Inhaltskontrolle für vorformulierte Vertragsklauseln, insbesondere Allgemeine Geschäftsbedingungen Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1993 L 95/29 - geänderter Vorschlag vom 5. 3. 1992 AB1EG 1992 C 73/7; KOM(92) 66 endg - SYN 2 8 5 - ursprünglicher Vorschlag vom 24. 7. 1990 AB1EG 1990 C 243/2; KOM(90) 322 endg - SYN 2 8 5 - Gemeinsamer Standpunkt (Rat) AB1EG 1992 C 283/1 Stellungnahmen: - zum geänderten Vorschlag EP: AB1EG 1993 C 21/97 - zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1991 C 326/108 WSA: AB1EG 1991 C 159/34 Art 1 des Gesetzes zur Änderung des AGB-Gesetzes und der Insolvenzordnung vom 19. 7. 1996 Fundstelle: B G B l 1996 I, S 1013

51

Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (93/13/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission«!, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament®, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, in Erwägung nachstehender Gründe: Es müssen Maßnahmen zur schrittweisen Errichtung des Binnenmarktes bis zum 31. Dezember 1992 getroffen werden. Der Binnenmarkt umfaBt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Vertragsklauseln zwischen dem Verkäufer von Waren oder dem Dienstleistungserbringer einerseits und dem Verbraucher andererseits weisen viele Unterschiede auf, wodurch die einzelnen Märkte für den Verkauf von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen an den Verbraucher uneinheitlich sind; dadurch wiederum können Wettbewerbsverzerrungen bei den Verkäufern und den Erbringern von Dienstleistungen, besonders bei der Vermarktung in anderen Mitgliedstaaten, eintreten. Namentlich die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über mißbräuchliche Klauseln in Verträgen mit Verbrauchern weisen beträchtliche Unterschiede auf. Die Mitgliedstaaten müssen dafür Sorge tragen, daB die mit den Verbrauchern abgeschlossenen Verträge keine mißbräuchllchen Klauseln enthalten. Die Verbraucher kennen im allgemeinen nicht die Rechtsvorschriften, die in anderen Mitgliedstaaten für Verträge über den Kauf von Waren l'I

M

ABI. Nr. C 73 vom 24. 3. 1992, S. 7.

Durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet mißbräuchlicher Klauseln kann der Verbraucher besser geschützt werden. Diese Vorschriften sollten für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern gelten. Von dieser Richtlinie ausgenommen sind daher insbesondere Arbeitsverträge sowie Ver-

ABI. Nr. C 326 vom 16. 12. 1991, S. 108, und ABI. Nr. C 21 vom 25. 1. 1993.

«I

oder das Angebot von Dienstleistungen gelten. Diese Unkenntnis kann sie davon abhalten, Waren und Dienstleistungen direkt in anderen Mitgliedstaaten zu ordern. Um die Errichtung des Binnenmarktes zu erleichtern und den Bürger in seiner Rolle als Verbraucher beim Kauf von Waren und Dienstleistungen mittels Verträgen zu schützen, für die die Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten gelten, ist es von Bedeutung, mißbräuchliche Klauseln aus diesen Verträgen zu entfernen. Den Verkäufern von Waren und Dienstleistungsbringern wird dadurch ihre Verkaufstätigkeit sowohl im eigenen Land als auch im gesamten Binnenmarkt erleichtert. Damit wird der Wettbewerb gefördert und den Bürgern der Gemeinschaft in ihrer Eigenschaft als Verbraucher eine größere Auswahl zur Verfügung gestellt. In den beiden Programmen der Gemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher'4* wird die Bedeutung des Verbraucherschutzes auf dem Gebiet mißbräuchlicher Vertragsklauseln hervorgehoben. Dieser Schutz sollte durch Rechtsvorschriften gewährleistet werden, die gemeinschaftsweit harmonisiert sind oder unmittelbar auf dieser Ebene erlassen werden. Gemäß dem unter dem Abschnitt .Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher" festgelegten Prinzip sind entsprechend diesen Programmen Käufer von Waren oder Dienstleistungen vor MachtmiBbrauch des Verkäufers oder des Dienstleistungserbringers, insbesondere vor vom Verkäufer einseitig festgelegten Standardverträgen und vor dem mißbräuchlichen AusschluB von Rechten in Verträgen zu schützen.

ABI. Nr. C 159 vom 17. 6. 1991, S. 34.

io

ABl. Nr. C 92 vom 25. 4. 1975, S. 1, und ABI. Nr. C 133 vom 3. 6. 1981, S. 1.

2.10 AGB- oder Klausel-Richtlinie träge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts. Oer Verbraucher muB bei mündlichen und bei schriftlichen Verträgen - bei letzteren unabhängig davon, ob die Klauseln in einem oder in mehreren Dokumenten enthalten sind - den gleichen Schutz genießen. Beim derzeitigen Stand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften kommt allerdings nur eine teilweise Harmonisierung in Betracht. S o gilt diese Richtlinie insbesondere nur für Vertragsklauseln, die nicht einzeln ausgehandelt wurden. Den Mitgliedstaaten muB es freigestellt sein, dem Verbraucher unter Beachtung des Vertrags einen besseren Schutz durch strengere einzelstaatliche Vorschriften als den in dieser Richtlinie enthaltenen Vorschriften zu gewähren. Bei Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, in denen direkt oder indirekt die Klauseln für Verbraucherverträge festgelegt werden, wird davon ausgegangen, daß sie keine mißbräuchlichen Klauseln enthalten. Daher sind Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Grundsätzen oder Bestimmungen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft Vertragsparteien sind, nicht dieser Richtlinie zu unterwerfen; der Begriff „bindende Rechtsvorschriften" in Artikel 1 Absatz 2 umfaßt auch Regeln, die nach dem Gesetz zwischen den Vertragsparteien gelten, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch dafür sorgen, daß darin keine mißbräuchlichen Klauseln enthalten sind, zumal diese Richtlinie auch für die gewerbliche Tätigkeit im öffentlich-rechtlichen Rahmen gilt. Die Kriterien für die Beurteilung der Mißbräuchlichkeit von Vertragsklauseln müssen generell festgelegt werden. Die nach den generell festgelegten Kriterien erfolgende Beurteilung der Mißbräuchlichkeit von Klauseln, insbesondere bei beruflichen Tätigkeiten des öffentlich-rechtlichen Bereichs, die ausgehend von einer Solidargemeinschaft der Dienstleistungsnehmer kollektive Dienste erbringen, muB durch die Möglichkeit einer globalen Bewertung der Interessenlagen der Parteien ergänzt werden. Diese stellt das Gebot von Treu und Glauben dar. Bei der Beurteilung von Treu und Glauben ist besonders zu berücksichtigen, welches Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand, ob auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben, und ob die Güter oder Dienstleistungen auf eine Sonderbestellung des Verbrauchers hin verkauft bzw. erbracht wurden. Dem Gebot von Treu und Glauben kann durch den Gewerbetreibenden Genüge getan werden, indem er sich gegenüber der anderen Partei, de-

281

ren berechtigten Interessen er Rechnung tragen muß, loyal und billig verhält. Die Liste der Klauseln im Anhang kann für die Zwecke dieser Richtlinie nur Beispiele geben; infolge dieses Minimalcharakters kann sie von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, insbesondere hinsichtlich des Geltungsbereichs dieser Klauseln, ergänzt oder restriktiver formuliert werden. Bei der Beurteilung der Mißbräuchlichkeit von Vertragsklauseln ist der Art der Güter bzw. Dienstleistungen Rechnung zu tragen. Für die Zwecke dieser Richtlinie dürfen Klauseln, die den Hauptgegenstand eines Vertrages oder das Preis-/Leistungsverhältnis der Lieferung bzw. der Dienstleistung beschreiben, nicht als mißbräuchlich beurteilt werden. Jedoch können der Hauptgegenstand des Vertrages und das Preis-/Leistungsverhältnis bei der Beurteilung der Mißbräuchlichkeit anderer Klauseln berücksichtigt werden. Daraus folgt unter anderem, daß bei Versicherungsverträgen die Klauseln, in denen das versicherte Risiko und die Verpflichtung des Versicherers deutlich festgelegt oder abgegrenzt werden, nicht als mißbräuchlich beurteilt werden, sofern diese Einschränkungen bei der Berechnung der vom Verbraucher gezahlten Prämie Berücksichtigung finden. Die Verträge müssen in klarer und verständlicher Sprache abgefaßt sein. Der Verbraucher muß tatsächlich die Möglichkeit haben, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. Im Zweifelsfall ist die für den Verbraucher günstigste Auslegung anzuwenden. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, daß in von einem Gewerbetreibenden mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen keine mißbräuchlichen Klauseln verwendet werden. Wenn darartige Klauseln trotzdem verwendet werden, müssen sie für den Verbraucher unverbindlich sein; die verbleibenden Klauseln müssen jedoch weiterhin gelten und der Vertrag im übrigen auf der Grundlage dieser Klauseln für beide Teile verbindlich sein, sofern ein solches Fortbestehen ohne die mißbräuchlichen Klauseln möglich ist. In bestimmten Fällen besteht die Gefahr, daß dem Verbraucher der in dieser Richtlinie aufgestellte Schutz entzogen wird, indem das Recht eines Drittlands zum anwendbaren Recht erklärt wird. Es sollten daher in dieser Richtlinie Bestimmungen vorgesehen werden, die dies ausschließen. Personen und Organisationen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats ein berechtigtes Interesse geltend machen können, den Verbraucher zu schützen, müssen Verfahren, die Vertragsklauseln im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung in Verbraucherverträgen, insbesondere mißbräuchliche Klauseln, zum Gegen-

282

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

stand haben, bei Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die für die Entscheidung über Klagen bzw. Beschwerden oder die Eröffnung von Gerichtsverfahren zuständig sind, einleiten können. Diese Möglichkeit bedeutet jedoch keine Vorabkontrolle der In einem beliebigen Wirtschaftssektor verwendeten allgemeinen Bedingungen. Die Gerichte oder Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten müssen über angemessene und wirksame Mittel verfügen, damit der Verwendung mißbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Die Tatsache, daß bestimmte Elemente einer Vertragsklausel oder eine einzelne Klausel im einzelnen ausgehandelt worden sind, schließt die Anwendung dieses Artikels auf den übrigen Vertrag nicht aus, sofern es sich nach der Gesamtwertung dennoch um einen vorformulierten Standardvertrag handelt. Behauptet ein Gewerbetreibender, daß eine Standardvertragsklausel im einzelnen ausgehandelt wurde, so obliegt ihm die Beweislast. (3) Der Anhang enthält eine als Hinwels dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für mißbräuchlich erklärt werden können.

Artikel 1

(1) Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über mißbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern. (2) Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft - insbesondere Im Verkehrsbereich - Vertragsparteien sind, unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie. Artikel 2

Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten: a) mißbräuchliche Klauseln: Vertragsklauseln, wie sie in Artikel 3 definiert sind; b) Verbraucher: eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann; c) Gewerbetreibender: eine natürliche oder juristische Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, auch wenn diese dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzurechnen ist.

Artikel 4

(1) Die Mißbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluß begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt. (2) Die Beurteilung der Mißbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefaßt sind. Artikel 5

Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und verständlich abgefaßt sein. Bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel gilt die für den Verbraucher günstigste Auslegung. Diese Auslegungsregel gilt nicht im Rahmen der in Artikel 7 Absatz 2 vorgesehenen Verfahren. Artikel 6

Artikel 3

(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, ist als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Mißverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. (2) Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im voraus abgefaßt wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluß auf ihren Inhalt nehmen konnte.

(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, daß mißbräuchliche Klauseln In Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, daß der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die mißbräuchlichen Klauseln bestehen kann. (2) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit der Verbraucher den durch diese Richtlinie gewährten Schutz nicht verliert, wenn das Recht eines Drittlands als das auf den Vertrag anzuwendende Recht gewählt wurde

2 . 1 0 A G B - o d e r Klausel-Richtlinie und der Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist. Artikel 7 (1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daB im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung mißbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird. (2) Die in Absatz 1 genannten Mittel müssen auch Rechtsvorschriften einschließen, wonach Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefaßt wurden, mißbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen. (3) Die in Absatz 2 genannten Rechtsmittel können sich unter Beachtung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften getrennt oder gemeinsam gegen mehrere Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors oder ihre Verbände richten, die gleiche allgemeine Vertragsklauseln oder ähnliche Klauseln verwenden oder deren Verwendung empfehlen.

283 Artikel 9

Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens fünf Jahre nach dem in Artikel 10 Absatz 1 genannten Zeitpunkt einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie vor. Artikel 10 (1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1994 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Diese Vorschriften gelten für alle Verträge, die nach dem 31 .Dezember 1994 abgeschlossen werden. (2) Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. (3) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 11 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Luxemburg am 5. April 1993.

Artikel 8 Die Mitgliedstaaten können auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Vertrag vereinbare strengere Bestimmungen erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten.

Im Namen des Rates Der Präsident N. HELVEG PETERSEN

ANHANG KLAUSELN GEMÄSS ARTIKEL 3 ABSATZ 3 1. Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, daß a) die gesetzliche Haftung des Gewerbetreibenden ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, wenn der Verbraucher aufgrund einer Handlung oder Unterlassung des Gewerbetreibenden sein Leben verliert oder einen Körperschaden erleidet; b) die Ansprüche des Verbrauchers gegenüber dem Gewerbetreibenden oder einer anderen Partei, einschließlich der Möglichkeit, eine Verbindlichkeit gegenüber dem Gewerbetreibenden durch eine etwaige Forderung gegen ihn auszugleichen, ausgeschlossen oder ungebührlich eingeschränkt werden, wenn der Gewerbetreibende eine der vertraglichen Verpflichtungen ganz oder teilweise nicht erfüllt oder mangelhaft erfüllt;

284

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

c) der Verbraucher eine verbindliche Verpflichtung eingeht, während der Gewerbetreibende die Erbringung der Leistungen an eine Bedingung Knüpft, deren Eintritt nur von ihm abhängt; d) es dem Gewerbetreibenden gestattet wird, vom Verbraucher gezahlte Beträge einzubehalten, wenn dieser darauf verzichtet, den Vertrag abzuschließen oder zu erfüllen, ohne daß für den Verbraucher ein Anspruch auf eine Entschädigung in entsprechender Höhe seitens des Gewerbetreibenden vorgesehen wird, wenn dieser selbst es unterläßt; e) dem Verbraucher, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, ein unverhältnismäßig hoher Entschädigungsbetrag auferlegt wird; f) es dem Gewerbetreibenden gestattet wird, nach freiem Ermessen den Vertrag zu kündigen, wenn das gleiche Recht nicht auch dem Verbraucher eingeräumt wird, und es dem Gewerbetreibenden für den Fall, daß er selbst den Vertrag kündigt, gestattet wird, die Beträge einzubehalten, die für von ihm noch nicht erbrachte Leistungen gezahlt wurden; g) es dem Gewerbetreibenden - außer bei Vorliegen schwerwiegender Gründe - gestattet ist, einen unbefristeten Vertrag ohne angemessene Frist zu kündigen; h) ein befristeter Vertrag automatisch verlängert wird, wenn der Verbraucher sich nicht gegenteilig geäußert hat und als Termin für diese Äußerung des Willens des Verbrauchers, den Vertrag nicht zu verlängern, ein vom Ablaufzeitpunkt des Vertrages ungebührlich weit entferntes Datum festgelegt wurde; i) die Zustimmung des Verbrauchers zu Klauseln unwiderlegbar festgestellt wird, von denen er vor Vertragsabschluß nicht tatsächlich Kenntnis nehmen konnte; j) der Gewerbetreibende die Vertragsklauseln einseitig ohne triftigen und im Vertrag aufgeführten Grund ändern kann; k) der Gewerbetreibende die Merkmale des zu liefernden Erzeugnisses oder der zu erbringenden Dienstleistung einseitig ohne triftigen Grund ändern kann; I) der Verkäufer einer Ware oder der Erbringer einer Dienstleistung den Preis zum Zeitpunkt der Lieferung festsetzen oder erhöhen kann, ohne daß der Verbraucher in beiden Fällen ein entsprechendes Recht hat, vom Vertrag zurückzutreten, wenn der Endpreis im Verhältnis zu dem Preis, der bei Vertragsabschluß vereinbart wurde, zu hoch Ist; m) dem Gewerbetreibenden das Recht eingeräumt ist zu bestimmen, ob die gelieferte Ware oder erbrachte Dienstleistung den Vertragsbestimmungen entspricht, oder ihm das ausschließliche Recht zugestanden wird, die Auslegung einer Vertragsklausel vorzunehmen; n) die Verpflichtung des Gewerbetreibenden zur Einhaltung der von seinen Vertretern eingegangenen Verpflichtungen eingeschränkt wird oder diese Verpflichtung von der Einhaltung einer besonderen Formvorschrift abhängig gemacht wird; o) der Verbraucher allen seinen Verpflichtungen nachkommen muß, obwohl der Gewerbetreibende seine Verpflichtungen nicht erfüllt; p) die Möglichkeit vorgesehen wird, daß der Vertrag ohne Zustimmung des Verbrauchers vom Gewerbetreibenden abgetreten wird, wenn dies möglicherweise eine Verringerung der Sicherhelten für den Verbraucher bewirkt; q) dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird, und zwar insbesondere dadurch, daß er ausschließlich auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallenden Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird, die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel ungebührlich eingeschränkt werden oder ihm die Beweislast auferlegt wird, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge. 2. Tragweite der Buchstaben

g), j) und I)

a) Buchstabe g) steht Klauseln nicht entgegen, durch die sich der Erbringer von Finanzdienstleistungen das Recht vorbehält, einen unbefristeten Vertrag einseitig und - bei Vorliegen eines triftigen Grundes - fristlos zu kündigen, sofern der Gewerbetreibende die Pflicht hat, die andere Vertragspartei oder die anderen Vertragsparteien alsbald davon zu unterrichten. b) Buchstabe j) steht Klauseln nicht entgegen, durch die sich der Erbringer von Finanzdienstleistungen das Recht vorbehält, den von dem Verbraucher oder an den Verbraucher zu zahlenden Zinssatz oder die Höhe anderer Kosten für Finanzdienstleistungen in begründeten Fällen ohne Vorankündigung zu ändern, sofern der Gewerbetreibende die Pflicht hat, die andere Vertragspartei oder die anderen Vertragsparteien unverzüglich davon zu unterrichten, und es dieser oder diesen freisteht, den Vertrag alsbald -zu kündigen. Buchstabe j) steht ferner Klauseln nicht entgegen, durch die sich der Gewerbetreibende das Recht vorbehält, einseitig die Bedingungen eines unbefristeten Vertrages zu ändern, sofern es ihm obliegt, den Verbraucher hiervon rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, und es diesem freisteht, den Vertrag zu kündigen.

2.10 AGB- oder Klausel-Richtlinie

285

c) Die Buchstaben g), j) und I) finden keine Anwendung auf - Geschäfte mit Wertpapieren, Finanzpapieren und anderen Erzeugnissen oder Dienstleistungen, bei denen der Preis von den Veränderungen einer Notierung oder eines Börsenindex oder von Kursschwankungen auf dem Kapitalmarkt abhängt, auf die der Gewerbetreibende keinen EinfluB hat; -

Verträge zum Kauf oder Verkauf von Fremdwährungen, Reiseschecks oder internationalen Postanweisungen in Fremdwährung. d) Buchstabe I) steht Preisindexierungsklauseln nicht entgegen, wenn diese rechtmäßig sind und der Modus der Preisänderung darin ausdrücklich beschrieben wird.

286

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie

(Gemeinsamer

Standpunkt)

Gemeinsamer Standpunkt für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und -garanden (96/C 307/09) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Dürrschmidt, Armin, Werbung und Verbrauchergarantien - zur Notwendigkeit einer Novellierung des § 13 a UWG vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsentwicklung, München (Florentz) 1997; Hondius, Ewoud, Consumer Guarantees - towards a European Sale of Goods Act, Rom (Unidroit 18) 1996; Schwartze, Andreas, Europäische Sachmängelhaftung beim Warenkauf, Habilitationsschrift Hannover (im Druck); Valcárcel Schnüll, Dagmar, Die Haftung des Verkäufers für Fehler und zugesicherte Eigenschaften im europäischen Rechtsvergleich, Diss Bonn 1994. 2. Aufsätze und Beiträge: Amtenbrinck, Fabian / Schneider, Claudia, Die europaweite Vereinheitlichung von Verbrauchsgüterkauf und -garantien, VuR 1996, 367-380; Bradgate, Robert, Harmonisation of Legal Guarantees - a Common Law Perspective, CLJ 1995, 94-109; Cranston, Ross, The Green Paper on Guarantees, CLJ 1995, 110-116; Hondius, Ewoud, Kaufen ohne Risiko - der europäische Richtlinienentwurf zum Verbraucherkauf und zur Verbrauchergarantie, ZEuP 1997, 130-140; Jacquot, François, The Legal Guarantee under French Law - a Comparison with the EC Green Paper, CLJ 1995,138-142; Jongeneel, Roud, The Sale of Goods in the Netherlands Civil Code - a Contribution to the Discussion about the Green Paper on Guarantees for Consumer Goods and After-Sales Services, CLJ 1995, 143-148; Junker, Abbo, Vom Bürgerlichen zum kleinbürgerlichen Gesetzbuch - der Richtlinienvorschlag über den Verbrauchsgüterkauf, DZWiR 1997, 271-281; Kircher, Wolfgang, Zum Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien, ZRP 1997, 290-294; Kraft, Georg, Die Garantieverpflichtung des KfZ-Herstellers aus europarechtlicher Sicht, DAR 1996, 41-44; Medicus, Dieter, Ein neues Kaufrecht für Verbraucher?, ZIP 1996,1925-1930; Menke, Burkhart, Haftung für reklamemäßige Garantieerklärungen im deutschen Recht? - zu einem Vorschlag im Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, VuR 1994, 223-234; Micklitz, Hans-Wolfgang, Ein einheitliches Kaufrecht für Verbraucher in der EG?, EuZW 1997, 229-237; Ders, Protection du consommateur et marché intérieur - quelques réflexions sur les contrats de réparation, d'entretien, et de garantie, RTDE 1992, 515-528; Micklitz, Hans-Wolfgang / Amtenbrink, Fabian, Legal Guarantees - German Civil Law in the Light of the Green Paper, CLJ 1995, 117-130; Schlechtriem, Peter, Verbraucherkaufverträge - ein neuer Richtlinienentwurf, J Z 1997, 441-447; Schmidt-Räntsch, Jürgen, Zum Stand der Kaufrechtsrichtlinie, ZIP 1998, 849-853; Schnyder, Anton / Straub, Ralf, Das EG-Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst - Erster Schritt zu einem einheitlichen EG-Kaufrecht?, ZEuP 1996, 8-74; Wagenbauer, Rolf, Gewährleistung und Garantie - die Verbrauchsgüter-Richtlinie bald verabschiedungsreif, EuZW 1998, 514; Weiser, Rudolf, Der Vorschlag einer EURichtlinie über den Verbrauchsgüterkauf, FS Hempel, Wien 1997, 323-331; Wolf, Sabine, Reform des Kaufrechts durch EG-Richtlinie - ein Vorteil für die

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

287

Wirtschaft? - die möglichen Auswirkungen einer Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien auf das deutsche Kaufrecht und die Wirtschaft, RIW 1997, 8 9 9 - 9 0 4 .

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand Der Gemeinsame Standpunkt einer Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (23. 4. 1998) regelt die gesetzliche Gewährleistung und die vertraglich vereinbarte Gewährleistung („Garantie") bei Kaufverträgen zwischen beruflich Tätigen und Verbrauchern. Die zugunsten des Verbrauchers zwingende Regelung erfaßt Kaufverträge über Güter zum Endge- oder -verbrauch, allerdings nicht über Zwangsversteigerungsware, Wasser und Energie aus Leitungen sowie Immobilien. Der Käufer kann bei Vertragswidrigkeit (auch der Montage) vom Verkäufer Ersatzlieferung oder Nachbesserung, subsidiär Wandlung oder Minderung verlangen. Vertragswidrigkeit wird vermutet, wenn der Fehler sich innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe offenbart. Sie ist nach den Kriterien Eigenschaften der Sache, Zweckeignung der Sache und zufriedenstellende Qualität der Sache zu beurteilen, wobei Werbeaussagen von Hersteller und Verkäufer beachtlich sind (mit Ausnahmen). Der Verkäufer kann Dritte, wegen deren Fehlverhalten er haftet, in Regreß nehmen. Der Käufer muß, wenn der fragliche Mitgliedstaat dies vorsieht, die Vertragswidrigkeit, die er erkennen konnte, binnen zwei Monaten anzeigen, um seine Rechte zu wahren und die Verjährung zu unterbrechen. Die privatautonom geschaffene Garantie, die auch einseitig durch Werbeaussage erklärt werden kann, muß verständlich und (auf Wunsch) schriftlich formuliert werden und gegenüber der gesetzlichen Gewährleistung abgehoben werden.

1

b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld Die Vorschläge zur A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10) enthielten bereits Regeln zur gesetzlichen und vertraglichen vereinbarten Gewährleistungshaftung. 1 Diese waren nach massiver Kritik ausgespart worden: Die EG-Richtlinie wurde auf die Klauselproblematik beschränkt und die Harmonisierung des substantiellen Rechts aufgeschoben. 2 Der Vorschlag und Gemeinsame Standpunkt für eine Gewährleistungshaftungs-Richtlinie greifen den ausgesparten Themenkreis wieder auf. 1

2

KOM(95) 520 endg, S 2; Wolf, RIW 1997, 899 (899); Nachw für beide Vorschläge zur AGB- oder Klausel-Richtlinie vgl oben 2.10 (Fundstellenverzeichnis). KOM(93) 509 endg, S 70-73; Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (367); Hondius, ZEuP 1997, 130 (131); Wolf, RIW 1997, 899 (899); vgl auch oben 2.10 Rn 4 f. Krit zur fehlenden Harmonisierung des „Referenzpunktes" für die AGB-Inhaltskontrolle, der substantiellen nationalen Rechte: Remien, AGB-Gesetz und Richtlinie über mißbräuchliche Verbrauchervertragsklauseln in ihrem europäischen Umfeld, ZEuP 1994, 34 (59 f).

2

288

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

3 Ausgangspunkt der neuen Bemühungen war das Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst vom 15. 11. 1993. 3 Gerade für höherwertige Güter, bei denen Bestellungen über die Grenzen wegen der Preisunterschiede im Binnenmarkt attraktiv erscheinen, war festgestellt worden, daß die Unsicherheit beim Verbraucher in Fragen der Gewährleistung - gesetzlich und vertraglich sehr hoch ist.4 Bezogen auf die Durchführungsphase des Vertrages handelt es sich bei der Gewährleistung wohl um den zentralen Faktor für Verkaufsentschlüsse - nachdem Produkt und Preis die Vertragsabschlußphase dominieren. Eher aus systematischen Gründen spricht Hondius von einem „wichtigen Baustein für ein europäisches Zivilgesetzbuch", der „eine positive Änderung eines der markantesten Probleme beim Kaufvertrag als dem praktisch bedeutsamsten Vertragstyp" herbeiführt.5 Das Grünbuch stellte für die Vertragsdurchführungsphase eine Regelung zur Gewährleistung - gesetzlich und vertraglich - zur Diskussion. Hinzu kam eine Regelung für den Kundendienst bei späterem Auftreten von Funktionsstörungen, die nicht mehr der Gewährleistung für Mängel bei Vertragsschluß bzw Übergabe unterfallen. 4 Erstmals wurden im Schuldvertragsrecht Sekundäransprüche so breit geregelt und hierbei auch der reine Vermögensschaden. Traditionell beschränken sich EGRichtlinien des Europäischen Schuldvertragsrechts auf die Harmonisierung von Primäransprüchen. Der Eingriff in die nationalen Systematiken ist dort tendenziell weniger tief - er betrifft allein die Umschreibung der Primärpflichten - als im ausdifferenzierten Leistungsstörungsrecht, für dessen Ausgestaltung sonst nur ein primärrechtlicher Rahmen vorgegeben ist. Die EG-Kommission entschied sich daher für einen stark punktuellen Zugriff: Harmonisiert werden sollen allein diejenigen Sekundäransprüche, die unzweifelhaft große Binnenmarktrelevanz aufweisen. Daher soll allein eine europaweit einheitliche Gewährleistungshaftung verbürgt werden. Darüber hinausreichende Schadensersatzansprüche bleiben den nationalen Rechten überantwortet.6 Relativ selten verbleibt nach Substanzwertersatz noch ein Schaden. Dadurch mögen sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, etwa bei § 467 S 2 BGB. Gerade wegen solcher Schwierigkeiten wurde jedoch das Instrument der EG-Richtlinie demjenigen der EG-Verordnung vorge3 KOM(93) 509 endg; EuZW 1994, 34 (Bericht); ausführlich dazu Schnyder / Straub, ZEuP 1996, 8. 4 6. Erwägungsgrund der Präambel; KOM(95) 5 2 0 endg, S 3 f (mit eindrucksvollem Zahlenmaterial); schon KOM(93) 6 3 2 endg, S 44; auch Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 109 („empirisch belegte Erkenntnis"); Kircher, ZRP 1997, 2 9 0 (290 f); Wolf, RIW 1997, 899 (903). 5 Hondius, ZEuP 1 9 9 7 , 1 3 0 (140); vgl auch ders, Consumer Guarantees, p. 1 1 , 2 0 seq; auch sonst ist das Echo, anders als etwa beim „Schwester"-Vorschlag für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie, insgesamt eher positiv: etwa Schlechtriem, J Z 1997, 441 (446). 6 KOM(95) 5 2 0 endg, S 7, 10; zust Hondius, ZEuP 1997, 130 (136); krit Kircher, ZRP 1997, 2 9 0 (293 f); Junker, DZWiR 1997, 271 (274); und wohl auch Medicus, ZIP 1996, 1925 (1925). Der Gemeinsame Standpunkt einer Gewährleistungshaftungs-Richtlinie deckt also den Bereich ab, den der Vorschlag für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (2.13) aussparte und umgekehrt. Er erweist sich somit für den Warenverkehr auch als Ergänzung der EG-Produkthaftungs-Richtlinie.

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

289

zogen. Die Feinabstimmung kann in die Verantwortung der nationalen Gesetzgeber gelegt werden. Umgekehrt erscheint eine weitergehende Harmonisierung für das angestrebte Ziel einer Belebung binnenmarktgrenzüberschreitender Käufe ungleich weniger wichtig, unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs der Rechtsordnungen möglicherweise sogar schädlich, 7 jedenfalls jedoch als ein politisches Wagnis. Das Subsidiaritätsprinzip des Art 3b II E G V gebietet es, an einer Stelle die Grenze zu ziehen. Wirken Rechtsunterschiede im Leistungsstörungsrecht behindernd (dazu sogleich), so sind solche Abgrenzungsschwierigkeiten unvermeidbar. Gerade das Schicksal des allzu breit angelegten (und auch inhaltlich unglücklichen) Vorschlages für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (2.13) zwang die EG-Kommission zu punktuellem Vorgehen. Inhaltlich strebte die EG-Kommission im Vorschlag nach einer modernen Rege- 5 lung. Sie stützte sich auf Rechtsvergleichung und Praxisbefunde, vor allem in der Frage nach den heute üblichen Ansprüchen: Neben den traditionellen Ansprüchen aus Wandlung und Minderung gewähren der Vorschlag und Gemeinsame Standpunkt auch und primär die moderneren auf Ersatzlieferung und Nachbesserung. 8 Mehrfach wurde auf die Gepflogenheiten in modernen Massenmärkten abgestellt. 9 Zum rechtsvergleichenden Material zählte die Kommission auch das UN-Kaufrecht als den modernsten internationalen Rechtsvereinheitlichungsakt. In vielen Punkten strebte sie Parallelität der Lösungen an. 10 Geregelt wurde letztlich im Vorschlag und Gemeinsamen Standpunkt nur die ge- β setzliche und die vertragliche Gewährleistung. Demgegenüber nahm die Kommission den Komplex Kundendienst gänzlich heraus, weil hier das Dienstleistungselement prägend ist und außerdem große Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen bestehen. 11 Eine EG-Richtlinie zur Gewährleistung beim Warenkauf erschien ihr mit solch einer Regelung von Dienstleistungen überfrachtet. Insbesondere die Pflicht zur Vorhaltung von Ersatzteilen war nicht nur je nach Branche unterschiedlich zu beurteilen, sondern es herrschte auch Uneinigkeit in der Hauptfrage, ob solch eine Pflicht zu statuieren sei und wie weitgehend. Die Aussparung dieses Fragenkomplexes ist schmerzlicher als etwa diejenige von Schadensersatzansprüchen. Zwar kann eine Gewährleistungshaftung schnittgenau auch ohne Fragen des Kundendienstes, nicht ohne solche des Schadensersatzes, harmonisiert werden. Bei der Auswahl der zu harmonisierenden Gebiete kommt es jedoch weniger darauf an, ob Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen, weil und soweit der nationale Gesetzgeber diese beheben kann. Vorrangig ist vielmehr, die Bereiche 7 8

9 10

11

Zu diesem Konzept oben 1. Teil Rn 26. KOM(95) 5 2 0 endg, S 5 f, 14; Hondius, ZEuP 1997, 130 (135 f); Junker, DZWiR 1997, 271 (273 f); Wolf, RIW 1997, 899 (902). KOM(95) 5 2 0 endg, S 5, 14; Junker, DZWiR 1997, 271 (274). KOM(95) 5 2 0 endg, S 6, 12 (für Art 2 VRL), 13 und 15 (für Art 3 VRL), 16 (für Art 4 VRL); Junker, DZWiR 1997, 271 (273, 2 7 7 f); Wolf, RIW 1997, 899 (899); von bloßer Adaption des Übk auf Verbraucherbedürfnisse spricht Micklitz, EuZW 1997, 229 (230). KOM(95) 5 2 0 endg, S 8, 13; Hondius, ZEuP 1997, 130 (138); vgl auch Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 3 6 7 (369) („Konzessionen an die Kritiker"). Die EG-Kommission verweist insoweit auf Verhaltenscodices.

290

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

mit besonderem Behinderungspotential zu harmonisieren. Die Sicherheit, daß Ersatzteile gehalten werden und Kundendienst verfügbar ist, beeinflußt den Kaufentschluß eines Verbrauchers regelmäßig ungleich stärker als eine einheitliche Regelung des über den Substanzwert hinausreichenden Schadens. O b ein Computer nach einigen Jahren noch überholt werden kann, ist ihm meist wichtiger als der einheitliche Schadensersatz bei Explosion desselben. Ist einmal der Mangelfolgeschaden bedeutender, greift zudem ein zweiter Rechtsakt ein: Die zentralen, schwerwiegenden Mangelfolgeschäden sind bereits in der EG-ProdukthaftungsRichtlinie Gegenstand der Rechtsangleichung geworden. 7

Der Vorschlag stieß insbesondere in Deutschland auf Kritik, 12 wobei vor allem die Rügepflicht, die dem Verbraucher auferlegt werden sollte, auf Unverständnis stieß. Auch das Verhältnis der einzelnen Sekundäransprüche zueinander erschien nicht in allen Punkten sinnvoll geregelt und geklärt. Der Gemeinsame Standpunkt von Rat und Kommission kam dennoch zustande; er brachte nicht nur Umstellungen und eine Klärung in der Systematik, sondern vor allem inhaltliche Änderungen in drei Punkten: Geklärt wurde das Konkurrenzverhältnis der Sekundäransprüche zueinander, die Rügepflicht wurde ins Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt, und für vertragliche Garantien wurde das Gebot aufgegeben, daß sie über die gesetzliche Gewährleistung hinausgehen müssen - es muß nur das Verhältnis beider zueinander transparent gemacht werden.

8

Aus dem Umfeld des Richtlinienvorschlages nennt die Begründung selbst bereits die A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10), allerdings nur als historische Referenz. In der Tat scheint diese Richtlinie ihre Bedeutung für Gewährleistungsfragen verloren zu haben, nachdem diese aus ihr ausgegliedert wurden. Die Regeln zur Inhaltskontrolle in dieser Richtlinie zeichnen sich dadurch aus, daß zwar der Referenzpunkt den nationalen Rechten überantwortet bleibt, der Grad der zulässigen Abweichung jedoch durch das Gemeinschaftsrecht bestimmt wird. 13 Nun soll die Gewährleistungshaftungs-Richtlinie den Referenzpunkt, die Regeln zur gesetzlichen und vertraglichen Gewährleistung, harmonisieren. Es bleibt jedoch auch kein Raum für die Frage nach der zulässigen Abweichungsmarge, die die A G B - oder Klausel-Richtlinie beantworten könnte: denn die Normen der Gewährleistungshaftungs-Richtlinie sollen (mit gewissen Ausnahmen bei Gebrauchtwaren) unabdingbar sein (vgl im einzelnen Art 6 I G SRL). Eine Restbedeutung wird die A G B - oder Klausel-Richtlinie freilich mit ihrem Transparenzgrundsatz und insbesondere mit dem Grundsatz einer Auslegung zu Lasten des Verwenders bewahren (Art 5 S 1 und 2 RL; Art 5 V G SRL).

β

Zum Umfeld des Gemeinsamen Standpunktes zählen außerdem diejenigen Gruppenfreistellungsverordnungen, die Gewährleistungsfragen regeln. Typischerweise müssen danach Vereinbarungen zu Ver'triebssystemen, die vom Kartellverbot freigestellt werden sollen, Querlieferunge'n in der einen oder anderen Form 12

13

Bes prononciert: Rechtsausschuß des Deutschen Bundesrates, vgl ZIP 1996, A 104 (Η 43); Junker, DZWiR 1997, 271 (280). Zu den Einzelpunkten der Kritik vgl auch die Nachw unten bei der Diskussion des Inhalts des Rechtsakts. Vgl im einzelnen oben 2.10 Rn 11-15.

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

291

zulassen und - flankierend hierzu - vorsehen, daß jeder Vertriebshändler die Gewährleistungsansprüche jedes Kunden erfüllt, auch desjenigen, der in anderen Mitgliedstaaten und/oder bei einem anderen Vertriebshändler gekauft hat (etwa Art 6 I Nr 7 und Art 5 I Nr 1 der Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen [5.03]). Eine andere Gestaltung würde die Abschottung der einzelnen Vertragsgebiete weitgehend undurchdringlich machen. Der Vorschlag und der Gemeinsame Standpunkt für eine Gewährleistungshaftungs-Richtlinie verpflichten den Verkäufer, anders als noch im Grünbuch angedacht, 14 nicht zu solch einer europaweiten Garantie. Anders als in einem Vertriebssystem mit Kartellbindung ist dies auch eine Frage der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Verkäufers. Der Umfang der Garantie wurde hier einer Aushandlung nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen überantwortet. c) Kompetenz und grundsätzliche

Wirkungsweise

Der Gemeinsame Standpunkt für eine Gewährleistungshaftungs-Richtlinie wurde auf Art 100a E G V gestützt. Zwar sind Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Warenverkehrs, die auf Rechtsunterschieden beruhen, effizient weder durch nationale Gesetzgeber auszuräumen noch - wie die Erfahrung lehn und wie die Opposition vieler Berufsverbände vermuten läßt - 1 5 durch freiwillige Verhaltensregeln des Handels. 16 Die Kompetenz nach Art 100a E G V ist dennoch keine ausschließliche. 17 Die Anforderungen des Art 3b II und III E G V müssen daher erfüllt sein. 18 Dies ist jedoch zu bejahen, da die Prognose nicht willkürlich ist, daß andere effiziente Mittel zur Ausräumung der Behinderungen fehlen. 19 Dies gilt auch, wenn der Erforderlichkeitsgnindsatz als Umschreibung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verstehen ist, also gleichfalls die Geeignetheit zu prüfen ist. Sind sich Käufer bei grenzüberschreitenden Transaktionen in einem zentralen Kaufentschlußfaktor in einem so hohen Maße unsicher, wie es sich aus den Studien der EG-Kommission ergibt, so liegt in der Tat eine Prognose nahe: Wenn die Unsicherheit im Auslandsfall auf das im Inlandsfall bekannte Maß zurückgeführt werden kann, sollte dies grenzüberschreitende Transaktionen ermutigen.

14

15

16

17 18

19

KOM(93) 509 endg, S 120 f (verpflichtende europaweite Garantie), 122 (Alternative: Option für solch eine Garantie); vgl zum pro und contra Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 126; Schnyder / Straub, ZEuP 1996, 8 (68). KOM(95) 520, S 32 f; Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 107; Hondius, ZEuP 1997, 130 (132). So zu Recht die EG-Kommission in der Begr des Vorschlags: KOM(95) 520 endg, S 10; dagegen Wolf, RIW 1997, 899 (903). AA die EG-Kommission in der Begr des Vorschlags: KOM(95) 520 endg, S 19. In der Tat begr die EG-Kommission den Vorschlag ausführlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität und implizit auch demjenigen der Erforderlichkeit: vgl KOM(95) 520 endg, S 9-11. Zumindest der Subsidiaritätgrundsatz (und wohl auch der Erforderlichkeitsgnindsatz) würde bei ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz überhaupt nicht gelten; vgl oben 1. Teil Rn 126. Zu diesen Anforderungen im einzelnen oben 1. Teil Rn 131-133. Zweifel an der Kompetenz bei Schlechtriem, JZ 1997, 441 (442).

10

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

11 Die Funktionsweise der vorgeschlagenen Richtlinie würde von derjenigen anderer Harmonisierungsmaßnahmen mit verbrauchschützender Grundtendenz entscheidend abweichen. Dort sollte jeweils für die Unternehmen ein einheitlicher rechtlicher Rahmen geschaffen werden, nach dem sie handeln können und für den sie, da insoweit keine Rechtswahlfreiheit herrscht (Art 5 EVÜ), bei divergierenden nationalen Rechten nicht selbst sorgen können: Ohne Harmonisierung müßten sie sich bei europaweitem Vertrieb auf das Aufenthaltsrecht des jeweiligen Verbrauchers in 15 verschiedenen Rechtsordnungen einstellen. Der Gemeinsame Standpunkt für eine Gewährleistungshaftungs-Richtlinie geht demgegenüber erstmals vom Verbraucher aus, der aktiv in anderen Mitgliedstaaten einkauft.20 Dieser weiß zwar, die Primäransprüche (Preis und Gegenleistung) zutreffend zu beurteilen und danach auszuwählen, kann jedoch informationelle Defizite zu einem weiteren zentralen Entscheidungsparameter kaum ausräumen: zu den zentralen Sekundäransprüchen, die ihm zumindest wertmäßig den Erhalt der Gegenleistung verbürgen. Anders als den Unternehmen wäre es dem Verbraucher rein rechtlich durchaus möglich, diese Unsicherheit auszuräumen; durch Rechtswahl könnte er sich die Anwendung der Standards seines Inlandsrechts ausbedingen (Art 4 f EVÜ). Im allgemeinen Kaufrecht, das hier angesprochen ist, bestehen in kaum einem Mitgliedstaat verbraucherspezifische Schutzregeln und dementsprechend auch keine international zwingenden Statuten (Art 5 EVÜ). Dennoch ist eine Harmonisierung auch bei Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH in Sachen Alsthom Atiantique zu befürworten:21 Die Existenz einer Rechtswahlmöglichkeit ist in dieser spezifischen Konstellation einmal nicht geeignet, das bestehende Hindernis für grenzüberschreitende Transaktionen auszuräumen. Die Existenz einer Rechtswahlmöglichkeit hat hier daher auch nicht zur Folge, daß das Harmonisierungsbedürfnis und möglicherweise gar die Harmonisierungskompetenz entfallen. Ohne die Frage zu diskutieren, geht der Gemeinsame Standpunkt nämlich zutreffend davon aus, daß es eine nur theoretische Möglichkeit darstellt, daß der Verbraucher durch Rechtswahl für die notwendige Rechtssicherheit sorgen könnte. Sie kann (und muß) daher durch Harmonisierung geschaffen werden. Umgekehrt kommt es für seinen Kaufentschluß auf Zentralpunkte an, nicht auf Rechtseinheit für alle Eventualitäten. 12 Anwendbar ist in diesen Fällen das Recht des Lieferanten (Art 4 EVÜ),22 es sei denn, es wurde - nur theoretisch denkbar - eine abweichende Rechtswahl getroffen. Im Recht des Lieferanten muß jedoch der Standard der vorgeschlagenen EG-Richtlinie verbürgt sein. Strengere nationale Regeln läßt Art 7 GSRL zu, die 20 Vgl e t w a KOM(95) 5 2 0 endg, S 9; 3. Erwägungsgrund der Präambel; Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 110; Hondius, ZEuP 1997, 130 (132); Wolf, RIW 1997, 899 (903). Auch dieses Tun genießt den Schutz der Dienstleistungsfreiheit: E u G H 31. 1. 1984 - Rs 2 8 6 / 8 2 und 2 6 / 8 3 (Luisi & Carbone), Slg 1984, 3 7 7 (401-403); E u G H 7. 3. 1990 - Rs C - 3 6 2 / 8 8 (GB-lnno-BM), Slg 1 9 9 0 , 1 - 6 6 7 (686). 21

22

Zur Bedeutung der Rechtswahlfreiheit und der genannten EuGH-Entscheidung in der Grundfreiheitendogmatik näher 1. Teil Rn 68 f. Vgl statt aller Giuliano / Lagarde, AB1EG 1980 C 2 8 2 / 1 (20 f); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 680.

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

293

allerdings den Mindeststandard nicht in Frage stellen dürfen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Rechtsvielfalt und die darauf beruhenden Hindernisse unverändert, wenn auch im Anwendungsgebiet etwas verengt, fortbestehen. 2 3 Für die Unternehmen bleibt es möglich, allein nach ihrem Recht anzubieten, soweit dieses dem Mindeststandard gerecht wird. Strengere nationale Regeln am Aufenthaltsort des Verbrauchers wirken ihnen gegenüber nicht. 2 4 Jedoch auch für den Verbraucher bedeutet die Harmonisierung nach dem Kalkül der EG-Kommission einen qualitativen Sprung: Die notwendige Sicherheit wird ihm durch angeglichenes Recht in Fragen der Gewährleistung vermittelt. Unter diesem Gesichtspunkt sind Regelungen zum Kundendienst und zur Ersatzteilhaltung, nachdem sie der Vorschlag und Gemeinsame Standpunkt ausgespart haben, das wohl brennendste Petitum für die Zukunft. Im Rest bedeutet die Unkenntnis fremden Rechts für den Durchschnittsverbraucher kaum zusätzliche Unsicherheit im Vergleich zum reinen Inlandssachverhalt. In diesem beeinflußt die Frage, welche Rechtskenntnisse er in weiteren, weniger wichtigen Fragen hat, seinen Kaufentschluß ebenfalls nicht. In Art 6 II enthält der Gemeinsame Standpunkt eine kollisionsrechtliche Regelung, die inhaltlich mit derjenigen des Art 6 II der AGB-oder Klausel-Richtlinie (2.10) identisch ist. Die dortigen Ausführungen gelten entsprechend. 2 5

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2. Inhalt a)

Anwendungsbereich

Die Regelung des Anwendungsbereichs in der vorgeschlagenen Gewährleistungshaftungs-Richtlinie ist ungewöhnlich: Art 1 G S R L enthält allein eine Umschreibung des Regelungsziels (Art 1 I G S R L ) sowie Definitionen (Art 1 II G S R L ) , nicht die klassische Eingrenzung des Anwendungsbereichs und erst in Art 1 III, I V G S R L Ausnahmen vom Anwendungsbereich und punktuell Präzisierungen. Als Regelungsziele stehen das Binnenmarkt- und das Verbraucherschutzziel gleichberechtigt nebeneinander (noch klarer Art 1 I VRL). Außerdem spezifiziert Art 1 1 G S R L , daß allein die gesetzliche und die vertragliche Gewährleistung geregelt wurden. Was unter vertraglicher Gewährleistung zu verstehen ist - der Gemeinsame Standpunkt spricht nur noch in diesem Bereich von Garantie - , 2 6 umschreibt Art 1 II lit. e G S R L etwas näher. Die Norm ist jedoch vor « So Medicus, ZIP 1996,1925 (1925); implizit wohl auch Hondius, ZEuP 1997, 130 (132). 24 In diesen Fällen greift teils Art 5 EVU schon gar nicht ein, so daß bereits das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen keine zwingende, verbraucherschützende Anknüpfung gebietet. Selbst wenn dies der Fall ist, gebietet es der kollisionsrechtliche Gehalt der Grundfreiheiten, in denjenigen Fragenkomplexen, für die eine Harmonisierung erfolgte, also in allen Fragen der Gewährleistung, allein nach dem Herkunftslandprinzip zu verfahren, wenn im Herkunftsland die Richtlinienstandards verbürgt sind: vgl im einzelnen oben 1. Teil Rn 110-120. * 2.10 Rn 36-39. 2 6 Im Grünbuch waren „gesetzliche Garantien" und „kommerzielle Garantien" voneinander unterschieden worden (KOM[93] 509 endg, etwa S 2 - 4 , 16 f). Mit dem ersten Be-

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allem als sachliche Regelung der Garantie - im Zusammenspiel mit Art 5 G SRL - bedeutsam.27 15 Durchaus dem Üblichen entsprechen die Einzelkomponenten (Art 1 II GSRL), und auch deren Zusammenspiel erscheint im Gemeinsamen Standpunkt geklärt. Dies gilt jedenfalls für die in lit. a und c geregelten Einzelkriterien zur Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs. So wurde der Begriff des Verbrauchers (lit. a), anders als zeitweise angedacht, nicht mehr auf Kleingewerbetreibende ausgedehnt.28 Die nunmehr gewählte Definition, mit der auf den Verwendungszweck abgestellt wird (beruflich oder nicht), entspricht derjenigen in den anderen E G-Richtlinien mit verbraucherschützender Tendenz.29 Die Frage, wie bei gemischter Verwendung zu verfahren ist, konnte, wie im nationalen Recht, durchaus den Gerichten überantwortet werden.30 In Fällen gemischter Verwendung, also bei Einzelkaufleuten, die darauf angewiesen sind, etwa den Firmenwagen privat zu nutzen, wird regelmäßig eine Rechtswahl nicht durchsetzbar sein. Die ratio der Regelung spricht also für eine Einbeziehung dieser Fälle. Ebenfalls nicht ungewöhnlich ist die Umschreibung der Gegenseite, des beruflich Tätigen, in Art 1 II lit. c GSRL. 16 Außerdem relevant für die Bestimmung des Anwendungsbereiches ist der Begriff des Verbrauchsgutes (Art 1 II lit b GSRL), während die sonstigen Buchstaben (lit d-f) nur zusätzliche Definitionen enthalten. Präzisiert wird auch nunmehr, daß der klassische Werklieferungsvertrag einbezogen ist (vgl im einzelnen Art 1 IV GSRL). Anders als Art 1 II lit b VRL enthält Art 1 II lit b GSRL nicht mehr Kriterien für den Begriff des „Verbrauchs".31 Vielmehr werden in Art 1 II lit b griff war das gesetzliche Gewährleistungsrecht gemeint, so wie es ohne weitere Abrede über die Gewährleistung eingreift. Mit dem zweiten Begriff waren Absprachen zur Einräumung (oder sonstigen Regelung) von Gewährleistungsansprüchen angesprochen. Da in einigen, insbes den nordischen Mitgliedstaaten der Begriff einer Garantie für Regeln der gesetzlichen Gewährleistung verwirrend gewirkt hätte, wurden im Vorschlag die Begriffe neu gewählt. Vgl KOM(95) 520 endg, S 7; Wolf, RIW 1997, 899 (902). Der Begriff war offenbar französisch inspiriert: Jacquot, CLJ 1995, 138. 27 Vgl zu ihr daher näher Rn 3 0 - 3 3 . 28 Vgl Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (368); Hondius, ZEuP 1997, 130 (133); Junker, DZWiR 1997, 271 (272); Wolf, RIW 1997, 899 (899 f); mit Bedauern Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 112. 1 9 Krit zur Eingrenzung allein auf natürliche Personen Medicus, ZIP 1996,1925 (1926); krit überhaupt zur Begrenzung auf Verbraucher Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 111; einen eigenständigen Begriff des „non-professionel" will Micklitz, EuZW 1997, 229 (230) in Art 1 II lit a VRL/G SRL erkennen. 3 0 Spätestens nach Einf des Subsidiaritätsprinzips kann der Europäische Gesetzgeber kaum noch zu kasuistischer Regelungsdichte aufgefordert werden. Krit demgegenüber Medicus, ZIP 1996, 1925 (1926). 31 Nach Art 1 II lit b VRL mußten Verbrauchsgüter regelmäßig dem Letztverbrauch und der Letztverwendung dienen, was freilich auch beispielsweise bei Produktionsgütern, etwa Maschinen zutrifft. Anders als in lit. a wurde nicht auf den Zweck des konreten Kaufvertrages abgestellt, sondern auf den üblichen Einsatz. Auch bei Kapitalanlagen kann möglicherweise die Letztverwendungstauglichkeit bezweifelt werden, zumal die Regelung primär auf Sachmängel und nicht auf Rechtsmängel zugeschnitten ist.

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

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G S R L Ausnahmebereiche festgelegt: Verträge über Immobilien, über Wasser und Energie (Gas und Strom) aus Leitungen sowie über Zwangsversteigerungsware, wobei den Mitgliedstaaten zusätzlich für Verträge über Ware aus sonstigen Versteigerungen, soweit sie gebraucht ist, die Option einer Ausnahme eingeräumt wird (Art 1 III G S R L ) . Demgegenüber wurde der Anwendungsbereich nicht, wie im Grünbuch geplant, auf höherwertige (oder langlebige), neue Güter begrenzt. Die Furcht vor Abgrenzungsschwierigkeiten war wohl leitend. 32 Umgekehrt war jedoch die geplante Einschränkung durchaus sinnvoll, dies jedenfalls von der Idee einer möglichst zurückhaltenden Harmonisierung her: Nur bei den höherwertigen, neuen Waren kann realistischerweise davon ausgegangen werden, daß Verbraucherkäufe in nennenswertem Umfang durch die gewünschte Rechtssicherheit stimuliert werden. Außerdem ist bei Gebrauchsgüterkauf der Gewährleistungsausschluß zumindest üblich, was Art 6 I G S R L noch immer nur eingeschränkt zuläßt. 33 Geklärt ist im Gemeinsamen Standpunkt das Zusammenspiel der Komponenten. Jede einzelne Vorschrift (mit Ausnahme von Art 3a G S R L , der Beziehungen in der Lieferungskette betrifft) stellt klar, daß sie nur im Verhältnis von (beruflich tätigen) Verkäufern zu Verbrauchern gilt. 34 b) Gesetzliche

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Gewährleistung

Die gesetzliche Gewährleistung ist in Art 2 - 4 G S R L geregelt, wobei Art 2 f G S R L die Verkäuferpflicht umreißen, Art 4 G S R L Fristen und eine mögliche Käuferobliegenheit. Möglicher Anspruchsgegner ist hier, anders als im Grünbuch geplant, allein der Verkäufer, nicht der Hersteller oder Zwischenhändler. 35 Insoweit wurde eine supranationale Regelung nicht für notwendig erachtet, um das notwendige Verbrauchervertrauen zu schaffen; nationale Regelungen bleiben unberührt. Die Regelung ist nach Art 6 I G S R L zwingend, was jedenfalls bei Gebrauchsgüterkauf, insbesondere bei KfZ, mißlich erscheint. 3 6 Hinzu tritt eine Regel zum Regreß in der Lieferkette (Art 3a G S R L ) .

" Vgl KOM(93) 509 endg, S 108; Junker, DZWiR 1997, 271 (272). In der Begr wird vor allem auf überwiegende Kritik hingewiesen: KOM(95) 520 endg, S 11; Medicus, ZIP 1996, 1925 (1926). 33 Dazu auch Rn 8, 18. 34 Demgegenüber fand sich im VRL eine entspr Eingrenzung weder allgem, noch in den einzelnen Vorschriften. So erwähnte Art 5 VRL weder Verbraucher noch Verbrauchsgut. Auch Art 2 VRL konnte dahin verstanden werden, daß jeder Verkauf eines Verbrauchsgutes - auch an einen beruflich Tatigen - erfaßt sei. 35 Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (370); Junker, DZWiR 1997, 271 (273); vgl KOM(93) 509 endg, S 111; ausführlich und krit Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 115-117; auch Hondius, ZEuP 1997, 130 (136). 36 Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (368 i); Junker, DZWiR 1997, 271 (278 f); Kircher, ZRP 1997,290 (293 f); Medicus, ZIP 1996,1925 (1926). Freilich wird im Kriterium der Vertragsgemäßheit auch ein Ansatzpunkt für eine Haftungskanalisierung durch Parteiabrede gesehen: KOM(95) 520 endg, S 13; Medicus, ZIP 1996, 1925 (1930).

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

19 aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Haftung des Verkäufers regelt Art 2 GSRL, Art 3 GSRL demgegenüber die Rechtsfolgen. Art 2 GSRL verpflichtet den Verkäufer zur vertragsgemäßen Leistung (Absatz 1) und definiert diese (Absätze 2-5). Den maßgeblichen Zeitpunkt setzt erst Art 3 I GSRL fest, und zwar als denjenigen der Übergabe (nicht des Vertragsschlusses).37 Die Vertragsgemäßheit bzw ihr Fehlen bildet demnach das alleinige Tatbestandsmerkmal, das über die Haftung des Verkäufers entscheidet. Im Grünbuch war noch auf die berechtigten Erwartungen des Käufers abgestellt worden.38 Dieses Kriterium wurde kritisiert,39 weil es dem Produkthaftungsrecht entnommen sei; die Haftung aus Gesetz habe jedoch nicht denselben Ansatzpunkt wie diejenige aus Vertrag. Kritisiert wurde außerdem, daß mit der genannten Umschreibung die zentrale Frage nicht beantwortet sei, welche Erwartungen denn berechtigt seien. 20 Der Vorschlag und Gemeinsame Standpunkt nehmen daher - präziser - die vertragliche Abrede und ihre Auslegung nach der Verkehrssitte zum Ausgangspunkt. Entscheidend ist die Vertragsgemäßheit oder Vertragswidrigkeit der Sache (oder einer vom Verkäufer verantworteten, im Kaufvertrag vereinbarten Montage, Art 2 V GSRL). Außerdem wird das Kriterium der Vertragsgemäßheit in vier Einzelkriterien heruntergebrochen (lit. a-d): solche die Eigenschaften der Sache betreffend (lit. a), solche ihre Zweckeignung betreffend (lit. b und c) und in ein viertes Kriterium, in dem auf vernünftige Erwartungen abgestellt wird und das solchermaßen nicht nur in seiner Offenheit demjenigen der „berechtigten Erwartungen" ähnelt (lit. d).40 Diese Kriterien müssen kumulativ zusammenkommen,41 allerdings nur, soweit die Prämissen, die für einige Buchstaben aufgestellt wurden, erfüllt sind. Dies gilt zunächst für die Beschreibung der Sache, die zutreffen muß und die auch durch Aushändigung eines Musters oder einer Probe erfolgen kann: Alle solchermaßen konkludent oder ausdrücklich mitgeteilten Eigenschaften müssen vorliegen. Das Gesagte gilt sodann auch für Art 2 II lit. b und c GSRL. Auch diese Kriterien müssen grundsätzlich kumulativ vorliegen. Sie können jedoch, weil sie den Eignungsaspekt gemein haben, einmal gegenseitig austauschbar sein: In lit. b wird auf die individuelle Wunschbekundung, soweit sie dem Verkäufer bekannt (gemacht) wurde, abgestellt,42 in lit. c auf die ge-

KOM(95) 5 2 0 endg, S 13; Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 3 6 7 (371); Junker, DZWiR 1997, 271 (279). 38 KOM(93) 5 0 9 endg, S 109 f. 3 9 Vgl etwa Hondius, ZEuP 1997, 130 (134); Medicus, ZIP 1996, 1925 (1926); demgegenüber die Flexibilität des Kriteriums betonend Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 3 6 7 (370). Zum entspr Kriterium im Vorschlag einer Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (2.13), in dem deliktische und vertragliche Haftung zusammenkommen: dort Rn 10, 12. 4 0 In der Tat betont die Kommission, daß dieses Kriterium zwar nicht mehr in den Wortlaut des Vorschlags Eingang gefunden habe, jedoch weiterhin die ganze Regelung inspiriere: KOM(95) 5 2 0 endg, S 12. « Kircher, ZRP 1997, 2 9 0 (291 f); Wolf, RIW 1997, 899 (900); Medicus, ZIP 1996, 1925 (1926). 42 Schlechtriem, J Z 1997, 441 (444) kritisiert die Regel als für den Verbraucher wenig tunlich. 11

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

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wohnliche Zweckeignung von Erzeugnissen gleicher Art, wenn der Käufer seine Wünsche nicht individuell bekundet hat. Im ersten Fall kann, muß jedoch nicht von der gewöhnlichen Zweckeignung abgesehen werden. So mag bei einem KfZ, das für „Stunts" eingesetzt wird, das Fehlen einer allzu soliden Straßenlage gerade gewünscht sein. Im Zweifel kommen jedoch die individuell genannten Eignungsanforderungen nach lit. b zu denjenigen nach lit. c hinzu. Art 2 II lit. d G SRL stellt in einer kleinen Generalklausel darauf ab, ob die Sache für den Käufer zufriedenstellend ist. Diese Generalklausel ist freilich durch Angabe der relevanten Kriterien präziser ausgestaltet. Relevant sind: der Qualitätsstandard gleichartiger Waren, der regelmäßig schon über lit. c geschuldet ist; die Beschaffenheit der Sache; sowie Werbeaussagen zu Qualität und Leistungen, die vom Verkäufer stammen können, jedoch (anders als in lit. a) auch vom Hersteller und seinem Vertreter, nicht jedoch von sonstigen Dritten, etwa Zwischenhändlern. 43 Da sich lit. d im dritten und ersten Unterkriterium mit dem in lit. a und c genannten, die präziser formuliert sind, überschneiden, darf lit. d nur in atypischen Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Nur in solchen Ausnahmefällen kann nach lit. d das Ergebnis korrigiert werden, das sich bei Anwendung nach Art 2 II lit. a-c GSRL ergäbe. Ergänzt wird Art 2 I lit d GSRL durch Art 2 IV GSRL. Werbeaussagen des Her- 21 stellers oder seines Vertreters werden dem Verkäufer nicht zugerechnet, wenn sie der Verkäufer erwiesenermaßen richtigstellte oder sie nicht kausal wurden (2. und 3. Spiegelstrich). Der zweitgenannte Nachweis gelingt vor allem, wenn der Käufer die Werbeaussage vernünftigerweise nicht kennen konnte. bb) Die Haftungsfolge regelt Art 3 GSRL. Vier Rechtsfolgen sind vorgesehen: 22 einerseits und ohne Austausch der Ware die Instandsetzung und Minderung, andererseits und die ursprüngliche Lieferung rückabwickelnd die Wandlung und Ersatzlieferung. Problematisch ist das Verhältnis der Ansprüche zueinander. Im Grünbuch war noch davon ausgegangen worden, daß die beiden Haftungs- 23 folgen, die keinen Austausch der ursprünglich gelieferten Ware beinhalten, weniger belastend und daher primär geltend zu machen seien.44 Im Vorschlag war dies dahingehend modifiziert worden, daß die Option für diese beiden Haftungsfolgen zwei Jahre, diejenige für die anderen beiden nur ein Jahr offen stehe (Art 3 IV 1. UA 2 VRL).45 Ansonsten jedoch blieb ein freies Wahlrecht. 46 Die Kommis43

44 45

AA (im Widerspruch zum bewußt restriktiven Wortlaut des Vorschlags und Gemeinsamen Standpunktes) Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 113. Der Bundesrat kritisiert, daß der Verkäufer auch für Werbeaussagen des Herstellers haftet, eine Haftung, die in Art 2 IV GSRL freilich erheblich kanalisiert wird (ebenso Medicus, ZIP 1996, 1925 [1926]). Nicht mehr relevant ist der Preis der Sache - durchaus in Übereinstimmung mit zentralen marktwirtschaftlichen Grundsätzen (anders demgegenüber noch Art 2 II lit. d VRL). KOM(93) 509 endg, S 113 f. Mit der unterschiedlichen Festlegung der Frist sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, daß von Verkäufern Wandlung und Ersatzlieferung regelmäßig als belastender empfunden werden: KOM(95) 520 endg, S 14 f; Kircher, ZRP 1997, 290 (293); Wolf,

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

sion ging offenbar davon aus, daß das uneingeschränkte Wahlrecht zwar im Einzelfall einmal zu weit gehen mag, für berufliche Verkäufer jedoch deswegen nicht zu belastend wird, weil sich Verbraucher regelmäßig auf eine Nachbesserung einlassen.47 Sie sah umgekehrt einen nennenswerten Gewinn darin, daß der Verbraucher das Wahlrecht bei zögerlicher Erfüllung der Sekundäransprüche als Disziplinierungsmittel einsetzen kann.48 Auch mochte man darauf vertraut haben, daß im Ausnahmefall der Rechtsmißbrauchseinwand gegen den Käufer herangezogen werden könne.49 24 In Art 3 GSRL wurden die vier Rechtsfolgen beibehalten, das Verhältnis zwischen ihnen jedoch neu geordnet und rechtspolitisch durchaus überzeugend im Sinne eines Primats der beiden moderneren Formen geklärt. Soweit möglich und nicht unverhältnismäßig, kann (nur) Nachbesserung oder Ersatzlieferung gefordert werden (Absätze 2 und 3). Beide Rechtsbehelfe gelten als die beiden moderneren Geschwister der Minderung bzw Wandlung, die auch rechtsvergleichend die klassischen Rechtsbehelfe darstellen. Das Primat beider Rechtsfolgen gilt nicht, wenn dies für den Verkäufer unverhältnismäßig (oder unmöglich ist), oder aber, wenn der geschuldete Sekundäranspruch nicht in angemessener Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfüllt wird (Art 3 IV GSRL). Mit letzterem wird auf elegante Weise dem Disziplinierungsgedanken, der ursprünglich für die Kommission leitend war, Rechnung getragen, zugleich drängt jedoch die neue Lösung die Gefahr des Rechtsmißbrauchs seitens des Käufers zurück und belastet den Verkäufer nicht mit (regelmäßig für den Käufer ebenfalls kaum rentablen) Kosten. Die Formulierung des Art 3 III 1. UA GSRL kann (und sollte) dahin verstanden werden, daß auch die Nachbesserung vorrangig zu akzeptieren ist, wenn Ersatzlieferung im Vergleich unverhältnismäßig ist. Zentralbegriff für die Festlegung der Rangfolge zwischen den Ansprüchen ist also einerseits der der angemessenen Frist und erheblichen Unannehmlichkeit, andererseits jedoch vor allem (und mehrmals) derjenige der UnVerhältnismäßigkeit für den Verkäufer. Dieser Begriff wird präzisiert in Art 3 III 2. UA GSRL, jedoch auch im 19. Erwägungsgrund der Präambel: Bei Gebrauchtwaren ist die Ersatzlieferung (und damit auch die Wandlung) regelmäßig unverhältnismäßig. Ansonsten ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei die Grundwertung des Gesetzes dahingeht, daß die Kostenvorteile des Verkäufers gegenüber den für Nachbesserung

RIW 1997, 899 (901); krit Hondius, ZEuP 1997, 130 (137); Medicus, ZIP 1996, 1925 (1928) (entscheidend sei, daß eine gebrauchte Sache zurückgenommen werden muß, nicht, wie lange diese gebraucht wurde). 4 6 KOM(95) 520 endg, S 14; krit Hondius, ZEuP 1997,130 (135); Medicus, ZIP 1996, 1925 (1927); Wolf, RIW 1997, 899 (902); wohl auch Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (370 f) (vorauseilender Gehorsam der EG-Kommission gegenüber möglichen Kritikern). 4 7 KOM(95) 520 endg, S 14 f. 4« KOM(95) 520 endg, S 14. 49 Wolf, RIW 1997, 899 (902). Immanente Schranken, insbes diejenigen aus den Grundsätzen zum Rechtsmißbrauch, ergeben sich für harmonisiertes Recht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen: vgl oben 1. Teil Rn 187-189, 191, 196 f; tendenziell auch (allerdings auf nationales Recht rekurrierend) Medicus, ZIP 1996, 1925 (1927).

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

299

und Ersatzlieferung üblichen Unannehmlichkeiten für den Käufer als gewichtiger einzustufen sind. cc) Die Mitgliedstaaten müssen nach Art 3a G S R L einen Regreßanspruch für den Fall vorsehen, daß der Verkäufer aufgrund fremden Fehlverhaltens haftet - etwa aufgrund unzutreffender öffentlicher (Werbe-)Aussagen des Herstellers oder, weil irgendeine Person in der Absatzkette, etwa auch ein Zwischenhändler, den Mangel verursacht hat. Dieser (nunmehr ausdrücklich parteidispositive) 50 Regreßanspruch ist notwendiges Korrelat für das Nebeneinander von harmonisiertem und nicht harmonisierten Bereichen: Die (zwingende) Haftung des Verkäufers ist gemeinschaftsrechtlich vorgegeben, umgekehrt jedoch weder die Haftung des eigentlich Verantwortlichen gegenüber dem Käufer noch eine Haftung dieses Verantwortlichen gegenüber dem Verkäufer, die nicht schon vorzeitig verfristet. Die Ausgestaltung im einzelnen regeln die Mitgliedstaaten. 51

25

dd) Grenzen des Anspruchs, auch zeitliche, regelt Art. 4 GSRL (und in diesem 2 6 Zusammenhang dann auch eine Vermutung für das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit). Praktisch besonders wichtig ist die Festsetzung einer Ausschlußfrist von zwei Jah- 2 7 ren ab Lieferung (nicht Vertragsschluß), innerhalb derer die Vertragswidrigkeit offenbar werden muß. Sie verdrängt zugleich kürzere nationale Verjährungsfristen (Art. 41 GSRL). Auch die nationale Verjährungseinrede greift demnach frühestens zwei Jahre nach Lieferung. Der Unterschied zwischen Ausschluß- und Verjährungsfrist wurde also insoweit für unbeachtlich erklärt, um in den nationalen Rechten trotz der Unterschiedlichkeit der rechtstechnischen Ausgestaltung gleiche (Mindest-)Schutzzeiträume zu verbürgen. Höchst umstritten war die Frage nach Rügeobliegenheiten des Verbrauchers. 28 Art 4 I V R L hatte eine solche nach dem Vorbild der Privatrechte von etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten und des UN-Kaufrechts eingeführt. In letzterem ist dieses freilich - wie in Deutschland nach §§ 3 7 7 f H G B - auf beruflich tätige Käufer beschränkt. Daß es auf den Verbraucher erstreckt wurde, bildete den wichtigsten Kritikpunkt 52 - trotz Verlängerung der Frist auf einen Monat. 5 3 Die

Dies war etwas str für den Vorschlag: Art 6 VRL erklärte nur Verbraucherrechte für zwingend. Darin wurde jedoch teils ein Redaktionsversehen gesehen: etwa Medicus, ZIP 1996, 1925 (1929). Normen, die das Verhältnis von beruflich Tätigen zueinander regeln, sind jedoch im Europäischen Schuldvertragsrecht durchaus typischerweise parteidispositiv. Eine strukturelle Ungleichgewichtslage ist nicht überzeugend dargetan. KOM(95) 520 endg, S 15; Medicus, ZIP 1996, 1925 (1928); Schmidt-Ränsch, ZIP 1998, 849 (850); nach abw Auffassung entscheiden sie auch über die Einf solch eines Regreßanspruches: so tendenziell Hondius, ZEuP 1997, 130 (136), der jedoch die Legitimität der Regreßregelung betont (.„Unterdrückte Mittelständler'-Forderung"). Dem widerspricht nicht nur der Wortlaut der Norm sondern auch das im Text genannte Zusammenspiel der Regelungen. Krit zum Regreßanspruch Kircher, ZRP 1997, 290 (294). " Etwa Junker, DZWiR 1997, 271 (274); Kircher, ZRP 1997, 290 (293); Medicus, ZIP 1996, 1925 (1927 f, 1930). 50

300

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

EG-Kommission führte demgegenüber Rechtssicherheitsargumente an: Eine schnelle Klärung und Streiterledigung sei zu fördern. 54 Mißlich unter diesem Gesichtspunkt war, daß weder Vorschlag noch Begründung klärten, ob der Verbraucher eine Untersuchungsobliegenheit haben sollte. Immerhin lief die Monatsfrist nicht erst ab Kenntnis, sondern ab Kennenmüssen. Jedenfalls nicht gemeint war eine Pflicht, die Sache „genauestens zu prüfen oder Versuche durchzuführen, um ihre Funktionstüchtigkeit" zu eruieren.55 Die bloße Rügepflicht ohne gesonderte Untersuchungspflicht und zudem im Vorschlag gekoppelt mit einer von den Verjährungszwecken her sehr sinnvollen Verjährungsunterbrechung - wäre dem Verbraucher heutzutage durchaus zumutbar gewesen. Ein dahin gehendes Bewußtsein kann durchaus aufgebaut werden. Im Gemeinsamen Standpunkt wurde von einer Harmonisierung der Rügepflicht dennoch Abstand genommen. Art 4 la GSRL eröffnet nur noch eine dahin gehende Option der Mitgliedstaaten, nunmehr mit einer Frist von zwei Monaten. Eine spätere Harmonisierung erscheint nicht unwahrscheinlich angesichts der Berichtspflichten, die die Kommission in diesem Punkte übernimmt und die bereits ein halbes Jahr nach Ablauf der Umsetzungsfrist zu erfüllen sind. 29 Eine wesentliche Erleichterung für den Käufer bedeutet die Beweislastumkehr, nach der bei Vertragswidrigkeit, die innerhalb von sechs Monaten nach Ubergabe „offenbar wird", vermutet wird, sie habe schon bei Übergabe vorgelegen (Art 4 II GSRL). Dadurch wird der für die Vertragsgemäßheit maßgebliche Zeitpunkt für den Regelfall faktisch um sechs Monate über den Tag der Ubergabe hinausgeschoben. Ausnahmen bestehen jedoch etwa bei verderblichen Gütern „Art des Gutes" - oder bei nach Lage der Dinge extern verursachten Mängeln („Art der Vertragswidrigkeit"). Entscheidend ist also, daß es, wie bei verderblicher Ware, überhaupt an der Wahrscheinlichkeit fehlt, die die Beweislastumkehr rechtfertigt, oder daß im Einzelfall sehr solide Zweifel an der Richtigkeit der Vermutung aufkommen. Gerechtfertigt ist die zweitgenannte Einschränkung der Beweislastumkehr nur bei nach Lage der Dinge externer Verursachung, weil hier der Verkäufer den Beweis nicht leichter erbringen kann als der Käufer.56 c) Vertragliche Gewährleistung kraft Garantie 30 Die vertragliche Gewährleistung kraft Garantie ist in Art 1 II lit. e und Art 5 GSRL geregelt. Möglicher Anspruchsgegner ist aufgrund der dahin gehenden ausdrücklichen Definition neben dem Verkäufer auch der Hersteller, jeder jeweils nur für eigene Zusagen, nicht jedoch der Zwischenhändler.57 Die Regelung 53

Krit gerade zur Verdoppelung der Fristen („unverzüglich" nach §§ 377 f H G B und ein Monat für Verbraucher nach VRL) Medicus, ZIP 1996, 1925 (1927 f). 54 8. Erwägungsgrund der Präambel; krit Medicus, ZIP 1996, 1925 (1928). " KOM(95) 520 endg, S 16; krit Kircher, ZRP 1997, 290 (293); Medicus, ZIP 1996, 1925 (1928). Sinnvoll war es, „Kennenmüssen" iS einer bloßen Beweiserleichterung zu verstehen: Medicus, ZIP 1996, 1925 (1928); offen: Junker, DZWiR 1997, 271 (274). 56 Mit ebendieser Begr für die Beweislastumkehr: KOM(95) 520 endg, S 14. s? Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (371); aA Medicus, Z I P 1996, 1925 (1929).

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

301

ist zwar gemäß Art 6 I G S R L zwingend, für den Umfang der Garantie wird jedoch weitestgehend auf die privatautonome Festlegung verwiesen. 58 aa) Schwierig zu fassen ist die erste zwingende Vorgabe. Bindungswirkung und 31 Umfang der Garantie beurteilen sich nicht allein nach der vertraglichen Absprache, sondern auch nach den Werbeaussagen (Art 5 IGSRL). Auch letztere binden. Hierbei ist zu differenzieren zwischen Garantien, die allein in der Werbung erklärt werden, und solchen, die beim Kauf vereinbart werden und bei denen ebenfalls Werbeaussagen Wirkung entfalten können. Für den ersten Fall ist geklärt, daß nur solche Werbeaussagen gemeint sein kön- 3 2 nen, in denen die Garantie als Mittel der Verkaufsförderung eingesetzt wird, nicht jegliche sonstige Werbeaussage. 5 9 Garantiebewehrte Werbeaussagen entfalten dann bei Kauf sogar allein, ohne weitere diesbezügliche Verpflichtungserklärung, Garantiewirkung. Denkbar ist dies, weil auch der Hersteller möglicher Anspruchsgegner ist. Für diese Auslegung spricht der eindeutige Wortlaut - nur ein Angebot und in der Werbung angegebene Bedingungen werden vorausgesetzt - und zudem ein in der Begründung gegebener Verweis: Verwiesen wird auf Art 3 II Pauschalreise-Richtlinie (4.01), nach dem allein schon „die im Prospekt enthaltenen Angaben ... den Veranstalter [binden]." Dem steht auch nicht entgegen, daß in der Begründung zugleich für die Entstehungsmodalitäten der Garantie - Vertrag oder einseitige Erklärung - auf die nationalen Rechte verwiesen wird. 6 0 Diese finden allein im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben Anwendung. Wird demgegenüber beim Kauf eine Garantie vereinbart, so können Werbung 3 3 und Vereinbarung divergieren. Die vereinbarte Garantie ist zunächst im Lichte der Werbeaussagen auszulegen, auch solcher, die selbst keine Garantiezusage enthalten. 6 1 Der in der Begründung zitierte Art 3 II Pauschalreise-Richtlinie legt es darüber hinaus nahe, daß die negative Abweichung jedenfalls nur aufgrund von ausdrücklichen Erklärungen möglich ist. 6 2 Dies wird sich in der Mehrzahl der Fälle auch aus Art 5 S 1 und 2 A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10) ergeben. In diesem Falle kann durch Vereinbarung von jeder Werbeaussage abgewichen werden. Fraglich ist, ob der Verkäufer, der einseitig abweichen will, zusätzlich einen dahin gehenden Vorbehalt in der Werbung gemacht haben muß. Jedenfalls bei Werbeaussagen, die selbst noch keine Garantiezusage enthalten, legt es Art 2

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KOM(95) 520 endg, S 8; Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (372); Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 124; krit Hondius, ZEuP 1997, 130 (138) („wichtigste Kritik ... an diesem Teil"); auch Cranston, CLJ 1995, 110 (114 seq). Ebenso (allerdings ohne Differenzierung der beiden genannten Konstellationen) Medicus, ZIP 1996, 1925 (1929); für die Frage, wann von solchen Garantien auszugehen ist: Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 122 f; die Systemkonformität im deutschen Recht zweifelt Menke, VuR 1994, 223 (234) an. KOM(95) 520 endg, S 16; Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 120. Wohl ebenso Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 117; unklar insoweit Medicus, ZIP 1996, 1925 (1929). Vgl näher unten 4.01 Rn 15.

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

III, IV 2. Spiegelstrich GSRL nahe, daß bereits die einseitige Berichtigung auch im Rahmen von Art 5 I GSRL ausreicht. Kaum zu befürworten wäre demgegenüber, zumal auf dem Hintergrund des zu Art 3 II Pauschalreise-Richtlinie Gesagten, daß Gleiches auch gilt, wenn die Werbung selbst bereits eine Garantiezusage ohne Anderungsvorbehalt enthielt.63 34 bb) Zwingend vorgegeben war im Vorschlag außerdem, daß die Garantie in zumindest einem Punkt über die gesetzlich vorgesehene Gewährleistung hinausging (Art 5 I und Art 1 II lit. d VRL). 64 Dabei bestand dieses Mindestmaß aus der nationalen Gewährleistungsregelung und dem Mindestmaß, das die Gewährleistungshaftungs-Richtlinie vorsehen sollte. Die Parteiautonomie wurde demnach eingeschränkt. Diese Vorgabe wurde vor allem lauterkeitsrechtlich begründet: Kunden sollten nicht dadurch gefangen werden, daß ihnen ein Entgegenkommen bei den Sekundäransprüchen vorgegaukelt wurde.65 Die klassischen Formen einer Zusatzzusage gehen dahin, daß die Garantiefrist verlängert oder der Zeitpunkt hinausgeschoben wird, zu dem der Mangel vorliegen muß (bei der gesetzlichen Gewährleistung der Zeitpunkt der Übergabe). 35 Der Gemeinsame Standpunkt beseitigte auch diesen Rest eines Eingriffs in die Parteiautonomie zugunsten einer reinen Transparenzregelung: Art 5 II 1. Spiegelstrich GSRL fordert nur noch den Hinweis, daß gesetzliche Gewährleistungsansprüche existieren, die die vertragliche Garantie nicht berühren. Soll die Gefahr unlauteren Verhaltens gebannt und Transparenz tatsächlich verbürgt werden, so ist dies dahin zu verstehen, daß der Inhalt der gesetzlichen Gewährleistung gegenüber demjenigen der vertraglichen Garantie abgehoben werden muß, daß also spezifiziert werden muß, ob und inwieweit sich die vertragliche Garantie von der gesetzlich geschuldeten Gewährleistung unterscheidet. 36 cc) Transparenz und Durchsetzbarkeit der Garantie sollen Art S112. Spiegelstrich, IH-V GSRL fördern. Vorgesehen sind ein Transparenzgebot (mit Klärung der Sprachenfrage) und ein Schriftlichkeitsgebot. Die Verletzung des Klarheitsgebots führt dazu, daß die Garantie zu Lasten des Erklärenden auszulegen ist (Art 5 V

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Ähnlich Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 3 6 7 (377); unentschieden Medicus, ZIP 1996, 1925 (1929). Nicht notwendig war demgegenüber, daß in allen Punkten über diesen Standard hinausgegangen wurde: KOM(95) 5 2 0 endg, S 17; Wolf, RIW 1997, 899 (902). Umgekehrt war str, ob das Maß der ohnehin gesetzlich geschuldeten Gewährleistung in der Garantie umschrieben werden mußte: dagegen (mit Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte) Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 3 6 7 (371); dafür (unter Verweis auf Art 5 II VRL): Reich, Garantien unter Gemeinschaftsrecht, EuZW 1995, 71 (77). 9. und 10. Erwägungsgrund der Präambel VRL, jetzt teils 18. Erwägungsgrund der Präambel GSRL; Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 125. Zu noch weitergehenden Vorgaben in früheren Entw vgl oben Fn 14. Das Entgegenkommen war auch in einer Ausweitung des Kreises der nach Art 3 II GSRL eröffneten Ansprüche zu sehen. Dies wurde in Art 1 II lit. d VRL dahingehend umschrieben, daß der Verkäufer zusagen konnte, sich „in sonstiger Weise der Sache anzunehmen."

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS)

303

2. H S G S R L ) . 6 6 Das Schriftlichkeitsgebot wurde schon für den Vorschlag nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung verstanden. 67 Dies ist nunmehr in Art 5 II, V G S R L klargestellt. Statt schriftlicher Niederlegung genügt die Bereitstellung auf einem dauerhaften Medium, etwa indem es bei Käufen über das Internet ermöglicht wird, die Bedingungen herunterzuladen. Nicht geklärt ist der Zeitpunkt, zu dem die Garantiebedingungen zur Verfügung zu stellen sind: Art 5 II V R L hatte noch das Recht verbürgt, die Garantie vorher einzusehen. Dieses Recht diente, wie vergleichbare Rechte in Art 3 Pauschalreise-Richtlinie (4.01) und vor allem Art 3 I der Timesharing-Richtlinie (4.02), einer informierten und freien Verbraucherentscheidung. Art 5 III G S R L ist in dieser Hinsicht nicht mehr explizit. Sanktionen für Verstöße gegen Art 5 II 2. Spiegelstrich-IV G S R L müssen nach EuGH-Rechtsprechung „jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschrekkend" sein. 68 Sie müßten daher - über Art 5 V G S R L hinausgehend - jedenfalls in die Rechtsbruchfallgruppe im Rahmen von § 1 U W G eingestellt werden. d) Verbliebene Regelungslücken

und

-freiräume

Der Vorschlag und Gemeinsame Standpunkt für eine GewährleistungshaftungsRichtlinie regeln gezielt nur einen Fragenkomplex, die gesetzliche und vertragliche Gewährleistung. Jede strengere nationale Regelung diesbezüglicher Fragen fällt in keinen Regelungsfreiraum. Dies gilt insbesondere für eine nationale Regelung, die der vertraglichen Garantie einen bestimmten Mindestinhalt gibt. Art 5 I, II G S R L schreibt allein den Vergleich mit der gesetzlichen Gewährleistungsregelung (Aufdeckung und Transparenz) und die Bindung an Werbeaussagen als Mindeststandard vor, entscheidet sich sonst jedoch für die Privatautonomie. Gegenüber ausländischen Anbietern dürfen abweichende, ihn stärker belastende Regelungen nicht international zwingend durchgesetzt werden. 6 9 Nicht geregelt sind demgegenüber insbesondere Ansprüche aus Mangel- und Mangelfolgeschäden, die Erfüllungswirkung und (mit den genannten Ausnahmen) auch nicht die im Rahmen von Art 5 G S R L anzuwendende nationale Rechtsgeschäftslehre. Nicht geregelt sind außerdem der Kundendienst und die Pflicht zur Ersatzteilhaltung. Ist in der Tat davon auszugehen, daß diese Fragen (mit Ausnahme der zuletzt genannten) für Kaufentschlüsse von Verbrauchern kaum von ausschlaggebender Bedeutung sind, sollten Mitgliedstaaten überlegen, ob sie eigene Verbraucher in diesen Fragen mit spezifisch verbraucherschützenden und international zwingenden Statuten schützen wollen. Beantworten

So schon für den insoweit weniger klaren Vorschlag Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (377); und tendenziell auch Medicus, ZIP 1996,1925 (1929). Bei klauselmäßiger Zusage ergibt sich dies ohnehin aus Art 5 S 2 AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10). 67 KOM(95) 520 endg, S 17; Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S 126; Medicus, ZIP 1996, 1925 (1929). 68 Dies übersieht beispielsweise Medicus, ZIP 1996, 1925 (1929), der Art 5 VRL, der insoweit Art 5 GSRL entspricht, isoliert betrachtet. Eine Publizitätssperre schlagen Amtenbrinck / Schneider, VuR 1996, 367 (377) vor. «' Vgl oben 1. Teil Rn 110-120. 66

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

sie die Frage positiv, so entsteht wiederum der klassische, auch mit Anbieterinteressen zu rechtfertigende breitere Rechtsangleichungsbedarf.

B. Fundstellenverzeichnis 3 9 Grundlage: Art 100a EGV Betr: Gesetzliche und vertragliche Gewährleistungsregeln beim Verkauf von beweglichen Sachen durch beruflich Tätige an Endverbraucher Fundstellen: - Gemeinsamer Standpunkt von Kommission und Rat vom 23. 4. 1998 ZIP 1998, 889 - ursprünglicher Vorschlag vom 23. 8. 1996 AB1EG 1996 C 307/8 / KOM(95) 520 endg

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien in der Fassung der politischen Einigung über den Gemeinsamen Standpunkt von Kommission und Ministerrat vom 23. April 1998 (Ratsdok. 7896/98 vom 24. 4. 1998)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, in Anwendung des Verfahrens gemäß Artikel 189b des Vertrages, in Erwägung nachstehender Gründe: Der Binnenmarkt umfaßt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Der freie Warenverkehr betrifft nicht nur den gewerblichen Handel, sondern auch Privatpersonen. Dies bedeutet, daB es den Verbrauchern aus einem Mitgliedstaat möglich sein mu6, in voller Sachkenntnis und auf der Grundlage angemessener Mindestvorschriften über den Verkauf von Verbrauchsgütern im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates frei einzukaufen. Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Kauf von Verbrauchsgütern weisen viele Unterschiede auf, was zur Folge hat, daB die einzelstaatlichen Absatzmärkte für Verbrauchsgüter uneinheitlich und bei den Verkäufern Wettbewerbsverzerrungen eintreten können. Dem Verbraucher, der die Vorzüge des Binnenmarkts dadurch nutzen möchte, daß er sich Waren in einem anderen Mitgliedstaat als in seinem Wohnland beschafft fällt eine fundamentale Aufgabe bei der Vollendung des Binnenmarktes zu; dabei muß verhindert werden, daß neue künstliche Grenzen entstehen und die Märkte abgeschottet werden. Diese Möglichkeiten haben durch die neuen Kommunikationstechnologien, die einen leichten Zugang zu den Vertriebssystemen anderer Mitgliedstaaten oder von Drittländern bieten, deutlich zugenommen. In Ermangelung einer Mindestharmonisierung der Bestimmungen über den Kauf von Verbrauchsgütern könnte die Weiterentwicklung des Warenkaufs mit Hilfe der neuen Fernkommunikationstechniken behindert werden.

Der Verkauf von Verbrauchsgütern umfaßt alle Arten von Verträgen über die Lieferung von Waren durch den Verkäufer an den Verbraucher; eingeschlossen sind Verträge, denen zufolge Waren gegen einen anderen Vermögenswert anstelle des Kaufpreises geliefert werden, und Verträge, bei denen die Zahlungen in Raten erfolgen und das Eigentum an den Waren erst dann auf den Verbraucher übertragen wird, wenn alle fälligen Ratenzahlungen beglichen worden sind. Die Schaffung eines gemeinsamen Mindestsockels von unabhängig vom Ort des Kaufs der Waren in der Europäischen Union geltenden Rechten für die Verbraucher stärkt das Vertrauen der Verbraucher und gestattet es ihnen, die durch die Schaffung des Binnenmarkts gebotenen Vorzüge besser zu nutzen. Die hauptsächlichen Schwierigkeiten der Verbraucher und wichtigste Quelle für Konflikte mit den Verkäufern betreffen die Vertragswidrigkeit von Waren. Infolgedessen erweist sich eine Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Verbrauchsgüterkauf unter diesem Aspekt als geboten. Eine solche Angleichung darf jedoch nicht die Bestimmungen und Grundsätze einzelstaatlichen Rechts über die Regelung der vertraglichen und außervertraglichen Haftung beeinträchtigen. Waren müssen vor allem vertragsgemäß sein. Der Begriff „Vertragsmäßigkeit" kann als gemeinsame Grundlage der verschiedenen einzelstaatlichen Rechtstraditionen betrachtet werden. Im Rahmen bestimmter einzelstaatlicher Rechtstraditionen ist es möglicherweise nicht möglich, sich allein auf diesen Grundsatz zu stützen, um ein Mindestmaß an Verbraucherschutz zu gewährleisten. Insbesondere im Rahmen solcher Rechtstraditionen könnte es nützlich sein, zusätzliche einzeistaatliche Bestimmungen für den Fall vorzusehen, daß die Parteien keine spezifischen vertraglichen Vereinbarungen oder Vereinbarungen getroffen haben, auf Grund deren die Rechte des Verbrauchers unmittelbar oder mittelbar außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden und die insoweit als diese Rechte aus dieser Richtlinie entstehen, für den Verbraucher nicht verbindlich sind.

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

Um die Anwendung des Grundsatzes der Vertragsmäßigkeit zu erleichtern, ist es sinnvoll, eine widerlegbare Vermutung der Vertragsmäßigkeit einzuführen, die die meisten normalen Situationen abdeckt. Diese Vermutung stellt keine Einschränkung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit der Parteien dar. Fehlen spezifische Vertragsbedingungen, so können die in dieser Vermutung genannten Elemente verwendet werden, um die Vertragswidrigkeit der Waren zu bestimmen. Die Qualität und die Leistung, die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, hängen von der Beschaffenheit der Güter, einschließlich der Tatsache, ob sie neu oder gebraucht sind, ab. Der Verkäufer muß dem Verbraucher gegenüber unmittelbar für die Vertragsmäßigkeit der Waren haften. Dieser klassische Grundsatz ist in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten verankert. Allerdings muß der Verkäufer seinen Verkäufer oder den Hersteller in Regreß nehmen können, wenn die Vertragsswidrigkeit einer von diesen Personen begangenen Handlung bzw. Unterlassung zuzurechnen ist. Bei Vertragswidrigkeit eines Produkts muß der Verbraucher das Recht haben, die Reparatur des Produkts oder Ersatzleistung bzw. als Entschädigung eine Preisminderung oder die Wandelung des Kaufvertrages verlangen zu können. Die Wahrnehmung dieser Rechte ist jedoch zeitlich zu begrenzen, und es müssen entsprechende Fristen festgelegt werden, innerhalb deren sie dem Verkäufer gegenüber geltend gemacht werden können. a) Bei Anzeige einer Vertragswidrigkeit an den Verkäufer kann dieser dem Verbraucher als Abhilfe stets anbieten, einen der Ansprüche nach Artikel 3 Absatz 2 zu befriedigen. Die Annahme oder Ablehnung des betreffenden Vorschlags bleibt dem Verbraucher freigestellt. b) Artikel 3 darf nicht dazu führen, daß die Vorschriften der Mitgliedstaaten über den Gefahrenübergang geändert werden. c) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß eine dem Verbraucher geleistete Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung erfolgt ist. d) Die Regelungen über die Aufhebung des Vertrags können im Einzelnen im einzelstaatlichen Recht festgelegt werden. Wird in einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für den Beginn der Frist, innerhalb deren Verbraucher ihre Ansprüche geltend machen können, ein anderer Zeitpunkt als die Lieferung des Gutes festgelegt, so darf die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegte Gesamtdauer der Fristen die in der Richtlinie vorgesehene Dauer nicht unterschreiten.

Für den Fall einer Nachbesserung oder einer Ersatzleistung sowie für den Fall von Verhandlungen zwischen dem Verkäufer und dem Verbraucher über eine gütliche Regelung können die Mitgliedstaaten gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Aussetzung, die Unterbrechung oder den Neubeginn der Frist gemäß Artikel 4 Absatz 1 vorsehen. Die Mitgliedstaaten sollten vorbeugende Maßnahmen in Bezug auf eine Frist für die Mitteilung ergreifen, die Verbraucher benachteiligt, die grenzüberschreitende Käufe tätigen. Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, die Verbraucher zu verpflichten, Vertragswidrigkeiten binnen einer bestimmten Frist mitzuteilen. Die Mitgliedstaaten können ein höheres Niveau des Verbraucherschutzes gewährleisten, indem sie keine derartige Verpflichtung einführen. In jedem Fall sollten die Vebraucher für die Unterrichtung des Verkäufers über das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit überall in der Gemeinschaft über einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten verfügen. Alle Mitgliedstaaten sollten die Kommission über ihre in Bezug auf diese Bestimmung gewählte Lösung unterrichten. Die Kommission sollte die Auswirkungen der unterschiedlichen Anwendung dieser Bestimmung auf die Verbraucher und den Binnenmarkt beobachten. Informationen über die von einem Mitgliedstaat in Bezug auf diese Bestimmung gewählte Lösung sollten den übrigen Mitgliedstaaten, den Verbrauchern und den Verbraucherorganisationen gemeinschaftsweit zugänglich gemacht werden. Daher sollte im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften eine Übersicht über die Lage in den Mitgliedstaaten veröffentlicht werden. Es gehört zu den Gepflogenheiten, daß die Verkäufer oder die Hersteller für bestimmte Warengattungen auf ihre Erzeugnisse Garantien gewähren, die Verbraucher gegen Mängel absichern, die innerhalb einer bestimmten Frist auftreten können. Diese Praxis kann zu mehr Wettbewerb am Markt führen. Allerdings sind solche Garantien unter Umständen reine Werbemittel, die sich für den Verbraucher als irreführend erweisen. Zur Sicherung der Markttransparenz sind gewisse gemeinsame Grundprinzipien festzulegen, die auf die von den Wirtschaftsakteuren angebotenen Garantien Anwendung finden. Auf Grund der Eigenart von Gebrauchtwaren können sie im allgemeinen nicht ersetzt werden. Bei diesen Gütern hat der Verbraucher in der Regel keinen Anspruch auf Ersatzleistung. Die Vertragsparteien dürfen die den Verbrauchern eingeräumten Rechte nicht durch Vereinbarung einschränken oder außer Kraft setzen, da dies den gesetzlichen Schutz aushöhlen würde. Dieser Grundsatz hat auch für Klauseln zu gelten, denen zufolge alle zum Zeitpunkt des Verkaufs bestehenden vertragswidrigen Mängel

2 . 1 2 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS) des Verbrauchsguts dem Verbraucher bekannt waren. Dem Verbraucher darf der durch diese Richtlinie vorgesehene Schutz nicht dadurch geschmälert werden, daB als das auf den betreffenden Vertrag anzuwendende Recht das Recht eines Drittstaates gewählt worden ist. Die diesbezüglichen Rechtsvorschriften und die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten zeugen von der zunehmenden Besorgnis, den Verbrauchern ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Angesichts dieser Entwicklung und der zu erwartenden Erfahrung mit der Durchführung dieser Richtlinie kann es sich als notwendig erweisen, eine stärkere Harmonisierung in Erwägung zu ziehen, die insbesondere eine unmittelbare Haftung des Herstellers für Mängel, die ihm zuzurechnen sind, vorsieht. Die Mitgliedstaaten müssen auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet strengere Bestimmungen zur Gewährleistung eines noch höheren Verbraucherschutzniveaus erlassen oder beibehalten können HABEN FOLGENDE RICHTINIE ERLASSEN: Artikel 1 Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen (1) Gegenstand dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter zur Gewährleistung eines einheitlichen hohen Verbraucherschutz-Mindestniveaus im Rahmen des Binnenmarktes. (2) Im Sinne dieser Richtlinie gilt als a) Verbraucher: jede natürliche Person, die im Rahmen der unter diese Richtlinie fallenden Verträge zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann; b) Verbrauchsgüter: bewegliche Sachen, mit Ausnahme a) von Gütern, die auf Grund von Zwangsvollstreckungs- oder anderen gerichtlichen MaOnahmen verkauft werden, b) Wasser und Gas, wenn sie nicht in einem begrenzten Behältnis und in einer bestimmten Menge abgefüllt sind, und c) Strom; c) Verkäufer: jede natürliche oder juristische Person, die auf Grund eines Vertrags im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft; d) Hersteller: der Hersteller eines Verbrauchsgutes, sein Importeur für das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft oder jede andere Person, die sich dadurch, daB sie ihren Namen, Ihre Marke oder ein anderes Kennzeichen am Verbrauchsgut anbringt, als Hersteller bezeichnet;

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e) Garantie: von einem Verkäufer oder Hersteller gegenüber dem Verbraucher ohne Aufpreis eingegangene Verpflichtung, den Kaufpreis zu erstatten, das Gut umzutauschen oder instandzusetzen oder in sonstiger Weise Abhilfe zu schaffen, wenn das Gut nicht den im Garantieschein oder in der einschlägigen Werbung genannten Eigenschaften entspricht; f) Nachbesserung: bei Vertragswidrigkeit die Instandsetzung des Gutes gemäß Artikel 2. (3) Die Mitgliedstaaten können abweichend davon festlegen, daß unter „Verbrauchsgütern" keine gebrauchten Güter zu verstehen sind, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, bei der Verbraucher die Möglichkeit haben, dem Verkauf persönlich beizuwohnen. (4) Als Kaufverträge im Sinne dieser Richtlinie gelten ferner Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter, es sei denn, daß der Verbraucher einen wesentlichen Teil der für die Herstellung und Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat. Artikel 2 Vertragsmäßigkeit (1) Der Verkäufer ist verpflichtet, dem Verbraucher dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern. (2) Die Güter gelten als vertragsgemäß, wenn sie a) mit der vom Verkäufer abgegebenen Beschreibung übereinstimmen und die Eigenschaften des Gutes besitzen, die der Verkäufer dem Verbraucher als Probe oder Muster vorgelegt hat; b) sich für einen bestimmten vom Verbraucher angestrebten Zweck eignen, den der Verbraucher dem Verkäufer bei VertragsabschluB zur Kenntnis gebracht hat, sofern sich nicht aus den Umständen ergibt, daß sich der Käufer nicht auf die Erklärungen des Verkäufers verlassen hat; c) sich für alle Zwecke eignen, für die Güter der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden; d) eine Qualität und Leistungen aufweisen, die bei gleichartigen Gütern üblich sind und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn die Beschaffenheit des Gutes und gegebenenfalls die insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett getätigten öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder dessen Vertreters über die konkreten Eigenschaften des Gutes in Betracht gezogen werden. (3) Es liegt keine Vertragswidrigkeit im Sinne dieses Artikels vor, wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Kenntnis von dem Mangel hatte oder vernünftigerweise nicht in Unkenntnis darüber sein konnte.

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

(4) Der Verkäufer ist durch die in Absatz 2 Buchstabe d genannten öffentlichen Äußerungen des Herstellers oder dessen Vertreters nicht gebunden, wenn er -

nachweist, daB er die betreffende Äußerung nicht kannte und vernünftigerweise nicht davon Kenntnis haben mußte,

-

nachweist, daß die betreffende Äußerung zum Zeitpunkt des Verkaufs berichtigt wurde,

-

nachweist, daß die Kaufentscheidung nicht durch die betreffende Äußerung beeinflußt werden konnte.

(5) Ein Mangel infolge unsachgemäßer Montage des Gutes wird Vertragswidrigkeit gleichgestellt, wenn diese Montage Bestandteil des Kaufvertrages für das Gut war und vom Verkäufer oder unter dessen Verantwortung vorgenommen wurde. Artikel 3 Rechte des Verbrauchers (1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher gegenüber für jede Vertragswidrigkeit, die bei der Lieferung des Gutes besteht. (2) Bei Vertragswidrigkeiten hat der Verbraucher entweder auf die unentgeltliche Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustande des Gutes durch Instandsetzung oder Ersetzung gemäß Absatz 3 eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Aufhebung des Vertrags [in Bezug auf die betreffenden Güter] gemäß den Absätzen 4 und 5 Anspruch. (3) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Gutes oder einer unentgeltlichen Ersatzleistung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig Ist. Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursacht, die angesichts des Wertes, den das Gut ohne den vertragswidrigen Mangel hätte, sowie unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte, verglichen mit dieser alternativen Abhilfemöglichkeit unangemessen sind. Die Nachbesserung oder die Ersatzleistung muß binnen einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Gutes ebenso wie der Zweck, für den der Verbraucher das Gut benötigt, zu berücksichtigen ist. (4) Hat der Verbraucher weder Anspruch auf eine Nachbesserung noch auf eine Ersatzleistung oder hat der Verkäufer nicht innerhalb ei-

ner angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher Abhilfe geschaffen, so kann der Verbraucher eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder die Auflösung des Vertrags verlangen. (5) Bei geringfügigen Vertragswidrigkeiten ist der Verbaucher nicht berechtigt, den Vertrag aufzulösen. Artikel 3a Rückgriffsrechte Haftet der Letztverkäufer dem Verbraucher gegenüber auf Grund einer Vertragswidrigkeit infolge eines Handelns oder Unterlassens des Herstellers, eins vorausgegangenen Verkäufers innerhalb derselben Vertragskette oder einer anderen Zwischenperson, so kann der Letztverkäufer einen Haftenden innerhalb der Vertragskette in Regreß nehmen, es sei denn, daß er auf sein Recht verzichtet hat. Das einzelstaatliche Recht bestimmt den bzw. die Haftenden, den bzw. die der Letztverkäufer In Regreß nehmen kann, sowie das entsprechende Vorgehen und die einschlägigen Modalitäten.

Artikel 4 Fristen (1) Der Verkäufer haftet im Sinne des Artikels 3, wenn die Vertragswidrigkeit binnen einer Frist von zwei Jahren nach der Lieferung des Gutes offenbar wird. Gilt gemäß einzelstaatlichem Recht für die Rechte nach Artikel 3 Absatz 2 eine Verjährungsfrist, so endet diese Frist nicht vor Ablauf eines Zeitraumes von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung. (1a) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß der Verbraucher dem Verkäufer zwecks Erlangung seiner Ansprüche die Vertragswidrigkeit binnen zwei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er die Vertragswidrigkeit festgestellt hat, anzeigen muß. Die Mitgliedstaaten müssen die Kommission über ihre in Bezug auf diese Bestimmung gewählte Lösung unterrichten. Die Kommission beobachtet die Auswirkungen dieser den Mitgliedstaaten eröffneten Möglichkeit auf die Verbraucher und den Binnenmarkt. Die Kommission erarbeitet innerhalb von sechs Monaten nach dem in Artikel 8 genannten Zeitpunkt einen Bericht über die von den Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Bestimmung gewählte Lösung. Dieser Bericht wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. (2) Bis zum Beweis des Gegenteils wird davon ausgegangen, daß Vertragswidrigkeiten, die in einer Frist von sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt dieser Lieferung bestanden, es sei

2.12 Gewährleistungshaftungs-Richtlinie (GS) denn, diese Annahme ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar. Artikel 5 Garantien (1) Die Garantie muß denjenigen, der sie anbietet, gemäß den in der Haftungserklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen binden. (2) Die Garantie muß -

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darlegen, daß die Verbraucher im Rahmen der geltenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Verbrauchsgüterkauf Rechte haben und daß die sich aus diesen Vorschriften ergebenden Rechte des Verbrauchers von der Garantie nicht berührt werden; in einfachen und verständlichen Formulierungen den Inhalt der Garantie und die wesentlichen Angaben enthalten, die für die Inanspruchnahme der Garantie notwendig sind, insbesondere die Dauer und den geographischen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.

(3) Auf Wunsch des Verbrauchers muß diesem die Garantie in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt werden oder sie muß in einem anderen dauerhaften Medium enthalten sein, das dem Verbraucher zur Verfügung steht und ihm zugänglich ist. (4) Die Mitgliedstaaten, in denen das Gut in Verkehr gebracht wird, können, soweit dies mit den Vorschriften des Vertrags vereinbar ist, für ihr Gebiet vorschreiben, daß die Garantie in wenigstens einer oder in mehreren Sprachen abzufassen ist, die der jeweilige Mitgliedstaat unter den Amtssprachen der Gemeinschaft auswählt. (5) Wird mit einer Garantie gegen die Anforderungen der Absätze 2,3 und 4 verstoßen, so beeinträchtigt dieser Verstoß in keinem Fall die Gültigkeit dieser Garantie; der Verbraucher kann sie weitgehend geltend machen und ihre Einhaltung verlangen. Artikel 6 Zwingender Charakter der Bestimmungen (1) Vertragsklauseln oder mit dem Verkäufer vor dessen Unterrichtung über die Vertragswidrigkeit getroffene Vereinbarungen, durch die die dem Verbraucher mit dieser Richtlinie gewährten Rechte unmittelbar oder mittelbar außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden, sind im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für den Verbraucher nicht bindend. Für den Verkauf von Gebrauchtwaren können die Mitgliedstaaten vorsehen, daß der Verkäufer

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und der Käufer sich auf Vertragsklauseln oder Vereinbarungen einigen können, denen zufolge der Verkäufer weniger lange haftbar ist als in Artikel 4 vorgesehen. Diese kürzere Haftungsdauer darf ein Jahr nicht unterschreiten. (2) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit dem Verbraucher der durch diese Richtlinie gewährte Schutz nicht dadurch vorenthalten wird, daß als für den Vertrag geltendes Recht das Recht eines Drittlandes gewählt wird, sofern dieser Vertrag einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist. Artikel 7 Einzelstaatliches Recht und Mindestschutz (1) Durch die Ansprüche, die ein Verbraucher aufgrund einzelstaatlicher Rechtsregeln über die vertragliche oder außervertragliche Haftung geltend machen kann, werden die mit dieser Richtlinie gewährten Rechte nicht berührt. (2) Zur Gewährleistung eines höheren Verbraucherschutzniveaus können die Mitgliedstaaten auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Vertrag vereinbarte strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten. Artikel 8 Umsetzung (1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens drei Jahre nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 8 Überprüfung Die Kommission überprüft die Anwendung dieser Richtlinie spätestens 4 Jahre nach dem in Artikel 8 genannten Zeitpunkt und erstattet dem Rat und dem Europäischen Parlament Bericht. In dem Bericht ist insbesondere zu prüfen, ob Veranlassung besteht, eine Haftung des Herstellers einzuführen; dem Bericht können gegebenenfalls Vorschläge beigegeben werden.

310

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie

(Vorschlag)

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Haftung bei Dienstleistungen (91/C 12/11) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Deutsch, Erwin / Taupitz, jochen (Hrsg), Haftung der Dienstleistungsberufe - natürliche Vielfalt und europäische Vereinheitlichung, Heidelberg (Müller) 1993; Geddes, Andrew, Product and Service Liability in the EEC - the New Strict Liability Regime, London (Sweet & Maxwell) 1992; Gilcher, Bernd, Produkthaftung für Dienstleistungen, Kehl ua (Engel) 1994; Hirte, Heribert, Berufshaftung - ein Beitrag zur Entwicklung eines einheitlichen Haftungsmodells für Dienstleistungen, München (Beck) 1996; Littbarski, Sigurd (Hrsg), Entwurf einer Richtlinie über die Haftung bei Dienstleistungen - The Draft Directive on the Liability of Suppliers of Services - Projet de directive sur la responsabilité en matière de prestations de services, Köln (Bundesanzeiger) 1992; 2. Aus der überreichen Aufsatzliteratur, Beiträge: Baumgärtel, Gottfried, Die beweisrechtlichen Auswirkungen der vorgeschlagenen EG-Richtlinie zur Dienstleistungshaftung auf die Arzthaftung und das Baurecht, JZ 1992, 321-325; Bourgoignie, Thierry, Liability of suppliers of services in the European Community - the draft Council Directive, ECLJ 1991, 3-16; ν Craushaar, Götz, Die Auswirkungen der Beweislastregelung in der geplanten EG-Dienstleistungshaftungsrichtlinie auf das deutsche Privatrecht, GS Peter Arens, München 1993, 19-30; Deutsch, Erwin, Aspekte für ein europäisches Haftungsrecht - Versuch einer kritischen, dogmatischen Bestandsaufnahme, KF 1992, 4-14; Ders, Einheitliche Dienstleistungshaftung in Europa - Vorentwurf einer Richtlinie der EG, ZRP 1990,454 f; Frietsch, Edwin, Der europäische Vorschlag einer Haftung für Dienstleistungen, DB 1992, 929-936; Ghestin, Jacques /Markovitz, Yvan, L'adaption à la responsabilité des prestataires de services de la directive de la Communauté économique européenne du 25 juillet 1985 sur la responsabilité du fait des produits défectueux, REDC 1989, 147-200; Giesen, Dieter, Zur Annäherung von Arzthaftung und Dienstleistungshaftung in Deutschland und Europa, JR 1991, 485-492; Heinemann, Klaus, Auf dem Wege zur europäischen Dienstleistungshaftung, ZIP 1991, 1193-1204; Hofstetter, Karl, Haftung für Dienstleistungen - Bestrebungen der EU als Herausforderung für das schweizerische Recht, ZSR 114 nF (1995) 337-356; Joerges, Christian / Brüggemeier, Gert, Europäisierung des Vertragsrechts und Haftungsrechts, in: Müller-Graff, Peter (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden (Nomos) 1993, 233-286; Kretschmer, Friedrich, Bemerkungen zum EG-Richtlinienvorschlag über die Haftung für Dienstleistungen, PHI 1981, 64-69; Locher, Horst, Reformation oder Deformation des Werkvertragsrechts durch die EG, FS Gernhuber, Tübingen 1993, 281-298; ders, Zur Umgestaltung des deutschen Bauvertragsrechts durch EG-Initiativen, BauR 1992, 293-298; Piper, Henning, Zum Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates über die Haftung bei Dienstleistungen aus Sicht des innerstaatlichen Transportrechts, TranspR 1992, 92-95; Rolland, Walter, Problems relating to European Union Legislation in the Field of Private Law, as illustrated by the Commission's Proposal for a Service

2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag)

311

Directive, in: Rabello, Alfredo Mordechai (Ed), Essays on European Law and Israel, Jerusalem (Sacher) 1996, 587-597; Schalast, Christoph / Voigtländer-Tetzner, Andreas, Zum Stand der Diskussion über eine künftige Arzthaftung in der Europäischen Union nach der Rücknahme des Entwurfs einer „Dienstleistungshaftungsrichtlinie" durch die EG-Kommission, VersR 1994, 1266-1268; Schiemann, Gottfried, EG-rechtliche Haftung für Dienstleistungen, in: Schnyder, Anton / Heiss, Helmut / Rudisch, Bernhard (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht - Erfahrungen und Entwicklungen in Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz, Tübingen (Mohr - Siebeck) 1995, 131-141; Skaupy, Walther, Der Vorschlag einer EG-Richtlinie für die Haftung bei Dienstleistungen, BB 1991, 2021-2025; Walker, Wolf-Dietrich / Lohkemper, Wolfgang, Die vorgeschlagene EG-Richtlinie über die Haftung bei Dienstleistungen und ihre Bedeutung für Haftungsfragen im Arbeitsrecht, RdA 1994, 105-111.

A. Erläuterungen 1. Überblick Der Vorschlag für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie wurde zurückgezo- 1 gen. Er ist jedoch in veränderter Form neu zu erwarten; außerdem ragte kein schuldvertragsrechtlicher Rechtsakt zuvor so tief ins klassische Bürgerliche Recht hinein und wurde wohl keiner ähnlich intensiv diskutiert - das bis dahin zentrale haftungsrechtliche Regelungsvorhaben im Europäischen Schuldvertragsrecht. Daher sollen die Hauptpunkte des Vorschlages kurz vorgestellt werden. a) Gegenstand Der Vorschlag regelt die Berufshaftung für Sach- und Personenschäden sowie für 2 daraus resultierende Vermögensschäden, nicht jedoch für reine Vermögensschäden. Ansatzpunkt sind alle (ent- und unentgeltlichen) Dienstleistungen (einschließlich Bau- und Gesundheitsdienstleistungen) außerhalb des Pauschalreise-, des Abfall- und teils auch des Transportsektors. Erfaßt sind auch Schäden an der Sache, auf die sich die Dienstleistung bezieht. Verpflichtet sind beruflich Tätige und der öffentliche Dienst (außerhalb des polizeilichen Ordnungsrechts). Berechtigt ist jeder Geschädigte, bei Sachschäden jedoch nur, wenn die Sache dem Letztge- oder -verbrauch dient. Die Haftung setzt eine Dienstleistung voraus, die kausal zum Schaden führte, was der Geschädigte zu beweisen hat. Sie setzt sodann Verschulden voraus, die Fehlerhaftigkeit der Dienstleistung ist nicht gesondert zu prüfen. Hierfür gilt eine Beweislastumkehr zu Lasten des Dienstleisters. Der Verschuldensmaßstab bemißt sich nach der im Normalfall angesichts der vorhersehbaren Risiken zu erwartenden Sicherheit, nicht nach dem neuesten Stand der Technik. Die Regeln sind zwingend zugunsten des Verbrauchers, was jedoch durch entsprechende vertragliche Umschreibung der Primärpflicht abgemildert werden kann. Geregelt sind außerdem die gesamtschuldnerische Haftung sowie Ausschluß- bzw Verjährungsfristen.

312

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

b) Geschichte und Kompetenz 3 Auf breiter rechtsvergleichender Grundlage erarbeitet,1 sollte der Vorschlag den Einstieg in die Harmonisierung der Kernbereiche des Privatrechts schaffen.2 Zugleich sollte der gesamte Dienstleistungssektor mit einheitlichem, „großem" Ansatz in seinen Haftungsfragen geregelt werden und zudem in diesen Fragen die Brücke zum (Waren-)Produktionssektor geschlagen werden. Korrigiert werden sollten historische Zufälligkeiten, die zu Regelungsunterschieden zwischen beiden Sektoren geführt hatten, was zunehmend in Volks- und Betriebswirtschaft kritisiert worden war.3 Herzstück der Regelung sollte eine weitgehende Beweislastumkehr zu Lasten des Dienstleisters sein, die der Gefährdungshaftung, welche die EG-Produkthaftungs-Richtlinie für den Warensektor vorsieht, im Ergebnis nahe gekommen wäre.4 4 Bereits das negative Votum des Wirtschafts- und Sozialausschusses (vgl Fundstellenverzeichnis) enthielt die wesentlichen, später auch in der Literatur geäußerten Kritikpunkte·, die fehlende Differenzierung zwischen verschiedenen Branchen mit ihren unterschiedlichen Gegebenheiten, die zu weitgehende Beweislastumkehr und das Zurückbleiben des Sorgfaltsstandards hinter dem in der EG-Produkthaftungs-Richtlinie gewählten. Deshalb wurde einerseits erwartet, daß sich Dienstleistungen verteuern würden, zum anderen jedoch teils auch das Fehlen eines notwendigen Verbraucherschutzes moniert. Der deutsche Bundesrat rügte zudem die Einbeziehung unentgeltlicher Leistungen5 und von Leistungen des öffentlichen Dienstes und verneinte schon die grundsätzliche Eignung des Vorschlages.6 Besonderes Gewicht haben die Kritikpunkte auch wegen des zwingenden Charakters der Regelung (Art 7 VRL). Im Europäischen Parlament kam es - nach Vorberatung in den Ausschüssen - nicht mehr zur Stellungnahme des Plenums. 5 Am 23. 6.1994 zog die EG-Kommission den Vorschlag offiziell zurück (vgl Fundstellenverzeichnis), stellte jedoch eine neue Initiative mit verändertem, stärker Centre de Droit de la Consommation Louvain-la-Neuve, Service Liability, Gutachten für die EG-Kommission, 1989 (mit Beiträgen ua von Dekkers / Hondius [Niederlande], Fagnart [Belgien], Tonner [Deutschland], Whincup [Großbritannien]). 1 Vgl etwa Frietsch, DB 1992, 9 2 9 (929); Hirte, Berufshaftung, S 2 2 3 („Grundsatzcharakter ... für das gesamte Schuldrecht in Europa"); Skaupy, BB 1991, 2021 (2021). 3 Vgl zusammenfassend Deutsch, ZRP 1990, 4 5 4 (455); Hirte, Berufshaftung, S 189-219. 4 Frietsch, DB 1992, 929 (933); Giesen, JR 1991, 485 (490 f); Heinemann, ZIP 1 9 9 1 , 1 1 9 3 (1199); Skaupy, BB 1991, 2021 (2023). In Vorentwürfen war in der Tat auch für den Dienstleistungssektor eine Gefährdungshaftungsregelung vorgesehen: vgl KOM(90) 4 8 2 endg - SYN 308, S 10, 14 f; Deutsch, ZRP 1990, 4 5 4 (454); Geddes, Service Liability, p. 48; Heinemann, ZIP 1991,1193 (1194); Joerges/Brüggemeier, in: Müller-Graff (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht, 2 3 3 (268). 5 Diese Kritik wäre vor allem mit dem Hinweis auf die geringe Binnenmarktrelevanz zu begründen: Unentgeltliche Rechtsgeschäfte beruhen typischerweise auf persönlichen Banden. „Am Markt wird nichts verschenkt": Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag - zur Haftung aus geschäftsbezogenem Handeln, 1981, S 2 7 5 - 2 7 7 , auch 359 f et passim; vgl auch Frietsch, DB 1992, 9 2 9 (932). Allerdings darf der Begriff der Entgeltlichkeit nicht zu eng gefaßt werden; vgl Grundmann, Treuhandvertrag, S 503 f. « Vgl BR-Drs 63/1/91 und 63/91. 1

2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag)

313

branchenspezifischem Zuschnitt in Aussicht. 7 Jedenfalls für die Arzt- und Baumängelhaftung wurden schon spezielle Regelungswerke angedacht. 8 Trotz diesbezüglicher Kritik 9 kann die Kompetenz

der Gemeinschaft nicht ernsthaft in

Zweifel gezogen werden, handelt es sich doch u m Haftungsfragen mit durchaus erheblichem Bezug zum grenzüberschreitenden Verkehr. 1 0 Unerheblich ist, daß primär Sanktionen und Schadensfragen geregelt werden. 1 1 2. Inhaltliche a) Den sachlichen

Eckpunkte

und

Kritik

Anwendungsbereich

Anwendungsbereich

regeln Art 1 I und Art 2 V R L . 1 2 Darauf be-

6

Einbezogen waren nur Personen- und Sachschäden, Vermögensschäden nur als

7

ziehen sich zwei Grundsatzkritiken. Folgeschäden (vgl Art 4 lit. c V R L ) , 1 3 also nur das Integritätsinteresse - wie in der EG-Produkthaftungs-Richtlinie. 1 4 / 1 5 Die Regelung erscheint daher delik7

8

9

10

11 12

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M

KOM(94) 260 endg, S 3: Als Alternativen (neben der bisher vorgeschlagenen) werden erwogen: eine Differenzierung zwischen erfolgs- und tätigkeitsbezogenen Dienstleistungen und die Einf des Mangels als Haftungsvoraussetzung. Vgl KOM(94) 260 endg, S 8; Europareport, EuZW 1991, 100; Gilcher, Produkthaftung für Dienstleistungen, S 165; Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1194); Hirte, Berufshaftung, S 223, Fn 23; Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (134). Gerügt wurde der tiefe Einstieg ins allgem Bürgerliche Recht: Wirtschafts- und Sozialausschuß, AB1EG 1991 C 2 6 9 / 4 0 (41); vgl für die zahlreichen Stellungnahmen zur Kompetenzfrage (auch zur intensiven Diskussion des Subsidiaritätsprinzips) Hirte, Berufshaftung, S 222, Fn 16. Auch insoweit ist freilich die pauschale Einbeziehung aller Dienstleistungen problematisch. Dienstleistungen mit vermögensberatender und -bezogener Ausrichtung weisen tendenziell einen höheren Grad an Binnenmarktrelevanz auf, medizinische Leistungen noch einen eher geringen; zudem beruht die Nachfrage hier auf anderen Faktoren als demjenigen des Vertrauens in das Bestehen von Sekundäransprüchen. Vgl Deutsch, ZRP 1990, 454 (455); jedoch zuletzt auch EuGH 24.4.1998 - Rs C-158/98 (Raymond Kohll), EuZW 1998, 345. Vgl näher oben 1. Teil Rn 176. Art 1 II-IV VRL betreffen, untypisch und etwas verwirrend, bereits die Sachfragen; unten Rn 10. Insoweit fordert Art 4 lit. c VRL „Unmittelbarkeit", was als unpräzise kritisiert wurde: Locher, FS Gemhuber 1993, 281 (296); Rolland, in: Rabello (Ed), Essays on European Law, 587 (593); Schiemann, Haftung der Dienstleistungsberufe nach deutschem Recht, in: Deutsch / Taupitz (Hrsg), Haftung, 137 (165). Darin liegt jedoch wohl nur der Hinweis, daß auch im Gemeinschaftsrecht Einschränkungen bei der haftungsausfüllenden Kausalität zu machen sind. Die Auslegung hätte (wie im nationalen Recht) der Rspr oblegen und wäre wohl autonom erfolgt. Nachw und Literatur vgl oben 1. Teil Fn 301. Zur Gleichheit beider Richtlinien im Anwendungsbereich Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1196). Die EG-Produkthaftungs-Richtlinie bildet das eigentliche Umfeld, die wichtigste Parallelregelung zum Vorschlag. Ansonsten zum Umfeld etwa Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (131 f). Mit dem Vorschlag für eine Dienstleistungshaftungs-Richtlinie sollte vor allem ein Auffangtatbestand geschaffen werden: Rolland, in: Rabello (Ed), Essays on European Law, 587 (589); tendenziell auch Skaupy, BB 1991, 2021 (2021).

314

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

tischer Natur. Da jedoch, anders als in der EG-Produkthaftungs-Richtlinie, auch Schäden an Sachen einbezogen wurden, die Gegenstand der Dienstleistung sind, ist auch die vertragliche Haftung betroffen, 1 6 freilich angesichts der Aussparung

der reinen

Vermögensschäden

nur teils. 1 7 V o m Binnenmarktziel her ge-

sehen, scheint diese Aussparung vor allem erheblich, soweit Dienstleistungen mit starkem Grenziiberschreitungspotential - wie vor allem die vermögensberatenden und -bezogenen - ausgeblendet wurden. Wichtig ist hier, daß Art 2 II, III V R L weitere Ausnahmebereiche vorsehen, bei Pauschalreiseverträgen (4.01) und bei Dienstleistungen

im Z u s a m m e n h a n g

mit Abfällen, weil

spezielle

Rechtsakte geplant waren. 1 8 Für die zukünftige Debatte wird sich die Frage stellen, aus welchen Gründen hier und nicht in anderen Bereichen Sonderregime eingeführt werden. A m besten ist eine Sonderbehandlung bei den primär vertraglichen Ansprüchen, also vor allem im Bereich der reinen Vermögensschäden (etwa im Pauschalreiserecht) zu begründen. Anders als beim Integritätsinteresse, dessen Schutz der Vorschlag gewährleisten sollte, hängt hier das Haftungsregime so stark von der Definition der Primärleistungspflicht ab, daß die einzelbranchenbezogene Regelung naheliegt. Denn bei der Primärleistungspflicht ist es undenkbar, diese für den gesamten Dienstleistungssektor einheitlich festzusetzen. In der Tat sind wichtige der primär vermögensbezogenen Dienstleistungen zumindest heute Gegenstand eigener Regelungsakte (vgl 4 . 1 3 und 4 . 2 0 ) .

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Krit zur Parallelität jedoch weite Teile in der Literatur: Deutsch, ZRP 1990, 454 (455); Frietsch, DB 1992, 929 (935) (Produkthaftung ,Jedermanns-Schutz", Dienstleistung demgegenüber typischerweise individuell zugeschnitten); Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1203) (zwei Fehlerbegriffe für vertragliche bzw deliktische Haftung); Littbarski, in: Littbarski, Haftung bei Dienstleistungen, 97 (102-104); die Parallelität grundsätzlich gutheißend Busnelli / Giardina /Ponzanelli, in: Deutsch / Taupitz (Hrsg), Haftung, 61 (65); Gilcher, Produkthaftung für Dienstleistungen, S 164 et passim; Hirte, Berufshaftung, S 227 f; Joerges / Brüggemeier, in: Müller-Graff (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht, 233 (269 f); Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (135 f). Krit Hofstetten Z S R 114 nF (1995) 337 (340); für einen deliktsrechtlichen Zuschnitt Deutsch, ZRP 1990, 454 (454); Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1196); für einen vertragsrechtlichen Zuschnitt Littbarski, in: Littbarski, Haftung bei Dienstleistungen, 97 (103 f); für eine Zurückdrängung dieser Unterscheidung bei der Berufshaftung demgegenüber Busnelli / Giardina / Ponzanelli, in: Deutsch / Taupitz (Hrsg), Haftung, 61 (65); Hirte, Berufshaftung, S 2 2 7 f. Krit dazu Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1204); Hirte, Berufshaftung, S 239; Littbarski, in: Littbarski, Haftung bei Dienstleistungen, 97 (109); Rolland, in: Rabello (Ed), Essays on European Law, 587 (592); demgegenüber dezidiert diese Aussparung befürwortend Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (136). Dies wird als wenig problematisch empfunden; vgl Hirte, Berufshaftung, S 223. Gleiches gilt cum grano salis für diejenigen Bereiche, die durch internationale Ubk geregelt sind (insbes im Transportbereich); Übersicht zu diesen: Frietsch, DB 1992, 929 (929, Fn 9); sowie Nachw 1. Teil Fn 583.

2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag)

315

Noch stärker kritisiert wurde die pauschale Einbeziehung aller Dienstleistungen 8 (Art 2 VRL), obwohl die Gegebenheiten durchaus differierten.19 Einbezogen werden sollten (zumindest) alle Dienstleistungen im Sinne des Primärrechts, 20 also Dienstleistungen Selbständiger auf der Grundlage unterschiedlicher nationaler Schuldvertragstypen (etwa Dienst-, Werk- und Geschäftsbesorgungsvertrag, einschließlich Auftrag). Wenig überzeugend ist es freilich, daß umgekehrt wiederum Abgrenzungsprobleme gerügt wurden, etwa zur - nicht einbezogenen - Haftung von Arbeitnehmern oder zum Anwendungsbereich der EG-Produkthaftungs-Richtlinie. Die Forderung nach mehr Differenzierung und gewisse Abgrenzungsprobleme bedingen einander. Die Zukunft wird eher schmalere Anwendungsbereiche mit eigenen Haftungsregimes bringen. Wegen der Abgrenzungsprobleme und aus Gleichbehandlungsgründen sollte weiter nach möglichst breiten Zuschnitten der Bereiche mit gleichem Haftungsregime gesucht werden. Dieser Ansatz des Vorschlages war zu begrüßen, nur seine Umsetzung nicht. Es fehlte eine Adaption des Haftungsregimes in Bereichen mit besonderen Gegebenheiten. 21 Wenig problematisch und den üblichen Standards verpflichtet erscheint die Regelung des persönlichen Anwendungsbereichs (Art 3 und 4 VRL): Erfaßt sind wiederum nur Verträge zwischen beruflich Tätigen und Verbrauchern, 22 also die qualifiziert einseitigen Unternehmensgeschäfte. Eine Besonderheit besteht nur dahingehend, daß auch der öffentliche Dienst (außerhalb des polizeilichen Ordnungsrechts [Art 3 I aE und Art 2 II 1 VRL]) einbezogen werden sollte. 23 Krit grundsätzlich alle in Fn 21 Genannten, sowie υ Craushaar, GS Peter Arens 1993, 19 (20); Frietsch, DB 1992, 929 (932); Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1203); Skaupy, BB 1991, 2021 (2023). Zu den Folgen dieses pauschalen Ansatzes vgl Bspe unten Rn 10-12. Diesen Ansatz propagierend: KOM(90) 482 endg - SYN 308, S 24 f; vgl schon Vollendung des Binnenmarktes: Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM(85) 310 endg S 25 f; grundsätzlich zust Hirte, Berufshaftung, S 2 2 8 - 2 3 1 . 2» Frietsch, DB 1992, 929 (932); Locher, FS Gernhuber 1993, 281 (292). 21 Frietsch, DB 1992, 929 (932); Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (138); pointiert Rolland, in: Rabello (Ed), Essays on European Law, 587 (589) (Wartung eines Kernkraftwerks wird denselben Regeln unterworfen wie Schuhreparatur); dagegen Hirte, Berufshaftung, S 233 f. Näher dazu dann unten Rn 11 bei den Haftungsregeln. 2 2 Dies läuft zwar quer zu den nationalen Privatrechten, in denen überwiegend Verhältnisse zwischen allen Privatrechtssubjekten geregelt sind (so zu Recht etwa Rolland, in: Rabello (Ed), Essays on European Law, 587 [587]), ist jedoch nicht spezifisch für diesen Vorschlag. Außerdem ist nach dem Gesagten gerade in diesen Konstellationen das Behinderungspotential nationaler Rechte signifikant höher und daher eine Harmonisierung wichtiger. Vgl oben 1. Teil Rn 2 7 - 3 0 , 37 f, 6 6 - 6 9 , 7 4 - 8 0 . 23 Insoweit die Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers anzweifelnd: BR-Drs 63/91, S 2 f, 11; ebenso Frietsch, DB 1992, 929 (933); Taupitz, in: Deutsch / Taupitz (Hrsg), Haftung, 1 (11 f); vorsichtig auch Joerges/Brüggemeier, in: Müller-Graff (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht, 233 (268); Skaupy, BB 1991, 2021 (2022). Gegen Kompetenzzweifel spricht freilich die EuGH-Rspr: Immerhin gebiete die passive Dienstleistungsfreiheit, daß ein ausländisches Opfer die französische Opferentschädigung erhält: EuGH 2. 2. 1989 Rs 186/87 (Cowan / Trésor Public), Slg 1989, 195 (219-222). 19

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Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

Hier zeigt sich, wie im Rahmen von Rechtsangleichungsprozessen historisch überkommene Konzepte unter Funktionskriterien neu zur Debatte stehen. Auch eine Sonderbehandlung des öffentlichen Dienstes in Haftungsfragen muß durch die Natur der Sache gefordert sein, was beispielsweise für den medizinischen Bereich schlüssiger zu begründen ist als für den öffentlichen Dienst, soweit er am Wirtschaftsverkehr teilnimmt. Allenfalls ist über weitere Ausnahmebereiche nachzudenken. Die Verbrauchereigenschaft des Opfers wird dahingehend konkretisiert, daß die Körperverletzung dieses stets als Verbraucher treffe, während bei der Sachbeschädigung ein Gewerbebezug schädlich ist (vgl Art 4 lit. b und c VRL). b) Haftungsregime 10 Das Haftungsregime (Art 1 II-IV und Art 5 f VRL) ist geprägt durch die Beweislastregelung: Bei Fragen des Verschuldens ist sie derjenigen der Sorgfaltskriterien vorangestellt (Art 1 II-IV VRL), bei Fragen des Schadens steht sie sogar gänzlich allein (Art 5 VRL). Die materiellrechtliche Struktur hinter diesen Beweislastregeln geht dahin, daß eine Dienstleistung kausal zum Schaden geführt haben muß; diese Punkte hat der Geschädigte zu beweisen. Fehlerhaftigkeit (Rechtswidrigkeitszusammenhang) wird nicht gefordert.24 Hinzukommen muß ein Verschulden seitens des Dienstleisters; dessen Fehlen hat der Dienstleister zu beweisen (Art 1 II VRL). 25 Im Ergebnis muß daher der Geschädigte weder die Fehlerhaftigkeit der Dienstleistung noch das Verschulden des Dienstleisters beweisen.26 Dieser hat sich zu entlasten. Umgekehrt ist inhaltlich der Standard des Verschuldens nicht sehr streng.27 Zwar wird wie in Art 6 I EG-Produkthaftungs-Richtlinie darauf abgestellt, welche „berechtigten Erwartungen" der Geschädigte haben konnte (Art 1 IV VRL). 28 Anders als in der EG-Produkthaftungs-Richtlinie kann jedoch nicht der neueste Stand der Technik gefordert werden (Art 1 IV VRL). 29 11 Der Vergleich mit einem nationalen Recht - etwa dem deutschen - läßt manche Kritikpunkte plastischer hervortreten.30 In beiden Regelungen muß der Geschä2" Baumgärtel, J Z 1992, 321 (322); Deutsch, ZRP 1990, 454 (454); Frietsch, DB 1992, 929 (933); Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1197); Hirte, Berufshaftung, S 224. 2 5 Auch insoweit ist die Fehlerhaftigkeit der Dienstleistung nicht gesondert zu prüfen: Frietsch, DB 1992, 929 (929, 933); Heinemann, ZIP 1991,1193 (1194); Hirte, Berufshaftung, S 224; Joerges / Brüggemeier, in: Müller-Graff (Hrsg), Gemeinsames Privatrecht, 233 (269) („elegant und dogmatisch überzeugend"). 26 Baumgärtel, J Z 1992, 321 (321 f); ν Craushaar, GS Peter Arens 1993, 19 (21); Geddes, Service Liability, p. 54; Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1194, 1197); Hirte, Berufshaftung, S 224; auch Frietsch, DB 1992, 929 (933). 2 7 Nicht geregelt ist die Frage nach dem Beweismai? (Strengbeweis, Beweis überwiegender Wahrscheinlichkeit). Sie wird teils für vorrangig gehalten, so daß eine Harmonisierung allein der Beweislast auf tönernen Füßen stehe: Baumgärtel, J Z 1992, 321 (322). 28 Frietsch, DB 1992, 929 (929, 933); Hirte, Berufshaftung, S 225. 29 Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1200); Hirte, Berufshaftung, S 225; auch Frietsch, DB 1992, 929 (933). 3 0 Eine Zusammenstellung plastischer Bspe bei Frietsch, DB 1992, 929 (932-934).

2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag)

317

digte das Vorliegen einer Dienstleistung und eines Schadens beweisen. Das deutsche Haftungsrecht kennt ebenfalls die Beweislastumkehr zu Lasten des beruflich Tätigen. Grundlage ist jedoch, daß die Fehlerhaftigkeit der Dienstleistung erwiesen ist, während der Vorschlag die Beweislastumkehr

auch ohne

Fehlemach-

weis vorsieht. 3 1 Allein das Vorliegen einer Dienstleistung, eines Schadens und der Kausalität führt zur Beweislastumkehr. Insoweit belastet der Vorschlag die Dienstleister stärker als deutsches Recht. Beim Dachziegel, der v o m Dach fällt, wird n o c h nach neunzehn Jahren vermutet, daß der Dachdecker ihn falsch setzte; 3 2 ein Privatlehrer erteilt einem Spitzenmanager Russischunterricht für Gespräche unter vier Augen auf höchster Ebene, bei denen dann peinliche, und von der anderen Seite mißverstandene Sprachfehler zum Scheitern der gesamten Geschäftsbeziehung führen. Beide Dienstleistungen waren sicherlich kausal. Der Gegenbeweis, daß sie nicht fehlerhaft waren, ist jeweils illusorisch. J e stärker in einer spezifischen Branche Dokumentationspflichten bestehen, desto eher ist dieses Regime tragbar, je weniger und je stärker es sich um Risikodienstleistungen handelt, 3 3 desto belastender wirkt es. 3 4 Die Dokumentationspflichten

wür-

den bei Übernahme des von der E G - K o m m i s s i o n vorgeschlagenen Modells erheblich aufgebläht.35

In der Tat bildet wohl die Suche nach einem sachgerechten

Aufgreifkriterium in den Fällen, in denen Dokumentationspflichten untunlich

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Baumgärtel, J Z 1992, 321 (322 f); ν Craushaar, GS Peter Arens 1993, 19 (21); Heinemann, ZIP 1991, 1193 (1194, 1198); Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (139); zweifelnd (zumindest für die vertragliche Haftung): Hirte, Berufshaftung, S 234 f. Bsp von Frietsch, DB 1992, 929 (933); im Baubereich treten die Fehler nach dem Bauschadensbericht des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in etwa 8 0 % der Fälle innerhalb von fünf Jahren auf, in den ersten 15 Jahren in fast 1 0 0 % : Littbarski, in: Littbarski, Haftung bei Dienstleistungen, 97 (110 f). Die Beweislastregelung des Vorschlages stützt sich (angesichts der Ausschlußfrist von 2 0 Jahren) auf wenige Prozent Wahrscheinlichkeit. Risikodienstleistungen könnten nicht mehr zu tragbaren Preisen angeboten werden: Frietsch, DB 1992, 929 (932) (Bsp: Rettungsdienst oder chemische Reinigung bei überstarker Verschmutzung zarter Stoffe); Geisendörfer, Offene Fragen des Richtlinienvorschlages der EG-Kommission zur Haftung bei Dienstleistungen, VersR 1991,1317(1318). Anreize für fehlerfreie Arbeit entfallen, da (für den Dachdecker und Sprachlehrer) nicht kalkulierbar ist, ob der Faktor überhaupt Einfluß auf die Haftung hat. Die Alternative wäre, Unterrichtsstunden auf Tonbändern mitzuschneiden und zehn (!) Jahre aufzubewahren oder die Lage jedes einzelnen Dachziegels von einem Gutachter überprüfen zu lassen. Vgl etwa Frietsch, DB 1992, 929 (935). Die Literatur zu diesen Anreizstrukturen (auch unter Berücksichtigung von Versicherungsmöglichkeiten) ist insbes im US-amerikanischen Schrifttum unüberschaubar. Zunehmend bildet sich Konsens zumindest darin aus, daß eine Haftung ohne Prüfung der Fehlerhaftigkeit (faktisch eine Gefährdungshaftung) nur in den Branchen den gesamtwirtschaftlichen Nutzen mehrt, in denen opportunistisches Handeln auf der Opferseite selten ist und der Schädiger bei der Prävention planend tätig werden kann. Vgl nur Cooler / Ulen, Law and Economics 2 , 1996, p. 272-275. Bydlinski, Zur Haftung der Dienstleistungsberufe in Österreich und nach dem EG-Richtlinienvorschlag, JB1 1992, 341 (357); Deutsch, ZRP 1990, 454 (454); diese generell befürwortend Hirte, Berufshaftung, S 236.

318

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

sind, die wichtigste Aufgabe für die kommende Gesetzgebungsarbeit.36 Umgekehrt kennt das deutsche Berufshaftungsrecht in Fällen schwerer Fehlerhaftigkeit der Dienstleistung oder bei Verstößen gegen Aufklärungs- und Dokumentationspflichten, die jedoch nicht für alle Dienstleistungsformen gelten, eine Umkehr der Beweislast auch für Kausalitätsfragen. Hier nimmt der Vorschlag dem Geschädigten ein im deutschen Recht zu findendes (und im Arzthaftungsrecht überzeugendes) Privileg.37 Wegen solcher Beispiele betraf die zentrale Kritik am Richtlinienvorschlag gerade das Haftungsmodell. 12 Verschärfend kommt hinzu, daß die Regelung unabdingbar ist.38 Unklar blieb, ob nicht die geschuldete Dienstleistung in ihrem Umfang vertraglich umrissen werden kann und dies auch Rückwirkung auf die Haftung hat, ob also nicht auch Dienstleistungen vereinbart werden können, bei denen die „berechtigte Erwartung" geringer ist.39 Grundsätzlich kritikwürdig - und unvereinbar mit dem vom EuGH postulierten Vorrang des Transparenzmodells vor Verbotsmodellen - 4 0 ist jedenfalls, daß Starrheit in der Produktpalette vorgeschrieben wird: Nach dem Vorschlag wäre es nicht möglich, Haftungsbeschränkungen vorzusehen, selbst wenn zwei Tarife zur Wahl gestellt werden - einer für den Fall der Haftungsbeschränkung und einer für den Fall unbeschränkter Haftung. Der Verbraucher erhält also nicht die Wahlfreiheit, etwa in einer Wäscherei, die Kostensteigerung, die sich aus dem Wegfall von Haftungsbeschränkungen ergäbe, durch Verzicht und Wahl des günstigeren Tarifs zu vermeiden.41 Nach dem Wortlaut der Norm kann nicht einmal nach Schadenseintritt eine andere Leistung, etwa Nachbesserung statt Schadensersatz, wirksam vereinbart werden. 13 Die sonstigen Regelungen galten der Mehrheit von Haftungsschuldnern und im Zusammenspiel mit den anderen Regeln wiederum teils prohibitiv - den Ausschluß- und Verjährungsfristen. Eine Haftpflichtversicherung bzw einen Garantiefonds sah der Vorschlag - anders als die Produkthaftungs-Richtlinie - nicht vor. 36

37

38 39

40

41

Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (139). Baumgärtel,}Z 1992, 321 (323); Rolland, in: Rabello (Ed), Essays on European Law, 5 8 7 (594); Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (139); zweifelnd Hirte, Berufshaftung, S 2 3 7 f. Als bloßes Redaktionsversehen verstanden von Hirte, Berufshaftung, S 2 3 8 f. Dafür wohl Heinemann, ZIP 1991,1193 (1199); Hirte, Berufshaftung, S 2 2 6 ; vgl auch die oben Fn 21 Genannten. Vgl oben 1. Teil Rn 62. Teils wird auch gerügt, die Regel stehe im Widerspruch zu dem grundsätzlich hohen Rang, der der Privatautonomie in den Dienstleistungsrechten der Mitgliedstaaten zukomme: etwa Frietsch, DB 1992, 9 2 9 (936); demgegenüber („Grundzug des europäischen Verbraucherrechts ist dessen zwingender Charakter") Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (134). Generell zum Kostensteigerungsaspekt Frietsch, DB 1992, 9 2 9 (934 f) (mit plastischen Beispielen zur Nachbesserung); Geddes, Service Liability, p. 4 9 ; Littbarski, in: Littbarski, Haftung bei Dienstleistungen, 97 (105); diesen als positives Selektionskriteirum befürwortend Hirte, Berufshaftung, S 2 3 6 f.

2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag)

319

Β. Fundstellenverzeichnis Grundlage: Art 100a EGV Betr: Haftung von beruflich Tätigen für durch Dienstleistungen hervorgerufene Personenschäden und Schäden an privatgenutzten Sachen Fundstellen: - ursprünglicher Vorschlag vom 9. 11. 1990 AB1EG 1991 C 12/8 / KOM(90) 482 endg - SYN 308 - zurückgezogen am 23. 06. 1994 KOM(94) 260 endg Stellungnahmen: - zum ursprünglichen Vorschlag WSA: AB1EG 1991 C 269/40

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Haftung bei Dienstleistungen KOM (90) 482 endg. - SYN 308 (Von der Kommission vorgelegt am 9. November 1990) (91/C 12/11)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, in Erwägung nachstehender Gründe: Im Zuge der Neubelebung der Verbraucherschutzpoiitik erscheint es vordringlich - wie in der Entschließung des Rates vom 9. November 1989 betont wurde - , Maßnahmen einzuführen, welche die Dienstleistungssicherheit gemeinschaftsweit fördern. Der Dienstleistungsmarkt umfaßt die gesamte Gemeinschaft. Obwohl die Gesetzgebung und Rechtsprechung in allen Mitgliedstaaten, was die Haftung des Dienstleistenden für die durch seine Dienstleistungen verursachten Schäden betrifft, zu einem verstärkten Schutz von Dienstleistungsempfängern und Dritten tendieren, unterscheiden sie sich doch nach Inhalt und Schutzumfang. Diese Unterschiede sind geeignet, den Handel zu behindern und ungleiche Bedingungen auf dem Dienstleistungsbinnenmarkt zu schaffen. Dies führt dazu, daß weder bei Personenschäden noch bei Schäden an beweglichen oder unbeweglichen Sachen, die durch eine Dienstleistung verursacht worden sind, den Verletzten bzw. Verbrauchern in gleichem Umfang Schutz gewährt wird. Angesichts dieser Unterschiede und des gemeinschaftsweiten Charakters der Dienstleistungen erscheint es angezeigt, eine Maßnahme auf Gemeinschaftsebene zu ergreifen. In Anbetracht des Schutzes, den das nationale Recht der Mitgliedstaaten gewährt, stellt die Umkehr der Beweislast für das Verschulden des Erbringes einer fehlerhaften Dienstleistung die geeignetste Lösung dar. Dieser Grundsatz existiert zwar schon in der Rechtsordnung und Rechtsprechung mehrerer Mitgliedstaaten; er sollte je-

doch eine verbindliche Form erhalten und einheitlich angewandt werden. Aufgrund der Besonderheit von Dienstleistungen, die vor allem darin besteht, daß sie „einmalig" und zuweilen nicht greifbar sind und daß die Dienstleistung im Augenblick des Schadenseintritts „verschwunden" ist, sowie der Tatsache, daß der Geschädigte - im Gegensatz zum Dienstleistenden - nicht über einschlägige Fachkenntnisse verfügt, ist die Umkehr der Beweislast für das Verschulden des Dienstleistenden zugunsten des Geschädigten gerechtfertigt. Das Verschulden des Dienstleistenden ist an der berechtigten Erwartung zu messen, daß die Dienstleistung weder die körperliche Unversehrtheit von Personen noch die Unversehrtheit beweglicher oder unbeweglicher Sachen einschließlich derjenigen, die Gegenstand der Dienstleistung sind, beeinträchtigt. Die Tatsache allein, daß es zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung oder danach eine bessere Dienstleistung gab oder die Möglichkeit dazu bestand, begründet kein Verschulden. In Anbetracht der Vielfalt der Dienstleistungen einerseits und der bereits bestehenden Richtlinie 85/374/EWG des Rates") über die Haftung für fehlerhafte Produkte andererseits empfiehlt es sich, den Begriff der Dienstleistung weit zu fassen und dabei die übliche Unterscheidung zwischen Dienstleistung und Herstellung von Gütern sowie zwischen Dienstleistung und Übertragung dinglicher Rechte zu berücksichtigen. Wegen ihrer besonderen Eigenart müssen öffentliche Dienstleistungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit von dieser Richtlinie ausgeklammert werden. Das gleiche gilt für Dienstleistungen bei Pauschalreisen und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Abfällen, für die es bereits einschlägige Gemeinschaftsvorschriften gibt, sowie für Schäden, bei denen die Frage der Haftung bereits durch internationale, von den Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft ratifizierte Übereinkommen geregelt ist. Der Grundsatz des Verbraucherschutzes und der Entschädigung von Personen, die durch

l'I

ABl. Nr. L 210 vom 7. 8. 1985, S. 29.

2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag) eine fehlerhafte Dienstleistung einen Schaden erlitten haben, rechtfertigt keine Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Dienstleistenden. Dagegen sollten nur die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit und nicht die zwischen Privatpersonen erbrachten Dienstleistungen erfaßt werden. Der Schutz des Geschädigten erfordet die Wiedergutmachung von Schäden, die durch eine Beeinträchtigung der Gesundheit oder der körperlichen Unversehrtheit entstanden sind. Der Schutz des Verbrauchers erfordert auch den Ersatz von Schäden, die durch eine Beeinträchtigung der Unversehrtheit beweglicher oder unbeweglicher Sachen entstanden sind. Für alle sich aus einer solchen Beeinträchtigung ergebenden materiellen Schäden ist ebenfalls Schadenersatz zu leisten. Es erscheint angezeigt, die Beweispflicht für den Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und der Dienstleistung dem Geschädigten aufzuerlegen. Angesichts der Lage der Parteien erscheint es gerechtfertigt, daß die Haftung des Dienstleistenden nicht gemindert wird, wenn der Schaden sowohl durch sein Verschulden als auch durch die Handlung eines Dritten verursacht worden ist, daB sich aber ein Mitverschulden des Geschädigten haftungsmindernd oder sogar haftungsausschließend auswirken kann. Der Schutz des Geschädigten beinhaltet, daB der Dienstleistende seine Haftung diesem gegenüber weder begrenzen noch ausschließen kann. Haften mehrere Personen für denselben Schaden, so erfordert es der Schutz des Geschädigten, daß alle gesamtschuldnerisch haften. Die Stellung des Verbrauchers gegenüber dem Franchisegeber, der dem Dienstleistungsunternehmen seinen Namen zur Verfügung stellt, und dem Franchisenehmer, an den er sich wendet, rechtfertigt eine gesamtschuldnerische Haftung des Franchisegebers, des Franchisenehmers und des Hauptfranchisenehmers. Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit·2' sowie der daraus resultierenden Einzelrichtlinien. Die durch diese Richtlinie geschaffene Haftungsregelung und die Art der Dienstleistungen rechtfertigen relativ kurze, aber angemessene Fristen für die Verjährung der Ersatzansprüche und das Erlöschen der Haftung, ausgenommen bei Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Planung und Errichtung von Gebäuden HAT FOLGENDE RICHTLINIE E R L A S S E N : «I

ABI. Nr. L 1 8 3 vom 2 9 . 6. 1 9 8 9 , S . 1.

321

Artikel 1 Grundsatz (1) Der Dienstleistende haftet für den Schaden, der durch sein Verschulden bei Erbringung der Dienstleistung an Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit der Personen sowie an der Unversehrtheit beweglicher oder unbeweglicher Sachen, einschließlich solcher, die Gegenstand der Dienstleistung sind, verursacht worden ist. (2) Es obliegt dem Dienstleistenden, sein Nichtverschulden zu beweisen. (3) Bei der Beurteilung des Verschuldens ist zu berücksichtigen, ob das Verhalten des Dienstleistenden unter normalen und vorhersehbaren Bedingungen die Sicherheit gewährleistet, die berechtigterweise erwartet werden kann. (4) Die Tatsache allein, daB es zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung oder danach eine bessere Dienstleistung gab oder die Möglichkeit dazu bestand, begründet kein Verschulden. Artikel 2 Definition der Dienstleistung „Dienstleistung" Im Sinne dieser Richtlinie ist jede im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit oder eines öffentlichen Dienstes in unabhängiger Weise erbrachte entgeltliche oder unentgeltliche Leistung, die nicht unmittelbar und ausschließlich die Herstellung von Gütern oder die Übertragung dinglicher Rechte oder von Urheberrechten zum Gegenstand hat. Die Richtlinie gilt nicht für öffentliche Dienstleistungen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit dienen. Sie gilt nicht für Pauschalreisen, noch für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Abfällen. Sie gilt ferner nicht für Schäden, bei denen die Frage der Haftung bereits durch internationale, von den Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft ratifizierte Übereinkommen geregelt ist. Artikel 3 Definition des Dienstleistenden (1) Der Begriff „Dienstleistender" bezeichnet jede natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit oder eines öffentlichen Dienstes eine Dienstleistung nach Artikel 2 erbringt. (2) Eine Person gilt auch dann als Dienstleistender im Sinne dieser Richtlinie, wenn sie zur Erbringung ihrer Dienstleistung die Dienste eines Vertreters oder eines anderen rechtlich abhängigen Vermittlers in Anspruch nimmt. (3) Ist der Dienstleistende nach Absatz 1 jedoch nicht in der Gemeinschaft niedergelassen, so

322

Branchenübergreifendes Verbrauchervertragsrecht

gilt - unbeschadet seiner Haftung - der Vertreter bzw. der rechtlich abhängige Vermittler, der die Dienstleitung in der Gemeinschaft erbringt, als Dienstleistender im Sinne dieser Richtlinie. Artikel 4 Definition des Schadens Der Begriff „Schaden" bezeichnet a) den unmittelbaren Schaden, der durch den Tod oder irgendeine Beeinträchtigung der Gesundheit oder körperlichen Unversehrtheit von Personen verursacht worden ist; b) den unmittelbaren Schaden, der durch irgendeine Beeinträchtigung der Unversehrtheit beweglicher oder unbeweglicher Sachen, einschließlich Tieren, verursacht worden ist, sofern diese Sachen i) ihrer Art nach normalerweise zum privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt sind und

Aktikel 8 Gesamtschuldnerische Haftung (1) Haften nach dieser Richtlinie mehrere Personen für denselben Schaden, so haften sie unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften über den gegenseitigen RegreBanspruch der Dienstleistenden gesamtschuldnerisch. (2) Der Franchisegeber, der Hauptfranchisenehmer und der Franchisenehmer - gemäß den Definitionen der Verordnung (EWG) Nr. 4087/88 der Kommission vom 30. November 1988 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Franchisevereinbarungen«3' - sind gesamtschuldnerisch haftende Personen im Sinne des Absatzes 1. Der Franchisegeber und der Hauptfranchisenehmer können sich von der Haftung befreien, wenn sie nachweisen können, daB der Schaden auf ein Erzeugnis zurückzuführen ist, das sie gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4087/88 nicht selbst haben liefern oder vorschreiben können.

ii) vom Geschädigten hauptsächlich zum privaten Gebrauch oder Verbrauch bestimmt oder verwendet worden sind; c)

alle finanziellen Schäden, die unmittelbar von den unter den Punkten a) und b) genannten Schäden herrühren. Artikel 5 Beweise

Der Geschädigte hat den Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen der Dienstleistung und dem Schaden zu beweisen. Artikel 6 Handlung eines Dritten und mitwirkendes Verschulden (1) Die Haftung des Dienstleistenden wird nicht gemindert, wenn der Schaden sowohl durch sein eigenes Verschulden als auch durch die Handlung eines Dritten verursacht worden ist.

Artikel 9 Erlöschen der Ansprüche Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechtsvorschriften vor, daß die dem Geschädigten aus dieser Richtlinie erwachsenden Ansprüche nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt erlöschen, zu dem der Dienstleistende die schadensverursachende Dienstleistung erbracht hat, sofern der Geschädigte in der Zwischenzeit kein Gerichts-, Verwaltungsoder Schiedsverfahren gegen den Dienstleistenden angestrengt hat. Bezieht sich die Dienstleistung jedoch auf die Planung oder Errichtung eines Gebäudes, so verlängert sich diese Frist auf 20 Jahre. Artikel 10 Anspruchsverjährung

(2) Die Haftung des Dienstleistenden kann gemindert oder sogar ausgeschlossen werden, wenn der Schaden sowohl durch sein eigenes Verschulden als auch durch das des Geschädigten oder einer Person, für die der Geschädigte haftet, verursacht worden ist.

(1) Die Mitgliedstaaten legen in ihren Rechtsvorschriften fest, daß der in diese Richtlinie vorgesehene Schadenersatzanspruch innerhalb einer Frist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt verjährt, zu dem der Anspruchsberechtigte von dem Schaden, dem Dienst und der Person des Dienstleistenden Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

Artikel 7

Bezieht sich die Dienstleistung jedoch auf die Planung oder Errichtung eines Gebäudes, so verlängert sich diese Frist auf zehn Jahre.

HaftungsausschluB Der Dienstleistende kann die Haftung, die ihm nach dieser Richtlinie obliegt, dem Geschädigten gegenüber weder begrenzen noch ausschließen.

(2) Die Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung bleiben unberührt.

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ABl. Nr. L 3 5 9 vom 28. 12. 1988. S. 46.

2.13 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag) Artikel

11

Übergangsbestimmung Diese Richtlinie gilt nicht für Dienstleistungen, die erbracht wurden, bevor die in Artikel 12 Absatz 1 genannten Vorschriften in Kraft getreten sind. Artikel

12

Umsetzungsbestimmungen (1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie bis zum 31. Dezember 1992 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

323

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie entweder in diesen oder bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Sie regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die nationalen Rechtsvorschriften mit die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich erlassen. Artikel

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SchluBbestimmung Diese Richtlinie ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet.

324

Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern § 6

Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

I. Übersicht1 1. Kompetenzordnung I: Art 100,100a EGV und die Frage nach der Binnenmarktrelevanz ungleicher Arbeitsbedingungen 1 Die Kompetenzordnung ist der erste Schlüssel für das Verständnis der Entwicklung, die das Europäische Arbeits vertragsrecht bis Ende der 80er Jahre und bis heute nahm. Sie erscheint auf den ersten Blick verwirrend, zeichnet sich jedoch noch heute eher durch Lückenhaftigkeit aus:2 Charakteristisch ist, daß Art 100 EGV als die Kompetenznorm, die bis Ende der 80er Jahre nahezu allein stand,3 nicht für soziale Angelegenheiten geschaffen war, sondern für eine zusammenwachsende Wirtschaftsgemeinschaft (a).4 Und 1988 änderte sich an dieser Problematik des Art 100 EGV durch Einführung des Art 100a EGV kaum etwas (b). Mit diesen Kompetenznormen ist die Grundfrage aufgeworfen, ob und inwieweit Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen bei den Arbeitsbedingungen tatsächlich binnenmarktrelevant sind (c-e). Daneben stehen andere Kompetenznormen, die entweder wenig praktisch wurden oder fragwürdig sind. Erst Ende der 80er Jahre kam mit Art 118a EGV eine erste genuin arbeitsrechtliche Kompetenznorm hinzu, allerdings eine mit beschränktem Anwendungsbereich.5 a) Art 100 EGV als die Ausgangsnorm 2 Am Anfang des Europäischen Arbeitsvertragsrechts stand die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung von 1968 (3.01). Sie wurde zwar nicht auf Art 100 EGV gestützt, sondern auf Art 49 EGV. In der Quintessenz ist Art 49 EGV jedoch nur eine spezielle Ausprägung der Regelungsidee des Art 100 EGV für den Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Kompetenzrechtlich war die Verordnung denn auch 1

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Vgl für nachfolgend abgekürzt zit Literatur auch die Literaturverzeichnisse 3.43 sowie die Angaben unten Fn 65. Vgl etwa Wank, Atypische Arbeitsverhältnisse, RdA 1 9 9 2 , 1 0 3 (104): „Die EG hat, um es überspitzt zu sagen, von einigen Sondergebieten wie Wanderarbeitnehmer, Gleichberechtigung beim Lohn und Arbeitsschutz, im Grunde keine Kompetenz für das Arbeitsrecht." Ähnlich Birk, RdA 1992, 68 (68 f). Vgl unten Rn 4; Birk, RdA 1992, 68 (71); Lörcher, Ungeschützte Arbeitsverhältnisse die Richtlinienentwürfe der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu den „atypischen Arbeitsverhältnissen", Personalrat 1991, 73 (77). Zu den sozialen Defiziten im Gemeinschaftsrecht, die jedenfalls bis zur Einf von Art 118a EGV durch die Einheitliche Europäische Akte konstatiert wurden, etwa: Adamy /Bobke, Arbeitsrecht der Gegenwart 2 7 (1990) 21 (21 f); Hilf / Willms, JuS 1992, 3 6 8 (368 f); Zachert, AuR 1989, 161 (161 f); bes intensiv auch seitdem Lo Faro, CompLLJ 1992, 1 („dark side" und „social fall out of the internal market"). Zur Kompetenzordnung jenseits von Art 100, 100a EGV unten Rn 14-27.

ξ 6 Einl - Übersicht

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unproblematisch, weil sie sich unschwer in das klassische binnenmarktorientierte Regelungsinstrumentarium einfügt: Die Verordnung ermutigt zum Grenzübertritt, indem sie Behinderungen und vor allem Diskriminierungen im Gastland entgegenwirkt. Die ausgeräumten Behinderungen und Diskriminierungen sind auch so massiv und sie wurden so flächendeckend untersagt, dal? die Verordnung in der Tat geeignet ist, den Entschluß, im Gastland zu arbeiten, zu befördern.6 Darauf folgend wurden erstmals im ersten sozialpolitischen Aktionsprogramm 3 des Rates von 19747 die Planungen im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts8 gebündelt, insbesondere auch für die sekundärrechtliche Ausgestaltung des Arbeits- und Arbeitsvertragsrechts. Während Nr 1, 3, 5 und 7 mit der Beschäftigungspolitik, mit der Schaffung eines Europäischen Zentrums für berufliche Bildung, mit der Sozialversicherung und mit der Armutsbekämpfung Problemkreise jenseits des Arbeitsvertragsrechts ansprachen, und auch Nr 8 f das kollektive Arbeitsrecht zum Gegenstand haben, 9 betraf Nr 4 die bereits erlassene Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung (3.01). Mit Arbeitsvertragsrecht der Zukunft befaßten sich nur Nr 4 und 6; nimmt man die angesprochenen Einzelakte hinzu, wurden folgende (wenige) Regelungsmaßnahmen ins Auge gefaßt: Gebote einer Gleichbehandlung der Geschlechter bei den Arbeitsbedingungen (3.10, 3.11) sowie Regelungen für Massenentlassungen (3.30) und für die Wahrung von Arbeitnehmerrechten bei Betriebsübergang (3.31). Ebenfalls angesprochen, allerdings noch nicht in Einzelmaßnahmen ausdifferenziert wurde der Gesundheitsschutz. Diese Materie sollte in den 80er Jahren - nach Verabschiedung der genannten Einzelmaßnahmen - den Gemeinschaftsgesetzgeber vorrangig beschäftigen und Ende der 80er Jahre mit Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte in Art 118a EGV auch die erste speziell arbeitsrechtsbezogene Kompetenznorm erhalten. Alle im sozialpolitischen Aktionsprogramm projektierten Rechtssetzungsakte 4 mit Ausnahme der Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) wurden auf Art 100 EGV gestützt. Dies gilt auch für die Gesundheitsschutz-Richtlinien vor Verabschiedung der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie von 1989 (3.43). Diese Kompetenznorm setzt voraus, daß die Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen sich „unmittelbar" auf die Errichtung oder das

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Näher unten 3.01 Rn 2. Genereller so zum (sozial- und arbeitsrechtlichen) Verordnungswerk der Gemeinschaft („Koordinierung"), das auch - verglichen mit dem Richtlinienwerk („Harmonisierung") - ein „wesentlich geschlosseneres Bild" biete: Hilf / Willms, JuS 1992, 3 6 8 (370 f). Entschließung des Rates vom 21. 1. 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm, AB1EG 1974 C 13/1. Gemeinschaftsrechtlich ist das Arbeitsrecht Teil eines weit verstandenen Sozialrechts:

Hilf/ Wiltms, JuS 1992, 368 (369); vMaydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (139); Zuleeg, RdA 1992, 133 (133-141).

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Zur Berufsbildung: Verordnung 1 3 6 0 / 9 0 / E W G des Rates vom 7. 5. 1990 zur Errichtung einer Europäischen Stiftung für Berufsbildung, AB1EG 1990 L 131/1. Zum Sozialversicherungsrecht und zum kollektiven Arbeitsrecht als Bereichen, die weitestgehend bereits jenseits des Europäischen Arbeitsvertragsrechts liegen, sogleich unten Rn 57.

326

Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken. Daß hiermit vor allem die effektivere Durchführung der Grundfreiheiten gemeint ist, 10 ergibt sich aus Art 7a II E G V für den Binnenmarkt, der als höhere Stufe der Vollendung den Gemeinsamen Markt umfaßt. 11 Soweit also gerade der Grenzübertritt Transaktionskosten verursacht, die auf Rechtsunterschieden beruhen, ist eine unmittelbare Auswirkung auf das Funktionieren des Binnenmarktes und auch des Gemeinsamen Marktes dargetan. 5 Harmonisierungsmaßnahmen, die solche Transaktionskosten ausräumen sollen, gibt es durchaus auch im Europäischen Arbeits- und Arbeitsvertragsrecht. Besonders offensichtlich ist dies bei Arbeitsschutzregeln, die zugleich sogenannte technische Handelshemmnisse darstellen: Dabei handelt es sich typischerweise um Gestaltungsanforderungen an Maschinen. Beispielsweise soll die insoweit zentrale Maschinen-Richtlinie 12 technische Anforderungen harmonisieren und sich zugleich auch auf die Sicherheit der Arbeitnehmer auswirken. Die Harmonisierung erleichtert hier zweifelsohne den Grenzübertritt. Die Regeln haben jedoch die Gestaltung der Ware zum Gegenstand. Allenfalls sehr vermittelt wirken sie auf den (Kauf-)Vertrag ein, indem sie auch als Spezifikation des vertragsgemäßen Zustandes der Ware zu verstehen sind. Jedoch auch unmittelbar die Vertragsgestaltung betreffende Harmonisierungsmaßnahmen können sich unmittelbar und in erheblichem Umfang auf die genannten Transaktionskosten auswirken. Neben der bereits angesprochenen Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung (3.01) sind hier insbesondere die beiden Richtlinien zu Umstrukturierungsmaßnahmen zu nennen (3.30, 3.31): Bei Unterschieden in den Schutzstandards zugunsten von Arbeitnehmern, die ihre Rechte bei Betriebsübergang gewahrt sehen wollen, können beim grenzüberschreitenden Betriebsübergang in Richtung strengerer Rechtsordnung zusätzliche Transaktionskosten anfallen. Bei Massenkündigungen kann ein Unternehmen die Transaktionskosten scheuen, die anfallen, wenn es unter mehreren innergemeinschaftlichen Standorten diejenigen schließt, an denen strengere Schutzregeln gelten.

b) Ergänzung durch Art 100a EGV? 6 Als Schwäche der Kompetenznorm des Art 100 E G V wurde empfunden, daß der Rat hiernach einstimmig zu entscheiden hat. Außerdem sind die Beteiligungsrechte des Parlaments auf die bloße Anhörung beschränkt. 13 Mit der Einheitlichen Europäischen Akte wurde daher Art 100a E G V eingeführt, der, wie Art 100 EGV, der Effektivierung der Grundfreiheiten dient, jedoch eine Verabschiedung von Rechtsangleichungsmaßnahmen mit qualifizierter Mehrheit erlaubt und zugleich dem Europäischen Parlament ein Vetorecht einräumt (Art 189b EGV). 7 Im Arbeitsvertragsrecht hat Art 100a E G V in den zehn Jahren seit seiner Einführung keine praktische Bedeutung erlangt. Der einzige Vorschlag, der auf >» Unstr, vgl nur Bleckmann, Europarecht, Rn 2112-2114, 2119. 11 Bleckmann, Europarecht, Rn 2 1 1 2 - 2 1 1 4 ; Geiger, Art 7a EGV, Rn 5. 12 Vgl Nachw unten Fn 127. 13 Vgl dazu die vier unterschiedlichen Verfahren oben 1. Teil Rn 137 f.

§ 6 Einl - Übersicht

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Art 100a E G V gestützt wurde und Aspekte von atypischen Arbeitsverhältnissen betraf, wurde nicht verabschiedet 14 - nicht zuletzt auch aufgrund von Zweifeln am Bestehen der Kompetenz. Grund für die geringe Bedeutung des Art 100a E G V im Arbeitsvertragsrecht ist vor allem die Ausnahmeregelung in seinem Absatz 2. Sie beläßt es hinsichtlich der „Rechte und Interessen der Arbeitnehmer" bei der Anwendbarkeit des Art 100 E G V und damit des Einstimmigkeitsprinzips. 15 Insbesondere Großbritannien fürchtete um die Regulierung der Arbeitsmärkte gegen seinen Willen. 16 Unklar ist, ob Art 100a E G V Regelungsmaßnahmen des Arbeitsschutzrechts trägt. 17

c) Abbau von Behinderungen (Aufschließung von Grenzen) ν Abbau von „Wettbewerbsverzerrungen" (Angleichung von Kostenfaktoren) Typischerweise wirken arbeitsvertragliche Harmonisierungsmaßnahmen nicht 8 in der bisher beschriebenen Art, dh es werden nicht oder allenfalls vereinzelt Behinderungen und Diskriminierungen beim Grenzübertritt ausgeräumt. Die Grundfreiheiten sind demnach nicht unmittelbar tangiert. Die Angleichung der Arbeitsbedingungen ist, anders als die Gesamtregelung der Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung (3.01), kaum ausreichender Anreiz für Arbeitnehmer, Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen und von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch zu machen. Die Mobilitätsrelevanz der Harmonisierung des Arbeitsvertragsrechts ist eine nur mittelbare, während sie bei den verbraucherschützenden und wirtschaftspolitisch motivierten Normen des Schuldvertragsrechts eine unmittelbare ist. In diesen beiden anderen Gebieten geht es in der Tat um grenzüberschreitende Verträge, für die die Parteiautonomie mit ihren Schranken auf eine einheitliche gemeinschaftsrechtliche Basis gestellt werden soll. Ein grenzüberschreitend anbietendes Unternehmen soll seine Konditionen nicht nach 15 verschiedenen Gesetzen zur Regelung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgestalten müssen und nicht 15 verschiedene nationale Devisen- und Währungsrechte zu beachten haben. Durch Vereinheitlichung werden die Verträge, die sich (aktiv) auf die Dienstleistungs- oder Kapitalverkehrsfreiheit stützen, selbst und unmittelbar erleichtert, indem sie hinsichtlich der unabänderlichen Gestaltungsparameter auf die genannte einheitliche gemeinschaftsrechtliche Basis gestellt werden. Der wichtigste Effizienzgewinn der Harmonisierung des Arbeitsvertragsrechts liegt demgegenüber nicht im Bereich Vgl unten 3.47 Rn 5. " Banks, CDE 1993, 537 (543); Hilf / Willms, JuS 1992, 368 (370); Konzen, EuZW 1995, 39 (41); Zwanziger, AuR 1995, 430 (436). 16 DeRuyt, L'Acte Unique Européen, 1987, p. 168 seq, 194. Demgegenüber gehen Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1166 davon aus, die Rechte der Arbeitnehmer sollten durch das strengere Einstimmigkeitserfordernis geschützt werden. Dagegen spricht freilich, daß Harmonisierung des Arbeitsvertragsrechts regelmäßig nur als Mindeststandard wirkt und überschießende nationale Regeln unberührt läßt: vgl die Auflistung oben 1. Teil Fn 234. 17 Vgl dazu unten Rn 21, bei der Behandlung des Art 118a EGV, der primär einschlägigen Kompetenznorm. 14

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der Freizügigkeit. Hier zielt die Harmonisierung vor allem auf rein interne Sachverhalte ab. Für sie werden Arbeitnehmerrechte einander angeglichen und damit Kostenfaktoren, die sich dann bei der Vermarktung des Produkts in einander stärker angenäherten Preisbestandteilen beim Faktor Arbeit niederschlagen. 9 In diesen Fällen wird von Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedliche Arbeitsbedingungen (im weitesten Sinne) gesprochen, die eine Rechtsangleichung gestatte. Die Maßnahmen wirken sich nur mittelbar auf das Funktionieren des Gemeinsamen oder des Binnenmarktes aus.18 Daß Art 100, 100a EGV auch diese Konstellationen erfassen, ist nicht so universal anerkannt wie bei den Behinderungen und Diskriminierungen.19 Nicht zu bezweifeln ist jedenfalls, daß das Ziel einer Anhebung des Arbeitnehmerschutzes allein eine Kompetenz nach Art 100, 100a EGV nicht begründet, sondern nur nebenher verfolgt werden darf.20 Es sind also jedenfalls Wettbewerbsverzerrungen darzutun. Daß die Kompetenz zur Ausräumung von Wettbewerbsverzerrungen durch Unterschiedlichkeit in den Arbeitsbedingungen auch nach der ursprünglichen Kompetenzordnung des EGV, insbesondere nach Art 100 EGV, bestehen kann, wird schon durch die Existenz des Art 119 EGV nahegelegt. Diese Norm, die die Gleichbehandlung der Geschlechter in Lohnfragen verbürgen soll, wurde doch gerade deswegen eingeführt, weil Frankreich Wettbewerbsverzerrungen zu seinen Lasten fürchtete.21 Heute ist zudem anzuführen, daß Art 100 EGV schon in den 80er Jahren herangezogen wurde, um „Wettbewerbsverzerrungen" auszuräumen, und daß er in den Vertragsrevisionen 1986 und 1992 unverändert beibehalten wurde, wobei zudem in Art 100a EGV das Arbeitsvertragsrecht direkt angesprochen wurde. d) Maßnahmen zur bloßen Angleichung von schlechter zu rechtfertigen

Kostenfaktoren

10 Gestatten also Art 100,100a EGV Rechtsangleichung mit dem Ziel, Wettbewerbsverzerrungen auszuräumen, so bleibt jedoch fraglich, ob jegliche Angleichung von Kostenfaktoren auf diese Kompetenz gestützt werden kann. Wäre nämlich von der 18

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Etwa Steindorff, in: Brüggemeier (Hrsg), Verfassungen, 131 (145) (keine unmittelbare Wirkung wie bei den Grundfreiheiten, allenfalls teils eine Rechtfertigung für Rechtsangleichung); demgegenüber beide Formen vermengend etwa ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (131 f). Vgl Wank, RdA 1992, 103 (112) („fraglich"); den primärrechtlichen Hintergrund ausleuchtend: Windbichler, RdA 1992, 74 (75-84). Demgegenüber jede Ungleichheit pauschal als Wettbewerbsverzerrung qualifizierend: Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 201, 218 f et passim; ähnlich Adamy/Bobke, Arbeitsrecht der Gegenwart 2 7 (1990) 21 (28). Durchaus überzeugend hält sich die Kommission in Fragen der Ausräumung von Behinderungen für ausschließlich zuständig, so daß sich die Frage der Subsidiarität nicht stellt, in Fragen der Angleichung von Kostenfaktoren in den einzelnen Mitgliedstaaten hingegen nicht: vgl KOM.Doc.Sec.(92) 1900 endg, BullEG 1 0 - 1 9 9 2 , 118 (123). Birk, RdA 1992, 68 (71); demgegenüber versteht Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 218 f et passim offenbar die Förderung des Arbeitnehmerschutzes allein schon als kompetenzabsichernd. Vgl im einzelnen unten 3.10/3.11 Rn 2.

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Unterschiedlichkeit der Kostenfaktoren zwangsläufig auch auf das Bestehen von Wettbewerbsverzerrungen zu schließen, so blieben „Wettbewerbsverzerrungen" (und die Kompetenz nach Art 100, 100a E G V ) bestehen (bzw eröffnet), bis Rechtseinheit bei allen Arbeitsbedingungen besteht. 2 2 Auch die stabile Währung wirkt typischerweise als Kostenfaktor, und dennoch haftete erfolgreicher Währungspolitik nicht der gleiche Makel der „Wettbewerbsverzerrung" an wie etwa einer weniger weitreichenden Regulierung zugunsten der Arbeitnehmer bei den Arbeitsbedingungen. Daher ist die Harmonisierungskompetenz bei Vorliegen von Rechtsunterschieden, soweit sie Transaktionskosten beim Grenzüberschritt verursachen (Behinderungen und Diskriminierungen), uneingeschränkt zu bejahen, bei Vorliegen von Rechtsunterschieden, die zu unterschiedlichen Kostenfaktoren in Inlandssachverhalten führen, keineswegs mit der gleichen Selbstverständlichkeit. Legt man diese Sicht zugrunde, kann es kaum verwundern, daß arbeitnehmer- 11 schützende Normen im Europäischen Schuldvertragsrecht keineswegs so flächendeckend harmonisiert wurden wie verbraucherschützende Normen, 2 3 wo alle wichtigen Gebiete von Regelungsmaßnahmen zumindest erfaßt sind. Daß die Harmonisierung im Arbeitsrecht nicht flächendeckend erfolgte, ist auch keineswegs allgemein, sondern nur in manchen Stücken mit politischen Zwängen und fehlender Machbarkeit zu begründen. Unterschiedlichkeit in den Kostenfaktoren begründet offensichtlich nicht allein das Verdikt der Wettbewerbsverzerrung. Andernfalls müßte Vollharmonisierung angestrebt werden, was derzeit primärrechtswidrig wäre (Art 3 b E G V ) und was zudem dem auch für die Arbeitsrechtsharmonisierung vordringenden Konzept eines Wettbewerbs der Regelungssysteme keinen Raum ließe. 2 4 e) Beurteilung der bisherigen Entwicklung

unter diesem

Gesichtspunkt

Was hinzu kommen muß, ist - jedenfalls für die bisherige Entwicklung - wohl am trefflichsten mit einem Konzept der sogenannten liberalen Rechte zu fassen. Es handelt sich um Rechte, bei denen es sich die Gesellschaft leistet, ökono-

So mit der gebotenen Klarheit sogar für den Bereich der Beihilfen: Kerber, Rechtseinheitlichkeit und Rechtsvielfalt aus ökonomischer Sicht, in Grundmann (Hrsg), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten der Harmonisierung (erscheint 1999). « Windbichler, RdA 1992, 74 (80-84). Demgegenüber begründet Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 (77 f) die Lückenhaftigkeit der Harmonisierung im Arbeitsvertragsrecht damit, daß die Sozialbedingungen weit auseinanderklafften. Dies wäre freilich gerade ein zusätzlicher Grund für den Abbau von solchermaßen bes intensiven „Wettbewerbsverzerrungen"; so ja in der Tat die Harmonisierungsstrategie und -abfolge im Bereich der Behinderungen und Diskriminierungen: vgl oben 1. Teil Fn 130. 24 Vordringend vor allem in der ökonomischen Theorie: vgl die kurzen Ausführungen und Nachw bei Birk, in: Birk / Erdmann / Lampert / Muhr, Harmonisierung des Arbeitsrechts, 17; Kingler, Sozialunion, S 248-250; Windbichler, RdA 1992, 74 (81-83). In der Tat wird gerade die Ausschaltung von Preiswettbewerb in der Europäischen Wettbewerbsordnung als besonders schädlich verstanden: vgl nur die in allen GVO zu findende schwarze Klausel (Nichtfreistellungsklausel) für Vereinbarungen, die den Preiswettbewerb ausschalten sollen. 22

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mische Effizienzüberlegungen (möglicherweise bis zu einem bestimmten Grade) hintanzustellen, also auszublenden, weil der unbedingte Erhalt der geschützten Güter für wertvoller erachtet wird als jeder Zugewinn an materiellen Gütern.25 13 Nach der ersten Phase der Harmonisierung, in der Rechtsangleichungsmaßnahmen überwiegend in der Tat potentielle Behinderungen und Diskriminierungen zum Gegenstand hatten,26 ging es vor allem um zwei Bereiche, in denen „Wettbewerbsverzerrungen" aufgegriffen wurden: Eine Reihe von Maßnahmen können als Diskriminierungsverbote verstanden werden (3.10, 3.11, 3.47). Wird nach Staatsangehörigkeit diskriminiert, so ist der Grenzübertritt so stark erschwert, daß die potentiell behindernde Wirkung unschwer darzutun ist. Wird demgegenüber nach Kriterien diskriminiert, die den Grenzübertritt auch nicht mittelbar erschweren, so werden liberale Rechte umso eher bejaht, je stärker das Unterscheidungskriterium angeboren ist und je stärker es in der Geschichte zu heute ganz überwiegend verurteilten Formen der Diskriminierung geführt hat. Für die Diskriminierung nach Geschlechtern gilt dies daher stärker als für die Diskriminierung nach Formen von Arbeitsverhältnissen (atypische / typische). Im zweiten Bereich wird jeweils der Gesundheitsschutz als tragend herangezogen. Heute ist aufgrund von Art 118a EGV nur noch fraglich, wie weit dieser Begriff zu umreißen ist. Vom Konzept der liberalen Rechte her gedacht, wäre zu sagen, daß die Gesundheit der Arbeitnehmer nach der Harmonisierungsphilosophie der Gemeinschaft kein Faktor sein soll, mit dem Preis- und damit Kostenwettbewerb betrieben werden soll. In manchen Rechtssetzungsakten ging die Gemeinschaft weiter und unterband bis zu einem gewissen Grade Wettbewerb mit Lohnkostenfaktoren generell. Von der Theorie der liberalen Rechte her sind diese Regelungen nicht zu rechtfertigen. Das wichtigste Beispiel bildet wohl die BetriebsübergangsRichtlinie (3.31),27 die jedoch nach dem Gesagten zugleich auch potentielle Behinderungen ausräumt. Problematisch erscheint schon unter diesem Gesichtspunkt die Arbeitnehmerentsende-Richtlinie (3.60), die, anders als die Betriebsübergangs-Richtlinie, nicht zugleich auch potentielle Behinderungen ausräumt. 2. Kompetenzordnung II: Der Weg über Art 100, 100a EGV hinaus 14 Neben Art 100, 100a EGV treten wenige andere Kompetenznormen. Die erste genuin arbeitsrechtliche Kompetenznorm wurde freilich erst Ende der 80er Jahre mit der Einheitlichen Europäischen Akte eingeführt: Art 118a EGV, der zudem nur einen eingegrenzten Bereich erfaßt (a). Gewisse Bedeutung erlangte mit dem Maastrichter Vertrag die Möglichkeit, daß Sozialpartner Normen setzen (c). 25

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Vgl grundlegend Seidl, On Liberal Values, Zeitschrift für Nationalökonomie 3 5 (1975) 2 5 7 ; Sen, The Impossibility of a Paretian Liberal, 78 Journal of Political Economy 152 (1975). Unstr ist hierfür (auch wegen des Gesetzes über den abnehmenden Grenznutzen zusätzlicher materieller Güter) der Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft von Bedeutung. Auch werden die Grenzen durchaus dezisionistisch festgesetzt. So die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung (3.01), eingeschränkt auch die Massenentlassungs-Richtlinie (3.30) und die Betriebsübergangs-Richtlinie (3.31). So zu Recht: Bercusson, European Labour Law, p. 2 3 5 seq.

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Demgegenüber erscheinen alle anderen Instrumente als Hilfskonstruktionen, entweder praktisch ohne Bedeutung oder rechtlich problematisch (b). Es muß auf das Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages gewartet werden, bis erstmals flächendeckend eine genuin arbeits- und sozialrechtliche Kompetenzordnung entsteht, mit nur wenigen Ausnahmebereichen; im Praktischen wird der Neuanfang freilich viel weniger radikal ausfallen als im Prinzipiellen, weil das Einstimmigkeitserfordernis weitestgehend beibehalten wurde (d). Bei kompetenzrechtlicher Betrachtung fallt auf, daß nach dem insoweit unpro- 15 blematischen Auftakt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung von 1968 (3.01) 2 8 die Richtlinien bis zum Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte auf Art 100 E G V gestützt wurden, 2 9 danach (mit Ausnahme der NachweisRichtlinie [3.20]) alle auf 118a E G V . 3 0 Andere Kompetenznormen sind kaum bedeutsam geworden. Kompetenzrechtlich durchaus begründbar ist die Heranziehung von Art 2 3 5 E G V für den Erlaß der Gleichbehandlungs-Richtlinien von 1 9 7 5 / 7 6 (3.10, 3.11), kaum jedoch die Heranziehung des Art 5 7 II, 6 6 E G V für die Arbeitnehmerentsende-Richtlinie von 1996 (3.60). a) Art 118a EGV als die erste genuin arbeitsrechtliche

Kompetenznorm

Die erste genuin arbeitsrechtliche Kompetenzgrundlage, Art 118a E G V , betrifft 16 die „Arbeitsumwelt" und wurde mit der Einheitlichen Europäischen Akte eingeführt. Der Begriff wird durch die Zielbeschreibung präzisiert, nach der es darum geht, Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu schützen. Mit der Norm gelang dem Anliegen, eine soziale Dimension im Binnenmarktprozeß zu verankern, der Durchbruch; es war erstmals mehr angedacht als nur der sogenannte technische Gesundheitsschutz. 3 1 Damit wurden die Gesundheit und Sicherheit als Elementarwerte festgeschrieben, die höher einzuordnen sind als andere Rechte und Interessen der Arbeitnehmer (vgl auch Art 100a III und IV E G V ) . Dennoch hatte die Einführung der Kompetenz weiterreichende Wirkung. In der Tat blieb nur der erste von zwei programmatischen Akten, die der Einführung der Kompetenznorm folgten, auf den von Art 118a E G V eingegrenzten Bereich

Die VO wurde auf Art 49 EGV gestützt. Die Kompetenznorm ist unzweifelhaft eröffnet, weil die VO die Freizügigkeit der Arbeitnehmer erleichtert, also gerade auch binnenmarktfördemde, weil den Grenzübertritt erleichternde Wirkung hat. Vgl im einzelnen unten 3.01 Rn 2, 5. 29 So die Massenentlassungs-Richtlinie von 1975 (3.30), die Betriebsübergangs-Richtlinie von 1977 (3.31), die Gefahrstoff-Rahmenrichtlinie von 1980 und zuletzt die NachweisRichtlinie von 1991 (3.20). 3 0 So die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie von 1989 (3.43) und die Einzelrichtlinien zu dieser Rahmenrichtlinie, namentlich die Bildschirmarbeits-Richtlinie von 1990 (3.44) und die Mutterschutz-Richtlinie von 1992 (3.45), aber auch die Jugendarbeitsschutz-Richtlinie von 1994 (3.46) und die Zeit- und Leiharbeits-Gesundheitsschutz-Richtlinie von 1991 (3.47), die zwar nicht formell, jedoch materiell Einzelrichtlinien zur Rahmenrichtlinie bilden. Etwas ferner steht nur die Arbeitszeit-Richtlinie von 1993 (3.40). 3< Banks, CDE 1993, 537 (541); Birk, FS Wlotzke 1996, 645 (657). 28

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beschränkt. Es handelt sich um das dritte Aktionsprogramm Arbeitsschutz.32 Der zweite dieser Akte, die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte mit dazu gehörigem Aktionsprogramm (unten 3 a), reicht weit über Fragen der Arbeitsumwelt hinaus, obwohl er in seinem Nr 19 und mittelbar beispielsweise in Nr 8 und 22 durchaus auch den Gesundheits- und Arbeitsschutz anspricht.33 17 Die wichtigste Streitfrage zu Art 118a EGV betrifft denn auch seine Grenzen. Umstritten ist, ob der Begriff der Arbeitsumwelt weit und dynamisch auszulegen ist, wofür vor allem auch das Europäische Parlament plädiert.34 Umgekehrt wird vor allem vorgebracht, daß eine weite Auslegung des Begriffes dem Willen der vertragsschließenden Staaten, insbesondere Großbritanniens, nicht gerecht werde.35 Insbesondere spricht die Entstehungsgeschichte des Art 100a II EGV dagegen, (wirtschaftliche) Rechte und Interessen der Arbeitnehmer unter Art 118a EGV zu fassen; diese dürfen auf der Grundlage dieser Kompetenznorm allenfalls im engen Umfange annexweise mitgeregelt werden. Denn Art 118a und 100a EGV gleichen sich im insoweit neuralgischen Punkt, weil beide die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit gestatten. Daß Art 118a EGV prinzipiell eng zugeschnitten sein sollte, zeigt auch der Umstand, daß, anders als in Art 100a EGV, zudem nicht einmal das Europäische Parlament ein Vetorecht hat. Umgekehrt hat Dänemark lange gedrängt, um neben dem Begriff des Gesundheitsschutzes auch den weicheren und potentiell weiteren der Arbeitsumwelt in der Norm zu verankern. Dies spricht dafür, daß die Dimension des Wohlbefindens generell in Regelungen auf der Grundlage des Art 118a EGV zum Tragen kommen darf, insbesondere also auch gegen psychische Belastungen vorgegangen werden darf.36 Auf Art 118a EGV sind demnach zwar nicht Regelungen wirtschaftlicher Rechte der Arbeitnehmer oder kultureller Anliegen zu stützen, umgekehrt ist jedoch der Begriff des Gesundheitsschutzes weit zu fassen. 18 In der Tat weist die erste Entscheidung des EuGH zu Art 118a EGV in diese Richtung. Der EuGH erklärte zwar die Arbeitszeit-Richtlinie (3.40) insgesamt für wirksam, das Gebot, die wöchentliche Ruhezeit grundsätzlich auf Sonntag zu Mitteilung der Kommission über ihr Aktionsprogramm für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, AB1EG 1988 C 2 8 / 3 . Vorangegangen war ein Zweites Aktionsprogramm, AB1EG 1984 C 67/2, zum Ersten vgl oben Fn 7. Zu den späteren Aktionsprogrammen vgl unten Fn 66. 3 3 Unzutr Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1165. 3 4 Vgl AB1EG 1989 C 12/181 (182) (auch „Dauer, Organisation und Inhalt der Tätigkeit"); aus der Literatur etwa: Lörcher, Personalrat 1 9 9 1 , 7 3 (77 f); und in der Tendenz: Adamy / Bobke, Arbeitsrecht der Gegenwart 2 7 (1990) 21 (29). " Etwa Banks, CDE 1993, 5 3 7 ( 5 4 1 - 5 4 3 ) ; Birk, RdA 1992, 68 (71); Ringler, Sozialunion, S 1 3 0 - 1 3 3 ; de Ruyt (oben Fn 16) p. 193 seq; Wank, RdA 1992, 103 (112) (wäre Kompetenzerschleichung); Wlotzke, RdA 1992, 85 (88). 3 6 Grundlegend: Bücker / Feldhoff / Kohte, Vom Arbeitsschutz zur Arbeitsumwelt; ansonsten auch Banks, CDE 1993, 5 3 7 (541 seq); Bercusson, European Labour Law, p. 3 0 6 ; Wlotzke, NZA 1 9 9 0 , 4 1 7 (420); Zachert, AuR 1989, 161 (162 f); sowie Birk, FS Wlotzke 1996, 645 (646, 6 5 9 - 6 6 2 ) (auch rvgl); für eine recht restriktive Auslegung demgegenüber Birk, RdA 1992, 68 (71) (mit dem Hinweis, auch das dänische Recht verstehe unter Arbeitsumwelt letztlich nicht mehr als klassischen Gesundheitsschutz). 32

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legen, jedoch für nichtig. 3 7 Zwar gibt der E u G H demnach für die Ermessensausübung im Rahmen von Art 3b II und III E G V keine engen Schranken vor; er ist jedoch durchaus gewillt, Art 118a E G V einschränkend zu verstehen: Zwar nicht für wirtschaftliche Rechte, jedoch für kulturelle Interessen entschied er, daß ihre Regelung nicht auf Art 118a E G V gestützt werden kann. Zudem erklärte er mit diesem Argument eine einzelne Norm im Gesamtverbund für nichtig, will also auch Annexkompetenzen offenbar allenfalls restriktiv zulassen. Allerdings versteht der E u G H den Begriff des Gesundheitsschutzes moderat weit, indem er das Argument verwirft, eine sehr lange Arbeitszeit stelle nur eine von mehreren potentiellen (Gesundheits-)Gefahren dar, von denen nicht sicher sei, ob sich nur die eine oder die andere negativ auswirke. Auch muß der Gemeinschaftsgesetzgeber das Ziel, die Gesundheit schützen zu wollen, nur als ein für ihn bei Erlaß des Rechtsaktes leitendes nachvollziehbar machen. Der E u G H nimmt also nur eine Plausibilitätskontrolle vor. Allerdings muß der Bezug zur Gesundheit erkennbar bleiben, woran bei einer starken Reduktion der Höchstarbeitszeit etwa auf eine 4 0 - oder 38-Stunden-Woche - Zweifel aufkommen können. Demnach fallen unter Art 118a E G V Arbeitsschutz-Ric/ji/iwe« ieS (3.43, 3 . 4 4 19 sowie 3.47), der technische Arbeitsschutz, 3 8 wobei jedoch ein weiter Gefahrbegriff zugrunde zu legen ist und wohl auch das psychische Wohlbefinden Regelungsgegenstand sein darf. Ebenfalls auf Art 118a E G V gestützt werden durften die Mutterschutz- und Jugendarbeitsschutz-Richtlinie (3.45, 3.46), wobei vor allem in der erstgenannten durchaus auch sozialer Arbeitsschutz geregelt ist. 3 9 Der Zusammenhang mit dem Wohlbefinden und wohl auch der Gesundheit zumindest des (ungeborenen) Kindes ist jedoch plausibel dargetan. Regelungen der Arbeitszeit dürfen auf Art 118a E G V nur gestützt werden, soweit sie, wie geschehen, betont sicherheitsbezogen ausgestaltet sind (3.40). 4 0 Ist die Kompetenz des Art 118a E G V eröffnet, so sind die zwei wichtigsten Fra- 2 0 gen der Anwendung weitgehend geklärt: Es kann ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes angestrebt werden; der Begriff der Mindestvorschriften steht nicht entgegen. 4 1 Bisher jedenfalls liegen die Standards der Arbeitsschutz-Richtlinien tendenziell hoch - in Teilen durchaus auch über dem in anspruchsvollen Ländern üblichen Niveau - 4 2 und wurde dies nicht beanstandet. Auf Art 118a E G V gestützte Richtlinien präkludieren jedoch, da es sich um Mindestregeln handelt,

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EuGH 12. 11. 1996 - Rs C-84/94 (Vereinigtes Königreich / Rat), Slg 1996, 1-5755 (bes 5811-5813). Unstr, vgl nur Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S 85, Fn 28 (mwN). Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S 86, Fn 30; Wlotzke, NZA 1990, 417 (419). Das etwa für die Jugendarbeitsschutz-Richtlinie beklagte enge, allein gesundheitsbezogene Schutzkonzept ist weitestgehend kompetenzbedingt. Vgl neben der zit EuGH-Entscheidung: Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S 86, Fn 30. Vgl etwa Bleckmann, Europarecht, Rn 2500; Salerno, Diritto Comunitario della sicurezza del lavoro, 1990, p. 116-118; und speziell für die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie (3.43): Kohte, EAS B6100, Rn 6 f (implizit). Bsp im Hinblick auf Deutschland: Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 228 f.

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strengeres nationales Recht nicht. 43 Eine Ausnahme wird freilich bei denjenigen nationalen (sicherheitstechnischen) Normen gemacht, die technische Handelshemmnisse begründen würden. 44 Darin bewahrheitet sich letztlich nur der allgemeinere Satz, das strengeres nationales Recht im Europäischen Schuldvertragsrecht nur inländischen Anbietern entgegen gehalten werden darf, nicht jedoch Anbietern aus dem EG-Ausland. 45 21 Nicht ganz klar ist das Verhältnis zu Art 100a EGV, der jedenfalls die technische Harmonisierung, wenn sie auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz ausstrahlt, erfaßt. 46 Strittig ist, ob Regelungen des Gesundheitsschutzes auch darüber hinaus auf den weniger spezifischen Art 100a E G V gestützt werden dürfen. 47

b) Sonstige Konstruktionen (Art 235 EGV, Art 117 fEGV, Art 57 und 66 EGV sowie das Maastrichter Protokoll zur Sozialpolitik) 22

Einer ersten Hilfskonstruktion bediente sich der Gemeinschaftsgesetzgeber schon 1976, danach jedoch nicht mehr: Die Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) stützte er auf Art 235 EGV. 4 8 Nach Art 2 3 5 E G V können Rechtsakte einstimmig erlassen werden, die zur Verwirklichung der Ziele notwendig sind und für die sich keine andere Rechtsgrundlage im E G V findet. Im konkreten Fall war dies vertretbar, obwohl gerade diese Kompetenznorm unter dem Gesichtspunkt, daß der E G V ein System begrenzter Einzelbefugnisse enthält, heute in Deutschland verstärkt als problematisch eingestuft wird. 49 Zutreffend wäre seine Heranziehung zunächst für die Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn (3.10) gewesen, weil Art 119 E G V insoweit für das Gleichbehandlungsgebot ohnehin unmittelbar anwendbar ist und sich daher diese

« EuGH 25. 1 1 . 1 9 9 2 - Rs C - 3 7 6 / 9 0 (Kommission/Belgien), Slg 1992,1-6153 (6181 f) (für die gleichlautende Kompetenznorm des EAG-Vertrages); Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 2 2 8 . Vgl auch die Aufzählung entspr Klauseln in den verschiedenen EGRichtlinien zum Arbeitsschutz oben 1. Teil Fn 234. 4 4 Vgl im einzelnen de Gier, RdA 1992, 9 6 (100); Gaul, Praktische Konsequenzen aus der Nichtumsetzung der EU-Arbeitsschutzrichtlinien, AuR 1995, 4 4 5 (445); Koll, Arbeitsschutz im europäischen Binnenmarkt, DB 1989, 1234 (1235 f, 1239 f); ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (131 f); Wlotzke, RdA 1992, 85 (87 f, 8 8 - 9 0 ) ; weitergehend allgem für ein Verbot strengeren nationalen Rechts, soweit nicht ausdrücklich das Gegenteil vorgesehen wird: Birk, RdA 1992, 68 (73). « Vgl oben 1. Teil Rn 110-120. « Wlotzke, RdA 1992, 85 (88). 4 7 Dagegen offenbar Franzen, ZEuP 1995, 7 9 6 (800 f; 816 f); hingegen relativ pauschal für die Anwendbarkeit von Art 100a und Art 118a EGV nebeneinander: Grabitz / Hilf {-Langeheine), Art 100a EGV, Rn 31; Grabitz / Hilf {-Langenfeld /Jansen), Art 118a EGV, Rn 13. Danach fällt der Gesundheitsschutz nicht in den Ausnahmebereich des Art 100a II EGV; ausführlicher zur Abgrenzung Balze, Die sozialpolitischen Kompetenzen, S 175-188. 4 8 Die Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn (3.10) wurde - nach dem Gesagten zweifelhaft auf Art 100 EGV gestützt. 4 9 BVerfGE 89, 155 (210); sowie (unter etwas mißverständlichem Titel) etwa Heinze, RdA 1994, 1; näher oben 1. Teil Rn 128.

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Richtlinie als bloße Präzisierung bzw Maßnahme effektiverer Durchsetzung darstellt. Da alle anderen Normen des EG-Vertrages, die subjektive Rechte einräumen, durch solch eine Durchfuhrungskompetenz flankiert werden, konnte man, als sich (unerwartet) auch für Art 119 E G V die Notwendigkeit einer Durchführung ergab, vom Bestehen einer Kompetenz hierfür ausgehen. Ähnliches gilt für die Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11), obwohl Art 119 E G V sonstige Arbeitsbedingungen nicht erfaßt. Versteht man nämlich den Begriff des Lohnes so weit wie der E u G H , 5 0 so sind praktisch alle Arbeitsbedingungen erfaßt und erscheint die Regelung des Zugangs und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Tat nur noch als ein Annex. Daß Art 2 3 5 E G V in Zukunft für arbeitsvertragsrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen herangezogen wird, ist angesichts der rechtlichen Bedenken in Deutschland und der Kompetenzausweitung im Amsterdamer Vertrag (unten d) unwahrscheinlich. Umstritten ist, ob Art 117 und 118 EGV - ihrem Wortlaut entsprechend - allein 2 3 Ziel- und Aufgabenbeschreibungen enthalten oder zugleich Befugnisnormen. 5 1 Für die erste Meinung wird ins Feld geführt, daß auch das EG-Recht die Trennung zwischen Aufgabe und Befugnis kennt (vgl Art 2 3 5 E G V ) und daher von dem einen nicht auf das andere geschlossen werden könne. 5 2 Zumindest für Art 117 f E G V trifft dies wohl zu, da die Entstehungsgeschichte und der Umkehrschluß aus Art 118a E G V gegen eine weite Auslegung sprechen und außerdem der Begriff der Zusammenarbeit bzw der Koordinierung im EG-Vertrag jeweils als terminus technicus verstanden wird, nach dem es bei der Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten bleibt. 53 Daß Art 117 f E G V eine Auslegungsleitlinie bilden, bleibt davon unberührt. Allenfalls flankierende Bedeutung haben im Arbeitsrecht die Kompetenzgrundlagen der Art 57 II und 66 EGV, die die Dienstleistung und die Niederlassung selbständig Tätiger betreffen. Das Arbeitsrecht hat diese Gruppe nur peripher zum Gegenstand: Es mag in gewissen Fällen angezeigt sein, bestimmte SelbstänVgl unten 3.10/3.11 Rn 20 f. Dafür etwa Schnorr, Entwicklungstendenzen des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf arbeitsrechtlichem Gebiet, RdA 1991, 345 (348, 350); dagegen die in der nächsten Fn Genannten. " Birk, RdA 1992, 68 (70); Buchner, ZfA 1993, 279 (290); Geiger, Art 117 EGV, Rn 7; Art 118, Rn 1-3; Konzen, EuZW 1995, 39 (40); Mosler, in: Koppensteiner (Hrsg), Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 5: Arbeitsrecht, 1997, 2 2 3 359; für Art 117 EGV: EuGH 29. 9. 1987 - Rs 126/86 (Giménez Zaera), Slg 1987, 3697 (3716) (nur „programmatisch"). 53 EuGH 15. 1.1986 - Rs 41/84 (Pinna), Slg 1986,1 (24 f); EuGH 27. 9. 1988 - Rs 313/86 (Lenoir), Slg 1988, 5391 (5423). Freilich ist zuzugeben, daß die Trennung zwischen Zielen, Aufgaben und Befugnissen keineswegs schlüssig durch den ganzen Vertrag durchgeführt wird, zumal nicht in den verschiedenen Sprachen, daß die scharfe Trennung nicht in allen Verwaltungs- und Verfassungsrechten so stringent durchgeführt ist wie in dem deutschen und daß gegenteilige EuGH-Rspr durchaus auch zu finden ist: vgl Grabitz / Hilf (-ν Bogdandy / Nettesheim), Art 3b EGV, Rn 4 f; Steindorff, EG-Kompetenzen, S 89 f; EuGH 9. 7. 1987 - verb Rs 281, 283-285, 287/85 (Deutschland / Kommission), Slg 1987, 3203 (3253 f). 50 51

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dige - angesichts vergleichbarer sozialer Schutzbedürftigkeit - Arbeitnehmern gleichzustellen 54 und dann dennoch Art 57 II, 66 E G V heranzuziehen. Auch können diese Kompetenznormen durchaus analog angewandt werden, wenn zur Effektivierung der Arbeitnehmerfreizügigkeit eine Anerkennung von Diplomen notwendig ist. 55 Für verabschiedete Rechtsakte im Arbeitsvertragsrecht wurden diese Kompetenznormen (abgesehen von der genannten Gleichbehandlungs-Richtlinie) jedoch nur in einem Fall herangezogen, und in diesem ging es nicht um die Erleichterung der grenzüberschreitenden Dienstleistung, sondern um deren Erschwernis. Daher wurde die Arbeitnehmerentsende-Richtlinie (3.60) zu Unrecht auf die genannten Kompetenznormen gestützt und ist primärrechtswidrig. 2 5 Eine weitere kompetenzrechtliche Hilfskonstruktion im Arbeitsrecht bildet Art 2 des sogenannten Abkommens über die Sozialpolitik, eines Ausschnitts aus dem Protokollteil des Unions-Vertrages. 56 Vertragsparteien wurden insoweit alle Mitgliedstaaten außer das Vereinigte Königreich und Nordirland (vgl jedoch unten d). Diese Vorschrift bildet die Kompetenzgrundlage für Harmonisierungsmaßnahmen fast im gesamten Arbeitsrecht, soweit sie allein im Verhältnis der anderen Mitgliedstaaten zueinander ergehen sollen. Der Regelungsbereich der Art 118a, 119 E G V wurde auf dem Gebiet der arbeitsvertragsrechtlichen Materien pauschal um den alles umfassenden Bereich der „Arbeitsbedingungen" erweitert. 57 Aus dem (Individual)Arbeitsvertragsrecht wurde zudem nur für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten. Demnach zählt sogar die Beendigung zu den „Arbeitsbedingungen". Der Umstand, daß das Abkommen allein für 14 der 15 Mitgliedstaaten gilt, führte jedoch dazu, daß es für keinen Akt des Europäischen Arbeitsvertragsrechts als Kompe54

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So erstreckt die Gleichbehandlungs-Richtlinie Selbständige (Nachw unten 3.10/3.11 Fn 28) die Grundideen der beiden Basisrichtlinien Gleichbehandlung (3.10, 3.11) und der Gleichbehandlungs-Richtlinie soziale Sicherungssysteme (Nachw unten 3.10/3.11 Fn 21) auf (quasi)selbständige Lohnunternehmer. Statt aller Bleckmann, Europarecht, Rn 1635. Allerdings wäre auch die Heranziehung von Art 49 EGV insoweit unproblematisch, obwohl die Vorschrift diesen Fall nicht ausdrücklich aufführt; monographisch: Bödding, Die europarechtlichen Instrumentarien der Sozialpartner, 1996; Schnorpfeil, Sozialpolitische Entscheidungen der Europäischen Union - Modellierung und empirische Analyse kollektiver Entscheidungen des europäischen Verhandlungssystems, 1996. Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik vom 7. 2. 1992, AB1EG 1992 C 191/1 (91); BGBl 1992 II, S 1253 (1314); 1993 II, S 1947; Literatur: Bercusson / van Dtjk, IntJCompLLIR 1995, 3; Büchner, RdA 1993, 193; Konzen, EuZW 1995, 39 ( 4 6 - 4 8 ) ; krit Curtin, The Constitutional Structure of the Union - a Europe of Bits and Pieces, CMLR 30 (1993) 17; monographisch Ari, Sozialpolitik nach Maastricht; Kliemann, Sozialintegration; und Kommentierung in: Grabitz / Hilf (-Langenfeld), Nach Art 122 EGV; zur Rechtsnatur etwa Schuster, EuZW 1 9 9 2 , 1 7 8 ; Wank, RdA 1995, 10 (14-18); Watson, CMLR 30 (1993) 481 ( 4 8 9 - 4 9 4 ) . Vgl Grabitz / Hilf (-Langenfeld), Nach Art 122 EGV, Art 2 EUV-Prot, Rn 3; Konzen, EuZW 1995, 3 9 (42) (Umsetzung der Materien der Gemeinschaftscharta); Wank, RdA 1995, 10 (18 f).

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tenzgrundlage herangezogen wurde. Durch die Kompetenzordnung im Amsterdamer Vertrag wird das Protokoll zudem überholt, genauer: zu verbindlichem Recht für alle Mitgliedstaaten (Art 137). c) Die Normsetzung durch Sozialpartner nach Art 4 II des Protokolls zur Sozialpolitik Die Rolle der Sozialpartner wurde durch das Protokoll und Abkommen zur So- 26 zialpolitik bestärkt (Art 3 f bzw zukünftig Art 138 f Amsterdamer Vertrag). Sie sind nicht nur in das hoheitliche Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen. Vielmehr wurde ihnen in Art 4 II des Abkommens (Art 139 II des Amsterdamer Vertrags) auch die Möglichkeit eröffnet, selbst die Inhalte zu erarbeiten, die der Rat dann durch Beschluß in Form einer Richtlinie für allgemeinverbindlich erklären kann. 58 Hierbei darf der Rat vom Inhalt der Vereinbarung nicht abweichen, muß diesen also entweder ganz übernehmen oder aber ein rein hoheitliches Gesetzgebungsverfahren einleiten,59 was dann, anders als im Verfahren nach Art 4 II,60 regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht des Europäischen Parlaments zur Folge hat. Nach diesem Verfahren wurden bisher zwei Regelungsakte erlassen:61 einer zum Elternurlaub, der nunmehr auf Mann und Frau erstreckt wird und ergänzt wird durch das Recht, bei Krankheitsfall in der Familie abwesend zu bleiben; und einer zur Teilzeitarbeit, in der diese grundsätzlich hinsichtlich wirtschaftlicher Rechte gleichgestellt werden soll. Letztere Regelung ist neben derjenigen zum Gesundheitsschutz von Teilzeitarbeitnehmern zu sehen (3.47), zugleich jedoch neben der insoweit entwickelten Rechtsprechung zum Gleichbehandlungsgrundsatz, der zugunsten von Teilzeitarbeitnehmern gilt, weil Teilzeitarbeit weit überwiegend von Frauen geleistet wird. d) Die Neuordnung durch den Amsterdamer Vertrag Mit dem Amsterdamer Vertrag wird (nunmehr in Art 137 EGV) mit Wirkung für 27 alle Mitgliedstaaten eine umfassende Kompetenz für das Arbeitsvertragsrecht eingeführt werden. Insbesondere wird die Befugnis zu Harmonisierungsmaß58

Z u diesem Verfahren vgl vor allem Birk, Vereinbarungen der Sozialpartner im Rahmen des Sozialen Dialogs und ihre Durchführung, EuZW 1997, 453; Heinze, ZfA 1997, 505 (515-520); Höland, Partnerschaftliche Setzung und Durchführung von Recht in der Europäischen Gemeinschaft - die Beteiligung der Sozialpartner nach dem Maastrichter Sozialabkommen, ZIAS 1995, 425; Kreimer-de Fries, EU-Teilzeitvereinbarung - kein gutes Omen für die Zukunft der europäischen Verhandlungsebenen, AuR 1997, 314; monographisch Bödding, Die europarechtlichen Instrumentarien der Sozialpartner, 1996; vgl auch Scknorpfetl, Sozialpolitische Entscheidungen der Europäischen Union - Modellierung und empirische Analyse kollektiver Entscheidungen des europäischen Verhandlungssystems, 1996.

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Gaul, N Z A 1997, 1022 (1023); Höland, ZIAS 1995, 425 (442-445); Wank, RdA 1995, 10 (20 f); Watson, CM LR 30 (1993) 481 (507); Weiss, FS Gnade 1992, 583 (593); demgegenüber für ein Anderungsrecht Heinze, ZfA 1997, 505 (519 f). Heinze, ZfA 1997,505 (520); Wank, RdA 1995,10 (20); Weiss, FS Gnade 1992,583 (593). Nachw unten 3.10/3.11 Fn 37 f.

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nahmen für „Arbeitsbedingungen" eingeräumt, also der Stand des Abkommens über die Sozialpolitik nunmehr für alle 15 Mitgliedstaaten erreicht. Prinzipiell ist dies ein zentraler Schritt. Erstmals wird vollumfassend dem Bedenken Rechnung getragen, daß „eine echte Kompetenz der EG für das Arbeitsrecht [nur vorliegt, wenn] ... bei einer Ermächtigungsgrundlage das Regelungsziel .Schutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber' im Vordergrund ..." steht. 62 Allerdings sind ebenso klar einige Ausnahmebereiche formuliert, die praktisch zudem zentrale Bedeutung haben. Im einzelnen handelt es sich um das Arbeitsentgelt und die zentralen Instrumente des Arbeitskampfrechts, das Koalitions-, das Streik- und das Aussperrungsrecht (Art 137 VI des Vertrages). Außerdem ist die praktische Bedeutung dieser Klarstellung insofern gemindert, als bisher Art 100, 100a EGV unter Hinweis auf einen notwendigen Abbau von Wettbewerbsverzerrungen herangezogen wurden und fortan umgekehrt einer Vollharmonisierung Art 3b II, III EGV (dann Art 5 des Vertrages) entgegen stehen wird. Am wichtigsten ist jedoch, daß sich an der Geltung des Einstimmigkeitsprinzips in den wichtigsten Feldern des Arbeitsvertragsrechts jenseits des Gesundheitsschutzes wenig ändert (Art 137 III des Vertrages). Die Norm erfaßt die soziale Sicherheit, die herkömmlich dem Gesundheitsschutz gegenüber gestellt wurde,63 und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es wird nunmehr versucht, den Anwendungsbereich des Einstimmigkeits- und des Mehrheitsprinzips stringent voneinander abzugrenzen. Damit werden Versuche noch fragwürdiger, Richtlinienmaterien so zuzuschneiden und umzuformulieren, daß sie bei sehr extensiver Auslegung unter die Kompetenznorm fallen könnten, nach der Mehrheitsentscheidungen zulässig sind.64 3. Das materielle Recht im Überblick a) Die Gemeinschaftscharta

der sozialen Grundrechte als Programm

2 8 Programm und Ziele des Europäischen Arbeits- und Sozialrechts und damit auch die wichtigsten Einzelgebiete sind in der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 65 umschrieben, die diesbezüglichen 62 63

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Wank, RdA 1992, 103 (112). Vgl etwa Blanpain /Schmidt /Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 139; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 80, 257. Diese Unterscheidung hat schon seit Maastricht mit Art 118a EGV einerseits und Art 2 III des (Prot und) Abkommens über die Sozialpolitik (1. Spiegelstrich) normative Kraft. Paradigmatisch ist hierfür die Gesetzgebungsgeschichte der Vorschläge bzw der einen verabschiedeten Richtlinie zu den atypischen Arbeitsverhältnissen: vgl unten 3.47 Rn 4 - 6 . Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte vom 9. 12. 1989, Entw vom 30.5. und 2. 10. 1989, KOM(89) 248 endg; KOM(89) 471 endg.; Abdruck auch http://www.ecohal.uni-halle.de. Literatur: Adamy / Bobke, Soziale Grundrechte in der EG, Arbeitsrecht der Gegenwart 2 7 (1990) 21; Bercusson, EUI Working Papers 1991; Birk, Gemeinschaftscharta und Aktionsprogramm, in: Birk / Erdmann / Lampert / Muhr (Hrsg), Europäischer Binnenmarkt und Harmonisierung des Arbeitsrechts, 1991, 17; Cova, L'Europe du

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Regelungsmaßnahmen und -projekte im zugehörigen Aktionsprogramm 6 * präzisiert. Dies gilt für das inzwischen bestehende Europäische Arbeitsvertragsrecht (vgl unten 4), die Charta umreißt jedoch außerdem zukünftige Perspektiven. In beiden Dokumenten sind (unterschiedlich detailliert) die arbeitsrechtlichen Gebiete festgelegt, für die Rechtsangleichungsmaßnahmen oder eine andere Form der gemeinschaftsrechtlichen Ausgestaltung angestrebt werden bzw die Mitgliedstaaten für verantwortlich erklärt werden. Die Entstehungsgeschichte der Gemeinschaftscharta ist in der Folge der Verab- 2 9 schiedung der Einheitlichen Europäischen Akte angesiedelt, 67 die, obwohl auf sie mit Art 118a E G V die erste sozialpolitische Kompetenznorm des EG-Vertrages zurückgeht, wegen ihrer Armut an sozialen Werten gerügt worden war. Das Vorhaben, soziale Rechte zu formulieren, geht zurück auf eine Forderung des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 19. 11. 1 9 8 7 und nahm in dessen (sehr weitgehendem) Charta-Entwurf vom 24. 1. 1989 konkrete Form an; dieser wurde von Thatcher als desaströs für die Europäische Wettbewerbsfähigkeit kritisiert und fand daher keine einhellige Zustimmung im Rat auf dem Madrider Gipfel Juni 1989. 6 8 Auch die Bundesrepublik, insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium, zeigten sich teilweise reserviert. 69 Umgekehrt wurde am Vorschlag der Kommission im Europäischen Parlament und von den Gewerkschaften die Unverbindlichkeit kritisiert. 70 Die Kommission legte zur Umsetzung

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travail - la Charte Sociale, RMC 1990,109; Duren, La charte communautaire des droits sociaux fondamentaux devant le parlement, RMC 1991,19; Heinze, Die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer und die Vertragsrevision des Unionsvertrages 1996, FS Wlotzke 1996, 671; ν Maydell, Die europäische Charta sozialer Grundrechte, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG - Bausteine einer zukünftigen europäischen Sozialunion, Berlin (Schmidt) 1990, 122; Riley, The European Social Charter and Community Law, ELR 1989, 80; Zuleeg, Eine neue Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte?, AuR 1995, 429. Mitteilung der Kommission über ihr Aktionsprogramm zur Anwendung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte vom 29. 11. 1989, KOM(89) 568 endg. Zu den späteren (und aktuellen) Aktionsprogrammen, vor allem KOM(95) 134, vgl etwa Ringler, Sozialunion, S 240-243. Zu Deklarationen, Resolutionen, Stellungnahmen aus dieser Zeit (vor allem aus bundesdeutscher Sicht): vgl etwa ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (123-127). Vgl Adamy / Bobke, Arbeitsrecht der Gegenwart 27 (1990) 21 (22 f); ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (136-138). Adamy/Bobke, Arbeitsrecht der Gegenwart 27 (1990) 21 (23 f); ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (137). Adamy /Bobke, Arbeitsrecht der Gegenwart 27 (1990) 21 (26); ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (137 f). Das Europäische Parlament hatte am 12. 4. 1989 eine Entschließung zur Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten angenommen, die auch soziale Rechte aufweist: Dok A2-3/89 = EuGRZ 1989, 204-207; dazu Beutler, Die Erklärung des Europäischen Parlaments über Grundrechte und Grundfreiheiten vom 12. April 1989, EuGRZ 1989, 185; Nickel, Die Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten des Europäischen Parlaments - ein Schritt zur Verringerung des Grundrechtsdefizits der Europäischen Gemeinschaften, in: Magiera (Hrsg), Das Europa

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der Charta, wenige Tage vor deren Verabschiedung das genannte Aktionsprogramm vor. Letztlich wurde die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer als unverbindlicher Akt verabschiedet. 71 Dies und die damals ablehnende Haltung Großbritanniens 7 2 werden jedoch zunehmend Rechtsgeschichte. Schon bisher war es eher eine Frage der Uberzeugungskraft des Anliegens, ob eine in der Gemeinschaftscharta anvisierte Maßnahme für alle Mitgliedstaaten zustande kam - so etwa bei der Änderungs-Richtlinie zur Massenentlassungs-Richtlinie (vgl unten 3.30). Ein Gegenbeispiel bildet der Komplex der atypischen Arbeitsverhältnisse, in dem viele Projekte auf so breiter Basis nicht durchsetzbar erscheinen (vgl unten 3.47). Immerhin wurde mit der Charta schon 1989 die soziale Dimension im politischen Bewußtsein auf Gemeinschaftsebene gestärkt 7 3 - selbst ohne rechtliche Auswirkung. 74 3 0 Die Charta wird jedoch im Amsterdamer Vertrag münden. 7 5 Dann wird die Charta zumindest Auslegungsleitlinie werden. Anders ist die Erwähnung in

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der Bürger in einer Gemeinschaft ohne Binnengrenzen, 1990, 89. Auch später blieb die Unverbindlichkeit zentraler Kritikpunkt: Steinmeyer, Freizügigkeit und soziale Rechte in einem Europa der Bürger, in: Magiera (Hrsg), Das Europa der Bürger in einer Gemeinschaft ohne Binnengrenzen, 1990, 63 (77-80); zurückhaltend (getroffene Wahl „zumindest verständlich") ν May dell aaO 147. Auch ansonsten ist die Bewertung gespalten: vgl etwa einerseits eher positiv Zuleeg, EuGRZ 1992, 329 (334); andererseits Birk, Beiheft EuR 1/1990, 17 (17-33). Adamy / Bobke, Arbeitsrecht der Gegenwart 27 (1990) 21 (29); vMaydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (146 f); Weiss, Die europarechtliche Regelung der Massenentlassung, RdA 1992, 367 (370); Zuleeg, AuR 1995, 429 (430); ders, EuGRZ 1992, 329 (331). Befürchtet wurde, daß andernfalls der EuGH wegen der Offenheit der sozialen Grundrechte - gleichgültig, ob nun als soziale Rechte zu verstehen oder als Effektivierung der Freiheitsrechte (vgl Zuleeg aaO 430) oder gar genereller als Bürgerrecht (vgl ν Maydell aaO 143 f) - auf diesem im Gemeinschaftsrecht neuen Gebiet geradezu legislativ tätig werden würde. Etwa Hanau, EG-Binnenmarkt und Arbeitsrecht, S 24. Das Vereinigte Königreich stimmte dem Abkommen damals nicht zu (vgl dessen Titel) und protestierte mehrfach, etwa in der Ratssitzung vom 30. 4. 1992 formell gegen die Bezeichnung „Gemeinschaftscharta". Vgl Weiss, RdA 1992, 367 (370); und auch Zuleeg, AuR 1995, 429 (430). vMaydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (148 f). Angesichts der fehlenden Zustimmung der zuständigen Gesetzgebungsorgane war die Charta, soweit sie nicht umgesetzt war und, wie häufig, auf sie in der jeweiligen Präambel verwiesen wurde, nicht einmal als Auslegungsleitlinie heranzuziehen. Wohl ebenso Zuleeg, AuR 1995, 429 (430). Wichtige Wegsteine bis dahin bilden das Weißbuch der Kommission vom 27. 7.1994 Europäische Sozialpolitik - ein zukunftsweisender Weg für die Union, KOM(94) 333 endg und die Entschließung des Rates vom 6. 12. 1994 zu bestimmten Perspektiven einer Sozialpolitik der Europäischen Union - ein Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Konvergenz in der Union, AB1EG 1994 C 368/6. Sie betonen, soweit es darum geht, „Arbeitnehmerrechte durch soziale Mindeststandards [zu] schützen" (AB1EG 1994 C 368/6 [8 f]), vor allem die erfolgreiche Arbeit der Vergangenheit, die Notwendigkeit, in Zukunft pragmatisch, flexibel und vorsichtig vorzugehen, und den Vorrang von Einstimmigkeit und Einigung der Sozialpartner als Verabschiedungsmodus. Ein auch nur annähernd vergleichbarer Schub wie Ende der 80er Jahre wurde dadurch nicht ausgelöst.

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Art 136 des Amsterdamer Vertrages nicht zu verstehen. Die gewählte Formel ist als Kompromiß zwischen denjenigen Stimmen, die für eine Integration der Charta in den Vertrag plädierten, 76 und denjenigen, die sich dagegen aussprachen oder die Charta ganz ablehnten, zu verstehen. Insbesondere würde mit der Ratifikation auch Großbritannien der Charta zumindest im Grundsatz zustimmen. Formell wurde freilich kein verbindlicher Grundrechtskatalog beschlossen. Angesichts der Flexibilität, mit der der E u G H allgemeine Rechtsgrundsätze im Grundrechtsbereich entwickelt, wird wahrscheinlich kaum ein Unterschied im Ergebnis verbleiben. Inhaltlich spricht die Gemeinschaftscharta arbeitsvertragsrechtliche Positionen in 31 ihren Nr 1 - 5 , 7 - 9 , 1 5 f und 1 9 - 2 3 an. Grundpositionen des hier nur annexweise erörterten kollektiven Arbeitsrechts (Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie und Streikfreiheit, nicht: Aussperrungsfreiheit) sind in Nr 1 1 - 1 4 verbürgt, Mitwirkungsrechte (des Betriebsrates) in Nr 17 f. Auch die Berufs(wahl)freiheit (Nr 4), jedenfalls der Anspruch auf Zugang zu den Arbeitsämtern (Nr 6) und Ansprüche des Sozialversicherungsrechts (Nr 10) richten sich primär gegen staatliche Stellen. Arbeitsvertraglichen Gehalt haben ebenfalls kaum einmal Nr 2 4 - 2 6 zu den finanziellen und den Lebensbedingungen älterer Menschen und Behinderter. Insbesondere letztere Gruppe, für die Arbeitsverträge (noch) Bedeutung haben, ist im Europäischen Schuldvertragsrecht bisher nicht gesondert erfaßt. Unter den arbeitsvertraglichen Bestimmungen wird das Verbot einer Diskrimi- 3 2 nierung nach Staatsangehörigkeit (3.01) in Nr 1 - 3 an die Spitze gestellt, es ist freilich primärrechtlich bereits mindestens ebenso konkret ausgestaltet. Sehr unbestimmt bleiben die Regeln zur Zeit-, Teilzeit- und Leiharbeit (3.47) in Nr 5 und 7. Fragen der Arbeitszeit (3.40) sind in Nr 7 und 8 (sowie implizit in Nr 19) angesprochen, außerdem solche der Massenentlassung (3.30). Freilich wurden dort die Regelungsgegenstände nur benannt, keine inhaltlichen Ziele formuliert. 77 Anders ist dies erst in Nr 18 hinsichtlich der Massenentlassungen. Anders ist dies (trotz Verweises auf die „Gegebenheiten der einzelnen Länder") auch in Nr 9, der die Niederlegung der wesentlichen Bedingungen regelt, die für das Arbeitsverhältnis gelten (3.20). Nur am Rande arbeitsvertragsrechtliche Bedeutung hat der Programmsatz zum Zugang zur Aus- und Fortbildung (Nr 15). Ein Schwerpunkt der Gesetzgebungstätigkeit ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen Mann und Frau (3.10/3.11) in Nr 16 genannt; Bedeutung hat die Nummer in Zukunft für die noch nicht gemeinschaftsrechtlich verbindlich geregelten Fragen einer Koordinierung von Beruf und Familie. Den Hauptpunkt Gesundheitsschutz ( 3 . 4 3 - 3 . 4 7 ) , auch für junge Leute, betreffen Nr 1 9 - 2 3 , wobei auch wirtschaftliche Rechte und Rechte auf erfolgsversprechende Entwicklung einbezogen wurden (Nr 21, 23), wie sie bisher im Gemeinschaftsrecht nicht geregelt sind.

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Die Charta hätte dann die Form eines verbindlichen Grundrechtskatalogs angenommen: Prominent hierfür etwa Zuleeg, AuR 1995, 429 (429 f). Vgl die Fehlliste in diesem Bereich bei ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (141).

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

33 Die vorhandene Regelung läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß nicht für alle Fragenkomplexe Vorgaben in dem Sinne gemacht wurden, daß kommende Gemeinschaftsmaßnahmen angedacht erscheinen. Viele Positionen sind nur angesprochen, ihre Regelung wurden jedoch den Mitgliedstaaten überlassen (Nr 5, 8, 21). Auch im Prinzip ist die Durchführung der Charta primär den Mitgliedstaaten überantwortet (Nr 27). Damit ist also kein - ohnehin nur unverbindlicher - Harmonisierungsauftrag an die Gemeinschaft ergangen. Eine Reihe von Regeln wenden sich zwar an die Gemeinschaft, sind jedoch im Schutzstandard eher zurückhaltend oder gar nichtssagend ausgestaltet (Nr 7, 15). Zudem sind manche Positionen, da sie nur grundfreiheitlich Verbürgtes wiederholen, ohne weitere auch nur programmatische Bedeutung (Nr 1-3, 7 8 teils auch Nr 16). Der Kreis der verbleibenden und für das Gemeinschaftsrecht angedachten Regelungspunkte mit arbeitsvertragsrechtlichem Gehalt ist relativ klein (Nr 9, 16, 18-20, 22 f, soweit überhaupt vertragsrechtlich auch Nr 4). 34 Andere Positionen sind bewußt nicht einmal in dieser unverbindlichen Form verbürgt worden, insbesondere ein Recht auf Arbeit.79 Auch sonst finden sich durchaus substantielle Lücken, etwa bei vielen Fragen der Arbeitszeit, die die Arbeitszeit-Richtlinie (3.40) dann durchaus regelte, bei der Entgeltfortzahlung, beim Schutz besonderer Arbeitnehmergruppen (Jugend-, Mutter-, Schwerbehinderten- und Leiharbeitnehmerschutz),80 wo wiederum die Gesetzgebungsgeschichte der folgenden Dekade bis heute doch einige Regelungen brachte (3.45 bis 3.47), freilich nicht für die Schwerbehinderten. Überhaupt sind die Gemeinschaftsrechtsakte, die vorgesehen waren,81 sämtlich erlassen worden - wenn auch teilweise mit eher minimalem Standard und mit der wichtigen Ausnahme der atypischen Arbeitsverhältnisse.82 b) Das Gesamtprogramm

in historischer und systematischer Sicht

35 Das bestehende Europäische Arbeitsvertragsrecht läßt sich in seiner historischen Entwicklung dahingehend verstehen, daß zunächst diejenigen Maßnahmen mit der stärksten grenzüberschreitenden Dimension und dem stärksten Grundfreiheitenbezug verwirklicht wurden. Besonders klar ist dies zunächst für die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung von 1968 (3.01), sodann, schon weniger eindeutig, für die Massenentlassungs- und die Betriebsübergangs-Richtlinie aus der Mitte der 70er Jahre (3.30, 3.31). Parallel dazu ergingen nur die Gleichbehandlungs-Richtlinien (3.10, 3.11), die durch Art 119 EGV besonders gut zu legitimieren waren. In den 80er Jahren setzte die Entwicklung des Gesundheitsschutzes ein, zunächst stark auf die Beseitigung technischer Handelshemmnisse ausgerichtet, ab 1989 genuin arbeitsschutzrechtlich. Gänzlich außerhalb dieses ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (140). ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (141); auch de lege ferenda dagegen: Zuleeg, AuR 1995, 4 2 9 (429). so v Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (141). 81 Vgl Übersicht: ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (150 f). 82 Zu den gescheiterten Projekten in diesem Bereich vgl unten 3 . 4 7 Rn 4 f.

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Denkens steht allein die Nachweis-Richtlinie, die umgekehrt jedoch nur eine Transparenzregelung enthält, also dem Bereich zuzurechnen ist, an dem Regulierung nach der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung primär anzusetzen hat. 83 Systematisch läßt sich der Bestand in fünf Großgruppen untergliedern (4 a-e), 3 6 von denen die vierte - die Arbeitszeit betreffende - zwar traditionell nicht als Teil der fünften - zum Arbeitsschutz und zur Arbeitsumwelt - gesehen wird, nach ihrer konkreten Ausgestaltung jedoch mit dieser eine signifikante Zielkongruenz aufweist. Die Arbeitnehmerentsende-Richtlinie (3.60) fällt demgegenüber aus dem Rahmen der arbeitsrechtlichen Harmonisierungsrichtlinien, die neue, EG-weite Standards schaffen, heraus. Sie modifiziert für die zentralen Fälle eines grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatzes den Grundmechanismus, der sich in der Frage, welches Arbeitsrecht Anwendung findet, aus dem Zusammenspiel von EG-Primärrecht und Europäischem Vertragsrechtsübereinkommen ergibt. Sie behandelt also allein die kollisionsrechtliche Frage, welches der nationalen Rechte - harmonisiert oder unharmonisiert - in diesen Fällen Anwendung findet und bildet damit eine lex specialis zum Europäischen Vertragsrechtsübereinkommen (1.01).

4. Wichtigste Einzelgebiete (mit Kurzhistorie) a) Diskriminierungsverbote Am Anfang des Europäischen Arbeitsrechts standen die Diskriminierungsver-

bote. Das Verbot einer Diskriminierung von Staatsangehörigen anderer Mitglied-

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staaten gehört zu den Grundpfeilern des Integrationsprozesses. Das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Staatsangehörigkeit (Art 6 EGV) findet sich daher unter den „Grundsätzen", im 1. Teil des EG-Vertrages. Seine spezielle Ausprägung für das Arbeitsrecht in Art 48 II E G V und in Art 7 der Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung (3.01) nimmt an diesem Grundsatzcharakter teil. Dieses Diskriminierungsverbot erfaßt grundsätzlich jede, auch versteckte Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Arbeitsvertragsrecht 84 und steht unmittelbar im Dienste des Primärzieles der Römischen Verträge, der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes bzw heute eines Binnenmarktes. Neben den Beschränkungen bilden die Diskriminierungen die zweite Kategorie nationaler Maßnahmen, die die Errichtung eines Binnenmarktes behindern. Weniger unmittelbaren Bezug zu diesem Primärziel hat das zweite Diskriminie- 3 8 rungsverbot im Europäischen Arbeitsrecht, das heute in der Gesetzgebungstätigkeit und Judikatur eine noch prominentere Rolle spielt. Das Verbot einer Diskriminierung nach dem Geschlecht ist zwar ebenfalls schon seit 1957 im Primärrecht verankert, heute in Art 119 EGV. Doch ist es im 1. Teil, unter den „Grundsätzen", nur von dem pauschalen Verweis in Art 3 lit. i E G V umfaßt.

« Vgl oben 1. Teil Rn 6 2 . 84

Der Sache nach hierher zählen auch die vom E u G H entwickelten Regeln über den N a c h weis einer Erkrankung beim Heimaturlaub, von dem die Lohnfortzahlung anhängt: vgl unten 3 . 0 1 Rn 18 f.

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

Es wird nicht selbständig genannt. Historisch spielte sicherlich eine Rolle, daß Frankreich, dessen Rechtsordnung ein entsprechendes Diskriminierungsverbot aufwies, Kostennachteile befürchtete, wenn dieses nicht fortan gemeinschaftsweit zur Anwendung gekommen wäre. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wurde jedoch - deutlich weitergehend - zu einem Grundpfeiler in der Integrations- und Sozialphilosophie der Gemeinschaft.85 39 Mit den beiden EG-Richtlinien zur Gleichbehandlung beim Lohn von 1975 (3.10) und bei allen sonstigen arbeitsrechtlichen Fragen von 1976 (3.11) wurde dieses Diskriminierungsverbot sehr früh detailliert ausgestaltet. Kein Gebiet des Europäischen Vertragsrechts hat eine so umfangreiche Judikatur des EuGH hervorgerufen wie dieses. Schon bevor der EuGH der Einräumung von Rechten in einer betrieblichen Altersversorgung Entgeltcharakter zusprach,86 wurde mit der EG-Gleichbehandlungs-Ricbtlinie betriebliche Altersversorgung von Mitte 1986 eine Ergänzung und Präzisierung der Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn geschaffen.87 Für Fragen der Durchsetzung, hier der Beweislast, entstand unlängst ein Flankenschutz mit der EG-Gleichbehandlungs-Richtlinie Beweislast, für die sich freilich schon in der EuGH-Rechtsprechung umfangreiche „Vorarbeiten" finden,88 so daß sich die gemeinschaftsrechtliche lex lata wiederum kaum ändert. Ende 1986 war das Gleichbehandlungsgebot mit der EG-Gleichbehandlungs-Richtlinie Selbständige auf den Bereich der selbständigen Arbeit erstreckt worden.89 Diese fünf Richtlinien, von denen vorliegend die beiden Grundregelungsakte eingehender kommentiert werden, weil auf sie letztlich alle wesentlichen vertragsrechtlichen Regelungsgehalte zurückgeführt werden können, bilden die lex lata der Gleichbehandlungsproblematik im geltenden Gemeinschaftsrecht des Arbeitsvertrages. 40 Auch jenseits des geltenden Europäischen Arbeitsvertragsrechts finden sich zahlreiche Regelungsakte und programmatische Akte. Dies gilt zunächst für weitere verbindliche Akte. Kein Teil des Entgelts bilden nach der Judikatur des EuGH Rechte auf Altersversorgung aus der staatlichen Sozialversicherung.90 Daher fällt bei Zugrundelegung dieser Judikatur, dh bei gemeinschaftsrechtlich orientierter Kategorienbildung, die diesbezügliche EG-Richtlinie91 aus dem Europäischen Schuldvertragsrecht heraus. Der Bereich der Gleichbehandlung der Geschlechter,

85

Z u all dem vgl näher unten 3 . 1 0 / 3 . 1 1 Rn 3 f.

«« Erstmals im Urteil v o m E u G H 17. 5. 1 9 9 0 - Rs C - 2 6 2 / 8 8 {Barber), Slg 1 9 9 0 , 1-1889 ( 1 9 5 0 - 1 9 5 2 ) ; vgl näher unten 3 . 1 0 / 3 . 1 1 Rn 2 0 . 8 7 N a c h w und Kurzkommentar unten 3 . 1 0 / 3 . 1 1 Rn 11: Weiterreichende Regelungsgehalte als die in Art 119 E G V und die in der Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn (3.10) niedergelegten enthält diese Richtlinie aus heutiger Sicht kaum. Angekündigt ist sie in Art 1 II der Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11). 8 8 Vgl auch insoweit die N a c h w und kurzen Ausführungen unten 3 . 1 0 / 3 . 1 1 Rn 13. 8 9 N a c h w unten 3 . 1 0 / 3 . 1 1 Rn 12. *> E u G H 2 5 . 5. 1 9 7 1 - Rs 8 0 / 7 0 (Defreme I), Slg 1971, 4 4 5 (451 f). 9 1 Richtlinie des Rates 7 9 / 7 / E W G v o m 19. 12. 1 9 7 9 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, AB1EG 1 9 7 9 L 6 / 2 4 .

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der Förderung von Frauen (sogenannte positive action) und - nahe verwandt des Schutzes von Frauen in ihrer geschlechtsspezifischen Würde und insbesondere vor sexueller Belästigung ist Gegenstand einer Reihe von Entschließungen und sonstigen Äußerungen der verschiedenen Organe der Gemeinschaft geworden, 9 2 denen allen eine faßbare rechtliche Verbindlichkeit fehlt und die nicht einmal zur Auslegung verbindlicher Rechtsakte heranzuziehen sind, wenn sie nicht in den Willen der zuständigen Gesetzgebungsorgane aufgenommen wurden. 93 Den Anlaß des umfassenden Regelungskomplexes mag die Angst in Frankreich 41 vor Kostennachteilen („Wettbewerbsverzerrungen") gegeben haben. Das Verbot einer Diskriminierung wegen des Geschlechts kann jedoch als Beitrag zum Abbau von Behinderungen und Diskriminierungen iSd Grundfreiheitendogmatik verstanden werden. Da diskriminierende Grundeinstellungen in alle Fragenkomplexe und für den Betroffenen wenig vorhersehbar einwirken, sind sie tendenziell stärker geeignet, die Wahl des Aufenthaltsorts durch den Arbeitnehmer zu beeinflussen als Regelungen für einzelne, punktuelle Fragen: Daß Diskriminierungstendenzen in einem Land geeignet sind, Frauen in der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit potentiell zu behindern, wird plausibel, wenn man sich vergegenwärtigt, welche psychologischen Probleme viele Frauen hätten, als Gastarbeitnehmerinnen gerade in ein islamisches Land zu gehen. Außerdem kann das Verbot einer Diskriminierung wegen des Geschlechts, selbst wenn es als nicht unmittelbar binnenmarktbezogen zu verstehen wäre und nur Kostenfaktoren anzugleichen wären, auch als Flankenschutz für das - unmittelbar binnenmarktbezogene - Verbot einer Diskriminierung von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten verstanden werden. Denn das zweitgenannte Verbot ist gleichfalls fester im politischen Bewußtsein zu verankern, wenn auch die Diskriminierung nach dem Geschlecht als die zweite insoweit zentrale Form der Diskriminierung verboten ist. Die Gleichbehandlungsphilosophie - etwa hinsichtlich Staatsangehörigkeit - wirkt umso überzeugender und eindringlicher, je stärker sie auf alle zentralen, überwiegend historisch bedingten Formen der Ungleichbehandlung von im wesentlichen Gleichem bezogen wird. Und neben der Ungleichbehandlung unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten ist diejenige unterschiedlicher Geschlechter die eindrucksvollste. Beiden Regelungsbereichen kann genereller für den Binnenmarktprozeß Vorreiterrolle zukommen, da insoweit auch und gerade Private umfassend den binnenmarktfördernden Verboten unterworfen werden - unabhängig von Marktmacht - , was für die Anwendung der Grundfreiheiten und deren Behinderungs- und Diskriminierungsverboten überwiegend abgelehnt wird. 94 Zu den Rechtsakten zur Gleichbehandlung traten Mitte der 70er Jahre noch 4 2 zwei zu Problemen bei Unternehmensumstrukturierung hinzu (unten c), bevor die gemeinschaftsrechtliche Regulierung - zeitlich gesehen - in ein Wellental 92

93 94

Vgl die Aufstellungen bei Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 139, 142, 189, 210 f und unten 3.45 Fn 7 f. Vgl im einzelnen oben 1. Teil Rn 138, 144. Vgl oben 1. Teil Rn 54.

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

tauchte, aus dem sie sich erst Ende der 80er Jahre wieder mit Rechtsakten in einigen Schwerpunktgebieten erhob. 95

b) Minimumtransparenz durch Nachweispflichten 4 3 Die erste Regelung des Europäischen Arbeitsrechts, die nicht nur spezielle Situationen, „typische Krisenherde" zum Gegenstand hat, sondern alle Arbeitsverhältnisse und in ihnen individualrechtliche Ansprüche statuiert, ist die Nachweis-Richtlinie (3.20). Sie sieht die schriftliche Informierung des Arbeitsnehmers über die wesentlichen Punkte zum Bestand des Arbeitsverhältnisses und zu den daraus fließenden Rechten und Pflichten vor. Teils kann die Information durch Verweis auf anwendbare Normen erfolgen, wodurch die Transparenz tendenziell gemindert, die Kosten der Aufklärung jedoch ebenfalls gesenkt werden. Ziel der Information ist es, für den Arbeitnehmer und auch für den Arbeitgeber Rechtssicherheit zu schaffen, solchermaßen manches „außer Frage" zu stellen und diesbezügliches Streitpotential abzubauen. Besondere Informationen sind bei der Entsendung ins Ausland und bei Änderungen geschuldet. Am Anfang eines Allgemeinen Teils des Europäischen Arbeitsvertragsrechts steht also eine grundsätzlich lückenlose Transparenzregelung - wie häufig im Europäischen Schuldvertragsrecht, beispielsweise in so weit entfernten Rechtsgebieten wie dem Versicherungs- und auch dem Bankvertragsrecht ( 4 . 3 0 - 1 / 2 / 3 , bzw 4.10, 4.13, 4.20, 4.21). Die Rechtsprechung des EuGH zum Vorrang des Transparenzmodells, wann immer es genügend Schutz verbürgt, 96 ist daher bei der Betrachtung sonstiger Harmonisierungsmaßnahmen stets mitzubedenken. Die NachweisRichtlinie harmonisiert - ähnlich wie die genannten versicherungs- und bankrechtlichen Rechtsakte und auch beispielsweise die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) - die nationalen (Arbeits-)Vertragsrechte nicht, sie macht sie für den Arbeitnehmer jedoch transparenter, besser vergleichbar. 97

c) Schutzregeln bei Unternehmensumstrukturierungen 4 4 In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Basisrichtlinien zur Gleichbehandlung wurden die beiden Richtlinien zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer bei Untemehmensumstrukturierung erlassen. Die zweite der beiden geht deutlich weiter und spielte deshalb in der Rechtsprechung des EuGH nach und neben den Rechtsakten zur Gleichbehandlung die gewichtigste Rolle 98 - nicht nur im Europäischen Arbeitsrecht, sondern genereller im Europäi95

97 98

Vgl für diese Entwicklung etwa Zachert, AuR 1989, 161 (163). Immer wieder wird angemahnt, daß die weitere Harmonisierung nicht zu forsch erfolge, etwa Heinze, ZfA 1992, 331; Junker, J Z 1994, 2 7 7 (286); umgekehrt Nachw oben Fn 4. Vgl oben 1. Teil Rn 62. Im einzelnen zu den (Transparenz-)Zielen der Richtlinie unten 3 . 2 0 Rn 2 f. Vgl die große Untersuchung von Buchner, ZfA 1993, 2 7 9 ( 2 9 5 - 3 3 8 ) (außerdem noch Grundfreiheiten-Rspr, auch im Zusammenhang mit Arbeitnehmerentsendung, 3.60); ebenso die Auswahl etwa bei Heither, EWS 1993, 168; Preis, ZIP 1995, 891 ( 8 9 5 - 9 0 8 ) ; und noch für 1 9 9 5 - 1 9 9 7 : Dötsch, AuA 1997, 160 (160-163).

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sehen Schuldvertragsrecht, allenfalls eingeholt noch von den Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen (5.22-5.25). An diesen Rechtsakten (3.01, 3.10, 3.11 und 3.31) entspann sich der Dialog zwischen EuGH und deutscher Praxis und Wissenschaft, der von deutscher Seite überwiegend kritisch, teils geradezu polemisch kommentiert wurde." Gestaltungsprinzipien der EuGH-Rechtsprechung im Europäischen Schuldvertragsrecht sind bisher primär in der Auseinandersetzung mit diesen Rechtsakten zu finden. So wurden vor allem im Arbeitsvertragsrecht die Instrumente des Europäischen Privatrechts entwickelt. 100 Die um ein Jahr früher erlassene Massenentlassungs-Richtlinie (3.30) regelt nur 4 5 verfahrensmäßige, nicht jedoch materielle Voraussetzungen von Kündigungen im Zuge von Massenentlassungen. Hierbei wird unterschieden zwischen der Konsultation einer von den Mitgliedstaaten festzusetzenden Arbeitnehmervertretung mit dem Ziel der Einigung und Abwendung der Massenentlassung (Art 2 der Richtlinie) und der Anzeige bei einer Behörde mit sich daran anschließender Frist bis zum Wirksamwerden der Kündigungen (Art 3 f der Richtlinie). Deutlich ist der Binnenmarktbezug, da ein spektakulärer Fall von mittelbarer Diskriminierung (nach der Staatsangehörigkeit) durch ein privates Unternehmen den Anlaß der Richtlinie bildete: Bei der Umstrukturierung des AKZO-Konzerns im Jahre 1973 wurden diejenigen Standorte zur Durchführung von Massenentlassungen ausgewählt, an denen die geringsten Folgekosten zu erwarten, vor allem die Kündigungsschutz- und sonstigen Sozialvorschriften am wenigsten streng waren. Verglichen mit anderen Regelungsfeldern ergibt sich: Bei der Massenentlassung ging es nicht um Marktabschottung (wie etwa im Wettbewerbsrecht), sondern potentielle Diskriminierung nach Standorten und damit mittelbar typischerweise auch nach der Staatsangehörigkeit. Dieser auch primärrechtlich relevante Hintergrund ist zu beachten. Wichtig für das Verständnis des Harmonisierungszugriffs ist auch ein Vergleich mit der - im Gemeinschaftsrecht nicht geregelten und zudem auch in der Kompetenzordnung primär dem Einzelstaatenrecht zugeordneten - Einzelkündigung. Die Massenentlassung ist ungleich stärker integrationsrelevant, weil sie, soweit sie diskriminierend vorgenommen wird, aufgrund ihrer breiteren Wirkung Zweifel an der Gemeinschaft ungleich stärker aufkommen läßt. Auch sind die Möglichkeiten strategischen Denkens mit einer Ausnutzung des Regelungsgefälles (Stichwort „race to the bottom") stärker ausgeprägt. Schon hier zeigt sich ein bevorzugter Zugriff auf

99

Vgl nur Junker, NJW 1994, 2 S 2 7 ; Schiefer, DB 1993, 38; Wißmann, RdA 1995, 193; und umgekehrt: Zuleeg, RdA 1996, 71 sowie AuR 1994, 7 7 ; für ein Teilgebiet etwa Ellis, Recent Case Law of the Court of Justice on the Equal Treatment of Women and Men, CMLR 31 (1994) 43 (75); jüngst wurde die Polarisierung mit der Offenheit der Rechtsakte begründet und die Integrationsleistung betont, die über „Fehler" nicht vergessen werden solle: Dötsch, AuA 1997, 160 (160, 163); wohltuend unaufgeregt Zwanziger, BB 1 9 9 5 , 1 4 0 4 (bes 1407 f); auch Preis / Bütefisch, EAS B1100 Rn 61; und zur notwendigen Dialogbereitschaft gerade auch von deutscher Seite: Buchner, ZfA 1 9 9 3 , 2 7 9 ( 2 8 0 - 2 8 5 ) ; Bestandsaufnahme bei Preis / Bütefisch, EAS B1100 Rn 1 1 6 - 1 7 9 ; und ausführlich Schlachter, Kooperationsverhältnis.

100

Vgl nur Zuleeg, RdA 1992, 133 (138-140).

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die stärker integrationsrelevanten Fragen. Die mögliche Qualifikation gewisser Massenentlassungen als mittelbar diskriminierend belegt freilich, daß ähnliche Verhaltensweisen außerhalb des Anwendungsbereichs der MassenentlassungsRichtlinie, insbesondere unterhalb der dort genannten Schwellen, zumindest am Maßstab des Art 48 EGV und der Arbeitnehmerfreiziigigkeits-Verordnung (3.01) zu überprüfen sind. 46 Wie die Massenentlassungs-Richtlinie hat auch die Betriebsübergangs-Richtlinie (3.31) einen grundsätzlich umfassenden Anwendungsbereich. Im Gegensatz zu jener werden in ihr jedoch wirtschaftliche Rechte der Arbeitnehmer verbürgt, statuiert die Richtlinie also materielle, nicht nur Verfahrens mäßige Pflichten: Die Rechte von Arbeitnehmern gehen auf den Betriebsübernehmer über. Dadurch soll insbesondere verhindert werden, daß ein Betrieb auf einen Rechtsträger übergeht, der weniger Rechte einräumt. Mit anderen Worten: Die Rechte der Arbeitnehmer und wirtschaftlichen Arbeitsbedingungen sollen in dieser Konstellation nicht Wettbewerbs- und Rationalisierungsparameter werden. 101 Wiederum ist der Binnenmarktbezug plausibel: Wiederum würde ohne Harmonisierung ein Anreiz fortbestehen, Betriebe in Länder zu übertragen (etwa auf eine Konzerntochter), die den Übergang der Arbeitnehmerrechte nicht kennen. Das zum Binnenmarktbezug der Massenentlassungs-Richtlinie Gesagte gilt demnach cum grano salis auch hier. Weit wurde der Anwendungsbereich vor allem durch eine weite Auslegung von zwei Begriffen: desjenigen des „Betriebs", der zeitweise so weit gestreckt wurde, daß dies einigen Mitgliedstaaten nicht tragbar erschien, und desjenigen des „Übergangs", der nicht auf vertragliche Formen des Wechsels der Rechtsträgerschaft beschränkt blieb und aus dem im wesentlichen nur der Konkurs ausgenommen wurde. In diesem Punkte wurde (vor allem) die Betriebsübergangs-Richtlinie ergänzt durch die Richtlinie zum Arbeitnehmerschutz bei Insolvenz des Arbeitgebers. 102 Diese steht bereits jenseits des Vertragsrechts und wird im folgenden ausgeklammert. Neben den Fragen des Anwendungsbereichs waren es diejenigen des Rechteübergangs, die die Rechtsprechung vor allem beschäftigten, zumal bei Kollektivvereinbarungen und bei Widerspruch des Arbeitnehmers. d) Überlastungsschutz - Arbeitszeit 47 Arbeitszeitregeln kennt das Gemeinschaftsrecht generell für Arbeitsverhältnisse in der Arbeitszeit-Richtlinie (3.40) und speziell für den Bereich des Straßenver-

i°i Vgl näher unten 3.31 Rn 2. 102 Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. 10. 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, AB1EG 1980 L 283/23; Änderung durch Richtlinie 87/164/EWG des Rates vom 2. 3. 1987, AB1EG 1987 L 66/11; zu dieser Richtlinie vgl nur Weber, Sicherung des Arbeitsentgelts bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, EAS - Systematische Darstellungen, Nr B3300. Für das deutsche Recht wurde davon ausgegangen, es stehe bereits umfassend im Einklang mit der Richtlinie, und daher auf eine Umsetzung verzichtet; vgl Wiesner, EuZW 1995, 821 (831).

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kehrs.103 Die erste Rechtsangleichungsmaßnahme wurde auf Art 118a EGV gestützt (die zweite auf die speziell verkehrsrechtliche Kompetenznorm des Art 75 EGV). Damit ist zugleich angesprochen, daß die Regeln zur Arbeitszeit auch oder gar primär dem Arbeits- oder Gesundheitsschutz bei der Arbeit dienen.104 Speziell Art 15 der Arbeitszeit-Richtlinie macht dies auch sehr deutlich.105 Im Bereich des Verkehrs wird zusätzlich Drittschutz angestrebt, wiederum um des Gesundheitsschutzes willen. Die Gesundheit bildet nun einen Elementarwert, der sowohl im Primär- als auch im Sekundärrecht - durchaus plausibel - tendenziell höher bewertet wird als derjenige wirtschaftlicher Rechte (siehe hier Art 100a IV EGV).106 Der Bezug zum Gesundheitsschutz rechtfertigte es auch, den Regelungskomplex Arbeitszeit, der selbstverständlich auch die wirtschaftlichen Rechte der Arbeitnehmer berührt, bevorzugt (gegenüber anderen wirtschaftlichen Rechten der Arbeitnehmer) zum Gegenstand von Rechtsangleichungs- bzw -Vereinheitlichungsmaßnahmen zu machen. Die Regelungsmaßnahmen ordnen sich demnach - wenn auch nicht formal - in den Komplex der Arbeitsschutzmaßnahmen iwS (unten e) ein. Deshalb ist es wohl sogar schlüssig (wenn auch natürlich primär politisch bedingt), daß der Mindeststandard nur so hoch angesetzt wurde, wie es der Gesundheitsschutz erfordert. Der Schutzstandard kann nicht als Schritt in Richtung Perfektionierung der allgemeinen Lebensqualität verstanden werden. Für den niedrigen Standard sind nicht zuletzt extensive Ausnahmevorschriften verantwortlich; Großbritannien, das ja letztlich auch die Kompetenzfrage stellte, war maßgeblich für das abgesenkte Schutzniveau verantwortlich. e) Arbeitsschutzrecht Das Arbeitsschutzrecht ist breiter geworden. Die hervorragende Bedeutung des 48 Rechtsgebiets ist bereits im Primärrecht angelegt: Als einziger Bereich des Arbeitsrechts ist es spezifisch und nicht nur pauschal unter den Grundsätzen in Teil 1 des EG-Vertrages aufgeführt (Art 3 lit. o EGV) und als einziger Bereich des Arbeitsrechts stützt es sich auf eine eigene, spezifische Kompetenznorm (Art 118a EGV). So verwundert es kaum, daß in den letzten 10 Jahren in diesem Bereich im Sekundärrecht der gewichtigste arbeitsrechtliche Regelungskomplex entstanden ist,107 der heute auch für die neuen Bundesländer umfassend gilt.108 103 Vgl Nachw und Kurzbeschreibung unten 3.40 Rn 6. 104

EuGH 12. 11.1996 - Rs C-84/94 (Vereinigtes Königreich /Rat), Slg 1996,1-5755 (5805 f, 5811-5813); implizit ebenso Opfermann, FS Wlotzke 1996, 729 (765); Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S 86, Fn 30. 105 Zu weiteren Zielsetzungen von Arbeitszeitregeln im Gemeinschaftsrecht und dazu, daß sich insoweit die Schwerpunktsetzungen auch änderten: vgl unten 3.40 Rn 3, 9. 106 Vgl z u der klarsten Regelung idS unten 3.43 Rn 14. 107 Vgl ausführlicher und mit dahin gehenden Zitaten unten 3.43 Rn 5 f. 108 Die Sonderregelung in der Richtlinie des Rates 90/659/EWG vom 4. 12. 1990 betreffend die in Deutschland anzuwendenden Übergangsvorschriften auf dem Gebiet der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer, AB1EG 1990 L 353/77, ist am 1. 1. 1993 abgelaufen; vgl Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1179, 1189 (auch zu Vorgängervorschriften).

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Zunehmend wird der Bereich als Recht der Arbeitsumwelt umschrieben, 109 in dem auch das Wohlbefinden von Arbeitnehmern bedeutsam ist und der Einfluß verschiedenster Faktoren im Arbeitsprozeß auf Physis und Psyche Regelungsgegenstand geworden ist. 4 9 Das Gebiet ist nahezu unüberschaubar. Es ist freilich heute nicht einmal mehr primär gewerberechtlich geprägt. Jedenfalls fließen die Standards, die in den verschiedensten Rechtsangleichungsmaßnahmen niedergelegt sind, in den arbeitsvertragsrechtlichen Fürsorge- und Sorgfaltsstandard des Arbeitgebers ein. 110 Die Breite des Rechtsgebiets und die stets gleiche Struktur der begründeten vertraglichen Pflichten mahnen dennoch zu Zurückhaltung. Die (durchaus repräsentative) Auswahl umfaßt die praktisch wichtigsten und in ihrer Struktur charakteristischen Rechtsangleichungsmaßnahmen. Ein Überblick soll in das Gesamtgebiet des Arbeitsschutzes und der Arbeitsumwelt einführen. Trotz des einheitlichen Grundansatzes werden noch heute vier Untergebiete unterschieden. 111 5 0 Historisch den Anfang bildet der als solches stets gesondert hervorgehobene GefahrstoffbereichP2 Er wurde zunächst mit einer EG-Richtlinie zu Vinylchloridmonomer113 geregelt, 1980 dann mit einer EG-Rahmen-Richtlinie, der Gefahrstoff-Rahmenrichtlinie 80/1107/EWG, zu der vier Einzelrichtlinien ergangen sind. 114 Die Bedeutung dieser EG-Rahmen-Richtlinie schwindet, seitdem die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie (3.43) neben den anderen Bereichen auch denjenigen der Gefahrstoffe erfaßt und dieser nur noch auf der Grundlage der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie fortentwickelt wurde, bis zuletzt auch die Gefahrstoff-Rahmenrichtlinie formell in den Kreis der Einzelrichtlinien zur Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie einbezogen wurde. 115 51 Weniger übereinstimmend definiert werden die übrigen drei Bereiche. Dies liegt daran, daß die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie heute grundsätzlich den gesamten Bereich des Arbeitsschutzrechts und des Rechts der Arbeitsumwelt regelt, also nicht mehr gleichberechtigt neben Einzelgebieten wie demjenigen der GeGrundlegend Bücker / Feldhoff/ Kohte, Vom Arbeitsschutz zur Arbeitsumwelt; vgl auch Birk, FS Wlotzke 1996, 6 4 5 (646). Näher unten 3.43 Rn 7. 110 Statt aller: Nipperdey, Die privatrechtliche Bedeutung des Arbeitsschutzrechts, FS Reichsgericht 1929, Bd IV, 2 0 3 (215-226); Hanau, Arbeitsvertragliche Konsequenzen des Arbeitsschutzes, FS Wlotzke 1996, 3 7 ; Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S 11; Zöllner / Loritz, Arbeitsrecht 5 , 1998, S 3 4 2 f. 111 Vgl die Systematisierungsvorschläge von Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1168 oder Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S V, 86 ff und dazu unten Rn 5 1 - 5 4 . 112 Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1168; Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S V, 112. Richtlinie des Rates 7 8 / 6 1 0 / E W G vom 29. 6. 1978 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmern, die Vinylchloridmonomer ausgesetzt sind, AB1EG 1978 L 197/12. 114 Sie betreffen metallisches Blei und seine Ionenverbindungen, Asbest, Lärm und Amine: vgl Nachw zur Gefahrstoff-Rahmenrichtlinie und Auflistungen der Einzelakte unten 3.43 Fn 29. Iis Ygi i m einzelnen unten 3.43 Rn 5 f. 109

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fahrstoffe oder Arbeitsstätten steht. 1 1 6 Geht man von der Systematik dieses „Grundgesetzes" des Europäischen Arbeitsschutzes 1 1 7 aus (und nicht von einer überkommenen Systematik des deutschen Rechts oder der deutschen Arbeitswissenschaften), so sind vom Europäischen Arbeitsschutzrecht jedenfalls die Fragen der Gefahrstoffe (vgl oben) und der Sicherheit des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsstätte 1 1 8 erfaßt, daneben auch - eigentlich ein Untergebiet hiervon - diejenigen der Geräte- und Anlagensicherheit, 119 zusätzlich jedoch jedenfalls diejenigen des Schutzes spezifischer, besonders gefährdeter Personengruppen, 1 2 0 weil dieser Schutz in Art 15 der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie ausdrücklich vorgesehen ist. Alle vier Kategorien werden - und dies zunehmend mit Ausschließlichkeitsanspruch - von der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie (3.43) erfaßt. E G Richtlinien, die in keine dieser Kategorien fallen, 121 haben im Arbeitsvertragsrecht praktisch keine Bedeutung mehr. Auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes betrifft heute vor allem die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie selbst (vgl etwa ihren Art 1 I, 3 I, 9 I lit. a), insbesondere mit den Einzelrichtlinien zu den Arbeitsstätten und auch denjenigen zu Baustellen und - schon entfernter - zu Mineralienbohrungen und -gewinnung sowie Fischereifahrzeugen. 122 Die Rahmen-Richtlinie hat mit ihrer neunten Einzelrichtlinie insbesondere auch die Pionierregelung in diesem Bereich, die EG-Richtlinie zur Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz, 123 ersetzt. 1 2 4 Formal und teils auch inhaltlich unabhängig von der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie besteht die EG-Richtlinie zur medizinischen Versorgung auf Schiffen fort. 1 2 S

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So jedoch in Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S V, 86ff. So Wlotzke, NZA 1990, 417 (419); mit breiter Zustimmung in der Literatur (vgl unten 3.43 Fn 7). So die wohl auch in diesem Punkte übereinstimmende Systematisierung bei Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1168 und bei Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S V, 95. Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S V, 100 ff; bei Däubler / Kittner / Lörcher versteckt sich dieser Bereich offenbar unter dem offeneren Begriff der „sonstigen Richtlinien": vgl Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1168, 1178. Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1168; bei Wank / Börgmann, Europäisches Arbeitsschutzrecht, S V, 86 ff fehlt dieser Bereich gänzlich. Vgl die Wahl der offenen Kategorie der „sonstigen Richtlinien" bei Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1168, 1177-1179. Die dort genannte sog Seveso-Richtlinie hat primär umweltrechtlichen, also allgem bevölkerungsschützenden Charakter und bezieht sich nicht nur auf den Arbeitsplatz. Aus den genannten vier Kategorien fallen also vor allem drittschützende EG-Richtlinien heraus. Zitate unten 3.43 Fn 16, 22, 2 4 - 2 6 . Richtlinie 7 7 / 5 7 6 / E W G des Rates vom 25. 7. 1977 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz, AB1EG 1977 L 229/12 (Änderung AB1EG 1979 L 183/11). Vgl im einzelnen Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1177. Richtlinie 9 2 / 2 9 / E W G des Rates vom 31. 3. 1992 über Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zum Zweck einer besseren medizinischen Versorgung auf Schiffen, AB1EG 1992 L 113/19.

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

5 2 Die Kategorie der Geräte- und Anlagensicherheit wird zwar grundsätzlich auch von der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie erfaßt (vgl etwa deren Art 6 I und die Einzelrichtlinie zu den Arbeitsmitteln).126 Die wichtigste EG-Richtlinie dieser Kategorie bildet schon heute die Bildschirmarbeits-Richtlinie (3.44), die fünfte Einzelrichtlinie iSv Art 16 I der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie. In die Kategorie der Geräte- und Anlagensicherheit fällt jedoch außerdem mit der EG-Maschinen-Richtlinie127 eine auch heute noch prominente Rechtsangleichungsmaßnahme, die nicht auf der Grundlage der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie erging. In dieser EG-Richtlinie geht es freilich nach dem Gesagten schwerpunktmäßig um die Ausräumung technischer Handelshemmnisse, also um den Abbau mittelbarer Handelshemmnisse und damit um die Warenverkehrsfreiheit (etwa von Herstellern und Importeuren),128 und nicht um vertragsrechtliche Fragen des Schutzes im Arbeitsverhältnis, im Betrieb. Da diese Regeln zudem sehr technisch sind, müssen sie in eine Darstellung des Europäischen Schuldvertragsrechts nicht einbezogen werden. Die genannnte Ausrichtung dieser EG-Richtlinie wird schon an der herangezogenen Kompetenzgrundlage, Art 100a EGV, deutlich129 ebenso freilich daran, daß sie, zwei Tage nach der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie erlassen, nicht als Einzelrichtlinie iSv deren Art 16 I erging. Der Bereich der Gerätesicherheit ist auch sonst Gegenstand vielfältiger Harmonisierungsbemühungen. Allein für die land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen sind aus

126 Nachw unten 3.43 Fn 17. 127 Richtlinie des Rates 89/392/EWG vom 14. 6. 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen, AB1EG 1989 L 183/9 (Änderungen: AB1EG 1991 L 198/16; AB1EG 1993 L 175/12 und 220/1). Die Einzelrichtlinien auf der Grundlage der EG-Maschinen-Richtlinie sind Legion, vgl Überbl (über den Gesamtbereich) beispielsweise im Schaubild bei Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 2 3 4 238. Literatur zum Maschinenschutz: Bücker / Feldhoff / Kohte, Vom Arbeitsschutz zur Arbeitsumwelt, S 143-161; Kalwa, Die Umsetzung der EG-Maschinenrichtlinie in deutsches Recht, BG 1993, 296; Lindl, Arbeitsschutzrecht - Die EG-Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Maschinen, 1992; Reuter, Die neue Maschinen-Richtlinie - ein europäischer Binnenmarkt im Maschinen- und Anlagenbau, BB 1990, 1213; Sattler, Die Novelle zum Gerätesicherheitsgesetz, EuZW 1992, 764-769; Wlotzke, RdA 1992, 85 (88 f); Zimmermann, Gerätesicherheit und Europäische Konformität (CE), BG 1993, 52; sowie (wenn auch grundsätzlicher im Ansatz) Bücker, Von der Gefahrenabwehr zu Risikovorsorge und Risikomanagement im Arbeitsschutzrecht - eine Untersuchung am Beispiel der rechtlichen Regulierung der Sicherheit von Maschinen unter dem Einfluß der Europäischen Rechtsangleichung, 1997; weitere Nachw bei Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1184 f; Bücker / Feldhoff / Kohte aaO, S XXIII ff. 128 Balze, Die sozialpolitischen Kompetenzen, S 223-226; Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1178 f; ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (131 f); Opfermann, FS Wlotzke 1996, 729 (730, 757); Wlotzke, RdA 1992, 85 (86 f). 129 Immerhin bestand bei ihrem Erlaß - anders als bei demjenigen der Gefahrstoff-Rahmenrichtlinie - für das Recht der Arbeitsumwelt mit Art 118a EGV bereits eine eigenständige Kompetenznorm und wurde diese - ebenfalls anders als bei der GefahrstoffRahmenrichtlinie - auch nicht für spätere Änderungen herangezogen.

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dem Zeitraum von 1 9 7 4 - 1 9 8 9 zwölf Einzelrichtlinien mit arbeitsschutzrechtlicher Ausstrahlungswirkung, primär jedoch mit handelshemmnisbeseitigender Zielsetzung zu verzeichnen. 130

Der Regelkomplex zum Schutz besonders gefährdeter Personengruppen umfaßt 53 die Mutterschutz-Richtlinie (3.45) und die Jugendarbeitsschutz-Richtlinie (3.46), sowie schon nicht mehr nur personen-, sondern auch aufgabenbezogen, die Zeit- und Leiharbeits-Gesundheitsschutz-Richtlinie (3.47). Die erste zählt zu den Einzelrichtlinien gemäß Art 16 I der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie, die zweite formell nicht. Beide gehen über die gewöhnliche Struktur solcher Einzelrichtlinien hinaus, die Mutterschutz-Richtlinie noch eindeutiger. Zwar wird auch in die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie und in andere Einzelrichtlinien nicht nur der Schutz der Gesundheit im engen Sinne einbezogen, sondern auch die Vermeidung von Belastungen, vor allem auch psychischer Art. Der Gesundheitsschutz wird also weit verstanden. Grundsätzlich fehlt es jedoch an einem Schutz auch der wirtschaftlichen Rechte des Arbeitnehmers, wie er sich in der Mutterschutz-Richtlinie etwa mit dem Lohnfortzahlungsanspruch oder Kündigungsverbot findet. Und in der Jugendarbeitsschutz-Richtlinie steht der Schutz der körperlichen und geistigen Entwicklung gleichberechtigt neben dem (weit verstandenen) Gesundheitsschutz. 131 Sowohl in der Mutterschutz- als auch in der Jugendarbeitsschutz-Richtlinie steht auch der Arbeitszeitaspekt, der sonst einen eigenen Regelungskomplex darstellt (oben d), durchaus mit im Vordergrund. Ebenfalls zu den Einzelrichtlinien zur Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie zählt wenn auch nicht formell - die Zeit- und Leiharbeits-Gesundheitsschutz-Richtlinie (3.47; vgl Art 2 III der Richtlinie). Bei ihr handelt es sich um die einzige bisher in Kraft getretene Maßnahme zum Schutz in sogenannten atypischen Arbeitsverhältnissen. Als atypisch werden alle Arbeitsverhältnisse verstanden, die nicht dem Leitbild der Vollzeitarbeit beim einstellenden Arbeitgeber entsprechen. Hierher zählen neben der Zeit- und Saisonarbeit die Leiharbeit und die Teilzeitarbeit, jedoch ebenfalls die im Gemeinschaftsrecht bisher noch nicht einmal angedachten Formen der Telearbeit oder Heimarbeit. In den für Zeit-, Saison-, Leih- und Teilzeitarbeit vorgesehenen Harmonisierungsmaßnahmen 1 3 2 wird eine grundsätzliche Gleichstellung von atypischen Arbeitsverhältnissen mit den typischen, unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnissen, die im Betrieb des Arbeitgebers zu erfüllen sind, angestrebt. Hinsichtlich Sozialversicherungsfragen soll diese Gleichbehandlung - pro rata temporis - uneingeschränkt verbürgt sein, in anderen sozialen Fragen der Arbeitsbedingungen nur punktuell und stärker bedingt. Verabschiedet wurde bisher allein die Zeit- und Leiharbeits-Gesundheitsschutz-Richtlinie, die eine Gleichbehandlung von Zeit- und Leiharbeitern bei der Informierung über Gesundheitsgefahren und bei Arbeit in besonders gefährlichen Einsatzfeldern verbürgen soll, die sich also vollumfänglich in den Rahmen der Arbeitsschutz-Richtlinien einfügt. Demnach ist derzeit das Gemeinschafts-

Vgl die Auflistung bei Opfermann,

131

FS Wlotzke 1996, 729 (752 f).

Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 231. Vgl den Überbl unten 3.47 Rn 4 - 6 .

54

354

Untemehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

recht der atypischen Arbeitsverhältnissen noch uneingeschränkt Teil des Arbeitsschutz-Rechts der Gemeinschaft. 55 Keinen verbindlichen gemeinschaftsrechtlichen Schutz schuldvertragsrechtlicher Art genießt bisher die Gruppe der Schwerbehinderten. Der Vorschlag der Kommission für eine Mindestharmonisierung der Regeln zur Verbesserung der Mobilität und sicheren Beförderung von in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigten Arbeitnehmern auf dem Weg zum Arbeitsplatz vom 11. 2. 1991 133 enthält keine schuldvertragsrechtlichen, sondern öffentlichrechtliche Regelungen. Schuldvertragsrecht ist allein in der Empfehlung des Rates zur Beschäftigung von Behinderten vom 24. 7. 1986 angesprochen.134 f) Annexe und ausgesparte

Gebiete

56 Annexweise einbezogen, weil die persönliche Ausstattung des Unternehmens betreffend, wurde die Handelsvertreter-Richtlinie (3.80), obwohl diese Richtlinie zwar starke Schutzelemente zugunsten des Handelsvertreters aufweist, bei diesen jedoch in der Gesetzgebungsgeschichte das klassische arbeitsrechtliche Element jeweils zurückgedrängt wurde.135 Sie ist erst recht nicht als verbraucherschützend oder klassisch wirtschaftspolitisch-wettbewerbsrechtlich zu verstehen wie die Gruppenfreistellungsverordnungen als die einzigen Gemeinschaftsregelungen zu sonstigen Vertriebsmittlern (5.01, 5.03). 57 Umgekehrt sind manche weitere arbeitsvertragsrechtlichen Fragen in anderem Zusammenhang geregelt, vor allem diejenigen der Arbeitnehmererfindungen bei Computerprogrammen, bei Tonträgern, Bild-Tonträgern und Büchern, in der Filmbranche und bei Halbleiterchips.136 Jenseits des Arbeitsvertragsrechts liegen andere Regelungsmaßnahmen, die alle im folgenden nicht einbezogen werden. Dazu zählen etwa die Regelungen von Berufsbildungsfragen, die die Einrichtung von Bildungsanstalten, -instrumenten und -maßnahmen, nicht die jeweilige Vertragsbeziehung bei deren Inanspruchnahme regeln.137 Dazu zählen auch die sehr wichtigen Fragen des Sozialversicherungsrechts, dh öffentlichrechtlich geregelter Anwartschaften und Ansprüche und ihrer Übertragbarkeit bei Übersiedlung in einen anderen Mitgliedstaat.138 Hier geht es nicht um privatautonomes Gestal133

134

136 137 138

Geänderter Vorschlag vom 20. 12. 1991 für eine Richtlinie des Rates über Mindestvorschriften zur Verbesserung der Mobilität und der sicheren Beförderung von in ihrer Bewegungsfähigkeit beeinträchtigten Arbeitnehmern auf dem Arbeitsweg, AB1EG 1992 C 15/18. Empfehlung 8 6 / 3 7 9 / E W G des Rates vom 24. 7. 1986 zur Beschäftigung von Behinderten in der Gemeinschaft, AB1EG 1986 L 2 2 5 / 4 3 . Vgl 3 . 8 0 Rn 3. Vgl unten 5.30, 5.31, 5.32 und 5.38 jeweils unter 2 b. Dazu etwa Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 214-217. Dazu monograpisch Pompe, Leistungen der Sozialen Sicherheit bei Alter und Invalidität für Wanderarbeitnehmer nach Europäischem Gemeinschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundessozialgerichts, 1986; und jüngeren Datums: Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, 1994; Lyon-Caen, Droit social international et européen 7 , 1991; angekündigt der Nomos-Kommentar zum Europäischen Sozialrecht.

§ 6 Einl - Übersicht

355

ten oder zumindest um Einwirkungen hierauf durch zwingende Normen, auch „öffentlichrechtliche" mit wirtschafts- oder staatspolitischer Motivation. Das kollektive Arbeitsrecht wird nur gestreift, insbesondere mit Konsultationsfragen im Zusammenhang mit denjenigen EG-Richtlinien, die zugleich auch schuldvertragsrechtlichen Gehalt individualarbeitsrechtlicher Art haben. 1 3 9 Dies liegt daran, daß im Europäischen Arbeitsrecht Fragen der Arbeitnehmerrepräsentation, insbesondere der Betriebsräte, also organisationsrechtliche Fragen, gänzlich im Vordergrund stehen. 1 4 0 Vertragsrechtliche Fragen des kollektiven Arbeitsrechts treten im Vergleich deutlich in den Hintergrund. Zudem weisen sie - wie im nationalen Recht - in ihrer zentralen Qualität - der normativen Wirkung - Eigenschaften aus, die weit über das Schuldvertragsrecht hinausweisen. 141 g)

Zusammenfassung

Das Verbot einer Diskriminierung von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten ist ein Herzstück der Philosophie des gemeinsamen Marktes ebenso wie des Binnenmarktes - also der historisch primären Zielvorgabe des EG-Vertrags. Dieses Herzstück ist auch psychologisch bleibender im Bewußtsein der Marktbür-

Dies ist freilich in durchaus nicht wenigen EG-Richtlinien der Fall, etwa in der Massenentlassungs-Richtlinie (3.30), der Betriebsübergangs-Richtlinie (3.31), der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie (3.43) und der Bildschirmarbeits-Richtlinie (3.44). 140 Vgl nur die beachtliche Zahl von Monographien in den wenigen Jahren seit Verabschiedung der entsprechenden Richtlinie, etwa Beckedahl, Der Europäische Betriebsrat, Diss Münster 1996; Colaiatini, European Works Councils - a legal and practical guide Information and Consultation of Employees in Multinational Companies - what Management needs to Know before Starting Negotiations with the Workforce, 1996; Hauß, Grenzüberschreitende Betriebsverfassung in Europa - der Europäische Betriebsrat, 1996; Lerche, Der Europäische Betriebsrat und der deutsche Wirtschaftsausschuss - eine vergleichende Analyse der betrieblichen Mitwirkung der Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte, 1997; Rademacher, Der Europäische Betriebsrat die Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. 9. 1994 und ihre Umsetzung in nationales Recht, 1996; Zügel, Mitwirkung der Arbeitnehmer nach der EU-Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats - eine Untersuchung der Richtlinie 94/45 und der vorangegangenen Richtlinienvorschläge unter Berücksichtigung der Praxis multinationaler Unternehmen, 1995; und zur Umsetzung Müller, Europäische BetriebsräteGesetz (EBRG) - Kommentar, 1997; auch Wedderburn, Consultation and Collective Bargaining in Europe - Success or Ideology, ILJ 1997, 1; Wunsch-Semmler, Entwicklungslinien einer europäischen Arbeitnehmermitwirkung. Demgegenüber ist das Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht bisher nicht an sich Gegenstand von Gemeinschaftsrechtsakten geworden, sondern stets nur annexweise: etwa Wank, RdA 1995, 10 (20) („bislang nicht ... existierende[n] europäische[n] Tarifverträge[n] "). Auch die Unternehmensmitbestimmung tritt zumindest im geltenden Gemeinschaftsrecht gänzlich in den Hintergrund, wenn ihr auch gerade im Organisationsrecht rechtspolitisch eine zentrale (blockierende) Wirkung zukommt.

139

141

Vgl statt aller Zöllner / Loritz (oben Fn 110) S 373-377. Zu den Schwierigkeiten einer Harmonisierung des Tarifvertrags- und Arbeitskampfrechts vgl Hanau, EG-Binnenmarkt und Arbeitsrecht, S 27 f; zur territorialen Ausrichtung dieser Gebiete: ν Maydell, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG, 122 (123-135).

58

356

Unternehmens vertrage mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

ger zu verankern, wenn ebenfalls die zweite im politischen Bewußtsein zentrale Form der Diskriminierung verboten ist, die Diskriminierung nach dem Geschlecht. Das zweite Verbot ist also nicht nur dadurch zu rechtfertigen, daß Frankreich keinen Kostenvorteilen anderer Mitgliedstaaten und ihrer Unternehmen ausgesetzt sein sollte. Die zentralen Formen von Diskriminierung sind erster Gegenstand der Rechtsangleichung im Europäischen Arbeitsrecht (oben a). Mit dem Binnenmarktziel wird die Errichtung eines größeren, daher tendenziell effizienteren Marktes angestrebt. Die Transparenz von Wettbewerbsparametern und Konditionen, zu welchen Arbeitskraft „eingekauft" wird (oben b), ist durchaus noch im Zusammenhang mit diesem Effizienzziel zu sehen142 - wenn auch die stark soziale Komponente nicht zu verleugnen ist. 59 Wenn die Gemeinschaft nicht mehr nur das Binnenmarktziel verfolgt, sondern zumindest in Ansätzen zu einer Sozialgemeinschaft fortentwickelt wurde und wenn dies etwa in der Schaffung der Kompetenznorm des Art 118a EGV seinen Ausdruck fand, so lag es nahe, der Gesundheit der Arbeitnehmer den höchsten Stellenwert - noch über den wirtschaftlichen Rechten der Arbeitnehmer - einzuräumen. Die (weit verstandene) Gesundheit ist Gegenstand des ausgedehntesten Regelungskomplexes im Europäischen Arbeitsvertragsrecht (oben e), zumal wenn die Regeln über die Arbeitszeit in diesem Zusammenhang gesehen werden (oben d). Dieser Regelungskomplex ist heute als weitgehend flächendeckend zu bezeichnen - wenn auch in manchen Bereichen, etwa dem der Arbeitszeit, doch nur ein recht niedriger gemeinsamer Nenner festgeschrieben wurde. 60 Wirtschaftliche Rechte der Arbeitnehmer sind wohl niedriger einzustufen als ihre (weit verstandene) Gesundheit, jedenfalls wurde für ihre Regelung keine ähnlich eindeutige Kompetenz der Gemeinschaft geschaffen wie für den Gesundheitsschutz (das Recht der Arbeitsumwelt). Unter den wirtschaftlichen Rechten ist dann das „Ob" eines Arbeitsverhältnisses, also vor allem die Frage nach seiner Beendigung, angesichts des Bestehens von kollektiven Aushandlungsmechanismen in allen Mitgliedstaaten tendenziell von noch existentiellerer Bedeutung als das „Wie" eines Arbeitsverhältnisses, also die Frage nach seiner Ausgestaltung. Aus diesem Bereich wurden die typischen Formen herausgegriffen, die Verbände von Arbeitnehmern, nicht nur einzelne betreffen (oben c). Diese sind nicht nur öffentlichkeitswirksamer und daher auch für den Integrationsprozeß von der psychologischen Dimension her zentraler. Vielmehr ist auch der Binnenmarktbezug größer: Anders als bei der Kündigung einzelner Arbeitnehmer ist ein signifikanter Anreiz gegeben, für eine anstehende Massenkündigung den Standort (Mitgliedstaat) mit niedrigstem Kündigungsschutzniveau zu wählen oder Betriebsteile oder -aufgaben in einen anderen Mitgliedstaat mit niedrigerem Lohnniveau auszulagern. 61 Die Harmonisierungsphilosophie ist insgesamt also stimmiger in ihrer Abstufung - nach Wichtigkeit - als dies häufig angenommen wird. Daß es an einer flä142

Zur Transparenzphilosophie und zur EuGH-Rspr, die als Mittel zur Förderung des Binnenmarktes einen Vorrang von Transparenzregeln gegenüber Verbotsregeln postuliert, vgl oben 1. Teil Rn 62.

3.01 Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung

357

chendeckenden Harmonisierung all derjenigen Fragen fehlt, in denen die Vertragsparteien das anwendbare Recht nicht frei wählen dürfen, liegt an der Struktur der Arbeitsrechtsharmonisierung. Eine Angleichung von Arbeitsvertragsrecht führt nur in manchen Bereichen zur spürbaren Senkung von Transaktionskosten, die beim Grenzübertritt anfallen. In den meisten Bereichen würde sie nur Kostenfaktoren einander angleichen, die in den einzelnen Ländern bei der Produktion anfallen. Daß ungleiche Kostenfaktoren in der Tat zu negativ zu bewertenden „Wettbewerbsverzerrungen" führen, ist jedoch keineswegs flächendeckend zu bejahen. Die gewählte Harmonisierungspolitik entbehrt daher für eine supranationale Rechtsordnung, die der Integration von Märkten dient nicht der Plausibilität. Mögliche Kritik sollte primär an der Durchführung in den einzelnen Rechtsangleichungsakten ansetzen.

II. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern1 Gleichbehandlung und Auskunftsfragen 3.01 Arbeitnehmerfreiziigigkeits-Verordnung (Auszüge) Verordnung des Rates vom 15. 10. 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (1612/68/EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Bunows, F., Free Movement in European Community Law, Oxford (Clarendon) 1987; Edelmann, Hervé, Die Europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 48 EWGV und ihre Auswirkungen auf den Zugang zum deutschen öffentlichen Dienst, Frankfurt/M ua (Lang) 1992; Ewert, Holm, Der Beitrag des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Entwicklung eines Europäischen Sozialrechts, München (Florentz) 1987; Fabis, Henrich, Die Auswirkungen der Freizügigkeit gemäß Art 48 EG-Vertrag auf Beschäftigungsverhältnisse im nationalen Recht, Frankfurt/M ua (Lang) 1995; Feik, Rudolf, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach EG-Recht, Wien (VWGÖ) 1993; Heyer, Jörg, Diskriminienings- und Beschränkungsverbot im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit, Diss Köln 1996; Lecheler, Helmut, Die Interpretation des Art 48 IV EWGV und ihre Konsequenzen für die Beschäftigung im (nationalen) öffentlichen Dienst, Berlin (Duncker δί Humblot) 1990; Nehans, Joachim, Die Freizügikeit der Arbeitnehmer in Europa - eine vergleichende Darstellung der Rechtslage in den Europäischen Gemeinschaften und auf dem Gemeinsamen Nordischen Arbeitsmarkt, Baden-Baden (Nomos) 1975; Sundberg-Weitmann, Brita, Discrimination on Grounds of Nationality - Free Movement of Workers and Freedom of Establishment under the E E C Treaty, Amsterdam ua (North Holland) 1977; Wittkowski, Bernd, Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Freizügigkeit und Gleichbehandlung von Angehörigen der EG-Mitgliedstaaten hinsichtlich 1

Zur Differenzierung zwischen abschlußbezogenen und inhaltsgestaltenden Regeln vgl oben § 5 Einl Rn 9 - 1 1 .

358

Untemehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

des Besuchs von Ausbildungsstätten und deren Auswirkung für die Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/M ua (Lang) 1991. 2. Aufsätze und Beiträge: Berenz, Claus, Lohnfortzahlung an im Urlaub erkrankte Arbeitnehmer - Anmerkungen zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im sog. Paletta-Fall, DB 1992, 2442-2446; Oers, Anzeige- und Nachweispflichten bei Erkrankung im Ausland, DB 1995, 1462 f; Bernard, Nicolas, Discrimination and Free Movement in EC Law, 45 ICLQ 82-108 (1996); Ettwig, Volker, Fremdsprachenlektoren - eine vom Aussterben bedrohte Spezies? Über die Möglichkeiten künftiger Abschlüsse von Zeitarbeitsverträgen zwischen Universitäten und ausländischen Fremdsprachenlektoren nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Oktober 1993 (Rs C-272/92), Wissenschaftsrecht 1995, 125-136; Fresia, Alain, La libre circulation des personnes et le principe de non-discrimination dans la jurisprudence de la Cour de Justice des Communautés, RMC 1975, 550-564; Garrone, Pierre, La discrimination indirecte en droit communautaire vers une théorie générale, RTDE 1994, 425-449; Gaul, Dieter, Mißbrauch einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, NZA 1993, 865-873; Hailbronner, Kay, Die soziale Dimension der EG-Freizügigkeit - Gleichbehandlung und Territorialitätsprinzip, EuZW 1991,171-180; Hanau, Peter, Die neuere Entwicklung der Gleichbehandlung ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, EuR 1974, 197-215; Johnson, Esther / O'Keefe, David, From Discrimination to Obstacles to Free Movement - Recent Developments concerning the Free Movement of Workers 1989-1994, CMLR 31 (1994) 1313-1346; Lichtenberg, Hagen, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft - rechtliche und soziale Probleme, in: Lichtenberg, Hagen (Hrsg), Sozialpolitik in der EG, Baden-Baden (Nomos) 1986, 117-154; Runggaldier, Ulrich, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im EG-Vertrag, EAS B2000.

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand 1 Die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung verbürgt für alle Unionsbürger umfassende arbeitsvertragliche Abschlußkapazität in der Gemeinschaft. Das gleiche gilt für Ehegatten und unterhaltsberechtigte Kinder oder solche unter 21 Jahren, soweit sie nicht schon selbst als Unionsbürger diese Rechte haben. Die Verordnung statuiert ein absolutes Diskriminierungsverbot, von dem nur wenige enge Ausnahmen zugelassen werden, darunter, für das Arbeitsvertragsrecht am wichtigsten, solche hinsichtlich Sprachkenntnissen und genuin hoheitlichen Aufgaben. Das Diskriminierungsverbot erfaßt grundsätzlich alle Bedingungen des Arbeitsvertrages (einschließlich Zugang und Beendigung). Auch die mittelbare Diskriminierung ist unzulässig. Das Verbot wirkt gegen den nationalen Gesetzgeber bei der Setzung von öffentlichem Recht und von Arbeitsvertragsrecht, desgleichen gegen die Tarifvertragsparteien und Arbeitgeber bei Rechtsge-

3.01 Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung

359

Schäften und Realakten, soweit sie für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind. b) Bedeutung,

Geschichte und Umfeld

Am Anfang des Europäischen Arbeitsvertragsrechts stehen Art 4 8 E G V , insbe- 2 sondere dessen Absatz 2 , und die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung. Mit ihrem funktionalen Ansatz treffen diese Normen Behinderungen und Diskriminierungen unabhängig davon, ob sie von öffentlichem Recht oder privatem Arbeitsvertragsrecht ausgehen. Selbst solche, die in privatautonom vereinbarten Regelungen fußen, sind erfaßt. Diese Normen bilden nicht nur historisch den Auftakt zum Europäischen Arbeitsvertragsrecht. Keine andere Maßnahme des Europäischen Arbeitsrechts steht auch so unmittelbar im Dienste des Primärziels bei der Errichtung von Gemeinsamem Markt und Binnenmarkt, der effektiven Durchsetzung der Grundfreiheiten und das heißt der effektiven Erstreckung der Privatautonomie über die Grenzen. 2 Die meisten arbeitsvertragsrechtlichen Richtlinien verfolgen nur das Ziel, Kostenfaktoren in den einzelnen Mitgliedstaaten anzugleichen und damit potentiell negativ zu bewertende Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. 3 Den Entschluß, Arbeit im Ausland aufzunehmen, werden sie kaum beeinflussen. Dies ist typischerweise anders bei den Fragen, die Art 48 E G V und die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung regeln. Aufgrund des weiten Verständnisses der Begriffe „Arbeitsbedingungen" und „soziale und steuerliche Vergünstigungen" genießen Unionsbürger bei Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat Gleichbehandlung mit Inländern bei fast jeder staatlichen Gewährung (von der Bahnpreisermäßigung über die Ausbildungsförderung bis hin zur Sozialhilfe und Arbeitslosenunterstützung), jedoch auch bei allen Arbeitsbedingungen, insbesondere bei Aufstiegsfragen, beim Trennungsgeld oder bei der Anrechnung von Dienst- und Wehrdienstzeiten. Die Ballung dieser „Privilegien", die ausländische Arbeitnehmer nach traditionellem Ausländerrecht nicht genießen, ist in der Tat geeignet, nicht nur Rechte der Mitgliedstaaten einander anzunähern, sondern auch den Entschluß, von der Freizügigkeit Gebrauch zu machen, zu befördern. Die Bedeutung des Rechtsakts spiegelt sich auch in der reichen EuGH-Rechtsprechung wieder, in der die Grundfragen einer Klärung zugeführt wurden. Verabschiedet wurde die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung bereits vor 3 Ablauf der Übergangszeit, so daß die unmittelbare Anwendbarkeit der Grundfreiheit nach Art 4 8 E G V nie in Frage stand. 4 Die späteren Änderungen der Verordnung betrafen die für das Arbeitsvertragsrecht nicht relevanten Art 8 V O (1976) und Art 14 ff V O (1992). Das Umfeld der Arbeitnehmerfreizügigkeits-Ver^ EuGH 11. 7. 1985 - Rs 137/84 (Mutsch), Slg 1985, 2681 (2695 f); Blanpairt / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 173; Hilf / Willms, JuS 1992, 368 (370 f); Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 110; Oppermann, Europarecht, S 545 spricht davon, daß Art 48 EGV und die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung „Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit" verbürgen. Zur Erstreckung der Privatautonomie über die Grenzen als dem Primärziel des Binnenmarktes oben 1. Teil Rn 10. 3 Vgl ausführlicher oben § 6 Einl Rn 8-13. 4 Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 1; vgl auch die Nachw unten Fn 14.

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

Ordnung bilden weitere Verordnungen und Richtlinien, die die tatsächliche Durchsetzung der Freizügigkeit erleichtern sollen. Die meisten betreffen rein öffentlichrechtliche Fragen bzw definieren Ausnahmeklauseln: Die nationalen Regeln zur Aufenthaltserlaubnis wurden harmonisiert durch die sogenannte EGFreizügigkeits-Richtlinie, 5 die am selben Tag erging wie die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung. Schon 1 9 6 4 waren die zentralen Fragen der Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art 4 8 III EGV (Einleitungssatz) gemeinschaftsweit vereinheitlicht geregelt worden. 6 Das Verbleiberecht von Arbeitnehmern (mit Familienangehörigen) nach Beendigung ihrer Beschäftigung, also wiederum Fragen der Aufenthaltserlaubnis, wurden knapp zwei Jahre nach der Verabschiedung der Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung in der sogenannten EG-Verbleibe-Verordnung geregelt. 7 Hinzu kamen 1990 Verbleiberegeln für Studenten, 8 für Nichterwerbstätige 9 und Rentner, 10 die das Verbleiberecht jeweils von ausreichenden Existenzmitteln und einer Krankenversicherung abhängig machen. 4 Die für das Arbeitsvertragsrecht wichtigste Regelungmaßnahme aus dem Umfeld der Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung bildet eine zweite Gleichbehandlungsverordnung (und ihre Durchführungs-Verordnung). Mit ihr wurde der Bereich des Art 7 II der Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung fortentwickelt: Im Bereich der sozialen Vergünstigungen wurde die „Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit" näher geregelt durch Verordnung 1 4 0 8 / 7 1 / E W G , 1 1 zu der eine Durchfühs

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Richtlinie 68/360/EWG des Rates vom 15. 10. 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft, AB1EG 1968 L 257/13. Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. 2. 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, AB1EG 1964, S 850. Verordnung 1251/70/EWG der Kommission vom 29. 6. 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben, AB1EG 1970 L 142/24. Richtlinie 90/366/EWG des Rates vom 28. 6. 1990 über das Aufenthaltsrecht der Studenten, AB1EG 1990 L 180/30; aus Kompetenzgründen für nichtig erklärt durch EuGH 7. 7. 1992 - Rs C-295/90 (Parlament / Rat), Slg 1992, 1-4193 (4233-4237). Nunmehr: Richtlinie 93/96/EWG des Rates vom 29. 10. 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten, AB1EG 1993 L 317/59. Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. 6. 1990 über das Aufenthaltsrecht, AB1EG 1990 L 180/26. Richtlinie 90/365/EWG des Rates vom 28. 6. 1990 über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätigen, AB1EG 1990 L 180/28. Verordnung 1408/71/EWG des Rates vom 14. 6. 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, AB1EG 1971 L 149/2; Änderungen bzw Berichtigungen: ABIEG 1973 L 128/22; 1980 L 82/1; 1983 L 230/1 und 230/6 (Neufassung als VO 2001/83/EWG des Rates); 1992 L 136/1 und 136/7. Nunmehr ist eine Ergänzung geplant für sog ergänzende Rentensysteme, insbes solche der betrieblichen Altersversorgung: vgl Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die sich innerhalb der Europäischen Union bewegen vom 19. 11. 1997, AB1EG 1998 C 5/4.

3.01 Arbeitnehmerfreiziigigkeits-Verordnung

361

nings-Verordnung erging. 12 Der E u G H verstand den Begriff der „Systeme der sozialen Sicherheit" weit: Er faßte darunter nicht nur das Sozialversicherungsrecht, das als öffentliches Recht jenseits des (Europäischen) Arbeitsvertragsrechts liegt, sondern auch etwa das Recht der Entgeltfortzahlung. In diesem Aspekt (und potentiell in Zukunft in weiteren) hat also die Verordnung und die Durchführungs-Verordnung zu den Systemen der sozialen Sicherheit auch Relevanz für das Europäische Arbeitsvertragsrecht und dessen Diskriminierungsverbot. 13

c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise Gestützt wurde die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung auf Art 4 9 EGV. Daß sie der effektiven Durchsetzung der Freizügigkeit dient, steht nach dem Gesagten außer Zweifel. Als Verordnung wirkt sie unmittelbar (ohne Umsetzung ins nationale Recht, Art 189 II E G V ) . Gleiches gilt für Art 4 8 E G V , 1 4 den die Verordnung ausgestaltet und hinter dessen Schutzgehalt sie nicht zurückbleiben darf. 15 Anders als im Bereich der sonstigen Grundfreiheiten 16 wirkt das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot nicht nur gegen die Mitgliedstaaten, sondern uneingeschränkt auch gegenüber Privatrechtssubjekten, namentlich Arbeitgebern und Tarifvertragsparteien (unmittelbare und uneingeschränkte Drittwirkung, Art 7 IV VO). 1 7

5

2. Inhalt a) Anwendungsbereich Im hier allein relevanten ersten Teil der Verordnung (zu „Beschäftigung und Fa- 6 milienangehörigen der Arbeitnehmer") 1 8 wird, anders als in den meisten anderen Gemeinschaftsrechtsakten, der Anwendungsbereich nicht ausdrücklich geregelt. Vielmehr wird unterschieden zwischen „Zugang zur Beschäftigung" (Art 1 - 6 V O ) und „Ausübung der Beschäftigung und Gleichbehandlung" (Art 7 - 1 2 VO). Wie in Art 48 E G V , dessen Vorgaben die Arbeitnehmerfreizügigkeits-VerVerordnung 574/72/EWG des Rates vom 21. 3. 1972 über die Durchführung der Verordnung 1408/71/EWG zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, AB1EG 1972 L 74/1; Änderungen: AB1EG 1983 L 230/1 und 230/6 (Neufassung als VO 2001/83/EWG des Rates); 1992 L 136/7. » Vgl daher unten Rn 18 f. 14 EuGH 4. 12. 1974 - Rs 41/74 (van Duyn), Slg 1974, 1337 (1347); Geiger, Art 48 EGV, Rn 4. Zur Entscheidung in Sachen in Bosman, die die Diskussion zu Art 48 EGV in den letzten Jahren beherrschte, vgl oben 1. Teil Rn 54. 15 Auch die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung ist daher, wenn nötig, primärrechtskonform auszulegen. 16 Zum Rechtszustand bei diesen vgl oben 1. Teil Rn 54. 17 EuGH 12. 2. 1974 - Rs 152/73 (Sotgiu), Slg 1974, 153 (164); EuGH 12. 12. 1974 Rs 36/74 ( Walrave und Koch), Slg 1974, 1405 (1420) (auch für Art 48 EGV); Geiger, Art 48 EGV, Rn 16; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 83 f. 18 Der Zweite Teil (Art 13 ff VO) betrifft die Zusammenarbeit von Arbeitsämtern, also die staatliche Arbeitsvermittlung, der Dritte Teil (Art 24 ff VO) die Einrichtung von Ausschüssen. 12

362

Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

Ordnung ausdifferenziert, bildet jedoch der Begriff des Arbeitnehmers, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist, den zentralen Anknüpfungspunkt (Art 11 VO). Von diesem ist bei Ermittlung des begünstigten Personenkreises, also des persönlichen Anwendungsbereichs, auszugehen. Wenig problematisch ist demgegenüber der räumliche Anwendungsbereich; 19 und auch der sachliche Anwendungsbereich ist so weit wie möglich gefaßt, indem alle Arbeitsverhältnisse (und inhaltlich anschließenden Tätigkeiten) 20 und alle Arbeitsbedingungen einbezogen wurden, einschließlich Zugang zur Beschäftigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art 2, 7 I VO). 2 1 Nicht erfaßt sind allein Vergünstigungen, die nicht im Arbeitsverhältnis und auch nicht im dadurch bedingten Aufenthalt im Aufnahmestaat ihre Rechtfertigung finden. 22

7 Auszugehen ist vom Primärberechtigten, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates haben muß und als Arbeitnehmer in einem zweiten Mitgliedstaat tätig werden oder dies zumindest anstreben muß. 2 3 Die Staatsangehörigkeit wird vom jeweiligen Mitgliedstaat geregelt, 24 der Begriff ist also nicht gemeinschafts-

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Vgl im einzelnen (Ausschluß der rein internen Fälle; Einschluß auch derjenigen Falle, die nur einen starken, wenn auch nicht ausschließlichen Bezug zum Territorium der Gemeinschaft haben): EuGH 23. 2. 1994 - Rs C-419/92 (Scholz), Slg 1994,1-505 (521); EuGH 29. 6. 1994 - Rs C-60/93 (Aldewereld), Slg 1994, 1-2991 (3003-3006); EuGH 5. 6. 1997 - verb Rs C-64/96 und C-65/96 (Uecker ua), Slg 1997, 1-3171 (3188-3190); sehr weitgehend: EuGH 30. 4. 1996 - Rs C-214/94 (Boukhalfa), Slg 1996, 1-2253 (22772279) (Diskriminierungsverbot gilt bei Beschäftigung in Botschaft in einem Drittland); vgl aus der Literatur: Geiger, Art 48 EGV, Rn 2; Grabitz / Hilf {-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 1.

Einbezogen sind auch alle atypischen Arbeitsverhältnisse: vgl die nicht abschließende Aufzählung im 4. Erwägungsgrund der Präambel; sowie EuGH 23. 3. 1982 - Rs 53/81 (Levin), Slg 1982, 1035 (1050 f). Einbezogen ist sogar ein Studium, das sich inhaltlich an die Tätigkeit anschließt: vgl EuGH 21. 6. 1988 - Rs 39/86 (Lair), Slg 1988, 3161 (3200 f); EuGH 26. 2.1992 - Rs C-357/89 (Raulin), Slg 1992,1-1027 (1060); und schon EuGH 21. 6. 1988 - Rs 197/86 (Brown), Slg 1988, 3205 (3244). 21 EuGH 12. 2.1974 - Rs 152/73 (Sotgiü), Slg 1974,153 (163) („alle gesetzlichen und vertraglichen Regelungen ..., die ihre Rechtsstellung und insbesondere ihre finanziellen Ansprüche bestimmen.") Näher Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 180; Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 30-33; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 112-114. 22 Einbezogen sind etwa auch Eisenbahnfahrpreisermäßigungen und verbilligte Geburtsdarlehen, obwohl sie nur den Aufenthalt, nicht das Arbeitsverhältnis betreffen. Vgl unten Rn 14; sowie 5. Erwägungsgrund der Präambel. Ausgenommen wurden allein Vergünstigungen, die nicht einmal im Aufenthaltsrecht fußen, etwa Kriegsveteranenrenten, die sich als Aufopferungsanspruch für früheres Handeln für eine bestimmte Nation darstellen: EuGH 31. 5. 1979 - Rs 207/78 (Ministère Public / Even und ONPTS), Slg 1979, 2019 (2033 f). 23 Zur Phase der Arbeitssuche, für die - bis zum Eintreten in die Vertragsverhandlungen noch keine arbeitsvertragsrechtlichen Regeln in Betracht kommen, ausführlicher: EuGH 23. 3. 1982 - Rs 53/81 (Levin), Slg 1982, 1035 (1051 f); Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 43 (etwa zur zulässigen Höchstdauer dieser Phase und zu den Ansprüchen auf Unterstützung). « Vgl statt aller Grabitz / Hilf {-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 8. 20

3.01 Arbeitnehmerfreiziigigkeits-Verordnung

363

rechtlich einheitlich auszulegen. Anders ist dies beim zweiten, problematischeren Kriterium. Den Begriff des Arbeitnehmers in Art 4 8 EGV und Art 1 VO legt der EuGH, um 8 Einheitlichkeit der Begriffsbildung und damit des gemeinschaftsrechtlichen Schutzinhalts zu verbürgen, autonom aus. 25 Arbeitnehmer ist danach, wer freiwillig Dienstleistungen über einen gewissen Zeitraum für einen anderen unter dessen Leitung gegen Entgelt erbringt. 26 Abgrenzungsprobleme gab es zunächst vor allem hinsichtlich Dauer und Umfang. Nicht notwendig ist, daß die Arbeit allein den Lebensunterhalt absichert. 27 Demgegenüber wurden Dienstleistungen nicht als Arbeit qualifiziert, soweit sie im jeweiligen Kontext unerheblich waren (etwa die therapeutische Beschäftigung im Rahmen einer Entziehungskur) 2 8 Abgrenzungsprobleme gab es sodann bei der Anwendung von Art 48 IV EGV. 9 Erfaßt sind auch Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, einschließlich der Beamten. Eine Ausnahme gilt nur nach Art 4 8 IV EGV, nach dem die „öffentliche Verwaltung" auszunehmen ist. 29 Diesen Begriff legt der E u G H wiederum einheitlich aus, also nicht nach dem jeweiligen nationalen Verständnis. 30 Außerdem faßt er den Begriff, weil insoweit die Wirkung einer Grundfreiheit beschränkt wird, eng 31 und funktional, nicht institutionell: Es kommt nicht auf eine Beschäftigung EuGH 23. 3. 1982 - Rs 53/81 (Levin), Slg 1982, 1035 (1049); EuGH 3. 7. 1986 Rs 66/85 (Lawrie-Blum), Slg 1986,2121 (2144); EuGH 31. 5.1989 - Rs 344/87 (Bettray), Slg 1989, 1621 (1644); EuGH 26. 2. 1992 - Rs C-357/89 (Raulin), Slg 1992, 1-1027 (1059); Geiger, Art 48 EGV, Rn 6. 26 EuGH 3. 7.1986 - Rs 66/85 (Lawrie-Blum), Slg 1986,2121 (2144); EuGH 21. 6.1988 Rs 197/86 (Brown), Slg 1988, 3205 (3244); EuGH 26. 2. 1992 - Rs C-357/89 (Raulin), Slg 1992,1-1027 (1059); Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 2. 27 EuGH 23. 3. 1982 - Rs 53/81 (Levin), Slg 1982,1035 (1047-1051); EuGH 3. 7. 1986 Rs 66/85 (Lawrie-Blum), Slg 1986,2121 (2145); EuGH 26. 2.1992 - Rs C-357/89 (Raulin), Slg 1992,1-1027 (1060) (Gelegenheitsarbeit auf Abruf); Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 939; näher Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 2; don (aaO Rn 6) auch zur Art der Tätigkeit (Prostitution uä). 28 EuGH 31. 5.1989 - Rs 344/87 (Bettray), Slg 1989,1621 (1645 f); vgl auch EuGH 21. 6. 1988 - Rs 39/86 (Lair), Slg 1988,3161 (3201); EuGH 26. 2.1992 - Rs C-3/90 (Bernini), Slg 1992,1-1071 (1104 f). 29 In der Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung findet sich keine entspr Einschränkung, was jedoch keinen Unterschied in der Sache macht, da Art 48 IV EGV diesen Bereich gänzlich aus seinem Anwendungsbereich (und damit auch demjenigen des Art 49 EGV und der auf diesen gestützten VO) ausnimmt: implizit ebenso EuGH 12. 2. 1974 Rs 152/73 (Sotgiu), Slg 1974, 153 (162); und tendenziell auch Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 59 (unter Hinweis auf Art 8 VO). 30 Everling, Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Freizügigkeit im öffentlichen Dienst, in: Battis (Hrsg), Europäischer Binnenmarkt und nationaler öffentlicher Dienst, 1989,23 (34 f); Geiger, Art 48 EGV, Rn 45; Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 59. 3 ' EuGH 3. 7.1986 - Rs 66/85 (Lawrie-Blum), Slg 1986,2121 (2146 f); EuGH 2. 7. 1996 Rs C-290/94 (Kommission / Griechenland), Slg 1996, 1-3285 (3319 f, 3327-3329); EuGH 2. 7. 1996 - Rs C-473/93 (Kommission / Luxemburg), Slg 1996,1-3207 (32573262); Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 111; grundsätzlicher zur engen Auslegung aller Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot: Fresia, RMC 1975, 550 (560-564). 25

364

Untemehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

durch Körperschaften des öffentlichen Rechts an, sondern auf die verrichtete Aufgabe. Nur Aufgaben, die ein hoheitliches Tätigwerden nötig machen und/ oder32 unmittelbar öffentliche Belange zum Gegenstand haben (also nicht nur aufgrund fiskalischer Wirkungen), zählen zur öffentlichen Verwaltung.33 Auch muß versucht werden, hoheitliche Teilstücke der Tätigkeit abzutrennen und von inländischen Kollegen verrichten zu lassen.34 Im Ergebnis qualifizierte der EuGH beispielsweise folgende Tätigkeiten als nicht zur öffentlichen Verwaltung gehörig:35 die Arbeit eines Universitätsprofessors, eines Lehramtsreferendars, von Lokomotivführern oder Handwerkern der Staatsbahn. Demgegenüber unterfallen etwa Kontroll- und Nachtwächtertätigkeiten Art 48 IV EGV.36 Greift die Ausnahme ein, so sind nach der EuGH-Rechtsprechung freilich allein Art 1 - 6 VO, also die Regeln über die Zugangsfreiheit unanwendbar (unten 2 b), nicht hingegen Art 7 ff VO, insbesondere das Diskriminierungsverbot für die laufende Beschäftigung (unten 2 c). 37 Denn die Ausnahme soll verbürgen, daß ein Staat sich dafür entscheiden kann, in Fragen, die die nationale Souveränität besonders intensiv berühren, allein Inländer hinzuzuziehen. Dieses Ziel wird jedoch nicht weiter gefördert, wenn Ausländer zur fraglichen Beschäftigung zugelassen und erst hinsichtlich der Arbeitsbedingungen diskriminiert werden. 10 Der Kreis der Sekundärberecbtigten bestimmt sich in Abhängigkeit von dem der Primärberechtigen, nicht nach der Staatsangehörigkeit und auch nicht nach der Arbeitnehmereigenschaft (für eine gewisse Relevanz des zuletzt genannten Kriteriums vgl jedoch Art 11 f VO). Entscheidend ist das familienrechtlich relevante Band: Erfaßt sind Ehegatten eines Primärberechtigten bzw unterhaltsberechtigte Kinder oder Kinder unter 21 Jahren und (eingeschränkter) auch unterhaltsberechtigte Verwandte beider Ehegatten in aufsteigender Linie.38 Bei Vorliegen des familienrechtlichen Bandes werden verschiedene Rechte eröffnet, wiederum Aufenthaltsrechte (Art 10 VO), und - für Ehegatten und Kinder - auch solche auf Zugang zur Beschäftigung und auf Ausübung derselben. Dann gilt das Diskriminierungsverbot (unten 2 b und c) entsprechend. Zur Frage, ob beide Voraussetzungen alternativ oder kumulativ vorliegen müssen, vgl Grabitz / Hilf {-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 64. 3 3 EuGH 26. 5. 1982 - Rs 149/79 (Kommission / Belgien), Slg 1982, 1845 (1851); EuGH 3. 7. 1986 - Rs 6 6 / 8 5 (Laivrie-Blum), Slg 1986, 2121 (2146 f); EuGH 16. 6. 1987 Rs 2 2 5 / 8 5 (CNR), Slg 1987, 2 6 2 5 (2639); EuGH 27. 11. 1991 - Rs C-4/91 (Bleis), Slg 1991,1-5627 (5640 £). 3 " EuGH 16. 6 . 1 9 8 7 - Rs 2 2 5 / 8 5 (CNR), Slg 1 9 8 7 , 2 6 2 5 (2639); Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 52. 3 5 Vgl etwa die Zusammenstellungen bei: EuGH 26. 5. 1982 - Rs 149/79 (Kommission / Belgien), Slg 1 9 8 2 , 1 8 4 5 (1851 f); Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 9 3 9 ; Geiger, Art 48 EGV, Rn 45; Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 6 0 - 6 2 . 36 Ygl Nachw vorige Fn. " EuGH 12. 2. 1974 - Rs 152/73 (Sotgm), Slg 1974, 153 (162 f); EuGH 16. 6. 1987 Rs 2 2 5 / 8 5 (CNR), Slg 1 9 8 7 , 2 6 2 5 (2639); Blanpain /Schmidt /Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 175. Vgl näher Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 15-18a. 32

3.01 Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung

365

b) Vertragsschlußkapazität Die Regeln über den Zugang zur Beschäftigung (Art 1 - 6 VO) sind vor allem als 11 Schutznormen gegen Behinderung oder Diskriminierung durch die hohe Hand formuliert. Sie haben nur teilweise, namentlich mit Art 2 und 6 VO, schuldvertragsrechtliche Relevanz.39 Für die Sekundärberechtigten finden sich die Regeln über den Zugang zur Beschäftigung in Titel II VO: Sie werden als Regeln zur bereits laufenden Beschäftigung des Primärberechtigten, des Arbeitnehmers, verstanden. So verbürgt Art 11 f VO auch Ehegatten und Kindern unter 21 Jahren oder unterhaltsberechtigten Kindern des Primärberechtigten, soweit sie nicht schon selbst als Unionsbürger entsprechende Rechte haben, Zugangsrechte (zu Beschäftigung sowie Lehrlings- und Berufsausbildung). In schuldvertragsrechtlichen Kategorien gesprochen, handelt es sich hierbei um die Einräumung einer Vertragsschlußkapazität (Art 2 , 1 1 , auch 12 VO), die (oder deren Fehlen) ähnlich wirkt wie die Formen besonderer Rechts- oder auch Geschäftsfähigkeit (oder deren Fehlen). 40 In Art 2 und 6 VO sind nun das Zugangsrecht selbst und zentrale subjektive 12 (Berufs-)Zugangsvoraussetzungen geregelt - jeweils in dem Sinne, daß inländische Mitbewerber nicht bevorzugt behandelt werden dürfen.41 Dieses Diskriminierungsverbot - für die Aufnahme der Tätigkeit - ist grundsätzlich ebenso zu verstehen wie das in Art 7 VO niedergelegte, das die Arbeitsbedingungen und die Kündigung, also unmittelbar (nur) die Fragen der Ausübung der (bereits aufgenommenen) Beschäftigung betrifft. Insbesondere wirkt schon das Verbot, beim Zugang zur Beschäftigung nach der Staatsangehörigkeit zu diskriminieren, auch horizontal, dh gegenüber Tarifvertragsparteien und vor allem gegenüber einzelnen Arbeitgebern. Für die Festlegung der Bedingungen bei der Einstellung ergibt sich dies bereits aus Art 7 VO. Für die Wahl zwischen verschiedenen Bewerbern hat, soll nicht Art 7 VO ausgehöhlt werden können, das gleiche zu gelten. Der völlig offene Wortlaut des Art 6 V O spricht ebenfalls für diese Auslegung.

39

40

Art 1 V O betrifft den Anwendungsbereich (vgl Rn 1 - 9 ) , Art 5 V O die öffentliche Arbeitsvermittlung (etwa durch Arbeitsämter); Art 3 f regeln die öffentlichrechtliche Arbeitsgenehmigung und Kontingentierung, wobei freilich Art 3 1 2 . UA V O (Differenzierung nach Sprachkenntnissen) auch für das Gleichbehandlungsgebot, soweit es zwischen Privatrechtssubjekten gilt, bedeutsam ist. Vgl dazu unten Rn 13-17. Ob und in welchen Fallgruppen Arbeitsverträge mit Ausländem ohne Arbeitsgenehmigung nach nationalem Recht nichtig sind (oder nur kündbar), ist in Deutschland str; überwiegend wird die Frage verneint: vgl nur Nachw bei Buchner, in: Richardi / Wlotzke (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd 1, 1992, § 37 Rn 55 f; zuletzt Zöll-

ner ί Loritz, Arbeitsrecht5, 1998, S 145.

41

Die Schlechterbehandlung inländischer Mitbewerber zu unterbinden, ist allein die Aufgabe des nationalen (Verfassungs-)Rechts: EuGH 27. 10. 1982 - verb Rs 35 und 3 6 / 8 2

(.Morson &Jhanjan), Slg 1982, 3723 (3736, 3738); Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48

E W G V , Rn 27.

366

Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

c)

Diskriminierungsverbot

13 aa) Demnach bildet das Diskriminierungsverbot, das auch horizontal, dh auf den Arbeitsvertrag (ein)wirkt, unter arbeitsvertragsrechtlichen Gesichtspunkten die alles beherrschende Kernregelung der Verordnung. Sedes materiae ist - neben den bereits genannten Art 2 und 6 V O - Art 7 VO. 4 2 In der Tat ergingen (außerhalb des Problemkreises Gleichbehandlung der Geschlechter) zu keiner Einzelnorm des Europäischen Arbeitsrechts, nicht nur des Arbeitsvertragsrechts, ähnlich viele Judikate des E u G H wie zu dieser (und ihrer Schwesterregelung in der Verordnung 1408/71/EWG). 4 3 Sie konkretisiert insbesondere Art 4 8 II EGV. Auch innerhalb der Verordnung konzentriert sich die Rechtsprechung des Gerichts ganz auf diese Norm. 14 Viele dieser Judikate betreffen eine Gleichbehandlung, die die hohe Hand bzw die staatliche Leistungsverwaltung schuldet, von der Bahnpreisermäßigung über die Ausbildungsförderung bis hin zur Sozialhilfe und Arbeitslosenunterstützung, vom verbilligten Geburtsdarlehen über das Recht, vor Gericht die eigene Sprache zu benutzen, bis hin zur Behindertenwiedereingliederung.44 Eine Reihe von Judikaten zeitigen demgegenüber auch im Arbeitsvertragsrecht Wirkung. Sie gelten für den Gesetzgeber, der im Arbeitsvertragsrecht (auch im internationalen) solch eine Ungleichbehandlung anordnet. Sie gelten ebenso für die Tarifparteien, die Kollektivverträge abschließen, und für den Arbeitgeber, der Vereinbarungen oder einseitige Maßnahmen trifft.45 Eine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit ist - von den wenigen Ausnahmebereichen abgesehen - absolut verboten; das Diskriminierungsverbot erschöpft sich insoweit also nicht in einem Willkürverbot. 15 Erheblich ausgedehnt wurde das Diskriminierungsverbot dadurch, daß auch die mittelbare oder versteckte Diskriminierung untersagt ist. 46 Der Gemeinschaftsgesetzgeber sprach beide Formen der Diskriminierung dadurch an, daß er im 5. Erwägungsgrund der Präambel die „Gleichbehandlung tatsächlich und

Art 8 und 10 VO betreffen allein öffentlichrechtliche Fragen des Aufenthaltsrechts und der Leistungsverwaltung (Förderung bei Wohnraumsuche), Art 8 VO das kollektive Arbeitsrecht, Art 11 f VO die bereits angesprochene (Arbeits- und Ausbildungsvertrags-)Abschlußkapazität. 4 3 Vgl Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Europäische Union, S 3 2 4 (fast 3 0 0 Urteile allein zur VO 1 4 0 8 / 7 1 / E W G ) ; Schulte, Auf dem Weg zu einem Europäischen Sozialrecht? der Beitrag des EuGH zur Entwicklung des Sozialrechts in der Gemeinschaft, EuR 1982, 3 5 7 (361). 4 4 Zusammenstellungen dieser Judikate bei: Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 1 7 7 - 1 7 9 ; Geiger, Art 48 EGV, Rn 2 4 ; Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 3 2 - 3 4 ; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 116-121. 4 5 Vgl Nachw oben Fn 17. « EuGH 12. 2. 1974 - Rs 152/73 (Sotgiu), Slg 1974, 153 (164 f); EuGH 2. 8 . 1 9 9 3 - verb Rs C-259/91, C-331/91 und C - 3 3 2 / 9 1 (Allué II), Slg 1 9 9 3 , 1 - 4 3 0 9 (4333); EuGH 2 3 . 2. 1994 - Rs C - 4 1 9 / 9 2 (Scholz), Slg 1994,1-505 (521); Blanpain / Schmidt /Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 173 f; Geiger, Art 48 EGV, Rn 15; Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 2 8 ; grundsätzlicher zu ganz verschiedenen Aspekten der Ausdehnung des Diskriminierungsverbots: Fresia, RMC 1975, 5 5 0 ( 5 5 3 - 5 6 0 ) . 42

3.01 Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung

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rechtlich" vorschrieb, also nicht nur die formell-rechtliche Ungleichbehandlung je nach Staatsangehörigkeit bannen wollte. Ebenfalls verboten ist vielmehr die Differenzierung anhand von Kriterien, die typischerweise ausländische Staatsangehörige in ungleich höherem Maße verwirklichen, etwa die Differenzierung zwischen Fremdsprachenlektoren und sonstigen Lehrkräften. 47 Daß die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung auch die indirekte Diskriminierung erfassen soll, belegt Art 3 1 2 . UA VO mit der eingeschränkten Zulassung einer Differenzierung nach Sprachkenntnissen, der andernfalls überflüssig wäre. Anders als bei der direkten Diskriminierung (nach der Staatsangehörigkeit) ist jedoch bei der indirekten Diskriminierung stets zu fragen, ob das herangezogene Differenzierungskriterium nicht sachlich durch die jeweilige Aufgabe gerechtfertigt ist.48 Literatur und Rechtsprechung sind bei der indirekten Diskriminierung in Fragen der Gleichbehandlung verschiedener Staatsangehöriger tendenziell weniger streng als in Fragen der Gleichbehandlung der Geschlechter.49 Andernfalls müßte beispielsweise die Saisonarbeit sehr viel umfassender mit der klassischen Vollzeitbeschäftigung gleich behandelt werden. Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot, die für das Arbeitsvertragsrecht re- 16 levant sind, bestehen in dreierlei Hinsicht: Der Zugang zu Tätigkeiten, die „öffentliche Verwaltung" im oben genannten engen Sinne darstellen, kann Inländern vorbehalten werden (werden jedoch EG-Ausländer überhaupt zugelassen, sind sie gleichzubehandeln). Nach Sprachkenntnissen kann differenziert werden (Art 3 12. UA VO), jedoch nur soweit die Sprachfähigkeit für den fraglichen Beruf tatsächlich erheblich ist.50 Aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit können Beschränkungen vorgenommen werden (Art 48 III EGV und 1. Erwägungsgrund der Präambel), was sich jedoch wiederum regelmäßig nur auf den Zugang beziehen wird, nicht auf die Bedingungen der laufenden Beschäftigung. Dieser Vorbehalt ist jedoch nur eröffnet, wenn die entsprechende Gefahr bei Inländern ebenfalls zu einem Verbot der fraglichen Beschäftigung führen würde 51 und wenn spezialpräventive (nicht

E u G H 30. 5 . 1 9 8 9 - Rs 3 3 / 8 8 (Allué T), Slg 1 9 8 9 , 1 5 9 1 (1610-1612); E u G H 2. 8. 1993 verb Rs C-259/91, C-331/91 und C - 3 3 2 / 9 1 (Mué II), Slg 1993,1-4309 (4333 f); EuGH 20. 10. 1993 - Rs C - 2 7 2 / 9 2 (Spotti), Slg 1993,1-5185 (5207 f). « E u G H 12. 2. 1974 - Rs 152/73 (Sotgiu), Slg 1974, 153 (165); E u G H 30. 5. 1989 Rs 3 3 / 8 8 (Allué Γ), Slg 1989, 1591 (1610 f); E u G H 2. 8. 1993 - verb Rs C-259/91, C-331/91 und C - 3 3 2 / 9 1 (Allué ¡I), Slg 1993, 1-4309 (4334 f); EuGH 20. 10. 1993 Rs C - 2 7 2 / 9 2 (Spotti), Slg 1993, 1-5185 (5207 f); Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 28. 49 Vgl zu letzterem unten 3.10 Rn 28. 50 Für solch eine enge Auslegung dieser Ausnahme v o m Grundsatz vgl Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 174. Zudem dürfen keine sachfremden Anforderungen an die Erwerbsmodalitäten geknüpft werden: EuGH 28. 11. 1989 Rs C - 3 7 9 / 8 7 (Groener), Slg 1989, 3 9 6 7 (3993 f). 51 E u G H 18. 5. 1982 - verb Rs 115 und 116/81 (Adoui und Comuaille), Slg 1982, 1665 (1706) (Prostitution war Inländerinnen gestattet). Ausführlich zum Vorbehalt Grabitz / Hilf (-Randelzhofer), Art 48 EWGV, Rn 4 8 - 5 8 .

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

nur generalpräventive) Gesichtspunkte gegen die Beschäftigung des EG-Ausländers sprechen. 5 2 17 Die Judikate zur Gleichbehandlung im Arbeitsvertragsrecht betreffen folgende Einzelfälle: Die Befristung eines Arbeitsvertrages darf nicht bei EU-Ausländern oder bei Tätigkeiten, die typischerweise EU-Ausländer verrichten, unter weniger strengen Voraussetzungen zugelassen werden als bei sonstigen Arbeitsverhältnissen (von Inländern). 53 Das Recht, Zeiten in einem anderen Dienst auf das Dienstalter angerechnet zu erhalten, hat, wenn Inländer solch ein Recht haben, auch ein EU-Ausländer, falls er entsprechende Zeiten in einem anderen Mitgliedstaat nachweisen kann. 54 Das Recht, nach abgeleistetem Wehrdienst von seinem ehemaligen Arbeitgeber wieder eingegliedert zu werden, hat, wenn Inländer dieses Recht haben (in Deutschland gemäß § 1 I ArbPlSchG), auch der EU-Ausländer, der solch einen Wehrdienst in seinem Heimatland abgeleistet hat und nunmehr zurückkehrt. 55 Der EU-Ausländer kommt unter gleichen Bedingungen und nach denselben Modalitäten wie der Inländer in den Genuß von Trennungsgeldzahlungen 56 oder des Kündigungsschutzes für Schwerbeschädigte. 57 18 bb) Einen engen Zusammenhang mit diesen Fallgruppen weist eine weitere auf, die der E u G H jedoch nicht nach Art 7 V O entschied, sondern nach Art 4 der Verordnung 1408/71/EWG und Art 18 der diesbezüglichen Durchführungsverordnung,58 Es handelt sich um Lohnfortzahlungsfälle. Fraglich war, ob vorgelegte EuGH 26. 2. 1975 - Rs 67/74 (Bonsignore), Slg 1975, 297 (305-307); vgl auch Art 3 I der RL 64/221/EWG (Nachw oben Fn 6). 53 EuGH 16. 6. 1987 - Rs 225/85 (CNR), Slg 1987, 2625 (2640); EuGH 30. 5. 1989 Rs 33/88 (Allué I), Slg 1989, 1591 (1610-1612); EuGH 2. 8. 1993 - verb Rs C-259/91, C-331/91 und C-332/91 [Allué II), Slg 1993, 1-4309 (4333 f); EuGH 20. 10. 1993 Rs C-272/92 (Spotti), Slg 1993,1-5185 (5207 f). 54 EuGH 16. 6. 1987 - Rs 225/85 (CNR), Slg 1987, 2625 (2640). 55 EuGH 15. 10. 1969 - Rs 15/69 (Ugliola), Slg 1969, 363 (369 f); Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 1326, 1379 (unter Anführung entspr BAGJudikatur); allerdings soll kein Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung während des Wehrdienstes bestehen, obwohl inländische Arbeitnehmer den Anspruch haben: EuGH 14. 3. 1996 - Rs C-315/94 (de Vos), Slg 1996,1-1417 (1438-1441). " EuGH 12. 2. 1974 - Rs 152/73 (Sotgiü), Slg 1974, 153 (163 f). 57 EuGH 13. 12. 1972 - Rs 44/72 (Marsman), Slg 1972, 1243 (1248 f). EuGH 3. 6. 1992 - Rs C-45/90 (Paletta I), Slg 1992,1-3423 (3462-3465); und präzisierend nach neuerlicher Vorlage: EuGH 2. 5. 1996 - Rs C-206/94 (Paletta II), Slg 1996,1-2357 (2390-2392) (Richtlinie verwehrt Arbeitgeber nicht Beweis „mißbräuchlichen oder betrügerischen" Handelns des Arbeitnehmers); zu diesem Standard (verglichen mit dem in innerstaatlichen Fällen) etwa Dötsch, AuA 1997, 160 (161); abl etwa Abele, EuZW 1992, 482 (Urteilsanm); Berenz, DB 1992, 2442 (2443-2446); Gaul, NZA 1993, 865 (bes 865-867). Nachw zu beiden VO oben Fn 11 f. Den einschlägigen Art 4 der VO 1408/71/EWG eröffnen folgende Sätze: „Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen: a) Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft ...". Art 18 I und V der 52

3.01 Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung

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ärztliche Atteste aus dem Ausland dieselbe Beweiswirkung gegenüber dem inländischen Arbeitgeber entfalteten wie inländische Atteste. Fraglich war insbesondere, ob ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Attests - hier wurde die gesamte Familie Paletta am Ende ihres Heimaturlaubs in Kalabrien krank und ließ sich dies dort bestätigen - allein ausreichten, um den Beweiswert der Urkunde entfallen zu lassen. Der E u G H verneinte dies. Er stützte sich hierfür auf die genannten Normen der Verordnung 1 4 0 8 / 7 1 / E W G über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und ihrer Durchführungsverordnung. Charakteristisch für die Verordnung ist, daß sie nicht nur die Gleichbehandlung von EU-Ausländern im Inland, also die Gleichbehandlung zweier Gruppen (von Inländern und EU-Ausländern) innerhalb eines (Aufnahme-)Mitgliedstaates anordnet. Vielmehr ist Regelungsgegenstand auch die Summierung von Vorteilen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten erarbeitet werden. Zu Recht betont der E u G H , daß die Verordnung die Mobilität insofern fördern soll, als sie zugleich auch die Rückbindung an das Heimatland erleichtert. Primär zielt die Verordnung darauf ab, daß sozialversicherungsrechtlich relevante Beschäftigungsperioden bei Übersiedlung in einen anderen Mitgliedstaat nicht verfallen, sondern angerechnet werden. Es handelt sich nicht nur um eine Gleichbehandlungs-, sondern weitergehend um eine Adaptionsregelung, mittels derer inländische Vorschriften für den grenzüberschreitenden Fall modifiziert und auf seine Besonderheiten zugeschnitten (adaptiert) werden. Die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung und die Verordnung 1 4 0 8 / 7 1 / E W G sind gerade in diesem Punkte unterschiedlich strukturiert. Für die Substitution inländischer Tatbestandsmerkmale („ärztliches Attest") durch im Ausland gesetzte Fakten erschien Verordnung 1 4 0 8 / 7 1 / E W G der geeignetere Ausgangspunkt. Der E u G H hatte in den Lohnfortzahlungsfällen zunächst zu entscheiden, ob die 19 Lohnfortzahlung durch einen Arbeitgeber (nicht: das staatliche Sozialversicherungssystem) die Leistung eines „Zweige [s] der sozialen Sicherheit" iSv Art 4 der V O 1 4 0 8 / 7 1 / E W G darstelle. Er bejahte diese Frage, da nationale Unterschiede bei der Lohnfortzahlung nicht zu einem unterschiedlichen Schutzniveau fuhren dürften. 59 Folglich war auch Art 18 der Durchführungsverordnung anzu-

59

Durchfiihrungsverordnung lauten auszugsweise: „Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger hat ... sich innerhalb von drei Tagen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Träger des Wohnorts zu wenden und ... eine vom behandelnden Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen." „Der zuständige Träger [hier: Arbeitgeber] behält in allen Fällen die Möglichkeit, die betreffende Person durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen zu lassen." Teils wird darauf hingewiesen, daß der EuGH in Fragen der Gleichbehandlung der Geschlechter den Anwendungsbereich der verschiedenen VO strikt danach abgrenzt, ob es um Ansprüche gegen ein staatlich oder gegen ein vom Arbeitnehmer gespeistes System geht. Im zweiten Fall wird die Vergütungseigenschaft des Anspruchs bejaht und kommt allein die Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn (3.10) zur Anwendung. Vgl etwa Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 228. Demgegenüber sind die VO 1612/68/EWG und 1408/71/EWG ungleich strukturiert (vgl soeben im Text). Daher lag es nahe, nach einer (analogen) Anwendung der VO 1408/71/EWG zu fragen, da die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung, die für (Gleichbehandlungs-)Fragen arbeitsver-

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

wenden. Hier wiederum war fraglich, ob der ärztlichen Untersuchung im Ausland ebenfalls volle Beweiskraft zukam und zur Entkräftung allein der (Voll-)Beweis des Gegenteils geeignet war. Der EuGH bejahte dies und stellte damit die ärztliche Untersuchung im Heimatland derjenigen am Arbeitsort gleich. Damit wollte er dem Arbeitnehmer Mobilität auch faktisch verbürgen. Dieser sollte nicht gezwungen sein, bei Krankheitsfall während oder im Anschluß an den Heimaturlaub Atteste eines Arztes am Arbeitsplatz beizubringen, um bei Zweifeln des Arbeitgebers weitestmöglich abgesichert zu sein.60 Zugleich wies der EuGH darauf hin, daß der Träger, hier der Arbeitgeber, nach Art 18 V der Durchführungsverordnung die Untersuchungsperson bestimmen kann. Das Judikat sichert die Mobilitätsvoraussetzungen für den Arbeitnehmer, regelmäßig die schwächere Vertragspartei. Zugleich eröffnet es jedoch dem Arbeitgeber als der typischerweise organisationsstärkeren Vertragspartei die Handhabe, durch eigene Initiative Mißbräuchen vorzubeugen, beispielsweise durch Festlegung des Vertrauensarztes in der Heimatstadt des Arbeitnehmers oder gar durch Einrichtung von Untersuchungsstellen durch deutsche Arbeitgeberverbände in Großstädten Italiens. d) Verbliebene Regelungslücken und -freiräume 20 Den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Vertragsabschlußkapazität statuiert die Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung lückenlos. Regelungsfreiräume für den nationalen Gesetzgeber ergeben sich also nur in den ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmebereichen: Bei hoheitlichen Tätigkeiten können Zugangsbeschränkungen vorgesehen werden (nicht Ausnahmen von der Gleichbehandlung nach Einstellung), es kann nach Sprachkenntnissen differenziert werden. Regelungsfreiräume ergeben sich sodann nur noch in Fragen, in denen keinerlei Bezug zu Arbeit und Aufenthalt im Gastland mehr besteht (Kriegsveteranenrente).

B. Fundstellenverzeichnis 21 Grundlage: Art 49 EGV Betr: Anerkennung der arbeitsvertraglichen Vertragsabschlußkapazität aller EUBürger in der gesamten Gemeinschaft und Verbot einer Diskriminierung nach Staatsangehörigkeit in allen arbeitsvertraglichen Fragen

60

tragsrechtlicher Art primär heranzuziehen ist, keine Adaptions- und Substitutionsregeln aufweist. Zu statistischen Erhebungen über den keineswegs (!) höheren Krankenstand im EG-Ausland und höheren Stand von Krankschreibungen bei Heimaturlaub im Ausland vgl Kohte, Lohnfortzahlung bei Erkrankung ausländischer Arbeiter im Heimatland, AiB 1983, 19 (20 f).

3.01 Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung

Fundstellen:

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- verabschiedete Fassung AB1EG 1968 L 257/2 - Änderungen durch die Verordnungen 312/76/EWG und 2434/92/EWG vom 9. 2. 1976 und 27. 7. 1992 AB1EG 1976 L 39/2 und 1992 L 245/1 - ursprünglicher Vorschlag vom 7. 4. 1967 AB1EG 1967, S 145/11 Stellungnahmen: - zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1967, S 268/9 WSA: AB1EG 1967, S 298/10

Verordnung des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (1612/68/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 49, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments"', nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses®, in Erwägung nachstehender Gründe: Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer muß innerhalb der Gemeinschaft spätestens am Ende der Übergangszeit gewährleistet sein; dies schließt die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen ein sowie das Recht für diese Arbeitnehmer, sich vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen innerhalb der Gemeinschaft zur Ausübung einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis frei zu bewegen. In Anbetracht insbesondere der beschleunigten Errichtung der Zollunion und damit die gleichzeitige Verwirklichung der wesentlichen Grundlagen der Gemeinschaft gewährleistet ist, sind die Bestimmungen festzulegen, mit denen die in den Artikeln 48 und 49 des Vertrages auf dem Gebiet der Freizügigkeit festgelegten Ziele erreicht und die im Rahmen der Verordnung Nr. 15 über die ersten Maßnahmen zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft»' und der Verordnung Nr. 38/64/EWG des Rates vom 25. März 1964 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft!4' fortschreitend erlassenen Maßnahmen ergänzt werden können.

m

ABl. Nr. 268 vom 6. 11. 1967, S. 9.

K> ABI. Nr. 298 vom 7. 12. 1967, S. 10. (31 ABI. Nr. 57 vom 26. 8. 1961, S. 1073/61. MI ABI. Nr. 62 vom 17. 4. 1964, S. 965/64.

Die Freizügigkeit ist ein Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien; die Mobilität der Arbeitskräfte innerhalb der Gemeinschaft soll für den Arbeitnehmer eines der Mittel sein, die ihm die Möglichkeit einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen garantieren und damit auch seinen sozialen Aufstieg erleichtern, wobei gleichzeitig der Bedarf der Wirtschaft der Mitgliedstaaten befriedigt wird; allen Arbeitnehmern der Mitgliedstaaten muß das Recht zuerkannt werden, eine von ihnen gewählte Tätigkeit innerhalb der Gemeinschaft auszuüben. Dieses Recht steht gleichermaßen Dauerarbeitnehmern, Saisonarbeitern, Grenzarbeitnehmern oder Arbeitnehmern zu, die ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ausüben. Damit das Recht auf Freizügigkeit nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde wahrgenommen werden kann, muß sich die Gleichbehandlung tatsächlich und rechtlich auf alles erstrecken, was mit der eigentlichen Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis und mit der Beschaffung einer Wohnung In Zusammenhang steht; ferner müssen alle Hindernisse beseitigt werden, die sich der Mobilität der Arbeitnehmer entgegenstellen, insbesondere in bezug auf das Recht des Arbeitnehmers, seine Familie nachkommen zu lassen, und die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland. Das Prinzip der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer der Gemeinschaft schließt ein, daß sämtlichen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der gleiche Vorrang beim Zugang zu einer Beschäftigung zuerkannt wird wie den inländischen Arbeitnehmern. Die Zusammenführungs- und Ausgleichsverfahren sind auszubauen, und zwar insbesondere durch die Förderung der unmittelbaren Zusammenarbeit sowohl zwischen den zentralen Dienststellen wie auch den regionalen Dienststellen der Arbeitsverwaltungen sowie durch eine verstärkte und koordinierte Information, um ganz allgemein eine bessere Transparenz des Arbeitsmarktes zu gewährleisten; die wanderungswilligen Arbeitnehmer sind regelmäßig über die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu

3.01 Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung unterrichten; im übrigen sind für den Fall Maßnahmen vorzusehen, daB ein Mitgliedstaat auf seinem Arbeitsmarkt Störungen erleidet oder voraussieht, die eine ernstliche Gefährdung der Lebenshaltung und des Beschäftigungsstandes in einem Gebiet oder in einem Wirtschaftszweig mit sich bringen können; hierzu ist in erster Linie eine Informationsaktion durchzuführen, durch die erreicht werden soll, daB die Arbeitnehmer von einer Abwanderung in dieses Gebiet oder diesen Wirtschaftszweig absehen; es muB jedoch möglich sein, das Ergebnis dieser Aktion gegebenenfalls durch eine zeitweilige Aussetzung der genannten Verfahren, über die auf Gemeinschaftsebene zu beschließen ist, zu verstärken. Zwischen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Beschäftigung und der Berufsausbildung, insbesondere soweit diese zum Ziel hat, die Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, sich auf konkrete Stellenangebote hin zu bewerben, die in anderen Gebieten der Gemeinschaft veröffentlicht worden sind, besteht ein enger Zusammenhang; infolgedessen ist es notwendig, die Probleme, die sich in dieser Hinsicht stellen, nicht mehr getrennt, sondern in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit zu prüfen und hierbei zugleich die Arbeitsmarktprobleme auf regionaler Ebene zu berücksichtigen; es ist daher erforderlich, daB sich die Mitgliedstaaten bemühen, ihre Beschäftigungspolitik auf der Ebene der Gemeinschaft zu koordinieren. Durch BeschluB vom 15. Oktober 1968 ABl.EG Nr. L 257/1 vom 19.10. 1968.

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(2) Er hat insbesondere im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats mit dem gleichen Vorrang Anspruch auf Zugang zu den verfügbaren Stellen wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Artikel 2 Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats und jeder Arbeitgeber, der eine Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausübt, können nach den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften ihre Stellenangebote und Arbeitsgesuche austauschen sowie Arbeitsverträge schlieSen und erfüllen, ohne daB sich Diskriminierungen daraus ergeben dürfen. Artikel 3 (1) Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Verwaltungspraktiken eines Mitgliedstaats, - die das Stellenangebot und das Arbeitsgesuch, den Zugang zur Beschäftigung und deren Ausübung durch Ausländer einschränken oder von Bedingungen abhängig machen, die für Inländer nicht gelten, - oder die, ohne auf die Staatsangehörigkeit abzustellen, ausschließlich oder hauptsächlich bezwecken oder bewirken, daß Angehörige der übrigen Mitgliedstaaten von der angebotenen Stelle ferngehalten werden, finden im Rahmen dieser Verordnung keine Anwendung. Diese Bestimmung gilt nicht für Bedingungen, welche die in Anbetracht der Besonderheit der zu vergebenden Steile erforderlichen Sprachkenntnisse betreffen. (2) Zu den in Absatz 1 Unterabsatz 1 genannten Vorschriften oder Praktiken gehören insbesondere solche, die in einem Mitgliedstaat: a) ein besonderes Verfahren für die Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer zwingend vorschreiben; b) die Veröffentlichung eines Stellenangebots durch die Presse oder durch irgendwelche anderen Wege einschränken oder von anderen als den Bedingungen abhängig machen, die für den Arbeitgeber, der seine Tätigkeit im Hoheitsgebiet dieses Staates ausübt gelten; c) den Zugang zur Beschäftigung von Bedingungen abhängig machen, die sich auf die Einschreibung beim Arbeitsamt beziehen, oder die namentliche Anwerbung eines Arbeitnehmers hindern, soweit dadurch Personen betroffen sind, die nicht im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen. Artikel 4 (1) Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, durch welche die Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern zah-

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Untemehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

len- oder anteilmäßig nach Unternehmen, Wirtschaftszweigen, Gebieten oder im gesamten Hoheitsgebiet beschränkt wird, finden auf Staatsangehörige der übrigen Mitgliedstaaten keine Anwendung. (2) Wenn in einem Mitgliedstaat für Unternehmen vorgesehene Vergünstigungen von der Beschäftigung eines bestimmten Hundertsatzes von inländischen Arbeitnehmern abhängig gemacht werden, werden Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom 15. Oktober 1963 als inländische Arbeitnehmer gezählt. Artikel 5

[Beistand durch Arbeitsämter; nicht abgedruckt] Artikel 6

(1) Wird ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat eingestellt oder für eine Beschäftigung angeworben, so darf bei ihm hinsichtlich des Gesundheitszustands, des Berufes oder sonstiger Anforderungen auf Grund der Staatsangehörigkeit kein anderer MaBstab angelegt werden als bei den Arbeitnehmern, die Staatsangehörige des anderen Mitgliedstaats sind und die gleiche Beschäftigung ausüben wollen. (2) Besitzt ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats jedoch ein auf seinen Namen lautendes Stellenangebot eines Arbeitgebers aus einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat, dessen Staatsangehöriger er ist, so darf er auf seine beruflichen Fähigkeiten hin geprüft werden, wenn der Arbeitgeber eine solche Prüfung bei Abgabe seines Stellenangebots ausdrücklich verlangt. TITEL II Ausübung der Beschäftigung und Gleichbehandlung Artikel 7

(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer. (2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. I«

ABl. Nr. 159 vom 2. 11. 1963, S. 2661/63.

(3) Er kann mit dem gleichen Recht und unter den gleichen Bedingungen wie die inländischen Arbeitnehmer Berufsschulen und Umschulungszentren in Anspruch nehmen. (4) Alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektiwereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen sind von Rechts wegen nichtig, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen. Artikel

8f>

Ein Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, hat Anspruch auf gleiche Behandlung hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Gewerkschaften und der Ausübung gewerkschaftlicher Rechte, einschließlich des Wahlrechts sowie des Zugangs zur Verwaltung oder Leitung von Gewerkschaften ; er kann von der Teilnahme an der Verwaltung von Körperschaften des öffentlichen Rechts und der Ausübung eines öffentlichrechtlichen Amtes ausgeschlossen werden. Er hat ferner das Recht auf Wählbarkeit zu den Organen der Arbeitnehmervertretungen in den Betrieben. Diese Bestimmungen berühren nicht die Rechtsund Verwaltungsvorschriften, durch die in einigen Mitgliedstaaten weitergehende Rechte an Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten eingeräumt werden. Artikel 9

(1) Arbeitnehmer, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt sind, genießen hinsichtlich einer Wohnung, einschließlich der Erlangung des Eigentums an der von ihnen benötigten Wohnung, alle Rechte und Vergünstigungen wie inländische Arbeitnehmer. (2) Diese Arbeitnehmer können sich mit dem gleichen Recht wie die inländischen Arbeitnehmer in dem Gebiet, in dem sie beschäftigt sind, in die Listen der Wohnungsuchenden einschreiben, wo solche geführt werden, und so die gleichen Vergünstigungen und den gleichen Rang erlangen. Ihre im Herkunftsland verbliebene Familie wird zu diesem Zweck als in diesem Gebiet wohnend betrachtet, soweit auch für inländische Arbeitnehmer eine entsprechende Vermutung gilt. Artikel β Absatz 1 Unterabsatz 1 erster Satz novelliert und Artikel β Absatz 2 gestrichen, vgl ABIEG 1976 L 39/2.

3.01 Arbeitnehmerfreiziigigkeits-Verordnung

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TITEL Ilio

Artikel 12

Familienangehörige der Arbeitnehmer«**)

Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.

Artikel 10 [Aufenthaltsrecht von nicht abgedruckt]

Familienangehörigen;

Artikel 11 Der Ehegatte eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit ausübt, sowie die Kinder dieses Staatsangehörigen, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen er Unterhalt gewährt, haben, selbst wenn sie nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, das Recht, im gesamten Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats irgendeine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben.

1*1 Oberschrift spater eingefügt, vgl ABIEG L 295/12. (**> Überschrift spater eingefügt, vgl ABIEG L 295/12.

Die Mitgliedstaaten fördern die Bemühungen, durch die diesen Kindern ermöglicht werden soll, unter den besten Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen. ZWEITER TEIL [Zweiter - Vierter Teil, einschließlich SchluBbestimmungen - Aufsichtsrechtliche Regeln ohne schuldvertragsrechtliche Relevanz; nicht abgedruckt!

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

3.10 und 3.11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3.10 Richtlinie des Rates vom 10. 2. 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (75/117/EWG) 3.11 Richtlinie des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (76/207/EWG) Literatur zum Gleichbehandlungsgebot allgemein: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Bieback, Karl-Jürgen, Die mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts - ihre Grundlagen im Recht der EU und ihre Auswirkungen auf das Sozialrecht der Mitgliedstaaten, Baden-Baden (Nomos) 1997; Bloch, Ekkard, Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum deutschen Arbeitsrecht, Diss Göttingen 1988; Colneric, Ninon / Pfarr, Heide / Rust, Ursula, Handbuch zur Frauenerwerbstätigkeit, Neuwied ua (Luchterhand) ab 1993 (Loseblatt); Creighton, William, Working Women and the Law, London (Mansell) 1979; Dickens, Linda / Townley, Barbara / Winchester, David, Tackling Sex Discrimination through Collective Bargaining - the Impact of section 6 of the Sex Discrimination Act, London (Her Majesty's Stationery Office) 1988; Dungs, Dorothee, Die Europäisierung des deutschen Arbeitsrechts und der geschlechterspezifische Gleichbehandlungsgrundsatz, Stuttgart ua (Boorberg) 1998; Ellis, Evelyn, European Community Sex Equality Law, Oxfort (Clarendon) 1991; Ende, Monika, Soziale Schutzgebote im Europäischen Arbeitsrecht - anhand der Beispiele geschlechtsneutraler Schutzvorschriften bei der Nachtarbeit und Gleichstellung von Mann und Frau im Arbeitsleben, Aachen (Shaker) 1995; Fuchsloch, Christine, Das Verbot der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung - Ableitung, Analyse und exemplarische Anwendung auf staatliche Berufsausbildungsförderung, Baden-Baden (Nomos) 1995; Hervey, Tamara, Justifications for Indirect Discrimination, London ua (Butterworths) 1993; Hervey, Tamara / O'Keefe, David (Eds), Sex Equality Law in the European Community, Chichester ua (Wiley) 1996; Hörburger, Hortense / RathHörburger, Fritz, Europas Frauen - gleichberechtigt? Die Politik der EG-Länder zur Gleichberechtigung der Frauen im Arbeitsleben, Hamburg (Heinevetter) 1988; Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Handbuch Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Europäischen Gemeinschaft, Luxemburg (Amt für amtliche Veröffentlichungen) 1995; Krämer, Antje, Die Gleichberechtigung im europäischen Arbeitsrecht - ein deutsch-französischer Rechtsvergleich, Aachen (Shaker) 1997; Kyriazis, Georgios, Die Sozialpolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in bezug auf die Gleichberechtigung männlicher und weiblicher Erwerbstätiger, Berlin (Duncker & Humblot) 1990; Langenfeld, Christine, Die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Europäischen Gemeinschaftsrecht, Baden-Baden (Nomos) 1990; Macedo Van Overbeek, Junta Pais, Handbuch Gleich-

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 377 behandlung von Männern und Frauen in der Europäischen Gemeinschaft, Luxemburg (Amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaft) 1995; McCrudden, Christopher, Women, Employment and European Equality Law, London (Eclipse) 1987; Oers, Equality in Law between Men and Women in the European Community, Oxford (Clarendon) 1993; Mittmann, Andreas, Gleichbehandlung von Frauen und Männern im niederländischen und deutschen Arbeitsleben - ein Rechtsvergleich auf EU-rechtlicher Grundlage, Sinzheim (pro Universitate) 1997; Mohn, Astrid, Der Gleichheitssatz im Gemeinschaftsrecht Differenzierungen im europäischen Gemeinschaftsrecht und ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz, Kehl ua (Engel) 1990; Pfarr, Heide / Bertelsmann, Klaus, Gleichbehandlungsgesetz - zum Verbot der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben, Wiesbaden (Hessendienst der Staatskanzlei) 1985; Prêchai, Sacha / Burrows, Noreen, Gender Discrimination Law of the European Community, Aldershot ua (Dartmouth) 1990; Rating, Stefan, Mittelbare Diskriminierung der Frau im Erwerbsleben nach europäischem Gemeinschaftsrecht - Richterrecht des EuGH und die Voraussetzungen seiner Rezeption am Beispiel Spaniens und der Bundesrepublik, Baden-Baden (Nomos) 1994; Schiek, Dagmar, Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen, Baden-Baden (Nomos) 1992; Dies, Zweites Gleichberechtigungsgesetz für die Privatwirtschaft Textausgabe mit Kurzkommentierung, Köln (Bund) 1995; Schlachter, Monika, Wege zur Gleichberechtigung - Vergleich des Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten, München (Beck) 1993; Schmidt, Marlene, Teilzeitarbeit in Europa - eine Analyse der gemeinschaftsrechtlichen Regelungsbestrebungen auf vergleichender Grundlage des englischen und des deutschen Rechts, Baden-Baden (Nomos) 1995; Sievers, Jochen, Die mittelbare Diskriminierung im Arbeitsrecht, Pfaffenweiler (Centaurus) 1996; Wisskirchen, Gerlind, Mittelbare Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben - die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, des Europäischen Gerichtshofes und des US Supreme Court, Berlin (Duncker & Humblot) 1994; Wöhlermann, Katharina, Die richtlinienkonforme Auslegung im Europäischen Arbeitsrecht - Perspektiven und Barrieren für eine europäische Rechtsmethodik am Beispiel arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsrichtlinien, Stuttgart ua (Boorberg) 1998. 2. Aus der überreichen Aufsatzliteratur, Beiträge: Adams, Michael, Das Bürgerlichrechtliche Benachteiligungsverbot gemäß § 612 III BGB, J Z 1991, 534-539; Bahlmann, Kai, Der Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau im Gemeinschaftsrecht, RdA 1994, 98-103; Bertelsmann, Klaus, Gleichbehandlung zwischen Frauen und Männern nach bundesdeutschem und EG-Recht, BB 1983, 1805-1809; Bertelsmann, Klaus / Birk, Rolf, Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Berufszugang, NZA 1984, 145-149; Coester-Waltjen, Dagmar, Zielsetzung und Effektivität eines Antidiskriminierungsgesetzes, ZRP 1982, 217-222; Colneric, Ninon, Konsequenzen der Nachtarbeitsverbotsurteile des EuGH und des BVerfG, NZA 1992, 393-399; Dies, Neue Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen - Anmerkung aus bundesdeutscher Sicht zu den Urteilen in den Rechtssachen C-109/88, C-262/88, C-33/89,

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Untemehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

C-177/88 und C-179/88, EuZW 1991, 75-79; Dies, Gleichberechtigung von Mann und Frau im Europäischen Gemeinschaftsrecht, BB 1988, 968-976; Dies, Verbot der Frauendiskriminierung im EG-Recht - Bilanz und Perspektiven, FS Gnade, Köln 1992, 627-647; Dies, Verfahrenskoordination bei der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Diskriminierung wegen des Geschlechts, RdA 1996, 82-91; Dies, Verbot der Frauendiskriminierung im EGRecht - Bilanz und Perspektiven, FS Gnade, Köln 1992, 627-647; Curtin, Deirdre, Effective Sanctions and the Equal Treatment Directive - the von Colson and Harz Cases, CMLR 22 (1985) 505-532; Dieball, Heike, Gleichbehandlung von Frau und Mann im Recht der EG, AuR 1991,166-172; Docksey, Chris, The Principle of Equality between Women and Men as a Fundamental Right under Community Law, ILJ 1991, 258-280; Ebsen, Ingwer, Zur Koordinierung der Rechtsdogmatik beim Gebot der Gleichberechtigung von Männern und Frauen zwischen Europäischem Gemeinschaftsrecht und innerstaatlichem Verfassungsrecht, RdA 1993, 11-16; Eich, Rolf-Achim, Das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz, NJW 1980, 2329-2334; Ellis, Evelyn, The Definition of Discrimination in European Community Sex Equality Law, ELR 1994, 563-580; Dies, Recent Case Law of the Court of Justice on the Equal Treatment of Women and Men, CMLR 31 (1994) 43-75; Erasmy, Walter, Einfluß der EuGH-Rechtsprechung zur mittelbaren Diskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht, MDR 1995, 109-113; Fenwick, Helen / Hervey, Tamara, Sex Equality in the Single Market - New Directions for the European Court of Justice, CMLR 32 (1995) 443-470; Fredman, Sandra, European Community Discrimination Law - a Critique, ILJ 1992, 119-134; Fritz, Elfriede, Gleichbehandlung und Frauenförderung im öffentlichen Dienst - eine Randerscheinung in der EU?, ÖJZ 1995, 801-811; Gamillscheg, Franz, Die mittelbare Benachteiligung der Frau im Arbeitsleben, FS Fioretta, Wien 1983, 171-185; Garrone, Pierre, La discrimination indirecte en droit communautaire - vers une théorie générale, RTD E 1994, 425-449; Gitter, Wolfgang, Gleichberechtigung der Frau Aufgaben und Schwierigkeiten - eine Erörterung von Überlegungen über ein „Antidiskriminierungsgesetz", NJW 1982,1567-1571; Hanau, Peter/Preis, Ulrich, Zur mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts, ZfA 1988, 177-207; Hervey, Tamara, Justifications for Indirect Sex Discrimination in Employment European Community and United Kingdom Law Compared, 40ICLQ 807-826 (1991); Kahnert, Joachim, Die Quotenentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. 10. 1995 (ZTR 1995, 562), ZTR 1996, 8-12; Kirsten, Mathias, Anforderungen an die Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts, RdA 1990,282-286; Knigge, Arnold, Gesetzliche Neuregelung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz, BB 1980, 1272-1276; Kokott, Juliane, Zur Gleichstellung von Mann und Frau - Deutsches Verfassungsrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht, NJW 1995, 1049-1057; Labayle, Henri, Égalité des sexes et traitement du sexe le plus favorisé dans la Communauté - propos sur une jurisprudence récente de la Cour de Justice, RMC 1990, 39-46; Lenaerts, Koen, L'égalité de traitement en droit communautaire - un principe unique aux apparences multiples, CDE 1991, 3-41;

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 379 Listl-Knopik, Irmgard, Aspekte zur Gleichbehandlung von Mann und Frau als Teil europäischer Sozialpolitik, ZRP 1992, 181-186; McCrudden, Christopher, The Effectiveness of European Equality Law - National Mechanisms For Enforcing Gender Equality Law in the Light Of European Requirements, 13 Oxford Journal of Legal Studies 320-367 (1993); Millett, Timothy, European Community Law - Sex Equality and Retirement Age, 36 ICLQ 616-633 (1987); Moore, Sarah, Compensation for Discrimination? ELR 1993, 533-541; Pfarr, Heide, Mittelbare Diskriminierung von Frauen - die Rechtsprechung des EuGH, NZA 1986, 585-589; Prêchai', Sacha, Combatting Indirect Discrimination in Community Law Context, in: Legal Issues of European Integration, Den Haag (Kluwer) 1993, 81-97; Reich, Norbert / Dieball, Heike, Mittelbare Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Betriebsratsmitglieder, AuR 1991, 225-236; Reiche, Astrid, Anmerkungen zu einer Neufassung des § 611a BGB, ZTR 1994, 6-10; Schatzschneider, "Wolfgang, Frage nach der Schwangerschaft und gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot, NJW 1993, 1115 f; Schüren, Peter, Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte, NZA 1993, 529-532; Schulte Westenberg, Michael, Nachtarbeit von Schwangeren und Kündigung des Arbeitsvertrages, NJW 1995, 761 f; Schwarze, Jürgen, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 8. 4. 1976 - Rs 43/75 (Defrenne II), EuR 1977, 44-50; Sowka, Hans-Harald, Mittelbare Frauendiskriminierung - ausgewählte Probleme, DB 1992, 2030-2032; Sporrer, Anna, Was feministische Juristinnen von der Europäischen Union nicht zu erwarten haben - ein Problemabriß, Feministische Jurisprudenz 1995, 91-107; Steindorff, Ernst, Gleichbehandlung von Mann und Frau nach dem EG-Recht, RdA 1988, 129-136; Steinmeister, Ingrid, Der neue § 611a BGB - zum Schadensersatz bei geschlechtsspezifischen Diskriminierungen, Personalrat 1995, 9-12; Urlesberger, Franz, Eine Wende in der Rechtsprechung des EuGH in der Frage der Gleichbehandlung der Geschlechter, ZAS 1994, 181-188; Waas, Bernd, Zur mittelbaren Diskriminierung von Frauen in der Rechtsprechung von EuGH und deutschen Gerichten, EuR 1994, 97-107; Weinmeier, Edith, Gleichbehandlung von Männern und Frauen, in: Koppensteiner, Hans-Georg (Hrsg), Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 5: Arbeitsrecht, Wien (Österreichische Akademie der Wissenschaften) 1997, 1-82; Wißmann, Helmutt, Geschlechtsdiskriminierung, EG-Recht und Tarifverträge, ZTR 1994, 223-231; Ders, Mittelbare Geschlechtsdiskriminierung - iudex calculai, FS Wlotzke, München 1996, 807-834; Zeller, Sven, Die Unzulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft, BB 1993, 219 f. Weitere, vor allem auch ältere Literatur bei Grabitz / Hilf (-Langenfeld / Jansen), Art 119 EGV und in den genannten Monographien. Speziell zur Gleichbehandhings-Richtlinie Lohn (3.10): 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Blomeyer, Christian, Das Verbot der mittelbaren Diskriminierung gemäß Art 119 EGV - seine Funktion im deutschen Arbeitsrecht, Baden-Baden (Nomos) 1994; Pfarr, Heide / Bertelsmann, Klaus, Zur Rechtsprechung bei geschlechtsspezifischer Entgeltdiskriminierung - Gutachten im Auftrag des Bundesministers für Jugend, Arbeit und Gesundheit - Arbeitsstab Frauenpolitik, Stuttgart ua (Kohlhammer) 1981; Saunders, Brigitte, Gleiches Entgelt für Teilzeitarbeit - die Anwendung der Grundsätze des Europäischen Gerichtshofes über

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

die Gleichbehandlung Teilzeitbeschäftigter beim Entgelt durch die Gerichte in Deutschland und Großbritannien, Heidelberg (Recht & Wirtschaft) 1997; sowie die Kommentare zu Art 119 EGV. 2. Aufsätze, Beiträge: Borchardt, Klaus-Dieter, Die Rechtsprechung des EuGH auf dem Prüfstand - die Problematik der Urteile „Bachmann" und „Barber" und deren Folgen, Betriebliche Altersversorgung 1993, 1-6; Colneric, Ninon, Europäischer Gerichtshof zu Leichtlohngruppen, AiB 1986, 200 f; Curtin, Deirdre, Scalping the Community Legislator - Occupational Pensions and „Barber", CMLR 27 (1990) 475-506; Däubler, Wolfgang, Lohngleichheit von Mann und Frau als Rechtsproblem, AuR 1981, 193-202; Hanau, Peter / Gilberg, Dirk, Die Bindungswirkung des EuGH-Urteils vom 15. 12.1994 zu Überstundenzuschlägen für Teilzeitbeschäftigte, BB 1995,1238-1240; Jochmann-Döll, Andreas, Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit - eine vergleichende Untersuchung, AuR 1992, 360-369; Lorenz, Martin, Der schwierige Weg zur Lohngleichheit von Männern und Frauen, FS Wlotzke, München 1996, 45-82; Schlachter, Monika, Probleme der mittelbaren Benachteiligung im Anwendungsbereich des Art 119 EGV, NZA 1995, 393-398; Stückmann, Roland, Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte, endlich entschieden!?, DB 1995, 826-829. Zum Recht der betrieblichen Altersversorgung unten Fn 25. Speziell zur Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11): 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Maidowski, Ulrich, Umgekehrte Diskriminierung - Quotenregelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in den politischen Parteien, Berlin (Duncker & Humblot) 1989; Zuleeg, Manfred, Gleicher Zugang von Mann und Frau zum Arbeitsleben als ein europarechtliches Problem, Saarbrücken (Europainstitut) 1985; sowie fast alle Kommentare zu Art 119 EGV. 2. Aufsätze, Beiträge: Abele, Roland, Geschlechtsbezogene Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsverhältnis - Europarechtliche Vorgaben und deutschrechtliche Abweichungen, EuR 1990, 371-384; Bertelsmann, Klaus / Pfarr, Heide, Diskriminierung von Frauen bei der Einstellung und Beförderung - nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 10. 4. 1984 - Rs 14/83 und 79/83, DB 1984, 1297-1301; Buglass, Anke / Heilmann, Joachim, Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung bei beruflichem Aufstieg, AuR 1992, 353-360; Charpentier, Louis, L'arrêt Kaianke - expression du discours dualiste de l'égalité, RTDE 1996, 281-303; Colneric, Ninon, Frauenquoten auf dem Prüfstand des EG-Rechts, BB 1996, 265-269; Dies, Frauenförderung nach der Kalanke-Entscheidung des EuGH, Arbeitsrecht der Gegenwart 1997, 69-94; Eckertz-Höfer, Marion, Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zur Beschäftigung - ArbG Hamm, Betr 1984, 2700, ArbG Hamburg, Betr 1985, 1402, und EuGHE, 1984, 1891, 1921, JuS 1987, 611-616; Eichinger, Julia, EuGH verwirft Frauenquote - zum Urteil vom 17. 10. 1995, Rs C-450/93, „Kalanke/Freie Hansestadt Bremen", Österreichisches Recht der Wirtschaft 1995, 471-475; Epiney, Astrid, Möglichkeiten und Grenzen „positiver Diskriminierung" im europäischen Gemeinschaftsrecht, Familie und Recht 1995, 205-230; Epiney, Astrid / Refaeil, Nora, Chancengleichheit ein teilbarer Begriff? - zur Zulässigkeit von „Bevorzugungsregeln" im Anschluß an das Urteil des EuGH in der Rs C-450/93, Kaianke, Aktuelle juristische Pra-

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 8 1

xis 1996, 179-187; Goergens, Dorothea, Offenbar zweierlei (Reaktions-)Maß Anmerkungen zum Urteil des EuGH zu Frauenquoten vom 17. 10. 1995 - C450/93, Betrifft Justiz 1995, 161-162; Hanau, Peter, Die Beweislast bei Klagen wegen Benachteiligung bei Einstellungen und Beförderungen von Arbeitnehmern wegen des Geschlechts, FS Gnade, Köln 1992, 351-366; Heilmann, Joachim / Hoffmann, Karen, Müssen Frauen auch heute noch besser sein? Betrachtungen zum EuGH-Urteil vom 17. 10. 1995 (Kaianke), AuA 1995, 406-408; Kahnert, Joachim, Die Quotenentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. 10.1995 (ZIR 1995, 562), ZTR 1996, 8-12; Lenz, Carl, Konsequent und auf der Linie der Mehrheit - zum Urteil Marschall des EuGH, NJW 1998, 1619 f; Moore, Sarah, Sex, Pregnancy and Dismissal, ELR 1994, 653-660; Nicolaysen, Gerd, Richtlinienwirkung und Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zum Beruf - Besprechung der EuGH-Urteile vom 10. 4. 1984 - Rs 14/83 und Rs 79/83, EuR 1984, 380-392; Peters, Anne, The Many Meanings of Equality and Positive Action under European Community Law - a Conceptual Analysis, ELJ 1996, 177-192; Pfarr, Heide, Die Frauenquote, NZA 1995, 809-813; Raasch, Sybille, Der EuGH zur Frauenquote, Kritische Justiz 1995, 593-598; Scarponi, Stefania, Pari opportunità e Frauenquoten davanti alla Corte di Giustizia, Riv.dir.europ. 1995, 717-737; Schiek, Dagmar, Frauenförderung oder Diskriminierungsschutz? Perspektiven der „Frauenquote" nach „Kaianke", WSI-Mitt 1996, 341-349; Dies, „Kaianke" und die Folgen - Überlegungen zu EG-rechtlichen Anforderungen an betriebliche Gleichstellungspolitik, AuR 1996, 128-135; Dies, Draehmpaehl und die Folgen - Gesetzesentwurf zum Schadensersatz bei Einstellungs- und Beförderungsdiskriminierung (Geschlechtsdiskriminierung), BB 1998, 586 f; Volmer, Michael, „Punitive Damages" im deutschen Arbeitsrecht? - Besprechung des EuGH-Urteils „Nils Draehmpaehl", BB 1997, 1582-1585; Weinmeier, Edith, Setzt der EuGH der „positiven Diskriminierung" ein Ende? Anm zu EuGH 17. 10. 1995, Rs C-450/93, Kalanke/Freie Hansestadt Bremen, Wirtschaftsrechtliche Blätter 1996, 6 - 9 ; Zuleeg, Manfred, Gleicher Zugang von Männern und Frauen zu beruflicher Tätigkeit, RdA 1984, 325-332. Speziell zu den sonstigen Gleichbehandlungs-Richtlinien: vgl unten Fn 21, 25 und 28. A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand Die Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn (RL-L) und sonstige Arbeitsbedingun- 1 gen (RL-sA) untersagen für Arbeitnehmer der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes jede Diskriminierung zwischen Mann und Frau, bezogen namentlich auf den Zugang zu einer Arbeitsstelle, alle Bestandteile des Lohns, die sonstigen Arbeitsbedingungen und die Beendigung des Arbeitsvertrages. Dabei wird der Begriff der Diskriminierung weit gefaßt und auch auf die sogenannte mittelbare Diskriminierung erstreckt, also Fälle, in denen Frauen nur typischerweise

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

(als Gruppe) schwerer betroffen sind, wobei in diesem Fall der Arbeitgeber rechtfertigende, nichtdiskriminierende Gründe anführen und beweisen kann. Das Diskriminierungsverbot gilt für staatliche Regeln ebenso wie für die privatautonome Regelung (Tarif- oder Arbeitsvertrag) oder Realakte. Umfassend ist auch der Kreis der vom Diskriminierungsverbot erfaßten Regelungsfragen; insbesondere der Begriff des Lohns wird weit gefaßt und setzt nur eine Begründung im Arbeitsvertrag voraus, umfaßt demnach auch nachvertragliche Leistungen, insbesondere die betriebliche Altersversorgung, und auch solche, für die der Arbeitsvertrag zwar kausal wurde, zu denen er jedoch nicht verpflichtet. Das Diskriminierungsverbot gilt auf jeder Einzelstufe (etwa bei der Bestimmung von Akkordlöhnen), nicht nur für das Gesamtergebnis, so daß die Überprüfung in kleinen Schritten möglich und das Gebot prozedural ausgestaltet wird. Flankiert wird es von einem Justizanspruch, einem Maßregelungsverbot, einer Pflicht zur Informierung über seine Inhalte und von einem Gebot, effiziente Sanktionen für den Fall seiner Verletzung vorzusehen. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2 aa) Bedeutung und Geschichte des Gleichbehandlungsgebots in der Gemeinschaft sowie vor allem der Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen sind untrennbar. Bereits bei den Verhandlungen der Verträge von Rom forderte Frankreich die Einführung einer primärrechtlichen Regelung zur Gleichbehandlung von Mann und Frau beim Entgelt.1 Damals wurde befürchtet, daß das im französischen Recht verankerte Gebot effizienter durchgesetzt werde als etwa in Deutschland und Italien und daß französischen Unternehmen daraus ein Nachteil erwachse. Neben sozialen Gesichtspunkten waren also Wettbewerbsgesichtspunkte verantwortlich für dieses (neben Art 85 EGV) wichtigste Beispiel eines positiven Standards des Europäischen Schuldvertragsrechts im Primärrecht. 3 In der geschichtlichen Dimension ist dieses Gebot sogar noch genereller als Wurzel eines gesellschaftlichen Grundverständnisses in der Gemeinschaft zu sehen: In ihm bilden Antidiskriminierungsregeln hinsichtlich verschiedenster Kriterien in einer Gesellschaft der Vielfalt in der Tat ein unverzichtbares Grundprinzip, ja die Grundlage jeglichen Zusammenlebens.2 Dies ist so wichtig nicht nur, 1

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Vgl (auch zum folgenden): Bercusson, European Labour Law, p. 170; Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 2 4 3 ; Hilf/Willms, JuS 1992, 368 (369); Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 143; Küsters, Die Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 1982, S 2 9 9 - 4 0 5 , 375; Zuleeg, EuGRZ 1992, 3 2 9 (330). Schon sehr früh wurde Art 119 EGV als „Grundrecht" umschrieben: EuGH 15. 6. 1978 Rs 149/77 (Defrenne III), Slg 1 9 7 8 , 1 3 6 5 (1379); Bercusson, European Labour Law, p. 169; Docksey, ILJ 1991, 2 5 8 ; Dötsch, AuA 1997, 160 (162); vMaydell, Die europäische Charta sozialer Grundrechte, in: ν Maydell (Hrsg), Soziale Rechte in der EG - Bausteine einer zukünftigen europäischen Sozialunion, 1990, 122 (129 f). Im 16. Erwägungsgrund der Präambel der Charta der sozialen Grundrechte (Nachw oben ξ 6 Einl Fn 65), auf die zudem Art 136 Amsterdamer Vertrag Bezug nimmt, ist das Diskriminierungsverbot folgerichtig auf wichtige weitere Kriterien, wie Glaube und Rasse, erstreckt worden. Demgegenüber beklagt Buchner, 7ÁK 1993, 279 (339), das Gemeinschaftsrecht sei „gleichheitslastig", etwa zu Lasten der freien Entfaltung der Persönlichkeit oder der Berufsfreiheit.

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 8 3

weil in den Rechtsordnungen und Verfassungen mancher Mitgliedstaaten ähnliche Diskriminierungsverbote fehlen mögen. Vielmehr entfaltete das gemeinschaftsrechtliche Gebot auch für Deutschland - trotz Art 3 II und III G G - eine kaum geahnte Dynamik, etwa bei seiner Einwirkung auf Privatrechtsverhältnisse. Die wirtschaftliche Bedeutung sollte auch nicht auf die Wettbewerbsverzerrung zu Lasten derjenigen Unternehmen reduziert werden, die einem strengen Gleichbehandlungsgrundsatz unterliegen. Vielmehr ist der volkswirtschaftliche Schaden von Diskriminierung letztlich wohl vor allem insoweit enorm, als Diskriminierung die Betroffenen - etwa die gesamte weibliche Hälfte der Bevölkerung - potentiell schon von der Ausbildung mancher gleichwertiger oder gar überlegener Kapazitäten abhält.3 Die Ähnlichkeit mancher Regelung zu derjenigen im öffentlichen Auftragswesen (5.22-5.25) und die grundsätzlich vergleichbare Struktur der Problemlagen lassen Prognosen aus diesem Bereich übertragbar erscheinen und diese errechnen bekanntlich enorme Wohlfahrtsgewinne bei Aufgabe von Diskriminierungspraktiken.4 Mit diesen weiterreichenden Überlegungen erklärt sich vielleicht der - teils als paradox bewertete - Umstand, daß sich die Frauengleichstellung, obwohl die Frauenbewegung als Lobby anfangs eher schwach organisiert war, so zentral im Gemeinschaftsrecht durchgesetzt hat, die Idee vom Dialog der Sozialpartner trotz teils starker Gewerkschaften tendenziell viel weniger.5 Das vielleicht wichtigste Spannungsverhältnis innerhalb des Problemkomplexes 4 Frauengleichbehandlung ist mit den Stichworten Gleichbehandlung hinsichtlich der Chancen und Gleichbehandlung im Ergebnis angesprochen. Im liberalen Grundverständnis ist Frauen und Männern gleicher Zugang zu den Chancen zu gewährleisten; wird demgegenüber Recht intensiv im sozialen Umfeld gesehen, insbesondere von feministischer Seite, so wird, typischerweise weiterreichend, Gleichbehandlung im Ergebnis gefordert.6 Angesichts der jahrhundertealten Diskriminierung in der Vergangenheit und bei Strukturen, die männlich beherrscht werden, sowie bei Regeln, die auf typische männliche Stärken abstellen, sei nur so materielle Gleichberechtigung (statt nur formaler) zu erreichen.7 Pro3

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Ebenfalls die Ineffizienz von Märkten, in denen diskriminiert wird, betonend: Fenwick / Hervey, CM LR 32 (1995) 443 (444 seq). Vgl im einzelnen unten 5.22-5.25 Rn 2, 4 - 7 ; entspr für den Gleichbehandlungsgrundsatz etwa Adams, J Z 1991, 534 (535 f). Bercusson, European Labour Law, p. 170 seq. Zu beiden Sichten Bercusson, European Labour Law, p. 174-178 (equal treatment und equal shares); Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 245; McCrudden, 13 Oxford Journal of Legal Studies 320 (1993); und bezogen auf die Leitentscheidung des EuGH in diesem Bereich: Charpentier, RTDE 1996, 281 (bes 2 8 3 286); eher ernüchternd auch etwa die Gesamtbewertung zur Effektivität der Gemeinschaftspolitik: Krämer, Gleichberechtigung, S 169-224. Vgl vorige Fn; 3. Erwägungsgrund der Präambel der Empfehlung 84/635/EWG (unten Fn 40). Eine bevorzugte Aufnahme von typisch männlichen Stärken in Auswahlkataloge (hier: Muskelkraft) hat der EuGH auf der Grundlage von Art 119 EGV und der Gleichbehandlungs-Richtlinien freilich schon als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft: EuGH 1. 7. 1986 - Rs 237/85 (Rummler), Slg 1986, 2101 (2113-2118).

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

minentestes Beispiel ist die Quotenregelung, die, wenn beispielsweise hälftige Teilhabe vorgesehen wird, typischerweise dazu führt, daß ungleich weniger Frauen um eine Stelle konkurrieren als Männer und daß, wenn keine Anpassungszeiträume vorgesehen sind, die Regelung für Männer zunächst zum absoluten Einstellungsstop führt. 5 Die gemeinschaftsrechtliche Regelung reflektiert in ihrer Grundstruktur das Dilemma. Im Grundansatz wird Gleichheit im Zugang zu den Chancen als Recht verbürgt, nicht Gleichbehandlung im Ergebnis. Letztere bildet aus Sicht des Gemeinschaftsrechts in zweierlei Hinsicht die Ausnahme. Zum einen wird die Bevorzugung von Frauen nur punktuell zugelassen (Art 2 III, IV RL-sA, nicht beim Lohn): Entweder ist die Situation klar umrissen, in der bevorzugte Behandlung zugelassen wird; allein der Schwangeren- und Mutterschutz werden als solcher Grund ausdrücklich anerkannt (Art 2 III RL-sA). 8 Oder es wird eine Bevorzugung von Frauen nur bei gleicher Befähigung und bei Vermeidung jedes Automatismus zugelassen (Art 2 IV RL-sA). 9 Zum anderen wird - sieht man von der Mutterschutz-Richtlinie (3.45) ab - die Ausnahme im Gemeinschaftsrecht nur zugelassen, nicht vom Gemeinschaftsgesetzgeber selbst ausgestaltet: Die Regelung wird den Mitgliedstaaten überlassen und freigestellt; mit anderen Worten: Das Maß in dieser schwierigen Frage bestimmt jede Gesellschaft für sich - wohl ein Beispiel dafür, daß soziale Standards Ausdruck des Wohlstandes und der Gegebenheiten einer Gesellschaft sind und in der Gemeinschaft durchaus differieren können. Der Gemeinschaftsgesetzgeber ließ Raum für konkurrierende Modelle - eine sinnvolle Entscheidung angesichts unterschiedlicher Gegebenheiten und angesichts des hohen Maßes an Unsicherheit über „die" richtige Lösung. 6 Die Macht des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 119 E G V gründet nicht zuletzt in einigen Rechtsprechungsentwicklungen. Zunächst ist von besonderer Bedeutung, daß der Grundsatz für unmittelbar anwendbar erklärt wurde, dies in zweierlei Hinsicht: Der Grundsatz wirkt nicht nur ohne Umsetzung durch nationales Recht im nationalen Recht (Monismus, kein Dualismus). 10 Vielmehr entfaltet er auch uneingeschränkt horizontale Wirkung (Drittwirkung iSd deutschen Grundrechtsdogmatik). 11 Gerade die unmittelbare Anwendbarkeit im hoDazu, daß diese Ausnahme nur als Regelbsp formuliert ist, vgl unten Rn 34. Zum Verhältnis beider Formen von Gleichheit grundsätzlich wie hier in ihrer Analyse einiger zentraler EuGH-Urteile: Fenwick / Hervey, CM LR 32 (1995) 443 (bes 4 4 9 seq). 9 Zu dieser Auslegung der genannten Norm durch den EuGH vgl unten Rn 35 f. «> EuGH 8. 4. 1976 - Rs 4 3 / 7 5 (Defrenne II), Slg 1976, 455 ( 4 7 2 - 4 7 9 ) ; dazu ausführlich Schwarze, EuR 1977, 4 4 ( 4 4 - 4 7 ; Urteilsanm); EuGH 9. 2. 1982 - Rs 12/81 {Garland), Slg 1982, 3 5 9 (370). Aufgrund des Neuigkeitswertes der erstgenannten Entscheidung und aus dadurch begründeten Vertrauensgesichtspunkten beschränkte der EuGH freilich die Wirkungen des Urteils: Von unmittelbarer Anwendbarkeit des Art 119 EGV sei nur ex nunc, also erst nach dem 8. 4 . 1 9 7 6 auszugehen, es sei denn, eine Klage war bereits zu diesem Zeitpunkt anhängig. 8

» Unstr, vgl statt aller: EuGH 8. 4. 1976 - Rs 4 3 / 7 5 (Defrenne ¡I), Slg 1976, 4 5 5 (474); Geiger, Art 119 EGV, Rn 3. Dies ergibt sich bereits aus den in Art 119 III EGV angeführten Bsp. Die Hauptlinien der EuGH-Rspr etwa bei Buchner, ZfA 1993, 279 (316338).

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 8 5

rizontalen Verhältnis ist eine Besonderheit von Art 119 EGV gegenüber den Gleichbehandlungs-Richtlinien, die ihn ausgestalten und selbständig, dh soweit sie im Anwendungsbereich über Art 119 EGV hinausgehen, keine solche horizontale Direktwirkung entfalten. Hierin liegt auch der eine Hauptgrund, den Anwendungsbereich des Art 119 EGV von demjenigen abzugrenzen, den allein die Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) oder sonstige Gleichbehandlungs-Richtlinien umfassen.12 Der zweite Hauptgrund, beide Anwendungsbereiche voneinander zu unterscheiden, besteht darin, daß die Gleichbehandlungs-Richtlinien im Anwendungsbereich des Art 119 EGV nichts vom Gleichbehandlungsstandard zurücknehmen dürfen, also die primärrechtlichen Vorgaben vorgehen und daher etwa Umsetzungspflichten der Mitgliedstaaten zeitlich nicht hinausgeschoben werden dürfen.13 Die zweite zentrale Rechtsprechungsentwicklung führte zu einer Vertiefung des 7 Gleichbehandlungsgebots.14 Dieses wird nicht mehr nur auf die sogenannte unmittelbare Diskriminierung, dh die ausdrückliche oder absolut wirkende Diskriminierung angewandt, sondern auch auf nur typischerweise diskriminierend wirkende Gestaltungen, die sogenannte mittelbare Diskriminierung. Daneben tritt noch die Erstreckung des Art 119 EGV auch auf die Fälle gleichwertiger Arbeit, nicht nur, wie der Wortlaut es will, auf solche gleicher Arbeit. Eine dritte Entwicklung wurde teils zwar ebenfalls von der Rechtsprechung des 8 EuGH getragen, primär jedoch durch den Gemeinschaftsgesetzgeber. Sie betrifft die Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereiches des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Auch unter dem Eindruck dessen, daß dieser Grundsatz auf allen wichtigen internationalen Plattformen Eingang in Ubereinkommen gefunden hatte,15 formulierte der Rat im ersten sozialpolitischen Aktionsprogramm von 1974 einen allgemeineren, nicht nur auf die Lohngleichheit beschränkten Gleichbehandlungsgrundsatz.16 Der Lohngleichheitsgrundsatz war zwar mancher Ausdehnung durch die Rechtsprechung zugänglich.17 Ein allgemeines Gleichbehandlungsge12

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Ebenso in der Sache: Grabitz / Hilf (-Langenfeld / Jansen), Art 119 EGV, Rn 31. Freilich wird sich dies nach Ratifikation des Amsterdamer Vertrages ändern, dessen Art 119 ein allgem Gleichbehandlungsgebot enthält. Daher wurden Art 8 f der Gleichbehandlungs-Richtlinie Betriebliche Altersversorgung (Nachw unten Fn 25) zumindest ex nunc für nichtig oder unanwendbar erklärt: EuGH 17. 5. 1990 - Rs C-262/88 {Barber), Slg 1990, 1-1889 (1955 f). In der Sache ebenso: EuGH 14. 12. 1993 - Rs C-110/91 (Moroni / Collo), Slg 1993,1-6591 (6616 f). Zur Vertiefung der im folgenden genannten Facetten näher unten Rn 28-31. Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 242. Entschließung des Rates vom 21. 1. 1974 über ein sozialpolitisches Aktionsprogramm, AB1EG 1974 C 13/1 (2). Gegenwärtig Grundlage für das politische Handeln: Beschluß des Rates vom 22. 12. 1995 über ein mittelfristiges Aktionsprogramm der Gemeinschaft für die Chancengleichheit von Männern und Frauen (1996-2000), AB1EG 1995 L 335/37. Auf die Erstreckung auch auf gleichwertige Arbeit wurde hingewiesen, dazu näher unten Rn 30f. Eine zweite wichtige Weiterung erfolgte 1990, als der EuGH auch Beiträge zu einer betrieblichen Alters- oder Hinterbliebenenversorgung An 119 EGV unterstellte, weil die Zuwendungen eine Gegenleistung für die Dienste darstellen: dazu näher unten Rn 20.

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

bot setzte jedoch das Tätigwerden des Gemeinschaftsgesetzgebers voraus. Die erste Ausgestaltung des Verbotes einer Diskriminierung nach dem Geschlecht bildete 1975 die Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn (3.10), auf die fast exakt ein Jahr später die Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) folgte. Während die erstgenannte keine Regeln enthält (außer den flankierenden), die der EuGH später nicht auch aus Art 119 EGV hergeleitet hätte, ging die zweitgenannte offenbar über dessen Anwendungsbereich hinaus. Die weitere Geschichte der Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Gemeinschaft betrifft das Umfeld dieser beiden Richtlinien. Zugleich leitete jedoch der EuGH sukzessive fast alle der dort vom Gemeinschaftsgesetzgeber niedergelegten Grundsätze direkt aus den beiden Hauptrichtlinien zum Gleichbehandlungsgrundsatz und aus Art 119 EGV her. Eigenständigen Charakter haben also die EG-Richtlinien des Umfelds nicht, zumindest nicht, soweit sie die Gleichbehandlung im vertragsrechtlichen Bereich zum Gegenstand haben.18 9 bb) Das Umfeld von Art 119 EGV und der Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen bilden sechs weitere EG-Richtlinien zur Gleichbehandlung von Mann und Frau und eine Reihe von Maßnahmen, die die beiden Fragenkomplexe berufliche Förderung von Frauen und Schutz der Würde von Frauen zum Gegenstand haben, jedoch durchweg nur empfehlenden oder programmatischen Charakter haben und zudem häufig vertragsrechtliche Fragen nur am Rande betreffen.19 Hinzuweisen ist außerdem auf eine spezifische Richtlinie, die entsprechend Art 2 III RL-sA den Schutz der Frau bei Schwanger- und Mutterschaft regelt, die Mutterschutz-Richtlinie (3.45), die freilich primär gesundheitsschutzrechtlich ausgerichtet ist.20 10 Aus dem Rahmen des Vertragsrechts heraus fällt die früheste der sechs weiteren Gleichbehandlungs-Richtlinien, diejenige zu den gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit von 1979, also insbesondere zur gesetzlichen Sozialversicherung.21 Der EuGH geht denn auch davon aus, daß Beiträge zu dieser keinen Lohn iSv Art 119 EGV darstellen, weil die Verpflichtungen nicht primär im Arbeitsvertrag wurzeln, sondern in einem hoheitlich ausgestalteten Rechtsverhältnis der sozia-

18

19 20 21

Der Gemeinschaftsgesetzgeber konstatierte zuletzt selbst (im 8. Erwägungsgrund der Präambel der Gleichbehandlungs-Richtlinie Beweislast, unten Fn 29): „Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist niedergelegt in Art 119 des Vertrags und in der Richtlinie 75/117/EWG ... sowie in der Richtlinie 7 6 / 2 0 7 / E W G ..." Keine der sonstigen Gleichbehandlungs-Richtlinien wird auch nur ergänzend erwähnt. Zum gesamten Gebiet vgl schon oben § 6 Einl Rn 40. Vgl dazu unten 3.45 Rn 5 f, 8. Richtlinie des Rates 79/7/EWG vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, AB1EG 1979 L 6/24. Literatur etwa bei Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1095; kurze Kommentierung dort und etwa bei: Grabitz / Hilf (-Langenfeld / Jansen), Art 119 EGV, Rn 6 8 - 8 2 ; Hoskyns / Luckhaus, The European Community Directive on Equal Treatment in Social Security, 17 Policy and Politics 321 (1989).

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 8 7 len Sicherheit. 22 Die Richtlinie fallt nicht nur aus dem Rahmen des Vertragsrechts heraus, sondern „inhaltliche Aussagen und Regelungstechnik decken sich weitestgehend mit . . . " 2 3 den Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen (3.10, 3.11). Eine eigene Kommentierung erübrigt sich, wenn zumindest auf die zentrale Ausnahme hingewiesen wird, die nur für die Gleichbehandlungs-Richtlinie Sozialversicherung gilt: die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Festsetzung des Rentenalters nach deren Art 7 I. 24 Sieben Jahre später, jedoch in gewisser Parallelität hierzu erging die Gleichbehandlungs-Richtlinie zu den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit.2S Seitdem der E u G H in Sachen Barber entschieden hat, daß sämtliche Beiträge als Lohn iSv Art 119 E G V zu verstehen sind, 26 ergeben sich die Regelungsgehalte durchweg bereits aus Art 119 EGV und der Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn " EuGH 25. 5.1971 - Rs 80/70 (Defrenne I), Slg 1971,445 (451 f); vgl näher unten Rn 11. 23 Däubler / Kittner / Lörcher, Internationale Arbeitsordnung, S 1094. 24 Vgl dazu: EuGH 16. 2. 1982 - Rs 19/81 (Burton), Slg 1982, 555 (575-577); und umgekehrt für andere Gleichbehandlungs-Richtlinien: EuGH 15. 6. 1978 - Rs 149/77 (Defrenne III), Slg 1978, 1365 (1377 f); EuGH 17. 5. 1990 - Rs C-262/88 (Barber), Slg 1990, 1-1889 (1953); ausführlich Millen, 36 ICLQ 616 (1987). 23 Richtlinie 86/378/EWG des Rates vom 24. 7. 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, AB1EG 1986 L 225/40; Vorschlag: AB1EG 1983 C 134/7; Stellungnahmen (Europäisches Parlament, Wirtschafts- und Sozialausschuß): AB1EG 1984 C 117/ 169 bzw 35/7. Literatur monographisch: Meyer, Auswirkungen des EG-Diskriminierungsgebots von Mann und Frau auf die private und betriebliche Krankheits- und Altersvorsorge in Europa, 1994; sowie: Engelbrecht, „Barber" und die Folgen, EuZW 1996, 395; Griebeling, Gleichbehandlung in der betrieblichen Altersversorgung, RdA 1992, 373; Ders, Aspekte der Gleichbehandlung in Systemen der betrieblichen Altersversorgung aus deutscher und europäischer Sicht, NZA 1996, 449; Meyerhoff, Der Einfluß der EuGH-Rechtsprechung auf das deutsche Arbeitsrecht - dargestellt am Beispiel der betrieblichen Altersversorgung, Neue Wirtschaftsbriefe 1995, 1425 = Fach 26, 2601; Höfer, Die Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung zum Lohngleichheitsgebot in der betrieblichen Altersversorgung, Betriebliche Altersversorung 1995, 119; Ders, Der EuGH zum Lohngleichheitsgebot bei den Betriebsrenten (Art 119 EGV), NJW 1996, 297; Kirschbaum, Neues zur Gleichbehandlung der Geschlechter bei Betriebspensionen weitere EuGH-Urteile in der sogenannten „Barber-Nachfolge", ZAS 1995, 37; Kollatz, Der Fall „Barber" und die Folgen - Rechtsprechung des EuGH zur betrieblichen Altersversorgung, DZWiR 1995, 284; Langohr-Plato, Auswirkungen des europarechtlichen Lohngleichheitsgrundsatzes auf das deutsche Betriebsrentenrecht, EuZW 1995, 239; Ders, Gleichbehandlung in der betrieblichen Altersversorgung, MDR 1995, 649; Rühmann, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Europäischen Union und seine Umsetzung in der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland, Internationales Steuerrecht 1995,290; Weber, Rückwirkung und Vertrauensschutz - die Rechtsprechung des EuGH und des BAG zum Prinzip der Lohngleichheit in der betrieblichen Altersversorgung, Jb junger Zivilrechtswissenschaftler 1995, 221; Weinmeier, EU und Betriebspensionen - zur Frage des Stichtages für die Beseitigung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, Österreichisches Recht der Wirtschaft 1995, 306; Wöss, Neueste Rechtsprechung des EuGH zur Anwendbarkeit von Art 119 EGV bei Betriebspensionen, DRdA 1995, 75. 26 Vgl unten Fn 48.

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

(3.10): Für den sachlichen Anwendungsbereich (Art 2 - 4 der Richtlinie) ist denn auch darauf abgestellt, daß die Leistungen „aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses" erbracht werden müssen (vgl Art 4 lit. b, jedoch auch Art 2 II lit. d der Richtlinie). Der Lohncharakter der Leistung ist damit Kriterium für die Eröffnung des Anwendungsbereichs, die Abgrenzung einerseits zur gesetzlichen Sozialversicherung und andererseits zur freiwilligen Mehrversicherung durch den Arbeitnehmer entspricht derjenigen in der EuGH-Rechtsprechung.27 Allerdings wird die Altersversorgung von Selbständigen in den Anwendungsbereich einbezogen (dazu sogleich noch). Art 5 f der Richtlinie enthalten das Diskriminierungsverbot, insbesondere auch ein Verbot mittelbarer Diskriminierungen, und eine beispielhafte Aufzählung von Diskriminierungsfällen; all dies ergäbe sich ebenfalls aus der EuGH-Rechtsprechung - desgleichen die Erstreckung auf staatliche Regeln ebenso wie auf privatautonome Regelungen (Tarif- oder Arbeitsvertrag) oder Realakte (in Art 7 der Richtlinie). Auch das Maßregelverbot und der Justizanspruch (Art 10 f der Richtlinie) finden sich ebenfalls in der Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn (3.10). Die teilweise Einschränkung der Gleichbehandlungspflichten, die sich aus Art 8 f der Richtlinie ergibt, war ausdrücklich Gegenstand der EuGH-Entscheidung in Sachen Barber, die zu Art 119 EGV erging· 12 Die Gleichbehandlungs-Richtlinie Selbständige, ebenfalls von 19 8 6, 28 betrifft vor allem die Ehegatten von Selbständigen in Familienbetrieben, die in anderen Mitgliedstaaten als Arbeitnehmer qualifiziert werden (Art 2 lit. b der Richtlinie), gilt freilich unabhängig davon für alle Selbständigen (Art 2 lit. a der Richtlinie). Im Vordergrund stehen wiederum nicht vertragsrechtliche Regelungen, hier insbesondere solche gesellschafts- und sozialversicherungsrechtlicher Art (Art 5, 6 der Richtlinie, die die Gesellschaftsgründung und den Zugang zur gesetzlichen Sozialversicherung erleichtern sollen). Aus schuldvertragsrechtlicher Sicht stellt Art 4 der Richtlinie die zentrale Norm dar, während Art 7 f der Richtlinie bloße Prüf- und Bemühenspflichten der Mitgliedstaaten enthalten und Art 9 ff der Richtlinie Schlußvorschriften einschließlich des Justizanspruchs und der Bekanntmachungspflicht, die auch die Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen aufweisen. Art 4 der Richtlinie erstreckt den Gleichbehandlungsgrundsatz der Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) auf die selbständige Arbeit, freilich nur hinsichtlich „aller Bestimmungen", während die privatautonomen Gestaltungsakte nicht genannt werden. Zudem stehen auch hier die öffentlichrechtlichen Gewährungen im Vordergrund. 27 28

Vgl oben Fn 2 2 und unten Fn 48. Richtlinie 8 6 / 6 1 3 / E W G des Rates vom 11. 12. 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichstellung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit auch in der Landwirtschaft - ausüben, sowie über den Mutterschutz, AB1EG 1986 L 3 5 9 / 5 6 ; Vorschlag: AB1EG 1984 C 113/4, KOM(84) 57 endg/2; Stellungnahmen (Wirtschafts- und Sozialausschuß, Europäisches Parlament): AB1EG 1984 C 343/1 bzw 1984 C 172/80. Kurzkommentierung etwa bei: Grabitz / Hilf (-Langenfeld / Jansen), Art 119 EGV, Rn 8 6 - 8 8 .

3 . 1 0 / 1 1 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen

389

Zuletzt wurde die Gleichbehandlungs-Richtlinie Beweislast verabschiedet.29 Wie 13 die Gleichbehandlungs-Richtlinie zu den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit betrifft sie zwar durchaus zentral vertragsrechtliche Fragen, stellt jedoch ebenfalls durchweg nur eine Festschreibung der Rechtsprechung des EuGH dar. Den Justizanspruch (Art 1 der Richtlinie) kennen die Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen ebenfalls (unten 2 d), auf diese beiden erstreckt sich die Regelung der Gleichbehandlungs-Richtlinie Beweislast (Art 2 I, 3 I lit. a und 8. Erwägungsgrund der Präambel der Richtlinie). Die Definition der sogenannten mittelbaren Diskriminierung in Art 2 II der Richtlinie stellt eine Ausformulierung der diesbezüglichen EuGH-Rechtsprechung dar,30 die Erstreckung auch auf den öffentlichen Dienst (Art 3 I lit. b der Richtlinie) fand sich auch in den Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen,31 desgleichen die Pflicht, die maßgeblichen Rechtsregeln den Arbeitnehmern bekannt zu machen (Art 5 der Richtlinie, unten 2 d). Die Kernregel findet sich in Art 4 der der Richtlinie: mit der Beweislastregelung (Absatz l), 32 einer Öffnungsklausel für weiterreichendes („strengeres") nationales Recht (Absatz 2) und einer Option für Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz (Amtsermittlung), auf die die Mitgliedstaaten die Beweislastregelung nicht anwenden müssen (Absatz 3). Im Bereich der mittelbaren Diskriminierung war die Beweislastumkehr für die Rechtfertigungsgründe ohnehin bereits anerkannt;33 weniger geklärt war bisher allein die Beweiserleichterung dahingehend, daß unmittelbare und mittelbare Diskriminierung nur noch glaubhaft gemacht werden müssen.34 Auch die beiden bisher im Zusammenwirken zwischen Sozialpartnern und Rat 14 nach Art 4 II des Abkommens über die Sozialpolitik verabschiedeten Richtlinienι35 berühren Gleichbehandlungsfragen. Die zeitlich frühere betrifft den Elternurlaub (mit Arbeitsplatzgarantie)36 und verbürgt Männern und Frauen einen solchen nach Maßgabe der nationalen Rechte, die insbesondere die Ausübung

29

Richtlinie 9 7 / 8 0 / E G des Rates vom 15. 12. 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, AB1EG 1 9 9 8 L 1 4 / 6 ; Vorschläge: AB1EG 1 9 8 8 C 1 7 6 / 3 , K O M ( 8 8 ) 2 6 9 endg; 1 9 9 6 C 3 3 2 / 1 1 , K O M ( 9 6 ) 3 4 0 endg; 1 9 9 7 C 1 8 5 / 2 1 ; Stellungnahmen (Wirtschafts- und Sozialausschuß, Europäisches Parlament): AB1EG 1 9 9 7 C 1 3 3 / 3 4 bzw 1 9 9 7 C 1 3 2 / 2 1 5 . Gemeinsamer Standpunkt: AB1EG 1 9 9 7 C 3 0 7 / 6 und 1 9 9 7 C 3 5 8 / 2 5 .

30

Vgl unten Fn 6 4 f, 67. Vgl unten Fn 5 4 . „Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit dem System ihrer nationalen Gerichtsbarkeit die erforderlichen Maßnahmen, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht bzw einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, daß keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat."

31 32

33 34 35 36

Vgl unten Rn 2 9 . Vgl allerdings unten Rn 2 8 . Z u diesem Verfahren vgl oben § 6 Einl Rn 2 6 . Richtlinie 9 6 / 3 4 / E G des Rates vom 3. 6. 1 9 9 6 zu der von U N I C E , C E E P und E G B geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub, AB1EG 1 9 9 6 L 1 4 5 / 4 .

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regeln und Mindestvoraussetzungen vorsehen können, im Umfang von zumindest drei Monaten, 37 außerdem ein Recht zum Fernbleiben bei höherer Gewalt, insbesondere Kindeskrankheit. Die zweite betrifft die Teilzeitarbeit und tritt an die Stelle einiger erfolgloser Regelungsbemühungen in diesem Bereich. 38 Neben Regeln über Anwendungsbereich und Definitionen (Art 1 - 3 ) enthält die Vereinbarung in Art 6 eine Regelung des Günstigkeitsgrundsatzes (arbeitnehmerfreundlichere nationale Regeln verschiedener Provenienz) und in Art 5 verschiedene Sollvorschriften. Die zentrale Regelung des Art 4 schreibt den „Grundsatz der Nichtdiskriminierung" zwischen Teilzeit- und Vollzeitarbeitnehmern fest, „es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt". All dies stimmt mit der EuGH-Rechtsprechung zur mittelbaren Diskriminierung überein.39 Der insoweit zentrale Grundsatz einer Vergütung oder sonstigen Begünstigung pro rata temporis, der so umfassend auch in der EuGHRechtsprechung nie statuiert wurde, wird nur vorgesehen, „soweit dies angemessen ist". Daß die gesetzliche Sozialversicherung auszunehmen war (3. Erwägungsgrund der Präambel), ergibt sich aus der fehlenden Regelungsbefugnis der Sozialpartner. Zwei weitere Ausnahmemöglichkeiten - für Gelegenheitsarbeitnehmer (Art 2 II Vereinbarung) und vor allem, bei Differenzierung nach Mindestbetriebszugehörigkeitsdauer, -arbeitszeit oder -verdienst - könnten mit der Rechtsprechung des EuGH zu Art 119 EGV in Konflikt geraten. 15 Zwei weitere Bereiche zur gleichen oder angemessenen Behandlung der Geschlechter wurden Gegenstand von zahlreichen Maßnahmen der Gemeinschaft, denen jedoch allen eine faßbare rechtliche Verbindlichkeit fehlt. Der erste Bereich betrifft die Förderung von Frauen (sogenannte positive action), in ihm ragt die Empfehlung zur Frauenförderung von 1984 heraus. 40 Der zweite Maßnahmenkomplex hat die geschlechtsspezifische Würde der Frau zum Gegenstand, insbesondere ihren Schutz vor sexueller Belästigung.41 Ausgangspunkt war die Entscheidung EuGH 12. 7. 1984 - Rs 184/83 (Hofmann), Slg 1984, 3047 (3074-3076), die die Beschränkung des Elternurlaubes auf die Mutter für rechtens erklärte. 38 Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. 12. 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung [Rahmenvereinigung] über Teilzeitarbeit, AB1EG 1998 L 14/9; zu dieser (krit) Kreimer-de Fries, EU-Teilzeitvereinbarung - kein gutes Omen für die Zukunft der europäischen Verhandlungsebenen, AuR 1997, 314; Schmidt, Die neue EG-Richtlinie zur Teilzeitarbeit, NZA, 1998, 576; und auch Gaul, NZA 1997, 1022 (1028 f); zu den Regelungsbemühungen des Gemeinschaftsgesetzgebers in diesem Bereich vgl unten 3.47 Rn 4-6. 3» Vgl unten Rn 28 f. 4 0 Empfehlung 84/635/EWG des Rates vom 13. 12. 1984 zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen, AB1EG 1984 L 331/34. 41 Hier ragt die Empfehlung der Kommission zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz hervor (vgl 3.45 Fn 8); Aufstellungen zu beiden Bereichen bei Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, S 139, 142, 189, 210 f; zu den diesbezüglichen Programmen: Grabitz / Hilf (-Langenfeld /Jansen), Art 119 EGV, Rn 7 - 9 ; zu Recht wird betont, daß hier auch die Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen eingreifen kann: Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 271 f. 37

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 9 1

c) Kompetenz und grundsätzliche

Wirkungsweise

Die Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn (3.10) wurde auf Art 100 EGV, die 16 Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) auf Art 235 EGV gestützt. Die Problematik dieser Kompetenznormen wurde im Rahmen der - insgesamt schwierigen - Kompetenzordnung im Europäischen Arbeitsrecht erörtert.42 Die Heranziehung von Art 235 EGV erscheint aus der strikt nationalen Perspektive des deutschen Verfassungsrechts nach der Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zusätzlich problematisch. Dennoch ist die Primärrechtskonformität beider Rechtsakte (und auch der sonstigen Gleichbehandlungs-Richtlinien) jedenfalls nach Verabschiedung des Vertrages von Amsterdam nicht anzuzweifeln: Dieser enthält nicht nur in Art 137 eine allgemeine Kompetenznorm für das Arbeitsvertragsrecht, sondern mit Art 141 III (im Rahmen des bisherigen Art 119 EGV) eine Kompetenznorm allgemein zu jeglicher Festlegung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Damit ist nicht einmal mehr darauf abzustellen, daß ein Binnenmarktbezug hinzukommt, also eine gewisse unterstützende Wirkung für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu konstatieren ist.43 Die Wirkungsweise beider Gleichbehandlungs-Richtlinien ist dadurch gekenn- 17 zeichnet, daß der Bereich der Lohngleichheit eine herausgehobene Stellung einnimmt: Hier sind, weil Art 119 EGV ebenfalls eingreift, alle Regelungen unmittelbar im nationalen Recht anwendbar und entfalten horizontale Direktwirkung, hier entfaltet zudem das Primärrecht seine Vorrangwirkung, sind also Einschränkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes unzulässig.44 Erst jenseits des Bereiches der Lohngleichheit stellt sich die sonst bei Harmonisierung durch Richtlinien zentrale Frage nach deren Wirkungsweise in vollem Umfange. Horizontale Direktwirkung entfalten auch die Gleichbehandlungs-Richtlinien, soweit nicht schon Art 119 EGV eingreift, nicht.45 Die Frage nach der Zulässigkeit strengerer nationaler Regeln stellt sich nicht bei 18 den Gleichbehandlungsgeboten - hier ist Gleichheit zu verbürgen, ein Mehr würde Ungleichheit zu Lasten der anderen Seite bedeuten - , sondern nur bei Durchsetzungmitteln und allenfalls bei den Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 2 III, IV RL-sA. In diesen zuletzt genannten Fragen enthalten die Gleichbehandlungs-Richtlinien jedoch ohnehin nur Regelungsaufträge oder Optionen zugunsten der Mitgliedstaaten, keine Harmonisierung. Die 42 43 44

45

Vgl oben § 6 Einl Rn 22. Vgl oben § 6 Einl Rn 38-41. Vgl schon oben Rn 6. Die Gleichbehandlungsgebote werden denn auch im deutschen Schrifttum deutlich stärker auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene diskutiert als die meisten sonstigen Teile des Europäischen Schuldvertragsrechts, für die ganz überwiegend die Umsetzung im nationalen Recht erörtert wird. Die Leitentscheidung zur fehlenden horizontalen Direktwirkung von Richtlinien betraf gerade die Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen: EuGH 26. 2. 1986 - Rs 152/84 (Marshall I), Slg 1986, 723 (749); vorher der Sache nach schon: EuGH 8. 4. 1976 - Rs 43/75 (Defrenne lì), Slg 1976, 455 (474); sowie Grabitz / Hilf (-Langenfeld /Jansen), Art 119 EGV, Rn 31, 62; Schwarze, EuR 1977, 44 (47).

392

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Frage nach nationalem Recht, das über den von den Richtlinien vorgegebenen Mindeststandard hinausreicht, stellt sich demnach nicht. In den Gleichbehandlungs-Richtlinien fehlt daher zu Recht der sonst (auch schon in der Frühzeit) übliche Vorbehalt zugunsten strengerer nationaler Regeln. 2. Inhalt 19 Die Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn (3.10) und sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) sind grundsätzlich gleich aufgebaut. Allein im sachlichen Anwendungsbereich divergieren sie und ergänzen sich zugleich (a). Außerdem enthält allein die jüngere Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen einige Ausnahmetatbestände (unten b bb). Die Normenfolge ist grundsätzlich die gleiche und wird nur in der wenig älteren Gleichbehandlungs-Richtlinie Lohn durch den Umstand etwas verunklärt, daß eine Regelung zur prozessualen Durchsetzung (Art 2 RL-L) zwischen die materiellrechtlichen Regeln zum vertraglichen Gleichbehandlungsgebot geschoben wurde. In der Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitbedingungen ist dies bereits geändert worden - gemäß dem seitdem in Gemeinschaftsrechtsakten zum Schuldvertragsrecht gepflegten Aufbaustil. Sieht man von diesem Punkte ab, so regeln beide Richtlinien gleichermaßen nacheinander folgende Fragenkomplexe: zunächst den Anwendungsbereich (Art 1 RL-sA, Art 1 RL-L, unten a); sodann das Diskriminierungsverbot selbst (Art 2 RL-sA, Art 1 RL-L, unten b); danach den Gegenstand dieses Verbotes, und zwar vor allem hinsichtlich der betroffenen Regelungsinstrumente im nationalen Recht (Art 3-5 RL-sA, Art 3 und 4 RL-L, unten c);46 und zuletzt Instrumente, die einen Flankenschutz verbürgen sollen (Art 6-8 RL-sA, Art 2, 5-7 RL-L, unten d), namentlich den Justizanspruch (Art 6 RL-sA und Art 2 RL-L), das Maßregelungsverbot (Art 7 RL-sA und Art 5 RL-L), die Publizität (Art 8 RL-sA und Art 7 RL-L) und die Sanktionen (allein Art 6 RL-L). a) Anwendungsbereich 20 Ausführlicher geregelt ist der sachliche Anwendungsbereich in der jüngeren Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (Art 1 RL-sA, zudem präzisiert in Art 3 I, 4 I, 5 I RL-sA). Er wird jedoch umgekehrt auch aus Art 1 RL-L erkennbar. Ausdrücklich geregelt ist der sachliche Anwendungsbereich. Dieser soll, nimmt man beide Richtlinien zusammen, umfassend sein für alle Fragen, die mit Arbeitsverhältnissen zusammenhängen. Betroffen sind also

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In Art 3 I, 4 I, 5 I RL-sA wird zudem nochmals der sachliche Anwendungsbereich, der primär in Art 1 RL-L und vor allem Art 1 RL-sA geregelt ist, etwas präzisiert: hinsichtlich der erfaßten Regelungsfragen, aller Fragen des Zugangs und Aufstiegs (Art 3 I RL-sA), aller Fragen der Berufsbildung und -beratung (Art 4 I RL-sA) und aller Fragen der sonstigen Arbeits- und der Entlassungsbedingungen (Art 5 I RL-sA).

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 9 3

auch Nachwirkungen,47 insbesondere die betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung,48 oder bloß faktische Wirkungen des Arbeitsverhältnisses (etwa freiwillige Gratifikationen).49 Das Arbeitsverhältnis muß also nur kausal für die Leistung des Arbeitgebers geworden sein. Besonders für den Bereich Lohn (Art 119 EGV und Art 1 RL-L gleichermaßen) war diese Ausweitung durch die Entscheidung in Sachen Barber bahnbrechend und überraschend.50 Eine Abgrenzung ist zunächst notwendig zwischen dem Bereich Lohn und dem 21 Bereich der sonstigen arbeitsvertraglichen Fragen (Zugang, Aufstieg, sonstige Arbeitsbedingungen, Berufsbildung, Beendigung und Nachwirkung). Notwendig ist die Abgrenzung, weil im ersten Bereich Art 119 EGV eingreift (horizontale Direktwirkung und Vorrang). Notwendig ist die Abgrenzung außerdem, weil allein im Rahmen der Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) einige Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgebot zugelassen wurden (unten b bb). Unumstritten war schon lange, daß Art 119 EGV und Art 1 RL-L alle Bestandteile des Lohns und jede Form von Vergütung erfassen, was in beiden Normen schon im Wortlaut zum Ausdruck kommt. Dennoch war nicht erwartet worden, daß der EuGH auch die Beiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung als Lohn qualifizieren und dadurch die Grenzziehung in diese Richtung verschieben würde. Potentiell könnte in Zukunft vieles als lohnrelevant verstanden werden: auch der Zugang zur Arbeit, weil er Lohnansprüche eröffnet, oder auch der Aufstieg, weil er zusätzliche Lohnansprüche begründet. Abgrenzbar bleiben beide Bereiche, wenn man den Anspruch auf Lohngleichheit allein auf das bestehende Arbeitsrechtsverhältnis bezieht und die Frage, ob nicht dem Anspruchssteiler Zugang oder Aufstieg zu gewähren ist, davon trennt und in den Anwendungsbereich der Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige ArbeitsbedinEuGH 9. 2. 1982 - Rs 12/81 (Garland), Slg 1982, 359 (369 f) (Fahrpreisermäßigung im Ruhestand); EuGH 16. 2. 1982 - Rs 19/81 (Burton), Slg 1982, 555 (575-577) (Übergangsgelder); EuGH 17. 5. 1990 - Rs C-262/88 (Barber), Slg 1990,1-1889 (1949 f) (Entlassungsentschädigung). 48 Für die betriebliche Altersversorgung: EuGH 17. 5. 1990 - Rs C-262/88 (Barber), Slg 1990,1-1889 (1949-1952); EuGH 28. 9. 1994 - Rs C-57/93 (Vroege), Slg 1994,1-4541 (4572-4574) (auch Zugangsanspruch); resümierend und bestätigend für den gesamten Komplex: EuGH 24. 10. 1996 - Rs C-435/93 (Dietz), Slg 1996,1-5223; EuGH 11. 12. 1997 - Rs C-246/96 (Magorrian), Slg 1997,1-7153. Eine Ausnahme bilden allein diejenigen zusätzlichen Beiträge von Arbeitnehmern, für die das System der betrieblichen Altersversorgung nur den Organisationsrahmen einer freiwilligen Anlage zur Absicherung im Alter darstellt: EuGH 28. 9.1994 - Rs C-200/91 (Coloroll), Slg 1994,1-4389 (4427 f). Für die Hinterbliebenenrente: EuGH 28. 9. 1994 - Rs C-200/91 (Rüssel), Slg 1994,1-4389 (4410 f). 4» EuGH 9. 2. 1982 - Rs 12/81 (Garland), Slg 1982, 359 (370). 5 0 So überraschend, daß der EuGH dieser Ausweitung nur Wirkung ex nunc beilegte (es sei denn, eine Klage des Betroffenen war bereits rechtshängig): zu dieser, zunehmend weniger bedeutsamen Beschränkung vgl Geiger, Art 119 EGV, Rn 19; das im Zusammenhang mit dem Maastricht-Vertrag verabschiedete Prot Nr 2 zu Art 119 EGV; sowie EuGH 28. 9. 1994 - Rs C-7/93 (Beune), Slg 1994,1-4471 (4521-4524); EuGH 28. 9. 1994 - Rs C-57/93 (Vroege), Slg 1994, 1-4541 (4574-4580); EuGH 28. 9. 1994 - Rs C-200/91 (Rüssel), Slg 1994,1-4389 (4419-4423); weitere Nachw bei Preis, ZIP 1995, 891 (899). 47

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

gungen verweist. Diese erfaßt dann alle sonstigen Regelungsfragen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen:51 alle Fragen des Zugangs, insbesondere der Auswahlkriterien, alle Fragen der Beschäftigungen oder Arbeitsplätze in allen Wirtschaftszweigen, insbesondere deren Ausgestaltung, und alle Fragen und Schritte des Aufstiegs (Art 3 I RL-sA); alle Formen von Berufsberatung und Bildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis (Art 4 I RLsA); sowie alle erdenklichen sonstigen Arbeitsbedingungen, die Beendigung und Entlassung (Art 5 I RL-sA) sowie nach dem Gesagten auch die Nachwirkung von Arbeitsverhältnissen. 22 Eine Abgrenzung ist sodann notwendig gegenüber dem Bereich der sozialen Sicherheit (so ausdrücklich Art 2 I und II RL-sA). Der Gemeinschaftsgesetzgeber scheint hier Gleichbehandlungsansprüche nur nach Maßgabe weiterer Harmonisierung gewähren zu wollen. Diese ist zwar nach dem Gesagten in zwei Richtlinien erfolgt. Aus der späteren EuGH-Rechtsprechung ergibt sich jedoch, daß nur eine von beiden tatsächlich aus dem Anwendungsbereich der beiden Basisrichtlinien zur Gleichbehandlung und des Art 119 EGV herausfällt: Eine Abgrenzung ist allein notwendig gegenüber den gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit, nicht gegenüber den betrieblichen, die mit unter den Gleichbehandlungsgrundsatz Lohn fallen. Entscheidend ist, ob die Leistung auf dem Arbeitsvertrag oder aber auf Gesetz beruht. Für letzteres spricht etwa, daß es auf einen wirksamen Arbeitsvertrag nicht ankommt, daß die Regelung zwingend und allgemein ist und daß staatliche sozialpolitische Erwägungen ausschlaggebend sind.52 Unbeachtlich ist demgegenüber, ob ein betriebliches System der Altersversorgung teils das gesetzliche ergänzt oder gar substituiert.53 23 Aus Art 119 EGV, Art 1 RL-L und Art 1 RL-sA ergibt sich auch die wichtigste Aussage zum persönlichen Anwendungsbereich: All diese Normen erfassen nicht nur Arbeitnehmer der Privatwirtschaft, sondern auch solche des öffentlichen Dienstes.54 Es wird nicht einmal die Ausnahme nach Art 48 IV EGV übernommen, wonach für hoheitliche Tätigkeiten diskriminiert werden darf.55 Eine einZu den wenigen str Fragen in diesem Bereich, vor allem zur Altersgrenze, die regelmäßig iS einer Einbeziehung entschieden wurden, vgl etwa Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 2 6 9 - 2 7 2 ; Grabitz / Hilf {-Langenfeld /Jansen), Art 119 EGV, Rn 52 f. « EuGH 25. 5 . 1 9 7 1 - Rs 8 0 / 7 0 (Defrennel), Slg 1 9 7 1 , 4 4 5 (451 f); EuGH 17. 5 . 1 9 9 0 - Rs C - 2 6 2 / 8 8 (Barber), Slg 1990,1-1889 (1951 f); vgl weiter Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 2 5 7 - 2 6 0 . EuGH 17. 5. 1990 - Rs C - 2 6 2 / 8 8 (Barber), Slg 1990, 1-1889 (1952); EuGH 14. 12. 1993 - Rs C-110/91 (Moroni / Collo), Slg 1993, 1-6591 (6615); Geiger, Art 119 EGV, Rn 6. 5 4 So zuletzt für alle drei Rechtsakte ausdrücklich: EuGH 2. 10. 1997 - Rs C - l / 9 5 (Gerster), Slg 1997,1-5253 (5281); zuvor EuGH 28. 9. 1994 - Rs C-7/93 (Beune), Slg 1994, 1-4471 (4510-4519) (Beamtenpension); Geiger, Art 119 EGV, Rn 2 ; ausführlich Fritz, ÖJZ 1995, 801. 5 5 Ausdrücklich gegen solch eine Ausnahme: EuGH 21. 5. 1985 - Rs 2 4 8 / 8 3 (Kommission / Deutschland), Slg 1985, 1459 (1478-1482, 1488 f); EuGH 15. 5. 1986 - Rs 2 2 2 / 8 4 (Johnston), Slg 1986, 1651 (1684). 51

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 9 5

zige Ausnahme ergibt sich aus Art 2 II RL-sA (dazu unten b bb), also für den gesamten Lohnbereich nicht. b) Das Diskriminierungsverbot und seine Ausnahmen Das Diskriminierungsverbot selbst statuieren Art 1 RL-L und Art 2 RL-sA. Al- 24 lein in den Fragenkomplexen, die (nur) in den Anwendungsbereich der Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) fallen, sind Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz zugelassen (Art 2 II-IV RL-sA). aa) Das Diskriminierungsverbot der Art 1 RL-L und Art 2 I RL-sA ist für beide 2 5 Richtlinien dasselbe. Seit Anfang der 80er Jahre versteht es der EuGH auch für Art 119 EGV gleich, obwohl der Wortlaut teilweise differiert. Insbesondere erfassen und verbieten alle drei Normen auch die sogenannte mittelbare Diskriminierung (soweit nicht gerechtfertigt und damit doch nichtdiskriminierend). Ebenfalls in allen drei Normen gilt der Grundsatz, daß keine Gesamtbetrachtung anzustellen ist, sondern schon die Diskriminierung in einem Einzelpunkt untersagt ist, daß also die Fragenkomplexe jeweils in Einzelpunkte aufzulösen sind und dies zudem in prozeduraler und materiellrechtlicher Hinsicht. Auch die Frage, ob eine Arbeit zwar nicht die „gleiche", jedoch eine „gleichwertige" ist, die nur Art 1 RL-L anzusprechen scheint, stellt sich inhaltlich vergleichbar für alle Fragenkomplexe, also für alle drei Normen. Ausgangspunkt war das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung, dh einer Un- 26 gleichbehandlung unter ausdrücklichem Abheben auf das Geschlecht oder auf ein Kriterium, das stets mit dem Geschlecht verbunden ist.56 Klarer wäre also der Begriff der ausdrücklichen oder absolut (in jedem Einzelfall) wirkenden Diskriminierung. Hierher zählt auch eine Differenzierung nach Schwangerschaft, die stets nur Frauen betreffen kann, also absolut wirkt.57 Diese Form meinen alle drei genannten Normen primär (Art 119 EGV, Art 1 RL-L, Art 2 RL-sA). Die Diskriminierung ist hier vom Anspruchssteller zu beweisen, weitere Umstände müssen nicht dargetan werden. Insbesondere kommt es nicht etwa auf Verschul56

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Bercusson, European Labour Law, p. 170; Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 245 f; etwas diffus: Grabitz / Hilf (-Langenfeld / Jansen), Art 119 EGV, Rn 11 (wenn „eingehendere Untersuchungen" nicht erforderlich). Das Abstellen auf eine Geschlechtsumwandlung steht dem gleich: EuGH 30. 4. 1996 - Rs C-13/94 (Cornwall County Council), Slg 1996,1-2143 (2164-2166). EuGH 8. 11.1990 - Rs C-177/88 (Dekker), Slg 1990,1-3941 (3972-3974); Ellis, CM LR 31 (1994) 43 (75). Wichtig ist, daß diese Grundsätze unabhängig davon eingreifen, ob im konkreten Fall überhaupt eine männliche Vergleichsperson existiert. Weitere zentrale Urteile in diesem Bereich: EuGH 5. 5. 1994 - Rs C-421/92 (Habermann-Beltermann), Slg 1994,1-1657 (1673-1677); EuGH 14. 7.1994 - Rs C-32/93 (Webb), Slg 1994,1-3567 (3586-3588) (verschiedene Formen des Totalausfalls während Schutzfristen oder überwiegender [befristeter] Beschäftigungszeit unschädlich). Konzise Zusammenfassungen etwa bei Moore, ELR 1994, 653. Hingegen verstößt die Unterscheidung, ob der feste Partner anderen oder des gleichen Geschlechts ist, nicht gegen Art 119 EGV: EuGH 17. 2. 1998 - Rs C-249/96 (Grant), EuZW 1998, 212.

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

den an. 58 Beweiserleichterungen sind bei dieser Form der Diskriminierung nicht nötig. Die Geschichte der Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine der zunehmenden Vertiefung dieses Gebots. 27 Besonderes Gewicht schon bei der unmittelbaren Diskriminierung hat der Grundsatz, daß nicht auf ein Gesamtergebnis abzustellen ist, sondern die Diskriminierung in jedem Einzelpunkt untersagt ist.59 Dies erleichtert die Anwendung des Grundsatzes - insbesondere für den Anspruchssteiler - erheblich. 60 Daß auf jeden Einzelpunkt abzustellen ist, machen Art 119 EGV und Art 1 RL-L deutlich, indem Lohn und Lohnbestandteile unterschieden werden und indem ein wichtiger Fall solch einer Aufgliederung - der Akkordlohn - aufgegriffen wird. Jedoch auch in der Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11) klingt solch ein Verständnis mehrfach an (vgl Art 3 I oder 4 I RL-sA). Hinzu kommt, daß der Arbeitgeber beide Geschlechter nicht nur hinsichtlich der angelegten, materiellrechtlichen Kriterien gleichzubehandeln hat, sondern auch in den Prozeduren nicht zu trennen hat (vgl Art 1 II RL-L).61 Das Abstellen auf besser überprüfbare - Einzelkriterien erinnert an die Mechanismen, mittels derer Diskriminierung im Bereich des öffentlichen Auftragswesens unterbunden werden soll.62 In einem wesentlichen Punkt unterscheiden sich beide Regelkomplexe in diesem Punkte durchaus: Während die Regeln über das öffentliche Auftragswesen eine Aufgliederung in einzelne Kriterien, etwa Zuschlagskriterien, vorschreiben und diese bekannt gemacht werden müssen, sehen die genannten Regeln in Art 119 EGV und in den Gleichbehandlungs-Richtlinien jeweils nur vor, daß Einzelkriterien, soweit der Arbeitgeber solche verwendet, am Diskriminierungsverbot gemessen werden. Der Arbeitgeber wird also nicht dazu verpflichtet, Entscheidungen in solche Einzelpunkte herunterzubrechen; vielmehr wird nur in den Fällen, in denen er sich hierzu entschlossen hat, sein Vorgehen auch hinsichtlich der Einzelpunkte überprüft. Die Rechtsprechung des EuGH ist hierbei freilich nicht stehen geblieben. Unterbleibt solch eine Aufgliederung in Einzelpunkte und wird dadurch die Entscheidung für den Arbeitnehmer intransparent, so kehrt der EuGH die Beweislast um: Der Arbeitgeber hat zu beweisen, daß nichtdiskriminierende Kriterien angelegt wurden. 63 Im Ergebnis geht danach die Prozeduralisierung ähnlich weit wie im öffentlichen Auftragswesen. 28 Von diesen Fragen zu unterscheiden sind diejenigen der sogenannten mittelbaren Diskriminierung. Ausdrücklich festgeschrieben wurde dieses Konzept, mit dem der Gleichbehandlungsgrundsatz erheblich vertieft wird, erst in Art 2 I der jüngeren Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige Arbeitsbedingungen (3.11). Längst wurde es jedoch auf Lohnfragen und damit auf Art 1 RL-L und Art 119 EGV er-

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EuGH 8. 11. 1990 - Rs C-177/88 (Dekker), Slg 1990,1-3941 (3975 f). Zu diesem Abstellen auf den Einzelpunkt: EuGH 17. 5 . 1 9 9 0 - Rs C-262/88 (Barber), Slg 1990,1-1889 (1953 f). 60 EuGH 17. 5. 1990 - Rs C-262/88 (Barber), Slg 1990,1-1889 (1953 f). 61 Vgl dazu EuGH 27. 10. 1993 - Rs C-127/92 (Enderby), Slg 1993,1-5535 (5572-5574). « Vgl 5.22-5.25 Rn 51-61. 63 EuGH 17. 10. 1989 - Rs 109/88 (Danfoss), Slg 1989, 3199 (3225 f).

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3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 9 7 streckt. 6 4 Mittelbar diskriminierend wirken Kriterien, die Frauen typischerweise, jedoch nicht notwendig in jedem Einzelfall schlechter behandeln. 65 Verglichen wird hierbei die Gruppe der Frauen mit derjenigen der Männer, um festzustellen, ob in der Summe erstere bei Zugang, Arbeitsbedingungen etc schlechter behandelt wird oder bei gleichwertiger Arbeit geringeren Lohn erhält. Insbesondere werden Gruppen, in denen weit überwiegend Frauen vertreten sind, mit solchen verglichen, in denen dies nicht der Fall ist. Das klassische Beispiel bildet die Teilzeitarbeit, die gemeinschaftsweit zu über 9 0 % von Frauen geleistet wird. 6 6 Die unterproportionale Entlohnung von Teilzeitarbeit wurde denn auch als mittelbar diskriminierend qualifiziert. 67 Das Konzept wurde freilich bisher nur auf Fälle angewandt, in denen die Gruppe der Frauen nicht nur prozentual (bezogen auf alle erwerbstätigen Frauen) weit überrepräsentiert war, sondern auch absolut die 64

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Vgl etwa EuGH 31. 3. 1981 - Rs 96/80 (Jenkins), Slg 1981, 911 (925 f); EuGH 13. 5. 1986 - Rs 170/84 (Bilka Kaufhaus), Slg 1986, 1607 (1626 f); EuGH 4. 6. 1992 - Rs C-360/90 (Bötet), Slg 1992, 1-3589 (3611-3614); weitere Bspe bei Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 247 f; Grabitz / Hilf (-Langenfeld / Jansen), Art 119 EGV, Rn 15; ausführlich Schlachter, NZA 1995, 393. Ausdrücklich jetzt so die Gleichbehandlungs-Richtlinie Beweislast (oben Fn 29), die das Verbot mittelbarer Diskriminierung in Art 2 I auf den Gleichbehandlungsgrundsatz insgesamt erstreckt, der wiederum im 8. Erwägungsgrund der Präambel als Art 119 EGV und beide hier erörterten Gleichbehandlungs-Richtlinien umfassend definiert wird. Aus der reichen Literatur vor allem die Monographien von Fuchsloch, Hervey, Rating und Wisskirchen·, sowie Gamillscheg, FS Fioretta 1983, 171; Hanau / Preis, ZfA 1988, 177; und als prägnante Rspr-Übersicht: Ellis, CM LR 31 (1994) 43 (54-64). Art 2 II der Gleichbehandlungs-Richtlinie Beweislast definiert nunmehr: Es „liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen eines Geschlechts benachteiligen, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind angemessen und notwendig und sind durch nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt." Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 247. Grundlegend: EuGH 31. 3. 1981 - Rs 96/80 (Jenkins), Slg 1981, 911 (924 f); EuGH 13. 5. 1986 - Rs 170/84 (Bilka Kaufhaus), Slg 1986, 1607 (1626 f). Nach Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 247 f betrafen von den 14 Fällen, in denen eine mittelbare Diskriminierung bis 1996 angenommen wurde, 10 die Teilzeitarbeit; vgl die Aufstellung dort (mit Anm zu den Urteilen); monographisch Saunders, Gleiches Entgelt für Teilzeitarbeit. Bes umstritten war: EuGH 4. 6. 1992 - Rs C-360/90 (Bötet), Slg 1992, 1-3589 (3611-3614); vgl zur ausufernden Literatur hierzu die Nachw bei Blanpain / Schmidt / Schweibert aaO Fn 31. Einer Teilzeitarbeiterin wurde als Entschädigung für die Arbeit als Betriebsrat nicht nur ihr Gehalt, sondern dieses, hochgerechnet auf die (tatsächlich erbrachte) ganztägige Arbeit als Betriebsrat zugesprochen. Soll die Wählbarkeit zum Betriebsrat nicht für Teilzeitarbeitnehmer potentiell und mittelbar stärker behindert werden als für Vollzeitarbeitnehmer, ist die Entscheidung zu begrüßen. Auch in politischen Wahlorganen wird nicht nach der vorher erbrachten Leistung differenziert. Vgl zuletzt jedoch: EuGH 6. 2. 1996 - Rs C-457/93 (Lewark), Slg 1996,1-243 (269-271) (nationales Recht darf Regelung treffen, die einer primär pekuniären Absicht beim Mandatserwerb entgegenwirkt, soweit diese nicht teilzeitbeschäftigte Frauen faktisch hindert, solch ein Amt zu übernehmen); ebenso für den öffentlichen Dienst: EuGH 7. 3. 1996 - Rs C-278/93 (Freers ua), Slg 1996,1-1165 (1190-1193).

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Untemehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

weit überwiegende Gruppe darstellte. Nicht geklärt ist, ob leichtes Übergewicht ausreicht, wo die Grenze zu ziehen ist und ob darauf abzustellen ist, daß die Frauen in der fraglichen Gruppe (etwa unter den Teilzeitbeschäftigten) den größeren Teil darstellen, oder (plausibler) darauf, daß sie hier überproportional repräsentiert sind.68 Andere Fälle, in denen eine mittelbare Diskriminierung bejaht wurde, betrafen weiche, nichtssagende Kriterien („Flexibilität") oder Fälle, in denen eine ähnliche zahlenmäßige Verteilung wie bei Teilzeitarbeit zu konstatieren war. 69770 2 9 Ist eine stärkere Betroffenheit der Frauen als Gruppe dargetan, so wird eine unzulässige mittelbare Diskriminierung vermutet. Der Arbeitgeber kann jedoch nichtdiskriminierende Kriterien dartun, die er angewandt habe,71 und hat diese zu beweisen.72 Ob solch ein Grund als Rechtfertigungsgrund zu verstehen ist oder ob in diesen Fällen schon die Vermutung der (mittelbaren) Diskriminierung widerlegt wird, ist praktisch unerheblich. Während bei der Feststellung, ob mittelbar diskriminiert wurde, wiederum die Ungleichbehandlung in einem Einzelpunkt ausreicht, wird dies bei den Rechtfertigungsgründen nicht uneingeschränkt angenommen: Zwar wird, wenn bei der Lohnhöhe etwa nach der nötigen Muskelkraft differenziert wird, von einer mittelbaren Diskriminierung ausgegangen, jedoch nicht mehr, wenn umgekehrt auch Kriterien zur Anwendung kommen, in denen typischerweise Frauen überlegen sind.73

Vgl für die verschiedenen Berechnungsformen.· Grabitz / Hilf (-Langenfeld / Jansen), Art 119 EGV, Rn 17. « Vgl EuGH 17. 10. 1989 - Rs 109/88 (Danfoss), Slg 1989, 3199 (3227-3229) bzw EuGH 27. 10. 1993 - Rs C-127/92 (Enderby), Slg 1993, 1-5535 (5572-5574) (Apotheker und Logopäden). Zum Abstellen auf die Muskelkraft vgl unten Fn 73. 70 Verneint wurde eine mittelbare Diskriminierung vor allem in: EuGH 17. 10. 1989 - Rs 109/88 {Danfoss), Slg 1989, 3199 (3228 f) (Differenzierung nach Dienstalter); EuGH 15. 12. 1994 - verb Rs C-399/92, C-409/92, C-425/92, C-34/93, C-50/93 und C-78/93 (Stadt Lengerich ua), Slg 1994, 1-5727 (5752-5755) (Überstundenzuschlag erst nach Überschreiten der regelmäßigen Vollzeitarbeitszeit); und auch bei Entlassung aufgrund von krankheitsbedingtem Fehlen, auch wenn die Krankheit auf eine Schwangerschaft zurückging, die Schutzfristen jedoch abgelaufen waren: EuGH 8. 11. 1990 - Rs C-179/88 (Hertz), Slg 1990,1-3979 (3997-4000); präzisiert in: EuGH 29. 5. 1997 - Rs C-400/95 (Larsson), Slg 1997,1-2757 (2780-2783) (auch wenn Krankheit schon während Schwangerschaft auftrat). Es wird darauf abgehoben, daß bei jedem Geschlecht die eine oder andere Krankheit deutlich stärker ausgebildet sei und nicht Fehlzeiten, die auf diesen Krankheiten beruhten, „immunisiert" werden dürften. Ein plastisches Gegenbsp wäre etwa der Hodenkrebs. 68

Monographisch hierzu Hervey, Justifications for Indirect Discrimination. Insbes die Differenzierung nach Berufsalter ist sachgerecht: Geiger, Art 119 EGV, Rn 10. Zulässig ist es auch, auf Marktzwänge zu reagieren: EuGH 27. 10. 1993 - Rs C-127/92 (Enderby), Slg 1993,1-5535 (5574 f). 7 1 EuGH 17. 10. 1989 - Rs 109/88 (Danfoss), Slg 1989, 3199 (3227-3229); EuGH 27. 10. 1993 - Rs C-127/92 (Enderby), Slg 1993, 1-5535 (5572). Nunmehr ausdrücklich die Gleichbehandlungs-Richtlinie Beweislast, vgl oben Fn 29. 73 EuGH 1. 7.1986 - Rs 237/85 (Rummler), Slg 1986,2101 (2113-2118). In ähnlichem Sinne ja auch die Entscheidung zur Kündigung wegen krankheitsbedingtem Fehlen (oben Fn 70). 71

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 3 9 9

Eine weitere Vertiefung und Erweiterung des Gleichbehandlungsgebots ist ähn- 30 lieh gelagert: Das Gleichbehandlungsgebot Lohn gilt nicht nur für „gleiche" (und bessere)74 Arbeit, sondern auch für „gleichwertige". Dabei ging der EuGH von gleicher Arbeit sowohl aus, wenn beide Vergleichspersonen die gleiche Arbeit parallel, als auch, wenn sie sie nacheinander verrichteten.75 Hingegen ließ er es nicht genügen, daß eine hypothetische, männliche Vergleichsperson angeführt wurde.76 Die Erstreckung des Gleichbehandlungsgebots Lohn auch auf gleichwertige Arbeit ist nur in Art 1 RL-L auch im Wortlaut angelegt. Sie ist problematisch und es verwundert deswegen nicht, daß der EuGH insoweit Art 119 EGV nicht anwandte, insbesondere nicht von unmittelbarer Anwendbarkeit dieses erweiterten Gebots ausging.77 Die Problematik beruht vor allem darauf, daß die Gleichwertigkeit „anerkannt" sein muß, weil es an Maßnahmen des Gemeinschaftsgesetzgebers fehlt, die diese Bewertung vornehmen, daß jedoch umgekehrt nicht angegeben ist, auf wessen Anerkennung es ankommt. Jedenfalls im Grundsatz muß die Bewertung des Arbeitgebers entscheiden, soll nicht der marktwirtschaftliche Grundansatz, der Gedanke vom Ausgleich von Angebot und Nachfrage und von der darin liegenden Richtigkeitsgewähr, gänzlich ausgeschaltet werden. Unabhängig von einer dahin gehenden Entscheidung des Arbeitgebers kann Gleichwertigkeit („fremdbestimmt") nur in Ausnahmefällen angenommen werden; die Entscheidung des Arbeitgebers kann also nur punktuell korrigiert werden, vor allem wenn sie in sich widersprüchlich ist. Insbesondere kann Gleichwertigkeit nicht unter vergleichendem Hinweis auf Verhältnisse in einem anderen Unternehmen postuliert werden.78 Jede andere Antwort würde zurückführen zur Diskussion über den „gerechten Preis" oder den gerechten Lohn. In diesem Zusammenhang ist auch zu betonen, daß Art 119 EGV und Art 1 RL-L nicht etwa einen Anspruch auf höhere Bezahlung begründen, wenn nachgewiesen wird, daß höherwertige Arbeit verrichtet wird.

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Zu Recht verwarf der EuGH den eher skurrilen Einwand, nur für gleiche, nicht auch für bessere Arbeit forderten Art 119 EGV und Art 1 RL-L zumindest gleich hohen Lohn: EuGH 4. 2. 1988 - Rs 157/86 (Murphy), Slg 1988, 673 (689 f). EuGH 27. 3 . 1 9 8 0 - Rs 129/79 (Macarthys Ltd / Smith), Slg 1980,1275 (1288 f). Freilich bleibt die generelle Änderung der Lohnzahlungspolitik, die dann auch den später Eingestellten erfaßt, dem Unternehmer unbenommen. EuGH 27. 3. 1980 - Rs 129/79 (Macarthys Ltd / Smith), Slg 1980, 1275 (1289 f); Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 256; krit Langenfeld, Gleichbehandlung von Mann und Frau, S 253 f. Vgl früher: EuGH 8. 4 . 1 9 7 6 - Rs 43/75 (Defrenne II), Slg 1976,455 (474); EuGH 27. 3. 1980 - Rs 129/79 (Macarthys Ltd / Smith), Slg 1980, 1275 (1288 f); heute hingegen: EuGH 11. 3. 1981 - Rs 69/80 (Worringham), Slg 1981, 767 (791-793); auch EuGH 31. 3. 1981 - Rs 96/80 (Jenkins), Slg 1981, 911 (926 f). EuGH 27. 3. 1980 - Rs 129/79 (Macarthys Ltd / Smith), Slg 1980, 1275 (1289); im Grundsatz schon: EuGH 8. 4. 1976 - Rs 43/75 (Defrenne II), Slg 1976, 455 (473 f); Grabitz / Hilf (-Langenfeld /Jansen), Art 119 EGV, Rn 41; teils wird bereits die Trennung in zwei Tarifverträge für erheblich gehalten: Wißmann, RdA 1995, 193 (197 f) (entgegen EuGH in Sachen Enderby).

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Unternehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern

31 Letztlich stellt sich die Frage nach der gleichwertigen Arbeit inhaltlich vergleich-

bar auch für die Fragenkomplexe, die die Gleichbehandlungs-Richtlinie sonstige

Arbeitsbedingungen (3.11) erfaßt. Auch beim Zugang zu Fortbildungsmaßnahmen ist ebenfalls auf Gleichwertigkeit der jeweiligen Arbeit abzustellen. 3 2 bb) Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot sind zulässig allein nach Art 2 II-IV RL-sA. In Lohnfragen ist also eine Ausnahme gänzlich unzulässig. Zudem sind die Ausnahmevorschriften, insbesondere Art 2 II RL-sA, eng auszulegen. 79 Anders als Art 2 III, IV RL-sA kann die Ausnahmevorschrift auch zugunsten von Männern herangezogen werden. Art 2 II-IV RL-sA gestatten Ausnahmen, nehmen diese jedoch nicht selbst vor. 3 3 Nach Art 2 II RL-sA sind Ausnahmen pauschal vom Gleichbehandlungsgrundsatz zulässig, allerdings unter strikter Wahrung des Erforderlichkeitsgrundsatzes. Für unabdingbar erklärte der EuGH die Beschränkung auf ein Geschlecht beim Polizeidienst in unruhegeplagten Regionen und bei der Tätigkeit als Hebamme, 8 0 nicht jedoch beim Polizeidienst mit Schußwaffe generell. 81 Gerade das Beispiel der Hebamme belegt: Was für unabdingbar erklärt wird, hängt nicht zuletzt auch von der jeweiligen Gesellschaft und den Zeiten ab. Die Zulässigkeit kann sich demnach ändern, wie sich auch aus der fortwährenden Uberprüfungspflicht nach Art 9 II RL-sA ergibt. 3 4 Nach Art 2 III RL-sA sind Ausnahmen zugunsten von Frauen bei Schwangerund Mutterschaft zulässig. Beide Umstände sind als bloße Regelbeispiele formuliert. Soll freilich das Gleichbehandlungsgebot auch zum Schutze des Mannes handhabbar sein, muß diese Regelung anhand des Kriteriums „zum Schutz der Frau" eingegrenzt werden: Es muß also auf Sondersituationen im Leben der Frau abgestellt werden, in denen ihre geschlechtsspezifische Rolle und Verletzlichkeit besonders ausgeprägt ist. In der Tat geht der EuGH davon aus, daß die Gesundheit der Frau und des Kindes sowie die spezifische Beziehung zwischen beiden den Regelungsgrund von Art 2 III RL-sA bilden 82 und daß die Regel eng auszulegen ist. Dann wäre es freilich sinnvoller gewesen, die Liste der Beispiele als abschließend und diese nicht als Regelbeispiele zu formulieren. Hinzuweisen ist

9 E u G H 15. 5. 1 9 8 6 - Rs 2 2 2 / 8 4 (Johnston), Slg 1 9 8 6 , 1651 (1686); für Art 2 III und IV RL-sA ebenso Blanpain / Schmidt / Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 2 5 0 . Letzteres ist weniger selbstverständlich, da die Ausnahmen der Durchsetzung des zweiten denkbaren Gleichbehandlungsansatzes dienen (vgl oben Rn 4 f). so E u G H 15. 5. 1 9 8 6 - Rs 2 2 2 / 8 4 (Johnston), Slg 1 9 8 6 , 1651 ( 1 6 8 7 f) bzw E u G H 8. 11.

7

1 9 8 3 - Rs 1 6 5 / 8 2 (Kommission / Vereinigtes Königreich), Slg 1 9 8 3 , 3 4 3 1 ( 3 4 4 9 ) . si E u G H 15. 5. 1 9 8 6 - Rs 2 2 2 / 8 4 (Johnston), Slg 1 9 8 6 , 1651 ( 1 6 8 6 - 1 6 8 8 ) . 82 E u G H 15. 5. 1 9 8 6 - Rs 2 2 2 / 8 4 (Johnston), Slg 1 9 8 6 , 1651 ( 1 6 8 8 f); Blanpain /Schmidt/ Schweibert, Europäisches Arbeitsrecht, S 2 5 1 . Fraglich ist danach, ob tatsächlich die Beziehung zwischen Adoptivmutter und Adoptivkind eine andere sein muß als diejenige zwischen Adoptivvater und Adoptivkind und dai? diesbezüglicher Erziehungsurlaub auf die Mutter beschränkt werden darf: So jedoch E u G H 2 6 . 10. 1 9 8 3 - Rs 1 6 3 / 8 2 (Kommission /Italien), Slg 1 9 8 3 , 3 2 7 3 ( 3 2 8 8 ) ; tendenziell auch E u G H 12. 7 . 1 9 8 4 - Rs 1 8 4 / 8 3 (Hofmann), Slg 1 9 8 4 , 3 0 4 7 ( 3 0 7 5 f).

3.10/11 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 4 0 1

hier nochmals darauf, daß auch der Gemeinschaftsgesetzgeber Schutznormen in diesem Bereich erlassen hat. Die einzigen Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht finden sich in der Mutterschutz-Richtlinie (3.45). In der Schwangerschaft ist das Nachtarbeitsverbot zulässig, darf jedoch nicht zur Auflösung des Vertrages führen.83 Am umstrittensten ist die Ausnahmevorschrift in Art 2 IV RL-sA. Sie dient der 3 5 Förderung der „Chancengleichheit für Männer und Frauen". Die eigentliche Intention ist damit zumindest in einem Punkte verunklärt. Nicht Frauen und Männer sind Schutzobjekt, sondern allein Frauen, wie es auch später in der Norm heißt. Denn eigentlich geht es um „Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten" oder - das Hauptbeispiel benennend - um eine Gegensteuerung gegen vergangene Diskriminierung, die bis in die Gegenwart fortwirkt (sogenannte positive oder affirmative action). Gemeint ist dann eine Gegensteuerung gegen männlich dominierte Entscheidungsträgerschaft oder gegen Regeln, die typische Stärken von Männern zum Entscheidungskriterium erheben. 84 Nicht also nur Gleichheit im Zugang zu Chancen ist angestrebt, sondern ansatzweise auch Gleichheit im Ergebnis.85 Dennoch ist der Wortlaut, der in den wichtigen ausländischen Amtssprachen vergleichbar ist, als Tendenzangabe bezeichnend. Der Gemeinschaftsgesetzgeber wollte sich nicht gänzlich vom Konzept einer bloßen Verbürgung von Chancengleichheit lösen. Für die beiden oben genannten fortwirkenden Strukturen, die eine tatsächliche 3 6 Gleichbehandlung erschweren, bedeutet dies: Für ein Gegensteuern gegen männlich dominierte Entscheidungsträgerschaft wird vor allem die Frauenquote in verschiedenen Formen propagiert. Nach der - sehr hitzig diskutierten - EuGHRechtsprechung wird diese durch Art 2 IV RL-sA nur insoweit zugelassen, als Frauen bei gleicher Qualifikation der Vorzug gegeben werden kann, ohne daß insoweit ein Automatismus eingeführt werden darf.86 Fraglich ist, ob diese Frage

83

Vgl vor allem: EuGH 25. 7. 1991 - Rs C - 3 4 5 / 8 9 (Stoeckel), Slg 1991,1-4047 (4066); EuGH 5. 5. 1994 - Rs C-421/92 (Habermann-Beltermann), Slg 1994,1-1657 (1675-1677). Ansonsten ist ein Verbot der Nachtarbeit, das Frauen den Zugang zu einer Tátgkeit versperrt, unzulässig; so zuletzt wieder: EuGH 13. 3. 1997 - Rs C - 1 9 7 / 9 6 (Kommission / Frankreich), Slg 1997,1-1489 (1501 f); EuGH 4. 12. 1997 - Rs C - 2 0 7 / 9 6 (Kommission / Italien), Slg 1997, 1-6869 (6883 f); zur Nachtarbeit monographisch Ende, Soziale Schutzgebote im Europäischen Arbeitsrecht; Schiek, Nachtarbeitsverbot; sowie Colneric, NZA 1992, 393.

Bercusson, European Labour Law, p. 175; McCrudden, 13 Oxford Journal of Legal Studies 3 2 0 (1993). 85 Vgl zu dieser Unterscheidung oben Rn 4 f. * Dazu ausführlich Koberski / Saht / Hold, S 1 AEntG, Rn 4 3 - 8 6 , 119-153. 7 2 Dazu etwa Koberski / Sahl/Hold, § 1 AEntG, Rn 2 1 2 - 2 1 8 ; Webers, DB 1996, 5 7 4 (575). 7 3 Zum Schutzgesetzcharakter dieser und anderer Normen des AEntG: vgl Hanau, NJW 1996, 1369 (1369 f). 74 Koberski / Sahl / Hold, § 1 AEntG, Rn 2 6 4 - 2 6 9 . Zur möglichen Herleitung eines inländischen Gerichtsstandes aus dem EuGVU oder autonomem Prozeßrecht vgl Franzen, DZWiR 1996, 89 (100); Hanau, NJW 1996, 1369 (1371). 7 ' ArbG Wiesbaden, NZA-RR 1998, 217.

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554

Untemehmensverträge mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern B. Fundstellenverzeichnis

33 Grundlage: Art 57 II, 66 EGV Betr: Anwendung von Mindestvorschriften des Aufnahmelandes für Arbeitszeitfragen, Urlaub, Lohn, Leiharbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz, besonders gefährdete Personengruppen und Gleichbehandlung auf aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer sowie Eröffnung eines Gerichtsstands im Aufnahmeland für diesbezügliche Streitigkeiten Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1997 L 18/1 - Gemeinsamer Standpunkt vom 3. 6. 1996 AB1EG 1996 C 220/1 - geänderter Vorschlag vom 16. 6. 1993 AB1EG 1993 C 187/5; KOM(93) 225 endg - SYN 346 - ursprünglicher Vorschlag vom 28. 6. 1991 AB1EG 1991 C 225/6; KOM(91) 230 endg - SYN 346 Stellungnahmen: - zum geänderten Vorschlag EP: AB1EG 1993 C 72/78 - zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1992 C 150/119 WSA: AB1EG 1992 C 49/41 Vorweggenommene Durchführung durch Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG) vom 26. 2. 1996 Fundstelle: BGBl 1996 I, S 227

Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (96/71/EG)

OAS EUROPAISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2 und Artikel 66,

Vertrags zwischen diesem Unternehmer und dem Leistungsempfänger oder in Form des Zurverfügungstellens von Arbeitnehmern für ein Unternehmen im Rahmen eines öffentlichen oder privaten Auftrags erfolgen.

auf Vorschlag der Kommission"), nach Stellungnahme des Wirtschafte- und Sozialausschusses®, gemäß dem Verfahren des Artikels 189b des Vertrags®,

(5) Voraussetzung für eine solche Förderung des länderübergreifenden Dienstleistungsverkehrs sind ein fairer Wettbewerb sowie Maßnahmen, die die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer garantieren.

in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gehört gemäß Artikel 3 Buchstabe c) des Vertrages zu den Zielen der Gemeinschaft. (2) Für die Erbringung von Dienstleistungen sind nach dem Vertrag seit Ende der Übergangszeit Einschränkungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder einer Wohnsitzvoraussetzung unzulässig. (3) Die Verwirklichung des Binnenmarktes bietet einen dynamischen Rahmen für die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen. Das veranlaBt eine wachsende Zahl von Unternehmen, Arbeitnehmer für eine zeitlich begrenzte Arbeitsleistung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu entsenden, der nicht der Staat ist in dem sie normalerweise beschäftigt werden. (4) Die Erbringung von Dienstleistungen kann entweder als Ausführung eines Auftrags durch ein Unternehmen, In seinem Namen und unter seiner Leitung im Rahmen eines ">

ABl. Nr. C 225 vom 30. 8. 1991, S. 6 und ABI. Nr. C 187 vom 9. 7. 1993, S. 5. Tonner, EuZW 1990, 4 0 9 (411); ähnlich Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (420); demgegenüber weist Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 (85) zu Recht darauf hin, daß im Vergleich mit anderen Branchen die bes Insolvenzabsicherung nicht so recht passen will und insoweit eher eine Überregulierung vorliegt. 22 Grundmann, J Z 1996, 2 7 4 (278-281); und oben 1. Teil Rn 1 1 0 - 1 2 0 . Innergemeinschaftlich ist der gerade für die Pauschalreise-Richtlinie häufig zu findende Hinweis unzutr, das allgem IPR (mit Art 2 9 EGBGB) regele die durch Art 8 RL zugelassenen Unterschiede: So jedoch Meyer/Kubis, TranspR 1991, 411 ( 4 1 6 , 4 2 0 ) ; Tonner, EuZW 1 9 9 0 , 4 0 9 (412); noch expliziter in der Anwendung strengeren nationalen Rechts auch gegenüber ausländischen Anbietern: Tonner, EWS 1993, 197 (198); anders noch (wohl wie hier): Tonner, Reiserecht in Europa, S 291 f. 20

4.01 Pauschalreise-Richtlinie

607

2. Inhalt a) Anwendungsbereich Die Pauschalreise-Richtlinie regelt - ungewöhnlich - ihren räumlichen Anwen6 dungsbereich (Art 1 RL), und dies nicht nur andeutungsweise und in den Schlußvorschriften. 2 3 Abgestellt wird hierbei nicht auf das Ziel der Reise und auch nicht auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers, sondern auf den Ort der Werbung oder des „Verkaufs". „Kaufangebot" ist dabei nicht als bindendes Angebot iSv § 145 B G B zu verstehen. Vielmehr genügt die Erklärung der Leistungsbereitschaft - ähnlich wie beim „öffentlichen Angebot" im Kapitalmarktrecht. Eine gewisse Nähe zu diesem Rechtsgebiet weist das Europäische Pauschalreisenrecht auch gerade mit seinem marktbezogenen Grundkonzept auf. Erfaßt sind demnach auch Anbieter aus Drittländern und Reisen von und in Drittländern). 2 4 Der sachliche Anwendungsbereich (Art 2 RL) ist vor allem durch den Begriff der 7 Pauschalreise umrissen (Art 2 Nr 1 RL). Nötig ist die Zusammenstellung zweier Reisedienstleistungen, gleichgültig, in welcher Kombination, 2 5 bei einer Gesamtdauer von mehr als 2 4 Stunden. 2 6 Dabei ist der Katalog möglicher Reisedienstleistungen neben der Beförderung und der Unterbringung offen (lit. c); schädlich ist es nur, wenn diese bloßen Annexcharakter zu Beförderung und Unterbringung haben oder nicht ins Gewicht fallen. (Nicht bloß annexweise erbrachte) Reisedienstleistungen bilden etwa die Verpflegung (außer im Zusammenhang mit Unterkunft und Flügen), das Schulungs- oder Unterhaltungsprogramm oder der Mietwagen, 2 7 nicht jedoch etwa der Schlafwagenplatz auf dem Beförderungsmittel, der Transfer vom Flughafen, die Vermittlung von Versicherungen oder die örtliche, nur organisationsbezogene Reiseleitung. 2 8 Bedauert wurde, daß der Anwendungsbereich bei Verkauf allem einer Reisedienstleistung nicht eröffnet ist. 2 9 Der aktive Verbraucher, der selbst die Reiseleistungen zusammenstellt, wird also nicht geschützt. Gerechtfertigt werden kann dies wohl kaum mit der Überlegung, daß auch andere Regelungen des Europäischen Schuldvertragsrechts, etwa Art 5 EVÜ bzw Art 2 9 E G B G B , diese Unterscheidung treffen. Zwar wird teils in der Tat - durchaus liberal - zwischen

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Vgl demgegenüber etwa Art 5 Insiderhandels-Richtlinie (4.21). Abeltshauser, EWS 1991, 97 (98); Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (411). Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 59; es genügt also auch die Kombination zweier unbenannter Dienstleistungen iSv lit. c. Der bei solchen Kurzreisen verringerte Schutzbedarf (insbes hinsichtlich der Konkursrisiken) wird in § 651k VI Nr 2 BGB angesichts der auch preismäßigen Begrenzung bes deutlich. Krit etwa Mayrhofer, ZfRV 36 (1995) 229 (231). Vgl für das deutsche Recht Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 89; Tonner, Der Reisevertrag, § 651a BGB, Rn 3, 5. Vgl für das deutsche Recht Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 90; Tonner, Der Reisevertrag, § 651a BGB, Rn 5. Eckert, ZRP 1991, 454 (458) (für die Insolvenzsicherung); Tonner, EuZW 1990, 409 (409).

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608

Einseitige Untemehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Verbrauchern, die sich selbst schützen können, und anderen Verbrauchern unterschieden, eine Regulierung also in möglichst engen Grenzen gehalten. Die Pauschalreise-Richtlinie schützt jedoch nicht nur Verbraucher iSv Art 5 EVÜ, sondern jeden Kunden (dazu sogleich). Vielmehr ist offenbar entscheidend, daß bei Paketen von Reiseleistungen jedermann ein Informationsdefizit im Vergleich zum Veranstalter aufweist. Manche Regeln, wie etwa das Irreführungsverbot des Art 3 IRL, ergeben sich auch für einzelne Reiseleistungen aus anderen Vorschriften. 30 Viele Informationsvorschriften scheinen bei Paketen aufgrund der viel größeren Zahl nötiger Informationen in der Tat noch wichtiger. Auch dürfte das Konkursrisiko deutlich geringer sein bei der einzeln erworbenen Beförderungsleistung - es geht regelmäßig um Direktabschluß bei den Beförderungsunternehmen, die im Falle von Fluggesellschaften oder Bahnen tendenziell solventer erscheinen als Reisevermittler - und bei einzeln erworbenen Unterbringungsleistungen, wo Vorkasse weniger üblich ist. Diese Überlegungen müssen auch bei Zweifelsfragen den Ausschlag geben. Daher kommt es nicht darauf an, wie aktiv der Verbraucher bei der Zusammenstellung mehrerer Leistungen mitwirkt; irrelevant ist also, ob der Reisevermittler oder -Veranstalter das Paket ad hoc und à la carte zusammenstellt.31 Irrelevant ist auch, wie die Richtlinie selbst präzisiert, ob der Preis aufgeschlüsselt wird. 9 Der persönliche Anwendungsbereich ist allein auf der Pflichtigenseite (etwas) eingegrenzt. Regelungsadressaten sind Vermittler und Veranstalter (Art 2 Nr 2 und 3 RL), 32 es sei denn, sie handeln nur „gelegentlich". Gemeint sind etwa Schulen und Vereine,33 jedoch mit Einschränkungen: Im ersten Vorschlag war die Ausnahme noch breiter formuliert und positiv eine „gewerbsmäßige" Tätigkeit gefordert worden.34 Aus diesem gesetzgebungshistorischen Hintergrund und auch dem Wortlaut ist zu schließen, daß Gewinnerzielungsabsicht nicht notwendig ist. Entscheidendes Kriterium bei der Abgrenzung ist das Ziel, das mit der Ausnahme verfolgt wurde: Freigestellt werden sollen diejenigen, die überfordert würden.35 Veranstalter sind auch bei sozial oder kulturell motivierter Zielsetzung nicht ausgenommen, wenn sie „Routine" entwickeln können, so daß die Grenze bei allenfalls zwei, besser wohl bei nur einer organisierten Reise pro Jahr

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Meyer /Kubis, TranspR 1991, 411 (416); Tonner, Reiserecht in Europa, S 253. AA das britische Department of Trade and Industry; vgl EuZW 1 9 9 3 , 5 2 6 . Der deutsche und englische Wortlaut („im voraus festgelegte Verbindung"; „pre-arranged") sind in der Tat nicht eindeutig. Wie hier hingegen: Anm EuZW 1993, 526. Daß beide erfaßt sind, bildet die Summe der rvgl zu konstatierenden Lösungen: vgl Meyer/Kubis, TranspR 1991, 411 (411). Fübricb, Reiserecht - Handbuch, Rn 59; für das deutsche Recht vor allem für die Insolvenzsicherungspflicht wichtig, dazu Klose, Die Insolvenzsicherungspflicht von Gelegenheitsreiseveranstaltern nach § 651k BGB, MDR 1995, 976. Art 2 2. Spiegelstrich des ursprünglichen Vorschlags; Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (411); Tonner, Reiserecht in Europa, S 243. BT-Drs 12/5354, S 20; Fübricb, Reiserecht - Handbuch, Rn 83.

4.01 Pauschalreise-Richtlinie

609

liegen muß. 3 6 Fraglich bleibt dennoch, ob Harmonisierungsbedarf (nicht nur: nationaler Regelungsbedarf) bei nicht gewerblich tätigen Veranstaltern wirklich bestand, steht bei ihnen doch die lokale und persönliche Bindung zwischen Reiseteilnehmer und -Veranstalter im Vordergrund. 37 Demgegenüber ergibt sich aus dem Begriff des Verbrauchers (Art 2 Nr 4 RL) 1 0 nicht die übliche Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs. Erfaßt sind hier der Kontrahent, jeder Zessionar und Begünstigte. Nicht schädlich ist, daß sie beruflich handeln. 38 Offensichtlich wurde - wie im Europäischen Kapitalmarktrecht oder auch im deutschen AG Β-Recht - die strukturelle Informationsasymmetrie als der eigentliche Regulierungsgrund gesehen, nicht die geringere geschäftliche Erfahrung: Auch für den reisenden Bankier ist die Informationsbeschaffung viel umständlicher und kostenintensiver als für den Veranstalter/Vermittler, bei dem sie nur einmal für den vielfachen Einsatz anfallt. Auch der reisende Bankier ist dem Konkursrisiko des Veranstalters ausgesetzt, freilich nur, wenn er einmal nicht auf Rechnung reist. b) Informationspflichten

und

Vertragsabschluß

Das materielle Recht der Pauschalreise-Richtlinie regelt zwar die vier oben an- 11 gesprochenen Problemkreise auch in der genannten Abfolge. Die Einschnitte (Art 3 bis 4 II R L ; Art 4 III, I V R L ; Art 4 V bis 6 RL; Art 7 RL) fallen jedoch nicht mit denen zwischen den verschiedenen Artikeln zusammen, was die Lektüre erschwert und teils - etwa bei der Frage nach dem Verhältnis von Art 4 VI zu Art 5 II R L - auch zu Auslegungszweifeln führt. Bei den Informationspflichten ist der Einschnitt freilich durchaus verständlich, werden doch in Art 3 R L der Grundsatz und die vorvertragliche Prospektpflichten geregelt, in Art 4 I-II R L (individuell zugeschnittene) Informationspflichten im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß. 39 Am Anfang stehen - guten Grundsätzen der Systematik von Gemeinschafts- 12 rechtsakten folgend - Informations- und Transparenzregeln (Art 3, 4 I-II RL), einschließlich solcher über die Bindungswirkung der erteilten Informationen. Drei Hauptgruppen von Regeln sind zu unterscheiden: das allgemeine Irreführungsverbot (Art 3 I RL), die Regeln über den vorvertraglichen, standardisierten Prospekt (Art 3 II RL) und diejenigen über die Aufklärungs- und Dokumentationspflichten vor und bei Vertragsschluß bzw Reiseantritt (Art 4 I-II RL).

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Für das deutsche Recht: BT-Drs 12/5354, S 13; Tonner, Der Reisevertrag, § 651k BGB, Rn 27. Ebenfalls zumindest die Ausschließung des Gelegenheitsveranstalters befürwortend: Tonner, Reiserecht in Europa, S 252; umgekehrt sogar für dessen Einbeziehung: Eckert, ZRP 1991, 454 (458) (auch für die Insolvenzsicherung). Abeltshauser, EWS 1991, 97 (98); Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (411); Yaqub, in: Yaqub / Bedford (Eds), European Travel Law, 45 (48); daher im österreichischen Recht auch mit „Reisender" übersetzt: Mayrhofer, ZfRV 36 (1995) 229 (230). Ausführlich dazu (allerdings sehr aus deutscher Sicht) Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 78-83, 521-560; Tempel, NJW 1996, 1625.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

13 Das Irreführungsverbot des Art 3 I RL erscheint teils überflüssig, gilt doch ein solches für Werbeangaben gemeinschaftsweit bereits seit 1984. 40 Das Irreführungsverbot des Art 3 I RL erfaßt jedoch ganz verschiedene Aussagen: nicht nur die Werbeaussagen, insbesondere im Prospekt, sondern auch diejenigen im Vertrag, und darunter jeweils besonders hervorgehoben diejenigen zum Preis.41 Das Irreführungsverbot mag nun weniger weit reichen als ein positiv formuliertes Transparenzgebot, nach dem Aufklärung umfassend und in verständlicher Form geschuldet ist. Sehr breit muß die Marge zwischen beidem jedoch nicht sein. Insbesondere muß Irreführung im Sinne einer Richtlinie zum unlauteren Wettbewerb nicht dasselbe bedeuten wie Irreführung im Rahmen einer Vertragsanbahnungsund diesbezüglichen Beratungssituation: Anlockfunktion, Publikumsbezogenheit und Kürze der Werbung verbieten es, ähnlich detaillierte und präzise Aufkläung und Warnung zu fordern wie beim Vertragsschluß mit einem individuellen Kunden. 14 Die Regel zum Prospekt greift nur ein (Art 3 II RL), wenn ein solcher zur Verfügung gestellt wird. Es besteht also, anders als etwa im Europäischen Kapitalmarktrecht, keine Prospektpflicht,42 sondern nur eine Prospektwahrheitspflicht. Die Regel enthält einen Katalog von Pflichtangaben.43 Dem Wortlaut nach ist die Liste abschließend. Zudem steht die Angabepflicht unter einem Erforderlichkeitsvorbehalt, so daß der Umfang des Transparenzgebots nicht beliebig breit ist. Umgekehrt reicht dieses sehr tief: So muß die optische Gestaltung, etwa Schriftgröße, optimal gewählt werden - dies ist mit dem Begriff der deutlichen Lesbarkeit gemeint -; 4 4 außerdem wird hier nun inhaltliche Klarheit und zusätzlich Genauigkeit positiv vorgeschrieben. 15 Die Prospektangaben entfalten darüber hinaus bereits eine gewisse Bindungswirkung - weitergehend als etwa nach bisherigem deutschen Recht. Während Prospektangaben nach diesem zwar für die Auslegung der später eingegangenen vertraglichen Verpflichtung herangezogen wurden, insbesondere für die Bestim40

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Richtlinie 8 4 / 4 5 0 / E W G des Rates vom 10. 09. 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, AB1EG 1984 L 2 5 0 / 1 7 ; vgl zu dieser Parallelität auch die oben in Fn 30 Genannten. Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (412); Yaqub, in: Yaqub / Bedford (Eds), European Travel Law, 4 5 (50). Daß auch die Werbeaussagen erfaßt sind, ergibt sich keineswegs notwendig aus dem Wortlaut - die Zusammenfassung aE spricht ganz im Gegenteil von den „übrigen Vertragsbedingungen" - , wohl jedoch aus der systematischen Stellung des Art 3 I RL, dem engeren Bezug zu Art 3 II RL als zu Art 4 I-II RL. Art 4 der Richtlinie 8 9 / 2 9 8 / E W G des Rates vom 17. 4. 1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABl EG 1989 L 1 2 4 / 8 ; Art 3 der Richtlinie 8 0 / 3 9 0 / E W G des Rates vom 17. 3. 1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, AB1EG 1988 L 100/1. Zu Einzelpunkten dieses Katalogs unten Rn 18 bei der Behandlung der inhaltsgleichen Einzelpunkte des Anh (iVm Art 4 II lit. a RL). Tempel, NJW 1996, 1625 (1628).

4.01 Pauschalreise-Richtlinie

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mung der Sollbeschaffenheit der Reise,45 die darin liegende Vermutung vom Veranstalter jedoch beim Vertragsschluß noch zerstört werden konnte, binden Prospektangaben nach Art 3 II RL den Veranstalter oder Vermittler grundsätzlich auch, wenn er bei Vertragsschluß ausdrücklich den gegenteiligen Willen kundtut. Die Bindungswirkung besteht nur nicht - selbstverständlich - bei Einverständnis beider Parteien46 und, wenn der Veranstalter oder Vermittler die Änderung nicht nur konkludent vornimmt, sondern ausdrücklich,47 und zudem schon im Prospekt einen Vorbehalt gegen die Bindungswirkung erklärt hatte. Die Aufklärungs- und Dokumentationspflichten vor und bei Vertragsschluß bzw 16 Reiseantritt (Art 4 I-II RL) unterfallen in drei Kategorien. Art 41 RL benennt in lit. a einige Wissenserklärungen, die der Veranstalter oder Vermittler noch vor Vertragsabschluß abgeben muß, weil und soweit sie nicht im bereits ausgehändigten Prospekt mehr als nur „allgemein" enthalten sind (vgl Art 3 II lit. e RL). Es geht um Umstände, die eine Reise unmöglich machen können und weder vom Veranstalter/Vermittler noch vom Kunden sicher beherrscht werden können: Paß- und Visumfragen sowie gesundheitspolizeiliche Formalitäten.48 Solchermaßen sind es Beschreibungen, die - neben den leistungsbezogenen im Prospekt und Vertrag (Art 3 II, 4 II RL) - für den Abschlußwillen des Kunden noch relevant sein können; letztlich dient die Regel der Verteilung eines Risikos, das in der Sphäre keiner der Vertragsparteien liegt, und das vor erfolgter Aufklärung dem Veranstalter und Vermittler zugordnet wird, danach dem Kunden. Die Information muß so fixiert werden, daß der Kunde danach handeln kann und dies, bis er das mögliche Hindernis ausgeräumt hat; daher wird Mündlichkeit nur bei einfachen zusätzlichen Anforderungen ausreichen, meist nur, wenn erklärt wird, weitere Formalitäten seien nicht nötig. Art 4 I lit. b RL enthält demgegenüber diejenigen Wissenserklärungen, die der Durchführung der Reise dienen (Reiseroute und -zeiten, Ansprechpartner mit Koordinaten sowie reisebezogene Versicherungsmöglichkeiten). Sie sind erst im Zusammenhang mit der Reise „rechtzeitig" abzugeben; für die Form gilt das Gesagte entsprechend.

« BGHZ 100, 157 (177); BGH NJW 1992, 3158 (3162); Eckert, ZRP 1991, 454 (455); Meyer / Kubis, TranspR 1991,411 (418); Tempel, NJW 1996,1625 (1629 f); Tontier, EWS 1993, 197 (199 f). Zu den daneben bestehenden unlauterkeitsrechtlichen Wirkungen vgl etwa Mührich, Reiserecht - Handbuch, Rn 199. Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (413 f); Tempel, NJW 1996, 1625 (1629); schief: Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 60 (nur wenn Änderungsvorbehalt vereinbart). 4 7 Jedenfalls dies, wohl sogar die konkludente Änderung würde nach bisherigem deutschen Recht ausgereicht haben: zu diesem Stand und den harten Ergebnissen, die damit erzielt wurden, vgl etwa Staudinger (-Schwerdtner)n, 1991, § 651a BGB, Rn 40f. Heute zieht Tonner, Reiserecht in Europa, S 257 f aus der neuen Rechtslage den Schluß, der Katalog bilde keine bloße invitatio mehr, sondern das Angebot selbst, das durch Buchung angenommen werde. 4 8 Zu Bsp bzw dem Umfang der Pflicht bei ausländischen Kunden: Tempel, NJW 1996, 1625 (1629 f) bzw Tonner, Reiserecht in Europa, S 260 f; teils wird der Umfang der diesbezüglichen Informatonspflichtén für zu gering gehalten: Yaqub, in: Yaqub / Bedford (Eds), European Travel Law, 45 (57) (Arztkosten, sinnvolle Impfungen etc).

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

17 Neben die Wissenserklärungen vor Vertragsschluß und vor Reiseantritt treten die eigentlichen vertraglichen Erklärungen, die in Art 4 II RL geregelt sind und über die nach lit. b ebenfalls schon vor und für den Vertragsschluß aufzuklären ist. Näherer Erörterung bedürfen zum einen der Inhalt der Aufklärung, der in lit. a genannte Katalog, und zum anderen Form und Zeitpunkt (lit. b und c). 18 Der Inhalt der Informationspflicht ist in Art 4 II lit. a RL iVm dem Anhang geregelt: Umfaßt sind, nimmt man Art 4 I RL hinzu, alle Pflichtangaben des Katalogs, soweit ein solcher zur Verfügung gestellt wurde; in manchen Punkten muß die Information jetzt jedoch noch detaillierter gefaßt werden (lit. a und b des Anhangs), eine Reihe von Punkten ist hinzugekommen (lit. f-h, j, k des Anhangs). Anders als etwa in der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) und in der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10), ist der Anhang hier als verbindliche Regelung zu verstehen.49 Festgelegt wird im Anhang auch nur ein Mindestmaß an Aufklärung (vgl Art 4 II lit. a RL im Gegensatz zu Art 3 II RL). Über welche sonstigen Punkte aufzuklären ist, beurteilt sich nach dem Kriterium der Wesentlichkeit. Alles für den Kunden erkennbar Wesentliche ist vor Vertragsschluß aufzudecken.50 Dies ergibt sich aus zwei Überlegungen: zum einen sind andere Elemente eines effizienten Transparenzgebots in lit. b festgeschrieben. Zum anderen wird, soweit eine Aufklärungspflicht in anderen E G-Richtlinien mittels eines Mindestkatalogs spezifischer ausgestaltet wird, in der Generalklausel für den verbliebenen Restbereich jeweils auf das Kriterium der Wesentlichkeit rekurriert - so in Art 4 III der Verbraucherkredit-Richtlinie (4.10), obwohl dort der detaillierte Mindestkatalog nicht einmal verbindlichen Charakter hat, oder in Art 11 I 4 5. Spiegelstrich der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (4.20). 19 Unglücklich formuliert ist lit. b, der die Kernregel zu Form und Zeitpunkt der Aufklärung enthält. Das Erfordernis, daß die Formulierung der Vertragsbedingungen „verständlich" sein muß, begründet nämlich positiv ein Transparenzgebot.51 Es handelt sich also nicht, wie der Wortlaut vermuten läßt („oder"), um eine Alternative zum Schriftlichkeitserfordernis. Für dieses gilt das zu Art 4 I RL Gesagte. Die Information muß schriftlich oder in gleich effizienter Form bereitgestellt werden und dies vor und für den Vertragsschluß. Eine Ausnahme zu den Anforderungen nach lit. b findet sich in lit. c. Strikt zu beachten ist hierbei der Grundsatz der Erforderlichkeit. Ansonsten jedoch sollte mit der Ausnahme sichergestellt werden, daß eine Buchung „last minute" nicht an den Anforderungen des lit. b scheitert.52 Führicb, Reiserecht - Handbuch, Rn 59; Tonner, EuZW 1990, 409 (409 f). Zu den einzelnen Unterpunkten ausführlicher Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (412); Tonner, Reiserecht in Europa, S 2 5 4 - 2 5 7 ; eine kurze rvgl Übersicht bei ders, EWS 1993, 197 (199 f). s Ebenso für die deutsche Umsetzung Tempel, NJW 1996, 1625 (1628). Für die AGB bedeutet dies, daß über § 2 AGBG hinausgehend, die AGB zwingend vollständig zur Verfügung gestellt werden müssen; zum diesbezüglichen Streitstand Tempel aaO 1630 f. 51 Führicb, Reiserecht - Handbuch, Rn 60. 49

« Meyer/Kubis, TranspR 1991,411 (412); Tempel, NJW 1996,1625 (1631); tendenziell anders Tonner, EuZW 1990,409 (410); Schriftlichkeit wird dennoch stets gefordert (und ist jeweils wohl auch immer noch möglich): Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 61.

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Kritisiert wurde - wie auch im Zusammenhang mit der Verbraucherkredit- 20 Richtlinie (4.10) - die Parallelität der Informationspflichten - zunächst im Prospekt, sodann nochmals im Zusammenhang mit dem Vertragsschluß.53 Das wesentliche Gegenargument ist jeweils das gleiche: Wird der Kunde instand gesetzt, sich früh und ohne Probleme über die wesentlichen Punkte zu informieren, so dient dies dem Wettbewerb zwischen Anbietern, weil eine Auswahl ermöglicht wird.54 Umgekehrt ist es für den Kunden wünschenswert, alle Punkte in einem Dokument zusammengefaßt zu erhalten, weil er solchermaßen auch als juristischer Laie die Rechtsverbindlichkeit erkennt und für ihn eine erste Hürde bei ihrer Geltendmachung (und Durchsetzung) beseitigt erscheint.55 Aus ebendiesem Grunde wurde auch die Pflicht zur Ausstellung einer Abschrift eingeführt (lit. b aE). Es fördert letztlich effizienten Wettbewerb bzw spart Transaktionskosten, „doppelt zu moppein". Um dem erstgenannten Interesse gerecht zu werden, mußte, da eine Prospektpflicht gerade nicht besteht, in Art 4 II lit. b RL eine Pflicht zur Aufklärung schon vor Vertragsschluß gesondert statuiert werden. Sie kann freilich, wenn dieser den Anforderungen des Art 4 II RL entspricht, durch Aushändigung des (evtl ergänzten) Prospekts erfüllt werden. 56 Umgekehrt wird man die Regeln des Art 3 II RL zur Bindungswirkung des Prospekts auch auf die vorvertragliche Information anzuwenden haben, so daß Änderungen, die diesen Regeln widersprechen, nicht Vertragsbestandteil werden. Umgekehrt werden jedoch auch Klauseln, die den Veranstalter begünstigen, und nur in den vorvertraglichen Informationsinstrumenten, nicht auch im Vertrag zu finden sind, aufgrund des genannten Ziels der doppelten Informationsverpflichtung nicht Vertragsbestandteil. 57 Der Zeitpunkt der vorvertraglichen Aufklärung wurde nicht präzisiert. Die genannte Zielsetzung legt es nahe, auf das Verlangen des Kunden abzustellen. Schon weil er den Vertragsschluß unterlassen kann, wenn auf sein Verlangen nicht eingegangen wird, kann er eine frühzeitige Aushändigung durchsetzen; zusätzlich gibt ihm Art 4 II lit. b RL jedoch ein durchsetzbares dahin gehendes Recht. Der Kunde kann natürlich ebenfalls - etwa bei Sofortbuchung - einer Informierung unmittelbar vor Vertragsschluß zustimmen. 58

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Eckert, DB 1994, 1069 (1071) (nur ein Mal); Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (413, auch 416). 54 Wohl ebenso Tonner, Reiserecht in Europa, S 253, 259. » Vgl ähnlich unten 4.10 Rn 29-32. 56 Unter Vertragsbedingungen sind freilich nicht nur die AG Β des Veranstalters zu verstehen: Meyer/Kubis, TranspR 1991, 411 (412). 57 Ebenso iErg Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (414). 58 AA offenbar Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (412). Mit dieser Gegenmeinung würde jedoch der erkennbare Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers, etablierte Wege der Buchung nicht faktisch unmöglich zu machen, mißachtet.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

c) Vertragsänderungsrechte 21 Die Pauschalreise-Richtlinie regelt sodann Vertragsänderungsrechte, zunächst das Änderungs- oder Ersetzungsrecht des Kunden (Art 4 III RL). Der Tatbestand setzt voraus, daß der Erwerber die an die Teilnahme geknüpften Bedingungen erfüllt und daß der Veranstalter die notwendigen Umstellungen überhaupt noch vornehmen kann.59 Weitere Voraussetzungen bestehen entgegen dem, was der Wortlaut nahezulegen scheint, nicht: Im Gesetzgebungsverfahren ist das Erfordernis der „dringenden Verhinderung" entfallen, und die Regelbeispiele belegten, daß schon damals bloße „Unzumutbarkeit" ausreichte; mangels schützenswerter Gegeninteressen des Veranstalters kann „Verhinderung" daher heute nur noch dahingehend verstanden werden, daß es allein auf die subjektive Sicht des Kunden ankommt und dieser darüber entscheidet.60 Rechtsfolge ist, ohne daß dies aus dem Wortlaut klar hervorgeht, daß der Erwerber eigene Rechte aus dem Pauschalreisevertrag erwirbt.61 Notwendig ist umgekehrt, daß Kunde und Erwerber gesamtschuldnerisch haften, und zwar sowohl für die verbleibende Schuld als auch für die entstehenden Mehrkosten.62 Die rechtstechnische Konstruktion der „Vertragsübernahme" bleibt den Mitgliedstaaten überlassen.63 22 Ein Änderungsrecht des Veranstalters oder Vermittlers statuiert Art 4 IV RL für den Preis. Voraussetzung ist zunächst eine ausdrückliche Nennung der Änderungsmöglichkeit und eine Spezifikation der Berechnungsmodalitäten. Konkludente Preisänderungsvereinbarungen entfalten also keine Rechtswirkung.64 Zudem ist der Kreis der Gründe, die ein Änderungsbegehren tragen können, eingeschränkt, und eine Schonfrist von 20 Tagen vor Abreise vorgesehen, in der jegliche Preiserhöhung ausscheidet. Zulässig sind Preisänderungen nur zur Weitergabe einer Änderung von gestiegenen Beförderungskosten, Gebühren und von Wechselkursänderungen. Teils wird davon ausgegangen, diesbezügliche Änderungen zugunsten des Kunden müßten stets weitergegeben werden.65 In Art 4 Nr 4 lit. c des Vorschlages war wahlweise noch eine 30-tägige Schonfrist vor AbD a Mehrkosten ohnehin von Kunde und Erwerber zu tragen sind, kann das Erfordernis der „vertretbaren Frist" vor Reiseantritt nicht strenger verstanden werden. Für den englischen Text von einer Wochenfrist ausgehend: Yaqub, in: Yaqub / Bedford (Eds), European Travel Law, 4 5 (52). 6 0 So wohl auch Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (413); demgegenüber von einer eigenständigen Bedeutung dieser Voraussetzung ausgehend: Eckert, Z R P 1991, 4 5 4 (456). 61 Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (413, 417); für das deutsche Recht Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 69. « Abeltshauser, EWS 1991, 9 7 (98); Eckert, Z R P 1991, 454 (456); Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (413); ausdrücklich so § 651b II B G B . Fraglich ist, ob, wie Tonner, Reiserecht in Europa, S 2 6 5 vorschlägt, eine gegenteilige nationale Regelung in der Tat unter Berufung auf Art 8 R L (als „strenger") gerechtfertigt werden kann: dagegen auch Eckert aaO. 6 3 Implizit Tonner, Reiserecht in Europa, S 264. 64 Yaqub, in: Yaqub / Bedford (Eds), European Travel Law, 4 5 (52). 65 Tonner, E u Z W 1990, 409 (410). Nicht präzisiert wird, ob es dazu keiner ausdrücklichen Nennung der Kalkulationsgrundlage im Vertrag bedarf - was dem Grundsatz „no hidden gains, no hidden pains" widerspräche; vgl nur Grundmann, Treuhandvertrag, bes 2 0 0 59

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reise oder eine dreimonatige Schonfrist nach Vertragsabschluß vorgesehen, 6 6 so daß bei allen Buchungen, die nicht mehr als einen Monat, und bei vielen Buchungen, die nicht mehr als drei Monate vor Abreise erfolgten, eine Preisänderung gänzlich ausgeschieden wäre. d) Leistungsstörungen

(einschließlich

Haftung)

Sonstige Änderungen von Vertragsklauseln sind zwar einvernehmlich möglich. Mangels Einigung werden sie hingegen, obwohl die Pauschalreise-Richtlinie weitere Änderungen seitens des Veranstalters oder des Vermittlers anspricht (Art 4 V , V I RL), nicht zugelassen. Sie sind als Leistungsstörung zu qualifizieren. Exakter wäre es gewesen, insoweit von einer Einschränkung des Rechts des Kunden auf Erfüllung des Primäranspruchs (specific performance) zu sprechen. Dabei wird unterschieden zwischen Vertragsbruch vor Reiseantritt (Art 4 V , VI RL) und nach Reiseantritt (Art 4 VII). Hinzu treten allgemeine Regeln zur Garantiehaftung bzw zur Haftung für vermutetes Verschulden (Art 5 I, II RL).

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aa) Geregelt sind für die Zeit vor Reiseantritt allein wichtige Änderungen (Art 4 V RL) sowie die vollständige Stornierung (Art 4 VI RL), jeweils seitens des Veranstalters oder Vermittlers. Die vollständige Stornierung ist auf der Tatbestandsseite nicht näher umschrieben, die Änderung durchaus. Nötig sind „erhebliche Änderungen", die sich zudem auf „wesentliche Bestandteile" beziehen müssen. Zu erwarten ist, daß sich das erstgenannte Kriterium als das wichtigere und möglicherweise gar das einzig wichtige herauskristallisieren wird - wie bei § 9 II AG Β G . 6 7 Anders als im Vorschlag ist für dieses Kriterium nicht mehr eine feste Prozentgrenze vorgesehen, die freilich ohnehin nur bei quantitativen Abweichungen, vor allem im Preis, eingegriffen hätte. 6 8 Sonstige Änderungen unterfallen - abgesehen von Art 4 IV R L - weiterhin vollumfänglich der Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers.

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In Deutschland ergibt sich eine Kumulation beider Schutzstandards aus § 11 Nr 1 AGBG. Zu einer anderen marktkonformen Kennzeichnungsregel, die in Großbritannien praktisch zu diesem Resultat führt, vgl Tonner, EWS 1993, 197 (198 f). Die Qualifikation als „wesentlich" in § 9 II AGBG bezieht sich auf den Grad der Abweichung und nicht, wie der Wortlaut nahezulegen scheint, auf die Grundgedanken bzw Rechte und Pflichten: Ulmer / Brandner / Hensen, § 9 AGBG, Rn 134. Der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung früher anzutreffende Versuch, „wesentliche" Normen mit Gerechtigkeitsgehalt von bloßen Zweckmäßigkeitsregeln abzusetzen, wird überwiegend als unpraktikabel und interessenwidrig abgelehnt, vgl nur Ulmer / Brandner / Hensen, § 9 AGBG, Rn 132, 141; Wolf / Horn / Lindacher, AGB-Gesetz - Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen3, 1994, § 9 AGBG, Rn 71 (jeweils mwN). Art 4 Nr 5 lit. a des ursprünglichen Vorschlags (10 %); zusätzlich Art 4 Nr 5 lit. c des Vorschlages in der Fassung des 18. Änderungsvorschlages des Parlaments (Verzögerung der Abreise um 24 Stunden); vgl dazu Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (413); Tonner, EuZW 1990, 409 (410); sowie (rvgl und zu den währungspolitischen Hintergründen der Unterschiede): Tonner, EWS 1993, 197 (199); zur deutschen Rechtslage (5%) Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 68.

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Einseitige Untemehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

2 5 Rechtsfolge ist - prozedural - eine gegenseitige Verständigungspflicht, die jeweils „so bald wie möglich" zu erfüllen ist, und inhaltlich das Entstehen von Sekundäransprüchen des Kunden. Diese sind für den Fall der wesentlichen Änderung und der Stornierung gleichartig und in Art 4 VI RL geregelt - mit der einzigen Ausnahme, daß bei wesentlichen Änderungen eine (Teil-)Erfüllung des Primäranspruchs noch denkbar ist und daher der Vertrag auch einvernehmlich angepaßt werden kann (Art 4 V lit. b RL). In diesem Fall verliert der Kunde jedoch die Sekundäransprüche des Art 4 VI RL. 69 Sekundäransprüche entstehen überhaupt nicht, wenn ein Verschulden des Kunden Grund für die Stornierung oder auch für die wesentliche Änderung war70 (im letztgenannten Punkt fehlt eine ausdrückliche Regelung). Der Kunde kann wählen zwischen: schnellstmöglicher Rückerstattung der gezahlten Summen; Teilnahme an einer anderen Reise, zu deren Angebot der Veranstalter in der Lage ist,71 wobei ein Minderwert zu ersetzen ist, die Leistung eines Mehrwerts dem Veranstalter jedoch offenbar ohne nähere Begrenzung abverlangt wird;72 oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung, letztgenanntes jedoch unter zweierlei Einschränkung (Art 4 VI 2. UA RL): 73 Ein Anspruch entfällt bei Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl, soweit dieses Erfordernis vorvertraglich und vertraglich ordnungsgemäß eingefühlt wurde und fristgemäß schriftlich deswegen storniert wurde (lit. i). Ein Anspruch entfällt außerdem bei Nichterfüllung aufgrund höherer Gewalt (lit. ii). Dabei darf diese jedoch, wie sich aus Art 5 II RL ergibt, weder für den Veranstalter oder Vermittler noch für den jeweiligen Leistungsträger vorhersehbar oder beeinflußbar gewesen sein.74 Unklar ist, ob das Erfordernis der „Ungewöhnlichkeit" des Ereignisses eigenständige Bedeutung hat. Denn für den Streik wurde, anders als 69

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So der Wortlaut der Vorschrift (vgl Einleitungsworte von Art 4 VI RL), der auch dem Grundsatz der Parteiautonomie entspricht; allenfalls an eine Aufklärungspflicht des Veranstalters über diese Rechtsfolge könnte gedacht werden. Demgegenüber wird teils der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß Art 4 VI 2. UA RL für weiterhin anwendbar gehalten: Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (414). Die Rspr des EuGH zu Art 7 RL läßt erwarten, daß ein gänzlicher Ausschluß des Anspruchs auch im Rahmen von Art 4 VI 2. UA und Art 5 II RL nur bei erheblichem und wohl gar Alleinverschulden des Kunden angenommen werden wird: EuGH 8. 10. 1996 verb Rs C-178/94, C - 1 7 9 / 9 4 , C - 1 8 8 / 9 4 bis C - 1 9 0 / 9 4 {Dillenkofer ua), Slg 1 9 9 6 , 1 - 4 8 4 5 (4890); iErg ebenso Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (414), die unter Hinweis auf den Richtlinienwortlaut Alleinverschulden fordern. Zum Umfang der dem Veranstalter insoweit abgeforderten Anstrengungen (Einkauf entspr Reisen bei anderen Veranstaltern): vgl sehr weitgehend Tonner, Reiserecht in Europa, S 267. So etwa Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (414). Angesichts des darin liegenden Pönalisierungselements und des Umstands, daß hier die Nichterfüllung sogar überkompensiert wird, läge es freilich nahe, zumindest die Schranken des von Art 4 VI 2. UA RL a maiore anzuwenden. Selbst dann wird eine Zumutbarkeitsgrenze anzunehmen sein, so auch tendenziell Tonner, Reiserecht in Europa, S 267. Die Formulierung (und Interessenlage) ist wohl dahin zu verstehen, daß der Veranstalter die Beweislast trägt. Eckert, ZRP 1991, 4 5 4 (457); Tonner, EuZW 1990, 4 0 9 (410); ebenso für den Erfüllungsanspruch Abeltshauser, EWS 1991, 9 7 (99).

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für die Überbuchung und anders als noch im ersten Vorschlag, bewußt nicht bestimmt, daß dieser keine höhere Gewalt darstelle.75 Den Umfang des Nichterfüllungsschadens bestimmt das nationale Recht ohnehin.76 Die Lockerung von Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere die Einführung einer Garantiehaftung, ist allein unter Hinweis auf Art 8 RL möglich (und ausländischen Anbietern gegenüber nicht durchsetzbar). Probleme wirft die Frage nach den Konkurrenzen des Art 4 V, VI RL auf, hier 26 zunächst im Verhältnis zu Art 4 IV RL. Fraglich ist, ob die Rechtfertigungsregel des Art 4 IV RL - ihrem Wortlaut entsprechend - in allen Fällen, in denen ihre ohnehin eng umrissenen Voraussetzungen vorliegen, zur Anwendung kommt und sich auch im Ergebnis durchsetzt. Die Preisänderung, auch eine erhebliche, ist dann als rechtmäßige Änderung des Vertrages zu verstehen, und Art 4 V RL, der einen Vertragsbruchtatbestand enthält, wird verdrängt. 77 bb) Auch für die Zeit nach Reiseantritt ist nur die Nichterfüllung eines „erheb- 27 liehen Teils" der Reiseleistung geregelt (Art 4 VII RL). Die minder schweren Fälle unterfallen weiterhin der Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten; für sie ist daher der erste Teil der Regelung nicht selbstverständlich: Der Veranstalter muß (ohne Aufpreis) Vorkehrungen treffen, um die Reise doch noch durchzuführen, also dem geschuldeten Ergebnis möglichst nahezukommen, und er muß den Minderwert ersetzen. Der Kreis der Vorkehrungen ist jedoch auf solche beschränkt, die angemessen erscheinen. Zugelassen ist also der Zumutbarkeitseinwand und dies wohl weitergehend als im deutschen Recht, da die Einräumung des Erfüllungsanspruchs an sich schon keineswegs in allen Mitgliedstaaten selbstverständlich ist. 78 Hilfsweise und bei nicht willkürlicher Ablehnung durch den Kunden ist zweierlei geschuldet: die Beförderung an den Ausgangspunkt sowie der Ersatz des Minderwertes. 79 cc) Nicht gänzlich geklärt erscheint das Verhältnis einer dritten Normgruppe zu 28 den beiden bisher genannten: Art 51 und II RL sehen eine verschuldensunabhängige Erfüllungshaftung und eine Nichterfüllungshaftung bei (vermutetem) Ver-

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Abeltshauser, EWS 1991, 9 7 (102); Tonner, Reiserecht in Europa, S 2 6 8 f; ders, E u Z W 1990, 4 0 9 (410). Eine Klärung des Begriffs ist insoweit dem E u G H überantwortet, was freilich wegen Art 8 R L nur zu einer Anhebung des Minimalstandards führen kann. Ebenso Tonner aaO. Vgl Einleitungsworte von Art 4 VI 2. UA R L ; ebenso implizit Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (414). AA Eckert, Z R P 1991, 4 5 4 (456). Z u m grundsätzlichen Fehlen eines Anspruchs auf Durchführung des Vertrages und zur grundsätzlichen Verweisung auf den bloßen Wertersatz im angloamerikanischen Recht: Zweigert / Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S 4 7 7 - 4 8 2 . Die Entschädigung nach Art 4 VII 2. UA R L ist wohl, wie diejenige im 1. UA, als die Differenz zwischen dem Preis der geschuldeten und der tatsächlich erbrachten Leistung zu berechnen: Eckert, Z R P 1991, 4 5 4 (457); Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (414); iErg auch Abeltshauser, EWS 1991, 97 (99) (wie Minderung iSv § 651d B G B ) .

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

schulden vor.80 Die Regelung überschneidet sich mit Elementen derjenigen in Art 4 V-VII RL. Einfacher ist die Regelung des Art 5 I RL. Sie sieht eine Erfüllungshaftung auch insoweit vor, als Dritte eingeschaltet werden. Alle Leistungsträger werden also als Erfüllungsgehilfen qualifiziert, weil die Reise entsprechend der Beschreibung geschuldet ist. Geschuldet ist also nicht nur der Vermittlungserfolg. Nicht ausdrücklich geregelt ist demgegenüber der Fall, daß außenstehende Dritte oder gar höhere Gewalt die Erfüllung verhindern oder erschweren. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch eine Garantiehaftung schaffen wollte und da dies auch durch einen Umkehrschluß aus Art 4 VI 2. UA lit. ii RL bzw Art 5 II RL nahegelegt wird, wird die Erfüllungshaftung auch durch solche Umstände nicht berührt. Der Veranstalter hat, soweit dies möglich81 und soweit dies zumutbar („angemessen") ist (Art 4 VII RL a maiore), zu versuchen, auch solche Hindernisse auszuräumen. Dies beeinflußt auch die Auslegung von Art 4 V RL: Nur soweit der Veranstalter danach die geschuldete Reise nicht mehr leisten kann bzw muß, ist davon auszugehen, daß er zu den bezeichneten Änderungen „gezwungen" ist. Andernfalls handelt er jedenfalls schuldhaft und ist der Kunde nicht auf die Rechte nach Art 4 VI 1. UA RL beschränkt. 29 Aus dem Grundsatz der verschuldensunabhängigen Erfüllungshaftung ergibt sich zumindest in manchen Aspekten auch, daß dem Kunden bei Leistungsstörungen, die er nicht selbst (allein) verschuldet hat, zumindest Hilfe zu leisten ist (Art 5 II 2. UA RL). Das gleiche gilt für Art 6 RL in seiner heutigen Form, der aus Bemühungen um eine weiterreichende verfahrensmäßige Absicherung der Rechte der Verbraucher hervorgegangen ist. 82 Als Pflicht wird aus Art 5 II 2. UA RL etwa diejenige hergeleitet, für ärztliche oder polizeiliche Hilfe zu sorgen.83 3 0 Problematischer erscheint Art 5 II 1. UA RL, die Regelung des Schadensersatzanspruches wegen Nicht- oder Schlechterfüllung. Gesichert ist zunächst, daß auch im Rahmen dieser Vorschrift Verschulden eines Leistungsträgers dem Veranstalter zugerechnet wird. Sodann stimmt die Vorschrift mit der Nichterfüllungsregel des Art 4 VI 2. UA RL in mehreren Punkten überein: das Verschulden wird wiederum vermutet;84 und wie dort wurden Ausnahmen für die Fälle höherer Gewalt und für (Allein-)Verschulden des Kunden vorgesehen. Art 5 II RL

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Die Regelung war im Gesetzgebungsverfahren sehr umstritten und kann in der verabschiedeten Fassung als der Durchschnitt der in den Mitgliedstaaten anzutreffenden Lösungen verstanden werden: Tonner, Reiserecht in Europa, S 2 7 3 ; ders, EuZW 1990, 4 0 9 (410). Auch insoweit gilt, wie übrigens auch Art 4 V, VI 1. UA RL nahelegt: „Ultra posse nemo obligetur." Demgegenüber wird Art 5 RL teils allein auf Versagen von eingeschalteten Dritten, also Leistungserbringern, bezogen: Yaqub, in: Yaqub / Bedford (Eds), European Travel Law, 4 5 (55). Tonner, Reiserecht in Europa, S 2 7 9 f. Geplant war im ersten Entw, die Einrichtung eines flächendeckenden Netzes von Beschwerdestellen zur Pflicht zu machen: Abeltshauser, EWS 1991, 9 7 (97); Tonner, EuZW 1990, 409 (411). Meyer/ Kubis, TranspR 1991, 411 (415) (nicht jedoch Hilfe bei der prozessualen Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte). Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 71.

4.01 Pauschalreise-Richtlinie

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meint wohl - wie Art 4 VI 2. UA - auch den unmittelbaren Mangelschaden, nicht nur den im Reiserecht praktisch weniger bedeutsamen Mangelfolgeschaden. Daher ist das Konkurrenzverhältnis beider N o r m e n zueinander von Bedeutung, soweit die beiden Regelungen divergieren: Nach Art 5 II RL entfallt - anders als nach Art 4 VI 2. UA RL - die Schuld nicht nur in unvorhersehbaren und nicht abwendbaren Fällen höherer Gewalt, sondern auch in unvorhersehbaren und nicht abwendbaren Fällen eines Eingreifens Dritter, die nicht zugleich Leistungsträger sind. Wiederum ist fehlende Vorhersehbarkeit und Beeinflussungsmöglichkeit sowohl beim Veranstalter als auch bei seinen Leistungsträgern zu fordern. Daraus wird teils geschlossen, daß bei Stornierung (erklärter Nichterfüllung) und bei erheblicher Änderung allein Art 4 VI 2. UA RL gilt, 85 und allein in den (wenigen) verbleibenden Fällen Art 5 II 1. UA RL. Verhindert ein Dritter, der nicht Leistungsträger ist, unvorhersehbar und unabwendbar die Erfüllung, so wäre es für den Veranstalter also günstiger, nicht zu stornieren, sondern schlicht nicht zu erfüllen; und bei schwererem Eingriff durch den Dritten stünde er schlechter als bei leichterem. Beides erscheint wenig überzeugend. In der Tat wird auch bei Art 4 VI 2. UA RL der Streik, ein klassischer Fall des Eingriffs unbeteiligter Dritter, als möglicher Entschuldigungsgrund diskutiert. Die Verwerfung zwischen beiden Vorschriften ist am besten in den Griff zu bekommen, wenn man in Art 5 II RL die generell geltende und zentrale Verschuldensregel sieht. Im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt es, ob sie Haftungsausschluß- oder -be- 31 grenzungstatbestände einführen. Allerdings werden nur zwei Fallgruppen zugelassen: Dies sind zum einen die Fälle, in denen die Haftung der Leistungsträger kraft internationaler Übereinkommen beschränkt ist; daran soll, wenn die Mitgliedstaaten dies wünschen, auch die Paketbildung allein nichts ändern, so daß der Veranstalter nicht für Fehlverhalten des Leistungsträgers haftet, für das dieser freigestellt ist. 86 Dies sind zum anderen die Fälle, in denen andere Nichterfüllungsschäden als Körperschäden entstehen. In diesem zweiten Fall ist jedoch nur eine Beschränkung der Haftung durch Vertrag und auch nur in angemessenem Maße zulässig, ein Begriff, den der E u G H im Wege autonomer Auslegung zu konkretisieren hat. 8 7 Unklar ist, welches Instrument für die Haftungsbeschränkung in der ersten Fallgruppe zu wählen ist: Ist die Beschränkung selbst staatlich anzuordnen oder kann die Beschränkung durch Vertrag zugelassen werden, so daß es dann nicht nötig zur Haftungsbeschränkung k o m m e n muß? 8 8

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Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (414). Vgl zu weiteren Konsequenzen dieser Meinung unten Rn 32. »« Tonner, EuZW 1990, 409 (410 f). 87 Meyer/Kubis, TranspR 1991,411 (415); für unangemessen hält Tonner, Reiserecht in Europa, S 277 schon eine Einschränkung auf den einfachen Reisepreis. 88 Daß die Beschränkung von den Mitgliedstaaten „zugelassen" werden muß, spricht eher für ζ weiteres, jedoch wird im 3. UA, anders als im 4. UA, die Beschränkung nicht ausdrücklich als „vertraglich" beschrieben. Auch Art 5 III RL, der sich allein auf Art 5 II 4. UA RL bezieht, spricht eher für die erstgenannte Lösung.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

32 Die Regeln zur verschuldensunabhängigen Erfüllungshaftung (Art 5 I RL) und zur verschuldensabhängigen Schadensersatzhaftung (Art 5 II RL) sind zwingend (Art 5 III RL). Erstreckt man die Gedanken dieser Regeln in die Leistungsstörungsregeln der Art 4 V-VII RL hinein, so ist der Gehalt von Art 5 I, II RL auch in diesem Rahmen zwingend.89 Letztlich erweist es sich als insgesamt wohl kundenfreundlicher, Art 5 II RL auch etwa im Rahmen von Art 4 VI RL anzuwenden als von einer Verdrängung durch Art 4 VI RL auszugehen.90 33 dd) Die Obliegenheit des Kunden, Mängel baldestmöglich und tunlichst schriftlich anzuzeigen (Art 5IV RL), besteht nur, wenn der Veranstalter darauf klar und deutlich hingewiesen hat. Zudem ist sie in der Richtlinie mit keiner Sanktion ausgestattet. Diese hat also das nationale Recht „jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend"91 auszugestalten. Fraglich ist, ob die Einschränkung der Rügeobliegenheit in der Tat eine strengere Regel iSv Art 8 RL darstellt,92 oder ob nicht vielmehr durch Art 8 RL nur ein weiterreichender Schutz gegenüber dem Veranstalter, nicht jedoch gegenüber eigenen Versäumnissen, ermöglicht werden soll. Alle Festsetzungen von Verbraucherpflichten oder -Obliegenheiten in EG-Richtlinien zum Europäischen Schuldvertragsrecht würden damit disponibel. e) Absicherung gegen das Insolvenzrisiko 34 Besonders umstritten sind die Regeln über die Absicherung des Kunden gegen das Insolvenzrisiko des Veranstalters. Im Vorschlag war die Kumulation zweier gleichwertiger Schutzmechanismen vorgesehen gewesen:93 die Pflicht des Veranstalters, sich für die geleisteten Anzahlungen gegen sein Insolvenzrisiko zu versichern; und die Pflicht, einem Fonds von Reiseveranstaltern beizutreten, die sich gegenseitig verpflichteten, das genannte Risiko zu tragen. 35 In der verabschiedeten Fassung wird nur noch das Ziel vorgegeben (Art 7 RL): Das Insolvenzrisiko (für Anzahlung und Rücktransport) muß im Recht der Mitgliedstaaten ausgeräumt werden. Der EuGH hat dies jedoch in seiner Rechtsprechung in Sachen Dillenkofer dahingehend präzisiert, daß eine Lösung, deren Effizienz nicht gesichert ist, nicht ausreicht.94'95 Im konkreten Fall handelte es sich 89

90

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94

Ebenso Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (415); und wohl auch Tonner, EuZW 1990, 4 0 9 (411). Vgl oben bei Fn 85. Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (415) wollen freilich Art 5 III RL entgegen seinem ausdrücklichen Wortlaut durchaus auf Art 4 V-VII RL erstrecken, Art 5 I, II RL hingegen nicht, obwohl der Wortlaut insoweit nicht entgegensteht. EuGH 21. 9. 1989 - Rs 6 8 / 8 8 (Kommission / Griechenland), Slg 1989, 2 9 6 5 (2985); weitere Nachw oben 1. Teil Fn 502. So Eckert, ZRP 1991, 4 5 4 (456) (für die vergleichbare Pflicht nach Art 4 V 2 RL). Von Überregelung spricht daher zu Recht: Tonner, EuZW 1990, 4 0 9 (411). Sogar die einfache Konkursabsicherung erscheint bei vergleichender Gesamtschau der verschiedenen Branchen nicht unbedenklich: vgl etwa Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 (85). EuGH 8. 10. 1996 - verb Rs C-178/94, C-179/94, C - 1 8 8 / 9 4 bis C - 1 9 0 / 9 4 (Dillenkofer ua), Slg 1 9 9 6 , 1 - 4 8 4 5 (4884 f, 4 8 8 7 et passim).

4.01 Pauschalreise-Richtlinie

621

um die Absicherung durch die BGH-Rechtsprechung, nach der Vorkasse nur gegen Aushändigung werthaltiger Reisedokumente (etwa Flugscheine) und in entsprechender Höhe statthaft ist. 96 Der EuGH entschied, daß dadurch Art 7 RL nicht korrekt umgesetzt ist, da zum einen in der Praxis nicht sichergestellt sei, daß Reiseveranstalter diese Vorkassegrundsätze beachteten, und da zum anderen auch bei Aushändigung entsprechender Reisedokumente noch Risiken seitens des Leistungsträgers (eigene Insolvenz und vor allem Rückbehaltungsrechte) fortbestünden. 97 Letztlich werden Mitgliedstaaten daher nur eine Versicherungs- oder aber ein Fondslösung wählen können. 98 Da das Reiseunternehmen durch Erfüllung seiner Pflichten im Herkunftsland die Möglichkeit erhält, seine Pauschalreisen EG-weit ungehindert zu vertreiben, muß sich die Deckungssumme nach dem EG-weiten Geschäft richten.99 f) Verbliebene Regelungslücken und -freiräume Bewußt wurden Lücken im Anwendungsbereich belassen, bei Gelegenheitsanbietern und bei Anbietern von nur einer Reiseleistung. Die Informationspflichten sind demgegenüber umfassend geregelt, vorvertraglich und vertraglich, ausgestaltet durch einen detaillierten Katalog und zugleich durch eine Generalklausel, nach der alle wesentlichen Punkte aufzudecken sind. 100 Weitere nationale Regeln sind als strengere iSv Art 8 RL zu verstehen und können ausländischen Anbietern nicht entgegen gehalten werden. 101 Auch die Grundentscheidung für eine verschuldensunabhängige Erfüllungshaftung (Art 5 I RL) und eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung (Art 5 II RL) decken die Konstellationen des Leistungsstörungsrechts ab. Eine weiterreichende Garantiehaftung fiele wiederum unter Art 8 RL. Inhaltlich ist der Sekundäranspruch demgegenüber, insbesondere beim Nichterfüllungsschaden, weniger abschließend geregelt. Nur ein 95

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Zur erforderlichen staatlichen Überwachung des Systems: Tonner, Reiserecht in Europa, S 283. B G H NJW 1986, 1613; B G H Z 100, 157 (171 f). EuGH 8. 10. 1996 - verb Rs C-178/94, C-179/94, C - 1 8 8 / 9 4 bis C - 1 9 0 / 9 4 (Dillenkofer ua), Slg 1996,1-4845 (4888 f). Weiterführend zu den Rechtsfolgen auch hinsichtlich anderer Rechte, die die Richtlinie gewährt: Eidenmüller, J Z 1997, 201 (203) (Urteilsanm). Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 63; Tonner, Reiserecht in Europa, S 2 8 0 ; ders, EuZW 1990, 4 0 9 (411); tendenziell wohl auch EuGH 8. 10. 1996 - verb Rs C-178/94, C - 1 7 9 / 9 4 , C - 1 8 8 / 9 4 bis C - 1 9 0 / 9 4 (Dillenkofer ua), Slg 1996, 1-4845 (4882); Eckert, ZRP 1991, 4 5 4 (458); aA Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (419). Das Ratsprotokoll, auf das sich die Bundesrepublik auch vor dem EuGH berief, hatte demgegenüber noch eine ganze Palette für denkbar erklärt: die Sicherung aus der Kapitaldecke, aus Einlagenfonds, aus Versicherungen oder Kautionen. So zu Recht: Tonner, Reiserecht in Europa, S 2 8 4 . Hierunter fällt wohl auch eine klare Beschreibung der Qualität des Hotels, wobei die Vergleichbarkeit durch die Einteilung nach Sternen nicht gänzlich gewährleistet ist: vgl Empfehlung 8 6 / 6 6 5 / E W G des Rates vom 22. 12. 1986 über einheitliche Informationen in Hotels, AB1EG 1986 L 3 8 4 / 5 4 ; krit insoweit: Yaqub, in: Yaqub / Bedford (Eds), European Travel Law, 45 (56 seq). Vgl oben Rn 7.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Minimum ist vorgegeben: Materieller Schaden - davon geht wohl bereits die Pauschalreise-Richtlinie aus - ist zu ersetzen. Ansonsten gestaltet das nationale Recht den Anspruch der Höhe nach aus, etwa in der Frage, ob für den schlecht genutzten Urlaub Ersatz zu leisten ist. Auch im letztgenannten Fragenkomplex, bei der Absicherung des Kunden gegen das Insolvenzrisiko des Veranstalters, eröffnet die verabschiedete Fassung den Mitgliedstaaten zwar ein Wahlrecht; es ist jedoch nur bedingt von Lückenhaftigkeit zu sprechen. Nach dem Gesagten bleibt nämlich wohl nur die Option, eine Versicherungs- oder aber ein Fondslösung zu wählen; außerdem muß die Lösung effizient vor dem genannten Insolvenzrisiko schützen. Daher muß die Lösung des Herkunftslandes, soweit sie dem entspricht, auch EG-weit anerkannt werden. 3. Umsetzung 37 Die Bundesrepublik setzte die Pauschalreise-Richtlinie fast zwei Jahre zu spät um, das Umsetzungsgesetz trat erst am 1. 11. 1994 in Kraft. 102 Gesetzgebungstechnisch entschied man sich für die Einarbeitung der neuen Regeln in §§ 651a ff B G B und gegen ein selbständiges Reisevertragsgesetz,103 um einer Zersplitterung des Reisevertragsrechts vorzubeugen und insoweit kein Sonderprivatrecht entstehen zu lassen. 104 Bedenken dahingehend, der notwendige Detailreichtum der Regelung störe den Stil des BGB, seine Abstraktionshöhe (und auch seinen liberalen Duktus), wurde teils Rechnung getragen, indem die Informationsregeln in eine Informationsverordnung ausgegliedert wurden. Dabei wurde vom bestehenden Standard nichts zurückgenommen. 105 Im Zusammenhang mit der Insolvenzregelung, die in Deutschland weitgehend Neuland bedeutete, kamen §§ 651k B G B und 147b GewO hinzu, §§ 651a ins 6511 B G B wurden (eher moderat) geändert. 106 Außerdem entstand die genannte Verordnung zu den detaillierteren Informationspflichten. Insgesamt ist in manchem der Standard geschaffen worden, der 1973 und 1975 bei Schaffung des deutschen Reiserechts noch abgelehnt worden war.107 Besonders umstritten war die Regelung des Insolvenz-

Zum Gesetzgebungsverfahren vgl BT-Drs 1 2 / 5 3 5 4 ; 12/7013. Hierfür (mit den sogleich genannten Argumenten) Tonner, EuZW 1 9 9 0 , 4 0 9 (412); tendenziell wohl auch: Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 64; unentschieden Abeltshauser, EWS 1991, 9 7 (102). Für die zuletzt gewählte Gesetzgebungstechnik (mit Ausgliederung von Teilen in einer VO): Hommelhoff, AcP 192 (1992) 71 (86). ">" Meyer / Kubis, TranspR 1991, 411 (419); Eckert, ZRP 1991, 4 5 4 (458); ders, DB 1994, 1069 (1069). 105 Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 64 f; als Forderung auch bei Eckert, ZRP 1991, 4 5 4 (454). Nach Tonner, EuZW 1990, 4 0 9 (412) wäre eine Reduzierung des Verbraucherschutzes anläßlich der Richtlinienumsetzung sogar als richtlinienwidrig einzuordnen. 106 Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 64 (dort auch ausführlicher zur Umsetzung Rn 6 4 - 8 3 ) . Wichtig ist vor allem, daß in Deutschland für die Preisänderung die viermonatige Karenzfrist gilt, die im Vorschlag angedacht war: vgl statt aller Führich aaO Rn 66. 107 Pick, Reiserecht, Einl Rn 136. 102 103

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schutzes 108 - wegen der offenen Formulierung von Art 7 R L und weil sie für das deutsche Recht die einschneidenste Änderung brachte. 109 Die dadurch bewirkte Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens führte zur Staatshaftung der Bundesrepublik wegen der Insolvenzfälle M P Travel Line International und M P Touristik G m b H (dazu sogleich). Im deutschen Recht ist der sachliche Anwendungsbereich (§ 651a B G B ) in mehrfa- 3 8 eher Hinsicht weiter (geblieben), 110 weil die Regelung auch den Gelegenheitsveranstalter erfaßt und die Rechtsprechung (etwa für § 651f II B G B ) auch die isolierte Einzelleistung einbezieht 111 - außer für die Solvenz- und Informationsgebote der § 651k B G B und der Informations-VO, also in den Bereichen, in denen die Pauschalreise-Richdinie für das deutsche Recht die einschneidensten Neuerungen brachte. 112 Diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs ist zulässig, wofür man sich, da dies den nicht harmonisierten Bereich betrifft, nicht einmal auf Art 8 R L berufen muß. 113 Präzisiert werden mußte zur Umsetzung der Pauschalreise-Richtlinie, daß Veranstalter und Vermittler gleichermaßen erfaßt sind. Zu den wichtigsten Neuerungen für das deutsche Recht gehört die Einführung 3 9 umfangreicher Informationspflichten. Der Anhang der Pauschalreise-Richtlinie, der den vollständigsten Katalog enthält, der auch alle anderen umfaßt, wurde in der deutschen Informations-VO (in der Reihenfolge modifiziert) abgeschrieben. 114 Die Nichterteilung dieser Informationen hatte im deutschen Recht allerdings immerhin schon bei der Frage nach der Sollbeschaffenheit der Reise eine Rolle gespielt. 115 Auch die Einzelpflichten, die außerhalb des Katalogs (für Prospekt und Vertragsschluß) aufgeführt sind (Art 4 I lit. a RL), waren dem deutschen Recht nicht völlig unbekannt: Der B G H hatte die Pflicht zur Aufklärung über Visumfragen zur vertraglichen Hauptpflicht erklärt (allerdings nicht zu vorvertraglichen). 116 Abschrift und Übermittlung der Informationen waren bisher im deutschen Recht nicht vorgesehen (heute § 651a V B G B iVm § 3 Informations-VO). 117

Sehr spät, erst im deutschen Umsetzungsverfahren, wurde erhebliche Kritik aus der Tourismusbranche geäußert: vgl Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 64. 109 Zu zweiterem: Eckert, ZRP 1991, 454 (458); Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 74. 110 Führich, Reiserecht - Handbuch, Rn 65; vgl auch Eckert, ZRP 1991, 454 (454 f). 111 BGH NJW 1985, 906; dazu etwa Tempel, NJW 1996, 1625 (1625); vgl jedoch auch BGHZ 109, 29 (38 f). 112 Zur Bewertung dieser beiden Punkte mit Hinblick auf das Neuerungspotential im deutschen Recht: Eckert, ZRP 1991, 454 (455-458). Für die Solvenzregeln ist dies unstr. Bei den Informationsregeln wird hingegen die innovative Auswirkung auch im praktischen Ergebnis teils für eher gering gehalten: vgl unten Fn 115. Wohl ebenso Eckert, ZRP 1991, 454 (454 f). 114 Tempel, NJW 1996, 1625 (1631); Kommentierung etwa bei MünchKomm {-Tonner), Anh § 651a BGB. Iis Vgl Nachw oben Fn 45; weitestgehend Deckungsgleichheit nimmt Abeltshauser, EWS 1991, 97 (100) an. Eckert, ZRP 1991, 454 (455 f); demgegenüber den Nachholbedarf des deutschen Rechts auch im vertraglichen Bereich betonend: Tonner, Reiserecht in Europa, S 203; ähnlich 116 BGH NJW 1985, 1165 (1165). 117 Abeltshauser, EWS 1991, 97 (98); Eckert, ZRP 1991, 454 (455). 108

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

40 Die Regelung der Leistungsstörungen entsprach mit §§ 651c und 651f BGB schon bisher weitgehend dem Standard der Pauschalreise-Richtlinie. Dies gilt im Ergebnis vor allem für die Aufspaltung in eine verschuldensunabhängige Erfüllungshaftung und eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung.118 Restriktiver zu fassen waren demgegenüber die Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten: Zwar entsprach § 651h BGB Art 5 II 3. UA RL; ansonsten jedoch ist eine Beschränkung nicht mehr bei Körperschäden zulässig (heute § 651h I BGB) 1 1 9 und auch der beschränkte Anspruch muß noch angemessen sein (heute § 651h I BGB, der eine höhenmäßige Beschränkung nicht unterhalb des dreifachen Reisepreises zuläßt und einen Ausschluß bei eigenem Verschulden nur im Falle leichter Fahrlässigkeit). 41 Die Umsetzung von Art 7 RL ist in der Bundesrepublik überschattet durch verspätetes gesetzgeberisches Tätigwerden,120 durch die genannten Insolvenzen und durch ein Vorlagebegehren des LG Bonn nach Art 177 EGV, 121 das, für die Fachwelt wenig überraschend,122 zu einer für die Bundesrepublik negativen Entscheidung des EuGH führte: Danach ist, obwohl ein solcher im Verfahren nach Art 177 EGV nicht unmittelbar zugesprochen wird, ein Staatshaftungsanspruch der geschädigten Kunden gegen die Bundesrepublik zu bejahen.123 Der entscheidende Streitpunkt im Umsetzungsverfahrens betraf die Frage, ob für die Abdekkung der Insolvenzrisiken ein Versicherungsmodell (wie in den romanischen Ländern) oder ein Fondsmodell (wie in Dänemark, Großbritannien und den NieAbeltshauser, EWS 1991,97 (99,101 f); Eckert, ZRP 1991,454 (457) (sogar hinsichtlich der Beweislastregelung); für die Richtlinie auch Meyer/Kubis, TranspR 1991, 411 (413); aA Tonner, EuZW 1990,409 (412). Freilich mahnt Führich, EuZW 1993,347 (350) eine Ergänzung von § 651c I BGB an (keine Haftung ua für Fehlleistung unbeteiligter Dritter). »» Grundsätzlich dasselbe Ergebnis erreichte der BGH (NJW 1987, 1931 [1937 f]) schon nach altem Recht durch Statuierung eines deliktischen Anspruchs, der, entgegen gängigen Konkurrenzgrundsätzen, nicht von der vertraglichen Haftungsbeschränkung erfaßt sei. 120 Zu den Hintergründen Pick, Reiserecht, Einl Rn 137-141. 121 LG Bonn NJW 1994, 2489; dazu Anm Huff, EuZW 1994, 446; und allgem die in der nächsten Fn Zitierten. 122 ISd EuGH hatten sich aus der Flut der Aufsätze speziell zur Staatshaftung wegen Nicht umsetzung der Pauschalreise-Richtlinie ua ausgesprochen: Ewert, RIW 1993, 881 (bes 884 f); Führich, EuZW 1993, 725 (726-729); Grätzel / Bahn, DZWiR 1993, 474 (476-479); Khan, NJW 1993, 2646 (2648 f); Schimke, EuZW 1993, 698; Tonner, ZIP 1993, 1205 (1208-1210); Graf ν Westphalen, EWS 1993, 269 (271 f); Wittkowsky, NVwZ 1994, 326 (329-332); wohl auch Huff, EuZW 1993, 521 (Editorial); etwas einschränkend: Kemper, NJW 1993, 3293 (3296 f); aA Löwe, ZIP 1993, 1435 (ZIP-Kolumne); zweifelnd Taupitz, BB 1993, 2169 (2170 f). i " EuGH 8. 10. 1996 - verb Rs C-178/94, C-179/94, C-188/94 bis C-190/94 (Dillenkofer ua), Slg 1996, 1-4845 (4867); zur Interpretation des Art 7 RL durch die Entscheidung vgl oben bei der Darstellung des Inhalts der Richtlinie. Das LG Bonn hat freilich für vor dem 1. 1. 1993 abgeschlossene Pauschalreiseverträge die Haftung verneint: LG Bonn NJW 1994, 2492; abl Huff, EWiR Art 189 EGV 1/97, 161 (162) (nicht Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend, sondern Zahlung nach dem 1. 1. 1993). 118

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derlanden) zu wählen war. Bei Wahl des zweiten Modells hätten die Großveranstalter das höhere Insolvenzrisiko von Kleinveranstaltern teils mittragen müssen. 1 2 4 Mit solch einer Lösung wäre also zugleich - finanziert durch Großunternehmen - Mittelstandsförderung betrieben worden. 1 2 5 Gewählt wurde letztlich die erste Lösung (§ 6 5 1 k B G B ) . Die konkrete Ausgestaltung mit einer stufenweisen Beschränkung der Höchstdeckungssummen wurde zwar als sinnvoll begrüßt, umgekehrt jedoch wurde die Richtlinienkonformität bezweifelt. 126

B. Fundstellenverzeichnis Grundlage: Art 100a EGV Betr: Pflichten des Pauschalreiseveranstalters zur vorvertraglichen und vertraglichen Informierung des Kunden, seine verschuldensunabhängige Erfüllungshaftung und verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung sowie Absicherung des von ihm ausgehenden Insolvenzrisikos Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1 9 9 0 L 1 5 8 / 5 9 - geänderter Vorschlag vom 11. 7. 1989 AB1EG 1989 C 190/10 / K O M ( 8 9 ) 3 4 8 endg - SYN

122

Stellungnahmen:

- ursprünglicher Vorschlag vom 2 3 . 3. 1 9 8 8 AB1EG 1988 C 9 6 / 5 / BR-Drs 1 6 7 / 8 8 / K O M ( 8 8 ) 41 endg - Gemeinsamer Standpunkt (Europäisches Parlament) AB1EG 1 9 9 0 C 1 4 9 / 8 6 - zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1989 C 6 9 / 6 5 und 6 9 / 9 5 WSA: AB1EG 1989 C 1 0 2 / 2 7

Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates vom 13. 6. 1 9 9 0 über Pauschalreisen vom 2 4 . 6. 1 9 9 4 bzw Verordnung über Informationspflichten von Reiseveranstaltern vom 14. 11. 1994 Fundstelle: B G B l 1994 I, S 1322 bzw 3 4 3 6

Für solch eine Lösung Tonner, VuR 1992, 311 (313); BR-Drs 12/5354, S 21 f; sowie Führich, EuZW 1993, 347 (351) (auch zur Europarechtkonformität solch eines Modells). i " Tonner, ZIP 1993, 1205 (1210); BR-Drs 12/5354, S 21 f. Zu möglichen Marktzutrittsschranken, die bei Wahl dieser Lösung gesehen werden: BR-Drs 12/5354, S i l ; Taupitz, BB 1993, 2169 (2172). Taupitz, BB 1993, 2169 (2172). 124

42

Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (90/314/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission'1', in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlamenti2), nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses®, in Erwägung nachstehender Gründe: Eines der Hauptziele der Gemeinschaft ist die Vollendung des Binnenmarktes, in dem der Fremdenverkehrssektor einen wichtigen Teil ausmacht. Die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über Pauschalreisen weisen zahlreiche Unterschiede auf, und die einzelstaatlichen Praktiken auf diesem Gebiet sind sehr unterschiedlich. Dies führt zu Hindernissen für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet der Pauschalreisen und zu Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den in den verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen des Reisegewerbes. Gemeinsame Regeln für Pauschalreisen werden zur Beseitigung dieser Hindernisse und somit zur Verwirklichung eines gemeinsamen Dienstleistungsmarktes beitragen. Die in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen des Reisegewerbes werden ihre Dienstleistungen infolgedessen in anderen Mitgliedstaaten anbieten können, und die Verbraucher in der Gemeinschaft erhalten die Möglichkeit, in sämtlichen Mitgliedstaaten Pauschalreisen zu vergleichbaren Bedingungen zu buchen. Unter Nummer 36 Buchstabe b) des Anhangs zu der Entschließung des Rates vom 19. Mai 1981 betreffend ein zweites Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verro

braucher wird die Kommission aufgefordert, Untersuchungen insbesondere über den Fremdenverkehr durchzuführen und gegebenenfalls geeignete Vorschläge zu unterbreiten; dabei soll sie deren Bedeutung für den Verbraucherschutz sowie die Auswirkungen der Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes berücksichtigen. In der Entschließung vom 10. April 1984 zu einer Fremdenverkehrspolitik der Gemeinschaft® befürwortet der Rat die Initiative der Kommission, auf die Bedeutung des Fremdenverkehrs hinzuweisen, und nimmt Kenntnis von den ersten Überlegungen der Kommission zu einer Fremdenverkehrspolitik der Gemeinschaft. Die Mitteilung der Kommission an den Rat „Neuer Impuls für die Politik zum Schutz der Verbraucher", die durch eine Entschließung des Rates vom 6. Mal 1986 angenommen wurde, nennt in Absatz 37 unter den von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen die Harmonisierung der Rechtsvorschriften für Pauschalreisen. Dem Fremdenverkehr kommt eine ständig wachsende Bedeutung im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten zu. Pauschalreisen bilden einen wichtigen Teil des Fremdenverkehrs. Dieser Zweig des Reisegewerbes in den Mitgliedstaaten würde zu stärkerem Wachstum und erhöhter Produktivität angeregt, wenn es ein Minimum an gemeinsamen Regeln gäbe, um diesen Wirtschaftszweig auf Gemeinschaftsebene zu strukturleren. Dies würde nicht nur den Bürgern der Gemeinschaft zugute kommen, die aufgrund dieser Regeln organisierte Pauschalreisen buchen, sondern würde auch Reisende aus Drittländern anziehen, denen die Vorteile aus garantierten Mindestleistungen bei Pauschalreisen ein Anreiz wären. Die Vorschriften über den Verbraucherschutz weisen in den Mitgliedstaaten Unterschiede auf, die die Verbraucher eines Mitgliedstaats davon

ABI. Nr. C 96 vom 12. 4. 1988, S. 5.

ABI. Nr. C 69 vom 20. 3.1989, S. 120, und ABI. Nr. C 149 vom 18. 6. 1990.

W ABl. Nr. C 165 vom 23. 6. 1981, S. 24.

»> ABI. Nr. C 102 vom 24. 4. 1989, S. 27.

(«I ABI. Nr. C 118 vom 7. 3. 1986, S. 28.

»!

ABI. Nr. C 115 vom 30. 4. 1984, S. 1.

627

4.01 Pauschalreise-Richtlinie abhalten, Pauschalreisen in einem anderen Mitgliedstaat zu buchen. Dies ist für die Verbraucher ein besonders starker Hinderungsgrund, Pauschalreisen außerhalb ihres eigenen Mitgliedstaates zu buchen, und beeinfluBt seine Entscheidung in diesem Falle mehr als bei dem Erwerb anderer Dienstleistungen, da die besonderen Merkmale der bei einer Pauschalreise zu erbringenden Dienstleistungen Im allgemeinen die vorherige Zahlung größerer Geldbeträge voraussetzen und die Dienstleistungen in einem anderen Staat als dem bewirkt werden, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Der in dieser Richtlinie vorgesehene Schutz gilt auch für den Verbraucher, der einen Pauschalreisevertrag durch Abtretung erworben hat oder Mitglied einer Gruppe ist, für die eine andere Person einen Pauschalreisevertrag abgeschlossen hat. Reiseveranstalter und/oder Reisevermittler müssen verpflichtet sein sicherzustellen, daß die Beschreibungen der von ihnen veranstalteten oder angebotenen Pauschalreisen keine irreführenden Angaben enthalten und daß dem Verbraucher in den ihm zur Verfügung gestellten Reiseprospekten klare und genaue Informationen erteilt werden. Der Verbraucher muß eine Abschrift der für die Pauschalreise geltenden Vertragsbedingungen erhalten. Zu diesem Zweck sollte vorgeschrieben werden, daß alle Vertragsbedingungen schriftlich oder in einer anderen dem Verbraucher verständlichen und zugänglichen Form festgehalten und ihm in Abschrift ausgehändigt werden. Dem Verbraucher ist unter bestimmten Umständen die Möglichkeit einzuräumen, eine von ihm gebuchte Pauschalreise auf einen Dritten zu übertragen. Die vertraglich festgelegten Preise dürfen grundsätzlich nicht geändert werden, es sei denn, die Möglichkeit einer Preiserhöhung oder -Senkung ist im Vertrag ausdrücklich vorgesehen. Diese Möglichkeit ist jedoch an gewisse Bedingungen zu knüpfen. Der Verbraucher muß unter bestimmten Umständen die Möglichkeit haben, von einer gebuchten Pauschalreise vor ihrem Antritt zurückzutreten. Es ist klar festzulegen, welche Ansprüche der Verbraucher geltend machen kann, falls der Reiseveranstalter die Pauschalreise vor dem vereinbarten Abreisetermin storniert. Falls dem Verbraucher nach Antritt einer Pauschalreise ein erheblicher Teil der vertraglich vereinbarten Leistungen nicht erbracht wird oder falls der Reiseveranstalter feststellt, daß er einen bedeutenden Teil dieser Leistungen nicht erbringen kann, muß er dem Verbraucher gegenüber bestimmte Verpflichtungen haben.

Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, hat gegenüber dem Verbraucher die Haftung für die ordnungsgemäße Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zu übernehmen. Ferner haben der Veranstalter und/oder der Vermittler die Haftung für Schäden zu übernehmen, die dem Verbraucher aus der Nichterfüllung oder der mangelhaften Erfüllung des Vertrages entstehen, es sei denn, daß die bei der Ausführung des Vertrages festgestellten Mängel weder auf einem Verschulden ihrerseits noch auf einem Verschulden eines anderen Dienstleistungsträgers beruhen. Wenn der Veranstalter und/oder der Vermittler die Nichterfüllung oder die mangelhafte Erfüllung von Leistungen, die Bestandteil der Pauschalreise sind, zu vertreten hat, sollte die Haftung gemäß den internationalen Obereinkommen über diese Leistungen beschränkt werden können, insbesondere gemäß dem Warschauer Übereinkommen von 1929 über den internationalen Luftverkehr, dem Berner Übereinkommen von 1961 über den Eisenbahnfrachtverkehr, dem Athener Übereinkommen von 1974 über den Seeverkehr und dem Pariser Übereinkommen von 1962 über die Haftung der Gastwirte. Bei anderen Schäden als Körperschäden sollte es auch möglich sein, die Haftung im Pauschalreisevertrag zu beschränken, allerdings nicht in unangemessener Weise. Es sind Maßnahmen zur Unterrichtung des Verbrauchers und zur Regelung von Beanstandungen vorzusehen. Sowohl dem Verbraucher als auch der Pauschalreisebranche wäre damit gedient, wenn der Reiseveranstalter und/oder -vermittler verpflichtet wäre, Sicherheiten für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses nachzuweisen. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, für den Bereich der Pauschalreisen strengere Vorschriften zum Schutz der Verbraucher zu erlassen oder beizubehalten HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: Artikel

1

Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Pauschalreisen (einschließlich Pauschalurlaubsreisen und Pauschalrundreisen), die in der Gemeinschaft verkauft oder zum Kauf angeboten werden. Artikel

2

Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet: 1. Pauschalreise: die im voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten wird, wenn diese Leistung länger als

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt: a) Beförderung, b) Unterbringung, c) andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen. Auch bei getrennter Berechnung einzelner Leistungen, die im Rahmen ein und derselben Pauschalreise erbracht werden, bleibt der Veranstalter oder Vermittler den Verpflichtungen nach dieser Richtlinie unterworfen. 2. Veranstalter: die Person, die nicht nur gelegentlich Pauschalreisen organisiert und sie direkt oder über einen Vermittler verkauft oder zum Verkauf anbietet. 3. Vermittler: die Person, welche die vom Veranstalter zusammengestellte Pauschalreise verkauft oder zum Verkauf anbietet. 4. Verbraucher: die Person, welche die Pauschalreise bucht oder zu buchen sich verpflichtet („der Hauptkontrahent"), oder jede Person, in deren Namen der Hauptkontrahent sich zur Buchung der Pauschalreise verpflichtet („die übrigen Begünstigten"), oder jede Person, der der Hauptkontrahent oder einer der übrigen Begünstigten die Pauschalreise abtritt („der Erwerber"). 5. Vertrag: die Vereinbarung, die den Verbraucher an den Veranstalter und/oder Vermittler bindet. Artikel

3

(1) Die dem Verbraucher vom Veranstalter oder Vermittler gegebenen Beschreibungen einer Pauschalreise, ihr Preis und die übrigen Vertragsbedingungen dürfen keine irreführenden Angaben enthalten. (2) Wenn dem Verbraucher ein Prospekt zur Verfügung gestellt wird, muS dieser deutlich lesbare, klare und genaue Angaben zum Preis und - soweit von Bedeutung - zu folgendem enthalten: a) Bestimmungsort; Transportmittel, ihre Merkmale und Klasse; b) Art, Lage, Kategorie oder Komfort und Hauptmerkmale der Unterbringung sowie ihre Zulassung und touristische Einstufung gemäß den Vorschriften des Gastmitglledstaates; c) Mahlzeiten; d) Reiseroute; e) allgemeine Angaben über Paß- und Visumerfordernisse für Staatsangehörige des bzw. der betreffenden Mitgliedstaaten und gesundheitspolizeiliche Formalitäten, die für die Reise und den Aufenthalt erforderlich sind;

f) absoluter Betrag oder Prozentsatz des Preises, der als Anzahlung zu leisten ist, und Zeitplan für die Zahlung des Restbetrages; g) Hinweis darauf, ob für das Zustandekommen der Pauschalreise eine Mindestteilnehmerzahl erforderlich ist, und - wenn ja - Angabe, bis wann dem Verbraucher spätestens mitgeteilt wird, ob die Reise storniert wird. Die in dem Prospekt enthaltenen Angaben binden den Veranstalter bzw. den Vermittler, es sei denn, Änderungen sind - dem Verbraucher vor Abschluß des Vertrages klar mitgeteilt worden; im Prospekt ist ausdrücklich darauf hinzuweisen; - später zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden. Artikel

4

(1) a) Der Veranstalter und/oder der Vermittler unterrichtet den Verbraucher vor Vertragsabschluß schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form allgemein über die Paßund Visumerfordernisse für Staatsangehörige des bzw. der betreffenden Mitgliedstaaten, insbesondere über die Fristen für die Erlangung dieser Dokumente sowie über gesundheitspolizeiliche Formalitäten, die für die Reise und den Aufenthalt erforderlich sind, b) Der Veranstalter und/oder der Vermittler teilt dem Verbraucher schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form rechtzeitig vor Beginn der Reise folgendes mit: i) Uhrzeiten und Orte von Zwischenstationen und Anschlußverbindungen; Angabe des vom Reisenden einzunehmenden Platzes, z.B. Kabine oder Schlafkoje auf einem Schiff oder Schlafwagen- oder Llegewagenabteil im Zug; ii) Name, Anschrift und Telefonnummer der örtlichen Vertretung des Veranstalters und/oder des Vermittlers oder wenn nicht vorhanden - der örtlichen Stellen, die dem Verbraucher bei Schwierigkeiten Hilfe leisten können. Falls solche Vertretungen oder Stellen nicht bestehen, sind dem Verbraucher auf jeden Fall eine Notrufnummer oder sonstige Angaben mitzuteilen, mit deren Hilfe er mit dem Veranstalter und/ oder dem Vermittler Verbindung aufnehmen kann; iii) bei Auslandsreisen und -aufenthalten Minderjähriger Angaben darüber, wie eine unmittelbare Verbindung zu dem Kind oder dem an seinem Aufenthaltsort Verantwortlichen hergestellt werden kann;

4.01 Pauschalreise-Richtlinie iv) Angaben über den möglichen AbschluB einer Reiserücktrittsversicherung oder einer Versicherung zur Dekkung der Rückführungskosten bei Unfall oder Krankheit (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daB im Vertrag folgende Grundsatze beachtet werden: a) Je nach der Natur der Pauschalreise umfaBt der Vertrag mindestens die im Anhang dieser Richtlinie aufgeführten Bedingungen. b) Alle Bedingungen des Vertrages werden schriftlich oder in einer anderen dem Verbraucher verständlichen und zugänglichen Form festgelegt und sind ihm vor VertragsabschluB zu übermitteln; er erhält eine Abschrift des Vertrages. c) Die Bestimmung unter Buchstabe b) darf Buchungen und Vertragsabschlüssen, die zu einem späten Zeitpunkt oder .im letzten Augenblick" erfolgen, nicht entgegenstehen. (3) Ist der Verbraucher daran gehindert die Pauschalreise anzutreten, so kann er - nachdem er den Veranstalter oder Vermittler binnen einer vertretbaren Frist vor dem Abreisetermin hiervon unterrichtet hat - seine Buchung auf eine Person übertragen, die alle an die Teilnahme geknüpften Bedingungen erfüllt Die Person, die ihre Pauschalreise überträgt, und der Erwerber sind gesamtschuldnerisch gegenüber dem Veranstalter oder Vermittler, der Vertragspartei ist, zur Zahlung des noch unbeglichenen Betrages sowie der gegebenenfalls durch diese Übertragung entstehenden Mehrkosten verpflichtet. (4) a) Die vertraglich festgelegten Preise dürfen nicht geändert werden, es sei denn, daB der Vertrag die Möglichkeit einer Preiserhöhung oder -Senkung ausdrücklich vorsieht und genaue Angaben zur Berechnung des neuen Preises enthält, bei der ausschließlich nachstehenden Änderungen Rechnung getragen werden darf: Änderungen -

der Beförderungskosten, auch der Treibstoffkosten;

darunter

-

der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Landegebühren, Ein- oder Ausschiffungsgebühren in Häfen und entsprechende Gebühren auf Flughäfen;

-

der für die betreffende Pauschalreise geltenden Wechselkurse.

b)Der im Vertrag genannte Preis darf ab dem zwanzigsten Tag vor dem vereinbarten Abreisetermin nicht mehr erhöht werden. (5) Sieht sich der Veranstalter vor der Abreise gezwungen, an einem der wesentlichen Bestandteile des Vertrages, zu denen auch der Preis gehört, eine erhebliche Änderung vorzunehmen, so muB er dies dem Verbraucher so bald wie möglich mitteilen, um ihm die Möglich-

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keit zu geben, entsprechende Entscheidungen zu treffen, insbesondere die Möglichkeit -

vom Vertrag ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe zurückzutreten oder

-

eine Zusatzklausel zum Vertrag zu akzeptieren, die die vorgenommenen Änderungen und ihre Auswirkung auf den Preis angibt.

Der Verbraucher unterrichtet den Veranstalter oder den Vermittler so bald wie möglich über seine Entscheidung. (6) Wenn der Verbraucher gemäß Absatz 5 vom Vertrag zurücktritt oder wenn der Veranstalter gleich aus welchem Grund, ausgenommen Verschulden des Verbrauchers - die Reise vor dem vereinbarten Abreisetag storniert, hat der Verbraucher folgende Ansprüche: a) Teilnahme an einer gleichwertigen oder höherwertigen anderen Pauschalreise, wenn der Veranstalter und/oder der Vermittler in der Lage ist, ihm eine solche anzubieten. Ist die angebotene Pauschalreise von geringerer Qualität, so erstattet der Veranstalter dem Verbraucher den Preisunterschied; oder b) schnellstmögliche Erstattung aller von ihm aufgrund des Vertrages gezahlten Beträge. In diesen Fällen hat der Verbraucher gegebenenfalls Anspruch auf Entschädigung wegen Nichterfüllung des Vertrages, die gemäß den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates vom Veranstalter oder Vermittler geleistet wird, es sei denn, i) die Stornierung erfolgt weil die Anzahl der Personen, die die Pauschalreise gebucht haben, nicht die geforderte Mindestteilnehmerzahl erreicht und dem Verbraucher die Stornierung innerhalb der in der Beschreibung der Pauschalreise angegebenen Frist schriftlich mitgeteilt wurde oder ii) die Stornierung erfolgt aufgrund höherer Gewalt, d.h. aufgrund ungewöhnlicher und unvorhersehbarer Ereignisse, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluß hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können; hierzu zählt jedoch nicht die Überbuchung. (7) Wird nach der Abreise ein erheblicher Teil der vertraglich vereinbarten Leistungen nicht erbracht oder stellt der Veranstalter fest, daß er nicht in der Lage sein wird, einen erheblichen Teil der vorgesehenen Leistungen zu erbringen, so trifft der Veranstalter ohne Preisaufschlag für den Verbraucher - angemessene andere Vorkehrungen, damit die Pauschalreise weiter durchgeführt werden kann, und zahlt dem Verbraucher gegebenenfalls eine Entschädigung, deren Höhe dem Unterschied zwischen dem Preis der vorgesehenen und der erbrachten Dienstleistungen entspricht.

630

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Falls solche Vorkehrungen nicht getroffen werden können oder vom Verbraucher aus triftigen Gründen nicht akzeptiert werden, sorgt der Veranstalter - ohne Preisaufschlag für den Verbraucher - gegebenenfalls für eine gleichwertige Beförderungsmöglichkeit, mit der der Verbraucher zum Ort der Abreise oder an einen anderen mit ihm vereinbarten Ort zurückkehren kann, und entschädigt gegebenenfalls den Verbraucher. Artikel S (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, gegenüber dem Verbraucher die Haftung für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen unabhängig davon übernimmt, ob er selbst oder andere Dienstleistungsträger diese Verpflichtungen zu erfüllen haben, wobei das Recht des Veranstalters und/oder Vermittlers, gegen andere Dienstleistungsträger Rückgriff zu nehmen, unberührt bleibt. (2) Die Mitgliedstaaten treffen hinsichtlich der Schäden, die dem Verbraucher aus der Nichterfüllung oder einer mangelhaften Erfüllung des Vertrages entstehen, die erforderlichen Maßnahmen, damit der Veranstalter und/oder der Vermittler die Haftung übernimmt, es sei denn, daß die Nichterfüllung oder die mangelhafte Erfüllung weder auf ein Verschulden des Veranstalters und/oder Vermittlers noch auf ein Verschulden eines anderen Dienstleistungsträgers zurückzuführen ist, weil -

die festgestellten Versäumnisse bei der Erfüllung des Vertrages dem Verbraucher zuzurechnen sind;

-

diese unvorhersehbaren oder nicht abwendbaren Versäumnisse einem Dritten zuzurechnen sind, der an der Bewirkung der vertraglich vereinbarten Leistungen nicht beteiligt ist;

-

diese Versäumnisse auf höhere Gewalt entsprechend der Definition in Artikel 4 Absatz 6 Unterabsatz 2 Ziffer ii) oder auf ein Ereignis zurückzuführen sind, das der Veranstalter und/oder der Vermittler bzw. der Leistungsträger trotz aller gebotenen Sorgfalt nicht vorhersehen oder abwenden konnte.

In Fällen des zweiten und dritten Gedankenstrichs von Unterabsatz 1 muß sich der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, darum bemühen, dem Verbraucher bei Schwierigkeiten Hilfe zu leisten. Bei Schäden aufgrund der Nichterfüllung oder einer mangelhaften Erfüllung der nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen können die Mitgliedstaaten zulassen, daß die Entschädigung gemäß den internationalen Übereinkommen über diese Leistungen beschränkt wird. Bei Schäden, die nicht Körperschäden sind und auf der Nichterfüllung oder einer mangelhaften

Erfüllung der nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen beruhen, können die Mitgliedstaaten zulassen, daß die Entschädigung vertraglich eingeschränkt wird. Diese Einschränkung darf nicht unangemessen sein. (3) Unbeschadet des Absatzes 2 Unterabsatz 4 darf von den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 nicht durch eine Vertragsklausel abgewichen werden. (4) Der Verbraucher muß jeden Mangel bei der Erfüllung des Vertrages, den er an Ort und Stelle feststellt, so bald wie möglich schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form dem betreffenden Leistungsträger sowie dem Veranstalter und/oder dem Vermittler mitteilen. Auf diese Verpflichtung muß im Vertrag klar und deutlich hingewiesen werden. Artikel 6 Im Fall einer Beanstandung bemüht sich der Veranstalter und/oder der Vermittler oder wenn vorhanden - sein örtlicher Vertreter nach Kräften um geeignete Lösungen. Artikel 7 Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, weist nach, daß im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind. Artikel 8 Die Mitgliedstaaten können in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich strengere Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers erlassen oder aufrechterhalten. Artikel 9 (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie spätestens am 31. Dezember 1992 nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon. (2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission den Wortlaut der wesentlichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die sie in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich erlassen. Die Kommission übermittelt diese den übrigen Mitgiiedstaaten. Artikel 10 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Luxemburg am 13. Juni 1990. Im Namen des Rates Der Präsident D. J. O'MALLEY

4 . 0 1 Pauschalreise-Richtlinie

631

ANHANG Erforderliche Angaben im Vertrag, sofern sie auf die jeweilige Pauschalreise zutreffen: a) Bestimmungsort(e) und, soweit mehrere Aufenthalte vorgesehen sind, die einzelnen Zeiträume und deren Termine. b) Transportmittel, ihre Merkmale und Klasse; Tag und Zelt sowie Ort der Abreise und Rückkehr. c) Schließt die Pauschalreise eine Unterbringung ein, Angaben über Lage, Kategorie oder Komfort und Hauptmerkmale der Unterbringung, Ihre Zulassung und touristische Einstufung gemäß den Vorschriften des Gastmitgliedstaates, Anzahl der inbegriffenen Mahlzeiten. d) Hinweis darauf, ob für das Zustandekommen der Pauschalreise eine Mindestteilnehmerzahl erforderlich ist, und - wenn ja - Angabe, bis wann dem Verbraucher spätestens mitgeteilt wird, ob die Reise storniert wird. e) Reiseroute. f) Besuche, Ausflüge oder sonstige im vereinbarten Gesamtpreis der Pauschalreise inbegriffene Leistungen. g) Name und Anschrift des Veranstalters, des Vermittlers und gegebenenfalls des Versicherers. h) Preis der Pauschalreise sowie Hinweise auf eine etwaige Preisänderung gemäß Artikel 4 Absatz 4 und Hinweise auf etwaige Abgaben für bestimmte Leistungen (Landegebühren, Ein- oder Ausschiffungsgebühren ¡n Häfen und entsprechende Gebühren auf Flughäfen, Aufenthaltsgebühren), sofern diese nicht im Preis der Pauschalreise Inbegriffen sind. i) Zeitplan für die Zahlung des Preises sowie Zahlungsmodalitäten. j) Alle Sonderwünsche, die der Verbraucher dem Veranstalter oder dem Vermittler bei der Buchung mitgeteilt hat und die beide Parteien akzeptiert haben. k) Die Fristen, innerhalb derer der Verbraucher etwaige Beanstandungen wegen Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung des Vertrages erheben muß.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

4.02

Timesharing-Richtlinie

Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 10. 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (94/47/EG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Böhmer, Martin, Das deutsche Internationale Privatrecht des Timesharing, Tübingen (Mohr - Siebeck) 1993; Hildenbrand, Thomas, Vertragsgestaltung und Verbraucherschutz im Time-Sharing-Vertragsrecht, Frankfurt/M ua (Lang) 1997; Hildenbrand, Thomas / Kappus, Andreas / Mäsch, Gerald, Time-Sharing und Teilzeit-Wohnrechtegesetz (TzWrG) - Handbuch, Kommentar und Leitentscheidungen, Stuttgart ua (Boorberg) 1997; Tonner, Klaus, Das Recht des Time-Sharing an Ferienimmobilien, München (Beck) 1997; Wegner, Heike, Internationaler Verbraucherschutz beim Abschluß von Timesharingverträgen - § 8 Teilzeitwohnrechtegesetz, Frankfurt/M ua (Lang) 1998. 2. Aufsätze und Beiträge: Beise, Herward, Rechtswahlklauseln in Time-Sharing-Verträgen, NJW 1995, 1724-1725; Ders, TimeSharing-Verträge und die Isle of Man, RIW 1995, 632-633; Fragola, Massimo, Procedure communitarie par la conclusione dei contratti c.d. di „multiproprietà" - problemi vecchi e nuove iniziative poste dalla direttiva 94/47/CE, Riv.dir.europ. 1995, 803-816; Hildenbrand, Thomas, Time-Sharing-Verträge in der Rechtspraxis, NJW 1994, 1992-1996; ders, Time-Sharing-Verträge in der Rechtspraxis (II) - 1994-1996, NJW 1996, 3249-3254; Jockel, Nana, Referentenentwurf zur Umsetzung der EG-Richtlinie über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, VuR 1995,265-267; Jäckel-Hutmacher, Christine / Tonner, Klaus, Mehr Urlaubsbeweglichkeit durch Time-Sharing?, VuR 1994, 9-18; Jayme, Erik, Neues Internationales Privatrecht für Timesharing-Verträge zum Teilzeit-Wohnrechtegesetz vom 20. 12. 1996, IPRax 1997, 233-236; Kappus, Andreas, Time-Sharing-Verträge, in: Graf ν Westphalen, Friedrich (Hrsg), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, München (Beck) Stand 11/1995; Ders, EU-Time-Sharing-Richtlinie und deutsche Umsetzungsgesetzgebung, EWS 1996, 273-277; Lindner, Beatrix, Time-Sharing-Richtlinie 94/47/EG verabschiedet, VuR 1995, 122-124; Ders, Zweiter Referentenentwurf zur Umsetzung der EGRichtlinie 94/47/EWG über den Erwerb von Teilnutzungsrechten an Immobilien, VuR 1996, 26-28; Mäsch, Gerald, Die Time-Sharing-Richtlinie im Europäischen Verbraucherschutzrecht - Licht und Schatten im Europäischen Verbraucherschutzrecht, EuZW 1995, 8-14; Ders, Das deutsche Time-Sharing-Recht nach dem neuen Teilzeit-Wohnrechte-Gesetz, DNotZ 1997,180-213; Mankowski, Feter, Timesharingverträge und Internationales Vertragsrecht - Anmerkung zu LG Düsseldorf, Urt ν 12. 4. 1994 - 10 O 513/93, RIW 1995, 415 f, RIW 1995, 364-370; Ders, Timesharing und internationale Zuständigkeit am Belegenheitsort, EuZW 1996, 177-180; Martinek, Michael, Das Teilzeiteigentum an Immobilien in der Europäischen Union - Kritik des Timesharing-Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission, ZEuP 1994, 470-492; Ders, Das neue Teilzeit-Wohnrechtegesetz - mißratener Verbraucherschutz bei Time-Sharing-Verträgen, NJW 1997, 1393-1399; Rauscher, Thomas, Gran Canaria - Isle of Man -

4.02 Timesharing-Richtlinie

633

was kommt danach?, E u Z W 1 9 9 6 , 6 5 0 - 6 5 3 ; Schomerus, Andreas, Time-Sharing-Verträge in Spanien im Lichte der EG-Richtlinie über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, N J W 1995, 3 5 9 - 3 6 5 ; Stabenteimer, Johannes, Probleme bei der Umsetzung zivilrechtlicher EU-Richtlinien am Beispiel der Time-Sharing-Richtlinie, JB1 1997, 6 5 - 8 1 .

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand Die Timesharing-Richtlinie regelt nur zwei Ausschnitte aus dem Bereich der 1 Teilzeitnutzung einer oder mehrerer Immobilien durch Verbraucher. Sie erfaßt die gängigen Formen des Timesharing, sei das Recht auf Teilzeitnutzung nun als dingliches Recht, als schuldrechtliche Position oder als Nutzungsrecht im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft ausgebildet. Die Richtlinie regelt diese Formen der Ausgestaltung jedoch nicht, sondern nur Informationspflichten des beruflich tätigen Anbieters bei Angebot und Vornahme diesbezüglicher Rechtsgeschäfte sowie Widerrufsrechte des nicht beruflich tätigen Kunden. Informationspflichten, die in einem Prospekt zu erfüllen sind, bestehen schon vorvertraglich gegenüber jedem Interessenten und weitgehend inhaltsgleich nochmals bei Vertragsabschluß, wobei die Informationen Vertragsinhalt werden. Die Informationen beziehen sich auf die Immobilie(n), die Natur des vermittelten Rechts, Zusatzleistungen sowie die gesamte Palette der Kosten. Ein 10-tägiges Widerrufsrecht besteht in jedem Falle. Die Frist verlängert sich, solange nicht über dieses aufgeklärt wurde oder die geschuldeten Informationen nicht gegeben wurden, höchstens jedoch um 3 Monate. Weitere Sanktionen wurden den Mitgliedstaaten überlassen. Flankiert werden die Widerrufsrechte durch das Verbot, Anzahlungen in der Widerrufsfrist entgegenzunehmen, und durch die M ö g lichkeit, Verträge zur Finanzierung des Timesharing kostenfrei zu kündigen.

b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld Unter Timesharing versteht man die Einräumung eines Nutzungsrechts, regelmäßig an einer oder mehreren Immobilien, vermittelt typischerweise durch eine schuldrechtliche Position, ein dingliches Nutzungsrecht oder eine gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaft. 1 Bedeutung erlangt hat es vor allem seit den 60er Jah1

Vgl nur Böhmer, Timesharing, S 3 f (inklusive Grundtypen); Kappus, Time-Sharing-Verträge, in: Graf ν Westphalen (Hrsg), unter VI; Masch, EuZW 1995, 8 (10); Martinek, ZEuP 1994, 470 (480-489) (mit rvgl Hinweisen); zur Verbreitung der drei Formen auch: KOM(92) 220 endg - SYN 419, S 6 f, 20-39 (rvgl). Musterverträge bzw Klauselübersicht bei: Fellner, Time-Sharing - das neue Teilzeitnutzungsgesetz - Einführung und Vertragsmuster, 1997; Gralka, Time-Sharing bei Ferienhäusern und Ferienwohnungen, 1986, S 171-201; Kappus aaO unter VII.

2

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Einseitige Untemehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

ren als Alternative zu klassischen Formen der Urlaubsgestaltung,2 insbesondere dem ungeteilten Ankauf oder der alljährlichen Anmietung eines Feriendomizils (auch etwa im Rahmen einer Pauschalreisevereinbarung). Verglichen mit der ersten Variante sollen Ankaufs- und Unterhaltungskosten aufgeteilt und damit gesenkt werden,3 verglichen mit der zweiten Variante soll der Kostenexplosion in der Tourismusbranche zumindest teilweise ausgewichen werden.4 Dennoch blieb der Marktanteil des Timesharing bisher niedrig.5 3 Seine Bedeutung für den Europäischen Gesetzgeber verdankt das Timesharing vor allem zwei Umständen: Regelmäßig handelt es sich um grenzüberschreitende Konstellationen;6 außerdem spielten Informationsdefizite, die durch die Internationalität der Sachverhaltsgestaltungen verschärft erschienen, in den zahlreichen Skandalen der Branche7 eine erhebliche Rolle. Dadurch bot sich der Öffentlichkeit das Bild eines sichtlich unvollständigen Binnenmarkts - mit allen negativen psychologischen Folgen für den Integrationsprozeß als Ganzes. Es lag nahe, neben dem Recht der Pauschalreisevereinbarungen auch dasjenige der Timesharing-Verträge als des „kleinen Bruders" zu regeln. Hierbei sollte die Regelung einerseits dem Verbraucherschutz dienen, andererseits jedoch durch Aufbau von Vertrauen auch die europäische Timesharing-Industrie stützen.8 Die Aufrufe zu einem Europäischen Recht des Timesharing finden sich denn auch in Entschließungen des Europäischen Parlaments, die die Fremdenverkehrspolitik zum Gegenstand hatten oder die doch zumindest auf diese verwiesen.9 Auch in Deutschland wurde eine baldige Umsetzung der EG-Richtlinie vor allem von der deutschen Tochtergesellschaft des Resort Condominiums International Ltd (RCI), der zentralen internationalen Tauschbörse, und vom Time-Sharing-Verband angemahnt.10 Die Branche erfreut sich nicht nur wegen der Skandale keines guten Rufes, sondern auch, weil Pauschalreisen nach allen Rechenbeispielen im Ergebnis erheblich billiger ist.11

Martinek, Z E u P 1994, 470 (473). Zur Unanwendbarkeit insbes der §§ 651a ff B G B (bzw der Pauschalreise-Richtlinie, [4.01]) vgl Martinek a a O 4 8 2 f . 3 Masch, E u Z W 1995, 8 (9); Martinek, Z E u P 1994, 470 (475). 4 Martinek, Z E u P 1994, 4 7 0 (475 f). 5 Kappus, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn 6; Masch, E u Z W 1995, 8 (9); Martinek, Z E u P 1994, 4 7 0 (474) (allerdings in Zukunft „möglicherweise ein spektakulärer Siegeszug"). « Masch, E u Z W 1995, 8 (11); ders, D N o t Z 1997, 180 (181) ( 9 3 % der Rechte deutscher Staatsangehöriger betreffen ausländische Immobilien). 7 Hierzu (teils auch zu den „aggressiven" Vertriebspraktiken): Jäckel-Hutmacher / Tonner, VuR 1994, 9 (17); Kappus, EWS 1996, 273 (273); Masch, E u Z W 1995, 8 (10); Martinek, Z E u P 1994, 470 (478 f); Tonner / Zander-Hayek, Das aktuelle Interview: Time-sharing, V u R 1994, 2 0 7 (207 f). 8 Zweiteres zumindest anklingend auch in: K O M ( 9 2 ) 2 2 0 endg - S Y N 419, S 2. 9 Vgl AB1EG 1988 C 2 9 0 / 1 4 8 ; 1989 C 256/125. Z u weiteren Entschließungen im Bereich des Fremdenverkehrs vgl die Nachw bei Martinek, Z E u P 1994, 470 (472 Fn 4). i" Jockel, V u R 1995, 265 (267). » Vgl Jäckel-Hutmacher / Tonner, V u R 1994, 9 (16); Mäsch, E u Z W 1995, 8 (9); Martinek, Z E u P 1994, 470 (475 f); Schöllhorn / Steuber, Warnung vor Time-sharing, 1994, S 1 9 z

4.02 Timesharing-Richtlinie

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Wenige Länder hatten das Timesharing bis 1992 geregelt. Mit dem ersten, noch 4 ungleich detaillierteren Vorschlag stieß die EG-Kommission also teils in Neuland vor. Gesetzliche Timesharing-Regelungen hatten damals Frankreich, Griechenland, Portugal und vor allem Großbritannien (seit 1992 mit dem Timeshare Act). 12 Diese Regelung kann auch am ehesten als vorbildhaft verstanden werden. Nach gut zwei Jahren war die Timesharing-Richtlinie im Oktober 1994 bereits 5 erlassen. Von „Erfolgsstory ... jedenfalls in zeitlicher Hinsicht" war die Rede,' 3 jedoch auch von „rasanter Fahrt" und - als Resultat hiervon - von einem „Flikkerlteppich". 14 In den zwei Jahren hatte die Timesharing-Richtlinie wesentliche Änderungen erfahren, insgesamt war sie deutlich schlanker geworden. 15 Die Hauptpunkte betrafen: Aus Erfüllungsansprüchen (Art 3 f des ersten Vorschlages) waren solche auf Information geworden; die Regelung von Garantien für den Fall von Anbieterinsolvenzen war weggefallen (Art 3 II des ersten Vorschlages); 16 die Widerrufsfrist des Art 5 RL, die im ersten Vorschlag noch 14 und in Auslandssachverhalten 28 Tage betragen hatte (Art 7 Nr 1), wurde verkürzt (Art 5 Nr 1 RL). Die Anknüpfungspunkte, bei deren Vorliegen eine zwingende Sonderanknüpfung vorgesehen ist, waren früher weiter gefaßt (vgl 9 lit. b des ersten Vorschlages, der in Art 9 RL fehlt). Umgekehrt wurden die Regeln, die das Widerrufsrecht flankierten, eher ausgebaut, insbesondere sukzessive die Kostentragungspflicht des Kunden eingegrenzt (vgl Art 7 Nr 4 des ersten Vorschlags mit Art 5 Nr 3 und 4, Art 6 f RL). In der deutschen Rechtsprechung vor Umsetzung der Timesharing-Richtlinie 6 wurden Timesharing-Sachverhalte häufig am Maßstab des HWiG und des A G B G gemessen. 17 Auch auf Europäischer Ebene bilden vor allem die Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01) und die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) das relevante Umfeld. Die Timesharing-Richtlinie verdrängt im Zentralpunkt des Widerrufsrechts die Regelungen der Haustürwiderrufs-Richtlinie, da sie ihr gegenüber eine lex specialis darstellt und wegen der Bedeutung des Geschäfts gerade nicht nur auf Überrumpelungssituationen abstellt, vor allem jedoch, weil sie den nationalen Gesetzgebern höhere Mindestfristen vorgibt: 10 Tage statt 7, zusätzlich kann der Fristbeginn bis zu drei Monaten hinausgeschoben sein (vgl daher § 5 III HWiG). Demgegenüber läßt die Timesharing-Richtlinie nach ihrem Art 10 (an-

22. Hinzu kommt, daß in Europa ein Sekundärmarkt praktisch fehlt, also Teilzeitnutzungsrechte nur mit hohem Abschlag weiterveräußert werden können: Kappus, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn 5; Masch aaO. 12 Masch, E u Z W 1995, 8 (10). Zur Lage vor Harmonisierung ausführlich: K O M ( 9 2 ) 2 2 0 endg - S Y N 419, S 2 0 - 3 9 . » Masch, E u Z W 1995, 8 (9). » Kappus, EWS 1996, 2 7 3 (274, 277). 15 Masch, E u Z W 1995, 8 (11). Z u m Zusammenhang dieser Entwicklung mit der Einf des Subsidiaritäts- und Erforderlichkeitsprinzips (Art 3b II, III E G V ) unten Rn 8. 16 Mäsch, E u Z W 1995, 8 (11). 17 Vgl nur Hildenbrand, N J W 1994, 1992 (1993-1996); ders, N J W 1996, 3 2 4 9 ( 3 2 4 9 3254); Kappus, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AG B-Klausel werke, Rn 12, 73-92.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

dere) Sanktionen des nationalen Rechts - und a maiore solche des Gemeinschaftsrechts - unberührt. Nichtigkeitsfolgen nach der AGB- oder KlauselRichtlinie greifen also neben ihr ein, desgleichen das Transparenzgebot nach Art 5 dieser Richtlinie, soweit nicht manche Regeln der Timesharing-Richtlinie selbst auch als Transparenzgebot zu verstehen sind.18 c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise 7 Die Timesharing-Richtlinie wurde auf Art 100a EGV gestützt. Sie stellt die erste verbrauchervertragsrechtliche Rechtsangleichungsmaßnahme dar, in der das Kodezisionsverfahren nach Art 189b EGV (einschließlich Anrufung des Vermittlungsausschusses) durchlaufen wurde. Daß Rechtsangleichungsmaßnahmen nicht nur nach dem Binnenmarktziel ausgerichtet wurden, sondern auch ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes angestrebt wurde, wurde schon vor Verabschiedung von Art 129b EGV kaum mehr beanstandet (Art 100a EGV). 1 9 Angesichts der neuen primärrechtlichen Regel war für die Timesharing-Richtlinie die Relevanz dieser zweiten Zielvorgabe nicht mehr zu bezweifeln. 20 Ebenfalls nicht gegen die Annahme einer gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebungskompetenz spricht nach hier vertretener Auffassung der Umstand, daß in der TimesharingRichtlinie vor allem nationale Vermarktungsregeln („Verkaufsmodalitäten") harmonisiert wurden, die nach der Keck-Rechtsprechung einer primärrechtlichen Überprüfung weitgehend entzogen sind.21 8 Die Vorschläge für eine Timesharing-Richtlinie wurden unter Hinweis auf das Subsidiaritäts- und Erforderlichkeitsprinzip (Art 3b II, III EGV) gerade von der Bundesrepublik scharf angegriffen. 22 Die diesbezüglichen Bedenken waren unangebracht. Zwar mag das Timesharing wirtschaftlich noch keine große Bedeutung haben. Angesichts des genuin grenzüberschreitenden Charakters des Problems und der Tatsache, daß die Informationsdefizite beim Kunden auch und gerade in der Vielfältigkeit des Rechts begründet lagen, konnten einzelne Mitgliedstaaten die Materie im Alleingang nicht effizient und nur deutlich schlechter regeln als die Gemeinschaft - und allein darauf stellt Art 3b II EGV ab. 23 Daß die Richtlinie das Schutzziel erreicht, wird angesichts der zahlreichen Lücken heute 18

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21 22

23

Dazu unten Fn 40. Für die parallele Anwendbarkeit des AGB-Rechts auch: Kappus, EWS 1996, 273 (277); und ausführlich ders, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, Rn 73-92.

Vgl nur Geiger, Art 129a EGV, Rn 1.

Mäsch, EuZW 1995, 8 (10). Art 129b EGV wurde vom Gemeinschaftsgesetzgeber freilich nicht zitiert. Vgl oben 1. Teil Rn 70. Die Richtlinie stand auf einer „Streichliste" des Bundeswirtschaftsministeriums (abgedruckt in VuR 1993, 1), mit der die Revision von EG-Richtlinien oder die Aufgabe von Regelungsprojekten angemahnt wurde. Daß es dennoch zur Verabschiedung kam, geht maßgeblich auf den Einfluß Großbritanniens zurück; vgl Jäckel-Hutmacher / Tonner, VuR 1994, 9 (14). Mäsch, EuZW 1995, 8 (11) (auch zur Irrelevanz des Gesichtspunkts wirtschaftliches Volumen).

4.02 Timesharing-Richtlinie

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teils bezweifelt. 24 Der Rahmen des Art 3b III EGV wäre demnach heute keineswegs ausgeschöpft. 25 In der Tat waren die Bedenken der Bundesrepublik zwar unbegründet, zeitigten jedoch Wirkung. 26 In keiner verbrauchervertragsrechtlichen EG-Richtlinie zuvor wurde so intensiv auf Art 3b II, III EGV verwiesen und wurden in vergleichbarem Umfang Abstriche vom Binnenmarkt- und vom Verbraucherschutzziel gemacht. Dennoch hat das verbliebene „Minimum" mehr „Biß" als gemeinhin angenommen. 2. Inhalt a) Anwendungsbereich Die Timesharing-Richtlinie erfaßt nach Art 1 die gängigen Formen des Time- 9 sharing, nicht nur diejenigen Transaktionen, durch die ein dingliches Recht an der zu nutzenden Immobilie vermittelt wird. 27 Einbezogen werden sollten auch die zwei wichtigsten Alternativformen - die Einräumung einer schuldrechtlich oder einer gesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden Position, die ein Nutzungsrecht an der oder den Immobilien vermitteln. 28 Das war von Beginn an die Intention der gesetzgebenden Organe, vor allem der EG-Kommission, 29 und das kommt in der verabschiedeten Fassung auch im Wortlaut („unmittelbar oder mittelbar") klar genug zum Ausdruck. 30 Die Richtlinie erfaßt zudem das sogenannte flexible Timesharing, 31 bei dem sich das Nutzungsrecht auf einen Pool von Immobilien bezieht, aus dem gewählt werden kann (wobei häufig auch die Laufzeit nicht fest vereinbart wird). 32 Von einem Dauerschuldverhältnis wie der Miete wird das Timesharing insbesondere dadurch abgegrenzt, daß der Gesamtpreis schon zu Beginn zu entrichten ist (Art 2 1. Spiegelstrich RL). Dabei muß freilich die Mindestlaufzeit drei Jahre betragen und die Mindestberechtigungsdauer pro Jahr eine Woche (Art 2 1. Spiegelstrich RL). Auch muß der Anbieter beruflich tätig werden, beim Kunde ist dies umgekehrt ausgeschlossen (Art 2 3. und 4. Spiegelstrich RL). Die Timesharing-Richtlinie erfaßt also wiederum nur Verbraucherverträge (mit beruflich Tätigen). 24

Etwa Kappus, EWS 1996, 273 (274) („Harmonisierung zweiter Klasse"); vgl auch EGKommissarin Scrivener, AB1EG 1993 C 333/26: ,„minimalistischer' Ansatz". 25 Martinek, ZEuP 1994, 470 (478 f) hielt denn auch den ersten Vorschlag für über den allgem Verdacht der „Hypertrophie des Verbraucherschutzes in der Rechtspolitik der Union" erhaben. « Masch, EuZW 1995, 8 (11). 27 Anders noch für den ersten Vorschlag: Martinek, ZEuP 1994, 470 (489-492). Im ersten Vorschlag von 1992 war von „Nutzung von Immobilien als Teilzeiteigentum" die Rede, im geänderten Vorschlag von 1993 schon von „Teilzeitnutzungsrechten an ... Immobilien". Bereits für den Vorschlag wie hier: Masch, EuZW 1995, 8 (14). 28 Vgl zu diesen Formen oben Rn 2. 29 Masch, EuZW 1995, 8 (14). 30 Für die verabschiedete Fassung denn auch iErg nicht mehr str: vgl Mäsch, EuZW 1995, 8 (11); Kappus, EWS 1996, 273 (276 f). 31 Mäsch, EuZW 1995, 8 (14). 32 Zur Definition: Kappus, EWS 1996, 273 (276).

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

10 Innerhalb dieses Anwendungsbereichs regelt die Timesharing-Richtlinie nur zwei sachrechtliche Regelungskomplexe, Informationspflichten des Anbieters und Widerrufsrechte des Kunden mit flankierenden Schutzregeln (vgl Art 1 II RL). Bei diesen sachrechtlichen Regelungen handelt es sich durchweg um zwingendes Recht. Ein Verzicht seitens des Kunden oder eine (Haftungs-)Freizeichnung seitens des Anbieters zeitigen also keine Bindungswirkung,33 wobei die Einzelheiten der Sanktion durch die Mitgliedstaaten ausgestaltet werden (Art 8 RL). b)

Informationspflichten

11 Der erste sachrechtliche Regelungskomplex betrifft die Informationspflichten im vorvertraglichen Stadium (Art 3 RL) und bei Vertragsschluß (Art 4 RL). Für beide ist auf einen Anhang mit einer Liste von Informationen verwiesen, die die Parteien (mit Eigentumsverhältnissen, lit. a), die Immobilie (lit. c und d), die Natur des vermittelten Rechts (lit. b und h), Zusatzleistungen (lit. e-g) sowie die gesamte Palette der Kosten betreffen (lit. i, j). Wichtig für den letzten Punkt ist, daß nach lit. j des Anhangs die Kostenauflistung als abschließend zu verstehen ist. Wichtig für die möglichst transparente Umschreibung der Natur des Rechts ist es angesichts des meist grenzüberschreitenden Charakters der Geschäfte, daß die Bedingungen der Ausübung des Rechts nach dem anwendbaren Recht umschrieben werden müssen: Gemeint sind wohl die Erwerbsvoraussetzungen, der Inhalt des Rechts und auch seine Absicherung (etwa im Konkurs des Anbieters), sinnvollerweise sogar auch rechtstatsächliches Zahlenmaterial über die prozentuale Häufigkeit von Anbieterinsolvenzen im jeweiligen Mitgliedstaat. Entgegen häufig geäußerter Ansicht wird auch das flexible Timesharing zumindest im Anhang durchaus spezifisch und sachgerecht behandelt: Da die Beschreibung aller Immobilien aus dem Pool nicht sinnvoll ist,34 sind diesbezügliche Angaben nur zu machen, wenn sich das Nutzungsrecht auf „eine bestimmte" Immobilie bezieht (lit. c). Auch sind die für das flexible Timesharing geradezu konstituierenden Angaben über die Umtauschungsmöglichkeiten und -kosten zu machen (lit. k).35 Kaum überraschend ist, daß auch die Aufklärung über das Widerrufsrecht des Art 5 RL (schon) zum nötigen Prospektinhalt gehört (lit. I). 12 Der Zugang zu Informationen im vorvertraglichen Stadium ist in Art 3 I und III RL geregelt: Zum einen sind nahezu alle Informationen aus der Liste des Anhangs, zusammengefaßt in einem Prospekt, auf Verlangen jedem potentiellen Kunden (genauer: „Interessenten") zur Verfügung zu stellen (Art 3 11. Alt RL). Auf diese Zugangsmöglichkeit hat der Anbieter auch bei jeder Werbeaktion hinzuweisen. Es genügt also eine Anfangsinitiative im vorvertraglichen Stadium von welcher der beiden Seiten auch immer, um diese Pflicht auszulösen. Zum anderen ist auf die Zugangsmöglichkeiten zu weiterer Information hinzuweisen (Art 3 12. Alt RL), nach dem Wortlaut von Art 3 III RL jedoch 33 34

35

Kappus, EWS 1996, 273 (273). Dies mahnt Kappus, EWS 1996, 273 (277) an. Zu den Gefahren in diesem Bereich: Kappus, in: Graf ν Westphaleti, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn 10.

4.02 Timesharing-Richtlinie

639

nicht in den Fällen, in denen bisher allein der Anbieter (durch Werbung) initiativ wurde. Zwei Auslegungsfragen dominieren die Diskussion um die Informationspflichten 1 3 im vorvertraglichen Stadium. Zunächst ist fraglich, ob das Recht auf Aushändigung des Prospekts ein unbedingtes ist. Teils wird angenommen, der Anbieter müsse den Prospekt nur demjenigen aushändigen, mit dem er auch abzuschließen bereit sei, 3 6 also nicht, wie der Wortlaut es will, auf Verlangen jedem Interessenten. Schließlich könne der Anbieter nicht gezwungen werden, mit jedem abzuschließen, und sei eine Prospektaushändigung an andere Personen sinnlos. Teils wird auch die vorvertragliche Informationsverpflichtung als wenig sinnvoll ' angesehen, da ja dieselbe Information auch bei Vertragsschluß bereitzustellen sei und Art 3 I R L auch damit Genüge geleistet werde, daß der Anbieter kurz vor Vertragsschluß den Prospekt aushändige: Der in ein Verkaufsgespräch hineingezogene und zum Abschluß gedrängte Kunde habe zwischen Prospektaushändigung nach Art 3 R L und Vertragsabschluß kaum zusätzliche Überlegungszeit, eine „cooling-off-Periode" sei nicht vorgesehen. 3 7 Mit beiden Formen der einschränkenden Auslegung werden die Informationspflichten ohne Not eines Teils ihrer Effizienz beraubt. Prospektpflichten wurden seit den Anfängen im (USamerikanischen) Kapitalmarktrecht stets mit einem M o t t o gerechtfertigt: „Disclosure is the best detergent." J e mehr Personen auf einen Prospekt schauen (können), desto intensiver ist die Präventionswirkung. Da zudem im Timesharing das Äquivalent zum institutionellen Anleger, dh zum gut informierten Kunden, fehlt, entspricht es Wortlaut und Zielsetzung der Timesharing-Richtlinie, jeden Interessierten unter den Begriff des Interessenten zu subsumieren - etwa auch einen Verbraucherschutzverband, selbst wenn die Richtlinie die Sanktionen nicht regelt und daher auch kein Verbandsklagerecht vorsieht. Auch ist die Aushändigungspflicht so auszulegen, daß der Kunde mit seinem Verlangen den Zeitpunkt der Aushändigung festlegt: Der Prospekt ist sofort auszuhändigen. Die Timesharing-Richtlinie sieht zwar in der Tat keine cooling-off-Periode zwingend vor - weil hierzu das zwingende Widerrufsrecht nach Art 5 R L dienen soll. Dem (mündigen) Verbraucher jedoch, der von sich aus schon vor Vertragsschluß eine cooling-off-Periode (oder genauer: eine Überlegungszeit) in Anspruch nehmen will, weil er Schwierigkeiten beim Widerruf vermeiden will, sollen die rechtlichen Mittel hierzu an die Hand gegeben werden. Die zweite Frage betrifft den Umfang der Information. Kann nicht nach Art 3 I 14 R L ein Prospekt ausgehändigt werden, der aufgrund seiner Länge kontraproduktiv ist? 3 8 Schon Art 3 I R L muß nicht in diesem Sinne verstanden werden, da die

« Lindner, VuR 1995, 122 (123); Masch, EuZW 1995, 8 (11 f); ders, DNotZ 1997, 180 (194). 37 Müsch, EuZW 1995, 8 (12). 38 So Masch, EuZW 1995, 8 (11, 14); Kappus, EWS 1996, 273 (275, 277) - ein aus dem Europäischen Kapitalmarktrecht bekannter Vorwurf: Assmann, Die rechtliche Ordnung des europäischen Kapitalmarkts - Defizite des EG-Konzepts einer Kapitalmarktintegration durch Rechtsvereinheitlichung, ORDO 1993, 87 (106 f). 3

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Einseitige Untemehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Vorschrift offenbar dem Ziel dient, dem Verbraucher eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Zudem spricht etwa der englische Wortlaut, der eine „accurate information" vorschreibt, für eine Pflicht auch zur Prägnanz. Selbst wenn man in Art 3 I RL kein dahin gehendes Transparenzgebot erkennen will, hat man dieses zumindest aus Art 5 S 1 der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) herzuleiten. Dieses Transparenzgebot geht auch dahin, daß die Proportion zwischen Textumfang, Professionalität des Kunden bzw der Branche und Gewicht des Geschäfts stimmig sein muß. 15 Das Verhältnis der Information, die im vorvertraglichen Stadium gegeben wurde, zum später abgeschlossenen Vertrag ist in Art 3 II RL geregelt. Der Prospektinhalt wird Vertragsinhalt (1. UA). Zudem finden sich zwei Regeln zu der Frage, ob die Angaben zwischenzeitlich geändert werden dürfen (2. und 3. UA): Eine Änderung ist nur zulässig, wenn dies entweder ausdrücklich so vereinbart ist (wohl schon bei Aushändigung, weil der mündige Verbraucher bei seinen Überlegungen Planungssicherheit braucht) oder wenn der Verkäufer auf die Umstände, die die Änderung auslösen, keinen Einfluß hat (2. UA). Im zweiten Fall müssen ein ausdrücklicher Hinweis im Vertrag und eine Mitteilung vor Vertragsschluß (wohl so früh wie möglich) hinzukommen (3. UA). Die Verletzungsfolgen sind nicht geregelt. Teils wird davon ausgegangen, allein unlauterkeitsrechtliche Sanktionen seien eröffnet.39 Zumindest bei Verletzung der Anforderungen im 3. UA ist demgegenüber anzunehmen, daß der Prospektinhalt in seiner ursprünglichen Fassung Vertragsinhalt wird.40 16 Die Informationspflichten bei Vertragsschluß sind in Art 4 RL geregelt. Zunächst besteht zu diesem Zeitpunkt die Pflicht, alle Informationen laut Anhang der Richtlinie zu geben (Art 4 1. Spiegelstrich RL) - auch die wenigen (nach lit. h, j und k), die im vorvertraglichen Prospekt nicht erscheinen müssen, weil sie entweder für die Überlegungsphase des Interessenten noch nicht bedeutsam sind oder weil die Daten noch nicht vorliegen. Art 4 2. und 3. Spiegelstrich RL statuiert die Pflicht, diese Information in verschiedenen Sprachen zur Verfügung zu stellen: (nach Wahl des Kunden) in einer Amtssprache seines Wohnsitz- oder seines Heimatlandes, wobei der Wohnsitzstaat die Verwendung seiner Amtssprache^) als Mindestanforderung festschreiben kann; außerdem in einer Amtssprache des Belegenheitslandes der Immobilie. Letzteres ist - angesichts der klaren Differenzierung im Anhang - beim flexiblen Timesharing, dh bei der Teilnahme an einem Pool von Immobilien, nicht dahingehend zu verstehen, daß nunmehr der Vertrag in die Sprachen aller Belegenheitsländer zu übersetzen sei.41 Die *> Kappus, EWS 1996, 273 (274) (unter Berufung auf BR-Drs 887/95, S 20). So zu Recht BR-Drs 887/95, S 20. Dies ergibt sich daraus, dai? in Art 4 I der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) wohl auch ein Schutz gegen überraschende Klauseln (entspr § 3 AGBG) verankert ist: Schmidt-Salzer, Die Kontrolle ungewöhnlicher/überraschender AGB-Klauseln - deutsche Vergangenheit und europäische Zukunft, FS Trinkner 1995, 361 (361, 374 f). 41 Anders (und insoweit krit) Kappus, EWS 1996,273 (276 f). Für die in diese Richtung gehende Umsetzung in § 3 IV 3 TzWrG nimmt Kappus allerdings an, sie sei „sinnrichtig und ... kein Verstoß".

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nochmalige Angabepflicht ist für den Kunden in zwei Punkten hilfreich: Er verfügt nunmehr über alle Angaben im Zusammenhang, 4 2 und auch dem Laien wird klar, daß alle Punkte Vertragsinhalt wurden. Eine Schutzlücke entsteht dadurch, daß die Sprachenregelung und bei restriktiver Auslegung des Anhangs der Richtlinie auch die Transparenzregeln zeitlich zu kurz greifen: Sie entfalten keine Wirkung bei Regelungsmaßnahmen nach Vertragsabschluß, etwa bei jährlichen Beschlüssen und Abschlüssen. 4 3

c) Widerrufsrechte und flankierende Regeln Die Widerrufsrechte sind - nach Widerrufsgrund und Widerrufserklärung ge- 17 trennt - in Art 5 Nr 1 und 2 R L geregelt. In Nr 1 wird unterschieden zwischen regulärem und außerordentlichem Wider- 1 8 ruf. Der reguläre Widerruf ist zulässig für zehn Tage ab Entstehen der vertraglichen Bindung. Er ist in Art 5 Nr 1 1. und 3. Spiegelstrich R L geregelt. Dabei meint der 3. Spiegelstrich den regulären Widerruf für den Fall, daß eine außerordentliche Widerrufsmöglichkeit nach Art 5 Nr 1 2. Spiegelstrich R L bestanden hat: Nach dieser Vorschrift wird letztlich der Fristbeginn hinausgeschoben und zwar solange, als der Anbieter den dort genannten Informationspflichten nicht nachgekommen ist, höchstens jedoch um drei Monate. Nicht von dieser Sanktion erfaßt sind freilich die Fälle, in denen der Anbieter es unterläßt, Zusatzeinrichtungen und -service (lit. e und f des Anhangs) zu beschreiben, da dies nur für die Leistungs-, nicht auch die Kostenseite gilt (lit. i). Ähnlich zu rechtfertigen ist das Entfallen der Sanktion in den Fällen, in denen Informationen über Instandhaltung und Betriebsführung unterbleiben (lit. g). Ebenfalls sanktionslos bleibt zuletzt auch der fehlende (jedoch ohnehin nur deklaratorische) Hinweis, daß allein die im Vertrag genannten Kosten geschuldet sind (lit. j). Die Unterscheidung zwischen regulärer Widerrufsmöglichkeit (innerhalb von zehn Tagen) und außerordentlicher (innerhalb von weiteren drei Monaten) ist für die in Art 5 Nr 3 und 4 R L geregelten Kostentragungsfragen von Bedeutung. Daher läuft bei Verletzung der Informationspflichten zunächst die Frist des für den Kunden kostenmäßig günstigeren außerordentlichen Widerrufsrechts. Für die TimesharingRichtlinie ist von einer relevanten Verletzung der Informationspflichten wohl nicht auszugehen, wenn nur gegen Art 3 RL, nicht jedoch gegen Art 4 R L verstoßen wurde. 4 4 Wurde umgekehrt vorvertraglich im Prospekt über alle im Anhang genannten Punkte aufgeklärt, nicht jedoch nochmals im Vertrag, spricht der Umstand, daß der Laie sich über die Bindungswirkung meist nicht sicher ist, für die Anwendbarkeit von Art 5 Nr 1 2. Spiegelstrich RL.

« Darauf stellen ab: BR-Drs 887/95, S 22; Jäckel, VuR 1995, 265 (266); Kappus, EWS 1996, 273 (275). « Jäckel, VuR 1995, 265 (267); Kappus, EWS 1996, 273 (274). 44 Anders und weitergehend insoweit die Sanktion für eine Verletzung der vorvertraglichen Prospektpflicht im deutschen Umsetzungsakt: vgl § 5 III TzWrG.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

19 Nicht wegen der etwas komplizierten Rechtssetzungstechnik ist die Regelung der Widerrufsgründe vorrangig zu kritisieren,45 sondern wegen der Kürze der Fristen. Zu Recht wird betont, daß zumindest bei Vertragsabschlüssen im Urlaub der Kunde die Informationsdefizite, deretwegen das Widerrufsrecht eingeräumt wird, typischerweise nicht innerhalb von zehn Tagen ausräumen kann: Dies gilt vor allem für die landesbedingten Schwierigkeiten bei der Einholung von Rechtsrat, bei der Kommunikation etc. 46 Die in den Vorschlägen vorgesehene Frist von 28 Tagen war realistischer. Auch die Dreimonatsfrist ist als Sanktion zu schwach; denn die fehlende Information kann nur durch Erfahrungswissen ausgeräumt und solches regelmäßig erst bei der ersten und evtl zweiten Benutzung gesammelt werden.47 Wenn die Kürze der Widerrufsfrist damit begründet wird, daß das Geschäft vorher nicht durchgeführt werden könne,48 so spricht dies zumindest nicht gegen eine Frist, die eine vorherige Rückreise typischerweise einschließt, etwa eine Frist von einem Monat. Und die Sanktion konnte schärfer ausgestaltet werden, weil der Anbieter es in der Hand hat, korrekt zu informieren. 20 Die Widerrufserklärung ist allein dahingehend geregelt, daß Absendung zur Fristwahrung ausreicht, während ansonsten auf die Rechte der Mitgliedstaaten verwiesen wird. Über deren jeweiligen Inhalt hat jedoch der Anbieter nach lit. 1 des Anhangs wiederum präzise genug zu informieren. 21 Die höchstzulässige kostenmäßige Belastung des Kunden bei erfolgtem Widerruf regeln Art 5 Nr 3 und 4 sowie Art 6 f RL. Die Aufzählung ist abschließend. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art 5 Nr 3 RL („nur") und außerdem aus dem Umstand, daß Art 6 f RL in wichtigen weiteren Problemkomplexen gerade keine weitere Kostentragungspflicht vorsehen. 22 In Art 5 Nr 3 und 4 RL geht es offenbar allein um Vertragsabschlußkosten, nicht um Kosten, die aus der Durchführung des Vertrages entstehen, etwa Betriebskosten bei vorzeitigem Einzug des Kunden. Verletzt der Anbieter seine Informationspflicht und hat der Kunde daher ein Widerrufsrecht nach Art 5 Nr 1 2. Spiegelstrich RL, so entfällt auch diese Kostentragungspflicht. Die enge Eingrenzung des Kreises erstattungsfähiger Kosten ergibt sich ansonsten aus dem Umstand, daß allein auf den Vertragsabschluß und insbesondere auf „Rechtshandlungen" abgestellt wird. Zudem wird der Kreis der Rechtshandlungen, deren Kosten den Kunden auch bei Widerruf treffen, auf das unabdingbare Maß eingegrenzt: Nur für Rechtshandlungen, die nicht zehn Tage aufgeschoben werden können, entsteht die Kostentragungspflicht. Bei der Umsetzung in deutsches Recht wurde denn auch nur der praktisch wichtigste Fall, in dem nennenswerte Vertragsabschlußkosten anfallen, ausgewählt: Zu tragen sind, so-

Das Ergebnis ist nicht so ungewöhnlich, wie es bei Summierung der Fristen (3 Monate und 10 Tage) den Anschein haben mag. Krit insoweit jedoch Masch, EuZW 1995, 8 (12). « Jäckel, VuR 1995, 2 6 5 (266)·, Jäckel-Hutmacher/Tonner, VuR 1994, 9 (14); Kappus, EWS 1996, 2 7 3 (275); Tonner / Zander-Hayek, VuR 1994, 2 0 7 (208). 47 Kappus, EWS 1996, 273 (275 f); zu Recht wird auf die mögliche Flankierung durch andere Sanktionen hingewiesen: Masch, EuZW 1995, 8 (12 f). 4 8 Vgl Masch, DNotZ 1997, 180 (197). 45

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weit ausdrücklich ausbedungen, die Kosten der notariellen Beurkundung (§ 5 V I 3 und 4 TzWrG). Die ersten zehn Tage wohnt der Kunde demnach kostenfrei - wie dies viele aggressive Werbeangebote in der Tat suggerieren. Angesichts dessen, daß auch der Kunde zustimmte, ist dies zumindest bemerkenswert. Nur das Nutzungsrecht selbst ist zurückzugewähren, wie auch § 5 V I 1 und 2 TzWrG klarstellen. Art 6 R L statuiert flankierend ein Verbot, vom Kunden Anzahlungen zu fordern oder entgegenzunehmen (sicherlich auch im Rahmen von Treuhandlösungen). Leitend war hier das Bedenken, daß mancher Kunde nur deswegen am Vertrag festhält, weil er die Rückforderung der Anzahlung in einem fremden Land und gegenüber einem überlegenen Vertragspartner für allzu schwierig hält. 49 Effizient im Sinne der EuGH-Rechtsprechung ist eine Sanktionierung dieses Verbots nur, wenn die verbotswidrig entgegengenommene Anzahlung zurückgefordert werden kann, ohne daß irgendeine Einwendung - etwa diejenige der Aufrechnung möglich ist.

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Für den Fall der Finanzierung enthält Art 7 RL eine weitere flankierende Schutz- 2 4 regel: Der Kunde kann Kredite kostenfrei kündigen, die ihm der Anbieter oder ein Dritter (aufgrund einer Absprache mit dem Anbieter) zur Finanzierung des Nutzungsrechts gewährt.

d) Kollisionsrecht50 Mit Art 9 RL, der dem Verbraucher den Schutz der Timesharing-Richtlinie erhalten will, wenn „die Immobilie" in der Gemeinschaft belegen ist, ist ein Ausschnitt aus der kollisionsrechtlichen Problematik geregelt. Die Regel betrifft allein das Verhältnis zu Drittstaaten. Streitig ist, ob sie allein das Verbot einer abweichenden Rechtswahl enthält 51 oder - vom Schutzzweck her näher liegend - eine zwingende Sonderanknüpfung, so daß sich die Richtlinienregelung auch gegen eine objektive Anknüpfung nach Art 4 EVÜ bzw 2 8 E G B G B durchsetzt. 5 2 Art 9 R L erklärt die lex rei sitae in ihrer gemeinschaftsrechtlichen Regelung für zwingend. Damit wurde offenbar einmal das Bild eines dinglichen Nutzungsrechts, dh nur von einem von drei möglichen Modellen, prägend. Sinnvoller wäre es gewesen, in Übereinstimmung mit den Grundprinzipien des Art 5 EVÜ auf den Aufenthaltsort des Verbrauchers abzustellen und dann möglicherweise zwischen „aktivem" und „passivem" Verbraucher zu unterscheiden. 5 3 Die kollisionsrechtJäckel, VuR 1995, 265 (266). Monographisch Böhmer, Timesharing; außerdem Mankowski, RIW 1995, 364; und (vorrangig) zum deutschen Recht: Wegner, § 8 Teilzeitwohnrechtegesetz; außerdem Jayme, IPRax 1997, 233; Müsch, DNotZ 1997, 180 (205-208). « Lindner, VuR 1995, 122 (124); Masch, EuZW 1995, 8 (13). 52 Rauscher, EuZW 1996, 650 (651). " Kappus, EWS 1996,273 (277); Mankowski, RIW 1995,364 (367 0; demgegenüber wohl eher für die Variante, die der deutsche Gesetzgeber in § 8 Nr 2 TzWrG wählte: Masch, EuZW 1995, 8 (14). Direkt greift Art 5 EVÜ nicht ein. Einerseits ist schon der Dienstleistungscharakter des Timesharing fraglich: befürwortend etwa jayme / Kohler, IPRax 1994, 405 (407); dies, IPRax 1995, 343 (346); Rauscher, EuZW 1996, 650 (652); (grand50

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liehe Regelung des Art 9 RL wirkt jedoch ohnehin nur in eine Richtung. Auch sie stellt eine Minimumregelung dar, über die die Mitgliedstaaten hinausgehen durften,54 und deren zurückhaltende Formulierung der Gemeinschaftsgesetzgeber mit Praktikabilitätsüberlegungen rechtfertigte.55 Die Mitgliedstaaten dürfen also durchaus Art 3 - 5 EVU anwenden (und müssen dies als Signatarstaaten möglicherweise sogar), soweit nicht Art 9 RL gebietet, einem nicht in der Gemeinschaft ansäßigen Kunden den Schutz der Richtlinie zukommen zu lassen, wenn „die Immobilie" in der Gemeinschaft belegen ist. Bezogen auf das flexible Timesharing, das auch andere Richtlinienregeln nicht erfassen sollten, wenn von nur einer oder „der" Immobilie die Rede war, bedeutet dies: Der Wortlaut und vor allem der Sinn der Regelung, die von einer starken Verankerung in der Gemeinschaft ausgeht, zwingen nicht dazu, Art 9 RL beim flexiblen Timesharing anzuwenden, wenn nicht der überwiegende Teil des Immobilienbestandes in der Gemeinschaft belegen ist. Einen weiterreichenden kollisionsrechtlichen Schutz von Kunden mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Gemeinschaft konnten die Mitgliedstaaten gemäß Art 11 RL einführen. 26 Besonderheiten gelten im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander, also etwa bei Streitigkeiten zwischen deutschen Vertragspartnern über das Teilzeitnutzungsrecht an einer in Spanien belegenen Immobilie. Aus den primärrechtlichen Grundsätzen zur Maßnahme gleicher Wirkung und zur Auswirkung von Harmonisierungsmaßnahmen ergibt sich:56 Fragen der Informationsverpflichtung und des Widerrufsrechts regelt die Timesharing-Richtlinie intensiv, so daß sich insoweit jeder ausländische berufliche Anbieter darauf berufen kann, daß seine Angebote seinem Heimatrecht entsprechen und dieses den Mindestanforderungen der Timesharing-Richtlinie genügt. Anders ist dies jedoch in all den Bereichen, die die Timesharing-Richtlinie nicht regelt. Hier verbleibt es bei den primärrechtlichen Grundsätzen zur Maßnahme gleicher Wirkung:57 Nationale Regeln mit Behinderungspotential können ausländischen Anbietern entgegengehalten werden, wenn sie diskriminierungsfrei angewandt werden und durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Für letzteres spricht eine Vermutung, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber einen Regelungsbereich besätzlich) abl etwa Böhmer, Timesharing, S 156; Müsch, EuZW 1995, 8 (13); Roth, IPRax 1 9 9 4 , 1 6 5 (170). Andererseits greift jedenfalls die Ausnahmevorschrift des Art 5 IV lit. b EVÜ / Art 2 9 IV lit. b E G B G B ein: Masch, EuZW 1995, 8 (13); Rauscher, EuZW 1996, 6 5 0 (652). " Masch, EuZW 1995, 8 (14); Kappus, EWS 1996, 2 7 3 (276). 5 5 Ratsdok 4 2 7 5 / 1 / 9 4 Rev. 1 Add. 1, S 8. Demgegenüber will Lindner, VuR 1 9 9 5 , 1 2 2 (124) diese Regelung noch dahingehend einschränken, daß es zur zwingenden Anknüpfung nur käme, wenn sowohl Anbieter als auch Erwerber in der Gemeinschaft ansäßig sind, also nicht etwa in allen Isle-of-Man-Fällen. " Ausführlich hierzu oben 1. Teil Rn 1 1 0 - 1 2 0 . 5 7 Die Vermarktungsregeln („Verkaufsmodalitäten"), die nach der Keck-Rspr von diesen Regeln weitgehend freigestellt sind, sind vor allem in der Timesharing-Richtlinie geregelt. Die Regelungsbereiche, die dem nationalen Recht verbleiben, betreffen demgegenüber das Produkt.

645

4.02 Timesharing-Richtlinie

reits aufgegriffen hat und nur um des Subsidiaritätsprinzips willen wieder fallen ließ. Hat ein Sachverhalt allein Bezüge zu Mitgliedstaaten, so wäre eine Abwahl der 2 7 Richtlinien-Regelung schon nach Art 3 III E V Ü (Art 2 7 III E G B G B ) analog 5 8 unzulässig. In diesen Fällen schafft Art 9 R L keinen zusätzlichen Schutz. 5 9 In ihnen entstehen Schutzlücken - die Gran-Canaria-Fälle zur HaustürwiderrufsRichtlinie (2.01) - allein, wenn EG-Richtlinienrecht nicht umgesetzt wird. Hier gibt es heute jedoch mit dem Institut der verschuldensunabhängigen Staatshaftung wegen Nichtumsetzung ein alternatives Schutzinstrument. Anders ist die Lage, wenn Bezüge zu einem Territorium geschaffen werden, in denen diesbezügliches Gemeinschaftsrecht nicht gilt. Beispiel hierfür sind die Isle-of-ManFälle zur Timesharing-Richtlinie. Sind die Bezüge insignifikant, kommt es weiterhin zur analogen Anwendung von Art 3 III E V Ü / 2 7 III E G B G B . Besser geeignet zur Erhaltung des gemeinschaftsrechtlichen Schutzstandards sind hier jedoch Regeln wie Art 9 R L , zumal wenn sie auf die entscheidenden Verbraucherschutzgesichtspunkte zugeschnitten sind. Denn sie können auch eingreifen, wenn die Verbraucherschutzgesichtspunkte zwar stärker als diese Bezüge zu Drittstaaten, diese jedoch nicht insignifikant sind. Weder in den Gran-Canarianoch in den Isle-of-Man-Fällen bedarf es der Heranziehung eines ungeschriebenen Europäischen ordre public. 6 0 Kollisionsrechtlich zweifelhafte Notbehelfe wie die Heranziehung von Art 31 II, 3 4 E G B G B sind ebenfalls überflüssig. 61 e) Verbliebene Regelungslücken

und

-freiräume

Weiterhin der Regelung durch die nationalen Rechtsordnungen überlassen blieben insbesondere folgende zivilrechtliche Fragen: 6 2 die Frage nach der Sittenwidrigkeit der Vertriebsstrategien (unabhängig von den Informationspflichten); 6 3 die 58

59

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61

62

63

Lando, The EEC Convention on the Law Applicable to Contractual Obligations, CMLR 24 (1987) 159 (181 seq); vgl oben 1.01 Rn 18; dagegen (allerdings ohne Diskussion des Vorschlages von Lando) Rauscher, EuZW 1996, 650 (652). Das gleiche Ergebnis gilt, obwohl eine vergleichbare Regelung fehlt, auch bei der Haustiirwiderrufs-Richtlinie (2.01); vgl dort Rn 7. Dafür - noch vor der Francovich-Rspr - : Jayme, IPRax 1990, 220 (221 f); dafür noch unter den geänderten Vorzeichen (allerdings ohne auf diese einzugehen): Rauscher, EuZW 1996, 650 (bes 652 f). In diese Richtung etwa Jäckel-Hutmacher / Tonner, VuR 1994, 9 (15 f); Kappus, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn 22-24, 26-29. Kollisionsrechtler „im Hauptfach" gehen zu Recht auf Distanz; vgl hierzu die überzeugenden Ausführungen etwa von Mankowski, RIW 1995,364 (368); Rauscher, EuZW 1996,650 (652 f); sowie für Art 34 EGBGB ausführlich Mäsch, Rechtswahlfreiheit und Verbraucherschutz, 1993, S 126-130. Zum Steuerrecht vgl nur Sommer, Die steuerliche Behandlung von Ferienwohnrechten, BB-Sonderbeil 14/1988, S 2; Tönnes, Steuerliche Behandlung von Ferienwohnrechten, RIW 1996, 409. Vgl dazu Kappus, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn 12; ders, EWS 1996, 273 (273) (mit zahlreichen Zitaten aus der diesbezüglichen deutschen Rspr).

28

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Frage nach der Zulässigkeit und der Ausgestaltung von Timesharing-Verträgen (Einräumung einer schuldrechtlichen, dinglichen und/oder gesellschaftsrechtlichen Position);64 genereller: das materielle Vertragsrecht, insbesondere das Recht der Leistungsstörungen;65 die Frage nach der Sittenwidrigkeit oder Mißbräuchlichkeit der Verträge, insbesondere des geforderten Preises;66 die Frage nach Garantien für den Fall einer Insolvenz des Anbieters.67 Hinzu kommen klauselrechtliche Fragen, für die jedoch mit der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) nach dem Gesagten ein zweiter gemeinschaftsrechtlicher Regelungsakt neben die Timesharing-Richtlinie tritt.68 29 Die Vertriebsstrategien in ihrem lauterkeitsrechtlichen Teil spricht die Timesharing-Richtlinie zwar nur im Ausschnitt Informationspflichten unmittelbar an; der reinen Überrumpelung (ohne auch inhaltlich plausibles Angebot) wird jedoch durch das Widerrufsrecht gemäß Art 5 RL vorgebeugt; und die Irreführung ist Regelungsgegenstand von Art 3 f RL, wobei freilich nur eine Sanktion durch die Richtlinie selbst geregelt wurde (vgl Art 8,10 RL). Für die Frage nach der Sittenwidrigkeit von Timesharing-Verträgen war nie daran gedacht worden, eine Generalklausel in die Timesharing-Richtlinie aufzunehmen. Dies führt vor allem dazu, daß weiterhin die nationalen Gerichte zur Ausfüllung der Generalklausel berufen sind, weil die EuGH-Rechtsprechung ohne Festlegung von inhaltlichen Leitlinien Rechtssicherheit in absehbarer Zeit nicht hätte schaffen können. Außerdem ist die Behinderungswirkung von Unterschieden in diesem Bereich nicht dargetan. Indem weiter die nationalen Rechtsordnungen über die inhaltliche Ausgestaltung der Teilzeitnutzungsrechte entscheiden, entsteht - ähnlich wie im Rahmen der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10)69 - eine Palette unterschiedlicher Lösungen. Ob dadurch ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen Lösungen (und Rechtsordnungen) entsteht, ist eher fraglich. Der Markt ist insoweit zumindest teilweise ineffizient. Zum einen kann für einen Italophilen ein Teilzeitnutzungsrecht in Schweden eines in Italien nicht substituieren. Zum anderen und dies gilt auch für das flexible Timesharing - werden sich angesichts des geringen Verbreitungsgrades von Timesharing im Kundenpublikum kaum Erfahrungswerte zum Preis-Leistungs-Gefälle in verschiedenen Timesharing-Regelungen entwickeln. Anders ist dies nur, wenn lit. b des Anhangs ernst genommen wird und die Anbieter den Erwerb, Inhalt und Schutz des Teilzeitnutzungsrechts

m So ausdrücklich Art 1 III RL; außerdem Kappus, EWS 1996, 2 7 3 (273). Vgl dazu die Zusammenfassung bei Kappus, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn 14 f; Martinek, Moderne Vertragstypen, Bd III, 1993, S 2 8 1 - 2 8 3 . 6 6 Dazu im deutschen Recht vor allem die beiden Grundsatzurteile des BGH: NJW 1994, 1344 (1346 f); NJW 1996, 2 6 3 7 ; Anm Hildenbrand, NJW 1995, 2967. Weitere, instanzgerichtliche Rspr bei Hildenbrand, NJW 1996, 3 2 4 9 (3254 f); Kappus, EWS 1996, 2 7 3 (273); ders, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn 9 3 - 9 6 ; Mäsch, EuZW 1995, 8 (9); zur Schutzlücke auch Jäckel, VuR 1995, 2 6 5 (267). & Mäsch, EuZW 1995, 8 (11). 6 8 Für deutsches Rspr-Material in diesem Bereich vgl die Nachw bei Kappus, EWS 1996, 2 7 3 (273, Fn 9). Vgl dort Rn 19. 65

4.02 Timesharing-Richtlinie

647

in der anwendbaren Rechtsordnung tatsächlich in den wichtigen Punkten exakt beschreiben müssen. Dann können die unterschiedlichen Lösungen sogenannte Suchgüter bilden und der genannte Wettbewerb erheblich an Effizienz gewinnen. Neben die genannten Lücken treten die im EG-Sekundärrecht üblichen Lücken im Bereich der Sanktionen. Gerade insoweit wird Kritik geäußert, vor allem daran, daß die Richtlinie selbst Verstöße allein durch eine Hinausschiebung des Fristbeginns sanktioniert. 7 0 Zu berücksichtigen ist jedoch, daß die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über zusätzliche Sanktionen ebenfalls gemeinschaftsrechtlich gebunden sind. Art 10 R L eröffnet keineswegs einen unbeschränkten Freiraum, sondern ist im Lichte der EuGH-Rechtsprechung zum EG-Primärrecht zu sehen: Verstöße gegen nationale Normen, die auf EG-Recht beruhen, müssen in „jedenfalls wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender" Weise sanktioniert werden. 71 Daher müssen im nationalen Recht weitere Sanktionen neben das Widerrufsrecht treten, das spätestens nach drei Monaten und zehn Tagen erlischt und nur einen Teil der Fälle abdeckt.

30

Besonders beklagenswert sind demgegenüber die Lücken bei der Regelung des 31 grenzüberschreitenden Elements der Transaktionen. Schon die kollisionsrechtliche Regelung ist eher rudimentär ausgearbeitet, jedoch ergänzungsfähig. Demgegenüber fehlt es gänzlich an einer Gerichtsstandsregelung und ist es dem nationalen Gesetzgeber zudem verwehrt, im Anwendungsbereich des EuGVÜ, also vor allem bei gemeinschaftsinternen Konflikten, Abhilfe zu schaffen und eine verbraucherschützende Gerichtsstandsregelung einzuführen. 72

3. Umsetzung Der deutsche Gesetzgeber hat die Timesharing-Richtlinie 1996 im sogenannten Teilzeit-Wohnrechtegesetz (TzWrG) umgesetzt. 7 3 Umstritten ist, wie weitgehend er dabei von der Richtlinie abgewichen ist, insbesondere auch, wie weitgehend er von Art 10 R L Gebrauch gemacht und strengere Regeln (Art 11 RL) eingeführt hat. 7 4 Die Bestiimungen sind zwingend (Art 8 RL, § 9 TzWrG). Den Anwendungsbereich (Art 1 f RL) zog der deutsche Gesetzgeber in § 1 TzWrG ebenso weit wie der Europäische. Auch hob er ausdrücklich hervor, daß alle drei Formen des Timesharing (§ 1 II TzWrG) sowie das flexible Timesharing (S 1 III TzWrG) erfaßt sind.

70

71

71

73 74

Kappus, EWS 1996, 273 (275 f). Auch für den Verstoß gegen das Verbot, Anzahlungen entgegenzunehmen, sieht die Richtlinie selbst keine Sanktion vor. EuGH 21. 9. 1989 - Rs 68/88 (Kommission / Griechenland), Slg 1989,2965 (2985); weitere Nachw oben 1. Teil Fn 502. Näher hierzu Kappus, in: Graf ν Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn 3 7 44; Masch, EuZW 1995, 8 (14); auch Jäckel-Hutmacher / Tonner, VuR 1994, 9 (14); zu Gerichtsstandsfragen beim Timesharing ausführlich Mankowski, EuZW 1996, 177. Vgl Fundstellenverzeichnis; dazu BR-Drs 887/95; BT-Drs 13/4185. Diese als umfangreich einstufend: Kappus, EWS 1996, 273 (273); umgekehrt: Lindner, VuR 1996, 26 (28) (nur § 8 TzWrG weitergehend).

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33

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

34 Die vorvertragliche Prospekt- und Informationspflicht (Art 3 RL) wurde in § 2 TzWrG inhaltsgleich übernommen. Dabei wurde jedoch die Sprachenregelung des Art 4 RL bereits auf diesen Zeitpunkt erstreckt und damit ein nicht unerheblicher Zusatzkostenfaktor geschaffen.75 Außerdem sanktioniert § 5 III TzWrG bereits diesen Verstoß, indem er die reguläre Widerrufsfrist auf einen Monat heraufsetzt. Die Regelung des Anhangs der RL wurde hierbei inhaltsgleich in § 4 TzWrG aufgenommen. Die vertragliche Informationspflicht (Art 4 RL) wurde ebenfalls inhaltsgleich übernommen (§ 3 TzWrG), mit einigen Ausnahmen: die Sanktionen wurden präzisiert, und Verstöße gegen die Sprachenregelung wurden mit einer Nichtigkeitsdrohung gemäß § 125 BGB sanktioniert, nicht nur damit, daß die Frist (zunächst) nicht anläuft;76 eine Ausnahme von der Sprachenregelung wurde für das flexible Timesharing vorgesehen, wie sie sich jedoch nach hier vertretener Auffassung auch bereits in der Richtlinie findet;77 außerdem wurde eine ausdrückliche Abänderung des Prospektinhalts bei Vertragsschluß zugelassen (§ 3 III 1 TzWrG) - entgegen dem, was die Richtlinie nach hier vertretener Auffassung besagt.78 3 5 Das Widerrufsrecht (Art 5 RL) hat der deutsche Gesetzgeber inhaltlich im wesentlichen wie der Europäische ausgestaltet; er hat insbesondere auch - in der Gesetzgebungsdiskussion sehr umstritten79 - die Länge der Fristen beibehalten (vgl § 5 TzWrG). Freilich hat er die Regelung des Anhangs der TimesharingRichtlinie in einem Punkt erheblich verschärft: Für den Beginn der zehntägigen Widerrufsfrist bedarf es einer ausdrücklichen und gesondert unterschriebenen Belehrung über das Widerrufsrecht (vgl demgegenüber lit. j des Anhangs der Richtlinie). Außerdem wurde die Beweislast in allen zentralen Punkten dem Anbieter auferlegt und die Kostentragungspflicht nach Art 6 RL spezifiziert (vgl § 5 VI TzWrG). Die Regeln des Art 7 RL zur Kündigung von Kreditverträgen übernahm der deutsche Gesetzgeber in § 6 TzWrG inhaltlich identisch, wobei er freilich die notwendige Verbindung zwischen Anbieter und Drittem mit dem Begriff der „wirtschaftlichen Einheit" umschrieb. 36 Mit der kollisionsrechtlichen Regelung des § 8 TzWrG geht der deutsche Gesetzgeber über Art 9 RL insoweit hinaus, als auch Werbemaßnahmen innerhalb der Gemeinschaft zur Unabdingbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Regelung führen. Die Norm stellt allerdings wiederum nicht auf einen gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers und damit auf das Schutzsubjekt ab.80 Zudem wurde Art 9 RL dahingehend umformuliert, daß das deutsche Gesetz (statt des Richtlinienstandards) Anwendung finde. Letzteres ist evident falsch und entsprechend ein75 76

77 78 79 80

Kappus, EWS 1996, 273 (274); krit auch Mäsch, DNotZ 1997, 180 (192). BR-Drs 8 8 7 / 9 5 , S 21; Kappus, EWS 1996, 2 7 3 (274); Lindner, VuR 1996, 2 6 (27). Die Mischung aus Milde und Härte im deutschen Recht kritisierend: Mäsch, DNotZ 1997, 180 (201-205). Vgl oben Rn 16 bei Fn 41. Vgl oben Rn 15. Vgl Nachw oben Fn 46. So jedoch entgegen dem Wortlaut des Gesetzes Jäckel, VuR 1995, 2 6 5 (266); vgl schon oben Fn 50.

4.02 Timesharing-Richtlinie

649

schränkend auszulegen: Oder sollte etwa auf eine Transaktion zwischen Briten über ein Nutzungsrecht an einer in Spanien belegenen Immobilie, für die in Großbritannien geworben wurde, das deutsche Teilzeit-Wohnrechtegesetz zur Anwendung kommen?

B. Fundstellenverzeichttis Grundlage: Art 100a EGV 37 Betr: Vorvertragliche und vertragliche Prospekt- und Informationspflichten des Anbieters bei Transaktionen über Teilzeitnutzungsrechte sowie Widerrufsrechte des Kunden und Kostenbeschränkung bei Ausübung derselben Fundstellen: - verabschiedete Fassung ABIEG 1994 L 280/83 - geänderter Vorschlag vom 7. 10. 1993 ABIEG 1993 C 299/8 / KOM(93) 487 endg - SYN 419 - ursprünglicher Vorschlag vom 2. 7. 1992 ABIEG 1992 C 222/5 / BR-Drs 613/92 / KOM(92) 220 endg - SYN 419 - Gemeinsamer Standpunkt (Rat, Europäisches Parlament) ABIEG 1994 C 137/43 ABIEG 1994 C 205/168 Stellungnahmen: - zum ursprünglichen Vorschlag EP: ABIEG 1993 C 176/95,255/70 und 342/33 (35) WSA: ABIEG 1993 C 108/1 Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (Teilzeit-Wohnrechtegesetz - TzWrG) vom 20. 12. 1996 Fundstelle: BGBl 1996 I, S 2154

Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (94/47/EG)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission!1), nach Stellungnahme des Wirtschafte- und Sozialausschusses

Artikel 2 Absatz 3 neugefaBt, vgl ABI EG L 61/14.

1990

4.10 Die Verbraucherkredit-Richtlinie Artikel 3 Unbeschadet der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung*7' und der auf unlauteren Wettbewerb anwendbaren Regeln und Grundsätze ist in jeder Anzeige und in jedem in Geschäftsräumen bereitgehaltenen Angebot, mit der/dem eine Person einen Kredit anbietet oder sich anbietet, einen Kredit zu vermitteln, und in der/dem ein Zinssatz oder sonstige Zahlen mit Bezug auf die Kreditkosten angegeben sind, auch der effektive Jahreszins anzugeben, und zwar, wenn sich kein anderes Mittel als handhabbar erweist, durch ein repräsentatives Beispiel. Mike! 4 (1) Kreditverträge bedürfen der Schriftform. Der Verbraucher erhält eine Ausfertigung des schriftlichen Vertrages. (2) In der Vertragsurkunde ist folgendes anzugeben: a) der effektive Jahreszins;

(3) Die Vertragsurkunde soll auch die übrigen wesentlichen Vertragsbestimmungen enthalten. Im Anhang findet sich als Beispiel eine Liste solcher Angaben, deren Aufnahme in den schriftlichen Vertrag von den Mitgliedstaaten als wesentlich vorgeschrieben werden kann. Artikel 5 [aufgehoben!*)] Artikel 6 (1) Unbeschadet der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e) ist der Verbraucher im Falle eines Vertrages zwischen ihm und einem Kredit- oder Finanzinstitut über die Gewährung eines Kredits in Form eines Überziehungskredits auf einem laufenden Konto, außer einem Kreditkartenkonto, vor VertragsabschluB oder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu informieren: -

über die etwaige Höchstgrenze des Kreditbetrags;

-

über den Jahreszins und die bei AbschluB des Vertrages in Rechnung gestellten Kosten sowie darüber, unter welchen Voraussetzungen diese geändert werden können;

-

über die Modalitäten einer Beendigung des Vertragsverhältnisses.

b) die Bedingungen, unter denen der effektive Jahreszins geändert werden kann. c) eine Aufstellung des Betrags, der Anzahl und der zeitlichen Abstände oder des Zeitpunkts der Zahlungen, die der Verbraucher zur Tilgung des Kredits und Entrichtung der Zinsen und sonstigen Kosten vornehmen muB; ferner den Gesamtbetrag dieser Zahlungen, wenn dies möglich ist; d) eine Aufstellung der in Artikel 1 a Absatz 2 enthaltenen Kostenelemente - ausgenommen die bei Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen entstehenden Kosten - , die nicht in die Berechnung des effektiven Jahreszinses einbezogen worden sind, jedoch vom Verbraucher unter bestimmten Umständen getragen werden müssen; ferner eine Aufstellung, in der diese Umstände spezifiziert werden. Ist der genaue Betrag dieser Kostenelemente bekannt, so wird er angegeben; anderenfalls ist entweder eine Berechnungsmethode oder eine möglichst realistische Schätzung vorzulegen, soweit dies möglich ist.i**> Falls die Angabe des effektiven Jahreszinses nicht möglich ist, sind dem Verbraucher in der Vertragsurkunde angemessene Informationen zu geben. Diese Angaben müssen mindestens die in Artikel 6 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich vorgesehenen Informationen umfassen. ff) ABl. Nr. L 2 5 0 vom 19. 9. 1984, S. 17. •

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c) später eingefügt, vgl ABIEQ 1990 L 61/14.

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Diese Informationen sind schriftlich zu bestätigen. (2) Ferner ist der Verbraucher während der Laufzeit des Vertrages über jede Änderung des Jahreszinses und der in Rechnung gestellten Kosten im Augenblick ihres Eintretens zu unterrichten. Diese Unterrichtung kann in Form eines Kontoauszuges oder in einer anderen für die Mitgliedstaaten annehmbaren Form erfolgen. (3) In Mitgliedstaaten, in denen stillschweigend akzeptierte Kontoüberziehungen zulässig sind, trägt der betreffende Mitgliedstaat dafür Sorge, daß der Verbraucher vom Jahreszins und den in Rechnung gestellten Kosten sowie allen diesbezüglichen Änderungen unterrichtet wird, wenn ein Konto länger als drei Monate überzogen wird. Artikel 7 Die Mitgliedstaaten legen für den Fall des Kredits zum Erwerb einer Ware die Bedingungen fest, unter denen die Ware zurückgenommen werden kann, insbesondere für Fälle, in denen der Verbraucher seine Einwilligung nicht erteilt hat. Sie tragen ferner dafür Sorge, daB in den Fällen, in denen der Kreditgeber die Ware wieder an sich nimmt, die Abrechnung zwischen den Parteien in der Weise erfolgt, daß die Rück-

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d) später eingefügt, vgl ABIEG 1990 L 61/14.

I·)

Vgl ABIEG 1990 L 61/14.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

nähme nicht zu einer unberechtigten Bereicherung führt. Artikel

8

Der Verbraucher ist berechtigt, seine Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag vorzeitig zu erfüllen. In diesem Fall kann der Verbraucher gemäß den von den Mitgliedstaaten festgelegten Regelungen eine angemessene Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits verlangen. Artikel

9

Werden die Ansprüche des Kreditgebers aus einem Kreditvertrag an einen Dritten abgetreten, so kann der Verbraucher diesen Dritten gegenüber Einreden geltend machen, soweit sie ihm gegen den ursprünglichen Kreditgeber zustanden, und zwar einschließlich der Aufrechnungseinrede, soweit dies in dem betreffenden Mitgliedstaat zulässig ist. Artikel

10

Die Mitgliedstaaten, die im Zusammenhang mit Kreditverträgen dem Verbraucher gestatten, a) Zahlungen in Form von Wechseln, einschließlich Eigenwechseln zu leisten, b) Sicherheit in Form von Wechseln, einschließlich Eigenwechseln und Schecks zu bieten, tragen dafür Sorge, daß der Verbraucher bei Verwendung dieser Papiere zu den genannten Zwecken angemessenen Schutz genießt. Artikel

11

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß das Bestehen eines Kreditvertrages in keiner Weise die Rechte des Verbrauchers gegenüber dem Lieferanten von Waren bzw. Erbringer von Dienstleistungen beeinträchtigt, falls die betreffenden Waren bzw. Dienstleistungen, die mit Hilfe dieses Kreditvertrages erworben werden, nicht geliefert bzw. erbracht werden oder in anderer Weise nicht vertragsmäßig sind. (2) Wenn a) für den Bezug von Waren oder Dienstleistungen ein Kredit mit einer anderen Person als dem Lieferanten vereinbart worden ist und b) zwischen dem Kreditgeber und dem Lieferanten der Waren oder Dienstleistungen eine vorherige Abmachung besteht, wonach Kredite an Kunden dieses Lieferanten zum Zwecke des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des betreffenden Lieferanten ausschließlich von dem betreffenden Kreditgeber bereitgestellt werden, und c) der unter Buchstabe a) genannte Verbraucher seinen Kredit im Rahmen dieser vorherigen Abmachung erhält und

d) die unter den Kreditvertrag fallenden Waren oder Dienstleistungen nicht oder nur teilweise geliefert werden oder dem Liefervertrag nicht entsprechen und e) der Verbraucher seine Rechte gegen den Lieferanten erfolglos geltend gemacht hat, ist der Verbraucher berechtigt, Rechte gegen den Kreditgeber geltend zu machen. Die Mitgliedstaaten bestimmen, wie weit und unter welchen Bedingungen diese Rechte geltend gemacht werden können. (3) Absatz 2 gilt nicht, wenn der Betrag des betreffenden Einzelgeschäfts unter einem Gegenwert von 200 ECU liegt. Artikel

12

(1) Die Mitgiiedstaaten a) stellen sicher, daß Personen, die Kredite anbieten oder bereit sind, Kreditverträge zu vermitteln, hierfür entweder speziell in dieser Eigenschaft oder aber als Lieferanten von Waren bzw. Erbringer von Dienstleistungen einer behördlichen Erlaubnis bedürfen; oder b) stellen sicher, daß Personen, die Kredite gewähren oder die Gewährung von Krediten vermitteln, hinsichtlich dieser Tätigkeit von einer Einrichtung oder Behörde kontrolliert oder überwacht werden; oder c) fördern die Schaffung geeigneter Einrichtungen, die Beschwerden über Kreditverträge und Kreditbedingungen entgegennehmen und den Verbrauchern einschlägige Informationen oder Ratschläge erteilen. (2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß die in Absatz 1 Buchstabe a) genannte Erlaubnis entbehrlich ist, wenn Personen, die Kreditverträge abzuschließen oder zuvermitteln bereit sind, der Begriffsbestimmung von Artikel 1 der Ersten Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute® entsprechen und eine Erlaubnis gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie innehaben. Besitzen Personen, die Kredite gewähren oder vermitteln, sowohl die spezielle Erlaubnis gemäß Absatz 1 Buchstabe a) als auch die Erlaubnis gemäß der genannten Richtlinie, und wird letztere Erlaubnis später entzogen, so wird die Behörde, die für die Erteilung der speziellen Erlaubnis zur Gewährung von Krediten gemäß Absatz 1 Buchstabe a) zuständig ist, unterrichtet, und sie entscheidet, ob die betreffenden Personen weiterhin Kredite gewähren oder vermitteln dürfen oder ob die gemäß Absatz 1 Buchstabe a) erteilte spezielle Erlaubnis entzogen wird. «> ABl. Nr. L 322 vom 17. 12. 1977, S. 30.

687

4 . 1 0 Die Verbraucherkredit-Richtlinie Artikel 13

Artikel 15

(1) Als ECU im Sinne dieser Richtlinie gilt die Rechnungseinheit, die durch die Verordnung (EWG) Nr. 3180/78, in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2626/84, festgelegt worden ist. Der Gegenwert in nationaler Währung Ist bei der ersten Festsetzung derjenige, welcher am Tag der Annahme dieser Richtlinie gilt.

Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht, in Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag weitergehende Vorschriften zum Schutz der Verbraucher aufrechtzuerhalten oder zu erlassen.

Die Mitgliedstaaten können die sich bei der Umrechnung der ECU-Beträge ergebenden Beträge in Landeswährung abrunden, wobei die Abrundung 10 ECU nicht übersteigen darf.

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie spätestens am 1. Januar 1990 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

(2) Der Rat überprüft auf Vorschlag der Kommission alle fünf Jahre und erstmals im Jahre 1995 die in dieser Richtlinie genannten Beträge unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und monetären Entwicklung in der Gemeinschaft und ändert diese Beträge gegebenenfalls.

Artikel 16

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 17 Die Kommission legt dem Rat vor dem 1. Januar 1995 einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie vor.

Artikel 14 (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daB Kreditverträge von den zur Anwendung dieser Richtlinie ergangenen oder dieser Richtlinie entsprechenden innerstaatlichen Vorschriften nicht zum Nachteil des Verbrauchers abweichen. (2) Die Mitgliedstaaten stellen ferner sicher, daB die Vorschriften, die sie gemäß dieser Richtlinie verabschieden, nicht durch eine besondere Gestaltung der Verträge, insbesondere eine Aufteilung des Kreditbetrags auf mehrere Verträge, umgangen werden.

Artikel 18 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 22. Dezember 1986. Im Namen des Rates Der Präsident G. SHAW

ANHANG I Zu Anhang I umbenannt, vgl ABIEG 1990 L 61/14.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

viii)Hinweis auf etwaige erforderliche Versicherung(en) und, wenn die Wahl des Versicherers nicht dem Verbraucher überlassen bleibt, Hinweis auf die Versicherungskosten; 2. Kreditverträge, die mittels Kreditkarten abgewickelt werden: i) etwaige Höchstgrenze des Kredits; ii) RückZahlungsbedingungen oder Möglichkeit zur Feststellung dieser Bedingungen; iii) etwaige Bedenkzeit. 3. Kontokorrent-Kreditverträge, die nicht von anderen Bestimmungen der Richtlinie erfaßt werden: i) etwaige Höchstgrenze des Kredits oder Verfahren zu ihrer Festlegung; ii) Benutzungs- und RückZahlungsbedingungen; iii) etwaige Bedenkzeit. 4. Andere unter die Richtlinie fallende Kreditverträge: i) etwaige Höchstgrenze des Kredits; ii) Hinweis auf etwaige Sicherheiten; iii) RückZahlungsbedingungen;

iv) etwaige Bedenkzeit; v) Hinweis darauf, daß der Verbraucher gemäß Artikel 8 bei vorzeitiger Rückzahlung Anspruch auf eine Ermäßigung hat. ANHANG III*) GRUNDGLEICHUNG MIT FOLGENDER GLEICHUNG WIRD DIE GLEICHHEIT ZWISCHEN DARLEHEN EINERSEITS UND TILGUNGSZAHLEN UND KOSTEN ANDERERSEITS AUSGEDRÜCKT

Hierbei ist: Κ die laufende Nummer eines Darlehens K' die laufende Nummer einer Tilgungszahlung oder einer Zahlung von Kosten AK der Betrag des Darlehens mit der Nummer Κ A'K. der Betrag der Tilgungszahlung oder einer Zahlung von Kosten mit der Nummer K' Σ das Summationszeichen m die laufende Nummer des letzten Darlehens m' die laufende Nummer der letzten Tilgungszahlung oder der letzten Zahlung der Kosten t* der in Jahren oder Jahresbruchteilen ausgedrückte Zeitabstand zwischen dem Zeitpunkt der Darlehensvergabe mit der Nummer 1 und den Zeitpunkten der darauffolgenden Darlehensvergaben mit der Nummer 2 bis m t*. der in Jahren oder Jahresbruchteilen ausgedrückte Zeitabstand zwischen dem Zeitpunkt der Darlehensvergabe mit der Nummer 1 und den Zeitpunkten der Tilgungszahlung oder Zahlungen von Kosten mit den Nummern 1 bis m' i der effektive Zinssatz, der entweder algebraisch oder durch schrittweise Annäherungen oder durch ein Computerprogramm errechnet werden kann, wenn die sonstigen Gleichungsgrößen aus dem Vertrag oder auf andere Weise bekannt sind. Anmerkungen: a) Die von beiden Seiten zu unterschiedlichen Zeitpunkten gezahlten Beträge sind nicht notwendigerweise gleich groß und werden nicht notwendigerweise in gleichen Zeitabständen entrichtet. b) Anfangszeitpunkt ist der Tag der ersten Darlehensvergabe. c) Die Spanne zwischen diesen Zeitpunkten wird in Jahren oder Jahresbruchteilen ausgedrückt. Zugrunde gelegt wurden für das Jahr 365 Tage oder 365,25 Tage oder (im Fall von Schaltjahren) 366 Tage, 52 Wochen oder 12 gleich lange Monate, wobei für letztere eine Länge von 30,41666 (also 365/12) Tage angenommen wird. 1*1 Anhang II hinzugefügt, vgl ABIEG 1990 L 61/14 und geändert in ABIEG 1998 L 101/17.

4.10 Die Verbraucherkredit-Richtlinie

689

d) Das Rechenergebnis wird auf mindestens eine Dezimalstelle genau angegeben. Bei der Rundung auf eine bestimmte Dezimalstelle ist folgende Regel anzuwenden: Ist die Ziffer der Dezimalstelle, die auf die betreffende Dezimalstelle folgt, größer als oder gleich 5, so erhöht sich die Ziffer der betreffenden Dezimalstelle um eine Einheit. e) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daB die anwendbaren Lösungsverfahren zu einem Ergebnis gleicher Art wie wie bei den Beispielen des Anhags III führen. ANHANG UK*) BERECHNUNGSBEISPIELE A. [NICHT ABGEDRUCKT] B. BERECHNUNG DES EFFEKTIVEN JAHRESZINSES AUF DER GRUNDLAGE EINES STANDARDJAHRES (1 JAHR = 365 TAGE ODER 365,25 TAGE, 52 WOCHEN ODER 12 GLEICH LANGE MONATE) Erstes Beispiel Darlehenssumme: S = 1000 ECU. Diese Summe wird 1,5 Jahre (d.h. 1,5 χ 365 = 547,5 Tage, 1,5 χ 365,25 = 547,875 Tage, 1,5 χ 366 = 549 Tage, 1,5 χ 12 = 18 Monate oder 1,5 χ 52 = 78 Wochen) nach Darlehensaufnahme in einer einzigen Zahlung in Höhe von 1200 ECU zurückgezahlt. Daraus ergibt sich folgende Gleichung: 1000 =

1200

=

1200

547.5

(1 + / )

=

1200

547.875

365

1200

=

18

ABI. Nr. L 166 vom 28. 6. 1991, S. 77.

einer grenzüberschreitenden Überweisung beteiligt sind, beispielsweise bei Zahlungsunfähigkeit, ist besonders auf Fälle höherer Gewalt abzustellen; zu diesem Zweck ist die in Artikel 4 Absatz 6 Unterabsatz 2 Ziffer ii) der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen«) enthaltene Definition des Begriffs „höhere Gewalt" heranzuziehen. (14) Auf der Ebene der Mitgliedstaaten müssen angemessene und wirksame Beschwerdeund Abhilfeverfahren zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten zwischen Kunden und Instituten vorhanden sein, gegebenenfalls unter Benutzung bestehender Verfahren HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: ABSCHNITT I ANWENDUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN Artikel

1

Anwendungsbereich Die Bestimmungen dieser Richtlinie gelten für grenzüberschreitende Überweisungen in den Währungen der Mitgliedstaaten und in Ecu bis zum Gegenwert von 50 000 ECU, die von anderen als den in Artikel 2 Buchstaben a), b) und e) bezeichneten Personen in Auftrag gegeben und von Kreditinstituten oder anderen Instituten ausgeführt werden. Artikel

2

Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck a) „Kreditinstitut" ein Unternehmen im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 77/780/EWG(9> sowie eine in der Gemeinschaft gelegene Zweigstelle eines Kreditinstituts im Sinne von Artikel 1 dritter Gedankenstrich der genannten Richtlinie mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft, die gewerbsmäßig grenzüberschreitende Überweisungen ausführt; b) „anderes Institut" jede juristische oder natürliche Person, außer Kreditinstituten, die gewerbsmäßig grenzüberschreitende Überweisungen ausführt, c) „Finanzinstitut" ein Institut im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates vom 13. Dezember »> ABl. Nr. L 158 vom 23. 6. 1990, S. 59. «») ABI. Nr. L 322 vom 17. 12. 1977, S. 30. Richtlinie zuletzt geändert durch Richtlinie 95/26/EG (ABI. Nr. L 168 vom 18. 7. 1995. S. 7).

712

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten ABSCHNITT II

1993 zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung des Verbots des bevorrechtigten Zugangs gemäß Artikel 104a des Vertrags" 1 »; d) „Institut" ein Kreditinstitut oder ein anderes Institut; im Sinne der Artikel 6, 7 und 8 gelten die an der Abwicklung einer grenzüberschreitenden Überweisung beteiligten Zweigstellen eines Kreditinstituts in unterschiedlichen Mitgliedstaaten als unterschiedliche Institute; e) „zwischengeschaltetes Institut" jedes an der Ausführung einer grenzüberschreitenden Überweisung beteiligte Institut außer dem Institut des Auftraggebers und dem Institut des Begünstigten; f) „grenzüberschreitende Überweisung" einen Geschäftsvorgang, der auf Veranlassung eines Auftraggebers über ein Institut oder eine Zweigstelle in einem Mitgliedstaat zu dem Zweck durchgeführt wird, einem Begünstigten bei einem Institut oder einer Zweigstelle in einem anderen Mitgliedstaat einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, wobei es sich bei dem Auftraggeber und dem Begünstigten um die gleiche Person handeln kann; g) „Auftrag für eine grenzüberschreitende Überweisung" eine von einem Auftraggeber unmittelbar an ein Institut erteilte unbedingte Anweisung in beliebiger Form, eine grenzüberschreitende Überweisung auszuführen; h) „Auftraggeber" eine natürliche oder juristische Person, die eine grenzüberschreitende Überweisung an einen Begünstigten veranlaBt; i) „Begünstigter" den Endempfänger einer grenzüberschreitenden Überweisung, deren entsprechender Betrag ihm auf einem Konto zur Verfügung gestellt wird, über das er verfügen kann; j)

Artikel 3 Vorherige Informationen über die Konditionen für grenzüberschreitende Überweisungen Die Institute stellen ihren tatsächlichen und möglichen Kunden die Informationen über die Konditionen für grenzüberschreitende Überweisungen schriftlich, gegebenenfalls auch auf elektronischem Wege, und in leicht verständlicher Form zur Verfügung. Diese Informationen müssen mindestens folgendes umfassen: -

die Angabe der Zeitspanne, die erforderlich ist, bis der Betrag im Rahmen der Ausführung eines dem Institut erteilten Auftrags für eine grenzüberschreitende Überweisung dem Konto des Instituts des Begünstigten gutgeschrieben wird. Der Beginn dieser Frist ist genau anzugeben;

-

die Angabe der Zeitspanne, die bei Eingang einer grenzüberschreitenden Überweisung erforderlich ist, bis der dem Konto des Instituts gutgeschriebene Betrag dem Konto des Begünstigten gutgeschrieben wird;

-

die Berechnungsmodalitäten aller vom Kunden an das Institut zu zahlenden Provisionen und Gebühren, gegebenenfalls einschließlich der Sätze;

-

gegebenenfalls das von dem Institut zugrunde gelegte Wertstellungsdatum;

-

die Angabe der den Kunden zur Verfügung stehenden Beschwerde- und Abhilfeverfahren sowie der Einzelheiten ihrer Inanspruchnahme;

-

die Angabe der bei der Umrechnung angewandten Referenzkurse.

„Kunde" je nach Zusammenhang den Auftraggeber oder den Begünstigten;

k) „Referenzzinssatz" einen Zinssatz, der einer Entschädigung entspricht und der nach den Bestimmungen festgelegt wird, die von dem Mitgliedstaat erlassen werden, in dem sich das Institut befindet, das die Entschädigung an den Kunden zu zahlen hat; I) „Tag der Annahme" den Tag, an dem sämtliche von einem Institut für die Ausführung einer grenzüberschreitenden Überweisung gestellten Bedingungen hinsichtlich der finanziellen Deckung und der für die Ausführung des Auftrags erforderlichen Informationen erfüllt sind.

m

TRANSPARENZ DER KONDITIONEN FÜR GRENZÜBERSCHREITENDE ÜBERWEISUNGEN

ABI. Nr. L 332 vom 31. 12. 1993, S. 4.

Artikel 4 Nach einer grenzüberschreitenden Überweisung zu erteilende Informationen Die Institute erteilen ihren Kunden, sofern diese nicht ausdrücklich darauf verzichten, nach der Ausführung oder dem Eingang einer grenzüberschreitenden Überweisung klare und leicht verständliche schriftliche Informationen, gegebenenfalls auch auf elektronischem Wege. Diese Informationen müssen mindestens folgendes umfassen: -

eine Bezugsangabe, anhand deren der Kunde die grenzüberschreitende Überweisung bestimmen kann;

-

den eigentlichen Überweisungsbetrag;

-

den Betrag sämtlicher vom Kunden zu zahlender Gebühren und Provisionen;

4.13 Überweisungs-Richtlinie -

gegebenenfalls das von dem Institut zugrunde gelegte Wertstellungsdatum.

Hat der Auftraggeber verfügt, daB die Kosten für die grenzüberschreitende Überweisung ganz oder teilweise vom Begünstigten zu tragen sind, so ist dieser von seinem eigenen Institut hiervon in Kenntnis zu setzen. Ist eine Umrechnung in eine andere Währung erfolgt, so unterrichtet das Institut, das diese Umrechnung vorgenommen hat, seinen Kunden über den von ihm angewandten Wechselkurs. ABSCHNITT III MINDESTVERPFLICHTUNGEN DER INSTITUTE BEI G R E N Z Ü B E R S C H R E I T E N D E N ÜBERWEISUNGEN Artikel 5 Besondere Zusagen des Instituts Ein Institut muB auf Ersuchen eines Kunden hinsichtlich einer grenzüberschreitenden Überweisung, zu der die erforderlichen Angaben gemacht worden sind, in bezug auf die Frist für die Ausführung der Überweisung sowie die damit verbundenen Provisionen und Gebühren - ausgenommen diejenigen im Zusammenhang mit dem anzuwendenden Wechselkurs - bindende Zusagen machen, es sei denn, es wünscht keine Geschäftsbeziehungen zu dem betreffenden Kunden aufzunehmen.

-

(1) Das Institut des Auftraggebers muB die grenzüberschreitende Überweisung innerhalb der mit dem Auftraggeber vereinbarten Frist ausführen. Wird die vereinbarte Frist nicht eingehalten oder ist der Betrag, sofern keine Frist vereinbart wurde, am Ende des fünften Bankgeschäftstags nach dem Tag der Annahme des Auftrags für die grenzüberschreitende Überweisung dem Konto des Instituts des Begünstigten noch nicht gutgeschrieben worden, so hat das Institut des Auftraggebers diesem eine Entschädigung zu zahlen. Die Entschädigung besteht in der Zahlung von Zinsen, die auf der Grundlage des Betrags der grenzüberschreitenden Überweisung unter Anwendung des Referenzzinssatzes berechnet werden, und zwar für den Zeitraum zwischen -

dem Ende der vereinbarten Frist oder - wenn keine Frist vereinbart wurde - dem Ende des fünften Bankgeschäftstags nach dem Tag der Annahme des Auftrags für die grenzüberschreitende Überweisung und

dem Zeitpunkt, zu dem der Betrag dem Konto des Instituts des Begünstigten gutgeschrieben wird.

Desgleichen hat ein zwischengeschaltetes Institut dem Institut des Auftraggebers eine Entschädigung zu zahlen, wenn die Verantwortung für die Nichtausführung der grenzüberschreitenden Uberweisung innerhalb der vereinbarten Frist oder - wenn keine Frist vereinbart wurde vor Ende des fünften Bankgeschäftstags nach dem Tag der Annahme des Auftrags für die grenzüberschreitende Überweisung bei dem zwischengeschalteten Institut liegt. (2) Das Institut des Begünstigten muB diesem den Betrag der grenzüberschreitenden Überweisung innerhalb der mit ihm vereinbarten Frist zur Verfügung stellen. Wird die vereinbarte Frist nicht eingehalten oder ist - wenn keine Frist vereinbart wurde - der Betrag am Ende des Bankgeschäftstags nach dem Tag, an dem der Betrag dem Konto des Instituts des Begünstigten gutgeschrieben wurde, dem Konto des Begünstigten noch nicht gutgeschrieben worden, so hat das Institut des Begünstigten diesem eine Entschädigung zu zahlen. Die Entschädigung besteht in der Zahlung von Zinsen, die auf der Grundlage des Betrags der grenzüberschreitenden Überweisung unter Anwendung des Referenzzinssatzes berechnet werden, und zwar für den Zeitraum zwischen -

dem Ende der vereinbarten Frist oder - sofern keine Frist vereinbart wurde - dem Ende des Bankgeschäftstags nach dem Tag, an dem der Betrag dem Konto des Instituts des Begünstigten gutgeschrieben wurde, und

-

dem Zeitpunkt, zu dem der Betrag dem Konto des Begünstigten gutgeschrieben wurde.

Artikel 6 Verpflichtungen bezüglich der Fristen

713

(3) Eine Entschädigung gemäß den Absätzen 1 und 2 ist dann nicht zu zahlen, wenn das Institut des Auftraggebers oder das Institut des Begünstigten nachweisen kann, daB die Verantwortung für die eingetretene Verzögerung beim Auftraggeber oder dem Begünstigten liegt. (4) Die Absätze 1, 2 und 3 lassen die sonstigen Rechte der Kunden und der an der Ausführung des Auftrags für die grenzüberschreitende Überweisung beteiligten Institute unberührt. Artikel 7 Verpflichtung zur weisungsgemäBen Ausführung des grenzüberschreitenden Überweisungsauftrags (1) Das Institut des Auftraggebers, etwaige zwischengeschaltete Institute und das Institut des Begünstigten sind nach dem Tag der Annahme des Auftrags für die grenzüberschreitende Überweisung verpflichtet, diese in voller Höhe auszuführen, es sei denn, daB der Auftraggeber verfügt hat daB die Gebühren für die grenzüberschrei-

714

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

tende Überweisung ganz oder teilweise vom Begünstigten übernommen werden sollen. Unterabsatz 1 schließt nicht aus, daB das Kreditinstitut des Begünstigten diesem die Kontoführungsgebühren im Einklang mit den geltenden Bestimmungen und Usancen In Rechnung stellt. Diese Inrechnungstellung darf von dem Institut jedoch nicht als Grund dafür herangezogen werden, seinen Verpflichtungen gemäß dem genannten Unterabsatz nicht nachzukommen. (2) Mat das Institut des Auftraggebers oder ein zwischengeschaltetes Institut entgegen den Bestimmungen von Absatz 1 einen Abzug vom Betrag der grenzüberschreitenden Oberweisung vorgenommen, so ist das Institut des Auftraggebers unbeschadet etwaiger sonstiger Forderungen verpflichtet, dem Begünstigten auf Ersuchen des Auftraggebers den abgezogenen Betrag ohne Irgendwelche Abzüge und auf eigene Kosten zu überweisen, es sei denn, der Auftraggeber gibt die Weisung, daß der Betrag ihm selbst gutgeschrieben werden soll. Jedes zwischengeschaltete Institut, das entgegen Absatz 1 einen Abzug vorgenommen hat, muß den abgezogenen Betrag ohne Irgendwelche Abzüge und auf eigene Kosten dem Institut des Auftraggebers oder, wenn dieses entsprechende Anweisungen gibt, dem Begünstigten überweisen. (3) Liegt die Verantwortung dafür, daß der Auftrag für eine grenzüberschreitende Überweisung nicht gemäß den Anweisungen des Auftraggebers ausgeführt worden ist, beim Institut des Begünstigten, so ist dieses unbeschadet etwaiger sonstiger Forderungen verpflichtet, dem Begünstigten auf eigene Kosten jeden Betrag gutzuschreiben, der ungerechtfertigterweise abgezogen wurde. Artikel

8

Erstattungspflicht der Institute bei Nichtabwicklung der Überweisung (1) Werden im Anschluß an einen Auftrag für eine grenzüberschreitende Überweisung, der vom Institut des Auftraggebers angenommen wurde, die überwiesenen Beträge nicht dem Konto des Instituts des Begünstigten gutgeschrieben, so ist das Institut des Auftraggebers unbeschadet etwaiger sonstiger Forderungen verpflichtet, dem Auftraggeber den Überweisungsbetrag bis zu 12 500 ECU wieder gutzuschreiben, und zwar zuzüglich -

der Zinsen auf den Betrag der grenzüberschreitenden Überweisung, die nach dem Referenzzinssatz für die Zeit von der Erteilung des Überweisungsauftrags bis zum Zeitpunkt der Gutschrift zu berechnen sind, und

-

des Betrags der Gebühren für die grenzüberschreitende Überweisung, die vom Auftraggeber entrichtet wurden.

Dem Auftraggeber werden diese Beträge spätestens vierzehn Bankgeschäftstage nach dem Zeitpunkt, zu dem er den Anspruch geltend gemacht hat, zur Verfügung gestellt, es sei denn, die der grenzüberschreitenden Überweisung entsprechenden Beträge wurden inzwischen dem Konto des Instituts des Begünstigten gutgeschrieben. Dieser Anspruch darf nicht vor Ablauf der Frist, die zwischen dem Auftraggeber und seinem Institut für die Ausführung der grenzüberschreitenden Überweisung vereinbart wurde, oder falls keine Frist vereinbart wurde - nicht vor Ablauf der in Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Frist geltend gemacht werden. Ebenso ist jedes zwischengeschaltete Institut, das den Auftrag für eine grenzüberschreitende Überweisung angenommen hat, verpflichtet, dem Institut, von dem es die Anweisung zu deren Ausführung erhalten hat, auf eigene Kosten den Betrag dieser Überweisung, einschließlich der diesbezüglichen Gebühren und Zinsen, zu erstatten. Ist die grenzüberschreitende Überweisung nicht abgewickelt worden, weil letzteres Institut eine fehlerhafte oder unvollständige Anweisung erteilt hat, so hat das zwischengeschaltete Institut sich im Rahmen des Möglichen um die Erstattung des Betrags der grenzüberschreitenden Überweisung zu bemühen. (2) Ist die grenzüberschreitende Überweisung nicht abgewickelt worden, weil ein zwischengeschaltetes Institut, das vom Institut des Begünstigten bestimmt wurde, sie nicht ausgeführt hat, so ist letzteres abweichend von Absatz 1 verpflichtet, dem Begünstigten einen Betrag bis zu 12 500 ECU zur Verfügung zu stellen. (3) Ist die grenzüberschreitende Überweisung nicht abgewickelt worden, well der Auftraggeber seinem Institut eine fehlerhafte oder unvollständige Anweisung erteilt hat oder weil ein vom Auftraggeber ausdrücklich bestimmtes zwischengeschaltetes Institut die Überweisung nicht ausgeführt hat, so haben das Institut des Auftraggebers und die anderen beteiligten Institute sich abweichend von Absatz 1 im Rahmen des Möglichen um die Erstattung des Überweisungsbetrags zu bemühen. Ist der Betrag von dem Institut des Auftraggebers wieder eingezogen worden, so ist dieses Institut verpflichtet, ihn dem Auftraggeber gutzuschreiben. Die Institute einschließlich des Instituts des Auftraggebers sind in diesem Fall nicht verpflichtet, die angefallenen Gebühren und Zinsen zu erstatten, und können die im Rahmen des Wiedereinzugs angefallenen und nachgewiesenen Gebühren abziehen.

715

4.13 Überweisungs-Richtlinie Artikel 9 Fälle häherer Gewalt Die Institute, die an der Ausführung eines Auftrags für eine grenzüberschreitende Überweisung beteiligt sind, sind unbeschadet der Bestimmungen der Richtlinie 91/308/EWG von den sich aus der vorliegenden Richtlinie ergebenden Verpflichtungen befreit, wenn sie Gründe höherer Gewalt - d.h. ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen EinfluB hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können - geltend machen können, die im Zusammenhang mit diesen Bestimmungen von Bedeutung sind. Artikel 10 Beilegung von Streitigkeiten

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 12 Bericht an das Europäische Parlament und den Rat Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens zwei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist für diese Richtlinie einen Bericht über deren Anwendung vor, dem gegebenenfalls Vorschläge für ihre Änderung beigefügt werden. In diesem Bericht ist insbesondere die Frage der Frist gemäß Artikel 6 Absatz 1 anhand der Gegebenheiten jedes Mitgliedstaats und der technischen Entwicklungen zu prüfen.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß angemessene und wirksame Beschwerde- und Abhilfeverfahren zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten zwischen einem Auftraggeber und seinem Institut bzw. zwischen einem Begünstigten und seinem Institut vorhanden sind, gegebenenfalls unter Benutzung bestehender Verfahren.

Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.

ABSCHNITT IV

Artikel 14

SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 11 Umsetzungsfrist (1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie bis zum 14. August 1999 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

Artikel 13 Inkrafttreten

Adressaten Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 27. Januar 1997. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident J. M. GIL-ROBLES Im Namen des Rates Der Präsident G. ZALM

G E M E I N S A M E ERKLÄRUNG - E U R O P Ä I S C H E S PARLAMENT, RAT UND K O M M I S S I O N Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission nehmen den Willen der Mitgliedstaaten zur Kenntnis, die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie bis zum 1. Januar 1999 nachzukommen.

716

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

7V. Abschluß- und inhaltsgestaltende Regeln zum Schutz von Kapitalanlegern 1. Regeln zu den Transaktionen (Abschlüssen) auf den 4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

Kapitalmärkten

(Auszüge)

Richtlinie des Rates vom 10. 5. 1993 über Wertpapierdienstleistungen (93/22/ EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände; Kommentare: Assmann, Heinz-Dieter / Schütze, Rolf, Handbuch des Kapitalanlagerechts2, München (Beck) 1997; Becker, Joachim, Das neue Wertpapierhandelsgesetz, Berlin (Schmidt) 1995; Egan, Manus / Rushbrooke, Justin / Lockett, Nicholas, EC Financial Services Regulation, London ua (Wiley Chancery) 1994; Ferrarmi, Guido (Ed), European Securities Markets - the Investment Services Directive and beyond, London ua (Kluwer) 1998; Kaiser, Andreas, Die Harmonisierung des Europäischen Kapitalmarktrechts und das Recht des Wertpapierhandels in Italien und Deutschland, Konstanz (Hartung-Gorre) 1996; Klenke, Hilmar, Börsendienstleistungen im Europäischen Binnenmarkt - die Marktkonzeption der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie am Beispiel der Aktienmärkte, Berlin (Duncker & Humblot) 1998; Koller, Ingo, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§§ 31-37 WpHG), in: Assmann, Heinz-Dieter / Schneider, Uwe (Hrsg), Wertpapierhandelsgesetz, Köln (Schmidt) 1995; Kümpel, Siegfried, Wertpapierhandelsgesetz eine systematische Darstellung, Berlin (Schmidt) 1996; Schäfer, Frank, Haftung für fehlerhafte Anlageberatung und Vermögensverwaltung2, Köln (RWS) 1995; Schäfer, Frank / Müller, Jörg, Haftung bei Wertpapierdienstleistungen, Köln (RWS) 1998; Schön, Michael, Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem zweiten Finanzmarktförderungsgesetz - Auswirkungen auf die Anlageberatung der Kreditinstitute, Hamburg (Lit) 1998; Stafflage, Axel, Die Anlageberatung der Banken - das Kreditinstitut im Spannungsverhältnis zwischen Informationspflicht und Insiderhandelsverbot, Berlin (Schmidt) 1996; Vortmann, Jürgen, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken4, Köln (RWS) 1997. 2. Aufsätze und Beiträge: Arendts, Martin, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung - BGH NJW 1993, 2433, JuS 1994, 915-919; Balzer, Feter, Discount Broking im Spannungsfeld zwischen Beratungsausschluß und Verhaltenspflichten nach WpHG, DB 1997, 2311-2318; Ders, Anlegerschutz bei Verstößen gegen die Verhaltenspflichten nach §§ 31 ff Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), ZBB 1997, 260-269; Cahn, Andreas, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998) 1-50; Ferrarmi, Guido, Towards a European Law of Investment Services and Institutions, CMLR 31 (1994) 1283-1311; Gaßner, Otto /Escher, Markus, Bankpflichten bei der Vermögensverwaltung nach Wertpapierhandelsgesetz und BGH-Rechtsprechung, WM 1997, 93-104; Grottke, Sybille, Die EG-Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie, EuZW 1993, 440-442; Heinsius, Theodor, Pflichten und Haftung der Kreditinstitute bei der Anlageberatung - zugleich eine Besprechung der Entscheidung des BGH vom 6. 7. 1993 - XI ZR 12/93 (Bond-Anleihe-Fall), ZBB 1994, 44,

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

717

ZBB 1 9 9 4 , 4 7 - 5 7 ; Hopt, Klaus, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz - insbesondere Insidergeschäfte und Ad-hoc-Publizität, Z H R 159 (1995) 135-163; Horn, Norbert, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, Z B B 1 9 9 7 , 1 3 9 - 1 5 2 ; Jentsch, Werner, Die EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie - Entstehungsgeschichte und Inhalt, WM 1993, 2189-2195; Knobl, Peter, Die Wohlverhaltensregeln der §§ 11 bis 18 des österreichischen Wertpapieraufsichtsgesetzes, ÖBA 1997, 3 - 2 0 ; Köndgen, Johannes, Wieviel Aufklärung braucht ein Wertpapierkunde? - Bemerkungen zum Richtlinienentwurf des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel nach § 35 II WpHG, Z B B 1996, 3 6 1 - 3 6 5 ; Krimphove, Dieter, Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz - ein Beitrag zur „Europäisierung" des Wertpapierrechts, J Z 1994, 2 3 - 3 0 ; Kümpel, Siegfried, Das Effektengeschäft im Lichte des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes, WM 1993, 2 0 2 5 - 2 0 3 1 : Oers, Die allgemeinen Verhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes, WM 1995, 6 8 9 - 6 9 4 ; Lastenouse, Pierre, Les règles de conduite et la reconaissance mutuelle dans la directive sur les services d'investissement, Revue du Marché Unique Européen 1995, 79-120; Metz, Rainer, Discount-Broker - Bankgeschäfte und technologische Veränderungen, VuR 1 9 9 6 , 1 8 3 - 1 8 9 ; Metzger, Jochen, EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie als Herausforderung für die Wertpapiermärkte, Sparkasse 1993, 3 6 1 - 3 6 3 ; O'Neill, Nicholas, The Investment Services Directive, in: Cranston, Ross (Ed), Single Market and the Law of Banking 2 , London ua (Lloyd's) 1 9 9 5 , 1 8 9 - 2 1 6 ; RaeschkeKessler, Hilmar, Grenzen der Dokumentationspflicht nach § 31 II Nr 1 WpHG Anmerkungen zum Bankgeheimnis und informationellen Selbstbestimmungsrecht der Kunden, WM 1996, 1764-1768; Rellermeyer, Klaus, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung - Bericht über den Bankrechtstag am 30. 6. 1995 in Berlin, WM 1995, 1981-1988; Rössner, Michael· Christian / Arendts, Martin, Die Haftung wegen Kontoplünderung durch Spesenschinderei (Churning), WM 1996, 1517-1528; ν Rosen, Rüdiger, Zweites Finanzmarktförderungsgesetz und Privatanleger, Die Bank 1995, 9 - 1 4 ; Schäfer, Frank, Materielle Aspekte der EG-Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen, AG 1993, 3 8 9 - 4 1 0 ; Scharrenberg, Wolfgang, Die Dokumentation in der Anlageberatung nach den §§ 31, 34 Wertpapierhandelsgesetz, Sparkasse 1995, 108-112; Schödermeier, Martin, Nachforschungspflicht einer Bank als Vermögensverwalterin zur Person ihres Kunden, WM 1995, 2 0 5 3 - 2 0 6 0 ; Schwark, Eberhard, Die Verhaltensnormen der §§ 31 ff WpHG, in: Hadding, Walther / Hopt, Klaus / Schimansky, Herbert (Hrsg), Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Berlin / New York (de Gruyter) 1996, 109-133; Shea, Tony, The proposed Investment Services Directive, in: Cranston, Ross (Ed), The Single Market and the Law of Banking, London ua (Lloyd's) 1991, 115-137; Wortmann, Jürgen, Anlegergerechte Beratung und Maßnahmen zur Reduzierung des Haftungsrisikos, ÖBA 1994, 5 7 9 - 5 8 7 ; Wouters, Jan, EC Harmonisation of National Rules Concerning Securities Offerings, Stock Exchange Listing and Investment Services, EBLR 1993, 199-202, 2 1 9 - 2 2 5 .

718

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten Λ. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand

1 Für das Investment Banking bildet die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (außer für die Solvenzüberwachung) das Grundgesetz für die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt. Vertragsrechtsrelevante Regelungen enthalten Art 11, ansatzweise auch Art 10 und 15 RL. Alle gelten für reine Wertpapierdienstleister ebenso wie für Kreditinstitute iS der 1. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie, dies für alle bekannten Effekten und diesbezüglichen Instrumente, soweit sie Gegenstand einer Emission, des Handels für Dritte oder der Vermögensverwaltung wurden (nicht nur der isolierten Anlageberatung). Ausnahmen gelten vor allem für Versicherer, Investmentfonds und die freien Berufe. Art 10 RL beauftragt das Herkunftsland, bei den Anbietern eine Organisation vorzusehen, die eine ordnungsgemäße Datenverarbeitung und die Minimierung von Interessenkonflikten verbürgt, desweiteren Dokumentationspflichten und effiziente Maßnahmen zum Schutz von Kundenpapieren und -geldern vor Insolvenz oder Untreue des Anbieters. Art 11 RL beauftragt das Gastland, als Wohlverhaltensregeln eine Interessenwahrungs- und Sorgfaltspflicht vorzusehen, desgleichen eine Pflicht zu Beratung und Aufklärung sowie das präventiv wirkende Gebot, Interessenkonflikte auszuräumen. Die Beachtung aller Rechtsnormen zur Geschäftsausübung ist dem Kunden vertraglich geschuldet. Art 15 RL verpflichtet die Mitgliedstaaten, Beschränkungen und Diskriminierungen, die von den Trägern geregelter Märkte, vor allem Börsen, ausgehen, zu unterbinden, zumindest schrittweise abzubauen. Damit werden diese Träger einem Kontrahierungszwang unterworfen. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2 Die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie bildet für den Bereich des Investment Banking das Pendant zur vorangegangenen 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie, die allein das Commercial Banking betrifft.1 Wurde diese als ein „Grundgesetz" für den Banksektor bezeichnet,2 so gilt Gleiches noch verstärkt für die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie. Diese erging, um für die Wertpapierdienst-

1

Nachw zu dieser oben § 7 Einl Fn 31. Diese Richtlinie und die anderen zentralen sonstigen bankaufsichtsrechtlichen Richtlinien (vgl § 7 Einl Fn 32 f) verweisen in der jeweiligen Einleitungsnorm auf Art 1 der Ersten Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie (§ 7 Einl Fn 30) mit seiner engen Definition des Begriffs des Kreditinstituts. Dieses ist danach ein „Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren." Nicht einbezogen sind also Institute, die entweder nur Einlagen- oder nur Kreditgeschäfte betreiben, vor allem jedoch solche, die nur Wertpapiergeschäfte tätigen.

2

Bader, Inhalt und Bedeutung der 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie - ein „EG-Grundgesetz" für die Banken?, EuZW 1990, 117.

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

719

leister denselben Schritt zur grundsätzlichen Durchsetzung des Herkunftslandprinzips zu vollziehen, der im Bereich des Commercial Banking mit der 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie getan worden war. Damit sollten auch Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der (deutschen) Universalbanken ausgeräumt werden: Diese unterlagen als Kreditinstitute der 2. BankrechtskoordinierungsRichtlinie, also allein der Herkunftslandkontrolle, und dies auch für ihre Wertpapiergeschäfte, während Gleiches für reine Wertpapierdienstleister noch nicht galt. 3 Es sollte also nunmehr auch für (reine) Wertpapierdienstleister der „Paß" für ein ungehindertes Geschäft in ganz Europa geschaffen werden. Während ursprünglich ein einziger europäischer Kapitalmarkt unter einheitlicher 3 Aufsicht angestrebt worden war, 4 wurde seit dem Beitritt Großbritanniens auf das Zusammenspiel einander nur stark angenäherter Rechtsordnungen, also integrierter, jedoch nationaler Märkte gesetzt. s Das galt auch für die Sekundärmärkte, auf denen bereits piazierte Effekten gehandelt werden. Daß im Zusammenspiel der Sekundärmärkte Verhältnisse wie auf einem einheitlichen Markt herrschen, soll die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie verbürgen. Wie im Falle der 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie wurde eine entscheidende Voraussetzung für die Erteilung der gemeinschaftsweit wirkenden Zulassung, die Frage der Einhaltung von Solvenzregeln, auf eine zweite Richtlinie ausgelagert, die sogenannte Kapitaladäquanz-Richtlinie. 6 Die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie geht jedoch über die 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie - häufig zu wenig gewürdigt - 7 noch weit hinaus und 3

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s

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Zur Ergänzungs- und Wettbewerbsneutralisierungsfunktion der Richtlinie vgl etwa Schäfer, AG 1993, 389 (389 f). Vgl sog Segré-Bericht: EWG-Kommission, Der Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts - Bericht einer von der EWG-Kommission eingesetzten Sachverständigengruppe, 1966; Grundmann, ZSR 115 nF (1996) 103 (103 f); Schäfer, AG 1993, 389 (389 f); vgl auch Assmann, in: Assmann / Schütze (Hrsg), Kapitalanlagerecht, § 1 Rn 95. Vgl dazu etwa Seidel, Rechtliche Grundlagen eines einheitlichen Kapitalmarktes der Europäischen Gemeinschaft, FS Lukes 1989, 575 (581, 584 f, 588 f); sowie krit Assmann, Die Regelung der Primärmärkte für Kapitalanlagen mittels Publizität im Recht der Europäischen Gemeinschaft, AG 1993, 549 (555 f); ders, Die rechtliche Ordnung des europäischen Kapitalmarkts - Defizite des EG-Konzepts einer Kapitalmarktintegration durch Rechtsvereinheitlichung, ORDO 1993, 87 (bes 104 f); grundsätzlich positiv: Grundmann, ZSR 115 nF (1996) 103 (bes 124-135); grundlegend: Buxbaum /Hopt, Legal Harmonization, p. 1 - 2 3 , 2 8 0 - 2 8 3 ; vgl auch die Zusammenfassung bei Weber, Kapitalmarktrecht S 81-90. Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15. 3. 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, AB1EG 1993 L 141/1. Im Bereich des Commercial Banking wurde das Grundinstrumentarium der Solvenzkontrolle sogar auf zwei Richtlinien verteilt, diejenigen über die Eigenmittel und über einen Solvabilitätskoeffizienten (Nachw § 7 Einl Fn 32 und 33). Die beiden ersten deutschsprachigen Monographien zum Europäischen Bankvertragsrecht kommentieren die Wohlverhaltensregeln, dh das wesentliche Pflichtengefüge für die Wertpapierdienstleistungen, (praktisch) nicht: vgl Knaul, Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes auf das Bankvertragsrecht; Wernicke, Privates Bankvertragsrecht im EG-Binnenmarkt; vgl jedoch auch Schäfer, AG 1993, 389 (390). Gut erschlossen ist

4

720

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

dies gerade in den im vorliegenden Zusammenhang relevanten Bereichen: Waren für das Commercial Banking im Zusammenhang mit der 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie die Solvenz- und Aufsichtsregeln angeglichen worden, jedoch die Fragen der Vertragsbeziehung der Institute zum Kunden (oder auch zu anderen Unternehmen) nicht angesprochen worden,8 so geschah ebendies für das Investment Banking in den zentralen Punkten: Art 10 und vor allem Art 11 RL enthalten eine umfassende Regelung des Pflichtenkanons, der den Wertpapierdienstleister an hohe Standards bindet. Art 15 RL enthält außerdem einen Kontrahierungszwang für Träger geregelter Märkte in den Fällen, in denen Wertpapierdienstleister aus dem EG-Ausland Zugang begehren. Da diese Regeln über den durch die 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie verbürgten Standard hinausgehen, gelten sie auch für Kreditinstitute, die bereits dieser unterfallen und daher vom Großteil der Regelungen der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie ausgenommen werden konnten (Art 2 1 2 RL). 5 Vorausgegangen war schon 1977 eine Empfehlung mit „Allgemeinen Grundsätzen" und „Speziellen Grundsätzen", ein „European Code of Conduct". 9 Die Allgemeinen Grundsätze stimmen mit der heutigen Regelung in Art 10 f RL weitestgehend überein; soweit sie jedoch abweichen, ist nicht gesichert, daß sie als Auslegungshilfe heranzuziehen sind.10 Die speziellen Grundsätze konkretisierten die allgemeinen, indem sie einige typische, anstößige Praktiken besonders benennen. Die Konkretisierungen fehlen in der Richtlinie, finden sich jedoch auch im deutschen Umsetzungsgesetz (§ 32 WpHG). Inhaltlich bedeutet dies für das Vertragsverhältnis keinen Unterschied, da mit Churning, Scalping bzw Frontrunning etc bereits die allgemeine Interessenwahrungspflicht des Art 11 I 4 1. Spiegelstrich RL bzw der Prioritätsgrundsatz des Art 1 1 1 4 6. Spiegelstrich RL verletzt werden.11 6 Nur eine Regel aus dem Kanon der Wohlverhaltensregeln war schon im ursprünglichen Vorschlag zu finden, diejenige, daß Interessenkonflikten vorzubeugen sei (heute Art 10 S 2 5. Spiegelstrich und Art 111 4 6. Spiegelstrich RL). Ursprünglich sollten diese nur „möglichst gering" gehalten werden. Demgegenüber statuierte

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das Gebiet durch die Kommentierung von Assmann / Schneider (-Koller), Wertpapierhandelsgesetz, die freilich der relativ stark abw Systematik des deutschen Umsetzungsgesetzes folgt. AA nur Wolf, W M 1990, 1941 (1943-1952); dagegen etwa Hommelboff, AcP 192 (1992) 71 (100-102); Müller-Graff, NJW 1993, 13 (18); zum Problemkomplex parallel zu Wolf auch Grundmann, Bankaufsichtsrecht, S 4 3 - 4 6 , 5 6 - 6 7 ; Schneider / Troberg, W M 1990, 165 (168-172). Empfehlung 7 7 / 5 3 4 / E W G der Kommission vom 25. 7. 1977 betreffend europäische Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen, AB1EG 1977 L 2 1 2 / 3 7 ; Textberichtigung AB1EG 1977 L 2 9 4 / 2 8 . So etwa Assmann / Schneider (-Koller), Vor § 31 WpHG, Rn 4, § 3 1 WpHG, Rn 81. Hinzuweisen ist freilich zugleich auf den starken britischen Einfluß auf die letztlich verabschiedete Fassung der Wohlverhaltensregeln: Ferrarmi, CMLR 31 (1994) 1283 (1304); Köndgen, ZBB 1996, 361 (362). Vgl genauer unten Rn 18, 2 5 f; ebenso im Grundsatz Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S 178.

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

721

der geänderte Vorschlag auf Intervention des Wirtschafts- und Sozialausschusses eine uneingeschränkte Pflicht, Interessenkonflikte zu vermeiden. Die heutige Regel erscheint in der erstgenannten Norm als die Rückkehr zur Fassung des ursprünglichen Vorschlages, in der zweitgenannten als ein Kompromiß: Nach diesem müssen nur die vermeidbaren Interessenkonflikte ausgeräumt werden und ist demnach eine Zumutbarkeits- oder Angemessenheitsprüfung anzustellen. Die Intervention des Wirtschafts- und Sozialausschusses war jedoch nicht nur in diesem Einzelpunkt wegweisend. Der Ausschuß plädierte weitergehend dafür, das gesamte Pflichtengefüge der Wertpapierdienstleistung zu regeln, also den Inhalt der Empfehlung von 1977 - Allgemeine Grundsätze - in die Richtlinie zu übernehmen. Der geänderte Vorschlag enthielt in seinem Art 11 bereits vertragsbezogene Aufsichtsregeln, die denjenigen in Art 10 R L weitgehend entsprachen, sogar zwei zusätzliche Spiegelstriche enthielten und insbesondere auch bereits das Gebot umfaßten, Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Wohlverhaltensregeln selbst fanden freilich erst in Art 11 RL Eingang. Zum Umfeld der vertragsrechtlichen Regeln der Wertpapierdienstleistungs- 7 Richtlinie gehören zuvörderst alle Regeln des Europäischen Kapitalmarktrechts, die die Bekanntmachung standardisierter Informationen vorsehen. 12 Denn die Beratungs- und Aufklärungspflichten der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und auch die anderen Wohlverhaltensregeln haben ihren Hauptanwendungsbereich bei der Beratung - dienen vor allem dem Ziel, diese standardisierten Informationen für den konkreten Anleger handhabbar zu machen. Primäres Ziel ist auch insoweit, konkreter auf jeden einzelnen Anleger zugeschnitten, die Voraussetzungen für eine informierte Anlegerentscheidung zu schaffen. 13 c) Kompetenz

und grundsätzliche

Wirkungsweise

Die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie wurde auf Art 5 7 II E G V gestützt. 8 Diese erlaubt Maßnahmen, die die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat erleichtern. Für den aufsichtsrechtlichen Teil der Richtlinie, der parallel zu demjenigen in der 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie erging und den Großteil der Regelung bildet, ist dies die zutreffende Kompetenzgrundlage. In den hier behandelten Teilen betrifft die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie jedoch das Verhalten am (Sekundär-)Markt und wäre daher zutreffender wie die Insiderhandels-Richtlinie (4.21) seit dem geänderten Vorschlag - auf Art 100a E G V gestützt worden. Zwei Fragen der Wirkungsweise erscheinen zentral, wurden jedoch kaum diskutiert und sind nicht geklärt: diejenige nach der Zulässigkeit zusätzlicher nationaler Regeln und diejenige nach der privatautonomen Abdingbarkeit der Wohlverhaltensregeln. Etwas anders als in der 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie ist die Frage 9 nach der Relevanz der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses im Gastland

12 13

Für Ubersichten zu diesen Regeln vgl oben 1. Teil Fn 19. Assmann, in: Assmann / Schütze (Hrsg), Kapitalanlagerecht, § 1 Rn 53, 55, 63 f; Assmann / Schneider {-Koller), Vor § 31 WpHG, Rn 11 f, 14.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

zu beurteilen. Ein allgemeiner Vorbehalt zugunsten solcher Gründe war im Rahmen der 2. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie angebracht, da das Vertragsrecht des Commercial Banking nicht parallel harmonisiert wurde. 14 Dies ist anders im Investment Banking, da Art 10 f RL die Frage des vertraglichen Pflichtengefüges für Wertpapierdienstleistungen umfassend normieren, so daß kein zentraler Bereich ungeregelt blieb. Allerdings werden - trotz der detaillierten Ausgestaltung - die Regeln in Art 10 RL als bloße Regelbeispiele verstanden („insbesondere") bzw in Art 11 RL als bloßer Minimumstandard („zumindest"). Beide Normen unterscheiden sich allerdings diametral hinsichtlich der Regelungskompetenz, die im ersten Fall das Herkunftsland, im zweiten das Gastland hat. Im ersten Fall können daher strengere nationale Regeln einem ausländischen Unternehmen wiederum nicht entgegengehalten werden, wenn es im Gastland Wertpapierdienstleistungen anbieten will und die Aufsichtsregeln nach seinem Heimatrecht erfüllt, das wiederum dem Mindeststandard der Richtlinie genügt. 15 Im Falle des Art 11 RL erfaßt die strengere nationale Norm - soweit sie zu rechtfertigen ist - auch ausländische Anbieter, da Art 28 RL allgemein die Diskriminierung, also auch die Inländerdiskriminierung, durch ein und denselben nationalen Gesetzgeber untersagt. Eben dies meinen offenbar Art 17 IV und 18 II RL, die es zulassen, daß alle, auch über Art 11 RL hinausgehende Wohlverhaltensregeln des Gastlandes, soweit sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, auch gegenüber Zweigniederlassungen oder Dienstleistungen von Wertpapierdienstleistern aus dem EG-Ausland durchgesetzt werden. 16 Mit anderen Worten: Erklärt der Gemeinschaftsgesetzgeber das Gastland für bestimmte Fragen für regelungsbefugt - und dies muß jedenfalls möglich sein, wenn er sich von einer Standardisierung am Markt Effizienzgewinne verspricht - , so kann die Richtlinie bei Zulassung strengerer nationaler Regeln nur dahingehend verstanden werden, daß sie deren Durchsetzung auch gegenüber ausländischen Anbietern gestattet. Art 100a III, IV E G V , der ebendies nur unter engen Voraussetzungen gestattet, ist auf diejenigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zugeschnitten, die das Herkunftslandprinzip verwirklichen und damit den Standardfall bilden.

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Radicati di Brozolo, Foro it. 1990-IV, 4 5 4 (459 seq); Grundmann, Bankaufsichtsrecht, S 14 f; en passant auch Mengozzi, Riv.dir.europ. 1993, 4 4 7 (459-461); Roeges, YbEL 1993, 2 9 5 ( 3 2 0 - 3 2 3 ) . Vgl oben 1. Teil Rn 110-120. Speziell für die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie offenbar ebenso Ferrarmi, CM LR 31 (1994) 1283 (1298). Für das Insiderhandelsverbot ist diese Lösung denknotwendig, vgl unten 4.21 Rn 10. Dieses Gebot entspricht jedoch allgem in all den Fällen, in denen das Gastland die Regelungsbefugnis parallel sowohl für in- als auch für ausländische Anbieter hat, also derselbe Gesetzgeber Transaktionen beider Anbietergruppen regelt, einem (auch europarechtlichen) Gleichheitssatz. Für die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie entspr: Ferrarmi, CMLR 31 (1994) 1283 (1297-1300); Schwark, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (112) (jeweils auch zu den Grenzen, insbes im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die den Erhalt der Integrationswirkung der Harmonisierung sicherstellen sollen).

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

723

Ein zweiter wesentlicher Aspekt der Wirkungsweise ist ebenfalls in anderen E G Richtlinien eindeutiger geregelt: Sie erklären die jeweilige Regelung für zwingend (vgl etwa Art 5 III der Pauschalreise-Richtlinie, [4.01]; Art 8 TimesharingRichtlinie, [4.02]; Art 14 der Verbraucherkredit-Richtlinie, [4.10]). Erhebliche Bedeutung hat die Frage, ob Gleiches auch für Art 10 f R L gilt, vor allem für die Direktbanken (Direct Banking oder Discount Broker). Für sie ist strittig, ob einverständlich auf eine Beratung verzichtet werden darf, etwa gegen einen Abschlag bei den Gebühren. 1 7 In der deutschen Literatur wird der zwingende Charakter der (deutschen) Regelung aus dem Umstand abgeleitet, daß es sich um Aufsichtsregeln handele. 18 Selbst wenn dies für das W p H G zuträfe, wäre dies mit Blick auf die Richtlinie zu hinterfragen. Zum einen unterscheidet diese zwischen Aufsichtsregeln (Art 10 RL) und Wohlverhaltensregeln (Art 11 RL), die in Deutschland und Großbritannien eher aus vertraglich vereinbarten, jedenfalls aus Individualschutzregeln hervorgegangen sind. 19 Sogar im Rahmen von Art 10 RL ist nur der vierte Spiegelstrich zu den Dokumentationspflichten so formuliert, daß er allein auf Aufsichtsbedürfnisse zugeschnitten erscheint. Zum anderen ist der zwingende Charakter der Richtlinienregelung auch nicht schlüssig mit ihrem verbraucherschützendem Charakter zu begründen. Zwar wird der „Grundzug des europäischen Verbraucherschutzrechts ... [in] dessen zwingendem Charakter" gesehen. 2 0 Gerade im Bankrecht bestimmt jedoch eher das Transparenzmodell das Bild und nicht die zwingende Statuierung bestimmter Vertragspflichten. 21 So sind Kreditinstitute (selbst im Verhältnis zu Verbrauchern) nicht gezwungen, grenzüberschreitende Überweisungen in bestimmten Fristen auszuführen, wenn sie dies offengelegt haben und der Kunde darauf eingegangen ist. Jedenfalls für die beruflichen Kunden, die wichtigste Kundengruppe der Direktbanken, ist dieser Begründungsansatz ohnehin nicht tragfähig.

Vgl näher unten Rn 22. ι» Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 126 f; zweifelnd Köndgen, WuB I G 4.-7. 94. Den zwingenden Charakter als entscheidende Neuerung gegenüber früherem RsprRecht sehend: Cahn, ZHR 162 (1998) 1 (34). 19 Für Deutschland für die Beratungspflicht etwa BGH NJW 1993, 2433 (2433 f) = WM 1993, 1455 (1456 f); Cahn, ZHR 162 (1998) 1 (33); Schödermeier, WM 1995,2053 (2053); ausführlich Schwark, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (118-125) (vertragliche Herkunft, Schutzgesetz iSv § 823 II BGB); für die Wohlverhaltensregeln genereller: Gaßner / Escher, WM 1997, 93 (104); Kumpel, WM 1995, 689 (689, 691 f). Für Großbritannien: Ferrarmi, CM LR 31 (1994) 1283 (1304-1306); vgl auch Blair, Financial Services - The New Core Rules, 1991, p. 6, 43. 20 Schiemann, in: Schnyder / Heiss / Rudisch (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 131 (134); ebenso Deutsch, Aspekte für ein europäisches Haftungsrecht - Versuch einer kritischen, dogmatischen Bestandsaufnahme, KF 1992, 4 (8); ν Bar, FS Lange 1992, 373 (378). 21 Vgl die Ausführungen oben 4.10 und 4.13 Rn 28 bzw 18. 17

724

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

2. Inhalt a)

Anwendungsbereich

11 Der Anwendungsbereich der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie ist auch für die Regelung der Art 10 f, 15 RL von Bedeutung. Die Eckpunkte sind geklärt: Die genannten materiellen Regeln gelten für Wertpapierdienstleister iSd Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie und für Kreditinstitute iSd 1. Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie gleichermaßen (vgl Art 2 11 und 2 RL). Von den erfaßten Instrumenten her regelt die Richtlinie alle bekannten Wertpapiere und wertpapierbezogenen, standardisierten Instrumente (Optionen und [sonstige] Derivate).22 Von den diesbezüglichen Dienstleistungen her ist der Anwendungsbereich demgegenüber teilweise eingeschränkt: Diese müssen zunächst für Dritte erbracht sein (Art 1 Nr 1 RL), so daß der Eigenhandel schon aus diesem Grunde nicht in den Anwendungsbereich fällt. Sodann unterscheidet die Richtlinie zwischen Dienstleistungen (Anhang A iVm Art 1 Nr 1 RL) und Nebendienstleistungen (Anhang C), die nur als Annexgeschäft unter die Richtlinie fallen (vgl näher vor allem die zentrale Zugangsregel des Art 3 1 4 und 5 RL). Das Emissionsgeschäft und der Effektenhandel für Dritte stellen umfassend Dienstleistungen iSd Anhangs A dar,23 ebenso die Vermögensverwaltung von Portefeuilles. Demgegenüber unterfallen Anhang C die isolierte Anlageberatung,24 jedoch auch das reine Depotgeschäft (Verwahrung und Verwaltung) und Geschäfte, die nur mit unternehmerischen Großkunden getätigt werden, vor allem die Unterstützung bei Übernahmeaktivitäten und bei der Durchführung von Strukturmaßnahmen. Auch der persönliche Anwendungsbereich ist eingeschränkt - dies durch eine lange, jedoch recht punktuell gefaßte und erschöpfende Liste, die folgende Anbieter umfaßt (Art 2 II RL): Versicherungsunternehmen; beruflich Handelnde, die nur für andere Unternehmen des Konzerns bzw für Arbeitnehmer oder aber nur gelegentlich tätig werden (Rechtsanwälte uä); Institutionen mit Zentralbankfunktion; den Effektenhandel im Zusammenhang mit Investmentfondstätigkeiten sowie bestimmte allein auf Rohstoff-, Finanztermin- und Optionsmärkte spezialisierte Unternehmen. b) Aufsichts- und Wohlverhaltensregeln zur Vertragsbeziehung mit dem Kunden 12 aa) Nicht durchweg vertragsbezogen sind die Aufsichtsregeln des Art 10 RL. Nicht nur darin unterscheiden sie sich von den Wohlverhaltensregeln nach Art 11 RL, sondern vor allem in zwei weiteren Punkten, deren zweiter freilich nicht überbewertet werden sollte: Zunächst ist für die Regeln nach Art 10 RL das Herkunftsland, nicht das Gastland zuständig - und dies gilt auch für die Festle22

23 24

Grottke, EuZW 1993, 440 (441); Schäfer, AG 1993, 389 (391). Vgl Art 1 Nr 1 und 2 RL iVm Anh Β RL iVm Art 1 Nr 4 und 5 RL. Zu diesbezüglichen Auslegungsschwierigkeiten Schäfer, AG 1993, 389 (391). Krit und an der Abgrenzbarkeit zweifelnd: Schäfer, AG 1993, 389 (391, 393). Gemeint ist nicht die Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Effektenhandel, sondern nur die isolierte Anlageberatung der Wertpapieranalysten oder Börseninformationsdienste.

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

725

gungen in der Frage, ob Anbieter strengeren als den Mindeststandards der Richtlinie unterworfen werden. 2 5 Sodann handelt es sich um Aufsichts-, nicht Wohlverhaltensregeln. Also scheint das öffentliche Interesse im Vordergrund zu stehen. Dies ist vor allem für die Frage der Verletzungsfolgen von Bedeutung, für die Frage, ob geschädigte Anleger aus einem Verstoß Ansprüche (insbesondere auf Schadensersatz) herleiten können. Zur Beantwortung dieser Frage zieht der E u G H jeweils die gemeinschaftsrechtliche Norm heran, die die verletzte Pflicht regelt 2 6 - dies obwohl die Sanktionen durch den nationalen Gesetzgeber festgesetzt werden. O b der deutsche Gesetzgeber §§ 33 f W p H G auch als Schutznorm zugunsten von Privatrechtssubjekten verstanden wissen wollte oder nicht, 2 7 ist also unbeachtlich. 2 8 Sehr fraglich ist, ob der E u G H allein deswegen, weil Art 10 R L seinem Wortlaut nach Aufsichtsregeln und nicht Wohlverhaltensregeln enthält, den Schutznormcharakter bei allen Spiegelstrichen des Art 10 R L verneinen wird. Im einzelnen: Organisationspflichten enthalten der erste und fünfte Spiegelstrich, einmal mit 13 dem Ziel, eine funktionierende Datenverarbeitung zu gewährleisten, und einmal mit demjenigen, Interessenkonflikte zwischen dem Anbieter und seinen Kunden bzw zwischen verschiedenen seiner Kunden möglichst gering zu halten. Soweit dadurch auch Interessen des Kunden unmittelbar betroffen sind - so in Fragen des Datenschutzes und so generell bei Interessenkollisionen - , werden diese Pflichten auch als Standards in die vertragliche Beziehung eingehen. Dafür spricht teils ein Umkehrschluß, teils die Präambel der Richtlinie: Im vierten Spiegelstrich, nicht jedoch im ersten und fünften, wird die Zielrichtung dahingehend eingeschränkt, daß der Zugriff seitens der Behörden erleichtert werden solle. Und in der Präambel wird in diesem Zusammenhang der Anlegerschutz - also der Schutz einzelner Privatrechtssubjekte - gleichwertig neben dem Funktionsschutz genannt ( 2 . - 5 . und 3 2 . und 4 2 . Erwägungsgrund). Dieses Ergebnis bestätigt Art 11 I 4 7. Spiegelstrich R L . 2 9 Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß der erste Spiegelstrich nur einen Regelungsauftrag enthält, die vertraglich geschuldeten Standards, etwa in Datenschutzfragen, jedoch nicht harmonisiert. Demgegenüber erfolgte für die Interessenkonflikte solch eine Harmonisierung durchaus (vgl insoweit zusätzlich Art 1 1 1 4 6. Spiegelstrich RL): Bereits das Vor-

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Vgl näher oben Rn 9. Etwa EuGH 19. 12. 1968 - Rs 13/68 (Salgoil), Slg 1968, 679 (693); Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S 358. Für die allein aufsichtsrechtliche Ausrichtung vgl etwa BT-Drs 12/7918, S 105 (allein für § 34 WpHG, nicht auch für § 33 WpHG); mit Hinweis darauf lehnt Assmann / Schneider (•Koller), Vor § 31 WpHG, Rn 17 den Schutznormcharakter von § 34 WpHG, jedoch auch von § 33 WpHG ab; ebenso Kiimpel, Wertpapierhandelsgesetz, S 162. Die Haltung des nationalen Gesetzgebers wirkt sich allerdings in der Frage nach der horizontalen Direktwirkung der gemeinschaftsrechtlichen Standards aus, desgleichen in der Frage, ob eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der deutschen Sanktionsregeln angezeigt ist: vgl dazu und zum Gesamtfragekomplex oben 1. Teil Rn 160-163, 179-181. Vgl dazu sogleich.

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kommen von Interessenkonflikten ist zu minimieren, nicht nur die schädliche Wirkung bei eingetretenen Interessenkonflikten.30 14 Deutlicher vertragsbezogen erscheinen der zweite und dritte Spiegelstrich, die für Kundengelder und -Wertpapiere gleichermaßen eine Absicherung gegen die Insolvenzgefahr und gegen Untreue des Wertpapierdienstleisters vorschreiben. Dafür sind Gestaltungen zu wählen, die den Anleger unabhängig von der juristischen Konstruktion so gut schützen, als wäre er weiter (Mit-)Eigentümer der Wertpapiere bzw Gelder. Im deutschen Depotrecht bleibt die Eigentümerstellung ohnehin gewahrt - außer bei einer der beiden Formen der Auslandsverwahrung, dem sogenannten (Effekten-)Treuhandgiro.31 Gelder sind, zumindest soweit sie auf Ander- oder Treuhandkonten verbucht werden, entsprechend gut in der Insolvenz und vor treuwidriger Verfügung geschützt.32 15 Allein aufsichtsbezogen erscheint demgegenüber der vierte Spiegelstrich, der eine Dokumentationspflicht statuiert (vgl zudem Art 20 I lit. a, V RL),33 die wiederum nicht näher spezifiziert wird. Daß solch eine Dokumentationspflicht auferlegt werden durfte, wurde jedoch damit gerechtfertigt, daß Anbieter von Wertpapierdienstleistungen ohnehin aufgrund ihres hohen Grades von Professionalität zahlreiche Dokumentationspflichten (vielfach zum gleichen Gegenstand) treffen und ohne solche die Flüchtigkeit der Dienstleistung zu Nachweisschwierigkeiten führe.34 Mit ebendieser Begründung wird im deutschen Recht die Dokumentationspflicht im Arztrecht begründet.35 Wenn nun der EuGH weitreichende nationale Sanktionen auch zur effizienteren Durchsetzung gemeinschaftsrechtlich vorgegebener Pflichten fruchtbar macht, indem er - bei Vergleichbarkeit der Pflichten - die Anwendung gleich scharfer Sanktionen fordert,36 so spricht vieles dafür, daß die Beweislastumkehr des deutschen Arztrechts in Deutschland auch bei Verletzung der Dokumentationspflichten nach Art 10 S 2 4. Spiegelstrich RL eingreifen muß. 16 bb) Das Kernstück der vertragsrechtsrelevanten Regeln der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie bilden die Wohlverhaltensregeln des Art 11 RL.37 Eigenständigen materiellen Gehalt hat vor allem Art 11 I 4 RL mit seinen sieben Spiegelstriso Assmann / Schneider {-Koller), § 33 WpHG, Rn 13. 31 Kurze Beschreibung dieser Form und der zweiten Form der Auslandsverwahrung, des in § 5 IV DepotG geregelten sog grenzüberschreitenden Effektengiro: Grundmann, Treuhandvertrag, S 347-355. 3 2 Vgl zu diesen Fragen Assmann / Schneider (-Koller), § 33 WpHG, Rn 11 f. 33 Ausführlich zu dieser: Scharrenberg, Sparkasse 1995, 108. Vgl BT-Drs 12/7918, S 106; Scharrenberg, in: Sparkasse 1995, 108 (108 f, 112). 3 5 BGHZ 72, 132 (138 f); Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd 1 - Allgemeiner Teil und Schuldrecht BGB mit VOB, HOAI, KSchG und ProdhaftG2, 1991, § 823 Anh C II Rn 57 f, 68. 3 6 Nachw oben 1. Teil Rn 180. 37 Der Schutznormcharakter dieser Regel (und der deutschen Umsetzung in §§ 31 f WpHG) wird allgem bejaht: Assmann / Schneider (-Koller), Vor § 31 WpHG, Rn 17, 20 (mwN); Cahn, ZHR 162 (1998) 1 (33); Schwark, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (118-125).

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

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chen, in denen drei Problemkomplexe geregelt werden: die Interessenwahrungsund Sorgfaltspflicht (1. bis 3. Spiegelstrich), die Beratung und Aufklärung (4. und 5. Spiegelstrich) sowie - bereits zu einer Metaregel hin tendierend - das präventiv wirkende Gebot, Interessenkonflikte auszuräumen (6. Spiegelstrich). Hinzu kommt eine reine Metaregel (7. Spiegelstrich), das bereits angesprochene Gebot, Rechtsvorschriften einzuhalten. Die Mitgliedstaaten dürfen die Regelung des Art 11 I 4 RL auf Nebendienstleistungen erstrecken, müssen dies jedoch nicht (Art 11 I 3 RL). Die Pflicht zur Abstufung je nach Professionalität des Anlegers (Art 11 I 2 RL) wird verständlich erst im Zusammenhang mit den Aufklärungsund Beratungsregeln (Art 1114 4. und 5. Spiegelstrich); sie wird in Art 11 III RL für Fälle der mittelbaren Beratung näher konkretisiert. Kollisionsrechtlichen Gehalt hat Art 11 II RL, der dem Gastland für alle Pflichten nach Art 1 1 1 4 RL eine Ausgestaltungs- sowie eine Durchsetzungs- und Überwachungskompetenz einräumt. cc) Die Interessenwahrungs- und Sorgfaltspflicht regeln Art 11 I 4 1.-3. Spiegel- 17 strich RL. Dabei unterscheiden sich die ersten beiden Spiegelstriche allein in den einleitenden Worten: Einmal muß das Handeln „recht und billig" sein („honestly and fairly"), das andere mal „mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit" erfolgen („with due skill, care and diligence"), in beiden Fällen „im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden und der Integrität des Marktes". Einfacher zu fassen ist der Kernpunkt der Unterscheidung, wenn man zuerst die Sorgfaltsformel betrachtet. Im angloamerikanischen Recht der treuhänderischen Beziehungen, dh für den Trust und die (Kapital-)Gesellschaft, wird die „duty of care", teils auch als „duty of diligence" umschrieben, von der „duty of loyalty" unterschieden.38 Bei der duty of care geht es um die professionellen Fähigkeiten, die im erforderlichen Umfange vorhanden und eingesetzt werden müssen. Dies ist auch der Bereich, für den die sogenannte business judgement rule entwickelt wurde: Nach dieser besteht in Geschäftsentscheidungen regelmäßig ein Ermessensspielraum; daß eine Entscheidung ermessensfehlerhaft war, kann jedenfalls nicht mit ex-post-Erkenntnissen begründet werden, sondern allein damit, daß sie ex ante kaufmännisch unvertretbar war.39 Bei der duty of loyalty geht es demgegenüber um die Ausschaltung von konfligierenden Eigeninteressen: Diese dürfen nicht nur nicht dominieren, sondern dürfen überhaupt nicht berücksich38

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Zur Abgrenzung der beiden Pflichtentypen, insbes zum Eingreifen der (milderen) Standards der Duty of Care (mit Business Judgement Rule) nur außerhalb von Interessenkonfliktfkllen: Shlensky ν Wrigley, 237 N.E.[2d] 776, 778-780 (Ill.App.Ct. 1968); Clark, Corporate Law, 1986, p. 123-141; Herrn / Alexander, Laws of Corporations and other Business Enterprises3, 1983 (Supplement 1986), p. 662; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rn 687; Shepherd, The Law of Fiduciaries, 1981, p. 4 8 - 5 0 ; Weiss, Economic Analysis, Corporate Law, and the ALI Corporate Governance Project, 70 Cornell L.Rev. 1, 13-26 (1984). Im einzelnen Clark (vorige Fn) p. 123-140; Herrn / Alexander (vorige Fn) p. 661-663; Merkt (vorige Fn) Rn 64, 682 f; sowie aus der Rspr vor allem: Shlensky ν Wrigley, 237 N.E.[2d] 776, 778 s. (Ill.App.Ct. 1968).

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tigt werden. 40 Diese treuhänderische Zentralpflicht gilt freilich nur, soweit und weil ein Anbieter, hier der Wertpapierdienstleister, eine Einflußposition (unentgeltlich und zweckgebunden) übertragen erhalten hat, also für die Wertpapieremission und -anlage; die treuhänderische Zentralpflicht gilt demgegenüber nicht für das Gegenseitigkeitsverhältnis von Dienstleistung und deren Vergütung. 41 Der Rest der beiden Spiegelstriche ist offenbar deswegen gleich, weil jeweils auf das Zielepaar, den Anleger- und den Funktionsschutz, hingewiesen werden sollte. In beiden Spiegelstrichen wurden also - voneinander getrennt die treuhänderische Interessenwahrungspflicht stricto sensu und die - keineswegs treuhandspezifische - Pflicht zum sorgfaltigen Handeln geregelt42 - ähnlich wie andernorts im Europäischen Schuldvertragsrecht für treuhänderische Rechtsverhältnisse.43 Im 3. Spiegelstrich wird die duty of care dahingehend konkretisiert, daß ua im Persönlich-Sächlichen und in den Prozeduren („Mittel und Verfahren") die erforderliche Ausstattung vorhanden sein und eingesetzt werden muß. 18 Unerbittlich ist die Interessenwahrungspflicht stricto sensu, die verletzt ist, wann immer die Einflußposition mit Eigennutzinteresse eingesetzt wird. Hierher zählt insbesondere die Tätigung von Transaktionen im eigenen Provisionsinteresse, also in allen Fällen, in denen das Kundeninteresse allein die Transaktion nicht rechtfertigt, insbesondere das sogenannte Churning, die Entscheidung für eine Transaktion aus Provisionsinteressen heraus (Provisionsschinderei).44 Keine Frage der Interessenwahrungspflicht stricto sensu, sondern des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Dienstleistung und Vergütung, dh der erforderlichen Sorgfalt, ist demgegenüber diejenige nach dem Maß der Bemühungen, die der Wertpapierdienstleister schuldet. Auch insoweit sieht die Richtlinie nach ihrem Wortlaut offenbar einen hohen Standard vor (vgl Art 111 4 2. Spiegelstrich RL). An-

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Unstr im Recht der treuhänderischen Einzelverträge, zu denen die Anlageberatung zählt: vgl etwa Scoles / Halbach, Problems and Materials on Decedents' Estates and Trusts4, 1987, p. 713-735, bes 735; Shepherd (oben Fn 38) p. 132-136. Für das englische Recht, das insoweit auch den Begriff der „Fairness" verwendet: Blair (oben Fn 19) p. 6. Für eine Pflicht, Eigeninteressen hintanzustellen, im Rahmen von A n 11 RL: Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 8; Schwark, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (114 f, 116 f). Vgl näher Grundmann, Treuhandvertrag, S 92-96, 212-220. Demgegenüber liest Assmann / Schneider {-Koller), § 31 WpHG, Rn 5 f das Element der Fremdnützigkeit offenbar in den Begriff der „Sorgfalt" („care") hinein. Vgl oben 3.80 Rn lOf. Zum Treuhandvertrag als dem Vertragstyp des neutralen Handelns und zur Interessenwahrungspflicht stricto sensu monographisch Grundmann, Treuhandvertrag. Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 11; Schwark, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (116 f). Im deutschen Recht fand sich diese spezifische Regel schon bisher dort, wo die Interessenwahrungspflicht einmal geregelt ist: vgl § 86 I 2. HS HGB und die Nachw in Grundmann, Treuhandvertrag, S 384 Fn 76 (für die Kommission vgl S 411). Speziell für das Churning: Cahn, ZHR 162 (1998) 1 (39); Koller aaO Rn 16 f (auch keine solche Anreize für Mitarbeiter schaffen); Rössner / Arendts, WM 1996, 1517 (bes 1525 f).

4 . 2 0 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

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ders als bei der Frage, ob die Einflußposition in irgendeiner Weise zum eigenen Nutzen verwendet werden darf, muß hier jedoch das Interesse des Wertpapierdienstleisters nicht ausgeblendet bleiben: Das Maß seiner Verpflichtung zur Dienstleistung ist unter Heranziehung auch seiner Interessen zu ermitteln; dies gilt etwa für die Frage, inwieweit er Routinen einsetzen darf oder wie weit seine Pflicht reicht, sich nicht-präsentes Wissen zu verschaffen. 45 Hierher zählen auch alle Fälle, in denen es darum geht, unter mehreren Alternativen die für den Kunden günstigste zu finden, eigene Interessen (oder andere Kundeninteressen) jedoch nicht tangiert sind, etwa die schnellste und kostengünstigste Ausführung am bestmöglichen Ort zu wählen. 46 Keinesfalls darf in Art 1 1 1 4 1. und 2. Spiegelstrich RL eine Kontrolle von (transparent gemachten) Preisen oder ein generelles Verbot des Eigenhandels hineingelesen werden. 47 Dies widerspräche nicht nur marktwirtschaftlichen Grundpositionen. Vielmehr geht es insoweit um das Gegenseitigkeitsverhältnis, in dem allein „Sorgfalt" im besten Interesse des Kunden geschuldet ist, nicht Hintanstellung eigener Interessen bei der Aushandlung des Preis-Leistungs-Verhältnisses. dd) Die Aufklärung und Beratung regeln Art 11 I 4 4. und 5. Spiegelstrich RL. 19 Idealtypisch sind zwei Phasen zu unterscheiden, einerseits die Eruierung der entscheidungsrelevanten Umstände, andererseits die eigentliche Aufklärung und Beratung. In beiden Phasen sind sowohl der konkrete Kunde als auch das Anlageinstrument zu bedenken. Die Phase der Erkundung wurde freilich für das Anlageinstrument allenfalls indi- 2 0 rekt geregelt, wohl weil nicht-präsente Informationen allein aus öffentlichen Quellen zu beschaffen sind. Für die entscheidende Frage, mit welcher Intensität die Recherche nicht-präsenter Informationen zu betreiben ist, geben allenfalls Art 1 1 1 4 2., 3. und 5. Spiegelstrich RL eine Tendenz vor: Geschuldet ist die bei Anlegung professioneller Standards erforderliche Rechercheleistung, angestrebt werden soll eine Eruierung jeder zweckdienlichen Information. Nicht angedeutet scheint demgegenüber in der Richtlinie, daß diese Pflicht schon im Grundsatz nicht unbeschränkt sein kann: 48 Sicherlich kann nur die Erkundung aus öffent-

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Vgl idS und durchaus keine grenzenlose Pflicht statuierend: B G H N J W 1993, 2 4 3 3 (2433 f) = W M 1993, 1 4 5 5 (1456 f) (bes weiterreichende Pflichten nur bei ins Anlageprogramm aufgenommenen Werten). Demgegenüber pauschal für die Unzulässigkeit von Routinen: Assmann / Schneider (-Koller), § 31 W p H G , Rn 10. Vgl im einzelnen Assmann / Schneider (-Koller), § 31 W p H G , Rn 12 f. Zu ersterem bedenklich daher: Assmann / Schneider (-Koller), § 31 W p H G , Rn 16. Zu zweiterem, das vor allem im Zusammenhang mit dem sog Scalping eine Rolle spielt, näher unten Rn 2 5 . Zutr daher: Finanzausschuß, BT-Drs 1 2 / 7 9 1 8 , S 104; aA Assmann / Schneider (-Koller), § 31 W p H G , Rn 87. Einschränkungen bei der Pflicht zur Eruierung der Informationen macht an anderer Stelle auch Koller, vgl aaO Rn 100. Es handelt sich, dies unterscheiden weder Finanzausschuß noch Koller, um Einschränkungen bei der Eruierung der Information. Und diese regelt die Richtlinie nicht oder allenfalls mit einer weichen Tendenzangabe.

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lieh zugänglichen Quellen geschuldet sein, sicherlich auch nur aus typischerweise ergiebigen Quellen, also beispielsweise nicht aus mittleren und kleineren Tageszeitungen. Die fehlende Eingrenzung im Wortlaut der Richtlinie, der demnach offensichtlich unzutreffend ist, kann argumentativ nicht fruchtbar gemacht werden. Plausibel ist es allerdings, wenn der B G H bei ausländischen Effekten und Quellen eher weitergehende Aufklärungsbemühungen fordert als bei inländischen. 49 Plausibel ist es auch, daß nicht den Prospektangaben allein vertraut werden darf, weil sie nur eine geringe Neutralitätsgewähr bieten. 50 Geregelt ist die Erkundungsphase in Art 11 I 4 Nr 4 RL demgegenüber für die Person des Anlegers. Die Regel, im angloamerikanischen Rechtskreis mit der Formel „know your customer" umschrieben, bedeutet für das deutsche Recht Neuland, mehr als alle anderen in Art 111 4 RL. Mit ihr wird die eigentliche Beratung erst vorbereitet. Ziel ist es, für den konkreten Anleger und seine Präferenzen ungeeignete Anlagen auszuklammern. Entscheidend sind also die „verfolgten Ziele". Da mit der Kapitalanlage stets Renditen aus einem Kapitalstock angestrebt sind, ist der Kreis der verfolgten Ziele durchaus überschaubar: Es geht stets um die Relation zwischen Sicherheit bzw Risiko für den Kapitaleinsatz einerseits und Höhe, Sicherheit und Zeitpunkt des Eintritts der Rendite andererseits. Risiko für Kapitalstock (und Rendite) und Höhe der Rendite korrelieren typischerweise. Wie der Kunde das Geld letztlich verwenden will, ist grundsätzlich irrelevant, wirkt sich jedoch typischerweise auf den anzustrebenden Zeitpunkt aus (etwa bei Streben nach zusätzlicher Altersversorgung). Eine Minimierung des Risikos bei Konstanz (oder zumindest unterproportionaler Abnahme) der Rendite wird von der Mehrzahl der Anleger gewünscht, desgleichen die jederzeitige Liquidierbarkeit, die freilich bei den Instrumenten, die die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie erfaßt, ohnehin durchweg gegeben ist und daher kein wichtiges Differenzierungskriterium darstellt. Die anderen beiden Kriterien, die finanzielle Lage und die Erfahrung, geben Auskunft darüber, ob diese Ziele realistisch sind und ob der Anleger die Präferenzen auf informierter Grundlage gebildet hat. Die finanzielle Lage umfaßt das Vermögen und alle Einkünfte. Bedeutung hat die finanzielle Lage vor allem für die Möglichkeit der Diversifikation (in einem Portefeuille oder auch in der Zeit) und hinsichtlich der Fähigkeit, Risiken zu tragen. Hierüber ist der Anleger aufzuklären, letztlich entscheidet er jedoch selbst. 51 Beim Kriterium Erfahrung und Kenntnisse ist letztlich die Fähigkeit zur

«» Implizit: B G H NJW 1993, 2433 (2433 f) = W M 1993, 1455 (1456 f); Arendts, JuS 1994, 915 (917 f); die Relevanz auch für die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie betonend: Assmann / Schneider [-Koller), ξ 31 W p H G , Rn 100 (mwN); und genereller Horn, ZBB 1997, 139 (149). B G H NJW 1993, 2433 (2433 f) = W M 1993, 1455 (1456 f); Arendts, JuS 1994, 915 (918); die Relevanz auch für die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie betonend: Assmann / Schneider (-Koller), § 31 W p H G , Rn 102 (mwN). 51 Vgl ausführlicher Assmann / Schneider {-Koller), § 31 WpHG, Rn 80 f; nahezu eine Betreuungspflicht bei übermäßigem (wenn auch aufgedecktem) Risiko annehmend: Schödermeier, W M 1995, 2053 (2058); demgegenüber für eine Pflicht zur Zuspitzung der Nachfrage aus verfassungsrechtlichen Überlegungen: Raeschke-Kessler, W M 1996, 1764 (1766 f).

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

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praktischen Umsetzung in Entscheidungen entscheidend, die die höchste Wahrscheinlichkeit für sich haben, daß sie die Präferenzen ins Werk setzen können. Demnach ist Erfahrung, aus der man klug geworden ist, entscheidend. Erfahrung umfaßt, wie der englische und der französische Text nahelegen, jedoch auch die theoretisch erworbenen Kenntnisse, wenn die Fähigkeit zu deren Anwendung offenbar hinzukommt. 5 2 Hier hat die Abstufung je nach Professionalität des Anlegers (Art 11 I 2 RL) erstmals Bedeutung. Auch aus Indizien, vor allem dem bisherigen Anlageverhalten, kann auf Erfahrung und Kenntnisse geschlossen werden. 5 3 Die zweite Regel betrifft die eigentliche Beratung und Aufklärung. Sie bezieht sich 21 nunmehr auf die persönlichen Verhältnisse ebenso wie auf die Eigenschaften des Anlageinstruments. Präsente Informationen und solche, die nach dem Gesagten eruiert werden mußten, sind danach stets dann mitzuteilen, wenn sie zweckdienlich, also für die Anlageentscheidung bedeutsam sind. Dies betrifft die Anlagealternativen ebenso wie die unterschiedliche Verläßlichkeit der Quellen. Dies gilt freilich nur für den Zeitpunkt der Verhandlungen, nicht mehr danach. Die lükkenhafte, „halbe" Wahrheit wird also als ebenso fehlerhaft qualifiziert wie die Falschdarstellung. Dies gilt sogar, wenn die Lückenhaftigkeit Folge organisatorischer Maßnahmen (etwa von chínese walls) ist; die halbwahre Aufklärung hat zu unterbleiben. 54 Diese Teilregelung steht freilich in einem Spannungsverhältnis zu der zweiten, nach der die Aufklärung in geeigneter Form zu erfolgen hat. Gemeint ist mit dieser Formel nämlich nicht nur, daß zwischen mündlicher Aufklärung und schriftlicher (vor allem bei schwierigen Zusammenhängen) zu wählen ist, sondern auch, daß die Information verständlich sein muß. 5 5 Der Anbieter muß also je nach Verständnisfähigkeit und Professionalität (Art 1 1 1 2 RL) auch Zweckdienliches vereinfachen und zusammenfassen oder aber detaillierter darlegen. Die Hauptaufgabe der Wertpapierdienstleister liegt gerade in der Adaption der vorhandenen (öffentlichen) Informationen, insbesondere auch der für große Anlegergruppen zu ausführlichen Informationen im Prospekt, auf die Bedürfnisse des einzelnen Anlegers. Die Wertpapierdienstleister haben also insoweit primär Transformationsfunktion. Für beide Regeln geht die wohl umstrittenste Grundsatzfrage dahin, inwieweit die Intensität der Beratung und Aufklärung von der Höhe der Vergütung ab-

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In der Praxis werden sog Wertpapiererhebungsbögen eingesetzt, dazu etwa Schwark, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (110, 115); Than, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg) aaO 135 (142); Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 83. Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 90; die Vorspiegelung von Erfahrung durch den Kunden reicht aus: Schödermeier, WM 1995, 2053 (2059). Vgl im einzelnen Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 103, 108. Zu den dort gegebenen Begr tritt diejenige mit der ratio des Insiderhandelsverbots bzw des Bankgeheimnisses: Beide sind nicht berührt, wenn der Kunde veranlaßf wird, im konkret betroffenen Papier nicht zu handeln (vgl Nachw unten 4.21 Fn 56), bzw das Bankgeheimnis selbst nicht mitgeteilt erhält; vgl ausführlich Cahn, ZHR 162 (1998) 1 (41-50, bes 49). Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 115-117 (mwN).

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hängt oder zumindest kraft Abrede abhängig gemacht werden darf. Fraglich ist insbesondere, ob die Pflicht zu Beratung und Aufklärung einverständlich abbedungen werden darf. Diese Frage ist primär bedeutsam für eine Abstufung von Kundengruppen nach Wichtigkeit und für das Geschäft der Direktbanken. Die eine Extremmeinung hält einen vertraglichen Ausschluß der Beratungs- und Aufklärungspflichten durch Direktbanken nicht für zulässig, nicht einmal, wenn ein Aufpreis ausgewiesen wird, für den Beratung nachgefragt werden kann. 56 Die Schwäche dieser Lösung liegt in ihrer Pauschalität: Sie belastet einen Zweig des Kreditwesens so sehr, daß sein Fortbestehen fraglich ist, obwohl weite Kundenkreise die in diesem Zweig erzielbaren Preisvorteile unzweifelhaft ohne Ubervorteilungsrisiko nutzen könnten. Sie steigert mit keineswegs zwingenden Argumenten Transaktionskosten, wo dies nicht notwendig wäre, obwohl doch die Regelung laut ihren Erwägungsgründen jedenfalls gleichwertig auch das Ziel ökonomischer Effizienzsteigerung verfolgt. 57 Der deutsche Gesetzgeber und Stimmen aus der Praxis tendieren vorsichtig in die entgegengesetzte Richtung und gestatten jedenfalls eine Einschränkung der Beratungspflicht. 58 Differenzierend wird vorgeschlagen, daß zwar genügend Information nachgefragt werden muß, um die Risikobereitschaft des Kunden zu eruieren und nach groben Fehleinschätzungen zu überprüfen, daß jedoch ansonsten die Beratungspflicht reduziert werden kann: Es müsse dann nur bei Anlagen in Instrumenten, die dem entsprechenden Risikoprofil nicht entsprechen, noch ein Warnhinweis gegeben werden. 59 Wird durch solch ein Vorgehen typischerweise die Verbrauchereigenschaft des Kunden eruiert, so spricht für solch eine Lösung im Regelfall, daß zwischen be-

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Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 91, 126-128; und die Verbraucherverbandsseite: Metz, VuR 1996, 183 (183 f). Unstr ist demgegenüber, daß die Beratungspflicht entfällt (und nicht etwa die Transaktion unterbleiben muß), wenn sich der Kunde weigert, sie entgegenzunehmen: zuletzt wieder Cahn, Z H R 162 (1998) 1 (35 f); Horn, Z B B 1997, 139 (149). Schon in der Einschaltung eines Discount Brokers solch eine Weigerung sehend: Balzer, DB 1997, 2311 (2314, 2317 f). Demgegenüber hält Koller (aaO Rn 134) dennoch eine Gestaltung dahingehend, daß bei Entgegennahme der Beratung ein höherer Preis in Rechnung gestellt wird und so Kunden veranlaßt werden, die Entgegennahme zu verweigern, für rechtsmißbräuchlich und unbeachtlich.

Vgl Grundmann, Methodenpluralismus als Aufgabe - zur Legalität von ökonomischen und rechtsethischen Argumenten in Auslegung und Rechtsanwendung, RabelsZ 66 (1997) 423. Zu Recht wird auch auf den englischen und französischen Wortlaut hingewiesen, in denen auf die „gewünschten Dienstleistungen" abgestellt und damit ein Ansatzpunkt für eine Differenzierung zwischen verschiedenen Formen mit unterschiedlichem Dienstleistungsumfang gegeben wird: Köndgen, Z B B 1996, 361 (364 f). 58 Vgl BT-Drs 12/7918, S 104; auch Kumpel, WM 1995, 689 (693 f); für die Zulässigkeit des Discount Broking ohne Beratungspflicht: Schwark, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (125-131); und grundsätzlich: Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe) gemäß S 25 II des Gesetzes über den Wertpapierhandel (WpHG) zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissions-, Festpreis- und Vermittlungsgeschäft der Kreditinstitute vom 26. 5. 1997, BAnz 1997, 6586; Horn, Z B B 1997, 139 (151 f) (nur außergewöhnliche Entwicklungen aufzudecken).

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*> Cahn, Z H R 162 (1998) 1 (38-41); ähnlich schon Köndgen, Z B B 1996, 361 (364 f).

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ruflich Tätigen im Europäischen Schuldvertragsrecht praktisch durchweg Vertragsfreiheit besteht. Jedenfalls bei diesen erscheint dann die reduzierte Beratungspflicht, zumal wenn sie flankiert wird durch das Angebot der vollen Beratung gegen Aufpreis, zulässig. Zu raten wäre den Direktbanken jedoch, exakt auf dieses im Europäischen Schuldvertragsrecht entscheidende Kriterium abzustellen. Eine zusätzliche Absicherung liegt darin, sich auf bestimmte Instrumente zu spezialisieren, für eine Anlage in anderen Instrumenten hingegen die Beratung mangels Kompetenz abzulehnen. Diese Einschränkung der Beratungspflicht wird auch von Befürwortern des streng zwingenden Charakters der Regelung für zulässig gehalten, selbst wenn dann die Anlage in diesen anderen Instrumenten erfolgt. 60

ee) Die Vermeidung von Interessenkonflikten regelt Art 1114 6. Spiegelstrich RL, 23 ergänzt durch Art 10 S 2 5. Spiegelstrich RL. Nach der ersten Regel müssen zumindest vermeidbare Interessenkonflikte einschränkungslos ausgeräumt werden, nach der zweiten nur so gering wie möglich gehalten werden. Nimmt man dies wörtlich, so könnten bei der Organisation etwas weniger weitreichende Einschnitte gefordert sein. Wichtig sind zunächst die Grundstrukturen: Die Regelung des 6. Spiegelstrichs 24 hebt sich, erstens, als Präventionsregel von denjenigen der ersten fünf Spiegelstriche ab, die noch die gegenseitigen Rechte und Pflichten selbst zum Gegenstand haben. 61 Ausgeräumt werden soll schon die Gefahr einer Manipulation, nicht erst die Manipulation (Interessenverletzung) selbst. 62 Die Einzelbeispiele zeigen, daß sogar besser von Manipulationsgefahr als von Interessenkonflikt gesprochen würde. Auf jene, nicht auf diesen kommt es an. Ist Prävention nicht möglich (und erst in diesem Falle!), greift wiederum die Rechtsfolge des 1. Spiegelstrichs ein, was im 6. Spiegelstrich nochmals mit den gleichen Kernbegriffen („recht und billig", „true and fairly") betont wird: Es gilt die Interessenwahrungspflicht stricto sensu und diese ohne Einschränkung. 63 Bei den Mitteln, die die Anbieter einzusetzen haben, um der Präventionsregel gerecht zu werden, wird, zweitens, zwischen solchen der Organisation (Art 10 S 2 5. Spiegelstrich RL) und den unbenannten sonstigen unterschieden (Art 11 I 6. Spiegelstrich RL). Die Konkretisierung obliegt im zweiten Bereich Rechtsprechung und Lehre. In zwei Punkten unterscheiden sich Art 10 S 2 5. Spiegelstrich RL und Art 1 1 1 4 6. Spiegelstrich RL. Die zweite Regel konkretisiert, wie vorzugehen ist, wenn eine Prävention nicht möglich ist: Es gilt die Interessenwahrungspflicht stricto 60 61

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Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 110 f. Zum Unterschied: Grundmann, Treuhandvertrag, bes S 251-254 (mwN); grundlegend: Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S 97-100, 101 ff, 287 ff. Dazu Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 33-35; White, Regulation of Securities and Futures Dealing, 1992, Rn 15-007. Vgl etwa Canaris, Großkommentar HGB, Bankvertragsrecht4, 1988 (ab Rn 1163: 2. Aufl 1981), Rn 1890. Zu den Einschränkungen, die demgegenüber bei der Konfliktvermeidungspflicht gelten, sogleich.

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sensu. Gleiches hat im Rahmen von Art 10 S 2 5. Spiegelstrich RL zu gelten, da nach dem Gesagten insoweit ohnehin nur die allgemeine Regelung des Art 1 1 1 4 1. Spiegelstrich RL wiederholt wird. In einem zweiten Punkt ist Art 10 S 2 5. Spiegelstrich RL detaillierter: Nach dieser Regel ist sowohl Konflikten zwischen Interessen des Anbieters und des Kunden als auch solchen zwischen Interessen verschiedener Kunden vorzubeugen, während in Art 11 I 6. Spiegelstrich RL allein die erstgenannten Konflikte angesprochen werden. Insoweit ist durchaus denkbar, daß sonstige Mittel nur zur Vermeidung der - typischerweise gefährlicheren - Konflikte zwischen Kundeninteressen und Eigennutzinteressen einzusetzen sind.64 Die Konfliktvermeidung ist, drittens, nicht unbedingt geschuldet, sondern nur bestmöglich; es gilt also eine Grenze des wirtschaftlich Machbaren. 65 In diesem Rahmen sind Mittel, die den Interessenkonflikt (die Manipulationsgefahr) zwar nicht vollständig vermeiden, jedoch vermindern können, ebenfalls einzusetzen. Kann eine Gefahr vermindert, jedoch nicht vermieden werden, so berechtigt dieser Umstand nicht dazu, Präventionsmittel überhaupt nicht einzusetzen und allein darauf zu verweisen, daß die Interessenwahrungspflicht stricto sensu beachtet werde. Da - im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren - vollständige Ausräumung der Manipulationsgefahr geschuldet ist, ist von zwei Mitteln jeweils dasjenige zu wählen, das die Manipulationsgefahr weitergehend zurückdrängt. 2 5 Erstes Mittel der Konfliktvermeidung ist die Organisation. Bei der Gestaltung ist, wie Art 10 S 2 5. Spiegelstrich RL ausdrücklich festlegt, auch der Konflikt zwischen verschiedenen Kundeninteressen möglichst zu vermeiden. Eine mögliche Ausgestaltung der Organisation, die Manipulationsgefahren minimiert oder ausräumt, muß im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren gewählt werden. Zwei Mittel sind hervorzuheben, eines gegen die Manipulation aufgrund von Informationsmacht, das andere gegen die Manipulation aufgrund von Entscheidungsmacht:66 Der manipulative Gebrauch von Information ist durch sogenannte chínese walls zu unterbinden, Organisationsregeln, mit denen untersagt und unterbunden wird, daß Informationen insbesondere aus der Kredit- und Emissionsabteilung in die Anlageabteilung weitergegeben werden.67 Entschei64

In der Literatur bleibt die unterschiedliche Fassung von Art 10 S 2 5. Spiegelstrich RL einerseits und Art 11 I 4 6. Spiegelstrich RL demgegenüber unberücksichtigt. Bei Interessenkonflikten zwischen Wertpapierdienstleister und Kunden kommt es in der Tat auf die Gesamtheit der Kundeninteressen an: vgl Assmann / Schneider {-Koller), § 31 WpHG, Rn 2 7 - 2 9 einerseits, Kumpel, W M 1993, 2 0 2 5 (2027) andererseits.

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Kümpel, W M 1995, 689 (690). Bspe für die teils geradezu prohibitive Wirkung einer vollständigen, präventiven Konfliktausräumung: Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 3 0 - 3 2 . Zu diesen beiden Positionen und ihrer zentralen Bedeutung in jeder Form von treuhänderisch gestalteten Rechtsverhältnissen: Grundmann, Treuhandvertrag, S 1 0 1 - 1 2 2 . Unstr. Näher zum Zuschnitt der einzelnen Vertrauensbereiche Assmann / Schneider (-Koller), § 33 WpHG, Rn 18; Hausmaninger, Organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung mißbräuchlicher Verwendung oder Weitergabe von Insiderinformationen nach der BörseGNov 1993, ÖBA 1993, 847 (849, 855 f); Lucius, Der Standard Compliance Code des Österreichischen Bankwesens, ÖBA 1994, 148 (150).

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dungsmacht kann, da die Konditionen durch Markt und Abrede vorgegeben sind, vor allem durch Wahl des Zeitpunkts der Ausführung manipulativ genutzt werden. Dies unterbinden Regeln, die die sofortige Ausführung der Kundenorder oder äquivalentes Tun vorsehen. Eine äquivalente Gestaltung - jedenfalls hinsichtlich der Konkurrenz von Kundeninteressen - liegt darin, Aufträge streng nach Priorität auszuführen. 68 Davon darf (bzw muß) allein abgewichen werden, wenn die frühere Order dadurch im Ergebnis nicht beeinträchtigt wird 69 (oder gar mit den anderen profitiert). 70 Der Prioritätsgrundsatz löst auch die Konflikte mit Eigeninteressen. Insbesondere verbietet er ein Frontrunning, dh die Ausführung von Eigengeschäften vor einer eingegangenen gewichtigen Kursorder mit dem Ziel, an der zu erwartenden Kurssteigerung zu partizipieren (vgl § 3 2 I Nr 3 W p H G ) . 7 1 Er verbietet jedoch auch unabhängig von jeder Mißbrauchsabsicht die Ausführung eines Eigengeschäfts vor einer Kundenorder, die vor Entschlußfassung zum Eigengeschäft eingegangen ist. Kundenorder und Eigengeschäfte sind also entweder von getrennten Abteilungen abzuwickeln bzw vorzunehmen oder die Entschlußfassung über Eigengeschäfte ist nachvollziehbar zu formalisieren. Sonstige Mittel der Vermeidung von Konflikten setzen nicht an der Organisation, sondern am Verhältnis zum Kunden an. Sie reduzieren sich auf die Aufklärung über den Interessenkonflikt. 7 2 Sie wirkt typischerweise nicht absolut. Die konfligierenden Interessen bleiben zwar unvermindert bestehen, wenn der Wertpapierdienstleister ein Interesse am Vertrieb eines bestimmten Instruments offenbart hat. Allerdings wird ein Selbstschutz seitens des Kunden erleichtert, die Manipulationsgefahr also gemindert. Geschuldet ist eine Aufklärung, die dem Kunden alle für seine Entscheidung sachdienlichen Implikationen des Konflikts, also 68

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Vgl Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 49; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S 164. Die Grenze besteht dort, wo Art 1114 2. Spiegelstrich RL verletzt wird; vgl sogleich im Text. Den Prioritätsgrundsatz durch einen Gleichbehandlungsgrundsatz abschwächend: Assmann / Schneider {-Koller), § 31 WpHG, Rn 47 f. Insbes durch Nutzung besserer Konditionen bei Bündelung der Aufträge zu einem Großauftrag: Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 47. Zu dessen Verbot: Assmann / Schneider (-Koller), § 32 WpHG, Rn 11-15; Schivark, in: Hadding / Hopt / Schimansky (Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (117). Solch eine Pflicht verneinend: Schäfer, AG 1993, 389 (394). Ein eigenständiger Gleichbehandlungsgrundsatz ist demgegenüber in diesem Bereich nicht zu befürworten; unentschieden: Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 47 f, 109. Selbst die Empfehlung (oben Fn 9) statuierte solch einen Grundsatz allenfalls hinsichtlich der Informierung des Kunden, bei der nicht zwischen Klein- und Großkunden differenziert werden dürfe. Wird Aufklärung über alle wesentlichen Punkte geschuldet, erübrigt sich das Problem weitgehend. Eine entspr Formulierung fehlt nunmehr auch in der Richtlinie. Zwischen verschiedenen Anlegern besteht kein solches Näheverhältnis, daß aus allgemeinen Grundsätzen eine Gleichbehandlungspflicht herzuleiten wäre - insbes die Pflicht, Großkunden nur überobligationsmäßig gut zu behandeln, wenn Kleinkunden gleiche Behandlung erfahren. Ebenfalls kein Anlaß besteht, die Ablehnung der Kundenorder zu fordern, wenn über die Manipulationsgefahr so aufgeklärt wird, daß der Kunde sie in ihrem Ausmaß abschätzen kann. Koller aaO Rn 51 bejaht solch eine Pflicht im Ausnahmefall.

26

736

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

im Grundsatz auch die Mechanismen der zu befürchtenden Manipulation vor Augen führt.73 Dies ergibt sich daraus, daß nach dem Gesagten das Mittel zu wählen ist, das die Manipulationsgefahr weitergehend zurückdrängt, und aus der Parallelwertung aus Art 1114 5. Spiegelstrich RL. Erst auf dieser Stufe ist das sogenannte Scalping, der Eigenhandel in einem Wertpapier, das später (etwa in einem Börsendienst) empfohlen wird, zu erfassen.74 Fraglich ist, ob eine Aufklärungspflicht auch besteht, wenn dieser Konflikt auch bei allen Konkurrenten besteht (Eigenbestände, andere Kunden).75 27 ff) Wenig problematisch erscheint, daß Wertpapierdienstleister die geltenden Vorschriften einhalten müssen (Art 1114 7. Spiegelstrich RL). Der deutsche Gesetzgeber hat diese Norm denn auch nicht gesondert umgesetzt. Die Norm besagt jedoch mehr. Wichtig ist wiederum, daß mit der Formel „im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden" wie in den ersten beiden Spiegelstrichen der individualschützende Charakter, den auch die Präambel mehrfach anspricht, gemeint ist. Art 11 I 4 7. Spiegelstrich RL würde eine Selbstverständlichkeit statuieren daß Normen eingehalten werden müssen -, wenn sie nicht in ebendiesem Sinne verstanden wird: Die Befolgung von Normen zur Abwicklung von Wertpapierdienstleistungen wird (mangels Gegenausnahme in speziellen Normen) als Pflicht mit Schutzfunktion für den einzelnen Anleger qualifiziert.76 c) Kontrahierungszwang zu Lasten der Träger von geregelten Märkten 28 Mit Art 15 RL werden die primärrechtlichen Verbote der Beschränkung und Diskriminierung auf Privatrechtssubjekte erstreckt: Träger von Börsen oder anderen geregelten Märkten müssen verpflichtet werden, Wertpapierdienstleister aus 73

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Assmann / Schneider {-Koller), § 31 W p H G , Rn 38; konkrete Aufklärung anmahnend Hopt, Insiderwissen und Interessenkonflikte im europäischen und deutschen Bankrecht, FS Heinsius 1991, 289 (318); in anderem Zusammenhang: B G H ZIP 1995, 18 (20); aA Wortmann, ÖBA 1004, 579 (585); und tendenziell auch Roth, in: Assmann / Schütze (Hrsg), Kapitalanlagerecht, § 12 Rn 77, 82. AA wohl Assmann / Schneider (-Koller), § 31 W p H G , Rn 66. Der Eigenhandel muß möglich bleiben, auch derjenige in einem Wertpapier, das als bes empfehlenswert erkannt wird, weil es insoweit nicht um die Nutzung von (Einfluß- oder Informations-)Positionen geht, die der Wertpapierdienstleister unentgeltlich übertragen erhalten hat. Um solche Positionen geht es erst bei der Erteilung der Empfehlung. Hier nun ist das Interesse des Kunden optimal zu wahren, wenn der Konflikt nicht ausgeräumt werden kann. Beste Interessenwahrung bedeutet hier nicht, ihm die Empfehlung vorzuenthalten, sondern die verminderten Kursgewinnchancen erkennbar zu machen. Gegen eine Aufklärungspflicht in diesem Falle Assmann / Schneider {-Koller), ξ 31 W p H G , Rn 42 f; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken - gesellschafts-, bank- und börsenrechtliche Anforderungen an das Beratungs- und Verwaltungsverhalten der Kreditinstitute, 1975, S 446 f. Freilich ist zu bedenken, daß zwar keine Ausweichmöglichkeit auf andere Anbieter besteht, möglicherweise jedoch eine auf andere Anlageformen. In letzterem Fall ist die Aufklärungspflicht durchaus zu bejahen. Auch für das deutsche Recht wird der Eingang in den Kreis der Vertragspflichten zunehmend bejaht: Horn, ZBB 1997, 139 (150); Köndgen, ZBB 1996, 361 (361).

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

737

dem EG-Ausland zuzulassen (Art 15 11. UA RL). Entgegenstehende privatrechtliche Regelungen, insbesondere Satzungen, sind von den Mitgliedstaaten aufzuheben, bei strukturellen Schwierigkeiten zumindest schrittweise anzupassen (Art 15 I 2. UA RL). Wie in der Börsenzulassungs-Richtlinie, 77 die die Voraussetzungen für eine Zulassung harmonisiert und bei ihrem Vorliegen einen Zulassungsanspruch einräumt, steht hier der Kontrahierungszwang des Trägers des geregelten Marktes im Vordergrund. Die Satzungen dieses Trägers werden als verbindlich vorausgesetzt und müssen in ihren Voraussetzungen erfüllt werden (Art 15 II 3. UA RL), ebenso wie die (harmonisierten) Kapitalanforderungen (Art 15 II 1. und 2. UA RL). Gleiches gilt - allerdings nur bei Präsenzbörsen und -markten - für das Erfordernis einer (unselbständigen) Zweigstelle oder Tochtergesellschaft (vgl Art 15 III, IV RL). Auf Art 5 7 II R L kann dieser Kontrahierungszwang sicherlich gestützt werden, da durch ihn der Marktzugang erleichtert wird. Dennoch ist zu betonen, daß hier das Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot Privatrechtssubjekten auferlegt wird, obwohl diese nach hM diesem Verbot nicht unmittelbar unterliegen. 7 8 Art 15 R L gilt insbesondere auch in den Fällen, in denen der Träger des geregelten Marktes keine marktbeherrschende Stellung hat. 7 9 d) Verbliebene Regelungslücken

und

-freiräume

Der Bereich der Wohlverhaltensregeln bei Wertpapierdienstleistungen ist vom Pflichtenkanon her grundsätzlich umfassend geregelt. Art 10 f R L sollten alle wichtigen Pflichten enthalten. Legt ein nationaler Gesetzgeber dem Wertpapierdienstleister weitere Pflichten auf, so handelt es sich um strengere nationale Regeln im harmonisierten Bereich. Art 11 RL erlaubt ihm jedoch, diese auch gegen ausländische Anbieter durchzusetzen, soweit sie nicht diskriminierend wirken. Lücken verbleiben aufgrund der Einschränkungen des sachlichen und des persönlichen Anwendungsbereichs, vor allem durch Art 2 II R L und durch Anhang C der Richtlinie. 3.

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Umsetzung

Die Umsetzung der materiellrechtlichen Regelungen der Wertpapierdienstlei- 31 stungs-Richtlinie erfolgte im Wertpapierhandelsgesetz, einem Teil des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes, genauer: in §§ 3 1 - 3 4 W p H G . 8 0 Dies war so bereits im 77

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80

Richtlinie des Rates 79/279/EWG vom 5. 3. 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, AB1EG 1979 L 66/21. Vgl Nachw oben 1. Teil Fn 133. Hingegen für eine Rückführung der gesamten Börsenrechtsharmonisierung auf eine bloße Kontrolle nach den Regeln des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbes Art 86 EGV: Ferrarmi in: Ferrarmi (Ed), Investment Services Directive, bes p. 260-268. Die sog Händler- und Beraterregeln sind zwar nicht obsolet geworden, betreffen jedoch nicht das von der Richtlinie geregelte Bank-Kunden-Verhältnis, sondern das HändlerBank- bzw -Börsen-Verhältnis; vgl nur Schwark, in: Hadding / Hopt / Schimansky

738

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Referentenentwurf zum 2. Finanzmarktförderungsgesetz vorgesehen. Im Regierungsentwurf wurden die diesbezüglichen Regeln herausgenommen, 81 im Gesetz finden sie sich wieder. 32 Der Umsetzung von Art 10 RL dienen §§ 33 f WpHG. 82 Fraglich ist, ob diese Normen Schutzgesetze iSv § 823 II BGB darstellen.83 Sehr pauschal erfolgte die Umsetzung von Art 10 S 2 1.-3. Spiegelstrich RL in der Generalklausel des § 33 Nr 1 WpHG. Fraglich ist, ob die Umsetzung detaillierter Regeln in einer Generalklausel den Anforderungen, die der EuGH an die Klarheit und Zuverlässigkeit der Umsetzung stellt,84 genügen kann. Soweit aus Art 10 S 2 1. Spiegelstrich RL vertragliche Pflichten resultieren, vor allem in Fragen des Datenschutzes, wurden diese nicht harmonisiert. Ein Verweis auf das BDSchG erscheint daher als ausreichend. Den Anforderungen des Art 10 S 2 2. Spiegelstrich RL genügt das DepotG. Fraglich ist, ob Gleiches auch bei Kundengeldern gilt (Art 10 S 2 3. Spiegelstrich RL), obwohl hier spezialgesetzliche Regeln fehlen.85 Die Umsetzung von Art 10 S 2 4. Spiegelstrich RL erfolgte in § 34 WpHG, diejenige von Art 10 S 2 5. Spiegelstrich RL inhaltlich identisch in § 33 Nr 2 WpHG. 33 Die Umsetzung von Art 11 RL erfolgte in § 31 WpHG. Der Schutzgesetzcharakter wird insoweit auch für das deutsche Recht überwiegend bejaht. 86 Die Konkretisierung für typische Mißbrauchsfälle in § 32 WpHG schafft weitere Rechtssicherheit. Die eigenständige Bedeutung ist jedoch gering. Faßbar ist sie am ehesten bei § 32 I Nr 1 WpHG, der die Interessenwahrungspflicht auch bei der

(Hrsg), Finanzmarktförderungsgesetz, 109 (113 f). Die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Regeln, also des Gros der Regeln der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie, erfolgte in Art 1 des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften [6. KWG-Nov], BGBl 1997 I, S 2518. Vgl ansonsten die oben Fn 58 genannte Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes. 81 Materialien: BT-Drs 12/6679; 12/7918, S 28 ff, 103 ff. Krit zur zeitweisen Herausnahme: Krimphove, J Z 1994, 23 (27). 82 Vgl BT-Drs 12/7918, S 105; Assmann / Schneider {-Koller), § 33 W p H G , Rn 1, 7-11, 13, § 34 W p H G , Rn 1. 83 Vgl oben bei Fn 19, 37 (mit Nachw auch zum deutschen Recht). 84 Die Europarechtskonformität einer Umsetzung ergibt sich nicht bereits daraus, daß eine nationale Norm richtlinienkonform ausgelegt werden kann: E u G H 28. 3. 1985 - Rs 215/83 (Kommission / Belgien), Slg 1985, 1039 (1051 f); E u G H 8. 10. 1996 - verb Rs C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 und C-190/94 (Dillenkofer ua), Slg 1996, 1-4845 (4884). 85 Teils wird aus § 33 Nr 1 W p H G eine Pflicht zur Haltung von Kundengeldern auf Sonderund Treuhandkonten hergeleitet: so etwa Assmann / Schneider (-Koller), § 33 W p H G , Rn 11. Hier wird jedoch eher die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie in § 33 Nr 1 W p H G hineingelesen als diese Norm ausgelegt. Solch eine Pflicht besteht im deutschen Recht zwar in der Tat als Teil der treuhänderischen Interessenwahrungspflicht (iErg B G H Z 17, 140 [145 f]; für weitere Nachw vgl Grundmann, Treuhandvertrag, S 346, Fn 14), dies ist jedoch umstritten: gegen eine allgem treuhänderische Pflicht zur Vermögenstrennung etwa Maulbetsch, Beirat und Treuhand in der Publikumspersonengesellschaft, 1984, S 131. 8

« Assmann / Schneider (-Koller), Vor § 31 W p H G , Rn 17; Hopt, Z H R 159 (1995) 135 (160); Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1995, Rn 8.228.

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie

739

Abgabe von Empfehlungen (nicht nur bei der Aufklärung) für anwendbar erklärt, 87 und bei § 3 2 II W p H G , der die Pflichten auf verbundene Unternehmen erstreckt. 8 8 Bei der Umsetzung von Art 111 4 1 . - 3 . Spiegelstrich RL, die nur teilweise in § 31 I Nr 1 W p H G erfolgte, 8 9 ging die klare Trennung zwischen Interessenwahrungspflicht und Sorgfaltspflicht verloren. 9 0 Auch wurde die Sorgfaltspflicht nicht konkretisiert, wie Art 1 1 1 4 3. Spiegelstrich R L dies vorsieht. Art 11 1 4 4. und 5. Spiegelstrich R L wurden inhaltlich identisch in § 31 II W p H G umgesetzt. Allerdings wurde das Kriterium der Zweckdienlichkeit noch in einem erläuternden Nebensatz konkretisiert, der jedoch - dies gebieten die Grundsätze der richtlinienkonformen Auslegung - nicht als Einschränkung verstanden werden darf. Die Präventionsregel des Art 1 1 1 4 6. Spiegelstrich R L wurde inhaltlich identisch in ξ 3 1 1 Nr 2 W p H G umgesetzt. Allerdings wurde die Rechtsfolge, die eingreift, wenn Prävention nicht möglich ist, zu diffus umschrieben, jedenfalls nicht mit Eindeutigkeit als Interessenwahrungspflicht stricto sensu. Eine Umsetzung von Art 11 1 4 7. Spiegelstrich R L hielt der deutsche Gesetzgeber für überflüssig. Unzutreffend ist die Umsetzung von Art 11 II RL, weil diese Regel das Gastland 3 4 nur für zuständig erklärt, wenn dort „die" Dienstleistung (iSd Anhangs A) erbracht wird. Die Dienstleistung wird also (nur) einem Land der engsten Verbindung zugeordnet. Das deutsche Recht soll demgegenüber als Gastlandrecht auch dann Anwendung finden, wenn nur ein Element der Dienstleistung eine Inlandsberührung aufweist oder wenn eine Nebenleistung (iSd Anhangs C) im Inland erfolgte. § 33 III W p H G könnte auch anwendbar erscheinen, wenn beispielsweise eine Werbung in Deutschland stattgefunden hat, die Transaktion hingegen im Ausland. All dies ist nicht richtlinienkonform. Entscheidend ist die Erbringung der Transaktionsleistung, angeknüpft wird an den betroffenen Markt. 9 ' Durch § 7 IV Nr 4 BörsG, der mit dem 2. Finanzmarktförderungsgesetz ein- 3 5 geführt wurde, wurden die geregelten Märkte in Deutschland - entsprechend Art 15 RL - auch (ausländischen) reinen Wertpapierdienstleistern geöffnet. 87

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Krit zur Abgrenzbarkeit: Cahn, Z H R 162 (1998) 1 (36-38); demgegenüber von der Bankpraxis her: Kumpel, Wertpapierhandelsgesetz, S 171 f. Vgl im einzelnen, auch zur Umschreibung der Pflichten nach § 32 WpHG: Assmann / Schneider (-Koller), § 32 WpHG; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, S 178-181. Umgesetzt wurde unzweifelhaft Art 11 I 4 2. Spiegelstrich RL in ξ 31 I Nr 1 WpHG: BTDrs 12/7918, S 103; Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 1 f; beide gehen davon aus, auch der 3. Spiegelstrich sei mitumgesetzt worden; der 1. Spiegelstrich bleibt unerwähnt. Die richtlinienkonforme Auslegung ist sicherlich möglich: so zu Recht Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 2. Dennoch ist die Anwendungssicherheit herabgesetzt. Für ähnliche Verkürzungen bei der Umsetzung der Handelsvertreter-Richtlinie vgl oben 3.80 Rn 24. Dazu ausführlich für das Kapitalmarktrecht generell: Grundmann, RabelsZ 54 (1990) 283 (311-313); zum sich heute durchsetzenden diesbezüglichen Trend vgl ders, in: Schimanski / Bunte / Lwowski (Hrsg), Bankrechtshandbuch, 1997, § 112, Rn 65, bes Fn 1. Zweifel hinsichtlich der Richtlinienkonformität auch bei Assmann / Schneider (-Koller), § 31 WpHG, Rn 145.

740

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

B. Fundstellenverzeichnis 36 Grundlage: Art 57 II EGV Betr: Organisations-, Vermögensschutz-, Dokumentations-, Interessenwahrungs-, Konfliktvermeidungs-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten bei Effektenemission und -handel sowie bei Vermögensverwaltung von Portefeuilles (Art 10 f RL) Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1993 L 141/27 - geänderter Vorschlag vom 8. 2. 1990 AB1EG 1990 C 42/7 / KOM(89) 629 endg - SYN 176 - ursprünglicher Vorschlag vom 3. 1. 1989 AB1EG 1989 C 43/7 / KOM(88) 778 endg - SYN 176 - Gemeinsamer Standpunkt (Europäisches Parlament) AB1EG 1993 C 115/71 - geändert durch die Richtlinie 95/26/EG vom 29. 6. 1995 AB1EG 1995 L 168/7 Stellungnahmen: - zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1989 C 304/39 WSA: AB1EG 1989 C 298/6 §§ 31-37, 3 8 - 4 0 des Art 1. Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz - WpHG) des „Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes" vom 26. 7. 1994 Fundstelle: BGBl 1994 I, S 1749

Richtlinie des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (93/22/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2, auf Vorschlag der Kommission'1', in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament·«, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses'3', in Erwägung nachstehender Gründe: [1] Diese Richtlinie ist unter dem zweifachen Aspekt der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im Bereich der Wertpapierfirmen ein wesentliches Instrument für die Verwirklichung des Binnenmarktes, die durch die Einheitliche Europäische Akte beschlossen und durch das Weißbuch der Kommission vorgezeichnet worden ist. [2] Aus Gründen des Anlegerschutzes und der Stabilität des Finanzsystems dürfen Firmen, die die unter diese Richtlinie fallenden Wertpapierdienstleistungen erbringen, erst nach Zulassung durch ihren Herkunftsmitgliedstaat tätig werden. [3] Dabei wurde das Konzept zugrunde gelegt, daß eine Harmonisierung nur insoweit angestrebt wird, wie dies zur Gewährleistung der gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme unbedingt erforderlich und hinreichend ist, die die Erteilung einer einzigen Zulassung für die gesamte Gemeinschaft und die Anwendung des Grundsatzes der Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat ermöglicht. Aufgrund der gegenseitigen Anerkennung können die in ihrem Herkunftsmitgliedstaat zugelassenen Wertpapierfirmen in der gesamten Gemeinschaft alle oder einen Teil der unter 1"

ABl. Nr. C 43 vom 22. 2. 1989, S. 7 und ABI. Nr. C

®

ABI. Nr. C 304 vom 4. 12. 1989, S. 39 und ABI. Nr. C

«I

ABI. Nr. C 298 vom 27. 11. 1989, S. 6.

42 vom 22. 2. 1990, S. 7. 115 vom 26. 4. 1993.

diese Richtlinie fallenden Dienstleistungen, für die sie die Zulassung erhalten haben, durch die Gründung einer Zweigniederlassung oder im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs erbringen. [4] Die Grundsätze der gegenseitigen Anerkennung und der Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat machen es erforderlich, daB die zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats die Zulassung in den Fällen nicht erteilen oder entziehen, in denen aus Umständen wie dem Inhalt des Geschäftsplans, der gebietsmäßigen Abdeckung oder der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit unzweifelhaft hervorgeht, daß die Wertpapierfirma die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats in der Absicht gewählt hat sich den strengeren Normen eines anderen Mitgliedstaats zu entziehen, in dem sie den überwiegenden Teil ihrer Tätigkeit ausübt oder auszuüben beabsichtigt. Zur Anwendung dieser Richtlinie muß eine Wertpapierfirma, die eine juristische Person ist, in dem Mitgliedstaat zugelassen werden, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet. Eine Wertpapierfirma, die keine juristische Person ist muß in dem Mitgliedstaat zugelassen werden, in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet. Im übrigen müssen die Mitgliedstaaten verlangen, daß die Hauptverwaltung einer Wertpapierfirma sich stets in ihrem Herkunftsmitgliedstaat befindet und daß sie dort tatsächlich tätig ist. [5] Im Interesse des Anlegerschutzes muß es innerhalb der Firma interne Kontrollmechanismen dergestalt geben, daß entweder die Leitungsfunktionen von zwei Personen wahrgenommen werden oder, soweit die Richtlinie dies nicht vorschreibt mit anderen Mechanismen ein gleichwertiges Ergebnis erzielt wird. [6] Im Interesse eines fairen Wettbewerbs muß sichergestellt werden, daß Wertpapierfirmen, bei denen es sich nicht um Kreditinstitute handelt, die gleiche Freiheit genießen, Zweigniederlassungen zu errichten und grenzüberschreitend Dienstleistungen zu

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten erbringen, wie sie in der Zweiten Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute!4) vorgesehen ist.

[9] Wertpapiere umfassen die üblicherweise auf dem Kapitalmarkt gehandelten Wertpapiergattungen, z.B. Staatstitel, Aktien, handelbare Wertpapiere, die zum Erwerb von Aktien durch Zeichnung oder Austausch berechtigen, Aktienzertifikate, als Teil einer Serie ausgegebene Schuldverschreibungen, Index-Optionsscheine und Wertpapiere, die zum Erwerb solcher Schuldverschreibungen durch Zeichnung berechtigen. [10] Geldmarktinstrumente umfassen die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelten Kategorien von Instrumenten, z.B. Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers. [11] Die sehr weit gefaßte Definition der Wertpapiere und der Geldmarktinstrumente in dieser Richtlinie gilt nur für diese Richtlinie und berührt daher in keiner Weise die unterschiedlichen Definitionen von Finanzinstrumenten, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu anderen Zwecken und insbesondere zu Steuerzwekken festgelegt sind; darüber hinaus gilt die Definition der Wertpapiere nur für Instrumente, die gehandelt werden können, so daB Aktien oder Aktien gleichzustellende Wertpapiere, die von Organismen wie den „building societies" oder den „Industrial and Provident societies" ausgegeben werden und die in der Praxis nur über den Rückkauf durch den ausgebenden Organismus übertragen werden können, nicht unter diese Definition fallen.

werden. Ungeachtet dieses Grundsatzes darf die Firma Jedoch im eigenen Namen im Interesse des Anlegers handeln, wenn dies aufgrund der Natur des Geschäfts erforderlich ist und der Anleger dazu seine Zustimmung erteilt hat, z.B. bei Wertpapierleihgeschäften. [32] Eines der Ziele dieser Richtlinie Ist der Anlegerschutz. Dazu sollte den unterschiedlichen Schutzbedürfnissen der einzelnen Gruppen von Anlegern und ihrer unterschiedlichen fachlichen Erfahrung Rechnung getragen werden. [33] Die Mitgliedstaaten haben dafür zu sorgen, daB die Tätigkelten, die unter die gegenseitige Anerkennung fallen, ohne Behinderung auf die gleiche Weise wie im Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt werden können, soweit sie nicht im Gegensatz zu den im Aufnahmemitgliedstaat geltenden flechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses stehen. [34] Kein Mitgliedstaat darf das Recht der Anleger, die in diesem Mitgliedstaat ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. eine Niederlassung haben, einschränken, von einer unter diese Richtlinie fallenden Wertpapierfirma, die außerhalb dieses Mitgliedstaats gelegen ist und außerhalb dieses Mitgliedstaats Geschäfte tätigt, Wertpapierdienstleistungen zu erhalten. [40] Es ist festzustellen, daB die Bestimmungen, die sich aus der Richtlinie 79/279/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse*5) ergeben, durch die vorliegende Richtlinie nicht berührt werden.

[29] Aus Gründen des Anlegerschutzes Ist insbesondere darauf zu achten, daB die Eigentumsrechte des Anlegers an den Wertpapieren und andere eigentumsähnliche Rechte sowie seine Rechte an den der Firma anvertrauten Geldern durch Abgrenzung von den Rechten der Firma geschützt

[41] Die Stabilität und das reibungslose Funktionieren des Finanzsystems sowie der Anlegerschutz erfordern, daß der Aufnahmemitgliedstaat über das Recht und die Zuständigkeit verfügt, jeglichen Praktiken von Wertpapierfirmen in seinem Hoheitsgebiet, die gegen die Wohlverhaltensregeln sowie gegen die von ihm aus Gründen des Gemeinwohls erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verstoßen, vorzubeugen und sie zu ahnden sowie im Notfall einzugreifen. Im übrigen müssen die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats bei der Ausübung ihrer Befugnisse auf die engste Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats zählen können, ganz besonders für Tätigkeiten im Rahmen des freien

«> ABl. Nr. L 386 vom 30. 12. 1989, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 92/30/EWG (ABI. Nr. L 110 vom 28. 4. 1992, S. 52).

IM ABl. Nr. L 66 vom 16. 3. 1979, S. 21. Richtlinie zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals.

[12] Als Finanzterminkontrakten gleichwertige Instrumente sind jene Kontrakte anzusehen, die mit einer Barzahlung verbunden sind, welche unter Bezugnahme auf die Schwankungen eines der folgenden Faktoren berechnet wird: Zinssätze bzw. Wechselkurse, Wert eines der in Abschnitt Β des Anhangs aufgeführten Instrumente, Index für eines dieser Instrumente.

4.20 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie Dienstleistungsverkehrs. Die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats haben das Recht, von den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats über die Maßnahmen informiert zu werden, die einer Firma auferlegte Sanktionen oder Beschränkungen der Tätigkeiten einer Firma beinhalten und die die letztgenannten Behörden gegenüber den von den erstgenannten Behörden zugelassenen Wertpapierfirmen ergreifen, um ihrer Aufsichtspflicht wirksam nachzukommen. Hierzu muB die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden des Herkunfts- und des Aufnahmemitgliedstaats sichergestellt werden.

unbeschadet der sonstigen in dieser Richtlinie und in der Richtlinie 93/6/EWG festgelegten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen: -

TITEL I Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich Artikel 1

Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten 1. „Wertpapierdienstleistung": jede für Dritte erbrachte Dienstleistung, die in Abschnitt A des Anhangs aufgeführt ist und sich auf eines der Instrumente in Abschnitt Β des Anhangs bezieht. 2. „Wertpapierfirma": jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt Für die Zwecke dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten in den Begriff der Wertpapierfirma Firmen einbeziehen, die keine juristischen Personen sind, -

wenn ihre Rechtsform Dritten gegenüber einen Grad an Schutz bietet, der dem von juristischen Personen gebotenen Schutz gleichwertig ist, und - sofern sie einer gleichwertigen und ihrer Rechtsform angemessenen Aufsicht unterliegen. Erbringen diese natürlichen Personen jedoch Dienstleistungen, die das Halten von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen, so können sie nur dann als Wertpapierfirma im Sinne dieser Richtlinie gelten, wenn sie

Die Eigentumsrechte Dritter an ihren Wertpapieren und Geldern werden gewahrt, vor allem im Falle einer Insolvenz der Firma oder ihrer Eigentümer, einer Pfändung, einer Aufrechnung oder anderer von den Gläubigern der Firma oder ihren Eigentümern geltend gemachter Ansprüche.

-

Die Wertpapierfirma ist Vorschriften unterworfen, welche die Überwachung ihrer Solvenz einschließlich der ihrer Eigentümer zum Gegenstand haben. - Der JahresabschluB der Wertpapierfirma wird von einer oder mehreren nach dem einzelstaatlichen Recht zur Rechnungsprüfung befugten Personen geprüft.

[42] Im Hinblick auf die doppelte Zielsetzung des Anlegerschutzes und der Gewährleistung eines reibungslosen Funktionierens der Wertpapiermärkte ist für die Transparenz der Geschäfte sowie dafür zu sorgen, daB die zu diesem Zweck in dieser Richtlinie für die geregelten Märkte vorgesehenen Regeln sowohl für Wertpapierfirmen als auch für Kreditinstitute, wenn sie auf dem Markt tätig werden, gelten. HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

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-

Hat eine Firma nur einen Eigentümer, so trifft dieser entsprechende Vorkehrungen für den Schutz der Anleger, falls die Firma die Geschäftstätigkeit aufgrund seines Ablebens, seiner Geschäftsunfähigkeit oder einer vergleichbaren Gegebenheit einstellt.

Die Kommission erstattet vor dem 31. Dezember 1997 Bericht über die Anwendung der Absätze 2 und 3 dieser Nummer und schlägt gegebenenfalls ihre Änderung oder Streichung vor. Übt jemand eine Tätigkeit gemäß Abschnitt A Nummer 1 Buchstabe a) des Anhangs aus und wird diese Tätigkeit ausschließlich für Rechnung und unter der vollen und unbedingten Haftung einer Wertpapierfirma ausgeübt, so gilt diese Tätigkeit als Tätigkeit der Wertpapierfirma selbst und nicht als Tätigkeit der betreffenden Person. 3. „Kreditinstitut": ein Kreditinstitut im Sinne des Artikels 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie 77/780/EWG«6· mit Ausnahme der in Artikel 2 Absatz 2 der genannten Richtlinie bezeichneten Institute. 4. „Wertpapiere": - Aktien und andere, Aktien gleichzustellende Wertpapiere, - Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, und - alle anderen üblicherweise gehandelten Titel, die zum Erwerb solcher Wertpapiere durch Zeichnung oder Austausch berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, mit Ausnahme von Zahlungsmitteln. genannten Rückversicherungs- und Retrozessionstätigkeiten ausüben;

iii) Zweigniederlassungen von Wertpapierfirmen oder Kreditinstituten, die in einem Drittland zugelassen worden sind und Aufsichtsvorschriften unterliegen, welche nach Auffassung der zuständigen Behörden mindestens genauso streng wie die Aufsichtsvorschriften dieser Richtlinie und der Richtlinien 89/646/EWG oder 93/6/EWG sind und denen sie nachkommen;

b) Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen ausschließlich für ihr Mutterunternehmen, ihre Tochterunternehmen oder ein anderes Tochterunternehmen ihres Mutterunternehmens erbringen;

iv) Organismen für gemeinsame Anlagen, die aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates befugt sind, Anteile in der Öffentlichkeit zu vertreiben, sowie an die Geschäftsleiter solcher Organismen;

c) Personen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, wenn diese Tätigkeit im Rahmen einer Berufstätigkeit gelegentlich ausgeübt wird und letztere durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften bzw. Standesregeln geregelt ist und diese die Erbringung der Dienstleistung nicht ausschließen;

v) Investmentgesellschaften mit festem Kapital im Sinne von Artikel 15 Absatz 4 der Richtlinie 77/91/EWG, deren Wertpapiere auf einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat notiert bzw. gehandelt werden;

d) Firmen, deren Wertpapierdienstleistungen ausschließlich in der Verwaltung eines Systems der Arbeitnehmerbeteiligung bestehen; e) Firmen, die als Wertpapierdienstleistungen sowohl die unter dem Buchstaben b) als l'I

Artikel 1 Nummer 15 später eingefügt, vgl ABIEG 1995 L 168/7.

"°> ABI. Nr. L 2 2 8 vom 16. 8. 1973, S. 3. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 9 0 / 6 1 9 / E W G (ABI. Nr. L 3 3 0 vom 29. 11. 1990, S. 50). i") ABI. Nr. L 63 vom 13. 3. 1979, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 9 0 / 6 1 8 / E W G (ABI. Nr. L 3 3 0 vom 29. 11. 1990, S. 44). «"I ABI. Nr. 56 vom 4. 4. 1964, S. 8 7 8 / 6 4 .

-

und deren Tätigkeit auf einzelstaatlicher Ebene einer Regelung bzw. Standesregeln unterworfen ist;

h) Organismen für gemeinsame Anlagen unabhängig davon, ob sie auf Gemeinschaftsebene koordiniert worden sind, sowie die

Grunewald, ZBB 1990, 128 (132 f); Scbödermeier / Wallach, EuZW 1990, 122 (125). 88

89

4.21 Insiderhandels-Richtlinie

769

a) Die Regeln über den Anwendungsbereich (Art 1 RL) sind in §§ 12 f W p H G umgesetzt. Insiderinformation und erfaßte Kapitalmarktinstrumente sind freilich in umgekehrter Reihenfolge beschrieben. § 13 W p H G unterscheidet sich von Art 1 Nr 1 R L (nur) dadurch, daß der Begriff der „präzisen Information" durch den der „Tatsache" ersetzt wurde. Dies ist insoweit unzutreffend, als Prognosen oder Wertungen etwa von Vorstandsmitgliedern als solche nicht erfaßt wären, 9 1 was nach dem Gesagten jedoch für die Insiderhandels-Richtlinie durchweg anders gesehen wird. Eine richtlinienkonforme Auslegung erscheint allerdings angesichts des Umsetzungswillens des deutschen Gesetzgebers möglich. 9 2 Hinzu treten zwei Auslegungsfragen, in denen Spannungen zwischen Gemeinschaftsrecht und deutschem Recht denkbar erscheinen: Den Begriff der Öffentlichkeit der Information, den die Insiderhandels-Richtlinie und das Wertpapierhandelsgesetz gleichermaßen enthalten, will der deutsche Gesetzgeber anders verstehen als hier für die Richtlinie vorgeschlagen. In seiner - die Gerichte allerdings wohl nicht bindenden - 9 3 Begründung fordert er keine breite Öffentlichkeit. Ausreichen müsse die sogenannte Bereichsöffentlichkeit, 94 da dann die Information auch bereits in den Preis eingeflossen und das Ubervorteilungsrisiko damit ausgeräumt sei. 95 Ist der hier vertretenen Auslegung der Richtlinie zu folgen, so steht angesichts der Gleichheit der verwandten Begriffe nichts einer Durchsetzung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung entgegen. Die Konkretisierung des Kriteriums der Erheblichkeit scheint, wenn man aus Rechtssicherheitsgründen starre Grenzen befürwortet, zur Zeit nur im nationalen Kontext möglich. Überwiegend will man die an den deutschen Börsen sowieso eingeführten Bezeichnungsgrenzen fruchtbar machen: Die hM nimmt Erheblichkeit an, wenn eine Minus- oder Plusankündigung zu er-

91

Zur Abgrenzungsfunktion des Merkmals (gegenüber Gerüchten und Meinungen) schon oben Rn 12. Unzutr ist es vor dem Hintergrund des abweichenden Wortlauts der Richtlinie, Differenzierungen maßgeblich auf das Merkmal Tatsache zu stützen, etwa bei der Aussage eines Vorstandsmitglieds, der Kurs der Gesellschaft werde unweigerlich steigen, das Vorliegen einer Tatsache zu verneinen und folglich auch dasjenige einer Insiderinformation, jedoch umgekehrt zu verfahren bei der Mitteilung eines Dritten, das Vorstandsmitglied habe diese Aussage gemacht. So etwa Assmann / Schneider, § 12 WpHG, Rn 37; dagegen Cahn, ZHR 162 (1998) 1 (12-14). Zum Tatsachenbegriff vgl auch Arbeitskreis Börse, Insiderhandelsverbote und Ad hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz Erläuterungen und Empfehlungen zur Behandlung kursbeeinflussender Tatsachen gemäß § 12 ff Wertpapierhandelsgesetz, abgedruckt in WM 1994, 2038.

Zu den Kriterien vgl oben 1. Teil Rn 160-163 und Grundmann, ZEuP 1996, 399 (bes 419-423). 93 Assmann, AG 1994, 237 (242); ders, ZGR 1994, 494 (511); Happ, JZ 1994, 240 (243). 94 Zum Begriff oben Rn 13. BT-Drs 12/6679, S 46; Caspari, ZGR 1994, 530 (539); Happ, JZ 1994, 240 (243); Kumpel, WM 1994, 2137 (2138); Peltzer, ZIP 1994, 746 (749); zu den vom deutschen Gesetzgeber verworfenen Begriffen breiterer Öffentlichkeit und zu den Gründen, die für das gewählte Kriterium sprechen: Assmann, AG 1994, 237 (241 f); ders, ZGR 1994, 494 (511); vgl auch Hopt, ZGR 1991, 17 (29 f). 9* BT-Drs 12/6679, S 46; Assmann, AG 1994, 237 (241 f); ders, ZGR 1994, 494 (511); Caspari, ZGR 1994, 530 (539). 92

29

30

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Einseitige Untemehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

folgen hätte (bei zu erwartendem Kursausschlag von 1,5 % bei festverzinslichen Werten, 5 % bei Aktien);96 eine Mindermeinung will die Grenze erst dort setzen, wo eine Doppelplus- bzw -minusankiindigung angezeigt wäre.97 31 ξ 12 WpHG beschreibt den Kreis der Kapitalmarktinstrumente - wie die Insiderhandels-Richtlinie - sehr weit, über die Vorgaben geht die Regelung des relevanten Marktes hinaus: Erfaßt sind auch, weil das Publikum insoweit nicht unterscheide,98 Wertpapiere, die ausschließlich in dem auf privatrechtlicher Grundlage reglementierten Freiverkehr gehandelt werden. 99 Darüber hinaus wird bereits die Beantragung der Zulassung bzw deren öffentliche Ankündigung einer Zulassung der jeweiligen Papiere gleichgestellt (§§ 12 I 2, II 2 WpHG). Zudem wurde vom Wahlrecht des Art 2 III RL kein Gebrauch gemacht. Ein allgemeines Verbot der Verwertung von Insiderwissen auch außerhalb der Anlage in Kapitalmarktinstrumenten hat auch der deutsche Gesetzgeber nicht erlassen.100 32 b) Auf die Regeln zum Anwendungsbereich folgt das Verbot selbst. Insoweit setzen §§ 13 I, 14 WpHG Art 2 - 4 RL um - mit der Beschreibung des Kreises der Verbotsadressaten ® 13 I Nr 1-3, 14 II WpHG) und dem Verbot selbst (§ 14 I WpHG). Der Primärinsider wird als „Insider" bezeichnet, der Sekundärinsider als „Dritter". Dabei ist der Kreis der Primärinsider insoweit weiter als in der Insiderhandels-Richtlinie gezogen,101 als auch Mitglieder eines Organs in einem verbundenen Unternehmen (iSv § 15 AktG) erfaßt sind.102 Zu stark eingeengt wurde die Definition der Richtlinie jedoch insofern, als § 13 I Nr 3 WpHG die Primärinsidereigenschaft davon abhängig macht, ob derjenige, der die Information aufgrund Arbeit, Beruf oder Aufgaben erhält, sie „bestimmungsgemäß" erlangt hat. Personen, welche die Information zwar berufsbedingt, aber nur zufällig erhalten haben, etwa bei Versagen einer sogenannten chínese wall, werden

'« BT-Drs 12/6679, S 47; Assmann, AG 1994, 237 (244); ders, Z G R 1994, 4 9 4 (515); Caspari, Z G R 1994, 5 3 0 (540 f). Zur Spezifizierung der Voraussetzungen einer Minusoder Plusankündigung: § 8 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, abgedruckt bei Bruns /Rodrian, Wertpapier und Börse, 10/1990, Nr 470, und etwa Caspari aaO. 97 Claussen, DB 1994, 27 (30) (allerdings bei Derivaten wegen des Hebeleffekts stets Erheblichkeit annehmend); noch strenger sogar: ders, ZBB 1992, 2 6 7 (278 f). 's BT-Drs 12/6679, S 45; Assmann, AG 1 9 9 4 , 2 3 7 (245); ders, Z G R 1 9 9 4 , 4 9 4 (516); Caspart, Z G R 1994, 5 3 0 (534); Peltzer, ZIP 1994, 746 (747). " BT-Drs 12/6679, S 45; Assmann, AG 1994, 237 (205,245); ders, ZGR 1994, 494 (516); Caspari, ZGR 1994, 5 3 0 (534); Claussen, DB 1994, 27 (30); Hopt, ZGR 1991, 17 (41); Peltzer, ZIP 1994, 746 (747). Nicht erfaßt ist freilich der Telefonverkehr: Assmann, AG 1 9 9 4 , 2 3 7 (245); Claussen, DB 1 9 9 4 , 2 7 (30); Grundmann, ZfgKW 1 9 9 2 , 1 2 (15); Hopt, ZGR 1991, 17 (41). wo Hopt, FS Hemsius 1991, 289 (307-310). 101 102

Assmann, AG 1994, 237 (238); ders, Z G R 1994, 4 9 4 (505). Nur eine Klarstellung bedeutet die ausdrückliche Einbeziehung von persönlich haftenden Gesellschaftern einer Personengesellschaft: vgl BT-Drs 12/6679, S 46; Assmann, AG 1994, 237 (238); ders, Z G R 1994, 494 (504 f); Claussen, DB 1994, 2 7 (27); Hopt, ZGR 1991, 17 (36).

4.21 Insiderhandels-Richtlinie

771

dadurch im Gegensatz zur Richtlinie nicht mehr als Primärinsider erfaßt. 103 Beim Verbot, das den Sekundärinsider trifft, wählte der deutsche Gesetzgeber zwar nur die engere der von der Richtlinie vorgesehenen Fassungen. 104 In der Definition des Kreises der erfaßten Insider ist das deutsche Recht demgegenüber in mehrfacher Hinsicht offener als die Richtlinie. Insbesondere muß die Information nicht von einem Primärinsider hergeleitet werden (vgl § 14 II WpHG). 1 0 5 Assmann faßt dies dahingehend zusammen, daß jeder, der Insiderwissen hat, im deutschen Recht als Insider qualifiziert werde. 1 0 6 c) Den Abschluß der materiellrechtlichen Regeln bildet diejenige über die Ad- 3 3 hoc-Publizität in § 15 W p H G , die Art 7 R L umsetzt. Sie sollte ξ 4 4 a BörsG ersetzen und „aktivieren", 107 der wenig zur Kenntnis genommen worden war. 108 Dazu wurde ua 1 0 9 - auf Betreiben des Bundesrats - im Rahmen der Veröffentlichungsprozedur zwingend eine Anmeldungspflicht vorgeschrieben (§ 15 II WpHG), 1 1 0 was bereits in den ersten Monaten der Geltung des neuen Regimes viele Kursaussetzungen zur Folge hatte. 111 Die Veröffentlichung selbst wurde demgegenüber - auch auf Betreiben des Bundesrats - 1 1 2 erleichtert und den Bedürfnissen der Praxis angepaßt, da alternativ zur Veröffentlichung in einem Börsenpflichtblatt auch eine solche über ein elektronisch betriebenes Informations-

'°3 Im einzelnen Grundmann, J Z 1996, 274 (285). 104 Anders noch der Vorschlag des Bundesrats: BT-Drs 12/6679, S 94. Die diesbezügliche Diskussion im Finanzausschuß resümiert: Peltzer, ZIP 1994, 746 (748). Auch die Verantwortlichkeit des Sekundärinsiders schon bei leichtfertiger Nichtkenntnis des Insidercharakters der Information, die eine frühere Fassung vorgesehen hatte, wurde fallengelassen: Assmann, AG 1994, 237 (248); ders, ZGR 1994, 494 (521); zu weiteren Folgerungen insoweit: Grundmann, Revue de la Banque 1995, 275 (278). κ» Assmann, AG 1994, 237 (240); Caspari, ZGR 1994, 530 (546); Claussen, DB 1994, 27 (28). Zur Schließung weiterer Verbotslücken im deutschen Recht vgl Grundmann, Revue de la Banque 1995, 275 (278). Die Industriespionage ist also im deutschen Recht zweifelsfrei erfaßt: Assmann, AG 1994, 237 (241); ders, ZGR 1994, 494 (509); Caspari, ZGR 1994, 530 (546). Assmann, AG 1994, 237 (237); ders, ZGR 1994, 494 (504). i°7 BT-Drs 12/6679, S 35. ios Happ, JZ 1994, 240 (241); Hopt, ZGR 1991, 17 (50). 109 Außerdem ist jetzt eine Überwachung vorgesehen (unten Fn 116) und wurde das Bußgeld verfünffacht (jetzt 500000,- DM) (§ 39 I Nr 1 lit. b, III WpHG im Gegensatz zu § 90 I Nr 2, IV BörsG aF): Assmann, AG 1994, 196 (206); auch Happ, J Z 1994, 240 (241) (allerdings die Alternativen in § 90 IV BörsG vertauschend und daher gar Verzehnfachung annehmend). 110 BT-Drs 12/6679, S 94 und 101. Demgegenüber war nach der Fassung des § 44a BörsG und derjenigen des § 15 WpHG im Regierungsvorschlag unklar, ob eine Tatsache, die anders öffentlich bekannt geworden war, noch der vorgesehenen Meldepflicht unterlag. Dagegen die bisherige Praxis zu § 44a BörsG (vgl ZIP 1994, 746 [750, Fn 59]), aber wohl auch BT-Drs 12/6679, S 48; dafür hingegen: Assmann, AG 1994, 237 (251); Peltzer, ZIP 1994, 746 (750). 111 Vgl Süddeutsche Zeitung vom 21. 12. 1994, S 25. i' 2 BT-Drs 12/6679, S 94.

772

Einseitige Untemehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

system möglich ist (§ 15 III WpHG). Für die Befreiung von der Veröffentlichungspflicht kommt es nur noch auf die mögliche Schädigung der Interessen des Emittenten, nicht mehr wie bisher auf eine Abwägung mit Anlegerinteressen an. 113 In zwei Fragen sollte das deutsche Recht richtlinienkonform ausgelegt werden: Öffentlichkeit der Information kann - anders als möglicherweise in § 13 I WpHG - nicht Bereichsöffentlichkeit bedeuten, sondern nur breite Öffentlichkeit. 114 Da Art 7 RL dazu dienen soll, den Insiderhandel durch die Statuierung einer prompten Veröffentlichungspflicht auszutrocknen, sollte die Veröffentlichungspflicht auf allen vom Insiderhandelsverbot erfaßten Märkten gelten, also trotz insoweit engeren Wortlauts des ξ 15 WpHG auch im Freiverkehr.115 3 4 d) Keine Umsetzung im eigentlichen Sinne stellen die praktisch jedoch zentral wichtigen Regeln zu den Sanktionen dar.116 Der deutsche Gesetzgeber wählte eine (für deutsche Verhältnisse) drakonische Strafregelung, die - entsprechend den Vorgaben des Art 2 II RL - nach allgemeinen Lehren zu Beihilfe und Mittäterschaft auch Organmitglieder trifft.117 Die Nachweisprobleme in der Praxis sind beträchtlich. In den Entwürfen nicht geregelt, jedoch auch nicht präkludiert waren die zivilrechtlichen Sanktionen, 118 die überwiegend auf § 823 II B G B oder die Grundsätze der cic gestützt wurden.119 Gleiches galt für die Publizitätspflicht nach § 15 WpHG. 1 2 0 Aufgrund von § 15 VI WpHG, der zuletzt noch ins Gesetz

>" Assmann, AG 1994, 196 (206); ders, ZGR 1994, 494 (528). So nämlich Schema C Nr 5 lit. a der (Börsenzulassungs)Richtlinie 79/279/EWG vom 5. 3. 1979, AB1EG 1979 L 66/21, auf die in Art 7 der Insiderhandels-Richtlinie verwiesen ist; ebenso Assmann, AG 1994, 237 (252); ders, ZGR 1994, 494 (527 f, Fn 130). Zweifel insoweit wegen der gewählten Veröffentlichungsinstrumente bei Kumpel, WM 1994, 2137 (2138). 115 Offenbar ebenso auf der Grundlage der Richtlinie: Hopt, ZGR 1991, 17 (50, 41); aA aufgrund des Wortlauts des § 15 WpHG: Assmann, AG 1994, 196 (206); ders, ZGR 1994, 494 (528 f). 116 Zur verwaltungsmäßigen Überwachung, deren Regelung zu den „größten Komplikationen" im Gesetzgebungsverfahren führte (so Assmann, AG 1994, 196 [199]): Claussen, Das neue Börsenaufsichtsrecht, DB 1994, 969; Grundmann, Revue de la Banque 1995, 275 (279); Kumpel, Zur Neugestaltung der staatlichen Börsenaufsicht - von der Rechtsaufsicht zur Marktaufsicht, WM 1994, 229; ders, Die künftige Kapitalmarktaufsicht und die europäische Rechtsangleichung, WM 1992, 381; Seltzer, ZIP 1994, 746 (752). 117 Hierzu vgl etwa: Assmann / Schneider (Assmann / Cramer), § 14 WpHG, Rn 90-97 (auch zur fehlenden Strafbarkeit des Versuchs); sowie Grundmann, Revue de la Banque 1995, 275 (279). ne Vgl auch dazu näher etwa Grundmann, Revue de la Banque 1995, 275 (279). » 9 Vgl (zu den Entwürfen): Assmann, AG 1994, 237 (250); ders, ZGR 1994, 494 (525); Grunewald, ZBB 1990, 128 (132 f); Hopt, ZGR 1991, 17 (70); ausführlich Kirchner, FS Kitagawa 1992, 665 (678-682); abl Happ, JZ 1994,240 (243) und in der Tendenz auch die in ZGR 1994, 547 (548) geschilderte Diskussion. Assmann, AG 1994,196 (203) betont (grundsätzlich zu Recht), daß die Antwort zumindest die gleiche sein muß wie für § 15 WpHG (vgl nächste Fn). 120 Dafür: Assmann, ZGR 1994, 494 (529); die Scbutzvereinigung für Wertpapierbesitz (vgl ZIP 1994, 747 [751 Fn 62]); und die bisherige hM zu § 44a BörsG, etwa Baumbach / 114

4.21 Insiderhandels-Richtlinie

773

kam, scheint heute jedoch eine zivilrechtliche Sankionierung praktisch ausgeschlossen. 1 2 1 Entscheidend ist freilich insoweit nicht, ob der deutsche Gesetzgeber, sondern ob der Gemeinschaftsgesetzgeber das Insiderhandelsverbot und die Ad-hoc-Publizität individualschützend ausgestaltete. 1 2 2 Die bejahende Antwort wird durch den 4 . - 6 . Erwägungsgrund der Präambel nahegelegt, die den Anlegerschutz als eines von zwei Zielen gesondert hervorheben. Die Zukunft wird zeigen, ob die erzielten Gewinne nach strafrechtlichen Bestimmungen dem Staat verfallen oder aber ob sich in der zivilrechtlichen, etwa der gesellschaftsrechtlichen Dogmatik und Rechtsprechung eine - den Verfallsvorschriften vorgehende - Abführungspflicht herausbildet. 123

B. Fundstellenverzeichnis Grundlage: Art 100a EGV Betr: Verbot der Verwertung oder Weitergabe von Insiderwissen bzw der Empfehlung auf seiner Grundlage; Verpflichtung zur unverzüglichen Veröffentlichung erheblich kursrelevanter Information Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1989 L 3 3 4 / 3 0 - geänderter Vorschlag vom 4. 10. 1988 AB1EG 1988 C 2 7 7 / 1 3 / K O M ( 8 8 ) 5 4 9 endg - ursprünglicher Vorschlag vom 2 5 . 5. 1 9 8 7 AB1EG 1 9 8 7 C 1 5 3 / 8 / K O M ( 8 7 ) 111 endg - Gemeinsamer Standpunkt (Europäisches Parlament) AB1EG 1989 C 2 9 1 / 5 4

Duden / Hopt, Handelsgesetzbuch - mit GmbH &c Co, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht)28, 1989, (14) § 44a BörsG, Anm 1; Schwark, Das neue Kapitalmarktrecht, NJW 1987, 2041 (2045); offen: Assmann, AG 1994, 196 (203); Happ, JZ 1994, 240 (243); dagegen: Peltzer, ZIP 1994, 746 (751). 121 Vgl (für § 15 WpHG, jedoch auch für §§ 11 ff WpHG aus den in Fn 117 aE angedeuteten Gründen): Kumpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn 14.92, 14.93. Assmann / Schneider, § 14 WpHG, Rn 107 sieht darin die heute hM in Deutschland. 122 Vgl im einzelnen oben 1. Teil Rn 181. 123 Dazu schon: Assmann, AG 1994, 237 (250); Hopt, ZGR 1991, 17 (59 f). Für solch eine Abführungspflicht spricht, daß ökonomisch gesehen wohl der Intermediär und damit der Emittent durchaus geschädigt ist, da die Information regelmäßig auf des letzteren Investment zurückgeht und sich seine Kapitalaufbringungskosten erhöhen: vgl Rudolph, FS Moxter 1994, 1333 (1345-1349); Schmidt, in: Hopt / Wymeersch (Eds), European Insider Dealing, 21 (22-28). Insoweit geht es um Gewinnabschöpfung, so daß Beweisschwierigkeiten beim Nachweis des Schadens hier irrelevant sind.

35

774

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Stellungnahmen:

-zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1988 C 187/90 WSA: AB1EG 1988 C 35/22

§§ 12-20, 38-40 des Gesetzes über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz - WpHG) - Art 1 des Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26. 7. 1994 Fundstelle: BGBl 1994 I, S 1749

Richtlinie des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte (89/592/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission«), in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament·«, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozlalausschusses, in Erwägung nachstehender Gründe: Artikel 100a Absatz 1 des Vertrags sieht vor, daB der Rat die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben, erläBt. Der Sekundärmarkt für Wertpapiere spielt bei der Finanzierung der Wirtschaftssubjekte eine wichtige Rolle. Damit dieser Markt seine Aufgabe effizient wahrnehmen kann, müssen alle für dessen reibungsloses Funktionieren zweckdienlichen Maßnahmen getroffen werden. Das reibungslose Funktionieren dieses Marktes hängt weitgehend von dem Vertrauen der Anleger ab. Dieses Vertrauen beruht unter anderem auf der den Anle-gern gegebenen Zusicherung, daB sie gleichgestellt sind und daB sie gegen die unrechtmäßige Verwendung einer Insider-Information geschützt werden. Da die Insider-Geschäfte für bestimmte Anleger mit Vorteilen gegenüber anderen Anlegern verbunden sind, können sie dieses Vertrauen gefährden und somit das reibungslose Funktionieren des Marktes beeinträchtigen.

ABl. Nr. C 153 vom 11. 6. 1987, S. 8, und ABI. Nr. C 277 vom 27. 10. 1988, S. 13. »> ABI. Nr. C 187 vom 18. 7. 1987, S. 93, und BeschluB vom 11. Oktober 1989 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). IS ABI. Nr. C 35 vom 8. 2. 1989, S. 22.

«I

Folglich sind die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die betreffenden Geschäfte zu bekämpfen. In einigen Mitgliedstaaten gibt es keine Vorschriften, die die Insider-Geschäfte untersagen, und zwischen den Vorschriften der Mitgliedstaaten bestehen deutliche Unterschiede. Demnach ist es angezeigt, auf Gemeinschaftsebene koordinierte Vorschriften auf diesem Gebiet zu erlassen. Koordinierte Vorschriften dieser Art haben auch den Vorteil, daß sie durch eine Zusammenarbeit der zuständigen Behörden die Möglichkeit bieten, die grenzüberschreitenden Insider-Geschäfte wirksamer zu bekämpfen. Da dem Erwerb oder der Veräußerung von Wertpapieren stets eine entsprechende Entscheidung der Person vorausgehen muß, die eines der beiden Geschäfte tätigt, stellt die Tatsache dieses Erwerbs oder dieser Veräußerung nicht als solche eine Verwendung einer Insider-Information dar. Ein Insider-Geschäft setzt voraus, daß eine Insider-Information ausgenutzt wird; der Umstand, daß ein Marktmacher oder eine Stelle, die befugt ist, als „contrepartie" zu handeln, oder ein Börsenbroker zwar über eine Insider-Information verfügen, die bei den ersteren aber lediglich ihre normale Tätigkeit des An- und Verkaufs von Wertpapieren ausüben bzw. letzterer einen Auftrag ausführt, kann daher nicht schon als solcher als Ausnutzung dieser Insider-Information gewertet werden. Gleichermaßen kann der Umstand, daß Transaktionen allein mit dem Ziel vorgenommen werden, den Kurs von neu emittierten oder im Rahmen eines Sekundärangebots gehandelten Wertpapieren zu regulieren, nicht schon als solcher als Ausnutzung dieser Insider-Information gewertet werden. Aufgrund von öffentlichen Angaben erstellte Bewertungen können nicht als Insider-Informationen angesehen werden; damit sind auch alle aufgrund dieser Art von Bewertung getätigten Geschäfte keine „InsiderGeschäfte" im Sinne dieser Richtlinie. Es liegt auf der Hand, daß die Weitergabe einer Insiderinformation an eine Behörde zur Erfül-

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

lung einer Verpflichtung, die sich aus dieser Richtlinie oder aus anderen geltenden Vorschriften ergibt, nicht unter die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verbote fallen kann HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: Artikel 1

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Definitionen: 1. Insider-Information: eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die einen oder mehrere Emittenten von Wertpapieren oder ein oder mehrere Wertpapiere betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieses Wertpapiers oder dieser Wertpapiere beträchtlich zu beeinflussen; 2. Wertpapiere: a) Aktien und Schuldverschreibungen sowie Effekten, die mit Aktien und Schuldverschreibungen vergleichbar sind; b) Verträge über oder Rechte auf Zeichnung, Erwerb oder Veräußerung der unter Buchstabe a) genannten Wertpapiere; c) Terminkontrakte, Optionen oder Finanzinstrumente mit fester Laufzeit, die sich auf die unter Buchstabe a) genannten Wertpapiere beziehen; d) Verträge mit Indexklauseln, die unter Buchstabe a) genannte Wertpapiere zum Gegenstand haben, wenn sie zum Handel auf einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen reglementiert und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und der Öffentlichkeit direkt oder indirekt zugänglich ist. Artikel 2

(1) Jeder Mitgliedstaat untersagt den Personen, die - als Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungsoder Aufsichtsorgans des Emittenten, - durch ihre Beteiligung am Kapital des Emittenten oder - aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben zu dieser Information Zugang haben, über eine Insider-Information verfügen, unter Ausnutzung derselben in Kenntnis der Sache für eigene oder fremde Rechnung entweder selbst oder indirekt die Wertpapiere des bzw. der von dieser Information betroffenen Emittenten zu erwerben oder zu veräußern. (2) Sofern es sich bei den in Absatz 1 genannten Personen um Gesellschaften oder andere juristische Personen handelt, gilt das dort ausgesprochene Verbot für die natürlichen Perso-

nen, die an dem Beschluß beteiligt sind, das Geschäft für Rechnung der betreffenden Juristischen Person zu tätigen. (3) Das in Absatz 1 vorgesehene Verbot gilt für jeden Erwerb und jede Veräußerung von Wertpapieren, die unter Einschaltung eines Berufshändlers erfolgen. Jeder Mitgliedstaat kann vorsehen, daß dieses Verbot nicht für den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren gilt, die ohne Einschaltung eines Berufshändlers außerhalb eines Wertpapiermarktes im Sinne von Artikel 1 Ziffer 2 letzter Satzteil erfolgen. (4) Diese Richtlinie gilt nicht für Geschäfte, die aus geld- oder währungspolitischen Gründen oder im Rahmen der öffentlichen Schuldenverwaltung von einem souveränen Staat, seiner Zentralbank oder einer anderen von dem Staat mit diesen Geschäften beauftragten Organisation oder einer für deren Rechnung handelnden Person getätigt werden. Die Mitgliedstaaten können in bezug auf die betreffende Verwaltung der öffentlichen Schulden diese Ausnahmeregelung auf ihre Gliedstaaten bzw. die diesen gleichzustellenden Gebietskörperschaften ausdehnen. Artikel 3

Jeder Mitgliedstaat untersagt den Personen, die dem Verbot nach Artikel 2 unterliegen und über eine Insider-Information verfügen, a) diese Insider-Information an einen Dritten weiterzugeben, soweit dies nicht in einem normalen Rahmen in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder in Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht; b) auf der Grundlage dieser Insider-Information einem Dritten zu empfehlen, auf seinen Wertpapiermärkten im Sinne von Artikel 1 Ziffer 2 letzter Satzteil zum Handel zugelassene Wertpapiere zu erwerben oder zu veräußern bzw. erwerben oder veräußern zu lassen. Artikel 4

Jeder Mitgliedstaat sieht das Verbot in Artikel 2 auch für andere als in jenem Artikel genannte Personen vor, die in Kenntnis der Sache über eine Insider-Information verfügen, die unmittelbar oder mittelbar nur von einer in Artikel 2 genannten Person stammen kann. Artikel 5

Jeder Mitgliedstaat wendet die in den Artikeln 2, 3 und 4 vorgesehenen Verbote zumindest auf in seinem Gebiet begangene Handlungen an, sofern die betreffenden Wertpapiere auf dem Markt eines Mitgliedstaates zum Handel zugelassen sind. Auf jeden Fall geht jeder Mitgliedstaat davon aus, daß ein Geschäft in seinem Gebiet ge-

4.21 Insiderhandels-Richtlinie tätigt wird, wenn es auf einem in diesem Gebiet gelegenen oder funktionierenden Markt im Sinne von Artikel 1 Ziffer 2 letzter Satzteil erfolgt. Artikel

6

Jeder Mitgliedstaat kann strengere Vorschriften als die in dieser Richtlinie vorgesehenen oder zusätzliche Vorschriften erlassen, sofern diese Vorschriften allgemein gelten. Insbesondere kann er das Verbot nach Artikel 2 ausdehnen und für die in Artikel 4 genannten Personen die Verbote im Sinne von Artikel 3 vorsehen. Artikel

7

Die im Anhang, Schema C Ziffer 5 Buchstabe a) der Richtlinie 79/279/EWGW vorgesehenen Bestimmungen gelten auch für Gesellschaften und Unternehmen, deren Wertpapiere unabhängig von ihrer Art auf einem Markt im Sinne von Artikel 1 Ziffer 2 letzter Satzteil der vorliegenden Richtlinie zum Handel zugelassen sind. Artikel

8

(1) Jeder Mitgliedstaat benennt die Verwaltungsstellen, die die Anwendung der aufgrund dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Stellen überwachen sollen. Er unterrichtet davon die Kommission, die die betreffenden Angaben den anderen Mitgliedstaaten übermittelt. (2) Die zuständigen Stellen müssen, gegebenenfalls zusammen mit anderen Stellen, über die für die Erfüllung ihrer Aufgabe notwendigen Kompetenzen sowie Kontroll- und Ermittlungsbefugnisse verfügen. Artikel

9

Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, daB alle Personen, die eine Tätigkeit bei den in Artikel 8 genannten zuständigen Stellen ausüben oder ausgeübt haben, zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet werden. Dies schließt ein, daß die unter das Berufsgeheimnis fallenden Informationen an keine Person oder Behörde weitergegeben werden dürfen, es sei denn, dies geschieht aufgrund einer Rechtsvorschrift. Artikel

10

(1) Die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten gewährleisten einander jede zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Zusammenarbeit, wobei sie von den in Artikel 8 Absatz 2 genannten Befugnissen Gebrauch machen. Zu diesem Zweck teilen sie einander unbeschadet des Artikels 9 Kl

ABl. Nr. L 66 vom 16. 3. 1979, S. 21.

777

alle erforderlichen Informationen mit, einschließlich der Informationen über Handlungen, die im Sinne der den Mitgliedstaaten durch Artikel 5 und Artikel 6 Satz 2 eingeräumten Möglichkelten ausschließlich von dem Mitgliedstaat untersagt sind, der die Zusammenarbeit beantragt hat Die so ausgetauschten Informationen unterliegen dem Berufsgeheimnis, zu dessen Wahrung die Personen verpflichtet sind, welche bei den zuständigen Stellen, die diese Informationen erhalten, eine Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben. (2) Die zuständigen Stellen können die Übermittlung von angeforderten Informationen verweigern, wenn a) die Weitergabe der Informationen die Souveränität, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung des Staates, von dem die Informationen angefordert werden, beeinträchtigen könnte; b) von den Behörden des Staates, von dem die Informationen angefordert werden, aufgrund derselben Tatbestände und gegen dieselben Personen bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet worden ist oder wenn gegen diese Personen aufgrund derselben Tatbestände bereits eine endgültige Entscheidung der zuständigen Behörden dieses Staates ergangen ist. (3) Unbeschadet ihrer Verpflichtungen im Rahmen von Strafverfahren dürfen die Stellen die nach Absatz 1 erhaltenen Informationen ausschließlich in Erfüllung ihrer Aufgabe im Sinne des Artikels ß Absatz 1 sowie in Verwaltungsoder Gerichtsverfahren im Rahmen dieser Aufgabe verwenden. Gibt jedoch die zuständige Stelle, die eine Information übermittelt hat, ihie Zustimmung, so darf die Stelle, die sie erhalten hat, sie zu anderen Zwecken verwenden oder den zuständigen Stellen anderer Staaten übermitteln. Artikel

11

Die Gemeinschaft kann nach Maßgabe des Vertrags mit Drittstaaten in den unter diese Richtlinie fallenden Bereichen Übereinkünfte schliessen. Artikel

12

Der durch Artikel 20 der Richtlinie 79/279/EWG eingesetzte Kontaktausschuß hat außerdem folgende Aufgaben: a) Ermöglichung einer regelmäßigen Abstimmung über konkrete Probleme, die sich aus der Umsetzung der vorliegenden Richtlinie ergeben und über die ein Meinungsaustausch für nützlich erachtet wird; b) soweit erforderlich, Beratung der Kommission bei Ergänzungen oder Änderungen der vorliegenden Richtlinie.

778

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten Artikel 13

Jeder Mitgliedstaat legt im einzelnen fest, wie Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften zu ahnden sind. Diese Sanktionen müssen so weit gehen, daB sie einen hinreichenden Anreiz zur Einhaltung dieser Vorschriften darstellen.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 15 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 13. November 1989.

Artikel 14 (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Richtlinie vor dem 1. Juni 1992 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Im Namen des Rates Der Präsident P. BEREGOVOY

779

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

2. Inhaltsregeln

zu vertraglich strukturierten 4.25

Anlageinstrumenten

Investmentfonds-Richtlinie

Richtlinie des Rates vom 20. 12. 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (85/611/EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Auf dem Wege zu einem Europäischen Markt für die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren - Bemerkungen zu den Bestimmungen der Richtlinie 8 5 / 6 1 1 / E W G vom 20. 1 2 . 1 9 8 5 , Luxemburg (Amt für amtliche Veröffentlichungen) 1988 (sog Vandamme-Bericht); Baur, Jürgen, Investmentgesetze - Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen (Auslandinvestment-Gesetz (AuslInvestmG) - Kommentar nebst Länderübersicht EG/EWR-Staaten, Japan, Schweiz, USA (2 Bde), Berlin / New York (de Gruyter) 1997; Carl, Dieter/ Förster, Wolfgang, Das Recht der Investmentfonds - europarechtlicher Rahmen und nationale Gesetzgebung 2 , Neuwied ua (Luchterhand) 1994; Egan, Manus / Rushbrooke, Justin / Lockett, Nicholas, EC Financial Services Regulation, London ua (Wiley Chancery) 1994; Gschoßmann, Bernhard, Rechtliche Grundlagen des Investmentgeschäfts, München (Florentz) 1996; Izquierdo, Miriam, Die Liberalisierung und Harmonisierung des Börsenrechts als Problem des EG-Rechts, Saarbrücken (Europa-Institut) 1989, S 8 6 - 9 8 ; Harprecht, Klaus, Auswirkungen der EG-Investmentfonds-Richtlinie auf die Anlagepolitik deutscher Investmentgesellschaften, Nürnberg (Friedrich-Alexander-Universität) 1991; Lutter, Marcus, Europäisches Unternehmensrecht 4 , Berlin, New York (de Gruyter) 1996, S 6 1 9 626; Sieberer, Marcus, Das europäische Investmentrecht und das Investmentfondsgesetz 1993, Wien ua (Springer) 1996; Stadler, Ralph, Europäisches Investmentrecht und das schweizerische Anlagefondsgesetz, Zürich (Schulthess) 1990. 2. Aufsätze und Beiträge: Bracker, Emst, Investment in einem einheitlichen europäischen Markt, ZfgKW 1988, 3 1 8 - 3 2 2 ; Grundmann, Stefan, Europäisches und deutsches Investmentrecht, Z B B 1991, 2 4 2 - 2 5 9 ; Knobl, Peter / Opptitz, Martin, Wertpapiergeschäft und Börse im EG-Recht, in: Griller, Stefan (Hrsg), Banken im Binnenmarkt, Wien (Manz) 1992, 4 7 7 ( 5 0 6 - 5 2 2 ) ; Laux, Manfred, Europäisches Investment-Recht setzt neue Maßstäbe, Die Bank 1986, 1 8 9 - 1 9 6 ; ders, Zur Umsetzung der Richtlinie zur Harmonisierung des europäischen Investmentrechts in das deutsche Investmentrecht, W M 1990, 1 0 9 3 - 1 0 9 9 .

780

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand 1 Die Investmentfonds-Richtlinie koordiniert die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Zulassung, Beaufsichtigung, Struktur, Geschäftstätigkeit sowie Informationspflichten von Wertpapier-Investmentunternehmen des offenen Typs. Sie schafft damit die Voraussetzung für einen freien Vertrieb der Anteile dieser Investmentfonds und Investmentgesellschaften innerhalb des Gebiets der Europäischen Gemeinschaften. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2 Die Investmentfonds-Richtlinie verfolgt nach den Erwägungsgründen 2 und 3 ihrer Präambel drei Ziele. Zum einen soll sie einen wirksamen und gemeinschaftsweit einheitlichen Mindestschutz der Anleger sicherstellen. Zum anderen sollen vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für die Investmentunternehmen aller Mitgliedstaaten geschaffen werden. Die Verwirklichung dieser beiden Ziele soll letztlich die Voraussetzung dafür schaffen, daß die in einem Mitgliedstaat ansässigen Investmentunternehmen ihre Anteile in jedem anderen Mitgliedstaat vertreiben können, ohne durch nationale Vorschriften dieses Vertriebsstaats beschränkt zu werden. 3 Den Ausgangspunkt und die Grundlage der Bemühungen zum Erlaß der Investmentfonds-Richtlinie markiert der sogenannte Segré-Bericht1 von 1966. Im Auftrag der EWG-Kommission war untersucht worden, welche Maßnahmen zur Schaffung eines effizienten Europäischen Kapitalmarkts erforderlich sind. Die Sachverständigen stellten unter anderem fest, daß die Kapitalausstattung der meisten europäischen Aktienmärkte unzureichend war.2 Eine Möglichkeit, dieses Defizit zu beheben, wurde darin gesehen, die institutionellen Anleger (also auch Investmentgesellschaften und Investmentfonds) zu stärken, um über sie die Ersparnisse breiter Bevölkerungsschichten zu erschließen, für die eine direkte Geldanlage in Aktien unattraktiv erschien.3 4 Zehn Jahre später nahm das Vorhaben konkrete Gestalt an, als die Kommission einen ersten Richtlinienvorschlag vorlegte (vgl Fundstellenverzeichnis). Bereits damals wurde die Koordinierungsabsicht auf Investmentfonds und Investmentgesellschaften des „offenen Typs" beschränkt, die ihr Sondervermögen in Wertpapieren anlegen, da die Chancen zu einer Einigung der Mitgliedstaaten insoweit am größten und riskantere Anlageformen nicht regelungsbedürftig erschienen: Es mußte nur ein risikoarmes Instrument zur Verfügung gestellt werden, jenseits 1

2 3

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft - Kommission, Der Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts - Bericht einer von der EWG-Kommission eingesetzten Sachverständigengruppe, 1966 (sog Segré-Bericht). Analyse der Situation auf den Kapitalmärkten der Mitgliedstaaten: Segré-Bericht, S 53-81. Segré-Bericht, S 214 f.

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

781

dessen die Freiheit in der Produktpalette - flankiert von Transparenzregeln - sogar angezeigt schien. Bis zur Verabschiedung der Richtlinie verging nochmals fast ein Jahrzehnt. Besonders umstritten war die Frage, inwieweit die Anlagepolitik dieser Investmentunternehmen im Interesse des Anlegerschutzes beschränkt werden sollte. Die ursprünglich verabschiedete Richtlinie wurde nachfolgend durch zwei Änderungsrichtlinien ergänzt. Die Richtlinie 8 8 / 2 2 0 / E W G fügte Art 2 2 IV R L ein, der es den Mitgliedstaaten gestattet, die Anlagegrenzen für bestimmte, besonders risikoarme Schuldverschreibungen privater Emittenten auf bis zu 2 5 % des Sondervermögens anzuheben. Zur ursprünglich auch vorgesehenen Zulassung von sogenannten Parallelfonds, also von Fonds, die ihr Vermögen ausschließlich in Anteilen von Investmentfonds anlegen, welche von der gleichen Verwaltungsgesellschaft verwaltet werden, kam es letztlich nicht. Die Richtlinie 9 5 / 2 6 / E G wurde unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der Bank of Credit and Commerce International (BCCI) erlassen und sollte die Aufsicht über die Finanzunternehmen effektivieren. Sie änderte und ergänzte Art 5 0 RL im Hinblick auf die Regelungen des Berufsgeheimnisses und des Informationsaustausches im Rahmen des Aufsichtsverfahrens. Ferner wurde Art 5 0 a R L eingefügt, der die Abschlußprüfer verpflichtet, bestimmte Tatsachen und Entscheidungen, von denen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bei dem O G A W Kenntnis erlangen, unverzüglich den zuständigen Aufsichtsbehörden zu melden. Auch gegenwärtig strebt die EU-Kommission eine neuerliche Reformierung des 5 Investmentrechts an und hat zwischenzeitlich zwei Vorschläge zum Erlaß einer Änderungsrichtlinie 4 vorgelegt. Einer der Kernpunkte des letzten Vorschlags ist die Erweiterung der Anlagemöglichkeiten von Wertpapierfonds in Geldmarktinstrumenten. Der Begriff der Geldmarktinstrumente soll dabei im Grundsatz alle übertragbaren Instrumente erfassen, die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden (zB Schatzwechsel, Einlagen-Zertifikate, Commercial-Papers). Zugelassen werden sollen auch sogenannte Cash-Fonds als eine besondere Fondsgruppe. Es handelt sich dabei um Fonds, die ihr Vermögen nicht, wie die sonstigen von der Richtlinie erfaßten Wertpapierfonds, nur innerhalb bestimmter Grenzen, sondern ausschließlich in derartigen Geldmarktinstrumenten anlegen dürfen. Der Vorschlag sieht außerdem eine Zulassung sogenannter Dachfonds 5 vor und erlaubt den Mitgliedstaaten, unter bestimmten Voraussetzungen

4

5

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 86/611/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) vom 10. 2. 1993, AB1EG 1993 C 59/14; Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 86/611/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) vom 20. 7. 1994, AB1EG 1994 C 242/5. Dazu etwa: Carl / Förster, Investmentfonds, S 70-72. Dachfonds sind Anlageorganismen, die ihr Vermögen ausschließlich in Anteilen anderer Investmentfonds oder Investmentgesellschaften anlegen.

782

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

auch sogenannte Feeder-Fonds aufzulegen.6 Die genannten Vorschläge der Kommission erscheinen derzeit jedoch nicht mehrheitsfähig. c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise 6 Die Investmentfonds-Richtlinie wurde auf Art 57 II EGV gestützt, erging also mit dem Zweck, die Niederlassungsfreiheit zu verwirklichen. Die Harmonisierung erschien zweckmäßig, um die Wettbewerbsstörungen zu beseitigen, die daraus resultierten, daß die investmentrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten erheblich voneinander abwichen und eine grenzüberschreitende Betätigung der Investmentunternehmen fast unmöglich war. Die Koordinierung dieser Vorschriften und die damit verbundene Angleichung des Anlegerschutzniveaus erleichterte das freie Zirkulieren von Anteilen derjenigen Organismen für gemeinsame Anlagen, die der Richtlinie unterfallen, und förderte die Integration der nationalen Investment- und Kapitalmärkte. 7 Die Investmentfonds-Richtlinie folgt dem allgemeinen Konzept einer Mindestharmonisierung und Anerkennung im Rest. Die Vorgaben der Richtlinie stellen also lediglich einen Mindeststandard dar. Den Mitgliedstaaten steht es frei, die in ihrem Gebiet ansässigen Investmentunternehmen strengeren oder zusätzlichen Vorschriften zu unterwerfen, soweit diese Vorschriften allgemein gelten (Art 1 VII RL). Diese strengeren oder zusätzlichen Vorschriften dürfen jedoch auf ausländische Investmentunternehmen, die ihre Anteile im Inland vertreiben, grundsätzlich nicht angewendet werden, wenn sie nach ihrem Herkunftsrecht (Sitzstaatrecht gemäß Art 3 1. HS RL) zugelassen worden sind und dieses den Mindeststandard der Richtlinie erfüllt (Art 1 VI RL). 7 Die Zulassung durch den Herkunftsstaat hat gemäß Art 4 1 2 RL EG-weite Geltung und ermöglicht einen Vertrieb der Anteile in allen anderen Mitgliedstaaten (sogenannter Euro-Paß). Eine Einschränkung erfährt der Grundsatz der Anerkennung der ausländischen Aufsichtssysteme lediglich bei den Vertriebsmodalitäten, deren Regelung dem jeweiligen Gastland vorbehalten bleibt (Art 44 ff RL).

6

7

Feeder-Fonds legen ihr Vermögen ausschließlich in Anteilen eines einzigen anderen Investmentfonds (Master-Fonds) an. Nach den Vorschlägen mußte es sich auch bei dem Master-Fonds wieder um einen OGAW iSd Art 1 II RL handeln. Derartige FondsKonstruktionen ermöglichen es, ein einziges Fondsprodukt (den Master-Fonds) über verschiedene Vertriebskanäle unter eigenständigem Label zu vertreiben und dabei die spezifischen (zB Informations-JBediirfnisse der jeweiligen Zielgruppe besonders zu berücksichtigen. Zu dieser in der Investmentfonds-Richtlinie einmal ausdrücklich festgeschriebenen Regel vgl allgem oben 1. Teil Rn 110-120.

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

783

2. Inhalt a) Anwendungsbereich In den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen im Gemeinschaftsgebiet ansäs8 sige^ Investmentunternehmen, welche die Definition eines Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) nach Art 1 II iVm Art 2 I R L erfüllen. Voraussetzung dafür ist, daß sie die Anlagemittel beim Publikum in der Gemeinschaft oder einem Teil der Gemeinschaft beschaffen (Art 1 II 1, 1. Spiegelstrich iVm Art 2 I, 2. Spiegelstrich RL). Maßgeblich ist, ob das Publikum in der Gemeinschaft zum Zwecke der Absatzförderung angegangen wird. 9 Kapitalanlagegesellschaften, die ihre Angebote nur auf einen begrenzten Anlegerkreis beschränken, zB Spezialfonds oder sogenannte Investmentclubs 1 0 , oder die ihre Anteile nur außerhalb der E G vertreiben, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. 11 Ausschließlicher Zweck der Anlageorganismen muß eine Anlage der beschafften Gelder für gemeinsame Rechnung der Anteilsinhaber nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren sein (so der Wortlaut von Art 1 II 1 , 1 . Spiegelstrich R L ; vgl jedoch bereits Art 19 IV, 21 RL). Art 1 IV R L stellt dazu klar, daß eine Einbeziehung von Investmentgesellschaften in den Anwendungsbereich der Richtlinie auch dann nicht erfolgt, wenn deren Tochtergesellschaften hauptsächlich in anderen Vermögensgegenständen als Wertpapieren anlegen. Gemäß Art 1 II, 2. Spiegelstrich R L müssen die Anlageorganismen ihre Anteile 9 auf Verlangen der Anteilsinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten ihres Vermögens zurücknehmen oder auszahlen. Der Unterschied zwischen einer Auszahlung und einer Rücknahme von Anteilen besteht darin, daß die Anteile bei ersterer annuliert werden, wogegen sie bei letzterer erneut in Umlauf gebracht werden können. Die Rücknahme kann zwar zeitlich begrenzt und von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht, darf aber keinesfalls ausgeschlossen werden. 1 2 Somit handelt es sich bei Anlageorganismen des geschlossenen Typs nicht um O G A W im Sinne der Richtlinie (Art 2 1,1. Spiegelstrich RL.) Streng genommen eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält Art 1 II 2 RL. Danach ist die Richtlinie auch auf Anlageorganismen anwendbar, die ihre Anteile zwar nicht zurücknehmen, jedoch durch Marktpreisinterventionen sicher-

Vgl Art 11 RL. Der Sitz eines OGAW bestimmt sich nach der Gründungstheorie, Art 3 1. HS RL. Der Sitztheorie wird jedoch insoweit Rechnung getragen, als die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, daß sich auch die Hauptverwaltung in dem Mitgliedstaat des satzungsmäßigen Sitzes befindet, Art 3 2. HS RL. ' Vandamme-Bericht, S 10; Grundmann, ZBB 1991, 242 (245). 10 Investmentclubs sind dadurch gekennzeichnet, daß sich ein begrenzter Kreis von Sparern aus eigener Initiative zusammenfindet, um Sparbeträge gemeinsam in Wertpapiere zu investieren. 11 Vandamme-Bericht, S 3 und 11; Stadler, Europäisches Investmentrecht, S 141. 12 Vandamme-Bericht, S 6. 8

784

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

stellen, daß der Kurs ihrer Anteile nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht.13 10 Gemäß Art 2 I, 4. Spiegelstrich RL können die Mitgliedstaaten bestimmte Kategorien von Anlageorganismen, welche die beschriebenen Voraussetzungen an sich erfüllen, von der Anwendbarkeit der Richtlinie freistellen, wenn die von ihnen verfolgte Anlage- und Kreditpolitik substantiell14 von den in der Richtlinie vorgesehenen Regeln abweicht. Auf diese Weise soll die Existenz alternativer Fondsprodukte, die eine eher spekulative, ertragsorientierte Anlagepolitik verfolgen, gewährleistet bleiben. Zu denken wäre dabei etwa an sogenannte „Wagniskapitalfonds", die ihr Vermögen zu einem beträchtlichen Teil in jungen innovationsorientierten Unternehmen anlegen, deren Wertpapiere häufig noch außerhalb der geregelten Märkte gehandelt werden. 11 Gänzlich unbeachtlich für die Einordnung als OGAW im Sinne der Richtlinie ist, ob der Anlageorganismus in Vertragsform (sogenannter Vertragstyp)15 oder als Investmentgesellschaft in Satzungsform (sogenannter Gesellschaftstyp) organisiert ist (Art 1 III 1 RL). Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Organisationsformen ist jedoch im Hinblick auf die Anwendung einer Reihe von Vorschriften der Richtlinie erforderlich (vgl insbesondere den III. und IV. Abschnitt der RL). Als Teil eines Europäischen Schuldvertragsrechts ist im folgenden nur der OGAW in Vertragsform zu beschreiben - in Deutschland auch der einzig mögliche - , ein dem Publikum angebotener „Standardvertrag" über gebündelte Anlageverwaltung, für den die zahlreichen zwingenden Anlegerschutzvorschriften der RL den Rahmen bilden. 12 Art 1 V RL untersagt es einem OGAW, der dem Anwendungsbereich der Richtlinie einmal unterlag, sich durch eine Änderung seiner Anlagepolitik oder Struktur in einen Anlageorganismus umzubilden, der nicht mehr unter die Richtlinie fällt. Diese sehr einschneidende Vorschrift ist das notwendige Korrelat zur europaweiten Geltung der Zulassung eines OGAW durch seinen Herkunftsstaat.16 Das Recht eines OGAW, sich aufzulösen und anschließend wieder neu zu gründen, wird dadurch nicht berührt. b) Zulassung 13 Entsprechend Art 4 I I RL bedarf jeder OGAW zur Ausübung seiner Geschäftstätigkeit einer Genehmigung durch die zuständigen Stellen des Staates, in dem sich sein satzungsmäßiger Sitz befindet (vgl Art 3 RL). Diese Zulassung gilt gemäß Art 4 1 2 RL auch für sämtliche anderen Mitgliedstaaten. Kein Mitglied13

14 15

16

Ein solches Verfahren ist etwa bei den niederländischen Beleggingsmaatschapij vom Typ „Robeco" gebräuchlich: Baur, Investmentgesetze, Einl III Rn 127; Stadler, Europäisches Investmentrecht, S 148 f. Vandamme-Bericht, S 9. Anlageorganismen der Vertragsform sind die von einer Verwaltungsgesellschaft verwalteten Investmentfonds bzw die „unit trusts" als Rechtsfigur des Common Law. Die Richtlinie stellt die „unit trusts" den Investmentfonds gleich, Art 1 III 2 RL. Näher dazu Grundmann, ZBB 1991, 2 4 2 (245).

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

785

Staat, in dem der O G A W seine Anteile vertreiben möchte, ist berechtigt, eine erneute Zulassung des O G A W oder seiner Anteile zu verlangen. 17 Die Richtlinie regelt unmittelbar vor allem den Gegenstand der Zulassung: Die 14 Zulassungsentscheidung bezieht sich auf die Wahl der Verwahrstelle, die Satzung der Investmentgesellschaft bzw die Vertragsbedingungen des Investmentfonds und im Falle eines Investmentfonds außerdem auf die Verwaltungsgesellschaft. Dementsprechend muß auch nach Erteilung der Zulassung jeder Wechsel der Verwahrstelle oder Verwaltungsgesellschaft sowie jede Änderung der Vertragsbedingungen bzw der Satzung von den zuständigen Stellen genehmigt werden (Art 4 IV RL). Nur rudimentär geregelt sind die für die Erteilung einer Zulassung zwingend zu 1 5 erfüllenden Voraussetzungen. Sie ergeben sich zunächst aus Art 4 III 1 RL. Danach darf die Zulassung nur erteilt werden, wenn die Geschäftsleiter (vgl dazu Art 4 III 2 RL) der Verwaltungs- bzw Investmentgesellschaft sowie der Verwahrstelle über die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderliche persönliche und sachliche Eignung verfügen. Darüber hinaus müssen für eine Zulassung des O G A W jedoch auch die zwingenden Vorschriften der anderen Abschnitte der Richtlinie erfüllt werden, ohne daß dies in Art 4 RL präzisiert wäre.

c) Bestimmungen betreffend die Struktur des OGAW Die Richtlinie unterscheidet bei der Regelung der Struktur der O G A W zwischen OGAW des Vertragstyps (Abschnitt III der RL) und O G A W des Gesellschaftstyps (Abschnitt IV der RL). Von einzelnen Besonderheiten abgesehen, die sich aus der unterschiedlichen Organisationsform ergeben, stimmen die Bestimmungen jedoch in Inhalt und auch (numerischer) Reihenfolge weitestgehend überein.

16

aa) Die Art 5 bzw 12 R L legen zunächst fest, daß ausreichend Kapital für die Er- 17 füllung der Aufgaben und Verpflichtungen einer Verwaltungs- bzw Investmentgesellschaft vorhanden sein muß. Auf eine effiziente Kapitaluntergrenze konnten sich die Mitgliedstaaten nicht einigen und griffen daher auf diese Generalklausel zurück, die durch die nationalen Regelungen zu konkretisieren ist. 18 Sowohl Verwaltungs- als auch Investmentgesellschaften unterliegen gemäß 18 Art 6 bzw 13 R L dem Spezialitätsgrundsatz, der ein Auftreten von Interessenkonflikten verhindern soll. Die Tätigkeit der Verwaltungsgesellschaften muß sich auf die Verwaltung von Investmentfonds und Investmentgesellschaften beschränken. Daß es sich dabei um O G A W im Sinne der Richtlinie handelt, ist nicht erforderlich. 19 Insoweit unterliegen die Investmentgesellschaften nach Abschnitt IV strengeren Regeln. Sie dürfen keinerlei andere als die in Art 1 II R L genannten Tätigkeiten ausüben. Der Ministerrat hat im Protokoll zur Richtlinie eine kleine Auflockerung dieses Spezialitätsgrundsatzes zugelassen, indem er klarstellte, daß 17 18 19

Vandamme-Bericht, S 16; Stadler, Europäisches Investmentrecht, S 152 f. Vandamme-Bericht, S 18 f; Grundmann, ZBB 1991, 242 (247). Vandamme-Bericht, S 19; Grundmann, ZBB 1991, 242 (247). Daher dürfen sie zB auch Speziai-, Immobilien- oder Beteiligungsfonds verwalten.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

eine Verwaltungsgesellschaft dennoch ihr eigenes Vermögen verwalten und unmittelbar mit ihrer Haupttätigkeit verbundene Annexgeschäfte tätigen darf.20 Eine entsprechende Befugnis zur Wahrnehmung von Annexgeschäften dürfte auch Investmentgesellschaften zustehen. Zudem können die Mitgliedstaaten den Verwaltungsgesellschaften gemäß Art 56 I RL gestatten, Inhaberzertifikate zu emittieren, die Namenspapiere anderer Gesellschaften vertreten. 19 bb) Das Schwergewicht der Regelung des Abschnittes liegt auf der Beschreibung von Stellung und Pflichten der Verwahrstelle. Grundsätzlich einer einzigen21 Verwahrstelle muß die Verwahrung des Vermögens eines OGAW übertragen werden (Art 7 f bzw 14 f RL). Die Zulassungsvoraussetzungen sind in Art 8 bzw 15 RL geregelt. Die Mitgliedstaaten legen die Kategorien von Einrichtungen fest, die als Verwahrstelle gewählt werden können (jeweils Absatz 3). Typischerweise werden Kreditinstitute gewählt. Jedenfalls muß es sich um Einrichtungen handeln, die einer öffentlichen Aufsicht unterliegen und ausreichende finanzielle und berufliche Garantien für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung bieten (jeweils Absatz 2). Die Verwahrstelle muß ihren satzungsmäßigen Sitz entweder in demselben Mitgliedstaat haben wie die Verwaltungs- bzw Investmentgesellschaft oder zumindest in diesem Staat niedergelassen sein, wenn ihr satzungsmäßiger Sitz sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet (jeweils Absatz 1). Sonderregeln gelten insoweit für Investmentgesellschaften. Bei ihnen kann ausnahmsweise auf eine Verwahrstelle verzichtet werden. 22 2 0 Die Aufgaben der Verwahrstelle (einschließlich Haftung) sind in Art 7 II, III, 9 bzw 14 II, III und 16 RL geregelt. Neben der Verwahrung des Vermögens des OGAW obliegen der Verwahrstelle eine Reihe von in Art 7 III bzw 14 III RL näher bezeichneten Aufgaben zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der Verwaltungsgesellschaft bzw der Organe der Investmentgesellschaft. Die Funktionen von Verwahrstelle und Verwaltungs- bzw Investmentgesellschaft dürfen daher nicht von ein und derselben Gesellschaft wahrgenommen werden (Art 101 20

21 22

Vandamme-Bericht, S 20; Grundmann, ZBB 1991, 242 (247); Laux, WM 1990, 1093 (1094); ders, Die Bank 1986, 189 (190). Zu den Annexgeschäften zählen etwa die Verwaltung von Sparplänen und wohl auch Tätigkeiten wie die Vermietung nicht ausgelasteter Computerkapazitäten. Vgl Laux, WM 1990, 1093 (1094). Zur Bedeutung solcher Protokollerklärungen allgem oben 1. Teil Rn 138, 143. Arg e contrario Art 55 RL. Grundmann, ZBB 1991,242 (247); Vandamme-Bericht, S 21. Vgl im einzelnen Art 14 RL. Die Möglichkeit, auf eine Verwahrstelle zu verzichten, erscheint wegen der damit verbundenen Preisgabe des Anlegerschutzes als problematisch. Die Kommission verweist zwar auf die gesellschaftsrechtlichen Kontroll- und Mitwirkungsrechte der Anleger als Aktionäre der Investmentgesellschaft, die einen Verzicht auf den externen Schutz durch eine Verwahrstelle rechtfertigten: Vgl Vandamme-Bericht, S 33; Laux, Die Bank 1986,189 (195); Izquierdo, Liberalisierung und Harmonisierung des Börsenrechts, S 94; Knobl/ Opptitz, in: Griller (Hrsg), Banken im Binnenmarkt, S 477 (514). Dies bleibt angesichts der eher theoretischen Natur dieser Mitwirkungsrechte jedoch problematisch: Laux aaO; Izquierdo aaO; Carl / Förster, Investmentfonds, S 59; grundsätzlich zweifelnd an der Effizienz dieser Mitwirkungsrechte schon: Roth, Das Treuhandmodell des Investmentrechts - eine Alternative zur Aktiengesellschaft?, 1972.

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

787

bzw Art 17 I R L ; Trennungsgrundsatz). 23 Eine rechtliche Unabhängigkeit der Gesellschaften, die auch bei konzernmäßiger Verbindung noch gegeben ist, genügt insoweit. 24 Art 10 II bzw 17 II RL 2 5 stellen allerdings klar, daß die Verwahrstelle bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig und ausschließlich im Interesse der Anteilsinhaber zu handeln hat. Die Haftung der Verwahrstelle ist in Art 7 II und 9 bzw 14 II und 16 R L geregelt. 21 Sie richtet sich nach dem Recht des Sitzstaates des OGAW. Dies gilt auch für die Frage, ob ein direktes Klagerecht der Anleger besteht (Art 9 S 2 und 16 S 2 RL). Soweit die Verwahrstelle die Verwahrung des Sondervermögens einem Dritten übertragen hat, trifft sie zumindest eine Haftung für ihr Auswahlverschulden (vgl die wenig aussagekräftige Formulierung in Art 7 II und 14 II RL). 2 6 Schließlich sehen Art 11 und 18 R L vor, daß die Voraussetzungen für einen 2 2 Wechsel der Verwahrstelle und gegebenenfalls der Verwaltungsgesellschaft durch Gesetz oder die Satzung der Investmentgesellschaft bzw die Vertragsbedingungen des Investmentfonds geregelt werden müssen. Dabei ist der Schutz der Anteilsinhaber zu gewährleisten.

d) Verpflichtungen betreffend die Anlagepolitik der OGAW Die zulässige Anlagepolitik wird durch vier Regelungsgruppen umrissen: durch die Festlegung des Regelanlageobjekts (Art 19 I RL); durch die moderate Ausdehnung auf andere Anlageobjekte (Art 19 II bis 21 RL); durch Einschränkungen hinsichtlich der Konzentration von Anlagen, soweit sie gemäß Art 19 I, II und 21 in Wertpapieren erfolgen, auf wenige Emittenten (Diversifizierungsgebot, Art 2 2 f RL); und durch Einschränkungen für bestimmte Anlageobjekte, auch wenn es sich um Wertpapiere (einschließlich solcher nach Art 19 I RL) handelt, und unabhängig von einem Diversifizierungsgebot (Art 2 4 f RL). Eine pauschale Ausnahme von den Regelungen des V. Abschnitts enthält Art 2 6 RL.

23

aa) Nach der Definition eines O G A W in Art 1 II R L besteht dessen ausschließlicher Zweck in einer Anlage in Wertpapieren. Dieser Grundsatz, in dem das Regelanlageobjekt bereits angesprochen ist, wird in Art 19 I RL dahingehend präzisiert, daß es sich in der Regel um Wertpapiere handeln muß, die amtlich notiert sind oder auf einem geregelten Markt gehandelt werden, der anerkannt, für das Publikum offen und in seiner Funktionsweise ordnungsgemäß ist. Soweit die betreffende Börse sich in einem Staat befindet, der nicht Mitglied der E G ist, muß die Wahl dieser Börse zusätzlich von den zuständigen Stellen des Mitgliedstaats genehmigt worden oder alternativ in den gesetzlichen Vorschriften und/odér den Vertragsbedingungen des Investmentfonds bzw der Satzung

24

23 24 25

26

Vgl die in der nächsten Fn Genannten. Vandamme-Bericht, S 27; Grundmann, ZBB 1991, 242 (247). Zwar betont Art 17 II RL, anders als Art 10 II RL, nicht ausdrücklich, daß die Verwahrstelle unabhängig zu agieren hat. Jedoch handelt es sich insoweit um ein Redaktionsversehen. Vgl Vandamme-Bericht, S 32. Vandamme-Bericht, S 21; Grundmann, ZBB 1991, 242 (248).

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

der Investmentgesellschaft vorgesehen sein (Art 19 I lit. c RL). Bei Wertpapieren aus Neuemissionen ist die amtliche Notierung bzw Zulassung zum geregelten Markt gemäß Art 19 I lit. d RL für eine Übergangszeit von einem Jahr nach der Emission entbehrlich, wenn die Emissionsbedingungen die Verpflichtung enthalten, die Zulassung der emittierten Wertpapiere zu einem solchen Markt zu beantragen. Auch in diesem Fall muß die Wahl der vorgesehenen Börse genehmigt oder durch Gesetz und/oder Vertragsbedingungen bzw Satzung zugelassen sein. 2 5 bb) Eine moderate Ausdehnung erfährt dieser risikominimierende Anlagegrundsatz in Art 19 II bis 21 RL hinsichtlich der zulässigen Anlageformen. Dabei finden sich in Art 19 II-IV RL die vom Gemeinschaftsgesetzgeber selbst vorgenommenen Erweiterungen (anders nur Absatz 2 lit. b), in Art 21 RL weitere Wahlrechte der Mitgliedstaaten. Nach Art 19 II lit. a RL dürfen bis zu 10% des Sondervermögens in anderen als den in Art 19 I RL genannten Wertpapieren angelegt werden, insbesondere also in Wertpapieren, die nicht amtlich notiert sind oder auf geregelten Märkten gehandelt werden. Außerdem können die Mitgliedstaaten ihren OGAW gemäß Art 19 II lit. b erlauben, bis zu 10 % des Sondervermögens in verbrieften Rechten anzulegen, wenn diese Rechte ihren Merkmalen nach Wertpapieren gleichgestellt werden können und ihr Wert grundsätzlich mindestens zweimal monatlich ermittelt werden kann.27 Die Anlagen nach Art 19 II lit. a und b dürfen auch zusammen höchstens 10 % des Sondervermögens ausmachen (Art 19 III RL). OGAW des Gesellschaftstyps, bei denen aufgrund ihrer Organisationsform eine Trennung zwischen Betriebs- und Anlagevermögen nicht stattfindet, dürfen mit Mitteln des Sondervermögens außerdem die für die unmittelbare Ausübung ihrer Tätigkeit unerläßlichen Betriebsmittel erwerben (Art 19 II lit. c RL). Andere als die in der Richtlinie ausdrücklich genannten (weiteren) Anlagegegenstände darf ein OGAW nicht erwerben. Für einen Teilbereich stellt Art 19 II lit. d RL dies noch einmal ausdrücklich klar, indem ein Erwerb von Edelmetallen oder von Zertifikaten über diese für unzulässig erklärt wird. Neben den genannten Anlagegegenständen können die OGAW jedoch nach Art 19 IV RL auch flüssige Mittel halten, die nicht als Anlagegegenstände gelten. Dazu gehören jedenfalls Bargeldreserven und kurzfristig abrufbare Bankguthaben,28 aber wohl auch gewisse Geldmarktpapiere, wie kurzfristige Schuldtitel des Staates, Schatzanweisungen mit sehr kurzer Laufzeit und vergleichbare Papiere.29 Das Halten flüssiger Mittel darf jedoch nicht zu einem eigenständigen Anlageziel des OGAW werden, sondern ist nur zur Überbrückung von Zeiten bis zur nächsten

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28 29

In Betracht kommen zB Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate etc; vgl Vandamme-Bericht, S 41. Art 20 RL sieht ein Informationsverfahren vor, um eine einheitliche Anwendung des Art 19 II lit. b RL zu gewährleisten. Vandamme-Bericht, S 42. Vgl Vandamme-Bericht, S 42; Stadler, Europäisches Investmentrecht, S 160 f.

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

789

Investition zulässig. 30 Eine pauschale Zulassung von hohen Prozentzahlen, die durch eine Anlage in Geldmarkttiteln ausgefüllt werden dürfen, ist unzulässig. 31 Der Ausschließlichkeitsgrundsatz, in dem Art 19 R L (insbesondere sein Absatz 2 2 6 lit. d) fußt, gilt umfassend nur, soweit nicht die Mitgliedstaaten ein gegenteiliges Wahlrecht ausüben, das ihnen Art 21 R L eröffnet. Nach dieser Vorschrift können sie den O G A W eine Beteiligung am Termin- und Optionshandel gestatten. Die O G A W können sich danach ohne Bindung an irgendeinen Sicherungszweck 32 der Techniken und Instrumente bedienen, die Wertpapiere zum Gegenstand haben. 3 3 Techniken und Instrumente, die sich nicht auf Wertpapiere, sondern zB auf Devisen beziehen, kommen demgegenüber nur unter der einschränkenden Voraussetzung in Betracht, daß der Einsatz der Techniken und Instrumente zur Deckung von Währungsrisiken im Rahmen der Verwaltung des Sondervermögens dient. cc) Das Diversifizierungsgebot (Gebot der Risikostreuung) konkretisieren Art 22 2 7 und 23 RL, indem sie Anlagegrenzen bezogen auf das Sondervermögen vorsehen. Insoweit geht es nicht um die Zulassung weiterer Anlageformen, sondern um die Diversifizierung im Hinblick auf den jeweiligen Schuldner. Dabei bestehen Grenzen sowohl hinsichtlich des Einzelschuldners als auch hinsichtlich des Gesamtvolumens der Wertpapiere, die von solchen „Großschuldnern" ausgegeben wurden. Grundsätzlich darf ein O G A W danach maximal 5 % des Sondervermögens in Wertpapieren ein und desselben Emittenten anlegen (Art 2 2 I RL). Diese Grenze kann von den Mitgliedstaaten auf 10 % angehoben werden. Allerdings darf in diesem Fall der Gesamtwert der Wertpapiere, in denen mehr als 5 % des Sondervermögens angelegt wurden, 4 0 % des Wertes des Sondervermögens nicht übersteigen (Art 2 2 II RL). Unberücksichtigt bei dieser Rechnung bleiben Anlagen, die nach Art 2 2 III, IV R L zugelassen werden; allerdings dürfen die Prozentzahlen aus Art 2 2 I, II R L und aus Art 2 2 III, IV R L nicht für denselben Schuldner bzw dieselbe Schuldnergruppe addiert werden (vgl Art 2 2 V RL). Nach Art 2 2 III R L kann bei Wertpapieren, die von bestimmten öffentlichen Einrichtungen, insbesondere Staaten, begeben oder garantiert wurden und somit weniger risikoreich sind, die Anlagegrenze auf 3 5 % bzw unter weiteren Voraus-

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Vandamme-Bericht, S 43; Carl / Förster, Investmentfonds, S 55; Stadler, Europäisches Investmentrecht, S 161. Carl / Förster, Investmentfonds, S 55; zweifelnd, jedenfalls krit Stadler, Europäisches Investmentrecht, S 160 f. Vgl unten für die deutsche Umsetzung Rn 52. Der Bedeutungsgehalt der Einschränkung „sofern die Einsetzung dieser Techniken und Instrumente im Hinblick auf die ordentliche Verwaltung des Sondervermögens geschieht", beschränkt sich allenfalls darauf, für OGAW gänzlich unübliche Geschäfte auszuscheiden. Vgl Grundmann, ZBB 1991, 242 (250). Gemeint ist vor allem der Optionshandel: Carl / Förster, Investmentfonds, S 55; Stadler, Europäisches Investmentrecht, S 166. Nicht ganz zweifelsfrei ist, ob dadurch auch Finanzterminkontrakte, Zinsterminkontrakte und Terminkontrakte auf Aktienindizes, erfaßt werden, die Wertpapiere selbst nur mittelbar zum Gegenstand haben. Vgl Grundmann, ZBB 1991, 242 (250); bejahend Stadler aaO S 167.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Setzungen34 auf bis zu 100 % des Sondervermögens (Art 23 RL) erhöht werden. Eine weitere Ausnahmevorschrift wurde mit Art 22 IV RL durch die Anderungsrichtlinie 88/220/EWG vom 22. 3. 1988 (vgl Fundstellenverzeichnis) eingefügt. Danach kann die Anlagegrenze bei bestimmten Schuldverschreibungen, deren Emittent einer öffentlichen Aufsicht unterliegt und die über eine besondere Dekkung verfügen,35 auf bis zu 25 % des Sondervermögens angehoben werden. Der Gesamtbetrag der Schuldverschreibungen, in denen der OGAW mehr als 5 % des Sondervermögens je begebendem Emittenten angelegt hat, darf dann 80% des Sondervermögens nicht überschreiten. 28 dd) Zu den Beschränkungen, die sich aus Art 19 I bzw II RL ergeben, kommen solche nach Art 24 fRL hinzu.36 Es handelt sich hierbei um Beschränkungen einer Anlage (auch) im Regelanlageobjekt. Nach Art 24 RL dürfen Anteile von Anlageorganismen des „offenen Typs" nur dann erworben werden, wenn es sich bei diesen Anlageorganismen um OGAW im Sinne der Richtlinie handelt, sie also die Definition des Art 1 II RL erfüllen. Die Summe des Wertes aller Anlagen in anderen OGAW darf 5 % des Sondervermögens nicht übersteigen. Der Erwerb von Anteilen an OGAW, die mit dem investierenden Anlageorganismus verbunden sind, ist nach Art 24 III und IV RL nur unter engen Voraussetzungen möglich, die sicherstellen sollen, daß wechselseitige Beteiligungen nur aus sachlichen Gründen und nicht in Mißbrauchsabsicht erfolgen. 29 Auch Art 25 RL statuiert Anlagegrenzen bezogen auf das Anlageobjekt. So untersagt Art 25 I RL unternehmerische Investitionen: Eine Investmentgesellschaft oder eine Verwaltungsgesellschaft darf für keinen von ihr verwalteten OGAW Aktien erwerben, die mit einem Stimmrecht verbunden sind, durch das sie einen nennenswerten Einfluß auf die Geschäftsführung des Emittenten erlangt. Die Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf einen bestimmten Prozentsatz einigen, bei dessen Überschreitung von einem nennenswerten Einfluß auf die Geschäftsführung des Emittenten auszugehen sein sollte und beließen es daher bei einer Generalklausel, die auf nationaler Ebene zu konkretisieren ist. Um Wettbewerbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher Anlagegrenzen weitgehend zu vermeiden, wurde in Art 25 I 2 vorgesehen, daß jeder Mitgliedstaat die konkretisierenden Vorschriften der übrigen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen hat. Eine Empfehlung des Rates 37 präzisiert diese Vorschrift dahingehend, daß die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen sollen, daß die in ihrem Gebiet ansässigen OGAW die Prozentzahlen beachten, die von dem Sitzstaat des Anlageobjekts zur Konkretisierung der Generalklausel festgelegt worden sind. Ferner darf ein OGAW 34

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Insbes müssen die Wertpapiere aus sechs verschiedenen Emissionen stammen, wobei in Wertpapieren einer Emission maximal 3 0 % des Sondervermögens angelegt werden dürfen. In Deutschland werden diese Voraussetzungen durch Pfandbriefe und Kommunalobligationen erfüllt; Baur, Investmentgesetze, Einl II Rn 33. Vgl Vandamme-Bericht, S 52; Grundmann, ZBB 1991, 242 (251). Empfehlung des Rates vom 20. 12. 1985 zu Artikel 25 I zweiter Unterabsatz der Richtlinie 85/611/EWG, AB1EG 1985 L 375/19; auch Carl/Förster, Investmentfonds, S 56.

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

791

gemäß Art 2 5 II R L maximal 10 % der stimmrechtslosen Aktien ein und desselben Emittenten sowie grundsätzlich höchstens 10 % der Schuldverschreibungen desselben Emittenten sowie der Anteile eines O G A W im Sinne des Art 1 II R L halten. Art 2 5 III R L räumt den Mitgliedstaaten für bestimmte Anlagegegenstände eine Option zur Freistellung von den Anlagegrenzen des Art 2 5 RL ein. ee) Zeitlich oder sachlich eng beschränkt, läßt Art 26 RL einige Ausnahmen von 3 0 den gesetzlichen Regelungen des V. Abschnitts zu, legt zugleich jedoch fest, daß die Regelungen ansonsten laufend zu beachten sind. Nach Art 2 6 1 1 R L braucht diese Regelung bei der Ausübung von Bezugsrechten, die mit zum Sondervermögen gehörenden Wertpapieren verbunden sind, nicht beachtet zu werden. Art 2 6 I 2 R L erlaubt während der 6-monatigen Gründungsphase eines O G A W eine Ausnahme von den auf das Sondervermögen bezogenen Anlagegrenzen gemäß Art 2 2 und 23 RL. Artikel 2 6 II R L stellt klar, daß die Anlagegrenzen nicht nur bei Erwerb der jeweiligen Wertpapiere sondern grundsätzlich jederzeit eingehalten werden müssen. 3 8 Werden die Anlagegrenzen unbeabsichtigt oder infolge der Ausübung von Bezugsrechten überschritten, so hat der O G A W bei seinen Verkäufen als vorrangiges Ziel die Normalisierung dieser Lage unter Berücksichtigung der Anlegerinteressen anzustreben. 3 9

e) Prospekt- und Publizitätspflicht Das Kernstück des durch die Investmentfonds-Richtlinie gewährleisteten Anle- 31 gerschutzes stellt neben der Regulierung der Anlagepolitik der O G A W die Umsetzung des Transparenzgebots im VI. Abschnitt der Richtlinie dar. Während die sonstigen Publizitätspflichten im Europäischen Kapitalmarktrecht die Vertragsbeziehung (durch Anlageentscheidung) nicht voraussetzen und durch Zustandekommen einer solchen auch nicht zusätzlich intensiviert werden, ist nach der Investmentfonds-Richtlinie der Prospekt dem Anleger auszuhändigen. Auch insoweit zeigt sich der besondere Schuldvertragsbezug in diesem Teil des Europäischen Kapitalmarktrechts.

aa) Die Erstellung und den Inhalt von Prospekten regeln Art 27-31 RL. Gemäß 32 Art 2 7 I R L muß die Verwaltungsgesellschaft für jeden von ihr verwalteten Investmentfonds bzw die Investmentgesellschaft einen Prospekt erstellen. Der erforderliche Prospektinhalt ergibt sich aus der Generalklausel des Art 2 8 I 1 R L : Der Prospekt muß die Angaben enthalten, die erforderlich sind, damit sich der Anleger ein fundiertes Urteil von der betreffenden Anlage bilden kann. Die Generalklausel wird konkretisiert durch eine Auflistung von generell als bedeutsam betrachteten Angaben, die in Schema A im Anhang der Richtlinie enthalten und 38

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Dies dürfte aufgrund des Art 26 RL auch für die Einhaltung der Grenzen nach Art 25 RL gelten, selbst wenn der Wortlaut des Art 25 RL („erwerben") zu Zweifeln Anlaß gibt. Vgl Vandamme-Bericht, S 62 f; wohl auch Carl / Förster, Investmentfonds, S 57. Unter Würdigung der Interessenlage krit zu dieser Vorschrift: Laux, Die Bank 1986, 189 (194).

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

als ein Mindestbestand zu verstehen ist. Die Vertragsbedingungen des Investmentfonds oder die Satzung der Investmentgesellschaft sind Bestandteil des Prospekts und jeder Anteilsinhaber muß zumindest informiert werden, wo er sie auf Antrag erhalten oder einsehen kann (Art 29 RL). Soweit sie dem Prospekt als Anhang beigefügt worden sind, brauchen die in ihnen enthaltenen Informationen nicht nochmals in den Prospekt aufgenommen zu werden (Art 28 I RL). Der Prospekt sowie die Vertragsbedingungen des Investmentfonds bzw die Satzung der Investmentgesellschaft als seine Bestandteile sind nach Art 30 RL hinsichtlich der Angaben von wesentlicher Bedeutung ständig zu aktualisieren.40 Dies kann durch Herausgabe eines neuen Prospekts oder durch die Veröffentlichung von Zusätzen geschehen.41 33 Darüber hinaus ist ein OGAW zur Erstellung periodischer Berichte verpflichtet. Spätestens vier Monate nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres ist ein Jahresbericht und zwei Monate nach Ablauf des jeweils ersten Geschäftshalbjahres ein Halbjahresbericht zu veröffentlichen (Art 27 RL). Der Jahresbericht muß neben der Bilanz oder Vermögensübersicht, einer Rechnung über Erträge und Aufwendungen des Geschäftsjahres, einem Tätigkeitsbericht und allen in Schema Β des Anhangs zur Richtlinie vorgesehenen Angaben, auch sämtliche für eine Beurteilung der Tätigkeit und Ergebnisse des OGAW durch die Anleger sonst erforderlichen Angaben beinhalten (Art 28 II RL). Die im Jahresbericht enthaltenen Zahlenangaben sind von einem Abschlußprüfer im Sinne der Richtlinie 84/253/ EWG 42 zu prüfen und mit einem (gegebenenfalls eingeschränkten) Bestätigungsvermerk zu versehen (Art 31 RL). Der Halbjahresbericht stellt eine stark verkürzte Fassung des Jahresberichts dar. Er muß die in den Abschnitten I bis IV des Schemas Β im Anhang der Richtlinie vorgesehenen Angaben enthalten (Art 28 III RL). 34 bb) Der Prospekt und dessen Änderungen sowie der Jahres- und Halbjahresbericht sind den zuständigen Stellen gemäß Art 32 RL anzuzeigen. Die Richtlinie verlangt nicht, daß die zuständigen Stellen die Dokumente vor ihrer Veröffentlichung kontrollieren.43 Den Mitgliedstaaten steht es jedoch frei, im Rahmen ihrer Befugnis zum Erlaß strengerer Vorschriften (Art 1 VII RL) für die in ihrem Gebiet ansässigen OGAW eine derartige Kontrolle einzuführen. 3 5 Gemäß Art 33 I RL sind einem potentiellen Zeichner vor Vertragsabschluß der Prospekt, der letzte Jahresbericht sowie gegebenenfalls der auf ihn folgende Halbjahresbericht kostenlos zur Verfügung zu stellen, und zwar auch dann, wenn der Zeichner die Dokumente nicht verlangt hat.44 Dies stellt eine Besonderheit 40 41 42

43 44

Vandamme-Bericht, S 69. Vandamme-Bericht, S 69. Achte Richtlinie 8 4 / 2 5 3 / E W G aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungsunterlagen beauftragten Personen, AB1EG 1984 L 126/20. Vandamme-Bericht, S 70 f. Vandamme-Bericht, S 71. Der Begriff des potentiellen Zeichners ist dem des Interessierten in der Timesharing-Richtlinie (4.02) ähnlich; vgl dort Rn 13.

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

793

im Europäischen Kapitalmarktrecht dar, das sonst, anders als das US-amerikanische, keine Pflicht zur unaufgeforderten Aushändigung des Prospekts kennt. An dieser Besonderheit zeigt sich der spezifische Zuschnitt des Anlageinstruments auf weniger professionelle Anlegerschichten - eine Besonderheit, die auch bei der Auslegung der Anforderungen an einen vollständigen und verständlichen Prospekt zu berücksichtigen ist. Ansonsten sind Jahres- und Halbjahresbericht den Anteilsinhabern auf deren Verlangen kostenlos zur Verfügung zu stellen (Art 33 III RL) und dem Publikum an den im Prospekt angegebenen Stellen zugänglich zu machen (Art 33 II RL). Ferner ist in jeder Werbung für den Erwerb von Anteilen eines O G A W auf den Prospekt und die Stellen hinzuweisen, an denen dieser erhältlich ist (Art 3 5 RL). Zuletzt muß jeder O G A W den Ausgabe- und Rücknahmepreis seiner Anteile grundsätzlich mindestens zweimal monatlich veröffentlichen (Art 34 RL). Die zuständigen Stellen sind befugt, diese Publizierungspflicht auf einmal monatlich zu reduzieren, wenn die Anlegerinteressen dem nicht entgegenstehen. Regelmäßig ist die Festlegung der Periode jedoch unerheblich, da Gleiches bei jeder Rücknahme oder Auszahlung von Anteilen zu geschehen hat. Die Regelung der Einzelheiten der Veröffentlichung der Preise bleibt dem nationalen Recht vorbehalten. 4 5

36

f) Allgemeine Verpflichtungen des OGAW Einige Vorschriften des VII. Abschnitts der Richtlinie regeln nochmals 4 6 Fragen 3 7 der Anlage- und Kreditpolitik der O G A W (so die Art 3 6 , 41 und 4 2 RL), andere Vorschriften Transparenzgebote (so Art 3 8 f und 4 2 RL) und wieder andere die Rücknahmepflicht (so Art 3 7 RL). Der Gemeinschaftsgesetzgeber gliederte anders: Nach Fragen der Kreditaufnahme (Art 3 6 RL) regelt er Rücknahme- und Dividendenrechte der Anleger (Art 3 7 - 3 9 RL) und zuletzt Verbote bestimmter Formen der Anlagetätigkeit, wobei er als Kehrseite der Medaille auch ein Volleinzahlungsgebot statuiert (Art 4 0 - 4 2 RL). Nach Art 36 I RL ist den O G A W grundsätzlich die Aufnahme von Krediten 38 untersagt. 4 7 Zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich in Art 3 6 II R L : Die Mitgliedstaaten können ihren O G A W zum einen erlauben, vorübergehende 4 8 Kredite in Höhe von bis zu 10 °/o des Wertes ihres Sondervermögens aufzunehmen. Zum anderen kann einer Investmentgesellschaft gestattet werden, Kredite in Höhe von bis zu 10 % des Wertes ihres Sondervermögens aufzunehmen, um mit ihnen den Erwerb von Immobilien zu finanzieren, die für die unmittel-

45 46 47

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Vandamme-Bericht, S 72 f.

Vgl bereits oben Rn 2 3 - 3 0 . In Art 36 I 2 RL wird präzisiert, dal? der Erwerb von Fremdwährung durch ein „Backto-back"-Darlehen, also die Aufnahme eines Kredits in Fremdwährung gegen Hinterlegung eines entspr Betrags in der Landeswährung, keine unzulässige Kreditaufnahme darstellt. In den vorbereitenden Arbeiten wurde häufig eine Laufzeit von höchstens drei Monaten genannt. Vandamme-Bericht, S 75.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

bare Ausübung der Tätigkeit der Gesellschaft unerläßlich sind. Die nach beiden Alternativen aufgenommenen Kredite dürfen jedoch zusammen 15 % des Vermögens der Investmentgesellschaft nicht übersteigen. 39 Ein zweiter Regelungskomplex betrifft die Rechte der Anteilsinhaber (Art 37-39 RL). In Art 3 7 1 R L wird nochmals, wie bereits bei der Definition des OGAW betont, daß eine Pflicht zur Rücknahme oder Auszahlung der Anteile besteht. Gemäß Art 37 II RL ist jedoch in zwei Ausnahmefallen eine Aussetzung der Anteilsrücknahme oder -auszahlung zulässig: Zum einen in außergewöhnlichen Fällen, in denen Umstände vorliegen, die eine Aussetzung auch unter Berücksichtigung der Interessen der Anteilsinhaber rechtfertigen. Diese Fälle müssen in den gesetzlichen Vorschriften, in den Vertragsbedingungen des Investmentfonds oder in der Satzung der Investmentgesellschaft präzisiert worden sein. Macht der OGAW von dieser Möglichkeit Gebrauch, so muß er dies den zuständigen Stellen des Staates, in dem er seinen Sitz hat, sowie aller anderen Mitgliedstaaten, in denen er seine Anteile vertreibt, mitteilen (Art 37 III RL). Der zweite Ausnahmetatbestand des Art 37 II RL eröffnet den zuständigen Stellen des Sitzstaats eines OGAW selbst die Möglichkeit, eine Aussetzung der Anteilsrücknahme zu verlangen, wenn dies im Interesse der Anteilsinhaber oder im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Gemäß Art 38 RL müssen die Regeln für die Bewertung des Sondervermögens sowie zur Berechnung des Ausgabe- und Rücknahmepreises der Anteile eines OGAW und gemäß Art 39 RL die Fragen der Gewinnverwendung in den gesetzlichen Vorschriften oder den Vertragsbedingungen des Investmentfonds bzw der Satzung der Investmentgesellschaft geregelt werden. 40 Ein dritter Regelungskomplex enthält Verbote bestimmter Formen der Mittelverwendung: Zunächst statuiert Art 40 RL für die OGAW ein Volleinzahlungsgebot. Sie dürfen keine Anteile ausgeben, wenn der Gegenwert des Ausgabepreises (abzüglich eines eventuellen Ausgabeaufschlags) nicht innerhalb der üblichen Fristen dem Sondervermögen zufließt.49 Dies steht im Zusammenhang mit einem allgemeinen Verbot der Gewährung von Krediten und Bürgschaften nach Art 41 RL. Das Verbot steht unter dem Vorbehalt der Art 19 und 21 RL. Ein Erwerb der dort genannten Anlagegegenstände wird also nicht dadurch ausgeschlossen, daß dies in der Wirkung einer Bürgschaft oder Darlehensgewährung nahekommt, zB weil ein kreditierter Zahlungsanspruch verbrieft ist (Schuldverschreibung). Art 41 II RL stellt klar, daß der Erwerb nicht voll eingezahlter Wertpapiere nicht unter das Bürgschaftsverbot fällt, obgleich den Erwerber die Pflicht trifft, auf Aufforderung des Emittenten den noch ausstehenden Teil einzuzahlen. Art 42 RL untersagt den OGAW schließlich die hochspekulativen und risikoreichen Wertpapierleerverkäufe.50

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Art 4 0 S 2 R L stellt klar, daß diese Bestimmung einer Ausgabe von Gratis-Anteilen, dh der Ausgabe von Anteilen anstelle von Dividenden, nicht entgegensteht. E s handelt sich dabei um Verkäufe von Wertpapieren, die der Verkäufer bei Geschäftsabschluß noch gar nicht besitzt. In der Regel erfolgen solche Leerverkäufe im Rahmen von Optionsgeschäften.

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

795

Abschließend sieht Art 43 RL vor, daß für die Art und Ermittlung der Vergütungen 41 und Kosten, die von der Verwaltungsgesellschaft dem Investmentfonds entnommen werden dürfen, bzw für die Kosten, die bei einer Investmentgesellschaft zu Lasten der Gesellschaft gehen, eine Regelung im Gesetz oder privatautonom getroffen sein muß.

g) Vertrieb von Anteilen in einem anderen Mitgliedstaat Nach dem Gesagten, können O G A W , die von ihrem Sitzstaat zugelassen wor- 4 2 den sind und die Voraussetzungen der Richtlinie erfüllen, ihre Anteile in jedem anderen Mitgliedstaat vertreiben, ohne daß die Vertriebsstaaten die O G A W weiterreichenden Vorschriften unterwerfen könnten. Anders ist dies nur bei devisenrechtlichen Bestimmungen („zum Kapitalverkehr") und bei solchen, die im VIII. Abschnitt der Richtlinie vorgesehen sind (einschließlich Durchsetzung gemäß Art 5 2 II RL). 5 1 Art 44 IRL bestätigt diesen Grundsatz und erhält zugleich dem Vertriebsstaat die Regelungskompetenz für den nicht von dieser Richtlinie geregelten (Rest-)Bereich. Mit letzterem sind die Modalitäten des Vertriebs der Anteile gemeint. 5 2 Um einen Teilbereich dieser Vertriebsmodalitäten handelt es sich bei der in Art 4 4 II R L ausdrücklich erwähnten Werbung. Ein O G A W , der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, kann im Vertriebsstaat zwar Werbung betreiben, muß hierfür aber die in diesem Staat geltenden Bestimmungen beachten. Art 4 4 III R L enthält einen Hinweis auf das allgemeine europarechtliche Diskriminierungsverbot, dem der Vertriebsstaat im Rahmen der Regelsetzung selbstverständlich unterliegt. Ein weiterer Regelungskomplex konkretisiert diese Grundsätze insbesondere für 4 3 die Informationspflichten und grenzt hierbei Sitzland- und Gastlandkompetenz voneinander ab. Ein O G A W , der seine Anteile (auch) in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Sitzstaat vertreibt, hat gemäß Art 45 RL sicherzustellen, daß die Anteilsinhaber in diesem Staat in den Genuß der Zahlungen, des Rückkaufs und der Rücknahme der Anteile sowie der vom O G A W zu veröffentlichenden Informationen kommen. Die Wahl der Maßnahmen, mit denen er diese Zielvorgaben erfüllt, obliegt dem O G A W selbst. Sein Handeln muß sich dabei allerdings im Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Vertriebsstaats halten. 53 Im Regelfall wird den Anforderungen dadurch Genüge getan, daß der O G A W ein in dem Vertriebsstaat niedergelassenes Kreditinstitut mit dem Vertrieb seiner Anteile beauftragt. 5 4 Art 47 RL stellt klar, daß die Modalitäten der Informierung sich auch für die Anleger des Vertriebsstaates nach dem Recht des Sitzstaates bestimmen. Der Begriff der Modalitäten ist dabei nach der Intention der Verfasser

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Vgl Art 1 VI RL und Erwägungsgrund 5 der Präambel der Richtlinie; femer Art 4 1 2 und 49 III 1 RL; Carl/Förster, Investmentfonds, S 60 f (allerdings Notbefugnis bei Versagen der Aufsicht im Herkunftsland). Vandamme-Bericht, S 85 ff; Carl / Förster, Investmentfonds, S 60; Laux, Die Bank 1986, 189 (195). Vandamme-Bericht, S 89; Grundmann, ZBB 1991, 242 (256). Laux, Die Bank 1986, 189 (195); femer Vandamme-Bericht, S 89.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

in einem weiten Sinne zu verstehen und umfaßt neben der Frage, wie die Informationen aufzubereiten sind, auch den Umfang der Informationspflicht. 55 Die zu veröffentlichenden Unterlagen und Angaben sind jedoch zumindest in eine der Landessprachen des Vertriebsstaates zu übersetzen. Art 48 RL erlaubt den OGAW schließlich, im Vertriebsstaat dieselbe allgemeine Bezeichnung (zB „Investmentgesellschaft" oder „Investmentfonds") zu führen wie in ihrem Sitzstaat. Einer eventuellen Verwechslungsgefahr kann gegebenenfalls durch erläuternde Zusätze begegnet werden. 44 Das Verfahren, das von einem OGAW einzuhalten ist, der seine Anteile in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Sitzstaat vertreiben möchte, regelt Art 46 RL. Zunächst ist der OGAW verpflichtet, den beabsichtigten Vertrieb vorher den zuständigen Stellen seines Sitzstaates und des Vertriebsstaates anzuzeigen. Dabei hat er den zuständigen Stellen des Vertriebsstaats einige, in Art 46 RL näher bezeichnete Unterlagen einzureichen. Zwei Monate nach Einreichung der Unterlagen kann er den Vertrieb seiner Anteile aufnehmen, wenn die Stellen des Vertriebsstaates dem nicht zuvor mit der Begründung widersprochen haben, daß die von dem OGAW vorgesehenen Vertriebsmodalitäten nicht den im Vertriebsstaat geltenden Anforderungen entsprächen. h) Aufsicht 45 Die Verteilung der Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse unter den Mitgliedstaaten folgt der Verteilung der Regelungsbefugnisse: Der Sitzstaat eines OGAW, der diesen in Anwendung seines harmonisierten nationalen Rechts zuläßt, ist gemäß Art 49 III 1 RL grundsätzlich auch für dessen Beaufsichtigung und gemäß Art 52 I RL für die Verhängung von Sanktionen gegen den OGAW zuständig. Nur in dem der Regelungsbefugnis des Vertriebsstaates vorbehaltenen Bereich der Vertriebsmodalitäten haben die Aufsichts- und Sanktionsbefugnis dessen zuständige Stellen (Art 49 III 2 und Art 52 II RL). Die Einzelheiten der Aufsicht betreffen nicht mehr die vertragsrechtliche Seite des Anlageinstruments. 3. Umsetzung56 46 Die Umsetzung der Investmentfonds-Richtlinie erfolgte in Deutschland im wesentlichen durch zwei Gesetze·. Die Teile der Richtlinie, die sich auf die vom Sitzland eines OGAW zu treffenden Regelungen beziehen, werden durch das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) umgesetzt. Die Umsetzung derjenigen Richtlinienbestimmungen, welche in der Regelungskompetenz des Vertriebslands verbleiben bzw die Anerkennung der Aufsicht des Sitzlands durch das Vertriebsland betreffen, erfolgt durch das Auslandinvestmentgesetz (AIG). 47 Der deutsche Gesetzgeber hat die Systematik der Richtlinie grundlegend geändert und zwar auch in solchen Bereichen, die im deutschen Recht neu kodifiziert wer55 56

Vandamme-Bericht, S 93 ff; Grundmann, ZBB 1991, 242 (256). Zur deutschen Umsetzung im einzelnen Carl / Förster, Investmentfonds, S 73-125; Grundmann, ZBB 1991, 242 (242-259).

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

797

den mußten. Eine derart weitgehende Umschreibung der Systematik dürfte dazu führen, daß es Betroffenen aus anderen Mitgliedstaaten (insbesondere Anlegern) schwer fallt, sich in der deutschen Regelung zu orientieren. Darüber hinaus kann eine grundlegend abweichende Systematik des Umsetzungsgesetzes die Rechtssicherheit dadurch beeinträchtigen, daß eine systematische Auslegung des nationalen Rechts für sich genommen möglicherweise zu Widersprüchen mit den Anforderungen der Richtlinie führt. 5 7 An den Vorgaben der Richtlinie messen lassen müssen sich nur diejenigen Kapitalanlagegesellschaften, welche die Definitionsmerkmale der Richtlinie für einen O G A W erfüllen. Im AIG wird dem Vertrieb der Investmentanteile ausländischer O G A W , die unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, ein eigener Abschnitt (2. Abschnitt) gewidmet und dort global auf die OGAW-Definition der Richtlinie verwiesen (§ 15 AIG). Eine so klare Abgrenzung wird im K A G G nicht vorgenommen. Definitionsgemäß fallen unter die Richtlinie jedoch nur die Wertpapier-Sondervermögen, so daß sich die Umsetzung im wesentlichen auf die §§ 1 - 7 K A G G (Allgemeine Vorschriften) und 8 - 2 5 K A G G (Besondere Vorschriften für Wertpapier-Sondervermögen) beschränkt. Da der Grundsatz der Risikostreuung (Art 1 II, 1. Spiegelstrich RL) und die Gewährleistung eines Rückgaberechts (Art 1 II, 2. Spiegelstrich RL) für die im K A G G geregelten Anlageorganismen allgemein vorgeschrieben wird, erfüllen die Wertpapier-Sondervermögen, abgesehen von den Spezialfonds (§§ 12 III 4, 14 II 4, 19 VII und 21 VII 2 K A G G ) , die OGAW-Definition der Richtlinie. 58

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Die Umsetzung der Vorschriften des II. Abschnitts der Richtlinie erfolgt an verschiedenen Stellen: Die nach Art 4 I und II R L erforderliche Genehmigung der Verwaltungsgesellschaft eines Investmentfonds, der Vertragsbedingungen und der Wahl der Verwahrstelle ergibt sich aus § 2 I K A G G iVm § 3 2 K W G und § 2 II K A G G für die Verwaltungsgesellschaft, aus § 15 II, III K A G G für die Vertragsbedingungen und aus § 12 III 1 K A G G für die Verwahrstelle. 59 Die genehmigungsfreie Zulassung von O G A W aus dem EG-Ausland und ihren Anteilen (Art 4 I 2 RL) ist im AIG verbürgt. Die Umsetzung des Art 4 III R L (und gleichermaßen des Art 8 II RL) erfolgt nicht im K A G G , sondern ergibt sich daraus, daß es sich bei Kapitalanlagegesellschaft und Depotbank, dh der Verwahrstelle, um Kreditinstitute handelt (§§ 2 I, 12 I 1 K A G G ) , so daß die entsprechenden Vorschriften des K W G über die Anforderungen an die Geschäftsleiter (§ 33 I Nr 2 und 3 K W G ) sowie an Eigenkapitalausstattung und Liquidität (§§ 10, 10a und 11 K W G ) anwendbar sind.

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Im einzelnen Grundmann, ZBB 1991, 2 4 2 (258 f). Vgl im einzelnen Grundmann, ZBB 1991, 242 (245); vgl auch Baur, Investmentgesetze, Vor § 8 KAGG Rn 8. In deutsches Recht mußten die Vorgaben der Richtlinie nur umgesetzt werden, soweit sie Investmentfonds betreffen. Investmentgesellschaften sind in Deutschland aufgrund kapitalgesellschaftsrechtlicher und bes aktienrechtlicher Kapitalerhaltungsvorschriften nicht zulässig. Baur, Investmentgesetze, Einl I Rn 71.

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Einseitige Untemehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

50 Auch bei der Umsetzung der Bestimmungen des III. Abschnitts weicht der deutsche Gesetzgeber von der Systematik der Richtlinie ab. Im einzelnen: Art 5 RL, der recht allgemein verlangt, daß die Verwaltungsgesellschaft über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, wurde vom deutschen Gesetzgeber zulässigerweise durch Festsetzung eines Mindestkapitalerfordernisses konkretisiert. Gemäß § 2 II lit. a Κ AG G muß das Nennkapital der Gesellschaft mindestens 5 Millionen DM betragen. Auch Art 6 RL konnte im Rahmen der deutschen Umsetzung präzisiert werden. Anders als in der Richtlinie werden die Annexgeschäfte und die Verwaltung eigenen Vermögens, die allgemein als zulässig angesehen werden, durch die Verwaltungsgesellschaft in § 2 II lit. c KAGG ausdrücklich erwähnt. Im Rahmen der Umsetzung des Trennungsgrundsatzes nach Art 10 RL machte der deutsche Gesetzgeber von seiner Befugnis zum Erlaß strengerer bzw zusätzlicher Vorschriften (Art 1 VII RL) Gebrauch: Über die bloße Umsetzung dieser Vorschrift (§ 12 I 1, II 1 und § 10 I 2 KAGG) hinaus, schuf er in § 12 I 4 KAGG Inkompatibilitäten auch bei Organen und Angestellten der Gesellschaften. Die Pflichten der Verwahrstelle regelt ξ 12b KAGG inhaltlich dem Art 7 III RL entsprechend. Die Vorschriften über die Haftung der Verwahrstelle (Art 7 II und 9 RL) werden durch Art 28 II 2 EGBGB (anwendbares Recht) und die §§ 675, 664 12 BGB (Auswahlverschulden) inhaltlich zutreffend umgesetzt. Fragwürdig ist jedoch, ob den zwingenden Vorgaben der Richtlinie durch diese dispositiven Bestimmungen Genüge getan wird.60 51 Einer Umsetzung der Vorschriften des IV. Richtlinienabschnitts bedurfte es nicht, da dieser ausschließlich die in Deutschland unzulässigen OGAW des Gesellschaftstyps betrifft. 52 Die Vorschriften des V. Abschnitts der Richtlinie werden in den §§ 8 - 8f KAGG umgesetzt. Im Rahmen der Umsetzung des Art 19 I lit. c RL wurde von den dort eröffneten drei Alternativen die strengste gewählt: Die Wahl der Börse eines Drittstaates muß bereits in den Vertragsbedingungen des Investmentfonds zugelassen worden sein (§ 8 I Nr 3 KAGG). Im Rahmen der Umsetzung des Art 19 I lit. d RL durch § 8 I Nr 2 und 4 KAGG differenziert der deutsche Gesetzgeber in einer Weise, die zwar in der Richtlinie nicht angelegt, aber dennoch zulässig ist:61 Bei Markteinführung in einem Drittland muß die Wahl der Börse in den Vertragsbedingungen vorgesehen sein, bei Markteinführung in einem Mitgliedstaat läßt das Gesetz sie generell zu. Die durch Art 19 II lit. a und b RL eröffnete Möglichkeit einer Anlage in anderen als den in Art 191 RL genannten Wertpapieren wurde durch § 8 II Nr 1 und 2 KAGG ausgenutzt. Dabei wurden Schuldscheindarlehen von Schuldnern mit makelloser Bonität den Wertpapieren entsprechend Art 19 II lit. b RL gleichgestellt. Zweifelhaft erscheint die Umsetzung des Art 19 IV RL durch § 8 III KAGG. Dieser gestattet es, 49 % des Fondsvermögens in Form flüssiger Mittel (einschließlich bestimmter Geldmarktpapiere) zu halten, ohne klarzustellen, daß dies lediglich vorübergehend bis zur nächsten Investition zulässig ist. Damit kann nach dem Wortlaut der Vorschrift auch eine Investition in Geldmarktpapieren, die an 60

Vgl im einzelnen Grundmann, ZBB 1991, 242 (248). Grundmann, ZBB 1991, 242 (249).

4.25 Investmentfonds-Richtlinie

799

keinem geregelten Markt zugelassen sind, zum regulären Anlageziel erhoben werden. Auf diese Weise wird halben Geldmarktfonds ein von der Richtlinie nicht intendiertes Anerkennungsprivileg im EG-Ausland verschafft. 62 Von der Möglichkeit, eine Nutzung der „Techniken und Instrumente", die Wertpapiere zum Gegenstand haben (Art 21 I RL), zu gestatten, wurde durch Zulassung von Optionsgeschäften (§ 8d K A G G ) und Zinsterminkontrakten sowie Terminkontrakten auf Aktienindizes 63 (§ 8f III K A G G ) Gebrauch gemacht. Allerdings unterliegen derartige Geschäfte einigen zusätzlichen Beschränkungen, die über die Richtlinie hinausgehen. Insbesondere wird die Summe der Basiswerte auf 2 0 % des Fondsvermögens beschränkt, soweit keine Gegengeschäfte geschlossen sind. Auf Art 21 II R L stützt sich die Zulassung von Devisenterminkontrakten nach ξ 8e K A G G und Finanzterminkontrakten nach § 8f I K A G G . Das Diversifizierungsgebot nach Art 2 2 R L wird durch § 8a K A G G umgesetzt, der tendenziell sogar strenger ist, als von der Richtlinie vorgegeben. Nicht mit der Richtlinie vereinbar ist jedoch wiederum § 8a VI K A G G , der Geldmarktpapiere generell vom Diversifizierungsgebot freistellt. 64

53

Art 2 5 I R L , der den Erwerb eines Aktienpaketes untersagt, mittels dessen ein nennenswerter Einfluß auf die Geschäftsführung des Emittenten ausgeübt werden kann, wird durch § 8a III K A G G umgesetzt. Dabei konkretisiert das deutsche Recht die von der Richtlinie verwendete Generalklausel, indem es eine 10 % Grenze bezogen auf die mit einem Stimmrecht verbundenen Aktien ein und desselben Emittenten einführt. Art 2 4 RL, der die Anlage in Anteilen anderer Investmentfonds regelt, wird durch ξ 8b K A G G umgesetzt. An seiner Richtlinienkonformität ergeben sich jedoch angesichts zahlreicher mißverständlicher Formulierungen gewisse Zweifel. 65

54

Die Vorschriften des VI. Abschnitts der Richtlinie werden, soweit sie den Prospekt betreffen, in § 19 K A G G und, soweit sie die periodischen Berichte betreffen, in § 24a K A G G ordnungsgemäß umgesetzt. Die Umsetzung des Art 33 I RL findet sich in § 19 I 1, 2 K A G G und die des Art 33 II in § 2 4 a III 2 K A G G . Die Pflicht, Ausgabe- und Rücknahmepreis der Anteile bekanntzugeben (Art 3 4 RL), wurde in § 21 VI 1 und 2 K A G G übernommen. Die Vorschriften des VIII. Abschnitts der Richtlinie werden, soweit sie deutsche O G A W betreffen, die ihre Anteile im Ausland vertreiben wollen, durch § 2 4 K A G G und, soweit sie ausländische O G A W betreffen, die ihre Anteile in Deutschland vertreiben wollen, durch die §§ 15 ff AIG umgesetzt. Allerdings beschränkt § 15a S 1 AIG unter Verstoß gegen Art 4 5 R L die Freiheit der O G A W , die Mittel selbst zu wählen, mit denen sie die organisatorische Durchführung der Zahlungsverpflichtung gewährleisten wollen. 6 6

55

« Grundmann, ZBB 1991, 242 (250). 63 Ob Finanzterminkontrakte Wertpapiere zum Gegenstand haben, also überhaupt unter Art 21 I RL fallen, ist indes nicht zweifelsfrei. Vgl oben Fn 33. 64 Im einzelnen Grundmann, ZBB 1991, 242 (251). 65 Im einzelnen Grundmann, ZBB 1991, 242 (251 f). « Vgl Grundmann, ZBB 1991, 242 (256).

56

800

Einseitige Untemehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

B. Fundstellenverzeichnis 57 Grundlage: Art 57 II EGV Betr: Investmentfonds und Investmentgesellschaften Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1985 L 375/3 - geänderter Vorschlag vom 3. 6. 1977 KOM(77) 227 endg - ursprünglicher Vorschlag vom 29. 4. 1976 AB1EG 1976 C 171/1 - geändert durch die Richtlinie 88/220/EWG vom 22. 3. 1988 AB1EG 1988 L 100/31 und die Richtlinie 95/26/EG vom 29. 6. 1995 AB1EG 1995 L 168/7 - Vorschlag vom 4. 6. 1986 zu 88/220/EWG AB1EG 1986 C 155/4 - Vorschlag vom 28. 7. 1993 zu 95/26/EG AB1EG 1993 C 229/10 Stellungnahmen: -zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1977 C 57/31 WSA: AB1EG 1977 C 75/10 - zum Vorschlag 88/220/EWG EP: AB1EG 1987 C 125/162 WSA: AB1EG 1986 C 333/10 - zum Vorschlag 95/26/EG EP: AB1EG 1994 C 91/61 WSA: AB1EG 1994 C 52/15 (Neufassung des) Gesetz(es) über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) vom 14. 1. 1970, BGBl I, S 127 sowie Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen (Auslandinvestment-Gesetz - AuslInvestmG) vom 28. 7. 1969, BGBl I, S 986, jeweils idF von Art 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Finanzmärkte (Finanzmarktförderungsgesetz) vom 22. 2. 1990 Fundstelle: BGBl 1990 I, S 266

C. Abdruck Baur, Investmentgesetze, Anhang 15; Beck'sches Europäisches Wirtschaftsrecht - Textsammlung, 334; sowie http://www.ecohal.uni-halle.de

801

4 . 3 0 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

V. Abschluß- und inhaltsgestaltende 4.30-1/2/3

Regeln im

Versicherungs-Richtlinie(n)

Versicherungssektor

Schaden

(Auszüge)

4 . 3 0 - 1 Erste Richtlinie des Rates vom 24. 7.1973 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (73/239/ EWG) 4 . 3 0 - 2 Zweite Richtlinie des Rates vom 22. 6. 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 7 3 / 2 3 9 / E W G (88/357/EWG) 4 . 3 0 - 3 [Dritte] Richtlinie des Rates vom 18. 6. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 7 3 / 2 3 9 / E W G und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadensversicherung) (92/49/EWG) Literatur (Allgemein zum Europäischen Versicherungsvertragsrecht): 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Basedow·, Jürgen / Schwark, Eberhard / Schwintowski, Hans-Peter (Hrsg), Informationspflichten, Europäisierung des Versicherungswesens, anerkannte Grundsätze der Versicherungsmathematik, Baden-Baden (Nomos) 1995; Baumann, Horst, Versicherungsrecht nach der Deregulierung, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1995; Biagosch, Patrick, Europäische Dienstleistungsfreiheit und deutsches Versicherungsvertragsrecht - der Stand nach der Umsetzung der Zweiten Koordinierungsrichtlinie Schaden, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1991; van Empel, Martijn / Drabbe, Humbert (Eds), Insurance and EC Law (Loseblatt), Den Haag ua (Kluwer) Stand 7/1997; Geiger, Hermann, Der Schutz der Versicherten im Europäischen Binnenmarkt, Konstanz (Hartung-Gorre) 1992; Jürgens, Ulrich / Rabe, Birgit / Rabe, Thomas, Der europäische Versicherungsmarkt, Bonn (Economica) 1993; Kozuchowski, Wlodzimierz, Der internationale Schadensversicherungsvertrag im EG-Binnenmarkt, Diss Trier 1995; McGee, Andrew / Heusei, Andrew (Eds), The Law and Practice of Insurance in the Single European Market, Köln (Bundesanzeiger) 1995; Müller, Helmut, Versicherungsbinnenmarkt - die europäische Integration im Versicherungswesen, München (Beck) 1995; Rabe, Thomas, Liberalisierung und Deregulierung im Europäischen Binnenmarkt für Versicherungen, Berlin (Schmidt) 1997; Römer, Wolfgang / Langheid, Theo, Versicherungsvertragsgesetz, W G - mit Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) und Kraftfahrzeugs-Pflichtversicherungsverordnung (KfzPflW) - Kommentar, München (Beck) 1997; Roth, Wulf-Henning, Internationales Versicherungsvertragsrecht - das Versicherungsverhältnis im internationalen Vertragsrecht, zugleich ein Beitrag zum Schutz des schwächeren Vertragspartners im IPR und zur Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, Tübingen (Mohr - Siebeck) 1985; Schmidt, Reimer, Überlegungen zur Umsetzung der Dritten Versicherungs-Richtlinien in deutsches

802

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Recht, Karlsrahe (Versicherungswirtschaft) 1992; Windhagen, Eckart, Die Versicherungswirtschaft im europäischen Kartellrecht, Baden-Baden (Nomos) 1996. 2. Aufsätze und Beiträge: Armbrüster, Christian, Zur Harmonisierung des Privatversicherungsrechts in der EG, JJZ 1991, 89-107; Baran, Peter, Erfahrungen mit den Versicherungsrichtlinien, VersRdsch 1995, 5-10; Ben, Claude, Droit européen des assurances - la directive du 22 juin 1988 sur la libre prestation des services, RTDE 1988, 655-685; Brittan, Leon, Der Europäische Binnenmarkt der Versicherungen - was noch zu tun bleibt, VW 1990, 754-761; Dauses, Manfred, Die Bedeutung der Versicherungs-Urteile des EuGH vom 4. 12. 1986 für die Liberalisierung grenzüberschreitender Versicherungsdienstleistungen, EuR 1988, 378-390; Drabbe, Hubert, Verwirklichung des Binnenmarktes für Versicherungen - was bleibt zu tun?, VW 1994,550-558; Edward, David, Establishment and Services - an Analysis of the Insurance Cases, ELR 1987, 231-256; Fahr, Ulrich, Die Umsetzung der Versicherungsrichtlinien der dritten Generation in deutsches Recht, VersR 1992, 1033-1047; Finsinger, Jörg, Les couts de la protection du consommateur dans les marchés d'assurances, RMC 1991, 621-624; Gartner, Rudolf, EG-Versicherungsbinnenmarkt und Versicherungsvertragsrecht, EWS 1994, 114-123; Heinze, Meinhard, Europarechtliche Rahmenbedingungen der deutschen Unfallversicherung, FS Gitter, Wiesbaden 1995, 355-374; Hohlfeld, Knut, Die Zukunft der Versicherungsaufsicht nach Vollendung des Binnenmarktes, VersR 1993, 144-150; Hübner, Ulrich, Die Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft und ihre Grenzen - zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs betreffend die Dienstleistungsfreiheit auf dem Versicherungssektor, J Z 1987,330-335; Ders, E.IV.3: EG-Versicherungsrecht, in: Dauses, Manfred (Hrsg) Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, München (Beck) Stand 11/ 1996; Hübner, Ulrich / Matusche-Beckmann, Annemarie, Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das Versicherungsrecht, EuZW 1995,263-273; Lohéac, Francis, À propos du marché unique de l'assurance et de quelques questions connexes, RMC 1992,781-787; Ders, Le Marché Unique de l'Assurance - opportunités, limites et perspectives, RMC 1994, 592-600; Matusche-Beckmann, Annemarie, Die Entwicklung des europäischen Privatversicherungsrechts, ERPL 1996, 201-219; Merz, Friedrich, Das Begünstigungsverbot im deutschen Versicherungsrecht nach der Anpassung an europäisches Recht, FS Everling, Baden-Baden 1995, 835-839; Müller, Wolfgang / Zweifel, Feter, Deregulierung der Versicherungsmärkte durch die EG?, WuW 1990,907-922; Ottow, Annetje, An internal insurance market before the turn of the Century?, CMLR 29 (1992) 511-536; Pagets, Gerhard, Änderungen im deutschen Versicherungsrecht durch den Versicherungs-Binnenmarkt, NWB 1994,2759-2764; Präve, Peter, Das Allgemeine Versicherungsvertragsrecht in Deutschland im Zeichen der europäischen Einigung, VW 1992, 596-601, 656-663, 737-745; Prölss, Jürgen / Armbrüster, Christian, Europäisierung des deutschen Privatversicherungsrechts, DZWiR 1993, 397-404 und 449-459; Reich, Norbert, Dritte Richtlinie Schadensversicherung 92/49/EWG vom 18. 6. 1992 und Lebensversicherung 92/96/EWG vom 10. 11. 1992 und der Schutz des privaten Versicherungsnehmers/Versicherten, VuR 1993,10-30; Ders, EG-rechtliche Anforderungen an die Reform des deutschen Versicherungsvertragsrechts -

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

803

Kritik des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Durchführung Versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes Durchfiihrungsgesetz/EWG zum VAG), in: Schwintowski, Peter (Hrsg), Deregulierung, Private Krankenversicherung, Kfz-Versicherung, 1994, 35-49; Reiff, Peter, Die Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das deutsche Versicherungsvertragsrecht, VersR 1997, 267-273; Renger, Reinhard, Stand, Inhalt und Probleme des neuen Versicherungsrechts - Bemerkungen zum Dritten Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der europäischen Gemeinschaften, VersR 1994, 753-759; Roth, Wulf-Henning, Grundlagen eines gemeinsamen europäischen Versicherungsmarktes, RabelsZ 54 (1990) 63-138; Ders, Die Vollendung des europäischen Binnenmarktes für Versicherungen, NJW 1993, 3028-3033; Ders, Binnenmarkt der Versicherungen und Subsidiaritätsprinzip, VersR 1995, Sonderheft 14-22; Schmidt, Reimer, Das DLF-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. 12. 1986, VersR 1987, 1 - 5 ; Schwintowsky, HansPeter, Europäisierung der Versicherungsmärkte im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, NJW 1987, 521-526; Sönnichsen, Christoph, Die Versicherungswirtschaft nach den dritten Richtlinien, VW 1993, 88-92; Taupitz, Jochen, Macht und Ohnmacht der Verbraucher auf dem dekontrollierten europäischen Versicherungsmarkt, VersR 1995, 1125-1134; Weiser, Christian, Der Binnenmarkt für Versicherungen, EuZW 1993, 29-31; Wolters, Georg, Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt?, Ordo 1995, 345-359. Speziell zum Kollisionsrecht der Versicherungsverträge: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Dörner, Heinrich, Internationales Versicherungvertragsrecht - Kommentar zu den Artikeln 7 bis 15 E G W G mit Materialien, Berlin ua (Springer) 1997; Hahn, Volker, Die „europäischen" Kollisionsnormen für Versicherungsverträge - Untersuchung der Art 7 ff E G W G unter besonderer Berücksichtigung des zwingenden Rechts, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1992; Kramer, Ulrich, Internationales Versicherungsvertragsrecht, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1995; Mewes, Hans, Internationales Versicherungsvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung der europäischen Dienstleistungsfreiheit im Gemeinsamen Markt, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1995; Reichert-Facilides, Fritz (Hrsg), Aspekte des internationalen Versicherungsvertragsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum, Tübingen (Mohr - Siebeck) 1994; Reichert-Facilides, Fritz/Jessurun d'Oliveira, Hans (Eds), International Insurance Contract Law in the EC, Deventer ua (Kluwer) 1993; Schnyder, Anton, Internationale Versicherungsaufsicht zwischen Kollisionsrecht und Wirtschaftsrecht, Tübingen (Mohr - Siebeck) 1989; Uebel, Annette, Die deutschen Kollisionsnormen für (Erst-)Versicherungsverträge mit Ausnahme der Lebensversicherung über in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft belegene Risiken, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1994; Wördemann, Nils, International zwingende Normen im internationalen Privatrecht des europäischen Versicherungsvertrages - eine kollisionsrechtliche Untersuchung zur Bedeutung und Tragweite des Art 7 II Zweite RL SchadenV sowie des Art 4 IV Zweite RL Lebens V, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1997. 2. Aufsätze und Beiträge: Armbrüster, Christian, Aktuelle Streitfragen des Internationalen Privatversicherungs-

804

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

rechts, ZVersWiss 84 (1995) 139-148; Basedowjürgen/Drasch, Wolfgang, Das neue Internationale Versicherungsrecht, NJW 1991, 785-795; Fricke, Martin, Das IPR der Versicherungsverträge außerhalb des Anwendungsbereichs des E G W G , VersR 1994, 773-783; Ders, Die Neuregelung des IPR der Versicherungsverträge im E G W G durch das Gesetz zur Durchführung versicherungrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften, IPRax 1990, 361-364; Hübner, Ulrich, Internationales Privatrecht des Versicherungsvertrages und EGRecht - zu den Entwicklungen des EG-Rechtes und ihren Auswirkungen auf das Versicherungsvertragsrecht, ZVersWiss 72 (1983) 21-40; Ders, Zum Stand der Rechtsvereinheitlichung im internationalen Versicherungsvertragsrecht, in: ν Bar, Christian, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, Köln ua (Heymanns) 1991,111-127; Imbusch, Stefan, Das IPR der Versicherungsverträge über innerhalb der EG belegene Risiken, VersR 1993, 1059-1066; Koitzsch, Martin, Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht nach EG-Recht, Deutsche Rentenversicherung 1995, 7 4 91; Lagarde, Paul, Assurance - Assurance directe - risque situé dans un état Membre - loi applicable, Rev.crit.d.i.p. 78 (1989) 144-149; Lorenz, Egon, Zur Kontrolle grenzüberschreitender Versicherungsverträge anhand der „Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses" im freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU, VersRdsch 1995, 8-22; Mankowski, Peter, Nationale Erweiterungen der Rechtswahl im neuen Internationalen Versicherungsvertragsrecht - Konzept, Methodik und Inhalt des Art 10 III E G W G , VersR 1993, 154-163; ReichertFacilides, Fritz, Zur Kodifikation des deutschen internationalen Versicherungsrechts, IPRax 1990, 1-18; Roth, Wulf-Henning, Angleichung des IPR durch sekundäres Gemeinschaftsrecht, IPRax 1994, 165-174; Ders, Das Allgemeininteresse im europäischen Internationalen Versicherungsvertragsrecht, VersR 1993, 129-139; Ders, EEC Treaty Article Fifty-Nine and its Implications for Conflicts Law in the Field of Insurance Contracts, Duke J.Comp.Int.L. 2 (1992) 129-148; Rudisch, Bernhard, Europäisches Internationales Versicherungsvertragsrecht für Österreich, ZvglRW 93 (1994) 80-113; Ders, Österreichisches internationales Versicherungsvertragsrecht für den EWR, ZEuP 1995, 44-59; Smulders, Ben / Glazener, Paul, Harmonization in the Field of Insurance Law through the Introduction of Community Rules of Conflict, CMLR 29 (1992) 775-797. Weitere Nachw aus der reichen IPR-Literatur etwa bei Dörner, Internationales Versicherungsvertragsrecht. Speziell zu den AVB1 und den Informationspflichten: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Hemmer, Dirk, Die Einbeziehung von AVB in den Versicherungsvertrag nach neuem Recht, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1996; Hübner, Ulrich, Allgemeine Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz5, Köln (RWS) 1997; Müller, Helmut, Verbraucherschutz im Versicherungswesen durch Information der Versicherten, Karlsruhe ( W W ) 1992; Wandt, Manfred, Verbraucherinformation und Vertragsschluß nach neuem Recht - dogmatische Einordnung und Handhabung, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1995. 2. Aufsätze und 1

Vgl schon das Literaturverzeichnis zu 2.10.

4 . 3 0 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

805

Beiträge: Bach, Peter, Vorvertragliche Informationspflichten des Versicherers nach der VAG-Novelle, FS Lorenz, Karlsruhe 1994,45-72; Dreher, Meinrad, Inhalt und Grenzen der künftigen Mißbrauchsaufsicht - Überlegungen zu einem neuen § 81 VAG, VersR 1993,1443-1453; Kieninger, Eva-Maria, Die Kontrolle von leistungsbeschreibenden Versicherungsbedingungen nach der AG Β-Richtlinie - Fortschritt oder Rückschritt?, ZEuP 1994,277-283; Präve, Hans, Die Disclosure-Regelungen des VAG, VW 1994, 556-572; Ders, Die Informationspflichten des Versicherers gemäß § 10a VAG, VW 1995, 90-99; Reichert-Facilides, Fritz, Informations- und Beratungspflichten des Versicherers - Privat- oder aufsichtsrechtliche Zuordnung? Ein Diskussionsbeitrag, VW 1994, 561 f; Schimikowski, Peter, Verbraucherinformation - Einbeziehung von AVB und Abschluß des Versicherungsvertrags, Recht und Schaden 1996, 1 - 7 ; Schirmer, Helmut, Änderungen des W G nach der Deregulierung mit den Schwerpunkten: Abschluß des Versicherungsvertrages und Einbeziehung von AVB, VersR 1996,1045-1056; Schmidt-Salzer,Joachim, EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen - Inhaltskontrolle von AVB und Deregulierung der Versicherungsaufsicht, VersR 1995,1261-1269; Ders, Leistungsbeschreibungen insbesondere in Versicherungsverträgen und Schranken der Inhaltskontrolle (AGB-Gesetz und EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen), FS Brandner, Köln 1996, 259-278; Werber, Manfred, Alte und neue Informations- und Beratungspflichten des Versicherers und des Vermittlers, ZVersWiss 83 (1994) 321-348; Winkler ν Mohrenfels, Peter, Informationspflichten in der Sachversicherung, in: Basedow, Jürgen / Schwark, Eberhard / Schwintowski, Hans-Peter (Hrsg), Informationspflichten, Europäisierung des Versicherungswesens, anerkannte Grundsätze der Versicherungsmathematik, BadenBaden (Nomos) 1995, 39-52. Speziell zur Versicherungsvermittlung: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Devine, Patrick, Insurance Intermediaries in the EEC - an Industry Report, London (LLoyd's of London) 1992; Hamburger Gesellschaft zur Förderung des Versicherungswesens (Hrsg), Berufsregelung für Versicherungsvermittler in Deutschland, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1997; Heiss, Helmut / Lorenz, Bernhard, Europäisches Versicherungs-Vermittlerrecht für Österreich, Wien (Verlag Österreich) 1996; Hodgin, Ray, Insurance Intermediaries - Law and Practice (Loseblatt), Industry Report, London (LLoyd's of London) 1997; Matusche, Annemarie, Pflichten und Haftung des Versicherungsmaklers4, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1995; Versicherungsform, hrsg ν Bach, Peter, Die neuen Rahmenbedingungen für den Versicherungsaußendienst im europäischen Binnenmarkt, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1993 2. Aufsätze und Beiträge: Benkel, Gert / Reusch, Peter, Der Einfluß der Deregulierung der Versicherungsmärkte auf die Haftung des Versicherungsmaklers, VersR 1993, 1302-1319; Fricke, Martin, Einige Gedanken über die Berufsfreiheit der Versicherungsvermittler und die Umsetzung der EGVermittlerempfehlung vom 18. 12. 1991 in deutsches Recht, VersR 1995, 11341137; Hübner, Ulrich, Deregulierung und Versicherungsvermittlung - Verbraucherschutz durch Beratung?, FS Lorenz, Karlsruhe 1994, 317-329; Ders, Berufsregelung für Versicherungsmittler in Deutschland?, EuZW 1997, 193; Lorenz, Bernhard, Kundenschutz durch Regulierung der Versicherungsvermittlung - eine

806

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

ökonomisch-rechtsvergleichende Analyse aktueller europarechtlicher Entwicklungen, in: Schnyder, Anton / Heiss, Helmut / Rudisch, Bernhard (Hrsg), Internationales Verbraucherschutzrecht, 231-255; Schnyder, Anton, Die Haftung des Versicherungsmaklers - Herausforderung aus der Sicht des EG-Verbraucherschutzes, in: Fenyves, Attila / Koban, Klaus (Hrsg), Die Haftung des Versicherungsmaklers, Wien (Orac) 1993, 5 5 - 6 5 ; Taupitz, Jochen, Macht und Ohnmacht der Verbraucher auf dem dekontrollierten europäischen Versicherungsmarkt, VersR 1995, 1125-1134. Für Literatur zu den Vorschlägen zur (Voll-)Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts vgl Nachw unten Fn 7.

A. Erläuterungen 1. Überblick a)

Gegenstand

1 Die drei Generationen Versicherungs-Richtlinien Schaden regeln für Versicherungsunternehmen mit einer Niederlassung in der Gemeinschaft (außerhalb des Lebensversicherungsbereichs) vor allem zahlreiche aufsichtsrechtlichen Fragen, daneben jedoch auch folgende spezifisch schuldvertragsrechtlichen Problemkreise: Ist das Risiko (bzw die Versicherungspflicht) in der Gemeinschaft belegen, so erklärt Art 7 RL-S[2] grundsätzlich das Recht der Risikobelegenheit für anwendbar (andernfalls ist das EVÜ anwendbar). Es kann zugunsten des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltes bzw der Niederlassung des Versicherungsnehmers oder in manchen Konstellationen des Schadensortes abgewählt werden (nicht jedoch zugunsten des Rechts der Niederlassung des Versicherungsunternehmens), desgleichen aufgrund der zuerst benannten nationalen Kollisionsrechte. Unbeschränkte Rechtswahlfreiheit herrscht bei einigen Großrisiken (aus dem gewerblichen Bereich). Besonderheiten gelten bei Pflichtversicherungen. Dem Versicherungsunternehmen dürfen die genannten Rechte nur entgegengehalten werden, soweit die Normen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Demgegenüber wurden die nationalen Sachrechte in versicherungsvertragsrechtlicher Hinsicht nur sehr punktuell harmonisiert. Immerhin wurde mit der Untersagung der nationalen Genehmigungserfordernisse für Allgemeine und Besondere Versicherungsbedingungen eine Grundsatzentscheidung dahingehend getroffen, auch diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen allein der allgemein geltenden AGB-Mißbrauchskontrolle zu unterwerfen. Hinzu kamen - allerdings ausbaufähig - (privatrechtliche) Informationspflichten, die vor Verpflichtung des Versicherungsnehmers zu erfüllen sind, und einige Regeln zur Bestandsübertragung. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2 aa) Die Geschichte der Regulierungstätigkeit der Gemeinschaft im Bereich Schadensversicherung ist lang. Ausgangspunkt für eine Europäische Direkt- oder

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

807

Erstversicherung 2 war das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit von 1961. 3 Auf dieses stützte sich die Erste

Versicherungs-Richtlinie Schaden (RL-S[1]), die den gesamten Direktversiche-

rungsbereich abdeckte und nur den Sonderfall der Lebensversicherung und naher Versicherungen ausnahm. Ziel war zunächst - einer in fast allen Bereichen zu findenden Abfolge der Harmonisierungsschritte entsprechend - die Angleichung zentraler öffentlichrechtlicher Anforderungen. Wichtig blieb die Richtlinie bis heute durch die Definition des Anwendungsbe3 reichs, der auch den späteren Regelungsakten zugrunde gelegt wurde (unten 2 a). Ebenfalls richtungsweisend war die Unterteilung der Regeln in solche der Zulassung (Art 6 - 1 2 RL-S[1]) und der Ausübung (Art 1 3 - 2 1 RL-S[1]). Eine Vorschrift zum Widerruf der Zulassung (Art 2 2 RL-S[1]) und Normen zur Gründung von Agenturen und Niederlassungen in der Gemeinschaft durch Unternehmen aus Drittstaaten (Art 2 4 - 2 9 RL-S[1]) kamen hinzu. Im Bereich der Zulassung wurden Grundsatzentscheidungen später nicht mehr revidiert: das Zulassungserfordernis (Art 6 RL-S[1]), die (auf schrittweise Durchführung angelegte) Entscheidung gegen jegliches Spartentrennungsgebot (Art 7 RL-S[1]), die Entscheidung für einen Rechtsformzwang und gegen die Bedürfnisprüfung (Art 8 RL-S[1]), die Vorlage eines Tätigkeitsplanes (Art 9 RL-S[1]). Ebenfalls angedeutet war bereits, daß das Genehmigungserfordernis für die Verwendung von Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen nur beim Stand der „derzeitigen Koordinierung" geduldet sein sollte. Im Problemfeld laufende Überwachung („Ausübung") wurde geradezu das gesamte Programm für die Zukunft bereits vorgegeben. Zentral war und ist die Regelung der finanziellen Lage der Unternehmen mit Regeln zur Solvenz (Solvabilitätsspanne, Art 14, 16 RL-S[1]), zu den technischen Rückstellungen (Art 15 RL-S[1]), dem Garantiefonds als einem Teil der Solvabilitätsspanne (Art 17 RL-S[1]) und den Anlageregeln für die gehaltenen Werte (Art 18 RL-S[1]) sowie dem Gebot der Rechnungslegung (Art 19 RL-S [l]). 4 Eine einzige Regel mit vertragsrechtlichem Bezug fand sich im inzwischen ersetzten Art 21 RL-S[1] mit dem Institut der Bestandsübertragung. Insgesamt war die Regelung noch sehr durch das Realbild der nationalen Versicherungsmärkte geprägt, in denen häufig das Erfordernis zu finden war, daß ausländische Versicherungsunternehmen, die im Inland Policen anbieten wollten, hier niedergelassen sein (und sich dem inländischen Recht unterwerfen) mußten. 5 Diese Niederlassung wurde durch Angleichung der Anforderungen erleichtert.

Zur Rückversicherung vgl demgegenüber oben § 7 Einl Rn 24. Erstes Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit vom 18. 12. 1961, AB1EG 1962, S 36/62; dazu Roth, ZEuP 1994, 5 (6). 4 Dazu dann später als eigener Regelungsakt: Richtlinie 91/674/EWG des Rates vom 19. 12. 1991 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen, AB1EG 1991 L 374/7. 5 Vgl für Deutschland (§ 106 VAG II aF): Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (786); Scbnyder, Internationale Versicherungsaufsicht, S 65 f; auch Hübner / Matusche-Beckmann, EuZW 1995, 263 (265). 2 3

808

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

4 Nahe lag als nächster Schritt eine (Teil-)Angleichung der Versicherungsvertragsrechte, insbesondere auch, um Versicherungsunternehmen das Direktgeschäft über die Grenzen unter stets gleichen Bedingungen (des Heimatrechts) zu ermöglichen, also die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit entscheidend zu erleichtern. Da das Produkt „Versicherung" in besonders hohem Maße durch seine vertragliche Ausgestaltung geprägt ist,6 erschien die Harmonisierung auch unverzichtbar. Auf die Erste Versicherungs-Richtlinie Schaden und die Abrundung dieses Regelungswerkes durch die Versicherungs-Richtlinie Leben folgten denn auch - wenige Monate nach der Verabschiedung der zweitgenannten Richtlinie ein Vorschlag zur Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts und bald darauf noch ein geänderter Vorschlag.7 Beide scheiterten an grundlegenden Divergenzen, genauer: wurden zuletzt für verzichtbar gehalten8 und wichen einem Modell, in dem verschiedene Versicherungsvertragsrechte (zumindest partiell) zueinander in Konkurrenz treten können. 5 Erst die sogenannten Versicherungsurteile des EuGH, insbesondere das sogenannte DLF-Urteil,9 brachten neuerlich Bewegung in die Verhandlungen zur 2. Versicherungs-Richtlinie Schaden, zu dem die Kommission schon 1976 (!) ihren ersten Vorschlag vorgelegt hatte. Im DLF-Urteil erklärte der EuGH das Niederlassungserfordernis für mit der Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich unvereinbar, demgegenüber jedoch eine Überwachung der laufenden Tätigkeit im Land der Dienstleistung für zulässig. Hierfür erklärte der EuGH alle Regeln (jedoch auch nur solche) für zulässig, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt waren.10 6

7

8

9

10

Daher wurde auch gerade in diesem Bereich der Begriff und das Konzept des Rechtsprodukts Gegenstand einer monographischen Abhandlung: Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt - die Privatversicherung und ihre rechtliche Gestaltung, 1991, bes 63 f, 147-182; vgl auch Geiger, Schutz der Versicherten, S 9 - 4 6 . Vorschlag vom 10. 7. 1979 für eine Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung, AB1EG 1979 C 190/2; Geänderter Vorschlag vom 30. 12. 1980 für eine Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Versicherungsverträge, AB1EG 1980 C 355/30; zur Geschichte vgl Hübner, Schwerpunkte einer Koordinierung des Versicherungsvertragsrechts in der Europäischen Gemeinschaft, ZVersWiss 71 (1982) 221 (231 f); Literatur: Hübner aaO; Meyer-Kahlen, Angleichung des Versicherungsvertragsrechts im Gemeinsamen Markt, 1980; Steindorff, Rechtsangleichung in der EG und Versicherungsvertrag, Z H R 144 (1980) 447; Université Catholique de Louvain (Ed), L'harmonisation du droit du contrat d'assurance, 1981. Vgl 18. Erwägungsgrund der Präambel RL-S[3]; Hübner / Matusche-Beckmann, EuZW 1995, 263 (269); Matusche-Beckmann, ERPL 1996, 201 (203 f); Prölls / Armbrüster, DZWir 1993, 449 (451); Reiff, VersR 1997, 267 (267). Zum maßgeblichen Beitrag britischen Denkens insoweit: Brittan, VersRdsch 1993, 1 (5) (Interview). EuGH 4. 12. 1986 - Rs 2 0 5 / 8 4 {Freier Dienstleistungsverkehr - Versicherung), Slg 1986, 3755; hinzu kamen: EuGH 4. 12. 1986 - Rs 220/83 {Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung); 252/83 {Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung); 2 0 6 / 8 4 {Freier Dienstleistungsverkehr - Mitversicherung), Slg 1986, 3663; 1986, 3713; 1986, 3817; Besprechung Dauses, EuR 1988, 378; Edward, ELR 1987, 231. Dazu vor allem Hübner, J Z 1987, 330 (bes 334); Schmidt, VersR 1987, 1 (bes 2 f).

4 . 3 0 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

809

Die wenig später verabschiedete Zweite Versicherungs-Richtlinie Schaden (RL-S 6 [2]) enthält Ergänzungen zur RL-S[1] (Art 5 - 1 1 RL-S[2]), insbesondere für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit, für den sie „besondere Bestimmungen" einführte (Art 1 2 - 2 6 RL-S[2]). Wichtig sind zunächst die beiden noch heute geltenden Definitionsnormen für die Begriffe des Staates der „Risikobelegenheit" (Art 2 lit. d RL-S[2]) und des „Großrisikos" (Art 5 RL-S[2], eingefügt als Art 5 lit. d in die RL-S[1]). Im Aufsichtsrecht brachte die Richtlinie Neuerungen durch Ausformulierung der Kongruenzregeln (Art 6 RL-S[2] und Anhang I); durch Neufassung einiger Regeln, die bereits die RL-S[1] im Grundsatz kannte (Art 9 - 1 1 RL-S[2]); und durch die Ausgestaltung des Aufsichtssystems beim Direktgeschäft: Dabei wurde das System der aufsichtsrechtlichen Anforderungen aus dem Bereich der Niederlassungsfreiheit grundsätzlich übernommen, insbesondere das Zulassungserfordernis und die laufende Aufsicht über die finanzielle Lage (mit ihren oben genannten Einzelanforderungen), wobei hier die Aufsichtsbefugnisse aufzuteilen waren. Charakteristisch ist schon insoweit eine Deregulierung im Bereich der Großrisiken. Bis heute die stärkste Wirkung zeitigte jedoch die kollisionsrechtliche Regelung des Versicherungsvertragsrechts Schaden in Art 7 und 8 RL-S[2] (unten 2 b), auch deswegen, weil es sich hierbei um eine der wenigen Regelungen der RL-S[2] handelt, die die 3. Versicherungs-Richtlinie Schaden grundsätzlich unberührt ließ. Dies ist anders etwa bei den wenigen sachrechtlichen Regelungen des Versicherungsvertragsrechts Schaden, die auch schon die RL-S [2] enthielt (vgl dort Art 11 und 21 zur Bestandsübertragung und zu den Informationspflichten). Die wenig später nachfolgende Dritte Versicherungs-Richtlinie Schaden (RL-S [3]) 7 diente nach ihrem 1. Erwägungsgrund der Präambel der „Vollendung" des Versicherungsbinnenmarktes Schaden. Wieder wird untergliedert in Regelungen über die Aufnahme der Tätigkeit (Art 4 - 8 RL-S[3]), über die Ausübung der Tätigkeit und laufende Aufsicht (Art 9 - 3 1 RL-S[3]) sowie in Spezialregeln zur Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (Art 3 2 - 4 6 RL-S[3]). Der Umfang der Richtlinie erklärt sich auch dadurch, daß der weit überwiegende Teil ihrer Regelungen dazu dient, den ebenfalls überwiegenden Teil beider vorangegangenen Richtlinien neuzufassen (ausgenommen die dortigen Regeln zum Anwendungsbereich).11 Dabei wurden die bisher geschilderten Regelungsgegenstände beibehalten und angereichert, vor allem um Regeln über die Gesellschafterzusammensetzung (Art 8 RL-S[3]), über Meldepflichten bei Erreichung bestimmter Beteiligungsschwellen (Art 16 RL-S [3]) und über das Berufsgeheimnis aller in die Aufsicht eingeschalteter Personen (Art 17 RL-S[3]).

11

Art 4 - 7 R L - S [ 3 ] zur Aufnahme der Tätigkeit (Titel II) novellierten Art 6 - 9 R L - S [ 1 ] ; Art 9 14 bzw 17 f und 2 4 und 2 6 R L - S [ 3 ] zur Ausübung der Tätigkeit (Titel III) novellierten Art 13, 1 4 , 1 9 , 2 1 ( = Art 11 R L - S [ 2 ] ) , 2 0 und 2 2 R L - S [ 1 ] bzw Art 15, 15a und 16 und 18 R L - S [ 1 ] . Art 2 0 - 2 3 R L - S [ 3 ] dienten dann der Verfeinerung der Regeln über die technischen Rückstellungen und der Kongruenzregeln. Z u m Rest von Titel III und zu Titel I V im Text und später.

810

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

8 Im aufsichtsrechtlichen Bereich bestand der Schritt zur „Vollendung" des Binnenmarktes in der weitestgehenden Durchsetzung des Herkunftslandprinzips (vgl die Neufassung von Art 6 f und 13 RL-S[1] durch Art 4 f und 9 RL-S[3] und die Einführung von Art 8 RL-S[3]). Wie etwa beim „Europäischen Kapitalmarkt" handelt es sich also auch beim „Europäischen Versicherungsmarkt", der zudem noch in deutlich geringerem Maße Realität ist, nicht etwa um einen Markt mit einheitlichen Regeln, sondern um das Zusammenspiel nationaler Versicherungsmärkte, die jedoch so stark angeglichenen nationalen Regeln unterliegen und in denen so viele Anerkennungsgebote existieren, daß sich die durch den Grenzübertritt verursachten Transaktionskosten denjenigen in einem Binnenmarkt zunehmend annähern.12 Im vertragsrechtlichen Bereich, der insoweit wohl am meisten hinterher hinkt, brachte die RL-S[3] in ihrem umfassend schuldvertragsrechtlich bedeutsamen 3. Kapitel des III. Titel (Art 27-31 RL-S[3]) vor allem drei Neuerungen: eine Abschaffung der nationalen Genehmigungserfordernisse für Allgemeine und Besondere Versicherungsbedingungen, an deren Stelle „nur" die allgemeine AGB-Mißbrauchskontrolle tritt (unten 2 c); einen Kanon von Informationsverpflichtungen (ergänzt durch denjenigen in Art 43 RL-S [3]) (unten 2 d); sowie - weniger wichtig - eine moderate Modifikation und Liberalisierung des Kollisionsrechts der RL-S [2]. Die Harmonisierung im Sachrecht beschränkt sich also in der Verbürgung eines Grundgehalts der nationalen Gesetzesrechte gegenüber Abänderungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen und in der Statuierung von Informationspflichten. Die nationalen Regeln zu Leistung und Gegenleistung im Versicherungsvertrag Schaden blieben demgegenüber umfassend unharmonisiert. Noch stärker als bereits die sonstigen Teile der RL-S [3] erschöpft sich Titel IV in der Novellierung älterer Regeln, ganz überwiegend derjenigen der RL-S[2],13 9 bb) Das Umfeld der Versicherungs-Richtlinie Schaden ist vielgestaltig. Auf aufsichtsrechtliche Parallelentwicklungen in Untersparten, jedoch auch auf die wenigen schuldvertragsrechtlichen Regelungskomplexe, die in einigen von diesen zu finden sind, wurde hingewiesen.14 Am interessantesten ist das schuldvertrags-

12

Vgl Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn 1, 4, 13; Roth, NJW 1993, 3028 (3030); eingeschränkter als auf den meisten integrierten Teilmärkten in der Gemeinschaft: Gärtner, EWS 1994, 114 (119). 13 Art 3 2 - 3 7 RL-S[3] zum aufsichtsrechtlichen Ablauf der Eröffnung von Zweigniederlassungen novellierten Art 10 RL-S[1] und Art 14, 16, 17 RL-S[2] und hoben Art 11 RL-S[1] und Art 12 (teils) und Art 13-15 RL-S[2] auf; Art 40 und 4 2 - 4 4 RL-S[3] zu Meldepflichten bzw zur Gleichstellung mit inländischen Unternehmen in der Liquidation novellierten Art 2 0 - 2 2 RL-S[2], Art 45 f RL-S[3] zu den Entschädigungsfonds bzw Steuern Art 24 f RL-S[2], Dazwischen eingestreut finden sich Regeln zur Amtssprache (Art 38 RL-S[3]), zur Werbefreiheit (Art 41 RL-S[3]) und - für das Vertragsrecht einzig wichtig, jedoch mehrfach in der Richtlinie betont - der Grundsatz, daß eine systematische Meldung oder gar die Vorlage zur Genehmigung bei Versicherungsbedingungen nicht mehr gefordert werden darf (Art 39 RL-S[3]). i" Vgl oben § 7 Einl Rn 26, 2 9 - 3 2 .

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

811

rechtlich relevante Umfeld, soweit es für den gesamten Anwendungsbereich der Versicherungs-Richtlinien Schaden gilt:15 Dieses wurde in die Regelung der Versicherungs-Richtlinien Schaden zumindest teilweise fast explizit einbezogen: Mit der Untersagung der nationalen Genehmigungserfordernisse für Allgemeine und Besondere Versicherungsbedingungen seit 1992 (unten 2 c) wurde fortan auf eine Mißbrauchskontrolle nach der (wenig später verabschiedeten) AGBoder Klausel-Richtlinie (2.10) gesetzt. Insoweit fehlt es jedoch an einer Angleichung der nationalen Versicherungsvertragsrechte; allein die zulässige Marge der Abweichung wurde vereinheitlicht. Hinzu kam eine inhaltliche Festschreibung in einem Katalog von Klauseln, die wie „Musterbedingungen" wirken, soweit die Versicherungsunternehmen bei der Abfassung und Anwendung von Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen zusammenarbeiten und Art 85 I EGV unterfallen: Sie kommen dann in den Genuß einer automatischen Freistellung nur bei Zugrundelegung der Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft (5.08). Ein dritter Rechtsakt wurde gerade dafür kritisiert, daß er nicht ins Umfeld der Versicherungs-Richtlinien einbezogen wurde: Die Haustürwiderrufs-Richtlinie (2.01) erfaßt mit ihrer Regelung insbesondere des Widerrufsrechts die Versicherungswirtschaft gerade nicht, obwohl Haustürgeschäfte gerade hier besonders häufig vorkommen und große Tragweite haben.16 Für die Versicherungswirtschaft Schaden wurde in diesem Punkte auch nicht in den hier erörterten Branchen-Richtlinien Abhilfe geschaffen (anders Art 15 RL-L[2] und 30 RL-L[3]). Ebenfalls nicht erfaßt ist die Versicherungswirtschaft in der Handelsvertreter-Richtlinie (3.80),17 wiederum obwohl der Handelsvertreter in kaum einer Branche so flächendeckend als Absatzmittler eingesetzt wird wie in der Versicherungswirtschaft. c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise Alle drei Versicherungs-Richtlinien Schaden wurden auf Art 57 II EGV gestützt, 10 die zweite und dritte zusätzlich auf Art 66 EGV. Daß die Richtlinien seit 1972 die Niederlassung (Art 57 II EGV) und seit 1988 auch das Direktgeschäft im Wege der Dienstleistungsfreiheit (Art 66 EGV) erleichtern, ist nicht anzuzweifeln.18 Die Wirkungsweise der Richtlinie(n), die Aufteilung der Regelungsbefugnisse, auch zur Setzung von Schuldvertragsrecht, ist bei den Versicherungs-Richtlinien Schaden Gegenstand einer expliziten Regelung, die daher als Teil des Inhalts der Richtlinien zu erörtern ist (unten 2 b). 15 16 17 18

Vgl oben § 5 Einl Rn 12-14. Vgl dazu und zur Kritik oben 2.01 Rn 13, 18. Vgl oben 3.80 Rn 8. Obwohl der gewünschte Erfolg sich, anders als im Kreditwesen, nur zögernd einstellt: KOM(96) 520 endg, S 19-21. Gutes Indiz für die in den Jahren um 1990 erreichte Intensität eines binnenmarktgrenzüberschreitenden Verkehrs sind die etwa 300 Anmeldungen zur Einzelfreistellung nach Art 85 III EGV zwischen 1987, dem Jahr der Entscheidung des E u G H in Sachen Feuerversicherung, und 1992, dem Erlaß der GVO Versicherungswirtschaft (5.08).

812

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

2. Inhalt a)

Anwendungsbereich

11 Den Anwendungsbereich für alle drei Generationen von Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden umreißen Art 1 -4 RL-S[ 1 ]: Alle positiven wie negativen Bestimmungen (Ausnahmen) zum Anwendungsbereich der RL-S[1] erklärt Art 2 RLS[3] im Rahmen dieser Richtlinie für anwendbar. Etwas weniger explizit sind Art 1 fRL-S[2]. Jedoch wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber mit den Formulierungen „Ergänzung der RL-S[1]" und „Festlegung von Sonderbestimmungen ... für die Unternehmen und die Versicherungszweige" iSd RL-S[1] offenbar ebenfalls umfassend auf Art 1 - 4 RL-S[1] Bezug nehmen.19 Dementsprechend definiert etwa Art 2 lit. b RL-S[2] das (Versicherungs-)Unternehmen wiederum als eines, das seine Zulassung gemäß der RL-S[1] erhalten hat. 12 Den Anwendungsbereich der drei Richtliniengenerationen legen Art 1 - 4 RLS[l] in räumlicher, sachlicher und auch persönlicher Hinsicht (auf der Anbieterseite) fest: Erfaßt sind allein Versicherungsunternehmen mit (projektierter) Niederlassung in der Gemeinschaft (Art 1 RL-S[1]), also nicht Versicherungsunternehmen aus Drittstaaten, die Versicherungen in der Gemeinschaft allein im Wege des Direktgeschäfts anbieten. Dabei ist der Begriff der Niederlassung nicht mit demjenigen des Sitzes (der Hauptverwaltung) gleichzusetzen, sondern meint jede dauerhafte Präsenz durch eine organisatorische, rechtlich auch unselbständige Einheit (vgl Art 2 lit. c und 3 RL-S[2]). Der Begriff der Niederlassung dient der Abgrenzung in zweierlei Hinsicht. Abgegrenzt wird zunächst der Anwendungsbereich der drei Richtliniengenerationen gegenüber dem Bereich, den weiterhin das autonome nationale Recht regelt (bei Fehlen jeglicher Niederlassung in der Gemeinschaft). Voneinander abgegrenzt werden jedoch auch zwei Unterbereiche innerhalb des Anwendungsbereichs der drei Richtliniengenerationen: derjenige der Niederlassungsfreiheit und derjenige der Dienstleistungsfreiheit (des Direktgeschäfts), der eröffnet ist, wenn es an einer Niederlassung im Mitgliedstaat der Dienstleistung fehlt. Der Begriff der Niederlassung und damit die genannte Unterscheidung, die (im zweiten Teil) auf die Versicherungs-Urteile des EuGH zurückgeht,20 sind weiterhin in den Details nicht gänzlich geklärt.21 13 Der sachliche Anwendungsbereich umfaßt jede Erst- oder Direktversicherung (nicht Rückversicherung) mit Ausnahme des in Art 2 Nr 1 RL-S[1] genannten Lebensversicherungsgeschäfts (einschließlich der Renten-, Berufsunfähigkeitsund Invaliditätsversicherungen sowie der gesetzlichen Sozialversicherungen).22 Der weite Kreis der erfaßten Versicherungsarten wird aus dem Anhang zur RL-

19

20 21

22

Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn 52 (mit kleinen Ausnahmen bei der Haftpflichtversicherung); Reichert-Facilides, IPRax 1990, 1 (4). Hübner / Matusche-Beckmann, EuZW 1995, 2 6 3 (265); Roth, NJW 1993, 3028 (3030). Vgl dazu etwa Bach, FS Lorenz 1994, 4 5 (48); Hübner, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, E.IV, Rn 5 2 - 5 4 ; Hübner /Matusche-Beckmann, EuZW 1995, 2 6 3 (265); Roth, RabelsZ 54 (1990) 63 (104 f). Dazu EuGH 26. 3. 1996 - Rs C - 2 3 8 / 9 4 (José Garcia), Slg 1996,1-1673 (1685-1687).

4.30 Versichenings-Richtlinie(n) Schaden

813

S [ l ] ersichtlich. Er umfaßt insbesondere auch Versicherungsarten, die in der einen oder anderen Hinsicht Sonderregeln unterliegen oder unterlagen, vor allem auch die Krankenversicherungen (Nr 2), die Haftpflichtversicherungen (Nr 1 0 13), die Kredit- und Kautionsversicherungen (Nr 14, 15) und die Rechtsschutzversicherungen (Nr 17). Seit Erlaß der RL-S[1] ist jedoch die Ausnahme für die Exportkreditversicherung beibehalten worden. 2 3 Vom persönlichen Anwendungsbereich sind einige Versicherungsvereine auf 14 Gegenseitigkeit ausgenommen (Art 3 RL-S[1]), desgleichen enumerativ aufgezählte staatliche Versicherungen mit Monopolstellung (für Deutschland: Art 4 lit. a RL-S[1]).

b) Kollisionsrechtliche Teilharmonisierung (mit Vorbehalt des Allgemeininteresses) Das Kollisionsrecht der Versicherungsverträge iSd Versicherungs-Richtlinien Schaden ist primär in Art 7 und 8 RL-S [2] geregelt (aa/bb), zusätzlich und schwer verständlich in Art 2 8 RL-S[3] (cc). Die Richtlinienregelungen finden jedoch allein in den Fällen Anwendung, die sowohl in den Anwendungsbereich der Versicherungs-Richtlinien Schaden als auch in den selbst definierten Anwendungsbereich der Art 7 und 8 RL-S [2] fallen. Fällt ein Sachverhalt auch nur aus einem dieser beiden Anwendungsbereiche heraus, bestimmt das EVÜ oder autonom zu setzendes nationales Kollisionsrecht das anwendbare Recht (dd). Die tatbestandsmäßig ausformulierte Hauptkollisionsnorm zum Recht der Schadensversicherungsverträge enthalten Art 7 und 8 RL-S [2], Art 7 RL-S [2] als Grundnorm (aa), Art 8 RL-S[2] mit Sonderregeln für die Pflichtversicherungen (bb).

15

16

aa) Art 7 RL-S[2¡ enthält zwei Regelungsgruppen, eine erste von allgemeinen Re- 17 gelungen, die denjenigen im EVÜ entsprechen, und eine eigenständige, in der das Vertragsstatut festgelegt wird und hierzu zahlreiche, jedoch eingeschränkte Abwahlmöglichkeiten eingeräumt werden, so daß die Rechtswahlfreiheit, anders als im Internationalen Vertragsrecht des EVÜ, nicht als Grundsatz erscheint. aaa) Einige allgemeine Regelungen des Art 7 RL-S[2] sind auf dem Hintergrund der historischen Situation zu verstehen, in der die 2. Versicherungs-Richtlinie Schaden verhandelt und verabschiedet wurde: Damals war das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen noch nicht in Kraft, da die erforderliche Zahl der Ratifikationen noch ausstand. So fanden - im Vorgriff auf das Inkrafttreten des EVÜ - verschiedene Regeln Eingang in Art 7 RL-S [2], die inhaltlich identisch sind mit denjenigen des EVÜ. Im einzelnen: In Sachverhaltsgestaltungen ohne internationalen Bezug 2 4 ist die Rechtswahl als rein materiellrechtliche Rechts23 24

Art 1 Nr 2 lit. d RL-S[1]; vgl etwa Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn 37f. Relevant sind allein grenzüberschreitende Bezüge im Vertragsgegenstand, in den Parteien und im Vertragsabschlußort: Lorenz, Das auf grenzüberschreitende Lebensversicherungsverträge anwendbare Recht - eine Übersicht über die kollisionsrechtlichen Rechtsgrundlagen, ZVersWiss 80 (1991) 121 (122).

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

wähl zu verstehen (Art 7 1 lit. g RL-S[2]; Art 3 III EVÜ bzw Art 27 III EGBGB): Es kann also nur die Vertragsfreiheit genutzt werden, soweit sie im einzig betroffenen Recht eröffnet ist.25 Ist das Recht eines Mehrrechtsstaates berufen, so gilt für Zwecke der internationalen Anknüpfung jedes Teilrecht als eigene Rechtsordnung (keine Unteranknüpfung nach dortigen Regeln des interlokalen Rechts), während der fragliche Mitgliedstaat im rein internen Sachverhalt frei bleibt, sein interlokales Recht anzuwenden (Art 7 I lit. i RL-S[2]; Art 19 EVÜ). Normen, typischerweise solche (wirtschafts)politischen Inhalts, die der Forumstaat unabhängig vom Vertragsstatut international durchsetzen will, sind anerkannt (Art 7 II 1. UA RL-S[2]; Art 7 II EVÜ). Streitig war schon im Rahmen des EVÜ, ob ebensolche Normen anderer Staaten durchgesetzt werden sollten: Art 7 I EVÜ und Art 7 II 2. UA RL-S[2] entsprechen einander in dem Punkte, daß diesen Normen Wirkung verliehen werden „kann", nicht muß, und daß hierfür eine bestimmte Nähe des fraglichen Falles zum Sachverhalt zu fordern ist. Während jedoch in Art 7 I EVÜ dieses Nähekriterium nicht näher ausgestaltet wurde, können nach Art 7 II 2. UA RL-S[2] nur zwingende Statuten des Rechts der Risikobelegenheit bzw der Versicherungspflicht unabhängig vom Vertragsstatut Anwendung finden. Umgekehrt fehlt in Art 7 II 2. UA RL-S[2] eine nähere Präzisierung der Kriterien, die bei der Ausübung des eingeräumten Ermessens zugrunde zu legen sind (Art 7 I 2 EVÜ). 19 Neben diese Regeln, in denen solche des EVÜ nur reproduziert werden (hinsichtlich Art 7 I EVÜ mit ganz geringen Abweichungen), tritt eine allgemeine Verweisungsnorm, in der die sonstigen Regeln des EVÜ für anwendbar erklärt werden (Art 7 III RL-S[2]). Wortlaut, Entstehungsgeschichte und die allgemeine Konkurrenzregel für General- und Spezialklauseln gebieten es, von der strikten Subsidiarität der solchermaßen berufenen Regeln des EVÜ auszugehen. Für die reproduzierten Regeln gilt, daß sie im entsprechenden Sinne auszulegen sind wie ihre Parallelregeln im EVÜ. 26 Wäre das EVÜ bereits in Kraft gewesen, so wäre es " Für Art 3 III EVÜ (Art 2 7 III EGBGB) vgl Nachw oben 1.01 Rn 17. Für Art 7 I lit. g RL-S[2] ergibt sich dies schon daraus, daß er die Vorschrift des EVÜ übernahm (und daher in Deutschland auch durch schlichten Verweis auf Art 2 7 III EGBGB) umgesetzt wurde: etwa Dörner, Internationales Versicherungsvertragsrecht, Art 15 E G W G , Rn 10, 15. 2 6 Ebenso Lorenz, ZVersWiss 80 (1991) 121 (133, 138). Teils wird weitergegangen und gefordert, daß Art 7 und 8 RL-S[2] jeweils so ausgelegt werden, daß sie auch in den sonstigen Regelungsgehalten denjenigen der Art 3 ff EVÜ (Art 2 7 ff EGBGB) entsprechen, daß sie also im Ergebnis vor allem Art 3 - 5 EVÜ (Art 2 7 - 2 9 EGBGB) weitestgehend möglich entsprechen: Smulders / Glazener, CMLR 2 9 (1992) 775 (788 seq); eher umgekehrt Armbrüster, JJZ 1991, 89 (100). Nochmals weiter geht Roth (VersR 1993, 129 [137-139]), wenn er aus einem primärrechtlichen Gebot konsequenten Verhaltens folgert, daß bestimmte Abweichungen in Art 7 und 8 RL-S[2] oder in Art 4 RL-L[2] von den Grundsätzen des Art 5 EVÜ (Art 2 9 EGBGB) als primärrechtswidrig einzustufen und daher nicht zu berücksichtigen sind. Offen bleibt freilich, ob diese Überlegung nicht letztlich auf alle Abweichungen in den genannten Kollisionsnormen zutrifft oder auf welche sie nicht zutrifft. Ahnlich wie Roth, unter Rückgriff auf primärrechtliche StandstillVerpflichtungen: Uebel, Kollisionsnormen für (Erst)Versicherungsverträge, S 3 2 8 - 3 5 7 .

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

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insoweit nicht (im wesentlichen wortgleich) reproduziert, sondern für entsprechend anwendbar erklärt worden. Besonders wichtig ist dies für das Verhältnis der verbraucherschützenden Anknüpfungen in Art 7 I lit. a-h RL-S[2] und Art 5 E V t j einerseits zur Anknüpfung der Eingriffsnormen nach Art 7 II RL-S[2] und Art 7 EVÜ andererseits. Für das Verhältnis von Art 5 EVÜ (Art 29 EGBGB) zu Art 7 II EVÜ (Art 34 EGBGB) legt sich heute die ganz hM zutreffend folgendermaßen fest: Normen iSv Art 5 EVÜ, die in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Norm fallen, dürfen nicht etwa deswegen über Art 7 II EVÜ Anwendung finden, weil die Nähekriterien des Art 5 II EVÜ (Art 29 I Nr 1 - 3 EGBGB) nicht erfüllt sind und Art 5 EVÜ aus diesem Grund nicht zur Anwendung kommen kann. Andernfalls würde das ausdifferenzierte System der Abwägung von Verbraucherschutz- und Unternehmensinteressen in Art 5 EVÜ unterlaufen. 27 Dasselbe hat im Rahmen von Art 7 I, II RL-S[2] zu gelten. Nationale Versicherungsvertragsrechte dürfen, soweit sie Versicherungsnehmerinteressen gegenüber Versicherungsunternehmensinteressen schützen, nicht nach Art 7 II RL-S[2] zur Anwendung kommen. 28 Die zahlreichen Abhandlungen, die bestimmte versicherungsvertragsrechtliche Regeln noch neben dem Versicherungsvertragsstatut zur Anwendung kommen lassen, andere hingegen nicht, 29 gehen schon im Grundsatz von falschen Prämissen aus. Art 7 II RL-S[2] meint Normen zum Schutz von (wirtschafts)politischen Zielsetzungen, die nicht bereits auch als versicherungsnehmerschützend zu qualifizieren sind und damit in den sachlichen Anwendungsbereich der Art 7 I lit. a-i RL-S[2] fallen. bbb) Die eigenständigen Anknüpfungsregeln, die von denjenigen des EVÜ abwei- 2 0 chen, enthalten Art 7 1 lit. a-h RL-S[2] sowie Art 8 RL-S[2]. Nach diesen Regeln beurteilt sich das Versicherungsvertragsstatut. Stark betont wird hierbei der kollisionsrechtliche Versicherungsnehmerschutz. Am einfachsten ist Art 7 I lit. a-h RL-S[2] zu verstehen, wenn man von der Regelung der objektiven Anknüpfung in Art 7 I lit. h RL-S[2] ausgeht. Wie in Art 4 EVÜ (Art 28 EGBGB) ist sie vorzunehmen, wenn die Rechtswahl nicht mit „hinreichender Sicherheit" nachzuweisen ist. Das Institut der hypothetischen Rechtswahl wird also auch von Art 7 I lit. h RL-S[2] nicht zugelassen. 30 Wie in Art 4 EVÜ bildet das Kriterium der „engsten Beziehung" den Anknüpfungspunkt und wie in Art 4 EVÜ wird dieses durch eine Vermutung konkretisiert. Allerdings führt diese nicht zum Recht des Schuldners der charakteristischen Leistung - diese erbringt das Versicherungs27

28

29

30

Vgl näher (mit Nachw) oben 1. Teil Rn 91-93. Anders ist dies allein, soweit nicht einmal der sachliche Anwendungsbereich des Art 5 EVÜ (Art 29 EGBGB) eröffnet ist; vgl näher aaO. Ebenso Roth, VersR 1993,129 (139); zumindest vorsichtig auch: Basedow/Drasch, NJW 1991, 785 (789 f). Biagosch, Dienstleistungsfreiheit und Versicherungsvertragsrecht, S 188-202; Hahn, Kollisionsnormen für Versicherungsverträge, S 99-118; Reithmann / Martiny (-Schnyder), Internationales Vertragsrecht, Rn 1130-1132; Uebel, Kollisionsnormen für (Erst-) Versicherungsverträge, S 258-265, 323. Vgl zur Abgrenzung oben 1.01 Rn 21.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

unternehmen - , sondern zum Recht der Risikobelegenheit. Belegen ist das Risiko gemäß Art 2 lit. d RL-S[2] grundsätzlich im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts und - bei juristischen Personen - 3 1 im Staat der betroffenen Niederlassung des Versicherungsnehmers.32 Ausnahmen gelten allein bei der Gebäudeversicherung (gegebenenfalls samt Inventar), bei der Versicherung zulassungspflichtiger Fahrzeuge und bei der kurzfristigen Versicherung von Reise- und Ferienrisiken, für die freilich auch jeweils nicht etwa das Recht des Versicherungsunternehmens berufen wird. Im Ergebnis kommt also die objektive Anknüpfung nach Art 7 I lit. h RL-S[2] derjenigen nach Art 5 II EVÜ (Art 29 II EGBGB) näher als derjenigen nach Art 4 EVÜ (Art 28 EGBGB). 21 Die sonstigen Regeln betreffen die Abwahl dieses Rechts, die entweder durch die Richtlinie selbst zugelassen sein kann oder durch ein nationales Recht. Eine Reihe von Fällen sieht die Richtlinie selbst vor, wobei sie in nur einem einzigen Fall den Kreis der als Ersatz wählbaren Rechte unbeschränkt öffnet. Die Abwahlmöglichkeit bedeutet also in den von der Richtlinie geregelten Fällen regelmäßig nur beschränkte Rechtswahlmöglichkeit. Fallen Risikobelegenheit einerseits und gewöhnlicher Aufenthalt bzw Hauptverwaltungssitz des Versicherungsnehmers andererseits auseinander, so kann das Recht des Staates (nicht notwendig: des Mitgliedstaates) des gewöhnlichen Aufenthaltes bzw des Hauptverwaltungssitzes gewählt werden (lit. b). Hier wird auf Hauptverwaltungssitz, nicht Niederlassung abgestellt. Bei mehrfacher Risikobelegenheit ist jeder Risikolageort wählbar, entgegen lit. c wohl unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer Tätigkeiten im industriellen, gewerblichen oder freiberuflichen Sektor versichert.33 Bei Versicherungen, die allein Schäden in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen der Risikobelegenheit decken, kann auch das Recht dieses anderen Mitgliedstaates gewählt werden (lit. e). 22 Wichtig an all diesen Abwahl- und Rechtswahlmöglichkeiten ist, daß in keinem Fall das Recht des Sitzes oder der Niederlassung des Versicherungsunternehmens gewählt werden kann. Das Versicherungsunternehmen kann also nicht wirksam die Wahl „seines" Rechts durchsetzen (außer bei Vorliegen eines der genannten Anknüpfungspunkte im eigenen Lande). Folglich können Versicherungsunternehmen ihre Policen auch nicht EG-weit mit gleichem Inhalt (gestaltet nach einem einzigen Recht) vertreiben. Sie haben sich jeweils auf das nationale Recht in dem Markt, in dem sie tätig werden, gesondert einzustellen. Damit wird das grenzüberschreitende Angebot jedenfalls potentiell und mittelbar beschränkt. Das Kollisionsrecht ist zwar vereinheitlicht; es fehlt jedoch die Sachrechtsvereinheitlichung, die allein es den Versicherungsunternehmen erlaubt, dasselbe Angebot nach eigenem Recht EG-weit anzubieten, und die damit die jedenfalls potentiellen und mittelbaren Behinderungen ausräumt.

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Dieser Begriff umfaßt, da offenbar das französische Recht vorbildhaft war, auch Personengesellschaften: Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (788). Gemeint ist wiederum nicht der Hauptverwaltungssitz, sondern die Niederlassung (gemäß Art 4 RL-S[2] auch Agentur), auf die sich der konkrete Versicherungsvertrag bezieht. So wohl auch: Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (793).

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

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Anders ist dies allein im Bereich der Großrisiken (lit. f). 3 4 Hier gilt unbe- 2 3 schränkte Rechtswahlfreiheit. Definiert wurde der Begriff der Großrisiken in Art 5 lit. d RL-S[1], den Art 5 RL-S[2] einführte und die Kfz-Haftpflicht-Anpassungs-Richtlinie 9 0 / 6 1 8 / E W G modifizierte. Abgestellt wird darin - wie es später der 2. Erwägungsgrund der Präambel RL-S[3] umschreibt - wahlweise auf die „Eigenschaft" des Versicherungsnehmers (Art 5 lit. d ii RL-S[1]), seine „Bedeutung" (Art 5 lit. d iii RL-S[1]) oder die „Art des zu deckenden Risikos" (Art 5 lit. d i RL-S[1]). 3 5 Stets ausgenommen aus dem Kreis der Großrisiken sind - auch bei entsprechender Bedeutung des Versicherungsnehmers (iii) - nur die Unfall-, Krankheits- und Rechtsschutz-Versicherungen. Ebenfalls unbeschränkt kann die Rechtswahlfreiheit sein, die ein Mitgliedstaat einräumt (lit. a aE und lit. d). Allerdings findet diese nationale Kollisionsnorm nur Anwendung, wenn das betroffene Recht zu den nach lit. a, b und c wählbaren zählt. Rechtswahlfreiheit herrscht demnach außerhalb des Großrisikogeschäfts (nur), wenn sich unter den Mitgliedstaaten der Risikobelegenheit(en) oder des gewöhnlichen Aufenthaltes bzw des Hauptverwaltungssitzes solch ein liberales Kollisionsrecht findet. 36 Es reicht nicht aus, daß der Forumstaat oder das Herkunftsland des Versicherungsunternehmens in seinem nationalen Kollisionsrecht der Versicherungsverträge unbeschränkte Rechtswahlfreiheit vorsieht. Kein Versicherungsunternehmen kann also für all seine Angebote auf dem Umweg über solch ein liberales nationales Kollisionsrecht EG-weit das anwendbare Recht frei wählen und solchermaßen ein Versicherungsprodukt EG-weit nach eigenem Recht einheitlich anbieten. Zuständig für die Ausweitung der Rechtswahlfreiheit ist nämlich gerade nicht das Herkunftsland, sondern das Land des Versicherungsnehmers oder Lageorts des Schadens bzw der versicherten Sache. Jedes Land kann also für mehr Freiheit für seine Versicherungsnehmer, nicht für seine Versicherungsunternehmen optieren.

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Art 7 I lit. f RL-S[2] hatte die unbeschränkte Rechtswahlfreiheit ursprünglich nur für einen Teilbereich der Großrisiken, die in Art 5 lit. d RL-S[1] unter i) genannten Risiken, eingeräumt. Durch Art 27 RL-S[3] (Neufassung von Art 7 I lit. f RL-S[2]) wurde die Rechtswahlfreiheit auf alle Großrisiken erstreckt. Demgegenüber (schon de lege lata) für eine Erstreckung der unbeschränkten Rechtswahlfreiheit auf alle Versicherungsverträge, die beruflich Tätige abschließen: Roth, VersR 1993, 129 (137-139). Zum Begriff des Großrisikos etwa: Basedow /Drasch, NJW 1991, 785 (792); Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn 4 6 - 4 8 . Teils wird die Regelung als Renvoi-Regel verstanden (etwa Fricke, IPRax 1990, 361 [363]; Reithmann / Martiny {-Schnyder), Internationales Vertragsrecht, Rn 1108; dagegen Minkowski, VersR 1993, 154 [162]). Teils wird in ihr ein „Unikum" gesehen (Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 [792]; vgl dazu auch unten 4 . 3 1 - 1 / 2 / 3 , Fn 18). Denn jedenfalls im Rahmen von Art 7 RL-S[2] gibt es eine Strukturabweichung von Renvoi-Regeln. Der Sinn der Regelung ist unabhängig von Fragen der juristischen Konstruktion verständlich: Kann das Recht der Risikobelegenheit ohnehin abgewählt werden, soll es nicht eine Abwahl zugunsten eines weiteren Rechts verhindern können, wenn ein anderes wählbares Recht ein „Weiterreichen" der Wahl zuläßt. Teleologisch reduziert wird die Regel von Ben, RTDE 1988, 655 (669) (nur Personalstatut kann Rechtswahlmöglichkeit ausdehnen).

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24 Mit der beschriebenen Regelung wurde ein Kotnpromiß gesucht zwischen der Auffassung derjenigen Mitgliedstaaten, die eine Rechtswahl nur eingeschränkt zulassen wollten, und derjenigen, die sie weitergehend für sinnvoll hielten:37 Nach der Vorstellung der erstgenannten wurden die Kollisionsnormen der Richtlinie selbst gestaltet. Den Letztgenannten wurde jedoch gestattet, das Regime für Versicherungsnehmer, die ihrer Schutzmacht unterstehen sollen, abzuändern: Sie durften (vermeintliche) Abstriche im kollisionsrechtlichen Schutzniveau machen, um umgekehrt für diese Versicherungsnehmer (vermeintliche) Vorteile durch Öffnung von internationaler Konkurrenz und Produktbreite zu erzielen. Eine eigene Wirtschaftspolitik zugunsten eigener Versicherungsunternehmen wurde dadurch hingegen nicht autorisiert. Diese Regelung der Verweisungsfrage auf zwei Ebenen wurde als zu komplex kritisiert.38 Sie ist zu erklären als Etappe auf dem Weg zu einem vollkommenen Versicherungsbinnenmarkt. Insofern hängt mit diesem ersten Kritikpunkt ein zweiter zusammen. Es wurde kritisiert, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber nunmehr (laut 18. Erwägungsgrund der Präambel RL-S[3]) die Harmonisierung der nationalen Versicherungsvertragsrechte bei der Errichtung eines Versicherungsbinnenmarktes für verzichtbar halte. Die Kritik geht überwiegend dahin, daß ohne Harmonisierung der Versicherungsnehmerschutz leide.39 Die Überlegung des Gemeinschaftsgesetzgebers ist jedoch eine andere und durchaus plausibel: Binnenmarktähnlichen Verhältnissen kommt auch eine Gestaltung näher, in der das Herkunftslandprinzip zumindest teilweise durchgesetzt wird - grundsätzlich für die gesamte gewerberechtliche Aufsicht, insbesondere die Solvenzaufsicht. Wünschenswert wäre auch die Durchsetzung des Herkunftslandprinzips im Versicherungsvertragsrecht. Auf sie wurde jedoch nach dem Gesagten bewußt verzichtet, da die Voraussetzungen, die Harmonisierung der materiellen Versicherungsvertragsrechte, politisch offenbar nicht durchzusetzen waren.40 Es blieb damit bei einem Zustand, der demjenigen fehlender Harmonisierung entspricht. Es wurde allerdings versucht, die Folgen dieses „Mißerfolgs" abzumildern: Der Zustand wurde immerhin kollisionsrechtlich geordnet und zwar unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten des 37 Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (792). 38 39

40

Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (794); Reichert-Facilides, IPRax 1990, 1 (5). Geiger, Schutz der Versicherten, S 327 f; Hübner / Matusche-Beckmann, EuZW 1995, 2 6 3 (270 f); Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn 100; Smulders / Glazener, CMLR 2 9 (1992) 775 (777 seq); Taupitz, VersR 1995, 1125 (1126 f); Weiser, EuZW 1993, 2 9 (30 f); ausführlich: Biagosch, Dienstleistungsfreiheit und Versicherungsvertragsrecht, S 14-51, allerdings mit Hinweis auf die teilweise Schließung der Lücke durch die diesbezügliche GVO (5.08) (aaO S 37); demgegenüber jedoch Gärtner, EWS 1994, 114 (122 f); und ebenfalls die Chancen betonend: Hübner, FS Lorenz 1994, 317 (317); Taupitz, VersR 1995, 1125 (1132-1134). Offenbar wurde die Einführung von Transparenzregeln (unten Rn 4 3 - 4 9 ) gerade nicht für ausreichend gehalten. Dies ist, wie das Bsp des Verbraucherkredits zeigt, nicht selbstverständlich: vgl oben 4.10 Rn 28. Auch die Abschaffung der Genehmigungserfordernisse für AVB und BVB bedeutet eher eine Angleichung an allgem geltende Verbraucherschutzstandards (bloße AGB-rechtliche Mißbrauchskontrolle) denn eine Aufgabe jeglichen Versicherungsnehmerschutzes; vgl näher unten Rn 3 6 - 4 0 .

4 . 3 0 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

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Versicherungswesens; und der Zustand, in dem der Binnenmarkt noch in einem Teilbereich aufgeschoben erscheint, wurde durch Öffnungsmöglichkeiten für den Versicherungsnehmerstaat ergänzt.

bb) Sonderregeln gelten nach Art 8 RL-S[2] für den Bereich der Pflichtversiche- 25 rungen. Grundsätzlich bleibt jedoch Art 7 RL-S[2] auch insoweit anwendbar (vgl nur Art 8 IV lit. c RL-S[2]). 4 1 Art 8 II RL-S[2] betrifft zunächst allein diejenigen sachrechtlichen Regeln, die speziell die Pflichtversicherung auszeichnen, die also die Deckung regeln, welche mit der Versicherungspflicht vorgeschrieben wird. Beispielsweise kann vorgesehen sein, daß ein Opfer nicht nur einen Anspruch gegen den Haftpflichtversicherten haben soll, sondern auch einen Direktanspruch gegen den Versicherer. Art 8 II RL-S[2] statuiert mit Hinblick auf diese Regeln, daß das Recht der Versicherungspflicht diese (überwiegend öffentlichrechtlichen) Anforderungen festlegt, die solchermaßen für die Aufnahme bestimmter Tätigkeiten gelten, und daß es eine Versicherung als inadäquat qualifizieren kann, die diesen Anforderungen nicht entspricht. Der gleiche Gedanke wird speziell für den Direktanspruch in Art 8 IV lit. d RL-S[2] fruchtbar gemacht: Ist das Entfallen des Versicherungsschutzes (und in dessen Folge des Direktanspruches) nach dem Recht der Versicherungspflicht anzeigepflichtig, so bleibt der Dritte nach Maßgabe dieses Rechts geschützt. Deckt ein Vertrag Risiken in verschiedenen Mitgliedstaaten, von denen einer oder mehrere eine Versicherungspflicht vorsehen, so wird der Vertrag für die Anwendung des Art 8 II, IV lit. d RL-S[2] in Einzelverträge aufgespalten (Art 8 IV lit. a RL-S[2]). Soll mit ihm also die Versicherungspflicht in einem Mitgliedstaat erfüllt werden, so muß er die Anforderungen dieses Rechts erfüllen. Dies ist nach der genannten Regelung für jedes Recht mit Versicherungspflicht gesondert zu prüfen. Gleiches gilt für den Wegfall von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag. Nicht nur die Versicherungspflicht, sondern den ganzen Versicherungsvertrag, 2 6 mit dem der Versicherungsnehmer die Versicherungspflicht erfüllt, betrifft demgegenüber Art 8 IV lit. c RL-S[2]. Danach darf ein Mitgliedstaat auch den ganzen Vertrag - akzessorisch - an das Pflichtversicherungsstatut anknüpfen. 42 Hierfür soll er auch von der Spaltungsregelung in Art 8 IV lit. a RL-S[2] freigestellt sein. cc) Die Regelung des Art 7 und 8 RL-S[2] steht heute nicht mehr allein. 1992

kam als flankierende Regelung Art 28 RL-S[3] hinzu. Sie ist am besten zu verstehen vor dem Hintergrund des 2. und 3. Erwägungsgrundes der Präambel sowie der Parallelvorschrift des Art 28 RL-L[3], die eine längere (und aussagefähige) Geschichte hat. 4 3 Diese Parallelvorschrift ist wörtlich identisch; freilich wird in Art 2 8 RL-L[3] auf das Allgemeininteresse des Mitgliedstaates der Verpflichtung 41

Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (793); Reichert-Facilides, IPRax 1990, 1 (5).

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Vgl auch Art 8 III RL-S[2], der für den Fall der Kollision, also punktuell, ebendiesen Vorrang schon gemeinschaftsrechtlich vorschreibt. Vgl unten 4 . 3 1 - 1 / 2 / 3 Rn 18 f.

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verwiesen, in Art 28 RL-S[3] auf das Allgemeininteresse des Mitgliedstaates der Risikobelegenheit. Berufen wird also jeweils das Recht des Mitgliedstaates, dessen Recht mangels Rechtswahl Anwendung findet und dessen Recht nur unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt abgewählt werden darf. 2 8 Der Regelungsgehalt des Art 28 RL-S[3] wird faßbar auf dem Hintergrund der Rechtswahlfreiheit, die die 2. Versicherungs-Richtlinie Schaden partiell eröffnete. Denn diese wird im 2. und 3. Erwägungsgrund der Präambel RL-S[3] selbst als Ausgangspunkt der Regelung des Art 28 RL-S[3] genannt. Zunächst wird betont, wie bedeutend der Schritt war, mit dem den „Versicherungsnehmern, die ... keinen besonderen Schutz ... benötigen, ... die uneingeschränkte Wahlfreiheit ..." eingeräumt wurde. Gemeint ist damit die Rechtswahlfreiheit des Art 7 I lit. f RL-S[2], zumal in der durch Art 27 RL-S[3] novellierten Fassung (Großrisiken). Es handelt sich um die einzige Regelung der 2. und 3. Versicherungs-Richtlinie Schaden, die für einen Teilbereich uneingeschränkt Rechtswahlfreiheit zuließ, dies, wie es der 2. Erwägungsgrund der Präambel RL-S[3] ausdrückt, abhängig von der „Eigenschaft" der Versicherungsnehmer, „ihrer Bedeutung oder der Art des zu deckenden Risikos" (vgl die Definition der Großrisiken in Art 5 lit. d RL-S[1], eingefügt durch Art 5 RL-S[2]). In einer zweite Aussage wird betont, daß dieser Schritt zentral für die „Verschmelzung der einzelstaatlichen Märkte", also für die Errichtung des Versicherungsbinnenmarktes sei und nunmehr „ergänzt" werden solle, damit „allen Versicherungsnehmern", also auch dem Rest der Versicherungsnehmer, Wahlfreiheit eingeräumt werde, allerdings unter Schutzkautelen. Als erste Schlußfolgerung ergibt sich daraus, daß die Regelung des Art 7 I lit. f RL-S[2] in keinem Punkt zurückgenommen werden sollte. Im Bereich der Großrisiken kann das Recht des Mitgliedstaates der Risikobelegenheit daher auch nicht mit seinen Regeln, die im Allgemeininteresse liegen, einem gewählten Recht entgegengehalten werden.44 2 9 Fraglich ist, inwieweit Art 28 RL-S[3] diesen - schon nach der 2. VersicherungsRichtlinie Schaden bestehenden - Freiraum „ergänzt" hat. Die Rechtswahlfreiheit in Art 7 I lit. a-h RL-S[2] wurde doch nicht auf den Bereich außerhalb der Großrisikenversicherung ausgeweitet. Hilfreich ist es, sich zunächst zu vergegenwärtigen, daß mit dem Begriff des Allgemeininteresses offensichtlich auf die EuGH-Rechtsprechung zu den Maßnahmen gleicher Wirkung angespielt wird. Hier geht es um „Maßnahmen", die deswegen faktisch „gleiche Wirkung" wie Behinderungen zeitigen, weil die Versicherungsunternehmen außerhalb des Bereichs der Großrisiken nicht EG-weit dasselbe Produkt nach ihrem eigenen Recht anbieten dürfen.45 Nach der Dogmatik zu den Maßnahmen gleicher Wirkung müssen solche faktischen Behinderungen durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses" - hier solche des Mitgliedstaates der Risikobelegenheit gerechtfertigt werden. Hilfreich ist es sodann sich zu vergegenwärtigen, daß offenbar nur noch das Recht des Mitgliedstaates der Risikobelegenheit solche Be44

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Biagoscb, Dienstleistungsfreiheit und Versicherungsvertragsrecht, S 155 f (jedoch anders für ordre public); ebenso wohl Roth, NJW 1993, 3 0 2 8 (3029). Vgl oben Rn 21 f. Zur angesprochenen EuGH-Rspr vgl oben 1. Teil Rn 6 0 - 6 9 .

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hinderungen, gerechtfertigt durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, enthalten darf und kann. Dies erklärt sich folgendermaßen: Jedes andere Recht ist nach Art 7 I lit. a-h RL-S[2] entweder überhaupt nicht berufen oder kann jedenfalls durch Rechtswahl abgewählt werden. Ist irgendein anderes Recht unanwendbar, liegt jedoch das Forum in diesem Staat, so kann dieser demnach seine versicherungsvertragsrechtlichen Normen auch nicht unter Hinweis auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses heranziehen. Gleiches muß gelten, wenn nach Art 7 I lit. a-g RL-S[2] beschränkte Rechtswahlfreiheit besteht und das Recht des Mitgliedstaates der Risikobelegenheit abgewählt wurde. Auch diese konkretere Richtlinienregelung kann nicht auf der Grundlage der Generalklausel des Art 28 RL-S[3] konterkariert werden. Art 28 RL-S[3] bestätigt demnach nur, was ohnehin nach der Dogmatik zu den 30 Grundfreiheiten gilt.46 Nach dem Gesagten bedeutet es für die Versicherungsunternehmen eine Behinderung, daß und soweit sie nicht das Recht ihrer eigenen Niederlassung wählen können (sondern allenfalls ein anderes). Außerhalb des Bereichs der Großrisiken ist ebendies die Rechtslage. Dieses Versicherungsvertragsrecht ist auch - abgesehen vom Bereich der Informationspflichten (2 d) nicht Gegenstand von Harmonisierungsmaßnahmen geworden. Im unharmonisierten Bereich sind (nicht diskriminierende und nicht absolut wirkende) Behinderungen, die aus nationalen Rechtsnormen resultieren, zwar grundsätzlich noch zulässig. Sie müssen jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Art 28 RL-S[3] erinnert (zutreffend) daran, daß dies auch gilt, wenn, wie durch Art 7 I lit. a-h RL-S[2] geschehen, das Kollisionsrechts harmonisiert wurde. Harmonisiert ist nämlich auch im sonstigen Schuldvertragsrecht das Kollisionsrecht, allerdings durch das EVÜ. Anders gewendet: Der Umstand, daß das Recht des Mitgliedstaates der Risikobelegenheit als weitgehend zwingendes Statut ausgestaltet wurde und durch Richtlinienrecht für anwendbar erklärt wird, rechtfertigt nicht die Anwendung all seiner Normen, sondern nur derjenigen, die auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu stützen sind.47 Diese Art der befreienden Wirkung des Art 28 RL-S[3], die auch kollisionsrechtlichen Gehalt hat, 48 greift freilich nur zugunsten von Versicherungsunternehmen ein, die in der Gemeinschaft niedergelassen sind. Auch dies entspricht dem Zuschnitt der Grundfreiheitendogmatik.

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Ebenso Smulders / Glazener, CM LR 29 (1992) 775 (789 seq); und grundsätzlich auch Roth, VersR 1993, 129 (129, 131 f). Insoweit ist weiter nötig: daß der Schutz nach dem Recht des Herkunftslandes nicht schon ausreichend ist; daß der Erforderlichkeitsgrundsatz beachtet wurde; daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ieS beachtet wurde: Roth, VersR 1993,129 (131, 134); Smulders / Glazener, CM LR 29 (1992) 775 (792 seq). Dies sind die Standards des Primärrechts, vgl EuGH 3. 12. 1974 - Rs 33/74 (van Binsbergen), Slg 1974, 1299 (1309 f). AA Fahr, VersR 1992, 1033 (1036); Gärtner, EWS 1994, 114 (120 f); wie hier Smulders/ Glazener, CM LR 29 (1992) 775 (790 seq). Die unten 4.31-1/2/3 in Fn 23 angeführten Argumente gelten auch hier. Zum kollisionsrechtlichen Gehalt der Grundfreiheiten, der hier im Sekundärrecht festgehalten wird, vgl vor allem Basedow, RabelsZ 59 (1995) 1.

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31 dd) Betrifft der Fall entweder ein Risiko, das außerhalb der Gemeinschaft belegen ist,49 oder liegt er außerhalb des Anwendungsbereichs der Versicherungs-Richtlinien Schaden, so schließen Art 7 und 8 RL-S[2] bzw Art 1 - 4 RL-S[1] die Anwendung der bisher beschriebenen Regeln aus.50/51 32 Ist das Risiko nicht in der Gemeinschaft belegen, findet das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen Anwendung. 52 Dies ergibt sich im Umkehrschluß aus Art 1 III EVÜ (bzw Art 37 Nr 4 EGBGB) und unabhängig davon, ob der Anwendungsbereich der Versicherungs-Richtlinien Schaden eröffnet wäre oder nicht. Über die Belegenheit des Risikos entscheidet wiederum Art 5 lit. d RL-S[1].53 Das Kriterium der Risikobelegenheit ist also nicht nur als Anknüpfungspunkt im Rahmen der Art 7 f RL-S[2] heranzuziehen, sondern dient auch als Abgrenzungskriterium im Rahmen einer Meta-Kollisionsnorm, mit der die Anwendungsbereiche von Art 7 und 8 RL-S[2] und des EVÜ voneinander abgegrenzt werden. 33 Risikobelegenheit außerhalb der Gemeinschaft bringt demnach stets das EVÜ zur Anwendung. Demgegenüber ist die Risikobelegenheit innerhalb der Gemeinschaft zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für die Anwendung der Art 7 und 8 RL-S[2]: Ist das Risiko innerhalb der Gemeinschaft belegen, der Anwendungsbereich der Versicherungs-Richtlinien Schaden gemäß Art 1 - 4 RL-S[1] jedoch nicht eröffnet, so finden weder das EVÜ noch die Versicherungs-Richtlinien Schaden Anwendung. Ein wichtiges Beispiel für diese Konstellation stellt die Versicherung eines innerhalb der Gemeinschaft belegenen 49

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Bei Pflichtversicherungen sind nach dem Gesagten (unabhängig vom Ort der Risikobelegenheit) auch das Recht des Staates, der die Verpflichtung ausspricht, und der Anwendungsbereich der Art 7 und 8 RL-S[2] eröffnet. Unter diesem Vorbehalt ist im folgenden jeweils der Begriff der Risikobelegenheit innerhalb der Gemeinschaft zu lesen. Soweit Art 28 RL-S[3] nur primärrechtliche Vorgaben reproduziert, gilt die entspr primärrechtliche Norm freilich für innergemeinschaftliche Rechtsverhältnisse unabhängig davon, daß der Anwendungsbereich der Richtlinien eröffnet ist. Diese Art der Zwei- oder Dreispurigkeit des Kollisionsrechts wird (im Kern wohl zu Recht) kritisiert: Armbrüster,}JZ 1991, 89 (98); Basedow /Drasch, NJW 1991, 785 (794); Fricke, IPRax 1990, 361 (364); Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn 100; Roth, VersR 1993, 129 (136-139). Fraglich ist nur, ob alle Versicherungsverträge besser den Regeln des EVÜ zu unterwerfen wären (so die überwiegende Zahl der genannten Autoren) oder aber den spezieller zugeschnittenen Regeln der Art 7 und 8 RL-S[2]. Entscheidend ist die Bewertung, wie überzeugend der spezielle Zuschnitt ist, und die Frage, ob der Wert Einheit des Vertragskollisionsrechts etwaige Vorteile der Richtlinienregelung aufwiegt. Zur Anwendung des EVÜ speziell auf Versicherungsverträge vgl vor allem Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (788-790); Lorenz, ZVersWiss 80 (1991) 121 (125-132). Das EVÜ ist beschrieben oben 1.01. Die Norm ist als Meta-Kollisionsnorm jedenfalls analog auch für die Auslegung von Art 1 III EVÜ (Art 37 Nr 4 EGBGB) heranzuziehen, vor allem auch in den Fällen, in denen der Anwendungsbereich der Versicherungs-Richtlinien Schaden nicht eröffnet ist. Ebenso Fricke, VersR 1994, 773 (774); Mewes, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S 128; Rudisch, ZvglRW 93 (1994) 80 (84): Smulders / Glazener, CM LR 29 (1992) 775 (787 seq); und tendenziell (allerdings für die deutschen Umsetzungsgesetze): Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (787).

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Risikos (gemäß Art 5 lit. d RL-S[1] analog) durch ein Versicherungsuntemehmen ohne Niederlassung in der Gemeinschaft dar. 54 Das nationale Recht ist frei, die anwendbaren Kollisionsnormen zu bestimmen oder gänzlich neu zu formulieren.

c) Vorgaben für die Verwendung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen Genehmigung von Versicherungsbedingungen oder gezielte Mißbrauchskontrolle Vorgaben für die Verwendung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind in drei Rechtsakten geregelt. Diejenigen in den Versicherungs-Richtlinien Schaden gehen primär dahin, Vorgaben des nationalen Rechts zurückzudrängen und nunmehr das Erfordernis einer behördlichen Vorabgenehmigung zu untersagen (aa). Die Re-Regulierung, die solch eine Deregulierung überhaupt erst möglich machte, findet sich in der A G B - oder Klausel-Richtlinie (2.10) (bb) sowie - in Fällen der Zusammenarbeit - zusätzlich in der Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft (5.08) (cc).

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aa) Die Vorgaben der Versicherungs-Richtlinien Schaden für die Verwendung von 35 Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen haben sich von der ersten bis zur dritten Versicherungs-Richtlinie Schaden nahezu in ihr Gegenteil gekehrt. Ausgangspunkt war - dem klassischen deutschen Versicherungsrecht entsprechend - , 5 i daß ein nationales Genehmigungserfordernis ex ante für Allgemeine und Besondere Versicherungsbedingungen einschränkungslos toleriert wurde (Art 8 III und 10 III RL-S[1]). Dabei handelt es sich in beiden Fällen um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die speziell auf individuelle Einzelfälle zugeschnittenen Bedingungen fallen, wie später Art 4 RL-S[2] präzisierte, nicht unter diesen Begriff. Art 8 III und Art 10 III R L - S [ 1 ] wurden neu gefaßt durch Art 9 II RL-S[2], neben den mit Art 18 RL-S[2] eine inhaltlich identische Parallelregelung speziell für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit trat. Hinzu kam außerdem eine noch etwas weiterreichende Regelung für Pflichtversicherungen (Art 8 IV lit. b RL-S[2]). Das Genehmigungserfordernis ex ante für Allgemeine und Besondere Versicherungsbedingungen und Tarife blieb aufgrund all dieser Regeln weiter zulässig. Für Großrisiken iSv Art 5 lit. d RL-S[1] (eingefügt durch Art 5 RL-S[2]) wurde jedoch eine Ausnahme eingeführt, von der nur für Zwecke eines Allgemeinen Preiskontrollsystems eine Gegenausnahme bei den Tarifen zugelassen wurde. Soweit demnach ein Genehmigungserfordernis zulässig war, galt dies nur unter zwei Voraussetzungen. Diese präzisierte Art 18 R L - S [ 2 ] (wohl für alle genannten Vorschriften) in Übereinstimmung mit

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Hahn, Kollisionsnormen für Versicherungsverträge, S 154; Lorenz, ZVersWiss 80 (1991) 121 (140); Roth, IPRax 1994, 165 (166 Fn 10); Rudisch, ZvglRW 93 (1994) 80 (85). Vgl Bach, FS Lorenz 1994, 45 (45); Renger, VersR 1994, 753 (753); Werber, ZVersWiss 83 (1994) 321 (322); Schiappa, Die Kontrolle von Allgemeinen Versicherungsbedingungen im deutschen Versicherungsaufsichtsrecht und der freie Dienstleistungsverkehr im EG-Recht - zugleich ein Beitrag zu einem allgemeinen AVB-Regulierungskonzept, 1987, S 27-33. Das Genehmigungserfordernis galt als Eckpfeiler des Kundenschutzes: Hübner, FS Lorenz 1994, 317 (318).

824

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

primärrechtlichen Vorgaben:56 Das Herkunftsland durfte nicht bereits einen entsprechenden Schutz sichergestellt haben, und der Erforderlichkeitsgrundsatz mußte gewahrt bleiben. 3 6 Mit Art 30 I, 32 und 39 RL-S[3] wurden Art 8 IV lit. b, 10 III und 18 RL-S[2] wieder aufgehoben bzw mit gänzlich anderem Inhalt novelliert. Art 8 111 RLS[l] - in der Fassung, die ihm Art 9 II RL-S[2] gegeben hatte - wurde nochmals neu gefaßt durch Art 6 RL-S[3]. Er enthält die Quintessenz des heute geltenden Rechts: Im 2. und 3. UA wird für Allgemeine und Besondere Versicherungsbedingungen und Tarife das Genehmigungserfordernis generell für unzulässig erklärt. Die nationalen Aufsichtsrechte und -behörden dürfen nicht einmal mehr systematisch die Übermittlung dieser Bedingungen und Tarife fordern. Allein für die Tarife gilt eine Ausnahme, soweit diese im Rahmen eines allgemeinen Preiskontrollsystems nötig ist. Keine entsprechende Ausnahme ist für die Bedingungen, dh die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der klauselrechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen, zugelassen. An die Stelle des Genehmigungserfordernisses ex ante tritt demnach allein die Inhalts- oder Mißbrauchskontrolle ex post: 57 Die Bedingungen werden also dem Regime unterworfen, das auch außerhalb des Versicherungswesens für Allgemeine Geschäftsbedingungen gilt. Die Ausnahme für Tarife erklärt sich auch damit, daß diese (bei transparenter Gestaltung) gemäß Art 4 II und dem 19. Erwägungsgrund der Präambel der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) von der AGB-rechtlichen Mißbrauchskontrolle ausgenommen sind. 37 Neben die Regel des novellierten Art 8 III RL-S[1], die für die Zulassungsfrage gilt, treten Parallelregelungen für die laufende Überwachung und speziell für die Ausübung von Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit: Art 29 und Art 39 II, III RL-S[3] sind inhaltlich identisch formuliert, untereinander und im Vergleich zu Art 8 III RL-S[1] nF. Sie präzisieren Art 8 III RL-S[1] nF nur in einem Punkt: Nicht verboten ist die nichtsystematische Anforderung der Bedingungen zum Zwecke einer Mißbrauchskontrolle. Es wurde also anerkannt, daß die nationalen Aufsichtsbehörden bei der Überprüfung der AGB der Versicherungen auf ihre Mißbräuchlichkeit hin als weitere überindividuelle Kontrollinstanz neben die Verbraucherschutzverbände treten (vgl Art 7 II, III AGB- oder Klausel-Richtlinie). 3 8 bb) Vorgaben für die Verwendung von diesbezüglichen Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen finden sich demnach nicht mehr in den Versicherungs-Richtlinien Schaden, wohl jedoch in zwei anderen Rechtsakten des EG-Sekundärrechts (bb/cc): Die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) ist 56 Vgl Nachw oben Fn 4 6 . 57

Bach, FS Lorenz 1 9 9 4 , 4 5 (49); Hübner, FS Lorenz 1 9 9 4 , 3 1 7 (319); Matusche-Beckmann, E R P L 1 9 9 6 , 2 0 1 ( 2 1 4 - 2 1 6 ) ; Roth, N J W 1 9 9 3 , 3 0 2 8 (3031); Schirmer, VersR 1 9 9 6 , 1 0 4 5 (1045). Hinzu treten die Informationsregeln als zweite substituierende Säule: Bach a a O 4 5 f; Matusche-Beckmann a a O ; Renger, VersR 1 9 9 4 , 7 5 3 ( 7 5 3 ) ; Schimikowski, Recht und Schaden 1 9 9 6 , 1 (1); Schirmer aaO.

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

825

n i c h t speziell auf V e r s i c h e r u n g s b e d i n g u n g e n z u g e s c h n i t t e n ; allein bei der A u s n a h m e der H a u p t l e i s t u n g e n v o n der A G B - K o n t r o l l e wird einmal speziell auf die Verhältnisse i m V e r s i c h e r u n g s w e s e n e i n g e g a n g e n . B e i transparenter G e staltung wird eine Ausdifferenzierung der P r o d u k t p a l e t t e - durchaus marktk o n f o r m - v o n einer klauselrechtlichen Überprüfung freigestellt. 5 8 S o w e i t die klauselrechtliche Überprüfung erfolgt, wirkt die A G B - und Klausel-Richtlinie a u c h im Versicherungsbereich typenbildend: Die nationalen Versicherungsvert r a g s r e c h t e werden n i c h t harmonisiert, ein A b w e i c h e n von ihnen wird j e d o c h auf eine enge M a r g e e i n g e s c h r ä n k t . Alle A G B , die e i n e m b e s t i m m t e n nationalen Versicherungsvertragsrecht

unterfallen, w e r d e n daher z u n e h m e n d

eine

N ä h e zu diesem nationalen Leittypus haben. S o e n t s t e h e n unter den A G B der Versicherungen in E u r o p a für Fragen, die n i c h t kontrollfrei gestellt sind, 15 „ M a r k e n " , hinter denen sich jeweils sehr ähnliche A G B v e r b e r g e n . 5 9 Die zwingende A n g a b e des a n w e n d b a r e n nationalen R e c h t s (vgl unten 2 d) schafft also i n s b e s o n d e r e Klarheit in der Frage, w e l c h e r dieser „ M a r k e n " der jeweilige Vertrag zuzurechnen ist. Die w o h l wichtigste Kontroverse rechtspolitischer Art im E u r o p ä i s c h e n Versicherungs(vertrags)recht betrifft ebendiesen Punkt: Gerade in der d e u t s c h e n Literatur wird häufig bezweifelt, daß effizienter Versicherungsnehmerschutz auch im B i n n e n m a r k t gewährleistet werden kann, w e n n nicht die Versicherungsvertragsrechte harmonisiert w e r d e n ; es m ü s s e ein M i n d e s t s c h u t z auch bei den m a teriellen Regeln auf G e m e i n s c h a f t s e b e n e verbürgt w e r d e n . 6 0 Verschärft werden diese B e d e n k e n gerade in den B e r e i c h e n , in denen die fehlende H a r m o n i s i e r u n g mit einer Deregulierung einhergeht, in denen es also nicht nur im G e m e i n schaftsrecht an materiellen Schutzstandards fehlt, sondern solche auch im nationalen R e c h t abgebaut werden müssen. Im ganzen

Versicherungsvertrags-

recht wirkt - jedenfalls aus d e u t s c h e r Sicht - keine zweite R e g e l u n g so sehr in diesem Sinne wie das Verbot eines G e n e h m i g u n g s e r f o r d e r n i s s e s für die Allgemeinen und B e s o n d e r e n Versicherungsbedingungen. N u n wird der Abbau von materiellen Schutzstandards flankiert durch ausführliche

Informationsgebote

(im B e r e i c h der Schadensversicherung tendenziell ausbaufähig), die d e m Versic h e r u n g s n e h m e r - m ö g l i c h e r w e i s e unterstützt durch einen Versicherungsmittler - die rational-informierte Auswahl gestatten sollen. 6 1 E r m ö g l i c h t werden soll d e m n a c h ein Selbstschutz durch R e k u r s auf den M a r k t m e c h a n i s m u s . In der deutschen Literatur wird freilich bezweifelt, d a ß solch ein Transparenzmodell beim Produkt Versicherungsvertrag z i e l k o n f o r m e Ergebnisse zeitigen k ö n n e . Die g e g e b e n e I n f o r m a t i o n beeinflusse w e g e n der Undurchsichtigkeit des Pro58

59 60 61

Vgl näher hierzu, speziell für die Versicherungsbranche, oben 2.10 Rn 28-31. Zur Erweiterung der Produktpalette als dem eigentlichen Ziel, das mit der Abschaffung der präventiven Produktkontrolle verfolgt wurde, etwa Schirmer, VersR 1996, 1045 (1045); Taupitz, VersR 1995, 1125 (1126). Vgl hierzu näher oben 2.10 Rn 13-15. Vgl Nachw oben Fn 38. Dazu unten Rn 45, 49 (zu den Informationsgeboten) und oben § 7 Einl Rn 33 f (zum Versicherungsmittler) .

39

826

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

dukts das Versicherungsnehmerverhalten nicht im genügenden Maße effizienzsteigernd.62 40 Ausgangspunkt jeder Überlegung muß auch im Versicherungsrecht der methodologische Individualismus sein: Vorzuziehen ist jede Lösung, die es dem jeweiligen Versicherungsnehmer gestattet, seine Präferenz selbst festzulegen. Eine breitere Produktpalette hat angesichts der individuell-reich gefächerten Präferenzstruktur von Versicherungsnehmern die größere Wahrscheinlichkeit für sich, die einzelnen Präferenzen genauer treffen zu können. Dies ist auch in den anderen Produktmärkten so; nicht in diesem Punkte liegen Besonderheiten des Versicherungssektors. Vielmehr ist fraglich, ob die (effizienzsteigernde) Zuordnung eines Produkts, das der jeweiligen individuellen Präferenz besser entspricht, aus dem weiter gefächerten Spektrum gelingt - dies mag bei KfZ leichter sein als bei Versicherungen. Wird nun vorausgesetzt, daß der Durchschnittskunde die jeweiligen Vertragsbedingungen auch tatsächlich verstehen kann, und nur für diesen Fall die Deregulierung und Bereicherung der Produktpalette befürwortet und vorgenommen, so ist der Prozeß zumindest solange positiv zu werten, als es sich um einige wenige Hauptpunkte - Hauptleistungen - handelt. Dies ist exakt das Modell, das Art 4 II und dem 19. Erwägungsgrund der Präambel der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) zugrunde liegt. Wer den Vergleich nicht vornehmen will, bleibt beim altbekannten Produkt. Andere Kunden können den Wechsel jedoch erwägen; wenn sie nur ein einziges, für sie passenderes Produkt finden, haben sie bereits einen Wohlfahrtsgewinn. Bei transparenter Gestaltung ist also der Preiswettbewerb - endlich - eröffnet. Im gesamten Restbereich ist keineswegs Deregulierung an die Stelle von - versicherungsnehmerschützender - Regulierung getreten. Es ist nur eine Form der Regulierung durch eine andere ersetzt: In diesem Restbereich muß nämlich Transparenz angestrebt werden und ist dennoch eine Inhaltskontrolle vorgesehen. Und diese wird nach dem Gesagten voraussichtlich 15 nationale Lösungen ohne große Bandbreite innerhalb jeder einzelnen entstehen lassen. Der Konditionenwettbewerb wird also eher zwischen den 15 Lösungen entfacht als innerhalb derselben. Hier werden 15 „Marken" entstehen, und diese dürften sich - zumindest für die Versicherungsmittler - zunehmend zu Erfahrungsgütern entwickeln und nicht etwa reine Vertrauensgüter bleiben.63 Auch in diesem Restbereich wird die Wahl zwischen unterschiedlichen Lösungen möglich sein - aus einer allerdings deutlich stärker eingeschränkten und kontrollierten Palette: Zum einen verfolgt wohl kein nationales Versicherungsvertragsrecht in der Gemeinschaft wirklich einseitig Versicherungsunternehmensinteressen gegen Versicherungsnehmerinteressen; zum anderen bleibt 62

63

Hübner / Matuscbe-Beckmann, EuZW 1995, 263 (270 f); Schwintowski, in: Basedow / Schwark / Schwintowski (Hrsg), Informationspflichten, 11 (21) (zumindest für die Umsetzung im deutschen Recht); Taupitz, VersR 1995, 1125 (1126 f). Zu dieser Unterscheidung vgl nur Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts2, 1995, S 409 f, und speziell für das Versicherungsvertragsrecht Geiger, Schutz der Versicherten, S 339-343; Taupitz, VersR 1995,1125 (1125) (jeweils zweifelnd an dieser Prognose, allerdings ohne genauere Untersuchung der AGB- und KlauselRichtlinie, 2.10).

827

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

nach dem G e s a g t e n in den typischen Fällen von Verhandlungsungleichgewicht auch heute n o c h ohnehin der Vorbehalt des Allgemeininteresses des Aufenthaltsstaates des Versicherungsnehmers m ö g l i c h . 6 4 Die veränderte F o r m der R e gulierung erlaubt eine gewisse A n g e b o t s p a l e t t e auch im K o n d i t i o n e n w e t t b e werb. Wichtiger n o c h : Sie räumt die Tendenzen zur Kartellierung, die dem System der präventiven Bedingungsgenehmigung offensichtlich i n n e w o h n t e n 6 5 und sich in m a n c h e n Bereichen h ö c h s t schädlich auswirkten, aus. Die Effizienzbilanz des klassischen Regulierungsmodells in Deutschland ist nicht so günstig, daß ein alternatives Regulierungsmodell - mit zwei starken W ä c h t e r n ! - , das Kartellierungstendenzen minimiert, die G e s a m t w o h l f a h r t (insbesondere der Versicherungsnehmer) nicht tendenziell steigern k ö n n t e . Das gemeinschaftsrechtliche M o d e l l bedeutet jedenfalls auch für das Versicherungsrecht den Übergang zur Privatrechtsgesellschaft. cc) D e n zweiten R e c h t s a k t bildet die Gruppenfreistellungsverordnung rungswirtschaft

Versiehe-

41

(5.08). Sie regelt in ihren Art 5 - 9 eingehend auch die Z u s a m -

menarbeit von Versicherungsunternehmen bei der Erstellung und beim Einsatz von Allgemeinen und B e s o n d e r e n Versicherungsbedingungen

(AGB-Versiche-

rungen). 6 6 Soweit Versicherungsunternehmen s o l c h e r m a ß e n zusammenarbeiten (wollen), wirkt dieser Rechtsakt faktisch wie eine Musterordnung für Allgemeine und B e s o n d e r e Versicherungsbedingungen. D e n n bei M i ß a c h t u n g greift das Verb o t des Art 8 5 I E G V ein und bleibt als Alternative nur der aus Zeitgründen meist nicht gangbare W e g über die Einzelfreistellung. H i e r nun werden in der Tat materielle Schutzstandards festgesetzt. D e r Europäische G e s e t z g e b e r erkannte (zutreffend) im Versicherungsvertragsrecht offenbar zwei der drei zentralen Formen des M a r k t v e r s a g e n s 6 7 als wichtig. Auf sie reagierte er mit jeweils spezifischen Regeln, gesondert für jede dieser beiden F o r m e n von Marktversagen. Zugleich verwarf er ein M o d e l l pauschaler Regulierung und Planung: Im Bereich der Informationsasymmetrien besteht die a m stärksten m a r k t k o n f o r m e R e a k t i o n s m ö g l i c h k e i t in der Informierung der schlechter informierten Seite, nur hilfsweise in der Inhaltskontrolle; a m wenigsten m a r k t k o n f o r m ist die (im deutschen Versicherungsmarkt h e r k ö m m l i c h vorg e n o m m e n e ) Unterdrückung einer Produktpalette. Bei Versagen der Konkurrenz ist wiederum die Wiederherstellung der Konkurrenzsituation im h ö c h s t e n M a ß e m a r k t k o n f o r m ; auf der nächsten Stufe werden immerhin, wie in der benannten Gruppenfreistellungsverordnung, Regeln statuiert, die denen n a h e k o m m e n , die bei v o l l k o m m e n e r Konkurrenz hätten entstehen k ö n n e n . 64 65 66 67

Vgl oben Rn 2 1 - 2 4 , 2 7 - 3 0 . Aus der diesbezüglichen Erfahrung in Deutschland etwa Renger, VersR 1994, 753 (758). Dazu im Detail unten 5.08 Rn 12-19. Gemeint sind: Fehlende Konkurrenz, Informationsasymmetrien und externe Effekte. Zur zentralen Stellung dieser drei Formen von Marktversagen vgl statt aller das Lehrbuch von: Fritsch / 'Wein / Ewers, Marktversagen und Wirtschaftpolitik 2 , 1996, S 7 3 - 2 4 0 (daneben, deutlich weniger gewichtig, aaO S 2 4 1 - 2 8 3 , noch Anpassungsmängel und Nichtrationalität; nicht als eigene Kategorie zu sehen sind die öffentlichen Güter).

42

828

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

d) Informationsregeln

(auch zu Allgemeinen

Versicherungsbedingungen)

43 Die 3. Versicherungs-Richtlinie Schaden enthält nur rudimentäre Informationsregeln in ihren Art 31 und 43. 68 Zu unterscheiden ist zwischen den Grundsatzfragen (aa) und der Liste der erforderlichen Einzelinformationen (bb). 44 aa) Die Grundsatzfragen betreffen die Rechtsnatur, das anwendbare Recht (für Durchführungsvorschriften) und den Zeitpunkt der Information. Entscheidend ist jeweils das Ziel der Informationspflichten. Dieses umschreibt der 21. Erwägungsgrund der Präambel RL-S[3] (und noch expliziter der 23. Erwägungsgrund der Präambel RL-L[3]): Wird die Produktpalette im „Europäischen Versicherungsmarkt", ja wohl sogar bereits in jedem nationalen Versicherungsmarkt mit dem Verbot einer aufsichtsrechtlichen Bedingungsgenehmigung (oben c) ungleich reicher, so setzen eine rationale Auswahl unter den Versicherungsprodukten und die effiziente Mittelallokation weiterreichende Informationen und Informationspflichten voraus.69 4 5 Die Rechtsnatur der Information ist umstritten. Diskutiert wird insbesondere, ob es sich um aufsichtsrechtliche70 oder schuldvertragsrechtliche Verpflichtungen handelt.71 Meist wird bei der Beantwortung der Frage - unzutreffend - vom deutschen Umsetzungsgesetz und seiner Systematik ausgegangen.72 Die Frage ist wichtig vor allem für die Sanktionen:73 Fraglich ist insbesondere, ob der Versicherungsnehmer bei Verletzung der Informationspflichten etwa Schadensersatz verlangen oder sich auf die ihm günstigere Rechtslage berufen kann. Soweit

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Noch etwas rudimentärer war die Regelung in Art 21 RL-S[2], die Art 43 RL-S[3] ersetzte (Art 43 I RL-S[3]). Der Regelungsgehalt des Art 31 RL-S[3] ist ohnehin neu. Zu schon früher im nationalen (deutschen) Recht bestehenden Informationspflichten vgl etwa die Nachw bei Winkler ν Mohrensfels, in: Basedow / Schwark / Schwintowski (Hrsg), Informationspflichten, 39 (40-52); und monographisch: Messerschmidt, Hinweis und Belehrungspflichten des Versicherers, 1986. Hemmer, Einbeziehung von AVB, S 14, 17; Prave, VW 1994, 556 (557); Reich, in: Schwintowski (Hrsg), Deregulierung, 35 (38 f); Schwintowski, in: Basedow / Schwark / Schwintowski (Hrsg), Informationspflichten, 11 (14, 16); Werber, ZVersWiss 83 (1994) 321 (322). So Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn 866 f; Renger, VersR 1994, 753 (756); sowie (allerdings allein für das deutsche Recht) die unten 4 . 3 1 - 1 / 2 / 3 Fn 72 Genannten. So Reich, in: Schwintowski (Hrsg), Deregulierung, 35 (38); Reichert-Facilides, VW 1994, 561 (mit aufsichtsrechtlicher Ausstrahlung); Winkler ν Mohrensfels, in: Basedow / Schwark / Schwintowski (Hrsg), Informationspflichten, 39 (45 f); offen (de lege ferenda für eine zivilrechtliche Lösung) Präve, VW 1994, 556 (557). Vgl etwa Bach, FS Lorenz 1994, 45 (67); Renger, VersR 1994, 753 (756 f) (da Informationspflichten schon im deutschen Vertragsrecht verankert, sind diejenigen der Richtlinie nicht als vertragsrechtlich zu qualifizieren); Werber, ZVersWiss 83 (1994) 321 (340 f); vgl auch Schwintowski, in: Basedow / Schwark / Schwintowski (Hrsg), Informationspflichten, 11 (15 f einerseits und 16 f andererseits); demgegenüber jedoch: Reich, in: Schwintowski (Hrsg), Deregulierung, 35 (38, 41). Vgl etwa Bach, FS Lorenz 1994, 45 (68-70); Reich, in: Schwintowski (Hrsg), Deregulierung, 35 (42); Werber, ZVersWiss 83 (1994) 321 (342).

4 . 3 0 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

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die Rechtsnatur einer Regelung für die Festsetzung der Sanktionen von Bedeutung ist, geht der E u G H - durchaus zwingend - von der Regelung selbst, dh von der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsquelle aus: Zu wessen Schutz eine Pflichtbindung gemeinschaftsrechtlich vorgeschrieben wird, ist primär der gemeinschaftsrechtlichen Norm im Wege der Auslegung zu entnehmen. 7 4 Unter den wenigen an der Richtlinie orientierten Argumenten sind folgende tragend: Gegen eine Qualifikation als vertragsrechtlich wird vorgebracht, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber eine Harmonisierung des Versicherungsvertragsrechts nicht gewollt habe (18. bzw 19. Erwägungsgrund der Präambel der 3. Versicherungs-Richtlinie Schaden bzw Leben). Alle Vorgaben der Richtlinien seien daher allein als aufsichtsrechtlich zu verstehen. 7 5 Dieser Schluß ist nicht zwingend, da der Gemeinschaftsgesetzgeber offensichtlich nur eine Harmonisierung von Leistung und Gegenleistung meinte und für überflüssig hielt. Die 3. VersicherungsRichtlinien (Schaden und Leben) enthalten auch sonst Regeln, die nur als vertragsrechtlich verstanden werden können. Ein Kündigungsrecht kann schlechterdings nicht der Aufsichtsbehörde, sondern nur dem Versicherungsnehmer zustehen (so denn auch ausdrücklich Art 12 VI 2. UA RL-S[3]; Art 11 VI 2. UA RL-L[3]). Und mit den Informationspflichten sollte doch Ersatz geschaffen werden für die fehlende Harmonisierung der nationalen Versicherungsvertragsrechte, dh deren Regelung der materiellrechtlichen Rechte und Pflichten. Aufschlußreicher ist denn auch der Erwägungsgrund der Präambel, der die Informationspflichten selbst betrifft: Während der 21. Erwägungsgrund der Präambel der 3. Versicherungs-Richtlinie Schaden noch recht zurückhaltend formuliert ist, ergibt sich die speziell den Versicherungsnehmer schützende Tendenz der Regelung aus dem 2 3 . Erwägungsgrund der Präambel der 3. Versicherungs-Richtlinie Leben unzweifelhaft: Soll der Versicherungsnehmer in jedem Einzelfall auf die Information rekurrieren können, so muß er die Durchsetzungsmittel an die Hand bekommen; eine Aufsichtsbehörde kann dies nicht leisten. Auch die Ausgestaltung der Informationsregelung spricht gegen eine (allein) aufsichtsrechtliche Qualifikation: 7 6 Soweit die Regeln harmonisiert wurden, wurde die Aufsicht des Herkunftslandes für zuständig erklärt (vgl die Neufassung von Art 6 f und 13 RL-S[1] durch Art 4 f und 9 RL-S[3] und die Einführung von Art 8 RL-S[3]). Art 31 III RL-S[3] verweist jedoch für Durchführungsvorschriften auf das Recht des Mitgliedstaates, in dem das Risiko belegen ist. Demnach wäre ein Land, das für die Aufsicht nicht zuständig ist, berufen, die Aufsichtsregeln zu erlassen. Die Informationspflichten sind als vertragsrechtlich zu qualifizieren. Sie richten 4 6 sich denn auch nach dem Versicherungsvertragsstatut. Allerdings wird allein das Recht für anwendbar erklärt, das kraft objektiver Anknüpfung zur Anwendung

Vgl Nachw oben 1. Teil Rn 179-181. 5 Renger, VersR 1994, 753 (756, 758). 76 Reich, in: Schwintowski (Hrsg), Deregulierung, 35 (41 f); vgl auch Schwintowski, sedow / Schwark / Schwintowski (Hrsg), Informationspflichten, 11 (16).

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in: Ba-

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

käme. 7 7 Dies erklärt sich damit, daß die Information zu einem Zeitpunkt zu erteilen ist, zu dem das aufgrund einer Rechtswahl anwendbare Recht noch nicht feststeht - vor Zustimmung des Versicherungsnehmers! 78 Da sich das Versicherungsunternehmen in seinem Handeln bereits auf ein Recht einstellen können muß, war eine andere Lösung ausgeschlossen. 4 7 Den Zeitpunkt der Information legt Art 31 I RL-S[3] dahingehend fest, daß diese vor Vertragsschluß zu erfolgen hat. Im Wege der teleologischen Auslegung ist dieser Zeitpunkt vorzuverlegen: Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem sich der Versicherungsnehmer bindet. 79 Nur bis zu diesem Zeitpunkt ist eine Auswahl zwischen verschiedenen Versicherungsprodukten möglich, und gerade darin liegt nach dem Gesagten der Zweck der Informationsregelung. Der Grundsatz des effet utile gebietet sogar eine Auslegung dahingehend, daß der frühestmögliche Informationszeitpunkt zu wählen ist, soweit dies keine erheblichen Probleme aufwirft. Daß der genaue Zeitpunkt in Art 31 I RL-S[3] nicht exakter festgelegt wurde, ist leicht zu erklären: Die Durchführungsvorschriften wurden den Mitgliedstaaten überlassen, um die Regelung auf das jeweilige nationale Vertragsschlußmodell zuzuschneiden. 80 48

Vom Ziel des Informationsmodells her zweifelhaft sind Ausnahmen bei Versicherungsnehmern, die als weniger schutzwürdig angesehen werden: Solche finden sich unterschiedlich für die Einzelinformationen, die Art 31 RL-S[3] vorschreibt (für Versicherungsnehmer, die als juristische Person verfaßt sind [Art 31 II

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Nach Art 7 I lit. h RL-S[2] geht jedenfalls die Vermutung dahin, daß der Vertrag die engste Beziehung zum Land der Risikobelegenheit aufweist. Daß Art 31 III RL-S[3], anders als Art 7 I lit. h RL-S[2], keinen Gegenbeweis zuläßt, liegt daran, daß das Versicherungsunternehmen handeln (informieren) und sich daher über das anwendbare Recht sicher sein muß. Bekanntlich wurde auch für die Rechtswahlvereinbarung eine Lösung diskutiert (und letztlich vom Gesetzgeber verworfen), nach der das Recht, das kraft objektiver Anknüpfung zur Anwendung käme, über die Wirksamkeit dieser Vereinbarung befindet: vgl zu diesen Tendenzen nur Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 50. Die unterschiedliche Regelung erklärt sich damit, daß bei der Rechtswahlvereinbarung, anders als im Rahmen von Art 31 RL-S[3], erst nach dem gewählten Recht gehandelt werden muß, sobald sie von beiden Seiten getroffen wurde. Ebenso: Bach, FS Lorenz 1994, 45 (57-61); Werber, ZVersWiss 83 (1994) 321 (322); weitergehend (teils de lege ferenda) Scholl, Transparenzregeln für das europäische Versicherungsprodukt, Z E R P 6/1994, S 121-126; aA BR-Drs 23/94, S 163 f. Zu den für die Auslegung maßgeblichen Interessen vgl Reich, in: Schwintowski (Hrsg), Deregulierung, 35 (38 f); Werber aaO 339f. Der teils gegebene Hinweis auf den Wortlaut von Art 31 I RL-S[3] ist durch einen Hinweis auf den abw (und zutr) Wortlaut von Art 43 II 1. UA, III RL-S[3] zu relativieren. Wie hier ausdrücklich das Ratsprotokoll zum insoweit gleich gelagerten Fall des Art 31 RL-L[3] (Dok 7397/92): „Die Frage, wann genau ein Vertrag als abgeschlossen gilt und wann genau die in Art 31 und Anhang II vorgeschriebenen Angaben dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden müssen, bestimmt sich nach dem Recht des Mitgliedstaates der Verpflichtung." So implizit auch das Ratsprotokoll zum insoweit gleich gelagerten Fall des Art 31 RLL[3] ; vgl vorige Fn.

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

831

RL-S[3]]), 8 1 und für die Einzelinformationen, die Art 43 RL-S[3] vorschreibt (für Versicherungsverträge, die Großrisiken betreffen [Art 4 3 II 3. UA RL-S[3]]). bb) Der Umfang der vorgeschriebenen Einzelinformationen wurde im Rahmen 4 9 der Versicherungs-Richtlinie Schaden eng gehalten - zu eng, um damit die Voraussetzungen für eine informierte, rationale Auswahl zwischen verschiedenen Versicherungsprodukten zu schaffen. 82 Zu nennen ist das anwendbare Recht bzw - bei Bestehen von Rechtswahlfreiheit - das vom Versicherungsunternehmen vorgeschlagene Recht (Art 31 I 1. Spiegelstrich RL-S[3]). Zu informieren ist, anders als etwa nach dem deutschen Referentenentwurf, nicht über den gesamten Bestand und Inhalt der Normen dieses Rechts. 8 3 Zu nennen sind die Regeln, die für die Behandlung von Beschwerden gelten, und die Beschwerdestellen, die angerufen werden können (Art 31 I 2. Spiegelstrich RL-S[3]). Unharmonisiert bleibt freilich das materielle nationale Recht, also die Frage, wie mit solchen Beschwerden zu verfahren ist, auch etwa die Frage, ob Verbraucherschutzorganisationen zwingend einzuschalten sind. Hinzukommen gemäß Art 4 3 I 1. UA, III RL-S[3] Informationen über den Sitzstaat sowie über Anschrift und Sitz des Versicherungsunternehmens oder der Niederlassung (einschließlich Agenturen [Art 1 lit. b RL-S[3]]). Informationen über die Konditionen, die für den Vergleich von Versicherungsprodukten notwendig wären, sehen Art 31, 43 RL-S [3] demgegenüber nicht vor. Solche Informationen mögen nach vielen nationalen Rechten ohnehin bereits geschuldet sein. Teils mögen nach diesen nationalen Rechten Konditionen ohne entsprechende Informierung nicht Vertragsinhalt werden. Dennoch verwundert die Zurückhaltung des Gemeinschaftsgesetzgebers unter dem Gesichtspunkt, daß der Verzicht auf eine Harmonisierung der nationalen Versicherungsvertragsrechte nicht zuletzt mit der ersatzweisen Einführung des Informationsmodells gerechtfertigt wurde. 8 4

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Zum Begriff, der nach dem Konzept der Versicherungs-Richtlinien offenbar auch Personengesellschaften umfaßt, vgl oben Fn 30. Mit der gegenteiligen Auffassung würde die Ausnahme eng gehalten. Kritik in diesem zentralen Punkt findet sich selten: vgl etwa die neutrale Darstellung bei Werber, ZVersWiss 83 (1994) 321 (324); noch negativer gegenüber Korrektur durch Ausweitung: Reiff, VersR 1997, 267 (268). Zu den schon bestehenden weitgehenden Informationspflichten im deutschen Recht etwa Renger, VersR 1994, 753 (756 f); Werber, ZVersWiss 83 (1994) 321 (324). Der deutsche Gesetzgeber hat zu Recht reagiert und sich insgesamt vom (befriedigenderen) Modell der 3. Versicherungs-Richtlinie Leben leiten lassen. Vgl unten Rn 61. Bach, FS Lorenz 1994, 45 (51); Schimikowski, Recht und Schaden 1996, 1 (2); Werber, ZVersWiss 83 (1994) 321 (325) (Gegenteil wäre „Desinformation durch Überinformation"). Vgl die oben Fn 8 Genannten. Zur Zulässigkeit strengerer nationaler Normen zu Informationspflichten vgl unten Rn 52.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

e)

Bestandsübertragung

50 Die Bestandsübertragung von einem Versicherungsunternehmen (oder dessen Zweigniederlassung) auf ein anderes Versicherungsunternehmen war bereits in Art 21 RL-S[1] geregelt, allerdings ungleich kürzer, sodann ähnlich ausführlich und mit der heute geltenden Regelung weitgehend identisch in Art 11 RL-S[2], durch dessen Absatz 1 Art 21 RL-S[1] aufgehoben wurde. Art 11 RL-S[2] wurde seinerseits verdrängt von Art 12, 53 RL-S[3] (Art 53 RL-S[3] fügt einen Art 28a RL-S[1] nF ein). Die Bestandsübertragung ist danach grenzüberschreitend innerhalb der Gemeinschaft möglich, von einer unselbständigen Zweigniederlassung hingegen nur im Niederlassungsstaat. Regelungsgegenstand ist vor allem der Solvenzschutz, den die Aufsichtsbehörde beim übernehmenden Unternehmen eingehend prüfen und in gleichem Maße sicherstellen muß. Die notwendige Genehmigung qualifiziert der Gemeinschaftsgesetzgeber wohl als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Übergang.85 Hingegen entscheidet er nicht, ob Gleiches für die Bekanntmachungspflicht des Art 12 VI 1 RL-S[3] bzw Art 28a VI 1 RL-S[1] nF gilt. Ansonsten betreffen allein Art 12 VI RL-S[3] bzw Art 28a VI RL-S[1] nF genuin vertragsrechtliche Fragen: Die Verträge gehen kraft Gesetzes („automatisch") über, dies im Verhältnis zu allen, die Rechte (gegebenenfalls an Rechten) aus dem Versicherungsvertrag haben. Die Versicherungsnehmer haben - wenn der Mitgliedstaat des Versicherungsvertragsstatuts86 dies vorsieht ein Kündigungsrecht, nicht jedoch diejenigen, die Rechte an den Rechten der Versicherungsnehmer haben. f) Verbliebene Regelungslücken und -freiräume 51 Das Kollisionsrecht der Versicherungsverträge ist in den Versicherungs-Richtlinien Schaden abschließend geregelt, soweit der Anwendungsbereich dieser Richtlinien eröffnet ist (bei Niederlassung des Versicherungsunternehmens in der Gemeinschaft) und soweit Art 7 und 8 RL-S[2] eingreifen (bei Risikobelegenheit bzw Versicherungspflicht in der Gemeinschaft). Lücken bestehen insoweit nicht, obwohl nahe betroffenen Mitgliedstaaten eine Weiterverweisung gestattet wird. 52 Unter den Sachnormen sind allein die Informationspflichten harmonisiert worden, allerdings rudimentär. Eine Regelung wie diejenige in Art 31 III RL-L[3] fehlt, nach der die Harmonisierung als grundsätzlich umfassend angesehen wird und nach der nur im Ausnahmefall weitere Anforderungen an ausländische Anbieter gestellt werden dürfen. Daher wird man vor allem den Bereich der Infor-

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Müller, Versicherungsbinnenmarkt, Rn 788. Fragen der Zession - jenseits des Verpflichtungsgeschäfts zwischen Zedent und Zessionar - regeln sich nach Art 12 II EVÜ, der gemäß Art 7 III RL-S[2] subsidiär berufen ist, nach dem Vertragsstatut des abgetretenen vertraglichen Anspruches. Gleiches gilt bei der Vertragsübernahme: ν Bar, Kollisionsrechtliches zum Schuldbeitritt und zum Schuldnerwechsel, IPRax 1991, 197 (200); Kegel, IPR, S 567; Reithmann / Martiny (-Martiny), Internationales Vertragsrecht, Rn 329.

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

833

mationen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten als noch offen ansehen dürfen. Das sonstige Versicherungsvertragsrecht blieb (mit punktuellen Ausnahmen bei der Bestandsübertragung) umfassend unharmonisiert. Allerdings ist mit der Untersagung eines Genehmigungserfordernisses für Allgemeine und Besondere Versicherungsbedingungen eine Strukturentscheidung zugunsten von mehr privatrechtlicher Gestaltungsmacht gefallen. Die einschlägige Harmonisierungsmaßnahme für die dadurch aufgeworfenen Fragen enthält die AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10). Unharmonisiert blieb auch das Recht der Versicherungsmittler und ihrer vertraglichen Verhältnisse zu den Versicherungsnehmern. 87 Auch für das Verhältnis der Versicherungsagenten zu den Versicherungsunternehmen hat die Handelsvertreter-Richtlinie (3.80) keine Harmonisierung gebracht (vgl dort 2 a). In all diesen Bereichen gelten die Regeln, die der EuGH auf der Grundlage der Grundfreiheiten für unharmonsierte Felder entwickelt hat. Dies bestätigt - korrekt gelesen - Art 28 RL-S[3], 3. Umsetzung a) Die kollisionsrechtliche Regelung der RL-S[2/3] (oben 2 b) wurde ins E G W G 53 eingearbeitet (vgl Fundstellenverzeichnis). Die Regelung erstreckt sich heute auch auf Lebensversicherungen (Art 7 I E G W G ) . Den zentralen Anknüpfungspunkt der Risikobelegenheit bzw des Verpflichtungsbezugs regelt Art 7 II E G W G inhaltlich identisch wie Art 7 iVm Art 2 lit. d RL-S[2] bzw Art 2 lit. e und 4 RL-L [2].89 Gliederungsmäßig lehnt sie sich überwiegend an die gemeinschaftsrechtliche Regelung an, erscheint jedoch tendenziell klarer. Grundsätzlich gilt wiederum die Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Aufent- 54 halt bzw Sitz, von der nur in engen Ausnahmefällen mittels Rechtswahl abgewichen werden darf. Art 8 E G W G entspricht hierbei Art 7 I lit. a RL-S[2] (erster Abschnitt) und Art 4 I RL-L[2] (erster Abschnitt). Daß eine Rechtswahl zulässig ist, wenn das solchermaßen berufene Recht dies vorsieht (jeweils zweiter Abschnitt der Richtlinienregelungen), daß also jedes berufene Recht liberaler sein darf, sieht Art 10 III E G W G in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht vor. Eine erste Abweichung durch (eingegrenzte) Rechtswahl, die die Richtlinien selbst (unabhängig von der Liberalität des berufenen Rechts) vorsehen, die Wahl eines abweichenden Landes der Risikobelegenheit (Art 7 I lit. b RL-S[2]) bzw einer abweichenden Staatsangehörigkeit (Art 4 II RL-L[2]), übernahm der deutsche Gesetzgeber inhaltlich identisch in Art 9 III, V E G W G . Eine zweite Ab-

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Zur Bedeutung der Versicherungsmittler im Konzept eines Europäischen Versicherungsvertragsrechts und zu ersten Ansätzen einer Regelung vgl oben § 7 Einl Rn 33 f. Der Großteil der deutschsprachigen Literatur zum Kollisionsrecht betrifft - wie so häufig im Europäischen Schuldvertragsrecht - die Umsetzung und nur sekundär die Richtlinie. Zahlreiche Nachw oben in der entspr Kategorie des Literaturverzeichnisses. Vgl allerdings zu den Schwierigkeiten der Anwendung von Art 7 II Nr 3 E G W G bei Vertragsschluß unter Anwesenden: Basedow / Drasch, NJW 1991, 785 (787); Dörner, Kommentar, Art 7 E G W G , Rn 19 f; Fricke, IPRax 1990, 361 (362); Reichert-Facilides, IPRax 1990, 1 (7).

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Einseitige U n t e r n e h m e n s g e s c h ä f t e in spezifischen Sektoren u n d M ä r k t e n

weichung durch Rechtswahl, die der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst (unabhängig von der Liberalität des berufenen Rechts) in Art 71 lit. c RL-S[2] vorsieht, findet sich inhaltlich identisch in Art 9 II EGVYG. Hierbei geht es um die Risikobelegenheit in mehreren Mitgliedstaaten, die zur Rechtswahl zwischen diesen berechtigt (die Beschränkung auf gewerbliche Risiken ist wie in der Richtlinie mittels Auslegung zu ignorieren). Daß die solchermaßen zusätzlich wählbaren Rechte wiederum liberaler sein dürfen, statuiert Art 10 III E G W G in Übereinstimmung mit Art 7 I lit. d RL-S[2].90 Teils ist deutsches Recht liberaler als die Richtlinie - was zulässig und nach dem Gesagten in den meisten Fällen auch im Ausland beachtlich ist (Art 7 I lit. a, d, e RL-S[2], Art 4 I RL-L[2]):91 Insbesondere wird dem selbst initiativ werdenden Versicherungsnehmer nach Art 9 IV E G W G Rechtswahlfreiheit eingeräumt. Für die Lebensversicherung verpflichtete zu eben dieser liberalen Regel nach hier vertretener Auffassung sogar schon das Gemeinschaftsrecht selbst.92 Aufgabe des Art 10 I E G W G ist es, unbeschränkte Rechtswahlfreiheit bei Versicherungsverträgen über Großrisiken zu gewähren (entsprechend Art 7 I lit. f RL-S[2]).93 Diese Norm enthält das schwerste Umsetzungsdefizit im deutschen Recht. Sie gewährt Rechtswahlfreiheit für Versicherungsverträge über Großrisiken iSv Art 5 lit. d RL-S[1] (die Definition ist inhaltlich identisch umgesetzt im Anhang zum VAG, auf den in Art 10 12 E G W G verwiesen wird). Die Norm gewährt jedoch die Rechtswahlfreiheit nur bei Aufenthalt bzw Sitz des Versicherungsnehmers in Deutschland, während die Richtlinie diese Wahlfreiheit (in der Produktpalette) allen Versicherungsnehmern eröffnen will94 - auch solchen mit Sitz in anderen Ländern, wenn sie etwa gegen ein deutsches Versicherungsunternehmen in Deutschland klagen. Ist von einer Rechtswahlfreiheit, die besteht, kein Gebrauch gemacht worden, so enthalten Art 7 I lit. h RL-S[2] und Art 11 E G W G die gleichen Anknüpfungsregeln. Eine Anknüpfung sogenannter international zwingender Normen iSv Art 7 II EVÜ bzw Art 34 EGBGB sah der deutsche Gesetzgeber nicht im E G W G vor; der Verweis in Art 15 E G W G sollte ausreichen. So wurde die diesbezügliche Regelung der Art 7 II 1. UA RL-S[2] und Art 4 IV RL-L[2] hinsichtlich interna90

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Für Art 4 II RL-L[2] besteht keine entspr Regelung, auf Art 9 V E G W G n i m m t Art 10 III E G W G d e n n daher auch nicht Bezug. Ausführlich zu Art 10 III E G W G : Mankowski, VersR 1993, 154. Ausführlich: Mankowski, VersR 1 9 9 3 , 1 5 4 (etwa 162); unstr, vgl etwa: Basedow / Drasch, N J W 1991, 7 8 5 (791). Vgl 4 . 3 1 - 1 / 2 / 3 Rn 1 9 - 2 2 . Art 10 II E G W G setzt Art 7 I lit. e RL-S[2] u m , freilich (ausweitend) auch für Fälle der Risikobelegenheit in einem Drittstaat, u m g e k e h r t zu restriktiv insoweit, als n u r berufliche Risiken erfaßt sind. Basedow / Drasch, N J W 1991, 7 8 5 (792); Biagosch, Dienstleistungsfreiheit u n d Versicherungsvertragsrecht, S 165 f; Dörner, K o m m e n t a r , Art 10 E G W G , Rn 2 2 f; Imbusch, VersR 1993, 1059 (1063); Kramer, Internationales Versicherungsvertragsrecht, S 2 1 3 219.

4.30 Versìcherungs-Richtlinie(n) Schaden

835

tional zwingender Normen des inländischen Rechts übernommen, von der M ö g lichkeit, solch ein Durchsetzungsprivileg auch ausländischen Rechten zu gewähren (Art 7 II 2. und 3. UA RL-S[S]) wiederum nicht Gebrauch gemacht. Der hiermit angesprochene Art 15 E G W G , der wie Art 7 III RL-S[2] und Art 4

V RL-L[2] subsidiär das allgemeine Internationale Vertragsrecht für anwendbar

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erklärt, kann trotz leicht abweichenden Wortlauts unschwer richtlinienkonform ausgelegt werden. Verwiesen ist auf die Regeln des EVÜ, wie sie in Art 2 7 - 3 7 E G B G B Eingang fanden. Dies betrifft etwa Art 2 7 III E G B G B (vgl Art 7 I lit. g RL-S[2]). Die zusätzlichen Regeln für Pflichtversicherungen (Art 8 RL-S[2]) wurden in Art 12 E G W G umgesetzt.

b) Die Genehmigungspflicht für Allgemeine und Besondere Versicherungsbedin- 60 gungen und die aufsichtsrechtliche Befugnis, diese Bedingungen systematisch anzufordern (vgl oben 2 c), sind entfallen (Novellierung des § 10 VAG). Das Aufsichtsamt darf diese Bedingungen jedoch weiterhin punktuell (zum Zwecke der Mißbrauchskontrolle) anfordern ( § 8 1 1 VAG). 9 5 Die genannten Bedingungen unterfallen heute, da die Ausnahme nach ξ 2 3 III A G B G nur bei Genehmigungspflicht eingreift, vollumfänglich dem A G B G und seinen Kontrollmechanismen. 9 6 c) Die Regelung der Art 31, 43 RL-S[3] zu den Aufklärungspflichten (oben 2 d) 61 wurde in §§ 1 0 , 1 0 a VAG iVm Anlage D I Nr 1 umgesetzt. Der deutsche Gesetzgeber ging hinsichtlich des Umfangs der (Einzel-)Informationen - vom Transparenzmodell her überzeugend - 9 7 über die Vorgaben der Richtlinie deutlich hinaus und setzte die weiterreichenden Anforderungen der RL-L[3] hier auch für die Schadensversicherungen um; dies gilt insbesondere auch für die in der RL-S [3] nicht vorgesehene laufende Informierung (Anlage D II) und findet seine Grenzen erst bei Punkten, die allein für Lebensversicherungsverträge relevant sind (Anlage D I Nr 2). Die Teilausnahme für Großrisiken (Art 43 I 3. UA RL-S [3]) wurde hingegen übernommen (§ 10 a I 2 VAG), desgleichen diejenige für juristische Personen (Art 31 II RL-S[3]; § 10a I 1 VAG). Bei letzteren wurde offenbar davon ausgegangen, daß die (auch für juristische Personen geltenden) Anforderungen nach Art 4 3 RL-S [3] ohnehin erfüllt seien. Da nach dem Gesagten einerseits RL-S[3] bei den Einzelinformationen schlicht einem Teil der diesbezüglichen Liste der RL-L[3] entspricht und andererseits beide Richtlinien in der Frage nach der Rechtsnatur und nach dem Zeitpunkt der Information gleich

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Vgl etwa Prölls (-Schmidt), Versicherungsaufsichtsgesetz11, 1997, § 81 VAG, Rn 26-30; für die Richtlinie: de Frutos, in: van Empel / Drabbe (Eds), Insurance and EC Law, 2.-160; Roth, NJW 1993, 3028 (3031). Bach, FS Lorenz 1994, 45 (59); Reiff, VersR 1997, 267 (268); Schirmer, VersR 1996,1045 (1045). Krit demgegenüber Bach, FS Lorenz 1994, 45 (55 f, 64 f); bei Ausweitungen des gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Informationspflichtenkatalogs gar die Richtlinienkonformität anzweifelnd: Reiff, VersR 1997, 267 (268).

836

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

zu behandeln sind, kann für weitere Einzelheiten auf das zur Umsetzung der RL-L [3] Gesagte verwiesen werden.98 62 d) Die Bestandsübertragung (oben 2 e) ist in §§ 14, 44 VAG geregelt. Von den beiden vertragsrechtlichen Regelungsgehalten wurde nur einer - der Übergang ispo iure - übernommen; nicht genutzt wurde die Option, den Versicherungsnehmern ein eigenes Kündigungsrecht einzuräumen.

B. Fundstellenverzeichnis 63 Grundlage: Art 57 II EGV (bei 4.30-2 und 4.30-3 zusätzlich Art 66 EGV) Betr: Kollisionsrecht der Versicherungsverträge Schaden, Beschränkung der Kontrolle von Allgemeinen Versicherungsbedingungen Schaden auf die bloße AGB-Mißbrauchskontrolle und rudimentäre Informationspflichten Fundstellen:

Stellungnahmen:

- verabschiedete Fassungen - 4.30-1 AB1EG 1973 L 228/3 - 4.30-2 AB1EG 1988 L 172/1 - 4.30-3 AB1EG 1992 L 228/1 - Änderungsakte - 4.30-1 AB1EG 1976 L 189/13; 1987 L 185/72 und 185/77; 1990 L 330/44; 1995 L 168/7 (sowie 4.30-2 und 4.30-3 und Beitrittsakte) - 4.30-2 AB1EG 1990 L 330/44 (sowie 4.30-3) - 4.30-3 AB1EG 1995 L 168/7 - geänderte Vorschläge von 1988 und vom 24. 2. 1992 - 4.30-2 Dok C2-1/88 - 4.30-3 AB1EG 1992 C 93/1 / KOM(92) 63 endg SYN 291 - ursprüngliche Vorschläge vom 30. 12.1975 und 27. 7. 1990 - 4.30-2 AB1EG 1976 C 32/2 - 4.30-3 AB1EG 1990 C 244/28 / KOM(90) 348 endg - SYN 291 - Gemeinsamer Standpunkt (Rat, Europäisches Parlament) - 4.30-3 AB1EG 1992 C 150/96 - zum ersten geänderten Vorschlag EP: - 4.30-2 AB1EG 1988 C 167/63 - zum ursprünglichen Vorschlag EP: - 4.30-1 AB1EG 1968 C 27/15 - 4.30-2 AB1EG 1978 C 36/14

« Vgl unten 4.31-1/2/3 Rn 4 3 - 4 7 .

4 . 3 0 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

WS A:

-

4.30-3 4.30-1 4.30-2 4.30-3

ABIEG ABIEG ABIEG ABIEG

1992 C 1967, S 1976 C 1991 C

837

67/98 158/1 204/13 102/7

- 4 . 3 0 - 1 Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (Erstes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 18. 12. 1975 - 4 . 3 0 - 2 (Zweites) Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Zweites Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 28. 6. 1990 - 4 . 3 0 - 3 Drittes Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 21. 7. 1994 Fundstelle: BGBl 1975 I, S 3139 BGBl 1990 I, S 1249 BGBl 1994 I, S 1630

Erste Richtlinie des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (73/239/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2, gestützt auf das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit™, insbesondere auf Abschnitt IV Buchstabe C, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments®, nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3>, in Erwägung nachstehender Gründe: Nach dem vorgenannten Allgemeinen Programm ist für Direktversicherungsunternehmen die Aufhebung der Beschränkungen für die Gründung von Agenturen und Zweigniederlassungen von der Koordinierung der Bedingungen für die Aufnahme und Ausübung der betreffenden Tätigkeit abhängig, diese Koordinierung ist zunächst bei den Direktversicherungsunternehmen, mit Ausnahme der Lebensversicherung, vorzunehmen. Um die Aufnahme und Ausübung dieser Versicherungstätigkeit zu erleichtern, ist es notwendig, gewisse Unterschiede zwischen den Aufsichtsrechten der Mitgliedstaaten zu beseitigen, wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Dritten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muß; zu diesem Zweck sind insbesondere die Vorschriften über die von den Versicherungsunternehmen geforderten finanziellen Garantien zu koordinieren. Eine Einteilung der Risiken nach Versicherungszweigen ist insbesondere erforderlich, um die Tätigkeiten, die Gegenstand der vorgeschriebenen Zulassung sind, um die Höhe des Mindestgarantiefonds, die sich nach dem jeweils betriebenen Versicherungszweig richtet, zu bestimmen. m

ABI. Nr. 2 vom 15. 1. 1962, S. 3 6 / 6 2 .

B)

ABI. Nr. C 27 vom 28. 3. 1968, S. 15.

m

ABI. Nr. L 5 8 vom 18. 7. 1967, S. 1.

Es empfiehlt sich, einige Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die auf Grund ihrer rechtlichen Verfassung besondere Sicherheitsvoraussetzungen erfüllen und besondere finanzielle Garantien bieten, vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen; ebenso ist es angezeigt, bestimmte Anstalten einiger Mitgliedstaaten auszuschließen, deren Geschäftstätigkeit sich nur auf einen sehr engen Bereich erstreckt und auch durch gesetzt oder Satzung auf ein bestimmtes Gebiet oder einen bestimmten Personenkreis beschränkt wird. Die Frage, ob es zulässig ist, daß Krankenversicherung, Kredit- und Kautionsversicherung sowie Rechtsschutzversicherung nebeneinander oder gleichzeitig mit anderen Versicherungszweigen betrieben werden, ist in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt; bei Fortbestehen dieser Unterschiede nach der Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit in den Versicherungszweigen außer der Lebensversicherung würden Behinderungen der Niederlassungsfreiheit bestehen bleiben; eine Lösung dieses Problems muß im Rahmen einer späteren Koordinierung, die in verhältnismäßig naher Zukunft vorzunehmen ist, vorgesehen werden. In jedem Mitgliedstaat müssen sämtliche unter diese Richtlinie fallenden Versicherungszweige der Aufsicht unterworfen werden; diese Aufsicht ist nur durchführbar, wenn die Versicherungstätigkeit von einer behördlichen Zulassung abhängig gemacht wird; die Voraussetzungen für Erteilung und Widerruf dieser Zulassung bedürfen daher einer näheren Regelung; ferner ist die Schaffung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen ablehnende Entscheidungen oder Widerrufsentscheidungen unumgänglich. Die sogenannten Transportversicherungszweige unter Buchstabe A Nummern 4, 5, 6, 7 und 12 des Anhangs sowie die Kreditversicherungszweige unter Buchstabe A Nummern 14 und 15 des Anhangs bedürfen angesichts der ständigen Veränderungen im Waren- und Kreditverkehr einer elastischeren Regelung. Nach einer gemeinsamen Methode zur Berechnung der technischen Reserven wird zur Zeit

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden auf gemeinschaftlicher Ebene gesucht; deshalb erscheint es zweckmäßig, die Koordinierung dieser Fragen sowie der mit der Bestimmung der Anlageallen und der Bewertung der Aktiva zusammenhängenden Fragen späteren Richtlinien zu überlassen. Die Versicherungsunternehmen müssen neben technischen Reserven, die zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen ausreichen, auch über eine zusätzliche Reserve, d.h. eine durch freies Vermögen gedeckte sogenannte Solvabilitätsspanne verfügen, um für alle Wechseifälle des Geschäftsbetriebes gerüstet zu sein; um sicherzustellen, daB sich die diesbezüglichen Vorschriften auf objektive Kriterien stützen, die für gleich große Versicherungsunternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten, ist vorzusehen, daß diese Spanne im Verhältnis zu dem gesamten Geschäftsumfang des Unternehmens steht und nach zwei Sicherheitsindizes bestimmt wird, nämlich nach dem Beitragsaufkommen und der Schadensbelastung. Es muß ferner ein Mlndestgarantiefonds vorgeschrieben werden, dessen Höhe sich nach dem Risiko in den einzelnen betriebenen Zweigen richtet, und zwar sowohl um sicherzustellen, daß die Unternehmen bereits bei ihrer Gründung über ausreichende Mittel verfügen, als auch um zu verhindern, daß die Solvabilitätsspanne im Laufe der Geschäftstätigkeit jemals unter eine Mindestsicherheitsgrenze absinkt. Es sind Maßnahmen für den Fall vorzusehen, daß sich die finanzielle Lage des Unternehmens so entwickeln sollte, daß es ihm schwerfallen könnte, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Die koordinierten Vorschriften für die Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung innerhalb der Gemeinschaft müssen grundsätzlich für sämtliche auf dem Markt tätigen Unternehmen gelten, also auch für Agenturen und Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft; hinsichtlich der Aufsicht sind für diese Agenturen und Zweigniederlassungen jedoch Sondervorschriften vorzusehen, weil sich das Vermögen der Muttergesellschaften außerhalb der Gemeinschaft befindet. Gleichwohl empfiehlt es sich, eine Lockerung dieser Sondervorschriften zu ermöglichen, wobei jedoch der Grundsatz gewahrt bleiben muß, daß Agenturen und Zweigniederlassungen solcher Versicherungsunternehmen keine günstigere Behandlung gewährt werden darf als den in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen. Gewisse Übergangsmaßnahmen sind erforderlich, um insbesondere den bestehenden kleinen und mittleren Unternehmen die Anpassung an die Vorschriften zu ermöglichen, die von den Mitgliedstaaten auf Grund dieser Richtlinie erlassen werden, wobei Artikel 53 des Vertrages zu beachten ist.

839

Es ist erforderlich, eine einheitliche Anwendung der koordinierten Bestimmungen sicherzustellen und zu diesem Zweck eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet vorzusehen HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: Kapitel I - Allgemeine Bestimmungen Artikel 1i*i (1) Diese Richtlinie betrifft die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeit der Direktversicherung, einschließlich der in Absatz 2 bezeichneten Beistandstätigkeit, durch Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind oder sich dort niederzulassen wünschen. (2) Die Beistandstätigkeit betrifft die Beistandsleistung zugunsten von Personen, die auf Reisen oder während der Abwesenheit von ihrem Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in Schwierigkeiten geraten. Sie besteht darin, daß aufgrund der vorherigen Zahlung einer Prämie die Verpflichtung eingegangen wird, dem Begünstigten eines Beistandsvertrags in den im Vertrag vorgesehenen Fällen und unter den dort aufgeführten Bedingungen unmittelbar eine Hilfe zukommen zu lassen, wenn er sich nach Eintritt eines zufälligen Ereignisses in Schwierigkeiten befindet. Die materielle Hilfe kann in Geld- oder in Naturalleistungen bestehen. Die Naturalleistungen können auch durch Einsatz des eigenen Personals oder Materials des Erbringers der Leistung erbracht werden. Wartungsleistungen und Kundendienst sowie einfache Hinweise auf Hilfe oder einfache Vermittlung einer Hilfe ohne deren Übernahme fallen nicht unter die Beistandsleistungen. (3) Die Einteilung der in diesem Artikel bezeichneten Tätigkeiten nach Zweigen ist im Anhang aufgeführt. Artikel

2

Diese Richtlinie betrifft nicht 1. die folgenden Versicherungen: a) die gesamte Lebensversicherung, d.h. insbesondere folgende Versicherungen: Versicherung auf den Erlebensfall, Versicherung auf den Todesfall, gemischte Versicherung, Lebensversicherung mit Prämienrückgewähr, Tontinenversicherung, Heirats- und Geburtenversicherung; b) die Rentenversicherung; c) die von den Lebensversicherungsunternehmen betriebenen Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung, d.h. Versicherung gegen Körperverletzung einschließlich Berufsfi

Artikel 1 neugefaBt, vgl ABIEG 1984 L 339/21.

840

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Unfähigkeit, Versicherung gegen Tod infolge Unfall, Versicherung gegen Invalidität infolge Unfall und Krankheit, sofern diese Versicherungsarten zusätzlich zur Lebensversicherung abgeschlossen werden;

In den unter den beiden ersten Gedankenstrichen bezeichneten Fällen gilt die Voraussetzung, daß sich der Unfall oder die Panne innerhalb des Mitgliedstaats des Gewährleistenden ereignet haben muß, nicht,

d) die Versicherungen im Rahmen eines gesetzlichen Systems der sozialen Sicherheit;

a) wenn der Gewährleistende eine Einrichtung ist, deren Mitglied der Begünstigte ist, und die Pannenhilfe oder die Beförderung des Fahrzeugs allein auf Vorlage des Mitgliedsausweises hin ohne zusätzliche Zahlung durch eine ähnliche Einrichtung des betroffenen Landes auf der Grundlage einer Gegenseitigkeitsvereinbarung erfolgt;

e) die in Irland und im Vereinigten Königreich gehandhabte sogenannte „permanent health insurance" (unwiderrufliche langfristige Krankenversicherung). 2. die folgenden Geschäftsvorgänge: a) Kapitalisationsgeschäfte, wie sie in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten definiert sind; b) die Geschäfte der für Versorgungs- und Unterstützungszwecke geschaffenen Institutionen, deren Leistungen sich nach den verfügbaren Mitteln richten, während die Höhe der Mitgliedsbeiträge pauschal festgesetzt wird; c) die Geschäfte eines Unternehmens ohne Rechtspersönlichkeit, deren Zweck der gegenseitige Schutz der Mitglieder des Unternehmens ohne Prämienzahlung und ohne Bildung technischer Reserven ist; d) bis zu einer späteren Koordinierung die Ausfuhrkreditversicherungsgeschäfte für staatliche Rechnung oder mit staatlicher Garantie, oder wenn der Staat der Versicherer ist. 3. Die Beistandsleistung, bei der sich die Leistungspflicht auf folgende Leistungen beschränkt, die anläBlich eines Unfalls oder einer Panne, die sich normalerweise innerhalb des Mitgliedstaats des gewährleistenden ereignet haben, an einem Kraftfahrzeug erbracht werden: -

Pannenhilfe vor Ort, für die der Gewährleistende in der Mehrzahl der Fälle sein eigenes Personal und Material einsetzt;

-

Überführung des Fahrzeugs zum nächstgelegenen oder geeignetsten Ort der Reparatur, an dem diese vorgenommen werden kann, sowie etwaige Beförderung des Fahrers und der Fahrzeuginsassen mit normalerweise demselben Hilfeleistungsmittel zum nächstgelegenen Ort, von dem aus sie ihre Reise mit anderen Mitteln fortsetzen können;

-

wenn der Mitgliedstaat des Gewährleistenden es vorsieht, Beförderung des betroffenen Fahrzeugs und gegebenenfalls des Fahrers und der Fahrzeuginsassen bis zu deren Wohnort, Ausgangspunkt oder ursprünglichen Bestimmungsort innerhalb desselben Mitgliedstaats, außer wenn die Beistandsleistungen durch ein dieser Richtlinie unterliegendes Unternehmen erbracht werden.

Artikel 3 Absatz 1 zweiter Unterabsatz später eingefügt, vgl ABIEG 1984 L 339/21.

Artikel 4 Buchstabe f) spater eingefügt, vgl ABIEG 1984 L 339/21.

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten ANHANG

A. Einteilung der Risiken nach Versicherungszweigen 1. Unfall (einschließlich Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) - einmalige Leistungen - wiederkehrende Leistungen - kombinierte Leistungen - Personenbeförderung 2. Krankheit - einmalige Leistungen - wiederkehrende Leistungen - kombinierte Leistungen 3. Landfahrzeug-Kasko (ohne Schienenfahrzeuge) Sämtliche Schäden an: - Kraftfahrzeugen - Landfahrzeugen ohne eigenen Antrieb 4. Schienenfahrzeug-Kasko Sämtliche Schäden an Schienenfahrzeugen 5. Luftfahrzeug-Kasko Sämtliche Schäden an Luftfahrzeugen 6. See-, Binnensee- und FluBschiffahrts-Kasko Sämtliche Schäden an - Flußschlffen - Binnenseeschiffen - Seeschiffen 7. Transportgüter (einschließlich Waren, Gepäckstücke und aller sonstigen Güter) Sämtliche Schäden an transportierten Gütern, unabhängig von dem jeweils verwendeten Transportmittel 8. Feuer und Elementarschäden Sämtliche Sachschäden (soweit sie nicht unter die Zweige 3, 4, 5, 6 oder 7 fallen), die verursacht werden durch: - Feuer - Explosion - Sturm - andere Elementarschäden außer Sturm - Kernenergie - Bodensenkungen und Erdrutsch 9. Sonstige Sachschäden Sämtliche Sachschäden (soweit sie nicht unter die Zweige 3, 4, 5, 6 und 7 fallen), die durch Hagel oder Frost sowie durch Ursachen aller Art (wie beispielsweise Diebstahl) hervorgerufen werden, soweit diese Ursachen nicht unter Nummer 8 erfaßt sind 10. Haftpflicht für Landfahrzeuge mit eigenem Antrieb Haftpflicht aller Art (einschließlich derjenigen des Frachtführers), die sich aus der Verwendung von Landfahrzeugen mit eigenem Antrieb ergibt 11. Luftfahrzeughañpflicht Haftpflicht aller Art (einschließlich derjenigen des Frachtführers), die sich aus der Verwendung von Luftfahrzeugen ergibt 12. See-, Binnensee- und FluBschiffahrtshaftpflicht Haftpflicht aller Art (einschließlich derjenigen des Frachtführers), die sich aus der Verwendung von Flußschiffen, Binnenseeschiffen und Seeschiffen ergibt 13. Allgemeine Haftpflicht Alle sonstigen Haftpflichtfälle, die nicht unter die Nummern 10, 11 und 12 fallen

4.30 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden

843

14. Kredit - allgemeine Zahlungsunfähigkeit - Ausfuhrkredit - Abzahlungsgeschäfte - Hypothekendarlehen - landwirtschaftliche Darlehen 15. Kaution - direkte Kaution - indirekte Kaution 16. Verschiedene finanzielle Verluste - Berufsrisiken - ungenügende Einkommen (allgemein) - Schlechtwetter - Gewinnausfall - laufende Unkosten allgemeiner Art - unvorhergesehene Geschäftsunkosten - Wertverluste - Miet- oder Einkommensausfall - indirekte kommerzielle Verluste außer den bereits erwähnten - nichtkommerzielle Geldverluste - sonstige finanzielle Verluste 17. Rechtsschutz Rechtsschutz 18. Beistand Beistandsleistungen zugunsten von Personen, die auf Reisen oder während der Abwesenheit von ihrem Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in Schwierigkeiten geraten.'*) Außer in den unter Buchstabe C aufgeführten Fällen kann ein zu einem Zweig gehörendes Risiko nicht von einem anderen Versicherungszweig übernommen werden. [Anhänge B. und C. - nicht abgedruckt.]

Anhang A Ziffer 18 spater eingefügt, vgl ABIEG 1984 L 3 3 9 / 2 1 .

Zweite Richtlinie des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG (88/357/EWG) DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2 und Artikel 66, auf Vorschlag der Kommission!1), in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlamenti2', nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses®, in Erwägung nachstehender Gründe: Es ist notwendig, den Binnenmarkt im Versicherungswesen zu entwickeln; um dieses Ziel zu erreichen, soll es den Versicherungsunternehmen mit Geschäftssitz in der Gemeinschaft erleichtert werden, ihre Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu erbringen; dadurch wird es den Versicherungsnehmern ermöglicht, sich nicht nur bei in ihrem Land niedergelassenen Versicherern, sondern auch bei solchen zu versichern, die ihren Geschäftssitz in der Gemeinschaft haben und in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind. Nach dem Vertrag ist seit dem Ende der Übergangszeit im Dienstleistungsverkehr eine unterschiedliche Behandlung je nachdem, ob das Unternehmen in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht wird, niedergelassen ist oder nicht, unzulässig. In den GenuB der Dienstleistungsfreiheit kommt dabei jede Niederlassung in der Gemeinschaft, also nicht nur der Hauptsitz des Unternehmens, sondern auch Agenturen oder Zweigniederlassungen desselben. Aus praktischen Gründen ist es angezeigt, den Dienstleistungsverkehr unter Berücksichtigung der Niederlassung des Versicherers einerseits und andererseits des Ortes, in dem das Risiko belegen ist, zu definieren. Deshalb muß auch die Belegenheit eines Risikos definiert werden. Ferner ist die im Wege einer Niederlassung aus

ABI. Nr. C 3 6 vom 13. 2. 1978, S. 14, ABI. Nr. C 167

geübte Tätigkeit von einer im freien Dienstleistungsverkehr ausgeübten Tätigkeit abzugrenzen. Es ist eine Ergänzung der Ersten Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung)'4', nachstehend „Erste Richtlinie" genannt, zuletzt geändert durch die Richtlinie 87/344/EWG, vorzunehmen, insbesondere im Hinblick auf eine Präzisierung der Aufsichtsbefugnisse und -mittel der Überwachungsbehörden. Ferner sind besondere Bestimmungen über den Zugang zu der im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs erfolgenden Tätigkeit sowie deren Ausübung und Überwachung vorzusehen. Den Versicherungsnehmern, die aufgrund ihrer Eigenschaft, ihrer Bedeutung oder der Art des zu deckenden Risikos keinen besonderen Schutz in dem Staat benötigen, in dem das Risiko belegen ist, ist die uneingeschränkte Freiheit bei der Wahl auf einem möglichst breiten Versicherungsmarkt einzuräumen. Andererseits ist den anderen Versicherungsnehmern ein angemessener Schutz zu gewährleisten. Zum Schutz der Versicherungsnehmer und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen ist eine Koordinierung der in der Ersten Richtlinie vorgesehenen Kongruenzregeln gerechtfertigt. Die in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften des Versicherungsvertragsrechts bleiben unterschiedlich. Die Freiheit der Wahl eines anderen Vertragsrechts als desjenigen Staates, in dem das Risiko belegen ist, kann in bestimmten Fällen nach Regeln gewährt werden, in denen die spezifischen Umstände berücksichtigt werden. In den Anwendungsbereich dieser Richtlinie sind die Pflichtversicherungen aufzunehmen, wobei jedoch zu verlangen ist, daß der Vertrag über eine solche Versicherung den besonderen Vorschriften über diese Versicherung ent-

vom 27. 6. 1988 und BeschluB vom 15. Juni 1988 I»

(noch nicht Im Amtsblatt veröffentlicht).

«>

ABl. Nr. L 2 2 8 vom 16. 8. 1973, S. 3.

ABI. Nr. C 2 0 4 vom 30. 8. 1976, S. 13.

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ABI. Nr. L 185 vom 4. 7. 1987, S. 77.

4 . 3 0 Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden spricht, die in dem Mitgliedstaat gelten, der die Versicherungspflicht vorschreibt. Die Bestimmungen der Ersten Richtlinie über die Bestandsübertragung sind zu verschärfen und durch Bestimmungen zu ergänzen, die speziell auf den Fall abzielen, daB der Bestand von im Rahmen des Dienstleistungsverkehrs geschlossenen Verträgen einem anderen Unternehmen übertragen wird. Aus dem Anwendungsbereich der besonderen Bestimmungen für den freien Dienstleistungsverkehr sind bestimmte Risiken auszuklammern, bei denen wegen ihrer Beschaffenheit und ihren sozialen Auswirkungen die Anwendung dieser Bestimmungen in Anbetracht der von den Behörden der Mitgliedstaaten erlassenen besonderen Regeln derzeit nicht angemessen wäre. Diese Ausklammerungen sind daher nach einem bestimmten Anwendungszeitraum dieser Richtlinie zu überprüfen. Beim derzeitigen Stand der Koordinierung ist den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, zum Schutz der Versicherungsnehmer die gleichzeitige Ausübung der Tätigkeit im freien Dienstleistungsverkehr und der Tätigkeit im Wege einer Niederlassung zu beschränken. Eine solche Einschränkung kann in Fällen, in denen die Versicherungsnehmer einen solchen Schutz nicht brauchen, nicht vorgesehen werden. Der Zugang zur Ausübung der freien Dienstleistung muß Verfahren unterliegen, die sicherstellen, daß das Versicherungsunternehmen die Vorschriften sowohl hinsichtlich der Finanzgarantien als auch der Versicherungsbedingungen einhält. Diese Verfahren können vereinfacht werden, soweit die im Dienstleistungsbereich ausgeübte Tätigkeit Versicherungsnehmer betrifft, die aufgrund ihrer Eigenschaft, ihrer Bedeutung oder der Art des zu deckenden Risikos keinen besonderen Schutz in dem Staat brauchen, in dem das Risiko belegen ist. Für den Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs ist eine besondere Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen Behörden und der Kommission vorzusehen. Ferner ist eine Regelung für Sanktionen vorzusehen, die dann anzuwenden ist, wenn das Dienstleistungsunternehmen die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistung erbracht wird, nicht einhält. Bis zu einer weitergehenden Koordinierung sind die technischen Rückstellungen den Regeln und der Aufsicht des Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistung erbracht wird, zu unterstellen, wenn die Dienstleistungstätigkeit Risiken betrifft, bei denen der Bestimmungsstaat der Dienstleistung den Versicherungsnehmern einen besonderen Schutz gewähren will. Die technischen Rückstellungen dagegen unterliegen weiterhin den Regeln und der Aufsicht des

845

Mitgliedstaats, in dem der Versicherer niedergelassen ist, wenn für den Schutz des Versicherungsnehmers kein Grund besteht. In einigen Mitgliedstaaten gibt es keine Versicherungssteuer, während die meisten Mitgliedstaaten auf Versicherungsverträge besondere Steuern oder andere Abgaben einschließlich Zuschlägen für Ausgleichsorgane erheben. In den Mitgliedstaaten mit Versicherungssteuern und Abgaben bestehen jedoch erhebliche Unterschiede hinsichtlich deren Voraussetzungen und auch hinsichtlich der Steuer- bzw. Abgabensätze. Es ist zu vermeiden, daß diese Unterschiede zu Wettbewerbsverzerrungen bei den Versicherungsleistungen zwischen den Mitgliedstaaten führen. Vorbehaltlich einer weitergehenden Harmonisierung kann dem dadurch abgeholfen werden, daß man auf das Steuersystem und andere Abgabensysteme des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, abstellt. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die Modalitäten festzulegen, nach denen die Erhebung dieser Steuern und Abgaben sichergestellt werden soll. Es ist zu vermeiden, daß infolge einer nicht ausreichenden Koordinierung aufgrund der vorliegenden Richtlinie und der Richtlinie 78/473/ EWG des Rates vom 30. Mai 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Mitversicherung auf Gemeinschaftsebene'6' in den einzelnen Mitgliedstaaten drei verschiedene Regelungen bestehen. Deshalb sind die Risiken, die im Wege der gemeinschaftlichen Mitversicherung gedeckt werden können, nach den Kriterien festzulegen, die die .Großrisiken" nach der vorliegenden Richtlinie definieren. Im Sinne des Artikels 8 c des Vertrages ist der Umfang der Anstrengungen, der bestimmten Volkswirtschaften mit unterschiedlichem Entwicklungsstand abverlangt wird, zu berücksichtigen. Deshalb ist für bestimmte Mitgliedstaaten eine Übergangsregelung festzulegen, die eine schrittweise Anwendung der besonderen Bestimmungen dieser Richtlinie für den freien Dienstleistungsverkehr ermöglicht HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: TITEL I Allgemeine Bestimmungen Artikel

1

Gegenstand dieser Richtlinie ist: a) die Ergänzung der Ersten Richtlinie 73/239/ EWG; b) die Festlegung von Sonderbestimmungen betreffend den freien Dienstleistungsverkehr für die Unternehmen und die Versicherungsl«

ABl. Nr. L 151 v o m 7. 6. 1978, S. 25.

846

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

zweige, die Gegenstand Richtlinie sind.

der

genannten

f)

Mitgliedstaat der Dienstleistung: der Mitgliedstaat, in d e m d a s Risiko belegen ist, d a s von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen gedeckt wird.

Artikel 2 Im Sinne dieser Richtlinie gilt als a) Erste Richtlinie:

Artikel 3

die Richtlinie 7 3 / 2 3 9 / E W G , b) Unternehmen: -

für die Anwendung der Titel I und II:

jedes Unternehmen, das eine

behördliche

Zulassung nach Artikel 6 oder nach Artikel 2 3 der Ersten Richtlinie erhalten hat; -

für die Anwendung der Titel III und V:

jedes Unternehmen, das eine behördliche Zulassung

nach Artikel 6 der

genannten

Richtlinie erhalten hat; c) Niederlassung: der Sitz, eine Agentur oder eine Zweigniederlassung d e s Unternehmens unter Berücksichtigung des Artikels 3; d) Mitgliedstaat, in d e m das Risiko belegen ist: -

bei der Versicherung entweder von G e bäuden oder von G e b ä u d e n und den darin befindlichen Sachen, sofern diese durch die gleiche Versicherungspolice gedeckt ist, der Mitgliedstaat, in d e m die Gegenstände belegen sind,·*'

-

bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art der Zulassungsmitgliedstaat,

-

bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- und Ferienrisiken, ungeachtet d e s betreffend e n Zweigs der Mitgliedstaat, in d e m der Versicherungsnehmer d e n Vertrag geschlossen hat,

-

in allen Fällen, die nicht ausdrücklich unter den vorstehenden Gedankenstrichen bezeichnet sind, der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, der Mitgliedstaat, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht;

e) Mitgliedstaat der Niederlassung: der Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, welches das Risiko deckt; c> Abweichend von Artikel 2 Buchstabe d) erster Gedankenstrich sind bei der Anwendung von Artikel 46 Absatz 2 RL-S[3] (4.30-1/2/3) die beweglichen Sachen, die sich in einem Mitgliedstaat in einem Gebäude befinden, mit Ausnahme von gewerblichem Durchfuhrgut, ein in diesem Mitgliedstaat belegenes Risiko, auch wenn das Gebäude und sein Inhalt nicht durch ein und dieselbe Versicherungspolice erfaßt werden.

J e d e ständige Präsenz eines Unternehmens im Gebiet eines Mitgliedstaats ist bei der Anwendung der Ersten Richtlinie sowie der vorliegenden Richtlinie einer Agentur oder Zweigniederlassung gleichzustellen, und zwar auch dann, wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das von dem eigenen Personal des Unternehmens oder einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln. Artikel 4 Im Sinne dieser Richtlinie und der Ersten Richtlinie umfassen die allgemeinen und die besonderen Versicherungsbedingungen nicht die spezifischen Bedingungen, mit denen im Einzelfall die besonderen Umstände des zu versichernden Risikos abgedeckt werden sollen.

TITEL II Ergänzende Bestimmungen zur Ersten Richtlinie Artikel 5 Artikel 5 der Ersten Richtlinie wird wie folgt ergänzt: „d) Großrisiken: i)

Die unter den Zweigen 4 , 5 , 6 , 7 , 1 1 und 12 von Buchstabe A d e s Anhangs eingestuften Risiken,

ii) die unter den Zweigen 14 und 15 von Buchstabe A d e s Anhangs eingestuften Risiken, wenn der Versicherungsnehmer eine Erwerbstätigkeit im industriellen oder gewerblichen Sektor oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübt und d a s Risiko damit im Zusammenhang steht, iii) die unter d e n Zweigen 8, 9, 13 und 16 von Buchstabe A des Anhangs eingestuften Risiken, sofern der Versicherungsnehmer bei mindestens zwei der drei folgenden Kriterien die Obergrenzen überschreitet: 1. Stufe: bis zum 31. Dezember 1992: -

Bilanzsumme: 12,4 Millionen E C U

4 . 3 0 Versicherungs-Richtlinie(n) S c h a d e n -

Nettoumsatz: 24 Millionen ECU

-

durchschnittliche Beschäftigtenzahl im Verlauf des Wirtschaftsjahres: 500.

2. Stufe: ab 1. Januar 1993: -

Bilanzsumme: 6,2 Millionen ECU

-

Nettoumsatz: 12,8 Millionen ECU

-

durchschnittliche Beschäftigtenzahl im Verlauf des Wirtschaftsjahres: 250.

Gehört der Versicherungsnehmer zu einer Unternehmensgruppe, für die der konsolidierte AbschluB nach Maßgabe der Richtlinie 83/349/EWG erstellt wird, so werden die genannten Kriterien auf den konsolidierten AbschluB angewandt. Jeder Mitgliedstaat kann zu der unter Ziffer iii) genannten Kategorie Risiken hinzufügen, die von Berufsverbänden, „Joint ventures" oder vorübergehenden Gruppierungen versichert werden. Artikel 6 [Kongruenzregel; nicht abgedruckt] Artikel 7 (1) Das Recht, das auf die unter diese Richtlinie fallenden Versicherungsverträge über in den Mitgliedstaaten belegene Risiken anwendbar ist, wird wie folgt bestimmt: a) Hat der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seine Hauptverwaltung im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, so ist das auf den Versicherungsvertrag anwendbare Recht das Recht dieses Mitgliedstaats. Jedoch können die Parteien, sofern dies nach dem Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist, das Recht eines anderen Staates wählen. b) Hat der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seine Hauptverwaltung nicht in dem Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, so können die Parteien des Versicherungsvertrags wählen, ob das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, oder das Recht des Staates, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seine Hauptverwaltung hat, auf den Vertrag anwendbar sein soll. c) Übt der Versicherungsnehmer eine Tätigkeit im industriellen und gewerblichen Sektor oder eine freiberufliche Tätigkeit aus und deckt der Vertrag zwei oder mehrere in verschiedenen Mitgliedstaaten belegene Risi«

ABl. Nr. L 193 vom 18. 7. 1983, S. 1.·

847

ken in Verbindung mit diesen Tätigkeiten, so umfaBt die freie Wahl des auf den Vertrag anwendbaren Rechts das Recht dieser Mitgliedstaaten und des Staates, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Hauptverwaltung hat. d) Räumen ungeachtet der Buchstaben b) und c) die unter diesen Buchstaben genannten Mitgliedstaaten jedoch eine größere Freiheit bei der Wahl des auf den Vertrag anwendbaren Rechts ein, so können die Parteien davon Gebrauch machen. e) Unbeschadet der Buchstaben a), b) und c) können die Parteien, wenn die durch den Vertrag gedeckten Risiken sich auf Schadensfälle beschränken, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem in Artikel 2 Buchstabe d) definierten Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, eintreten können, stets das Recht des ersteren Staates wählen. f) In bezug auf die in Artikel 5 Buchstabe d) Ziffer i) der Ersten Richtlinie genannten Risiken können die Vertragsparteien jedes beliebige Recht wählen. g) Sind alle anderen Teile des Sachverhalts im Zeitpunkt der Rechtswahl in ein und demselben Mitgliedstaat belegen, so darf die Wahl eines Rechts in den unter den Buchstaben a) oder f) genannten Fällen durch die Parteien die zwingenden Bestimmungen dieses Staates, d.h. die Bestimmungen, von denen nach dem Recht dieses Staates durch Vertrag nicht abgewichen werden kann, nicht berühren. h) Oie in den vorstehenden Buchstaben genannte Rechtswahl muß ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Vertragsklauseln oder aus den Umständen des Falls ergeben. Ist dies nicht der Fall oder ist keine Rechtswahl getroffen worden, so findet auf den Vertrag das Recht desjenigen nach den vorstehenden Buchstaben in Betracht kommenden Staates Anwendung, zu dem er in der engsten Beziehung steht. Jedoch kann auf einen selbständigen Teil des Vertrages, der zu einem anderen nach den vorstehenden Buchstaben in Betracht kommenden Staate in engerer Beziehung steht, ausnahmsweise das Recht dieses anderen Staates anwendbar sein. Es wird vermutet, daß der Vertrag die engsten Beziehungen zu dem Mitgliedstaat aufweist, in dem das Risiko belegen ist. i) Umfaßt ein Staat mehrere Gebietseinheiten, von denen jede in bezug auf vertragliche Verpflichtungen ihre eigenen Rechtsnormen besitzt, so ist für die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach dieser Richtlinie jede Gebietseinheit als Staat anzusehen.

geändert durch die Zweite Richtlinie 9 0 / 6 1 9 / E W G

ABI. Nr. C 14 vom 20. 1. 1992, S. 11.

ABI. Nr. L 3 3 0 vom 29. 11. 1990, S. 50.

ABl. Nr. L 63 vom 13. 3 . 1 9 7 9 , S. 1. Richtlinie zuletzt (ABI. Nr. L 3 3 0 vom 29. 11. 1990, S. 50).

(«I

ABI. Nr. L 374 vom 31. 12. 1991, S. 7.

4.31 Versicherungs-Richtlinie(n) Leben Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder des freien Dienstleistungsverkehrs Geschäfte zu betreiben. Der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung oder der Dienstleistung kann von Versicherungsunternehmen, die in ihm tätig werden möchten und schon im Herkunftsmitgliedstaat zugelassen sind, keine neue Zulassung mehr verlangen. Es ist also erforderlich, die Richtlinien 79/267/ EWG und 90/619/EWG in diesem Sinne zu ändern. (7) Die Aufsicht über die finanzielle Solidität des Versicherungsunternehmens, insbesondere über seine Solvabilität und die Bildung ausreichender versicherungstechnischer Rückstellungen sowie deren Bedeckung durch kongruente Vermögenswerte, ist künftig von den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats wahrzunehmen. (8) Die Durchführung der in Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c) der Richtlinie 79/267/EWG genannten Geschäfte darf keinesfalls eine Beeinträchtigung der Befugnisse beinhalten, die den zuständigen Behörden gegenüber den Einrichtungen eingeräumt wurden, welche die in dieser Bestimmung genannten Vermögenswerte halten. (9) In einigen Artikeln dieser Richtlinie sind nur Mindestvorschriften festgelegt. Der Herkunftsmitgliedstaat kann für die von seinen zuständigen Behörden zugelassenen Versicherungsunternehmen strengere Regelungen erlassen. (10) Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten müssen über die notwendigen Aufsichtsmittel verfügen, um die geordnete Ausübung der Tätigkeit des Versicherungsunternehmens in der ganzen Gemeinschaft sowohl im Rahmen der Niederlassungsfreiheit als auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit zu gewährleisten. Insbesondere müssen sie angemessene VorbeugemaBnahmen ergreifen oder Sanktionen verhängen können, um Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen Vorschriften des Versicherungsaufsichtsrechts zu verhindern. (11) Es ist notwendig, die Vorschriften über die Bestandsübertragung an die durch die vorliegende Richtlinie eingeführte rechtliche Regelung der einheitlichen Zulassung anzupassen. (12) Die durch die Richtlinie 79/267/EWG aufgestellte Spezialisierungsregelung sollte flexibler gestaltet werden, so daß die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, einem Unternehmen Zulassungen sowohl für die Versicherungszweige, die im Anhang zur Richtlinie 79/267/EWG genannt sind, als auch für Versicherungsgeschäfte zu erteilen, die unter die im Anhang der Richtlinie

897

73/239/EWG genannten Versicherungszweige 1 und 2 fallen. Diese Möglichkeit kann jedoch vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die die Einhaltung der Regeln über die Buchführung und die Liquidation betreffen. (13) Zum Schutz der Versicherten ist es erforderlich, daß jedes Versicherungsunternehmen ausreichende technische Rückstellungen bildet. Die Berechnung dieser Rückstellungen basiert im wesentlichen auf versicherungsmathematischen Grundsätzen. Um die gegenseitige Anerkennung der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Aufsichtsvorschriften zu erleichtern, müssen die versicherungsmathematischen Grundsätze aufeinander abgestimmt werden. (14) Aus die Aufsicht betreffenden Erwägungen heraus sollte ein Mindestmaß an Koordinierung der Regeln für die Begrenzung des bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen zugrunde gelegten Zinssatzes festgelegt werden. Da die derzeit für die Begrenzung verfügbaren Methoden alle gleichermaßen korrekt sind, den Anforderungen in bezug auf die Aufsicht genügen sowie gleichwertig sind, dürfte es angemessen sein, den Mitgliedstaaten die freie Wahl der zu verwendenden Methode zu überlassen. (15) Es ist angebracht, die Vorschriften über die Berechnung der die technischen Rückstellungen bedeckenden Vermögenswerte, über deren Mischung sowie die Lokaiisierungsund Kongruenzregeln zu koordinieren, um die gegenseitige Anerkennung der Vorschriften der Mitgliedstaaten zu erleichtern. Bei dieser Koordinierung müssen die durch die Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages!" zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs erlassenen Maßnahmen sowie die im Hinblick auf die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion erzielten Fortschritte der Gemeinschaft berücksichtigt werden. (16) Der Herkunftsmitgliedstaat darf jedoch von den Versicherungsunternehmen nicht verlangen, die Vermögenswerte, die die versicherungstechnischen Rückstellungen bedecken, in bestimmten Kategorien von Vermögenswerten anzulegen, da derartige "I

m

Erste Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (ABI. Nr. L 228 vom 16. 8. 1973, S. 3). Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/618/EWG (ABI. Nr. L 330 vom 29. 11. 1990, S. 44). ABI. Nr. L 178 vom 8. 7. 1988, S. 5.

898

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

Bestimmungen nicht mit den in der Richtlinie 88/361/EWG vorgesehenen Maßnahmen zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs zu vereinbaren sind. (17) In Erwartung einer Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen, durch die unter anderem die Definition des Begriffs „geregelter Markt" harmonisiert wird, muß dieser Begriff für die Zwecke der vorliegenden Richtlinie unbeschadet der künftigen Harmonisierung vorläufig definiert werden; diese vorläufige Definition wird durch die auf Gemeinschaftsebene harmonisierte Definition ersetzt werden, aufgrund deren die einschlägigen Befugnisse, die durch die vorliegende Richtlinie vorübergehend dem Herkunftsmitgliedstaat des Versicherungsunternehmens übertragen werden, an den Herkunftsmitgliedstaat des Marktes übergehen. (18) Es ist angebracht, die Liste der Eigenmittel, die die in der Richtlinie 79/267/EWG vorgeschriebene Solvabilitätsspanne bilden können, zu vervollständigen, um neue Finanzinstrumente und die Möglichkeiten zu berücksichtigen, die auch anderen Finanzinstituten bei der Aufstockung der Eigenmittel zugestanden wurden. (19) Die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts ist keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor. Die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stellt deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar. (20) Im Rahmen des Binnenmarkts liegt es im Interesse des Versicherungsnehmers, daß er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat, um aus ihnen das seine Bedürfnisse am besten entsprechende Angebot auswählen zu können. Der Mitgliedstaat, in dem die Verpflichtung eingegangen wird, hat darauf zu achten, daß alle in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukte ungehindert auf seinem Hoheitsgebiet vertrieben werden können, soweit sie nicht den gesetzlichen Vorschriften, die in diesem Mitgliedstaat das Allgemeininteresse schützen, zuwiderlaufen und dieses Interesse nicht durch die Regeln des Herkunftsmitgliedstaats geschützt wird; dies gilt jedoch nur unter der Bedingung, daß die betreffenden Vorschriften in nichtdiskriminierender Weise auf alle Unternehmen angewendet werden, die in diesem Mitgliedstaat Geschäfte betreiben, und daß sie für das ge-

wünschte Ziel objektiv erforderlich und angemessen sind. (21) Die Mitgliedstaaten müssen in der Lage sein, dafür zu sorgen, daß die angebotenen Versicherungsprodukte und die Vertragsdokumente, die zur Erfüllung der in ihrem Hoheitsgebiet eingegangenen Verpflichtungen verwendet werden, den besonderen gesetzlichen, zum Schutz des Allgemeininteresses erlassenen Vorschriften entsprechen, wobei es gleichgültig ist, ob die betreffenden Versicherungsgeschäfte im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit getätigt werden. Die hierfür angewandten Aufsichtssysteme müssen im Sinne des Binnenmarkts ausgestaltet werden, aber keine Vorbedingung für die Ausübung der Versicherungstätigkeit darstellen. In dieser Hinsicht erscheinen Systeme der Vorabgenehmigung von Versicherungsbedingungen nicht gerechtfertigt. Es ist folglich angebracht, andere Systeme vorzusehen, die den Erfordernissen des Binnenmarkts besser entsprechen und es den Mitgliedstaaten trotzdem erlauben, einen angemessenen Schutz der Versicherungsnehmer zu gewährleisten. (22) Es ist dem Herkunftsmitgliedstaat jedoch gestattet, zur Anwendung der dieser Richtlinie entsprechenden versicherungsmathematischen Grundsätze die systematische Übermittlung der für die Berechnung der Vertragstarife und der technischen Rückstellungen verwendeten Grundlagen zu fordern; bei dieser Übermittlung der technischen Grundlagen ist die Mitteilung der allgemeinen und besonderen Vertragsbedingungen sowie die Mitteilung der Handelstarife des Unternehmens ausgeschlossen. (23) Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muß er Im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger. Folglich sind die Mindestvorschriften zu koordinieren, damit er klare und genaue Angaben Uber die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte und über die Stellen erhält, an die etwaige Beschwerden der Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten des Vertrages zu richten sind. (24) Werbung für Versicherungsprodukte ist ein wesentliches Mittel, um die effektive Ausübung der Versicherungstätigkeit innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern. Die Versi-

899

4.31 Versicherungs-Richtlinie(n) Leben cherungsunternehmen müssen daher alle normalen Mittel zur Werbung im Mitgliedstaat der Zweigniederlassung oder der Dienstleistung nutzen Können. Die Mitgliedstaaten können jedoch verlangen, daB ihre Regeln über die Form und den Inhalt der Werbung, die entweder aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Werbung oder aufgrund einzelstaatlicher Vorschriften aus Gründen des allgemeinen Interesses verabschiedet wurden, respektiert werden. (25)lm Rahmen des Binnenmarkts ist es keinem Mitgliedstaat mehr gestattet, die gleichzeitige Ausübung der Versicherungstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet im Rahmen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs zu verbieten. Es ist daher angebracht, diese den Mitgliedstaaten in der Richtlinie 90/619/EWG zugestandene Möglichkeit aufzuheben. (26) Es ist angebracht, Sanktionen für den Fall vorzusehen, daB das Versicherungsunternehmen in dem Mitgliedstaat, in dem die Verpflichtung eingegangen wird, sich nicht an die Vorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses hält, denen es unterliegt. (27) In einigen Mitgliedstaaten werden Versicherungsverträge keiner indirekten Steuer unterworfen, während die Mehrheit der Mitgliedstaaten auf Versicherungsverträge besondere Steuern oder andere Abgaben erhebt. Zwischen den Mitgliedstaaten, die diese Steuern und Abgaben erheben, bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Gestaltung und der Sätze der Steuern und Abgaben. Diese Unterschiede dürfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen beim Angebot von Versicherungen zwischen den Mitgliedstaaten führen. Vorbehaltlich einer weitergehenden Harmonisierung kann dem dadurch begegnet werden, daB man das Steuersystem und andere Abgabensysteme des Mitgliedstaats anwendet, in dem die Verpflichtung eingegangen wird. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die Modalitäten festzulegen, nach denen die Erhebung dieser Steuern und Abgaben sichergestellt werden kann. (28) Es ist wichtig, auf dem Gebiet der Liquidation der Versicherungsunternehmen eine Koordinierung auf Gemeinschaftsebene zu erreichen. Bereits jetzt ist es von wesentlicher Bedeutung vorzusehen, daß im Falle der Liquidation eines Versicherungsunternehmens das in jedem Mitgliedstaat existierende Schutzsystem eine Gleichbehandlung aller Anspruchsberechtigten gewährleistet, ohne daB ein Unterschied hinsichtlich ihrer Staatsangehörigkeit oder hinsichtlich der Art und Weise des Eingehens der Verpflichtung gemacht wird.

(29)Um neuen Entwicklungen im Versicherungsbereich Rechnung zu tragen, kann es sich von Zeit zu Zeit als erforderlich erweisen, technische Anpassungen an den in dieser Richtlinie niedergelegten detaillierten Regeln vorzunehmen. Die Kommission wird solche Anpassungen, sofern sie notwendig sind, nach Konsultation des durch die Richtlinie 91/675/EWG«» eingesetzten Versicherungsausschusses in Ausübung der ihr nach dem Vertrag übertragenen Durchführungsbefugnisse vornehmen. (30) Es ist notwendig, besondere Vorschriften vorzusehen, um den Übergang von der zum Zeitpunkt der Anwendung dieser Richtlinie bestehenden rechtlichen Regelung zu der von dieser Richtlinie geschaffenen Regelung zu gewährleisten. Ziel dieser Vorschriften muß es sein, eine zusätzliche Arbeitsbelastung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu vermeiden. (31) Im Sinne des Artikels 8 c des Vertrages ist der Umfang der Anstrengungen, der bestimmten Volkswirtschaften mit unterschiedlichem Entwicklungsstand abverlangt wird, zu berücksichtigen. Deshalb ist für bestimmte Mitgliedstaaten eine Übergangsregelung festzulegen, die eine schrittweise Anwendung dieser Richtlinie ermöglicht HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: TITEL I BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND ANWENDUNGSBEREICH Artikel 1 Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet: a) „Versicherungsunternehmen": jedes Unternehmen, das gemäß Artikel 6 der Richtlinie 79/267/EWG die behördliche Zulassung erhalten hat; b) „ Z w e i g n i e d e r l a s s u n g * : jede Agentur oder Zweigniederlassung eines Versicherungsunternehmens unter Berücksichtigung des Artikels 3 der Richtlinie 90/619/EWG; c) „Verpflichtung·, die Verpflichtung, die in einer der in Artikel 1 der Richtlinie 79/267/EWG genannten Formen von Versicherungen oder Geschäften konkret zum Ausdruck kommt; d) „ H e r k u n f t s m i t g l i e d s t a a t d e r Mitgliedstaat, in welchem sich der Sitz des Versicherungsunternehmens befindet, das die Verpflichtung eingeht; e) „ M i t g l i e d s t a a t der Zweigniederlassung": der Mitgliedstaat, in dem sich die Zweigniederlassung befindet, welche die Verpflichtung eingeht; I»

ABl. Nr. L 374 vom 31. 12. 1991, S. 32.

900

Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

f) „Mitgliedstaat der Dienstleistung"·, der Mitgliedstaat der Verpflichtung gemäß Artikel 2 Buchstabe e) der Richtlinie 90/619/EWG, wenn die Verpflichtung von einem Versicherungsunternehmen oder von einer Zweigniederlassung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eingegangen wird;

des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse*12), die in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen für die Zulassung zur Notierung bzw., wenn die genannte Richtlinie keine Anwendung findet, die Bedingungen regelt, unter denen diese Finanzinstrumente auf dem Markt gehandelt werden dürfen. Ein geregelter Markt Im Sinne der vorliegenden Richtlinie kann in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland liegen. Im letzteren Fall muß der Markt von dem Herkunftsmitgliedstaat des Unternehmens anerkannt sein und vergleichbaren Anforderungen entsprechen. Die Qualität der dort gehandelten Finanzinstrumente muß der Qualität der Instrumente vergleichbar sein, die auf dem geregelten Markt bzw. den geregelten Märkten des betreffenden Mitgliedstaats gehandelt werden;

g) „Kontrolle": das Verhältnis zwischen einer Muttergesellschaft und einer Tochtergesellschaft, wie in Artikel 1 der Richtlinie 83/349/ EWG vorgesehen, oder ein gleichgeartetes Verhältnis zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und einem Unternehmen; h) „qualifizierte Beteiligung": das direkte oder indirekte Halten von wenigstens 10 v.H. des Kapitals oder der Stimmrechte eines Unternehmens oder jede andere Möglichkeit der Wahrung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung des Unternehmens, an dem eine Beteiligung gehalten wird. Bei der Anwendung dieser Definition im Rahmen der Artikel 7 und 14 sowie anderen In Artikel 14 der vorliegenden Richtlinie bezeichneten Beteiligungsschwellen werden die in Artikel 7 der Richtlinie 88/627/EWG bezeichneten Stimmrechte berücksichtigt; i)

nMutterunternehmen":

ein Mutterunternehmen im Sinne der Artikel 1 und 2 der Richtlinie 83/349/EWG;

I) „zuständige Behörden"·, diejenigen einzelstaatlichen Behörden, die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften die Aufsichtsbefugnis über Versicherungsunternehmen innehaben, m) „enge Verbindungen": eine Situation, in der zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen verbunden sind durch

j) „Tochterunternehmen": ein Tochterunternehmen im Sinne der Artikel 1 und 2 der Richtlinie 83/349/EWG; jedes Tochterunternehmen eines Tochterunternehmens wird ebenfalls als Tochterunternehmen des Mutterunternehmens angesehen, das an der Spitze dieser Unternehmen steht; k) „geregelter Markt: Finanzmarkt, der bis zur Festlegung einer Definition im Rahmen der Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen von dem Herkunftsmitgliedstaat des Unternehmens als geregelter Markt angesehen wird und dadurch gekennzeichnet ist, -

daß er regelmäßig funktioniert und

-

daß von den entsprechenden Behörden erlassene oder genehmigte Bestimmungen die Markttätigkeit, den Marktzugang und, im Falle der Richtlinie 79/279/EWG

no) Siebente Richtlinie 8 3 / 3 4 9 / E W G des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 5 4 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten AbschluB (ABI. Nr. L 193 vom 18. 7. 1983, S. 1). Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 9 0 / 6 0 5 / E W G (ABI. Nr. L 317 vom 16. 11. 1990, S. 60). «"

Richtlinie 8 8 / 6 2 7 / E W G des Rates vom 12. Dezember 1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen (ABI. Nr. L 3 4 8 vom 17. 12. 1988, S. 62).

-

Beteiligung, d.h. das direkte Halten oder das Halten im Wege der Kontrolle von mindestens 20 v.H. der Stimmrechte oder des Kapitals an einem Unternehmen, oder

-

Kontrolle, d.h. die Verbindung zwischen einem Mutterunternehmen und einem Tochterunternehmen in allen Fällen des Artikels 1 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 83/349/EWG«3) oder ein gleichgeartetes Verhältnis zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und einem Unternehmen; jedes Tochterunternehmen eines Tochterunternehmens wird ebenfalls als Tochterunternehmen des Mutterunternehmens angesehen, das an der Spitze dieser Unternehmen steht.

Als enge Verbindung zwischen zwei oder mehr natürlichen oder juristischen Personen gilt auch eine Situation, in der die betreffenden Personen mit ein und derselben Person durch ein Kontrollverhältnis dauerhaft verbunden sind.'*) «» ABl. Nr. L 6 6 vom 13. 3. 1979, S. 21. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 8 2 / 1 4 8 / E W G (ABI. Nr. L 62 vom 5. 3. 1982, S. 22). I«)

ABI. Nr. L 193 vom 18. 7. 1993, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 9 0 / 6 0 5 / E W G (ABI. Nr. L 317 vom 16. 11. 1990, S. 60).

Artikel 1 Buchstabe m) später eingefügt, vgl ABIEG 1995 L 168/7.

4 . 3 1 Versicherungs-Richtlinie(n) Leben Artikel 2 (1) Diese Richtlinie findet auf die in Artikel 1 der Richtlinie 79/267/EWG bezeichneten Versicherungen und Unternehmen Anwendung. (2) In Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 79/267/EWG werden im Einleitungssatz folgende Worte gestrichen: „und im Tätigkeitsland zugelassen sind". (3) Diese Richtlinie ist weder auf Versicherungen und Geschäftsvorgänge noch auf Unternehmen und Institutionen, auf die die Richtlinie 79/267/EWG keine Anwendung findet, noch auf die in Artikel 4 derselben Richtlinie genannten Anstalten anwendbar. TITEL II AUFNAHME DER VERSICHERUNGSTÄTIGKEIT Artikel 3 und 4 [Aufsichtrechtliche Regeln ohne schuldvertragsrechtliche Relevanz; nicht abgedruckt] Artikel 5 Artikel 8 der Richtlinie 79/267/EWG erhält folgende Fassung: ..Artikel β [(1) und (2) - aufsichtrechtliche Regeln ohne schuldvertragsrechtliche Relevanz; nicht abgedruckt] (3) Die Mitgliedstaaten sehen keine Vorschriften vor, in denen eine vorherige Genehmigung oder eine systematische Übermittlung der allgemeinen und besonderen Versicherungsbedingungen, der Tarife, der insbesondere für die Berechnung der Tarife und technischen Rückstellungen verwendeten technischen Grundlagen sowie der Formblätter und sonstigen Druckstücke, die das Unternehmen im Verkehr mit den Versicherungsnehmern zu verwenden beabsichtigt, verlangt wird. Ungeachtet Unterabsatz 1 und mit dem alleinigen Ziel, die Einhaltung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bezüglich der versicherungsmathematischen Grundsätze zu überwachen, kann der Ursprungsmitgliedstaat die systematische Übermittlung der für die Berechnung der Tarife und technischen Rückstellungen verwendeten technischen Grundlagen fordern, ohne daB dies für das Unternehmen eine Voraussetzung für die Ausübung seiner Tätigkeit darstellen darf. Diese Richtlinie steht der Möglichkeit nicht entgegen, daB die Mitgliedstaaten Rechtsoder Verwaltungsvorschriften beibehalten oder einführen, die die Genehmigung der Satzung und die Übermittlung aller für die

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ordnungsgemäße Aufsicht erforderlichen Dokumente vorschreiben. Spätestens fünf Jahre nach dem Stichtag für die Umsetzung der Richtlinie 92/96/EWG legt die Kommission dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieses Absatzes vor. (4) In den vorgenannten Vorschriften darf nicht vorgesehen werden, daB der Zulassungsantrag nach Maßgabe der wirtschaftlichen Erfordernisse des Marktes geprüft wird. Artikel 6 bis 10 [Aufsichtrechtliche Regeln ohne schuldvertragsrechtliche Relevanz; nicht abgedruckt] Artikel 11 (1) In Artikel 6 der Richtlinie 90/619/EWG werden die Absätze 2 bis 7 aufgehoben. (2) Jeder Mitgliedstaat gestattet nach Maßgabe des nationalen Rechts den Versicherungsunternehmen, die in seinem Staatsgebiet ihren Sitz haben, den Bestand ihrer im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit abgeschlossenen Verträge ganz oder teilweise an ein übernehmendes Unternehmen in der Gemeinschaft zu übertragen, sofern die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats des übernehmenden Unternehmens bescheinigen, daB es unter Berücksichtigung der Übertragung über die erforderliche Solvabilitätsspanne verfügt. (3) Wenn eine Zweigniederlassung beabsichtigt, den Bestand ihrer im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit abgeschlossenen Verträge ganz oder teilweise zu übertragen, muB der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung konsultiert werden. (4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 genehmigen die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats der abtretenden Gesellschaft die Übertragung nach Zustimmung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Verpflichtung. (5) Die zuständigen Behörden der konsultierten Mitgliedstaaten teilen den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats des übertragenden Versicherungsunternehmens innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der entsprechenden Anfrage ihre Stellungnahme oder ihre Zustimmung mit; wenn sich die konsultierten Behörden bis zum Ablauf dieser Frist nicht geäußert haben, gilt dies als positive Stellungnahme oder als stillschweigende Zustimmung. (6) Die nach diesem Artikel genehmigte Übertragung wird in dem Mitgliedstaat der Verpflichtung nach Maßgabe des nationalen Rechts bekanntgemacht. Sie wirkt automatisch gegenüber den ABl. Nr. L 360 vom 9. 12. 1992, S. 1."

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Einseitige Unternehmensgeschäfte in spezifischen Sektoren und Märkten

betroffenen Versicherungsnehmern oder Versicherten sowie gegenüber allen anderen Personen, die Rechte oder Pflichten aus den übertragenen Verträgen haben. Diese Bestimmung berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, für die Versicherungsnehmer die Möglichkeit vorzusehen, den Vertrag binnen einer bestimmten Frist nach der Übertragung zu kündigen. Artikel 12 bis 27 [Aufsichtrechtliche Regeln ohne schuldvertragsrechtliche Relevanz; nicht abgedruckt] Kapitel 3 Artikel 28 Der Mitgliedstaat der Verpflichtung darf den Versicherungsnehmer nicht daran hindern, einen Vertrag zu unterzeichnen, der mit einem gemäß Artikel 6 der Richtlinie 79/267/EWG zugelassenen Versicherungsunternehmen abgeschlossen wurde, solange der Vertrag nicht im Widerspruch zu den in dem Mitgliedstaat der Verpflichtung geltenden Rechtsvorschriften des Allgemeininteresses steht. Artikel 29» So EuGH 18. 12. 1986 - Rs 1 0 / 8 6 (VAG / Magne), Slg 1986, 4071 (4088); zum recht hohen Subsumtionsrisiko bei Anwendung der GVO KfZ-Vertriebsvereinbarungen Creutzig, EuZW 1995, 723 (728, 730). Die Kompetenz für den Erlaß dieser GVO wurde denn auch allenfalls für solche Regelungen angezweifelt, die primär die Vertragsgerechtigkeit betreffen: etwa Creutzig aaO; Niebling, Recht des Automobilvertriebs, S 74 (jeweils für Art 5 III 2. Spiegelstrich VO); vgl auch Engmann, Ausgesuchte Probleme, S 16-19. 2 0 Zu letzterem (und möglichen moderaten Einschränkungen bei §§ 2 2 IV, 26 II, 23 ff GWB) oben § 8 Einl Rn 11, 2 5 f. 21 EuGH 13. 2. 1969 - Rs 14/68 (Walt Wilhelm), Slg 1969, 1 (14). 17

5.03 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen

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bewerbsbeschränkende Klausel enthält als die ausdrücklich freigestellten (Art 6 II, III V O ) . 2 2 Anders als in den meisten jüngeren Gruppenfreistellungsverordnungen ist in derjenigen zu den KfZ-Vertriebsvereinbarungen dieses starre Allesoder-nichts-Prinzip auch nicht durch die Einführung eines Widerspruchsverfahrens abgemildert. Wettbewerbsbeschränkende Klauseln, die nicht ausdrücklich freigestellt sind (Art 1 - 4 VO), fallen sämtlich in die schwarze Liste (Art 6 I Nr 3 V O ) und können nicht in einem vereinfachten Widerspruchsverfahren durch Duldung seitens der Kommission einzeln freigestellt werden. Vielmehr ist bei Aufnahme solcher zusätzlicher Klauseln für die gesamte Vereinbarung der zeitaufwendige Weg über die Einzelfreistellung einzuschlagen. 2. Inhalt a)

Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich ist in Art 1 V O geregelt, für notwendige Definitionen ist Art 10 V O mit heranzuziehen. Entsprechend den Vorgaben der Ermächtigungsverordnung sind nur Vereinbarungen zwischen zwei Unternehmen erfaßt, wobei abgestimmte Verhaltensweisen gleichbehandelt werden (Art 9 VO). Das gesamte Vertriebssystem wird also in einzelne Vertragsverhältnisse aufgegliedert. Der erfaßte Vertrag ist gekennzeichnet durch folgende Elemente: Erfaßt ist der Wiederverkauf von KfZ, wozu auch Transaktionen zu zählen sind, die, wie das Finanzierungs-Leasing, zum wirtschaftlichen Übergang des KfZ führen, 2 3 jedoch nur von drei- oder vierrädrigen KfZ, also nicht von Motorrädern. 2 4 Erfaßt ist sodann, jedoch nur im Zusammenhang damit, der Wiederverkauf von Ersatzteilen, die in Art 10 Nr 6 V O von Zubehör und sonstigen Teilen abgegrenzt werden als die Teile, die an die Stelle von Bestandteilen des ursprünglichen KfZ treten. 2 5 Erfaßt sind außerdem, wenn auch in Art 1 V O nicht genannt,

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Nicht wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen können demgegenüber zusätzlich aufgenommen sein. Art 4 VO ist schon seinem Wortlaut nach nicht abschließend. Gegen eine Gleichstellung im Rahmen der weißen Klauseln, heute Art 3 Nr 10 VO: EuGH 24. 10. 1995 - Rs C-70/93 (BMW / ALD), Slg 1995,1-3439 (3470-3472); wohl auch Creutzig, EuZW 1995, 723 (724); für eine Gleichsetzung demgegenüber (iErg aus anderen Gründen zust): Grundmann / Eichert, Kfz-Leasing und die Gruppenfreistellungsverordnung 123/85, ZIP 1995, 1965 (1970); für eine Gleichsetzung und das EuGH-Urteil abl: Schwintowski, Absatzsichemde Alleinvertriebssysteme auf dem Prüfstand des europäischen Wettbewerbsrechts, DB 1993, 2417 (2421). Für sonstige Fragen des Wiederverkaufs (auf eigene Rechnung etc) vgl Creutzig, EuZW 1995, 723 (723 f). Kommission (BMW), AB1EG 1975 L 29/1 (9); Creutzig, EuZW 1995, 723 (724); Groves, ECLR 1995, 98 (99); Niebling, Recht des Automobilvertriebs, S 76; Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.E, Rn 11. Entscheidend ist die Verkehrsauffassung - des jeweiligen nationalen Rechts (so EGKommission [GD IVI, Leitfaden - Vertrieb von Kraftfahrzeugen, 1995, Antwort zur 21. Frage), ja gar der jeweiligen Region. Nicht zu den Ersatzteilen dürften Schmierstoffe, Bremsflüssigkeit uä zählen: Creutzig, EuZW 1995, 723 (724) (mit weiteren Bsp); Niebling, Recht des Automobilvertriebs, S 137; Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.E, Rn 11.

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

und in der gleichen Weise wie Wiederverkäufe von Ersatzteilen, Kundendienstvereinbarungen (vgl Art 2 und Art 3 Nr 3 VO).

b) Freigestellte und unbedenkliche Vertragsklauseln (weiße Liste) 9

Freigestellt sind zunächst in Art 1 und 2 V O Ausschließlichkeitsbindungen des Herstellers dahingehend, im Vertragsgebiet nur den Vertragspartner oder daneben noch eine bestimmte Anzahl von Wiederverkäufern zu beliefern, Endverbraucher überhaupt nicht und ihnen auch keinen Kundendienst zu leisten.

1 0 Der Rest der weißen Liste (Art 3, 4 V O ) betrifft Bindungen des Vertragshändlers, wobei Art 3 V O die Klauseln umfaßt, die regelmäßig als wettbewerbsbeschränkend verstanden werden, Art 4 V O Klauseln, bei denen dies nicht der Fall ist. Die Klauseln auf der weißen Liste gemäß Art 3 VO lassen sich in drei Gruppen untergliedern. Diesen drei Gruppen noch vorangestellt wird eine Verpflichtung, die, wie viele in Art 4 V O genannte, der Aufrechterhaltung des guten Images der Vertragsware dient: Der Händler darf verpflichtet werden, Änderungen nur auf ausdrücklichen Wunsch des Endverbrauchers an einem von diesem erworbenen Fahrzeug vorzunehmen (Nr 1). Von den drei Gruppen ist diejenige zu den Untervertriebs- und -kundendienstverträgen einfach (Nr 6, 7): Der Händler kann verpflichtet werden, solche nur mit Zustimmung (und natürlich nur in seinem Gebiet) einzugehen und dann auch die Pflichten, denen er selbst nach der Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen wirksam unterworfen wurde, weiterzugeben. Ersteres ist in Art 5 I Nr 2 lit. a V O dahingehend modifiziert, daß die ganze Freistellung entfällt, wenn der Lieferant seine Zustimmung zu diesbezüglichen Vertragsschlüssen und -änderungen willkürlich versagt. Und auch die Weitergabe der Bindung ist nicht nur möglich, sondern beim unentgeltlichen Kundendienst und Rückruf sogar Voraussetzung für die Freistellung (Art 5 I Nr 1 lit. b VO). Die beiden anderen Gruppen betreffen Wettbewerbssituationen: Wettbewerb mit dem Hersteller (Nr 2 - 5 ) bzw Wettbewerb des Händlers in fremden Vertragsgebieten (Nr 8-11). 11 Alleinbezugsvereinbarungen zugunsten des Herstellers (Nr 2 - 5 ) sind heute nur noch in deutlich engeren Grenzen freigestellt als durch die Verordnung 1 2 3 / 8 5 / E W G . Zunächst kann der Händler verpflichtet werden, selbst nicht Konkurrenzware herzustellen (Nr 2). Praktisch wichtig ist jedoch erst der Bezug von Neufahrzeugen und Ersatzteilen von Dritten und der diesbezügliche Kundendienst (Nr 3 - 5 ) . Bezug und Handel von Kraftfahrzeugen kann zu Lasten des Händlers nur bei Neufahrzeugen beschränkt werden. Gebraucht ist ein KfZ, das, wenn auch nur aufgrund einer Erstzulassung, bereits erheblich an Wert verloren hat. 2 6 Auch für Neufahrzeuge kann Markenexklusivität nicht mehr wirksam vereinbart werden sondern nur noch eine Pflicht zur Markensegregation. Diese freilich ist durchaus einschneidend: Zunächst muß jede Verwechslung (sicher) ausgeschlossen sein, es

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Creutzig, EuZW 1996, 197 (198); Niebling, Recht des Automobilvertriebs, S 124 f; zur Abgrenzung von bloßen Tageszulassungen (und zu den verschiedenen Begriffsfacetten des Wortes „neu") Creutzig, EuZW 1995, 723 (724).

5.03 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen

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genügt nicht das bloße Bemühen oder eine Gestaltung, in der die große Mehrzahl der Kunden die Segregation erkennt.27 Sodann müssen sowohl Verkaufslokal als auch Geschäftsführung und Rechtspersönlichkeit getrennt sein; selbst wenn eine Mauer innerhalb eines Gebäudes ausreichen sollte28 und mit Trennung der Rechtspersönlichkeit eigentlich Trennung der Firmen gemeint ist, also die Führung zweier Finnen ausreicht, wird man doch bei der Geschäftsführung jedenfalls Personenidentität als schädlich ansehen müssen.29 Für den Einzelkaufmann bedeutet dies, daß er zwar die für den Mehrmarkenvertrieb notwendige Voraussetzung getrennter Firmenführung erfüllen könnte (§ 17 I HGB), 30 nicht jedoch diejenige getrennter Geschäftsführung. All dies gilt freilich im Ergebnis nicht ohne Ausnahme, wenn der Händler Verpflichtungen iSv Art 4 I VO eingegangen ist (Art 5 II Nr 1 VO). Weniger einschneidend sind die Anforderungen beim Kundendienst für andere Marken und beim Bezug von Ersatzteilen von anderen Herstellern. Diese Regeln werden zudem durch solche der schwarzen Liste flankiert (Art 6 I Nr 9-12 VO). Der Kundendienst für andere Marken in derselben Werkstatt darf nicht untersagt werden, nur Vereinbarungen dahingehend sind zulässig, daß die Investitionen des Herstellers nicht für den Kundendienst anderer Marken eingesetzt werden dürfen. Kaum erfüllbar ist dieses Kriterium etwa bei allgemeinen, nicht markenspezifischen Schulungen von Personal, wenn dieses nicht nach Marken getrennt eingesetzt wird. Von den Lockerungen der Bezugsbindung nach Nr 3 und 4 können also vor allem Händler mit finanzstärkerer Organisation profitieren.31 Hingegen kann beim Bezug von Ersatzteilen von dritten Herstellern nur verlangt werden, daß die Qualität die gleiche ist, was der Gemeinschaftsgesetzgeber zudem bei Identteilen selbst bereits bejaht.32 Damit sollen das Interesse an Belebung des Intra-Brand-Wettbewerbs und Sicherheitsinteressen in bestmögliche Konkordanz gebracht werden.33 Den Wettbewerb zwischen Händlern betreffen Nr 8-11. Während bisher jeder 12 Wettbewerb, der über die bloß passive Liefertätigkeit hinausging, auf fremdem Vgl hierzu Creutzig, EuZW 1995, 723 (724 f); Ebenroth / Lange / Mersch, EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Kraftfahrzeuge, Rn 55. 28 Creutzig, EuZW 1995, 723 (725); zweifelnd Ebenroth / Lange / Mersch, EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Kraftfahrzeuge, Rn 53; zur Trennung in der Praxis: Coumes, EBLR 1996, 31 (32). 2 9 Ebenso Bach, WuW 1995, 5 (14 f); Ebenroth / Lange /Mersch, EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Kraftfahrzeuge, Rn 54; wohl für bloße Firmensegregation: Creutzig, EuZW 1995, 723 (725); aA ders, EuZW 1996,197 (199). Der Gemeinschaftsgesetzgeber begnügte sich jedenfalls nicht mit getrennter Bilanzierung. 3 ° KG JW 1936, 1680; BGH NJW 1991, 2023 (2024). Bach, WuW 1995, 5 (15); Creutzig, EuZW 1995, 723 (725). Zu dieser Tendenz der Reform genereller: ders aaO 725 f. 3 2 8. Erwägungsgrund der Präambel; Ebel, BB 1995, 1701 (1701); Ebenroth / Lange, EWS 1995, 329 (332); krit Niebling, Recht des Automobilvertriebs, S 140; zur Beweislast für die Frage der Gleichwertigkeit in den anderen Fällen: einerseits Creutzig, EuZW 1995, 723 (726); Ebel aaO; andererseits Ebenroth / Lange aaO. 33 8. Erwägungsgrund der Präambel; auch: Bach, WuW 1995, 5 (17 f); Ebenroth / Lange / Mersch, EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Kraftfahrzeuge, Rn 102 f. 27

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Vertragsgebiet untersagt werden konnte, können heute zwar noch immer Niederlassungen und die Unterhaltung von Auslieferungslagern verboten werden, von der aktiven Werbung jedoch nur die personalisierte, nicht die generelle, vor allem über Anzeigen.34 Untersagt werden können sodann die Erteilung eines (Unter-)Auftrags für Vertrieb und Kundendienst in fremdem Vertragsgebiet (für das eigene Vertragsgebiet vgl Nr 6) und Tätigkeiten, die vor allem in fremdem Vertragsgebiet Wirkung zeitigen. Die Relation des Werts von KfZ zu den Kosten der Überführung bringt es mit sich, daß eine Lieferung an Wiederverkäufer, die nicht Endverbraucher sind und denen Beschränkungen der aktiven Verkaufspolitik in fremden Vertragsgebieten nicht wirksam auferlegt werden können, zum massenweisen Eindringen der Ware in die Vertragsgebiete mit höheren Preisen führt. Solch einer Relativierung jeglichen Gebietsschutzes kann nach Nr 10 und 11 entgegengewirkt werden. Nur für Ersatzteile kann ein Verkauf an Dritte, die nicht Teil des Vertriebsnetzes sind, nicht wirksam untersagt werden, und auch dies nur, wenn sie diese für Reparaturzwecke verwenden. Der Verkauf an Endverbraucher, auch wenn sie die Absicht haben, die Ware zu exportieren, und an andere Vertragshändler darf demgegenüber nicht beschränkt werden. Ersteres gilt auch, wenn die Endverbraucher einen Vermittler einschalten, freilich mit der Kautele, daß diese, um nicht die Regelung in Nr 10 lit. a umgehen zu können, einen schriftlichen Vertrag vorlegen müssen. Dieser muß zwar die Gattung spezifizieren, nicht jedoch ein individuelles KfZ. Die Belieferung sogenannter grauer Importeure kann also noch immer untersagt werden. 13 Die Klauseln auf der weißen Liste nach Art 4 VO werden von der Kommission als regelmäßig nicht wettbewerbsbeschränkend angesehen. Dies trifft für die Bemühenspflichten, die zudem der Aufrechterhaltung von Qualitätsstandards beim normalen Absatz und bei Rückrufaktionen dienen, regelmäßig zu (Art 4 I Nr 1 und 6 VO). Gleiches gilt für die Pflicht, die Organisation des Herstellers zu entlasten, indem nur zu bestimmten Zeiten bestellt wird (Nr 2). Alle anderen Nummern betreffen demgegenüber direkt oder indirekt das Verhältnis des Herstellers zu konkurrierenden Kfz- oder Ersatzteil-Hersteilem. Die Verpflichtung auf Absatzzahlen, Bevorratungspflichten oder die Pflicht, Vorführwagen vorzuhalten (Nr 3-5), können bei entsprechender Ansetzung die Kapazitäten des Händlers erschöpfen. 35 Insoweit wurde das einseitige Recht des Herstellers, Zahlen festzusetzen, ersetzt durch die Pflicht, Einvernehmen zu erzielen oder einen sachverständigen Dritten einzuschalten. Die Kriterien, nach denen dieser entscheidet, sind jedoch nicht immer hilfreich: So sind bei neuen Modellen frühere Verkaufszahlen nicht vorhanden und Schätzungen häufig sehr unsicher.36 Außerdem

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Bach, WuW 1995, 5 (17); Ebel, BB 1995,1701 (1702); Ebenroth /Lange, EWS 1995, 329 (333); Friedrichs, Der selektive Vertrieb, S 177; Niebling, Recht des Automobilvertriebs, S 145 f; Schütz, in: GK Einf Rn 36 („Komm-Kunden"); Bsp für personalisierte Werbung finden sich im 9. Erwägungsgrund der Präambel; auch Creutzig, EuZW 1995, 723 (726); zu Zielsetzung und möglichen Auswirkungen Coumes, EBLR 1996, 31 (32 seq). Ebel, BB 1995, 1701 (1702); Friedrichs, Der selektive Vertrieb, S 176. Ebenroth / Lange, EWS 1995, 329 (332) (mit weiteren Bsp).

5 . 0 3 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbaningen

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wurde die Festsetzung durch den Dritten in der Diskussion um die Verordnung meist eher als ein Instrument zu mehr Vertragsgerechtigkeit angesehen, 37 weniger als ein Instrument der Steuerung von wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen, die andere Hersteller treffen. Ebenfalls Wettbewerbseffekte kann die Pflicht haben, auf den Einbau von Ersatzteilen hinzuweisen, die nicht der Hersteller geliefert hat - in genereller Form vor Einbau und in individualisierter Form nach einem Einbau (Nr 8, 9). Die Kommission geht offensichtlich davon aus, daß die Verpflichtung zur Information über diese Punkte nicht wettbewerbsbeschränkend wirkt, weil sie unlauterkeitsrechtliches Gedankengut befördert.

c) Bedingungen für die Freistellung Weitgehend gleich geblieben sind die Bedingungen für die Anwendbarkeit der 14 Verordnung (Art 5 VO), das positiv formulierte Pendant zur schwarzen Liste. Wie bei Klauseln der schwarzen Liste führt die Nichtbeachtung der Vorgaben zum gänzlichen Entfall der Freistellung. Beim Lieferanten sind Verhaltenspflichten aufgeführt, die nicht in den Vertrag aufgenommen werden müssen, sondern deren Verstoß während Durchführung der Vereinbarung zum Wegfall der Freistellungswirkung führen. Beim Händler sind hingegen Verpflichtungen aufgeführt, die eingegangen werden müssen, also in die Vereinbarung aufgenommen werden müssen, da die Gruppenfreistellungsverordnung an sich nur Vertragsklauseln für wirksam erklärt, nicht diese ersetzt. 38 Die notwendigen Verpflichtungen des Händlers (Art 5 I Nr 1 VO) dienen der 15 Effektivierung des Intra-Brand-Wettbewerbs, insbesondere der Möglichkeit von Parallelimporten. Unentgeltlichen Kundendienst (auch bei Rückruf) hat der Händler nicht nur für KfZ, die in seinem Gebiet abgesetzt wurden, sondern für jedes KfZ, das im Gemeinsamen Markt abgesetzt wurde, zu leisten, desgleichen entgeltliche Instandsetzung. 39 Der für die Weiternutzung des KfZ notwendige laufende Service wird also allen Kunden im Gemeinsamen Markt - auch bei Umzug oder Weiterverkauf oder Kauf von EG-Importen - überall im Gemeinsamen Markt gewährleistet. Ersteres gilt auch gegenüber Untervertriebshändlern und -kundendienstleistern. Daß diese regelmäßig auch entgeltliche Reparaturen ausführen, liegt in ihrem eigenen Interesse. Die stets geltenden notwendigen Verpflichtungen des Lieferanten (Art 5 I Nr 2 16 VO) enthalten zunächst zwei Willkürverbote: bei der Entscheidung über die Zustimmung zu Untervertriebs- oder -kundendienstverträgen und bei der Entscheidung über Mindestanforderungen und Vorausschätzungen, die im Rahmen von Art 4 I V O nötig sind. Im ersten Bereich ist die Anwendung des Willkürverbots zwar manchmal nicht sicher vorherzusehen und die Sanktion - Wegfall der ge37

E t w a Pfeffer, N J W 1 9 9 6 , 6 8 1 (683 f). E u G H 18. 12. 1 9 8 6 - Rs 1 0 / 8 6 (VAG /Magne), Slg 1 9 8 6 , 4 0 7 1 ( 4 0 8 8 ) ; Creutzig, E u Z W 1 9 9 5 , 7 2 3 (728). An E u G H 13. 1. 1 9 9 4 - Rs C - 3 7 6 / 9 2 (Metro / Cartier), Slg 1 9 9 4 , 1 - 1 5 ( 3 8 - 4 0 ) hat sich allerdings der Streit entzündet, ob dies auch gilt, wenn der Kunde das KfZ von einem nichtautorisierten Wiederverkäufer bezogen hat; dazu Creutzig, E u Z W 1 9 9 5 , 7 2 3 (726).

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

samten Freistellungswirkung - erheblich, angesichts des einseitigen Entscheidungsrechts des Lieferanten jedoch zu rechtfertigen. Zur Absicherung des Lieferanten sollte die Regel jedoch in der Tat auf Mißbrauchsfälle beschränkt bleiben. Im zweiten Bereich kann eine Entscheidung ohnehin nur einvernehmlich oder durch sachverständigen Dritten erfolgen. Die Sanktion ist dann nur bei Ungleichbehandlung von Händlern sinnvoll, die auch darin liegt, daß ein Händler günstige Konditionen rasch konzediert bekommt, ein anderer erst im streitigen Verfahren. Die beiden anderen Verpflichtungen des Lieferanten nach dieser Vorschrift sind demgegenüber tatbestandsmäßig präzise gefaßt und flankieren bereits angesprochene Grundsätze: Die Öffnung für Konkurrenz im Reparatursektor (vgl vor allem Art 3 Nr 10 lit. b sowie Art 6 I Nr 11, 12 V O ) soll nicht faktisch dadurch unterlaufen werden, daß Rabatte anhand der Gesamtumsätze des Händlers und Kundendienstleistenden berechnet werden. Die Reparaturwerkstatt außerhalb des Vertriebsnetzes könnte deutlich geringere Rabatte allein bezogen auf die Ersatzteile erhalten, auch wenn sein Ersatzteilbezug umfangmäßig denjenigen eines Vertragshändlers erreichte. Daher sind bei der Rabattberechnung mindestens drei Töpfe zu bilden (Art 10 I Nr 2 lit. c VO). 4 0 Die Querlieferung von Händlern an andere Händler oder an Endverbraucher in einem anderen Gebiet, die ebenfalls nicht eingeschränkt werden darf (Art 3 Nr 8 lit. b und Nr 10 lit. a V O e contrario), könnte faktisch Schaden nehmen, wenn der Händler KfZ nicht mit im Zielland üblicher Ausstattung beziehen könnte; dies soll Art 5 I Nr 2 lit. d V O verhindern. 17 Weitere Verpflichtungen des Lieferanten (Art 5 II V O ) bestehen allein unter der Voraussetzung, daß sich der Händler zu Strukturverbesserungen nach Art 4 1 V O verpflichtet hat. Zum einen wird die Lokaltrennungspflicht bei Neuwagenverkauf verschiedener Marken gelockert. Bei Vorliegen sachlicher Gründe muß der Lieferant von dieser Pflicht entbinden (Nr 1), was jedoch nach der Systematik der Verordnung die Ausnahme darstellt 41 und vom Händler positiv zu beweisen ist. Zum anderen soll sich die Strukturverbesserung, zu der der Händler verpflichtet ist, amortisieren (Nr 2). Daher wurde - und dies stellt den Unterschied dieser Norm zur Parallelnorm der Verordnung Nr 1 2 3 / 8 5 / E W G dar - die Kündigung seitens des Lieferanten erschwert. Die Mindestvertragslaufdauer bzw -kündigungsfrist beträgt fünf bzw zwei Jahre, im ersten Fall verbunden mit einer Pflicht zu frühzeitiger Benachrichtigung (Nr 3). Vom Amortisierungsgedanken her ist die Verkürzung bei Zahlung einer Entschädigung konsequent (1. Spiegelstrich). 42 Desgleichen soll eine „Probezeit" möglich sein (2. Spiegelstrich). Ausnahmen gelten bei außerordentlicher (fristloser) Kündigung und bei Umstrukturierungsmaßnahmen (einjährige Kündigungsfrist). O b die einjährige Kündigungsfrist eine

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Zur Beschreibung dieser Töpfe: Ebel, BB 1995, 1701 (1702); Ebenroth / Lange, EWS 1995, 329 (334 f). Vom Tatsächlichen her ebenso Creutzig, EuZW 1995, 723 (725); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.E, Rn 28; zur Konkretisierung Creutzig, EuZW 1996, 197 (199). Ebenrotb / Lange, EWS 1995, 329 (331); anders, allein von nationalen deutschen Strukturen her argumentierend: Creutzig, EuZW 1995, 723 (727).

5.03 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen

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Umstellung auf moderne Vertriebssysteme, etwa lean distribution, 43 in der Tat übermäßig erschwert, 4 4 ist fraglich. Jedenfalls ist eine Umstrukturierung nur en bloc, nicht etwa versuchsweise in einem kleineren Gebiet, 4 5 möglich und dies auch nur bei Einvernehmen oder unter Durchlaufung des Streitschlichtungsverfahrens. Es besteht die Gefahr, daß sich die notwendige Verkürzung der Frist nicht vollständig auswirkt, wenn nicht das Streitverfahren unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung angeschlossen wird. d) Unzulässige Klauseln (schwarze Liste) Die schwarze Liste ist in Art 61VO geregelt. Dabei entfällt die gesamte Freistel- 18 lungswirkung bei Erfüllung von Nr 1 - 5 ohne weitere Voraussetzungen und umfassend (Art 6 II 1. H S V O ) , bei Erfüllung von Nr 6 - 1 2 nur zu Lasten desjenigen, der die inkriminierte Handlung vorgenommen hat oder an ihr beteiligt war (Art 6 II 2. H S VO), nur solange die Zuwiderhandlung andauert und nur räumlich beschränkt in den Gebieten, in denen die inkriminierte Handlung Wirkung zeitigt (Art 6 III V O ) . Die schwarze Liste des Art 6 I V O ist demnach in zwei Gruppen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen unterteilt, wobei in der zweiten Gruppe das Alles-oder-nichts-Prinzip im Ergebnis etwas abgemildert erscheint. Art 6 I Nr 1 - 5 V O betrifft wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen. Aus 19 Nr 3 und dem Fehlen eines Widerspruchsverfahrens ergibt sich, daß die Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen keine grauen Klauseln kennt: Alle (wettbewerbsbeschränkenden) Klauseln, die nicht auf der weißen Liste zu finden sind, lassen die Freistellungswirkung zwingend und umfassend entfallen (Nr 3). Gleiches gilt, wie bei den anderen Gruppenfreistellungsverordnungen zum Vertrieb, bei Vereinbarungen zwischen konkurrierenden Herstellern, wobei die einseitige Beauftragung (unabhängig von Größenkriterien) ausreicht (Nr 1). Auch die Erstreckung der Vereinbarung auf Gegenstände (Waren und Dienstleistungen), für die die Verordnung keine Freistellung enthält, oder eine Vereinbarung zu diesen Gegenständen läßt die Freistellungswirkung insgesamt entfallen (Nr 2). Gemeint sein kann freilich nur eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung zu diesen Gegenständen. Bereits gesagt wurde, daß nach Nr 4 die Gruppenfreistellungsverordnungen Alleinvertriebsvereinbarungen und Alleinbezugsvereinbarungen (5.01, 5.02) im KfZ- und Ersatzteil-Vertrieb im Ergebnis nicht über die Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen hinausgehend mit Freistellungswirkung eingreifen. Die wirtschaftlich unabhängige Stellung der Händler sollte durch Nr 5 neu gestärkt werden, 4 6 nach dem

43

44 45

46

Dazu Ebenroth, Herausforderungen für das internationale Wirtschaftsrechts, RIW 1994, 1 (10-12); Ebenroth /Lange /Mersch, EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Kraftfahrzeuge, Rn 3, 11, 14, 79 und 207; Groves, ECLR 1995, 98 (103). So Ebenroth /Lange, EWS 1995, 329 (331). Creutzig, EuZW 1995, 723 (727); vgl auch Pfeffer, NJW 1996, 681 (685) (jedenfalls in einem „wesentlichen Teil"). Creutzig, EuZW 1995, 723 (731); Ebel, BB 1995, 1701 (1703); Groves, ECLR 1995, 98 (101); Pfeffer, NJW 1996, 681 (683).

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Vorbehalte zugunsten des Lieferanten, einseitig das Vertragsgebiet oder den darin tätigen Kreis der Vertragshändler verändern zu dürfen, die Freistellungswirkung entfallen lassen.

20 Die inkriminierten Handlungsweisen einer Vertragsseite sind in Art 6 I Nr 6-12 VO aufgelistet. Dies gilt zunächst für die in allen Gruppenfreistellungsverordnungen zu findende Klausel zu Preisen (Nr 6). Die übrigen Klauseln betreffen

die Gebietsabschottung zwischen Vertriebshändlern (Nr 7 und 8; vgl auch Art 3 Nr 8-11, Art 5 I Nr 1, Nr 2 lit. d VO) und die Konkurrenz bei Ersatzteilvertrieb und Kundendienst (Nr 9-12; vgl auch Art 3 Nr 3, 4, Art 4 I Nr 7-9, Art 5 I Nr 2 lit. c VO).

Werden Erwerb und/oder Weiterverkauf durch Endverbraucher und andere Vertragshändler bzw der Erwerb durch beauftragte Vermittler beschränkt, führt dies zum Wegfall der Freistellungswirkung, es sei denn der Endverbraucher verkauft kommerziell weiter (Nr 7). Der Anreiz zu Querlieferungen würde gemindert, könnte der Aufwand des Händlers je nach Wohnsitz des Kunden und Bestimmungsort unterschiedlich hoch festgesetzt werden, für einen Händler in einem Billigland etwa höher (durch Versagung eines zusätzlichen Entgelts), wenn Bestimmungsland ein Hochpreisland ist (Nr 8). Sachlich gerechtfertigt ist allein die Berechnung von Entgelten nach entstandenen Kostenfaktoren. Die Nivellierung der Preise in den verschiedenen Ländern durch Ausbau der Querlieferungsmöglichkeiten ist ein zentrales Ziel der Neuregelung, was sich an der Aufnahme einer Reihe von Regeln, die die mittelbare Behinderung von Querlieferungen unterbinden sollen, ebenso zeigt wie an der neuerlichen Aufnahme eines diesbezüglichen Rücknahmegrundes in Art 8 Nr 2 VO. Zu erwarten ist, daß es in Zukunft bei Anwendung dieser Norm nicht mehr nur bei Mahnungen bleibt. 47 Die sonstigen Nummern betreffen Ersatzteilhandel und Kundendienst, wobei Nr 9 nur das Korrelat zu Art 3 Nr 5 V O darstellt, also angesichts von Art 6 1 Nr 3 V O überflüssig erscheint, und Nr 10 nur die Kehrseite der Medaille aus Sicht des konkurrierenden Ersatzteilverkäufers darstellt: Der Kauf und Verkauf von qualitativ gleichwertigen Ersatzteilen darf auch nicht mittelbar beschränkt werden. Die Grundidee möglichst großen Wettbewerbs auf dem Ersatzteil- und Kundendienstmarkt erscheint unter dem Gesichtspunkt überzeugend, daß nach KfZKauf der Inter-Brand-Wettbewerb eingeschränkt ist - auch ein KfZ mit Reparaturbedarf wird nicht allzu leicht gegen eines einer anderen Marke eingetauscht. Daher muß für die Transaktionen nach Neuwagenkauf, vor allem für den Kundendienst, der Intra-Brand-Wettbewerb gestärkt werden. Der Widerspruch zur Grundkonzeption der Vorgängerverordnung soll damit freilich nicht geleugnet werden. 48 Die offen sichtbare Anbringung von Marken der Teilehersteller (Nr 11) dient Reparaturwerkstätten außerhalb des Vertriebsnetzes bei der Suche nach dem richtigen Ersatzteil. 49 Weitere Information sollen diese aufgrund von Nr 12

« Ebenroth / Lange, EWS 1995, 3 2 9 (334 f); Pfeffer, NJW 1996, 681 (685). 48 49

Vgl oben Rn 3. Ebel, BB 1995, 1701 (1703 f); Ebenroth / Lange, EWS 1995, 3 2 9 (331 f); Veelken, in: lmmenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.E, Rn 37.

5.03 Gruppenfreistellungsverordnung KíZ-Vertriebsvereinbarungen

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erhalten. Die Weitergabepflicht von für die Reparatur notwendiger Information ist hier freilich nicht nur unter Entgeltsvorbehalt gestellt, sondern auch eingeschränkt: Der Gegenstand von geistigem Eigentum und geheimes Know-how darf nur nicht in mißbräuchlicher Weise vorenthalten werden, also nicht willkürlich diskriminierend50 oder, wenn Entwertung nicht zu befürchten ist. Außerdem könnte der Hersteller einem Informationssystem gegenüber durchaus die Herausgabe verweigern, etwa der Deutschen Automobil Treuhand GmbH (DAT) gegenüber, die Reparaturwerkstätten mit notwendigen technischen Informationen versorgt. e) Verbliebene Regelungslücken Für die erfaßten Gegenstände (Vertrieb von KfZ, von Ersatzteilen und Kunden- 21 dienst) sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen umfassend und sehr detailliert geregelt. Auch für nicht erfaßte Gegenstände ergeben sich keine Regelungslücken: Diesbezüglich dürfen zwar isoliert Vereinbarungen getroffen werden, die dann nach anderen Gruppenfreistellungsverordnungen freigestellt sein mögen. Diesbezügliche Vereinbarungen im Verbund mit solchen zum Vertrieb von KfZ, von Ersatzteilen und Kundendienst lassen demgegenüber die Freistellungswirkung der Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen umfassend entfallen. Die Rechtsfolge ist die gleiche wie in den Fällen, in denen es an einer Nennung in 22 der weißen Liste fehlt (vgl Art 6 Nr 3 VO): Solange keine Einzelfreistellung beantragt ist, bleibt die nationale Behörde frei, die Vereinbarung sowohl nach Gemeinschaftsrecht als auch nach nationalem Recht zu untersagen. Anders ist dies nur bei nicht genannten Abreden, die nicht wettbewerbsbeschränkend wirken.

B. Fundstellenverzeichnis Grundlage: Art 85 III, 87 EGV iVm Verordnung des Rates 19/65/EWG (Fund- 2 3 stelle oben § 8 Einl Fn 42) Betr: Freistellung von Klauseln in KfZ-Vertriebs- und Kundendienstverträgen, die dem Vertragshändler einen nicht absoluten Gebietsschutz verschaffen und ihm ein beschränktes Wettbewerbsverbot sowie Förderungspflichten auferlegen Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1995 L 145/25 - ursprünglicher Vorschlag vom 31. 12. 1994 (Veröffentlichung) AB1EG 1994 C 379/16

50 Creutzig, EuZW 1995, 723 (729 f); Ebel, BB 1995, 1701 (1704); Ebenroth / Lange, EWS 1995, 329 (333); Veelken, in: Immenga /Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.E, Rn 38.

Verordnung der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (1475/95/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, gestützt auf die Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates vom 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen!1), zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, Insbesondere auf Artikel 1, nach Veröffentlichung des Verordnungsentwurfs«), nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Nach der Verordnung Nr. 19/65/EWG ist die Kommission ermächtigt, durch Verordnung Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf bestimmte unter Artikel 85 Absatz 1 fallende Gruppen von zweiseitigen Vereinbarungen anzuwenden, in denen sich ein Vertragspartner dem anderen gegenüber verpflichtet, zum Zweck des Weiterverkaufs innerhalb eines abgegrenzten Gebietes des Gemeinsamen Marktes bestimmte Waren nur an ihn zu liefern. Aufgrund der mit der Bearbeitung von zahlreichen Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen des Kraftfahrzeugsektors gewonnenen Erfahrungen läßt sich eine Gruppe von Vereinbarungen bestimmen, für die die Voraussetzungen des Artikel 85 Absatz 3 Im allgemeinen als erfüllt angesehen werden können. Es handelt sich um Vereinbarungen von bestimmter oder unbestimmter Dauer, in denen der liefernde den weiterverkaufenden Vertragspartner damit betraut, Vertrieb und Kundendienst für bestimmte Waren des Kraftfahrzeugsektors in einem bestimmten Gebiet zu fördern, und in denen der Lieferant sich gegenüber dem Händler verpflichtet, im Vertragsgebiet außer ihn nur l«

ABl. Nr. 36 vom 6. 3. 1965, S. 533/65.

«I

ABI. Nr. C 379 vom 31. 12. 1994, S. 16.

eine begrenzte Anzahl von Unternehmen des Vertriebsnetzes mit Vertragswaren zum Zwecke des Weiterverkaufs zu beliefern. Um die Anwendung dieser Verordnung zu erleichtern, ist in Artikel 10 eine Reihe von Begriffen definiert. (2) Die in den Artikeln 1 bis 3 genannten Verpflichtungen bezwecken oder bewirken Verhinderungen, Einschränkungen oder Verfälschungen des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes und sind geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen; gleichwohl kann das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages auf diese Verpflichtungen - unter einschränkenden Voraussetzungen - nach Artikel 85 Absatz 3 für nicht anwendbar erklärt werden. (3) Die Anwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages auf Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen des Kraftfahrzeugsektors ergibt sich daraus, daß die in den Artikeln 1 bis 4 dieser Verordnung genannten Wettbewerbsbeschränkungen und Verpflichtungen im Rahmen des Vertriebssystems eines Herstellers in der Regel für den gesamten Gemeinsamen Markt in gleicher oder ähnlicher Form vereinbart werden. Die Kraftfahrzeughersteller erfassen den gesamten Gemeinsamen Markt oder wesentliche Teile desselben durch ein Netz von Vereinbarungen mit gleichartigen Wettbewerbsbeschränkungen und beeinträchtigen auf diese Weise nicht nur den Vertrieb und Kundendienst innerhalb der Mitgliedstaaten, sondern auch den Handel zwischen ihnen. (4) Die Regelungen über ausschließlichen und selektiven Vertrieb können im Kraftfahrzeugsektor als rationalisierend und unerläßlich angesehen werden, weil Kraftfahrzeuge längerlebige bewegliche Verbrauchsgüter sind, die regelmäßig oder zu unvorhersehbaren Zeitpunkten und nicht immer an demselben Ort fachkundiger Wartung und Instandsetzung bedürfen. Die Kraftfahrzeughersteller arbeiten mit ausgewählten Händlern und Werkstätten zusammen, um einen auf das jeweilige Produkt zugeschnittenen Kundendienst zu ge-

5.03 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen währleisten. Eine so gestaltete Zusammenarbeit kann schon aus Gründen der Kapazität und Wirtschaftlichkeit nicht auf eine unbegrenzte Zahl von Händlern und Werkstätten ausgedehnt werden. Die Verknüpfung von Kundendienst und Vertrieb ist als wirtschaftlicher anzusehen als die Trennung in eine Vertriebsorganisation für Neufahrzeuge einerseits und eine Kundendienstorganisation mit Ersatzteilvertrieb andererseits, zumal der Auslieferung des an den Verbraucher verkauften Neufahrzeugs eine gemäß den Anweisungen des Herstellers durchgeführte technische Überprüfung durch das Unternehmen des Vertriebsnetzes vorausgehen muß. (5) Vertriebsbindungen sind für einen wirtschaftlichen Vertrieb nicht in jeder Beziehung unerläBlich. Es ist deshalb vorzusehen, daB die Lieferung von Vertragswaren an Wiederverkäufer dann nicht untersagt werden kann, wenn sie -

dem gleichen Vertriebsnetz angehören (Artikel 3 Nummer 10 Buchstabe a)) oder - Ersatzteile kaufen, um sie bei Reparaturen oder Wartungsarbeiten selbst zu benutzen (Artikel 3 Nummer 10 Buchstabe b)). Einer Freistellung nach dieser Verordnung stehen Maßnahmen des Herstellers und der Unternehmen seines Vertriebsnetzes nicht entgegen, die den Schutz des selektiven Vertriebssystems bezwecken. Das gilt insbesondere für die Verpflichtung des Händlers, Endverbrauchern, die einen Vermittler eingeschaltet haben, Fahrzeuge nur zu verkaufen, wenn sie den Vermittler bevollmächtigt haben (Artikel 3 Nummer 11). (6) Großhändler, die außerhalb des Vertriebsnetzes stehen, müssen vom Weiterverkauf der vom Kraftfahrzeughersteller stammenden Teile ausgeschlossen werden können. Es ist anzunehmen, daß dieses für den Verbraucher günstige System, das eine schnelle Verfügbarkeit von Ersatzteilen des gesamten Vertragsprogramms und damit auch der sich nur langsam umsetzenden Teile gewährleistet, ohne die Vertriebsbindung nicht aufrechterhalten werden könnte. (7) Das Wettbewerbsverbot kann insoweit freigestellt werden, als es den Vertragshändler nicht daran hindert, Kraftfahrzeuge anderer Marken in einer Weise zu vertreiben, die jede Verwechslung der Marken ausschließt (Artikel 3 Nummer 3). Die Verpflichtung, den Verkauf von Erzeugnissen anderer Hersteller nur in getrennten Verkaufslokalen unter getrennter Geschäftsführung zu betreiben, in Verbindung mit der allgemeinen Verpflichtung, eine Verwechslung der Marken zu vermeiden, wahrt die Markenausschließlichkeit in jedem Verkaufslokal. Die letztgenannte Verpflichtung hat der Händler nach Treu und

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Glauben in der Weise zu erfüllen, daß eine Täuschung der Verbraucher sowie unlautere Wettbewerbshandlungen des Händlers gegenüber den Lieferanten von Erzeugnissen konkurrierender Marken in den Bereichen der Werbung, des Verkaufs und des Kundendienstes unterbleiben. Um die Wettbewerbskraft konkurrierender Erzeugnisse zu erhalten, muß sich die getrennte Geschäftsführung der verschiedenen Verkaufslokale In einer getrennten Rechtspersönlichkeit äußern. Eine solche Verpflichtung stärkt die Bemühungen des Händlers um den Absatz und Kundendienst von Vertragswaren und fördert damit auch den Wettbewerb zwischen diesen Vertragswaren und den Konkurrenzerzeugnissen. Diese Bestimmungen hindern den Vertragshändler nicht daran, in derselben Werkstatt Kundendienst- und Reparaturleistungen für Kraftfahrzeuge konkurrierender Marken anzubieten und auszuführen; dieser kann jedoch verpflichtet werden, dafür zu sorgen, daß kein Dritter unberechtigt Nutzen aus Investitionen ziehen kann, die von dem Lieferanten erbracht wurden (Artikel 3 Nummer 4). (8) Wettbewerbsverbote können nicht in jeder Hinsicht als für einen wirtschaftlichen Vertrieb unerläBlich angesehen werden. Die Händler müssen die Freiheit haben, Teile, die den vom Lieferanten angebotenen qualitativ entsprechen, bei Dritten zu beziehen, zu verwenden und weiterzuvertreiben. Es ist davon auszugehen, daß alle derselben Fertigung entstammenden Teile gleichwertig und gleichen Ursprungs sind; nötigenfalls haben die Hersteller, die den Vertriebshändlern Ersatzteile anbieten, zu bestätigen, daß diese den Teilen entsprechen, die dem Fahrzeugherstelier geliefert werden. Die Händler müssen auch weiterhin die für die Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms verwendbaren Teile, die den geforderten Qualitätsstandard erreichen oder übertreffen, frei auswählen können. Durch diese Begrenzung des Wettbewerbsverbots wird dem Interesse sowohl an der Sicherheit der Fahrzeuge als auch an der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs Rechnung getragen (Artikel 3 Nummer 5 und Artikel 4 Absatz 1 Nummern 6 und 7). (9) Die Beschränkungen, denen der Händler außerhalb des Vertragsgebiets unterliegt, führen zu verstärkten Vertriebs- und Kundendienstbemühungen in einem überschaubaren Vertragsgebiet, zu verbrauchernaher Marktkenntnis und einem bedarfsgemäßen Angebot (Artikel 3 Nummern 8 und 9). Die Nachfrage nach Vertragswaren soll aber beweglich bleiben und nicht regional begrenzt werden können. Die Händler sollen nicht nur die im Vertragsgebiet bestehende Nachfrage nach Vertragswaren befriedigen dürfen, son-

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

dem auch diejenige, welche von Personen und Unternehmen in anderen Gebieten des Gemeinsamen Marktes ausgeht Der Händler darf nicht daran gehindert werden, sich mit Hilfe der Werbung an Nachfrager außerhalb des Vertragsgebiets zu wenden, weil dadurch seine Verpflichtung zu besserer Absatzförderung im Vertragsgebiet nicht beeinträchtigt wird. Zu den zulässigen Werbemitteln zählt jedoch nicht der direkte, persönliche Kontakt mit dem Kunden, sei es in Form von Hausbesuchen, Telefonanrufen, Mitteilungen über sonstige Informationssysteme oder individuellen Schreiben. (10) Im Interesse der Rechtssicherheit der Unternehmen ist es angezeigt, einige Verpflichtungen des Händlers aufzuführen, die einer Freistellung nicht entgegenstehen; sie betreffen die Einhaltung von Mindestanforderungen für Vertrieb und Kundendienst (Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1), die Regelmäßigkeit der Bestellungen (Artikel 4 Absatz 1 Nummer 2), die Erfüllung der von den Vertragspartnern vereinbarten oder bei fehlendem Einvernehmen durch einen sachverständigen Dritten festgesetzten Mengenvorgaben für Verkauf und Lagerhaltung (Artikel 4 Absatz 1 Nummern 3 bis 5) und die Einzelheiten des Kundendienstes (Artikel 4 Absatz 1 Nummern 6 bis 9). Diese Verpflichtungen stehen in einem sachlichen Zusammenhang mit den in den Artikeln 1 bis 3 aufgeführten Verpflichtungen und beeinflussen deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen. Sie können deshalb aus denselben Gründen wie letztere freigestellt werden, wenn sie in einem Einzelfall vom Verbot des Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erfaßt werden (Artikel 4 Absatz 2). (11) Gemäß der Verordnung Nr. 19/65/EWG sind die Voraussetzungen zu bestimmen, die erfüllt sein müssen, damit die Nichtanwendbarkeitserklärung nach dieser Verordnung wirksam werden kann. (12) Nach Artikel 5 Absatz 1 Nummer 1 Buchstaben a) und b) ist Voraussetzung für die Freistellung, daß die Unternehmen des Vertriebsnetzes Gewähr, unentgeltlichen Kundendienst und Kundendienst im Rahmen von Rückrufaktionen sowie Instandsetzung und -haltung zum sicheren und zuverlässigen Funktionieren des Kraftfahrzeugs unabhängig davon leisten, wo das Fahrzeug im Gemeinsamen Markt gekauft wurde. Dadurch soll verhindert werden, daß die Freiheit der Verbraucher beeinträchtigt wird, überall im Gemeinsamen Markt einkaufen zu können. (13) Artikel 5 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a) zielt darauf ab, einerseits dem Hersteller den Aufbau eines koordinierten Vertriebs-

systems zu ermöglichen und andererseits die Begründung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Händler und Unterhändler nicht zu beeinträchtigen. Deshalb soll sich der Lieferant für den Fall der Einsetzung von Unterhändlern durch den Händler seine Zustimmung vorbehalten, sie aber nicht willkürlich versagen können. (14) Nach Artikel 5 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b) obliegt es dem Lieferanten, keine Anforderungen nach Artikel 4 Absatz 1 zu stellen, durch die ein Händler des Vertriebsnetzes diskriminiert oder unbillig behandelt würde. (15) Artikel 5 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c) bezweckt, der Konzentration der Nachfrage des Händlers auf den Lieferanten entgegenzuwirken, soweit sie auf der Gewährung kumulativer Rabatte beruht. Dadurch soll die Chancengleichheit der Anbieter von Ersatzteilen erhalten werden, deren Angebot nicht so breit wie das des Herstellers ist. (16) Artikel 5 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe d) setzt für die Gewährung der Freistellung voraus, daß der Händler in großen Serien gefertigte Personenkraftfahrzeuge für Endverbraucher im Gemeinsamen Markt mit der für ihren Wohnsitz oder den Ort der Zulassung erforderlichen Ausstattung beim Lieferanten bestellen kann, wenn der Hersteller ein dem Vertragsprogramm des Händlers entsprechendes Modell über die örtlichen Unternehmen des Vertriebsnetzes ebenfalls anbietet (Artikel 10 Nummer 10). Damit soll der Gefahr vorgebeugt werden, daß innerhalb des Gemeinsamen Marktes fortbestehende Produktunterschiede vom Hersteller oder von Unternehmen des Vertriebsnetzes zu Marktabschottungen ausgenutzt werden. (17) Artikel 5 Absatz 2 macht die Freistellung von bestimmten Mindestvoraussetzungen abhängig. Dadurch soll verhindert werden, daß der Händler wegen der ihm auferlegten Verpflichtungen in zu große wirtschaftliche Abhängigkeit vom Lieferanten gerät und Wettbewerbshandlungen, die ihm an sich freistünden, von vorneherein unterläßt, weil sie den Interessen des Herstellers oder anderer Unternehmen des Vertriebsnetzes zuwiderliefen. (18) Nach Artikel 5 Absatz 2 Nummer 1 kann sich der Händler aus sachlich gerechtfertigten Gründen der Erfüllung von zu weitreichenden Verpflichtungen nach Artikel 3 Nummer 3 widersetzen. (19) In Artikel 5 Absatz 2 Nummern 2 und 3 und Absatz 3 sind für die Freistellung Mindestvoraussetzungen hinsichtlich der Dauer und Beendigung der Vertriebs- und Kundendienstvereinbarung festgelegt, weil sich

5.03 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen die Abhängigkeit des Händlers vom Lieferanten bei kurzfristigen Vereinbarungen oder kurzfristig beendbaren Vereinbarungen erheblich erhöht, wenn er Investitionen zur Verbesserung der Struktur des Vertriebs und Kundendienstes von Vertragswaren vornimmt. Um jedoch die Entwicklung anpassungs- und leistungsfähiger Strukturen nicht zu hemmen, ist dem Lieferanten ein außerordentliches Recht auf Beendigung der Vereinbarung zuzuerkennen, falls es sich als erforderlich erweist, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzugestalten. Im Interesse einer zügigen Beilegung von Streitfällen ist die Inanspruchnahme eines sachverständigen Dritten oder Schiedsrichters vorzusehen, unbeschadet des Rechts der Vertragspartner, das nach nationalem Recht zuständig Gericht anzurufen. (20)Gemäß der Verordnung Nr. 19/65/EWG sind die Beschränkungen oder Bestimmungen festzulegen, die in den Vereinbarungen nicht enthalten sein dürfen, damit die Erklärung über die Nichtanwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages gemäß dieser Verordnung wirksam werden kann (Artikel 6 Absatz 1 Nummern 1 bis 5). Außerdem sind die Handlungen von Vertragspartnern zu bestimmen, die ohne weiteres zum Verlust des Rechtsvorteils der Freistellung führen, wenn sie planmäßig oder wiederholt begangen werden (Artikel 6 Absatz 1 Nummern 6 bis 12). (21) Wegen erheblicher Beeinträchtigung des Wettbewerbs sind Vereinbarungen, durch die sich die Kraftfahrzeughersteller untereinander mit dem Vertrieb Ihrer Waren betrauen, von der Gruppenfreistellung auszuschließen (Artikel 6 Absatz 1 Nummer 1). (22) Um zu gewährleisten, daß die Vertragsparteien die Grenzen der Anwendbarkeit dieser Verordnung beachten, sind von der Freistellung auch diejenigen Vereinbarungen auszuschließen, deren Zweck über den Bereich der Waren oder Dienstleistungen nach Artikel 1 hinausgeht oder welche mit dieser Verordnung nicht freigestellte Wettbewerbsbeschränkungen vorsehen (Artikel 6 Absatz 1 Nummern 2 und 3). (23) Die Freistellung wird auch dann nicht wirksam, wenn zwischen den Vertragspartnern für von dieser Verordnung erfaßte Waren Verpflichtungen vereinbart werden, die zwar nach den Verordnungen (EWG) Nr. 1983/ 83 und (EWG) Nr. 1984/83™ der Kommission, zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und «I

ABI. Nr. L 173 vom 30. 6. 1983, S. 1.



ABI. Nr. L 173 vom 30. 6. 1983, S. 5.

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Schwedens, über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen bzw. von Alleinbezugsvereinbarungen in der dort freigestellten Kombination von Verpflichtungen zulässig wären, die aber über den Umfang der In dieser Verordnung freigestellten Verpflichtungen hinausgehen (Artikel 6 Absatz 1 Nummer 4). (24) Um die Investitionen des Händlers zu schützen und das Umgehen der Bestimmungen über die Kündigung der Verträge durch den Lieferanten zu verhindern, ist es angebracht zu bekräftigen, daß die Freistellung nicht gilt, wenn sich der Lieferant das Recht vorbehält, während der Laufzeit eines Vertrages dessen Bestimmungen über die dem Händler eingeräumte Gebietsausschließlichkeit einseitig zu ändern (Artikel 6 Absatz 1 Nummer 5). (25)Zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf der Vertriebsstufe ist es erforderlich, vorzusehen, daß der Hersteller oder Lieferant den Vorteil der Freistellung verliert, wenn er die Freiheit des Händlers einschränkt, seine Verkaufspreise selbst festzusetzen (Artikel 6 Absatz 1 Nummer 6). (26) In einem Binnenmarkt müssen die Verbraucher Kraftfahrzeuge an den Orten mit den günstigsten Preisen und Bedingungen kaufen und auch weiterverkaufen können, vorausgesetzt daß dieser Weiterverkauf nicht gewerbsmäßig durchgeführt wird. Die Vorteile dieser Verordnung dürfen deshalb nicht Herstellern oder Lieferanten gewährt werden, die Paralleleinfuhren durch Maßnahmen gegenüber Verbrauchern, bevollmächtigten Vermittlern oder Unternehmen des Vertriebsnetzes behindern Artikel 6 Absatz 1 Nummern 7 und 8). (27) Um im Interesse der Verbraucher einen wirksamen Wettbewerb auf den Märkten der Wartungs- und Reparaturdienste zu gewährleisten, muß denjenigen Herstellern und Lieferanten die Freistellung verweigert werden, die den Marktzutritt der unabhängigen Hersteller und Händler von Ersatzteilen behindern oder welche die Freiheit der dem Vertriebsnetz angehörenden oder der unabhängigen Wiederverkäufer oder Reparaturunternehmen beschränken, Teile zu kaufen oder zu verwenden, welche den Qualitätsstandard der Originalteile erreichen. Das Recht des Händlers, Ersatzteile einer entsprechenden Qualität von dritten Unternehmen seiner Wahl zu beziehen, wie auch umgekehrt das Recht dieser Unternehmen, die erwähnten Erzeugnisse an Wiederverkäufer ihrer Wahl zu liefern, sowie ihre Freiheit, ihr eigenes Firmen- oder Warenzeichen anzubringen, sind unter dem Vorbehalt und im

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Einklang mit den gewerblichen Schutzrechten auszuüben, die an den Ersatzteilen bestehen (Artikel 6 Absatz 1 Nummern 9, 10 und 11). (28) Um den Verbrauchern echte Möglichkeiten der Wahl zwischen netzangehörigen und nicht dem Netz angehörigen Reparaturwerkstätten zu gewähren, müssen die Hersteller verpflichtet werden, nicht dem Vertriebsnetz angeschlossenen Reparaturunternehmen die zur Instandsetzung und -haltung von Kraftfahrzeugen ihrer Marke erforderlichen technischen Informationen zur Verfügung zu stellen; hierbei ist dem berechtigten Interesse des Herstellers Rechnung zu tragen, bei der Lizenzvergabe an Dritte selbst über die Art und Weise der Verwertung seiner geistigen Eigentumsrechte oder seines wesentlichen und geheimen und in einer geeigneten Form identifizierten technischen Wissens zu entscheiden. Allerdings darf die Ausübung dieser Rechte weder diskriminierend noch sonst mlßbräuchlich sein (Artikel 6 Absatz 1 Nummer 12). (29)Aus Gründen der Klarheit sind die Rechtsfolgen zu beschreiben, die sich aus der Nichtanwendbarkeit der Freistellung in den In dieser Verordnung vorgesehenen Fällen ergeben (Artikel 6 Absätze 2 und 3). (30)Die Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen können nach Maßgabe der Artikel 5 und 6 freigestellt werden, solange die Verpflichtungen gemäß den Artikeln 1 bis 4 zu einer Verbesserung von Vertrieb und Kundendienst für den Verbraucher führen und sowohl zwischen als auch bis zu einem gewissen Grad innerhalb der Vertriebsnetze der Hersteller im Gemeinsamen Markt wirksamer Wettbewerb fortbesteht. Für die von Artikel 1 erfaßten Gruppen von Erzeugnissen ist zur Zeit davon auszugehen, daß die Voraussetzungen für wirksamen Wettbewerb auch im Handel zwischen Mitgliedstaaten gegeben sind, so daß die europäischen Verbraucher die Vorteile dieses Wettbewerbs nutzen können. (31) Für die zum Zeitpunkt der Anwendbarkeit dieser Verordnung bestehenden Vereinbarungen, welche die Voraussetzungen der Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge'5', zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, für eine Freistellung erfüllen, ist eine Übergangsregelung vorzusehen (Artikel 7). Es ist ferner angebracht, die Beisi

ABl. Nr. L 15 vom 18. 1. 19Θ5, S. 16.

fugnis der Kommission, im Einzelfall den Vorteil der Freistellung zu entziehen oder ihre Tragweite zu ändern, näher zu erläutern und dafür einige wichtige Fallgruppen als Beispiele anzuführen (Artikel 8). Sollte die Kommission von ihrer in Artikel 8 Nummer 2 vorgesehenen Befugnis zum Entzug der Freistellung Gebrauch machen, so hat sie die Preisunterschiede zu bewerten, die nicht vorwiegend durch die einzelstaatliche Steuergesetzgebung oder durch Schwankungen der Währungsparitäten zwischen den Mitgliedstaaten verursacht werden. (32)Gemäß der Verordnung Nr. 19/65/EWG muß die Freistellung für einen bestimmten Zeitraum gewährt werden. Eine Laufzelt von sieben Jahren ist angemessen, um den Besonderheiten des Kraftfahrzeugsektors ebenso wie der voraussichtlichen Entwicklung der Wettbewerbsbedingungen in diesem Wirtschaftszweig Rechnung zu tragen. Die Kommission wird jedoch die Anwendung dieser Verordnung regelmäßig überprüfen und vor dem 31. Dezember 2000 einen Bericht über deren Funktionsweise erstellen (Artikel 11 und 13). (33)Vereinbarungen, welche die Voraussetzungen der Freistellung nach dieser Verordnung erfüllen, brauchen nicht angemeldet zu werden. In Zweifelsfällen können die Unternehmen jedoch ihre Vereinbarungen gemäß der Verordnung Nr. 17 des Rates'6·, zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, bei der Kommission anmelden. (34) Die auf die Besonderheiten eines Wirtschaftszweigs zugeschnittene Gruppenfreistellung für Vertriebsvereinbarungen über Kraftfahrzeuge schließt grundsätzlich die Anwendbarkeit der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnungen für Vertriebsvereinbarungen aus. Es ist angezeigt, diese Ausschlußwirkung im Hinblick auf die Verordnung (EWG) Nr. 4087/88 der Kommission vom 30. November 1988 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrags auf Franchisevereinbarungen"', zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, zu bestätigen; das Recht der Unternehmen, nach der Verordnung Nr. 17 eine Einzelfreistellung zu beantragen, bleibt davon unberührt. Die Verordnungen (EWG) Nr. 1983/83 und (EWG) Nr. 1984/83 ziehen der Freistellung dagegen engere Grenzen; ihre Anwendung steht den Unternehmen deshalb frei. Die Verordnungen (EWG) Nr. m

ABI. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62.

m

ABI. Nr. L 3 5 9 vom 28. 12. 1988, S. 46.

5.03 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen 417/851« und (EWG) Nr. 418/85»! der Kommission, zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, die die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen und Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung betreffen, haben einen anderen Schwerpunkt als den Vertrieb; ihre Anwendbarkeit bleibt daher unberührt. (35) Diese Verordnung greift der Anwendung von Artikel 86 des Vertrages nicht vor HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN: Artikel

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Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages wird gemäß Artikel 85 Absatz 3 unter den in dieser Verordnung genannten Voraussetzungen auf Vereinbarungen für nicht anwendbar erklärt an denen nur zwei Unternehmen beteiligt sind und in denen sich ein Vertragspartner dem anderen gegenüber verpflichtet, zum Zwecke des Weiterverkaufs bestimmte zur Benutzung auf öffentlichen Wegen vorgesehene neue drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge sowie in Verbindung damit deren Ersatzteile innerhalb eines abgegrenzten Gebietes des Gemeinsamen Marktes 1. nur an ihn oder 2. nur an ihn und eine bestimmte Anzahl von Unternehmen des Vertriebsnetzes zu liefern. Artikel

2

Die Freistellung gilt auch, wenn die in Artikel 1 genannte Verpflichtung mit der Verpflichtung des Lieferanten verbunden ist, innerhalb des Vertragsgebiets keine Vertragswaren an Endverbraucher zu vertreiben und dafür keinen Kundendienst zu leisten. Artikel

3

Die Freistellung gilt auch, wenn die in Artikel 1 genannte Verpflichtung mit der Verpflichtung des Händlers verbunden ist, 1. ohne Zustimmung des Lieferanten Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren nicht zu verändern, es sei denn, die Änderung erfolgt im Auftrag eines Endverbrauchers und betrifft ein von diesem gekauftes Kraftfahrzeug des Vertragsprogramms; 2. mit Vertragswaren im Wettbewerb stehende Waren nicht herzustellen; I») ABl. Nr. L 53 vom 22. 2. 1985, S. 1. »)

ABI. Nr. L 53 vom 22. 2. 1985, S. 5.

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3.von anderen als dem Hersteller angebotene Neufahrzeuge nur in räumlich getrennten Verkaufslokalen unter getrennter Geschäftsführung mit eigener Rechtspersönlichkeit und in einer Weise zu vertreiben, die eine Verwechslung der Marken ausschließt; 4.bei Arbeiten im Rahmen des Kundendienstes, die in einer gemeinsamen Werkstatt ausgeführt werden, dafür zu sorgen, daß kein Dritter unberechtigt Nutzen aus Investitionen zieht, die von dem Lieferanten insbesondere bezüglich der Ausstattung der Werkstatt oder der Ausbildung des Personals erbracht wurden; 5.Ersatzteile, die mit Vertragswaren im Wettbewerb stehen und den Qualitätsstand der Vertragswaren nicht erreichen, weder zu vertreiben noch bei der Instandsetzung oder haltung von Vertragswaren oder ihnen entsprechenden Waren zu verwenden; 6.ohne Zustimmung des Lieferanten mit innerhalb des Vertragsgebiets tätigen Unternehmen keine Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren zu schließen und getroffene Vereinbarungen dieser Art nicht zu ändern oder zu beenden; 7. Unternehmen, mit denen er Vereinbarungen gemäß Nummer 6 getroffen hat, Verpflichtungen der gleichen Art aufzuerlegen, die er gegenüber dem Lieferanten übernommen hat und die den Artikeln 1 bis 4 entsprechen sowie mit den Artikeln 5 und 6 in Einklang stehen; 8.auBerhalb des Vertragsgebiets a) für den Vertrieb von Vertragswaren und ihnen entsprechenden Waren keine Niederlassungen oder Auslieferungslager zu unterhalten, b) sich um Kunden für Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren nicht mit Mitteln einer personalisierten Werbung zu bemühen; 9.Dritte nicht damit zu betrauen, außerhalb des Vertragsgebiets Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren zu vertreiben oder Kundendienst für sie leisten; 10.an einen Wiederverkäufer a) Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren nur zu liefern, wenn dieser ein Unternehmen des Vertriebsnetzes ist oder b) Ersatzteile des Vertragsprogramms nur zu liefern, soweit dieser sie bei der Instandsetzung oder -haltung eines Kraftfahrzeugs verwendet; 11. Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Waren Endverbrauchern, die einen Vermittler eingeschaltet haben, nur zu verkaufen, wenn der Vermittler

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

vorher schriftlich zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugs und bei Abholung durch diesen auch zur Abnahme bevollmächtigt wurde. Artikel 4

(1) Der Freistellung stehen die Verpflichtungen des Händlers nicht entgegen, 1. Mindestanforderungen an Vertrieb und Kundendienst zu beachten, die insbesondere betreffen: a) die Ausstattung des Geschäftsbereichs und die technischen Einrichtungen für den Kundendienst; b) die fachliche und technische Ausbildung des Personals; c) die Werbung; d) die Übernahme, Lagerung und Auslieferung von Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren sowie den Kundendienst für sie; e) die Instandsetzung und -haltung von Vertragswaren und ihnen entsprechenden Waren, insbesondere in bezug auf das sichere und zuverlässige Funktionieren des Kraftfahrzeugs; 2. Vertragswaren beim Lieferanten nur zu bestimmten Zeitpunkten oder innerhalb bestimmter Zeiträume zu bestellen, sofern der Abstand zwischen den Bestellterminen nicht mehr als drei Monate beträgt; 3. sich zu bemühen, in einem bestimmten Zeitraum innerhalb des Vertragsgebiets Vertragswaren mindestens in dem Umfang abzusetzen, der von den Vertragspartnern einvernehmlich oder bei fehlendem Einvernehmen über die jährliche Mindestmenge der zu verkaufenden Vertragswaren durch einen sachverständigen Dritten anhand der im Vertragsgebiet bisher erzielten Verkäufe und der Vorausschätzungen für zukünftige Verkäufe in diesem Gebiet und in dem betreffenden Mitgliedstaat festgesetzt worden ist; 4. Vertragswaren in einem Umfang zu bevorraten, der nach dem Verfahren in Nummer 3 festzulegen ist; 5. bestimmte Vorführwagen des Vertragsprogramms oder eine bestimmte Anzahl derselben vorzuhalten, die nach dem Verfahren in Nummer 3 festzulegen ist; 6. für Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren Gewähr, unentgeltlichen Kundendienst und Kundendienst im Rahmen von Rückrufaktionen zu leisten; 7. im Rahmen von Gewährleistung, unentgeltlichem Kundendienst und Rückrufaktionen für Vertragswaren oder ihnen entsprechende

Waren nur Ersatzteile des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Ersatzteile zu verwenden; 8. Endverbraucher in allgemeiner Form darauf hinzuweisen, daß bei der Instandsetzung oder -haltung von Vertragswaren oder ihnen entsprechenden Waren auch Ersatzteile Dritter verwendet werden; 9. Endverbraucher darauf hinzuweisen, daß bei der Instandsetzung oder -haltung von Vertragswaren oder ihnen entsprechenden Waren Ersatzteile Dritter verwendet worden sind. (2) Die Freistellung gilt auch für die in Absatz 1 genannten Verpflichtungen, falls diese im Einzelfall vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 erfaßt werden. Artikel 5

(1) Die Freistellung gilt in jedem Fall nur unter der Voraussetzung, 1. da8 sich der Händler verpflichtet, a) für Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms oder ihnen entsprechende Fahrzeuge, die von einem anderen Unternehmen des Vertriebsnetzes im Gemeinsamen Markt verkauft wurden, - Gewähr, unentgeltlichen Kundendienst und Kundendienst im Rahmen von Rückrufaktionen in Erfüllung der Verpflichtung nach Artikel 4 Absatz 1 Nummer 6 zu leisten; - die Instandsetzung und -haltung nach Maßgabe des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe e) zu gewährleisten; b) den innerhalb des Vertragsgebiets tätigen Unternehmen, mit denen er nach Artikel 3 Nummer 6 Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen geschlossen hat, die Verpflichtung aufzuerlegen, Gewähr, unentgeltlichen Kundendienst und Kundendienst im Rahmen von Rückrufaktionen mindestens in dem ihm selbst auferlegten Umfang zu leisten; 2. daß der Lieferant a) seine Zustimmung zu Abschluß, Änderung oder Beendigung von Unterverträgen nach Artikel 3 Nummer 6 ohne sachlich gerechtfertigte Gründe nicht versagt; b) im Rahmen der Verpflichtungen des Händlers nach Artikel 4 Absatz 1 keine Mindestanforderungen stellt und keine Merkmale für Vorausschätzungen anwendet, durch die der Händler unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigte Gründe unterschiedlich behandelt würde; c) im Rahmen von Preisnachlaßsystemen das Zusammenrechnen von Mengen oder Umsätzen von Waren, die der Händler

5.03 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen binnen bestimmter Zeiträume bei ihm und bei mit ihm verbundenen Unternehmen bezogen hat, mindestens hinsichtlich der Bezüge von - Kraftfahrzeugen des Vertragsprogramms, - Ersatzteilen des Vertragsprogramms, bei denen der Händler auf Angebote der Unternehmen des Vertriebsnetzes angewiesen ist, und - sonstigen Waren getrennt vornimmt; d) dem Händler zum Zwecke der Erfüllung eines vom Händler mit einem Endverbraucher geschlossenen Kaufvertrags auch ein Personenkraftfahrzeug liefert, das einem Modell des Vertragsprogramms entspricht, sofern es vom Hersteller oder mit dessen Zustimmung in dem Mitgliedstaat angeboten wird, in dem das Fahrzeug zugelassen werden soll. (2) Sofern der Händler nach Artikel 4 Absatz 1 Verpflichtungen zur Verbesserung der Strukturen von Vertrieb und Kundendienst übernommen hat, gilt die Freistellung unter der Voraussetzung, 1. daß der Lieferant darin einwilligt, den Händler von Verpflichtungen nach Artikel 3 Nummer 3 zu entbinden, falls der Händler nachweist, daB sachlich gerechtfertigte Gründe dafür vorliegen; 2. daB die Dauer der Vereinbarung mindestens fünf Jahre oder die Frist für die ordentliche Kündigung einer auf unbestimmte Dauer geschlossenen Vereinbarung für beide Vertragspartner mindestens zwei Jahre beträgt; diese Frist verkürzt sich auf mindestens ein Jahr, - wenn der Lieferant kraft Gesetzes oder aufgrund besonderer Absprache bei Beendigung der Vereinbarung eine angemessene Entschädigung zu zahlen hat, oder - wenn es sich um den Beitritt des Händlers zum Vertriebsnetz und die erste vereinbarte Vertragsdauer oder Möglichkeit zu ordentlicher Kündigung handelt; 3. daB jeder Vertragspartner sich verpflichtet, den anderen mindestens sechs Monate vor Beendigung der Vereinbarung davon zu unterrichten, daB er eine auf bestimmte Dauer geschlossene Vereinbarung nicht verlängern will. (3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Voraussetzungen für die Freistellung berühren nicht - das Recht des Lieferanten, die Vereinbarung innerhalb einer Frist von mindestens einem Jahr zu kündigen, falls sich die Notwendigkeit

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ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren, - das Recht eines Vertragspartners zur außerordentlichen Kündigung, wenn die andere Vertragspartei eine der ihr obliegenden wesentlichen Verpflichtungen nicht erfüllt. In jedem dieser Fälle müssen die Vertragspartner bei fehlendem Einvernehmen einem zügigen Verfahren zur Beilegung der streitigen Angelegenheit durch Inanspruchnahme eines sachverständigen Dritten oder eines Schiedsrichters zustimmen; das Recht der Vertragspartner, das nach nationalem Recht zuständige Gericht anzurufen, bleibt unberührt. Artikel 6

(1) Die Freistellung gilt nicht, 1. wenn beide Vertragspartner oder mit ihnen verbundene Unternehmen Kraftfahrzeuge herstellen, oder 2. wenn die Vertragspartner ihre Vereinbarung mit Bestimmungen verknüpfen, die von dieser Verordnung nicht erfaßte Waren oder Dienstleistungen betreffen oder ihre Vereinbarung auf derartige Waren oder Dienstleistungen anwenden, oder 3. wenn die Vertragspartner in bezug auf dreioder mehrrädrige Kraftfahrzeuge, deren Ersatzteile oder Dienstleistungen Wettbewerbsbeschränkungen vereinbaren, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich freigestellt sind, oder 4. wenn die Vertragspartner in bezug auf dreioder mehrrädrige Kraftfahrzeuge oder deren Ersatzteile Vereinbarungen treffen oder Verhaltensweisen abstimmen, für die die Nichtanwendung des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages nach den Verordnungen (EWG) Nr. 1983/83 oder (EWG) Nr. 1984/83 in einem Umfang erklärt wurde, der über die vorliegende Verordnung hinausgeht, oder 5. wenn die Vertragspartner zugunsten des Lieferanten den Vorbehalt vereinbaren, mit bestimmten anderen ihre Tätigkeit innerhalb des Vertragsgebiets ausübenden Unternehmen Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Vertragswaren zu schließen oder das Vertragsgebiet zu verändern, oder 6. wenn der Hersteller, der Lieferant oder ein anderes Unternehmen des Vertriebsnetzes unmittelbar die Freiheit des Händlers einschränkt, beim Weiterverkauf von Vertragswaren oder ihnen entsprechenden Waren Preise und Preisnachlässe selbst festzulegen, oder 7. wenn der Hersteller, der Lieferant oder ein anderes Unternehmen des Vertriebsnetzes unmittelbar oder mittelbar die Freiheit der Endverbraucher, der bevollmächtigten Ver-

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

mittler oder der Vertragshändler einschränkt, innerhalb des Gemeinsamen Markts bei einem Unternehmen des Vertriebsnetzes ihrer Wahl Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren zu erwerben und Kundendienst dafür in Anspruch zu nehmen, oder die Freiheit der Endverbraucher einschränkt, Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren weiterzuverkaufen, vorausgesetzt daß dieser Verkauf nicht zu kommerziellen Zwekken durchgeführt wird, oder 8.wenn der Lieferant den Händlern Entgelte gewährt, die ohne sachlich gerechtfertigten Grund nach Maßgabe des Bestimmungsortes der weiterverkauften Kraftfahrzeuge oder des Wohnsitzes des Käufers berechnet werden, oder 9.wenn der Lieferant unmittelbar oder mittelbar die Freiheit des Händlers einschränkt gemäß Artikel 3 Nummer 5 bei einem dritten Unternehmen seiner Wahl Ersatzteile zu beziehen, die mit den Vertragswaren in Wettbewerb stehen und deren Qualitätsstandard erreichen, oder 10.wenn der Hersteller unmittelbar oder mittelbar die Freiheit der Anbieter von Ersatzteilen einschränkt, diese Waren an Wiederverkäufer ihrer Wahl einschließlich der Unternehmen des Vertriebsnetzes zu liefern, sofern diese Ersatzteile den Qualitätsstandard der Vertragswaren erreichen, oder 11. wenn der Hersteller unmittelbar oder mittelbar die Freiheit der Teilehersteller einschränkt, an den für den Ersteinbau oder die Instandsetzung oder -haltung von Vertragswaren oder ihnen entsprechenden Waren gelieferten Teilen ihr Firmen- oder Markenzeichen an leicht erkennbarer Stelle fest anzubringen, oder

bis 12 aufgeführten Fällen entfällt die Freistellung nur für diejenigen wettbewerbsbeschränkenden Bestimmungen, die zugunsten des Herstellers, des Lieferanten oder eines anderen Unternehmens des Vertriebsnetzes, das an einer beanstandeten Verhaltensweise beteiligt war, vereinbart wurden. (3) Unbeschadet der Folgen für die übrigen Klauseln der Vereinbarung entfällt in den unter Absatz 1 Nummern 6 bis 12 aufgeführten Fällen die Freistellung nur für die zugunsten des Herstellers, des Lieferanten oder eines anderen Unternehmens des Vertriebsnetzes vereinbarten wettbewerbsbeschränkenden Bestimmungen in denjenigen Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen, die für das Gebiet innerhalb des Gemeinsamen Marktes gelten, in welchem der Wettbewerb durch die beanstandete Verhaltensweise verfälscht wird; die Freistellung entfällt nur solange, wie die beanstandete Verhaltensweise andauert. Artikel

7

Das Verbot von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages gilt nicht zwischen dem 1. Oktober 1995 und dem 30. September 1996 für Vereinbarungen, die am 1. Oktober 1995 bereits bestanden und die Voraussetzungen für eine Freistellung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 123/85 erfüllten. Artikel

β

12.wenn der Hersteller sich weigert, nicht dem Vertriebsnetz angehörigen Reparaturunternehmen die für die Instandsetzung und -haltung von Vertragswaren oder diesen entsprechenden Erzeugnissen oder für die Durchführung von Bestimmungen zum Umweltschutz erforderlichen technischen Informationen, gegebenenfalls gegen Entgelt, zur Verfügung zu stellen, es sei denn, diese Informationen sind Gegenstand geistiger Eigentumsrechte oder stellen wesentliches, geheimes und in einer geeigneten Form identifiziertes technisches Wissen dar; in diesem Fall dürfen die notwendigen technischen Informationen nicht in mißbräuchlicher Weise verweigert werden.

Die Kommission kann den Vorteil der Anwendung dieser Verordnung gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65/EWG entziehen, wenn sie in einem Einzelfall feststellt, daß eine nach dieser Verordnung freigestellte Vereinbarung gleichwohl Wirkungen zeitigt, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen unvereinbar sind, insbesondere 1. wenn Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben nicht mit Waren in Wettbewerb stehen, die vom Verbraucher aufgrund ihrer Eigenschaften, ihres Verwendungszwecks und ihres Preises als gleichartig angesehen werden; 2. wenn für Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren dauernd Preise oder Bedingungen angewendet werden, die im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten erheblich voneinander abweichen, und die erheblichen Unterschiede überwiegend auf Verpflichtungen beruhen, die nach dieser Verordnung freigestellt sind;

(2) Unbeschadet der Folgen für die übrigen Klauseln der Vereinbarung entfällt in den unter Absatz 1 Nummern 1 bis 5 aufgeführten Fällen die Freistellung für sämtliche wettbewerbsbeschränkenden Bestimmungen der betroffenen Vereinbarung; in den unter Absatz 1 Nummern 6

3. wenn der Hersteller oder ein Unternehmen des Vertriebsnetzes bei der Belieferung von Händlern mit Vertragswaren oder ihnen entsprechenden Waren ohne sachlich gerechtfertigte Gründe unterschiedliche Preise oder Verkaufsbedingungen anwendet.

5 . 0 3 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen Artikel 9

-

Die Vorschriften dieser Verordnung finden entsprechende Anwendung auf aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen der in dieser Verordnung genannten Art.

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das Recht hat, die Geschäfte des anderen Unternehmens zu führen;

b) Unternehmen, bei denen ein drittes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die unter Buchstabe a) bezeichneten Rechte oder Befugnisse hat;

Artikel 10 Für die Anwendung dieser Verwendung werden nachstehende Begriffe wie folgt definiert: 1. „Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen" sind Rahmenvereinbarungen von bestimmter oder unbestimmter Dauer zwischen zwei Unternehmen, in denen das Waren liefernde Unternehmen das andere Unternehmen mit Vertrieb und Kundendienst für diese Waren betraut; 2. „Vertragspartner" sind die an einer Vereinbarung im Sinne des Artikels 1 beteiligten Unternehmen: das Vertragswaren liefernde Unternehmen ist „der Lieferant"; und das mit dem Vertrieb und Kundendienst für Vertragswaren betraute Unternehmen ist „der Händler"; 3. „Vertragsgebiet" ist das abgegrenzte Gebiet des Gemeinsamen Marktes, auf das sich die ausschließliche Lieferverpflichtung im Sinne des Artikels 1 bezieht; 4. „Vertragswaren" sind die zur Benutzung auf öffentlichen Wegen bestimmten neuen dreioder mehrrädrigen Kraftfahrzeuge sowie deren Ersatzteile, die Gegenstand einer Vereinbarung im Sinne des Artikels 1 sind; 5. „Vertragsprogramm" ist die Gesamtheit der Vertragswaren; 6. „Ersatzteile" sind Teile, die in ein Kraftfahrzeug eingebaut oder daran angebracht werden, um Bestandteile des Fahrzeugs zu ersetzen. Für die Abgrenzung gegenüber anderen Teilen und Zubehör ist die Verkehrsauffassung maßgebend; 7. „der Hersteller" ist das Unternehmen, a) das die Kraftfahrzeuge des Vertragsprogramms herstellt oder herstellen läßt, oder b) das mit Unternehmen im Sinne von Buchstabe a) verbunden ist; 8. „verbundene Unternehmen" sind a) Unternehmen, von denen eines unmittelbar oder mittelbar - mehr als die Hälfte des Kapitals oder Betriebsvermögens des anderen Unternehmens besitzt, oder -

über mehr als die Hälfte der Stimmrechte bei dem anderen Unternehmen verfügt, oder

-

mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe des anderen Unternehmens bestellen kann, oder

9.

„Unternehmen des Vertriebsnetzes" sind, außer den Vertragspartnern, der Hersteller und die Unternehmen, die von ihm oder mit seiner Zustimmung damit betraut sind, Vertragswaren oder Ihnen entsprechende Waren zu vertreiben oder Kundendienst für sie zu leisten;

10. „Personenkraftfahrzeuge, die einem Modell des Vertragsprogramms entsprechen", sind solche, -

die der Hersteller in Serie fertigt oder zusammenbaut und

-

deren Karosserie die gleiche Form hat und die das gleiche Trieb- und Fahrwerk sowie einen Motor des gleichen Typs haben wie die Personenkraftfahrzeuge des Vertragsprogramms;

11. „entsprechende Waren oder Kraftfahrzeuge oder Ersatzteile" sind solche, die von gleicher Art wie die zum Vertragsprogramm gehörenden sind, vom Hersteller oder mit seiner Zustimmung vertrieben werden und Gegenstand einer mit einem Unternehmen des Vertriebsnetzes getroffenen Vertriebsoder Kundendienstvereinbarung sind; 12. „Weiterverkauf" ist ungeachtet seiner zivilrechtlichen Zuordnung und der Einzelheiten seiner Durchführung jedes Geschäft aufgrund dessen eine natürliche oder juristische Person - der „Wiederverkäufer" - ein im eigenen Namen und für eigene Rechnung erworbenes Kraftfahrzeug im Neuzustand veräußert. Dem Weiterverkauf steht jeder Leasingvertrag gleich, der den Übergang des Eigentums oder ein Recht auf Eigentumserwerb vor Ablauf der Vertragsdauer vorsieht; 13. „vertreiben" und „verkaufen" umfaßt auch andere Formen des Absatzes durch den Händler wie zum Beispiel das Leasing. Artikel 11 (1) Die Kommission überprüft regelmäßig die Anwendung dieser Verordnung, wobei sie insbesondere den Einfluß des freigestellten Vertriebssystems auf die Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei den betreffenden Erzeugnissen sowie auf die Qualität der den Endverbrauchern erbrachten Dienstleistungen würdigt.

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Zweiseitige Untemehmensgeschäfte

(2) Die Kommission holt die Stellungnahmen der Verbände sowie von Sachverständigen der verschiedenen betroffenen Wirtschaftskreise, insbesondere der Verbraucherverbände, ein. (3) Die Kommission erstellt vor dem 31. Dezember 2000 einen Bericht über die Funktionsweise dieser Verordnung unter besonderer Berücksichtigung der in Absatz 1 bezeichneten Kriterien.

Artikel 13 Diese Verordnung tritt am 1. Juli 1995 in Kraft. Sie ist ab dem 1. Oktober 1995 bis 30. September 2002 anwendbar. Die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 123/85 bleiben bis zum 30. September 1995 anwendbar. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Brüssel, den 28. Juni 1995

Artikel 12 Auf Vereinbarungen über die in dieser Verordnung genannten Erzeugnisse oder Dienstleistungen ist die Verordnung (EWG) Nr. 4087/88 nicht anwendbar.

Für die Kommission Karel VAN MIERT Mitglied der Kommission

5.04 Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen

5.04 Gruppenfreistellungsverordnung

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Franchisevereinbarungen

Verordnung der Kommission vom 30. 11.1988 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Franchisevereinbarungen (4087/88/EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Beuthien, Volker / Schwarz, Günter, Kooperationsgruppen des Handels und Franchisesysteme in Europa aus der Sicht des EG-Wettbewerbsrechts, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1993; Goyder, Joanna, EC Distribution Law2, Chichester ua (Wiley) 1996; Korah, Valantine, Franchising and the EEC Competition Rules Regulation 4087/88, Oxford (ESC) 1989; Metzlaff, Karsten, Franchiseverträge und EG-Kartellrecht - die GruppenfreistellungsVO Nr 4087/88 für Franchiseverträge, Münster (Lit) 1994; Nebel-Tatzel, Jürgen, Der Franchise-Vertrag - Lizenz- oder Vertriebs vertrag? Die rechtssystematische Einordnung des Franchisevertrag im Anschluß an die EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen, Frankfurt/M ua (Lang) 1995; Weltrich, Ortwin, Franchising im EG-Kartellrecht eine kartellrechtliche Analyse nach Art 85 III EGV, Köln ua (Heymanns) 1992. 2. Aufsätze und Beiträge: Bodewin, Theo, Europäische Gemeinschaften - Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen in Kraft getreten, GRUR Int 1989, 163-165; Bräutigam, Peter, Mögliche Entwicklungen im EGKartellrecht für das Franchising, RIW 1997, 470-475; de Cockborne, Jean-Eric, Les accords de franchise au regard du droit communautaire de la concurrence, RTDE 1989, 181-223; Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung (EWG) der Kommission über die Anwendung von Art 85 III auf Gruppen von Franchisevereinbarungen, GRUR 1988, 278-284; Gastinel, Eric, La procédure d'opposition et la franchise commerciale en droit communautaire des ententes, RTDE 1992, 465-513 ; Jakob-Siebert, Thinam, Franchisevereinbarungen und EG-Kartellrecht, CR 1990, 241-246; Joerges, Christian, Franchise-Verträge und europäisches Wettbewerbsrecht - eine Kritik der Pronuptia-Entscheidungen des EuGH und der Kommission, ZHR 151 (1987) 195-223; Korah, Valantine, Franchising and the Draft Group Exemption, ECLR 1987, 124-142; Martinek, Michael, Kartellrechtliche Wirksamkeitsschranken von Franchise Verträgen, in: Martinek, Michael / Semler, Franz-Jörg (Hrsg), Handbuch des Vertriebsrechts, München (Beck) 1996, § 20; Sauter, Herbert, Die gruppenweise Freistellung von FranchiseVereinbarungen, WuW 1989, 284-292; Schaub, Stefan, Franchising und EGKartellrecht, WuW 1987, 607-626; ν Schultz-Schaefer, Detlef, Franchising im Lichte der neuen EG-Gruppenfreistellungsverordnung, GRUR Int 1989, 515-521; Skaupy, Walther, Probleme der geplanten EG-Gruppen-Freistellungsverordnung für Franchising, RIW 1988, 86-89; Ders, Die neue EG-GruppenFreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen, DB 1989, 765-770; Weltrich, Ortwin, Anpassung von Franchiseverträgen an die neue EG-Gruppenfreistellungsverordnung, DB 1988, 1481-1486; Ders, Die EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen, RIW 1989, 90-94.

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Α. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand 1

Mit der Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen werden Vereinbarungen des Waren Vertriebs- und Dienstleistungssektors (nicht jedoch des Großhandels) vom Kartellverbot des Art 85 I E G V freigestellt: Dies gilt insbesondere für die Vereinbarung eines nicht absoluten Gebietsschutzes des Franchisenehmers und - an den Franchisenehmer gerichtet - von Verboten einer aktiven Kundenwerbung außerhalb seines Vertragsgebiets und von Konkurrenzhandlungen, die sich nicht nur auf Zubehör und Ersatzteile beziehen; gleiches gilt für Vereinbarungen, die für den Schutz des Know-how und die Einheitlichkeit des Bildes des Franchise-Produktes erforderlich sind sowie eine Reihe von regelmäßig nicht einmal wettbewerbsbeschränkenden Nebenabreden. Die Freistellungswirkung gänzlich entfallen lassen Vereinbarungen über Kreuzbeziehungen zwischen Herstellern, überschießende Wettbewerbsverbote, ungerechtfertigte und versteckte nachvertragliche Wettbewerbsverbote, Preis-, Nichtangriffs- und Gebietsabschottungsabsprachen. Andere (potentiell) wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind freigestellt, wenn die Kommission sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Anmeldung beanstandet.

b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2

Die Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen stellt weitgehend eine Kodifizierung der Aussagen des EuGH in Sachen Pronuptia dar 1 und wurde im Anschluß an dieses Urteil erstmals ausgearbeitet. Vorher war teils die Anwendbarkeit der Gruppenfreistellungsverordnung Alleinvertriebs- und -bezugsvereinbarungen 6 7 / 6 7 / E W G erwogen worden, die der E u G H jedoch ablehnte. 2 1

2

EuGH 28. 1. 1986 - Rs 161/84 (Pronuptia), Slg 1986, 353. Die Entscheidung wurde Gegenstand einer Fülle von Stellungnahmen, vgl nur die Urteilsanm von: Boutard-Labarde, RTDE 1986, 306; Joerges, ZHR 151 (1987) 195; Maitland-Walker, ECLR 1986, 1 ; Schödermeier, WuW 1986, 669; sowie ablehnend Bessis / Plasseraud, DPCI/ITPL 1986, 461 (bes 469 seq); Kevekordes, BB 1987, 74; Skaupy, WuW 1986, 445; Venit, ELR 1986, 213; für weitere Stellungnahmen vgl etwa Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 130 Fn 12; weiter zur primärrechtlichen Einbettung der VO Greaves, EC Block Exemption, p. 61-64. EuGH 28. 1. 1986 - Rs 161/84 (Pronuptia), Slg 1986, 353 (387); vorher demgegenüber etwa Goebel, The uneasy fate of Franchising under EEC Antitrust Laws, ELR 1985, 87 (117); Neumann, Franchise-Verträge und EG-Kartellrecht, RIW 1985, 612 (614); Skaupy, Der Franchise-Vertrag - ein neuer Vertragstyp - wirtschaftliche und rechtliche Grundzüge des Franchise-Vertriebssystems, BB 1969, 113 (117); wie der EuGH hingegen die großen Kommentare, vor allem Gleiss / Hirsch, Art 85 EGV, Rn 294; Langen / Niederleithinger, Kommentar zum Kartellgesetz - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit Erläuterungen für die Praxis unter Einbeziehung des EG-Kartellrechts6, 1982, § 18 GWB, Rn EG 212; heute praktisch unstr, vgl Nachw bei Weltrich, Franchising im EGKartellrecht, S 323 Fn 317, auch für die Nachfolge-VO 1983/83/EWG und 1984/83/ EWG: Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, S 494.

5.04 Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen

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Eine ausdrückliche Erstreckung auf Altverträge unterblieb in der Verordnung, ergibt sich jedoch für wichtige Klauseln als Konsequenz aus dem Urteil. Das Gericht unterschied, den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechend, 3 drei Arten von Franchising: das Hersteller-Franchising, das WarenvertriebsFranchising und das Dienstleistungs-Franchising.3 Bei den beiden letztgenannten stellt ein Unternehmer, der Franchisegeber, für den Waren- oder den Dienstleistungsvertrieb, ein Paket von Schutzrechten (vor allem Marken und Geschmacksmusterrechte) und Know-how zur Verfügung, achtet jedoch zugleich auf deren einheitliche Nutzung, um so das einheitliche Erscheinungsbild des „Produktes" zu schützen. Das Urteil hatte eine Absatzkette bis zum Endverbraucher zum Gegenstand. Das Gericht hob darin die positiven Wirkungen von Franchisevereinbarungen hervor, insbesondere:4 Bereicherung der Produktpalette, indem auch kleinen, unabhängigen Unternehmern die Vorteile der einheitlichen Erscheinung eines Produktes eröffnet werden; sowie (rudimentär aufrecht erhaltener) Wettbewerb der unabhängigen Franchisenehmer untereinander (stärkerer Intrabrand-Wettbewerb als bei Vermarktung durch ein Großunternehmen). Diese Vorteile berücksichtigt das Gericht bereits bei der Anwendung von Art 85 I 4 EGV (nicht erst von Art 85 III EGV) und fördert damit die Einschränkung der Verbotsnorm durch eine rule of reason. Es geht davon aus, daß Vereinbarungen, die für den Schutz von geheimem Know-how des Franchisegebers und die Aufrechterhaltung eines einheitlichen Erscheinungsbildes erforderlich sind, gar nicht wettbewerbsbeschränkend wirken.5 Dies umfaßt nach Meinung des EuGH ua das Wettbewerbsverbot, das die Parallelverwendung von Know-how unterband, die Bindung an die festgelegte Ausstattung des Geschäftslokals und Bezugsbindungen zur Aufrechterhaltung von Qualität (allerdings ohne Verbot einer Querlieferung). Als wettbewerbsbeschränkend qualifiziert wurden vor allem Ausschließlichkeitsrechte des Franchisenehmers, seine Bindung an ein vereinbartes Geschäftslokal und Preisabsprachen.6

EuGH 28. 1. 1986 - Rs 161/84 (Pronuptia), Slg 1986, 353 (381); sowie Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, S 491; Greaves, EC Block Exemption, p. 45, 61; Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 133; krit Joerges, ZHR 151 (1987) 195 (197 f); Schaub, WuW 1987, 607 (608); Skaupy, DB 1989, 765 (766). « EuGH 28. 1. 1986 - Rs 161/84 (Pronuptia), Slg 1986, 353 (381 f); 8. Erwägungsgrund der Präambel; diese Vorzüge werden praktisch einhellig anerkannt, vgl etwa Bodewitt, GRUR Int 1989, 163 (163); de Cockborne, RTD E 1989, 181 (183 seq); Jakob-Siebert, CR 1990, 241 (242); Martinek, in: Martinek / Semler (Hrsg), Handbuch, § 20 Rn 56 f; Skaupy, DB 1989, 765 (765). 5 EuGH 28. 1. 1986 - Rs 161/84 (Pronuptia), Slg 1986, 353 (381 f). Das Urteil betraf unmittelbar nur das Warenvertriebs-Franchising, muß jedoch entspr beim DienstleistungsFranchising gelten: Grill, in: Lenz (Hrsg), EG-Vertrag, Art 85 EGV, Rn 97. Kommentierend zu diesem Teil des Urteils: Bodewin, GRUR Int 1989, 163 (163); Schaub, WuW 1987, 607 (610 f); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.F, Rn 7; Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 127 f. ' EuGH 28. 1. 1986 - Rs 161/84 (Pronuptia), Slg 1986, 353 (383 f). 3

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5 Die Gesetzgebungsgeschichte war konfliktreich. Nicht nur ein Vorentwurf, sondern auch ein Zwischenentwurf wurden vorgelegt. Hauptkritikpunkte waren folgende: Die Kommission bezog weder das Großhandels-Franchising noch das Hersteller-Franchising ein und blieb auch dabei - zu Recht, 7 denn mit beidem hatte die Kommission noch keine praktische Erfahrung gesammelt, wie es das Leitbild des 4. Erwägungsgrundes der Präambel der Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung 1 9 / 6 5 / E W G ist. Zudem betrifft das Hersteller-Franchising gewöhnlich horizontale (4. Erwägungsgrund der Präambel), also wertungsmäßig anders gelagerte Wettbewerbsabreden, 8 die sich in den Bereich der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen (5.05) einordnen. Das mobile Franchising 9 wurde demgegenüber in der verabschiedeten Fassung berücksichtigt, außerdem wurden vor allem die Definitionsnormen klarer gefaßt. 10 6 Wie andere Gruppenfreistellungen auch wird diejenige zu den Franchisevereinbarungen nicht durch die Existenz anderer Gruppenfreistellungen verdrängt, so daß die Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Beziehungen zwischen verschiedenen Freistellungsverordnungen wählen können; 11 umgekehrt können jedoch nicht die Vorteile (Klauselfreistellungen) verschiedener Verordnungen miteinander kombiniert werden (17. Erwägungsgrund der Präambel). c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise 7 Die Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen ordnet sich, da sie nur das Warenvertriebs- und das Dienstleistungs-Franchising erfaßt, 12 in den Kreis der Gruppenfreistellungsverordnungen für vertikale Beschränkungen des Wettbewerbs ein. Wie diese stützt sie sich auf die Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung des Rates 1 9 / 6 5 / E W G (1. Erwägungsgrund der Präambel). Sie schöpft deren Anwendungsbereich besonders weitgehend aus, da die ins Auge gefaßten Franchisevereinbarungen regelmäßig sowohl Vertriebs-

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Ebenso etwa Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.F, Rn 4; Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 2 7 3 ; Kritik hingegen bei Skaupy, RIW 1988, 86 (87 f) (mwN). Vgl Bodewin, GRUR Int 1989, 163 (163 f); Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, S 4 9 3 ; Martinek, in: Martinek / Semler (Hrsg), Handbuch, § 2 0 Rn 56, 59; Metzlaff, Franchiseverträge und EG-Kartellrecht, S 1 5 , 9 9 f; Sauter, WuW 1 9 8 9 , 2 8 4 (285); Schaub, WuW 1987, 607 (625); Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 4 3 - 4 5 . Vgl die Stellungnahme des Europäischen Parlaments, AB1EG 1988 C 187/187 (188). Vgl dazu Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 1988, 278 (279 f); Korah, E C L R 1987, 124 (129 seq); ν Schultz-Schaefer, GRUR Int 1989, 515 (517); Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 2 7 8 - 2 8 2 . Näher oben § 8 Einl Rn 2 3 ; für die GVO Franchisevereinbarungen Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 2 7 4 f; krit Kurdenbach, Die Beurteilung von Bezugs- und Alleinvertriebsbindungen in Franchise-Verträgen nach § 18 GWB und Art 85 EWG-V, 1986, S 1 2 4 - 1 3 2 ; anders ist dies nur im KfZ-Sektor, vgl Art 12 der GVO KfZ-Vertriebsvereinbarungen (5.03), vgl dort Rn 5. Näher dazu unten Rn 9.

5.04 Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen

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und Bezugsbindungen als auch Lizenzregeln aufweisen und für beide Teile die Freistellung vorgesehen ist (vgl 2 . Erwägungsgrund der Präambel). 13 Die Kompetenz kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden, daß viele Franchisevereinbarungen nach Auffassung des E u G H nicht einmal die Voraussetzungen des Art 85 I E G V erfüllen. Eine Freistellung ist auch aus Rechtssicherheitsgründen, also für den Ausnahmefall, daß die Vereinbarung doch einmal unter Art 85 I E G V fällt, möglich (vgl 11. Erwägungsgrund der Präambel). 14 Wie alle Gruppenfreistellungsverordnungen wirkt diejenige zu den Franchise- 8 Vereinbarungen unmittelbar (ohne Umsetzung ins nationale Recht) und ipso iure (ohne vorherige Anmeldung) und präkludiert, soweit sie eingreift, grundsätzlich jedes Verbot auf der Grundlage nationalen Rechts: 1 5 Nach ihrem 7. und 8. Erwägungsgrund der Präambel verfolgt die Verordnung das Ziel der Professionalisierung des Absatzes, der Mittelstandsförderung sowie der Stärkung zumindest des Inter-Brand-Wettbewerbs und damit eine positive Politik iSd Rechtsprechung des E u G H in Sachen Walt Wilhelm. 1 6 Eine Freistellung setzt jedoch voraus, daß die Vereinbarung keine einzige andere wettbewerbsbeschränkende Klausel enthält als die ausdrücklich freigestellten. 1 7 Wie in den meisten jüngeren Gruppenfreistellungsverordnungen ist in derjenigen zu den Franchisevereinbarungen dieses starre Alles-oder-nichts-Prinzip durch die Einführung eines Widerspruchsverfahrens abgemildert. In ihm werden zusätzliche, dh in Art 2 und 3 III V O nicht aufgeführte wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die jedoch nicht zur namentlich genannten Gruppe auf der „schwarzen Liste" (Art 5 V O ) zählen, freigestellt, wenn sie angemeldet werden und die Kommission sie nicht innerhalb von sechs Monaten beanstandet (Art 6 VO). 1 8

» Sauter, WuW 1989, 284 (285); Weltnch, Franchising im EG-Kartellrecht, S 272. 14 So EuGH 18. 12. 1986 - Rs 10/86 (VAG / Magne), Slg 1986, 4071 (4088) für die Einzelfreistellung. Zur Gruppenfreistellung auch im Zusammenhang mit (wahrscheinlichen und weniger wahrscheinlichen) Fällen der Einzelfreistellung: Goyder, EC Distribution Law, p. 139-172. 15 Zu letzterem (und möglichen moderaten Einschränkungen bei §§ 22 IV, 26 II, 23 ff GWB) oben § 8 Einl Rn 11, 25 f. 16 EuGH 13. 2. 1969 - Rs 14/68 (Walt Wilhelm), Slg 1969, 1 (14). 17 Weltrich, DB 1988, 1481 (1483). Nicht wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen können demgegenüber zusätzlich aufgenommen sein. Spezifisch für die GVO Franchisevereinbarungen ergibt sich dies aus ihrem Art 3 I VO, der nur „erforderliche" und damit nach der Pronuptia-Rspr nicht wettbewerbsbeschränkende Absprachen enthält und einhellig als nicht abschließend verstanden wird: so 11. Erwägungsgrund der Präambel; sowie Bodewin, GRUR Int 1989, 163 (164); Greaves, EC Block Exemption, p. 66; ν Schultz-Schaefer, GRUR Int 1989, 515 (518 f). 18 Näher zu diesem Verfahren oben § 8 Einl Rn 22; und speziell für die GVO Franchisevereinbarungen Jakob-Siebert, CR 1990, 241 (245).

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2. Inhalt a) Anwendungsbereich 9 Der sachliche Anwendungsbereich der V O ist in Art 1 V O durch eine Reihe von Definitionsnormen umschrieben. Vorausgesetzt ist, daß nicht mehr als zwei Unternehmen an der jeweiligen Vereinbarung beteiligt sind,19 wozu also das gesamte Vertriebssystem in einzelne Vertragsverhältnisse aufgegliedert wird; fraglich ist, ob dadurch insbesondere Kooperationsgruppen des Handels (mit genossenschaftlichen Modellen) ausgenommen sein sollten. 20 Vorausgesetzt wird weiter, daß es sich um eine Franchisevereinbarung handelt, also der Franchisegeber das die Einheitlichkeit des „Produkts" verbürgende Paket von Namen, sonstigen Schutzrechten und geheimem Know-how zur Verfügung stellt und der Franchisenehmer dieses auch nutzt (Art 1 III lit. b VO). 2 1 Der Geheimniswert von Know-how ist in Art 1 III lit. g V O näher beschrieben. 22 Während Dienstleistungs-Franchising (einschließlich Handwerk) 23 und Warenlieferungs-Franchising an den Endverbraucher erfaßt sind, sind Hersteller-Franchising und auch Großhandels-Franchising aus den genannten Gründen ausgenommen. 24 Ansonsten gilt die Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen für alle Wirtschaftszweige 25 (allerdings mit Ausnahme des KfZ-Vertriebs). 26

b) Freigestellte und unbedenkliche Vertragsklauseln (weiße Liste) 10 Die „weiße Liste" erfaßt wettbewerbsbeschränkende Klauseln, die freigestellt werden (Art 2 VO). Außerdem betrifft sie Vereinbarungen, die keine Wettbewerbsbeschränkungen darstellen, wenn sie, wie regelmäßig, erforderlich sind (Art 3 I VO). Hinzu kommen zuletzt Vereinbarungen, die, auch wenn sie im Einzelfall doch einmal eine Wettbewerbsbeschränkung darstellen, freigestellt werden (Art 3 II, III VO). 11 Freigestellt sind nach Art 2 VO zunächst Gebietsschutzklauseln zugunsten des Franchisenehmers (lit. a). Überwiegend wird davon ausgegangen, daß ohne solch einen Schutz potentielle Franchisenehmer abgeschreckt würden, zu inveSo die Voraussetzung in Art 1 der Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung 1 9 / 6 5 / E W G ; in der deutschen Fassung von Art 1 I VO wurde versehentlich das Wort „nicht" vergessen. 2 0 Dazu ausführlich Beuthien / Schwarz, Kooperationsgruppen; und jüngst Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.F, Rn 16. 21 Näher zu diesem Paket und auch zur Verbindlichkeit seiner einzelnen Bestandteile NebelTatzel, Franchise-Vertrag, S 4 3 f; Sauter, WuW 1989, 2 8 4 (285 f); ν Scbultz-Schaefer, GRUR Int 1989, 515 (517); Skaupy, DB 1989, 765 (766); Weltrich, Franchising im EGKartellrecht, S 280. 2 2 Näher hierzu Nebel-Tatzel, Franchise-Vertrag, S 4 6 ; Skaupy, DB 1989, 765 (766 f); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.F, Rn 26. 2 3 Vgl 5. Erwägungsgrund der Präambel. 2 4 Dazu schon oben Rn 5. 25 Jakob-Siebert, CR 1990, 241 (246); Sauter, WuW 1989, 2 8 4 (285). 2 6 Art 12 der GVO KfZ-Vertriebsvereinbarungen (5.03). 19

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stieren und die Verpflichtung zur Zahlung der Franchisegebühren einzugehen.27 Der Gebietsschutz ist freilich nicht absolut, weil zwar dem Franchisegeber Konkurrenz und Belieferung von Konkurrenz im Vertragsgebiet untersagt ist, nicht jedoch, wie sich aus dem Zusammenspiel mit Art 2 lit. d und Art 5 lit. g VO ergibt, anderen Franchisenehmern die Querlieferung. Der Hauptfranchisenehmer kann sich seinen Unterfranchisenehmern gegenüber entsprechend binden (lit. b). Freigestellt sind sodann die Bindungen des Franchisenehmers (lit. c-e), von denen die beiden zuletzt genannten die wichtigeren sind. Kehrseite des - wenn auch nicht absoluten - Gebietsschutzes eines Franchisenehmers ist die Bindung anderer Franchisenehmer gegenüber dem Franchisegeber, für das „Produkt" nur im zugewiesenen Gebiet zu werben (lit. d). So soll - zum Nutzen des an sich gewünschten Franchisesystems - eine intensive Bearbeitung des jeweiligen Gebiets gefördert werden.28 Damit ist freilich nicht die Querlieferung in ein anderes Gebiet untersagt, die ohne solche Werbetätigkeit erfolgt. Außerdem kann der Franchisenehmer verpflichtet werden, keine konkurrierende Ware selbst herzustellen oder zu vertreiben; ausgenommen sind hiervon allein Zubehör und Ersatzteile (lit. e), weil Franchisesysteme auch überlebensfähig erschienen (vgl Art 85 III lit. a EGV), wenn nicht auch noch der Markt der Identteile beschränkt wird.29 Zugleich liegt darin keine Alleinbezugsbindung zugunsten des Franchisegebers, da Querbelieferung durch andere Franchisenehmer nicht untersagt werden darf (Art 4 lit. a VO). Ergänzt werden diese Klauseln durch diejenigen, die nach Art 3 I VO für unbedenklich erklärt bzw nach Art 3 II, III VO freigestellt werden. Anders als bei Art 2 und Art 3 II, III VO hängt die Anwendbarkeit von Art 3 I VO von einer Erforderlichkeitsprüfung ab, die freilich bei einigen Fallgruppen stets gegeben sein dürfte.30 Die Gruppen betreffen - entsprechend dem Pronuptia-Urteil den Schutz des einheitlichen Erscheinungsbildes (lit. a, b, f und g) bzw den Schutz vor Nutzung des Know-how zu Konkurrenzzwecken (lit. c, d).31 Lit. a und b, die alternativ eingreifen, ergänzen die Bezugsbindung des Art 2 lit. e

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10. Erwägungsgrund der Präambel; Joerges, ZHR 151 (1987) 195 (203, 205 f); Metzlaff, Franchiseverträge und EG-Kartellrecht, S 111 f; Nebel-Tatzel, Franchise-Vertrag, S 59 f; Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 284. 9. Erwägungsgrund der Präambel; Bodewin, GRUR Int 1989, 163 (164); Nebel-Tatzel, Franchise-Vertrag, S 60 f; Sauter, WuW 1989, 284 (287); Skaupy, RIW 1988, 86 (88); Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 283. Sauter, WuW 1989, 284 (288); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.F, Rn 45; Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 287. So für lit. c, d, f und g: Skaupy, DB 1989, 765 (767); Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 2 9 0 - 3 0 7 (mit Kritik an der Gesetzgebungstechnik unter dem Gesichtspunkt Subsumtionsrisiko). 11. Erwägungsgrund der Präambel; Korah, Regulation 4087/88, p. 61 seq; ähnlich für Art 3 II VO: de Cockborne, RTD E 1989, 181 (217 seq); zu den Hintergründen von lit. e, der allein etwas aus der Reihe fällt, und zu der im Widerspruchsverfahren regelmäßig bestehenden Möglichkeit einer weiterreichenden Freistellung vgl Sauter, WuW 1989, 284 (288); Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 302-304.

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V O , entfalten Wirkung also für Ersatzteile und Zubehör (sowie wohl auch für nicht konkurrierende Produkte): Hier kann ein Bezug allein von Waren mit festgelegter Mindestqualität vorgeschrieben werden und, ein Kauf allein beim Franchisegeber oder einem von ihm bestimmten Dritten hingegen nur in den Fällen, in denen eine Mindestqualität nicht objektivierbar ist, etwa bei Mode oder bei Sortimenten in einer rasch expandierenden Branche wie der Computerbranche. 32 Die geforderten Bemühenspflichten nach lit. f (mit Lagerhaltung und Mindestumsatz) enthalten schon keine über die Beschränkung der Franchisenehmerzahl hinausgehende Wettbewerbsbeschränkung, 33 so daß es auf Erforderlichkeit nicht ankommt. Auch die Regeln zur Werbung (lit. g), die durch Art 2 lit. d V O ergänzt werden, betreffen nur in einem Fall wettbewerbsbeschränkende Klauseln: dort, wo die Genehmigung des Franchisegebers eingeholt werden muß; nur insoweit ist die Erforderlichkeit zu prüfen. 34 Umgekehrt enthalten die Pflichten, die dem Schutz des Know-how dienen, ausdrücklich Wettbewerbsbeschränkungen (lit. c und d). Die Regelung ist gegenüber der Pronuptia-Entscheidung in einigen Punkten restriktiver 35 und weist mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe auf, neben der Erforderlichkeit denjenigen der Angemessenheit (bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten) und denjenigen des wesentlichen Einflusses. Es entspricht dem hohen Wert, den das Pronuptia-Urteil dem Geheimniswert von Know-how zuspricht, diese Rechtsbegriffe extensiv auszulegen, wann immer die Gefahr eines Eingriffs in diesen Wert besteht. Wesentlicher Einfluß liegt demnach schon vor, wenn die Beteiligung in der Konkurrenzgesellschaft ausreicht, um erkennbar einen Anreiz zum Treubruch zu begründen und in dieser Gesellschaft die Verwertung des Know-how durchzusetzen. 36 Angemessen ist das Wettbewerbsverbot, solange die Gefahr von Wertverlust (auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit nach Art 3 II lit. d VO) schwerer wiegt als die Beschränkung im beruflichen Fortkommen. Gegen ein übermäßig ausgedehntes nachvertragliches Wettbewerbsverbot schützt die Begrenzung auf ein Jahr (§ 90a H G B insoweit teilweise derogierend). 13 Die weiße Liste des Art 3 II VO umfaßt unmittelbare Verbote des Geheimnisverrats und -mißbrauchs (lit. a und d; vgl zur Abgrenzung Art 5 lit. d VO), Pflichten der gegenseitigen Hilfe und Perfektionierung (lit. b, c und e), Ver-

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EuGH 28. 1. 1986 - Rs 161/84 (Pronuptia), Slg 1986, 353 (383); Kommission (Computerland), AB1EG 1987 L 2 2 2 / 1 2 (18). Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR 1988, 278 (281); Korah, Regulation 4 0 8 7 / 8 8 , p. 73 seq; Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 3 0 5 f; wohl auch EuGH 28. 1. 1986 - Rs 161/84 (Pronuptia), Slg 1986, 353 (382). Skaupy, DB 1989, 765 (767); Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 3 0 6 f (und zu bejahen). Vgl Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.F, Rn 5 2 - 5 9 ; Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 2 9 9 - 3 0 1 (auch zum deswegen aussichtsreichen Widerspruchsverfahren nach Art 6 VO). Für eine Fiktion wesentlichen Einflusses jedenfalls bei Bestehen einer Sperrminorität: Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 301 f.

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pflichtungen auf den einheitlichen Stil (lit. f und g), Überprüfungsrechte des Franchisegebers (lit. h) sowie - den Franchisenehmer treffend - Umzugs- und Abtretungsverbote (lit. i, j). c) Bedingungen für die Freistellung Drei Bedingungen sind unerläßlich für die Freistellung; liegen sie nicht vor, 14 kann allein eine Einzelfreistellung beantragt werden (vgl Art 6 VO). Art 4 VO bildet also das positiv formulierte Pendant zur schwarzen Liste des Art 5 VO. Zunächst muß der Querbezug im gesamten Vertriebssystem zugelassen bleiben (lit. a). Sodann muß der Franchisenehmer zu Garantieleistungen unabhängig davon verpflichtet werden, ob er oder ein anderes Unternehmen des Vertriebssystems die Ware geliefert bzw Dienstleistung erbracht hat (lit. b). Dies allein verbürgt, daß Paralleleinfuhren nicht de facto unmöglich werden.37 Zuletzt muß jeder Franchisenehmer gemäß lit. c verpflichtet sein, nach außen als eigenständiger Unternehmer aufzutreten und so seine Unabhängigkeit von anderen Franchisenehmern (und Wettbewerbsbereitschaft) zu bekunden (ohne allerdings das Bild vom einheitlichen Produkt zu beschädigen). All diese Voraussetzungen dienen dem Ziel, Wettbewerb innerhalb des Franchisesystems (auf derselben Handelsstufe) zu fördern. Optimiert werden soll also der zweite oben genannte Vorteil, der Franchising gegenüber dem Vertrieb durch ein Großunternehmen auszeichnet. d) Unzulässige Klauseln (schwarze Liste) Art 5 VO enthält eine schwarze Liste von Klauseln, von denen jede die Freistel- 15 lung entfallen läßt und bei deren Vorliegen auch nicht das Widerspruchsverfahren angestrengt werden kann. Genannt ist zunächst das Uberkreuzfranchising zwischen Herstellern (lit. a), das in Wahrheit eine horizontale Wettbewerbsbeschränkung auf zwei Ebenen darstellt. Die Kehrseite zu den Bezugsbindungen in Art 2 lit. e und Art 3 I lit. b VO bilden Art 5 lit. b und c VO; danach ist außerhalb der genannten Ausnahmevorschriften das in Art 3 I lit. a VO genannte Kriterium der Mindestqualität das einzige, dessen Einhaltung vom Franchisenehmer gefordert werden darf; andere Bezugsbindungen erfüllen sämtlich den Tatbestand von Art 5 lit. b VO, in lit. c wird dies für einen speziellen Fall ausdrücklich betont. Versteckte nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die nicht dem Schutz des know-how dienen, sind nach Art 5 lit. d VO verboten, ebenso Preis-, Nichtangriffs- und Gebietsabschottungsabsprachen (lit. e-g).

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Jakob-Siebert, CR 1990, 241 (245); Korah, Regulation 4087/88, p. 79 seq; ν SchultzSchaefer, GRUR Int 1989, 515 (520); Skaupy, DB 1989, 765 (768); Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 313.

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e) Verbliebene Regelungslücken 16 Regelungslücken finden sich zunächst im Anwendungsbereich, beim HerstellerFranchising und Großhandels-Franchising. Hier verbleibt zunächst die Möglichkeit einer Einzelfreistellung. Da die Gruppenfreistellungsverordnungen Alleinvertriebs· und Alleinbezugsvereinbarungen (5.01, 5.02) nach dem Gesagten auf Franchisevereinbarungen keine Anwendung finden, besteht für GroßhandelsFranchising keine andere Möglichkeit (vgl 5. und 8. Erwägungsgrund der Präambel der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen [5.05]). Anders ist dies beim Hersteller-Franchising, bei dem es nicht um vertikale Bindungen im Vertriebssystem geht. Bei entsprechendem Zuschnitt ist eine Freistellung nach der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen (5.05) möglich. 38 Greift keine Gruppenfreistellungsverordnung ein, besteht die beschriebene abgestufte Kompetenz von Kommission und nationalen Behörden. 39 17 Lückenhaft sind sodann die weißen und schwarzen Listen. Das Pronuptia-Urteil des EuGH gibt jedoch die Richtung vor, daß bei Anwendung einer rule of reason alle Bindungen, die zum Schutz von geheimem Know-how und zum Schutz des einheitlichen Bildes des Franchise-„Produkts" erforderlich sind, nicht einmal als wettbewerbsbeschränkend iSv Art 85 I E G V zu verstehen sind. In dieser Grundaussage, der rule of reason, liegt ebenso sehr eine positive Politik, gegründet in der Uberzeugung von der Wünschbarkeit von Franchise-Systemen, wie in einer Freistellung nach Art 85 III EGV. 4 0 Daran sind die nationalen Behörden, soweit sie überhaupt die Kompetenz zur Einleitung eines Verfahrens haben, bei der Rechtsanwendung gebunden und dies auch für das nationale Recht, das diese positive Politik nicht konterkarieren darf. Im Ergebnis wird, soweit die genannte Begründung eingreift, das nationale Recht nur zu einem abweichenden Ergebnis kommen können, wo die Voraussetzungen der Zwischenstaatlichkeitsklausel nicht erfüllt sind und daher der Anwendungsbereich von Art 85 E G V nicht eröffnet ist.

B. Fundstellenverzeichnis 18 Grundlage: Art 85 III, 87 E G V iVm Verordnung des Rates 1 9 / 6 5 / E W G (Fundstelle oben § 8 Einl Fn 42) Betr: Freistellung von Klauseln in Franchisevereinbarungen des Waren- und Dienstleistungsvertriebs, die einen nicht absoluten Gebietsschutz schaffen bzw das übertragene Know-how und das einheitliche Bild des Produkts schützen

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Z u Restriktionen bei der Anwendung dieser Verordnung auf das Hersteller-Franchising vgl Veelketi, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.F, Rn 1 2 ; Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht, S 3 2 4 - 3 2 6 .

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Vgl oben § 8 Einl Rn 2 4 - 2 6 . Demgegenüber die Möglichkeit einer positiven Politik strikt verneinend, wenn Art 8 5 I E G V nicht eingreift: Möschel, Die EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Forschungsund Entwicklungsgemeinschaften, R I W 1 9 8 5 , 2 6 1 (265).

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5.05 Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen Fundstellen:

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- verabschiedete Fassung AB1EG 1988 L 359/46 - Änderungen durch Beitrittsverträge etc AB1EG 1994 C 241/60; 1995 L 1/21 - ursprünglicher Vorschlag vom 27. 8. 1987 AB1EG 1987 C 229/3 C. Abdruck

Beck'sches Europäisches Wirtschaftsrecht http://www.ecohal.uni-halle.de 5.05 Gruppenfreistellungsverordnung

-

Textsammlung, 416;

sowie

Technologietransfervereinbarungen

Verordnung der Kommission vom 31. Ol. 1996 zur Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen (240/96/EG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Friedrich, Justus, Der Begriff „Know-how" im europäischen Kartellrecht - eine Kritik der Definition dieses Begriffs und der kartellrechtlichen Beurteilung der den Vertragsgegenstand „Know-how" absichernden Gebietsschutzvereinbarungen durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Diss Trier 1995; Korah, Valentine, Technology Transfer Agreements and the EC Competition Rules, Oxford (Clarendon) 1996; Graf ν Rosty-Forgách, Nicolas, Beurteilung von Know-how-Verträgen nach deutschem, amerikanischem und europäischem Kartellrecht, Diss Hamburg 1996; Singer, Stefan, Ausschließliche Patentlizenz- und Know-howVerträge nach deutschem, amerikanischem und europäischem Kartellrecht, Frankfurt/M ua (Lang) 1997; Stoffmehl, Thomas, Technologietransfer im europäischen Kartellrecht durch Gruppenfreistellung - Patent- und Know-how-Lizenzverträge, Berlin (Schmidt) 1997. 2. Aufsätze und Beiträge: Bonet, Georges, Le nouveau règlement d'exemption par catégorie d'accords de transfert de technologie - règlement n° 240/96 du 31 janvier 1996 concernant l'application de l'article 85 III du Traité à des catégories d'accords de transfert de technologie, RTDE 1996, 305-331; Brinker, Ingo, Erste Erfahrungen mit der neuen Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen, WiB 1996, 1088-1091; Chrocziel, Peter, Zur EG-kartellrechtlichen Beurteilung ehemals „schwarzgelisteter" Klauseln nach der neuen Gruppenfreistellungsverordnung für Technolgietransfervereinbarungen, FS Lieberknecht, München 1997, 295-320; Ebel, Hans, EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen, WuW 1996, 779-788; ν Einem, Christoph / Bartmann, Jeannine, Checkliste zur Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen, WiB 1997, 389-392; Groß, Michael, Gruppenfreistellungsverordnung für Technologie-Transfer-Vereinbarungen (Zusammenfassung der Gruppenfreistellungsverordnungen Patentlizenzen und Know-how-Vereinbarungen), Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 1995, 85-91; Kleinmann, Werner, Die neue

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Zweiseitige Untemehmensgeschäfte

EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen, EWS 1996, 149-156; Korah, Valentine, The Preliminary Draft of a New EC Group Exemption for Technology Licensing, EBLR 1994, 167-170; Lutz, Helmuth, Technologie-, Patent- und Know-how-Lizenzverträge im EG-Recht, RIW 1996, 2 6 9 - 2 7 2 ; Meyer, Andreas, Die EG-Gruppenfreistellungsverordnung zum Technologietransfer, G R U R Int 1997, 4 9 8 - 5 0 8 ; Robertson, Aidan, Technology Transfer Agreements - an Overview of how Regulation 2 4 0 / 96 Changes the Law, ECLR 1996, 157-162; Röttinger, Moritz, EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen, Medien und Recht 1996, 9 1 - 9 8 , 122-129; Schmidt-Szalewski, Joanna, Le projet de règlement d'exemption par categories de contrats de transfert de techniques, G R U R Int 1996, 5 5 2 - 5 5 4 ; de Souza, Nadia, The Commission's Draft Group Exemption on Technology Transfer, ECLR 1994, 3 3 8 - 3 4 1 ; Stoffmehl, Thomas, Die Gruppenfreistellungsverordnung der EU-Kommission für Technologietransfer-Vereinbarungen, CR 1996, 3 0 5 - 3 1 0 ; Vinje, Thomas, Sofwarelizenzen im Lichte von Art 85 des EWG-Vertrages, C R 1993, 4 0 1 - 4 0 8 ; Walter, Regula, Neuregelung der EU betreffend Patentlizenz- und Know-how-Vereinbarungen (Technologietransfer-Vereinbarungen), SchwZW 1996, 122-133; Winkler, Rolf / Jugel, Hans-Peter, Die neue EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen, EuZW 1996, 3 6 4 - 3 7 0 . Für Literatur zu den Vorgängerverordnungen 2 3 4 9 / 8 4 / E W G und 5 5 6 / 8 9 / E W G vgl etwa Benczek, Alexander, Die Beurteilung gemischter Know-how- und Patentlizenzverträge nach EG-Kartellrecht, Hamburg (Kovac) 1996; Friedrich, Justus, Der Begriff „Know-how" im europäischen Kartellrecht - eine Kritik der Definition dieses Begriffs und der kartellrechtlichen Beurteilung der den Vertragsgegenstand „Know-how" absichernden Gebietsschutzvereinbarungen durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Diss Trier 1995; Gottwald, Wolfgang, Die EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Patentlizenzvereinbarungen (EWG Nr 2349/84) als Instrument zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, Diss München 1992; Korah, Valentine, Know-how Licensing Agreements and the EEC Competition Rules Regulation 556/89, Oxford (ESC) 1989; Oers, Patent Licensing and EEC Competition Rules Regulation 2 3 4 9 / 8 4 , Oxford (ESC) 1985; Wedekind, Hasso, Die Anwendung der Kartellvorschriften des EWG-Vertrages auf Patentlizenzverträge - eine Untersuchung der Praxis der Organe der Europäischen Gemeinschaften unter Berücksichtigung des amerikanischen Kartellrechts, Baden-Baden (Nomos) 1989; und die Literaturangaben bei Bunte / Sauter, EGGruppenfreistellungsverordnungen, S 352 bzw Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen II, S 205 und 353.

5.05 Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen

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Α. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand Mit der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen 1 werden Lizenzvereinbarungen über Patente (und gleichgestellte Rechte des Erfinders) sowie über technisches (geheimes) Know-how vom Kartellverbot des Art 85 I EGV freigestellt. Vereinbarungen über Lizenzen an sonstigem geistigen Eigentum werden, wenn sie allein dienend hinzukommen, mit freigestellt. Der Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen (5.04) sind Vereinbarungen über kaufmännisches Know-how vorbehalten. Freigestellt ist insbesondere die Vereinbarung eines (zeitlich begrenzten) nicht absoluten Gebietsschutzes des Lizenznehmers und - an den Lizenznehmer gerichtet - von Verboten jeglicher Kundenwerbung außerhalb seines Vertragsgebiets, von Markenverwendungspflichten, mengenmäßigen Beschränkungen in einigen Ausnahmefällen, und eine Reihe sonstiger Absprachen, die meist nicht wettbewerbsbeschränkend wirken, etwa von Vereinbarungen, die für den Schutz des Know-how und die Einheitlichkeit des Bildes des Lizenz-Produktes erforderlich sind. Die Freistellungswirkung gänzlich entfallen lassen Wettbewerbsverbote jenseits des Lizenzgegenstandes, Preis- und Gebietsabschottungsabsprachen (zwischen aktuellen Wettbewerbern), mengenmäßige Beschränkungen (mit Ausnahmen), Pflichten zur Erteilung einer ausschließlichen Lizenz an Verbesserungen, die Überschreitung der Zeitgrenzen für die Ausschließlichkeitsbindung und Vereinbarungen über Kreuzbeziehungen zwischen konkurrierenden Herstellern. Andere (potentiell) wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind freigestellt, wenn die Kommission sie nicht innerhalb von vier Monaten nach Anmeldung beanstandet. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld Zwei Gruppenfreistellungsverordnungen regelten bis 1996 getrennt den Bereich 2 der Patent-1 und der Know-how-Lizenzverträge,2 den die Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen seitdem abdeckt. Beklagt wurden die unterschiedliche Fortschrittlichkeit - die Gruppenfreistellungsverordnung Patentlizenzvereinbarungen galt als veraltet3 und es stellte sich daher die Verordnung 2 3 4 9 / 8 4 / E W G der Kommission vom 23. 7. 1984 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Patentlizenzvereinbarungen, AB1EG 1984 L 219/15 (mit Änderung AB1EG 1993 L 21/8). 2 Verordnung 5 5 6 / 8 9 / E W G der Kommission vom 30. 11. 1988 zur Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Know-how-Vereinbarungen, AB1EG 1989 L 61/1 (mit Änderung AB1EG 1993 L 21/8). ^ Kleinmann, EWS 1 9 9 6 , 1 4 9 (155); auch de Souza, E C L R 1994, 338 (338); zu weiteren Kritiken: Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 6 - 8 ; 1

Winkler-Jugel, EuZW 1996, 364 (365 f).

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Frage nach der analogen Heranziehung von Regeln der Gruppenfreistellungsverordnung Know-how-Lizenzvereinbarungen - und die Abgrenzungsprobleme: Insbesondere die gemischten Patent- und Know-how-Lizenzvereinbarungen, in der Praxis die eigentlich wichtige Gruppe,4 waren schwer nur der einen oder anderen Verordnung zuzuordnen.5 Beklagt wurde jedoch auch bei der jüngeren Gruppenfreistellungsverordnung Know-how-Lizenzvereinbarungen, daß sie den Technologietransfer zu sehr behindere, so die Verwertung von Innovationen behindere und Anreize für Innovationstätigkeit nehme. Außerdem lief die Gruppenfreistellungsverordnung Patentlizenzvereinbarungen ohnehin ursprünglich Ende 1994 aus, so daß über eine Verlängerung und Umgestaltung nachzudenken war. Die Kommission entschied sich für eine kurzfristige Verlängerung, um eine gemeinsame Verordnung zu konzipieren. Die Schwierigkeiten im Gesetzgebungsverfahren führten dazu, daß weitere Verlängerungen nötig wurden,6 bis die Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen zum 1. 4. 1996 in Kraft trat und zugleich die Gruppenfreistellungsverordnung Know-howLizenzvereinbarungen, deren Laufzeit ursprünglich bis 31. 12. 1999 ausgelegt war, außer Kraft gesetzt wurde (Art 11 I VO). 3 Mit der neuen Verordnung sollten die genannten Kritikpunkte ausgeräumt werden 7 Die Wirksamkeit von Altverträgen, die in den Genuß der Freistellung nach den beiden alten Gruppenfreistellungsverordnungen gekommen waren, wurde ohne zeitliche Begrenzung fortgeschrieben (Art 11 III VO). Denn schon im Entwurf war im Vergleich zu den alten Gruppenfreistellungsverordnungen nichts von der Freistellungswirkung beschnitten worden: Der Anwendungsbereich war an keinem Punkt enger, sondern nur weiter gezogen worden; 8 die weißen Listen waren an keinem Punkt verkürzt oder eingeschränkt, sondern nur verlängert9

* Scbmidt-Szalewski, GRUR Int 1996, 5 5 2 (552); de Souza, E C L R 1994, 3 3 8 (338); Stoffmehl, C R 1996, 3 0 5 (305); verhaltener: 4. Begründungserwägung der Präambel. 5 Gottwald, EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Patentlizenzvereinbarungen, S 1 5 0 - 1 5 3 ; Walter, SchwZW 1996, 122 (124); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen II, Einl zu GVO 2 3 4 9 / 8 4 , Rn 13; Winkler /Jugel, EuZW 1996, 3 6 4 (365). Ausführlich und krit zum Know-how-Begriff der Verordnung 5 5 9 / 8 9 / E W G (teils auch noch für den neuen Rechtszustand relevant): Friedrich, Der Begriff „Know-how". « Zuletzt AB1EG 1995 L 2 1 4 / 6 und (rückwirkend!) noch Art 11 II VO iVm Art 13 S 3 VO (letzte Verlängerung bis 31. 3. 1996); vgl auch Kleinmann, EWS 1996, 149 (149). 7 Vgl für den Abbau der Abgrenzungsschwierigkeiten und die Harmonisierung beider Regelungsfelder: 4. Erwägungsgrund der Präambel; Brinker, WiB 1996, 1088 (1089); Kleinmann, EWS 1996, 149 (149); Walter, SchwZW 1996, 122 (124); Winkler / Jugel, EuZW 1996, 3 6 4 (366); für die Förderung von Innovationstätigkeit: 4. und 12. Erwägungsgrund der Präambel; Kleinmann aaO; Winkler / Jugel aaO. 8 Vgl an dieser Stelle nur Walter, SchwZW 1996, 122 (126 f); auch, jedoch noch mehr Liberalität anmahnend: Bonet, RTD E 1996, 3 0 5 ( 3 0 6 - 3 0 8 ) . 9 Vgl an dieser Stelle nur ν Einem / Bartmann, WiB 1997, 3 8 9 (389); Kleinmann, EWS 1996, 149 (151); Korah, Technology Transfer EC Competition Rules, p. 81; Stoffmehl, CR 1996, 305 (307); Walter, SchwZW 1996, 122 (127); auch, jedoch noch mehr Liberalität anmahnend: Bonet, RTD E 1996, 3 0 5 ( 3 0 6 - 3 0 8 ) .

5.05 Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen

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und umgekehrt die schwarzen Listen nur verkürzt worden.10 Einige dieser Kürzungen der schwarzen Liste rückten letztlich ausdrücklich in eine graue Liste (Art 4 II VO); für die nicht mehr genannten gilt, da sie nicht in die weiße Liste aufgenommen wurden, dasselbe. Insgesamt waren also mehr Klauseln ausdrücklich freigestellt (weiße Liste), weniger Klauseln führten zur endgültigen Unanwendbarkeit der neuen GruppenfreistellungsVerordnung (schwarze Liste). Der graue Bereich wurde einheitlich von schwarz in Richtung weiß verschoben. Die Tendenz war also exakt entgegengesetzt zu derjenigen bei der Novellierung der Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen (5.03). Die ungewöhnlich intensive Kritik des Vorentwurfs betraf auch weniger die ein- 4 zelnen Listen, die liberaler geworden waren,11 sondern vor allem zwei Punkte: Zum einen hatte die Kommission ab gewissen Schwellenwerten, die zudem anfangs sehr niedrig angesetzt waren (bei 40 % Marktanteil, in oligopolistischen Märkten gar nur 10 °/o, später 20 %), die Gruppenfreistellungsverordnung für unanwendbar erklären wollen. Kritisiert wurde zum einen, daß die Sicht mechanistisch sei und bei Erreichen dieser Schwelle keineswegs wahrscheinlich oder gar sicher sei, daß auf dem betroffenen Markt kein wesentlicher Wettbewerb mehr stattfinde.12 Kritisiert wurde zum anderen, daß die Unternehmen, die danach zu handeln hatten, selbst die relevante Information über Marktanteile nicht erheben könnten.13 Beiden Kritikpunkten entsprach die Kommission im Ergebnis, indem sie die Schwellenwerte nicht nur anhob (heute 40 %), sondern sie auch zu einem bloßem Aufgreifkriterium abstufte, bei dessen Erreichen es für die Kommission angezeigt ist, über eine Entziehung der Vorteile der Freistellung nachzudenken (Art 7 Nr 1 VO). Die Marktanteile werden nunmehr von der Kommission ermittelt, für die Unternehmen sind sie nicht mehr primärer Handlungsparameter, und das Erreichen der Schwellenwerte ist nur mehr ein Indiz für das Fehlen von wesentlichem Wettbewerb, das widerlegt (und übrigens auch ohne Vorliegen der Werte positiv bewiesen werden) kann. Der zweite Kritikpunkt betraf den Wegfall des Widerspruchsverfahrens, den die Kommission mit mangelnder praktischer Relevanz begründet hatte.14 In der verabschiedeten Fassung findet sich das Wi-

Vgl an dieser Stelle nur υ Einem / Bartmann, WiB 1997, 389 (389); Kleinmann, EWS 1996, 149 (152 f); Stoffmehl, CR 1996, 305 (307); Walter, SchwZW 1996, 122 (127 f); Winkler /Jugel, EuZW 1996, 364 (367). 11 Zur verabschiedeten Fassung Winkler /Jugel, EuZW 1996, 364 (367); etwas weniger positiv Schmidt-Szalewski, GRUR Int 1996, 552 (553). 12 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zur VO, AB1EG 1995 C 102/1 (2); Brinker, WiB 1996, 1088 (1088); Stoffmehl, CR 1996, 305 (309); Winkler / Jugel, EuZW 1996, 364 (368 f). Charakteristisch de Souza, ECLR 1994, 338 (339-341), die nahezu ausschließlich die Schwellenproblematik behandelt. » Schmidt-Szalewski, GRUR Int 1996, 552 (554); Winkler /Jugel, EuZW 1996, 364 (368). 14 Einführung der Kommission zur Eingabe zur ersten Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen, Kommissionsdokument IV/252/94-DE, II 2; Brinker, WiB 1996, 1088 (1089 f); Winkler /Jugel, EuZW 1996, 364 (369). Nach Kommission, 23. Wettbewerbsbericht, 1993, Nr 339 wurde im Rahmen der GVO Patentlizenzvereinbarungen nur ein Widerspruchsverfahren eingeleitet. 10

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derspnichsverfahren wiederum in Art 4 VO. 1 5 Zugleich führte die Kommission jedoch wieder das Alles-oder-nichts-Prinzip ein, nach dem das Vorliegen auch nur einer schwarzen Klausel oder einer grauen Klausel, gegen die sie Widerspruch erhebt, zum Wegfall der Freistellung insgesamt führt - auch für die weißen Klauseln, soweit sie eine Wettbewerbsbeschränkung iSv Art 85 I E G V darstellen. 16 Dies wurde als Korrelat zur Wiedereinführung des Widerspruchsverfahrens verstanden, 17 obwohl beides unterschiedliche Fragen betrifft. An der verabschiedeten Fassung wurde wohl am intensivsten diese Kehrtwende angegriffen. 18 5 Das Umfeld ist vor allem durch Regelungen anderer Formen von Know-how bestimmt. Nur geistiges Eigentum in Form von Patenten, gleichgestellten Rechten nach Art 8 V O und Know-how fallt unter die Gruppenfreistellungsverordnung, andere Formen nur, wenn sie Gegenstand von bloßen Nebenbestimmungen sind (Art 5 I Nr 1 VO). Für diese Bereiche fehlt es an Gruppenfreistellungsverordnungen. Anders ist dies bei nicht-technischem Vertriebs-Know-how, das ebenfalls aus dem Anwendungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen ausgenommen wurde (vgl Art 1 , 1 0 Nr 1 und 5 1 Nr 5 VO). Dieses ist Gegenstand vor allem der Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen (5.04), aus deren Anwendungsbereich umgekehrt das HerstellerFranchising, das die Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen etwa in Art 2 I Nr 5 V O anspricht, ausgenommen ist. Know-how für Herstellungszwecke regelt also die Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen, Know-how für Waren- und Dienstleistungsvertrieb umgekehrt die Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen. 19

c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise 6

Die Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen stützt sich, da gewerbliche Schutzrechte Regelungsgegenstand sind, auf die GruppenDie Reduzierung der schwarzen Liste und - als Folge hiervon - die Ausweitung des grauen Bereichs sowie die Reduzierung der Widerspruchsfrist, faktisch zugleich einer Wartefrist für die Durchführung der Vereinbarung, lassen ein Ansteigen der Anmeldungen möglich erscheinen. Vgl dazu Stoffmehl, CR 1996, 305 (308); Walter, SchwZW 1996, 122 (128). " Brinker, WiB 1996, 1088 (1089); Stoffmehl, CR 1996, 305 (308); Korah, Technology Transfer EC Competition Rules, p. 160; Walter, SchwZW 1996, 122 (126). 17 Korah, Technology Transfer EC Competition Rules, p. 160; krit hierzu Brinker, WiB 1996, 1088 (1090); Stoffmehl, CR 1996, 305 (309); Walter, SchwZW 1996, 122 (126); Winkler/Jugel, EuZW 1996, 364 (369). 18 Vgl etwa Brinker, WiB 1996, 1088 (1089 f); υ Einem / Bartmann, WiB 1997, 389 (389); Stoffmehl, CR 1996, 305 (309); Walter, SchwZW 1996, 122 (125, 132); Winkler /Jugel, EuZW 1996, 364 (369); und noch vor Verabschiedung: Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Stellungnahme zu der geplanten VO zur Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen, GRUR 1995, 480 (481) („unerträglich"); außerdem wird die zeitliche Beschränkung nach Art 1 II-IV VO kritisiert Kleinmann, EWS 1996, 149 (155). 19 Vgl zur Abgrenzung dieser drei Grundformen des Franchising oben 5.04 Rn 3. 15

5.05 Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen

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freistellungs-Ermächtigungs-Verordnung des Rates 19/65/EWG (1. Erwägungsgrund der Präambel). Von den anderen Gruppenfreistellungsverordnungen, die sich auf diese Ermächtigungs-Verordnung stützen (5.01-5.04), unterscheidet sich diejenige zu den Technologietransfervereinbarungen dadurch, daß sie horizontale Wettbewerbsverhältnisse (zwischen Herstellern) zum eigentlichen Gegenstand hat (vgl etwa Art 3 Nr 4 VO). Gegenstand ist zwar auch ein potentieller Intra-Brand-Wettbewerb, da der Wettbewerb um den Absatz der lizenzierten Ware auch so kanalisiert werden darf, daß die Wäre jeweils unter derselben Marke vertrieben werden muß (vgl 1 I Nr 7 VO). Möglicher Gegenstand ist jedoch gleichermaßen und vor allem potentieller Inter-Brand-Wettbewerb (vgl Art 2 1 Nr 12 und 18 sowie Art 3 Nr 3 VO). Die Kompetenz stützt sich also auf den Regelungsgegenstand gewerbliche 7 Schutzrechte. Sie kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden, daß Technologietransfervereinbarungen nach der EuGH-Rechtsprechung in einem Kernbereich nicht einmal die Voraussetzungen des Art 85 I E G V erfüllen.20 Eine Freistellung ist auch aus Rechtssicherheitsgründen, also für den Fall, daß die Vereinbarung doch (einmal) unter Art 85 I EGV fällt, möglich (vgl 5. und 27. Erwägungsgrund der Präambel).21 Wie alle Gruppenfreistellungsverordnungen wirkt diejenige zu den Technologietransfervereinbarungen unmittelbar (ohne Umsetzung ins nationale Recht) und ipso iure (ohne vorherige Anmeldung) und präkludiert, soweit sie eingreift, grundsätzlich jedes Verbot auf der Grundlage nationalen Rechts: 22 Nach ihrem 12. Erwägungsgrund der Präambel will die Verordnung Innovationstätigkeit ermutigen und verfolgt damit eine positive Politik iSd Rechtsprechung des EuGH in Sachen Walt Wilhelm.23 Eine Freistellung setzt jedoch voraus, daß die Vereinbarung keine einzige andere wettbewerbsbeschränkende Klausel enthält als die ausdrücklich freigestellten (Allesoder-nichts-Prinzip).24 Dies ist anders nur bei Vereinbarungen, die in der Tat nicht wettbewerbsbeschränkend iSd Art 85 I EGV wirken. Hierher zählen wohl, wie sich aus dem Einleitungssatz der Norm ergibt, jedenfalls die in Art 2 I VO genannten Maßnahmen (vgl auch Art 2 II VO); deshalb soll Art 2 I VO auch nicht als abschließende Aufzählung verstanden werden (vgl wiederum Einleitungssatz von Art 2 I VO). Im Rahmen der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen und etwa deren Art 7 ist der generell für Gruppenfreistellungsverordnungen geltende Vorbehalt von besonderer BedeuEuGH 25. 2. 1986 - Rs 193/83 {WindsurfingIne/Kommission), Slg 1986, 611 (663) (für „spezifischen Gegenstand eines Schutzrechts"); auch EuGH 8. 6. 1982 - Rs 258/78 (Maissaatgut), Slg 1982, 2015 (2068 f); vgl auch Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen II, Einl zu GVO 2349/84, Rn 5. 21 So EuGH 18. 12. 1986 - Rs 10/86 (VAG/Magne), Slg 1986, 4071 (4088) für die Einzelfreistellung. Die Kompetenz für den Erlaß der GVO Technologietransfervereinbarungen wurde denn auch nicht angezweifelt. 2 2 Zu letzterem (und möglichen moderaten Einschränkungen bei §§ 22 IV, 26 II, 23 ff GWB) oben § 8 Einl Rn 11, 25 f. " EuGH 13. 2. 1969 - Rs 14/68 (Walt Wilhelm), Slg 1969, 1 (14). 24 Vgl zum Streit hierüber im Gesetzgebungsverfahren dieser VO oben Rn 4. 20

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tung: Freigestellt werden die Vereinbarungen jeweils allein von dem Verbot nach Art 85 I EGV. Art 86 EGV bleibt demgegenüber uneingeschränkt anwendbar.25 2. Inhalt a) Anwendungsbereich 8 Die Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen weicht von den meisten anderen zwar nicht in den wesentlichen Bestandteilen (a-c), wohl jedoch in deren Anordnung ab. 26 Der sachliche Anwendungsbereich ist im Einleitungsteil von Art 1 1 V O sowie in (Teilen von) Art 5, 6, 8 und 10 VO geregelt, die überwiegend Definitionen und Präzisierungen enthalten. Solche pflegen sich sonst ebenfalls in den einleitenden Normen zu finden. Hingegen sind die einzelnen Nummern des Art 11 VO sowie Art 1II-IV V O bereits Bestandteil der weißen Liste. Der Anwendungsbereich ist also auch eröffnet und die Freistellungswirkung greift ein, wenn keine dieser Nummern erfüllt ist (vgl Art 2 II VO). 9 Entsprechend den Vorgaben der Ermächtigungs-Verordnung sind nur Vereinbarungen zwischen zwei Unternehmen erfaßt. Freilich wird dies auch in der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen dahingehend verstanden, daß Unternehmen mit den mit ihnen verbundenen Unternehmen eine Einheit bilden (Art 6 Nr 3 VO). Auch die Definition des verbundenen Unternehmens (Art 10 Nr 14 VO) entspricht der in anderen Verordnungen üblichen (vgl etwa Art 4 Gruppenfreistellungsverordnung Alleinvertriebsvereinbarungen, 5.01). 10 Gegenstand der Vereinbarung muß eine Patentlizenz und/oder eine Know-howLizenz sein, wobei Nebenbestimmungen über Lizenzen an anderen Rechten des geistigen Eigentums hinzutreten dürfen (Art 1 I VO). Diese Elemente sind in (Teilen von) Art 5, 6, 8 und 10 V O präzisiert. Dies gilt zunächst für das Element des Lizenzvertrages, hier vor allem die Abgrenzung zwischen Lizenz (Gebrauchsüberlassung) und Übertragung. Als der Lizenz vergleichbar wird auch noch die Übertragung angesehen, bei der das Verwertungsrisiko (teilweise) beim Veräußerer bleibt (Art 6 Nr 2 VO), seine Vergütung sich etwa in einer Umsatzbeteiligung erschöpft. 27 Umgekehrt fehlt es an einer freistellungswürdigen Lizenz, wenn es insofern zu keinem Transfer von Technologien kam, als der Lizenznehmer nicht auf eigene Rechnung produziert.28 Präzisiert wird außerdem, daß es 25

26 27

28

EG-Kommission [Tetra Pak I) AB1EG 1988 L 2 7 2 / 2 7 ; EG-Kommission (Tetra Pak IT) AB1EG 1992 L 72/1; EuGel 10. 7 . 1 9 9 0 - Rs T-51/89 (Tetra Pak/Kommission), Slg 1990, 11-309 (363 f). j Krit Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 14. Um einen Umgehungstatbestand handelt es sich hier nicht: so jedoch 9. Erwägungsgrund der Präambel; Ebel, WuW 1996, 779 (780); zur Problematik auch Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 97. Denn die Anwendbarkeit einer GVO kann nur vorteilhaft sein; selbst bei Vorliegen einer schwarzen Klausel wird allein der Zustand hergestellt, der bei Unanwendbarkeit oder Fehlen einer GVO besteht. Vgl 8. Erwägungsgrund der Präambel; Ebel, WuW 1996, 779 (779).

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sich nicht um eine Hauptlizenz handeln muß, sondern daß auch eine Unterlizenz erfaßt ist (Art 6 Nr 1 VO). Ebenfalls präzisiert wird der Gegenstand des Lizenzvertrages. Es kann sich hierbei 11 um Know-how und/oder ein Patent handeln. Viele Rechte des Erfindungsschutzes sind dem Patent gleichgestellt (vgl im einzelnen Art 8 VO), namentlich Halbleitertopographien, Gebrauchsmuster, Sortenschutzrechte und ergänzende Schutzzertifikate (teils einschließlich diesbezüglicher Anmeldung, Art 8 I lit. a und c, II VO). Der Lizenzvertrag kann nur Schutzrechte oder Know-how betreffen oder beides (vgl im einzelnen Art 8 III VO). Das Know-how ist in Art 10 Nr 1 - 4 VO definiert. Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen technischem Know-how, das dem Patent nahesteht und in den Anwendungsbereich einbezogen ist, und kaufmännischem oder Vertriebs-Know-how, das ausgeschlossen bleiben soll (vgl Art 10 Nr 1 und 5 I Nr 5 VO). Im Pronuptia-Urteil, das prägend vor allem für die Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen wurde, hatte der EuGH die strukturellen Unterschiede zwischen beiden Formen von Know-how und die darauf bezogenen Vereinbarungen hervorgehoben.29 Die Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen von 1988 (5.04) regelte daher allein die Vertriebsstufe und das diesbezügliche Know-how (für das Warenvertriebs- und Dienstleistungsvertriebs-Franchising), mit der Gruppenfreistellungsverordnung Know-how-Lizenzverträge von 1989 wurde der verbliebene Bereich des Hersteller-Know-how einer Regelung zugeführt. Auch das Hersteller-Know-how ist freilich nur unter der Voraussetzung Gegenstand der Verordnung, daß es geheim, wesentlich und identifiziert ist (dazu Art 10 Nr 2 - 4 VO). Die ersten beiden Kriterien werden in der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen weit verstanden,30 so daß jedes Know-how, das einen Geldwert hat, der über die reinen Unterrichtungskosten hinausgeht, einbezogen erscheint. Das Element der Identifizierbarkeit dient allein der Praktikabilität: Es ist erfüllt, wenn die Beschreibung des Know-how es erlaubt, die beiden anderen Elemente sowie die getroffenen Klauseln überprüfbar zu machen. Alle anderen Rechte des geistigen Eigentums, die nicht Patente oder gleichge- 12 stellte Rechte darstellen und auch kein technisches Know-how, dürfen nur als Annex (in „Nebenbestimmungen") einbezogen werden (Art 5 I Nr 4 und 10 Nr 15 VO). Hierfür kann auf die Unterscheidung zwischen solcher Rechtseinräumung, die für die Vertragsdurchführung unabdingbar ist, und solcher, die ihr nur dient, zurückgegriffen werden.31

Vgl Nachw oben 5.04 Rn 3, 5. Korah, Technology Transfer EC Competition Rules, p. 2 9 - 3 2 ; Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 2 5 - 2 8 ; zur Ausweitung gegenüber der GVO Know-how-Vereinbarungen Walter, SchwZW 1996, 122 (129). 3' Stoffmehl, CR 1996, 305 (310); Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 95; vgl auch Bonet, RTDE 1996, 305 (311-313) sowie 9. Begründungserwägung der Präambel der GVO Patentlizenzvereinbarungen (oben Fn 1), letzter Satz (noch zur gegenseitigen Abgrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs der beiden Vorgänger-GVO). 29 30

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b) Freigestellte und unbedenkliche Vertragsklauseln (weiße Liste) 13 Nach dem Gesagten ist die weiße Liste in Art 1 und 2 VO geregelt, wobei freilich der Einleitungsteil von Art 1 I VO den sachlichen Anwendungsbereich umreißt. Beide Artikel unterscheiden sich dadurch, daß die Kommission die in Art 1 VO genannten Klauseln als regelmäßig wettbewerbsbeschränkend versteht und daher die Freistellung nach Art 85 III EGV konstitutiv ist, während die in Art 2 VO genannten Klauseln als regelmäßig nicht wettbewerbsbeschränkend verstanden werden und die Freistellung nur für den Ausnahmefall nötig ist, in dem einmal das Gegenteil der Fall ist. 14 Die weiße Liste des Art 1 I Nr 1 - 3 VO enthält die eigentlichen Ausschließlichkeitsregeln, nach denen dem Lizenzgeber weitere Lizenzvergabe und eigene Lizenznutzung im Vertragsgebiet untersagt werden darf und umgekehrt dem Lizenznehmer Lizenznutzung im Gebiet des Lizenzgebers. Ergänzt werden diese Vorschriften durch weitere zulässige Verpflichtungen des Lizenznehmers, in Art 1 I Nr 4 - 6 VO zunächst zu Gebietsabgrenzungen zwischen Lizenznehmern, die jedoch im Zusammenhang mit den zwingenden Ausnahmen zu Gebietsabgrenzungen zu lesen sind (Art 3 Nr 3 VO). Danach kann dem Lizenznehmer die Lizenznutzung im Gebiet anderer Lizenznehmer untersagt werden, außerdem der Vertrieb in solch einem Gebiet, und dies sowohl, soweit er auf aktive Maßnahmen wie Niederlassung, Haltung eines Auslieferungslagers oder Werbung zurückgeht, als auch (und weitergehend als in den meisten sonstigen Gruppenfreistellungsverordnungen), soweit er eine nicht von ihm angestoßene Lieferanfrage befriedigen würde. Querlieferungen können dann nicht vom Lizenznehmer direkt ausgehen sondern nur von Personen, die er in seinem Vertragsgebiet beliefert (vgl Art 3 Nr 3 VO). Ebenfalls zulässig ist eine Markenverwendungspflicht (Art 11 Nr 7 VO) und eine mengenmäßige Beschränkung (Art 11 Nr 8 VO), jedoch nur soweit dem Lizenznehmer allein die Nutzung für die Herstellung von Bestandteilen eigener Produkte gestattet ist (vgl ansonsten Art 3 Nr 5 VO). 15 Besonders umstritten war die zulässige Laufzeit dieser freigestellten Wettbewerbsbeschränkungen (Art 1 II-IV VO). Die Kommission führte Praktikabilitätsgesichtspunkte an, weil Know-how weniger klar greifbar sei.32 Die Gegenseite sieht keinen Grund für eine Differenzierung33 und fragt zu Recht, ob nicht das Maß der Greifbarkeit von Know-how von anfang an von den drei Kriterien „geheim, wesentlich und identifiziert" abhängt. Beschränkt ist die Dauer der Freistellung zunächst durch die Laufzeit des Patents und durch das Fortbestehen von Know-how iSv Art 10 Nr 1 - 4 VO, das geheim, wesentlich und identifiziert bleiben muß. Das Auslaufen des Patents oder der Verlust eines dieser drei Charakteristika von Know-how läßt also die Freistellungswirkung des Art 1 I VO entfallen (Art 1 III 4. UA VO). Für das Patent kommt es auf die Rechtslage im Gebiet des Beteiligten 32

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13. und 14. Erwägungsgrund der Präambel; Winkler / Jugel, EuZW 1996, 364 (367); krit: Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zur VO, AB1EG 1995 C 102/1 (4). Kleinmann, EWS 1996, 149 (155); Korah, Technology Transfer EC Competition Rules, p. 152 seq; Winkler/Jugel, EuZW 1996, 364 (367).

5.05 Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen

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an, der durch die fragliche Klausel jeweils geschützt ist (Art 1 II 1 VO). Nach Auslaufen des Patents bzw des Know-how ist kein Wert mehr zu vermarkten, erschien also eine Wettbewerbsbeschränkung nicht mehr erforderlich, um einen Technologietransfer zu befördern.34 Umstritten war die weitergehende Verkürzung der solchermaßen vorgegebenen Zeitspanne, in der die Verordnung Freistellungswirkung entfaltet; solch eine Verkürzung findet sich für zwei Klauselgruppen: Diese Zeitspanne wird zunächst für das Verbot auch passiver Verkaufspolitik in fremden Vertragsgebieten auf fünf Jahre beschränkt, dies gleichermaßen für Patentlizenzen wie für Know-how-Lizenzen (Art 1 II 2 und III 2. UA VO). Dabei bleibt es auch bei gemischten Patent- und Know-how-Lizenzen (Art 1 IV 2. UA VO). Eine zweite Verkürzung der Zeitspanne - diesmal auf zehn Jahre - betrifft nur Know-how-Lizenzen und nur die in Art 1 I Nr 1 - 5 VO genannten Klauseln. Keine weitere Verkürzung ist für die in Art 1 1 Nr 7 und 8 VO genannten Klauseln vorgesehen. Bei gemischten Lizenzen ist für jeden Teil die Freistellungsdauer zu berechnen, die längere setzt sich durch (Art 1 IV 1. und 3. UA VO). Für den Anlauf der Fünf- oder Zehn-Jahres-Fristen ist nicht mehr wie in der Vorgängerverordnung Know-howVereinbarungen (vgl dort Art 1 II) der Vertragsabschluß maßgeblich, sondern das erste Inverkehrbringen in der EG durch einen Lizenznehmer. Damit wurde berücksichtigt, daß häufig von Vertragsschluß bis Produktionsreife noch Entwicklungen durchgeführt werden müssen;35 nicht durchgesetzt hat sich die noch weitergehende Forderung, auf das erste Inverkehrbringen durch den jeweils betroffenen Lizenznehmer abzustellen.36 Keiner solchen Laufzeitbegrenzung unterliegt die Freistellung nach Art 2 VO, die 16 (mit Ausnahme von Nr 10) Beschränkungen des Lizenznehmers enthält; sie ist zudem dadurch gekennzeichnet, daß sie meist Klauseln betrifft, die gar nicht wettbewerbsbeschränkend wirken (vgl Einleitungssatz zu Art 2 I VO) und daher auch nicht als abschließend zu verstehen sind,37 daß sie auch eingreift, wenn keine der Klauseln nach Art 1 I Nr 1 - 8 VO vereinbart wurde (Art 2 II VO) und daß jeweils ein Minus an Bindung ebenfalls freigestellt ist (Art 2 III VO). Die 18 Punkte umfassende Liste enthält zunächst die Freistellung von Klauseln, die sich in manchen Mitgliedstaaten schon aus dem Gesetz ergeben: Dies gilt für die Pflicht, Know-how-Geheimnisse zu wahren, auch nach Vertragsbeendigung (vgl § 17 UWG) und dann auch nicht selbst weiter zu nutzen (ebenso Patente), sowie für das Verbot, Lizenzen ohne Zustimmung zu übertragen bzw Unterlizenzen zu erteilen (Art 2 I Nr 1 - 3 VO). Auch die Grant-back-Klausel, die den Lizenznehmer verpflichtet, dem Lizenzgeber eine Lizenz an Verbesserungen einzu« Ebel, WuW 1996, 779 (784 f). " ν Einem / Bartmann, WiB 1997, 389 (389). 36 ν Einem / Bartmann, WiB 1997, 389 (389); Winkler /Jugel, EuZW 1996, 364 (367); zur Wünschbarkeit solch einer Lösung sehr dezidiert Korah, Technology Transfer EC Competition Rules, p. 153 seq. Nach der verabschiedeten Fassung besteht bei der Entwicklung ebenfalls eine Wettbewerbssituation zwischen Lizenznehmern. 3 7 18. Erwägungsgrund der Präambel; Kleinmann, EWS 1996, 149 (151); Korah, Technology Transfer EC Competition Rules, p. 158 seq; Stoffmehl, CR 1996, 305 (307); Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VI1I.C, Rn 53. 3

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räumen, ist üblich und dient Technologietransfer und -entwicklung (Art 2 I Nr 4 V O ) . Ist die Lizenz jedoch ausschließlich, handelt es sich um eine schwarze Klausel (Art 3 Nr 6 V O ) . Das Hersteller-Franchising spricht Art 2 I Nr 5 V O an, der Maßnahmen zur Herstellung von Einheitlichkeit (und zur diesbezüglichen Kontrolle) dann freistellt, wenn sie technisch oder aber um des einheitlichen Qualitätserscheinungsbildes willen notwendig sind. 38 Mangels solcher Notwendigkeit handelt es sich um eine graue Klausel (Art 4 II lit. a V O ) . Die weiteren Klauseln enthalten Unterstützungs- und Bemühenspflichten des Lizenznehmers (Nr 6, 9, 11 und 17), im Gegenzug zu letzteren auch eine Meistbegünstigungsklausel zu seinen Gunsten (Nr 10). Der Erleichterung der kontinuierlichen Zahlung dient Nr 7 , nach dem diese auch für den Fall vereinbart werden darf, daß das Geheimnis offenkundig geworden ist. Die Möglichkeit, die Lizenz auf einen oder mehrere technische Anwendungsbereiche zu beschränken (Nr 8), gilt nicht zwischen aktuellen Wettbewerbern (Art 3 Nr 4 V O ) . Die Erweiterung der Produktion zu eigenen Zwecken kann nicht untersagt werden, wohl jedoch diejenige zugunsten Dritter (Nr 12); die Regel ist vor allem vor dem Hintergrund der Geheimhaltungspflichten zu sehen und entsprechend auszulegen. 39 Mengenmäßige Beschränkungen sind (außer in dem in Art 1 I Nr 8 V O genannten Fall) allein möglich, wenn für einen bestimmten Kunden (auch den Lizenznehmer) ein zweiter Bezugskanal geöffnet werden soll (Nr 13). 4 0 Ein Überschreiten dieser Grenzen läßt jede Vereinbarung mengenmäßiger Beschränkungen bereits in den schwarzen Bereich fallen (Art 3 Nr 5 VO). Abgerundet wird der Kreis der weißen Klauseln durch eine Reihe von möglichen Vorbehalten des Lizenzgebers, ihm zustehende Rechte auszuüben, insbesondere die Rechte aus dem Patent bzw Geheimnisschutzrechte zum Know-how und diejenigen zur Vertragsbeendigung durch Kündigung aus wichtigem Grund (Nr 1 4 - 1 6 , 1 8 ) . Nr 14 sagt etwas Selbstverständliches, soweit sie dem Lizenzgeber vorbehält, bei nicht lizenziertem Handeln, Rechte aus dem Patent geltend zu machen; nicht lizenziertes Handeln ist freilich nicht nur außerhalb des Vertragsgebietes möglich (vgl etwa Art 2 I Nr 1 2 , 1 3 V O ) , und nicht jedes Handeln außerhalb des Vertragsgebietes darf für lizenzwidrig erklärt werden (vgl etwa Art 3 Nr 3 lit. a VO). Nr 14 ist entsprechend auszulegen. 41 Nichtangriffsklauseln sind heute graue Klauseln, zusätzlich erlaubt Nr 15 den Vorbehalt, bei Angriff auf das Schutzrecht, den Vertrag zu beenden. 4 2

Zu Restriktionen bei der Anwendung auf das Hersteller-Franchising vgl Weltrich, Franchising im EG-Kartellrecht - eine kartellrechtliche Analyse nach Art 85 III EGV, 1992, S 324-326. 39 Kleinmann, EWS 1996, 149 (152); Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 68. 4 0 Vgl näher zu dieser erst in der vorliegenden VO freigestellten Klausel Kleinmann, EWS 1996, 149 (151); Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 69. 4> Kleinmann, EWS 1996, 149 (152). 42 Kleinmann, EWS 1996, 149 (152). Vgl dazu zusätzlich die Leitentscheidung EuGH 27. 9. 1988 - Rs 6 5 / 8 6 (Bayer / Süllhofer), Slg 1988, 5 2 4 9 (5285-5287), nach der die Klausel bei kostenlos erteilter Lizenz nicht einmal als wettbewerbsbeschränkend angesehen wer38

5.05 Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen

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c) Unzulässige Klauseln (schwarze Liste) Die schwarze Liste unzulässiger Klauseln ist in Art 3 VO und den restlichen 17 Nummern von Art 5 VO geregelt. Art 4 VO enthält demgegenüber die Regelung des Widerspruchsverfahrens und nennt zwei Klauseln der grauen Liste ausdrücklich, die in den Vorgängerverordnungen noch auf der schwarzen Liste gestanden hatten - die bereits genannte Pflicht zur Einhaltung von Qualitätsstandards, die weder technisch noch von der Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes her geboten sind, und die ebenfalls bereits genannte Nichtangriffsklausel. Letztlich zählt jedoch jede Klausel, die weder auf der weißen Liste erscheint (oben b) und wettbewerbsbeschränkend wirkt noch in der schwarzen Liste aufgeführt ist (hier c), zur grauen Liste, für die Art 4 VO gilt. Bei Anmeldung und mangels Widerspruch durch die Kommission innerhalb von vier Monaten ist die Klausel wie diejenigen der weißen Liste freigestellt, andernfalls so zu behandeln wie diejenigen der schwarzen Liste. Die schwarze Liste des Art 3 VO enthält zunächst das übliche Verbot, Bindungen 18 zu Preisen und Preisbestandteilen aufzuerlegen (Nr 1), und ein Verbot, Wettbewerb zu beschränken außerhalb dessen, was Gegenstand der Lizenzvereinbarung ist, also in Forschung, Entwicklung, Herstellung, Gebrauch oder Vertrieb (Nr 2). Letzteres läßt die weißen Klauseln des Art 2 I Nr 17 und 18 VO unberührt (Bemühenspflicht und Kündigungsvorbehalt für den Fall von Wettbewerbsaufnahme in den genannten Bereichen), gleichermaßen die nicht genannten weißen Klauseln, von denen vor allem Art 2 I Nr 9 und 12 VO in diesem Zusammenhang bedeutsam sind (präzisere Bemühenspflicht und Verbot, Know-how für Dritte zu nutzen). Nr 3 der schwarzen Liste des Art 3 VO findet sich vergleichbar ebenfalls in allen anderen Gruppenfreistellungsverordnungen und betrifft die Behinderung von Parallelimporten. Der überaus starken Einschränkung von Querlieferungen durch Lizenznehmer (Art 1 I Nr 4 - 6 VO) steht ein Verbot gegenüber, Querlieferungen durch Verbraucher, jedoch auch durch systemfremde Wiederverkäufer mittels Absprache oder abgestimmter Verhaltensweise zu behindern, wenn diese im Vertragsgebiet einkaufen (lit. a) bzw wenn diese in einem anderen Vertragsgebiet eingekauft haben und jetzt ins eigene Vertragsgebiet liefern wollen (lit. b). Beide Buchstaben betreffen also die Behinderung dieser Querlieferungen, einmal aus Sicht des Lizenznehmers im Quelland, einmal des Lizenznehmers im Zielland. Der (versuchte) Einsatz von gewerblichen Schutzrechten43 ist ein Mittel unter mehreren, die Erschwernis ist der Generaltatbestand, so daß das Wort „und" zwischen beiden Tatbestandsmerkmalen - wie im englischen und französischen Text - als „insbesondere" zu lesen ist.44 Ebenfalls verboten ist der Einsatz von Lizenzen zum Zwecke der Marktaufteilung, wenn

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den könne; ausführlich zur Praxis der EU-Instanzen in diesem Bereich: Schim van der Loeff / Lüchinger, Nichtangriffsklauseln in Patentlizenzverträgen im Spannungsfeld zwischen Vertrags- und Wettbewerbsrecht, FS Schluep 1995, 169 (178-186). Zur rechtlichen Durchsetzbarkeit, die ohnehin nach der Erschöpfungslehre regelmäßig zu verneinen ist, unten 5.30 Rn 4. Kleinmann, EWS 1996, 149 (153).

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die Vertragspartner bereits Konkurrenten waren (Nr 4); ist letzteres nicht der Fall, handelt es sich um eine graue Klausel. 45 Mengenmäßige Beschränkungen fallen ebenfalls unter die schwarze Liste (Nr 5), es sei denn die Lizenz ist dem Lizenznehmer nur für die Herstellung von Bestandteilen eigener Produkte gestattet oder zur Eröffnung einer zweiten Bezugsquelle für einen bestimmten Abnehmer (Art 1 1 Nr 8 , 2 1 Nr 13 V O ) . Das gleiche gilt für die Pflicht, dem Lizenzgeber eine ausschließliche, nicht nur konkurrierende Lizenz an Verbesserungen einzuräumen (Nr 6; vgl den komplementären Art 2 I Nr 4 VO). Vervollständigt wird die schwarze Liste des Art 3 V O durch das Verbot, die Fristen des Art 1 II-IV V O zu überschreiten, soweit es um die Ausschließlichkeitsbindung von Lizenzgeber und -nehmer in Hinblick auf die Nutzungsrechte geht. Bei den Bindungen nach Art 1 I Nr 1 - 4 V O geht also die weiße Klausel mit Fristüberschreitung nicht nur in den grauen, sondern in den schwarzen Bereich über. Dies gilt auch, wenn die Frist aufgrund von hinzugekommenen Verbesserungen verlängert wird. 19 Art 51 Nr 1-3 VO ergänzen die schwarze Liste. Zwar ist nicht nur die Anwendbarkeit von Art 1 und 2 V O (der weißen Liste) ausgeschlossen, sondern diejenige der ganzen Verordnung - die Regelung betrifft also scheinbar den sachlichen Anwendungsbereich. 4 6 Da bei Klauseln der schwarzen Liste kein Widerspruchsverfahren stattfindet und diese auch nicht zur weißen Liste zählen, ist jedoch das Ergebnis weitgehend dasselbe: Für die jeweilige Klausel ist allein der Weg der Einzelfreistellung gangbar. Für schwarze Klauseln wird dies freilich nur angenommen werden können, wenn sie tatsächlich wettbewerbsbeschränkend iSv Art 85 I E G V wirken. In anderen Gruppenfreistellungsverordnungen stehen entsprechende Klauseln wie die in Art 5 I Nr 1 - 3 V O genannten in der Tat auf der schwarze Liste. 4 7 Im einzelnen geht es um die gegenseitige Lizenzeinräumung zwischen (zumindest potentiellen) Wettbewerbern. Diese ist möglich im Rahmen von Patent- und Know-how-Gemeinschaften (Nr 1), über ein Gemeinschaftsunternehmen (Nr 2) oder durch Austausch (Nr 3), wobei es für den letztgenannten Fall nicht auf den formellen, sondern wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen beiden Transaktionen ankommt. Bei Lizenzerteilung an ein Gemeinschaftsunternehmen wirkt wohl nur die Erteilung einer ausschließlichen Lizenz als wettbe-

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23. Erwägungsgrund der Präambel; Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 83; Walter, SchwZW 1996, 122 (132). So in der Tat offenbar Korah, Technology Transfer EC Competition Rules, p. 96; Ullrich, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.C, Rn 90; Winkler / Jugel, EuZW 1996, 364 (366). Umgekehrt fanden sich in Art 6 der GVO KfZ-Vertriebsvereinbarungen 123/85/EWG Regeln zum sachlichen Anwendungsbereich unter Klauseln der schwarzen Liste: vgl Ebenroth / Lange, Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge in Europa, EWS 1995, 329 (332, Fn 22); Martinek / Habermeier, ZHR 158 (1994) 107 (123). Da zumindest bei wettbewerbsbeschränkenden Klauseln die unterschiedliche Einordnung bei Geltung des Alles-oder-nichts-Prinzips das Ergebnis nicht beeinflußt, differenziert man am besten danach, ob eine Regelung eher Kategorien umreißt oder Verbotscharakter hat.

5.05 Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfervereinbarungen

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werbsbeschränkend; auch in diesem Fall bleibt es bei Marktanteilen von 10 bzw 20 %, bzw im zweijährigen Mittel von 11 bzw 22 °/o, bei der Freistellungswirkung der Verordnung (vgl im einzelnen Art 5 II Nr 1 und III VO). Bei den anderen Formen der Lizenzerteilung ist ausdrücklich darauf abgestellt, ob die Lizenz als ausschließliche erteilt ist. Ist dies nicht der Fall, bleibt die Freistellungswirkung der Verordnung erhalten (Art 5 II Nr 2 VO). Die Lizenzerteilung an Gemeinschaftsunternehmen, die für die Propagierung der Technologie besonders geeignet sind, wird demnach durch die zusätzliche Einführung einer De-minimis-Regel privilegiert. d) Verbliebene Regelungslücken Regelungslücken verbleiben zunächst im Anwendungsbereich, bei Lizenzen über 20 andere Formen des geistigen Eigentums als Patente (und gleichgestellte Rechte des Erfinders) sowie über nicht-technisches Know-how. Hier verbleibt zunächst die Möglichkeit einer Einzelfreistellung. Dies gilt vorrangig für Lizenzen über die nicht erfaßten Formen des geistigen Eigentums. Lizenzen über kaufmännisches Know-how können demgegenüber als Form des Franchising, soweit es sich nicht um Großhandels-Franchising handelt, nach der Gruppenfreistellungsverordnung Franchisevereinbarungen (5.04) freigestellt werden. Greift keine Gruppenfreistellungsverordnung ein, besteht die beschriebene abgestufte Kompetenz von Kommission und nationalen Behörden.48 Sehr detailliert sind die weißen und schwarzen Listen. Die weiße Liste wird zu- 21 dem nicht als abschließend verstanden. Die Entscheidungen des EuGH in Sachen Windsurfing und Maissaatgut geben hierbei die Richtung vor, daß bei Anwendung einer rule of reason alle Bindungen, die ein gesetzliches und gewerbliches Schutzrecht anerkennen, ohne ausschließlichen Gebietsschutz einzuräumen, nicht einmal als wettbewerbsbeschränkend iSv Art 85 I E G V zu verstehen sind.49 In dieser Grundaussage, der rule of reason, liegt ebenso sehr eine positive Politik, gegründet in der Überzeugung von der Wünschbarkeit von Technologietransfer, wie in einer Freistellung nach Art 85 III EGV. Die nationalen Behörden sind daran, soweit sie überhaupt die Kompetenz zur Einleitung eines Verfahrens haben, bei der Rechtsanwendung gebunden und dies auch für das nationale Recht, das diese positive Politik nicht konterkarieren darf. Im Ergebnis wird, soweit die genannte Begründung eingreift, das nationale Recht nur zu einem abweichenden Ergebnis kommen können, wenn die Voraussetzungen der Zwischenstaatlichkeitsklausel nicht erfüllt sind und daher der Anwendungsbereich von Art 85 EGV nicht eröffnet ist.

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Vgl oben § 8 Einl Rn 2 4 - 2 6 . Vgl näher E u G H 8. 6. 1 9 8 2 - Rs 2 5 8 / 7 8 (Maissaatgut), Slg 1 9 8 2 , 2 0 1 5 ( 2 0 6 1 f, 2 0 6 9 ) ; E u G H 2 5 . 2. 1 9 8 6 - Rs 1 9 3 / 8 3 (Windsurfing lnc / Kommission), Slg 1 9 8 6 , 611 (653-664).

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Β. Fundstellenverzeichnis 22 Grundlage: Art 85 III, 87 EGV iVm Verordnung des Rates 19/65/EWG (Fundstelle oben § 8 Einl Fn 42) Betr: Freistellung von Klauseln in Technologietransfervereinbarungen (Lizenzen über Patente und technisches Know-how), die zeitlich beschränkt einen nicht absoluten Gebietsschutz schaffen und jenseits der Lizenz die Konkurrenz aufrecht erhalten. Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1996 L 31/2 - ursprünglicher Vorschlag vom 30. 9. 1994 AB1EG 1994 C 178/3

C. Abdruck Beck'sches Europäisches Wirtschaftsrecht http://www.ecohal.uni-halle.de

Textsammlung, 412; sowie

5.06 Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen Verordnung der Kommission vom 19. 12. 1984 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen (417/85/EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Wagner, Achim, EWG-Gruppenfreistellungsverordnung und nationales Kartellrecht - eine Untersuchung am Beispiel der „horizontalen" Gruppenfreistellungsverordnungen Nr 418/85 (Forschung und Entwicklung) und Nr 417/85 (Spezialisierung), Köln ua (Heymanns) 1993. 2. Aufsätze und Beiträge: Ritter, Lennart, Spezialisierung durch Gemeinschaftsunternehmen - Bemerkungen zur neuen Gruppenfreistellungsverordnung für Spezialisierungsvereinbarungen, NJW 1983, 489-494 (zur Gruppenfreistellungsverordnung 3604/82); sowie die entsprechenden Abschnitte in der unter 5.01 genannten allgemeinen Literatur.

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand 1 Mit der Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen werden Vereinbarungen, abgestimmte Verhaltensweisen und Beschlüsse von (bezogen auf den Gemeinschaftsmarkt) kleineren oder mittleren Unternehmen, die die Spezialisierung bei der Herstellung von Waren zum Gegenstand haben, vom Kartellverbot des Art 85 I EGV freigestellt: Dies gilt insbesondere für die Vereinbarung, bestimmte Erzeugnisse nicht herzustellen oder nur gemeinsam

5.06 Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen

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herzustellen (oder herstellen zu lassen), für die Vereinbarung, über kein substituierbares Produkt mit einem Dritten eine Spezialisierungsvereinbarung abzuschließen, und für eine (eingeschränkte) Alleinbezugsverpflichtung; freigestellt sind außerdem Alleinvertriebsvereinbarungen (auch mit Dritten), wenn, soweit mehrere Vertriebshändler beauftragt werden, Querlieferungen möglich bleiben, andernfalls, wenn nicht noch zusätzlich Konkurrenzprodukte vertrieben werden. Die Freistellung wird von der Einhaltung bestimmter Marktanteils- und Umsatzschwellen abhängig gemacht. Jede namentlich nicht genannte Wettbewerbsbeschränkung läßt die Freistellungswirkung entfallen. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld Die Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen ist bereits 2 die vierte auf dem Gebiet, das sich nie besonderer Beliebtheit in der wissenschaftlichen Diskussion erfreute. Vorangegangen waren die - jeweils auf fünf Jahre ausgelegten - Gruppenfreistellungsverordnungen 2779/72/EWG vom 21. 12. 19721 und 2903/77/EWG vom 23. 12. 1977 2 sowie - auf fünfzehn Jahre Laufzeit ausgelegt - die Gruppenfreistellungsverordnung 3604/82/EWG vom 23. 12. 1982, 3 durch die auch Gemeinschaftsunternehmen in den Genuß der ipso iure Freistellung kamen. Auch die zuletzt genannte Verordnung wurde bereits 1984 mit Wirkung zum 3 1. 4. 1985 außer Kraft gesetzt (Art 10 VO). Grund hierfür war vor allem, daß zeitgleich und als Pendant hierzu eine Gruppenfreistellungsverordnung auch für Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen (5.07) verabschiedet wurde. Die beiden Verordnungen - für die Forschung und Entwicklung sowie, sich daran anschließend, für die Herstellung von Waren - sollten aufeinander abgestimmt werden und als „Schwester"Verordnungen in Kraft treten. Außerdem wurden die Schwellen weiter angehoben und für gewisse Fälle ihrer Überschreitung ein Widerspruchsverfahren eingeführt. Mit der Änderung der Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsverein- 4 barungen durch die Verordnung 151/93/EWG, die auch Änderungen für die Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen (5.07) brachte, wurde angestrebt, die Rationalisierungseffekte zu optimieren: Da1

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Verordnung 2 7 7 9 / 7 2 / E W G der Kommission vom 21. 12. 1972 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen, AB1EG 1972 L 2 9 2 / 2 3 . Verordnung 2 9 0 3 / 7 7 / E W G der Kommission vom 23. 12. 1977 zur Verlängerung und Änderung der Verordnung (EWG) Nr 2 7 7 9 / 7 2 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen, AB1EG 1977 L 338/14. Primär erging die V O zur Verlängerung der Laufzeit von G V O 2 7 7 9 / 7 2 / E W G . Zugleich wurde in VO 2 9 0 3 / 7 7 / E W G jedoch der Anwendungsbereich endgültig über die mittelständische Wirtschaft hinaus ausgedehnt und die Marktanteilsschwelle, bis zu der die ipso iure Freistellung erfolgt, auf 15 % angehoben. Verordnung 3 6 0 4 / 8 2 / E W G der Kommission vom 23. 12. 1982 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen, AB1EG 1982 L 3 7 6 / 3 3 .

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

her wurde nicht nur die Umsatzgrenze weiter angehoben, sondern nunmehr vor allem auch der Vertrieb der aus der Spezialisierung hervorgegangenen Erzeugnisse einbezogen (5. und 6. Erwägungsgrund der Präambel). Die Laufzeit der Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen 417/85/EWG war auf knapp dreizehn Jahre ausgelegt, bis zum 31. 12. 1997. Dieser Termin wurde - wie bei den Gruppenfreistellungsverordnungen Alleinvertriebsvereinbarungen, Alleinbezugsvereinbarungen sowie Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen (5.01, 5.02, 5.07) - nochmals um drei Jahre hinausgeschoben, 4 um Zeit für eine primär die vertikalen Bindungen betreffende große Reform zu gewinnen.5 c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise 5 Die Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen stützt sich, wie die bereits erwähnte „Schwester"Verordnung zu Forschung und Entwicklung (5.07), auf die auf beide Bereiche speziell zugeschnittene Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung des Rates 2821/71/EWG (1. Erwägungsgrund der Präambel). Gleichgültig ist, ob im Einzelfall eine in der weißen Liste aufgeführte Klausel überhaupt wettbewerbsbeschränkend wirkt.6 Vorsorglich ist sie in jedem Falle freigestellt.7 Wie alle Gruppenfreistellungsverordnungen wirkt diejenige zu den Spezialisierungsvereinbarungen unmittelbar (ohne Umsetzung ins nationale Recht) und ipso iure (ohne vorherige Anmeldung) und präkludiert, soweit sie eingreift, grundsätzlich jedes Verbot auf der Grundlage nationalen Rechts: 8 Nach ihrem 3. Erwägungsgrund der Präambel verfolgt die Verordnung das Ziel der Rationalisierung der Warenproduktion und damit eine positive Politik iSd Rechtsprechung des EuGH in Sachen Walt Wilhelm. 9 Eine Freistellung setzt jedoch voraus, daß die Vereinbarung keine einzige andere wettbewerbsbeschränkende Klausel enthält als die ausdrücklich freigestellten (Alles-odernichts-Prinzip gemäß Art 2 IIa VO). 1 0 Dies ist anders nur bei Vereinbarungen, die in der Tat nicht wettbewerbsbeschränkend iSd Art 85 I E G V wirken. Hierher Verordnung 2 2 3 6 / 9 7 / E G der Kommission vom 10. 11. 1997 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr 417/85 und (EWG) Nr 418/85 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen und von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, AB1EG 1997 L 306/12. 5 Vgl dazu oben S 8 Einl Rn 17. 6 Zu dieser Frage ausführlicher speziell für Spezialisierungsvereinbarungen: Ritter, NJW 1983, 489 (491 f). 7 Vgl hierzu (insbes den Rechtssicherheitserwägungen): 2. und 9. Erwägungsgrund der Präambel. Dieses Vorgehen erweckt auch in kompetenzieller Hinsicht keine Zweifel: vgl oben § 8 Einl Rn 21. Eine Einzelfreistellung kann zur Sicherheit beantragt werden: EuGH 18. 12. 1986 - Rs 10/86 (VAG /Magne), Slg 1986, 4071 (4088). 8 Zu letzterem (und möglichen moderaten Einschränkungen bei §§ 22 IV, 26 II, 23 ff GWB) oben § 8 Einl Rn 11, 2 5 f. » EuGH 13. 2. 1969 - Rs 14/68 (Walt Wilhelm), Slg 1969, 1 (14). 10 Schon vorher ergab sich dies aus der Struktur der VO: Ritter, NJW 1983, 489 (491); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Einl zu GVO 417/85, Rn 6. Zum Alles-oder-nichts-Prinzip vgl oben § 8 Einl Rn 22. 4

5 . 0 6 Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen

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zählen die in Art 2 III VO aufgeführten Klauseln, deren Aufzählung daher auch nach dem Wortlaut der Norm nicht als abschließend zu verstehen ist. Die Verordnung kennt zwar seit der Neufassung vom 21. 12. 1984 ein Widerspruchsverfahren (Art 4 VO). Dieses kann jedoch nicht für zusätzliche, in der Verordnung nicht genannte wettbewerbsbeschränkende Klauseln angestrengt werden, sondern nur für die ohnehin in der Verordnung freigestellten Klauseln, wenn die bei den beteiligten Unternehmen ermittelten Umsatzzahlen (Art 3 I lit. b, II lit. b und III VO) einer ipso iure Freistellung entgegenstünden. 2. Inhalt a) Anwendungsbereich In den sachlichen Anwendungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnung 6 Spezialisierungsvereinbarungen (Art 1 VO) sind Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen (Art 9 VO) einbezogen, darüber hinaus jedoch auch bindende Erklärungen zwischen mehr als nur zwei Unternehmen. Seitdem auch die Spezialisierung durch Gründung von Gemeinschaftsunternehmen erfaßt ist (seit 1983), gilt gleiches für Beschlüsse, obwohl sie in Art 1 VO so nicht angesprochen sind (wohl aber in Art 2 IIa VO). Die Gruppenfreistellungsverordnung betrifft Spezialisierungen bei der Herstel- 7 lung von Erzeugnissen. Mangels diesbezüglicher Erfahrung hat die Kommission Spezialisierungsvereinbarungen zu Dienstleistungen nicht einbezogen,11 desgleichen nicht isolierte Spezialisierungsvereinbarungen zum Vertrieb, die eine Kundenaufteilung nach sich ziehen, ohne die positiven Effekte von Produktspezialisierungsvereinbarungen zu zeitigen.12 Demgegenüber sind seit 1993 Spezialisierungsvereinbarungen zum Vertrieb freigestellt, wenn sie gemeinsam mit Spezialisierungsvereinbarungen zur Warenherstellung getroffen werden. Spezialisierungsvereinbarungen zur Herstellung von Waren, die sich an Forschungsund Entwicklungsvereinbarungen anschließen, unterfallen der „Schwester"Verordnung 418/85/EWG.» Spezialisierung bedeutet hierbei, wie sich auch aus lit. a und b ergibt, daß eine 8 Produktion aufgegeben oder eingeschränkt wird. Es muß sich um zumindest potentiell offenstehende Produktion handeln.14 Nicht anwendbar ist die Verordnung auf Absprachen, die eine Produktergänzung zum Gegenstand haben.15 Bunte/Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (5), Rn 9; Ritter, N J W 1983, 4 8 9 (490); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.G, Rn 11; Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 1 GVO 4 1 7 / 8 5 , Rn 11. 12 Bunte /Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (5), Rn 9; Ritter, N J W 1983, 4 8 9 (490); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 1 G V O 4 1 7 / 8 5 , Rn 11. 13 Vgl im einzelnen unten 5 . 0 7 Rn 8. 14 2. Erwägungsgrund der Präambel; Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (5), Rn 13; Bsp für die Formen von Spezialisierung bei Ritter, N J W 1983, 4 8 9 (490 f); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 1 GVO 4 1 7 / 8 5 , Rn 18. '5 Ritter, N J W 1983, 4 8 9 (490); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.G, Rn 11. 11

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Deren positiver Effekt erscheint nicht genügend gesichert, um wettbewerbsbeschränkende Klauseln zu rechtfertigen. Außerdem muß die Spezialisierung gegenseitig sein, weil die Interessenlage bei einseitigen Verpflichtungen zu diffus erscheint, um sicherzustellen, daß eine Freistellung wirklich in allen Fällen gerechtfertigt ist.16 b) Freigestellte und unbedenkliche Vertragsklauseln (weiße Liste) 9 Freigestellt ist in Art 1 VO die gegenseitige Verpflichtung, bestimmte Erzeugnisse nicht herzustellen (oder herstellen zu lassen) bzw nur gemeinsam herzustellen (oder herstellen zu lassen, typischerweise in einem Gemeinschaftsunternehmen). Damit kann Wettbewerb zwischen den Beteiligten auf derselben Fertigungsstufe (horizontal) oder auch mit Wirkung gegenüber Dritten, etwa durch Bindung im Zulieferungsbereich (vertikal), beschränkt werden.17 Dies ergibt sich auch aus der weißen Liste, die sich in Art 2 I und III VO findet. 10 Dabei werden die nach Art 2 I VO freigestellten Klauseln als regelmäßig wettbewerbsbeschränkend verstanden: Dies gilt zunächst für die Verpflichtung der Vertragspartner, nicht mit Dritten Spezialisierungsvereinbarungen zu Konkurrenzprodukten abzuschließen (lit. a), und für Alleinbezugsvereinbarungen (lit. b). Alleinbezugsvereinbarungen sind danach möglich für das Erzeugnis, auf das sich die Spezialisierungsvereinbarung bezieht, müssen jedoch unter dem Vorbehalt stehen, daß der berechtigte Lieferant mindestens die von anderer Seite gebotenen Konditionen offeriert (sogenannte englische Klausel, lit. b). Möglich sind darüber hinaus jedoch seit 1993 auch Vertriebsklauseln (lit. c-f). Zwei Paare von Konstellationen werden unterschieden: Mit dem Vertrieb betraut werden können Vertragspartner oder Dritte (einschließlich Gemeinschaftsunternehmen), entweder nur ein Unternehmen oder mehrere. Die Betrauung mehrerer Vertragspartner regelt lit. c, diejenige nur eines Vertragspartners lit. d, die Betrauung eines Dritten lit. e, diejenige mehrerer Dritter lit. f. Sind mehrere betraut (lit. c, f), so soll der Intra-Brand-Wettbewerb, wie bei allen anderen vertriebsbezogenen Gruppenfreistellungsverordnungen auch, zumindest dadurch gefördert werden, daß Querlieferungen möglich bleiben und zwar solche an Endverbraucher ebenso wie, in den sonstigen Gruppenfreistellungsverordnungen unterschiedlich weitgehend ausgeschlossen, solche an Zwischenhändler. Die Freistellungswirkung entfällt sowohl bei Vereinbarung entgegenstehender Klauseln als auch bei zuwiderlaufendem einseitigem Handeln (Erschwernis). Ist nur ein Vertragspartner oder Dritter betraut (lit. d, e), besteht also kein Intra-Brand-Wettbewerb, so darf keine Stärkung dieser insoweit monopolistischen Stellung hinzukommen; daher darf dieser weitere konkurrierende Waren nicht herstellen und/oder vertreiben. 11 Die Verpflichtungen, die nach Art 2 III VO freigestellt sind, werden regelmäßig als nicht wettbewerbsbeschränkend verstanden: so die Verpflichtung auf Min" Ritter, NJW 1983, 4 8 9 (490); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.G, Rn 9 f. 17 Ritter, NJW 1983, 4 8 9 (489); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 1 GVO 417/85, Rn 20.

5 . 0 6 Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen

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destqualitäten (lit. a) und Kunden- sowie Garantiedienst (lit. c); anders ist dies allenfalls bei Mindestabnahmepflichten (lit. b), die eine Abnahme von Konkurrenzprodukten unrealistisch erscheinen lassen können.18 c) Bedingungen für die Freistellung und unzulässige Klauseln (schwarze Liste) Die Bedingungen für die Freistellung (Art 3 VO) bilden, anders als weitgehend in 12 anderen Gruppenfreistellungsverordnungen, nicht nur die Komplementärregelung zu der weißen Liste. Vielmehr wird hier die Wirkung der weißen Liste durch Einführung von Schwellenwerten beschränkt. Diese sind stetig gestiegen und zweiteilig: bezogen auf den Marktanteil und den Umsatz. In Ansatz gebracht wird jeweils die Summe der Marktanteile und Umsätze aller an der Vereinbarung etc beteiligten Unternehmen, nicht jedoch beispielsweise eines betrauten dritten Unternehmens iSv Art 2 I lit. e VO, das an der Spezialisierungsvereinbarung oder dem abgestimmten Verhalten nicht teilnimmt (vgl Art 6 S 2 VO). Die Marktanteilsschwellen sind gestaffelt je nachdem, ob die Spezialisierungsvereinbarung auch den Vertrieb umfaßt (Art 3 I VO) und der Wettbewerb weitergehend beschränkt ist (dann 10%) oder nicht (dann 2 0 % , Art 3 II VO). Jenseits dieser Schwellen wird eine ipso iure Freistellung nicht mehr für angebracht gehalten und bleibt allein der Weg über die Einzelfreistellung. Die Umsatzschwelle liegt stets bei 1 Milliarde ECU bzw, wenn sie sich zweijährig in diesem Rahmen hält, bei 1,1 Milliarden ECU (Art 3 III VO). Außerdem ist bei Überschreitung dieser Umsatzschwelle eine Freistellung auch noch vereinfacht im Widerspruchsverfahren möglich (Art 4 VO). Eine explizit formulierte schwarze Liste enthält die Gruppenfreistellungsverord- 13 nung Spezialisierungsvereinbarungen nicht. Ein Äquivalent zu schwarzen Klauseln ergibt sich jedoch aus Art 4 und 2 IIa VO. Nach Art 4 VO ist das Widerspruchsverfahren zwar bei Überschreitung der Umsatzgrenzen eröffnet, also für größere Unternehmen, nicht jedoch für andere Klauseln als diejenigen, die Teil der weißen Liste sind. Graue Klauseln gibt es danach nicht. Ebendies bestätigt Art 2 IIa VO, der den Wegfall der gesamten Freistellungswirkung bei Einführung auch nur einer weiteren, wettbewerbsbeschränkenden Klausel vorsieht. Daher sind alle nicht explizit freigestellten, jedoch wettbewerbsbeschränkenden Klauseln im Ergebnis als schwarze Klauseln zu verstehen. In anderen Gruppenfreistellungsverordnungen findet sich eine Regel wie diejenige des Art 2 IIa VO denn auch nicht in der weißen, sondern der schwarzen Liste (vgl Art 6 Nr 3 Gruppenfreistellungsverordnung KfZ-Vertriebsvereinbarungen [5.03]). d) Verbliebene

Regelungslücken

Die Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen erfaßt alle 14 Spezialisierungen bei der Herstellung von Waren. Ging eine Forschungs- und 18

Vgl dazu etwa für die G V O KfZ-Vertriebsvereinbarungen (5.03), dort Rn 13; und für die G V O Alleinbezugsvereinbarungen: Korah, Group Exemption for Exclusive Distribution and Purchasing in the E E C , C M L R 21 (1984) 5 3 (72 seq).

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Entwicklungsvereinbarung voraus, so greift zwar die „Schwester"Verordnung 418/85/EWG ein. Es entsteht jedoch keine Regelungslücke, sondern allein ein Abgrenzungsproblem. Demgegenüber blieb der Anwendungsbereich bewußt lückenhaft mit Hinblick auf Dienstleistungen. Ebenfalls nicht erfaßt sind nicht gegenseitige Spezialisierungsvereinbarungen. Für diese Spezialisierungsvereinbarungen steht daher nur der Weg über die Einzelfreistellung offen. 15 Die gleiche Rechtsfolge greift ein, soweit es an einer Nennung in der weißen Liste fehlt: Solange keine Einzelfreistellung beantragt ist, bleibt die nationale Behörde frei, die Vereinbarung sowohl nach Gemeinschaftsrecht als auch nach nationalem Recht zu untersagen. Anders ist dies nur bei nicht genannten Abreden, die nicht wettbewerbsbeschränkend wirken (insbesondere nach Art 2 III VO).

B.

Fundstellenverzeichnis

16 Grundlage: Art 85 III, 87 EGV iVm Verordnung des Rates 2821/71/EWG (Fundstelle oben § 8 Einl Fn 43) Betr: Freistellung von Klauseln in Spezialisierungsverträgen betreffend die Warenherstellung, in denen kleine und mittlere Unternehmen eine Produktaufteilung vereinbaren, und annexweise Freistellung eines nicht absoluten Gebietsschutzes beim Vertrieb Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1985 L 53/1 - geändert durch die Verordnung 151/93/EWG vom 23. 12. 1992 AB1EG 1993 L 21/8 - weitere Änderungen durch Beitrittsverträge etc AB1EG 1985 L 302/9; 1994 C 241/60; 1995 L 1/21; 1997 L 306/12 - ursprünglicher Vorschlag vom 11. 8. 1984 (Veröffentlichung) AB1EG 1984 C 211/2

C. Abdruck Beck'sches Europäisches Wirtschaftsrecht - Textsammlung, 414; Bunte / Sauter, EG-Grup penfreistellungsverordnungen (5), Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, GVO 417/85; sowie http://www.ecohal.uni-halle.de

5.07 GruppenfreistellungsVO Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen 1013

5.07 Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen Verordnung der Kommission vom 19. 12. 1984 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung (418/85/EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Korah, Valentine, R & D and the EEC Competition Rules Regulation 418/85, Oxford (ESC) 1986; Möschel, Bernhard, Technologische Zusammenarbeit nach deutschem und europäischem Kartellrecht, Köln (RIW) 1985; Ullrich, Hans, Kooperative Forschung und Kartellrecht - eine Kritik der Wettbewerbsaufsicht über FuE-Gemeinschaften in den USA, der EWG und der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg (Recht & Wirtschaft) 1988; Wagner, Achim, EWG-Gruppenfreistellungsverordnung und nationales Kartellrecht - eine Untersuchung am Beispiel der „horizontalen" Gruppenfreistellungsverordnungen Nr 418/85 (Forschung und Entwicklung) und Nr 417/85 (Spezialisierung), Köln ua (Heymanns) 1993. 2. Aufsätze und Beiträge: Blackshaw, lan, EEC Research and Development Agreements, 13 Int.Bus.Law. 265-273 (1985); Jacquemin, Alexis / Spinoit, Bernard, Economic and Legal Aspects of Cooperative Research - a European View, 1985 Fordham Corporate Law Institute 487-520 (1986); Koenigs, Folkmar, Die EG-Gruppenfreistellung für Forschungs- und Entwicklungsgemeinschaften, DB 1985, 1115-1117; Korah, Valentine, Collaborative Joint Ventures for Research and Development where Markets are Concentrated - the Competition Rules of the Common Market and the Invalidity of Contracts, YbEL 1993, 39-81; Lindemann,)ohn, A Practical Critique of the EEC Joint Research Rules and Proposed Venture Guidelines, 1986 Fordham Corporate Law Institute 341-360 (1987); Lutz, Helmuth / Broderick, Terry, Forschungs- und Entwicklungsvertrag nach EG-Kartellrecht - Formularvertrag, RIW 1986, 5-10; Möschel, Wernhard, Die EG-Gruppenfreistellungsverordnung für Forschungs- und Entwicklungsgemeinschaften, RIW 1985, 261-265; Poillot-Peruzzetto, Sylvaine, L'application du règlement 418/85 de la Commission relatif aux accords de recherche de développaient, RTDE 1987, 481-512; Venit, James, The Research and Development Block Exemption Regulation, ELR 1985,151-172; Wissel, Holger, Gruppenfreistellungs-VO für F+E-Gemeinschaften, WuW 1985, 772-780.

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand Mit der Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsver- 1 einbarungen werden Vereinbarungen und Beschlüsse zur Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung vom Kartellverbot des Art 85 I EGV freigestellt, desgleichen, jedoch nur als Annex hierzu, Vereinbarungen und Beschlüsse zur

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Zusammenarbeit bei der Herstellung und auch beim Vertrieb. Dies gilt insbesondere für Vereinbarungen, nach denen in einem bestimmten Feld ausschließlich mit den Vertragspartnern Forschung und Entwicklung betrieben werden darf, wobei die Ergebnisse grundsätzlich allen Vertragspartnern zugute kommen müssen. Eine Reihe weiterer Vereinbarungen sind, allerdings nur im Zusammenhang damit, zulässig: Vereinbarungen, in denen die Verwertung nach Gebieten oder technischen Anwendungsbereichen aufgeteilt wird, Alleinbezugsvereinbarungen und Vereinbarungen über einen nicht ausschließlichen Gebietsschutz beim Vertrieb, wenn Querlieferungen zumindest durch Zwischenhändler und Kunden möglich bleiben. Preisabsprachen und mengenmäßige Beschränkungen lassen die Freistellungswirkung entfallen. Die Freistellung wird von der Einhaltung bestimmter Marktanteils- und Umsatzschwellen abhängig gemacht. Namentlich weder positiv noch negativ genannte Wettbewerbsbeschränkungen können, wenn die ausdrücklich genannten Bedingungen der Freistellung vorliegen, im vereinfachten Widerspruchsverfahren freigestellt werden. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2 Die Verordnung ist die erste zu Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen. Altvereinbarungen sind in Art 11 V O geregelt. Der vorangegangene Entwurf 1 war als zu restriktiv kritisiert worden. Die entscheidende Veränderung im Gesetzgebungsverfahren liegt denn auch darin, daß die beiden zentralen Beschränkungen des Anwendungsbereichs abgeschafft bzw deutlich gelockert wurden. Nicht mehr zu finden ist die Beschränkung der Freistellung von Herstellungsabreden auf Unternehmen mit bestimmten Umsatzzahlen (in der Summe nicht über 500 Millionen ECU, Art 1 III lit. b des Entwurfs), da dieser Maßstab als starr und unergiebig kritisiert wurde: Die wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkung gleicher Umsatzzahlen ist in unterschiedlich großen Märkten gänzlich verschieden. 2 Gelockert wurde auch die Regelung zur Marktmacht der beteiligten Unternehmen, unter denen sich ursprünglich höchstens eines der drei in dem betreffenden Markt tatsächlich oder potentiell führenden Unternehmen befinden durfte (Art 1 III lit. a des Entwurfs). Heute ist das Überschreiten einer Schwelle von 20 % Anteil am relevanten Markt (in der Summe aller Unternehmen) nur schädlich bei aktuellem (nicht nur potentiellem) Wettbewerb der kooperierenden Unternehmen (Art 3 II VO). Maßgeblich war ein Bündel von Überlegungen: Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen werden in etwa 3/4 aller Fälle zwischen Unternehmen verschiedener Branchen und Wirtschaftsstufen abgeschlossen und meist sind mehrere Großunternehmen

1

2

Vgl Fundstellenverzeichnis. Für (weitere) Literatur speziell zu diesem Entw vgl Lutz / Broderick, RIW 1986, 5 (Fn 1). Außerdem hätte solch eine Freistellung in der Praxis nur wenige Fälle erfaßt: Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 3; Ullrich / Konrad, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.E, Rn 29; Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 3 GVO 418/85, Rn 4; Wissel, WuW 1985, 772 (773).

5.07 GruppenfreistellungsVO Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen 1 0 1 5

beteiligt,3 so daß der Entwurf wenig Wirkung gezeitigt hätte; die Entwurfsregel hätte aufgrund ihrer unbestimmten Rechtsbegriffe und Prognoseentscheidungen den Unternehmen ein übergroßes Subsumtionsrisiko aufgebürdet;4 zudem gewährleistete der letztlich gewählte Zuschnitt der Regelung immer noch das Konkurrieren von zwei oder drei Forschungszentren.5 In Kraft gesetzt wurde die Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und 3 Entwicklungsvereinbarungen zeitgleich und als Pendant zur Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen auf dem Gebiet der Herstellung (5.06). Die beiden Verordnungen - für die Forschung und Entwicklung sowie sodann für die Herstellung von Waren - sollten aufeinander abgestimmt werden und als „Schwester"Verordnungen in Kraft treten. Die Anwendungsbereiche sind unschwer voneinander zu scheiden: Soweit wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zur Herstellung, etwa Spezialisierungsvereinbarungen, „entscheidend" auf „neue" Erkenntnisse aus der gemeinsamen Forschung und Entwicklung aufbauen,6 kommt eine Freistellung allein nach der Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen in Betracht. Soweit dies nicht der Fall ist, greift umgekehrt allenfalls die Gruppenfreistellungsverordnung Spezialisierungsvereinbarungen (5.06) ein, da bei Nichterfüllung von Art 2 lit. d VO nur noch der Weg über eine Einzelfreistellung (oder über eine andere Gruppenfreistellungsverordnung) verbleibt.7 Die Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarun- 4 gen wurde - wie auch diejenige zu Spezialisierungsvereinbarungen (5.06) - durch Verordnung 151/93/EWG geändert,8 und zwar in einem Punkt, der auch dort zentral war: Einbezogen wurden nunmehr auch Vertriebsregelungen.9 Auch diese Re3

4

5 6 7

8 9

Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 3; Möscbel, RIW 1985, 261 (261); Wissel, WuW 1985, 772 (773). Wissel, WuW 1985, 772 (773); auch Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 3. Dies wird allerdings auch noch der geltenden Fassung der GVO vorgeworfen: Ullrich, Kooperative Forschung, S 141; Venit, ELR 1985, 151 (172). 8. Erwägungsgrund der Präambel; Möschel, RIW 1985, 261 (263). Vgl im einzelnen Art 2 lit. d VO, außerdem Art 1 I lit. a und b VO. Vgl Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 12; Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 2 GVO 418/85, Rn 19; implizit auch Korah, Regulation 418/85, p. 18. Vgl Fundstellenverzeichnis. Gestrichen wurde Art 2 lit. e VO, nach dem ein drittes Unternehmen nur mit dem Vertrieb beauftragt werden durfte, wenn es ausschießlich an die Vertragspartner lieferte, und der verhindern sollte, daß das Verbot einer Absprache über den Vertrieb umgangen würde: Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 17; Möschel, RIW 1985, 261 (263); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 2 GVO 418/85, Rn 20; vgl auch Lutz / Broderick, RIW 1986, 5 (6); Ullrich / Konrad, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.E, Rn 7. Eingefügt wurde eine Schwellenregel für den Fall, daß Absprachen über den Vertrieb getroffen werden, festgelegt wurden außerdem die bei Absprachen über den Vertrieb zulässigen Klauseln: Art 3 lila und 4 I lit. fa, fb, fc VO nF. Die letzte verbleibende Änderung (von Art 6 lit. g VO) erscheint demgegenüber im wesentlichen sprachlicher Natur. Für die Einbeziehung von Klauseln zum Vertrieb auch in die GVO Spezialisierungsvereinbarungen vgl oben 5.06 Rn 4.

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

geln kommen fortan, soweit sie sich auf Vertragserzeugnisse beziehen, also als Annex einer Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung erscheinen, in den Genuß der ipso iure Freistellung. Die Laufzeit der Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen 418/85/EWG war auf knapp dreizehn Jahre ausgelegt, bis zum 31. 12. 1997. Dieser Termin wurde - wie bei den Gruppenfreistellungsverordnungen Alleinvertriebsvereinbarungen, Alleinbezugsvereinbarungen sowie Spezialisierungsvereinbarungen (5.01, 5.02, 5.06) - nochmals um drei Jahre hinausgeschoben,10 um Zeit für eine primär die vertikalen Bindungen betreffende große Reform zu gewinnen.11 c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise 5 Die Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen stützt sich, wie die bereits erwähnte „Schwester"Verordnung zu Spezialisierungsvereinbarungen (5.06), auf die auf beide Bereiche speziell zugeschnittene Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung des Rates 2821/71/EWG (1. Erwägungsgrund der Präambel). Zu ihrer Auslegung ist ergänzend die Bekanntmachung über Zusammenarbeitsvereinbarungen von 1968 heranzuziehen (vgl 2. Erwägungsgrund der Präambel).12 Gleichgültig ist, ob im Einzelfall eine in der weißen Liste aufgeführte Klausel überhaupt wettbewerbsbeschränkend wirkt. Diese Frage ist für Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen im Schrifttum schon im Ausgangspunkt umstritten: Denn manche stützen sich auf die genannte Bekanntmachung über Zusammenarbeitsvereinbarungen, die eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung von Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen pauschal verneinte;13 andere weisen demgegenüber darauf hin, daß die Praxis der Kommission seit den Entscheidungen in Sachen Henkel/Colgate II und SOPELEM von den Grundsätzen der Bekanntmachung erheblich abweicht.14 Jedenfalls sind die in der weißen Liste aufgeführten Klauseln vorsorglich freigestellt.15 Verordnung 2 2 3 6 / 9 7 / E G der Kommission vom 10. 11. 1997 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr 417/85 und (EWG) Nr 4 1 8 / 8 5 über die Anwendung von Art 85 III des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen und von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, AB1EG 1997 L 306/12. » Vgl dazu oben § 8 Einl Rn 17. 12 Bekanntmachung über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen, AB1EG 1968 C 7 5 / 3 (Berichtigung AB1EG 1968 C 84/14). Generell für die Fortgeltung dieser Bekanntmachung: Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 2; Koenigs, DB 1 9 8 5 , 1 1 1 5 (1115); Wissel, WuW 1 9 8 5 , 7 7 2 (774); demgegenüber einschränkend Möschel, RIW 1985, 261 (263); Venit, ELR 1985, 151 (152). Zur Wirkung solcher Bekanntmachungen vgl oben § 8 Einl Rn 14. 13 Nr 2 der Bekanntmachung; idS argumentierend etwa Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 2; Koenigs, DB 1 9 8 5 , 1 1 1 5 (1115); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Einl zu GVO 4 1 8 / 8 5 , Rn 3; Wissel, WuW 1985, 7 7 2 (774). M AB1EG 1972 L 14/14 (16); 1978 L 7 0 / 4 7 (50); so etwa Möschel, RIW 1985, 261 (261 f, mwN). 15 Vgl hierzu (insbes den Rechtssicherheitserwägungen): 18. Erwägungsgrund der Präambel; Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 5. Dieses Vorgehen 10

5.07 GruppenfreistellungsVO Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen 1017

Wie alle Gruppenfreistellungsverordnungen wirkt diejenige zu den Forschungs- 6 und Entwicklungsvereinbarungen unmittelbar (ohne Umsetzung ins nationale Recht) und ipso iure (ohne vorherige Anmeldung) und präkludiert, soweit sie eingreift, grundsätzlich jedes Verbot auf der Grundlage nationalen Rechts.16 Gerade für die Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs - und Entwicklungsvereinbarungen wird dies zwar teilweise angezweifelt.17 Wenn die Verordnung jedoch „zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts" erging (4. Erwägungsgrund der Präambel) und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie,18 kann schlechterdings nicht mehr von einer nur technischen Regelung (zur bloßen Bewältigung des Massenproblems und Schaffung von Rechtssicherheit) gesprochen werden. Selbst wenn die positiven Effekte nicht bewiesen sind (insoweit besteht gesetzgeberisches Ermessen), verfolgt die Regelung doch unzweifelhaft eine positive Politik iSd Rechtsprechung des EuGH in Sachen Walt Wilhelm.19 Eine Freistellung setzt jedoch voraus, daß die Vereinbarung keine einzige andere wettbewerbsbeschränkende Klausel enthält als diejenigen, die nach Art 4 f VO ispo iure oder nach Art 7 VO im Widerspruchsverfahren freigestellt wurden, im letzteren Falle also nach Anmeldung und mangels Widerspruch (Alles-oder-nichts-Prinzip).20 Dies ist anders nur bei Vereinbarungen, die in der Tat nicht wettbewerbsbeschränkend iSd Art 85 I EGV wirken. Hierher zählen die in Art 5 I VO aufgeführten Klauseln, deren Aufzählung daher auch nach dem Wortlaut der Norm nicht als abschließend zu verstehen ist. Im 14. Erwägungsgrund der Präambel ist das Verhältnis zu anderen Grup- 7 penfreistellungsverordnungen angesprochen. Auf die Exklusivität der beiden „Schwester"Verordnungen zu Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen sowie zu Spezialisierungsvereinbarungen wurde bereits hingewiesen. Soweit der 14. Erwägungsgrund der Präambel ansonsten sicherlich auch dahin zu verstehen ist, daß eine Vereinbarung zugeschnitten werden darf, daß sie unter eine andere Gruppenfreistellungsverordnung fällt, bestätigt er nur einen genereller geltenden Grundsatz.21 Der 14. Erwägungsgrund der Präambel wird jedoch weitergehend auch dahin verstanden, daß er - entgegen dem sonst geltenden Leitsatz - für ein und dieselbe Vereinbarung die kombinierte Berufung

erweckt auch in kompetenzieller Hinsicht keine Zweifel: vgl oben § 8 Einl Rn 21. Eine Einzelfreistellung kann zur Sicherheit beantragt werden: EuGH 18. 12. 1986 - Rs 10/86 (VAG /Magne), Slg 1986, 4071 (4088). 16 Zu letzterem (und möglichen moderaten Einschränkungen bei §§ 22 IV, 26 II, 23 ff GWB) oben § 8 Einl Rn 11, 25 f. >7 Mosche!, RIW 1985, 261 (265); demgegenüber Wissel, WuW 1985, 772 (778-780). 18 Kommission, 13. Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1983, Nr 42; dies, 14. Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1984, Nr 29. » EuGH 13. 2. 1969 - Rs 14/68 (Walt Wilhelm), Slg 1969, 1 (14). 2 0 Zum Alles-oder-nichts-Prinzip vgl oben § 8 Einl Rn 22. 21 Vgl Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, AT, Rn 278 und oben § 8 Einl Rn 23; anders nur bei der branchenspezifischen GVO KfZ-Vertriebsvereinbarungen (5.03), die die anderen GVO zum Vertrieb für unanwendbar erklärt.

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

auf verschiedene Gruppenfreistellungsverordnungen gestatte; 22 eine nach der Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen „graue Klausel" könnte demnach - ohne Anmeldung und Abwarten der Widerspruchsfrist - nach einer anderen Gruppenfreistellungsverordnung freigestellt sein, ohne daß diese Gruppenfreistellungsverordnung alle anderen Klauseln der Vereinbarung freistellen würde. Praktisch relevant dürfte die Frage vor allem für Klauseln zum (Allein-)Vertrieb sein, wo sie dadurch deutlich entschärft wird, daß sich die zentralen Regeln zumindest ähneln (vgl Art 4 I lit. f und 6 lit. d VO mit Art 3 lit. c und d der Gruppenfreistellungsverordnung Alleinvertriebsvereinbarungen). 2. Inhalt a) Anwendungsbereich 8 Der Anwendungsbereich wird in Art 1 VO festgelegt, insbesondere durch eine Reihe von Definitionen (Art 1 II VO). Erfaßt sind: Vereinbarungen allein zu Forschung und Entwicklung (Art 1 I lit. c VO), solche zu Forschung und Entwicklung sowie Verwertung der dabei erzielten Ergebnisse (Art 1 I lit. a VO) und auch solche zur Verwertung von Ergebnissen, die bei gemeinsamer Forschung und Entwicklung aufgrund einer gesonderten, die Verwertung noch nicht umfassenden Vereinbarung erzielt wurden (Art 11 lit. b VO) - gleichgültig, ob zwei oder mehr Unternehmen beteiligt sind. Gleichgestellt sind Beschlüsse in Unternehmensvereinigungen (Art 12 VO). Verbundene Unternehmen sind gemäß Art 9 VO als Einheit zu sehen. Forschung und Entwicklung reichen bis zur Schaffung der Produktionsreife, die Verwertung umfaßt sowohl die Nutzung der gewonnenen Kenntnisse, als auch die Produktion auf ihrer Grundlage und die Übertragung der Rechte an den gewonnenen Kenntnissen (Art 1 II lit. a und d VO). Auch Absprachen über die Übertragung der Rechte an den gewonnenen Kenntnissen allein eröffnen den Anwendungsbereich (Art 1 III lit. b VO). b) Bedingungen für die Freistellung und Dauer der Freistellungswirkung 9 aa) Die Verordnung stellt eine Reihe positiver Bedingungen für ihre Anwendbarkeit auf, die das positiv formulierte Pendant einer schwarzen Liste darstellen (Art 2 VO). Liegt eine dieser Bedingungen nicht vor, bleibt allein der Weg über die Einzelfreistellung (vgl Art 7 I VO). 23 Lit. a enthält einen

So Koenigs, DB 1985, 1115 (1116); Ullrich / Konrad, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.E, Rn 9; Venit, ELR 1985, 151 (152 seq); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, AT, Rn 2 7 8 ; Wissel, WuW 1985, 7 7 2 (777 f) (implizit); für den gegenläufigen Grundsatz, von dem ansonsten ausgegangen wird, oben § 8 Einl Rn 23. 23 Vg] Nachw oben Fn 7.

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5.07 GruppenfreistellungsVO Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen 1 0 1 9

Bestimmtheitsgrundsatz, der der Klarstellung und Überprüfbarkeit dient: 24 An diese Vorschrift knüpfen insbesondere die weißen Klauseln des Art 4 I lit. a, b VO an, die Ausschließlichkeitsbindungen zu Forschung und Entwicklung im Bereich der Vereinbarung freistellen, desgleichen die schwarze Klausel des Art 6 lit. a VO, die solche Ausschließlichkeitsbindungen außerhalb dieses Bereichs für schädlich erklärt. Umstritten sind Art 2 lit. b und c VO, die von der gleichen Verteilung des Nut- 10 zens der Ergebnisse auszugehen scheinen. Im wesentlichen geht es um die Frage, inwieweit beide Regeln eine Verwertung der Ergebnisse zum gleichen Nutzen aller Vertragspartner zwingend vorschreiben, was im Rahmen von (bezahlter) Auftragsforschung und auch sonst bei ungleichem Investment nicht akzeptabel erscheint. 25 Ausgangspunkt ist, daß Art 2 lit. c VO nur für Vereinbarungen gilt, die allein Forschung und Entwicklung betreffen. Damit sind die Vereinbarungen nach Art 1 I lit. c VO gemeint. Für andere Vereinbarungen (Art 1 I lit. a und b VO) bedeutet dies jedoch nicht, daß jede Verwertungsabrede zulässig wäre, sondern es sind neben der Gemeinsamkeitsklausel des Art 1 I lit. a und b VO weitere Voraussetzungen, etwa in Art 2 lit. d und f VO, zu beachten. Art 2 lit. c VO erlaubt also nicht positiv jede Verwertungsabrede, sondern verbietet nur negativ, die Verwertungsbefugnis auch nur eines Vertragspartners einzuschränken, wenn es an einer freistellungsfähigen Vereinbarung fehlt. Bei der Abgrenzung von lit. b und lit. c bietet sich an, lit. c auf alle Arten der Verwertung zu beziehen (gemäß Art 1 II lit. d VO), lit. b demgegenüber auf alle sonstigen Interessen am Zugang zu den Kenntnissen - etwa für weitere Grundlagenforschung oder zum Zwecke der Überprüfung der Einhaltung von Vereinbarungen. Der Zugang im Rahmen von lit. b ist in jedem Fall vollumfänglich zu gewähren. Die anwendungsbezogene Nutzung der gewonnenen Kenntnisse, die Produkterzeugung und die Übertragung der Rechte an den gewonnenen Kenntnissen (gewerbliche Schutzrechte oder Know-how) unterfällt demgegenüber lit. c und ist daher allen Vertragspartnern nur frei, wenn keine freigestellte oder freistellungsfähige Vereinbarung hierzu getroffen wurde. Welche Vereinbarungen hierzu freigestellt oder freistellungsfähig sind, ob etwa Zustimmungsvorbehalte bei der Lizenzerteilung dies sind,26 sagt die Vorschrift selbst noch nicht. Speziell für die Herstellung findet sich die Komplementärregel in Art 6 lit. g VO, nach der jede Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung, die nicht auch die Herstellung zur gemeinsamen Sache erklärt, jedoch die Befugnisse einzelner VerVgl Bunte/Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 13; Korah, Regulation 418/85, p. 26; Möschel, RIW 1985, 261 (262); Ullrich / Konrad, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.E, Rn 2 0 ; Wissel, WuW 1985, 7 7 2 (775). " Möschel, RIW 1985, 261 (262); für die Probleme auch Korah, Regulation 418/85, p. 27 seq; Ullrich / Konrad, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.E, Rn 2 2 - 2 5 ; Venit, ELR 1985, 151 (157 seq). 2 6 Vor allem an dieser Frage entzündete sich der Streit um Art 2 lit. b und c VO: vgl Nachw unten Fn 29. 24

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tragspartner in diesem Bereich anderweitig beschneidet, der Freistellungswirkung verlustig geht. 11 Bedingungen für Vereinbarungen, die auch die Verwertung betreffen (Art 1 I lit. a und b VO), enthalten lit. d und e. Dabei stellt lit. d sicher, daß solche Verwertungsvereinbarungen im Rahmen der vorliegend erörterten Gruppenfreistellungsverordnung nur als Annex zu Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen freigestellt werden können. Die gemeinsame Verwertung muß „entscheidend" auf Ergebnissen, die auf der Grundlage der Forschungs- und EntwicklungsVereinbarung erzielt wurden, beruhen; außerdem müssen die Ergebnisse in geldwerten Informationspositionen bestehen - entweder als gewerbliches Schutzrecht oder als Know-how, das nicht offenkundig und das wesentlich ist. 27 12 Die oben angeschnittene Grundfrage, wie weit die „Gemeinsamkeit" in der Verwertung gehen muß, regelt demgegenüber punktuell lit. f, vor allem jedoch implizit Art 1 I lit. a und b iVm III VO, wobei insbesondere der 4. Erwägungsgrund der Präambel bei der Auslegung heranzuziehen ist. Die Produkte müssen alle Vertragspartner beziehen können und dies wohl auch unter nichtdiskriminierenden Bedingungen, auch wenn nur eines, evtl auch ein drittes, mit der Produktion beauftragt ist (lit. f). Dies bedeutet jedoch nicht, daß nicht dieses bei der Verwertung stärker als die anderen profitiert, insbesondere am Produktionsgewinn. Fraglich ist, ob und wie weitgehend gemeinsamer Nutzen in der beschriebenen Art auch bei den anderen beiden Formen der Verwertung verbürgt werden muß, bei der Nutzung der gewonnenen Kenntnisse in anderen Verfahren als demjenigen der Produktion und insbesondere bei der Übertragung der Rechte an den gewonnenen Kenntnissen (vor allem durch Lizenzerteilung). Es geht insbesondere um die Frage, ob nicht ein Unternehmen, das mehr in die gemeinsame Forschung und Entwicklung investierte, bevorzugte Verwertungsrechte genießen darf (etwa Zuteilung bestimmter Mengen), 28 und nicht Lizenzerteilungen unter Zustimmungsvorbehalt gestellt werden dürfen.29 Geklärt ist zunächst, daß der Verwertung ein Gemeinsamkeitsaspekt innewohnen muß, daß also eine Reservierung für nur eine Vertragspartei (ohne wertmäßige Beteiligung der anderen) unzulässig ist (vgl Art 1 III lit. a VO), daß jedoch eine gebietliche Reservierung oder eine Reservierung verschiedener technischer

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Diese aus Art 1 II lit. e V O und Art 2 lit. d V O herzuleitende Definition des Begriffs „Know-how" entspricht, obwohl wörtlich nicht identisch und nunmehr auf zwei N o r men verteilt, wohl derjenigen in Art 10 N r 1 - 4 G V O Technologietransfervereinbarungen; ebenso (für deren Vorgänger-VO zum Know-how-Transfer) Bunte / Sauter, E G Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 8 ; Wissel, W u W 1 9 8 5 , 7 7 2 (777).

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Letzteres bejahend Wissel, W u W 1 9 8 5 , 7 7 2 (776); aA wohl (zumindest soweit Wettbewerbsbeschränkung vorliegt) Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 1 4 ; Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 2 G V O 4 1 8 / 8 5 , Rn 21. Solch einen Vorbehalt halten für zulässig Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 11; Koenigs, D B 1 9 8 5 , 1115 (1117); Wissel, W u W 1 9 8 5 , 7 7 2 ( 7 7 6 f); zweifelnd Korah, Regulation 4 1 8 / 8 5 , p. 2 7 ; aA Möschel, R I W 1 9 8 5 , 2 6 1 (262).

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5.07 GruppenfreistellungsVO Forschungs- und Entwick]ungsvereinbarungen 1021

Anwendungsbereiche zulässig ist (Art 4 I lit. d und e VO). Außerdem kann bei Auftragsforschung - dies und nicht der Begriff der „Universität" ist insoweit wohl zentral - die beauftragte Stelle verpflichtet werden, erworbene Kenntnisse allein zu weiterer (Grundlagen-)Forschung zu verwenden - freilich nur, wenn sie kein (kommerzielles) Interesse an den Ergebnissen der Vereinbarung hatte. Das Gemeinsamkeitselement wird also dahingehend ausgestaltet, daß die auch wertmäßige Reservierung für eine Vertragspartei auch bei Auftragsforschung nur mangels kommerziellen Eigeninteresses der anderen zulässig ist. Auch die mengenmäßige Aufteilung der Verwertung ist außerhalb von Art 4 I lit. d und e VO unmittelbar nicht vorgesehen. Allerdings wird man Art 4 I lit. f VO dahingehend verstehen können, daß eine ungleiche Aufteilung der Verwertung bei ungleichem Investment zulässig ist.30 Ansonsten verbleibt wohl nur der Weg über das Widerspruchsverfahren nach Art 7 VO. Deswegen sind gegenseitige Zustimmungsvorbehalte für Lizenzerteilungen, anders als einseitige, unbedenklich, es handelt sich im Ergebnis um eine gemeinsame Lizenzverteilung. Abgrenzungsfragen in diesem Bereich sind deswegen von besonderer Bedeutung (und Abgrenzungszweifel deswegen auch besonders lästig), weil insoweit das Alles-oder-nichts-Prinzip ohne Möglichkeit der Inanspruchnahme des Widerspruchsverfahrens gilt. Die genannten Grenzen der Freistellungswirkung werden freilich nur bedeutsam, soweit die Vereinbarung nicht ohnehin als nicht wettbewerbsbeschränkend einzustufen ist. bb) Die Dauer der Freistellungswirkung (und zugleich auch eine weitere Bedin- 13 gung) regelt Art 3 VO. Stehen die Vertragspartner nicht in aktuellem, sondern allenfalls in potentiellem Wettbewerb,31 so gilt die Freistellung der Forschungsund Entwicklungsvereinbarungen, solange die Forschung und Entwicklung andauert, und die Freistellung einer annexweise geregelten Verwertung fünf Jahre ab dem ersten Inverkehrbringen (Art 3 I VO). Stehen die Vertragspartner hingegen in aktuellem Wettbewerb, so greift die Freistellungswirkung nur, wenn der Anteil der beteiligten Unternehmen am räumlich und sachlich relevanten Markt bei Vertragsabschluß 20% nicht übersteigt (Art 3 II VO). Bei späteren Änderungen bleibt die Freistellung jedoch für die Zeit der Forschung und Entwicklung und, falls die Verwertung annexweise geregelt wurde, für nochmals fünf Jahre bestehen. 32 Nach Ablauf dieser Fristen wirkt die Freistellung demgegenüber zwar unbefristet weiter, jedoch nur solange die 20 %-Schwelle eingehalten wird und dies auch in den von Art 3 I VO erfaßten Fällen, daß ursprünglich kein aktueller Wettbewerb bestand (Art 3 III VO). Auch kommt es jetzt auf aktuellen

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Vgl näher unten Rn 15. Art 3 I VO meint, wie die Floskel „als Hersteller" zeigt, nicht den nur potentiellen Wettbewerb: Korah, Regulation 418/85, p. 32 seq; Möschel, RIW 1985, 261 (261, 263) (dies kritisierend); aA Ullrich, Kooperative Forschung, S 139. So (auch für Art 3 I VO) Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 20; Korah, Regulation 418/85, p. 18; Lutz /Broderick, RIW 1986, 5 (6); Wissel, WuW 1985, 772 (774 f).

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und potentiellen Wettbewerb an.33 Ist auch der Vertrieb Gegenstand der Vereinbarung, beträgt die Schwelle jeweils 10% (Art 3 Illa VO). Ebenfalls geregelt sind geringfügige Überschreitungen der Schwelle und eine Auslauffrist (Art 3 IV und V VO). 34 c) Freigestellte und unbedenkliche Vertragsklauseln (weiße Liste) 14 In der weißen Liste wird unterschieden zwischen Klauseln, die freigestellt sind (Art 4 VO), und regelmäßig unbedenklichen Klauseln (Art 3 VO), die aus Rechtssicherheitsgründen ebenfalls freigestellt sind (Art 3 II VO). Die Freistellung gilt jeweils auch für weniger weitreichende Klauseln (Art 4 II und 5 II 2 VO). 15 Zu den nach Art 41 VO freigestellten Klauseln zählen die umfassende Ausschließlichkeitsbindung bei Forschung und Entwicklung - ausschließlich gegenüber eigenen Aktivitäten und gemeinsamen Aktivitäten mit Dritten (lit. a und b) - und die AlleinbezugsVerpflichtung (lit. c). Sodann betreffen lit. d und e die Herstellung, lit. f und die später eingeführten lit. fa, fb und fc den Vertrieb. Die Pflicht zum Erfahrungsaustausch und zur Gewährung nicht ausschließlicher Lizenzen zu Erkenntnissen, die jeder Vertragspartner bei der Verwertung macht (lit. g), wurde früher schon gar nicht als wettbewerbsbeschränkend eingestuft.35 Zulässig sind folgende Bindungen die Herstellung betreffend: eine Aufteilung nach geographischen Gebieten (lit. d; bezogen auf die Herstellung!) und nach technischen Anwendungsgebieten (lit. e), letzteres freilich nicht zwischen aktuellen, nicht nur potentiellen Wettbewerbern. Durch Vertriebsbindung gemäß Art 4 I lit. f VO durften schon nach der ursprünglichen Fassung der Verordnung „Gebiete" verschiedenen Vertragspartnern zugewiesen werden, hierbei jedoch nur die aktive Vertriebspolitik in fremden Gebieten untersagt werden (Werbung sowie Einrichtung von Niederlassungen und Auslieferungslagern) und dies auch nur während der Laufzeit. Außerdem müssen Querlieferungen auf Zwischenhändler- und Verbraucherebene zugelassen werden. Insoweit ist es nicht richtig, daß die Verordnung keinerlei Freistel33

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Ullrich, Kooperative Forschung, S 139; Ullrich / Konrad, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.E, Rn 32, 34; Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 3 GVO 418/85, Rn 9; aA Venit, ELR 1985, 151 (159). Die Auslauffrist wird damit begr, daß so bei neuen Produkten überhaupt erst zuverlässig der sich etablierende Marktanteil bestimmt werden kann und daß eine Mindestamortisation von teils erheblichen Gemeinschaftsinvestitionen gesichert sein soll: vgl 9. Erwägungsgrund der Präambel. Außerdem wird durch die Frist die rechtzeitige Beantragung einer Einzelfreistellung erleichtert: vgl etwa Ullrich / Konrad, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.E, Rn 42; Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 3 GVO 418/85, Rn 27; Wissel, WuW 1985, 772 (775). Bekanntmachung über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen, AB1EG 1968 C 75/3 (3); Möschel, RIW 1985, 261 (261); zweifelnd noch heute Korah, Regulation 418/85, p. 49 seq; Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 3 GVO 418/85, Rn 39.

5.07 GruppenfreistellungsVO Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen 1 0 2 3

lung für Vertriebsbindungen enthielt.36 Die Zuteilung eines „Gebiets" war jedoch nur durch Aufteilung der Herstellungsgebiete möglich. Die Rechtsfolge der Überschreitung der genannten Grenzen ergibt sich aus Parallelvorschriften in der schwarzen Liste des Art 6 VO bzw deren Fehlen; im zweiten Fall greift das Widerrufsverfahren nach Art 7 VO. Hinzuweisen ist auf Art 6 lit. f und h VO, die eine Untersagung aktiver Verkaufspolitik nach Auslaufen der Vereinbarung und die Behinderung von Querlieferungen zum Gegenstand haben. Demgegenüber erfaßt Art 6 VO etwa nicht die Untersagung passiver Verkaufspolitik nach Auslaufen der Vereinbarung. Mit lit. fa, fb und fc wurde die Möglichkeit eingeführt, auch unabhängig von einer Aufteilung von Herstellungsgebieten ein Vertriebssystem mit Ausschließlichkeitsrechten aufzubauen, freilich auch wieder unter Gewährleistung der Möglichkeit von Querlieferungen. Abgesehen hiervon ist nach lit. fa, fb und fc eine echte Gebietsaufteilung (mit einem Verbot auch der passiven Vertriebspolitik) möglich, freilich nur, wenn das betraute Unternehmen keine Konkurrenzwaren herstellt oder vertreibt. Die weiße Liste des Art 5 I VO umfaßt Verpflichtungen, die notwendigen In- 16 formationen zu übermitteln, nur zu Vertragszwecken zu nutzen und auch nach Ablauf der Vereinbarung geheim zu halten (lit. a, b und d).37 Hinzu treten Unterstützungspflichten - Schutzrechte zu erwirken und aufrechtzuerhalten (lit. c) und gegen Verletzungen derselben einzuschreiten oder insoweit Hilfe zu leisten (lit. e) - und Verpflichtungen zur gerechten Aufteilung von Lasten und Nutzen: In lit. g ist die Verpflichtung genannt, empfangene Entgelte aufzuteilen. Mit lit. f ist wiederum das Problem angesprochen, inwieweit aufgrund von Ungleichheiten im Investment Ungleichheiten bei den Verwertungsrechten vereinbart werden dürfen. Lit. f sieht die Zulässigkeit einer Verpflichtung zur Ausgleichszahlung vor, dies auch umgekehrt, wenn ungleiche Verwertung vereinbart ist. Demnach können offenbar gegen Entgelt wirksam ungleiche Verwertungsrechte eingeräumt werden. Dann muß gleiches gegen ungleiche Beteiligung am Forschungs- und Entwicklungsaufwand möglich sein, also gegen vorgezogenes Entgelt in Form von Minderbelastung der anderen Seite. Lit. h steht in gewissem Zusammenhang mit Art 2 lit. f VO. Beide haben das Recht eines Vertragspartners, Vertragsware zu beziehen, zum Gegenstand (Art 4 I lit. h VO jedoch nur Mindestmengen und Mindestqualitäten). Art 2 lit. f VO statuiert jedoch eine Bedingung für das Eingreifen der Freistellungswirkung, weil er für den Fall einer Monopolisierung der Herstellung gilt, während Art. 4 I lit. h VO die genannte Abrede nur für zulässig erklärt (freistellt) und gerade auch den Fall betrifft, daß 36

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So jedoch Lutz /Broderick, RIW 1986, 5 (6 Fn 7); Venit, ELR 1985, 151 (154); tendenziell auch Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 7; Möschel, RIW 1985, 261 (262). Zu dieser Regel, insbes zur Frage, ob sie ebenfalls Vereinbarungen stützt, nach denen eine Lizenzerteilung an Dritte auch nach Vertragsbeendigung untersagt werden kann: Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 35; Korah, Regulation 418/85, p. 52; Möschel, RIW 1985, 261 (264). ME ist solch eine Vereinbarung nur zulässig, soweit sie ein Unternehmen schützt, das die entspr Informationsposition so bereits eingebracht hat [„Übermittlung" iSd 1. Alt]).

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die Herstellung nicht bei einem Vertragspartner oder beauftragten Unternehmen monopolisiert ist. d) Unzulässige Klauseln (schwarze Liste) 17 Die schwarze Liste des Art 6 VO stellt in vielen Unterpunkten insoweit eine Komplementärregel zu den Klauseln der weißen Liste dar, als in ihr die Überschreitung der dort gesetzten Grenzen mit besonders strengen Sanktionen belegt wird: Bei Eingreifen der schwarzen Liste in nur einem Punkt entfallt die Freistellungswirkung für alle Klauseln und dies auch ohne Möglichkeit einer Freistellung im Widerspruchsverfahren nach Art 7 VO. Es bleibt allein der Weg über eine Einzelfreistellung. Dies gilt zunächst für Ausschließlichkeitsbindungen in Forschung und Entwicklung (Art 4 I lit. a, b VO), die sachlich oder zeitlich über den definierten Vertragsgegenstand hinausgehen (Art 6 lit. a VO), jedoch auch für Behinderungen der Querlieferung (Art 6 lit. h VO).38 Gleiches gilt für Nichtangriffsklauseln, soweit sie zeitlich über den definierten Vertragsgegenstand hinausgehen (Art 6 lit. b VO). Die Freistellungswirkung entfällt ebenfalls bei mengenmäßiger Beschränkung der Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse (lit. c), soweit diesbezügliche Vereinbarungen nicht (durch Art 4 I lit. d, e und Art 5 I lit. f VO) freigestellt sind, und bei Absprachen zu Preisbestandteilen (lit. d). Auch die Kundenwahl muß frei gelassen werden, soll nicht die Freistellungswirkung entfallen (lit. e). Insbesondere die Beschränkung auch passiver Vertriebspolitik stellt also schon nach dieser Regel eine schwarze Klausel dar. Auf die zusätzlichen Regelungen dieses Themenkreises in lit. f und h wurde bereits hingewiesen, ebenso auf die Regel in lit. g, die im Zusammenhang mit Art 2 lit. c VO steht. e) Verbliebene Regelungslücken 18 Die Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen erfaßt den Bereich Forschung und Entwicklung sowohl im Waren- als auch im Dienstleistungssektor. Auch Spezialisierungsvereinbarungen für die daran anschließende Herstellung oder den Vertrieb unterfallen entweder dieser Verordnung oder, soweit sie keine Annexe zu Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen bilden, von der „Schwester"Verordnung 417/85/EWG (5.06) bzw von den Gruppenfreistellungsverordnungen Alleinvertriebs- und Alleinbezugsvereinbarungen (5.01, 5.02). Dadurch entsteht jedoch keine Regelungslücke (über diejenigen in den genannten Verordnungen hinausgehend), sondern allein ein Abgrenzungsproblem. Nicht erfaßt ist allerdings die reine, nicht „gemeinsame" Auftragsforschung, wobei freilich unter den Beispielen im 4. Erwägungsgrund der Präambel mit dem universitären Bereich das zentrale Beispiel solcher Fremdauftragsforschung ebenfalls aufgeführt ist. 38

Dazu näher Korah, Regulation 418/85, p. 4 4 - 4 9 ; Ullrich / Konrad, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, VIII.E, Rn 70; Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, Art 6 GVO 418/85, Rn 39-43.

5 . 0 7 GruppenfreistellungsVO Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen

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Innerhalb dieses nahezu lückenlosen Anwendungsbereichs sind auch die mög- 19 liehen Klauseln insoweit lückenlos erfaßt, als die vereinfachte Form der Freistellung im Widerspruchsverfahren für alle unbenannten Klauseln eröffnet ist. Auch soweit in der genannten Bekanntmachung über Zusammenarbeitsvereinbarungen von 1968 die Tendenz zu erkennen ist, auf Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen schon gar nicht Art 85 I EGV anzuwenden, bildet die recht extensive Aufzählung unbedenklicher Klauseln in Art 5 VO eine „positive Politik" iSd Walt-Wilhelm-Rechtsprechung des EuGH. Die Eingriffsmöglichkeiten für nationale Behörden werden also regelmäßig präkludiert sein, auch für „graue" Klauseln zumindest nach Einleitung des Widerspruchsverfahrens.

B.

Fundstellenverzeichnis

Grundlage: Art 85 III, 87 EGV iVm Verordnung des Rates 2821/71/EWG 2 0 (Fundstelle oben § 8 Einl Fn 43) Betr: Freistellung von Klauseln in Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen, in denen kleine und mittlere oder größere, nicht konkurrierende Unternehmen eine (exklusive) Zusammenarbeit wählen, und annexweise Freistellung von Produktionsabsprachen sowie eines nicht absoluten Gebietsschutzes beim Vertrieb Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1985 L 53/5 - geändert durch die Verordnung 151/93/EWG vom 23. 12. 1992 AB1EG 1993 L 21/8 - weitere Änderungen durch Beitrittsverträge etc ABIE G 1985 L 302/9; 1994 C 241/60; 1995 L 1/21; 1997 L 306/12 - ursprünglicher Vorschlag vom 21. 1. 1984 (Veröffentlichung) ABIEG 1984 C 16/3

C. Abdruck Beck'sches Europäisches Wirtschaftsrecht - Textsammlung, 415; Bunte / Sauter, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen (6), Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, GVO 418/85; sowie http://www.ecohal.uni-halle.de

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

S.08 Gruppenfreistellungsverordnung

Versicherungswirtschaft

Verordnung der Kommission vom 21. 12. 1992 über die Anwendung von Art 85 III EWG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich der Versicherungswirtschaft (3932/92/EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Bätge, Frank, Kooperationen zwischen Versicherungsunternehmen innerhalb der Europäischen Union unter besonderer Berücksichtigung deutscher Beteiligung, Karlsruhe (Versicherungswirtschaft) 1995; 2. Aufsätze und Beiträge: Adel, Michael, Deregulierung der Versicherungswirtschaft durch die Gruppenfreistellungsverordnung der Europäischen Kommission - die Regelung für Prämienempfehlungen und Mustergeschäftsbedingungen, ZVersWiss 1994, 77-91; Büchner, Georg, Auf dem Weg zu Gruppenfreistellungen der EG-Kommission für den Versicherungsbereich, FS Rittner, München 1991,55-68; Oers, Die Gruppenfreistellungen der EG-Kommission im Versicherungsbereich - insbesondere die Tatbestandsgruppe „Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen", FS Farny, Karlsruhe 1994, 45-61; Bunte, Hermann-Josef, Eine Gruppenfreistellungsverordnung für die Versicherungswirtschaft, WuW 1992, 893-906; Ders, Expertenseminar des GDV über die Gruppenfreistellungsverordnung für die Versicherungswirtschaft, VersR 1993, 543-547; Entzian, Tobias, Versicherungsverträge und europäisches Kartellrecht - zur Wettbewerbswidrigkeit langfristiger Versicherungsverträge, EWS 1996, 342-349; υ Fürstenwerth, Frank, EG-Gruppenfreistellungsverordnungen für die Versicherungswirtschaft, WM 1994, 365-374; Hofmann, Edgar, Die heuen KfZ-Versicherungsbedingungen nach der Deregulierung, NVZ 1996, 12-17; Hootz, Christian, EG-Gruppenfreistellungen - Branchen-Regelungen: Versicherungswirtschaft, in: Gemeinschaftskommentar - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und Europäisches Kartellrecht4, 19. Lfg, Köln ua (Heymanns) 1996; Kahlenberg, Harald, Die EG-Gruppenfreistellungsverordnung für die Versicherungswirtschaft, WuW 1994, 985-1002; Lichtenwald, Gerd, Kooperation auf dem Gebiete der Versichungswirtschaft aus EG-kartellrechtlicher Sicht - Gruppenfreistellungsverordnung der EG-Kommission vom 21. 12. 1992, VersRdsch 1993, 317-331; Müller, Wolfgang/Zweifel, Peter, Deregulierung der Versicherungsmärkte durch die EG?, WuW 1990, 907-922; Nebel, Martin, Europäisches Versicherungskartellrecht die Gruppenfreistellungsverordnung für Versicherungen, SVZ 61 (1993) 88-96; Schultz, Klaus-Peter, Die Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) der EG-Kommission vom 21. 12. 1992 zu ξ 102 GWB - Regelungsinhalte und Verhältnis zur ξ 102 GWB, VW 1993, 556-559; Schümm, Konrad, Die Gruppenfreistellungsverordnung für die Versicherungswirtschaft, in: Basedow, Jürgen / Schwark, Eberhard / Schwintowski, Hans-Peter (Hrsg), Informationspflichten, Europäisierung des Versicherungswesens, anerkannte Grundsätze der Versicherungsmathematik, Baden-Baden (Nomos) 1995, 75-90; Vernimmen, Gisèle, Die Gruppenfreistellungsverordnung für die Versicherungswirtschaft, VW 1993, 559-563.

5.08 Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft

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Α. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand Die Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft stellt Vereinba- 1 rungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen in Einzelbereichen des Versicherungswesens vom Kartellverbot des Art 85 I E G V frei: Zum Zwecke der Prämienberechnung dürfen risikobezogene, auf ausreichendem Zahlenmaterial beruhende Statistiken und risiko- und anlagebezogene Prognosen, in die keine einzeluntemehmens- oder einzelversicherungsnehmerbezogenen Daten eingehen, als unverbindliche Empfehlung (gemeinsam) ausgearbeitet und/oder bekanntgegeben werden. Sodann dürfen Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen für die Direktversicherung (und Erläuterungsmodelle für Überschußbeteiligungen) unter der Bedingung als unverbindliche Empfehlung (gemeinsam) ausgearbeitet und/oder bekanntgegeben werden, daß sie jedem zugänglich gemacht werden, keine Preiselemente betreffen, keine übermäßige (etwa zu lange) Bindung auferlegen und ein Ausoptieren auch aus Teilen möglich ist. Die Freistellung gemeinsamer Versicherung und Rückversicherung bestimmter Risiken wird von der Einhaltung bestimmter Marktanteilsschwellen abhängig gemacht. (Gemeinsam) ausgearbeitet und/oder bekanntgegeben werden dürfen zuletzt auch unverbindliche Klauseln zur Standardisierung von Sicherheitsvorkehrungen, deren Spezifikation, Prüfung und Bescheinigung und zwar auch bezogen auf Einzelunternehmen, die solche Vorkehrungen anbieten - jeweils unter der Bedingung, daß Transparenz und Objektivität gewährleistet sind. Jede namentlich nicht genannte Wettbewerbsbeschränkung läßt die Freistellungswirkung entfallen, wobei jedoch die jeweiligen Freistellungsklauseln mit ihrer Offenheit sehr breit greifen. b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld Bis zu den ersten gegenteiligen Entscheidungen der Kommission1 und vor allem 2 bis zum Urteil des EuGH in Sachen Feuerversicherung,2 war überwiegend davon ausgegangen worden, daß Versicherungen nicht oder nicht in gleichem Maße wie andere Unternehmen dem Kartellverbot des Art 85 I EGV unterfallen.3 Ein 1

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Vgl vor allem die Entscheidungen in Sachen „Northern", „Nuovo Cegam" „Feuerversicherung" und „P & I Clubs", AB1EG 1982 L 80/36 (37 f); 1984 L 99/29 (33 f); 1985 L 35/20 (24-27); 1985 L 376/2 (6-8). Weitere Nachw etwa bei Adel, ZVersWiss 1994, 77 (87). EuGH 27. 1. 1987 - Rs 45/85 (Feuerversicherung), Slg 1987, 405 (451 f); weiter zur primärrechtlichen Einbettung der Verordnung: Greaves, EC Block Exemption, p. 103 seq. Vgl etwa Börner, Die vorläufige Nichtanwendbarkeit des Art 85 EWGV auf die Assekuranz, 1984; Bunte, VersR 1993, 543 (543) (Tagungsbericht); Emmerich, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, H.I, Rn 55; Müller /Zweifel, WuW 1990, 907 (917-921); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 1. Ahnlich war dies im

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Umdenken wurde nötig, etwa 300 Anmeldungen zur Einzelfreistellung waren die Folge.4 1991 und 1992 ergingen dann die Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung des Rates 1534/91/EWG, in der die Kommission zur Regelung von sechs enumerativ genannten Feldern ermächtigt wurde, und die Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft der Kommission, die eine Regelung in vier dieser Felder brachte, mangels Erfahrung jedoch zwei weitere offen ließ. In den wesentlichen Punkten wird mit ihr die bisherige Einzelfreistellungspraxis festgeschrieben.5 Eine weitere Regelung ist geplant.6 Altverträge sind in Art 18 f VO geregelt. 3 In einigen zentralen Punkten wurde der Vorentwurf der Kommission (vgl Fundstellenverzeichnis) kritisiert und geändert. Im einzelnen: Die Regeln zur Berechnung der Prämie (Art 2 - 4 VO) änderten sich praktisch nicht.7 Hingegen war vor allem im Bereich der Freistellung der Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen kritisiert worden, daß die Freistellungswirkung generell entfiel, wenn einige Unternehmen diese - entgegen Art 6 VO - untereinander als verbindlich vereinbarten, der empfehlende Verband sie jedoch als unverbindlich bekanntgegeben hatte;, dem Verband, der das Verhalten seiner Mitglieder nicht steuern kann, dürfe dieser Verstoß gegen die Regeln der Freistellung nicht zugerechnet werden.8 Die Regeln zur Gemeinsamen Deckung bestimmter Arten von Risiken haben sich wiederum vom Entwurf zur verabschiedeten Fassung im Anwendungsbereich und in den weißen und schwarzen Listen allenfalls in redaktionellen Details verändert.9 4 Das Umfeld der Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft ist durch sonstige Regeln zum Versicherungsvertragsrecht und durch andere Gruppenfreistellungsverordnungen gekennzeichnet. Für das sonstige Versicherungsvertragsrecht sind dies die drei Generationen der Versicherungs-Richtlinien Scha-

Kreditwesen bis zur Entscheidung EuGH 14. 7. 1981 - Rs 1 7 2 / 8 0 {Züchner / Bayerische Vereinsbank), Slg 1981, 2021 (bes 2 0 3 2 f). Die Sonderbehandlung beider Bereiche in § 102 GWB war also vorbildlich gewesen. 4 Adel, ZVersWiss 1994, 7 7 (78); Müller / Zweifel, WuW 1990, 9 0 7 (908); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 1; auch: Kommission, 9. Wettbewerbsbericht, 1979, Nr 30; 7. Erwägungsgrund der Präambel der Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung des Rates 1 5 3 4 / 9 1 / E W G . 5 Adel, ZVersWiss 1994, 7 7 (87 f); Bunte, WuW 1992, 893 (893 f); Büchner, FS Rittner 1991, 55 (64); Müller / Zweifel, WuW 1990, 9 0 7 (908 f); Kurzbeschreibung dieser Praxis etwa bei ν Fürstenwerth, W M 1994, 365 (366 f). 6 Arbeitsdokument der Kommission zum Vorschlag, Az IV/1005/92-DE, S 2; Bunte, WuW 1992, 893 (894); ν Fürstenwerth, W M 1994, 3 6 5 (365). 7 Außer in der Umstellung der Buchstaben in Art 3 VO unterscheidet sich die verabschiedete Fassung vom Entw nur durch Präzisierungen (vor allem Art 2 lit a VO) und durch eine Ausweitung: Die weiße Klausel des Art 2 lit. b VO erfaßt nunmehr auch die Bekanntgabe von Informationen zum „Ertrag von verschiedenen Anlageformen". s Vgl Bunte, WuW 1992, 893 (897). 9 Ebenfalls gleich blieben die Bedingungen der Freistellung, allerdings nicht die Ausnahmen hiervon (Art 11 II des Entw und Art 12 II der VO): Sie wurden noch etwas ausgedehnt.

5.08 Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft

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den und Leben (4.30-1/2/3 und 4.31-1/2/3), die für das Versicherungsvertragsrecht vor allem deregulierend wirken, indem sie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen von einer Genehmigungspflicht nach nationalem Recht freistellen und im Gegenzug nur Informationsgebote und intemationalprivatrechtliche Regeln einführten sowie eine AGB-Kontrolle.10 Es wird jedoch nicht nur nationale aufsichtsrechtlich ausgerichtete Regulierung des Versicherungsvertragsrechts zurückgedrängt (ohne daß annähernd gleichwertig im Gemeinschaftsrecht eine aufsichtsrechtliche Re-Regulierung erfolgt wäre). Vielmehr wird im Gemeinschaftsrecht mit zwei Regelungsakten gezielter auf Marktversagen im Versicherungssektor reagiert: durch die Einführung einer Mißbrauchskontrolle aller AGB im Versicherungssektor nach der AGB- oder Klausel-Richtlinie (2.10) und im Versicherungskartellrecht mit der Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft (5.08). Aufgrund des zweiten Regelungsaktes ist für die wichtigsten Felder1' zu konstatieren, daß sich das zwingende Recht der Versicherungsverträge doch nur vom nationalen Recht auf die Gemeinschaftsebene verlagert hat. Teils ist die Schwerpunktsetzung anders, tendenziell die Bindung auch der Versicherungswirtschaft an das Kartellverbot intensiver und damit die Bindung an eine die Märkte befreiende Philosophie,12 verbunden mit präziser zielenden und bewußter dosierten Ausnahmen. So findet sich hier in den Bedingungen für eine Freistellung von Mustern allgemeiner Versicherungsbedingungen gleichfalls eine auch inhaltliche Regelung zum Versicherungsvertragsrecht. Uberwiegend wird betont, daß dennoch keine gemeinschaftsrechtliche Angleichung des Versicherungsvertragsrechts erfolgt sei, eine Ansicht, die zwar theoretisch richtig ist, jedoch die praktische Auswirkung der vorliegenden Gruppenfreistellungsverordnung unberücksichtigt läßt.13 Im Verhältnis zu anderen Gruppenfreistellungsverordnungen entstehen keine 5 Abgrenzungsprobleme, da die Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft nur das horizontale Verhältnis zwischen Versicherern (nicht den Vertrieb) regelt und horizontale Bindungen für Dienstleistungen ansonsten ohnehin nur in der Gruppenfreistellungsverordnung Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen (5.07) geregelt sind. Die Regeln dieser Verordnung zur Entwicklung "> Vgl näher oben 4.30-1/2/3 Rn 15-30, 36, 3 8 - 4 0 und 4.31-1/2/3 Rn 13-22, 26. Die Wichtigkeit vor allem der Regelung der Prämienberechnungsstatistiken und -prognosen sowie der Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen betont etwa Adel, ZVersWiss 1994, 77 (78); Büchner, FS Rittner 1991, 55 (57). In der gemeinsamen Dekkung bestimmter Arten von Risiken liegt ein Schlüssel für die Versicherung von bisher für kaum versicherbar geglaubten Risiken. Die wichtigsten Bedürfnisse gleichen sich in allen Mitgliedstaaten: Büchner, FS Rittner 1991, 55 (55 f); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (365). 12 Bemerkenswert zu diesem Punkte die Überlegungen von Adel, ZVersWiss 1994, 77 (77-80), der fragt, ob die Verschärfung oder nicht eher die Aushöhlung des Kartellverbots als Regulierung zu verstehen sei. Vgl hierzu auch Müller / Zweifel, WuW 1990, 905 (bes 921). 13 Vgl im einzelnen unten Rn 13. Zu den genannten gegenläufigen Tendenzen im Versicherungsaufsichts- und im Versicherungskartellrecht etwa auch ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (365, 369). 11

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

von „Verfahren" im Dienstleistungssektor sollen jedoch, ohne daß dies ausdrücklich festgelegt wäre, ersichtlich durch die restriktiveren und ausdifferenzierten Speziairegeln der Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft verdrängt werden. c) Kompetenz und grundsätzliche

Wirkungsweise

6

Die Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft stützt sich auf die Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung des Rates 1 5 3 4 / 9 1 / E W G (1. Erwägungsgrund der Präambel), die eigens für diese Branche geschaffen wurde, nachdem die Entscheidung des E u G H in Sachen Feuerversicherung die angesprochene Anmeldungswelle ausgelöst hatte. Zur Auslegung der Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft ist ergänzend die Bekanntmachung über Zusammenarbeitsvereinbarungen von 1968 heranzuziehen (vgl 3. Erwägungsgrund der Präambel).14 Gleichgültig ist, ob im Einzelfall eine in der weißen Liste aufgeführte Klausel überhaupt wettbewerbsbeschränkend wirkt.15 Diese Frage ist für manche Vereinbarungen der Versicherungswirtschaft im Schrifttum schon im Ausgangspunkt umstritten: Denn Zusammenarbeit, ohne die ein bestimmtes Produkt, etwa eine Versicherung für bestimmte Risiken, überhaupt nicht angeboten würde, kann nicht als wettbewerbsbeschränkend angesehen werden. 16 Jedenfalls sind die in der weißen Liste aufgeführten Klauseln vorsorglich freigestellt.17

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Wie alle Gruppenfreistellungsverordnungen wirkt diejenige zur Versicherungswirtschaft unmittelbar (ohne Umsetzung ins nationale Recht) und ipso iure (ohne vorherige Anmeldung) und präkludiert, soweit sie eingreift, grundsätzlich

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Bekanntmachung über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen, AB1EG 1968 C 75/3 (Berichtigung AB1EG 1968 C 84/14). Generell für die Fortgeltung dieser Bekanntmachung: Adel, ZVersWiss 1994, 77 (82); Bunte, WuW 1992, 893 (895), der gar die GVO an diesem (für Gerichte unverbindlichen!) Maßstab mißt; Bunte / Sauter, EGGruppenfreistellungsverordnungen, (6), Rn 2; Koenigs, Die EG-Gruppenfreistellung für Forschungs- und Entwicklungsgemeinschaften, DB 1985, 1115 (1115); Wissel, Gruppenfreistellungs-VO für F+E-Gemeinschaften, WuW 1985, 772 (774). Ebenfalls hingewiesen wird auf die sog Bagatellbekanntmachung: Bekanntmachung der Kommission vom 3. 9. 1986 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Art 85 I des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fallen, AB1EG 1986 C 231/2, heute AB1EG 1997 C 372/13; so etwa Adel aaO; Bunte, VersR 1993, 543 (545) (Tagungsbericht); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, AT, Rn 22f.

Krit zur mangelnden Festlegung in der GVO, ob bestimmte Klauseln nicht ohnehin schon wettbewerbsneutral (nicht wettbewerbsbeschränkend) sind: Bunte, WuW 1992, 893 (895). " Bunte, WuW 1992, 893 (902); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (367); Nebel, SVZ 61 (1993) 88 (90). 17 Vgl hierzu (insbes den Rechtssicherheitserwägungen): 20. Erwägungsgrund der Präambel; ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (373); Bätge, Kooperationen zwischen Versicherungsunternehmen, S 115 f. Dieses Vorgehen erweckt auch in kompetenzieller Hinsicht keine Zweifel: vgl oben § 8 Einl Rn 21. Eine Einzelfreistellung kann zur Sicherheit beantragt werden: EuGH 18. 12. 1986 - Rs 10/86 (VAG /Magne), Slg 1986, 4071 (4088). 15

5.08 Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft

1031

jedes Verbot auf der Grundlage nationalen Rechts. 1 8 Gerade für die Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft wird dies zwar teilweise angezweifelt: So wird angenommen, die Freistellungswirkung könne sich nur durchsetzen, wenn ein Verbot nach § 102 G W B den Bestand des jeweiligen Versicherungsunternehmens gefährde. 19 Wenn die Verordnung jedoch zur Verbesserung der „Bewertung von Risiken ... [und der] Vergleichbarkeit des Leistungsumfangs durch den Versicherungsnehmer" sowie mit dem Ziel, daß „einer größeren Zahl von Versicherern der Marktzutritt ermöglicht wird", erging, außerdem „für das gute Funktionieren des Binnenmarktes" (vgl 6., 7., 10. und 15. Erwägungsgrund der Präambel), kann schlechterdings nicht mehr von einer nur technischen Regelung (zur bloßen Bewältigung des Massenproblems und Schaffung von Rechtssicherheit) gesprochen werden. 2 0 Selbst wenn die positiven Effekte nicht bewiesen sind (insoweit besteht gesetzgeberisches Ermessen), verfolgt die Regelung doch unzweifelhaft eine positive Politik iSd Rechtsprechung des E u G H in Sachen Walt Wilhelm. 2 1 Eine Neueinführung von Wettbewerbsverzerrungen im Versicherungsmarkt durch Zulassung unterschiedlicher nationaler Standards im Anwendungsbereich der Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft ist evident europarechtswidrig. 22 Eine Freistellung setzt jedoch voraus, daß die Vereinbarung keine einzige andere wettbewerbsbeschränkende Klausel enthält als diejenigen, die nach Art 2, 5, 10 und 12 f sowie 14 V O ispo iure freigestellt sind (Alles-oder-nichts-Prinzip). 23 Anders als in den meisten jüngeren Gruppenfreistellungsverordnungen - jedoch in Übereinstimmung mit der wichtigsten zweiten branchenspezifischen Gruppenfreistellungsverordnung, derjenigen zu KfZ-Vertriebsvereinbarungen (5.03) - fehlt es an einem Widerspruchsverfahren, 2 4 das Härten des Alles-oder-nichts-Prinzips abmildert. Freilich sind die jeweiligen Freistellungsklauseln und umgekehrt auch die Bedingungen so offen

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Zu letzterem (und möglichen moderaten Einschränkungen bei §§ 22 IV, 26 II, 23 ff GWB) oben § 8 Einl Rn 11, 25 f. Markert, Die Anwendung des § 102 GWB auf die Versicherungswirtschaft vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils im Fall „Feuerversicherung", VersR 1988, 101 (103 f); tendenziell auch Adel, ZVersWiss 1994, 77 (89 f) („GVO-Versicherungswirtschaft ... bietet keine Ansatzpunkte für ... Vorrangstellung"); Schultz, VW 1993, 556 (557 f); aA (umfassender Vorrang der Ergebnisse der GVO): ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (373) (auch Unanwendbarkeit der Anmeldungspflicht, mwN); und auch Büchner, FS Rittner 1991, 55 (67). Zu diesen (zusätzlichen) Zielsetzungen Adel, ZVersWiss 1994, 77 (80 f); Büchner, FS Rittner 1991, 55 (58); Bunte, WuW 1992, 893 (906); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (374). EuGH 13. 2. 1969 - Rs 14/68 (Walt Wilhelm), Slg 1969, 1 (14). Ebenfalls untragbar ist die Aussage, § 102 GWB nF könne die Tatbestandsmerkmale von Art 85 III EGV für eine Anwendung durch deutsche Behörden konkretisieren: Büchner, FS Rittner 1991, 55 (56, 66 f); Bunte, WuW 1992, 893 (903). Zum Alles-oder-nichts-Prinzip vgl oben § 8 Einl Rn 22; bes krit für den Bereich der Versicherungswirtschaft Adel, ZVersWiss 1994, 77 (81 f). Krit hierzu Adel, ZVersWiss 1994, 77 (81); Bunte, WuW 1992, 893 (904 f); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (367). Die Kommission geht sogar davon aus, daß nicht freigestellte Vereinbarungen regelmäßig auch nicht im Wege der Einzelfreistellung freigestellt werden können; dazu (krit) ν Fürstenwerth aaO 373.

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

formuliert, daß namentlich nicht genannte Wettbewerbsbeschränkungen, für die allein das Widerspruchsverfahren eine erleichterte Freistellungsmöglichkeit schaffen würde, innerhalb der geregelten Bereiche selten sind. Ohnehin unschädlich (und nicht freistellungsbedürftig) sind Vereinbarungen, die in der Tat nicht wettbewerbsbeschränkend iSd Art 85 I EGV wirken. 25

2. Inhalt a) Anwendungsbereich und Aufbau 8 Die Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung des Rates 1534/91/EWG definierte, anders als andere Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnungen, innerhalb des Versicherungssektors nochmals verschiedene Unterbereiche, für welche die Kommission zum Erlaß von Gruppenfreistellungsverordnungen ermächtigt wurde. Art 1 V O legt diejenigen Unterbereiche fest, für die von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird. Anders als in sonstigen Gruppenfreistellungsverordnungen folgen darauf für jeden Unterbereich gesondert in Titel II-V je eine Regelung mit weißer und schwarzer Liste (einschließlich Bedingungen der Anwendbarkeit). Als die zwei wichtigsten erscheinen - zumindest im deutschen Versicherungsmarkt - die beiden zuerst genannten (zu den Prämienberechnungen und Allgemeinen Versicherungsbedingungen). 26 Alle gelten, den Vorgaben der Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung entsprechend, für Vereinbarungen und Beschlüsse, also für Absprachen zweier Unternehmen ebenso wie für solche vieler Unternehmen, desweiteren auch jeweils für abgestimmte Verhaltensweisen, also bewußtes Parallelhandeln und - bezogen auf Unternehmensvereinigungen - Empfehlungen durch den Verband. 27 Unternehmensverbunde werden nach Art 16 V O als Einheit verstanden, wobei die Definition der in den anderen Gruppenfreistellungsverordnungen verwandten entspricht.

b) Klauseln zur Prämienberechnung 9 In der weißen Liste des Art 2 V O geht es um die Berechnung oder Prognostizierung von durch das Risiko verursachten Durchschnittskosten, die aufgrund von Absprachen ermittelt, unterschiedlich weitgehend in Nettoprämien umgerechnet und auch bekanntgegeben werden dürfen. In lit. a ist dabei die Erhebung von Daten aus der Vergangenheit gemeint, in lit. b die Prognostizierung, 28 ohne die sich die Versicherungswirtschaft außerstande sieht, realistische Prämien aufzu-

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Zu solchen Fallgruppen Büchner, FS Rittner 1991, 55 (63 f); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (367); auch: Bekanntmachung über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen, AB1EG 1968 C 75/3 (5); Bunte, WuW 1992, 893 (902). Adel, ZVersWiss 1994, 77 (78). Bunte, WuW 1992, 893 (896); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 23. Bätge, Kooperationen zwischen Versicherungsunternehmen, S 124; ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (368).

5.08 Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft

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stellen. 29 Bei der Bekanntgabe von Entscheidungsgrundlagen durch Unternehmen handelt es sich in der Tat bereits um Maßnahmen, die den Wettbewerb beschränken. 3 0 Nach lit. a sind Klauseln freigestellt, nach denen Durchschnittskosten für die Deckung eines jeden Risikos berechnet und bekanntgegeben werden sollen. Wichtig ist insoweit der Bezug allein auf das Risiko und auf den Durchschnittsaufwand. Nicht einbezogen werden dürfen andere, unternehmensbezogene, aber auch vertragsbezogene Kostenfaktoren (vgl im einzelnen Art 3 lit. b VO), 3 1 ebenfalls nicht durch einzelne besonders risikobelastete Versicherungsnehmer verursachte Sonderkosten. 3 2 Die Berechnungen müssen, für das Ziel, mit dem die Wettbewerbsbeschränkung gerechtfertigt wird (Verbesserung der „Bewertung von Risiken"), verläßlich sein und daher auf für statistische Zwecke ausreichend großem und homogenem Materialbestand fußen und auch den Beobachtungszeitraum präzisieren. Berechnet und bekanntgegeben werden dürfen dann auch die zentralen Berechnungsposten, dh - nicht abschließend aufgezählt - : 3 3 auf der einen Seite die versicherten Risiken im Beobachtungszeitraum (mit Versicherungssummen, dies pro Jahr), auf der anderen Seite die Zahl der Schadensfälle sowie geschuldeten und gezahlten Summen. Bei Versicherungen mit Kapitalisierungselement 34 sind die zentralen Berechnungsposten noch darüber hinaus dahingehend präzisiert, daß auch Sterbetafeln und Tafeln über sonstige Versorgungsfälle (Krankheiten, Invalidität und Unfälle) erfaßt sind. Ob durch diese gesonderte Nennung eine andere Rechtsfolge intendiert war als in Art 2 lit. a 2. HS 1.-4. Tiret V O , etwa diese Posten nur benannt, nicht jedoch beziffert werden dürfen, bleibt unklar. Ohne gesonderte Regelung würde Art 2 lit. a 2. HS 1.-4. Tiret V O diese Fragen ebenfalls erfassen. Die Regeln zur Prognose (lit. b) unterscheiden sich von denen zur vergangensheitsbezogenen Statistik dadurch, daß nur Studien über die wahrscheinlichen Auswirkungen ausdrücklich für zulässig erklärt werden, nicht Berechnungen. Eine versicherungsmathematische Prognose (Studie) wird ohne exemplarische Rechnungen freilich kaum auskommen. 3 5 Wieder müssen jedoch unternehmensbezogene oder vertragsbezogene Kostenfaktoren unberücksichtigt bleiben. Nur abstrakt dürfen Aufschlüsse über das Schadensvolumen und über Ertragschancen verschiedener Anlageformen vermittelt werden. Adel, ZVersWiss 1994, 77 (82 f); Bätge, Kooperationen zwischen Versicherungsunternehmen, S 124; Bunte, WuW 1992, 893 (898); Vernimmen, VW 1993, 559 (559). 3° Vgl Bunte, WuW 1992, 893 (899); υ Fürstenwerth, WM 1994, 365 (368). 11 Adel, ZVersWiss 1994, 77 (83); Bätge, Kooperationen zwischen Versicherungsuntemehmen, S 125; Bunte, WuW 1992, 893 (898 f); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (367) (auch zur Verankerung dieses Grundsatzes in der EuGH-Rspr); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 27. Aufgrund dieser Faktoren wird dann die sog Bruttoprämie von jedem Unternehmen unabhängig von anderen ermittelt. 32 Bätge, Kooperationen zwischen Versicherungsuntemehmen, S 125. 33 ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (368) (anders noch der VO-Entw); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 28-30. 34 Namentlich Lebens-, Kranken- und Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr: ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (370). 35 Für die Zulässigkeit von Berechnungen: Bunte, WuW 1992, 893 (898); differenzierend: ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (368). 29

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Zweiseitige Untemehmensgeschäfte

1 0 Die Freistellung steht unter einer dreifachen Bedingung (Art 3 VO). Es darf sich nur um Berechnungen handeln, nicht um verbindliche Nettoprämien, so daß dieser Begriff zwar plastisch ist, 3 6 ohne seine Verwendung jedoch das eigentliche Ziel des Titels II noch klarer hervorträte. Bei Schlüssen aus den Berechnungen müssen die Versicherer also frei bleiben und hierauf muß ausdrücklich hingewiesen werden. Außerdem dürfen die Unternehmen, von denen die Berechnungen stammen, nicht identifiziert werden können. Anderen Unternehmen sollen zwar die Berechnungen, die im Markt angestellt wurden, mitgeteilt werden können (regelmäßig über die Spitzenverbände); dies reicht für das angestrebte Ziel aus. Ihnen soll demgegenüber nicht deutlich werden, welcher Konkurrent höchstwahrscheinlich aufgrund dieser Daten handeln wird; so wird der wettbewerbsbeschränkende Effekt so gering wie möglich gehalten. 3 7 Daher entfällt auch bei mittelbarer Identifizierbarkeit (etwa aufgrund der Schilderung eines einmalig vorgefallenen Sachverhalts) die Freistellungswirkung. 38 Nur für die vergangenheitsbezogenen Statistiken scheint Art 3 lit. b V O ausdrücklich alle unternehmensbezogenen, vertragsbezogenen oder auch auf den individuellen Versicherungsnehmer und seine besonderen Risiken bezogenen Faktoren auszugrenzen; ihre Einbeziehung in die Berechnung läßt die Freistellungswirkung entfallen. Gleiches gilt jedoch bereits nach dem Wortlaut von Art 2 lit. b V O weitgehend auch für die zukunftsbezogenen Studien; denn jedes Überschreiten der dort niedergelegten Tatbestandsmerkmale läßt die Freistellungswirkung entfallen (Allesoder-nichts-Prinzip, ohne Eröffnung eines Widerspruchsverfahrens). Nach dieser Vorschrift können nur Schadensfälle insgesamt prognostiziert werden, nicht vertragsbezogene und auf den individuellen Versicherungsnehmer und seine besonderen Risiken bezogene Faktoren, von den unternehmensbezogenen Faktoren auch nur (abstrakt) derjenige des Ertrags unterschiedlicher Anlageformen. 11

Die schwarze Liste des Art 4 V O betont nochmals ausdrücklich, daß alle Berechnungen unverbindlich sind, daß sich also kein Unternehmen verpflichten darf, seinen Prämienfestsetzungen nicht Berechnungen und Schlußfolgerungen anderen Ursprungs zugrunde zu legen. Bei Verstoß entfällt die Freistellungswirkung freilich nicht für die Berechnung generell, sondern nur für Unternehmen, die Art 4 V O zuwiderhandeln. 39

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Bunte, WuW 1992, 893 (898); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (368). Bätge, Kooperationen zwischen Versicherungsunternehmen, S 126; ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (368); auch Adel, ZVersWiss 1994, 77 (83); krit demgegenüber Bunte, WuW 1992, 893 (898). Es geht nicht darum, daß ein Unternehmen seine Identität verraten hat, sondern um Minimierung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkung (die gleich bleibt, unabhängig davon, auf welchem Wege die Identität aufgedeckt wird). Wie hier: Adel, ZVersWiss 1994,

77 (83); aA Bunte, WuW 1992, 893 (898 f).

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Hierzu, insbes zur Kritik an der noch abw Vorschlagsformulierung, nach der Unternehmensverbände für Verstöße ihrer Mitglieder trotz fehlender Einwirkungsmöglichkeit einzustehen hatten: Bunte, WuW 1992, 893 (897); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 37.

5.08 Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft

c) Muster allgemeiner Vertragsbedingungen für die

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Direktversicherung

Freigestellt sind in der weißen Liste des Art 5 VO Muster allgemeiner Versiehe- 12 rungsbedingungen für die Direktversicherung sowie Erläuterungsmodelle für Überschußbeteiligungen bei einer Versicherung mit Kapitalisierungselement. Für den ersten Vorschlagstypus enthält Art 6 I VO die Bedingungen und Art 7 VO eine umfangreiche schwarze Liste, für den zweiten Art 6 II VO die Bedingungen und Art 9 VO eine ungleich kürzere schwarze Liste. Ergänzt werden beide durch die in Art 8 VO genannte schwarze Klausel. Diese enthält wohl ein allgemeines Diskriminierungsverbot,40 paßt damit jedoch nicht ins System des Primärrechts,41 nachdem Diskriminierungen keine wettbewerbsrechtlichen Verstöße darstellen, es sei denn Marktmacht iSv Art 86 EGV ist dargetan; Unternehmen sind nämlich in ihrem Verhalten, von punktuellen Verboten abgesehen, allenfalls mittelbar und punktuell an die in den Grundfreiheiten enthaltenen Verbote gebunden.42 Art 5 - 8 VO haben de facto eine gemeinschaftsrechtliche Standardisierung des 13 Versicherungsvertragsrechts in Kernpunkten zur Folge:43 Art 5 - 8 VO gelten zwar nicht für Allgemeine Versicherungsbedingungen, die ein einzelnes Unternehmen unabhängig von anderen aufstellt. Die Versicherungsbranche ist jedoch - wenn auch vielleicht etwas weniger als das Kreditwesen - durch überwiegend branchenweit einheitlich eingesetzte Allgemeine Versicherungsbedingungen gekennzeichnet. Schon die bloß unverbindliche Aufstellung von Versicherungsbedingungen, an denen zwei oder mehr Unternehmen beteiligt sind, unterliegt dieser Standardisierung. Auch bei Übernahme von Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch ein einzelnes Unternehmen kann - bei gegenseitigem Bewußtsein - eine abgestimmte Verhaltensweise vorliegen, jedenfalls jedoch liegt ein Beschluß vor, wenn diese Bedingungen von einem Verband stammen. In der Standardisierungswirkung und damit gesteigerten Kundentransparenz sieht der Gemeinschaftsgesetzgeber auch den eigentlichen Gewinn der Freistellungswirkung in diesem Bereich, zugleich versucht er, die bei unumstößlicher Standardisierung steigende Mißbrauchsgefahr durch Unverbindlichkeitsregeln weitestgehend auszuräumen.44 Für beide Vorschlagstypen ist Freistellungsbedingung, daß sie in unverbindlicher 14 Form aufgestellt und bekanntgegeben werden (Art 6 I lit. a und II VO); bei Mustern allgemeiner Versicherungsbedingungen muß dies sogar ausdrücklich geschehen. Damit ist wohl das Verhältnis des Empfehlenden zu den einzelnen Versicherern gemeint. Bei Mustern allgemeiner Versicherungsbedingungen bestehen auch sonst weiterreichende Freistellungsbedingungen. Soll Art 6 I lit. b VO eigenstän-

Adel, ZVersWiss 1994, 77 (86); Büchner, in: Schwebler (Hrsg), Dieter Farny und . . . , 4 5 (58); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (370); zweifelnd Bunte, WuW 1992, 893 (901). 4' Bunte, WuW 1992, 893 (901 f). 4 2 Vgl genauer oben 1. Teil Rn 54. 4 3 Tendenziell anders Bunte, VersR 1993, 543 (544) (Tagungsbericht); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (369); unentschieden: Adel, ZVersWiss 1994, 77 (85); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 38. 4 4 Vgl 7. Erwägungsgrund der Präambel; Adel, ZVersWiss 1994, 77 (84 f, 90 f); Bunte, VersR 1993, 543 (544) (Tagungsbericht); ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (369). 40

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dige Bedeutung haben, so müßte auch dem Versicherten gegenüber auf die Möglichkeit der Vereinbarung abweichender Klauseln hingewiesen werden; dies wäre jedoch ungewöhnlich, geht es dann doch nicht mehr um eine Wettbewerbs-, sondern klauselrechtliche Frage (wie allerdings manchmal auch in Art 7 VO). Mit dem Gebot, die Klauseln jeder interessierten Person zugänglich zu machen und auf einfache, dh auch unbegründete Anfrage hin zu übermitteln, soll die Publizität der Klauselkataloge gefördert werden 45 - gemäß dem klassischen kapitalmarktrechtlichen Grundsatz: „Disclosure is the best detergent." 15 Die schwarze Liste des Art 71 VO, die für die Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen gilt, enthält verschiedene Gruppen, namentlich lit. a-c, lit. e-i und j, zu denen drei Einzelregeln kommen: Zunächst müssen die Muster unverbindlich bleiben; schädlich ist auch die Umgehung dieses Grundsatzes 46 durch die Absprache, keine anderen Muster zu verwenden - wiederum jedoch nur für die zuwiderhandelnden Unternehmen (Art 7 II VO). Selbst in das unverbindliche Muster dürfen nach Art 7 1 lit. d V O die wichtigsten Preisparameter keinen Eingang finden - der Transparenzeffekt für den Kunden, der auf diese Parameter zuerst schaut, fehlt weitgehend, der wettbewerbsbeschränkende Effekt auch solch einer bloßen Richtungsangabe ist für Preisfragen zu erheblich. Nach Art 7 I lit. k VO darf dem Kunden für den Fall der Übertragung des versicherten Gegenstandes nicht auferlegt werden, für die Übernahme der Versicherung durch den Rechtsnachfolger zu sorgen. 16 In der Gruppe von Klauseln, die in Art 7 I lit. a-c V O angesprochen sind, geht es um die Abweichung von einer vorgeschlagenen Paketlösung durch die Versicherer, vor allem um den Einschluß (lit. a) und den Ausschluß von Risiken durch den Versicherer (lit. c). Jeweils muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß jeder Versicherer das Musterpaket aufbrechen kann: Ausgeschlossene Risiken muß er wieder einschließen können; global für eine große Anzahl von Versicherungsnehmern gedeckte Risiken, die nicht alle gleichzeitig zutreffen, muß er getrennt versichern dürfen. Auch auf Deckungsvoraussetzungen muß der Versicherer verzichten dürfen (lit. c). Ein selbständiger Regelungsgehalt fehlt jedoch. Nicht nur die Paketlösung bzw die Statuierung von Deckungsvoraussetzungen ist unverbindlich, nicht nur bei diesen muß darauf auch ausdrücklich hingewiesen werden. Vielmehr verbürgen dies Art 6 I lit. a VO und Art 7 II V O generell. Allenfalls einen Hinweis im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der jeweiligen Regelung könnte Art 7 I lit. a-c V O zusätzlich sicherstellen. Deswegen hat auch die Kritik wenig Gewicht, daß der Ausschluß von bestimmten Risiken, die der Versicherer wieder einschließen können soll (lit. a), nichts anderes sei als eine Eingrenzung des versicherten Risikos, also keine Sonderbehandlung gegenüber solch einer Eingrenzung genießen dürfe. 47

9. Erwägungsgrund der Präambel; Adel, ZVersWiss 1994, 7 7 (84); Bunte, WuW 1992, 893 (900) (jedoch zugleich krit); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 40. 4« Bunte, WuW 1992, 893 (897). 47 Bunte, WuW 1992, 893 (900 f). 45

5.08 Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft

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In der Gruppe von Klauseln, die in Art 7 1 lit. e-i V O angesprochen sind, geht es 17 nach der einen Meinung eher um Fragen der Vertragsgerechtigkeit, 48 der Begrenzung der Bindung des Versicherungsnehmers, nach der anderen Meinung um das wettbewerbsrechtliche Ziel, periodisch neu den Versicherer zur Wahl zu stellen und damit die Konkurrenz zu beleben. 4 9 Richtig scheint, daß Individualschutz und Funktionsschutz hier, wie häufig im Wirtschaftsrecht, parallel laufen. Im einzelnen lassen folgende Gestaltungen die Freistellungswirkung entfallen: Das Recht des Versicherers, bei Einschränkung des Deckungsumfangs den Vertrag fortzusetzen bzw Prämien (abgesehen von Indexierungsklauseln) ohne Ausweitung des Deckungsumfangs anzuheben bzw ohne Zustimmung Versicherungsbedingungen oder Vertragsdauer zu ändern (lit. e, f); eine Vertragsdauer von über drei Jahren (außer bei der Lebensversicherung) bzw eine stillschweigende Vertragsverlängerung von über einem Jahr (lit. g, h); ein Wiederaufleben des Vertrages, der einmal wegen Wegfalls des versicherten Interesses entfallen ist (lit. i). Nahe verwandt ist das Koppelungsverbot des Art 7 I lit. j V O . Eine zusätzliche Schranke enthält Art 17 2. Spiegelstrich V O für die Muster all- 1 8 gemeiner Versicherungsbedingungen: Die Mißbräuchlichkeit der Klauseln - definiert als erhebliches Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung läßt die Freistellungswirkung zwar nicht entfallen, trägt aber deren Entziehung. Diese Sanktion tritt neben diejenigen auf der Grundlage der A G B - oder KlauselRichtlinie (2.10), die wohl unter denselben Voraussetzungen eingreift. 50 Ungleich kürzer ist die schwarze Liste des Art 9 VO, die für die Erläuterungsmo- 19 delle für Uberschußbeteiligungen gilt. Zunächst muß es sich um echte Modelle, nicht nur um Einzelbeträge handeln (Art 9 I VO), bei denen der Transparenzgewinn für den Kunden zu gering im Verhältnis zur bewirkten Wettbewerbsbeschränkung ist. Sodann gilt, wie auch bei den Mustern allgemeiner Versicherungsbedingungen, daß eine Umgehung des Unverbindlichkeitsgebots durch die Absprache, keine anderen Modelle zu verwenden, die Freistellungswirkung entfallen läßt wiederum jedoch nur für die zuwiderhandelnden Unternehmen (Art 9 II VO). d) Gemeinsame

Deckung bestimmter Arten von Risiken

Freigestellt ist auch die gemeinsame Deckung bestimmter, nicht benannter Risikosparten (Art 10 I VO), sowohl im Direktversicherungs- als auch im Rückversicherungsgeschäft (allerdings nur, soweit zumindest ein Direktversicherer beteiligt ist). Adel, ZVersWiss 1994, 77 (85 f) (mit Zweifeln an der Kompetenz der Kommission); Bunte, WuW 1992, 893 (901); pauschaler auch Bätge, Kooperationen zwischen Versicherungsuntemehmen, S 130; υ Fürstenwerth, WM 1994, 365 (367); Wiedemann, Gruppenfreistellungsverordnungen I, AT, Rn 46. 4» ν Fürstenwerth, WM 1994, 365 (369); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EGWettbewerbsrecht, V.H, Rn 50; Vernimmen, VW 1993, 559 (560). 5» Krit dazu Adel, ZVersWiss 1994, 77 (86); Bunte, WuW 1992, 893 (905); Nebel, SVZ 61 (1993) 88 (93). Generalpräventiv gesehen könnte sich das Instrument des Art 17 VO jedoch als die schärfste Waffe gegen eine Verwendung von mißbräuchlichen Klauseln erweisen - und fehlende Subsumtionssicherheit ist, da es um die Rücknahme der Freistellung geht, auch kein Argument. 48

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Die Ausgestaltung der Vereinbarung gemeinsamer Deckung ist auf das jeweilige Geschäft spezifisch zugeschnitten (Art 10 II lit. a bzw b VO). Auch die weißen Listen und die Bedingungen sind für beide Geschäfte unterschiedlich und in gesonderten Regeln ausgestaltet: in den weißen Listen der Art 10 III und 12 V O für das Direktversicherungsgeschäft und der Art 10 IV iVm III und 13 VO für das Rückversicherungsgeschäft, desgleichen in Art 11 VO für die Bedingungen. 21 Die weißen Listen des Art 10 III, IV V O betreffen das Funktionieren der Gemeinschaft: in Art 10 III lit. a V O die Umschreibung des gemeinsamen Zwecks (der Risikosparten, die keineswegs enumerativ vorgegeben oder durch einschränkende Voraussetzungen zumindest abstrakt umrissen sind), Eintritts- und Austrittsbedingungen (lit. b und d), die Quoten (lit. c) und die Geschäftsführung und Organisation (lit. e). Zum Funktionieren zählen bei der Mit-Rückversicherung zusätzlich Regeln für den Fall, daß die gemeinsame Deckung durch wechselseitige Versicherung vorgenommen wird (Art 10 III lit. b VO), und der Selbstbehalt bei nicht vollständiger Einbeziehung des Risikos in die gemeinsame Deckung. 51 Werden Risiken durch die Vereinbarung gemeinsamer Deckung überhaupt erst versicherbar gemacht, so wirken alle notwendigen Regeln zum Funktionieren der Gemeinschaft nicht einmal wettbewerbsbeschränkend. 52 2 2 Bedingung der Freistellung (Art 11 VO) ist die Einhaltung eines bestimmten Marktanteils (in der Summe der beteiligten Unternehmen): 10% im Falle von Mitversicherungsgemeinschaften, 15 % im Falle von Mit-Rückversicherungsgemeinschaften. Der anzurechnende Anteil und der relevante Markt, auf die sich diese Prozentzahlen beziehen, sind unterschiedlich zu ermitteln, je nachdem ob Katastrophenrisiken oder sogenannte erschwerte Risiken versichert sind (Art 11 II VO) oder nicht (Art I I I VO). Im ersten Fall wird allein auf die in die Gemeinschaft eingebrachten Produkte abgestellt, allein ihr Anteil am sachlich relevanten Markt substituierbarer Produkte muß unter den genannten Prozentzahlen bleiben. Im zweiten Fall müssen demgegenüber alle substituierbaren Produkte der beteiligten Unternehmen angesetzt werden, so daß sich große und mittlere Unternehmen außerhalb von Katastrophenversicherung und Versicherung erschwerter Risiken nicht an solchen Gemeinschaften beteiligen können. 53 Erschwerte Risiken sind solche, bei denen die Schadenshäufigkeit aufgrund der Eigenschaften des Risikos erhöht ist. Katastrophenversicherung und Versicherung erschwerter Risiken werden solchermaßen privilegiert allein unter der zusätzlichen Bedingung, daß kein Unternehmen zwei verschiedenen dieser Gemeinschaften angehört und daß bei Versicherung erschwerter Risiken höchstens 15 % der von den Unternehmen der Gemeinschaft gezeichneten vergleichbaren Versi-

Entspr gilt ohne spezielle Regelung offenbar auch bei Mitversicherungen, vgl Art 12 lit. d VO: ν Fürstenwerth, WM 1994, 3 6 5 (367). 5 2 Vgl Nachw oben Fn 16. » Bunte, WuW 1992, 893 (902 f) („nicht akzeptabel", gerade auch im Vergleich mit anderen GVO und der eigenen Entscheidungspraxis der Kommission); krit hierzu auch ν Fürstenwerth, W M 1994, 3 6 5 (373 f); Veelken, in: Immenga / Mestmäcker (Hrsg), EG-Wettbewerbsrecht, V.H, Rn 70. 51

5.08 Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft

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cherungen in die Gemeinschaft einbezogen werden, daß also erschwerte Risiken als Ausnahme behandelt werden. Die sonstigen weißen Listen, die, anders als in Titel II, III und V, auch verbind- 23 liehe Regelungen zulassen, betreffen die Abwicklung des Schadensfalls (Art 22 und 23 VO). Sie stellen Verpflichtungen frei, die verbürgen, daß Mithaftung durch Mitkontrolle legitimiert ist, namentlich: Risiken entsprechend gemeinsamen Sicherheitsvorkehrungen zu minimieren, durch Verwendung von gemeinsamen allgemeinen Versicherungsbedingungen zu standardisieren und durch Verwendung gemeinsamer (Brutto-)Tarife für ihre gleichbleibende Deckung zu sorgen; hinzu kommen Zustimmungsvorbehalte bei der Schadensabwicklung (lit. b), die Vereinbarung eines Vertragsabschlußmonopols der Gemeinschaft (bei gemeinsam zu tragenden Risiken, lit. c) und das Verbot, den Selbstbehalt am Risiko andernorts absichern zu lassen (lit. d). Dabei unterscheiden sich Art 22 VO (für die Mitversicherung) und Art 23 VO (für die Mit-Rückversicherung) nur in der technischen Durchführung dieser Grundgedanken angesichts der Besonderheiten des jeweiligen Sektors. e) Klauseln zu

Sicherheitsvorkehrungen

Freigestellt sind zuletzt auch Klauseln zur Standardisierung von Sicherheitsvor- 24 kehrungen, Installation und Wartung - deren technische Spezifikation, die Fragen der Prüfung und Bescheinigung und zwar auch bezogen auf Einzelunternehmen (Art 14 VO). Auch insoweit muß die Transparenz durch Übermittlung auf einfache Aufforderung hin gewährleistet sein (Art 15 lit. d VO), desgleichen muß wiederum die Unverbindlichkeit ausdrücklich verbürgt sein (Art 15 lit. c VO). Ansonsten ähnelt die Regelung derjenigen für das öffentliche Auftragswesen: Die Anforderungen müssen präzise und zugleich verhältnismäßig sein, objektiv (durch die Sache gefordert) und diskriminierungsfrei (lit. a und b). Die Entscheidungskriterien müssen transparent für die Betroffenen sein (lit. e) und der Zugang offen für jeden Bewerber (lit. f), ohne abschreckende Kosten (lit. g). Fair und begründet muß auch die Entscheidung und das Verfahren sein, nicht zu lang (lit. h), mit schriftlicher Informierung über den Ausgang und (bei Ablehnung) über die Gründe (vgl lit. i-k). Und die Stellen, die die Standards anwenden, müssen den Anforderungen des Art 15 lit. 1 VO entsprechen. f) Verbliebene Regelungslücken Die Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft schöpft den Rah- 2 5 men der diesbezüglichen Gruppenfreistellungs-Ermächtigungs-Verordnung nicht vollständig aus. Diese hatte jedoch die wichtigsten Felder, wie sie sich nicht nur aus der Entscheidungspraxis der Kommission ergaben, angesprochen. Geregelt wurden also, anders als in anderen Gruppenfreistellungsverordnungen, „Inseln", freilich besonders wichtige. Die Freistellung von unverbindlichen Mustern allgemeiner Versicherungsbedingungen gilt zudem nicht für Rückversicherer, diejenige von gemeinschaftlicher Risikodeckung ebenfalls nicht bei reinen Rückversicherergemeinschaften.

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2 6 Innerhalb dieser „Regelungsinseln" sind die möglichen Klauseln deswegen weitgehend lückenlos erfaßt, weil die jeweiligen Freistellungsregeln und auch die Bedingungen so offen formuliert sind, daß dazwischen kaum Raum (für „graue" Klauseln) verbleibt. Die Einzelfreistellung wird daher innerhalb dieser Regelungsinseln vor allem in den Fällen bedeutsam, in denen der Katalog der Freistellungsbedingungen bzw schwarze Listen einer Freistellung entgegenstehen. Auch soweit in der genannten Bekanntmachung über Zusammenarbeitsvereinbarungen von 1968 die Tendenz zu erkennen ist, auf manche Vereinbarungen im Versicherungswesen Art 85 I E G V schon gar nicht anzuwenden, bildet die Nennung unbedenklicher Klauseln eine „positive Politik" im Sinne der Walt-Wilhelm-Rechtsprechung des EuGH. Die Eingriffsmöglichkeiten für nationale Behörden werden also regelmäßig präkludiert sein, wenn nicht der Katalog der Freistellungsbedingungen bzw schwarze Listen einer Freistellung entgegenstehen und zugleich noch kein Einzelfreistellungsverfahren eingeleitet ist.

B. Fundstellenverzeichnis 27

Grundlage: Art 85 III, 87 E G V iVm Verordnung des Rates 1 5 3 4 / 9 1 / E W G (Fundstelle oben § 8 Einl Fn 44) Betr: Freistellung einer gemeinsamen, nicht bindenden Ermittlung von ausschließlich risikobezogenen Durchschnittskosten durch Versicherungsunternehmen, Aufstellung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Evaluierung von Sicherheitsstandards- und -unternehmen sowie einer gemeinsamen, bindenden Deckung bestimmter Risiken Fundstellen: - verabschiedete Fassung ABlEG 1992 L 3 9 8 / 7 - Änderungen durch Beitrittsverträge etc ABIE G 1994 C 2 4 1 / 6 0 ; 1995 L 1/21 - ursprünglicher Vorschlag vom 14. 8. 1992 (Veröffentlichung) ABlEG 1992 C 2 0 7 / 2

Verordnung der Kommission vom 21. Dezember 1992 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich der Versicherungswirtschaft (3932/92/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 1534/91 des Rates vom 31. Mai 1991 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich der Versicherungswirtschaft ABl. Nr. L 143 vom 7. 6. 1991, S. 1.

»)

e> ABI. Nr. C 207 vom 14. 8. 1992, S. 2.

ABl. Nr. C 75 vom 29. 7. 1968, S. 3; berichtigt im ABI. Nr. C 93 vom 18. 9. 1968, S. 3.

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rungen, welche ein Kapitalisierungselement beinhalten, für die Erstellung von Tabellen über die Häufigkeit. Gemeinsame Studien über die wahrscheinlichen Auswirkungen von außerhalb des EinfluBbereichs der beteiligten Unternehmen liegenden Umständen, die sich auf die Häufigkeit oder das Ausmaß von Schäden oder den Ertrag verschiedener Anlageformen beziehen, sollten ebenfalls ermöglicht werden. E s muß gleichwohl sichergestellt werden, daB diese Wettbewerbsbeschränkungen nur in dem zur Erreichung der genannten Ziele erforderlichen Umfang zugelassen werden. Es ist deshalb festzulegen, daß abgestimmte Verhaltensweisen über Bruttoprämien, d.h. Prämien, die den Versicherungsnehmern in Rechnung gestellt werden und die Verwaltungs-, Vertriebs- und andere Kosten, Sicherheitszuschläge oder Gewinnmargen beinhalten, nicht zulässig sind und daß auch die Nettoprämien nur als Referenzwerte anzusehen sind. (7) Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen oder Muster-Vertragsbestimmungen für die Direktversicherung sowie Mustermodelle zur Darstellung von Überschußbeteiligungen bei Lebensversicherungsverträgen haben den Vorteil, daß sie die Vergleichbarkeit des Leistungsumfangs durch den Versicherungsnehmer und eine einheitliche Einteilung der Risiken erleichtern. Dennoch darf es hierdurch nicht zu einer Standardisierung der Produkte oder zu einer zu starken Bindung der Kunden kommen. Demgemäß sollte die Freistellung nur unter der Voraussetzung Anwendung finden, daß die Muster keinen verbindlichen Charakter haben und nur als unverbindliche Modelle dienen. (8) Allgemeine Versicherungsbedingungen dürfen insbesondere keine systematischen Risikoausschlüsse enthalten ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß diese Risiken durch Vereinbarung in die Deckung einbezogen werden können; sie dürfen den Versicherungsnehmer nicht unverhältnismäßig lange binden und über den ursprünglichen Zweck des Versicherungsvertrags hinausgehen. Dies gilt ungeachtet der auf Gemeinschaftsoder nationalem Recht beruhenden gesetzlichen Verpflichtungen. (9) Außerdem ist festzulegen, daß diese allgemeinen Versicherungsbedingungen für alle interessierten Personen, insbesondere den Versicherungsnehmer, zugänglich sind, um auf diese Weise tatsächlich Transparenz sicherzustellen und um einen Vorteil für den Verbraucher herbeizuführen. (10) Die Errichtung von Mitversicherungs- oder Mit-Rückversicherungsgemeinschaften zur Deckung einer unbestimmten Zahl von Ri-

siken ist insofern positiv zu beurteilen, als hierdurch einer größeren Zahl von Versicherern der Marktzutritt ermöglicht wird und dadurch die Kapazität zur Deckung insbesondere von großen, selten auftretenden oder neuartigen Risiken erweitert wird. (11) Um wirksamen Wettbewerb sicherzustellen, muß die Freistellung dieser Gemeinschaften davon abhängig gemacht werden, daß die Beteiligten auf dem relevanten Markt keinen Marktanteil haben, der einen bestimmten Prozentsatz übersteigt. Ein Prozentsatz von 1 5 % erscheint für Mit-Rückversicherungsgemeinschaften angemessen. Dieser Prozentsatz ist bei Mitversicherungsgemeinschaften auf 1 0 % zu senken. Grund hierfür ist, daß im Rahmen einer Mitversicherungsgemeinschaft einheitliche Versicherungsbedingungen und Bruttoprämien notwendig sind, wodurch der Rest-Wettbewerb zwischen den an einer Mitversicherungsgemeinschaft Beteiligten in besonderem Maße eingeschränkt ist. Bei der Deckung von Katastrophen- oder erschwerten Risiken kann hinsichtlich dieser Prozentsätze nur auf den Anteil der Gemeinschaft abgestellt werden. (12) Hinsichtlich Mit-Rückversicherungsgemeinschaften wird auch die gemeinsame Festlegung der Risikoprämien erfaßt, die die wahrscheinlichen Kosten für die Deckung des Risikos mit einschließen. Ferner sollte eine Festlegung der Unkosten der Mit-Rückversicherungsgemeinschaft und die Vergütung der Beteiligten für die Gewährung des Rückversicherungsschutzes zugelassen werden. (13) Im Falle beider Gemeinschaften ist es zulässig, die Deckung von Risiken, die in die Gemeinschaft eingebracht werden, von der Verwendung gemeinsamer oder genehmigter Versicherungsbedingungen abhängig zu machen, ferner vorzuschreiben, daB vor der Abwicklung aller bzw. großer Schäden die Zustimmung eingeholt werden muß, und daß nur gemeinsam über die Retrozession verhandelt und daß der Eigenbehalt nicht retrozediert werden darf. Im Gegensatz dazu darf nicht vorgeschrieben werden, daß alle Risiken in die Gemeinschaften einzubringen sind, da dies eine übermäßige Wettbewerbsbeschränkung zur Folge hätte. (14) Nicht erfaßt sind Gemeinschaften, die ausschließlich aus Rückversicherern bestehen, weil hierüber keine ausreichenden Erfahrungen gesammelt werden konnten. (15) Die neue Konzeption für die technische Harmonisierung und Normung, die der Rat in seiner Entschließung vom 7. Mai 1985 festgelegt hat und das globale Konzept für Zertifizierung und Prüfwesen gemäß der Hl ABl. Nr. C 136 vom 4. 6. 1985, S. 1.

5.08 Gruppenfreistellungsverordnung Versicherungswirtschaft Mitteilung der Kommission an den Rat vom 15. Juni 1989'5', dem der Rat in seiner Entschließung vom 21. Dezember 1989 zugestimmt hat, sind wesentliche Elemente für das gute Funktionieren des Binnenmarktes. Diese Elemente sind insbesondere von Vorteil für den Wettbewerb, da er dann auf der Grundlage einheitlicher Qualitätskriterien in der ganzen Europäischen Gemeinschaft stattfinden kann. (16) In der Absicht, diese „einheitlichen Qualitätskriterien" zu fördern, erlaubt die Kommission es den Versicherungsunternehmen, sich zusammenzufinden, um technische Spezifikationen und Regeln über die Prüfung und Abnahme von Sicherheitsvorkehrungen auszuarbeiten, wobei diese Kriterien, soweit möglich, auf europäischer Ebene einheitlich sein sollten. Dies wäre ein Fall praktischer Umsetzung dieser neuen Instrumente. (17) Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Prüfung von Sicherheitsvorkehrungen und von Installateur- und Wartungsunternehmen ist insofern zweckmäßig, als wiederholte Einzelzulassungsverfahren vermieden werden können. Demgemäß ist zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Festlegung technischer Spezifikationen und Verfahren zur Prüfung von solchen Sicherheitsvorkehrungen und Installateur- und Wartungsunternehmen zulässig ist. Durch die Festlegung dieser Voraussetzungen soll sichergestellt werden, daß alle Hersteller, Installateur- und Wartungsunternehmen die Zulassung beantragen können und daB der Zulassung objektive und näher festgelegte Kriterien zugrundegelegt werden. (18) Diese Vereinbarungen dürfen nicht zur Aufstellung erschöpfender Listen führen und jedes Unternehmen muß die Freiheit haben, eine nicht nach den gemeinsamen Regeln anerkannte Sicherheitseinrichtung oder Installateur- oder Wartungsfirma zu akzeptieren. (19) Sollten einzelne freigestellte Vereinbarungen Auswirkungen haben, die gegen Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag, wie er insbesondere in der Verwaltungspraxis der Kommission und in den Entscheidungen des Gerichtshofes ausgelegt wird, verstoßen, so muß die Kommission die Möglichkeit haben, die Vorteile der Gruppenfreistellungsverordnung zu entziehen. Dies gilt insbesondere, wenn die Studien über die Auswirkungen zukünftiger Entwicklungen auf nicht gerechtfertigte Annahmen gestützt werden, wenn empfohlene allgemeine Versiche-

rungsbedingungen Klauseln enthalten, die zu Lasten des Versicherungsnehmers ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den sich aus dem Vertrag ergebenden Rechten und Pflichten zur Folge haben, wenn Gemeinschaften dazu verwandt oder so geführt werden, daß eines oder mehrere der beteiligten Unternehmen die Möglichkeit erhalten, einen bestimmenden EinfluB auf den relevanten Markt zu erlangen oder zu verstärken, wenn Gemeinschaften zu einer Marktaufteilung führen oder wenn die Versicherungsnehmer erhebliche Schwierigkeiten haben, ein erschwertes Risiko außerhalb einer Gemeinschaft zu versichern. Der zuletzt genannte Sachverhalt dürfte normalerweise nicht vorliegen, wenn eine Gemeinschaft weniger als 25% der betreffenden Risiken deckt. (20) Freigestellte Vereinbarungen müssen nicht angemeldet werden. In Zweifelsfällen können Unternehmen dennoch ihre Vereinbarungen gemäß der Verordnung Nr. 17 des Rates171, zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals, anmelden HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN: TITEL I Allgemeine Vorschriften Artikel

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Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages wird gemäß Artikel 85 Absatz 3 unter den in dieser Verordnung genannten Voraussetzungen auf Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Bereich der Versicherungswirtschaft für nicht anwendbar erklärt die eine Zusammenarbeit zum Gegenstand haben bei: 2. a) der gemeinsamen Festsetzung von Risikoprämientarifen, die auf gegenseitig abgestimmten Statistiken oder der Anzahl der Schadensfälle beruhen; b) der Erstellung von Mustern für allgemeine Versicherungsbedingungen ; c) der gemeinsamen Deckung bestimmter Arten von Risiken; d) der gemeinsamen Aufstellung von Regeln für die Prüfung und Anerkennung von Sicherheitsvorkehrungen.

ABl. Nr. L 4 0 vom 11. 2. 1989, S. 12.

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dies ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. Verboten ist insbesondere die Angabe von Warenzeichen, Patenten oder Typen sowie die Angabe eines bestimmten Ursprungs oder einer bestimmten Produktion. Eine solche Angabe mit dem Zusatz „oder gleichwertiger Art" ist jedoch zulässig, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftragsgegenstand nicht durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen beschreiben kann. ABSCHNITT III GEMEINSAME BEKANNTMACHUNGSVORSCHRIFTEN Artikel 9 (1) Die öffentlichen Auftraggeber veröffentlichen so bald wie möglich nach Beginn ihres jeweiligen Haushaltsjahres eine nicht verbindliche, nach Warenbereichen aufgeschlüsselte Bekanntmachung über alle Beschaffungen, die sie in den folgenden zwölf Monaten durchzuführen beabsichtigen und deren geschätzter Gesamtwert unter Berücksichtigung der Vorschriften des Artikels 5 mindestens 750000 ECU beträgt. Die Warenbereiche werden von den Auftraggebern unter Bezugnahme auf Positionen der Nomenklatur „Classification of Products According to Activities (CPA)" festgelegt. Die Kommission legt die Art und Weise der Bezugnahme in der Bekanntmachung auf bestimmte Positionen der Nomenklatur nach dem in Artikel 32 Absatz 2 vorgesehenen Verfahren fest. (2) Die öffentlichen Auftraggeber, die einen Lieferauftrag im Wege eines offenen, eines nicht offenen oder - in den in Artikel 6 Absatz 2 genannten Fällen - eines Verhandlungsverfahrens vergeben wollen, teilen ihre Absicht durch Bekanntmachung mit. (3) Die öffentlichen Auftraggeber, die einen Auftrag vergeben haben, teilen das Ergebnis in einer Bekanntmachung mit. Gewisse Angaben über die Auftragsvergabe brauchen jedoch in bestimmten Fällen nicht veröffentlicht zu werden, wenn die Bekanntmachung dieser Angaben den Gesetzesvollzug behindern, dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, die legitimen geschäftlichen Interessen einzelner öffentlicher oder privater Unternehmen berühren oder den lauteren Wettbewerb zwischen den Lieferanten beeinträchtigen würde. (4) Die Bekanntmachungen werden nach den in Anhang IV enthaltenen Maßnahmen erstellt; in ihnen sind die dort verlangten Auskünfte anzugeben. Die öffentlichen Auftraggeber dürfen ausschließlich die in den Artikeln 22 und 23 vorgesehenen Anforderungen stellen, wenn sie Auskünfte über die wirtschaftlichen und technischen Anforderungen an die Lieferanten im Hinblick auf de-

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ren Auswahl verlangen (Anhang IV, Abschnitt Β Nummer 11, Anhang IV, Abschnitt C Nummer 9, und Anhang IV, Abschnitt D Nummer 8). (5) Die öffentlichen Auftraggeber übermitteln die Bekanntmachungen binnen kürzester Frist und in geeignetster Weise dem Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. Im Fall des in Artikel 12 vorgesehenen beschleunigten Verfahrens werden die Bekanntmachungen mittels Fernschreiben, Telegramm oder Fernkopierer übermittelt. Die in Absatz 1 vorgesehene Bekanntmachung wird so bald wie möglich nach Beginn des jeweiligen Haushaltsjahres übermittelt. Die in Absatz 3 vorgesehene Bekanntmachung wird spätestens 48 Tage nach Vergabe des jeweiligen Auftrags übermittelt. (6) Die in den Absätzen 1 und 3 erwähnten Bekanntmachungen werden in vollem Umfang im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und in der Datenbank TED in den Amtssprachen der Gemeinschaften veröffentlicht, wobei nur der Wortlaut in der Originalsprache verbindlich ist. (7) Die in Absatz 2 erwähnten Bekanntmachungen werden ungekürzt im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und in der Datenbank TED in ihren Originalsprachen veröffentlicht. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Elemente aller Bekanntmachungen wird in den anderen Amtssprachen der Gemeinschaften veröffentlicht, wobei nur der Wortlaut in der Originalsprache verbindlich ist. (8) Das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht die Bekanntmachungen spätestens zwölf Tage nach der Absendung, im Fall des beschleunigten Verfahrens gemäß Artikel 12 spätestens fünf Tage nach der Absendung. (9) Die Bekanntmachung darf in den Amtsblättern oder in der Presse des Landes des öffentlichen Auftraggebers nicht vor dem Tag der Absendung an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht werden; bei der Veröffentlichung ist dieser Zeitpunkt anzugeben. Die Veröffentlichung darf nur die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Angaben enthalten. (10) Der öffentliche Auftraggeber muß den Tag der Absendung nachweisen können. (11) Die Kosten der Veröffentlichung der Bekanntmachungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften werden von den Gemeinschaften getragen. Der Wortlaut der Bekanntmachungen darf eine Seite des Amtsblatts, d.h. etwa 650 Wörter, nicht überschreiten. In jeder Nummer des Amtsblatts, das eine oder mehrere Bekanntmachungen enthält, ist (sind) auch das (die) Muster aufgeführt, auf das (die) sich die veröffentlichte^) Bekanntmachung(en) bezieht (beziehen).

Artikel 10 (1) Bei den offenen Verfahren beträgt die von den öffentlichen Auftraggebern festzusetzende Frist für den Eingang der Angebote mindestens 52 Tage, gerechnet vom Tag der Absendung der Bekanntmachung an. (2) Sind die Verdingungsunterlagen und die zusätzlichen Unterlagen rechtzeitig angefordert worden, so müssen die öffentlichen Auftraggeber oder die zuständigen Stellen den Lieferanten die genannten Unterlagen innerhalb von sechs Tagen nach Eingang des Antrags zusenden. (3) Die öffentlichen Auftraggeber müssen rechtzeitig angeforderte zusätzliche Auskünfte über die Verdingungsunterlagen spätestens sechs Tage vor Ablauf der Frist für den Eingang der Angebote erteilen. (4) Können die Verdingungsunterlagen und die zusätzlichen Unterlagen oder Auskünfte wegen ihres großen Umfangs nicht innerhalb der in den Absätzen 2 und 3 festgesetzten Fristen zugesandt bzw. erteilt werden oder können die Angebote nur nach einer Ortsbesichtigung oder Einsichtnahme an Ort und Stelle in Anlagen zu den Verdingungsunterlagen erstellt werden, so ist die In Absatz 1 vorgesehene Frist entsprechend zu verlängern. Artikel 11 (1) Bei den nicht offenen Verfahren und den Verhandlungsverfahren im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 beträgt die von den öffentlichen Auftraggebern festzusetzende Frist für den Eingang der Anträge auf Teilnahme mindestens 37 Tage, gerechnet vom Tag der Absendung der Bekanntmachung an. (2) Die öffentlichen Auftraggeber fordern die ausgewählten Bewerber gleichzeitig schriftlich auf, ihre Angebote einzureichen. Dem Aufforderungsschreiben sind die Verdingungsunterlagen und die zusätzlichen Unterlagen beigefügt. Die Aufforderung umfaßt mindestens: a) gegebenenfalls die Anschrift der Stelle, bei der die Verdingungsunterlagen und zusätzlichen Unterlagen angefordert werden können, sowie die Angabe der Frist, bis zu der sie angefordert werden können; außerdem sind der Betrag und die Bedingungen für die Zahlung des Betrags anzugeben, der gegebenenfalls für die genannten Unterlagen zu entrichten ist; b) die Frist für den Eingang der Angebote, die Anschrift, an die sie zu senden sind, und die Sprache(n), in der (denen) sie abgefaßt sein müssen; c) einen Hinweis auf die Veröffentlichung der Bekanntmachung; d) die Bezeichnung der gegebenenfalls beizufügenden Unterlagen entweder zur Unter-

5 . 2 2 - 5 . 2 5 Koordinierungs-RiLi Lieferaufträge, Bauaufträge ua Stützung der vom Bewerber gemäß Artikel 9 Absatz 4 abgegebenen nachprüfbaren Erklärungen oder als Ergänzung der in dem genannten Artikel vorgesehenen Auskünfte, wobei keine anderen als die in den Artikeln 22 und 23 genannten Anforderungen gestellt werden dürfen; e) die Kriterien für die Auftragsvergabe, sofern sie nicht in der Bekanntmachung enthalten sind. (3) Bei den nicht offenen Verfahren beträgt die von den öffentlichen Auftraggebern festzusetzende Frist für den Eingang der Angebote mindestens vierzig Tage, gerechnet vom Tag der Absendung der schriftlichen Aufforderung an. (4) Die Anträge auf Teilnahme an den Verfahren zur Auftragsvergabe können durch Brief, Telegramm, Fernsehen, Fernkopierer oder Telefon übermittelt werden. Bei Übermittlung auf den vier letztgenannten Wegen sind sie durch ein vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist abzusendendes Schreiben zu bestätigen. (5) Die öffentlichen Auftraggeber müssen rechtzeitig angeforderte zusätzliche Auskünfte über die Verdingungsunterlagen spätestens sechs Tage vor Ablauf der Frist für den Eingang der Angebote erteilen. (6) Können die Angebote nur nach einer Ortsbesichtigung oder Einsichtnahme an Ort und Stelle in Anlagen zu den Verdingungsunterlagen erstellt werden, so ist die in Absatz 3 vorgesehene Frist entsprechend zu verlängern. Artikel 12 (1) Können die in Artikel 11 vorgesehenen Fristen aus Gründen der Dringlichkeit nicht eingehalten werden, so können die öffentlichen Auftraggeber die folgenden Fristen festsetzen: a) eine Frist für den Eingang des Antrags auf Teilnahme, die, gerechnet vom Tag der Absendung der Bekanntmachung an, mindestens fünfzehn Tage betragen muB; b) eine Frist für den Eingang der Angebote, die, gerechnet vom Tag der Absendung der Aufforderung an, mindestens zehn Tage betragen muH. (2) Die öffentlichen Auftraggeber müssen rechtzeitig angeforderte zusätzliche Auskünfte über die Verdingungsunterlagen spätestens vier Tage vor Ablauf der Frist für den Eingang der Angebote erteilen. (3) Die Anträge auf Teilnahme sowie die Aufforderungen zur Angebotsabgabe werden auf dem schnellstmöglichen Weg übermittelt. Werden die Anträge auf Teilnahme durch Telegramm, Fernschreiben, Fernkopierer oder per Telefon übermittelt, so sind sie durch ein vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist abzusendendes Schreiben zu bestätigen.

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Artikel 13 Die öffentlichen Auftraggeber können im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Hinweise auf die Vergabe von öffentlichen Lieferaufträgen veröffentlichen, die nicht der Veröffentlichungspflicht nach dieser Richtlinie unterliegen. Artikel 14 Die Bestimmungen über die Erstellung, die Übermittlung, den Empfang, die Übersetzung, die Zusammenfassung und die Verteilung der in Artikel 9 genannten Bekanntmachungen und der in Artikel 31 genannten statistischen Berichte sowie die in Artikel 9 und in den Anhängen II und IV genannte Nomenklatur können nach dem in Artikel 32 Absatz 2 festgelegten Verfahren geändert werden. Die Bedingungen der Bezugnahme in den Bekanntmachungen auf bestimmte Positionen der Nomenklatur können nach demselben Verfahren festgelegt werden. ABSCHNITT IV Kapitel 1 Gemeinsame Teilnahmebestimmungen Artikel 15 (1) Der Zuschlag des Auftrags erfolgt aufgrund der in Kapitel 3 dieses Abschnitts vorgesehenen Kriterien unter Berücksichtigung des Artikels 16, nachdem die öffentlichen Auftraggeber die fachliche Eignung der Lieferanten, die nicht aufgrund von Artikel 20 ausgeschlossen worden sind, nach den in den Artikeln 22, 23, und 24 genannten Kriterien der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit geprüft haben. (2) Der öffentliche Auftraggeber muB den vertraulichen Charakter aller von den Lieferanten gemachten Angaben wahren. Artikel 16 (1) Bei Aufträgen, die nach dem Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben werden sollen, können die öffentlichen Auftraggeber von Bietern vorgelegte Änderungsvorschläge berücksichtigen, wenn diese den vom öffentlichen Auftraggeber festgelegten Mindestanforderungen entsprechen. Die öffentlichen Auftraggeber erläutern in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen, die Änderungsvorschläge erfüllen müssen, und bezeichnen, in welcher Art und Weise sie eingereicht werden können. Die geben in der Bekanntmachung an, ob Änderungsvorschläge nicht zugelassen werden. Die öffentlichen Auftraggeber dürfen einen vorgelegten Änderungsvorschlag nicht allein deshalb

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

zurückweisen, weil darin technische Spezifikationen verwendet werden, die unter Bezugnahme auf einzelstaatliche Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden, auf europäische technische Spezifikation im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 oder aber auf einzelstaatliche technische Spezifikationen im Sinne von Artikel 8 Absatz 5 Buchstaben a) und b) festgelegt wurden. (2) Öffentliche Auftraggeber, die Änderungsvorschläge nach Absatz 1 zugelassen haben, dürfen einen vorgelegten Änderungsvorschlag nicht allein deshalb zurückweisen, weil er, wenn er den Zuschlag erhalten soll, zu einem Dienstleistungsauftrag und nicht zu einem Lieferauftrag im Sinne dieser Richtlinie führen würde. Artikel

17

In den Verdingungsunterlagen kann der öffentliche Auftraggeber den Bieter auffordern, ihm in seinem Angebot den Teil des Auftrags bekanntzugeben, den der Bieter gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt. Die Bekanntgabe berührt nicht die Frage der Haftung des Hauptauftragnehmers. Artikel

18

Bietergemeinschaften können Angebote einreichen. Von solchen kann nicht verlangt werden, daß sie zwecks Einreichung des Angebots eine bestimmte Rechtsform annehmen; dies kann jedoch verlangt werden, wenn ihnen der Zuschlag erteilt worden ist, sofern es für die ordnungsgemäße Durchführung des Auftrags notwendig ist. Artikel

19

(1) Bei den nicht offenen Verfahren oder den Verhandlungsverfahren wählt der öffentliche Auftraggeber anhand der erteilten Auskünfte über die Lage des Lieferanten sowie anhand der Auskünfte und Formalitäten, die zur Beurteilung der von diesem zu erfüllenden wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen erforderlich sind, unter den Bewerbern, die in den Artikeln 20 bis 24 vorgesehenen Anforderungen erfüllen, diejenigen aus, die er zur Angebotsabgabe oder zur Verhandlung auffordert. (2) Vergeben die öffentlichen Auftraggeber einen Auftrag im nicht offenen Verfahren, so können sie die Marge bestimmen, innerhalb deren die Zahl der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Lieferanten liegen wird. In einem solchen Fall wird die Marge in der Bekanntmachung angegeben. Die Marge wird nach der Art der auszuführenden Lieferung bestimmt. Die niedrigste Zahl der Marge darf nicht unter fünf liegen. Die höchste Zahl der Marge kann auf 20 festgesetzt werden.

Auf jeden Fall muß die Zahl der Bewerber, die zum Bieten zugelassen werden, ausreichen, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten. (3) Vergeben die öffentlichen Auftraggeber einen Auftrag im Verhandlungsverfahren gemäß Artikel 6 Absatz 2, so darf bei einer hinreichenden Anzahl geeigneter Bewerber die Zahl der zur Verhandlung zugelassenen Bewerber nicht unter drei liegen. (4) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß die öffentlichen Auftraggeber Lieferanten der anderen Mitgliedstaaten, die die gestellten Anforderungen erfüllen, ohne Diskriminierung unter den gleichen Bedingungen hinzuziehen wie Inländer. Kapitel 2 Eignungskriterien Artikel

20

(1) Von der Teilnahme am Vergabeverfahren können Lieferanten ausgeschlossen werden, a) die sich im Konkursverfahren, im gerichtlichen Vergleichsverfahren oder in Liquidation befinden oder ihre gewerbliche Tätigkeit eingestellt haben oder sich aufgrund eines in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen gleichartigen Verfahren eingeleitet worden sind; b) gegen die ein Konkursverfahren oder ein gerichtliches Vergleichsverfahren eröffnet wurde oder gegen die andere in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehene gleichartige Verfahren eingeleitet worden sind; c) die aufgrund eines rechtskräftigen Urteils aus Gründen bestraft worden sind, die ihre berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellen; d) die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen haben, die vom öffentlichen Auftraggeber nachweislich festgestellt wurde; e) die ihre Verpflichtungen zur Zahlung der Sozialbeiträge nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem sie ansässig sind, oder nach den Rechtsvorschriften des Landes des öffentlichen Auftraggebers nicht erfüllt haben; f) die ihre Verpflichtungen zur Zahlung der Steuern und Abgaben nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem sie ansässig sind, oder nach den Rechtsvorschriften des Landes des öffentlichen Auftraggebers nicht erfüllt haben; g) die sich bei der Erteilung von Auskünften, die gemäß diesem Kapitel eingeholt werden können, in erheblichem Masse falscher Erklärungen schuldig gemacht haben. (2) Verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Lieferanten den Nachweis, daß die in Absatz 1

5 . 2 2 - 5 . 2 5 Koordinierungs-RiLi Lieferaufträge, Bauaufträge ua unter den Buchstaben a), b), c), e) oder f) genannten Fälle auf ihn nicht zutreffen, so akzeptiert er als ausreichenden Nachweis: -

-

im Fall der Buchstaben a), b) oder c) einen Auszug aus dem gerichtlichen Register oder - in Ermangelung eines solchen eine gleichwertige Bescheinigung einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde des Ursprungs- oder Herkunftslands, aus der hervorgeht, daß diese Anforderungen erfüllt sind;

und „Registro delle Commissioni provinciali per l'artigianato"; -

(4) Die Mitgliedstaaten bezeichnen die für die Ausstellung der Bescheinigung nach den Absätzen 2 und 3 zuständigen Behörden und Stellen und unterrichten davon unverzüglich die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission. Artikel

21

(1) Lieferanten, die sich an öffentlichen Lieferaufträgen beteiligen wollen, können aufgefordert werden nachzuweisen, daß sie in dem in Absatz 2 genannten Berufs- oder Handelsregister ihres Herkunftslands vorschriftsmäßig eingetragen sind, bzw. die dort vorgesehene Bescheinigung oder eidesstattliche Erklärung vorzulegen. (2) Die einschlägigen Berufs- oder Handelsregister, Bescheinigungen oder Erklärungen sind: -

für Belgien: „Registre du commerce" - „Handelsregister";

-

für Dänemark: „Aktieselskabsregistret", „Foreningsregistret" und „Handelsregistret";

-

für Deutschland: „Handwerks rolle";

-

für Griechenland: „Viotechniko i Viomichaniko i Emporiko Epimelitirio";

-

für Spanien: „Registro Mercantil" oder im Fall nicht eingetragener Einzelpersonen eine Bescheinigung, daß diese eidesstattlich erklärt haben, den betreffenden Beruf auszuüben;

-

für Frankreich: „Registre du commerce" und „Répertoire des métiers";

-

für Italien: „Registro della Camera di commercio, industria, agricoltura e artigianato"

„Handelsregister"

und

für Luxemburg: „Registre aux firmes" und „Rôle de la Chambre des métiers"; für die Niederlande: „Handelsregister";

-

für Portugal: „Registro Nacional das Pessoas Colectivas";

-

im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands kann der Unternehmer aufgefordert werden, eine Bescheinigung des „Registrar of Companies" oder des „Registrar of Friendly Societies" vorzulegen, aus der hervorgeht, daß die Lieferfirma „incorporated" oder „registered" ist, oder anderenfalls eine Bescheinigung über die von dem Betreffenden abgegebene eidesstattliche Erklärung, daß er den betreffenden Beruf in dem Lande, in dem er niedergelassen ist, an einem bestimmten Ort und unter einer bestimmten Firma ausübt.

-

für Österreich das „Firmenbuch", das „Gewerberegister", die „Mitgliederverzeichnisse der Landeskammern",

-

für Finnland das „Kaupparekisteri" / „Handelsregistret",

-

für Schweden die „aktiebolags-, handelseller föreningsregistren".·*1

im Fall des Buchstabens e) oder f) eine von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats ausgestellte Bescheinigung.

(3) Wird eine Bescheinigung nach Absatz 2 von dem betreffenden Land nicht ausgestellt oder werden darin nicht alle in Absatz 1 unter den Buchstaben a), b) oder c) vorgesehenen Fälle erwähnt, so kann sie durch eine eidesstattliche Erklärung oder in den Mitgliedstaaten, in denen es keine eidesstattliche Erklärung gibt, durch eine feierliche Erklärung ersetzt werden, die der betreffende Lieferant vor einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, einem Notar oder einer dafür zuständigen Berufsorganisation des Ursprungs- oder Herkunftslands abgibt.

1099

Artikel

22

(1) Die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Lieferanten kann in der Regel durch einen oder mehrere der nachstehenden Nachweise nachgewiesen werden: a) entsprechende Bankerklärungen; b) Vorlage von Bilanzen oder Bilanzauszügen des Lieferanten, falls deren Veröffentlichung nach dem Recht des Landes, in dem der Lieferant ansässig ist, vorgeschrieben ist; c) Erklärung über den Gesamtumsatz des Lieferanten und seinen Umsatz bei der Lieferung von Erzeugnissen, die Gegenstand der Ausschreibung sind, in den letzten drei Geschäftsjahren. (2) Die öffentlichen Auftraggeber geben in der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur Angebotsabgabe an, für welchen oder welche der in Absatz 1 genannten Nachweise sie sich entschieden haben sowie welche anderen als die in Absatz 1 genannten Nachweise beizubringen sind. (3) Kann ein Lieferant aus stichhaltigen Gründen die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Nachweise nicht beibringen, so kann er den Nachweis seiner wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit durch Vorlage andern Artikel 21 Absatz 2 später ergänzt, vgl ABIEG 1994 C 241/229, letzte Änderung vgl ABIEG 1995 L 1/171.

1100

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

rer, vom öffentlichen Auftraggeber für geeignet erachteter Belege erbringen. Artikel

23

(1) Der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit des Lieferanten kann je nach Art, Menge und Verwendungszweck der zu liefernden Erzeugnisse wie folgt erbracht werden: a) durch eine Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahren erbrachten Lieferungen mit Angabe des Rechnungswerts, des Lieferzeitpunkts sowie der öffentlichen oder privaten Auftraggeber: - bei Lieferungen an öffentliche Auftraggeber durch eine von der zuständigen Behörde ausgestellte oder beglaubigte Bescheinigung; - bei Lieferungen an private Auftraggeber durch eine vom Käufer ausgestellte Bescheinigung; ist eine derartige Bescheinigung nicht erhältlich, so ist eine einfache Erklärung des Lieferanten zulässig; b) durch die Beschreibung der technischen Ausrüstung des Lieferanten, seiner Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung und seiner Untersuchungs- und Forschungsmöglichkeiten; c) durch Angabe über die technische Leitung oder die technischen Stellen, unabhängig davon, ob sie dem Lieferanten angeschlossen sind oder nicht, und zwar insbesondere über diejenigen, die mit der Qualitätskontrolle beauftragt sind; d) durch Muster, Beschreibungen und/oder Fotografien der zu liefernden Erzeugnisse, wobei die Echtheit auf Antrag des öffentlichen Auftraggebers nachweisbar sein muB; e) durch Bescheinigungen, die von als zuständig anerkannten amtlichen Qualitätskontrollinstituten oder -dienststeilen ausgestellt wurden und in denen bestätigt wird, daB durch entsprechende Bezugnahmen genau gekennzeichnete Erzeugnisse bestimmten Spezifikationen oder Normen entsprechen; f) sind die zu liefernden Erzeugnisse komplexer Art oder sollen sie ausnahmsweise einem besonderen Zweck dienen, durch eine Kontrolle, die von dem öffentlichen Auftraggeber oder in dessen Namen von einer damit einverstandenen zuständigen amtlichen Stelle des Landes durchgeführt wird, in dem der Lieferant ansässig ist; diese Kontrolle betrifft die Produktionskapazitäten und erforderlichenfalls die Untersuchungs- und Forschungsmöglichkeiten des Lieferanten sowie die von diesem zur Gewährleistung der Qualität getroffenen Vorkehrungen. (2) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur An-

gebotsabgabe an, welche Nachweise vorzulegen sind. (3) Die in Artikel 22 und in den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels vorgesehenen Informationen dürfen nur insoweit gefordert werden, wie es durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist; dabei muß der öffentliche Auftraggeber die berechtigten Interessen des Lieferanten am Schutz seiner technischen oder handelsbezogenen Betriebsgeheimnisse berücksichtigen. Artikel

24

Der öffentliche Auftraggeber kann die Lieferanten im Rahmen der Artikel 20 bis 23 auffordern, die vorgelegten Nachweise zu vervollständigen oder zu erläutern. Artikel

25

(1) Die Mitgliedstaaten, die amtliche Listen der für öffentliche Lieferungen zugelassenen Lieferanten führen, müssen die Listen dem Artikel 20 Absatz 1 Buchstaben a) bis d) und g) sowie den Artikeln 21, 22 und 23 anpassen. (2) Lieferanten, die in solchen Listen eingetragen sind, können dem öffentlichen Auftraggeber bei jeder Vergabe eine Bescheinigung der zuständigen Stelle über die Eintragung vorlegen. In dieser Bescheinigung sind die Nachweise, aufgrund deren die Eintragung in die Liste erfolgt ist, sowie die sich aus der Liste ergebende Klassifizierung zu erwähnen. (3) Die von den zuständigen Stellen bescheinigte Aufnahme in solche Listen stellt für die öffentlichen Auftraggeber der anderen Mitgliedstaaten nur im Sinne des Artikels 20 Absatz 1 Buchstaben a) bis d) und g), des Artikels 21, des Artikels 22 Absatz 1 Buchstaben b) und c) sowie des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe a) eine Vermutung dar, daß der betreffende Lieferant für die seiner Klassifizierung entsprechenden Arbeiten geeignet ist. Die Angaben, die den amtlichen Listen zu entnehmen sind, können nicht in Zweifel gezogen werden. Hinsichtlich der Zahlung der Sozialbeiträge kann bei jeder Vergabe von jedem in die Liste eingetragenen Lieferanten eine zusätzliche Bescheinigung verlangt werden. Die öffentlichen Auftraggeber der anderen Mitgliedstaaten wenden die Unterabsätze 1 und 2 nur zugunsten von Lieferanten an, die in dem Lande ansässig sind, in dem eine amtliche Liste geführt wird. (4) Für die Aufnahme von Lieferanten der anderen Mitgliedstaaten in eine amtliche Liste können nur die für inländische Lieferanten vorgesehenen Nachweise gefordert werden, in jedem Fall jedoch lediglich diejenigen, die in den Artikeln 20 bis 23 vorgesehen sind.

5 . 2 2 - 5 . 2 5 Koordinierungs-RiLi Lieferaufträge, Bauaufträge ua (5) Diejenigen Mitgliedstaaten, die eine amtliche Liste führen, sind verpflichtet, den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission die Anschrift der Stelle mitzuteilen, bei der die Aufnahme in die Listen beantragt werden kann; die Kommission sorgt für die Verbreitung. Kapitel 3 Zuschlagskriterien Artikel 26 (1) Bei der Erteilung des Zuschlags wendet der öffentliche Auftraggeber folgende Kriterien an: a) entweder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises b) oder - wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt - verschiedene Kriterien, die je nach Auftrag wechseln, z.B. den Preis, die Lieferfrist, die Betriebskosten, die Rentabilität, die Qualität, die Ästhetik, die Zweckmäßigkeit, den technischen Wert, den Kundendienst und die technische Hilfe. (2) In dem in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Fall gibt der öffentliche Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen oder in der Bekanntmachung alle Zuschlagskriterien, deren Verwendung er vorsieht, soweit wie möglich in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung an. Artikel 27 Scheinen im Fall eines bestimmten Auftrages Angebote im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein, so muß der öffentliche Auftraggeber vor der Ablehnung dieser Angebote schriftlich Aufklärung über die Einzelposten des Angebots verlangen, wo er dies für angezeigt hält; die anschließende Prüfung erfolgt unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen. Der öffentliche Auftraggeber kann Erläuterungen in bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungsverfahrens, die technischen Lösungen, außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Lieferung verfügt, oder die Originalität der Leistung des Bieters anerkennen. Wenn die Auftragsunterlagen den Zuschlag auf das niedrigste Angebot vorsehen, muß der öffentliche Auftraggeber der Kommission die Ablehnung von als zu niedrig erachteten Angeboten mitteilen.

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TITEL V SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 28 Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch die in Anhang I genannten öffentlichen Auftraggeber und, soweit Berichtigungen oder Änderungen des Anhangs I vorgenommen worden sind, durch deren Nachfolgestellen wenden die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Beziehungen Bedingungen an, die ebenso günstig sind wie diejenigen, die sie gemäß dem GATT-Übereinkommen Drittländern einräumen, und zwar insbesondere die Bedingungen der Artikel V und VI des Übereinkommens über das nicht offene Verfahren, die Information und die Prüfung. Zu diesem Zweck konsultieren die Mitgliedstaaten einander im Beratenden Ausschuß für öffentliche Aufträge über die Maßnahmen, die aufgrund des Übereinkommens zu treffen sind. Artikel 29 (1) Die Kommission prüft im Benehmen mit dem Beratenden Ausschuß für öffentliche Aufträge die Anwendung dieser Richtlinie und legt dem Rat gegebenenfalls neue Vorschläge vor, die im besonderen auf eine Harmonisierung der Maßnahmen abzielen, die die Mitgliedstaaten zur Durchführung dieser Richtlinie getroffen haben. (2) Die Kommission überprüft diese Richtlinie sowie die neuen Maßnahmen, die gegebenenfalls gemäß Absatz 1 beschlossen werden, unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Neuverhandlungen nach Artikel IX Absatz 6 des GATT-Übereinkommens und unterbreitet dem Rat gegebenenfalls entsprechende Vorschläge. (3) Die Kommission bringt Anhang I nach Maßgabe der erfolgten Berichtigungen oder Änderungen, auf die in Artikel 28 Bezug genommen wird, jeweils auf den letzten Stand und sorgt für die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Artikel 30 Die Berechnung von Fristen erfolgt nach der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine"3'. Artikel 31 (1) Um eine Einschätzung der Ergebnisse der Anwendung dieser Richtlinie zu ermöglichen, übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission eine statistische Aufstellung über die vergebenen Lieferaufträge zu folgenden Zeitpunkten: ™

ABl. Nr. L 124 vom 8. 6. 1971, S. 1.

1102

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

a) spätestens am 31. Oktober eines jeden Jahres für das vorhergehende Jahr in bezug auf die in Anhang I genannten öffentlichen Auftraggeber; b) spätestens am 31. Oktober 1991 und für Griechenland, Spanien und Portugal am 31. Oktober 1995, und von da an am 31. Oktober jedes zweiten Jahres für das vorhergehende Jahr in bezug auf die anderen in Artikel 1 genannten öffentlichen Auftraggeber. (2) Die statistische Aufstellung enthält mindestens Angaben über a) die Anzahl und den Wert der von den einzelnen öffentlichen Auftraggebern vergebenen Aufträge über den Schwellenwert sowie im Fall der in Anhang I genannten öffentlichen Auftraggeber den Wert aller Aufträge unter dem Schwellenwert; b) die Anzahl und den Wert der von den einzelnen öffentlichen Auftraggebern vergebenen Aufträge über dem Schwellenwert, aufgeschlüsselt nach Verfahren, Waren und Nationalität des Lieferanten, der den Zuschlag erhalten hat, und unterteilt nach Maßgabe des Artikels 6 bei Verhandlungsverfahren, unter Angabe der Anzahl und des Werts der Aufträge, die in die einzelnen Mitgliedstaaten oder Drittländern und im Fall der in Anhang I genannten öffentlichen Auftraggeber an die einzelnen Signatarstaaten des GATT-Übereinkommens vergeben worden sind. (3) Die Kommission legt die Art zusätzlicher statistischer Informationen, die gemäß dieser Richtlinie verlangt werden, nach dem in Artikel 32 Absatz 2 vorgesehenen Verfahren fest. Artikel

32

(1) Die Kommission wird von dem durch den Beschluß 71/306/EWG eingesetzten Beratenden Ausschuß für öffentliche Aufträge unterstützt. (2) Wird auf das Verfahren dieses Absatzes Bezug genommen, so unterbreitet der Vertreter der Kommission dem AusschuB einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der AusschuB gibt gegebenenfalls aufgrund einer Abstimmung seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird in das Protokoll aufgenommen; darüber hinaus hat jeder Mitgliedstaat das Recht zu verlangen, daB sein Standpunkt im Protokoll festgehalten wird.

Die Kommission berücksichtigt soweit wie möglich die Stellungnahme des Ausschusses. Sie unterrichtet den AusschuB darüber, inwieweit sie seine Stellungnahme berücksichtigt hat. (3) Der in Absatz 1 genannte Ausschuß prüft auf Veranlassung der Kommission oder auf Antrag eines Mitgliedstaats Fragen, die sich bei der Anwendung dieser Richtlinie ergeben. Artikel

33

Die Richtlinie 77/62/EWG wird aufgehoben, unbeschadet der Pflichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang V genannten Umsetzungs- und Anwendungspflichten. Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang VI zu lesen. Artikel

34

(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie vor dem 14. Juni 1994 nachzukommen. Sie unterrichten die Kommission unverzüglich davon. Wenn die Mitgliedstaaten Vorschriften nach Unterabsatz 1 erlassen, nehmen sie in diesen selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel

35

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 14. Juni 1993. Im Namen

des

Rates

Der Präsident J. TR0JBORG

Einschließlich Änderungsvorschriften: - Richtlinie 80/767/EWG (ABI. Nr. L 215 vom 18. 8. 1980, S. 1); - Richtlinie 88/295/EWG (ABI. Nr. L 127 vom 20. 5. 1988, S. 1); - Artikel 35 Absatz 1 der Richtlinie 90/531/EWG (ABI. Nr. L 297 vom 29. 10. 1990, S. 1); - Artikel 42 Absatz 1 der Richtlinie 92/50/EWG (ABI. Nr. L 209 vom 24. 7. 1992, S. 1).

5 . 2 2 - 5 . 2 5 Koordinierungs-RiLi Lieferaufträge, Bauaufträge ua

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ANHANG I VERZEICHNIS DER ÖFFENTLICHEN AUFTRAGGEBER IM SINNE D E S GATT-ÜBEREINKOMMENS ÜBER DAS ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNGSWESEN BELGIEN [nicht abgedruckt] DÄNEMARK [nicht abgedruckt] DEUTSCHLAND 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

Auswärtiges Amt Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium Bundesministerium

für Arbeit und Sozialordnung für Bildung und Wissenschaft für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Finanzen für Forschung und Technologie des Inneren (nur ziviles Material) für Gesundheit für Frauen und Jugend für Familie und Senioren der Justiz für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau für Post- und Telekommunikation™ für Wirtschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit der Verteidigung!16'

17. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Anmerkung: Aufgrund bestehender innerstaatlicher Verpflichtungen müssen die in diesem Verzeichnis enthaltenen Stellen zur Linderung durch den letzten Krieg bedingter Schwierigkeiten Aufträge nach besonderen Verfahren an bestimmte Gruppen vergeben. FRANKREICH [nicht abgedruckt] IRLAND [nicht abgedruckt] ITALIEN [nicht abgedruckt] LUXEMBURG [nicht abgedruckt] NIEDERLANDE [nicht abgedruckt] VEREINIGTES KÖNIGREICH [nicht abgedruckt] GRIECHENLAND [nicht abgedruckt] SPANIEN [nicht abgedruckt] PORTUGAL [nicht abgedruckt] ÖSTERREICH [nicht abgedruckt] FINNLAND [nicht abgedruckt] SCHWEDEN [nicht abgedruckt]!*) ANHANG II VERZEICHNIS DER IN ARTIKEL 5 GENANNTEN WAREN, SOFERN DIE AUFTRÄGE VON ÖFFENTLICHEN AUFTRAGGEBERN IM BEREICH DER VERTEIDIGUNG VERGEBEN WERDEN Kapitel 25: Salz; Schwefel; Steine und Erden; Gips, Kalk und Zement Kapitel 26: Metallurgische Erze sowie Schlacken und Aschen Kapitel 27: Mineralische Brennstoffe; Mineralöle und Erzeugnisse ihrer Destillation; bituminöse Stoffe; Mineralwachse 1,5

Ausgenommen Güter im Bereich der Telekommunikation.

Hinsichtlich der in Anhang II enthaltenen nichtmilitärischen Materialien. i'i

Anhang I spater ergänzt, vgl A B I E G 1994 C 241/229, letzte Änderung vgl ABIEG 1995 L 1/171.

1104

Kapitel 28:

Kapitel 29:

Kapitel 30: Kapitel 31 :

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte ausgenommen: ex 2710: Spezialtreibstoffe Anorganische chemische Erzeugnisse; organische oder anorganische Verbindungen von Edelmetallen, radioaktiven Elementen, Metallen der seltenen Erden und Isotopen ausgenommen: ex 2809: Sprengstoffe ex 2813: Sprengstoffe ex 2814: Tränengase ex 2828: Sprengstoffe ex 2832: Sprengstoffe ex 2839: Sprengstoffe ex 2850: toxikologische Erzeugnisse ex 2851 : toxikologische Erzeugnisse ex 2854: Sprengstoffe Organische chemische Erzeugnisse ausgenommen: ex 2903: Sprengstoffe ex 2904: Sprengstoffe ex 2907: Sprengstoffe ex 2908: Sprengstoffe ex 2911 : Sprengstoffe ex 2912: Sprengstoffe ex 2913: toxikologische Erzeugnisse ex 2914: toxikologische Erzeugnisse ex 2915: toxikologische Erzeugnisse ex 2921 : toxikologische Erzeugnisse ex 2922: toxikologische Erzeugnisse ex 2923: toxikologische Erzeugnisse ex 2926: Sprengstoffe ex 2927: toxikologische Erzeugnisse ex 2929: Sprengstoffe Pharmazeutische Erzeugnisse Düngemittel

Kapitel 32: Gerb- und Farbstoffauszüge; Tannine und ihre Derivate; Farbstoffe, Farben, Anstrichfarben, Lacke und Färbemittel; Kitte; Tinten Kapitel 33: Ätherische Öle und Resinoide, zubereitete Riech-, Körperpflege- und Schönheitsmittel Kapitel 34: Seifen, organische grenzflächenaktive Stoffe, zubereitete Waschmittel und Waschhilfsmittel, zubereitete Schmiermittel, künstliche Wachse, zubereitete Wachse, Schuhcreme, Scheuerpulver und dergleichen, Kerzen und ähnliche Erzeugnisse, Modelliermassen und »Dentalwachs" Kapitel 35: Eiweißstoffe; Klebstoffe; Enzyme Kapitel 37: Erzeugnisse zu photographischen und kinematografischen Zwecken Kapitel 38: Verschiedene Erzeugnisse der chemischen Industrie ausgenommen: ex 3819: toxikologische Erzeugnisse Kapitel 39: Kunststoffe, Zelluloseäther und -ester und Waren daraus ausgenommen: ex 3903: Sprengstoffe Kapitel 40: Kautschuk (Naturkautschuk, synthetischer Kautschuk und Faktis) und Kautschukwaren ausgenommen: ex 4011: kugelsichere Reifen Kapitel 41 : Häute und Felle; Leder Kapitel 42: Lederwaren; Sattlerwaren; Reiseartikel, Handtaschen und ähnliche Behältnisse; Waren aus Därmen Kapitel 43: Pelzfelle und künstliches Pelzwerk; Waren daraus Kapitel 44: Holz, Holzkohle und Holzwaren

5 . 2 2 - 5 . 2 5 Koordinierungs-RiLi Lieferaufträge, Bauaufträge ua

1105

Kapitel 45: Kork und Korkwaren Kapitel 46: Rechtwaren und Korbmacherwaren Kapitel 47: Ausgangsstoffe für die Papierherstellung Kapitel 48: Papier und Pappe; Waren aus Papierhalbstoff, Papier und Pappe Kapitel 49: Waren d e s Buchhandels und Erzeugnisse d e s graphischen Gewerbes Kapitel 65: Kopfbedeckungen und Teile davon Kapitel 66: Regenschirme, Sonnenschirme, Gehstöcke, Peitschen, Reitpeitschen und Teile davon Kapitel 67: Zugerichtete Federn und Daunen und Waren a u s Federn oder Daunen; künstliche Blumen; Waren aus Menschenhaaren Kapitel 68: Waren aus Steinen, Gips, Zement, A s b e s t Glimmer oder ähnlichen Stoffen Kapitel 69: Keramische Waren Kapitel 70: Glas und Glaswaren Kapitel 71 : Echte Perlen, Edelsteine, Schmucksteine und dergleichen, Edelmetalle, Edelmetallplattierungen, Waren daraus; Phantasieschmuck Kapitel 73: Eisen und Stahl Kapitel 74:

Kupfer

Kapitel 75:

Nickel

Kapitel 76: Aluminium Kapitel 77: Magnesium, Beryllium (Glucinium) Kapitel 78:

Blei

Kapitel 79: Zink Kapitel 80: Zinn Kapitel 81 : Andere unedle Metalle Kapitel 82: Werkzeuge; Messerschmiedewaren und EBbestecke, aus unedlen Metallen ausgenommen: ex 8205: Werkzeuge ex 8207: Werkzeugteile Kapitel 83: Verschiedene Waren aus unedlen Metallen Kapitel 84: Kessel, Maschinen, Apparate und mechanische Gerate ausgenommen: ex 8406: Motoren ex 8408: andere Triebwerke ex 8445: Maschinen ex 8453: automatische Datenverarbeitungsmaschinen ex 8455: Teile für Maschinen der Tarifnummer 8453 ex 8459: Kernreaktoren Kapitel 85: Elektrische Maschinen, Apparate und Gerate sowie andere elektronische Waren ausgenommen: ex 8513: Geräte für die Fernsprech- oder Telegraphentechnik ex 8515: Sendegeräte Kapitel 86: Schienenfahrzeuge; ortsfestes Gleismaterial; nichtelektrische mechanische Signalvorrichtungen für Verkehrswege ausgenommen: ex 8602: gepanzerte Lokomotiven ex 8603: andere gepanzerte Lokomotiven ex 8605: gepanzerte Wagen ex 8606: Werkstattwagen ex 8607: Wagen Kapitel 87: Zugmaschinen, Kraftwagen, Krafträder, Fahrräder und andere nicht schienengebundene Landfahrzeuge ausgenommen: 8708: Panzerwagen und andere gepanzerte Fahrzeuge ex 8701 : Zugmaschinen ex 8702: Militärfahrzeuge

1106

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte ex 8703:

Abschleppwagen

ex 8709:

Krafträder

ex 8714:

Anhänger

Kapitel 89: Wasserfahrzeuge und schwimmende Vorrichtungen ausgenommen: 8901 A:

Kriegsschiffe

Kapitel 90: Optische, photographische und kinematographische Instrumente, Apparate und Geräte; Meß-, Prüf- und Präzisionsinstrumente, -apparate und -geräte; medizinische und chirurgische Instrumente, Apparate und Geräte ausgenommen: ex 9005: Ferngläser ex 9013: verschiedene Instrumente, Laser ex 9014: Entfernungsmesser ex 9028: elektrische oder elektronische Meßinstrumente ex 9011: Mikroskope ex 9017: medizinische Instrumente ex 9018: Apparate und Geräte für Mechanotherapie ex 9019: orthopädische Apparate ex 9020: Röntgenapparate und -geräte Kapitel 91 : Uhrmacherwaren Kapitel 92: Musikinstrumente; Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte; Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte oder Bild- und Tonwiedergabegeräte, für das Fernsehen; Teile und Zubehör für diese Instrumente und Geräte Kapitel 94: Möbel; medizinisch-chirurgische Möbel; Bettausstattungen und ähnliche Waren ausgenommen: ex 9401

A: Sitze für Luftfahrzeuge

Kapitel 95: Bearbeitete Schnitz- und Formstoffe; Waren aus Schnitz- und Formstoffen Kapitel 96: Besen, Bürsten, Pinsel, Puderquasten und Siebwaren Kapitel 98: Verschiedene Waren ANHANG III BEGRIFFSBESTIMMUNGEN FÜR EINIGE TECHNISCHE SPEZIFIKATIONEN Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen: 1. Technische Spezifikationen: sämtliche, insbesondere in den Verdingungsunterlagen enthaltenen technischen Anforderungen an ein Material, ein Erzeugnis oder eine Lieferung, mit deren Hilfe das Material, das Erzeugnis oder die Lieferung so bezeichnet werden können, daß sie ihren durch den Auftraggeber festgelegten Verwendungszweck erfüllen. Zu diesen technischen Anforderungen gehören Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Leistungsfähigkeit, Sicherheit oder Abmessungen, ebenso die Vorschriften für Materialien, Erzeugnisse oder Lieferungen hinsichtlich Qualitätssicherung, Terminologie, Bildzeichen, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung. 2. Norm: technische Spezifikationen, die von einer anerkannten Normenorganisation zur wiederholten oder ständigen Anwendung angenommen wurden, deren Einhaltung grundsätzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist. 3. Europäische Norm·, die von dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) oder dem Europäischen Komitee für Elektrotechnische Normung (CENELEC) gemäß deren gemeinsamen Regeln als Europäische Normen (EN) oder Harmonisierungsdokumente (HD) angenommenen Normen. 4. Europäische technische Zulassung: eine positive technische Beurteilung der Brauchbarkeit eines Produkts hinsichtlich der Erfüllung der wesentlichen Anforderungen an bauliche Anlagen; sie erfolgt aufgrund der spezifischen Merkmale des Produkts und der festgelegten Anwendungs- und Verwendungsbedingungen. Die europäische technische Zulassung wird von einer zu diesem Zweck vom Mitgliedstaat zugelassenen Organisation ausgestellt. 5. Gemeinsame technische Spezifikation: technische Spezifikation, die nach einem von den Mitgliedstaaten anerkannten Verfahren erarbeitet und die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde.

5 . 2 2 - 5 . 2 5 Koordinierungs-RiLi Lieferaufträge, Bauaufträge ua

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ANHANG IV BEKANNTMACHUNGSMUSTER FÜR LIEFERAUFTRÄGE A. Vorinformationsverfahren 1. Name, Anschrift, Telegrammanschrift, Telefon-, Fernschreib- und Fernkopiernummer des öffentlichen Auftraggebers und gegebenenfalls des Dienstes, von dem zusätzliche Angaben erlangt werden können. 2. Art und Menge oder Wert der zu liefernden Ware: CPA-Referenznummer. 3. Geschätzter Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Vergabe des Auftrages oder der Aufträge (sofern bekannt). 4. Sonstige Angaben. 5. Tag der Absendung der Bekanntmachung. 6. Tag des Eingangs der Bekanntmachung beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. B. Offene Verfahren 1. Name, Anschrift, Telegrammanschrift, Telefon-, Fernschreib- und Fernkopiernummer des öffentlichen Auftraggebers. 2. a) Gewähltes Vergabeverfahren. b) Form des Vertrages, für den Angebote eingereicht werden sollen. 3. a) Ort der Lieferung. b) Art und Menge der zu liefernden Waren: CPA-Referenznummer. c) Angaben darüber, ob ein Lieferant Angebote für einen Teil der betreffenden Lieferungen abgeben kann. 4. Etwa vorgeschriebene Lieferfrist. 5. a) Name und Anschrift der Stelle, bei der die Verdingungsunterlagen und zusätzlichen Unterlagen angefordert werden können. b) Einsendefrist für solche Anträge. c) Gegebenenfalls Höhe und Einzelheiten der Zahlung der Gebühr für Übersendung dieser Unterlagen. 6. a) Einsendefrist für die Angebote. b) Anschrift, an die die Angebote zu richten sind. c) Sprache(n), in der (denen) sie abzufassen sind. 7. a) Personen, die bei der Öffnung der Angebote anwesend sein dürfen, b) Datum, Uhrzeit und Ort der Öffnung der Angebote. 8. Gegebenenfalls geforderte Kautionen und Sicherheiten. 9. Wesentliche Finanzierungs- und Zahlungsbedingungen und/oder Verweisung auf die Vorschriften, in denen sie enthalten sind. 10. Gegebenenfalls Rechtsform, die die Bietergenieinschaft, an die der Auftrag vergeben wird, haben muB. 11. Angaben zur Lage des Lieferanten sowie Angaben und Formalitäten, die zur Beurteilung der Frage erforderlich sind, ob dieser die wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen erfüllt. 12. Bindefrist. 13. Kriterien für die Auftragserteilung. Andere Kriterien als der niedrigste Preis müssen genannt werden, falls sie nicht in den Verdingungsunterlagen enthalten sind. 14. Gegebenenfalls Verbot von Änderungsvorschlägen. 15. Sonstige Angaben. 16. Tag der Veröffentlichung der Vorinformation im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften oder Hinweis auf ihre NichtVeröffentlichung. 17. Tag der Absendung der Bekanntmachung.

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

18. Tag des Eingangs der Bekanntmachung beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. C. Nicht offene Verfahren 1. Name, Anschrift, Telegrammanschrift, Telefon-, Fernschreib- und Fernkopiernummer des öffentlichen Auftraggebers. 2. a) Gewähltes Vergabeverfahren. b) Gegebenenfalls Begründung für die Inanspruchnahme des beschleunigten Verfahrens. c) Form des Vertrages, für den Angebote eingereicht werden sollen. 3. a) Ort der Lieferung. b) Art und Menge der zu liefernden Waren: CPA-Referenznummer. c) Angaben, ob ein Lieferant Angebote für einen Teil der betreffenden Lieferungen abgeben kann. 4. Etwa vorgeschriebene Lieferfrist. 5. Gegebenenfalls Rechtsform, die die Bietergemeinschaft, an die der Auftrag vergeben wird, haben muB. 6. a) Einsendefrist für die Anträge auf Teilnahme. b) Anschrift, an die diese Anträge zu richten sind. c) Sprache(n), in der (denen) sie abzufassen sind. 7. Frist für die Absendung von Aufforderungen zur Angebotsabgabe. 8. Gegebenenfalls geforderte Kautionen und Sicherheiten. Θ. Angaben zur Lage des Lieferanten sowie Angaben und Formalitäten, die zur Beurteilung für die Frage erforderlich sind, ob dieser die wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen erfüllt. 10. Kriterien für die Auftragserteilung, falls sie nicht in den Verdingungsunterlagen genannt sind. 11. Beabsichtigte Zahl oder Marge von Lieferanten, die zur Angebotsabgabe aufgefordert wird. 12. Gegebenenfalls Verbot von Änderungsvorschlägen. 13. Sonstige Angaben. 14. Tag der Veröffentlichung der Vorinformation im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften oder Hinweis auf ihre NichtVeröffentlichung. 15. Tag der Absendung der Bekanntmachung. 16. Tag des Eingangs der Bekanntmachung beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. D. Verhandlungsverfahren 1. Name, Anschrift, Telegrammanschrift, Telefon-, Fernschreib- und Fernkopiernummer des öffentlichen Auftraggebers. 2. a) Gewähltes Vergabeverfahren. b) Gegebenenfalls Begründung für die Inanspruchnahme des beschleunigten Verfahrens. c) Gegebenenfalls Form des Vertrages, für den die Angebote eingereicht werden sollen. 3. a) Ort der Lieferung. b) Art und Menge der zu liefernden Waren: CPA-Referenznummer. c) Angabe, ob ein Lieferant Angebote für einen Teil der betreffenden Lieferungen abgeben kann. 4. Etwa vorgeschriebene Lieferfrist. 5. Gegebenenfalls Rechtsform, die die Bietergemeinschaft, an die der Auftrag vergeben wird, haben muß. 6. a) Einsendefrist für Anträge auf Teilnahme. b) Anschrift, an die diese Aufträge zu richten sind. c) Sprache(n), in der (denen) sie abzufassen sind. 7. Gegebenenfalls geforderte Kautionen und Sicherheiten.

5 . 2 2 - 5 . 2 5 Koordinierungs-RiLi Lieferaufträge, Bauaufträge ua

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8. Angaben zur Lage des Lieferanten sowie Angaben und Formalitäten, die zur Beurteilung der Frage erforderlich sind, ob dieser die wirtschaftlichen und technischen Mindestanforderungen erfüllt. 9. Beabsichtigte Zahl oder Marge von Lieferanten, die zur Angebotsabgabe aufgefordert wird. 10. Gegebenenfalls Verbot von Änderungsvorschlägen. 11. Gegebenenfalls Name und Anschrift der vom öffentlichen Auftraggeber bereits ausgewählten Lieferanten. 12. Datum vorhergehender Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. 13. Sonstige Angaben. 14. Tag der Absendung der Bekanntmachung. 15. Tag des Eingangs der Bekanntmachung beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. E. Vergebene Aufträge 1. Name und Anschrift des öffentlichen Auftraggebers. 2. Gewähltes Vergabeverfahren; im Fall von Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Ausschreibung: Begründung (Artikel 6 Absatz 3). 3. Tag der Auftragsvergabe. 4. Zuschlagskriterien. 5. Anzahl der eingegangenen Angebote. 6. Name und Anschrift der (des) Auftragnehmer(s). 7. Art und Menge der gelieferten Waren, gegebenenfalls nach Auftragnehmer: CPA-Referenznummer. 8. Gezahlter Preis oder Preisspanne (Minimum/Maximum). 9. Gegebenenfalls Wert und Teil des Auftrags, der an Dritte weitergegeben werden kann. 10. Sonstige Angaben. 11. Tag der Veröffentlichung der Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. 12. Tag der Absendung der Bekanntmachung. 13. Tag des Eingangs der Bekanntmachung beim Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. ANHANG V UMSETZUNGS- UND ANWENDUNGSFRISTEN [nicht abgedruckt] ANHANG VI ENTSPRECHUNGSTABELLE [nicht abgedruckt]

Ilio

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

IV. Regeln zur vertraglichen Überlassung und Zuordnung von Rechten des geistigen Eigentums 5.30

Computerprogramm-Richtlinie

Richtlinie des Rates vom 14. 05.1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (91/250/EWG) Literatur zum Gesamtbereich geistiges Eigentum oder Urheberrecht im Gemeinschaftsrecht: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Bergé, JeanSylvestre, La protection internationale et communautaire du droit d'auteur essai d'une analyse conflictuelle, Paris (LGDJ) 1996; Delp, Ludwig, Das Recht des geistigen Schaffens - Entstehung, Bestand, Tendenzen der autonomen und antinomen Grundrechte des Urheberrechts und des Urhebervertragsrechts, München (Beck) 1993; Dietz, Adolf, Das Urheberrecht in der Europäischen Gemeinschaft - Studie im Auftrag der Generaldirektion „Forschung, Wissenschaft und Bildung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften", Baden-Baden (Nomos) 1978; Ellins, Julia, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft - von den Anfängen bis ins Informationszeitalter, Berlin (Duncker & Humblot) 1997; Götzen, Frank (Ed), Copyright and the European Community, Brüssel (Ciaire) 1989; Groves, Peter / Martino, Anthony / Miskin, Ciaire / Richards, John, Intellectual Property and the Internal Market of the European Community, London ua (Graham & Trotman) 1993; Hilf, Meinhard / Oehler, Wolfgang (Hrsg), Der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, Baden-Baden (Nomos) 1991; Lehmann, Michael (Hrsg), Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen 2 , Köln (Schmidt) 1993; Meijboom, Alfred / Prins, Corien (Eds), The Law of Information Technology in Europe 1992 - a Comparison with the USA, Deventer / Boston (Kluwer) 1991; Pagenberg, Jochen / Geissler, Jochen, Lizenzverträge - Patente, Gebrauchsmuster, Know-how, Computer-Software - kommentierte Vertragsmuster nach deutschem und europäischem Recht, Köln ua (Heymanns) 1997; Ress, Georg (Hrsg), Entwicklung des Europäischen Urheberrechts - Intellectual Property Rights and EC-Law - Droits intellectuels et droit communautaire, Baden-Baden (Nomos) 1989; Schricker, Gerhard / Bastian, Eva-Marina / Dietz, Adolf (Hrsg), Konturen eines Europäischen Urheberrechts, Baden-Baden (Nomos) 1996. 2. Aufsätze und Beiträge: Addor, Felix / Govoni, Carlo, Die Harmonisierung des europäischen Urheberrechts aus schweizerischer Perspektive, ZUM 1995, 464-471; Alexander, Willy, Gewerbliche Schutzrechte und die Errichtung des Europäischen Gemeinsamen Marktes, GRUR Int 1972, 272-281; Beer-Gabel, Josette / Chemain, Régis, La décompilation des logiciels - l'industrie européenne face au droit d'auteur, RTDE 1991, 363-377; Beier, Friedrich-Karl, Gewerblicher Rechtsschutz und freier Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt und im Verkehr mit Drittstaaten, GRUR 1989, 603-615; Oers, Die Vereinheitlichung des gewerblichen Rechtsschutzes und der freie Warenverkehr im Binnenmarkt, FS Steindorff, Berlin / New York 1990, 1109-1127; Beseler, Hans-Friedrich, Die Harmonisierung des Urheberrechts aus europäischer Sicht, ZUM 1995, 437-441; Buck, Pe-

5.30 Computerprogramm-Richtlinie

1111

tra, Die EG-Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums eine kritische Bestandsaufnahme, EWS 1991, 3 2 9 - 3 4 0 ; Cohen Jehoram, Herman, Hybriden auf dem Grenzgebiet zwischen Urheberrecht und gewerblichem Rechtsschutz, GRUR Int 1991, 687-696; Cook, Trevor, Copyright in the European Community, EuZW 1994, 7 - 1 3 ; Demaret, Paul, Patent- und Urheberrechtsschutz, Zwangslizenzen und freier Warenverkehr im Gemeinschaftsrecht, G R U R Int 1987, 1 - 1 4 ; Dietz, Adolf, Möglichkeiten der Harmonisierung des Urheberrechts in Europa, GRUR Int 1978, 101-109; Oers, Harmonisierung des europäischen Urheberrechts, in: Ress, Georg (Hrsg), Entwicklung des Europäischen Urheberrechts - Intellectual Property Rights and EC-Law - Droits intellectuels et droit communautaire, Baden-Baden (Nomos) 1989, 5 7 - 6 7 ; Ders, Das Urheberrecht in der Europäischen Gemeinschaft, FS G R U R 1991, 14451484; Dillenz, Walter, Harmonisierung des Rechts der Verwertungsgesellschaften in Europa, G R U R Int 1997, 315-329; Frost, Ina, Auf dem Weg zu einem europäischen Urheberrecht, EWS 1996, 86-92; Funke, Rainer, Das Urheberrecht in der EG, EWS 1991, 161-166; Frh ν Gamm, Otto, Urheberrechtliche Verwertungsverträge und Einschränkungen durch den EWG-Vertrag, G R U R Int 1983, 403-409; Gloy, Wolfgang, Notwendigkeit und Grenzen der Harmonisierung des Warenzeichenrechts in der Europäischen Gemeinschaft, FS ν Gamm, Köln ua 1990, 257-269; Götzen, Frank, Angleichung des Rechts der ausübenden Künstler im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, G R U R Int 1980, 471-490; Klinger, Norbert, Die Umsetzung der urheberrechtlichen Richtlinien der EU in das deutsche Urheberrecht - Diskussionsbericht der gleichlautenden Arbeitssitzung des Instituts für Urheber- und Medienrecht am 28. 4. 1995, Z U M 1995, 472-475 ; Kreile, Reinhold / Becker, Jürgen, Stand der Harmonisierungsbemühungen der EG auf dem Gebiet des Urheberrechts am Vorabend des Europäischen Binnenmarkts, Z U M 1992, 581-594; Krieger, Albrecht, Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet des internationalen Schutzes des geistigen Eigentums, DB 1989, 865-870; vLewinski, Silke, Vertragsrecht, in: Schricker, Gerhard / Bastian, Eva-Marina / Dietz, Adolf (Hrsg), Konturen eines Europäischen Urheberrechts, Baden-Baden (Nomos) 1996, 4 9 - 5 7 ; Loewenheim, Ulrich, Harmonisierung des Urheberrechts in Europa, GRUR Int 1997, 2 8 5 - 2 9 2 ; Michel, Walter, Die europäische Harmonisierung des Urheberrechts - Rechtsangleichung und Weiterentwicklung des Urheberrechts in Europa, in: Tomuschat, Christian / Kötz, Hein / von Maydell, Bernd, Europäische Integration und nationale Rechtskulturen, Köln ua (Heymanns) 1995,123-134; Posner, Bernhard, Copyright Law and the Completion of the Internal Market, in: Ress, Georg (Hrsg), Entwicklung des Europäischen Urheberrechts - Intellectual Property Rights and EC-Law Droits intellectuels et droit communautaire, Baden-Baden (Nomos) 1989, 131— 135; Reinbothe, Jörg, Die Harmonisierung des Urheberrechts in der Europäischen Gemeinschaft, Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 1990, 145-150; Reischl, Gerhard, Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zum Urheberrecht im Gemeinsamen Markt, in: Ress, Georg (Hrsg), Entwicklung des Europäischen Urheberrechts - Intellectual Property Rights and EC-Law - Droits intellectuels et droit

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

communautaire, Baden-Baden (Nomos) 1989, 45-55; Sauter, Alfred, Auswirkungen des europäischen Einigungsprozesses auf das deutsche Urheberrecht an Hand einiger ausgewählter Beispiele, FS Kreile, Baden-Baden 1994, 609-626; Schricker, Gerhard, Harmonization of Copyright in the European Economic Community, 20 IIC 466-484 (1989); Oers, Zur Harmonisierung des Urheberrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, FS Steindorff, Berlin / New York 1990, 1437-1453; Ders, Harmonisierung des Urheber- und Verlagsrechts im EG-Binnenmarkt, in: Becker, Jürgen (Hrsg), Der Buchhandel im Europäischen Binnenmarkt, Frankfurt/M (Buchändler-Vereinigung) 1989, 29-39; Straus, Joseph, Arbeitnehmererfinderrecht - Grundlagen und Möglichkeiten der Rechtsangleichung, GRUR Int 1990, 353-366; Ullrich, Hanns / Konrad, Karlheinz, C.III: Gewerblicher Rechtsschutz, in: Dauses, Manfred (Hrsg), Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, München (Beck) Stand 4/1997; Vogel, Martin, Verwertungsgesellschaften, in: Schricker, Gerhard / Bastian, Eva-Marina / Dietz, Adolf (Hrsg), Konturen eines Europäischen Urheberrechts, Baden-Baden (Nomos) 1996, 79-86; Walter, Michael, Die europäische Harmonisierung des Urheberrechts - Rechtsangleichung und Weiterentwicklung des Urheberrechts in Europa, in: Tomuschat, Christian / Kötz, Hein / ν Maydell, Bernd (Hrsg), Europäische Integration und nationale Rechtskulturen, Köln ua (Heymanns) 1995, 123-134. Texte: Booy, Anna / Horton, Audrey (Eds) E.C. Intellectual Property Materials, London ua (Sweet & Maxwell) 1994; Gewerblicher Rechtsschutz, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, München (Beck) Loseblatt, 9/1997; Möhring, Philipp / Schulze, Erich / Ulmer, Eugen / Zweigert, Konrad, Quellen des Urheberrechts Gesetzestexte aller Länder mit deutschen Übersetzungen, systematischen Einführungen und tabellarischen Übersichten - Europäisches Gemeinschaftsrecht Texte der multilateralen Abkommen, 4 Ordner, heute hrsg von Katzenberger, Paul ua, Neuwied ua (Luchterhand) Stand 10/1997. Vgl auch im zum 1.6. und 1.12. jeden Jahres erstellten Fundstellennachweis des geltenden Gemeinschaftsrechts: Gliederungspunkt 17.20. Für weitere Literatur zur Bedeutung der Grundfreiheiten des Primärrechts vgl etwa Ullrich / Konrad aaO. Speziell zur Computerprogramm-Richtlinie: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Czarnota, Bridget / Hart, Robert, Legal Protection of Computer Programs in Europe - a Guide to the EC Directive, London ua (Butterworths) 1991; Lehmann, Michael / Tapper, Colin (Eds), A Handbook of European Software Law, Oxford (Clarendon) 1993 bzw 1995 (Richtlinie bzw Länderberichte). 2. Aufsätze und Beiträge: Broy, Manfred / Lehmann, Michael, Die Schutzfähigkeit von Computerprogrammen nach dem neuen europäischen und deutschen Urheberrecht - eine interdisziplinäre Stellungnahme, GRUR 1992, 419-423; Dreier, Thomas, Rechtsschutz von Computerprogrammen - die Richtlinie des Rates der EG vom 14. 5.1991, CR 1991, 577-584; Ders, The Council Directive of 14 May 1991 on the Legal Protection of Computer Programs, EIPR 1991, 319-327; Ders, La Directive du Conseil des Communautés européennes du 14 mai 1991 concernant la protection juridique des programmes d'ordinateur, La Semaine Juridique 1991, 3536, 351-357; Ensthaler, Jürgen /Möllenkamp, Heinz, Reichweite des urheberrechtlichen Softwareschutzes nach der Umsetzung der EG-Richtlinie

5.30 Computerprogramm-Richtlinie

1113

zum Rechtsschutz der Computerprogramme, G R U R 1994, 151-158; Erdmann, Willi / Bornkamm, Joachim, Schutz von Computerprogrammen - Rechtslage nach der EG-Richtlinie, G R U R 1991, 8 7 7 - 8 8 0 ; Goldrian, Hans, Urheberrecht Schutzinstrument für Computerprogramme im Binnenmarkt, CR 1989, 4 4 8 450; Haberstumpf, Helmut, Neue Entwicklungen im Software-Urheberrecht, NJW 1991, 2105-2111; Oers, Die Zulässigkeit des Reverse Engineering, CR 1991, 129-141; Heymann, Thomas, Softwareschutz nach dem EG-Richtlinienentwurf - Kriterien und Auswirkungen, CR 1990, 9 - 1 7 ; Hoeren, Thomas, Urheberrechtsfähigkeit von Software - die EG-Richtlinie zum Softwareschutz und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, C R 1991, 4 6 3 - 4 6 5 ; Junker, Abbo, Die Entwicklung des Computerrechts in den Jahren 1991 und 1992, NJW 1993, 8 2 4 - 8 3 2 ; Koch, Frank, Das neue Softwarerecht und die praktischen Konsequenzen, NJW-CoR 1994, 2 9 3 - 3 0 0 ; Kraßer, Rudolf, Der Schutz von Computerprogrammen nach europäischem Patentrecht, in: Lehmann, Michael (Hrsg), Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen 2 , Köln (Schmidt) 1993, 2 7 9 - 3 1 7 ; Lehmann, Michael, Der neue Europäische Rechtsschutz von Computerprogrammen, NJW 1991, 2112-2117; Ders, Die Europäische Richtlinie über den Schutz von Computerprogrammen, G R U R Int 1991, 3 2 7 - 3 3 7 ; leicht angereicherte Fassung: Ders, Die Europäische Richtlinie über den Schutz von Computerprogrammen, in: Lehmann, Michael (Hrsg), Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen 2 , Köln (Schmidt) 1 9 9 3 , 1 - 2 9 ; Lesshaft, Karl/ Ulmer, Detlev, Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen nach der Europäischen Richtlinie, C R 1991, 5 1 9 - 5 2 5 ; Marly, Jochen, Der neue Urheberrechtsschutz für Computersoftware, NJW-CoR 4/1993, 2 1 - 2 4 ; Michalski, Lutz, Die Neuregelung des Urheberrechtsschutzes von Computerprogrammen, DB 1993, 1961-1963; Moritz, Hans-Werner, Die EG-Richtlinie vom 14. 5. 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen im Lichte der Bestrebungen zur Harmonisierung des Urheberrechts, G R U R Int 1991, 6 9 7 - 7 0 3 ; Raubenheimer, Andreas, Softwareschutz nach dem neuen Urheberrecht, CR 1994, 6 9 - 7 7 ; Sack, Rolf, Computerprogramme und Arbeitnehmer-Urheberrecht - unter Berücksichtigung der Computerprogramm-Richtlinie der EG vom 14. 5. 1991, BB 1991, 2165-2173; Schulte, Dieter, Der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes, CR 1992, 5 8 8 - 5 9 3 ; Ders, Der Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes - ausgewählte Auslegungsfragen der EG-Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, CR 1992, 6 4 8 - 6 5 8 ; Ulimann, Eike, Urheberrechtlicher und patentrechtlicher Schutz von Computerprogrammen - Aufgaben der Rechtsprechung, C R 1992, 6 4 1 - 6 4 8 ; Vinje, Thomas, Die EG-Richtlinie zum Schutz von Computerprogrammen und die Frage der Interoperabilität, G R U R Int 1992, 2 5 0 - 2 6 0 .

1114

Zweiseitige Untemehmensgeschäfte

Α. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand 1

Die Computerprogramm-Richtlinie regelt die Schutzrechte an Computerprogrammen und in diesem Rahmen auch folgende vertragsrechtlichen Fragen: Wird das Computerprogramm im Rahmen eines Arbeitsvertrages geschaffen, werden die wirtschaftlich relevanten Komponenten des Schutzrechts dem Arbeitgeber zugeordnet; Übertragung und Lizenzierung werden für zulässig erklärt, indem für beide gleichermaßen der diesbezügliche Vertrag (überwiegend zwingend) ausgestaltet wird und zwar in folgendem Sinne: eine Vervielfältigung und Bearbeitung des Programms ist zulässig, wenn sie dem bestimmungsmäßigen Gebrauch dient (einschließlich Sicherungskopien, jedoch ohne Schaffung von updates); die gleichen Handlungen sind auch zur Beobachtung des Programms generell möglich, wenn dadurch nur die zugrundeliegenden Ideen eruiert werden sollen, sowie beim Dekompilieren, soweit dieses allein dem Zweck dient, interoperable Schnittstellen zu schaffen.

b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2 Angekündigt im Weißbuch 1985 als die damals einzige urheberrechtliche Rechtsangleichungsmaßnahme, 1 aufgenommen im Grünbuch 1988, das erstmals das Urheberrecht ausführlicher ansprach, 2 erging die Computerprogramm-Richtlinie denn auch als die erste urheberrechtliche Rechtsangleichungsmaßnahme 3 zugleich als diejenige von der wirtschaftlich wohl größten Bedeutung. 4 Der Gesamtumsatz 1993 von 100 Milliarden ECU 5 entsprach etwa 3 % des gesamten Bruttosozialprodukts der Gemeinschaft und dies bei einer Wachstumsrate von 2 2 %. 6 Erklärtes Ziel war die Stärkung der Computerindustrie in der Gemein-

KOM(85) 310 endg, S 92, Punkt 149 - die einzige urheberrechtliche unter 279 geplanten Regelungsakten: ν Lewinski, Vermieten, Verleihen und verwandte Schutzrechte - der zweite Richtlinienvorschlag der EG-Kommission, GRUR Int 1991, 104 (104); Ullrich / Kortraâ, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, C.III, Rn 109. Daneben wurden mit den Rechtssetzungsmaßnahmen zu biotechnologischen Erfindungen (oben § 8 Einl Fn 41) und zum Schutz von Halbleitertopographien (5.38) nur zwei weitere Maßnahmen im Bereich des geistigen Eigentums genannt, die jedoch größere Nähe zum Erfindungsschutz (bes Patentrecht) haben. Vgl dazu Czarnota/Hart, Computer Programs, p. 1 seq; Verstrynge, in: Lehmann / Tapper (Eds), Handbook, 1. 2 KOM(88) 172 endg, Kap 5. 3 Schulte, C R 1992, 5 8 8 (588). Ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte Czarnota /Hart, Computer Programs, p. 3 - 2 5 ; Vinje, in: Lehmann / Tapper (Eds), Handbook, 3 9 - 1 4 2 . 4 So die Kommission tendenziell im Grünbuch von 1988: KOM(88) 172 endg, 5.7.1.; Moritz, GRUR Int 1991, 697 (698 f); Vinje, GRUR Int 1992, 2 5 0 (251). 5 Beer-Gabel / Cbemain, RTDE 1991, 363 (363); Moritz, GRUR Int 1991, 697 (699); Schulte, C R 1992, 5 8 8 (588). Deutlich weniger optimistisch freilich die Zahlen in Eurostat, Panorama, S 2 6 - 6 . 6 Moritz, GRUR Int 1991, 697 (699). 1

5.30 Computerprogramm-Richtlinie

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schaff. 7 Abgerundet wurden die Bemühungen um den Software-Schutz in der Gemeinschaft vorläufig durch die Datenbank-Richtlinie vom 11. 3. 1996. 8 Die Rechtsangleichungsstrategie war in der Computerprogramm-Richtlinie - wie 3 bei den späteren urheberrechtlichen EG-Richtlinien - 9 diejenige eines stark zielgerichteten, punktuellen Abbaus der wichtigsten Handelshemmnisse. Hinzu kam eine Basisharmonisierung durch Verweis: Die Revidierte Bemer Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ), die ohnehin die meisten Mitgliedstaaten ratifiziert hatten, wurde als Mindeststandard gewählt, indem alle Mitgliedstaaten auf deren Regelungen verpflichtet wurden (Art 1 I RL). 10 Zugleich scheute man sich jedoch nicht vor einer intensiven Diskussion der wahrhaft schwierigen, praktisch jedoch zentralen Fragen. Mit dem Problemkomplex der Dekompilierung wurde wohl sogar die am stärksten umstrittene Frage des gesamten Gemeinschafts-Urheberrechts im ersten Rechtsangleichungsakt angegangen. 11 Änderungen an der Richtlinie im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens betreffen beide vertragsrechtlichen Regelungskomplexe: Die Zuordnungsregel des Art 2 III R L wurde in der verabschiedeten Fassung, anders als im Vorschlag, nicht auf Auftragsund Arbeitsverhältnisse bezogen, sondern nur auf letztere, und es wurden auch nicht mehr die (Urheber-)Rechte generell zugeordnet, sondern nur die „wirtschaftlichen". Die Regeln zur Übertragung und Nutzungsüberlassung waren mit derjenigen zum Dekompilieren die am intensivsten umstrittenen des gesamten Vorschlags. Die Nutzungsmöglichkeiten, insbesondere hinsichtlich Sicherungskopien, Fehlerkorrektur und Wartung, wurden klarer umrissen; vor allem jedoch setzten sich die Befürworter offener Computermärkte durch, indem das Dekompilieren (reverse engineering) ausdrücklich erlaubt wurde, wenn auch nur zum Ziel der Schaffung von Interoperabilität, dies jedoch auch für Konkurrenzprodukte. Das Ergebnis wird heute ganz überwiegend positiv, wenn auch nicht euphorisch gesehen. 12

Buck, EWS 1991, 329 (330); Dreier, CR 1991, 577 (577); auch Lesshaft / Ulmer, CR 1991, 519 (519 f); genereller für dieses Harmonisierungsziel im Urheberrecht: Kreile / Becker, ZUM 1992, 581 (581). 8 Nachw und Literatur oben § 8 Einl Fn 120. » Für die Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie etwa ν Lewinski, GRUR Int 1991, 104 (107). 10 Vgl Czamota / Hart, Computer Programs, p. 29-31 ; Cornish, in: Lehmann / Tapper (Eds), Handbook, 191 (auch genereller zum Zusammenspiel mit dem Berner Übereinkommen und dessen insoweit relevanten Inhalt aaO 183-201); Groves /Martino /Miskin /Richards, Intellectual Property and the Internal Market, p. 85; vgl auch Vorschlag der Kommission für die Entscheidung des Rats, AB1EG 1991 C 24/5. Der Rat billigte die Zielsetzung in einer Entschließung von 1992, AB1EG 1992 C 138/1. Zu dieser Forderung der EG-Kommission: Cook, EuZW 1994, 7 (9 f); Kreile / Becker, ZUM 1992, 581 (583, 590 f). 11 Vgl nur Groves / Martino / Miskin / Richards, Intellectual Property and the Internal Market, p. 82; Schulte, CR 1992,588 (588 f); Vinje, GRUR Int 1992,250 (255 f, Fn 42,47); sowie die zahllosen Nachw bei Dreier, CR 1991, 577 (577, Fn 5, 581, Fn 45) und Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (18) (unter Verweis auch auf Aussagen von Sucker [damals GD IV]). Daß die Frage „weniger bedeutsam für den typischen Programmerwerber" ist (Junker, NJW 1993, 824 [825]), ändert nichts an diesem Befund. 12 So Goldrian, CR 1989, 448 (448); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (29) („insgesamt zu begrüßen"); Raubenheimer, CR 1994, 69 7

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

c) Kompetenz und grundsätzliche

Wirkungsweise

4 Ausgangspunkt der Harmonisierungsbemühungen war die Rechtsprechung des EuGH zu geistigem Eigentum und Grundfreiheiten. Wesentliche Eckpunkte, vor allem der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz, wurden überhaupt erstmals im Urheberrecht formuliert.13 Einerseits kann der Inhaber eines Schutzrechts dieses zwar geltend machen, auch um eine Verletzungshandlung durch Einfuhr zu unterbinden, ohne daß darin ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten zu sehen wäre.14 Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Unzulässig ist die Berufung auf das Schutzrecht jedenfalls, wenn der Schutzrechtsinhaber der Vermarktung des fraglichen Produkts in der gleichen Vermarktungsform (Veräußerung, Vermietung etc)15 auf irgendeinem Markt der Gemeinschaft16 zugestimmt hat.17 5 Die - nur punktuelle - Liberalisierungswirkung des Erschöpfungsgrundsatzes allein reichte nicht aus.18 Insbesondere wo er nicht eingriff, wurden Behinderungen des binnenmarktgrenzüberschreitenden Handels konstatiert,19 was die Heranziehung von Art 100a EGV als Kompetenzgrundlage rechtfertigte: Selbstverständlich war der Ausgangspunkt, daß die Behinderungen, die aus der Existenz von Urheberrechten resultieren, nicht durch deren Abschaffung beseitigt werden können; denn diese Existenz führt nicht zum Verschwinden der fraglichen Märkte, sondern häufig überhaupt erst zu ihrem Entstehen.20 Bestehen jedoch Urheberrechte von unterschiedlicher Weite, so haben sich sowohl die verwertende Wirtschaft als auch die Schutzrechtsinhaber auf vielerlei Standards einzustellen. So hat etwa ein Schutzrechtsinhaber, der kein Dekompilieren seiner Pro-

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(77); Vinje, G R U R Int 1 9 9 2 , 2 5 0 ( 2 6 0 ) ; scharfe Kritik demgegenüber bei Moritz, G R U R Int 1991, 6 9 7 ( 7 0 2 f); Wenzel, Problematik des Schutzes von Computer-Programmen, G R U R 1991, 1 0 5 (110) (angebliche Gewährung von Urheberschutz sei „schriftliche Lüge"). E u G H 8. 6. 1971 - Rs 7 8 / 7 0 (Deutsche Grammophon /Metro), Slg 1971, 4 8 7 (500). Vgl nur etwa E u G H 31. 10. 1 9 7 4 - Rs 1 5 / 7 4 (Centrafarm / Sterling Drug), Slg 1 9 7 4 , 1 1 4 7 (1163 f); E u G H 2 0 . 1. 1981 - verb Rs 5 5 / 8 0 und 5 7 / 8 0 {Gebührendifferenz II), Slg 1981, 1 4 7 (161 f, 1 6 5 f); Ullrich / Konrad, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, C.III, Rn 1 - 1 5 . Z u dieser Einschränkung vgl vor allem E u G H 17. 5. 1 9 8 8 - Rs 1 5 8 / 8 6 {Warner Brothers Ine / Christiansen) Slg 1 9 8 8 , 2 6 0 5 ( 2 6 2 9 f) und unten 5.31 Rn 4. Nicht eines Drittlandes: E u G H 15. 6. 1976 - Rs 9 6 / 7 5 (EMI / CBS), Slg 1976, 913 (949 f). Dies gilt auch dann, wenn im Erstvermarktungsland kein Schutzrecht bestand: E u G H 14. 7. 1981 - Rs 1 8 7 / 8 0 (Merck / Stephar), Slg 1981, 2 0 6 3 ( 2 0 8 0 - 2 0 8 2 ) . Eine Zwangslizenz stellt keine Zustimmung dar: E u G H 9. 7. 1 9 8 5 - Rs 1 9 / 8 4 (Pharmon / Hoechst), Slg 1 9 8 5 , 2 2 8 1 ( 2 2 9 5 - 2 2 9 8 ) . Näher zum Erschöpfungsgrundsatz vgl nur υ Bar, Territorialität des Warenzeichens und Erschöpfung des Verbreitungsrechts im Gemeinsamen Markt, 1 9 7 7 ; Giintzel, Territorial beschränkte Lizenzen bei parallelen Patenten, 1 9 8 0 ; Reimer, Der Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, G R U R Int 1 9 7 2 , 2 2 1 ; Ullrich / Konrad, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, C.III, Rn 1 6 - 3 9 . Dreier, C R 1991, 5 7 7 ( 5 8 0 ) ; Lehmann, N J W 1991, 2 1 1 2 (2114 f); Ullrich / Konrad, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, C.III, Rn 81. Genereller: K O M ( 8 8 ) 8 1 6 endg - SYN 183, 1. Teil, Punkt 2.11 = AB1EG 1 9 8 9 C 9 1 / 4 (6). K O M ( 9 0 ) 5 8 6 endg, S 2 9 ; Lehmann, N J W 1991, 2 1 1 2 (2112); Lesshaft / Ulmer, C R 1991, 5 1 9 (519 f); Schulte, C R 1 9 9 2 , 5 8 8 (589).

5 . 3 0 Computerprogramm-Richtlinie

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gramme zulassen will, je nach Mitgliedstaat unterschiedliche Handbücher zur Software bereit zu stellen, wenn die Zulässigkeit des Dekompilierens davon abhängt, ob die gewünschte Information bereits (in einem Handbuch) veröffentlicht ist (so heute Art 6 I RL), und verschiedene Mitgliedstaaten das Dekompilieren zu unterschiedlichen Zielen zulassen. Daher wurden denn auch die Ziele, die beim Dekompilieren verfolgt werden dürfen, intensiv diskutiert und geregelt. Im Vertragsrecht wurde allein in den im folgenden behandelten Fragenkomplexen erhebliches Behinderungspotential gesehen.

2. Schuldvertragsrechtlicher Inhalt a) Anwendungsbereich - das betroffene Schutzrecht Nachdem die meisten nationalen Rechte, auch das deutsche, 21 für einen Schutz 6 von Computerprogrammen primär nach urheberrechtlichen Grundsätzen optiert hatten, 22 wählte auch die EG-Kommission diesen Ansatz. Geschützt wird jede Ausdrucksform von Computerprogrammen (einschließlich Entwürfen, inkorporierten Ideen und Grundsätzen) oder von Teilen hiervon (insbesondere auch jede Schnittstelle), soweit diese „das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung" darstellt (Art 1 RL). Mit letzterem wird nach ganz überwiegender Meinung Abstand genommen von der in der deutschen Rechtsprechung aufgestellten Anforderung, das Computerprogramm müsse schöpferisches Niveau von einiger Höhe aufweisen; 23 vielmehr soll grundsätzlich jedes neu entwickelte (nicht nur kopierte) Computerprogramm, dem der Markt Eigenständigkeit zuspricht (indem es gekauft wird), Schutz genießen. 24

> Vgl § 2 I Nr 1 UrhG idF der Nov von 1985. Zu den Gründen hierfür: Moritz, GRUR Int 1991, 6 9 7 (700). Gänzlich unproblematisch wird diese Zuordnung jedoch nicht gesehen, vgl nur: Czarnota / Hart, Computer Programs, p. 3 0 seq; Dreier, Die Entwicklung des Schutzes integrierter Halbleiterschaltkreise, GRUR Int 1987, 645 (645); Moritz aaO; Schulte, CR 1992, 5 8 8 (589); Schricker, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 6; vgl allerdings auch Goldrian, CR 1989, 4 4 8 (449) („entsprechend den nahezu einstimmig vorgetragenen Wünschen der betroffenen Kreise"). " So B G H GRUR 1 9 8 5 , 1 0 4 1 (1047) - Inkassoprogramm - ; NJW 1991,1231 (1233) - Betriebssystem. 24 Broy / Lehmann, G R U R 1992, 419 (bes 419 f); Czarnota / Hart, Computer Programs, p. 4 3 seq; Dreier, CR 1991, 5 7 7 (578); Ellins, Copyright Law und Harmonisierung, S 2 5 7 f; Erdmann /Bomkamm, GRUR 1991, 877 (877); Haberstumpf, NJW 1991, 2105 (2108-2110); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (7 f); Michalski, DB 1 9 9 3 , 1 9 6 1 (1961 f); Raubenheimer, CR 1994, 69 (71 et passim); Moritz, GRUR Int 1991, 6 9 7 (700, Fn 36); Sack, BB 1991, 2165 (2165). So offensichtlich die Intention der verschiedenen Gesetzgebungsorgane der Gemeinschaft, vgl nur das Grünbuch der EG-Kommission von 1988, KOM(88) 172 endg, S 187 f; aA Heymann, CR 1990, 9 (17); Hoeren, C R 1 9 9 1 , 4 6 3 (464 f); Michalski / Bösert, Vertragsund schutzrechtliche Behandlung von Computerprogrammen, 1992, S 1 0 0 - 1 0 2 ; eine Zwischenposition bei Lesshaft / Ulmer, CR 1991, 519 ( 5 2 3 - 5 2 5 ) . 2

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

7 Gemäß Art 9 11 RL führt die Wahl des urheberrechtlichen Ansatzes nicht dazu, daß andere Schutzrechte nach den nationalen Vorschriften ausgeschlossen wären (Kumulationsprinzip im Recht des geistigen Eigentums).25 Dies ist (ein) Ausdruck der schutzbezogenen Grundtendenz der Computerprogramm-Richtlinie, die Kumulation wirkt also schutzrechtsbereichernd.26 b) Regeln zur

Zuordnungsfrage

8 Art 2 III RL regelt die Frage der Zuordnung des Schutzrechts für Computerprogramme, die im Rahmen eines Arbeitsrechtsverhältnisses entwickelt wurden. Zuordnungsfragen, die durch die Entwicklung von Computerprogrammen im Rahmen anderer Schuldverträge, insbesondere von Auftragsverhältnissen, aufgeworfen werden, sind nicht geregelt. Solch eine Regelung, die derjenigen von Art 2 III RL glich, war noch in Art 2 III des ursprünglichen Vorschlags vorgesehen, wurde jedoch auf Vorschlag des Parlaments gestrichen, um die Position der freiberuflich tätigen Programmierer nicht unnötig zu schwächen.27 9 Art 2 III RL unterscheidet implizit zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Positionen, ordnet die ersteren dem Arbeitgeber zu und läßt die zweiteren ungeregelt.28 Diese Unterscheidung muß nicht in allen Punkten mit derjenigen zwischen Urhebernutzungs- und Urheberpersönlichkeitsrecht im deutschen Recht übereinstimmen; beispielsweise ist das Anderungsrecht von solcher wirtschaftlicher Relevanz, daß die Befugnis des Arbeitsgebers zu Änderungen nach Art 2 III RL zu bejahen29 und nicht etwa unter Hinweis auf ein Urheberpersönlichkeitsrecht, das nach deutschem Verständnis ebenfalls die Änderungsbefugnis umfaßt, einzuschränken ist. Im Rahmen der Computerprogramm-Richtlinie ist also eine funktionale Sicht notwendig, zu fragen ist, welche Rechte für eine optimale wirtschaftliche Nutzung durch den Arbeitgeber notwendig sind. Wirtschaftliche Rechte sind danach alle wirtschaftlich wertvollen Befugnisse, unabhängig vom

" Dazu Lehmann, GRUR Int 1991, 3 2 7 (335 f); NJW 1991, 2112 (2116 f); Ulimann, C R 1992, 641 (647 f); und polemisierend: Moritz, GRUR Int 1991, 697 (702). 2 6 Dies gilt jedoch wohl nicht in den Bereichen, in denen der Gemeinschaftsgesetzgeber im Kompromißwege eine Ausnahme vom urheberrechtlichen Schutze statuiert hat: Lehmann, in: Lehmann / Tapper (Eds), Handbook, 163 (180); Ullmann, CR 1992, 641 (647 f). Insoweit spricht alles dafür, hier, ähnlich wie bei Art 85 III EGV, eine positive Politik der Gemeinschaft anzunehmen, die durch nationales Recht nicht illusorisch gemacht werden darf. 27 Dreier, CR 1 9 9 1 , 5 7 7 (579); Lehmann, NJW 1991,2112 (2114); einen möglichen Konflikt mit der RBÜ betont: Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (10). 28 Dreier, C R 1991, 5 7 7 (579); allerdings weist Schulte, CR 1992, 588 (592 Fn 23) auf den Willen des Rates hin, das Urheberpersönlichkeitsrecht, soweit es wirtschaftlich irrelevant ist, - selbstverständlich! - beim Urheber zu belassen; ähnlich Junker, NJW 1993, 824 (824); Michalski, DB 1993, 1961 (1962). Auch im Rahmen von Art 3 II lit. a Halbleitertopographien-Richtlinie ist diese Unterscheidung gemeint, wenn auch der Wortlaut deutlich weniger eindeutig ist; unklar Dreier, GRUR Int 1987, 645 (657). " Sack, BB 1991, 2165 (2170); aA Michalski, DB 1993, 1961 (1962).

5.30 Computerprogramm-Richtlinie

1119

Einsatz im Betrieb oder Konzern des Arbeitgebers 30 und auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 31 insbesondere auch das Veröffentlichungsrecht, das dem Arbeitnehmer auch nicht partiell oder mangels Ausübung durch den Arbeitgeber zusteht. 32 Art 2 III R L verbietet auch die gesetzliche Anordnung einer Sondervergütung. 33 Allenfalls bei Leistungen von ungewöhnlicher Originalität („Genialität"), die exorbitante wirtschaftliche Erfolge zeitigen, wird man eine vorsichtige Analogie zu den Regelungen der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie über die Partizipationsrechte des Künstlers in Erwägung ziehen können. Die wirtschaftlichen Rechte ordnet Art 2 III R L dem Arbeitgeber zu und läßt als 1 0 einzige Ausnahme eine abweichende (Partei-)Vereinbarung zu, 3 4 nicht eine abweichende gesetzliche Regelung. Wichtig ist dem Gemeinschaftsgesetzgeber allein das Ergebnis der Zuordnung (die Befugnis des Arbeitgebers zur „Ausübung" der Rechte), nicht die rechtstechnische Konstruktion. 3 5 Daher kann beispielsweise für das deutsche Recht weiter vom Schöpferprinzip und der Urheberschaft des Arbeitnehmers ausgegangen werden, wenn nur zugleich eine cessio legis aller wirtschaftlichen Rechte angenommen wird, 3 6 die nicht von einer, möglicherweise auch vermuteten Zustimmung des Arbeitnehmers abhängig gemacht werden darf. Ausschlaggebend für die Zuordnungsregelung war zum einen, daß die Tätigkeit des Arbeitnehmers schon abgegolten ist, 3 7 zum anderen jedoch auch, daß in der Computerbranche das Bild des Programmierers, der nicht in hohem Maße schöpferisch-künstlerisch tätig ist, sondern gerade zur schutzrechtsbegründenden Tätigkeit des branchenüblichen Programmierens eingestellt ist, in hohem Maße auch der alltäglichen Wirklichkeit entspricht. 3 8

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Sack, BB 1991, 2165 (2169 f); Vinck, in: Fromm / Nordemann (Hrsg), Urheberrecht, 1994, § 69b, Rn 1. Sack, BB 1991, 2165 (2169); demgegenüber gewisse wirtschaftliche Befugnisse ausnehmend: ν Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 49 (50). Sack, BB 1991,2165 (2170); ebenso für alle Verwertungsbefugnisse Virtck, in: Fromm / Nordemann (Hrsg) (oben Fn 30) § 69b, Rn 1. Schulte, CR 1992, 588 (592 Fn 23) geht demgegenüber davon aus, die Computerprogramm-Richtlinie beantworte diese Frage nicht selbst. Etwas weniger streng, im Grundsatz jedoch ebenso: Sack, BB 1991, 2165 (2171 f); grundsätzlich zweifelnd: Dreier, CR 1991, 577 (579). Zum Begriff Vereinbarung, insbes auch der potentiellen Einbeziehung von Kollektivvereinbarungen: Dreier, GRUR Int 1987, 645 (657) (für die insoweit weniger glückliche Wortwahl in der Halbleitertopographien-Richtlinie); Vinck, in: Fromm / Nordemann (Hrsg) (oben Fn 30) § 69b, Rn 1. Dreier, CR 1991, 577 (579); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (10); Sack, BB 1991, 2165 (2168). So in der Tat die hM in Deutschland: Sack, BB 1991, 2165 (2167 f) (auch zum Schöpferprinzip und der Annahme einer stillschweigend vorgenommenen Abtretung nach bisherigem deutschen Recht); Vinck, in: Fromm / Nordemann (Hrsg) (oben Fn 30) § 69b, Rn 1. Sack, BB 1991, 2165 (2166) (insbes auch in Abgrenzung gegenüber dem freiberuflich Tatigen); vgl hierzu allgem auch Grundmann, Treuhandvertrag, S 213-219. Diesen zweiten Aspekt, bei dem es auf den jeweiligen Phänotyp im geregelten Bereich ankommt, deutet die Mitverfasserin der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie (5.31) an: ν Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 49 (50); auch Dreier, GRUR Int 1987, 645 (657).

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Der Arbeitnehmer muß das Programm in „Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den [rechtmäßigen] Anweisungen seines Arbeitgebers" entwickelt haben. Damit sollten Entwicklungen in der Freizeit - als wirtschaftlich weniger relevant ungeregelt bleiben.39 Änderungen im Arbeitsvertrag, die arbeitsrechtlich zulässig sind, etwa Programmieren in übernommenen Uberstunden oder bei nachträglicher, akzeptierter Aufgabenveränderung, führen nicht dazu, daß dieses Tatbestandsmerkmal nicht mehr erfüllt wäre.40 c) Regeln zur Übertragung und

Nutzungsüberlassung

11 Art 5 f RL enthalten Ausnahmen, die für den vertraglich Berechtigten generell gelten, also sowohl für den rechtmäßigen Erwerber als auch für sonstige rechtmäßige Benutzer (Lizenznehmer); dies gilt trotz abweichenden Wortlauts auch für Art 5 I RL. 41 Die Vorschriften gestalten also den Übertragungs- oder Nutzungsvertrag aus und zwar, abgesehen von den Fällen des Art 5 I RL, zwingend (Art 9 1 2 RL). Dabei stehen die einzelnen Berechtigungen nebeneinander, diejenige des Art 6 RL war am umstrittensten42 und ist mit den meisten Kautelen versehen; manche Fälle des Dekompilierens werden jedoch bereits durch Art 5 RL, insbesondere dessen Absatz 3 abgedeckt. 12 aa) Art 5 I, II RL gestattet Vervielfältigungen und Bearbeitungen, die zum bestimmungsgemäßen Gebrauch durch den Berechtigten notwendig sind. Die Sicherungskopie, die vor allem der Aufrechterhaltung der Nutzbarkeit beim Auftreten von Fehlern auf dem Original dient, ist gesondert in Art 5 II RL genannt, da insoweit kein sinnvoller Grund für eine abweichende vertragliche Vereinbarung erkennbar schien. Wichtig ist, daß in die Regelung auch die Fehlerberichtigung eingeschlossen wurde, umgekehrt jedoch die Wartung nicht genannt ist. Dies bedeutet insbesondere, daß der Benutzer nach dieser Vorschrift ein update nicht selbst schaffen (oder gar vertreiben) darf, sondern vom Rechtsinhaber neu kaufen muß, will er nicht mit der veralteten Version weiterarbeiten.43 Das Kommerzialisierungsinteresse an regelmäßigen updates, das der Rechtsinhaber regelmäßig bereits in den ursprünglichen Preis einrechnet, wird demnach geschützt. Anders ist dies angesichts anderer Interessenlage, wenn der Benutzer aufgrund spezieller Nutzungen Adaptionen an der Software vornehmen muß. Daß in Art 5 39

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Michalski, DB 1993, 1961 (1962); Vtnck, in: Fromm / Nordemann (Hrsg) (oben Fn 30) § 69b, Rn 2 (beide für die Umsetzung). Sack, BB 1991, 2165 (2166 f, vgl allerdings auch 2172 zur Mehrarbeit). Czamota / Hart, Computer Programs, p. 64; Dreier, CR 1991, 5 7 7 (580 f); Junker, NJW 1993, 8 2 4 (825); Schulte, CR 1992, 588 (592). Vgl Nachw oben Fn 11. Groves / Martino / Miskin / Richards, Intellectual Property and the Internal Market, p. 87 (nur soweit ohnehin Gewährleistungsrechte bestünden); Lehmann, GRUR Int 1991, 3 2 7 (333); wohl auch Verstrynge, in: Lehmann / Tapper (Eds), Handbook, 1 (7); ebenso zur Wartung generell: Dreier, C R 1991, 5 7 7 (581); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (18); Moritz, GRUR Int 1991, 6 9 7 (702).

5.30 Computerprogramm-Richtlinie

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IRL eine abweichende Vereinbarung zugelassen wurde, ist vor allem mit der Praxis zu erklären, daß Programme teils für spezielle Rechner lizenziert werden.44 Die gewöhnliche Benutzung auf dem vorgesehenen Rechner kann wohl nicht untersagt werden, auch wenn Handlungen gemäß Art 4 I lit. a und b RL nötig werden (ebenso der 17. Erwägungsgrund der Präambel). Jedenfalls sind Normen des Kartell- und AGB-Rechts anwendbar.45 bb) Nicht die gewöhnliche Benutzung durch Ablauf etc, sondern die Nutzung des 13 Programms als Erkenntnisquelle für eigene Programmierarbeit ist in Art 5 III, 6 RL geregelt. Jeweils ist das Ziel und die zulässige Handlung am Programm geregelt (Art 5 III und 6 I RL), in den Fällen des Dekompilierens nach Art 6 RL zusätzlich auch noch die zulässige Verwertung der gewonnenen Erkenntnis (Art 6 II RL). Um unvorhergesehene Fälle erfassen zu können, ist für das Dekompilieren zusätzlich mit Art 6 III RL eine Generalklausel in die Regelung aufgenommen worden, nach der dieses in solchen Fällen trotz Vorliegens der Voraussetzungen der Art 6 I, II RL untersagt werden kann. Durch Art 5 III RL werden Handlungen mit dem Ziel, zugrundeliegende Ideen 14 und Grundsätze zu ermitteln, für zulässig erklärt. Von urheberrechtlichen Grundsätzen her erklärt sich dies damit, daß im Urheberrecht die konkrete Ausdrucksform, hier das Programm, geschützt wird, nicht jedoch der dahinter stehende Gedanke.46 Da die Einmaligkeit des Gedankens, die „Erfindungshöhe", auch anders als im Patentrecht nicht Schutzvoraussetzung ist, kann auch nicht auf die andere Rechtslage im Patentrecht verwiesen werden. Gute, jedoch nicht gänzlich neu ge- oder erfundene Ideen, sollen nicht einer Fortentwicklung entzogen werden; es ist in diesem Bereich nicht nötig, einen Anreiz durch Zuordnung einer Monopolstellung zu schaffen. Das Vervielfältigungs- und vor allem das Bearbeitungsverbot, das für Computerprogramme geschaffen wurde, wirkt ohnehin schon exorbitant, indem es einen Schutzschild schon für gute (und schutzrechtsunfähige), nicht erst für gänzlich innovative Ideen schafft.47 Die Eruierung solcher guter, nicht jedoch gänzlich innovativer Grundideen ist also als Zielrichtung ohne weitere Kautelen freigestellt. Sie darf allerdings nicht zum Vorwand genommen werden, einen nicht lizenzierten Gebrauch (etwa auf einem nicht li-

Vgl näher Czamota / Hart, Computer Programs, p. 64; allgem auch Crocziel, Verwendungsbeschränkungen in Softwareverträgen, CR 1989, 675 (675-680), 790 (790-794); krit Lehmann, Portierung und Migration von Anwendersoftware - kartell- und AGBrechtliche Probleme, CR 1990, 700. « Dreier, CR 1991, 577 (580, Fn 37); Junker, NJW 1993, 824 (825); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (16); dazu Schneider, Softwarenutzungsverträge im Spannungsfeld von Urheber- und Kartellrecht, 1989, S 9 1 203. 46 Dreier, CR 1991, 577 (581); Goldrian, CR 1989, 448 (449); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (15); Lesshaft / Ulmer, CR 1991, 519 (522 f); Michalski, DB 1993, 1961 (1963); Vinje, GRUR Int 1992, 250 (258). 47 Dreier, CR 1991, 577 (581); Michalski, DB 1993, 1961 (1963); Vinje, GRUR Int 1992, 250 (258). 44

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

zenzierten Rechner) zu rechtfertigen.48 Ginge es allein um den genannten Zweck, so müßte auch ein Dekompilieren, also die schrittweise Aufdeckung des Programmcodes durch Eingriff in dasselbe,49 freigestellt werden.50 Die Freigabe des Dekompilierens zum Zwecke der Eruierung der guten, nicht jedoch gänzlich innovativen Grundideen birgt jedoch die Gefahr, daß viel von den konkreten Ausdrucksformen dieser Idee, die auf dem Weg zu einem marktfähigen Computerprogramm geschaffen werden, aufgedeckt und der Computerpiraterie hinsichtlich dieser konkreten Ausdrucksformen Vorschub geleistet würde. Daher sind allein Handlungen zum Laden, Anzeigen, Ablaufen, Ubertragen oder Speichern des Programms zugelassen (sogenannte Black-Box-Analysis). 15 Ungleich umstrittener war Art 6 RL, der einen erst nach zähem Ringen gefundenen Kompromiß zum Problemkreis Dekompilieren darstellt. Im engen Rahmen des Art 6 RL ist auch die schrittweise Aufdeckung des Programmcodes durch Eingriff in dasselbe zulässig. Es standen sich drei Interessentengruppen gegenüber: die führenden Softwarehersteller, die insoweit eine Schlüsselstellung haben, als ihre Software in Teilen in jedem Falle zum Einsatz kommen muß und typischer Gegenstand des Dekompilierens ist; die sonstigen Softwarehersteller, die ihre Programme so gestalten wollen, daß sie mit dieser „gesetzten" Software kompatibel ist; und die Verbraucher, die nicht auf einen Hersteller festgelegt sein sollen.51 Hierfür ist notwendige Bedingung, daß die Schnittstellen zwischen verschiedenen Programmen und zu Peripheriegeräten (etwa Bildschirmen oder Druckern) von allen Marktteilnehmern so gestaltet werden können, daß ein Zusammenspiel möglich ist, daß sie also interoperabel sind. Das Ziel der Interoperabilität ist also angestrebt, und hierzu werden sogar die beschriebenen Begleitgefahren des Dekompilierungsprozesses in Kauf genommen. Denn die Alternative wäre allein gewesen, den Marktführern die Mittel an die Hand zu geben, andere Softwarehersteller vom Markt fernzuhalten, nämlich dem sogenannten Tying Vorschub zu leisten.52 16 Art 6 I RL regelt das Ziel und die zulässigen Handlungen am Programm, Art 6 II RL die zulässige Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse. Zulässig ist ein De48

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Vgl im einzelnen Vinje, GRUR Int 1992, 250 (254) (mit positiver Bewertung der Norm bezogen auf die Bedürfnisse und Gepflogenheiten der Praxis). Beer-Gabel / Chemain, RTDE 1991, 363 (366 seq); Groves /Martino /Miskin / Richards, Intellectual Property and the Internal Market, p. 86; Lehmann, GRUR Int 1991, 327 (333 f); Schulte, CR 1992, 648 (653 f); Vinck, in: Fromm / Nordemann (Hrsg) (oben Fn 30) § 69e, Rn 1; näher und mit Bsp etwa Haberstumpf, CR 1991, 129; Vinje, GRUR Int 1992, 2 5 0 (251-253, 254, Fn 39). So etwa im Recht des Schutzes von Halbleitererzeugnissen, vgl unten 5.38 Rn 6. Dreier, CR 1991, 577 (577); Schulte, CR 1992, 648 (653). Im ursprünglichen Vorschlag war daher ein rein wettbewerbsrechtlicher Ansatz gewählt und die Marktmacht als Ausgangspunkt für die Verpflichtung zur Offenlegung von Schnittstelleninformation gemacht worden, vgl Dreier, CR 1991, 577 (582); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (18 f). Das Parlament hatte für die effizientere, weil niedriger ansetzende, letztlich verabschiedete Lösung plädiert. Nach dem 26. Erwägungsgrund der Präambel bleibt der wettbewerbsrechtliche Ansatz hiervon unberührt.

5.30 Computerprogramm-Richtlinie

1123

kompilieren allein zur Erzielung von Interoperabilität. Die Programme, mit denen Interoperabilität geschaffen werden darf, 53 waren allerdings im Gesetzgebungsprozeß sehr umstritten. In vielen Vorschlägen hieß es, daß Interoperabilität allein mit dem dekompilierten Programm geschaffen werden dürfe, 54 also auf diesem Wege kein Konkurrenzprogramm zu diesem entstehen dürfe. Nach der verabschiedeten Fassung reicht demgegenüber Interoperabilität mit anderen Programmen generell, Konkurrenzprodukte zum dekompilierten Programm dürfen entstehen 5 5 und die Hardwarehersteller erhalten nicht einmal für die Basissoftware, etwa Betriebssysteme, eine Monopolstellung. Die sonstigen Voraussetzungen des Art 6 I R L sind dahingehend zu umschreiben, daß das zu dekompilierende Programm zumindest rechtmäßig erworben werden, also ein Mal dafür gezahlt werden muß (lit. a), und daß der Erforderlichkeitsgrundsatz in verschiedenen Ausprägungen gilt: Dekompilieren muß erforderlich sein, was nicht der Fall ist, wenn die Schnittstelleninformation ohne weiteres, also kostenlos 5 6 und ohne gesonderte Aufforderung, 57 zugänglich gemacht wurde (lit. b), 5 8 jedoch wohl auch nicht, wenn Handlungen nach Art 5 III ausreichen; 5 9 außerdem muß das Dekompilieren auf den zur Zweckerreichung unerläßlichen Umfang beschränkt bleiben (lit. c). Dieselbe strikte Verpflichtung auf die Zweckerreichung findet sich in Art 6 II R L für die Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse (lit. a und b). 6 0 Außerdem darf das Produkt keine im wesentlichen ähnliche Ausdrucksform aufweisen; in diesem Fall wird also fingiert (nicht nur vermutet), daß sich die genannten Begleitgefahren des Dekompilierens realisiert haben.

Entgegen dem Wortlaut wirkt auch die Suche nach Interoperabilität mit der Hardware rechtfertigend: so der 11. und 22. Erwägungsgrund der Präambel; Dreier, CR 1991, 577 (581 f); aA Micbalski, DB 1993, 1961 (1963) (für die Umsetzung). « Vgl im einzelnen Vinje, GRUR Int 1992, 250 (255 f). 55 KoM.Doc.Sec. (91) 87 endg - SYN 183, S 4; Dreier, CR 1991, 577 (582); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (22); Vinje, GRUR Int 1992, 250 (256 f); einschränkend Czarnota /Hart, Computer Programs, p. 83; aA noch Michalski / Bösert (oben Fn 24) S 102. 56 Dreier, CR 1991, 577 (582, Fn 55); Lehmann, in: Lehmann (Hrsg), Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 (23); Vinje, GRUR Int 1992, 250 (257). 57 Dreier, CR 1991, 577 (582, Fn 55). 58 So entsteht ein durchaus gewünschter Druck auf die Marktführer, Schnittstelleninformationen möglichst umfassend offenzulegen (Lehmann, in: Lehmann [Hrsg], Rechtsschutz von Computerprogrammen, 1 [23]) - sie erreichen damit, daß Dekompilieren generell unzulässig wird, nicht mehr „entschuldigt" werden kann und die genannten Begleitgefahren dadurch potentiell vermindert werden. Zugleich wird damit Interoperabilität generell erleichtert, weil die Kosten dafür auf das Minimum sinken: Offene Informationen zu Verarbeiten ist ungleich kostengünstiger als Dekompilieren. Vgl Goldrian, CR 1989, 448 (450); Vinje, GRUR Int 1992, 250 (257). 5' Dreier, CR 1991, 577 (582); zweifelnd hingegen Vinje, GRUR Int 1992, 250 (257). 60 Zur Frage, ob die übernommenen Programmstücke zu den Schnittstellen einen bestimmten Umfang nicht überschreiten dürfen: Dreier, CR 1991, 577 (583). 53

1124

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

d) Regeln zum Erwerb (gutgläubiger) Dritter 17 Regeln zum Erwerb Dritter fehlen, während solche vorher noch in der Halbleitertopographien-Richtlinie (5.38) zu finden waren. 3. Umsetzung 18 Im Rahmen der Umsetzung war zunächst streitig, ob die Richtlinien-Regelung jeweils im Anschluß an bestehende Normen des UrhG übernommen oder aber ein neuer Abschnitt geschaffen werden sollte. Angesichts der erheblichen Abweichungen vom allgemeinen Urheberrecht, der zu erwartenden Dynamik des Rechtsgebiets, die bei Wahl des ersten Weges stets neue Einfügungen an verschiedensten Stellen zur Folge gehabt hätte, und angesichts der eigenen Regeln, denen nationales Recht in harmonisierten Bereichen unterliegt, wurde der zweite Weg gewählt. 61 Unhaltbar war die Auffassung, es reiche für eine Erfüllung der Umsetzungsverpflichtung aus, wenn die Rechtsprechung hierzu das Instrument der richtlinienkonformen Auslegung nutzbar mache. 62 19 Die vertragsrechtlichen Regeln der Art 2 III und 5 f RL wurden in §§ 69b, 69d und 69e UrhG inhaltlich, weitgehend auch wörtlich identisch umgesetzt. Dabei überließ es Art 2 III RL dem nationalen Gesetzgeber und gegebenenfalls der nationalen Rechtsprechung, die rechtstechnische Konstruktion des Ausübungsrechts des Arbeitgebers zu klären. § 69b UrhG ersetzte den Begriff der „wirtschaftlichen" Rechte durch den der „vermögensrechtlichen Befugnisse" und den der anderweitigen „vertraglichen Vereinbarung" durch den der anderweitigen „Vereinbarung", worin keine erkennbare Abweichung von der Computerprogramm-Richtlinie liegt. § 69d UrhG stellt klar, daß jeder rechtmäßige Nutzer die genannten Rechte hat, nicht nur der rechtmäßige Erwerber, was trotz anderslautendem Wortlaut auch für die Computerprogramm-Richtlinie einhellig so gesehen wird.63 Etwas beckmesserisch erscheint es, wenn der deutsche Gesetzgeber den Gemeinschaftsgesetzgeber belehrt, daß Sicherungskopien nicht der Benutzung, sondern der zukünftigen Benutzung des Programms (nach Auftreten von Fehlern am Original) dienen. In § 69e UrhG ist demgegenüber Art 6 RL wörtlich identisch übernommen (nur der Begriff der „Programmkopie" wurde durch den des „Vervielfältigungsstücks" ersetzt). Es sollte nicht Gefahr gelaufen werden, den Kompromißcharakter der Computerprogramm-Richtlinie gerade in diesem heiß diskutierten und auch in der Redaktion umstrittenen Punkt zu verfäl-

«> Schulte, CR 1992, 588 (590 f); auch Broy / Lehmann, GRUR 1992, 419 (420); Funke, EWS 1991, 161 (162 f); Junker, NJW 1993, 8 2 4 (825). Gerade das letztgenannte Argument ist von Gewicht in einer Zeit, da die Kenntnis vom gemeinschaftsrechtlichen Ursprung vieler Rechtsnormen noch nicht alltäglich ist; in vielen anderen Fällen wurde es dennoch nicht für durchschlagend erachtet. 62 Erdmann / Bornkamm, GRUR 1991, 877 (877); gegen diese unsichere Art der Umsetzung: EuGH 23. 5 . 1 9 8 5 - Rs 2 9 / 8 4 (Kommission /Deutschland), Slg 1 9 8 5 , 1 6 6 1 (1671 f, 1675). 6 3 Vgl Nachw oben Fn 41.

5.30 Computerprogramm-Richtlinie

1125

sehen.64 Allein die praktisch unbedeutende Generalklausel ist im jeweiligen Absatz 3 durchaus unterschiedlich formuliert.

B. Fundstellenverzeichnis Grundlage: Art 100a EGV Betr: Urheberrechtlicher Schutz von Computerprogrammen, seine Zuordnung an den Arbeitgeber sowie die vertraglich begründeten Ausnahmen bei bestimmungsgemäßer Nutzung, Sicherungskopien, Programmlauf und -beobachtung sowie Dekompilierung zum Zweck der Schaffung von Interoperabilität Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1991 L 122/42 - geänderter Vorschlag vom 18. 10. 1990 AB1EG 1990 C 320/22 / KOM(90) 509 endg - SYN 183 - ursprünglicher Vorschlag vom 05. 01. 1989 AB1EG 1989 C 91/4 / KOM(88) 816 endg - SYN 183 - gemeinsamer Standpunkt (Rat, Europäisches Parlament) AB1EG 1991 C 129/67 AB1EG 1991 C 129/93 Stellungnahmen: - zum ursprünglichen Vorschlag EP: AB1EG 1990 C 231/78 WSA: AB1EG 1989 C 329/4 Zweites Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 9. 6. 1993 Fundstelle: BGBl 1993 I, S 910

ABI. Nr. C 231 vom vom 17. April 1991 fentlicht). öl

12. 4. 1989, S. 4, und ABI. Nr. 1990, S. 22. 17. 9. 1990, S. 78, und BeschluB (noch nicht im Amtsblatt veröf-

ABI. Nr. C 329 vom 30. 12. 1989, S. 4.

werden. Unterschiede, die das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes nicht in erheblichem Maße beeinträchtigen, müssen jedoch nicht beseitigt und ihre Entstehung muß nicht verhindert werden. Der Rechtsrahmen der Gemeinschaft für den Schutz von Computerprogrammen kann somit zunächst darauf beschränkt werden, grundsätzlich festzulegen, daß die Mitgliedstaaten Computerprogrammen als Werke der Literatur Urheberrechtsschutz gewähren. Ferner ist festzulegen, wer schutzberechtigt und was schutzwürdig ist, und darüber hinaus sind die Ausschließlichkeitsrechte festzulegen, die die Schutzberechtigten geltend machen können, um bestimmte Handlungen zu erlauben oder zu verbieten, sowie die Schutzdauer. Für die Zwecke dieser Richtlinie soll der Begriff „Computerprogramm" Programme in jeder Form umfassen, auch solche, die in die Hardware integriert sind; dieser Begriff umfaßt auch Entwurfsmaterial zur Entwicklung eines Computerprogramms, sofern die Art der vorbereitenden Arbeit die spätere Entstehung eines Computerprogramms zuläßt. Qualitative oder ästhetische Vorzüge eines Computerprogramms sollten nicht als Kriterium für die Beurteilung der Frage angewendet werden, ob ein Programm ein individuelles Werk ist oder nicht. Die Gemeinschaft fühlt sich zur Förderung der internationalen Standardisierung verpflichtet. Die Funktion von Computerprogrammen besteht darin, mit den anderen Komponenten eines Computersystems und den Benutzern in Verbindung zu treten und zu operieren. Zu diesem Zweck ist eine logische und, wenn zweckmäßig, physische Verbindung und Interaktion notwendig, um zu gewährleisten, daß Software und Hardware mit anderer Software und Hardware und Benutzern wie beabsichtigt funktionieren können. Die Teile des Programms, die eine solche Verbindung und Interaktion zwischen den Elementen von Software und Hardware ermöglichen sollen, sind allgemein als „Schnittstellen" bekannt. Diese funktionale Verbindung und Interaktion ist allgemein als „Interoperabilität" bekannt. Diese

5 . 3 0 Computerprogramm-Richtlinie Interoperabilität kann definiert werden als die Fähigkeit zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen. Zur Vermeidung von Zweifeln muB klargestellt werden, daB der Rechtsschutz nur für die Ausdrucksform eines Computerprogramms gilt und daB die Ideen und Grundsätze, die Irgendeinem Element des Programms einschließlich seiner Schnittstellen zugrunde liegen, im Rahmen dieser Richtlinie nicht urheberrechtlich geschützt sind. Entsprechend diesem Urheberrechtsgrundsatz sind Ideen und Grundsätze, die der Logik, den Algorithmen und den Programmsprachen zugrunde liegen, im Rahmen dieser Richtlinie nicht urheberrechtlich geschützt. Nach dem Recht und der Rechtsprechung der Mitgliedstaaten und nach den internationalen Urheberrechtskonventionen ist die Ausdrucksform dieser Ideen und Grundsätze urheberrechtlich zu schützen. Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet der Begriff „Vermietung" die Überlassung eines Computerprogramms oder einer Kopie davon zur zeitweiligen Verwendung und zu Erwerbszwecken; dieser Begriff beinhaltet nicht den öffentlichen Verleih, der somit aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen bleibt. Zu dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers, die nicht erlaubte Vervielfältigung seines Werks zu untersagen, sind im Fall eines Computerprogramms begrenzte Ausnahmen für die Vervielfältigung vorzusehen, die für die bestimmungsgemäße Verwendung des Programms durch den rechtmäßigen Erwerber technisch erforderlich sind. Dies bedeutet, daß das Laden und Ablaufen, sofern es für die Benutzung einer Kopie eines rechtmäßig erworbenen Computerprogramms erforderlich ist, sowie die Fehlerberichtigung nicht vertraglich untersagt werden dürfen. Wenn spezifische vertragliche Vorschriften nicht vereinbart worden sind, und zwar auch im Fall des Verkaufs einer Programmkopie, ist jede andere Handlung eines rechtmäßigen Erwerbers einer Programmkopie zulässig, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung der Kopie notwendig ist. Einer zur Verwendung eines Computerprogramms berechtigten Person sollte nicht untersagt sein, die zum Betrachten, Prüfen oder Testen des Funktionierens des Programms notwendigen Handlungen vorzunehmen, sofern diese Handlungen nicht gegen das Urheberrecht an dem Programm verstoßen. Die nicht erlaubte Vervielfältigung, Übersetzung, Bearbeitung oder Änderung der Codeform einer Kopie eines Computerprogramms stellt eine Verletzung der Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers dar.

1127

Es können jedoch Situationen eintreten, in denen eine solche Vervielfältigung des Codes und der Übersetzung der Codeform im Sinne des Artikels 4 Buchstaben a) und b) unerläßiich ist, um die Informationen zu erhalten, die für die Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Programms mit anderen Programmen notwendig sind. Folglich ist davon auszugehen, daß nur in diesen begrenzten Fällen eine Vervielfältigung und Übersetzung seitens oder im Namen einer zur Verwendung einer Kopie des Programms berechtigten Person rechtmäßig ist, anständigen Gepflogenheiten entspricht und deshalb nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf. Ein Ziel dieser Ausnahme ist es, die Verbindung aller Elemente eines Computersystems, auch solcher verschiedener Hersteller, zu ermöglichen, so daß sie zusammenwirken können. Von einer solchen Ausnahme vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers darf nicht in einer Weise Gebrauch gemacht werden, die die rechtmäßigen Interessen des Rechtsinhabers beeinträchtigt oder die im Widerspruch zur normalen Verwendung des Programms steht. Zur Wahrung der Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Berner Übereinkunft über den Schutz literarischer und künstlerischer Werke sollte die Dauer des Schutzes auf die Lebenszeit des Urhebers und 50 Jahre ab dem 1. Januar des auf sein Todesjahr folgenden Jahres oder im Fall eines anonymen Werkes auf 50 Jahre nach dem 1. Januar des Jahres, das auf das Jahr der Erstveröffentlichung des Werkes folgt, festgesetzt werden. Der Schutz von Computerprogrammen im Rahmen des Urheberrechts sollte unbeschadet der Anwendung anderer Schutzformen in den relevanten Fällen erfolgen. Vertragliche Regelungen, die im Widerspruch zu Artikel 6 oder den Ausnahmen nach Artikel 5 Absätze 2 und 3 stehen, sollten jedoch unwirksam sein. Die Bestimmungen dieser Richtlinie lassen die Anwendung der Wettbewerbsregeln nach den Artikeln 85 und 86 des Vertrages unberührt, wenn ein marktbeherrschender Anbieter den Zugang zu Informationen verweigert, die für die in dieser Richtlinie definierte Interoperabilität notwendig sind. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten unbeschadet spezifischer Auflagen bereits bestehender gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für die Veröffentlichung von Schnittstellen im Telekommunikationssektor oder von Ratsbeschlüssen betreffend die Normung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnologie gelten. Diese Richtlinie berührt nicht die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in Übereinstimmung mit der Berner Übereinkunft vorgesehe-

1128

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

nen Ausnahmeregelungen für Punkte, die nicht von der Richtlinie erfaBt werden HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: Artikel

1

Artikel

3

Schutzberechtigte Schutzberechtigt sind alle natürlichen und juristischen Personen gemäß dem für Werke der Literatur geltenden Innerstaatlichen Urheberrecht.

Gegenstand des Schutzes (1) Gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. Im Sinne dieser Richtlinie umfaBt der Begriff „Computerprogramm" auch das Entwurfsmaterial zu ihrer Vorbereitung. (2) Der gemäß dieser Richtlinie gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht im Sinne dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt. (3) Computerprogramme werden geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind keine anderen Kriterien anzuwenden. Artikel

2

Urheberschaft am Programm (1) Der Urheber eines Computerprogramms ist die natürliche Person, die Gruppe natürlicher Personen, die das Programm geschaffen hat, oder, soweit nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zulässig, die juristische Person, die nach diesen Rechtsvorschriften als Rechtsinhaber gilt. Soweit kollektive Werke durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats anerkannt sind, gilt die Person als Urheber, die nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats als Person angesehen wird, die das Werk geschaffen hat. (2) Ist ein Computerprogramm von einer Gruppe natürlicher Personen gemeinsam geschaffen worden, so stehen dieser die ausschließlichen Rechte daran gemeinsam zu. (3) Wird ein Computerprogramm von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen, so ist ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller wirtschaftlichen Rechte an dem so geschaffenen Programm berechtigt, sofern keine andere vertragliche Vereinbarung getroffen wird.

Artikel

4

Zustimmungsbedürftige Handlungen Vorbehaltlich der Bestimmungen der Artikel 5 und 6 umfassen die Ausschließlichkeitsrechte des Rechtsinhabers Im Sinne des Artikels 2 das Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten: a) die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung, ganz oder teilweise, eines Computerprogramms mit jedem Mittel und in jeder Form. Soweit das Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Computerprogramms eine Vervielfältigung erforderlich macht, bedürfen diese Handlungen der Zustimmung des Rechtsinhabers; b) die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse, unbeschadet der Rechte der Person, die das Programm umarbeitet; c) jede Form der öffentlichen Verbreitung des originalen Computerprogramms oder von Kopien davon, einschließlich der Vermietung. Mit dem Erstverkauf einer Programmkopie in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung erschöpft sich in der Gemeinschaft das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie; ausgenommen hiervon ist jedoch das Recht auf Kontrolle der Weitervermietung des Programms oder einer Kopie davon. Artikel

5

Ausnahmen von den zustimmungsbedürftigen Handlungen (1) In Ermangelung spezifischer vertraglicher Bestimmungen bedürfen die in Artikel 4 Buchstaben a) und b) genannten Handlungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig sind. (2) Die Erstellung einer Sicherungskopie durch eine Person, die zur Benutzung des FYogramms berechtigt ist, darf nicht vertraglich untersagt werden, wenn sie für die Benutzung erforderlich ist (3) Die zur Verwendung einer Programmkopie berechtigte Person kann, ohne die Genehmigung des Rechtsinhabers einholen zu müssen,

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5 . 3 0 Computerprogramm-Richtlinie das Funktionieren dieses Programms beobachten, untersuchen oder testen, um die einem Programmelement zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze zu ermitteln, wenn sie dies durch Handlungen zum Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern des Programms tut, zu denen sie berechtigt ist. Artikel 6

Dekompilierung (1) Die Zustimmung des Rechtsinhabers ist nicht erforderlich, wenn die Vervielfältigung des Codes oder die Übersetzung der Codeform im Sinne des Artikels 4 Buchstaben a) und b) unerläBlich ist, um die erforderlichen Informationen zur Herstellung der Interoperabilität eines unabhängig geschaffenen Computerprogramms mit anderen Programmen zu erhalten, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind: a) Die Handlungen werden von dem Lizenznehmer oder von einer anderen zur Verwendung einer Programmkopie berechtigten Person oder in deren Namen von einer hierzu ermächtigten Person vorgenommen; b) die für die Herstellung der Interoperabilität notwendigen Informationen sind für die unter Buchstabe a) genannten Personen noch nicht ohne weiteres zugänglich gemacht; und c) die Handlungen beschränken sich auf die Teile des ursprünglichen Programms, die zur Herstellung der Interoperabilität notwendig sind. (2) Die Bestimmungen von Absatz 1 erlauben nicht, daB die im Rahmen ihrer Anwendung gewonnenen Informationen a) zu anderen Zwecken als zur Herstellung der Interoperabilität des unabhängig geschaffenen Programms verwendet werden; b) an Dritte weitergegeben werden, es sei denn, daB dies für die Interoperabilität des unabhängig geschaffenen Programms notwendig ist; c) für die Entwicklung, Herstellung oder Vermarktung eines Programms mit im wesentlichen ähnlicher Ausdrucksform oder für irgendwelche anderen, das Urheberrecht verletzenden Handlungen verwendet werden. (3) Zur Wahrung der Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst können die Bestimmungen dieses Artikels nicht dahin gehend ausgelegt werden, daB dieser Artikel in einer Weise angewendet werden kann, die die rechtmäBigen Interessen des Rechtsinhabers in unvertretbarer Weise beeinträchtigt oder im Widerspruch zur normalen Nutzung des Computerprogramms steht.

Artikel 7

Besondere Schutzmaßnahmen (1) Unbeschadet der Artikel 4,5 und 6 sehen die Mitgliedstaaten gemäB ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen gegen Personen vor, die eine der nachstehend unter den Buchstaben a), b) und c) aufgeführten Handlungen begehen: a) Inverkehrbringen einer Kopie eines Computerprogramms, wenn die betreffende Person wuBte oder Grund zu der Annahme hatte, daB es sich um eine unerlaubte Kopie handelt; b) Besitz einer Kopie eines Computerprogramms für Erwerbszwecke, wenn diese betreffende Person wuBte oder Grund zu der Annahme hatte, daB es sich um eine unerlaubte Kopie handelt; c) das Inverkehrbringen oder der Erwerbszwekken dienende Besitz von Mitteln, die allein dazu bestimmt sind, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen zu erleichtern. (2) Jede unerlaubte Kopie eines Computerprogramms kann gemäB den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats beschlagnahmt werden. (3) Die Mitgliedstaaten können die Beschlagnahme der in Absatz 1 Buchstabe c) genannten Mittel vorsehen. Artikel 8

[aufgehoben^] Artikel 9

Weitere Anwendung anderer Rechtsvorschriften (1) Die Bestimmungen dieser Richtlinie stehen sonstigen Rechtsvorschriften, so für Patentrechte, Warenzeichen, unlauteres Wettbewerbsvertialten, Geschäftsgeheimnisse und den Schutz von Halbleiterprodukten, sowie dem Vertragsrecht nicht entgegen. Vertragliche Bestimmungen, die im Widerspruch zu Artikel 6 oder zu den Ausnahmen nach Artikel 5 Absätze 2 und 3 stehen, sind unwirksam. (2) Die Bestimmungen dieser Richtlinie finden unbeschadet etwaiger vor dem 1. Januar 1993 getroffener Vereinbarungen und erworbener Rechte auch auf vor diesem Zeitpunkt geschaffene Programme Anwendung. Artikel 10

SchluBbestimmungen (1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um f>

Vgl ABIEG 1993 L 290/9.

1130

Zweiseitige Untemehmensgeschäfte

dieser Richtlinie vor dem 1. Januar 1993 nachzukommen. Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in ihnen selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Sie regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 11 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 14. Mai 1991. Im Namen des Rates Der Präsident J. F. POOS

5.31 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie

1131

5.31 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie Richtlinie des Rates vom 19. 11. 1992 zum Vermiet- und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (92/100/EWG)

Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Reinbothe, Jörg / ν Lewinski, Silke, The E.C. Directive on Rental and Lending Rights and on Piracy, London ua (Sweet & Maxwell) 1993. 2. Aufsätze und Beiträge: Fulton, Kathryn, The Draft EC Directive on Rental and Lending Rights Related to Copyright ITV's View, EntLR 1992, 1 5 5 - 1 5 7 ; Kröber, Christian, Stärkt das neue Vermietrecht die Position der schöpferischen Menschen?, Z U M 1995, 8 5 4 - 8 5 7 ; Krüger, Christoph, Europäisierung des Urheberrechts - Vermieten und Verleihen von Büchern, Ton- und Bildträgern, G R U R 1990, 9 7 4 - 9 8 0 ; ν Lewinski, Silke, Vermieten, Verleihen und verwandte Schutzrechte - der zweite Richtlinienvorschlag der EG-Kommission, G R U R Int 1991, 1 0 4 - 1 1 1 ; Dies, Rental Right, Lending Right and Certain Neighbouring Right - the EC Commission's Proposal for a Council Directive, E1PR 1991, 117-121; Dies, Die Umsetzung der Richtlinie zum Vermiet- und Verleihrecht, Z U M 1995, 4 4 2 - 4 5 0 ; Melichar, Ferdinand, Videovermietung nach der EG-Richtlinie über Vermiet- und Verleihrecht, FS Kreile, Baden-Baden 1994, 4 0 9 - 4 1 7 ; Murray, Angus, Fighting Piracy - the EC Rental Rights Proposal, EntLR 1992, 1 4 8 - 1 5 0 ; Reinbothe, Jörg / ν Lewinski, Silke, The EC Rental Directive One Year after its Adoption - Some Selected Issues, EntLR 1993, 169-177. Vgl auch die Literatur zum Gesamtbereich geistiges Eigentum oder Urheberrecht im Gemeinschaftsrecht oben 5.30.

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand Die Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie räumt allen Urhebern, ausübenden 1 Künstlern, Tonträger- und Filmherstellern das ausschließliche Recht ein, die geschaffenen Werke (vor allem Tonträger, Bild-Tonträger und Bücher) zu vermieten oder zu verleihen sowie sie zu vervielfältigen, verbreiten und aufzuzeichnen (letzteres auch den Sendeunternehmen). Das Vermiet- und Verleihrecht wird also vom ausschließlichen Verbreitungsrecht abgekoppelt, so daß auch der rechtmäßige Erwerber einer Kopie des geschaffenen Werkes noch nicht die Berechtigung zur Vermietung oder zum Verleih etc erwirbt. In diesem Zusammenhang regelt die Richtlinie folgende vertragsrechtlichen Fragen: die Übertragbarkeit der genannten Rechte (zur konkurrierenden oder auschließlichen Nutzung); und das Vertragsverhältnis zwischen Herstellern einerseits und Urhebern oder ausübendem Künstler andererseits bei Herstellung von Ton- und Bild-Tonträgern; aufgestellt werden Vermutungsregeln über die Zuordnung der Schutzrechte, eingeräumt wird ein unverzichtbarer Anspruch der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung.

1132

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

b) Bedeutung, Geschichte und Umfeld 2 Während die Computerprogramm-Richtlinie (5.30) und ähnlich die Datenbankund auch die Halbleitertopographien-Richtlinie (5.38) einen spezifischen Gegenstand hinsichtlich aller Schutzrechte regeln, ist der Ansatz der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie der umgekehrte: Es wurde gemeinschaftsweit ein Schutzrecht geschaffen oder bestätigt, dieses jedoch bezogen auf alle denkbaren Gegenstände. Obwohl das Vermieten etwa von Büchern wirtschaftlich weniger bedeutsam sein mag als dasjenige von Filmen oder Tonträgern und dies vor allem, wenn es grenzüberschreitend geschehen soll, wurden alle genannten Werkkategorien gleichermaßen einbezogen - nachdem dies im ersten Vorschlag noch nicht so gewesen war. Hier standen die Idee einer Gleichbehandung verschiedener Werkkategorien und diejenige einer Minimumharmonisierung, bei der auch nach wirtschaftlichem Gewicht zu fragen ist, miteinander im Widerstreit. 3 Im Rahmen der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie bildete das (Urheber-) Vertragsrecht einmal mehr als nur eine Annexregelung. Grund hierfür ist weniger, daß das Vermiet- und Verleihrecht sich auf die Gestattung von Verträgen (Miete und Leihe) bezieht,1 sondern daß die Rechtseinräumung an einen Schutzrechtsinhaber mit geringer Verhandlungsmacht allein wenig wirkungsvoll geblieben wäre. Sie mußte durch zwingendes Schuldvertragsrecht (Art 4 RL) ergänzt werden, um diesem den wirtschaftlichen Wert des Schutzrechts zu erhalten.2 c) Kompetenz und grundsätzliche Wirkungsweise 4 Die grundsätzliche Ausgangslage ist die gleiche wie für die ComputerprogrammRichtlinie.3 Ausgangspunkt für die Harmonisierungsbemühungen im Bereich des Vermiet- und Verleihrechts war jedoch noch spezifischer die Leitentscheidung des EuGH zu diesem Bereich:4 Danach kann der Schutzrechtsinhaber, mit dessen Zustimmung die Vermarktung eines urheberrechtlich geschützten Werks in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft erfolgte, dennoch ein gesondertes nationales Schutzrecht geltend machen, das die Vermietung und den Verleih dieses Werks (trotz rechtmäßigen Erwerbs) untersagt. Das Recht, das Werk kommerziell zu vermieten oder zu verleihen, und das Recht, das Werk (durch Veräußerung) zu verbreiten oder zu vervielfältigen, gelten demnach als zwei getrennte, gesondert zu erwerbende Rechte. Durch die Zustimmung zur einen Handlung 1

2

3 4

Dies ist meist beim Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht nicht anders; vgl dazu schon die Ausführungen oben § 8 Einl Rn 33. ν Lewinski, GRUR Int 1991,104 (107); νLewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 49 (54) nennt Art 4 RL daher auch das „Herzstück" der gesamten Regelung. Vgl daher oben 5.30 Rn 4 f. EuGH 17. 5.1988 - Rs 158/86 (Warner Brothers Ine / Christiansen) Slg 1988,2605 (2629 f); außerdem EuGH 9. 4. 1987 - Rs 402/85 (Basset / SACEM), Slg 1987, 1747 (1768 f); sowie Frh ν Gamm, GRUR Int 1983, 403 (405); Poll, Die Vermietung von Videoprogrammen und der „Erschöpfungsgrundsatz" unter besonderer Berücksichtigung des EGRechts, Z U M 1987, 416; Reischl, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, GRUR Int 1982, 151 (155-157).

5.31 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie

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wird das Schutzrecht nicht auch bezüglich der anderen erschöpft. Die nationalen Vermiet- und Verleihrechte blieben demnach anwendbar, entsprechende Behinderungen des grenzüberschreitenden Verkehrs zu befürchten. Auf der Grundlage von Art 100a E G V (sowie Art 5 7 II, 6 6 E G V ) strebte der Ge- 5 meinschaftsgesetzgeber mit der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie an, diese Hindemisse auszuräumen, indem er den Verwerter in zentralen Punkten demselben Regime unterwarf, gleichgültig, ob das Werk durch ein in- oder ein ausländisches Schutzrecht geschützt war. Die rechtserhaltende Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz, die der E u G H an der Grenze weiter hatte greifen lassen, trug der Gemeinschaftsgesetzgeber in die einzelnen Mitgliedstaaten hinein, so dal? sich in diesem zentralen Punkt rein inländische und grenzüberschreitende Transaktion nicht mehr voneinander unterscheiden.

2. Schuldvertragsrechtlicher Inhalt a) Anwendungsbereich - das betroffene Schutzrecht Die Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie regelt zwei Schutzrechtskategorien: in Kapitel I das namengebende Vermiet- und Verleihrecht und in Kapitel II verwandte Schutzrechte, wie sie im Rom-Abkommen ohnehin schon (für die meisten Mitgliedstaaten, die dieses ratifiziert hatten) harmonisiert waren. 5 Ungleich wichtiger ist die erstgenannte Kategorie, zumal unter schuldvertragsrechtlichem Gesichtspunkt. Der entscheidende Schritt ging dahin, das Vermiet- und Verleihrecht als ein Ausschließlichkeitsrecht vom ausschließlichen Verbreitungsrecht abzukoppeln, so daß auch der rechtmäßige Erwerber einer Kopie des geschaffenen Werkes noch nicht die Berechtigung zur Vermietung oder zum Verleih etc erwirbt (Art 1 IV RL). 6 Das Produkt der Leistung des Urhebers, etwa ein literarisches7 oder musikalisches Werk (Komposition), des ausübenden Künstlers (musikalischer oder schauspielerischer Art) oder des Herstellers von Ton- und Bild-Tonträgern (Filmen) darf also nur mit Zustimmung dieser Personen (nichtkommerziell) verliehen 8 oder kommerziell zur Nutzung überlassen („vermietet") 9 werden (Art 11, 2 I, II RL). Nur Werke der bildenden Kunst genießen dieRom-Abkommen vom 26. 10.1961, deutsches Ratifikationsgesetz: BGBl 1966 II, S 1243, 1244 (Übk in deutscher und - verbindlich - in englischer, französischer und spanischer Fassung), 1473; Ratifikation durch die Gemeinschaft: AB1EG 1991 C 24/5; ansonsten zum Ratifikationsstand: Nordemann, in: Fromm / Nordemann (Hrsg), Urheberrecht, 1994, § 125, Rn 2. Der EWR-Vertrag verpflichtet alle Mitgliedstaaten zum Beitritt, vgl Kreile / Becker, ZUM 1992, 581 (591). « Cook, EuZW 1994, 7 (10); Kreile / Becker, ZUM 1992, 581 (587); Kröber, ZUM 1995, 854 (854 f). 7 Zur Einbeziehung der Buchautoren (erst in letzter Minute), also zur Gleichbehandlung aller Urheber: Kreile / Becker, ZUM 1992, 581 (587); ν Lewinski, GRUR Int 1991, 104 (106). 8 Zu den Problemen bei der Einf auch dieses Teilrechts vgl Kreile /Becker, ZUM 1992, 581 (587); ν Lewinski, GRUR Int 1991, 104 (106). 9 „Vermieten" umfaßt jede kommerzielle Nutzungsüberlassung, etwa auch im Rahmen eines Clubs mit Mitgliedsbeitrag: Kröber, ZUM 1995, 854 (855). 5

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sen Schutz nicht (Art 2 III RL). Wiederum wurde die rechtskonstruktive Ausgestaltung des Schutzrechts den nationalen Gesetzgebern überlassen. 10

b) Regeln zur Zuordnungsfrage 7 Ähnlich wie in der Computerprogramm-Richtlinie (5.30) liegt der Regelung der Zuordnungsfrage in der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie ein vertragliches Modell zugrunde: Das Schutzrecht des Urhebers und ausübenden Künstlers als des unmittelbaren Schöpfers ist vertraglich übertragbar (Art 2 IV RL). Während nun jedoch die Computerprogramm-Richtlinie die Vermutung enthält, daß das Recht hinsichtlich aller wirtschaftlich relevanter Ausprägungen übertragen wird, ohne daß dem unmittelbaren Schöpfer, dem festangestellten Arbeitnehmer, ein zusätzlicher Vergütungsanspruch zugesprochen wird bzw ohne daß der Vergütungsanspruch des freiberuflichen Auftragnehmers geregelt würde, sieht die Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie zwar eine entsprechende Vermutungsregel vor, ergänzt sie jedoch durch eine Kompensationsregelung. Die Autoren der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie erwiesen sich als immun gegenüber dem Ansinnen, die arbeitgeberfreundlichere Regelung der Computerprogramm-Richtlinie zu übernehmen - auch wegen der höheren (künstlerischen) Selbständigkeit der unmittelbaren Schöpfer. 11 Während also die Computerprogramm-Richtlinie keinerlei Regelung zugunsten des unmittelbaren Schöpfers als der regelmäßig schwächeren Vertragspartei enthält und daher die Regelung auch umfassend parteidispositiv sein konnte, ist dies in der Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie anders: Der Vergütungsanspruch mußte zugunsten der regelmäßig schwächeren Vertragspartei für zwingend erklärt werden. Ausführlicher geregelt sind die Zuordnungsvermutung zu Lasten des unmittelbaren Schöpfers (Art 2 V-VII RL) und der Vergütungsanspruch zu seinen Gunsten (Art 4 RL). 8 Die Zuordnungsvermutungen fanden erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Anregung des Parlaments und einiger Mitgliedstaaten Eingang. 12 Die Zuordnungsvermutungen gehen jeweils zu Lasten des unmittelbaren Schöpfers, gelten nur noch für die Filmproduktion und dort für die Vermietrechte, 13 sind parteidispositiv ausgestaltet bzw auszugestalten und werden im Verhältnis zwischen ausübendem Künstler und Filmproduzent von der EG-Richtlinie selbst statuiert, im Verhältnis zwischen Urheber (Autor, Regisseur) und Filmproduzent hingegen der Regelungsmacht der Mitgliedstaaten überantwortet (Art 2 V, VI RL). Die Mit-

i» ν Lewinski, GRUR Int 1991, 104 (107 f); dies, Z U M 1995, 4 4 2 (442 f). 11 υ Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 4 9 (51); zum Kompromißcharakter (auch in rvgl Sicht) auch Ellins, Copyright Law und Harmonisierung, S 278 f. 12 ν Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 4 9 (52), die die phasenweise zu konstatierende Kompliziertheit der Regelung beklagt. 13 ν Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 4 9 (53) und Kreile / Becker, Z U M 1992, 581 (587) wollen die Regelung analog auf die Verleihrechte erstrecken, schließen jedoch aus Art 2 V und vor allem VI RL, daß nationale Gesetzgeber in anderen Branchen keine Zuordnungsvermutungen aufstellen dürfen (vgl demgegenüber jedoch den 19. Erwägungsgrund der Präambel).

5.31 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie

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gliedstaaten können diese Vermutung für eine Übertragung der Schutzrechte auf den Filmproduzenten auch durch die Vermutung für eine Überlassung zur vertretungsweisen Ausübung durch den Filmproduzenten ersetzen, wobei die Wahl der einen oder anderen Gestaltungsweise nichts an den Eckpunkten ändert: Die Vermutung im Verhältnis zwischen ausübendem Künstler und Filmproduzent müssen die Mitgliedstaaten einführen, und der Vergütungsanspruch (Art 4 RL) ist zwingend. Frei steht den Mitgliedstaaten, die Vertretungslösung des Art 2 VII R L auch auf die in Kapitel II geregelten verwandten Schutzrechte zu erstrecken; hier bleibt es nur bei der zwingenden Anordnung des Vergütungsanspruchs. Der zwingend ausgestaltete Vergütungsanspruch bildet das Korrelat zu den Zuord- 9 nungsvermutungen und zur Eröffnung der Vertragsfreiheit. Er bleibt auch bei Übertragung auf Dritte erhalten. Originell ist die Kombination zwischen abtretbarem Verbotsrecht, das aufgrund der eingeräumten Sperrposition das Verhandlungsgewicht steigern mag, und unverzichtbarem Vergütungsanspruch, der in jedem Fall eine Partizipation des unmittelbaren Schöpfers am geschaffenen Wert verbürgt. 14 Wiederum ist die Zahl der Eckpunkte, die nicht ins Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt sind, gering und klug gewählt. Vorgegeben ist, daß ein Vergütungsanspruch angeordnet werden muß, daß er als zwingend auszugestalten ist und - allerdings nur im Bereich der kommerziellen Nutzungsüberlassung, der Vermietung - 1 5 daß der Anspruch „angemessene" Höhe erreichen muß. Insoweit wird vor allem darauf verwiesen, daß der Ausleihwunsch des Publikums primär durch die unmittelbaren Schöpfer, die Urheber und ausübenden Künstler, inspiriert ist, 16 also die Auszahlung eines Bruchteils und wohl auch nur eines geringeren als hälftigen Anteils kaum ausreichen dürfte. Den nationalen Gesetzgebern ist die Bestimmung des Anspruchsgegners überantwortet; ihnen ist auch das Wahlrecht eingeräumt worden, den Anspruch insofern zu kanalisieren, als sie allein Verwertungsgesellschaften für durchsetzungsbefugt erklären können (Art 4 III RL). Das

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Ellins, Copyright Law und Harmonisierung, S 286; Kröber, ZUM 1995, 854 (856); ν Lewinsky GRUR Int 1991, 104 (107); Reinbothe / ν Lewinski, The EC Directive on Rental and Lending Rights, ρ 66. Insbes ist der Anspruch ein andauernder und kann durch eine (einmalige) Pauschale nicht abgegolten werden; der Künstler wird Teilhaber am wirtschaftlichen Erfolg; vgl Kreile/Becker, ZUM 1992, 581 (586); Krüger, GRUR 1990, 974 (980); ν Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 49 (55). Vgl Art 1 II, III und Art 5 RL. Im Bereich des nichtkommerziellen Verleihens ist die Höhe der Vergütung nicht vorgegeben, desgleichen nicht ein Vergütungsanspruch auch der ausübenden Künstler. Allein dem Urheber muß ein Vergütungsanspruch erhalten bleiben. Hinsichtlich der Höhe sind die Mitgliedstaaten weitgehend frei, es ist jedoch zu erwarten, daß der EuGH die Anwendung des Maßstabes der „kulturpolitischen Zielsetzungen" in Extremfällen auch auf ermessensmißbräuchliche Anwendung hin überprüft; vgl Nachw oben 5.22-5.25, Fn 46. υ Lewinski, GRUR Int 1991, 104 (110); wenig überzeugend ist es demgegenüber, die französische Regelung mit starren Prozentsätzen auch nur als Leitlinie heranzuziehen (so ν Lewinski aaO). Denn solche Prozentsätze sollten gerade vermieden werden, und es ist bei der Auslegung von EG-Sekundärrecht idR gerade nicht von gesteigerter Maßgeblichkeit eines nationalen Gesetzes, das evtl als Modell gedient hat, auszugehen (vgl oben 1. Teil Rn 144).

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verbürgt für den Anspruchsinhaber (auch gegen seinen eigenen Willen) eine regelmäßig effizientere Durchsetzung, für den Anspruchsgegner jedoch ebenfalls eine professionellere, gebündelte und insofern auch einfachere Handhabung. 17

c) Regeln zur Übertragung und Nutzungsüberlassung 10 Die Übertragbarkeit (zur konkurrierenden oder ausschließlichen Nutzung) sieht die Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie für alle geregelten Schutzrechte vor, ohne für den jeweiligen Vertrag weitere Vorgaben zu machen: 1 8 für das ausschließliche Vermiet- und Verleihrecht des Art 2 I R L (Art 2 IV RL); für das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Art 7 I R L (Art 7 II RL); und für das ausschließliche Verbreitungsrecht des Art 9 I R L (Art 9 I V RL). Für das Aufzeichnungsrecht des Art 6 R L und das Gestattungsrecht nach Art 8 R L ist die Übertragung weniger praxisrelevant, wird jedoch wohl ebenfalls nicht von der EG-Richtlinie ausgeschlossen. 1 9

d) Regeln zum Erwerb (gutgläubiger) Dritter 11 Regeln zum Erwerb Dritter fehlen (wie in der Computerprogramm-Richtlinie), eine vergleichbare Notwendigkeit wie vorher im Rahmen der Halbleitertopographien-Richtlinie (5.38) 2 0 wurde nicht gesehen.

3. Umsetzung 12 Anders als die Computerprogramm- oder die Halbleitertopographien-Richtlinie setzte der deutsche Gesetzgeber die Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie nicht in einem eigenen Abschnitt oder gar Gesetz um, sondern durch die Dritte Novelle zum Urhebergesetz im Zusammenhang mit den verschiedenen bestehenden Vorschriften zur jeweiligen Regelungsfrage. 21 Die Abkoppelung des Vermiet- und Verleihrechts vom Verbreitungsrecht erfolgte in einem neu eingeführten § 17 II, III UrhG. 2 2 Ausreichende Zuordnungsvermutungen waren bereits in

Kreile /Becker, ZUM 1992, 581 (587) („Praktikabilität"); Kröber, ZUM 1995, 854 (856); ν Lewinski, GRUR Int 1991, 104 (109). 18 Die jeweilige Norm ist vor allem klarstellender Natur und beläßt es grundsätzlich bei der bestehenden nationalen Regel: vgl ν Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 49 (52). Die Regel impliziert jedoch zugleich, daß zusätzliche Erfordernisse, etwa Eintragungserfordernisse, das Übertragungsrecht jedenfalls nicht illusorisch machen dürfen: vgl in anderem Zusammenhang: EuGH 31. 1. 1984 - Rs 286/82 und 26/83 (Luisi & Carbone) Slg 1984, 377 (406 f); EuGH 24. 6. 1986 - Rs 157/85 (Brugnoni / Ruffinengo), Slg 1986, 2013 (2030 f). Innerhalb des Gemeinschaftsrechts zum geistigen Eigentum kann für dieses Ergebnis auf Art 4 IV der Halbleitertopographien-Richtlinie (5.38) verwiesen werden. 19 Reinbothe / ν Lewinski, The EC Directive on Rental and Lending Rights, p. 54. 2 0 Vgl don Rn 7f. « ν Lewinski, ZUM 1995, 442 (442) („mikrochirurgische Eingriffe"). " Vgl Kröber, ZUM 1995, 854 (854 f); ν Lewinski, ZUM 1995,442 (442 f) (auch mit Hinblick auf die Verbreitung im Ausland, insbes in EWR-Staaten). 17

5.31 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie

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§§ 88 £ UrhG und - bei leichter Modifikation - in § 92 UrhG enthalten. 23 Die Unverzichtbarkeit des Vergütungsanspruchs und die Festschreibung einer „angemessenen" Höhe des Anspruchs, die beiden Eckpunkte, die Art 4 RL vorgibt, übernahm der deutsche Gesetzgeber in § 27 I UrhG; 24 im sonstigen Regelungsgehalt der Vorschrift nahm der deutsche Gesetzgeber die Option wahr, den Anspruch durch zwingende Einschaltung von Verwertungsgesellschaften zu kanalisieren, und präzisierte den Anspruchsgegner. Die gesamte Regelung wird gemäß den Vorgaben der Richtlinie - auf ausübende Künstler erstreckt, indem in § 75 III UrhG eine entsprechende Gesetzesanalogie eingeführt wurde.

B. Fundstellenverzeicbnis Grundlage: Art 57 II, 66 und 100a EGV 13 Betr: Einräumung eines ausschließlichen Vermiet- und Verleihrechts als eines eigenständigen Urheberrechts an Urheber, ausübende Künstler und Produzenten von Ton- und Ton-Bildträgern (mit Zuordnungsvermutungen zugunsten letzterer und, zum Ausgleich, zwingenden Vergütungsansprüchen zugunsten ersterer) Fundstellen:

Stellungnahmen:

- verabschiedete Fassung ABIEG 1992 L 346/61 - geänderter Vorschlag vom 30. 04. 1992 ABIEG 1992 C 128/8 / KOM(92) 159 endg - SYN 319 - ursprünglicher Vorschlag vom 13. 12. 1990 ABIEG 1991 C 53/35 / KOM(90) 586 endg - SYN 319 - gemeinsamer Standpunkt (Rat, Europäisches Parlament) ABIEG 1992 C 305/73 - zum ursprünglichen Vorschlag EP: ABIEG 1992 C 67/92 WSA: ABIEG 1991 C 269/54

Drittes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 23. 6. 1995 Fundsteile: BGBl 1995 I, S 842

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Vgl näher ν Lewinski, ZUM 1995, 442 (445). Vgl näher: Kröber, ZUM 1995, 854 (855 f); ν Lewinski, ZUM 1995, 442 (445-447).

Richtlinie des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (92/100/EWG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2, Artikel 66 und Artikel 100a, auf Vorschlag der Kommission'1', in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlamenti», nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses®, in Erwägung nachstehender Gründe: Die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede in den Rechtsvorschriften und Praktiken hinsichtlich des Rechtsschutzes für urheberrechtlich geschützte Werke und Gegenstände der verwandten Schutzrechte in bezug auf das Vermieten und Verleihen sind Ursache von Handelsschranken und Wettbewerbsverzerrungen und geeignet, die Verwirklichung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu beeinträchtigen. Die Unterschiede im Rechtsschutz könnten dadurch noch größer werden, daß die Mitgliedstaaten neue und unterschiedliche Rechtsvorschriften einführen oder daB die nationale Rechtsprechung sich unterschiedlich entwickelt. Diese Unterschiede sollten daher entsprechend der in Artikel 8a des Vertrages niedergelegten Zielsetzung, einen Raum ohne Binnengrenzen zu schaffen, beseitigt werden, um so gemäß Artikel 3 Buchstabe f) des Vertrages ein System zu errichten, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt. Das Vermieten und Verleihen von urheberrechtlich geschützten Werken und Gegenständen der verwandten Schutzrechte spielt insbesondere für die Urheber und die ausübenden Künstler sowie für die Hersteller von Tonträgern l'I

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ABl. Nr. C 53 vom 28. 2. 1991, S. 35, und ABI. Nr. C 128 vom 20. 5. 1992, S. 8. ABI. Nr. C 67 vom 16. 3. 1992, S. 92, und BeschluB vom 28. Oktober 1992 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). ABI. Nr. C 269 vom 14. 10. 1991, S. 54.

und Filmen eine immer wichtigere Rolle, und die Piraterie stellt eine zunehmende Bedrohung dar. Dem angemessenen Schutz von urheberrechtlich geschützten Werken und Gegenständen der verwandten Schutzrechte durch Vermiet- und Verleihrechte sowie dem Schutz von Gegenständen der verwandten Schutzrechte durch das Aufzeichnungsrecht, Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht, Senderecht und Recht der öffentlichen Wiedergabe kommt daher eine grundlegende Bedeutung für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Gemeinschaft zu. Der Schutz, den das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte gewähren, muB an neue wirtschaftliche Entwicklungen, wie z.B. an neue Nutzungsarten, angepaBt werden. Um ihre Tätigkeit ausüben zu können, bedürfen Urheber und ausübende Künstler eines angemessenen Einkommens als Grundlage für weiteres schöpferisches und künstlerisches Arbeiten. Die insbesondere für die Herstellung von Tonträgern und Filmen erforderlichen Investitionen sind außerordentlich hoch und risikoreich. Die Möglichkeit, ein solches Einkommen sicherzustellen und solche Investitionen abzusichern, kann nur durch einen angemessenen Rechtsschutz für die jeweils betroffenen Rechtsinhaber wirkungsvoll gewährleistet werden. Diese schöpferischen, künstlerischen und unternehmerischen Tätigkeiten sind großenteils selbständige Tätigkeiten, und ihre Ausübung muß durch die Schaffung eines gemeinschaftsweit harmonisierten Rechtsschutzes erleichtert werden. Soweit diese Tätigkeiten hauptsächlich Dienstleistungen darstellen, muB auch ihre Erbringung erleichtert werden, indem ein gemeinschaftsweit harmonisierter rechtlicher Rahmen geschaffen wird. Die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sollte in der Weise erfolgen, daß die Rechtsvorschriften nicht in Widerspruch zu den internationalen Übereinkommen stehen, auf denen das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte in vielen Mitgliedstaaten beruhen. Der rechtliche Rahmen der Gemeinschaft in bezug auf das Vermiet- und Verleihrecht und

5 . 3 1 Vermiet- und Verleih-Richtlinie bestimmte verwandte Schutzrechte kann sich darauf beschränken festzulegen, daB die Mitgliedstaaten Rechte in bezug auf das Vermieten und Verleihen für bestimmte Gruppen von Rechtsinhabern vorsehen und ferner die Rechte der Aufzeichnung, Vervielfältigung, Verbreitung, Sendung und öffentlichen Wiedergabe festlegen, die bestimmten Gruppen von Rechtsinhabern im Bereich der verwandten Schutzrechte zustehen. Es ist erforderlich, die Begriffe „Vermietung" und „Verleihen" im Sinne dieser Richtlinie zu definieren. Der Klarheit halber ist es wünschenswert, von „Vermietung" und „Verleihen" im Sinne dieser Richtlinie bestimmte Formen der Überlassung, z.B. die Überlassung von Tonträgern und Filmen (vertonte oder nicht vertonte Filmwerke oder Laufbilder) zur öffentlichen Vorführung oder Sendung sowie die Überlassung zu Ausstellungszwecken oder zur Einsichtnahme an Ort und Stelle auszuschließen. Unter „Verleihen" im Sinne dieser Richtlinie fällt nicht die Überlassung zwischen der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen. Wird bei einem Verleihen durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung ein Entgelt gezahlt, dessen Betrag das für die Deckung der Verwaltungskosten der Einrichtung erforderliche Maß nicht überschreitet, so liegt keine unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche oder kommerzielle Nutzung im Sinne dieser Richtlinie vor.

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genannten ausschließlichen Rechte der ausübenden Künstler eine widerlegbare Vermutung der Einwilligung in die Auswertung vorzusehen, sofern eine solche Vermutung mit dem Internationalen Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (im folgenden Rom-Abkommen genannt) vereinbar ist. Die Mitgliedstaaten können einen weiterreichenden Schutz für Inhaber von verwandten Schutzrechten vorsehen, als er in Artikel 8 dieser Richtlinie vorgeschrieben ist. Die harmonisierten Vermiet- und Verleihrechte und der harmonisierte Schutz im Bereich der dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte dürfen nicht in einer Weise ausgeübt werden, die eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellt oder dem in dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache „Cinéthèque gegen FNCF" ABI. Nr. C 305 vom 23. 11. 1992, S. 129, und ABI. Nr. C 255 vm 20. 9. 1993. »I

ABl. Nr. C 98 vom 21. 4. 1992, S. 44.

(4) Zur Erreichung der vorgenannten Ziele hat der Rat bereits die Richtlinie 89/552/EWG vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit«) verabschiedet und darin Regelungen zur Förderung der europäischen Programmverbreitung und -Produktion sowie auf den Gebieten von Werbung, Sponsoring, Jugendschutz und im Bereich des Gegendarstellungsrechts getroffen. (5) Dennoch bestehen bei der grenzüberschreitenden Programmverbreitung über Satelliten gegenwärtig ebenso wie bei der Kabelweiterverbreitung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten noch eine Reihe unterschiedlicher nationaler Urheberrechtsvorschriften sowie gewisse Rechtsunsicherheiten. Dadurch sind die Rechtsinhaber der Gefahr ausgesetzt, daß ihre Werke ohne entsprechende Vergütung verwertet werden oder daß einzelne Inhaber ausschließlicher Rechte in verschiedenen Mitgliedstaaten die Verwertung ihrer Werke blockieren. Vor allem bildet die Rechtsunsicherheit ein unmittelbares Hindernis für den freien Verkehr der Programme innerhalb der Gemeinschaft. (6) So besteht gegenwärtig eine urheberrechtliche Ungleichbehandlung der öffentlichen Wiedergabe über Direkt- und derjenigen über Fernmeldesatelliten. Angesichts des bei beiden Satellitentypen möglichen und heute wirtschaftlich vertretbaren Individualempfangs ist diese unterschiedliche rechtliche Regelung nicht länger zu rechtfertigen. (7) Behindert ist die freie Rundfunksendung von Programmen im weiteren durch die augenblickliche Rechtsunsicherheit, ob die Sendung über Satelliten, deren Signale direkt empfangen werden können, nur die Rechte im Ausstrahlungsland oder aber kumulativ zugleich die Rechte in allen Empfangsländern berührt. Aufgrund der urheberrechtlichen Gleichbehandlung von Fernmelde- und von Direktsatelliten betrifft diese RechtsunsicherI") ABI. Nr. L 298 vom 17. 10. 1989, S. 23.

5.32 Satelliten- und Kabel-Richtlinie helt jetzt nahezu alle in der Gemeinschaft über Satelliten verbreiteten Programme. (8) Darüber hinaus fehlt es an der für den freien Verkehr von Rundfunksendungen innerhalb der Gemeinschaft erforderlichen Rechtssicherheit, wo Programme grenzüberschreitend in Kabelnetze eingespeist und weiterverbreitet werden. (9) Die Entwicklung des vertraglichen Rechteerwerbs durch Erlaubnis trägt schon jetzt nachhaltig zur Schaffung des angestrebten europäischen audiovisuellen Raumes bei. Das Fortbestehen solcher vertraglichen Vereinbarungen ist mithin sicherzustellen und ihre möglichst reibungslose Durchführung in der Praxis nach Möglichkeit zu fördern. (10) Gegenwärtig können Kabelnetzbetreiber insbesondere nicht sicher sein, tatsächlich alle Rechte an den Programmen erworben zu haben, die Gegenstand einer solchen vertraglichen Vereinbarung sind. (11) Schließlich unterliegen nicht alle Beteiligten in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen Verpflichtungen, die sie daran hindern, Verhandlungen Ober den Erwerb der zur Kabelweiterverbreitung erforderlichen Rechte ohne triftigen Grund zu verweigern oder scheitern zu lassen. (12) Die durch die Richtlinie 89/552/EWG festgelegten rechtlichen Rahmenbedingungen für die Schaffung eines einheitlichen audiovisuellen Raumes bedürfen mithin in bezug auf das Urheberrecht einer Ergänzung. (13) So sollte die in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Behandlung der Verbreitung von Programmen über einen Fernmeldesatelliten beseitigt und gemeinschaftsweit einheitlich darauf abgestellt werden, ob Werke und andere Schutzgegenstände öffentlich wiedergegeben weiden. Dadurch erfahren auch die Anbieter grenzüberschreitender Rundfunkprogramme eine Gleichbehandlung unabhängig davon, ob sie sich zur Programmverbreitung eines Direktstrahl- oder eines Fernmeldesatelliten bedienen. (14) Die die grenzüberschreitende Programmverbreitung über Satelliten behindernde Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die zu erwerbenden Rechte läBt sich beseitigen, indem die öffentliche Wiedergabe geschützter Werke über Satellit auf Gemeinschaftsebene definiert wird, wodurch gleichzeitig auch der Ort der öffentlichen Wiedergabe präzisiert wird. Eine solche Definition ist notwendig, um die kumulative Anwendung von mehreren nationalen Rechten auf einen einzigen Sendeakt zu verhindern. Eine öffentliche Wiedergabe über Satellit findet ausschließlich dann und in dem Mitgliedstaat statt, wo die programmtragenden Signale unter der Kon-

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trolle und Verantwortung des Sendeunternehmens in eine nicht unterbrochene Übertragungskette über Satellit bis zur Rückkehr der Signale zur Erde eingebracht werden. Normale technische Verfahren betreffend die programmtragenden Signale dürfen nicht als Unterbrechung der Übertragungskette betrachtet werden. (15) Der vertragliche Erwerb ausschließlicher Senderechte muß dem Urheberrecht und dem Leistungsschutzrecht des Mitgliedstaats entsprechen, in dem die öffentliche Wiedergabe über Satellit erfolgt. (16) Der Grundsatz der Vertragsfreiheit, auf den sich diese Richtlinie stützt, gestattet weiterhin eine Einschränkung der Verwertung dieser Rechte, insbesondere was bestimmte Übertragungstechniken oder bestimmte sprachliche Fassungen anbelangt. (17) Bei der Vereinbarung der Vergütung für die erworbenen Rechte sollten die Beteiligten allen Aspekten der Sendung, wie der tatsächlichen und potentiellen Einschaltquote und der sprachlichen Fassung, Rechnung tragen. (18) Die Anwendung des in dieser Richtlinie vorgesehenen Ursprungsland-Grundsatzes könnte zu Problemen hinsichtlich bereits bestehender Verträge führen. In dieser Richtlinie sollte ein Übergangszeitraum von fünf Jahren vorgesehen werden, in dessen Verlauf bestehende Verträge gegebenenfalls im Sinne der Richtlinie anzupassen sind. Demzufolge sollte der Ursprungsland-Grundsatz dieser Richtlinie nicht für bereits bestehende Verträge gelten, deren Laufzeit vor dem 1. Januar 2000 endet. Sollten die Vertragsparteien zu jenem Zeitpunkt noch Interesse an dem Vertrag haben, so sollten sie die Vertragsbedingungen erneut miteinander aushandeln können. (19) Laufende Verträge über internationale Koproduktionen sind unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zwecks und des Vertragsumfangs, welche die Parteien bei der Unterzeichnung im Auge hatten, auszulegen. Bislang war die öffentliche Wiedergabe über Satellit im Sinne dieser Richtlinie in Verträgen über internationale Koproduktionen häufig nicht ausdrücklich und spezifisch als besondere Form der Nutzung vorgesehen. Grundlage viele laufender Verträge über internationale Koproduktionen ist ein Konzept, nach dem die Rechte an der Koproduktion von jedem Koproduzenten getrennt und unabhängig ausgeübt werden, indem die Nutzungsrechte nach territorialen Gesichtspunkten unter ihnen aufgeteilt werden. Generell gilt, daß in den Fällen, in denen eine von einem Koprodu-

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

zenten genehmigte öffentliche Wiedergabe über Satellit den Wert der Nutzungsrechte eines anderen Koproduzenten schmälern würde, der laufende Vertrag normalerweise dahin gehend auszulegen wäre, daB der letztere Koproduzent der Genehmigung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit durch den ersteren Koproduzenten seine Zustimmung geben müBte. Die sprachlichen Exklusivrechte des letzteren Koproduzenten werden beeinträchtigt, wenn die Sprachfassung(en) der öffentlichen Wiedergabe einschließlich synchronisierter oder mit Untertiteln versehener Wiedergabefassungen der (den) Sprache(n) entspricht (entsprechen), die in dem dem letzteren Koproduzenten vertraglich zugeteilten Gebiet weitgehend verstanden wird (werden). Der Begriff Exklusivrechte sollte in einem weitergehenden Sinne verstanden werden, wenn es sich um die über Satellit erfolgende öffentliche Wiedergabe von Werken handelt, die nur aus Bildern bestehen und keinerlei Dialog oder Untertitel enthalten. Es bedarf einer klaren Regelung für jene Fälle, In denen Verträge über internationale Koproduktionen nicht ausdrücklich eine Aufteilung der Rechte im spezifischen Fall der öffentlichen Wiedergabe über Satellit im Sinne dieser Richtlinie vorsehen. (20) Sendungen aus Drittstaaten, die öffentlich über Satellit wiedergegeben werden, können unter bestimmten Bedingungen als Sendungen angesehen werden, die innerhalb eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft erfolgen. (21) Es muß gewährleistet werden, daB der Schutz der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller von Tonträgern und Sendeunternehmen in allen Mitgliedstaaten gewährt und daB dieser Schutz nicht von einer gesetzlichen Lizenz abhängig gemacht wird. Nur so lassen sich Wettbewerbsverzerrungen aufgrund eines möglichen Schutzgefälles innerhalb des Gemeinsamen Marktes verhindern. (22) Es steht zu erwarten, daB die Verwendung der neuen Technologien Auswirkungen auf Qualität und Quantität der Verwertung von Werken und sonstigen Leistungen hat. (23) In Anbetracht dieser Entwicklung sollte der Schutz, der allen in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallenden Rechtsinhabern in deren Rahmen gewährt wird, laufend geprüft werden. (24) Die in dieser Richtlinie vorgesehene Rechtsangleichung erfordert, daB die Vorschriften zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für Urheber, ausübende Künstler, Hersteller von Tonträgern und Sendeunternehmen harmonisiert werden. Aufgrund

dieser Angleichung sollte ein Sendeunternehmen nicht Nutzen aus einem Schutzgefälle ziehen können, indem es den Standort seiner Tätigkeiten auf Kosten der audiovisuellen Produktion verlagert. (25) Die leistungsschutzrechtlichen Vorschriften für die öffentliche Wiedergabe über Satellit sind an der Richtlinie 92/100/EWG auszurichten. Auf diese Weise wird sichergestellt, daB die ausübenden Künstler und Hersteller von Tonträgern für die öffentliche Wiedergabe ihrer Leistungen oder Tonträger über Satellit eine angemessene Vergütung erhalten. (26) Die Bestimmungen von Artikel 4 dieser Richtlinie hindern die Mitgliedstaaten weder, den Vermutungsgrundsatz gemäß Artikel 2 Absatz 5 der Richtlinie 92/100/EWG auf die ausschließlichen Rechte gemäß Artikel 4 auszudehnen, noch für die in diesem Artikel genannten ausschließlichen Rechte der ausübenden Künstler eine widerlegbare Vermutung der Einwilligung in die Auswertung vorzusehen, sofern eine solche Vermutung mit dem Internationalen Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vereinbar ist. (27) Die Kabelweiterverbreitung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten stellt eine Handlung dar, die in den Bereich des Urheberrechts und gegebenenfalls der Leistungsschutzrechte fällt. Daher benötigt ein Kabelnetzbetreiber für jeden weiterverbreiteten Programmteil die Genehmigung sämtlicher Rechtsinhaber. Nach dieser Richtlinie sollten diese Genehmigungen grundsätzlich vertraglich zu erteilen sein, soweit nicht für bereits bestehende gesetzliche Lizenzen eine zeitweilige Ausnahme vorgesehen wird. (2B) Damit das reibungslose Funktionieren vertraglicher Vereinbarungen nicht durch den Einspruch von Außenseitern, die Rechte an einzelnen Programmteilen innehaben, in Frage gestellt werden kann, sollte, soweit die Besonderheiten der Kabelweiterverbreitung dies erfordern, durch Einführung einer Verwertungsgesellschaftspflicht eine ausschließlich kollektive Ausübung des Verbotsrechts vorgesehen werden. Das Verbotsrecht als solches bleibt dabei erhalten, lediglich die Art seiner Ausübung wird in bestimmtem Umfang geregelt. Daraus folgt zugleich, daB die Kabelweiterverbreitungsrechte nach wie vor abtretbar sind. Die Ausübung des Urheberpersönlichkeitsrechts wird vom Regelungsbereich dieser Richtlinie nicht erfaßt. 1»

ABI. Nr. L 3 4 6 vom 27. 11. 1992, S. 61.

1155

5.32 Satelliten- und Kabel-Richtlinie (29) Die in Artikel 10 vorgesehene Ausnahmeregelung wirkt sich nicht einschränkend auf die Möglichkeit der Rechtsinhaber aus, ihre Rechte einer Verwertungsgesellschaft zu übertragen und sich so eine direkte Beteiligung an der vom Kabelunternehmen für die Kabelweiterverbreitung gezahlten Vergütung zu sichern. (30) Darüber hinaus sollen die vertraglichen Vereinbarungen über die Genehmigung der Kabelweiterverbreitung durch eine Reihe von Maßnahmen gefordert werden. Will ein Beteiligter einen allgemeinen Vertrag abschließen, sollte er verpflichtet sein, kollektive Vorschläge für eine Vereinbarung zu unterbreiten. Außerdem soll allen Beteiligten jederzeit die Anrufung unparteiischer Vermittler offenstehen, die Verhandlungshilfe leisten und Vorschläge unterbreiten können. Solche Vorschläge oder Einwände gegen diese Vorschläge sollten den Beteiligten nach den für die Zustellung von Rechtsdokumenten geltenden Regeln, wie sie insbesondere in den bestehenden internationalen Übereinkommen niedergelegt sind, zugestellt werden. Schließlich muß dafür gesorgt werden, daß die Vertragsverhandlungen nicht ohne triftigen Grund blockiert werden und daß die Teilnahme einzelner Rechtsinhaber an diesen Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund verhindert wird. Keine dieser Maßnahmen zur Förderung des Rechtserwerbs stellt den vertraglichen Charakter des Erwerbs der Kabelweiterverbreitungsrechte in Frage. (31) Für eine Übergangszeit sollte den MitgliedStaaten die Aufrechterhaltung bestehender Stellen erlaubt sein, die in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet zuständig sind, mit Fällen befaßt zu werden, in denen das Recht der öffentlichen Weiterverbreitung eines Programms durch Kabel von einem Sendeunternehmen ohne stichhaltigen Grund verweigert oder zu unangemessenen Bedingungen angeboten worden ist. Dabei wird vorausgesetzt, daß das Recht der betreffenden Parteien auf Anhörung durch die Stelle gewährleistet ist und die Existenz der Stelle die betreffenden Parteien nicht daran hindert, den normalen Rechtsweg zu beschreiten. (32) Dagegen erscheint eine gemeinschaftliche Regelung für all diejenigen Sachverhalte nicht erforderlich, deren Auswirkungen, mit Ausnahme allenfalls eines wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden Teils, lediglich innerhalb der Grenzen eines Mitgliedstaates spürbar werden. (33) Es sollten die notwendigen Mindestvorschriften festgelegt werden, um die freie, ungestörte grenzüberschreitende Rund-

funksendung über Satelliten sowie die zeitgleiche, unveränderte Kabelweiterverbreitung von Rundfunkprogrammen aus anderen Mitgliedstaaten auf grundsätzlich vertraglicher Grundlage zu verwirklichen und zu gewährleisten. (34) Diese Richtlinie sollte weitere HarmonisierungsmaBnahmen im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte sowie der kollektiven Wahrnehmung solcher Rechte nicht präjudizieren. Die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, die Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften zu regeln, beeinträchtigt nicht die in dieser Richtlinie vorgesehene freie vertragliche Aushandlung der Rechte; hierbei wird jedoch davon ausgegangen, daß solche Verhandlungen im Rahmen allgemeiner oder spezifischer nationaler Rechtsvorschriften betreffend das Wettbewerbsrecht oder die Verhinderung der mißbräuchlichen Ausnutzung von Monopolstellungen geführt werden. (35) Den Mitgliedstaaten sollte es daher vorbehalten bleiben, die zur Verwirklichung der in dieser Richtlinie angestrebten Ziele erforderlichen Rahmenbedingungen durch einzelstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften auszufüllen, soweit sie den mit dieser Richtlinie verfolgten Zielen nicht entgegenwirken und mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehen. (36) Die Bestimmungen dieser Richtlinie lassen die Anwendung der Wettbewerbsregeln nach den Artikeln 85 und 86 des Vertrages unberührt HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: KAPrTEL I DEFINITIONEN Artikel

1

Definitionen (1) Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet „Satellit" einen Satelliten, der auf Frequenzbändern arbeitet, die fernmelderechtlich dem Aussenden von Signalen zum öffentlichen Empfang oder der nichtöffentlichen Individual-Kommunikation vorbehalten sind. Im letzteren Fall muß jedoch der Individualempfang der Signale unter Bedingungen erfolgen, die den Bedingungen im ersteren Fall vergleichbar sind. (2) a) Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet „öffentliche Wiedergabe über Satellit" die Handlung, mit der unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung die programmtragenden Signale, die für den öffentlichen Empfang bestimmt sind, in eine ununterbrochene

1156

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, eingegeben werden.

b) Die öffentliche Wiedergabe über Satellit findet nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt.

(5) Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt der Hauptregisseur eines Filmwerks oder audiovisuellen Werks als sein Urheber oder als einer seiner Urheber. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daB weitere Personen als Miturheber des Werks gelten. KAPITEL II SATELLITENRUNDFUNK Artikel 2

c) Sind die programmtragenden Signale kodiert, so liegt eine öffentliche Wiedergabe über Satellit unter der Voraussetzung vor, daB die Mittel zur Dekodierung der Sendung durch das Sendeunternehmen selbst oder mit seiner Zustimmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

Gemäß den Bestimmungen dieses Kapitels sehen die Mitgliedstaaten für den Urheber das ausschließliche Recht vor, die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken über Satellit zu erlauben.

d) Findet eine öffentliche Wiedergabe über Satellit in einem Drittstaat statt, in dem das in Kapitel II vorgesehene Schutzniveau nicht gewährleistet ist, so gilt folgendes:

Erwerb von Senderechten

i) Werden die programmtragenden Signale von einer in einem Mitgliedstaat gelegenen aussendenden Erdfunkstation an den Satelliten geleitet, so gilt, daB die öffentliche Wiedergabe über Satellit in diesem Mitgliedstaat stattgefunden hat, und die in Kapitel II vorgesehenen Rechte sind gegenüber der Person ausübbar, die die aussendende Erdfunkstation betreibt. i¡) Wenn keine in einem Mitgliedstaat gelegene aussendende Erdfunkstation verwendet wird, ein in einem Mitgliedstaat niedergelassenes Sendeunternehmen die öffentliche Wiedergabe jedoch in Auftrag gegeben hat, so gilt, daB die Wiedergabe in dem Mitgliedstaat stattgefunden hat, in dem das Sendeunternehmen seine Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft hat, und die in Kapitel II vorgesehenen Rechte sind gegenüber dem Sendeunternehmen ausübbar (3) Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet „Kabelweiterverbreitung" die zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterverbreitung einer drahtlosen oder drahtgebundenen, erdgebundenen oder durch Satellit übermittelten Erstsendung von Fernseh- oder Hörfunkprogrammen, die zum öffentlichen Empfang bestimmt sind, aus einem anderen Mitgliedstaat durch Kabel- oder Mikrowellensysteme. (4) Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet „Verwertungsgesellschaft" jede Organisation, die Urheber- oder verwandte Schutzrechte als einziges Ziel oder als eines ihrer Hauptziele wahrnimmt oder verwaltet.

Senderecht

Artikel 3 (1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daB die Erlaubnis nach Artikel 2 ausschließlich vertraglich erworben werden kann. (2) Ein Mitgliedstaat kann vorsehen, daB ein kollektiver Vertrag, den eine Verwertungsgesellschaft mit einem Sendeunternehmen für eine bestimmte Gruppe von Werken geschlossen hat, auf Rechtsinhaber derselben Gruppe, die nicht durch die Verwertungsgesellschaft vertreten sind, unter der Voraussetzung ausgedehnt werden kann, daB -

gleichzeitig mit der öffentlichen Wiedergabe über Satellit von demselben Sendeunternehmen über erdgebundene Systeme gesendet wird und - der nicht vertretene Rechtsinhaber jederzeit die Ausdehnung des kollektiven Vertrags auf seine Werke ausschließen und seine Rechte entweder individuell oder kollektiv wahrnehmen kann. (3) Absatz 2 findet keine Anwendung auf Filmwerke einschließlich der Werke, die durch ein ähnliches Verfahren wie Filmwerke geschaffen worden sind. (4) Sehen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Ausdehnung eines kollektiven Vertrages gemäß Absatz 2 vor, so teilt dieser Mitgliedstaat der Kommission mit, welche Sendeunternehmen diese Rechtsvorschriften in Anspruch nehmen können. Die Kommission veröffentlicht diese Angaben im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschatten (Reihe C).

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5 . 3 2 Satelliten- und Kabel-Richtlinie Artikel 4 Rechte der ausübenden Künstler, der Tonträgerhersteller und der Sendeunternehmen (1) Für die Zwecke der öffentlichen Wiedergabe über Satellit sind die Rechte der ausübenden Künstler, der Tonträgerhersteller und der Sendeunternehmen gemäß den Artikeln 6, 7, 8 und 10 der Richtlinie 92/100/EWG geschützt. (2) Für die Zwecke von Absatz 1 sind „drahtlos übertragene Rundfunksendungen" gemäß der Richtlinie 92/100/EWG so zu verstehen, daß sie die öffentliche Wiedergabe über Satellit umfassen. (3) Im Hinblick auf die Ausübung der in Absatz 1 genannten Rechte gelten Artikel 2 Absatz 7 und Artikel 12 der Richtlinie 92/100/EWG. Artikel 5 Beziehung zwischen Urheberrecht und verwandten Schutzrechten Oer Schutz der dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte gemäß dieser Richtlinie läßt den Schutz der Urheberrechte unberührt und beeinträchtigt ihn in keiner Weise.

mehreren Koproduzenten aus anderen Mitgliedstaaten oder Drittländern geschlossen worden ist, ausdrücklich eine Regelung zur Aufteilung der Nutzungsrechte zwischen den Koproduzenten nach geographischen Bereichen für alle Mittel der öffentlichen Wiedergabe ohne Unterscheidung zwischen der auf die öffentliche Wiedergabe über Satellit anwendbaren Regelung und den auf andere Übertragungswege anwendbaren Bestimmungen vor und würde die öffentliche Wiedergabe der Koproduktion über Satellit die Exklusivrechte, insbesondere die sprachlichen Exklusivrechte eines der Koproduzenten oder seiner Rechtsnachfolger in einem bestimmten Gebiet beeinträchtigen, so ist für die Genehmigung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit durch einen der Koproduzenten oder seine Rechtsnachfolger die vorherige Zustimmung des Inhabers dieser Exklusivrechte unabhängig davon, ob es sich um einen Koproduzenten oder einen Rechtsnachfolger handelt - erforderlich. KAPITEL III KABELWEITERVERBREITUNG Artikel 8 Kabelweiterverbreitungsrecht

Artikel 6 Mindestschutz (1) Die Mitgliedstaaten können für die Inhaber von dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten weitergehende Schutzvorschriften vorsehen als die, die in Artikel 8 der Richtlinie 92/100/ EWG vorgeschrieben sind. (2) Die Mitgliedstaaten beachten bei Anwendung von Absatz 1 die Definitionen des Artikels 1 Absätze 1 und 2. Artikel 7 Übergangsbestimmungen (1) Hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit der in Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie genannten Rechte gilt Artikel 13 Absätze 1, 2, 6 und 7 der Richtlinie 92/100/EWG. Artikel 13 Absätze 4 und 5 der Richtlinie 92/100/EWG gilt sinngemäß. (2) Für Verträge über die Verwertung der Werke und anderer urheberrechtlich geschützter Gegenstände, die zu dem in Artikel 14 Absatz 1 genannten Zeitpunkt bereits bestehen, gelten Artikel 1 Absatz 2 sowie die Artikel 2 und 3 ab 1. Januar 2000, sofern diese Verträge nach diesem Zeitpunkt ablaufen. (3) Sieht ein Vertrag über internationale Koproduktion, der vor dem in Artikel 14 Absatz 1 genannten Zeitpunkt zwischen einem Koproduzenten eines Mitgliedstaats und einem oder

(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß die Kabelweiterverbreitung von Rundfunksendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Staatsgebiet unter der Beachtung der anwendbaren Urheberrechte und verwandten Schutzrechte und auf der Grundlage individueller oder kollektiver Verträge zwischen den Urheberrechtsinhabern, den Leistungschutzberechtigten und den Kabelunternehmen erfolgt. (2) Unbeschadet des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten am 31. Juli 1991 bestehende oder nach einzelstaatlichem Recht ausdrücklich vorgesehene Regelungen für gesetzliche Lizenzen bis zum 31. Dezember 1997 beibehalten. Artikel 9 Ausübung des Kabelweiterverbreitungsrechts (1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß das Recht der Urheberrechtsinhaber und der Inhaber verwandter Schutzrechte, einem Kabelunternehmen die Erlaubnis zur Kabelweiterverbreitung zu erteilen oder zu verweigern, nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden kann. (2) Hat ein Rechtsinhaber die Wahrnehmung seiner Rechte keiner Verwertungsgesellschaft übertragen, so gilt die Verwertungsgesellschaft, die Rechte der gleichen Art wahrnimmt, als bevollmächtigt, seine Rechte wahrzunehmen.

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

Nimmt mehr als eine Verwertungsgesellschaft Rechte dieser Art wahr, so steht es dem Rechtsinhaber frei, unter diesen Verwertungsgesellschaften diejenige auszuwählen, die als zur Wahrung seiner Rechte bevollmächtigt gelten soll. Für einen Rechtsinhaber im Sinne dieses Absatzes ergeben sich aus der Vereinbarung zwischen dem Kabelunternehmen und der Verwertungsgesellschaft, die als bevollmächtigt zur Wahrung seiner Rechte gilt, die gleichen Rechte und Pflichten wie für Rechtsinhaber, die diese Verwertungsgesellschaft bevollmächtigt haben; er kann diese Rechte innerhalb eines von dem betreffenden Mitgliedstaat festzulegenden Zeitraums geltend machen, der, gerechnet vom Zeitpunkt der Kabelwelterverbreitung an, die sein Werk oder andere urheberrechtlich geschützte Gegenstände umfaBt, nicht kürzer als drei Jahre sein darf.

wand dagegen ist den betreffenden Parteien nach den für die Zustellung von Rechtsdokumenten geltenden Regeln zuzustellen.

(3) Ein Mitgliedstaat kann vorsehen, daB bei einem Rechtsinhaber, der die Erstsendung eines Werks oder eines anderen urheberrechtlich geschützten Gegenstands im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gestattet, davon ausgegangen wird, daB er damit einverstanden ist, seine Kabelweiterverbreitungsrechte nicht auf individueller Grundlage, sondern gemäß dieser Richtlinie auszuüben.

(2) Verfügt ein Mitgliedstaat zu dem in Artikel 14 Absatz 1 genannten Zeitpunkt über eine für sein Hoheitsgebiet zuständige Stelle, der die Fälle unterbreitet werden können, in denen das Recht der öffentlichen Weiterverbreitung eines Programms durch Kabel in diesem Mitgliedstaat ohne stichhaltigen Grund verweigert oder von einem Sendeunternehmen zu unangemessenen Bedingungen angeboten worden ist, so kann er diese Stelle beibehalten.

Artikel 10

(3) Absatz 2 gilt für eine Übergangszelt von acht Jahren, gerechnet ab dem in Artikel 14 Absatz 1 genannten Zeitpunkt.

Ausübung des Kabelweiterverbreitungsrechte durch Sendeunternehmen Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daB Artikel 9 auf die Rechte, die ein Sendeunternehmen in bezug auf seine eigenen Sendungen geltend macht, keine Anwendung findet, wobei es unerheblich ist, ob die betreffenden Rechte eigene Rechte des Unternehmens sind oder ihm durch andere Urheberrechtsinhaber und/oder Inhaber verwandter Schutzrechte übertragen worden sind.

(4) Bei der Auswahl der Vermittler ist sicherzustellen, daB diese die volle Gewähr für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bieten. Artikel 12 Verhinderung des Mißbrauchs von Verhandlungspositionen (1) Die Mitgliedstaaten sorgen durch entsprechende zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorschriften dafür, daB die Beteiligten Verhandlungen über die Erlaubnis der Kabelweiterverbreitung nach Treu und Glauben aufnehmen und diese Verhandlungen nicht ohne triftigen Grund beoder verhindern.

KAPITEL IV ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN Artikel 13 Kollektive Wahrnehmung von Rechten Die Regelung der Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften durch die Mitgliedstaaten bleibt von dieser Richtlinie unberührt.

Artikel 11 Vermittler

Artikel 14

(1) Kommt keine Vereinbarung über die Erteilung einer Erlaubnis zur Kabelweiterverbreitung einer Rundfunksendung zustande, so gewährleisten die Mitgliedstaaten, daB jeder der Beteiligten einen oder mehrere Vermittler anrufen kann.

SchluBbestimmungen

(2) Die Vermittler haben die Aufgabe, Verhandlungshilfe zu leisten. Sie können den Beteiligten auch Vorschläge unterbreiten. (3) Erhebt keine der Parteien innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung eines Vorschlags nach Absatz 2 Einwände gegen diesen Vorschlag, so gilt dieser als von den Parteien angenommen. Der Vorschlag sowie jedweder Ein-

(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie bis zum 1. Januar 1995 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Wenn die Mitgliedstaaten Vorschriften nach Unterabsatz 1 erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der innerstaatlichen Rechtsvor-

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5 . 3 2 Satelliten- und Kabel-Richtlinie Schriften mit, die sie auf dem unter dieser Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. (3) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und SozialausschuB spätestens zum 1. Januar 2000 einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie vor und unterbreitet gegebenenfalls Vorschlage zur Anpassung der Richtlinie an die Entwicklungen im Rundfunk- und Fernsehsektor.

Artikel 15 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 27. September 1993. Im Namen des Rates Der Präsident R. URBAIN

1160

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

5.38

Halbleitertopographien-Richtlinie

Richtlinie des Rates vom 16. 12. 1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen (87/54/EWG) Literatur: 1. Monographien, Sammelbände, Kommentare: Geissler, Bernhard, Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) vom 22. 10.1987 (auch englisch), Köln ua (Heymanns) 1988; Götzen, Frank, Chip-Protection - a New Form of Intellectual Property - la Protection des Circuits Intégrés, Brüssel (Claire) 1990. 2. Aufsätze und Beiträge: Cohen Jehoram, Herman, The European Commission pressured into a ,dis-harmonising' Directive on Chip Protection, E1PR 1987, 35-38; Dreier, Thomas, Die Entwicklung des Schutzes integrierter Halbleiterschaltkreise, GRUR Int 1987, 645-663; Koch, Ingwer, Rechtsschutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen - Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 1. 12. 1986, CR 1987, 77-80; Oers, Rechtsschutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen - das Halbleiterschutzgesetz vom 22. 10. 1987, NJW 1988, 2446-2451; Oers, Der Halbleiterschutz nach nationalem, internationalem und europäischem Recht, in: Lehmann, Michael (Hrsg), Rechtsschutz und Verwertung von Computerprogrammen2, Köln (Schmidt) 1993,333-356; Massaguer-Fuentes, José/Pérez-Frias, José Manuel, Aktuelle Fragen zum Rechtsschutz für mikroelektronische Halbleitererzeugnisse, CR 1988, 368-377; Straus, Joseph, Arbeitnehmererfinderrecht Grundlagen und Möglichkeiten der Rechtsangleichung, GRUR Int 1990, 353366. Vgl auch die Literatur zum Gesamtbereich geistiges Eigentum oder Urheberrecht im Gemeinschaftsrecht oben 5.30.

A. Erläuterungen 1. Überblick a) Gegenstand 1 Die Halbleitertopographien-Richtlinie regelt die Schutzrechte an Halbleitertopographien (3D-Layouts, Chips) und in diesem Rahmen auch folgende vertragsrechtlichen Fragen: Einer Regelung durch die Mitgliedstaaten wird die Frage überantwortet, wer Schutzrechtsinhaber wird, wenn die Halbleitertopographie im Rahmen eines (arbeitsrechtlichen oder freiberuflichen) Vertragsverhältnisses geschaffen wird; Übertragung und Lizenzierung werden für zulässig erklärt, das nationale Recht darf allenfalls ein Eintragungserfordernis (bei höchstens kostendeckenden Gebühren) vorsehen; geregelt ist zuletzt auch der unrechtmäßige Erwerb, der bei gutem Glauben ein Verwertungsrecht vermittelt, während der Schutzrechtsinhaber bei bösem Glauben des Erwerbers zumindest eine angemessene Vergütung verlangen kann.

5.38 Halbleitertopographien-Richtlinie b) Bedeutung,

Geschichte und

1161

Umfeld

Anlaß für den Eriaß der Halbleitertopographien-Richtlinie war der US-amerikanische „Semiconductor Chip Protection A c t " von 1 9 8 4 , der für die Zeit ab 1 9 8 7 eine Schutzrechtseinräumung an ausländische Anbieter davon abhängig macht, daß die Reziprozität verbürgt sei.1 Die Halbleitertopographien-Richtlinie diente also dazu, Unternehmen der Gemeinschaft (in der Gemeinschaft und vor allem in den USA) Schutzrechte zu erhalten und machte sich das im Urheberrecht längst überholte Reziprozitätserfordernis 2 ebenfalls zu eigen - allerdings nicht auf Dauer: Nach Überprüfung der Reziprozitätsvoraussetzungen wurde der Schutz der Richtlinie zunächst in einigen Entscheidungen auf Unternehmen anderer Staaten, ua der USA, erstreckt, ab 1. 1. 1 9 9 6 dann auf alle Mitgliedstaaten des TRIPS-Abkommens. 3 Eine ungewöhnlich zügige Verabschiedung im Gemeinschaftsgesetzgebungsverfahren war die Folge. 4 Unabhängig vom Anlaß bestand in dieser Schlüsselbranche 5 angesichts der enormen Diskrepanz zwischen Entwicklungskosten und Kopierkosten ein erheblicher Schutzbedarf 6 und wird die Regelungsinitiative grundsätzlich positiv bewertet. 7

Vgl nur: Groves / Martino / Miskin / Richards, Intellectual Property and the Internal Market, p. 131 seq; Koch, CR 1987, 77 (77); Krieger, DB 1989, 865 (868). ζ Koch, NJW 1988, 2446 (2446, 2451). 3 Vgl Entscheidung 87/532/EWG des Rates vom 26. 10. 1987 über die Ausdehnung des Rechtsschutzes der Topographien von Halbleitererzeugnissen auf Personen aus bestimmten Ländern oder Gebieten, AB1EG 1987 L 313/22; Entscheidung 88/311/EWG des Rates vom 31. 05. 1988 zur Ausdehnung des Rechtsschutzes der Topographien von Halbleitererzeugnissen auf Personen aus bestimmten Ländern oder Gebieten, AB1EG 1988 L 140/13; Entscheidung 94/824/EWG des Rates vom 22. 12. 1994 über die Ausdehnung des Rechtsschutzes der Topographien von Halbleitererzeugnissen auf Personen aus einem Mitgliedstaat der Welthandelsorganisation, AB1EG 1994 L 349/201. Vgl Auflistung und Abdruck bei Booy / Horton (Eds) E.C. Intellectual Property Materials, Ein! Fn 83 und unter 5. B-I. Zuletzt dann noch der Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Ausdehnung des Rechtsschutzes der Topographien von Halbleitererzeugnissen auf Personen aus den Vereinigten Staaten von Amerika, KOM(95) 261 endg, in dessen Begründungserwägungen auf die bevorstehende Globalausdehnung auf TRIPS-Staaten hingewiesen wird und die relevanten Übereinkommen(steile) genannt werden. 1

4 5

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Buck, EWS 1991, 329 (339); Krieger, DB 1989, 865 (868 f) (ebenso in Deutschland). An sich ist der Verbrauch an Halbleitern und damit auch ihr Umsatz in der Gemeinschaft volumenmäßig nicht sehr bedeutend. Mit etwa 16 Mrd ECU 1994 (Quelle: Eurostat, Panorama, S 14-19) machte er nur etwa 0,3 % des Bruttoinlandsprodukts der Gemeinschaft aus. Dennoch handelt es sich um eine Schlüsselbranche für alle elektronischen Maschinen, etwa Büromaschinen und Datenverarbeitungsmaschinen. Die Auswirkung der Richtlinie für die Import- und Exporttätigkeit und für die Ausdehnung des Handelsbilanzdefizits war beachtlich. Vgl die Zahlen in: Eurostat, Panorama, S 14-19. Ausgegangen wird von einem Faktor von bis zu 1 : 100*zwischen beiden Kostengrößen: vgl Dreier, GRUR Int 1987, 645 (645); Koch, CR 1987, 77 (77). Dreier, GRUR Int 1987, 645 (663); Koch, CR 1987, 77 (78).

2

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Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

c) Kompetenz und grundsätzliche "Wirkungsweise 3 Die Ausgangslage ähnelte derjenigen bei Erlaß der Computerprogramm-Richtlinie (5.30).8 Im Bereich der Halbleitererzeugnisse existierten jedoch in den Mitgliedstaaten noch kaum gesetzliche Regelungen. Die Gemeinschaft betrieb hier also eine aktive Harmonisierung, mit deren Hilfe Behinderungen durch rechtliche Diskrepanzen vor ihrem Entstehen zurückgedrängt wurden.9 Die Zulässigkeit solch eines Vorgehens auf der Grundlage von Art 100 EGV aF, auf den die Halbleitertopographien-Richtlinie gestützt wurde, bzw von Art 100a EGV nF ist gesichert.10 2. Schuldvertragsrechtlicher Inhalt a) Anwendungsbereich - das betroffene

Schutzrecht

4 Geschützt wird die Anordnung in Halbleitererzeugnissen (sogenannten Chips), sei sie nun im bloßen Muster, in einem anderen Fertigungsstadium oder in einem fertigen Exemplar verkörpert11 - dies, auch wenn die Anordnung und die ihr zugrunde liegende Idee nicht die im Patentrecht nötige Erfindungshöhe erreichen, sondern nur „nicht alltäglich" sind und sich als Ergebnis einer „eigenen geistigen Arbeit" darstellen (Art 1 f RL).12 Nicht geschützt ist, wie im Urheberrecht, die zugrunde liegende Idee (Art 8 RL). Der urheberrechtliche Schutz allein hätte jedoch nicht ausgereicht, weil beispielsweise die Umsetzung von Mustern in ein Exemplar nicht gegen das Vervielfältigungsverbot verstieße, das sich nur gegen die Vervielfältigung der konkreten Ausdrucksform richtet.13 Die nationalen Gesetzgeber entscheiden über die Ausgestaltung des Rechts als patent- oder urheberrechtlich oder als Recht sui generis.14

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Vgl daher oben 5 . 3 0 Rn 4f. Buck, EWS 1991, 3 2 9 (339); Koch, CR 1987, 7 7 (78). Dietz, GRUR Int 1 9 7 8 , 1 0 1 (108); Groeben / Thiesing / Ehlermann (-Pipkorn), Art 100a EWGV, Rn 4 3 f; Ullrich/Konrad, in: Dauses (Hrsg), Handbuch, C.III, Rn 84 (dieses Vorgehen als „echte, eigenständige Rechtspolitik der Gemeinschaft" begrüßend). Zu den durch die Richtlinie begründeten Abwehrrechten genauer: Dreier, GRUR Int 1 9 8 7 , 6 4 5 (651, 658); Koch, C R 1 9 8 7 , 7 7 (79); Massaguer-Fuentes /Pérez-Frias, C R 1988, 368 ( 3 7 3 - 3 7 6 ) . Zum geforderten Originalitätsstandard näher: Dreier, GRUR Int 1987, 645 (657 f); Koch, CR 1 9 8 7 , 7 7 (79); Massaguer-Fuentes/Pérez-Frias, C R 1 9 8 8 , 3 6 8 (372 f). Der hohe Standard des Schöpferbegriffs im deutschen Recht (vgl oben 5.30 Fn 23) wird unterschritten: Koch, NJW 1988, 2 4 4 6 (2448 f). Hierzu (und zu anderen Problemen einer Anwendung des Urheberrechts auf Halbleitererzeugnisse) Dreier, GRUR Int 1987, 645 (647); Koch, C R 1987, 7 7 (77); vgl auch die Nachw oben 5.30 Fn 46. Hierzu (insbes auch zur Bedeutung für den Schutzfristanlauf): Dreier, GRUR Int 1987, 645 (651, 6 5 7 f); Groves / Martino /Miskin / Richards, Intellectual Property and the Internal Market, p. 133 seq; Koch, C R 1987, 7 7 (78, 79 f); Massaguer-Fuentes /Pérez-Frias, C R 1988, 3 6 8 (369).

5.38 Halbleitertopographien-Richtlinie b) Regeln zur

1163

Zuordnungsfrage

Art 3 II R L regelt die Zuordnung des Schutzrechts in den Fällen, in denen das 5 Halbleitererzeugnis im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (lit. a) oder eines (freiberuflichen) Beschäftigungsvertrages oder Auftrags entwickelt wird. Hierbei schränken hinsichtlich möglicher Schutzrechtsinhaber Art 3 III und IV R L den persönlichen Anwendungsbereich im Sinne des Reziprozitätserfordernisses ein. Die Regelung, die die grundsätzliche Zuordnung an den Arbeitgeber bzw Auftraggeber zuläßt, geht im Umfang der erfaßten Fallgruppen weiter als die späteren Rechtssetzungsakte. Die Computerprogramm-Richtlinie (5.30) sollte eine entsprechende Regelung nur noch für Arbeitsverhältnisse enthalten, die Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie (5.31) und die Satelliten- und Kabel-Richtlinie (5.32) überhaupt nicht mehr. 15 Deswegen ist in der Zuordnung des Schutzrechts an Arbeitgeber und Auftraggeber in der Tat kein allgemeiner Rechtsgedanke des Gemeinschaftsrechts zu sehen. 1 6 Die einzelnen Komponenten der Regelung stimmen, wenn auch nicht wörtlich, mit denen in der ComputerprogrammRichtlinie überein; auf die Ausführungen dort kann verwiesen werden. 17 Dies gilt jedoch nicht für drei Elemente: für die bereits angesprochene Ausdehnung auch auf Auftragsverhältnisse; 18 für den Vorbehalt abweichender Vertragsvereinbarungen, der in Art 3 II lit. a R L dem Wortlaut nach Kollektivverträge nicht umfaßt; 1 9 und für die Art der Anordnung: Art 3 II R L gestattet nämlich, anders als Art 2 III Computerprogramm-Richtlinie, solch eine Zuordnung den Mitgliedstaaten nur, er schreibt sie nicht vor. Art 3 II R L präzisiert also nur, daß diese Frage nicht durch die Zuordnung des Schutzrechts an den Schöpfer präkludiert sein sollte. Ebendies sollte, falls dort keine spezifische Regelung zu finden ist, auch bei anderen urheberrechtlichen Richtlinien gelten, so daß nicht die Halbleitertopographien-Richtlinie in dieser Frage die Sonderregelung darstellt. Diese findet sich vielmehr in den Richtlinien, die, wie die Computerprogramm- (5.30), die Vermiet- und Verleihrecht- (5.31) und die Satelliten- und Kabel-Richtlinie (5.32) selbst Vermutungsregeln in der Zuordnungsfrage aufstellen und, wie im Fall der beiden letztgenannten, diese gar noch durch gegenläufige Vergütungsregeln abrunden. 2 0

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Zu Anregungen, auch in diese eine entspr Regelung aufzunehmen: ν Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 49 (51); Straus, GRUR Int 1990, 353 (365 f). ν Lewinski, in: Schricker / Bastian / Dietz (Hrsg), Konturen, 49 (50 f). Zu den allgemeineren, politisch zur Zeit kaum durchsetzbaren Harmonisierungsbemühungen zum Fragenkreis Arbeitnehmererfindung: Straus, GRUR Int 1990, 353. Vgl oben 5.30 Rn 9-11 (weitgehend mit Zitaten auch für die HalbleitertopographienRichtlinie). Die praktische Bedeutung dieser Ausdehnung wird teils für gering gehalten: Dreier, GRUR Int 1987, 645 (657). Diesen Wortlaut zu Recht mißachtend: Dreier, GRUR Int 1987, 645 (645). Vgl im einzelnen oben 5.30-5.32, jeweils unter 2 b.

1164

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

c) Regeln zur Übertragung und Nutzungsüberlassung 6

Art 4 III, I V R L regelt die „Übertragung von Rechten" an geschützten Topographien und geht damit von der Zulässigkeit solch einer Übertragung aus. Eine Lizenzierung oder Übertragung der Schutzrechte darf der nationale Gesetzgeber demnach nicht ausschließen. Er darf sie, wie sich aus Art 4 IV R L ergibt, nicht einmal erheblich erschweren, geschweige denn durch Anforderungen im Verwaltungsverfahren illusorisch machen. 2 1 Demgegenüber überläßt es der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten (auch) an dieser Stelle, ob sie das Schutzrecht eher in der Nähe des Patentrechts oder des Urheberrechts ansiedeln wollen, ob sie die Eintragung des Schutzrechts überhaupt vorsehen und ob sie ihr konstitutive Wirkung einräumen oder nicht. Anders als in der Computerprogramm-Richtlinie ist die Dekomposition des Chips, das sogenannte Reverse Engineering, auch zugelassen, wenn es der Herstellung eines eigenständigen (Konkurrenz-)Chips dient (vgl im einzelnen Art 5 IV RL); 2 2 ebenfalls anders als in der Computerprogramm-Richtlinie ist dieses Recht nicht einmal als eines ausgestaltet, das allein der Vertragspartner des Schutzrechtsinhabers (also der vertraglich Berechtigte) hat.

d) Regeln zum Erwerb (gutgläubiger) Dritter 7

Art 5 VI und V I I R L regeln den Konflikt zwischen Schutzrechtsinhaber und Drittem, der angesichts des Einbaus von Chips häufig deren Herkunft nur bei Ergreifen ungewöhnlicher Maßnahmen feststellen kann. 2 3 Art 5 V I 1. UA R L sieht ein Verwertungsrecht des nichtberechtigten, 2 4 jedoch gutgläubigen Dritten vor. Nicht schon die fehlende Kenntnis begründet Gutgläubigkeit, sondern erst das Fehlen eines „hinreichenden Grundes" für die Annahme, daß ein Schutzrecht besteht und verletzt wird. O b mit dieser Formulierung die Beweislast geregelt ist, 2 5 ist fraglich. Jedenfalls dürfte der Begriff des hinreichenden Grundes autonom auszulegen sein, wobei jedoch grundsätzlich ähnliche Überlegungen wie im Rahmen des § 9 3 2 II B G B den Ausschlag geben werden. Entscheidend wird es auf die vom Verkehr angenommene Erforderlichkeit einer Nachforschung im konkreten Fall ankommen. 2 6

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So in anderem Zusammenhang: EuGH 31. 1.1984 - Rs 286/82 und 26/83 (Luisi & Carbone) Slg 1984, 377 (406 f); EuGH 24. 6. 1986 - Rs 157/85 [Brugnoni / Ruffinengo), Slg 1986, 2013 (2030 f). Vgl im einzelnen Dreier, GRUR Int 1987, 645 (658 f); Koch, CR 1987, 77 (79); Massaguer-Fuentes / Pérez-Frias, CR 1988, 368 (375 f). Dreier, GRUR Int 1987, 645 (660); Massaguer-Fuentes/Pérez-Frias, CR 1988, 368 (376 f). Nur diese Fälle sind geregelt: Dreier, GRUR Int 1987, 645 (659 f); Massaguer-Fuentes / Pérez-Frias, CR 1988, 368 (377). Legte man Formulierungsstandards des BGB zugrunde, träfe die Beweislast für fehlende Bösgläubigkeit den Dritten. Diesbezüglich weisen Dreier, GRUR Int 1987, 645 (660) und Massaguer-Fuentes / PérezFrias, CR 1988, 368 (377) auf die Existenz der Schutzrechtsrollen und auf unterschiedliche Sorgfaltspflichten auf verschiedenen Handelsstufen hin.

5.38 Halbleitertopographien-Richtlinie

1165

Unklar ist die Rechtsfolge der in Art 5 VI 2. UA RL geregelten Bösgläubigkeit. 8 Klar ist zunächst, daß die prozedurale Regelung nicht allein steht, sondern eine dementsprechende materielle voraussetzt. 27 Die Mitgliedstaaten müssen also einen Anspruch auf „angemessene Vergütung" vorsehen und zusätzlich ein für seine Durchsetzung geeignetes Gerichtsverfahren zur Verfügung stellen. Zweiteres ergäbe sich ohnehin aus den primärrechtlichen Anforderungen, denen der EuGH die Sanktionen des nationalen Rechts unterwirft, die Verstöße gegen harmonisierte Regeln ahnden. 28 Fraglich ist jedoch angesichts des Verweises auf nationales Recht, ob der Begriff der Angemessenheit autonom und einheitlich auszulegen ist. Befürwortet wird die Orientierung an den sonst geschuldeten Lizenzgebühren. 29 Bei bösem Glauben des Erwerbers muß der Schutzrechtsinhaber jedoch wahlweise wohl auch die Verwertung untersagen können. 3 0 Ebenfalls unklar ist, ob die Rechtsfolgen der Bösgläubigkeit, wie der Wortlaut es suggeriert, auch eintreten, wenn der Dritte erst nach Erwerb der Halbleitererzeugnisse bösgläubig wird. 31 Dann wird der vom Dritten gezahlte Preis jedenfalls bei der Angemessenheit der Vergütung zu berücksichtigen sein, wie dies etwa in Japan und den USA schon der Fall ist. 32 3. Umsetzung Umgesetzt wurde die Halbleitertopographien-Richtlinie in einem eigenen Ge- 9 setz, dem sogenannten Halbleiterschutzgesetz (HLSchG). Die Gründe, die für eine Sonderregelung auch bei der Umsetzung der Computerprogramm-Richtlinie sprachen, 33 trafen hier noch verstärkt zu, da das Schutzrecht in einigen Punkten dem Patentrecht näher steht als dem Urheberrecht und letztlich eine Registrierungslösung gewählt wurde. 34 Von der in Art 3 II RL eröffneten Möglichkeit einer Zuordnung des Schutzrechts an Arbeit- bzw Auftraggeber wurde in § 2 II HLSchG Gebrauch gemacht, wobei die Regelung zu Recht parteidispositiv ist. Das Recht steht auch dem jeweiligen Rechtsnachfolger zu (§ 2 V HLSchG) und ist damit übertragbar gestellt. Zudem fallen für die nötige Eintragung nur kostendeckende Gebühren an (§ 3 V 1 HLSchG iVm Anlage zu § 1 des Gesetzes über die Gebühren des Patentamtes und des Patentgerichtes). Nach § 6 III HLSchG ist der gutgläubige Erwerb des Weiterverwertungsrechts möglich. Voraussetzung ist das Fehlen von positiver Kenntnis bzw grobfahrlässiger Unkenntnis der Existenz einer geschützten Topographie in einem Halbleitererzeugnis. Nach der Umsetzungsnorm führt später eingetretene Kenntnis bzw Kennen-

Massaguer-Fuentes / Pérez-Frías, C R 1988, 368 (377). Vgl oben 1. Teil Rn 179-181. 2» Dreier, GRUR Int 1987, 645 (660). 3 0 AA Dreier, GRUR Int 1987, 645 (660). 31 Dafür wohl Dreier, GRUR Int 1987, 645 (659 f); Massaguer-Fuentes / Pérez-Frias, CR 1988, 3 6 8 (377). 3 2 Vgl Dreier, GRUR Int 1987, 6 4 5 (660). 3 3 Oben 5 . 3 0 Rn 18. 3 4 Im einzelnen Koch, NJW 1988, 2 4 4 6 (2449 f). 27

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1166

Zweiseitige Unternehmensgeschäfte

müssen vom Schutzrecht zu einem Entschädigungsanspruch des Schutzrechtsinhabers. Aus dem Normzusammenhang mit § 9 HLSchG (Schutzrechtsverletzung) ergibt sich, daß bei Vorliegen des § 6 III HLSchG eine Inanspruchnahme auf Unterlassung, Beseitigung oder Schadensersatz ausscheidet.

B. Fundstellenverzeichnis 10 Grundlage: Art 100 EGV Betr: Schutz sui generis von Halbleitertopographien (Chips), Möglichkeit einer Zuordnung des Schutzrechts an den Arbeit- oder Auftraggeber, Übertragbarkeit des Schutzrechts, Einschränkungen seiner Wirkung bei reverse engineering und gutgläubigem Erwerb Dritter vom Nichtberechtigten Fundstellen: - verabschiedete Fassung AB1EG 1987 L 24/36 - Vorschlag vom 23. 12. 1985 AB1EG 1985 C 360/14 / KOM(85) 775 endg Stellungnahmen: - zum Vorschlag EP: AB1EG 1986 C 255/246 WSA: AB1EG 1986 C 189/5 Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) vom 22. 10. 1987 Fundstelle: BGBl 1987 I, S 2294

Richtlinie des Rates vom 16. Dezember 1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen (87/54/EWG)

DER RAT DER EUROPAISCHEN GEMEINSCHAFTEN gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100, auf Vorschlag der Kommission«), nach Stellungnahme des Europäischen Parlamentsi2), nach Stellungnahme des Wirtschafts- und SozialausschussesO), in Erwägung nachstehender Gründe: Halbleitererzeugnisse sind in einer Vielzahl von Industriezweigen von wachsender Bedeutung. Die Halbleitertechnologie kann deshalb als von grundsätzlicher Bedeutung für die industrielle Entwicklung der Gemeinschaft angesehen werden. Die Funktionen von Halbleitererzeugnissen hängen weltgehend von den Topographien von solchen Erzeugnissen ab. Für die Entwicklung dieser Topographien müssen umfangreiche menschliche, technische und finanzielle Ressourcen eingesetzt werden. Topographien von solchen Erzeugnissen lassen sich mit einem Bruchteil der Kosten kopieren, die für ihre eigenständige Entwicklung notwendig sind. Topographien von Halbleitererzeugnissen sind gegenwärtig nicht in allen Mitgliedstaaten eindeutig durch bestehende Gesetze geschützt, und wo ein solcher Schutz besteht, ist er unterschiedlich ausgestaltet. Bestimmte Unterschiede des durch die Gesetze der Mitgliedstaaten gebotenen Rechtsschutzes für Halbleitererzeugnisse wirken sich bei diesen Erzeugnissen unmittelbar nachteilig auf das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes aus; diese Unterschiede dürften noch zunehmen, wenn die Mitgliedstaaten neue Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet erlassen. Bestehende Unterschiede mit derartigen Wirkungen müssen behoben, und neue UnterI«

ABl. Nr. C 3 6 0 vom 31. 12. 1985, S. 14.

m

ABI. Nr. C 2 5 5 vom 13. 10. 1986, S. 249.

«I

ABI. Nr. C 189 vom 28. 7. 1986, S. 5.

schiede mit negativen Folgen für den Gemeinsamen Markt müssen verhindert werden. Hinsichtlich einer Ausdehnung des Schutzes auf außerhalb der Gemeinschaft ansässige Personen sollte es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben, von sich aus tätig zu werden, sofern innerhalb einer bestimmten Frist von seifen der Gemeinschaft keine Beschlüsse ergangen sind. Der rechtliche Rahmen der Gemeinschaft für den Schutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen kann zunächst auf einige Grundsätze beschränkt werden, indem Vorschriften darüber erlassen werden, wer und was geschützt werden soll, welche ausschließlichen Rechte die geschützten Personen haben, um bestimmten Handlungen oder Ausnahmen von diesen Rechten zuzustimmen oder sie zu verbieten, und welche Schutzdauer vorzusehen ist. Über sonstige Angelegenheiten kann zunächst nach innerstaatlichem Recht entschieden werden, insbesondere, ob die Eintragung oder Hinterlegung eine Voraussetzung für den Schutz ist und - vorbehaltlich des Ausschlusses von Lizenzen, die lediglich wegen Fristablaufs erteilt werden - ob und unter welchen Bedingungen Zwangslizenzen für geschützte Topographien erteilt werden können. Der Schutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen gemäß dieser Richtlinie soll die Anwendung anderer Formen von Schutz unberührt lassen. Weitere Maßnahmen betreffend den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen in der Gemeinschaft können erforderlichenfalls später in Betracht gezogen werden, während die Anwendung gemeinsamer Grundsätze in allen Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie eine dringende Notwendigkeit darstellt HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

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Zweiseitige Untemehmensgeschäfte KAPITEL I

KAPITEL 2

Begriffsbestimmungen

Schutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen

Artikel 1 (1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet a) „Halbleitererzeugnis" die endgültige Form oder die Zwischenform eines Erzeugnisses, i) das aus einem Materialteil besteht, der eine Schicht aus halbleitendem Material enthält, und ii) mit einer oder mehreren Schichten aus leitendem, isolierendem oder halbleitendem Material versehen ist, wobei die Schichten nach einem vorab festgelegten dreidimensionalen Muster angeordnet sind, und iii) das ausschließlich oder neben anderen Funktionen eine elektronische Funktion übernehmen soll; b) „Topographie" eines Halbleitererzeugnisses eine Reihe in Verbindung stehender Bilder, unabhängig von der Art ihrer Fixierung oder Kodierung, i) die ein festgelegtes dreidimensionales Muster der Schichten darstellen, aus denen ein Halbleitererzeugnis besteht, und

Artikel 2 (1) Die Mitgliedstaaten schützen die Topographien von Halbleitererzeugnissen durch den ErlaB von Rechtsvorschriften, in denen ausschließliche Rechte gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie gewährt werden. (2) Die Topographie eines Halbleitererzeugnisses wird unter der Voraussetzung geschützt, daß sie das Ergebnis der eigenen geistigen Arbeit ihres Schöpfers und in der Halbleiterindustrie nicht alltäglich ist. Besteht die Topographie eines Halbleitererzeugnisses aus Komponenten, die in der Halbleiterindustrie alltäglich sind, so wird sie nur insoweit geschützt, als die Kombination dieser Komponenten in ihrer Gesamtheit die vorstehend genannte Voraussetzung erfüllt. Artikel 3 (1) Der Anspruch auf Schutz gilt vorbehaltlich der Absätze 2 bis 5 für Personen, die die Schöpfer der Topographien von Halbleitererzeugnissen sind. (2) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daB

ii) wobei die Bilder so miteinander in Verbindung stehen, daß jedes Bild das Muster oder einen Teil des Musters einer Oberfläche des Halbleitererzeugnisses in einem beliebigen Fertigungsstadium aufweist;

a) bei Topographien, die von ihrem Schöpfer im Rahmen eines Arbeitnehmerverhältnisses entwickelt worden sind, der Schutzanspruch für den Arbeitgeber des Schöpfers gilt, es sei denn, daß in dem Beschäftigungsvertrag etwas anderes vorgesehen ist;

c) „Geschäftliche Verwertung" den Verkauf, die Vermietung, das Leasing oder irgendeine andere Form des gewerblichen Vertriebs oder ein Angebot für diese Zwecke. Im Sinne von Artikel 3 Absatz 4, Artikel 4 Absatz 1, Artikel 7 Absätze 1, 3 und 4 beinhaltet der Begriff „geschäftliche Verwertung" jedoch nicht eine Verwertung unter solchen Voraussetzungen der Vertraulichkeit, daB keine Verteilung an Dritte erfolgt, mit Ausnahme des Falls, in dem die Verwertung einer Topographie unter Voraussetzungen der Vertraulichkeit erfolgt, welche aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 223 Absatz 1 Buchstabe b) des Vertrages erforderlich sind.

b) bei Topographien, die aufgrund eines anderen Vertrages als eines Beschäftigungsvertrags entwickelt worden sind, der Schutzanspruch für eine Vertragspartei gilt, von der die Topographie in Auftrag gegeben wurde, es sei denn, daß in dem Vertrag etwas anderes vorgesehen ist.

(2) Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission Absatz 1 Buchstabe a) Ziffern i) und ii) zur Anpassung an die technische Entwicklung ändern.

(3) a) Ihn Rahmen von Absatz 1 gilt der Schutzanspruch für natürliche Personen, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind oder die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet eines Mitgliedstaates haben. b) Erlassen die Mitgliedstaaten Bestimmungen nach Absatz 2, so gilt der Schutzanspruch für i) natürliche Personen, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind oder die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Gebiet eines Mitgliedstaates haben; ii) Gesellschaften oder andere juristische Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende ge-

5.38 Halbleitertopographien-Richtlinie werbliche Niederlassung oder Handelsniederlassung haben. (4) Soweit ein Schutzanspruch gemäß anderen Bestimmungen dieses Artikels nicht besteht, gilt der Schutzanspruch auch für die in Absatz 3 Buchstabe b) Ziffern i) und Ii) genannten Personen, die a) eine Topographie, die nicht bereits an einem anderen Ort der Welt geschäftlich verwertet worden ist, zuerst in einem Mitgliedstaat geschäftlich verwertet haben und b) vom Verfügungsberechtigten die ausschließliche Zustimmung erhalten haben, die Topographie innerhalb der gesamten Gemeinschaft geschäftlich zu verwerten. (5) Der Schutzanspruch gilt auch für die Rechtsnachfolger der in den Absätzen 1 bis 4 genannten Personen. (6) Vorbehaltlich des Absatzes 7 können die Mitgliedstaaten Abkommen oder Vereinbarungen mit Drittstaaten und multilaterale Übereinkommen über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen aushandeln und schließen, sofern die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, insbesondere die Vorschriften dieser Richtlinie, eingehalten werden. (7) Die Mitgliedstaaten können mit Drittstaaten Verhandlungen mit dem Ziel aufnehmen, den Schutzanspruch auf Personen auszudehnen, die nach dieser Richtlinie keinen Schutzanspruch haben. Die Mitgliedstaaten, die solche Verhandlungen aufnehmen, unterrichten hiervon die Kommission. Beabsichtigt ein Mitgliedstaat, den Schutz auf Personen auszudehnen, die ansonsten keinen Schutzanspruch aufgrund dieser Richtlinie haben, oder mit einem Drittstaat ein Abkommen oder eine Vereinbarung über die Ausdehnung des Schutzes zu schließen, so teilt er dies der Kommission mit. Die Kommission unterrichtet hiervon die übrigen Mitgliedstaaten. Der Mitgliedstaat setzt die Entscheidung über die Ausdehnung des Schutzes oder den Abschluß des Abkommens oder der Vereinbarung für mindestens einen Monat ab dem Zeitpunkt der Mitteilung an die Kommission aus. Gibt die Kommission jedoch innerhalb dieses Zeitraums dem Mitgliedstaat bekannt, daß sie beabsichtigt, dem Rat einen Vorschlag vorzulegen, demzufolge alle Mitgliedstaaten den Schutz zugunsten der betreffenden Personen oder des betreffenden Nichtmitgliedstaates ausdehnen, so setzt der Mitgliedstaat die Entscheidung über die Ausdehnung des Schutzes oder den Abschluß des Abkommens oder der Vereinbarung für zwei Monate ab dem Zeitpunkt seiner Mitteilung aus. Legt die Kommission vor Ablauf dieser ZweiMonats-Frist dem Rat einen derartigen Vorschlag vor, so setzt der Mitgliedstaat die Ent-

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scheidung über die Ausdehnung des Schutzes oder den Abschluß des Abkommens oder der Vereinbarung für einen Zeitraum von weiteren vier Monaten, gerechnet von der Vorlage des Vorschlags an, aus. Erfolgt innerhalb der vorstehend genannten Fristen keine Bekanntgabe oder ergeht kein Vorschlag der Kommission oder kein Beschluß des Rates, so kann der Mitgliedstaat den Schutz ausdehnen oder das Abkommen oder die Vereinbarung schließen. Über einen Vorschlag der Kommission zur Ausdehnung des Schutzes beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit, und zwar unabhängig davon, ob der Vorschlag im AnschluB an die Mitteilung eines Mitgliedstaates nach den vorstehenden Unterabsätzen vorgelegt wurde. Ein vom Rat auf Vorschlag der Kommission gefaßter Beschluß hindert einen Mitgliedstaat nicht, den Schutz über die in allen Mitgliedstaaten Schutz genießenden Personen hinaus auch auf solche Personen auszudehnen, die gemäß seiner Mitteilung unter die beabsichtigte Ausdehnung, das beabsichtigte Abkommen oder die beabsichtigte Vereinbarung fallen sollten, sofern der Rat mit qualifizierter Mehrheit nichts anderes beschlossen hat. (8) Vorschläge der Kommission und Beschlüsse des Rates nach Absatz 7 werden zur Unterrichtung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Artikel 4 (1) Die Mitgliedstaaten können bestimmen, daß die ausschließlichen Rechte nach Artikel 2 nicht entstehen oder für die Topographie eines Halbleitererzeugnisses nicht fortbestehen, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach der ersten geschäftlichen Venwertung der Topographie bei einer Behörde ein ordnungsgemäßer Antrag auf Eintragung gestellt wurde. Neben dieser Eintragung können die Mitgliedstaaten vorschreiben, daß Material zur Bezeichnung oder zur Veranschaulichung der Topographie oder eine Kombination davon bei einer Behörde hinterlegt wird, und zwar zusammen mit einer Erklärung über den Zeitpunkt der ersten geschäftlichen Verwertung der Topographie, sofern dieser vor dem Zeitpunkt der Antragstellung liegt. (2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß das nach Absatz 1 hinterlegte Material, soweit es sich um ein Geschäftsgeheimnis handelt, nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Diese Bestimmung steht nicht einer Offenlegung dieses Materials auf Anordnung eines Gerichts oder einer anderen zuständigen Stelle an Personen entgegen, die an einem Rechtsstreit über die Rechtsgültigkeit oder die Verletzung der ausschließlichen Rechte nach Artikel 2 beteiligt sind.

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Zweiseitige Untemehmensgeschäfte

(3) Die Mitgliedstaaten können vorschreiben, daß die Übertragung von Rechten an geschützten Topographien eingetragen werden muß. (4) Die Mitgliedstaaten können für die Eintragung und Hinterlegung gemäß den Absätzen 1 und 3 die Zahlung von Gebühren vorsehen, die ihre Verwaltungskosten nicht überschreiten dürfen. (5) Bedingungen, die die Erfüllung zusätzlicher Formalitäten für die Erlangung oder Aufrechterhaltung des Schutzes vorschreiben, sind nicht zulässig. (6) Die Mitgliedstaaten, die die Eintragung verlangen, sehen Rechtsbehelfe für Personen vor, die Rechtsschutz nach dieser Richtlinie genießen, wenn sie nachweisen können, daß eine andere Person die Eintragung einer Topographie ohne ihre Zustimmung beantragt oder erwirkt hat. Artikel 5

(1) Die in Artikel 2 genannten ausschließlichen Rechte umfassen das Recht, den folgenden Handlungen zuzustimmen oder sie zu verbieten: a) die Nachbildung einer Topographie, soweit sie nach Artikel 2 Absatz 2 geschützt ist; b) die geschäftliche Verwertung und die für diesen Zweck erfolgende Einfuhr einer Topographie oder eines Halbleitererzeugnisses, das unter Verwendung dieser Topographie hergestellt wurde. (2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat die Nachbildung einer Topographie im privaten Bereich für nichtgeschäftliche Zwecke zulassen. (3) Die in Absatz 1 Buchstabe a) genannten ausschließlichen Rechte erstrecken sich nicht auf die zum Zweck der Analyse, der Bewertung oder zu Ausbildungszwecken erfolgende Nachbildung der in der Topographie erhaltenen Konzepte, Verfahren, Systeme oder Techniken oder der Topographie selbst. (4) Die in Absatz 1 genannten ausschließlichen Rechte erstrecken sich nicht auf solche Handlungen in bezug auf eine Topographie, die die Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 2 erfüllt und die aufgrund einer Analyse und Bewertung einer anderen Topographie entsprechend Absatz 3 geschaffen wurde. (5) Das ausschließliche Recht zur Zustimmung oder zum Verbot der in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Handlungen erstreckt sich nicht auf Handlungen, welche vorgenommen werden, wenn die Topographie oder das Halbleitererzeugnis bereits von der zur Erteilung der Zustimmung für das Inverkehrbringen berechtigten Person selber oder mit ihrer Zustimmung in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht worden ist.

(6) Wer beim Kauf eines Halbleitererzeugnisses nicht gewußt hat oder keinen hinreichenden Grund zu der Annahme gehabt hat daß das Erzeugnis durch ein von einem Mitgliedstaat gemäß dieser Richtlinie gewährtes ausschließliches Recht geschützt ist, wird nicht daran gehindert, das Erzeugnis geschäftlich zu verwerten. Für Handlungen, die vorgenommen wurden, nachdem der Betreffende gewußt hat oder hinreichenden Grund zu der Annahme gehabt hat, daß das Halbleitererzeugnis in dieser Weise geschützt ist, stellen die Mitgliedstaaten jedoch sicher, daß ein Gericht auf Antrag des Rechtsinhabers nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts die Zahlung einer angemessenen Vergütung festsetzen kann. (7) Absatz 6 gilt für die Rechtsnachfolger der in Satz 1 dieses Absatzes genannten Person. Artikel 6

Die Mitgliedstaaten machen die in Artikel 2 genannten ausschließlichen Rechte nicht von Lizenzen abhängig, die lediglich wegen Fristablaufs automatisch kraft Gesetzes erteilt werden. Artikel 7

(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, daß die in Artikel 2 genannten ausschließlichen Rechte zu einem der nachstehend genannten Zeitpunkte entstehen: a) sofern die Eintragung Voraussetzung für die Entstehung der ausschließlichen Rechte gemäß Artikel 4 ist, am frühesten der folgenden Zeitpunkte: i) dem Tag der erstmaligen geschäftlichen Verwertung an einem beliebigen Ort der Welt; ii) dem Tag, an dem die Eintragung ordnungsgemäß beantragt wurde; b) dem Tag der erstmaligen geschäftlichen Verwertung an einem beliebigen Ort der Welt; c) dem Tag der erstmaligen Fixierung oder Kodierung der Topographie. (2) Beginnen die ausschließlichen Rechte nach Maßgabe des Absatzes 1 Buchstabe a) oder b), so sehen die Mitgliedstaaten für den Zeitraum vor ihrer Entstehung Rechtsbehelfe für Personen vor, die Rechtsschutz nach dieser Richtlinie genießen, wenn sie nachweisen können, daß eine andere Person eine Topographie arglistig nachgebildet oder geschäftlich verwertet oder zu diesem Zweck eingeführt hat. Dieser Absatz gilt unbeschadet der Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der gemäß Artikel 2 gewährten ausschließlichen Rechte. (3) Die ausschließlichen Rechte enden zehn Jahre nach dem letzten Tag des Kalenderjahres,

5.38 Halbleitertopographien-Richtlinie in dem die Topographie erstmals an einem beliebigen Ort der Welt geschäftlich verwertet wurde oder, sofern die Entstehung oder der Fortbestand der ausschlieBlichen Rechte von einer Eintragung abhängig ist, zehn Jahre nach dem frühesten der folgenden Zeitpunkte: a) dem letzten Tag des Kalenderjahres, in dem die Topographie erstmals an einem beliebigen Ort der Welt geschäftlich verwertet wurde, oder b) dem letzten Tag des Kalenderjahres, in dem die Eintragung ordnungsgemäß beantragt wurde. (4) Ist eine Topographie innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Fixierung oder Kodierung nicht an einem beliebigen Ort der Welt geschäftlich verwertet worden, so erlöschen alle nach Absatz 1 bestehenden ausschlieBlichen Rechte, und es können keine solchen Rechte mehr entstehen, es sei denn, die Eintragung ist in den Mitgliedstaaten, in denen sie Bedingung für die Entstehung oder den Fortbestand ausschlieBlicher Rechte ist, innerhalb dieses Zeitraums ordnungsgemäß beantragt worden.

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a) der Rechte, die von den Mitgliedstaaten in Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus internationalen Vereinbarungen gewahrt werden, einschließlich der Rechtsvorschriften, die derartige Rechte auf Staatsangehörige oder Gebietsansässige des betreffenden Mitgliedstaats ausdehnen, b) der in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften zur Regelung des Urheberrechts, durch welche die mittels zweidimensionalem Kopieren erfolgende Nachbildung von Zeichnungen oder sonstigen künstlerischen Darstellungen von Topographien eingeschränkt wird. (3) Der aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften gewährte Schutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen, die vor Inkrafttreten der innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie, spätestens jedoch zu dem in Artikel 11 Absatz 1 genannten Zeitpunkt fixiert oder kodiert wurden, wird von dieser Richtlinie nicht berührt. KAPITEL 4 Schlußbestimmungen

Artikel 8 Der Schutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen nach Artikel 2 gilt nicht für die in der Topographie enthaltenen Konzepte, Verfahren, Systeme, Techniken oder kodierten Informationen, sondern nur für die Topographie als solche. Artikel 9 Sehen die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vor, daB die unter Verwendung geschützter Topographien hergestellten Halbleitererzeugnisse eine besondere Kennzeichnung tragen können, so ist der Buchstabe Τ in einer der folgenden Formen zu verwenden: T, „T", [Τ], φ , Τ* oder [Τ].

Artikel 11 (1) Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie bis spätestens 7. November 1987 nachzukommen. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen. Artikel 12 Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet. Geschehen zu Brüssel am 16. Dezember 1986.

KAPITEL 3

Im Namen des Rates

Fortgeltung anderer Rechtsvorschriften

Der Präsident

Artikel 10 (1) Diese Richtlinie läBt die Rechtsvorschriften über das Patent- und Gebrauchsmusterrecht unberührt. (2) Diese Richtlinie gilt unbeschadet

G. HOWE

Hinweise zur Umsetzung in den anderen Mitgliedstaaten siehe http: www.ecohal.uni-halle.de Konkordanz: EG-Vertrag - Amsterdamer Vertrag (nur die zitierten Artikel) EGV

Amsterdamer Vertrag

Art 106

Art 107

Art 3

Art 3

Art 110

Art 131

Art 3b

Art 5

Art 113

Art 133

Art 5

Art 10

Art 117-119

Art 1 3 6 - 1 3 8 , 141*

Art 6

Art 12

Art 126-130S

Art 1 4 9 - 1 7 5

Art 7a

Art 14

Art 129

Art 152

Art 8a

Art 18

Art 129a

Art 153

Art 3 0

Art 2 8

Art 129b

Art 154

Art 33

aufgehoben

Art 130d

Art 161

Art 3 4

Art 2 9

Art 137

Art 189

Art 3 6

Art 3 0

Art 138

Art 190

Art 3 7

Art 31

Art 155

Art 211

Art 4 8

Art 3 9

Art 169

Art 2 2 6

Art 4 9

Art 4 0

Art 173

Art 2 3 0

Art 5 0

Art 41

Art 177

Art 2 3 4

An 52

Art 43

Art 189

Art 2 4 9

Art 5 4

Art 4 4

Art 189a

Art 2 5 0

Art 56

Art 4 6

Art 189b

Art 2513

Art 5 7

Art 4 7

Art 189c

Art 2 5 2

Art 5 9

Art 4 9

Art 215

Art 2 8 8

Art 61

An 51

Art 66

Art 2 9 3 Art 3 0 0

Art 73

Art 5 5 aufgehoben

Art 2 2 0 Art 2 2 8 Art 2 3 5

Art 3 0 8

Art 73b

Art 5 6

Art 73d

Art 58

Art 74

Art 7 0

Art 75

Art 71

Art 85

Art 81

Art 86

Art 82

Art 87

Art 83

Art 9 0

Art 86

Art 100

Art 94

Art 100a

Art 9 5 ·

Art 100b

aufgehoben

Art 105

Art 105

Kommissionsbestätigungsvorbehalt und -prozedur des Art 100a IV E G V erheblich ausgebaut.

Mit Einführung einer umfassenden Kompetenz (Art 137), allerdings bei grundsätzlicher Geltung des Einstimmigkeitsgrundsatzes (Absatz 3) und bei Ausnahme von Arbeitsentgelt und Koalitionsrecht (mit Streik und Aussperrung; Absatz 6). Umstellungen und Verweis auf die Charta der sozialen Grundrechte (Art 136). Vgl im einzelnen § 6 Einl Rn 2 7 und 30. Mit im vorliegenden Zusammenhang irrelevanten geringen Modifikationen.

Stichwortverzeichnis (Einfache Zahlen verweisen auf Rn des 1. Teils, Inhalte der Kommentierungen der einzelnen Rechtsakte sind unter deren Titel nachgewiesen, soweit sie nicht ausnahmsweise zu allgemeinen Fragen über das im Grundlagenteil Gesagte hinausgehende Bedeutung haben)

Abschlußbezogenes und inhaltsgestaltendes Recht § 5 Einl 9-11 AGB- oder Klausel-Richtlinie 37, 43,79 f, 97,98,99,102 f, 106,113,135,201,213, § 5 Einl 4, 9, 12, 2.10 - Anwendungsbereich(e) 2.10 16-20, 36-39 - Bedeutung 2.10 2, 16 - Fundstellen 2.10 51 - Geschichte 2.10 3-6 - Inhaltskontrolle 2.10 21-27 - Inhaltskontrolle zu Hauptleistungen 2.10 28-31 - Inhaltskontrolle von nationalen Rechten 2.10 11-15 - Kompetenz zum Erlaß 2.10 8 - kundenfreundliche Auslegung 181, 2.10 35 - Kurzbeschreibung 2.10 1 - Moderne Vertragstypen (Innominatverträge) 2.10 15 - Regelungslücken 2.10 41-43 - Transparenzgebot 2.10 32-35 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 2.10 7 - Umsetzung 2.10 44-50 - Verbandsklage 2.10 40 - Versicherungsverträge 2.10 28-31 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 2.10 9 f Allgemeine Rechtsgrundsätze 80, 100, 179, 181-198 - Auslegung (rechtsvergleichend) 73, 87, 96, 140, 143, 192, 193, 195 f, 2.10 22, 26 - Grundrechtskatalog 182-186, § 6 Einl 30 - Lando-Kommission 48 - Lückenfüllung 80 - Rechtsquelle (eigenständig) 187-198

- Schrankenwirkung 186, 188, 191, 193, 194, 195 f - wertende Rechtsvergleichung 96,140, 143, 184, 186, 187 f, 191 Amsterdamer Vertrag 129,213, § 6 Einl 27, 30, Konkordanz Arbeitnehmerentsende-Richtlinie 12, 83 f, 86, 202, 213, § 6 Einl 13, 15, 24, 36, 3.60 - Anwendungsbereich(e) 3.60 19 - Bedeutung 3.60 2-10 - Fundstellen 3.60 33 - Gastlandrecht, zwingende Anwendung 3.60 20-26 - Geschichte 3.60 2 f, 29 - Kompetenz zum Erlaß 3.60 13-17 - Kurzbeschreibung 3.60 1 - Primärrechtskonformität (vgl auch Komptenz) 3.60 3 f, 7-10, 12 - Regelungslücken 3.60 28 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 3.60 11 f - Umsetzung 3.60 29-32 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.60 18, 20-26 - Zuständigkeit 3.60 27 Arbeitnehmerfreizügigkeits-Verordnung 12, 83 f, 86, 106, 202, 212, § 6 Einl 2, 3, 5, 8, 15, 32, 35, 37, 44, 3.01 - Anerkennung von Attesten 3.01 18 f - Anwendungsbereich(e) 3.01 6-10 - Bedeutung 3.01 2 - Diskriminierungsverbot 3.01 13-19 - Fundstellen 3.01 21 - Geschichte 3.01 2 f - Kompetenz zum Erlaß 3.01 5 - Kurzbeschreibung 3.01 1 - Regelungslücken 3.01 20 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 3.01 3 f

1174

Stichwortverzeichnis

- Vertragsabschlußkapazität 3.01 11 f - Wirkung im nationalen Recht 3.01 5 Arbeits- und Gesundheitsschutz 23, § 6 Einl 13, 16-21, 4 7 - 5 5 , 59 Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 12, 83 f, 8 6 , 2 0 2 , 2 1 3 , § 6 Einl 4 , 1 9 , 3 2 , 50 f, 3.43 - Anwendungsbereich(e) 3.43 10 - Arbeitnehmerbeteiligung 3.43 21 - Arbeitsschutzbeauftragter 3.43 17 - Bedeutung und Begriff 3.43 2 - 4 , 7 - Dokumentationspflichten 3.43 19 - Fundstellen 3.43 31 - Gefahrvermeidungspflicht des Arbeitgebers 3.43 11-19 - Gefahrvermeidungspflicht des Arbeitnehmers 3.43 23 f - Geschichte 3.43 2 - 4 - Gesundheitsuntersuchung 3.43 25 - Kompetenz zum Erlaß 3.43 2, 8 f - Kurzbeschreibung 3.43 1 - Regelungslücken 3.43 26 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 3.43 5 f - Umsetzung 3.43 2 7 - 3 0 - Unterrichtung und Unterweisung 3.43 2 0 - 2 2 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.43 9 Arbeits(vertrags)recht, allgemein 7 , 1 1 , 1 2 , 81-86, 129, 131, 134, 200, 202, § 6 Einl - Behinderung des Grenzübertritts § 6 Einl 2, 4 f, 8, 13, 41, 45 - Geschichte § 6 Einl 1 - 4 , 35, 42, 37-61 - kollektives § 6 Einl 57 - Kompetenzordnung § 6 Einl 1 - 2 7 - Kurzübersicht § 6 Einl 35-61 - Schwerbehinderte § 6 Einl 31, 55 - Sozialpolitisches Aktionsprogramm 1974 § 6 Einl 3 - System § 6 Einl 10 f, 58-61 - Wettbewerbsverzerrung und Kostenangleichung § 6 Einl 8-13, 41, 45 Arbeitszeit-Richtlinie 12, 83 f, 86, 202, § 6 Einl 1 8 , 1 9 , 3 2 , 3 4 , 4 7 , § 6 Einl 18,19, 32, 34, 47, 3.40 - Anwendungsbereich(e) 3.40 11 - Arbeitsrhythmus 3.40 23

- Arbeitszeit für Tag, Woche und Jahr (Maß) 3.40 12-18 - Bedeutung 3.40 2 f - Fundstellen 3.40 29 - Geschichte 3.40 2 - 5 - Kompetenz zum Erlaß 3.40 2, 9 - Kurzbeschreibung 3.40 1 - Nacht- und Schichtarbeit 3.40 16, 19-22 - Regelungslücken 3.40 24 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 6 Einl 47, 3.40 6 - 8 - Umsetzung 3.40 2 6 - 2 8 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.40 10 Aufsichtsrecht 22, 53, 89 f, 120, § 7 Einl 12, 14 f, 19, 2 4 - 2 6 , § 8 Einl 6 Bankvertragsrecht 7, 63, § 5 Einl 7, § 6 Einl 43, § 7 Einl 7, 14-23 - Commercial und Investment Banking § 7 Einl 14-23 - Geldwäsche S 7 Einl 18 - Netting § 7 Einl 15 - Systemrisiken 4.13 7 - vgl auch Kapitalanlage, Kredit und Zahlungsverkehr Betriebsübergangs-Richtlinie 12, 83 f, 86, 202, 212, § 6 Einl 3, 5, 13, 35, 44, 46, 3.31 - Anspruchserhaltung 3.31 19-24 - Anwendungsbereich(e) 3.31 7 - 1 8 - Arbeitnehmerkonsultation 3.31 27 - Bedeutung § 6 Einl 46, 3.31 2 - Betriebsübergang 3.31 8-13 - Fundstellen 3.31 31 - Geschichte 3.31 3 f - Kompetenz zum Erlaß 3.31 5 - Kündigungsverbot oder -beschränkung 3.31 25 f - Kurzbeschreibung § 6 Einl 46, 3.31 1 - Regelungslücken 3.31 28 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 6 Einl 45 f 3.31 2 - Umsetzung 3.31 29 f

Stichwortverzeichnis - vertraglicher Übergang 3.31 14-16 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.31 6 Bildschirmarbeits-Richtlinie 12, 83 f, 86, 202, 213, § 6 Einl 19, 32, 52, 3.44 - Anwendungsbereich(e) 3.44 4 f - Bedeutung 3.44 2 - Gesundheitsschutzpflicht des Arbeitgebers 3.44 6 - 1 2 - Fundstellen 3.44 19 - Kompetenz zum Erlaß 3.44 3 - Kurzbeschreibung 3.44 1 - Regelungslücken 3.44 13 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 3.44 2 f - Umsetzung 3.44 14-18 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.44 3 Binnenmarkt 6, 47, 69, 211 Branchenbezug als Ordnungskriterium § 5 Einl 14, § 7 Einl 2 - 8 - Volumenzahlen 5, § 5 Einl 12, ξ 7 Einl 7, 4.01 3, § 8 Einl 8 Computerprogramm-Richtlinie 209, 213, 215, 5.30 - Anwendungsbereich - betroffenes Recht 5.30 6 f - Bedeutung 5.30 2 f - Erschöpfungsgrundsatz 5.30 4 - Fundstellen 5.30 20 - Geschichte 5.30 2 f - Kompetenz zum Erlaß 5.30 4 f - Kurzbeschreibung 5.30 1 - Übertragung und Nutzungsüberlassung 5.30 11-16 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 8 Einl 39 - Umsetzung 5.30 18 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.30 4 f - Zuordnung der Rechte im Arbeitsverhältnis 5.30 8 - 1 0 Demokratiedefizit 32, 128 - vgl auch Europäisches Privatrecht Kritik Deregulierung 39 f, 52

1175

Devisen- und Währungsrecht 20, 89 f, 207, § 8 Einl 6 Dienstleistungshaftungs-Richtlinie (Vorschlag) 201, 213, 214, § 5 Einl 4, 8, 13 f, 2.13 - Anwendungsbereich(e) 2.13 6 - 9 - Bedeutung 2.13 2 - Fundstellen 2.13 14 - Geschichte 2.13 1, 3 - 5 - Haftungsregime 2.13 10-13 - Kompetenz zum Erlaß 2.13 5 - Kurzbeschieibung 2.13 2 Diskriminierung 180 - Geschlecht 54, 122, § 6 Einl 38-41, 58 - Inländerdiskriminierung 109 - Staatsangehörigkeit 54 f, 61, § 6 Einl 37, 41, 45, 58 Erforderlichkeitsgrundsatz vgl Sekundärrecht Ermessen 123, 131, 132 Etikettierungs- oder Kennzeichnungsregelungen 23, 70, 79, 201, § 5 Einl 15 Europäisches Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 7, 17, 22, 35, 47, 56, 65, 108, § 7 Einl 19-22 - Übemahmeangebote § 7 Einl 20 - vgl auch Kapitalanlage- und -marktrecht Europäisches Privatrecht - einzelne Gebiete 7 - Kritik 31-43 - vgl auch Harmonisierungskonzept Europäisches Schuldvertragsrecht - einzelne Gebiete 199-215, §§ 5 - 8 Einl - und EuGH 7, § 6 Einl 44 - Kritik 31-43 - Begriff und Konzept 1-23, § 2 Einl 2 - Kemmaterie des Europäischen Privatrechts 10-17 - Regelungsgeschichte 211-215 - als Transaktionsrecht vgl dort - als Unternehmensrecht vgl dort - als Verbrauchervertragsrecht vgl dort Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen 8, 19, 21, 46, 68, 69, 72-101, 200, 213, 1.01

1176

Stichwortverzeichnis

- Abtretung 1.01 39 - Anwendungsbereich(e) 1.01 12 - Arbeitsrecht (Art 6 f EVÜ) 81, 85 f, 1.01 26, § 6 Einl 36 - Bedeutung 1.01 2 - 4 - Beweisfragen 1.01 39 - Erfüllungsmodalitäten 1.01 38 - Formvorschriften 1.01 36 f - Fundstellen 1.01 47 - Gemeinschaftsrechtliches, spezielles IPR 1.01 10 - Geschichte 1.01 3 - 5 - Interne Sachverhalte (Art 3 III EVÜ) 99, 1.01 17 f - Kompetenz zum Erlaß 1.01 6 - Kurzbeschreibung 1.01 1 - Objektive Ankiipfung 1.01 21-25 - Ordre Public (Art 16 EVÜ) 94-96, 148, 152, 1.01 4, 26 - Rechtswahl(freiheit) 87, 100 f, 1.01 13-20 - Regelungslücken 1.01 40 - Schweigen als Annahme (Art 8 II EVÜ) 98, 1.01 31-35 - Sozialschutz (nach Art 7 EVÜ) 91-93, 1.01 26 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 1.01 10 f - Umsetzung 1.01 41-46 - Verbraucherschutz (Art 5 EVÜ) 74-78, 1.01 4, 26 - Vertragsstatut (Umfang) 1.01 27-39 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 1.01 7-9 - Wirtschaftsrecht (Art 7 EVÜ) 78, 87 f, 1.01 4, 26, § 8 Einl 6 Fernabsatz-Richtlinie 62, 64, 70, 79 f, 98, 99, 106, 201, 213, 213, § 5 Einl 5, 11 f, 2.02 - Anwendungsbereich(e) 2.02 8-13 - Bedeutung 2.02 2 - Erfüllungspflichten (Vertragsdurchführung) 2.02 23 - Fundstellen 2.02 30 - Geschichte 2.02 2 f - Informationspflichten 2.02 15-17 - Kompetenz zum Erlaß 2.02 7

-

Kurzbeschreibung 2.02 1 Regelungslücken 2.02 26-28 Transparenzgebot 2.02 5 Umfeld (mit Konkurrenzen) 2.02 4 - 6 Umsetzung 2.02 29 Unbestellte Ware 2.02 25 Widerrufsrecht 2.02 18-22 Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 2.02 7 f - Zahlungskartenbetrug 2.02 24 - Zwingender Charakter 2.02 14 Fernunterricht § 5 Einl 8, § 7 Einl 8 Finanzdienstleister vgl primär unter den Stichworten Bank, Kredit und Versicherung § 7 Einl 7, 14-34 Geistiges Eigentum (allgemein) 17, 209, § 8 Einl 2-5, 7, 32-41 - Erfindungsschutz, Übersicht § 8 Einl 41 - Marken- und Bezeichnungsrecht, Übersicht S 8 Einl 40 - Urheberrecht, Übersicht § 8 Einl 39 - als Vertragsrecht § 8 Einl 33-36 Gemeinsamer Markt vgl Binnenmarkt Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte § 6 Einl 17, 28-34 Gemeinschaftsprivatrecht, Begriff 8 f vgl ansonsten Europäisches Privatrecht Gemeinschaftsrecht - Auslegung (auch EVÜ) 73, 87, 96, 124 137-147, 172-175 - Vorrang 149 - vgl auch Primär- und Sekundärrecht Gewährleistungshaftungs-Richtlinie 43, 97, 99, 106, 178, 201, 213, 214, § 5 Einl 4 f, 13 f, 2.12 - Anwendungsbereich(e) 2.12 13-17 - Bedeutung 2.12 2, 4 - 6 - Fundstellen 2.12 39 - Garantie (vertragliche Gewährleistung) 2.12 30-36 - Gesetzliche Gewährleistung 2.12 18-29 - Geschichte 2.12 2 - 7 - Kompetenz zum Erlaß 2.12 10 - Kurzbeschreibung 2.12 1 - Regelungslücken 2.12 37 f

Stichwortverzeichnis - Umfeld (mit Konkurrenzen) 2.12 8 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 2.12 11-13 Gleichbehandlungs-Richtlinien Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen 12, 70, 83 f, 86, 106, 122, 181, 202, 212, § 6 E ini 3, 4, 13, 15, 22, 26, 32, 35, 38-41, 44, 3.10/11 - Anwendungsbereich(e) 3.10/11 20-23 - Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot 3.10/11 3 2 - 3 6 - Bedeutung 3.10/11 2 - 8 - Bekanntmachung des Verbots 3.10/11 41 - Diskriminierungsverbot 3.10/11 24-31 - Frauenquote vgl Ausnahmen ... - Fundstellen 3.10/11 46 - Geschichte 3.10/11 2 - 8 - Intensivierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes 3.10/11 6 - 8 - Kompetenz zum Erlaß 3.10/11 16 - Kurzbeschreibung 3.10/11 1, 19 - Maßregelungsverbot 3.10/11 40 - Rechtsakte und -geschäfte als Gegenstand des Verbots 3.10/11 37 f - Rechtsschutz 3.10/11 39 - Regelungslücken 3.10/11 43 - Sanktionen 3.10/11 42, 45 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 6 Einl 39 f, 3.10/11 9-15 - Umsetzung 3.10/11 44 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.10/11 17 f Grund- und Marktfreiheiten 10, 53-71 - Arbeitnehmerfreizügigkeit 16, 56, 3.01 - Behinderungswirkung 6, 37,42, 47, 55, 68 f, 70 f, 72, 81, 82, 114, 129, 135, § 6 Einl 2, 4 f, 8, 13, 41, 45, § 7 Einl 3 - Beschränkung (ieS und iwS) 53, 55, 61 - Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit 16, 56, 58, 59, 65 - Diskriminierung vgl dort - Drittwirkung 54, § 6 Einl 41, § 8 Einl 29 f, 5.22-25 26 - Kapitalverkehrsfreiheit 16, 56, 58, 59 - Konvergenz 56

1177

- Maßnahme gleicher Wirkung 45, 55, 59-70, 87, 101-104, 110, - passive Dienstleistungsfreiheit § 5 Einl 5, 2.02 2, 7, 2.12 11 f, § 7 Einl 7 - Privatautonomie, grenzüberschreitende Stärkung 1, 10, 15, 23, 52, 69, 82, § 6 Einl 8 - Rechtswahlfreiheit 1, 45, 66, 68 f, 70, 72-104, 135 f - Schrankenwirkung 52-71 - unmittelbare Wirkung 56 - Verkaufs-oder Vertriebsmodalitäten 35, 60, 69-71, 135 f, § 5 Einl 9, 2.02 7 - Warenverkehrsfreiheit 16, 35, 60, 69-71 - Wettbewerbsverzerrung vgl dort - Zahlungsverkehrsfreiheit 56, 57 - zwingende Gründe des Allgemeininteresses 40, 61-63, 81, 87, 96, 102-104, 110, 112 f - vgl auch Herkunftslandprinzip und zwingende Statuten Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) 17, 41, 42, 89, 122, 207, § 5 Einl 12, § 7 Einl 5, § 8 Einl 2, 4 f, 6, 9, 11, 13-26 GVO Alleinbezugsvereinbarungen 213, § 8 Einl 8, 17, 20, 5.02 - Anwendungsbereich(e) 5.02 6 - Bedeutung 5.02 2 - Bierlieferungsverträge 5.02 12-14 - Fundstellen 5.02 20 - Geschichte 5.02 2 - Kompetenz zum Erlaß 5.02 3 - Kurzbeschreibung 5.02 1 - Regelungslücken 5.02 18 f - Tankstellenverträge 5.02 15-17 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.02 5 - unzulässige Klauseln (schwarze Liste) 5.02 10 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.02 4 - zulässige Klauseln (weiße Liste) 5.02 7 - 9 GVO Alleinvertriebsvereinbarungen 213, § 8 Einl 8, 17, 20, 5.01 - Anwendungsbereich(e) 5.01 6

1178 -

Stichwortverzeichnis

Bedeutung 5.01 2 Fundstellen 5.01 13 Geschichte 5.01 2 Kompetenz zum Erlaß 5.01 5 Kurzbeschreibung 5.01 1 Regelungslücken 5.01 12 Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.01 3 f unzulässige Klauseln (schwarze Liste) 5.01 10 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.01 5 - zulässige Klauseln (weiße Liste) 5.01 7 - 9 GVO Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen § 8 Einl 8, 18, 20, 5.07 - Anwendungsbereich(e) 5.07 8 - Bedeutung 5.07 2 - Bedingungen und Dauer der Freistellung 5.07 9 - 1 3 - Fundstellen 5.07 20 - Geschichte 5.07 2 - 4 - Kompetenz zum Erlaß 5.07 5 - Kurzbeschreibung 5.07 1 - Regelungslücken 5.07 18 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.07 3 f, 7 - unzulässige Klauseln (schwarze Liste) 5.07 17 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.07 6 - zulässige Klauseln (weiße Liste) 5.07 14-16 GVO Franchisevereinbarungen 213, § 8 Einl 17 f, 5.04 - Anwendungsbereich(e) 5.04 9 - Bedeutung 5.04 2 - 4 - Bedingungen für die Freistellung 5 . 0 4 1 4 - Fundstellen 5.04 18 - Geschichte 5.04 2 - 5 - Kompetenz zum Erlaß 5.04 7 - Kurzbeschreibung 5.04 1 - Regelungslücken 5.04 16 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.04 6 - unzulässige Klauseln (schwarze Liste) 5.04 15 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.04 8

- zulässige Klauseln (weiße Liste) 5.04 10-13 GVO KfZ-Vertriebsvereinbarungen 213, § 8 Einl 8, 13, 17, 19, 5.03 - Anwendungsbereich(e) 5.03 8 - Bedeutung 5.03 2 - Bedingungen für die Freistellung 5.03 14-17 - Fundstellen 5.03 23 - Geschichte 5.03 2 f - Kompetenz zum Erlaß 5.03 6 - Kurzbeschreibung 5.03 1 - Regelungslücken 5.03 21 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.03 4 f - unzulässige Klauseln (schwarze Liste) 5.03 18-20 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.03 7 - zulässige Klauseln (weiße Liste) 5.03 9 - 1 3 GVO Spezialisierungsvereinbarungen § 8 Einl 18, 20, 5.06 - Anwendungsbereich(e) 5.06 6 - 8 - Bedeutung 5.06 2 f - Bedingungen für die Freistellung 5.06 12 - Fundstellen 5.06 16 - Geschichte 5.06 2 - 4 - Kompetenz zum Erlaß 5.06 5 - Kurzbeschreibung 5.06 1 - Regelungslücken 5.06 14 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.06 3 - unzulässige Klauseln (schwarze Liste) 5.06 13 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.06 5 - zulässige Klauseln (weiße Liste) 5.06 9 - 1 1 GVO Technologietransfervereinbarungen § 8 Einl 8, 18, 5.05 - Anwendungsbereich(e) 5.05 8 - 1 2 - Bedeutung 5.05 2 f - Fundstellen 5.05 22 - Geschichte 5.05 2 - 4 - Kompetenz zum Erlaß 5.05 6 f - Kurzbeschreibung 5.05 1 - Regelungslücken 5.05 20 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.05 5

Stichwortverzeichnis - unzulässige Klauseln (schwarze Liste) 5.05 17-19 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.05 7 - zulässige Klauseln (weiße Liste) 5.05 13-16 GVO Versicherungswirtschaft § 7 Einl 28, § 8 Einl 8, 5.08 - Allgemeine Versicherungsbedingungen, Muster 5.08 12-19 - Anwendungsbereich(e) 5.08 8 - Bedeutung 5.08 2 - Gemeinsame Deckung von Risiken 5.08 20-23 - Fundstellen 5.08 27 - Geschichte 5.08 2 f - Kompetenz zum Erlaß 5.08 6 - Kurzbeschreibung 5.08 1 - Prämienberechnungsfragen 5.08 9-11 - Regelungslücken 5.08 25 f - Sicherheitsvorkehrungen, Absprachen 5.08 24 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.08 4 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.08 7 Halbleitertopographien-Richtlinie 209, 213, 215, 5.38 - Anwendungsbereich - betroffenes Recht 5.38 4 - Bedeutung 5.38 2 - Fundstellen 5.38 10 - Geschichte 5.38 2 - Gutgläubiger Erwerb 5.38 7 f - Kompetenz zum Erlaß 5.38 3 - Kurzbeschreibung 5.38 1 - Übertragung und Nutzungsüberlassung 5.38 6 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 8 Einl 39-41 - Umsetzung 5.38 9 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.38 3 - Zuordnung der Rechte im Arbeitsverhältnis oder bei freiem Mitarbeiter 5.38 5 Handelsrecht 11, 14 f

1179

Handelsvertreter-Richtlinie 14, 70, 106, 135, 191, 202, 212, 213, § 5 Einl 9, § 6 Einl 55, 3.80, § 8 Einl 1 - Anwendungsbereich(e) 3.80 8 - Ausgleichsanspruch 3.80 16 - Bedeutung 3.80 3 - Fundstellen 3.80 29 - Geschichte 3.80 2 f - Interessenwahrungspflicht stricto sensu 3.80 11 - Kompetenz zum Erlaß 3.80 4 f - Kurzbeschreibung 3.80 1 - Regelungslücken 3.80 18-20 - Treu und Glauben 3.80 9 f, 12 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 3.80 2 - Umsetzung 3.80 21-28 - Vergütung 3.80 13 - Vertragsbeendigung 3.80 15 - Wettbewerbsverbot 3.80 17 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.80 6 f - zwingender Charakter 3.80 14 Harmonisierungskonzept - im Arbeitsvertragsrecht 82 - Kodex 48-51, 198 - IPR-Harmonisierung 44-47 - Kritik 31-43 - Mindestharmonisierung 25-30,45,107, 108, 133, § 7 Einl 3 - Vollharmonisierung 48-51, § 6 Einl 11 - Wettbewerb der Rechtsordnungen 38, 47, 2.10 14, § 6 Einl 11 Haustürwirderrufs-Richtlinie 70, 79 f, 106, 118, 135, 201,212, 213, § 5 Einl 11 f, 2.01 - Anwendungsbereich(e) 2.01 8-13 - Bedeutung 2.01 2, 5 - Fundstellen 2.01 22 - Geschichte 2.01 2 - 4 - Kompetenz zum Erlaß 2.01 6 - Kurzbeschreibung 2.01 1 - Regelungslücken 2.01 16 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 2.01 5 - Umsetzung 2.01 18-21 - Widerrufsrecht 2.01 14 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 2.01 7

1180

Stichwortverzeichnis

Herkunftslandprinzip 45,59-66,110-117, S 8 Einl 3 Informationsasymmetrien 102, § 5 Einl 12, 2.10 16, 34 Insiderhandels-Richtlinie 17, 22, 58, 62, 70, 79 f, 89 f, 106, 118, 170, 203, 206, 213, § 7 Einl 10, 20, § 8 Einl 6, 4.21 - Ad-hoc-Publizität 181, 4.21 24, 33 - Anwendungsbereich(e) 4.21 10-16, 29-31 - Bedeutung 4.21 2 - Fundstellen 4.21 35 - Geschichte 4.21 3 f - Insider (Primär- und Sekundärinsider) 4.21 18, 23 - Insiderhandelsverbot (ieS) 4.21 17, 19 f, 23 - Insiderinformation 4.21 11-14 - Insiderpapier 4.21 15 - Kompetenz zum Erlaß 4.21 6 - Kurzbeschreibung 4.21 1 - Regelungslücken 4.21 26 f - Sanktionen 4.21 34 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 4.21 5 - Umsetzung 4.21 28-34 - Weitergabe- und Empfehlungsverbot 4.21 17, 21 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 4.21 7 - 9 Integration fortbestehender nationaler Märkte vgl Harmonisierungskonzept Mindestharmonisierung Internationales Privatrecht vgl Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen Investmentfonds-Richtlinie 17, 79 f, 89 f, 106, 206, 213, § 7 Einl 10, 20-22, § 8 Einl 6, 4.25 - Anlagepolitik des OGAW 4.25 23-30, 40 - Anwendungsbereich(e) 4.25 8-12 - Bedeutung 4.25 2 - Fundstellen 4.25 57 - Geschichte 4.25 3 - 5 - Kompetenz zum Erlaß 4.25 6 - Kreditaufnahme 4.25 38 - Kurzbeschreibung 4.25 1

- Prospekt- und Informationspflichten 4.25 31-36 - Rücknahmeanspruch (open end) 4.25 9, 39 - Struktur des Instruments (OGAW) 4.25 16-22 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 7 Einl 19-22 - Umsetzung 4.25 46-56 - Vertrieb im Gastland 4.25 42-44 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 4.25 7 - Zulassung des Instruments (OGAW) 4.25 13-15 lus commune 2-4, 6, 181 - vgl auch allgemeine Rechtsgrundsätze lus Communitatis (Begriff) 4, 5 - 7 Jugendarbeitsschutz-Richtlinie 12, 83 f, 86,202,213,213, § 6 Einl 19,32,34,53, 3.46 - Anwendungsbereich(e) 3.46 6 f - Arbeitszeit bei Kindern und Jugendlichen 3.46 18-23 - Bedeutung 3.46 2 f - Fundstellen 3.46 28 - Gefahrerfassung und -vermeidungspflichten bei jugendlichen Arbeitnehmern 3.46 13-17 - Geschichte 3.46 3 f - Kinderarbeitsverbot 3.46 8-12 - Kompetenz zum Erlaß 3.46 5 - Kurzbeschreibung 3.46 1 - Regelungslücken 3.46 24 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 3.46 3 - Umsetzung 3.46 26 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.46 5 Kapitalanlage- und -marktrecht 79, § 7 Einl 15,19-22 - Anleger und/oder Funktionsschutz 79, 120, 170, 203, § 7 Einl 11, 21 f Kaufrecht vgl GewährleistungshaftungsRichtlinie Kollisionsrecht vgl Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

Stichwortverzeichnis

1181

Koordinierungs-Richtlinien Lieferaufträge, Bauaufträge, Dienstleistungsaufträge und Aufträge in speziellen Sektoren

- Umsetzung 5.20 10 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.20 3

- Anwendungsbereich(e) 5.22-25 2 2 - 2 8 , 29-35 - Bedeutung 5.22-25 2 - 4 - Bekanntmachungspflichten 5.22-25 45-49 - Drittstaaten 5.22-25 11, 34 - Eignungskriterien 5.22-25 51-55 - Fundstellen 5.22-25 67 - Geschichte 5.22-25 5 - 9 - Kompetenz zum Erlaß 5.22-25 12 - Kurzbeschreibung 5.22-25 1, 10 - Regelungslücken 5.22-25 62 f - technische Spezifikationen 5.22-25 42-44 - Überblick - Systematik 5.22-25 17-21 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 8 E ini 27-31 - Umsetzung 5.22-25 6 4 - 6 6 - Vergabeverfahren 5.22-25 36-41 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.22-25 12-16 - Zuschlag - Kriterien 5.22-25 5 6 - 6 1 Kredit § 7 Einl 7 - Euromärkte § 7 Einl 17 - Hypothekarkredit § 7 Einl 7, 17 - vgl auch Verbraucherkredit Kreditinstitut - Universalbanken § 7 Einl 15 Kreditsicherheiten 11, 35

Marktversagen vgl Wirtschaftsrecht Maschinen-Richtlinie § 6 Einl 5, 52 Massenentlassungs-Richtlinie 12, 83 f, 86, 106, 202, 212, § 6 Einl 3, 5, 29, 35, 45,

70, 178, 208, 215, 5.22-25

Lex mercatoria 39 f, 72, 100-105 Liberalisierungs-Richtlinie Lieferaufträge 70, 208, 5.20 - Anwendungsbereich(e) 5.20 4 f - Bedeutung 5.20 2 - Behinderungsverbot 5.20 6 - 8 - Fundstellen 5.20 11 - Geschichte 5.20 2 - Kompetenz zum Erlaß 5.20 3 - Kurzbeschreibung 5.20 1 - Regelungslücken 5.20 9 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 5.20 2

3.30

-

Anwendungsbereich(e) 3.30 7 - 9 Anzeigepflicht 3.30 15-17 Arbeitnehmerkonsultation 3.30 10-14 Bedeutung 3.30 2, 4 Fundstellen 3.30 24 Geschichte 3.30 3 f Kompetenz zum Erlaß 3.30 5 Kurzbeschreibung 3.30 1 Regelungslücken 3.30 18-20 Umfeld (mit Konkurrenzen) § 6 Einl 45 f, 3.30 2 - Umsetzung 3.30 21-23 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.30 6 Mißbräuchliche Klauseln vgl AGB- oder Klausel-Richtlinie Mutterschutz-Richtlinie 12, 83 f, 86, 202, 213, § 6 Einl 19, 32, 34, 53, 3.45 - Anwendungsbereich(e) 3.45 9 f - Bedeutung 3.45 2, 8 - Freistellung und Entgeltfortzahlung 3.45 17-19 - Fundstellen 3.45 25 - Gefahrerfassung und -beherrschung 3.45 12-15 - Geschichte 3.45 2 f - Kompetenz zum Erlaß 3.45 7 f - Kündigungsverbot 3.45 20 - Kurzbeschreibung 3.45 1 - Regelungslücken 3.45 21 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 3.45 4 - 6 - Umsetzung 3.45 23 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.45 7 Nachweis-Richtlinie 12, 70, 83 f, 86, 202, 213, § 6 Einl 15, 32, 35, 43, 58, 3.20 - Anwendungsbereich(e) 3.20 6 - 9

1182 -

Stichwortverzeichnis

Bedeutung 3.20 2 f Fundstellen 3.20 22 Geschichte 3.20 2 f Informationspflichten bei Entsendung 3.20 16 Informationspflichten bei Vertragsänderung 3.20 17 Informationspflichten über Vertragsschluß 3.20 10-15 Kompetenz zum Erlaß 3.20 4 Kurzbeschreibung 3.20 1 Regelungslücken 3.20 18 Umfeld (mit Konkurrenzen) 3.20 3 Umsetzung 3.20 19-21 Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.20 5

Öffentliches Auftragswesen 17, 23, 70, 178,208,215, § 7 Einl 5, § 8 Einl 2 - 5 , 7, 27-31 - Rechtsmittel- oder ÜberwachungsRichtlinien § 8 Einl 30 f - sonstige Rechtsakte vgl Liberalisierungsbzw Koordinierungs-Richtlinie ... Ordre public vgl zwingende Statuten Parteiautonomie vgl Rechtswahlfreiheit Pauschalreise-Richtlinie 79 f, 92, 106, 119, 203 f, 213, § 7 Einl 10, 13, 4.01 - Anwendungsbereich(e) 4.01 6 - 1 0 - Bedeutung 4.01 2 f - Fundstellen 4.01 42 - Geschichte 4.01 3 f - Haftung (auch höhere Gewalt) 4.01 27-32 - Informationspflichten vor und bei Vertragsschluß 4.01 11-20, 39 - Insolvenzrisiko, Absicherung 4.01 34 f, 41 - Kompetenz zum Erlaß 4.01 5 - Kurzbeschreibung 4.01 1 - Leistungsstörungen 4.01 2 3 - 3 3 , 40 - Mängelanzeige 4.01 33 - Regelungslücken 4.01 36 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 7 Einl 13

- Umsetzung 4.01 3 7 - 4 1 - Vertragsänderung(sRechte) 4.01 21 f - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 4.01 5 Pointiiiismus vgl Harmonisierungskonzept - Kritik Primärrecht 122 - Auslegung vgl Gemeinschaftsrecht - Drittwirkung vgl Grundfreiheiten - Grundfreiheiten vgl dort - Unmittelbare Anwendung vgl Grundfreiheiten - Vorrang vgl Gemeinschaftsrecht Privatautonomie 1, 43, § 2 Einl 3 f - vgl auch Grundfreiheiten Produkthaftungs-Richtlinie 18, § 5 Einl 13, 2.12 6, 2.13 7, 10, 13 Rechtsangleichung vgl Harmonisierungskonzept, Richtlinie, Sekundärrecht und Wettbewerbsverzerrung Rechtswahlfreiheit vgl Grundfreiheiten und Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen Richtlinie - Detailliertheit 33, 149, 150 - Drittwirkung 150 - Sperrwirkung gegen Rücknahme von Schutzstandards 105 - vorrangiges Regelungsinstrument 33, 123, 133, 151, 161 f - unmittelbare Anwendbarkeit 148-151, 154, 160 - vgl auch strengeres Recht Richtlinienkonforme Auslegung 148, 151, 153-163, 174, 175 - vgl auch Umsetzung - Durchsetzungsinstrumente Sanktionen 80, 156, 176-181, 182, 197, § 7 Einl 23, § 8 Einl 30 - Kompetenz 176 - primärrechtliche (Effizienz-)Vorgaben 179-181 - sekundärrechtliche Regelung 176-178, 180 - unmittelbare Wirkung 181

Stichwortverzeichnis Satelliten- und Kabel-Richtlinie 209, 213, 215, 5.32 - Anwendungsbereich - betroffenes Recht 5.32 6 - Bedeutung 5.32 2 f - Fundstellen 5.32 15 - Geschichte 5.32 2 f - Kompetenz zum Erlaß 5.32 4 f - Kurzbeschreibung 5.32 1 - Übertragung und Nutzungsiiberlassung 5.32 9 - 1 2 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 8 Einl 39 - Umsetzung 5.32 14 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.32 4 f - Zuordnung der Rechte im Arbeitsverhältnis 5.32 7 - Zuordnung der Rechte bei Koproduktion 5.32 8 Sekundärrecht 122 - Auslegung vgl Gemeinschaftsrecht - Erforderlichkeitsgrundsatz 126, 132-136 - Gesetzgebungsverfahren 32, 137 f - Kompetenz zum Erlaß 125-129, 176, § 6 Einl 1 - 2 7 , die jeweiligen Einzelakte - Primärrechtskonformität, Gebot der 109, 141, 146 - Richtlinie vgl dort - Schrankenwirkung vgl strengeres Recht - Subsidiaritätsprinzip 5 0 , 1 0 8 , 1 2 6 , 1 3 0 f, 134 - Unmittelbare Anwendung vgl Richtlinie - Vorrang vgl Gemeinschaftsrecht Sozial(versicherungs)recht S 6 Einl 3, 40, 57 Subsidiaritätsprinzip vgl Sekundärrecht Staatshaftung 80, 148, 164-171, 175, 179, 182 - vgl auch Umsetzung - Durchsetzungsinstrumente Standards (negative und positive) 52, 121 f Strengeres (nationales) Recht 105-107 - im Auslandssachverhalt 80, 110-120 - im Inlandssachverhalt 80, 106-109 - Zulassung im Sekundärrecht 80, 84, 90, 92, 106

1183

Telekommunikation 215 Timesharing-Richtlinie 79 f, 9 2 , 1 0 6 , 2 0 3 f, 213, 213, § 7 Einl 8, § 7 Einl 10,13, 4.02 - Anwendungsbereich(e) 4.02 9 f - Anzahlung 4.02 23 - Bedeutung 4.02 2 f - Fundstellen 4.02 37 - Geschichte 4.02 4 f - Informationspflichten 4.02 11-16 - Kollisionsrecht 4.02 2 5 - 2 7 - Kompetenz zum Erlaß 4.02 7 f - Kreditierung 4.02 24 - Kurzbeschreibung 4.02 1 - Regelungslücken 4.02 26-31 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 4.02 6 - Umsetzung 4.02 3 2 - 3 6 - Widerruf 4.02 17-24 - Wirkung auf nationale (s) Recht (e) 4.02 2 5 - 2 7 Tourismusbranche § 7 Einl 7, 13 - vgl auch Pauschalreise und Timesharing Transaktionskosten vgl Grundfreiheiten Behinderungswirkung Transaktionsrecht 1, 2 0 - 2 3 Transparenzmodell und -regeln 43, 62,66, 108, 148, § 5 Einl 4, 9, 2.10 2 8 - 3 5 , § 6 Einl 35, 43, 58 - vgl auch Informationsasymmetrien Transport 91 f, 123, 126, 170, 190, 193, 195, 205, 207, 215, S 7 Einl 7 Überweisungs-Richtlinie 4 3 , 5 8 , 7 9 f, 106, 206, 213, 213, § 7 Einl 10, 16, 18, 4.13 - Anwendungsbereich(e) 4.13 15-17 - Bedeutung 4.13 2 - 5 - Fundstellen 4.13 29 - Gebührentragung (Aufteilung) 4.13 24 - Geschichte 4.13 5 f - Haftung 4.13 21-23, 25 f - Informationen (zu Entgelten und Ausführungszeiten) 4.02 18-20 - Kompetenz zum Erlaß 4.13 11 - Kurzbeschreibung 4.13 1 - Regelungslücken 4.13 27 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 7 Einl 18, 4.13 7 - 1 0 - Umsetzung 4.13 28

1184

Stichwortverzeichnis

- Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 4.13 12-14 Umsetzung 148 - Durchsetzungsinstrumente 148-171 - einzelne Rechtsakte die Kommentierung des Rechtsakts, jeweils unter 3. Unlauterer Wettbewerb 80, § 5 Einl 11, 2.01 5, 2.02 6, § 8 Einl 6 Unternehmensgeschäfte 5 - einseitige 40, 203, § 7 Einl 1, § 8 Einl 7 - qualifiziert einseitige 201, § 5 Einl 1 - zweiseitige 40, 4 2 , 2 0 2 , 207, § 7 Einl 5, § 8 Einl 1, 7 Unternehmensrecht - Organisationsrecht 1, 8, 16 - Unternehmensaußenrecht 1, 14-17 - und Verbrauchervertragsrecht 40, 201, § 5 Einl 1 Verbraucherkredit 76 f Verbraucherkredit-Richtlinie 43, 58, 62, 79 f, 97, 106, 119, 191, 203, 206, 212, 213, § 7 Einl 10, 16 f, 4.10 - Anwendungsbereich(e) 4.10 11-14, 20-27 - Bedeutung 4.10 2 - effektiver Jahreszins 4.10 17-19, 31 - Einwendungserhalt 4.10 38-41 - Fundstellen 4.10 48 - Gesamtkosten für den Verbraucher 4.10 16, 32 - Geschichte 4.10 3 - 5 - Informationspflichten 4.10 2 8 - 3 4 - Kompetenz zum Erlaß 4.10 8 - Kündigung, vorzeitige Vertragsbeendigung 4.10 3 5 - 3 7 - Kurzbeschreibung 4.10 1, 10 - Regelungslücken 4.10 4 2 - 4 4 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 4.10 6 f - Umsetzung 4.10 4 5 - 4 7 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 4.109 Verbrauchsgüterkauf vgl Gewährleistungshaftungs-Richtlinie Verbrauchervertragsrecht 15, 41-43, 47, 6 2 , 7 4 - 8 0 , 9 1 - 9 3 , 9 4 , 1 7 0 , 2 0 0 f, § 5 Einl 1, 3 f, 6 - 8 , § 6 Einl 11, § 7 Einl 10 f, § 8 Einl 3

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 62, 132 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie 209, 213, 215, S.31 - Anwendungsbereich - betroffenes Recht 5.31 6 - Bedeutung 5.31 2 f - Fundstellen 5.31 13 - Geschichte 5.31 2 f - Kompetenz zum Erlaß 5.31 5 - Kurzbeschreibung 5.31 1 - Übertragung und Nutzungsüberlassung 5.31 10 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 8 Einl 39 - Umsetzung 5.31 12 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 5.31 4 f - Zuordnung der Rechte zwischen Künstler und Verwerter 5.31 7 - 9 Versicherungsrecht allgemein 43, 6 2 , 7 9 f, § 5 Einl 7, § 6 Einl 43, § 7 Einl 4, 14, 24-34 - Direkt- oder Erstversicherung, Überblick § 7 Einl 24 - Rückversicherung § 7 Einl 24 - sonstige Bereiche (neben Leben und Schaden) S 7 Einl 26, 2 9 - 3 2 - Versicherungsmittler § 7 Einl 33 f Versicherungs-Richtlinie(n) Leben 62,79 f, 106, 206, 213, § 7 Einl 10, 25, 27 f, 4.31 - Allgemeine Versicherungsbedingungen 2.10 28-31, § 7 Einl 27, 4.31 24-27, 42, 5.08 12-19 - Anwendungsbereich(e) 4.31 9 - 1 2 - Bedeutung 4.31 2 - Bestandsübertragung 4.31 39, 49 - Fundstellen 4.31 50 - Geschichte 4.31 2 - 6 - Informationspflichten (auch zu AVB) 4.31 2 8 - 3 6 , 4 3 - 4 7 - Interessenkonflikte bei Mehrspartenversicherern 4.31 38, 48 - IPR der Versicherungsverträge 1.01 12, § 7 Einl 10, 4.31 13-23, 41 - Kompetenz zum Erlaß 4.31 8 - Kurzbeschreibung § 7 Einl 25, 27 f, 4.31 1 - Regelungslücken 4.31 40

Stichwortverzeichnis

1185

- Rücktrittsrecht 4.31 37, 48 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 4.31 7 - Umsetzung 4.31 4 1 - 4 9 - Wirkung auf nationale Rechte vgl IPR ... - vgl auch GVO Versicherungswirtschaft Versicherungs-Richtlinie(n) Schaden 62, 79 f, 106, 206,213, § 7 Einl 10, 25, 27 f, 4.30 - Allgemeine Versicherungsbedingungen 2.10 28-31, § 7 Einl 27, 4.30 3 4 - 4 2 , 60, 5.08 12-19 - Anwendungsbereich(e) 4.30 3, 11-14 - Bedeutung 4.30 2 - 8 - Bestandsübertragung 4.30 50, 62 - Fundstellen 4.30 63 - Geschichte 4.30 2 - 8 - Informationspflichten (auch zu AVB) 4.30 4 3 - 4 9 , 61 - IPR der Versicherungsverträge 1.01 12, § 7 Einl 10, 4.30 6, 15-33, 5 3 - 5 9 - Kompetenz zum Erlaß 4.30 10 - Kurzbeschreibung § 7 Einl 25, 27 f, 4.30 1 - Regelungslücken 4.30 51 f - Umfeld (mit Konkurrenzen) 4.30 9 - Umsetzung 4.30 5 3 - 6 2 - Versicherungsurteile des EuGH 4.30 5 - Versicherungsvertragsrecht § 7 Einl 28, 30 f, 4.30 4 - Wirkung auf nationale Rechte vgl IPR ... Vertragstyp als Ordnungskriterium § 5 Einl 14 Vorlageverfahren (Art 177 EGV) 73, 172-175

- Interessenwahrungspflicht stricto sensu § 7 Einl 34, 4.20 17 f - Kompetenz zum Erlaß 4.20 8 - Konfliktvermeidungspflicht 4.20 2 3 - 2 6 - Kurzbeschreibung 4.20 1 - Organisationspflichten 4.20 13 - Regelungslücken 4.20 30 - Trennung von Kundengeldern und -papieren 4.20 14 - Schutzgesetz 4.20 12, 27 - Umfeld (mit Konkurrenzen) 4.20 7 - Umsetzung 4.20 31-35 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 4.20 8 - 1 0 - Wohlverhaltenspflichten 20, 4.20 16-27 - Zugang zu Wertpapiermärkten (Kontrahierungszwang) 4.20 28 f - Zwingender Charakter 4.20 10 Wettbewerb der Rechtsordnungen vgl Harmonisierungskonzept Wettbewerbsrecht (Kartell- und Fusionsrecht) 20, 22, 89 f, 122, 126, 170, 190, 193, 195, 207, 215, § 8 Einl 9 - 2 6

Waren- und Dienstleistungsströme 37 Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 17, 4 3 , 5 8 , 7 0 , 7 9 f, 89 f, 1 0 6 , 2 0 3 , 2 0 6 , 2 1 3 , § 7 Einl 19 f, 22, § 8 Einl 6, 4.20 - Anwendungsbereich(e) 4.20 11 - Aufklärungs-, Beratungs-, Warnpflichten 4.20 19-22 - Aufsichtspflichten 4.20 12-15 - Bedeutung 4.20 2 - 4 - Dokumentationspflichten 181, 4.20 15 - Fundstellen 4.20 36 - Geschichte 4.20 5 f

Zahlungsverkehr § 7 Einl 18 - vgl auch Überweisungs-Richtlinie Zwingende Statuten 64 f, 7 2 - 9 9 , 131 - Arbeitsrecht 72, 8 1 - 8 6 - Interne Sachverhalte 72, 99 - Ordre Public 72, 9 4 - 9 7 - Schweigen als Annahme 72, 98 - Sozialschutz 72, 91-93 - Verbraucherschutz 72, 7 4 - 8 0 , 91-93 - Wirtschaftsrecht 72, 8 7 - 9 0 - vgl auch Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen

- Bekanntmachungen § 8 Einl 14 Wettbewerbsverzerrung 42, 82, 109, 129, 131, § 6 Einl 8-13, 41, 45 Wirtschaftsrecht 11, 17, 42, 200, § 7 Einl 9 - 1 2 , § 8 Einl 1 - 8 - Marktversagen 17, 40, 43, 76, S 8 Einl 3 - Materien 89 f, 200, 203-210, S 8 Einl 6 f - vgl auch Informationsasymmetrien und zwingende Statuten

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Stichwortverzeichnis

Zeit- und Leiharbeits-GesundheitsschutzRichtlinie 12, 202, 213, § 6 Einl 13, 19, 26, 29, 32, 34, 53 f, 3.47 -

Anwendungsbereich(e) 3.47 8 f Bedeutung 3.47 2 f Einsatzverbote 3.47 16 Fundstellen 3.47 20 Geschichte 3.47 2 - 6 Kompetenz zum Erlaß 3.47 7 Kurzbeschreibung 3.47 1

- Regelungslücken 3.47 18 - Umfeld (mit Konkurrenzen) § 6 Einl 54, 3.47 5 f - Umsetzung 3.47 19 - Unterrichtung und Unterweisung zu Gesundheitsgefahren 3.47 10-15 - Verantwortlichkeit des Entleihers 3.47 17 - Wirkung auf nationale(s) Recht(e) 3.47 7