Ernst Curtius' Vorlesung "Griechische Kunstgeschichte": Nach der Mitschrift Wilhelm Gurlitts im Winter 1864/65 9783110228793, 9783110228786

The History of Greek Art by Ernst Curtius, based on the notes made by Wilhelm Gurlitt and transcribed and annotated by S

148 39 17MB

German Pages 497 [500] Year 2010

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
I Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar (Henning Wrede)
A. Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher als Medien der akademischen Transformation einer Wissenschaft von 1730 bis 1870
1. Archäologie und Kunst als historische Quellengattungen in Vorlesungen der Leipziger Schule
2. Die Einführung der Kunstarchäologie als Wissenschaftszweig in Vorlesungen C. G. Heynes und seiner Schüler
3. Die Konsolidierung der Archäologie der Kunst in Vorlesungen bis zu K. O. Müllers Handbuch von 1830
4. Die Rezeption von Müllers Handbuch in Wissenschaft und Lehre im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts
B. Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)
1. Ernst Curtius als Erscheinung und Redner
2. Ernst Curtius als Pädagoge
3. Ernst Curtius als akademischer Lehrer
4. Ernst Curtius als Lehrer der Nation
C. Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“
1. Die Geschichte der Vorlesung in Curtius’ Lehrangebot
2. Zum Inhalt der Vorlesung im Winter 1864/65
3. Medienwechsel: Curtius’ „Griechische Kunstgeschichte“ als Bilderbuch 1878/79
D. Die Studenten: Wilhelm Gurlitt (1844–1905) und Eduard Hiller (1844–1891)
1. Biographische Skizze Wilhelm Gurlitts
2. Wilhelm Gurlitts Studium
3. Wilhelm Gurlitts Kollegmitschrift nach ihrer äußeren Form, Vollständigkeit, Art und Herkunft
4. Eduard Hillers Mitschrift derselben Vorlesung im Vergleich
II Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift (Sepp-Gustav Gröschel)
A. Editorische Anmerkungen
B. Inhaltsübersicht
C. Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift der „Griechischen Kunstgeschichte“ von Ernst Curtius im Winter 1864/65
Anhang
I. Lehrveranstaltungen von Ernst Curtius in komprimierter Übersicht (Antje Brost)
II. Curtius’ Lehrangebot nach ausgewählten Stundenplänen (Antje Brost)
III. Verzeichnis der öffentlichen Universitätsreden von Ernst Curtius
IV. Bibliographie Wilhelm Gurlitts (1844–1905) (Antje Brost – Henning Wrede)
V. Eduard Hiller, Geschichte der griechischen und römischen Kunst, gelesen von Ernst Curtius – Göttingen, Winter 1864/65, Fol. 2r – 3v
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungen
Abbildungen 1–7
Abbildungsnachweis
Register
I. Personen der Antike
II. Personen der Neuzeit und Moderne
III. Antike Schriftquellen (Ernst Curtius. Griechische Kunstgeschichte)
1. Literarische Quellen
2. Epigraphische Quellen
IV. Antike Originalwerke
1. Architektur
2. Plastik
3. Altäre, Basen, Gefäße, Möbel
4. Toreutik
5. Tarrakotten, Stuckrelief
6. Glyptik
7. Münzprägung
8. Malerei
9. Mosaik
10. Vasen
Recommend Papers

Ernst Curtius' Vorlesung "Griechische Kunstgeschichte": Nach der Mitschrift Wilhelm Gurlitts im Winter 1864/65
 9783110228793, 9783110228786

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Ernst Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

Transformationen der Antike

Herausgegeben von Hartmut Böhme, Horst Bredekamp, Johannes Helmrath, Christoph Markschies, Ernst Osterkamp, Dominik Perler, Ulrich Schmitzer

Wissenschaftlicher Beirat: Frank Fehrenbach, Niklaus Largier, Martin Mulsow, Wolfgang Proß, Ernst A. Schmidt, Jürgen Paul Schwindt

Band 20

De Gruyter

Ernst Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“ Nach der Mitschrift Wilhelm Gurlitts im Winter 1864/65

Herausgegeben von

Sepp-Gustav Gröschel und Henning Wrede

De Gruyter

Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung und des Sonderforschungsbereichs 644 „Transformationen der Antike“ der Humboldt-Universität zu Berlin.

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Ernst Curtius' Vorlesung "Griechische Kunstgeschichte" : nach der Mitschrift Wilhelm Gurlitts im Winter 1864/65 / herausgegeben von Sepp-Gustav Gröschel und Henning Wrede. p. cm. -- (Transformationen der Antike) Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-022878-6 (hardcover : alk. paper) 1. Art, Classical--Appreciation--Germany--History--19th century. 2. Art, Greek--Appreciation--Germany--History-19th century. 3. Art, Greek--Study and teaching (Higher)-Germany--History--19th century. 4. Curtius, Ernst, 18141896. 5. Gurlitt, Wilhelm, 1844-1905. I. Wrede, Henning. II. Gröschel, Sepp-Gustav, 1943N5630.E76 2010 709.38'0943--dc22

ISBN 978-3-11-022878-6 e-ISBN 978-3-11-022879-3 ISSN 1864-5208 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York. Cover Design: Martin Zech, Bremen Logo „Transformationen der Antike“: Karsten Asshauer – SEQUENZ Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................................ VII Einleitung ................................................................................................................ 1 I Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar (Henning Wrede) A. Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher als Medien der akademischen Transformation einer Wissenschaft von 1730 bis 1870 ....................................... 9 1. Archäologie und Kunst als historische Quellengattungen in Vorlesungen der Leipziger Schule ............................................................... 10 2. Die Einführung der Kunstarchäologie als Wissenschaftszweig in Vorlesungen C. G. Heynes und seiner Schüler ............................................ 14 3. Die Konsolidierung der Archäologie der Kunst in Vorlesungen bis zu K. O. Müllers Handbuch von 1830 .............................................................. 23 4. Die Rezeption von Müllers Handbuch in Wissenschaft und Lehre im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ............................................................ 31 B. Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896) ......................................................... 1. Ernst Curtius als Erscheinung und Redner .................................................. 2. Ernst Curtius als Pädagoge .......................................................................... 3. Ernst Curtius als akademischer Lehrer ........................................................ 4. Ernst Curtius als Lehrer der Nation ..............................................................

45 45 53 56 68

C. Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“ ..................................... 87 1. Die Geschichte der Vorlesung in Curtius’ Lehrangebot .............................. 88 2. Zum Inhalt der Vorlesung im Winter 1864/65 ............................................. 96 3. Medienwechsel: Curtius’ „Griechische Kunstgeschichte“ als Bilderbuch 1878/79 ...................................................................................................... 128 D. Die Studenten: Wilhelm Gurlitt (1844–1905) und Eduard Hiller (1844–1891) .............................................................................. 1. Biographische Skizze Wilhelm Gurlitts ..................................................... 2. Wilhelm Gurlitts Studium .......................................................................... 3. Wilhelm Gurlitts Kollegmitschrift nach ihrer äußeren Form, Vollständigkeit, Art und Herkunft ............................................................. 4. Eduard Hillers Mitschrift derselben Vorlesung im Vergleich ....................

137 137 142 146 148

VI

Inhaltsverzeichnis

II Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift (Sepp-Gustav Gröschel) A. Editorische Anmerkungen ............................................................................... 155 B. Inhaltsübersicht ................................................................................................ 159 C. Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift der „Griechischen Kunstgeschichte“ von Ernst Curtius im Winter 1864/65 .............................................................. 165

Anhang I. Lehrveranstaltungen von Ernst Curtius in komprimierter Übersicht (Antje Brost) ................................................................................................... II. Curtius’ Lehrangebot nach ausgewählten Stundenplänen (Antje Brost) ......... III. Verzeichnis der öffentlichen Universitätsreden von Ernst Curtius ................. IV. Bibliographie Wilhelm Gurlitts (1844–1905) (Antje Brost – Henning Wrede) ...................................................................... V. Eduard Hiller, Geschichte der griechischen und römischen Kunst, gelesen von Ernst Curtius – Göttingen, Winter 1864/65, Fol. 2r – 3v .........................

421 427 431 435 439

Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................... 441 Abbildungen ......................................................................................................... 449 Abbildungen 1–7 ............................................................................................ 451 Abbildungsnachweis ............................................................................................. 458 Register I.

Personen der Antike ....................................................................................... 459

II. Personen der Neuzeit und Moderne ............................................................... 465 III. Antike Schriftquellen (Ernst Curtius. Griechische Kunstgeschichte) ............ 471 1. Literarische Quellen ................................................................................... 471 2. Epigraphische Quellen ............................................................................... 478 IV. Antike Originalwerke ..................................................................................... 1. Architektur ................................................................................................. 2. Plastik ......................................................................................................... 3. Altäre, Basen, Gefäße, Möbel .................................................................... 4. Toreutik ...................................................................................................... 5. Tarrakotten, Stuckrelief ............................................................................. 6. Glyptik ....................................................................................................... 7. Münzprägung ............................................................................................. 8. Malerei ....................................................................................................... 9. Mosaik ....................................................................................................... 10. Vasen .......................................................................................................

479 479 480 487 487 488 488 489 489 490 490

Vorwort Sepp-Gustav Gröschel erstellte 1997 ein Typoskript nach der handschriftlichen Vorlesungsmitschrift Wilhelm Gurlitts. Ermöglicht wurde das ebenso durch die Fritz-Thyssen-Stiftung, Köln, wie seine 1998/9 anschließenden Arbeiten für die vorliegende Edition und teilweise auch der Druck des vorliegenden Bandes. Hierfür gilt der Fritz-Thyssen-Stiftung und Jürgen Chr. Regge unser besonderer Dank. Für die Untersuchungen, die dem Kommentar zugrunde liegen, bot der Sonderforschungsbereich 644 „Transformationen der Antike“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2005 bis 2008 den Kontext. Sein Projekt „Kulturkonstruktionen als Transformationen der Antikevorstellung im 19. Jahrhundert“ untersuchte den Einfluss des idealistischen akademischen Philhellenismus auf die Kulturentwürfe in den Sammlungen der Berliner Museumsinsel. Ein exponierter Vertreter des Philhellenismus ist Ernst Curtius gewesen, ab 1872 Direktor des Antiquariums und bereits in den vierziger Jahren von entscheidendem Einfluss auf den Griechischen Saal im Neuen Museum. Zumal Curtius’ Lebenszeit das 19. Jahrhundert fast gänzlich abdeckte, musste sein hier analysiertes Bild der Antike für das genannte Projekt relevant sein. Daher förderte der Sonderforschungsbereich die vorliegende Studie, indem er eine Überarbeitung des zuvor Erreichten und die engagierte Mitarbeit von Caroline Fuchs (2005-2006) und Antje Brost (20052008) ermöglichte. Für die finanzielle Unterstützung danken wir der Deutschen Forschungsgemeinschaft, für die gedankliche allen Teilnehmern des Sonderforschungsbereiches bei seinen regelmäßigen Treffen, namentlich aber Hartmut Böhme, Ernst Osterkamp, Christoph Rapp und Monika Liedtke.

Einleitung Den andauernden Ruhm von Ernst Curtius begründen die ersten deutschen Ausgrabungen von Olympia in den sieben Kampagnen von 1874/5–1880/1. Sie hatte er über Jahrzehnte geplant. Gemeinsam mit Friedrich Adler war er von Berlin aus ihr Leiter und Herausgeber der gewaltigen Publikation. Zu seiner Lebenszeit erstrahlte der Glanz seiner Griechischen Geschichte. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts erreichte sie als Standardwerk die sechste Auflage. Im 20. Jahrhundert wurde sie nur noch einmal nachgedruckt, in verkürzter und popularisierter Form vor den olympischen Spielen von 1936. Ein gleichrangiges, wenn auch wenig gewürdigtes Verdienst erwarb Curtius sich um Athen. Er initiierte und kommentierte die kartographischen Aufnahmen der Stadt und Attikas. Eine Fülle topographischer Untersuchungen mündete in Die Stadtgeschichte von Athen als das eigentliche Spätwerk ein. Curtius erwirkte die Gründung des dortigen Deutschen Archäologischen Instituts. In den genannten Unternehmungen und Untersuchungen, in seiner Landesbeschreibung der Peloponnes, den Studien zum griechischen Wegesystem, zu Deichbauten und anderen zivilisatorischen Einrichtungen hat Curtius am Beispiel Griechenlands Methoden in die Archäologie übernommen und entwickelt, die später der allgemeinen Erschließung untergegangener Kulturen dienten und daher bis heute nachwirken. Wissenschaftsgeschichtlich vielleicht noch relevanter ist es aber, dass Karl Christ Curtius als den „Vertreter der deutschen Altertumswissenschaft des 19. Jahrhunderts“ bezeichnen konnte, der wie kein anderer „für den Zeitgeist seiner Epoche so sehr repräsentativ war“.1 Curtius ist der exemplarische Vertreter des klassizistischen, idealistischen Philhellenismus gewesen, auf den das ausgehende 19. Jahrhundert als Wesenszug einer überholten Epoche herabsah, obwohl die neue Generation von Wissenschaftlern mit ihren Großprojekten auf ihr gründete. Den Philhellenismus hat Curtius in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vergleichslos in der Öffentlichkeit vertreten, ihn als Wissenschaftler, Organisator, Lehrer, Erzieher, in der Familie und auch in seiner gepflegten äußeren Erscheinung beispielhaft personifiziert. Der durch das griechische Kunst- und Kulturideal definierte Philhellenismus wird in dieser Arbeit begrifflich gegen das Philhellenentum der Unterstützer Griechenlands im Freiheitskampf seit 1821 abgegrenzt, die Zugehörigkeit entsprechend als philhellenistisch, nicht als philhellenisch bezeichnet. Biographische Skizzen und knappe wissenschaftsgeschichtliche Beurteilungen sind Curtius in den letzten Jahrzehnten zuteil geworden.2 Doch auch noch 1 2

Christ, 1989, 68. G. Heres, „Ernst Curtius als Archäologe“, in: Forschungen und Berichte. Staatl. Museen Berlin 16, 1974, 129–148; Borbein 1988; ders., 1989; K. Christ, „Ernst Curtius und Jakob

2

Ernst Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

zum 100. Todestag erschien keine umfassende Würdigung.3 Sie ist auch hier nicht zu erwarten. Ziel der vorliegenden Publikation ist es vielmehr, Curtius erstmals als Pädagogen, als akademischen Lehrer und Erzieher der Nation darzustellen, in Funktionen, die für den Philhellenismus des 19. Jahrhunderts von entscheidender Bedeutung waren. Ausgangspunkt ist Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“ aus dem Wintersemester 1864/65, die hier nach der Mitschrift von Wilhelm Gurlitt publiziert wird. Die Mitschrift desselben Göttinger Kollegs von Eduard Hiller erlaubt es, ihren Inhalt zu überprüfen. Über ihre Fortentwicklung bis in die späten siebziger Jahre unterrichtet die weitere Mitschrift von G. Braun. Sie läßt zugleich die Krise der philologischen Kunstbetrachtung von Curtius erkennen. Curtius hat dieses Kolleg fast 40 mal vorgetragen, wesentlich häufiger als jedes andere. Er hat es daher nicht nur für das Zentrum seiner akademischen Lehre gehalten, sondern auch für das der Archäologie, in der er wiederum den Teil der Altertumswissenschaften erkannte, der sich in seinem Jahrhundert unter allen Geisteswissenschaften am dynamischsten entwickelte. Über große Kunstwerke handelten die Veröffentlichungen von Curtius nur bei den Bauskulpturen des Zeustempels von Olympia, der Nike des Paionios und dem Hermes des Praxiteles breit, d. h. bei Funden seiner Ausgrabung. Daher vervollständigt seine „Griechische Kunstgeschichte“ das Bild des Archäologen Curtius in einem Aspekt, der für ihn selbst entscheidend gewesen ist. Das Kolleg wird hier im Zusammenhang mit der weiteren akademischen Lehre besprochen. Erst sie kennzeichnet Ernst Curtius als einen Vertreter der gesamten Altertumswissenschaft. Denn wenn auch eine prinzipiell archäologische Ausrichtung sein wissenschaftliches Leben bestimmte und Gegebenheiten zeitweise intensivierte Forschungen auf landeskundlichem, historischem oder religionsgeschichtlichem Feld bedingten, so sah sich Curtius doch stets der griechischen Kultur in ihrer Gesamtheit verpflichtet, in der Nachfolge von August Boeckh und Karl Otfried Müller. Das wissenschaftliche Ideal zielte auf die vollständige Rückerschließung der griechischen Kultur. Besonders klar folgt das erst aus der Breite der Lehrveranstaltungen. Sie vermitteln damit auch eine bessere Vorstellung von dem additiven Konzept von Kultur, das der eigentlichen Kulturgeschichtsschreibung in der Art von Jakob Burckhardt voranging, sie aber auch mitbestimmte, wie gerade der Einfluß von Curtius belegt. Außer dem sprachwissenschaftlichen Gebiet, den Privataltertümern und der Architektur umgriff die

3

Burckhardt, zur deutschen Rezeption der griechischen Geschichte im 19. Jahrhundert“, in: ders. – A. Momigliano, L’Antichità nell’Ottocento in Italia e Germania – Die Antike im 19. Jahrhundert in Italien und Deutschland (1988) 221–248; ders. 1989; ders., Hellas, Griechische Geschichte und deutsche Geisteswissenschaft (1999) 32–42; Hassenstein 1989; Marchand 1996. Biographisch wichtig sind noch immer die zum Tod erschienenen Nachrufe und die etwas späteren Gedenkschriften: Broicher 1896; Grimm 1896; R. Kekulé von Stradonitz, „Ernst Curtius“, in: Nord und Süd 36, 1896, 50–68; C. Curtius 1897; H. U. Köhler, Gedächtnisrede auf Ernst Curtius (1897); Michaelis 1897; Kern 2008. Vgl. Fittschen 1996.

Einleitung

3

Lehre des Philologen der Realien Curtius die ganze Altertumswissenschaft, einschließlich der griechischen und römischen Literatur. Seine Forschungen konnten diese Breite nicht abdecken. Trotz eindeutiger Verbindungen – zwischen der Beschreibung der Peloponnes etwa und der Griechischen Geschichte oder zwischen ihr und der hier publizierten „Griechischen Kunstgeschichte“ – standen sich Forschung und Lehre bei ihrer jeweiligen Darstellung der griechischen Kultur ähnlich segmentiert und additiv gegenüber wie die Forschungen und Lehrveranstaltungen untereinander. Die widerspruchsvolle philologische Sicht des 19. Jahrhunderts auf das Ganze prägt auch die hier publizierte „Griechische Kunstgeschichte“. Sie ist trotz aller fortentwickelten einzelnen Züge das Produkt einer aus der Philologie verselbständigten, aber nicht emanzipierten Archäologie. Als spätes Beispiel folgt sie der von C. G. Heyne gesetzten akademischen Tradition, die vollends K. O. Müllers Handbuch der Archäologie der Kunst 1830 in Deutschland durchgesetzt hatte. Wie das Handbuch besteht Curtius’ Kolleg aus zwei Teilen, aus der eigentlichen Kunstgeschichte und aus einer systematischen Darstellung der Archäologie. Nur sind beide, vor allem die „Kunstlehre“, in der Anpassung an die Länge eines Semesters verkürzt. Sowohl als umfassende Kunstgeschichte der Antike wie als übergreifende Darstellung der archäologischen Disziplin hat das publizierte Kolleg im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts in Deutschland keine Parallele, weswegen es eine Lücke füllt. Über seinen umfassenden Charakter vermittelt es zwischen dem in späteren Auflagen nur unwesentlich veränderten Handbuch Müllers und K. Sittls Handbuch der Archäologie der Kunst von 1895. Als globale Kunstgeschichte übertreffen seine Intentionen die Geschichte der griechischen Plastik von Anselm Feuerbach aus dem Jahr 1853 und von Johannes Overbeck aus den Jahren 1858 und 1859. Mit all den Einschränkungen, welche die Verkürzung des Stoffs auf ein Semester mit sich brachte, ist Curtius’ Kolleg am ehesten als eine Fortentwicklung des Müllerschen Handbuchs auf dem Forschungsstand nach einer Generation zu würdigen, zumal es dessen prinzipiell philologische Kunstbetrachtung bis in die spätest mögliche Zeit fortschrieb. Der jüngere Entwicklungsstand der Archäologie bedingte in der Vorlesung eine intensivere Hinwendung zu den einzelnen Monumenten als bei Müller, z. T. auch eine abweichende Bewertung der griechischen Kunstepochen. Hieran hat die Auseinandersetzung mit der Plastik einen entscheidenden Anteil. Das fordert dann wieder den Vergleich mit Overbecks Plastikgeschichte und Brunns Künstlergeschichte von 1853 heraus, die Gegenüberstellung also mit den beiden Werken, welche zur Zeit der Vorlesung auf dem Weg zu einer nicht mehr philologisch pränotierten Kunstgeschichte der Antike von archäologischer Seite am weitesten fortgeschritten waren. In etwa zeitgleich mit den beiden ersten Bänden der Griechischen Geschichte entstanden, ergänzen sich deren Darstellungen der griechischen Kunst und Kultur mit denen der Vorlesung wechselweise. Das gilt vor allem für die große Bedeutung, die dem Prozeß der „nationalen“ Vereinheitlichung in archaischer Zeit zugewiesen wird, und für die Art, in der Curtius die klassische Kunst Athens als das

4

Ernst Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

Ergebnis des gewonnenen nationalen Selbstverständnisses, Perikles und Phidias als dessen Personifikationen feierte. In der Malerei hat Curtius selbst die Einführung der Megalographie und den Übergang von den schwarzfigurigen zu rotfigurigen Vasen auf nationale Beweggründe zurückgeführt.4 Daher übertrifft das hier publizierte Kolleg der sechziger Jahre jede andere Griechische Kunstgeschichte bei der betont patriotischen und nationalen Perspektive. Hinzu zu ziehen sind Curtius’ fortgesetzte Bemühungen um die Ausgrabungen von Olympia als dem panhellenischen Heiligtum, an dem den Griechen klassischer Zeit ihre Zugehörigkeit zu einem Volk nach seiner Vorstellung am deutlichsten offenbar wurde.5 Der nationale Standpunkt bei Geschichtswerk, Kunstgeschichte und Olympiaunternehmen kennzeichnet den Patrioten Curtius in seinem Bemühen, am idealen Beispiel die Vereinigung Deutschlands unter preußischer Führung vom welfischen Göttingen aus wenige Jahre vor ihrem Vollzug voranzutreiben, kennzeichnet auch allgemeiner den nationalliberalen deutschen Universitätsprofessor der fünfziger und sechziger Jahre in der humanistischen Bildungstradition. Von seinem wissenschaftlichen Werk erhoffte sich Curtius ähnliche pädagogische und politische Auswirkungen wie von seinen Universitätsreden. Als Professor eloquentiae und Mund der Universitäten Göttingen und Berlin hielt er sie an deren herausragenden Festtagen über fast vierzig Jahre. Als Erzieher der Nation zielte er mit ihnen darauf, das jeweilige politische Geschehen vor und nach der Vereinigung Deutschlands mit Rat gebenden Beispielen aus der Antike in die richtigen Bahnen zu lenken. Die in den drei Bänden Alterthum und Gegenwart zusammengefaßten Reden charakterisieren den philhellenistischen Patriotismus durch ihre Bezüge auf die Gegenwart. Dieser Patriotismus setzt auf Bildung, Kultur und Wissenschaft, auf eine konstitutionelle Monarchie mit harmonisch aufeinander einwirkenden Parteien und Bevölkerungsgruppierungen, auf gemäßigte Religiosität. Rassische und nationale Vorurteile, besonders gegenüber den Juden, sind ihm ebenso fremd wie die Orientierung an Ereignissen, militärischen Auseinandersetzungen und allen Formen einer imperialen Machtausübung, von der Kolonisation dem griechischen Vorbild entsprechend abgesehen. Die Archäologie war eine die Zeit des Imperialismus begleitende „Eroberungswissenschaft“.6 Curtius veranschaulicht, auch durch die Art und Weise seiner Ausgrabungen in Olympia, daß eine frühere und eine spätere Phase zu unterscheiden sind. Er verkörperte die mit Wilhelm I. verbundene frühere, philhellenistische, der die ausgeprägt negativen Züge der späteren noch fehlten. Leidenschaftlich wandte er sich gegen die mit Wilhelm II. verbundene neue Ausrichtung der deutschen Politik, zumal sie die Vorherrschaft des humanistischen Bildungsgedankens, den Philhellenismus, brach. Seit Bismarcks Entlassung nahm Curtius zur politischen Situation nicht mehr Stellung. 4 5 6

Vgl. u. S. 114. 152. Vgl. Wrede 2009, 173. 178. 194 f. Maier 1992.

Einleitung

5

Müllers Handbuch war nach Vorlesungen entstanden und stellte sich das primäre Ziel, eine Handreichung für weitere Vorlesungen zu sein. Tatsächlich hat es auf den akademischen archäologischen Unterricht normierend eingewirkt. Das hier publizierte Kolleg ist ein Beispiel dafür, welch einheitliche Formen die archäologische Lehre unter seinem Einfluss annahm und welche Variationsmöglichkeiten verblieben. Hierüber müßte die Durchsicht der Kollegienmitschriften anderer Archäologen natürlich zusätzlich unterrichten, die es mit einiger Wahrscheinlichkeit in größerer Zahl gibt. Ein solches Wechselspiel zwischen auf Vorlesungen ausgerichteten Handbüchern, handbuchartig angelegten Vorlesungen und damit auch Mitschriften ist in der Archäologie seit dem letzen Viertel des 19. Jahrhunderts nicht mehr zu konstatieren, weil ein durchsetzungsfähiges Handbuch der Klassischen Archäologie nicht mehr zu schreiben war, auch heute nicht mehr zu schreiben ist, Müllers opus magnum aber überholt war. Zumindest in Berlin bot in dieser Zeit auch kein weiterer Klassischer Archäologe die Vorlesung Griechische Kunst in der komprimierten Form eines einzigen Semesters mehr an. Wie die abweichenden Studien und weiteren Mitschriften von Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller ausweisen, kennzeichnete eine solche Orientierung an allgemeinen Überblicken in Wissenschaft und Lehre auch die anderen geisteswissenschaftlichen Fächer in der Jahrhundertmitte. In der Archäologie wurde sie bei deren Einführung in den Universitätsunterricht im früheren 18. Jahrhundert gesetzt. Damals wandten sich die Vorlesungen zum ersten Mal in großer Zahl neuen Themen zu. Das ließ sie wie die nach ihnen verfaßten Mitschriften zu neuen Medien der Forschung werden, die dann wieder auf den Umfang und den Inhalt des Dargestellten zurückwirkten. Beide bildeten den Nukleus für die Genese der modernen Forschungsuniversität.7 In diesem Prozeß erbrachte die Archäologie ein besonders frühes, vielleicht sogar erstes Beispiel für das Entstehen einer neuen Universitätswissenschaft im 18. Jahrhundert. Daher sei zunächst auf diese Vorgeschichte des Kollegs eingegangen. Denn in ihr entstand die Kunstarchäologie und mit ihr neben der medialen auch die thematische Voraussetzung für Gurlitts Mitschrift von Curtius’ Griechischer Kunstgeschichte.

7

Clark 2006.

I. Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar (Henning Wrede)

A. Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher als Medien der akademischen Transformation einer Wissenschaft von 1730–1870 Die hier nach Mitschriften von Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller publizierte „Griechische Kunstgeschichte“ von Ernst Curtius wie das ganze Studium der beiden Verfasser setzen eine akademische Lehre voraus, welche in sehr starkem Umfang von handbuchartig breit angelegten Vorlesungen bestimmt wurde, die nahezu wie Diktate auf eben solche Mitschriften angelegt waren.1 Ein erheblicher Teil des Studiums hat im Verfassen solcher Nachschriften, in deren abendlicher Vervollständigung, in gelegentlichen Reinschriften und in der schließlichen Zusammenfassung der Manuskripte in Büchern bestanden. Der Unterschied zur heutigen akademischen Lehrvermittlung ist groß und verdeutlicht sowohl die damalige wie heutige Zeitgebundenheit. Tatsächlich ist diese Art des Studiums erst zur Zeit der Aufklärung um die Mitte des 18. Jahrhunderts aufgekommen. Anselm Rabiosus beschrieb an seinem Ende ein studentisches Leben in Leipzig, das vom Wettkampf um Banksitze in Hörsälen bestimmt wurde, die ein Auflegen der Kolleghefte zur Mitschrift erlaubten.2 Wie W. Clark in seinem bemerkenswerten Buch über das Entstehen der modernen Forschungsuniversität darlegte, kennzeichnen ministerielle Verfügungen in den Kleinstaaten Deutschlands den Hintergrund, welche auf den spätbarocken Verfall der öffentlichen Vorlesungen und deren ausbleibenden Besuch reagierten.3 Sie verfügten – in Preußen 1781 – , daß Vorlesungen sich auf persönlich angefertigte, wenn möglich die Publikation vorbereitende Texte auf neustem Forschungsstand zu stützen hätten. Sie sollten dem zeitlichen Umfang eines Semesters entsprechen und im erwünschten Fall der Überblicksvorlesungen einen wissenschaftsgeschichtlichen Abriss einschließen. Das persönliche Erarbeiten der Vorlesungsstoffe auf dem neusten Forschungsstand ging mit dem Gewahren eigener, neuer Ansätze einher und begünstigte die Einführung neuer Wissensgebiete an den Universitäten. Hierfür erbringt die Archäologie ein besonders schlagendes, vielleicht auch erstes Beispiel auf dem Weg zur Forschungsuniversität. Auf die subjektive Interpretation der Themen durch die Vortragenden wie auf die Behandlung neuer Wissensbereiche mußte die Hörerschaft mit Mitschriften reagieren. Die Entwicklung führte nicht nur zur Einführung der Archäologie als 1 2 3

Vgl. u. S. 53. 144. A. Rabiosius, Wanderungen und Kreuzzüge durch einen Teil Deutschlands II (1796) 38ff. Clark, 2006, 84–88.

10

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Universitätswissenschaft, sondern gab ihr auch ihren Namen, dazu eine neuartige Definition, welche bis tief in das 20. Jahrhundert fortwirkte. Wie weitgehend sie das Fach bis in das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts bestimmte, ist gerade der „Griechischen Kunstgeschichte“ von Ernst Curtius abzulesen. Daher wird die zu ihr führende Entwicklung ausführlicher skizziert.

1. Archäologie und Kunst als historische Quellengattungen in Vorlesungen der Leipziger Schule Mit den antiquarischen Altertumswissenschaften ist die Archäologie bis in das 15. Jahrhundert zurückzuverfolgen.4 Die Vertreter der Disziplin suchten die Kultur der Antike über zwei unterschiedliche, sich gegenseitig aber ergänzende Konzeptionen zu rekonstruieren. Die ausschließlich Archäologische ging von den Gattungen der materiellen Hinterlassenschaft in monographischen Überblicken aus, welche die antiken Bauwerke, Statuen, Porträts, Malereien und Mosaiken, Gemmen, Münzen und Inschriften betrafen.5 Die andere wandte sich den antiken Einrichtungen, Sitten und Gebräuchen zu, was sie mit der ausgedehnten historischen Erforschung der antiken Texte in Renaissance und Barock verband.6 Diese im eigentlichen Sinn antiquarische Ausrichtung fand um 1720 ihre archäologische Zusammenfassung im monumentalen Werk des B. de Montfaucon.7 Überblicke über den Stand der gattungsgebundenen archäologischen Forschung boten im ausgehenden 17. Jahrhundert J. Spon und L. Beger.8 In diesem Zusammenhang hat bekanntlich zuerst Spon erwogen, die mit den Monumenten befaßte Wissenschaft als Archäologie oder Archäographie zu bezeichnen.9 Der griechische, die Lehre von der Frühzeit kennzeichnende Begriff war seiner allgemein historischen Bedeutung wegen zuvor und ist noch später abweichend benutzt worden, gerade auch zur Kennzeichnung der antiquarischen Kulturgeschichtsschreibung auf textlicher Grundlage, so etwa von T. Dempster 1640 bei seiner Zweitauflage des Antiquitatum Romanarum corpus absolutissimum von I. Rosinus oder 1697–1699 bei J. Potter in seiner Archaeologia graeca.10 4

H. Wrede in: W. Küttler – J. Rüsen – E. Schulin (Hrsg.), Geschichtsdiskurs Bd. 2: Anfänge modernen historischen Denkens (1994) 95–119; Herklotz 1999, 207–265. 5 s. die Literaturauswahl bei Wrede a. O. 113 Anm. 12; breitere Nachweise bei M. Daly Davis, Archäologie der Antike. Aus den Beständen der Herzog August Bibliothek 1500– 1700 (1994); Heenes 2003. 6 Herklotz 1999, a. a. O. 7 B. de Montfaucon, L’antiquité expliquée et representée en figures I–V, dazu Suppl. I–V (1719–1724). 8 J. Spon, Miscellanea eruditae Antiquitatis (1685); L. Berger, Spicilegium Antiquitatis sive variarum et Antiquitate elegantiarum (1692). 9 Spon a. O. Praefatio 1f. 10 J. Potter, Archaeologia graeca or the Antiquities of Greece I–II (1697–1699).

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

11

Beide Konzeptionen verfolgten das Ziel, die antike Kultur enzyklopädisch oder doch wenigstens so umfassend wie möglich zurück zu erschließen, verzichteten aber weitestgehend auf eine ästhetische und formanalytische Auseinandersetzung mit der Griechischen Kunst. Auch die nicht wenigen Kunsttraktate des 16. und 17. Jahrhunderts gingen von den literarischen Quellen der Antike aus, zogen die tradierten Werke der bildenden Kunst aber nicht hinzu. Die Verbindung von Texten und Monumenten hat erst J. J. Winckelmann hergestellt, wodurch er mit seiner Geschichte der Kunst des Alterthums 1764 der Begründer der Kunstgeschichte geworden ist. Den Begriff Archäologie benutzte er nicht. Die Forschungsbahnen der Antiquare hat aber auch Winckelmann nicht verlassen, so sehr er sie auch schmähte. Die beiden Bände seiner Monumenti antichi inediti von 1767 hat er nach Göttern, Heroen, bedeutenden historischen Persönlichkeiten und privaten Ikonographien gegliedert. Das folgte der antiquarischen Unterscheidung zwischen res divinae, publicae und privatae, wie Winckelmann denn auch neue Methoden in diesem primär ikonographisch angelegten Werk nur in geringem Umfang zur Verfügung standen. Eine gezielte Ausbildung als Archäologe hat es vor dem 18. Jahrhundert so wenig gegeben wie ein einheitliches Berufsziel. Dem heutigen Berufsbild am nächsten kamen wohl die Verwalter von Antikensammlungen oder Münzkabinetten im höfischen Dienst und die päpstlichen Aufseher über das römische Grabungswesen. Wie die anderen archäologisch Tätigen hatten aber auch sie eine heterogene vorangehende Ausbildung als Theologen, Juristen, Mediziner, Philologen oder alles dieses zusammen, als Künstler, Architekten, Bibliothekare, Sekretäre oder Erzieher durchlaufen. Einen gemeinsamen Hintergrund stellten die Lateinschule und überwiegend das Studium in der Fakultät her, die später und hier vereinfachend die philosophische genannt wurde. Nicht wenige Verfasser der antiquarischen und archäologischen Schriften hatten eine Professur inne. Dabei ist die Zahl ihrer theologischen, juristischen oder medizinischen Lehrstühle kaum geringer gewesen als diejenigen für Latein (Eloquenz), Griechisch oder Geschichte. Die archäologischen Untersuchungen stützten sich im 16. und 17. Jahrhundert auf publizierte Stiche und auf Zeichnungen, die zumeist von dritter Hand geliefert worden waren. Die meisten Autoren hatten aber das von ihnen zusammen gestellte Material in Sammlungen oder auf Reisen am Standort gesehen. Allerdings haben sie ihre Ausführungen kaum je im Anblick der Monumente verfasst, weswegen die Beziehung doch stets indirekt gewesen ist. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen konnten sich auf die Lehrinhalte an der Universität beziehen, waren aber nicht mit den dortigen Vorträgen direkt oder als Mitschrift indirekt identisch. Mit der Einbeziehung der antiquarischen und archäologischen Forschung in das Studium an den Philosophischen Fakultäten seit dem 18. Jahrhundert mußten sich sowohl der Inhalt wie der Kreis der Adressaten ändern, wurde dazu nach und nach ein genormter Ausbildungsweg vorgegeben. War das Publikum der Gelehr-

12

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

ten, ihrer heterogenen Herkunft gemäß, im weiten Kreis des humanistisch geprägten Bürgertums samt der von ihm beeinflussten kirchlichen Würdenträger und der Aristokratie gegeben, so erweiterte es sich zur Zeit Winckelmanns noch auf das ganze literarisch bestimmte Kommunikationssystem der Aufklärungszeit.11 Das äußerte sich nach dem Übergang vom Neulatein als internationale Gelehrtensprache auf die nationalen Sprachen auch in der Teilnahme der archäologischen Schriften an der literarischen Entwicklung, wie bei Winckelmann, Lessing, Goethe oder K. P. Moritz ersichtlich. Durch die Akademisierung der Archäologie erhielt ihre „souveräne Kompetenz zur Identitätskonstitution“12 des aufgeklärten Subjekts in der Auseinandersetzung mit den antiken Kunstwerken einen institutionellen Filters. Die damit eingeleitete Professionalisierung zog eine zunehmende Spezialisierung im akademischen Bereich nach sich. Dieser Prozeß wird im Folgenden näher verfolgt. 1778 lobte Christian Gottlob Heyne den Leipziger Professor Johann Friedrich Christ, „die antiquarische Wissenschaft … eines akademischen Vortrags fähig gemacht“ zu haben.13 Christ ist Erzieher, später sowohl Professor für Recht wie für Geschichte und als vermutlich bester Latinist in Leipzig auch für Eloquenz und Poesie gewesen, war also von einer Vielseitigkeit, die ihn mit der skizzierten Tradition des Barocks verbindet. Eine Generation vor Winckelmanns Griechischer Kunstgeschichte veröffentlichte er 1735 auf Latein eine Einführung in seine Vorlesungen, wohl weil sie nicht wie üblich einem kanonischen Text, sondern einem neuen Thema gewidmet waren. Sie betrafen die res litterariae und die antiquitates Romanae. Beide unterstellte er der historia, über die er im selben Semester eine weitere Vorlesung hielt. In der kurzen Schrift mit dem Titel Derelicta litterarum in spatiis quaedam praesertim quod ad historiam legte er zur einen Hälfte den Nutzen der Beschäftigung mit geschriebenen Quellen dar und verwies er in der anderen auf die Breite der archäologischen Quellengattungen einschließlich der antiken Epigraphik und Numismatik. In einem knappen wissenschaftsgeschichtlichen Abschnitt nannte er bekannte, antiquarisch orientierte Künstler und Autoren wie Hieronymus Cock, Giovannantonio Dosio, Jacques Androuet Ducerceau, Jan Gruter, Pirro Ligorio oder Achilles Statius. Als Ziel gelte es, neben den Monumenten die res divinae et humanae, die Riten und Sitten der Römer wiederzugewinnen. Damit erhob er die archäologische antiquarische Forschung des 15.– 17. Jahrhunderts in ihren beiden Aspekten zum Gegenstand des Unterrichts an der Universität. Bis zu seinem Tod 1756 hat sich die Vorlesung stark verändert, indem sie den der antiquarischen Forschung fremden, der heraufziehenden Aufklärung aber immanenten Aspekt der Kunst einbrachte, die Antiquitates hingegen zurückstellte. Unter dem Titel Abhandlungen über die Litteratur und Kunstwerke vornehmlich des Alterthums hat Johann Carl Zeune, außerordentlicher Professor 11 Vgl. D. Aebli, Winckelmanns Entwicklungslogik in der Kunst (1991) 20–32. 12 Aebli a. O. 32. 13 C. G. Heyne, Die Künstlerepochen beim Plinius. Sammlung antiquarischer Aufsätze I (1778) S. V. Vgl. Bruer 1994, 28.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

13

der Philosophie in Leipzig, eine spätere Fassung nach einer anonymen Mitschrift unter häufigerem Rückgriff auf Winckelmann 1776 redigiert und publiziert. Mit nach wie vor enzyklopädisch barockem Anspruch erbringt sie einen Überblick über die schriftlichen, bildlichen und anderweitig monumentalen Quellengattungen der Geschichte in 12 Abschnitten. In dieser ausführlichen Fassung wird nun auch J. Spon als spiritus rector genannt, von dem Christ aber weder die Bezeichnung Archäologie noch Archäographie übernahm. Sein spezifisches Anliegen bestand darin, Spons monumentale Quellengattungen um geschriebene zu ergänzen: unterschiedliche Arten der Schrift, Diplomatik und Handschriftenkunde. Dem Titel der Vorlesung entsprechend wies er innerhalb dieses antiquarischen Unternehmens nun der Kunst Relevanz für die Geschichtsforschung zu. Breit berücksichtigte er daher Vitruv-Ausgaben, Kunsttraktate und die Künste des 16. bis frühen 18. Jahrhunderts.14 Deswegen leitet eine knapp gehaltene Kunstgeschichte von der Frühzeit der Griechen bis zur Gegenwart zu den monumentalen Quellengattungen über.15 Der den Denkmälern gewidmete Anteil übertrifft den mit der Schrift verbundenen um etwa das Dreifache. Möglicherweise stützte sich der Vortrag gelegentlich auf die Münz-, Gemmen- und Stichsammlung Christs, gleichsam eine Vorstufe für spätere Universitäts- und Seminarsammlungen von Lehrmaterialien. Johann August Ernesti, der Nachfolger Christs in Leipzig, erweiterte dessen System der historischen Quellengattungen noch um die unterschiedlichen Arten des Materials der Monumente und veröffentlichte den Grundriß seiner Vorlesungen nach der vierten Veranstaltung 1768 als eine Archaeologia literaria. Schon auf der ersten Seite des Vorworts spricht die Schrift den Unterschied zwischen dem kulturgeschichtlich-antiquarischen und dem neu erkannten, dem durch Kunst erziehenden Wert der antiken Überlieferungen an, ohne sich deswegen aber von einer prinzipiell philologischen Betrachtungsweise zu trennen. Um 22 Exkurse erweitert, gab Georg Heinrich Martini Ernestis Werk 1790 erneut heraus. Martinis eigenes Kolleg wurde 1796 nach einer anonymen Mitschrift von 1785 der Publikation für wert befunden. Sie trägt den Titel Akademische Vorlesungen über die Litterair-Archäologie nach Anleitung des Ernestischen Lehrbuchs durchgesehen und mit Anmerkungen begleitet. Da die antike Literatur von den Leipziger Professoren und dem Schuldirektor Martini nicht eigentlich berücksichtigt wurde, ist die mit doppeltem t geschriebene Litterair-Archäologie als eine Lehre von den Grundlagen der alten Wissenschaften, der Altertumswissenschaften also, zu verstehen. Der Titel verbirgt den nach der Breite überlegenen Anteil der genuin archäologischen Darlegungen, die sich allerdings weitestgehend nur auf Schriftquellen stützten. In Ernestis und Martinis Vorlesungen betrug er mehr als das Doppelte. Daher liegt eine gewisse semantische Einschränkung des Wortes Archäologie im Sinn der späteren Fachbezeichnung vor. In Abhängigkeit von Er14 Christ 1776, 12–17. 15 Christ 1776, 38–44.

14

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

nesti und dessen falschem Verständnis der Toreutik hat Martini die gesamte Plastik in hartem Material unter diesem Oberbegriff erörtert und hier auch einen kurzen Abriß der Kunstgeschichte Winckelmanns eingearbeitet.16 Wurde die Kunstgeschichte damit in die Plastik eingeordnet, den Kunstgattungen nicht mehr als übergreifend vorgeschaltet, wie bei Christ, so ergab sich eine Verwissenschaftlichung der Kunst und eine größere Distanz zu ihren Werken. Obwohl Winckelmanns Kunstgeschichte nun vorlag, erhielt die Griechische Kunst bei Ernesti und Martini eine abstrakt philologische Darstellung in Abhängigkeit von Schriftquellen. Auch die Ferne des akademischen Betriebes in Leipzig zu den Mittelmeerländern und selbst zu Sammlungen antiker Skulpturen und Kleinkunst dürfte dazu beigetragen haben. Ein Aufenthalt in Italien ist nur für Christ nachzuweisen. Christs und Martinis Vorlesungen wurden nach Mitschriften publiziert. Im Gegensatz zu Winckelmanns Werk kam es auf die sprachliche Form der Veröffentlichung also nicht mehr an. Verflüchtigte sich der Anteil der auf Kult-, Staats- und Privataltertümer gerichteten antiquarischen Zielsetzungen nach 1735, wie schon an den Kollegien von Christ ablesbar, dann weil diese Antiquitates nun in anderen, textlich bestimmten Vorlesungen zur Geltung kamen. Auch der von kulturgeschichtlichen Ansätzen bereinigte und von Dozent zu Dozent erweiterte Überblick über die Grundlagen der Geschichtsforschung deckte ja keine neue Fachrichtung ab, sondern erweiterte und differenzierte das Lehrangebot in der Klassischen Philologie. Ist in den Geisteswissenschaften eine solche Auffächerung der Lehre im Gebiet der Klassischen Studien zuerst nachzuweisen, dann weil sie bereits in Renaissance und Barock zuerst damit begonnen hatten, eine Kultur umfassend zu erforschen.

2. Die Einführung der Kunstarchäologie als Wissenschaftszweig in Vorlesungen C. G. Heynes und seiner Schüler Das erste staatlich bezahlte Seminar als Ausgangspunkt späterer Forschungsinstitute an den Philosophischen Fakultäten ist 1838 in Göttingen von dem Klassischen Philologen und Professor für Eloquenz Mathias Gesner gegründet worden,17 der den ästhetischen Aspekt der antiken Dichtung betonte, als Leiter der Universitätsbibliothek archäologische Stichwerke anschaffte, seine Vorlesungen zu den griechischen und römischen Antiquitates aber an kanonischen Texten in barocker Manier ausrichtete. Den Statuten gemäß war der Auftrag des Seminars zwar allgemein geisteswissenschaftlicher und pädagogischer Art18, doch bezeugt 16 Ernesti, Archaeologia literaria 75–80; Martini, Akademische Vorlesungen 337–371. 17 Clark, 2006, 158. 160. 489. Vgl. D. Graepler – J. Migl, Das Studium des schönen Altertums – Christian Gottlieb Heyne und die Entstehung der Klassischen Archäologie (2007) 11 (Graepler). 29 (H. Döhl). 18 Clark 2006, 172.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

15

schon die Anbindung an die Klassische Philologie, wie weit die mit ihr verbundenen Studien hierbei im Vordergrund standen und wie weit deren Spektrum ausgriff. Wenn im deutschen Vorlesungsverzeichnis der Georgia Augusta für 1755/56 bei der Aufzählung der unterschiedlichen Fakultäten und Disziplinen allein die Philologie mit Kritik und Antiquitäten in dreifacher Aufgliederung erscheint19, dann weil sie in der Tradition des 16. und 17. Jahrhunderts ein kulturell besonders weit ausgreifendes Fach gewesen ist, das die Möglichkeit zu weiterer Differenzierung in sich barg. Weitere geisteswissenschaftliche Seminare, wiederum nur für Philologie, sind in Deutschland erst seit den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts nachweisbar und werden auf das einflußreiche Wirken C. G. Heynes zurückgeführt20, des fast unmittelbaren Nachfolgers Gesners am Seminarium philologicum, des neben F. A. Wolf entscheidenden Förderers der späteren Altertumswissenschaften und Begründers der Archäologie an deutschen Universitäten. Als Beispiel für die Spezialisierung im Bereich der Altertumswissenschaften kommt seinen archäologischen Vorlesungen grundlegende Bedeutung für die Entstehung der Forschungsuniversität zu. Heyne, ein Schüler von Christ und Ernesti, war in Deutschland der erste, der den Begriff Archäologie von den mit der Schrift verbundenen Komponenten der Leipziger Schule wieder schied.21 Eindeutig war sein Wortverständnis dennoch nicht. Einerseits führte er Archäologie im antiken und antiquarischen Verständnis als synonym mit Antiquitates wieder auf das Studium der antiken Einrichtungen und Gebräuche zurück, das bei Spon und der Leipziger Schule zurückstand, aber auch noch im frühen 19. Jahrhundert als Bezeichnung für die griechische Kulturwissenschaft, etwa für August Boeckhs Encyclopaedia, galt. Die Antiquitates grenzte er scharf gegen die Ereignisgeschichte22, aber auch gegen die Wissenschaft von „der schönen Kunst“ ab. Andererseits definierte Heyne die antike Kunst als alleinigen Inhalt der Archäologie, was Auswirkungen bis tief in das 20. Jahrhundert hatte: „Archäologie ist jede Erzählung der Alten, z. B. in der Geschichte. Allein auch mit der Beschreibung und Zerlegung der alten Kunstwerke beschäftigte sie sich.“23 Eine Begründung für die anschließende Verwendung des Begriffs in eingeschränkter Bedeutung fehlt und ließ sich auch nicht geben. Die Bezeichnung ihres Faches als Archäologie haben die namhaften Vertreter der Disziplin im 19. Jahrhundert daher nur mit Ärger unter dem Hinweis auf den nun allgemeinen Usus hingenommen.24 19 20 21 22

Clark 2006, 54. Clark 2006, 159. Heyne 1772, 3. 7f. Erneut gelten ließ er die „literarische Archäologie“ in: Heyne 1822, 3. Heyne 1772, a. a. O. Vgl. M. Heidenreich, Christian Gottlob Heyne und die Alte Geschichte (2006) 294–325. Zur abwertenden Beurteilung des Antiquarischen bei Heyne: A. Stähli in: S. Altekamp – M. R. Hofter –M. Krumme (Hrsg.), Posthumanistische Klassische Archäologie. Kolloquium Berlin 1999 (2001) 153 mit Anm. 26. 23 Heyne 1822, 1. 24 Vgl. u. S. 37.

16

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

1763 nach Göttingen berufen, kündigte Heyne für das Wintersemester die öffentliche Vorlesung „Veterum monumentorum et artificiorum notitiam deinceps traditus“ an, für die nicht gesichert ist, ob sie stattgefunden hat. Mit Hartmut Döhl läßt „schon die Vorlesungsabsicht deutlich erkennen, daß Heyne hier eigene Forschungsergebnisse und -erfahrungen ins Zentrum zu stellen beabsichtigte“,25 wodurch sich die von 1767 bis 1806 in jedem Sommersemester unter dem Titel Archaeologiam seu notitiam Monumentorum antiquorum eorumque comparationem cum praeceptis artium elegantiorum gelesene Veranstaltung als ein Modellkolleg im Sinn der aufgeklärten Vorstellungen erwies, wie es von ministerieller Seite in Preußen tatsächlich auch bezeichnet wurde. Entsprechend sind heute mehr als zehn Mitschriften, sämtlich unveröffentlicht, bekannt.26 Auf der Grundlage anonymer Mitschriften sind 1822, zehn Jahre nach Heynes Tod, dessen Akademische Vorlesungen über die Archäologie der Kunst des Alterthums, insbesondere der Griechen und Römer herausgegeben worden. In ihnen ist mit der Archäologie der Kunst die Bezeichnung der Disziplin gewählt, die sich auf Winckelmanns und konkret Heynes Einfluß hin im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert durchsetzen sollte und den archäologischen Bereich des Philologiestudiums, später die verselbständigte Disziplin definierte und von der nicht akademischen archäologischen Tätigkeit abhob. Schließlich hat Heyne 1772 in seiner Einleitung in das Studium der Antike das Schema zur Darstellung der antiken Kunst vorgegeben, das die Handbücher um 1800 und im 19. Jahrhundert teilweise unter Hinzufügung der Architektur und der Numismatik aufgriffen: Nach einer propädeutischen Einleitung zur Kunsttheorie, zur Überlieferung der Denkmäler und zur Geschichte des Wissenschaftszweiges müsse der Hauptteil die Kunstgeschichte und die systematische Darstellung der Kunstgattungen behandeln. Die kurze Schrift, in der er diese Gliederung entwarf, diente der Definition einer Teildisziplin im weiteren Rahmen des „Studiums der Antike“, die auf F. A. Wolfs umfangreiche Darstellung der Altertumswissenschaft27 hinführt. Die institutionelle Grundlage ist auch bei Wolf ein Philologisches Seminar gewesen, das er 1787 in Halle begründete. Das vergegenwärtigt die Notwendigkeit, die einzelnen Richtungen der im Seminar berücksichtigten Studieninhalte gegeneinander in einer auf die Lehre zugeschnittenen Weise abzuheben, damit zu definieren und anschließend zu systematisieren. Antike Sprachen und Literatur waren gegen die Alte Geschichte abzugrenzen. In ihr war die von zünftigen Historikern vertretene Ereignisgeschichte von den Antiquitates zu unterscheiden, schließlich die Beschäftigung mit den antiken Monumenten als ein eigener Bereich zu begründen. Die Abgrenzung erfolgte in der Art eines Portionierens des jeweiligen Stoffes auf die Länge einer Vorlesung, die dann wiederholt angeboten wurde. Das ging auf die Kosten des Ineinandergreifens all dieser Bereiche und schuf damit auch künstli25 Döhl, wie Anm. 17, a. a. O. 26 Döhl, wie Anm. 17, 32. 27 Wolf, 1807, 10–145.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

17

che Grenzen. So wurden die Kultur umfassenden Aspekte der Denkmälerwissenschaft, zumal die von den Antiquaren betonten, zugunsten der Kunstarchäologie beschnitten. Heynes postum publizierte Vorlesungen über die Archäologie der Kunst sind im ersten Teil nicht klar gegliedert. Das kann ihren experimentellen Charakter spiegeln, aber auch durch die Mitschriften verschuldet sein. Die Einleitung definiert Archäologie und Kunst, was in deren „idealischer Vorstellung“ gipfelt, führt dann in die Wissenschaftsgeschichte und in die Literatur ein.28 Das entspricht weithin der später kanonischen Form für die Einleitung eines Archäologiehandbuchs oder einer Griechischen Kunstgeschichte. Der erste Hauptteil steht unter der Überschrift „Archäologie selbst“.29 Überraschend bezieht er sich nur auf die antike Plastik, was ebenso für den weitaus breiteren zweiten Hauptteil, die Ikonographie der antiken Skulptur30, des nur ihretwegen umfangreichen Buches gilt. In die nicht gerade systematische Behandlung der antiken Statuen im ersten Hauptteil eingefügt, sind eine äußerst knappe Kunstgeschichte der Plastik31 und kurze Angaben über Studenten zugängige Wiedergaben in Abgüssen, Zeichnungen und Stichen. Das mündet in Anweisungen zur Beschreibung der Skulpturen ein und verdeutlicht den Bezug zum akademischen Unterricht. Er bestimmt unter den weiteren Punkten des ersten Hauptteils auch den breiten Überblick über einschlägige Stichwerke32, in denen der Verfasser als Bibliothekar brilliert. Kurze Abrisse über das Grabungswesen in Rom und über antike Schriftquellen zur Kunst schließen an, bevor der Text zum Abschluß des ersten Hauptteils zu den Statuen und ihrer Technik als Vorbereitung für das ikonographisch angelegte Statuenverzeichnis zurückkehrt. Die Kunstarchäologie ist nach Winckelmanns Vorgang als Archäologie der Statuen aufgefasst, auch wenn im zweiten Teil an die beherrschende Ikonographie der Rundskulpturen ein Kapitel über das antike Relief angefügt ist.33 Wegen der durchlaufenden Zählung der Kapitel nicht eindeutig in ihm abgehoben, reihen sich mit Glyptik, Malerei und Mosaik die weiteren Kunstgattungen als eine Art Nachtrag an.34 Den Abschluß bildet ein Kapitel über orientalische, ägyptische und etruskische Bildwerke. Insgesamt ist der Stoff des knapp 600 Seiten umfassenden Buches für eine Vorlesung zu groß, wie es ja auch sein Titel anzeigt. Hier erbringt der Vergleich mit dem ArchäologieHandbuch von Siebenkees35 einen eindeutigen Befund, weil es sich so eng an Heynes Vorlesungen anlehnt, daß auch ihm eine Mitschrift nach ihnen als Ausgangspunkt zugrunde gelegen haben muß, zumal der Verfasser bei Heyne studier28 29 30 31 32 33 34 35

Heyne 1822, 1–22. Heyne1822, 42–89. Heyne1822, 90–478. Heyne1822, 45–60. Heyne1822, 68–82. Heyne1822, 432–478. Heyne1822, 498–558. Vgl. u. S. 19 f.

18

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

te. Das Handbuch überliefert den Text von zwei Vorlesungen, wobei der erste vor der Statuenikonographie endet. Dasselbe ist auch für Heynes Kollegien vorauszusetzen. Folglich handelte es sich bei ihnen um zwei aufeinanderfolgende Vorlesungen. Heyne muß diesen kleinen Zyklus mehrmals vorgetragen haben, denn es ist kaum vorauszusetzen, daß der Anonymus und Siebenkees dasselbe Kolleg vor 1781 besuchten, als Siebenkees seine Studien abschließen konnte. Aus dem Text des ersten Hauptteils hervorzuheben ist die Kritik an Winckelmanns Kunstgeschichte: „Eine Geschichte der Kunst mangelt noch ganz. Winckelmann hat zu sehr in der alten Kunst geirret.“36 Das und zumal die Negation von Epochenstilen zog die Reduzierung dieses für die Geschichte insgesamt entscheidenden neuen Gesichtspunktes in der Vorlesung nach sich. Aus der Kunstgeschichte wurde eine philologische Betrachtung des Kunstideals. Über die Feststellung „den Griechen führte seine Religion zur Schöpfung des Ideals“37 wird es nicht mehr durch formale Prozesse begründet. Gedanklich ergibt sich eine Überleitung zur romantischen Archäologie. Die der Philologie nahe systematische Ikonographie nimmt in den Vorlesungen den Platz der Formbetrachtung ein. Daher zielt auch die Anleitung zur Beschreibung von Skulpturen primär auf das Feststellen ihrer ikonographisch entscheidenden Ergänzungen, nicht auf eine Formenbewertung. Im kunstgeschichtlichen Teil ist Phidias der Schöpfer des Ideals und der Klassik, folgt auf Lysipp die Zeit der Nachahmung und setzt der Verfall der Kunst mit dem Verlust der griechischen Selbständigkeit um 150 v. Chr. ein. In Rom hätten nur griechische Künstler gewirkt. 1792 erschien die Einleitung in das Studium der alten Kunstwerke für Künstler und Kunstliebhaber des Paul Friedrich Achat Nitsch in Leipzig. Der Verfasser bezeichnet sein Werk in der breiten Vorrede mehrfach als ein Handbuch. Ein Zusammenhang mit selbst gehaltenen Vorlesungen ist nicht gegeben. Vielmehr setzt die Kenntnis „halb Italiens“ und seiner Antikensammlungen den Hintergrund. Ein breiter erster Teil führt zunächst allgemein in die Kunst, dann spezieller in die Eigenart und Qualität der antiken Kunst ein.38 Auf diese propädeutische Einleitung hin wendet er sich den Materialien, Maßen und der Ikonographie antiker Skulpturen zu39 und endet bei einem kursorischen Überblick über Malerei, Mosaiken und Glyptik. Die Geschichte der Griechischen Kunst ist der Gegenstand des zweiten Teils.40 Da in der Nachfolge Heynes Pracht und Wohlhabenheit als die Voraussetzungen von Kunstblüte galten, verlängerte Nitsch die Geltung des „schönen Styls“ über die Hofkunst des Hellenismus hinaus bis zur Zeit des Augustus. Er unterschied folglich nur zwei Epochen: die Frühzeit bis zu den Perserkriegen und die anschließenden Jahrhunderte des hohen und schönen Stils bis 36 37 38 39 40

Heyne1822, 36, vgl. auch S. 31 und Graepler, wie Anm. 17, 17–28. Heyne1822, 21, 17. Nitsch 1792, 1–122. Nitsch 1792, 123–200. Nitsch 1792, 232–292.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

19

zu Christi Geburt. Das System ähnelt dem späteren von Friedrich Thiersch.41 Ein Annex verfolgt den Kunstverfall unter den Römern.42 Der dritte Teil orientiert sich bei einer „Künstler-Mythologie“ an der breiten Statuenikonographie in Heynes Vorlesungen.43 Das betonte Bemühen Nitschs, den Charakter der mythologischen Skulpturen zu bestimmen, erinnert an die gleichzeitige und spätere Zielsetzung von Aloys Hirt.44 Daher möchte man vermuten, daß Hirt der namentlich nicht genannte Begleiter von Nitsch in Italien gewesen ist. Der nicht vorgelegte zweite Band sollte die antiken Kunstwerke in den jeweiligen Sammlungen nach Art eines Cicerone beschreiben und würdigen. Die Gliederung in eine definierende Einleitung, in den Überblick über die Kunstgattungen als Voraussetzung der folgenden Kunstgeschichte und in eine anschließende Ikonogaphie ist klarer als bei Heyne und fand Nachfolger. Erstmals bei Nitsch erreichte die Kunstgeschichte die ihr zukommende Breite, eine Betonung, welche unmittelbar nach der Jahrhundertwende C. A. Böttiger aufgreifen sollte. Der Heyne-Schüler Johann Gurlitt hat seine archäologischen Vorlesungen im Kloster Bergen 1799 als eine Einleitung in das Studium der schönen Kunst des Alterthums bei Schulfeierlichkeiten gedruckt vorgelegt und in ihr einen zuverlässigen Überblick über den Entwicklungsstand der Wissenschaft in Deutschland gegeben.45 Der Philologie-Professor und weitere Heyne-Schüler Johann Philipp Siebenkees führte die Archäologie an der Universität Altdorf in zwei Vorlesungen ein. Posthum wurden sie 1799 und 1800 als das erste Handbuch der Archäologie oder Anleitung zur Kenntnis der Kunstwerke des Alterthums und zur Geschichte der Kunst der alten Völker in Nürnberg publiziert. Obwohl wenig beachtet, wurde es dem Anspruch durchaus gerecht. In seiner Einleitung grenzt es bei „Sitten, Verfassung, Religion, Riten, Gesetzen und Privatleben“ die als Antiquitäten bezeichnete Kulturgeschichte und die „literarische Archäologie“ Leipziger Prägung gegen die Archäologie der „schönen Kunst“ ab.46 Darauf folgen wenige Gedanken zum Wesen der Kunst, eine Heynes Argumentationen aufgreifende Kritik an Winckelmanns klimatischer und historischer Begründung für die Vollkommenheit der griechischen Kunst, eine kurze Überschau über die Gattungen der erhaltenen Kunstwerke und deren Aufbewahrungsorte in den Museen, zuletzt eine rudimentäre Bibliographie. Die Kunstgeschichte des ersten Hauptteils orientiert sich ausschließlich an der Plastik. Sie setzt mit terminologischen und technischen Angaben ein. Im Anschluß an Winckelmann folgt eine breite Darstellung der 41 42 43 44

Vgl. u. S. 26. Nitsch 1792, 293–326. Nitsch 1792, 341–448. Vgl. H. Tausch in: C. Sedlarz (Hrsg.), Aloys Hirt, Archäologe, Historiker, Kunstkenner (2004) 69-92; Wrede, Pegasus 8, 2006, 230–234. 45 A. Müller (Hrsg.), J. Gurlitts archäologische Schriften (1831) 1–72. 46 Siebenkees 1799, 1–67.

20

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

bildenden Künste im Orient, in Ägypten und Etrurien als Voraussetzung für ihre Entwicklung in Griechenland.47 Vier von Winckelmann übernommene Perioden gliedern die Griechische Kunstgeschichte bis zum Untergang des Achäischen Bundes 146 v. Chr., woran dann die Griechische Kunst in Rom angrenzt.48 Damit beherrscht der historische Teil diese erste Vorlesung so weitgehend, daß sie sich im Unterschied zu Heynes erstem Kolleg als Kunstgeschichte der Alten Welt bezeichnen läßt. Siebenkees’ zweite Vorlesung von 1800 orientiert sich enger an Heynes Vorbild, weswegen dem Handbuch eine Mitschrift seines Kollegs zugrunde gelegen hat. Sie erbringt eine breite Ikonographie männlicher, dann weiblicher Götter-, Heroen- und Porträtstatuen, an die sich kurze Verweise auf Tierskulpturen, Büsten und Hermen binden.49 Auch die letzten Kapitel folgen der Vorlage. Sie handeln vom antiken Relief, von der Malerei, Mosaiken, Steinschneidekunst und von Münzen in rein kunstgeschichtlicher Bewertung. Wie bei Heyne und Nitsch fehlt die Architektur. Dieses Archäologie-Handbuch ist recht flüssig geschrieben. Der gelehrte Apparat ist klein. Der erste Band wurde einem Künstler zur Revision vorgelegt, weil man vermutlich technische und ästhetische Verbesserungen erwartete. Denn Siebenkees vertrat an der Universität zwar fast alle Disziplinen der Philosophischen Fakultät, ist aber in erster Linie ein Philologe gewesen. Andererseits hatte er viele Jahre in Italien verbracht, 15 Monate allein in Rom. Also kannte er auch die dortigen Sammlungen. Die neun zuvor besprochenen akademischen Darstellungen der Archäologie umfassen den Zeitraum von 1735 bis 1800, wobei sie zum Jahrhundertende an Zahl rasch zunahmen. Sie spiegeln in exemplarischer Weise die Einführung eines neuen Wissenschaftszweiges an den Universitäten. Er wurde in Vorlesungen erschlossen. Auch mit Rücksicht auf staatliche Verfügungen und z. T. vor dem Hintergrund staatlich geförderter Sondereinrichtungen, wie dem Philologischen Seminar in Göttingen, stellten sie es sich zur Aufgabe, das neue Gebiet in selbst geschaffenen Kollegheften zu definieren und im Zeitraum von einem oder zwei Semestern systematisch vorzustellen. Die beiden eigentlichen Pioniere, Christ und Heyne, erkannten den experimentellen und unvollständigen Charakter ihrer Ausführungen, weswegen sie sich nicht zu einer Veröffentlichung entschlossen. Der unveröffentlichte Stoff zwang die Hörer zur Mitschrift und legte es nahe, diese zu publizieren, weil die Vorlesungen Erfolg hatten, durch häufige Wiederholungen und, wie in Leipzig ersichtlich, durch nachfolgende Professoren aufgegriffen wurden und somit über Jahrzehnte einen Teil der Lehre abdeckten. Auf der Basis solcher Mitschriften gelangten die Vorlesungen von Christ, Martini und Heyne zur Publikation. Ernesti hat sein Kolleg 1768 selbst publiziert. Dessen erste Ausführung muß aber auf einer Mitschrift von Christs Vorlesungen gegrün47 Siebenkees 1799, 68–205. 48 Siebenkees 1799, 206–260. 49 Siebenkees 1800, 261–409.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

21

det haben, weil es dessen Tradition fortsetzte. Ähnlich fußte die Archäologie von Nitsch und Siebenkees auf Mitschriften bei Heyne, die nicht erhalten sind. Erst die den Pionieren folgende nächste Generation sah sich imstande, der Öffentlichkeit abgerundete Darstellungen vorzulegen. Ihnen gegenüber sollten die nun erst veröffentlichten Mitschriften nach Christs und Heynes Kollegien die originären Sichtweisen der Fachbegründer dokumentieren. Alle Mitschriften sind von Studenten verfasst worden. Damit war der Beitrag der Studenten bei der Begründung einer neuen Wissenschaft wohl größer als je zuvor oder später, spiegelte er aber auch die noch geringe Entwicklung der wissenschaftlichen Publikationsorgane. Die ausschlaggebende Rolle der Mitschriften charakterisiert in hervorragender Weise, wie weitgehend die Einführung der Archäologie sich hinsichtlich der Breite, der in der Universität zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und damit auch des Inhalts an die akademischen Rahmenbedingungen anpassen musste. Alle Autoren waren studierte Klassische Philologen, Christ, Ernesti, Heyne und Siebenkees ordentliche Professoren. Martini und Gurlitt hielten ihre Vorlesungen an höheren Schulen. Nur dem Pfarrer Nitsch diente seine Einleitung in das Studium der alten Kunstwerke für Künstler und Kunstliebhaber nicht in erster Linie dem akademischen Unterricht, was aber seine Ausführungen keineswegs abhob. Der gemeinsame Boden war damit die Philologie. Obwohl Nitsch und Siebenkees Italien aus langen Aufenthalten kannten, ergab sich aus dem direkten Kontakt mit Museen, Architekturen, Ruinen und der Topographie kein grundsätzliches Abweichen von Heynes Darstellung der Archäologie, der nicht über die Alpen gereist war, sondern aus der Perspektive des Seminars fern der archäologischen Praxis, von Fundorten und Kontexten der Monumente die Wissenschaft von den antiken Monumenten kaum anders denn als Kunstarchäologie begründen konnte. Denn seine optische Kenntnis der antiken Denkmäler beruhte wie die aller Studenten und des weiteren Publikums primär auf den Stichen der Universitätsbibliothek, nur in Göttingen auch auf Abgüssen antiker Skulpturen, ausnahmsweise auch auf dem Besuch fürstlicher Residenzsammlungen. Das erzwang die Hinwendung zu isolierten Monumenten, vor allem zu Statuen, Reliefs, Münzen und Gemmen mit deren Bilddekor und zur Verselbständigung des wissenschaftlichen Aufgabe, sie in ihrer jeweiligen Gattung typologisch, ikonographisch, hermeneutisch oder kunstgeschichtlich zu untersuchen und mit den antiken Schriftquellen zu vergleichen. Vorlesungen konnten Stiche und Abgüsse nur ausnahmsweise direkt heranziehen, zumal Abgußsammlungen an den Universitäten Leipzig, und Altdorf oder am Gymnasium im Kloster Belsen damals fehlten. Mitschriften fehlte jede Abbildung. Der allgemeinen Einordnung in die antike Kulturgeschichte stand die Isolierung von abweichenden altertumswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen und, hiermit verbunden, die Abkehr von der antiquarischen Forschung entgegen. Die Hinwendung zur Kunst vollzog sich in den beschriebenen Vorlesungen des Zeitraums fortschreitend und folgte dem allgemeinen Tenor der Aufklärungszeit, hatte damit natürlich gerade Winckelmanns Werk zur Voraussetzung. Dieses

22

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

war in Rom oder Campanien in direkter Auseinandersetzung mit den antiken Monumenten, der Architektur und auch Grabungen entstanden. Sie befähigte Winckelmann, zum Entdecker des Stils zu werden. Fern der Originale rückte die akademische Archäologie vom Stilbegriff Winckelmanns und der mit ihm einsetzenden Formbetrachtung wieder ab, was sich in den Griechischen Kunstgeschichten des 19. Jahrhunderts bis zu dessen zweitem Drittel bei Müller, Overbeck und Curtius noch verstärken sollte.50 Die formale Analyse wurde durch der Philologie zugängige Methoden, besonders durch die Aufwertung der Schriftquellen ersetzt. Das äußert sich gerade bei der exzeptionellen Würdigung des Phidias durch Heyne und Siebenkees zu einer Zeit, als die Parthenonskulpturen noch unbekannt und sein in Kopien überliefertes Werk noch kaum erschlossen war. Galt Phidias dennoch als genialer Schöpfer der idealen Welt der griechischen Skulpturen, so wegen der textlichen Überlieferung der Antike. Die Kunstgeschichte der Antike fand nach den Vorstellungen des späteren 18. Jahrhunderts wie auch nach denen des von ihm und Winckelmann vorgeprägten 19. Jahrhunderts ihren Höhepunkt in der Zeit des Phidias und im schönen Stil des 4. Jahrhunderts. Um die Periode der Klassik ordneten sich Genese und Nachleben der Kunst rahmenartig. Damit zielte die Kunstarchäologie auf die Darstellung des klassischen Ideals als ein so zentrales und einem Gral vergleichbares Zentrum, wie es in den übrigen Altertumswissenschaften kaum eine Parallele hatte. Damit trug dieser neue Wissenschaftszweig erheblich zur Legitimation der übrigen Altertumswissenschaften bei. Noch für die nachfolgenden beiden ersten Drittel des 19. Jahrhunderts gilt, dass die Auffächerung und Spezialisierung dieser Disziplinen einen Halt in den intensiven Bemühungen der Archäologie um die klassische Kunst fanden. Dieses war möglich, weil die mit der klassischen Kunst verbundenen Ideale im Neuhumanismus der Aufklärungszeit ein Allgemeingut des Bürgertums geworden waren. Die Universitätsarchäologie bestätigte sie und erwartete sich von diesem Hintergrund Resonanz. Daher wandten sich die besprochenen Grundrisse der Archäologie z. T. schon in ihrem Titel an die weite Öffentlichkeit. Wie Gurlitt und Martini verdeutlichen, stellte auch der Schulunterricht die Verbindungen her. Dennoch ist die dominierende Tendenz zur Abkapselung im Elfenbeinturm der Wissenschaften eindeutig. Die Verluste, welche die einseitige Neuorientierung der Archäologie auf die Kunst begleiteten, sind nicht zu übersehen. Die Abwendung von der antiquarischen Forschung des 15. bis frühen 18. Jahrhunderts blendete tendenziell die Kulturgeschichte aus dem archäologischen Blickfeld aus. Der Verlust erstreckte sich selbst auf den nun so beliebten Bereich der Plastik. Das große Wissen um Aufstellungsgewohnheiten für antike Bildnisstatuen, das vor allem Edmund Frigelius 1656, aber auch Friedrich Müller 1664 durch das Zusammentragen und systematische Bearbeiten der Schriftquellen, z. T. auch Inschriften gewonnen

50 Vgl. u. S. 103. 106. 117.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

23

hatten51, ist bezüglich des römischen Anteils ohne Kenntnis dieser Vorarbeiten erst 1983 durch G. Lahusen und 1985 durch Th. Pekary nach der erneuten Hinwendung der Klassischen Archäologe zur Kulturgeschichte ersetzt worden52, blieb also vom wissenschaftlichen Umbruch im 18. Jahrhundert an bis heute ein versunkener Wissensschatz. In geringerem Umfang gilt Gleiches auch für den archäologischen Anteil an der Erforschung des Privatlebens, so etwa bei Riten und Insignienwesen, Schiffen und Gefährten, Spielen, Kleidung, Tischsitten, Musikinstrumenten, oder der Nomenklatur der römischen Gefäße.53 Vor allem die antike Literatur zu ihnen, gelegentlich aber auch die zutreffende Deutung der Realien ist von den Antiquaren des 16. und 17. Jahrhunderts in einem Umfang vorgegeben worden, dass er die archäologische Suche nach ihnen im 19. und 20. Jahrhundert wesentlich hätte erleichtern können.

3. Die Konsolidierung der Archäologie der Kunst bis zu K. O. Müllers Handbuch von 1830 Das verfolgte Vorgehen, die Archäologie bei engster Verbindung von Forschung und Lehre in subjektiv geprägten Überblicksvorlesungen zu erschließen, deren Resonanz Mitschriften auf dem jüngsten Forschungsstand sein mussten, war im frühen 19. Jahrhundert allgemein üblich geworden. R. Köpke analysierte es für die ersten Jahre der Berliner Reformuniversität von 1810 bis 1816 mit den Worten: „Die litterarische Thätigkeit der Docenten stand mit der lehrenden in nächster Verbindung, sie ergab sich aus derselben. Es war wünschenswerth, an die Stelle fremder Leitfäden eigene zu setzen, in denen man die Grundrisse und erweiterten Umrisse der Vorlesungen gab.“54 Für die Archäologie war das Procedere ungewöhnlich weit, auf die dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts zurückzuverfolgen. Es blieb auch noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für das Fach charakteristisch und wirkte in Curtius’ „Griechischer Kunstgeschichte“ von 1864/65 nach. Auf „Antikengalerie, Münzkabinett und die Gypsabgüsse von Mengs“ in Dresden gestützt, hielt Carl August Böttiger, zu jener Zeit Leiter des dortigen Pageninstituts, im Winter 1805/06 Vorlesungen vor „Künstlern und Kunstfreunden“. Noch im selben Jahr 1806 publizierte er sie als Andeutungen zu vier und zwanzig Vorträgen über die Archäologie. Das ausgedehnte archäologische Werk 51 E. Frigelius, De statuis illustrium Romanorum (Stockholm 1656); F. Müller, Libri XI de statuis Romanorum praecipue de natura statuarum quibus Romani bene meritos suos honorabant (Gießen 1664). Heyne 1822, 496 hat noch auf Frigelius hingewiesen, allerdings abwertend unter „Das Antiquarische der Kunst“. 52 G. Lahusen, Untersuchungen zur Ehrenstatue in Rom (1983); Th. Pekary, Das römische Kaiserbild in Staat, Kult und Gesellschaft (1985). 53 Vgl. Herklotz 1999, 151–186, 240–283; Heenes 2003, 157–176 (Antiquitates). 54 R. Köpke, Die Gründung der königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin (1860) 131.

24

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Böttigers war stark antiquarisch und mythologisch bestimmt. Dazu ist er als Schriftsteller u. a. namhafter Autor eines antiquarischen kulturhistorischen Romans gewesen, der in Rom spielt. In der „Vorerinnerung“ seiner Andeutungen definierte er daher die Archäologie als „eine treue und behutsame Dienerin der Geschichte der Menschheit“. Abzulehnen sei „der enge Begriff, daß die griechische Kunst der [archäologischen] Forschung allein werth sei.“55 Umso erstaunlicher ist es und nur mit der nun etablierten Tradition zu begründen, daß die zehn breiter ausgeführten Vorlesungen der 24, die den weitaus größten Teil der Andeutungen ausmachen, eine an der Skulptur entwickelte Kunstgeschichte erbringen. Die Darstellung der Stilepochen folgt Winckelmann und Heyne, übertrifft nach Umfang und eigenen Betrachtungen aber alle zuvor genannten Kunstgeschichten Griechenlands und insbesondere das Handbuch von Siebenkees. Vielleicht aus diesem Grund nahm Carl Justi an, daß erst Böttiger die antike Kunst als Gegenstand der Archäologie in Deutschland durchgesetzt hätte.56 Die exposéartig kurzen Wiedergaben der ersten 14 Vorlesungen betreffen eine kurze Einführung in die Archäologie und ihre Wissenschaftsgeschichte, woran, wie bei Siebenkees, Ausführungen zum Alten Orient, zu Ägypten und Etrurien als Wegbereiter der Griechischen Kunst anschließen. Die Einleitung sieht zwei weitere Vortragsreihen zur Museologie und zu den nicht plastischen Kunstgattungen der Griechen vor und stellt die vorgelegte Publikation damit in ein größeres Gesamtkonzept. Die für die Heyne-Schule charakteristische Ikonographie fehlt, wurde in Böttigers Schriften zur Mythologie verselbständigt und im romantischen Sinn in ihrer Bedeutung gesteigert. In den direkt und im seltenen Ausnahmefall auch indirekt an Vorlesungen orientierten Grundrissen der Archäologie der Kunst des bisher betrachteten Zeitraums erreichten die Darstellungen bei Nitsch und besonders Böttiger durch breite Darstellung der Griechischen Kunstgeschichte eine die Zukunft bestimmende Form um 1800. Zur gleichen Zeit zeichnete sich eine erste Professionalisierung der jungen akademischen Wissenschaft ab, als für Georg Zoega im dänischen Kiel 1802 der erste, wenn auch nicht wahrgenommene neue Lehrstuhl für Archäologie eingerichtet wurde, in Deutschland 1810 für Aloys Hirt, und als Friedrich Gottlieb Welcker 1809 einen Lehrauftrag für Griechische Literatur und Archäologie in Gießen erhielt und von 1816 bis 1819 eine ordentliche Professur für Archäologie am Philologischen Seminar in Göttingen. Als normativer Abschluß einer im 18. Jahrhundert und gerade durch Heyne angebahnten Entwicklung muß zur selben Zeit Friedrich August Wolfs Definition der Altertumswissenschaften von 1807 gelten57, in der der Archäologie ein breiter und nicht auf die Kunstgeschichte beschränkter Anteil zugewiesen wurde. Eine fortgeschrittenere Verwissenschaftlichung, Erweiterung, Vertiefung und damit auch ansatzweise Lösung 55 Böttiger, Andeutungen a. O. XVI. 56 C. Justi, Winckelmann und seine Zeitgenossen III³ (1923) 125. 57 Wolf 1807.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

25

vom Medium der Vorlesung wie der Mitschrift erbringt der Grundriß der Archäologie oder Anleitung zur Kenntniß der Geschichte der alten Kunst und der KunstDenkmäler und Kunstwerke des classischen Alterthums, den Daniel Beck 1816 in Leipzig vorlegte. Den Hintergrund stellte, wie bei Heyne in Göttingen und Wolf in Halle und Berlin, ein öffentliches Philologisches Seminar her, das dort 1809 die gleichfalls von Beck gegründete private Philologische Gesellschaft abgelöst hatte.58 Der umständliche Titel erklärt sich über die zwei Teile des Buchs, einen kunstgeschichtlichen und einen systematischen, den die „Kunst-Denkmäler und Kunstwerke“ des Titels ansprechen. Die Einführung definiert Archäologie und die bildende Kunst als Gegenstand der Betrachtung, benennt dann die dem Wissensgebiet zur Verfügung stehenden Hilfsmittel. Die Kunstgeschichte greift weit aus, indem sie zusätzlich zum Orient auch die frühen Völker Mitteleuropas berücksichtigt. Der Schwerpunkt liegt aber bei Griechenland. Der breitere systematische Teil setzt bei der Epigraphik und Numismatik ein, also wie im Barock und in der Leipziger Schule des 18. Jahrhunderts bei den Gattungen der Monumente. Hieran sollte ein Überblick über die Kunstgattungen anschließen. Ihn eröffnet eine aproportional breite Behandlung der Rundplastik, in die Heynes Statuenikonographie eingebracht ist. Die Ausführungen zum Relief, zur Glyptik, Malerei, zu Mosaiken und schließlich zur Architektur waren für den nicht erschienenen zweiten Band vorgesehen. Am Ende sollte er über den Nutzen der antiken Kunst handeln. Zwar lagen auch bei Beck „akademische Vorträge“ zugrunde, aber das Besondere an seinem Grundriß ist, daß er sie nicht wiedergab, sondern ihn als eine Handreichung für Vorlesungen verstand, was ihn Müllers Handbuch annähert. Der knappe Text wird von weiten Literaturüberblicken zu den einzelnen Punkten der Gliederung ergänzt. Sie übertreffen die bis dahin gegebenen Literaturverweise und lassen erahnen, daß die Breite der Archäologie der Kunst den Stoff von einer oder zwei Vorlesungen sprengte, dieses Medium also seine Grenzen erreicht hatte. Ausschließlich der Kunstgeschichte gelten die Akademieabhandlungen von Friedrich Thiersch Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen von 1816–182559 und Johann Heinrich Meyers Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen von ihrem Ursprung bis zum höchsten Flor von 1824. Thiersch war Professor der Eloquenz und hatte 1811 die öffentliche Societas Philologorum der Bayrischen Akademie gegründet, aus der das Philologische Seminar 1826 hervorwuchs.60 Der Künstler Meyer war Direktor der Zeichenschule in Weimar. Insofern war ein indirekter Zusammenhang mit Vorträgen hier wie dort gegeben. Die Vereinzelung der kunstgeschichtlichen Problemstellung gegenüber den übri58 Clark 2006, 492. 59 F. Thiersch, Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen, Abh. 1.: Kunst in den ältesten Formen, AbhMünchen 1816; Abh. 2: Die Epochen der Kunstentwicklung, ebenda 1819; Abh. 3: Die Epochen des vollendeten Kunststyles, ebenda 1825; – zusammengefasst in der 2. Aufl. 1829. 60 Clark 2006, 493.

26

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

gen Bereichen der Archäologie gestattete eine intensivere Auseinandersetzung mit den Denkmälern als zuvor. Dennoch hatten beide Publikationen wenig Erfolg. Nitsch nicht unähnlich setzte Thiersch in Abhängigkeit von E. Q. Visconti eine echte Entwicklung der griechischen Kunst nur bis zum Einsetzen der hohen Klassik voraus und nahm ein Fortwirken des „vollendeten Kunststyles“ bis in die Kaiserzeit an. Meyer vernachlässigte den entscheidenden Erkenntnisgewinn weitgehend, den die Publikation originaler Werke Griechenlands und Kleinasiens im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts erbracht hatte. Hatte er, Winckelmanns Kunstgeschichte als Künstler durch ein vertieftes Studium überwiegend von italischen Kopien zu überprüfen und zu erweitern gesucht, so widersprachen Anliegen und Methoden scheinbar den neuen Erkenntnissen vor den originalen Skulpturen des Parthenon und der Tempelgiebel von Ägina, die Winckelmann noch unbekannt waren. K. O. Müller rezensierte die unmittelbaren Vorgänger seiner Kunstgeschichte daher kritisch.61 Als Philologe vermochte er Meyers durch Autopsie erzielte Formbetrachtungen nicht nachzuvollziehen. Unkommentiert überging er so etwa, dass ihm mit dem „gewaltigen und strengen Stil“ die chronologisch zu hoch angesetzte Entdeckung der frühen Klassik gelungen war.62 Die Allgemeine Einleitung in das Studium der Archäologie Frederick Christian Petersens von 1829 ist 1825 zuerst auf dänisch nach den Vorlesungen des Verfassers in Kopenhagen erschienen.63 Sie veranschaulicht die Fernwirkung der akademischen Archäologie der Kunst jenseits der deutschen Sprachgrenzen. Das zentrale und daher stets angesprochene Problem der Plastiküberlieferung ist in ihrem Kapitel über „das Schicksal der Klassischen Kunstdenkmäler“ aproportional breit erörtert worden.64 Das verschafft diesem Grundriß eine Sonderstellung. Nicht unwichtig erscheint, daß sich mit der Übernahme der Kunstarchäologie auch deren Verankerung im romantischen Zeitgeist verband. Schrieb Petersen: „Sie [die Kunst] arbeitet im Dienst der Religion“65, so entsprach das Heynes bereits zitierter Meinung, aber auch Müllers brieflicher Äußerung von 1819.: „Die unbefangenste geschichtliche Betrachtung alter und neuer Kunst muss Jeden überzeugen, daß die Kunst nur in der Religion wurzelt und ursprünglich nur der Religion dienet, dass sie ihren erhabenen und idealen Charakter nur solange behält, als sie keine abgesonderte Existenz sucht, dass sie verweichlicht und erschlafft, sobald sie von der Religion abfällt und sich dem Luxus anheim gibt. … Es sind dies Ansichten, die in der Geschichte der Kunst selbst liegen, und mir 61 C. O. Müller, Jahrbücher der Literatur (Wien) 36, 1826, 170–191. 62 H. Meyer, Geschichte der bildenden Künste (1824) 44–47. Falsch ist die Frühdatierung auf 540-490. Vgl. J. J. Winckelmann, Anmerkungen über die Geschichte der Kunst des Alterthums (1767) 222. Auch Goethe gilt als Entdecker des Strengen Stils: W. Schiering in: U. Hausmann (Hrsg.), Allgemeine Grundlagen der Archäologie, HdbArch (1969) 28. 31. In jedem Fall führen Meyers Beobachtungen über Goethes Bemerkungen hinaus. 63 F. C. Petersen, Almindelig Inledning til Archäologiens Studium (1825). 64 Petersen 1829, 19–175. 65 Petersen 1829, 15.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

27

keineswegs durch die Romantik eingeimpft sind.“66 Müllers sich gegen den Zeitgeist abgrenzender Versuch der Objektivierung veranschaulicht im Gegenteil, zumal er die Kunst seit der Renaissance einschließt, wie tief die monokausale Rückführung der Kunst auf die Religion der Romantik verpflichtet war. Seit Heyne lehnten die Archäologen Winckelmanns aufgeklärte Herleitung der griechischen Kunstblüte aus den politischen Verhältnissen, aus der Demokratie und der städtischen Freiheit ab. Das fehlende Geschichtsbewußtsein war mit der Isolierung der Kunstarchäologie als ein philologisches Teilgebiet verbunden. Wie in der zeitgenössischen Politik der Restaurationszeit bot die Religion einen Ersatz, auch für den Dänen Petersen. Im Jahr 1829 gingen die ersten Teile von K. O. Müllers Handbuch der Archäologie der Kunst in den Druck. Im März 1830 ist es erschienen67 und war der krönende Abschluß der hier betrachteten Entwicklung. Von seinem Umfang her überforderte es die dem Medium der Vorlesung gesetzten Grenzen und war doch ganz auf dieses Medium angelegt, besaß seine eigentliche Gültigkeit auch nur, solange die Archäologie der Philologie als ihr Wissenschaftszweig verbunden blieb und daher in nur einer oder zwei Vorlesungen zur Systematik und Kunstgeschichte überblicksartig vermittelt wurde. Die Einbindung in die Altertumswissenschaften und zugleich die Isolierung der Archäologie der Kunst von deren übrigen Gebieten, die für die Archäologie der Denkmalgattungen seit Christ und für die Archäologie der Kunst seit Heyne die Voraussetzung waren, sind an Müllers Lehrveranstaltungen beispielhaft zu beobachten. Da die Differenzierung der Lehre am Philologischen Seminar in Göttingen in ihrer Zeit fortgeschritten war, obwohl das breite Angebot nur von zwei Dozenten getragen und auf ein Studium von wenigen Semestern begrenzt war, sind die dem Handbuch zugrunde liegenden Bedingungen so gut zu überschauen, daß zunächst auf sie eingegangen sei. Müller trat 1819 in Göttingen die Nachfolge Welckers an, allerdings nicht als Archäologe sondern als Professor für Klassische Philologie, dem ein archäologischer Aufgabenbereich zugeordnet war. Kurz nach seiner Ernennung umriß er seine Lehraufgaben: „Das erste Triennium, in dem ich mit Dissen gemeinsam einen Cursus der gesammten Philologie vollenden will (wovon mir Gr[iechische] Alterthümer, Kunstgeschichte, Mythologie, Römische Literaturgesch[ichte], Numismatik, Paläographie, Herodot, Thukydides, Pindar, Tacitus u.a.m. zufallen), wird freilich noch manchen Schweiss kosten.“68 Mit der „gesammten Philologie“ sind im Sinne August Boeckhs alle Altertumswissenschaften gemeint. Sie hatte Müller zusammen mit Ludolf Dissen in dem für ein Studium vorgesehenen Zeitraum von drei Jahren abzudecken. Er behielt sich die Anteile der griechischen Kultur, Religion und Kunst vor. Die Ereignisgeschichte war nur über die Lektüre der Historiker und damit nicht adäquat vertreten, zumal Müller während seiner 66 Müller bei O. u. E. Kern, Carl Otfried Müller, Lebensbild in Briefen an seine Eltern (1908) 59. 67 Vgl. die Briefe Müllers bei Reiter 1950, 137–139. 68 Müller bei Kern a.O. 56.

28

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Lehrzeit auch abweichende Autoren aufgriff. Sie blieb den zünftigen Historikern vorbehalten. Auffallend ist die breite Berücksichtigung eigentlich historischer Lehrfelder, die aber zu keiner vertiefenden Kulturgeschichte miteinander integriert wurden, sondern den Studenten, wie es zuvor für die „Archäologie der Kunst“ analysiert wurde, als erratische Blöcke nebeneinander angeboten wurden. Entsprechend beschränkte sich das archäologische Lehrangebot Müllers über die zwanzig Jahre seiner Tätigkeit in Göttingen auf die eine Vorlesung „Archäologie und Geschichte der Kunst bey den Alten“, die er in jedem Sommersemester, insgesamt 18 mal, fünfstündig in der Woche um 9 Uhr vortrug69, wobei sie im Sommer 1835 auch von Curtius gehört und mitgeschrieben wurde. Es war das Kolleg, das er doppelt so häufig gegeben hat wie die anderen. An dem nach der Berufung entworfenen Lehrplan hielt er im übrigen strikt fest. In jedem zweiten Wintersemester hielt er entweder das Kolleg „Über die Griechischen Alterthümer“, welches das öffentliche und private Leben betraf, oder „Die Mythologie und Religionsgeschichte der alten Völker“, in dem sich der romantische Zeitgeist spiegelte. In den Religion, öffentliches und privates Leben umfassenden Angeboten der Wintersemester wirkten trotz des jeweils eingeschlossenen Versuchs einer chronologisch fortschreitenden Darstellung die antiquarischen Antiquitates fort. Der dreigliedrige Zyklus war so gewählt, daß er sich – zwei Wintersemester einschließend – in drei aufeinander folgenden Semestern hören ließ, d.h. in dem Zeitraum, den ein Student gewöhnlich für die eine Hälfte seines Studiums an einer Universität verbrachte. In diesen eineinhalb Jahren vermittelte Müller die Welt der Hellenen bei der Darstellung von Religion, Leben und Kunst einerseits weit, andererseits aber auf drei Bereiche verteilt, die sich unzureichend überschnitten. Denn beispielsweise schon die Archäologie hätte zu allen einen Beitrag liefern können, blieb nach ihrer Definition aber auf die Kunst beschränkt. Die forschungsgeschichtliche Entwicklung lief von diesen blockhaften Lehreinheiten aus auf eine Spezialisierung der altertumswissenschaftlichen Fächer hin, in der sie die Weite ihrer Möglichkeiten entdecken konnten. Erst Jakob Burckhardt sollte gegen Ende des Jahrhunderts zu einer fast alle Bereiche integrierenden Kulturgeschichte finden. Die drei Lehrveranstaltungen waren jeweils großen Themen gewidmet und forderten daher zu einer konzisen Vermittlung von Grundwissen auf. Wie zuvor für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts verfolgt, ergab sich die Notwendigkeit, sie in der Art von Grundrissen überblicksartig anzulegen. Im Anschluß wurden sie während der Semesterferien überarbeitet und vervollständigt. Über mehrere Semester führte das zu einer Vollständigkeit, welche einem Handbuch nahe kam. Dieser Prozeß jährlicher Optimierung führte zu Müllers Handbuch. In dessen Anzeige schrieb er 1830, es sei aus „achtmaligen Vorlesungen über die Kunstarchäologie und einer im Jahr 1829 mit angestrengter Kraft durchgeführten Revisi69 Einen Überblick über die Lehrveranstaltungen Müllers bieten W. Unte – H. Rohlfing, Quellen für eine Biographie Karl Otfried Müllers (1797–1840) (1997) 178–184.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

29

on und Ergänzung der früheren Arbeiten entstanden.“70 Zur Funktion seines Handbuchs äußerte er 1829 gegenüber Theodor Panofka: „ich bin nahe dran, ein Compendium der Archäologie herauszugeben. ... Die Vorlesungen über die alte Kunst floriren jetzt hier, und erregen gute Hoffnungen für die Zukunft, und man braucht nirgends mehr dabei als ein Buch, welches die wesentlichsten Sätze und Notizen enthält. Dabei bezwecke ich zugleich eine wissenschaftliche Übersicht des ganzen Reichs alter Kunst vom historischen und systematischen Standpunkt.“71 Zugespitzter brachte F. G. Welcker Müllers Voraussetzungen und Ziel auf den Punkt: „Den nächsten Anlaß dazu gab dem Verfasser das Bedürfnis eines Leitfadens für seine Vorlesungen. ... Es sei abgesehen von dem Bedürfnisse des Universitätslehrers, auch für die Fortbildung der Wissenschaft heilsam, wenn man von Zeit zu Zeit zusammenzufassen versuche.“72 Daß der Gedanke an eine gemeinsame Grundlage ähnlicher Vorlesungen von der wissenschaftlichen Situation der nun weithin akzeptierten Fachrichtung gefordert wurde, also gleichsam in der Luft lag, folgt aus Welckers Selbstvorwurf, seinen eigenen Zuhörern „nicht ein Hilfsmittel ähnlicher Art in die Hände gegeben“ zu haben, „zumal das Müllersche Handbuch ihm zuerst den überraschenden Eindruck machte, als ob er einen großen Theil seiner eigenen, nach derselben Anordnung und Bestimmung zugeschnittenen Arbeit veröffentlich sähe.“73 Die angeführten Zitate Müllers und Welckers unterscheiden zwischen dem in Vorlesungen vermittelten Stoff und der archäologischen Wissenschaft. Der Unterschied betrifft nicht die Inhalte sondern nur den Umfang des eingeschlossenen Wissens. Die Archäologie der Kunst war ja im vorangegangenen halben Jahrhundert in Vorlesungen als Wissensgebiet gesetzt worden und konnte sich daher außer auf Winckelmanns Werk auf keine anderweitige Größe beziehen. Daher waren die Übergänge zwischen den als Einleitung, Grundriß oder Handbuch bezeichneten Darstellungen der Archäologie fließend, charakterisierten sie doch nur den Anspruch des jeweiligen Verfassers auf Vollständigkeit. Müllers Vorlesung „Archäologie und Geschichte der Kunst bey den Alten“ setzte sich wie sein Handbuch aus einem systematischen und einem chronologischen Teil zusammen. Das Handbuch brachte nur größere Vollständigkeit hinzu. Die Wissenschaft wurde über ihre akademischen Vertreter und deren unzureichenden Zugang zu den Monumenten definiert. Von der archäologischen Praxis, der außeruniversitären Forschung in den Mittelmeerländern erwarteten sie sich Ergänzungen, aber keine die Disziplin erneuernden Resultate. Dennoch ist in diesem Zusammenhang Müllers Bereitschaft zu betonen, alle neuen Entdeckungen im griechischen Osten, in Großgriechenland und Etrurien möglichst schnell zu berücksichtigen, soweit sie die Archäologie der Kunst tangierten. Wie er sich wissenschaftlichen Fortschritt 70 Müller, GGA 1830, 64. Stück, 629. 71 Müller bei Reiter 1950, 134. 72 F. G. Welcker, RhM 2, 1834, 441f. Welcker zitiert hier z.T. Müllers Worte in GGA, wie Anm. 70, 626. 73 Welcker a. O. 443. 445.

30

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

vorstellte, ist der von ihm selbst besorgten zweiten Auflage seines Handbuchs von 1835 und auch noch der dritten von 1848 zu entnehmen74, da auch deren Erweiterung zu einem erheblichen Teil den Zusätzen in Müllers Handexemplar folgte. Alle inhaltlichen Veränderungen gegenüber 1829 sind gering. Der Fortschritt beschränkt sich auf den Zuwachs an Material und Literaturnachweisen. Müllers Handbuch der Archäologie der Kunst kann hier nicht näher besprochen werden. Seine Einleitung, Kunstgeschichte und in geringerem Umfang auch sein systematischer zweiter Teil mit der Kunstlehre werden unten der „Griechischen Kunst“ von Ernst Curtius gegenübergestellt und dabei auch charakterisiert.75 Um seiner großen Bedeutung an dieser Stelle wenigstens etwas gerecht zu werden, sei nur auf die Partien hingewiesen, die es in die bisher betrachtete Gattung neu einbrachte. Die Einleitung bemüht sich erstmals eingehender um einen philosophischen Standpunkt, dann darum, „einfachste und allgemeinste Gesetze der Kunst“ zu definieren. Da Müller keinerlei Erfahrungen im Umgang mit bildender Kunst besaß, als er den Ruf nach Göttingen erhielt, sind die Bemühungen besonders bemerkenswert, zu grundsätzlichen Aussagen über vom Menschen geschaffene Formen zu gelangen. Er ist der erste gewesen, der die Architektur in die Gesamtdarstellung der Kunstarchäologie auch wirklich einführte, wobei er mit der Tektonik einen sie, Gerät und Gefäße umgreifenden Begriff formulierte, der bis heute Gültigkeit besitzt. Der breite zweite Teil umfaßt die zuvor nicht beachtete „Geographie der alten Kunstdenkmäler“. In ihm nimmt dann die „Technik der alten Kunst“ einen erheblichen Raum ein. Sie war ein bereits von den Antiquaren, so etwa von B. de Montfaucon, erörtertes Forschungsgebiet, das auch den Leipziger „Litterair-Archäologien“ inhärent gewesen ist, erhielt aber erst hier eine umfassende Behandlung. Über die griechische Darstellung des menschlichen Körpers und der Gestik hatte zuvor nur Winckelmann grundsätzlich gehandelt. Müllers philologische Einsicht in die verbundenen Schemata verschafft seinen ikonologischen Analysen noch heute Gewicht. Die Zeitgenossen haben in erster Linie sicherlich den Umfang des Handbuchs, die Fülle des ausgebreiteten Materials und der Kenntnisse wie die kleinteilige und logische Gliederung bewundert. Sie verschafften ihm eine normierende Geltung in Forschung und Lehre, die im nächsten Abschnitt zu verfolgen ist.

74 Vgl. u. S. 31. 75 Vgl. u. S. 97-128.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

31

4. Die Rezeption von Müllers Handbuch in Wissenschaft und Lehre im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts 1834 publizierte Friedrich Gottlieb Welcker seine lange, von Müller brieflich mehrfach angemahnte Rezension zu dessen Handbuch.76 Denn Müller ließ den Druck der Zweitauflage seines Handbuchs bereits 1833 einsetzen, in der er Welckers Kritik berücksichtigen wollte, soweit sie ihm förderlich erschien77. 1835 kam die um einige wenige Paragraphen und ein Register erweiterte Version heraus. Im selben Jahr ließ Müller separat eine Übersicht über die Griechische Kunstgeschichte nach den Neupublikationen von 1829-1835 folgen78. Sie und die rasche Neuauflage verdeutlichen den vorläufigen Charakter, den Müller seinem Handbuch ursprünglich beimaß, wenn es nicht in kurzen Abständen auf den jüngsten Forschungsstand gehoben würde79. Müllers früher Tod von 1840 verhinderte eine selbst besorgte dritte Auflage, die er durch Zusätze in seinem Handexemplar vorbereitet hatte80. Zu ihr ist es dennoch gekommen. Denn Welcker, der die Herausgabe auf den Wunsch von Müllers Familie und Freunden übernommen hatte81, verzichtete in großer Achtung vor dem Werk darauf, all seine in der Rezension gemachten Einwände aufzugreifen, da Müller sie in der Zweitauflage bewußt nicht berücksichtigt hatte. Vielmehr beschränkte sich Welcker bei der dritten Auflage von 184882 darauf, Müllers Nachträge aus dem Handexemplar aufzunehmen und in eckigen Klammern Literatur nachzutragen, woraus sich insgesamt eine geringe Vermehrung von 720 auf 777 Seiten ergab. So wirkte Müllers Lehrgebäude von 1829 also weitgehend unverändert über das weitere 19. Jahrhundert fort. In Stuttgart kam es 1878 zu einer vierten Auflage als Nachdruck der dritten. Zuvor hatte sich die Verlagsbuchhandlung darum bemüht, das Handbuch „in einer neuen, dem jetzigen Stand der Wissenschaft entsprechenden Gestalt überarbeiten zu lassen“. Doch hierfür ließ sich ein Autor nicht finden, „da eine Schonung des ursprünglichen Textes ... namentlich in den kunstgeschichtlichen Abschnitten unmöglich“ sei, „die wünschenswerte Umarbeitung aber ... aus K.O. Müllers Handbuch das Werk eines andern machen würde“83. Nicht systematisch,

76 Welcker, wie Anm. 72, 441–508, s. dazu den Briefwechsel Müller-Welcker bei Reiter 1950, 157. 181. 214. 77 Brief Müllers an Welcker vom 16.11.1833: Reiter 1950, 214. 78 C. O. Müller, Hallische Allgemeine Literaturzeitung 1835, Nr. 97–110, Sp. 145–256. 79 Vgl. Müller, GGA wie Anm. 70, 626: „Daß der morgende Tag schon wieder Neues ans Licht fördern wird, ... bleibt für den Compendienschreiber ein nothwendiges Uebel, wenn es keine neuen Auflagen gut machen.“ 80 Vgl. den Titel von Müller 1848. 81 s. Welckers Vorrede zu Müller 1848 und Stark 1852, 1. 82 Müller 1848. 83 Müller 1848, 2. Aufl. (1878) S. XI.

32

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

sondern vor allem kunstgeschichtlich hatten Grabungen und Forschungen das Werk überholt. Seit den fünfziger Jahren hatte sich als erster Karl Bernhard Stark darum bemüht, Müllers Handbuch zu ersetzen. Er vermochte 1880 nur den ersten Band vorzulegen: die Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst. Mit der breiten Übersicht über die antiquarische Forschung des 15.-18. Jahrhunderts wirkt sie bis heute nach. Im Rahmen von Iwan Müllers Handbuch der klassischen Altertums-Wissenschaft schloß 1895 Karl Sittls Archäologie der Kunst an. Das monumentale Werk griff bei Titel und Grundkonzept die Tradition von Müllers Handbuch trotz aller Erweiterung auf. In der Vorrede räumte der Verfasser ein, das Vorhaben eines Einzelnen sei zum Abschluß seines ǥarchäologischen Jahrhunderts’ „dem Unmöglichen nahe gekommen“84. Und wirklich ist sein Erfolg so begrenzt gewesen, daß sein Verlag Beck in München, der die sporadisch erscheinenden Bände des Handbuchs der Archäologie bis heute druckt, für die Jahre 1913-1916 ein von Heinrich Bulle herausgegebenes weiteres Handbuch der Archäologie ankündigte, für dessen fünf Bände nicht weniger als 25 Autoren vorgesehen waren85. Der Plan hat ebenso wie analoge Unternehmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorragende einzelne Bände erbracht, ist aber damals wie auch später nicht mehr zur Vollständigkeit gediehen. Und angesichts der jüngeren Definition der Klassischen Archäologie als Teil einer Kulturgeschichte der Antike86 verliert sich der Blick auf das Ganze wohl unwiederbringlich. Er wurzelte in der oben besprochenen Tradition und in der Zeit der großen altertumswissenschaftlichen Konzepte, der Corpora Antiquitatum des 16. und 17. Jahrhunderts, der umfassenden Definitionen von Altertum durch F.A. Wolf und A. Boeckh, als Hegels Maxime „das Wahre ist das Ganze“ galt und W. von Humboldt von der Geschichtsschreibung ganzheitliche Darstellungen verlangte87. Die altertumswissenschaftliche Großforschung des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat diese Vorstellung endgültig erschüttert. Mit Recht schrieb Andreas Rumpf 1953 zu Müllers Handbuch: „Es ist natürlich in vielen Partien überholt, aber als ganzes trotz mehrfacher Ansätze unersetzt, und in seiner knappen und klaren Form auch wohl unersetzlich.“88 Müllers Handbuch hat nicht nur der Klassischen Archäologie in Deutschland eine Grundlage geboten, sondern hatte auch international seltenen Erfolg. Übersetzungen mit z. T. mehrfachen Auflagen sind auf Englisch, Französisch, Italie-

84 Sittl 1895, S. V. 85 H. Bulle (Hrsg.), Handbuch der Archäologie. Bd. 1 (1913) Ankündigung und Inhaltsübersicht (nicht paginiert). 86 Vgl. etwa T. Hölscher (Hrsg.), Klassische Archäologie, Grundwissen (2002) 11–14. 87 W. von Humboldt, „Über die Aufgabe des Geschichtsschreibers“, in: Humboldt, Schriften zur Anthropologie und Geschichte, Werke in 5 Bänden, Bd. I4 (2002) 585–606. 88 A. Rumpf, Archäologie I, Slg. Göschen Bd. 538 (1953) 91.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

33

nisch, Neugriechisch und Niederländisch erfolgt89. Das erstaunt umso mehr, als der Verfasser mit der Vorläufigkeit seiner Darstellung gerechnet hatte, weil schon recht bald auch grundlegende Einwände geltend gemacht wurden und die von Müllers Lehrgebäude ausgehende Prägung der archäologischen Disziplin primär mit der Entwicklung der jungen Wissenschaft an deutschen Universitäten verbunden gewesen ist. Es betraf die Kunstarchäologie, aber nicht die Archäologie in ihrer Gesamtheit, obwohl ihm bis zu Sittls Werk kein anderes Handbuch gegenüberstand. Denn es ist ja zu berücksichtigen, daß das 19. Jahrhundert in eingeschränkter Weise ein archäologisches Jahrhundert gewesen ist.90 In ihm sind die Hochkulturen Ägyptens, des Nahen, Mittleren und Fernen Orients und Mittelamerikas von Europa aus entdeckt oder durch ausgedehnte Untersuchungen und Ausgrabungen erst wirklich erforscht worden, was auch für den griechischen Kulturraum, Italien und den mitteleuropäischen Kontinent diesseits der Alpen gilt. Die Fülle der neuen Erkenntnisse waren historischer, landeskundlicher, kulturgeschichtlicher, auch allgemein kunstgeschichtlicher Art. Ihnen gegenüber müssen die Fortschritte innerhalb der philologisch bestimmten Archäologie der Kunst als nicht sehr erheblich bezeichnet werden. Konnte sich Müllers Handbuch vor diesem Hintergrund dennoch als einzigartig behaupten, dann weil es eine Gipfelleistung in der ihm vorangehenden Tradition erbrachte, das ideale Zentrum der philhellenistischen Bildung betonte und deren Normen durch seine Qualität abermals zum Maßstab erhob. Curtius selbst bietet für den Gegensatz das vielleicht beste Beispiel. Kein weiterer deutscher Universitätsarchäologe war wohl so sehr in der außeruniversitären Forschung engagiert wie er durch seine Grabungen in Athen und Olympia und durch seine Arbeiten auf kartographischem, chorographischem, stadtgeschichtlichem und allgemein kulturwissenschaftlichem Gebiet. Dennoch galt ihm die Griechische Kunstgeschichte nicht nur als Zentrum seiner Lehre, sondern auch der Kulturwissenschaft, wodurch er sich in die nun in erster Linie von Müller geprägte Tradition stellte. Wird nachfolgend untersucht, wie Müllers Handbuch der Kunstarchäologie normierend einem weiteren Verständnis der Archäologie entgegenwirkte, so auch um dem Gegensatz zwischen der archäologischen Forschung und Lehre bei Curtius einen breiteren Hintergrund zu verleihen. Noch Johann Joachim Winckelmann hatte in seinen Monumenti inediti 1767 eine Gliederung nach göttlichen (Parte prima), heroischen (Parte seconda), historisch-öffentlichen (Parte terza) und privaten (Parte quarta) Ikonographien gewählt und damit die Kultur erschließende synchrone Gliederung der Antiquare in Renaissance und Barock aufgegriffen. Abermals zur Geltung brachte sie Johann Rambach im dritten Band seiner Übersetzung der Griechischen Archäologie von

89 Vgl. S. Settis, AnnPisa, Ser. III Bd. 14, 3, 1984, 1079f.; K. Fittschen in: W. M. Calder III – R. Schlesinger (Hrsg.), Zwischen Rationalismus und Romantik. Karl Otfried Müller und die antike Kultur (1998) 194. 90 Vgl. A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen2 (1908).

34

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

John Potter und im zweiten Band der Anthousa von K. P. Moritz91. Durch die Schulen Christs und Heynes wurden die Antiquitates aus der Kunstarchäologie und mit ihr aus der Archäologie überhaupt verdrängt und der Philologie überlassen. F. A. Wolf hingegen ging bei seiner Definition der Altertumswissenschaft 1807 davon aus, daß sprachliche und monumentale Überlieferung einander ergänzend gegenüberstehen, was der Archäologie ein über die Kunstgeschichte hinaus gehendes Arbeitsfeld zuwies. Im selben Jahr 1829, in dem Müller sein Handbuch schrieb, suchte Anton Steinbüchel in Wien, die Archäologie nicht als Kunstwissenschaft sondern über die breite Altertumskunde kulturgeschichtlich zu bestimmen, dabei auch Inschriften und Münzen mehr zur Geltung zu bringen.92 Epigraphik und Numismatik für sich kommen in Müllers Handbuch mit seiner grundlegenden Wirkung nicht vor. Es schloß an Heynes Vorstellungen an. Von ca. 770 Seiten in der dritten Auflage widmete es gerade 16 der Bekleidung der Griechen und Römer und 32 den Gegenständen des menschlichen Lebens, da Müller ihnen keinen Kunstwert zubilligte.93 Von der Religion in für die Romantik typischer Weise abgesehen, spielen die öffentlichen und privaten Einrichtungen, Sitten und Gebräuche in seiner Archäologie keine Rolle. Den Antiquitates widmete er ein eigenes Kolleg. Tatsächlich sind die antiquarisch orientierten Handbücher über Staats- und Rechtsaltertümer, Kriegs-, Militär- und Privataltertümer bis zum letzten Viertel des 19. Jahrhundert von Philologen der Realien, häufig im Schuldienst, verfaßt worden, nicht unter Beteiligung von Archäologen. K. F. Hermann, der Nachfolger Müllers in Göttingen, war ein bedeutender Autor auf diesem Gebiet.94 Seine Vorlesungen über die Archäologie der Kunst lehnten sich aber an Müllers Vorbild an.95 Kritik an der eingeschränkten Auffassung von Archäologie als einer ausschließlichen Kunstwissenschaft in der Art des Handbuchs war von nicht akademischer, den Monumenten wie der Praxis naher Seite zu erwarten. Nach Erscheinen des Handbuchs ist sie umgehend von Eduard Gerhard geäußert worden. Bereits zuvor, in der Einleitung zur ersten Lieferung seiner Antiken Bildwerke, hatte der Schüler A. Boeckhs trotz lebenslanger späterer Spezialisierung auf mythologischem Gebiet eine antiquarisch-kulturgeschichtliche Zielsetzung verfolgt. Er kündigte die Vorlage historischer Gegenstände mit Darstellungen von Festzügen, Krieg, Frieden, dem menschlichen Leben von der Geburt bis zum Tod an, um hierin selbst B. de Montfaucon zu übertreffen.96 1830 suchte seine Rezension 91 Der zweite Band von 1796 behandelt zunächst die römische Geschichte, dann das öffentliche (S. 197ff.) und private (293) Leben der Römer. 92 A. von Steinbüchel, Abriß der Alterthumskunde (1829). 93 Vgl. U. Franke – W. Fuchs, Boreas 7, 1984, 278–297. Die Zurückweisung handwerklicher Produkte aus dem Bereich autonomer Kunst folgte der kantisch idealistischen Theorie Müllers. 94 K. F. Hermann, Culturgeschichte der Griechen und Römer I–II (1857). 95 Vgl. u. S. 39 f. 96 E. Gerhard, Antike Bildwerke. Erste Lieferung (1827) S. XIIIf.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

35

zu Müllers Handbuch daher, den archäologischen Aufgabenbereich um Topographie, Epigraphik, Numismatik und Mythologie über den von der Kunst abgedeckten Horizont hinaus zu vergrößern.97 In seinen „Grundzügen der Archäologie“ von 1833 schloß Gerhard die Epigraphik zwar wieder aus, wandte er sich aber weiter gegen die „Einseitigkeit der ästhetischen Auffassung“. Doch ließ er die Kunst als hauptsächlichen Gegenstand archäologischen Interesses nun gelten.98 Die Numismatik zumindest wollte K. F. Hermann der Kunstarchäologie 1844 zuordnen.99 Fundamentale Kritik übte Ludwig Preller 1845 an der Kunstarchäologie.100 Unter dem Begriff „das Monumentale“ wies Preller alle materiellen Gegenstände der menschlichen Kultur, auch Städte und städtische Einrichtungen der archäologischen Disziplin zu. Im Sinne der Antiquitates betrachtete er sie als Zeugnisse für Religion, Mythos, Staatsleben, Handel, häusliche Sitte und Luxus. Wie die Antiquare in Renaissance und Barock oder noch F. A. Wolf unterstellte er die Philologie derselben kulturgeschichtlichen Aufgabe im Dienst an der Altertumswissenschaft. Ohne Preller oder andere Vorgänger zu zitieren, ging Gerhard 1850 von einem sich geschwisterlich ergänzenden Verhältnis der altertumskundlichen Fächer aus. Die Archäologie benannte er als „monumentale Philologie“. Gemeinsames Ziel sei es, die „Realität und Totalität des antiken Lebens zu umfassen“.101 Dabei machte er in zwei Richtungen Front. Die eine ergab sich aus seiner Berliner Tätigkeit, in der er eine zuvor allgemein kunstgeschichtlich ausgerichtete Lehre unter Verwendung des Müllerschen Handbuchs auf die philologische Kunstbetrachtung ausrichtete.102 Das andere Ziel rang um die Gleichberechtigung der Archäologie neben der philologischen Schwesterdisziplin, weswegen er ein ihr entsprechend weites Arbeitsfeld betonte. Neben der Kunstarchäologie und ihrer für gültig empfundenen Darstellung im Handbuch Müllers hat es in den beiden ersten Dritteln des 19. Jahrhunderts also stets Ansätze für eine breitere Auffassung von dieser Disziplin gegeben, die aber trotz gegenläufiger Entwicklung in der sich erweiternden archäologischen Praxis und im internationalen Rahmen an die Peripherie gedrängt wurden. Zu begründen ist das mit den Idealvorstellungen von der Griechischen Kunst, mit dem laufenden Zuwachs an Kunstwerken aus dem griechischen Kulturraum und einem sich mit ihnen verbessernden Einblick in die Kunstgeschichte, aber auch durch die

97 98 99 100

E. Gerhard, BdI 1830, 266f. E. Gerhard, Hyperboreisch-römische Studien I (1833) 6–22. Hermann 1844, 4. 13–16. L. Preller, Zeitschrift für die Alterthumswissenschaft 3, 1845, Supplementheft 1, 1–14; 2, 97–120. 101 E. Gerhard, Grundriß der Archäologie (1852) 5 mit Anm. 7, dazu die als Beilage (S. 39– 41) nachgedruckte Schrift zur ‚monumentalen Philologie’ von 1850. Vgl. D. Rößler in: H. Wrede (Hrsg.), Dem Archäologen Eduard Gerhard (1795–1867) zu seinem 200. Geburtstag (1997) 55–61. 102 Vgl. u. S. 41 f.

36

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

normierende Wirkung von Müllers Handbuch, wobei alle drei Faktoren sich ergänzten. Die großen Grabungen im letzten Jahrhundertviertel machten die umfassend kulturgeschichtlichen Aufgaben der Archäologie noch offensichtlicher als zuvor. Daher ist es besonders bemerkenswert, wie die beiden Handbücher dieser Zeit hierauf reagierten. Schon vom Titel her knüpften sie an Müllers Archäologie der Kunst an. Die von Preller benannten Aufgabengebiete erweiterte K. B. Stark 1880 noch um die vom Menschen verursachten Veränderungen der Erdoberfläche und die Landschaftsarchäologie.103 Über die Feststellung, daß alle hergestellten Objekte demselben Stilwandel unterworfen seien, schien es ihm richtig, alle vom Menschen geformten Gegenstände in die Archäologie der Kunst einzubeziehen. Deren Aufgabe sei es, sie formal zu analysieren, stilistisch einzuordnen und bei Beschädigung zu rekonstruieren. Wo es sich nicht um Objekte der „hohen Kunst“ und damit einer weiteren archäologischen Bearbeitung handele, wären die so zurückerschlossenen und bestimmten Funde aber anderweitigen Spezialisten zur Verfügung zu stellen.104 Wie Müller grenzte Stark damit die kulturgeschichtliche Betrachtung aus der Archäologie aus. Ähnlich verfuhr K. Sittl 1895.105 Durch den Begriff des Kunstgewerbes anstelle von Müllers Tektonik und durch die Ausdehnung der Definition von Baukunst auf fast alle monumentaleren Zeugnisse der Zivilisation verleibte er die materiellen Produkte des menschlichen Lebens der Archäologie ein. Wie Stark ordnete Sittl die eher handwerklichen und funktionsbestimmten Dinge aber nur als formale Gegenstände der archäologischen Bearbeitung zu. Ihre Funktion in der jeweils zugehörigen Lebenssphäre, einzeln oder im gesellschaftlichen Miteinander, die eigentlich kulturhistorische Bedeutung also, überließ er der philologischen und historischen Betrachtung. Sittl reagierte auch darin auf die Zeit der großen Grabungen, daß er kurze Kapitel zum Untergang der Denkmäler, wie einstmals bereits Petersen, dann auch zu Ausgrabungen selbst, wenn auch nur rudimentär zur Grabungsmethodik, in der Gesamtdarstellung berücksichtigte und die archäologische Ortskunde um ein Vielfaches gegenüber Müller erweiterte.106 Die Verteidigung der Archäologie der Kunst gegen die Flut der im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts gemachten Funde erfolgte demnach über die Ausdehnung des Stilbegriffs und der unter Kunst zu subsumierenden Gegenstände, damit in kunsthistorischer Argumentation. Sie fügte sich der neuen kunstgeschichtlichen Betrachtungsweise am Jahrhundertende ein, die sich aus der direkten Konfrontation mit den Objekten ergab und zur Formanalyse etwa der Wiener Schule überleitete. Bereits 1878 hatte diese Entwicklung eine Neuedition von Müllers Handbuch in der Art einer bloßen Erweiterung auf den gültigen For103 104 105 106

Stark 1880, 5. Stark 1880, 8f. Sittl 1895, 83, 167–276. 333. 355f. 366f. 388–393. Sittl 1895, 14–32. 76–225.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

37

schungsstand verhindert.107 Die kunsthistorischen Fortschritte widerlegten indessen nicht die grundsätzliche Struktur von Winckelmanns, Heynes und nun besonders Müllers Lehrgebäude, die mit der kunstgeschichtlich ausgerichteten Klassischen Archäologie bis tief in das 20. Jahrhundert hinein wirkte, sondern sie paßten es den sich wandelnden wissenschaftlichen Erforderungen auch dort an, wo sie in direkter Kritik am Handbuch vorgetragen wurden. Hier sei das für das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts verfolgt, dessen Ende das hier publizierte Kolleg von Curtius angehört. Für forciert kunstgeschichtlich orientierte Archäologen bot schon der Titel des Handbuchs einen Anstoß, da der Begriff Archäologie zunächst Antiquitates und nicht Kunst meine.108 Ein grundsätzlicher Vorwurf betraf Müllers starke Verwurzelung in der Philologie, die er gegenüber Carl Friederich Rumohr selbst einräumte.109 Die Lektüre des Handbuchs öffne den Blick für kein einziges Denkmal in seiner spezifischen Form und Aussage110, ja, es beschreibe weniger „den Anblick selbst, als die literarische Kunde davon, das allgemeine poetische Bild, den religiösen oder philosophischen Begriff des Denkmals.“111 Jedoch ist dieser zentrale Punkt der Kritik in der Jahrhundertmitte nicht weiter verfolgt worden, da auch die Rezensenten Philologen waren. Die propädeutische Einleitung des Handbuchs galt Gerhard und den jüngeren Kollegen in unterschiedlicher Weise für ergänzungsbedürftig.112 Auf seine Zweiteilung in eine Kunstgeschichte und die ihr folgende systematische Kunstlehre reagierten unterschiedliche Gegenentwürfe.113 Keine Einigkeit bestand über die Abhängigkeit der Griechischen Kunst von orientalischen Einflüssen und damit die nachgestellte Behandlung des Orients bei Müller.114 So unterschiedlich die Kritik auch ausfiel, sie war sich bewusst, die einzige gültige Gesamtdarstellung der Disziplin in nicht entscheidenden Aspekten zu betreffen.

107 s. o. S. 31 f. 108 Welcker, wie Anm. 72, 450f.; Overbeck 1853, 455; Stark 1880, 44f. Vgl. A. Stähli in: S. Altekamp – M. R. Hofter – M. Krumme (Hrsg.), Posthumanistische Klassische Archäologie. Kolloquium Berlin 1999 (2001) 154. 109 Müller bei: Reiter 1950, 269 (Brief vom 24. 10. 1835). 110 Welcker, wie Anm. 72, 446f. 464; Stark 1852, 1. 111 Stark 1852, 8. 112 Gerhard, Grundriß, wie Anm. 101, 11–13; Hermann 1844, 5–9; Preller, wie Anm. 100, passim; Stark, 1852, 5f. 113 Welcker, wie Anm. 72, 455 zog den systematischen Teil vor wie einst auch Winckelmann. Hermann 1844 integrierte S. 9–13 die historische Entwicklung mit einer Darstellung der Kunstgattungen. Gerhard, Grundriß, wie Anm. 101, 12 zog eine Partie vor, ließ auf die Kunstgeschichte dann den langen „praktischen Teil“ folgen. Overbeck 1853 setzte mit der Kunstlehre („Technik und künstlerische Konzeption“) ein, bot die Kunstgeschichte für die Mitte an und endete bei der Denkmälerkunde („Hermeneutik“). 114 Die unterschiedlichen Positionen lassen sich der breiten Argumentation bei Overbeck 1857, 1. 13–33 gut entnehmen.

38

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Das änderte sich tendenziell nach der Mitte des Jahrhunderts. Von Otto Jahn ausgehend115, entwickelte Johannes Overbeck 1853 eine „Systematik der Archäologie der Kunst“, die sich in Ergänzung zu einer Philologie der literarischen Kunst ausschließlich als Kunstbetrachtung verstand. Daher trachtete Overbeck danach, den Rest der kulturgeschichtlichen Perspektiven abzustoßen, die in Müllers Handbuch überdauert hatten, in dessen Besprechung durch Gerhard, Stark und – unabhängig – vor allem durch Preller verstärkt worden waren.116 Der „antiquarische Krimskrams“ sei bedeutungslos, weil „die Offenbarung des Hellenismus oder des römischen Geistes und Wesens“ in Kunstarchäologie, Sprache und Literatur das Ziel aller Bemühungen sei, nicht eine Kulturgeschichte.117 Damit stieß die Argumentation zum klassizistischen Ideal als dem Zentrum der Archäologie der Kunst vor, das sie über die Vorstellungen Heynes und Müllers hinaus zu reinigen und hierdurch zu erneuern suchte. Der Weg führte zu den Denkmälern, zu Overbecks Konzept „Über Kunstgeschichtsschreibung“ von 1853, zu dessen Geschichte der griechischen Plastik von 1857 und 1858 und zu deren erweiterten Neuauflagen, schließlich zu Heinrich Brunns unvollendeter Griechischer Kunstgeschichte von 1893 und 1897. Die Vorherrschaft der Kunstgeschichte in der Klassischen Archäologie Deutschlands des 20. Jahrhunderts fußte auf dieser Grundlage. Entstanden aus der im 18. Jahrhundert vorgeprägten Sicht, Vorlesungen als das entscheidende Medium zur Erschließung einer Wissenschaft aufzufassen, war Müllers Handbuch eine erweiterte Vorlesung, die späteren Vorlesungen als Grundlage dienen sollten. Daher erzielte es in der archäologischen Lehre seine direkteste Wirkung. Den Gebrauchswert erhöhte Müller ab 1832 gemeinsam mit Carl Oesterley durch die Herausgabe des zugehörigen Tafelwerks Denkmäler der alten Kunst. Der kunstgeschichtliche erste Teil lag 1832 vor. Den von vornherein geplanten zweiten Teil ließ Friedrich Wieseler 1856 folgen. Er galt der Mythologie und vergegenwärtigt wohl, dass Müller in seiner mythologischen Vorlesung ohne Bildvorlagen auskam. Zu den ersten Heften des Tafelwerks schlug C.A. Böttiger 1832 vor, sie in den Schulunterricht an den Gymnasien einzubringen, was Müller mit einer Probesendung an den preußischen Unterrichtsminister von Altenstein aufgriff118. Da die Abbildungslegenden gerade in diesen frühen Lieferungen des Tafelwerks sehr kurz waren, hierbei wie bei der Anordnung die Kenntnis des Handbuchs voraussetzten, hat sich der Verfasser auch dessen Verwendung im Schulunterricht vorstellen können. In diesem vorwissenschaftlichen Bereich sah er also Einwirkungsmöglichkeiten auf ein nicht akademisches Publikum, kaum mehr bei dem weiteren Kreis der Kunstfreunde wie im 18. Jahrhun115 O. Jahn, BerVerhLeipz 2, 1848, 209–226; Vgl. U. Hausmann in: Calder – Cancik – Kytzler 1991, 2–10 und die nicht verwirklichten Pläne Jahns, eine Gesamtdarstellung der Archäologie zu schreiben: ebenda S. 29–56 (H. Cancik). 68–76 (W. Erhard). 116 Overbeck 1853, 444–466. 117 Overbeck 1853, 456f. 118 Reiter 1950, 173 (Brief Böttigers). 174 (Brief Müllers an Johannes Schulze).

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

39

dert. Wie er sich den Umgang mit seinem Handbuch an den Universitäten vorstellte, hat er knapp angedeutet. Es vermöge dem Privatstudium der Studenten als Ergänzung zum Unterricht oder für Dozenten zur Vorbereitung der Vorlesungen zu dienen. In deren Fall sei „in diesem Buch viel mehr Stoff gegeben, als ein akademisches Collegium etwa in hundert Stunden verarbeiten und entwickeln kann; und wenn es auch vielleicht archaeologischen Vorlesungen von sehr verschiedener Art zum Grunde gelegt werden könnte, wird die Benutzung desselben doch immer eine freie und eigenthümliche sein müssen.“119 Die letzten Worte beziehen sich auf ein Werk von allgemeiner Referenz, die vorausgehenden betreffen das Handbuch als einen Text für Vorlesungen. Die abweichenden Funktionen kennzeichnete der Verfasser nicht exakt, weil der dichte Zusammenhang mit der Lehre im Vordergrund stand, solange sich diese gänzlich oder fast auf ein einziges archäologisches Kolleg von überblicksartigem Charakter beschränkte. Das erklärt die Anlage des Handbuchs mit dem vorgezogenen kunstgeschichtlichen Hauptteil, weil er das eigentliche Zentrum des Studiums betraf. Von daher versteht sich der Verweis auf über 100 Kollegstunden pro Semester, denen bei 17 Wochen in Müllers eigener Veranstaltung 85 gegenüberstanden, weswegen eine nicht allzu große Auswahlmöglichkeit vorgesehen war. So versteht sich schließlich auch, wieso Müller nicht den einfachen Vorschlag unterbreitete, sein Lehrgebäude auf zwei Lehrveranstaltungen zu verteilen. Welcker schlug in seiner Rezension vor, die Kunstlehre – Ikonographie, technische Verfahren und Darstellungsweisen der menschlichen Gestalt wie ihrer Attribute – in die Kunstgeschichte zu integrieren, um zu einer „anwendbaren“ Kürzung zu gelangen120. Müller bestätigte den Gedanken. Er selbst trage sogar „Alles, auch die sog. Kunstmythologie in die geschichtliche Entwicklung hinein“121. Also schob er beide Teile ineinander. Das verschaffte nicht nur einen dem Semester angepaßten Text, sondern gab der Vorlesung bei zusätzlicher Berücksichtigung der jüngsten Forschung auch eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Handbuch. Karl Friedrich Hermann, der Nachfolger Müllers in Göttingen, hat das große Lehrbuch der griechischen Antiquitäten mit seinen Teilen über griechische Staats-, Religions- und Privataltertümer verfaßt.122 Dieses kulturgeschichtliche Engagement123 hat ihn dazu gezwungen, die hiervon getrennte Archäologie der Kunst wie sein Vorgänger auf eine einzige komprimierte Vorlesung in der Lehre zu beschränken. Das zeitliche Problem, das sich ihm hierdurch vor dem Hintergrund des Müllerschen Handbuchs bereits seit seiner Lehre in Marburg in den dreißiger Jahren 119 Müller, Handbuch, Vorrede zur zweiten Auflage von 1835, vgl. o. S. 29 und S. V der dritten Auflage = Müller 1848. 120 Welcker, wie Anm. 72, 455. 121 Müller im Brief an Welcker vom 21.6.1834: Reiter 1950, 227. 122 C. F. Hermann, Lehrbuch der griechischen Staatsalterthümer4 (1855); Lehrbuch der gottesdienstlichen Alterthümer der Griechen2 (1858); Lehrbuch der griechischen Privatalterthümer2 (1870). 123 Vgl. o. Anm. 94.

40

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

ergeben hatte, beantwortete er 1844 mit dem publizierten Schema akademischer Vorträge über Archäologie oder Geschichte der Kunst des classischen Alterthums. Die Schrift setzt eine allgemeine Schwierigkeit bei des Benutzung des Handbuchs voraus. In ihr sind nur zwei Teile unterschieden. Die Abgrenzung zu den nicht griechischen Künsten, die Vorstellung der Methoden und der Kunsttechniken, die Ikonographie des Mythos und des menschlichen Lebens, schließlich auch eine abstrahierende Zusammenfassung der stilistischen Entwicklung sind mit Elementen aus Müllers propädeutischer Einleitung in dem „allgemeinen“ ersten Teil vereint. Im zweiten folgen die chronologische Behandlung der Kunstgattungen und ein breiter Anhang zur Numismatik. Wo immer möglich verweist schon die Gliederung auf die zugehörigen Paragraphen des Handbuch Müllers. Das Gesamtbild ist ihm gegenüber trotz aller Abhängigkeit von eigener Art und hierin charakteristisch für die archäologische Lehre in der Mitte des Jahrhunderts. Vergleichen lassen sich z.B. die beiden Bände zur Geschichte der griechischen Plastik von Anselm Feuerbach aus dem Jahr 1853.124 Es handelt sich um die posthume Publikation seiner Kolleghefte der vierziger Jahre. Die Beschränkung auf eine Kunstgattung und die Auseinandersetzung mit den einzelnen Skulpturen verleihen ihr ein eigenes Gesicht. Die Gliederung ist bei Feuerbach in übereinstimmenden Partien der des Handbuchs verwandt. Ausnahmsweise ist sein Text mit Abbildungsverweisen verbunden, was seine optische Vermittlung klärt. Zu Dreivierteln beziehen sie sich auf das Tafelwerk von Müller und Oesterley und lassen schon hierin die Abhängigkeit vom Handbuch erkennen. Da es den Blick stets auf das Ganze der Griechischen Kunst lenkte, die Teile gewissermaßen als gleichförmige Glieder in einer Kette band, hatte das Handbuch zwei zusätzliche Auswirkungen: Es wirkte behindernd auf die Fortentwicklung der Wissenschaft ein, war diese doch von zusätzlicher Differenzierung abhängig, dem eher eine vielgliedrige Lehre entgegenkam. So hat Overbeck die „Gesamtbehandlung des [archäologischen] Stoffs in einem Cursus“ Müllerscher Prägung zurückgewiesen. Ihm stellte er die Bonner Tradition entgegen, die Archäologie trotz vorrangig kunstgeschichtlichen Verständnisses in vier Vorlesungen unterschiedlicher Länge zu vermitteln, die dann auch die kulturgeschichtlichen Aspekte berücksichtigen konnten.125 Wo ein reicheres Lehrangebot gegeben war, konnte ein am Handbuch orientiertes Kolleg also sein Zentrum bilden, weitere archäologische Lehrveranstaltungen in dessen Schatten fördern, die den straffen Kursus der Altertumswissenschaften sprengten und mit ihm auch die klare Gliederung eines Triennium-Studiums. In Göttingen ist die „Archäologie der Kunst Müllerscher Prägung“ nach dessen Tod sowohl von K. F. Hermann wie von F. Wieseler angeboten worden. Hermanns Abwandlungen des Vorbildes sind bereits zuvor besprochen worden. Wieseler folgte dem Handbuch so eng, daß er es sechsstündig in der Woche an124 Bd. II und III von A. Feuerbach, Nachgelassene Schriften (1853). 125 Overbeck 1853, 465f.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

41

bot, um das von Müller vorgesehene Mindestmaß von 100 Stunden exakt zu erreichen. Er las seine Gesamtdarstellung der Archäologie zunächst jedoch nur in größeren, teilweise dreijährigen Abständen, erst seit 1852 in jedem Sommersemester. Dieses zentrale Angebot hinterfingen seine anderen Veranstaltungen im Archäologischen Seminar mit einer Fülle weiterer Themen. Besonders häufig wandte er sich der in Bildwerken vermittelten Mythologie zu, wie er ja auch den zweiten Teil der Denkmäler der alten Kunst von Müller und Oesterley vollendete.126 Mehrfach las er zur Geschichte und Kulturgeschichte des alten Orients nach Monumenten, zum Beginn der frühchristlichen Kunst, zur Topographie der griechischen und römischen Welt unter Berücksichtigung der Bauwerke, über griechische und römische Privataltertümer, über Theateraltertümer und Antike Numismatik. Hierdurch erweiterte er den Zuständigkeitsbereich der Archäologie kulturgeschichtlich und über die ausschließlich griechisch-römische Welt hinaus. Die vom Handbuch abhängige Archäologie der Kunst bildete die Mitte der Lehrveranstaltungen und setzte sich durch ständige Wiederholung nach der Jahrhundertmitte zusätzlich durch, besonders eindeutig, als auch Curtius seit dem Winter 1861/62 die „Griechische Kunstgeschichte“ in jedem Wintersemester anzubieten begann, was dann mit Wieselers grundsätzlich übereinstimmender Vorlesung im Sommer abwechselte. Zusätzlich las Curtius zur Geographie und Ethnographie der Griechen und Römer, Antike Numismatik und einmal, wie Wieseler gleichfalls, die Topographie Roms.127 Als drittes Beispiel für die archäologische Lehre in der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Bonn und Göttingen soll Berlin dienen. Hier konnte F. A. Wolf bei der Gründung der Universität ein Philologisches Seminar wie in Halle durchsetzen, mit ihm die breite Lehre der Altertumswissenschaften im Sinn seiner Darlegungen von 1807. Wie gleichfalls von ihm vorgesehen, übernahm Aloys Hirt die Vertretung der Archäologie, die aber auf dessen Wunsch hin mit einem Lehrauftrag für die „Theorie der zeichnenden Künste“ verbunden wurde, den Hirt bereits zuvor an der Akademie innegehabt hatte. Der zusätzlich von der Bauakademie kommende Hirt war so zugleich der erste Vertreter der Kunstgeschichte. Ihm trat ab 1814 der für Philologie und Kunstgeschichte habilitierte Ernst Heinrich Toelken, seit 1823 Ordinarius, zur Seite, ein Schüler Heynes in Göttingen. Aus langen Wanderjahren in Italien, Deutschland und Frankreich besaß er archäologische und kunstgeschichtliche Kenntnisse, vermochte er aber auch die Philosophie bei Vakanz einer Professur zu vertreten. Daher war das archäologische Lehrangebot in Berlin bis in die dreißiger Jahre besonders breit. Es war zusätzlich zur griechischen und römischen Bildkunst auf die Architektur und Religionsgeschichte, dann aber auch auf die Kunstgeschichte Ägyptens bis nach Nubien, des Orients und der nachantiken Jahrhunderte bis in die Epochen ausgerichtet, die dem Mit-

126 Vgl. o. S. 38. 127 Vgl. u. S. 58 f. 421. 423. 426.

42

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

telalter folgten. In sonst nicht gegebener Weise war es fern der Philologie und damit auch den übrigen Altertumswissenschaften verortet.128 Ab 1838 las Toelken aber „die Archäologie der Kunst (nach Müllers Handbuch) nebst Erklärung der Denkmäler.“129 Hirt näherte sich der sonst üblichen, philologisch bestimmten Lehre 1833 mit seiner Geschichte der bildenden Künste bei den Alten an; doch handelte es sich um ein Spätwerk, das sich gegen Müllers wenig älteres Handbuch nicht durchzusetzen vermochte. Es traf sich zeitlich mit den Bemühungen des Boeckh-Schülers E. Gerhard ab 1835/36, die Archäologie bei Bewahrung ihrer Selbständigkeit mit der Philologie zu verbinden.130 Für Gerhards Kolleg „Archäologie der Kunst“131 überliefert Otto Jahn, es habe darin bestanden, aus Müllers Handbuch vorzulesen und anschließend zu kommentieren.132 1853 veröffentlichte Gerhard, K. F. Hermann ähnlich, einen Grundriß der Archäologie: Für Vorlesungen nach Müllers Handbuch. Auf derselben Grundlage setzte 1844 Curtius’ Kolleg „Griechische Kunstgeschichte“ in Berlin ein.133 So ist in Berlin eine Wirkung des Handbuchs zu konstatieren, welche der dortigen Archäologie ein normierendes Zentrum seit den dreißiger Jahren bot. Die Berliner Entwicklung wiederholte sich an der Universität Königsberg.134 Auf eine vom preußischen Kultusministerium zur Verfügung gestellte Abgußsammlung gestützt, führte der Kunsthistoriker Ernst August Hagen die Archäologie hier 1824/5 als eine „Archäologie der Kunst“ im Sinn der Jahrhundertwende ein, erweiterte deren Inhalt aber ab 1827 durch Kollegien „Über die antiken Kunstwerke in Rom“ bzw. durchgehend bis in die siebziger Jahre über die „Antike Baukunst“. Nach 1850 überließ Hagen die Ausführungen zur Griechischen Kunstgeschichte dem Philologen Ludwig Friedländer, der diese Veranstaltung 1863/64 ausführlicher, nämlich als „Geschichte der bildenden Künste bei den Alten nach O. Müllers Denkmälern der alten Kunst“ ankündigte. Friedländer war ein kulturwissenschaftlich ausgerichteter Altertumswissenschaftler, der seine übrigen archäologischen Lehrveranstaltungen daher eher mythologischen, topographischen, numismatischen und epigraphischen Themen widmete. Die eigentliche Mitte des Fachs räumte er aber der durch Müllers Handbuch endgültig kanonisch gewordenen Archäologie der Kunst ein. 128 Zur Entstehung der Berliner Archäologie und zur Breite der mythologischen, kunst- und baugeschichtlichen Lehre: A. Borbein in: W. Arenhövel – Chr. Schreiber (Hrsg.), Berlin und die Antike. Aufsatzbd. (1979) 99–150; S. Ahrens in: T. Bartsch – J. Meiner (Hrsg.), Kunst: Kontext: Geschichte. Festgabe für Hubert Faensen (2003) 251–266. H. Wrede in : H.-E. Tenorth, Geschichte der Universität Unter den Linden Bd. 4 (2010) 218-231. 129 Ahrens a. O. 252. 258. 130 Ahrens a. O. 254. 131 Vgl. u. S. 89 f. 132 O. Jahn, Eduard Gerhard, ein Lebensabriß (1868) 96. 133 Vgl. u. S. 87 ff. 134 Die Archäologie an der Universität in Königsberg behandelt B. Faensen in der im Druck befindlichen Berliner Dissertation „Die Antikensammlungen in Ostpreußen“, HumboldtUniversität 2009.

Vorlesungen, Mitschriften und Handbücher

43

Durch Müllers Handbuch erhielt die Archäologie der Kunst kanonische Bedeutung, drängte sie die zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegebenen Verbindungen der Archäologie mit der allgemeinen Kunstgeschichte und mit einer Orient und Ägypten einschließenden universellen Archäologie zurück. Ebenso stellte sie sich einem primär kulturgeschichtlichen und an der archäologischen Praxis orientierten Verständnis der Wissenschaft entgegen, wie ausführlich erörtert. Den ausgreifenden Grabungen gemäß hat es dennoch während des ganzen Jahrhunderts gegenläufige Tendenzen gegeben. Wie am Beispiel Gerhards deutlich, verfolgten deren Vertreter ihre Ziele in dem Freiraum, der neben der zentralen Kunstarchäologie verblieb. Analog verfuhr Ernst Curtius, als er seine „Kunstgeschichte der Griechen und Römer“ häufiger las als jedes andere Kolleg, obwohl seine Forschungen einen mit der Praxis verbundenen kulturhistorischen Weg einschlugen. Unter den hier genannten Gelehrten verhielten sich Friedländer, Hermann, Panofka und Wieseler ebenso. Es öffnete sich eine Ambivalenz zwischen Lehre und Forschung, die auf der Differenzierung der Forschung gründet und daher auch noch die gegenwärtige Situation prägt. Seit der Entwicklung der Fachliteratur im 19. Jahrhundert waren Vorlesungen kein relevantes Medium der Forschung mehr. Daher eigneten sie sich nur in abnehmendem Maß zur Publikation. Anselm Feuerbachs 1853 postum publizierte Kolleghefte erbringen ein spätes Beispiel in der Archäologie. 1865 forderte Gustav Freytag Otto Jahn dazu auf, dessen Vorlesungen nach einem brieflich seit 1859 belegten Plan als eine Griechische Kunstgeschichte oder sogar als Gesamtdarstellung der Archäologie herauszugeben: „Da sind diese Vorlesungen über die Archäologie. Ich entbehre sie noch immer und daß Sie mir brevi anzeigen, wie Sie den Sommer lang die Hefte nicht durchkorrigiert haben, das ängstigt mich auch … . Es ist Ihr vertrautes Fach, Sie haben darin jetzt keinen Rivalen … es würden sich für den Druck um Striche und kleine Ergänzungen handeln. … Haben Sie 10 Bogen durchgearbeitet, so lassen Sie den Druck beginnen u[nd] Sie fahren ruhig mit der Durchsicht während des Druckes fort. … Es ist ein ernster Vorschlag.“135 Die Worte zeigen gut, wie eng das Verhältnis zwischen innovativen Gesamtdarstellungen der Disziplin und Vorlesungen noch immer gesehen werden konnte. Und doch ist es ebenso charakteristisch für die Zeit, daß Jahn sich zur Publikation eine Generation nach Müller, in Konkurrenz zu Overbeck und Brunn nicht entschließen konnte. Die Spezialisierung der Wissenschaft mit ihrer Vergrößerung der Kenntnisse und Verselbständigung der Teilgebiete setzte neben der Qualität der zu überbietenden Literatur Ansprüche, die im begrenzten Rahmen der Vorlesung nicht mehr zu erfüllen waren. Overbecks Plastikgeschichte, Brunns unvollendete Kunstgeschichte, Starks unvollendetes und Sittls abgeschlossenes, aber wenig erfolgreiches Handbuch gingen nicht mehr weitgehend auf Lehrveranstaltungen zurück. Wie Freytags Erwartungen in demselben Jahr 135 Brief Freytags vom 15. 11. 1865 in Weimar: H. Cancik in: Calder – Cancik – Kytzler 1991, 35. 55f.

44

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

zeigen, in dem Curtius seine hier publizierte „Griechische Kunstgeschichte“ las, zweigten die gegensätzlichen Entwicklungen von Vorlesungen und Gesamtdarstellungen einer Disziplin zu dieser Zeit weiter voneinander ab als zuvor. In eingeschränktem Umfang läßt sich Curtius’ Kolleg als eine Neubearbeitung des Müllerschen Handbuchs auf dem Forschungsstand nach einer Generation und unter den historischen Bedingungen der sechziger Jahre verstehen. Vom informativen Wert her kommt es Overbecks Plastikgeschichte nahe, stellte sich aber einer größeren Aufgabe. Als umfassende Griechische Kunstgeschichte hat es im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts in Deutschland keine Parallele. Das alles rechtfertigt die einst offensichtlich zahlreichen Mitschriften und die heutige Publikation, zu der sich Curtius ebenso wenig entschließen konnte wie Jahn angesichts derselben Problemstellung. Beide betrachteten die Kunstgeschichte als Philologen und waren daher nur imstande, Müllers Handbuch in dessen Geist zu erneuern. Beide erkannten wohl aber, daß die Spezialisten der Kunstarchäologie wie Brunn und Overbeck oder Carl Friederichs dabei waren, die kunsthistorischen Kriterien in der direkten Auseinandersetzung mit den Monumenten grundsätzlich zu verändern. Obwohl ihnen die hierbei beschrittenen neuen Wege methodisch zweifelhaft erschienen, überließen Jahn und Curtius diesen Kollegen das Feld.

B. Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896) 1. Ernst Curtius als Erscheinung (Abb. 4) und Redner Mitschriften von Vorlesungen vermitteln eine allenfalls sehr indirekte Vorstellung von den Vortragenden. Daher fand es bereits der Herausgeber der Mitschriften nach Christian Gottlieb Heynes Kollegien angebracht, an die Sprache des Gelehrten zu erinnern: „In kurzer, rasch herausgestossener, weder unlieblicher noch rednerischer Art, trug er, in ineinander gedrungener Rede, dem Anscheine nach oft abgebrochen oder stücklich vor. Das reine liebliche Deutsch mangelte dem in den Alten webenden und lebenden eifrigen Lehrer ohnehin noch.“1 Einen ganz gegensätzlichen Eindruck müssen die Studenten Göttingens mehr als zwei Generationen später von Ernst Curtius empfangen haben. Denn nach Ludwig Gurlitt hatte „ er nichts von jenem alten Gelehrtentypus, … nichts Kleinliches, Engherziges, Philiströses. Sein Wesen und seine körperliche Erscheinung war eher die eines Weltmannes, ohne Geziertheit glich er doch mehr einem Diplomaten alter Schule, als dem vielverspotteten Typus des deutschen Schulmeisters. Daß er ein Mann von seltener Schönheit war, kam ihm auch als Erzieher zu gute … . Auch die elastische Gestalt, die sich Curtius bis an sein Ende bewahrte, verdankte er seiner körperlichen Zucht, seiner Mäßigkeit in Speise und Trank, seiner strengen Lebensführung, seiner regelmäßig gepflegten Zimmer-Gymnastik. Der lange Verkehr am Hofe machte ihm eine stets sorgfältige Kleidung und Haltung zur Natur und gab ihm eine Sicherheit und Anmut des Auftretens, die im Umgang mit Menschen Schwierigkeiten überhaupt nicht kannte.“2 Als Epoche des sich emanzipierenden Bürgertums ist das 19. Jahrhundert eine Zeit der fast kaiserzeitlich römische Ausmaße erreichenden Ehrenporträts gewesen. Auch die von Curtius überlieferten Bildnisse sind zahlreich, galt doch der gealterte und berühmte Gelehrte als ein solch exemplarischer Vertreter des Philhellenismus und auch generell des Wissenschaftlers älterer Prägung, dass ihn die Maler auch ohne Auftrag porträtierten, um sich auf dem Markt einzuführen. Mir sind nur zwei Bildnisse bekannt, die Curtius als jungen Mann wiedergeben. Eine Zeichnung August Kestners zeigt ihn auf seiner Rückkehr aus Griechenland 1841 in Rom.3 Das volle, schöne Gesicht in der Pracht der flüchtigen blonden Locken wirkt recht weich, spiegelt weder die Strapazen der griechischen Expeditionen 1 2 3

Heyne 1822, S. V. L. Gurlitt 1901, 128. C. Schuchhardt, Aus Leben und Arbeit (1944) Taf. 20; Wrede 2009, 168 Abb. 1.

46

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

noch die Bestimmtheit, mit der der Dargestellte wenig später Promotion, Schuldienst und Habilitation anging. Die mimischen und physiognomischen Züge der zahlreichen Altersporträts nimmt viel eher eine Zeichnung vorweg, die vermutungsweise Louis Asher zugeschrieben wurde.4 Das Medaillon gibt ihn im Profil wieder, sorgfältig frisiert und gekleidet und daher von einer Eleganz, die man mit dem „Zivilgouverneur“ des Kronprinzen bei Hof in den späteren vierziger Jahren verbinden möchte. Die hohe Stirn, das klare Profil mit der sehr geraden und schmalen Nase und der regelmäßige Mund mit seinen schmalen Lippen sind später wiederkehrende Merkmale. Auch die Ausgewogenheit, nach der die großen Flächen von Stirn, Wangen und Kinn ineinander übergleiten, wird sich in den weitgehend faltenlosen Altersporträts bewahren und verdeutlicht, warum noch der Greis als jugendlich empfunden wurde und der tatsächlich noch junge Mann, wie in der Zeichnung, als die Inkarnation eines griechischen Jünglings galt.5 Auch wenn die vollere Gesichtshaut des Medaillonporträts den später vordrängenden Knochenbau noch weich überspielt, ist der Eindruck dem nicht unähnlich, den Herman Grimm angesichts des Verstorbenen empfing: „Wie auf das Notwendigste beschränkt erschien sein Antlitz. Die Linie des Profils, als habe ein großer Künstler sie gezogen. Stirn und Schläfen machtvoll die erste Stelle behauptend.“6 Der Kopf des Medaillons ist ein wenig aufgeworfen und der Blick geht aus stets als eindrucksvoll blau beschriebenen Augen nach oben. Fast alle, die Curtius kannten, haben diese Kopfhaltung und Blickwendung beschrieben und hierdurch den meisten der überlieferten Curtiusporträts entsprochen. Herman Grimm führte beide auf das Vorbild Otfried Müllers zurück.7 Das deutet die Wahrscheinlichkeit an, daß zum natürlich Gegebenen bei Kleidung, Haartracht, Ausdruck und Gestik eine Selbststilisierung hinzutrat, die dem älteren Curtius dann zu einer fast maskenhaften zweiten Natur werden sollte. Den stets als schlank und elastisch beschriebenen Körper betraf die Selbstpflege gleichermaßen. Curtius trainierte ihn im täglichen „Zimmer-Sport“ an Hanteln und Reck, dazu viele Jahre durch Reiten und Florett. Auf der Glückwunschadresse Berlins zur Großjährigkeit des Prinzen Friedrich Wilhelm von 1850 möchte man in dem neben dem kronprinzlichen Zögling sitzenden Lehrer mit aufgeschlagenem Bilderbuch zwar Curtius vermuten, doch trägt er einen sonst nicht belegten kurzen Bart und Adolf Menzel hat hier wohl keine Gestalt porträthaft ausgeführt.8 Alle weiteren Porträts zeigen den berühmten Ausgräber von Olympia (Taf. 4.1–2). Als nach dem Grabungsbeginn 1875/76 Fotografierter erscheint er sehr 4 5 6 7 8

Hassenstein 1989, 172 Abb. 1. Schubring 1897, 298; C. Curtius 1897, 19 (zur Göttinger Zeit); Grimm 1948, 227: Das Jünglingshafte seiner Natur war unverwüstlich. Grimm 1948, 244. Grimm 1948, 227. C. Keisch – M. U. Riemann-Reyer (Hrsg.), Adolph Menzel, 1815–1905 (Ausstellungskat. Berlin 1997) 142–145 Nr. 53 mit Farbabb. (Riemann-Reyer).

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

47

repräsentativ, aber nicht unbedingt vorteilhaft.9 Ein anonymer Holzschnitt von 1878/7910 vermittelt einen energischen, strengen, aber auch etwas angestrengten Eindruck. Er betont das stets als eindrucksvoll beschriebene Profil und mit ihm den Knochenbau. Die Stirn flieht wohl etwas übertrieben. Bei fallenden Schultern wirkt der sonst als kräftig beschriebene Körper schwach, der Kopf aproportional groß. Die elegante Kleidung mit Rock, Weste, Frackhemd und gebundener Schleife wiederholt sich bei den meisten anderen Bildnissen. Die Altersportäts aus den achtziger und neunziger Jahren verdeutlichen Gurlitts Mitteilung, daß „die Liebenswürdigkeit und Anmut seines Wesens mit den Jahren sogar zu wachsen schien, je mehr sich das lockere Haar um seine Schläfen bleichte.“11 Nun stimmen die Züge weithin überein: Ein bestimmtes, wenn auch nicht zu kräftiges Kinn, ein schmallippiger Mund und eine vorspringende, aristokratisch dünne Nase markieren die orthogonalen Achsen des Gesichts. Der tiefe Sitz hinter starken Brauen akzentuiert den Blick der hellblauen Augen. Die gelichtete Stirn springt zu den Schläfen zurück. Sie ist ebenso glatt wie die Haut über den Wangen, so eng sie den Backenknochen auch folgt. Das bewirkt neben der Regelmäßigkeit der Züge und dem goethisch voll und lang zurückgestrichenen, rahmenden Haar einen ebenmäßigen Ausdruck von unbetroffenem Alter. Die zum siebzigsten Geburtstag geschaffene Hermenbüste von Fritz Schaper befindet sich im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Lübeck, das ihr vorausgehende Gipsmodell in der Alten Nationalgalerie in Berlin.12 Das einst in Curtius’ Salon aufgestellte Marmorporträt (Abb. 6) galt Ludwig Gurlitt für besonders lebenswahr13 und gefiel wohl auch dem Wiedergegebenen am besten, wie dessen täglicher Umgang mit ihm in der Wohnung nahe legt. Und tatsächlich übertrifft es bei der reichen Durchgliederung der Mundpartie und den härter gegeneinander abgesetzten Haarsträhnen die späteren Ausfertigungen an lebensvoller Energie, die in Verbindung mit dem klar vortretenden Knochengerüst zielgerichtet wirkt. Der frohe Blick wendet sich in eine erhöhte Ferne, die ihrerseits mit der Idealität der nackten Büste korrespondiert. Eine zweite Fassung Schapers14 (Abb. 4), aus Tiroler Marmor, wurde dem achtzigjährigen Curtius zum 2. Sep9 J. Schubring, Daheim 12, 1875/76, 133; Wrede 2009, 185, Abb. 4. 10 P. Berghaus (Hrsg.), Der Archäologe. Graphische Bildnisse aus dem Porträtarchiv Diepenbroich (Ausstellungskat. Münster 1983) 311 Nr. 152. 11 L. Gurlitt 1901, 134. 12 J. Simson – P. Bloch – S. Einholz, Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786– 1914. Ausstellungskatalog (1990) 284 Nr. 242 mit Abb. (Hermenbüste Lübeck); B. Maaz (Hrsg.), Nationalgalerie Berlin. Das XIX. Jahrhundert. Bestandskatalog der Skulpturen (2006) 721 Nr. 1102 (Gipsmodell). 13 C. Broicher, Erinnerungen an Clara Curtius (1900) Taf. zwischen S. 6 und 7; L. Gurlitt 1901, 135. 14 J. von Simson, Fritz Schaper 1841–1919 (1976) 24. 91. 93 Abb. 32 (zu weit von unten aufgenommen und daher dramatisiertes Foto). Hirschfeld 1886, Frontispiez. Der gedruckte Bericht für die an der Stiftung Beteiligten von 1895 hat sich im Archäologischen Seminar in Marburg erhalten.

48

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

tember 1894 auf einen Spendenaufruf Adolf Furtwänglers hin von 150 deutschen und österreichischen Kollegen, Schülern und Freunden in Olympia verehrt. Die griechische Regierung kam für den Hermenschaft mit der Inschrift und die Basis auf. In einer großen Feier ist das Porträt erst am 19.3. 1895, nun auch zum zwanzigsten Jubiläum des Grabungsbeginns enthüllt worden (Abb. 5). Beteiligt waren neben Wilhelm Dörpfeld als Vertreter des Instituts in Athen der griechische Generalephoros der Denkmalpflege und die Vertreter der amerikanischen, englischen und französischen archäologischen Schulen und Institute in Athen. Deren Lorbeer- und Ölkränze mit ihren Schleifen schmückten den Hermenpfeiler. Einen weiteren Kranz hatte die Kaiserin Victoria auch für ihren verstorbenen Mann hinzufügen lassen. Im Auftrag von Curtius’ Tochter schuf Schaper 1909 noch eine dritte Fassung für das Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität.15 Die mehrfachen Ausführungen des einen Porträts wie der durch eine Firma besorgte Vertrieb von käuflichen Abgüssen kennzeichnen dieses Bildnis als das allgemein anerkannteste. Sehr ähnlich in allen einzelnen Zügen und daher vielleicht nicht unabhängig, aber weicher und durch die gewohnt elegante Kleidung abgehoben ist eine Radierung von Wilhelm Krauskopf in München von 1885, härter und authentischer ein Foto in der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität wohl dieser Zeit.16 Die Gegenüberstellung mit ihm läßt die dynamisierenden und idealisierenden Züge hervortreten, die Schaper seiner Schöpfung verlieh. Weicher, durch Andeutung eines etwas spöttisch anmutenden Lächelns und fülligeres Seitenhaar auch privater wirkt die Kupferätzung des Henzen-Albums von 1886.17 1891 hat Reinhold Lepsius, der Sohn des Ägyptologen, zwei Curtius-Porträts in Öl geschaffen. Das repräsentativere größere mit detailliert ausgeführter, eleganter Kleidung ist in die Harvard University gelangt.18 Das hellere kleinere ist mit breitem Pinsel flüchtiger und moderner angelegt. Um die Bekanntheit des Malers durchzusetzen, ist es der Alten Nationalgalerie in Berlin geschenkt worden.19 Das lichte Gesicht kontrastiert mit der vereinheitlichten dunklen Robe. Ihm eignen ausgeglichen schöne Züge, silbriges Haar und sehr hellblaue Augen, deren abgewandter Blick in der eigenen Gedankenwelt versinkt. Eine Kopie hängt unter den Rektorenbildnissen der Humboldt-Universität, unter denen es wegen der nicht zur Schau gestellten Intellektualität auffällt.

15 U. Hausmann bei H. Wrede (Hrsg.), Dem Archäologen Eduard Gerhard, 1795–1867, zu seinem 200. Geburtstag (1997) 8 Abb. 3; A. Keune, Gelehrtenbildnisse der HumboldtUniversität zu Berlin (o. J.) 61. 73 mit Abb. 16 H. Bredekamp – J. Brüning – C. Weber, Theater der Natur und Kunst, Katalog (Ausstellung Berlin 2000) 100f. Nr. 6,1 mit Abb. und wohl zu früher Datierung. 17 R. Lullies – W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse (1988) Abb. S. 39. 18 Abgebildet auf der Atelier-Fotografie von 1892: A. Dorgerloh, Das Künstlerehepaar Lepsius. Zur Berliner Porträtmalerei um 1900 (2003) 58. 162. Abb. 10. 19 Berlin, Alte Nationalgalerie Nr. A I 1045: Dorgerloh a.a.O. 162f. Farbtaf. 13.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

49

Um 1893 hat Hanns Fechner den fast völlig erblindeten Curtius vor seiner einen Staroperation gemalt20, zur gleichen Zeit nach dem Profil eine in das Berliner Münzkabinett gelangte Plakette modelliert. Im Ölbild steht Curtius mit gezückter Feder in seinem Arbeitszimmer am Stehpult. Der im Dreiviertelprofil ins Licht gewendete Kopf sucht mit seinem in griechische Fernen gerichteten Blick die Botschaft, die er der noch ruhenden Hand mitteilen kann. Das weiße, lange Seitenhaar ist auch hier in den Nacken zurückgestrichen. Der Schädel ist glatt. Die relativ straffe Haut folgt in erster Linie der Regelmäßigkeit des Knochenskeletts. Das paart selbst noch bei diesem wirklichen Greisenporträt Schönheit mit Energie. Wiedergegeben ist der Gelehrte, der auch in der Zeit weitgehender Hilflosigkeit durch die beiden Bände seiner Gesammelten Abhandlungen von 1894 für Nachruhm sorgte. Der selbst völlig erblindete akademische Maler hat den Porträtierten dreißig Jahre später als einen „weltfremden Gast“ des Klassizismus bezeichnet, ohne daß ihm die Analogie zu seiner eigenen Fremdheit in der Gegenwart aufgefallen wäre: „Das waren herrliche Stunden, wenn der alte Gelehrte … von den Eindrücken seiner Griechenlandfahrten schwärmte. … [Er] lobte die Gegenwart eine zeitlang mit freundlichen Worten, um dann wieder im alten Hellas zu stecken bei Phidias und Praxiteles.“ Kurz vor dem Tod, am 11. Juli 1896, entstanden sind ein Foto mit Brille von J. Baruch und das Profil, das Friedrich Curtius dem Lebensbild seines Vaters beigab.21 Sein Nahen scheint ein Profilbildnis im Lorbeerkranz von Reinhold Lepsius anzukündigen, welches Richard Schöne seinem Nachruf voranstellte.22 Die Mundpartie ist welk, der Blick scheint gebrochen. Ganz abweichend haben die Anwesenden oder unverzüglich Kondolierenden den Gestorbenen erlebt. Die Leuchtkraft der blauen Augen und die Schönheit des gerade Dahingeschiedenen ergriff seine Frau Clara wie ein Bild.23 Hermann Diels schrieb Eduard Zeller am Tag danach: „Aller Schmerz ist gewichen, das edle Haupt wie aus Marmor mit einem unaussprechlich hoheitsvollen Ausdruck liegt da, als ob er schliefe und eben einen herrlichen wissenschaftlichen Sieg errungen, dessen Lächeln im Traum die Züge verkläre.“24 Der Ausgräber von Olympia hatte nach schmerzvoller Krankheit zur Ruhe eines Olympiers gefunden. Im Todesjahr hat Max Koner den Altertumsforscher „mit einer gewissen Grandezza in Gestik und Mimik porträtiert, die ausdrücken soll, daß er im Geistigen ein Herr und Herrscher war.“25 Das einst der Berliner Nationalgalerie gehö20 H. Fechner, Maler die ich malte (1927) 202–204 unnummerierte Abb. 9. 21 Die Gartenlaube 1896, 533; Wrede 2009, 192 Abb. 6; - Curtius 1903, Frontispiez; W. Arenhövel (Hrsg.), Berlin und die Antike (Ausstellungskat. Berlin 1979) 445. 447 Nr. 1139 mit Abb. 22 Schöne 1896, 215. 23 Bericht von K. Weinhold vom 17.7. 1896 im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 24 Kern 2008, 104f. Anm. 55. 25 I. Wirth, Berliner Malerei im 19. Jahrhundert (1990) 348 zu Abb. 439.

50

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

rende, heute verschollene Ölbild überhöht. Der schräg nach links sitzende Curtius wendet den Kopf emphatisch zur Gegenseite. Der gleichfalls nach links gerichtete Blick gilt einer nicht gegenwärtigen, visionär erschauten Welt, obwohl das eingestütze Kinn nachdenkliche Melancholie vorauszusetzen scheint. Die schwarze Kleidung und der Körperumriß zergleiten im Dunkel des Bildes, was die rechte Hand und den Kopf und mit ihnen auch die Vision des Gelehrten hell leuchtend inszeniert. Getroffen sind einmal mehr das so häufig beschriebene Pathos des Dargestellten und seine entrückte Versenkung in die klassische Welt. Das Ölbild „Kaiser Friedrich als Kronprinz auf dem Hofball 1878“ von Anton von Werner ist in der zweiten Ausfertigung, Curtius nun einschließend, 1895 entstanden.26 Es ist darum bemüht, die Wiedergebenen historisch korrekt im Alter ihres Zusammentreffens im Weißen Saal des Berliner Schlosses darzustellen. Dem Kronprinz konfrontiert sind Rudolf Virchow, Hermann Helmholtz und, stark überdeckt, Ernst Curtius als Vertreter von Charité, Akademie und Universität, dazu in prominenterer Ausführung zwei Vertreter des liberalen politischen Lagers. Hinter dem Kronprinzen steht Adolf Menzel als Personifikation der Kunst. So bezeugt das Bild die nationalliberale Einstellung Friedrichs III., zugleich auch die politisch weitgehend übereinstimmende Gesinnung seines einstigen Lehrers. Bei ausgesprochen gutem Aussehen, einer gewissen zeitlosen Jugendlichkeit, stets ausgewählter Kleidung, Eleganz und im Alter auch bei der Selbststilisierung als visionärer Gelehrter überliefern die Bildnisse nur einen Teil der Wirkung, die von Curtius ausging, da sie ihn stets vereinzeln. Sie fordern das Gefallen und harmonische Einverständnis des Betrachters ein, den aber erst Curtius’ wirkungsmächtiges Wort ganz in seinen Bann zog. Denn ein Professor der Beredsamkeit ist er nicht nur des Amts wegen gewesen, sondern auch durch seine Begabung. „Reden und Redenhalten war ihm ein Genuß und ein Bedürfnis“ stellte Herman Grimm fest27 und analog Carl Curtius: „Curtius war ein geborener Festredner. Die Gabe der Rede stand ihm in seltener Weise zu Gebot.“28 Für den Vortrag ist eine helle und klare, weiche und melodische Stimme, nicht selten in rhythmischem Tonfall überliefert29, wobei das spitz ausgesprochene S zeitlebens den Hanseaten verriet.30 Eine einfache und sensible Wahl der Worte spiegeln seine zahlreich überlieferten Gedichte gut. Er war stets um einen „warmen“, Pathos zweifellos einschließenden Stil bemüht, den auch seine Hörer so empfanden, die dem jungen oder in der Mitte seines Lebens stehenden Redner dazu eine schwungvolle und begeisterte Sprache bescheinigen. Den direkten Kontakt zu den Hörern suchte sie nicht, sondern war mit dem Blick aufwärts oder in die Ferne gerichtet. Curtius „sprach wie ein Seher, zuweilen, als ob er mit dem Gewölk 26 D. Bartmann (Hrsg.), Anton v. Werner. Geschichte in Bildern (Ausstellungskat. Berlin 1993) 370–373 Abb. 549 (Bartmann). 27 Grimm 1948, 226. 28 C. Curtius 1897, 29. 29 Hirschfeld 1886, 64; Broicher 1896, 598. 30 L. Gurlitt 1901, 113.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

51

rede“31. Da er seine vielen Reden kaum überarbeitet zum Druck gab, lassen sich Aufbau und Inhalt gut verfolgen. Zu ihrer Zeit und noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts galten sie als ein Beitrag zur „Ausbildung der Muttersprache“32, als formvollendete Stücke deutscher Prosa, die ihrer Beispielhaftigkeit für die Entwicklung der deutschen Literatur wegen nachgedruckt wurden.33 Recht dramatisch hat Kurd von Schloezer den 30jährigen Curtius anläßlich des Akropolis-Vortrages vom 10. Februar 1844 beschrieben: „Das sonst wüste, unordentlich um sein Haupt wallende Haar … fein gekämmt, frisirt, sein blendendes Halstuch, … die edlen Züge dieses Jünglings … . Immer lebhafter wurde sein Vortrag, immer feuriger die Rede. … Endlich warf er das lästige Koncept bei Seite, und nun entfaltete sich die ganze Kraft der Rede. Wie bezauberte er die ganze Versammlung! … Alles hörte und staunte. … Alle Mütter erzählten ihren Kindern von der Akropolis.“34 Nicht unähnlich erlebte Heinrich Gelzer ihn im Wintersemester 1867/68: „Noch heute steht vor meiner Seele der Moment, da ich in Göttingen zum ersten Mal zu seinen Füßen saß. … Erwartungsvoll harrte das dichtgedrängte Auditorium des Kommens des geliebten Lehrers. Plötzlich wurde die Thüre mit großer Lebendigkeit geöffnet, und leichten Schrittes hat er das Katheder eingenommen. Eine ahnungsvolle Pause – und nun begann er in edelster von warmer Begeisterung getragener Sprache seine Vorlesung über die Geschichte und die Alterthümer von Athen. Der Gegensatz zu dem, was man sonst in den akademischen Hörsälen zu vernehmen gewohnt war, wurde von uns Allen mit voller Kraft empfunden. Es war, als wenn ein Prophet unter uns aufgetreten wäre, der uns in eine höhere, ideale Welt emporhob.“35 Ebenso begeisterten die Göttinger Vorlesungen zur antiken Geschichte und die hier publizierte „Kunst der Hellenen“ Carl Curtius.36 Gustav Hirschfeld erinnerte sich an die Antrittsvorlesung des 55jährigen in Berlin: „Andere mochten systematischer vorgehen, die Fülle des Stoffs mochte reicher sein, rein materiell mochte man selbst mehr lernen. Aber es wollte uns scheinen, als ob kein Anderer sich so völlig gab wie er, er erschien uns sein Inneres zu erschließen und Theil nehmen zu lassen an dem, was er geschaut.“37 Das Pathos des idealistischen Visionärs war vielen ein entscheidender Charakterzug dieses Redners zu einer Zeit, als es noch zur Grundhaltung der Philhellenisten zählte. „[Curtius] war durch und durch Idealist“, heißt es bei Adolf Michaelis. „Daran kann niemand zweifeln, der auch nur einmal sein helles blaues Auge sah, wie er gleichsam über das Irdische weg fern in das Weite, gen Himmel zu schaun 31 Grimm 1948, 243. 32 Schubring 1897, 300. 33 E. Stemplinger (Hrsg.), Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Formkunst Bd. 1: Der Münchner Kreis – Platen, Curtius, Geibel, Strachwitz (1933) 32. 140–160. 34 K. von Schloezer brieflich an Theodor Curtius im Februar 1844: Curtius 1903, 315f. 35 H. Gelzer, Deutsches Wochenblatt 7, 1894, Nr. 45, S. 531. 36 C. Curtius 1897, 18f. 37 Hirschfeld 1886, 64.

52

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

liebte; selbst während der Vorlesung blickte er gerne wie weltverloren zum Fenster hinaus … , bis er sich über die Stirn fuhr und das Traumbild verscheuchte. Aber wer dann zugleich den festen Zug des kräftig geschlossenen Mundes gewahrte, der ward auch inne, dass hier der ideale Wolkenflug mit einer zielbewussten Energie gepaart war.“38 Als „bezwingende Kraft“ erlebte Carl Schuchhardt die Festrede von Curtius am Winckelmannstag 1887 in der Archäologischen Gesellschaft, die ihn durch „den Zauber seiner Beredsamkeit, ohne Phrasen, mit einfachen, natürlichen Worten und mit einer so wunderbar wohlklingenden Stimme“ aufs tiefste ergriff.39 Richard Schöne bescheinigte der persönlichen Ausstrahlung „eine Wirkung … , der sich niemand entzog und entziehen konnte; sie war bedingt durch die seinem ganzen Sein und Denken verwachsenen Überzeugungen.“40 In einem kleinen Hörsaal hat der Klassische Archäologe Ludwig Curtius seinen berühmten, damals fast 82jährigen Namensvetter als Student kurz vor dem Tod erlebt: „Vielleicht war von den vier schönsten Greisengesichtern, die ich in meinem Leben gesehen habe … eben dies … das schönste. Es lief mit der edlen schmalen Nase gegen Mund und Kinn schmal zu, schien mit der altersblassen Wange ganz vergeistigt und nur beherrscht von der hohen, von lang gehaltenem Haar umgebenen Stirn, unter der hinter der Brille ein Paar großer prachtvoller blauer Augen sah. Er sprach frei, langsam in sorgfältig gewählten Worten, verlor dabei häufig den Faden und bewegte sich auch … langsam und bedächtig, aber immer elegant angezogen und mit Haltung und Würde.“41 Die pietätvolle Würdigung eines Prototyps des Philhellenismus des 19. Jahrhunderts ist an seinem Ende nicht mehr selbstverständlich gewesen. Mit Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff meldete sich eine neue Generation und ein neues Wissenschaftsverständnis an, die in ihrer Konkurrenz mit dem Vorangegangenen auch dessen Träger ausgrenzte. In seinen Erinnerungen beschrieb er den Mann, in dessen Haus er verkehrte, der ihm die vorzeitige Promotion mit ermöglicht hatte und dessen Stelle er einnehmen sollte, für die Monate, die dem Ausbruch des Krieges 1870 vorausgingen: „Curtius enttäuschte. Er hat in den Vorlesungen in demselben Tone die klassizistische Begeisterung zur Schau getragen wie in den Festreden. … Dafür konnte der gewinnende Reiz eines Mannes, der eine vergangene Zeit wundervoll repräsentierte, nicht entschädigen.“42 Die eigentliche Leistung des zum Fossil erklärten Archäologen, die Grabung von Olympia, lag damals noch vor ihm.

38 39 40 41 42

Michaelis 1897, 76. Schuchhardt, wie Anm. 3, 148. R. Schöne, AA 1897, 220. L. Curtius, Deutsche und antike Welt. Lebenserinnerungen (1950) 138f. Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen 97.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

53

2. Ernst Curtius als Pädagoge Die eher diktierende Art von Vorlesungen gegenüber einem pädagogisch führenden und mitreißenden Vortragstil stellte sich Curtius zu Beginn seiner Dozententätigkeit 1843 warnend vor Augen.43 Der diktathafte Charakter, den die beiden Mitschriften seiner „Griechischen Kunstgeschichte“ von Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller vermitteln, ist daher zu einem wesentlichen Teil sicherlich ihrer Orientierung an der Fülle der Fakten zuzuschreiben. Andererseits ist die Zahl der in den Mitschriften der sechziger Jahre notierten Fakten und Zitate so groß, daß ein fast völlig freier Vortrag nicht vorauszusetzen ist, wie ihn Otto Kern für das gleiche Kolleg der achtziger Jahre überliefert44, als Curtius die „Griechische Kunstgeschichte“ zum dreißigsten oder häufigeren Mal anbot. Ihr fehlte dazu in Kerns Zeit die Darstellung der systematischen Archäologie45 und damit ein Teil, der auf besonders großem Faktenwissen fußte. Erlebte Heinrich Gelzer die Lehrveranstaltungen im Winter 1867/68 dennoch als die eines Propheten, „der uns in eine höhere, ideale Welt emporhob“46, so ist von einem Kompromiß zwischen einem selten mitreißenden Vortragsstil und der zeittypischen Art auszugehen, in den Kollegien handbuchartig umfassendes Wissen zu vermitteln. Auf umfassende Kenntnisse waren Curtius’ Lehrveranstaltungen ja auch in der Breite ihres thematischen Angebots ausgerichtet.47 Curtius’ Reden wie sein hier publiziertes Kolleg verzichteten weitgehend auf eine Auseinandersetzung mit abweichenden Ansichten. Selbst im Gespräch mit Kollegen „wiederholte [er] mit Lebhaftigkeit, aber ruhig seine festen alten Gedanken, ohne sich um die zu kümmern, die anderer Meinung waren.“48 An Kritik und Diskussionen war ihm nicht gelegen. Auch heißt es von ihm, daß er „im persönlichen Gespräch etwas Schweigendes“ hatte49 und Konversation nicht liebte.50 Im Zentrum seiner Überlegungen und Mitteilungen stand eine nicht hinterfragbare Botschaft. Daher wurde er als ein „Prophet“ empfunden. Schon diese Bezeichnung weist auf den Hintergrund einer zeittypischen Erwartung derer zurück, die von denselben philhellenistischen Idealen erfüllt waren. Meister und Jünger genügten ihren Rollen exemplarisch. Curtius ist im Gespräch nicht brillant oder geistreich gewesen, wie er, der doch Zugang zum Hof hatte, große Gesellschaften eher vermied, aber kleine Gemeinschaften umso mehr liebte.51 In ihnen konnte er sein gewinnendes Wesen, 43 44 45 46 47 48 49 50 51

Curtius 1903, 306. Brief an die Eltern vom 13.7. 1843. Vgl. u. S. 133. Vgl. u. S. 93 f. Vgl. o. S. 51. Vgl. u. S. 56 ff., dazu die Tabellen im Anhang I, S. 421–426. Grimm 1948, 226; vgl. Broicher 1896, 599. 602. Grimm 1948, 226. Broicher 1896, 597. Broicher 1896, 595.

54

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Humor und einfache Herzlichkeit im persönlichen Kontakt, aber auch stets seine Bedeutung entfalten und als Vorbild wirken. Sein Haus stand den Schülern, Studenten, Assistenten und Kollegen stets offen52, wobei aber seine Frau Clara den Ton in diesem „Salon“ (Abb. 6) angab53, während Curtius ihm eher als etwas distanzierter Patriarch vorstand. War so der Abstand gegeben, waren die Rollen zwischen Lehrer und Schülern klar verteilt, dann ergab sich eine erzieherische Wirkung einmal fast von allein, besonders aber aus der andauernden Zuwendung, die Curtius auf das Fortkommen seiner Schützlinge richtete.54 Hierbei entwickelte der Gelehrte großes pädagogisches Talent, das sich an den jeweiligen individuellen Fähigkeiten orientierte. Nachgewiesen hat er es zuerst bei der fünfjährigen Erziehung des Kronprinzen. Sie ist so prägend gewesen, daß sich das Vertrauensverhältnis bis zum Tod des Kaisers erhielt und Curtius dessen liberale Grundhaltung wesentlich auf seinen Einfluß zurückführen konnte.55 Der Erfolg basierte auf dem Vorrang pädagogischen Einwirkens gegenüber dem Oktroyieren von Wissen und äußeren Formen. „Wie frevelhaft frivol es ist“, urteilte er in Bezug auf Friedrich Wilhelm, „ in die Natur hineinzutragen und sie gestalten zu wollen, statt auf die Gesetze zu achten, nach denen sie sich entwickelt. … Ich … danke Gott, daß ich berufen bin, dies Geheimnis zu erkennen und seine naturgemäße Enthüllung vorzubereiten“56. „Ihm kam es viel weniger auf das Beibringen … an als auf die Entwicklung der individuellen Kräfte jedes Einzelnen und auf die Bestimmung seiner Willensrichtung. … Man kann sich Curtius strafend nicht vorstellen. Was er erreichte, erreichte er mit Güte“, analysierte Ludwig Gurlitt.57 Dieses ist das humanistische Erziehungsideal Humboldts. Die Allseitigkeit der griechischen Kultur bot Raum und Förderung für jede individuelle Entfaltung. Und was für die allgemeine Erziehung galt, galt auch für das Herausbilden der jungen Wissenschaftler. Immer wieder ist z. T. tadelnd festgestellt worden, daß Curtius keine eigene Schule begründete.58 Das wäre aber nur möglich gewesen, wenn er ihr einen gesonderten Weg der Forschung vorgegeben hätte, um ihr Gesicht zu prägen. Das vermochte er nicht, weil er sich in der Nachfolge K. O. Müllers und A. Boeckhs der ganzen griechischen Kultur verpflichtet fühlte und daher jede Spezialisierung vermied. Seine Aufgabe sah er darin, den einzelnen Schülern ihnen gemäße Betätigungsfelder zuzuweisen. Und darin hatte er Erfolg. Stets ist anerkannt worden, dass er für das Museum beispielsweise keine besseren Assistenten hätte finden können als Georg Treu und Adolf Furtwängler oder dass ihn Carl Robert als zweiter Or52 Broicher 1896, 596. Vgl. C. Curtius 1897, 19. 53 Kern 2008, 103. Vgl. C. Broicher, Erinnerungen an Clara Curtius (1900); P. Wilhelmy, Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780–1914) (1989) 630f. 54 s. Grimm 1948, 226. 55 Vgl. Hassenstein 1989, 171–196. 56 Curtius 1903, 276f. 57 L. Gurlitt 1901, 125; s. auch Kern 2008, 96f. 58 Schubring 1897, 299; Hassenstein 1989, 192; ähnlich Grimm 1948, 229.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

55

dinarius gut ergänzte. Selbst der auf Drängen F. Adlers später versetzte Gustav Hirschfeld war für den Grabungsbeginn in Olympia eine sicherlich gute Wahl. Das Haus der griechischen Kultur war für Humboldt wie erst recht für den Patrioten Curtius so groß, daß es sich zur Erziehung der ganzen Nation anbot59, insofern die Vermittlung pädagogischen Regeln folgte. Denen entsprach das Abitur nach seiner Meinung nicht. Curtius empfand es als eine prinzipiell nicht notwendige und in der Ausprägung am Jahrhundertende als eine zu schwere Hürde. Durch Erleichterungen, gerade im Griechisch- und Lateinunterricht glaubte er, ein Festhalten an der neuhumanistischen Schulbildung, am philhellenistischen Bildungsideal zu ermöglichen.60 Analog setzte er bei seinen vielen Reden vor Universität, Kaiserhaus und Nation nicht auf eine dozierende Ausbreitung breiten Wissens oder überraschender Forschungsergebnisse, sondern auf verstreute Themen, welche nach seiner Meinung der politischen Situation und damit der gegenwärtigen Notwendigkeit entsprachen.61 Hat Ludwig Gurlitt den Pädagogen Ernst Curtius am ausführlichsten gewürdigt62, dann weil sich dieser Klassische Philologe vorrangig als Erziehungswissenschaftler verstand, der an der Reformpädagogik der Jahrhundertwende mit ihren Bestrebungen für eine ganzheitliche, Körper und künstlerische Talente einbeziehende Ausbildung wesentlichen Anteil hatte. Wohl sah er, dass die entscheidenden Ziele des neuen Erziehungsideals Curtius unverständlich bleiben mussten. Dazu führte Gurlitt die Emanzipationsbestrebungen des „vierten Standes“ und der Frauen an, das Ersetzen des antiken Schönheitsideals durch die Hingabe an Natur und Heimat, das Verständnis für moderne Kunst. Curtius’ abweichende Einstellungen schienen Gurlitt aber nur durch die Zugehörigkeit zu einer älteren Generation begründet. Im grundsätzlichen Eintreten für Kunsterziehung, in der stets freundlichen und gütigen Hinwendung zu den Studenten, im Erfülltsein von einer Botschaft, die auf die großen Zusammenhänge zielt, im festen Vertrauen auf ihre ethische Bedeutung und in der individualisierenden Erziehung zu selbständiger Forschung erkannte er Curtius eine Vorreiterrolle für die eigenen Positionen zu, stellte er ihn neben einen Melanchthon und Pestalozzi. Dieses Lob für den alten Freund der Familie griff sicherlich etwas hoch. Andererseits entsprach es den genormten Idealen der humanistischen Erziehung weitgehend. Sie hatte Curtius sich zu eigen gemacht, seine ganze Persönlichkeit auf sie hin ausgerichtet. „Als er starb, wurden in Vielen der Zweifel rege, ob je eine Persönlichkeit wiederkommen werde, die in dem Masse durch ihre Wissenschaft erzieherisch wirken wird wie er“63, resümierte Otto Kern das Leben seines Lehrers. Mit diesem starben aber auch sein Ideal der Wissenschaft und der Philhellenismus samt dem von ihm geprägten Erziehungsparadigma. 59 60 61 62 63

Vgl. u. S. 68 ff. L. Gurlitt 1901, 126 und u. S. 80 f. mit Anm. 161. Vgl. u. S. 82 f. L. Gurlitt 1901, 113–143. Kern 2008, 96.

56

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Gurlitts Analyse des Pädagogen Curtius ist in Erinnerung zu halten, wenn seine Lehrveranstaltungen im Folgenden besprochen werden. Ihre Breite war im Vergleich zu heute sehr groß und damit auch der Umfang des vermittelten Wissens. Ihn rechtfertigte Curtius aus der Annäherung an die ideale Gesamtkultur und gegenüber den Schülern des einzelnen Kollegs mit der Hoffnung, daß sie die ihnen gemäßen Teile aufgreifen würden, weil auch sie die pädagogische und wissenschaftlich didaktische Wirkung des Ganzen enthielten.

3. Ernst Curtius als akademischer Lehrer Die akademische Lehrtätigkeit von Curtius gliedert sich in eine erste Berliner Periode vom Winter 1843/44 bis zum Winter 1855/56, in die Wirkenszeit in Göttingen vom Sommer 1856 bis zum Sommer 1868 und in die zweite Berliner Periode vom Winter 1868/69 bis zum Winter 1895/6. Vereinfachend läßt sich die erste Curtius als Choro- und Topograph Griechenlands zuordnen, der 1851 und 1852 seine zweibändige Beschreibung der Peloponnes vorlegte. Als Historiker veröffentlichte er seine dreibändige Griechische Geschichte in Göttingen von 1857 bis 1867. Die längste dritte Periode ist mit den Ausgrabungen des Archäologen von Olympia verbunden, die ihm Weltruhm einbrachten. Diese einfachen Rubrizierungen deuten bereits auf eine weite Lehre hin, werden aber dem Kultur umspannenden Angebot in seiner Vielfalt (Tabellarische Übersicht von Antje Brost, u. Anhang I, S. 421–426) nicht gerecht. Nur in der Lehre gibt sich sein aus der Zeit August Boeckhs und Otfried Müllers übernommene Anspruch zu erkennen, die Altertumswissenschaft so vollständig wie möglich noch im fortgeschritteneren 19. Jahrhundert als Einzelner zu vertreten, was ihre nähere Besprechung rechtfertigt. Der junge, gerade zum Privatdozenten avancierte Gelehrte führte sich im Fachgebiet „Geschichte und Geographie“ mit Kollegien zur Geographie, Topographie und später auch Ethnographie des altgriechischen Kulturraums ein (Tabellarische Übersicht Anhang S. 423, II, 1). Während er noch an seiner Beschreibung der Peloponnes schrieb, konzentrierte er die Lehre auf das griechische Mutterland. Als das Ende der Publikation absehbar wurde und seine Tätigkeit als Prinzenerzieher abgeschlossen war, vertiefte er das Thema bezüglich Mittelgriechenlands und der Inseln (WS 1850/51). Danach erweiterte er es auf Kleinasien und den großgriechischen Süden Italiens (SS 52, 53, WS 54/55). Bei den topographischen Darlegungen berücksichtigte er die erhaltenen oder auch nur schriftlich überlieferten Denkmäler. Sie haben eher zurück gestanden, als der Vorlesungstypus sich etwas später verstärkt ethnologischen Aspekten zuwandte (SS 52, WS 54/55). Die nur in den beiden ersten Semestern angebotene Lektüre des Pausanias intensivierte die anfänglich archäologische Ausrichtung. Sie bestimmte die Frühzeit der Lehre vom Sommer 1844 bis zum Winter 1850/51 über Kollegien

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

57

zur Griechischen Kunstgeschichte64, zur Geschichte, Topographie und zu den Denkmälern Athens (WS 44/45, SS 51), welches Thema ihn in Abständen bis in die neunziger Jahre beschäftigen sollte (Tabellarische Übersicht I 6, II 2a, III 2a.b, Anhang S. 422-424). Das archäologische Angebot wurde im Fachgebiet „Kunstlehre und Kunstgeschichte“ angekündigt. Die Erziehung des Kronprinzen war im Winter 1844 mit der Ernennung zum außerordentlichen Professor und mit einer Reduzierung der Lehrverpflichtungen von zuvor sechs Semesterwochenstunden der Dozentenzeit auf zwei verbunden. Danach erhöhte sie sich auf sechs bis neun Wochenstunden (Stundenplan, Anhang II, S. 429). Zur Profilierung als umfassender Wissenschaftler und zur Verbreitung des Angebots wandte Curtius sich nun auch historischen und philologischen Themen zu (Tabellarische Übersicht III 1a. 3a.b. 4a, IV 1b–d.f, Anhang I, S. 423–425). Über die Geschichte des Altertums hatte er bereits im Winter 44/45 und nach seiner Tätigkeit am königlichen Hof wieder im Sommer 1850/51 vorgetragen. Als er 1852 den Auftrag für eine Griechische Geschichte angenommen hatte, verstetigte er die historischen Veranstaltungen65, um seine Forschungen zu unterstützen. In überwiegend zweistündigen Kollegien ergänzte er die Lehre ab Winter 1851/52 im Bereich „Philologische Wissenschaften“ mit literaturgeschichtlichen Themen zu Sophokles, Aristophanes, Aristoteles, zu den griechischen Lyrikern und zur griechischen Epigraphik. Das zielte auf eine ordentliche Professur als Philologe und vergrößerte seine Kenntnisse über die griechische Kulturgeschichte, welche ihm stets ein entscheidender Teil der allgemeinen Geschichte gewesen ist. Da Curtius sich der römischen Kultur forschend nie zuwandte, dienten auch seine Vorlesungen zur römischen Verfassungsgeschichte (WS 51/52, SS 54, WS 55/56) und zu den lateinischen Elegikern (SS 52) der Qualifikation für einen philologischen Lehrstuhl. In der Vorbereitung müssen sie ihm erhebliche Mühe gekostet haben. Von der Habilitation und weiteren größeren und kleineren epigraphischen Arbeiten66 abgesehen, waren seine Publikationen der ersten Berliner Periode fast ausschließlich archäologisch geprägt. Wie die Dissertation über die Häfen Athens67 betrafen sie in erster Linie die zentrale griechische Stadt und Attika68, gelegentlich auch weitere topographische Probleme des griechischen Mutterlandes69, während er noch an seiner Chorographie der Peloponnes schrieb. Hervor 64 Vgl. u. S. 88–91. 65 WS 52/53, 53/54, SS 54, WS 54/55, SS 55, WS 55/56. 66 E. Curtius, Anecdota Delphica (1843); Inscriptiones Atticae nuper repertae duodecim (1843); „Ehrentafel des Kassandros“, in AZ 13, 1955, 33–40. Vor allem fällt seine Bearbeitung von CIG IV (1877) in die Jahre 1851–1855, vgl. Michaelis 1897, 64. 67 E. Curtius, De portubus Athenarum (1842). 68 E. Curtius, „Ueber das Theseion in Athen“, in AZ 1, 1843, 97–106; Die Akropolis von Athen. Ein Vortrag (1844); „Sikelia bei Athen“, in: RhM N.F. 11, 1853, 133–137; „Der Aufgang zur Akropolis“, in: AZ 12, 1854, 198–204. 69 E. Curtius, „Della città messenica di Corone e di sculture ivi trovate”, in: BdI 1841, 43–47; „Die Perea von Corinth und die Eschatiotis”, in: RhM N.F. 4, 1846, 200–207.

58

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

ragt die berühmte Rede über Olympia70. Landeskundlich ausgerichtet war weiter seine große Untersuchung über den Wegebau der Griechen.71 Städtebaulichen Problemen widmeten sich kurze Studien über Wasserbauten und Agorai.72 Kleinasien wandte sich Curtius mit Aufsätzen zu lydischen Fürstengräbern, zur Schlangensäule in Konstantinopel und zum Harpyienmonument in Xanthos zu.73 Kunstgeschichtliche Arbeiten bildeten die Minderheit und waren durchwegs ikonographischer Art.74 Dem späteren Geschichtswerk griffen nur zwei Arbeiten vor.75 Die eine behandelte die Urheimat der Ionier in Kleinasien, deren Ausgreifen auf das Mutterland und deren Rückkehr in den Osten. Sie war wenig erfolgreich, aber darin wichtig, daß sie ein grundsätzliches Einwirken der östlichen Hochkulturen auf das frühe Griechenland voraussetzte. Am phönizischen Einfluß auf Argos bot die zweite geschichtliche Studie hierfür ein Beispiel. Damit lassen die Publikationen ein akademisches Berufsziel als Archäologe, die Lehrtätigkeit der fünfziger Jahre das eines Philologen erkennen. Offensichtlich erwartete Curtius, der an seinen Olympia-Plänen seit 1852 festhielt, von einem philologischen Lehrstuhl aus archäologisch wirken zu können. Die Hoffnungen sollten sich erfüllen. Denn im Januar 1856 erhielt Curtius einen Ruf als ordentlicher Professor für Klassische Philologie, Archäologie und Eloquenz an die Universität Göttingen. Die Lehraufgaben wurden wie folgt definiert: „griechische Alterthümer und Geschichte, griechisches und römisches Staatsleben, klassische Literaturgeschichte, alte Länder- und Völkerkunde nebst einer … selbst zu bemessenden Ausdehnung auf die Exegetica.“76 Es war der Lehrstuhl seines Lehrers K. O. Müller, den danach K. F. Hermann innegehabt hatte. Und seit den Tagen ihrer Ernennung hatte sich die große Breite der Anforderungen kaum verändert. Hinsichtlich der Archäologie fehlten Ausführungsbestimmungen, vielleicht weil es in Göttingen bereits seit vielen Jahren ein Archäologisches Seminar unter Friedrich Wieseler gab, Curtius aber wie seine Vorgänger in das Direktorium des Philologischen Seminars berufen wurde. Das Lehrdeputat vergrößerte sich. In der Regel las Cur70 E. Curtius, Olympia (1852), wieder abgedruckt in Alterthum II² 129–156. 71 E. Curtius, Zur Geschichte des Wegebaus bei den Griechen. AbhBerlin 1854, 211–301. 72 E. Curtius, „Die städtischen Wasserbauten der Hellenen“, in: AZ 5/6, 1848, 19–32; „Die Märkte hellenischer Städte“, ebenda S. 292–296. 73 E. Curtius, „Artemis Gygaia und die lydischen Fürstengräber“, in: AZ 11, 1853, 148–161; „Das Harpyienmonument von Xanthos“, in: AZ 13, 1855, 1–12; O. Frick – E. Curtius, „Ausgrabungen der Schlangensäule auf dem Hippodrom zu Constantinopel“, in: MonatsberBerlAkad 1856, 162–181. 286f. 74 E. Curtius, „Attisches Familienbild. Relief im Theseion zu Athen“, in: AZ 3, 1845, 145– 149; „Zeus, Asklepios und Hygieia“, in: AZ 10, 1852, 417–420; Herakles, der Satyr und Dreifußräuber, 12. BWPr 1852, „Bassorilievo greco di marmo“, in: Monumenti Annali e Bullettini dall’Inst. 1856, 29–32. 75 E. Curtius, „Phönizier in Argos“, in: RhM N. F. 7, 1850, 455–460 = Curtius 1894, I, 157– 162; Die Ionier vor der ionischen Wanderung (1855). 76 Curtius 1903, 486. Berufungsschreiben durch A. von Warnstedt.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

59

tius nun zehn bis elf Stunden pro Woche, gelegentlich aber auch zwölf (SS 56, 60, WS 60/61, 67/68) oder sogar dreizehn (SS 62, 68). Die gehobene Stellung bot ihm die Möglichkeit, die Uhrzeiten selbst zu bestimmen. War er in Berlin für seine Hauptveranstaltungen auf den späten Nachmittag verwiesen gewesen (Stundenplan vom WS 55/56, Anhang S. 427), so konnte er sie nun zur besten Zeit vor dem Mittagstisch um 12 Uhr anbieten, wobei ihm ein längerer Abstand zum zweiten mehrstündigen Kolleg am späten Nachmittag oder Abend verblieb (Stundenplan vom WS 67/68, Anhang S. 428). Trotz eines durchaus regen Verkehrs mit Kollegen des eigenen Faches und abweichender wissenschaftlicher Ausrichtung, etwa am Freitag, sind die Semestertage an der Leine weit stärker durch Lehre und Forschung bestimmt worden als früher oder später in Berlin. Wie er im Rückblick feststellte, erbrachten sie ihm auch den größten Lehrerfolg.77 Natürlich führte er sich im Sommer 1856 mit einem Angebot ein, das er bereits in Berlin erarbeitet hatte, vom Ion des Euripides abgesehen. Angesichts des Lehrauftrages gab er bereits in den ersten Monaten eine Abfolge vor, an die er sich während der zwölf Jahre an der Georgia-Augusta strikt hielt. In den Sommersemestern las er über die antike Geographie und Ethnographie78 abwechselnd stets zur Geschichte der Antike im folgenden Sommersemester.79 In den Wintersemestern trug er die Staatsaltertümer der Griechen80 und Römer81 abwechselnd vor. Die Vorlesung über die griechischen Verfassungen mußte er sich in Göttingen neu erarbeiten. Über die Privataltertümer der Griechen und Römer hat er nie gelesen und auch fast nie geforscht. Mit ihnen verbundene Aspekte stehen auch in seiner Griechischen Geschichte zurück. Als Curtius sich zur Vorbereitung seiner zukünftigen Rückkehr auf einen archäologischen Lehrstuhl in Berlin 1862 dazu entschloß, die „Geschichte der griechischen und römischen Kunst“ in jedem Wintersemester regelmäßig vorzutragen82, mußte er zwei große Veranstaltungen nebeneinander durchführen (Stundenplan vom WS 67/68, Anhang S. 428). Zu den mehrstündigen Kollegien über die antike Geschichte und Staatsaltertümer kamen kürzere Übungen zur Alten Geschichte83, seltener auch zur griechischen Numismatik84 und zur Politeia des Aristoteles85, was den historischen Charakter der Lehre betonte, während er die beiden späteren Bände seiner Griechischen Geschichte verfaßte.

77 78 79 80 81 82 83 84 85

Vgl. u. S. 91 f. 95. SS 58, 60, 62, 64 (nur Geographie), 66, 68. SS 57, 59, 61, 63, 65, 67. WS 56/57, 58/59, 60/61, 62/63, 64/65, 66/67, 67/68 (nur Geschichte und Verfassung der Athener). WS 57/58, 59/60, 61/62, 63/64, 65/66. Vgl. u. S. 91-93. WS 57/58, SS 58, 59, WS 59/60, 67/68, SS 68. WS 60/61, SS 65, 57. SS 56, WS 58/59.

60

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Fast in jedem Semester ergänzten gewöhnlich zwei-, seltener dreistündige Veranstaltungen zur griechischen und römischen Literatur das Lehrprogramm, wobei Prosaschriftsteller weitgehend und antike Historiker auffälliger Weise gänzlich fehlten.86 Die Vorliebe für Dichtung entsprach seiner über das ganze Leben verfolgten Neigung, selbst Verse zu schmieden, sie etwa auch bei Hofe vorzutragen. Die Dichtung ergänzte seine Lehre zur bildenden Kunst auf einem entscheidenden Bereich der Kultur. Der erhebliche Anteil an lateinischen Autoren weist vor allem aber auf die schlichte Notwendigkeit hin, über das literaturgeschichtliche Angebot einen Beitrag zur Ausbildung der zukünftigen Lehrer am Seminar zu erbringen. Unter den griechischen Autoren wandte er sich den drei Tragikern und Aristophanes, selten Aischylos und Sophokles, häufig Euripides zu (Tabellarische Übersicht IV b–e, Anhang S. 425). Euripides bot er in zwölf Jahren 14 mal an und die Übersetzung seiner Tragödien beschäftigte ihn bis an sein Lebensende. Aus der lateinischen Dichtung (Tabellarische Übersicht IV 1g–n, Anhang S. 425) bevorzugte er Properz und Tibull, wobei er bereits in Berlin vorbereitete Kollegien nutzen konnte. Dazu las er über Statius und häufiger über die Satiren des Persius und Juvenal. In der Konkurrenz mit seinen literaturgeschichtlichen und sprachwissenschaftlichen Kollegen mußte er auf diesem Feld um Hörer kämpfen. Schon deswegen bot er die antiken Autoren überwiegend öffentlich an, zumal er bei entgeltlicher Durchführung gelegentlich keinen Hörer fand.87 Eine Ausnahme machte nur Juvenal, zu dessen Behandlung sich fast ebenso viele Studenten einfanden88 wie zu den vielstündigen Kollegien historischer oder archäologischer Art. Insgesamt war seine philologische Lehre durchaus breit, hatte zwar sicherlich nicht dieselbe Bedeutung wie seine Vorlesungen über Geographie, Ethnographie, Geschichte und Kunstgeschichte der Antike, vervollständigte aber den von Curtius erwünschten Eindruck von einem Angebot, welches die griechische Kultur in all ihren entscheidenden Aspekten umgriff. Der Anspruch, den Studenten in ihrer gewöhnlich dreijährigen Studienzeit einen weitgehend vollständigen Überblick über das Altertum zu vermitteln, ist der Tradition des 18. und frühen 19. Jahrhunderts verpflichtet89, also einer Zeit geringer Spezialisierung und auch noch geringen Wissens. Der Anspruch setzt voraus, daß die Gesamtschau über die ganze Kultur als wesentlich, ja ideal begriffen wurde und die Voraussetzung gesichert erschien, ein Einzelner könne sie erlangen und wissenschaftlich vertreten. Wie die Breite des Göttinger Lehrangebots mit seinen globalen Themen exemplarisch verdeutlicht, versuchte Curtius, dem in der Nachfolge seiner Lehrer Boeckh und Müller zu genügen. Dieses Bewußtsein, die griechische Kultur umspannen zu können, rechtfertigte es, von 1856 bis in die 86 Am häufigsten las Curtius noch zu Aristoteles, zweimal zu seiner Politeia, einmal zur Nikomachischen Ethik, außerdem einmal zu Quintilian und zu Ciceros de legibus. 87 Im SS 57 zu den Fröschen des Aristophanes und im SS 58 zu Persius. Es sind die ersten Semester in Göttingen. 88 Im WS 61/62, SS 66, 68. 89 Vgl. o. S. 14–30.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

61

späten achtziger Jahre in öffentlichen Universitätsreden als Vertreter des ganzen Altertums aufzutreten, um die Nation in ihren unterschiedlichen politischen Situationen aus dem Füllhorn des Wissens zu beraten.90 Dabei müssen seine Erfahrungen als Lehrer durchaus gegenläufig gewesen sein. Der Stoff zwischen den Wiederholungen der Vorlesungen vergrößerte sich. Die so unterschiedlichen Angebote schwollen an und differenzierten sich, bis sie relativ verbindungslos, blockhaft nebeneinander standen und die kulturelle Zusammengehörigkeit eher verbargen. Das gesteigerte Pathos des Vortrages scheint, sicher unbewußt, darauf angelegt gewesen zu sein, diese Widersprüchlichkeit aufzufangen. Von den drei Bänden der Griechischen Geschichte abgesehen, die Curtius während seiner Göttinger Tätigkeit vorlegte, standen die Forschungsthemen dieser Zeit recht unverbunden neben der Lehre. Sie waren überwiegend archäologischer Art, seltener epigraphisch, vereinzelt namenkundlich oder sprachwissenschaftlich ausgerichtet91, erbrachten aber kaum Berührungspunkte mit der Kunstgeschichte, weswegen sich schon in diesem abgegrenzten Bereich die Diversifikation der wissenschaftlichen Entwicklung und mit ihr die Auflösung des einheitlichen Gebildes Altertumswissenschaft spiegelt, zu der Curtius’ Forschungen nicht unerheblich beitrugen. Die bedeutendsten Publikationen betrafen die Topographie und die Bauten Athens.92 Sie fußten auf seinen Jahren als Hauslehrer, auf einer 1862 mit Karl Boetticher, dem Architekten Heinrich Strack und Offizieren des preußischen Generalstabs unternommenen Expedition nach Athen93, waren eine praktische Vorübung für Olympia und bereiteten das Spätwerk über die Geschichte und Topographie der Stadt vor. Zahlreicher, aber stets kurz und fast ausschließlich ikonographisch bestimmt waren die Beiträge zur griechischen Kunst.94

90 Vgl. u. S. 68–86. 91 E. Curtius, „Griechische Quell- und Brunneninschriften“, in AbhGöttingen 8, 1858/59, 153–184; „Über die Weihgeschenke nach den Perserkriegen und insbesondere über das platäische Weihgeschenk in Delphi“, in NGWG 21, 1861, 361–390; „Über die neuentdeckten delphischen Inschriften“, in NGWG 1864, 135–179 = Curtius 1894, II 393–417 (variierter Titel); – „Das Neugriechische in seiner sprachwissenschaftlichen Bedeutung“, in NGWG 1857, 293–316 = Curtius 1894, II 495–511. 92 E. Curtius, „Pnyx und Munychia“, in: AZ 19, 1861, 324–327; „Attische Studien I, Pnyx und Stadtmauer“ in: AbhGöttingen 11, 1862/63, 53–130; „Attische Studien II, Der Kerameikos und die Geschichte der Agora von Athen“, ebenda 12, 1864/66, 119–187 (diese beiden Studien auch in Curtius 1894, I 289–379); Sieben Karten zur Topographie von Athen (1868). 93 Vgl. die Kurzdarstellung bei Michaelis 1897, 69f. 94 E. Curtius, „Ueber die Dariusvase“, in: AZ 15, 1857, 109–116 = Curtius 1894, II 295–303; ebenfalls stets in AZ: 17, 1859, 37–40 („Zur Symbolik der alten Kunst: Geweihte Stiere, Maus und Heuschrecke, der Helm des Perikles“), 110f. („der Kunstheros Diopos“), 111f. („Orestes und Elektra“); 19, 1861, 281–284 („Herakles und Hebe“); 21, 1863, 145–147 („Graburne in Athen“); 25, 1867, 105–110 („Herakles der Dreifußträger“ = Curtius 1894, II 231 –234); 26, 1868, 42–45 („Der kniende Jüngling aus der Giustinianischen Gallerie“).

62

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Aus der ersten Berliner Periode setzte sich also die archäologische Prägung der Publikationen auch in Göttingen fort, als Curtius dieser Ausrichtung institutionell und von seiner Bindung an die Griechische Geschichte her am fernsten stand. Neben der Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“ lassen die Forschungen erkennen, dass das Ziel ab 1862 bei einer archäologischen Professur in Berlin und der Ausgrabung von Olympia lag. Bemerkenswert ist das Fehlen aller Detailuntersuchung zur Geschichte. Der Philologe der Realien und Autor der Griechischen Geschichte blieb auch in Göttingen ein Archäologe. Die Rückkehr nach Berlin bedeutete für die Lehre ab dem Winter 1868/69 einen scharfen, aber gewünschten Einschnitt. Für die Annahme des Rufes hatte Curtius eine zusätzliche Stellung am Museum zur Voraussetzung gemacht. Am Antiquarium war er zunächst als Archäologe, nach dem Tod von Karl Friederichs 1872 als Direktor tätig. Verbunden war eine Verringerung der Lehrverpflichtungen gegenüber Göttingen und der Norm für einen ordentlichen Professor auf sieben Wochenstunden. Sie hat er während seiner zweiten Lehrtätigkeit in Berlin bis 1896 auf die Zeit von 9 bis 14 Uhr verlegt (Stundenpläne, Anhang II, S. 429 f.), um sich die Nachmittage und Abende für den Museumsdienst, seine Tätigkeiten für die Akademie der Wissenschaften, in der Zentraldirektion des Deutschen Archäologischen Instituts, als Präsident der Archäologischen Gesellschaft, für die Mitherausgabe der Archäologischen Zeitung, für weitere Ehrenämter und für seine vielfältigen gesellschaftlichen Verpflichtungen frei zu halten. Die Hauptveranstaltungen las er wie in Göttingen zur Mittagszeit, kürzere Kollegien an den nicht von ihnen in Anspruch genommenen Tagen morgens und auf sie setzte er auch seine Übungen nach mehrstündigem Intervall von 13–14 Uhr fest. Aus der Literaturgeschichte bot er allein noch Euripides (WS 74/75) und Juvenal (SS 71) in Berlin an, jeweils nur ein einziges Mal. Offensichtlich konnte er den in Göttingen erzielten Erfolg nicht wiederholen, weswegen er sich hinfort aus der philologischen Lehre zurückzog. Auf die griechischen Staatsverfassungen kam er nicht häufiger und wiederum nur zu der Zeit zurück95, als er sich in der Metropole einführte und die weitgehende Umstellung des Lehrprogramms auf die Archäologie erst nach und nach vollzog. Die römischen Antiquitates ließ er ganz fallen. Auch sein globales Kolleg über die „Geschichte der Antike“ gab er auf. An dessen Stelle traten kürzere Veranstaltungen von eher grundlegender, hilfswissenschaftlicher Art: „Die Quellenkunde der griechischen Geschichte“ und die „Archäologisch-historischen Übungen“ (Tabelle 1r. III 1b, I 3b, Anhang I, S. 422 f.). Die erstere las Curtius in unregelmäßigen Abständen von 1870/71 bis an sein Lebensende, die Übungen ersetzten von 1882/83 bis in den Sommer 1891 in jedem Semester angebotene „Archäologische Übungen“ (Tabelle 1r. I 3a, Anhang S. 422). Die Umbenennung hatte vermutlich die Absicht, dieses Angebot näher zu definieren und gegen übereinstimmende Lehrveranstaltungen der Kollegen abzugrenzen. Von seinen alten landeskundlichen Themen (Tabelle 1r. II 95 SS 70, WS 72/73.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

63

1a.c, Anhang I, S. 423) trennte er sich auch in der Spätzeit nicht. Doch kam er nur in recht lockerer Folge auf sie zurück und unter wechselnden Aspekten, die eine gewisse Unsicherheit und die Erwägung voraussetzen, sie seien nicht mehr zeitgemäß.96 Als „Alte Länder- und Völkerkunde“ wie in Göttingen trug er diesen Stoff nur in der Phase des Übergangs97 und dann noch einmal im Sommer 1891 vor. Ein besonderes Unbehagen scheint mit dem ethnologischen Aspekt verbunden gewesen zu sein, da er ihn durch einen betont historischen98 oder archäologischen99 ersetzte. Wie bei den „Archäologisch-historischen Übungen“ ergibt sich hier und im gesamten Lehrangebot die Schnittmenge zwischen Alter Geschichte und Klassischer Archäologie als das Gebiet, in dem Curtius sich gegenüber den Spezialisten, den reinen Historikern und den Kunstarchäologen, zu profilieren suchte. Als Archäologe nach Berlin berufen, lag das Zentrum der Lehre auf diesem Gebiet (Tabelle 1r. I, Anhang S. 421 f.). Ihre Mitte bildete, wie später dargelegt100, die Vorlesung über die „Geschichte der bildenden Kunst bei den Griechen und Römern“. Gegenüber der älteren, von Gurlitt und Hiller überlieferten Fassung wurde sie auf eine ausschließliche Kunstgeschichte eingeschränkt. Ihren einst allgemeinen ersten Teil mit der systematischen Darstellung der Disziplin erweiterte Curtius ab dem Winter 1869/70 zu einer vierstündigen „Archäologie der griechisch-römischen Kunst“. Sie griff wohl fast ebenso weit aus wie der zweite Teil von Müllers Handbuch. An diesem orientierte sich Curtius also bis ins hohe Alter, was damals in Deutschland vielleicht zu einem einzigartig breiten Überblick über das Fach führte, wie andererseits auch zu einem der Tradition des mittleren Jahrhundertdrittels vergleichslos verhafteten. Als er die systematische Darstellung im Sommer 1889 zum letzten Mal hielt, die Kunstgeschichte aber in jedem zweiten Semester bis in seinen letzten Winter weiterführte, ist ihm die Fragwürdigkeit einer fortgesetzt handbuchartigen Lehre vielleicht bewusst gewesen. Von 1869 bis zum Sommer 1882 kamen fast in jedem Semester einstündige „Archäologische Übungen“ hinzu, die er aus den oben genannten Gründen anschließend umbenannte. Wie er sie durchführte, hat Otto Kern überliefert: „In seinen Übungen fand keine Diskussion statt; auch war der Zutritt jedem Studierenden gestattet. Die eingeschriebenen Mitglieder hielten Vorträge, zumeist über griechische Altertümer. Curtius hörte stets stehend aufmerksam zu und gab nach dem Vortrag eine nicht allzu lange Kritik.“101 Die für das frühe 19. Jahrhundert verfolgte Funktion der Vorlesung als Instrument der Forschung ist nun auf das Seminar übertragen. Zusätzlich zur jeweiligen archäologischen Hauptveranstaltung erforderte das Pensum dann noch ein zweistündiges Angebot wechselnder 96 97 98 99 100 101

s. die Begründung bei Michaelis 1897, 67 Anm. 26. SS 69, WS 71/72. WS 75/76, 81/82. SS 73, 92. Vgl. u. S. 93-96. Kern 2008, 92.

64

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Wahl. Neben der historischen Quellenkunde war das mehrfach die griechische „Kunstmythologie“, in Übereinstimmung mit einschlägigen Forschungen102 später in griechische „Götterlehre“ umbenannt. Zu den kurzen Angebotsergänzungen zählten dann die Topographie und Denkmälerkunde Athens (Tabelle 1r. I 6a.b, II 2a, III 2a.b, Anhang I, S. 422-424). Enge Verbindungen mit der Forschung ergaben sich auch hier, also abermals nur bei kürzeren Kollegien. Nachdem Curtius im Museum Fuß gefaßt hatte, zog er es seit 1871/72 zur Vermittlung der Lehre heran. Die Ankündigungen seiner systematischen Archäologie und der Kunstgeschichte weisen auf die „Benutzung der Denkmäler des Königlichen Museums“ hin. Das meinte wohl, daß er seine Hörer in einigen Stunden vor den Abgüssen im Neuen Museum, noch seltener vor den Originalen im Bau Schinkels oder im Antiquarium versammelte, daß er gewöhnlich aber in der Universität vortrug. Die thematischen Verbindungen waren ja eher punktueller Art, etwa wenn er die Parthenonskulpturen oder die Statuen der Niobiden behandelte. Nur die „Griechische Kunstmythologie“ hat er gänzlich im Museum durchgeführt. Nutzte er die Sammlungen für die archäologischen, bzw. archäologisch-historischen Übungen nicht, dann weil sie nicht von den dortigen Exponaten ausgingen, sondern auf übergreifende Probleme oder monumentale Kontexte zielten. Curtius ist ein Mann der Landeskunde, der Topographie und Stadtforschung gewesen, kein Archäologe der Kunst und des Kunstmuseums, so sehr er sie auch mit seinen Idealen verschränkte. Curtius war kräftig, hat seine Gesundheit durch tägliche Gymnastik gefördert, an akademischen Sportvereinen teilgenommen oder sie auch selbst begründet. Von zwei längeren Augenleiden abgesehen, kannte seine Lehre daher kaum von Krankheit bedingte Ausfälle. Erst im hohen Alter von fast achtzig Jahren wurde sie reduziert. Vom Winter 1892/93 an bis in sein Todesjahr las er, nun fast erblindet, nur noch fünfstündig oder weniger (Stundenplan, Anhang II, S. 430). Nun erlaubt er es sich auch, die ihm besonders vertrauten Themen und Forschungsschwerpunkte stärker zu betonen. Die „Griechische Kunstgeschichte“ las er zwar nach wie vor in jedem Wintersemester, doch zur Seite traten nun im Sommer Auswahlkapitel zur Akropolis und zu den Denkmälern Athens103, nachdem die Stadtgeschichte von Athen 1891 erschienen war. Sie wechselten mit einem Angebot zu Olympia in den Wintersemestern der neunziger Jahre ab104 (Tabelle I 6c, III 2c, Anhang I, S. 422. 424), während er an seinem postum gedruckten „Ent-

102 E. Curtius, „Die griechische Götterlehre vom geschichtlichen Standpunkt aus“, in: Preußische Jahrbücher 36, 1875, S. 1–17 = Curtius, Alterthum II² 50–71; „Studien zur Geschichte der Artemis“, in: SBBerlin 1887, II 1167–1183 = Curtius 1894, II 1–21; „Studien zur Geschichte des griechischen Olymps“, in: SBBerlin 1890, II 1141–1156 = Curtius 1894, II 22–39. 103 SS 92, 93, 94. 104 WS 91/92–WS 95/96.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

65

wurf einer Geschichte von Olympia“105 schrieb. Auch geistige Elastizität bewahrte er sich noch bis in die letzten Jahre. Denn im letzten Sommersemester kündigte er mit „Die Tempel der Griechen“ einen für ihn völlig neuen Stoff an.106 Die Zahl der Publikationen vergrößerte sich in der zweiten Berliner Zeit um ein Mehrfaches. Allerdings betrafen sie nicht mehr solch ausgedehnte Werke, wie die Beschreibung der Peloponnes oder die Griechische Geschichte und war der zur Verfügung stehende Zeitraum prinzipiell größer. Angesichts des zusätzlichen Dienstes für Museum, Akademie und Deutsches Archäologisches Institut, vielfältiger weiterer ehrenamtlicher und besonders gesellschaftlicher Verpflichtungen setzten sie dennoch starkes Engagement und große Disziplin voraus, die bis ins hohe Alter andauerten. Da die Publikationen, von den fast zahllosen publizierten Reden abgesehen, in erster Linie archäologisch bestimmt waren, der Archäologie fast ausschließlich die akademische Denomination und die Tätigkeit im Museum galt, überschnitten sich Forschung und Lehre erstmals seit der Frühzeit des Dozenten wieder breit. Aus dem Philologen der Realien war fast gegen den Willen ein Spezialist der Archäologie geworden. Allerdings lag der Schwerpunkt der Forschungen weiter nicht im Bereich der Griechischen Kunstgeschichte. Selten wandte er sich deren großen Werken zu und dann vor allem, wenn es sich um Skulpturen seiner olympischen Grabungen handelte.107 Überaus zahlreich waren demgegenüber die kleineren Beiträge zur Ikonographie, mitunter auch zur Typologie.108 Auffallend bei allen ist das Ausbleiben formanalytischer und stilistischer 105 E. Curtius in: ders. – F. Adler (Hrsg.), Olympia. Die Ergebnisse der vom Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung. Textbd. I, Topographie und Geschichte (1897) 16–65. 106 Zu verbinden ist vermutlich die einzige einschlägige Veröffentlichung, die gleichfalls der Spätzeit angehört: E. Curtius, „Zur Lehre vom Hypäthraltempel“, in: AA 1893, 134–138 = Curtius 1894, II 382–390. 107 E. Curtius, „die Darstellungen des Kairos“, in: AZ 33, 1876, 1–8 = Curtius 1894, II 187– 201; „Die Atlasmetope von Olympia“, in AM 1, 1876, 206–215 = Curtius 1895, II 187– 201; „Zwei Giebelgruppen aus Tanagra“, in: AbhBerlin 1878, 27–51 = Curtius 1894, II 315–337; „Harmodios und Aristogeiton“, in: Hermes 15, 1880, 147–153; „Studien über die Tempelgiebel in Olympia“, in: SBBerlin 1883, II 777–789; „Die Giebelgruppen des Zeustempels in Olympia und die rotfigurigen Vasen“, in: AZ 41, 1883, 347–359 = Curtius 1894, II 304–314; Die Tempelgiebel von Olympia, in: AbhBerlin 1891 = Curtius 1894, II 338–358; „Die Mittelgruppen am Ostfries des Parthenon“, in: AA 1894, 181. 108 E. Curtius, Die knieenden Figuren der altgriechischen Kunst, in: 29. BWPr 1869 = Curtius 1894, II 116–126; „Über Wappengebrauch und Wappenstil im griechischen Altertum“, in: AbhBerlin 1874, 79–120 = Curtius 1894, II 77–115; „Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen“, in: AbhBerlin 1876, 139–171 = Curtius 1894, II 127–156; „Kybelerelief von der ionischen Küste“, in: AM 12, 1877, 48–52; Das archaische Bronzerelief aus Olympia, in: AbhBerlin 1879, Nr. 3 = Curtius 1894, II 244–270; „Das menschliche Auge in der griechischen Plastik“, in: SBBerlin 1891, II 691–695; „Über das Fragment einer bemalten Thontafel“, in: AA 1894, 36f.; „Fragment einer polychromen Lekythos“, in: JdI 10, 1895, 86–91; – dazu sämtlich in AZ: 27, 1869, 10–17 („Zum Verständnis des sog. Harpyienmomuments“), 62 („das phönizische Urbild der Mediceischen Venus“), 110–112 („Goldplättchen aus Kamiros“); 28, 1871, 9–10 („Ganymedes, Innenbild einer apulischen Schale“), 10f. („Terracotten aus Kamiros“), 76 f. („Raub der Kora“), 104f. („Gruppierung

66

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Beurteilungen, weswegen Curtius’ Lehre als überholt galt. Das Gewicht lag weiter bei speziellen topographischen, geographischen und stadtgeschichtlichen Untersuchungen in Kleinasien109 und besonders intensiv in Athen110 und nun natürlich auch Olympia111, für dessen vorbildliche Ausgrabung samt der ebenso exemplarischen begleitenden Publikationen112 wie der monumentalen wissenschaftlichen Auswertung113 er mit Friedrich Adler die Verantwortung trug. Seine große archäologische Leistung für Athen und Attika, die die Gründung des dortigen Deutschen Archäologischen Instituts einschloss, wird häufig nicht ausreichend neben seinem Verdienst für Olympia gewürdigt, obwohl sein persönliches Engagement als Forscher und Organisator hier größer war als dort. Athen vor allem fand auch Förderung und Widerhall in der Lehre der siebziger und achtziger Jahre, die sich in den großen Zügen aber weiter auf die handbuchartige Vermittlung der ganzen Disziplin und vor allem der Kunstgeschichte als dem eigentli-

109

110

111 112 113

öffentlicher Standbilder und Weihe von Schriften“ = Curtius 1894, II 379–381); 30, 1872, 51–57 („Die Geburt des Erichthonios“ = Curtius 1894, II 202–214), 72–74 („Die Säulenreliefs von Ephesos“); 31, 1874, 145 („ein neu gefundener Coloss“); 33, 1875, 50f. („Die Entdeckung des zweiten Sesostrisbildes“), 166–168 („Zwei Terracotten des Antiquariums“); 34, 1876, 37f. („Die Kunst des Glaukos“), 90–95 („die griechische Kunst in Indien“ = Curtius 1894, II 235–243); 36, 1878, 134–136 („Pheidias Tod und Philochoros“ = Curtius 1894, II 375–378), 159–161 („Alabastron aus Halimus“); 37, 1879, 19–22 („Brunnenfiguren“ = Curtius 1894, II, 157–163), 97f. („Die Cultusstätte der Athena Nike“); 38, 1880, 27–31 („Die Kanephore von Pästum“ = Curtius 1894, II 286–294); 39, 1881, 13–30 („Die Telamonen an der Erztafel von Anisa“ = Curtius 1894, II 271–285); 40, 1882, 158– 162 („Zwei Terracotten“); 41, 1883, 255–258 („Dionysos von Kalamis“). E. Curtius, „Ein Ausflug nach Kleinasien, Vortrag Archäolog. Ges. Berlin 1871“, in: Alterthum II² 72–97; „Beiträge zur Geschichte und Topographie Kleinasiens (Ephesos, Pergamon, Smyrna, Sardes)“, in: AbhBerlin 1872, 1–91 = Curtius 1894, I 233–265; „Philadelphia, Nachtrag“, ebenda S. 93–96; „Ueber Geschichte und Alterthümer von Pergamon“, in: Verhandlungen 28. Versammlung d. Philologen 1872, 14–22; „Ephesos. Ein Vortrag im wiss. Verein zu Berlin 1874“, in: Alterthum I² 98–128. E. Curtius, „Zur Topographie von Attika“, in: AZ 29, 1871, 3–7 = Curtius 1894, I 426– 434; „Zur Topographie der Propyläen“, ebenda 33, 1875, 45–47; „Die Probleme der athenischen Stadtgeschichte“, in: MonatsberBerlAkad 1876, 35–55 = Curtius 1894, I 409–425; „Boden und Klima von Attika“, in: MonatsberBerlAkad 1877, 425–439; „Das Asty von Athen“, in: AM 2, 1877, 53–56; „Das Dipylon von Athen“, in: Comm. in hon. Mommseni (1877) 590–594; „Das Pythion in Athen“, in: Hermes 12, 1878, 492–499 = Curtius 1894, I 451–458; „Das Leokorion“, in: MonatsberBerlAkad 1878, 76–87 = Curtius 1894, I 465– 474; Curtius - J. A. Kaupert, Atlas von Athen (1878); dies., Karten von Attika, Heft 1–9 (1881–1903); „Eleusinion und Pelargikon“, in: SBBerlin 1884, I 499–512 = Curtius 1894, I 435–450; „Das Neleion oder Heiligtum der Basile in Athen“, in: SBBerlin 1885, I 437– 441 = Curtius 1894, I 459–464; „Die Quellen der Akropolis“, in: Hermes 21, 1886, 198– 205 = Curtius 1894, I 401–408. E. Curtius, Die Altäre von Olympia (1881); ders. – F. Adler, Olympia und Umgegend (1882) (von Curtius nur der Kommentar zur Übersichtskarte S. 3–10). Vgl. B. Sösemann, „Olympia als publizistisches National-Denkmal“, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000. 125 Jahre Deutsche Ausgrabungen (2002) 49–84. E. Curtius – F. Adler (Hrsg.), Olympia. Die Ergebnisse der vom Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabungen I–V (1890–1897).

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

67

chen Hort der philhellenistischen Ideale ausrichtete und sich nach wie vor als Teil einer philologisch geprägten Kulturwissenschaft verstand. Einige der späteren Schriften waren rein geschichtlicher Art.114 Wenige andere verteilten sich auf die griechische Numismatik115, Epigraphik116 und auf disparate Gebiete wie die Geographie117 und Onomatologie.118 Einschließlich der bereits berührten religionsgeschichtlichen Untersuchungen119 veranschaulichen gerade sie, daß Curtius bis zuletzt an der „unzertrennbaren Einheit des klassischen Alterthums“120 festhielt. Nach wie vor ging es Curtius weniger darum, die Studenten in seine Forschungen hineinzuziehen, als ihnen ein vollständiges Bild von der griechischen Kunstarchäologie als Teil einer exemplarisch bedeutenden Kultur zu vermitteln. Aus deren Fülle sollte sich die Gegenwart bedienen, so sehr sie sich auch veränderte. Das war die Botschaft seiner unter dem Titel Alterthum und Gegenwart in drei Bänden zusammengefassten Reden. Der nicht mehr zeitgemäße Glaube an die philhellenistischen Ideale eines August Boeckh und Karl Otfried Müller ist dennoch nicht unerschütterlich gewesen. In einer Rede von 1891 relativierte er die Vorbildlichkeit der Griechen und ersetzte er sie durch die „begeisterte Liebe nach geschichtlichem Zusammenhange“121. In seinen großen Reden der achtziger und frühen neunziger Jahre erhielten die deutschen und internationalen Ausgrabungen und Forschungen auf dem Gebiet der frühen Hochkulturen ein wachsendes Gewicht gegenüber der Argumentation aus der textlich überlieferten Kultur Griechenlands. Das verband sich mit dem Bewußtsein des Archäologen Curtius, 114 E. Curtius, „Die hellenischen Kriege“, in: RhM 1869, 433–459 = Curtius 1894, 281–285; „Übergang des Könighums in die Republik bei den Athenern“, in: MonatsberBerlAkad 1873, 284–293 = Curtius 1894, I 391–400; „Studien zur Geschichte von Korinth“, in: Hermes 10, 1876, 215–243 = Curtius 1894, I 181–210; „Der Seebund von Kalauria“, in: Hermes, ebenda S. 385–392= Curtius 1894, I 211–218; „Das Verhältnis Spartas zu Olympia“, in: Hermes 14, 1879, 129–140; „Die Griechen in der Diaspora“, in: SBBerlin 1882, II 943–957 = Curtius 1894, I 163–180; „Wie die Athener Ionier wurden“, in: Hermes 25, 1890, 141–152 = Curtius 1894, I 380–390; „Studien zur Geschichte von Olympia“, in: SBBerlin 41, 1894, II 1095–1114. 115 E. Curtius, „Über den religiösen Charakter der griechischen Münzen“, in: MonatsberBerl Akad 1869, 465–481 = Curtius 1894, II 443–459; „Griechische Colonialmünzen“, in: Zeitschrift für Numsimatik 1, 1874, 1–16 = Curtius 1894, II 460–473; „Münzen von Olympia“, in: Zeitschrift für Numismatik 2, 1875, 265–278 = Curtius 1894, II 480–491. 116 E. Curtius, „Griechische Inschriften aus Kyzikos“, in: MonatsberBerlAkad 1874, 1–20, daraus: Curtius 1894, II 393–417; „Decret der Anisener zu Ehren des Apollonios“, in: MonatsberBerlAkad 1880, 646–651 = Curtius 1894, II 429–433. 117 E. Curtius, „Beiträge zur Terminologie und Onomatologie der alten Geographie“, in: SBBerlin 1888, II 1209–1229 = „Flussnamen“, in: Curtius 1894, I 492–515; „Topographie und Mythologie“, in: RhM N. F. 50, 1895, 373–381. 118 E. Curtius, „Griechische Personennamen“, in: MonatsberBerlAkad 1870, 159–169 = Curtius 1894, 516–528. 119 Vgl. o. Anm. 102. 120 Curtius 1894, II S. III, dazu auch u. S. 96. 121 Vgl. u. S. 86.

68

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

die fortschrittlichste Disziplin unter den anderen Altertumswissenschaften zu vertreten. Seine die Zeit der internationalen Großgrabungen mitbestimmenden Forschungen und Organisationen stellten ihn sogar in das Zentrum dieses Fortschritts eines in gewisser Weise archäologischen Jahrhunderts. Zu den Großgrabungen hinzu kamen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die Großforschungen, eine Horizonterweiterung auf immer weitere Kulturen und im jeweiligen Kielwasser eine unendliche positivistische Differenzierung der Forschungsansätze und Methoden. Sie alle zielten auf das Phänomen Kultur, ansatzweise bereits während des internationalen Imperialismus auf das Erbe der Weltkulturen. Organisatorisch wie auf dem Gebiet der archäologischen Landeskunde hatte Curtius an dieser Entwicklung einen nicht unerheblichen Anteil. Sein und des Philhellenismus Griechen-Ideal hatte über ein Jahrhundert wesentlich dazu beigetragen, die klassische Kultur beispielhaft zu erforschen. Das Ideal wurde in seiner letzten Lebenszeit auf jede Kultur mit dem Ziel übertragen, sie alle mit übereinstimmender Intensität zu rekonstruieren. Die zuvor genannte Rede von 1891, in der Curtius seinen Abschied von den griechischen Idealen Winckelmanns nahm, betraf die internationalen Fortschritte in den archäologischen, epigraphischen und numismatischen Altertumswissenschaften. Ersetzte er das Klassikideal hier durch die Liebe zur Geschichte, dann dachte er, der nie eine eigene Arbeit zu deren tragenden Persönlichkeiten und bestimmenden Ereignisse geschrieben hatte, an die Liebe zu einer allgemeinen Kulturgeschichte.122 Damit sah er sich als Teil der zuvor skizzierten Entwicklung, die zur Emanzipation aller Kulturen führte.

4. Ernst Curtius als Lehrer der Nation Ernst Curtius als Lehrer der Nation zu untersuchen, in welcher Aufgabe er sich bereits von 1844 bis 1850 als Erzieher des Kronprinzen Friedrich Wilhelm gesehen hatte123, heißt, sich seinen 33 Reden zuzuwenden, die er 1856 bis 1893 fast jährlich an den großen Festtagen der Universitäten Göttingen und Berlin hielt. Sie gehörten zu seinen Amtspflichten. Seine Ernennungsurkunden sahen zusätzlich zu den wissenschaftlichen Verpflichtungen als ordentlicher Professor der Klassischen Philologie (Göttingen) bzw. der Archäologie (Berlin) die „Functionen des Professors der Eloquenz“ vor.124 Hierbei war vorausgesetzt, daß die Beschäftigung mit der antiken Rhetorik und ihren für vorbildlich gehaltenen Vertretern einen Klassischen Philologen zu diesem Amt bestimmte. Zum Mund der Universitäten ließ ihn damit auch das humanistische Bildungsideal werden. 122 Ähnlich Schöne 1896, 220. 123 Curtius 1903, 346, Brief vom 27.1.1845. 124 Ernennungsurkunde vom 20.7.1868 durch den Minister der geistigen Angelegenheiten von Mühlen: Humboldt-Universität, Archiv, UK 069. Sie bestätigt Curtius irrtümlich als gewesener „außerordentlicher Professor“ in Göttingen „in gleicher Eigenschaft“ in Berlin.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

69

Entsprechend sind die Reden in Berlin seit dem Gründungsjahr der Universität bis 1848 auf Latein gehalten worden, weitaus überwiegend von August Boeckh, der seine letzte öffentliche Universitätsansprache 1862 hielt. 1869 folgte ihm Curtius in dieser Position nach. Der Senatsbeschluß, die Reden hinfort auf Deutsch zu halten, erfolgte im Revolutionsjahr in der Hoffnung, eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Das wies ihnen zugleich einen allgemeineren, den engen Universitätsrahmen übersteigenden Inhalt zu. Die zuvor weitgehend mit der Auseinandersetzung zwischen der staatlichen Verwaltung und der universitären Freiheit befaßten Reden Boeckhs richteten sich denn auch seit 1847 bei Verfassung und nationaler Einheit stärker auf allgemeine Grundprobleme der Zeit aus, um sie aus der Sicht des Altertums zu beurteilen.125 Hierauf fußte Curtius bei all seinen Festtagsworten, die das Entstehen Deutschlands zu fördern und, nach der Reichseinigung, den Charakter der jungen Nation zu prägen versuchten. Nur ungleich häufiger und auf die unterschiedlichsten politischen Phänomene vielseitiger reagierend als sein großer Vorgänger. Dabei gründete seine Gedankenwelt aber weiter auf dem Altertum und vor allem der griechischen Kultur. Ein Jahr nach dem Tod von Ernst Curtius hat Ulrich von WilamowitzMoellendorff 1897 formal seine Nachfolge angetreten, war aber nicht mehr auf Dauer mit der Funktion des Universitätsredners betraut. Maliziös bemerkte er: „Ernst Curtius“ hat „die Professur der Eloquenz so lange innegehabt, daß sie nun abgeschafft ward, aber sein Nachfolger mußte doch gleich 1898 zum Kaisergeburtstag und dann zur Jahrhundertwende ... reden ... und gewann damit seine Stellung unter den Kollegen ganz wie in Greifswald und Göttingen“.126 Das abgeschaffte Amt hat von Wilamowitz-Moellendorff nicht wiederherzustellen vermocht, so sehr er offensichtlich danach strebte. Schon vier Jahre nach seiner Berufung nach Berlin publizierte er 1901 seine Reden und Vorträge. Sie verdeutlichen gut, daß er das humanistische Bildungsideal nicht erneuerte, dem als „klassizistisch“ abgelehnten Philhellenismus des 19. Jahrhunderts an der Jahrhundertwende letztlich nur ein wissenschaftliches Spezialistentum entgegenzusetzen vermochte. Die Einleitung des Bandes bezieht sich nicht auf die breite Gesellschaft sondern auf die eigenen Lehrer. Wie im vorangehenden Zitat erhoffte von Wilamowitz-Moellendorff sich von den Reden zusätzliches Ansehen unter den Kollegen, nicht mehr wie Curtius einen korrigierenden Einfluß auf die Geschicke der Nation. Entsprechend arbeitete von Wilamowitz-Moellendorff einige Reden vor dem Nachdruck zu breiten Aufsätzen aus, so den am 22. März 1877 in Greifswald gehaltenen Vortrag Von des attischen Reiches Herrlichkeit127 oder die in Göttingen zum 25. Regierungsjubiläum Wilhelm I. 1886 vorgetragene Anspra-

125 Einen gewissen Überblick über Boeckhs Aula-Reden verschafft M. Hofmann, August Boeckh (1901) 83–92.108–120.121–126.140–142. 126 von Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen 246. 127 von Wilamowitz-Moellendorff, Reden und Vorträge (1901) 27–64, an anderem Ort mit Anmerkungen vorgelegt.

70

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

che Basileia128. Ihr uneinheitlicher Charakter folgte gerade daraus, dass sie das Gedankengut der zuerst genannten Rede partienweise unmotiviert aufgriff: Wilamowitz-Moellendorff verstand Athens Politik im 5. Jahrhundert v.Chr. einschließlich des Peloponnesischen Krieges als ein großes Ringen um die politische Einheit der Griechen. Die fragwürdige Interpretation fußte gedanklich auf der vollzogenen Einheit Deutschlands und Italiens, wie er betonte.129 Sein Verständnis der klassischen Zeit Griechenlands folgte damit der zeitgenössischen Gegenwart, wohingegen Curtius diese über fast vier Jahrzehnte nach den altertumswissenschaftlichen Idealen zu modellieren bestrebt war. Die zum Geburtstag Wilhelms II. 1898 angebotene Rede Volk, Staat, Sprache zielte zwar auf die Situation der Dänen und Polen im jungen Reich, doch ging dieses Anliegen im vielfarbigen Strauß der Argumente unter und wurde tatsächlich auch nicht bemerkt.130 Die Gedanken verfolgten die problematische Deckung von Volks-, Staats- und Sprachgrenzen in der europäischen Geschichte. Noch globaler griff von Wilamowitz-Moellendorffs Ansprache Weltperioden zum vorausgehenden Kaisergeburtstag aus.131 Sie widerlegte den Fortschrittsgedanken im Sinn des allgemeinen Kulturpessimismus des Jahrhundertendes. Mit der Preisgabe des beherrschenden Bezugspunktes in der Antike verlosch also nicht nur das humanistische Bildungsideal, sondern auch der Glaube an eine von ihm ausgehende Kraft zu fortschreitender Besserung, auf die Curtius über Jahrzehnte gebaut hatte, ja an den Fortschritt grundsätzlich. Eine von Altertumswissenschaftlern besetzte Professur der Eloquenz hatte ihre Berechtigung auch aus deren eigener Sicht verloren. Der Vergleich der Berliner Universitätsreden des 19. Jahrhunderts von Boeckh, Curtius und von Wilamowitz-Moellendorff untereinander verdeutlicht, daß ihnen in die breitere Öffentlichkeit wirkende Funktionen aus der Sicht der Redner wie des Publikums überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugedacht waren. Curtius hat diese Möglichkeiten zur Einwirkung auf die Nation so engagiert genutzt, wie es von einem anderen Vertreter des Philhellenismus seiner Generation kaum zu erwarten gewesen wäre. 61 Reden, Vorträge und Aufsätze hat Curtius in den drei Bänden Alterthum und Gegenwart mit über 1000 Seiten im Oktavformat zusammengefaßt. Zwischen Reden und Vorträgen hat er nicht strikt unterschieden. Die Präsentationen vor der Akademie galten ihm im Vorwort des ersten Bandes als Vorträge, in dem des zweiten hingegen als Reden. Im Hinblick auf ihren öffentlichen Charakter bezeichne ich hier nur die Auftritte als Reden, die in Göttingen am Geburtstag Georgs III. (4. Juni), des Gründers der Universität, erfolgten, in der Berliner Universität an den Geburtstagen Wilhelms I. (22. März) und Wilhelms II. (27. Januar), dazu die Gedenkansprachen für Wilhelm I. und Kaiser Friedrich III. am selben 128 129 130 131

von Wilamowitz-Moellendorff, Reden a.O. 65–83. von Wilamowitz-Moellendorff, Reden a.O. 72. von Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen a.a.O. von Wilamowitz-Moellendorff, Reden 120–135.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

71

Ort. Allerdings hätten einige Vorträge in der Akademie ihrer sehr allgemeinen Thematik wegen berücksichtigt werden können. Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich ein Verhältnis von 33 Reden132 zu 19,5 Vorträgen und zu 8,5 Aufsätzen. Ließ Curtius die typologisch voneinander abweichenden Schriften in jedem der drei Bände vermischt zusammenbinden, dann offensichtlich absichtsvoll, um die eher öffentlichen Bezüge der einen durch die eher altertumswissenschaftlichen Inhalte der anderen auszugleichen. Ihm war daran gelegen, die starken Gegenwartsbezüge der Reden mit den wissenschaftlichen Resultaten der Untersuchungen im Sinn eines Gleichgewichts von Altertum und Gegenwart zu verbinden. Gedanken über die Antike und Erkenntnisse über ihre Vergangenheit sollten von demselben Nutzen sein wie die Interpretation der Gegenwart und deren Problembewältigung, da sie zu ihnen beitrugen. Wohin der Nutzen zielte, ist im dritten Band zum Abschluß des Vorworts ausgedrückt: „So mögen denn, nachdem durch einzigartiges Zusammenwirken der hervorragendsten Kräfte die Gründung des Reiches gelungen ist, welche unserem Volk Freiheit, Einheit und Machtstellung verbürgt, auch die innere Kraft des Denkens und Schaffens, welche das Gelingen allmählich vorbereitet hat, in gleicher Weise lebendig bleiben.“ Mit den vorbereitenden Kräften der Reichseinigung sind in diesem Vorwort zunächst die Altertumswissenschaften gemeint. Ihnen wünschte er nach solchem Erfolg ein fortdauerndes Einwirkungsvermögen. Welche Hilfe die Auseinandersetzung mit der Antike dem politischen Prozeß der Reichsbildung und später der Art des jungen Staates nach Curtius’ Vorstellung bot, ist den einzelnen Reden für den Zeitraum von 1856–1893 zu entnehmen. Ihre mediale Verbreitung war gewiß begrenzt, ist aber auch nicht als zu gering einzuschätzen. Die mündlich erreichte Öffentlichkeit bezog sich in Göttingen und Berlin auf die beiden Universitäten, deren anwesende Förderer und auf die Vertreter der jeweiligen Ministerien. In Berlin ist zusätzlich an Mitglieder des Hofes zu denken, weil es sich ja stets um Reden zu kaiserlichen Festtagen handelte. Einladungen mit dem jeweiligen Festprogramm wurden verschickt, jede einzelne Rede anschließend von den Akademie-Verlagen als Einzelschriften gedruckt, von den Universitäten und Curtius an zum Festakt nicht Zugegene versandt. Der Nachdruck in den Bänden Alterthum und Gegenwart fand einen weiten Adressatenkreis. Der erste Band erzielte 1882 die dritte Auflage, die beiden folgenden 1886 bzw. 1895 die zweite. Eine breite Öffentlichkeit erreichten die im Deutschen Wochenblatt z.T. mehrmals abgedruckten Ansprachen von 1888–1891. Die Publizität der Reden nahm also zu. Sie waren am Ende des Jahrhunderts zu einer weit beachteten Institution geworden, die sich mit kaiserlichen Festtagen verband, obwohl ihr Autor zuletzt weitgehend auf Gegenwartsbezüge verzichtete und die Abschaffung der Professur für Eloquenz bei seinem Tod die Krise des humanistischen Bildungsideals traditioneller Prägung verdeutlicht. 132 Curtius Alterthum I³, Nr. 1–5.7–16. 18–20.22; II² Nr. 1.4.10–11.15; III² Nr. 1–4.7–10.18. Eingerechnet sind die beiden Reden, die nicht mit König oder Kaiser verbunden waren.

72

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Abweichend von ihrem Abdruck in Alterthum und Gegenwart werden die Reden hier in chronologischer Reihenfolge besprochen und entsprechend im Anhang aufgeführt.133 Hinderlich ist, daß sie in den drei Bänden häufig ebenso falsch datiert wurden wie in der Bibliographie von Ernst Curtius bei Ludwig Gurlitt.134 Das Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1700–1910 hilft, die korrekte Reihenfolge zurückzuerschließen.135 Die Reden zum Geburtstag Wilhelms II. von 1891–1892 hat Curtius nicht in Alterthum und Gegenwart aufnehmen lassen.136 Sie sind als Einzelschriften und die erstere im Deutschen Wochenblatt publiziert worden. Der Titel der Ansprache zum selben Anlaß von 1890 wird nur vom Deutschen Wochenblatt überliefert.137 Die Titel nicht weniger Reden weichen von denen in den Festprogrammen ab, die Gurlitt überliefert.138 Hier sind die Programm-Titel im Anhang in Klammern hinzugefügt. Bei der Länge übertreffen die Göttinger Ansprachen mit 16–21 Seiten die Berliner Pendants mit 12–17 Seiten. Das ist mit ihrem akademischeren Charakter, dem ausgedehnteren Festprogramm in Berlin und dem zunehmenden Alter des Redners zu begründen. Der dennoch annähernd übereinstimmende Umfang erweist neben dem jeweiligen Text, daß sie trotz mehrfach veränderter Titel den vorgetragenen Wortlaut überliefern, allenfalls gelegentlich sehr geringfügig überarbeitet worden sind. In der Aula der Universität Göttingen hat Curtius 12 Reden am 4. Juni als ihrem herausragenden Festtag gehalten. Die erste griff den Anlaß der Feiern selbst auf, der zusätzlich zum Geburtstag des Universitätsgründers die Verteilung der akademischen Preise und die Verkündung neuer Preisaufgaben einschloß.139 Curtius stellte die Ansprache unter das Thema Der Wettkampf (Nr. 1). Im Agon erkannte er erstmals den entscheidenden Wesenszug der Griechen, der ihre „ganze Tugend“, ihr Denken, ja ihre Kultur bestimmte. Das setzte entscheidende Voraussetzungen für Jakob Burckhardts Griechische Kulturgeschichte.140 Der Wettkampf der griechischen Stämme und Städte fände seine Analogie im zeitgenössi133 Anhang III, S. 431–433. 134 L. Gurlitt 1901, 139–144. Um die korrekten Daten bemühte sich bereits Michaelis, 1897, 71 Anm. 32, 73 Anm. 37. 135 Das Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1700–1910, Bd. 26 (1981) 302–305. Auf dieses Arbeitsinstrument hat mich M. Hilligis hingewiesen. 136 Exemplare der Einzelschriften befinden sich im Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Handbibliothek, Signatur AL 50712 C 981.890 bzw. 891 und 892; Deutsches Wochenblatt 4, 1891, Nr. 5, 49–52. 137 Deutsches Wochenblatt 3, 1890, Nr. 5, 49–53. 138 Die Grundlagen für Gurlitts Angaben sind nicht durchsichtig, da er mehrere Reden falsch datierte. Am ehesten bestand seine Vorlage aus einer Zusammenstellung der Titel nach den Festtagsprogrammen. In ihr waren die Jahreszahlen nicht berücksichtigt. Die Einladungen zu den Universitätsveranstaltungen erklären sich aus der Freundschaft zwischen der Familie Gurlitt und Curtius, vgl. u. S. 138. 139 Curtius, Alterthum I³ 146 f. 140 Die Beziehung hat zuerst G. Billeter erkannt: Die Anschauungen vom Wesen des Griechentums (1911) 213. Vgl. Wrede 2009, 196-200.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

73

schen Deutschland, müsse auch dort zu einer entsprechenden Kulturblüte, schließlich aber zur nationalen Einheit führen. Die politische Stellungnahme eines gerade erst aus Preußen Berufenen im welfischen Königreich ist sicherlich nicht von allen Hörern geteilt worden und bedurfte noch immer eines gewissen Muts.141 Die Rede hatte für viele folgende programmatischen Charakter. Sie erzielte ein neues altertumswissenschaftliches Ergebnis, dieses eine Mal auch von wissenschaftsgeschichtlicher Relevanz, um aus ihm die Konsequenz für die Gegenwart abzuleiten. Die sechs Reden von 1857–1859, 1862, 1866 und 1868 (Nr. 2–4, 7, 10, 12) verzichteten auf Aussagen zum politischen Geschehen. Sie beabsichtigten, die zentrale Bedeutung der Altertumswissenschaften im vielfältigen Spektrum der Universitätsdisziplinen hervorzuheben. Sie begründeten die Stellung des Redners und schufen das Fundament für alle weiteren Festreden. Es gilt dieses vor allem für Das Mittleramt der Philologie (Nr. 2) von 1857. Der Austausch des Themas gegenüber dem Titel „Über die Altertumswissenschaft“ vom Festtag ist signifikant. Den konservativ unter Philologie subsumierten Altertumswissenschaften erkannte Curtius die zentrale Stellung unter allen akademischen Disziplinen zu. Dem Historismus entsprechend sei die Geschichte die Wissenschaft, die sie alle miteinander vereine, doch habe die Altertumswissenschaft aus vier Gründen den Vorrang: Fremd und den Deutschen dennoch strukturell verwandt, böte die griechische Kultur alle Voraussetzungen für einen geistigen „Austausch“ mit der Gegenwart. Erprobt sei er schon seit der Renaissance und der Reformation. Da abgeschlossen, lasse sich die alte Welt im ganzen Umfang umfassen, weswegen die Philologie in allen anderen Fachwissenschaften überlegener Breite der kulturund kunstwissenschaftlichen Ansätze vorzugehen vermöge. Schließlich seien die Fortschritte im Bereich der antiken Sprachwissenschaften und der Archäologie den in den Naturwissenschaften erzielten zumindest gleichwertig. Man denke nur an Indien, Iran, Irak und Ägypten. Bis auf den letzten Punkt folgt die Argumentationskette dem Entwurf der Altertumswissenschaften von Friedrich August Wolf von 1807.142 Damit wiederholte sie die Begründung des neuhumanistischen Bildungsideals vom Anfang des Jahrhunderts, um es erneut zu stabilisieren. Den Anspruch, ein führendes Fach von allgemeiner Bedeutung zu vertreten, vertieften die Reden von 1858, 1862, 1866 und 1868. Die erste ist unter dem Thema „Über griechische Culturgeschichte“ gehalten worden und stellte unter der neuen Überschrift Der Weltgang der griechischen Cultur (Nr. 3) deren umfassenden Einfluß zusätzlich heraus. 1862 und 1868 sprach Curtius über Griechenland und Rom (Nr. 7. 12) als deren einstige Zentren und ihre gegenwärtige Situation, wobei er auf Erfahrungen gründete, die er bei seiner Athen-Expedition von 1862 und seiner Rom-Reise von 1868 gewonnen hatte. Die Rede Wort und Schrift (Nr. 141 Zur politischen Situation in den sechziger Jahren an der Universität Göttingen: G. von Selle, Die Georg-Augusta-Universität zu Göttingen 1737–1937 (1937) 313–318. 142 Wolf 1807, 10–145.

74

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

4) konfrontierte die zeitgenössische Literatur mit der gesprochenen oder gesungenen Poesie der Antike. Sie betonte den ästhetischen Aspekt. Die für die Reichsentwicklung bedeutenden Kriege des Jahres 1866 fanden in den Göttinger Universitätsansprachen keinen Widerhall. Kriege und die mit ihnen verbundene Ereignisgeschichte hat Curtius in den Reden grundsätzlich für wenig gewichtig gehalten. Angesichts der preußischen Besetzung des Königreichs Hannover wich der innerliche Wahlpreuße im Juni 1866 politisch geschickt auf das Thema Der historische Sinn der Griechen (Nr. 10) aus, das die Geschichtsschreibung auf seine Leitkultur zurückführte. Das Jahr 1860 erbrachte einen entscheidenden Einschnitt bei der Themenwahl. In Berlin hatte Wilhelm 1857 die Vertretung für den erkrankten Friedrich Wilhelm IV. und 1858 die Regentschaft übernommen. In Preußen leitete er die „Neue Ära“ mit liberaleren Zügen und einer auf die Reichseinheit gerichteten Politik ein, wie Curtius sie ersehnte. Mit ihm, der ihn 1844 als Lehrer und Erzieher seines Sohnes auserwählt hatte, stand Curtius in einem engen, fast freundschaftlichen Verhältnis, das durch Verehrung und Vertrauen geprägt war. Es ist eine wesentliche Voraussetzung dafür gewesen, daß er sich bis zum Tod Friedrichs III. 1888 auf das Terrain der zeitgenössischen Politik vorwagte, die Gegenwart vom Altertum her zu beeinflussen suchte. Sein Verhältnis zum Regenten und späteren König und Kaiser ließ ihn einmal auf die Erhörung seiner Anliegen hoffen und forderte ihn dann dazu auf, Wilhelm I. nach seinen eigenen Möglichkeiten zur Seite zu stehen. Im welfischen Göttingen trat er fortan als Preuße auf. Die Rede Die Bedingungen eines glücklichen Staatslebens (Nr. 5) von 1860 feierte die Berliner Politik der „Neuen Ära“. In ihr ist Wilhelm mit Perikles verglichen, sind Athen durch Preußen, Griechenland durch Deutschland zu ersetzen, um den Gegenwartsbezug herzustellen. Dann ergeben sich Passagen, welche die nationale Einheit vorwärts treiben. Zu ihnen gehört etwa der Satz: „Athen [Preußen] musste nun, unbekümmert um den Neid der Kleinen und die Missgunst der Böswilligen, aus eigener Kraft die ferneren Aufgaben der griechischen [deutschen] Volksentwicklung durchführen und für alle allein die Gränzen hüten, das Meer sichern und die griechische [deutsche] Cultur auf dem Gebiet der Kunst und Wissenschaft zu vollkommener Gestalt zu bringen suchen“.143 Der Kultusminister von BethmannHollweg reagierte auf die kaum verborgene Botschaft brieflich: „Sie [Curtius] bringen von jenem Zauberland ein Licht mit ..., das auch die eiserne Gegenwart vergoldet, ... Auge und Herz immer von neuem erquickt, den Arm zur rastlosen Arbeit auf Hoffnung stärkt“.144 Auf Unabhängigkeit bedachte Widersacher kritisierten die Rede als politisch tendenziös.145 Vergleichbaren Angriffen entgegnete Curtius 1867: „Es scheint mir die Aufgabe solcher Gelehrtenreden, Tagesfragen von allgemeinerem und näherem Gesichtspunkt aus zu betrachten. Solche Be143 Curtius, Alterthum I³ 308. 144 Curtius 1903, 544. Brief vom 22.7.1860. 145 Curtius 1903, 543, am 20.6.1860.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

75

trachtungen können dann auch am ehesten eine Veränderung und Ausgleichungen herbeiführen“.146 Bei diesem Standpunkt ist er geblieben, bis er im Alter feststellte, daß seine Mahnungen in den ersten Regierungsjahren Wilhelms II. ungehört verhallten. In Göttingen setzte er den 1860 eingeschlagenen Weg fort. Mit dem Vortrag Die Idee der Unsterblichkeit bei den Alten (Nr. 6) reagierte Curtius 1861 auf den Tod Friedrich Wilhelms IV. Die Rede Die Freundschaft im Alterthum (Nr. 8) sollte 1863 beitragen, den im Vorjahr ausgebrochenen Verfassungskonflikt in Preußen zu lösen, der Bismarck an die Macht gebracht hatte. Curtius definierte die griechische Philia recht frei als eine „das Heil des Vaterlandes begründende Macht“, welche „die verschiedenen Elemente zum Dienst des Organismus bindet“147, als den „Geist der Eintracht und des Vertrauens“ gegenüber dem vorherrschenden Parteienhader. Die Rede über Die Unfreiheit in der alten Welt (Nr. 9) hatte am 4. Juni 1864 Über die Gottheit geheißen, verfolgte das Thema also aus religiöser Sicht. Nur die Griechen hätten im ganzen Altertum die Freiheit des Geistes und Gewissens gegen theokratische Unterdrückung bewahrt. Die Gedanken des Protestanten wandten sich gegen die Enzyklika Quanta cura Pius’ IX. vom selben Jahr, mit der der Papst kurz vor dem Verlust des Kirchenstaates die unbedingte Unterordnung des Staates und der wissenschaftlichen Forschung unter die Autorität der katholischen Kirche forderte. 1867 trug Curtius über „Die Parteien im Alterthume“ vor, welches Thema er später zu Die patriotische Pflicht der Parteinahme (Nr. 11) zuspitzte. Den Hintergrund bildete der Reichstag des Norddeutschen Bundes, der im Februar des Jahres in allgemeiner, gleicher und direkter Wahl bestimmt worden war, eine Verfassung zu erarbeiten, die dem späteren Reich zur Grundlage werden sollte. Curtius forderte die Mitgestaltung seiner Mitbürger ein. Seine ordentliche Professur als Archäologe und die Professur für Beredsamkeit trat Curtius im Wintersemester 1868/69 in Berlin an. Seit der Universitätsgründung war hier der Geburtstag des lebenden Königs der Termin des höchsten Jahresfestes. In der Aula der Universität war zu diesem Anlaß mit seiner Anwesenheit oder mit der Gegenwart seiner Familie zu rechnen. Das veränderte den Tenor und den Aufbau der Reden gegenüber Göttingen. Ihren Ausgangs- und Endpunkt setzten nun Wünsche für den König oder Kaiser, die in würdigende Partien von panegyrischem Wortlaut einzubetten waren. Demgegenüber mußte der akademische Gedankengang verkürzt werden, was die Reden insgesamt kürzer als in Göttingen machte. Hierauf wirkte wohl auch die Rücksicht auf ein insgesamt breiteres Festprogramm ein. Die Bezüge zur preußischen Gegenwart ließen sich offener darstellen als im Königreich Hannover. Der sonstige Aufbau blieb konstant: An gewöhnlich entwicklungsgeschichtlich behandelte Gegenstände der

146 Curtius 1903, 583. 147 Curtius, Alterthum I³ 202.

76

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Antike schloß der Vergleich mit analogen Phänomenen in Preußen bzw. Deutschland an. Das Thema Große und kleine Städte (Nr. 13) am 22. März 1869 stand vor der Folie des starken städtischen Wachstums im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, auch der zunehmenden Bedeutung Berlins als Metropole des Norddeutschen Bundes und kommende Hauptstadt Deutschlands. Es ergab sich aber wohl primär aus dem Umzug des Redners in den Mittelpunkt des historischen Geschehens. Die Märzrede Die Gastfreundschaft (Nr. 14) von 1870 trug ursprünglich den ethisch intonierenden Titel „Von der Tugend der Gastfreundschaft“. Sie betraf den guten Umgang mit Fremden in der Innen- und Außenpolitik der Antike und betonte den Aspekt der Xenia als ein Freundschaftsbündnis zwischen den griechischen Städten untereinander und mit barbarischen Völkern. Der Akzent lag naturgemäß auf den städtischen Symmachien, auch weil sie sich in ein Verhältnis zu den deutschen Staaten setzen ließen. Curtius verwies auf die traditionell gastfreundliche Aufnahme Fremder im toleranten Preußen, das auch noch gegenwärtig „den gereizten Gegensatz zwischen Nord und Süd“ ausgleiche148 und „das preußische Wesen durch der Nachbarn Art und Sitte in heilsamer Weise ergänzen möchte“.149 Damit suchte die Rede die unitaristische Krise in den ersten Monaten des Jahres zu lindern, welche neokonservative Kräfte im Norddeutschen Bund und die in Wahlen erstarkten Partikularisten der deutschen Südstaaten ausgelöst hatten. Die Weihe des Sieges (Nr. 15) vom 22. März 1871 hieß an diesem Tag „Der Geburtstag des Kaisers“. Der Wechsel verdeutlicht zusätzlich, daß die Ansprache nicht dem Sieg, sondern seiner Funktion für die ihm folgende Zeit galt. Ihr gingen die Reichseinigung in Versailles und der Präliminarfriede vom Februar voran. Einen Tag zuvor hatte Wilhelm den deutschen Reichstag mit einer Thronrede im Berliner Schloß feierlich eröffnet, vermutlich auch im Beisein von Curtius. Der hat in Alterthum und Gegenwart betont, daß er den „Gegenstand“ nur dieser Rede „ganz aus der Gegenwart entnommen habe“.150 Seine Überzeugung, daß der Sieg über Frankreich nicht nur von der Armee, sondern von der deutschen Art, Gesittung, Religion und Kultur, daher auch von der Universität und den Wissenschaften errungen worden sei, ist damals allgemein geteilt worden. Zunächst verdanke sich die Einheit der Nation aber einem natürlich gesetzten und ethisch begründeten Prozeß, den die göttliche Vorsehung vorgab. Deswegen schlösse das Ethos der Deutschen einen zusätzlichen imperialen Anspruch aus. Im Unterschied zu den hellenistischen und römischen Imperien der Antike sei dem neuen Reich deswegen Dauer beschieden. Die Absage an den Imperialismus in der Frühzeit seiner Epoche und zu diesem Anlaß der Siegesfeiern kennzeichnet nicht nur das grundsätzliche Harmoniebedürfnis, die unmilitärische Art und das Fehlen eines 148 Curtius, Alterthum I³ 215 f. 149 Curtius, Alterthum I³ 217. 150 Curtius, Alterthum I³ S. V f.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

77

Machtstrebens um seiner selbst willen im Denken des Patrioten Curtius, sondern auch dieselben Eigenschaften des deutschen Philhellenismus. Galten die Hellenen vor 1871 den Deutschen gerade wegen der Aufsplitterung in Städte und Stämme für verwandt, wie etwa in der Wettkampf-Rede von 1856 (Nr. 1), so klingt nun – unmittelbar nach der vollzogenen Staatsbildung – der Gedanke der Überlegenheit selbst über die Kultur an, die die griechische Klassik hervorbrachte. Ihn hat Curtius in den Reden Die Reichsbildung im classischen Alterthum (Nr. 23) von 1881, Das Königthum bei den Alten (Nr. 27) von 1886 und Die Entwicklung des preußischen Staates nach den Analogien der alten Geschichte151 von 1880 weiter ausgeführt. Den Vortrag über die Reichsbildung (Nr. 23) schloß Curtius 1881 mit dem Fazit: „Ein Reich ist nicht eines Mannes Werk und ist mit der Errichtung des Kaiserthrones nicht vollendet. Nach innen wie nach außen muß es mit Arbeit und Kampf aufrecht erhalten werden.“152 Es charakterisiert auch die Aufgabenstellung des Festredners im vorangegangenen Jahrzehnt. Curtius versuchte, durch die universitären Feiern am Kaisergeburtstag zum inneren Ausbau des Reiches beizutragen, dessen Aufgaben sinnstiftend zu definieren. Für ihn konnte das nur bedeuten, die Rolle der Wissenschaften und gerade seiner Disziplinen hervorzuheben. Der Vortrag Die öffentliche Pflege von Wissenschaft und Kunst (Nr. 16) eröffnete die Reihe 1872 mit noch allgemeineren Bezügen. Dann lenkten Kaiser Wilhelms Friedensregiment (Nr. 21) 1879, der Rückblick auf Olympia (Nr. 22) 1880 und die Darlegungen über Athen und Eleusis (Nr. 25) 1884 die universitäre Öffentlichkeit, die kaiserliche Aufmerksamkeit und die weitere Leserschaft auf die erfolgreichen Ausgrabungen Schliemanns in Griechenland, Humanns in Pergamon und des Redners in Olympia, nicht zuletzt auch auf das Deutsche Archäologische Institut als die großen Friedenstaten und kulturellen Schöpfungen von internationaler Bedeutung hin. In Wilhelms Friedensregiment referierte Curtius zusätzlich über die Geschichte des Römischen Archäologischen Instituts, das sein fünfzigjähriges Bestehen feiern konnte. Der Rückblick auf Olympia zieht eine Bilanz der eigenen Ausgrabungen nach der letzten Kampagne, die das Reich finanzierte. Das Athener Archäologische Institut sah 1884 auf eine zehnjährige Tätigkeit und erfolgreiche Feldforschungen in Eleusis zurück. Den allgemeinen Rahmen gab der Akademievortrag Der Wetteifer der 1ationen in Wiederentdeckung der Länder des Alterthums von 1880153 vor. Die archäologische Konkurrenz der europäischen Nationen erreichte in diesen Jahren einen ersten, den kulturellen Imperialismus markierenden Höhepunkt. Dessen negativen Auswirkungen wirkte aber gerade Curtius Beispiel setzend entgegen. Seine olympische Grabung zog keinen Abtransport der Denkmäler in deutsche Museen nach sich. Ihre Methoden und ihre wissenschaftliche Publikation waren mustergültig. Wie in der Wettkampf-Rede 151 Vortrag vor der Akademie: Curtius, Alterthum II² 209–218. 152 Curtius, Alterthum II² 246. 153 Curtius, Alterthum II² 219–234.

78

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

von 1856 (Nr. 1) ist der Agon als ein positives Phänomen gekennzeichnet, das Frieden voraussetzt und zur kulturellen Blüte führt. Doch ist er auf eine europäische Ebene gehoben. Als Vertreter der breiteren antiken Kulturgeschichte erwies Curtius sich wieder dort, wo er die zeitgenössische Politik durch den Nachweis vergleichbarer Phänomene in der Antike zu begleiten und ethisch zu hinterfangen suchte. Für die Rede Der Gruß (Nr. 17) von 1873 ist der Bezug allerdings nicht eindeutig. Als Geste des Kontaktes in Antike und Gegenwart stellt das Grüßen Beziehungen her und war damit ein allgemeines Medium des für Curtius grundsätzlich wichtigen Ausgleichs. Mit einiger Wahrscheinlichkeit wandte er sich gegen die Spannungen, welche der Kulturkampf kurz vor den sogenannten Maigesetzen des Jahres ausgelöst hatte. Das Thema Arbeit und Muße (Nr. 18) von 1875 stand eindeutig im Zusammenhang mit der Arbeiterbewegung. Vielleicht zielte es auf die Einigungsbestrebungen von SDAP und ADAV in diesem Frühjahr. Der Zusammenschluß ließ alle bürgerlichen Hoffnungen enden, die Arbeiterbewegung werde aus nationalen Erwägungen doch noch mit der Regierung kooperieren. Hierauf zielten aber Curtius’ Gedanken, wie für die 90er Jahre in Bezug auf den bayerischen Sozialdemokraten Georg von Vollmer belegt, da der Archäologe sich den Problemen der sozialen Not im Übrigen verschloß.154 Von seiner Rede Arbeit und Muße erwartete er sich in der üblichen Weise wahrscheinlich eine Harmonisierung der sozialen Spannungen. Deren Konfrontation mit der Welt der griechischen Politen erscheint besonders inadäquat. 1876 sprach Curtius „Über die griechische Religion“, was einen Vergleich mit der jüdischen und christlichen einschloß. Die Rede ließ er unter dem Titel Die Hellenen und das Volk Israel (Nr. 19) abdrucken. Die projüdische Akzentverschiebung berücksichtigte antisemitische Tendenzen, welche ihren ersten Höhepunkt im jungen Reich im Winter 1880/81 mit einer Petition an die Reichsleitung erreicht hatten. Das war wenige Monate bevor die Schriftensammlung für den zweiten Band von Alterthum und Gegenwart ihr Vorwort erhielten und die Möglichkeit zum Austausch des Titels sich eröffnete. Das jüdische Volk des Altertums hat Curtius stets für den Schöpfer einer den Griechen gegensätzlichen, aber alternativen und im Hinblick auf die spätere Entwicklung positiv einzuschätzenden Kultur behandelt. Ludwig Gurlitt überliefert, Curtius habe schon in den vierziger Jahren den Gesinnungswandel des jungen Kronzprinzen gegenüber „starken antisemitischen Neigungen“ bewirkt.155 „Wie ihm jedes Parteigetriebe zuwider war,“ schreibt Charlotte Broicher, „so besonders das Auftauchen des Antisemitismus. Manche Juden zählte er zu seinen Freunden, und wo er glauben mochte, daß man ihnen nicht vorurteilsfrei gegenüber treten könne, wuchs die Zartheit und Freundlichkeit, mit der er sich zu ihnen stellte.“156 An der Pointierung seines Standpunkts lag ihm so viel, daß er den 154 Vgl. Broicher 1896, 599. 155 L. Gurlitt 1901, 128. 156 Broicher 1896, 591.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

79

Band mit dieser Schrift eröffnen ließ. 1878 referierte Curtius über Das Priesterthum der Hellenen (Nr. 20). Der Tod Pius IX. lag einen Monat zurück und begünstigte einen Kompromiß im Kirchenkampf, wie Curtius ihn schon 1873 angestrebt hatte. Die Rede über Die Griechen als Meister der Colonisation (Nr. 24) von 1883 ebnete am Beispiel der griechischen Bevölkerungs- und Kulturexpansion die Anfänge des deutschen Imperialismus, als Bismarck den konservativen Bestrebungen zur Koloniegründung noch reserviert gegenüberstand. Der so tief von der griechischen Leitkultur überzeugte Hanseat Curtius sah eine Chance zur weltweiten Ausbreitung seiner humanistischen Ideale. Der Zehnte (Nr. 26) von 1885 ist der letzte „politische“ Vortrag eines hinsichtlich der Tagespolitik Apolitischen. Curtius verfolgte die Entwicklung direkter Abgaben bei den Griechen im religiösen Bereich zur Steuer als einer finanziellen Grundlage der klassischen Kulturblüte. Den Hintergrund setzte Bismarcks wenig erfolgreiches Steuerprogramm von 1885/86. Die Gedächtnisreden auf den ersten Hohenzollernkaiser (Nr. 28) und auf seinen Sohn Friedrich III. (Nr. 29) von 1888 werden durch ein großes Gleichgewicht von persönlicher Trauer und distanzierender Überhöhung der Verstorbenen geprägt. Da der nahe Tod des Sohnes beim Nachruf auf den Vater bereits absehbar war, liegt über beiden das Wissen um den Ausfall einer Generation in der dynastischen Folge und mit ihr in der staatlichen Repräsentation der mit dem 100-TageKaiser Gleichaltrigen. Curtius sollte wenige Jahre später erfahren, daß beide Reden zugleich Nachrufe gewesen sind für die Gültigkeit seiner Gedanken, die denen des Philhellenismus weithin entsprachen. Die Rede auf Wilhelm I. feierte die Reichsgründung und Friedensherrschaft, wandte sich aber gegen jede imperiale Steigerung: „Als Heeresfürst hat er Preußen groß gemacht und das Reich gegründet, aber niemals ist ein siegreicher König weniger kriegerisch und kampflustig gewesen... Uns ist nicht das die Hauptsache, daß Deutschland wieder mächtig ist im Kreise der Völker, sondern daß wir gerettet sind aus einem unwürdigen Zustande“157, dem der Kleinstaaterei. Wie in einer Aula-Rede selbstverständlich, charakterisierte Curtius die kulturelle Blüte der kaiserlichen Regierungszeit über die Erfolge der Wissenschaften. Nannte er zunächst die „Aufdeckung von Olympia als das erste Friedenswerk“ und andere archäologische Fortschritte, erst dann die naturwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften, so entsprach das der in früheren Reden (Nr. 2) begründeten Rangfolge der Disziplinen. Die beiden Nachrufe von 1888 eröffnen nicht von ungefähr den dritten Band von Alterthum und Gegenwart mit dem zusätzlichen Titel „Unter drei Kaisern“. Durch sie und durch die Zusammenstellung mit den Geburtstagsansprachen für Wilhelm II. suchte Curtius den Thronfolger auf das Vorbild des Vaters und Großvaters zu verpflichten. Daß der Tod der beiden Hohenzollern eine Ära beendete und eine ungewisse Zukunft bevorstand, war eine verbreitete Ansicht. Curtius’ Gedenkworte auf Wilhelm I. sind noch in den letzten Märztagen in der schmalen 157 Deutsches Wochenblatt 1, 1888, 2; Curtius, Alterthum III² 6.8.

80

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Probenummer des Deutschen Wochenblatts nachgedruckt worden, dem zukünftigen Sprachrohr der Freikonservativen im preußischen Abgeordnetenhaus und der Deutschen Reichspartei im Reichstag. Dieses Organ der „Partei Bismarcks sans phrase“ veröffentlichte dieselbe Rede ein weiteres Mal in der ersten Nummer des ersten Jahrgangs im April gleich anschließend an die programmatische Vorstellung seiner politischen Zielsetzungen. Im Juli ließ die Zeitung die Rede auf Friedrich III. (Nr. 29) folgen. Beide Nachrufe und Curtius’ erste Geburtstagsrede für Wilhelm II. von 1889 hat das Deutsche Wochenblatt dann 1894 noch einmal im Verband abdrucken lassen und dazu 1890 eine Rezension für den Band Unter drei Kaisern aufgenommen158. Die Gründe sind offensichtlich. Die Politik des Herausgebers Otto Arendt und der Freikonservativen war national, rechtsliberal und monarchisch, unterschied sich von den Ultrakonservativen um die Kreuzzeitung aber durch ihre Ausrichtung auf Kontinuität: auf den Erhalt Bismarcks als Reichskanzler bzw. seiner Politik des europäischen Ausgleichs und der Friedenssicherung nach Bismarcks Rücktritt von 1890. Zum Anlaß des fünfzigjährigen Doktorjubiläums 1894 und des Todes 1896 würdigte das Deutsche Wochenblatt Curtius schließlich als seinen gedanklichen „Pathen“.159 Offensichtlich war er zu einer Personifikation der frühwilhelminischen Zeit geworden. Daß sich für Curtius 1888 mit dem Dank an die beiden verstorbenen Monarchen für die in Olympia, der Archäologie, den humanistischen Idealen erwiesene Unterstützung Ahnungen vom Ende des Philhellenismus und der ganzen Politik unter Wilhelm I. verbunden haben, zeigt neben dem Ausgreifen in die Presse der fast beschwörende Unterton der ersten Geburtstagsrede für Wilhelm II. am 27. Januar 1889. Schon ihr Thema Die Bürgschaft der Zukunft (Nr. 30) suchte, jede ungewisse Entwicklung auszuschließen. Unmöglich sei der Bruch mit der Vergangenheit, obwohl doch der Strom der Zeit schneller als je zuvor zwischen Anfang und Ende, zwischen Jugend und Alter, Vergangenheit und Zukunft fließe. Noch einmal verwies Curtius auf Schliemanns Entdeckungen, auf Olympia und Pergamon als die großen Erfolge der vorangegangenen Friedenszeit. Noch einmal erklärte er die Religion und die klassische Bildung zu den entscheidenden „Unterpfändern der Zukunft“. Die Rückbesinnung auf die Griechen des 5. und 4. Jahrhunderts bliebe auch weiter das „Mutterhaus“ der geistigen Ströme160, die erprobte Quelle nationaler Einheit. Die folgenden Sätze spiegelten die gegenläufigen Zeittendenzen. Curtius verlangte Korrekturen im Griechisch- und Lateinunterricht, dazu eine Erleichterung des Abiturs.161 Das vermochte die Entwicklung zur Schulreform um 1900 nicht abzuwenden, die die Vorherrschaft der altsprachlichen höheren Schulen humanistischer Tradition in Deutschland brach und das äußerliche Ende des Philhellenismus setzte. Auch noch die Rede Der konservati158 159 160 161

Funk, Deutsches Wochenblatt 3, 1890, 532. Deutsches Wochenblatt 7, 1894, 530; 9, 1896, 337 f. Curtius, Alterthum III² 55. Curtius, Alterthum a.O. 56. Curtius lehnte Abitur und häufige Prüfungen ab: L. Gurlitt 1901, 126.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

81

ve Zug im Volkscharakter der alten Athener (Nr. 31) vom nächsten Jahr stemmte sich vor den anstehenden Reichstagswahlen den Zeittendenzen entgegen. In ihr leugnete Curtius, daß es die Demokratie gewesen ist, die Athens Kulturblüte bewirkt hatte, beschwor er vielmehr dessen traditionsverhaftete Kräfte als Exempel für die Notwendigkeit einer konservativen Politik in der Gegenwart. Den Gedanken und ihrer Wirkung hat er aber wohl wenig vertraut, denn die Ausführungen ließ er in Alterthum und Gegenwart nicht aufnehmen. Das Ende seiner Einflussmöglichkeiten sah er nach Bismarcks Rücktritt gekommen, der ihn tief erschütterte.162 In den letzten Universitätsreden über Athen und Rom (Nr. 32) von 1891, Architektur und Plastik (Nr. 33) von 1892, Das Verhältnis der bildenden Kunst zur Architektur (Nr. 34) von 1893 hat er deswegen nur noch althistorische (Nr. 32) und archäologische (Nr. 33–34) Themen vorgetragen. Zwar hatten auch die beiden zuletzt Genannten noch ein zeitgenössisches Ziel, doch war dieses bei der plastischen Ausgestaltung des Reichstagsgebäudes163 eng begrenzt, hatte dazu schließlich auch keinen Erfolg.164 Einen Platz in Alterthum und Gegenwart hat er nur noch seiner letzten Gelehrtenrede (Nr. 34) eingeräumt. Die 1856–1893 gehaltenen Reden von Ernst Curtius wandten sich an eine breite Öffentlichkeit, die sein humanistisches Bildungsideal teilte, und wußten sich von ihr getragen. Sie charakterisieren hierin die späte Blütezeit des Philhellenismus, dazu auch die Periode seiner größten wissenschaftlichen Effizienz, deren spätere Auswirkungen ihn andererseits auch zerstören sollten. All die wissenschaftlichen Großunternehmungen, welche z.T. bis heute andauern, sich z.T. auch im 20. Jahrhundert von Generation zu Generation vergrößerten, wie das Deutsche Archäologische Institut mit seinen zahlreichen Tochterinstituten, entstanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts oder wurden in ihm geplant165: Theodor Mommsens Corpus der lateinischen Inschriften beispielsweise oder sein weniger geglücktes Corpus nummorum veterum, die Prosopographia imperii Romani, Adolf von Harnacks Corpus der griechischen Kirchenschriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, der Thesaurus linguae Latinae, die altertumswissenschaftliche Realenzyklopädie oder etwa das Corpus der antiken Sarkophagreliefs im archäologischen Bereich. Das Griechenland klassischer Zeit war in ihnen nur in der Enzyklopädie präsent. Die Großunternehmungen bezeichnen einerseits den Höhepunkt der Altertumskunde des 19. Jahrhunderts, wie sie andererseits das geschlossene Weltbild des Philhellenismus sprengten. Daher gehörten die ersten Bände der jeweiligen Bücherreihen charakteristischer Weise überwiegend den neunziger Jahren an, in denen die Reden von Curtius, die einseitig humanistische Schulausbildung und die frühwilhelminische Politik endeten. Deren geschlossen klassizistisches Bild von der griechischen Kunst, Literatur und Kultur war die 162 Vgl. L. Gurlitt 1901, 122. 163 S. 3 der Einzelschrift von 1892, vgl. Anm. 136.; Curtius, Alterthum III² S. V. 164 Das ein Jahr nach der Rede vollendete Reichstagsgebäude von Paul Wallot missfiel Curtius wegen seiner nicht „tektonisch“ eingesetzten Reliefs: L. Gurlitt 1901, 123 f. 165 Vgl. S. Rebenich, Theodor Mommsen (2002) 135–151.

82

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Voraussetzung für das Entstehen des Wissenschaftsverständnisses des 20. Jahrhunderts gewesen. Dessen Auswirkungen lösten das Bild nun aber auf und die neuen Methoden zur Kulturerschließung wandten sich allen weiteren Kulturen zu. Damit wurden die nicht klassischen oder nicht antiken Kulturen dann aber auch mit denselben wissenschaftsaufwendigen Prädikaten bezeichnet, als entsprechend sinnvoll und ideal begriffen wie einst das klassische Griechenland im Philhellenismus. „Von den Vertretern der deutschen Altertumswissenschaft des 19. Jahrhunderts ist wohl keiner für den Zeitgeist so sehr repräsentativ wie Curtius,“ schrieb Karl Christ 1989.166 Es gilt das in doppeltem Sinn. Kein anderer Forscher repräsentierte die Antike an einem vergleichbar repräsentativen Ort über eine solch lange Zeit mit einem solchen Sendungsbewußtsein für ihre umfassende zeitgenössische Bedeutung wie Curtius in seinen Universitätsreden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Kein anderer deutscher Altertumswissenschaftler verkörperte wohl auch den Typus des Philhellenisten von klassizistischer Ausgewogenheit wie er bei seinen Forschungen, seinem Charakter, seiner gepflegten äußeren Erscheinung und seinem Ethos, das im Rückblick auf seine Reden abschließend zu betrachten ist. Auffallend hinsichtlich aller Reden ist das weitgehende Fehlen historischer Ereignisse, von Dichtern und Künstlern, von Dichtungen, Philosophien, Kunstwerken und Architekturen der Antike. Werden sie gelegentlich genannt, dann nur kursorisch gestreift, ohne ihnen Eigenleben zuzubilligen. Damit fehlen all die exemplarischen Bezüge, die das Bild der Antike gemeinhin prägen, ihm Farbe, Dichte oder Gestalt verleihen. Der Redner setzte sie voraus, aber nicht nur hier, sondern auch weithin in seinem wissenschaftlichen Werk. Die Antike wird nirgends inszeniert oder bezüglich Einzelerscheinungen dynamisiert, wie dann später, als das Neue Bild der Antike im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu ihrer Propagierung erdacht wurde, das sich schon in den oben genannten Reden von U. von Wilamowitz-Moellendorff ankündigte. Es findet sich bei Curtius auch kein zugespitztes Gefallen am eigenen Argument, keine wissenschaftliche Auseinandersetzung und kein Betonen des erstmaligen Gedankens. Entsprechendes gilt dann auch für die von ihm berücksichtigte Gegenwart. So sehr dem Redner daran lag, in einem längeren Zeitraum auf sie einzuwirken, der Leser erfährt nichts über die Großereignisse, über die gestaltenden Persönlichkeiten und Prozesse des späteren 19. Jahrhunderts, sieht man von den Hohenzollern, der Reichseinigung und dem Sieg über Frankreich ab. Vor allem der militärische Bereich spielt weder bezüglich der Antike noch angesichts der turbulenten Zeit Preußens und Deutschlands eine Rolle. Curtius’ Welt war friedlich, geprägt von Wissenschaft, Kunst und Religion, von Freundschaft und Gastfreundschaft, vom Gruß, von Arbeit im Bezug zur Muße, von der bürgerlichen Teilnahme am parlamentarischen Gesche-

166 Christ 1989, 68.

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

83

hen im monarchischen Verfassungsstaat, von Städten und einem auf kulturelle Werte zielenden Wettkampf bestimmt. Angesichts dieser Grundposition verweist nichts auf einen vom Altertum ausgehenden Sonderweg der Deutschen in das zwanzigste Jahrhundert.167 Ganz im Gegenteil, mit Entschiedenheit hat der Patriot Curtius sich gegen imperialistische Ausgriffe des jungen Reiches gewandt, vor der sich abzeichnenden Politik Wilhelms II. gewarnt, rassischen Vorurteilen durch projüdische Positionen vorgebeugt, innere Gegensätze auszugleichen versucht. Ludwig Gurlitt überliefert, „daß eine stark auf nationalen Geist dringende Tageszeitung es ablehnte“, seinen Nachruf auf Curtius aufzunehmen, „indem sie sein Wirken für ǥundeutsch’ erklärte“.168 „Ganz besonders charakteristisch für den Ausgleich seines Denkens und Empfindens ist die Thatsache, daß seine Vaterlandsliebe ihn nie blind gegen die Vorzüge anderer Nationen gemacht hat. … Immer wieder hat er mit feinem Takt den Ton getroffen, der das Verbindende zwischen den beiden Nationen [Frankreich und Deutschland] hervorzuheben bemüht war und das Trennende auf sich beruhen ließ. Für England und englisches Geistesleben hatte er eine besondere Vorliebe“, teilt Charlotte Broicher mit.169 Vor 1871 galt dieser Standpunkt auch für die Auseinandersetzung Preußens mit den übrigen deutschen Staaten. Die aggressive Politik Bismarcks stieß Curtius ab. „Mit wahrer Angst“ sah er „den dämonischen Mann auf seiner Bahn vorwärts gehen.“170 Wie der Kronprinz war er mit den preußischen Okkupationen in Norddeutschland nicht einverstanden. Von Bismarcks Politik wichen seine Ansichten auch strukturell ab. Abweichend von dessen Strategien setzte sein Harmoniebedürfnis auf Konfliktvermeidung. Grundsätzlich dürfte er den liberalen Vorstellungen Friedrichs III. und seiner Mutter nahe gestanden haben, wenn auch als Vertreter einer älteren Generation aus einer konservativeren Grundhaltung heraus. Eine Stärkung des Parlaments hätte er sich vorstellen können, aber keine parlamentarische Monarchie. Diese Divergenzen kommen in den vielen öffentlichen Reden aber nicht zur Geltung. Sie sind staatstragend. Mit dem späten Bismarck verband ihn das Ziel der europäischen Balance, mit dem früheren das der Reichseinigung. Als Curtius dem Fürsten 1869 seine Griechische Geschichte übergab, antwortete Bismarck Herman Grimm zufolge: „Wenn sie den Entwicklungsgang eines Volkes schildern, das bei einer seltenen Fülle geistiger Gaben durch Unei167 Vgl. Marchand 1996. In dem ausgezeichneten Buch wird der altertumswissenschaftliche Bruch in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts ausführlich analysiert, aber auch wieder eingeebnet, da die Gesamtdarstellung auf den Weg in die deutsche Katastrophe zielt. Um seinetwegen hat Marchand die deutsche Erforschung Griechenlands von 1750–1970 unter dem Leitbegriff des Philhellenismus zusammengefaßt, der hier nur für die Zeit vor der Schulreform (Marchand 134–142) Verwendung findet. Die Altertumswissenschaften vor und nach 1890 lassen sich so auch politisch besser gegeneinander abheben. 168 L. Gurlitt 1901, 134. 169 Broicher 1896, 590f. 170 Curtius 1903, 99. Vgl. Hassenstein 1989, 181.

84

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

nigkeit der Fremdherrschaft und inneren Zerrüttung anheimfällt, so gebe ich mich der Hoffnung hin, daß ihre Darstellung dazu beitragen wird, die Treue gegen das deutsche Vaterland zu stärken und die Notwendigkeit nationalen Zusammenhaltens auch in weiteren Kreisen zum lebendigen Bewußtsein zu bringen.“171 Eben darum hatte sich der Patriot Curtius nicht nur in seiner Griechischen Geschichte sondern auch in seinem hier publizierten Kolleg Griechische Kunstgeschichte bemüht. In seinen Reden handelte Curtius von Religionen, Staatsformen, Kulturen und deren einzelnen Erscheinungsformen, von Wissenschaft und Kunst, von den Zentren der antiken Welt und den Fortschritten in der Archäologie überwiegend recht allgemein mit der zum Anlaß gebotenen weihevollen Distanz des Festredners. Wortwahl und Satzbau waren relativ einfach, der Anlaß zur Rede erhaben und so auch der Gegenstand nach der Vorstellung des Redners. Im Verein mit dem oben charakterisierten Verzicht auf dramatische Passagen ergab sich der gleichmäßige Fluß eines harmonischen Ganzen. Sein Inhalt blieb stets vage, trotz aller Ausflüge in die Gegenwart. Denn die Konsequenz all der Vergleiche mit der Antike blieb offen. Welche Relevanz hatte schon der Zehnte Athens im 5. Jahrhundert für Bismarcks Steuerpolitik, die antike Xenia für das Einheitsstreben der Deutschen? Die Aussage war zunächst ethischer Art, bestand in vagen Parallelen zwischen der frühwilhelminischen Zeit und der idealen Antike. Daß sie dennoch ein Spiegel ihrer Zeit gewesen ist und damit auch ein gewisses politisches Gewicht besaß, folgt aus ihrem Zeugniswert für den Philhellenismus und aus ihrem Ende zur Umbruchszeit nach Bismarcks Rücktritt und während des deutschen Politikwechsels. Den Auflagen von Alterthum und Gegenwart und dem Abdruck im Deutschen Wochenblatt zufolge erreichten die Reden kurz vor ihrem Ende die größte Publizität. Das ist vordergründig widersprüchlich und bedarf der Erklärung. Die außenpolitischen Leitideen des Deutschen Wochenblatts sind oben angedeutet worden. Innenpolitisch richtete es sich auf das zusätzliche Zusammenwachsen der Nation und auf eine starke Monarchie aus. Das entsprach der Einstellung von Curtius, der sie für einen Teil der Gesellschaft auch verkörperte, weswegen das Deutsche Wochenblatt ihm zusätzlich die Möglichkeit bot, 1888 Gedenkworte auf Friedrich III. am Geburtstag des Verstorbenen gleichsam als einen kurzen Ersatz für eine Universitätsrede172 und 1891 Gedächtnisworte auf dessen Mutter, die Kaiserin Augusta173, zu publizieren. Der Autorenkreis der Zeitung über alle Jahrgänge war in hohem Umfang akademisch geprägt, was auf das gehobene Bürgertum als Zielpublikum der Zeitung und Wählerschaft der Freikonservativen zurückschließen läßt. Nicht selten war es mit den Lesern von Alterthum und Gegenwart identisch. Demokratische Bestrebungen wiesen das Deutsche Wo171 Grimm 1948, 239. 172 E. Curtius, Deutsches Wochenblatt 1, 1888, 349. 173 E. Curtius, Deutsches Wochenblatt 7, 1894, 543–544 (Zweitabdruck).

Der Professor: Ernst Curtius (1814–1896)

85

chenblatt und Curtius (vgl. Nr. 31) zurück. Soziale Reformen (vgl. Nr. 18) galten beiden als Verteidigungsmittel vor dem Umsturz, und beide strebten den kirchlichen Frieden unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Toleranz und der Unterordnung unter die staatliche Autorität (vgl. Nr. 9.17.20) an. Obwohl programmatisch nicht ausgewiesen174, wandte sich die Zeitung der Freikonservativen gegen antisemitische Tendenzen175 und stand auch hierin im Einklang mit Curtius (vgl. Nr. 19). Betrachtete die Zeitung den Archäologen nach all diesen Übereinstimmungen als einen ihrer geistigen Väter, so muß dem auch dessen Neigung zu dieser Partei in einem größeren Umfang entsprochen haben. Dazu paßt, daß auch sein Sohn Friedrich im Deutschen Wochenblatt publizierte.176 Doch in einer für die hier vorliegende Studie entscheidenden Anschauung gingen die Meinungen auseinander. Zwar veröffentlichte das Wochenblatt neben den Kaiserreden auch Curtius’ Jubiläumsansprache zum fünfzigjährigen Winckelmannsfest der Archäologischen Gesellschaft in Berlin177 und seine Rede über Die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft am Winckelmannstag ein Jahr später178, dazu auch zahlreiche Beiträge anderer Altertumswissenschaftler für seine gebildete Leserschaft. Aber hiermit verband sich kein Bekenntnis zu den Grundsätzen des Philhellenismus. Im Streit um die Schulreform forderten Herausgeber und Schriftleitung die Gleichberechtigung der Realgymnasien als der allein zeitgemäße Schultypus: „Der ideelle Werth aber des Humanismus gehört mehr der Vergangenheit als der Gegenwart an... Heut ist die Gegenwart weit über alles antike Maß hinausgewachsen. Weder die sozialen noch die allgemeinen Verhältnisse des Alterthums und der Neuzeit bieten Vergleichsmomente; die Gleichsetzung antiker und moderner Einrichtungen, wie Mommsen sie liebte, ist irreführend... [Es ist ein] schönes Kaiserwort [Wilhelms II.], daß wir nicht junge Griechen und Römer erziehen wollen, sondern junge Deutsche.“179 Da Curtius noch eher als Mommsen zu nennen gewesen wäre, handelt es sich um ein vernichtendes Urteil über die hier besprochenen Reden, ausgesprochen von der Partei, der der Archäologe sich am weitesten zuwandte. Das Kaiserwort war auf der Dezemberkonferenz 1889 gefallen und hatte Curtius tief getroffen180, war es doch das Ziel seines Lebens gewesen, die Deutschen durch die Fremdkultur der Hellenen patriotisch zu erziehen. Demnach ist bei der öffentliche Rezeption zwischen Curtius als rechtsliberalem Vertreter frühwilhelminischer Politik und Curtius als beispielhaftem Humanisten zu unterscheiden. Resonanz wurde kurzfristig nur seiner politischen Position zugetraut, doch ging die Entwicklung auch über sie hinaus. 174 175 176 177 178 179

Das Programm des Deutschen Wochenblatts ist in Jahrgang 1, 1888, S. 1 skizziert. Vgl. Deutsches Wochenblatt 5, 1892, 609–611. F. Curtius, Deutsches Wochenblatt 2, 1889, 77–80. 87–90 und S. 580–582. 595–599. E. Curtius, Deutsches Wochenblatt 3, 1890, 593–596; AA 1891, 30–35. E. Curtius, Deutsches Wochenblatt 4, 1891, 589–591; AA 1892, 7–10. Die Schriftleitung, Deutsches Wochenblatt 3, 1890, 598, unmittelbar an die Curtius-Rede o. Anm. 177 anschließend. 180 Vgl. L. Gurlitt 1901, 127.

86

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Am Winckelmannsfest 1891 hielt der greise Curtius der Vorstellung vom veralteten Altertum seinen Überblick über die archäologischen, epigraphischen, numismatischen und papyrologischen Fortschritte in den internationalen Altertumswissenschaften entgegen181. In ihr nahm er Abschied vom philhellenistischen Klassizismus: „Ihm [Winckelmann] stand das Griechenthum wie eine Sonne am Himmel, mit eigenem Licht die Welt erleuchtend, ohne Vorgang und Nachfolge. Hier sind wir unbefangener, geschichtlicher geworden. Wir denken nicht mehr daran, die Griechen für alle Zeiten als unbedingte Vorbilder hinzustellen, und wir erkennen von Tag zu Tag deutlicher, daß die Griechen im Völkerverkehr erst allmählich zu Hellenen geworden sind. Was bleiben soll, ist eine begeisterte Liebe, das unermüdliche Streben nach geschichtlichem Zusammenhange...“.182 Damit hat der beispielhafte Philhellenist die Gleichberechtigung aller Kulturen anerkannt und zu der Entwicklung übergeleitet, die wenige Jahre später ein Museum des Weltkulturerbes in Berlin planen und dann einrichten sollte. Zu ihr hat gerade er beigetragen, aber auch die Erziehung in der griechisch-römischen Antike, da sie über ein Jahrhundert den Blick für fremde Kulturen öffnete.

181 Vgl. o. Anm. 179. 182 E. Curtius, Deutsches Wochenblatt 4, 1891, 591; AA 1892, 10 f.

C. Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“ Die hier nach der Mitschrift Wilhelm Gurlitts vorgelegte Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“ von Ernst Curtius ist von ausschließlich wissenschaftsgeschichtlicher Bedeutung. Sie vervollständigt die Vorstellung von dem Archäologen Curtius um den kunsthistorischen Aspekt, der als Chorograph, Topograph, Ausgräber von Olympia und allgemein als kulturwissenschaftlich orientierter Archäologe und Organisator dieser Wissenschaft im 19. Jahrhundert von herausragender Bedeutung gewesen ist. Vom ausgehenden 18. bis tief in das 20. Jahrhundert galt die antike Kunstgeschichte als das zentrale archäologische Aufgabengebiet. Dieses auch für Curtius selbst, wie allein die Gegebenheit verdeutlicht, daß er diese Vorlesung 37 mal gehalten hat1, häufiger als jedes andere Kolleg, von 1857/58 bis zu seinem Tod 1896 in jedem Jahr und bis auf wenige Ausnahmen in jedem zweiten Semester. Diese Vorlesung galt ihm als Herz seiner Lehre und der von ihm vertretenen Wissenschaft. Hat er sie dennoch nicht publiziert, so einmal wohl weil seine eigenen Forschungen die Griechische Kunstgeschichte nur in begrenztem Umfang betrafen und er sich daher den Spezialisten auf diesem Gebiet nicht gewachsen fühlte.2 Dann aber auch, weil er als typischer Vertreter der Zeit seine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise der Antike nicht im Sinn Jakob Burckhardts zu vertiefender kulturgeschichtlicher Analyse zu optimieren vermochte. Im mittleren 19. Jahrhundert, als die wissenschaftlichen Gebiete sich schärfer als Disziplinen gegeneinander abzugrenzen begannen, blieb er der additiven Gesamtschau der kulturellen Phänomene in der Tradition Friedrich August Wolfs, August Boeckhs und Otfried Müllers verpflichtet. Daher forderte er, „daß die Archäologie als Zweig des Universitätsunterrichts nur fruchtbar sein kann, wenn sie mit Philologie, Geschichte und Erdkunde in lebendigem Zusammenhang erhalten wird.“3 Daher beschwerte er sich 1872 über die Studenten Berlins, „daß die mit alter Kunst sich Befassenden der Philologie den Rücken keh1

2

3

Nach den Vorlesungsverzeichnissen in Göttingen und Berlin im SS 44, 46, WS 47/48, 50/51, 59/60, 61/62, 62/63, 63/64, 64/65, 65/66, 66/67, 67/68, 68/69, 70/71, SS 72, WS 73/74, 74/75, SS 76, WS 77/78, 78/79, 79/80, 80/81, 81/82, 82/83, 83/84, 84/85, 85/86, 86/87, 87/88, 88/89, 89/90, 90/91, 91/92, 92/93, 93/94, 94/95, 95/96. Vgl. die Selbstcharakterisierung im Brief an Richard Lepsius vom 26.11. 67: „Wie könnte ich mich mit [Heinrich] Brunn vergleichen, wenn es archäologische Routine und ausgebreitete Denkmälerkunde gilt! Ich fühle nur zu deutlich, daß ich auf eine spezifisch archäologische Professur in der deutschen Metropole keinen Anspruch machen kann, und glaube daher auch nicht, daß die Fakultät so beschließen wird, wie ihre Freundschaft es wünscht.“ Curtius 1903, 585. In dem zuvor zitierten Brief.

88

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

ren.“4 Der Historiker, Philologe, Archäologe, Epigraphiker, Numismatiker, Topograph und Chorograph Griechenlands Ernst Curtius5 wäre in Deutschland wie kaum ein anderer dazu berufen gewesen, der seit Heyne verbindlich gewordenen Archäologie als Kunstwissenschaft eine kulturwissenschaftliche Interpretation der Griechischen Kunst gegenüberzustellen, in der sich Methoden und Aspekte all dieser Einzelbereiche zu fruchtbarer Analyse miteinander verschränkten. Wie einst Müller in seinen antiquarisch-kulturgeschichtlichen, kunsthistorischen, religionswissenschaftlichen und philologischen Lehrveranstaltungen vermochte Curtius sie jedoch nur aneinander zu reihen, obwohl er alle neuen Ergebnisse der kunsthistorischen Forschung in seiner „Griechischen Kunst“ zu berücksichtigen suchte. Damit blieb sie eine Kunstgeschichte aus philologischer Sicht, in die sich ausschließlich kunsthistorisch und archäologisch, am Material entwickelte Methoden nur schwer integrieren ließen, die die Zukunft des Faches seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bestimmten. Damals ahnte Curtius, daß er eine wissenschaftliche Position der Vergangenheit vertrat, weswegen er auf die Publikation seiner Kunstgeschichte verzichtete. Heute ist sie ein wichtiger Beleg dafür, wie weit die philologische Archäologie der philhellenistischen Sicht Heynes und Müllers in das spätere 19. Jahrhundert hineinwirkte. Im vollen Sinne einer angenähert systematischen Archäologie und einer Griechischen Kunstgeschichte hat die Vorlesung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine publizierte Parallele.

1. Die Geschichte der Vorlesung in Curtius’ Lehrangebot Unmittelbar nach der Habilitation nahm Curtius seine Lehrtätigkeit in Berlin im Wintersemester 1843/44 mit einer Vorlesung über die „Geographie und Topographie Altgriechenlands nebst Monumentenkunde“ und einer Übung zu Pausanias auf. Die Themen boten sich ihm an, solange er seine historisch-geographische Beschreibung der Peloponnesos schrieb, und bestimmten seine Lehre daher bis in die fünfziger Jahre. Um Erweiterung des schmalen Angebots bemüht, fügte er bereits im Sommer 1844, in seinem zweiten Semester als Dozent, die „Geschichte der griechischen und römischen Kunst“ hinzu. Mit ihr verbanden sich seine Hoffnungen auf eine baldige Professur, wie er seinen Eltern 1843 mitgeteilt hatte, als er ihnen seine Habilitationspläne unterbreitete und mit ihnen weitere Zukunftsvorstellungen entwickeln musste: „Es ist gegenwärtig kein einziger Dozent für alte Litteratur und Kunst von besonderer Bedeutung an der hiesigen Universität – nach menschlichem Dafürhalten sind die Aussichten günstig, … .6 Man klagt mit Recht darüber, daß die Kunstschätze Berlins für die Universität nicht den gehöri4 5 6

Brief an den Bruder Georg vom 13.12. 1872, Curtius 1903, 621. Vgl. o. S. 56-68, S. 421-426. Brief an den Vater vom 15.3. 1843, Curtius 1903, 302.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

89

gen Nutzen bringen, man wünscht sich, daß wieder Kunstgeschichte mit vollen Hörsälen gelesen werde. Dadurch wird natürlich mein Plan, auf die griechische Kunst mich mehr und mehr einzulassen, sehr bekräftigt.“7 Ausführlicher hat er die inneren und äußeren Beweggründe vor dem Beginn des Kollegs dargelegt, wiederum gegenüber den Eltern: „An der Universität werde ich den 6. Mai meine Vorlesung über Geschichte der Kunst bei den Griechen und Römern beginnen. Es ist nicht das Vertrauen auf Kenntnisse, sondern das Vertrauen auf die Schönheit des Gegenstandes, auf die Fülle der Hilfsmittel und auf die Kraft warmer Mittheilung, das mich hoffen läßt auf ein Gelingen der Vorlesung. Die Vorbereitung dazu führt mich täglich in die schönen Räume des Museums. … An unserer Universität sind drei angestellte Lehrer der Kunstarchäologie, darunter auch Gerhard, aber alle drei bringen kein ordentliches Kollegium zu Stande. Während also auf der einen Seite in keinem Fach hierselbst weniger an Beförderung zu denken ist, so ist auf der anderen Seite hier einem jungen Manne Gelegenheit geboten, ein Kollegium zu occupieren, welches, ordentlich gelesen, nach und nach ein Hauptkollegium der Universität werden müßte. Darum habe ich jetzt gleich den Versuch damit machen wollen, wenn ich auch darin nur als entschiedener Rivale befreundeter Männer auftrete, werde mich aber sonst vorzugsweise an alte Geographie und Geschichte halten, ein Fach, das gerade an unserer Universität gar nicht vertreten ist.“8 Gegenüber dem Vorjahr galt die Bedeutung des Themas nun für gewichtiger als die Aussicht auf Karriere. Sie fand er im ästhetischen Bereich, dann auch im religiösen, wie ein weiterer Brief hinzufügt.9 Beide erschienen ihm als Basis allgemeinen Interesses und eröffneten damit die Möglichkeit, an der Universität fachübergreifend zu brillieren. Die drei angesprochenen Kollegen sind Ernst Toelken, Eduard Gerhard und Theodor Panofka gewesen. Spezifisch kunstgeschichtlich ausgerichtet waren sie nicht. Regelmäßig hielten sie Vorlesungen, die „Archäologie der zeichnenden Künste“ (Toelken), „Archäologie der Kunst“ (Gerhard, Panofka) oder ähnlich hießen. Das entsprach in etwa dem zweiten Teil von Müllers Handbuch, bezog sich also auf eine systematische Kunstlehre der Griechen, schloss die Kunstgeschichte der Antike aber gänzlich oder überwiegend aus. Die „Geschichte der bildenden Künste bei den Alten“ war im Berlin der dreißiger und frühen vierziger Jahre in unregelmäßigen Abständen und in sehr unterschiedlicher Art von Aloys Hirt (WS 31/32, 35), Franz Kugler (SS 36, WS 42/43) und Gustav Adolf Schöll (SS 38, 41), einem Schüler K. O. Müllers, angeboten worden, einmal auch von Gerhard (SS 36) und Panofka (WS 45/46). Das änderte sich grundlegend mit 7 8 9

Brief an die Eltern vom 13.7. 1843, Curtius 1903, 306. Mit „man“ sind der Minister Eichhorn und der für die Universität im Kultusministerium zuständige Rat Johannes Schulze gemeint. Brief an die Eltern vom 19.4. 1844; Curtius 1903, 320. An Victorine Boissonnet am 25.2. 44 in typisch romantischer Sicht: „Du hast einen offenen Sinn für Kunst … als die Dienerin des Kultus, den Ausdruck des Gottesdienstes….“ Curtius 1903, 317.

90

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Gerhards Ernennung zum außerordentlichen (1843) und wenig später (1844) ordentlichen Professor für Archäologie.10 Danach stellten die allgemeinen Kunsthistoriker ihre Ausflüge in das klassische Altertum ein, die Archäologen die ihren in die auf die Spätantike folgende Zeit. Das für zentral gehaltene Thema fiel damit Gerhard zu. Er suchte ihm eher pflichtgemäß zu genügen. Zunächst las er es als „Griechische Kunstgeschichte“ (WS 43/44, SS 45), vom Winter 1848/49 bis in die sechziger Jahre als „Geschichte der Archäologie der Kunst“. In dieser Breite deckte das Kolleg die archäologische Kunstlehre und Kunstgeschichte so komplett ab wie das Müllersche Handbuch. An das Handbuch lehnte es sich direkt an, auch wenn Gerhard der Vorlesung seinen eigenen Grundriß von 1853 zugrunde legte, der Müllers Darstellung aber nur variierte und ergänzte.11 Panofka übernahm das zentrale Lehranliegen nur ein einziges Mal in den vierziger Jahren (WS 45/46). Das hat Gerhard sicherlich als Erleichterung empfunden, zumal Toelken der Aufgabe stets auswich. Das kunsthistorische Angebot seines Schülers Curtius dürfte Gerhard also begrüßt und nicht als Konkurrenz empfunden haben. Jedenfalls stellte er ihm zur selben Zeit kein konkurrierendes Angebot gegenüber, sondern überließ das Gebiet dem jungen Dozenten z. T. sogar ganz wie vom Sommer 1846 bis zum Winter 1847/48. Nach dem Sommer 1844 hat Curtius sein kunstgeschichtliches Kolleg während seiner ersten Berliner Lehrtätigkeit bis 1856 nur noch dreimal angeboten: im Sommer 1846 und im Winter 1846/47 während seines auf zwei Wochenstunden reduzierten Lehrdeputats als Erzieher der Erbprinzen, zuletzt im Winter 1850/51, als diese Aufgabe weggefallen war und sich die Lehre auf bis zu neun oder zehn Wochenstunden ausdehnte. Griff er angesichts der erweiterten Lehrverpflichtungen später nicht mehr auf die Kunstgeschichte zurück, dann weil er den erwarteten Lehrerfolg mit ihr nicht gehabt hatte, sich dem Thema nicht völlig gewachsen fühlte, schließlich auch weil er sich nach der Vollendung der zweibändigen Peloponnes-Beschreibung nicht, wie zunächst geplant, der Archäologie sondern in erster Linie der Geschichtsforschung zuwandte. Schon während der ersten Vorlesung über die „Griechische Kunstgeschichte“ hatte Curtius 1844 die Erwartung auf eine von der ganzen Universität beachtete Veranstaltung zurücknehmen müssen. Den Eltern schrieb er: „Meine Kunstgeschichte geht munter vorwärts. Wenn auch die Teilnahme daran nicht so bedeutend ist, wie ich gehofft hatte, so habe ich doch keine Ursache zu klagen. Er wird überhaupt nicht viel gehört in diesem Semester.“12 Die Schuld suchte er auch bei sich selbst, denn im Sommer 1846 und im Winter 1847/48 reduzierte er den Titel auf eine bescheidenere „Einleitung in die Geschichte der griechischen Kunst.“ Doch auch weitere Verbesserungen und Vervollständigungen seiner Kolleghefte bewirkten den Durchbruch nicht. Als er im Winter 1850/51 zum anspruchsvolle10 Vgl. S. Ahrens in: T. Bartsch - J.Meiner (Hrsg.), Kunst: Kontext: Geschichte, Festgabe für Hubert Faensen zum 75. Geburtstag (2003) 252f. 11 Vgl. o. S. 42. 12 Brief vom 9.6. 44, Curtius 1903, 323.

91

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

ren Titel zurückgekehrt war, war der Erfolg noch geringer: „Meine Erfahrungen an der Universität haben mich sehr niedergeschlagen gemacht. Zu den römischen Alterthümern meldeten sich so Wenige, daß ich nach der zweiten Vorlesung aufhörte. Die griechische Kunstgeschichte lese ich auf meiner Stube vor einem eifrigen, aber … kleinen Auditorium. Meine griechische Geographie ist sehr stark und eifrig besucht. … für die griechische Kunst ist ja keine Lust da, wenigstens nicht so viel, daß die Jünglinge dafür ihr Geld zu Markte tragen mögen. Ich dachte schon, zur Belebung dieser Studien beitragen zu können, doch dazu bin ich noch nicht weit genug.“13 Die Ursache suchte er also weiter auch bei mangelndem eigenem Vermögen. Von Göttingen (1856–1868) hatte sich Curtius ein Leben erwartet, das sich noch weitgehender auf Lehre und Forschung konzentrierte als früher. Die zwölf Jahre an der Georgia Augusta sollten ihm im Alter als der Höhepunkt seines Lehrerfolges erscheinen.14 An das Philologische Seminar berufen und in seinen Forschungen an die Vollendung seiner dreibändigen Griechischen Geschichte gebunden, wandte er sich archäologisch geprägten Lehrveranstaltungen zunächst nur indirekt über seine schon in Berlin erfolgreiche Geographie des griechischen Kulturraums zu. Zögernd nahm er die „Griechische Kunstgeschichte“ erst im Winter 1857/58 in das Lehrprogramm auf, in einer auf zwei Wochenstunden verkleinerten Form und ohne Berücksichtigung der Römer. Curtius’ Griechische Kunstgeschichte im Göttinger Lehrangebot15

WS 57/58

Historia artium Graecarum

priv.

2 SWS

13 Hörer

WS 59/60

Historia artium Graecarum et Romanarum

priv.

4 SWS

19 Hörer

WS 61/62

"

"

"

25 Hörer

WS 62/63

"

"

"

25 Hörer

WS 63/64

"

"

"

22 Hörer

WS 64/65

"

"

"

28 Hörer

WS 65/66

"

"

"

23 Hörer

WS 66/67

"

"

"

26 Hörer

WS 67/68

"

"

"

32 Hörer

13 Brief an den Bruder Georg von Ende 1850, Curtius 1903, 432. 14 Vgl. u. S. 95. 15 Die Angaben über die Zahl der Hörer in den privaten Lehrveranstaltungen von Curtius verdanke ich Dr. Ulrich Hunger, Universitätsarchiv Göttingen. Nach Auskunft des Archivs der Humboldt-Universität lassen sie sich in Berlin nicht ermitteln.

92

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Sie gewann 13 Hörer, was wohl zufriedenstellend war, aber auch nicht mehr. Als das weiter optimierte vierstündige Kolleg beim ersten Angebot im Winter 1859/60 19 Studenten anlockte, schrieb Curtius dem Bruder angetan: „Meine Vorlesungen sind gut besucht, über Erwarten die Kunstgeschichte.“16 Das ermunterte ihn, den Versuch nach einjährigem Abstand im Winter 1861/62 ein weiteres Mal zu wagen. Die nun 25 Hörer kommentierte er hoch erfreut: „… meine Vorlesungen sind in gutem Zuge, namentlich wird meine Kunstgeschichte mit rechtem Eifer gehört. … Der Anklang den meine Vorträge über Kunstgeschichte finden, erweckt in mir ein besonders lebhaftes Interesse für dies Gebiet der Altertumswissenschaft.“17 Nun kam es auch zur ersehnten Teilnahme von Studenten anderer Fakultäten.18 Die Zunahme der Hörerschaft allein veranlasste Curtius wohl nicht, dieses Kolleg nun vierstündig zur besten Tageszeit von 11–12 Uhr in jedem Wintersemester vorzutragen, d.h. als den gewichtigsten Gegenstand seiner Lehre. Denn die nun seltener gelesene „Geographie und Völkerkunde der Alten“ fand bei bis zu 43 oder 52 Besuchern (SS 1866, 1868) noch entschieden besseren Anklang. Hier wirkte sich Curtius’ internationales Renommé auf diesem Gebiet aus. Doch galt es ihm für die eigenen Forschungen als inopportun und überholt, im Gegensatz zur Kunstgeschichte, weswegen er ihr die intensivere Lehre zuwandte. Die Nachfrage nach ihr erhöhte sich gegen Ende der Göttinger Lehrzeit noch einmal geringfügig. Bei der hier publizierten „ Griechischen Kunstgeschichte“ waren 28, im Winter 1867/68 sogar 32 Hörer zugegen. Für die Philosophische Fakultät Göttingens der sechziger Jahre sind insgesamt vielleicht 400 Studenten pro Semester vorauszusetzen19, die in der Regel drei Semester am Ort blieben. Etwa 133 Studenten bildeten einen Halbjahrgang. Hörten 25 von ihnen die Griechische Kunstgeschichte, so hat sie etwa jeder fünfte Student der Fakultät besucht. Das Ergebnis ist umso erstaunlicher, als die Vorlesung in Konkurrenz zu Friedrich Wieselers Kolleg zum selben Thema am Archäologischen Seminar in jedem Sommersemester stand, was ein noch größeres Interesse an der Archäologie verdeutlicht. Daß sich Curtius mit seinem kunstgeschichtlichen Kolleg in den sechziger Jahren ein neues Forschungsgebiet zu erschließen suchte, belegt der oben zitierte Brief und war bei der absehbaren Vollendung der Griechischen Geschichte von 1867 naheliegend. Mit dem „Gebiet der Alterthumswissenschaft“ des Briefes ist angesichts der späteren Entwicklung des Schreibenden die Archäologie aber ganz allgemein gemeint, kaum eine spezielle Ausrichtung auf ihre kunstgeschichtliche Seite. Allerdings qualifizierte das kunstgeschichtliche Kolleg Curtius nach den 16 17 18 19

Brief vom 2.12. 1859, Curtius 1903, 536. Brief an den Bruder Georg vom 3.11. 1861, Curtius 1903, 553. Briefe vom 9.11. 1864 und 23.11. 1865, Curtius 1903, 571. 576. In die Philosophische Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin hatten sich im Winter 1859/60 563 Studenten eingetragen: Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 84, 1861, 44. Ich gehe von der Voraussetzung aus, daß die Zahl in Göttingen um etwa ein Viertel geringer war.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

93

damaligen Vorstellungen allein für eine archäologische Professur und damit für eine Rückberufung nach Berlin. Sein sicherlich nie aufgegebener Plan, Olympia auszugraben, hatte die Nachfolge auf dem archäologischen Lehrstuhl Gerhards zur Voraussetzung. Für ihn waren die Beschäftigung mit der griechischen Kunst und nur dieses Kolleg die Voraussetzung. Entsprechend pries er sich bereits im Wintersemester 1863, als er eben zur jährlichen Lesung der Kunstgeschichte übergegangen war, dem Ägyptologen Richard Lepsius in Berlin an, der später seine Interessen bei den Berufungsentscheidungen 1867/68 besonders intensiv vertrat: „Was mich, von meinen Freunden abgesehen, am meisten nach Berlin ziehen würde, das wäre das Museum und die Hoffnung, in Verbindung mit diesem etwas dafür thun zu können, daß in Preußen für eine würdige Pflege der Kunst mehr geschehe.“20 Kurz bevor der Ruf nach Berlin erfolgte, begründete er die erhoffte Wahl damit, „daß man jetzt wieder in Berlin an mich denkt, wo in der That Alles darauf ankommt, daß endlich einmal die alte Kunstgeschichte an der Universität in geeigneter Weise vertreten wird“21, also mit der Eignung für diese Vorlesung. Mit ihr hat Curtius seine Rückkehr nach Berlin also gezielt vorbereitet und mit ihr auch die Voraussetzung für seine Olympia-Grabung geschaffen. Für diese Deutung spricht ein weiteres Indiz. Unter Beteiligung preußischer Generalstabsoffiziere und mit der finanziellen Unterstützung Wilhelms I. unternahm Curtius 1862 eine Expedition nach Athen, die zu Grabungen und einer ersten korrekten kartographischen Aufnahme von Athen führte und die er später als eine Vorbereitung für die Olympia-Grabung bezeichnete.22 Schon bei der Vorbereitung des Unternehmens 1861 erneuerten sich offizielle Kontakte mit Berlin und verstärkten sich die Gedanken an eine mögliche Rückkehr. Ihnen verlieh die Veränderung der Lehre zugunsten des zuvor in Göttingen gering ausgeprägten archäologischen Anteils einen realistischen Hintergrund. Ab dem Winter 1861/62 las Curtius die „Griechische Kunstgeschichte“ in jedem Wintersemester. Mit der „Griechischen Kunst“ als Zentrum seiner Lehre führte sich Curtius im Wintersemester 1868/69 in Berlin ein. Er erweiterte die Vorlesung nun sogar auf fünf Wochenstunden. Ab dem Winter 1869/70 ging er noch darüber hinaus. Denn nun trennte er die bisher noch mit dem ersten Teil der „Griechischen Kunstgeschichte“ verbundene Kunstlehre23 als eigene Lehrveranstaltung von dem historischen Kern ab. Unter dem Titel „Die Archäologie der griechisch-römischen Kunst“ las er auch sie viermal in der Woche und überwiegend zu der von ihm bevorzugten Uhrzeit von 11–12, in der er seit Göttingen auch die Kunstgeschichte am liebsten vorzutragen pflegte. Hierbei muss er den Stoff erheblich erweitert 20 Brief vom 17.1. 1863; Curtius 1903, 560. 21 Brief vom 26.11. 1867; Curtius 1903, 585. 22 Ernst Curtius, Sieben Karten zur Topographie von Athen (Gotha 1868), in Bezug zu Olympia gesetzt in Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Ministerium der Geistlichen- und Unterrichts-Angelegenheiten Inv. Nr. I. HA Rep 76 Ve Sect. 15 Abt. VI Nr. 19a Bd. I, Blatt 1–5, vgl. Wrede 2009, S. 182 f. 23 Vgl. u. S. 173-223.

94

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

haben. Nach der Abspaltung reduzierte er die Stundenzahl der Kunstgeschichte wieder auf vier. Durch die Aufteilung gewann er acht Wochenstunden für das einstige Kolleg und zwei Hauptveranstaltungen, die darauf angelegt waren, sich – wie vom Winter 1878/79 an auch durchgeführt – von Semester zu Semester abzuwechseln. Hatte Otfried Müller einst damit gerechnet, daß in einem Semester von 17 Wochen 100 Kollegstunden nicht ganz ausreichen würden,24 den Stoff seines Handbuchs zu vermitteln, so standen Curtius nun 136 Veranstaltungen für den gleichen Gegenstand zur Verfügung, dessen Umfang sich nach einer Generation allerdings stark vergrößert hatte. Als Direktor des Antiquariums der Berliner Museen, als Mitglied in der Zentraldirektion des Deutschen Archäologischen Instituts, als Sekretär der philosophisch-historischen Klasse in der Akademie der Wissenschaften, als Vorsitzender der Archäologischen Gesellschaft oder der Singakademie, durch zahlreiche weitere Ehrenämter und seit 1875 auch durch die Leitung und publikatorische Betreuung der Ausgrabungen in Olympia wie nicht zuletzt durch die große Zunahme der gesellschaftlichen Verpflichtungen ist Curtius’ Lehre während seiner zweiten Dozententätigkeit in Berlin stark beeinträchtigt worden. Nahm die Lehrverpflichtung in Göttingen 10 bis 12 Semesterwochenstunden ein, so lag sie in Berlin bei 7, bis sie in den allerletzten Jahren ab dem Winter 1892/93 dann noch einmal reduziert wurde. In weitem Umfang wurde sie von der jeweils vierstündigen Kunstgeschichte und der „Archäologie der griechisch-römischen Kunst“ abgedeckt. In der Regel kamen noch einstündige „Archäologische Übungen“ in jedem Semester hinzu. Gewöhnlich blieben nur zwei weitere Semesterwochenstunden, die mit einem zusätzlichen Kolleg von historischem, geographischem oder speziellem archäologischem Inhalt gefüllt wurden. Fraglich erscheint, inwieweit Curtius seine jetzt weitgehend archäologische und durch wiederholte Angebote geprägte Lehre noch ähnlich kontinuierlich optimierte, wie das für die „Griechische Kunstgeschichte“ von 1864/65 nachweisbar ist.25 Hierauf läßt die erhöhte Vortragsdauer bei beiden Hauptveranstaltungen zwar schließen, doch begründete sie sich zumindest z. T. durch eine veränderte Darstellungsform. Carl Friederichs, der im Gebiet der Griechischen Kunstgeschichte weitaus bedeutendste Archäologe Berlins im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts26, verband seine Lehrveranstaltung zur „Geschichte der griechischen Plastik“ im Wintersemester 1859/60 mit der „Erläuterung einer Auswahl der in den Königlichen Museen befindlichen Denkmäler“. Hieran knüpfte Curtius, der Nachfolger von Friederichs als Direktor des Antiquariums, seit 1872 an, indem er die „Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen und Römern“ und die „Archäologie der griechisch-römischen Kunst“ mit „Benutzung der Denkmäler des Museums“ ankündigte. Die verbun24 s. o. S. 39. 25 Vgl. u. S. 99. 26 Vgl. die ungedruckte Magisterarbeit der Humboldt-Universität zu Berlin: Anita Müller, Der Berliner Archäologe Carl Friedrichs (1831–1871), Leben und Wirken (2004), dort S. 52–55 zu seiner Lehre.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

95

dene Arbeit vor und mit den Skulpturen und kleineren Denkmälern war zeitaufwendig. Das Hinzuziehen der Monumente erhöhte die Anschaulichkeit der Ausführungen und verstärkte ihren archäologischen Anteil auf Kosten des philologischen. Eine neue Hinwendung des Dozenten zu ansatzweiser Formanalyse ist ihm, wie die Nachschrift von G. Braun verdeutlicht, nicht zu entnehmen, wohl aber das Bemühen um erhöhte Attraktivität. Denn in Berlin wiederholte sich der Lehrerfolg von Göttingen nicht. Daher klagte Curtius dem Bruder Georg im Dezember 1872: „An der Universität sind noch immer gegen dreihundert Philologen, aber es herrscht unter ihnen eine sehr banausische Richtung. In Göttingen war schließlich kein einziger der dort studierenden Philologen, welcher nicht eine Vorlesung über Kunstgeschichte hörte. Hier vielleicht kaum der sechste Teil. Und dann ist das Schlimme, daß die mit alter Kunst sich Befassenden wieder der Philologie den Rücken kehren.“27 Brauns Kurzfassung des Kollegs von 1878/7928 zeigt, daß es mit der Kunstgeschichte des Winters 1864/65 im Wesentlichen übereinstimmte. Neue stilistische Einsichten zur Beurteilung der frühgriechischen Kunst waren zwar gegeben und stützten sich gerade auf olympische Funde. Sie vermochten die ältere Periodeneinteilung von Curtius aber nicht zu verändern, die seinen nach wie vor philologisch geprägten kulturgeschichtlichen Vorstellungen folgten. Wie in den übrigen Fächern der Universität wurde die Entwicklung seit den siebziger Jahren auch in der Klassischen Archäologie durch eine verstärkte, zum Positivismus führende Differenzierung bestimmt. Bei Curtius spiegelte sie sich nur darin, daß er seit dem Winter 1869/70 die systematische „Archäologie der Kunst als ein eigenes Kolleg aus seiner handbuchartigen Überblicksvorlesung abspaltete, die „Griechische Kunstgeschichte“ in komprimierter Form aber bis in die neunziger Jahre weiter in einem Semester vortrug. In Berlin verteilte Carl Robert seine Kunstgeschichte der Antike seit 1876/77 auf zwei Semester. Dazu verselbständigte er die Hellenistische Kunst als ein eigenes Thema. Reinhard Kekulé bot ab 1890 einen dreisemestrigen Vorlesungszyklus zur ausschließlich Griechischen Kunst in Berlin an. Analog verfuhr Adolf Furtwängler, außerordentlicher Professor von 1884 bis 1894. In seinem besonders vielseitigen Berliner Unterricht waren thematische Wiederholungen sonst so selten, als böte ihnen der Verfall kanonischer Lehrinhalte keine Rechtfertigung mehr. Damit errangen die verschiedenen Kunstepochen der Griechischen und z. T. auch die Römische Kunst ansatzweise Gleichrangigkeit zu der Zeit, in der die Schulreform Wilhelms II. die Vorherrschaft der humanistischen Gymnasien beendete. Als sei es ein Gegenargument und der Kern des ausklingenden philhellenistischen Klassizismus philologischer Prägung, setzte allein Curtius seine komprimierte „Griechische

27 Brief vom 13.12. 72, Curtius 1903, 621. 28 s. u. S. 130-134.

96

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Kunst“ fort, deren Forschungsstand schon die Berliner Konkurrenz hinter sich gelassen hatte. Andere haben später ein Altersporträt des nun weltberühmten Mannes aus der Perspektive des Hörsaals gegeben. Sie schilderten das Pathos des Vortrages seiner philhellenischen Ideale, eine gewisse Weltverlorenheit, aber auch seine andauernd gepflegte Wortwahl und Erscheinung.29 Gelegentlich ist von einem kleinen Hörsaal die Rede. Guter Vorlesungsbesuch ist für 1884 bezeugt. Im konkurrierenden Lehrangebot zog der Ruf des nun berühmten Lehrers an, weniger seine traditionelle Lehre.30 Curtius’ akademische Lehre während der langen zweiten Berliner war zwar durch eine weitgehende Spezialisierung auf die Archäologie bestimmt. Vertreten hat er sie aber aus der allgemeinen kulturgeschichtlichen Perspektive der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sein langjähriger Berliner Kollege Carl Robert, selbst ein philologisch ausgerichteter Archäologe, fand hierfür am 22. Dezember 1891, zum fünfzigjährigen Jubiläum der Promotion in Halle, das einem Nachruf nicht unähnliche Lob: „Was mir als das eigentlich Bedeutendste an Ihrer wissenschaftlichen Persönlichkeit erscheint, so ist das die tiefe, Ihr ganzes Forschen durchdringende Empfindung für die Einheit der Altertumswissenschaft und für die Würde der Altertumswissenschaft. Für die Einheit der Altertumswissenschaft, die sich nicht zerlegen lässt in einzelne Disziplinen, bei der sich nicht die Betrachtung der Kunst trennen läßt von der Dichtung, Philosophie, Geschichte und Religion.“31 Die Worte kennzeichnen den akademischen Lehrer Curtius der Spätzeit gleichermaßen. Sie entsprechen dem Urteil vieler archäologischer Fachkollegen in ihren tatsächlichen Nachrufen auf den Verstorbenen und sind doch ungerecht. Denn wie Robert so vermochten auch sie, den Archäologen Curtius nur aus der begrenzten Perspektive der Kunstarchäologie zu beurteilen. Daß Curtius’ eigentlicher Beitrag zur Archäologie im Bereich der Geographie und Landesbeschreibung, der Topographie und Stadtgeschichte, über seine Olympiagrabung bei einem auf Kontexte zielenden Grabungswesen, bei der Beachtung moderner archäologischer Denkmalgesetze und der auch außeruniversitären Organisation seiner Wissenschaft gelegen hat und damit von grundsätzlich kulturgeschichtlicher Art gewesen ist, drang nicht in das allzu sehr von der akademischen Tätigkeit geprägte Bewußtsein der Fachkollegen vor.

2. Zum Inhalt der Vorlesung im Winter 1864/65 Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“ aus dem Wintersemester 1864/65 wird nachstehend der wissenschaftlichen Öffentlichkeit in der Mitschrift 29 s. o. S. 48-52. 30 o S. 52, u. S. 133. 31 Wiedergegeben bei Kern 2008, 98.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

97

von Wilhelm Gurlitt zur Bewertung vorgelegt. Diese vorwegzunehmen, kann nicht das Ziel des begleitenden Textes sein. Eine ungefähre Bestimmung ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Position mag aber all den Benutzern hilfreich sein, welche die Vorlesung zu einzelnen Monumenten oder Denkmälergruppen, zu zeitlichen Ausschnitten, singulären Methoden oder Beurteilungen ausschnitthaft hinzuziehen. Im Winter 1864/65 hatte Curtius dieses Kolleg zuvor bereits fünfmal vierstündig32 und in verkürzter Form dreimal zwei- oder dreistündig33 gelesen. Die kürzeren Versionen waren als „Einleitung in die Geschichte der griechischen Kunst“ bzw. als „Die Geschichte der bildenden Künste in Griechenland“ tituliert. In ihnen war also darauf verzichtet worden, den Annex zur Römischen Kunst und den systematischen ersten Teil der vollständigen Vorlesung vorzutragen, der allgemeine Definitionen, Kunsttheorie und Wissenschaftsgeschichte betraf, dazu die einzelnen Kunstgattungen mit den zugehörigen Techniken vorstellte. Damit konzentrierten sich die Kurzfassungen auf die historische Entwicklung der Griechischen Kunst und optimierten deren Darstellung in der Abfolge des Angebots. Vollständig trug Curtius die „Geschichte der griechischen und römischen Kunst“ zuerst im Sommer 1844 vor, im zweiten Semester seiner Dozententätigkeit. Von all den oben genannten und beschriebenen Publikationen zur Kunstgeschichte der Hellenen bot damals nur Müllers Handbuch der Archäologie der Kunst eine umfassende Orientierung an. Dazu hatte Curtius Müllers Vorlesung „Archäologie und Geschichte der Kunst bey den Alten“ im Sommer 1835 gehört34, sicherlich auch eine Mitschrift verfaßt und die zweite Auflage des Handbuchs aus demselben Jahr vermutlich erworben. Entsprechend hat er das Handbuch hoch gewürdigt: „Keine Forschung ist mehr als die Denkmälerforschung der Gefahr ausgesetzt, sich in das Einzelne zu verlieren. Darum ist es ein unvergängliches Verdienst Müllers, daß er die von Winckelmann begründete Kunstgeschichte mit der Kunstmythologie und der Kenntniß der antiken Technik zu einem wissenschaftlichen Ganzen verbunden und mit seinem organisatorischen Talent in der „Archäologie der Kunst“ ein Werk zu Stande brachte, das fertig vorlag, ehe man an die Ausführbarkeit gedacht hatte, ein Werk mit sicherer Hand gegliedert, reich an Stoff und anregenden Gedanken, ein Werk das noch heute [1880] unentbehrlich und unübertroffen ist, obgleich kein Zweig historischer Wissenschaft sich in den letzten Decennien reicher entwickelt hat“35. Die Sätze fegen die ältere Tradition des Handbuchs zur Seite, als habe es sie nicht gegeben und kennzeichnen damit auch die wissenschaftliche Situation für sein eigenes 32 33 34 35

SS 44, WS 59/60, 61/62, 62/63, 63/64. SS 46, WS 47/48, 50/51. C. Curtius, 1897, 8 nach einem Brief von E. Curtius an Geibel vom Juni 1835. Rede vom 19. 7. 1880 bei der Aufstellung von Müllers Statue in dem Portikus des Alten Museums in Berlin. Erstabdruck in der Kölnischen Zeitung vom Tage. Nachdruck in: Curtius, Alterthum II² 255–260, hier S. 258. Vgl. auch Curtius’ Aussagen über das Handbuch in der Besprechung des Briefwechsels Boeckh-Müller: Alterthum III² 167 f. 173.

98

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Kolleg über die Griechische Kunst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine wissenschaftsgeschichtliche Einordnung des Kollegs ist daher zu einem wesentlichen Teil auf den Vergleich mit Müllers Handbuch verwiesen. Wie stark die Abhängigkeit 1844 gewesen ist, ist nicht mehr zu erschließen. Die Veränderungen im Vorlesungsangebot legen nahe, daß die Erstlesung bereits so dreiteilig gewesen ist wie 1864/65, also aus einer propädeutischen Einleitung und zwei Teilen bestand, zunächst der Archäologie der Kunst und dann der eigentlichen Kunstgeschichte, die bei den Nachwirkungen Griechischer Kunst in der römischen Kaiserzeit endete. Das Gliederungsschema hatte bereits Heyne vorgegeben.36 Wie bei den meisten Kollegen der Zeit stellte sich Curtius zunächst die Aufgabe, den zu breiten Stoff des Handbuchs durch eine abweichende Gliederung und Kürzungen an die bemessene Zeit einer Vorlesung anzupassen.37 Schon das war mit inhaltlichen Veränderungen verbunden. Wie andere Archäologen hat Curtius die beiden Haupteile in der Reihenfolge ausgetauscht.38 Das begründete sich aus den grundlegenden Veränderungen, die er am zweiten Teil des Handbuchs vornahm. Aus der „Systematischen Behandlung der antiken Kunst“39 ließ er die „Geographie der alten Kunstdenkmäler“ als Teil eines abweichenden Kollegs, vor allem aber den gesamten zweiten und dritten Teil fort, die die Darstellungsprinzipien der nackten menschlichen Gestalt, Kleidung und Attribute, in erster Linie aber die antike Ikonographie betreffen. Somit verblieb der Überblick über die Kunstgattungen, deren Hauptformen und Technik.40 Ihn nannte Curtius „die monumentale Überlieferung der antiken Kunst“, der er einen sehr kurzen Abschnitt über die „literarische Überlieferung“ zu ihr vorschaltete.41 Der von Müllers zweitem Teil verbliebene Überblick über die Kunstgattungen, Hauptformen und Techniken erbrachte so die Voraussetzungen für die Kunstentwicklung und fand seinen Platz daher vor der Kunstgeschichte. Der Vorlesungsstoff war gegenüber Müllers Handbuch um fast die Hälfte gekürzt. Da er sich so überhaupt erst vortragen ließ, ist diese Gliederung schon für das erste Kolleg von 1844 vorauszusetzen. Gerade wenn man sich die Wiederholungen des Kollegs in den zwanzig Jahren bis 1864/65 nach der Art stetig verbesserter Neuvorlagen vorstellt, ist in Berlin der Unterschied zu Franz Kuglers und Jakob Burckhardts Bearbeitung desselben Themas bemerkenswert. Denn Curtius verkehrte in den vierziger Jahren im Haus Kuglers und muß sich dort 1846/7 wegen der gemeinsamen engen Freund-

36 37 38 39 40 41

Vgl. o. S. 16 f. Vgl. o. S. 39–42. Vgl. o. S. 37 mit Anm. 113. Müller 1848, 320–766. Müller 1848, 365–466. Gurlitt, Seite 5–31, u. S. 173–223. Bei Hiller, Folio 6v ist die Gliederung des ersten Hauptteils klarer gekennzeichnet, weil er mit einem unterstrichenen „Die Überlieferung“ den gemeinsamen Titel beider Abschnitte tradiert.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

99

schaft mit Emanuel Geibel auch häufig mit Burckhardt getroffen haben42, als dieser die Zweitauflage von Kuglers Handbuch der Kunstgeschichte43 besorgte. Sie ergänzte die Erstauflage zwar nur um etwa ein Zehntel und bewahrte auch deren klassizistischen Charakter, so etwa bei der Beurteilung der Römischen Kunst als epigonal, öffnete sich insgesamt aber doch weiter der universalgeschichtlichen Betrachtung mit ihrer Aufwertung des Römischen und der mittelalterlichen Kunst in der dritten Fassung von 1856. Hierzu trug schon die besondere Wertschätzung der von Curtius eher vernachlässigten Architektur bei, da ihre nachchristlichen Werke einen abweichenden Standpunkt voraussetzten. Curtius’ Kolleg und Kuglers Handbuch eignet ein völlig abweichender Zugriff auf die häufig selben Monumente. Bilden sie bei Kugler und Burckhardt den Ausgangspunkt der Betrachtung, Beschreibung und Bewertung, so sind sie bei Curtius weit stärker mit antiken Textquellen und historischen Umständen verwoben, in eine grundsätzlich philologische Sicht hineingestellt, welche dem Handbuch Müllers entspricht. Dessen Kenntnis und Einfluß sind zwar auch für Kugler und Burckhardt vorauszusetzen44, vermochten ihre prinzipiell formale und daher moderne Analyse der Architekturen und Kunstwerke aber nicht einzuschränken. Curtius’ Sichtweise teilte Gerhard in seinen Darstellungen der Griechischen Kunstgeschichte, weil auch sie am Müllerschen Handbuch orientiert waren. Daher erfolgte die methodische Abgrenzung zu den Kunsthistorikern bewußt. Das folgt auch daraus, daß Curtius Kuglers Handbuch in seinem Kolleg nirgends zitierte, obwohl es ihm bekannt gewesen sein muß und er es wahrscheinlich auch besaß. Charakteristischer Weise wies er nur auf zwei separate Studien Kuglers zur antiken Architektur hin.45 Diese philologisch geprägte Abgrenzung zur zeitgenössischen kunsthistorischen Forschung verhinderte eine zeitgemäße Fortentwicklung der archäologischen Kunstgeschichtsschreibung in Berlin, wo deren Voraussetzung am ehesten gegeben war. Zuvor wurde eine Optimierung der Vorlesung von Angebot zu Angebot vorausgesetzt. In dem hier vorgelegten Kolleg von 1864/65 ist sie durch 65 Zitate nachzuweisen, die wissenschaftliche Publikationen von 1860–1864 nennen. Curtius bemühte sich also intensiv um den jüngsten Forschungsstand. Nicht zu erschließen ist die Art, wie er ihn optisch vermittelte. Die Abgußsammlung der Göttinger Universität stand seinerzeit für Lehrveranstaltungen nicht zur Verfügung.46 Dem Auditorium konnten allenfalls ausgewählte einzelne 42 Zum Verkehr mit Kugler: Curtius 1903, 286 (Brief vom 9. 2. 1842); 321 (Brief vom 19. 4. 1844); 345 (Brief vom 20. 1. 1845). Zu Treffen mit Burckhardt und Geibel in Kuglers Haus: W. Kaegi, Jacob Burckhardt. Eine Biographie III (1956) 55 f. 43 F. Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte2 (1848). 44 Bei Burckhardts Züricher Vorlesung „Archäologie der griechischen und römischen Kunst“ von 1855/56 war O. Müller „der selbstverständliche Begleiter“: Kaegi a. O. III 577 f. 45 Gurlitt, Seite 20. 39, u. S. 203. 242. 46 K. Fittschen (Hrsg.), Verzeichnis der Gipsabgüsse des Archäologischen Instituts der Georg-August-Universität Göttingen (1990) 12.

100

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Gipsabgüsse der Skulpturen vorgeführt werden. Weder Gurlitt noch Hiller kennzeichnen sie oder die ihnen vorgelegten Abbildungen ausreichend. Dass präsentierte Abbildungen vorauszusetzen sind, folgt aus der Fülle der eingehenden Beschreibungen, etwa der Giebelskulpturen von Ägina in München, des Harpyienmonuments von Xanthos, des Hephaisteions und der Parthenonskulpturen in Athen oder der Florentiner Niobiden. Nach aller Wahrscheinlichkeit boten die Stiche in Otfried Müllers und Carl Oesterleys Denkmälern der alten Kunst eine Grundlage. Deren beide Bände hatte Friedrich Wieseler 1854, 1860 und 1861 in Göttingen überarbeitet und um ein weiteres Heft 1856 ergänzt. Das für kunstgeschichtliche Kollegien konzipierte Abbildungswerk war in Wieselers Archäologischem Seminar in Göttingen vermutlich in größerer Zahl vorhanden.47 Durchgehend sind die während der Vorlesung genutzten Abbildungen nur für Anselm Feuerbachs Geschichte der griechischen Plastik von 1853 überliefert. Zu Dreivierteln beziehen sie sich auf Oesterleys Stiche.48 Bei dem Rest herrschen reich illustrierte Standardwerke vor, etwa A. L. Millins Monuments antiques von 1802 oder seine Mythologische Galerie von 1820. Im Göttinger Kolleg von 1864/65 war die Bildpräsentation vermutlich ähnlich. Jedenfalls geht aus einem Brief vom Februar 1844 hervor, daß Curtius „große Kupferwerke“ schon während der Erstlesung der „Griechischen Kunstgeschichte“ im Sommer 1844 im Expeditionszimmer der Königlichen Bibliothek in Berlin vorgelegt hatte.49

Die Einleitung der „Griechischen Kunstgeschichte“ ist gegenüber der des Handbuchs stark verkürzt.50 Von nachgestellten Literaturüberblicken werden beide zweigeteilt. Bei Müller betrifft der erste Teil die „Theorie der Kunst“, bei Curtius gilt er einer Definition von Kunst und vor allem von Griechischer Kunst unter Vermeidung philosophischer Ansätze und grundsätzlicher Aussagen über Künste und Formen. Beide Ausführungen stimmen bei der Erörterung des Kunstbegriffs überein. Sie setzen einen natürlichen Trieb voraus, das Geistige sinnlich darzustellen. Müllers dem 18. Jahrhundert verpflichtete Vorstellung von der Kunstidee als einer Äußerung des „gesunden Empfindungslebens“, welches Schönheit, Anmut und die Einheit des Ganzen gesetzlich nach sich zieht, hat Curtius nicht übernommen, weswegen er das Phänomen der Klassik weniger zu begründen vermochte. In romantischer Weise betonte er das logisch nicht zu erfassende „Mysteriöse“ des Zeugungsprozeß im Kampf zwischen ȝĮȞ઀Į und ıȦijȡȠıȪȞȘ, das zur Offenbarung des Göttlichen führe. Die Inspiration und das Genie des Künstlers treten hervor. Curtius’ Ablehnung, den Schöpfungsprozeß näher zu 47 Gurlitt zitiert das Stichwerk stark verkürzt als „Denkm.“ – z. B. Seite 89, u. S. 351 –, was den selbstverständlichen Umgang mit ihm voraussetzt. 48 Vgl. o. S. 40. 49 Curtius 1903, 313, Brief vom 4. 2. 1844 an den Bruder Georg. 50 Müller 1848, 1–23; Gurlitt, Seite 1–4, u. S. 165–173.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

101

analysieren, ließ ihn auch darauf verzichten, „einfachste und allgemeinste Gesetze der Kunst“51 analog dem Handbuch zu erörtern. Ebensowenig übernahm er den Vergleich der Künste untereinander und damit ein Eingehen auf Raum und Zeit, abstrakte und organische Darstellungsprinzipien als Grundkategorien. Müllers Definitionen von „Styl“, Symbol und Typus52 ließ er fort. Und wo Müller die einzelnen Gattungen der bildenden Kunst einander vergleichend gegenüberstellte53, verfaßte Curtius einen einzigen Absatz zur Erklärung des Tektonischen. Nur dieser von Müller eingeführte Begriff für das „Gebiet der Raumbildung“ und für eine zweckgebundene Formgebung, den Curtius in der Auslegung durch K. Bötticher übernahm54, bedurfte der Vorstellung vor den Studenten. Damit grenzte Curtius aus seiner Einleitung in die „Griechische Kunstgeschichte“ all dasjenige aus, was das Handbuch rudimentär als Grundlage einer eigenständigen Formbetrachtung seit 1830 anbot. Müllers Abschnitt zur „geschichtlichen Erscheinung der Kunst“55, der zur anschließenden Kunstgeschichte überleitet, ersetzte Curtius durch eine Definition der hellenischen Kunst und ihrer andauernden Relevanz, die im Handbuch in dieser zugespitzten Eindringlichkeit keine Parallele findet: „Als Hellene“ habe „der Mensch zuerst seine ganze Kunstfähigkeit entwickelt, weswegen sie für alle Zeit mustergültig geblieben“ sei. Als Gestaltung des Guten und Wahren sei die Griechische Kunst schön gewesen, von nationalem Interesse und von nationaler Geltung. „Die Künstler waren Männer des Volkes, von allen gekannt; jetzt ist es nicht so.“56 Kunst, Tugend und Nation bedingen sich hier wechselweise. Da in der Gegenwart nur unzureichend gegeben, erklärte Curtius ihre Rückgewinnung zum Ziel der Vorlesung. Curtius las sie in Göttingen folglich als philhellenistischer Patriot, der die politische Entwicklung der sechziger Jahre auf die Entstehung Deutschlands unter preußischer Führung ausgerichtet sah. Die Einheit des Vaterlandes suchte er an seinem akademischen Platz zu fördern. Auch Müller ist ein Philhellenist gewesen und hatte seine patriotische Gesinnung eine Generation zuvor gegenüber den Gebrüdern Grimm dokumentiert. Wenn er ein übereinstimmend nationales Ziel nicht formulierte, dann vielleicht weil er sich die Einwirkungsmöglichkeiten der griechischen Kultur auf einem allgemeineren Niveau vorstellte. Curtius dachte zwar ebenso, wie seine Universitätsreden eindeutig beweisen, sprach und schrieb aber in einer abweichenden persönlichen und historischen Situation als nahezu exemplarische Gestalt des national-liberalen Universitätsprofessors kurz vor der deutschen Einigung. Unter allen Griechischen Kunstgeschichten ist es daher die Vorliegende, die am meisten vom patriotischen Pathos durchdrungen ist. 51 52 53 54 55 56

Müller 1848, 4–6. Müller 1848, 14 f. Müller 1848, 11–13. Müller 1848, 9 f.; E. Curtius, [Cottaisches] Kunstblatt 1845, 41–43. 56f. Müller 1848, 14–16. Alle Zitate nach Gurlitt, Seite 2, u. S. 168 f.

102

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Die Romantik verankerte Tugend, Kunst und Kultur in der Religion und führte die kunstgeschichtliche Entwicklung im Unterschied zu Winckelmann auf die religionsgeschichtliche zurück.57 Daher erklärt sich die breite Berücksichtigung der Religion in Handbuch und Kolleg als Überleitung zur Kunstgeschichte.58 Müller galt die Religion als Movens der historischen Entwicklung, Curtius erklärte Darstellungen der Gottheit als „Inbegriff der Schönheit“, zur „höchsten Aufgabe“ der Kunst, welche die Klassik nach sich zog. Von Müllers Literaturüberblicken als Abschluß der Einleitung hat Curtius die antiken Quellen seinem ersten Hauptteil zugeschlagen, den drei wissenschaftsgeschichtlichen Epochen der modernen Publikationen bei Müller einen Überblick entgegen gestellt, der die Fortschritte der Archäologie eher geographisch verfolgt.

Eine Gliederung des Hauptteils verzeichnet Gurlitt unter dem 25. und 27. 10. 1864.59 In der Mitschrift von Eduard Hiller ist sie nur unter dem früheren Datum belegt60, hier aber mit all den Gliederungspunkten, welche Gurlitt erst für den nächsten Vorlesungstermin überliefert. Da am 25. 10. vor der Wissenschaftsgeschichte angeordnet, unterbrach die Gliederung des Hauptteils an diesem Termin den Stoff der Einleitung, wohingegen sie am 27. 10. den ihr zustehenden Platz einnahm. Wegen seiner unterschiedlichen Kürzungen61 an Müllers Archäologie der Kunst im zweiten Teil des Handbuchs vermied Curtius diesen Titel. Eine systematische Archäologie erarbeitete er sich erst während seiner zweiten Berliner Vorlesungstätigkeit.62 Den ersten Teil seiner „Griechischen Kunst“ stellte er unter das Thema der Überlieferung. Daß er es nicht auszufüllen vermochte, da er die zwingend zugehörigen Bereiche der „Kunsttopographie“ und der „Museographie“ nicht berücksichtigte63, dürfte ihm trotz aller Gegenargumente bewußt gewesen sein. Ein sehr kurzes erstes Kapitel bilden die literarischen Quellen der Griechen und Römer von genereller Bedeutung.64 Systematischer als Müller unterschied Curtius Quellen zur Kunsttheorie, zur Kunstgeschichte und zur Kunsterklärung, zusätzlich eine griechische und eine römische Überlieferung. Das unverhältnismäßig viel breitere Kapitel zur monumentalen Überlieferung65 kündigte er zunächst als Übersicht über die verschiedenen Stoffe, Stilarten und Kunstgesetze, 57 58 59 60 61 62 63 64 65

Vgl. o. S. 26 f. Wrede, Pegasus 8, 2006, 207–211. Müller 1848, 14 f.; Gurlitt, Seite 2–3. u. S. 169. Gurlitt, Seite 3–4, unten S. 170–173. Hiller, Folio 5v. s. o . S. 98. Vgl. o. S. 93. Gurlitt, Seite 3, u. S. 69 f. Gurlitt, Seite 5–6, u. S. 173–176. Gurlitt, Seite 6–30, u. S. 176–223.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

103

später als Darstellungen der Kunstgattungen, ihrer Hauptformen und vermutlich auch Techniken an.66 Verwirklicht hat er nur das zweite Vorhaben. Inwiefern Curtius die Notwendigkeit oder zumindest Zugehörigkeit eines gesonderten Abschnittes zur Formbetrachtung, zur Stil- oder Typusbestimmung oder allgemeiner zu Formenkonstanz und Formenwandel anerkannte, ist sehr zweifelhaft. Ihn hatte immerhin schon Karl Friedrich Hermann, sein unmittelbarer Vorgänger in Göttingen, gefordert.67 Verwandten Problemstellungen ist Curtius schon in der Einleitung ausgewichen, sicher weil seine philologisch-kulturgeschichtliche Einstellung ihn an der Geltung der noch wenig entwickelten kunsthistorischen Methoden zweifeln ließ, wie sich ja auch aus der Gegenüberstellung mit Kuglers Werken ergab. Vor allem war Curtius wohl der Meinung, formale Abweichungen seien entscheidend von den Kunstgattungen, deren Hauptformen, aufgewandten Materialien („Stoffen“) und Techniken verursacht worden. Daher seien sie mit diesen zu besprechen, ihnen gegenüber als sekundär zu veranschlagen. Als Kunstgattungen bespricht das Kapitel zunächst die Architektur und das Gerät unter dem Oberbegriff der Tektonik, dann Münzstempel und das Sgraffitto, die Plastik, zunächst in weichem, dann in hartem Material, anschließend chryselephantine Werke und die Glyptik. Glas, Malerei, Mosaiken und Wirkereien bilden den Beschluß. Die Abfolge verläuft den beiden ersten Hauptabschnitten im zweiten Teil von Müllers Handbuch analog, war aber auch schon im 18. Jahrhundert in den systematischen Darstellungen der Archäologie vorgegeben. Neu gegenüber dem Handbuch sind der Passus zur Webkunst68 und ein ihm folgender Anhang zur Reproduktion von Zeichnungen und Bildwerken.69 Dafür hat Curtius den Abschnitt zur „optischen Technik“70 weggelassen, formanalytische Überlegungen also abermals durch technische ersetzt. Einen Überblick über die Kunstgattungen unter Berücksichtigung ihrer kennzeichnenden Formen und Techniken kennt Müllers Systematik nicht. Der hierzu parallele Teil des Handbuchs bespricht nur die „Technik der alten Kunst“.71 Curtius bemühte sich, den Kunstgattungen durch den Nachweis ihrer gewichtigsten Untergliederungen, durch Aussagen zu Funktion, Attributen, Ikonographie oder Physiognomie Dichte zu verleihen, sie in ihrer nicht nur technisch bedingten Eigenständigkeit zu konturieren. Denn das Handbuch hatte den Überblick über die Kunstgattungen in seiner gelegentlich rigiden Gliederung und im Versprengen des Zusammengehörigen auf voneinander entfernte Partien aufgelöst. Müller behandelte die Skulptur unter dem Gesichtspunkt der Technik „in harten Massen“72, in Abschnitten zu den Grundformen (Statuen, Reliefs, Büsten usw.)73, zu 66 67 68 69 70 71 72

Gurlitt, Seite 3. 4, u. S. 170. 173. Vgl. o. S. 40. Gurlitt, Seite 29, u. S. 221. Gurlitt, Seite 30, u. S. 222 f. Müller 1848, 462–466. Müller 1848, 419–462. Müller 1848, 427–432.

104

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Darstellungsweisen der menschlichen Gestalt, hinsichtlich der Kleidung und Attribute74, besonders breit unter den mythologischen und menschlichen Ikonographien.75 All diese Abschnitte übergreifen die Kunstgattungen und belassen ihnen keine ausreichende Substanz. Die Bronzeplastik bespricht das Handbuch unter Metallguß76 und unter Toreutik77, die Keramik weit getrennt unter Gefäßnamen78 und Vasenmalerei.79 Gerade dieses Beispiel ist für das abweichende Darstellungsziel bei Curtius80 instruktiv. Er bezog den Herstellungsprozeß in der Töpferei, Beobachtungen zur Funktion der Formen, Angaben zu Fundorten und Chronologie, zu Malerei, Ikonographie und Aufschriften ein. Es entsteht ein nicht vollständiger, aber doch eigengewichtiger Überblick, der sich einem modernen Lexikonartikel zu griechischen Vasen vergleichen läßt. Des Handbuchs breitere Auflistung der Gefäßnamen und Gefäßformen ist philologisch geprägt und geht auf eine antiquarische Vasenforschung zurück, die spätestens mit Lazare de Baïf im frühen 16. Jahrhundert einsetzte.81 Müllers stets um die antiken Spezialbegriffe bemühtes Kapitel zur Kunsttechnik erinnert in seiner wiederum philologischen Ausrichtung an die Kunsttraktate des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Art, wie die Gliederung des Handbuchs in der systematischen Archäologie einem Seziermesser gleich die Einheit des Kunstwerks und der Kunstgattung auflöst, entspricht einem analogen Blick aus der Gelehrtenstube auf die zu spezifizierende Welt der Kunst. Demgegenüber sind die Kunstgattungen bei Curtius auf einem fortgeschritteneren Forschungsstand archäologischer definierte Erscheinungsformen der antiken Kunst, von eigenständigem historischen Aussagewert. So wie Curtius die modern anmutenden Ansätze des Handbuchs für eine abstrakte Formanalyse überging, so distanziert verhielt er sich auch gegenüber dessen Tendenzen, den thematischen Bereich der Kunst abstrakter zu definieren. Andererseits kommt der Beschreibung herausragender Kunstwerke in der Vorlesung größere Bedeutung als im Handbuch zu. Die Ikonographie des Mythos und der menschlichen Lebenswelt nimmt ein Drittel von Müllers Handbuch ein.82 Seit Heynes Vorlesungen83 gehörte sie zu einer Gesamtdarstellung der Archäologie. Im Kolleg von 1864/65 fehlt sie. Der

73 74 75 76 77 78 79 80 81

Müller 1848, 502–508. Müller 1848, 467–502. Müller 1848, 509–759. Müller 1848, 423–427. Müller 1848, 432–434. Müller 1848, 409–417. Müller 1848, 456–458. Gurlitt, Seite 13–16, u. S. 188–195. L. de Baïf, Opus de re vestimantaria, eiusdem, de vasculorum materiis ac varietate tractatus antehac nunquam excusus (Basel 1537). 82 Müller 1848, 509–759. 83 S. o. S. 17.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

105

Grund ist neben der mangelnden Zeit auch darin zu suchen, daß Curtius auf diesem Gebiet wenig forschte.

Für die Griechische Kunstgeschichte als dem eigentlichen Gegenstand der Vorlesung ist das Handbuch von 1830 die relevanteste Quelle gewesen. Jüngere Standardwerke lagen im Winter 1864/65 zwar vor, deckten das Thema aber nur partiell ab. In seiner zweibändigen Geschichte der griechischen Plastik für Künstler und Kunstfreunde von 1857 und 1858 wandte sich Johannes Overbeck dem Teilbereich zu, der seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert am besten erforscht war und der als pars pro toto für eine Gesamtdarstellung der Kunstarchäologie einstehen konnte.84 Die Beigaben von Stichen in Overbecks Bänden, die sich in den späteren Auflagen vermehrfachen sollten, verdeutlichen eine betontere Hinwendung zu den erhaltenen Skulpturen und zu einer ansatzweisen Formanalyse. Den Namen Overbeck hat Gurlitt in seiner Mitschrift mehrmals falsch wiedergegeben. Das spricht gegen einen geläufigen Umgang mit seinem Werk. Curtius hat sich mit Overbecks Darlegungen vermutlich in gewissem Umfang auseinandergesetzt, dessen moderne Ansätze aber nicht konsequent übernommen. Seiner philologisch geprägten Vorstellungswelt muß Heinrich Brunns Geschichte der griechischen Künstler näher gestanden haben, die 1853 und 1859 zweibändig erschien. Als Grundlage für seine spätere, nicht vollendete Kunstgeschichte überprüfte Brunn in ihr die Schriftquellen auf philologischer Grundlage. Attackierte Brunn Overbecks Plastikgeschichte sofort nach ihrem Erscheinen85, dann weil sie seinen Forschungsplänen vorgriff und weil sie verwirklichte, was nach dem Erscheinen seiner Künstlergeschichte gleichsam in der Luft lag: eine nach Schriftquellen wie Formbewertung spezialisierte Forschung auf dem Weg zur Kunstgeschichtsschreibung im modernen Sinn. Schaltete Curtius sich ab den sechziger Jahren nicht konsequent in diese Entwicklung ein, dann weil sie ihm zu einseitig und fragwürdig erschien. Seine Kunstbetrachtung blieb trotz aller Überarbeitung und zeitgemäßer Erneuerung Müllers Handbuch verpflichtet. Curtius zog es vor, die Kunstgeschichte weiterhin in die kulturgeschichtlichen Prozesse einzubeziehen, die ihm seine Geschichtsforschung vorzugeben schien, sie nicht zunächst als ein eigenes Forschungsgebiet zu isolieren wie die beiden genannten archäologischen „Spezialisten“. In Müllers Handbuch ist die „Geschichte der Kunst im Alterthum“ ebenso kleinteilig gegliedert wie der oben besprochene systematische Teil. Müller unterschied fünf Perioden der Griechischen Kunst von den Anfängen bis zum Mittelalter, die er ihrerseits so scharf nach den Kunstgattungen unterteilte, daß das geschlossene Bild der einzelnen Kunstepoche in Gefahr geriet. Diese 84 Vgl. o. S. 14. 17. 19 f. 24–26. 85 Brunn, GK II, Vorrede zur zweiten Abteilung, dazu die Verteidigung Overbecks in: Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 80, 1859, 566–573.

106

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Hauptentwicklung ergänzte er um die „Episode Griechische Kunst bei den Italischen Völkern“ und um einen Anhang über die Künste der „ungriechischen Völker“. Hierbei handelt es sich um Beilagen, welche es dem Hauptteil erlaubten, sich weitestgehend auf die Griechische Kunst zu konzentrieren, wie das nach Gurlitts berechtigtem Titel ja auch für Curtius’ Vorlesung gilt. Wurden die Kunstgattungen in der systematischen Archäologie des Handbuchs vermißt, so sind sie in dessen Kunstgeschichte deren Träger, da jede Periode nach ihnen unterteilt ist. Das auch von Kugler verwandte Einteilungsschema beherrscht noch die Griechischen Kunstgeschichten des 20. Jahrhunderts.86 Insofern ihm keine Analyse der gattungsübergreifenden Stil-, Kunst- und Kulturentwicklung beigegeben ist87, tendiert es dahin, das einheitliche Gesicht der Epochen in der Brechung durch die Kunstgattungen aufzulösen. Die Gefahr war in der Frühzeit der akademischen Archäologie besonders groß, als die vereinenden Gesetze des Formenwandels noch unbekannt waren. Daher suchte ihr Müller bei jeder Periode mit einer Einleitung zu begegnen, welche die historischen Bedingungen – unter ihnen Epochen markierende Ereignisse – und den „Zeitgeist“ bestimmten.88 Auch der ethnische Charakter ist als konstitutiv vorausgesetzt, der den natürlichen Kunsttrieb der Griechen, die ernste und strenge Mentalität der Dorer oder den auf Praxis gerichteten Sinn der Römer, begründete. Mit den biologischen Vorgaben verband Müller den Glauben an einen teleologischen Prozeß, der sein Ende im Hellenismus fand. Die jeweils gültige Staatsform bestimmt im Handbuch die Kunstaufträge und deren Ethos: die Pracht der vorhomerischen und „internationalen“ Anakten, Kunst und Kulturblüte unter den archaischen Tyrannen, den Höhepunkt der „leidenschaftslosen“ Klassik in der Freiheit der perikleischen Demokratie, die Zunahme privater Leidenschaft, von Genuß und Verlangen bei einem Ausbleiben großer Staatsaufträge in der späteren Klassik von 430 bis 330, die wegen übertriebener Großartigkeit moralisch fragwürdige Hofkunst in den östlichen Residenzen des Hellenismus und das relativ kraftlose Nachleben Griechischer Kunst im Imperium Romanum. Die Einheit der jeweiligen Kunstperioden wird damit auf ethnische, moralische, soziale, wirtschaftliche und historische Vorgaben zurückgeführt, welche die Kunstgattungen aber nur sehr unterschiedlich, z. T. auch wenig durchsichtig zu spiegeln vermögen. Da die Ebene des formal Verbindenden übersprungen wird, werden die Kunstgattungen zu Produkten eines übergeordneten Prozesses, den die Kunst nicht auch ihrerseits mitgestaltet. Curtius’ Kolleg verzichtet auf die Episode und Anhang genannten Zugaben bei Müller. Davon daß die Hellenen erst zu dem wurden, was sie später verkörperten, war er sein Leben lang überzeugt, und dieser Standpunkt half ihm am Ende des Jahrhunderts auch, das Griechenideal Winckelmannscher Prägung ge86 Stellvertretend verweise ich nur auf die Bilderläuterungen bei K. Schefold (Hrsg.), Die Griechen und ihre Nachbarn PropKg 1 (1967) 155–277 und auf die Gliederung von J. Charbonneaux – R. Martin – F. Villard, Grèce classique (480–330 avant J. – C.) (1959). 87 Wie etwa durch Schefold a. O. 13–149. 88 Müller 1848, 24–26, 55–57, 87–91, 149–152, 204–208.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

107

schichtlich aufzulösen. Da er von intensiven Einflüssen Phöniziens, des weiteren Orients und Ägyptens auf die frühe Kunst Griechenlands ausging, stellte er eine knappe Erörterung der älteren Hochkulturen an den Beginn seiner Kunstgeschichte.89 Weil Curtius die griechische Prägung der frühitalischen Kunst in Etrurien und im republikanischen Rom voraussetzte, behandelte er das nicht griechische Italien vorchristlicher Zeit und das Imperium Romanum seit Augustus in einem einzigen Kapitel als „griechische Kunst in Italien, speziell in Rom“.90 Weil er die Frühzeit abweichend unterteilte, geht seine „Griechische Kunstgeschichte“ von sechs Kunstperioden aus. Die stereotype Periodenaufgliederung nach Gattungen des Handbuchs übernimmt sie nicht, sondern nur für die Epochen seit dem 5. Jahrhundert v. Chr., aus denen Curtius originale Zeugnisse für Malerei, Mosaiken, Münzprägung und Glyptik nachzuweisen vermochte und auch dann eher als Anhänge an vorausgehende Zeitbeschreibungen, welche über Skulptur, Architektur und Gerät charakterisiert werden. Sie hat Curtius bei wechselnden Anteilen unterschiedlich ausführlich besprochen, abhängig von ihrer Relevanz für die jeweilige Periode und auch nicht in rasterartiger Abgrenzung gegeneinander. Die hierdurch erreichte Elastizität des Kapitelaufbaus gestattete eine epochenspezifische Darstellung. Sie erübrigte vorgesetzte historische Charakterisierungen in der Art der Müllerschen Handbuchs. Mit dessen einförmiger Gliederung entfällt im Kolleg der Zwang zu vollständiger Ausbreitung des Materials. Die hypotaktische Würdigung mittels des Kennzeichnenden ersetzt die parataktische Reihung in ihrer unübersichtlichen Weitschweifigkeit. Die Beschreibung des Exemplarischen wird zum entscheidenden Medium der kunsthistorischen Epochenkonstruktion. Die Denkmäler erhalten einen Teil ihres Eigenlebens gegenüber der systematisierenden Vergewaltigung durch den Wissenschaftler zurück. Wegen mangelnder Formanalyse entsteht dennoch keine Vorstellung vom übergreifenden Epochenstil. Wie bei Müller und schon Heyne fehlt das Bewußtsein vom Zeitstil jeder Epoche. Der Begriff Stil ist im Kolleg durchaus häufig anzutreffen. Curtius spricht von Baustilen, Landschaftsstilen, künstlerischen Persönlichkeitsstilen, Putzstil und von Stil in manch anderen Zusammenhängen. Aber nur für die Vorklassik entwickelt er, Müllers Darlegungen erweiternd, bei archaischem bzw. hieratischem, archaisierendem bzw. „absichtlich alterthümlichem“ Stil Definitionen für einen Epochenstil.91 Den hohen und schönen Stil Winckelmanns übernahm Curtius nicht, obwohl er die mit beiden verbundenen Formen dem 5. und 4. Jahrhundert überwiegend zutreffend zuordnen konnte. Diesbezüglich blieb seine kunsthistorische Analyse also noch hinter der Aufklärungszeit zurück. Ikonographische, typologische, ethnisierende, historisierende und moralisierende ikonologische Auslegungen ersetzen die stilistischen Einordnungen und genügen dem Bedürfnis nach kultureller Gesamtschau. 89 Gurlitt, Seite 32–34, u. S. 225–231. 90 Gurlitt, Seite 112–120, u. S. 397–418. 91 Gurlitt, Seite 55. 57 f., u. S. 271. 276-280.

108

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Müllers erste Periode92 endete um 580 v. Chr., nach heutigem Verständnis also mit dem Ausklang des Orientalisierenden Stils in früharchaischer Zeit. Sie war damit sehr lang. Müller ordnete ihr die den Pelasgern zugewiesene Kultur der Anakten und die von Homer geschilderte heroische Zeit zu, d. h. die Mykenische Kultur in heutiger Sicht, dann ab etwa 1100 v. Chr. die dorische Wanderung und das anschließende Einsetzen der eigentlichen Griechischen Kunst. Unter der Überschrift „Anfänge der Kunst bei den Griechen“ fasst Curtius die mythologische Überlieferung zur frühen Griechischen Kunst zusammen. Vorausgesetzt ist der romantische Gedanke, daß Religion und Mythos am ehesten zu den dunklen Anfängen zurückführen. Curtius galt „die Geschichte der Götter als die Vorgeschichte des Volkes und zugleich des Landes.“93 Im ersten Band seiner Griechischen Geschichte entnahm er den Mythen eine erste minoische „Reichsmacht“ und „Culturepoche“ auf Kreta in der frühesten Zeit.94 Vor den Ausgrabungen auf Kreta vermochte er ihr keine Monumente zuzuweisen, weswegen er sie in der Kunstgeschichte überging. Als Resultat mythologischer Überlegungen konstatiert er in ihr die Bindung der ersten Künstler als Handwerker an zunftartige Gilden in städtischen Ansiedlungsorten. Für die technisch anspruchsvollen Gilden der Metallarbeiter seien sie im griechischen Osten – Kleinasien, Lemnos, Rhodos, Kreta – belegt und auf orientalische Einflüsse zurückzuführen.95 Grundsätzliche Erörterungen zum Einfluß Ägyptens und des Orients auf die Griechische Kunst schließen in einem Einschub an.96 „Kenntnisse, Erfindungen, Handgriffe [und] gewisse Typen“ hätten die frühen Griechen den Fremden entlehnt, sich diese Importe über ihren natürlichen „Kunsttrieb“ aber in eigener Formenwelt angeeignet.97 Das führte dann doch zu einer „nationalen Kunst“. Auch wenn die nationale Wertung heute nicht zu großen Beifallsstürmen hinzureißen vermag, so ist die grundsätzliche Lösung des Problems über die Scheidung von „Bildungstrieb“ und „Kunsttrieb“, Wissen und dessen kulturspezifische Bewältigung bemerkenswert. In Overbecks ausführlicher Diskussion fremder Einflüsse auf die Griechische Kunst ist sie nicht enthalten.98 Als zweite Periode schließt Curtius die Kultur der Anakten an, die auch er in der heroischen Welt der Epen Homers wenn auch nur unzureichend beschrieben sieht.99 Ihre Königsburgen verbindet er nicht mit den Pelasgern, sondern der Mythen wegen mit den Perseiden und Pelopiden aus Lykien und Lydien, dann auch generell mit „ostgriechischen Seestämmen“. „In dieser Zeit ist noch kein Unterschied zwischen Occident und Orient. Homer kennt noch keinen Unterschied. Es 92 93 94 95 96 97 98 99

Müller 1848, 24–54. Curtius, Geschichte I 49. Curtius, Geschichte I 59 f. Gurlitt, Seite 31 f., u. S. 225 f. Gurlitt, Seite 34, u. S. 229–231. Gurlitt, Seite 34, u. S. 231. Overbeck, Geschichte I 13–33. Gurlitt, Seite 35–38, u. S. 231–240.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

109

wiegen die Stämme vor, die den Verkehr mit dem Ausland übten: Ionier, Minyer, Achäer; sie sind Seevölker und ihre Siedlungen sind Küstenplätze.“100 Ein vollständigeres Bild entwerfen die ausführlichen Interpretationen der mykenischen Herrschersitze in der Griechischen Geschichte.101 Curtius führt die mit Ilion, Argos, Mykene, Tiryns, Midea, Theben, Orchomenos und anderen Orten auf der Peleponnes verbundene Kultur zwar auf östliche Einwirkungen als Impuls zurück, weist ihr beiderseits der Ägäis aber eine lange Entwicklung zu, die unter den Atriden zu einer „Eroberung“ mit „von Westen nach Osten vorschreitender Machtentfaltung“ führte, zur „erste[n] Gründung einer von den europäischen Küsten ausgehenden Seeherrschaft“.102 Vor der archäologischen Entdeckung der Minoischen Kultur aber in ihrer Erahnung im Geschichtswerk und vor den Ausgrabungen Schliemanns deutet sich die vielleicht erste zutreffende Umschreibung für die bronzezeitliche Kulturabfolge in der Ägäis an. Die Grundlage für seine Interpretation der mykenischen Städte ist sicherlich seine gute Ortskenntnis gewesen. Die eingeschobenen Absätze über das Aufkommen symbolischer, anikonischer und teilanthropomorpher Götterbilder, mächtiger Darstellungen von Tieren und Apotropaia103 finden eine ausführlichere Darstellung bei Müller und Overbeck.104 In Curtius’ dritter Periode findet die hellenische Kunst zu ihrer „nationalen Entwicklung nach ihren verschiedenen Schulen“. Entscheidend ist zunächst die scharfe, in direkter Auseinandersetzung mit Müller105 gezogene Periodengrenze zwischen den Epochen, die später als Bronze- und Eisenzeit bezeichnet werden sollten: „Man kann sich die Veränderung nicht groß genug vorstellen.“106 „Die homerische Welt war morsch geworden.“107 „Die Völker waren ermordet, besonders die Anaktengeschlechter. … statt der üppigen Atriden die enthaltsamen Dorier. Paläste, Burgen, Königsgräber, Thesauren verfallen. … In offenen Städten leben jetzt gleichberechtigte Krieger, tragen einfache Kleider, essen einfach Mahle, haben alles Öffentliche gemeinsam.“108 Eine auch nur geringe Kenntnis des Geometrischen Stils, wie sie sich schon vor 1870 bei Alexander Conze andeutete und eine Generation später in Heinrich Brunns Griechischer Kunstgeschichte vorliegen sollte, wäre eine hervorragende Ergänzung gewesen. Einsetzen mußte die dritte Periode mit der traditionell ins ausgehende 12. Jahrhundert datierten dorischen Wanderung.109 Nach Curtius’ historischen Inter100 101 102 103 104 105 106 107 108 109

Gurlitt, Seite 38, u. S. 239. Curtius, Geschichte I 114–120. Curtius, Geschichte I 81. Gurlitt, Seite 36–38, u. S. 235–238. Müller 1848, 42–51; Overbeck, Geschichte I 32–42. Gurlitt, Seite 38, u. S. 240. Gurlitt a. a. O. Hiller, Folio 36v. Gurlitt, Seite 38 f., u. S. 240. Curtius, Geschichte I 128.

110

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

pretationen erstreckte sie sich über einen mehrfachen Ortswechsel und langen Zeitraum, ohne daß sich das schließliche Erreichen der späteren Stammessitze chronologisch präzise einordnen ließ. Deswegen, aber auch weil ihm für seine dark ages des 11. bis 8. Jahrhunderts keine Monumente in Originalen oder Textquellen zur Verfügung standen, unterteilt er die Frühzeit der Griechischen Kunst in eine erste Phase vor 580 und eine zweite von 580 bis 460, wobei das Fehlen einer oberen Grenze für die frühere die Wissenslücke ausweist. Die Phasenscheide um 580 wird über Solon historisch, nicht kunstgeschichtlich bestimmt110 und ist hierin von Müller abhängig. Overbecks kunstgeschichtlichen Ansatz, eine ältere Stufe der archaischen Plastik vor 540 v. Chr. von einer späteren danach abzuheben111, hat Curtius vielleicht deswegen nicht geteilt, weil er die Metopen des Tempels C in Selinunt nicht viel zu früh, um 600, ansetzte112 und daher keinen Anhaltspunkt sah, mit der Datierung erhaltener archaischer Skulpturen in die Zeit vor 580 v. Chr. hinaufzugehen. Für die 580 vorausgehenden Jahrhunderte vermag Curtius nur sehr wenige erhaltene Denkmäler nachzuweisen113, nicht viel mehr als Müller114: den dorischen Tempel in Korinth, geometrische und subgeometrische Amphoren aus Thera und Melos, orientalisierende Keramik aus Rhodos und Gefäße des protokorinthischen Stils. Daher wird das im Kolleg entworfene Bild von der Frühzeit der Griechischen Kunst, ähnlich dem Overbecks, weitestgehend durch die literarische Überlieferung geprägt. Ein einleitender kurzer Satz faßt die Funktion der Kunst nach dem Untergang der mykenischen Welt zusammen: „nur der Gottesdienst gibt noch Anlaß zu höheren Leistungen“.115 Für diese Zeit vorausgesetzt ist das Entstehen des dorischen Ringhallentempels und etwas später der ionischen Bauordnung, mit ihnen eine große zeitspezifische Relevanz von Weihgeschenken (Tektonik) und das allmähliche Aufkommen der statuarischen Plastik in Ton, Stein und Erz im 7. Jahrhundert. Die Idee des dorischen Staates und die Anfänge der dorischen Baukunst hat Curtius auf Delphi zurückgeführt.116 Mit von den panhellenischen Heiligtümern, besonders aber von Delphi ausgehenden Initiativen verband der spätere Ausgräber von Olympia in der Griechischen Geschichte alle vereinheitlichenden Merkmale der griechischen Kultur, unter ihnen das Bauwesen und die bildende Kunst in Stein, Erz und Ton.117 Daß sich hieraus ein gewisser Gegensatz zum Einsetzen von Kunstschulen ergab, wie er sie für Athen, Sparta und die griechischen Inseln verfolgte,118 hat er nicht als Inkonsequenz 110 111 112 113 114 115 116 117 118

Gurlitt, Seite 38. u. S. 240. Overbeck, Geschichte I 89 ff. 101 ff. Gurlitt, Seite 53, u. S. 267-269 gegenüber Overbeck, Geschichte I 90–93. Gurlitt, Seite 46 f., u. S. 254 f. Müller 1848, 34–36. 53. Gurlitt, Seite 39, u. S. 240. Gurlitt, Seite 39; Hiller, Folio 37r. Curtius, Geschichte I 383 ff. 428ff. Gurlitt, Seite 40 f., u. S. 243-246.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

111

empfunden, sondern sich vermutlich über spätere Entwicklungen erklärt. Diese Schulen stellt er sich weiter als ortsgebundene Zünfte vor, aus denen nun aber einzelne Künstler mit der Qualität ihrer Werke herausragten. Entscheidend geprägt wurde die Entwicklung durch große Aufträge der Tyrannen des 7. Jahrhunderts: „Sie zuerst hatten bedeutende Geldmittel und die Absicht: denn ihre Macht beruhte auf der Durchbrechung des starken Dorismus, der Hebung der gewerbetreibenden Massen, der Erleichterung des Verkehrs. Alles dies mußte der Kunst wichtig sein. Sie brachen das starre Zunftwesen, und bereiteten den Übergang vom Handwerk zur Kunst vor.“119 Das zeitlich übereinstimmende Kapitel in der Griechischen Geschichte liest sich weitgehend als eine Geschichte der Tyrannen.120 Ansätze dafür, das Entstehen der griechischen Bildkunst auf die Pracht an den Tyrannenhöfen und auf die Repräsentation der Tyrannen in den Heiligtümern zurückzuführen, hatte es auch bei Müller und Overbeck gegeben.121 Auffallend ist demgegenüber die geringe Betonung des Adels, ohne dessen entscheidenden Einfluß sich die frühgriechische Kunst seit dem Geometrischen Stil in heutiger Sicht kaum verstehen läßt. Die Aristokratie wird im Kolleg selten erwähnt. Umsomehr sticht eine negative Bewertung hervor: „Die Aristokraten sorgten nur für eigenes Wohlleben und eigene Pracht“122. Brauns Kurzfassung des Kollegs bringt das auf den Punkt: „Die Hebung der Kunst ging nicht von den Aristokraten aus, welche an die Stelle des Monarchen getreten, sondern von den Tyrannen.“123 Das negative Urteil über den Adel findet im Geschichtswerk zahlreiche Parallelen, wo eine gelegentlich positive Einschätzung über die noch bessere Qualifizierung der Tyrannen wieder relativiert wird.124 Es liegt nahe, den Standpunkt auf die Situation der bürgerlichen Wissenschaftler in der konstitutionellen Monarchie nach dem Untergang des Ständestaates zurückzuführen. Denn er trifft sich mit Curtius’ Äußerungen zu den Aristokraten seiner Zeit. Sie hätten nichts „als [einen] Stammbaum und die Abneigung gegen Arbeit“; „die Liebe zum Alterthum ist bei uns nie das Privilegium bevorzugter Stände gewesen. … unser Adel hat seinen Wohlstand durch classische Liebhabereien nicht gefährdet. Die Lehrer an Universitäten und Schulen sind es gewesen, welche Deutschland seinen Ehrentitel an der Wiederentdeckung der alten Welt verschafft haben.“125 Das geht dann wieder mit der nationalen Perspektive auf Altertum und Gegenwart zusammen. Von den 119 120 121 122 123 124

Gurlitt, Seite 42, u. S. 247. Curtius, Geschichte I 131–242, besonders 202 ff. Müller 1848, 55; Overbeck, Geschichte I 74. Gurlitt, Seite 42, u. S. 247. Braun S. 6. Curtius, Geschichte I 37 (ritterlicher Adel und unterworfene Volksmenge), 123 (der Adel verschuldet den Zusammenbruch der mykenischen Kultur), 124 (die Odyssee verkörpert die „Übelstände einer vielköpfigen Aristokratie“), 202 (in Ionien leitet der Adel „unerträgliche Ungleichheit“ ein), 203 (das gegen den Adel empörte Volk), 212 (Adel ionischen Ursprungs verschafft Kunstaufträge, von Tyrannen aber überboten), 214 (Aristokraten sind „Schweinische, Eseldinger, Ferkelheimer“). 125 Curtius 1903, 131, vgl. Hassenstein 1989, 172; Curtius, Alterthum II² 234.

112

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Tyrannen als Archetypen der konstitutionellen Monarchen des 19. Jahrhunderts und vom Volk ließ sich eine Förderung der griechischen und deutschen Einheit erwarten, nicht vom Adel. Sie begünstigten mit ihren repräsentativen Aufträgen die Entwicklung des Handwerks zur Kunst und mit ihr das Entstehen einflussreicher Künstlerpersönlichkeiten. Diese überwanden die Enge der dorischen Kulturhegemonie und förderten überregionale Formensprachen, welche die Genese einer nationalen Kunst einleiteten. Die Gliederung des späteren Teils der dritten Periode, nach 580, springt zunächst nicht leicht ins Auge und ist nach unten nicht klar abgegrenzt. Der Abschnitt zu sonst ausschließlich archaischen und archaistischen Werken schließt gegen Ende auch eindeutige Statuen des Strengen Stils und Künstler ein, die weit in das 5. Jahrhundert hinein wirkten. Andererseits hat Curtius die Zeit des Themistokles und Kimon erst im folgenden Kapitel behandelt. Die Inkonsequenz begegnet bei Müller und Overbeck ganz ähnlich wieder, obwohl beide mit 460 ein festes Datum für die Grenze zur Klassik angeben. Von ihr dürfte also auch Curtius ausgegangen sein. Eine enge Parallele finden die ersten Absätze in der Griechischen Geschichte, z. T. auch bei gleichartiger Wortwahl.126 Die großen Leistungen der Architektur dieser Zeit hat Curtius in Abweichung von Müller127 nicht gewürdigt, auch die Vasenmalerei128 nicht berücksichtigt. Vielmehr konzentriert sich das Kolleg in diesem Abschnitt auf die Entwicklung der Skulptur, was eine Nähe zu Overbecks viel breiteren Ausführungen129 nach sich zieht. Daher ist auch der Aufbau bei beiden ähnlich, der bei entscheidenden Elementen dann wieder auf Müllers Handbuch gründet. Nur Overbecks konsequente Unterscheidung von literarischer und monumentaler Überlieferung hat Curtius nicht akzeptiert. Die unter den Tyrannen des 7. Jahrhunderts erreichte wirtschaftliche Blüte bleibt ab 580 erhalten, spiegelt sich in andauernden internationalen Verbindungen und setzt die Voraussetzungen für eine „Ausbreitung der Kunst.“ Curtius und Overbeck verfolgten sie mit unterschiedlicher Zielrichtung. Als entscheidendes Merkmal der 120 Jahre von 580 bis 460 hob Overbeck das Entstehen persönlicher Kunststile und daher die Künstlergeschichte der Zeit hervor.130 Curtius stellt den Ortswechsel der großen Künstlerpersönlichkeiten in das Zentrum131, der die lokalen Traditionen überwindet. In dieselbe Richtung habe die Einwirkung weiterer panhellenischer Spiele und die musterhafte Erfindung von Siegerstatuen als ein die Hellenen vereinendes Thema der Bildkunst gewirkt132: „Alle diese Umstände kamen zusammen, um im sechsten Jahrhundert eine wahrhaft nationale Kunst in 126 127 128 129 130 131 132

Curtius, Geschichte I 439–444. Müller 1848, 57–61. Müller 1848, 83–86. Overbeck, Geschichte I 101–178. Overbeck, Geschichte I 102 f. Gurlitt, Seite 47, u. S. 256. Gurlitt a. a. O., u. S. 255 f.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

113

das Leben treten zu lassen.“133 Unter den Kollegen tritt Curtius damit abermals als Patriot hervor, der die Genese der Nation als Exempel für die deutsche Einheit betont. Die folgende Erörterung der archaischen Kunstschulen in Ägina, Argos, Athen und Korinth folgt den abweichenden Schwerpunkten.134 Overbeck charakterisierte die zentralen Persönlichkeiten, Onatas, Hageladas, Kritios, Nesiotes und Kanachos, breit. Curtius bemüht sich zusätzlich um den Nachweis der vereinenden Fernwirkungen von Kreta auf Sikyon, von Sikyon auf Kleinasien, von Ägina auf nahezu alle Bereiche der griechischen Welt. Seine ausführliche und zweifellos mit Bildvorlagen verbundene Besprechung der äginetischen Giebelskulpturen in München135 leitet daher dazu über, den archaischen Stil gesamtgriechisch in Bauskulpturen und gelegentlich auch Statuen in Sizilien und Kleinasien zu verfolgen.136 Schließt er erst hieran die argivische Schule mit Hageladas als dem Lehrer von Phidias, Myron und Polyklet und die attische an, so weil sich in ihnen der Übergang zur attischen Kunst der Klassik und damit zur Vollendung der nationalen Einheitskunst vollzog. Der abschließende Katalog fundortloser Monumente vereint archaische und archaisierende Werke recht gemischt, obwohl sie Overbeck in größerer Zahl bereits einfühlsam gegeneinander abgegrenzt hatte.137 Einige figürliche Darstellungen hat Curtius im Zusammenhang mit archaischer Plastik und rotfiguriger griechischer Vasenmalerei als streng bezeichnet. Den Strengen Stil der frühen Klassik aber kannte er so wenig wie Brunn und Overbeck, obwohl nur er auf die 1859 von C. Friederichs nachgewiesenen Tyrannenmörder des Kritios und Nesiotes in Neapel zurückgreifen konnte.138 Im Anschluß an Heinrich Brunn endete die Archaik bei Overbeck und Curtius mit den Werken des Kalamis und des Pythagoras von Rhegion139, denen die beiden zuerst genannten auch noch das Œuvre des Myron anschlossen.140 Zutreffender verbindet unser Kolleg ihn mit der frühen Wirkenszeit des Phidias.141 Die vierte Periode des Kollegs gilt der Griechischen Kunst des 5. und 4. Jahrhunderts unter der Überschrift: „Die Kunst in Athen“. Sie ist singulär und bedarf der Erklärung. Overbeck behandelte den Zeitraum im Sinne Winckelmanns als „die Zeit der ersten großen Kunstblüthe“ und als „die zweite Blüthezeit der Kunst“.142 Brunn besprach das 5. Jahrhundert als „die griechische Kunst in ihrer höchsten geistigen Entwicklung“ und das 4. Jahrhundert als „die griechische

133 134 135 136 137 138 139 140 141 142

Curtius, Geschichte I 115. 530. Gurlitt, Seite 52. 55–57, u. S. 265. 271-276. Overbeck, Geschichte I 103–114. Gurlitt, Seite 50–52, u. S. 262–266. Gurlitt, Seite 52–55, u. S. 266–271. Gurlitt, Seite 57–58; Overbeck, Geschichte I 143–159. Gurlitt, Seite 56, u. S. 273. Brunn GK I 125–141; Overbeck, Geschichte I 159–167; Gurlitt, Seite 56 f., u. S. 274-276. Brunn, GK I 142–157; Overbeck, Geschichte I 168–175. Gurlitt, Seite 77–79, u. S. 324–328. Overbeck, Geschichte I 187–345; II 1–117.

114

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Kunst in ihrem Streben nach äußerer Wahrheit.“143 Das Müllersche Handbuch mit seiner Neigung zu strikter und durchsichtiger Gliederung nennt zu der in ihm dritten Periode nur die nüchternen Daten: „Von Ol. 80 [460] bis 111 [336]. Die anschließende Kurzcharakterisierung der Epoche aber kommt der Kapitelüberschrift des Kollegs nahe: „Die Perserkriege weckten in Griechenland das schlummernde Bewußtsein der Nationalkraft. Athen, … ganz geeignet Mittelpunkt der griechischen Bildung zu werden“, gelangte „schnell zu einer Höhe der Macht …, wie sie nur je eine Stadt besessen.“144 Was bei Müller anschließt, ist kaum mehr als eine Würdigung des perikleischen Athens und die Schilderung seines moralischen Niedergangs im 4. Jahrhundert, der dem der Nation gleichgesetzt wird. Die Epochenüberschrift des Kollegs zieht hieraus das Fazit. Sie läßt den für Curtius so wichtigen nationalen Aspekt anklingen: „Athen wurde Hauptstadt, Mittelpunkt des hellenischen Bewusstseins“145 und eine als athenisch beschriebene Klassik bedeutete, den Höhepunkt der nationalen Kunstentfaltung und deren Niedergang zu verfolgen. Der erste Satz lautet: „Um Ol. 80 [460–457] war das griechische Volk auf dem höchsten Gipfel der Entwicklung, politisch, sozial, physisch.“146 Er erklärt, wieso dieser Zeitpunkt in der Mitte der fünfzigjährigen Friedenszeit nach den Perserkriegen nicht nur in den zuvor genannten Kunstgeschichten, sondern auch in ihren Vorläufern als die Schwelle zur Klassik bezeichnet wurde und macht doch Erstaunen. Erscheint es doch ganz ungewöhnlich, in eine Epoche mit ihrem Höhepunkt einzuleiten, auf den hin nur ein langsamer Abstieg folgen konnte. Kunsthistorisch war der chronologische Einschnitt nicht zu begründen. Zwar fiel das Hauptwerk Polygnots in etwa diese Jahre. Ihn nennt Curtius den ersten namhaften Historienmaler und würdigt ihn, von den Kollegen abweichend, als einen national eingestellten hellenischen Künstler.147 Auch nimmt er an, daß die attische Vasenmalerei wohl unter seinem Einfluß vom schwarzfigurigen zum rotfigurigen Stil überging.148 Doch sind das Aussagen, die im Annex zur Malerei eher am Rand fallen, den Beginn der Klassik also nur sekundär begründen. Daher scheint der Beginn der Klassik historisch begründet zu sein. Ihn kennzeichnen die Reformen des Ephialtes, die ersten Jahre der Demokratie und des Hervortretens des Perikles, das verbundene Ausgreifen der attischen Politik nach Ägypten und Mittelgriechenland. Eine solch demokratische Sicht entspricht Curtius aber kaum. Nach kurzen Verweisen auf die Kunstpolitik des Themistokles und Kimon geht er sehr schnell zu Perikles, dem perikleischen Bauprogramm und Phidias über. Damit steht aber der frühe Phidias im Kolleg wie bei Brunn und Overbeck am Beginn der Klassik, setzt deren Geschichte mit dem Höhepunkt ein. Phidias wird zu 143 144 145 146 147 148

Brunn,GK I 157–441. Müller 1848, 87. Gurlitt, Seite 59, u. S. 280. Gurlitt a. a. O. Vgl. u. S. 152 und Curtius, Geschichte II 248–250. Gurlitt, Seite 101, u. S. 376. Vgl. Curtius, Geschichte II 248 f.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

115

ihrem Erfinder. Der Wegfall des Strengen Stils und die Anbindung der vorausgehenden Künstler an die ältere Kunstepoche bewirken eine formale Voraussetzungslosigkeit der klassischen Kunst, die ihren Erfinder als ein vergleichsloses Genie überhöht und hieraus auch die exemplarische Geltung seines Werkes in der Gegenwart ableitet. Als der Künstler schlechthin hatte Phidias bereits in der antiken Literatur gegolten, worin ihr die Renaissance und in dieser etwa Michelangelo gefolgt waren.149 Steigerte sich diese Einschätzung in der Kunstarchäologie des 19. Jahrhunderts eher noch zusätzlich, so unter dem Einfluß der romantischen Genievorstellung, dem Eindruck der Parthenonskulpturen und aus der Herleitung der klassischen Ideale aus der Religion. Das Werk des Phidias war ja primär mit Götterstatuen und sakraler Bauplastik verbunden. Die Überhöhung des Phidias durch Curtius manifestiert sich in der Breite seiner Darstellung, die diejenige des Handbuchs weit übertrifft, dann auch in dem etwas unlogisch anmutenden Aufbau des Abschnittes über die beiden späteren Drittel des 5. Jahrhunderts. Overbecks abermals strikte Trennung zwischen der vorwiegend literarisch bestimmten und den erhaltenen Skulpturen150 mochte Curtius nicht folgen. Vielmehr stellt er die Besprechung der griechischen Tempel des hochklassischen und Reichen Stils samt ihrer Bauplastik151 der Beschreibung der phidiasischen Werke152 nach, um anschließend auf Phidias bei der Würdigung seiner Schüler und seiner Rezeption in der antiken Literatur153 zurückzukommen. Auf diese Weise führt er alle Tempelskulpturen der Zeit auf die direkte oder indirekte Einwirkung des Künstlers zurück und steigert er dessen konkurrenzlose Bedeutung zusätzlich. Das hatte wohl nicht nur formale Gründe. Vielmehr ist Curtius von der antiken Kennzeichnung des Künstlers als des herausragenden Agalmatopoios ausgegangen, die sich in seinem Werk ja bestens spiegelt. Schon einleitend charakterisiert er die überragende Aufgabe des Phidias damit, die aufklärerischen Tendenzen der Zeit mit der religiösen Tradition zu versöhnen.154 In der Griechischen Geschichte sprach er vom „religiösen Beruf“155 der perikleischen Kunst, nannte er Phidias einen „Gesetzgeber im Gebiet der religiösen Kunst“156. Unter der Überschrift „religiöse Plastik“157 behandelte er hier die Parthenonskulpturen einschließlich des kolossalen Kultbildes, wobei es ihm gelang, die Unterschiede zwischen der archaischen Athena Polias als Gegenstand persönlicher Andacht und Anbetung und der Parthenos als Schutzgöttin des de-

149 150 151 152 153 154 155 156 157

A. Thielemann, Phidias im Quattrocento (1996). Overbeck, Geschichte I 194 ff. 221 ff. 288 ff. Gurlitt, Seite 65–74, u. S. 295–316. Gurlitt, Seite 61–65, u. S. 284–294. Gurlitt, Seite 74 f., u. S. 316–320. Gurlitt, Seite 61 u. S. 284. Curtius, Geschichte II 269. Curtius, Geschichte II 272. Curtius, Geschichte II 272, erweitert in ebenda4 (1874) 324–329.

116

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

mokratischen Staates158 besser zu verstehen, als es nach einer modernen Alternative zwischen Kult- und Repräsentationsbild möglich ist. Eine übergreifend religiöse Sicht des phidiasischen Schaffens legte es nahe, mit ihm den Tempelbau des Mutterlandes in den beiden späteren Dritteln des 5. Jahrhunderts und seine Bauplastik grundsätzlich zu verbinden. Wirkte hier, wie bei der Herleitung des klassischen Ideals als das zentrale Phänomen des Klassikkontrukts aus der zeitgenössischen Religion159, romantisches Gedankengut nach, so übten die Verhältnisse wenige Jahre vor der Neubegründung des deutschen Staates ihren Einfluß auf die für die Curtius so typische nationale Interpretation der hohen Klassik aus. Sie tritt auch im zweiten Band der Griechischen Geschichte hervor, also in etwa gleichzeitig mit dem kunstgeschichtlichen Kolleg. Ein „vom patriotischen Eifer beseelter Phidias“160 verwirklichte hier die zielbewußt nationale Kulturpolitik des Perikles.161 Was beide „wollten, war eigentlich eine hellenische Angelegenheit“162. Des Phidias Werke sind „echt attisch, zugleich national“163. Eignete dem deutschen Philhellenismus die patriotische Färbung auch grundsätzlich, so doch selten in dieser zugespitzten Ausprägung. Keine andere Griechische Kunstgeschichte ist in dieser Weise auf den nationalen Gesichtspunkt ausgerichtet, um den Prozeß der deutschen Einigung voranzutreiben.164 Das perikleische Bauprogramm in seiner Gesamtheit, den Hafen- und Städtebau, die Tempel Attikas hat Curtius in seiner Geschichte165 breiter besprochen als in seiner Vorlesung. Sie verfolgt die klassische Kunst des 5. Jahrhunderts eher im Ausschnitt der Plastik. Daher sind die Analogien zu Overbecks älterer und breiterer Darstellung166 trotz abweichender kunsthistorischer Methode häufig. Die Quellen waren ja weitgehend dieselben, ob sie literarischer oder monumentaler Art waren. Was die sachlichen Informationen angeht, so stehen sie im knapperen, aber dichteren Kolleg kaum zurück, ergänzen vielmehr gelegentlich Overbecks Angaben. Und das gilt auch für abweichende Interpretationen, die bei Curtius stärker historisch bestimmt sind. Die Darstellung der klassischen Kunst in Curtius’ Vorlesung steht durchaus gleichberechtigt neben Overbecks Plastikgeschichte. Im Vergleich bestätigen oder ergänzen sich beide und erbringen so ein abgesicherteres wissenschaftsgeschichtliches Bild von der Kenntnis des dritten Viertels des 19. Jahrhunderts über dieses Herzstück der Kunstarchäologie. Wo sich die Ausführungen decken, ist überwiegend der allgemeine Wissensschatz verantwortlich, wohl nur selten eine direkte Abhängigkeit von Overbeck. 158 159 160 161 162 163 164 165 166

Gurlitt, Seite 63; Curtius, Geschichte II 270. 272. Gurlitt, Seite 61. 64, u. S. 284. 291. Curtius, Geschichte II 255. Curtius, Geschichte II 255–257. Curtius, Geschichte II 256. Curtius, Geschichte II 272. Vgl. o. S. 68–86. Curtius, Geschichte II 257–265. 274–277. Overbeck, Geschichte I 187–288.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

117

Polyklet ist die zweite große Künstlerpersönlichkeit des 5. Jahrhunderts neben Phidias gewesen. Schon die viel wenigeren erhaltenen Monumente, die sich mit seinem Werk verbinden ließen, erzwangen aber eine weit hinter Phidias zurückbleibende Darstellung. Die des Kollegs167 und bei Overbeck168 unterscheiden sich wenig. Sie verweilen bei der argivischen Herastatue, mit der beide fälschlich den Kolossalkopf der Juno Ludovisi verbinden, um sich dann ausführlicher den polykletischen Athletenstatuen und dem Kanon zuzuwenden. Hier wie dort vermittelt nur der Diadumenos Farnese eine bildliche Vorstellung, die der antretende Diskobol im Vatikan über die noch heute vertretene Zuschreibung an den Polyklet-Schüler Naukydes geringfügig erweitert.169 Mit Friederichs großartiger Entdeckung des Doryphoros von 1863 wußte Curtius nichts rechtes anzufangen. Er stand ihr eher ablehnend gegenüber.170 Ähnlich deckungsgleich sind die knappen Entwürfe über die weiteren Künstlerpersönlichkeiten der Phidias- und Polykletschule. Sie basieren weitgehend auf den damals bekannten Textquellen, deren Verständnis von Brunn zusätzlich erschlossen worden war. Die Möglichkeiten der Stilanalyse waren in der Archäologie des 19. Jahrhunderts noch weitgehend unentdeckt, was zumindest seine ersten Dreiviertel anging. Selbst die von Winckelmann bereit gestellten Begriffe des hohen und schönen Stils verwendet Curtius nicht. Overbeck diskutierte und verwarf sie.171 So fehlte auch eine Vorstellung vom Reichen Stil und mit ihm ein Bewußtsein von der formalen Einheit der Kunst während des Peloponnesischen Krieges. Seine drei Jahrzehnte schienen durch ein Nachwirken der hochklassischen Traditionen perikleischer Zeit und andererseits durch Neuerungen, d. h. also durch Gegensätze gekennzeichnet, die eine Zuordnung zur früheren oder späteren Periode erschwerten. Einerseits wirkten die Schulen des Phidias und Polyklet in der ersten Generation fort172, wurde auf der Akropolis noch bis in das letzte Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts gebaut173, andererseits schienen die Friese von Bassai-Phigalia und die Reliefs der Nikebalustrade von der Akropolis bereits von einer leidenschaftlicheren, „lebhafteren und sinnlichen Auffassung“174, die dem Geist des 4. Jahrhunderts zugeordnet wurde. In spätperikleischer Zeit und damit zu früh angesetzt, verwischten sie die untere Grenze für die hochklassische Kunst zusätzlich. Wo es um die präzise Trennung von Perioden ging, half es auch nicht weiter, den staatlich geprägten Objektivismus perikleischer Kunst gegen den Subjektivismus pri-

167 Gurlitt, Seite 76 f., u. S. 320-324. 168 Overbeck, Geschichte I 301–310. 169 Gurlitt, Seite 81, u. S. 332; Overbeck, Geschichte I 320 Abb. 58; W. Fuchs, Die Skulptur der Griechen3 (1983) Abb. 91. 170 Gurlitt, Seite 77, u. S. 323 f. 171 Overbeck, Geschichte I 343. 172 Overbeck, Geschichte II 7. 173 Curtius, Geschichte III³ (1874) 532. 174 Gurlitt, Seite 82, u. S. 334; Curtius, Geschichte III 530.

118

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

vater Kunst im 4. Jahrhunderts abzuheben175, waren hierbei doch längerfristige Prozesse vorauszusetzen. Es gilt das ebenso für den allgemeinen kulturellen und moralischen Wandel, der die spätere Zeit der autonomen attischen Demokratie und ihrer Kunst nach Curtius erfasste.176 Auch ihn leitete bereits die Zeit des großen Krieges ein.177 Und selbst bei den formalen Entwicklungen, die man allgemein zu Recht konstatierte, handelte es sich um langfristige Prozesse ohne chronologische Fixdaten: die Individuierung der Götterideale und menschlichen Bildnisse, die größere Natürlichkeit und bewegtere Lebendigkeit der menschlichen Gestalt, eine verstärkte Hinwendung zum Genre, zum Realismus und zur historischen Darstellung, zur Sinnlichkeit und zum Pathos. Das Datum des Einsetzens all dieser Phänomene ließ sich nicht fassen. Eindeutige historische Brüche ergaben sich mit dem Tod des Perikles und Phidias, dem Beginn des Krieges und der großen Pest178 oder aber mit Athens Niederlage von 404 v. Chr. Hierfür entschied sich Overbeck. Curtius ging deutlich von dem früheren Wandel aus. Im Kolleg leitete er am 30. 1. 1865 zur Kunst des 4. Jahrhunderts über, die er nach der „jüngeren attischen Kunst“ bzw. der „jüngeren attischen Schule“ benannte. In Gurlitts Mitschrift folgt auf diese Überschrift eine Passage, welche die Verhältnisse während des Krieges analysiert.179 Bei Hiller ist die Reihenfolge dieselbe.180 In der Griechischen Geschichte bezog Curtius die nachperikleische Zeit in seine Darstellung der spätklassischen Bild- und Baukunst ein.181 Zumal Müllers Handbuch die Zeit von 430 bis 360 als Einheit besprach182, hat die von Gurlitt mitgeteilte Periodisierung allen Anspruch auf Zuverlässigkeit. Also hat Curtius das Phänomen der hohen Klassik auf die Generation der perikleischen Politik von 460 bis 430 eingegrenzt und die jüngere attische Kunst mit dem Tod des Phidias trotz seines Nachwirkens einsetzen lassen. Wie Overbeck behandelt Curtius die spätklassische Zeit weitgehend in der Aufteilung nach einer jüngeren attischen und einer argivisch-sikyonischen Schule.183 Eine beide Teile und mit ihnen die Zeit bis zum Tod Alexanders d. Gr. subsumierende Überschrift, wie Overbeck sie bei der „zweiten Blüthezeit“ und Brunn bei „dem Streben nach äußerer Wahrheit“ fanden, überliefert das Kolleg nicht. In der Griechischen Geschichte hat Curtius die spätklassische Bild- und Baukunst in dem Kapitel über „Athens Politik und geistiges Leben bis zum Auf175 Overbeck, Geschichte I 342–345. 176 Curtius, Geschichte III 53 ff. 444 ff. 177 Curtius Geschichte III 342 ff. 683. Ähnlich Müller 1848, 89, hier aber auf den Zeitraum bis 360 bezogen. 178 Gurlitt, Seite 81 f., u. S. 333 f. 179 Gurlitt a. a. O. 180 Hiller, Folio 79 v. 181 Curtius, Geschichte III 529–538; ebenda3 (1874) 532–542. 182 Müller 1848, 89 f., § 103. 183 Overbeck, Geschichte II 8 ff. 65 ff.; Gurlitt, Seite 82-92, u. S. 334-360; 93-96, u. S. 360368.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

119

treten des Demosthenes“ erörtert.184 Hier besprach er ausschließlich attische Kunst und nicht attische Künstler, die er aber primär mit ihr verband. Die argivisch-sikyonische Schule ist kein Gegenstand des Geschichtswerks gewesen, vermutlich weil Curtius sie eng an die Aufträge und Zeit Alexanders gebunden sah, das Geschichtswerk aber vor dessen Herrschaftsantritt 336 abschloß. Wie in den Vorlesungsmitschriften unzureichend tradiert, stellte Curtius daher die gesamte Kunst klassischer Zeit von 460–336 unter das Thema der attischen Kunst, wobei er eine ältere und jüngere Schule unterschied. Das entsprach exakt Müllers dritter Periode von Olympiade 80–111. Dessen Handbuch schlug die Regierungszeit Alexanders dem Hellenismus zu. Overbeck und Curtius teilten diese Meinung nicht, was bei diesem aber die beschriebene inkonsequente Gliederung nach sich zog. Die mit der nationalen Kunst Griechenlands gleichgesetzte ältere und jüngere attische Schule isoliert nur der dritte Band der Griechischen Geschichte konsequent. Die nicht klare Chronologie der spätklassischen Kunst im Kolleg folgt wohl dem Wissen, daß sich die Polykletschule und die lange Lebens- und Schaffenszeit Lysipps nicht auf die Alexanderzeit eingrenzen lassen, weswegen die peloponnesischen Schulen das geschlossene Bild von einer nationalen griechischen Kunst in den beiden ersten Dritteln des 4. Jahrhunderts gefährdeten. Da Curtius auch die Kunstgeschichte des 4. Jahrhunderts weitgehend als eine Geschichte der skulptierenden Künstler las, ergeben sich dieselben Überschneidungen mit Overbecks Werk wie bei der Behandlung des 5. Jahrhunderts. So gut wie allen Skulpturen, welche Overbeck stechen ließ, nähert sich das Kolleg mit ausführlichen Beschreibungen, welche herangezogene Bildvorlagen voraussetzen. Bereits hieraus folgen weitgehende Übereinstimmungen, weswegen beide Kunstgeschichten im Vergleich die communis opinio der Wissenschaft im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts widerspiegeln. Gelegentlich war zwischen dem Erscheinungsjahr der Plastikgeschichte und dem Semester der Vorlesung nicht unwichtige neue Literatur erschienen, so etwa zu Skopas, Praxiteles oder den Skulpturen von Halikarnassos. Da Curtius sie berücksichtigt, bietet das Kolleg einen etwas jüngeren Wissenstand. Sehr unterschiedlich war die Beurteilung Alexanders. Overbeck sah die Kunst seiner Zeit als auf Bildnisse, historische Darstellungen und Effekthascherei reduziert an.185 Curtius nähert sich Lysipp und seiner Schule eher positiv. Die großen Veränderungen sieht er erst mit dem anschließenden frühen Hellenismus gekommen. Nachgestellt wendet sich das Kolleg der Malerei, den Münzen und der Glyptik des 5. und 4. Jahrhunderts zu, ausführlicher nur der Malerei.186 Hier war der Bogen bis in die archaische Zeit zurück zu spannen, weil Curtius diese Kunstgattungen bei der dritten Periode übergangen hatte. Die pompejanische Wandmalerei

184 Curtius, Geschichte III 444–546. 185 Overbeck, Geschichte II 114 f. 186 Gurlitt, Seite 97–101, u. S. 368–377.

120

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

wird erwähnt, aber nur ausnahmsweise187 herangezogen, die verlorene griechische Fresken- und Tafelmalerei zurückzuerschließen. Den Vasenbildern sind unzureichend wenige Zeilen gewidmet.188 Da somit völlig von bekannten literarischen Quellen abhängig, bleibt der Abschnitt von einigen historischen Kombinationen abgesehen hinter der barocken Bearbeitung von F. Junius zurück, sehr weit hinter der wenig älteren, monumentalen Darstellung durch Heinrich Brunn.189 Seine fünfte Periode der Griechischen Kunst bezeichnet Curtius als „die hellenische Kunst im Orient“ und definiert sie damit abermals geographisch. Sie umschließt die Zeit der Diadochen bis zum Ende der griechischen Selbständigkeit. J. G. Droysens Begriff Hellenismus übernimmt er sowenig wie seine archäologischen Kollegen. Offen bleibt, wann er das Ende chronologisch verankert. An die Schlacht von Actium und den Untergang des Ptolemäerreiches dürfte er nicht gedacht haben, weil er die alexandrinische Kunst im Einklang mit Brunn190, im Gegensatz zu Müller und Overbeck191 als altägyptisch bestimmt interpretierte192 und folglich nicht mit dem Ausklingen der hellenistischen griechischen Kunst verbinden konnte. Auch sein zweites Kriterium, „das anschließende Raubwesen der Römer“193, erbringt keine Festlegung, verfolgt er es doch zutreffend über das 2. Jahrhundert hinaus bis 84/83 v. Chr.194 Andererseits erbringt die Vorlesung kein Argument, das auf einen späteren Ansatz als 146 v. Chr. verwiese, als Korinth zerstört und das griechische Mutterland der römischen Provinz Macedonia zugeteilt wurde. Dieses Datum galt Müller und Brunn als das Ende der Diadochenperiode.195 Nur Overbeck ging von der geringfügig früheren 156. Olympiade (156–153) aus. Plinius überliefert für sie das Wiederaufleben der ars, was Overbeck im Anschluß an Brunn mit dem Übersiedeln der neuattischen Kunst nach Rom gleichsetzte.196 Curtius übersetzt ars traditionell als Kunst des Bronzegusses und nimmt der plinianischen Äußerung damit die übergreifende Bedeutung. Dennoch wertet er den von Plinius für 296 bis 153 überlieferten Niedergang der ars als Anzeichen eines Bedeutungsverlusts der Bildkunst im Mutterland. Seinen Ausgangspunkt erklärt er sich dadurch, daß um 300 „alles, was Talent hatte, nach Rhodos oder an die orientalischen Höfe zog“.197 Das Ende des Niedergangs hätten die Vertreibung der Künstler aus Alexandrien im Jahr 145/44 v. Chr. und das

187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197

Zu Timanthes: Gurlitt, Seite 100, u. S. 374. Gurlitt, Seite 101, u. S. 376. F. Iunius, De pictura veterum (1637); Brunn, GK II 3–316. Brunn, GK I 505 f. Müller 1848, 151; Overbeck, Geschichte II 142 f. Gurlitt, Seite 108 f., u. S. 390 f. Gurlitt, Seite 111, u. S. 397. Gurlitt, Seite 113, u. S. 401. Müller 1848, 149; Brunn, GK I 442. Overbeck, Geschichte II 227ff.; Brunn, GK I 504. 535 ff. Gurlitt, Seite 103, u. S. 380.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

121

verbundene Wiederaufleben der athenischen Plastik verursacht.198 Leisteten das Mutterland und Ägypten in der Diadochenzeit somit keinen Beitrag für die Kunstgeschichte, so vollzog sich ihre Entwicklung nur im Orient, zu welchem Ergebnis auch Brunn gelangt war.199 Auffallend ist zunächst, daß Curtius Glyptik, Münzkunst und Malerei nur bei dieser Periode nicht nachgestellt bespricht, sondern im Anschluß an die östliche Hofkunst, aber vor dem Einsetzen der neuattischen Kunstrichtung.200 Folglich klammert er diese aus der bestimmenden Kunstentwicklung der Diadochenzeit aus, um sie als Beginn der neuen Kunstrichtung zu kennzeichnen, die sich in seiner sechsten Periode unter den Römern fortsetzt.201 Dass der „neuattische“ Klassizismus nach heutiger Vorstellung in der griechischen Kunst und Kunsttheorie des mittleren 2. Jahrhunderts vorzuherrschen begann, durch italische Aufträge erst anschließend noch verstärkt wurde, bestätigt seine Auffassung gegenüber derjenigen Brunns und Overbecks. Zu übersehen ist dennoch nicht, daß ihm gesicherte Anhaltspunkte für einen von Rom unabhängigen Ursprung des Klassizismus nicht zur Verfügung standen. So hat er beispielsweise einen Vorgang von 145/44 im seiner sonstigen Ansicht nach nicht von griechischer Kunst bestimmten Alexandria dafür heranziehen müssen, den schöpferischen Genius der Griechen noch zur Zeit ihrer 146 endenden Autonomie nachzuweisen. Als Curtius das Kolleg hielt, war über die Beurteilung der früh- und hochhellenistischen Kunst eine heftige Diskussion entbrannt. Bereits Müller hatte auf die neuen Möglichkeiten hingewiesen, die sich der Kunst an den Diadochenhöfen eröffneten.202 Er bezog sich auf die allgemeine Erweiterung des Gesichtskreises, auf die Pracht und die Vorbildlichkeit der neu gegründeten Städte, auf den Luxus der Häuser und Grabmäler, den Fortschritt in der Mechanik, die andauernde Bedeutung der Tempel, die Blüte der Glyptik und Mosaiken. Dennoch vermochte er sich nicht zu einem insgesamt positiven Urteil durchzuringen. Das Ende der sikyonisch-argivischen Schule im frühen 3. Jahrhundert, das vermeintliche Ausbleiben der Bildnerei in Bronze für mehr als ein Jahrhundert, die fehlende Überlieferung für große Malerpersönlichkeiten und eine angebliche qualitative Verschlechterung der Münzprägung zum Ende des Untersuchungszeitraums hin veranlassten ihn zu ablehnenden Äußerungen. Auch die Bedeutung der rhodischen und pergamenischen Kunstzentren machten diese Mängel nicht wett, da Laokoon und Farnesischer Stier Müller als zeittypisch theatralisch, „sinnlich imposant, aber ohne befriedigenden geistigen Inhalt“203 erschienen. Seine Rede vom Auslaufen der der Griechischen Kunst vorgegebenen teleologischen Entwicklung 198 199 200 201

Gurlitt, Seite 110, u. S. 393. Brunn, GK I 506. Gurlitt, Seite 109 f., u. S. 390-393. Gurlitt, Seite 113 f., u. S. 402. Vorweggenommen ist diese Sicht bereits bei Müller 1848, 166 f. 202 Hierzu und zum Folgenden: Müller 1848, 149–173. 203 Müller 1848, 161.

122

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

im 4. Jahrhundert offenbart die von Winckelmann und dem Klassizismus vorgeprägte Meinung eindeutig.204 Der große Neuerer bei der Beurteilung dieser Kunstepoche ist Heinrich Brunn gewesen, in dessen Künstlergeschichte ethische und nationale Kriterien hinter kunstgeschichtlichen grundsätzlich weiter zurückstehen als bei Curtius und selbst noch Overbeck. Obwohl natürlich auch Brunn die auf Pathos, Pracht, Außergewöhnlichkeit, auf technische Spitzenleistung und Gelehrsamkeit zielenden Eigenschaften hellenistischer Kunst konstatierte, ergab sich ihm keine grundsätzliche Kritik. Er ergänzte das Bild durch die hellenistische Neigung zum Kleinen, Privaten und Alltäglichen und um eine positive Einschätzung traditionsverhafteter neuer Phänomene wie der Periegese oder des musealen Sammelns.205 Das auf schwacher Materialgrundlage vor dem Fund des Pergamonaltars erzielte Fazit war revolutionär: „Überall aber, wo die neue Zeit neue Ansprüche geltend macht, befriedigt dieselben die Kunst in durchaus originaler, selbständiger Weise; und je höher der Reichtum und der Glanz des Lebens steigen, um je höher spannt auch die Kunst alle ihre Kräfte, um durch dieselben Eigenschaften auch auf dem Felde ihrer Thätigkeit alles Frühere zu überbieten. So gelangte man in der That an das Ziel, bis zu welchem vorzudringen der berechnenden Schärfe des menschlichen Geistes überhaupt möglich war.“206 Der Höhenflug der Griechischen Kunst sank also nach der Klassik nicht in ein Tal, sondern hielt an und konnte mit dem historischen Prozeß der autonomen griechischen Geschichte nur von den Römern beendet werden. Hiergegen lief Overbeck 1859 Sturm. Schon seine Kapitelüberschrift „die Zeit der Nachblüthe“207 stellte sich unter die Autorität Winckelmanns. Den bei Plinius überlieferten Niedergang der Kunst zwischen den Olympiaden 121 und 156 erklärte er sich nicht mit Brunn als die Ansicht einer klassizistisch bestimmten Kunsttheorie, sondern als ein objektives Urteil.208 Die Kunst der Diadochenzeit sei wirklich „wenig bedeutend, wenig erfreulich, wenig originell“ gewesen209, auch wenn die „Architektur dieser Periode Neues und Bedeutendes schuf“.210 Da auf besondere historische Bedingungen zurückzuführen, nämlich die Selbständigkeit und wirtschaftliche Blüte von Rhodos, den Sieg über die Gallier in Pergamon, habe die Blüte in den dortigen Kunstzentren als Ausnahme zu gelten.211 Curtius greift diese Diskussion nicht direkt auf, wie er wissenschaftlichen Streit grundsätzlich vermied und Auseinandersetzungen gewöhnlich nur als Korrektur an Sachproblemen vortrug. Seine auf das klassische Ideal zentrierte Ein204 205 206 207 208 209 210 211

Müller 1848, 152. Brunn, GK I 503–519. Brunn, GK I 519. Overbeck, Geschichte II 129. Overbeck, Geschichte II 136 f. Overbeck, Geschichte II 137. Overbeck, Geschichte II 138. Overbeck, Geschichte II 140. 144 f.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

123

stellung verwies ihn an die Seite Overbecks, und inwiefern er Brunns Gedanken überhaupt kannte, bleibt offen. Bereits die Überschrift zu seinem hellenistischen Kapitel setzt, wie oben gesehen, einen Niedergang der Plastik im 3. und frühen 2. Jahrhundert voraus. Mit Overbeck sucht er, die Sonderstellung rhodischer und pergamenischer Schulen historisch durch die Selbständigkeit der Insel und eine den Perserkriegen vergleichbare Abwehr der Barbaren zu begründen.212 Das ist insofern inkonsequent, als er mit der Möglichkeit weiterer östlicher Kunstzentren rechnet. Dass nun „Hellas außerhalb von Hellas“ zu verfolgen war, weil die Kunst „den physischen und geistigen Boden ihrer bisherigen Existenz, den religiösen, nationalen verließ“213, hat seine Distanz zu dieser Zeit zusätzlich erhöht. Eine Fülle ethischer Disqualifikationen begleiten seinen Kommentar. An den Fürstenhöfen verliert die Kunst „Einfalt und Maaß“, steht damit „im Gegensatz zum Volk“ und wird profan.214 Sie schließt sich der Natur nicht mehr an, sondern verfügt über sie. Luxuriös fällt sie „dem orientalischen Putzstil anheim, von dem sie sich früher [in der 3. Periode] losgelöst hatte.“215 Selbst die Rhodier „zogen das äußerlich Imponierende dem Geistigen vor“216, weswegen die gewaltige Gruppe des Farnesischen Stiers bei aller technischen Virtuosität nur „brutal“, „überladen und effekthaschend ist und des tieferen Gedankens entbehrt“.217 Die Laokoongruppe zwang zwar auch Curtius zu einer ekphrastischen Beschreibung, welche den Agon mit den älteren Panegyriken auf dieses Werk aufnimmt218, gleichwohl gelangt er zu einem ähnlichen Ergebnis. Ihr Pathos sei extrem und äußerlich, der „Charakter des Erhabenen und die kathartische Wirkung“ blieben zurück. Die falsche Frühdatierung in die Diadochenzeit und die korrekte Deutung auf einen schuldigen Heros entsprechen der Beurteilung bei Müller, Brunn und Overbeck. Seine Griechische Geschichte hat Curtius als Philhellenist par excellence bei der Suprematie Makedoniens über Griechenland enden lassen. Die hellenistischen Königreiche galten ihm nicht mehr als national hellenisch geprägt, sondern als räumlich überdehnt und fremd, wie die hellenistische Kunst als religiös, kulturell und ethisch fragwürdig. Das prägte auch seine Haltung zum zeitgenössischen Imperialismus, zumal in seinem Höhepunkt unter Wilhelm II. Der Patriot Curtius hatte auf die Einheit seines Vaterlandes hinzuwirken versucht, in diesem Prozess Preußen die Aufgabe Athens im 5. Jahrhundert zugewiesen, Wilhelm I. in der Rolle des Perikles gesehen, allerdings eine längere Staatsführung für ihn und die Hohenzollern erhofft. Einem zusätzlichen Machtanspruch des Deutschen Reiches sagte er dessen absehbaren Untergang voraus, eben das Schicksal der hellenistischen Reiche und Roms. 212 213 214 215 216 217 218

Gurlitt, Seite 103. 107, u. S. 380 f. 386. Gurlitt, Seite 102, u. S. 377 f. Gurlitt, a. a. O. Gurlitt, Seite 103, u. S. 380. Gurlitt, Seite 104, u. S. 381. Gurlitt, Seite 105, u. S. 383. Gurlitt, Seite 105–107, u. S. 383–386.

124

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Anderen Aspekten der Zeit verweigert Curtius eine Würdigung nicht, zumal wo sie sich mit seinem speziellen archäologischen Arbeitsfeld, der Stadtforschung, berühren. Die hellenistische Kolonisation mit ihren zivilisatorischen Errungenschaften an geregelten Stadtplänen, „gewaltigen Wasserleitungen und Cloaken“, Palästen, Luxusbauten, „Thermen“, Mouseia und Bibliotheken, auch Ingenieurbauten sind erwähnenswert. Ortskenntnis und Ausgrabungen lassen es ihm notwendig erscheinen, auf weitere Zentren hellenistischer Kultur hinzuweisen: Antiochia, Seleukia in Pierien und Knidos. Für die seleukidische Hauptstadt und Ephesos waren dazu auch Statuen belegt.219 Seine Gesamtvorstellung von dieser Epoche entspricht am ehesten derjenigen Müllers. Sein kunstgeschichtliches Kolleg hat Curtius bereits in der Erstfassung im Sommersemester 1844 als „Geschichte der griechischen und römischen Kunst“ vorgetragen. Auf den Titel kam er im Wintersemester 1850/51 und ab dem Winter 1859/60 bei allen Wiederholungen zurück. Der Zweiteiligkeit sucht das Kolleg nur bei den Darlegungen zur sechsten und letzten Periode gerecht zu werden. Überschrieben ist dieses Kapitel als „die griechische Kunst in Italien, speziell in Rom“ und nicht als 'Römische Kunst'. Hieraus hat Wilhelm Gurlitt die berechtigte Konsequenz gezogen und das Kolleg verkürzend als ausschließlich Griechische Kunst bezeichnet. Daß die Griechische Kunst als der einzige Gegenstand der antiken Kunstgeschichte zu begreifen sei, ließ sich schon mit den antiken Schriftquellen begründen. Wo sie kunsttheoretischer und protokunstgeschichtlicher Art sind, wenden sie sich fast nur der Griechischen Kunst zu. Vor allem aber entwerfen sie eine so gut wie ausschließlich griechische Künstlergeschichte. Deswegen konnten sich die theoretischen Auseinandersetzungen mit der antiken Kunst in Renaissance und Barock wiederum fast nur den Griechen zuwenden. Auf beiden Überlieferungssträngen gründete Winckelmanns Entdeckung der Kunstgeschichte. Er verband sie mit den erhaltenen Skulpturen griechischer Prägung und fand zur historischen Entwicklung der Griechischen Kunst. Die akademische Kunstarchäologie seit Heyne sah ihr vornehmstes Ziel darin, diesen Entwurf philologisch und unter Berücksichtigung originaler griechischer Kunstwerke zu überprüfen, deren Anzahl stetig anwuchs. Daher behandelte Müllers Archäologie der Kunst im historischen Teil ausschließlich die Griechen, die parallele Kunstgeschichte im Westen bis 146 v. Chr. als abgesetzte Episode „von der Griechischen Kunst bei den Italischen Völkern“. Eine eigenständige Römische Kunst kennt das die Spätantike einschließende Handbuch so wenig wie Winckelmann.220 Hierin war es die entscheidende Voraussetzung für Curtius’ Kolleg ab 1844, auch wenn dieses die Griechische Kunst im italischen Westen von der Frühzeit bis zum frühen Mittelalter in einem einzigen Kapitel zusammenfasst. 219 Gurlitt, Seite 102 f. 108, u. S. 378–380. 388-390. 220 Abgesehen von kaum ausgeführten Ansätzen bei der Besprechung der „Architektonik“: Müller 1848, 199.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

125

Brunns Geschichte der griechischen Künstler von 1853 behandelt im letzten Abschnitt „die griechische Kunst zur Zeit der römischen Herrschaft“. Er wirkte auch darin bestätigend, daß er die in Rom tätigen Künstler auf breiter Grundlage als Griechen auswies, selbst dort wo sie nach der Freilassung römische Namen erhalten hatten.221 Ihre Zahl sei aber rückläufig gewesen, und durch lang andauernde Trennung von der heimischen Tradition habe sich in Rom ein Auflösungsprozeß ergeben, der etwa seit trajanischer Zeit „das Gedeihen einer eigenthümlichen römischen Kunst“ begünstigte.222 Doch auch diese „mehr nationalen Bestrebungen“ der Römer hätten „die allmähliche Verflachung“ und „endlich den vollständigen Verfall nicht aufzuhalten“ vermocht.223 Immerhin ist der Römischen Kunst damit eine gewisse Eigenständigkeit zugesprochen worden, wenn sie ihre Stimme auch nur während der endenden „Nachblüthe“ der Griechischen Kunst zu erheben vermochte und die Zeit des Verfalls begleitete. Wohl nicht zufällig denselben Jahren gehörte eine Diskussion über den Kunstsinn der Römer zwischen Ludwig Friedländer und Karl Friedrich Hermann an. Friedländer ging 1852 davon aus, daß „trotz aller alten Kunstpracht Roms und des römischen Reichs die bildende Kunst einen Einfluß auf die römische Gesamtbildung niemals gewonnen“ habe und daß „das Wesen der griechischen Kunst der römischen Cultur im Großen und Ganzen immer fern und fremd gewesen sei“224. Hieran hielt er auch bei der sehr umfangreichen Untersuchung der Römischen Kunst in seiner Sittengeschichte Roms fest, obwohl er eine so „großartige und umfassende Verwendung der Architektur und der bildenden Künste“ in ihr konstatierte, daß sie selbst die Moderne hinter sich ließ.225 Hermann beurteilte den Kunstsinn der Römer kurz vor seinem Tod und vor Curtius’ Wechsel nach Göttingen positiver226, aber auch nur in Beziehung zu griechischen Kunstwerken. Zugrunde liegen ausschließlich Schriftquellen. Römische Werke streifte Hermann nur äußerst flüchtig, um sie als handwerklich, dekorativ, „plump und schwerfällig“, also als kunstlos zu disqualifizieren. Overbeck benannte die Zeit von 150 v. Chr. bis zur Spätantike in seiner Geschichte der griechischen Plastik 1858 als die Periode des „Nachlebens der griechischen Kunst unter römischer Herrschaft“227. Er bestätigte das zeittypische negative Urteil über die Römische Kunst, wobei er ihr in Fortführung der Gedanken Brunns aber eine größere Relevanz zur Kaiserzeit und damit auch einen ent221 222 223 224

Brunn, GK I 618 f. Brunn, GK I 618. Brunn, GK I a. a. O. L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms III6 (1890) 315 in Bestätigung seines Urteils in der Schrift: Über den Kunstsinn der Römer in der Kaiserzeit (Königsberg 1852). 225 Friedländer, Sittengeschichte a. O. 176. 226 C. F. Hermann, Ueber den Kunstsinn der Römer und deren Stellung in der Geschichte der alten Kunst (Göttingen 1856). 227 Overbeck, Geschichte II 213–310.

126

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

scheidenden aktiven Anteil am Verfall der antiken Kunst zuwies. Wie bereits gesehen, setzte er für die 156. Olympiade (156–153) die Begründung der neuattischen Schule in Rom voraus, Brunn hierin folgend.228 Mit Recht etablierte er dort für die spätrepublikanische Zeit und den frühen Prinzipat zusätzlich eine kleinasiatische Schule, dazu noch eine mit Pasiteles einsetzende unteritalische Kunstrichtung.229 Dieser Griechischen Kunst in der Metropole des Reiches stellte er eine „mit der Befestigung der Kaiserherrschaft“ im 1. Jahrhundert n. Chr.“ einsetzende, „eigenthümliche römische Kunst“ entgegen, „welche je länger desto mehr an Boden und Ausdehnung gewinnt“ und dann ab Hadrian den eigentlichen „Verfall der Kunst“ einleitet.230 Manifestieren konnte sich diese Römische Kunst nach Overbeck in erster Linie bei Porträts und an „historischen Reliefs“, die über die verlorene triumphale Malerei der Republik in einer spezifisch stadtrömischen Tradition gestanden hätten.231 Bildnisplastik und Staatsreliefs hätten zusätzliche Impulse durch die von Overbeck verurteilte Kunst der Diadochenzeit empfangen, durch die realistischen Porträts der Lysipp-Werkstatt, die pergamenischen Siegesdenkmäler über die Galater, den antiquarischen Realismus des Alexandermosaiks und durch weitere hellenistische Vorbilder.232 Grundsätzlich müsse gelten, daß „die beiden Blütheperioden“ Griechischer Kunst im 5. und 4. Jahrhunderts über ihre Vorbilder und Normen deren Nachblüte von der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. bis in hadrianische Zeit bestimmten, daß anschließend aber, „namentlich nachdem die tyrannische und prunkende Kaiserherrschaft ähnliche Grundlagen der Kunstproduction geschaffen hatte, wie sie an den Diadochenhöfen vorhanden waren, die mehr und mehr hervortretende eigenthümlich römische Kunst sich den Vorbildern aus der makedonisch-hellenistischen Zeit“ anschloss.233 Damit hat Overbeck die vielen Analysen des 20. Jahrhunderts vorweggenommen, welche das Hervorwachsen einer spezifisch römischen Formenwelt im Prinzipat aus der vorangehenden klassizistischen Überformung darlegten und die Berührungen mit der hellenistischen Kunst durch eine gemeinsame antiklassische Einstellung erklärten. Selbst G. Rodenwaldts Entdeckung des antoninischen Stilwandels haben Overbecks Beobachtungen zu historischen Reliefs von der Basis der Antoninus-Pius-Säule an in gewissem Umfang vorweggenommen.234 Nur standen all diese Ergebnisse in seiner Geschichte der griechischen Plastik und damit unter negativen Vorzeichen. Im positivsten Fall ergaben Overbecks Analysen einen derben, aber frischen und gesunden Realismus, eine „kräftige Frische und Energie“, teilweise „Schönheit der Formgebung“ und „pathetischen

228 229 230 231 232 233 234

Vgl. o. S. 120. Overbeck, Geschichte II 251–278. Overbeck, Geschichte II 226 f. Overbeck, Geschichte II 298 ff. Overbeck, Geschichte II 299 f. 302. 308. Overbeck, Geschichte II 225. Overbeck, Geschichte II 324 ff.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

127

Ausdruck“235. Letztendlich aber sei die spezifisch Römische Kunst ein aktives Ferment im Verfallsprozeß gewesen. Ihn verfolgten Overbecks Reliefbeschreibungen bis zu Konstantin, allgemeinere Überlegungen bis in frühtheodosianische Zeit in der Art einer Entstehungsgeschichte der Spätantiken Kunst unter dem Vorzeichen ihres endzeitlichen Charakters.236 Den Verfall der Griechischen Kunst bewirkten nicht das Einsetzen der Völkerwanderungszeit und andere historische Bedingungen sondern der kunstferne Charakter der Römischen Kultur. In Curtius’ Kolleg spiegeln sich diese Diskussionen über den Kunstsinn der Römer wenig und ist der Existenz einer eigenständigen Römischen Kunst kaum ein Wort gewidmet. Seine Darstellung der frühen Kunst Mittelitaliens, Etrurien einschließend, als gelegentlich verzerrende Modifikation der griechischen Kunstentwicklung237 ist weitgehend von Müllers Handbuch abhängig. Der Ausgangspunkt erklärt den für das 2. und 1. Jahrhunderts festgestellten Zwiespalt zwischen dem römischen Kunstraub und der Kunst ablehnenden „römischen Natur“238, nicht. Die neuattische Schule läßt Curtius erst im 1. Jahrhundert v. Chr. von Griechenland nach Rom auswandern, um hier den Boden für die kaiserzeitliche Entwicklung vorzubereiten. Das Kolleg stellt sie unter die originelle und zutreffende Maxime, dem Prinzipat sei „die ausgleichende Macht“ zugefallen, „Griechen und Römer zu vermählen“239. Entsprechend positiv fällt die Einleitung zu dieser Epoche aus: „Die Kaiserzeit konnte nur günstig auf die Kunst wirken. Durch das nun erwachte Studium und die Gunst der Verhältnisse stellte man jetzt Kunstwerke vor, die abgesehen von der Einfalt den hervorragendsten Werken der alten Zeit gleichgestellt werden konnten.“240 Dafür ist die Statue des Apollo im Belvedere das bemerkenswerteste Beispiel. Curtius’ Bedürfnis nach Harmonie kennt keine Auseinandersetzung zwischen Griechischer und Römischer Kunst. Er beschreibt die julisch-claudischen, flavischen, trajanischen und hadrianischen Monumente über eine Auswahl der besten Werke ohne jede Kritik, ohne die Probleme der beteiligten Künstler und der Gattungstraditionen zu berücksichtigen. Diese betont positive Sicht ist in ihrer Zeit singulär, findet aber Vorgänger bei F. Thiersch, G. F. Creuzer und E. Gerhard, die sich hierbei ebenso auf den Apoll im Belvedere beriefen.241 Daß hier die positive Einstellung des Vortragenden gegenüber der konstitutionellen Monarchie seiner Zeit einflussreich war, ist naheliegend. Erst angesichts des Severus- und Konstantinsbogens – im zeitlichen Umkreis des Dominats – spricht Curtius von der Abnahme der Kunst und ihrem Verfall242, ohne 235 236 237 238 239 240

Overbeck, Geschichte II 304. Overbeck, Geschichte II 300 ff. 319 ff. Gurlitt, Seite 112 f., u. S. 397-402. Gurlitt Seite 113, u. S. 401. Gurlitt a. a. O. 401 f. Das Zitat ist aus einer Kombination von Gurlitt, Seite 114, u. S. 403, und Hiller, Folio 213r gewonnen. 241 Bruer 1994, 84f. 131 mit Diskussion und Nachweisen. 242 Gurlitt, Seite 117, u. S. 410 f.

128

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

sie näher zu verfolgen. Stattdessen entwirft ein Streifzug zu den Personifikationen von Tugenden, von Ländern und Städten, zu den Gottheiten der orientalischen Kulte und zu den Monumenten der literarischen Bildung einen geschlosseneren Überblick über die zeittypische Kunstproduktion.243 Wiederum nachgestellt sind Absätze über die Malerei. Sehr wagemutig konzentrieren sie sich auf den Nachweis, daß all ihre pompejanischen Zeugnisse, aber auch die öffentliche und private Architektur Campaniens auf die großgriechische Kolonisierung zurückgingen244, was die Präferenz für die griechische Kultur dann doch wieder bezeugt. Ein Blick auf das Entstehen der Christlichen Kunst in allen Gattungen beendet das Kolleg.245 Erst an den Mosaiken des 7. Jahrhunderts lasse sich ein endgültiger Verfall ablesen; da „tritt das Unschöne hervor und der Versuch, mehr auszudrücken, als durch Formen möglich ist.“246 Vorausgehende Ursachen findet Curtius in der Verlegung der Hauptstadt nach Konstantinopel und in dem Verbot der paganen Kulte durch Theodosius I. Das wirkt wenig systematisiert, und der abschließende Hinweis auf die Umwidmung heidnischer Kultorte in Stätten christlicher Marien- und Heiligenverehrung, worauf dann die Protorenaissance eines Giotto und Pisano folgt247, ist eher an dem unendlichen Fortwirken Griechischer Kunst interessiert als am Markieren und Begründen ihres Endes.

3. Medienwechsel: Curtius’ „Griechische Kunstgeschichte“ als Bilderbuch 1878/79 (Abb. 2–3) 2001 erwarb Adolf Borbein eine Kurzfassung des hier veröffentlichten Kollegs in einem Antiquariat in München. Dankenswerter Weise stellte er sie für die vorliegende Publikation zur Verfügung. Das schmale Bändchen umfaßt 48 Blätter. Auf 63 Seiten von ihnen ist der mit der Vorlesung verbundene Text durchgezählt. Folio 2r benennt den Autor und den Titel. Es handelt sich um den nicht weiter bekannten Jurastudenten G. Braun, der das Manuskript als eine „Geschichte der bildenden Kunst bei Griechen und Römern. Nach Vorlesungen von Prof. Curtius. Berlin Winter 1878/79“ verfaßte. In den mit Leder verstärkten Rücken des 17,5 x 22 cm großen Einbandes ist „Curtius, bildende Kunst“ eingeprägt. Wie schon der Titel andeutet, handelt es sich um keine direkte Mitschrift. Auf der Grundlage einer solchen ist vielmehr eine stark verkürzende und mit 46 eingeklebten Fotografien illustrierte Reinschrift (Abb. 2–3) gegeben. Das Format der Handschrift stimmt mit dem der Mitschrift des gleichen Kollegs von Eduard Hil-

243 244 245 246 247

Gurlitt, Seite 117 f., u. S. 411-413. Gurlitt, Seite 118 f., u. S. 413-415. Gurlitt, Seite 119–120, u. S. 415-417. Gurlitt, Seite 120, u. S. 417. u. S. 418.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

129

ler in etwa überein.248 Dieses umfaßt 241 Seiten, denen bei Braun nur ca. 40 Seiten gegenüberstehen, da der von den Abbildungen eingenommene Raum abzuziehen ist. Braun referiert Curtius’ Ausführungen nur in den großen Linien, was auch eine subjektive Auswahl einschließt. Überwiegend orientiert er sich an den erhaltenen Skulpturen. Das nur philologisch überlieferte Wissen über die antike Kunstgeschichte und über die kulturelle Verankerung der Kunst läßt er fort. So übernimmt Braun beispielsweise kein einziges Quellenzitat, weder nach antiken Autoren noch nach moderner wissenschaftlicher Literatur. Die wissenschaftliche Funktion von Vorlesungen fand daher keine Fortsetzung, die hier von der Aufklärungszeit bis zu den Mitschriften der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts verfolgt worden ist. Das begründet sich nicht allein mit der fachfremden Perspektive des Verfassers. Denn allein schon die Mitschriften Gurlitts und Hillers nach den ihnen fachfremden Vorlesungen in Philosophie oder Deutscher Geschichte aus den sechziger Jahren bezeugen eine analog enge Orientierung an den vorgetragenen Texten wie bei den Kollegien ihrer eigentlichen Studienwahl. Brauns Nachschrift scheint ein neues Verhältnis zwischen akademischem Vortrag und Studium vorauszusetzen, das sich weniger auf wissenschaftliche Normen als auf das persönliche Verständnis ausrichtet. Ihm dienen ja die Abbildungen, die Brauns Handschriften entscheidend bestimmen. Dazu schaffen sie, unbeabsichtigt, auch eine Distanz zwischen der Vorlesung und der sie skizzierenden Nachschrift. Sie stammen einmal aus sehr unterschiedlichen Quellen, wobei das zugängige Angebot an frühen Fotografien einen eigenen Akzent setzt. Zahlreiche Abbildungen geben Monumente wieder, die der Text nicht direkt anspricht249 oder die Curtius kaum genannt haben kann, weil es sich um klassizistische Skulpturen des späten 18. oder 19. Jahrhunderts handelt.250 Dann dokumentiert Brauns Bilderbuch eine versuchsweise Integration von Wort und Bild, so locker die Verbindung zwischen beiden auch ist. Dabei richtet sich das Verständnis von Kunstgeschichte betonter auf die jeweils wiedergegebenen Formen aus und läßt die philologische und literarische Kunstinterpretation von Ernst Curtius hinter sich. Dem archäologischen 248 Vgl. u. S. 150. 249 Die Athena des Typus Giustiniani auf S. 15 Abb. rechts (hier Abb. 2) erwähnt Braun nicht. Aus Gurlitt, Seite 63 (u. S. 289) folgt, daß Curtius mit ihr eine bildliche Vorstellung von der Athena Parthenos vermitteln wollte. Brauns Text nimmt zum antretenden Diskobolen (S. 19 Abb. rechts) oder zum kapitolinischen Jüngling („Antinoos“, S. 25) ebensowenig Bezug wie zu dem falsch ergänzten und als Niobide mißdeuteten Flußgott des ParthenonWestgiebels (S. 35 Abb. oben) oder zu einem Asklepios in Berlin (S. 55). Zum Typus des Apollon Kitharoidos wird eine Berliner Statue (S. 29), zu praxitelischen Erosstatuen der vatikanische Eros von Centocelle (S. 26 Abb. links), zum Torso vom Belvedere der Florentiner Torso eines Satyrs (S. 36 Abb. rechts) oder für Bildnisse Platos der Neapolitaner „Dionysosplaton“ (hier Abb. 3 links, Priapos) abgebildet, ohne eines dieser Werke explizit zu nennen. 250 Der als Antinoos bezeichnete Jünglingskopf mit Efeukranz Braun S. 58 (Bacchus?), die liegende Ariadne oder Cleopatra S. 59, die Amor/Psyche-Gruppe S. 61.

130

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

und kunsthistorischen Laien Braun war das allerdings kaum gegenwärtig, als er unreflektiert das Unmögliche versuchte, einen der Formanalyse fernen Text mit einem Medium zu verbinden, welches sie herausforderte. Zu berücksichtigen ist, daß keine weitere Griechische Kunstgeschichte der siebziger Jahre ähnlich reich mit Fotografien ausgestattet ist.251 Der von dem neuen Medium vorgewiesene Weg begann gerade erst abgeschritten zu werden. Brauns Handschrift kann erst nach dem abgeschlossenen Wintersemester 1878/79 entstanden sein. Viel spricht für den Sommer 1879. Denn zwei in die leeren Bögen des Bändchens eingeschlossene Seiten erbringen Texte, die Braun in Curtius’ Vorlesung „Griechische Götterlehre im Königl. Museum“252 und im Kolleg „Über das Leben und die Werke Michel Angelo’s und Raphaels“ des Kunsthistorikers Herman Grimm253 mitgeschrieben hat. Beide sind im Sommersemester 1879 in Berlin gehalten worden. Weitere Einlagen fehlen und mit ihnen auch jeder Hinweis auf ein späteres Datum. Da Grimm sein Fach wie Curtius in enger Bindung an die Literatur vertrat, kann Brauns ansatzweise moderneres Verständnis der Monumente auch nicht von der Kunstgeschichte ausgegangen sein, sondern es folgte aus der Konzentration auf die monumentale Basis aller Überlegungen und aus der Verwendung des neuen Mediums. Die von Braun im Winter 1878/79 besuchte Vorlesung hieß „Die Geschichte der bildenden Kunst bei den Griechen und Römern mit Benutzung des Königl. Museums“. Von der „Historia artium Graecorum et Romanorum“ des Winter 1864/65 in Göttingen unterschied sie sich kaum, was die Beschränkung auf die bildende Kunst anging, da sie auch in ihr im Zentrum gestanden hatte. Gewichtiger war der Fortfall des systematischen ersten Teils der Göttinger Vorlesung, den Curtius in Berlin in erweiterter Form als ein eigenes Kolleg anbot.254 Deswegen verblieb während des Semesters mehr Zeit zur Entwicklung der Kunstgeschichte. Zumindest zu einem Teil ist sie für den Besuch der Abgüsse und der Kleinkunst im Neuen Museum verwandt worden, zu denen sicherlich weniger häufig auch 251 Ausschließlich Holzschnitte illustrierten F. Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte I4 (1861) und W. Luebke, Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart (1863), gelegentlich unter Verwendung von Fotografien, die auch Braun benutzte. Gleichfalls noch auf Stiche beschränkt sind die Illustrationen bei J. Overbeck, Geschichte der griechischen Plastik für Künstler und Kunstfreunde2 (1869/70). Der Druck von Fotos war erst ab 1875 möglich. Auch international setzten gut illustrierte und mit Fotos ausgestattete Geschichten der griechischen bzw. antiken Plastik erst in den achtziger und neunziger Jahren ein: A. Mau, Katalog der Bibliothek des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts in Rom II (1902) 56. 252 Braun S. 63 referiert einen religionswissenschaftlichen Text, der die olympischen Götter bis auf Zeus aus dem Orient herleitet und die Kanonisierung ihrer Zwölfzahl auf zwölf thessalische Städte am Fuß des Olymp zurückführt. Das entsprach der Götterlehre, die Curtius in Publikationen von 1875 und 1890 entwickelte, vgl. o. S. 64 mit Anm. 102, nur zum Teil. Curtius wagte wohl keine vollständige Publikation dieser Hypthesen. 253 Braun, Fol. 47r erbringt einen Text über „Raphaels Teppiche“ als Mitschrift bei „Prof. Grimm“. 254 Vgl. o. S. 93 f.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

131

Demonstrationen vor den Originalen des Alten Museums kamen. Brauns Manuskript spiegelt diese neue Visualisierung der Denkmäler allgemein über die zahlreichen Illustrationen, direkter durch eine stärkere Berücksichtigung von Berliner Skulpturen, Abgüssen und Zeugnissen der Kleinkunst.255 Von solchen gelegentlichen Veranschaulichungen in den Sammlungen abgesehen, dürfte sich Curtius’ Kunstgeschichte der ausgehenden siebziger Jahre bei der Berücksichtigung neu entdeckter Werke, wie etwa der Funde in Olympia, etwas verbreitet, aber kaum entscheidend verändert oder vertieft haben, da die Kurzfassung Brauns im Wesentlichen mit Gurlitts älterer Mitschrift übereinstimmt. Die philologische Interpretation der Kunst und ihre kulturgeschichtliche Einordnung ergaben sich in der akademischen Archäologie seit Christ und Heyne aus der Distanz zwischen den Gelehrten und den von ihnen besprochenen Kunstwerken. Deren Bewertung folgte nicht ihren Formen, sondern ihrer ungefähren Wiedergabe in Zeichnungen und Stichen, d. h. überwiegend aus ikonographischen Befunden, die sich mit entsprechenden literarischen Texten verbinden ließen. Allerdings ließ sich in der oben beschriebenen Entwicklung der Griechischen Kunstgeschichten eine stete Zunahme der berücksichtigten Denkmäler verfolgen, welche mit der Notwendigkeit einherging, sie mehr und mehr als autonome Betrachtungsgegenstände zu würdigen. Entsprechend nahm die Ausführlichkeit der Beschreibungen zu, gerade etwa in Curtius’ „Griechischer Kunstgeschichte“ gegenüber Müllers Handbuch, steigerte sich die Zahl der beigegebenen Stiche, beispielsweise in den Auflagen von Overbecks Plastikgeschichte, häuften sich die Abbildungszitate. Schließlich erbrachte die teilweise Verlagerung des Kollegs in die Berliner Sammlungen eine weitere Visualisierung der Objekte und hier schließlich auch eine Auseinandersetzung mit den Formen. Hierbei ist wiederum die ungemeine Zunahme der Exponate in den Museen des späteren 19. Jahrhunderts zu beachten. Der Prozess lief in gewisser Weise auf die Erfindung und Verwendung von Fotografien hin, wie sie in Brauns Version des Kollegs gegeben 255 Für die Braun S. 7 (Gurlitt, Seite 46, u. S. 254) erwähnten melischen Gefäße gab es Berliner Beispiele. Bei den Nachweisen für archaische und archaistische Werke S. 11 ist der Berliner Anteil hoch und umgreift bei Vasen und Statuetten auch die Kleinkunst des Antiquariums im Neuen Museum. Braun S. 21 wird die Berliner Amazone in die Besprechung des ephesischen Kunstwettstreits eingeführt. S. 55 ist auf die Berliner Doppelherme des Seneca und Sokrates hingewiesen. Unter augusteischen Reliefs werden S. 56 die Silberschale aus Aquileia der Berliner Antikensammlung, ihr Onyxgefäß und der Hildesheimer Silberfund genannt. Dessen Lorbeerbecher ist Braun S. 56 nach einem Abguß abgebildet. Eindeutig auf Abgüsse im Neuen Museum zurück gehen die Aufnahme der Pasquinogruppe (S. 22) in der selten abgeformten Rekonstruktion Riccis: K. Bötticher, Erklärendes Verzeichnis der Abgüsse antiker Werke II (1872) 402f. Nr. 690 und die barocke Büste des Laokoon im Besitz des Herzogs von Ahrenberg (S. 40): C. Friederichs – P. Wolters, Die Gipsabgüsse antiker Bildwerke (1885) 540f. Nr. 1423. Zahlreiche weitere Fotos bei Braun sind von Abgüssen nach Originalen genommen, welche in der Gipssammlung im Neuen Museum vertreten waren, ohne dass sich die Identität eindeutig nachweisen ließe. Dazu kommen die Abbildungen nach den beiden originalen Skulpturen des Berliner Apollon Kitharoidos und des dortigen Asklepios bei Braun S. 23. 55.

132

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

sind. Dabei kennzeichneten sie den Punkt des Prozesses, an dem die fotografische Wiedergabe als Illustration von Vorstellungen dient, welche die Möglichkeiten des neuen Mediums zur vergleichenden Formanalyse noch nicht erfassen, sondern der älteren Tradition verhaftet sind. Das Foto galt noch als ein besonders guter Stich. Damit öffnet Brauns Bilderbuch mit seinen zahlreichen fotografischen Abbildungen den Blick auf einen wichtigen Entwicklungsschritt von kurzer Dauer in der archäologischen und kunstgeschichtlichen Lehre und Forschung Die knappe Gegenüberstellung mit Gurlitts Manuskript kann sich auf die seltenen Neuerungen bei Braun beschränken. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, daß Braun als Laie grobe Fehler unterliefen.256 Sie widersprechen seiner grundsätzlichen Abhängigkeit vom Text der Vorlesungen jedoch nicht, die eine überwiegende Zuverlässigkeit verbürgt. Bei Gurlitt setzen die mythologischen Anfänge der griechischen Kunst und die heroische (mykenische) Zeit die voneinander geschiedenen ersten Kunstperioden. Braun hat sie in einer einzigen zusammengefaßt, hierbei allerdings eine übereinstimmende Zweiteiligkeit in der Überschrift bewahrt.257 Nennt Braun Schliemann und dessen spektakuläre Funde der siebziger Jahre nicht, so möglicherweise weil Curtius die Entdeckungen des einstigen Rivalen um die Olympia-Grabung bewußt überging. Neu gegenüber Gurlitts Mitschrift ist eine wichtige, wenn auch sehr kurze Skizze zur Ornament- und Stilentwicklung in der griechischen Vasenmalerei. Curtius unterscheidet jetzt einen wellenförmigen [spätkykladischen] Stil mit Fischen von einem linear geometrischen mit Tier-, aber ohne Pflanzendarstellungen, an den dann der orientalisierende „Teppichstil“ mit Löwen und Mischwesen anschließt.258 Die jeweils zugehörigen Zeithorizonte bleiben dem Leiter der Olympia-Expedition gegen Ende der dortigen Kampagnen allerdings noch verborgen. Daher vermag er die geometrische Kunstepoche des ersten Drittels des 1. Jahrtausends nicht zu erkennen, sondern Curtius nimmt diesen Zeitraum nach wie vor für seine „altgriechische“ Periode in Anspruch, in der die Kunst entstand und sich unter dorischem und vor allem delphischem Einfluß zu einem verbindenden Wesenszug des griechischen Volkes zu entwickeln begann. Brauns Konzentration auf die großen Linien der Vorlesung heben das klarer hervor als die von der Vermittlung der Details bestimmten Mitschriften Gurlitts und Hillers. Das gilt auch für die besondere Rolle, die Curtius den Tyrannen für die Kunstentwicklung im 7. Jahrhundert zuweist, gleichsam als Vorläufern des Perikles und der konstitutionellen Monarchen des 19. Jahrhunderts.259 Mit einer marmornen „Armlehne“ aus Samothrake, tanagräischer Kalksteinplastik und einem von ihm selbst im Jahr der Vorlesung 256 Perikles habe Phidias vergiftet (Braun S. 13), nicht Curtius sondern Schliemann habe den Hermes des Praxiteles in Olympia gefunden (S. 25), die frühe Phase der altgriechischen Kunst ende bei Curtius mit der 15. Olympiade statt der 50., was schon Brauns folgender Text inhaltlich korrigiert. 257 Braun S. 1–3. 258 Braun S. 2. 259 Braun S. 4–6.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

133

publizierten Bronzerelief aus Olympia glaubt Curtius, der älteren archaischen Zeit vor 580 nun erstmals auch Rund- und Reliefplastik zuweisen zu können.260 Überhaupt scheint es die frühgriechische Kunst gewesen zu sein, deren Bild sich in den 14 Jahren seit der Göttinger Vorlesung für ihn am weitesten gewandelt hat. Brauns Ausführungen zu allen Jahrhunderten nach 580 weichen primär nur in Einzelheiten von den Mitschriften Gurlitts und Hillers ab. Allerdings hat Curtius nun das in Berlin befindliche Anschauungsmaterial stärker berücksichtigt und die gewichtigsten Funde in Olympia in seine Betrachtungen eingeschlossen: die Bauskulpturen des Zeustempels, die Nike des Paionios und den Hermes des Praxiteles. Verändert hat sich anscheinend der Stil des Vortrags, den Otto Kern für den Siebzigjährigen überliefert: „Curtius’ Vorlesungen wandten sich an einen viel weiteren Kreis von Hörern als die von Robert. Unter ihnen befanden sich oft Ausländer, die den berühmten Gelehrten kennenlernen wollten, namentlich Engländer und Amerikaner, denen er zusammen mit Herman Grimm wohl als Hauptvertreter deutscher Wissenschaft galt. Er behandelte in einer Vorlesung immer die gesamte Kunstgeschichte der Antike, vom Löwentor von Mykene an bis zum Ende. Als ein Meister der Rede sprach er immer frei, sah nur hin und wieder auf kleine Zettel, auf denen Namen und Daten geschrieben waren. Es waren mehr künstlerisch geformte, epideiktische Darlegungen als eine Einführung in die Probleme der alten Kunstgeschichte.“261 Die vielen Details und Zitate in Gurlitts und Hillers Mitschriften lassen eine solche Unabhängigkeit der Rede und der Gedanken von der Fülle der mitgeteilten Fakten noch nicht erkennen. Den neuen Vortragsstil hat wohl wesentlich die Routine bei der zwanzigsten oder häufigeren Wiederholung bewirkt. Von Mal zu Mal dürfte sich der subjektive Standpunkt verfestigt haben, der auf eine rhetorisch zugespitztere Darlegung der eigenen Positionen hin wirkte. Auch das Bewußtsein des Erfolgs verfehlte ihren Einfluß auf die noch souveränere Darbietungsform kaum. Braun überschrieb die Periode der klassischen Zeit, seine dritte, als die „Kunst zu Athen, jüngere und ältere Periode“262. Das bestätigt die aus den weniger eindeutigen Überlieferungen bei Gurlitt und Hiller gewonnene Interpretation.263 Wie in seinen Publikationen264 hält Curtius die strengen Giebelfiguren des olympischen Zeustempels in Abhängigkeit von Pausanias für jünger, auch fortschrittlicher als die Bauskulpturen des Parthenon.265 Als Werk des älteren Kephisodot zieht er nun die Münchner Statue der Eirene heran266, als Werk des Skopas

260 Braun S. 8. Vgl. Lippold, Plastik 39f. 72 Taf. 18,2; Floren Plastik I 312–317. 407 Taf. 28,3; 36,1. Zum olympischen Bronzeblech o. S. 65 mit Anm. 108. 261 Kern 2008, S. 93. 262 Braun S. 13. 263 o. S. 118 f. 264 Vgl. o. S. 65 Anm. 107. 265 Braun S. 16. 266 Braun S. 21.

134

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

anscheinend die „Pasquino“-Gruppe, wenn Braun hierin zu vertrauen ist.267 Die ausführlichste Betrachtung wird den Florentiner Niobiden gewidmet.268 Selbst in Brauns Nachschrift erreicht der Kommentar tragische Wirkung, beeinflußt von der mit Mythos und Literatur konkurrierenden Darstellung durch Curtius. Die Behandlung Lysipps und der ganzen argivisch-sikyonischen Bildhauerschule verbindet er weiter mit der Zeit Alexanders d. Gr.269 Die Darstellung des Hellenismus erbringt geringe Abweichungen gegenüber dem älteren Kolleg. Als zeittypisch schließt Curtius nun auch den Ganswürger und den Dornauszieher in seine Behandlung ein.270 Den Apoll vom Belvedere und als zeitgleich mit ihm die Artemis von Versailles führt er jetzt auf den Sieg der Ätoler über die Gallier von 279 v. Chr. zurück271, welche Einordnung er früher nur als Möglichkeit erwogen hatte.272 Nach wie vor beurteilt er die Römische Kunst der frühen und mittleren Kaiserzeit ausschließlich positiv.273 Vielleicht wegen der Abbildungen, dann auch wegen der erneuten Wiederkehr des Befundes wird klarer als zuvor, dass Curtius die Vielzahl der überlieferten griechischen Bildnisse klassischer und hellenistischer Zeit nicht auf die Entstehungszeit der Originale zurückführte, sondern als Zeugnisse der römischen Kopistenzeit bewertete.274 Allein die Porträts Alexanders d. Gr. und Homers (Abb. 3), vom hellenistischen blinden Typus, sind hiervon ausgenommen. Grundsätzlich scheint die Porträtkunst dem Idealisten Curtius eher fremd gewesen zu sein. Zumindest 15 Abbildungen bei Braun geben die Originale der wiedergegebenen Skulpturen wieder, nicht ihre Abgüsse.275 Sie gehen auf Fotografien zurück, welche aus Italien und vielleicht auch Paris erworben wurden. Auf der Aufnahme des angelehnten Satyrs im Kapitolinischen Museum Roms ist noch ein Teil der italienischen Legende zu lesen. Im einst von Curtius angelegten Bestand alter Fotografien276 des Winckelmann-Instituts der Berliner Humboldt-Universität 267 268 269 270 271 272 273 274 275

Braun S. 22. Braun S. 31–34. Braun S. 35f. Braun S. 48. Braun S. 44. Gurlitt, Seite 114, unten S. 404. Braun S. 52. Braun S. 53f. Braun Frontispiez und S. 45 (Apoll vom Belvedere), S. 15 rechts (Athena des Typus Giustiniani, Replik im Kapitolinischen Museum, Rom, hier Abb. 2, rechts), S. 18 (Apoxyomenos, Vatikan), S. 19 links (Diskobol des Myron, Vatikan), S. 23 (Apollon Kitharoidos, Berlin), S. 26 rechts (Bogen spannender Eros, Vatikan), S. 27 (Venus von Melos, Louvre), S. 30 (angelehnter Satyr, Kapitolinisches Museum, Rom), S. 32 (moderne Niobe-Büste, Brocklesby Park), S. 34 (Niobide Chiaramonti, Vatikan), S. 43 (Galliergruppe Ludovisi, Rom), S. 46 (Venus Medici, Florenz), S. 54 (Aischines-Statue, Neapel), S. 55 (Asklepios, Berlin). 276 Vgl. S. Ahrens – H. Wrede in: H. Bredekamp – J. Brüning – C. Weber (Hrsg.), Theater der Natur und Kunst. Essays (2000) 181.

Zu Curtius’ Vorlesung „Griechische Kunstgeschichte“

135

haben sich sechs Fotografien erhalten, welche als Vorlagen für Braun gedient haben könnten.277 Wie bei den frühen Serien üblich, fehlen auf ihnen die Angaben der vertreibenden italienischen Firmen, weswegen die Jahre der Entstehungszeit nicht leicht zu ermitteln sind. Die meisten Abbildungen bei Braun haben ein Format von 5,1–5,7 zu 7,6–8,9 cm (Abb. 2–3). Das boten die italienischen Produzenten nicht an.278 Daher steht außer Zweifel, daß es sich bei Brauns Illustrationen um verkleinernde Abfotografien handelt. Es dürfte das ebenso für die überwiegende Zahl seiner Aufnahmen nach Abgüssen gelten. Weder dem Archäologischen Apparat der Berliner Universität noch dem erst 1875 begründeten Kunstgeschichtlichen Apparat stand damals ein Fotolabor zur Verfügung. Daher sind die Verkleinerungen in privatem Auftrag in einem gewerblichen Fotoatelier ausgeführt worden. Das bot möglicherweise auch die genannten Fotoserien nach antiken Skulpturen an. Die vielen Aufnahmen nach Abgüssen in Brauns Griechischer Kunstgeschichte lassen aber eher an Vorlagen aus einer wissenschaftlich angelegten Sammlung denken. Zu erwägen ist auch die des Berliner Museums und die der Photographischen Gesellschaft Berlin. Bei der Ausführung der Reinschrift ließ Braun Raum für die jeweils geplante Abbildung frei. Mit Bleistift gab er deren Rahmen vor und schrieb die Fotolegende in dessen Fläche. Hierbei rechnete er mit einer geringeren Zahl an Illustrationen als ihm später zur Verfügung stand. Daher mußte er die Vorgaben wieder verändern, als er einige Seiten mit zwei Abbildungen statt einer geplanten ausstatte.279 Auch das spricht für die Benutzung unterschiedlicher Fotosammlungen.

277 Aufnahmen des Apoxyomenos im Vatikan (Braun S. 18), des myronischen Diskobolen im Vatikan (S. 19 links), des Bogen spannenden Eros im Vatikan (S. 26 rechts), der Venus von Melos im Louvre (S. 27), der Niobide Chiaramonti im Vatikan (S. 34) und der Venus Medici in Florenz (S. 46). 278 Zu den Formaten der Serien Alinari, Anderson, Brogi, Moscioni etc.: Stuart Jones, Mus. Cap. 20. 279 Braun S. 19. 35. 36. 45. 53. 54.

D. Die Studenten: Wilhelm Gurlitt (1844–1905) und Eduard Hiller (1844–1891) 1. Biographische Skizze Wilhelm Gurlitts Geboren wurde Franz Friedrich Wilhelm Gurlitt1 am 7.3. 1844 in Rom als Sohn des Landschaftsmalers Louis Gurlitt (1812–1897) und seiner Ehefrau Julie, geb. Bürger. Ein Großonkel des Vaters ist Johannes Gurlitt (1754–1827), Philologe und Archäologe2 in Hamburg, gewesen. Der Großvater Johann August Gurlitt (1774–1855) entstammte einer niedersächsischen Handwerkerfamilie und wurde als Gold- und Silberdrahtzieher in Altona wohnhaft. Seine Söhne ergriffen durchwegs künstlerische Berufe, so Louis als Maler und Freund von Friedrich Hebbel, Cornelius als Komponist, Emanuel als plattdeutscher Dichter. Die Enkel waren Akademiker, Cornelius als Architekt, Bauforscher, Kunsthistoriker und Wiederentdecker des Barocks, Fritz als Kunsthändler in Berlin, Ludwig als Klassischer Philologe, Pädagoge und Schöpfer der Wandervogelbewegung, Wilhelm schließlich als Archäologe.3 Auf die Archäologie hat auch sein Halbbruder Cornelius als Lehrer von Walter Andrae, dem Ausgräber von Assur und Direktor der Vorderasiatischen Abteilung der Berliner Museen, eingewirkt. Von mütterlicher Seite war Wilhelm Gurlitt mit den Burckhardts in Basel verwandt.4 Ausführlicher dargestellt hat Ludwig Gurlitt den Lebenslauf seines Halbbruders Wilhelm.5 Die Mutter verlor Wilhelm bereits kurz nach der Geburt. Der Beruf des Vaters als Maler brachte einen häufigen Ortswechsel in seiner Kindheit mit sich. In seinen ersten sieben Jahren reihten sich Aufenthalte in Rom, Ariccia, Basel – als 1

2 3 4 5

Biographisch angelegt sind die Nachrufe bei B. Seuffert, Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog 11, 1906 (1908), 286–290; L. Gurlitt 1914, 63–89; Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 2 (1959) 109; – knappe Würdigungen bieten: Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien 55, 1905, 316–318; ÖJh 8, 1905, Beibl. 125f.; A. Luschin v. Ebengreuth, Jahresbericht des Steiermärkischen Landesmuseums Joanneum über das Jahr 1905 (1906) 3f.; dazu die Presse im Grazer Tagblatt Nr. 45 vom 14.2. 1905 und in dessen Abendausgabe durch A. v. Drasenovich, H. Schenkl, den Schüler Reichel; ebenda Nr. 47 vom 16.2. 1905 durch A. Bauer. Einen Überblick über die Familie verschafft die Deutsche Biographische Enzyklopädie Bd. 4 (1996) 263f.; zu Johannes Gurlitt ebenda 263 und Bruer 1994, 58ff. Deutsche Biographische Enzyklopädie a.O.; zu Emanuel: Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog Bd. 1 (1897) 245f.; zu Ludwig auch Österreichisches Biographisches Lexikon, wie Anm. 1, 109. Seuffert, wie Anm. 1, 286. L. Gurlitt 1914, 63–89.

138

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Pflegekind bei den Burckhardt-His –, Berlin, Nischwitz bei Wurzen (Sachsen) und schließlich ab 1852 Wien aneinander. Das Gymnasium besuchter er 1854– 1859 in Wien, 1859–1863 in Gotha. Dort bestimmte ihn der Direktor Joachim Marquardt, der Verfasser der Römischen Staatsverwaltung und der Römischen Privataltertümer, zu einem altertumswissenschaftlichen Studium. Herkunft und Begabung setzten einen archäologischen Akzent. Im Sommer 1863 nahm Wilhelm Gurlitt das Studium für drei Semester in Bonn auf. Im Philologischen Seminar besuchte er primär Kollegien in den klassischen Sprachen. Sie wurden nur von wenigen archäologischen Angeboten und einer althistorischen Lehrveranstaltung altertumswissenschaftlich ergänzt. Kunstgeschichte studierte er über die ganze Zeit, Sanskrit nur in einem Semester. Diese Wahl erklärt sich aus seiner leichten Auffassungsgabe in allen fremdsprachigen Bereichen. Im Winter 1864/65 wechselte er nach der Hälfte des damaligen Triennium-Studiums nach Göttingen. Hierzu haben ihn vermutlich die guten, fast freundschaftlichen Beziehungen seines Vaters und der ganzen Familie zu Ernst Curtius veranlasst. Sie gingen auf die vierziger Jahre zurück, als Curtius Louis Gurlitt zur künstlerischen Erziehung des Kronprinzen bei Hof einführte.6 Trifft diese Vermutung zu, so hatte sich Wilhelm Gurlitt spätestens zu dieser Zeit für einen archäologischen Beruf entschieden. In Göttingen belegte er neben seinen Kernfächern im altertumswissenschaftlichen Bereich auch Philosophie, Deutsche Geschichte und Germanistik.7 Als ordentliches Mitglied eines Seminars, in dem publice nur lateinisch und altgriechisch gesprochen werden durfte, schrieb Gurlitt im Winter 1865/66 eine Seminararbeit über Dionysios von Harlikarnassos (Nr. 52),8 die sein Bruder Ludwig postum zum Druck brachte. Am 15.8. 1867 wurde er mit der im selben Jahr erschienenen Arbeit De tetrapoli Attica (Nr. 1) promoviert. Sie handelt über Marathon, Oinonoe, Trikorynthos und Probalinthos und wurde in ihrer topographischen, philologischen und mythologischen Ausrichtung durch Ernst Curtius geprägt. Tatsächlich war die archäologische Ausbildung Gurlitts während seiner gesamten Studienzeit weitgehend topographischer Art gewesen. Antike Kunst als das Zentrum damaliger Archäologie-Vorstellung vermittelte ihm nur die hier publizierte Vorlesung im Wintersemester 1864/65. Direkt an den Studienabschluss schlossen sich mehrere archäologischepigraphische Studienjahre in den Mittelmeerländern. Zunächst begleitete Wilhelm Gurlitt seinen Vater vom September 1867 bis zum Mai 1868 nach Portugal und Spanien, wo er eine Sammlung und ein römisches Militärlager für die Archäologische Zeitung beschrieb (Nr. 5. 6) und Inschriften für den Band II des Corpus Inscriptionum Latinarum aufnahm (Nr. 53). Anschließend reiste Gurlitt über Südfrankreich nach Paris und Rom, um von dort aus Campanien und das einstige Großgriechenland im Juli und August zu besuchen. Vom September 1868 6 7 8

L. Gurlitt 1901, 117. Zum Studium auch u. S. 142–146. Die in Klammern mitgeteilten Nummern beziehen sich auf die Bibliographie im Anhang IV, S. 435–438.

Die Studenten: Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller

139

an lebte er für ein Jahr als Deutschlehrer in Athen. Er erwanderte die Peloponnesos, nahm Inschriften auf (Nr. 7) und berichtete der Archäologischen Gesellschaft in Berlin und dem Instituto di Corrispondenza in Rom über die jüngsten Ausgrabungen im Bereich der Agora Athens (Nr. 8)9. Vor allem aber widmete er sich dem Hephaisteion, seiner Bauplastik und topographischen Problemen. Das legte die Grundlage für kleinere Monographien (Nr. 2. 3), einen Aufsatz (Nr. 9) und Rezensionen (Nr. 54. 55. 57), die überwiegend in den siebziger Jahren erschienen. Im September 1869 nach Gotha zurückgekehrt, in dessen Nähe die Familie damals wohnte, nahm Gurlitt an seinem einstigen Gymnasium die Stellung eines Lehrers für Griechisch und Latein an. Sie scheint ihn wenig zufrieden gestellt zu haben, denn bereits Ostern 1870 wechselte er nach Wien, um als Hauslehrer in der Familie des Grafen Hugo Salm-Reiffenscheid zu wirken. Damit gewann er die Zeit für sein kleines Buch über Das Alter der Bildwerke und die Bauzeit des sogenannten Theseion in Athen (Nr. 2), mit dem er sich 1875 in Wien habilitierte, auch für die vorausgehenden Kontakte zu Alexander Conze, die Vorbereitung seiner anschließenden Lehrtätigkeit als Privatdozent, schließlich für Reisen nach Oberitalien (1872) und London (1875). Die chronologische Einordnung des ‘Theseions’ und seiner Bauplastik in die Zeit des Parthenon traf das Richtige. Als Lehrer an der Wiener Universität führte er sich mit einem Angebot zur griechischen Epigraphik, zu den Imagines des Philostrat und zur Verfassungsgeschichte Athens ein. 1877 wurde Gurlitt als außerordentlicher Professor nach Graz berufen und hier Direktor des Archäologisch-epigraphischen Seminars. Im ersten Band der Wiener Archäologisch-Epigraphischen Mittheilungen des Jahres ist er mit einigen griechischen Inschriften vertreten (Nr. 11). An der weitestgehenden Einschränkung auf die griechische Kultur hielt er zunächst noch in Lehre und Forschung fest. In Graz bot er eine Enzyklopädie der Philologie an, wie er sie in seinem zweiten Semester bei Friedrich Ritschl gehört hatte, eine Vasenkunde, wie sie dem jungen Studenten zur selben Zeit von Otto Jahn vermittelt worden war, dazu eine Einleitung in das Studium der klassischen Archäologie, die sich sicherlich teilweise auch auf die Griechische Kunst von Curtius und damit eine weitere Vorlesungsmitschrift seiner Studienzeit stützte. Hinzu kamen die Eleiaka des Pausanias. Sie wählte er in Hinblick auf die 1875 eröffneten Ausgrabungen seines Lehrers in Olympia, mit deren Leitern vor Ort er wohl Kontakte hatte. Denn auf Zeichnungen vom Fundtage gestützt, vermochte er die Giebelskulpturen des Zeustempels bereits 1877 einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen und über die weiteren Grabungen zu berichten (Nr. 10). 1878 besorgte er die Zweitauflage von Adolf Stahr, Torso. Kunst, Künstler und Kunstwerke des griechischen und römischen Alterthums (Nr. 65). Es sollte sein einziger Beitrag zur antiken Kunst in ihrer Breite sein und war einem wenig renommierten Buch gewidmet. Ein Jahr später erschien seine Schrift über die Marktplätze der Demen Athens (Nr. 3). 9

Vgl. AZ 27 (N.F. 2), 1869, 67.

140

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Schon in ihrer Widmung an Hermann Sauppe stellt sie den Zusammenhang mit der kulturwissenschaftlich ausgerichteten Philologie Bonner und Göttinger Prägung erneut her. Die Überprüfung der Ergebnisse in Athen führte später zu einem teilweisen Widerruf in seinem Pausanias-Buch (Nr. 4). Von März bis zum Juni 1880 kehrte Gurlitt nach Griechenland zurück, um die Ausgrabungen in Olympia nach ihrem Abschluss zu studieren und seine topographischen Kenntnisse der Peloponnes zu vertiefen. Ein Ergebnis ist der Aufsatz über den Ostgiebel des Zeustempels (Nr. 20) gewesen, der wegen des unbedingten Vertrauens auf Pausanias in die Irre ging. Die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Periegeten, etwa auch in einer Vorlesung von 1885, erbrachte 1890 das Buch Über Pausanias (Nr. 4). Es gilt als das allein bedeutende Werk Gurlitts. Während Gurlitt an diesem Buch arbeitete, war der für Archäologen besonders wichtige Perieget unter dem Einfluss von Ulrich von WilamowitzMoellendorff in Misskredit geraten. 1886 hatte ihm eine breite Untersuchung von August Kalkmann als Sprachrohr gedient. Die Ergebnisse waren negativ: „Pausanias zeichnet weder Begabung noch saubere Arbeit aus …; Fremdenführer waren so gut wie heute Stümper der allerschlimmsten Sorte.“ Es könne „kein Zweifel mehr obwalten, daß Pausanias alles Wesentliche … aus anderen Autoren geschöpft hat.“ Die descriptio Graeciae sei ein willkürlich kompilierter „Trümmerhaufen“.10 Die Autorität der Berliner Universität bewirkte in der Folge, daß man den Periegeten nur noch in Anführungsstrichen zitierte oder gleich Polemon für seinen Namen einsetzte. Gurlitts Verdienst ist es gewesen, die weitgehende Zuverlässigkeit des Pausanias erneut nachgewiesen zu haben, was einen bis heute gültigen Wendepunkt in der Forschung markierte.11 Die wenig späteren Arbeiten von Max Bencker, Rudolf Heberdey und vor allem von Hermann Hitzig und Hugo Bluemner bestätigten ihn und verschafften seinem Urteil Resonanz. Gurlitt hat sie deswegen in Rezensionen warm begrüßt (Nr. 60. 62. 64). Ernst Curtius sah sich in seiner grundsätzlich positiven Einstellung zu den antiken Textquellen bestätigt, zumal ihm ausufernde philologische Kritik und daher auch von Wilamowitz-Moellendorff suspekt gewesen sind. Bis auf die kleinen Erträge der Reise auf die Iberische Halbinsel richteten sich alle zuvor genannten Publikationen Gurlitts und fast alle seine Lehrveranstaltungen auf die griechische Kultur aus. Knappe, inventarartige Beschreibungen Wiener Privatsammlungen (Nr. 12. 13. 15. 16. 18) deuteten seit seinem Ruf nach Graz eine veränderte Zielrichtung an. In ihnen und kurzen Aufsätzen zum Heroon von Gjölbaschi-Trysa (Nr. 39) verband sich Gurlitt mit spezifischen Aufgaben der österreichischen Archäologie. Zur Zeit der Entdeckung des Geometrischen Stils der Griechischen Kunst hielt er 1881 einen Vortrag über die Ornamentik prähisto10 A. Kalkmann, Pausanias der Perieget. Untersuchungen über seine Schriftstellerei und seine Quellen (1886) 270. 282. 11 Vgl. C. Habicht, Pausanias und seine „Beschreibung Griechenlands“ (1985), 172: „Im Felde der griechischen Literatur dagegen war der Meinungsumschwung im wesentlichen das Ergebnis der überaus gründlichen und ausführlichen Untersuchung von W. Gurlitt.“

Die Studenten: Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller

141

rischer Keramik und Idole im Museum von Ljubiljana (Nr. 19). 1883 wurde er zum Konservator für die Steiermark ernannt, 1887 zu einem der Kuratoren des Steiermärkischen Landesmuseums (Joanneum). Lebhaft nahm er in dessen Kommission an der Gründung, dem Entwurf der Statuten, dem Neu- und Umbau des Gebäudes Anteil. Unter seiner Leitung fand die Aufstellung der Prähistorischen Sammlung und des Münz- und Antikenkabinetts wie auch die spätere Einrichtung der Bildergalerie statt. Von 1888 bis 1896 verfasste er die jährlichen Sitzungsprotokolle der Kommission (Nr. 26). Am 80jährigen Stiftungsfest des Joanneums 1891 fiel ihm die zentrale Rede zu: Über die Aufgaben und Ziele des culturhistorischen Museums (Nr. 28). In der für ihn charakteristischen Weise berichtete er seit 1888 in knapper Form über eigene Ausgrabungen: über das Urnenfeld von Borstendorf (Slowakei) (Nr. 21. 24), über Hügelgräber auf dem Loibenberg bei Videm (Nr. 22. 25. 37. 41), in Pickerndorf bei Marburg (Nr. 31) bzw. bei Langenwang (Nr. 32) oder auch allgemeiner Über antike Funde aus der Steiermark (Nr. 40. 45). Auch durch Heirat (1884) schlug der in Kindheit, Jugend und als junger Mann Unstete in Graz Wurzeln. 1890 wurde Gurlitt zum ordentlichen Professor ernannt. 1895 konnte er als erster Vorsitzender das Archäologische Institut der Universität gründen. Hierzu dürfte seine neue Ausrichtung auf die Bodendenkmalpflege der Steiermark erheblich beigetragen haben. Seit 1890 leitete er im Auftrag des Landesmuseums die älteren Grabungen in Poetovio (Ptuj, Slowenien) mit Erfolg (Nr. 46. 47. 49–51). Dort entdeckte er ein Heiligtum der Nutrices Augustae und ein Mithräum (Nr. 42. 43. 48). Die in Poetovio und andernorts gefundenen Inschriften legte er der K. K. Central-Commission (Nr. 27 a–f) und im dritten Band des Corpus Inscriptionum Latinarum (Nr. 53) vor. Sein Ziel erreichte damit der Weg eines zunächst rein philologisch und im Gebiet der griechischen Kultur ausgebildeten Altertumswissenschaftlers mit archäologischer Neigung12 zu einem auch praktizierenden Archäologen mit breitem vor- und frühgeschichtlichem, provinzialrömischem, aber auch andauernd der klassisch griechischen Welt verpflichtetem Tätigkeitsfeld. Gurlitt erarbeitete sich neue Kollegien über die Geschichte der Urmenschen in Europa, über die Steiermark zur Zeit der Römerherrschaft (1888), aber auch zur Griechischen Kunstmythologie (1885/86) und zur Geschichte der Griechischen Malerei (1892). Anschluss an die Entwicklung seines Faches hielt er auch in Vorträgen zur Pergamenischen Kunst und zum Griechischen Theater (1894. 1899). Die weit gefächerte akademische Lehre und die Ausdehnung des archäologischen Aufgabenfeldes entsprachen dem noch wenig spezialisierten Berufsbild der Archäologie im späteren 19. Jahrhundert. Die berufliche Entwicklung Gurlitts ist deswegen durchaus zeittypisch gewesen. 1899 wurde Gurlitt zum Mitglied des Österreichischen Archäologischen Instituts ernannt, 1900 zum Korrespondierenden Mitglied der Wiener Akademie. Die 12 So allein charakterisiert ihn W. Schiering in: U. Hausmann, Allgemeine Grundlagen der Archäologie, HdbArch (1969) 92.

142

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Liste seiner steiermärkischen Ehrenämter erreichte einen größeren Umfang.13 Besondere Verdienste erwarb er sich bei der Entwicklung des Steiermärkischen Kunstvereins, dessen Präsident er gewesen ist, und um die Unterstützung von Peter Rosegger. Auf dem Höhepunkt der Karriere traf Gurlitt 1902 ein leichter Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr völlig erholte. Am 13.2. 1905 ist er an den Auswirkungen einer Lungenkrankheit gestorben.

2. Wilhelm Gurlitts Studium Das Studium Wilhelm Gurlitts hat sein Bruder Ludwig verhältnismäßig breit dargestellt, wobei er sich 1914 auf die Mitschriften der Kollegien stützte.14 Im Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin liegen fünf Bände dieser Mitschriften vor. Der Vergleich mit den Angaben von Ludwig Gurlitt ergibt, daß zumindest zwei Bände heute verloren sind, je einer aus der Bonner und der Göttinger Studienzeit. Die fünf erhaltenen Bände gliedern sich in zwei kleinere des Bonner Studiums im Format 23,8:20 cm und drei größere der Göttinger Periode im Format 28:21 cm. Die jeweils zugrunde liegenden Hefte hat Wilhelm Gurlitt zu fraglicher Zeit nach den lehrenden Professoren und damit auch inhaltlich geordnet und anschließend binden lassen. Das Studium in Bonn umfasste die drei Semester vom Sommer 1863 bis zum Sommer 1864. Band 1 enthält Mitschriften von: 1) Friedrich Ritschl, Lateinische Grammatik I (WS 1962/63), 2) derselbe, Lateinische Grammatik II (SS 1863), 3) derselbe, Methodologie der Philologie nebst Kritik und Hermeneutik (WS 1863/64), 4) Schopen, Juvenals Satiren (WS 1863/64), 5) Friedrich Ritschl, Aristophanes’ Frösche (SS 1964), 6) Johann Gildemeister, Elemente des Sanskrit (SS 1864). Bei Nr. 1 muss es sich um die Abschrift der Mitschrift eines unbekannten Verfassers handeln. Gurlitt war in diesem Semester noch nicht an der Universität eingeschrieben, benötigte aber die Voraussetzung für Nr. 2. Entsprechend regelmäßig und schön ist der Schriftduktus, fehlt die Angabe der Kollegtermine. Den Besuch von Nr. 4 hat Gurlitt am 15.12. eingestellt. Band 2 beinhaltet ausschließlich Mitschriften bei Otto Jahn von: 1) Griechische Literaturgeschichte II (SS 1863), 2) Griechische Literaturgeschichte III (WS 1863/64), 3) Vasenkunde (SS 1864), 13 s. L. Gurlitt 1914, 80. 14 L. Gurlitt 1914, 66–71.

Die Studenten: Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller

4) 5) 6) 7) 8)

143

Geschichte des Romans bei Griechen und Römern (WS 1863/64), Apuleius, Amor und Psyche (WS 1863/64), Horaz’ Oden (SS 1864), Die Mythen von Amor und Psyche (SS 1864), Geschichte der römischen Lyrik bis auf Horaz (SS 1864).

Viele leere Seiten für Nachträge verdeutlichen, daß der Besuch von Nr. 2 und 4 relativ unregelmäßig gewesen ist. Band 3 ist verloren und nur nach den Angaben von Ludwig Gurlitt15 zu rekonstruieren und wohl von ihm separiert worden. Dem Band sind zuzuschreiben: Anton Springer, Kultur des 15. und 16. Jahrhunderts (SS 1863), Kunstgeschichte seit dem 15. Jahrhundert (WS 1863/64), Kölnische Kunstgeschichte (SS 1864), Curt Wachsmuth, Topographie von Athen (SS 1863), Einleitung in das Studium der alten Geschichte (SS 1864). Das Studium in Göttingen nahm vier Semester ein (WS 1864/65 bis SS 1866) und grenzte an die Vorbereitungszeit für die Promotion (August 1867) an. Es erbrachte zumindest vier Bände an Mitschriften: Band 4 enthält ausschließlich Kollegien von Hermann Sauppe: 1) Kritik und Hermeneutik (WS 1864/65), 2) Aeschylus (SS 1865), 3) Theorie des lateinischen Stils (SS 1865), 4) Terentius (WS 1865/66), 5) Plautus, 6) Griechische Syntax. Bei Nr. 5 und 6 fehlen die Angaben von Semestern und Kolleg-Daten. Lücken für spätere Zusätze weisen darauf hin, daß es sich um Abschriften unvollständiger Kolleg-Nachschriften handelt. Band 5 umfasst: 1) Rudolf Hermann Lotze, Logik und Encyclopädie (WS 1864/65), 2) derselbe, Psychologie (WS 1866/67), 3) derselbe, Geschichte der Philosophie seit Kant (Ostern 1866), 4) Ernst Curtius, Griechische Kunstgeschichte (WS 1864/65), 5) derselbe, Topographie und Ethnographie [Griechenlands] (SS 1866). Die Vorlesung zur Psychologie (Nr. 2) ist die einzige, die Gurlitt möglicherweise noch während der Vorbereitung seiner Dissertation besuchte. Weder dieses Manuskript noch Nr. 3 enthalten allerdings die Daten der jeweiligen Vorlesungstermine, weswegen eine direkte Teilnahme nicht gesichert ist. Solche Angaben fehlen auch bei Nr. 5, dessen Schrift sehr sorgfältig und schön ist. Enthalten sind dazu gute kartographische Federskizzen und eingeklebte Landkarten. Vielleicht ist Nr. 5 daher als Reinschrift nach einer eigenen Mitschrift anzusprechen. 15 L. Gurlitt 1914, 66.

144

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Band 6 enthält nur die beiden sehr umfangreichen Mitschriften nach Georg Waitz: 1) Deutsche Geschichte (WS 1864/65), 2) Deutsche Geschichte des 18. Jahrhunderts (SS 1865). Ludwig Gurlitt hat diesen Band nicht berücksichtigt. Aus seinen Angaben16 zu erschließen ist dann wieder Band 7 mit: Ernst Ludwig von Leutsch, Geschichte der Lateinischen Poesie (WS 1864/65), Aristophanes’ Frösche (SS 1865), - Heinrich Ritter, Geschichte der Philosophie (SS 1865, WS 1865/66), - Wilhelm Müller, Deutsche Grammatik (SS 1866), Wackernagels Lehrbuch (SS 1866), Gotisch (SS 1866). In den sieben Semestern vom Sommer 1863 bis zum Sommer 1866, die die eigentliche Studienzeit Wilhelm Gurlitts vor der Inanspruchnahme durch die Dissertation ausmachten und etwas mehr als einem Triennium entsprachen, sind sieben Bände an Kollegmitschriften entstanden. Sie kennzeichnen ein Studium, welches in hohem Maß von vorlesenden Professoren und ihren Kollegien bestimmt wurde und eine primär rezeptive Hörerschaft voraussetzte. Entsprechend waren die Themen der Kollegien großenteils auf weite Überblicke und mit ihnen auf die Vermittlung von Wissen angelegt, kaum auf die Darstellung ungelöster Probleme, die den Hörer in die Forschung hineingezogen hätten. In seinem nach heutigen Maßstäben kurzen, nach damaligen normal langen Studium erhielt Gurlitt ein vor allem Grundlagen vermittelndes Lehrangebot über die Methodologie der Philologie, Lateinische Grammatik, Deutsche Grammatik, Griechische Literaturgeschichte, Geschichte der Philosophie, Griechische Kunstgeschichte, Kunstgeschichte seit dem 15. Jahrhundert oder etwa die Geschichte der Deutschen. Wie während des blühenden Historismus zu erwarten, waren viele Kollegien diachron angelegt, an Entwicklungen über lange Zeiträume orientiert, deren Grundzüge in der Art konzentrierter Handbücher vermittelt wurden. Diese Lehre vorwiegend zentraler Fachinhalte ermöglichte eine kurze Studienzeit und zugleich ein weites Studium, das einen großen Ausschnitt der seinerzeitigen Geisteswissenschaften umfasste. Die Vermittlung konzentrierten Grundlagenwissens in der Lehre entsprach deren Abspeicherung in ausführlichen Mitschriften. Offensichtlich dienten sie nicht nur der Vorbereitung auf die wenigen Prüfungen, da ja zahlreiche Vorlesungen mitgeschrieben wurden, die für die Promotion keine Bedeutung hatten. Eher galten sie als Wissensspeicher für die berufliche Zukunft nach dem Studium bzw. für den Horizont der allgemeinen Bildung. Zur Mitschrift hat Gurlitt eine eigene Technik entwickelt, die kurzschriftliche Elemente einschloss, sich an den mitgeteilten Fakten und der zitierten Literatur orientierte, um auf dieser Basis bei späterer Wiederverwendung und Auseinandersetzung anschließen zu können. Einige Mitschriften hat Gurlitt durch die Abschrift von ihm nicht besuchter Vorlesungen ergänzt. Konnte er Kolleg-Termine nicht wahrnehmen, so hat er stets für spätere 16 L. Gurlitt 1914, 70.

Die Studenten: Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller

145

Ergänzungen aus anderen Mitschriften Platz auf den Seiten zur Verfügung gestellt. Obwohl es nur selten zu ihnen gekommen ist, orientierte sich die Gewohnheit an der Norm der Vollständigkeit. Gelegentlich hat Gurlitt eine Niederschrift noch einmal überarbeitet und durch eine Reinschrift ersetzt. Die nicht wenigen Mitschriften nach Kollegien, welche Gurlitt nicht besucht hatte und die daher als Abschriften entstanden waren, charakterisieren ein Studium besonders gut, welches stärker vom Lehrbetrieb bestimmt wurde als von der Lektüre in der Bibliothek. Entsprechend hat er die Mitschriften nach dem Studium binden lassen, nicht aber Exzerpte, welche der vertieften Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Problemen dienten. Zwanzig der 25 altertumswissenschaftlichen Kolleg-Mitschriften Gurlitts beziehen sich auf die beiden klassischen Sprachen und ihre Literatur, die zu gleichen Teilen vertreten sind. Archäologisch ausgebildet wurde der spätere Archäologe nur durch die Vasenkunde bei Otto Jahn und die Topographie von Athen bei Curt Wachsmuth in Bonn, durch die Griechische Kunstgeschichte und durch die Topographie und Ethnographie Griechenlands bei Ernst Curtius in Göttingen. Althistorisch geprägt war allein die Einleitung in das Studium der alten Geschichte bei Curt Wachsmuth. Die für einen archäologischen Beruf erworbenen Kenntnisse lagen somit ausschließlich im Bereich der griechischen Kultur und dort bei der Topographie und der Kunstgeschichte. In beiden Bereichen waren sie wieder stark philologisch geprägt. Denn fern von Griechenland und Italien lehnte sich das vermittelte Wissen in hohem Maß an die Überlieferung der Stoffe im antiken Schrifttum an. In welchem Umfang Abbildungen antiker Bildwerke herangezogen wurden, ist der Mitschrift der Griechischen Kunst charakteristischer Weise nicht zu entnehmen.17 Zweifellos wurden Stichwerke vorgelegt, die sich präziser aber nur ungefähr beurteilen lassen.18 Die Vorlesung zur Topographie zog kartographische Unterlagen heran. Charakteristisch erscheint, daß Wilhelm Gurlitt das Lehrangebot im Archäologischen Institut Göttingens nicht wahrnahm. Beziehungen zu Friedrich Wieseler sind auch für Ernst Curtius meines Wissens nicht bezeugt, obwohl es Lehrabsprachen zwischen beiden gegeben haben muss und Curtius Nutzungsrechte an der archäologischen Sammlung wie einen kleinen Ankaufsetat besaß.19 Augenscheinlich galt das gerade erst emanzipierte Fach aus der Sicht des Philologischen Seminars für nicht ebenbürtig. Religion, Mythologie und Ikonographie, die in der romantischen Phase der Archäologie betont wurden und 17 Vorlesungen in der Abgusssammlung waren in Göttingen seit 1844 nicht mehr möglich: K. Fittschen (Hrsg.), Verzeichnis der Gipsabgüsse des Archäologischen Instituts der GeorgAugust-Universität Göttingen (1990) 12. Es konnten daher nur transportierbare einzelne Skulpturen in den Vorlesungen präsentiert werden. 18 Vgl. o. S. 99 f. 19 Klaus Fittschen in: C. J. Classen (Hrsg.), Die klassische Altertumswissenschaft an der Georg- August-Universität Göttingen (1989) 84. Zum Vorlesungsangebot von Wieseler auch o. S. 40 f.

146

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

auch im Lehrangebot Wieselers noch breiter vertreten waren, fehlten im Lehrangebot von Curtius und waren in das Studium von Gurlitt allenfalls in Jahns Vasenkunde eingeschlossen. Trotz abweichender archäologischer Lehre im Archäologischen und Philologischen Seminar Göttingens muss die Vorlesung über die Griechische Kunst als das zentrale Angebot betrachtet worden sein, da sie in jedem zweiten Semester, beide Seminare übergreifend in jedem Semester zu studieren war.20 Das Kolleg Topographie und Ethnographie Griechenlands von Curtius schloss einen Überblick über die antiken Monumente an ihren Standorten ein und entsprach hierin dem Kapitel „Geographie der alten Kunstdenkmäler“ in Müllers Handbuch.21 Auch mit ihm war das archäologische Angebot in Göttingen dem von Gurlitt in Bonn vorgefundenen überlegen, was den systematischen Überblick über die Disziplin anging. Der Wechsel des Studienorts vom Rhein an die Leine war auch hierdurch begründet, setzte die Berufswahl als Archäologe bei Gurlitt voraus. Seine Hoffnungen auf eine entsprechende Ausbildung in Göttingen müssen sich auf Curtius und vor allem auf dessen Griechische Kunst gerichtet haben.

3. Wilhelm Gurlitts Kollegmitschrift (Abb. 1) nach ihrer äußeren Form, Vollständigkeit, Art und Herkunft Zur Mitschrift benutzte Gurlitt gleich große Hefte im Quartformat. Die beim Binden beschnittenen Seiten (28:21 cm) hatten einst annähernd Maße von 28,5:22,5 cm, also breitere Ränder gegenüber dem jetzigen Zustand. Die vom Autor nicht nummerierten 120 Seiten der Griechischen Kunstgeschichte sind auf sechs bezeichneten Heften mitgeschrieben worden. Bei einem Umfang von 20, 24, 24, 24, 16 und 12 Seiten sind sie unterschiedlich stark. In der Regel wird jedes Heft drei Bogen mit vier Blättern und acht Seiten pro Bogen umfasst haben. Die fehlenden Seiten von Heft I, V und VI wurden zu anderen Zwecken verwendet. Der Übergang zu einem neuen Heft erfolgte stets während der Vorlesung. Sein Bruder Ludwig charakterisierte Gurlitts Schrift (Abb. 1) als „sehr sorgsam, stets gleich, sauber und klein.“22 Von der Schönschrift in den abgeschriebenen Manuskripten weicht sie trotz des überwiegend gleichmäßigen und klaren Duktus nicht unbeträchtlich ab. Die deutsche Schrift hat individuellen Charakter, verwendet häufig Kürzel und verzichtet weitgehend auf Verbesserungen. Das macht sie nicht leicht lesbar, doch sind unverständliche Worte selten.23 Nachträgliche Korrekturen fehlen auch bei offensichtlichen Fehlern, damit auch Hinweise auf eine spätere Durchsicht oder partienweise Überarbeitung. Breite Ränder säumen dicht beschriebene Seitenspiegel, deren 36–44 geradlinige Zeilen klare Abstände vonein20 21 22 23

Vgl. o. S. 41. 92. Müller 1848, 320–364. L. Gurlitt 1914, 66. Vgl. Gröschel, u. S. 155 f.

Die Studenten: Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller

147

ander wahren. Seltene Randzeichnungen24 des künstlerisch offensichtlich nicht begabten Studenten betreffen nur einfache und flüchtig skizzierte architektonische Grundschemata, die in ihrer schmucklosen Art wenig vermitteln. Die Vorlesung nahm das Wintersemester 1864/5 in der Zeit vom 24.10. 1864 bis zum 10.3. 1865 ein. In den Weihnachtsferien wurde sie vom 20.12. bis 9.1. unterbrochen. Sie verteilte sich auf etwas mehr als 70 Kollegstunden, die in 17 Wochen angeboten wurden. Gehalten wurde sie am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 12.00 bis 13.00 Uhr, d.h. also in der besten Zeit. Eine variierte Durchführung lassen die von Gurlitt mitgeteilten Daten nur für die erste Woche nach den Weihnachtsferien und für die letzte Semesterwoche im März erkennen, als auch am Mittwoch (11.1. und 8.3. 1865) und am Samstag (14.1. 1865) gelesen wurde, um einmal wegen des offensichtlich verspäteten Wiederbeginns ausgefallene Stunden auszugleichen und dann der Fülle des restlichen Vorlesungsstoffes am Semesterende zu genügen. Die Durchführung im Januar setzt eine präzise Vorstellung vom Umfang des Kollegs und damit auch dessen schriftliche Fassung voraus. Alle Abweichungen zwischen den von Gurlitt am Seitenrand mitgeteilten Daten und den in den Vorlesungsverzeichnissen festgelegten Kollegterminen sind auf kalendarische Irrtümer des Mitschreibenden zurückzuführen. Sie gehören ausschließlich der zweiten Semesterhälfte an.25 Eine Kollegmitschrift ist vom regelmäßigen Vorlesungsbesuch und dem gleich bleibenden Interesse des Hörers abhängig. Da im vorliegenden Fall alle vorgesehenen Termine eingehalten wurden, ist auf Vollständigkeit zurückzuschließen. Entsprechend ist kein leerer Raum für spätere Ergänzungen zur Verfügung gestellt wie in den unvollständigen Mitschriften. Ernst Curtius und sein Hörer haben sich demnach im Winter 1864/5 guter Gesundheit erfreut. Auch inhaltlich ergeben sich fast keine Hinweise auf Lücken. Die Mitschrift ist sehr gleichmäßig ausgeführt. Im Durchschnitt füllt sie 1,7 Seiten des Manuskripts pro Lehreinheit. Auch thematische Gründe führten nur zu geringfügigen Veränderungen. So erreicht die Griechische Kunstgeschichte bei der Behandlung der attischen Kunst des 5. Jahrhunderts v. Chr. ihren Höhepunkt, als Heft III beschrieben wurde. In ihm erzielt die Mitschrift bei zwei Seiten pro Vorlesung ihre größte Breite. Das lässt einen gewissen Rückschluss auf die erhöhte Anteilnahme des Vortragenden und seines Hörers zu, doch verändert die geringe Abweichung den Gesamteindruck von einem uniformen Ablauf der Darbietung und ihrer gleich bleibenden Rezeption nicht. Hierfür ist aber auch der grundsätzliche Charakter einer Mitschrift verantwortlich. Sie richtet sich auf den Kern des Mitgeteilten aus und daneben auf ein weitmögliches Festhalten der ihn begründenden Fakten, im Vorliegenden vor allem der textlichen Quellen. Hieraus ergibt sich eine rasterartig uniforme und objektivierende Darstellung, welche die Subjektivität des 24 Manuskript S. 6. 8. 11. 12. 35. 36. 41. 64. 25 Zu korrigieren sind die in Klammern mitgeteilten Daten: 15.(14.)1., 24.(23.)1., 9.(8.)2., 14.(15.)2., 24.(23. zum zweiten Mal)2., 6.(5.)3. Auf den Manuskriptseiten 93–95 fehlt ein Tagesdatum, augenscheinlich das des 13.2.

148

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

Lehrenden nur über die von ihm formulierten Urteile zur Geltung kommen lässt. Dennoch erlauben Gurlitts Ausführungen Rückschlüsse auf die Art des Kollegs. Hinsichtlich der Ausbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse muss es auf eine analoge Gleichmäßigkeit angelegt gewesen sein. Es war eben so stark an literarischen, historischen und technischen Daten orientiert, von Quellenangaben durchsetzt, wie die Mitschrift das mitteilt. Beschreibenden Erläuterungen oder formalen Analysen bot es vergleichsweise wenigen Raum. Das in der Mitschrift mitgeteilte Vorlesungsskelett der Fakten setzte eine schriftliche Fassung des Kollegs voraus. Die Einheitlichkeit der Mitschrift ist nur für den 20.2. nicht gegeben. An diesem Tag ging es um die griechische Numismatik. Vermutlich wurden Münzen oder Münznachgüsse der Göttinger Sammlung einzeln betrachtet und herumgereicht. Die unsystematische Darbietung und Besprechung eignete sich nicht für eine schriftliche Zusammenfassung, weswegen sich Gurlitt auf ein Protokoll von wenigen Zeilen beschränkte. 1884 heiratete Wilhelm Gurlitt in Wien Mary Labatt. Zu den drei Töchtern schrieb der Vater: „Jetzt freue ich mich, daß ich Mädchen und nur Mädchen habe. Die Buben nimmt einem der Staat ab und erzieht sie nach seinen Bedürfnissen. Meine Mädchen kann ich nach meinem Willen aufziehen, wie die Blumen in meinem Garten.“26 Bei solcher Ungebundenheit konnte es nach seinem frühen Tod nicht bleiben. Die Witwe zog um des Studiums ihrer Töchter willen nach München.27 Die eine von ihnen, Helma Gurlitt, wohnte dort in der Dall’Armistrasse 61 in Nymphenburg. Als sie 1976 starb, wurde ihr Haushalt aufgelöst. Damals vermochte Frau Evelin Krafft-Steinkopf einen Teil des wissenschaftlichen Nachlasses Gurlitts vor der Vernichtung zu bergen, zu dem auch die mir übergebenen Bände mit den Vorlesungsmitschriften gehören. Heute befinden sie sich im Archiv des Winckelmann-Instituts der Humboldt-Universität.

4. Eduard Hillers Mitschrift derselben Vorlesung im Vergleich Im Wintersemester 1864/65 hat Eduard Hiller in Göttingen Curtius’ Kolleg Geschichte der griechischen und römischen Kunst besucht und mitgeschrieben. Die Mitschrift befindet sich heute in der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin.28 Eduard Hiller (14.04.1844–07.03.1891) wurde als Sohn jüdischer Eltern in Frankfurt am Main geboren und dort auch begraben. Als Gymnasiast ließ er sich evangelisch taufen. Nach dem Abitur am Gymnasium Francofurtanum 1862 studierte er bis 1866 Klassische Philologie in Bonn und Göttingen. Auf die Promoti26 L. Gurlitt 1914, 82. 27 Vgl. W. Gurlitt, „Ueber Frauenstudium“, in: Grazer Tagblatt, 9. Jahrgang, Nr. 340 vom 8.12. 1899, S. 1–3 und Nr. 341 vom 9.12., S. 1. 28 Signatur: Ms. Germ. Quart. Nr. 1287. H. Degering, Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek Bd. II. Die Handschriften im Quartformat (1970) 224 Nr. 1287.

Die Studenten: Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller

149

on von 1866 in Bonn folgte daselbst eine 18monatige Beschäftigung als Lehrer am Kortegarn’schen Realgymnasium. Nach Frankfurt zurückgekehrt, bereitete er sich auf die Habilitation im Frühjahr 1869 in Bonn vor. Dort lehrte er bis ins Frühjahr 1875 als Privatdozent. Zum Sommersemester 1875 erhielt er einen Ruf an die Universität Greifswald, wo er aber nur ein Jahr lang blieb. Vom April 1876 bis zu seinem Tod wirkte er an der Universität Halle, deren Rektor er 1889/90 gewesen ist, vor allem als Gräzist. In den ersten Jahren konzentrierten sich seine Forschungen auf griechische Grammatiker, später auf die griechische Lyrik und Bukolik. Ab 1875 verfasste er die Jahresberichte über die neuesten Forschungen zur griechischen Literatur. Eine Ausgabe des Tibull ist sein wesentlicher Beitrag zur Latinistik gewesen.29 Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller wurden im selben Jahr – 1844 – geboren. Beide studierten Klassische Philologie in Bonn und Göttingen. Hiller nahm sein noch breiteres Studium aber bereits ein Jahr früher, im Sommer 1862, in Bonn auf, wo er sich augenscheinlich zunächst sehr wohl fühlte. Jedenfalls wechselte er erst nach zwei Jahren zum Sommersemester 1864 nach Göttingen, als der Streit zwischen Friedrich Ritschl und Otto Jahn seinen Höhepunkt erreichte. Nach dem obligaten Aufenthalt von drei Semestern tauschte Hiller Göttingen wieder gegen die preußische Universität am Rhein ein. Die Studienwege von Gurlitt und Hiller kreuzten sich im Sommer 1863 und im Winter 1863/64 in Bonn, dann wieder im Wintersemester 1864/65 in Göttingen. Hier wie dort besuchten sie dasselbe Seminar und nahmen gemeinsam an so vielen Lehrveranstaltungen teil, daß sie sich gut gekannt haben müssen. In Bonn hörten beide im Sommer 1863 den Kurs Lateinische Grammatik II von Friedrich Ritschl und die Literaturgeschichte II bei Otto Jahn. Im Wintersemester 1863/64 vereinte beide Ritschls Encyclopädie der Philologie, Jahns Griechische Literaturgeschichte III und dessen Kolleg über Amor und Psyche bei Apuleius. Im Wintersemester 1864/65 trafen sie sich in der Griechischen Kunst von Ernst Curtius wieder, dann auch in der Deutschen Geschichte von Georg Waitz und in Rudolf Lotzes Vorlesung zur Logik und Encyclopädie der Philosophie.30 Daß Gurlitt und Hiller sich persönlich kannten und 29 Eine breite Biographie mit angeschlossener Bibliographie bei C. Haeberlin, Biographisches Jahrbuch (Bursian) für Alterthumskunde 14, 1891, 83–113, übernommen in: Deutsches Biographisches Archiv, Mikrofiche 537, S. 374–413. Dort sind die älteren Nekrologe zitiert. Wenige weitere Notizen zu Hiller bei J. Kroymann in: W. Braun u.a. (Hrsg.), Festschrift zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald 17.10. 1956 (1956) 132; H. Cancik in: Calder – Cancik – Kytzler 1991, 31. 44. 45. 30 Zahlreiche Kollegmitschriften von Eduard Hiller haben sich erhalten und vermitteln eine umfangreiche Vorstellung von seinem Studium. Sie befinden sich in der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin mit den Signaturen Ms. Germ. Quart 1270–1288: Degering a.O. 223f. Die genannten Mitschriften werden unter Nr. 1275 (Jahn), 1272 (Ritschl), 1287 (Curtius), 1284 (Waitz) geführt. Da C. Haeberlin Hillers Besuch weiterer Vorlesungen und Übungen bezeugt (Deutsches Biographisches Archiv, Mikrofiche 357, S. 377. 380), vermitteln die Mitschriften aber keine vollständigen Überblick über das Studium. Noch unvollständiger sind die Angaben bei Cancik a. O. 44f.

150

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

auch in einem gewissen Vertrauensverhältnis zueinander standen, folgt endlich auch daraus, daß Hiller Gurlitts Mitschrift abschrieb, als er am 13. (Montag) und 14. (Dienstag) Februar 1865 Curtius’ Vorlesung nicht besucht hatte.31 Beide Mitschriften unterscheiden sich bereits bei dem Titel. Der auf eigener Seite in großen lateinischen Lettern mitgeteilte Titel Geschichte der griechischen und römischen Kunst bei Hiller entspricht den Ankündigungen im deutschen und lateinischen Vorlesungsverzeichnis und ist daher korrekt.32 Überschrieb Gurlitt die erste Seite seiner nicht getrennt gebundenen Mitschrift knapper und schmuckloser als Griechische Kunstgeschichte (Abb. 1), so traf seine Bezeichnung dennoch zu. Denn die Römische Kunst war in ihrer Eigenart noch nicht entdeckt, sondern galt den Archäologen über fast das ganze 19. Jahrhundert als ein Annex der Griechischen, als die Zeit ihres Verfalls. Da die Einstellung von Curtius nicht abwich, musste die Römische Kunst im Titel nicht eigens berücksichtigt werden. Beide Mitschriften weichen dann im Format und auch darin voneinander ab, daß nur Hillers Manuskript gesondert gebunden wurde. Den 28,3: 21,2 cm großen Seiten in der Mitschrift Gurlitts steht ein Format von 23,0: 16,7 cm bei Hiller gegenüber. Der Schriftspiegel ist auf den Blättern beider Handschriften vorgeprägt worden, in dem aufwendigeren Manuskript Hillers auf allen vier Seiten, bei Gurlitt nur oben und unten. An diese räumlichen Vorgaben haben sich beide Studenten gehalten. Allerdings überschritt Gurlitt die untere Begrenzung häufiger. Der beschriebene Seitenspiegel von 17,8: 12,6 cm bei Hiller erbringt eine Textfläche von 224,28 cm2 gegenüber 350,4 cm2 pro Seite bei Spiegelmaßen von 21,9: 16,0 cm in Gurlitts Mitschrift. Bei der Zahl der benutzten Seiten ist die Handschrift Hillers mit 24133 fast exakt doppelt so stark wie ihr Pendant mit 120. In etwa entsprechen daher zwei Seiten des kleineren Manuskripts einer des größeren, was die geringeren Unterschiede bei den beschriebenen Seitenspiegeln zunächst nicht erwarten lassen. Den geringeren Raum für den Text Gurlitts gleichen die Unterschiede bei Schrift und Sprache jedoch mehr als aus. Hubertus Cancik charakterisierte Hillers Vorlesungsmitschriften in auch für seine Griechische Kunstgeschichte gültiger Weise: „[Die] kleine, geläufige Schrift bleibt von der ersten bis zur 120. Seite gleich; die Blätter könnten in einem Zuge am Schreibtisch niedergeschrieben sein. Absätze sind regelmäßig durch Einzüge markiert; eine Serie fester Abkürzungen und Kürzel – wie v für das Präfix ver – wird konsequent angewandt. … [Hillers] Sätze sind meist hypotaktisch konstruiert, attributreich. Sie sind fast immer bis ins Detail ausformuliert und enthalten Partikeln und Modalitäten.“34 Gurlitts Schrift ist steiler und ge31 Vgl. Hiller 93r–95v und Gurlitt Seite 94–97, zu den korrigierten Daten der beiden Vorlesungen o. S. 147 Anm. 25. 32 Vgl. o. S. 91. 33 Die Mitschrift erstreckt sich über Folio 2r–121r, versehentlich wurde aber Folio 22a nicht nummeriert. Fol. 121v ist leer, 122r zeigt nur einige nicht zusammenhängende Literaturzitate. 34 Cancik in: Calder – Cancik – Kytzler 1991, 34f.

Die Studenten: Wilhelm Gurlitt und Eduard Hiller

151

drängter. Absätze sind vermieden, werden häufig von Gedankenstrichen ersetzt. Die Sätze sind in der Anlage kürzer, der Satzbau ist einfacher. Durch parataktische Reihung schafft er sich die Möglichkeit, möglichst viele Einzelheiten, gerade archäologische Daten, aneinander zu reihen. Das bedingt gelegentlich schlecht überblickbare Perioden. Der Vergleich nur der ersten Seite von Gurlitts Handschrift (Abb. 1) mit dem übereinstimmenden Text bei Hiller auf Fol. 2r–3r35 erbringt ein Verhältnis der vollständigen und abgekürzten Worte von 586: 521 zugunsten des späteren Archäologen, obwohl nur bei ihm auch die Titelzeile inbegriffen ist. Obwohl auf geringerem Raum für die Schrift geschrieben (350,4: 448,56 cm2) ist Gurlitts Niederschrift daher etwas ausführlicher, vor allem reicher an archäologischen Einzelheiten. Damit bot sich die Mitschrift Gurlitts zur Veröffentlichung in der vorliegenden Publikation an. Dass der zukünftige Archäologe Gurlitt den Aussagen zu den Monumenten breiteren Raum widmen würde als der Klassische Philologe Hiller, war andererseits auch von vornherein zu erwarten. Für Gurlitts Manuskript sprach dann zusätzlich seine größere Vollständigkeit durch den Besuch aller Vorlesungstermine. Allerdings blieb die Breite des von ihm Festgehaltenen nicht konstant gleich. Über „Die griechische Kunst in Italien“ im letzten Kapitel der Vorlesung unterrichten bei Hiller 22 Seiten, bei Gurlitt nur 9.36 Das passt zu dem fehlenden Hinweis auf die Römische Kunst in seinem Titel. Der engagierte provinzialrömische Archäologe in der Steiermark der achtziger und neunziger Jahre hat dem lateinischen Kulturraum als Student weniger Interesse entgegengebracht. Entscheidend bei der Gegenüberstellung der Mitschriften ist die Erkenntnis, dass ihre Aussagen sich weithin, vielleicht bis zu 85 Prozent, decken. An Fakten hat Curtius also kaum mehr vorgetragen, als von ihnen und besonders von Gurlitt überliefert wird. Auch bei der Bewertung übergreifender Deutungen stimmen beide Handschriften fast stets überein, nur tritt dieser Aspekt bei Hiller stärker hervor. Beide Mitschriften sind von der Sprache des Vortragenden mitbestimmt worden, die sich in übereinstimmenden Wortpassagen äußert.37 Diese Gemeinsamkeiten reichen aber nicht aus, den originalen Text der Vorlesung zurückzuerschließen. Eine vielleicht vorhandene weitere Mitschrift der „Griechischen Kunst“ von Ernst Curtius aus dem Wintersemester 1864/65 brächte also weder hierin entscheidenden Gewinn noch für die mitgeteilten Fakten und ihr Verständnis. Wo Hillers Handschrift gewichtige Ergänzungen und Korrekturen an Gurlitts Manuskript erbringen, sind sie in der hier vorgelegten Edition vermerkt. Von ihm zusätzlich überlieferte Details der monumentalen oder philologischen Überlieferung sind dann nicht berücksichtigt worden, wenn sie die Zahl der Belege nur gehäuft, deren Sinn nicht verändert hätten. Auch darauf, daß Hillers Literaturhin35 Vgl. u. S. 165-167 mit S. 439–440 des Anhangs V. 36 Hiller Fol. 110v–121r, Gurlitt Seite 112–120, u. S. 397–418. 37 Vgl. die in Anm. 35 zitierte Gegenüberstellung der Texte.

152

Wissenschaftsgeschichtlicher Kommentar

weise bei Jahrgang, Erscheinungsdatum und Seitenzahl häufig korrekter sind als Gurlitts, sei nur global verwiesen. Die Nachweise von S.-G. Gröschel in den Anmerkungen kennzeichnen Gurlitts Verschreibungen und korrigieren sie ausreichend, erübrigen daher den zusätzlichen Rekurs auf Hiller. Gurlitt hat demgegenüber häufiger die von Curtius vorgelesenen Zitate antiker Schriftquellen mitzuschreiben gesucht. Das ist gelegentlich der Grund weiterer Fehler gewesen. In seiner Neigung zu objektiven Befunden hat Gurlitt nachdrückliche Interpretationen von Curtius gelegentlich mit geringerem Gewicht überliefert, kaum je ganz unterschlagen. Ein besonders markantes Beispiel ist die Charakterisierung Polygnots als eines nationalen Malers durch Curtius. Beide Vorlesungsmitschriften leiten zum polygnotischen Werk mit dem Satz über: „Hier [in Athen] wurden der Malerei zuerst öffentliche Aufgaben gestellt.“38 Daran schließt aber nur Hiller Passagen an, die die patriotische Aufgabe charakterisieren: „die Kunst wurde eine öffentliche. Da die Erinnerung der Perserkriege die ganze Bürgerschaft erwärmte, so schloß sich auch Polygnot diesem Gegenstand an.“39 In der Stoa Poikile war „Polygnot der Meister, dem das Ganze übertragen war, [er] malte [hier] das gemeinsam Hellenische.40 … Außerhalb Athens war es auch ein durch die Freiheitskriege geweihter Ort, wo Polygnot malte, nämlich Platää. … Auch diese beiden Werke sind deutlich Gegenstücke; beide zusammen haben sie ihre Analogie in den Perserkriegen, die frevelhaft in Hellas einfielen.“41 Erst bei Erwähnung der delphischen Lesche griff Gurlitt die politische Interpretation auf: „Hier hatten die Knidier die ȁȑıȤȘ geweiht, ein Versammlungssaal mit Halle, bestimmt den zusammenströmenden Pilgern (Hiller 97v: Hellenen) Obdach und Vereinigung und würdige Unterhaltung zu gewähren. Hier zu malen war besonders die Aufgabe des national gesinnten Polygnot.“42 Zur Gattung der angeblich von Polygnot eingeführten Megalographien heißt es dann wieder nur bei Hiller, Aristoteles habe Polygnot als ਱șȠȖȡȐijȠȢ ਕȖĮșઁȢ gerühmt, weil sein Stil nationale und athenische Bedeutung besessen habe, was schließlich auch die rotfigurige Vasenmalerei auslöste.43 Die Mitschrift von Eduard Hiller teilt die Daten der Vorlesungen nicht mit und markiert den Beginn eines Kollegs auch nicht über sonst häufige Absätze. Dennoch dürfte es sich nicht um eine Rein- oder Abschrift handeln. Diesem Verdacht entgegen stehen die zahlreichen Verschreibungen, auch die fugenlose Art, nach der sich der von Gurlitt abgeschriebene Text einfügt. Eine nachträgliche Einfügung hätte für ihn eine Lücke lassen müssen. Zeichnungen fehlen ebenso gänzlich wie Hinweise auf Abbildungen, die den Studenten während des Kollegs vorgelegt wurden. 38 39 40 41 42 43

Hiller Fol. 96r; Gurlitt Seite 97, u. S. 369. Hiller Fol. 96r. Hiller Fol. 96v. Hiller Fol. 97r. Gurlitt Seite 98, hier S. 371. Hiller Fol. 98 r.

II. Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift der „Griechischen Kunstgeschichte“ von Ernst Curtius im Winter 1864/65 (Sepp-Gustav Gröschel)

A. Editorische Anmerkungen I. Das Manuskript der „Griech. Kunstgeschichte“ Dem Bearbeiter wurde das Manuskript eingebunden in ein von Pappdeckeln gefasstes Buch übergeben. Das Buch enthält fünf Mitschriften von Vorlesungen vom Wintersemester 1864 / 65 bis zum Sommersemester 1866 an der Universität Göttingen. Sie hatte Wilhelm Gurlitt, dessen Name auf der ersten Seite des Buches steht, für so bedeutend gehalten, dass er sie nicht nur aufhob, sondern sogar systematisch geordnet binden ließ. Das Konvolut enthält drei Vorlesungen des bedeutenden Philosophen Rudolf Hermann Lotze (1817–1881), der in seiner Lehre Idealismus und Naturwissenschaft zu vereinen suchte. Es sind „Logik und Encyclopädie“ (Wintersemester 1864 / 65) , „Psychologie“ (Wintersemester 1865 / 66) und „Geschichte der Philosophie seit Kant“ (Sommersemester 1866). Hieran schließt sich im Buch die mit 120 Seiten bei weitem längste und vollständige Mitschrift an, nämlich die „Griechische Kunstgeschichte“ bei Professor Ernst Curtius. Ihr folgt die zweite, allerdings lückenhaft aufgezeichnete und daher mit 54 Seiten erheblich kürzere Mitschrift einer Curtius-Vorlesung, nämlich „Topographie und Ethnographie“ (1866). Das Manuskript der „Griechischen Kunstgeschichte“ war mit schwarzer, jetzt aber bräunlich aufgehellter Tinte auf hellem, inzwischen leicht gebräuntem Papier ohne Wasserzeichen geschrieben. Es besteht aus sechs Heften, die auch als solche bezeichnet sind. Die Hefte setzen sich aus Bögen mit zwei beidseitig beschriebenen Blatt zusammen und sind von unterschiedlicher Stärke. Heft I besteht aus 5 Bögen à 10 Blatt und damit 20 beschriebenen Seiten, Heft II bis IV aus 6 Bögen à 12 Blatt und 24 Seiten, Heft V aus 4 Bögen (8 Blatt, 16 Seiten) und Heft VI schließlich aus nur 3 Bögen (6 Blatt, 12 Seiten). Damit hat das Manuskript einen Umfang von 120 Seiten, die jedoch nicht als solche nummeriert sind. Die Aufteilung in Hefte ist rein praktischer Natur und hat keinen Bezug zur inhaltlichen Gliederung des Textes. Die Seiten selbst sind sehr eng beschrieben, im Durchschnitt entfallen auf jede Seite etwa 37 bis zu 44 in bemerkenswert waagrechten Linien in meist regelmäßigen Abständen geführte Textzeilen. Die Schrift lässt an der Seite innen einen schmalen, an der Außenseite einen breiten Rand, der jeweils strikt eingehalten ist. Nur wenige Angaben wie das Datum der jeweiligen Vorlesungsstunde, zusätzliche, wohl nachträglich erfolgte Hinweise oder Gliederungspunkte, bisweilen auch Korrekturen finden sich hier. Auf einigen Seiten finden sich am äußeren Rand zudem außerordentlich skizzenhafte Zeichnungen von Grundrissen oder Aufrissen aus der gleichen Tinte wie die Schrift. Das fast wie ein Blocksatz geschlossen

156

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

wirkende Schriftbild wird kaum durch Abschnitte oder zentrale Überschriften gegliedert. Zahlreiche Worte, Wortgruppen und Sätze sind unterstrichen, zum einen, um bestimmte Fakten oder eine besondere Person hervorzuheben, zum anderen, um Kapitelüberschriften zu markieren, die jedoch fast immer in den laufenden Text eingefügt sind. Die zwischen die Zeilen geschriebenen Verbesserungen oder Ergänzungen sind selten, wie überhaupt Streichungen im Text nicht sehr häufig sind. Bei der Schrift handelt es sich um sog. deutsche Schrift, für die zahlreichen lateinischen Zitate wird die lateinische, für die ebenso häufigen griechischen Zitate die griechische Schrift in Minuskeln benutzt. Die Schrift ist klein bis sehr klein und wechselt ihren Duktus im Laufe der Aufzeichnungen immer wieder erheblich. Rechtschreibfehler sind sehr selten zu erkennen, Orthographie und Zeichensetzung entsprechen dem Standard des 19. Jahrhunderts. Wie für eine Vorlesungsmitschrift charakteristisch, sind nicht nur zahlreiche Worte am Ende abgekürzt, sondern auch innerhalb der Worte Buchstaben weggelassen oder so stark verschliffen, dass sie kaum kenntlich sind. Die Sätze sind verkürzt, einzelne Worte oder ganze Satzteile sind ausgelassen. Auch Nebensätze oder erläuternde Zwischensätze sind nicht erfasst. Nicht immer war dadurch der Sinn der einzelnen Wörter und Sätze sofort zu erschließen. Auf Grund von Hörfehlern sind die fremdsprachlichen Zitate oder Wörter wie z. B. Eigennamen (z. B. Oise statt Heuzey) häufig verstümmelt oder fehlerhaft wiedergegeben. Das gilt auch für Ungenauigkeiten bei den zahlreichen und umfangreichen Zitaten antiker Schriftsteller. Allerdings sind nicht alle wiedergegebenen antiken Texte wörtliche Zitate, sondern oft auch Paraphrasen, wie es für einen Dozenten wie Curtius, der die Alten Sprachen aktiv beherrschte, charakteristisch ist. Stellenverweise auf Quellen aus der antiken Literatur oder der Epigraphik sind häufig ungenau, unvollständig oder sogar falsch. Bei den Angaben der Sekundärliteratur sind zwar gänzlich falsche Angaben seltener, aber dafür sind die Hinweise durchweg unvollständig, z. T. ist nur der Name des Autors genannt.

II. Prinzipien und Ausführung der Edition Die Prinzipien der Edition sind Texttreue einerseits, Benutzerfreundlichkeit andererseits. Unter Letztgenanntem sind die unmittelbare Lesbarkeit sowie die Verständlichkeit des Textes und seines Inhaltes zu verstehen, wobei Kenntnisse des Latein und Altgriechischen vorausgesetzt sind. Die Besonderheit von Mitschriften als eigener Literaturgattung erfordert hier neben der Wiederherstellung des Textes zum weiteren Verständnis auch einen Anmerkungsapparat.

Editorische Anmerkungen

157

1. Der Text Ausgangspunkt ist daher der Wort für Wort transkribierte Text. Fehler in der Rechtschreibung wurden nur korrigiert, wenn sie zu Missverständnissen führen. Die Schreibweisen des 19. Jahrhunderts wurden beibehalten. Gleiches gilt für die Zeichensetzung. Abkürzungen am Wortende wurden ergänzt, fehlende Buchstaben innerhalb der Wörter ebenfalls. Ebenso wurden bei den lateinischen und altgriechischen Texten offensichtliche Auslassungen beseitigt und etwa im Altgriechischen Akzente und Spiritus ergänzt. Fehlende Wörter, Satzzeichen und Satzteile wurden nur eingeführt, wenn dadurch der Sinn des Satzes verdeutlicht wurde. Diese Ergänzungen geschahen unmittelbar im Text. Sie sind sämtlich durch eckige Klammern gefasst und damit klar als Ergänzungen zu erkennen. Bei der Wortwahl der Ergänzungen wurde höchste Schlichtheit angestrebt. Auf stilistische Korrekturen irgendwelcher Art wurde grundsätzlich verzichtet. Auch die Abkürzungen am Ende der Wörter sind durch eckige Klammern gekennzeichnet. Worte oder Textpassagen, die den Sinn des Textes entstellten, wurden ersetzt, der Vorgang ist jeweils in den Fußnoten dokumentiert. Der Verantwortung gegenüber dem originalen Text steht aber seine Lesbarkeit und inhaltliche Logik gleichwertig gegenüber. Es sind daher einige wenige Veränderungen bei der Übertragung des Textes gemacht worden. Gestrichene Worte, Satzzeichen etc. sind als gestrichen nicht dokumentiert. Ebenso wurde zugunsten der Lesbarkeit des Textes darauf verzichtet, die jeweils ergänzten Buchstaben innerhalb der Worte bzw. ergänzten Akzente der altgriechischen Texte durch eckige Klammern zu kennzeichnen. Zur besseren Verständlichkeit sind unvollständige Stellenangaben antiker Quellen, lückenhafte Angaben der Sekundärliteratur oder auch kurze Erläuterungen wie die Umrechnung der Jahreszahlen von Olympiaden bzw. ab urbe condita auf die Zeitrechnung vor Christus / nach Christus in eckigen Klammern als Zusätze eingefügt, ohne in den Text selbst einzugreifen. Ebenso sind Textpassagen der Mitschrift von Eduard Hiller, die sich ergänzend, auch klärend unmittelbar in den laufenden Text von Wilhelm Gurlitt einfügen ließen, ebenfalls in eckigen Klammern mit dem Vermerk H. fol. eingefügt. Schließlich wurden, als Marginalspalte, ebenfalls in eckigen Klammern, die fehlenden Seitenzahlen eingesetzt.

2. Die Anmerkungen Dem Verständnis des Textes dient der in Fußnoten hinzugefügte Anmerkungsapparat. Er soll zum einen der Korrektur und Ergänzung der Angaben des Textes dienen. Daher sind hier auch diejenigen Angaben und Textstellen Hillers, die von Gurlitts Mitschrift abweichen oder andere Akzente setzen, dem Text Gurlitts gegenübergestellt. Zum anderen sollen die Anmerkungen Informationen bereitstellen, die es erleichtern, den Inhalt von Mitschrift bzw. Vorlesung zu erschließen und ihn im Vergleich zur zeitgenössischen archäologischen Literatur zu werten.

158

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Sachliche Fehler sind nur in Ausnahmefällen angemerkt und verbessert, wie etwa bei Jahreszahlen der Neueren Geschichte; ebenso wird auf Änderungen der Wortbedeutung hingewiesen. Die Überprüfung sämtlicher Zitate und Stellenangaben hat bei hohem Zeitaufwand nicht nur ihre Angabegenauigkeit optimiert, sondern häufig genug ihren Sinn erst hergestellt. Wörtliche Zitate, wenn als Korrekturen zur Textaussage notwendig, sind hinzugefügt. Da die archäologische Literatur der Zeit von Curtius nicht nur schwer zugänglich, sondern auch weitgehend abbildungslos ist, sind die in der Vorlesung genannten archäologischen Denkmäler bzw. Denkmalsgruppen, aber auch die aufgeführten antiken Künstler in der modernen Sekundärliteratur nachgewiesen worden. Hierbei ist auf eine schnelle Verfügbarkeit des textlichen und visuellen Materials Wert gelegt worden, nicht darauf, mit Hilfe der neuesten archäologischen Literatur einen Gegenentwurf zur Kunstgeschichte von Curtius zu schaffen. Daher wurden vor allem Handbücher, Lexika, Museumskataloge und Ausstellungskataloge als Referenzen herangezogen. Die Erstellung des Anmerkungsapparates war im wesentlichen bis 1999 abgeschlossen, Literatur bis 2007 konnte von mir in Einzelfällen noch nachgetragen werden. Zusätzlich ist in den Anmerkungen folgende zeitgenössische Literatur zum Vergleich aufgeführt: das Handbuch der Archaeologie der Kunst von K. O. Müller und F. G. Welcker (1848), Die Geschichte der griechischen Künstler von H. Brunn (1853.1859) und von J. Overbeck Die Geschichte der griechischen Plastik für Künstler und Kunstfreunde (1857. 1858). Hierbei verkörpert das Handbuch von K. O. Müller den Kenntnisstand und die Methoden der Archäologie bis etwa 1840, die Künstlergeschichte von Brunn nutzt die kritisch philologischgeschichtliche Methode und für J. Overbeck schließlich stehen die antiken Kunstwerke selbst, ihre Vorstellung und Deutung im Vordergrund, so dass dem Leser drei verschiedene zeitgenössische Forschungsansätze zum Vergleich mit Ernst Curtius’ Auffassungen an die Hand gegeben werden.

3. Verwendete Textmarkierungen Eckige Klammern [ ] fassen alle vom Redaktor eingefügten Zusätze ein. Eckige Klammern mit H. fol. bedeuten einen Zusatz aus der Mitschrift Hiller. [...] weist auf ein nicht lesbares Wort hin. Sämtliche anderen Klammern und Textmarkierungen stammen von Wilhelm Gurlitt. Ersetzte Textstellen sind in den durch römische Ziffern markierten Fußnoten wiederholt und dem in Kursivschrift gesetzten Originaltext gegenübergestellt.

B. Inhaltsübersicht Einführung 1. Verständnis von Kunst in Gegenwart und Antike ............................................ 2. Allgemeine Charakterzüge der griechischen Kunst .......................................... 3. Aufgabenstellung .............................................................................................. 4. Wissenschaftsgeschichtlicher Abriss ................................................................ 5. Gliederung der Vorlesung .................................................................................

165 168 169 170 173

I Die Überlieferung (Archäologie der griechischen Kunst) 1. Die literarische Überlieferung der alten Kunst ................................................. 1. Allgemeines ............................................................................................... 2. Bei den Griechen: Kunsttheorie – Kunstgeschichte – Kunsterklärung ..... 3. Bei den Römern .........................................................................................

173 173 173 175

2. Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen ................. 1. Tektonik ..................................................................................................... 2. Architektur ................................................................................................. a. Baumaterialien: Stein – Holz – Metall – Lehmerde ............................... b. Bautechnik .............................................................................................. c. Architekturgattungen: Hieron (Tempelbauten) – Grabbauten – Bauten für Agone – öffentliche Bauten – Privatarchitektur .................... 3. „Geräte“ (Kunstobjekte) und ihre Herstellungstechniken .......................... a. Vorbemerkungen: Tektonik der Geräte .................................................. b. Sessel und Betten .................................................................................... c. Tonarbeiten: Tone und Tonvorkommen – Töpferhandwerk und Tonplastik – Vasen – Fund- und Herstellungsorte der griechischen Vasen – Zeitbestimmung der Vasen – Funktion und Technik antiker Vasen – Dekorationsformen – Ikonographie der Vasenbilder – Vaseninschriften ...................................................................................... d. Metallarbeiten: Metallgussverfahren – Werkstätten – Fundorte von Bronzeplastik –„Skulptur in Metall“ (Toreutik) – Waffen – Silbergefäße und -reliefs – Münzstempel – Graphito (Gravur) – Cisten – Spiegel .......................................................................................

176 176 176 177 179 179 188 188 188

189

195

160

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

e. Holzplastik: Skulptur im Gegensatz zur Toreutik – Holz als Material früher Götterbilder – verwendete Holzarten – Elfenbein .......... 200 f. Steinplastik: Marmorsorten – Bildhauerarbeit – Ganosis – Circumlitio – Bemalung – Vorrang vor der Erzbildnerei – Kategorien der Marmorskulptur – Statuengattungen – Aufstellungsorte – Gruppen – Nacktheit und Gewand – Haltung und Gestik – Idealität – „ikonische Darstellungen“ (Porträtstatuen – Hermen – Büsten) – Architekturplastik – Reliefs ........ 201 g. Goldelfenbeintechnik: Herkunft aus dem Orient – Gerät aus Elfenbein – Elfenbeinbearbeitung – Goldelfenbeinstatuen ........................................ 209 h. Miniaturskulptur (Glyptik): Skarabäen – Gemmen (intagli) – Gemmen als Siegel – Gemmenschnitt – Kameen – Künstlerinschriften ................ 210 i. Glas: Herkunft aus Ägypten – Häufigkeit seit dem Hellenismus – Verschiedene Herstellungs- und Bearbeitungstechniken – Portlandvase – Glasschnitt ............................................................................................... 213 j. Malerei: Umrisszeichnung – illuminierte Umrisszeichnung – monochrome Zeichnung – Verhältnis von Malerei und Skulptur in Antike und Gegenwart – Malerei auf Ton – Vierfarbenmalerei – Malerei in Tempeln – Wandmalerei – Tafelgemälde – enkaustische Malerei – Dekorationsmalerei – Ikonographie – Überreste der antiken Malerei ..... 214 k. Mosaik: Aufkommen als Hofkunst im Hellenismus – Vorstufen – opus vermiculatum – Funktionen – Fundorte – Ikonographie ................. 219 l. Das Wirken: Herkunft aus kultischen Zusammenhängen – Gewänder, Teppiche, Fahnen, Vorhänge – Traditionsfortdauer ................................ 221 m. Vervielfältigung von Zeichnungen ......................................................... 222

II Der historische Teil 1. Die Anfänge der Kunst bei den Griechen und das Verhältnis zum Orient: Die Anfänge nach antiker Vorstellung – orientalische Kunst und Kultur – ägyptische Kunst und Kultur und ihre vorgeblichen Einflüsse auf Griechenland – Einflüsse Phönikiens und Ägyptens auf Griechenland – Zypern .............................................................................................................. 223 2. Die Periode der heroischen Zeit: Vorgeschichte ohne bestimmbaren Beginn – homerische Gesellschaft und ihre Bauwerke – internationale Verflechtungen – Bauten von Mykene und Tiryns – Tholosgräber, ihr Metallschmuck und ihre Beziehung zu Kleinasien – Waffenbeschreibungen bei Homer und Hesiod – Göttersymbole als Kultbilder – anikonische und teilweise anthropomorphisierte Kultbilder – erste Künstler und Zunftbildung – Pflege der Idole – Gorgoneia und Wappentiere (Löwentor) – Lebendigkeit der Kunstwerke – Mobilität der vordorischen Welt ......................................... 231 3. Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung nach ihren verschiedenen Schulen (Archaische Zeit) ........................................................ 240 1. Die ältere Zeit vor 580 v. Chr.

Inhaltsübersicht

161

a. Die Frühzeit der griechischen Kunst: Verfall der heroischen Kultur – Kunst und Kultur nach der dorischen Wanderung – Delphi und der Tempelbau – dorische Ordnung – ionische Ordnung – Korinth als dorisches Kunstzentrum, Samos und Ephesos als ionische – frühe Künstler, Kunstschulen und Kunstzentren (Kreta, Naxos, Chios, Ephesos, Samos) ..................................................................................... 240 b. Inhalte, Anlässe und Aufgaben der frühgriechischen Kunst: Götterbilder – Weihgeschenke (Dreifüße) – Bedeutung der Tyrannen für die Kunst – Weihgeschenke der Kypseliden – Kypseloslade in Olympia – Kunst in Ägina, Sikyon, Megara – Sonderfall Sparta – Tempel der Athena Chalkioikos, Heiligtum des Apollon Amyklaios – Zusammenfassung – archaische Vasen mit Inschriften ........................... 246 2. Die Zeit nach 580 v. Chr.: Verbindungen nach Ägypten und dem Orient – Gymnastik und Nacktheit als nationale Phänomene – Siegerstatuen als Bild des ethisch gebildeten Griechen – Emanzipation des wandernden Künstlers – Ausbreitung und Blüte der kretischen, sikyonischen und ionischen Kunstschulen – Apollonstatuen (Kuroi) – Kunst Aeginas – Onatas – Aphaiatempel – Giebelfiguren des Aphaiatempels (Deutung und Stil) – Tempelarchitektur und Tempelskulptur: Delphi, Korinth, Paestum, Selinunt, Assos, Didyma, Xanthos (Harpyienmonument) – Kunstschule von Argos – altattische Kunstschule – Übergang zur Klassik (Kalamis, Pythagoras) – Versuch einer Scheidung von archaischer und archaistischer Kunst .................................................................................. 255 4. Die Kunst in Athen (Klassische Zeit) ............................................................... 280 1. Die Zeit des Phidias a. Athen als kulturelle Hauptstadt Griechenlands: Kultureller Höhepunkt um Olympiade 80 als Resultat der Perserkriege – Themistokles, Kimon, Perikles als Kulturträger .......................................................................... 280 b. Phidias: Leben und Schaffensphasen – Statuen des Phidias: Aphrodite, Athena Promachos, Athena Lemnia, Athena Parthenos, Zeus von Olympia, Weihgeschenk in Delphi – Tempel und Bauskulptur in Athen: Theseion (Hephaistostempel), Akropolis mit Parthenon – Zeustempel in Olympia ........................................................................... 282 c. 1achphidiasische attische Bauten: Apollontempel in Bassai – Apollontempel in Delphi – Propyläen – Niketempel – Erechtheion – Tempel am Ilissos – Telesterion in Eleusis ............................................. 309 d. Schüler des Phidias: Alkamenes – Thrasymedes – Theokosmos – Agorakritos – Kolotes – Grabreliefs im Stil des Phidias – Paionios ....... 316 e. Antike Beurteilung des Phidias ............................................................... 319 f. Die argivisch-sikyonische Schule: Heraion von Argos mit Herastatue – Polyklet – Myron: Ladas, Diskobol, Kuh, Athena-Marsyas-Gruppe – Lykios – Amazonenwettbewerb in Ephesos – Strongylion – Kallimachos –

162

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Demetrios von Alopeke – Kresilas – Schule Polyklets in Argos – Naukydes – Polyklet d. J. ........................................................................ 320 2. Die jüngere attische Kunstschule bis auf Alexander den Großen a. Politische und kulturelle Voraussetzungen und Kennzeichen der spätklassischen Kunst .................................................................................... 333 b. Kephisodot .............................................................................................. 334 c. Skopas: Aphrodite in Elis – Tempel von Tegea – Vergleich mit Praxiteles – Bacchantin – Apollon Kitharodos – Wirken in Kleinasien ..................... 335 d. Maussolleion von Halikarnass ............................................................... 340 e. Weitere Werke des Skopas: Nereiden – Ares (Ares Ludovisi) ................ 344 f. Praxiteles: Artemis – Apollo Sauroktonos – Demeter – Eros – Aphrodite von Knidos ............................................................................. 346 g. Dionysische Motive ................................................................................. 351 h. 1iobidengruppe ...................................................................................... 352 i. Leochares ................................................................................................ 358 j. Silanion .................................................................................................... 359 k. 1achfolger der argivisch-sikyonischen Schule ....................................... 360 l. Euphranor ............................................................................................... 361 m. Lysipp: Stil und Körperideal des Lysipp – Heraklesstatuen – Alexanderporträts – Kairos – Apoxyomenos ......................................... 362 n. 1ereidenmonument in Xanthos ............................................................... 367 3. Die Malerei bis zur Zeit Alexanders des Großen a. Die Malerei vor dem Peloponnesischen Krieg: Frühzeit – Schule von Thasos – Polygnot – Panainos – Mikon – Gemälde in der Stoa Poikile – Polygnot in der Pinakothek und der Lesche der Knidier – Stil des Polygnot – Pauson – Agatharchos ........................................................... 368 b. Die Malerei seit dem Peloponnesischem Krieg: Apollodoros – Zeuxis – Parrhasios – Timanthes – Sikyonische Schule: Euphranor, Pamphilos, Pausias – Apelles – Protogenes ............................................................... 373 c. Erhaltene Denkmäler: Vasenmalerei – bemalte Sarkophage – Columbarien – Pompejanische Wandmalerei ......................................... 376 4. Münzen ...................................................................................................... 376 5. Glyptik: Samos als frühes Zentrum – Pyrgoteles ....................................... 377 5. Die hellenistische Kunst im Orient ................................................................... 377 1. Charakterisierung der Kunst des Hellenismus als Hofkunst ...................... 377 a. Stadtgründungen ..................................................................................... 378 b. Ephemerer Festluxus .............................................................................. 379 2. Hellenistische Plastik ................................................................................. 380 a. Ende der Plastik im Peloponnes um 300 ................................................ 380 b. Rhodische Schule: Politische und kulturelle Voraussetzungen – Koloss von Rhodos – Farnesischer Stier – Laokoongruppe ................................ 380

Inhaltsübersicht

c. Pergamenische Schule: Politische und kulturelle Voraussetzungen – Große Gallier – Phyromachos ................................................................. d. Ephesos: Fechter Borghese ..................................................................... e. Antiochia : Tyche des Eutychides ........................................................... f. Basis von Pozzuoli – Porträt des Demetrios ........................................... g. Alexandria als Zentrum der Glyptik: Tazza Farnese – sog. Ptolemäerkameen ............................................................................. 3. Münzprägung Alexanders des Großen und der Diadochen ........................ 4. Malerei des Hellenismus: Aristeides – Nikias – Helena – Megalographia – Rhyparographia – Skenographia – Pornographia ...................................... 5. Mosaik: Lithostroton – Taubenmosaik – Alexandermosaik ...................... 6. Neuattische Kunst und Klassizismus: Neue Blüte der griechischen Bildhauerateliers – Archelaosrelief ........................................................... 7. Hellenistische Bauten in Athen .................................................................. 6. Die griechische Kunst in Italien, speziell in Rom ............................................. 1. Griechischer Einfluss auf das frühe Italien ................................................ 2. Etruskische Kunst: Tempelbau – Rundgräber – Tonplastik – Bronzeplastik – Spiegel – Grabstelen – Alabasterurnen – Skarabäen – Münzprägung – Grabmalerei – verschiedenartige auswärtige Einflüsse .... 3. Die Kunst der römischen Republik: Damophon und Gorgasos – Ficoronische Ciste – campanische und römische Münzprägung – römischer Kunstraub – Kunstbegeisterung und -ablehnung in Rom – griechischer Einfluss auf die Baukunst – Fortsetzung der neuattischen Schule in Rom: Pasiteles, Stephanos, Menelaos – Toreutik: Mentor, Zopyros – Carraramarmor – Apollo im Belvedere ...................................................... 4. Die frühe Kaiserzeit: Ausstattung von Tempeln und Foren in Rom durch Augustus – Historische Denkmäler: Porträtstatuen, Büsten, Reliefs – Vergöttlichungen – Staatskameen – Asinius Pollio als Sammler von imagines illustrium – Beispiele erhaltener Porträtstatuen von Griechen und Römern ................................................................................................ 5. Die mittlere und späte Kaiserzeit: Flavier – Trajan – Hadrian – Antonine – Verfall der Kunst – Sarkophage – Allegorien auf Münzen – ägyptischorientalische Kulte – literarisch bestimmte Kunstdenkmäler (tabula Iliaca) .............................................................................................. 6. Die Malerei in Italien: Etruskische Grabmalerei – Fabius Pictor – Pacuvius – M. Plautius – Timomachos von Byzanz – „Tadius“ – Wandmalereien der Vesuvstädte – Malereien in Columbarien ................... 7. Spätantike, frühchristliche und byzantinische Kunst ................................. 7. Die Wiederentdeckung der antiken Kunst in der Renaissance und zur Zeit Winckelmanns ..........................................................................................

163

386 388 389 390 390 391 391 392 393 396 397 397

398

400

404

408

413 415 418

C. Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift Heft I.

Griech[ische] Kunstgeschichte. Prof[essor] Curtius. 24. 10. 64. Es wird eine histor[ische] Vorlesung sein, das Philosoph[ische] so kurz wie mögl[ich] zu behandeln.1 – Man nennt oft Kunst jedes mit Bewußtsein erworbene u[nd] ausgebildete Können,2 in Bezug auf eine Technik. Aber diese Künste werden mit der Technik erschöpft und sind von jedermann zu erlerneni. Was die Kunst ist [?] Keine äußerl[iche] Fertigkeit, die von jedem erlernt werden kann, sondern es ist eine eigenthüml[iche] Kraft u[nd] Thätigkeit [H. fol. 2 r.: des menschlichen Geistes]. Sie ist durch Ursprung, Zweck u[nd] Beschaffenheit von allen anderen Thätigkeiten verschieden. Der Ursprung ist kein anderes, als der eingeborene Trieb, das Geistige sinnl[ich] klar zu machen.3 Sie ist Darstellung des Geistigen im Körperl[ichen], des Übersinnl[ichen] im Sinnl[ichen]. – Der Zweck ist, nur darzustellen, sie ist eine freie Thätigkeit, durch kein äußeres Bedürfniß gefordert u[nd] bedingt. Die Beschaffenheit der Kunst ist eine schöpferische, ʌȠȚȘIJȚț੾ der Inhalt ist ihr Eigenthum, zum Unterschied von der Wissenschaft, die nur ergründet, ohne zu schaffen[, einerseits] vom ਩ȡȖȠȞ ȕ੺ȞĮȣıȠȞ andererseits von der ਥʌȚıIJ੾ȝȘunterschieden. Eine freie Thätigkeit ist deswegen nicht zwecklos, unnütz. Prakt[ische] Völker haben sie darum mißachtet[,] für einen Luxus gehalten: Man hat die Kunst für ein Werk des Luxus erklärt. (Senec. epist. 88)4 Die Statuen waren schönere Mobiliare, die ganze Kunst Decoration i

und sind von jedermann zu erlernen : u. können von jedermann erlernen kann.

1 2

Vgl. die Überlegungen in Müller 1848, 1–16 § 1–34. Gurlitt: u[nd] ausgebildete Können, Hiller fol. 2 r.: u[nd] mit einer gewissen Virtuosität ausgeübte Können. Gurlitt: das Geistige sinnl[ich] klar zu machen, Hiller fol. 2 r.: des Menschen, sein Inneres auszudrücken. Sen., epist. 88, 18.

3 4

[S.1]

166

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

(Cic. Verr. IV, 43)5. Die Staatsmänner schämen sich ihr[er] Kunstliebe (Cic. Brut.)6[.] Aber gerade dann würde sie dienen u[nd] zwar dem niedrigsten Bedürfnisse.7 – Aber der Kunsttrieb hat seine Naturnothwendigkeit. Er tritt bei allen begabten Völkern hervor u[nd] wächst u[nd] fällt mit der geistigen Entwicklung [H. fol. 2 v.: eines Volkes]. Jede Kunst ist national, es gibt keine kosmopolitische. Das Kunstwerk des Einzelnen nimmt das Volk als sein Bild auf. – Das Kunstvermögen ist also eine Naturkraft [H. fol. 2 v.: , die es erlaubt, mit Willkühr zu handeln.]. Der Künstler kann nicht, wie er will. Die Schöpfung ist kein Act des bewußten Willens. Beim Künstler kann die Kraft nur [H. fol. 2 v.: durch Bildung] geleitet werden. Also die innere Kraft, d[as] i[st] der unbewußte Trieb[,] u[nd] die geordnete, damit verbundene Thätigkeit erzeugen das [H. fol. 2 v.: wahre] Kunstwerk. Alle Theorie ist von ihnen abgeleitet, sie sind wie Naturproducte. – Alle Zeugung hat etwas Mysteriöses, so auch die des Kunstwerks, der Keim des Kunstwerks ist kein log[ischer] Begriff, der in einer Definition aufgeht, sondern mehr eine gewisse Stimmung8 (Schiller, Briefe an Körner [H. fol. 2 v.: 21. März 1796), die zu einem sich allmählich klarer gestaltenden Bild treibt. Allen Werken, denen es fehlt, merkt man Kälte an.] Jedes Kunstwerk muß werden, es darf nicht gemacht sein. – In dieser Hinsicht ist die Kunst eine freie Thätigkeit. – Das haben die Alten, dann die Neuen geglaubt u[nd] gefühlt. Daher sagen [sie,] die Künstler litten ਲ ਕʌઁ ȂȠȣı૵Ȟ ਕʌĮȖȦȖ੾ die ȝĮȞ઀Į (Plat. Phaedr. 245)9[.] Mit der ȝĮȞ઀Į muß sich die ıȦijȡȠı઄ȞȘ verbinden, nur so wird sie [H. fol. 2 v.: die Kunst] eine Offenbarung des Göttl[ichen] durch den Menschen, sonst erscheint Göttl[iches] u[nd] Menschl[iches], Reales u[nd] Ideales im Kampf. – Diesen Kampf aufzuheben, ist die Bestimmung der Kunst, daher hat sie den Beruf zu versöhnen. Zu diesem Berufe bedarf die Kunst des Stoffes, in dem sie ihren Inhalt ausdrücken soll. Der natürlichste Stoff ist der ȜંȖȠȢ das Wort [H. fol. 2 v.: , und die Kunst, die dieses Organ beherrscht, ist die reichste;] Diese Kunst trägt als Ehrennamen

5 6 7

8 9

Cic., Verr. II, 4, 43. - Die beschriebene Heraklesstatue im Tempel des Herakles in Agrigent sieht Cicero hier rein unter dem Kunstaspekt und nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, daß das Götterbild aufgrund der Verehrung durch die Gläubigen etwas gelitten habe. Cic., Brut. 18, 70. – Vgl. hierzu auch Cic., Verr. II, 4, 43. Gurlitt: Eine freie Thätigkeit ... dem niedrigsten Bedürfnisse., Hiller fol. 2 r.: Man [hat] oft die Freih[eit] der Kunst benutzt, um sie herabzusetzen, u[nd] gesagt, sie sei eine zwecklose Thätigk[eit], so die Römer, die sie für ein Werkzeug u[nd] ein Produkt des Luxus erklärten. Seneca epist 88. Sie betrachteten sie als eine Decoration des Lebens. Cicero Verr 4,43 schämt sich beinahe seiner Kunstkenntniße: non tam intellego quam multa vidi. Die gravitas des römischen Staatmanns verschmähte und verachtete die Beschäftigung mit der Kunst. Aber wäre die Kunst nur Schmuck, so wäre sie freier, sie wäre eine Dienerin der Mode, des Luxus, der Eitelkeit. Gurlitt: gewisse Stimmung, Hiller fol. 2 v.: gewiße „musikalische“ Regung des Gemüths. Plat., Phaidr. 245 A, vgl. Plut., mor. 758 f.

Einführung

167

den Gattungsnahmen ʌȠ઀ȘıȚȢ hier ist der Stoff so bildsam, daß der Mensch sich künstliche Schwierigkeiten machti, weil die Kunst den Gegensatz des Ungebundenen u[nd] Gebundenen aufgelöst darstellt.10 Mit ihr u[nd] der Musik konnte sich der Mensch begnügen, welche letztere den Ton sowohl als Träger des Wortes u[nd] der Empfindung benutzt. Bei vielen Völkern ist es nicht weiter gekommen. Aber begabte Völker sind stets weiter gegangen, sie wollen den [H. fol. 2 v.: sie umgebenden] todten Materialien neues höheres Leben geben. Hier tritt die bildende Kunst [ein],11 eine stumme Dichtung, sie spricht durch die Gestalt, die ein Eigenthum der Natur ist[,] [H. fol. 3 r.: Die Gesetze der Natur dürfen daher n[icht] verletzt werden.] u[nd] dadurch erhält die bildende Kunst ein bes[onderes] Verhältniß zur Natur, sie ist das Band von Seele und Natur, sie faßt das [H. fol. 3 r.: lebendige] Sein in der Natur [H. fol. 3 r.: ohne deren Schwächen u[nd] Gebrechen] u[nd stellt es] so rein, als mögl[ich] dar. (Schelling, Verhältniß der bild[enden] Künste zur Natur [H. fol. 3 r.: neu abgedr.] 1843)12[.] [H. fol. 3 r.: Man pflegt Malerei und Skulptur die bildende Kunst zu nennen.] Die [S. 2] Darstellung ist doppelter Art, es wird die Gestalt, als Körper wiedergegeben, Plastik; od[er] der Künstler gibt nicht die Gestalt [als Körper, sondern] als Fläche u[nd] gibt sie auf einer Fläche wieder, indem er durch Umriß, Schatten u[nd] Licht u[nd] Farbe den Schein wirklicher Körper gibt.13 [H. fol. 3 r.: Man schloß die Architektur aus, weil sie [kein] Urbild habe.] Das ganze Gebiet der Raumbildung hat man neuerdings Tektonik genannt, mit der Architektur an der Spitze, vom Marmortempel bis zum Thongeschirr. Sie steht dem Handwerk am nächsten, weil sie ihre Aufgaben von bestimmten äußeren Bedürfnissen erhält.14 Den Alten fehlte der scharfe Gegensatz von Handwerk u[nd] Kunst, auch in der Sprache. Die Kunst beginnt erst da, wo das Mechanische überwunden u[nd] vollendet ist, u[nd] wo man dann etwas Geistiges ausdrücken will. In Griechenland hat es gar keine bürgerl[iche] Architektur gegeben, sie hatte eine viel geistigere Aufgabe, sie war die Aufstellung des ੂİȡંȞ >@15 u[nd] in harmonischer Weise hat sich die Erledii

macht : machen.

10 Gurlitt: weil die Kunst den Gegensatz des Ungebundenen u[nd] Gebundenen aufgelöst darstellt., Hiller fol. 2 v.: Das Geheimniß der Kunst ist aber der Gegensatz zwischen dem Gebundenen u[nd] dem Ungebundenen, daher die gebundene Form. 11 Gurlitt: Hier tritt die bildende Kunst [ein], Hiller fol. 3 r.: Dieses Reich der Formen beherrscht die bildende Kunst,. 12 F. W. J. v. Schelling, Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur. Eine Rede zu München am 12. Oktober dem Namensfest des Königs Maximilian Joseph von Bayern gehalten in der öffentlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften (1843). Es handelt sich um einen unveränderten, bei G. Reimer in Berlin erschienenen Abdruck der ersten in München bei Krull erschienen Auflage von 1807. 13 Müller 1848, 11 § 25. 14 Zum Begriff Tektonik: Müller 1848, 9f. § 22. 23; 365 § 266. 15 Gurlitt: die Aufstellung des ੂİȡંȞ, Hiller fol. 3 r.: die Darstellung des ੂİȡંȞ.

168

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

gung materieller Bedürfnisse mit der Erreichung geistiger Zwecke (Cic. de or. III, 46)16 verbunden. – Für die Griechen hat die Architektur noch eine besondere Wichtigkeit, weil sie gewissermaßen die Mutter der anderen [Künste] war. Je kunstbegabter ein Volk ist, umso mehr wird es ihm gelingen[,] auch den kleinsten Topf zu durchdringen u[nd] ihm eine höhere Würde auf[zu]drücken (Schinkel)17. Zur Natur verhält sich die Tektonik anders, weil der ganze baul[iche] Organismus in Stein gedacht isti. – Aber auch er hängt von der Natur ab, [von der] die statischen Gesetze und die Symbole [stammen], mit denen er die Glieder des Baus ausstattet. – 25.10.64 Die hellen[ische] Kunst ist 1. vollkommen abgeschlossen in ihrer Entwicklung. 2. hat die griech[ische] Kunst den Charakter der Originalität. Man hat [ihn] in neuerer Zeit oft bezweifelt (bes[onders] Röth, Jul. Braun)18. Es ist aber nur eine paradoxe Reaction gegen frühere Überschätzung.19 Als Hellene hat der Mensch zuerst seine ganze Kunstfähigkeit entwickelt. 3. Dieses Kunstleben hat sich so günstig gestaltet, daß die Producte desselben für alle Zeit mustergültig geblieben sind. Denn die Kunst ist eine zarte Pflanze. Die Griechen hatten einen feinen Sinn für die Gestalt in der Natur, dazu [günstige] örtl[iche], klimat[ische] Verhältnisse, so entwickelt sich die Classicität der griech[ischen] Kunst. Was ihr eigenthüml[ich] ist, muß bei jeder Kunst sein, Harmonie der einzelnen Theile, Maaßhaltung. U[nd] mag auch eine Kunst ganz neue Wege gehen, sie muß die Grundsätze griech[ischer] Kunst befolgen. Daher ist die [Erforschung der] griech[ischen] Kunst ein Humanitätsstudium, sie gehört zur Culturgeschichte der Menschheit, sie ist nöthig für das Verständniß jeder ferneren Kunstbestrebungen und Richtungen. 4. Die hellen[ische] Kunst ist durchaus national u[nd] hatte nationale Geltung. Der Genuß der Schönheit war bei ihnen kein Luxus, sondern Lebensbedürfniß, [H. fol. 4 v.: was sie auch im Gebet aussprachen,]20 die Kunstwerkeii boten IJ੹ țĮȜ੹ ਥʌ੿ IJȠ૙Ȣ ਕȖĮșȠ૙Ȣ. IJઁ țĮȜંȞ ist nur die entsprechende Form des ਕȖĮșંȞ Das i ii

in Stein gedacht ist : ein Steingedachtes. die Kunstwerke : sie.

16 Cic., de orat. III, 46. – Müller 1848, 10 § 23, 1. 17 K. F. Schinkel, Aus Schinkel’s Reisebemerkungen auf der vom 17. Juni bis 11. August 1832 nach Schlesien unternommenen Dienstreise, in: A. Frhr. v. Wolzogen, Aus Schinkel’s Nachlaß III (1863) 329f. 18 E. M. Röth, Geschichte der abendländischen Philosophie I (1846). II (1858); J. Braun, Geschichte der Kunst in ihrem Entwicklungsgang durch alle Völker der Alten Welt hindurch, auf dem Boden der Ortskunde nachgewiesen I (1856). II (1858). 19 Namentlich durch Johann Joachim Winckelmann, beginnend mit seinem Erstlingswerk: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst (1755). 20 Beleg bei Hiller fol. 4 v.: Plat., Alc. II 148 [C].

Einführung

169

Gute, Wahresoll in die Gestalt, in das Leben treten u[nd] dann ist es schön. (ȝİIJȡȚંIJȘȢ țĮ੿ ıȣȝȝİIJȡ઀Į Plat. Phil.21[,] ȥȣȤોȢ ਕȖĮș઀Į (Luc. im. c. II) țĮ੿ ıઆȝĮIJȠȢ İ੝ȝȠȡij઀Į22 Kein Dienst des Fleisches. Daher die nationale Bedeutung der Kunst. In unseren Tagen wird die Kunst nur von Wenigen als Bedürfniß gefühlt. Die Künstler waren die Männer des Volkes, von allen gekannt; jetzt ist es nicht so. – Verhältnis von Kunst u[nd] Religion. Die Gottheit selbst ist der Inbegriff der Schönheit, der Gotti ist ț੺ȜȜȚıIJȠȢ țĮ੿ ਙȡȚıIJȠȢDie Kunst drückt das Geistige sinnl[ich] aus, daher ist es ihre höchste Aufgabe, die Welt der Religion darzustellen, viele meinen, sie dürfe urkirchl[ich] sein. Nun sind aber unsere Religionsideen transcendental, die Kunst kann also nur auf [S. 3] das Göttl[iche] hinweisen; die Griechen kannten nicht den Gegensatz des Göttl[ichen] u[nd] Sinnl[ichen]; für sie geht das Göttl[iche] im Schönen auf. (Arist. Pol. im Anfang)23. Die Schönheit der Gestalt zieht zum Guten hin, daher der țĮșĮȡȚıȝંȢ der Kunst, Reinigung von ungeordneten Affecten, die Kunst wird zur ȥȣȤĮȖȦȖ઀Į(Plat. Phaedr.24 der Mensch erinnert sich dann an das Urschöne) (Grüneisen, Über das Sittl[iche] der bildenden Kunst bei den Griech[en] 1833 gegen [...])25. [H. fol. 4 v.: Bei Homer erscheinen die Götter noch riesenhaft; durch die Maler und Bildner gewannen sie mehr eine plastische Gestalt.] Daher der Geist der glückl[ichen] Harmonie in der griech[ischen], religiösen Kunst, da ist eine innere Befriedigung des schaffenden Geistes u[nd] die Befriedigung des Künstlers theilt sich dem Beschauer mit u[nd] beruhigt ihn. Ist nun die schöne Gestalt das Hauptsächlichste, so mußte es daran liegen, die Gestalten möglichst wiederzugeben, daher Vorherrschen der Plastik. Umgekehrt in der christl[ichen] Kirche; denn die Malerei ist weniger sinnl[ich]. Daher [herrscht] in der alten Malerei noch das plastische Princip, umgekehrt bei den Späteren u[nd] in der Renaissance. – Die wissenschaftl[iche] Behandlung der griech[ischen] Kunst verlangt 1. einen Überblick über das Material der Kunstgeschichte, also a) über die Überreste[,] b) über die verschiedenen Gattungen der Kunstübung, also die Archäologie. Die Überreste sind entweder an Ort u[nd] Stelle, dann behandelt sie die Kunsttopoi

21 22 23 24

der Gott : sie.

Plat., Phil. 64 E. Lukian., im. 11:ȥȣȤોȢ ਕȡİIJ੽ țĮ੿ İ੝ȝȠȡij઀Į ıઆȝĮIJȠȢ Aristot., pol. I, 2, 1252 b 24–27Das Zitat bezieht sich auf den vorhergehenden Satz. Plat., Phaidr. 261 A; C.In PlatonsPhaidrosbezieht sich die Psychagogie, die Seelenleitung , auf die Macht des Wortes bzw. der Rede, nicht der bildenden Kunst. 25 K. Grüneisen, Ueber das Sittliche der bildenden Kunst bei den Griechen, in: Zeitschrift für die historische Theologie, Bd. 3 , 2. Stück, 1833, 19.

170

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

graphie,26 diese ist nicht zu sondern von der alten Geographie, oder die Überreste sind in Sammlungen, dann behandelt sie die Museographie; aber eine Statistik der Museen ist eigentl[ich] nicht wissenschaftl[ich]. Es bleibt also vom systemat[ischen] Theil, der Archäologie, nur die Übersicht über die verschiedenen Stoffe, Stilarten u[nd] Gesetze. 2. der histor[ische] Theil. Es handelt sich [darum,] die Kunst in ihreri allmälichen Entwicklung, im Zusammenhang mit der Volksgeschichte zu erkennen. [H. fol. 4 v.: Die systematische Betrachtungsart ist die ältere u[nd] früher ausgebildete.] – Nachdem die neue Welt lange Zeit die Überreste der alten Kunst gänzl[ich] ignorirt hatte, erwachte im 14. Jahrh[undert] patriotischer Eifer für die ältere Geschichte in Italien (Petrarca). Darauf im 15. saec[ulum] Wiederbelebung der Antike, das medicaeische Zeitalter. [H. fol. 4 v.: Renaissance. Es war das die Zeit der ersten Sammlungen.] Im 16. saec[ulum] reiften die Früchte, die Zeit Raphael’s, Michel Angelo’s, Julius’ II., Leo’ X. Es überwog das künstlerische Interesse, man konnte keine Torsi etc. leiden, man restaurirte. Im Gegensatz zu dieser humanistischen Bildung entwickelte sich die gelehrte Betrachtung, zuerst um die Überreste benennen u[nd] deuten zu können, in Rom unter den Fremdenführern. Poggio (†1559) machte Verzeichnisse der älteren Bauwerke: urbis Romae descriptio27. Die Kunstwerke wurden als admiranda urbis Romae28 herausgegeben, nach Gattungen geordnet. In dieser Richtung wurde die Kunst auch außerhalb Ital[iens] behandelt. (Montfaucon, Antiquitès représentées29, gelehrter Mönch) Eine eigentl[iche] Wissenschaft [H. fol. 5 r.: Kunstwißenschaft] entstand aber erst in Deutschland; hier wurde sie zuerst in den Kreis humanistischer Bildung hineingezogen, zuerst durch Christ in Leipzig, mit seinem Einfluß auf Lessing. Zuletzt kam auch der histor[ische] Gesichtspunkt zur Geltung, [und so entstand die Archäologie] als eine neue Wissenschaft. 1755 ging Joh[ann] Joachim Winckelmann aus Dresden nach Rom, ein Mann, der in aller Noth des Lebens seinen neuen Beruf [darin] erkannte, in Italien zu leben u[nd] die Kunstwerke zu ordnen. Kunstbegeisterung, Gelehrsamkeit, histor[ischer] Sinn [waren seine Eigenschaften]. i

in ihrer : in seiner.

26 Gurlitt: Die wissenschaftl[iche] Behandlung ... Kunsttopographie , Hiller fol. 4 v.: Die griechische Kunst verlangt eine verschiedenartige Betrachtung, erstens einen Überblick über das Material, den systematischen Teil, die Archäologie der Kunst, dann handelt von ihnen die Topographie, 27 G.-F. Poggio Bracciolini, De fortunae varietate urbis Romae et de ruina eiusdem descriptio (1447). – Poggio starb 1459. 28 P. S. Bartoli – G. P. Bellori, Admiranda romanarum antiquitatum ac veteris sculpturae vestigia (1693). 29 B. de Montfaucon, L’ Antiquité expliquée et représentée en figures (1719. 2. Aufl. 1722. 5 Suppl.Bände 1724).

Einführung

171

1764 [veröffentlichte er die] Geschichte der griech[ischen] Kunst30. Dies fällt in [S. 4] dieselbe Zeit, als die Beziehungen Deutschlands zu Griechenland kräftiger, denn je waren. U[nd] diesen Zusammenhang faßte am Lebendigsten u[nd] Innigsten Goethe als Dichter, Kenner, Forscher. – 27. 10. 64 Winckelmann, Lessing, Heyne vollendeten das Werk. Für die Erklärung der Kunstwerke wurde eine neue Epoche begründet. Man erkannte den Mythus als eigentl[ichen] Inhalt der Kunst. Es wurde[n] die Verbindung u[nd] die Gränzen der bildenden u[nd] dichtenden Künste anerkannt.31 Goethe las 18 Jahre alt Lessings Laokoon, dann Winckelmanns Geschichte, dann in Mannheim Gypsabgüssei, dann ging er nach Italien.32 – Modernes u[nd] Antikes, Poesie u[nd] bildende Kunst hat Niemand, wie Goetheii, vereinigt. Classische Ruhe, deutsche Gemüthstiefe. – Die neue Wissenschaft hat sich lebendig fortentwickelt. Die Hauptepochen sind: 1. Die Ausgrabungen der Städte am Vesuv[:] 1711 Herculaneum[,] 1761 die Entdeckungen in Pompeii. Diese Entdeckungen hat Winckelmann noch erlebt u[nd] verwerthet.33 Hier treten die Kunstwerke in einen Zusammenhang. – 2. Die Reise Stuarts nach Athen u[nd] Griechenland [.] 1762 1. [Band] D[ie] Alterthümer von Athen.34 [H. fol. 5 v.: Winckelmann wußte aber den ersten Band der Alterthümer von Athen nicht mehr zu würdigen.] Nach Winckelmanns Tode begann dann 3. Die Entdeckung Griechenlands, mit Eintritt unseres Jahrhunderts, verschiedene Nationen: Lord Elgin 1801, die wissenschaftl[ichen Reisen] des Oberst Leake, Dodwell, v[on] Bröndsted, Sir William Gell in den ersten Jahren unseres saec[ulums]. Die Tempel auf Aegina u[nd] in Arcadien, dann in Olympia. i ii

Gypsabgüsse : Gypsangüsse. Goethe : er.

30 J. J. Winckelmann, Geschichte der Kunst des Alterthums (1764. 2. Aufl. 1776), jetzt abgedruckt in: A. H. Borbein, Th. W. Gaethgens, J. Irmscher, M. Kunze (Hrsg.), Johann Joachim Winckelmann. Schriften und Nachlaß IV, 1. Geschichte der Kunst des Alterthums (2002). 31 G. E. Lessing, Laokoon, oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766). 32 J. W. v. Goethe las 1767/8 in Leipzig Lessings Laokoon, 1786 in Rom Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alterthums in der italienischen Ausgabe von Carlo Fea von 1783, besuchte 1769 und 1771 den Mannheimer Antikensaal und reiste 1786 bis 1788 in Italien. – D. Kreikenbom, Verstreute Bemerkungen zu Goethes Anschauung antiker Kunst, in: Goethe und die Kunst, Ausstellungskat. Frankfurt a. M. (1994) 31–46. 33 J. J. Winckelmann, Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen (1762); Nachrichten von den neuesten Herculanischen Entdeckungen (1764), beide Werke neu herausgegeben in: S.-G. Bruer – M. Kunze (Hrsg.), J. J. Winckelmann, Schriften und Nachlaß II. Herkulanische Schriften Winckelmanns 1. 2. (1997). – Ausgrabungen in Herculaneum: Zufallsfunde seit dem 17. Jh., weitere Zufallsfunde 1709 oder 1711, planmäßige Ausgrabungen seit 1738. Planmäßige Ausgrabungen in Pompeji seit 1748, ebenda, 9f. 34 J. Stuart – N. Revett, The antiquities of Athens I (1762). II (1787). III (1795). IV (1816). V (1830).

172

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Die Gründung der society of dilettanti (Kunstfreunde), die viel für die Wiederfindung gethan hat.35 4. Die Gräberfunde in Italien seit 1828 auf etrur[ischem] Boden, auf den Gütern des Lucian Bonaparte im ager Volcentanus (Vulci), bei Tarquinii, Caere etc. mit gemalten Terracotten, Vasen angefüllte Nekropolen, eine[r] Menge griech[ischer] Denkmäler u[nd 1829] Gründung des Archäol[ogischen] Instituts für archäolog[ische] Correspondenz[,] durch Bunsen u[nd] Gerhard gestiftet, von der preußischen Regierung erhalten, deutsche Wissenschaft faßt festen Fuß auf dem Capitol. – 5. Die Entdeckungen in Asien durch Fellows, Hamilton in Lycien u[nd] Phrygien u[nd] dann die Entdeckung des assyr[ischen] Alterthums, der Städte am Euphrat und Tigris, noch jetzt die reichste Fundgrube, z. B. bes[onders] Cypern. Eine Geschichte der alten Kunst ist nicht wieder seit Winckelmann geschrieben worden, aber es hat sich eine gewaltige, gelehrte Arbeit entwickelt, um das Material zu bewältigen. Antiquar[ische] Gelehrsamkeit u[nd] Herausgaben: Boettiger36, Visconti37, Millingen38, Welcker39, Ed[uard] Gerhard40. Die Schriften füri diese gelehrten Forschungen sind die annali u[nd] Bulletini41, in Deutschland in der Archäol[ogischen] Zeitung v[on] Gerhard42. – Die histor[ische] Richtung ist i

für : über.

35 Die Society of Dilettanti wurde 1733 gegründet. 36 Zu Karl August Böttiger: Der Archäologe 1983, 290 Nr. 135. – Vgl. z. B. J. Sillig (Hrsg.), C. A. Böttiger, Kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts I–III (1837.1838). 37 Zu Ennio Quirino Visconti : EAA VII (1966) 1187f. (F. Zevi); Der Archäologe 1983, 244 Nr. 95. – Vgl. z. B. E. Q. Visconti, Il Museo Pio-Clementino I–VII (1782–1807), (Bd. I. von G. B. Visconti); Description des antiques du Musée Royal, continuée et augmentée de plusieurs tables, par le Comte du Clarac (1820); Iconographie grecque ou recueil des portraits authentiques des empereurs, rois, et hommes illustres de l’antiquité I–III (1824– 1826). 38 Vgl. z. B. J. Millingen, Peintures antiques de vases grecs de la collection de Sir John Coghill Bart (1817); Ancient unedited monuments. Ser. I. Painted Greek vases from collections in various countries principally in Great Britain. Ser. II. Statues, busts, bas-reliefs, and other remains of Greek art, from collections in various countries, illustrated and explained (1822. 1826). 39 Zu Friedrich Gottlieb Welcker: Archäologenbildnisse 1988, 18f. (W. Geominy). – Verzeichnis der Schriften in: R. Kekulé, Das Leben Friedrich Gottlieb Welckers (1880) 487– 513. 40 Eduard Gerhards 720 Werke starkes Œvre zusammengestellt von S. Ahrens in: H. Wrede (Hrsg.), Dem Archäologen Eduard Gerhard 1795–1867 zu seinem 200. Geburtstag. Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin 2 (1997) 16–24. 41 Annali dell’Instituto di corrispondenza archeologica. Annales de l’ Institut de correspondance archéologique, 1829 bis 1885. – Bullettino dell’Instituto di corrispondenza archeologica. Bulletin de l’Institut de correspondance archéologique,1830 bis 1885. 42 Archäologische Zeitung, 1843 bis 1885 in Berlin, bis 1867 herausgegeben von Eduard Gerhard.

Die litterar[ische] Überlieferung

173

bes[onders] durch Thiersch (Epochen der bild[enden] Kunst)43 u[nd] durch Otfr[ied] Müller44 vertreten[,] u[nd] es hat sich auch die Künstlergeschichte entwickelt: Sillig, (catalogus artificum)45, Raoul Rochette46, Brunn47, Otfr[ied] Müllers’ Archäologie der Kunst, [hat] beide Gesichtspunkte zusammen bearbeitet. 1847 3. Aufl[age] v[on] Welcker besorgt.48 In unserer Vorlesung soll der antiquar[ische] Gesichtspunkt zurückgesetzt werden. Bei der geschichtl[ichen] Behandlung ist eine gewisse Kenntniß des Materials nothwendig. [Die Vorlesung ist daher wie folgt gegliedert:] [H. fol. 6 v.: I. Die Überlieferung:] 1. Litter[arische] Überlieferung der alten Kunst.49 2. Die verschiedenen [Hauptformen und] Kunstgattungen.50 – [II.] Geschichtl[iche] Entwicklungen: 1. Anfänge u[nd] Verhältniß zum Orient. 2. Die heroische Zeit. 3. Die verschiedenen Kunstschulen. 4. Von der Kunst in Athen. 5. Kunst in der hellenistischen Zeit. 6. Griech[ische] Kunst in Rom.

I.i Die litterar[ische] Überlieferung über die alte Kunst ist im Ganzen sehr spärl[ich]. Die alten Autoren sprachen über die Kunst so wenig, als über die Natur. Redseliger sind die Dichter, welche Kunstwerke beschrieben, bes[onders] Verg[il], Prop[erz], Statius, Martial. (Rh. Mus. N. F. VIII p. 137)51 Es fehlt noch eine Sammlung der gelegentl[ichen] Stellen, [eine Untersuchung] über die antike Terminologie. Eine Litteratur über die Kunst ist erst spät in 3facher Art entstanden: 1. als Kunsttheorie, 2. als Kunstgeschichte, 3. als Kunsterklärung. – 1.ii Die Kunsttheorie ist entweder [a] technisch, oder [b] philosophisch. [a. Die technische Theorie:] Schon sehr früh war es Sitte, daß die Meister der Kunst über ihre Werke Mittheilung machten. Iktinos schrieb über den Parthenon, veranlaßt durch die i ii

I. : 1.. 1. : a..

43 Zu Friedrich Thiersch: Der Archäologe 1983, 293 Nr. 138. – F. Thiersch, Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen I–III (1816. 1819. 1825). 44 Zu Karl Otfried Müller: Archäologenbildnisse 1988, 23f. (H. Döhl) mit Hinweisen zur Bibliographie; K. Fittschen, AM 106, 1991, 1–7 ; H. J. Gehrke, ebenda, 9–35. 45 Julius Sillig, Catalogus artificum sive architecti statuarii sculptores pictores caelatores et scalptores Graecorum et Romanorum literarum ordine dispositi (1827). 46 D. Raoul-Rochette, Lettre à M. Schorn sur quelques noms d’artistes omis ou insérés à tort dans le catalogue de M. Sillig (1832); Lettre à M. Schorn; supplément au catalogue des artistes de l’antiquité grecque et romaine (1845). 47 Zu Heinrich Brunn: Archäologenbildnisse 1988, 47f. (R. Lullies). – H. Brunn, Geschichte der griechischen Künstler I. II. (1853. 1859). 48 K. O. Müller, Handbuch der Archaeologie der Kunst. Dritte, nach dem Handexemplar des Verfassers verbesserte, berichtigte und vermehrte Auflage von Dr. Fr. G. Welcker (1848). 49 Vgl. Müller 1848, 16f. § 35. 50 Müller 1848, 365–466 § 266–323. 51 L. Lersch, Parallelbilder aus dem trojanischen Kriege nach Virgil, in: RhM 8, 1853, 137– 142.

[S. 5]

174

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Rechenschaftsablage.52 Euphranor u[nd] Apelles schrieben über die Malerkunst,53 Philon od[er] Theodoros (Poll. 10, 188) ȞİઅȞ ʌȠ઀ȘıȚȢ54Erklärung der t[ermini] t[echnici]. Alle diese Werke [(]commentarii artificum[)] sind [bis] auf flüchtige Erwähnung unbekannt, erhalten ist nur Vitruv, de architectura. b. Die philosoph[ische] Theorie (Ed. Müller, Geschichte der Theorie der Kunst bei den Alten)55. Plato, Aristoteles u[nd] Plotinos (Neuplatoniker). Ersterer steht ganz auf dem nationalen Standpunkte, in seinem System ist er aber ungerecht gegen die Kunst. (Justi, Die aesthet[ischen] Elemente der Platon[ischen] Philosophie Marburg 1860. Susemihl, Die Lehre vom Schönen bei Aristot[eles]. Brenning, Die Lehre des Schönen bei Plotin. Vitringa Amsterdam u[nd] die Stellen im Zeller, Brandes etc.)56 2.i (Paus. V, 20) Ƞੂ ʌȠȜȣʌȡĮȖȝȦș੾ıĮȞIJİȢ ıʌȠȣįૌ İੁȢ IJ੹ ʌȜ੺ıȝĮIJĮ57 sie datirt aus dem 3. saec[ulum]. Die Anregung geht von der peripatetischen Schule aus. Sikyon war der Sitz wissenschaftl[icher] Behandlung der Kunst, dann in makedon[ischer] Zeit blüht dort lebhafter Kunsthandel: Xenokrates aus Sikyon (Plin. XXXIV, 88)58 [,] Menaichmos aus Sikyon (Plin. l.c.)59 Sie schrieben ʌİȡ੿ IJİȤȞ૵Ȟmeistens selbst Künstler. 3.ii Kunsterklärung. Bes[onders] in der späten rhetor[ischen] Litteratur war es Mode[,] Kunstwerke geschmackvoll zu beschreiben u[nd] zu deuten60[,] ਥțijȡ੺ıİȚȢ[:] Einige Schriften des Luc[ian], die beiden Philostraten, u[nd] Kali ii

2. : b.. 3. : c..

52 Vitr. VII praef. 12. – Zu Iktinos s. u. Anm. 938. 53 Euphranor (s. u. Anm. 1551): Plin., n. h. XXXV, 129; Vitr. VII praef. 14. – Apelles (s. u. Anm. 1679): Plin., n. h. XXXV, 79. 111. 54 Poll. X, 188: IJȠ૨ Ȟİઅ ʌȠ઀ȘıȚȢangebl. von Theodor oder Philon. – Müller 1848, 16 § 35, 1; Svenson-Evers 1996, 314f. T 15; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 245–247 s. v. Philon (IV) (L. Lehmann); ebenda, 448f. s. v. Theodorus (III) (F. Seiler). 55 Ed. Müller, Geschichte der Theorie der Kunst bei den Alten I. II. (1834. 1837). 56 K. Justi, Die aesthetischen Elemente in der platonischen Philosophie (1860); F. Susemihl, Die Lehre des Aristoteles vom Wesen des Schönen (1861); E. Brenning, Die Lehre vom Schönen bei Plotin (1864); A. J. Vitringa, De egregio, quod in rebus corporeis constituit Plotinus pulchri principio (1864); E. Zeller, Die Philosophie der Griechen I–III (1844. 1846. 1852); Ch. A. Brandis, Geschichte der Entwicklungen der griechischen Philosophie und ihrer Nachwirkungen im römischen Reiche I. II (1862. 1864). 57 Paus. V, 20, 2: Ƞੂ į੻ ʌȠȜȣʌȡĮȖȝȠȞ੾ıĮȞIJİȢ ıʌȠȣįૌ IJ੹ ਥȢ IJȠઃȢ ʌȜ੺ıIJĮȢ – Müller 1848, 17 § 35, 2. 58 Plin., n. h. XXXIV, 83. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 521f. s. v. Xenokrates (L. Lehmann). 59 Plin., n. h. XXXIV, 80. - Vgl. Müller 1848, 16 § 35, 1; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 62 s. v. Menaichmos (II) (R. V.). 60 Vgl. Müller 1848, 16f. § 35, 4.

Die litterar[ische] Überlieferung

175

listratos, de statuis. (Welcker u[nd] Jacobs 1825)61 Die Bilder der Philostrati sind Gegenstand der Kontroverse geworden. Friederichs, Die Phil[ostratischen] Gemälde 186062 spricht den Büchern jede Wichtigkeit abi. Brunn, Die Phil[ostratischen] Gemälde [hat sie] gegen Friederichs vertheidigt63. Fried[erichs] hielt die Bilder für künstlerisch unmögl[ich] u[nd] fingirt. Brunn dagegen: es seien keine wissenschaftl[ichen] Beschreibungen, aber doch wahr. – Verwandt mit der Kunsterklärungii ist die Kritik der Kunstwerke, diese Richtung ist von den Alten nicht durchgeführt, sondern nur kurz angedeutet, in der Form von Epigrammen. Sie sind entweder wirkl[ich] monumentale Inschriften, die wichtigsten Notizen mittheilend, oder lusus poetici auf die Kunstwerke bezügl[ich], sie stammen aus der Zeit nach Alexander, Leonidas v[on] Tarent als der Erste. Diese Epigramme hat gesammelt (Benndorf, epigrammata Antholog[iae] Graec[ae] quae ad artem spectant Bonn 1862)64. Schließl[ich] die periegetische Behandlung [der Kunstwerke], es gab überall eine Zunft der Ciceroni, [vgl.] Polemon 204 – 280, Preller, Pol[emonis periegetae] fr[agmenta]65 über die Bilder in den Propyläen, allein erhalten [ist] Pausanias. 28. 10. 64 Litterar[ische] Überlieferung der Römer: Das Zusammenströmen aus allen Richtungen der Kunstwerke u[nd] die encyclopädische Richtung [sowie] der Ordnungssinn der Röm[er] habeniii eine gewisse kunsthistor[ische] Litteratur hervorgerufen. Varro, Hebdomades66 (Charakt[erisierung] der Künstler u[nd] Architekten)[.] Die Kaiserzeit gab [hierfür] das volle Material, Sammlungen mit indices signo- [S. 6] rum, später mit kurzen Bemerkungen (catalogue raisonné). Es bildeten sich gewisse feststehende Epitheta: opus laudatum, nobilissimum, unsere Sterne in Reisehandbüchern ersetzend. Aus diesen Quellen u[nd] aus griech[ischen] hat i ii iii

ab : auf. mit der Kunsterklärung : damit. haben : hat.

61 F. Jacobs – F.-Th. Welcker, Philostratorum imagines et Callistrati statuae. Textum ad fidem veterum librorum recensuit et commentarium adiecit Fridericus Iacobs. Observationes, archaeologici praesertim argumenti, addidit Fridericus Theophilus Welcker (1825). 62 K. Friederichs, Die philostratischen Bilder. Ein Beitrag zur Charakteristik der alten Kunst (1860). 63 H. Brunn, Die philostratischen Gemälde gegen K. Friederichs vertheidigt, in : Jb. f. Phil. Suppl. N. F. 4, 1861, 177–303. 64 O. Benndorf, De Anthologiae Graecae epigrammatis quae ad artem spectant (Diss. Bonn, Leipzig 1862). 65 L. Preller, Polemonis periegetae fragmenta. Colleg. digess. aux. L. Preller. Acced. de Polemonis vita et scriptis et de historia atque arte periegetarum commentationes (1838. Nachdruck 1964). 66 M. Terentius Varro, Hebdomades vel de imaginibus, geschrieben 39 v. Chr. Inhalt: 700 Porträts großer Persönlichkeiten Griechenlands und Roms.

176

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Plin[ius] excerpirt: libri naturalis historiae. (Bei den Metallen die Erzbildner, bei dem Marmor die Steinbildner). (Es waren Excerpte (electa) XXXV, 54 Graecorum diligentia). – Die Quellen der Kunstnachrichten sind viel behandelt, zuerst von Heyne zusammengestellti, aber nicht ausgeführt: von den Schriftstellern, denen Plin[ius] in seiner Kunstgeschichte folgt67. Dann Brunn, de auctorum indiciis Plinianis 1854. Brieger, de fontibus Plinii. Urlichs, Chrestomathia Plin[iana.] Jahn, Über die Kunsturtheile des Plin[ius] 1860.68 Plin[ius] habe auch Epigramme benutzt (z. B. XXXIV, 78 ipso amne liquidiorem, in der Anthol. IX, 709[, 6] ੢įĮIJȠȢ ਫ਼ȖȡંIJİȡȠȞ>@ Benndorf (l. c. p. 94)69. Er selbst ohne Urtheil, nur wichtig durch seine Quellen.

II.ii) Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen70. a Tektonik, das Ganze der raumbildenden Kunst. (Hirt, Geschichte der Baukunst. Epochemachend, Boettichersiii, Tektonik 1852. Krause, Deinokrates 1863 nicht wissenschaftl[ich.])71 a. Architektur. Der Organismus des Baus beginnt mit der Selbstständigkeit desselben. Krypten, Hypogäen, Katakomben etc. sind keine Gebäude. (Herod. II, 157Ƞੁț੾ȝĮIJĮ ȝȠȞંȜȚșĮ 72 Der Bau beginnt mit dem Gegensatz des Stützenden u[nd] Gestützten, Wand u[nd] Dach (ıIJ੼ȖȘ IJȠ૙ȤȠȢ >@ Entweder ist die Überdeckung monolith, [d.h.] sie beruht auf der natürl[ichen] Cohaerenz des Steins, od[er] man bildet eine künstl[iche] Continuität, eine gegliederte Decke. Ersteres ist der Epistyl- od[er] Architravbau, dies ist das Princip des alten Bauens, es herrscht immer die Horizontale vor. Letztere ist die Gegliederte [Decke], mit künstl[ichem] continuum; dies Princip ist bei den Griechen nur im Tholosbau durchgeführt, im Bau mit rundem Grundschema ein Steinring, auf dem ein anderer vorkragend ruht. Von außen legt man Erde [da]gegen, u[nd] dies ist ungeheuer fest u[nd] dauernd. Aber dies ist kein eigentl[iches] Gebäude, denn es ist ein Dach i ii iii

zusammengestellt : aufgestellt. II. : 2.. Boettichers: Boettigers.

67 Ch. G. Heyne, Von den Schriftstellern, denen Plinius in seiner Kunstgeschichte folget, in: Ch. G. Heyne, Sammlung antiquarischer Aufsätze II (1779) 76–126. 68 H. Brunn, De auctorum indicibus Plinianis (1856); A. Brieger, De fontibus librorum XXXIII–XXXVI naturalis historiae Plinianae quatenus ad artem plasticam pertinent (1857); L. Urlichs, Chrestomathia Pliniana (1857); O. Jahn, Über die Kunsturtheile bei Plinius, in: Berichte über die Verhandlungen der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 2, 1850, 105–142. 69 Benndorf (wie Anm. 64) 94. 70 Vgl. Müller 1848, 365–466 § 266–324. 71 Hirt, Baukunst I–III; K . Boetticher, Die Tektonik der Hellenen I. II. (1852); J. H. Krause, Deinokrates oder Hütte, Haus und Palast, Dorf, Stadt und Residenz der alten Welt aus den Schriftwerken der Alten und nach den noch erhaltenen Überresten mit Parallelen aus der mittleren und neueren Zeit dargestellt (1863). 72 Hdt. II, 175: Ƞ੅țȘȝĮ ȝȠȞંȜȚșȠȞ.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

177

ohne Wand. Die eigentl[iche] Ausführung dieses Princips ist der Bogenbau, wenn man durch Spannung der zusammengefügten Steine eine künstl[iche] Decke herstellt. (ਕȥ઀Ȣ od[er] țĮȝ੺ȡĮ>, beides Gewölbe], ੕ȝijĮȜȠȢ od[er] ıij੾Ȟ der Schlußstein)73 Wann der Bogen zuerst vorkommt, ist zweifelhaft. Schon in Assyrien u[nd] Phrygien, auch in Griechenland kommen Bogen vor, bes[onders] bei Brücken, jedenfalls hat er keinen Einfluß auf die Kunst gehabt. Die Griechen überdeckten ihre Thür mit Kragsteinen: der horizontale Bogen, in Phigalia u[nd] sonst. – Ferner kommt der Bogen blos decorativ vor, so in Akarnanien (t. 15 bei Oise74). Die einzige gewölbte Brücke von größerem Umfang ist im Eurotasthal75, aber wohl nicht alt. b. Baumaterial. Der Stein ist das eigentl[ich] hellen[ische] Material. Ohne Mörtel, durch reinl[iche] Fügung der Steine, dazu war Griechenland geschaffen durch seinen Reichthum an Steinen. (Ȝ઀șȠȢ od[er] Ȝ઀șȠȢ ȜİȣțંȢ Marmor)76 Dies machte allein die Ausbildung einer solchen Architektur mögl[ich]. Die Entdeckung von Steinbrüchen war eine Epoche in der Stadtgeschichte. Der Heros Euangelos [wurde] in Ephesos [zum Heros], weil er gute Steinbrüche entdeckt haben sollte. Vitruv p. 19 ed. Tauch77. Die Säulen etc. wurden in den Steinbrüchen ausgearbeitet, der Koloß in Naxos.78 [S. 7] Die par[ischen] Steinbrüche, daher der Marmor greco, der greco duro, Ȝ઀șȠȢ ȜȣȤȞ઀IJȘȢ[,] denn er wurde in Höhlengängen gebrochen, bei Lampenlicht.79 Dann die pentelischen [Steinbrüche] in Brilessos in Attika. Der pentel[ische] Marmor blättert leichter ab. Dann [die] am Hymettos, auf Euboea u[nd am] Taenaron, auf der Insel Proconesos (Marmarameer). Die Technik des Brechens ist noch immer unbekannt, wahrscheinl[ich] durch Wirkungen der Hitze u[nd] Kälte. Die Geschichte der Steinbrüche ist für die Kunstgeschichte wichtig. Alle älteren Statuen sind aus par[ischem] Marmor, erst seit Perikles [herrscht] der pentel[ische], erst seit [H. fol. 8 v.: der Zeit der Römer] der vom Hymettos [vor]. So in Rom zuerst der Albanus lapis[,] dann lapis Tiburtinus (Travertin,) erst seit Aug[ustus] marmor Lunense (Strab.)80. Der Apoll v[om] Belvedere ist aus carrarischem Mar73 Vgl. Müller 1848, 384 § 285. 74 L. Heuzey, Le mont Olympe et l’Acarnanie. Exploration de ces deux régions, avec l’étude de leurs antiquités, de leurs populations anciennes et modernes, de leur géographie et de leur histoire, Paris 1860. 75 Brücke von Xerokambion, überspannt aber den Rasina. - L. Ross, Griechische Königsreisen II (1851) 10 Anm. 10; 243f.; H. J. Höper, Boreas 4, 1981, 97–105 Taf. 7. 8; P. Armstrong – W. G. Cavanagh – G. Shipley, BSA 87, 1992, 293–310 Nr. X. 76 Müller 1848, 366 § 268, 1; 428f. § 309, 1. 77 Hiller fol. 8 r.: Vitruv p. 219 ed. Tauch. – Vitr. X, 2, 15. 78 Koloss von Naxos, Dionysosstatue: Floren 1987, 151 Anm. 5 Taf. 9,7; G. KokkorouAlewras, Die archaische naxische Bildhauerei, in: AntPl 24 (1995) 101–103 Nr. 60 Taf. 31–33. 79 Müller 1848, 429 § 309,1. 80 Strab. V, 2,5 p. 222, vgl. Plin. n. h. XXXVI, 14.48.135. – Müller 1848, 366f. § 268,2.3; 428f. § 309,1.2.

178

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

mor81. – Die Steine können 1. so versetzt werden, wie sie sich finden Ȝ઀șȠȚ ȜȠȖ੺įİȢ, sich blos durch ihre Schwere [im Verband] halten[,] od[er] 2. sie werden behauen, u[nd] zwar: a) entweder wurden sie jeder für seine Stelle besonders abgemeißelt, od[er b)] behauen, einer wie der andere. Ersteres der polygone, letzteres der Quaderbau. Der Polygonenbau hat wieder verschiedene Stufen [der Vollendung], der Polygon-Bau in Mycenae82 ist die vollendeteste, jedenfalls solideste Art zu bauen [H. fol. 8 v.: Bei anderen werden Füllsteine zugewendet, wie in Tirynth]. Diese Behauung geschah durch den țĮȞઆȞ [der] țĮȞઅȞ ȝȠȜ઄ȕįȚȞȠȢ für den polygonen Bau. Ar[istoteles] Eth. Nik. p. 100[,] țĮȞઅȞ țĮȝʌ઄ȜȠȢ bei Ar[istophanes] Av. 1002.83 Zuerst wurden die Säulen monolith gebildet, dann aus Cylindern, ıʌંȞįȣȜȠȚ so zuerst inAegina, [dort] theils monolithe, theils mit Säulentrommeln84. Zu unterscheiden ist ferner [eine] solide u[nd] unsolide Bauart. Erst später stellte man eine äußere Bedeckung künstl[ich] her, indem man die Mauern aus Backstein baute u[nd] mit Marmor incrustirte, secare marmor in crustas, zuerst in Halycarnass am Mausoleum85, Anf[ang] der hellenistischen Zeit. Ganz nach Weise der assyrischen Mauern. Später auch in Rom, Augustus hinterließ die Stadt als marmorea, aber nur an der Außenseitei [der Gebäude]. – Holz86 ist am leichtesten zu gewinnen u[nd] am leichtesten zu verwenden. Vitr[uv] u[nd] Hirt87 haben angenommen, der alte Steinbau sei nichts als eine Nachahmung des Holzbaus. 31. 10. 64 [Folgendes spricht dagegen:] Die Länder am Mittelmeer sind schon früh holzarm gewesen. Die Griechen haben sicher jedes Material nach seiner Eigenheit behandelt. Ferner erklärt sich alles aus dem Steinmaterial; in Lyc[ien] sehen wir Nachahmungen des Holzbaues im Steine (Felsgräber). Ebenso auch in Etrurien. Es gibt i

an der Außenseite : als obere Decke.

81 Apollon vom Belvedere: Rom, Vatikanische Museen Inv. 1015: Vatikanische Museen, Bildkatalog II, Taf. 34–42 S. 7*; C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 341–344 Abb. 312 a–f. 82 Müller 1848, 26–28 § 45. 46. – M. Küpper, Mykenische Architektur. Material, Bearbeitungstechnik, Konstruktion und Erscheinungsbild (1996), bes. 31–35. 83 Aristot., NE V, 14 p. 1137 b 29–32: ੒ ȝȠȜ઀ȕįȚȞȠȢ țĮȞઆȞAristoph., av. 1001–1003. țĮȝʌ઄ȜȠȞbezieht sich auf įȚĮȕ੺IJȘȞ(Zirkel nicht aufțĮȞંȞĮ 84 Die Säulenschäfte der Peristasis des älteren Porostempel der Aphaia in Ägina waren mit Sicherheit monolith, E.-L. Schwandner, Der ältere Porostempel der Aphaia auf Aegina (1985) 8, die oberen Säulen der Cella und die meisten Säulen der Peristasis des spätarchaischen Aphaiatempels von Ägina waren monolith, von letzteren bestanden einige aus zwei, andere aus mehreren Säulentrommeln, H. Bankel, Der spätarchaische Tempel der Aphaia auf Aegina (1993) 9. 95. 85 Plin., n. h. XXXVI, 46. 47. 86 Vgl. Müller 1848, 368f. § 270. 87 Vitr. IV, 2, 2. – Hirt, Baukunst I 203; II 115.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

179

[beim Holzbau] weit vorspringende Dächer[,] dagegen beim Steinbau ein knappes Auflager (Chiusinische Aschenkisten)88. Metall.89 Ist beim Bau in älterer Zeit nur decorativ, man hat mit Metallplatten (polirt) überzogen, constructiv ist [es] erst sehr spät angewandt worden, in der Kaiserzeit. Lehmerde.90 Lehm [wurde] mit Stroh gemischt (ʌȘȜઁȢ ਕȤȣȡȠȕ੼șȠȢ>"@ . Die Erde wurde an der Luft getrocknet (lateres siccati). Diese Bauart war sehr verbreitet in Lydien u[nd] Babylon (Iuv. X [, 171 f.]). Daher [heißt der] Ziegelstein Lydium. ʌȜ઀ȞșȠȚ[heißen] solche Backsteine, [und Ziegelmauerwerk] opus latericium. Diese Mauern halten sich lange, wenn man für Schutzdächer sorgt (Plin. XXXV, 49).91 Diese Art zu bauen, war auch in Griechenland nicht selten[,] z. B. in Elis, häufig [S. 8] beide Arten vereinigt. Also ein Sockel von Stein (Mantinea), dann Lehmstein.92 Um nun dies Material zu sichern, so machte man einen Anwurf v[on] Stuck (țȠȞ઀ĮıȚȢ 93 – Die Alten hat[ten] natürl[ich] eine sehr ausgebildete Technik. (Lucr. IV, 905 [f.]) Wir haben Darstellungen, welche sich auf die Maschinerien beziehen (Relief aus Capua; Ber[ichte] der s[ächsischen] Ges[ellschaft] der W[issenschaften] 1861 ein Tretrad. Gallerie mytholog[ique] 38, 139)94. Die Säulentrommeln haben sie so genau gefügt, daß die Fugeni den Augen ganz entgehen. – Gattungen. Die wichtigsten Bauformen: 1. ੂİȡંȞGrab, 3. Gebäude für Agone, 4. Gebäude zum Zweck des städtischen Zusammenlebens. 1. Das ੂİȡંȞ95 ist [ein] Gebäude des Gottesdienstes, es soll das ਙȖĮȜȝĮ umschließen, es ist kein Gemeindehaus. Freil[ich] gab es Gottesdienst, ehe es ਕȖ੺ȜȝĮIJĮ gab, u[nd] es gab ਕȖ੺ȜȝĮIJĮ ohne künstl[iche] Behausung (Her[odot])96[.] Das i

die Fugen : sie.

88 Gemeint sind in erster Linie die 1841 erworbene chiusinische Aschenurne Berlin, Antikensammlung Sk 1242: Die Welt der Etrusker, Ausstellungskat. Berlin (1988) 317f. Kat. Nr. D 5.13, mit ihrem weit überkragendem Dach und die Steinarchitektur nachahmende Hausurne Florenz, Mus. Arch. Inv. 5539: Die Etrusker 1993, 73. 139 Kat. Nr. 158. 89 Müller 1848, 370 § 272. 90 Müller 1848, 369 § 271, 1. 91 Plin., n. h. XXXV, 172 zur langen Lebensdauer von Ziegelmauern. 92 Mantinea: Xen., Hell. V, 2, 5; Paus. VIII, 8, 7–9. – Müller 1848, 369 § 271, 1; F. E. Winter, EchosCl 8, 1989, 189–200. 93 Hesych., s. v.; vgl. Paus. X, 36, 4. – Müller 1848, 369f. § 271, 3. 94 Votivrelief, Capua, Mus. Campano: O. Jahn, Darstellungen antiker Reliefs, welche sich auf Handwerk und Handelsverkehr beziehen, in : Berichte der sächsischen Gesellschaft für Wissenschaften 13, 1861, 303 Taf. 9, 2; A. L. Millin, Gallerie mythologique I (1811) 38, 139. – G. Zimmer, Römische Berufsdarstellungen, AF 12 (1982) 159f. Kat. Nr. 82. 95 Vgl. Müller 1848, 387–390 § 288. 96 Hdt. I, 131, 1.

180

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Bild der Gottheit ist ein feierl[ich] gestiftetes, also ਕț઀ȞȘIJȠȞ ੂįȡȣȝ੼ȞȠȞ੆įȡȣıȚȢ, eine Filiale ist ਕij઀įȡȣıȚȢ97 Daher [heißt] das Bild ਪįȠȢ [das] nicht nöthig Sitzbild [bedeuten muss]. IJİ઄ȤİȚȞ șİ૙ȠȞ ਥȖțĮIJĮșİ૙ȞĮȚ șİંȞ Das Numen des Gottes ist im ਙȖĮȜȝĮ der Raum [für das Götterbild] war also von Anfang an ein einziger aedes, [griech.] ȞĮંȢ und ȞĮ઀Ȧi, im Gegensatz zum vieltheiligen Privathaus[.] Dabei ist die Absonderung vom Profanen erste Bedingung. Diese Trennung dadurch, daß die area templi fest u[nd] besonders umfriedigt war, [das] IJ੼ȝİȞȠȢ stets größer als der Tempel. Dieser Raum empfängt die priesterl[iche] Weihe, die Götter ziehen dann ein[,] u[nd] soll das Heiligthum verlassen werden, so müssen die Götter wieder herausgehen. (evocatio) Die Götter helfen beim Bau (Plin. XXXVI, 21)98. Bei den Ioniern wurden auch einzelne Säulen dedicirt, u[nd] darauf beziehen sich die Ausdrücke: Apokalypse III, 12. – Der 2. Gesichtspunkt ist der Schutz des ਙȖĮȜȝĮ; daher Ummauerung, Einschluß in den ıȘțંȢii [=] cella. 3. Dann Ausstattung des Gebäudes, daß es des Inhaltes würdig sei. 4. Das Eigenthum des Gottes, die Weihgeschenke mußten würdig u[nd] sicher aufbewahrt werden. Aus diesem allem ist der țંıȝȠȢ der heil[igen] Architektur entstanden. – Die typ[ische] Form des griech[ischen] ੂİȡંȞtritt als ein fertiges entgegen; nur noch einige Spuren [von Frühformen] sind übrig. Auf dem Berge Oita [,] in Euboea, die primitivste Form. Es findet sich auf der Höhe ein gemauertes Haus, mit gegeneinander gestemmten Steinen gedeckt, mit einer ara. (Baumeister, Euboia. Annali dell’inst. B. XIV p. 5)99 ohne weiteren Schmuck. Bis jetzt einzig in seiner Art. Gewiß war die Entfaltung allmäl[ich]. Die Cella ist gegen Osten geöffnet. Zunächst vor dem ıȘțંȢiii eine Vorhalle, die Wände sprangen mit Anten vor u[nd] hier standen 2 Säulen. Dann ein ähnl[icher] Raum an der Rückseite. Dann 4 Säulen erst an der einen, dann auf der anderen Seite. Schließl[ich] ging der Säulengang um den ganzen Bau. Erster ȞĮઁȢ ʌȡંıIJȣȜȠȢ  ȞĮઁȢ ਕȝijȚʌȡંıIJȣȜȠȢ ein ʌİȡ઀ʌIJİȡȠȢ. Beim Peripteros [beträgt] die Zahl derSäulen an den Langseiten, das Doppelte + 1 der vorderen Säulen. Was die Gliederung [des Tempelbaus] betrifft: 1. ein Unterbau (țȡȘʌ઀Ȣ od. țȡȘʌ઀įȦȝĮ  Er sollte den Tempel als ਕȞ੺șȘȝĮ ıİȝȞંȞ über das gewöhnl[iche] Niveau erheben. Sie hatte Stufen u[nd] zwar 3. i ii iii

ȞĮંȢund ȞĮަȦ folgt im Text auf Privathaus. ıȘțިȢ : ıİțંȢ ıȘțިȢ : ıİțંȢ

97 Strab. VIII, 7, 2 p. 385; Plut. mor. 1136 a. – Müller 1848, 63 § 83, 2. 98 Plin., n. h. XXXVI, 97. 99 Gebäude auf dem Berg Ocha, Euboia: H. N. Ulrichs, Intorno il tempio di Giunone sul monte Ocha vicino a Carystus, in: AdI 14, 1842, 5–11; A. Baumeister, Topographische Skizze der Insel Euboia (1864) 29 Taf. 2. - Vgl. aber Th. Wiegand, AM 21, 1896, 11–17 Taf. 2. 3. – S. u. Anm. 577.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

181

Denn pes dexter war pes secundus (Aen. VIII, 302. Iuv. X, 5)100. Für die ge- [S. 9] wöhnl[iche] Benutzung waren sie zu mächtig, daher [gab es] für den Gebrauch Zwischen-Stufen. 2. Dann die auf der țȡȘʌ઀Ȣ fußenden Säulen, die bald zum Charakterist[ikum] des Heiligthums [werden], sie tragen zugleich u[nd] öffnen. Sie tragen senkrecht, daher ad perpendiculum (Verr. I, 53).101 Damit die Säule das Gebälk aufnehmen kann, hat sie einen Kopf, der die Verbindung mit dem Architrav herstellt (capitulum, ਥʌ઀țȡĮȞȠȞ bestehend aus Abakus u[nd] Pfühl (ਥȤ૙ȞȠȢ >@ Unter dem ਥȤ૙ȞȠȢHeftbänder102, daher eine Verjüngung (contractio) unter dem Kapitäl; dazu die ૧੺ȕįȦıȚȢ (Cannelirung)[,] d.h. man machte Hohlkehlen. Man läßt [H. fol. 9 v.: dorisch] nur die Spitzen stehen vom Mantel, wo die Hohlkehlen sich treffen. Bei den ion[ischen] Säulen tiefere Hohlkehlen, aber auch breitere Stege. Das dritte ist der durch die Wände IJȠ૙ȤȠȚ geschlossene Raum (ıȘțંȢi (saeptum). Daher der Gegensatz des Offenen und Geschlossenen. 4. Das ਥʌȚıIJ઄ȜȚȠȞ [ist ein] Architrav, der Balken, welcher über den Säulen liegt u[nd] durch [das Kapitell] țİijĮȜ੾ mit dem runden Säulenschaft verbunden [ist]. Es verbindet die Säulen zu gemeinsamer Function u[nd] trägt die Deckenbalken des ıȘțંȢii. Über dem ਥʌȚıIJ઄ȜȚȠȞ das IJȡ઀ȖȜȣijȠȞ (Ath. p. 208[,] Hes. ਲ IJȡ઀ȖȜȣijȠȢ 103 Damitbeginnt der Oberbau, es beginnt die Bedeckung[. Es] sind urspr[ünglich] Steinblöcke, welche über den Säulenaxen liegen, um die Wucht des Daches aufzufangen. Urspr[ünglich] über jeder Säule ein Triglyph, der Raum dazwischen offen, ȝİIJંʌȚȠȞ Hes.). Der Name [Triglyphe] wohl[,] weil es nur an 3 Seiten behauen wurde, od[er] auch als Dreischlitz. Die Metopen waren urspr[ünglich] Lichtöffnungen für den inneren Tempel, später Oberlicht, daher schlossiii man die Metopen mit Tafeln, die wir jetzt „Metopen“ nennen; eine bloße Verschönerung u[nd] reiche Ausstattung. 6. Das Dach ਕİIJંȢnach vorn ein Dreieck bildend, das IJ઄ȝʌĮȞȠȞ, nach der Seite in schrägen Linien abfallend, mit Ziegeln gedeckt, später aus Mauern: imbrices Hohlziegel u[nd] tegulae [Plattziegel] u[nd] am unteren Ende wurde die sima[, die] Traufrinne, [angebracht,] durch [deren] Löwen- u[nd] Thiermäuler [das Wasser] ausgespien [wurde]. ਕİIJંȢist das Dach des Tempels, im Gegensatz zu dem der Privathäuser, lat. fastigium (Flor. epit. IV, 2)104[.] ਕİIJંȢkommt in 2 Bedeutungen vor[:] 1. das Giebeldreieck ੕ʌȚıșİȞ u[nd] ਩ȝʌȡȠıșİȞ[,]  auch für das ganze Dach Daher Boetticheriv, das ganze Tempeli ii iii iv

ıȘțިȢ : ıİțંȢ ıȘțިȢ : ıİțંȢ schloss : schlossen. Boetticher : Boettiger.

100 101 102 103 104

Verg., Aen. VIII, 302; Iuv. X, 5f. Cic., Verr. II, 1, 51. Offenbar sind die Ringe bzw. anuli gemeint. Ath. V, 208 b: IJઁ IJȡ઀ȖȜȣijȠȞ. – Hesych. s.v. ȝİșંʌȚȠȞ ਲ IJȡ઀ȖȜȣijȠȢ Flor., epit. II, 13.

182

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

dach [ist] ein Adler105, der seine herabgesenkten Schwingen ausbreite[t] über das ganze Heiligthum. ਕİIJંȢwar jedoch auch [der] Diener des Zeus, heilig (Serv. Aen. I, 394)106, [daher] nie vom Blitz getroffen. ȞĮંȢ[wird] auch übertragen von den Gebäuden [gebraucht], die nur mit zu einem Complex heiliger Gebäude dienen (Pol. bei Ath. p. 479)107, aber es hat auch [dann] den Typus des Tempels. –

[S. 10]

1. 11. 64 Die tegulae schließend mit Dachreiter und ਲȖİȝઆȞBoetticheri [behauptet,] über jeder Säulenachse sei eine Triglyphe gewesen; in histor[ischer] Zeit hat jedenfalls zwischen den Säulen noch eine Triglyphe gestanden. – 2. Der Grabbau108. Er schließt sich an den Tempelbau an; jede ausgeprägte Nation hält die Gräber der Vorfahren IJ੺ijȠȚ ʌȡȠȖંȞȦȞin Ehren. Sie wurden als Heroa verehrt, das Privatgrab ist an sich nur ein religiosum. Das Heroengrab ist ੂİȡંȞ, öffentl[ich] geweiht, es wurdeii verehrt. Daher das ıȤોȝĮ IJȠ૨ ȞĮȠ૨ ȝȞોȝĮ des [Name fehlt] Paus. V, 26)109. (Virg. Aen. IV, 457[– 459]) Das Grabmal [ist wie] ein Tempel, dazu ein ȕȦȝંȢ, um die Parentalia zu bringen. Aber alles auf die Heroen (Paus. II, 7[, 2]) bezügl[iche] ist nach Westen geöffnet. Den Leib bergen sie in der Erde, dazu eine steinerne țȡȘʌ઀Ȣiii, dann ț઀ȠȞİȢ darauf die ਕİIJȠ઀ wie bei Tempeln. – Im Einzelnen herrscht die größte Mannichfaltigkeit, wir haben auch die größte Fülle der Denkmäler. Im Allgemeinen [:] 1. Der Gesichtspunkt der Sicherheit u[nd] Stabilität. 2. der der Erinnerung, ıોȝĮAm einfachsten [ist der] tumulus, IJ઄ȝȕȠȢ, ein aufgeworfener Erdhügel (IJ઄ȝȕȠȞ Ȥ੼Ȧ, Ȥ૵ȝĮ ȖોȢ  Verbreitet überall, bes[onders] großartig ausgebildet in Lydien, nördl[ich] von Sardes ein ganzes Gebirge von Grabhügeln, bes[onders] (Her[odot] I, 93)110 der Grabhügel des Alyattes. (Curtius, Archäol. Zeitung 1843 im Herbst)111. Diese lydischen tumuli finden sich in anderen Gegenden wieder, es muß eine Übertragung stattgefunden haben, namentl[ich] in Etrurien das Grab des Porsenna (Varr. bei Plin. XXXVI, 131)112 i Boetticher : Boettiger. ii es wurde : sie wurden. iii țȡȘʌ઀Ȣ: ʌȘʌ઀Ȣ 105 106 107 108 109 110 111

C. Boetticher, Die Tektonik der Hellenen² Band I, 1(1862) 190. Exkurs 5, 61f. Serv., ad Verg. Aen. I, 394. Polemon bei Ath. XI, 479 f. Vgl. Müller 1848, 401–404 § 294. Vermutlich: das Grabmal und Heiligtum des Machaon (Paus. III, 26, 9) in Gerenia-Enope. Hdt. I, 93, 2f. Beschreibung des Grabhügels des Alyattes. E. Curtius, AZ 11, 1853, 148–161. – A. Ramage - N. H. Ramage, The siting of Lydian Burial Mounds, in: Studies presented to G. M. A. Hanfmann (1971) 143–160. 112 Varro bei Plin., n. h. XXXVI, 91–93. – Zum Grab des Porsenna: Müller 1848, 182–184 § 170, 3; RE XII (1924) 323 s. v. Labyrinthos (G. Karo); G. Capdeville, Porsenna, re del labirinto, in: La civiltà di Chiusi e del suo territorio. Atti del XVII Convegno di studi etruschi ed italici 1989 (1993) 53–71; M. Sordi, Prospettive di storia etrusca (1995) 35–39.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

183

u[nd] in ganz Griechenland (Paus. I, 44, 9)113. Die Vereinigung von Stein- und Erdbau pflegte darin zu bestehen, das man unten einen Steinring machte, um dem Haufen mehr Consistenz zu geben. (Poggio, Gazella)114 Zu derselben Gattung von Gebäuden gehören wohl auch die șંȜȠȚvon Mykenai.115 Solche Tholosgräber hat man auch in Kleinasien gefunden. (Newton, Halykarnass I, 202)116 Bei sehr hartem Gestein [be]gräbt man nicht die Gebeine in deri Erde, sondern [bestattet sie in] Kammern od[er] Thürme[n] über der Erde, mit glockenförmigen, ausgesparten Kammern, so in Sardinien (Marmora, Voyage en Sardaigne 1840)117 sogenannte Nuraghen, überirdische șંȜȠȚ Damit [zu vergleichen] die Grabthürme in Lykien und Karien, mit Grabkammern oben (Archäol. Zeitung Jahrg. 13).118 Im Ganzen [sind es] Kennzeichen der Heroenzeit, [die] später wieder hervorgeholt [werden], [so] die Mausoleen der hellenistischen u[nd] der Kaiserzeit. (IJ઄ȝȕȠȚ ੑȡșંțȡĮȞȠȚ Soph)119. So in Halykarnass, Grab des Hephästion120, Kaisergräber. – In der histor[ischen] Zeit machte man kleine Felsgrotten oder auch gemauerte [Gräber] für die Stein- od[er] Thonsärge u[nd] alle griech[ischen] Städte [waren] mit solchen Nekropolen umgeben; die Sarkophage gehören erst der röm[ischen] Zeit an, vor u[nd] in der Kaiserzeit. Der Name stammt aus älterer Zeit, wahrscheinl[ich] aus Lykien. [Vergleiche] Licinius Mutianus u[nd] die lyk[ischen] Denkmäler[:] ein Stein, der die Verwesung beschleunigte (Ȝ઀șȠȢ ıĮȡțȠij੺ȖȠȢbes[onders] in Assos an der kleinasiat[ischen] Küste. Daher Plin. XVI, 131)121. An Stelle der Tumuli stehen die ıIJોȜĮȚ, als ıોȝĮ, auf das Mannichfaltigste in jeder Landschaft anders geschmückt. In der Regel standen sie auf einem Sockel (ıij੼ȜĮȢ  Curtius, Scriptt. Att. duodecim nuper repertae)122[,] manchmal nur aus Thon gebildet. [Oder auch] kleine Säulenstümpfe ț઀ȠȞİȢ Piraeus [und] kleine Tempel (Sikyon)[,] ȞĮ૘įȚĮ Außerdem [gab es] die Form i

der : die.

113 Paus. I, 44, 6. 114 Grabanlage am Poggio Gajella bei Chiusi, fälschlicherweise mit dem Grab des Porsenna identifiziert, RE XII (1924) 323 s. v. Labyrinthos (G. Karo). – E. Braun, Il labirinto di Porsenna comparato coi sepolcri di Poggio-Gajella ultimamente dissotterrati nell’ agro Chiusino pubblicati e dichiarati dall’ Instituto di corrisp. archeologica (1840). 115 Vgl. Müller 1848, 29–31 § 48. 49. – O. Pelon, Tholoi, tumuli et cercles funéraires (1976); ders., Topoi 4, 1994, 156–207. 116 C. T. Newton, A History of Discoveries at Halicarnassus, Cnidus and Branchidae (1862) II, 1, 201f. 117 A. della Marmora, Voyage en Sardaigne de 1819 à 1825, ou description statistique, physique et politique de cette île I (1826). II Antiquités (1840). 118 E. Curtius, Das Harpyienmonument von Xanthos, AZ 13, 1855, 1–12. – P. Demargne, Les piliers funéraires. Fouilles de Xanthos I (1958). 119 Soph., Ant. (ed. H. Lloyd-Jones - N. G. Wilson) 1203. 120 Diod. XVII, 115. 121 Plin., n. h. XXXVI, 131 berichtet, auch unter Berufung auf Licinius Mucianus, über die Verwesung fördernden Steine aus Assos und Lykien. 122 E. Curtius, Inscriptiones Atticae nuper repertae duodecim (1843).

184

[S. 11]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

einer Urne, bezogen auf die Grabgüsse. (Baron v[on] Stackelberg, Über die Gräber der Alten,123 geschmackvoll, aber ungenügend) Diod. I, 51[, 2] [nennt] als Grundgedanke[n] des aegypt[ischen] Grabbaus, ein größerer Aufwand sei auf die Wohnung der Todten, als der Lebenden verwandt, [das] gilt auch theilweise für Griechenland, so bes[onders] in Lykien. – 3. Gebäude zum Zwecke der Agone.124 Auch hier Beziehung auf Cultus, aber die prakt[ischen] Bedürfnisse sind überwiegend. Das zuschauende Volk soll gut sehen können. [a.] Das ș੼ĮIJȡȠȞ Die Hauptsache [ist] derȤȠȡંȢ țȠȞ઀ıIJȡĮ [oder] ੑȡȤ੾ıIJȡĮ Dann ein Gerüst für die ਫ਼ʌȠțȡȚIJĮ઀ zunächst aus Holz ੅țȡȚĮ Man wählte einen Platz, wo ein Abhang in der Nähe war, wo das Volk sich lagerte. Die Griechen suchten sich passende Terrains [für die Zuschauerräume], die Römer verschmähten die[se] Hilfe. Daher waren die țȠ૙ȜĮan Abhängen, u[nd] sie wurden so eingerichtet, daß [man] möglichst gut sehen u[nd] hören konnte. (țȠ૙ȜȠȞ cavea) Zur Communication dienten die Treppen, welche den Raum keilförmig theilten (cunei, țİȡț઀įİȢ u[nd] zwischen ihnen wurden die stufenförmigen Abtheilungen, breitere Gänge (praecinctiones, įȚĮȗઆȝĮIJĮ [,] durchgelegt. Im att[ischen] Theater kommt auf eine Treppenstufe eine Sitzstufe, sonst ist es nirgend so. Dies[er Zuschauerraum] wurde das eigentl[ich] Monumentale, die ıțȘȞ੾ [zunächst] nur ein Holzgerüst, später auch aus Stein gebaut. Der Unterschied zwischen röm[ischem] u[nd] griech[ischem] Theater beruht darin [:] Die Griechen brauchten für ihre Aufführungen einen breiten Eingang (ʌ੺ȡȠįȠȢ zwischen ıțȘȞ੾ u[nd] țȠ૙ȜȠȞ hier waren eigentl[ich] ʌȡȠʌ઄ȜĮȚĮ Sowie der Chor wegfiel, nahm man die ʌ੺ȡȠįȠȢ mit zu den Sitzen, ıțȘȞ੾ u[nd] țȠ૙ȜȠȞ verwuchsen. (Strack, Das Theater der Alten. Wieseler, weniger bedeutend. Schönborn, Die Skene der Hellenen. Lohde, Die Skene der Alten)125 [b.] Vom Theater unterscheidet sich das ધįİ૙ȠȞ126 als kleinerer, geschlossener Raum, mehr für Virtuosen bestimmt. Die Odeiai waren in der Regel bedeckt, [z. B.] beim Olympieion ein uraltes, ein 2. von Perikles beim Dionysostheater. Zeltartig bedeckt[, ein] 3. das Odeion des Herodes Atticus. [c.] i

Die Odeia : Sie.

123 O. M. v. Stackelberg, Die Gräber der Hellenen (1837). 124 Vgl. Müller 1848, 390–395 § 289. 290. 125 J. H. Strack, Das altgriechische Theatergebäude nach sämmtlichen bekannten Überresten dargestellt auf neun Tafeln (1843); F. Wieseler, Theatergebäude und Denkmäler des Bühnenwesens bei den Griechen und Römern (1851); A. Schönborn, Die Skene der Hellenen. Nach dem Tode des Verf. herausgegeben von C. Schönborn (1858); L. Lohde, Die Skene der Alten, 20. BWPr (1860). – M. Bieber, The History of Greek and Roman Theater² (4.th print 1971); P. Ciancio Rossetto – G. Pisani Sartorio u. a., Teatri greci e romani. Alle origini del linguaggio rappresentato. Censimento analitico I–III (1994). 126 Müller 1848, 391. 393 § 289, 8. – R. Meinel, Das Odeion. Untersuchungen an überdachten antiken Theatergebäuden (1980).

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

185

Einfacher die Anlagen des Stadions127, auch hier wurde ein natürl[iches] sich öffnendes Langthal, so bei Athen [ausgesucht].128 (ıijİȞįંȞȘ>@ In Kleinasien sind viele Stadien an beiden Seiten gerundet, auch Stadium u[nd] Theater unmittelbar verbunden. Auch eine Langseite des Stadiums ragte über diei andere hervor, bes[onders] in Messene129, [es gab] auch einseitige Stadien. 3. 11. 64 Künstlicher ist die Anlage des Hippodroms130 (Hes. ੂʌʌંįȡȠȝȠȢIJİIJȡĮıIJ੺įȚȠȢ 131 Für den Ablauf waren bes[ondere] Vorsichtsmaßregeln nöthig, [eine] ੂʌʌ੺ijİıȚȢ u[nd] Phidias132 Zeitgenosse Kleoitas133 hatte sie in Olympia gebaut. (Paus. VI, 20[, 14]) Er war so eingerichtet, daß 2 Wagen zu gleicher Zeit abfuhren, ohne die Wagen zurückzusetzen. Wie ein ਩ȝȕȠȜȠȢ Schiffsschnabel) gebogen, er lag [so] schief, daß die Ungleichheit durch ungleiche Abstände ausgeglichen wurde. Die Seile wurden dann von den cancelli zu verschiedenen Zeiten losgelassen. țĮȝʌIJ੾ȡ Anth. XII, 257[, 1,] ein țĮȝʌIJ੾ȡ[ist ein Wendepunkt]in der Mitte [der Rennbahnenden], die Röm[er] machten daraus dieii prachtvolle Form des feinen Circus.– [H. fol. 11 v.: 4.] Gebäude für den öffentl[ichen] Verkehr.134 (Hdt. I, 153)135 Cyrus verachtete die Griechen als Marktleute. İੁȞ ਕȖȠȡૌ ıș੼ȞȠȢ ਪȟȠȝİȞ sagen dagegen die Griech[en]. (Hes.136) Der Markt war Mittelpunkt des Lebens. Schon der hom[erische] Markt[,] ਕȖȠȡ੺[,] war mit ȟİıIJȠ੿ Ȝ઀șȠȚ137 u[nd] ਪįȠȚ138 besetzt, ein țંıȝȠȢ ੒ȡ઼ıșĮȚ Hom[er] [H. fol. 12 v.: Il. B] 10139. Gerade an diesen Marktscenen hatte das Volk Freude; Dann wurde die Agora Sammelplatz der regierenden Gemeinde mit ʌȡȣIJĮȞİ૙ȠȞ u[nd] ȕȠȣȜİȣIJ੾ȡȚȠȞ ausgestattet. Dann erfolgte die Trennung zwischen Kaufmarkt u[nd] Versammlungsi ii

die : das. die : das.

127 Müller 1848, 393f. § 290, 1. – F. Krinzinger, Untersuchungen der Entwicklungsgeschichte des griechischen Stadions (1968). 128 Travlos, Athen 498–503; C. Gasparri, ASAtene 52/53, 1974/75, 313–392. 129 Müller 1848, 394 § 290, 1. – P. Themelis, ȉં ıIJ੺įȚȠ IJ੾Ȣ Ȃİıı੾ȞȘȢProceedings of an international symposium of the Olympic Games (1992) 87–91. 130 Vgl. Müller 1848, 393–395 § 290, 2. – J. Ebert, Neues zum Hippodrom und den hippischen Agonen in Olympia, Nikephoros 2, 1989, 89–107; W. Deckers, Sport in der griechischen Antike (1995) 177–180. 131 Hesych. s. v. ੆ʌʌİȚȠȢ įȡંȝȠȢ. IJİIJȡĮıIJ੺įȚંȢ IJȚȢ. 132 Phidias s. u. Anm. 928. 133 Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 414 s. v. Kleoitas (D. V.-G.). 134 Vgl. Müller 1848, 395–399 § 291. 292. 135 Hdt. I, 153, 1f. – Die Stelle bezieht sich auf den folgenden Satz. 136 Hesych. İੁȞ ਕȖȠȡૌ ıș੼ȞȠȢ ਪȟȠȝİȞ. ȕȠȣȜİȣıંȝİșĮ įȣȞĮIJ૵Ȣ. 137 Hom., Il. XVIII, 497–504; Od. VIII, 4–7. 138 Gurlitt: ਪįȠȚ, Hiller fol. 12 r.(wohl richtig): ਪįȡĮȚ. 139 Hom., Il. II, 95–99. – Vgl. auch Hom., Od. VII, 44f. : Die Agorai der Phaiaken sind șĮ૨ȝĮ ੁį੼ıșĮȚ.

186

[S. 12]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

platz. Aber sie lagen urspr[ünglich] nebeneinander [als] forum u[nd] comitium. ਕȖȠȡ੺ਥțțȜȘı઀Į od[er] ʌȞ઄ȟ Dazu nahm man theaterähnl[iche] Gebäude u[nd] später wirkl[iche] Theater, aber nur in Demokratien, in Aristokratien stand das Volk, wie in Rom. Immer mehr wurde [die] ਕȖȠȡ੺Herz u[nd] Kleinod der Stadt durch įȡંȝȠȚu[nd] ʌİȡ઀ʌĮIJȠȚ ıIJȠĮ઀ [sind] zunächst die Markthallen. Sie waren entweder ganz offen, oder hatten anliegend Säle[,] Ȝ੼ıȤĮȚ so in Delphi.140 Bei der ıIJȠ੹ ȕĮı઀ȜİȚȠȢ Gerichts- u[nd] Amtslocal141Von dieser ıIJȠ੹ ȕĮı઀ȜİȚȠȢhat man [die] röm[ische] u[nd] christl[iche] Basilika hergeleitet, in dem Tempel hatten die Christen kein Vorbild zu einem Gemeindehaus finden können. (So Bunsen, Basilikenbau, dagegen Zestermann, Basiliken[)].142 Die >ıIJȠ੹@ ȕĮı઀ȜİȚȠȢ heißt wie [die ıIJȠ੹@ ȕĮıȚȜȚț੾ Paus. VI, 24[,5 :] Doppelhallen mit IJȠ૙ȤȠȢin der Mitte, so in Elis143. Äußerl[ich] haben sie ganz einen tempelähnl[ichen] Charakter, so die Basilika aus Paestum144. – Eine weitere Ausbildung erhielt der Markt. Urspr[ünglich] @ ੢ȜȘ weich u[nd] zähe genug, um [in] der gegebenen Form zu beharren. Dieser Stoff ist Ton ʌȘȜંȢ [(]lutum[)], Ȗો țİȡĮȝ૙IJȚȢ ț੼ȡĮȝȠȢ Es sind verwitterte Steinmassen, die ohne Kraftanstrengung u[nd] ohne künstl[iche] Instrumente jede Gestalt annehmen. Gute Tonerde ist eine der werthvollsten Gaben deri Natur. Zuerst praktisch verwandt, wegen ihrerii wasserhaltenden Kraft, zu Trink- u[nd] Wassergefäßen. Der getrocknete [Thon] wird im Feuer gehärtet. In dieser Behandlung haben die Alten das Höchste erreicht. Die beste Thonerde war die Ȗો ȀȦȜȚ੺Ȣ166 bei Kolias am Phalaron, mischte sich gut mit ȝ઀ȜIJȠȢ rothem Mennig167; gut ist Erde in vulkan[ischen] Gegenden in Puteoli, bei Nola. Die Alten prüften den Ton eines Gefäßes percutiendo u[nd] erkannten daraus die Gattung des Thones (įȚĮțȡȠ઄İȚȞJahn. Pers. III,21).168 So erfuhr [man] die Härte [des Tongeschirrs], mit feinen Thonscherben mußte man schneiden können, der Thon mußte fein u[nd] dünn, daher leicht [sein] (ਕȞİȝȠijંȡȘIJĮਫ਼ȝİȞંıIJȡĮțĮ169  Das Töpferhandwerk hatte eine große Ehre (țİȡĮȝİઃȢ țİȡĮȝİ૙ țȠIJ੼İȚ als Zeichen seines Alters170. (Die Töpferscheibe Il. II, 599171). [Es existieren] vielfache Darstellungen der Handthirungen[, die zum Töpferhandwerk gehören]. Bes[onders] wichtig wurde das Handwerk wegen seiner Verbindung mit dem Cultus. Ȁ੼ȡĮȝȠȢ hieß der Sohn des Dion[ysos] u[nd] der Ariadne, weil der Toniii in feuchten Gegenden gefunden [wird]. Die Thongefäße führen ı઄ȝȕȠȜĮ ǻȚȠȞ઄ıȠȣ172 Ebenso war[en] Hephaistos u[nd] Prometheus Töpfer. Endl[ich] auch die ਝșȘȞ઼ ਥȡȖ੺ȞȘ  Der Lohn des Siegers (Pind. Nem. X, 35[–37]) war Oel in Thongefäßen. Die [S. 14] Thongefäße waren die wichtigsten Handelsartikel (Pseud. Arist. Mirab. 104)173. Ganze Handelscarawanen reisten damit umher. – Die Kunst des Töpfers wird nie zu reinem Handwerk, denn er kann nie der freien Hand entbehren u[nd] es war i ii iii

der: zu. praktisch verwandt, wegen ihrer : prakt. angewandt, wegen seiner. der Ton : es wird.

165 166 167 168

Vgl. Müller 1848, 420–422 § 305. Ath. XI, p. 482 b. Plin., n. h. XXXV, 152; Suid. s. v. ȀȦȜȚ੺įȠȢ țİȡĮȝોİȢMüller 1848, 41 § 63. Pers. III, 21f. bezieht sich auf percutiendo (durch Klopfen); įȚĮțȡȠ઄İȚȞ, z. B. Plat., Theait. 179 D. - O. Jahn, Über ein Vasenbild, welches eine Töpferei vorstellt, in: Berichte der sächsischen Gesellschaft für Wissenschaften 6, 1854, 27–49. ਕȞİȝȠijંȡȘIJĮ: Lukian., lexiph. 7; ਫ਼ȝİȞંıIJȡĮțĮLukian., lexiph. 7. Hes., op. 25. Hom., Il. XVIII, 600f. – Müller 1848, 41 § 62. ı઄ȝȕȠȜĮ ǻȚȠȞ઄ıȠȣd.i. Wein. Aristot., mirab. 104 p. 839 b 8f.

169 170 171 172 173

190

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

der Hauptwetteifer, den Thon so fein wie mögl[ich] zu ziehen (Plin. XXXV, 12)174 [=] ducere humum, ਪȜțİȚȞpropter tenuitatem wurden den Göttern Gefäße geweihti. Man machte auch so große Gefäße (dolia), die gar nicht auf die Töpferscheibe gingen. [H. fol. 13 v.: so das dolium des Diogenes]. Das Wichtigste beim Töpfern ist der Ofen (ț੺ȝȚȞȠȢ  įİ૨ȡ’ ਙȖİ, ਝșȘȞĮ઀Ș, țĮ੿ ਫ਼ʌİ઀ȡİȤİ Ȥİ૙ȡĮ țĮȝ઀ȞȠȣ 175 Daher [wurde er] durch ਕʌȠIJȡંʌĮȚĮ geschützt176 (Hdt. IV, 163)177[.] Die Thonplastik ist nur der Anfang aller Plastik (mater statuariae Plin.)178[,] aber sie geht auch neben der Sculptur her: 1. Als eine dienstbare, handreichende Kunst, denn in Thon macht der Künstler sein Modell (ʌȡંʌȜĮıȝĮ ʌȡંIJȣʌȠȞ)[.] Solche kleinen Gruppen u[nd] Figuren finden wir häufig z. B. [in der] Münchener Terracottensammlung (Orest u[nd] Electra), Jahn 1861 Ber. der S. Ges. der W. über die Gruppen, welche Or[est] u[nd] El[ektra] darstellen)179. Später machte man in der Regel größere Modelle. 2. Als selbstständiger Zweig. a. in der Bildung runder Figuren (Dem. Phil. I, 47)180 bes[onders] für die Opfer, zu Darbringungen im Tempel (ʌ੾ȜȚȞĮ Schol. Thuk. I, 126. Serv. Aen. II, 116)181[;] b. zur Decoration, zum Ornament im Relief, zu Votivtafeln; c. zu Gefäßen u[nd] Geräthen. Die runden Gestalten u[nd] Reliefs nennt man jetzt Terracotten. (ੑʌIJ੽ Ȗો 182Von dieser Gattung hat sich in letzter Zeit eine Fülle von Denkmälern zusammen gefunden [:] Im Berl[iner] Museum, Rom, Engl[ische] große Sammlung, größte Sammlung im Louvre zu Paris, weil man die Sammlung des Marchese Campana aufkaufte. Campana hat [in] antiche opere in plastica einen Theil herausgegeben183. (Biardeaux, explication du symbolisme 1864)184 Die Erde wurde zu größter Festigkeit mit Sand u[nd] gebranntem Marmorkalk (Ȗ઄ȥȠȢ gemischt. (Plin. XXXVI, 49)185 Neben den freien Figuren die Reliefbilder, in Häusern u[nd] Gräbern friesartig angebracht, durch Nägel an die Wände befestigt. Sie sind außerordentl[ich] verbreitet u[nd] kommen in vielfachen Wiederholungen vor. (Eine Nike ȕȠȣșȣIJȠ૨ıĮ [H. fol. 14 r.: Szenen aus dem Leben des] Odysseus. Cic. a. Att. I, 16 i

wurden den Göttern Gefäße geweiht : den Göttern geweihte Gefäße.

174 Plin., n. h. XXXV, 161: tenuiorem humum ducere. Im Tempel von Erythrai sind 2 Amphoren, geweiht propter tenuitatem. 175 Epigr. Hom. XǿV, 2 Titel des Epigramms Ȁ੺ȝȚȞȠȢ ਲ ȀİȡĮȝİ૙Ȣ 176 Vgl. das oben genannte Epigramm. 177 Hdt. IV, 163, 3; 164, 3. – Das Zitat gehört zu (ț੺ȝȚȞȠȢ  178 Plin., n. h. XXXV, 156 nach einem Ausspruch des Pasiteles. 179 O. Jahn, Einige antike Gruppen, welche Orestes und Elektra darstellen, in: Berichte der sächsischen Gesellschaft für Wissenschaften 13, 1861, 100–132 Taf. 4. 180 Dem. IV, 26. 181 Thuk. I, 126, 6; Serv. ad Verg., Aen. II, 116. 182 Paus. I, 3, 1: Dachfiguren aus Terrakotta auf der Stoa Basileios an der Athener Agora. 183 G. P. Campana, Antiche opere in plastica discoperte, raccolte e dichiarate (1842). 184 E. P. Biardot, Explication du symbolisme des terres cuites grecques de destination funéraire (1864). 185 Plin., n. h. XXXVI, 183: Verwendung des Gipses für Statuetten und Gesimse.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

191

typos tibi mando, welche er in den Bewurf des Atriums einschließen könne186[;] Strab p. 381 ੑıIJȡ੺țȚȞĮ IJȠȡİ઄ȝĮIJĮ187 >@ Sie sind theils in natürl[icher] Thonfarbe gehalten, meist aber angemalt, freie Statuen, wie Reliefs. – Die Gefäße188 stehen auf dem Grenzgebiet von Tektonik u[nd] Plastik. Ihre Benennung, Zeitbestimmung, Erklärung, systemat[ische] Behandlung beschäftigt jetzt die Archäologie hauptsächlich. (Die Litteratur in der Einleitung O. Jahns zum Catalog der Vasen des Königs Ludwig. Birch, history of pottery 2 Bände. Baron de Witte)189 Bei den Alten kommt die Vasenfabrikation selten vor u[nd wird] dann mit gewißer Geringschätzung behandelt. – Die Fundorte sind überall Gräber, also sind sie nur da gefunden, wo man größere Grabräume unterirdisch anlegte u[nd] wie im menschl[ichen] Haus ausschmückte. Daher braucht in den Gegenden, wo man keine Gefäße findet, kein geringerer Verbrauch gewesen zu sein. In Griechenland [sind] wenige [Funde gemacht worden], mehr in Sizilien, dann Unteritalien, es folgt Campanien, am reichsten Etrurien namentl[ich] im Süden, bei Vulci[.] Darüber Gerhard, rapporto intorno i vasi Volc. etc. Ann. dell’inst. 1831190. – 7. 11. 64 Neue Fundorte: Caere, Cumae; in der Sammlung Campanas. Das Verhältniß des Fundortes zum Fabriksorte [zu bestimmen,] ist schwierig. Zuerst hielt man alles gefundene für italisch, „etruskische Vasen“ nach Winckelmanns Vorgang. Otfr. Müller erkannte zuerst, daß Alles griech[isch], speziell attisch sei. Man nahm dann meistens eine Mittelstation an [und dachte] bes[onders an] Cumae. (Otfr. Müller, Bunsen, Cramer, Stil u[nd] [S. 15] Herkunft der Vasen)191. Alle seien als Handelsartikel nach Italien gekommen, ähnl[ich] O. Jahn, Einleitung zum Vasenkatalog192, mit Ausnahme einer Art, die er korinthisch nennt. [H. fol. 14 v.: [Diese Meinung] erliegt aber wesentlichen Bedenken. Wir finden gewisse Eigenthümlichkeiten, die sich bei einem gleichmäßigen Handelsartikel schwer erklären.] In Caere hat man 75 Thongefäße eines 186 187 188 189

Cic., Att. I, 10, 3. Strab. VIII, 23 p. 381. Vgl. Müller 1848, 409–417 § 298–301. O. Jahn, Beschreibung der Vasensammlung König Ludwigs in der Pinakothek zu München (1854) Einleitung S. VII–CCXLVI; S. Birch, History of Ancient Pottery I. II (1858); Ch. Lenormant - J. de Witte, Élite des monuments céramographiques. Matériaux pour l’histoire des religions et des mœrs de l’antiquité, rassemblés et commentés I–IV (1844– 1861). 190 E. Gerhard, Rapporto intorno i vasi Volcenti diretto all’ Instituto di correspondenza archaeologica, in: AdI 3, 1831, 5–218. 191 C. O. Müller, De origine pictorum vasorum, quae per hos annos in Etruriae agris, quos olim Volcientes tenuere, effossa sunt (1831); Ch. Bunsen, Discours lu à la séance publique de l’institut, le 21 avril 1833. Monuments de l’art antique. Vases peints, AdI 6, 1834, 40– 86; G. Kramer, Über den Stil und die Herkunft der bemalten griechischen Thongefäße (1837). 192 O. Jahn, Beschreibung der Vasensammlung König Ludwigs in der Pinakothek zu München (1854) Einleitung, bes. S. CCXXXVII–CCXLVI.

192

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Meisters Nikosthenes [ausgegraben]193, die sich nur hier gefunden haben; es zeigen sich [hier] auch gewisse Abweichungen im Stile. Merkwürdig ist, daß in Griechenland die ganz colossalen Vasen sich noch nicht haben nachweisen lassen. Die andere Ansicht ist, es habe in Ital[ien] griech[ische] ansäßige Töpfergilden gegeben[,] z. B. in Nola. Dann gibt es eine eigene apulische Gattung, die es nur in Unteritalien gibt. Dazu neuerdings die Vase aus Pantikapaion (Kertsch), die von einem att[ischen] Künstler in eigenthüml[ichem], den dortigen Bewohnern angepaßten Geschmack gebildet worden ist. (Archäol. Zeitung 1856 t. 86)194 3.) Die Zeitbestimmung. Den sichersten Anhalt geben die griech[ischen] Inschr[iften]. Die Epoche des Eukleides nach dem Ende des peloponn[esischen] Krieges [mit der] Einführung der langen Vocale195, [denen] eine frühere, schwächere Periode [ab] 436 (Ol. 86) [H. fol. 14 v.: in Bezug auf das Ȉ ][vorangeht]. Aber sie haben nur für Staatsurkunden bestimmte Geltung. Die Hauptsache bleibt die kunstgeschichtl[iche] Analogie u[nd] wir können aus den Vaseni eine ganze Kunstgeschichte herstellen. Dann gibt es einige histor[ische] Anknüpfungen, z. B. panathenäische Preisvasen mit musischen Agonen, aus der Zeit des Per[ikles.] – In der späteren Zeit ist die Vasenfabrication wie abgeschnitten. Millingen [meint], der Bundeskrieg habe ein Ende gemacht,196 Gerhard, die Blüthe der Fabrication falle mit der Unterdrückung des Bacchuskultes zusammen197 (sen[atus] cons[ultum] de Bacc[hanalibus] 186 v. Chr. 568 a[b] u[rbe] c[ondita]). Beiii Caeretanischen Vasen können wir die Verfertigung bis 600 [154 v. Chr.] herabführen. Den Röm[ern] war die Verfertigung solcher Gefäße fremd, die Schaalen mit röm[ischen] Inschriften sind ganz absonderl[ich], Ritschl, de fictilibus litterates Romanorum antiquissimis 1853198 [H. fol. 14 v. f.: und im corp. inscr. die Gefäße mit römischen Inschriften]. – In den Vesuvstädten hat sich so gut, wie nichts gefunden. Also als Ital[ien] römisch wurde, ist der Kunstzweig unterdrückt worden. 4. Die Technik. Warum waren diese Gefäße im Grabe199? Entweder als țİȚȝ੾ȜȚĮ, od[er] in spezieller Bedeutung. Wohl Bezug auf Waschungen, Bad u[nd] Trank i ii

den Vasen : ihnen. Bei : Auf.

193 Brunn, GK II 708–720 führt 51 Vasen des Nikosthenes auf. 194 St. Petersburg, Ermitage Inv. 3 1837. 2 (St. 1790 u. 107): E. Gerhard, AZ 14, 1856, 163– 169 Taf. 86. 87. – Beazley, ARV² 1407 Nr. 1 (Xenophantos Painter); M. Tiverios, Die von Xenophantos Athenaios signierte große Lekythos aus Pantikapaion, in: J. H. Oakley - W. D. E. Coulson - O. Palagia (Hrsg.), Athenian Potters and Painters (1997) 269–284. 195 Im Archontat des Eukleides 403/2 wird das ionische Alphabet in Athen eingeführt. 196 J. Millingen, Peintures antiques et inédites des vases grecs, tirées de diverses collections (1813) VIII. 197 E. Gerhard, AA 1852, 160f. 198 F. Ritschl, De fictilibus litteratis Latinorum antiquissimis quaestiones grammaticae (1853). 199 Vgl. Müller 1848, 414–416 § 301, 1–3 .

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

193

(ȥȣȤȡઁȞ ੢įȦȡ įȠ઀Ș ਙȞĮȟ ਝȧįȠȞ੼ȦȢ corp.inscr. [graec. III] 6256)200. Die Todten sollten die [Hilfsmittel für die] nothwendigsten Bedürfniss[e], auch im Grab nicht entbehren. (Curtius, Griech. Brunnen- u[nd] Quelleninschriften p. 18)201. Bei Grabgebräuchen finden wir die Vasen mit angewandt. Die Formen202 sind aus [der] prakt[ischen] Bedeutung [der Gefäße] hervorgegangen u[nd] mit Ausnahme von Speiseschüsseln (ʌ઀ȞĮțİȢ sind es Trink- u[nd] Vorrathsgefäße. Letztere entweder nur zur Aufbewahrung (ਕȝijȠȡİ઄Ȣ od[er] zum Mischen (țȡĮIJોȡİȢ oder zur Vertheilung [(]ਫ਼įȡ઀Į 3henkelig, kleiner ȠੁȞȠȤંĮȚ[)]; davon abgesondert die Tropfgefäße mit engem Hals für Balsam etc. [(]Ȝ੾țȣșȠȚ ਕȜ੺ȕĮıIJȡĮ> @ Dann Nebengattungen: Gefäße, deren gesonderte Flüssigkeiten sich beim Gießen erst mischen, dann auch Gefäße, in denen Flüssigkeiten erwärmt werden. – Auf der anderen Seite die Trinkgefäße, entweder in Napfform, mit Fuß u[nd] Henkel (ț੺ȞșĮȡȠȢ [,] ohne Fuß [(]ıț઄ijȠȢ[)], hornförmig [(]ț੼ȡĮIJĮ ૧ȣIJ੺[)] [oder] die flachen Schaalen (ț઄ȜȚțİȢmit Fuß, patera, ijȚ੺ȜȘ ohne Fuß). Die Terminologie der alten Gefäße [bei] Panofka, Sur les veritables noms de vases des Grecs, dagegen Letronne.203 Ein schöngeformtes Gefäß mit glänzendem Firniß besitzti allein schon Kunstwerth. Das Malen ist schwierig, man muß rasch u[nd] ohne abzusetzen, mit wenig Farben malen. Die Darstellungen sind oft sehr reichhaltig, so die Francois-Vase. 1854 in Chiusi (Clusium) [gefunden]204. –

[Die einzelnen Entwicklungsstufen der Vasenmalerei lassen sich wie folgt charakterisieren: 1.] Die alterthüml[iche] Rohheit[,] noch ungriechisch, ringförmige Verzierungen, gelber Grund, glanzlos, [H. fol. 15 r.: braune Farbe], rothe Bärte, Thiergestalten, unförmig. 2. Epoche der alterthüml[ichen] Strenge[:] schwarze Figuren auf rothem Grunde, im Profil aufgezeichnet, mit eingerissenen Umrißlii

200 201 202 203

besitzt : geben dem Gefäß.

CIG III Nr. 6256. E. Curtius, Über griechische Quell- und Brunneninschriften, AbhGöttingen 8 (1859) 18. Müller 1848, 409–414 § 298–300. Th. Panofka, Recherches sur les véritables noms des vases grecs et sur leur différentes usages, d’après les auteurs et les monuments anciennes (1829); A.-J. Letronne, Observations philologiques et archéologiques sur les noms des vases grecs à l’occasion de l’ouvrage de M. Th. Panofka intitulé: Recherches sur les véritables noms des vases grecs etc. (1833); ders., Supplément aux observations sur les noms des vases grecs (1837. 1838); Note sur deux noms des vases grecs (1840). 204 Florenz, Mus. Arch. Inv. 4209: E. Simon, Die griechischen Vasen² (1981) 69–77 Taf. 51– 57; C. Isler-Kerenyi, Der Francois-Krater zwischen Athen und Chiusi, in: J. H. Oakley – W. D. E. Coulson – O. Palagia (Hrsg.), Athenian Potters and Painters (1997) 523–539. – Die Vase wurde 1845 gefunden. 205 St. Petersburg, Ermitage B 1659, aus Cumä, sog. Regina Vasorum: D. Raoul-Rochette, AA 1854, 434; LIMC IV (1988) 878 Nr. 405 s. v. Demeter Taf. 593 (L. Beschi).

194

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

nien. – Dann wird die Malerei Hauptsache, sehr stark profilirt, bis zur Carricatur, heftige Bewegungen. [3.] Dann der schöne Stil der entwickelten Kunst, rothe Figuren auf schwarzem Grunde. – [Hierbei] Strenger Stil, vollkommen schöner, reicher Stil, in 3 Perioden. 4. Ein deutl[iches] Sinken des Geschmacks, in den Formen [der Vasen] zu zierl[ich], geschnörkelt, in der Zeichnung flüchtig, [überreich] in der Farbe, in der Technik, namentl[ich] die apulische [Vasenmalerei], so die Archemoros Vase206. – [H. fol. 15 v.: Dazu kommen noch einzelne besondere Arten, z. B.] Reliefvasen, mit Gold verzirt. – Dann monochrom auf weißem Grunde. [S. 16]

8. 11. 64 Die innere Seite u[nd] äußere Darstellung stehen in Gedankenzusammenhang. Man hat sogar Vasengruppen gebildet. Die Gegenstände der Darstellung sind ungemein mannichfach, die ganze Mythologie u[nd] das ganze Privatleben findet seine Darstellung. Oft [finden sich] ganz eigenthüml[iche] Formen der Mythen. Panofka, Bilder des antiken Lebens207[,] hat bes[onders] aus Vasen geschöpft. Dazu kommen noch histor[ische] Gegenstände. Diese Darstellungen sind nicht nur für die Thongefäße componirt, [sondern] offenbar für öffentl[iche] Gebäude, große Wände, u[nd] dann auf die Gefäße übertragen. Diese Vasenmalereieni müssen Ersatz geben, für Buntwirkereien u[nd] Wandgemälde. (Crösus208, Arkesila[o]s209) Dazu gehören auch Gefäße mit berühmten Persönlichkeiten. (Alcäus u[nd] Sappho)210[.] Dann die merkwürdige Dareiosvase.211 Die Aufschriften der Gefäße. Erstens auf den Inhalt [der Darstellung] bezügl[ich], erklärende Beischriften, oft überflüssig. 2.) Inschr[iften,] die sich auf den Empfänger beziehen, [der als] țĮȜંȢ țĮȜ੾ [bezeichnet wird] Auch finden wir Inschr[iften] mit ausführl[icher] Gesprächsform ੁįȠ૨ ȤİȜȚįઆȞ. Ȟ੽ IJઁȞ ਺ȡĮțȜ੼Į, ਩Įȡ ਵįȘ2123.) Die Künstlernamen[:] ਥʌȠ઀Șıİu[nd] ਩ȖȡĮȥİ [werden] unterschieden, später ਥʌȠ઀İȚ Į੝IJોȚu[nd]਩ȖȡĮijİim jüngeren oder nachgeahmten alten Stil. 4.) Trinksprüche ʌȡંʌȚȞİ ȝ੽ țȠșોȢ213 ȤĮ૙ȡİ țĮ੿ ʌ૙Ȟİ214 țĮȜ੽ IJ઄ȤȘ  Eingekratzte Töpferzeichen [sind] oft Fabrikzeichen. Ausnahmsweise kommen auch i

Diese Vasenmalereien : Sie.

206 Neapel, Mus. Naz. Inv. 81394 (H 3255): Trendall, RVAp II, 496 Nr. 42 (Darius-P.); LIMC II (1984) 474 Nr. 10 s. v. Archemoros (W. Pülhorn). 207 Th. Panofka, Bilder antiken Lebens (1843). 208 Paris, Louvre G 197: Beazley, ARV² 238 Nr. 1 (Myson); Simon, a. O. 107f. Taf. 133. 209 Paris, Cabinet des Médailles, Inv. 189: Simon a. O. 59f. Taf. XV. 210 München, Antikensammlungen Inv. 2416: Beazley, ARV² 385 Nr. 228 (Brygos P.); Simon, a.O. 113f. Taf. 150. 211 Neapel, Mus. Naz. Inv. 81947 (H 3253): Trendall, RVAp II, 495 Nr. 38 (Darius P.). 212 St. Petersburg, Ermitage, Inv. 615: Beazley, ARV² 1594 Nr. 48; Simon, a.O. S. 102 Taf. 116. 213 P. Kretschmer, Die griechischen Vaseninschriften (1894) 5 § 5 Anm.1: ʌȡંʌȚȞİ,ȝ੽ țĮșોȚȢ. 214 Kretschmer a.O. 86 Anm. 5: ȤĮ૙ȡİ țĮ੿ ʌ઀İ[Ț].

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

195

Besitzernamen vor, aber immer eingekratzt (corp. inscr. [graec. III] 4588) (Curtius, corp. inscr. [graec.] IV)215[.] 6.) Die gestempelten Amphorenhenkel, von Weinkrügen, die Magistrate (Stoddard, Society. Stephani. corp.inscr. [graec.] Einleitung III)216 zum Zeichen der Echtheit bes[onders] aus Rhodos, Knidos, Thasos. – Aus Thon lernte der Mensch bilden, u[nd] nun entstand der Wunsch[,] diesen Bildungen Bestand zu geben217. Nachdem schon die Phönikier Erz gewonnen hatten, hatte man das Kupfer lange nur mit dem Hammer bearbeitet. Es war also ein großer Fortschritt[,] als man zu gießen anfing[,] zuerst in Samos: Das Metall fließt um den Thon, erstarrt wie eine Haut um denselben. Man kann auch so gießen, daß man das Metall in eine Form hineingießt. Dieses ist der massive Guß, nur für kleine Gebilde (ȝ੺ȗĮ massa[,] Stat. Silv. exigua ludere massa218). – Wichtiger ist das andere Gußverfahreni, man bildet einen Kern von feuerfestem Thon ਕȡȖ઀ȜȜĮ von der Größe des Originals, davon nimmt man dann ein Gypsmodell. Darauf machten die Alten einen Aufguß von Wachs (IJ੹ ʌȜĮıș੼ȞIJĮ ț੾ȡȚȞĮ von der Dicke des späteren Erzbildes Darauf streicht man mit dem Pinsel Thon, bis er die gehörige Dicke erlangt hat (Ȝ઀ȖįȠȢ, Poll. X, 189 IJઁ ʌ੾ȜȚȞȠȞ, ੔ ʌİȡȚİ઀ȜȘijİ IJ੹ ʌȜĮıș੼ȞIJĮ ț੾ȡȚȞĮ 219 Nun muß für Abfluß des Wachses w[ie] der Luft gesorgt werden. Es wird zunächst durch Feuer das Wachs herausgeschmolzen, so daß ein leerer Raum entsteht. Dann gießt man das Metall von oben ein u[nd] läßt es dann erstarren. Der Guß [erfolgt] in der Senkgrube ȤંĮȞȠȢ Il. XVIII, [4]70). Die [Guß]Kanäle sind ausgepflastert, die Ausgänge über dem Kopfe des Gebildes. Diese schwierige Arbeit wird sehr vereinfacht, wenn man die Statuen in Stücken gießt, im Theilgusse. Die einzelnen Theile werden dann gelöthet (țંȜȜȘıȚȢ220 ferruminatio221). Man riskirt nicht so viel u[nd] braucht keine so großen Gebäude. Beim Theilguß müssen die Gußnäthe abgenommen werden. Ist der Guß gelungen, so ist mit dem Guß alles fertig. Aber es mußte fast immer nachgeholfen werden; dann wird ciselirt. Ein guter Gießer läßt ungern nachhelfen; bes[onders] wichtig war die Mischung des Erzes durch den ȤĮȜțȠȣȡȖંȢ Es kommt viel auf die gute Farbe i

das andere Gußverfahren : der andere.

215 CIG III Nr. 4588 ist die Grabinschrift des Caelestinus aus Rîma el-Loehf in Syrien. – CIG IV S. I–XVIII, Nr. 7373–8519 b. 216 J. L. Stoddart, On the Inscribed Pottery of Rhodes, Cnidus, and other Greek Cities, in: Transactions of the Royal Society of Literature, 2. ser., 3, 1850 1–127; J. L. Stoddart, On Lettered Vase-Stamps from Greek Cities of the Mediterranean and Euxine Seas, in: Transactions of the Royal Society of Literature, 2.ser., 4, 1853, 1–67; L. Stephani, Parerga archaeologica XX, in: Mélanges gréco-romains 2, 1859, 7–26; 206–216; J. Franz, in: CIG III Einleitung S. I–XXI. 217 Zum Erzguß vgl. Müller 1848, 423–427 § 306. 218 Stat., silv. IV, 6, 49. 219 Poll. X, 189; Photios s.v. Ȝ઀ȖįȠȢ Hesych s. v. ȜȚȖįȠ૨ ȤȠ੺ȞȘ 220 Hdt. I, 25, 2; Paus. X, 16, 1; Plut., mor. 156 b. 221 Paul., dig. 6, 21, 3 § 5, vgl. Plin., n. h. XXXIII, 93f.

196

[S. 17]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

[der Bronze] an; die war [nicht] der Natur überlassen. Die Alten stellten die Färbung künstl[ich] her. (ਲʌĮIJ઀ȗİȚȞ 222 Sie bedienten sich auch bunter Farben, bes[onders für] die der Augen. Auch wandte man Gold an. [H. fol. 16 v.: in der alten u[nd] späterer Zeit [;] entweder belegte man das Erz mit Gold (ਥʌ઀ȤȡȣıȠȢ) oder vergoldete es sonst (țĮIJ੺ȤȡȣıȠȢ)]. Die berühmtesten Werkstätteni waren in Aegina, Delos u[nd] Korinth. [H. fol. 16 v.: Die Verschiedenheit beruhte auf der Mischung von Zinn und Erz.] (ȤĮȜțંȢ und țĮıı઀IJİȡȠȢ Zinn). Zuerst setzte man [dem Kupfer] bis 25 Proz[ent] Zinn zu, später weniger. Bezogen theils aus Cypern, theils aus Spanien (Tartessos) [.] (Stat. Silv. II, 2)223 Man legte großes Gewicht darauf, in welchem Wasser das Erz gelöscht sei; das in der Peirene bei Corinth gelöschte, soll bes[onders] gut sein. Die Alten unterschieden, ob Erz in Wasser od[er] Fett gelöscht sei. (Schol. Soph. Ai. 651: ȕ੺ȥȚȢ224 Ant. 473; Plat. Repl. p. 411; Plut. Alk. 6)225 10. 11. 64 Solche Kunstzweige werden erfunden, gehen wieder verloren u[nd] werden wieder erfunden. Zuerst bei den Phönikiern, dann neu erfunden in Lesbos226 u[nd] verbessert durch Löthen, dann (Plin. XXXIV, 53)227 wieder vergessen, Ol. [H. fol. 16 v.: 160] kam erii wieder auf228, interiisse (Plin. XXXIV, 46) fundendi aerii scientia, als man Neros Coloss goß. Auch in Deutschland kam es durch Schlüter (Kurfürst in Berl[in])229 u[nd] in neuester Zeit [zu einer Wiederbelebung des Bronzegusses]. In der Blüthezeit der griech[ischen] Kunst hat man mit unglaubl[icher] Virtuosität gegossen, u[nd] unbegreifl[ich] viel, so [sind] von Lysippos 1500 Statuen [überliefert].230 U[nd] es war die gewöhnliche Art der Aufstellung der Statuen. (Quint. II, 2, 10 materia statuarii aes)231 Die gewöhnl[iche] Formel: ȤĮȜțȠ૨Ȟ IJȚȞ੺ ıIJોıĮȚ, ਕȞįȡȚ੺ȞIJİȢ u[nd] ਕȞįȡȚĮȞIJȠʌȠȚ૘Į bezieht sich auf Erzguß. (Diog. Laert. VI, 2, 35) [:] Der gewöhnl[iche] Preis 3000 Drachmen (700 Thaler), dies ist zieml[ich] hoch gegriffen. [Nach] Dio Chrys. rhod.or.232 wurden schon für 500 Drachmen Erzstatuen hergestellt. Denn die Ali ii 222 223 224 225 226 227 228 229

Werkstätten : Fabriken. er : es.

Plin., n. h. XXXIV, 8. Stat., silv. II, 2, 63 f. (bezieht sich auf die Färbung der Bronzestatuen). Soph., Ai. 651 (ȕĮij੾des Eisens in Öl und das zugehörige Scholion. Vgl. Poll. VII, 169. Verarbeitung von Eisen: Soph., Ant. 474–476; Plat., rep. 411 A; Plut., Alk. 6, 4. Gurlitt: Lesbos, Hiller fol. 16 v.(richtig): Samos. Plin., n. h. XXXIV, 52 : cessavit ars. Plin., n. h. XXXIV, 52 : ac rursus olympiade CLVI revixit, d. i. 156–153 v. Chr. Bronzestatue des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm in Berlin (1696–1700) von Andreas Schlüter, gegossen 1700 von Johann Jacobi. 230 Plin., n. h. XXXIV, 37. 231 Quint., inst. II, 21, 10. 232 Dion Chrys. XXXI, 59.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

197

ten brauchten nur sehr wenig Erz, da sie ungemein dünn gossen. Im ganzen sind nur sehr wenig Broncestatuen erhalten, meist in den Vesuvstädten gefunden. Daher [ist] das Mus[eo] Nap[oletano] sehr reich [an Bronzestatuen]. Außer diesen sind nur einzelne, durch bes[onderes] Glück erhalten, entweder im Flußbett gefunden, od[er] in den Hauptstädten Rom u[nd] Byzanz. So die Reiterstatue des Marc Aurel233, denn sie wurde früh für Constantinus angesehen u[nd] geschont. Zu den merkwürdigsten Broncewerken gehören die 4 Broncepferde von San Marco234. Erst nach Constantinopel gebracht, dann 1205 nach Venedig gebracht, Ende [des] vor[igen] saec[ulums] nach Paris geschleppt, dann wieder in Venedig aufgestellt. ([Weitere Beispiele:] Adorant in Berlin235, Victoria in Brescia.236) In der Zeit, als die Kunst des Erzgusses verloren gegangen war, bildete man Erzstatueni in Marmor nach; was sehr schwierig ist. Bei dieser Übersetzung [von Metall in Stein] wurden Stützen nöthig (puntelli ital[ienisch])[,] Baumstämme etc. Die am meisten excentrisch gestellten Statuen waren Erzstatuen. – Dies ist in der neuern Kunst nicht recht beachtet. Der Bronce widerstrebt eine Anhäufung von Falten, umgekehrt beim Marmor. – Skulptur in Metall.237 Wenn das Metall in kaltem Zustand bearbeitet [wird,] țȠȚȜઁȢ ȤȡȣıંȢ etc.[, ist es eine] getriebene Arbeit. Zunächst [wurde] Erz [kalt bearbeitet], weil verbreitet, wohlfeil, leicht zu behandeln. Bei heil[igen] Gegenständen wurde Erz stets vorgezogen. Die Arbeit [ist die] des excusor, dazu braucht [man] einen Hammer, Bunzen, das Erz wird gegen den Finger [?] des anderen geschlagen238. ਥȜĮ઄ȞİȚȞ ਥțțȡȠ઄İȚȞ239 es entstehen ıijȣȡ੾ȜĮIJĮ Kaltarbeitii hieß auch Toreutik. In der Regel geht hier der Guß voraus, bei kleineren Gegenständen bleibt dem Ciseleur das Hauptverdienst der Arbeit, u[nd] so ist die Toreutik selbstständig. Phidias, Myron hatten als Toreuten bes[onderen] Ruhm.240 Das Erz wurde [H. fol. 17 r.: auf dem Amboss] dehnbar gemacht. ȤĮȜțઁȢ ਥȜĮIJંȢ Gegensatz zum spröden ȤĮȜț>ઁȢ@ ȤȣIJંȢ241 i ii

Erzstatuen : das Erz. Kaltarbeit : Dies.

233 J. Bergemann, Römische Reiterstatuen. Ehrendenkmälere im öffentlichen Bereich (1990) 105–108 Kat. Nr. P 51 Taf. 7b; 78–80. 234 G. Perocco - R. Zorzi (Hrsg.), I cavalli di San Marco (1981). 235 Berlin, Antikensammlung Sk 2: G. Zimmer (Hrsg.), Der Betende Knabe. Original und Experiment. Ausstellungskat. Berlin (1997). 236 Brescia, Mus. Civ. Rom.: T. Hölscher, Die Victoria von Brescia, in: AntPl 10 (1970) 67– 80 Taf. 54–58. 237 Vgl. Müller 1848, 432–436 § 311. 238 Beim Treiben wird das hämmerbare Metall mittels verschiedenartiger Hämmer und Punzen auf den Treibstöcken und Treibfäusten geformt. 239 ਥȜĮ઄ȞİȚȞbereits Hom., z. B. Il.XII, 295; XX, 270. – ਥțțȡȠ઄İȚȞAischyl., sept. 542. 240 Phidias: Plin., n. h. XXXIV, 54. 55. – Myron: Plin., n. h. XXXIV, 10. – Zu Myron allgemein s. u. Anm. 1244. 241 ȤĮȜțઁȢ ਥȜĮIJંȢ, ȤĮȜțઁȢȤȣIJંȢPoll. VII, 105; Aristot., meteor. IV, 9 p. 386 b 18.

198 [S. 18]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Diese Toreutik wurde auf Gefäße, Waffen, namentl[ich] auf Silber angewandt. Das sind dann vasa aspera242 u[nd] bei den Silbergefäßen gab es [eine] doppelte Technik: entweder setzte man die Reliefs auf (ਥȝȕȜ੾ȝĮIJĮ >@u[nd] diese Kunst hieß ਥȝʌĮȚıIJȚț੾243 das Relief IJઁ ਥȝʌĮȚıIJંȞ incusum, od[er] man arbeitete sie aus dem Ganzen heraus mit dem Meißel (caelare), dann wurden sie polirt (terere opera caelata)[,] daher der tritor argentarius244. Die Meisterschaft der caelatura tritt uns in den Broncen von Siris entgegen, beim Lucan[ischen] Siris gefunden, [zunächst] im Besitz von Brönsted, jetzt im Brit[ischen] Museum245. Panzerklappeni, wo ein Relief aus einer Gußplatte herausgehämmert ist, an der erhabensten Stelle ist das Erz nur dick, wie ein Papierblatt. Höher ist das Relief derii Bronce von Paramytia (Venus u[nd] Anchises)246. Beim Silber ist der Guß nicht zuerst angewandt, sondern gleich ıijȣȡ੾ȜĮIJȠȢ ducere lamina247. [Beispiele:] Das Silbergefäß des Münchner Antiquariums v[on] Thiersch248, Becher mit Apotheose Hom[ers] in Neapel.249 Corsinisches Silbergefäß Michaelis 1859250, eine Reihe pompejan[ischer] Vasen, eine Schale aus Aquileja. Otfr. Müller, Mon. in dell’ inst. 1859.251 In neuerer Zeit [fanden sich] neue Silberreliefs: Lauersforter Phalerae, O.Jahn 1860252[,] am Rhein gefunden, jetzt in Berlin, sie tragen griech[ischen] Charakter. Silberbleche als Medaillons angewandt, [dick] bis zur i ii

Panzerklappen : Panzerblätter. ist das Relief der : die.

242 243 244 245

Plin., n. h. XXXIII, 139. ਥȝʌĮȚıIJȚț੽ IJ੼ȤȞȘAth. XI, 488 b. CIL VI, 9950, 6. London, Brit. Mus., Inv. 285: H. B. Walters, Catalogue of the Bronzes, Greek, Roman, and Etruscan in the Dep. of Greek and Roman Antiquities in the Brit. Mus. (1899) 39f. Taf. 8; LIMC I (1981) 617 Nr. 478 a.b s. v. Amazones Taf. 498 (A. Kauffmann-Samaras). London, Brit. Mus., Inv. 287: H. B. Walters, Select Bronzes, Greek, Roman, and Etruscan in the Dep. of Antiquities, Brit. Mus. (1915) Taf. 27; LIMC I (1981) 762 s. v. Anchises Taf. 615 (F. Canciani). Plin., n. h. XXXIII, 128. München, Antikensammlungen, Inv. 3391: F. Thiersch, Über ein in den Besitz des Königl. Antiquariums übergegangenes silbernes Gefäß mit Darstellungen aus der griechischen Heroengeschichte, AbhMünchen 5, 2 (1849) 105–140 Taf. – LIMC VI (1992) 777 Nr. 23 s.v. Neoptolemos Taf. 451 (O. Touchefeu-Meynier). Neapel, Mus. Naz. Inv. 25301: Richter, Portraits I, 55 Nr. s Abb. 114–116; LIMC VI (1992) 943 Nr. 3 s. v. Odysseia Taf. 623 (E. Lygouri-Tolia). Rom, Pal. Corsini, Inv. 671, sog. Coppa Corsini: A. Michaelis, Das Corsinische Silbergefäß (1859). – G. de Luca, I monumenti antichi di Palazzo Corsini in Roma (1976) 127–132 Nr. 73 Taf. 106–109. Wien, Kunsthist. Mus., Inv. VII A 47: C. O. Müller, De Germanico Triptolemo in patera Aquileiensi caelato, in: AdI 11, 1839, 78–84. MonInst III, 4. – LIMC IV (1988) 905 Nr. 164 s. v. Demeter/Ceres (St. de Angeli) Taf. 608. Berlin, Antikensammlung, Inv. Misc. 8124 bis: O. Jahn, Die Lauersforter Phalerae. Erläutert von O. Jahn (1860). – K. Vierneisel (Hrsg.), Römisches im Antikenmuseum (1978) 73–75 Abb. 55 (U. Gehrig).

246 247 248

249 250 251 252

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

199

Dünne eines Papierblattes. In der Caelatur war [Mentor] ausgezeichnet (Plin. XXXIII, 154) wie in neuester Zeit der Benvenuto Cellini. Damit verwandt ist die Kunst des Stempelschneidens253: kein Kunstzweig ist uns vollständiger u[nd] glänzender bezeugt u[nd] von keinem ist von den Alten weniger die Rede; so daß man meinte, die Stempelschneideri seien dieselben wie die Gemmenschneider (scalptores). Die Darstellung wurde erst in gehärtetes Erz gravirt, dann machte man eine Form v[on] gebrannter Erde[,] Ȝ઀ȖįȠȢ254 darin wurde das Kupferstück gegossen, u[nd] dann in den Metallstempel eingeschlagen u[nd] mit dem Metallstempel schlug man dann255 (sie schlugen die Münzen [=] feriebant, cudebant. Ambos u[nd] Hammer[:] malleatio256, cudere, percudere, țંʌIJȦ[)] Der Stempel[,] die Matrix[,] wurde am Hammer befestigt u[nd] mit diesem Hammer auf die Münze geschlagen, die auf einem Ambos saß. Davon geben uns einige Münzen Anschauungen, so [ist] auf Kupfermünzen von Paestum die malleatio dargestellt (Friedländer, Annal.d’inst. 1860 t. q).257 Aus dieser Manipulation schreibt sich der eigenthüml[iche] Glanz der antiken Münzen her. Das Metall auf dem Ambos (Schrötling) wurde vorher linsenförmig gegossen. (Die alten ital[ischen] Münzen sind nur gegossen tres.v.a.a.a. flando feriundo)258 Urspr[ünglich] hatten die Münzen nur eine Prägeseiteii erhaben, auf der anderen vertieft (nummi incusi). Die Prägeartiii ist in Unterital[ien] in manchen Städten lange festgehalten. In der Regel machte man auf dem Ambos, um den Schrötling festzuhalten, ein Kreuz[,] u[nd] dieses prägte sich dem Schrötling ein[:] das quadratum incusum. Daß die Münzstücke urspr[ünglich] gegossen waren: sieht man daran, daß manchmal an der Münze noch ein Stück hängt (der Bart, la barbe). Auf diese Weise wurden die Stempel ungemein schnell verbraucht, wir haben daher die außerordentl[iche] Mannichfaltigkeit der Münzstempel. Bei dieser Kunst leisteten die Graveurs das Höchste. Die Technik im Ausprägen war nachlässig, häufig trifft der Hammer nicht die Mitte des Schrötlings, manchmal schlug man mehrmals auf, daher falsche Umrisse. Daher blieben auch hervorragende Theile aus, dann die Risse u[nd] Sprünge am Rand der Münzen. Die Verfertiger der Stempel wurden als Künstler angesehen, das bezeugen die Inschr[iften] der Künstler auf den Stempeln. Sie haben zwar mikroskop[isch] entdeckt werden i ii iii

die Stempelschneider : es. Prägeseite : Präge auf der einen Seite. Die Prägeart : Sie.

253 Vgl. Müller 1848, 447f. § 317. 254 Poll. X, 189; Photios s.v. Ȝ઀ȖįȠȢ Hesych s. v. ȜȚȖįȠ૨ ȤȠ੺ȞȘ 255 Die Münzdarstellung wurde erst in Erz oder gehärtetes Eisen graviert. Dann machte man eine Form von gebrannter Erde (Ȝ઀ȖįȠȢ)darin wurde der Schrötling gegossen. Der erste gravierte Stempel wurde in den Amboß eingelassen. Der Schrötling wurde auf den Amboß gelegt. Mit dem Hammer schlug man den zweitenStempel auf den Schrötling 256 malleatio nicht überliefert. 257 J. Friedländer, Della coniazione delle monete antiche I, AdI 31, 1859. 258 Tresviri aere argento auro flando feriundo.

200

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

müssen; daher haben die Alten wohl auch Gläser getragen. [S. 19]

11. 11.64 Das Graphito [ist gegeben], wenn man mit spitzen Instrumenten in das Erz einritzt, als Andeutung des Reliefs, Griffelzeichnungen auf dünn gehämmerten, geglätteten Metallplatten [=] lamina aerea. Zuweilen mit einer leisen Schraffirung begleitet. Dazu gehören die cistae, Körbe260, welche aus zusammengebogenen Metallplatten gebildet sind, sie dienten zur Bewahrung der Mysterien261 (Tib. I, 7, 48 occultis conscia sacris cista). Solche Cisten hat man bei Praeneste, das j[etzige] Palestrina, im Umkreis des Fortunatempels [gefunden]. In diesen cist[ae] hat man runde Metallplatten mit Griff u[nd] vorspringendem Rande gefunden. Die eine Seite ist glatt polirt, häufig etwas convex, die andere ist gravirt; diese [Geräte] sind entschieden Metallspiegel. Die berühmteste [Cista] ist die Ficoronische cista im Mus[eum] Kircherianum.262 Eine Hauptvorstellung mit [einem] Kranz von Sphynxen u[nd] Palmetten (Gerhard, Etrusk[ische] Metallspiegel Berl[in] 1862)263. Die Spiegelzeichnungen sind dem Stil nach in 3 Gruppen getrennt: 1.) mit verzerrten, ungriech[ischen] Figuren[,] 2. flüchtig u[nd] fabrikmäßig, aber richtig gezeichnete[,] 3.) eine durchaus edle, echt griech[ische] Zeichnung. Wir erkennen griech[ische] Sagen, aber auch etrusk[ische] Dämonologie, diese Verwachsung [von] Griech[ischem] u[nd] Etrur[ischem] macht die Deutung sehr schwer. Diese Metallspiegel haben auch Inschr[iften,] sowohl in Schrift als Namensform etruskisch. – Von der Bildkunst in Metall wird die andere Art der Ausführung durch sculpere, ȖȜ઄ijİȚȞ [abgegrenzt] (Quint. II, 21[, 9] nennti die Kunst mit Metall caelatura)[.] Die sculptura264 hat zum Material lignum, ebur, gemmas, marmor complectitur265. Von dem Holz gebraucht man das Verb ȟ੼Ȧdaher ȟંĮȞȠȞ Diese Holzschneidekunst war für den Cultus wichtig. Man scheute sich zuerst bei Götterbildern vor Erz u[nd] Stein [als Materialien]. Das Holz schien den Göttern näher zu stehen, auch war ihnen ja mancher Baum direct geweiht. Dionysos-Bilder aus Feigeni

nennt : nennen.

259 D. Raoul-Rochette, Lettre à M. le Duc de Luynes sur les graveurs des monnaies grecques (1831); Brunn, GK II, 415–440. 260 Besser: Kästen. 261 Heiligtümer. 262 Rom, Mus. Naz. di Villa Giulia, Inv. 24 787: Helbig III4 (1969) 840–848 Nr. 2976; R. M. Schneider, StEtr 60, 1994, 105–123; s. u. Anm. 1860. 263 Zu den Spiegeln: E. Gerhard, Etruskische Spiegel I–IV (1840–1867). Teil III, 1 erschien im Jahre 1862. 264 Vgl. Müller 1848, 428–432 § 309. 265 Quint., inst. II, 21, 9: Nam scalptura etiam lignum ebur marmor vitrum gemmas praeter ea quae supra dixi complectitur.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

201

u[nd] Rebenholz. Athena aus Ölholz, Asklepios aus Weiden[...] (Hdt. V, 82)266. U[nd] bei dem ältesten Cultus wurde die Gestalt nicht ebenbildl[ich] hergestellt (Stat. Theb. XII, 493 [f.] nulla [autem] effigies, nulli commissa metallo forma dei). Bes[onders] nahm man Cypressen-, Cedern-, Weinholz. Daher die Erklärung v[on] delubrum als ein[em] Baum, dem man die äußere Rinde abgenommen habe (nam felicium arborum cordice detracto ramos in effigiem deum formabant Serv. Aen. II, 285)267. Solche Götterbilder können wir namentl[ich] in Vasenbildern nachweisen. (Boetticheri, Baumcultus der Hell. Figur 42)268. Auch Ebenholz aus Aethiopien wurde benutzt (cf. Paus. VIII, 17, 2) (Über das Ebenholz Paus. I, 42, 5). An Stelle des Holzes trat später „Elfenbein“269, ohne zu wissen, wie das Material gewonnen wurde[, Beispiel:] ਙȖĮȜȝĮ ਥȜ੼ijĮȞIJȠȞ įȚ੹ ʌĮȞIJઁȢ ʌİʌȠȚȘȝ੼ȞȠȢ der Athena Alea (Paus. VI)270. Dann trat an die Stelle des Holzes der Stein271, wie der Erzguß an die Thonplastik. – Ganz Griechenland besteht aus Kalkstein, u[nd] wenn er so fein u[nd] so dicht ist, daß er Politur annimmt, so nennt man [ihn] Marmor (ȝ੺ȡȝĮȡȠȞ 272Der class[ische] Marmor ist der parische (Greco duro). Der pentelische Marmor ist nicht so rein, er hat Glimmereinschlüsse. – Am Marmor suchte man urspr[ünglich] das Weiße, Helle, Glänzende. Später suchte man farbige Steine u[nd] spielte mit ihnen: Für die Bacchusbüsten rothen Stein, denn die alten Büsten des Dion[ysos] u[nd] Priapus [wurden] mit Mennig bestrichen (Rosso antico), dagegen Nero antico für Thierbilder etc. – Auch die Bildhauer[ei] beginnt mit dem Bilden (fingere) des Modells. Um die Transportkosten zu vermindern, wurde das Bildwerk schon im Steinbruch zurecht gehauen. Die Marmorarbeit war wesentl[ich] 3fach: 1. das rein [S. 20] Handwerksmäßige, da wird von dem Modell mit dem Messzirkelii auf den Marmorblock übertragen: „ebuschiren“273, [...] 2.) dann löst der Künstler die anklebenden Glieder los, macht die tiefen Falten u[nd] Einschnitte. 3. Der eigentl[iche] Künstler macht nun die eigentl[iche] Oberfläche, die Augen, die Haare, die Haut, dieses ergibt den Hauch des Lebens. (Aufzeichnungen von Gottfr. Schadow von i ii

Boetticher : Boettiger. Messzirkel : Marmorcirkel.

266 Hdt. V, 82: Götterstatuen der Damia und Auxesia aus Ölbaumholz. 267 Serv. ad Verg., Aen. II, 225: delubrum effigies, a delibratione corticis dictum, nam antiqui felicium arborum ramos, cortice detracto, in effigies deorum formabant, unde Graeci ȟંĮȞĮdicunt. 268 C. Bötticher, Der Baumkultus der Hellenen nach den gottesdienstlichen Gebräuchen und den überlieferten Bildwerken dargestellt (1856) Abb. 42. 269 Vgl. Müller 1848, 436–438 § 312. 270 Paus. VIII, 46, 5: ਥȜ੼ijĮȞIJȠȢ įȚ੹ ʌĮȞIJઁȢ ʌİʌȠȚȘȝ੼ȞȠȞ. 271 Vgl. Müller 1848, 428–432 § 309. 310. 272 ȝ੺ȡȝĮȡȠȢ: Strab. IX, 1, 23 p. 399 (Attika); XIV, 1, 35 p. 645 (Chios). 273 Lies „ebauchieren“.

202

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Friedländer zur Feier seines 100jährigen Geburtstags)274 Schadow meint, die Alten müßten noch ganz andere Instrumente gehabt haben, wie wir.275 – Die Alten hatten sehr viel Praxis u[nd] haben daher manchmal frei darauf los gearbeitet. Aber [die] bes[ondere] Puristenhaftigkeit des Pasiteles wird erwähnt, qui nihil fecit, antequam finxit (Plin. XXXVI)276. Um das Marmorwerk zu vollenden, hatten die Alten die Einreibung mit Wachs (Ȗ੺ȞȦıȚȢ ਕȖĮȜȝ੺IJȦȞ277 Iuv. XII, 88 fragili simulacra nitentia vera.278) Dies conservirte die Oberfläche, diese Thätigkeit hieß auch țĮ૨ıȚȢ Vitr. VII, 9[,3]). Dann gab es dem Marmor einen warmen Ton, einen feinen Schimmer u[nd] dies sieht man noch jetzt an den alten Marmorwerken. Von dieser Behandlung zu unterscheiden ist die circumlitio (Welcker, zu Müller Archäol. § 110)279. Es ist dasselbe, was Quint. VIII, 5, 26 circumductio colorum280 nennt. Es geschah durch Verbrämung281 u[nd] Bemalung. Sie war so wichtig, daß Praxiteles282 [äußerte], ihm gefielen die Werke am besten, quibus Nicias (pictor) manum admovisset (Plin. XXXV, 133) tantum circumlitioni [eius] tribuit). [H. fol. 19 r.: Eine alterthümliche Artemis in Neapel kann uns davon eine Vorstellung geben.] Es ist jedenfalls kein vollständiges Bemalen. 14. 11. 64 Wir kommen zur Anwendung der Farbe bei der Plastik283. Früher hielt man es für geschmacklos, Farbe u[nd] Plastik zu verbinden. Da kam man zur polychromen Architektur (Quatremère de Quincy, Jupiter Olympique [als] 1. Werk dieser Art)284 u[nd] Skulptur. Die Griechen hätten für die allerhöchsten Leistungen der Skulptur Werke v[on] Gold, Purpur u[nd] Elfenbein gewählt. Der Architekt Semper285 (j[etzt] in Zürich) hat dies auf die Spitze getrieben, Gestalt u[nd] Farbe in 274 J. G. Schadow, Die Werkstätte des Bildhauers, in: J. Friedländer (Hrsg.), G. Schadow, Aufsätze und Briefe, nebst einem Verzeichnis seiner Werke. Zur hundertjährigen Feier seiner Geburt 20. Mai 1764 (1864. 2. Aufl. 1890) 56–65, bes. 58f. 275 Schadow a.O. 59. 276 Plin., n. h. XXXV, 156: laudat et Pasitelen, qui [....] nihil umquam fecit ante quam finxit. – Zu Pasiteles s. u. Anm. 1871. 277 Plut., mor. 287 b/c; Vitr. VII, 9, 3. 278 Iuv. XII, 88: accipiunt fragili simulacra nitentia cera. 279 Müller 1848, 431f. § 310, 4. 280 Quint., inst. VIII, 5, 26: nec pictura, in qua nihil circumlitum est, eminet. – „Circumductio colorum“ kein Zitat nach Quintilian, vgl. Müller 1848, a. O. 281 Cicumlitio = Fassung 282 Zu Praxiteles s. u. Anm. 1362. 283 Müller 1848, 430–432 § 310, 4.5. – V. Brinkmann, R. Wünsche (Hrsg.), Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur, Ausstellungskat. München (2. Aufl. 2004). 284 de Quincy 1814. 285 G. Semper, Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten (1834); ders., Die Anwendung der Farben in der Architectur und Plastik. In einer Sammlung von Beispielen aus den Zeiten des Alterthums und des Mittelalters erläutert. I. Dorisch-Griechische Kunst (1836).

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

203

der Kunst zu scheiden, sei unhellenisch und barbarisch. Fr. Kugler, Über die Polychromie 1835286 suchte ein gewisses System nachzuweisen, um in der Architektur die Details sichtl[ich] zu machen. Im Allgemeinen haben die Alten auch hier die Künste nicht so abstract getrennt. Die älteste Kunstübung übertrug von d[en] Holzbildern die Farbe auf den Stein, indem man farbige Steine wählte od[er] sie anmalte (Plat.Repl. p. 420 Ƞੂ ਕȞįȡȚ੺ȞIJĮȢ Ȗȡ੺ijȠȞIJİȢ287 signa picta, ਕȞĮș੾ȝĮIJĮ ʌȠȚț઀ȜȜİȚȞ Sturz, fr. Emped. p. 516288. die Ȥȡȣı૵IJĮȚ [sind] Vergolder289). Auch das ist gewiß, daß man zur Zeit sinkender Kunst durch Farbe mehr Pracht geben wollte. Aber in der wirkl[ichen] Kunstzeit trennte die Plastik Farbe u[nd] Gestalt. (Luc. imag. 7 nennt die Farbe, IJઁ ț੺ȜȜȠȢ IJઁ ਩ȟȦ IJȠ૨ ਕȖ੺ȜȝĮIJȠȢ 290 Bei den vollendetesten plast[ischen] Werken finden wir auch keine Farbenspuren. Die Tempelreliefs waren aber [nach Funden] in der letzten Zeit farbig. Auch an den Aegineten291 [sind] z. B. die Augäpfeln der Minerva, eingesetzt u[nd] bemalt, auch die Lippen waren bemalt; die Oberfläche ist dadurch besser erhalten. – Die Marmorbildnerei war die gefeierteste Gattung der Plastik, u[nd] geht durch alle Zeiten hindurch, sie ist vornehmer, der Stoff kostbarer, die Bearbeitung schwieriger, die Vervielfältigung unmögl[ich]. Der Marmorarbeiter beginnt als Handwerker u[nd] endeti [sein Werk] als Künstler, umgekehrt der Erzgießer. Beim Erz stört die Glätte, die Lichtreflexe beunruhigen. [H. fol. 19 v.: Das Ganze muß hier die Hauptsache thun, u[nd] hierin freilich ist der statuarius überlegen.] [S. 21] Heft II. Der Marmor erlaubt eine außerordentl[iche] Vollendung der Details, das Erz gewagtere Stellungen. [Marmor ermöglicht d]ie zarte Rundung des Gesichts, das schwellende Fleisch, das zarteste Muskelspiel, er ist eines lyr[ischen] Ausdrucks fähig. Die Künstler, die bes[onders] auf den seelischen Ausdruck gingen, waren Marmorarbeiter, so Praxiteles marmore felicior292. Der gute Marmor saugt das Licht ein, u[nd] dies ist der Unterschied vom Gips. (Goethe, Ital. Reise I, vom i

endet : schließt.

286 F. Kugler, Über die Polychromie der griechischen Architektur und Sculptur und ihre Grenzen (1835). 287 Plat., rep. IV, 420 CਕȞįȡȚ੺ȞIJĮ ȖȡĮijંȞIJĮȢ. 288 Empedokl. Frgt. 23, 1 Diels. 289 Plut., mor. 348 e 290 Lukian., im. 7: IJ੿ ț੺ȜȜȠȢ ਩ȟȦ IJȠ૨ ਕȖ੺ȜȝĮIJȠȢ Lukian., im. 7f. werden dann aber dem Bild Farben als zur vollkommenen Schönheit notwendig beigegeben. 291 D. Ohly, Die Aegineten I. Die Ostgiebelgruppe (1976); Die Aegineten II./III. Die Westgiebelgruppe. Die Gruppe auf dem Altarplatz, Akrotere etc. Tafelbd. (2001); WalterKarydi 1987, passim. – Zur Farbigkeit der Äegineten: V. Brinkmann, in: Bunte Götter. Die Farbigkeit antiker Skulptur, Austellungskat. München (2. Aufl. 2004) 84–113. 292 Plin., n. h. XXXIV, 69.

204

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Apollo im Belvedere)293 Laokoon294 u[nd] Niobe295[,] können wir uns nicht in Erz denken. – Die Marmorskulpturen [lassen sich in technischer Hinsicht unterteilen in]: 1. im gewachsenen Felsen ausgehauen[e] (Niobe am Sipylos296. Stark, Niobe297) 2. freie Skulpturen, statua, ıIJ੾ȜȘ Dabei war im Ganzen das Streben[,] Monolithe herzustellen. Od[er] wenn dies nicht ging, wußte man vortreffl[ich,] aneinander zu setzen. [H. fol. 20 r.: So finden wir bei den Aegineten feinen Kitt, beim Torso vom Belvedere Eisenstäbe.] Plin[ius] sagt, ex uno saxo Laocoonte[m] et pueros et miror (Plin. XXXIV, 38; XXXVI, 24)298 anguinum nexus. Unsere jetzige [Gruppe] ist aus 5 Stücken kunstreich zusammengefügt. [(]„Über die Reichthümer der Griechen an plast[ischen] Kunstwerken od[er] die Ursache derselben, v[on] Friedr[ich] Jakobs 1810“299[)] Die Römer waren erstaunt, in Eretria z. B. wenig Geld, Gold, aber eine Fülle von Bildsäulen u[nd] auch Kunstwerken (Plin. XXXIII, 16)300 [anzutreffen] (Plin. XXXIV, 7, 16 propter duo milia statuarum Volsinii expugnatum)301. – [Die Standbilder lassen sich nach ihrem Verwendungszweck in folgende Gruppen einteilen:] 1. Cultusbilder [als] ȟંĮȞĮ, Elfenbeinarbeiten, Marmorwerke, selten Erzwerke, 2. Prachtwerke, als ein Theil des öffentl[ichen] Schatzes. 3. öffentl[iche] Weihedenkmäler, aus dem Zehnten der Beute, zum Gedächtniß epochemachender Ereignisse, daher war der Krieg in Griechenland der Kunst förderl[ich] od[er 4.] Weihedenkmäler Einzelner u[nd] v[on] Körperschaften unter öffentl[icher] Autorität. țȠȜȠııȠȣȡȖ઀Į u[nd] țȠȜȠııંȢ bei Hdt.[,] Aesch.302 ein jon[isches] Wort zusammenhängend mit țȠȜȠț੺ȞȠȢ303 groß (Strab XIV)304. Mit der Idee des Kolosses hing zusammen, sie sollten zuerst von der Sonne beleuchtet 293 J. W. v. Goethe, Brief an Ch. v. Stein, Rom d. 20. Dez. 1786 in: Goethes Briefe (Hamburger Ausgabe³) II. Briefe der Jahre 1786–1805 (1988) 32; Italienische Reise I, Rom, den 25. Dezember 1786 (Hamburger Ausgabe, 10. Aufl. 1981; dtv, 5.Aufl. 1997) 151. 294 Rom, Vatikanische Museen Inv. 1059. 1064. 1067: Vatikanische Museen, Bildkatalog II, Taf. 62–79 S. 9*f. 295 Florenz, Galleria degli Uffizi Inv. 294: W. Geominy, Die Florentiner Niobiden (1984) 134–146 Abb. 147. 148. 296 Müller 1848, 43 § 64, 2. – K. Bittel, Die Hethiter. Die Kunst Anatoliens vom Ende des 3. bis zum Anfang des 1. Jts. v. Chr. (1976) 183 Abb. 204. 205; S. 333f. 297 Stark 1863, 98–109, § 13. 298 Plin., n. h. XXXVI, 37: ex uno lapide eum [Laocoontem] ac liberos draconumque mirabiles nexus de consilii sententia fecere summi artifices Hagesander et Polydorus et Athenodorus Rhodii. 299 F. Jacobs, Ueber den Reichthum der Griechen an plastischen Kunstwerken und die Ursache desselben (1810). 300 Liv. XXXII, 16, 17. 301 Plin., n. h. XXXIV, 34: propter MM statuarum Volsinios expugnatos. 302 ȀȠȜȠııંȢHdt,,Aisch., Ag. 416. - țȠȜȠııȠȣȡȖ઀ĮStrab. I, 1, 23 p. 14. 303 Hesych. s.v. țȠȜȠț੺ȞȠȢund țȠȜȠț੼ȞȠȢ 304 Strab. XIV, 2, 5 p. 652: Koloss von Rhodos.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

205

sein, daher bes[ondere] Sonnencolosse[:] altus Apollo (Bachofen, Lycien p. 64)305[.] Diese Colosse waren häufiger Erzwerke, ihre Aufstellung war technisch schwierig. [H. fol. 20 r.: bei Naturereignissen waren sie gefährdet, und dafür kamen Schutzmittel vor:] (Plin. XXXIV, 40) Sie wurden auf Drehscheiben gestellt, um sie nach dem Wind zu drehen. Im Gegensatz zu diesen gab es auch eine Miniaturbildnerei [(]਺ȡĮțȜોȢ ਥʌȚIJȡĮʌ੼ȗȚȠȢ Stat. Silv IV, 6, 35306 [spricht] von Praxiteles finesque inclusa per artos maiestas307[)]. Die gewöhnl[ichen] Statuen wurden vorzugsweise am Markt aufgestellt ıIJ੺ıȚȢ, bei den Gymnasien, nicht blos histor[ische] Gegenstände, sondern auch Figuren, die das Leben z. B. im Gymnasium in effigie ausdrückten (Vitr. VI)308 Für die Erhaltung dieser Denkmäler hat[ten] ਕȖȠȡĮȞȠȝ઀Į u[nd] ਕıIJȣȞȠȝ઀Į zu sorgen. (Inschr. Monatsber. der Berl. Akad. 1863 p. 266)309 Um sie zu schützen, setzte man sie unter ein Dach (Schol. Ar. Av. 1114 ȝȘȞ઀ıțȠȢ 310>@ Die Statuen waren entweder Einzelgestalten od[er] Gruppen, in letzteren bestand hauptsächl[ich] die Kunst der Alten (z. B. das Lutherdenkmal zu Worms u[nd] der Gegensatz gegen das Alterthum.) Die Alten wählten am liebsten [Gruppen von] 3 Figuren. – Die Einzelstatuen sind entweder bekleidet, halbbekleidet, od[er] unbekleidet. Die Darstellung des Nackten galt schon bei den Alten als Unterschied zwischen Hellen[en] u[nd] Barbaren. (Graecorum est, nihil velare Plin. XXXIV, 5.)311 Dieser Unterschied ist kein urspr[ünglicher] (Thuk. I, 6). Durch die Gymnasien u[nd] Athletik ist Nacktheiti Sitte geworden. Hdt. II, 133 ȖȣȝȞĮ੿ ਥȟİȚȡȖĮıȝ੼ȞĮȚ312 kannnur von eng anliegenden Gewändern gelten. Damit ist das Gewand nicht beseitigt, sondern gerade zu künstlerischem Ausdruck benutzt worden. So bei feierl[ichen] Statuen als Mittel der Schönheit, des eth[ischen] Ausdruckes, um den Blick auf die unbedeckten Theile zu leiten. Die weibl[ichen] Statuen wurden später als die männl[ichen] enthüllt. [H. fol. 20 v.: [Das] hängt mit der Entwicklung des Hetärenwesens zusammen.] i

Nacktheit : es.

305 J. J. Bachofen, Das lykische Volk und seine Bedeutung für die Entwicklung des Alterthums (1862) 64. 306 Stat., silv. IV, 6 Gedicht über den Hercules Epitrapezios des Lysipp im Besitz des Vindex, bes. Vs. 32–46; 50–58. 307 Stat., silv. IV, 6, 35f.: tantus honos operi finesque inclusa per artos / maiestas. – Werk des Lysipp, nicht Praxiteles. 308 Plin., n. h. XXXV, 5. 309 Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Juni 1863, in: Monatsberichte der königlich Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1863 (1864) 265–268. 310 Aristoph., av. 1114f. ; Schol. ad Aristoph., av. 1114 s. v. ȝȘȞ઀ıțȠȣȢ 311 Plin., n. h. XXXIV, 18: Graeca res nihil velare, at contra Romana ac militaris thoraces addere. 312 Hdt. II, 130, 2: ȟ઄ȜȚȞȠȚ țȠȜȠııȠ੿>@ ȖȣȝȞĮ੿ ਥȡȖĮıȝ੼ȞĮȚ

206

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Nach der Haltung können wir [die Statuen in] ruhige u[nd] bewegte [ein]theilen. Auch bei den [stehend] ruhenden [ergibt sich] der anmuthige Gegensatz zwischen Stützfuß u[nd] Spielfuß. [H. fol. 20 v.: Die sehr lebhaft bewegten waren nur in Erz darzustellen.] Die Bewegung[smotive] hatten bei den Griech[en] eine gewisse Tradition (ıȤ੾ȝĮIJĮ wie in der Rhetoriki herkömml[iche] Wendungen (șİȠ੿ ਫ਼ʌİȡȤİ઀ȡȚȠȚ >@ Dann das Gesetz des ȤȚĮıȝંȢ[, d. h.] rechter Fuß u[nd] linker Arm, linker Fuß u[nd] rechter Arm entsprechen sich. [S. 22]

15. 11. 64 Bezüglich der Gestenii hat sich etwas Conventionelles festgestellt. Sie sind hauptsächl[ich] auf der Bühne ausgebildet, beruhend auf den Gebärden des tägl[ichen] Lebens. (Iorio, Mimica dell’antichi investigata de gestire Napolitano)313 Großes Gewicht legten die Alten auf die Physiognomie, edle Symmetrie, einfache Linien, in der älteren Zeit ein ideales Streben. Sie strebten[,] eine kanonische Gestalt herzustellen, die volle gesunde Kraft mit ethischer Verklärung [verband]. Polyklets țĮȞઆȞ314 Das Individuelle trat mehr zurück. Aber sie hatten eine Wissenschaft der Physiognomik. Wir haben noch Bruchstücke aus ihrer physiognom[ischen] Litteratur (Franz, Scriptt. physiognomiae veteres 1788. Valentin Rose, Anecdota Graeca 1864.)315 Der Ausdruck der körperl[ichen] Wohlgestalt [war] früher vollendet, als der Ausdruck des Geistigen; in der schönen Menschengestalt suchten sie das Gottähnl[iche] darzustellen. [H. fol. 21 r.: Im Antlitz herrschte die Regelmäßigkeit der Linien vor.] Daher haben neuere Physiognomiker wie Lavater,316 sich verächtl[ich über die griechische Kunst] ausgesprochen. Später trat neben dieser idealen Richtung das histor[ische] Interesse ein, dieiii ikonischen Darstellungen317. Die älteren noch immer sehr ideal, später charakteristisch, bes[onders] gefördert durch den Fortschritt gelehrter Bildung (Plin. pariunt desideria non traditur voltus)318. Gefördertiv durch die Gründung großer Museen u[nd] Bibliotheken, anfangend in Alexandria u[nd] Pergamus. Dann i ii iii iv

Rhetorik : Redeweise. Bezüglich der Gesten : Es. die : der. Gefördert : Erweitert.

313 A. de Jorio, La mimica degli antichi investigata nel gestire Napoletano (1832). 314 Zu Polyklet s. u. Anm. 1206, zum Kanon Anm. 1226. 315 J. G. F. Franz, Scriptores physiognomiae veteres (1780); V. Rose, Anecdota Graeca et graecolatina. Mitteilungen aus Handschriften zur Geschichte der griechischen Wissenschaft (1864). 316 J. C. Lavater, Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Zweyter Versuch (1777. Nachdruck 1968) 64–70, bes. 68f. (zum Bild des Sokrates). 317 Gemeint sind Bildnisse. 318 Plin., n. h. XXXV, 9: pariuntque desideria non traditos voltus.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

207

namentl[ich] nach Rom verpflanzt, zuerst bei Asinius Pollio319 (viri, quorum imagines lavebunt hederae sequaces. Pers. prol.)320[.] Dieser Richtung verdanken wir die Menge [der] Portraitstatuen. Hier wurde die unvollkommene Form alter Standbilder, die Herme, verwendeti; aus dem Holzbild entwachsen, ein Kopf mit viereckigem Fußgestell, [so wurde] bes[onders] die Gestalt des Straßengottes [Hermes wiedergegeben], daher Herme. Die Form der Büste, sie setzt schon eine große Meisterschaft voraus; (voltus, ʌȡંıȦʌȠȞ ʌȡȠIJȠȝ੾ Denn man wagte es, im Kopf allein die ganze Persönlichkeit auszudrücken. In Rom [förderten] das ius imaginum u[nd] der Imperatorencultus [die Porträtbildung]. Bes[onders] interessant ist die Doppelbüste. Man gruppirte sie, wie auch die Götter[hermen]: Hermeroten, Hermherakles; Homer u[nd] Archilochos321, H[ero]d[o]t u[nd] Thuk[ydides]322, Soph[okles] u[nd] Eur[ipides]323, Epikur u[nd] Metrodor324, Arist[ophanes] u[nd] Menander325. Aber es gibt auch ganze Statuen, so die Sophoklestatue bei Terracina gefunden im Lateran.326 – Die Plastik in Verbindung mit der Architektur. Schon früher vor der griech[ischen] Zeit ist die menschl[iche] od[er] thierische Gestalt zum Tragen [von Architektur] benutzt worden, wie dannii bei den Griech[en. Dort heißen die Stützfiguren,] wenn sie männl[ich] sind (Vitr. VI, 10)327 ਡIJȜĮȞIJİȢ Telamones, entweder stehend od[er] knieend. – [H. fol. 21 v.: So waren am samischen Krater 3 kolossale Gestalten (Her. 4, 52)]. (Hdt. VI, 152)328 In Akragas im Zeustempel sind colossale Giganten (25 F.), die mit Arm u[nd] Kopf das Gebälk stützen329; i ii

verwendet : festgehalten. wie dann: so

319 Plin., n. h. XXXV, 9–11. 320 Pers., prol. 5f.: illis remitto, quorum imagines lambunt / hederae sequaces. 321 Doppelherme, Homer und Aischylos (früher als Archilochos identifiziert), Vatikan, Galleria Geografica, Inv. 2890: Richter, Portraits I, 50 Nr. 4; 68; 122 Nr. 2 Abb. 61–63. 580– 582. 322 Doppelherme, Herodot und Thukydides, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6239: Richter, Portraits I, 146 Nr.2; 148 Nr. 1 Abb. 810–812. 825–827. 323 Doppelherme, Sophokles und Euripides, z. B. Rom, Palazzo Torlonia (?):Richter, Portraits I, 129 Nr. 6; 135 Nr. 11. 324 Doppelherme, Epikur und Metrodor, Rom, Mus. Cap., Stanza dei Filosofi Inv. 52: Richter, Portraits II, 195 Nr. 1; 201 Nr. 1 Abb. 1149f. 1153. 1230–1232. 325 Doppelherme, Aristophanes (?) und sog. Menander, Bonn, Akad. Kunstmus.: Richter, Portraits I, 141 Nr. 2 a; II, 231 Nr. 18 Abb. 790–792. 1580–1582. 326 Sophoklesstatue, Rom, Vat. Mus., Mus. Gregoriano Profano ex Lateranense Inv. 9973: Vorster, Museo Gregoriano Profano II, 1, 154–159 Nr. 67 Abb. 297–308. 327 Vitr. VI, 7, 6. 328 Hdt. IV, 152: Der Greifenkessel des Samiers Kolaios im Heraion von Samos auf drei knienden, als Kolossen bezeichneten Bronzefiguren. 329 Zeustempel, Akragas: P. B. F. J. Broucke, The Temple of Olympian Zeus at Agrigento (Phil. Diss. Yale 1996) mit ält. Lit. Die Höhe des Telamons betrug 7, 50 bis 7, 60 m, ebenda 296.

208

[S. 23]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

weibl[iche Stützfiguren] nannte man (Vitr. l.c.)330 ȀĮȡȣ੺IJȚįİȢ, in Athen țંȡĮȚ Ersterer Namen von der Stadt ȀĮȡ઄Ș (Preller, Ges. Aufsätze p. 136.)331 Von den Karyatiden haben wir ein Relief in Neapel, ein Tropaion gehalten von Karyatiden332 (Ath. p. 242)333[.] Von ihnen zu unterscheiden die Kanephoren, acht attische Jungfrauen, Bilder anmuthiger Sittsamkeit u[nd] Frömmigkeit, in feierl[ichem] Prozessionsschritte334. Dabei müssen wir unterscheiden die wirkl[ich] stützenden u[nd] die scheinbar stützenden. (Als Beispiel für diesei in Thessalonichi die incantada.335) (In Sparta gab es eine Perserhalle[,] in der die Perser Gebälk stützten.336) – Das Relief. Alles, was aufgestellt wird, heißt ıIJ੾ȜȘ[der] genauere Name [für Relief lautet] IJઁ ਕȞ੺ȖȜȣijȠȞ[,] eigentl[ich] Schnitzwerk; dann IJ઄ʌȠȢ von erhabener Arbeit häufigerii. IJ઄ʌȠȚ Ȝ઀șȚȞȠȚ337 IJ઄ʌȠȚ ਥȖȖİȖȜȣȝ੼ȞĮ338 v[on] Reliefs ʌİʌȠȚȘȝ੼ȞĮ ਥȞ IJ઄ʌȠȚȢ339. ȖȡĮʌIJȠ੿ IJ઄ʌȠȚ340 können nur farbige Reliefs sein. Hierher der Name ȗ૶Į341, im allgemeinen Figuren, ȗ૶ȠȞ ਥȞોȞ ਕȞ੽ȡ ੂʌʌİ઄Ȣ342 Die Griecheniii haben nur unbestimmte Bezeichnungen [für die Skulpturengattungen], um so klarer ist die Skulptur in ihreniv verschiedenen Gattungen u[nd] Stilen ausgeführt. Bei den Aegyptern ist die Statue nichts als Hochrelief. Die Griechen haben die Trennung vollständig ausgeführt, obgleich sie für Basrelief u[nd] Hautrelief keine bes[ondere] Bezeichnung haben. Das Basrelief ist der Zeichnung am ähnlichsten. Das Hochrelief steht der freien Skulptur näher. So ist das Relief eine Art Übergang, nachzuweisen auf den Grabsteinen. Die Athener haben i ii iii iv

Als Beispiel für diese : So. häufiger : mehr. Die Griechen : Sie. ist die Skulptur in ihren : ist es in seinen.

330 Vitr. I, 1, 5. 331 L. Preller, De causa nominis Caryatidum, in: AdI 15, 1843, 396–406 Taf. P; ders. in: Ausgewählte Aufsätze aus dem Gebiete der classischen Alterthumswissenschaft von Ludwig Preller, Hrsg. R. Köhler (1864) 136–144. 332 Relief mit stützenden Karyatiden, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6715: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 150 Nr. 267. 333 Ath. VI, p. 241 e: das Dach mit der Linken stützen wie die Karyatiden. 334 Die Karyatiden der Korenhalle des Erechtheions. 335 Pilasterreliefs, ehem. Saloniki, Paris, Louvre Inv. 1391–1404: L. Guerrini, ArchCl 13, 1961, 40–70 Taf. 13–28; I. Baldassare, in: Studi Miscellanei 22. In memoriam di G. Becatti (1976) 21–35 Taf. 7–9. 336 Vitr. I, 1, 6; Paus. III, 11, 3. 337 Hdt. III, 88, 3. 338 Hdt. II, 136, 1; 148, 7. 339 Paus. II, 19, 7. 340 Eur. Frgt. 764 (Nauck). 341 Eine weitere Bezeichnung für Reliefdarstellung ist ȗ૶Į Hdt,, Plat., rep. VII, 515 A. 342 Hdt. III, 88, 3

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

209

beide Darstellungen343 vollständig entwickelt. Die Metopentafeln erst bemalt, dann skulpirt, ȗ૳ijંȡȠȢ344 wurde der t[erminus] t[echnicus] für [den] Fries, ein Basrelief, welches eine Continuität bildet. Reliefs, auf Säulen sindi erst später, zwischen den Cannelüren [wurde] eine Tafel eingelassen: ıIJȣȜȠʌȚȞ੺țȚȠȞ so in Kyzikos (Anth. Pal. III Thaten mutterliebender Söhne)345[;] columnae caelatae346, Relief an Tempelthüren, Reliefs an Marmorscheiben, Reliefs an Waffen (u[nd] a[nderes])[.] Endl[ich] Steinreliefs mit dem Charakter von Schnitzarbeit, in weichen Steinen[,] z. B. Speckstein, zu figurenreichen Schilderungen benutzt[,] z. B. Tabula Iliaca347. Im Ganzen ist die Zahl der Reliefs ungemein groß; dieses war die gewöhnl[iche] Form des Anathemas. Bes[onders] wichtig ist es, daß das Relief mehrere Figuren zusammenstellt. Es ist also gedankenreicher [als die statuarische Plastik]. (Zoega, Bassirilievi.)348 Die Gold-Elfenbeintechnik (Quatrèmere de Quincy, Jupiter Olymp.)349 Das [Merkmal ist ein] Zusammengehen von Farben- u[nd] Formenentwicklung,350 eine Kunst, die ganz im Dienste des Cultus erwuchs vonii oriental[ischem] Typus, in dem das äußere Gepränge hier mehr hervortritt. Die Anfänge dieser Kunst sind in Asien zu suchen. Die kar[ischen] u[nd] mäon[ischen] Frauen gebrauchten zuerst geglättetes Elfenbein[, um es] als Substrat v[on] Farben zu benutzen;351 u[nd] dann [wurde Elfenbein] vielfach benutzt im Orient, zum Schmuck v[on] Palästen, Thüren, Thronen, bes[onders] in Assyrien, in den Palästen Ninives viele Schnitzereien (A. Test.)352[.] Die Griechen haben die Elfenbeinplatten aus dem Orient bekommen u[nd sie] benutzt[en], bei der Ausstaffirung ihrer Idole, Elfenbein u[nd] Purpur in künstl[erischer] Technik. Daraus die chryselephantine Kunst. – 17. 11. 64 Wir finden das Elfenbein, bei Mobilien, Betten (Paus. V, 20[,1 f.])[,] Tischen zu religiösen Zwecken (in Delphi) tektonisch angewandt. Bei diesen Arbeiten lerni ii

sind : ist. von : mit.

343 344 345 346 347

Im Sinne von Darstellungsweisen. zophorus: Vitr. III, 5, 10. 11. 13; IV, 1, 2. Anthologia Graeca Buch III. Plin., n. h. XXXVI, 95. A. Sadurska, Les tables iliaques (1964); G. Moretti, in: Tradizione e innovazione nella cultura greca da Omero all’ età ellenistica. Scritti in onore di B. Gentili (1993) 143–153; N. Valenzuela Montenegro, Die Tabulae Iliacae. Mythos und Geschichte im Spiegel einer Gruppe frühkaiserzeitlicher Miniaturreliefs (2004). G. Zoega, Li bassirilievi antichi di Roma incisi da T. Piroli colle illustrazioni di G. Zoega pubblicati in Roma da P. Piranesi (1808). de Quincy 1814. - Vgl. Müller 1848, 436–438 § 312. Gurlitt: Farben- u[nd] Formenentwicklung, Hiller fol. 22 r.: von Malerei und Skulptur. Hom., Il. IV, 141–145. 1. Könige 10, 18–20.

348 349 350 351 352

210

[S. 24]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

ten die Griech[en] die Behandlung des Elfenbein in uns unbegreifl[icher] Technik. Sie wußten[,] das Elfenbein ʌȡ઀İȚȞi (Paus. V, 12, 2) in großen Platten zu schneiden, mit Anwendung von Wärme zu biegen u[nd] dann aneinander zu fügen (țȠȜȜ઼Ȟ ૧ȣșȝ઀ȗȦ353 mit Hausenblase354 (Ael. hist. an. XVII, 32)355[.] Dann das Verbinden mit Gold ਥʌĮȞș઀ȗİȚȞ IJ૶ Ȥȡȣı૶356 Das führte zur großartigen Ausführung dieser Kunst in der Perikleischen Zeit, es kam darauf an, Bilder zu schaffen, die den Reichthum des Staates zu repräsentiren u[nd] die Vorstellung von der Gottheit ganz auszudrücken [vermochten]; man stellte ein tektonisches, statuarisches, malerisches Kunstwerk [her]. In Athen wurde die Kunst benutzt, um einen Theil des [Staats]schatzes in einer Kunstform als ਕȞ੺șȘȝĮ aufzustellen357, das als letzter Nothpfennig der Stadt galt. (Phill. 1861 p. 84.)358 Es war ein Schaustück[,] nur an Festtagen zu sehen u[nd] dann zusammengesetzt, es war ein Kunstwerk[,] schwer zu erhalten, Hitze u[nd] Dürre trieben die Platten auseinander. Sie bedurften künstl[icher] Anfeuchtungen, man legte bei ihnen Cisternen an. Sie waren unter der Aufsicht von Phaidrynten359 in Olympia der Familie des Phidias als erbl[iches] Ehrenamt gegeben. (Paus. IV, 31, 6 es bedurfte noch fremder Hilfe. Damophon)[.] Von diesen Werken ist nichts auf uns gekommen, sieii waren Gerüste, die zerfielen, wenn sie nicht beachtet wurden (Luc. somn. s. Gallus 24). [H. fol. 22 v.: Hier hat sich die griechische Kunst am Meisten von der Solidität und Einfachheit entfernt.] – Hierhin gehören auch die kolossalen Werke, deren Rumpf aus Holz war u[nd] nur die Extremitäten, Kopf, Hände, Füße aus edlem Material oder der Körper Gyps, der Kopf Gold oder Elfenbein (Paus. I, 44, 4)360 (Paus. I, 48, 6)361[.] Es wurden Nilpferdzähne erwähnt. Die Miniaturskulptur (įĮțIJȣȜȚȠȖȜȣijȚț੾, įĮțIJȣȜȚȠȣȡȖ઀Į 362 >Ihre Schwierigkeiten sind:]  Bewältigung des härtesten Stoffes. 2. Die Arbeit auf kleinstem Raume. – Die Technik dieses Zweiges ist der Stempelschneidekunst verwandt. U[nd] nächst den Münzen ist keine antike Gattung in solcher Fülle zu uns gekommen. Kunstgeschichtl[ich] untergeordnet; denn die griech[ische] Kunst ist auch hier i ii

ʌȡ઀İȚȞ: țȡ઀İȚȞ sie: es.

353 354 355 356 357 358

Lukian., hist. conscr. 51. Hausenblase, d. i. Fischleim. Ael., nat. anim. XVI, 32. Lukian., hist. conscr. 51. Athena Parthenos des Phidias im Parthenon. C. Boetticher, Über agonale Festtempel und Thesauren, deren Bilder und Ausstattung I, in: Philologus 17, 1861, 391. Paus. V, 14, 5. Paus. I, 42, 4. Paus. VIII, 46, 4. Vgl. Müller 1848, 80f. § 97; 438–447 § 313–315.

359 360 361 362

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

211

nicht ganz selbstständig. Die gewöhnlichste Form ist der scarabaeus, die untere Seite ein Käfer, auf der Rückseite die eigentl[iche] Arbeit. Der scarabaeus ist ein heiliges Thier, aber nur in Aegypten, dem Phtha (Vulcan) heilig. Die Skarabäen stammen aus Aegypten, [verbreiteten sich] dann nach Assyrien, Phönizien u[nd] von hier ins Mittelmeer[gebiet]. Herakles soll in Lakonien die geschnittenen Steine eingeführt haben. Wir unterscheiden 1. die vertieft geschnittenen Steinen „intaglioni“ [intagli]. Sie dienen zum Siegel[n], ıijȡĮȖ઀Ȣ Stempel, auf Briefen, Testamenten, Thüren etc.[,] verschließend u[nd] beglaubigend. Zu den Stempeln nahm man also Zeichen, die schwer nachzuahmen waren. So zunächst wurmstichige Hölzer, șȡȚʌȘį੼ıIJĮIJĮ ıijȡĮȖ઀įȚĮ [(]Ar.Thesm.363[,] Hes. s. v. șȡȚʌં>ȕ@ȡȠșȠȢ Xen. Hell. VII, 1, 39 ਩įİȚȟİ IJ੽Ȟ ȕĮıȚȜ੼ȦȢ ıijȡĮȖ૙įĮ cf. Thuk. I, 129[,1]). Zu diesem Siegel benutzte man bedeutungsvolle Zeichen. So die Perser mit dem Kyroskopf (Schol. Thuk., l. c)[,] [H. fol. 22a r.: die spartanischen Könige mit dem Kopf des Polydoros,] Polykrates siegelte mit einer Lyra, Aug[ustus] mit einer Sphynx.364 Wie alt die Verbreitung des Siegelrings ist, zeigen die solon[ischen] Gesetze, kein Siegelschneider dürfe ein 2. Exemplar für sich behalten. (Diog.L. I, 57[;] ʌĮȡĮʌȠȚİ૙ıșĮȚ ıʌȡĮȖ૙įĮ Thuk. I, 182.365) Die Arbeit. Erst wurde der Stein geschliffen [vom] politor, dann geschnitten v[om] scalptor. Die Instrumente wurden durch Naxische Erde geschärft u[nd] gehärtet366. Beim edlen Stein zweifache Technik [:] 1. Anwendung des Rades. 2. Anwendung des Diamants. Man nahm Stücke des Diamants, schloß sie in Eisen ein u[nd] bearbeitete den Stein (Plin. XXXVII)367. Beim Rad[: Man] nahm die Stifte, faßte die Stifte in ein Rad (cavare)368 u[nd] durch die rotirende u[nd] stoßende Bewegung konnte man den Stein bewältigen. Der Diamant (zuerst Theophr. de lapidibus 32369. Mor. Pinder, de adamante 1829).370 Mit Hilfe des Adamas (Solinus ed. Mommsen p. 214)371 wurden alle Edelsteine bewältigt. Die alten Namen der Edelsteine sind zu uns herübergenommen, aber nicht für dieselben Steine. Die Alten berücksichtigten bes[onders] die Farben u[nd] unterschieden die acrius fulgentes als männl[ich], die languidius fulgentes als weibl[ich].373 [H. fol. 22 v.: Die

363 Aristoph., Thesm. 427 364 Polykrates: Clem. Alex., paid. III, 59 p. 289 P. – Augustus: Plin., n. h. XXXVII, 10; Suet., Aug. 50. 365 Thuk. I, 132, 5: ʌĮȡĮıȘȝȘȞ੺ȝİȞȠȢ ıijȡĮȖ૙įĮFälschung des Siegels am Brief des Pausanias an den Großkönig. 366 Plin., n. h. XXXVI, 10. 367 Plin., n. h. XXXVII, 60. 368 (cavare), aushöhlen, bezieht sich auf folgendes „Stein bewältigen“, vgl. Plin., n. h. XXXVII, 60. 369 Theophr., lap. 19. 370 M. Pinder, De adamante commentatio antiquaria (1829). 371 Solin., Coll. 52, 56. – Adamas in der Bedeutung von Diamant. 372 Plin., n. h. XXXVII, 1; 29. 373 Plin., n. h. XXXVII, 92.

212

[S. 25]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Form wurde wenig berücksichtigt.] Plat. Tim. p. 16 beachtet zuerst die Form eines Krystalles374, später auch sexangula. Man färbte auch die Steine. Die neuere Behandlung des Edelsteins achtet nur auf das Licht, durch künstliches Facettiren, die Alten benutzten alle Steine zu künstlerischen Darstellungen. – Auch diese Steine sind nicht blos Mittel zum Zweck[, etwa des Siegelns], sondern wegen Material u[nd] Farbe ein Kunstwerk an sich. Fast alle Skarabäen, die uns erhalten sind, sind durchlöchert u[nd] wurden also als Schmuck getragen. – Das Relief erscheint [erhaben] auf dem Steine selbst: 2. die Reliefgemme od[er] Cameo. In diesen zeigte sichi in der Kaiserzeit der echte Luxus, eine Abart der griech[ischen] Kunst, man benutzte die verschiedenartigen Steinlagen zu buntfarbigem Relief. Das berühmteste Werk ist das Onyxgefäß des Beuth in Berlin375, [gefertigt] in Bezug auf die Geburt eines Knaben der jul[ischclaudischen] Familie, ferner die Onyxschale in Neapel376, eine Scheibe, auf der Vorderseite Figuren enthaltend, aus der weißbläulichen Schicht geschnitten, der Grund gelbbräunlich, auf der hinteren Seite der Schale eine Aegis u[nd] ein Medusenhaupt. Die Pariser Gemmen sind wirkl[ich] histor[ische] Denkmäler der Kaiserzeit. Von allen Kunstdenkmälern des Alterthums sind die Gemmen am wenigsten von der Erde verschwunden. Als Schmuck der Statuen, hoher Standespersonen, Amulette sind sie erhalten, daher haben sich große Sammlungen gebildet, schon im Alterthum bes[onders] in Kyrene. Höhere Bedeutung erhalten die Edelsteine, wenn sie Künstlernamen enthalten gemmae litteratae (corp. inscr. [graec.] III, Brunn, Künstlergeschichte 2. Band.)377 Mit Gemmae litteratae ist in alter u[nd] neuer Zeit viel Betrug getrieben worden Die Echtheit [H. fol. 23 r.: der Berliner Gemmen] ist bes[onders] von Köhler379 stark bezweifelt worden, er wollte nur die kaiserl[ich]russischen anerkennen. Die älteste Gemmeninschrift. ǻİȟĮȝİȞઁȢ ਥʌȠ઀İȚ ȋ૙ȠȢ380 (Stephani 1862.)381 Man meinte früher, daß alle Inschr[iften] mit dem Imp[er]f[ekt] nach Ol. [H. fol. 23 r.: 150]382 fallen. Im Ganzen haben die Gemi

zeigte sich : trat.

374 Plat., Tim. 53 D–55 C. 375 Berlin, Antikensammlung Inv. FG 11362: E. Zwierlein-Diehl, Das Onyx-Alabastron aus Stift Nottuln in Berlin, BWPr 138 (1999). 376 Tazza Farnese, Neapel, Mus. Naz. Inv. 27611: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 86 Abb.; 222f. Nr. 1; C. Gasparri (Hrsg.), Le gemme Farnese (1994) 10f. Abb. 1.2; 74–83 Abb. 96– 100. 103–105; 139 Nr. 1. 377 CIG III Nr. 7029–7372; Brunn, GK II 443–637. 378 Plin., n. h. XXXVII, 197–200: Unterscheidung echter von falschen Edelsteinen. 379 L. Stephani (Hrsg.), Heinrich Karl Ernst Köhlers Gesammelte Schriften, Bd. 3, Abhandlungen über die geschnittenen Steine mit Namen der Künstler (1851). 380 St. Petersburg, Ermitage Inv. Û-O 24: J. Boardman, Greek Gems and Fingerrings (1970) 194–199. 288 Abb. 268. 381 L. Stephani, CRPétersburg 1861, 146–153 Taf. 6, 10. 382 Ol. 150, d.i. 180–177 v. Chr.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

213

men privaten Charakteri. Kunstgeschichtl[ich wichtig] sind sie, wo sie berühmte Kunstwerke reproduciren. 18. 11. 64 Dann trat an die Stelle des Edelsteins der Glasfluß383 (੢ĮȜȠȞ od[er] ੢İȜȠȞ ȤȣIJ੽ Ȝ઀șȠȢ . Er wurde auch als Pretiose betrachtet (Hdt. II, 69[, 2] ਕȡIJ੾ȝĮIJĮ Ȝ઀șȚȞĮ ȤȣIJ੺  [Er war] bes[onders] bei den Aegyptern zu Hause. H[ero]d[o]t kennt den Namen ੢ĮȜȠȢ noch nicht, erst bei Aristoph[anes belegt] u[nd] auch dann sind alle ਫ਼ĮȜ઼ sehr selten u[nd] kostbar (ਫ਼੺ȜȚĮ ਥțʌઆȝĮIJĮ Ar. Ach. 73)384. Namentl[ich] in Alexandrien verdrängte das Glas nach u[nd] nach den Thon, man machte auch große Glasplatten (੢İȜȠȚ ʌ઀ȞĮțİȢ Ath. p. 129.)385 Dann über die ganze alte Welt [verbreitet und aus ihm] Scheiben, Gefäße, Zierathe [hergestellt] (Strab. p. 758)386[.] Das Glas wurde geblasen u[nd] geschliffen von ਫ਼ĮȜȠIJ੼ȤȞĮȚ od[er] ਫ਼İȜȚȞȠʌȠȚȠ઀[,] u[nd] Glaspasten nannte [man] ıijȡĮȖ૙įİȢ ਫ਼੺ȜȚȞĮȚ387 Auch in dieser Technik haben die Alten Bedeutendes u[nd] manches Unnachahml[iche] geleistet. So hatten sie im Glasmosaik bunte Glasfäden zusammengesetzt u[nd] so verschmolzen, daß sie nicht zusammenflossen (im Berl[iner] Museum.)388 – Wir haben Gefäße aus buntem Glase, aus Glasflusse mit Relief im Glase ciselirt. Von dieser Technik ist ein Werk erhalten, die Portlandvase389, ein unicum, aus blauem u[nd] weißem Glasfluß, 1845 von einem Besucher zerschlagen, aber wieder zusammengesetzt, zieml[ich] glückl[ich] zusammengesetzt. Dann auch [Gläser] in attischen Gräbern; in röm[ischer] Zeit wurde die Glasherstellungii sehr gepflegt. – (Plin. XXXVI, 66)390[.] Die Cälatur des Glases. vas nitreum Popoloniense (v[on] Mercklin, Dorpat 1851.)391 Hierher gehören auch die vasa myrrhina (Plin. [H. fol. 23 v.: 32,2; 37,7])392 mit Glanz, Farbe, Wohlgeruch (Räthselhaft.) i ii

privaten Charakter : Privatbeziehungen. die Glasherstellung : sie.

383 384 385 386 387 388

Vgl. Müller 1848, 445–447 § 316. Aristoph., Ach. 74. Ath. IV, 129 e: ਫ਼İȜȠ૨Ȣ ʌ઀ȞĮȟ Strab. XVI, 2, 25 p. 758. CIG I Nr. 150 B Z. 34.37. Vermutl. Gefäße in Sandkerntechnik, vgl. die Berliner Stücke: E. Rohde, FuB 20/21, 1980, 141–155. London, Brit. Mus. 4036: E. Simon, Die Portlandvase (1957); W. Gudenrath – K. Painter – D. Whitehouse u. a., JGS 32, 1990, 12–188; D. Haynes, JHS 115, 1995, 146–152; J. Hind, ebenda 153–155; R. Lierke, Die Portlandvase, Antike Welt 27, 1996, 191–207. Plin., n. h. XXXVI, 190–195: Glas und Glasherstellung. L. Mercklin, De vase vitreo Populoniensi (1851). Plin., n. h. XXXVII, 18–22.

389 390 391 392

214 [S. 26]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Kunstdarstellung auf ebener Fläche [erfolgt] durch Zeichnung: 1. Durch Auftragen v[on] nassen Farbstoffen,393 2. Durch Zusammensetzen farbiger Steine u[nd] Gläser.394 D[as sind d]ie Malerei u[nd] das Mosaik. 1. Malerei (ȖȡĮijȚț੽ IJ੼ȤȞȘ Bei deri Zeichnung ist bei den Alten die klare Umrißzeichnung die HauptsacheDie Alten zeichneten mit klaren, scharfen Contouren (ȖȡĮȝȝ੽Ȟ ਦȜțȠ૨ıĮȚ ıțȚĮȖȡĮij઀Į ıțȚ੹Ȟ ʌİȡȚİȞİȖțİ૙Ȟ Umrißzeichnung) wie unsere Bildhauer. Dann ʌȠȚț઀ȜȜİȚȞ bei Emped[okles]395 für Malen. – Die Umrißzeichnung (Stat. Silv. IV, 6 linea, quae veterem longe Apellem ostendit)396 läßt den Meister erkennen. Die Zeichenkunst ist daher die Grundlage, auch Vorschule der anderen Kunst. (Nikom. fr. com. Meineke 4, 583 ਕȜȜ’ ਩ȝʌȡȠıșİȞ įİ૙ ȗȦȖȡĮij઀ĮȢ ਸijșĮȚ 397 ਕțȡ઀ȕİȚĮ IJ૵Ȟ ȖȡĮȝȝ૵Ȟ398 Hauptsache. Dann erst die Farbe zur Ausfüllung. Wie in der Arch[itektur] zu deutl[icher] Gliederung [verwandt]. Die Malerei ist illuminirte Umrißzeichnung[, daher]: ਥʌȚȤȡ૵ıĮȚ ਙȞșİıȚ ijĮȚįȡ઄ȞİȚȞ Über dieTechnologie der Malerei: Poll. VII, 129) Malerei u[nd] Relief sindii im Alterthum sehr verwandt. Die Farbe wurde sparsam verwandt. Aus dem Alterthum sindiii reine Zeichnungen überliefert[,] mit Rothstift [gefertigt]: Monochrome. So aus Stabiä, Niobe mit Freundinnen u[nd] Kindern spielend.399 Ein Relief in Oropos[,] den Amphiaraos mit Viergespann darstellend, dasselbe in einem herculaneischen Monochrom auf Marmor.400 Die eigentl[iche] Malerei hebt an, wenn die Form nur auf der ebenen Fläche dargestellt wird, wenn die plastische Form zurücktritt, die Gestalt nur durch Täuschung hergestellt [wird] (mentito corpore verae Stat. p. 409 ed. Hand.)401 Das ideelle Prinzip der Malerei ist uns verwandter, zugänglich[er,] ansprechender. Dies ist ein Hauptunterschied [der] neue[n] u[nd] alte[n], [der] christl[ichen] u[nd] heidnische[n] Zeit. Skulptur verstehen wir erst durch Bildung des Auges, nur Wenige haben ein Verständniß dafür; dazu i ii iii 393 394 395 396 397 398 399

Bei der : Die. sind : ist. sind : haben.

Müller 1848, 449–458 § 318–321. Müller 1848, 458–462 § 322. Emped. Frgt. 23,1 Diels. Stat., silv. IV, 6, 29f.: linea quae veterem longe fateatur Apellen, / monstrabit. Ath. VII, 291 a, Nikomachos Frgt. 1 Kock. Dion. Hal., Is. 4: ȖȡĮijĮ੿>@ਕțȡȚȕİ૙Ȣ į੻ IJĮ૙Ȣ ȖȡĮȝȝĮ૙Ȣ Marmorgemälde des Alexandros, aus Herculaneum, Leto mit Niobe und ihren Kindern, Neapel, Mus. Naz. Inv. 9562: LIMC VI (1992) 261 Nr. 50 s. v. Leto Taf.135 (L. Kahil); ebenda 267 Nr. 1 s. v. Leto/Latona (G. Berger-Doer); ebenda 909f. Nr.1 s. v. Niobe (M. Schmidt). 400 Weihrelief, aus Oropos, Berlin, Antiken-Sammlung Sk725: LIMC I (1981) 702 Nr. 67 s. v. Amphiaraos (I. Krauskopf) Taf. 566. – Marmorgemälde, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. 9564: ebenda 702 Nr. 68 Taf. 567. 401 Stat., silv. IV, 6, 21: mentito corpore ceras, ed. E. Courtney (Oxford 1990); P. Papini Stati Silvae I, 1–3 ed. F. Hand (Leipzig 1817).

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

215

gehört Übung des Auges, Kenntniß des nackten Körpers, der nackte Körper [in seiner Anatomie aber] ist zu wenig bekannt, die Skulptur kann daher nicht populär werden. Die Malerei greift mehr zum Gefühl; denn sie wirkt durch viel geistigere Mittel, [wie] Licht u[nd] Schatten; daher tritt in ihr das Seelenhafte, Geistige hervor. Die antike Malerei neigte sich zur Plastik, umgekehrt in der Neuzeit. Die ant[ike] Malerei beschränkte sich auf plastische Formen, [war] also beschränkt. – Für die antike Malerei war die Thonmalerei eine gute Vorschule, die Maleri lernten da, rasch, keck u[nd] frisch malen, daher der schnelle, frische Auftrag. Die neueren Stoffe gewöhnen leicht an zögernde, furchtsame Zeichnung. Wir finden [in der griechischen Malerei] die Figuren plastisch auseinander gehalten, keine Figuren deckten die andere[n], bei den Gewandfiguren sind die Glieder genau angegeben, die Gewänder machen nur die Bewegung klar; alles Nebensächl[iche] wird nur angedeutet. Alles kam darauf an, der menschl[iche] Vorgang soll klar in die Augen springen. – Die Alten haben mit wenig Farben angefangen. Sie hatten 4 colores austeri (Plin. XXXV, 32)402[,] die 4 Grundfarben: Weiß (melische Erde, vulcanisch)[,] Roth (ȝ઀ȜIJȠȢ Mennig, rubrica)[,] Gelb (੭ȤȡĮ eine metall[ische] Erde)[,] Schwarz (ȝ੼ȜĮȞ aus Pflanzenstoff)[.] Diese Grundfarben wurden früher kräftig, unvermittelt nebeneinander gesetzt (simplex color). (Erst später ıȣȝȝ઀ȟĮıșĮȚ od[er] ıȣȖȤ੼ĮıșĮȚ ȤȡઆȝĮIJĮ – Die Skulptur sorgte für den Cultus, aber auch die Malerei diente zur Ausstattung gottesdienstl[icher] Räume u[nd] zwar im Inneren; die gewirkten Teppiche vertretend, erst mit Mustern[,] dann mit Figuren geschmücktii. Man konnte hierfüriii die Wände mit Holz ver- [S. 27] kleiden, od[er] mit Stuck bewerfen (opus tectorium für Malerei).403 Beide wurden bemalt. Solon verbot, die Gräber (Cic. Legg. II, 26) sepulcrum opere tectorio exornari404. Diese Malerei konnte ਥij’ ਫ਼ȖȡȠ૙Ȣ405 erfolgen (al fresco) od[er] die Farben wurden auf den trockenen Stuck aufgetragen, durch Gummi, Harz, Leim auf dem Stuck befestigt. Außerdem wurde auf Holz gemalt, auf Holztafeln wurden Gemälde ausgeführt, von der Palette aus, die Holztafel[n] (ʌ઀ȞĮțİȢ auf einer Staffelei (ੑțȡ઀ȕĮȢ țȚȜȜ઀ȕĮȢ Pol. VII, 129 [; X, 163]). Diese [Holzbilder] wurden dann in die Wand eingelassen. Über das Verhältniß der Holzmalerei u[nd] der Wandmalerei ist jetzt ein heftiger Streit. (Plin. XXXV, 37, sagt, nulla gloria artificum est, nisi eorum, qui tabulas pinxerunt)406. Darauf stützt sich Raoul Roi ii iii

die Maler : sie. geschmückt : schmückte. hierfür : dann.

402 403 404 405 406

Plin., n. h. XXXV, 30; XXXV, 50. Vitr. VII, 5, 8; 11, 2. Cic., leg. II, 64–65. Plut., mor. 759 c: ਥij’ ਫ਼ȖȡȠ૙Ȣ ȗȦȖȡĮijİ૙Ȟ Plin., n. h. XXXV, 118: Sed nulla gloria artificum est, nisi qui tabulas pinxere.

216

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

chette, de la peinture sur mur chez les anciens, Paris 1833.407 Alle ansehnl[ichen] Bilder sind Staffeleibilder. Dagegen Letronne, lettres d’un antiquaire à un artiste.408 Die ältere Malerei sei IJȠȚȤȠȖȡĮij઀Įgewesen. In neuerer Zeit hat Brunn, Künstlergeschichte 2. Band409 sich für Letronne ausgesprochen. Welcker aber, Alte Denkmäler IV, neigt sich Raoul Rochette zu.410 Beide Malereiarten waren bei den Alten eingeführt u[nd] bestanden nebeneinander. Daß in späterer Zeit nur Staffeleibilder von bedeutenden Künstlern gemalt sind, ist klar. Aber wie hat Polygnot411 seine Bilder gemalt[?] Synesios ep. 54, 135 [H. fol. 24 v.: 54 + 135]412 sagt, der Proconsul hätte aus der [ıIJȠ੹@ ʌȠȚț઀ȜȘ die Polygnot Tafeln genommen. – 21. 11. 64 Aedem pingere u[nd] ähnl[iche] Ausdrücke lassen nicht annehmen, daß nur eingesetzte Tafeln angewandt wurden. Synes[ios] sagt, IJ੹Ȣ ıĮȞ઀įĮȢi ਕijİ઀ȜİIJȠ413 ıĮȞ઀įİȢ kommt häufig für Wandgemälde vor. Theodoret, ein Zeitgenosse des Synes[ios,] scheidet ıĮȞ઀įİȢ v[on] dem IJȠ૙ȤȠȢii Cic. Verr. sagt, parietes tabulis vestire414. In Rom besaß man Gemälde Polygnots u[nd] solche Wanderung v[on] Gemälden ist nur denkbar, wenn sie auf Tafeln gemalt waren. Schon in alter Zeit ist v[on] Wettkämpfen der Maler die Rede, auch dies kann nur in Tafelgemälden geschehen sein. In späterer Zeit war die Wandmalerei jedenfalls ganz zurückgetreten. Erst [nach] Polygnot im peloponnes[ischen] Kriege (Plin. XXXV, 60) wurde durch Apollodoros eine auf die Sinne wirkende Malerei geschaffen: ante Apollodorum nulla tabula ostenditur, quae tenet oculos415. – [H. fol. 25 r.: Ueber die Technik der älteren Zeit ist kein genügender Schluß zu machen.] – Wie die i ii

ıĮȞ઀įĮȢ : ıĮȞަįİȢ. IJȠ૙ȤȠȢ : IJİ߿ȤȠȢ

407 D. Raoul-Rochette, Journal des Savans 1833, 363 ff. 408 A.-J. Letronne, Lettres d’un antiquaire à un artiste sur l’emploi de la peinture historique murale dans la décoration des temples et des autres édifices publics ou particuliers chez les Grecs et les Romains (1835). 409 Brunn, GK II, bes. 60–68. 410 F. G. Welcker, Alte Denkmäler IV. Wandgemälde. Die Ternitischen Wandgemälde von Herculaneum und Pompeji (1861) 220–249. 411 Zu Polygnot s. u. Anm. 1622. 412 Synes., epist. 51; 135. 413 Synes., epist. 135 414 Cic., Verr. II, 4, 55. 415 Plin., n. h. XXXV, 60: neque ante eum [Apollodorum] tabula ullius ostenditur, quae teneat oculos. – Zu Apollodorus von Athen s. u. Anm. 1662.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

217

Bilder z. B. in der Pinakothek416 in Athen angebracht wurden, ist noch räthselhaft. Jedenfalls standen die Gemälde so zusammen, daß sie einen zusammenhängenden Gedanken repräsentirten.417 Die enkaustische Malerei418: Die Farben wurden mit Wachs aufgetragen, das mit glühenden Stiften (૧Įȕį઀Į 419 zertrieben wurde. Die Farben bekamen durch diese Methode Tiefe u[nd] Glanz. Pausias420 hat zuerst versucht[,] mit diesen Farben Effecte zu erlangen. Ein pompejan[isches] Bild stellt die enkaustische Malerei dar421. Nur wenige Malernamen sind durch Kunstwerke überliefert. – Die Decorationsmalerei ging von der Bühne aus. Agatharchos aus Samos422 stellte für Aesch[ylus] die Bühne [H. fol. 25 v.: mit Culissen und Hintergrund] her (Vitr. praef. 7)423 u[nd] schrieb einen Commentar über seine Kunst. Diese Malerei ist später auch auf andere Decorationen übertragen [worden], durch Sextus Tadius424 (Urlichs, Chrest. Plin. p. 367)425 für häusl[iche] Räume, Villen u[nd] Privatge- [S. 28] bäude. [H. fol. 25 v.: auf deren Wänden stellte er Landschaften, Häfen, Spaziergänger, Villen u.a.m. dar.] Dieser Zweig fand viel Verbreitung (amoenissimam parietum picturam primus instituit426) Von dieser Art ist vieles, was wir in den Vesuvstädten finden.

416 Der nördliche Flügel der Propyläen auf der Akropolis: Svenson-Evers 1996, 252–267 mit ält. Lit., zur hier diskutierten Frage 255 Anm. 9; W. B. Dinsmoor, W. B. Dinsmoor Jr., The Propylaia to the Athenian Acropolis II. The Classical Building (2004) 368–397. – Die Pinakothek diente als Bankettraum, A. Scholl, ǹȃǹĬǾȂǹȉǹ ȉȍȃ ǹȇȋǹǿȍȃ, JdI 121, 2006, 32 Anm. 117 mit ält. Lit. 417 Gurlitt: Wie die Bilder z. B. in der Pinakothek ... einen zusammenhängenden Gedanken repräsentirten, Hiller fol. 25 r., 25 v.: In der Pinakothek hat man vergeblich nach Spuren von Gemälden gesucht, so daß man daran gedacht [hat], die Bilder seien aufgehängt gewesen. Im Allgemeinen hatten die Wandgemälde eine architektonische Composition, die ȝİȖĮȜȠȖȡĮij઀Į waltete vor, die Gemälde waren durch inneren Zusammenhang verbunden. Brunn hat die Responsion nachzuweisen gesucht. – Die Malerei wurde, wie alle Künste bei den Alten, auf dem Boden der Religion. 418 Müller 1848, 453–455 § 320. 419 Plut., mor. 568 a: țĮ઀ IJȚ ૧Įȕį઀ȠȞ, ੮ıʌİȡ Ƞੂ ȗȦȖȡ੺ijȠȚ, įȚ੺ʌȣȡȠȞ 420 Zu Pausias s. u. Anm. 1677. 421 Vermutl. Wandgemälde einer Malerin, aus Pompeji (Regio VI, 1, 10), Neapel, Mus. Naz. Inv. 9018: R. Ling, Roman Painting (1991) 211 Abb. 232. 422 Zu Agatharchos von Samos s. u. Anm. 1660. 423 Vitr. VII, praef. 11. 424 Plin., n. h. XXXV, 116. – Die Lesung S. Tadius ist als Konjektur von L. v. Jan, TeubnerAusgabe Vol. V (Leipzig 1860) und K. L. v. Urlich, Chrestomathia Pliniana (Berlin 1857) überholt. Der älteste Codex, der Codex Bambergensis hat studio, die übrigen Codices haben ludio. Die communis opinio folgt dem Codex Bambergensis. Der Künstler Studius ist nur bei Plinius belegt. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 427 s. v. Studius (R. Ling). 425 K. L. Urlichs, Chrestomathia Pliniana (1857) 367. 426 Plin., n. h. XXXV, 116: Studio, divi Augusti aetate, qui primus instituit amoenissimam parietum picturam [...], und zwar mit Landschaften und Seestücken.

218

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Die Gegenstände der Malerei waren natürl[ich] zuerst religiös; dann wurden Götter u[nd] Heroen in feierlichster Weise dargestellt. Dann histor[ische] Gegenstände, deren Nachbildungen wir auf Vasen haben (Dariusvase), od[er] die auch im Mosaik nachgeahmt wurden (Alexanderschlacht)427. Ferner Portraitmalerei. Das Bild des Scipio Africanus ist uns erhalten. Der Tod der Sophonisbe, herausgegeben v[on] O. Jahn.428 Alle diese Bilder gehören zum Genre der ȝİȖĮȜȠȖȡĮij઀Į429 Auch die Landschaftsmalerei war bei den Alten verbreitet (IJંʌȠȚ, topiaria opera430). Die Farbenwirkung war den Alten durchaus nicht unbekannt, wenn auch nicht in der Weise ausgebildet, wie bei uns. [H. fol. 26 r.: Wir finden Zeus auf Wolken und Regenbogen, wir finden Bilder erwähnt, die das Zwielicht zwischen Mondschein und Morgen, die Sturmwolken hatten.] Es gab auch viele satirische Bilder (Brunn, Künstlergeschichte III, 184431[;] Iuv. X, 107432) u[nd] genreartige Gemälde; eins der Art ist uns erhalten im Kieler Museum, auf Holz gemalt, oval mit dunkelgrünem Hintergrunde. (Gell, Pompeii II.)433 Niedrig sinnl[iche] Gemälde gab es auch. Die Überreste der antiken Malerei. Schon die Vasenbilder können vom Geist der [H. fol. 26 r.: älteren, strengen] Malerei ein Bild geben; die richtige Kenntniß kann in umfassender Weise durch die in Pompeii gefundenen Malereien gewonnen werden. Sie befinden sich im Museum zu Neapel. Zu beachten ist, daß es spätere Werke sind, [es sich um] Decorationsmalerei [handelt] u[nd] daß sie in einer kleinen Provinzstadt gefunden wurden. Bei allen ist die Erfindung das Vorzügl[iche]. [H. fol. 26 r.: Ein neues Verzeichnis ist vor kurzem herausgekommen.] In Neapel befinden sich über 400 ausgezeichnete Bilder, 118 landschaftl[iche] Ansichten, 28 Bilder auf Zeus bezügl[ich], 38 auf Apollo, zum Theil sind sie roh hingeworfen, andere jedoch fein ausgeführt. Die Fortführung der Briseis434 u[nd] Andere waren gewiß Nachahmungen alter berühmter Gemälde. Zahn [gibt die] erste anschaul[iche] Darstellung alter Gemälde, besser ist das Werk v[on] Ternite, wozu Welcker u[nd] Müller den Text schrieben, Hellwig,

427 Alexandermosaik, aus dem Haus des Faun in Pompeji, Neapel, Mus. Naz. Inv. 10020: Pompei. Pitture e Mosaici V (1994) 123–125 Nr. 57 (A. de Vos); A. Cohen, The Alexander Mosaic (1997). 428 Wandgemälde, angebl. mit Scipio, Massinissa und Sophoniba, aus Pompeji, Haus Josefs II, Regio VIII, Neapel, Mus. Naz. Inv. 8968: O. Jahn, Der Tod der Sophoniba auf einem Wandgemälde (1859). – H. G. Horn - Ch. B. Rüger (Hrsg.), Die Numider. Reiter und Könige nördlich der Sahara, Ausstellunmgskat. Bonn (1979) 486f. 429 Vitr. VII, 5, 2. 430 Plin., n. h. XXXV, 116. 431 Brunn, GK II, 248f. 251. 272. 432 Iuv. X, 157f.: Gemälde des einäugigen Hannibal auf einem gaetulischen Untier. 433 W. Gell, Pompeiana: the topography, edifices and ornaments of Pompei, the results of excavations since 1819 II (1832), 25. 434 Wandgemälde, aus Pompeji, Casa del Poeta Tragico (Regio VI): LIMC III (1986) 158 Nr. 3 s. v. Briseis (A. Kossatz-Deissmann) Taf. 134.

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

219

Geschichte der Malerei.435 Die aldobrandinische Hochzeit in Rom, in einem verschütteten Zimmer gefunden, jetzt in der vatikan[ischen] Bibliothek436. Die Figuren sind 20 cc groß, das Bild 4 c lang. Am Esquilin fand man 1849 beim Aufräumen (Archäol. Zeitung 1859) eine wohlerhaltene Wand; Scenen aus Homer darstellend; Landschaften mit Staffage,437 cf. Preller.438 Die Roßsche Holztafel mit feinem Stuck überzogen, darauf eine Schicht v[on] wachsartigem Stoff. [Sie zeigt eine] Idylle, [eine] Familienscene.439 In Cortona ein altes enkaustisches Bild.440 [S. 29] 22. 11. 64 441 i Wir kommen zum Mosaik . Die Kunst des Mosaiks ist eine monumentale Malerei, farbige Prachtdarstellung u[nd] dauerhaft, fernwirkend. Sie hat keine so bestimmten Kunststile, sie ist der besten Zeit fremd [und entstand] erst als die Mittel für die Kunst sich an Höfen bildeten. Ihre Analogie hat die Mosaik[kunst] schon in alter Zeit. Man legte gern bunte Fußböden, [z. B.] lakon[ischen] Porphyr zur Auslegung von Badräumen. (Curtius, Pelop. II.)442 opus testacium, ȜȚșંıIJȡȦIJȠȞ443>@ emblema schon bei Lucil. a. Cic. or. 44 tesserulae, pavimento i

Die Kunst des Mosaiks : Sie.

435 W. Zahn, Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde aus Pompeji, Herkulanum und Stabiae, nebst einigen Grundrissen und Ansichten nach den an Ort und Stelle gemachten Originalzeichnungen von W. Zahn I–III (1828–1852); W. Ternite, Wandgemälde aus Pompeji und Herculanum nach den Zeichnungen und Nachbildungen in Farben von W. Ternite mit einem erläuternden Text von C. O. Müller und F. G. Welcker I–XI (1839 ff.); Hellwig (gemeint ist Helbig), Geschichte der Malerei ist nicht erschienen. Vermutlich verweist Curtius auf: W. Helbig, Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens: nebst einer Abhandlung über die antiken Wandmalereien in technischer Beziehung (1868). – Hiller fol. 26 v.: Jetzt ist Helbig mit einem umfassenden Werk beschäftigt. 436 Helbig I4, 360–366 Nr. 466 (B. Andreae). 437 Hiller fol. 26 v.: Arch. Ztg. 1852, S. 498. – Odysseelandschaften, aus Rom, Esquilin: E. Gerhard, Das Abenteuer der Lästrygonen, homerische Wandgemälde, in: AZ 1852, 497– 502 Taf. 45. 46. – R. Biering, Die Odysseefresken vom Esquilin (1995). 438 L. Preller, Römische Mythologie (1858) 664–666. 439 Nach Hiller ist die Tafel in Kiel gemeint, s. o. Anm. 433. – O. Jahn, Über ein antikes Gemälde im Besitz des Malers Ch. Ross in München (1853). 440 Gemäldefrgt., Cortona, Mus. dell’ Accademia etrusca di Cortona: A. N. Modona, Cortona etrusca e romana nella storia e nell’ arte² (1977) 167–170 Taf. 28. 441 Müller 1848, 458–462 § 322. 442 E. Curtius, Peloponnesos. Eine historisch-geographische Beschreibung der Halbinsel II (1852) 424. 443 z. B. Plin., n. h. XXXVI, 184.189.

220

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

atque emblemate vermiculatoi, 444. Das Mosaikii wurde näml[ich] in den Estrich eingedrückt, ein buntes, schachbrettartiges Gefüge bildend. Im Tempel v[on] Olympia liegt noch heute ein alter Fußboden, aus Kieseln des Alpheios im ʌȡંȞĮȠȢ445 War es [aus] Marmor,so konnte es geglättet werden, u[nd] war der Boden abgenutzt, so wurde er neu geschliffen. Dann traten an die Stelle der [Ornamente] Figuren[,] crustae ad effigiem rerum et animalium vermiculatae (Plin.[H. fol. 27 r.: 35,1][);]446 vermiculum [bedeutet] Mosaik, eigentl[ich] Purpur[farbe,] vermiculum sternere [= das Mosaik verlegen].) Dies hieß nach Aug[ustinus] opus musivum (Syll. Or. 3322 fontem opere musivo exornavit)447. Dasiii Mosaik bleibt immer dem Wasser treu, opus musivum, eine Kunst für die Nymphen, [für das] Nymphäum. musivarius448 heißt dann der Künstler. [H. fol. 27 r.: Moos, Kräuter, Büsche, Blumen etc. wurden nachgemacht.](ਙȞșȚȞĮ IJ૵Ȟ ਥįĮij૵Ȟ Ath. p. 342449.) Auch Nischen legte man aus (Stat. Silv. I, 5[, 42] effulgent camerae, vario fastigia vitro.) In der Pergamen[ischen] Zeit wurde dies mit einmal eine bedeutende Kunstgattung u[nd] man stellte Gemälde dar. Man bildete die größten Kunstwerke nach. Auch hier eine Groß- u[nd] eine Klein-Kunst.450 Es war eine Art Spielerei, wenn man Fußböden so auslegte, daß sie einem ungepflegten Fußboden ähnl[ich] sahen. (ਕı੺ȡȦIJĮ451 Viel bedeutender sind die wirkl[ichen] Kunstdarstellungen, in neuer Zeit sind viele Mosaike aufgefunden. Wir haben solche gefunden in Karthago u[nd] Constantine, in Halykarnass (Städtedarstellungen, Jahreszeiten Wassernymphen)[,] in Athen u[nd] zwar in der Hadrianischen Stadt, in Rom [(] vorzugsweise Nereiden[,] Fischer[)] bei Tibur (j[etzt] in Berlin: eine wilde Felsgegend u[nd] ein Kampf zwischen Kentauren u[nd] wilden Thieren)452[,] in Frankreich, in Spanien, in Salzburg, das schönste diesseits der Alpen bei Trier, u[nd] das einzige auf dem rechten Ufer [des Rheins] i ii iii

vermiculato : vermiculatum. Das Mosaik : Es. Das : Die.

444 Lucil. apud Cic., de orat. III, 171: ut tesserulae omnes / arte pavimento atque emblemate vermiculato, vgl. Plin., n. h. XXXVI, 185: arte pavimenti atque emblemate vermiculato. 445 2 Kieselmosaike mit Tritonen bzw. Fischen, Zeustempel von Olympia, Pronaos: D. Salzmann, Untersuchungen zu den antiken Kieselmosaiken, AF 10 (1982) 117f. Nr. 138f. et passim Taf. 71, 5.6; 72; 102, 4. 446 Plin., n. h. XXXV, 2. 447 Aug., civ. XVI, 8, 1; J. C. Orelli, Inscriptionum Latinarum amplissima collectio Nr. 3323. 448 Cod. Theod. 13, 4, 2; Cod. Iust. 10, 64, 1. 449 Ath. XII, 542 c/d. 450 Gurlitt: eine Groß- u[nd] eine Klein-Kunst, Hiller fol. 27 r.: eine Kunst in großem und kleinem Stil. 451 Plin., n. h. XXXVI, 184; vgl. Stat., silv. I, 3, 55f. 452 Kentaurenmosaik, aus der Villa Hadriana bei Tivoli, Berlin, Antikensammlung Inv. Mos. 1: A. Scholl – G. Platz-Horster, Die Antikensammlung. Altes Museum – Pergamonmuseum (3. Aufl. 2007) 135–137 Nr. 78 (S. Brehme).

Die Denkmäler der alten Kunst nach Hauptformen und Gattungen

221

das Mosaik in Filbel (j[etzt] in Darmstadt, herausgegeben v[on] Bossleri, [es zeigt] Fluß– u[nd] Seegottheiten mit Eroten.)453 Aus viereckigen Stücken, 1 ½ Zoll groß, weiß, hell, dunkelgrau, schwarz, violett in Marmor, roth u[nd] braun in gebrannter Erde, blau u[nd] grün in Glas. Das schönste dieser Werke ist die Alexanderschlacht, gefunden 1831 in der casa del Fauno in Pompeji.454 [H. fol. 27 v.: Schon im Alt[ertum] ersetzte man die echten Steine durch Glas- und Thonwürfel.] Man kannte also schon im Alterthum echte u[nd] unechte Mosaike, in Prachtbauten durften es nur [Mosaike aus] Edelsteine[n] sein. (Lucan. X, 114 calcabatur onyx. Sen. epp. 86 deliciarum flevimus, ut nisi gemmas calcare nolimus.)455 In Pomp[eji] sind auch Säulenschäfte mit bunten Glaswürfeln überzogen, [eine] Ausartung des Putzstiles. – Das Wirken u[nd] künstl[iche] Weben. acu pingere, acupicturaii, ʌȠȚț઀ȜȜȦ, der Buntweber hieß [ʌȠȚț઀ȜIJȘȢ,] in Thera [war] ȆȠȚț઀ȜIJȘȢ ein Heros. textilia, ਫ਼ij੺ıȝĮIJĮ ʌ੼ʌȜȠȚ. Auch hier bringt der Gottesdienst diese Kunst hervor. Die Personen, welche die Götter bedienten, [hatten die Aufgabe, die Götterstatuen] auf eine hierat[ische] Weise zu schmücken. [H. fol. 27 v.: Es kam darauf an, den Götterbildern Umhänge, Gewänder zu machen.] Die Gebäude der Götter durch Teppiche würdig zu schmücken. Bei den Prozessionen Gewänder herzustellen, die dem Zug eine feierl[iche] Färbung gaben. Zur Bekleidung der ਕȖ੺ȜȝĮIJĮ corp. inscr. [graec. I.] 155. Rangabé N° 361. Die Kleiderschätze der Artemis Brauronia.)456 ȤȚIJઅȞ ਕȝȠȡȖ૙ȞȠȢ ʌİȡ੿ IJ૵ ਪįİȚ>...]ʌİȡ੿ ਕȖ੺ȜȝĮIJȚ457>@ Die Priester mußten selbst den Gott repräsentiren. Dann gab es prachtvolle Chla- >S. 30] mydes auf Vasengemälden bei den Heroen. Die Teppiche zur Behängung des Tempels (Eur. Ion 1158 f. , ein ʌ੼ʌȜȠȢ die Schlacht von Salamis darstellend.)458 Aber es wurden diese Gewänder auch als Fahne zur Schau getrageniii. țİȡĮ઀Į (Phot. s.v. ੁıઁȢ țĮ੿ țİȡĮ઀Į 459 Die reinen Prozessionsfahnen Stil mit Querholz) i ii iii

Bossler : Hassler. acupictura : acu pictio. getragen : getragt.

453 Aus Bad Vilbel, Darmstadt, Hess. Landesmus.: Bossler, Die Römerstätte bei Vilbel und der im J. 1849 daselbst entdeckte Mosaikfußboden, in: Archiv f. hess. Geschichte und Alterthumskunde 10, 1862, 1 ff. – K. Parlasca, Die römischen Mosaiken in Deutschland (1959) 93f. Taf. 92, 6; 93. – Zur Inschrift: M. Donderer, Die Mosaizisten der Antike und ihre wirtschaftliche und soziale Stellung (1989) 102f. Nr. A 79. 454 s. o. Anm. 427. 455 Lucan., X, 116f.; Sen., epist. 86, 7: Eo deliciarum pervenimus ut nisi gemmas calcare nolimus. 456 CIG I Nr. 155; IG² II/III Nr. 1514. – Rangabé, Antiquités Nr. 861; IG² II/III Nr. 1515. 457 IG² II/III Nr. 1514 Z 22f.: ȃȚțȠțȜ੼Į ȤȚIJ૵ȞĮ ਕȝંȡȖȚȞȠȞ, ʌ[İ]ȡ੿ IJ૵Ț ਪįİȚZ 41–43: ȤȚ[IJ]ȦȞ઀ıțȠȢ țIJİȞȦIJઁȢ ʌİȡȚʌȠ઀țȚȜȠȢ, ʌİȡ੿ IJ૵Ț ਕȖ੺Ȝȝ[Į]IJȚ IJ૵Ț ੑȡș૵Ț 458 Eur., Ion 1158–1160. 459 Phot. s.v. ੁıIJઁȢ țĮ੿ țİȡĮ઀Į. An T-förmigem Gestell wird der Peplos der Athena aufgespannt und in der Prozession getragen.

222

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

[zeigten den]ʌ੼ʌȜȠȢ IJોȢ ਝșȘȞ઼Ȣ Auch an wirkl[ichen] Schiffen waren solche Fahnen. In diesen Stickereien wurden die Kämpfe u[nd] Siege des Gottes dargestellt. Früh schon aber war es eine besondere Ehre[,] sein Portrait im ʌ੼ʌȜȠȢ eingewirkt zu sehen (ਙȟȚȠȢ IJȠ૨ ʌ੼ʌȜȠȣ Suid. s.v. ʌ੼ʌȜȠȢ Diesen Gebräuchen entstammt die ʌİʌȜȠȖȡĮij઀Į so Varro 710 a.u.c. bei Cic. a. Att. 16, 11.)460 Endl[ich] auch aulaea[,] Į੝ȜĮ૙Į kostbare Vorhänge, um chryselephantine Bilder zu verhängen vor der aedicula, der Nische des Gottes [H. fol. 28 r.: in Olympia.]. Später auch beim Theater (Virg. Georg. VI, 25 purpurea intexti tollunt aulaea Britanni.)461 24. 11. 64 (Die wichtigsten Nachrichten bei Luc. de dea Syria462, dann Ath. p. 541: Das ੂȝ੺IJȚȠȞ des Sybariten Alkisthenes im Heratempel zu Lacinium463. Boetticheri, Phill. XVIII, Webekunst der Alten in künstl[erischer] Beziehung.)464 Dieser Kunstzweig hat sich auch in der nachclass[ischen] Zeit erhalten. Denn untergeordnete Kunstzweige halfen sich durch; die Webkunstii hielt sich in Griechenland, in Byzanz u[nd] von da in den Occident; a[uch] die Dalmatica in der Peterskirche beruht auf class[ischer]465 Tradition: Gold u[nd] Silber auf Dunkelblau (Boisserée, Abhandlungen der Bair. Akad. III „Über die Kaiser Dalmatica in der St. Peterskirche“)466. Die Vervielfältigung gezeichneter Kunstwerke.467 Hier steht die alte Welt weit hinter der neuen zurück. Es liegt sehr nah, namentl[ich] durch Metallplatten Abdrücke zu nehmen: die jetzige Niello-Kunst, daraus die Kupferstechkunst; man ritzt den Umriß ein u[nd] schmiert sie mit Farbe aus. ([In] Turin eine Isistafel mit Silberfäden ausgelegt)468. Von einer techn[ischen] Vervielfältigung sprichtiii eine Nachricht bei Plin. XXXV, 11[:] M. Terentius Varro solliv bei Herausgabe seines litterarhistor[ischen] Werks (39 a. Chr.)[,] derv Hebdomades, ein Verfahren bei ii iii iv v

Boetticher : Boettiger. die Webkunst : sie. spricht : ist soll : solle. der : die

460 Cic., Att. XVI, 11, 3: ʌİʌȜȠȖȡĮij઀Įdes Varro, erwähnt in einem Brief Ciceros an Atticus des Jahres 44 v. Chr. (710 a.u.c.). 461 Verg., georg. III, 25. 462 Lukian., Syr. Dea 10. 16. 42. 463 Ath. XII, 541 a.b. 464 C. Boetticher, Ueber agonale Festtempel und Thesauren, deren Bilder und Ausstattung 3, Philologus 18, 1862, 12. 465 Gurlitt: class., Hiller fol. 28 r.: byzantinischer. 466 S. Boisserée, Über die Kaiser-Dalmatica in der St. Peterskirche zu Rom, in: AbhMünchen 3, 3 (1843) 553–574. 467 Müller 1848, 459. 462 § 322, 6f. 468 Mensa Isiaca: E. Leospo, La mensa Isiaca di Torino (1978).

Die Anfänge der Kunst bei den Griech[en]

223

nutzt haben, [als ein] inventor muneris diis etiam invidiosi. Er beschrieb das Werk w[ie] das Leben von 700 bedeutenden Männern, denen er die Bilder der Männer beifügte[:] imagines benignissimo invento libro insertae sunt. Er habe den Männern die Ewigkeit dadurch gesichert, ut praesentes esse ubique cludi (?) possint. Dafür [hat] Martin Herz em[endiert] ceu di et hoc quidem alienis (Männern, die fremd (?) sind) ille praestitit, hier em[endiert] O.Jahn lineis469. Dann müßten es entschieden Abdrücke sein. Winckelm[ann]470 meinte, es wären Büsten gewesen. Für die Röm[er] hatte das Portrait eine bes[ondere] Wichtigkeit, geknüpft an die imagines maiorum. U[nd] um das Ende der Rep[ub]l[ik] sammelten Asinius Pollio u[nd] andere die Portraits aller bedeutenden Männer des Alterthums. Die imagines des Varro erreichten durch bloße Umrißzeichnung einen ähnl[ichen] Zweck; [es war] eine bescheidene Technik für den Vertrieb im Handel. Bei Iuv. IX, 145 [f.] wünscht sich einer einen Sklaven, der viele Portraits qui multas facies pingit cito. Also für den Buchhandel hielt [man sich] zeichnende u[nd] malende Sklaven. Auch wissen wir aus Plin. XXV, 8[,] daß es illustrirte Werke auf dem Gebiet der beschreibenden Naturwissensch[aften gab]. (effigies herbarum) Wir müssen also annehmen, die Zeichnungen wurden so oft nachgezeichnet, wie die Rollen abgeschrieben, oder es wurde hier für diesen Zweck ein neues technisches Verfahren der Vervielfältigung angewandt (besonders O. Jahn Archäol. Zeitung 1856 p. 221 (?)471 durch Holz[-] [S. 31] od[er] Metall[- oder] Steindruck.

II. Der historische Theil472

Er handelt v[on] den Epochen der Kunst. 1. Die Anfänge der Kunst bei den Griech[en]. Alle Anfänge phys[ischen] wie geistigen Lebens sind in undurchdringl[iches] Dunkel gehüllt. Die Alten selbst hatten das Bedürfniß eines klar ausgesprochenen Bewußtseins über die Anfänge der Wissensch[aften] u[nd] Künstler. Indem sie dann bestimmte Persönlichk[eiten] erfandeni, entstehen die Kunstmythen: Sagen mit gewisser histor[ischer] Bedeutung, so lange man die symbol[ische] Sprache nicht mißversteht. Zu unterscheiden sind a die Erfindungen der Grammatiker (ʌİȡ੿ İਫ਼ȡȘȝ੺IJȦȞ [.] b. Die volksthüml[ichen] Anschauuni

erfanden : aufstellen.

469 Plin., n. h. XXXV, 11: ut praesentes esse ubique cludi possint. et hoc quidem alienis ille praestitit. hat die Mehrzahl der Codices. M. Hertz emendiert für cludi: ceu di. Diese Emendation hat sich durchgesetzt. O. Jahn emendiert für alienis: lineis. Diese Emendation hat sich nicht durchgesetzt. – M. Hertz, AZ 8, 1850, 142–144; O. Jahn, AZ 14, 1856, 219– 221. 470 J. J. Winckelmann, Geschichte der Kunst des Alterthums (2. Aufl. 1776) 791f. erwähnt ausführlich die im folgenden angeführte Sammeltätigkeit des Asinius Pollio, ohne jedoch die Porträtsammlung zu erwähnen, s. zu ihr Anm. 1908 mit antiken Quellen. Ein Hinweis Winckelmanns auf Varros Hebdomades war nicht verifizierbar. 471 O. Jahn, Varros Imagines (Plin., n. h. XXXV 2), in: AZ 14, 1856, 219–221. 472 Gurlitt: Der historische Theil, Hiller fol. 29 r.: Kunsthistorischer Teil.

224

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

gen, die allein Berücksichtigung verdienen. – Die Künste sind bei den Alten zuerst in gewissen Geschlechtern u[nd] Innungen erbl[ich] gepflegt worden, erst später sindi sie aus diesem Zunftwesen befreit. Diese geschlossenen Kreise verehrten gewisse Männer als Stammväter, als Patrone, als Heroenii der Gesellschaft473. Wie die Homeriden den Homer so verehrten die Daedaliden den Daedalos474, von der Wurzel įĮ- redupl[iziert] (wie ʌĮȚʌ੺ȜȜȦ v[on] ʌĮȜ- [=] der Kunstfertiger Er findet sich daher an allen uralten Stätten der Kunst. Die Daidalos-Sagen geben uns also die Orte der Kunstzünfte, so in Korinth, Athen, Sikyon, Kreta[;] u[nd] in den Gegenden, wo immer reiche Gestaltung der Sage war, wird er mit anderen [Künstlern] verbunden. Zu Ath[en] hieß er Sohn des Eupalamos, [war] Oheim des Talos475, seines Schülers u[nd] Mörders. Es gehört zu den Kunstmythen, daß gewisse Eigenthümlichk[eiten] des Kunstlebens mit hineingenommen [werden]. So ist eine Haupteigenthümlichk[eit] der Künstlerneid. Die Daedaliden waren vorzugsweise Bildschnitzer, an Daidalosiii knüpfen sich die ältesten Traditionen der Plastik. In der Baukunst schließen sich an den Festungsbau die Kyklopensagen; die Tempelbaukunst knüpft an Trophonios u[nd] Agamedes476 z. B. in Delphi an. Den Hausbau betreffend nennt (Plin. VII, 57) in Ath[en] Euryalos u[nd] Hyperbios[,] die statt troglodyt[er] Wohnungen erst wirkl[iche] Häuser bauten.477 Die Töpferei hat eine Reihe von Heroen, wie Kantharos (Ath. p. 474), Koroibos (Plin. VII, 57 țȠȡȠʌȜ੺ıIJȘȢ der Puppenmann)[,] Hyperbios (Theophr. bei Schol. Pind. Ol. 13, 37 als Erfinder der Drehscheibe.)478 Besonders schließt sich die Volkssage an die Erfindung der Metallarbeit, hier war etwas Geheimnißvolles, Zauberhaftes, ein Werk der ȖȠȘIJİ઀Į (Zauberei)[. Es gab] koboldartige Heroen, so der zwergartige ȀȘįĮȜ઀ȦȞ, der Lehrmeister des Hephaistos (ein Satyrdrama des Soph.)479, auch auf Bildwerken dieser Gnom480. Hierher gehören die Daktylen (į੺țIJȣȜȠȚ zu ihnen ਡțȝȦȞder Ambos[,] Ȁ੼ȜȝȚȢ der Heizer (?)[,] Damnameneus der Bändiger ੒ ȤĮȜțઁȢ i ii iii

sind : ist. Heroen : Heros. Daidalos : ihn.

473 Gurlitt: der Gesellschaft, Hiller fol. 29 r.: ihrer Kunst. 474 Müller 1848, 49f. § 70, 2; Brunn, GK I 14–23; Overbeck, Geschichte I 37f. – H. Philipp, Tektonon Daidala (1968) 47. 50–54 et passim; Stewart 1990, 240f.; Floren 1987, 120f.; S. P. Morris, Daidalos and the origins of Greek Art (1992); Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 151f. s. v. Daidalos (I) (D. V.-G.). 475 Müller 1848, 49 § 70, 2; Brunn, GK I 14. – Floren 1987, 236f. 476 Brunn, GK II 323. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 6f. s. v. Agamedes und Trophonios (W. Müller). 477 Plin., n. h. VII, 194. 478 Kantharos: Ath. XI, 474 d. – Koroibos: Plin., n. h. VII, 198. – Hyperbios: Plin., n. h. VII, 198; Theophr. ap. Schol. Pind., Ol. XIII, 27. 479 Ath. IV, 164 a; TrGF IV F 328–333. 480 LIMC V (1990) 978f. Nr. 1. 2 Abb. (R. Vollkommer) Taf. 617.

Die Anfänge der Kunst bei den Griech[en]

225

įĮȝ੺ȗİIJĮȚ 481[.] Die Kureten u[nd] die Korybanten. Alle drei sind im Gefolge der phryg[ischen] Bergmutter, Kybele. Ihre Kunst ist imi Zusammenhang mit der Waffenschmiedekunst u[nd] derii Benutzung der Waffen. Sie sind die Erfinder der ਥȞંʌȜ>Ț@ȠȢ ੕ȡȤȘıȚȢ482 Ebenso die Kabiren[,] die lemn[ischen] Schmiedegötter, dämon[ische] Metallurgen. Auch Kadmos gehört zu ihnen. Endl[ich] die rhod[ischen] Telchinen (IJİȜȤ઀Ȣ,-૙ȞȠȢ verwandt mit ș੼ȜȖȦLLL mulcio, ȝĮȜĮțંȢ mollis, lat[einisch] mulciber483, a molliendo ferrum.) Alle weisen uns nach Asien (Strab. p. 472.)484[,] nach Kleinasien, Phrygien, die vorliegenden Länder (Lykien.), Küsten u[nd] In- [S. 32] seln (Rhodos; Kreta)[.] Diese Länder also hatten den Ruhm, aus diesen Ländern nahm [man] den Ursprung der Kunst an. Dies sind ja die Vorposten griech[ischer] Cultur. Sie hatten zuerst v[on] den Orientalen gelernt. 25. 11. 64 [Nachtrag:] (Welcker, Über die Aeschyleische Trilogie) auf einer Vase eine Kabiren- od[er] Hephästos-Werkstätte, ein Ausdruck der durch Besprechung hervorgebrachten Bildung einer Statue.485 Die oriental[ische] Kunst. Zunächst [sind] bedeutend die Phönizier486 (ijȠ઀ȞȚțİȢ [, von] alte[rs her] Metallarbeiter. (1. Buch der Könige VII, Gefäße in dicker Erde gegossen)487 Sie schafften aus allen Gegenden das Kupfer herbei; in der Hom[erischen] Zeit [war] Sidon Mittelpunkt dieses Betriebes. Sie mischten Zinn zum Kupfer; sie haben für ihre Industrie Silber u[nd] Kupfer selbst ausgegraben. Die Purpurschnecke haben sie gefunden u[nd] benutzt. Sie verbanden Orient u[nd] Occident, den pers[ischen] Meerbusen u[nd das] Mittelmeer. Ihre einheimische Kunst wird erst jetzt bekannt. (Rénan, an der Spitze einer französ[ischen] Expedition.)488 Im Ganzen waren die Phön[iker] nicht originell produzirend, sondern mehr vermittelnd, industriell [herstellend]. So werden sie[, wie] Hdt. I, 1[, 1 schildert,]489 ਕʌĮȖȚȞİંȞIJİȢ ਥȟ ǹੁȖ઄ʌIJȠȣ țĮ੿ ਝııȣȡ઀Ƞȣ [auch] nach Ari ii iii

im : in. der : die. ș੼ȜȖȦ : IJ੼ȜȖȦ.

481 482 483 484 485

Namen der Daktylen: Strab. X, 3, 22 p. 473; Schol. Apoll. Rhod. I, 1229. Strab. X, 3, 21 p. 473. Mulciber, Beiname des Vulkan. Strab. X, 3, 19–22 p. 472. 473 (Korybanten, Kureten,Telchinen, Daktylen und Kabiren). Verschollen: F. G. Welcker, Die Aeschylische Trilogie. Prometheus und die Kabirenweihe zu Lemnos nebst Winken über die Trilogie des Aeschylus überhaupt (1824) 260–263 Taf. zu S. 261. Vgl. Müller 1848, 297–303 § 239–240. 1. Könige 7, 46: Hiram aus Tyrus läßt für König Salomo poliertes Bronzegerät in Formen aus Tonerde gießen. E. Renan, Mission de Phénicie dirigée par E. Renan (1864). Hdt. I, 1, 1: ਕʌĮȖȚȞ੼ȠȞIJĮȢ į੻ ijȠȡIJ઀Į ǹੁȖ઄ʌIJȚ੺ IJİ țĮ੿ ਝıı઄ȡȚĮ

486 487 488 489

226

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

gos [gekommen sein], wo sie einen Bazar errichteten. Diese Kunstwelt des Orients war uns vor einem Menschenalter fast unbekannt. Seitdem wir die aegypt[ischen] u[nd] assyr[ischen] Alterth[ümer] in großem Umfange kennen, können wir den Einfluß [ein]schätzen. Durch Entdeckung Ninives, welches neue Denkmälergruppen aufschloß. Niebuhr, in der Mitte des vor[igen] saec[ulum], wies zuerst auf Überreste alt[er] asiat[ischer] Kunst, [der Vater des] Vater[s] der Historie.490 1840 kam der franz[ösische] Consul Botta nach Mossul u[nd] grub Mossul gegenüber, im Osten Henry Layard 1845491. Daheri Botta u[nd] Flandin, Monument de Ninive.492 Layard [veröffentlichte seine Ergebnisse] in 2 noch bedeutenderen Werken.493 Im Mai 1851 wurde in London schon eine ganze assyr[ische] Gallerie eröffnet, während man früher nichts davonii hatte. Außerdem [gibt es assyrische Funde] im Louvre, auch in Berlin. Diese Überreste bestehen aus einer Fülle v[on] Skulptur in Stein u[nd] Elfenbein u[nd] Toreutik u[nd] Thonarbeit: Ein ausgebildeter Palastbau, der allen modernen Luxus übertrifft. Wandgemälde, künstl[iche] Gefäße. Das wichtigste sind die Marmorplatten, die die Backsteinwände überkleiden u[nd] die ganz mit histor[ischen] Schildereien bedeckt sind.494 Diese assyr[ische] Kunst finden wir nicht etwa in Anfängen, sondern [in] einem ausgebildeten Stil, der schon conventionell wird, es ist schon eine erstarrte Technik. – Im Allgem[einen] ist diese Kunst v[on] der griech[ischen] verschieden, nicht Correktheit der Zeichnung, nicht Behandlung des Nackten war Hauptsache, sondern es ist Putzstil, [hergestellt in] schnelle[r] Arbeit. Dagegen [ist] in der Tektonik manches dem Griech[ischen] ähnl[ich] – Der assyr[ische] Reliefstil, wie der griech[ische], haben eine fuga vacui. Obgleich der äußere Eindruck sehr abweichend ist, von dem griech[ischen], so finden sich doch Analogien. Die aegypt[ische] Kunstwelt495 [ist] in sich vollendet mit stabilen Gesetzen, [die] mit eiserner Willenskraft in allen Stoffen u[nd] Maaßen durchgeführt [sind]. Chai ii

Daher : Daraus. davon : übrig.

490 Carsten Niebuhr reiste von 1761 bis 1767 durch Arabien, Palästina, Syrien, Persien und Kleinasien. – C. Niebuhr, Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern I–III (1774–1837). 491 Paul Émile Botta grub ab 1843 in Ninive gegenüber von Mossul, Sir Austen Henry Layard seit 1845 in Nimrud, A. Michaelis, Ein Jahrhundert kunstarchäologischer Entdeckungen² (1908) 85–88. 492 P. E. Botta - E. Flandin, Monument de Ninive découvert et décrit par Mr. P. E. Botta mesuré et dessiné par Mr. E. Flandin I–V (1848–1850). 493 A. H. Layard, Niniveh and its remains with an account of a visit to the Chaldaean christians I. II (1848); Discoveries in the ruins of Niniveh and Babylon with travels in Armenia, Kurdistan, and the desert (1853). 494 Alabasterorthostatenreliefs, neuassyrisch, mit historischen Darstellungen, vgl. B. Hrouda, Die Kulturgeschichte des assyrischen Flachbildes (1965); R. M. Czichon, Die Gestaltungsprinzipien der neuassyrischen Flachbildkunst und ihre Entwicklung vom 9. zum 7. Jh. v. Chr. (1992). 495 Vgl. Müller 1848, 257–291 § 215–233.

Die Anfänge der Kunst bei den Griech[en]

227

rakteristisch[,] tüchtig u[nd] solid, so der griech[ischen] ähnl[ich]. Sie ist ernst, einfach, streng gesetzmäßig. Die menschl[iche] Gestalt zuerst nach einem bestimmten Kanon gebildet; keine vielköpfigen Monstra, in allem Streben nach Gesetz, bestimmtem Maß. Die Proportionen des menschl[ichen] Körpers sind genau vorgegebeni u[nd] man hat gemeint, die Aeg[ypter] hätten nur in der Form dieses Kanons gearbeitet.496 – Man kannte bis jetzt nur Oberaegypt[en]. Der Franzose, Mariette497, der in Cairo ein nationales Museum [S. 33] gründete, machte in Unteraegypten, [in] Memphis Ausgrabungen u[nd] hier hat man die frühesten Denkmäler gefunden. Beim Serapeum sind Denkmäler der 4. u[nd] 3. Dynastie im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung [aufgedeckt worden]. Diese zeigen eine viel freiere Gestalt [als Figuren späterer Zeit], eins ist im Louvre in Paris, ein sitzender Mann, welcher eine braune Farbe, die der Eingeborenen[,] hat, mit einem weißen Schurz um den Leib, auf dem ausgespannten Schurze, durch die gekreuzten Beine, schreibt er, auf einen Dictirenden hinhorchend.498 (Mariette 1856 Choix des monuments découverts à Memphis Paris 4°.)499 Die steife Einförmigk[eit], das Gefesselte, Starre ist erst eine spätere Erstarrung der [ägyptischen] Kunst. Der spätere Typus ist hierat[isch.] – Die spätere Plastik der Aeg[ypter] ist vom Leben der griech[ischen] Kunst sehr verschieden. (Brunn, Über die Grundverschiedenheit im Bildungsprinzip der griech[ischen] u[nd] aeg[yptischen] Kunst, Rh. Mus. N. F. X.)500 Die freiere Bewegung der früheren Kunst konnten wir auch aus den Malereien erkennen, denn in den Grabmalereien ist die Bewegung viel freier. [H. fol. 31 r.: Es ist in denselben ein gewisser Humor. Aesop wird als Aegypter bezeichnet, u. die Thierfigur war in Aegypten daheim.] Sie sind eben Darstellungen ohne hierat[ischen] Typus. Ihnen alles Ideale [H. fol. 31 r.: und Individuelle bei Menschen] abzusprechen, ist sehr falsch. Die Masse der aegypt[ischen] Denkmäler ist zuerst durch Lepsius chronolog[isch] geordnet.501 Die unterirdischen Bauten v[on] Beni-Hassan, der 12. Dynastie angehörend c[a.] 2000 a[nte] Chr[istum]. Die Decke scheinbar gestützt v[on] Säulen, abgekantete Pfeiler, ähnl[ich] dor[ischen] Säulen. Denn zwischen Decke u[nd] Pfeilern befindet sich eine Platte. Erst hielt man diese für Nachahmungen der dor[ischen Säulen], dann die dor[ischen Säulen] für Nachahmungen [dieser i

vorgegeben : angegeben

496 Müller 1848, 277 § 228, 5. 6. (Hinweis auf Abweichungen). 497 A. E. Mariette entdeckte 1851 das Serapeion von Memphis, war seit 1858 Leiter der ägyptischen Ausgrabungen, gründete das Museum von Kairo und grub insbesondere die Tempelanlagen von Abydos und Edfu aus. 498 Kalksteinstatue eines sitzenden Schreibers, Paris, Louvre: K. Lange – M. Hirmer, Ägypten. Architektur, Plastik, Malerei in drei Jahrtausenden (1967) Taf. 60f. S. 62. 499 A. E. Mariette, Choix de monuments et de dessins découverts pendant le déblaiement du Sérapéum de Memphis (1856) Taf. 10. 500 H. Brunn, RhMus 10, 1856, 153–166. 501 C. R. Lepsius, Über einige Berührungspunkte der ägyptischen, griechischen und römischen Chronologie, in: AbhBerlin 1856, 1–82.

228

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Pfeiler]. (Lepsius, sur les colonnes piliers nennt sie protodor[isch])502 Man wollte sogar einen Echinus nachweisen. Ross meinte, aus dieser Abkantung der Steinpfeiler seien die Säulen hervorgegangen [H. fol. 31 r.: so Falconos]. Man könne an der Zahl der [durch die Abkantungen entstandenen] Ecken das Alter bestimmen. Das geht zu weit: Die Säule ist nicht für sich zu betrachten. Die aegypt[ischen] Heiligthümer sind Agglomerate, unorgan[isch] (Strab. p. 806 ȝĮIJĮȚȠʌȠȞ઀Į 503 ohne Maaß u[nd] Ziel. [H. fol. 31 r.: ȝĮIJĮȚȠʌȠȞ઀Į ist ein Schaffen, welches nicht von einem inneren Zweck geleitet wird und deshalb keine Begrenzung in sich trägt.] Goethe hat sie für bloße Curiositäten [gehalten]. – An Diod[or] angeschlossen,504 gab es aegyptisirende Gelehrte: Thiersch, Hirt505, Creuzer506, Schorn507, Boettiger508, ihrer Ansicht [nach] war die griech[ische] Cultur hier durch aegypt[ische] Einwanderer übertragen worden (Raoul Rochette, colonisateurs, cultivateurs)509[,] man wollte so eine allgem[eine] Kunstgeschichte der alten Menschheit herstellen. [H. fol. 31 v.: Das war auch die Ansicht der Griechen, in Folge einer historischen Reflexion.] – 29. 11. 64 Man identifizirte aegypt[ische] u[nd] griech[ische] Götter, Neit u[nd] Athene [H. fol. 31 v.: , und suchte an alten Denkmälern unhellenisches nachzuweisen.]. Auf alten Drachmen wollte man die Analogien aegypt[ischer] Physiogn[omien] entdecken.510 Dagegen [argumentiert] Otfr. Müller, Orchomenos511; [er gibt] am Anf[ang] eine strenge Kritik der Einwanderungssagen, bes[onders der] in Athen[, die] zuerst bei Theophr[ast erscheinen], diese Sagen seien Sophismen u[nd] spätere Reflexion (Ebenso Otfr. Müller, Kl. Schriften II, 523[,] Brief an Schorn zuerst im Kunstblatt 1820[:] Über den angebl[ich] aegypt[ischen] Urspr[ung] der

502 C. R. Lepsius, Sur l’ordre des colonnes-piliers en Égypte et ses rapports avec le second ordre égyptien et la colonne grecque, in: AdI 9, 1837, 65–102; MonInst II, 45. 503 Strab. XVII, 1, 28 p. 806. 504 Diod. I, 28–29, 5. 505 Zu Aloys Hirt: C. Sedlarz (Hrsg.), Aloys Hirt: Archäologe, Historiker, Kunstkenner (2004). – A. Hirt, Der Kanon und die bildende Kunst (1818); Baukunst I. 506 Zu Georg Friedrich Creuzer: Archäologenbildnisse 1988, 14f. (T. Hölscher). – F. G. Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker besonders der Griechen I–IV (1810–1812). 507 L. Schorn, Über die Studien der griechischen Künstler (1818). 508 Zu C. A. Böttiger s. o. Anm. 36. – C. A. Böttiger, Ideen zur Kunstmythologie. Erster Cursus (1826); (Hrsg.), Amalthea oder Museum der Kunstmythologie und bildlichen Alterthumskunde I–III (1822–1825). 509 D. Raoul-Rochette, Histoire critique de l’établissement des colonies Grecques I (1815) 60– 83. 510 F. Thiersch, Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen² I (1829) 29 Anm. 17. 511 K. O. Müller, Geschichten hellenischer Stämme und Städte I. Orchomenos und die Minyer (1820).

Die Anfänge der Kunst bei den Griech[en]

229

griech[ischen] Kunst.)512 Alle diese Sagen sollten nun grundlos sein, aber bei [der] Kekrops[sage] war es richtig, nicht so bei Pelops u[nd] Kadmos. Dem Otfr. Müller schloß sich auch Welcker an.513 Dagegen eine crasse Reaction v[on] Röth, der auch in der griech[ischen] Philos[ophie] alles aus dem Orient ableitete514. Es entstand eine hyperorthodoxe Richtung, daß man v[on] den Reisen des Kekrops515 sprach, so Ross516, Jul. Braun, Geschichte der Kunst in ihrem Entwicklungsgange durch alle Völker der alten Welt auf dem Grunde der Bodenkunde (I, 324 jede Nation [lernt] von ihren in der Cultur vorgeschrittenen Nachbarn.)517 – Curtius518 meint, Hellas ist allerdings durch Zuwanderung cultivirt worden u[nd] zwar zunächst von den Phönikiern, die sich an verschiedenen Küstenpunkten nachweisen lassen. Sie gruben Erz, fischten, führten ihren Götterdienst ein (Melkart – Melikertes519, [S. 34] Astarte – Aphrodite) handelten mit Geweben, Gefäßen [H. fol. 31 v.: Metallarbeit, Maaß und Gewicht] etc. Geradeso wie es Thuk[ydides] v[on] Sicilien erzählt.520 Aber sie sind nie tief ins Land hineingegangen u[nd] haben die Autochthonen nicht verändert, überall hielt man sie für Fremde. Dann folgten den Griech[en] verwandte Stämme Asiens, die den Phönikiern die Schiffahrt ablernten. Theils Mischvölker, so die Karer (ȕĮȡȕĮȡંijȦȞȠȚ 521die ȀȡોIJİȢv[on] țİȡ੺ȞȞȣȝȚdie Leleger etc. So lange Menschen gedenken, haben auf beiden Seiten des aegae[ischen] Meeres verwandte Stämme gewohnt. Die Ionier haben Orient u[nd] Occident vermittelt. Daher nannten die Orientalen alle griech[ischen] Völker [Ionier], als Javan etc. Die weiten Schleppgewänder der Ionier zeigen ihre Abhängigk[eit] v[om] Orient. Bes[onders] ansteckend war die Idololatrie, welche die Griech[en] annahmen von dem semit[ischen] u[nd] hamit[ischen] Orient. Damit fängt das Putzen der Bilder mit Metall, Farbe, Gewändern an u[nd] diese ganze Handwerkerthätigkeit ist also von phönik[ischer] u[nd] assyr[ischer] Herkunft. – Von den Aeg[yptern] haben die Griech[en] gewiß weniger entlehnt. Die 512 K. O. Müller, Über den angeblich aegyptischen Ursprung der griechischen Kunst, in: Kunstblatt 1, 1820, 309 –316; auch in: K. O. Müller, Kleine deutsche Schriften über Religion, Kunst, Sprache und Literatur, Leben und Geschichte des Alterthums (Hrsg. E. Müller) II (1848) 523–537. 513 F. G. Welcker, Kleine Schriften III (1850) 400–406. 514 E. M. Röth, Geschichte der abendländischen Philosophie I (1846). II (1858). 515 Gurlitt: Kekrops, Hiller fol. 31 v.: Kadmos. 516 L. Ross, Morgendland und Abendland, in: Archäologische Aufsätze II (1861) 1–52. 517 J. Braun, Geschichte der Kunst in ihrem Entwicklungsgang durch alle Völker der Alten Welt hindurch, auf dem Boden der Ortskunde nachgewiesen I (1856) 324: Jede Nation kopirt von ihrem in der Cultur vorgeschrittenen Nachbar soviel sie nur immer kopiren kann und eine originelle Cultur kann niemals aufkommen, wenn eine andere entwickeltere bereits daneben liegt. 518 Vgl. E. Curtius, Griechische Geschichte I (6. Aufl. 1887) 34–51. 519 Eine Identität von Melqart und Melikertes ist nicht gegeben. 520 Thuk. VI, 2, 6. 521 Hom., Il. II, 867: Ȁ઼ȡİȢ ȕĮȡȕĮȡંijȦȞȠȚ

230

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Griech[en] nannten ǹ੅ȖȣʌIJȠȢdas Nildelta522. Da haben schon früh mehr Ausländische gesessen, Karer etc. Die Steinbehandlung haben die Griech[en] von den Aegypt[ern] gelernt. Ferner empfingen sie von ihnen gewisse Symbole, dasi des Käfers, der Sphynx, der Schlange523. Vielleicht auch das Überfahren der Todten von Charon. Die 10tägige Woche. Die Überlieferung bei Diod. I, 98[, 5–9] ist nicht zu verwerfen. Es heißt dort, griech[ische] Künstler hatten zu Samos einen Apollo Pythios nach aegypt[ischem] Kanon gearbeitet u[nd] zwar aufs Genaueste. Denn warum sollten die Griech[en] nicht auch auf fremden Geschmack [hin] gearbeitet haben ? Die Griech[en], die wir kennen, sind allmäl[ich] geworden. – Daher mit Hdt. I, 55 die Pelasger [waren] Barbaren524, u[nd] Thuk. I, 6[, 6] ੒ȝȠȚંIJȡȠʌȠȞ IJ૶ Ȟ૨Ȟ ȕĮȡȕĮȡȚț૶Es war keine Scheidewand zwischen Griechenland u[nd dem] Orient. U[nd] wir haben in neuerer Zeit Kunstwerke gefunden auf class[ischem] Boden, die entschieden oriental[ischen] Ursprungs sind. Dazu gehören die Keilschriftstatuen in Cypern[, nämlich] das Königmonument von schwarzem Granitstein, j[etzt] in Cypern,525 [das] ein[en] assyr[ischen] König Sargon aus Ninive [darstellt]526. Dann eine Reihe v[on] Silberschaalen ganz wie die, welche die assyr[ischen] Statuen in Händen tragen[,] z. B. ausii Arggella bei Caere527 (Longpellier, Notices sur les monuments antiques de l’Asie dans le Louvre 1854.)528 Auch aus Rhodos [stammen] Thonsärge mit [am] Rand umlaufenden Thierfiguren, u[nd mit] menschl[ichen] Figuren in vollständig assyr[ischer] Zeichnung.529 Endl[ich] der Torso eines priesterl[ichen] König[s] aus Cypern, wo aeg[yptisches], assyr[isches] u[nd] griech[isches sich] neben einander finden, im Berliner Museum530. In Beziehung auf diese Mischung ist Cypern am merkwürdigsten. Die Einflüsse des Orients u[nd] Occidents sind dort zusammeni ii

das : daß. aus : In.

522 523 524 525 526

Hdt. II, 15, 1. Gurlitt: der Schlange, Hiller fol. 32 r.: des Uräus. Hdt. I, 56, 2; 57, 2; 58. Gurlitt (irrtümlich): j[etzt] in Cypern, Hiller fol. 32 r.: jetzt in Berlin. Berlin, Vorderasiatisches Mus. 968: M. Yon, À propos des modèles assyriens. La diffusion des découvertes au XIXe s., in: Cypriote Stone Sculpture, Proceedings of the 2. International Conference of Cypriote Studies 1993 (1994) 91–96 Taf. 24 a. Zu den phönikischen Silberschalen G. Markoe, Phoenician Bronze and Silver Bowls from Cyprus and the Mediterranean (1985), die Schalen aus dem Regolini-Galassi-Grab ebenda 194–197 Nr. E 6–8. A. de Longpérier, Notice des antiquitès assyriennes, babyloniennes, perses, hebraiques, exposées dans les galeries du Musée du Louvre (1854) 16f. Klazomenische Sarkophage: R. M. Cook, Clazomenian Sarcophagi (1981), zum Fundort Rhodos S. 61–64. 145. 147. Berlin, Antikensammlung Sk 508: K. B. Stark, Der cyprische Torso des Berliner Museums, in: AZ 21, 1863, 1–12 Taf. 171.

527 528 529 530

Periode der heroischen Zeit

231

geflossen. Ross erforschte sie zuerst531, nach Rénans phönik[ischer] Expedition532, auch einen Saal im Louvrei mit cypr[ischen] Werken gefüllt.533 – Pseud. Aristot. Mirabilia 99534 [beschreibt] oben heilige Thiere der Susianer, unten einenii Perser im Gewebe des Alkisthenes v[on] Sybaris. Eine Mischung liegt vor, aber es ist etwas Neueres geworden. Kenntnisse, Erfindungen, Handgriffe, gewisse Typen werden entlehnt; aber durch alles dies ist der Bildungstrieb nur erweckt, u[nd] der Kunsttrieb ist das eigene des Volkes. Jede wahre Kunst muß, wie Sprache u[nd] Poesie, national sein. Es gibt viele Völker, die die Kunst übernommen haben, so die Röm[er] u[nd] Preußen.

2. Periode der heroischen Zeit.535 Es ist noch Vorgeschichte, aber nicht rein myth[ische], denn es sind uns Denkmäler erhalten. Es ist eine Zeit von unbestimmtem Anfang, dargestellt in den Gedichten Homers. Seine Welt beruht auf 3 Ständen: die Edlen, der Demos u[nd] die Knechte. Unter ihnen herrschen nur die Edlen [(]ਙȡȚıIJȠȚ ਙȞĮțIJİȢ> @sie führen die Waffen, haben Grundbesitz u[nd] zahlreiches Gesinde. Der Demos ist nur eine namenlose Masse. Aus dem Adel erhebt sich einer als Herrscher, auf den sich der ganze Glanz des Adels concentrirt. Ihm dient alles, also auch die Kunst, die des Gesangs sowohl als die bauende u[nd] bildende. Der König braucht Burgen, innerhalb derselben seinen Palast, sein Grab, wo er mit den Seinen unantastbar ruht, nach dem Tode noch verehrenswerth. – Von dieser Art haben [sich] noch große Denkmäler [erhalten] u[nd] sie sind die am best[en] erhaltenen. U[nd] gehören den Plätzen an, wo wir das Königthum aus der Sage kennen. Sämtl[ich liegen sie] in Küstengegenden, die zum überseeischen Verkehr gut gelegen sind u[nd] auch, wo bezeugt ist, daß dort Geschlechter saßen, die mit dem jenseitigen Ufer536 verbunden war[en]. In Argos die Perseiden in Verbindung mit Lykien, die Pelopiden in Verbindung mit Lydien. Vor den Pelopiden sollten die Perseiden da gewesen sein, die aus Lykien ihre Baumeister bezogen, die ț઄țȜȦʌİȢu[nd] ȖĮıIJİȡંȤİȚȡİȢ537Daher [H. i ii

Saal im Louvre : cypr. jetzt im Louvre im Saal. einen : der.

531 L. Ross, Kurion und das Heiligtum des Hylates auf Kypros, in: AZ 3, 1845, Sp. 99–106; ders., Kyprisches Grabrelief, in: AZ 5/6, 1847/48, Sp. 289–292 Taf. 19; ders., Phönicische Gräber auf Cypern, in: AZ 9, 1851, Sp. 321–328 Taf. 28; ders., Reisen nach Kos, Halikarnassos und der Insel Cypern IV (1852). 532 E. Renan, Mission de Phénicie dirigée par E. Renan (1864). 533 A. Caubet - A. Hermary - V. Karagheorgis, Art antique de Chypre au Musée du Louvre du chalcolithique à l’époque romaine (1992) 8f. 534 Ps.-Aristot., mirab. 96 p. 838 a 15–26: Mantel des Alkimenes aus Sybaris, verziert oben bzw. unten mit Tierbildern aus Susa bzw. von den Persern, in der Mitte griechische Götterfiguren, an den Seiten Alkimenes und Sybaris. 535 Vgl. Müller 1848, 24–54 § 40–75. 536 Kleinasien. 537 Strab. VIII, 6, 11 p. 373: Ȁ઄țȜȦʌİȢgenannt die ȖĮıIJİȡંȤİȚȡİȢ.

[S. 35]

232

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

fol. 33 r.: ist Argos die] Ȗ઼ ȀȣțȜȦʌ઀Įbei Eur[ipides].538 Der Name „Kyklopisch“ ist nur in Argolis bezeugt. Seit Anf[ang] dieses Jahrh[underts] hat man die Denkmäler von Argolis genau untersucht durch Sir William Gell, Über die antiken Städtemauern. Dodwell, Ansicht u[nd] Beschreibung der Kyklopenmauern.539 Bei Voss540 u[nd] anderen wurde gezweifelt, ob die Denkmäler so alt seien. Schelling aber namentl[ich] im Jahresber[icht] der Bair[ischen] Akad[emie] der Wissensch[aften] III541 vertrat das hohe Alter dieser Gebäude. 29. 11. 64 Mykene war der Sitz der Pelopiden, aus Lydien. Dies ist das älteste Goldland, daher ʌȠȜ઄ȤȡȣıȠȚ ȂȣțોȞĮȚ542Aber sie waren nicht die ersten, vor ihnen [herrschten die] mit den Lykiern verbundene Perseiden, wo Baukunst u[nd] Bildkunst früh blühten. Sie bauten Tiryns țȣțȜઆʌȚĮ ʌȡંșȣȡĮ Ǽ੝ȡȣıș੼ȦȢ543Proetos (Strab. p. 393)544 soll es mit Kyklopen gebaut haben. Tirynsi steht noch heute auf einem Felsen in der Ebene, unweit des Meeres, mit Mauern des rohsten Stils, die aber schon in ihrer Weise vollendet sind.545 Sie sind nicht massiv, sondern inwendig sind gegiebelte Gänge546, neuerdings auch [in] Mykene547. Wahrscheinl[ich] Vorrathsräume, vielleicht auch für Vieh. Dann in Mykene548, der Bau des Perseus. Dort finden wir Mauern, die durch Füllsteine zusammen[ge]halten sind, dann mit gefügten549 Steinen; dann gibt es schon Mauern, die sich dem i

Tiryns : Das Tiryns.

538 Eur., Or. 965f. 539 W. Gell, Probestücke von Städtemauern des alten Griechenlands (1831); E. Dodwell, Views and descriptions of Cyclopian or Pelasgic remains in Greece and Italy, with constructions of a later period, from drawings by the late Edw. Dodwell, intended as a supplement to his classical and topographical tour in Greece during the years 1801, 1805, and 1806 (1834). 540 Johann Heinrich Voß, Dichter, Philologe und berühmter Übersetzer von Ilias wie Odyssee. 541 J. F. v. Schelling, Jahresbericht der Bayerischen Akademie der Wissenschaften III, nicht zu verifizieren. 542 Hom., Il. VII, 180; XI, 46; Od. 3, 305 543 Pind., frgt. 152, 7 (ed. C. M. Bowra): ȀȣțȜȦʌ઀ȦȞ ਥʌ੿ ʌȡȠș઄ȡȦȞ Ǽ੝ȡȣıș੼ȠȢ; frgt. 169a, 7 (ed. B. Snell):ȀȣțȜઆʌİȚȠȞ ਥʌ੿ ʌȡંșȣȡȠȞ Ǽ੝ȡȣıș੼ȠȢ. 544 Strab. VIII, 6, 11 p. 373. 545 Tiryns. Forschungen und Berichte I–XV (1912–2007); U. Jantzen u.a., Führer durch Tiryns (1975). – Zur Mauertechnik: M. Küpper, Mykenische Architektur. Material, Bearbeitungstechnik, Konstruktion und Erscheinungsbild (1996) passim. 546 Vermutl. die Galerien im Süden und Osten: Küpper a.O. 35f. 547 Küpper, ebenda. 548 A. J. B. Wace, Mycenae. An archaeological history ande guide (1949); G. Mylonas, Mycenae and the Mycenaean Age (1966); Küpper a.O. passim; E. French, Mycenae. Agamemnons Capital (2002). 549 Gurlitt: gefügten, Hiller fol. 33 r.: polygonalen.

Periode der heroischen Zeit

233

Quaderbau nähern550. Also verschiedene Generationen [von Erbauern]. Es gibt kleine Mauern, ein Thor, daneben eine kleine Pforte551. Die Ummauerung ist lang, denn das Volk wohnte in der Ebene. – Dann die unterird[ischen] Gewölbe. Sie hießen im Alterthum șȘıĮȣȡȠ઀, ਫ਼ʌંȖĮȚĮ ਝIJȡ੼ȦȢ Ƞੁț[ȠįȠȝ]੾ȝĮIJĮ552in Mykene553, gerade so [H. fol. 33 v.: beschreibt Pausanias] diei Tholos des Minyas bei Orchomenos554; in Amyklai555; ja in der Heimat der Pelopiden auf dem Sipylos [sind] ebensolche Bauten556. Otfr. Müller hielt sie noch für Schatzhäuser, dagegen Welcker u[nd] Mure (Rh. Mus. 1838)557 es seien Gräber. Sie liegen näml[ich] außerhalb der Burgen. Curtius hält sie auch urspr[ünglich] für Gräber. Soph. Ant. (țȠȚȜ੹ ȜȚșંıIJȡȦIJĮ558> @Zu den Gräbern gehört der Schatzraum; denn den Anakten gab [man] ihre Waffen, ihre Wagen, einen Theil des Schatzes [mit ins Grab]. Darum eröffnete Pyrrhus die Gräber der Temeniden in Aigae. (Diod. XXII p. 563)559. – Dies Gebäude [(das Mykenische Tholosgrab)] besteht [S. 36] aus 3 Theilen[:] 1.) zuerst der Zugang, 2) dann der große runde Raum[,] 3.) der einem Felsen ausgehauene Raum des Grabes, die Grabkammer, [als] 4. könnte man das Ȥ૵ȝĮbezeichnen. Gegen diese Auffassungen hat man Einwendungen gemacht; der Vorraum sei zu groß, auch sei der Grabraum nach Osten orientirt. Aber man mußte sich [H. fol. 33 v.: bei der Orientierung] an die Örtlichk[eiten] halten [H. fol. 33 v.: , es ist allerdings unsicher, daß der Vorraum auch eine religiöse Bedeutung hatte]. Diod. IV, 49560 vom Minosgrab bei Agrigent, ein [Teil] verschlossen für die Gebeine, [der zweite] ein Vorraum, als Heiligthum der ਝijȡȠį઀IJȘ ਥʌȚIJȣȝȕ઀Į> @Venus Proserpina. Der vordere Raum konnte also zum Gottesdienst dienen. Die Gräberii sind ausgemauerte Tumuli, in Lydien wurden i ii

die : das. Die Gräber : Es.

550 551 552 553

Zu den verschiedenen Mauertechniken Küpper a.O. 26–35. Küpper a.O. 38–46. Paus. II, 16, 6. Vgl. Müller 1848, 29–31 § 48. 49. – O. Pelon, Tholoi, tumuli et cercles funéraires (1976) 157–175 Nr. 1 et passim; ders., Topoi 4, 1994, 156–207. Paus. IX, 38, 2: șȘıĮȣȡઁȢ į੻ ੒ ȂȚȞ઄ȠȣO.Pelon, Tholoi, tumuli et cercles funéraires (1976) 233–237 Nr. 33 et passim ; L. Papazoglou-Manioudaki, in: Troja, Mykene, Tiryns, Orchomenos, Ausstellungskat. Berlin 1990, 130–136. Müller 1848, 29 § 48, 1, aber weder bei Pelon a.O. noch H. Waterhouse – R. Hope Simpson, BSA 55, 1960, 74–76. Müller 1848, 25 § 42, 2. Müller 1848, 29 § 48, 1; 396f. § 292, 5; F. G. Welcker, Schatzhäuser oder Grabmäler in Mykenae und Orchomenos ? (1834), in: Kleine Schriften III (1850) 353–375; W. Mure, Über die königlichen Grabmäler des heroischen Zeitalters, RhM 6, 1838, 240–278. Soph., Ant. 1204f.: ȜȚșંıIJȡȦIJȠȞ țંȡȘȢ / Ȟȣȝijİ૙ȠȞ ਢȚįȠȣ țȠ૙ȜȠȞ Diod. XXII, 12: Die gallischen Söldner des Pyrrhus öffneten die Gräber in Aegae, woran Pyrrhus sie nicht hinderte, obwohl er es mißbilligte. Diod. IV, 79, 3. – Bei Diodor ist ein Beiname der Aphrodite nicht erwähnt.

554 555 556 557 558 559 560

234

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

bes[onders] diese hohen Gräber aufgeschüttet, am Gygäischen See.561 U[nd] wirkl[ich] wurden die Mauerbauten auf Lykien [H. fol. 33 v.: auf die Perseiden], die Grabbauten auf Lydien [H. fol. 33 v.: auf die Pelopiden] zurückgeführt. Diese Form wurde [angewandt] für Brunnen, für Vorrathsräume (IJĮȝİ૙Į Gefängnisse. Das letzte Werk v[on] Sir William Gell I.562 Argolis[. – Zur Ausstattung der Architektur in heroischer Zeit: ] (Od. IV, 721.)563 Darum hießen die Tempel Erzhäuser [, z. B.] Athena ȤĮȜț઀ȠȚțȠȢ564, das Haus war mit Erz ausgeschlagen. Dazu kam Gold, Elfenbein u[nd] Elektron aus Lydien, letzteres eine Mischung aus Gold u[nd] Silber, sard[isches] Elektron genannt. (Virg. Aen. Die Rüstung des Aen[eas] aus Gold u[nd] Elektron)565[.] Buttmann dachte an Bernstein.566 Die neueste Meinung, bei Labartei, Sur le peinture d’email567[,] hielt es für Email. Bei Plin[ius] heißtii es gradig Gold- u[nd] Silbermischung.568 Das Metall wurde gehämmert; alle [Metallteile] waren ıijȣȡ੾ȜĮIJĮu[nd] durch Krampen u[nd] Nägel verbunden. – An dem Eingange der Tholos sind Thürbalken v[on] 27c L[änge;] vor diesem Eingange halbrunde Säulen aus grünl[ichem] Marmor mit Zickzackstreifen, entschieden assyr[isch]. [Die Eingangsfront] Mit bunten Steintafeln belegt, mit Spiral-, Muschel- u[nd] Fächerförmigen Verzierungen bedeckt.569 An dem Midasgrab in Lydien durchaus ähnl[ich].570 Dies ist durchaus asiat[ische] Kunst auf europ[äischem] Boden. Die griech[ische] Originalität zeigt sich erst in der Weiterentwicklung. [H. fol. 34 r.: Die griechische Kunst hat sich emancipirt in der Komposition, hier ging die Vorstellungskraft der realen Ausführung voran.] Schon die Schilderung des Achill-Schildes zeigt die griech[ische] Künstlernatur (Il. XVIII.)571 Hier ist Sprache u[nd] Dichtung vorangegangen, wie bei den i ii

Labarte : Laborde. heißt : nennt.

561 E. Curtius, Artemis Gygaia und die lydischen Fürstengräber, in: AZ 11, 1853, 148–161; C. H. E. Haspels, The Highlands of Phrygia. Sites and Monuments (1971) 112–138. 562 W. Gell, Probestücke von Städtemauern des alten Griechenlands (1831). Danach folgte: W. Gell, The topography of Rome and its vicinity I. II. (1834). 563 Hom., Od. IV, 72f.: Das Haus des Menelaos im Glanz von Erz, Gold, Elektron, Silber und Elfenbein. 564 Paus. III, 17, 2–3. 565 Verg., Aen. VIII, 624: Beinschienen des Aeneas aus Gold und Elektron. 566 P. Buttmann, Über das Elektron, in: AbhBerlin 1818/1819, 38–59. 567 J. Labarte, Recherches sur la peinture en émails dans l’antiquité et au moyen âge (1856) 77–91; 229. 568 Plin., n. h. XXXIII, 80: Elektron besteht aus 1 Fünftel Silber und 4 Fünftel Gold. 569 Eingangsfront des sog. Schatzhaus des Atreus, Pelon a. O. 425f. Taf. 131–135; Details in London, Brit. Mus.: S. Marinatos, Kreta, Thera und das mykenische Hellas (1976) Taf. 171; vgl. auch J. G. Younger, The Elgin plaques from the Treasury of Atreus, in: Kolloquium zur ägäischen Vorgeschichte Mannheim 1986 (1987) 138–150. 570 C. H. Haspels, The Highlands of Phrygia. Sites and Monuments (1971) 112f. 571 Hom., Il. XVIII, 478–608.

Periode der heroischen Zeit

235

meisten Völkern. Wie lange hat es z. B. nach Dante gedauert ! Der Dichter bildet ohne Rücksicht auf plast[ische] Darstellung[smöglichkeiten]. Daher finden sich selbst bei Hom[er] ਙʌȜĮıIJĮ572 – So der Helm der Athena, der die Völker v[on] 100 Städten deckt573. Des Herakles Schild beii Hesiod574 könnte sofort nachgebildet werden u[nd] ist es auch. In der Mitte ein ijંȕȠȢein Medusenhaupt. Dann Kämpfe v[on] Ebern u[nd] Löwen, ebenso in den assyr[ischen] Geweben. Im nächsten Kreise Kentauren u[nd] Lapithen, Perseus von den Gorgonen verfolgt. (Otfr. Müller, Archäol. Vindication des hesiod. Schildes Kl. Schr. II.)575 Die Pelasg[ische] Welt hatte keine Idole. Aber das Bedürfniß nach sinnl[icher] Darstellung ist zu dringend (Il. VI, 297)576 u[nd] die hom[erische] Welt ist voll von Tempeln u[nd] Bildsäulen. Tempel, in denen Götter wohnen, die Götterii umwandeln ihre v[on] Hekatomben duftenden Opferstätten. Die Tempel selbst (cf. Einleitung Welcker, Kl. Schr. III, 376 der Ochatempel.)577 Tempel u[nd] Bild gehören zusammen. Die Cultusbilder sind entweder bloß Symbole der Götter578 od[er] darstellende Bilder. 1.) [Symbole der Götter:] Die heil[igen] Bäume (Plin. XII, 2 haec fuerunt numinum templa.)579[,] bei den Röm[ern] lang festgehalten, dann Holzstücke, andere ıȘȝİ૙Į IJȠ૨ șİȠ૨Lanzen, Throne, Dreizack. (Eur. fr. des ErechtheusIJȡ઀ĮȚȞĮ580 u[nd]ਥȜĮ઀Į581.) Dann die göttl[ich] verehrten Steine (ȕĮȚIJ઄ȜȚĮ,582 ਕİȡંȜȚșȠȚ >@bes[onders die] vom Himmel gefallen[en]583 i ii

bei : des. die Götter : sie.

572 ਙʌȜĮıIJȠȢnichthomerisch, bei Hesiod: ungeschlacht, später ungekünstelt, einfach. 573 Hom., Il. V, 752. – S.-G. Gröschel, Der goldene Helm der Athena, AMI 19, 1986, 43–78 Taf. 13–20. 574 Hes., asp. 141–317. 575 K. O. Müller, Archäologische Vindication des hesiodeischen Herakles-Schildes, in: Kleine deutsche Schriften über Religion, Kunst, Sprache und Literatur, Leben und Geschichte des Alterthums II (1848) 615–634. – K. Fittschen, Bildkunst I (1973), ArchHom II N 18–23. N 27f.; H. Philipp, Archaische Silhouettenbleche und Schildzeichen in Olympia, OF 30 (2004) 45, 72f., 95, 103, 192, 207. 576 Hom., Il. VI, 297: Tempel der Athena in Troja. 577 F. G. Welcker, Der kleine Tempel auf der Spitze des Berges Ocha in Euboea, in: Kleine Schriften III (1850) 376–392; s. o. Anm. 99. 578 Müller 1848, 44–46 § 66. – H. Herter, WSt 79, 1966, 556–572. 579 Plin., n. h. XII, 3: haec fuerunt numinum templa (i. e. arbores). 580 Eur., Erechth. Frgt. 360, 47 (Nauck). 581 z. B. Hom., Od. 13, 372 (der Athena heilige Ölbaum). 582 Zu Baitylia V. Fehrentz, JdI 108, 1993, 123f. 131f. 583 Zu fliegenden Baitylen: Phot., Bibl. 242 (ed. Bekker S. 342).

236

[S. 37]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

1. 12. 64 Sie wurden bis in die späteste Zeit verehrt. Der Jupiter lapis bei den Röm[ern]584. So wurden Eros u[nd] die Chariten [verehrt];585 in Pharae gab es 30 Ȝ઀șȠȚ [IJİ]IJȡ੺ȖȦȞȠȚ Paus. VII, 22[, 3]. Der kar[ische] Apollo in Megara, ein pyramidaler Gott.586 Auch säulenartige, kegelartige Steine [wurden als Götterbilder verehrt]. – Dann [folgten] darstellende Bilder, erst später sind sie anthropomorphi. Es war[en] seltsam geformte, längl[iche] Steine, mit kopfartigem Ende. Da half man leise nach u[nd] drappirte sie. [Beispiele sind das] Idol der Artemis ȆİȡȖĮ઀Įii,587die Göttin v[on] Iasos in Ionien588, v[on] Myra in Lykien589, die kegelförmigen Idole zu Paphos590, die Spitzsäule des Apollo Agyieus591. Dazu die alten Palladien592, schließl[ich] die Hermen593, sie sind allein kunsthistor[isch] wichtig. Von ihnen Hdt. II, 51, sie seien nicht aegypt[isch], sondern echt pelasg[isch] u[nd] speziell attisch. Viereckige Säulen mit Kopf u[nd] Phallus[:] „ithyphall[ische] Hermen“. Es ist die erste Annäherung viereckiger Steine zur Menschengestalt. Der Phallus bezieht sich auf Sagen über des Hermes Verbindung mit weibl. Gottheiten, das bezieht sich auf seine Verbindung mit der Brimo, aus dem Samothrak[ischen] Geheimdienst (Hdt. l.c.)594. – Anders ist der Ursprung der Holzbilder, die blos durch Abschälung (delibratio) u[nd] geringe Nachhilfen gebildet sind (cf. Einleitung.) Plut., bei Eus. praep. ev. II, 8 der Stein sei unbildsam, kalt, leblos, Gold u[nd] Silber das Erzeugniß einer verdorbenen Erde, der Baum enthalte das Leben i ii

anthropomorph : anthropomorphistisch. ȆİȡȖĮ઀Į: ȆİȡȖİ઀Į

584 Polyb. III, 25, 6; Liv. I, 24, 7f.; Cic., ad fam. VII, 12, 2; Gell. I, 21, 4. 585 Eros in Thespiai: Paus. VIII, 27, 1. – Chariten in Orchomenos: Paus. IX, 38, 1. 586 Gurlitt: Gott, Hiller fol. 34 v.: Kegel. – Paus. I, 44, 2: Apollon Karinos, ein nicht sehr großer Stein in Pyramidenform. 587 Strab. XIV, 4, 2 p. 667. – LIMC II (1984) 765f. s. v. Artemis Pergaia (R. Fleischer) Taf. 574. 588 Polyb. XVI, 12, 3. – LIMC II (1984) 754f. s. v. Artemis Astias (R. Fleischer) Taf. 564. 589 Artem. II, 35. – LIMC II (1984) 755 s. v. Artemis Eleuthera (R. Fleischer) Taf. 564. 590 Kultmal aus Basalt, aus Alt-Paphos, Nikosia, Cypern Mus.: F. G. Maier, Alt-Paphos auf Cypern, TrWPr 6, 1984, 26 Taf. 13, 6; Kultmal auf Münzen: ebenda Taf. 13, 3.4; BMC Cyprus Taf. 14, 2.3. 6–8; 15, 1–4.7. 8; 16, 2. 4. 6–9; 17, 4–6. 8–10. 591 V. Fehrentz, Der antike Agyieus, in: JdI 108, 1993, 123–196. 592 Müller 1848, 47 § 68, 1. – LIMC II (1984) 965f. 1019f. s. v. Athena (P. Demargne); M. Krumme, AA 1993, 213–227, bes. 220–225; H. J. Niemeyer, in: Modus in Rebus. Gedenkschrift für W. Schindler (1995) 46–49. 593 Müller 1848, 46 § 67. – H. Wrede, Die antike Herme (1986). 594 Hdt. II, 51, 2–4 zur Herkunft des ithyphallischen Hermes aus dem samothrakischen Mysterienkult. – Prop. II, 2, 11f.: Hermes als Geliebter der mit der Hekate gleichgesetzten Brimo.

Periode der heroischen Zeit

237

in sich595 etc. etc. Holzpfähle wurden zu puppenartigen Bildern [H. fol. 35 r.: , zu Dionysosbildern.] (Baumcultus v[on] Boetticheri.)596 – Hier liegen also die ersten Anfänge künstler[ischer] Thätigk[eit], [die] aber mehr handwerksmäßig [ausgerichtet ist] u[nd] es bildet sich eine Tradition in Zünften, in erbl[ichen] Innungen. Daher tragen die ältesten Künstler bedeutsame Namen: Daedalos, Cheirisophos597, Tektaios598, Eucheir599, Strongylion [H. fol. 35 r.: der Abrunder]600, Smilis ([d.i. Messer,] scalprum Kneif.)601 U[nd] ihre Technik nannten die Griech[en] ıȠij઀Į, ıȠijઁȢ IJ੼țIJȦȞ602Denn Künstler solcher Zünfte hatten einen religiösen Charakter u[nd] waren heilig. Diese Zünfte schließen sich an das Schnitzen der Hölzer an – Metallbilder: Dies war die Erfindung der Telchinen, Metallbilder wurden nicht leicht göttl[ich] verehrt. – Stein- u[nd] Holzbilder mußten feierl[ich] gegründet (ੂįȡ઄İȚȞ werden u[nd] war[en] dannii ਕț઀ȞȘIJȠȞ ਪįȠȢDem ਪįȠȢentspricht der alte Ausdruck ਦȜȜ੺ bei Hes[ych].603 So hieß das alte Heiligthum in Dodona (ਦȜȜ੺= sella.) Nach der Gründung wurde das Götterbildiii regelmäßig bedient u[nd] gewaschen etc. Dann [kam] das Bekränzen mit Gewändern u[nd] Geschmeide, die Umwicklung mit Wolle, bei den ȕĮȚIJ઄ȜȚĮdas Salben u[nd] Oelen der Steine. – Diese Idole bleiben unverändert alle Jahrh[underte] hindurch u[nd] wurden ein Gespött (Ath. p. 614)[:] so die Leto ein ȟ઄ȜȚȞȠȞ ਙȝȠȡijȠȞ604Sie hatten ıț੼ȜȘ i ii iii

Boetticher : Boettiger. dann : nun. das Götterbild : es.

595 Plut., Frgt. 158 (ed. F. H. Sandbach) apud Eus., praep. ev. III, 8, 1. Der Hinweis, der Baum enthalte das Leben in sich, nicht bei Eusebios. 596 C. Boetticher, Der Baumcultus der Hellenen nach den gottesdienstlichen Gebräuchen und den überlieferten Bildwerken dargestellt (1856). 597 Cheirisophos: Müller 1848, 541 § 359, 5; Brunn, GK I 51. – Floren 1987,121; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 136 s. v. Cheirisophos (I) (R. V.). 598 Tektaios: Müller 1848, 61 § 82; 65 § 86, 2.3; Brunn, GK I 50f.; Overbeck, Geschichte I 85. – Floren 1987, 179; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 45 s. v. Angelion und Tektaios (E. Paul / W. Müller). 599 Eucheir: Müller 1848, 53 § 75, 1; Brunn, GK I, 529; II, 5. 302; Overbeck, Geschichte I 75. – Floren 1987, 196; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 220f. s. v. Eucheir (II) (R. V.). 600 Strongylion: Müller 1848, 118 § 124, 1; 423 § 306,1; 630 § 393, 2; 761 § 433, 3; Brunn, GK I 267f. 302f.; Overbeck, Geschichte I 295f. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 426f. s. v. Strongylion (D. Kreikenbom). 601 Smilis: Müller 1848, 49f. § 70,3; Brunn, GK I 26–29. 34. 46. 58. 60–62; II 379; Overbeck, Geschichte I 84. – Stewart 1990, 241f.; Walter-Karydi 1987, 12f., 15; Floren 1987, 309; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 403 s. v. Smilis (E. Walter-Karydi). 602 Pind., Pyth. III, 113. 603 Hesych. s. v. ਬȜȜ੺Sitz. Zeusheiligtum in Dodona.; vgl. Hesych. s.v.ਯȜĮZeusheiligtum von Dodona. 604 Ath. XIV, 614 b.

238

[S. 38]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

ıȣȝȝİȝȚțંIJĮ, ȟંĮȞĮ ı઄ȝʌȠįĮ, Ȥİ૙ȡİȢ ʌĮȡĮIJİIJĮȝȝ੼ȞĮȚ, ੕ȝȝĮIJĮ ȝİȝȣțંIJĮ605 halbgeschlossen). Solche alte Bilder [sind] auf Münzen, Gemmen [überliefert] (Gerhard, Metroon.)606 [H. fol. 35 v.: Skulpturen, die nicht dem Kultus angehören, schließen sich enger an die Architekturen an. So bildeten sie einen Schmuck der Burgen und [von] Thoren. Dahin gehören die Gorgoneia.] Die Gorgoneia, Schreckbilder, unzählig oft im Inneren von Schalen, [zeigen] immer [ein] kreisrundes Gesicht, aufgerissene, runde Augen, das Maul mit thier[ischen] Zähnen u[nd] die ausgestreckte Zunge. Diese Augen kommen auch allein vor. (Conze, Reise auf den thrak. Inseln)607 Solche Gorgoneia waren an allen Burgen: (Levezow, Über das Gorgonenideal)608[.] Dieser Typus ist festgehalten [worden]. Dazu die Wappensteine; so in Mykene, das schon den Griechen etwas uraltes erschien; daher ਩ȡȖȠȞ ȀȣțȜઆʌȦȞ609Die Löwen v[on] Mykene610[:] sie stehen über dem Thore in der dreieckigen Öffnung einander gegenüber. Die Füße auf 2 Postamenten, so muß man die beiden ausgekehlten Steine ansehen. Die Löwen sind in flachem Relief u[nd] die Köpfe waren eingesetzt od[er] sprangen wie Gorgoneia hervor. Die Löwen haben Mähnen, große Naturwahrheit, ausgebildete Technik, alle Geräthe des Steinmetzen müssen vorhanden gewesen sein. Die Säule der Mitte [H. fol. 36 r.: ist scheinbar unten stärker,]hat in Wahrheit einen gleichartigen Durchmesser [oben wie unten]. Auf der Säule ein Kapitäl von 2 Abaci (Platten)[,] dazwischen 4 runde Kugeln, unter dem unteren Abacus 3 Ringe, ferner eine Andeutung des Wulstes, des Echinus. – Diese Kugeln, welche sich am einfachsten erklären als Andeutungen herausspringender Balkenköpfe. [H. fol. 36 r.: Die Säule] Als Symbol des königl[ichen] Hauses u[nd] [H. fol. 36 r.: die Löwen als Symbole] der Stärke. Die Köpfe waren mit steinernen Dübeln eingesetzt. Die Schweife der Löwen sind kolbenartig, die Füße unförml[ich] dick, es ist keine rechte Bodenlinie, es kam hauptsächl[ich] auf die vorspringenden Köpfe an, die ਕʌȠIJȡંʌĮȚĮ Dies ist die älteste Skulptur auf europäischem Boden. –

605 Schol. ad Plat., MenD: IJ੹ ȗ૶Į ıȣȝȝİȝȣțંIJĮȢ ਩ȤȠȞIJĮȢ IJȠઃȢ ੑijșĮȜȝȠઃȢ țĮ੿ Ƞ੝ įȚİıIJȘțંIJĮȢ IJȠઃȢ ʌંįĮȢ, ਕȜȜ’ ਦıIJ૵IJĮ ı઄ȝʌȠįĮ Diod. I, 98, 9: Ȥİ૙ȡİȢ ʌĮȡĮIJİIJĮȝ੼ȞĮȚ Diod. IV, 76, 3: ਕȖ੺ȜȝĮIJĮ IJȠ૙Ȣ ȝ੻Ȟ ੕ȝȝĮıȚ ȝİȝȣțંIJĮ. 606 E. Gerhard, Über das Metroon zu Athen und über die Göttermutter der griechischen Mythologie, in: AbhBerlin 1849, 459–490. 607 A. Conze, Reise auf den Inseln des thrakischen Meeres (1860) 12f. 608 K. Levezow, Über die Entwicklung des Gorgonen-Ideals in der Poesie und bildenden Kunst der Alten, AbhBerlin 1832 I, 137–234 Taf. 1–5. 609 Paus. II, 16, 5. 610 Müller 1848, 42f. § 64, 2; Overbeck, Geschichte I 40f. Abb. 2. – S. Marinatos, Kreta, Thera und das mykenische Hellas (1976) Taf. 163; M. C. Shaw, The Lion Gate relief of Mycenae reconsidered, in: ĭȚȜ઀Į ૓ǼʌȘ İੁȢ ī. ૅǼ. ȂȣȜȦȞ઼ȢI (1986) 108–123; E. F. Bloedow, The lions of the Lion Gate at Mycenae, Atti e Memorie del II. Congresso Internazionale di Micenologia (1996) 1159–1166.

Periode der heroischen Zeit

239

Hier ist nicht von rohen Anf[ängen] die Rede, sondern es war eine an sich vollendete Kultur. Es stand die[se] [H. fol. 36 r.: homerische] Welt in lebendigem Verkehr mit Cypern, Lykien, Sidon etc. U[nd] es gabi mannichfache Vorwürfe der Kunst. Es gab einen höf[ischen] Putzstil. Es meldet sich schon die Eigenthümlichk[eit] des hellen[ischen] Lebens. U[nd] diesen nationalen Keim führten die Griechen auf Daedalos zurück. Seine Wohnplätze sind die ältesten Stätten der plast[ischen] Kunst. (Athen, Theben, Korinth, [H. fol. 36 r.: Argos,]Kreta, Sikilien.) Seine Werke zeigen den Zusammenhang v[on] Kunst u[nd] Handwerk, Architektur u[nd] Plastik. (Paus. II, 14, 5 ਥȟ ਥʌȚʌȡ੼ʌİȚ țĮ੿ ਩ȞșİȠȞ IJȠ૨IJȠ 611 2. 12. 64 [Das Löwentor von Mykene wurde] Vor 2 Jahren zuerst abgeformt, in Berlin, u[nd] anderswo.612 Vielleicht ist das Werk gar nicht in Griechenland gearbeitet. – Aber schon in dieser Zeit gab es spezifisch Hellenisches, [Werke,] die man Daedalisch nannte. Sie sind das erste Charakteristische für hellen[ische] Kunst. [H. fol. 36 r.: Sie bezeichnen den Zusammenhang von Kunst und Handwerk. Paus. 2, 4, 5 findet trotz ihrer Ungeschicktheit schon etwas ਩ȞșİȠȞ in ihnen. Dahin gehört auch, daß er [Homer] einen Khor brauchte (Ȉ 591), eine Orchestra.] ȤȠȡઁȞ ਵıțİıİIl.613 [meint] eine Orchestra, eine öffentl[iche] Terrasse zu feierl[ichen] Tänzen. – Das Leben, die Bewegung in Stein u[nd] Holz ist das Eigenthüml[iche], es ist den Stoffen ein neues Leben eingehaucht; Darauf beziehen sich die vielen Sagen über dieii daedal[ischen] Werke. Von Herakles bei Apollod. I, 6614. – Dann daß man die Statuen angebunden habe (Plat. Menon p. 97 D) od[er] Daed[alos] habe zuerst die Bilder sehend gemacht (ੑȝȝĮIJȠ૨Ȟ 615, er hat die Augen geöffnet. (Parömiogr[aphen] v[on] Schneidew[in] u[nd] Leutsch I., p. 59.)616 – In dieser Zeit ist noch kein Unterschied zw[ischen] Occident u[nd] Orient; Hom[er] kennt noch keinen Unterschied [H. fol. 36 v.: zwischen Hellenen und Barbaren]. Es wiegen die Stämme vor, die den Verkehr mit dem Ausland übten: Ionier, Minyer, Achäer; [sie sind] Seevölker u[nd ihre Siedlungen sind] Küstenplätze. Es änderte sich also alles, als eine Reaction der Landvölker erfolgte, die Anakten Homers gestürzt wurden, die Völker aus dem Norden herabkamen. [Nämlich] Die Dorer, von den i ii

gab : war. über die : der.

611 612 613 614 615 616

Paus. II, 4, 5:ਥʌȚʌȡ੼ʌİȚ į੻ ੖ȝȦȢ IJȚ țĮ੿ ਩ȞșİȠȞ IJȠ઄IJȠȚȢ. Friederichs – Wolters 1885, 1–3 Nr. 1. Hom., Il. XVIII, 590 – 592. Apollod. II, 6, 3. Diod. IV, 76, 3. Zenob., prov. III, 7 s. v. ǻĮȚį੺ȜİȚĮ ʌȠȚ੾ȝĮIJĮ. - E. L. v. Leutsch - F. W. Schneidewin, Corpus paroemiographorum Graecorum I (1839) 59.

240

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Alten vorzugsweise ਰȜȜȘȞİȢgenannt. Die heroische Zeit geht also nicht (wie Otfr. Müller, Archäologie) bis Ol. 50 [580–577 v. Chr.].617

3. Die hellenische Kunsti in ihrer nationalen Entwicklung nach ihren verschiedenen Schulen. [Ihre frühe Phase lässt sich wie folgt unterteilen:] a.) die

[S. 39]

ältere Zeit vor Ol. 50, b.) die neuere Zeit nach Ol. 50, [also] die Zeit Solons um 580 v. Chr. – Man kann sich die Veränderung [H. fol. 36 v.: durch die Wanderung] gar nicht groß genug vorstellen. Die Völker waren ermordet, in Üppigk[eit] u[nd] Schlechtigk[eit] versunken, bes[onders] die Anaktengeschlechter. [H. fol. 36 v.: Die homerische Welt war marode geworden.] – Im Peloponnes ist der Contrast am Deutlichsten. Statt der üppigen Atriden die enthaltsamen Dorier. Paläste, Burgen, Königsgräber, Thesauren verfallen. Das Königthum hielt sich nur schattenhaft. In offenen Städten [leben jetzt] gleichberechtigte Krieger, [tragen] einfache Kleider, [essen] einfache Mahle, [haben] alles öffentl[ich] gemeinsam. Nur der Gottesdienst gibt noch Anlaß zu höheren Leistungen. – Was die Sage in einem Feldzug zusammengefaßt hat, ist eine Umwälzung, die Jahrh[underte] lang dauerte. Die dor[ischen] Institutionen haben sich zuerst in Kreta, dann in Sparta ausgebildet u[nd] zwar stammen die zugrundeliegenden Ideen nicht von den Doriern. Sie kamen landsuchend, waren ungebildet, sie wurden den Staaten eingeordnet, bildeten sie nicht; die Ideen des Staates stammten v[on] Delphi mit seinem Apollon[. Das gilt] im Staate, wie in der Kunst. [H. fol. 37 r.: Die Anfänge der dorischen Baukunst weisen nach Delphi.] Der delph[ische] Tempel hatte eine lange Geschichte (Paus. X, 5)[.] Erst eine myth[ische], der älteste Tempel war eine Lorbeerhütte (ȤĮȜ઄ȕȘ , der 2.) sollte v[on] Bienen erbaut sein (ʌIJİȡ઀į[Ț]ȠȢ , dann der 3. der eherne Bau, u[nd] dieser erinnert an die Erzgebäude der heroischen Zeit, 4.) der Steinbau.618 Über ihn der Hymnus auf den pyth[ischen] Apollon 116įȚ੼șȘțİ șİȝİ઀ȜȚĮ ĭȠ૙ȕȠȢ ਝʌંȜȜȦȞ619 aber die Steinschwelle [war von] Trophonios u[nd] Agamedes; den Aufbau errichteten (਩ȞĮııĮȞ unzählige Völker aus polirtem Stein.ii So ist vom Apollin[ischen] Heiligthum die Ordnung des Steinbaus ausgegangen. Die Tektonen dieses Baus sind Priester (ij઀ȜȠȚ ਕșĮȞĮIJȠ૙ıȚ șİȠ૙ıȚ 620 i ii

Kunst : Zeit. den Aufbau errichteten (਩ȞĮııĮȞ unzählige Völker aus poliertem Stein : u[nd] baute (‫ݏ‬ȞĮııİȞ v[on] Stein.

617 Müller 1848, 24: Erste Periode, bis gegen Olympias 50. (580 v. Chr.). 618 Paus. X, 5, 9–12. – Zur Frühgeschichte des Tempels: Müller 1848, 31 § 50, 1. – C. Berard, Architecture érétrienne et mythologie delphique, AntK 14, 1971, 59–73 Taf. 40, 2. 3; H. Drerup, Das sogenannte Daphnephoreion in Eretria, in: Studien zur Klassischen Archäologie. F. Hiller zu seinem 60. Geburtstag (1986) 3–21; anders Maaß 1993, 99–101. 619 Hymn. Hom. Ap. 294–299. 620 Hymn. Hom. Ap. 297.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

241

[,vgl.] Cic. Tusc. I, 47 amici immortalium, Trophonius et Agamedes)621 Der Steinbau ist Praerogative des Gottes; die menschl[iche] Wohnung sollte mit Axt u[nd] Säge gebaut werden, eine Anordnung des Lykurg Plut. Lyk. 13622. [Daher] das Staunen der Spartaner über künstl[erischen] Ausbau [von Gebäuden]623. – Dieser Bau steht gleich fertig vor uns: glans Doricum624. Ein țંıȝȠȢ analog dem Staate, der Musik, aus einfachen Elementen aus sich heraus aufgebaut, jeder Theil ein nothwendiges Glied des Ganzen, voll Maaß u[nd] Gesetz, belebt vom Gegensatz des Tragenden u[nd] Getragenen, des Offenen u[nd] des Geschlossenen, des statischen Gerüstes u[nd] seinem Schmuck u[nd] seiner äußeren Verkleidung. – Urspr[ünglich] hatten die Griechen nur eine Bauart [(]Vitr. IV, 1[, 3] prima antiquitus Dorica est nata columna), auch die Ionier bauten [H. fol. 37 r.: nach Vitruv] einst dorisch.625 – Später trat eine Trennung ein, u[nd] wie sich die Dialecte bildeten, so bildeten sich nun Stile. Die Dorier hielten am Alten fest u[nd] ihrem Charakter entsprach das Herbe, Einfache, Strenge, Knappe. – Die bewegl[ichen], neuerungssüchtigen Ionier strebten nach weiterer Entwicklung (aedem novi generis quaerentes Vitr. l.c.)626[.] Ihr Stil ist freier, bewegl[icher], jede Säule ist ein Individuum für sich, hat ihreni Fuß; der Säulenumgang löst sich von der Cella. Zwischen Säulen u[nd] Dach beseitigen sie die starre Eintheilung des dor[ischen] Gebälks (Vitr. IV, 3[, 1] inpedita distributio). U[nd] statt der Beschränkung führen [sie] luftige, schlanke Verhältnisse u[nd] colossale ein (muliebris gracilitas, gracilioribus modulis delectati Vitr. l.c.)627[.] Deßhalb hat der jon[ische] Bau keinen so festen Abschluß genommen, u[nd] es konnte sich an ihn später der korinth[ische] anschließen. Die Zeitverhältnisse können wir nicht bestimmen. Um Ol. 30 (660) wurde zuerst nebeneinander dor[isch] u[nd] jon[isch] gebaut (z. B. in Sikyon zu einem Schatzgebäude.)628 Als Merkwüri

ihren : seinen.

621 Cic., Tusc. I, 47, 114: Lohn Apolls an Trophonios und Agamedes für die Errichtung des Tempels ist der Tod als das beste für den Menschen. amici immortalium nicht bei Cicero. 622 Plut., Lyk. XIII, 3: Rhetra des Lykurg: Beim Häuserbau Fertigung des Daches nur mit der Axt, der Tür nur mit der Säge. 623 Plut., Lyk. XIII, 5. 624 Vgl. Müller 1848, 32–35 § 51–53. 625 Anders Müller 1848, 35 § 54, 1. 626 Vitr. IV, 1, 7: Quaerentes novi generis speciem. 627 Vitr. IV, 1, 7 : gracilitas muliebris; IV, 1, 8: gracilioribus modulis delectati. 628 Paus. VI, 19, 1–6. – Zum Schatzhaus der Sikyonier: Olympia II, 40 ff. Taf. 27 ff.; Mallwitz 1972, 167–169; K. Herrmann, AA 1980, 351–360; J. Heiden, Die Tondächer von Olympia, OF 24 (1995), 16–18. 161.

242

[S. 40]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

digk[eiten] werden Holzsäulen erwähnt (Paus. X, 2; V, 16)629[.] Darauf hat man gebaut, als man den dor[ischen] Baustil vom Holzbau ableiten wollte. (Vitr[uv], Hirt, Kugler, Thiersch.)630[H. fol. 37 v.: [Das] ist eine unerweisbare Hypothese.] Ein Volk, wie die Griechen[,] hat für jedes Material [eine] bes[ondere] Technik u[nd einen] bes[onderen] Stil ausgebildet. Entwickelt ist der dor[ische] Stil am meisten in Korinth u[nd] dies stand ja in naher Beziehung zu Delphi. Korinth war die erfindungsreichste, weltklügste, wohlhabendste Stadti, der Mittelpunkt v[on] Ost u[nd] W[est, wo man] 3 Erfindungen [machte:] (Pind. Ol. XIII, 21)631 1.) den Dithyrambos[,] 2.) den Zügel (Reitkunst)[,] 3.) die Baukunst, sie haben auf die Tempel der Götter den doppelten König der Vögel gesetzt (ਕ੼IJȦȝĮ, ਕİIJંȢ Sie haben also das Giebeldach erfunden, nach W[est] u[nd] O[st] gerichtet. Boetticherii hielt dann į઀įȣȝȠȢfür müßig, ਕİIJંȢ hielt Boetticheriii für das ganze Tempeldach, es sei urspr[ünglich] eins, dann zweifach gewesen, als man das Dach in der Mitte durchbrach (Hypäthraltempel.) [.]632 Diese Erklärung ist schwerl[ich] zu halten; denn das Dach wird durch diese Oeffnung nicht doppelt. ਕİIJંȢwird in der Regel nur von demeinen Vordergiebel gebraucht. (Welcker, Über die Giebelgruppen; Alte Denkmäler I.)633 Ferner meint Boetticheriv, es habe urspr[ünglich] über jeder Säulenaxe eine Triglyphe gestanden (਩ȡȖȠȞ ȝȠȞંȖȜȣijȠȞ634  Dies kommt nirgends vor, ist aber wahrscheinl[ich]. Aber keinesfalls bezieht sich darauf der Ausdruck monotriglyphum opus [H. fol. 38 r.: bei Vitr. 4,3], es meint nur die strengere, dor[ische] Manier, nach (Phill. XV p. 194)635 der eine Triglyphe im i ii iii iv

Stadt : Staat. Boetticher : Boettiger. Boetticher : Boettiger. Boetticher : Boettiger.

629 Paus. VIII, 10, 2: hölzener Tempel des Poseidon Hippios bei Mantinea; versuchsweise Identifikation G. Fougères, BCH 14, 1890, 80–82. – Paus. V, 16, 1: Eine Eichensäule im Opisthodom des Heratempels in Olympia; zum Heraion: Olympia II; A. Mallwitz, JdI 81, 1966, 310–376; ders., Olympia und seine Bauten (1972) 137– 149; U. Sinn, Die Stellung des Hera-Tempels im Kultbetrieb von Olympia, in: M. Bietak (Hrsg.), Archaische Griechische Tempel und Altägypten (2001), 63–70; A. Moustaka, Zeus und Hera im Heiligtum von Olympia, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000 (2002), 301–315. 630 Vitr. IV, 2, 2–6; Hirt, Baukunst I–III; F. Kugler, Geschichte der Baukunst I (1856); F. Thiersch, Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen I–III (1816–1825). 631 Pind., Ol. XIII, 17–22: Erfindungen Korinths: Dithyrambos, Zügel, doppelter Giebel. 632 C. Bötticher, Der Hypaethraltempel, auf Grund des vitruvischen Zeugnisses gegen L. Ross erwiesen (1846). 633 F. G. Welcker, Die Giebelgruppen und andere Griechische Gruppen und Statuen. Alte Denkmäler I (1849) 1–29, bes. 1–15. 634 ਩ȡȖȠȞ ȝȠȞંȖȜȣijȠȞwohl ਩ȡȖȠȞ ȝȠȞȠIJȡ઀ȖȜȣijȠȞrekonstruiertnach monotriglyphum opus (Vitr. IV, 3, 7). – C. Bötticher, Tektonik der Hellenen I (2. Aufl. 1874) 204. 635 R. Bergau, Ueber das opus monotriglyphium bei Vitruvius, Philologus 15, 1860, 193–204.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

243

Intercolumnium stand. Ameinokles erfand hier636 [die] Trierenbaukunst637; er ging nach Samos; die ersten Spuren, daß Erfindungen von W[est] nach O[st] getragen werden (Curt. Gr. Gesch. I, 324 meint (Ol.19) um 700.)638 – Die Stätten des jon[ischen] Baustils sind Samos639 u[nd] Ephesos640 (Vitr. IV, 1[, 7]; Plin. XXXVI, 179; dort sei zuerst die spira, das Pfühl der Säule untergelegt). Beide Tempel stehen in flachem, sumpfigen Grunde641, weil diese Gegenden den Erderschütterungen sehr ausgesetzt waren. – 5. 12. 64 Bei der Pflege u[nd] Entwicklung der bildenden Kunst ist kein Riß zwischen Achäern u[nd] Doriern. Es haben sich die alten Innungen u[nd] Zünfte forterhalten, erbl[ich] fortgepflanzt. So in Athen u[nd] Sparta: In Athen waren sogar Weinbau, Feigencultur zunftmäßig. (Haase, Att. Stammverfassung p. 83)642 Am auffallendsten in Sparta, die alten achäischen Zünfte haben sich erhalten, so die der ț੾ȡȣțİȢ der Flötenbläser, Köche, der įĮȚIJȡȠ઀ (Fleischvorleger) (ʌĮIJȡઆȚĮȚ IJ੼ȤȞĮȚ Hdt. VI, 60.) In viel höherem Grade hat sich die Kunst erhalten; denn sie ist aus dem Handwerk hervorgegangen, auch in der neueren Kunstgeschichte, so in Augsburg etc.[;] u[nd] Albr[echt] Dürer u[nd] Holbein waren Holzschnitzer u[nd] zeichneten für das Handwerk. Solche Kunstindustrien finden wir an den Seeplätzen, den [...]. 1.) Die bedeutendsten Kunstschulen, -familien u[nd] -Erfindungen a) Die Schule der Daedaliden643 in Kreta, [Arbeiten] in Holz, Elfenbein u[nd] Marmor. Erst Ol. 50 [580 – 577 v. Chr.] künstlerisch [bedeutsam,] b) auf Naxos; man hatte vortreffl[ichen] Marmor u[nd] ȃ੺ȟȚĮ Ȗો [als] Schmirgel zum Schleifen u[nd] Schärfen. Die Marmorsäge war hier zu Hause. Byzes644 (c. Ol. 50 u[m] 600) schnitt (Paus. V, 10, 2) IJİ૨ȟİ Ȝ઀șȠȣ ț੼ȡĮȝȠȞ645 er erfand Marmorziegel; c.) auf Chios,

636 637 638 639

640 641 642 643 644 645

In Korinth. Ameinokles: Thuk. I, 13, 2f.; Plin., n. h. VII, 207. E. Curtius, Griechische Geschichte I (6. Aufl. 1887) 259. 419. O. Reuther, Der Heratempel in Samos. Der Bau seit der Zeit des Polykrates (1957); H. Kyrieleis, Führer durch das Heraion von Samos (1981) bes. 63–81 (Heratempel); H. J. Kienast, Topographische Studien im Heraion von Samos, AA 1992, 171–213; ders., Der Niedergang des Tempels des Theodoros, AM 114, 1998, 111–131; Ch. Hendrich, Die Säulenordnung des ersten Dipteros von Samos, Samos XXV (2007). A. Bammer - U. Muss, Das Artemision von Ephesos (1996) mit ält. Lit. Zur Problematik: H. J. Kienast, Fundamentieren in schwierigem Gelände. Fallstudien aus dem Heraion von Samos, in: Bautechnik der Antike. Internat. Kolloquium Berlin 1990 (1991) 123–127. F. Haase, Die athenische Stammverfassung, Abh. der histor.-philolog. Gesellschaft zu Breslau I (1857) 76 ff., bes. 83. Müller 1848, 49f. § 70, 2; Brunn, GK I 25f.; 43–51. – Stewart 1990, 242f.; Floren 1987, 121. Byzes: Müller 1848, 34 § 53, 2; Brunn, GK I 42; Overbeck, Geschichte I 82. – Floren 1987, 151f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 126 s. v. Byzes (W. Müller). Paus. V, 10, 3.

244

[S. 41]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

durch Handel, Weinbau, Gesangeskunst (Homeriden), Erfindungssinn der Einwohner ausgezeichnet. Hier wohnt die Familie des Melas646, Marmorarbeiter, [die] vorzugsweise par[ischen] Marmor [benutzten] (Plin. XXXVI, 11647[: Die Familie ist] seit Anf[ang] der Olympiaden [nachgewiesen.]) Aus der Schule stammten Bupalos648 u[nd] Athenis649, Zeitgenossen des Hipponax (c[a.] 600 a[nte] Chr[istum])650[.] Von ihren Werken, die man kannte u[nd] schätzte, bis in die röm[ische] Kaiserzeit, waren einigei mit Gedichten der Künstler versehen (Plin. XXXVI, 11)651. Giebelstatuen im capitolin[ischen] Tempel sollten von ihnen sein.652 [In Chios gab es] Auch eine Schule der Metallarbeit. Solange man das Metall nur mit Hammer u[nd] Meißel bearbeitete, konnte die Technik nicht vorwärts kommen. Da erfand Glaukos653 [das Verfahren,] durch chem[ische] Mittel verschiedene Stücke zu verbinden (ferruminatio, țંȜȜȘıȚȢ Löthen)654[.] Die țંȜȜĮ wird įİıȝઁȢ ıȚį੾ȡȠȣ genannt655, das Bindemittelii scheint also ein drittes gewesen zu sein (Rh. Mus. XV, 102.)656 Zu diesem Verschmelzen der Ränder gebraucht [man] noch immer Harz, die Mastixstaude, in Chios verbreitet, gab vielleicht zu der Technik Anlaß. (Curtius, Griech[ische] Gesch[ichte (1857)] I, 441[; I (6. Aufl. 1887) 527].) Berühmt war der Untersatz eines silbern[en] Mischgefäßes. Es war das Weihgeschenk des Alyattes (Ol. 45, um 600 a.Chr.), das ਫ਼ʌȠțȡȘIJȘȡ઀įȚȠȞ ıȚį੾ȡȠȣ (Hdt. I, 75. Paus. X, 16[.] Ath. p. 201 B.)657 Es war eine stumpfe Pyramide, die Seitenflächen leiterartig durchbrochen; die Eckstangen umgebogen: ʌ઄ȡȖȠȢ ȝ઄ȠȣȡȠȢ Die leiterartigen Stangen waren mit Verzierung animal[ischer] u[nd] botan[ischer] Art: ȗ૳į੺ȡȚĮ Ath. l. c. u[nd] ijȣIJ੺ȡȚĮ 658 die man abnehmen konnte659. H[ero]d[ot]t hält es für das i ii

, waren einige : . Die Werke waren. das Bindemittel : es.

646 Melas: Müller 1848, 62 § 82; Brunn, GK I 38f.; Overbeck, Geschichte I 79f. – Floren 1987, 335; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 60 s. v. Melas (I) (R. V.). 647 Plin., n. h. XXXVI, 11–13. 648 Bupalos: Müller 1848, 62 § 82; Brunn, GK I 38–41; II 324. 344; Overbeck, Geschichte I 80f. – Floren 1987, 335f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 125f. s. v. Bupalos (W. Müller). 649 Athenis: Müller 1848, 62 § 82; Brunn, GK I 38–41; Overbeck, Geschichte I 80f. – Floren 1987, 335f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 104f. s. v. Athenis (G. Bröker). 650 Hipponax, nach Plin., n. h. XXXVI, 11: 60. Olympiade, also 540–537 v. Chr. 651 Plin., n. h. XXXVI, 12. 652 Plin., n. h. XXXVI, 13. 653 Glaukos: Müller 1848, 40 § 61; 433f. § 311, 2; Brunn, GK I 29f. ; Overbeck, Geschichte I 75f. – Floren 1987, 336; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 267 s. v. Glaukos (I) (R. V.) 654 Vgl. Müller 1848, 40 § 61. 655 Paus. X, 16, 1. 656 J. H. Schubart, Ueber die von den Griechischen Künstlern bearbeiteten Stoffe, nach Pausanias, RhM 15, 1860, 102. 657 Hdt. I, 25, 2; Paus. X, 16, 1; Ath. V, 210 b.c. 658 Ath. V, 210 c: ȗ૳į੺ȡȚĮ ȗ૳઄ijȚĮ ijȣIJ੺ȡȚĮ als Schmuck. 659 Nach den Quellen konnte man weder die leiterartigen Stangen noch die Verzierungen abnehmen.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

245

merkwürdigste Weihgeschenk [H. fol. 38 v.: in Delphi]. d.) in Ephesos. Hier berührte sich griech[isches] u[nd] oriental[isches] am Engsten. Hier war der Artemisdienst ein Zentralpunkt der umwohnenden barbar[ischen] u[nd] griech[ischen] Bevölkerung. Als Ephesos noch v[on] Königen regirt wurde, stand schon der Tempel. (Paus. praef. ad ਝȤĮȚț੺ 660 Unter den Basiliden, (Aristokraten), unter dem Tyrann Pythagoras (Suid. s. v. ȆȣșĮȖંȡĮȢ er habe vom delph[ischen] Heiligthum den Befehl bekommen, ȞİઅȞ ਕȞĮıIJોıĮȚ Er war IJ઄ȡĮȞȞȠȢ ʌȚțȡંIJĮIJȠȢ wohl weil er viel Frohndienste für den Tempel brauchte. Daher nimmt Urlichs an, Pythagoras habe den großen Tempel gegründet, (c[a.] 620 a[nte] Chr[istum]) u[nd] so Handwerker u[nd] Künstler aus Samos herangezogen.661 An diesem Tempel wurde bis zur Zeit des Kroisos gebaut, u[nd] alle umwohnenden Völker u[nd] Herren bauten an ihm. Dem Serv[ius] Tullius galt er als Vorbild zum Bau auf dem Capitol662. e.) in Samos, das glückl[iche], reiche Eiland; gesegnet mit [H. fol. 39 r.: der schönsten Thonerde] Ȗો țİȡĮȝȠIJȚț੾ Samia terra663. Auf Samos blühte die Kunst des Gesanges u[nd] ein glänzender Heradienst; (die Herafeste Ath. p. 525.)664 Plin[ius] XXXV, 152 behauptet[,] in Samos hätteni lange vor Vertreibung der Bakchiaden aus Korinth, Rhoikos665 u[nd] Theodorus666 plasticen invenisse. Die Flucht v[on] den Bakchiaden nach Italien (Tyrrhenica) war eines der wichtigsten Ereignisse in der Kulturgeschichte, um 620 a[nte] Chr[istum].667 Diesen histor[ischen] Anhalt hat Brunn beseitigt [H. fol. 39 r.: aber zu Unrecht].668 Schwierigk[eiten] macht die Wiederkehr derselben Künstlernamen. – Überliefert ist: 1. die Erfinder des Erzgusses sind Rhoikos, Sohn des Phileas[,] u[nd] Theodorus, Sohn des Telekles. 2. Das ਺ȡĮ૙ȠȞ soll v[on] Rhoikos erbaut sein[,] 630 a[nte] Chr[istum] Ol. 37 schon erwähnt. 3. Theodoros hilft beim ਝȡIJİȝ઀ıȚȠȞin Ephesos nach der Zerstörung durch die Kimmerier unter Alyattes i

hätten : habe.

660 661 662 663

Paus. VII, 2, 6f. L. Urlichs, Über die älteste samische Künstlerschule, in: RhM 10, 1856, 1–29, bes. 7ff. Gurlitt: Capitol, Hiller fol. 39 r.: Aventin. Ȗો țİȡĮȝȚț੾ vgl. z. B. Poll. VII, 161; X, 185. – Samia terra: Plin., n. h. XXXV, 191. 194; samische Ware: ebenda 160. 165. Ath. XII, 525 e.f. Rhoikos: Müller 1848, 39f. § 60; 50 § 71, 1; Brunn, GK I 30–38; II 324. 381–388; Overbeck, Geschichte I 76f. – Stewart 1990, 244–246; Floren 1987, 358f.; Svenson-Evers 1996, 7–49; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 351f. s. v. Rhoikos (H. J. Kienast). Theodorus: Müller 1848, 16 § 35, 1; 36 § 55; 39f. § 60; 50 § 70, 4; 57f. § 80, I,1; 81 § 97, 2; 39, 7 § 291, 5; 427 § 307, 4; 428 § 308, 5; Brunn, GK I 30–38; II 324. 345. 380–390. 398. 467–469; Overbeck, Geschichte I 76–78. – Stewart 1990, 244–246; Floren 1987, 358f.; Svenson-Evers 1996,7–49; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 445–447 s. v. Theodoros (I) (S. Ebbinghaus). Gurlitt: Die Flucht v[on] den Bakchiaden ...um 620 a[nte] Chr[istum]., Hiller fol. 39 r.: Der Sturz der Bakchiaden fällt um 655, ihre Flucht nach Tyrrhenien bildete einen wichtigen Punkt in der Kunstgeschichte. Brunn, GK I 33.

664 665 666

667 668

246

[S. 42]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

[(]Diog. L. X, 8. 4.)669 Theodoros (Ol. 55 c[a.] 550) ist ein berühmter Künstler am Hofe des Polykrates. Es können nicht dieselben sein: Vielmehr so670: Phileas Telekles | | Theodoros I Rhoikos Erf[inder] des Erzgusses u[nd] baute die [Skias] Erbauer des ਺ȡ(Paus. X,38[),] in Sparta, b[ei den] er habe ein Bild der Nacht gemacht Ȁ੺ȡȞİȚĮ feierl[ich] eingesetzt Ol. 25 c[a.] 680 (Paus. VIII, 14[, 8]; X, 38[, 5–7]) ʌȡ૵IJȠȚ ȤĮȜ[țઁȞ įȚ੼ȤİĮȞ@671 _ Telekles Theodoros II Bildschnitzer (Ol. 33 c[a.] 645)[,] sie arbeiteteni nach aeg[yptischem] Kanon Diod. I, 98[, 5–9] _ Telekles _ Theodoros III zur Zeit des Polykrates u[nd] Kroisos : Ol. 55 c[a.] 560 2. Der Inhalt, die Anlässe u[nd] Aufgaben der Kunstarbeiten. Zunächst Herstellung u[nd] Vervielfältigung der Götterbilder, bes[onders] für die Colonisten; [sie wurden] bei der ਕij઀įȡȣıȚȢ [benötigt]672 Dabei konnte kein Kunstaufschwung genommen werden. Viel wichtiger sind die Weihgeschenke, < b.) Weihgeschenke.> An ihnen ist das Handwerk zur Kunst geworden. Es galt es in sinniger Weise auszudrücken, warum man das Weihgeschenkii gab. Ferner war man an keinen Typus gebunden u[nd] konnte sich frei bewegen. Die ältesten Weihgeschenke waren Geräthe, Meisterwerke der Technik. Zu diesen Geräthen gehören auch die IJȡ઀ʌȠįİȢ. IJȡ઀ʌȠȣȢ ist ein Kessel, an einem dreifüßigen Gestell über dem Feuer aufgehängt. 3 Ringe tragen den Kessel; es ist ein uralter Hausrath, das Symbol des Heerdes. Zeus in Dodona umgeben von Dreifüßen673. Koroibos trägt den Dreifuß nach Megara, um ein Heiligthum zu gründen.674 Dann i ii 669 670 671 672

arbeiteten : bauten. das Weihgeschenk : es.

Diog. Laert. II, 103. Zusammenfassung der modernen Meinungen: Svenson-Evers 1996, 7–49. ʌȡ૵IJȠȚ ȤĮȜțઁȞ įȚ੼ȤİĮȞPaus. VIII, 14, 8. Müller 1848, 63 § 83, 2. - ਕijȚįȡ઄ȝĮIJĮDiod. XV, 49, 1; Dion. Hal. II, 22, 2; Strab. IV, 1, 4 p. 179; VIII, 7, 2 p. 385. 673 Steph. Byz. s. v. ǻȦįઆȞȘ 674 Paus. I, 43, 7. 8.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

247

wurde [der Dreifuß] apollin[isches] Symbol, als Sitz der Pythia. Im Auftrag der Pythia gegründete Colonien nahmen den Dreifuß. Apollo Delphinios [wird] mit Dreifuß über das Meer schwimmend [dargestellt]675. Ferner [war der Dreifuß] auch Symbol des Dionysos; denn seine Glieder sollten darin gesammelt sein.676 6. 12. 64 Diese einfachen Formen [der Weihgeschenke] wurden ungemein mannichfaltig variirt. Die Bedeutung der Weihgeschenke ist von dem Aufwand abhängig. Solche Mittel gab es in Sparta bei den Herakliden nicht mehr. Die Aristokraten sorgten nur für eigenes Wohlleben u[nd] eigene Pracht. Große Geldmittel mit dem Willen, sie zu öffentl[ichen] Werken anzuwenden, gibt es erst bei den Tyrannen. Sie zuerst hatten bedeutende Geldmittel u[nd] die Absicht: denn ihre Macht beruhte auf der Durchbrechung des starken Dorismus, der Hebung der gewerbetreibenden Massen, der Erleichterung des Verkehrs. Alles dies mußte der Kunst wichtig sein. Sie brachen das starre Zunftwesen, u[nd] bereiteten den Übergang vom Handwerk zur Kunst vor. Diese Tyrannen regirten am meisten im Peloponnes. Der erste in der Reihe dieser Tyrannen ist Pheidon in Argos, wahrscheinl[ich] Ol. 28 hielt er in Olympia die Feier (c[a.] 668) (Curtius, Griech[ische] Gesch[ichte])677[.] Die Kypseliden in Korinth; Periander 625[.] Theagenes in Megara. Die Orthagoriden in Sikyon 670–570. Alle diese Tyrannen sind bestrebt[,] durch große Werke, die ihren Namen verherrlichen, die Götter zu verehren u[nd] die unteren Classen zu beschäftigen. Weil sie illegitime Herrscher waren, suchten sie sich mit den Nationalheiligthümern gut zu stellen, weil diese polit[ische] Mächte waren. Sie schmeichelten u[nd] huldigten ihnen also; u[nd] so entstandeni die Werke, welche alle früheren überstrahlten, es entstand ein Wettstreit mit den älteren Völkern. (Arist. Pol. V, 9 ਕȞĮș੾ȝĮIJĮ ȀȣȥİȜȚį૵Ȟ neben den aeg[yptischen] Pyramiden.)678 Das größte Werk ǽİઃȢ ȤȡȣıȠ૨Ȣ ıijȣȡ੾ȜĮIJȠȢ etc. (Strab. p. 353 u[nd] p. 378)679 von den Kypseliden nach Olympia gestiftet. (Suid. s. v. Ȁȣȥ[İȜȚį૵Ȟ ਕȞ੺șȘȝĮ ਥȞ ੗Ȝȣȝʌ઀઺]Plat. Phaedr. p. 236 B ) İੁ ȝ੽ ਥȖઅ ȤȡȣıȠ૨Ȣ ıijȣȡ੾ȜĮIJȠȢ etc. In Delphi ein eigenes Schatzhaus der Kypseliden, [dari

entstanden : kamen.

675 L. Preller, Delphica. 2. Apollo Delphinios, in: Berichte der Königl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften VI (1854) 140–152. – LIMC II (1984) 233f. s. v. Apollon und der Kessel (W. Lambrinudakis) Taf. 213f. 676 Dionysos Zagreus, RE IX A (1983) 2247–2249; 2274–2278 s. v. Zagreus (W. Fauth) mit den Quellen. 677 E. Curtius, Griechische Geschichte I (6. Aufl. 1887) 235–240; 275–278; 660f. 678 Aristot., pol. V, 11 p. 1313 b 21–22. 679 Strab. VIII, 3, 30 p. 353; VIII, 6, 20 p. 378.

248

[S. 43]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

in] eine Palme aus Erz von Kypselos geweiht, an ihrer Wurzel Frösche u[nd] Hydren (Plut. conv. sept. sap. 21 [;] id. de Pyth. orac. 12.)680 Ein ਕȞ੺șȘȝĮ mit sinnreichen Gedanken. [Denn] Die Palme [H. fol. 40 r.: ist der Baum des Sieges: aus der Anarchie war das Haus der Kypseliden emporgeschossen,] [sie symbolisiert] das aufstrebende Geschlecht. – Am berühmtesten die Ȝ੺ȡȞĮȟ Ȁȣȥ੼ȜȠȣim ਺ȡĮ૙ȠȞzu Olympia681, noch zu Hadr[ianischer] Zeit das Kostbarste[. Gearbeitet ist sie] aus Lindenholz mit eingelegteni Figuren aus Elfenbein u[nd] Gold u[nd] auch aus Lindenholz geschnitten. Seine Sprüche u[nd] Verse [sind die] des Korinthiers Eumalos. – Auch hier eigentl[ich] ein Hausgeräth; das zu künstler[ischen] Zwecken benutzt ist. Mit eigenthüml[icher] Verbindung mit der Poesie. Die verschiedenen Künste sind noch nicht fachmäßig getrennt. Von diesem Kasten gab es bestimmte Überlieferungen; die Ciceroni sagten, es sei derselbe Kasten[,] in dem Kypselos gerettet (Hdt. V, 92[, 4–5].) worden sei. Damit stimmt Dio Chrys. IX, 325 [überein].682 Aber darauf kann man nicht viel geben; u[nd] es ist nicht wahrscheinl[ich]. Dann meinte [man], er sei das Brautgeschenk der Tochter der Bakchiaden an den Vater des Kypselos, od[er] er sei zum Andenken an die wunderbare Errettung des Kindes gestiftet worden683. Andere haben den ganzen Zusammenhang geläugnet (Ȁȣȥ੼ȜȘu[nd] Ȁ઄ȥİȜȠȢ[:] Rathgeber u[nd] Schubrick, de Cypselo tyranno.)684 Dann hat man untersucht, ob er gehangen od[er] gestanden hat, wie groß er war, u[nd] die [Größe] muß zieml[ich] bedeutend gewesen sein, u[nd] man hat die Vertheilung der Bilder nachmachen wollen. (Diese wichtigen Untersuchungen sind v[on] Heyne begonnen, v[on] Welcker fortgesetzt, welcher zuerst geltend machte, nicht bloße Künstlerlaune wählte die Bilder zusammen. Dann O. Jahn, Archäol[ogische] Aufsätze, Preller, Archäol[ogische] Zeitung 1854. Mercklin, Die Aufschriften des Kypselos-Kasten Archäol. Zeitung i

mit eingelegten : u. eingelegte.

680 Plut., mor. 164 a; 399 f. 681 Paus. V, 17, 5–19, 10. – W. v. Massow, Die Kypseloslade, in: AM 41, 1916, 1–117 Taf. 1– 4; R. Splitter, Die Kypseloslade in Olympia (2000). 682 Dion Chr. XI, 45. 683 Paus. V, 17, 5. 684 G. Rathgeber, Gottheiten der Aioler (1861) 224–225; J. J. Schubring, De Cypselo corinthiorum tyranno (1862).

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

249

1860. Schubart, Jahns Jahrbuch 1861 p. 301.)685 Wahrscheinl[ich] war diese Ȝ੺ȡȞĮȟvon Anfang an für ein Heiligthum bestimmt u[nd] sollte wohl heilige Gewänder aufbewahren. Diese Widmung den Kypseliden abzusprechen, ist grundlos. – Ihre Bedeutung ist, daß sie das älteste, genau beschriebene (Paus. V, 17[,5–19,10]) Kunstwerk ist. – Das Ganze ist eine große Reliefcomposition, aus Cedernholz, Gold, Elfenbein (letzteres aufgeniethet.) Wahrschein[lich] eine Langseite u[nd] 2 Schmalseiten u[nd] die figürlichen Reliefsi bildeten je 5 Streifen (Ȥ૵ȡĮȚ U[nd] Paus[anias] fängt v[on] unten an u[nd] beschreibt bis ਕȞȦIJ੺IJȦ [ganz oben@ Auf der Vorderseite scheinen die Hexameter gestanden zu haben. – [Dargestellt wurden] Zunächst symbol[ische] Gegenstücke, die Nacht mit Schlaf u[nd] Tod, die ǻ઀țȘu[nd] ਝįȚț઀Į Meistens [aber] mytholog[ische] Scenen, ein reichster Wechsel v[on] Liebes- u[nd] Kampfscenen aus der Heroenwelt, entweder in epischer Breite, so der ganze 1. Streifen[:] die Leichenspiele des Pelias [H. fol. 41 r.: (2. Streif)] u[nd] der 3. Streifen: einen Krieg der Arkader u[nd] Pylier. Andere [Szenen sind] in kürzerer Fassung mit wenigen Figuren [wiedergegeben], [die Darstellungsweisen sind damit] wie [bei] Fries od[er] Metopen verschieden. Peleus u[nd] Thetis, Aias u[nd] Kassandra mehr dramat[isch,] 1. u[nd] 3. episch686. [Im] 5. Streifen sind 2 menschliche Hälften; der 2. u[nd] 4. zerfällt in lauter kleine Darstellungen. – [Die Larnax des Kypselos zeigt:] 1.) Eine reiche Fülle von Gegenständen, ihnen stand das ganze Gebiet der Mythologie zu Gebote: aus Thebais, Aethiopis, Herakleis, Perseis etc. – 2.) ein strenges Gesetz der Composition. Wie in der Musik die ੒ȝંijȦȞ’te687. Th. Bergk hat eine förml[ich] stroph[ische] Gliederung nachzuweisen gesucht (Archäol. Zeitung 1845 p. 176.)688 Die Analogie im ganzen ist entschieden vorhanden. – Eine Reihe v[on] Darstellungen haben wir in ganz analoger Weise auf alterthüml[ichen] Kunstwerken. Peleus wirbt um die Thetis, mit ihren Verwandlungen. Dann die Verfolgung der Gorgonen689. Die Darstellung der 3 Göttinnen vor dem Paris. – Eine geflügelte Artemis, wie auf melisch-theräischen Gefäßen mit Löwe u[nd] Pardel. Aias, i

die figürlichen Reliefs : sie.

685 C. G. Heyne, Über den Kasten des Kypselos (1770); F. G. Welcker, Über die Anordnung der Figuren am Kasten des Kypselos, in: Zeitschrift für Geschichte und Auslegung der alten Kunst 1, 1818, 536–552; O. Jahn, Der Kasten des Kypselos, in: Archäologische Aufsätze (1845) 3–15; L. Preller, Über den Kasten des Kypselos, in: AZ 12, 1854, 292–300; L. Mercklin, Die Aufschriften des Kypseloskasten, in: AZ 18, 1860, 101–108; J. H. C. Schubart, Pausanias und dessen Periegese, in: Zeitschrift für die Altertumswissenschaft 9, 1851, 281–318, bes. 301. 686 Offenbar ist gemeint: Die Szenen mit Peleus und Thetis im 2. Streifen und von Aias und Kassandra im 4. sind mehr dramatisch, während die Szenen im 1. und 3. Streifen episch gestaltet sind. 687 ੒ȝંijȦȞ’te: vermutlich: Homophonie. 688 Th. Bergk, Über die Composition des Kastens des Cypselus, in: AZ 3, 1845, 150–160; 167–176; 181–186. 689 Verfolgung des Perseus durch die Gorgonen.

250

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

der die Kassandra vom Athenabilde fortreißt. Herakles als Bogenschütze, ohne Keule, im alten ıȤોȝĮ Diese Lade zeigt uns [H. fol. 41 r.: die Bedeutung der Weihgeschenke für die Kunst,] den Höhepunkt der Kunst zur Zeit der Tyrannis. – Außer Korinth gehört hierher Aegina. Hier war am frühesten ein größeres Gewerbeleben. Dort wohnten die reichsten Kaufleute u[nd] geschicktesten Künstler u[nd] wichtig, als es mit Argos dem Reich desi Pheidon einverleibt wurde. Hier war die Münzprägung aufgekommen, aus dem babylon[ischen Münzfuß entwickelt.] [S. 44]

8. 12. 64 Die Schildkröten (ȤİȜ૵ȞĮȚ v[on] Aegina690.< ȤİȜ૵ȞĮȚ Münzen v[on] Aegina (cf. Einleitung)> Die Schildkröte war der Aphrodite heilig. Das Münzgewicht ist nach dem babylon[ischen Münzfuß entwickelt]. Eine Reihe alter unförmiger Schildkröten scheint bis zur Zeit des Pheidon hinaufzugehen. In Aegina war [H. fol. 41 v.: der angebliche Zeitgenosse des Daidalos] Smilis (ıȝ઀ȜȘ scalprum) Stammvater der aeginet[ischen] Künstler (Paus. VII, 4[, 4. 7])[,] für das ਺ȡĮ૙ȠȞ in Samos machte er das Herabild691. Im Allgemeinen war in Aegina Thonbildnerei u[nd] Erzbereitung zu Hause. Hier warii zuerst die Mischung des Erzes zu Hause[,] Aeginetica aeris temperatura692. In Aegina gab es näml[ich] keinen Marmor, ebenso[wenig] in Korinth u[nd] Sikyon. Letztere sind für Töpferei w[ie] Erzguß Pflanzstätten der Kunst u[nd] hier wird schon früh (Plin. XXXV,151) Malerei u[nd] Töpferei verbunden. Dibutades693 aus Sikyon soll die Zeichnung mit Rothstift (rubricam addere) auf Thon erfunden haben u[nd] soll [H. fol. 41 v.: zuerst] die (personas tegularum imbricibus imposuit etc.) Deckziegel auf die Hohlziegel (tegulae) gelegt habeniii, u[nd] zwar mit Masken694. Während Korinth eine Kunststätte wurde, hier waren auch die der Tyrannis vorangehenden Bakchiaden der i ii iii

dem Reich des : unter war : wurde. gelegt haben : gelegt zu haben.

690 Name der Silberstatere von Ägina mit dem Bild der See- (ca. 590–431 v. Chr.) bzw. Landschildkröte (seit 404 v. Chr.), Poll. IX, 74; Hesych. s.v. ȤİȜઆȞȘ– Vgl. P. R. Franke – M. Hirmer, Die griechische Münze² (1972) 88 Taf. 113; S. Gjongecaj – H. Nicolet-Pierre, Le monnayage d’argent d’Égine et le trésor de Hollm (Albanie) 1991, in BCH 119, 1995, 283–338. 691 Zu Smilis: Müller 1848, 49f. § 70, 3; Brunn, GK I, 26–29. 34. 46. 58. 60–62; II 379; Overbeck, Geschichte I 84. – Walter-Karydi 1987, 12f. 15; Floren 1987, 309; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 403 s. v. Smilis (E. Walter-Karydi). – Zum Herabild in Samos: Floren 1987, 357 Anm. 69; LIMC IV (1988) 662 Nr. 10; 667f. Nr. 154a–161 s. v. Hera Taf. 413 (A. Kossatz - Deissman). 692 Plin., n. h. XXXIV, 75. 693 Plin., n. h. XXXV, 151. – Müller 1848, 41 § 62; 51 § 72, 2; Brunn, GK I, 23. 403; Overbeck, Geschichte I 74f. – Floren 1987, 211; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 126 s. v. Butades (W. Müller). 694 Plin., n. h. XXXV, 152.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

251

Kunst förderl[ich]. Sie pflegten die Kunst u[nd] darum war die Auswanderung der Bakchiaden [H. fol. 41 v.: für die Verpflanzung der Kunst nach Italien] soi wichtig (Eucheir u[nd] Eugrammos)695. Sikyon war eine Handelsstadt, mit [Handelsbeziehungen zu] Kypros einerseits u[nd] andererseits mit Italien. Die Freiergesellschaft im Kleistheneshause696. In Olympiaii sah Paus. VI, 19, 2 das Doppelgemach des Myron mit Tartessischem Erze bekleidet (um Ol. 33 [648–645 v. Chr.]). Diese Nachricht hat man in Zweifel gezogen weil (Ol. 45 [600–597 v. Chr.] s[tatt] 645) zuerst Kolaios aus Samos nach Tartessos gelangte nach Her[odot].697 Damit ist aber jene Überlieferung nicht widerlegt. Entweder ist tartessisches Erziii allgemeiner Ausdruck für westl[iches] Erz, oder es ist bisher das Erz über Italien befördert [worden]. Ferner hat Kleisthenes in Sikyon eine Halle gebaut, (nach dem Siege im Heil[igen] Kriege) am Markte, die erste ihrer Art698. – Auch in Megara hat die Tyrannis Wichtigk[eit] für die Kunstgeschichte. Theagenes gründete eine Wasserleitung, aus dem Gebirge bis in die Mitte der Stadt[,] u[nd] richtete einen künstlerischen Brunnen her. (Paus. ȂİȖĮȡȚț੺ 699 Diese Periode stand in grellem Widerspruch gegen Sparta[,] u[nd] Sparta wurde namentl[ich] durch die Politik der Orthagoriden zurückgedrängt. Indessen war Sparta in älterer Zeit, nicht wie später, [nicht] unfruchtbar für die Kunst. Sparta stand in alter Verbindung mit Chalkis, dem Ausgangspunkt der Metalltechnik (Paus. VI, 4, 4[)] mit Syadras u[nd] Chardras als alten Künstlern700. Sparta heißt die an Dreifüßen reiche Stadt. U[nd] das Heiligthum der ਝșȘȞ઼ ȋĮȜț઀ȠȚțȠȢ701hatte seinen Kunstwerth in Erzarbeiten, erbaut von Gitiadas.702 (cf. i ii iii

so : zu. In Olympia : Hier. tartessisches Erz : es.

695 Plin., n. h. XXXV, 152. – Zu Eugrammos: Müller 1848, 53 § 75, 1; Brunn, GK I, 529; II, 5. 302. – Floren 1987, 196; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 224 s. v. Eugrammos (R. V.). 696 Hdt. VI, 126–130. 697 Hdt. IV, 152, 1–4. 698 Paus. II, 9, 6. 699 Paus. I, 40, 1; I, 41, 2. – G. Gruben, Das Quellhaus von Megara, in: ADelt 19, 1964, 37–41 Taf. 22–28 Plan 1 (mit ält. Lit.); U. Pfriemer, Das große Brunnenhaus in Megara, in: Wasser im antiken Hellas. Tagung in Athen 1981 (1981) 267–273. 700 Künstler Syagras und Chartas: Müller 1848, 62 § 82; Brunn, GK I, 50. 52. – Floren 1987, 215; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 135 s. v. Chartas (R. V.); 2, 429 s. v. Syagras (R. V.). 701 L. Piccirilli, Il santuario, la funzione guerriera della dea, la regalità. Il caso di Atena Chalkioikos, in: I santuari e la guerra nel mondo classico (1984) 3–19; Förtsch 2001, bes. 41, 78f., 179, 220. 702 Paus. III, 17, 2–3. – Zu Gitiadas: Müller 1848, 62 § 82; Brunn, GK I, 86. 114f. 121; II, 328. 356; Overbeck, Geschichte I 86. – Floren 1987, 215; Stewart 1990, 247; SvensonEvers 1996, 434–440; Förtsch 2001, 53, 63, 78f., 82–84, 214f., 220; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 264–266 s. v. Gitiadas (A. Villing).

252

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Welcker, Kl. Schr. III p. 533.)703 Erzbildner, Baumeister u[nd] Hymnendichter, ein alter Lacedämonier, der 1. große Künstler des europäischen Griechenlands. Nach Überwindung Messeniens unter Polydorus (8. saec[ulum]) blühte Sparta, u[nd] nach dem 2. messen[ischen] Kriege wurden künstlerisch geschmückte Dreifüße aufgestellt, auf einem die Aphrodite, am anderen die Artemis, auch Werke des Gitiadas (Paus. IV, 14704). [S. 45]

Heft III. Auch die Wände (Paus. III, 17[, 3]) des Chalkioikos waren mit Bildern [H. fol. 42 r.: [auf] Erzplatten] geschmückt: Dem Raub der Leukippiden, Hephaistos, wie er die Mutter befreit; Perseus, von den Nymphen ausgestattet, die Geburt der Athena etc. Dies entspricht noch der alten heroischen Art. – Auf Münzen v[on] Sparta [ist] ein Minervabild in Hermengestalt [abgebildet], mit Streifen, die wohl mit Reliefs geschmückt waren. (Kerés, Numismat. Zeitung 1845.)705 Sparta stand mit Kreta u[nd] Rhegion in Verbindung. Daher Klearchos706 stattȁ੼ĮȡȤȠȢ Paus. III, 17, 6)[,] von ihm sah man den ǽİઃȢ ੢ʌĮIJȠȢaus Erzstücken zusammengesetzt. Alle Theile besonders aus getriebener Arbeit gemacht u[nd] dann durch Nägel zusammengehalten. Neuerdings will man Gitiades später setzen, Brunn setzt ihn erst nach dem 3. messen[ischen] Kriege, aber ohne Grund707. Sparta stand ferner in Verbindung miti Kleinasien, in der Zeit des Kroisos, damals war Sparta die größte Macht in Hellas, nach dem Sturze der Tyrannis. Damals wurde (Hdt. I, 69) das Nationalheiligthum in Amyklae [kostbar ausgestattet]. Kroisos schickte ihm Gold[,] um den Apollo auf dem Berge Thornax zu vergolden.708 In Amyklae war der heiligste Festort u[nd] Tempelbezirk. Das ਝȝȣțȜĮ૙ȠȞ lag bei Sklavochoriii, alles ist verschüttet709[.] Paus[anias] (III, 18[,9–19,5]) sah das Amyklaion in vollem Glanze. Er beschreibt das Hauptkunstwerk: der Thron des Apollon v[on] Amyklae, höchst wichtig für die ältere Kunstgeschichte. (Über ihn: Heyne, Über i ii

mit : in. Sklavochori : Clavochori.

703 F. G. Welcker, Über das Zeitalter des Gitiadas, in: Kleine Schriften III (1850) 533–549. 704 Paus. IV, 14, 2; III, 18, 7. 8. – Nach Pausanias sind Aphrodite und Artemis unter (ਫ਼ʌં den Dreifüßen aufgestellt. 705 W. Koner, Darstellung des Standbildes der Athene Chalkioekos zu Lacedaemon, durch zwei Münzen erläutert, in: Zeitschrift für Münz-, Siegel- und Wappenkunde 5, 1845, 2ff. – Vgl. LIMC II (1984) 966 Nr. 80 s. v. Athena (P. Demargne) Taf. 713. 706 Klearchos: Müller 1848, 50 § 70, 2; § 71, 1; 62 § 82; Brunn, GK I, 48–50; Overbeck, Geschichte I 85. – Floren 1987, 428; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 413 s. v. Klearchos (D. V.-G.). 707 Brunn, GK I, 86–88; 114f. 708 Hdt. I, 69, 4. – Vgl. Paus. III, 10, 8. 709 Zum Amyklaion: E. Buschor - W. v. Massow, Vom Amyklaion, in: AM 52, 1927, 1–85 Taf. 1–23, Beil. 1–12; A. Faustoferri, Il trono di Amyklai e Sparta. Bathykles a servizio di potere (1996); Förtsch 2001, 81f. et passim.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

253

den Thron etc.[,] Quatrèmere de Quincy, Jup. Ol.[,] Welcker, Pyl, Archäol. Zeitung 1852 p. 465. Ruhl, Bildhauer in Kassel, Archäolog[ische] Zeitung 1854.)710 Paus[anias] sagt nicht, aus welchem Material der Thron gebaut sei. Der Ausdruck șȡંȞȠȢbezeichnet nicht gerade einen Thronsessel, es war ein Thron ohne Sitzplatz, es war eine Umhegung[,] aedicula, die von 3 Seiten einen Erzcoloß v[on] 30 Ellen Höhe umschloß, den Apollo ȀĮȡȞİ૙ȠȢeiner Erzsäule gleichend.711 Am Idol wagte man nichts zu ändern daher umgab man ihn mit reicher Umhegung. Das Werk war kunstlos, von Kopf u[nd] Händen u[nd] Füßen [abgesehen]. Esi stand auf dem Grabaltar des Grabes des ੥੺țȚȞșȠȢeiner Naturgottheit, an der der schnelle Wechsel der Natur dargestellt wird. Der alte Cultus wurde vom Apollcultus nicht vertrieben, sondern mit ihm verbunden. Hyakinthos wurde Heros, daher [hat] der Grabaltar seine Thüre gegen Westen orientirt. Das Ganze stand im Freien. Es war also entschieden kein Holzwerk, sondern v[on] Stein. Ein architekton[isches] Werk[;] es halten ihn Chariten u[nd] Horen [H. 43 r.: als Karyatiden]. Auf diesem Thron waren 42 Bilder. 27 Felder waren an der Außenseite, auf 3 Seiten vertheilt, die anderen waren nur sichtbar, wenn man unter den Thron hinunter ging, man konnte also unten durch gehen. Genauer beschreibt uns Paus[anias III, 18, 10–16] die Basis des Apollobildes (IJઁ ȕ੺șȡȠȞ >@ Figuren in verschiedenen Streifen, wie am Kasten712. Es waren [dargestellt:] 2 Rückführungen aus der Unterwelt: Hyakinthos – Kora. 2 Einführungen in den Olymp: Herakles – Dionysos. Auf der einen Seite: Theseus [S. 46] bewältigt den Minotauren, auf der anderen: Herakles den Acheloos. [Unter dem Thron:] Meleagros713, der Löwen u[nd] Eber anschirrt, Menelaos, der den Proteus bändigt. Dies Werk ist noch [aus einem anderen Grund] besonders wichtig: denn der Meister des Werkes war Bathykles714 aus Magnesia in Karien, der mit seiner ganzen Schule nach Sparta übersiedelte u[nd] dort lange arbeitete. Als bes[ondere] ਕȞĮș੾ȝĮIJĮwidmete er ein Bild der Chariten u[nd] der Artemis Leui

Es : Er.

710 C. G. Heyne, Über den Thron des Amycläus, ein altes Kunstwerk zu Amyclä im laconischen Gebiete, nach dem Pausanias, in: Sammlung antiquarischer Aufsätze I (1778) 1– 114; de Quincy 1814; F. G. Welcker, Über den Kasten des Kypselos und den Thron zu Amyklä, in: Zeitschrift für Geschichte und Auslegung der alten Kunst 1, 1818, 270–289; Th. Pyl, Der Amyklaiische Thron, in: AZ 10, 1852, 465–476 Taf. 43; L. S. Ruhl, Der Amykläische Thron, in: AZ 12, 1854, 257–263 Taf. 70. 711 Bild des Apollon: LIMC II (1984) 196 Nr. 55 s. v. Apollon (O. Palagia) Taf. 187. 488 Nr. 536 (hier als Artemis bezeichnet). 712 Die figürlichen Szenen waren wie am Kasten des Kypselos in verschiedene Streifen gegliedert. 713 Nach Paus. III, 18, 16 schirrt Admet, nicht Meleager, Löwen und Eber an seinen Wagen. 714 Bathykles: Müller 1848, 64 § 85, 2; Brunn, GK I, 52–54. 57. 59; Overbeck, Geschichte I 86f. – Stewart 1990, 246f.; Floren 1987, 395; Svenson-Evers 1996, 441–460; Förtsch 2001, 22, 36, 80–84, 160f., 214; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 114f. s. v. Bathykles (W. Müller).

254

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

kophryene aus Magnesia. U[nd] zum Andenken an das Werk715 bildete er an der Lehne des Thrones eine Truppe tanzender Magneten.716 9. 12. 64 Die Zeit [des Throns] ist nur annähernd zu bestimmen. Der Fall von Sardes war ein Signal zur Zerstreuung vieler Künstler (um 550 a[nte] Chr[istum]) aus Kleinasien. Sardes hatte schon andere Verbindungen mit Sparta. Dieser Zeit gehört wohl die Übersiedlung des Bathykles [an], u[nd] das Werk gehört um Ol. 60 [(540–537 v. Chr.), ist] aber in noch ganz altem Stile ausgeführt, zur Zeit der Antonine noch hoch bewundert. Paus[anias] stellt diese Bildwerke als bewunderungswürdige Werke den künstler[isch] werthlosen Colossen [gegenüber]. Der Throni ist das Ergebniß u[nd] der Abschluß der ganzen ep[ischen] Mythenbildung. Mit dem Kypseloskasten an ep[ischer] Breite u[nd] in einigen Darstellungen verwandt: Paris Urtheil, Die Thaten des Herakles, die Leichenspiele, Achilles u[nd] Memnon. Wir sehen [an ihnen] die sinnige Natur der Jonier u[nd] die Liebe zur Fabelbildung. Alle Künstler wirken nicht nach Laune, sondern für heilige Zwecke. [Sie sind] Hierat[ische] Künstler, ੂİȡȠ੿ IJİȤȞ૙IJĮȚ darum stellten sie sich auf den Werken selbst dar. Das ist das wichtigste vor Ol. 50 [, 580–577 v. Chr.]: Ausbildung des dor[ischen] ੂİȡંȞ u[nd] des jon[ischen] Tempels. Die zünftigen Kunstschulen in Kreta, Samos, Korinth, Sikyon. Verbindung v[on] Poesie u[nd] Plastik. – Dann die wichtigen techn[ischen] Erfindungen. ਺ȡĮ૙ȠȞin Samos, ਝȡIJİȝ઀ıȚȠȞ in Ephesos. In reichen Handelsplätzen wurde der Zehnte des Handelsgewinns als ਕȞ੺șȘȝĮ dargebracht. So [weihte] ȀȠȜĮ૙ȠȢden Zehnten, bestehend aus 6 Talenten, als țȡĮIJ੾ȡ (Hdt. IV, 152[, 1].) Verkehr zwischen Ionien, Hellas, den ital[ischen] Colonien. Figurenreiche Compositionen, der Nachklang des Epos [in der Kunst]. Datirbare Überreste sind natürl[ich] aus dieser Zeit nicht da. Nicht einmal solche wie aus der heroischen Zeit. Eine alt[e] dor[ische] Tempelruine in Korinth mit enger Säulenstellung u[nd] schwerem Gebälk ist vielleicht in dieser Zeit [H. fol. 43 v.: der Tyrannen] [entstanden].717 Das Alterthüml[ichste] haben wir auf Münzen [ H. fol. 43 v.: von Korinth und Ägina] u[nd] auf Vasenbildern. Am ältesten die Gefäße v[on] Melos u[nd] Thera. Prof. Conze in Halle hat Gefäße aus Melos herausgegeben, [die] in Athen aufbewahrt [werden], mit braunen Figuren auf gelbem Grunde.718 Rosetten u[nd] Sterne in den leeren Räumen, als Rest der Teppichmalerei. Die Zeichnung ist noch ganz oriental[isch]. [Griechisches zeigt sich] Eher schon in der Composition. In neuerer Zeit sind noch andere Thongefäße gefunden: das Dodwell’sche Gefäß, eine ʌȣȟ઀Ȣeine i

Der Thron : Er ist.

715 Gurlitt: das Werk, Hiller 43 r.: die Entstehung des Werkes. 716 Paus. III, 18, 9; 18, 14. 717 Apollontempel von Korinth: R. Stillwell, The Temple of Apollo, in: Corinth I (1932) 115– 134; C. Kaufmann Williams II, Doric Architecture and early capitals in Corinth, in: AM 99, 1984, 67–75; Gruben 2001, 103–105. 718 A. Conze, Melische Thongefäße herausgegeben (1862).

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

255

bauchige Büchse aus einem Grabe in Korinth, jetzt in München. 2 Thierfriesei, der Hintergrund [mit Inschriften gefüllt] (corp. inscr. [ graec. I] 7.)719 Ebenfalls aus Korinth die Vase des Charesii ( de Witte, Archäol[ogische] Zeitung 1864 p. 153.)720 auch eine ʌȣȟ઀ȢCharesiii ist als Verfertiger genannt, in der Sammlung des de Witte in Paris)[. Dargestellt sind] 8 Reiter u[nd] 2 Fußkämpfer, Blumen u[nd] Sterne, die Figuren gravirt, theils gemalt. [Inschriftlich genannt sind] Palamedes, Nestor, auch die Pferde haben Namen. Merkwürdig [sind die Buchstabenformen für] (H  E ȋ੺ȡȘȢ ȝ’ ਩ȖȡĮȥİ [lautet die Künstlerinschrift, die Vase ist] älter als die Dodwell’sche; wohl bis auf 600 v. Chr [zu datieren]. Dann ein Gefäß aus Kleonaiiv (Archäol[ogische] Zeitung 1863.)721 [H. 44 r.: Auch [S. 47] hier haben wir orientalische Ornamentik.] Es ist die älteste aller Troilosvasen. [Die Künstlerinschrift lautet] ȉȚȝȦȞ઀įĮȢ ȝ’ ਩ȖȡĮijİein Imperf[ekt] in so früher Zeit sehr merkwürdig. Außerdem noch aus Aegina, aus Karystos auf Euboea, aus Kamiros in Rhodos Thongefäße des ältesten Stils. 2. Periode. Die Zeit nach Ol. 50, nach 580 a[nte] Chr[istum]. Die Zeit der [H. 44 r.: peloponnesischen] Tyrannis war vorübergehend, aber ihre Nachwirkung ungemein. Hellas konnte sich nicht mehr abschließen. Bes[onders] in Aegypten war ein vortreffl[icher] Manufacturmarkt gewonnen. Um 650 blühte Naukratis auf, durch die Energie der Milesier. Die Psammetichiden traten mit griech[ischen] Dynastien u[nd] Städten in Verbindung. Fast ein Jahrh[undert] hatten die Milesier [das] Monopol, aufgehoben 550, stattdessenv wurde das ਬȜȜ੾ȞȚȠȞ von 7 Städten am Nil gegründet.722 Die Fürsten des Orients waren Philhellenen, so bes[onders] Amasis; auch Darius. Im Inneren war es bes[onders] die Ausbildung der dor[ischen] Gymnastik, welche in allen Beziehungen für die Kunst bedeutend ist. Durch sie sind Griechen zu Hellenen geworden. Sie bildete die İ੝İȟ઀Į723als Bedingung des Geistigen. Sie war Schule der ıȦijȡȠı઄ȞȘ u[nd] der Tüchtigkeit des i ii iii iv v

Thierfriese : Thierfüße. Chares : Chanes. Chares : Chanes. Kleonai : Kleone. stattdessen : es.

719 Dodwellsches Gefäß, München, Antikensammlung 327: CIG I Nr. 7. – H. Payne, Necrocorinthia (1931) 163 Nr. 11 Cat. 861; Lorber 1979, 45f. Nr. 52 Taf. 14. 720 Paris, Louvre E 609: J. de Witte, Corinthische Vase des Chares, in: AZ 22, 1864, 153–158 Taf. 184. – H. Payne, Necrocorinthia (1931) 164 Nr. 24 Cat. 1296; Lorber 1979, 56–58 Nr. 83 Abb. 46 Taf. 18. 721 Athen, Nat. Mus. 277: O. Jahn, Achilleus und Troilos, Vasenbild aus Kleonai, in: AZ 21, 1863, 57–66 Taf. 175. – H. Payne, Necrocorinthia (1931) 163 Nr. 14 Cat. 1072 Taf. 34, 5; Lorber 1979, 37f. Nr. 40 Taf. 10. 722 Hdt. II, 178. – Nach Herodot waren es 9 Städte. 723 Plat., Prot. 354 A. B.; Aristot., NE V, 1, 1 p. 1129 a 19–23.

256

[S. 48]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

įȡĮıIJ੾ȡȚȠȞ724 (cf. Philostr. de re gymn. § 26.)725 Kämpfe u[nd] Wettspiele waren alt, jetzt waren sie geregelt, die Gymnastik wurde Staatsangelegenheit. U[nd] die Kampfspiele u[nd] Waffentänze, die Orchestik mit Gymnastik verbunden, in Kreta u[nd] Sparta, wurde[n] der Kunst zum Gegenstand der Nachbildung[,] (Ath. p. 629:) Ȝİ઀ȥĮȞĮ IJોȢ ੑȡȤ੾ıİȦȢ726 für die alten Bilder. Dazu wurde in den Gymnopaedien die Entkleidung bei den Übungen Sitte, auch bei den Olymp[ischen] Spielen, was den Röm[ern] ein flagitium, den Barbaren eine Schmach war, wurde jetzt öffentl[ich] angenommen. (Plat. Repl. V, 452.)727 Daraus entsprang[en] die Veredelung u[nd] Verschönerung des Menschengeschlechts[,] u[nd] man gewöhnte sich an die Darstellung musterhafter Körper. Ganze Kunstschulen arbeiteten nur Gestalten der Palaestra. Sparta, Aegina, Kroton wareni Mittelpunkte der Gymnastik[,] u[nd] nachdem die Tyrannen gestürzt waren, wurden in Nemea u[nd] Isthmos neue Spiele eingeführt. Diese nationalen Spiele bekamen noch größere Bedeutung, als es Sitte wurde die Sieger in Nachbildungen in Tempelhöfen aufzustellen. Nach Ol. 50 [(580–577 v. Chr.) entstehen] die ersten ਕȞįȡȚ੺ȞIJİȢ728 – So wurde die Statue zurii Darstellung einer ethisch u[nd] künstlerisch durchgebildeten Gestalt; in deriii ਕȞįȡİ઀Į u[nd] Ȥ੺ȡȚȢ vereint waren. (Pind.)729 Die Zeit nach Ol. 50 war in aller Beziehung eine Zeit des Werdens u[nd] Strebens. Das Epos war verstummt, nachdem es der Kunst die Bahn gebrochen [hatte]. Die Poesie sah nicht mehr zurück in die Vergangenheit, sie trat mitten ins Leben u[nd] wurde Ausdruck der polit[ischen] Parthei, [H. fol. 44 v.: so entstand Lyrik und Elegie;] die Zeit philosoph[ischen Fragens und] wissenschaftl[icher] Forschung [brach an]; [auch] die Zeit der Gesetzgebung. Dazu der Kampf gegen die Barbaren, welche[r] den Gegensatz erst ins Bewußtsein brachte. Die wichtigste Änderung ist, daß die Meister jetzt ihren Ruhm über ganz Hellas verbreiten. Sie wandern von einer Stadt zur andern. (Ebenso in der italien[ischen] Kunst.) [H. fol. 44 v.: Die Kunstwerke wurden Ausdruck des Nationalbewußtseins.] Die verschiedenen Schulen berührten sich; die Innungen traten zurück. Der Künstler emancipirte sich von der priesterl[ichen] Tradition. – Zunächst die kret[ischen] Künstler, sie traten zuerst aus dem Handwerk u[nd] der localen Bei ii iii

waren : , als. die Statue zur : es die. in der : wo mit.

724 Thuk. II, 63, 3. 725 Philostr., de re gymn. 25: Vergleich des Athletenkörpers mit den Bildhauerwerken; 26: Vorführung des nackten Athletenkörpers. 726 Ath. XIV, 629 b: ਥıIJ੿ į੻ țĮ੿ IJ੹ IJ૵Ȟ ਕȡȤĮ઀ȦȞ įȘȝȚȠȣȡȖ૵Ȟ ਕȖ੺ȜȝĮIJĮ IJોȢ ʌĮȜĮȚ઼Ȣ ੑȡȤ੾ıİȦȢ Ȝİ઀ȥĮȞĮ 727 Plat., rep. V, 452 C. 728 Müller 1848, 66f. § 87f. 729 Das Wort ਕȞįȡİ઀Į ist bei Pindar nicht nachgewiesen. Vermutlich sucht Curtius mit den beiden Begriffen Andreia und Charis den Geist der Werke Pindars zu beschreiben.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

257

schränkung: die Daedaliden: Dipoinos u[nd] Skyllis730 (Plin. XXXVI, 9 marmore sculpendo primi omnium inclaruerunt) um Ol. 50. Dies bezieht sich auf die Zeit der Blüthe; ehe Kyros in Persien die Herrsch[aft] gewann (Ol. 55 [560–557 v. Chr.].). Diese beiden Künstler gingen nach Sikyon; das war noch immer der Platz, wo am meisten gebaut u[nd] gebildet wurde (Urlichs, Skopas p. 225 meint, sie hätten noch auf Bestellung des Kleisthenes gearbeitet)731: Apollo, Athena, Herakles u[nd] Artemis als Gruppe732 Dargestellti war offenbar der Dreifußraub, Herakles will den pyth[ischen] Dreifuß forttragen. Gegen sie erhob sich die Eifersucht der einheim[ischen] Künstler, sie wurden ausgewiesen – [ H. fol. 45 r.: Nach Urlichs erfolgte die Ausweisung durch den Sturz der Tyrannis.] – auf Anweisungii des Orakels v[on] Delphi zurückgeführt, als Hungersnoth eintritt. 12. 12. 64 Sie flohen nach Ambrakia. Die Künstler sind priesterl[iche] Personen. Die Werke der beiden Künstler sind weit verbreitet: armen[ische] Geschichte des Moses v[on] Chorene im armen[ischen] Euseb[ios]733 (Otfr. Müller, Kl[eine] deutsche Schr[iften] II p. 634)734 Kyros habe [danach] aus Sardes eine Statue des Herakles des Dipoinos u[nd] Skyllis fortgeschleppt. Plin[ius] sagt, Ambrakia, Kleonaiiii, Argos waren voll v[on] Werken dieser Künstler.735 Sie hatten offenbar eine Schule, zu der Tektaios u[nd] ਝȖȖİȜ઀ȦȞgehören (Paus. IX, 35).736 Von ihnen [stammt] ein del[ischer] Apollo, mit 3 Grazien auf der Hand737. Die Chariten hatten (Plut. de mus. III p. 2081.) Instrumente, eine Syrinx, Leier u[nd] Flöte738. [Darstellungen sind] Auf Gemmen u[nd] Münzen erhalten, so eine Gemme, (Millin, Pierres i ii iii

Dargestellt : Es. Anweisung : Verwendung. Kleonai : Kleone.

730 Dipoinos und Skyllis: Müller 1848, 50 § 70, 2; 61 § 82; 64 § 84, 2; 541 § 359, 5; Brunn, GK I, 43–45. 49; Overbeck, Geschichte I 82f. – Floren 1987, 121; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 184f. s. v. Dipoinos (A. Hermary).; 2, 398 s. v. Skyllis (A. Hermary). 731 L. Urlichs, Skopas Leben und Werke (1863) 225. 732 Plin., n. h. XXXVI, 10. 733 Moses von Chorene, Hist. Armen. II, 11 p. 103 (edd. G. et G. Whiston). 734 K. O. Müller, Über Dipoinos und Skyllis nach armenischen Quellen, in: Kleine deutsche Schriften über Religion, Kunst, Sprache und Literatur, Leben und Geschichte des Alterthums (Hrsg. E. Müller) II (1848) 634–638. 735 Plin., n. h. XXXVI, 14. 736 Paus. II, 32, 5. – Zu Tektaios und Angelion: Müller 1848, 61 § 82; 65 § 86, 2.3; Brunn, GK I 50f.; Overbeck, Geschichte I 85. – Floren 1987, 179; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 45 s. v. Angelion und Tektaios (E. Paul / W. Müller). 737 Paus. IX, 35, 3. – LIMC II (1984) 234f. Nr. 390 s. v. Apollon (W. Lambrinudakis) Taf. 214. 738 Plut., mor. 1136 a.

258

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

gravées u[nd] i[n] d[er] Gallerie mytholog[ique] IV, 44.)739 Auch auf att[ischen] Münzen.740 Der Gotti steht auf den Fußspitzen ਙțȡȠȚȢ įĮțIJ઄ȜȠȚȢ dem hierat[ischen] Stil eigenthüml[ich]. Aus Ambrakia stammte Polystratos741 (Tatianus adv. Graec. 54) [; er schuf] in Akragas eine Statue des Phalaris (Ol. 57, 4 [549 v. Chr.].)[.] Von den östl[ichen] Kunststätten erhalten sich: Chios, Naxos, Samos (Theodorus am Hof des Polykrates.) Diese Schulen überflügelte der Westen, bes[onders] der Peloponnes, vor Allem Sikyon. Bald wandern von hier aus Werke nach Asien.742 Zuerst Kanachos743, er war Mitglied einer sikyon[ischen] Künstlerfamilie, er arbeitet für das ǻȚįȣȝĮ૙ȠȞ bei Milet744 u[nd] für das theban[ische] ੉ıȝ੾ȞȚȠȞ745beides Apollonheiligthümer (Paus. IX, 10, [2;]Plin. XXXIV, 75.) Der apollin[ische] Cultus regte bes[onders] die Kunst an, wie er Hymnen u[nd] Päane hervorrief. Die ältesten Apollobilder [waren] reine Symbole, dann [erst wurde der Gott] menschl[ich dargestellt], zunächst bärtig, dann erst jugendl[ich]. Als das Didymaion von den Persern zerstört wurde (Hdt. VI, 19)[,] da war das Bild schon geweiht. Beide Statuen waren gleich an Größe u[nd] Gestalt; aber der miles[ische Apollon] aus aeginet[ischem] Erz, das theban[ische Götterbild] aus Holz. Der miles[ische] Apollo, mit Beinamen ĭȚȜ੾ıȚȠȢ746[,] war (Plin. l.c.) mit einem köstl[ichen] Beiwerke versehen; es scheint bei dem Tempeldienste bes[onders] benutzt zu sein. Er hatte zur Seite einen Hirsch (cervum) u[nd] der stand so, daß wenn man an einem Faden zog, er sich hüpfend bewegte. – (cervum i

Der Gott : Er.

739 S. Reinach, Pierres gravées des collections Marlborough et d’Orleans des recueils d’Eckhel, Gori, Levesque de Gravelle, Mariette, Millin, Stosch (1895) 124–125 Taf. 120, 4–6; A. L. Millin, Gallerie mythologique (1811) 33, 474. – A. Furtwängler, Die antiken Gemmen (1900) I Taf. 40, 7; II, 191; LIMC II (1984) 234 Nr. 390 b s. v. Apollon (W. Lambrinudakis); 394 Nr. 155 s. v. Apollon/Apollo (E. Simon). 740 LIMC II (1984) 235 Nr. 390 e. f. s. v. Apollon (W. Lambrinudakis) Taf. 214. 741 Brunn, GK I, 54. – Floren 1987, 199; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 298 s. v. Polystratos (R. V.). 742 Gurlitt: Diese Schulen überflügelte ... Werke nach Asien, Hiller fol. 45 r.: Diese Schulen überflügelt das Mutterland, vor Allem Sikyon, und es wurden bald von hier Bildwerke nach Kleinasien geschickt. 743 Müller 1848, 62 § 82; 64 § 85, 1; 65 § 86; 174 § 164, 1; 575 § 374 Anm. 3; 630 § 393, 1; 634 § 394, 2; Brunn, GK I, 74–80; 119f.; 122–124; Overbeck, Geschichte I 105. – Floren 1987, 212f.; Stewart 1990, 248; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 400–402 s. v. Kanachos (P. Schollmeyer). 744 K. Tuchelt, Branchidai – Didyma. Geschichte, Ausgrabung und Wiederentdeckung eines antiken Heiligtums, 1765 bis 1990 (1991) mit ält. Lit. 745 N. Pharaklas, EpetBoiotMel 1, 1988, 267–277. 746 LIMC II (1984) 224f. Nr. 332 s. v. Apollon (W. Lambrinudakis) Taf. 210f.; 408f. Nr. 318 (E. Simon).

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

259

ita suspendit, ut filum sub pedes trahatur)747. Diesen Philesios finden wir auf miles[ischen] Münzen, nackt, stehend, mit vorgesetztem linken Fuß, der Bogen in der Linken, die Hirschkuh in seiner ausgestreckten Rechten, als kleines Attribut. Die Arme anliegend, die Haare gelockt. – In den letzten Jahren hat man eine Reihe alterthüml[icher] Apollostatuen gefunden, jung, steif, regungslos, ohne Attribut, die Füße noch fast geschlossen. Sie erinnern an die Bilder[,] die den alten aegypt[ischen] ähnl[ich] sind. Die Hän- [S. 49] de hängen regungslos herunter. So der Apollon aus Thera, im Theseion in Athen (Schöll, Mytholog[ische] Mittheilungen)748. 2. Der Apollo aus Tenea, in der Münchner Glyptothek aus der Sammlung Prokesch[:] Overbeck, p. 95.749 3. Ein Apoll aus Naxos; auch in Athen750 [.] 4. Ein Apoll aus Orchomenos. Annal. dell’inst. Reise v[on] Conze u[nd] Michaelis 1861.751 Offenbar [sind] alle aus einer Schule hervorgegangen. Aber der Körper ist hellen[isch] ausgebildet in der Naturwahrh[eit] u[nd] Genauigk[eit] der Darstellung, bes[onders] in der Muskulatur. (Paus VIII, 40, 1 [:] Ƞ੝ įȚİıIJ઼ıȚ ʌȠȜઃ Ƞੂ ʌંįİȢ, țĮșİ૙ȞIJĮȚ į੻ ʌĮȡ੹ ʌȜİȣȡ੹Ȟ Įੂ Ȥİ૙ȡİȢ von einer Athletenstatue.) Um den Apollo zu charakterisiren[, ver]wandte man den Haarschmuck, meist ਕțİȡıİțંȝȘȢ als Gott der ewigen Jugend, entweder in einfach gedrehten Locken, od[er] țȡȦȕ઄ȜȠȢ eine Haarschleife. Zu solchen Darstellungeni gehört auch der Apollo Phil[esios]. Zu demselben Typus gehört ein Marmorkopf im engl[ischen] Museum, [von dem es einen] Gypsabguß in Goettingen [gibt]752. Ein herber, strenger Kopf, [er hat] etwas ideales, bes[onders] i

solchen Darstellungen : ihnen.

747 Plin., n. h. XXXIV, 75: cervumque una ita vestigiis suspendit, ut linum subter pedes trahatur alterno morsu calce digitisque retinentibus solum, ita vertebrato dente utrisque in partibus, ut a repulsu per vices resiliat. 748 Kourosstatue, Athen, Nat. Mus. Inv. 8: K. O. Müller, Archäologische Mittheilungen aus Griechenland, nach C. O. Müllers hinterlassenen Papieren herausgegeben von A. Schöll I. Athens Antiken-Sammlung (1843) Taf. 4, 8; Overbeck, Geschichte I 94. – Richter, Kouroi 69f. Nr. 49 Abb. 178–183; Floren 1987, 177 Taf. 13, 2; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst I, 138, 143–148, 156 Abb. 218. 749 Kourosstatue, sog. Apoll von Tenea, München, Glyptothek Inv. 148: Overbeck, Geschichte I 94f. Abb. 7. – Richter, Kouroi 84f. Nr. 73 Abb. 245–250; Floren 1987, 188 Taf. 14, 2; 15, 1; D. Kreikenbom, P. Karanastassis, in: Bol, Bildhauerkunst I, 144, 146, 179, 184f. Abb. 262. 750 Kourosstatue, unvollendet, Athen, Nat. Mus. Inv. 14: Overbeck, Geschichte I 94. – Richter, Kouroi 87; Floren 1987, 151 Anm. 3; G. Kokkorou-Alewras, Die archaische naxische Bildhauerei, in: AntPl 24 (1995) 97 Nr. 37 Taf. 29. 751 Kourosstatue, Athen, Nat. Mus. Inv. 9: A. Conze – A. Michaelis, Rapporto d’un viaggio nella Grecia. Orchomenos, in: AdI 33, 1861, 79–84 Taf. E,1. – Richter, Kouroi 64 Nr. 33 Abb. 138–140; Floren 1987, 313f. Taf. 28, 5; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst I, 137, 142, 144, 148, 156 Abb. 203. 752 Apollon Townley, London, Brit. Mus. 208: Friederichs – Wolters 1885, 112 Nr. 228; LIMC II (1984) 388 Nr. 73 s. v. Apollon/Apollo (E. Simon) Taf. 307. – Gipsabguss in Göttingen: K. Fittschen (Hrsg.), Verzeichnis der Gipsabgüsse des Archäologischen Instituts der Georg-August-Universität Göttingen (1990) 38 Nr. A 42.

260

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

in den großen freien Augen. U[nd] dieser strengere Typus ist längere Zeit maaßgebend gewesen. (Im Louvre Alte Denkm. II p. 11.)753[, wie] Cic. Brut. 11: quis non intellegit, Canachi signa rigidiora esse, quam ut imitentur veritatem754, richtig bemerkt. Kanachos machte auch Bilder aus dem gewöhnl[ichen] Leben: țİȜȘIJ઀ȗȠȞIJİȢi pueri(Plin. XXXIV, 57)755[.] Zeitgenosse des Kanachos war Kallon in Aegina.756 Die äginetische Bildhauerschuleii führt uns zuerst in große, zusammenhängende Originalwerke. – In Aegina traten die verschiedensten Stämme zusammen: Phoinikier, Kreter, Achäer, Dorier. Pind[ar] lobt bes[onders] aeginet[ische] Schönheit, Gastlichk[eit] u[nd] Heldenstärke757. [Herodot] (Hdt. IV, 132) [berichtet] vom Sostratos, dem berühmtesten Kaufmann seiner Zeit758. – [H. fol. 46 r.: Vom Kunstbetrieb haben wir schon bei Gelegenheit des Smilis und der Münzen gesprochen.] Diese Insel beherbergte den Kallon, auch Schüler des Tektaios u[nd] Angelion, in 2. Generation mit Dipoinos u[nd] Skyllis. Er arbeitete Dreifüße mit Bildwerken [H. fol. 46 r.: für Sparta], sich anschließend an die Gruppe des Gitiadas. Diese Dreifüße gehören dem Ende des 3. messen[ischen] Krieg[es an]. (Paus. II, 32) [Er arbeitete] für Korinth ein ȟંĮȞȠȞ der ਝșȘȞ઼ ȈșİȞȚ੺Ȣ759 Die Hauptthätigk[eit] der aeginet[ischen] Schule lag in der Nähe der Palaestra u[nd] des Gymnasium. Dort blüthe die dor[ische] Gymnastik. Es herrscht vor Männer- u[nd] Ephebenbildung. Der Körper unbekleidet od[er] nur mit Waffen, nackt bis auf Helm, Schild u[nd] Lanze. Panzer u[nd] Schiene wurden nicht wiedergegebeniii. Zu dieser Schule gehört Glaukias760, der nur Olympioniken darstellte. Theils Statuen, theils ganze Viergespanne. So auch den Karystier Glaukos, ıțȚĮȝĮȤ૵Ȟ(Paus. VI, 10, 1. [3])[;] ıțȚĮȝĮȤİ૙Ȟhießen die Vorübungen der Athleten. – Um Ol. 70 (500 v. Chr.) scheint die aeginet[ische] Kunst auf der Höhe gestanden zu haben. Damals arbeitete der eigentl[iche] Meisi ii iii

țİȜȘIJ઀ȗȠȞIJİȢțİȞİIJަȗȠȞIJİȢ Die äginetische Bildhauerschule : Sie. wiedergegeben : angewandt.

753 Paris, Louvre Ma 476: K. O. Müller – F. Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, Theil II (1856) 12 Taf. 11 Nr. 118. – Musée National du Louvre. Catalogue sommaire des marbres antiques (1922) 25 Nr. 476 Taf. 8. 754 Cic., Brut. 18, 70. 755 Plin., n. h. XXXIV, 75: idem et celetizontas pueros. 756 Müller 1848, 62 § 82; 67 § 89, 2; Brunn, GK I 85–88. 121–124; Overbeck, Geschichte I 108f. – Walter-Karydi 1987, 13–18. 76; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 397–399 s. v. Kalon (E. Walter-Karydi). 757 Pind., Ol. VIII, bes. 21–30; Pyth. VIII, 21–28. u.a. 758 Hdt. IV, 152, 3. 759 Paus. II, 32, 5; zum Dreifuß Paus. III, 18, 8. 760 Müller 1848, 62 § 82; 66 § 87, 3; Brunn, GK I 83f.; – Walter-Karydi 1987, 35–39. 45; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 266f. s. v. Glaukias (E. Walter-Karydi).

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

261

ter der ganzen Schule[,] Onatas761 (੗Ȟ੺IJĮȢdor[isch,] ੗Ȟ੾IJȘȢjon[isch,]) Sohn des Mikon, der eine große Werkstätte in Aegina hatte. Plin[ius] übergeht ihn ganz Er arbeitete für die Tyrannen in Syrakus ( [Ol.] 78,1 ca. 466)762, dann für Thasos (Thas[os] verlor seine Freiheit 463.) Er lebte also[,] als Aegina die größte Handel- u[nd] Seestadt war, als Athen korinth[ische] Schiffe miethete, nur um sich zu schützen. Er lebte bis zum Untergang v[on] Aegina (Ol. 80,1.)763 [H. fol. 46 v.: Er war hieratischer Künstler.] Er arbeitete auch die Demeter Ȃ੼ȜĮȚȞĮin Phigalia aus Erz (Paus. VIII, 42[, 1–13].) Diese Demeter hatte einen uralten Dienst. Sie hatte [zuvor] eine monströse Gestalt, sitzend, mit einem Pferdekopf, in den Händen Delphin u[nd] Taube. Dies alterthüml[iche] Bild ging durch Brand zu Grunde. U[nd] nun wurde Onatas berufen, ਥij’ ੖ı૳ į੽ ȝȚıș૶>@ Onatas wollte nicht das alte Monstrum wieder herstellen. Er erklärte, ihm sei Demeter im Traum erschienen u[nd] habe ihm erlaubt, von der Tradition abzuweichen. Das Bild stand in einer Grotte. Conze u[nd] Michaelis, rapporto p. 60.764 (Paus. VIII, 42) Er arbeitete den pergamen[ischen] Apollo, kolossal. Benndorf, [S. 50] Epigrammat. quae etc. ǺȠ઄ʌĮȚȢ ਝʌંȜȜȦȞ ੗Ȟ੺IJĮ etc765 Für Pheneos [arbeitete er] einen ਬȡȝોȢ(Paus. V, 24)766 Für die Thasier einen Herakleskoloss in Olympia (Paus. V, 25[, 12–13].)767 – Viel interessanter sind die Statuengruppen. So weihte er in Olympia (Paus. V, 25.) eine Gruppe, welche die loosenden Achäerhelden darstellte. Nestor[,] auf bes[onderer] Basis, schüttelte den Looshelm, umher im Kreise die Achäerhelden voll Erwartung u[nd] Begehr768. – 13. 12. 64 Die Tarentiner, als sie [den Sieg] über die Peuketier erfochten hatten, bestellten bei Onatas eine Gruppe für Delphi (Paus. X, 13[, 10]).769 [Die Kämpfer waren] Zu Fuß u[nd] zu Pferd [dargestellt], auch die Bundesgenossen, so Opis von Japygien, der todt am Boden lag, zwischen den Menschen kämpften Taras u[nd] Pha-

761 Onatas: Müller 1848, 62 § 82; 63 § 83,3; 65 § 85, 4; 68 § 89, 3; 101 § 112, 1; 139 § 135, 1; 541 § 359, 6; Brunn, GK I 88–95. 120f. 203. 448; Overbeck, Geschichte I 109f. – WalterKarydi 1987, 19–34. 45; Stewart 1990, 252f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 155–159 s. v. Onatas (E. Walter-Karydi). 762 Ol. 78, 1 = 468 v. Chr. – Untergang der Tyrannis in Syrakus 466 v. Chr. 763 Ol. 80, 1 = 460 v. Chr. – Aigina wurde 459 v. Chr. von Athen unterworfen. 764 A. Conze – A. Michaelis, Rapporto d’un viaggio fatto nella Grecia nel 1860, in: AdI 33, 1861, 5–90, bes. 60 ff. – Vgl. Walter-Karydi 1987, 23–25. 765 Paus. VIII, 42, 7; Anth. Graec. IX, 238,1: ǺȠ઄ʌĮȚȢ ੪ ૅʌંȜȜȦȞ, IJંįİ Ȥ੺ȜțİȠȞ ਩ȡȖȠȞ ੗Ȟ੺IJĮ. – O. Benndorf, De Anthologiae Graecae epigrammatis quae ad artes spectant (1862) 48. – Walter-Karydi 1987, 22f. 766 Paus. V, 27, 8. – Walter-Karydi 1987, 23. 767 Walter-Karydi 1987, 25f. 768 Paus. V, 25, 8–10. - Nach Pausanias wurde die Gruppe von den Achäern geweiht, von Onatas gefertigt. – Walter-Karydi 1987, 27–30 Taf. 4. 769 Walter-Karydi 1987, 26f.

262

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

lantos, die Heroen von Tarent. Paus[anias] schätzt den Onatas sehr770. Dies war das trefflichste aus aeginet[ischer] Schule. Die IJ੼ȤȞȘ ǹੁȖȚȞĮ઀ĮL war bis 1811 ein leerer Klang, seitdem besitzen wir aeginet[ische] Originalwerke, v[on] Onatas od[er] seiner Schule. Die Aegineten müssen einen Tempel gehabt [haben] als eigentl[ichen] Mittelpunkt der Insel, nicht das Aiakeion771 u[nd] der Zeustempel auf der Spitze der Berge772. Sondern der Tempel der Athena (Hdt. III, 59[, 3),] an diesem Tempel wurde die Beute aufgehängt (521 Ol. 64, 2.)773 Frühj[ahr] 1811 wurde v[on] Stackelberg, Bronsted, Cockerell, Gropius auf dem Hügelrücken im N[ord-]O[sten] der Insel ein Peristylii entdeckt.774 Die Cella zerfallen, der Architrav lag auf den Säulen v[on] gelbem Sandstein. Sima w[ie] Dach v[on] Marmor, der Tempel durch Erdbeben zerstört u[nd] man fand eine Reihe v[on] Statuen[,] freil[ich] sehr in Trümmern, doch in ihren Hauptmomenten zu erkennen u[nd] der Restauration fähig.775 Sie kamen nach Rom[,] wurden v[on] Thorwaldsen restaurirt u[nd] kamen nach München. Martin Wagner schrieb 1817 den 1. sachverständigen Bericht.776 Diesen Tempel nannte man den Tempel des panhellen[ischen] Zeus, bis auf Stackelberg777, nach falscher Inschr[ift.] Jetzt [liegt] eine echte Inschr[ift vor, publiziert] v[on] Ross, Archäol[ogische] Beiträge[, mit dem Namen der Tempelbesitzerin:] ੖ȡȠȢ IJİȝ੼ȞȠȣȢ ਝșȘȞĮ઀ĮȢ778 Dies ist der kleinste Hypäthraltempel, 12 Säulen in der L[änge]. Zum Theil [bestehen die Säulen] aus i ii

ǹੁȖȚȞĮ઀Į ǹ‫ݧ‬ȖȚȞİަĮ Peristyl : Peristil.

770 Paus. V, 25, 13. 771 Paus. II, 29, 6–8. 772 Heiligtum des Zeus Hellanios auf dem Berg Oros, Paus. II, 30, 4; Pind., Nem. V, 10. – G. Welter, Aeginetica, AA 1938, 8–16; ders., Aigina (1938) 91f. 122. 773 Ol. 64, 2 = 523 v. Chr. ; vermutlich Ol. 65, 2 = 519 v. Chr. 774 C. R. Cockerell, The Temples of Jupiter Panhellenius at Aegina and of Apollo Epicurius at Bassae near Phigaleia in Arcadia (1860). – A. Furtwängler, Aegina. Das Heiligtum der Aphaia (1906); E.-L. Schwandner, Der ältere Porostempel der Aphaia auf Aegina (1985); H. Bankel, Der spätarchaische Tempel der Aphaia auf Aegina (1993). 775 Aigineten: Müller 1848, 69f. § 90, 3; 73–75 § 91, 3. 4 § 93, 2 § 95; Overbeck, Geschichte 117–123 Abb. 12. 13. – D. Ohly, Die Aegineten I. Die Ostgiebelgruppe (1976); Die Aegineten II./III. Die Westgiebelgruppe. Die Gruppe auf dem Altarplatz, Akrotere, etc. Tafelbd. (2001); Walter-Karydi 1987, passim; U. Sinn, Aphaia und die „Ägineten“, in: AM 102, 1987, 131–167; V. Brinkmann, in: Bol, Bildhauerkunst I, S. 274–279 Abb. 357–359. 776 J. M. Wagner, J. M. Wagner’s Bericht über die Aeginetischen Bildwerke im Besitze S. Königl. Hoheit des Kronprinzen von Bayern. Mit kunstgeschichtlichen Anmerkungen von Fr. W. J. Schelling (1817). 777 L. Stackelberg, Sopra il tempio di Minerva ed il Panellenium in Egina, in: AdI 2, 1830, 314–319. 778 L. Ross, Ueber den Tempel der Athene auf Aegina, in: Archäologische Aufsätze I (1855) 241–245. – Vgl. zu diesen Inschriften Furtwängler a.O. 6f.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

263

verschiedenen Cylindern, theils [sind sie] Monolithen779. Das Gebälk ist schwer, der Abakus klein, der Echinus stark ausgeladen. Die Wände der cella [mit] roth[er Farbe], die inneren Wände mit glattgeschliffenem Kalkanwurf [bedeckt], im Giebelfeld u[nd] den Triglyphen blaue Farbe.780 Die Statuengruppen sind dem gegebenen Raum genau angemessen, sie sind mit u[nd] für den Tempel gemacht. Es sind die ersten Beispiele von Tempelgiebelgruppen. Aber schon in der chiischen Schule gab es Giebelgruppen, im palatin[ischen] Apollotempel in Rom wurden alte chiische Statuen angewandt.781 – Wir haben allen Grund[,] diese Werke dem Onatas zuzuschreiben, od[er] doch der Zeit als Aegina am mächtigsten war (Ol. 60 u[nd] 70782, nach 540). Ross hat nach seiner Säulentheorie den Tempel vor den Anf[ang] der Olympiaden gesetzt (Griech[ische] Reisen I, 147.)783 Andere haben den Tempel später setzen wollen, indem sie annahmen, bei den Giebelkompositioneni seien die Perserkämpfe gemeint,784 beides ist unnöthig. Wir bleiben dabei, er sei gegen 530 gebaut. – Inhalt u[nd] Motive der Darstellung: Heroenkämpfe in 2 Partheien. Beidemal ein [S. 51] Verwundeter, unter den Auspicien der Athena. – Erstens, das Motiv der Tapferk[eit,] Zweitens, das Motiv der Pietät (ʌȠįઁȢ ਪȜțİȚȞu[nd] ਥȡ઄İȚȞIl. 17, 289)[.] – Die Kämpfenden sind gewiß die Aeakiden, im östl[ichen] Giebel ist zweifellos Herakles [wiedergegeben]. Also dies[:] Herakles mit Telamon. Ihn holte Herakles ab u[nd] zog mit ihm gegen Laomedon v[on] Troia, bei diesem Zug fiel Laomedon mit seinem Sohne (Apollod. II, 6 Diod.)785 Betheiligt war auch Oikles. Dann kam der 2. Zug in der folgenden Generation (Pind. Isth. IV (V), 34 į੿Ȣ ʌંȜȚȞ ȉȡȠ઀ĮȞ ʌȡ੺șȠȞ 786Dies[er Mythos] ist hier in Marmorstatuen aufgestellt. Auf dem Ostgiebel Zug des Herakles u[nd] Telamon. (Apollod. l.c.) Oikles wird v[on] Troern überfallen, doch gerettet durch Herakles u[nd] Telamon. In diesem Kampfe fiel Laomedon, aber auch Oikles. Der Gefallene kann also Laomedon u[nd] Oikles sein, wahrscheinl[ich] ist es der Grieche, der Vater des Amphiaraos. – i

bei den Giebelkompositionen : hier.

779 Die Säulenschäfte der Peristasis des älteren Porostempels der Aphaia in Ägina waren mit Sicherheit monolith, E.-L. Schwandner, Der ältere Porostempel der Aphaia auf Aegina (1985) S. 8, die oberen Säulen der Cella und die meisten Säulen der Peristasis des spätarchaischen Aphaiatempels von Ägina waren monolith, von letzteren bestanden einige aus zwei, andere aus mehreren Säulentrommeln, H. Bankel, Der spätarchaische Tempel der Aphaia auf Aegina (1993) 9. 95. 780 Zur Polychromie des spätarchaischen Tempels vgl. Furtwängler a.O. 46–50 Taf. 61; Bankel a.O. 111–113 et passim. 781 Plin., n. h. XXXVI, 13. 782 Ol. 60 = 540–537 v. Chr. ; Ol. 70 = 500–497 v. Chr. 783 L. Ross, Reisen auf den griechischen Inseln des ägäischen Meeres I (1840) 147. 784 z. B. Müller 1848, 69 § 90, 3. 785 Apollod. II, 6, 4; Diod. IV, 32. 786 Pind., Isth. V, 35f.: ıઃȞ ȝ੺ȤĮȚȢ / į੿Ȣ ʌંȜȚȞ ȉȡઆȦȞ ਩ʌȡĮșȠȞ

264

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Ähnl[ich] auf der Westseite der Kampf um einen Gefallenen, entweder Patroklos (Il. XVII, 280)787[,] denn Aias wird herbeigerufen. Aber Patroklos hat keinen speziellen Bezug zu Ägina. Oder eher Achilleusi, der nach der Aethiopis seinen Heldentod im Kampfe fand u[nd] durch Aias dem Feinde entrissen wurde. Bei diesem Kampfe war auch Paris zugegen. So auch auf 2 Vasen v[on] Vulci mit beigeschriebenen Namen788, unzähligmal [ist auf Vasen wiedergegeben,] wie Aias die Leiche des Achill fortschleppt. [Es zeigt sich] Ein vollständiger Parallelismus der Giebelfelder, Kampf gegen die Trojer um einen Gefallenen, beidemal ein Grieche, gefallen durch Barbaren. Otfr. Müller ist in der Deutung noch weiter gegangen, er meint[,] der Paris stelle auch einen pers[ischen] Bogenschützen [dar], dann müsse der Tempel 478 gegründet sein.789 – Der Unterschied von den att[ischen] Bildwerken wäre dann auch zu groß. – Unsere Erklärung ist besser. Es sind 17 Figuren gefunden, Fragm[ente] von 30, darunter [von] 2 [Figuren], die außerhalb des Giebels standen. [Sie lassen sich wie folgt gruppieren:] 1. Geradstehende weibl[iche] Gewandfiguren[,] 2. vorschreitende[,] 3. liegende[,] 4. knieende Kämpfer. Von der Westseite sind 11 Figuren vollständig[:] Die Göttin, 3 Paare v[on] Streitenden, ein Gefallener, ein Herbeiziehender (ਥȡ઄ȦȞ u[nd] 2 Liegende Von der Ostseite 3[:] Figuren der Mitte. Der Kopf der Göttin, überlebensgroß. Der knieende Herakles, ein Sterbender, u[nd] ein ausschreitender Krieger. Die Figuren der Ostseite sind im Ganzen besser gearbeitet, die [der] Westseite in klein[teilig]erem Stil. Die Athena des westl[ichen] Giebels, über Lebensgröße, in die Mitte gestellt. Sie feuert an: ਥȖİ૙ȡĮ į੻ șİ૙țȠȞ ਝșȘȞ઼ Ƞ੝ȡĮȞંșİȞ țĮIJĮȕ੺Ȣ790 Gegen die Feinde richtet sie Schild u[nd] Lanze u[nd] wendet sich auchii gegen die Feinde. [H. fol. 48 r.: Vom Kopf bis an die Knie ist sie en face, von da im Profil dargestellt.] Ganz bekleidet mit altgriech[ischer] Gewandung, [mit] nicht natürl[ich] hinfallend[en Falten]. Der Helm ist voll kleiner Löcher. Die Aegis [ist] als Fell betrachtet, mit Gorgo, der Schild als rund argivischiii, innen roth u[nd] außen blau, Augen u[nd] Lippen waren farbig. Die Bearbeitung des Steins ist ganz unglaubl[ich] vollendet. Neben Athena ein vorgebeugter, unbewaffneter Mann, ein șİȡĮʌઆȞSeine Haare schneckenförmig gelockt. Der Hinterkopf erscheint kahl; Zur anderen Seite der gefallene Krieger. Über dem [gefallenen] Achill dann Aias, er hält seinen Schild über das Haupt des i ii iii

Ägina. Oder eher Achilleus : auf Achilleus. wendet sich auch : auch wendet sie sich. argivisch : argolisch.

787 Hom., Il. XVII, 274–287: Eingreifen des Aias in den Kampf um Patroklos’ Leiche. 788 Kampf um Achill: Amphora, chalkid. sf., aus Vulci, ehem. Pembroke-Hope, jetzt verschollen: LIMC I (1981) 182f. Nr. 850 s. v. Achilleus (A. Kossatz-Deissmann); 517f. Nr. 90 s. v. Alexandros (R. Hampe) Taf. 140. – Kampf um Patroklos: Schale, att. rf. (Oltos), aus Vulci, Berlin, Antikensammlung F 2264: LIMC I (1981) 317f. Nr. 23 s. v. Aias (O. Touchefeu). 789 Müller 1848, 69 § 90, 3. 790 Hom., Il. XVII, 544f.:਩ȖİȚȡİ į੻ Ȟİ૙țȠȢ ਝș੾ȞȘ / Ƞ੝ȡĮȞંșİȞ țĮIJĮȕ઼ıĮ.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

265

Achill, welcher selbst in dem Moment dargestellt, wo seine Kraft versiegt, so konnte man ihn von unten sehen. Gegenüber sein Gegenkämpfer ਰțIJȦȡ Dann die Bogenschützen in der 2. Reihe. Der rechte hat ein fest anliegendes Kol- [S. 52] ler mit phryg[ischer] Mütze, [ist] also entschieden der Paris. Das Gewand ist gut dargestellt; ihm gegenüber der griech[ische] Bogenschütze, entschieden der Teukros. Im 3. Gliede [sind die Krieger angeordnet], welche kniend [H. fol. 48 v.: und die Lanze haltend] warten, bis auch ihnen sich Gelegenheit zum Kampf darbietet. Endl[ich] die liegenden Figuren in den Ecken. Bei dem durchgehenden Parallelismus ist die Ergänzung des östl[ichen Giebels] leicht aus dem westl[ichen abzuleiten]. Alle Kriegerleiber sind nackt dargestellt[, nur] der eine Bogenschütze ist in asiat[ischer] Tracht behandelt. Außerhalb des Giebels sind die kleinsten Figuren, [sie sind] ganz gleich, die eine rechts u[nd] die andere links vom Akroterion aufgestellt. Man nannte sie sonst etrusk[ische] Priesterinnen. Es sind wahrschein[iche] Moiren, die das waltende Schicksal darstellen. So rundet sich das Ganze harmonisch ab. – 15. 12. 64 Diese Werke stammen entschieden von Onatas [H. fol. 48 v.:, der ebenfalls Gruppen und Darstellungen aus dem Epos liebte], od[er] von seiner Schule. [Die Themenwahl von] Gruppen, Aias, Götter, Heroen, Menschen, alles stimmt. – Wir haben eine ausgebildete Schule (Paus. X, 17.)791 [H. fol. 48 v.: Auch in Thiergestalten hatte sich ein fester Stil gebildet.] Die Technik ist musterhaft, eine treu wohlverstandene Naturnachahmung. Keine Stellung war zu schwer u[nd] die Künstler suchten Darstellungen, welche sich bes[onders] für die Plastik eignen, die augenblickl[iche] Bewegung. Das Spiel der Muskeln ist fast übertrieben natürl[ich]. Wenig Figuren, doch ein belebtes Ganze[s]. Dies beruht auf der verständigen Erfindung. – Andererseits ist kein höheres Leben in diesen Gliedern. Wir finden eine fast ängstigende Bewegung u[nd] Lebendigk[eit]. [H. fol. 49 r.: aber man erkennt nicht die Heroen, die auch von den Unbewaffneten nicht zu unterscheiden sind.] Dabei doch eine gewisse Steifheiti. Es sind plötzl[ich] erstarrte Menschen. Ferner gehört dazu der durchgehende strenge Parallelismus [der Figurenanordnungen], wie Strophenpaare. Ferner sind die Attribute, Helm u[nd] Schild[,] ungewöhnl[ich] groß, auch die Köpfe. Conventionelle Technik im Haar, Körper, namentl[ich] im Gesicht. Alle Aegineten sahen sich ähnl[ich] u[nd wirken] nichts sagend. Es ist keine der Handlung entsprechende Leidenschaftlichk[eit zu erkennen]. Alle haben einen gewissen, faden, lächelnden Ausdruck, die Mundwinkel sind aufgezogen, vielleicht weil man die Götter [und Heroen] freundl[ich], liebl[ich] milde darstellen wollte. Die Leiber sind über den Hüften schmal, die Beine schlank u[nd] lang, die Knie spitz, Muskulatur hervortretend. Die Skulptur trug Farben, braun, die Locken angesetzt, Waffen, Kleider, Augen, i

Steifheit : Steifigk[eit].

791 Paus. V, 25, 13.

266

[S. 53]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Lippen gefärbt. Es ist kein Fluß der Composition da, die Figureni sind Modellacte. Endl[ich] ist der vordere Giebel ausgezeichnet: der östl[iche] Giebel hat breitere, kräftigere, größere Figuren, dort haben bessere Künstler gearbeitet. Man erkennt Meister u[nd] Schüler. – Die Figuren an den Akroterien sind steif. (Paus. X, 24, 4 die Moiren der Geburt u[nd] des Todes [um] ǽİઃȢ ȝȠȚȡĮȖ੼IJȘȢ792> @ [H. fol. 49 r.: Diese Gestalten sind der Athena am Meisten ähnlich. Sie walten über die unten kämpfenden Gruppen.] – Tempelarchitektur u[nd] Tempelsculptur. [Ihr] Hauptsitz [ist] Korinth. Erhalten ein Tempel mit schwerem Gebälk, stark ausladendem Echinus; stark verjüngten Säulen, w[ie eine] engere Säulenstellung [an den Längsseiten,] bes[onders] an den Ecken [H. fol. 49 v.: deuten auf ein hohes Alter], die Säulen Monolith. Dieser Tempel hat die Zerstörung des Mummius überdauert.793 – Ol. 58 [(548–545 v. Chr.)] als der delph[ische] Tempel erneuert wurde, wurde in Korinth Spintharosii (Hdt. II, 180) von den Alkmäoniden mit dem Bau des Tempels beauftragt (Ol. 60 u[nd] 540 v. Chr.)794 U[nd] die Alkmäoniden bauten (Hdt. V, 62) ʌĮȡĮįİ઀ȖȝĮIJȠȢ ȕİȜIJ઀ȦȞ795 schöner als es verlangt war. Sie machten die Vorderseite v[on] Marmor. Jener Tempel796, dessen Ruinen erhalten sind, stammt wohl aus der Zeit der Kypseliden. Von Korinth ist der Tempelbau nach Italien übertragen [worden], direct nach Syrakus, der alte Tempel auf Ortygia, neuerdings aufgegraben, auf der Schwelle eine alte Inschrift.797 Das ist wichtig[:] Paestum od[er] Poseidonia an der Gränze Mittelitaliens, von Sybaris gegründet. Paestum hat merkwürdig wohlerhaltene Ruinen, der Stadtring ist noch da. Diese Ruinen sind zuerst bekannt worden, 1750[,] Winckelmann kannte sie.798 Die Umgebung liefert den Travertin, Kalkablagerungiii aus süssem Wassers in mächtigen Bänken am rivus Paestanus. Bes[onders wichtig ist] der i ii iii

die Figuren : es. Spintharos : Pintaros. Kalkablagerungen : 1iederschlag.

792 Paus. X, 24, 4: im Apollotempel zu Delphi stehen 2 Statuen der Moiren und die Statuen des Zeus Moiragetes und Apollon Moiragetes. 793 Apollon-Tempel von Korinth s. o. Anm. 717. 794 Hdt. II, 180, 1. 2: Bauauftrag für den Apollontempel in Delphi. – Paus. X, 5, 13: Spintharos von Korinth als Baumeister des Tempels in Delphi. – Zu Spintharos: Müller 1848, 58 § 80, I, 5; Brunn, GK II 326. 379f. – Svenson-Evers 1996, 330–337; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 418 s. v. Spintharos (W. Müller). 795 Hdt. V, 62: IJȠ૨ ʌĮȡĮįİ઀ȖȝĮIJȠȢ ț੺ȜȜȚȠȞ 796 Apollon-Tempel von Korinth. 797 Syrakus, Apollontempel: Fr. di Giovanni, Scoperte nel tempio di Diana in Siracus, in: BullSic 1, 1864, 17–19; S. Cavallari, Scavi in Siracusa, in: BullSic 2, 1864, 1–5. – Svenson-Evers 1996, 461–469 (mit ält. Lit.); Gruben 2001, 286–290; Mertens 2006, 73, 75, 104–110, 133, 151. 798 J. J. Winckelmann war 1760 in Paestum. – J. J. Winckelmann, Anmerkungen über die Baukunst der Alten (1761) 45f.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

267

große Tempel des Poseidon799. 6 Säulen in der Front (ʌİȡ઀ʌIJİȡȠȢ ਦȟ੺ıIJȣȜȠȢ – ੢ʌĮȚșȡȠȢ ʌȣțȞંıIJȣȜȠȢ800 Es ist auch die innere Säulenstellung erhalten, [H. fol. 49 v.: denn der Tempel war ੢ʌĮȚșȡȠȢ,] auch die Nische für das Bild. Hier [findet sich] der dor[ische] Tempelstil in der größten Einfachheit. Die Säulen haben nur 4 Durchmesser Höhe. Der Tempel gehört nach 400 (Ol. 70, 00)801[.] Abweichend [vom üblichen Typus] ist die lange, schmale cella; Einwirkungen von Italien. – Selinus ist[,] nächst Aegina, der wichtigste Punkt für alte Tempelsculptur (palmosa Selinus)802[,] wo jetzt keine Rede von einem Hafen ist; so hat sich das Land verändert. Von den ȂİȖĮȡİ૙Ȣ ੥ȕȜĮ૙ȠȚ(Thuk. 6,4[, 2] u[nd] 7, 57[, 8]. c. 628 ?) am westlichsten der hellenischen Städte, auf einem Hügel am Selinus, zwischen diesem u[nd] dem Hypsas [gegründet]. An der Gränze des pun[ischen] Siziliens, aber ganz hellen[isch] (Thuk. VI, 20[, 3–4]). Von Alters her eine Stätte der Kunst. Aber wegen der nahen Punier den Hellenen untreu. So 480 auf Seiten der Karthager, 409 wurde die Stadt zerstört. 628–409 aus dieser Zeit haben sich große Kunstwerke erhalten. Harris u[nd] Angelli entdeckten 1822 die Bildwerke, jetzt in Palermo.803 – Auf der Burg stehen 3 parallele Tempel u[nd] 3 untere Tempel804, zusammen eine ganze Kunstgeschichte, am ältesten [ist] der mittlere Burgtempel, lange, schmale cella, weiter Säulenumgang805. Von den unteren ist auch der mittlere der älteste.806 Von dem mittleren [Burgtempel] sind Metopen807 gefunden[,] 4 ½ ' hoch, oben u[nd] unten ein gemaltes Band. Die erste808 enthält den ਺ȡĮțȜોȢ ȝİȜ੺ȝʌȣȖȠȢ der Obertheil v[on] vorn gesehen, die Beine im Profil, die Füße ||809, der Kopf bartlos, der Gesichtsausdruck grinsend. Das Auge wie gei

Harris u[nd] Angell : Harry u. Angels.

799 Zum sog. Poseidontempel, dem Heratempel II von Paestum: D. Mertens, Der Tempel von Segesta und die dorische Tempelbaukunst des griechischen Westens in klassischer Zeit (1984) 55–65; 214–218 et passim; J. G. Pedley, Paestum (1990) 81–88; Gruben 2001, 274–280; Mertens 2006, 283–295, 339. 800 Die Bezeichnungen nach Vitruv:ʌİȡ઀ʌIJİȡȠȢ,,,IV, 8, 2; ਦȟ੺ıIJȣȜȠȢ: III, 2, 5; III, 3, 7; ੢ʌĮȚșȡȠȢ: III, 2, 1. 8; ʌȣțȞંıIJȣȜȠȢ,,,,,, 801 Hiller fol. 49 v.: wohl in Ol. 70–80, nach 500. – Ol. 70, 1 = 500 v. Chr. 802 Verg., Aen. III, 705. – D. Mertens, Selinus I. Die Stadt und ihre Mauern (2003); Mertens 2006, passim, bes. 172–190, 324–332; 400–406. 803 S. Angell - Th. Evans, Sculptured metopes discovered amongst the ruins of the temples of the ancient city of Selinus in Sicily, by W. Harris and S. Angell in the year 1823. Described by S. Angell and Th. Evans, architects (1826). 804 Auf der Akropolis von Selinunt die Tempel D, C, A und auf dem östlichen Hügel die Tempel E, F, G, vgl. Mertens, Selinus I, 237–244; Mertens 2006, 184–190. 805 Tempel C: Gruben 2001, 299–306; Mertens 2006, 118–124, 133, 187, 422. 806 Tempel F: Gruben 2001, 307–309; Mertens 2006, 124, 227f. 807 Müller 1848, 68f. § 90, 2; Overbeck, Geschichte I 90–93 Abb. 6. – Floren 1987, 423f. Taf. 38, 2. 808 Metope von Tempel C, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3920 C: V. Tusa, La scultura in pietra di Selinunte (1984) 117 Nr. 9 Taf. 7. 8. 809 || = parallel.

268

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

schlossen, die Haare ganz regelmäßig. Dieser trägt ein Querholz u[nd] daran kopfunter die beiden Kerkopen, als [bestrafte] ʌĮȞȠ૨ȡȖȠȚwelche die Straßen unsicher machen. Mit den Füßen angebunden, die Haare hängen ||810 herunter. Die 2. Metope811 enthält den Perseus, der die Medusa tödteti unter Athenas Beistand, auch Perseus lächelt, der untere Theil des Körpers im Profil, die Schenkel unförmig, der Pferdehals steigt empor,812 der Kopf [der Meduse] sitzt aberii noch auf dem Rumpfe. Die 3. Metope813 [zeigt] eine quadriga aus 59 Fragm[enten] zusammengesetzt; es ist fragl[ich], ob dies nicht ein Weihgeschenk war. [H. fol. 50 v.: Der Typus ist roher als bei den Aegineten; es fand wohl punischer Einfluß statt.] – 2 Metopen [stammen] vom mittleren Tempel der Unterstadt814: [1.] Ein knieender Mann u[nd] der Unterkörper einer vorwärtsschreitenden Frau,815 2. ein sterbender Krieger u[nd] eine vorschrei[tende] Frau, die auf seinen Schenkel tritt.816 [Dargestellt ist der Kampf Athenas mit dem Giganten Enkelados.] Der Kopf des Enkelados mit künstl[erischem] Helm, gräßl[ich]. 3. 5 Metopen vom südl[ichen] Tempel der Unterstadt.817 [Dargestellt sind:] Eine Kampfscene, die schon zerstört ist,818 Athena u[nd] Enkelados,819 Artemis u[nd] Aktaion (am posticum),820 Zeus u[nd] Hera (Il. XIV, 58 f.)821 u[nd] Herakles u[nd] Hippolyte (am Pronaos)822 [.] Bei den weibl[ichen] Figuren sind Kopf, Arme, Hände, Füße i ii

tödtet : tödtend. aber : zwar.

810 || = parallel. 811 Metope von Tempel C, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3920 B: Tusa a. O. 115f. Nr. 8 Taf. 5. 6. 812 Gurlitt: der Pferdehals steigt empor, Hiller fol. 50 r.: zwischen den Armen der Medusa steigt der Pegasus empor. 813 Metope von Tempel C, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3920 A: Tusa a. O. 114f. Nr. 7 Taf. 2–4. 814 Müller 1848, 68 § 90, 2; Overbeck, Geschichte I 132. – Floren 1987, Taf. 38, 3.4. 815 Metope von Tempel F, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3909 A: Tusa a. O. 118 Nr. 10. 816 Metope von Tempel F, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3909 B: Tusa a. O. 118f. Nr. 11 Taf. 9. 10. 817 Tempel E, das Heraion: Gruben 2001, 314–318; Mertens 2006, 279–283, 324, 400f. 422. – Zu den Metopen: Müller 1848, 112 § 119, 4; Overbeck, Geschichte I 132f. Abb. 16. – C. Marconi, Selinunte. Le metope dell’Heraion (1994). 818 Metope von Tempel E, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3912: Tusa, a. O. 123 Nr. 16; Marconi, a. O. 74f. et passim. 819 Metope von Tempel E, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3921 D: Tusa a.O.122f. Nr. 15 Taf. 21; Marconi, a. O. 70–73 et passim. 820 Metope von Tempel E, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3921 C: Tusa, a.O. 121f. Nr. 14; Marconi, a. O. 66–69 et passim. 821 Hom., Il. XIV, 292–352. – Metope von Tempel E, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3921 B: Tusa, a. O. 120f. Nr. 13 Taf. 12. 15. 16; Marconi, a. O. 62–65 et passim. 822 Metope von Tempel E, Palermo, Mus. Naz. Inv. 3921A: Tusa, a. O. 119 f. Nr. 12 Taf. 11. 13. 14; Marconi, a. O. 58-61 et passim.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

269

aus weißem Marmor. Die Kunstwerke vertreten 3 Epochen [der Kunstgeschichte]. (Serra di Falco, Antichità di Sicilia II.)823 [S. 54] 16. 12. 64 Assos in Mysien, in weizenreicher Gegend, steil über dem Meer gelegen, das ganze Stadtgebiet ein Labyrinth v[on] Tempelruinen. Fellows, Texier [H. fol. 50 v.: sind hier thätig gewesen], die Reliefplatten im Louvre. Seit 1838824 [:] 1.) Liegende Götter u[nd] Ganymed schenkt [ihnen] ein. 2) Zwei Stiere, die mit den Hörnern gegeneinander losgehen. 3.) Ein Mann, der einen anderen [in der Art] zu fassen strebt, wie die Flußgötter bezwungen werden mußten.825 – Merkwürdig ist, daß diese Platten auf dem Architrav angebracht sind (Mon. dell’inst. III u[nd] Texier, Asie mineure II.)826 ohne Triglyphen. – Unter den asiat[ischen] Kunststätten ist zu bemerken: die Umgebung v[on] Milet, am Didymaion,827 es führt eine Feststraße zum Didym[aion], an ihr [sind] Sitzbilder [aufgestellt,] männl[iche] u[nd] weibl[iche].828 In den letzten Jahren hat die engl[ische] Regierung unter Newton eine Expedition geschickt, u[nd] er hat sie ausgegraben u[nd] nach London gesandt. Geweihte Sitzstatuen mit Inschr[ift,] corp. inscr. [graec. I] 39 u[nd] Monatl[icher] Ber[icht] der Berl[iner] Akad[emie] 1859 p. 659829 (Newton, Halykarnassos.)830 [Diese Anordnung der Statuen] erinnert an die aegypt[ischen] Alleen. Die Statuen [sind] ganz steif. –

823 D. Lo Faso Pietrasanta Duca di Serradifalco, Le Antichità della Sicilia esposte ed illustrate II (1834). 824 Fellows und Texier besuchten Assos, die Reliefplatten des Tempels befinden sich seit 1838 im Louvre. Vgl. Ch. Fellows, A journal written during an excursion in Asia Minor (1839); MonInst III, 34; Ch. Texier, Description de l’Asie Mineure faite par ordre du gouvernement français de 1833 à 1837 II (1839) Taf. 112–114; Müller 1848, 69 § 90, 2; 327 § 255, 2. – Zur Übergabe an den Louvre: Hamiaux, Louvre I, 67. 825 In der Reihenfolge der Aufzählung: Paris, Louvre Ma 2829, 2832, 2833, 2828: Hamiaux, Louvre I, 69 Nr. 59; 73 Nr. 62–63; 68 Nr. 58 (Herakles und Triton). 826 J. de Witte, Bas-reliefs d’Assos, in: AdI 13, 1841, 317–319; MonInst III, 34. 827 K. Tuchelt, Branchidai - Didyma. Geschichte, Ausgrabung und Wiederentdeckung eines antiken Heiligtums, 1765 bis 1990 (1991) mit ält. Lit. 828 London, Brit. Mus. B 271–280: Müller 1848, 77 § 96 Nr. 10; Overbeck, Geschichte I 138. – F. N. Pryce, Brit. Mus., Cat. of Sculpture I. 1. Prehellenic and Early Greek (1928) 101– 112 Taf. 6–15; Floren 1987, 374f. Taf. 32, 1. 6; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst I, 154f. 168 Abb. 231–233. 829 Zu den archaischen Inschriften: CIG I Nr. 39 (Statue verschollen); C. T. Newton, Monatsberichte der kgl. preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1859, 659–662. – Th. Wiegand (Hrsg.), Didyma II. A. Rehm – R. Harder, Die Inschriften (1958) 1–11. 830 C. T. Newton, A History of Discoveries at Halicarnassus, Cnidus and Branchidai I. II (1862/3).

270

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Am wichtigsten ist das Land Lykien u[nd] namentl[ich] Xanthos. Seit 1838 ist es nun entdeckt durch den Engländer Fellows, [der] kürzl[ich] verstorben [ist].831 Die Hauptstadt ist Xanthos u[nd] dort ein monolither Grabthurm, oben im Thurm die Kammer832. Der obere Theil [des Turmes] ist mit Reliefs überzogen: Xanthian marbles in London.833 Wann er gebaut ist, wissen wir nicht. Wir wissen, daß Xanthos Ol. 58 [(548–545)]zerstört wurde[,] u[nd] man meinte, dies Grab könne nicht nach jener Zeit entstanden sein.834 Aber Xanthos hat die Katastrophe überlebt u[nd] hat auch spätere Kunstwerke. Sicherl[ich] ist die Kunst hier nicht von Außen eingeführt, sondern national religiös. [H. fol. 51 r.: Die Kunst jedenfalls eine echt lycische, verwachsen mit [...] und dem Typus des lycischen Volkes.] Die Darstellungen beziehen sich alle auf Tod u[nd] Begräbniß. – Alle Todtengebäude sind nach W[esten] geöffnet, so auch hier. Über dem Eingang ist eine säugende Kuh dargestellt, links sitzt eine einsame Göttin mit einer Schaale, um den Tribut zu empfangen, auf der anderen Seite eine entsprechende Göttin mit Granatfrucht u[nd] Blüthe; [beide sitzen] auf geschmücktem Sessel, [den einen ziert] eine Sphynx, u[nd den anderen] ein Widderkopf; gestickter Sitz. Aufi sie zu wandeln 3 Personen: die 1. hebt mit beiden Händen feierl[ich] Schleier u[nd] Untergewand, die 2. hat eine Blüthe u[nd] eine Frucht, die 3. ein Ei in der Hand; die verschiedenen Stadien des Lebens bezeichnend. Links eine Göttin des Todes, rechts eine Göttin des Lebens. Die säugende Kuh ist auch offenbar ein Symbol des Lebens. Auf den 3 anderen Seiten sind 3 männl[iche] Gottheiten. Ausgezeichnet der an der Ostseite [H. fol. 51 r.: durch geschmückten Sessel, Blume, fischleibiges Ungeheuer und durch den ihm dargebrachten Hahn und Hund] ; in Lykien u[nd] Karien wurde Zeus in der Dreiheit aufgefaßt. Der eigentl[iche Zeus] ist also [an der Ostseite] ǽİઃȢ ੢ȥȚıIJȠȢ, der Sessel geschmückt u[nd] mit einem Hahn, dem Symbol des Lichts, geehrt. Ein anderer nähert sich mit dem Hund, dem früh wachen Thier. Die beiden anderen Seiten haben sitzende, bärtige, göttl[iche] Figuren, derii einen gibt ein Jüngling einen Helm[, den er] nach der i ii

Sitz. Auf : Sitz, auf. der : dem.

831 Charles Fellows, verst. 1860, reiste in Kleinasien, besonders in Lykien 1838, 1840, 1842 und 1843/44. Er publizierte hierüber: A journal written during an excursion in Asia Minor (1839); An account on discoveries in Lycia, being a journal kept during a second excursion in Asia Minor (1841); Introductory remarks to Lycia, Caria, Lydia (1847); The inscribed monument at Xanthos (1842); The Xanthian marbles; their acquisition, and transmission to England (1843); Account of the Ionic trophy monument excavated at Xanthos (1848). 832 Harpyienmonument von Xanthos: P. Demargne, Les piliers funéraires. Fouilles de Xanthos I (1958) 37–75. 833 London, Brit. Mus. B 287: Müller 1848, 70–72 § 90*; Overbeck, Geschichte I 93. 138– 142 Abb. 21. – F. N. Pryce, Brit. Mus., Cat. of Sculpture I. 1. Prehellenic and Early Greek (1928) 122–129 Taf. 21–24; J. Borchardt, Götter, Heroen, Menschen in Lykien, Ausstellungskat. Wien 1990 164f. Nr. 53. 834 Müller 1848, 70 § 90*.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

271

Schlacht überreicht, also [der] Gott des Krieges, unter seinem Stuhl ein unbestimmtes Thier. Dem anderen wird eine Taube gebracht. An Nord- u[nd] Südseite ist die Mittelfigur von Flügelgestalten eingefaßt, die man Harpyien nannte. Es sind aber nährende Figuren, mit vollen Brüsten u[nd] Kindern, welche sie säugen. Sie haben Krallen, [die] unentfliehbares Schicksal [bedeuten], aber auch Arme, mit denen sie die Kinder an die Brust drücken. Die Gestalt des Leibes ist nichts als ein Ei. [Die geflügelten Wesen symbolisieren folgendes:] Was wir Tod nennen, sei der Anfang eines neuen Lebens, sie raffen nicht nur fort, sondern sie bezeichnen das neue Leben. Die kleinen Figuren [stehen] für Menschenseelen, nicht [für] Kinder. Strack u[nd] [...] des Curtius.835 Es sitzt dann [auf der Nordseite] noch eine Figur an der Erde, welche trauert. Wir erkennen einen strengen Stil, nur die Nebendinge sind frei dargestellt, also [S. 55] haben wiri hierat[ischen] Stil. Wichtig ist der symbol[ische] Charakter. Die alt[ertümlich] att[ischen] Denkmale haben eine große Verwandtsch[aft] mit diesen Darstellungen. – In Lykien finden wirii correcte Zeichnung, geistige, sittl[iche] Würde u[nd] Anmuth, ganz anders wie in Selinunt. – Ferner die Kunstschule[n] v[on] Argos u[nd] Athen. [Die von] Argos ist lange unbekannt gewesen. (Paus. VI, 6) [Zuerst genannt werden] Eutelidas u[nd] Chrysothemis, obgleich schon eine alte Tradition hier herrschte836. Als [in] Aegina die Schule des Onatas blühte, wurde auch hier für die Ferne gearbeitet. Der Arkader Phormis, läßt 2 Rosse nach Olympia weihen, eins v[on] einem Aegineten, das andere vom Argiver Dionysios (Paus. V, 27[, 1–2]) [geschaffen]. Es herrschte in der argiv[ischen] Schule eine naturalist[ische] Behandlung u[nd] Wahrheit. Wie in Aeginaiii Onatas, so [war] in Argos Ageladas [die führende Künstlerpersönlichkeit], vorwiegend Erzbildner.837 Seine Thätigk[eit] nach Ol. 70[=] nach 500. Er arbeitet mit an dem Weihgeschenk der Tarentiner.838 Ageladas war sehr genial u[nd] durchbrach die zünftigen Schranken, aus seiner Schule [stammen] Polykleitos, Myron u[nd] Pheidias.839 Die Thätigk[eit] des Ageladas reichte [angeblich] bis in den peloponn[esischen] Krieg. Denn zur Zeit der Pest wurde ein ਺ȡĮțȜોȢ i ii iii

haben wir : wir haben. finden wir : ist. in Aegina : Aegina in.

835 E. Curtius, Das Harpyienmonument von Xanthos, in: AZ 13, 1855, 1–12 Taf. 73. 836 Paus. VI, 10, 5. - Eutelidas, Chrysothemis: Müller 1848, 62 § 82; 66 § 87, 1; Brunn, GK I 61; Overbeck, Geschichte I 103. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 141 s. v. Chrysothemis (R. V.). 837 Ageladas: Müller 1848, 62 § 82; 102f. § 113, 1; 630 § 393, 1; 675 § 410, 2; Brunn, GK I 43. 63–74. 119f. 159. 223. 448; Overbeck, Geschichte I 104. – Stewart 1990, 247f.; J. M. Hurwitt, The Doryphoros: Looking Backward, in: W. G. Moon (Hrsg.), Polykleitos, the Doryphoros, and Tradition (1995) 5–8. 14. 16f. Anm. 35; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 275f. s. v. Hageladas (I) (P. Moreno). 838 Paus. X, 10, 6. 839 s. u. Anm. 1206, 1244, 928.

272

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

ਝȜİȟ઀țĮțȠȢ v[on] Ageladas in Athen errichtet. Aber (Schol. Ar. Ran. 504) steht nur ੆įȡȣıȚȢ, die Statuei kann also früher schon verfertigt worden sein. Auch sind diese Legenden bes[onders] über die Pest nicht sicher. Es läßt sich hierauf chronolog[isch] nichts bauen. Jedenfalls war der ਺ȡ>ĮțȜોȢ ਝȜİȟ઀țĮțȠȢ@ eins der größten Werke [des Ageladas.] Chronolog[isch] sicher ist der Zeus Ithomaios, für die Messenier in Naupaktos (Paus. IV, 30, 7)840 Ol. 81, 2 [(455 v. Chr.)]. Außerdem bildet Ageladas Zeus u[nd] Herakles u[nd] ein Viergespann des Kleosthenes in Epidamnos mit [einer] Portraitstatue des Siegers (Paus. VI, 10, 3.)841 Seine Werke sind nicht erhalten. Die alt[-]attische Schule. In Attika genoß das Handwerk die meiste Achtung, darauf arbeitete bes[onders] Solon hin. Ferner war günstig der Grundsatz edler Hospitalität. Dadurch kamen Weise wie Künstler nach Athen zusammen. – Auch in Athen finden wir ein zünftiges Wesen: Kerameis, Hephaestiaden (Erz), Daedaliden842, zusammenwohnend im ȀİȡĮȝİȚțંȢ (Tuilleries)>,wo seit Pisistratos der Kern der Stadt lag. Plat[on,] Krit[ias,] gibt den Handwerkern bes[ondere] Wohnsitze843[.] Aus der alten Daedalidenzunft tauchen hier um Ol. 50 [(580–577 v. Chr.)] die ersten Männer auf, die über das Handwerk hinausgreifen. So Endoios844, als Zeitgenosse des Daidalos845, aber wir haben [eine] Inschr[ift] (bei Rangabé, Antiq. hell. N° 22.)846 aus späterer Zeit. Von ihm kennen wir eine sitzende Athena, welche Kallias weihte, neben dem Erechtheion (Paus. I, 26, 5.)847 Es ist derselbe [Kallias], welcher nach der Schlacht bei Marathon reich wurde. Des Endoios Werke waren Götter, aus Marmor u[nd] Elfenbein. Von ihm gab es eine ਝșȘȞ઼ਝȜ੼Į>@ nach Tegea geschickt, ganz von Elfenbein (Paus. VIII, 57.)848 Dies Werk war so ausgezeichnet, daß Aug[ustus] es nach Rom versetzte. Von ihm [stammt auch] das ȟંĮȞȠȞder ਝșȘȞ઼ ȆȠȜȚ੺Ȣin Erythrae.849 – i

die Statue : es.

840 841 842 843 844

Paus. IV, 33, 2. Paus. VII, 24, 4: Zeus und Herakles; Paus. VI, 10, 6: Viergespann des Kleosthenes. Kerameis, Hephaistiaden und Daedaliden: Namen von drei attischen Demen. Plat., Kritias 110 C. 112 B. Endoios: Müller 1848, 49 § 70, 2; 62 § 82; 563 § 368, 4; Brunn, GK I 98–101; Overbeck, Geschichte I 111f. – Floren 1987, I 297–299; Stewart 1990, 248f.; D. Viviers, Recherches sur les ateliers de sculpteurs et la cité d’Athènes à l’epoque archaique. Endoios, Philergos, Aristokles (1992) ; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 204f. s. v. Endoios (V. Brinkmann). Paus. I, 26, 4: Schüler des Daidalos. Rangabé, Antiquités Nr. 22. – Loewy 1885, 11f. Nr. 8; IG I² 978. Paus. I, 26, 4. – Sog. Endoios-Athena, Athen, Akrop. Mus. Inv. 625: Overbeck, Geschichte I 96f. 112. Abb. 8. – Floren 1987, 297f. Taf. 21, 6; Stewart 1990, 248 ; D. Viviers, Recherches sur les ateliers de sculpteurs et la cité d’Athènes à l’epoque archaique. Endoios, Philergos, Aristokles (1992) 62–67. 162–169 Abb. 38. 39; C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst I, 248. 267 Abb. 321. Paus. VIII, 46, 1. 4. Paus. VII, 5, 9.

845 846 847

848 849

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

273

Dann Kritios u[nd] Nesiotes850, beide durch [eine] Inschr[ift] bekannt geworden, (Paus. I, 23, 11)[.] Die Statue des Epicharinos [war] ein Werk des Krit[ios] u[nd] Nes[iotes] (Rangabé, Antiqu[ités] héll[enique])851 Von beiden können [wir] ein Werk in Nachbildungi nachweisen. [S. 56] 19. 12. 64 852 [H. fol. 52 r.: Mit ihnen hängt] Hegias (Luc. praec. rhet. 9.) [zusammen]. – Kritios u[nd] Nesiotes erneuerten die von Xerxes fortgeführten Statuen des Harmodios u[nd] Aristogeiton[, die] Ol. 75, 4 [(477 v. Chr.)] aufgestellt [wurden], am Aufgange der Burg von der ਕȖȠȡ੺853Von diesem Werke haben wir eine Nachbildung auf att[ischen] Tetradrachmen, als Nebenstempel.854 Dieselbe Gruppe auf einem altatt[ischen] Marmorsessel; 855 [Statuenkopien befinden sich] auch in Neapel.856 Die urspr[üngliche] Gruppe in Erz, mit dem Epigramm des Simonides. (਷ ȝ੻ ਝșȘȞĮ઀ȦȞ 857>@ Luc[ian, rhet. praec. 9] nennt ihre Werke gedrungen, kräftig, muskelig, genau mit den Linien abgeschnitten, d.h. in scharfen Contouren ıțȜȘȡંȢ Luc[ians] Urtheile über plast[ische] Werke sind höchst lehrreich. Eine andere Künstlerfamilie ist die des Aristokles858. Eine im corp. i

Werk in Nachbildung : nachgebildetes Werk.

850 Kritios und Nesiotes: Brunn, GK I 101–105; Overbeck, Geschichte I 112–114. – Stewart 1990, 251f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 431 s. v. Kritios (D. V.-G.); 2, 124–128 s. v. Nesiotes (D. V.-G.). 851 Paus. I, 23, 9: Statue des Epicharinos von Kritios. – Basis der Statue des Epicharinos mit Künstlersignatur des Kritios und Nesiotes: Rangabé, Antiquités Nr. 24. – Loewy 1885, 31 Nr. 38; IG I² 532. 852 Lukian., rhet. praec. 9: Hegias (hier Hegesias) war Zeitgenosse von Kritios und Nesiotes. 853 Tyrannenmördergruppe Harmodios und Aristogeiton: Brunn, GK I 103; Overbeck, Geschichte I 113f. Abb. 11; C. Friederichs, Harmodios und Aristogeiton, eine Gruppe des Kritios, in: AZ 17, 1859, 65–72 Taf. 127. – St. Brunnsåker, The Tyrant-Slayers of Kritios and Nesiotes² (1971); W. H. Schuchhardt - Chr. Landwehr, Statuenkopien der Tyrannenmörder-Gruppe, in: JdI 101, 1986, 85–126; Stewart 1990, 135f. 251f. et passim Abb. 227– 231; R. Krumeich, in : Klassik 2002, 237–240 Kat.-Nr. 132. 133 ; P. C. Bol, in : Bol, Bildhauerkunst II, 13–15, 103f. Abb. 18. 19. 854 Tetradrachmen, Athen, New Style series 94: Mentor – Moschion: F. G. Welcker, Harmodios und Aristogeiton und Erechtheus und Chthonia, in: Alte Denkmäler II (1859) 213– 216; Overbeck, Geschichte I 113 Abb. 11. – BMC Attica 65 Nr. 455 Taf. 13, 4. 855 Relief an Marmorthron aus Athen, Slg. Elgin, Broomhall, Schottland: O. M. v. Stackelberg, Die Gräber der Hellenen (1837) 33, Vignette S. 56; Overbeck, Geschichte I 113 Abb. 11. – C. Seltman, Two Athenian Marble Thrones, in: JHS 57, 1947, 22–27 Taf. 6–8; G. M. A. Richter, The Furniture of the Greeks Etruscans and Romans (1966) 30 Abb. 138. 856 Harmodios und Aristogeiton, Statuengruppe, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6009. 6010, s. o. Anm. 853. 857 Simon., epigr. I (ed. D. L. Page; 131 ed. Bergk; 76 ed. Diehl): ਷ ȝ੼Ȗ’ ਝșȘȞĮ઀ȠȚıȚ ijંȦȢ Ȗ੼Ȟİș’, ਲȞ઀ț’ ਝȡȚıIJȠ- / Ȗİ઀IJȦȞ ੎ʌʌĮȡȤȠȞ țIJİ૙Ȟİ țĮ੿ ਞȡȝંįȚȠȢ 858 Aristokles d. Ä.: Müller 1848, 102 § 112, 1; Brunn, GK I 106–112. 123; Overbeck, Geschichte I 97–99. – Floren 1987, 286f. 300; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 86 s. v. Aristokles (II) (G. Bröker).

274

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

inscr. [graec. I ] 23 ਝȡȚıIJȠțȜોȢ ਥʌંȘıİȞ ȕȠȣıIJȡȠijȘįંȞ geschrieben[e Inschrift], Ol. 75–80859. Dann [gibt es] einen jüngeren860 [Aristokles,] der um Ol. 95 [(400/399–397/396 v. Chr.)] die Basis der Parthenos restaurirt861[.] Brunn, Künstlergesch[ichte] p. 6862 stellt zwischen sie den Kleotas[,] aber zweifelhaft. Diese beiden Aristokles sind Enkel u[nd] Großvater. Der Grabpfeiler des Aristion863 ist wohl ein Werk des [H. fol. 52 v.: älteren] Aristokles, [dargestellt ist] ein Krieger in strenger Haltung, auf schmaler Fläche, in ruhiger Paradestellung, mit vortreffl[icher] Raumbenutzung, der linke Fuß vorgesetzt, die Hand hängt herunter; scharfe Zeichnung, sauber ausgeführt, in Stein gedacht u[nd] ausgeführt. Es ist nicht das Studium des Nackten, wie bei den Aegineten, alles ist einfach u[nd] schlicht, es ist ein ਷șȠȢ darin, das würdige Bild eines bewaffneten Bürgers. [H. fol. 52 v.: Die Ornamentik ist sehr geschmackvoll.] Der Helm blau, das Haar dunkel, das Panzerhemd gesäumt. Gef[unden] in der Nähe v[on] Marathon864, andere Grabstelen sind nur farbig [bemalt]865. Das Bild der sitzenden Athena bei der Burg866, [H. fol. 52 v.: ein Beispiel altattischer Götterbildnerei,] die Aegis [ist] wie ein Brusttuch umgeworfen, die Haare sind genau vertheilt, die Hauptmasse fällt hinten runter, der Kopf ist leider abgebrochen, aber wir sehen doch den milden Fluß der Darstellung, eine Weichheit der Formen. – In dieser Zeit fand ein sehr rascher Übergang [in der Entwicklung der Formen] statt. Diesen Übergang bezeichnen: Kalamis867 u[nd] Pythagoras868. Ob ersterer geborener Athener war[,] wissen wir nicht, aber er wirkte in Athen. Er arbeitete eine Aphrodite für Kallias;869 [H. fol. 52 v.: für denselben, für den auch 859 CIG I Nr. 23. – Loewy 1885, 12f. Nr. 9; IG I² Nr. 835. – Ol. 75–80 = 480–457 v. Chr. 860 Aristokles d. J.: Brunn, GK I 106–112. 275. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 87 s. v. Aristokles (VI) (G. Bröker). 861 CIG I Nr. 150. – Loewy 1885, 355 Nr. 525; IG II² Nr. 1388 Col. B Z. 64f. 862 Brunn, GK I 106. 863 Grabstele des Aristion, Athen, Nat. Mus. Inv. 29: Overbeck, Geschichte I 97–99 Abb. 9. – Richter, Gravestones Nr. 67 Abb. 155–158. 180. 211f.; Floren 1987, 286f. Taf. 25, 4; P. Karanastassis, C. Maderna-Lauter, in: Bol, Bildhauerkunst 1, 207, 212, 265 Abb. 350. Zur Inschrift: Rangabé, Antiquités Nr. 21. – Loewy 1885, 13f. Nr. 10; IG I² Nr. 1024. 864 Fundort: Velanideza. 865 Stele des Lyseas, ebenfalls 1839 bei Velanideza gefunden, jetzt Athen, Nat. Mus. Inv. 30: Richter, Gravestones Nr. 70 Abb. 159f. 215; Floren 1987, 289 Anm. 47. 866 Zur sog. Endoios-Athena, s. o. Anm. 847. 867 Kalamis: Müller 1848, 100–102 § 112, 1.2; 226 § 197, 4; 541 § 359, 6; 760 § 433, 2; Brunn, GK I 67f. 93. 125–132. 225. 252. 255. 320. 621; II 398. 405; Overbeck, Geschichte I 160–164. – B. S. Ridgway, The Severe Style in Greek Sculpture (1970) 61–70. 87. 89. 92 et passim; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 373–382 s. v. Kalamis (I) (P. Moreno). 868 Pythagoras: Müller 1848, 100–102 § 112, 1. 3; 703 § 414, 3; Brunn, GK I 116. 132–141. 376; Overbeck, Geschichte I 164–168. – Stewart 1990, 138f. 254f. et passim; A. di Vita, I bronzi di Riace, la statua di Mozia, Pitagora. Un aggiornamento, in: Lo stile severo in Grecia e in Occidente (1995) 73–78; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 333f. s. v. Pythagoras (I) (M. Weber). 869 Paus. I, 23, 2.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

275

Endoios arbeitete.] dann ein Apollo ਝȜİȟ઀țĮțȠȢauf dem Markte v[on] Athen.870 Er bildete für Pindar den Zeus Ammon, (Paus. IX, 16[, 1].)[,](Paus. II, 10[, 3]) ein[en] Asklepios in Gold u[nd] Elfenbein. Von ihm ein ਬȡȝોȢ(Paus. IX, 22[, 1])ȀȡȚȠijંȡȠȢ in Tanagra[,] (Paus. V, 26[, 6]) eine ȃ઀țȘ ਙʌIJİȡȠȢ in Olympia. Er machte das Weihgeschenk der Tarentiner (Paus. V, 120.)871 Er machte für die Sieger Rennpferde.872 U[nd] war als caelator argenti berühmt.873 Cic. Brut. 18[, 70 berichtet,] Kalamis sei [H. fol. 53 r.: erfindungs-]reicher gewesen, als Kanachos, aber noch hart. Dennoch muß er große Virtuosität gehabt haben. Polyklet bildete für ein Viergespann des Kalamis, einen Wagenlenker. Die Pferde waren eben vollendet, aber der menschl[ichen] Gestalt (Plin. XXXIV, 71) war Kalamisi nicht gewachsen.874 [H. fol. 53 r.: Auch wußte er schon den attischen Ausdruck darzustellen.] Seine Sosandra (Luc. im. 6 ȝİȚį઀ĮıȝĮ ıİȝȞઁȞ țĮ੿ ȜİȜȘșંȢ war berühmt durch keusche Anmuth. Friedrichs Praxiteles, 25875 hält die Sosandra für eine Hera, Preller für eine Aphrodite876 u[nd] dies scheint richtig. (Michaelis, Archäol. Zeit. 1864 p. 142 meint die anmuthigen Aphroditebilder [H. fol. 53 r.: hätten ihren Typus], welche die Römer Spes nennen877[)] – Pythagoras aus Rhegion, ein Zeitgenosse des Kalamis; er gehört mehr der korinth[isch]-peloponn[esischen] Schule an, er wirkte in der Zeit des Hieron um 480. Ol. 90[,] c[a.] 420 läßt ihn Plin[ius] noch wirken.878 Er war Athleten- u[nd] Heroenbildner in Unteritalien. Es zeigt sich [bei ihm] ein Streben, Affecte darzustellen, berühmt (Plin. XXXIV, 59) der verwundete Philoktetes, [H. fol. 53 r.: dessen Schmerzen man nachfühlte. Pythagoras stellte] Apollo [dar], wenn er den Drachen bezwingt.879 Er stellte das Haar fleißiger880 dar, d.h. er ging von der Convention ab. i

Kalamis : er

870 Paus. I, 3, 4. 871 Gurlitt: Tarentiner, Hiller fol. 53 r. (recte): Agrigentiner. – Paus. V, 25, 5: Weihgeschenk der Akragantiner nach Olympia. 872 Paus. VI, 12, 1; Plin., n. h. XXXIV, 71. 873 Plin., n. h. XXXIII, 155; XXXIV, 47. 874 In Plin. n.h. XXXIV, 70 ist von Praxiteles die Rede, der den Wagenlenker gebildet haben müßte. 875 C. Friederichs, Praxiteles und die Niobegruppe nebst Erklärung einiger Vasenbilder (1855) 25. 876 L. Preller, Sosandra des Kalamis, in: AZ 4, 1846, 343f. 877 A. Michaelis, AZ 22, 1864, 190–192. 878 Plin., n. h. XXXIV, 49. 879 Plin., n. h. XXXIV, 59. 880 fleißiger, im Sinne von „sorgfältiger, genauer“, nach Plin. a. O.: diligentius.

276 [S. 57]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Nur so ist es zu erklären, daß Pythagoras ein glückl[icher] Rival des Myron sein konnte (Plin. l.c.) Von beiden Künstlern haben wir 2 Nachbildungen: die Erzstatue des Hermes Kriophoros, bis in die christl[iche] Kunst, als guter Hirt [nachwirkend]. Es gibt 2 Darstellungen, [1.] wo der Hermes, das Schaaf im Arm, u[nd 2.] wo er es auf der Schulter trägt. Letzteres scheint der Typus des Kalamis.881 Dann eine Gemme, wo ein Hinkender dargestellt ist, wohl der Philoktet des Pythagoras.882 Schon die lyc[ische] Skulptur zeigte einen hierat[ischen] Stil. Schon als man freier bilden konnte, bildete man unfrei aus religiöser Scheu, wie ja auch bei uns. Erstens die Götter wurden in leidenschaftsloser Ruhe dar[gestellt], dann wie in [der] Wirklichk[eit] die Menschen, wenn sie heiligen Stätten nahen in heiliger Scheu u[nd] in conventioneller Gebärde u[nd] Stellung: so [mit] ਙțȡȠȚȢ įĮțIJ઄ȜȠȚȢ Dann in rhythm[ischer] Bewegung u[nd] bes[onderer] Bekleidung. – Daher ist es schwer zu unterscheiden zwischen wirkl[ich] alterthüml[ichem] Stil (archaisch) u[nd] absichtl[ich] alterthüml[ichem] Stil (archaistisch.) Es bedarf einer gewiss[en] Kritik u[nd] diese schließt sich an Nebendinge, denn in ihnen ließ man sich freier gehen. Also[:] Widerspruch des Stils in Haupt- u[nd] Nebendingen ist das hauptsächlichste Kriterium [zur Scheidung archaischer und archaistischer Werke]. Alte Apollostatuen, [1. Apollo] aus Teneai[.]883 (Overbeck, Gesch[ichte] der Plastik 144)[: 2. Bronzestatue des Apollo] im Louvre884 aufbewahrt, mit versilberten Lippen, Brauen u[nd] Brustwarzen (auf den Füßen ist geschrieben: ਝșȘȞĮ઀઺ įİț੺IJĮȞ>@ in Silber eingelegt.)[,] berühmt wegen eines Streits zwischen Raoul Rochette u[nd] Letronne885. Man fand inwendig Bleiinschriften mit Künstlernamen. Die Inschr[iften] sind entschieden falsch; ein[e] 3.) [H. 53 v.: Die Erzfigur mit der Inschrift] ȆȠȜȣțȡ੺IJȘȢ ਕȞ੼șȘțİ886 4.) in Tübingen, der Wagenlenker des i

aus Tenea : in Tegea.

881 Nach J. Overbeck, Kalamis Hermes Kriophoros, in: AZ 11, 1853, 46–48; Overbeck, Geschichte I 163f. Abb. 31. - Der Hermes Kriophoros Wilton House, jetzt London, Warburg Institute: LIMC V (1990) 313 Nr. 286 s. v. Hermes (G. Siebert) Taf. 224. 882 Berlin, Antikensammlung FG 529: Overbeck, Geschichte I 168 Abb. 32. – LIMC VII (1994) 381 Nr. 40 s. v. Philoktetes (M. Pipili) Taf. 323. 883 s. o. Anm. 749. 884 Apollon von Piombino, Paris, Louvre Br. 2: Overbeck, Geschichte I 143–146 Abb. 23. – Richter, Kouroi 144f. Nr. 181 Abb. 533–540; B. Sismondo Ridgway, The Bronze Apollo from Piombino in the Louvre, in: AntPl VII (1967) 43–76 Taf. 24–34. 885 D. Raoul-Rochette, Lettre à M. C. O. Müller, sur une statue votive de bronze, de style grec archaique, in: AdI 5, 1833, 193–210. 323; MonInst I, 58. 59; A.-J. Letronne, Lettre à M. James Millingen sur une statue votive d’Apollon en bronze, et sur d’autre figures de même genre, in: AdI 6, 1834, 198–236; ders., Explication d’une inscription grecque trouvée dans l’intérieur d’une statue antique de bronze; avec des observations sur quelques points de l’histoire de l’art chez les anciens, in: MémAcInscr. 15, 2 (1843) 128–176. 886 Wohl moderne Bronzestatuette, ehem. Graf Pourtalès, Paris: Müller 1848, 76 § 96 N.1; Overbeck, Geschichte I 146f. Abb. 24.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

277

Amphiaraos;887 5. Pallas der Villa Albani, urspr[ünglich] mit Helm, aus welchem die Haare von hinten nach vorn gelegt sind.888 6.) die berühmte Dresdener Pallas889, 5 c hoch mit breiter Brust, u[nd] schmaler Hüfte, im Geiste des alten Stils, mit der Aegis um die Schulter, in einen ʌ੼ʌȜȠȢgehüllt über der Tunika, an den Hüften mit einem schlangenartigen Gurt. Vorn ein 2 Zoll breiter Streif, der Saum des Peplos mit Stickereien, hier in Relief dargestellt 12 Felder von 2 cc Höhe. Oben Zeus zu Wagen, mit dem Blitz einen Giganten niederschlagend, sonst lauter Faust- u[nd] Ringkämpfer, Götter u[nd] Giganten darstellend. Sie gibt uns also eine Vorstellung v[om] ʌ੼ʌȜȠȢder Athene. Der Stil beweist, daß die Statue nachgeahmt alterthüml[ich] ist, eine ਝșȘȞ઼ ʌȡંȝĮȤȠȢ mit gesenkter Lanze. 7.) Die Diana v[on] Portici890, treffl[ich] erhalten, stark vorwärts schreitend, mit Köcher u[nd] Köcherband, ein wichtiges Beispiel der circumlitio, kräftig[e], gesund[e Gestalt], steife Arme, regungsloses Gesicht. – – 8.) Das samothrak[ische] Relief, eine Thronlehne aus Marmor im Louvre.892 Das Bruchstück einer Rathsversammlung [mit] Agamemnon, Talthybios, Epeios. 9.) Das Leukothea Reliefin der Villa Albani893, [es zeigt] eine kindernährende Gottheit, von Adoranten umgeben[.] 10.) Die Dresdner Dreifußbasis894, der Kampf zwischen Apoll u[nd] Herakles, eine Ceremonie von Priester u[nd] Priesterin, ein Holzscheit umwindend. Die Wiedereinsetzung des Dreifußes. 11.) Das

887 Bronzestatuette, Waffenläufer, Tübingen, Universitätsslg.: Müller 1848, 76 § 96 N. 3; Overbeck, Geschichte I 146 Abb. 24. – U. Hausmann (Hrsg.), Der Tübinger Waffenläufer. Tübinger Studien zur Archäologie und Kunstgeschichte 4 (1977). 888 Athenastatue, Rom, Villa Albani Inv. 970: Müller 1848, 77 § 96 N. 11; Overbeck, Geschichte I 143 Abb. 22. – Bol, Villa Albani I, 241–243 Nr. 78 Taf. 136f. (P. C. Bol). 889 Athena, Dresden, Skulpturenslg. Inv. Hm 26: Müller 1848, 77 § 96 N. 13; Overbeck, Geschichte I 151f. Abb. 27. – K. Knoll–H. Protzmann–I. u. M. Raumschüssel, Die Antiken im Albertinum. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung (1993) 43 Nr. 22 (H. Protzmann). 890 Artemis, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6008: Müller 1848, 77 § 96 N. 15; Overbeck, Geschichte I 153 Abb. 28. – Museo Nazionale di Napoli I, 2, 146f. Nr. 257. 891 Bei Hiller ist der „Hermes“ ein nicht numerierter Nachtrag bei Nr. 4. – Kalbträger, Athen, Akrop. Mus. Inv. 624: A. Conze, Kalbtragender Hermes, in: AZ 22, 1864, 169–173 Taf. 187. – Brouskari, Acropole 41f. Abb. 57f.; Floren 1987, 276f. Taf. 22, 1. 892 Relieffrgt., aus Samothrake, Paris, Louvre Ma 697: Müller 1848, 78 § 96 N. 18; Overbeck, Geschichte I 137f. Abb. 19. – Hamiaux, Louvre I, 84f. Nr. 76 ; P. Karanastassis, in : Bol, Bildhauerkunst I, 199 Abb. 295. 893 Sog. Leukothea-Relief, Rom, Villa Albani Inv. 980: Müller 1848, 78 § 96 N. 19; Overbeck, Geschichte I 147f. Abb. 25. – Bol, Villa Albani I, 251–253 Nr. 81 Taf. 147 (A. Linfert); G. Kaminski, in: Bol, Bildhauerkunst I, 56. 60f. Abb. 60. 894 Dreifußbasis, Dresden, Skulpturenslg. Inv. Hm 27: Müller 1848, 78 § 96 N. 20; Overbeck, Geschichte I 156–158 Abb. 29. – H. U. Cain, Römische Marmorkandelaber (1985) 154f. Nr. 19 Taf. 21, 2–4; 22, 2. 4; 85, 2.

278

[S. 58]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

korinth[ische] Puteal, von einem Tempelbrunnen, jetzt in London895, eine Kreiscomposition, die Vermählung des Herakles u[nd der] Hebe, die ਕʌĮȖȦȖ੾i der Braut. 12.) Der Zwölfgötteraltar im Louvre896 (ȕȦȝઁȢ įȦįİț੺șİȠȢ Die Götterii umschreiten den Altar ਥʌ੿ įİȟȚઽ897. 13.) Die delph[ischen] Gottheiten in der Siegespompa, ein Weihgeschenk mus[ischen] Sieges.898 [H. fol. 54 r.: Apollo erscheint selbst als Kitharöde.] 14.) Die Terracotten aus Melos u[nd] Aegina, [mit Darstellungen von] Perseus899 u[nd] Bellerophon900, die hyperboräische Artemis, durch Hirschkalb u[nd] Greifengespann charakterisirt901. 15.) Fragment eines bärt[igen] Hermes aus Athen.902 16.) Reliefstele aus Athen, ein Krieger analog dem Aristion (Arch. Zeit. 1860 t. 135.)903 17.) Eine Wagenbesteigende Figur auf der Akropolis.904 18.) Auf i ii

ਕʌĮȖȦȖ੾ ܻʌȦȖ‫ޤ‬ Die Götter : Sie.

895 Marmorputeal, aus Korinth, verschollen, ehem. London, Lord Guilford’House: Müller 1848, 78f. § 96 N. 21; Overbeck, Geschichte I 124–128 Abb. 14. – LIMC II (1984) 287 Nr. 842 s. v. Apollon (E. Mathiopoulou) Abb.; IV (1988) 702 Nr. 366 s. v. Hera (A. Kossatz-Deissmann); V (1990) 164 Nr. 3339; 170 Nr. 3399 s. v. Herakles (A.F. Laurens, J. Boardman); Th. M. Golda, Puteale und verwandte Monumente (1997) 106f. Kat. 58 Taf. 12–14. 896 Dreifußbasis, aus Rom, Villa Borghese, Paris, Louvre Ma 672: Müller 1848, 79 § 96 N. 22; Overbeck, Geschichte I 155. – LIMC III (1986) 652 Nr. 30 s. v. Dodekatheoi (G. Berger-Doer) Taf. 517. 897 ਥʌ੿ įİȟȚ੺rechtsherum. 898 Sog. Kitharoidenrelief, Rom, Villa Albani Inv. 1014: Müller 1848, 79 § 96 N. 23; Overbeck, Geschichte I 156–159 Abb. 30. – Bol, Villa Albani I, 380–388 Nr. 124 Taf. 218–221 (H. U. Cain). 899 Melisches Relief, Perseus und Medusa, London, Brit. Mus. B 365: Müller 1848, 80 § 96 N. 29; Overbeck, Geschichte I 134–136 Abb. 18. – P. Jacobsthal, Die Melischen Reliefs (1931) 46f. Nr. 61 Taf. 29; LIMC IV (1988) 313 Nr. 310a s. v. Gorgo (I. Krauskopf) Taf. 184; VII (1994) 342 Nr. 166a s. v. Perseus (L. Jones Roccos). 900 Melisches Relief, Bellerophon und die Chimaira, London, Brit. Mus. B 364: Müller 1848, 80 § 96 N. 29; Overbeck, Geschichte I 134–136. – P. Jacobsthal, Die Melischen Reliefs (1931) 27–29 Nr. 19 Abb. 4 Taf. 10; LIMC VII (1994) 224 Nr. 160 s. v. Pegasos (C. Lochin) Taf. 159. 901 Melisches Relief, Göttin und Eros auf Greifengespann, verschollen: Müller 1848, 80 § 96 N. 30; Overbeck, Geschichte I 134–136. – P. Jacobsthal, Die Melischen Reliefs (1931) 38– 41 Nr. 46 Abb. 7. 902 Relieffragment, Petasosträger, Athen, Akrop. Mus. Inv. 1343: P. Pervanoglou, BdI 1859, 197f.; H. Brunn, BdI 1860, 53; A. Conze, Nuove Memorie dell’ Instituto II (1865) 414f. Taf. 13. – Brouskari, Acropole 63 Abb. 107; Floren 1987, 247. 903 Grabstele, Athen, Nat. Mus. Inv. 33: A. Conze, AZ 18, 1860, 17–20 Taf. 135, 1. – Richter, Gravestones 46f. Abb. 165; Floren 1987, 287. 904 Relieffrgt., wagenbesteigende weibl. Figur, Athen, Akrop. Mus. Inv. 1342: Overbeck, Geschichte I 128–130 Abb. 15. – Brouskari, Acropole 72 Abb. 127; Floren 1987, 247.

Die hellenische Kunst in ihrer nationalen Entwicklung

279

einem Friese ein verwundeter Krieger, der sich auf die Lanze stützti, gegenüber ein Verwundeter von einem Dahinterstehenden gehalten (Beulé)905 19.) Altarrelief (Arch[äologische] Zeit[ung] 1849 p. 118)[:] Athena kränzt den Apollo, Artemis mit Fackeln daneben, r[echts] eine sitzende Gotth[eit] mit einer Schale906 vgl. Lykien. 20.) Die 4 Götterbasis, Welcker, A[lte] Denkm[äler] V t. 5.907 21.) Relief, in der Sammlung von Ince Hall, ein sitzender Zeus, dem lyk[ischen] Stil verwandt. Archäol[ogische] Zeitung 1864 t. a. p. 224 im Arch[äologischen] Anzeiger908[.] 22.) Ein Relief aus Sparta, vierseitig, Orest u[nd] Klytaimnestra, Conze u[nd] Michaelis, Reise durch Griechenl[and] Ann. d’inst. 1862.909 23.) Ein Relief aus Ariccia, die Ermordung des Aegisth, Orest bärtig. Il. XX, 418 ਩ȜĮȕİȞ ਩ȞIJİȡĮ Ȥİȡı઀. (Arch. Zeit. 1849 p. 113. Overbeck, Gesch. der Plastik 133.)910 Charakteristisch [für die archaische Kunst] ist: der Kopf ist ausdruckslos, nur ein breit zum Lächeln gezogener Mund, die Lippen sind schmal u[nd] gepreßt. Die Körperbewegung ist unnatürl[ich] manirirt, bes[onders] in Hand- u[nd] Fußbewegung. Ar. Vesp. 46 IJȠઃȢ IJȡİ૙Ȣ IJ૵Ȟ įĮțIJ઄ȜȦȞ ȟȣȞ੼ȤİȚȞ ੮ıʌİȡ ȜȚȕĮȞȘįંȞ cf. Schol.911[;] primore digito in pollice residente912. [H. fol. 54 v.: So nahm man Weihrauch in die Hand.] Beim Spenden [der Opfer] wurde die Hand hochgehoben ਙȡįȘȞ(Soph. Ant. 422 ed. Schneidewin.)913 Dann das feierl[iche] Schreiten auf den Fußspitzen[,] Prop. II, 2, 11 spatiatur ad aras Pallas914; ਙțȡȠȚȢ įĮțIJ઄ȜȠȚȢ Die später jugendl[ich] Dargestellten sind in der alten Zeit bärtig u[nd] alt dargestellt. Ferner die Anwendung v[on] Farben. Dann der symbol[ische] Charakter. Endl[ich] ist in i

stützt : stützend.

905 E. Beulé, Histoire de la sculpture avant Phidias, Gazette des Beaux-Arts 15, 1863, 591 Abb. 906 Marmoraltärchenfrgt., aus Athen, Rom, Museo Baracco: O. Jahn, AZ 7, 1849, 118–120 Taf. 11, 2. – LIMC II (1984) 281 Nr. 786 s. v. Apollon (G. Kokkourou-Alewras) Taf. 253. 907 Sog. Viergötterbasis, Athen, Akrop. Mus. Inv. 610: F. G. Welcker, Vier Götter an einer Basis, in: Alte Denkmäler V (1864) 101–103 Taf. 5. – LIMC II (1984) 998 Nr. 468 s. v. Athena (P. Demargne) Taf. 753; IV (1988) 645 Nr. 181 s. v. Hephaistos (A. Hermary). 908 Weihrelief mit Thronendem, ehem. Ince Blundell Hall, Liverpool, Merseyside County Mus.: A. Conze, AA 1864, 222f. Taf. A, 3. – E. Berger, Das Basler Arztrelief (1970) 49 Abb. 49f.; Floren 1987, 171 Anm. 90. 909 Grabpfeiler, aus Magula, Sparta, Mus. 1: A. Conze–A. Michaelis, Rapporto d’un viaggio nella Grecia, in: AdI 33, 1861, 34. – Floren 1987, 218f. Anm. 43 Taf. 17, 4. 910 Aigisthosrelief, aus Ariccia, Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek Inv. 1623: O. Jahn, AZ 7, 1849, 113–118 Taf. 11, 2; Overbeck, Geschichte I 133f. Abb. 17. – H. Froning, Marmorschmuckreliefs mit griechischen Mythen im 1. Jahrhundert v. Chr. (1981) 81–100 Taf. 25, 1. 2; 26, 1; 27, 1. 2; 29, 2; LIMC I (1981) 378 Nr. 50 s. v. Aigisthos (R. M. Gais) Taf. 293. 911 Aristoph., vesp. 95f.: IJȠઃȢ IJȡİ૙Ȣ ȟȣȞ੼ȤȦȞ IJ૵Ȟ įĮțIJ઄ȜȦȞ ਕȞ઀ıIJĮIJĮȚ, / ੮ıʌİȡ ȜȚȕĮȞȦIJઁȞSchol. ad Aristoph., vesp. 95. 912 Apul., met. IV, 28, 2: primore digito in erectum pollicem residente. 913 Soph., Ant. 430 (edd. LLoyd-Jones et Wilson). 914 Prop. II, 2, 7: Pallas spatiatur ad aras.

280

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Beziehung auf Menschen, Heroen u[nd] Götter diese Steifheiti lange geblieben, [die] schneller bei den Thieren [überwunden wurde]. Die Alten liebten die Verbindung von Mensch u[nd] Thier. Es ist schwierig zu erkennen, ob der Stil archaisch od[er] archaistisch ist. Letzterer ist zweifach: 1. wirkl[ich] hieratisch [H. fol. 55 r.: wie bei Weihgeschenken], 2. oder aus einer späteren Alterthümelei hervorgegangen. [H. fol. 55 r.: ; in der Römerzeit liebte man, auf den alten Stil zurückzugehen.] – Doch machen sich gewisse Schulen in den alten Werken geltend. Wie sich gewisse Kunstschulen verwandt zeigen, so dieii lyk[ische] u[nd] att[ische]. Bei den Aegineten [enstand eine] Emancipation der Kunst, weil man nicht mehr ausschließl[ich] für Heiligthümer arbeitete. Die [einschlägigen] Äußerungen alter Autoren: Demetrius ʌİȡ੿ ਦȡȝȘȞİ઀ĮȢ[,] rhett. graeci IX p. 10 ed. Walz[,] ʌİȡȚİȟİıȝ੼ȞȠȞ sauber, fein geglättet od. İ੝ıIJĮȜ੼Ȣ einfache Anmuth ıȣıIJȠȜ੾ u[nd] ੁıȤȞંIJȘȢ mager, gegen die spätere Fülle der Gestalten.915 [S. 59]

10. 1. 65

4. Abschnitt Die Kunst in Athen [Der 4. Abschnitt wird wie folgt gegliedert:] 1. Zeit des Phidias. 2. Zeit der jüngeren Kunstschulen bis auf Alexander. Um Ol. 80 [(460–457 v. Chr.)] war das griech[ische] Volk auf dem höchsten Gipfel der Entwicklung, politisch, sozial, physisch. Der Mittelstand zahlreich u[nd] selbstbewußt, die alten Geschlechter nicht erloschen. Die hellen[ische] Sprache ausgebildet, Lyrik, Drama, Epos entwickelt. Die Kunstschulen durch ganz Hellas verbreitet, alle Technik ausgebildet. Es bedurfte [zuvor] nur noch einer großen Bewegung der Geister[,] um sich des Besitzes bewußt zu werden, es bedurfte einer Erhebung, einer Concentration des Nationalbewußtseins. Dies geschah durch die Perserkriege. Kämpfe zwischen Griechen u[nd] Barbaren waren schon vielfach vorgekommen. Aber die Griech[en] in Kleinasien konnten sich auf die Länge nicht gegen die übermächtigen Nachbarn erwehren. Anders im eigentl[ichen] Griechenland, wo bes[onders] in Athen der Gedanke an nachhaltige Abwehr reifte. Dadurch wurde Athen Hauptstadt, Mittelpunkt des hellen[ischen] Bewußtseins; Themistokles ist die Seele dieser nationalen Verbindung, u[nd] es bildet sich ein ethischer Begriff des Hellenenthums; eines Volksthums mit Blut erkauft u[nd] vertheidigt. Damit verband sich ein pontischer916 Aufschwung. – Athen war auf solche Entwicklung vorbereitet, ein Sitz der Daedaliden (Iuv. Sat. VI, 50 Daedalus mediis natus Athei ii

Steifheit : Steifigk[eit]. die : das.

915 Demetr., eloc. 14 (ed. Radermacher). - ʌİȡȚİȟİıȝ੼ȞȠȞund İ੝ıIJĮȜ੼Ȣbeziehen sich bei Demetrios von Phaleron aufdie frühe sprachliche Ausdrucksweise, ıȣıIJȠȜ੾ undੁıȤȞંIJȘȢ auf den Stil der „alten Standbilder“, während die spätere Ausdrucksweise in ihrer Genauigkeit und Pracht den Werken des Phidias entspreche. 916 pontisch, im Sinne von „das Meer, die Seefahrt betreffend“.

Die Kunst in Athen

281

nis.)917 In der Zeit der Pisistratiden wurde sie [d. i. die Kunst] wesentl[ich] gehegt u[nd] befördert. Peisistratosi beschäftigte die Arbeiter durch Brücken-, Wegeu[nd] Wasserbau, durch Einsetzung neuer u[nd] glänzender Anordnung alter Feste. In demselben Maaß, wie Athen Sparta vorauseilte, wurde Athen Metropolis, Sitz aller edlen Regungen in Folge des Perserkrieges, voran in der Noth, im Kampf u[nd] Triumphe. Die Poesie begleitete schon die Erhebung. (Simon[ides,] Phryn[ichos,] Aesch[ylus]) Die bildende, bauende Kunst kam nach, erst in der Zeit der Ruhe konnte sie sich entfalten; der Triumph der Stadt sollte nicht nur gefeiert, sondern [in Bauten und Kunstwerken dauerhaft] festgehalten werden. – In 3 Stufen erhob sich die Stadt: 1.Themistokles, der sie mit dem Meer verband u[nd] dadurch selbstständig machte, u[nd] fremden Künstlern den Zugang erleichterte (Diod. X, 43 ਕIJİȜİ૙Ȣ ਥʌȠ઀ȘıİȞ918 Boeckh, Staatsh. I, 448919 hält die Steuererleichterungii für ein Mißverständniß, jedenfalls war sieiii nicht dauernd, jedenfalls suchte er die Künstler nach Athen zu ziehen.) 2. Kimon, der sich eng an Themistokles anschloß, er vollendete seine Werke u[nd] vollendete die Seeherrsch[aft]; aber er ging über Them[istokles] hinaus, indem er dem prosaischen Themistokles gegenüber auch das Schöne, Heitere, Würdige ins Auge faßte, Athen müsse sich durch Kunstsinn u[nd] Kunstleistungen auszeichnen. Er legte die ıIJȠ੹ ʌȠȚț઀ȜȘ920an u[nd] bepflanzte die ਕȖȠȡ੺, ferner legte er die Haine der Akademie an, dem Theseus baute er ein Heiligthum mitten in der Stadt, wohl nach Anregungen in den asiat[ischen] Griechenstädten. (Plut. Kimon c. 13 ਥȜİȣș੼ȡȚȠȚ țĮ੿ ȖȜĮijȣȡĮ੿ įȚĮIJȡ઀ȕĮȚeines Freien würdige, glänzende Erfolgsorte.)921 [H. fol. 56 r.: Dahin gehören auch die Markthallen]. Von Thasos brachte er den Polygnot mit nach Athen. – 3. Perikles. Dieser führte den Gedanken Kimons im größten Maaßstabe aus, dabei von der Kimonischen Parthei aufs Heftigste angegriffen; denn er erklärte die Kunstleistungen für eine Hauptthätigk[eit] des Staates. – Es war eine veredelte Tyrannenpolitik (įȚĮȞȠȝ੽ IJ૵Ȟ įȘȝȠı઀ȦȞ922, vgl. Plut. Per. c. 12)923[.] Perikles suchte diese Politik als panhellenisch aufzufassen, alles, was die Perser zerstört i ii iii

Peisistratos : Er die Steuererleichterung : es. sie : es.

917 Iuv. III, 80: qui sumpsit pinnas, mediis sed natus Athenis. 918 Diod. XI, 43, 3: ਩ʌİȚıİ į੻ IJઁȞ įોȝȠȞ[...]țĮ੿ IJȠઃȢ ȝİIJȠ઀țȠȣȢ țĮ੿ IJȠઃȢ IJİȤȞ઀IJĮȢ ਕIJİȜİ૙Ȣ ʌȠȚોıĮȚ 919 A. Böckh, Die Staatshaushaltung der Athener² I (1851) 447f. 920 Zur Stoa Poikile: J. M. Camp, Die Agora von Athen (1989) 73–80, et passim. 921 Plut., Kim. 13, 8: ʌȡ૵IJȠȢ į੻ IJĮ૙Ȣ ȜİȖȠȝ੼ȞĮȚȢ ਥȜİȣșİȡ઀ȠȚȢ țĮ੿ ȖȜĮijȣȡĮ૙Ȣ įȚĮIJȡȚȕĮ૙Ȣ [...] ਥțĮȜȜઆʌȚıİ IJઁ ਙıIJȣ nämlich durch Bepflanzung der Agora mit Platanen und die Verwandlung der Akademie in einen wasserreichen Hain. – Plut., Kim. 8, 5. 6: Rückführung der Gebeine des Theseus aus Skyros. 922 Plut., Per. 9, 2. 923 Plut., Per. 12: Bauprogramm als Beschäftigungsmaßnahme für die Bevölkerung.

282

[S. 60]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

hätten, seii in ganz Griechenland schöner, herrlicher herzustellen, weilii die anderen Staaten sich versagten, so meinte er, falle die Aufgabe Athen allein zu; aber national. Die großen Bauten bezogen sich zunächst auf den Athenacult; die Burg wurde ein großer Festsaal der Athena. Eleusis wurde erneuert924, Sunion erhielt einen Prachttempel925, ein Wahrzeichen der kunstsinnigen Stadt. [Gebaut wurden weiterhin:] Das Odeon auf der Südseite der Burg.926 Auf der Burg der Parthenon u[nd] die Propyläen. Per[ikles] wollte eine monumentale Darstellung der Größe Athens während seiner Regirung, denn er war jährl[ich] Strateg, jährl[ich] oberster Finanzvorsteher, jährl[ich] ਥʌȚıIJ੺IJȘȢ IJ૵Ȟ ਩ȡȖȦȞ927 Er beantragte beim Volk Tempelbauten, das Volk beschließt sieiii u[nd] wählt einen Commissar[,] den ਥʌȚıIJ੺IJȘȢ IJ૵Ȟ ਩ȡȖȦȞ Allein konnte dies auch der geistreichste Staatsmann unmögl[ich] thun, es bedurfte eines Mannes, der von Haus aus Techniker war u[nd] auf die Gedanken des Perikles eingehen konnte, zugleich anerkannt als bester Künstler. Phidias (Otfr. Müller, de Phidiae vita et operibus; Enkykl. v[on] Ersch u[nd] Gruber, Brunn.)928 [,] Sohn des Parmides929, Zeitgenosse des Sophocles. Plin[ius] nennt Ol. 83 als Blüthezeit, unmittelbar nach Kimons Tod,930 auf dem Schild der i ii iii

sei : sollte. weil : als. sie : ihn.

924 Travlos, Attika 91–169; Svenson-Evers 1996, 237–251, bes. 247–251; Gruben 2001, 235– 246. 925 Poseidon-Tempel von Sunion: Travlos, Attika 404–415; U. Sinn, AW 1992, 175–190; Gruben 2001, 229–232. 926 Travlos, Athen 387–391; A. L. Robkin, The Odeion of Perikles. Some Observations of its history, form, and functions (Phil. Diss. Washington 1976). 927 Strab. IX, 1, 12 p. 395: ȆİȡȚțȜ੼ȠȣȢ ਥʌȚıIJĮIJȠ૨ȞIJȠȢ IJ૵Ȟ ਩ȡȖȦȞnurin Bezug auf den Parthenonvgl.Schol. ad Aristoph., Pax 605: ȆİȡȚțȜ੼ȠȣȢ ਥʌȚıIJĮIJȠ૨ȞIJȠȢin Bezug auf Parthenon und Parthenos. 928 Gurlitt : Enkykl. v[on] Ersch u[nd] Gruber, Hiller fol. 56 v.: Preller bei Ersch u[nd] Gruber. – Phidias: K. O. Müller, De Phidiae vita et operibus commentationes tres. Cum tab. aere expressa qua signa adumbrantur quae fuerunt in postico Hecatompedi fastigio (1827); Müller 1848, 88 § 102; 101 § 112,1; 102–110 § 113–118; 114f. § 121; 115 § 122, 5; 428 § 308, 4; 437 § 312, 1; 465 § 324, 1; 471 § 328, 2; 523 § 352, 4; 527 § 354, 5; 575 § 374, 5. 6; 647 § 399, 3; 648 § 400, 1; 762 § 434, 1; Brunn, GK I 157–210. 225–229. 232. 239. 291. 301–305. 308. 311. 319. 330f. 428f. 436. 440.; II 47. 128. 398; Overbeck, Geschichte I 194–212. 212–220 passim; C. Bursian, Griechische Kunst, in: Ersch und Gruber, Allgemeine Encyclopädie. Section I, Bd. 82 (1864). – Stewart 1990, 257–263 et passim; C. Höcker–L. Schneider, Phidias (1993); E. B. Harrison, Pheidias, YaleClSt 30, 1996, 16–65; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 210–236 s. v. Pheidias (V. M. Strocka). 929 Gurlitt (irrtümlich): Parmides , Hiller fol. 56 v.: Charmides. – Paus. V, 10, 2; Strab. VIII, 3, 30 p. 353: Vater Charmides. 930 Plin., n. h. XXXIV, 49. – Ol. 83 = 448–445 v. Chr.

Die Kunst in Athen

283

Parthenos war er schon ein kahlköpfiger Alter (Plut. Per. c. 3)931; er wäre also Ol. 70[,] ca. 500 geboren; er starb Ol. 87, 1 [(432 v. Chr.)] als Siebziger. Gerade in der blühendsten Zeit Athens [wirkte er also]. Ob Phid[ias] einer Künstlerfamilie angehört, ist nicht zu entscheiden. Aber seine Verwandten u[nd] Nachkommen waren Künstler, u[nd] der Cult der ਝșȘȞ઼ ਥȡȖ੺ȞȘ (Paus. V, 14[, 5]) war sein Familiencult. Phid[ias] war erst Maler, dann ist er durch Ageladas veranlaßt worden, sich der Plastik zuzuwenden. (Plin. XXXV, 54. Phidiam ipsum initio pictorem fuisse, clypeum Olympium Iovis ab eo pictum.)932 Jedenfalls ging Phidias nach Argos, gerade zur Zeit der schlimmsten Verwüstung. Als er zurückkam, bildete u[nd] baute er an den öffentl[ichen] Werken. [Auch] Raphael u[nd] Michel Angelo fanden zuletzt ihre größte Befriedigung in Bauwerken. Sein Leben gliedert sich in 3 Perioden: 1.) die vorperikleische, 2.) die perikleische u[nd] 3.) eleische Periode. 1.) Die ältesten Werke schlossen sich an den Marathonischen Sieg an: die Erzgruppe in Delphi (Paus. X, 16)933, die colossale Athena Promachos 468934, [die] Athena in Platäa (ਝșȘȞ઼ ਝȡİ઀Į 935Durch diese Werke war er schon der 1. Künstler Athens, als Perikles die Verwaltung übernahm. 2.) Ol. 83[,] c[a.] 448 begannen die großen zusammenhängenden Arbeiten, niemals hat ein Künstler unter günstigeren Umständen gewirkt, Per[ikles] schaffte die Mittel, die Bürgersch[aft] folgte mit Begeisterung seinem Schaffen.936 Es standen ihm Kallikrates937, Iktinos938, Mnesikles939 als die bedeutendsten Baumeister zur Seite, die sich vor seinem Genius beugten. Per[ikles] machte die Contracte; Phid[ias] führte aus; dem Per[ikles] legte er alle Zeichnungen u[nd] Pläne vor. Nur wenig konnte Phidias selbst machen, am meisten [war er] betheiligt an (Ol. 85, 3, 438) der gold[enen] u[nd] elfenbeinernen Athena940. [H. fol. 57 r.: Das war der Gipfelpunkt seiner Thätigkeit in Athen.] 931 Plut., Per. 31, 4. 932 Plin., n. h. XXXV, 54: Phidian ipsum initio pictorem fuisse tradatur clipeumque Athenis ab eo pictum. – Schol. ad Aristoph., ran. 504: Ageladas als Lehrer des Phidias. 933 Paus. X, 10, 1. 934 Paus. I, 28, 2; IX, 4, 1 et alii. 935 Paus. IX, 4, 1; Plut., Arist. 20, 3. 936 Dem Schaffen des Phidias. 937 Kallikrates: Plut., Per. 13, 4. 5. – Müller 1848, 94 § 109, I, 2; Brunn, GK II 327. 365. – Svenson-Evers, Architekten 214–236; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 387–393 s. v. Kallikrates (I) (M. Korres). 938 Iktinos: Vitr. VII, praef. 12. 16. 17; Plut., Per. 13, 4; Strab. IX, 1, 12 p. 395; IX, 1, 16 p. 396; Paus. VIII, 41, 7–9; Plut., mor. 802 a. – Müller 1848, 16 § 35, 1; 94–97 § 109, I, 2. 5. II, 12; Brunn, GK II, 327. 365. – Svenson-Evers, Architekten 157–211; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 338–345 s. v. Iktinos (M. Korres). 939 Mnesikles: Plut., Per. 13, 7; Harp., Lex. in decem or. att. s. v. ȆȡȠʌ઄ȜĮȚĮ IJĮ૨IJĮMüller 1848, 94f. § 109, I, 3; 115 § 121, 3; Brunn, GK II, 328. 371. – Svenson-Evers 1996, 252– 267; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 89–92 s. v. Mnesikles (M. Korres). 940 Athena Parthenos.

284

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

3.) Dann ging er mit einer ganzen Colonie von Künstlern nach Elis. Sein Vetter od[er] Sohn, Panainos941, ging als Mitentrepreneure mit, in 4 Jahren war alles fertig. Dann kehrte er nach Athen zurück, u[nd] Anaxagoras, Aspasia, Phidias wurden angeklagt, letzterer starb 432 im Gefängniß (Arist. Pax 605.) [H. fol. 57 r.: vor Abschluß der Untersuchung.] 11. 1. 65 unter dem Archon Pythodoros Ol. 87, 1, es wurden die Propyläen in demselben Jahre vollendet, das letzte Werk ȆİȡȚțȜ੼ȠȣȢ ਥʌȚıIJĮIJȠ૨ȞIJȠȢ – Die Oligarchen u[nd] die Demokraten hatten sich gegen die Freunde des Perikles vereinigt; darauf das ȥ੾ijȚıȝĮgegen Megara942. [H. fol. 57 r.: und die Friedenszeit hörte auf.] [S. 61] Das Werk des Phidias [gliedert sich wie folgt:]: a) Die von der Architektur unabhängigen Skulpturen[,] b) der Tempelbau u[nd] seine Skulpturen. – a) Zunächst Į religiöse Werke. [Zur Zeit des Phidias gab es einen] Umschwung der religiösen Anschauungen. Heraklit spottet über Idololatrie. Anaxagoras weist auf den ȞȠ૨Ȣ. Die Menge wandte sich flachem Rationalismus u[nd] Skeptikismus [zu]. (Sophisten) Aber noch hielt der alte Glauben stand u[nd] große Geister arbeiteten daran, dem Volke, seinen Glauben zurückzugeben, indem sie den Glauben läuterten u[nd] erweiterten, so Pindar, Aesch[ylus], Soph[okles]. Die großen versöhnenden Geister, die den Bruch mit der Vergangenheit vermeiden wollten. Zu ihnen gehört auch Pheidias. [H. fol. 57 r.: Aufgabe war, die Aufklärung mit der Religion zu versöhnen.] Jede Religion muß sich entwickeln mit dem Fortschritt der Nation; es galt aber die richtige Form zu finden, sich von priesterl[ichen] Satzungen freimachen u[nd] die Götter darzustellen, wie sie jetzt im Volke lebendig waren. Die att[ische] Kunst hatte von Anfang [an] eine Richtung zum Religiösen. – In dieser Richtung arbeitet Phidias weiter u[nd] hier hatte er sein größtes Verdienst, ein theologisches (Quint. adiecisse aliquid receptae religioni videtur. diis quam hominibus efficiendis melior artifex)943. So entstanden die Götterideale des Phidias, Werke nicht zur Anbetung, sondern zur plastischen Veranschaulichung der Götter944, wie es dem Künstler vorschwebte. Er stellte sich die Götter so dar, daß sie Typen (formae deorum) wurden. – 1.) Aphrodite. Sie ist die Göttin, in welcher sich Idololatrie am meisten darstellt, da sie 941 Gurlitt (irrtümlich): Sohn, Hiller fol. 57 r.: Bruder. – Richtig entweder Bruder (Pausanias, Plinius) oder Neffe (Strabon). – Zu Panainos: Müller 1848, 104 § 115, 1; 139 § 135, 1. 2; Brunn, GK I 166. 170. 172. 190; II 19. 47f. 68f. – W.Völcker-Janssen, Boreas 10, 1987, 11–31; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 180f. s. v. Panainos (W. Ehrhardt). 942 Das Psephisma gegen Megara 432 (Ausschluß aller Megarer von Häfen in athenischem Herrschaftsbereich) war einer der Anlässe des Peloponnesischen Kriegs. Aristoph., Ach. 526–534; Thuk. I, 139, 1; Plut., Per. 30, 2. 3; Schol. ad Aristoph., Pax 605. 943 Quint., inst. XII, 10, 9: Phidias tamen diis quam hominibus efficiendis melior artifex creditur in ebore vero longe citra aemulum, vel si nihil nisi Minervam Athenis aut Olympium in Elide Iovem fecisset, cuius pulchritudo adiecisse aliquid etiam receptae religioni videtur; adeo maiestas operis deum aequavit. 944 Gurlitt: Götter, Hiller fol. 57 v.: des göttlichen Wesens.

Die Kunst in Athen

285

aus Asien kam. Die inhaltsvollsten Begriffe wurden in ihr versinnlicht: die Idee der Zeugung u[nd] Fruchtbark[eit], der irdischen Lust u[nd] Sinnlichk[eit], [sie war] die Göttin des Todes, die des Seeverkehrs u[nd] Verkehrs in der Stadt945. Daher die Fülle der Symbole, sinnl[ich] u[nd] ideal. Die Aphrodite der älteren Kunst ist ernst, lang bekleidet, so die ਝijȡ[Ƞį઀IJȘ] ȅ੝ȡĮȞ઀Į946 am verbreitesten. Später von Plat[on] als die göttl[ich] übersinnl[iche] gedeutet947, war [sie] urspr[ünglich] asiat[ische] Naturgöttin, die assyr[ische] Melitte. ȅ੝ȡĮȞંȢbedeutet das Weltall, nicht den Gegensatz von Himmel u[nd] Erde. (Boeckh, Metrolog. Unters. p. 43.)948 Der Begriff des Ƞ੝ȡĮȞંȢ[wurde in der bildenden Kunst] dargestellt durch eine Scheibe auf dem Haupt (ʌંȜȠȢ auch durch die Schildkröte (bis jetzt an etrusk[ischen] Kandelabern) (Panofka, Skiron t. 4. Gerhard, Venusidole t. 3,3.)949 Dies Symbol nahm Phid[ias] auf, er bildete sie in Elis aus Gold u[nd] Elfenbein in langem Kleide, mit einem Fuße auf der Schildkröte stehend950, hier als Sinnbildi der Häuslichk[eit] (testudo domiporta)951, daher als Matrone dargestellt, im Gegensatz zur Hetärenliebe (Plut. Is. et Os. 57. id. coni. praec. 32.)952 Auf dem Finger stand geschrieben ȆĮȞIJ੺ȡțȘȢ țĮȜંȢ(ein el[ischer] Knabe, Liban. bei Schol. zu Clem. Alex. p. 115 ed. Klotz)953[,]den Phid[ias] liebte.) – 2.) Athena. Viel wichtiger, an Inhalt, Würde, Bedeutung[,] gewinnend mit der Zunahme der Stadt [H. fol. 58 r.: der persönliche Ausdruck dessen, was die Stadt war und sein wollte.]. Die Bilder waren sämmtl[ich] colossal, die Größe der [allgemeinen] Verhältnisse verlangte große [darstellende] Verhältnisse. Aber die Colossalität war innerl[ich], geistig (Raphael, Vision des Ezechiel.) – Zuerst [die] ਝșȘȞ઼ ȆȡંȝĮȤȠȢ954, dargestelltii ist keine religiöse, sondern [die] historischsymbolische Form ihres Wesens, (es gibt keinen Cult einer Athena ʌȡંȝĮȤȠȢ als Göttin der Stadt, welche vorkämpfte, ein Coloss aus Bronce zwischen Erechtheii ii

Sinnbild : Symbild. dargestellt : es.

945 Gurlitt: Verkehrs in der Stadt, Hiller fol. 57 v.: städtischen Lebens. 946 Aphrodite Urania: Müller 1848, 576f. § 374, 5. 6; Brunn, GK I 183f.; Overbeck, Geschichte I 203. 947 Plat., symp. 180 D. 181 C. 948 A. Boeckh, Metrologische Untersuchungen über Gewichte, Münzfüße und Maße des Alterthums in ihrem Zusammenhange (1838) 43. 949 Th. Panofka, Der Tod des Skiron und des Patroclus, ein Vasenbild des Königl. Museums. Zur Bestätigung der äginetischen Statuenordnung und zur Restauration der Königshalle in Athen herausgegeben (1836) Taf. 4; E. Gerhard, Über die Venusidole, in: AbhBerlin 1843, 317–344 Taf. 3, 3. 950 Paus. VI, 25, 1. 951 Vgl. Cic., div. II, 133. 952 Plut., mor. 142 d; 381 e. 953 Lib. in Schol. ad Clem. Alex., protr. p. 115 ed. Klotz. – Nach der zugehörigen Stelle Clem. Alex., protr. IV p. 47 P. war die Inschrift am Finger des Zeus von Olympia. 954 Müller 1848, 105 § 116, 3; 566 § 370, 4; Brunn, GK I 181f.; Overbeck, Geschichte I 196f. Abb. 34.

286

[S. 62]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

onu[nd]Parthenon aufgestellt. Die Basis gefunden 1840.955 [H. fol. 58 r.: Über Größe und ıȤોȝĮ s.] Paus I, 28[, 2]. Die Lanzenspitze u[nd der] Helmbusch schon sichtbar, wenn man von Sunion heranschifft: ਕʌઁ ȈȠȣȞ઀Ƞȣ ʌȡȠıʌȜ੼ȠȣıȚ Sie hatte also die Lanze stehend in der Hand. Man hat dagegen angeführt die Darstellung in Aigina u[nd] Zosimos V, 6, 2956. Aber die obige Stellung beweisen auch die Münzen; [diese geben sie] durchaus nicht mit gezücktem Schwerdt [wieder]. (Münze, Gerhard, Vorlesung über Minervenidole)957 Die Höhe mit dem Postament mindestens 40c Das Werk wurde allmälich vollendet, noch ein Menschenalter auf Phidias arbeiteten die Toreuten am Schilde958. [–] 2.) Die lemnische Athena959 (Plin. XXXIV, 54: eximiae pulchritudinis, ut formae nomen acciperit960), näml[ich] bei den Kunstkennern. „forma“ [ist] mit Jahn [als Übersetzung zu deuten], sie habe [demnach] ȝȠȡijઆ geheißen.961 Sie war ohne Helm dargestellt. (Him. or. 21, 4.). Auf den Wangen jungfräul[iche] Röthe; sie war jedenfalls aus Erz. Die Alten bewunderten sämmtl[ich] die Harmonie u[nd] das Zarte der Wangen (૧૙ȞĮ ı઄ȝȝİIJȡȠȞ Luc. imag. c. 4, es gäbe kein schöneres Werk des Phidias.)962 Dies Werk hieß lemnisch, weil sie ein ਕȞ੺șȘȝĮ der Lemni[e]r war, eine[r] țȜȘȡȠȣȤ઀Į der Athener, die wohlhabend geworden waren, [die Statue war] ein Sinnbild der Pietät zwischen Colonie u[nd] Mutterstadt, der friedl[ichen] Eintracht beider Städte; daher ohne Helm wie auf dem puteal in Korinth963, auf

955 IG I² Nr. 338; A. E. Raubitschek, Dedications from the Athenian Acropolis (1949) 198– 201 Nr. 172. 956 Zos., hist. V, 6, 2. 957 E. Gerhard, Über die Minervenidole Athens. Eine in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelesene Abhandlung (1844) Taf. 4, 1. – L. Lacroix, Les reproductions de statues sur les monnaies grecques (1949) 281–286 Taf. 24, 6–10; 25; LIMC II (1984) 972 Nr. 145 s. v. Athena (P. Demargne). 958 Paus. I, 28, 2: der Toreut Mys nach Vorlagen von Parrhasios. 959 Athena Lemnia: Müller 1848, 105 § 116, 2; Brunn, GK I 182f.; Overbeck, Geschichte I 199. – A. Furtwängler, Meisterwerke der griech. Plastik (1893) 4–43; K. J. Hartwick, AJA 87, 1983, 335–346; O. Palagia, AJA 91, 1987, 81–84; P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II, 31f. Abb. 41. 42. 960 Plin., n. h. XXXIV, 54: Minervam tam eximiae pulchritudinis, ut formae cognomen acceperit. 961 O. Jahn, AZ 5, 1847, 63f. 962 Lukian., im. 6. - Eine Aussage über den Rang der Schönheit der Athena Lemnia fällt Paus. I, 28, 2. 963 Marmorputeal, aus Korinth, verschollen, ehem. London, Lord Guilford’House, s. o. Anm. 895.

Die Kunst in Athen

287

der Schaale des Kodros964. (Paus. I, 28[, 2].) Zwischen der kriegerischen Promachos u[nd] der friedl[ichen] Lemnirin steht [3.] ਲ țĮȜȠȣȝ੼ȞȘ ȆĮȡș੼ȞȠȢ965 Paus. V, 24.)966 Man betrachtete sie als aus medischer Beute hervorgegangen. Ein Goldelfenbeinbild im Tempel, 26 Ellen hoch967, ein ਙȖĮȜȝĮ ੑȡșઁȞ ਥȞ ȤȚIJ૵ȞȚ ʌȠį੾ȡİȚ968 im spezifisch attischen Typus. Augen, Gesicht, Hände, Füße waren von Elfenbein, die Augensterne mit Edelstein eingesetzt, sonst war vorherrschend das Gold, zur Milderung des Glanzes u[nd] der [Steigerung der] Mannichfaltigk[eit] waren andere Farben angebracht, manches von Erz, so auf dem Helm eine eherne Sphynx u[nd] Greifen an beiden Seiten. Das Bild wurde 437 im Parthenon geweiht, an den Panathenäen enthüllt, später durch Aristokles restaurirt (corp. inscr. graec. I, 257.)969 Geplündert wurde die Statue durch den Tyrannen Lachares (Paus. I, 25.) Erwähnt bei Zosimos IV, 18. 4[.] saec[ulum])970 Sie soll nach Constantinopel gekommen sein, (Archäol. Zeit. 1848 p. 239.)971 Es war ein stehendes Bild, bes[onders] bemerkenswerti der Kopf der Minerva, etwas gesenkt, sinnig vor sich hinblickend, der Sitz des wachen Geistes, die Werkstätte edler Gedanken; dazu kamen die Attribute des Goldhelmes mit der Sphynx, als Symbol des Verstandes, der Denkkraft, die den Menschen zum Herrscher machte. [(] Boetticherii, Über den Helm der ਝș>ȘȞ઼]ȆĮȡș[੼ȞȠȢ] Ber. der sächs. Ges. der Wissensch.)972 Zu beiden Seiten [des Helmes] die ȖȡȣʌĮȚİIJȠ઀973die Symbole des wachen Geistes, Symbol der Providenz, daher beim mantischen Sessel [als Zierde angebracht]. Unter dem Goldhelm fielen die Locken der Jungfrau auf die Brust mit der Aegis u[nd] dem Gorgoneion v[on] Elfenbein. – i ii

bemerkenswert : aufmerksam. Boetticher : Boettiger.

964 Kodros-Schale, Bologna, Mus. Civ. Inv. PU 273: E. Braun, Die Schaale des Kodros (1843). - Beazley, ARV² 1268 Nr. 1. 965 Athena Parthenos: Paus. I, 24, 5–7. – Müller 1848, 103f. § 113, 2; § 114; Brunn, GK I 178–180; Overbeck, Geschichte I 197–199. – W. H. Schuchhardt, AntPl 2 (1963) 31–53 Taf. 20–37; Leipen 1971; M. Weber, JdI 108, 1993, 83–122; G. Nick, Die Athena Parthenos. Studien zum griechischen Kultbild und seiner Rezeption, AM Beih. 19 (2002); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, S. 220–223 (V. M. Strocka); P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II, 133–136 et passim, Abb. 86. 966 Paus. I, 24, 5: ਥȢ į੻ IJઁȞ ȞĮઁȞ ੔Ȟ ȆĮȡșİȞ૵ȞĮ ੑȞȠȝ੺ȗȠȣıȚȞSchol. adDemosth. XXII, 13: țĮ੿ ਥțĮȜİ૙IJȠ IJȠ૨IJȠ ȆĮȡș੼ȞȠȣ ਝșȘȞ઼Ȣ. Der Ausdruck ਲ țĮȜȠȣȝ੼ȞȘ ȆĮȡș੼ȞȠȢ ist nicht überliefert. 967 Plin., n. h. XXXVI, 18. 968 Paus. I, 24, 7. 969 CIG I Nr. 150. – Loewy 1885, 355 Nr. 525; IG II² Nr. 1388 Col. B Z. 64f. 970 Paus. I, 25, 7; Zos., hist. IV, 18. 971 Schol. ad. Aristeid., or. 50. – O. Jahn, AZ 6, 1848, 239. 972 K. Bötticher, Über den Helm des Athena-Parthenosbildes im Parthenon, in: Berichte der Königl. Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-histor. Classe VI (1854) 53–62. 973 Aristoph., ran. 929, geflügelter Greif als bronzegetriebenes Schildzeichen. Das Wort wird für die Greifen auf den Wangenklappen des Athenahelms nicht gebraucht.

288

>S. 63]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

12. 1. 65 In der rechten Hand hielt [sie] eine ȃ઀țȘ[,] 4 Ellen hoch, also ȞȚțȘijંȡȠȢ. Zur linken Seite standen die Waffen: die Lanze u[nd] ʌȜȘı઀ȠȞ IJȠ૨ įંȡĮIJȠȢ974 die Schlange, als Symbol der Autochthonie, es war die Erichthoniosschlange (Plin. XXXVI, 4 periti mirantur serpentem.)975 An der linken Seite stand auch der Schild, mächtig, oval, beide Seiten sichtbar, den die Göttin nur am Rand mit dem Finger berührte. (Ampelius, liber memorialis VIII, 10 ad sinistrum clypeus, quem digito tangit, Arch. Zeit. 1857 p. 27)976 Die Göttin stand auf hohen Sohlen977, auf ihnen [war] die Kentauromachie in Relief, am Schild978 an der Außenseite: die Amazonenschlacht, an der Innenseite: [die] Gigantomachie. Diese ganze Athena stand auf einer Basis979; denn das Werk war ein ਕȞ੺șȘȝĮ u[nd] diese [Basis] enthielt auf den Seiten Reliefs (Plin. XXXIV, 18: dii adsunt noscentes viginti, so die codd. [; es muss heißen:] nascenti, denn nascens ist Pandora).980 Paus[anias] sagt, es sei die Ȗ੼ȞİıȚȢ ȆĮȞįઆȡĮȢ u[nd] darum Götter, die ihr Gaben darbrachten.981 [Die Göttin war so das] Symbol des att[ischen] Landes u[nd] Volks. (Boeckh, Staatsh. II, 168)982. Das ȕ੺șȡȠȞ war mit Goldblech verzirt (Phill. XVII p. 582)983[,] auf den Blecheni waren die Reliefs in getriebener Arbeit. – Es warkein Bild wie das ȟંĮȞȠȞ įȚȠʌİIJ੼Ȣder ȆȠȜȚ੺Ȣsondern es war ein Schaubild, es wurden vor ihm keine liturg[ischen] Handlungen vorgenommen u[nd] es hatte eine weltl[iche] Beziehung[,] bes[onders] auf die ਕȖ૵ȞİȢder Stadt. Die Bekränzung der panathenäischen Sieger fand im Parthenon statt, der nur an den Festen geöffnet wurde. Nach den Festen wurde das Bild abgerüstet u[nd] entkleidet. Die ȃ઀țȘ u[nd] ihre einzelnen Theile sind im Inventar bes[onders] aufgezeichnet.984 i

den Blechen : ihnen.

974 Paus. I, 24, 7. 975 Plin., n. h. XXXVI, 19. 976 Ampel., lib. mem. 8, 10 (ed. Assmann): cuius ad sinistra[m] clipeus appositus quem digito tangit. - K. Friederichs, AZ 15, 1857, 27. 977 Plin., n. h. XXXVI, 18: soleae, Sandalen. 978 Schild: Leipen 1971, 41–50 Abb. 81–87; H. Meyer, AM 102, 1987, 295– 321(mit ält. Lit.) Taf. 29–34; D. Mauruschat, Boreas 10, 1987, 32–58; M. Weber, JdI 108, 1993, 119f.; P. C. Bol, in Bol, Bildhauerkunst II, 134–136 Abb. 87. 88. 979 Basis: Leipen 1971, 23–27 Abb. 61–69; W. H. Schuchhardt, in: Wandlungen. Festschrift E. Homann-Wedeking (1975) 120–130 Taf. 26; M. Weber, JdI 108, 1993, 110–113. 980 Plin., n. h. XXXVI, 19 (ed. Hopp - König): in basi autem quod caelatum est, ȆĮȞįઆȡĮȢ Ȗ੼ȞİıȚȞappellant: dii adsunt nascenti XX numero. 981 Paus. I, 24, 7. 982 A. Boeckh, Die Staatshaltung der Athener² II 167 (Definition der verschiedenen Bezeichnungen für Vergoldung). 983 K. Boetticher, Ueber agonale Festtempel und Thesauren, deren Bilder und Ausstattung II, in: Philologus 17, 1861, 582. 984 IG I² Nr. 369 Z. 9–12; II² Nr. 1371 Z. 6–11; Nr. 1388 Z. 16–24; 1400 Z. 8–12; 1407 Z. 8– 11; 1428 Z. 26–41. – Die Zuweisung ist nicht gesichert.

Die Kunst in Athen

289

Das ganze Bild ist ein Theil des Staatsvermögens, das der Göttin in dieser Kunstform geweiht war. Der Mantel war ein țંıȝȠȢ ʌİȡȚĮȚȡİIJંȢ(Thuk. II, 13[, 5])[,] er konnte im Nothfalle zu Geld gemacht werden. (Boeckh, Staats. II, 228. Phill. XVII, Über das Bild der ਝșȘȞ઼ ȃ઀țȘu[nd]ȆĮȡș੼ȞȠȢ 985 So ließ ihn schon Perikles abnehmen, u[nd] nachwiegen. – Die Idee des Bildes ist die Verkörperung der Göttin, wie sie den unter ihrem Schutze gegründeten Staat beseelt u[nd] segnet, u[nd] dies trifft mit bes[onderer] Beziehung auf das Panathenäenfest zui. Zu Angriff u[nd] Abwehr bereit stand die Herrsch[aft Athens] selbstbewußt da, mehr auf Geistesmacht als materieller Macht beruhend. – Von diesem Bilde sind verschiedene Nachbildungen erhalten: 1. Die Münzen v[on] Antiochia, wo [die] ਝș>ȘȞ઼@ȆĮȡș੼ȞȠȢ nachgeahmt ist, man setzte die berühmtesten Werke der Vaterstadt auf die Münzen (Müller, Al. Denkm. II, 203. Gerhard, Minervenidole)986. [–] 2. att[isches] Votivrelief, j[etzt] in Berlin, Athena mit der ȃ઀țȘ unter der Hand [mit] der ȃ઀țȘ eine jon[ische] Säule987. Boetticherii meint diese Säule diente dazu[,] die ausgestreckte Hand der Göttin zu stützen, weil er meint, es sei sonst unmögl[ich] gewesen, eine so große Figur auf die Hand zu stellen.988 Dies scheint richtig. [–] 3.) Die Giustinianische Minerva[,] j[etzt] im Vatican989: Minerva medica, weil man sie der Schlange wegen so betrachtete. Wunderbar erhalten, voll erhabener Ruhe u[nd] Würde, mit der Sphynx u[nd] Widdern auf dem Helm. [–] 4.) Die größte[,] die Ȇ੺ȜȜĮȢ v[on] Velletri im Louvre990, wegen ihrer schlanken Verhältnisse sehr colossal erscheinend. [–] 5.) Die Hope’sche Minerva in Loni ii

zu : zusammen. Boetticher : Boettiger.

985 A. Boeckh, Die Staatshaltung der Athener² II S. 228–231. – Loewy, Bildhauerinschriften 358f. Nr. 528; IG I² 368 (Bezieht sich nicht auf die Athena Parthenos.). – K. Boetticher, Ueber agonale Festtempel und Thesauren, deren Bilder und Ausstattung I. II., Philologus 17, 1861, 385–408, 577–605. 986 C. O. Müller, Denkmäler der alten Kunst II (1832) 19, 203; E. Gerhard, Über die Minervenidole Athens. Eine in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vorgelesene Abhandlung (1844) Taf. 4, 3. – LIMC II (1984) 978 Nr. 227 s. v. Athena (P. Demargne) Taf. 730. 987 Berlin, Antikensammlung Sk 881: C. Blümel, Die klassisch griechischen Skulpturen der Staatlichen Museen zu Berlin (1966) 79 Nr. 92 Abb. 126; LIMC II (1984) 977 Nr. 213 s. v. Athena (P. Demargne); A. Scholl, in: Klassik (2002), 193 Kat.-Nr. 90. 988 C. Bötticher, AZ 15, 1857, 65–72 Taf. 105, bes. 68f. 989 Athena Giustiniani, aus der Slg. Giustiniani, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2223: Amelung, Vat. Kat. I 138–143 Nr. 114 Taf. 18; LIMC II (1984) 1086 Nr. 154 s. v. Athena/Minerva (F. Canciani) Taf. 797; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 206–210 Abb. 136. 990 Athena Velletri, aus Velletri, Paris, Louvre Ma 464: A. Furtwängler, Meisterwerke der griechischen Plastik (1893) 303–341 Abb. 41f.; LIMC II (1984) 980 Nr. 247 s. v. Athena (P. Demargne) Taf. 733; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 209–211 Abb. 138.

290

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

don991, sie hat äußerl[ich] viel Ähnlichk[eit] mit der ȆĮȡș੼ȞȠȢ aber der eth[ische] Charakter ist nicht getroffen. [–] 6.) Die Albanische Büste der Athene, in der Münchner Glyptothek.992 Der ernste Tiefsinn ist nur hier am Deutlichsten, die breite Stirn, die schön geschwungenen Augenbrauen weisen auf Phidias. [–] 7.) Ein Marmorfigürchen993, unvollendet gefunden 1860, nur 16 cc hoch, in der Linken den Schild, an der Innenseite [des Schildes] die Schlange, [die] bis zum oberen Rand des Schildes [emporragt], (Arch. Zeit. 1860 t. 135.)994 Bes[onders] merkwürdig[,] daßi hier der Schild so genau nachgebildet ist, daß man deutl[ich] Kämpfergruppen erkennt. Die rechte Hand ist etwas gesenkt, trägt aber nichts. [–] 8.) Ganz merkwürdig ist eine bes[ondere] plast[ische] Nachbildung des Schilds[, die] im Londoner Museum995 zum Vorschein gekommen [ist,] u[nd] die Umrisse auf [dem Schild] der kleinen Marmorfigur stimmen mit den Zeichnungen des Londoner Schilds [überein]. (Conze, Philologenv. zu Hannover 1864)996 Phidias habe auf diesem Schild sich selbst u[nd] den Perikles dargestellt. (Plut. Per. 31[, 4].) Sich selbst als Steinschleuderer, mit dem Kahlkopf, den Perikles als Speerschleuderer. Auf dem Schilde gibt es solche Figuren, so daß wir ein authent[isches] Portrait dieser beiden großen Männer haben. Duc de Luynes hat durch Simart in Gold u[nd] Elfenbein 9c hoch eine Statue 1855 in Paris aufstellen lassen.997 [H. fol. 60 r.: Doch ist mit dieser Spielerei nicht viel gewonnen; ohne die ursprünglichen Maße ist die Parthenos des Phidias nicht zu würdigen.] – (Cic. i

daß : das.

991 Athena Hope, ehem. Slg. Hope, Deepdene, Los Angeles, County Mus. of Art: A. Preyß, Athena Hope und Pallas Albani-Farnese, in: JdI 27, 1912, 88–128 Beil. 2–4 Taf. 9–11; C. C. Vermeule, Greek and Roman Sculpture in America (1981) 58 Nr. 31; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 204–207 Abb. 135. 992 Athena Velletri, Büste, ehem. Slg. Albani, München, Glyptothek Inv. 213: VierneiselSchlörb, Glyptothek München II, 136–143 Abb. 61–65. 993 Athena Parthenos, sog. Statuette Lenormant, Athen, Nat. Mus. Inv. 128: W. H. Schuchhardt, AntPl 2 (1963) 46–53 Taf. 33–37; Leipen 1971, 3 Nr. 1 Abb. 1. 23. 63; LIMC II (1984) 977 Nr. 221 s. v. Athena (P. Demargne) Taf. 730; P. Karanastassis, AM 102, 1987, 410f. Nr. B I 13 Taf. 42, 2. 994 P. Pervanoglu–E. Gerhard, AZ 18, 1860, 21–28 Taf. 135, 3.4. 995 Schildkopie der Parthenos, sog. Strangfordshield, London, Brit. Mus. Inv. 302: Leipen 1971, 8 Nr. 31 Abb. 26. 27; F. Schiff, AntK 16, 1973, Taf. 2, 2; P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II, 135 Abb. 88. 996 A. Conze, in: Verhandlungen der 23. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zu Hannover (1864); vgl. AZ 23, 1865, 33–48 Taf. 196. 197. 997 Der Bildhauer Pierre Charles Simart schuf 1846 bis 1855 nach den Vorstellungen des Duc de Luynes für den Festsaal des herzoglichen Schlosses Dampierre bei Paris eine Phantasierekonstruktion der Athena Parthenos. – Zur ‚Minerve Simart’: G. Grimm, ‘Minerve Simart’–‘Minerve sans collier’, in: AA 1990, 181–192 mit Abb. 2. 4–7.

Die Kunst in Athen

291

or. 2. non contemplabatur aliquem, sed ipsius in mente haerebat species quaedam. quam intuens, in eaque defixus animum et manum dirigebat.)998 Das Geheimniß der griech[ischen] Kunst auf ihrer Höhe ist die Verbindung v[on] [S. 64] Naturalismus u[nd] Idealismus. 3. Das Ideal des Zeus in Olympia.999 (Paus. V, 12 u[nd] Strab.)1000 In Olympia war ein uralter bildloser Altardienst. Man wünschte jetzt ein Bild, aber nicht zum Cultus. Phidias stellte den Zeus auch als Schau-[H. fol. 60 r.: -bild] u[nd] agonistisches Werk dar, ganz wie [die] ਝșȘȞ઼ ȆĮȡș੼ȞȠȢ Eine thronende Gottheit, im Haar einen Oelkranz (țંIJȚȞȠȢ 1001 [Der] Sieger [wurde] selbst so als Sieger charakterisirt. Der Oberleib war nackt, alle die Theile, welche Würde, Schönheit, Kraft darzustellen vermögen, waren unbekleidet. Um die Hüften lag ein weites faltenreiches Gewand v[on] getriebenem Golde mit ਙȞșȘ ਱ȡȚȞ੺geschmückt (Preller, Arch. Zeit. 1862 p. 200 Frühlingsblumen.)1002, in der Rechten trug er die ȃ઀țȘmit der taenia als älteres Siegeszeichen, [die] wahrscheinl[ich] drehbar [war], in der Linken das Scepter mit dem Adler. In seinem Angesicht war Ausdruck der Macht, Weisheit, Güte. Ersteres durch das Wallen des Haupthaars, dessen Bewegung den Olymp erschüttern machte, [es reichte bis] an Brust u[nd] Schultern. Weisheit in der hochgewölbten Stirn, in den tiefliegenden Augen. Die Güte in der sanften Neigung des Hauptes [eines] =HX9 țĮIJĮȞİ઄ȦȞ1003, [der] gern geneigt [ist], die Menschen zu erhören, im Blick u[nd] in dem leise geöffneten Munde. (Quint.[:] Er habe durch die Darstellung des Zeus aliquid adiecisse recep-

998

999

1000 1001 1002 1003

Cic., or. 2, 9: nec vero ille artifex [i. e. Phidias] cum faceret Iovis formam aut Minervae, contemplabatur aliquem e quo similitudinem duceret, sed ipsius in mente insidebat species pulchritudinis eximia quaedam, quam intuens in eaque defixus ad illius similitudinem artem et manum dirigebat. Zeus von Olympia: Müller 1848, 104f. § 115; Brunn, GK I 168–178 et passim; Overbeck, Geschichte I 200–202. 208–211. – J. Liegle, Der Zeus des Phidias (1952); A. Mallwitz–W. Schiering, Die Werkstatt des Phidias in Olympia, OF 5 (1964); ders., Die Werkstatt des Phidias 2. Werkstattfunde, OF 18 (1991); Mallwitz 1972, 228–230; E. Simon, Die Götter der Griechen (1985) 32–34; Stewart 1990, 259–261 et passim Abb. 372–375; LIMC VIII (1997) 327 Nr. 89 s. v. Zeus (M. Tiverios); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 226–228 s. v. Pheidias (V. M. Strocka); P. C. Bol, in : Bol, Bildhauerkunst II, 138–143 Textabb. 44–47 Abb. 91–95. Paus. V, 10, 2; 11, 1–10; 15, 1; Strab. VIII, 3, 30 p. 353f. țંIJȚȞȠȢals Material der Siegerkränze in OlympiaPaus. V, 7, 7; VIII, 48, 2; Aristoph., Pl. 583–586; 592. – Der Kranz des Zeus: Paus. V, 11, 1: ıIJ੼ijĮȞȠȢ [...] ȝİȝȚȝȘȝ੼ȞȠȢ ਥȜĮ઀ĮȢ țȜ૵ȞĮȢ Paus. V, 11, 1: IJ૶ į੻ ੂȝĮIJ઀૳ ȗ૴įȚ੺ IJİ țĮ੿ IJ૵Ȟ ਕȞș૵Ȟ IJ੹ țȡ઀ȞĮ ਥıIJ੿Ȟ ਥȝʌİʌȠȚȘȝ੼ȞĮ - E. v. Leutsch, Lilien am Himation des Zeus, in: AZ 19, 1861, 199–200. Hom., Il. I, 524. 558 etc.

292

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

tae religioni adeo maiestas operis aequavit deum1004). [H. fol. 60 v.: ; man bekam eine edlere, reinere Vorstellung beim Ansehen der Natur.] 1. Statuar[ische] Nachbildung im Jupiter Verospi, handwerksmäßig, überlebensgroß.1005 2. Die Büste v[on] Otricoli, viel wichtiger, in der Rotunde im Vatican.1006 – 3. Die Münzen aus Elis, nüchtern.1007 13. 1. 65 (Abgebildet in Brauns Vorschule zur Kunstmythologie t. 7.8)1008 4. Eine Büste in Neapel.1009 [H. fol. 60 v.: Die Büste von Otricoli ist] Die größte Leistung der Alten in der Darstellung des männl[ichen] Gesichtes. Die Stirn ist nicht groß u[nd] breit, aber hochgewölbt. Aber der olymp[ische] Zeus war ein großes tektonisches Gebilde. Zeus saß auf einem Thronsessel, [der] mit Gold, Elfenbein, Edelstein, Ebenholz, Farben [verziert war.] (Brunn, Über den Sessel des Zeus[,] Annal. 1851.)1010 Der Sessel stand auf 4 Füßen u[nd] ıIJ૨ȜȠȚ ȝİIJĮȟઃ ਦıIJȘțંIJİȢ IJ૵Ȟ ʌȠį૵Ȟ1011; die festgegründete Herrsch[aft] symbolisirend. Die Füße waren durch Niken geschmückt, je 4 oben, je 2 unten. An den Vorderfüßen [zeigten] 2 Tafeln a.) wie die Kinder der Thebaner von den Sphyngen erwürgt und b) die Niobiden, also 2 Strafverhängnisse. Die Füße waren durch Querstäbe (țĮȞંȞİȢ verbunden, auf Münzen sichtbar. Sie enthielten1012 die verschiedenen ਕȖȦȞ઀ıȝĮIJĮ 4 u[nd] 4 zu den Seiten des Gewands, im Ganzen 8. Auf ihnen [war] der Liebling des Phidias[,] Pantarkes[,] ikonisch dargestellt. Man konnte nicht unter den 1004 Quint., inst. XII, 10, 9: Phidias tamen diis quam hominibus efficiendis melior artifex creditur in ebore vero longe citra aemulum, vel si nihil nisi Minervam Athenis aut Olympium in Elide Iovem fecisset, cuius pulchritudo adiecisse aliquid etiam receptae religioni videtur; adeo maiestas operis deum aequavit. 1005 Jupiter Verospi, ehem. Rom, Palazzo Verospi, Rom, Vatikanische Museen Inv. 671: Overbeck, Geschichte I 200f. Abb. 36. – Amelung, Vat. Kat. II 519f. Nr. 326 Taf. 73; C. Landwehr, in: Phyromachos-Probleme 107 Nr. g 2. 112f. Taf. 69. 71; LIMC VIII (1997) 427 Nr. 46 s. v. Zeus / Iuppiter (F. Canciani). 1006 Zeus von Otricoli, Rom, Vatikanische Museen Inv. 257: Overbeck, Geschichte I 208– 211 Abb. 37. – Lippold, Vat. Kat. III 1 110–113 Nr. 539 Taf. 36; B. Andreae, in: Phyromachos-Probleme 54 Taf. 77; C. Landwehr, ebenda 118; LIMC VIII (1997) 342 Nr. 219a s. v. Zeus (I. Leventi); 435f. Nr. 154 s. v. Zeus / Iuppiter (F. Canciani). 1007 Overbeck, Geschichte I 200 Abb. 35; S. B. Smith, AZ 20, 1862, 339f. – J. Liegle, Der Zeus von Olympia (1952) Taf. 1; 3, 1. 2; 6, 6; 14, 2–4; 15–18; LIMC VIII (1997) 366 Nr. 497 s. v. Zeus (S. Kremydi-Sicilianou). 1008 E. Braun, Vorschule zur Kunstmythologie (1854) 7f. Nr. 23 Taf. 7. 8 (Zeus von Otricoli); 8 Nr. 25 Taf. 9 (Büste in Neapel); 8f. Nr. 26 Taf. 10 (Jupiter Verospi). 1009 Zeusbüste, Replik des Zeus von Otricoli, aus Pompeji, Jupitertempel, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6266: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 96 Nr. I, 1; C. Landwehr, in: PhyromachosProbleme 118 Taf. 78; LIMC VIII (1997) 342 Nr. 219f s. v. Zeus (I. Leventi); 462f. Nr. 441 (A. Constantini). 1010 H. Brunn, Sul trono del Giove di Fidia in Olimpia, in: AdI 23, 1851, 108–117 Taf. 1011 Paus. V, 11, 4: ț઀ȠȞİȢ ੅ıȠȚ IJȠ૙Ȣ ʌȠı੿ ȝİIJĮȟઃ ਥıIJȘțંIJİȢ IJ૵Ȟ ʌȠį૵Ȟ 1012 Nach Paus. V, 11, 3 enthielt nur der Querstab direkt gegenüber dem Eingang die acht Figuren.

Die Kunst in Athen

293

Sessel gehen, sondern es waren [hier] ਥȡ઄ȝĮIJĮ Wandartige Verkleidungen), auf 3 Seiten mit Gemälden bedeckt, an der Vorderseite konnte keine zusammenhängende Darstellung sein. An der Vorderseite blos blaue Farbe, weil das Kleid [des Zeus eine zusammenhängende Darstellung ver]hinderte, an den beiden Seiten u[nd] hinten war[en] Gemälde nach Art vorgehängter Teppiche: a. Atlas u[nd] Herakles. Theseus u[nd] Peirithoos. Hellas u[nd] Salamis[,] b.) Herakles in Nemea, Aias u[nd] Kassandra, Hippodameia mit ihrer Mutter, , c.) Prometheus u[nd] Herakles. Penthesilea u[nd] Achilleus, Herakles u[nd] die Hesperiden.1013 – An der Vorderseite ist der Mantel um die Füße zusammengezogen, wie bei[m] Jupiter Verospi. Auf der Lehne oberhalb des Hauptes, waren Chariten u[nd] Horen, je 3 dargestellt. Endl[ich] ruhten die Füße auf einem Schemelਫ਼ʌંșȘȝĮ1014 auf ihm [waren] Theseus u[nd] die Amazonen [abgebildet], u[nd] hier stand der Vers: ĭİ઀įȚĮȢ ȋĮȡȝ઀įȠȣ ȣੂઁȢ ਝșȘȞĮ૙ȠȢ ȝ’ ਥʌȠ઀ȘıİȞ1015 Der ganze Sessel stand auf einem hohen Piedestal 8c hoch. Auf ihm waren in Goldschmuck dargestellte Bildwerke: Die olympischen Götter zwischen Helios ਕȞĮȕİȕȘțઅȢ ਥʌ੿ ਚȡȝĮ u[nd] ȈİȜ੾ȞȘ ੆ʌʌȠȞ ਥȜĮ઄ȞȠȣıĮ1016 Eros bewillkommnet [S. 65] Aphrodite, die aus dem Meer emporsteigt u[nd] von ȆİȚșઆ gekränzt wird. Rechts: Poseidon u[nd] Amphitrite, Athena u[nd] Herakles, Apollon u[nd] Artemis. Links Zeus u[nd] Hera, Hephaistos u[nd] Charis, Hestia u[nd] Hermes. Unter dem Postament war der Steinboden ausgelegt, schwarzer Boden mit par[ischem] Stein eingerahmt,1017 ein Rand der das herabträufelnde Oel aufzufangen [hatte]. Denn mit fetten Stoffen mußte die Trockenheit vermieden werden, die sonst das Elfenbein gesprengt hätte. Außerdem gehörte noch dazu ein Purpurvorhang, der eine Art Rahmen bildete. Werke dieser Art waren natürlich auf Fernsicht berechnet. Daher soll Phidias gebeten haben, es solle ihm Zeus ein Zeichen geben[,] u[nd] dann fuhr ein Blitz durch den Tempel. Vom Blitzmal aus sah man das Bild am Besten. Absichtl[ich] war er sitzend dargestellt, aufstehend würde er den Tempel sprengen, so [wurde] der Eindruck der Colossalität erhöht. Die Maße waren in jamb[ischen] Versen angeschrieben, dies tadelte Paus[anias];1018 denn jeder meinte etwas viel größeres zu sehen. Hygin u[nd] Philon, de septem orbis spectaculis p. 12 ed. Or.[elli]1019 sprach[en] von 60c Höhe, der ganze Tempel hatte nur 68c Höhe, im Inneren kann er nur 46c gehabt haben, die Scheitelhöhe war wohl 42c.

1013 1014 1015 1016 1017

Paus. V, 11, 4. Paus. V, 11, 7. Paus. V, 10, 2. Paus. V, 11, 8. Vgl. F. Forbat, Der Fußboden im Inneren des Zeustempels und seine Veränderungen bei Aufstellung des Goldelfenbeinbildes, in: W. Dörpfeld, Alt-Olympia I (1935) 226–247; Mallwitz 1972, 229. 1018 Paus. V, 11, 9. 1019 Hyg., fab. 223; Philon v. Byzantion, de septem orbis spectaculis: Ĭ੼ĮȝĮ Ȗ’ ǽİઃȢ ੗Ȝ઄ȝʌȚȠȢ.

294

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Paus[anias] sah das Werk noch wohlerhalten, obgleich manchmal [an ihm] gefrevelt [worden] war. [Nach] Cedrenus, annales p. 221020 solle es nach Constantinopel gekommen sein u[nd] dort [ist es] zu Grunde gegangen. So viel ist gewiß, daß des Phidias Nachkommen als Ehrenrecht für die Instandhaltung des Colosses zu sorgen [hatten] (ijĮȚįȡ઄ȞİȚȞ, ijĮȚįȡȣȞIJĮ઀ 1021[.] 60 Jahre nach Phidias habe derMessenier Damophon1022 das Bildwerk restaurirt (Paus. IV, 31[, 6].)[.] Denn Goldelfenbeinwerke zerfielen, wenn die Pflege ausblieb. Daher sagt Paus[anias l. c.] įȚİıIJȘțંIJȠȢ IJȠ૨ ਥȜ੼ijĮȞIJȠȢ Die Meisterwerke des Phidias, die am meisten gewirkt haben, sind uns alle der Betrachtung entzogen. Moderne Restitutionsversuche: (Quatremère de Quincy, Jupiter Olympien)1023 zeigen nur, wie unvollkommen wir unterrichtet sindi. – Ferner [schuf Phidias:] die ਝșȘȞ઼ ਝȡİ઀Į für Plataeae, den Rumpf aus Holz, Kopf, Hände, Füße aus Stein (Paus. IX, 4, 1)[, den] ਝʌંȜȜȦȞ ȆĮȡȞંțȚȠȢ[,] ein Erzbild auf der Burg (Paus. I, 24, 8)[.] Die Göttermutter im ȂȘIJȡ૶ȠȞim ȀİȡĮȝİȚțંȢals Mutter der Hestia,1024 bei vielen Werken heißt es, man sagt, daß Phidias [sie] gemacht habe; sie sind [folglich] aus seinem Atelier. Die Gruppe in Delphi, das Weihgeschenk der marathonischen Beute (Paus. X, 10)1025. In Erz a. Miltiades zwischen Athena u[nd] Apollon, b. die Eponymen der 10 Phylen, u[nd] c.) 3 Heroen: Kodros, Theseus, Philaios (cod. Phileus.) (Curtius, Goett. Nachrichten 1861, p. 369.)1026 Es gehörte noch der Kimonischen Zeit [an], erinnernd an die Werke des Ageladas. – Die Kunst des Phidias wäre für uns ein dunkles Schattenbild, wenn wir nicht durch die Tempelornamentik u[nd] Marmorplastik eine volle Anschauung bekämen. i

sind : ist.

1020 Cedrenus, hist. comp. p. 322. 1021 Paus. V, 14, 5. 1022 Damophon von Messene: Müller 1848, 118 § 124, 1; 437 § 312, 2; Brunn, GK I 287– 292; 301f.; 426; Overbeck, Geschichte II, 97f. – P. Themelis, Damophon, in: YaleClSt 30, 1996, 154–185; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 157–160 s. v. Damophon (R. V.). 1023 de Quincy 1814. 1024 Paus. I, 3, 5; Arr., peripl. m. Eux. 9; aber: Plin., n. h. XXXVI, 17: von Agorakritos. – Brunn, GK I 184. 1025 Paus. X, 10, 1. 2. – Brunn, GK I 184. – Maaß 1993, 190f. mit Anm. 22 (ält. Lit.). 1026 E. Curtius, Über die Weihgeschenke der Griechen nach den Perserkriegen und insbesondere über das platäische Weihgeschenk in Delphi, in: Göttinger Gelehrte Nachrichten 1861, 361–390.

Die Kunst in Athen

295

Die attische Tempelskulptur: Ausgehen müssen wir vom Theseustempel1027, obgleich die Benennungi noch nicht recht bewiesen. (Ross, Theseion 1838 behauptete, es sei ein Marstempel. Dagegen Curtius, Archäol. Zeitung 1843 p. 94.)1028 Entweder ist es ein Theseus- od[er] Herakles-Tempel. Daß Theseus einen Tempel haben konnte, ist außer Zweifel. Boetticherii, Berichte über Ausgrabungen der Burg,1029 macht darauf aufmerksam, der Tempel habe nur 2 Marmorstufen. [H. fol. 62 r.: , vielleicht das Kennzeichen des Tempels eines Heros.] Dieser Tempel stammt aus der Zeit unmittelbar vor Phidias, das erkennen wir auch aus den [S. 66] Buchstaben, welche auf den Steinen als Steinhauerzeichen stehen. Ferner beweisen es die schweren Verhältnisse [der Architekturglieder zueinander]; ferner daß die Kunstwerke1030 aus parischem Stein eingesetzt sind. [H. fol. 62 r.: während in der Zeit des Phidias der feine pentelische Stein überall benutzt wurde.] An der Vorder- u[nd] Rückseite ist innerhalb des äußeren Peristyls ein Fries in Hautrelief.1031 Erst unter Phidias wird es Stil, die Friese in Basrelief zu hauen. An der Vorderseite 10 Metopen, an Nord- u[nd] Südseite 8 Metopen [mit Reliefschmuck]1032, die übr[igen] sind glatt u[nd] waren wohl nur gemahlt, die Giebelstatuen sind verschwunden.1033 [H. fol. 62 r.: Der Tempel ist so wohl erhalten, weil er früh ein Heiligtum des Heiligen Georg wurde; zu diesem Behufe wurde ein Rundbau angesetzt und deshalb 2 seiner Säulen weggenommen.] Die Metopen der Vorderseite sind sehr stark beschädigt. Der Fries der Ostseite reicht über die Anten, als einziges Beispiel, auch dies ein Beweis der Bauzeit vor Phidias. – i ii

die Benennung : es. Boetticher : Boettiger.

1027 Hephaistos-Tempel: Travlos, Athen 261–273; J. M. Camp, Die Agora von Athen (1989) 91–97. 241f.; K. Reber, Das Hephaisteion in Athen, in: JdI 113, 1998, 31–48; Gruben 2001, 223–229. 1028 L. Ross, ȉઁ ĬȘıİ૙ȠȞ țĮ੿ ੒ ȞĮઁȢ IJȠ૨ ਡȡİȦȢ  E. Curtius,Über das Theseion zu Athen, in: AZ 1, 1843, 97–106. 1029 K. S. Pittakis, ȉઁ ĬȘıİ૙ȠȞ țĮ੿ ੒ ȞĮઁȢ IJȠ૨ ਡȡİȦȢin: ਫijȘȝİȡ੿Ȣ ਕȡȤĮȚȠȜȠȖȚț੾– L. Ross hat „Berichte von den Ausgrabungen auf der Akropolis in Athen“ in Kunstblatt 16–18, 1835–1837, veröffentlicht. Boettiger, Berichte über Ausgrabungen der Burg, nicht zu verifizieren; vgl. aber Anm. 1045. 1030 Allgemein zur Plastik des Hephaisteions: Müller 1848, 106f. § 118, 2; Overbeck, Geschichte I 228–237 Abb. 38–40. 1031 Hephaisteion, Friese: S. v. Bockelberg, Die Friese des Hephaisteion, in: AntPl 18 (1979) 23–50 Taf. 10–48; J. Dörig, La Frise est de l’ Héphaisteion (1985); P. C. Bol, in: Bildhauerkunst II, 177f. Abb. 110. 1032 Hephaisteion, Metopen: Ch. H. Morgan, The sculptures of the Hephaisteion, in: Hesperia 31, 1962, 211–219 Taf. 71–76. 1033 Hephaisteion, Giebelskulpturen: A. Delivorrias, Attische Giebelskulpturen und Akrotere des 5. Jhs. (1974) 16–40. 48–60 Taf. 6–11.

296

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

15. 1. 65 Östl[icher] Fries: 2 sitzende Göttergruppen von [je] 3 Göttern. Diese fassen einen Kampfplatz ein. Ein Mann, ein Heros[, nämlich] Theseus[,] steht in der Mitte mit langem Mantel in heftigem Kampf gegen einen Felsschleuderer. Diese Gruppe wird eingeschlossen, links von einer Gruppe v[on] Gottheiten, links die sitzende Pallas auf einem Fels, dann die verschleierte Hera, der sitzende [Zeus,] den Kämpfenden zugewandt, mit gehobenem Arm. Rechts wieder 3 sitzende Gottheiten, sitzend ebenso groß, wie die anderen stehend. Ein[e] männl[iche] Figur, den Fuß auf einen Felsen stemmend, Poseidon, dann vielleicht Demeter u[nd] Ares. Dann noch 2 äußere Platten: links wird ein Knieender gebunden, rechts scheint auch ein Gebundener1034 in der Mitte zu sein. Also der Kampf, u[nd] Szenen nach dem Kampf. Otfr[ied] Müller, hat den Fries erklärt als Kampf gegen die Pallantiden, die der Herrsch[aft] des Theseus widerstrebten1035 (Soph[okles,] Aigeus). Ulrichs meint, es wäre der Kampf gegen die Eurysthiden, als sie die Schutzsuchenden Herakliden von Theseus zurückforderten1036 (Eur[ipides,] Herakl[iden])[.] Danach sind die Gefallenen, welche links u[nd] rechts auf dem Boden liegen, die gefallenen Söhne des Eurystheus, dann ist der Gefesselte Eurystheus, der ihn fesselt Hyllos u[nd] der Nahestehende Jolaos. Dann spielt die Szene links in Trikorynthos. Auf der rechten Seite erkennt Ulrichs ein Siegesfest, unwahrscheinl[ich]. Das Felsschleudern paßt besser zu den Pallantiden, jedenfalls liegt der Kampfschauplatz bei Pallene, gegen den Brilessos; dort war Ȇ੺ȜȜĮȢ, ȆĮȜȜȘȞ઀Ȣzu Hause1037, daher sitzend auf der Höhe. Am westl[ichen] Fries Kämpfe zwischen Lapithen u[nd] Kentauren, als ein Kampf für Sitte u[nd] Recht. In diesen wilden Kampfgruppen ist die Kentaurengestalt endgültig ausgebildet. Sie sind mit solchem Naturverständniß dargestellt, daß sie naturgemäße Gestalten wurden. – [Bemerkenswert ist] Eine Gruppe von 2 sich emporbäumenden Kentauren, welche Steine schleudern, gegen einen Lapithen, welchen sie schon halb in den Boden hineingearbeitet haben, es ist dies Kaineus, der unverwundbar war u[nd] nur saxis obrui potuit. – In den Metopeni tritt uns der Gedanke der Verbrüderung der beiden Heroen, Theseus u[nd] Herakles[, entgegen]. Diese Verbrüderung des dor[ischen] u[nd des] att[ischen] Heros scheint der Zeit des Kimon ganz bes[onders] angemessen (Eur. Her. f. 1322[-1339].) [H. fol. 63 r.: Auch ohne derartige Indicien müßten wir annehmen, daß dieser Tempel i

Metopen : Bildwerken

1034 Gebundener, im Sinne von Gefesselter. 1035 K. O. Müller, Die erhobenen Arbeiten am Friese des Pronaos vom Theseustempel zu Athen, erklärt aus dem Mythos von den Pallantiden, in: Hyperboräisch-römische Studien I (1833) 276ff. 1036 H. N. Ulrichs, Spiegazione de’monumenti sul pronaos del Theseion, in: AdI 13, 1842, 74–83. 1037 Pallene, attischer Demos der Phyle Antiochis zwischen Hymettos und Pentelikon (antik: Brilessos) mit einem Heiligtum der Athena Pallenis.

Die Kunst in Athen

297

der Unterstadt kurz vor denen der Oberstadt gebaut wurde; erst hier ist der Unterschied zwischen Fries und Metopen festgestellt und pentelischer Stein gebraucht.] – Dieser Tempelbau ist die wichtigste Vorstufe für die Akropolis. – Die Akropolis ist 1000' lang, 429' [breit] u[nd] 530' hoch. Mit ihren Kunstschätzen ist sie seit Stuart bekannti. Die größten Zerstörungen auf der Burg haben spät stattgefunden, bis 1687 ist alles wohl erhalten gewesen. Herbst 1687 wurde die Burg von den Venetianern belagert, u[nd] durch eine Explosion wurde alles auf das furchtbarste zerstört, sodaß [vom Parthenon] nur noch 2 Hälften stehen. Natürl[ich] sind auch die mittleren Skulpturen [der Giebel] zerstreut. 15 Jahre vorher hatte der erste europäische Künstler, Jacques Carreyii, 1672 auf einer Reise mit Marquis de Nointeliii [die Skulpturen des Parthenon gezeichnet].1038 Sie liegen in Paris, Cabinet d’estampes. Am besten herausgegeben v[on] Graf de Labordeiv, Parthenon.1039 Für die Skulptur ist die Zerstörung ein unwiederbringl[icher] Verlust. Dann am [S. 67] Anfang unseres Jahrhunderts die Plünderung durch Lord Elgins, [der versuchte,] von den Trümmern mitzunehmen, was mögl[ich] war. Aber er nahm Metopen u[nd] Giebelwerke von ihrem Platze weg u[nd hat] zum Theil die Architektur absichtl[ich] zerstört. Was den Parthenon schmückte, ist getheilt, das Beste u[nd] Meiste in London, weniger in Athen. – Nach diesen äußeren Katastrophen ist die Akropolisv jetzt unausgesetzt der Schauplatz der wichtigsten, gelehrten Untersuchungen: (Bronsted, Reisen u[nd] Forschungen, II.)1040 Ross [wurde] 1830 Conservator der Alterthümer, u[nd] richtete den Tempel der Nike apteros [wieder auf]:1041 1836[.] Der Nike apteros-Tempel [publiziert] von Schaubert, Ross u[nd] i ii iii iv v

bekannt : erkannt. Jacques Carrey : James Carré. de Nointel : Lointel. Laborde : la Borde. die Akropolis : sie.

1038 1674 hatte Jacques Carrey (1649–1726) im Auftrage des französischen Botschafters bei der Hohen Pforte Marquis de Nointel die Skulpturen des Parthenon gezeichnet. 1039 L. de Laborde, Le Parthénon. Documents pour servir à une restauration (1848). – T. Bowie - D. Thimme, The Carrey Drawings of the Parthenon Sculptures (1971). 1040 P. O. Brøndsted, Le Parthénon dans la citadelle d’Athènes, considéré sous le rapport historique et archéologique, in: Voyage dans la Grèce accompagnés de recherches archéologiques, et suivis d’un aperçu sur toutes les entreprises scientifiques qui ont eu lieu en Grèce depuis Pausanias jusqu’à nos jours II (1830). 1041 Ludwig Ross reiste 1832 nach Griechenland, wurde 1833 „Oberconservator der Alterthümer“, Mitglied, dann Vorsitzender der Baukommission, errichtete mit Eduard Schaubert und Christian Hansen den Athena Nike-Tempel, schied 1836 aus dem Amt und war von 1837 bis 1843 Professor für Archälogie an der Athener Universität, Archäologenbildnisse 1988, 29f. (C. Schwingenstein).

298

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Hansen.1042 Penrose, Investigation of the principles of Athenian architecture London 1851.1043 Dieser machte die Bemerkungen[,] nirgend seien [an griechischen Bauwerken] verticale u[nd] horizontale Linien vorhandeni. Boetticherii hat es bestritten, es ist aber unleugbar u[nd] von Ziller, Architect, festgestellt.1044 [(]Boetticheriii, Ber[icht] über die preuß[ische] Expedition nach Athen[,] 1862. Beulé, L’Acropole d’Athènes II. Curtius, Acropolis in Athen 1844 Vorlesung in Berlin.)1045 – Zu Perikles Zeit war Athen Mittelpunkt der religiös[en] Skulptur1046, sehr unterstützt durch die Pentelischen Marmorbrüche. Kallikrates, Iktinos, Karpion1047, Metagenes, Xenokles, Mnesikles (Propyläen): große Baumeister. Ferner Maschinenbauer u[nd] Ingenieur: Artemon1048, Hippodamos1049, Meton1050, der große Wasserbauer u[nd] Astronom. Die Akropolis wurde als Temenos der Athena behandelt, in der Tyrannenzeit war sie Festung gewesen[,] u[nd] Perikles machte sich es zur Hauptaufgabe[,] die Heiligthümer der Akropolis herzustellen. Neben dem Tempel der Athena Polias stand früher der alte ਦțĮIJંȝʌİįȠȢ1051 schon früher das Festhaus der Panathenäen, mit dem Schatz der Gottheit, wohl v[on] Pisistratus gebaut, von den Persern zerstört. Jetzt sollte ein i ii iii

vorhanden : haben. Boetticher : Boettiger. Boetticher : Boettiger.

1042 L. Ross - E. Schaubert - C. Hansen, Die Akropolis von Athen nach den neuesten Ausgrabungen. I. Der Tempel der Nike Apteros (1839). 1043 F. C. Penrose, An investigation of the principles of Athenian architecture, or the results of a recent survey conducted chiefly with reference to the optical refinements exhibited in the construction of the ancient buildings at Athens (1851). 1044 E. Ziller, Über die ursprüngliche Existenz der Curvaturen des Parthenon, in: Zeitschrift für Bauwesen 14, 1864, 35–54. 1045 C. Boetticher, Meine Untersuchungen auf der Akropolis im Frühjahr 1862, in: Zeitschrift für Bauwesen 13, 1863, 195–224. 405–470. 557–608. Blatt N, N1–12; E. Beulé, L’acropole d’Athènes II (1854); E. Curtius, Die Akropolis von Athen. Ein Vortrag (Berlin 1844). – W. Hoepfner (Hrsg.), Kult und Kultbauten auf der Akropolis. Internationales Symposium 1995 in Berlin (1997) mit ält. Lit. 1046 Gurlitt: Skulptur, Hiller fol. 63 v. (wohl richtig): Architektur. 1047 Karpion: Vitr. VII, praef. 12. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 404f. s. v. Karpion (M. Korres). 1048 Artemon von Klazomenai, Erfinder von Belagerungsmaschinen: Aristoph., Ach. 850 mit Schol.; Diod. XII, 28, 3; Plin., n. h. VII, 56; Plut., Per. 27, 3.4. 1049 Hippodamos von Milet, s. o. Anm. 152. 1050 Meton, Astronom, Reformator des Kalenders in Athen: Aristoph., av. 992–1020 mit Schol., bes. zu Vs. 997; Diod. XII, 36, 2; Vitr. IX, 6, 3; Plut., Nik. 13, 5; Alk. 17, 4.5. 1051 Schriftquellen: O. Jahn – A. Michaelis, Arx Athenarum, a Pausania descripta³ (1901) 64f. Anm. 24. – Zu den älteren Athenatempeln vgl. M. Korres, Die Athenatempel auf der Akropolis, in: W. Hoepfner (Hrsg.), Kult und Kultbauten auf der Akropolis. Internationales Symposium 1995 in Berlin (1997) 218–243.

Die Kunst in Athen

299

neuer ਦțĮIJંȝʌİįȠȢ1052gebaut werden, der ȆĮȡșİȞઆȞ1053 auf dem höchsten Theile der Burg. – Die cella mit doppelter ʌȡંıIJĮıȚȢi um sie herum die Säulenstellung, ȞĮઁȢ ʌİȡ઀ʌIJİȡȠȢ (Aus den Schatzurkunden Boeckh, Staatshaush. II. [H. fol. 64 r.: kennen wir die inneren Einrichtungen])1054 Es lagen die Schätze der Gottheit [H. fol. 64 r.: zuerst] im ʌȡંȞĮȠȢ1055, innerhalb der östl[ichen] Halle; also waren hier zwischen den Säulen Broncegitter mit vergoldeten Spitzen. Im inneren Theil unterschieden: die Schätze ਥȞ IJ૶ ਦțĮIJȠȝʌ੼į૳1056 u[nd] ਥȞ IJ૶ ȆĮȡșİȞ૵ȞȚ1057 So kann nur der Theil unmittelbar beim Bilde [benannt] gewesen sein. Der Thür gegenüber saß in einer aedicula die ਝș੾ȞȘ ȆĮȡș੼ȞȠȢ Der übrige Theil [der Cella] hieß ਦțĮIJંȝʌİįȠȢ Dieser innere Raum war in 3 Schiffe getheilt: in der Mitte wurden vor dem Bilde [der Athena] die Preise an die Sieger vertheilt. Über den Seitenstoen waren Emporen, wo wahrscheinl[ich] Sänger standen, ferner wurden sie zur Aufbewahrung von Pretiosen benutzt. Endl[ich] lag der eigentl[iche] [H. fol. 64 r.: Staats-]Schatz im ੑʌȚıșંįȠȝȠȢ1058das posticum, der Eingang war nur von Westen, es waren 4 Säulen [darin], das Ganze [wirkte] wie ein Schatzhaus. Auch vorn war die ʌȡȠıIJ੺Ȣ>hier@vergittert, u[nd] an bestimmten Tagen gaben die IJĮȝ઀ĮȚhier das Geld aus. [H. fol. 64 r.: Dieses Ganze hatte also wesentlich den großen Charakter eines Schatzgewölbes.] [Die] Plast[ische] Ausstattung [des Parthenon:] 1.) Colossale Giebelgruppen, 2.) 92 Metopentafeln[,] 3.) Der Fries, [er ist] an den äußeren Cellamauern entlang [geführt], um den Fries zu sehen, mußte man sich zwischen die Säulen stellen. 528' lang. i

ʌȡંıIJĮıȚȢ : ʌȡިıIJĮıİȚȢ.

1052 Schriftquellen zur Bezeichnung des Parthenon als ਦțĮIJંȝʌİįȠȢ Jahn – Michaelis a. O. 54f. Anm. 32*. 1053 Schriftquellen: Jahn – Michaelis a.O. 53f. Anm. 32. – Zum Parthenon: Müller 1848, 94 § 109 I, 2; Brunn, GK II, 327. – Travlos, Athen 444–457; A. K. Orlandos, ਺ ਕȡȤȚIJİțIJȠȞȚț੽ IJȠ૨ ȆĮȡșİȞ૵ȞȠȢI–III (1976–1978); Svenson-Evers 1996, 228–232; Gruben 2001, 173–190; M. Korres, Die klassische Architektur und der Parthenon, in: Klassik 2002, 364–379. 1054 A. Boeckh, Die Staatshaushaltung der Athener ² II. Beilagen (1851) 145–232 Nr. X; 240–335 Nr. XII–XV B. 1055 Schriftquellen zum ʌȡંȞĮȠȢJahn – Michaelis a.O. 55 Anm. 34. 34*. 1056 Schriftquellen zum ਦțĮIJંȝʌİįȠȢȞİઆȢ Jahn – Michaelis a.O. 55 Anm. 34**. 1057 Schriftquellen zum ȆĮȡșİȞઆȞals Teil des Tempels: Jahn – Michaelis a.O. 55 Anm. 34***. 1058 Schriftquellen zum ੑʌȚıșંįȠȝȠȢJahn – Michaelis a.O. 55f. Anm. 34****.

300

[S. 68]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

16. 1. 65 Für [den] Fries: Dessines originaux de Carré, in de Labordei, Parthenon, Hawkins, Marbles of the British Museum. Henning, ann. d. inst. 1854.1059 – Es ist ein langes Basrelief[, dessen Figuren] ohne bestimmte Attribute [wiedergegeben sind], daher die Erklärung vieler Figuren ungemein schwierig. Die Darstellungii ist offenbar ein großes continuum, nirgends äußerl[ich] getheilt. Ferner ist es ein Festzug; Petersen meint, es wäre eine Combination aus verschiedenen Festen,1060 aber dies müßte angedeutet sein. Es müß[t]en hier die Panathenäen gemeint sein, denen ja auch das ganze Haus geweiht ist. Eine Copie des Festzuges ist es auch nicht; denn viel wesentl[iches] ist nicht dargestellt, so der Aufzug des Nikebildes, die Kanephoren, die Theilnehmer sind ohne Kränze, die Opferthiere ohne Binden (Curtius, Gr. Gesch. II, 267:)1061 Die Copie1062 ist keine Aufgabe der griech[ischen] Kunst[, wie die Friesdarstellung beweist]; [H. fol. 64 v.: Wie langweilig z. B.sind die Copien der Darstellungen in Persepolis.] denn der Zug sieht in Wirklichk[eit] viel besser aus. Es ist das Fest dargestellt, aber wie sich das Volk zum Feste vorbereitet u[nd] der religiöse Eifer eines Volkes zeigeniii sich am meisten in der ernsten Vorbereitung. Fries der Ostseite über 70' lang, eine Centralgruppe über der Mitte des östl[ichen] Thores: Priester u[nd] Priesterin mit den Rücken gegeneinander, vertheilen heilige Geräthe. Links junge Mädchen, welche etwas in Empfang nehmen (Nicht ਝ૦૧ȘijંȡȠȚ Schon Leake erkannte įȚijȡȠijંȡȠȚ1063rechts Übergabe eines Teppichs. Dann [links und rechts der Mittelgruppe] 2 Gruppen sitzender Gestalten. i ii iii

Laborde : la Borde. Die Darstellung : Es. zeigen : zeigt.

1059 L. de Laborde, Le Parthénon. Documents pour servir à une restauration (1848): Dessins originaux de Jacques Carre; E. Hawkins, Description of the Collection of Ancient Marbles in the British Museum VIII; E. Braun, Il fregio del Parthenone, in: Mon. Ann. Bull. Inst. 1854, 12–20 Taf. 2; Hennig, AdI 1854 ließ sich nicht verifizieren. – Müller 1848, 108f. § 118 b; Overbeck, Geschichte I 264–274. – F. Brommer, Der Parthenonfries. Katalog und Untersuchung I. II (1977); E. Berger – M. Gisler-Huwiler, Der Parthenon in Basel. Dokumentation zum Fries I. II. (1996); P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II, 163– 167; 170–172 Textabb. 63. 64 Abb. 108. 1060 C. Petersen, Die Feste der Pallas Athene in Athen und der Fries des Parthenon. Ein Vortrag (Hamburg 1855); ders., Sculpturen des Parthenon. Erklärung des inneren Frieses, in: AZ 13, 1855, 19–31. 1061 E. Curtius, Griechische Geschichte (6. Aufl.) II (1888) 333ff. 1062 Copie, im Sinne von „naturgetreue Wiedergabe“ eines Vorgangs. 1063 Aristoph., eccl. 734; av. 1551f.; Schol. ad Aristoph., av. 1552. – W. M. Leake, The topography of Athens with some remarks on its antiquities (1821) 216–225.

Die Kunst in Athen

301

Em. Braun Ann. 1851 erklärt sie als Heroen, Welcker nennt sie Gottheiten, Boetticheri sagt, es seien Menschen, die Beamten der Stadt.1064 Nach Analogie des Theseion müssen wir auch hier Gottheiten erkennen; links Zeus u[nd] Hera u[nd] Hebe (?), dann Demeter, Triptolemos u[nd] die Dioskuren (?)[.] Demeter (?) allein trägt ein Attribut, vielleicht eine Fackel, der Kopf ist abgebrochen, aber an der Brust sieht man, daß sie weibl[ich] ist. Boetticherii hält die Gestaltiii für männl[ich], mit einem Stabbündel (૧ĮȕįȠȞંȝȠȢ Die beiden [Dioskuren] sind dieਙȞĮțIJİȢdes jugendl[ichen] Triptolemos, [es ist] nicht Hephaistos [wiedergegeben]. Rechts andere Götter, am klarsten Athena mit dem Erechtheus, dem sie die Feste zeigt, sonst Aphrodite, Poseidon, Hephaistos, Ares. Jedenfalls sind die Götter menschl[ich] dargestellt in behagl[icher] Muße. An der Südostecke steht ein Herold als Zugführer, welcher die verschiedenen Züge verbindet, [es folgen zur Mitte hin] Frauen mit Schalen, Krügen, ohne Attribute, vielleicht in Metall angefügt [H. fol. 65 r.: Zweige], alle schreiten züchtig nebeneinander. Auf der anderen Seite stehende, harrende Männer, Beamte, welche die Frauen unterweisen, dann auch Frauen mit șȣȝȚĮIJȘȡ઀ȠȚȢ zum Räuchern zur Ehre der Gottheit u[nd] mit Krügen u[nd] Schaalen. Süd u[nd] Nordseite, [Dargestellt sind] nach derselben Seite ziehend[e] Züge mit Opferthieren, wie sie von den Kolonisten geliefert wurden (șİȦȡ઀ĮȚ [,] nur bei großen Festen: Stiere u[nd] Schafe (ȕȠ૨Ȣ țĮ੿ ʌȡંȕĮIJĮ șȣIJȘıȠȝ੼ȞȠȣȢinscr. v. Brea.)1065 Zu jedem Opferthier gehören 3 Personen, das vorsichtige Hüten ist ein schönes Kunstmotiv; ferner tragen die Zugteilnehmeriv Brode, Kissen, Krüge, [sind] Zither- u[nd] Flötenspieler, einfache Männerreihen, [anschließend die] Züge von Viergespannen (ਚȡȝĮIJĮ[:] Kriegs- od[er] Agonalwagen)[sind dargestellt.] Es war ein Stolz (Ar. Nub. 64) ਥȜĮ઄ȞİȚȞ ʌȡઁȢ ʌંȜȚȞ1066 Solche [Wagen-] Züge sind durch Carreyv 10 an der Südseite, 8 an der Nordseite bewiesen1067: i ii iii iv v

Boetticher : Boettiger. Siehe Fußnote I. die Gestalt : ihn. die Zugteilnehmer : sie. Carrey : Carré.

1064 E. Braun, Analisi del gruppo delle dodici figure in trono che appariscono sul fregio orientale del Parthenone, in: AdI 23, 1851, 177–214. 325; MonInst V, 26. 27; F. G. Welcker, Die zwölf Götter am östlichen Fries des Parthenon, in: AZ 10, 1852, 486–496; ders., Sculpturen des Parthenon. Die zwölf Götter im vorderen Fries, in: AZ 12, 1854, 276–288; C. Bötticher, Ueber den Parthenon von Athen und den Zeustempel zu Olympia, je nach Zweck und Benutzung, in: Zeitschrift für Bauwesen 2, 1852, 194–210. 498–520; 3, 1853, 35–44; 127–142; 269–292. 1065 IG I² Nr. 45 Z 11f.:ȕȠ૨Ȟ į੻ țĮ੿ ʌ[ĮȞȠʌȜ-/઀ĮȞ ਙʌĮ]ȖİȞ ਥȢ ȆĮȞĮș੼ȞĮȚĮ IJ੹ ȝİȖ੺ȜĮ. Zur Lesung ʌȡંȕĮIJĮ kehrt die Publikation von Berger– Gisler-Huwiler, 199 Nr. 222 zurück, s. o. Anm. 1059. 1066 Aristoph., nub. 69: ੖IJĮȞ ıઃ ȝ੼ȖĮȢ ੫Ȟ ਚȡȝ’ ਥȜĮ઄ȞૉȢ ʌȡઁȢ ʌંȜȚȞ 1067 Gurlitt: 10 an der Südseite, 8 an der Nordseite bewiesen, Hiller fol. 65 r.: 10 solche Züge an der Nordseite, 8 an der Südseite verbürgt.

302

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Wir haben nur Trümmer, so ein Stück der Nordseite. [Dargestellt sind] Eine Lenkerin1068 ruhig auf dem Wagen sitzend, dann eine heroldsartige Figur u[nd] ein nacheilender, behelmter Jüngling (der ਕʌȠȕ੺IJȘȢ, ਕʌȠȕ੺IJȘȞL ਕȖȦȞ઀ȗİıșĮȚ1069 Man sprang vom Wagen u[nd] wieder hinauf)[.] Die Frau in dem Wagen hält man für ȃ઀țȘ, Müller dachte an eine personificirte ਢȝȚȜȜĮ1070 Die Wagenlenkerinnenii scheinen wirkl[ich] symbol[haft] zu sein wegen ihrer großen Ruhe, dann folgten Reiter. – Die ganze Westseite des Frieses (70' l.) war Fortsetzung des Reiterzuges, der erst geordnetiii wird. Die Pferde werden aufgezäumt, gebändigt, eingeübt in den kurzen Galoppsprung, der Parademarsch (incessus solennis, ਥʌȚȡĮȕįȠijȠȡİ૙Ȟ1071 (Gottfr. Hermann,de verbis quibus Graeci incessum equorum indicant opusc. I, 23.)1072 beigebracht. In diesem Zug zeigte sich das ੂʌʌȚțઁȞ ȤȜ૙įȠȢ1073 [H. fol. 65 v.: der attischen Jugend], [die Köpfe] bald unbedeckt, bald mit Helm u[nd] arkad[ischen] Hüten. Es sind verschiedene ȗȣȖ੺ dargestellt, indem die hinteren Pferde vergrößert sind. Die Pferde sind sämtl[ich] klein, wie alle Thiere [H. fol. 65 v.: in der Antike]. Die Mähnen gestutzt, der Hals dick, das Auge u[nd] der Kinnbacken hauptsächl[ich] ideal dargestellt (IJઁ țȣȡIJȠ૨ıșĮȚ [.] Meist sind beide Hände mit dem Zügel beschäftigt. [S. 69]

Heft IV. Die Reiter sitzen leicht auf den Pferden, der ganze Schenkel des Reiters ist sichtbar gegen die Natur, auch hier gibt esiv Zugordner. [H. fol. 65 v.: Auch hier ist Bezug auf den Tempel: Athena hat das Zügeln der Rosse gelehrt.] Die Geräthe tragenden sind Metoiken, die die Opferthiere führenden Apoiken. – i ii iii iv

ਕʌȠȕ੺IJȘȞĮʌȠȕ‫ޠ‬įȘȞ Die Wagenlenkerinnen : Sie. geordnet : angeordnet. gibt es : ist ein.

1068 1069 1070 1071 1072

Dargestellt sind Wagenlenker, keine Wagenlenkerinnen. Plut., Phok. 20, 1. Müller 1848, 108 § 118, 2 b: Kampfgöttinnen. Xen., equ. rat. VII, 11: galoppieren. G. Hermann, Commentatio de verbis, quibus Graeci incessum equorum indicant, Ad Xenophontem de re equestri cap. VII, in: Opuscula I (1827) 63–80. 1073 Hesych. s. v. ੂʌʌȚțઁȞ ȤȜ઀įȠȢein prächtiges Reitergewand

Die Kunst in Athen

303

An jeder Schmalseite waren 14, an jeder Langseite 32 Metopen.1074 Im Brit[ish] Museum 14 [Metopen] von der Südseite1075[,] sehr zerstört.1076 An der Ostseite [zeigen die Metopen] Thaten der Götter; an der Nordseite fast nur Amazonenkämpfe, nach den Zeichnungen auch Bellerophon, den Pegasus tränkend. Auf der S[üd-]Seite 23 Tafeln [mit] Kentaurenkämpfe[n], doch kommen auch ruhige, religiöse Scenen vor, so Herse, die den Hermes trifft1077 etc. Auf der W[est]seite Fuß- u[nd] Pferdekämpfe. 17. 1. 65 Die Giebelgruppen1078. [H. fol. 66 r.: Das ist das Größte an hellenischer Plastik.] Beide Giebel sind symmetr[isch] componirt, 94' l. u[nd] 11 ½' h. (Otfr. Müller, de fastigiis Parthenonis, Abh. der Ges. der W. in Goett. Welcker, A. Denkm. I.)1079 Paus. I, 24[, 5]. Die Giebel waren zum Theil schon vor Carreyi zerstört, das westl[iche] Giebelfeld ist besser erhalten. – Westgiebel von Carreyii fast vollständig gezeichnet. Aber Carreyiii zeichnete das Blatt in 2 Hälften, die nicht genau [aneinander] paßten. Paus[anisas] l.c. sagt, der Inhalt sei, ਲ ȆȠıİȚį૵ȞȠȢ ʌȡઁȢ IJ੽Ȟ ਝșȘȞ઼Ȟ ਩ȡȚȢ ʌİȡ੿ IJોȢ ȖોȢ Aber nicht als Kampf dargestellt, sondern schon als Sieg der Athena. Die Szene spielt in Attika auf [der] Erde, daher [ist sie] begränzt von den Gewässern des Landes. In der Mitte die Athena,1080 den Triumphwagen besteigend, welchen Nike lenkte, hinter i ii iii

Carrey : Carré. Carrey : Carré. Carrey : Carré.

1074 Müller 1848, 107f. § 118, 2 a; Overbeck, Geschichte I 256–263 Abb. 47. 48. – F. Brommer, Die Metopen des Parthenon. Katalog und Untersuchung I. II (1967); E. Berger, Der Parthenon in Basel. Dokumentation zu den Metopen I. II (1986); P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II, 163. 167–170 Textabb. 62 Abb. 107. 1075 London, Brit. Mus. Cat. Smith Nr. 305–312. 315–321 (15 Metopen). 1076 Gurlitt: sehr zerstört, Hiller fol. 65 v.: Die Metopentafeln haben überall am meisten gelitten. 1077 Vermutl. Metope 14 Südseite: F. Brommer, Die Metopen des Parthenon. Katalog und Untersuchung (1967) 98f. Taf. 150. 1078 Müller 1848, 109 § 118, 2 c; Overbeck, Geschichte I 241–256 Abb. 41–46. – Brommer 1963; Palagia 1993; P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II, 160–162, 172–175 Textabb. 59–61 Abb. 109. 1079 K. O. Müller, De signis olim in postico Parthenonis sive Hecatompedi templi fastigio positis, AbhGöttingen VI (1827); F. G. Welcker, Die Giebelgruppen des Parthenon, in: Alte Denkmäler I. Die Giebelgruppen und andere Griechische Gruppen und Statuen (1849) 67–150. 1080 Athena, Figur L, London, Brit. Mus. Cat. Smith 304 L und Athen, Akrop. Mus. Inv. 6655, 7323, 6663: Brommer 1963, 39f. Taf. 64, 1; 97–101; Palagia 1993, 45f. Abb. 3. 92–94; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 l.

304

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

den Göttern standen die Gespanne. Poseidon1081 [H. fol. 66 r.: , da besiegt,] ging zu seinem Gespann nach der Rechten ab, dies Gespann war mit Seethieren (ੂʌʌંțĮȝʌȠȚ) bespannt, die Thiere selbst sind nicht erhalten, aber schlangenartige Beine ein[es] Bruchstück[es],1082 der Wagen fehlt in der Zeichnung. Poseidon unwirsch umkehrend, der Sieg war genommen durch die Schöpfung des Oelbaumes u[nd] es haben sich Stücke eines knorrigen Oelstammes erhalten (Elgin Marbles)1083 Dieser kann nur neben der Athena gestanden haben, theilweise durch die Pferde verdeckti. Die Gliederung ist einfach [so] bestimmt, daß auf der einen Seite die dem Poseidon Verwandten saßen (Meergottheiten)[,] andererseits die der Athena Verwandten (Landgottheiten.) Also rechts [(von der Mitte nach außen)] zunächst Amphitrite (o)1084, sie lenkte wahrscheinl[ich] das Gespann des Poseidon. Die Figur zwischen Poseidon u[nd] Amph[itrite] ist wohl Thetis,1085 u[nd] unterhalb der Thetis, haben wir uns den Wagen zu denken. Dann neben Amph[itrite] die Leukothea mit Palaemon (p.q.)1086 Die nächste Gruppe scheint Eros u[nd] Aphrodite auf dem Schooße der Dione, letztere halbgelagert.1087 Dann eine Figur ȆİȚșઆgenannt.1088 Die letzte sitzende Figur scheint Theseus.1089 – Auf der anderen Seite die Landgottheiten: (b.c.) Herakles u[nd] Hebe, noch erhalten an Ort u[nd] Stelle, ein bräutl[iches] Paar.1090 Dann ein Knabe zwischen einer sitzenden u[nd einer] sich aufrichtenden Göttin, Demeter mit Jakchios u[nd] Koi

verdeckt : gedeckt.

1081 Poseidon, Figur M, London, Brit. Mus. Cat. Smith 304 M, Athen, Akrop. Mus. 885 + 959: Brommer 1963, 42f. Taf. 64,1; 103–106; Palagia 1993, 47 Abb. 3. 95f.; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 m. 1082 Schlangenartige Bruchstücke: Brommer 1963, 49 Taf. 64,2; 65, 1; Taf. 118,2 (Seeungeheuer); Palagia 1993, 47f. Abb. 4. 103 (Triton). 1083 Ölbaumfragmente, London, Brit. Mus. Cat. Smith 148. 149; vgl. Brommer 1963, 41 Taf. 64. 102; Palagia 1993, 46f. (römische Fragmente). 1084 Amphitrite, Figur O, London Brit. Mus. Cat. Smith 304 O: Brommer 1963, 47f. Taf. 64, 2; 114–118, 1; Palagia 1993, 49 Abb. 4. 108. 1085 Figur N, London, Brit. Mus. Cat. Smith 303 J: Brommer 1963, 45–47 Taf. 64, 2; 111– 113; Palagia 1993, 48f. Abb. 4. 5. 105–107. 1086 Torsen P Q, London, Brit. Mus. Cat. Smith 304 PQ: Brommer 1963, 50f. Taf. 64, 2; 119–121; Palagia 1993, 49f. Abb. 4. 109–111. 1087 Torsen R, S, T, alle nur aus Zeichnungen Carreys bekannt: Brommer 1963, 50–53 Taf. 64, 2; Palagia 1993, 50 Abb. 4. 1088 Figur U, Athen, Akrop. Mus. Inv. 1363 oder 888: Brommer 1963, 54. 65 Taf. 64, 2; 123– 126; Palagia 1993, Abb. 4. 1089 Figur V, Athen, Akrop. Mus. Inv. 887: Brommer 1963, 55 Taf. 64, 2; 127f.; Palagia 1993, 51f. Abb. 4. Abb. 117f. 1090 Torsen B, C, Athen, Akropolis: Brommer 1963, 32f. Taf. 64, 1; 85–89; Palagia 1993, 41– 43 Abb. 3. 74–80; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 k.

Die Kunst in Athen

305

ra.1091 Dann die Nike,1092 oberhalb des Gespannes eine männl[iche] Figur, vielleicht Ares.1093 Die beiden Schlußfiguren[:] auf der einen Seite [die] männl[iche Gestalt] neben Herakles: gewöhnl[ich] Ilissos genannt, wohl richtiger Kephissos, denn in seiner Nähe ist der Oelwald, auch ist er bedeutender.1094 Auf der anderen Seite neben Theseus eine weibl[iche] Göttin, eine Nymphe, die des Quell der ȀĮȜȜȚȡંȘ1095den Ilissos vertretend, anmuthig mit Theseus gruppirend, als die Nährerin der theseischen Stadt.1096 Von allen diesen Figuren können wir uns nur von Poseidon u[nd] Kephissos eine Vorstellung machen; eins der schönsten Werke ist der Flußgott, vorgebeugti dargestellt, [da] thalwärts fließend. Dann die Brust des Poseidon, als Elgin dies Giebelfeld ausräumte, stürzte der Rumpf herunter u[nd] zerbrach, Bruchstücke sind also noch [in] Athen. Dann Bruchstücke der Stirn u[nd] Brust der Pallas. Endl[ich] ein Kopf, gewöhnl[ich] Junokopf genannt; früher im Besitz des Kaufmanns Weber in Venedig, jetzt im Louvre.1097 Schließlich Her[akles] u[nd] Hebe [noch] an Ort u[nd] Stelle [im Giebel]. Ostgiebel. Paus. IJ੹ İੁȢ IJ੽Ȟ ਝșȘȞ઼Ȣ Ȗ੼ȞİıȚȞ1098 Da Athena vollgerüstet aus dem [S. 70] Haupt des Zeus entspringt, (vollgerüstet mit dem Wagen Eur. Hek. 470)1099, dachte man ii sich also in der Mitte Zeus u[nd] Athena über ihm schwebend. Hier braucht es darum nicht so dargestellt worden zu sein; die Athena wird dann [nämlich] immer nur Miniatur sein. [H. fol.: 67 r.: Wir können eher bei kolossalen Marmorgruppen auf das Entgegengesetzte schließen.] Carreyiii hat diese Darstellung nicht, denn es [gab zu seiner Zeit bereits] eine Lücke in der [Giebel]Mitte für 12 Gottheiten. Die Restitution der Mitte bleibt immer zweifelhaft, jedenfalls war Athena nicht puppenhaft dargestellt, sondern Athena stand neben Zeus, wie im W[est]giebel neben Poseidon, fertig trat sie in den staunenden Kreis der Olymi ii iii

vorgebeugt : gesenkt. , dachte man : . Man dachte. Carrey : Carré.

1091 Torsen D, E, F; D und F nur in Zeichnungen, E wahrscheinlich Athen, Akrop. Mus. o. Nr.: Brommer 1963, 34f.; Palagia 1993, 43f. Abb. 3. 82. 1092 Figur G, nur in Zeichnungen erhalten: Brommer 1963, 36 Taf. 64, 1; Palagia 1993, 44 Abb. 3. 1093 Figur H, London, Brit. Mus. Cat. Smith 304 H: Brommer 1963, 37f. Taf. 64, 1; 91–93; Palagia 1993, 44 Abb. 3. 83. 1094 Figur A, London, Brit. Mus. Cat. Smith 304 A: Brommer 1963, 30f. Taf. 64, 1; 81–84; Palagia 1993, 41 Abb. 3. 71f.; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 j. 1095 Schriftquellen zu Kallirrhoe - Enneakrounos: R. E. Wycherley, Literary and Epigraphical Testimonia. The Athenian Agora III (1957) 137–142. 1096 Figur W, Athen, Akrop. Mus. o. Nr. + 1024: Brommer 1963, 56f. Taf. 64, 1; 129–131; Palagia 1993, 51f. Abb. 3. 119f. 1097 Sog. Weber-Labordsche Kopf, Paris, Louvre Ma 740: Brommer 1963, 66f. Nr. 18 Taf. 132; Palagia 1993, 24f. Abb. 3. 64; Hamiaux, Louvre I, 136f. Nr.128. 1098 Paus. I, 24, 5: ʌ੺ȞIJĮ ਥȢ IJ੽Ȟ ਝșȘȞ઼Ȣ ਩ȤİȚ Ȗ੼ȞİıȚȞ 1099 Eur., Hek. 466–471: Das Sticken des heiligen Peplos für Athena für die Panathenäen mit dem Motiv der schönen, mit jungen Pferden bespannten Wagen.

306

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

pier. In der Mitte waren entschieden Geburtsgottheiten. Also Athena u[nd] Zeus umgeben v[on] Eleithyia u[nd] Prometheus. (Eur. Ion 454[-457]) Dann zur Linken etwa Artemis, Apollon u[nd] Hera, auf der anderen Seite Poseidon u[nd] Hephaistos. Links ist erhalten am Ende: der aufsteigende Helios, die Rosse des Helios;1100 der Kopf des Gottes war selbst noch sichtbar, dann die Rosse, welche den Aufgang des Tages bezeichnen. Die Rosse waren schnaubend dargestellt, über das Gesims hervorragend. Zwischen den Köpfen waren die Wellen des Oceans angegeben. Auf der anderen Seite Selene, welche schon zu Carrey’si Zeit fehlte, zu ihrem Gespann gehört der Pferdekopf in London.1101 [H. fol. 67 r.: Also zwischen Morgen und Abend geschah das Erscheinen der Athena.] Von der Lücke, wo Selene war, kommen wir zu einer schwesterl[ichen] Gruppe.1102 Eine Frauengestalt legt sich in den Schoß der anderen, daneben eine 3. aufrechtsitzend. Alle 3 sind Schwestern, das traul[iche] Aneinanderschmiegen zeigt dies: Herse, Aglauros, Pandrosos, letztere die Ausgestreckte, Aglauros ferner dasitzend. Auf der anderen Seite neben den Pferdeköpfen [des Heliosgespannes] ein sitzenderii Heros, gen[annt] Theseus od[er] Herakles, wahrscheinl[ich] Kekrops, der Vater der 3 Schwestern, als heroischer Vertreter des Landes.1103 Dann wieder 2 Gestalten sitzend, [die eine] mit dem Kopf gerade aus, die andere dem Mittelpunkt zugewandt, auch 2 Schwestern: Thal[l]o u[nd] Auxo, die 2 att[ischen] Horen, auf mit Kissen bedeckten Felsen sitzend.1104 Die Figur weiter nach der Mitte (d) war i ii

Carrey’s : Carré’s. ein sitzender : einen sitzenden.

1100 Helios mit Viergespann, Figuren A - C; A und B: London, Brit. Mus. Cat. Smith 303 A, B; Figur C: Athen, Akrop. Mus.: Brommer 1963, 3–7 Taf. 2, 1; 20–25; Palagia 1993, 18f. Abb. 1. 64; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 a. 1101 Selene mit Viergespann, Figuren N - P; N (Selene), Athen, Akrop. Mus. 881: Brommer 1963, 22f. Taf. 2, 2; 52–55; Palagia 1993, 22f. Abb. 2. 47f.; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 h; hinterer Pferdekopf: Athen, Akrop. Mus. Inv. 827 a + 3671: Brommer 1963, 26 Taf. 62; Palagia 1993, 23 Abb. 3. 49f.; Figur O (Urpferd), London, Brit. Mus. Cat. Smith 303 O: Brommer 1963, 23f. Taf. 56–60; Palagia 1993, 23 Abb. 3. 51–53; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 i; Figuren P, Athen, Akrop. Mus.: Brommer 1963, 25f. Taf. 58–62; Palagia 1993, 23 Abb. 3. 54f. 1102 Sog. Tauschwestern, Figuren K, L, M, London Brit. Mus Cat. Smith 303 K, L, M: Brommer 1963, 17–21 Taf. 2, 2; 45–51; Palagia 1993, 21f. Abb. 2. 42–46; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 d. g. 1103 Dionysos, Figur D, London, Brit. Mus. Cat. Smith 303 D: Brommer 1963, 7–9 Taf. 2, 1; 26–32; Palagia 1993, 19f. Abb.1. 31–35; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 b. 1104 Zwei Göttinen, Figuren E, F, London Brit. Mus. Cat. Smith 303 E, F: Brommer 1963, 10f. Taf. 32–38; Palagia 1993, 20 Abb. 1. 37. 38; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 c. – Nach Pausanias IX, 35, 2 ist Thallo eine Hore, Auxo eine Charitin. Die Figuren sitzen auf Truhen.

Die Kunst in Athen

307

schon zu Carrey’si Zeiten heruntergefallen, wahrscheinl[ich] eine Nike.1105 – Erhalten[:] [H. fol. 67 v.: die 4 Hauptschätze der Elgin marbles,] 1) Kekrops, dem aufgehenden Helios zugewandt, 2.) Pferdekopf vom Gespann der Selene. 3.) die auf Steinwürfeln sitzenden Horen. 4.) Die beiden lagernden Schwestern. – [H. fol. 67 v.: In den Giebelfeldern waren die 2 Hauptsätze der attischen Religion zu erkennen]. Auf diese Werke scheint der größte Fleiß gewandt worden zu sein, [sie sind] unter den Augen des Phidias zu Stande gekommen. Beulé hält das östl[iche] Giebelfeld [für] v[on] Phidias, das westl[ich] von Alkamenes gearbeitet1106 (Tzetz. Chil. VIII, 183.)1107[,] eine falsche Ansicht. Bei den Metopen [arbeiteten zwar] Künstler verschiedener Reife, [aber] hier alles aus einem Guss. – Auch in den Giebelfeldern erkennen wir die agonistischen Motive, Athena, Siegerin im Himmel u[nd] auf Erden. – An den Giebelfeldern über 40 Colossalstatuen u[nd] über 4000 '1108 bearbeitete Marmorplatten am Tempel. 19. 1. 65 Das Olympieion.1109 Es war schon vor Phidias begonnen, nach Ol. 50 [580–577 v. Chr.], auch ein ਦțĮIJંȝʌİįȠȢaus einheimischen Kalkstein, die Bildwerke von Marmor (Paus. V, 10[, 2–10])[,] u[nd] er ist 1829 wieder aufgegraben, unter der Schlamm- u[nd] Kiesdecke des Alpheios, die Stufen sind gefunden u[nd] ein Theil der Bildwerke, zur Zeit der Occupation durch die französ[ischen] Truppen u[nd] die Ausgrabungen wurden im besten Frieden1110 getroffen. Hier ist das ganze Terrain frei ohne alle neureren Baulichk[eiten] (Curtius, Peloponnes).1111 [Der Tempel ist] ebenso angelegt wie der Parthenon. Im Pronaos ein Mosaik u[nd] die Ekcheiria.1112 In welcher Weise der ältere Tempel vollendet worden ist, wissen wir nicht, jedenfalls wurde Phid[ias] berufen u[nd] ihm die Vollendung des Tempels in Pacht gegeben. Damals wurden i

Carrey’s : Carré’s.

1105 Figur G, London, Brit. Mus. Cat. Smith 303 G: Brommer 1963, 11–14 Taf. 38–42; Palagia 1993, 20f. Abb. 1. 37. 39–41; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 109 c. – J. Carrey hat die Figur (moderne Bezeichnung: G) im Giebel gesehen und gezeichnet. 1106 E. Beulé, Les frontons du Parthenon, in: RA XI, 1854/55, 14–24. 74–88. 1107 Tzetz., hist. var. VIII, 353–364. 1108 Ƒ´ = Quadratfuß. 1109 Olympieion, der Zeustempel in Olympia: Müller 1848, 96f. § 109 II, 9. – W. Dörpfeld, Olympia II (1892) 4ff.; Mallwitz 1972, 211–234; Svenson-Evers 1996, 373–379; Gruben 2001, 56–62; W. Koenigs, Der Zeustempel im 19. und 20. Jahrhundert, in: H. Kyrieleis (Hrsg.), Olympia 1875–2000 (2002), 131–146. 1110 Nach dem Seesieg von Navarino 1827 wurde die Peloponnes 1828 durch französische Truppen von der türkischen Besatzung befreit. 1111 E. Curtius, Peloponnesos. Eine historisch-geographische Beschreibung der Halbinsel II (1852) 53–61. 1112 Paus. V, 10, 10; 26, 2: Statuengruppe des von der Ekecheiria bekränzten Iphitos, eine Weihung des Mikythos. – Mosaike im Pronaos des Zeustempels: D. Salzmann, Untersuchungen zu den antiken Kieselmosaiken, AF 10 (1982) 117f. Nr. 138. 139 (mit ält. Lit.) Taf. 71, 5. 6; 72, 1. 2 Farbtaf. 102, 4.

Die Kunst in Athen

[S. 71]

308

die beiden Giebelfelder1113 zunächst gemacht. Der Ostgiebel ist so genau beschrieben,1114 daß er zieml[ich] sicher hergestellt werden kann. Es ist ein ȞĮઁȢ ਦȟ੺ıIJȣȜȠȢ [hat] eine ʌȡંıIJĮıȚȢ [ein Stylobat] mit 3 Stufen, dann der ʌȡંȞĮȠȢvergittert, über den Säulen vergoldete Schilde, u[nd] in den Intercolumnien je 3 Schilde1115, darüber die Metopen u[nd] das Giebelfeld, auf jedem Ende des Giebelfeldes war ein vergoldetes Preisgefäß[,] eine ț੺ȜʌȚȢ1116denn der Tempel war agonistisch, denn im Inneren wurden die Sieger bekränzt. Auf der Höhe des Giebelfeldes stand eine Nike, unter ihr ein Schild mit (Curtius, Pel. II, 110.)1117 dem Gorgoneion, zum Andenken an die Schlacht bei Tanagra. Im Ostgiebel war dargestellt der Wettkampf zwischen Pelops u[nd] Oenomaos. In der Mitte Zeus der Siegverleihende, gerade unter der Nike [H. fol. 68 r.: sitzend][,] u[nd er] trennte die beiden Partheien, welche zum Kampfe zusammentraten; auf der einen Seite die Genossen des Oenomaos, auf der anderen die des Pelops. Natürl[ich] konnte nicht wildes Getümmel dargestellt werden, sondern nur die Vorbereitung. Rechts Oenomaos behelmt, neben ihm Sterope, seine Gattin, dann sein Gespann, u[nd] Myrtilos vor den Pferden sitzend u[nd] 2 mit den Pferden beschäftigte Wärter, in der Ecke der Flußgott Kladeos. Links Pelops u[nd] neben ihm Hippodameia in künstler[ischer] Prolepsis, Wagenlenker mit Viergespann u[nd] Pferdewächtern u[nd] der Flußgott Alpheios. Der Westgiebel ist weniger klar1118, es war[en] dargestellt das Hochzeitsfest des Peirithoos u[nd] die Schlacht der Kentauren u[nd] Lapithen, erstere rauben Mädchen u[nd] Knaben. Es eilen Kaineus u[nd] Theseus zu Hilfe, Thes[eus] verthei-

1113 Die Giebel des Zeustempel von Olympia waren zur Zeit von E. Curtius’ Vorlesung nicht bekannt. – Vgl. zu den Giebeln G. Treu, Olympia III (1897); H.-V. Herrmann (Hrsg.), Die Olympia-Skulpturen, WdF 577 (1987); U. Sinn, AA 1994, 585–602; H. Kyrieleis, Zeus and Pelops in the east pediment of the temple of Zeus at Olympia, in: The interpretation of architectural sculpture in Greece and Rome. Proceedings of the symposium Washington 1993 (1997) 12–27; G. Kaminski, in: Bol, Bildhauerkunst II, 33–46 Textabb. 13– 15 Abb. 43. 1114 Paus. V, 10, 6. 7. 1115 Nach Paus. V, 10, 5 waren 21 vergoldete Schilde als Weihung des Mummius am Gebälk des Tempels aufgehängt. Zehn waren an den Metopen der Ostseite, elf an den östlichen Metopen der Südseite befestigt. 1116 Nach Paus. V, 10, 4 stand auf jeder Ecke des Tempels eine vergoldete Ȝ੼ȕȘȢeine Schale für einen Dreifuß, d. h. also ein Dreifuß mit Schale. 1117 E. Curtius, Peloponnesos. Eine historisch-geographische Beschreibung der Halbinsel II (1858) 110. 1118 Paus. V, 10, 8.

Die Kunst in Athen

309

digte sich mit der Axt gegen 2 Kentauren, in den Ecken waren Gefallene, wie in Aegina. Peirithoos galt als Sohn des Zeus u[nd] Theseus war den Pelopiden verwandt. – Die Composition muß freier u[nd] lebhafter gewesen sein. Beide Giebelfelder waren nicht von Phidias, sondern der Ostgiebel von Paionios u[nd] der Westgiebel von Alkamenes. – Außer diesen Giebelfeldern waren auch Metopen [skulpiert],1119 und zwari über den Säulen u[nd] Anten des ʌȡંȞĮȠȢan der Ostwie Westseite, von ihnen sind Bruchstücke gefunden, besser erhalten an der Westseite, sie haben 5 ', sie sind beim Herabstürzen zertrümmert. Auf der 1.) eine im Sitzenii, zuschauende Göttin od[er] Nymphe, vielleicht Stymphalis,1120 2.) der Nemeische Löwe todt auf der Erde liegend, Herakles stellt den Fuß auf ihn,1121 [3.)] Her[akles] den Stier beim Horne fassend,1122 4.) ein Herakleskopf.1123 Der Stil dieser Metopen ist sehr abweichend von der Plastik am Parthenon, [H. fol. 68 v.: es ist eine gewisse derbe, bäurische Art,] es fehlt das geistige Element, u[nd] diese Werke scheinen peloponnes[ischen] Künstlern ihre Vollendung zu verdanken. Einiii anderer von att[ischen] Künstler erbauter Tempel liegt in Bassae, in SüdArkadien bei Phigalea,1124 hoch im Gebirge, unter dem Gipfel des Kotylion, wo die Vegetation schon aufzuhören anfängt[,] 3000' h. Zieml[ich] wohl erhalten u[nd] von Baron Stackelberg wieder aufgefunden, er ist ein Tempel des Apollon ਥʌȚțȠ઄ȡȚȠȢ1125Ferner gelang es[,] den ganzen Fries wieder zu finden aus dem Schutte, Fries des Tempels v[on] Phigalia (Stackelberg, Apollotempel v[on] Basi ii iii

und zwar : auch. Sitzen : sitzend. Ein : An ein.

1119 Müller 1848, 110f. § 119, 2; Overbeck, Geschichte I 328–331 Abb. 60. 60 a. – G. Kaminski, in : Bol, Bildhauerkunst II, 33. 39f. 46f. Textabb. 12 Abb. 44 (ält. Lit.). 1120 Westseite, 3. Metope, Paris, Louvre Ma 717: Hamiaux, Louvre I, 115–117 Nr. 103–105 ; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 44 e. 1121 Westseite, 1. Metope, Paris, Louvre Ma 718: Hamiaux, Louvre I, 112f. Nr. 100. 1122 Westseite, 4. Metope, Paris, Louvre Ma 716: Hamiaux, Louvre I, 118–120 Nr. 106; Bol, Bildhauerkunst II, Abb. 44d. 1123 Vermutl. Westseite, 6. Metope, Paris Louvre Ma 724 A: Hamiaux, Louvre I, 122f. Nr. 109. 1124 Müller 1848, 97 § 109, II, 12. – F. A. Cooper – N. J. Kelly, The Temple of Apollo Bassitas I. III. The Architecture (1996); Svenson-Evers 1996, 197–211; Gruben 2001, 128– 135. 1125 Paus. VIII, 30, 4; 41, 7.

310

[S. 72]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

sae)1126 jetzt im Brit[ischen] Museum.1127 Auch hier gibt esi eine Legende von der Pest. Da die Pest, welche Athen verheerte, den Peloponnes nicht berührte, ist die Angabe unsicher. Jedenfalls ist dieser Tempel nach dem Parthenon gebaut; Iktinos wurde nach Arkadien berufen1128 u[nd] er scheint nach dem Nikiasfrieden gebaut zu sein. (Petersen, Über das Leben des Hippokr. Phill. 18491129[,] c[a.] 419 gebaut.) Der Tempel ist gerade gegen Norden orientirt, man meinte, weil der Nordwind bes[onders] heilsam gewesen sei. Dann sind die inneren Säulen nicht frei [stehend], sondern sind nur Pilaster, mit den Seitenwänden der Cella verbunden, Nischen bildend, es ist also nur ein Mittelschiff mit Seitennischen. Ferner ist der Fries nicht außen um die Cella, sondern innen oberhalb der Pilaster [entlanggeführt]. – Auf der einen Seite der Kampf gegen die Amazonen,1130 auf der anderen Seite: Kentaurenkämpfe,1131 in der Mitte das Gespann des Apollo mit Hirschen bespanntii, v[on] Artemis gelenkt, Apollo kommt mit dem Bogen den Freunden zu Hülfe.1132 Diese Gruppe theilte den Fries in 2 Theile u[nd] war gerade dem Eingang gegenüber. – Dieser Fries zeigt einen großen Unterschied von den att[ischen] Reliefs. Die Darstellung ist geistvoll, bewegt, reich an verschiedenen Situationen, aber eine Häufung der Motive, gegen die Klarheit der att[ischen] Reliefs. Es1133 tritt zuweilen Unklarheit ein, bes[onders] in der Behandlung der Gewänder. – Die Kampfscenen sind gewaltsam, drängen sich, es ist absichtl[ich] das Rührende gewählt. Im Kentaurenkampf übermäßige Bewegung; Ein Kentaur beißt einen Lapithen in den Nacken, der Lapith sticht ihn dafür in die Brust, zugleich schlägt der Kentaur hinten aus, ein Lapith parirt, unten ein gefallener Kentaur.1134 Dann i ii

Gibt es : ist. bespannt : gespannt.

1126 O. M. v. Stackelberg, Der Apollotempel zu Bassae in Arcadien und die daselbst ausgegrabenen Bildwerke (1826). 1127 London, Brit. Mus. 510–542. 1815–10–20–42 – 1815–10–20–325: Müller 1848, 111f. § 119, 3; Overbeck, Geschichte I 331–341 Abb. 61. 62. – B. C. Madigan–F. A. Cooper, The Temple of Apollo Bassitas II. The Sculpture (1992); D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 191f. 199–201 Abb. 119. 1128 Paus. VIII, 41, 7–9. 1129 C. Petersen, Zeit und Leben des Hippokrates, Philologus 4, 1849, 252–258. 1130 London, Brit. Mus. 531–542: B. C. Madigan–F. A. Cooper, The Temple of Apollo Bassitas II. The Sculpture (1992) 70–78 Taf. 45, 140–49, 151. 1131 London, Brit. Mus. 520–530: ebenda 78–83 Taf. 42, 129–45, 139. 1132 London, Brit. Mus. 523: ebenda Taf. 43, 132. 1133 Gurlitt: Es, Hiller fol. 69 r.: Durch die wilden Bewegungen. 1134 London, Brit. Mus. 527: ebenda Taf. 44, 136.

Die Kunst in Athen

311

der Kaineus, der in den Boden gestampft wird.1135 (Overbecki p. 335)1136 (Paus. 41.)1137 Tempel v[on] Delphi.1138 In Delphi arbeiteten Praxias (Schüler des Kalamis) u[nd] Androsthenes, Athener, nachher Eukadmos1139 an den Giebelfeldern (Paus. X, 19.)1140 Wir haben noch eine andere Quelle, den Ion des Eur[ipides] in der Ȇ੺ȡȠįȠȢ >–@ į઀įȣȝĮ ʌȡંıȦʌĮ sind die beiden Vorderseiten des Tempels, (daher ij૵Ȣ țĮȜȜȚȕȜ੼ijĮȡȠȞ Der Tempel war auch hier älter u[nd] auf Veranstalten der Amphiktyonen ausgeschmückt, Einfluß der Perikleischen Bestrebungen. Von den Giebeln selbst1141 können wir uns keine Vorstellung machen, wahrscheinl[ich] ausgeführt c[a.] Ol. 90 [420–417 v. Chr.]. Alles, was wir wissen, ist, im Osten war[en] Apollo, Artemis, Leto u[nd] die Musen dargestellt; im Westen: Dionysos mit den Thyiaden u[nd] ein untergehender Helios. Denn das delph[ische] Jahr war getheilt zwischen Dionysos u[nd] Apollon; dies war der Inhalt der ganzen delph[ischen] Religion. [H. fol. 69 v.: Ohne Zweifel war der Gegensatz heiterer Ruhe und heftiger Bewegung, apollinischen und dionysischen Wesens dargestellt.] – 20. 1. 65 Die Propyläen,1142 der Thorbau am Aufgang der [Athener] Burg, das Werk des Mnesikles,1143 wie Iktinos Baumeister des Parthenon [war]. Dies Thor, ein Prozessionsthor[,] sollte den ganzen westl[ichen] Aufgang sperren. [H. fol. 70 r.: Das Gebäude sollte die Festversammlung vor dem Feste aufnehmen.] So entstand ein 3theiliges Gebäude: in der Mitte das eigentl[iche] Thor, dies sind die eii

Overbeck : Overweg.

1135 1136 1137 1138 1139

1140 1141 1142

1143

London, Brit. Mus. 530: ebenda Taf. 45, 139. Overbeck, Geschichte I 336. Paus. VIII, 41, 7–9. F. Courby, FdD II. La terrasse du temple (1927); Maaß 1993, 99–124; Svenson-Evers 1996, 330–356; Gruben 2001, 75–81. Praxias, Androsthenes, Eukadmos: Müller 1848, 101 § 112, 1; Brunn, GK I, 247–250; Overbeck, Geschichte I 220. – Loewy 1885, 101–103 Nr. 127. 127 a; 109 Nr. 146; Svenson-Evers 1996, 335 Anm. 23; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 45 s. v. Androsthenes (E. Paul); 224 s. v. Eukadmos (M. Flashar); 2, 304 s. v. Praxias (III) (M. Flashar). Paus. X, 19, 4. – Nach Pausanias a. O. war Androsthenes Schüler des Eukadmos. B. S. Ridgeway, Hellenistic Sculpture I. The Styles of ca. 331–200 B. C. (1990) 17–21 Abb. 4–6 Taf. 2 a.b. 3; Maaß 1993, 122f. Abb. 49; C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 370 Abb. 336. Travlos, Athen 482–493; Svenson-Evers 1996, 254–267; Gruben 2001, 191–202; W. B. Dinsmoor Jr., The Propylaia to the Athenian Acropolis I. The Predecessors (1980); W. B. Dinsmoor, W. B. Dinsmoor Jr., The Propylaia to the Athenian Acropolis II. The Classical Building (2004). Zu Mnesikles s. o. Anm. 939.

312

[S. 73]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

gentl[ichen] ʌȡȠʌ઄ȜĮȚĮ1144 [und zwar]in der Mitte 6 jon[ische] Säulen, davor eine Reihe dor[ischer] Säulen, dann das Thor, darauf die obere Halle. Seitlichi 2 Flügel bis an die Ränder des Burghügels. Der Nordflügel hatte einen äußeren u[nd] inneren Raum, letzteres die Pinakothek, davor die Hallen. Dann der südl[iche] Flügel zum Theil zerstört, seine Construction ist nicht ganz klar, auf ihm steht der fränk[ische] Thurm. Jedenfalls war er kleiner u[nd] wohl für die Burgmannsch[aft] bestimmt. Die südl[iche], kimon[ische] Mauer lief in einem Thurm ʌ઄ȡȖȠȢaus, daran nördl[ich anschließend] die große Freitreppe, u[nd] auf dem Thurm die [Tempelanlage der] Nike ਙʌIJİȡȠȢ Es fragt sich, ob unterhalb [der Propyläen] noch ein Abschluß war, da liegt nun ein Thor, von Beulé aufgegraben, aber aus byzantin[ischer] Zeit,1145 wahrscheinl[ich] haben unten Thürme gestanden, ohne eigentl[iches] Thor. – Besonders bewundert wurden die Propyläen, weil das Bauwerkii auf abschüssigem Boden stand. – Der nördl[iche] Flügel, 36' br[eit], der südl[iche] kleiner. Zu den Propyläen führte eine mächtige Freitreppe, von der einige Stufen erhalten sind. Wann der Niketempel1146 gebaut ist[, ist] nicht gewiß. Ross u[nd] Ad. Michaelis (Arch. Z. 1862)1147 setzen ihn in die Zeit des Kimon. Die Nike war nur die Athena als Nike. Keine personificirte Victoria, sonst hätte sie Flügel haben müssen, wie alle allegor[ischen] Gestalten der späteren Kunst. Sie hielt den Helm in der Hand, als Symbol des ausgekämpften Streites, in der anderen Hand den Granatapfel, also Friede nach blutigem Kampfe; denn der Granatapfel ist Symbol des Kampfes (Boetticheriii, Baumcultus p. i ii iii

Seitlich : Dann. das Bauwerk : es. Boetticher : Boettiger.

1144 Schriftquellen zu ʌȡȠʌ઄ȜĮȚĮJahn – Michaelis a.O 42f. Anm. 19. 19*. 1145 E. Curtius, AZ 12, 1854, 199. – Travlos, Athen 360 Abb. 462f. S. 483. 1146 L. Ross–E. Schaubert –C. Hansen, Die Akropolis von Athen nach den neuesten Ausgrabungen. I. Der Tempel der Nike Apteros (1839). – Travlos, Athen 148–157; I. S. Mark, The sanctuary of Athena Nike in Athens. Architectural stages and chronology, Hesperia Suppl. 26 (1993); Svenson-Evers 1996, 214–236, bes. 233f.; W. Hoepfner, Propyläen und Nike-Tempel, in: W. Hoepfner (Hrsg.), Kult und Kultbauten auf der Akropolis. Internationales Symposion 1995 in Berlin (1997) 160–177; Gruben 2001, 202–209. 1147 A. Michaelis, Die Balustrade am Tempel der Athena Nike, in: AZ 20, 1862, 249–267 Taf. 162.

Die Kunst in Athen

313

471 (?))1148 Dieselbe Idee ist im Friese1149 dargestellt, auf 3 Seiten sind Kämpfe: 1.) gegen die Amazonen[,] 2.) gegen die Perser, 3.) von Hellenen gegen Hellenen, das kann sich wohl nur auf Schlachten wie bei Plataeae beziehen[,] 4.) über der Vorderseite eine friedl[iche], ruhige Darstellung (Overbecki p. 384.)1150[,] nicht mit Sicherheit zu deuten, offenbar ist es eine Götterversammlung, [die Götter] sitzend u[nd] stehend. Endl[ich] gehörte zum Tempel eine Balustrade, denn der Thurm hatte die Analogie eines Befestigungsthurmes; denn an der rechten Seite eines befestigten Thores war [üblicherweise] ein Thurm, daher eine Balustrade, um die Vertheidiger des Thores zu schützen. Hier an der Brustwehr [waren] Darstellungen, die zum Schönsten gehören, Niken Opferthiere bringend, Tropäen errichtend, sitzend, die Sandalen lösend.1151 Der Tempel der Athena Polias od[er] das Erechtheion.1152 Die Geschichte des Heiligthums enthält eine ganze hellen[ische] Religionsgeschichte. (Otfr. Müller, de vasis Minervae Poliadis.1153 Boeckh, corp. inscr. [graec. I] 1601154. Inwood, v[on] Quast übersetzt.1155 Thiersch u[nd] Boetticherii.1156 [(]Ersterer meinte, es sei der alte Königspalast, dagegen Boetticheriii mit Recht, denn wie sei aus einem Prii ii iii

Overbeck : Overweg. Boetticher : Boettiger. Boetticher : Boettiger.

1148 C. Boetticher, Der Baumcultus der Hellenen nach den gottesdientlichen Gebräuchen und den überlieferten Gebräuchen dargestellt (1856) 471–485 (zur „Granate“). 1149 Fries des Athena Nike-Tempels, London, Brit. Mus. 421–424; Athen, Akropolis und Akrop. Mus.: Müller 1848, 109f. § 118, 3; Overbeck, Geschichte I 282–286 Abb. 52. – C. Blümel, Der Fries des Tempels der Athena Nike, JdI 65/66, 1950/51, 135–165; T. Hölscher, Griechische Historienbilder des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. (1973) 91–98; E. B. Harrison, The glories of the Athenians. Observations of the program of the temple of Athena Nike , in: The interpretation of architectural sculpture in Greece and Rome. Proceedings of the symposium Washington 1993 (1997) 108–125; I. Trianti, ȉȩ ȂȠȣıİȓȠ ǹțȡȠʌȩȜİȦȢ (1998) 360ff. Abb. 385ff. 1150 Overbeck, Geschichte I 282f. 1151 Fries der Balustrade des Athena Nike-Tempels, Athen, Akrop. Mus.: Overbeck, Geschichte I 286–288 Abb. 53. – Brouskari, Acropole 171–179 Abb. 332–347; P. C. Bol, D. Kreikenbom, in : Bol, Bildhauerkunst II, 181 Textabb. 68 ; 200f. Abb. 129. 1152 Müller 1848, 96 § 109, I, 4. – J. M. Paton–H. Ph. Stevens, The Erechtheum (1927); Travlos, Athen 213–227; Gruben 2001, 209–222. 1153 K. O. Müller, Minervae Poliadis sacra et aedes in arce Athenarum. Adiecta est interpretatio inscriptionis Atticae quae ad architecturam aedis hujus pertinet (1820). 1154 CIG I Nr. 160, S. 261–286 mit Abb. 1–16. – IG I² Nr. 372. 1155 H. W. Inwood, Das Erechtheion zu Athen nebst mehren noch nicht bekannt gemachten Bruchstücken der Baukunst dieser Stadt und des übrigen Griechenlands. Mit Verbesserungen und vielen Zusätzen herausgegeben [...] durch F. v. Quast (1862). 1156 F. Thiersch, Über das Erechtheum auf der Akropolis zu Athen, in: AbhMünchen 5, 3 1849) 79–185 Taf. 1–5; ders., AbhMünchen 6, 1 (1850) 99–250; C. Bötticher, Der Poliastempel als Wohnhaus des Königs Erechtheus nach der Annahme von Fr. Thiersch (1851).

314

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

vathaus ein Götterhaus geworden.) Es ist das älteste aller Burggebäude, durch die Perser zerstört, unter Perikles ein Neubau begonnen, die Wiederherstellung [des alten Baus] wurde schon früher begonnen, aber der Bau rückte langsam vor. 409 war der Tempel noch unvollendet u[nd] damals wurde eine Commission ernannt, um festzustellen, was fertig, unfertig, halbfertig sei. Abweichend [vom Normaltempel] wegen seiner Vieltheiligk[eit], es ist näml[ich] wesentl[ich] ein Doppelheiligthum, [in dem] Poseidon u[nd] Athena verehrt [wurden]. [Und zwar] Poseidon Erechtheus u[nd] Athena Polias, die einst gestritten hatten u[nd] jetzt das Ganze behüteten. Hier waren beide Symbole göttl[icher] Macht, 1. der Salzquell, den Pos[eidon] mit dem Dreizack hervorrief u[nd 2.] der Oelbaum, den Ath[ena] schuf. Es war der Hauptcultus der Stadtgöttin, hier war ihr altes, vom Himmel gefallenes Holzbild, hier habe sie vom Land Besitz genommen, hier war der ਙıȕİıIJȠȢ Ȝ઄ȤȞȠȢ der Tag u[nd] Nacht brannte.1157 Hier hatte sie den Erichthonios, als die haushütende Schlange eingeführt, es ist der von Athena gepflegte Urkönig u[nd] älteste Priesterkönig des Landes, der ihre Feste gegründet hatte. – [Der Tempel setzt sich aus folgenden Heiligtümern zusammen:] 1. Die Cella der Athena Polias gegen Osten gerichtet. Sie hat vorn 6 jon[ische] Säulen ʌȡંıIJĮıȚȢ ਲ ʌȡઁȢ ਪȦ1158 hier war der Haupteingang u[nd] dieser Tempel war der tägl[ichen] Verehrung offen, das eigentl[iche] Mutterheiligthum, hier [stand] das alte Athenabild, in der Mitte der Thür gegenüber, dort der Thron der Priesterin, dort die ewige Lampe, ein großer Leuchter, der alle Jahre nur einmal mit neuem Oel versehen wurde, der Dunst der Lampe wurde durch einen ehernen Palmbaum ins Freie geführt, ein Werk des Kallimachos,1159 zur Zeit des Perikles, derselbe der das Korinth[ische] Kapitäl erfand.1160 Vor der Ostfront war der Hauptaltar der Athena. [2.] Von diesem östl[ichen] ist der westl[iche] Theil gänzl[ich] getrennt, das Heiligthum des Poseidon Erechtheus, dort stand der Thron des Poseidonpriesters aus der Familie der Eteobutaden. Hier waren Altäre für Poseidon Erechtheus, Hephaistos u[nd] den Heros Butes. Dieser Theil hatte, wie der andere Theil, Krypten. – [3.] Dieser Tempel hatte Anbauten[:] Die nördl[iche] Halle, eine große jon[ische] Halle, welche durch eine prächtige Thür in den Tempel des Poseidon führte, ferner die südl[iche] Halle [H. fol. 71 r.: der balkonartige Ausbau] der Koren, Karyatiden Halle. – Zu beiden ging südlich der

1157 Strab. IX, 1, 16 p. 396: ਕȡȤĮ૙ȠȢ ȞİઅȢ ੒ IJોȢ ȆȠȜȚ੺įȠȢ, ਥȞ મ ੒ ਙıȕİıIJȠȢ Ȝ઄ȤȞȠȢPaus. I, 26, 6.7; weitere Schriftquellen: Jahn – Michaelis a.O. (Anm. 1051) 69 Anm. 38. 1158 IG I² Nr. 372 Z. 161f 1159 Kallimachos: Müller 1848, 93 § 108, 3; 101 § 112, 1; 116f. § 123, 1; Brunn, GK I 225. 251–257. 301; II 125. 157. 330. 398. 407; Overbeck, Geschichte I 279f. – Stewart 1990, 271f. et passim; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 393–396 s. v. Kallimachos (H. Büsing). 1160 Vitr. IV, 1, 9.

Die Kunst in Athen

315

Halle ein Gemach nach außen mit Pilastern versehen u[nd] mit Fenstern. – [S. 74] Die Karyatiden1161 hießen in den Inschr[iften] nur țંȡĮȚ1162 6 att[ische] Jungfrauen, dargestellt im Dienst der Athena, im vollen Festschmuck, in faltigem Chiton von feiner Leinwand, durch einen Gürtel aufgeschürzt, darüber der țંȜʌȠȢ des Gewandes. Darüber ein įȚʌȜȠ૘įȚȠȞ1163 eini Überwurf, [es sind] gesunde, stämmige Bürgertöchter. Die Kunst zeigt sich bes[onders] darin, daß [die] Freiheit der Bewegung mit der Ruhe einer architekton[ischen] Figur verbunden ist. Im Antlitz [der Mädchen] ein frommer Ernst. Auch Fragmente des Frieses sind gefunden.1164 Marmorfiguren, welche auf dem äußeren Fries der Cella angebracht waren u[nd] zwar aus eleusin[ischem] schwarzen Stein, von dem sich die weißen Marmorskulpturen abhoben. An Kunstwert weit nachstehend. (Overbeckii p. 277.)1165 Ein Theil der Friese können wir in den Inschr[iften] nachweisen1166. Ferner ein jon[ischer] Tempel am Ilissos, den Stuart noch erhalten sah.1167 Als Marquis de Nointeliii hinkam, war er noch wohl erhalten, leider ! ließ der französ[ische] Gesandte ein kathol[isches] Hochamt celebriren, dadurch hielten ihniv die Griechen für entweiht u[nd] jede Spur des Tempels ist verschwunden.1168 i ii iii iv

ein : einen. Overbeck : Overweg. de Nointel : Lointel. ihn : es.

1161 Koren des Erechtheion, London, Brit. Mus. 407; Athen, Akrop. Mus.: Müller 1848, 95 § 109, I, 4; Overbeck, Geschichte I 274–278 Abb. 50 a. – H. Lauter, Die Koren des Erechtheion, AntPl 16 (1976); A. Scholl, ȋȠȘijંȡȠȚ Zur Deutung der Korenhalle des Erechtheion, in: JdI 110, 1995, 179–212; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 220–222 Abb. 152–154 1162 IG I² Nr. 372 Z. 86. 1163 Poll. VII, 49. 1164 Friesfrgte., Athen, Akrop. Mus. 1071–1078; 1133; 1195ff.: Müller 1848, 95 § 109, I, 4; Overbeck, Geschichte I 278–282 Abb. 51. – P. N. Boulter, The Frieze of the Erechtheion, AntPl 10 (1970); K. Glowacki, Hesperia 64, 1995, 325–331 Taf. 65. 66; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 223 Abb. 159–162. 1165 Overbeck, Geschichte I 278. 1166 IG I² Nr. 372–374, vgl. bes. Nr. 374 Z. 160–185. 1167 Tempel am Ilissos: J. Stuart – N. Revett, The Antiquities of Athens I (1762) 7–11 Taf. II, 1–II, 8. – Travlos, Athen 112–120; C. A. Picon, The Ilissos-Temple reconsidered, in: AJA 82, 1978, 47–81; Svenson-Evers 1996, 223–226; Gruben 2001, 30. 205–207. 237. 451. 1168 Der in die Kirche Panaghia stin Petra umgewandelte Tempel wurde 1778 von den Türken abgerissen, um Baumaterial für die 1779 errichtete türkische Stadtmauer Athens zu gewinnen, Travlos, Athen 113.

316

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Die Gebäude in Eleusis1169 von Xenokles u[nd] Metagenes,1170 bes[onders] interessant, bei diesem ਕȞ੺țIJȠȡȠȞ kam es darauf [an], ein Gemeindehaus, eine Art Kirche zu bauen, die Überreste sind aber [für eine Rekonstruktion] zu gering, groß, quadratisch, mit Säulenhallen u[nd] durch die Kuppel beleuchteti. [Weitere Beispiele zur Bautätigkeit im hochklassischen Attika zur Zeit des Phidias sind:] Der Tempel der Athena auf Sunion u[nd] das Propylaion dazu1171, ferner die Tempel in Rhamnus.1172 – 23. 1. 65 Von den Schülern des Phidias. Sie waren aus den verschiedensten Theilen Griechenlands. (Plin. XXXVI, 17[: Agorakritos].) Alkamenes, ein Athener od[er] Lemnier.1173 [Seine Werke:] Die Aphrodite ਥȞ ț੾ʌȠȚȢ am Ilissos aufgestellt, bes[onders] wegen der zarten Ausführung der Details bewundert [.] (Plin. XXXVI, 49)1174 Phidias soll die letzte Hand angelegt [haben]. Hekate ਥʌȚʌȣȡȖȚį઀Į, dreigestaltig, auf dem Pyrgos: (Arch. Zeitung 1843 p. 132.)1175[,] Athena u[nd] Herakles, welche von Thrasybul (Paus. IX, 11[, 6]) nach Theben gestiftet wurden, in das dortige ਺ȡĮțȜİ૙ȠȞ Dann ein Dionysos im ȁȚȝȞĮ૙ȠȞ von Gold u[nd] Elfenbein (Paus. I, 20),1176 ein Asklepios in Mantineia,1177 auch Gold i

durch die Kuppel beleuchtet : Kuppelbeleuchtend.

1169 s. o. Anm. 924. 1170 Metagenes, Xenokles: Plut., Per. 13, 4. – Müller 1848, 96 § 109, I, 5. – Svenson-Evers 1996, 237–251; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 79 s. v. Metagenes (II) (R. V.); 520 s. v. Xenokles (II) (R.V.). – Nach Plut., Per. 13, 4 war Baumeister des Telesterion in Eleusis Koroibos, dazu Metagenes aus Xypete, der die oberen Säulenhallen, und Xenokles aus Cholargos, der das Anaktoronoben mit einem Opaion abschloß. 1171 Gemeint ist der Poseidon-Tempel von Sounion, nicht das Heiligtum der Athena Sounias. Zum Poseidon Tempel s. o. Anm. 925. 1172 Müller 1848, 96 § 109, I, 6. – Travlos, Attika 388–403; V. Petrakos, Rhamnous (1991). 1173 Plin., n. h. XXXVI, 16: Athener; Suid. s. v. ਝȜțĮȝ੼ȞȘȢLemnier. – Müller 1848, 101 § 112, 1; 106 § 117; 110 § 119, 2; 560 § 366, 5; 573 § 372, 2; Brunn, GK I 166. 195. 234– 239. 301–303; Overbeck, Geschichte I 213–218. 271f. – Stewart 1990, 164f. 237–239. 267–269 et passim; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 24–26 (W. Müller). 1174 Plin., n. h. XXXVI, 16. – Aphrodite in den Gärten, vermutl. Vorbild der nahezu zeitgenössischen Aphroditestatue in Daphni, Athen, Nat. Mus. Inv. 1604: A. Delivorrias, Die Kultstatue der Aphrodite von Daphni, AntPl 8 (1968) 19–31 Taf. 7–9; LIMC II (1984) 30–32 Nr. 193 (vgl. Nr. 194–196). 200f. s. v. Aphrodite (A. Delivorrias) Taf. 21–23; A. Delivorrias, in: Klassik 2002, 348f. Kat.-Nr. 230.231; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 194–197 Textabb. 75 Abb. 121–123. 1175 Paus. II, 30, 2. – E. Gerhard, Die dreifache Hekate, in: AZ 1, 1843, 132–136 Taf. 8. – Zum Typus der Hekate Epipyrgidia des Alkamenes T. Brahms, Archaismus. Untersuchungen zu Funktion und Bedeutung archaistischer Kunst in der Klassik und im Hellenismus (1994) 151–179. 309–314 Kat. Nr. 22–29 Abb. 38–47. 1176 Paus. I, 20, 3; Harp. s. v. ਥȞ ȁ઀ȝȞĮȚȢ ǻȚȠȞ઄ıȚȠȞ – Zum Typus: N. Hackländer, Der archaistische Dionysos (1996) 97–99. 1177 Paus. VIII, 9, 1.

Die Kunst in Athen

317

u[nd] Elfenbein; hier scheint er am meisten Originalität gezeigt zu haben; ein Hephaistos in Athen, göttl[iches] Ideal dargestellt, doch die Lahmheit sichtbar. (Cic. de nat. deor. I, 30)1178 Kämpfer- u[nd] Siegerstatuen.1179 (Paus. V, 10[, 8]) nennt Alkamenes, den 2. nach Phidias, was den hohen Kunstverstand betrifft. Ihm übergab Phid[ias] die Herstellung des westl[ichen] Giebels des Olympieion.1180 Thrasymedesi, Sohn des Arignotos[,] aus Paros,1181 [schuf] ein Goldelfenbeinbild des Asklepios in Epidauros, es war halb so groß (Paus. II, 24) wie [der] Zeus Olympios, ganz im Stil des großen Vorbilds, er war dargestellt, die Hand auf die Schlange legend (anguis mansuetus);1182 [abgebildet] auf einer Münze aus Epidauros im Berl[iner] Münzcabinet.1183 Er muß vor dem peloponn[esischen] Krieg geschaffen sein, od[er] nach dem Frieden des Nikias. – Theokosmos aus Megara1184 (Paus. I, 40, 3), [gestaltete] eine Zeusstatue in der Vaterstadt, dabei von Phidias unterstützt.1185 Bes[onders] von den Inseln kamen kunstbegabte Leute, so Agorakritos aus Paros,1186 ein tüchtiger Künstler, er stand demii Phidias so nah, daß Phid[ias] einige seiner Werke dem Agorakritos schenkte (Plin. XXXVI, 16.)1187 Am berühmtesten ist die Nemesis in Rhamnus,1188 nördl[ich] von Marai ii

Thrasymedes : Thrasymedes dem : mit.

1178 Cic., nat. deor. I, 30, 83. – Hephaistos des Alkamenes, zum Typus: E. B. Harrison, AJA 81, 1977, 137–178. 411–426; LIMC IV (1988) 634–636 Nr. 67–81 s. v. Hephaistos (A. Jacquemin) Taf. 388–389. 1179 Plin., n. h. XXXIV, 72. 1180 Olympieion, der Zeustempel in Olympia. – Paus. V, 10, 8. 1181 Thrasymedes: Brunn, GK I 184. 246. 300. 621; Overbeck, Geschichte I 220. – Lippold, Plastik 230f.; Stewart 1990,168. 170. 196. 273f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 463– 465 s. v. Thrasymedes ((P. Heesen). 1182 Paus. II, 27, 2. – Asklepios-Kultbild in Epidauros, zum Typus: B. Krause, Zum Asklepios-Kultbild des Thrasymedes in Epidauros, AA 1972, 240–257; LIMC II (1984) 871f. Nr. 44–51; 874 Nr. 84; 893 s. v. Asklepios (B. Holtzmann) Taf. 636. 637. 641. 1183 Silbermünze, aus Epidauros, 4. Jh. v. Chr., Berlin, Münzkabinett: Krause a. O. 247 Anm. 11, 1. 2 Abb. 14. 15. 1184 Theokosmos: Müller 1848, 101 § 112, 1; Brunn, GK I 245f. 275–277. 300f.; Overbeck, Geschichte I 220. 325. – Lippold, Plastik 203f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 455f. s. v. Theokosmos (R. V.). 1185 Paus. I, 40, 4. 1186 Agorakritos: Müller 1848, 101 § 112, 1; 106 § 117; Brunn, GK I 184. 191. 239–242. 300f.; Overbeck, Geschichte I 218f. – Lippold, Plastik 187–189; Stewart 1990, 267–270; 320 et passim; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 14f. s. v. Agorakritos (E. Paul). 1187 Plin., n. h. XXXVI, 17: itaque e suis operibus pleraque nomine eius donasse fertur. 1188 Plin., n. h. XXXVI, 17; Paus. I, 33, 2–8 (hier Zuschreibung an Phidias). – Nemesis von Rhamnous (Original: London, Brit. Mus. 460; Athen, Nat. Mus., Rhamnous, Mus.), zum Typus: G. I. Despinis, ȈȣȝȕȠȜ੽ ıIJ੽ ȝİȜ੼IJȘ IJȠ૨ ਥȡȖȠ૨ IJȠ૨ ਝȖȠȡĮțȡ઀IJȠȣ   LIMC VI (1992) 738 Nr. 1. 2; 755f. (P. Karanastassis) Taf. 431. 432; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 211–216 Abb. 139.

318

[S. 75]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

thon, aus einem Marmorblock, den die Perser schon mitgebracht hätten.1189 Dies ist offenbar eine Künstlergeschichte. Das Bild war 10 Ellen hoch, der Cult war hier uralt, die Beziehung auf die Perserkriege war gewissermaßen richtig. Denn die Nemesis trug ein Stirnband, mit Hirschen u[nd] Victorien; in der Hand trug sie einen Apfelzweig, daran ਝȖȠȡ੺țȡȚIJȠȢ Ȇ੺ȡȚȠȢ1190 Sie trug eine Schaale, auf der inneren Seite derselben waren Aethiopen dargestellt, auf Memnon bezogen, als dem Repraesentanten des Orients. Urspr[ünglich] sollte dies Bild eine Aphrodite gewesen sein, im Kampf gegen Alkamenes geschaffen. Merkwürdig ist die Basis dieser Statue (Paus. I, 33.)1191 Es war Helena dargestellt, von Leda als ihrer Amme der Nemesis als ihrer Mutter zugeführt. Umher Tyndareus u[nd] die Tyndariden, Agamemnon, Menelaos, Pyrrhos. Auch bei diesem Bild war die Autorsch[aft] schwankend. (Strab. p. 396) Entweder ein Werk des Agorakritos oder des Diodotos1192, coni. Urlichs [H. fol. 72 r.: richtig] ĭİȚį઀Ƞȣ Į੝IJȠ૨1193>H. fol. 72 r.: statt ǻȚȠįંIJȠȣ] [@ Varro zog diese Nemesis allen übr[igen] Bildsäulen, die er kannte, vor (Plin. XXXVI, 17)[.] Im ȂȘIJȡ૶ȠȞzu Athen (Paus. I, 33) war auch ein Werk, (Plin. XXXVI, 17) dessen Meister auch wie oben zweifelhaft war.1194 Auch Kolotes ȀȠȜઆIJȘȢ stammte aus Paros od[er] Heraklea;1195 er hatte bes[onders] im Tekton[ischen] Talent, daher übertrug ihm Phid[ias] die Verfertigung des Tisches im Olympieion, auf den die Kränze gelegt wurden.1196 Auch beim olymp[ischen] Zeus war er Gehülfe.1197 Sein Ruhm war am höchsten, als er in Elis war. Er bildete in Elis die Athene, mit einem Hahn auf dem Helm, mit dem Schild innen von Painainosi gemalt.1198 Dann einen Asklepios in Kyllene (Strab.[VIII, 3, 4] p. 337.) aus Gold u[nd] Elfenbein. Ferner (Plin. XXXIV, 87) i

Panainos : Paionios.

1189 Bei ihrer Landung in Marathon, Paus. I, 33, 2. 1190 Zenob., prov. V, 82 s. v. ૮ĮȝȞȠȣı઀Į ȃ੼ȝİıȚȢ: [...]ǹīȅȇǹȀȇǿȉȅȈ ȆǹȇǿȅȈ ǼȆȅǿǾȈǼȃ. 1191 Paus. I, 33, 7.8. – Basis der Nemesis von Rhamnous, Relieffrgte., Athen, Nat. Mus.; Rhamnous, Mus.: V. Petrakos, in: Archaische und klassische griechische Plastik II (1986) 89–111 Taf. 111–116; LIMC VI (1992) 754 Nr. 210 s. v. Nemesis (P. Karanastassis). 1192 Strab. IX, 1, 17 p. 396. – Diodotos: Brunn, GK I 240. 275; II, 501; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 171f. s. v. Diodotos (I) (R. V.). 1193 L. Urlichs, RhM 10, 1856, 465. 1194 Paus. I, 3, 5 Statue der Ȃ੾IJȘȡ Ĭİ૵Ȟvon Phidias; Plin., n. h. XXXVI, 17: von Agorakritos. 1195 Paus. V, 20, 2. – Kolotes: Müller 1848, 101 § 112, 1; 115 § 121, 3; Brunn, GK I, 166. 181. 242f. 300f.; Overbeck, Geschichte I 219f. – Lippold, Plastik 189; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 422 s. v. Kolotes (I), 423 s. v. Kolotes (III) (Th. Ganschow). 1196 Paus. V, 20, 1–3. 1197 Plin., n. h. XXXIV, 87. 1198 Plin. n. h. XXXV, 54; Paus. VI, 26, 3 (hier Phidias zugeschrieben).

Die Kunst in Athen

319

soll er Philosophen gebildet haben. Zu beziehen auf die Gedenkstatuen in Athen vor den Stoen. – (Dann corp. inscr. [graec. I] 24 auf einer cannelirten Säule[H. fol. 72 v.:, die Böckh nicht ganz sicher ergänzt hat]: IJȠ૨ ȆĮȡ઀Ƞȣ ʌȠ઀ȘȝĮ ȀȠȜઆIJȠȣ 1199 Außerdem haben noch viele im Stil des Phidias gearbeitet, die wir nicht kennen, die auch mehr den Handwerkern angehörten. Erhalten sind nur aus dieser Sphäre die Grabreliefs, sinnig, zart. Gewöhnl[ich] nur Mann u[nd] Frau, letztere sitzend, der Mann stehend, sich die Hand reichend; als Zeichen des Bundes der Ehe, Abschied soll wohl nicht bezeichnet werden. Auch in der handwerksmäßigen Arbeit [dieser Reliefs findet sich] die Ruhe, Heiterkeit, Naivität der Darstellung des Phidias. Schon damals verbreitete sich die att[ische] Kunst (Conze, Inselreisen t.19 ein Kopf aus Imbros.)1200 über ganz Griechenland. – Paionios, welcher das östl[iche] Giebelfeld [des Zeustempels von Olympia] arbeitete, [war] ein Thraker.1201 – Äußerungen der Alten [über Phidias]. Sie rühmen meist im Allgemeinen die Vollendung, bes[onders] den hohen Kunstverstand (ıȠij઀Į 1202>@ die techn[ische] Kenntniß aller Kunstübungen, die Fähigk[eit], alle Künste zu einem Gesamteindruck zu vereinigen, u[nd] doch hielt er nichts für zu klein (ਕțȡ઀ȕİȚĮ 1203[,] u[nd] die Toreutik galt für eine Schöpfung des Phid[ias] (primus toreuticen aperuisse iure iudicatus (Plin. XXXIV, 34)1204[.] Suid[as] s.v. ĭİȚį઀ĮȢ sprach von dem Enthusiasmus, in dem Phid[ias] schuf1205, jedoch war die Begeisterungi mit der größten Ruhe u[nd] Berechnung verbunden. Er war kein Naturalist, u[nd] entlehnte die Typen nicht von einzelnen Menschen [H. fol. 73 r.: Cic., or. II–III, 9]. [Seine Werke zielten auf] Eine Idealität, welche aus dem tiefsten Verständniß der Natur hervorging. [H. fol. 73 r.: So konnte er auch das Widernatürliche natürlich darstellen.] Ferner geht sie nie auf Sinnenreiz aus, kein Streben nach Wirkung u[nd] Überraschung, er hütete sich vor zu bewegtem Pathos, er hatte [eine] Vorliebe für ruhige Motive; auch war Phid[ias] zugleich ein philosoph[ischer] Kopf u[nd] i

war die Begeisterung : sie war.

1199 Vgl. CIG I Nr. 24 – Bereits Brunn, GK I, 243 zweifelnd; nach Loewy 1885, 8–10 Nr. 6 gehört die Inschrift zum Werk des Pariers Kritonides;IG XII, 5, Nr. 216. – Zu Kritonides: Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 432 s. v. Kritonides (R. V.). 1200 Jünglingskopf aus Imbros: A. Conze, Reise auf die Inseln des thrakischen Meeres (1860) 84 Taf. 19. 1201 Paus. V, 10, 6–8 . – Paionios von Mende: Müller 1848, 101 § 112, 1; 110f. § 119, 2; Brunn, GK I, 244f. 300; Overbeck, Geschichte I 216f. – Stewart 1990, 89–92; 142f.; 165; 170; 253; 270f.; 320 et passim ; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 175f. s. v. Paionios (II) (A. Moustaka). 1202 Plat., Men. 91 D; Aristot., NE VI, 7 p. 1141 a 9–12. 1203 Demetr., eloc. 14 (ed. Radermacher). 1204 Plin., n. h. XXXIV, 54: primusque artem toreuticen aperuisse atque demonstrasse merito iudicatur. 1205 Suidas s. v. ੉੺țȦȕȠȢ ੁĮIJȡંȢ

320

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

konnte so Perikles verstehen. [H. fol. 73 r.: Durch diese Verbindung steht Phidias auf dem Gipfel der Hellenischen Kunst.]– [S. 76]

23. 1. 65 Die argivisch-sikyonische Schule. Von Dipoinos u[nd] Skyllis [her] von Geschlecht zu Geschlecht entwickelt, welche in Polyklet1206 ihren Gipfelpunkt gleichzeitig mit der att[ischen] Schule erreichte. Auch hier ist die Kunst religiös, mit dem Mittelpunkt des [H. fol. 73 r.: argivischen] Heradienstes. Der Heratempel1207 war Mittelpunkt eines glänzenden Agon, er lag in der Nähe v[on] Mykene, als Heiligthum des ganzen Landes u[nd wurde] 1854 ausgegraben.1208 Von Eupolemos1209 aus Tuffstein erbaut, innere Säulenstellung jonisch, neu angelegt unter der Leitung des Polyklet. 423 brannte der Tempel ab (Thuk. IV, 133[, 2. 3].) Im Giebelfeld war die Geburt des Zeus[,] ǻȚઁȢ Ȗ੼ȞİıȚȢandererseits die Eroberung Trojas (ȉȡȠ઀ĮȢ ਚȜȦıȚȢ, Paus. II, 17[, 3])[.] In den Metopen Gigantenkämpfe.1210 Die Hauptsache war die Herstellung des ਙȖĮȜȝĮ1211 [H. fol. 73 r.: die Aufgabe des Polyklet,] aus Gold u[nd] Elfenbein, die großen Werke des Phidias lagen entschieden vor. Die Herai war ein colossales Sitzbild, entschleiert, aber so, daß man den zurückgeschlagenen Schleier sah. Vor der Stirn erhob sich ein breiter ıIJ੼ijĮȞȠȢ Diadem)[,] halbmondförmig od[er] in gleicher Höhe, auf ihm tanzende Horen u[nd] Chariten. In der Linken trug die Göttin ein Szepter mit dem Kuckuck (țંțțȣȟ als Symbol des Frühlings, der Regenzeit, aufgefaßt als die Hochzeit des Zeus u[nd] der Hera, also Symbol des ੂİȡઁȢ Ȗ੺ȝȠȢ in der Rechten der Granatapfel, neben ihr die Hebe, als Göttin der Jugendfülle, von Polyklets Schüler Naukyi

die Hera : Sie.

1206 Polyklet: Müller 1848, 91f. § 106, 2; 101 § 112, 1; 112–115 § 120. 121; 116 § 122, 5; 437 § 312, 1; 517 § 350, 6; 524 § 352, 5. 6; 738 § 422, 7; 741 § 423, 3; Brunn, GK I 146. 152. 155. 194. 210–233. 264. 300. 306. 317. 351. 371–381 (passim). 435. 512; II 139– 141 192. 263f. 329. 374. 398; Overbeck, Geschichte I 301–318. 318–324 passim. – Stewart 1990, 263–266 et passim; Polyklet 1990; Kreikenbom 1990; H. Beck - P. C. Bol (Hrsg.), Polykletforschungen (1993); W. G. Moon (Hrsg.), Polykleitos, the Doryphoros, and Tradition (1995); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 276–287 s. v. Polykleitos (I) (E. Berger). 1207 Heratempel von Argos: Svenson-Evers 1996, 430–433; Gruben 2001, 108–111; Ch. A. Pfaff, The Argive Heraion I. The Architecture of the Classical Temple of Hera (2003). 1208 C. Bursian, Scavi dell’ Heraeon Argivo, in: Mon. Ann. Bull. Inst. 1854, S. XIII–XVII. 1209 Eupolemos: Paus. II, 17, 3. – Svenson-Evers 1996, 429–433; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 236 s. v. Eupolemos (W. Müller). 1210 Die Verteilung der verschiedenen Sagendarstellungen auf Giebel und Metopen geht aus dem Pausaniastext nicht eindeutig hervor. – Zur Plastik des Heraions: C. Waldstein, The Argive Heraeum I (1902) 139ff.; F. Eichler, ÖJh 19/20, 1919, 15–153; E. G. Raftopoulou, in: Études argiennes, BCH Suppl. 6 (1980) 115–131; Svenson-Evers 1996, 432f. Anm. 20; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 199. 246 et passim Abb. 127. 184. 1211 Paus. II, 17, 4. – LIMC IV (1988) 662 Nr. 3; 679 Nr. 170 s. v. Hera (A. KossatzDeissmann).

Die Kunst in Athen

321

desi.1212 Denn die Hera war nach argiv[ischer] Sage ewig bräutl[ich.] – Sie war ȕȠ૵ʌȚȢ langgewandet (İ੝İ઀ȝȦȞ) [H. fol. 73 r.: die Arme] ȜİȣțઆȜİȞȠȢ sonst züchtig verhüllt1213. Sie wurde am Fest mit Rebenzweigen bekränzt, u[nd] unter ihren Füßen ein Löwenfell ausgebreitet (Tertull. de cor. mil. 7.) Das Werk erhielt sich lang, [es wurde] noch von röm[ischen] Kaisern beschenktii.1214 Jedenfalls hat Polyklet den Typus festgelegtiii. [H. fol. 73 v.: Gewiß ist, daß Polyklet in ähnlicher Weise das Heraideal feststellte wie Phidias das des Zeus und der Athena.] Zunächst [sind] Heraköpfe auf Münzen [überliefert], in Argos u[nd] Olympia durchaus ähnl[ich].1215 Sitzende Herabilder sind selten. (Alt. Denkmäler II, 166.)1216 Aber ausgezeichnete Darstellungen [der Göttin sind] in Figuren u[nd] Büsten [erhalten], bes[onders] die Büste der Juno Villa Ludovisi.1217 Hier erkennen wir die geborene Königin, die Matrone mit aller Würde des gereiften Alters u[nd] dem Ausdruck unverwüstl[icher] Schönheit. Nirgends ist so vernehml[ich] wie hier griech[ische] Schönheit u[nd] griech[isches] Maaß dargestellt. Goethe nennt sieiv einen Gesang Homers,1218 [es findet sich darin ein] Gleichgewicht des Sinnl[ichen] u[nd] Geistigen in himml[ischer] Selbstgenügsamk[eit]. Neben dieser noch andere Köpfe: Juno Farnese in Neapel (Braun, Kunstmythologie t. 24)1219 in der Halle des Tiberius, hier ist noch etwas Jungfräul[iches] Mädchenhaftes, ja Herbes, vollendetes Ebenmaaß u[nd] älterer, strengerer Typus; vielleicht ist dies ein getreues Nachbild [H. fol. 73 v.: des polykletischen Werkes]. Dann i ii iii iv

Naukydes : 1ausykles. beschenkt : beschränkt. den Typus festgelegt : typisch festgestellt. sie : ihn.

1212 Paus. II, 17, 5. – Naukydes: Müller 1848, 101 § 112, 1; 116f. § 123, 3; Brunn, KG I, 276. 279f. 282. 306f.; Overbeck, Geschichte I 319f. – Stewart 1990, 164. 169. 237. 264f. 272f. 296; P. C. Bol, Der antretende Diskobol (1996); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 110–112 s. v. Naukydes (I.II) (P. C. Bol). 1213 Max. Tyr., diss. XIV, 6: Die Hera von Argos war u. a. İ੝૵ʌȚȢ(schönäugig İ੝İ઀ȝȦȞ (wohlgewandet), ȜİȣțઆȜİȞȠȢ weißarmig . 1214 Paus. II, 17, 6. 1215 Argos, AR, Stater, Drachme, Tritetartemorion, Trihemiobolion, 421–343 v. Chr.: Overbeck, Geschichte I 305 Abb. 55. – LIMC IV (1988) 680 Nr. 182 s. v. Hera (A. KossatzDeissmann) Taf. 414. – Elis, AR, Stater, Hemistater, Tetradrachme, Didrachme, Hemidrachme, 420–Ende 4. Jh. v. Chr., AE im 3. Jh. v. Chr.: LIMC IV (1988) 680 Nr. 183 s. v. Hera (A. Kossatz-Deissmann) Taf. 414. 1216 Ehemals Chios, verschollen: C. O. Müller–F. Wieseler, Denkmäler der alten Kunst, Theil II (1856) 6 Taf. 5 Nr. 66. 1217 Sog. Juno Ludovisi, Rom, Mus. Naz. Inv. 8631: Overbeck, Geschichte I 306f. Abb. 56. – LIMC IV (1988) 674f. Nr. 131 s. v. Hera (A. Kossatz-Deissmann) Taf. 411. 1218 J. W. v. Goethe, Italienische Reise, 6. 1. 1787, M. Wegner, Goethes Anschauung antiker Kunst (1944) 79. 1219 Sog. Hera Farnese, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6005: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 14 Taf. 24. – Museo Nazionale di Napoli I, 2, 154f. Nr. 12.

322

[S. 77]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

noch ein Kopf aus Praeneste.1220 Dann die barberinische Herastatue1221 u[nd] viele Nachbildungen. – Aber die Götterdarstellung war eigentl[ich] nicht das Hauptgebiet des Polyklet, es wird ihm geradezu das ıİȝȞંȞabgesprochen. Quint. XII, 10 non explevisse videtur deorum auctoritates, ihm fehle das pondus.1222 Er stand dem Leben näher u[nd] studirte die Natur in den Palaestren: so ȤĮȜİʌઆIJĮIJȠȞ IJઁ ਩ȡȖȠȞ İੇȞĮȚ, ੖IJĮȞ ਥȞ ੕ȞȣȤȚ ੒ ʌȘȜઁȢ Ȗ੼ȞȘIJĮȚ,! wenn der Thon auf den Nagel gekommen ist (Plut. quaest. symp. II, 3.)1223 Herr v[on der] Launitz in Frankf[urt] hat diesen Ausspruch zum Gegenstand einer archäolog[ischen] Debatte auf der Philologenversammlung 1864 [gemacht].1224 Die Meisten meinen, die Stelle sei verdorben, der Sinn solle sein, am schwierigsten sei das Werk zu erlangen, wenn man an das Detail gekommen sei. Curtius meint [H. fol. 74 r.: mit Winckelmann], am schwierigsten sei das Werk, wenn man nicht mehr mit Modellirstecken an die Figur herangehe, sondern nur mit den Fingern sein Modell behandelt. Bes[onders] an Polykleti wird die Ausführung des Eignen gelobt. [H. fol. 74 r.: Jedenfalls stimmt der Ausspruch mit der besonders gelobten diligentia des Polyklet, gewissermaßen ein Gegensatz zu Phidias.] Polyklet hatte einen gewissen doctrinären Charakter, er studirte die Figuren u[nd] suchte Grundgesetze der İ੝İȟ઀Įzu finden.1225 Er schrieb daher einen țĮȞઆȞ1226 seine Figuren hießen quadrata,1227 im Gegensatz zu den longis des Lysippos1228: Um die Schönheit zur Anschauung zu bringen, liebte er ruhige Stellungen: so den ǻȚĮįȠ઄ȝİȞȠȢ molliter iuvenis),1229 es ist also nicht das Umwinden mit einer Siegerbinde, so [die] ਕıIJȡĮȖĮȜ઀ȗȠȞIJİȢ1230 u[nd] einen įȠȡȣijંȡȠȢ viriliter puer i

Polyklet : ihm.

1220 Junokopf, aus Praeneste, verschollen: K. O. Müller–F. Wieseler, Denkmäler der alten Kunst II (1856) Taf. 4, 55. – LIMC V (1990) 844 Nr. 244 s. v. Iuno (E. La Rocca). 1221 Hera Barberini, Rom, Vatikanische Museen Inv. 249: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 14f. Taf. 25. – Lippold, Vat. Kat. III 1, 126–128 Nr. 546 Taf. 37–39; LIMC IV (1988) 671 Nr. 102 s. v. Hera (A. Kossatz-Deissmann). 1222 Quint., inst. XII, 10, 7.8: ... in Polycleto ... deesse pondus putant. nam ut humanae formae decorem addiderit supra verum, ita non explevisse deorum auctoritatem videtur. 1223 Plut., mor. 636 c. 1224 E. S. v. d. Launitz, Untersuchungen über einen Ausspruch Polyklets bei Plutarch, der Philologen-Versammlung des Jahres 1864 vorgelegt (1864); AA 1864, 273f. 1225 Luk., salt. 75: ਩ȝȝİIJȡȠȢ ਕțȡȚȕ૵Ȣ. 1226 Plin., n. h. XXXIV, 55; Luk., salt. 75; Luk., peregr. 9; Gal., temp. I, 9; Gal., plac.Hipp. et Plat. 5; Tzetz., hist. var. VIII, 323. – Zum Kanon des Polyklet: F. Hiller, MarbWPr 1965, 1–15; H. v. Steuben, Der Kanon des Polyklet. Doryphoros und Amazone (1973); H. Philipp, in: Wandlungen. Studien zur antiken und neueren Kunst E. Homann-Wedeking gewidmet (1975) 132–140; H. v. Steuben, StädelJb 15, 1995, 7–18; W. Sonntagbauer, Das Eigentliche ist unaussprechbar. Der Kanon des Polyklet als mathematische Form (1995). 1227 Plin., n. h. XXXIV, 56. 1228 Plin., n. h. XXXIV, 65: proceritas signorum. 1229 Plin., n. h. XXXIV, 55. 1230 Plin., n. h. XXXIV, 55.

Die Kunst in Athen

323

aptus vel militiae, vel palaestrae Quint. V, 12)1231 Dieser Doryphoros wurde mustergültig, wurde selbst ȀĮȞઆȞ (Cic. Brut. 86 Plin. XXXIV, 55: et quem canona artifices vocant, elementa artis ex eo petentes, quasi e lege quadam artem ipsam fecisse, artis opere dicitur.)1232 Bei solchen Naturen, die nur İ੝İȟ઀Į zur Schau stellten, war eine Monotonie schwer zu vermeiden, daher excogitavit, ut uno crure insisterent signa (Plin. XXXIV, 19)1233 Durch diesen Gegensatz wird ein anmuthiger Contrast hervorgebracht. Dies scheint Polyklet zu bewußtem Kunstprinzip gemacht zu haben, einen Gegensatz des Tragenden u[nd] Getragenen, des Freien u[nd] Gespannten. (Urlichs, Archäol. Zeit. 1859, hat die falsche Ansicht, die Statueni hätten auf einem Bein gestanden, das andere hoch in der Luft.)1234 Er stellte vor allem jugendl[ich] blühende Gestalten dar, aetatem graviorem dicitur refugisse, nihil ausus supra leves genas. (Quint. l.c.)1235 Doch bildete er auch Athleten. Seine Heroenstatuen sind echt argivisch: ਺ȡĮțȜોȢ ਖȖȘIJ੾ȡ Herakles im Kampf mit den Schlangen.1236 Der ǻȚĮįȠ઄ȝİȞȠȢ scheint in Nachbildungen erhalten,1237 so [ein Exemplar] im Farnesischen Saale, eine Nachbildung des für 100 Talente gekauften in Rom.1238 – 1863. Friederichs, Berl[iner] Winckelmanns Programm[,] weist auf 2 Statuen in Florenz, 1 im Vatican, u[nd] 1 in Neapel als i

die Statuen : sie.

1231 Plin., n. h. XXXIV, 55; Cic., orat 2, 5; Cic., Brut. 86, 296; Quint., inst. V, 12, 21; Gal., sem. II, 1; Plin., n. h. XXXIV, 55: doryphorum viriliter puerum; Quint., inst. V, 12, 21: Doryphoron illum aptum vel militiae vel palaestrae. 1232 Plin., n. h. XXXIV, 55: idem et doryphorum viriliter puerum fecit et quem canona artifices vocant, liniamenta artis ex eo petentes veluti a lege quadam, solusque hominum artem ipsam fecisse artis opere iudicatur. - Cic., Brut. 86, 296 fehlt das Wort canon. - Zum Kanon s. o. Anm. 1226. 1233 Plin., n. h. XXXIV, 56: proprium eius est, uno crure ut insisterent signa, excogitasse. 1234 L. Urlichs, Polykletisches, in: AZ 17, 1859, 111. 1235 Quint., inst. XII, 10, 8: quin aetatem quoque graviorem dicitur refugisse, nihil ausus ultra leves genas. 1236 Plin., n. h. XXXIV, 56. 1237 Zum Diadumenos: Overbeck, Geschichte I 308f. Abb. 57. – P. C. Bol in: Polyklet 1990, 206–212, Kat. Nr. 68–81; Kreikenbom 1990, 109–140, 188–203 Taf. 247–348 ; D. Kreikenbom, in: H. Beck - P. C. Bol (Hrsg.), Polykletforschungen (1993) 338f. Abb. 41–52; Bol, in Bol, Bildhauerkunst II 131 Abb. 84. 1238 Diadumenos Farnese, London, Brit. Mus. 501: Overbeck, Geschichte I 308f. Abb. 57. – Kreikenbom 1990, 189 Nr. V 6 Taf. 263. 264.

324

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Nachbildungen des įȠȡȣijંȡȠȢ [hin], der Mann ist aber beinahe zu stämmig.1239 Die meisten [Werke] des Polyklet waren Erzbilder; denn der Gesichtsausdruck war ihm gleichgültiger (ȆȠȜ઄țȜİȚIJȠȢ ੒ ʌȜ੺ıIJȘȢ, ĭİȚį઀ĮȢ ੒ ȖȜȣijİ઄Ȣ.)1240 25. 1. 65 Auch eine Kanephore von Erz hat er gemacht (Cic. c. Verr. IV, 3: eximia venustas virginali habitu.)1241 Über seine Amazone später. Die Virtuosität des Polyklet bestand in den zarten Nachbildungen jugendl[icher] Gestalten; den Preis erwarb er für alle Zeit durch die Formenharmonie, die an u[nd] für sich befriedigt, ohne [den] hohen geistigen Inhalt att[ischer] Idealbildnerei, hier [findet sich] am meisten die griech[ische] Schönheit, die, nach Winckelmann, charakterlos u[nd] geschmacklos sein müsse, wie das beste Wasser geruch- u[nd] geschmacklos ist. In dieser Richtung geht die Kunst über ihn nicht hinaus, darin hat er Ähnlichk[eit] mit Phid[ias], daß er universell gebildet war, er war Architekt u[nd] baute z. B. das Theater bei Epidauros, im Heiligthum des Asklepios, das besterhaltene, griech[ische] Theater.1242 – Er war auch aus der Schule des Ageladas1243[,] u[nd] unter jenen bedeutenden Talenten ist noch zu nennen Myron,1244 welcher aus dem Grenzland zwischen Attika u[nd] Böotien, aus Eleutherae[,] stammte,1245 schon früh in das att[ische] Land hereingezogen, von ihm wurde Dionysos in Athen

1239 Hiller fol. 74 v.: [die Statue] gehört gewiß der polykletischen Kunstrichtung an, aber der Ausdruck viriliter puer scheint doch weniger zu passen: wir erkennen eher einen Mann des Kriegsdienstes als der Palästra. – K. Friederichs, Der Doryphoros des Polyklet, 23. BerlWPr (1863). – Zum Doryphoros allgemein: H. v. Steuben, in: Polyklet 1990, 185– 198, Kat. Nr.41–58; Kreikenbom 1990, 59–94, 163–180 Taf. 104–209; D. Kreikenbom, in: H. Beck - P. C. Bol (Hrsg.), Polykletforschungen (1993) 103–116, 334–337; W. G. Moon (Hrsg.), Polykleitos, the Doryphoros, and Tradition (1995); P. C. Bol, in Bol, Bildhauerkunst II 127–129 Abb. 80 (Kopie in Minneapolis). – Doryphoroi, Florenz, Uffizien Inv. 114. 91: Kreikenbom 1990, 163f. Kat. Nr. III, 3. 4 Taf. 114–119. – Doryphoros, Rom, Vatikanische Museen, Braccio Nuovo Inv. 2215: Kreikenbom 1990, 164 Kat. Nr. III 5 Taf. 120–121. – Doryphoros, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 6011: Kreikenbom 1990, 163 Kat. Nr. III 2 Taf. 108–113. 1240 Hiller fol. 74 v.: Die meisten Bilder des Polyklet waren Erzbilder, weil der Körper Hauptsache war. Daher wird unterschieden ȆȠȜ઄țȜİȚIJȠȢ ੒ ʌȜ੺ıIJȘȢ, ĭİȚį઀ĮȢ ੒ ȖȜȣijİ઄Ȣ. – Dion. Hal., Dein. 7. 1241 Cic., Verr. II, 4, 3: signa, non maxima verum eximia venustate, virginali habitu atque vestitu. 1242 Paus. II, 27, 5. – Zum Architekten Polyklet: Svenson-Evers 1996, 415–428, zum Theater bes. 424–426; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 290f. s. v. Polykleitos (IV) (K. Reber). 1243 Plin., n. h. XXXIV, 55. – Zu Ageladas: s. o. Anm. 837. 1244 Myron: Müller 1848, 101 § 112, 1; 115f. § 122; 541 § 359, 6; § 410, 1; Brunn, GK I 142–157. 217. 222. 257. 264. 301–305. 308. 311. 328. 368. 429. 436; II 398. 409; Overbeck, Geschichte I 168–175. – Stewart 1990, 255–257 et passim; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 96–103 s. v. Myron (I) (P. C. Bol). 1245 Plin., n. h. XXXIV, 57.

Die Kunst in Athen

325

eingeführt, daher ǻȚંȞ>ȣıȠȢ@ ਫȜİȣșİȡİ઄Ȣ1246 vielleicht ist Myron etwas älter als Phidias. Zahlreiche, weitzerstreute, berühmte Werke tragen den Namen des Myron, die vollendetesten Werke waren aus Erz, auch bildete er Männer, nur eine Frauengestalt wird angeführt, eine trunkene Alte (ebriosa). Aber auch sie ist jetzt wieder apokryph. (Plin. XXXVI, 33.)1247 Alfr[ed] Schöne, Arch. Zeit. 1862 p. 3341248 hat wahrscheinl[ich] gemacht, hier sei Maronis zu lesen, der Name einer Bakchantin (ȂĮȡȦȞ઀Ȣgleich ij઀ȜȠȚȞȠȢ Anth. I, 4, 44 ed. Jacobs.)1249 Myron war dem Polyklet überlegen in der Erfindungskraft, in Erfindung neuer [S. 78] Motive, aemulus Polycleti etiam in materia, denn er zog das aeginet[ische] Erz vor, Polyklet das delphische. (Plin. XXXIV, 10.)1250 – Ferner sagt Plin[ius], multiplicasse veritatem videtur1251[,] d.h. er erweiterte den Kreis der Kunstobjecte, im Gegensatz zu Polykl[et], dessen Werke paene ad unum exemplum waren.1252 Dann nennt er ihn numerosior, d.h. bewegungsreicher (so auch diligens u[nd] numerosus als Gegensatz.) Dann steht et in symmetria diligentior1253[,] das will aber gar nicht dem Pol[yklet] gegenüber passen. Gustav Wolf, Archäol. Zeitung 1859 p. 132 des [Archäologischen] Anzeigers vermuthet sed is in symmetria diligentior; „aber dieser“[,] näml[ich] Polykl[et,] in symmetria diligentior. – Myron war bes[onders] in der Auffassung der Athletik ungleich dramatischer, er ergriff das Leben in praegnanten Stellungen u[nd] fixirte das Leben in Stellung[en], wie es [zuvor] niemand gewagt hat. corporum tenus curiosus1254, denn das Geistige trat zurück, es war mehr anima als animus in den Werken (Cic. Brut. 18[, 70] nondum Myronis satis ad veritatem adducta), denn das Geistige fordert auch Berechtigung. Solche Darstellungen verlangen ein tiefes Studium des [H. fol. 75 r.: bewegten] Körpers: Stat. Silv. IV, 6, 20 vigilata docto Myroni.1255 – Auch erweiterte [er] die Erztechnik, indem er (Strab. p. 944) ਩ȡȖĮ țȠȜȠııȚț੺1256 hervor-

1246 Dionysos Eleuthereus, vgl. zu seiner Einführung in Athen Paus. I, 2, 5; I, 38, 8; Schol. ad Aristoph., Ach. 243. Danach hat Pegasos von Eleutherai den Gott in Athen eingeführt. 1247 Plin., n. h. XXXVI, 32: nam Myronis illius, qui in aere laudatur, anus ebria est Zmyrnae in primis incluta. 1248 A. Schöne, Myrons trunkene Alte, in: AZ 20, 1862, 333–335. 1249 Epigramm des Leonidas von Tarent, Anth. Graec. VII, 455,1: ȂĮȡȦȞ੿Ȣ ਲ ij઀ȜȠȚȞȠȢF. Jacobs, Anthologia Graeca ad fidem Codicis olim Palatini nunc Parisini ex apographo Gothano edita. curavit ... Fridericus Jacobs I (1813) 444. 1250 Plin., n. h. XXXIV, 10: sic aemulatio et in materia fuit. – Nach Plin. a. O. zog Polyklet das delische Erz vor (Deliacum aes). 1251 Plin., n. h. XXXIV, 58. 1252 Plin., n. h. XXXIV, 56. 1253 Plin., n. h. XXXIV, 58: numerosior in arte quam Polyclitus et in symmetria diligentior. 1254 Plin., n. h. XXXIV, 58: ipse tamen corporum tenus curiosus animi sensus non expressisse. 1255 Stat., silv. IV, 6, 25f.: hic tibi quae docto multum vigilata Myroni / aera. 1256 Strab. XIV, 1, 14 p. 637: IJȡ઀Į Ȃ઄ȡȦȞȠȢ ਩ȡȖĮ țȠȜȠııȚț੺im Heraion von Samos (Zeus, Athene, Herakles).

326

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

brachte: Stat. Silv. I, 3,50[f.] argento lusit, er arbeitete also auch in Silber als caelator. – Seine berühmtesten Werke sind: der Läufer Ladas, ein olymp[ischer] Sieger, der in dem entscheidenden Momente, als er am Ziel anlangte, entseelt zusammenfiel, diesen Augenblick hatte Myron dargestellt (Benndorf, epigramm., quae ad artem spectant p. 14.)1257 Diese Werke haben eine Menge Epigramme hervorgerufen. Anth. des Planudes IV, 241258[,] cf. Rh. Mus. XIX p. 465.1259 Solche [bewegte] Gestalten sind nur in Erz denkbar. – Noch berühmter war der ǻȚıțȠȕંȜȠȢ erwähnt v[on] Quint., Luc. Philopseudos 18: įȚıțİ઄ȦȞ ਥʌȚțİțȣij૵Ȣ țĮIJ੹ IJઁ ıȤોȝĮ IJોȢ ਕij੼ıİȦȢ, ਱ȡ੼ȝĮi ੑțȜ੺ȗȦȞ ein wenig einbiegend (mit den Füßen) ਥȠȚțઅȢ ıȣȞĮȞĮıIJȘıȠȝ੼Ȟ૳ ਕȞ੹ IJોȢ ȕȠȜોȢ1260 – Von diesem Werke haben wir mehrere Nachbildungen: so in London, im Vatican, in der sala biga u[nd im] braccio nuovo, zu Florenz in den Uffizien, nur einer entspricht dem Original [, nämlich der] in der Villa Massimi zu Rom.1261 Quint. II, 13, 8 nennt es distortum, gewaltsam, quid tam distortum et elaboratum, quam est ille discobolus Myronis; es ist ein gewisses Streben nach novitas, Originalität.1262 [H. fol. 76 r.: In diesem Streben nach novitas steht Myron dem Phidias und Polyklet entgegen.] – Unter den Heroenii stellte er am liebsten Herakles u[nd] Polydeukes dar.1263 – In dem Kreise thier[ischer] Gestalten fand er ein reiches Gebiet productiver Thätigkeit: die Kuh des Myron, die bucula, celebratis versibus laudata (Plin. l.c.)1264 [H. fol. 76 r.: , über die wir noch etwa 40 Epigramme haben.] Für die eigentl[iche] Darstellung lernen wir wenig, überall [wird] nur die große Lebendigk[eit der Kuh erwähnt]. (Benndorf, l.c. p. 47 ʌȜ੺IJIJİȚȢ i ii

਱ȡ੼ȝĮ : ਥȡ੼ȝĮ. Heroen : Göttern.

1257 1258 1259 1260 1261

1262 1263 1264

O. Benndorf, De Anthologiae Graecae epigrammatis quae ad artem spectant (1862) 14. Anth. Graec. XVI, 54. 54 A. G. Wolf, Zu griechischen Dichtern, RhMus 19, 1864, 465. Quint., inst. II, 13, 10; Luk., Philops. 18: ȝ૵Ȟ IJઁȞ įȚıțİ઄ȠȞIJĮ [...] ਥʌȚțİțȣijંIJĮ țĮIJ੹ IJઁ ıȤોȝĮ IJોȢ ਕij੼ıİȦȢ, ਕʌİıIJȡĮȝȝ੼ȞȠȞ İੁȢ IJ੽Ȟ įȚıțȠijંȡȠȞ, ਱ȡ੼ȝĮ ੑțȜ੺ȗȠȞIJĮ IJ૶ ਦIJ੼ȡ૳, ਥȠȚțંIJĮ ȟȣȞĮȞĮıIJȘıȠȝ੼Ȟ૳ ȝİIJ੹ IJોȢ ȕȠȜોȢ Hiller fol. 75 v.: Aber nur der Diskobol in der villa Massimi zu Rom entspricht dem Urbild. – Diskobol des Myron, London, Brit. Mus. 250; Rom, Vatikanische Museen, Sala della Biga Inv. 2346, Lippold, Vat. Kat. III 2, 88–91 Nr. 618 Taf. 44; Rom, Kapitolinisches Museum, Galleria Inv. 241 (Nicht Bracchio Nuovo), Stuart Jones, Mus. Cap. 123 Nr. 50 Taf. 21; Florenz, Uffizien Inv. 212, L. Berti - A. Petrioli Tofani (Hrsg.), Il discobolo degli Uffizi. Gli Uffizi, Studi e ricerche 13 (1994); Diskobol Lancelotti, Rom, Mus. Naz. Inv. 126371 (ehem. Palazzo Massimo Lancelotti, Rom), Museo Nazionale Romano I, 1, 184–186 Nr. 120 (E. Paribeni); P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II 25f. Abb. 32. Quint., inst. II, 13, 10: quid tam distortum et elaboratum, quam est ille discobolos Myronis? ... in qua vel praecipue laudabilis est ipsa illa novitas ac difficultas ? Herakles: Plin., n. h. XXXIV, 57; Cic., Verr. IV, 3, 5 (in Rom); Strab. XIV, 1, 14 p. 637 (im Heraion von Samos). – Eine Statue des Polydeukes von Myron ist nicht überliefert. Plin., n. h. XXXIV, 57: bucula ... celebratis versibus laudata.

Die Kunst in Athen

327

਩ȝʌȞȠĮ. 1265Früher meinte man Myrons Kuh auf den Münzen v[on] Karystos u[nd] Dyrrhachium dargestellt zu sehen.1266 Das Werk des Myron stand zu Cic[eros] Zeit noch in Athen (Cic. Verr. IV, 60.)1267 wahrscheinl[ich] am Markte. – Augustus stellte 4 myronische Stiere im Vorhofe des Palatinischen Apollo auf, gleichsam ein ununterbrochener Opferdienst. Prop. II, 23, 7 vivida signa.1268 – Wenn auch etwas Böotisches in ihm lag, so dürfen wir nicht glauben, daß der geistige Ausdruck [von ihm] vernachlässigt [worden ist. Der] Auctor a. Herenn. IV, 6 lobt gerade die Köpfe.1269 Er liebte eine naive Auffassung des Sinnl[ichen. – ] (Plin. XXXIV, 57)[:] Er bil- [S. 79] dete einen Satyr, welcher die Flöten anstaunte, neben ihm Athena[,] fecit Satyrum tibias admirantem et Minerva; cf. Paus. I, 24 von einer Gruppe auf der Burg v[on] Athen, Athena mit Marsyas. ਝșȘȞ઼ ȂĮȡı઄ĮȞ ʌĮ઀ȠȣıĮ1270Brunnਥʌ઀ȠȣıĮ,1271 Wieseler ș઄ȠȣıĮ1272genaues ist also nicht überliefert, so viel ist sicher, Athene hat die Flöten weggeworfen, weil sie das Gesicht entstellen, die hebt Marsyas auf, [dargestellt ist also der] Gegensatz der böot[ischen] u[nd] att[ischen] Musik. [H. fol. 76 r.: Die Böoter pflegten vorzugsweise das Flötenspiel.] Brunn will in einer Statue des Vaticans die Copie des myronischen Satyr erkennen (monum. VI, 23[;] ann. XXXI, 374.)1273 – Aus seiner Schule stammte sein Sohn, Lykios,1274 von ihm das Weihgeschenk der Apolloniaten zu Olympia, [das sie] nach der Eroberung einer Stadt in Epirus [weihten]. 13 Figuren waren dargestellt. Zeus in der Mitte, auf der einen Seite v[on] Thetis, auf der anderen von Hemera angefleht, an dem Ende Achill u[nd] Memnon einander gegenüber. (Paus. V, 22.)1275 Von demselben auf der Akropolis, wenn man von den Propyläen auf die Burgfläche ging, stand ein Knabe mit

1265 O. Benndorf, De Anthologiae Graecae epigrammatis quae ad artem spectant (1862) 47. – Anth. Graec. IX, 724, 2. 1266 Vgl. P. Gardner, Archaeology and the types of Greek Coins (1883. 1965) Taf. 16, 23 (Karystos). 16, 25 (Dyrrhachium). 1267 Cic., Verr. II, 4, 60. 1268 Prop. II, 31, 7f.: armenta Myronis, / quattuor, artificis vivida signa, boves. 1269 Auct. ad Herennium IV, 6, 9. 1270 Plin., n. h. XXXIV, 57: Fecit ... Satyrum admirantem tibias et Minervam. – Paus. I, 24, 1: ਫȞIJĮ૨șĮ ਝșȘȞ઼ ʌİʌȠ઀ȘIJĮȚ IJઁȞ ȈȚȜȘȞઁȞ ȂĮȡı઄ĮȞ ʌĮ઀ȠȣıĮ 1271 H. Brunn, AdI 30, 1858, 375. 1272 F. Wieseler, Denkmäler der antiken Kunst II (1858) Nr. 239. 239 a: ʌIJ઄ȠȣıĮstatt ʌĮ઀ȠȣıĮ 1273 Rom, Vatikanische Museen Inv. 9974: H. Brunn, Il Marsia di Mirone, in: AdI 30, 1858, 374–383; MonInst VI, 23. – Vorster, Museo Gregoriano Profano II, 1, 21–24 Kat. Nr. 3 Abb. 11f. 14. 16–20; P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II, 28 Abb. 37. 1274 Lykios aus Eleutherai: Müller 1848, 101 § 112, 1; 116 § 122, 5; 505 § 345, 9; Brunn, GK I, 258–260. 302f. 310; Overbeck, Geschichte I 289f. – L. H. Jeffery, Lykios, son of Myron, in: ȈIJ੾ȜȘFestschrift N. Kontoleon (1980) 51–54 Taf. 8–10; Stewart 1990, 34. 237. 256f. 283; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 24f. s. v. Lykios (I) (M. Weber). 1275 Paus. V, 22, 2. 3. – Die Stadt in Epirus war Thronion.

328

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Weihwasser (ʌİȡȚ૦૧ĮȞIJ੾ȡȚȠȞ Paus. I, 21, 8)1276[.] Brunn meint[,] es sei derselbe Knabe, den Plin[ius] XXXIV, 79 als puer suffitor des Myron erwähnt.1277 suffitor [bedeutet] Räucherer. Sehr zweifelhaft. Der suffitor ist zu vergleichen mit dem ıʌȜĮȖȤȞંʌIJȘȢ (Plin. l.c. 81) von Styppax aus [Zypern]1278, ein Sklave des Perikles, der das Feuer mit vollem Munde anblies[:] vernula Periclis ignem oris pleno spiritu accendens.1279 Auch wurden Niken erwähnt,1280 u[nd] Jahn will die stieropfernden Niken (Archäol. Zeit. 1850 p. 207)1281 auf Myroni zurückführen. – 26. 1. 65 Ferner [sei erwähnt] die Bronzegruppe des Marsyas u[nd der] Athena, sehr bewundert im Alterthum (Paus. I, 24. Plin. XXXIV, 45)1282. [Sie ist wiedergegeben] auf att[ischen] Münzen,1283 ferner auf einem Relief,1284 endl[ich] hat Brunn neuerdings eine Statue [veröffentlicht], gefunden bei Rom, im Lateran.1285 Dann eine Reihe von Darstellungen, zu der mehrere Künstler zusammenwirkten, die Feststellung des Amazonenideals. Plin. XXXIV, 81286 berichtet von einer in Ephesos ausgeschriebenen Concurrenz, dem Sitz des Artemisdienstes, den die Amazonen gestiftet haben sollten. An die dort stehenden Amazonenstatuen, welche bei jedem Besuch den Gedanken erweckten an einen Wettkampf, hat sich die Sage einer Concurrenz geknüpftii. venerunt in certamen clarissimi quamquam diversis aetatibus geniti, für aetatibus, l[ies] civitatibus. [H. fol. 76 v.: Die Legende wurde damit weiter ausgesponnen.] Die schönste [Amazone] solle im Tempel geweiht sein u[nd] dadurch [der erste Rang] zuerkannt worden sein, welche von allen die 2. genannt wurde. [Teilnehmer waren] i ii

Myron : ihn. geknüpft : hervorgebracht.

1276 Paus. I, 23, 7. 1277 Plin., n. h. XXXIV, 79 am Ende. – Brunn, GK I 258–260. 1278 Styppax: Müller 1848, 101 § 112, 1; 115 § 121, 3; Brunn, GK I, 265–267. 300. 302; Overbeck, Geschichte I 291f. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 427f. s. v. Styppax (R. V.). 1279 Plin., n. h. XXXIV, 81: Periclis Olympii vernula hic fuit exta torrens ignemque oris pleni spiritu accendens. 1280 Tatian., adv. Graecos 33 p. 54. 1281 O. Jahn, Stieropfernde Nike, in: AZ 8, 1850, 207f. 1282 Paus. I, 24, 1; Plin., n. h. XXXIV, 57. 1283 AE, Athen, Hadrian (117/ 118 n. Chr.) und Gordian III (238–244 n. Chr.): LIMC VI (1992) 369 Nr. 12 s. v. Marsyas I (A. Weis); G. Daltrop–P. C. Bol, Athena des Myron. Liebighaus Monographie 8 (1983) 14 Abb. 1. 2. 1284 Marmorkrater, sog. Finlay-Krater, Athen, Nat. Mus. Inv. 127: D. Grassinger, Römische Marmorkratere (1991) 156f. Kat. Nr. 2 (mit ält. Lit.) Abb. 30. 254; K. Junker, in: Klassik 2002, 521f. Kat.-Nr. 401. 1285 s. o. Anm. 1273. 1286 Plin., n. h. XXXIV, 53.

Die Kunst in Athen

329

Phidias, Polyklet, Phradmon (Argiver)1287[,] Kresilas1288, [seine Herkunft wurde] in neuerer Zeit durch [einen] Inschr[iftenfund] festgesetzt. corp. inscr. [graec. I] 11951289[,] danach zu emendiren1290 (Ross, Kritias, Nesiotes, Kresilas[,] Athen 1829. Meineke, dilectus epigrammatum p. 239.)1291 Kresilas [stammte] aus Kreta, [war] aber auch in Athen thätig. (O. Jahn, Über die Amazonenstatuen[,] Ber. d. s. Ges. der W. 1850; Schöll, Phill. 1863 p. 412.1292 Man suchte die erhaltenen Amazonen auf diese [Überlieferung] zurückzuführen. Genau beschrieben ist die des Phid[ias:] Luc. imag. 6 ਥʌİȡİȚįȠȝ੼ȞȘ įȠȡĮIJ઀૳1293. Danach nahm Otfr. Müller an, die Vaticanische Amazone sei eine Nachbildung [der Amazone] des Phid[ias], mit Hilfe einer Gemme, wo eine Amazone mit Springstab dargestellt ist.1294 [H. fol. 77 r.: Das ist die schönste erhaltene Statue; die Gemme ist aber wahrscheinlich falsch, und die Hand kann keinen Stab gehalten haben.] Ähnl[ich] ein Fragment in Trier;1295 auf den Phidias aber gehen diese Werkei nicht zurück; denn sie scheinen den Arm um den Kopf gelegt zu haben, als ıȤોȝĮder Ruhe. i

diese Werke : sie.

1287 Phradmon: Müller 1848, 101 § 112, 1; 114 § 121; Brunn, GK I 285. 307; Overbeck, Geschichte I 327. – Lippold, Plastik 169; Stewart 1990, 23. 237. 262. 324; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 253f. s. v. Phradmon (R. Bol). 1288 Kresilas: Müller 1848 (als Ktesilaos bezeichnet), 101 § 112, 1; 114 § 121; Brunn, GK I, 260–264. 286. 300. 302–304. 380. 457; Overbeck, Geschichte I 292f. – Lippold, Plastik 172; Stewart 1990, 78. 162–164. 168. 262. 324; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 427– 431 s. v. Kresilas (M. Weber). 1289 CIG I Nr. 1195. – Loewy 1885, 36 Nr. 45; IG IV Nr. 683. 1290 Danach ist Plin. XXXIV, 53: quarta Cydonis, zu emendieren. 1291 L. Ross, Kritios, Nesiotes, Kresilas und andere griechische Künstler, in: Kunstblatt 21, 1840, 41–48; A. Meineke, Delectus poetarum anthologiae graecae (1842) 235. 1292 O. Jahn, Über die ephesischen Amazonenstatuen, Berichte über die Verhandlungen der Kön. Sächs. Ges. der Wissenschaften II (1850) 32–57 Taf. 1–6; A. Schöll, Über Wörlitzer Antiken und über die sogenannten ephesischen Amazonen, in: Philologus 20, 1863, 412–427. 1293 Lukian., im. 4. 1294 K. O. Müller, Myrinae Amazonis quod in Museo Vaticano servatur signum Phidiacum explicatur (1830). – Amazone, sog. Amazone Mattei, Rom, Vatikanische Museen Inv. 748: Amelung, Vat. Kat. II, 453–461 Nr. 265 Taf. 50; R. Bol, in: Polyklet 1990, 219–239 Abb. 79; R. Bol 1998, 208 Nr. III. 3 Taf. 110. 111; zum Typus: dies., in: Bol, Bildhauerkunst II, 146–151. 507 (ält. Lit.) Textabb. 48 a. Abb. 100–104. – Gemme, sog. Nattersche Gemme : Polyklet 1990, 220 Abb. 82; 581–584 Kat. Nr. 101 a.b. (G. Platz-Horster); R. Bol 1998, 212f. Nr. III, 11 Taf. 122; dies., in: Bol, Bildhauerkunst II, 147 Abb. 103. 1295 Amazone, Typus Mattei, Trier, Rhein. Landesmus. Inv. G 41: Polyklet 1990, 580f. Kat. Nr. 100 (R. Bol); R. Bol 1998, 209f. Nr. III. 5 Taf. 114–116.

330

[S. 80]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Die Statue des Kresilas war eine Verwundete, u[nd] diese ist uns deutl[ich] erhalten, in der Capitolinischen [Amazonenstatue] mit der Beischrift ȈȦıȚțȜોȢ1296In der Sammlung zu Wörlitz ein [zugehöriges] Fragment.1297 Ungefähr derselben Zeit gehören an: eine kleine Erzfigur aus Florenz,1298 durch welche Otfr. Müller seine Ansicht über die Phidiasche [Amazone] befestigen wollte, umsonst. – Dann eine Statue in Wien,1299 archaistisch, auch [hier die Amazone] verwundet u[nd] zusammenbrechend, wie die Amazone auf dem Fries v[on] Phigalia. Dann eine schöne Statuette in Dresden,1300 von Stackelberg stammend, auch besiegt u[nd] mit gesenktem Haupt. Schöll l.c.1301 hat gemeint, daß die vatikan[ische] Statue auf Strongylion zurückzuführen sei, von dem es eine Amazone İ੡țȞȘȝȠȢgab, eine Lieblingsstatue des Nero (Plin. XXXIV, 32).1302 Daß Polyklet gesiegt habe, beweist wenigstens, daß in Ephesos eine Amazonenstatue des Polyklet war, welche als die beste im Artemision aufgestellt war. Phid[ias] ging mehr auf Zusammenwirkung u[nd] war schwerer zu verstehen. Polyklet, in Einzelstatuen viel anmuthender. In Rom ist Phid[ias] kaum vertreten, dagegen Polyklet sehr stark. – Strongylion,1303 der Meister eines berühmten Erzwerk, ੆ʌʌȠȢ įȠ઄ȡȚȠȢ(Paus. I, 23, 11)1304[,] eine eherne Nachbildung des hölzernen, troischen Pferdes, mit der Andeutung, daß die Helden darin (Rangabé, Ant. hell. N° 41. Ar[istoph.] Av. 1128) staken. Die Basis ist gefunden.1305 Derselbe (Plin. XXXIV, 82) bildete die Amazone İ੡țȞȘȝȠȢu[nd] eine Knabenfigur, welche Brutus immer mit sich herumführte, daher Philippensis genannt, u[nd] vorzugsweise Pferde u[nd] Stiere (Paus.

1296 Amazone des Sosikles, Rom, Capitolinisches Mus., Salone 33 Inv. 651: Stuart Jones, Mus. Cap. 296 Nr. 33 Taf. 72; R. Bol, in: Polyklet 1990, 216–239 Abb. 74; R. Bol 1998, 188 Nr. II. 2 Taf. 52. 53. 80. 81 a; dies., in: Bol, Bildhauerkunst II, 146ff. Abb. 99. 1297 Amazone Sosikles, Oberkörper, Stiftung Staatliche Schlösser und Gärten Wörlitz-Oranienbaum-Luisium, Schloß Wörlitz Inv. II 9: Polyklet 1990, 217f. Abb. 77; 572f. Nr. 92; R. Bol 1998, 190 Nr. II. 5 Taf. 56. 57. 86. 87 a. 1298 Bronzestatuette, Florenz, Mus. Arch. Naz. Inv. 2293: R. Bol 1998, 183 Nr. I. 17 Taf. 21. 1299 Amazone, Wien, Kunsthist. Mus. Inv. I 164: LIMC I (1981) 630 Nr. 708 s. v. Amazones (A. Kauffmann-Samaras) Taf. 516. 1300 Marmorstatuette der Artemis Bendis (von Thorvaldsen als Amazone ergänzt), aus Salamis, aus dem Nachlaß v. Stackelberg erworben, Dresden, Skulpturenslg. Inv. Hm 106: K. Knoll - H. Protzmann - I. u. M. Raumschüssel, Die Antiken im Albertinum. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung (1993) 22 Nr. 7 (H. Protzmann). 1301 A. Schöll, Über Wörlitzer Antiken und über die sogenannten ephesischen Amazonen, in: Philologus 20, 1863, 412–427. 1302 Plin., n. h. XXXIV, 82. 1303 Strongylion: Müller 1848, 118 § 124, 1; 423 § 306, 1; 630 § 393, 2; 761 § 433, 3; Brunn, GK I 267f. 302f.; Overbeck, Geschichte I 295f. – Lippold, Plastik 189; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 426f. s. v. Strongylion (D. Kreikenbom). 1304 Paus. I, 23, 8. 1305 Rangabé, Antiquités Nr. 41. – IG I² Nr. 535.

Die Kunst in Athen

331

IX, 30)1306 Die Richtungen der Polyklet[ischen] u[nd] Myronischen Schule kreuzten sich also in ihm. Ganz anders Kallimachos;1307 der bildete den goldenen Leuchter im Erechtheion mit dem Palmbaum; er war überhaupt bes[onders] erfindsam (Paus. I, 26[, 6. 7])[,] an feinem Kunstverstand sei er einzig in seiner Art. So erfand er auch den Steinbohrer, um tiefere Falten, das Haar, Zierrathen auszuarbeiten.1308 Plin[ius] nennt seine Werke [ein] opus emendatum. XXXV, 921309 sagt [er das] von den saltantes Lacaenae. Übertrieben fein. Endl[ich] erweiterte er das jon[ische] Kapitäl mit Blätterschmuck u[nd] so erwuchs das korinth[ische] Kapitäl, bes[onders] hier war der Steinbohrer am Platze nach Vitr[uv].1310 (Phill. Suppl. II p. 362.)1311 Er erhielt den Beinamen țĮIJĮIJȘȟ઀IJİȤȞȠȢEntkräfter, er künstelte so lange, bis er dem Werke das Grandiose nahm.1312 (Plin. XXXIV, 92 übersetzti calumniator sui[,] nicht ganz genau.) Ferner Demetrios v[on] Alopeke,1313 ਕȞșȡȦʌȠʌȠȚંȢ1314er stellte Menschen, wie sie lebten[,] u[nd] Alte dar (Pol[emon] bei Diog. L. V, 85.) u[nd] auch solche, die nichts weniger, als ideal waren, so eine 76jährige Priesterin, so den Pellichos, einen wohlbeleibten, korinth[ischen] Feldherren, wahrscheinl[ich] karrikirend. Auch Simon, den Hippologen[,] stellte er dar. (Helbig, Archäol. Zeit. 1861 p. 180 Plin. XXXIV, 76.)1315 Demetrios also war Naturalist; die Portraitbildung hatte schon das frühere Gebiet [H. fol. 78 r.: der Palästra] verlassen u[nd] die Portraits wurden zwiefach dargestellt, entweder naturalistisch od[er] idealisirend. In dieser [H. fol. 78 r.: idealisierenden Porträtbildung] war Kresilas aus Kydonia1316 ein Meister, so bildete er den ȆİȡȚțȜોȢ ੗Ȝ઄ȝʌȚȠȢ dignum cognomine[,] Plin. XXXIV, 71, et mirum in hac arte [est] quod nobiles [viros] nobiliores fecit)1317 i

übersetzt : meint.

1306 Paus. IX, 30, 1: 3 Musenstatuen des Strongylion auf dem Helikon. Strongylion wird als ausgezeichneter Bildhauer von Pferden und Stieren bezeichnet. 1307 s. o. Anm. 1159. 1308 Paus. I, 26, 7. 1309 Plin., n. h. XXXIV, 92. – Zum Typus der Saltantes Lacaenae: M. Tiverios, Saltantes Lacaenae, in: AEphem 1981 (1983) 25–37 Taf. 4–6. 1310 Vitr. IV, 1, 9. 10. 1311 Fr. Osann, Die Entstehung des Korinthischen Kapitäls, Philologus, Suppl. Bd. II, 1863, 349–375. 1312 Vitr. IV, 1, 10; Paus. I, 26, 7; Plin. XXXIV, 92. 1313 Demetrios von Alopeke: Müller 1848, 101 § 112, 1; 116f. § 123, 2; Brunn, GK I, 255– 258. 302–304. 452. 603; Overbeck, Geschichte I 299f. – Lippold, Plastik 226f.; Stewart 1990, 64. 173. 238. 274f. 281. 293. 303; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 163f. s. v. Demetrios (I) (W. Müller). 1314 Lukian., Philops. 18. 20. 1315 Plin., n. h. XXXIV, 76: Athenapriesterin Lysimache, Hippologe Simon; Lukian., Philops. 18: Pellichos. – W. Helbig, AZ 19, 1861, 180–184. 1316 s. o. Anm. 1288. 1317 Plin., n. h. XXXIV, 74.

332

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

mit dem Helme, denn Perikles hatte einen bes[onders] spitzen Schädel od[er] vielmehr[,] weil Perikles als ıIJȡĮIJȘȖંȢdargestellt sein wollte.1318 Nachbildungen [des Periklesporträts]: im Vatican, in Paris in der Sammlung Pastoret.1319 –

[S. 81]

30. 1. 65 Er lebte in Athen. In seinem Werki finden wir Zeichen, daß [er] die verschiedensten Einflüsse erlitt. So bildete er einen įȠȡȣijંȡȠȢ(Plin. XXXIV, 74.)1320 – Dann die verwundete Amazone (s.o.)[.] Ferner ein vulneratus deficiens, in quo possit intelligi, quantum restet animae (Plin. XXXIV, 74.) – [Hiermit ist zu kombinieren die Basis mit der Inschrift] Rangabé N° 42: ਺ȡȝંȜȣțȠȢ ǻȚȧIJȡ੼ijȠȣȢ ਕȞ੼șȘțİ darunter Ȁȡ੼ıȚȜĮȢ ਥʌȠ઀ȘıİȞ1321 Diitrephes war (Paus. I, 23[, 3]) ੑȧıIJȠ૙Ȣ ȕİȕȜȘȝ੼ȞȠȢ auf der Burg dargestellt[,] ein athen[ischer] Feldherr im Peloponnes. Diese Basis bezieht sich wohl gewiß auf Kresilas (corp. inscr. [graec. I] 1195.)1322 Also ein vielbeschäftigter, bedeutender Künstler, in Athen sehr angesehen. – Die eigentl[iche] Schule Polyklets bestand in Argos fort, zunächst in seinem Sohn Naukydes,1323 der schon die Hebe gearbeitet hat, die neben der Hera auf derselben Basis stand.1324 (Plin. XXXIV, 50)1325 Hermes, Diskobolos, Widderopfer [schreibt ihm Plinius zu]1326. Der Diskobol des Naukydes war wohl ein Gegenstück zu dem des Myron u[nd] er faßte ihn daher wohl mehr in polykletischer Weise auf, welche die Gestalten mehr in der Ruhe liebte. Daher ist es nicht unwahrscheinl[ich], daß auf ihn die Statue im Vatican zurückzuführen ist, ein Jüngling mit dem Diskus in der Hand.1327 – Das Widderopfer ist vielleicht dasselbe, welches Paus. I, 24[, 2] ohne den Namen zu nennen beschreibt, einen Phrixos auf der Burg v[on] Athen, der einen Widder geopfert hat, die Eingeweide sondert i

seinem Werk : ihm.

1318 Gurlitt: denn Perikles hatte ... dargestellt sein wollte, Hiller fol. 78 r.: gewiß nicht wegen dessen spitzen Kopfes, sondern als ıIJȡĮIJȘȖંȢ. 1319 Periklesporträt, Rom, Vatikanische Museen Inv. 269: Lippold, Vat. Kat. III 1. 86–89 Nr. 525 Taf. 15; Richter, Portraits I, 103 Nr. 1 Abb. 432. 433. 435. – Kopf Pastoret, Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptothek Inv. I.N. 2001, ehem Slg. Pastoret, Paris: Richter, Portraits I, 101 Abb. 427. 428; I. Flemming, Catalogue Greek Portraits. Ny Carlsberg Glyptotek (1992) 22f. Nr. 2. 1320 Plin., n. h. XXXIV, 75. Nach dem maßgeblichen Codex Bambergensis Ctesilaus. 1321 Rangabé, Antiquités Nr. 42. – Loewy 1885, 36f. Nr. 46; IG I² Nr. 527: ਬȡȝંȜȣțȠȢ / ǻȚİȚIJȡ੼ijȠȢ / ਙʌĮȡȤİȞ. / Ȁȡİı઀ȜĮȢ ਥʌંİıİȞ. 1322 CIG I Nr. 1195. – Loewy 1885, 36 Nr. 45; IG IV Nr. 683. 1323 s. o. Anm. 1212. 1324 Paus. II, 17, 5. 1325 Plin., n. h. XXXIV, 50: Blüte des Naukydes in der 95 Ol. = 400–397 v. Chr. 1326 Plin., n. h. XXXIV, 80. 1327 Diskobol des Naukydes, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2349: Lippold, Vat. Kat. III 2, 79 Nr. 615 Taf. 41. 42; P. C. Bol, Der antretende Diskobol. Liebighaus Monographie 17 (1996) 114 Abb. 39–41.

Die Kunst in Athen

333

u[nd] das Opfer beschaut. Diese Vermuthung wird dadurch bestätigt, daß man auf der Akropolis eine Inschrift gefunden hat: \ǹȊȀȊǻǼȈ ǹȇȈǼǿȅȈ Ǽ Arch. Zeit. 1862 p. 307.1328 Also wir wissen, es gab ein Weihgeschenk des Naukydes auf der Burg. Paus. VI, 6, 1 nennt einen jüngeren Polykleitos,1329 der nicht die Hera gemacht habe, ein Schüler des Naukydes.1330 Er bildete (Paus. VI, 6, 2) eine Siegerstatue des Agenor. Bei den anderen Werken können wir den jüngeren u[nd] älteren Polyklet nicht unterscheiden. Meistens wird ihm zugeschrieben der Dreifuß in Amyklae mit dem Bilde der Aphrodite, nach dem Siege v[on] Aegospotamoi aufgestellt.1331 – Ferner ein Werk in Megalopolis, welches [aus] einer Reihe arkad[ischer] Gauen ıȣȞȠȚțȚȗirt wurde, man stellte hier ein Bild desi ǽİઃȢ ij઀ȜȚȠȢ [auf,] der die Menschen in Liebe u[nd] Vertrauen zusammenführt (Paus. VIII, 31[, 4]. ȆȠȜȣțȜİ઀IJȠȣ ਩ȡȖȠȞ Merkwürdig ist die Bildung; denn er habe Kothurne an den Füßen, einen Becher u[nd] ein Skepter in den Händen gehabt, welches einem Thyrsos glich, eine Art Synkretismos (ǽİઃȢ ਦIJĮȚȡİ૙ȠȢu[nd] ǽİઃȢ Ȥ੺ȡȝȦȞ wurde er auch genannt, Preller, Arch. Zeit. 1845 p. 105.)1332 [H. fol. 78 v.: , also dionysischer Charakter, weil durch dionysische Feste die Bürgerschaft verschmolzen werden sollte.] Ein ähnl[iches] Werk [des] ǽİઃȢ ȝİȚȜ઀ȤȚȠȢ Paus. II, 21)1333 [wurde] in Argos nach inneren Unruhen aus Marmor gestiftet, ein Sitzbild. – Die Schule bewahrte also die Classicität Polyklets, in ihrer Art der att[ischen] ebenbürtig, ihr fehlte nur der große, bedeutende Inhalt. Während die übr[igen] Schulen in Einzelbildungen die größte Virtuosität erreichten, so war doch nur in Athen eine wirkl[ich] große Kunst mögl[ich.] – [Die] Jüngere attische Kunst. Die Kunst ist unzertrennbar verbunden mit der ganzen Haltung des öffentl[ichen] Lebens. Eine epochemachende Begebenheit war die Pest zu Athen. Denn sie knickte nicht nur die Blüthe Athens, sondern sie raffte die ältere Generation hinweg, u[nd] vereitelte einen allmäl[ichen] Übergang. Eine Demokratie[,] wie die athen[ische,] ist vorzugsweise geeignet zu einem schwungvollen Gemeinwesen, aber sie hatte keine Garantie der Dauer, alle conservativen Elemente waren aufgelöst; Perikles war ohne Nachfolger; die Bürgersch[aft] durch fremde Elemente versetzt u[nd] nach den Verheerungen durch [den] Pelopon[nesischen] Krieg i

des : ein.

1328 O. Jahn, Phrixos opfernd, in: AZ 20, 1862, 306f. – Loewy 1885, 68 Nr. 87; IG II/III² Nr. 4272 1329 Polyklet d. J.: Müller 1848, 101 § 112, 1; Brunn, GK I, 276. 280–282. 306. 308. 310f.; Overbeck, Geschichte I 320f. – Lippold, Plastik 216–218; Stewart 1990, 175. 264. 272f. 290; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 287–290 s. v. Polykleitos (II, III) (P. C. Bol). 1330 Paus. VI, 6, 2. 1331 Paus. III, 18, 8. 1332 L. Preller, Zeus Philios, in: AZ 3, 1845, 105f. - ǽİઃȢ ȋ੺ȡȝȦȞPaus. VIII, 12, 1. 1333 Paus. II, 20, 2.

334

[S. 82]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

wuchs eine andere Race auf, ein ੕ȤȜȠȢ ਕȖȠȡĮ૙ȠȢ1334Denn das Marktleben hatte eine verderbl[iche] Bedeutung gewonnen; der alte țંıȝȠȢ zerfiel überall, statt Ruhe ewige Unruhe; Bedürfniß nach Aufregung. Das häusl[iche] Leben war durch den Einfluß der Hetären gefährdet. Die Politik des Staates war schwankend u[nd] launenhaft, der Krieg selbst wirkte nicht erhebend[,] u[nd] die inneren Partheispaltungen brachen nun wieder hervor u[nd] standen sich unversöhnl[ich] gegenüber. Die Kunst des Perikles setzte ein blühendes Gemeindeleben, Frieden, Einigk[eit], einen reichen Staatsschatz voraus. Das alles fehlte jetzt. Nach Phidias Tode, der starb, als seine Zeit vorüber war, trat ein ebensolcher Umschwung wie nach Raphaels Tod ein. – Aber die griech[ische] Kunst hatte ein unabhängigeres Dasein; denn namentl[ich] die bildenden Künste haben eine festere Tradition u[nd] werden nicht so leicht affizirt wie [H. fol. 79 r.: Staatsleben und] die Poesie etc. Ja, solche Krisen bringen auch neue Anregungen, die befruchtend wirken. Die Ruhe der class[ischen] Zeit, die oft an Monotonie gränzte [wurde überwunden und] so trat[en] jetzt Mannichfaltigk[eit], tiefere Erregung des Gemüths in die Kunst ein, eine Richtung, die schon in den späteren Werken der Perikleischen Zeit bemerkbar ist, so der Fries v[on] Bassae, die Reliefs des Niketempels u[nd] der Balustrade. Jetzt wurden bes[ondere] Darstellungen aus denjenigen [Mythen]Kreisen gesucht, in denen eine lebhaftere u[nd] sinnl[ichere] Auffassung nahelag: der Kreis der Aphrodite u[nd] der Kreis des Dionysos. Die jüngere att[ische] Schule ergänzte das Repertoire deri Typen, welche noch nicht maaßgebend [aus]gebildet waren. Man emancipirte sich von der zurückhaltenden ıȦijȡȠı઄ȞȘ der älteren Zeit. Zugleich tritt die Kunst in nähere Beziehung zum individuellen Leben, die Kunst löst sich vom Staat, ferner ist zu erwähnen der Einfluß der Bühne mit ihrem erhöhten Pathos (Euripides.) Die Kunst ist noch eine att[ische], Athen bleibt Mittelpunkt des Künstlerlebens, aber Athen nimmt seine Sache nicht mehr so in Anspruch[,] u[nd] die Thätigk[eit] der Künstler verbreitet sich nach anderen Gegenden, wo Kunstliebe u[nd] Reichthum ist. [H. fol. 79 v.: So war die Kunst keine rein attische mehr. Das ist] Die Zeit vom peloponnes[ischen] Kriege bis zu Alexander. Wie erhielt sich die Tradition der Kunst? Unter den Schülern des Phid[ias], war Alkamenes am längsten thätig. Zu dieser Schule gehört ohne Zweifel der Athener Kephisodotos1335 (Paus. VIII, 30[, 10].) Athen fängt sich nach dem Siege des Konon wieder [als Großmacht in Griechenland] zu fühlen an; in diese Zeit fällt der berühmte Altar beim Tempel des ǽİઃȢ ȈȦIJ੾ȡim Peiraius, < eine eherne i

das Repertoire der : die.

1334 Aristot., pol. VI, 4 p. 1319 a 36f. 1335 Kephisodot d. Ä.: Müller 1848, 102 § 112, 1; 630 § 393, 2; Brunn, GK I, 269f. 305. 312. 336; Overbeck, Geschichte II 20f. – Lippold, Plastik 223–225; Stewart 1990, 14. 28. 34. 173f. 176f. 179. 237. 275–277. 324; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 408–410 s. v. Kephisodotos (M. Weber).

Die Kunst in Athen

335

Athene >1336 [.]Kephisodotos war Schwager des Phokion.1337 Er arbeitete auch für Megalopolis den ǽİ઄Ȣ zwischen der Stadtgöttin u[nd] der ਡȡIJİȝȚȢ ȈઆIJİȚȡĮ1338Mit ihm zusammen arbeitete hier ȄİȞȠij૵ȞEin arkad[isches] Motiv war auch sein Hermes, der den Bacchus als Kind pflegte: Mercurius, Liberum patrem infantem gerens (Plin. XXXIV, 87.)1339 Ferner Ǽੁȡ੾ȞȘu[nd] ȆȜȠ૨IJȠȢletzterer als Knabe vom Frieden getragen u[nd] diese offenbar dieselben (Paus. I, 8, 3) welche unweit des ȂȘIJȡ૶ȠȞ stand[en].1340 Auch der Zeitgenosse u[nd] Mitarbeiter Xenophon1341 (Paus. IX, 16) bildete eine IJ઄ȤȘ mit dem ʌȜȠ૨IJȠȢ Also bis in die Zeit des Epaminondas war Kephisodot der beste Künstler. Da der Sohn des Praxiteles auch Kephisodotos1342 hieß, ist es sehr wahrscheinl[ich], daß er Vater des Praxiteles war. – 31. 1. 65 Skopas1343 gehörte zu den Künstlern, welche aus Paros eingewandert waren; ebenso Agorakritos, Thrasymedes (Asklepios für Epidauros)[,] Kolotes, u[nd] Aristandros,1344 sämmtl[ich] Parier,1345 letzterer in Athen gebildet u[nd] dann in Sparta als Künstler thätig.1346 Es ist die Zeit der Erhebung nach dem Siege v[on] Aegospotamoi, wo Athen ein Kleinstaat geworden war u[nd] Lysander an der Spitze Spartas den Maecen spielte. – Aristandros bildete ein Werk in Marmor: Ȉʌ੺ȡIJȘals Heroin, leierspielend (Paus. III, 18[, 8].) Dieses Aristandros’ Sohn

1336 1337 1338 1339 1340

1341 1342

1343

1344 1345 1346

Hiller fol. 79 v.: Plin.[, n. h.] 34, 74. Plut., Phok. 19, 1. Paus. VIII, 30, 10. Plin., n. h. XXXIV, 87: Mercurius, Liberum patrem in infantia nutriens. Paus. IX, 16, 1. 2; Paus. I, 8, 2. – Die Statuengruppe Eirene und Plutos, München, Glyptothek Inv. 219: Vierneisel-Schlörb, Glyptothek München II, 255–273 Ab. 119–127; W. Geominy, in Bol, Bildhauerkunst II, 284f. et passim, Abb. 240, wurde erst von H. Brunn, Über die sogen. Leukothea in der Glyptothek Sr. Maj. König Ludwigs I. (1867) erkannt. Xenophon: Müller 1848, 118 § 124, 1; Brunn, GK I, 271. 300. 305. – Lippold, Plastik 225. 230f.; Stewart 1990, 174f. 276. 295; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 524 s. v. Xenophon (II) (R. V.). Kephisodot d. J.: Müller 1848, 118 § 124, 1; Brunn, GK I, 391–394. 433. 438; Overbeck, Geschichte II 55–57. – Lippold, Plastik 299–303; Stewart 1990, 28. 46. 175. 198f. 238. 277. 295–297. 325; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 410f. s. v. Kephisodotos (II) (B. Andreae). Skopas: Müller 1848, 97 § 109, II, 13; 117–121 § 124. 125. 126, 1. 4; 126 § 128, 4. 6; 155 § 151, 1; 163 § 158, 1; 542f. § 360, 1;574 § 372, 7; 634 § 394, 2; Brunn, GK I, 318– 335. 345. 396. 425–429. 434–437. 440. 457. 511; II, 330. 378. 410; Overbeck, Geschichte II 8–20. – Lippold, Plastik 249–254; A. F. Stewart, Scopas of Paros (1977); Stewart 1990, 14. 28. 64. 175. 182–185. 195. 284–286. 317. 324 et passim; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 391–396 s. v. Skopas (II) (C. Vorster). Aristandros: Müller 1848, 102 § 112, 1; Brunn, GK I, 276f. 300. 319. – Lippold, Plastik 230; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 80 s. v. Aristandros (I) (W. Müller / G. Bröker). Kolotes stammte aus Herakleia, Paus. V, 20, 2. Paus. III, 18, 8.

336

[S. 83]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

[war] wahrscheinl[ich] Skopas[,] corp. inscr. II, 2285 B.1347 Denn im Geschlechte des Skopas wechselten diese beiden Namen. Das Leben Skopas’ zeigt das unruhige Wanderleben der damal[igen] Künstler. Er war im Peloponnes, in Athen, Theben, Megara, Pergamos, Karien, Kilikien thätig. ([L.] Urlichs, Skopas. Leben u[nd] Werke[.] 1863.) Seine Lebenszeit ist am sichersten bestimmt durch seine Thätigk[eit] in Halykarnass nach dem Tode des Mausolos.1348 – Zunächst [wirkte er] im Peloponnes: in Elis, [hier] von ihm eine ਝijȡȠį઀IJȘ ਥʌȚIJȡĮȖ઀Į Arch. Zeitt. 71.)1349 neben der ਝijȡ>Ƞį઀IJȘ@ȅ੝ȡĮȞ઀Įmit der Schildkröte des Phidias [H. fol. 80 r.: Paus 6, 25[, 1].1350 Die Deutung v[on] ਥʌȚIJȡĮȖ઀Į: entweder die Führerin über See (Plut. Thes. 18[, 2].), od[er,] wie in Elis, als ʌ੺ȞįȘȝȠȢim Gegensatz zur Ƞ੝ȡĮȞ઀Į Der Gegensatz der ird[ischen] u[nd] himml[ischen] Liebe ist wohl erst später hineingetragen. In Tegea: hier war Ol. 96, 2 (395) der Tempel der Athene abgebrannt, die Stadt[,] vom Korinth[ischen] Kriege wenig berührt, hatte ein wohlhabendes Heiligthum u[nd] man stellte also den Tempel1351 mit neuem Glanze her, u[nd] dieser Neubau wurde Skopas übertragen (Paus. VIII, 54.)1352 Hier [waren] zuerst die 3 Säulenordnungen [gemeinsam verwandt worden]: ੒ ʌȡ૵IJȠȢ țંıȝȠȢ IJ૵Ȟ țȚંȞȦȞ įઆȡȚȠȢ d.h. die innere Säulenreihe, darüber eine korinth[ische] Reihe, außen dagegen war die Ordnung jon[isch]. Die Akanthusblätter des korinth[ischen] Capitäls war[en] damals entwickelt. Im Tempel war ein altes Bild des Endoios, neben dieses stellte Skopas 2 Gottheiten: Asklepios u[nd] Hygieia;1353 ersterer jugendl[ich] dargestellt. Die ਝșȘȞ઼ ਝȜ੼Į wurde [also] als Göttin des Gedeihens, Schutzes, der Gesundheit aufgefaßt. Deri jugendl[iche] Asklepiostypus ist neu. Erst wird er Zeus ähnl[ich] dargestellt, so in Epidauros, dann jugendl[ich] in voller Blüthe der Kraft, u[nd] die Gesundheit selbst darstellend, später erst [H. fol. 80 v.: als erfahrener Arzt] wird er der Gott der Ärzte. – In dem einen Giebel1354: die i

Der : Das.

1347 CIG II Nr. 2285 b. – Loewy 1885, 200f. Nr. 287. 1348 Plin., n. h. XXXVI, 30. 31; Vitr., VII praef. 12. 13. 1349 F. Lajard, Aphrodite Pandémos Epitragia, in: AZ 12, 1854, 263–272; E. Gerhard, ebenda, 273–276 Taf. 71. 1350 s. o. Anm. 946. 1351 Athena Alea-Tempel in Tegea: Svenson-Evers 1996, 394–405; Gruben 2001, 136–140. 1352 Paus. VIII, 45, 4–7. 1353 Paus. VIII, 47, 1. – Athena Alea-Bild von Endoios: Paus. VIII, 46, 4. 5. – Vermutlich beide Statuen abgebildet auf Relieffrgt., Tegea, Mus. Inv. 29: LIMC V (1990) 560 Nr. 59 s. v. Hygieia (F. Croissant) Taf. 385. 1354 Beschreibung der beiden Giebel: Paus. VIII, 45, 6. 7. – Zu den Giebelskulpturen des Athena Alea-Tempels, Athen, Nat.Mus.; Tegea, Mus.: C. Dugas, Le sanctuaire d’Aléa Athéna à Tégée au IVe siècle (1924) 77–102. 105–116 Taf. 96–112; A. Delivorrias, BCH 97, 1973, 111–135; A. Stewart, Scopas of Paros (1977) passim; Stewart 1990, 182–185. 284–286 Abb. 542–544; C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 330–335 Abb. 301. 302.

Die Kunst in Athen

337

kalyd[onische] Jagd wegen [der Darstellung des verwundeten] Ankaios, des Heros v[on] Tegea, auf der Rückseite die Schlacht des Telephos, ein arkad[ischer] Heros. In dem einen Felde Atalante, Meleager, der Eber im Centrum, u[nd] unter den Heroen auch Epochos, der den verwundeten Bruder Ankaios stützt, auch Theseus. – Auf der anderen Seite [ist] Telephos Hauptheld, welcher die am Kaikos landenden Griechen abhält, Achill ist der Angreifende, im Kampfe fiel Thersandros, vielleicht von einem Freund getragen, als centrum [der Komposition]. Urlichs denkt sich Diomedes als Tragenden.1355 Telephos war als Vorkämpfer dargestellt, so auf den Münzen [H. fol. 80 v.: von Tegea]. – Während Skopas in Tegea wirkte, hat er auch für Gortys in Arkadien Asklepios u[nd] Hygieia gearbeitet1356. – Eine Nachbildung derselben ist wohl ein Reliefwerk aus dem kret[ischen] Gortys [H. fol. 80 v.: , wo dieselben Kulte waren: ein Relief, Zeus sitzend, vor ihm Asklepios und Hygieia stehend, die also sein Wesen näher bestimmen sollen].1357 – Hier hat wohl auf Skopas die polyklet[ische] Schule gewirkt. – (Arch. Zeit. 1852 p. 117 Curtius)1358 Um dieselbe Zeit bildete er die Hekate in Argos (Paus. II, 22[, 7]), von Naukydes u[nd] Polyklet 3 [ihr] gegenüberstehende Erzfiguren. Als bewährter Meister kam nun Skopas nach Athen, um Ol. 100 (378)[,] als das Glück Athens wieder aufleuchtete[,] zur Zeit des Archon Nausinikos. In Athen: arbeiteten bes[onders] 4 Männer neben Skopas: Leocha-

1355 L. Urlichs, Skopas Leben und Werke (1863) 28f. 1356 Paus. VIII, 28, 1. 1357 Votivrelief an Asklepios, angebl. aus Gortys, Paris, Louvre Ma 753: Hamiaux, Louvre I, 143 Nr. 136. 1358 E. Curtius, Griechische Reliefs 1. Zeus, Asklepios und Hygieia, in: AZ 10, 1852, 417– 420 Taf. 38, 1 (zum vorgenannten Relief im Louvre).

338

[S. 84]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

res,1359 Timotheos,1360 Bryaxis1361 u[nd] Praxiteles.1362 U[nd] Prax[iteles] u[nd] Skopas arbeiteten so in einem Geiste, daß es bei vielen Werken zweifelhaft war, welcher der eigentl[iche] Meister war. (Plin. XXXVI, 28)1363 Im IJ੼ȝİȞȠȢ der ıİȝȞĮ઀ am Areopag bildete Skopasi diese Göttinnen [, die Erynien], erst hatte Kalamis eine dargestellt, 2 stellte Skopas daneben;1364 bes[onders] charakteristisch unter den vielen Werken dieser Zeit ist seine Bacchantin.1365 – Die plastische Kunst hatte sich noch spröde vom dionysischen Cult zurückgehalten. Skopas zog auch dies Gebiet in die Plastik. Eur[ipides in seinen] Bacch[en] hatte den enthusiast[ischen] Dionysoscult [bereits] dargestellt [H. fol. 81 r.: und war anregend]. – Die Bacchantin v[on] Skopas bei Kallistratos, de statuis 2 [beschrieben]. Sie hatte ein flatterndes Gewand u[nd] Haar, zurückgeworfenen Kopf, ein Opferthier in der Hand. Der Einfluß der Bühne ist hier anzuerkennen, șĮ૨ȝĮ ȤȚȝĮȚȡȠijંȞȠȞ1366 genannt. Dies Bildwerk kam nach Byzanz u[nd] ist in verschiedenen Exemplaren i

Skopas : er.

1359 Leochares: Müller 1848, 118 § 124, 1; 125f. § 128, 1. 4. 5; 155 § 151, 1; 542f. § 360, 1; Brunn, GK I, 323. 364. 382f. 385–390. 425–427. 430. 433; Overbeck, Geschichte II 50– 54. – Lippold, Plastik 268–272; Stewart 1990, 179–182. 189. 191. 237. 282–284. 288– 291 et passim ; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 5–11 s. v. Leochares (I) (P. Moreno). 1360 Timotheos: Müller 1848, 118 § 124, 1; 119 § 125, 4; 126 § 128, 4. 6; 155 § 151, 1; Brunn, GK I, 323. 382f. 547; Overbeck, Geschichte II 49f. – Lippold, Plastik 219–222; B. Schlörb, Timotheos, 22. Ergh. JdI (1965); Stewart 1990, 273f. 309 et passim; N. Yalouris, Die Skulpturen des Asklepiostempels in Epidauros, AntPl 21 (1992); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 475–479 s. v. Timotheos (A. Stewart). 1361 Bryaxis: Müller 1848, 118 § 124, 1; 126 § 128, 4.5; 151 § 146, 1; 155 § 151, 1; 163 § 158, 1; Brunn, GK I, 187. 323. 382f. 425. 433f.; Overbeck, Geschichte II 54f. – Lippold, Plastik 257–260; Stewart 1990, 279. 282. 300f. et passim ; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 122–125 s. v. Bryaxis (R. V.). 1362 Praxiteles: Müller 1848, 117f. § 124, 1; 119 125, 4; 120 § 126, 1; 122–125 § 127; 126 § 128, 6; 134 § 130, 1; 155 § 151, 1; 533 § 357, 4; 536 § 358, 2; 559 365, 5; 645 § 398, 2; 676 § 410, 4; Brunn, GK I, 204. 243. 335–358. 369. 383. 425–429. 433–440. 457. 511. 546. 621; II, 164. 410; Overbeck, Geschichte II 21–42. – Lippold, Plastik 234–243; Stewart 1990, 14. 28. 63f. 76. 175–180. 237f. 277–281. 283. 296. 303. 305. 324 et passim; A. Corso, Prassitele. Fonti epigrafiche e letterarie I–III (1988–1992), Xenia. Quaderni 10, 1–3; A. Ajootian, Praxiteles, in: YaleClSt 30, 1996, 91–126; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 305–319 s. v. Praxiteles (II) (W. Geominy). 1363 Plin., n. h. XXXVI, 28: Zuschreibung der Niobidengruppe an Skopas oder Praxiteles. 1364 Clem. Alex., protr. IV p. 41; Paus. I, 28, 6. 1365 Die nach moderner Forschungsmeinung auf die Mänade des Skopas zurückgeführte Marmorstatuette Dresden, Inv. ZV 1941, LIMC VIII (1997) 784 Nr. 20 Abb. s. v. Mainades (E. Simon, I. Krauskopf); C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 335f. Abb. 306 hat Georg Treu erst um die Jahrhundertwende identifiziert, H. Protzmann, in: Das Albertinum vor 100 Jahren – die Skulpturensammlung Georg Treus, Ausstellungskat. Dresden 1994, 272–274 mit Kat.-Nr. 282. 283. 1366 Anth. Graec. IX, 774, 3.

Die Kunst in Athen

339

erhalten; auch auf Reliefs.1367 Die Bacchantin stand wohl am Markt v[on] Athen. Ähnl[iche] Figuren wurden zu derselben Zeit gebildet: so die Marmorfigur aus Smyrna,1368 noch nicht ganz erklärt. – Vielleicht gehört den att[ischen] Werken auch der Apollon des Skopas an; im Tempel des Palatin[ischen] Apollo (Plin. XXXVI, 25) stand eine Gruppe berühmter Werke: Apollo v[on] Skopas,1369 Artemis v[on] Timotheos,1370 Leto v[on] Kephisodotos, Sohn des Praxiteles1371 (Prop. III, 30: Pythius in longa carmina veste sonat.)1372 Apollo [ist demnach] als Gott der mus[ischen] Begeisterung in langer Stola [wiedergegeben], u[nd] dies Werk ist uns wohl im Nachbilde erhalten in der berühmten vatican[ischen] Statue aus Tibur.1373 Apollo im pyth[ischem] Kitharödengewand, den Lorbeerkranz im lockigen Haar, stolz bewegt er sich als Führer des Reigens[,] selbst den Agon mitfeiernd. Die Leier um die Schulter gebunden, seine Bewegung ein feierl[ich] rhythm[isches] Wandeln. In der Rechten das ʌȜોțIJȡȠȞ, an der Leier ist der überwundene Marsyas dargestellt. Im Ganzen nichts von Empfindsamk[eit], es ist [zwar] etwas Weibisches in der Gewandung, aber das Kräftige, Männl[iche], Gesunde ist hervorgehoben u[nd] das Singen zart durch die Halsmuskeln ausgedrückt. Dieselbe Gestalt finden wir auf den Münzen v[on] Augustus u[nd] Nero, mit der Rundschrift Actius.1374 Dieser palatin[ische] Tempel heißt in der mittelalterl[ichen] Tradition der röm[ischen] Topographie: aedes Apollinis Rhamnusii, darum meint Urlichs1375, dieser Apollo habe in Rhamnus gestanden. Wir haben

1367 Gurlitt: auch auf Reliefs, Hiller fol. 81 r.: so in einer vatikanischen Statue, im Relief auf dem Altar des Sosibios. – 3 Mänaden (Typus 25. 28. 30) des in zahlreichen Varianten überlieferten Mänadenthiasos, der sog. Mänaden des Kallimachos, L. A.Touchette, The Dancing Maenad-Reliefs. Continuity and Change in Roman Copies, BICS Suppl. 62 (1995); LIMC VIII (1997) 785 Nr. 29 Abb.; 795 Nr. 144 Abb. s. v. Mainades (E. Simon, B. Simon, I. Krauskopf). – Zum Volutenkrater (nicht Altar) des Sosibios, Paris, Louvre Ma 442: D. Grassinger, Römische Marmorkratere (1991), 183–185 Nr. 25 Textabb. 7, S. 24–25, Abb. 16–21. 1368 Stark bewegte weibliche Statuette aus Biskuit, modern, angebl. aus Smyrna; ehem. Slg. Millingen, Florenz. – E. Gerhard, AZ 7, 1849, Sp. 2–5 Taf. 1; 2,4.5; L. Urlichs, Skopas’ Leben und Werke (1863) 62f.; A. Michaelis, Ancient Marbles in Great Britain (1882) 157. 420; Friederichs – Wolters 1885, 774 Nr. 1968. 1369 Plin., n.h. XXXVI, 25; Prop. II, 31, 5f. 15f. 1370 Plin., n.h. XXXVI, 32; vgl. Prop. II, 31, 15f.. 1371 Plin., n.h. XXXVI, 24. 1372 Prop. II, 31, 16. 1373 Apoll Kitharodos, Vatikan, Sala delle Muse Inv. 310: Lippold, Vat. Mus. III 1, 60 Nr. 516 Taf. 6.7; LIMC II (1984) 203 Nr. 135 s. v. Apollon (O.Palagia); 385f. Nr. 65 s. v. Apollo (E. Simon); M. Flashar, Apollon Kitharodos. Statuarische Typen des musischen Apollon (1992) 108–113. 215 Taf. 78.79. 1374 Münzen des Nero mit der Legende Actius sind nicht überliefert, nur des Augustus (APOLLINI ACTIO; ACT). – Augustus: H. Mattingly, RIC I (1948) 74 Nr. 152; 88f. Nr. 328. 331. 336. 339. 340; Nero: ebenda 169–171 Nr. 349–375 (Darstellung Neros als Kitharode). 1375 L. Urlichs, Skopas’ Leben und Werke (1863) 63–68.

340

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

noch in Neapel einen sitzenden Apollo ȂȠȣıĮȖ੼IJȘȢ(Braun, Kunstmyth. p. 45)1376 u[nd] ein[en] Apollo in der Sammlung Egremont (Braun l.c. 47.)1377. 2. 2. 65 Das Verhältniß der kleinasiat[ischen] Kunst zu der des Mutterlands. Wir haben die asiat[ischen] Staaten als die Geburtsstätten der Kunst gefunden. Jetzt1378 ist es umgekehrt, das asiat[ische] Griechenland ist zurückgeblieben in künstlerischer Production, es waren große Mittel, viel Reichthum, aber keine kräftige Staatsentwicklung [vorhanden]; [H. fol. 81 v.: seit dem ionischen Aufstand kennen wir hier keinen Meister;] es wurden also argiv[ische] u[nd] att[ische] Künstler in Ephesos beschäftigt.1379 Eine enge Verbindung von Kunst u[nd] Staat tritt uns zuerst in Karien entgegen, in der Mitte des 4. saec[ulums], als sich aus den Trümmern der att[ischen] Seehegemonie ein kar[isches] Insel- u[nd] Küstenreich entwickelt. Mausolos zerstört die att[ische] Herrsch[aft] u[nd] charakterisirt seine neue Macht als griech[ische] dadurch, daß Kunst u[nd] Wissensch[aft] bei ihm eine Stätte fanden. Ehe Skopas in den Dienst des Mausolos trat, hatte er schon [in Kleinasien] z. B. am ȈȝȚȞșİ૙ȠȞein ȟંĮȞȠȞdes Apollo Smintheus, [dargestellt] in Verbindung mit einer Maus [geschaffen]1380; wir haben eine Reihe v[on] Münzen (de Witte)1381 mit einer Maus auf Apollosi Hand, Skopas ließ sie unter dem Fuß hervorkriechen. Für Ephesos stellte er Leto mit den Kindern u[nd] der Ortygia, der Amme[,] dar.1382 Ferner [wirkte er] auch in [der] Troas.1383 Da wurde er nach Halykarnass gerufen u[nd] mit ihm eine ganze Künstlercolonie. Diese Emigration erfolgte nach dem Tode des Mausolos, [Ol.] 107, 2 [353 v. Chr.] od. 106, 4 i

Apollos : der.

1376 Sitzstatue des Apollon Kitharodos, Neapel, Museo Nazionale Inv. 6281 (Romastatue, im 16. Jahrhundert von Guglielmo della Porta und Ende des 18. Jahrhunderts von Carlo Albaccini als Apoll ergänzt). – E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 27 Taf. 45. – R. Delbrueck, Antike Porphyrwerke (1932) 62–66 Taf. 16.17; Museo Nazionale di Napoli I, 2, 170 Nr. 118 mit Abb. 1377 Apollon Egremont, Petworth House, West-Sussex, England: Braun a. O. 28f. Taf. 47. – LIMC II (1984) 206 Nr. 153 s. v. Apollon (O.Palagia); 375f. (E.Simon); Flashar a.O. 27f. Taf. 14; J. Raeder, Die antiken Skulpturen in Petworth House (West Sussex) (2000), 99– 103 Kat.-Nr. 26 Abb. 9f. Taf. 36. 37. 1378 Im 4. Jh. v. Chr. 1379 Beim Wettstreit um die schönste Amazonenstatue. 1380 Strab. XIII, 1, 48 p. 604; Eusthat. ad Il. I, 19. – Zum Apollon Smintheus: LIMC II (1984) 231f. Nr. 378 s. v. Apollon (O. Palagia); Flashar a.O. 46–49. 1381 J. de Witte, Apollon Sminthien, in: Revue numismatique N. S. 3, 1858, 1–51 Taf. 1. 1382 Strab. XIV, 1, 20 p. 640. 1383 Gurlitt: Troas, Hiller fol. 82 r.: Knidos.

Die Kunst in Athen

341

(351).1384 Seine Gattin u[nd] Schwester, Artemisia hielt es für ihre Aufgabe[,] das Andenken des Mausolos zu verewigen, sie setzte Preise aus nach griech[ischer] Weise für Dichtungen u[nd] prosaische Leistungen. Um den Preis der Beredsamkeit wetteifern die Meister der att[ischen] Redekunsti, die Schüler des Isokrates. Theopompos aus Chios trug den Preis der Beredsamk[eit] davon. So gaben sich die Griechen her, einen Tyrannen u[nd] Halbbarbaren zu verherrlichen, der sich auf das Schlechteste einließ, wenn er nur einen Vortheil darin sah. Daher die Feindsch[aft] des Demosthenes gegen ihn. Aber die mehr kosmopoliti- [S. 85] sche Schule des Isokrates ging auf die Verherrlichung des Mausolos ein u[nd] dieser Schwäche ([...]) machte sich auch die Plastik schuldig, um ein Grabdenkmal in unerhörter Pracht zu errichten. Zumii ȂĮȣııઆȜİȚȠȞ Vitr. praef. 5 liber VII; Plin. XXXVI, 30. Hygin. Luc., dial. mort.1385 Über das Maussoleum gab es schon alte Werke, von den Baumeistern desselben: Satyros u[nd] Pytheos1386. – Als Wunderwerk im Mittelalter wie in der Neuzeit gefeiert. Als die Johanniter sich in Halykarnass ein Castell bauten, benutzten sie die Trümmer des Mausoleums, bis eine Expedition unter Newton [in] Halykarnass Aufgrabungen machte1387. Die Stelle ist genau nachgewiesen, eine Reihe Skulpturen ist zu Tage gekommen, aber das ganze Gebäude ist noch nicht darzustellen. Fergusson gab bald darauf eine andere Restitution1388 (Stark, Phill. XXI, p. 404. Urlichs, Skopas.)1389 Das Gebäude war ein complicirtes Denkmal, [das errichtet wurde,] um die Reste des Verstorbenen zu bewahren, eine Grabkapelle darzustellen, u[nd] ein imposani ii

Redekunst : Redner. Zum : Über.

1384 Nach Diod. XVI, 36, 2 starb Maussollos 353, nach Plin., n. h. XXXVI, 30. 47 im Jahre 351 v. Chr., offenbar eine Verwechslung mit dem Todesdatum der Artemisia. Seit F. Münzer, Beiträge zur Quellenkritik der Naturgeschichte des Plinius (1897) 49. 342 und U. Kahrstedt, Forschungen zur Geschichte des ausgehenden 5. und 4. Jahrhunderts (1910) 22f. gelten die Todesdaten des Maussollos und seiner Ehefrau Artemisia 353 bzw. 351 v. Chr. als gesichert. 1385 Vitr. II, 8, 11; VII, praef. 12. 13; Plin., n. h. XXXVI, 30. 31; Lukian., dial. mort. 24, 1; Hyg., fab. 223. – Zum Maussolleion: Müller 1848, 155f. § 151, 1. – Svenson-Evers 1996, 131–142 (S. 116 ält. Lit.); W. Hoepfner, Das Maussolleion zu Halykarnaß, in: AA 1996, 95–114; ders, Das Mausoleum von Halikarnassos: Perfektion und Hybris, in: Klassik 2002, 417–423. 1386 Vitr. VII, praef. 12. – Zu Pytheos und Satyros: Müller 1848, 97 § 109, III, 16; 155 § 151, 1; Brunn, GK I, 323. 382f.; II, 331f. 376–378. – Svenson-Evers 1996, 116–150; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 334–338 s. v. Pytheos (W. Höpfner); 366f. s. v. Satyros (I) (G. B. Waywell). 1387 C. T. Newton, A history of discoveries at Halikarnassos, Cnidus and Branchidae I. II. (1862. 1863). 1388 J. Fergusson, The Mausoleum at Halikarnassos, restored in conformity with the recently discovered remains (1862). 1389 K. B. Stark, Zur Archäologie der Kunst III. Das Mausoleum zu Halikarnass und seine Bedeutung für die Plastik, in: Philologus 21, 1864, 453–474; L. Urlichs, Skopas Leben und Werke (1863) 172f.

342

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

tes Ehrendenkmal zu sein. Wir haben also ein Souterrain, im Felsboden selbst waren Kammern ausgehöhlt. Über der Erde ein mächtiges Rechteck, auf dem Postament eine Tempelcella mit Säulen umgeben (ʌIJ੼ȡȠȞ 1390über den Säulen ein Architrav. Darauf eine Pyramide u[nd] auf der Pyramide ein Postament mit einer Quadriga. Das ganze war 140' hoch. Diese Art des Baus ist damals nicht neu gefunden, sondern nach Analogie kar[ischer] Grabdenkmäler, ähnl[ich denen] in Mylasa1391, auch das Nereidenmonument in Xanthos1392 ist gewissermaßen ähnl[ich]. Newton selbst hat bei Knidos das ganz ebenso gestaltete Denkmal gefunden, das Löwendenkmal1393. – Gefunden sind vom Maussoleumi: 1.) Rundwerke: a.) Stücke der Quadriga1394 u[nd] dabei 2 colossale Statuen1395, die männl[iche] ist aus 63 Stücken zusammengesetzt. Die männl[iche] Statue ist eine Gewandfigur mit fliegendem Haar, mit nicht ganz griech[ischen] Zügen, jugendl[ich], kräftig. Newton u[nd] Urlichs erkennen hierin den Mausolos [H. fol. 82 r.: in der Quadriga] selbst [H. fol. 82 r.: , und das ist auch wahrscheinlich].1396 Stark meint, sie habe im Inneren der Cella gestanden.1397 Neben dieser männl[ichen] Figur eine weibl[iche,] die man für eine Nike hielt. b.) 20 stehende Löwen,1398 die gleichsam als Schildwache um das Grab herumstanden. Daß sie architekton[isch] aufgestellt waren, geht daraus hervor, daß die Köpfe abwechselnd nach rechts u[nd] links gerichtet sind. Die besser erhaltenen zeigen fleißige, i

vom Maussoleum : hier.

1390 Plin. n. h. XXXVI, 30. 1391 Mausoleum bei Mylasa, EAA V (1963) 304 s. v. Mylasa (N. Bonacasa) Abb. 413. 1392 Nereidenmonument von Xanthos: P. Coupel–P. Demargne, Fouilles de Xanthos 3. Le monument des Néréides (1969); die Plastik London, Brit. Mus. 850–944: W. A. P. Childs–P. Demargne u.a., Fouilles de Xanthos VIII. Le monument des Néréides. Le décor sculpté 1. 2 (1989). 1393 Löwendenkmal von Knidos, der Löwe London, Brit. Mus. 1350: C. T. Newton, A history of discoveries at Halikarnassos, Cnidus and Branchidae I. II. (1862. 1863) 480–511 Taf. 61–66. 1394 Mausoleum, Quadriga: London, Brit. Mus. 1002–1005 et al.: G. B. Waywell, The freestandig sculptures of the Mausoleum at Halicarnassus in the British Museum. A catalogue (1978) 16–26. 85–96 Kat. Nr. 1–25 Taf. 5–12. 1395 Statue des Maussollos, London, Brit. Mus. 1000: Waywell a. O. 97–103 Nr. 26 Taf. 13– 15; C. Maderna, in : Bol, Bildhauerkunst II, 303–305 et passim Abb. 279. – Statue der Artemisia, London, Brit. Mus 1001: Waywell a. O. 103–105 Kat. Nr. 27 Taf. 13; C. Maderna, in : Bol, Bildhauerkunst II, 305–307 et passim Abb. 280. 1396 C. T. Newton, Papers Respecting the excavations at Budrum (1858) 15. 22 ; ders., A history of discoveries at Halikarnassos, Cnidus and Branchidae II. (1863) 104. 214; L. Urlichs, Skopas Leben und Werke (1863) 189f. 1397 K. B. Stark, Zur Archäologie der Kunst III. Das Mausoleum zu Halikarnass und seine Bedeutung für die Plastik, in: Philologus 21, 1864, 453–474. 1398 Löwen, London, Brit. Mus. 1075–1086 et al.: Waywell a. O. 27–34. 180–209 Kat. Nr. 401–650 Taf. 37–42.

Die Kunst in Athen

343

naturalistische Bearbeitung. c.) Außer diesen auch Widder,1399 Eber,1400 Hunde.1401 d.) colossale Reiterfiguren,1402 6 Torsi besser erhalten, e.) männl[iche] Köpfe von Göttern u[nd] Heroen.1403 f.) weibl[iche] Köpfe.1404 g.) eine thronende Götterfigur in 2facher Lebensgröße [H. fol. 82 v.:, die den Eindruck eines Zeus macht].1405 [2.)] 23 Reliefs: Auch der Reliefschmuck zerfällt, a.) in viereckige Tafel[n], metopenartig, aber nicht in Hautrelief, und zwischen den Säulen in der äußeren Wand eingelegt.1406 b.) fortlaufende Friese, mit Farbenspuren. Į flach[gearbeitet]e Reihen v[on] Wagenlenkern u[nd] Wagenkämpfern,1407 auch Wagenlenkerinnen, ähnl[ich] den Niken am Parthenon um die Cella herum [angebracht]; wohl auf die Leichenspiele bezügl[ich.] ȕ höhergearbeitete Reliefs aus gröberen Marmor, att[ische] Motive: Lapithen u[nd] Kentauren, u[nd] Amazonenkampf, von letzteren sind 12 Platten nach England gekommen u[nd] 1 [weitere] dieser Platten ist noch in Genua. Canning [?] Marbles im Brit[ish] Museum.1408 – Diese Reliefs schließen sich an die Richtung im Tempel von Phigalia an. Größte dramat[ische] Bewegung, Suche nach span- [S. 86] nenden Zügen, einzelne sind vortreffl[ich], meistens sind sie flüchtig. Man hat den Eindruck, es handele sich mehr um eine Decoration. Dazu kommt, daß die Meister nicht selbst die Werke ausführten; aber der Einfluß der Schule des Phidias ist unverkennbar; es ist keine halbbarbar[ische], sondern echt att[ische] Kunst. Plin. l.c. ab oriente caelavit Scopas (u[nd] gerade an der Ostseite sind die besterhaltenen Platten gefunden)[,] a septentrione Bryaxis, a meridie Timotheus, ab

1399 Widder, London, Brit. Mus. 1097: Waywell a .O. 170f. Kat. Nr. 360. 361 Taf. 33. 1400 Eber, London, Brit. Mus. 1096, 1–3 et al.: Waywell a. O. 172f. Kat. Nr. 365–370 Taf. 34. 35. 1401 Hunde, London, Brit. Mus. : Waywell a. O. 175 Nr. 376. 377 Taf. 36. 1402 Persischer Reiter, London, Brit. Mus. 1045: Waywell a. O. 110–113 Kat. Nr. 34–41 Taf. 18. 19. 1403 Männl. Köpfe, London, Brit. Mus. 1054–1058. 1060: Waywell a. O. 115–120 Kat. Nr. 45–50 Taf. 20–23; C. Maderna, in : Bol, Bildhauerkunst II, 308–311 Abb. 282–284. 1404 Weibl. Köpfe, London, Brit. Mus. 1051–1053: Waywell a. O. 106–108 Kat. Nr. 30–32 Taf. 16. 17; C. Maderna, in : Bol, Bildhauerkunst II, 307. 311 et passim Abb. 281. 367. 1405 Thronende männl. Figur, London, Brit. Mus. 1047: Waywell a. O. 108–110 Nr. 33 Taf. 17. 1406 Figuralkassetten, London, Brit. Mus. 1038–1042: K. Tancke, Figuralkassetten griechischer und römischer Steindecken (1989) 18–22. 229–232 Kat. Nr. 3, 1–10 Taf. 10–19. 1407 Wagenlenkerfries, London, Brit. Mus. 1036. 1037: K. Tancke, Wagenrennen, in: JdI 105, 1990, 95–127. bes. 95–97; C. Maderna, in : Bol, Bildhauerkunst II, 311 Abb. 285. 1408 Amazonomachiefries, London, Brit. Mus. 1006–1031, Kentauromachiefries, London, Brit. Mus. 1032–1035; London, Brit. Mus. 1022 war bis 1865 in Genua. Zusammenfassende Abb. nach Antike Denkmäler II Taf. 16 in: EAA, Atlante dei complessi figurati e degli ordini architettonici (1973) Taf. 204–209; grundlegend noch immer J. Sieveking – P. Wolters, JdI 24, 1909, 171–191 Beil. 1.2; s. jetzt C. Maderna, in Bol, Bildhauerkunst II, 311–316 Abb. 286–288.

344

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

occidente Leochares.1409 Bei dem ganzen epideikt[ischen] Charakter dieser Kunst ist wohl mögl[ich], daß dies in Folge eines Agon geschah (hodieque certant opera Plin. l.c.)1410 In Bithynien war ein berühmtes Werk des Skopas[,] eine großartige Gruppe, welche die Nereiden in einem reichgestalteten Zuge mit anderen Seegöttern den Achilleus begleitend [darstellte]. Denn Achilleus wurde nach der Sage zu einem meerbeherrschenden Gotte erklärt. Aesch[ylus,] Achilleis besang die Nereiden, welche Achilleus Waffen bringen (Welcker, Trilogie p. 424.)1411 Plin[ius] XXXVI, 26[:] Nereides supra delphinos sedentes, Tritones chorum Phorci, pistrices et multa alia omnia eiusdem manus, praeclarum opus, etiamsi totius vitae fuisset.1412 Dies Werk war durch Cn. Domitius Ahenobarbus nach Rom gebracht. Er erbaute zum Andenken seiner Siege in Rom einen Neptunustempel u[nd] stellte in ihm die Gruppe des Skopas auf. In der Mitte Poseidon, Achill, Thetis u[nd] an diese Mittelgruppe haben sich dann die Seegeschöpfe angeschlossen. Dies scheint unwillkürl[ich] auf eine Giebelgruppe zu weisen, so auch Welcker.1413 Über den Geist des Werkes können wir uns eine Anschauung verschaffen durch ein Relief in der Münchner Glyptothek1414, herausgegeben v[on] O. Jahn, Ber. d. s. Ges. d. W. Aug. 1854, in par[ischem] Marmor, über 30' lang. – 3. 2. 65 Stark meint, das Werk stamme aus dem ਝȤ઀ȜȜİȚȠȞ in [der] Troas.1415 Das ist ganz wahrscheinl[ich.] [H. fol. 83 v.: Der Gegenstand des Reliefs ist die Vermählung

1409 Plin., n. h. XXXVI, 31: ab oriente caelavit Scopas, a septentrione Bryaxis, a meridie Timotheus, ab occasu Leochares. 1410 Plin. a. O.: hodieque certant manus. 1411 F. G. Welcker, Die Aeschylische Trilogie. Prometheus und die Kabirenweihe zu Lemnos nebst Winken über die Trilogie des Aeschylus überhaupt (1824) 422–424. 1412 Plin. XXXVI, 26: Neptunus ipse et Thetis atque Achilles, Nereides supra delphinos et cete aut hippocampos sedentes, item Tritones chorusque Phorci et pistrices ac multa alia marina, omnia eiusdem manu, praeclarum opus, etiam si totius vitae fuisset. 1413 F. G. Welcker, Alte Denkmäler I. Die Giebelgruppen und andre Griechische Gruppen und Statuen (1849) 204–206. 1414 München, Glyptothek Inv. 239: O. Jahn, Über ein Marmorrelief der Glyptothek in München, in: Berichte über die Verhandlungen der Kön. Sächs. Ges. der Wissenschaften 6, 1854, 160–194 Taf. 3–8. – H. Kähler, Seethiasos und Census. Die Reliefs aus dem Palazzo Santa Croce in Rom (1966); H. Froning, Marmorschmuckreliefs mit griechischen Mythen im 1. Jahrhundert v. Chr. (1981) 112–125 Taf. 36, 1; 38; LIMC VI (1992) 815 Nr. 423 s. v. Nereides (N. Icard-Gianolio - A.-V. Szabados) Taf. 506. 1415 K. B. Stark, Skopas und seine Werke, Philologus 21, 1864, 415–453.

Die Kunst in Athen

345

des Poseidon mit der Amphitrite; aber der Zug ist offenbar dem des Skopas nachgeahmt.] Ulrichs meint, dies Relief stamme von demselben Neptunustempel u[nd] sei auch von Skopas gebildet,1416 das läßt sich nicht beweisen. – Auch hier faßte Skopas das Seelenleben [thematisch] auf u[nd] erscheint als geistvoller, genialer Künstler. Der bacch[ische] Thiasos auf das Meer übertragen. [H. fol. 83 v.: Wir erkennen die attische Schule.] Plin[ius] XXXIV, 57[:] Myron bildet auch Seeungethüme1417. – So war Skopasi auch im Stande[,] die Aphrodite darzustellen mit Eros, Pothos u[nd] Himeros in Megara (Paus. I, 43, 6)[,] welche dieselbe Gruppenbildung mit der feinsten Charakterisirung [zeigen].1418 (Plin. XXXVI, 26: Eine unbekleidete Statue der Venus [des Skopas in Rom] Praxiteliam antecedens quemcumque alium locum nobilitura[)]. – Von Skopas gab es in Rom einen Mars sedens colosseus, im Tempel des Mars, welchen Decius Iunius Brutus nach einem Sieg über die Callaeci (Plin. XXXVI, 26.) [weihte], 182 a[nte] Chr[istum].1419 – Der sitzenden Statuen des Mars gibt es nicht viele, eine ausgezeichnete in der Villa Ludovisi,1420 der Kriegsgott sitzend, zu seinen Füßen der Liebesgott, er ist träumend dargestellt, der Ares, der sich besiegt fühlt, u[nd] der es selbst für ein Wunder hält u[nd] darüber nachdenkt. Der linke Fuß in den Händen, mit gesenktem Haupte, der Schild liegt ihm zur Seite. – Aber die Identification [mit diesem Werk des Skopas] ist doch zweifelhaft [H. fol. 84 r.: ; die Darstellung des Amor als Kind gehört einer späteren Zeit an. Ein anderer sitzender Mars ist z. B. am Constantinsbogen]. – Skopas war also einer der produktivsten Künstler, er hat die vitale Plastik u[nd] die Verbindung mit der Tempelskulptur bewahrtii, [H. fol. 84 r.: er lernte von der attischen Schule,] auch von Polyklet hat er gelernt u[nd] bildet, wie er, meistens jugendl[iche] Gestalten. Seine Eigenthümlichk[eit] ist die Darstellung seelisch erregter Momente u[nd] die eigenthüml[iche] Gruppenbildung; er wagte zuerst[,] den weibl[ichen] Körper in voller Anmuth darzustellen. Der Charakter des Skopas wird durch Vergleichung mit i ii

Skopas : er. bewahrt : festgehalten.

1416 L. Urlichs, Skopas Leben und Werke (1863) 129. 1417 Curtius liest offenbar Plin. XXXIV, 57 entgegen der Textüberlieferung pristes (Meerungeheuer) statt pristas (Holzsäger). 1418 Paus. I, 43, 6: Zu einem alten Aphroditebild hatte Skopas seine Statuen des Eros, Himeros und Pothos hinzugruppiert. 1419 Plin., n. h. XXXVI, 26: Mars ... sedens colossiaeus; Decius Iunius Brutus Callaicus, 138 v. Chr. Consul, Kriege 138–134 v. Chr. gegen die Callaici (Galicier) in Nordspanien. 1420 Ares Ludovisi, Rom, Mus. Naz. Rom. Inv. 8602: Museo Nazionale Romano I, 5, 115– 121 Nr. 51 (B. Palma); C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 362f. Abb. 326.

346

[S. 87]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Praxiteles1421 (Friederichs)1422 [verdeutlicht:] er war ein Athener v[on] Geburt u[nd] viel mehr an Athen gebunden als der wanderlustige Skopas. Deßhalb hatte Praxiteles keine so umfassende Künstlerthätigk[eit]. Aber er war in seiner Art noch berühmter. Auch er bildete fast nur in Marmor[:] marmore felicior, quam aere marmoris gloria superavit etiam semet.1423 [H. fol. 84 v. : Seine Köpfe waren besonders berühmt: hier ist das körperliche am Meisten geistig] (Cic. de div. II, 21 Praxitelis capita.)1424 Diod[or] p. 512[:] ੒ țĮIJĮȝ઀ȟĮȢ IJȠ૙Ȣ ȜȚș઀ȞȠȚȢ ਩ȡȖȠȚȢ IJ੹ IJોȢ ȥȣȤોȢ ʌ੺șȘ1425 Die Anregung zu dieser Richtung hatte er von Phidias. Paus. VIII, 9[, 1] nennt [ihn] in der 3. Generation nachi Alkamenes, kunstgeschichtl[ich] wichtig. Der Schüler des Alkamenes war Kephisodotos, dieser wahrscheinl[ich] Vater des Praxiteles. (corp. inscr. [graec. I] 1604.)1426 Die Thätigk[eit] des Praxiteles reicht bis in die Zeiten Alexanders. Er war auch auctor formarum, d. h. er stellte [Statuen-]Typen fest. So das Ideal der Artemis, die schlank, jungfräul[ich], spröde dargestellt wurde, durch die dor[ische] Tracht succincta1427, mit frei ausschauenden Augen. (Petr. 126 osculum quale Praxiteles Dianam habere credidit.)1428 Die Artemis hatte eine gewisse Ähnlichk[eit] mit der Amazonengestalt. Äußerlich gab das Köcherband, welches die Brust kreuzte, ein anmuthiges Motiv. Wir können keine Statue direct auf Praxiteles zurückführen, nach Friederichs [aber]: Die Diana Colonna[,] j[etzt] in Berlin,1429 bes[onders] fein gebildete Lippen, sie unterscheidet sich durch langes Gewand [vom Normaltypus] u[nd] wahrscheinl[ich] trug sie Fackeln in den Händen. [H. fol. 84 v.: Besonders berühmt ist auch die Artemis von Gabii, jetzt im Louvre, mit dorischem Gewand, das sie sich über der Schulter festmacht.] Paus[anias] I, 23 [nennt] eine [Artemisstatue] in Athen, Paus[anias] VI, 37 eine in Antikyra in Phokis, mit Fackeln, einem Hund u[nd] Kothurnen1430[.] i

in der 3. Generation nach : den 3. von.

1421 s. o. Anm. 1362. 1422 K. Friederichs, Praxiteles und die Niobegruppe nebst Erklärung einiger Vasenbilder (1855) 3–64; ders., Beiträge zur Chronologie und Charakteristik der praxitelischen Werke, in: Zeitschrift für die Alterthumswissenschaft 14, 1856, 1–6. 1423 Plin., n. h. XXXIV, 69: Praxiteles, quamquam marmore felicior, ideo et clarior fuit, fecit tamen et ex aere pulcherrima opera; XXXVI, 20: Praxitelis aetatem ... , qui marmoris gloria superavit etiam semet. 1424 Cic., div. II, 21, 48: Praxitelia capita. 1425 Diod. XXVI Frgt. 1. 1426 CIG I Nr. 1604. – Loewy 1885, 59f. Nr. 76; IG VII Nr. 1831 mit Signatur des Praxiteles mit Ethnikon. 1427 Ov., am. III, 2, 31. 1428 Paus. X, 37, 1; Petron., sat., 126, 16: osculum quale Praxiteles habere Dianam credidit. 1429 Artemis Colonna, Berlin Sk 59: K. Friederichs, Praxiteles und die Niobegruppe nebst Erklärung einiger Vasenbilder (1855) 99–104. – LIMC II (1984) 638f. Nr. 163 s. v. Artemis (L. Kahil) Taf. 457; 801 Nr. 15 s. v. Artemis/Diana (E. Simon). 1430 Paus. I, 23, 7; Paus X, 37, 1. – Kothurne sind bei Pausanais nicht erwähnt.

Die Kunst in Athen

347

Ferner das Ideal des Apollo. Plin[ius] XXXIV, 70 erwähnt unter den Broncen einen „pubes Apollo, subrepenti lacertae com[m]inus insidians sagitta, quem ıĮȣȡȠțIJંȞȠȞ apellant“. Nach dieser Beschreibung könneni wir eine Reihe Nachbildungen erkennen, bes[onders] im Louvre.1431 In verschiedenen Marmorstatuen ist dies Erzbild nachgebildet worden. Die Eidechse war ein Orakelthier, dem Helios lieb, denn sie liebte die Sonne. – Apollo als Patron der Galeotenii, Eidechsenpropheten [H. fol. 85 r.: Eine bestimmte Gattung von Wahrsagern hieß Galeoten, der Sohn des Apollon Galeotes. Apollo ist also in dieser Statue wohl der Patron der Galeoten.]. – Wahrscheinl[ich] will sie der Gott spießen u[nd zwar so,] daß die Windungen ein Zeichen für die Mantik gaben (Mart. XIV, 172.)1432 Das ganze hat einen anmuthigen Charakter, ein Gegenbild zu dem großen Schlangentödter. – Von diesem ıĮȣȡȠțIJંȞȠȢhat man später eine andere Anwendung gemacht, so in der Gruppe v[on] San Ildefonso.1433 Ferner das Ideal der Demeter. Ceres in hortis Servilianis mit Proserpina u[nd] Triptolemos (Plin. XXXVI, 24)1434 u[nd] am Eingang zu Eleusis: Demeter, Iakchos u[nd] Proserpina (Paus. II, 4)1435[.] Eros war eine alte Naturmacht, in Thespiae als roher Stein verehrt.1436 Jetzt entstand [H. fol. 85 r.: durch Skopas und Praxiteles] ein idealgebildeter Knabe. U[nd] um den [Eros] des Praxiteles zu sehen, reisten viele nach Thespiae. Phryne, die Geliebte des Praxiteles, sollte das schönste Werk bekommen, u[nd] sie entlockte dem Praxiteles, daß das Schönste Eros sei. Caligula führte ihn nach Rom, dann durch Nero [ein zweites Mal entführt] u[nd] ging zu Rom unter (Paus. IX, 7, 3; Paus I, 26. Ath. p. 519.)1437 Von dem Eros haben wir 2 Nachbildungen: [H. fol. 85 r.: den elginschen und den] Eros v[on] Centocelle im Vatican,1438 eins der köstlichsten Überreste antiker Plastik; der Eros des Praxiteles (Plin. XXXVI, 22) i ii

können : erkönnen. Galeoten : Galleoten.

1431 Apollon Sauroktonos, Paris, Louvre Ma 441: LIMC II (1984) 199 Nr. 81 s. v. Apollo (O. Palagia); 378f. Nr. 53 s. v. Apollon/Apollo (E. Simon) Taf. 302; W. Geominy, in: Bol, Bildhauerkunst II, 294f. et passim Abb. 261. 1432 Mart. XIV, 172: Sauroctonos Corinthius. 1433 Gruppe von San Ildefonso, Madrid, Museo del Prado Inv. 28–E: S. F. Schröder, Katalog der antiken Skulpturen des Museo del Prado in Madrid I. Die Porträts (1993) 214– 216 Nr. 57; ders., II. Die Idealplastik (2004) 371–379 Nr. 181. 1434 Plin., n. h. XXXVI, 23: Romae Praxitelis opera sunt Flora, Triptolemus, Ceres in hortis Servilianis. 1435 Paus. I, 2, 4. 1436 Paus. IX, 27, 1. 1437 Paus. IX, 27, 3: Eros des Praxiteles in Thespiai; Paus. I, 20, 1: Phryne-Episode; Ath. XIII, 591 a. 1438 Eros von Centocelle, Rom, Vatikanische Museen Inv. 769: Amelung, Vat. Kat. II, 408– 413 Nr. 250 Taf. 45; LIMC III (1986) 862f. Nr. 79 s. v. Eros (A. Hermary); W. Geominy, in: Bol, Bildhauerkunst II, 295f. Abb. 264.

348

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

hatte goldene Flügel. Der Eros von Centocelle isti die Darstellung innigen Gefühlslebens, ein eben herangewachsener Knabe, in schwärmerischer Weise Gedanken nachhängen[d], die zum ersten Mal durch die Seele [gehen]. Die glatte Stirn zeigt, daß es kaum Sorgen sind, der Mund lächelt leise. Verwandt [der Eros] in Messana[:(] Verr. IV, 2.)1439 Aphrodite, welche jetzt eine ganz neue Gestalt gewann. Die ältere Aphrodite war bewaffnet, thronend, kindernährend, dazu der Ausdruck v[on] Anmuth im Schmuck der Haare, des Gewands, das Attribut der Blüthe. Jetzt galt es die Macht der Schönheit in unverhüllter Form darzustellen. Diese Enthüllung hing mit dem um sich greifenden Einfluß der Hetären zusammen, die sich selbst zur Schau stellten, so wird aus derii sittsam gekleidete[n] Göttin eine[,] die selbst Liebe empfindet u[nd der] Liebe bedarf, das menschl[iche] Pathos in der Welt der Götter. [S. 88]

6. 2. 65 (IJઁ ț੺ȜȜȠȢ ਕț੺ȜȣʌIJȠȞ 1440 Lais, Phryne ([von] Hyperides [verteidigt]), Kratine. Die Griech[en] betrachteten die weibl[iche] Schönheit, als etwas von den Göttern gegebenes, das Ehrerbietung verlangte, eine religiöse Schau, eine įİȚıȚįĮȚȝȠȞ઀ĮAth. p. 590[:] bei einem Fest des Poseidon erschien Phryne selbst als ਕȞĮįȣȠȝ੼ȞȘ1441Die Griech[en] haben die Liebe des Mannes zur Frau nie als Kunstobjekt aufgefaßt, dieser sentimentale Zug der Neuzeit fehlte bei ihnen ganz, vis superba forma. Daher wurde diese Schönheit das Attribut der Aphrodite. – Damit hängt zusammen (Clem. protrept. p. 8)1442, daß jetzt einzelne Männer u[nd] Frauen als bes[onders] schön galten, dieser Wettbewerbiii entwickelte sich förml[ich] zu einer Art Virtuosität. Daß Frauen dieser Art früher schon als Modelle dienten, meinte man aus Plut. Per. 13[, 9 f.] schließen zu können. Aber von Praxiteles wissen wir bestimmt: matrona flens, meretrix gaudens (Plin. XXXIV, 76)1443, daß er Hetären als solche darstellte. Daher die veritas [seiner Bildwerke] (Quint. XII, 10, 9)[,] die natürl[iche] Wahrheit. Auch Skopas bildete ja eine Venus nuda.1444 Indessen scheute man sich doch[,] den [nackten] Körper der Aphrodite ohne Weiteres darzustellen, man motivirte die Enthüllung[:] Aphrodite stieg aus dem Meer hervor, daher [die] aus dem Meere od[er] Bade Entsteigendeiv. Die i ii iii iv

Der Eros von Centocelle ist : Hier. aus der : als die. dieser Wettbewerb : es. Entsteigende : entsteigend.

1439 1440 1441 1442 1443

Cic., Verr. II, 4, 2. Lukian., am. 13. Ath. XIII, 590 f. Clem. Alex., protr. IV p. 47 P.: Darstellung von Hetären als Göttinnen. Plin., n. h. XXXIV, 70: duo signa eius (Praxitelis) ..., flentis matronae et meretricis gaudentis. 1444 Plin. n. h. XXXVI, 26.

Die Kunst in Athen

349

einzelnen Statuen knüpften sich an den Cultus an: auf der Insel Kos u[nd] in Knidos. Gleichzeitig hatte Praxitelesi 2 Aphroditebilder fertig u[nd] bot sie den Koern an, sie hatten das Recht der Auswahl, die eine [war] velata specie, u[nd] die Koer zogen severum id arbitrantes die verhüllte vor. (Plin. XXXVI, 20). Die Knidier kauften die andere u[nd] diese wurde ungemein berühmt. Die Knidier stellten dies Bild in einem bes[onderen] Heiligthum [auf] ȞİઅȢ ਕȝij઀șȣȡȠȢ< aedicula1445>beim Tempel der Euploia, von allen Seiten gleich bewunderungswürdig. Die Plastik emancipirt von (Luc. am. 13.)1446 der Architectur. [Charakteristisch] IJ૵Ȟ ੑijșĮȜȝ૵Ȟ IJઁ ਫ਼ȖȡંȞ1447 die schöngeschwungenen Augenbrauen. Von dieser Aphr[odite] haben wir eine Anschauung durch die Münzen. Beischrift ȀȞȚį઀ȦȞ1448 Neben ihr [steht] das Badegefäß, als Motiv der Entkleidung, sie ist überrascht, man sieht die Schamhaftigk[eit.] – [Kopien:] Eine Statue im vatikan[ischen] Magazin,1449 hier vgl. das Motiv der Überraschung, dann in der Villa Ludovisi (Braun, p. 77.)1450 Die Knid[ische] Venus war in ihrer Art kanonisch, u[nd] eine Fülle v[on] Statuen hängen mehr od[er] weniger mit ihr zusammen, so die Medicäische Venus, von Kleomenes aus Athen [H. fol. 86 r.: aus viel späterer Zeit];1451 dasselbe Motiv, aber es fehlt die großartige Einfalt, sie ist coquett; in der Ausarbeitung ist es bewunderungswürdig. Dann die Aphrodite v[on] Troas, [H. fol. 86 r.: eine Nachbildung] die Venus-Chigi1452[mit der Inschrift:] ਕʌઁ IJોȢ ਥȞ ȉȡ૳੺įȚ ਝijȡȠį઀IJȘȢ corp. inscr. [graec. III] 6165. Denkm. der alten Kunst 215)1453[.] Ferner die capitolin[ische] Venus,1454 sie hat am meisten Natur u[nd] i

hatte Praxiteles : war.

1445 1446 1447 1448 1449 1450 1451 1452 1453 1454

Plin., n. h. XXXVI, 21: aedicula eius tota aperitur. Lukian., am. 13: ਩ıIJȚ į’ ਕȝij઀șȣȡȠȢ ੒ ȞİઆȢ bezieht sich auf den vorangegangenen Satz. Lukian., im. 6: IJ૵Ȟ ੑijșĮȜȝ૵Ȟ IJઁ ਫ਼ȖȡંȞ das Schmachtende der Augen. AE, Knidos, Caracalla und Plautilla (211–218 n. Chr.): LIMC II (1984) 52 Nr. 407 s. v. Aphrodite (A. Delivorrias) Taf. 38. Aphrodite von Knidos, Rom, Vatikanische Museen, Magazin: G. Kaschnitz-Weinberg, Sculture del Magazzino del Museo Vaticano (1937) 116–119 Nr. 256 Taf. 46–50; C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 328ff. 365 Abb. 298. Aphrodite von Knidos, Rom, Mus. Naz. Rom., ehem. Slg. Ludovisi: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 49f. Taf. 77. – Museo Nazionale Romano I, 5, 163f. Nr. 69. Venus Medici des Kleomenes aus Athen, Florenz, Uffizien 224: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 51f. Taf. 80. – Mansuelli, Uffizi I, 69f. Nr. 45; LIMC II (1984) 53 Nr. 419 s. v. Aphrodite (A. Delivorrias) Taf. 40. Venus des Menophantos, ehem. Slg. Chigi, Rom, Mus. Naz. Rom. 75674: Museo Nazionale Romano I, 1, 109–111 Nr. 81 (O. Vasori); LIMC II (1984) 54 Nr. 422 s. v. Aphrodite (A. Delivorrias) Taf. 40. CIG III Nr. 6165. – Loewy 1885, 264 Nr. 377; IG XV, 1255. – K. O. Müller–F. Wieseler, Denkmäler der alten Kunst II (1856–1861) Taf. 25, 275. Venus Capitolina, Rom, Mus. Capitolino Inv. 409: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 52f. Taf. 81. – Stuart Jones, Mus. Cap., 182–184 Nr. 1 Taf. 45; LIMC II (1984) 52 Nr. 409 s. v. Aphrodite (A. Delivorrias) Taf. 38.

350

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Einfalt, wie sie das Werk des Praxiteles gehabt haben muß. – Ferner sind nur halbbekleidete Venusstatuen überliefert, kunstgeschichtl[ich] [H. fol. 86 v.: als Übergang] wichtig. Von halb Bekleideteni eine in Neapel (Braun 72), die sog[enannte] Farnesinische.1457 – Ferner die Venus v[on] Capua1458 u[nd] die Venus v[on] Melos1459[,] 1820 im Theater gefunden, beide nach demselben Urbild, gleich in [der] Stellung. – Die Venus v[on] Capua setzt den linken Fuß auf einen Helm u[nd] spiegelt sich auf einer korinth[ischen] Münze (colonia Julia)1460 im Schild. Das Motiv kann nicht überraschen. Es ist nur eine sinnreiche Veränderung desii urspr[ünglichen] Attributs der Waffen. Auf der Basis sind die Fußspuren eines Knaben, des Eros. – Ähnl[ich] hat man auch die Venus v[on] Melos restauriren wollen. [H. fol. 86 v.: Der linke Fuß der von Melos hielt wohl das Gewand.] Aber dagegen spricht die Erhabenheit des Stils u[nd] die Haltung des Kopfes, denn sie schaut mit wahrer Götterwürde, mit Hoheit in die Welt. Deßhalb hat man die Venus v[on] Melos nach Analogie einer Statue v[on] Brescia1461 für eine Victoria halten wollen. Diese Vorstellung [der Siegesgöttin] ist erst später u[nd] unsere Statue stammt aus der besten Zeit. Urlichs, Skopas[,] meint1462, sie gehöre der i ii

halb Bekleideten : ihnen. des : der.

1455 Pelike, att. rf., des Marsyas-Malers, aus Kamiros, London, Brit. Mus. E 424: Beazley, ARV² 1475, 4; E. Simon, Die griechischen Vasen² (1981) 157f. Taf. LII. 1456 Kauernde Aphrodite des Doidalsas, Rom, Vatikanische Museen Inv. 815: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 45f. Taf. 71. – Amelung, Vat. Kat. II, 680–684 Nr. 427 Taf. 205; Helbig (4. Aufl. 1963) 148 Nr. 205 (H. v. Steuben). 1457 Aphrodite oder Nymphe, Neapel, Mus. Naz. Arch. Inv. 6301: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 46 Taf. 72. – Museo Nazionale di Napoli I, 2, 172 Nr. 124. 1458 Venus von Capua, aus dem Amphitheater von Capua, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6017: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 47f. Taf. 75. – Museo Nazionale di Napoli I, 2, 104 Nr. 52; LIMC II (1984) 72 Nr. 627 s. v. Aphrodite (A. Delivorrias) Taf. 61; H. Knell, Die Aphrodite von Capua und ihre Repliken, in: AntPl 22 (1993) 117–140 Taf. 43–63; U. Mandel, in: Bol, Bildhauerkunst II, 472f. Textabb. 115. 1459 Venus von Milo, Paris, Louvre Ma 399: E. Braun, Vorschule der Kunstmythologie (1854) 48f. Taf. 76. – LIMC II (1984) 73f. Nr. 643 s. v. Aphrodite (A. Delivorrias) Taf. 63; Hamiaux, Louvre II, 41–45 Kat. Nr. 52–55. 1460 AE, Korinth, Lucius Verus (161–169 n. Chr.); Commodus Caesar (176–180 n. Chr.); Septimius Severus (193–211): LIMC II (1984) 73 Nr. 637. 638. 640 s. v. Aphrodite (A. Delivorrias) Taf. 62. 1461 Victoria von Brescia, Brescia, Mus. Civ.: T. Hölscher, Die Victoria von Brescia, in: AntPl 10 (1970) 67–79 Taf. 54–58; LIMC VIII (1997) 242f. Nr. 29 s. v. Victoria (R. Vollkommer) Taf. 169. 1462 L. Urlichs, Skopas Leben und Werke (1863) 122–125.

Die Kunst in Athen

351

Zeit vor Praxiteles an, der Schule des Alkamenes, ebenso Curtius. [H. fol. 86 v.: Die Frage über die genaueste Nachahmung der knidischen Aphrodite behandelte zuerst] Levezow1463[.] Der Dionysische Kreis. Früher wurde Dionysos als Naturgott, als phall[ische] [S. 89] Herme dargestellt, dann bärtig mit langem Gewande (Liber pater.), dann im Homeridenhymnus ȞİĮȞ઀ૉ ਕȞįȡ੿ ਥȠȚțઆȢ ʌȡȦș੾ȕૉ 1464>+fol.rDiesen verjüngten Gott gestaltete Praxiteles.] Kallistrat. de stat. 8 [sagt] Ȗ੼ȜȦIJȠȢ ਩ȝʌȜİȦȢ von einer Erzstatue des Praxiteles, schwärmerisch anzuschauen, mit einem Thyrsos in der Hand. Neben Apoll u[nd] Hermes eine 3. Jünglingsgestalt [als Götterbild], wie in Eur[ipides] Bacch[en] șȘȜ઄ȝȠȡijȠȢ1465 mit an weibl[icher] Weichheit ausgebildeten Formen, die Muskeln verschwimmend, im Auge die Seeligk[eit] des Rausches, ein schwärmerischer Ausdruck, aber auch hier die Gränzen richtig gewahrt u[nd] die göttl[iche] Würde wird noch gehoben durch den Contrast der Umgebung v[on] Tiger, Löwen, Panthern, od[er] Satyrn u[nd] Silenen. So entwickelt sich der bacch[ische] Thiasos [H. fol. 87 r.: , in dem man darstellte, was sonst als unanständig angesehen worden wäre]. Endl[ich] trat in diesen Ariadne hinein, die Braut des Dionysos. – Marmorstatuen des jugendl[ichen] Dionysos: der vatikan[ische] Torso (Denkm. II p. 151),1466 der Torso im Louvre1467, die capitolin[ische] Marmorbüste, an der Stirn Stierhörner leise angedeutet, früher für eine Ariadne gehalten.1468 (Ov. Met. IV, 19. Tib. IX, 1.)1469 Ferner in Reliefs u[nd] Gruppen, auf Sarkophagen u[nd] choreg[ischen] Monumenten, ferner auf dem Denkmal des Lysikrates in Athen,1470 aus Ol. 111 (335) stammend. – 7. 2. 65 Der in Tivoli gefundene Torso mit 2 stützenden Satyrn, von Wolf restaurirt.1471 – Darstellungen des Silenos u[nd der] Satyrn[:] Letztere [waren] in der alten Kunst schreckhafte Monstra, so auf alten Münzen, in thier[ischer] Lüsternheit Nymphen 1463 K. Levezow, Über die Frage, ob die mediceische Venus ein Bild der knidischen vom Praxiteles sey (1808). 1464 Hymn. Hom. Dion. (VII) 3f.: ȞİȘȞ઀ૉ ਕȞįȡ੿ ਥȠȚțઅȢ, / ʌȡȦș੾ȕૉ 1465 Eur., Bakch. 353. 1466 Torso des Dionysos, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2361: K. O. Müller–F. Wieseler, Denkmäler der alten Kunst II (1856–1861) Taf. 31, 351 a.b. – Lippold, Vat. Kat. III 2, 67f. Nr. 610 Taf. 37; LIMC III (1986) 542 Nr. 1 a s. v. Dionysos / Bacchus (C. Gasparri) Taf. 428. 1467 Torso Louvre – nicht nachgewiesen. 1468 Dionysosbüste, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2841 (nicht Capitolinisches Museum): Lippold, Vat. Kat. III 2, 491f. Nr. 65 Taf. 225; LIMC III (1986) 441 Nr. 158 a s.v. Dionysos (C. Gasparri) Taf. 313. 1469 Ov., met. IV, 19; Tib. II, 1, 3: Hörner des Bacchus. 1470 Fries des Lysikratesdenkmals: W. Ehrhardt, Der Fries des Lysikratesmonuments, in: AntPl 22 (1993) 7–67 Taf. 1–19; C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 373f. Abb. 340. 1471 Gruppe des Dionysos mit zwei Satyrn, der linke fehlend, aus Tusculum, ergänzt von E. Wolff, Berlin, Antikensammlung Sk 96: E. Pochmarski, Dionysische Gruppen (1990) 236. 241. 365 Kat. Nr. P 79.

352

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

ergreifend, jetzt stellte man den Satyrn in schöner Gestalt dar, mit kleinen, feinen Unterschieden [gegenüber der Menschengestalt]. So der ruhende Satyr, der sich häufig findet.1472 Es ist ein schöner Jüngling, der rein nichts thut, schön gebildet, mit einem kleinen Schwänzchen u[nd] spitzen Ohren, diese Statue erinnert an die Statue des Sauroktonos, denn der Schwerpunkt liegt außerhalb der Statuen. [H. fol. 87 v.: Ursprünglich scheint es eine Erzstatue gewesen zu sein.] Gewöhnl[ich] hat man diesen ausruhenden Satyrn für den ʌİȡȚȕંȘIJȠȢ1473gehalten, aus der Tripodenstraße (Paus. I, 20 ੒ ਥʌ੿ IJȡȚʌંįȦȞ ı੺IJȣȡȠȢ in Athen.1474 Aber dieser bildete eine Gruppe mit Dionysos u[nd] Eros, wie Stark nachgewiesen.1475 Jedenfalls zeigt diese Figur ganz die Weise des Praxiteles. Die Niobidengruppe.1476 Ein Legat des Antonius, C. Sosiusi, war 38 v. Chr. Legat in Syrien, er triumphirt 34 über Judaea u[nd] erbaute aus der Beute einen Tempel des Apollo auf dem Palatin, dessen Hauptschmuck die Niobiden waren, allbekannt in Rom, ein Problem für die Kunsterklärer (Plin. XXXVI, 28) denn man wußte nicht, ob sie vom Skopas od[er] Praxiteles seien. Die Heimath der Kunstwerke: [Die Statue des] Apollo Sossianus war aus Seleukia,1477 wahrscheinl[ich] dem cilikischen. (Stark, Über die Niobe.)1478 Hier war ein alter Cult der Niobe. – Eine Reihe v[on] Epigrammen1479 bezieht sich auf dies Werk, die meist den Praxiteles [als Bildhauer] nennen. Da wurde 1583 in Rom bei der Villa Altieri[,] am Rande des esquilinischen Hügels, eine Gruppe von 10 Figuren, außer Mutter u[nd] jüngster Tochter gefunden, dabei noch andere Gestalten, so eine Ringergruppe,1480 alle diese Werke wurden gekauft vom Cardinal Medici, später Großherzog v[on] Toskana, so kam alles nach Florenz, daher die [„]florentinische Gruppe[“] seit 1710.1481 – Das erkannte man gleich, daß hier kein Werk vorliege, welches man unmittelbar für ein Originalwerk halten könne, man fand verschiei

Sosius : Sossius.

1472 Sog. Ausruhender Satyr, wahrscheinlich ein Werk des Praxiteles, vgl. z. B. VierneiselSchlörb, Glyptothek München II 353–369 (München Glyptothek Inv. 228. 229. 229 A); Vorster, Museo Gregoriano Profano II, 1, 55–57 Nr. 20 Abb. 104. 108. 109, jeweils mit ält. Lit.; C. Maderna, in Bol, Bildhauerkunst II, 323ff. 338–340 et passim Abb. 294. 295. 1473 Plin., n. h. XXXIV, 69. 1474 Paus. I, 20, 1. 2; Ath. XIII, 591 b: IJઁȞ ਥʌ੿ ȉȡȚʌંįȦȞ ı੺IJȣȡȠȞ. 1475 Angabe nicht verifizierbar. 1476 Zur Niobidengruppe: W. Geominy, Die Florentiner Niobiden (Diss. Bonn 1984) mit ält. Lit.; zu den Niobidendarstellungen allgemein LIMC VI (1992) 914–929 Nr. 1–66 s. v. Niobidai (W. Geominy) Taf. 612–618, die Florentiner Niobiden 918–920 Nr. 23. 1477 Plin., n. h. XIII, 53. 1478 Stark 1863, 123 Anm. 1. 1479 Anth. Graec. XVI, 131–134. – Anth. Graec. XVI, 129 mit Nennung des Praxiteles. 1480 Ringergruppe, Florenz Uffizien Inv. 216: Mansuelli, Uffizi I, 92–94 Nr. 61; M. Achenbach-Kosse, Die Ringergruppe in Florenz, AntK 32, 1989, 71–81 Taf. 17.18. 1481 Die Niobidengruppe gelangte 1775 nach Florenz, W. Geominy, Die Florentiner Niobiden (Bonn 1984) 31. 38.

Die Kunst in Athen

353

dene Arbeit, verschiedenes Material, es fanden sich Wiederholungen der Mutter, des Sterbenden etc.1482 Aber die florentin[er] Gruppe blieb die Hauptgruppe u[nd] wenn man auch zuerst den Werth der Werke überschätzte, so hat noch keine Entdeckung dem großen Werthe des Fundes Eintrag gethan. Eri bleibt wichtig, durch die Masse des Zusammengehörigen, den hohen Ruhm im Alterthum u[nd] die hohe Tragik der Auffassung. Wichtig wie die Aeginet[en], wie die Parthenonskulpturen. [H. fol. 88 r.: Die Niobiden veranschaulichen uns in großartigem Maßstab die Kunst des Skopas und des Praxiteles.] Die Wissensch[aft] ist beschäftigt, das Un[zu]gehörige auszuscheiden, das Ver- [S. 90] sprengte zu verbinden u[nd] einzuweisen, [H. fol. 88 r.: die Bedeutung des Ganzen nachzuweisen,] die urspr[üngliche] Aufstellung zu bestimmen. Zuletzt Stark. – Erst die Hauptgruppe: die Mutter mit der jüngsten Tochter, am besten erhalten u[nd] gearbeitet.1483 Die Mutter Niobe, wie ein weibl[iches] Gegenbild des Prometheus, sie ist der geistige Mittelpunkt, die alleinschuldige, aber in der Erweisung der göttl[ichen] Uebermacht ist sie nicht vernichtet, sondern sie hält sich noch aufrecht u[nd] weiß sich zu fassen, u[nd] erscheint zugleich noch liebeübend. [H. fol. 88 r.: Sie blickt zu den Göttern, ohne Erbarmen zu erhoffen.] Die hohe trag[ische] Würde zeigt sich auch darin, daß auf den Kopf hauptsächl[ich] alles verwendet ist. Das Gewand ist nachlässiger. Dann 2 Töchter, die klagend von links kommen, das Gewand zum Schutze vorziehend, rechts von der Mutter ist die älteste Tochter,1484 welche das Gewand noch weiter vorzog u[nd] einen Bruder schützte. – Dann eine männl[iche] bärtige Figur mit modernem Kopf, mit jüngstem Knaben zu einer Gruppe vereinigt.1485 Die Bedeutung ist uns klar geworden durch einen Fund 1831 in Soissons (Augusta Suassorum),1486 denn da erschien der bärtige Mann deutl[ich] als Paedagog. 8.ii noch ein Torso1487, sonst Narkissos genannt, die Hand nach der Rückenwunde gestreckt, Thorwaldsen i ii

Er : Es. 8. : Acht.

1482 Knappe Übersicht der Kopien LIMC VI (1992) 918–920 Nr. 23 s. v. Niobidai (W. Geominy). 1483 Niobe mit Tochter, Florenz, Uffizien Inv. 294: LIMC VI (1992) 918f. Nr. 23 a s. v. Niobidai (W. Geominy) Taf. 609 (Niobe 7). 1484 Sog. älteste Tochter, Florenz, Uffizien Inv. 293: LIMC VI (1992) 919 Nr. 23 d s. v. Niobidai (W. Geominy). – 2. Tochter, sog. Niobide im Typus Chiaramonti, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 300: ebenda Nr. 23 e. 1485 Pädagoge und jüngster Sohn, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 301 und 292: LIMC VI (1992) 919 Nr. 23 b und c s. v. Niobidai (W. Geominy). 1486 Gruppe des Pädagogen und jüngsten Sohns, aus Soissons, Soissons, Mus. Municipal (dépôt du Louvre Ma 1339): LIMC VI (1992) 919 Nr. 23 b 3 s. v. Niobidai (W. Geominy) Taf. 615. 1487 Curtius hat die Statuen also durchgezählt.

354

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

erkannte ihni als Niobide.1488 Auf der linken Seite eine Tochter sterbend auf das Knie des Bruders gesunken, früher [bezeichnet als] Prokris u[nd] Kephalos.1489 Thiersch hat sie als Niobiden erkannt.1490 Ferner einen sterbenden Niobiden[,] am besten [überliefert] in der Glyptothek zu München,1491 auch in Dresden,1492 in Florenz nicht erhalten,1493 ruhig ausgestreckt, ohne Todeskampf. Im Ganzen ist die florentin[ische] Gruppe nicht die im Alterthum berühmt[e], die Köpfe sind eingesetzt, wie es die Römer zu thun pflegten, aber sie zeigenii einen entschiedenen Typus, die Köpfe [sind] rund, voll, der Hals kurz u[nd] fleischig, durch die verschiedenen Alter hindurch ein Familientypus. Die Arbeit ist verschieden, machmal geschmacklos u[nd] flüchtig. – Wie war diese Gruppe urspr[ünglich] aufgestellt[?] Am ersten denkt man an eine Giebelgruppe, zuerst ausgesprochen v[on] Cockerell,1494 denn die Rückseiten der Figuren sind sehr vernachlässigt. Man hat gemeint, es fehlten dann die Götter. Aber wir könneniii sagen, daß das Fehlen der Götter den Eindruck der Erhabenheit steigert u[nd] bei dem Verständniß der Griechen konnte diese große Gruppe unnmögl[ich] unverständl[ich] sein. Aber schon die vielen Wiederholungen führen darauf, daß man die Gruppe auch anders als in Giebelfeldern aufstellte. Somit ist sicher, sie ist nach Analogie einer Giebelgruppe gebildet, ob die Statueniv in einem Giebelfeld gestanden haben, läßt sich nicht entscheiden. i ii iii iv

ihn : sie. zeigen : tragen. Aber wir können : Aber können wir. die Statuen : sie.

1488 Marmorstatue, sog. Narkissos, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 299: LIMC VI (1992) 920 Nr. 23 m s. v. Niobidai (W. Geominy) 1489 Marmorstatue, mit einer weiblichen Figur zu einer Gruppe verbunden, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 567: Amelung, Vat. Kat. II, 608–611 Nr. 401 Taf. 57; LIMC VI (1992) 919 Nr. 23 f 1 s. v. Niobidai (W. Geominy). 1490 F. Thiersch, Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen² (1829) 315ff. Taf. 3. 1491 Sterbender Niobide, München, Glyptothek Inv. Nr. 269: Vierneisel-Schlörb, Glyptothek München II, 472–489 Nr. 43; LIMC VI (1992) 919 Nr. 23 j 1 s. v. Niobidai (W. Geominy). 1492 Sterbender Niobide, Dresden, Albertinum Hm 124: LIMC VI (1992) 919f. Nr. 23 j 2 s. v. Niobidai (W. Geominy). 1493 Sterbender Niobide, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 298: LIMC VI (1992) 919f. Nr. 23 j s. v. Niobidai (W. Geominy). 1494 F. G. Welcker, Über die Gruppierung der Niobe und ihrer Kinder, in: Alte Denkmäler I. Die Giebelgruppen und andere Griechische Gruppen und Statuen (1849) 211f. (Liste der Publikationen des Entwurfs von C. R. Cockerell aus dem Jahre 1816).

Die Kunst in Athen

355

8. 2. 65 Stark hat wahrscheinl[ich] gemacht, daß der Apollo-Sosianus-Tempeli nicht der [des] Apollo Palatinus [war], sondern in pratis Flaminis vor der porta Carmentalis [lag].1495 – Damit zusammenstellen wollte man auch einen knienden Jüngling [,] Torso, mit aufgehobenen Händen, Overbeck will einen Troilos erkennen. Dies ist offenbar ein Originalwerk; man nannte ihn Ilioneus.1496 – Ferner eine schöne Statue im Berliner Mus[eum,] eine Tochter der Niobe, zur Linken der Mutter zu denken.1497 – J. Welcker hielt die Niobidengruppeii für eine Giebelgruppe;1498 Inzwischen ist mehr u[nd] mehr klar geworden, daß die Gruppe nicht geeignet ist, ein Dreieck auszufüllen, so [ist] bes[onders] die geradliegende Gestalt des todten Niobiden weder in der Ecke, noch mit Cockerell zu Füßen der Mutter [anzuordnen]. Bes[onders] aber die sämmtl[ich] nach oben gerichteten Köpfe eignen sich nicht für [eine] hohe Aufstellung, sie verlangen ein gleiches Niveau mit dem Zuschauer. Ein Kunstwerk, welches so feine Nuancen in so verschiedenen Altern wiederspiegeln soll, muß uns nahe sein u[nd] nicht in ein[em] hohen Giebelfeld aufgestellt. In templo bei Plin[ius]1499 bezeichnet keineswegs den Giebel. Stark meint, die Niobegruppe sei in einem Hallengebäude vertheilt [gewesen], wie die Nereiden in Xanthos.1500 Dagegen (Goett. gel. Anz. 1864[,] p. 39) Curtius.1501 Es wird das rhythm[ische] Ganze aufgelöst in die einzelnen Theile. Es bleibt nichts übrig, als eine giebelförmige Construction der Gruppe ohne Giebelfeld [anzunehmen]. Eine symmetr[ische] Entsprechung[,] [S. 91] die der alten Kunst zur anderen Natur geworden war, mildert den Charakter des Entsetzl[ichen], u[nd] sie erleichtert den Ueberblick bei der Mannichfaltigk[eit], sie hat etwas Wohlthuendes für den Geist[,] der Maaß u[nd] Ordnung verlangt. Wie groß die Symmetrie war, wissen wir nicht. Gleichviel Söhne u[nd] Töchter können wir nicht annehmen, auch würden die drappirten Figuren überzählig sein. i ii

der Apollo-Sosianus-Tempel : es. die Niobidengruppe : sie.

1495 Stark 1863, 123–125. 1496 Hiller fol. 89 r.: Es ist aber wahrscheinlich in der That ein Niobide, aber ein Originalwerk aus parischem Marmor, vielleicht die ausgezeichneteste Darstellung eines jugendlichen unbekleideten Körpers aus dem Alterthume. – Sog. Ilioneus, München, Glyptothek Inv. 270: J. Overbeck, Die Bedeutung der knieenden Jünglingsfigur der Münchener Glyptothek, in: Berichte der Königl. Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-histor. Classe 15, 1863, 1– 22. – Vierneisel-Schlörb, Glyptothek München II, 431–437 Nr. 39. 1497 Berlin, Antikensammlung Sk 585: S. Hüneke (Hrsg.), Antiken I. Kurfürstliche und königliche Erwerbungen für die Schlösser und Gärten Brandenburg-Preussens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert (2009) 365f. Kat. Nr. 227 (S.-G. Gröschel). 1498 F. G. Welcker, Über die Gruppierung der Niobe und ihrer Kinder, in: Alte Denkmäler I. Die Giebelgruppen und andere Griechische Gruppen und Statuen (1849) 209–314. 1499 Plin., n. h. XXXVI, 28. 1500 Stark 1863, 330. 1501 E. Curtius, GGA 1864, 39.

356

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

In einem Tempelhof also, an der inneren Mauer des IJ੼ȝİȞȠȢmüssen wir uns [die Gruppe] auf einem nicht hohen Postament aufgestellt denken. – Wer war der Autor ? Skopas od[er] Praxiteles ? Im Ganzen können wir sagen, daß Praxiteles mehr geneigt war, solche Zustände darzustellen, die mehr sanftere Bewegungen der Seele hervorrufen; darum hat man sich mehr für Skopas erklärt. Denn er war der rechte Meister großer Gruppen, er war kühner, dramatischer, Praxiteles lyrischer, Skopas dramatischer. Auch war Skopas im spät[eren] Alterthum weniger berühmt, daher kann Praxiteles leicht an seine Stelle getreten sein. Eine Frage ist, ob hier eine bestimmte Beziehung auf eine Tragödie vorliegt ? Friederichs meint, die Niobe des Soph[okles] habe [das] Motiv u[nd] den Anstoß gegeben;1502 [das ist] unerweisl[ich]. – Dieser Stoff ist auch anderweitig bearbeitet, diese Nachweisungen verdanken wir Stark.1503 Derselbe Stoff [wurde abgebildet:] 1.) an Göttersesseln1504[,] 2.) an Tempelthüren im Relief1505, 3.) auf Vasen eine mehr attische , u[nd] eine unterital[ische] Darstellung,1506 4.) in Gemählden, so [in] pompejan[ischen],1507 5.) in Reliefs von mehr griech[ischem] od[er] röm[ischem] Charakter. Von den griech[ischen] ist bes[onders] ausgezeichnet das Relief Campana, jetzt in Petersburg.1508 Dann auf Sarkophagen[,] auch hier 2 Auffassungen: entweder sind die Götter unmittelbar anwesend, od[er] sie sind nur anwesend gedacht, od[er] in kleinerer Gestalt auf dem Deckel (so Sarkophag [...])1509 Aus der Nekropolis von Pantikapaion (Kertsch) ist ein hölzerner Sarkophag mit Terracotten gefunden, die

1502 K. Friederichs, Praxiteles und die Niobegruppe nebst Erklärung einiger Vasenbilder (1855) 67–74. 1503 Stark 1863, 331f. 1504 Reliefs am Thron des Zeus von Olympia, von Phidias: Paus. V, 11, 2; LIMC VI (1992) 917f. Nr. 15 mit Abb. s. v. Niobidai (W. Geominy); ebenda Nr. 15 a - m Taf. 613 die auf das phidiasische Vorbild zurückgeführten römischen Reliefkopien; eine Auswahl: P. C. Bol, in: Bol, Bildhauerkunst II, S. 141 Abb. 91–94. 1505 P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder (1987) 92. 1506 Kelchkrater, att. rf., des Niobiden-Malers, aus Orvieto, Paris, Louvre MNC 511 (G 341): Beazley, ARV² 601, 22; LIMC VI (1992) 916 Nr. 4 s. v. Niobidai (W. Geominy). – Volutenkrater, apul. rf., des Baltimore- Malers, Ruvo, Mus. Jatta Nr. 424: Trendall, RVAp II (1982) 865 Nr. 24 Taf. 324, 2; LIMC VI (1992) 916 Nr. 10 s. v. Niobidai (W. Geominy). 1507 Wandgemälde, aus der Casa Marinaio, Pompeji VII, 15, 2, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 111479: LIMC VI (1992) 917 Nr. 14 s. v. Niobidai (W. Geominy); Pompei. Pitture e Mosaici VII (1997) 749 Abb. 88 (V. Sampaolo). 1508 Marmorrelief, ehem. Slg. Campana, St. Petersburg, Ermitage A 434: LIMC VI (1992) 917 Nr. 15 b s. v. Niobidai (W. Geominy). 1509 Niobidensarkophag, ehem. Rom, Lateran, Rom, Vatikanische Museen Inv. 10437: Helbig (4. Aufl. 1963) I 810f. Nr. 1129; LIMC VI (1992) 920 Nr. 32 a s. v. Niobidai (W. Geominy). Allgemein zu Niobidensarkophagen: G. Koch - H. Sichtermann, Römische Sarkophage (1982) 169.

Die Kunst in Athen

357

Niobe u[nd] ihre Kinder [zeigen];1510 endl[ich] auf argiv[ischen] Münzen. Endl[ich] sind die Statuengruppen in verschiedenen Exemplaren u[nd] Gegenden verbreitet gewesen (so in Soissons)[,] so hat diese Darstellung die ganze röm[ische] Welt durchdrungen, vom Sypilos1511 u[nd] Pantikapaion bis tief nachi Gallien hinein. – Irrigerweise ist dem Praxiteles zugeschrieben: einii Rossebändiger von Monte Cavallo,1512 dem Quirinal gegenüber in Rom aufgestellt, auf dem einen Fundament steht opus Phidiae[,] auf dem anderen opus Praxitelis,1513 darauf wäre gar kein Gewicht zu legen, wenn nicht (Plin. XXXIV, 19, 54. cod. Bamb.) alterum colossicum nudum fecit Phidias [überliefert wäre].1514 Die Stelle ist aber sehr unsicher. Bursian, Rh. Mus. X, 105 meint, beide Rossebändiger seien die Werke, welche Paus[anias] am Anfang der Burg gesehen habe.1515 [H. fol. 90 r.. , ganz unwahrscheinlich.] Großartig gedacht, schön ausgeführt, aber doch nicht so sehr bedeutend. – Ferner die Pankratiastengruppe, 2 Ringer,1516 bei der medicäischen Niobegruppe gefunden. Die Köpfe sind an beiden modern u[nd] den Söhnen der Niobe ähnl[ich] gemacht. – Man glaubte in ihr das Werk des Kephisodotos zu erkennen (Plin. XXXVI, 25)[,] von dem Plin[ius] ein symplegma nobile, in Pergamus, digitis corporis verius quam marmori impressis [überliefert].1517 Aber man denkt eher an ein Liebespaar. Athlet[ische] Motive lagen der Schule des Praxiteles fern. Die Gruppe ist freil[ich] treffl[ich] gearbeitet, es ist eine gewisse Ähnlichk[eit] mit dem Münchner Ilioneus [vorhanden]. – Wie die Praxitelische Kunst Seelenzustände darstelltiii, so fällt in dieses Schaffeniv auch die Portraitdarstellung, so der jüngere Kephisodotos.1518 Er stellte Lykurgos dar (vita Lycurgi)1519[,] in Holz. In derselben Richtung war i ii iii iv

nach : in. ein : die. darstellt : darstellen. in dieses Schaffen : hierin.

1510 Stuck- und Terrakottaappliken von Holzsarkophagen aus kaiserzeitlichen Gräbern in der Ukraine, St. Petersburg, Ermitage: LIMC VI (1992) 921f. Nr. 42 a - t s. v. Niobidai (W. Geominy). 1511 Felsmonument einer thronenden Göttin, Akpinar bei Masina: Müller 1848, 43 § 64, 2. – K. Bittel, Die Hethiter. Die Kunst Anatoliens vom Ende des 3. bis zum Anfang des 1. Jts. v. Chr. (1976) 183 Abb. 204. 205; S. 333f. 1512 Rossebändiger vom Monte Cavallo (Dioskuren auf dem Quirinal): S. Geppert, Die monumentalen Dioskurengruppen in Rom, in: AntPl 25 (1996) 133–150 Taf. 78–92. 1513 Inschriften: OPVS FIDIAE und OPVS PRAXITELIS, Geppert a.O. 133f. 1514 Plin., n. h. XXXIV, 54: fecit [Phidias]... et alterum colossicon nudum. 1515 Paus. I, 22, 4. – C. Bursian, RhM 10, 1851, 508. 1516 s. o. Anm. 1480. 1517 Plin., n. h. XXXVI, 24: Pergami symplegma nobile digitis corpori verius quam marmori impressis. 1518 s. o. Anm. 1342. 1519 Plut., mor. 843 e f.

358 [S. 92]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Leochares1520 thätig, kein Athener, aber früh in Attika thätig, auch beim Mausoleum beschäftigt. Er bildete einen der Berühmtesten jener Zeit, den Isokrates, für Timotheos, den Sohn des Konon.1521 U[nd] dai Timotheos 354 starb, so muß das Bild früher gebildet sein, Mitte des 4. Jahrh[underts]. Sein späteres Leben reichte bis in die makedon[ische] Zeit, er arbeitete am Philippeion in Olympia, wo Amyntas, Philipp, Alexander dargestellt waren.1522 Er muß sehr thätig gewesen sein; denn man [hat] eine Menge Postamente [mit seiner Inschrift] gefunden.1523 In der neuen Komödie spielen bes[onders] die Sklavenhändler eine große Rolle, so stellte er [einen] Lyciscum mangonem (Sklavenhändler) dar [und] puerum subdolae vernilitatis, eine schlaue Sklavennatur.1524 Vielleicht war es eine Gruppe, ein Sklavenhändler u[nd] ein schlauer Sklave. Von all’ diesen Werken haben wir nichts, nur ein Werk in einer unzweifelhaften Nachbildung: Ganymedes vom Adler geraubt. Der Adler faßte den Knaben zart u[nd] trug [ihn] mit stolzem Flug u[nd] Blicke empor. Plin[ius:] aquila sentiens quid rapiat et cui ferat, parcens unguibus[;] Anth. Pal. XII, 222, Mart. I, 6, 1)1525[.] 10. 2. 65 In Nachbildung [erhalten]: 1) im Vatican,1526 2) in Ildefonso (bei Madrid)1527[,] 3) in einem Stuckrelief aus Pompeii1528[,] 4. auf einer Gemme (Millin, Gall. myth. 232)1529[,] 5. auf den Münzen von Ilion.1530 Am besten erhalten im Vatikan u[nd in] Ildefonso mit dem Hund. Ein dramat[ischer] Gegenstand, gewiß für Marmor urspr[ünglich] entworfen, aber die träge Masse des Steins vernichtet, der Adler, i

da : als.

1520 s. o. Anm. 1359. 1521 Plut., mor. 838 d. 1522 Paus. V, 20, 9. – Philippeion: Mallwitz 1972, 128–133; J. G. Miller, AM 88, 1973, 189– 218 Taf. 85–88. 1523 Loewy 1885, 60–65 Nr. 77–83. 1524 Plin. n. h. XXXIV, 79: Lyciscum mangonem, puerum subdolae ac fucatae vernilitatis. 1525 Plin., n. h. XXXIV, 79: aquilam sentientem, quid rapiat in Ganymede et cui ferat, parcentemque unguibus etiam per vestem puero; Anth. Graec. XII, 221; Mart. I, 6. 1526 Marmortischfuß, Ganymed mit Adler: Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 2445: Lippold, Vat. Kat. III 2, 216–219 Nr. 83 Taf. 103.104; LIMC IV (1988) 166 Nr. 251 s. v. Ganymedes (H. Sichtermann) Taf. 95. 1527 Marmorgruppe, Ganymed mit Adler, ehem. San Ildefonso, Madrid, Museo del Prado Inv. Nr. 35: LIMC IV (1988) 163 Nr. 188 s. v. Ganymedes (H. Sichtermann) Taf. 90; S. F. Schröder, Katalog der antiken Skulpturen des Museo del Prado in Madrid II. Die Idealplastik (2004) 415–420 Nr. 192. 1528 Stuckrelief, Decke des Tepidariums der Forumsthermen: LIMC IV (1988) 165 Nr. 236 s. v. Ganymedes (H. Sichtermann) Taf. 93. 1529 Karneol, Berlin, Antikensammlung FG 352: A. L. Millin’s Mythologische Gallerie (1820) 125 Taf. 108 bis Nr. 532. – E. Zwierlein-Diehl, AGD II Nr. 157 Taf. 35; LIMC IV (1988) 163 Nr. 193 s. v. Ganymedes (H. Sichtermann) Taf. 93. 1530 AE, Ilion, Hadrian: LIMC IV (1988) 163 Nr. 223 c s. v. Ganymedes (H. Sichtermann).

Die Kunst in Athen

359

wie der Knabe[,] strebt nach oben. Es ist der höchste Grad v[on] Bewältigung der Masse. Der Knabe scheint nicht überrascht, widerstrebend, sondern es ist etwas sehnsuchtsvolles in ihm; es ist ein[e] Apotheose, ein Emporheben in den Himmel. Der Adler trägt sicher u[nd] vorsichtig, die Chlamys läßt den schönen Körper frei, siei trennt ihn nur vom Thier, das ihn emporträgt[,] u[nd] mildert die Berührung der Adlerklaue. [H. 91 r.: Durch die Erhebung des Kopfes, das Vorstrecken des linken Arms ist Überraschung und Freude ausgedrückt.] Durch den Hund u[nd] die Hirtenflöte ist das ird[ische] Leben dargestellt, welches er verläßt, der nachblickende Hund drückt dies naiv aus. – Außerdem kennen wir von Leochares: das kolossale Bild des Ares auf der Burg v[on] Halykarnass1531 u[nd die Reliefs] an der Westseite des Mausoleums.1532 Dann einen Zeus auf der Akropolis, ein anderer Jupiter tonans war auf das Capitol gebracht, im Piraeus Zeus u[nd] Demos zur Gruppe vereinigt, vor dem Tempel des ਝʌંȜȜ[ȦȞ] ȆĮIJȡ૶ȠȢ in Athen eine Apollostatue, als Gegenstück zu einem Ap[ollon] des Kalamis.1533 – Er arbeitete für Timotheos, den liebenswürdigsten Vertreter der nachblühenden Seemacht, er arbeitete für die Artemisia, er arbeitete für Philipp im ĭȚȜ઀ʌʌİȚȠȞ die olymp[ischen] Goldelfenbeinbilder. Gleichzeitig wirkte er in Athen. Silanion1534 (Plin. XXXIV, 81), von aller Schule getrennt[,] nullo doctore nobilis,1535 ging seinen eigenen Weg. Er vervollkommnete bes[onders] die Richtung auf Darstellung einzelner Persönlichk[eiten], er bildete den Platon (Diog. L. III, 20.)1536 [,] auch Dichterinnen, [aber kennzeichnete sie] wohl mehr durch allgemeine Überlieferung ihres dichter[ischen] Charakters: Sappho, Korinna.1537 – Plin[ius], l. c., rühmt das Werk, welches Apollodoros1538 darstellt,1539 auch ein Bildner, der aber bei der größten Gewissenhaftigkeit immer mit sich unzufrieden war[,] ein iniquus sui iudex, der häufig seine Modelle wieder zerschlug. Daher: i

sie : sondern.

1531 Vitr. II, 8, 11. 1532 Plin., n. h. XXXVI, 30. 31; Vitr. VII praef. 13. 1533 Paus. I, 24, 4: Zeus auf der Athener Akropolis; Plin., n. h. XXXIV, 79: Jupiter auf römischem Capitol; Paus. I, 1, 3: Zeus und Demos im Piräus; Paus. I, 3, 4: Apollonstatue. 1534 Silanion: Müller 1848, 118 § 124, 1; 126 § 128, 3; 424 § 306, 3; Brunn, GK I, 394–398. 429f. 434f. 438. 458; Overbeck, Geschichte II 58–60. – Lippold, Plastik 272–274; Stewart 1990, 21. 28. 33. 64. 179f. 191. 214. 237. 288f. 303 et passim; T. Lorenz, Platon, Silanion und Mithridates, in: Fremde Zeiten. Festschrift für J. Borchardt zum 60. Geburtstag (1996) 65–73; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 385f. s. v. Silanion (M. Weber). 1535 Plin., n. h. XXXIV, 51: in hoc mirabile, quod nullo doctore nobilis fuit. 1536 Diog. Laert. III, 25. 1537 Cic., Verr. II, 4, 57; Tatian., or. ad Graecos 33. 1538 Apollodor, Bildhauer: Müller 1848, 118 § 124, 1; Brunn, GK I, 395–398. – Lippold, Plastik 226; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 65 s. v. Apollodoros (III) (G. Bröker / W. Müller). 1539 Plin., n. h. XXXIV, 81.

360

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

ȝĮȞȚțંȢ od[er] insanus.1540 U[nd] dies war ein solches Charakterbild, daß Silanioni iracundiam, nec hominem ex aere fecisse videretur.1541 Dieser Apollodor muß auch Zeitgenosse des Plat[on] gewesen sein u[nd] ist also wohl derselbe, den wir aus Plat[ons] Symp[osion] kennen, Apollodoros aus Phaleron, dort ȝĮȚȞંȝİȞȠȢgenannt:1542 also ein misanthrop[ischer], verstimmter, unruhiger Kopf, der nur im Umgang mit Sokr[ates] Befriedigung fand. (Hertz, Archaeol. Anz. 1858 p. 247.)1543 Von Silanion führt Plin[ius] auch eine Jokaste an, aus Erz, die die Todtenblässe zeigte.1544 – [S. 93]

Heft V. Allen diesen Künstlern ist Idealität u[nd] Bestreben[,] geistige Vorgänge darzustellen[,] gemeinsam, die Tradition von Phidias ist unverkennbar. Diese Richtung blieb nicht mehr auf die att[ische] Kunst beschränkt. Die argiv[isch-] sikyon[ische] Schule hatte sich erhalten, welche von Hause aus in Erz bildete, also mehr auf körperl[iche] Vollkommenheit der Darstellung ausging. Auch diese Schule mußte von der Bewegung der att[ischen] Schule ergriffen werden. U[nd] diese Schule erhob sich neu durch Euphranor u[nd] Lysippos. Zu ihnen gehört auch Daidalos aus Sikyon,1545 ein wesent[lich] peloponnesischer Künstler, von ihm das Weihgeschenk der Tegeaten in Delphi, (Paus. X, 9[, 5. 6]) [, und zwar] die Figur[en] der Nike u[nd] des Arkas1546. Ebenso [schuf er] für die Eleer ein Siegesdenkmal (Ol. 97 [392–389 v. Chr.].)1547 Ferner verschiedene, olymp[ische] Siegerstatuen1548 u[nd] bes[onders] berühmt waren duo pueri destringentes sese, die Staub u[nd] Schweiß vom Körper abschaben (Plin. XXXIV, 76.) Ein neues Motiv palästrischer Darstellung. Endl[ich] von ihm (Plin. XXXVI, 37) eine Venus lavans, u[nd] da gleich at stans folgt, so muß man aus dem Gegensatz auf eine i

Silanion : er.

1540 Plin., n. h. XXXIV, 81: Apollodorum ... iniquom sui iudicem, crebro perfecta signa frangentem, ... ideoque insanum cognominatum. 1541 Plin., n. h. XXXIV, 81: nec hominem ex aere fecit, sed iracundiam. 1542 Plat., symp. 173 D 1543 M. Hertz, Der Bildhauer Apollodorus, in: AA 1858, 246–248. 1544 Plut., mor. 18 c; 674 a. – Die Statue der Iokaste ist nicht bei Plinius erwähnt. Den Effekt der Totenblässe erreichte Silanion durch Beifügen von Silber zur Bronzemischung. 1545 Daidalos: Müller 1848, 102 § 112, 1; 117 § 123, 3; Brunn, GK I, 278. 306f.; Overbeck, Geschichte I 326. – Lippold, Plastik 217; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 153f. s. v. Daidalos (II) (R. V.). 1546 Von Daidalos stammte also nicht das ganze Weihgeschenk. 1547 Paus. VI, 2, 8. 1548 Paus. VI, 3, 4; VI, 2, 8; VI, 3, 7; VI, 6, 1.

Die Kunst in Athen

361

niedergekauerte Venus schließen.1549 – Da Plin[ius] an dieser Stelle Werke nennt, welche aus Kleinasien u[nd] Rhodos stammen, u[nd] da die Thetis auf einer Vase von Kameiros1550 das älteste Beispiel dieser Stellung ist, so haben wir uns die Venus des Daidalos gewiß so zu denken. Um 400 wurde Kameiros verlassen, also können Vasenbild und Statuei in wirkl[ichem] Zusammenhang gestanden haben. – Bedeutender war Euphranor1551 der Isthmier (Plin. XXXIV, 78 XXXV, 128 Quint. XII, 10)1552[,] bei den Römern sehr bekannt. Er lebte bis in die Zeit Alexanders hinein, ein Mann von universaler Begabung, Maler (Plut., de glor. Ath. 2 rühmt seinen Theseus: țȡ੼Į ȕંİȚĮ ȕİȕȡȦțઆȢ 1553[,] dann auch Theoretiker[,] er schrieb (Plin. l.c.) Bücher über Symmetrie u[nd] Farben.1554 Endl[ich] ein Bildner, in quoque genere excellens et sibi aequalis.1555 Er arbeitete in Marmor u[nd] Erz, auch Geräthe wurden von ihm angeführt. Plin[ius] sagt typos scalpsit,1556 das bedeutet Reliefs, bes[onders] solche, welche vervielfältigt werden konnten, u[nd] da Korinth u[nd] Sikyon berühmte Handelsplätze waren, in denen ein Kunsthandel blühte, so scheint es wahrscheinl[ich], er habe Formen gemacht, die zur Vervielfältigung von Terracotten etc. gebraucht werden konnten (Plin. XXXIV, 78. Urlichs, Chrestom. Plin.)1557 Unter den Erzbildern: Philipp u[nd] Alexander auf einer Quadriga, ein Apollo [H. fol. 92 r.: Patroos], ein Triptolemos, eine Gruppe von Hellas u[nd] Arete.1558 Das war der [H. fol. 92 r.: von Isokrates ausgesprochene] Gedanke[,] der der hellenistischen Zeit zu Grunde lag, den Hellenen mache die i

Vasenbild und Statue : sie.

1549 Plin. n. h. XXXVI, 35: Venerem lavantem sese Daedalsas, stantem Polycharmus. Der grundlegende Codex Bambergensis (B) hat Daedalsas, zahlreiche Codices haben dedalsa, die späten Codices h und Poll. (Parisinus 6801, Monacensis Pollingano) des 15. Jhs. haben daedalum. Das inzwischen überholte Daedalus conjicierten Ludwig v. Jan, TeubnerAusgabe Vol. V (Leipzig 1860) und Karl Ludwig v. Urlichs, Chrestomathia Pliniana (Berlin 1857). 1550 Pelike, att. rf., des Marsyas-Malers, aus Kamiros, London, Brit. Mus. E 424: Beazley, ARV² 1475, 4; E. Simon, Die griechischen Vasen² (1981) 157f. Taf. LII. 1551 Euphranor: Müller 1848, 16 § 35,1; 118 § 124,1; 130–132 § 129, 1–3 ; 133f. § 130, 2. 4; 143 § 139, 2; 144f. § 140, 3; 145f. § 141, 4; 560 § 366, 5; 645 § 398, 2; 464 § 405, 3; 673 § 409, 1; Brunn, GK I, 314–318. 375. 427. 429f. 435. 437f. 448. 512; II, 107. 163. 166f. 181–193. 265. 267. 269. 273. 356. 400. 405; Overbeck, Geschichte II 60f. – Lippold, Plastik 260f.; O. Palagia, Euphranor (1980); Stewart 1990, 64. 93. 179. 237. 276f. 286– 288; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 229f. s. v. Euphranor (I) (M. Weber). 1552 Plin., n. h. XXXIV, 77. 78; XXXV, 128. 129; Quint., inst. XII, 10, 6. 12. 1553 Plut., mor. 346 a: :IJઁȞ į੻ ਦĮȣIJȠ૨ țȡ੼Į ȕંİȚĮ [ȕİȕȡȦț੼ȞĮȚ] 1554 Plin., n. h. XXXV, 129. 1555 Plin., n. h. XXXV, 128: in quocumque genere excellens ac sibi aequalis. 1556 Plin., n. h. XXXV, 128. 1557 K. L. v. Urlichs, Chrestomathia Pliniana (1857) 326f. 1558 Plin., n. h. XXXIV, 77.78; Paus. I, 3, 3.

362

[S. 94]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Bildung von Geist u[nd] Gemüth. Die psycholog[ische] Virtuosität erkannte man in seinem Paris, in quo laudatur quod omnia simul intellegantur: < man erkannte den > iudex dearum (also Würde), den amator Helenae, den et tamen interfector Achillis.1559 Von den Werken können wir höchstens von der Darstellung des Triptolemos eine Anschauung bringen: denn in der röm[ischen] Zeit wurdei dieser Typus zur Darstellung des Bonus Eventus, mit Schaale u[nd] Ährenbündel.1560 In den Werken des Euphranor fand man die Gesammtheit des Körpers sei zu schmächtig gewesen,1561 also wollte Euphranorii am Kanon des Polyklet ändern, es gelang aber nicht ganz. Glücklicher darin war sein Nachfolger Lysippos aus Sikyon,1562 in der Zeit Alexanders, urspr[ünglich] mehr Handwerker als Künstler, der ausschließl[ich] in Bronce arbeitete, insofern ein Gegensatz gegen die marmore feliciores1563 Athener. Lysipp schloß sich an Polyklet an, er nannte den Doryphoros seinen Lehrer. Er bildete gern Athleten, die Werke beider Künstler wurden untereinander verwechselt. Aber später ging er seine eigenen Wege. [H. fol. 92 v.: Er hatte die fruchtbarste Werkstätte von allen griechischen Künstlern.] In einer über 50jährigen Thätigk[eit] ist aus seinem Atelier eine unglaubl[iche] Menge Werke hervorgegangen (Plin. XXXIV, 51, 65[.] 15000 Stück)1564[.] Dabei hat er vieles Maaßgebende in die Kunst eingeführt (plurimum dicitur contulisse.) 1.) soll er in der Darstellung des Haares (capillum exprimendo) geneuert haben, er deutete es nicht mehr an, sondern stellte es naturgetreu dar. 2.) capita minora faciendo. Wie wir schon bei den Niobiden gesehen haben. 3.) corpora graciliora et sicciora faciendo, u[nd] erhöhte dadurch den Eindruck des Maaßes, er erfand also neue Proportionen u[nd] gab so den Körpern den Reiz der Neuheit.1565 Die Alten haben die Proportii ii

wurde : ging. also wollte Euphranor : also Euphranor wollte.

1559 Plin., n. h. XXXIV, 77: in quo laudatur quod omnia simul intellegantur, iudex dearum, amator Helenae et tamen Achillis interfector. 1560 Zum Typus des Bonus Eventus LIMC III (1986) 123–126 s. v. Bonus Eventus (P. E. Arias) Taf. 98. 99. 1561 Plin., n. h. XXXV, 128. 1562 Lysippos: Müller 1848, 118 § 124, 1;130–134 § 129. § 130, 1. 2. 4; 479 § 332, 2; 630 § 393, 2; 647 § 399, 3; 675f. § 410, 1. 3. 4; 730 § 420, 4; Brunn, GK I, 151. 270. 317. 358– 382. 397. 403. 426–428. 430f. 433–435. 438–440. 449. 452. 457. 508; Overbeck, Geschichte II 65–85. – Lippold, Plastik 276–286; Stewart 1990, 14. 28. 68f. 80f. 186–191. 289–294. 296. 300. 238 et passim; Moreno 1995; C. M. Edwards, Lysippos, in: YaleClSt 30, 1996, 130–153; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 27–39 s. v. Lysippos (I) (P. Moreno). 1563 Plin., n. h. XXXIV, 69 (Praxiteles). 1564 Plin., n. h. XXXIV, 37: MD opera. 1565 Plin., n. h. XXXIV, 65: statuariae arti plurimum traditur contulisse capillum exprimendo, capita minora faciendo quam antiqui, corpora graciliora siccioraque, per quae proceritas signorum maior videretur.

Die Kunst in Athen

363

onen namentl[ich] nach den Füßen gemessen. Nach Winckelmann ist der Fuß ein Sechstel der Gesamthöhe. In diesem Verhältnisse der einzelnen Glieder [zueinander] ist in verschiedenen Schulen verschieden gearbeitet [worden], in Aegina kurze Leiber u[nd] hohe Beine, bei Polyklet sind die oberen Theile vorherrschend, bei den späteren wieder die tragenden Körpertheile bedeutender, bes[onders] bei Lysippos. Der Körper [seiner Statuen] erschien jugendl[ich], elastisch, kräftig, leicht[,] nova ratione quadratas statuas permutando. Seine Vorgänger[, so sagte er,] hätten [die Körper] so gemacht, wie sie wären, er, quales videntur esse.1566 – Dies bezieht sich wahrscheinl[ich] auf den opt[ischen] Eindruck. Lys[ippos] schuf einen neuen Typus der Gestalt, indem er die Glieder schlanker machte, die Figur wurde jugendlicher, eleganter. Von dieser Art sind die meisten uns erhaltenen Statuen. Quint. XII, 10: ad veritatem Lys[ippum] maxime ascendisse1567 (cf. Prop. III, 8 animosa fingere signa)1568 Dies bezieht sich auf die sorgfältige Behandlung des Einzelnen. Er liebte Gestalten in lebhafter Bewegung, in anmuthiger Mannichfaltigk[eit]. In dieser Beziehung ging sein Sohn u[nd] Schüler Euthykrates noch weiter: constantiam potius imitatus est [patris], quam elegantiam (constantia [der] Muth zu kühner Conception) Plin. XXXIV, 66. Lys[ippos] arbeitete in großem u[nd] kleinem Maaßstabe, bes[onders] berühmt war seine țȠȜȠııȠȣȡȖ઀Į Seine Neigung zu ihr macht den Übergang zur hellenist[ischen] Zeit. – Unter den Götterwerken waren bes[onders] berühmt die Kolosse des Zeus für Tarent (40 Ellen hoch) u[nd] der Poseidon in Korinth. Mit diesen Werken waren auch mechan[ische] Kunstleistungen verbunden. (Plin. XXXIV, 40 manu mobilis) Da so gewaltige Erzwerke bei freier Aufstellung gefährdet waren, so war an der am meisten ausgesetzten Seite eine Säule angebracht, um den Wind zu brechen. Als Tarent erobert wurde, ließ man den Zeuskoloß stehen.1569 – Ähnl[ich] wurde der Helios für die Rhodier gearbeitet (Plin. XXXIV, 63.)1570 Bes[onders] wurde Poseidon von der lys[ippischen] u[nd] peloponn[esischen] Schule dargestellt. Doch wurde in neuen Göttertypen wenig mehr geleistet. Dagegen wandte sich Lys[ippos] den Heroendarstellungen zu. Sein berühmtester Herakles war der Koloss zu Tarent, später in Rom, zuletzt in Byzanz, wo er unterging (Plin. XXXIV, 40. Niketas p. 687.)1571 Dieser Herakles ruhte sorgenvoll, mit gesenktem Haupte, sitzend aus.1572 Wir haben solche Darstellungen auf 1566 Plin., n. h. XXXIV, 65: nova intactaque ratione quadratas veterum staturas permutando, vulgoque dicebat, ab illis factos, quales essent homines, a se, quales viderentur esse. 1567 Quint., inst. XII, 10, 9: ad veritatem Lysippum ac Praxitelem accessisse optime affirmant. 1568 Prop. III, 9, 9: gloria Lysippo est animosa effingere signa. 1569 Plin., n. h. XXXIV, 40: Zeus in Tarent; Lukian, Iupp. trag. 9: Poseidon in Korinth. 1570 Plin., n. h. XXXIV, 41. 1571 Plin., n. h. XXXIV, 40; Niketas Akominatos Choniates, de Alexio Isaacii Ang. III, p. 687. 1572 Ausruhender Herakles, Kolossalstatue in Tarent: LIMC IV (1988) 773f. mit Nr. 927–940 s. v. Herakles (O. Palagia) Taf. 507f.; Moreno 1995, 281–288 mit Kat. Nr. 4.41.1–11; S. 374–379 mit Kat.Nr. 6.12.1–7.

364

[S. 95]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Gemmen.1573 Der gebeugte Herakles wurde dann auch mehr humorist[isch] dargestellt, indem man auf seinen Rücken einen Eros setzte.1574 Sehr berühmt war auch Lysippsi ਺ȡĮțȜોȢ ਥʌȚIJȡĮʌ੼ȗȚȠȢ fröhl[ich] genießend, eine kaum einen Fuß hohe Broncestatue, bestimmt bei Gelagen auf den Tisch gestellt zu werden.1575 Alexander führte ihn mit sich; dann kam er in die Hände Hannibals, Sullas u[nd] zur Zeit Domitians in die des Kunstsammlers Nonius Vindex, wo Statius Gastfreund war. (Stat. Silv. IV, 6) Die Kunst war[,] bes[onders] im Kleinen, etwas Großartiges darzustellen: parvus videri, sentiri ingens: es war eine fines in arctos inclusa maiestas.1576 In der einen Hand hält er einen Becher, neben der anderen lag die Keule (meminit)[.]1577 Von den erhaltenen lys[ippischen] Heraklesbildungen ist am berühmtesten der Herakles Farnese, gefunden in den Thermen des Caracalla, j[etzt] in Neapel.1578 Das Werk hat ganz die Proportionen des Lys[ippos], u[nd] eine rohe Copie dieser Statue in Florenz trägt die Inschrift /86,3328 (5*211579 Der Bildner der farnes[ischen] Statue ist Glykon v[on] Athen.1580 Lysipposii bildete für Alyzia in Akarnanien die Statuen des Herakles.1581 Vor einiger Zeit wurden durch Heuzey Reliefs am Thore dieser Stadt gefunden, die uns den Herakles darstellen, ähnl[ich] wie in jenen Statuen.1582 Sie sind nicht das Werk des Lys[ippos], zeigen aber dessen Einfluß. Die farnes[ische] Statue hat einen kleinen Kopf, einen gedrungenen, stierähnl[ichen] Nacken (Iuv. III, 88[ f.]), eine über den Augen mächtig vortretende Stirn. Die Muskeln sind überall sehr hoch gebildet, die Adern i ii

Lysipps : sein. Lysippos : Er.

1573 Vermutl. Berlin, Antikensammlung FG 3081. 3082. 1574 Kniender Herakles mit Eros auf dem Nacken: Onyx-Kameo, Neapel, Mus. Naz. Inv. 25863: C. Gasparri (Hrsg.), Le gemme Farnese (1994) 67 Abb. 88; 140 Nr. 32; Vgl. auch Berlin, Antikensammlung FG 1322. 1324. 1575 LIMC IV (1988) 774f. Nr. 957–983 s. v. Herakles (O. Palagia) Taf. 509–511; Moreno 1995, 140–147 mit Kat. Nr. 4. 17. 1. 2; 347–351 mit Kat. Nr. 6. 9. 1–3; C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 361 Abb. 325. 1576 Stat., silv. IV, 6, 37f.: parvusque videri / sentirique ingens; 35f.: tantus honos operi finesque inclusa per artos / maiestas. 1577 Stat., silv. IV, 6, 57: haec clavae meminit manus. 1578 Herakles Farnese, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6001: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 44f. Abb.; 154f. Nr. 10; Moreno 1995, 244–247 Kat. Nr. 4.36.4; S. 416–501; C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, 348f. et passim Abb. 318. 1579 Loewy 1885, 334–336 Nr. 506; Moreno 1995, 243 Kat. Nr. 4.36.3. 1580 Glykon von Athen: Müller 1848, 131 § 129, 2; 166f. § 160, 4.5; Brunn, GK I, 373. 549– 561. 566–568; Overbeck, Geschichte II 233f. Nr. 7. – Lippold, Plastik 281; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 268f. s. v. Glykon (I) (R.V.). 1581 Strab. X, 10, 2 p. 459. 1582 L. Heuzey, Le mont Olympe et l’Acarnanie. Exploration de ces deux régions, avec l’étude de leurs antiquités, de leurs populations anciennes et modernes, de leur géographie et de leur histoire (1860) 407ff.

Die Kunst in Athen

365

geschwollen. Dahin gehört auch ein Kopf des Herakles im Brit[ischen] Mus[eum].1583 Mit dem Lys[ippos] hat man auch den Torso im Belvedere1584 in Verbindung gebracht; man hielt ihn für eine Nachbildung des ਥʌȚIJȡĮʌ੼ȗȚȠȢ; er stammt aber entschieden aus späterer Zeit. Er ist neben dem Ilioneus bes[onders] ausgezeichnet durch weiche Formen, wahrscheinl[ich ist er] neben der Hebe zu denken, denn Herakles ist hier vergöttert. Lys[ipp] war im Ganzen naturalistisch. In seinem Atelier wurden viele Portraits gemacht. Sein Bruder, Lysistratus,1585 machte Wachsmasken.1586 Die beiden Richtungen auf Heroen u[nd] Portraits traten zusammen bei den Alexanderbildern. Dies Zusammentreffen verschaffte Lys[ippos] einen ganz neuen Gegenstand der Kunst. Er stellte Alexander dar a pueritia [eius] orsus.1587 Jahre lang bildete er ihn u[nd] brachte es darin zur Virtuosität. Er allein stellte den ganzen Helden dar, das Wesentl[iche] (Benndorf, epigr. p. 70)1588. Am berühmtesten war ein stehender Alexander mit der Lanze, den Blick nach oben gerichtet. Er schien zu Zeus zu sagen: die Erde unterwarf ich[,] ǽİ૨ ıઃ į’ ਜ਼ȜȣȝʌȠȞ ਩Ȥİ1589 – Am ausgezeichnetesten unter den Nachbildungen ist eine in Gabii gefundenen Statue aus der Zeit des Caracalla, j[etzt] im Louvre.1590 Bei einer Statue in der Glyptothek sind Arme u[nd] Füße ergänzt.1591 – Eine kleine Bronce in Neapel stellte Alexander auf dem Bukephalus reitend dar.1592 Mehr besitzen wir an Köpfen: 1.) Der capitolin[ische] Alexanderkopf (Denkm. der alten Kunst 159),1593 der bedeutendste u[nd] idealste[,] u[nd] doch [ist] bei aller Idealität die Portraitähnlichk[eit] nicht verschwunden. Die Haare sind [wie] bei Zeus. Alexander hat den berauschten Blick eines Siegers; doch ist 1583 Vermutl. London, Brit. Mus. 1735: LIMC IV (1988) 764 Nr. 715 s. v. Herakles (O. Palagia) Taf. 494 oder London, Brit. Mus. 1736, Moreno 1995, 359 Kat. Nr. 6.10.8. 1584 Torso im Belvedere, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 1192: Amelung, Vat. Kat. II, 9–20 Nr. 3 Taf. 2; N. Himmelmann, Anmerkungen zum Torso vom Belvedere, in: AA 1996, 475–483; R. Wünsche, Der Torso. Ruhm und Rätsel, Ausstellungskat. München / Rom (1998). 1585 Lysistratos: Müller 1848, 118 § 124, 1; 131–133 § 129, 5; Brunn, GK I, 402–407. 435. 440. 457; Overbeck, Geschichte II 86f. – Lippold, Plastik 286; Stewart 1990, 34. 80. 186. 245. 289. 293; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 40 s. v. Lysistratos (P. Schollmeyer). 1586 Plin., n. h. XXXV, 153. 1587 Plin., n. h. XXXIV, 63. 1588 O. Benndorf, De Anthologiae Graecae epigrammatis quae ad artem spectant (1862) 70. 1589 Plut., mor. 335 b. 1590 Statue, angebl. Alexander der Große, aus Gabii, Paris, Louvre Ma 2301: J. J. Bernoulli, Die erhaltenen Darstellungen Alexanders des Großen (1905) 84. 83 Abb. 25. 1591 Sog. Alexander Rondanini, München, Glyptothek Inv. Nr. 298: : Vierneisel-Schlörb, Glyptothek München II, 370–385; N. Himmelmann-Wildschütz, Herrscher und Athlet. Die Bronzen vom Quirinal, Ausstellungskat. Bonn (1989) 95 Abb. 31f. 1592 Bronzestatuette, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. 4996: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 140f. Nr. 216; Moreno 1995, 152–154 Kat. Nr. 4.18.2. 1593 Kopf des Alexander Helios, Rom, Mus. Capitolino Inv. Nr. 732: K. O. Müller - F. Wieseler, Denkmäler der antiken Kunst I (1854) Taf. 39, 159. – Stuart Jones, Mus. Cap., 341f. Nr. 3 Taf. 85; Moreno 1995, 401 Kat. Nr. 6.17.3.

366

[S. 96]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

etwas Menschl[iches] in der Neigung des Kopfes. Alex[ander] war hier nach Art des Helios dargestellt. 2.) Die Azarabüste im Louvre,1594 ruhig, ernst, hier tritt das Persönl[iche] mehr hervor. 3.) Neuerdings wollte man noch mehrere Terracottaköpfe auf Alexander beziehen (O. Lützow, Münchener Antiken.)1595 Doch ist dies sehr zweifelhaft, ebenso der Kopf des sterbenden Alexander, der wahrscheinl[ich] eine andere Bedeutung hat.1596 Lys[ipp] stellte Alexander auch in Gruppen dar, so mit 25 ਦIJĮ઀ȡȠȚȢ am Granikus. Dieses Werk war in Dion aufgestellt u[nd] kam dann nach Rom.1597 15. 2. 65 Lys[ipp] stellte auch Dinge dar, die sich der Plastik entziehen. So bildete er den țĮȚȡંȢ1598 eine außerordentl[iche] Kühnheit (?) (Übrigens gab es einen Cult des țĮȚȡંȢ so in Olympia.)1599 (cf. Benndorf, Arch. Zeitung 1863 p. 81)1600 Der țĮȚȡંȢ war ein Erzbild u[nd] stand in Sikyon ਥȞ ʌȡȠș઄ȡȠȚȢ1601 wohl vor einem öffentl[ichem] Gebäude. Es war eine schöne, jugendl[iche] Gestalt, Dionysosartig, auf den Fußspitzen stehend, vorn lockig, hinten kahl.1602 Das Bild wurde häufig nachgeahmt[,] u[nd] es traten immer neue Motive hinzu. Es stand später auf einer Kugel, auf Rädern, ja endl[ich] auf der Schärfe eines Messers, unplastische Nachbildung des ਥȞ ȟȣȡȠ૨ ਕțȝ੾1603 (O. Jahn, Ber. der s. Ges. der W. 1848 fand eine späte Nachbildung auf einem Mosaikbilde.)1604 Unter den athletischen Figuren war bes[onders] berühmt der ਕʌȠȟȣંȝİȞȠȢ se destringens (Plin. XXXIV, 62)[.] Eine Marmorcopie kam nach Rom. Tiberius, dem sie bes[onders] gefiel, ließ sie in seinen Palast bringen, aber das Volk forder-

1594 Alexanderherme, sog. Azaraherme, Paris, Louvre Ma 436: Richter, Portraits III, 255 Nr. 1 a Abb. 1733–1735; A. Stewart, Faces of Power. Alexander’s Image and Hellenistic Politics (1993) Abb. 45; C. Vorster, in: Bol, Bildhauerkunst II, 412 Abb. 386. 1595 C. Fr. A. v. Lützow, Münchener Antiken (1869) 1–4, Taf. I. 1596 Gigantenkopf, sog. Sterbender Alexander, Florenz, Uffizien Inv. 338: Mansuelli, Uffizi I, 94–96 Nr. 62; F. Haskell–N. Penny, Taste and the Antique² (1982) 134–136 Nr. 2 Abb. 70. 1597 Plin., n. h. XXXIV, 64; Arr., anab. I, 16, 7. 1598 Kairos: LIMC V (1990) 922 Nr. 1 s. v. Kairos (P. Moreno) Textabb.; Moreno 1995, 190– 195 mit Kat. Nr. 4.28.1–5; S. 395–397 mit Kat. Nr. 6.16.1–2. 1599 Paus. V, 14, 9. 1600 O. Benndorf, Der Kairos des Lysippos und eine Gemme des Berliner Museums, in: AZ 21, 1863, 81–85. 1601 Anth. Graec. XVI, 275, 12. 1602 Anth. Graec. XVI, 275, 1–12; Kallistrat, de stat. 6; Himer., ecl. XIV, 1; Phaedr., fab. V, 8; Tzetz., Chil. VIII, 200, 422–434; Cedren., hist. comp. p. 322 C. 1603 Sprichwörtlich ਥʌ੿ ȟȣȡȠ૨ ਕțȝોȢauf des Messers Schneide, z. B. Hom., Il. X, 173; Hdt. VI, 11. 1604 O. Jahn, Über ein antikes Mosaikbild, in: Berichte der Königl. Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-histor. Classe V (1853) 50–59 Taf. 5.

Die Kunst in Athen

367

te sie zurück.1605 1849 fand man eine Copie: Die Figur reinigt mit dem Schabeisen den rechten Arm[,] eine schwierige Manipulation.1606 – Endl[ich] war Lys[ipp] auch als Thierbildner ausgezeichnet, weshalb man auch die Pferde von St. Marco1607 (ohne Grund) für lysippisch hielt. (Plin. XXXIV, 64.)1608 – Lys[ipp] war ungemein populär; seine Werke paßten überall hin u[nd] hatten überall Wirkung. Seine Kolossalwerke waren trotz des Kolossalen nicht übermäßig. Das jüngere Denkmal der Burg v[on] Xanthos1609 gehört in die vormaked[onische] Zeit: ein Unterbau darauf ein jon[isches] Tempelchen. Das Ganze ist ein Grab- u[nd] Ehrendenkmal. Der Unterbau trägt einen doppelten Fries: der größerei war gleich oberhalb der Stufen: Er stellt eine Schlacht zwischen Reitern u[nd] Fußgängern in höchst lebendiger Auffassung dar; der kleinere stellt die Einnahme einer Stadt dar, durchaus histor[isch]. (Auf einen persischen Statthalter bezieht sich auch eine Säule mit griech[ischer] u[nd] lyk[ischer] Inschrift Arch. Zeitung 1844.)1610 Man dachte an einen Kampf zwischen Lykiern u[nd] Telmessiern (Theop. XII fr. III.)1611 Aber es läßt sich nichts bestimmt sagen. Das Tempelchen hatte Hautreliefs, auch lebhaft bewegte Gewandstatuen,1612 die auf einzelnen Plinthen stehen; an diesen sind verschiedene Symbole. (Gibson, Museum of classical antiquities I, p. 141 dachte an Stadtgottheiten.)1613 Offenbar sind es aber Seegottheiten, daher der Name Nereidenmonument. Ferner sind noch mehrere kleine Statuenbruchstücke gefunden. – Es geht offenbar ein Gedanke durch das Ganze. Die Nereiden sind gleichsam ideale Zuschauer des Kampfes (cf. Paus. III, 26, 5.)1614 Das histor[ische] Ereigniß ist [über die Seegottheiten] in die Welt des i

größere : obere.

1605 Plin., n. h. XXXIV, 62. – Nach Plinius gelangte das Original des Apoxyomenos nach Rom. 1606 Statue des Apoxyomenos, gefunden 1849 in Trastevere, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 1185: Vatikanische Museen, Bildkatalog II, Taf. 43–49 S. 7*f. (mit ält. Lit.); C. Maderna, in: Bol, Bildhauerkunst II, S. 286ff. et passim Abb. 319. 1607 Bronzepferde von San Marco, Venedig; G. Perocco–R. Zorzi (Hrsg.), I cavalli di San Marco (1981). 1608 Plin. XXXIV, 64: fecit et quadrigas multorum generum. 1609 Nereidenmonument von Xanthos: s. o. Anm. 1392. 1610 Pilier inscrit: J. Franz, Die Friedenssäule zu Xanthos, in: AZ 2, 1844, 279–288; E. Gerhard, Das Denkmal des Harpagos zu Xanthos, in: AZ 2, 1844, 353–366. – P. Demargne, Fouilles de Xanthos I. Les piliers funeraires (1958) 79–105 Taf. 26–42. 1611 Theopomp. FGrH 115 F 103. 1612 Nereidenstatuen, London, Brit. Mus. und Frgte. in Xanthos: W. A. P. Childs–P. Demargne u.a., Fouilles de Xanthos VIII. Le monument des Néréides. Le decor sculpté 1. 2 (1989) 119–137. 270–277. 348–353 Taf. 78–111; D. Kreikenbom, in: Bol, Bildhauerkunst II, 202 Abb. 134. 1613 W. Gibson, Museum of Classical Antiquities I (1851) 131. 1614 Paus. III, 26, 7: Nereiden betrachten bei Kardamyle den Sohn Achills Pyrrhos bei seiner Brautschau auf dem Weg nach Sparta.

368

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Idealen versetzt, in den Friesen sind die wirkl[ichen] Vorgänge dargestellt, cf. Urlichs, Verhandlungen der braunschweig[er] Philologenversammlung.1615 – [S. 97]

16. 2. 65 Die Malerei bis zur Zeit Alexanders. [H. fol. 95 v.: Die Malerei entwickelte sich in analoger Weise mit der Plastik.] Die Malerei ging aus von der Zeichnung u[nd] ist lange bei der Zeichnung stehen geblieben, sie war eine Illumination von Umrißzeichnungen. Eine bes[ondere] Epoche wird datiert an der Unterscheidung männl[icher] u[nd] weibl[icher] Personen (Plin. XXXV, 56.) Eumaros aus Athen1616 war der erste, der sie durch Farbe unterschied.1617 Dieser Name bezeichnet den Künstler selbst[,] ȝ੺ȡȘ=Ȥİ઀ȡ. [H. fol. 95 v.: Also auch in Beziehung auf die Malerei war Athen Wiege der Kunst.] Ein weiterer Fortschritt durch Kimon v[on] Kleone,1618 dessen Zeit bis in die Perserkriege reicht. Er wagte es, bewegtere Gruppen darzustellen, man geht weiter in Gewandung w[ie] Gliederung. Plin[ius] nennt țĮIJ੺ȖȡĮijĮimagines obliquae[,] Personen von der Seite gesehen.1619 Auch hier ist der Cult maßgebend, es galt in den Tempeln große Wandflächen zu schmücken, statt der früher beliebten Teppiche. Die Obj[ekte] waren zuerst mytholog[ische]; dann auch histor[ische] Gegenstände. Hdt. IV, 88 berichtet von dem Weihgeschenk des Mandrokles v[on] Samos, denn sam[ische] Ingenieurs hatten bes[onders] den Übergang [des persischen Heers] über den Bosporus mögl[ich] gemacht, der Übergang wurde gemalt u[nd] (ਕʌĮȡȤ੾ in Herakleia aufgestellt[,] u[nd es zeigte] den König Darius, wie er am Ufer saß, u[nd] dem Bau zuschaute.1620 Die ältesten Malerschulen finden wir in Samos, Korinth, Sikyon u[nd] Thasos, diese ist histor[isch] am wichtigsten. Thasos im thrak[ischen] Meer war um die Zeit als die jon[ischen] Städte unterjocht wurden, eine der angesehensten Mächte Griechenlands. Hier saß eine par[ische] Colonie (auch Archilochos) u[nd] hatte sich durch Benutzung der Bergwerke an der Küste [des Festlandes] u[nd auf] der Insel sehr bereichert. Ausgezeichnet als Maecenate war

1615 K. L. v. Urlichs, Verhandlungen der 19. Versammlung der deutschen Philologen in Braunschweig, S. 61. 1616 Eumares aus Athen: Müller 1848, 52 § 74, 1; Brunn, GK II, 5. 8. 32. 69. – N. J. Koch, De picturae initiis (1996) 28f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 225f. s. v. Eumares (W. Müller). 1617 Plin., n. h. XXXV, 56. 1618 Kimon von Kleone: Müller 1848, 83f. § 99, 1; Brunn, GK II, 5. 9–12. 28. 30f. – N. J. Koch, De picturae initiis (1996) 28f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 412 s. v. Kimon (I) (R. V.). 1619 Plin., n. h. XXXV, 56: hic [Cimon Cleonaeus]catagrapha invenit, hoc est obliquas imagines. 1620 Gurlitt (irrtümlich): Herakleia, Hiller fol. 96 r.: Heraion. – Nach Hdt. IV, 88, 1 weihte Mandrokles das Gemälde ins Heraion von Samos.

Die Kunst in Athen

369

Aglaophon1621 u[nd] sein Sohn Polygnotos,1622 [wegen der Herkunft] also blos ੒ Ĭ੺ıȚȠȢgenannt (wie Perugino)[.] Durch Kimon wurde Thasos für die att[ische] Symmachie gewonnen[,] u[nd] Kimon benutzte diese Unterwerfung v[on] Thasos so, daß er in Polygnot den Meister seiner Kunst entdeckte u[nd] ihn überzusiedeln bewegte. Das Verhältniß zu Kimon ist in späterer Zeit bestimmt bezeugt.1623 U[nd] nun gründet Polygnot eine Malerschule in Athen. Hier wurden der Malerei zuerst öffentl[iche] Aufgaben gestellt. Kimon hatte in Athen den Markt im Kerameikos mit Platanen bepflanzt,1624 mit Hallen umgeben, wichtig die östl[iche] Halle, ਲ ıIJȠ੹ ਲ ȆİȚıȚĮȞ੺țIJİȚȠȢ Suid. s. v. ȆİȚıȚĮȞ੺țIJİȚȠȢu[nd] s. v. ǽ੾ȞȦȞ 1625 Peisianax war der Schwager Kimons. Die langen Mauerflächen der Halle wurden nun mit Gemälden geschmückt, (daher ıIJȠ੹ ʌȠȚț઀ȜȘ Hier[,] mit Polygnot verbunden, Panainos,1626 Bruder od[er] Brudersohn [des] Pheidias, auch Mikon,1627 beides alte Attiker (Paus. I, 15.) Es waren 4 namhafte Gemälde, alle 4 [mit] krieger[ischen] Szenen: 1. Kampf bei Oenoe. 2. Die Amazonenschlacht. 3. Schlacht v[on] Marathon. 4. Zerstörung v[on] Ilion (੉Ȝ઀Ƞȣ ʌ੼ȡıȚȢ 1628Hier ist Oenoe sehr befremdl[ich], wir kennen nur eine Schlacht zwischen Lakedaimoniern u[nd] Argivern (Paus. X, 10[, 4].), wo die Lakedaimonier unterlagen. Arnold Schäfer 1861[,] p. 19 Rede zum Winckelmannsfest1629[:] Hier ist gemeint die myth[ische] Schlacht bei Oenoe, welche die Athener zur Hilfe der Herakliden schlugen. Der Maler dieses Bildes ist indes nicht genannt. Panainos malte die Schlacht bei Marathon1630[, nach] Ael[ian] mit Mikon[,] u[nd es wird] erzählt, 1621 Gurlitt: Ausgezeichnet als Maecenate war Aglaophon und sein Sohn Polygnotos, Hiller fol. 96 r.: In Folge des Wohlstandes wurde hier auch die Kunst in Bürgerfamilien gepflegt, besonders im Haus des Aglaophon, dessen Sohn Polygnot war. – Aglaophon war Maler, Vater und Lehrer des Polygnot, Müller 1848, 137 § 134, 1; Brunn, GK II, 13f. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 13 s. v. Aglaophon (I) (G. Bröker / W. Müller). 1622 Polygnot: Müller 1848, 101 § 112, 1; 137–139 § 134. 135; 143 § 139, 4; 452 § 319, 5; 716 § 415, 2; Brunn, GK I 93. 115. 217. 274. 300. 438. 448. 526; II 14–46. 58–60. 67– 69. 72. 84. 87. 91. 95. 115–118. 127. 187f. 232. 265. – J. J. Pollitt, The Echoes of Polygnotos and Aristeides, in: Essays in archaeology and humanities. In memoriam O. J. Brendel (1976) 49–54; R. B. Kebric, The Paintings of the Cnidian Lesche at Delphi and their historical context. Mnemosyne Suppl. 80 (1983); S. B. Matheson, Polygnotos and Vase-Painting in classical Athens (1995); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 272–274 s. v. Polygnotos (I) (U. Koch-Brinkmann). 1623 Plut., Kim. 4, 5. 1624 Plut. Kim. 13, 8. 1625 Suid. s.v. ǽ੾ȞȦȞ; ȆİȚıĮȚĮȞ੺țIJȚȠȢ ıIJȠ੺Plut., Kim. 4, 5: ਥȞ IJૌ ȆİȚıȚĮȞİțIJİ઀૳ IJંIJİ țĮȜȠȣȝ੼Ȟૉ ȆȠȚț઀Ȝૉ į੻ Ȟ૨Ȟ ıIJȠઽ. - Zur Stoa Poikile: J. M. Camp, Die Agora von Athen (1989) 73–80 et passim. 1626 Zu Panainos s. o. Anm. 941. 1627 Mikon: Müller 1848, 139 § 135, 1. 2; 452 § 319, 5; Brunn, GK I, 274. 304; II, 9. 19. 22. 46f. 69. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 82–84 s. v. Mikon (I) (W. Ehrhardt). 1628 Paus. I, 15, 1–3. 1629 A. Schäfer, Rede zum Winckelmannfeste, den 9. Dec. 1859 (Greifswald 1861) 19. 1630 Paus. V, 11, 6; Plin., n. h. XXXV, 57.

370

[S. 98]

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Mikon sei bestraft [worden], weil er die Barbaren größer gebildet habe1631, als die Griechen u[nd] zwar um 30 Minen (Jahn, Archäol. Aufsätze p. 16.)1632 Nach Aeschin[es,] c. Ktesiphon[,] wollte Miltiades, od[er] vielmehr Kimon, der Sohn des Miltiades, seinen Namen1633 beischreiben lassen, aber es wurde ihm nur gestattet, daß sein Vater [im Bild] die Truppen anreden u[nd] sie leiten durfte.1634 Die Führer wurden offenbar ikonisch dargestellt. (Plin. XXXIV, 35)1635 [H. fol. 96 v.: Man erkannte die verschiedenen Momente der Schlacht.] Die Barbaren flohen nach dem Meere, [wo] am Ende des Bildes die phöniz[ischen Schiffe] am Ufer liegen[,] u[nd] mitten im Kampfgewühl steigen der Held Marathos u[nd] Theseus selbst aus der Erde zur Hilfe herauf.1636 Mikon malte die Amazonenschlacht (ਥȞ ȝ੼ı૳ IJ૵Ȟ IJȠ઀ȤȦȞ Ar. Lys. 679.)1637 Mikon war auch als Pferdemaler (Ael. hist. nat.)1638 bekannt. Polygnot, der eigentl[iche] Meister, malte die Eroberung v[on] Ilion (ਰȜȜȘȞİȢ İੂȡȘțંIJİȢ ੍ȜȚȠȞ >@ eine bes[onders] schöne Gruppe war die der ȉȡȦĮ઀i mit ȁĮȠį઀țȘ der ਫȜʌİȞ઀țȘ der Schwester des Kimon[,] ähnl[ich].1639 – Ob es Wand- oder Tafelgemälde waren, ist nicht bezeugt. – Ferner die Pinakothek, der nördl[iche] Flügel der Propyläen; dies Gebäude ist noch ganz erhalten u[nd] hier müßte man bei genauer Untersuchung finden können, wie die Gemälde angebracht waren, aber nichts derart.1640 Hier in der Pinakothek muß Polygnot [H. fol. 97 r.: nach Paus. I, 22] gemalt haben: Diomedes holt das Palladium, Odysseus holt den Bogen des Philoktet, die Tödtung der Polyxena, u[nd die] Tödtung des Aegisthos, Odysseus mit Nausikaa u[nd] Achill auf Skyros.1641 Nun war der Propyläenbau der letzte auf der Akropolis u[nd] damals kann Polygnot diese Gemälde nicht mehr gemalt haben. Die Annahme liegt also nahe, die Pinakothek wäre schon früher gebaut gewesen u[nd] dann nur in den Bau hereingezogen. Außerhalb Athens malte Polygnot noch in Platää [H. fol. 97 r.:, im durch die Freiheitskriege geweihten Ort,] im Tempel der Athena Areia, im ʌȡંȞĮȠȢ ੗įȣııİ઄Ȣ im Kampf gegen die Freier, als Gegenstück der Zug der Argii

ȉȡȦĮ઀ : ȉȡȦĮ઀İȢ

1631 1632 1633 1634 1635 1636 1637 1638 1639 1640

Aelian, nat. anim. VII, 38. O. Jahn, Archäologische Aufsätze (1845) 16–21. Den des Miltiades. Aischin., c. Ctesiph. 186. Plin., n. h. XXXV, 57. Paus. I, 15, 3. Paus. I, 15, 2: ਥȞ į੻ IJ૶ ȝ੼ı૳ IJ૵Ȟ IJȠ઀ȤȦȞAristoph., Lys. 678f. Ael., nat. anim. VII, 38. Paus. I, 15, 2; Plut. Kim. 4, 5 Pinakothek, der nördliche Flügel der Propyläen auf der Akropolis: Svenson-Evers 1996, 252–267 mit ält. Lit., zur hier diskutierten Frage 255 Anm. 9; W. B. Dinsmoor, W. B. Dinsmoor Jr., The Propylaia to the Athenian Acropolis II. The Classical Building (2004) 368–397. – Die Pinakothek diente als Bankettraum, A. Scholl, ǹȃǹĬǾȂǹȉǹ ȉȍȃ ǹȇȋǹǿȍȃ, JdI 121, 2006, 32 Anm. 117 mit ält. Lit. 1641 Paus. I, 22, 6.

Die Kunst in Athen

371

ver gegen Theben von einem anderen Maler. Paus IX, 4[, 1. 2.]. [H. fol. 97 r.: Auch diese beiden Werke sind deutlich Gegenstücke; beide zusammen haben sie ihre Analogie in den Perserkriegen, die frevelhaft in Hellas einfielen] (Curtius, Nachrichten der Gött. Ges. d. W. 1861.)1642 Endl[ich] ging Polygnot nach Delphi. Hier hatten die Knidier die ȁ੼ıȤȘ geweiht, ein Versammlungssaal mit Halle, bestimmt den zusammenströmenden Pilgern Obdach u[nd] Vereinigung u[nd] würdige Unterhaltung zu gewähren.1643 Hier zu malen war bes[onders] die Aufgabe des national gesinnten Polygnot (Paus. X, 25–31.) Welcker hat sich [hierzu] belehrend [geäußert]: Welcker, Die Composition der polygnot[ischen] Gemälde Abh. der Berl. Ges. der W. Jahn, Kieler Studien 1841. Lenormand, Abh. der belg. Akad. der W. letzter Band.)1644 Die Lesche hat 2 große Wandgemäldei, auf der einen Seite, dem Eintretenden rechts, die Einnahme Ilions, die Szenen vor u[nd] in dem eroberten Troja; [im einzelnen sind vor der Stadt dargestellt:] die Abfahrt, ein Schiff w[ie] eine Wohnung neben dem Schiffe, man sah Helena u[nd] Briseis (ਕʌȠıțȠʌȠȣȝ੼ȞȘ IJઁ ਬȜ੼ȞȘȢ İੇįȠȢ1645>@ d.h. blickend mit beschatteten Augen)[,] trojan[ische] Fürstentöchter, Nestor als Rossetummler, Gefangene, Verwundete in einzelnen Gruppen. In der Burg: Epeios, die Mauer einreißend, Aias u[nd] Kassandra u[nd] die Antenoriden, bei ihnen hatten einst die Gesandten der Griechen vor dem Kriege Obdach gefunden u[nd] daher zogen sie friedl[ich] aus der brennenden Stadt. [Das Gemälde] Links dem Eintretenden: ੗įȣııİ઄Ȣ, țĮIJĮȕİȕȘțઅȢ İੁȢ IJ੽Ȟ ਢȚįȘȞ1646 [Im einzelnen:] Am Eingang im Schlamme des Acheron die Tempelschänder, dann das Schiff des Charon, Tellis u[nd] Kleoboia hinüberführend, welche die Weihe der Demeter gestiftet hatten.1647 Eurynomos, der Dämon der Verwesung. Tityos, Oknos, der nicht müde wird, den Strick zu flechten, den ein Esel abnagt: [S. 99] ein ʌંȞȠȢ ȝ੺IJĮȚȠȢ1648 Gruppen v[on] Heroinen: Ariadne auf dem Felsen seiend, i

Wandgemälde : Wände.

1642 E. Curtius, Über die Weihgeschenke der Griechen nach den Perserkriegen und insbesondere über das platäische Weihgeschenk in Delphi, in: Nachrichten von der GeorgAugust-Universität und der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen (1861) 368. 1643 Lesche von Delphi: J. Pouilloux, La region nord du sanctuaire, FdD II (1960) 120–139 Taf. 62–72; Pläne 18–21; Maaß 1993, 178–180. 1644 F. G. Welcker, Die Composition der polygnotischen Gemälde in der Lesche zu Delphi, AbhBerlin 1847, 81– 151; O. Jahn, Die Gemälde des Polygnotos in der Lesche zu Delphi erläutert, in: Kieler philologische Studien (1841) 81–154; C. Lenormant, Mémoire sur les peintures que Polygnot avait exécutées dans la Lesché de Delphes, in: Mém. Acad. Bruxelles 34 (1864). – Kebric (wie Anm. 1622). 1645 Paus. X, 25, 4: ਕȞĮıțȠʌȠ઄ȝİȞȠȚ IJઁ ਬȜ੼ȞȘȢ İੇįȠȢ(ed. Rocha-Pereira), die Gestalt Helenas genau betrachtende. 1646 Paus. X, 28, 1: ੗įȣııİઃȢ țĮIJĮȕİȕȘțઅȢ ਥȢ IJઁȞ ਢȚįȘȞ 1647 Nach Paus. X, 28, 3 hatte Kleoboia die Orgien der Demeter als erste von Paros nach Thasos gebracht. 1648 Sprichwörtlich, vgl. z. B. Plat., Tim. 40 D.

372

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Phaedra in einer Schaukel schwebend. Gruppen v[on] Helden, die in Freundsch[aft] verbunden waren, würfelspielende Helden[,] u[nd] den Schluß machte eine Gruppe v[on] Büßenden. – 17. 2. 65 ([Die] Gebr[üder] Riepenhausen versuchten eine [Wieder]Herstellung1649 .) Der Charakter des Polygnot: Plin. XXXV, 58 sagt nur ganz Äußerl[iches], er spricht [von] der Bekleidung der Frauen, von den bunten Kopfbedeckungen, vom os aperire, als einer Neuerung des Polygnot. multum variare ab antiquo rigore.1650 Quint. XII, 10 bewundert die sparsame Anwendung techn[ischer] Mittel, wie die alten 4 Farben so viel erreichen konnten.1651 – Jede [der] einzelnen Gruppen wari offenbar reliefartig nebeneinander gruppirt, auf verschiedenem Niveau, in Analogie mit der epischen Darstellung, es war nicht alles auf einen Mittelpunkt orientirt, in gewisser Breite [vorgeführt], aber so, daß sich eine gewisse Symmetrie darstellte. Ferner ist charakteristisch der symbol[ische] Charakter, so [wurde] statt der Flotte ein Schiff [dargestellt], statt eines Hains ein Baum, dies erklärt sich aus der Scheu der alten Kunst[,] viel Material zu brauchen. Tiefer symbol[isch] ist, wenn Aktaion mit einem Hirschfell angethan ist, in dem Gewande des Memnon ein Saum mit eingewirkten Vögeln (ȂİȝȞȠȞ઀įİȢ [angebracht ist,] u.s.w.1652 Ferner der euphemistische Ausdruck: ıȤોȝĮ ਥʌ੿ IJઁ İ੝ʌȡİʌ੼ıIJİȡȠȞ ʌİʌȠȚȘȝ੼ȞȠȞ Er dient dazu, sprachlich hervorzuheben, wie Phaedra in einer Schaukel sitzend dargestellt ist:ii ĮੁȦȡȠȣȝ੼ȞȘ ਥȞ ıİȚȡઽ țĮ੿ IJ૵Ȟ ȤİȚȡ૵Ȟ ਕȝijȠIJ੼ȡȦșİȞ (Paus. X, 29, 3).1653 Endl[ich] der attische Charakter; denn die Kunst der Alten war lehrhaft u[nd] sollte edle Gedanken anregen, daher wurden die Eingeweihten [dargestellt,] empfohlen mit [der] cista mystica [in den Hades fahrend],1654 so der Segen der Gastfreundsch[aft] an den Antenoriden [vorgeführt]. – Das ganze Bild wirkte darauf, gewisse Grundtugenden einzuschärfen. Ehrfurcht gegen die Älteren, den i ii

war : waren. Er dient dazu, .... dargestellt ist: : es geht dies auch durch die Sprache, so wird Phaedra in einer Schaukel sitzend dargestellt

1649 F. u. J. Riepenhausen, Peintures de Polygnote à Delphes dessinées et gravées d’après le description de Pausanias (1826). 1650 Plin., n. h. XXXV, 58: voltum variare ab antiquo rigore. 1651 Quint., inst. XII, 10, 3; Cic., Brut. 18, 70: 4 Farben. 1652 Paus. X, 30, 5: Aktaion sitzt auf einem Hirschfell; Paus. X, 31, 6: Memnonides. 1653 Gurlitt: Ferner der euphemistische Ausdruck: ... (Paus. X, 29, 3), Hiller fol. 98 r.: Ferner das Euphemistische zu den Eigenthümlichkeiten des Polygnot, das ıȤોȝĮ ਥʌ੿ IJઁ İ੝ʌȡİʌ੼ıIJİȡȠȞ ʌİʌȠȚȘȝ੼ȞȠȞ (das auch in der Sprache herrschte). So war Phädra in einer Schaukel schwebend, ĮੁȦȡȠȣȝ੼ȞȘȞ ı૵ȝĮ ਥȞ ıİȚȡઽ țĮ੿ IJĮ૙Ȣ Ȥİȡı੿Ȟ ਕȝijȠIJ੼ȡȦșİȞ IJોȢ ıİȚȡ઼Ȣ ਥȤȠȝ੼ȞȘ. – Paus. X, 29, 3: ĭĮ઀įȡĮȞ, IJં IJİ ਙȜȜȠ ĮੁȦȡȠȣȝ੼ȞȘȞ ı૵ȝĮ ਥȞ ıİȚȡઽ țĮ੿ IJĮ૙Ȣ Ȥİȡı੿Ȟ ਕȝijȠIJ੼ȡĮȚȢ ਦțĮIJ੼ȡȦșİȞ IJોȢ ıİȚȡ઼Ȣ ਥȤȠȝ੼ȞȘȞ; ʌĮȡİ૙Ȥİ į੻ IJઁ ıȤોȝĮ țĮ઀ʌİȡ ਥȢ IJઁ İ੝ʌȡİʌ੼ıIJİȡȠȞ ʌİʌȠȚȘȝ੼ȞȠȞ 1654 Gurlitt: daher wurden die Eingeweihten empfohlen mit cista mystica, Hiller fol. 98 r.: So war das Heil der Eingeweihten dargestellt, die wohlgemuth in den Hades fuhren.

Die Kunst in Athen

373

Staat, die Todten. Dies alles zusammen nannten die Alten: ȝİȖĮȜȠȖȡĮij઀Į Ael. n. h. IV, 3[:] ȆȠȜ઄ȖȞȦIJȠȢ ਩ȖȡĮijİ IJ੹ ȝİȖ੺ȜĮ 1655 Darum pries ihn vor allen anderen Aristot[eles] poet. 6 als ਱șȠȖȡ੺ijȠȢ ਕȖĮșંȢ1656– Es gab auch einzelne polygnot[ische] Bilder (Benndorf, epigramm. p.)1657[,] es wird sogar eine Polygnoti tabula (Plin. XXXV, 59[,] Kapaneus) in Rom erwähnt. Neben Polygnot [wirkten:] Pauson,1658 ein Zeitgenosse des Arist[ophanes], Aristot[eles] polit. 8, 51659 [sagt,] von seinen Werken müsse man die Jugend fernhalten, denn er stelle die Menschen häßlich dar. Agatharchos,1660 Decorationsmaler der att[ischen] Bühne1661[,] ıțȘȞȠȖȡĮij઀Į in ihr bildeten sich die Gesetze der Perspektive aus. – Nach dieser älteren Gruppe folgt rasch eine jüngere, eine Schule während des pelopon[nesischen] Krieges. Apollodoros v[on] Athen1662 bildet den Übergang [zur Blütezeit der griechischen Malerei] gegen Ende des pelop[onnesischen] Krieges[,] primus species exprimere instituit (Plin. XXXV, 60)[,] primusque gloriam penicillo [iure] contulit. Er brachte also das Malen selbst zum Ansehen, neque ante eum tabula ullius ostenditur, quae teneat oculos. – Er tönte ab, ijșȠȡ੺ u[nd] ਕʌંȤȡȦıȚȢ ıțȚ઼Ȣ < (Plut., d. glor. Ath. p. 34 (6) >[,] [S. 100] malte nicht mehr die einfachen Farben.1663 Den vollen Ruhm trug aber Zeuxis1664 davon. Plin[ius] XXXV, 60[:] ab hoc artis foras apertas intravit Zeuxis[,] u[nd er] übertraf Apollodorusi so sehr, [daß] (Plin. l.c. 62) gloriam ablatam secum tulit i

Apollodorus : ihn.

1655 Ael., var. hist. IV, 3. 1656 Aristot., poet. 6 p. 1450 a 27f. 1657 Anth. Graec. XVI, 30. – O. Benndorf, De Anthologiae Graecae epigrammatis quae ad artem spectant (1862) 60. 1658 Pauson: Müller 1848, 141 § 137, 4; Brunn, GK II, 42. 44. 49f. 126. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 200f. s. v. Pauson (W. Ehrhardt). 1659 Aristot., pol. VIII, 5 p. 1340 a 36f. 1660 Agatharchos: Müller 1848, 139 § 135, 1; 140 § 136, 2; Brunn, GK II, 51f. 56. 70. 128. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 9 s. v. Agatharchos (I) (G. Bröker / W. Müller). 1661 Vitr. VII praef. 10. 1662 Apollodorus von Athen: Müller 1848, 139 § 135, 1; 139f. § 136; 141 § 137, 2; 716 § 416, 1; Brunn, GK II, 58f. 71–75. 127f. 132. 204. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 64f. s. v. Apollodorus (II) (W. Müller). 1663 Plut., mor. 346 a: ਕȞșȡઆʌȦȞ ʌȡ૵IJȠȢ ਥȟİȣȡઅȞ ijșȠȡ੹Ȟ țĮ੿ ਕʌંȤȡȦıȚȞ ıțȚ઼Ȣ. 1664 Zeuxis: Müller 1848, 133 § 130, 2; 140f. § 136. 1. § 137, 4; 141f. § 138, 1. § 139, 1; 449 § 318, 1; 549 362, 4; Brunn, GK I, 438; II, 43. 58. 75–97. 105. 113. 116. 118. 129. 138. 265. 273. – K. Gschwantler, Zeuxis und Parrhasios. Ein Beitrag zur antiken Künstlerbiographie (1975); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 534f. s. v. Zeuxis (I) (U. KochBrinkmann).

374

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Zeuxis,1665 er lebte in der Zeit des Bundesgenossenkrieges (Ol. 90–100 [420–377 v. Chr.])[,] er stammte aus Heraklea, vielleicht aus dem Lucanischen. Ob er Platon Prot. p. 3181666 schon erwähnt wird, ist zweifelhaft. Zeuxis machte Ephesos zum Mittelpunkt seiner Kunstthätigk[eit], welche viel populärer war als die alte [H. fol. 98 v.: strenge] Kunst [H. fol. 98 v.:des Polygnot]. Sie gefiel an Höfen u[nd] die neuen Maler wurden von allen Seiten begehrt. – Parrhasios aus Ephesos,1667 als eitler, prunksüchtiger, weichl[icher] Mann geschildert, der, während Zeuxis noch plastischer war[,] plus membris corporis dedit,1668 noch weiterging, [er] wurde phantastischer, war geistreicher, u[nd] beutete das psycholog[ische] Element der Malerei aus. Charakteristisch hierfür wari das Bild des Demos (Plin. l.c. 69.), [ein] argumentum ingeniosum, man sah ihn als varius, iracundus, iniustus, inconstans, excelsus, humilis, ferox et fugax et omnia pariter1669 (letzteres heißt nur alles gleichmäßig an demselben Kopfe.) [H. fol. 98 v.: Die rasch vorübergehenden Stimmungen des Demos waren dargestellt.] Für die spätere Zeit war Parrhasius von großer Bedeutung. Quint[ilian] nennt ihn legum lator, [weil] deorum et heroum effigies, quales ab eo sunt traditae, ceteri secuti sunt, tamquam ita necesse esset.(Quint. XII, 10[, 5].) – Neben ihm wirkt Timanthes1670 (Quint. II, 13[, 13]) aus Kythnosii, später in Smyrna. Seine vielbewunderte Iphigenia ist uns auf einem pompejan[ischen] Bilde1671 erhalten (Plin. l.c. 73. Cic. or. 22. Quint. II, i ii

Charakteristisch hierfür war : So. Kythnos : Kydros.

1665 Plin., n. h. XXXV, 61: Ab hoc artis fores apertas Zeuxis Heracleotes intravit; XXXV, 62: Apollodor hat einen Vers auf Zeuxis gedichtet, wonach artem ipsis [Demophilus von Himera und Neseus von Thasos] ablatam Zeuxim ferre secum. 1666 Plat., Prot. 318 B. 1667 Parrhasios aus Ephesos: Müller 1848, 16 § 35, 1; 105 § 116, 3; 140–142 § 137, 1–4. § 138, 2 § 139, 1; 145 § 141, 1; 449 § 318, 1; 636 § 395, 4; 673 § 409, 1; Brunn, GK II, 97–120. 123. 129. 138. 180. 182. 185f. 265. 273. 438. – K. Gschwantler, Zeuxis und Parrhasios. Ein Beitrag zur antiken Künstlerbiographie (1975); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 186–188 s. v. Parrhasios (U. Koch-Brinkmann). 1668 Quint., inst. XII, 10, 4. 1669 Plin., n. h. XXXV, 69: pinxit demon Athenensium argumento quoque ingenioso. ostendebat namque varium, iracundum, iniustum, inconstantem, eundem exorabilem, clementem, misericordem, gloriosum,[...], excelsum, humilem, ferocem fugacemque et omnia pariter. 1670 Timanthes aus Kythnos: Müller 1848, 141 § 137, 4; 142 § 138, 3; Brunn, GK II, 120– 124. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 467f. s. v. Timanthes (I) (W. Ehrhardt). 1671 Wandgemälde, aus Pompeji, Casa del Poeta Tragico, Pompeji VI, 8, 3.5, Neapel, Mus. Naz. Inv. 9112: LIMC V (1990) 719 Nr. 38 s. v. Iphigenia (P. Linant de Bellefonds); Pompei. Pitture e Mosaici IV (1993) 552f. Abb. 47f. (F. Narciso).

Die Kunst in Athen

375

13.)1672 Bes[onders] gerühmt, weil er den Vater verhüllt darstellte.1673 Diese [Maler] machten Ionien zum eigentl[ichen] Sitz der Kunst. In Sikyon erhielt sich eine ernstere Kunstübung. [H. fol. 99 r.: Hier finden wir von Anfang an eine Verbindung von Kunst und Wissenschaft.] Von Euphranor ist schon gesprochen1674, er stellte die Schlacht bei Mantinea dar (Plin. l. c. 129.)1675 Zu dieser Schule [zählten] ferner Pamphilos1676 u[nd] Pausias,1677 letzterer als Blumenmaler berühmt u[nd] wandte dazu die Enkaustik an.1678 – Nachdem sie in Athen die ȝİȖĮȜȠȖȡĮij઀Įin Kleinasien die Farbenpracht, in Sikyon die Theorie u[nd] histor[ische] Malerei ausgebildet hatten, leistete Apelles aus Kolophon1679 das Höchste der alten Malerei, der (Suid.) in Sikyon, wie in Ephesos Studien machte1680 u[nd] zur Zeit Alexanders thätig [war]. „ars Apellea“[,] der eigentl[iche] Raphael der alten Kunst. Seine höchste[n] Triumphe erreichte er durch angestrengteste Studien: nulla dies sine linea. (Plin. l. c. 92)1681. Sein Zeitgenosse war Protogenes,1682 den er in edler Weise schätzte u[nd] rühmte [:] omnia illi secum paria, nonnulla meliora, sed uno se praestare, quod manum de tabula sciret tollere.1683 Apelles war Begleiter u[nd] Vertrauter Alexanders. Er stellte Alexander als țİȡĮȣȞȠijંȡȠȢ dar. (Plin. l. c. 92)[.] Er sei so dargestellt, daß die Hand, welche den Blitz hielt aus dem Bilde herauszuragen schien.1684 In der Illusion erreichte er das Höchste u[nd] dies wird meist in den Anekdoteni benutzt. Bei den i

meist in den Anekdoten : am meisten.

1672 Plin., n. h. XXXV, 73; Cic., orat. 22, 74; Quint., inst. II, 13, 13. 1673 Gurlitt: weil er den Vater verhüllt darstellte, Hiller fol. 99 r.: daß er den Schmerz des Vaters durch die Verhüllung darstellte. 1674 s. o. Anm. 1551. 1675 Plin., n. h. XXXV, 129; Paus. I, 3, 4. 1676 Pamphilos: Müller 1848, 143f. § 139, 2. 3; Brunn, GK II, 132–142. 144. 263. 269. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 178f. s. v. Pamphilos (I) (I. Scheibler). 1677 Pausias: Müller 1848, 143 § 139, 2. 4; 144 § 140, 2; 171 § 163, 4; 452 § 319, 5; 454 § 320, 3; Brunn, GK I, 152; II, 144–154. 272. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 199f. s. v. Pausias (I. Scheibler). 1678 Plin., n. h. XXXV, 123–127. 1679 Apelles von Kolophon: Müller 1848, 16 § 35, 1; 134 § 130, 1; 145f. § 141 § 142, 1; 449 § 319, 2.; 668 § 406, 2; Brunn, GK II, 47. 202–233. 266. 270. 274. – D. Cast, The „Calumny“ of Apelles. A study in humanist tradition (1981); Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 62–64 s. v. Apelles (I) (G. Bröker). 1680 Suidas s. v. ਝʌİȜȜોȢ. 1681 Plin., n. h. XXXV, 84: Apelli fuit alioqui perpetua consuetudo numquam tam occupatum diem agendi, ut non lineam ducendo exerceret artem. 1682 Protogenes aus Kaunos: Müller 1848, 143 § 139, 2; 146 § 142, 1; Brunn, GK I, 468; II, 25. 233–243. 266. 274. – C. Isik–C. Marek, Das Monument des Protogenes in Kaunos (1997); Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 323f. s. v. Protogenes (I) (W. Ehrhardt). 1683 Plin., n. h. XXXV, 80: omnia sibi cum illo paria esse aut illi meliora, sed uno se praestare, quod manum de tabula sciret tollere. 1684 Plut., mor. 335 a und Plut., Alex 4, 2: țİȡĮȣȞȠijંȡȠȢ; Plin., n. h. XXXV, 92.

376

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Griechen war diese Wirkung lange Zeit ein ganz untergeordneter Gesichtspunkt. [H. fol. 99 v.: Von ihr wußte Polygnot nichts und wollte nichts wissen.] Zuletzt wurde sie überschätzt. O. Jahn, Ber. der s. Ges. 1856 p. 200. Benndorf, epigr. p. 36.)1685 [S. 101] Nach den Kriegszügen [Alexanders] lebte Apelles bes[onders] in Ephesos; daß er auch in Athen war, geht aus der Erzählung hervor, er habe die bei Eleusis aus dem Meere aufsteigende Phryne gesehen u[nd] daher seinen Vorwurf zur ਝijȡȠį઀IJȘ ਕȞĮįȣȠȝ੼ȞȘ1686 [das Gemälde wurde] erst in Kos [aufgestellt], dann von August[us] nach Rom gebracht[,] u[nd hier] stellte [er] es auf im Tempel des Caesar, als Genetrix Juliorum (Strab. p. 657. Plin. l. c. p. 51)1687 Protogenes aus Kaunos in Karien. – Die Vasenbilder machen uns im Ganzen mehr den älteren Stil anschaul[ich]. [H. fol. 99 v.: Den ältesten Stil hat die François-Vase.] Die [Vasenmalerei mit] schwarzen Figuren vor der Zeit des Kimon u[nd] als [dann] Polygnot seine Malerschule gründete, wirkte sie natürl[ich] auf das Handwerk. Die Vasen edelster Zeichnung, rothe Figuren auf schwarzem Grunde, beginnen wohl um die Zeit Polygnots. Bes[onders] bemerkenswerth sind nun auf den Vasen polygnot[ische] Stoffe, so bes[onders] Darstellungen aus der Unterwelt mit Figurengruppen auf verschiedenem Niveau aneinander gereiht, [bei] Vasen in Canosa u[nd] Altamura, auch auf Sarkophagen u[nd in] Columbarien [Die] ੉Ȝ઀Ƞȣ ʌ੼ȡıȚȢ aufi Vasen aus Nola. Für [die] histor[ische] Malerei bes[onders] wichtig die Dareiosvase1689, endl[ich] auch die pompejan[ischen] Wandgemälde.1690 20. 2. 65 Die Münzenkunde: Argos mit Vordertheil des Wolfes: [für] ਝʌ>ંȜȜȦȞ@ ȁȣțĮ૙ȠȢ Sikyon [zeigt als] Hauptstempel [die] Chimaira. M[ünzen] v[on] Pheneos: Kora u.s.w. – Die Münzen sind noch lang nicht genug für die Kunstgeschichte ausgei

auf : in.

1685 O. Jahn, Darstellungen der Unterwelt auf römischen Sarkophagen, in: Berichte der Königl. Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-histor. Classe VIII (1856) 267–287 Taf. 2. 3. – O. Benndorf, De Anthologiae Graecae epigrammatis quae ad artem spectant (1862) 36 Anm. 3. 1686 Ath. XIII, 590 f. 1687 Strab. XIV, 2, 19 p. 657; Plin., n. h. XXXV, 91. 1688 Wandgemälde, aus dem Columbarium der Villa Pamphili, Rom, Mus. Naz.: LIMC VII (1994) 34 Nr. 4 s. v. Oknos (W. Felten) Taf. 23. 1689 Volutenkrater, apul. rf., sog. Dareios-Vase, Neapel, Mus. Naz. Inv. Inv. 81947 (H 3253): E. Curtius, AZ 15, 1857, 109–116. – Trendall, RVAp II, 495 Nr. 38 (Darius P.). 1690 Gurlitt: endl[ich] auch die pompejan[ischen] Wandgemälde, Hiller fol. 100 r.: In einzelnen Fällen geben uns auch pompejanische Gemälde eine Anschauung von alten berühmten Werken.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

377

beutet; denn wir haben sicher datierte Denkmäler in allen Zeiten u[nd] in allen Gegenden. 21. 2. 65 Weniger wichtig ist die Glyptik; die geschnittenen Steine sind am wenigsten monumental; die Überlieferung ist hier am dürftigsten. Hier wari die Technik handwerksmäßig (ȕ੺ȞĮȣıȠȢ  endl[ich] ist bei vielen Steinen die Echtheit problemat[isch]. Die Künstlerinschriften sind bes[onders] von Köhler in Petersburg behandelt.1691 Brunn, Künstlergeschichte II, p. 4401692 hat Anzeichen angegeben, nach denen man die echten gemmae litteratae erkennen kann. Aber auch diese Kriterien sind nur bedingt entscheidend. – Wir kennen Samos als Mittelpunkt der Stempelschneidekunst; denn es stand mit dem Orient bes[onders] in Verbindung: [dort gab es] įĮțIJȣȜȚȠȖȜ઄ijȠȚ>@ wo der Vater des Pythagoras, Mnesarchos, als Steinschneider lebte u[nd] selbst die bedeutendsten Künstler sich mit dieser Kunst beschäftigten, so Theodoros.1693 Dann [H. fol. 100 r.: blühte diese Kunst] namentl[ich] noch in den Colonien an der Gränze hellen[ischer] Bildung, so namentl[ich] in Kyrene (Ael. var. hist. I, 30.)1694 Später [war der Steinschnitt] in der ganzen griech[ischen] Welt verbreitet u[nd] Virtuosen, stutzerhafte Menschen werden Ar[istoph.] Nub. 392 mit solchem Schmucke geschildert.1695 Ismenias, der Flötenspieler[,] kaufte sich einen berühmten Smaragd (Plin. XXXVII, 3) der die Amymone darstellte.1696 Der namhafteste Steinschneider war Pyrgoteles,1697 zur Zeit Alexanders u[nd] in Verbindung mit Alexander (Plin. XXXVII, 8 edicto vetuit ab alio se scalpi quam a Pyrgotelo.)1698 –

5. Abschnitt. Die hellen[istische] Kunst im Oriente. [H. fol. 100 r.: 336–146] Der Hauptinhalt der Zeit [des frühen Hellenismus] ist die Eroberung des Orients u[nd die] Hellenisierung des Morgenlands u[nd] die Gründung der Feldherrendynastien. Neue Aufgaben u[nd] neue Mittel bekam so die Kunst, welche in ihrem engen Kreise ihre Entwicklung vollendet hatte. Jetzt haben wir Hellas außer[halb i

war : waren.

1691 H. K. E. Köhler, Abhandlung über die geschnittenen Steine mit den Namen der Künstler (St. Petersburg 1851). 1692 Brunn, GK II, 444–466. 1693 Diog. Laert. VIII, 1, 1: Mnesarchos. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 88f. s. v. Mnesarchos (B. Lang). – Paus. VIII, 14, 8; Hdt. III, 41, 1: Theodoros. – Brunn, GGK II, 467– 469; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 447 s. v. Theodoros (I) (S. Ebbinghaus). 1694 Ael., var. hist. XII, 30. 1695 Aristoph., eccl. 631f. 1696 Plin., n. h. XXXVII, 6. 1697 Pyrgoteles: Müller 1848, 134f. § 131, 2; Brunn, GK II, 469. 628f. – P. Zazoff, Die antiken Gemmen (1983) 208f. mit Anm. 95; 269 Anm. 49; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 330 s. v. Pyrgoteles (I) (J. Boardman). 1698 Plin., n. h. XXXXVII, 8: edictum Alexandri Magni, quo vetuit in hac gemma ab alio se scalpi quam ab Pyrgotele.

[S. 102]

378

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

von] Hellas. Erst war die Kunst weit verbreitet, concentrirte sich [dann] in Athen u[nd] es erfolgte jetzt wieder die Expansion. Die Kunsti verläßt den phys[ischen] u[nd] geistigen Boden ihrer bisherigen Existenz, den religiös-nationalen. Die Kunst folgt dem Eroberer u[nd] siedelt sich an Höfen an, zur Verherrlichung einzelner Personen u[nd] so muß sie den Charakter der Einfalt u[nd] des Maaßes verlieren. Sie wird Hofkunst, profan, eine Dienerin der Mächtigen dieser Erde. – Derselbe Gegensatz wie z. B. in der griech[ischen] Redekunst. Denn der hellen[ische] Geist in der Kunst war [zwar] stark genug den Orient zu überwinden[,] konnte sich aber von dem Einfluß desselben nicht mehr freihalten. – Dieser große Contrast geht durch das ganze Volk; es entsteht der Gegensatz des Volkes und der Gebildeten. Es sind von Fürsten gestellte Aufgaben, u[nd] wie die Philosophie in Schulwirrheit ausartete, so verlor auch die Redekunst ihre urspr[üngliche] Einfachheit u[nd] Größe. Aber die bildende Kunst ist weniger, als die anderen Künste der Entartung ausgesetzt, sie hat eine größere Selbständigk[eit,] eine größere Kraft der Selbsterhaltung, denn in ihr ist die Tradition mächtiger. Während also den anderen Künsten die Verschwendung der Fürsten wenig nützen u[nd] viel schaden, hielt gerade dies die bildende Kunst aufrecht. – Den Charakter der neuen Zeit erkennen wir zunächst bei den Stadtgründungen; die Kunst bei denselben haben wir schon früher gesehen: Hippodamos.1699 Jetzt wurde ja ganz unerhört colonisirt, u[nd] Deinokrates,1700 der Baumeister des Alexander (Strab. p. 641)[,] der den Bau von Alexandreia unter seiner Aufsicht bauen ließ[,]ii dachte so colossal, daß er den Berg Athos zu einem Coloß ausarbeiten wollte (Strab. p. 641)[.]1701 Das sind Gedanken, welche an Michel Angelo erinnern. Ferner Kleomenes aus Naukritas (Just. XII, 4)1702[, ebenfalls] Erbauer von Alexandria. Das Techn[ische] des Baus wurde bes[onders] ausgebildet. So Krates1703, der Canalbauer,1704 Sostratos in Knidos, der auf den Zinnen der Mauern i ii

Die Kunst : Sie. [,] : . Er.

1699 s. o. Anm. 152. 1700 Deinokrates (Deinochares) oder Cheirokrates: Müller 1848, 58 § 80, A I, 1; 153 § 149, 2; 156 § 151, 2; Brunn, GK II, 331. 334. 346. 351–354. – Svenson-Evers 1996, 103–107; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 162 s. v. Deinokrates (R. V.). 1701 Strab. XIV, 1, 23 p. 641. 1702 Gurlitt (irrtümlich): Naukritas, Hiller fol. 100 v.: Naukratis. – Iust. XIII, 4, 11. – Kleomenes aus Naukratis: Müller 1848, 153 § 149, 2; Brunn, GK II, 544–546. 561. 567. – DNP 6 (1999) 581 s. v. Nr. 7 (W. Ameling). 1703 Krates aus Chalkis: Müller 1848, 153 § 149, 2; Brunn, GK II, 334. 361. – RE XI (1922) 1642 s. v. Krates Nr. 21 (Fabricius). 1704 Strab. IX, 2, 18 p. 407; Diog. Laert. IV, 4, 6.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

379

Hallen anlegte.1705 Ktesibios (Ath. IV), der Hydrauliker,1706 auch der Magnetstein soll damals (Plin. XXXIV, 42) benutzt worden sein.1707 [H. fol. 100 v.: eine fabelhafte, aber bezeichnende Nachricht.] Von den zahllosen Diadochenstädten ziehen unsere Aufmerksamkeit auf sich: Alexandreia, Antiocheia, u[nd] Seleukeia, die beiden letzteren sind uns bes[onders] bekannt[:] ਲ țĮȜ੽ ਝȞIJȚંȤİȚĮ1708 am Orontes, ihr Hafen war Seleukeia in Pierien. (Über Antiocheia: Otfr. Müller, Antiquitates Antiochenae)1709. Von Seleukeia haben wir durch Ausgrabungen einen ganz sicheren Befundi, bei [der] Gelegenheit der Vorarbeiten zu einer Eisenbahn. (Karl Ritter 1855 Abh. der Berl. Akad. d. W.)1710 Die 3. Stadt, die uns jetzt bekannt geworden, ist Knidos, welcher [Sostratos] eine pensilis ambulatio zuerst baute, der auch den großen Pharos bei Alexandrien baute (Plin. XXXVI, 83.) Aus diesen Anlagen wird uns der ganz verschiedene Charakter klar. In der Klassikii ist immer das Prinzip, daß sich der Mensch anschließt an die Natur, in Höhen u[nd] Thälern. Hier[, im Hellenismus,] das gerade Gegentheil. Seleukia liegt unter Felsen, welche jäh abstürzen, welche bei Regen u[nd] Sturm die Stadt gefährdeten. – So wurden die gewaltigsten Wasserleitungen u[nd] Cloaken angelegt. Auch in den Städten [S. 103] wurden neue Aufgaben gestellt, die einfachen Gebäude wurden durch Paläste, Luxusbauten, Thermen ersetzt[,] alle diese Gebäude, welche das kaiserl[iche] Rom später schmückten. Ferner ȝȠȣıİ૙Į Räume zu gelehrter, wissenschaftl[icher] Unterhaltung[,] u[nd] Bibliotheken, auch ȞȣȝijĮ૙Į1711– 23. 2. 65 Dazu der außerordentl[iche] Festluxus, so die Prachtprozessionen der Lagiden (Theokr. XV.)1712 Einen Maaßstab für den Geschmack des Bauensiii gibt die Tempelpyramide, auf der Alexander Hephaistions Leiche verbrennen ließ (Diod. i ii iii

Befund : Anblick. In der Klassik : Da. Bauens : Baus.

1705 Lukian., am. 11; Plin., n. h. XXXVI, 83. – Sostratos von Knidos: Müller 1848, 153f. § 149, 2. 3; Brunn, GK II, 333. 379. 421. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 414f. s. v. Sostratos (V) (W. Müller). 1706 Ath. IV, 174 b. – Ktesibios aus Alexandria: Müller 1848, 157 § 152, 2; 412 § 299 N. 6 k. – DNP 6 (1999) 876–878 s. v. Nr. 1 (F. Krafft). 1707 Plin., n. h. XXXIV, 148. 1708 Ath. I, 20 b: >ʌંȜȚȞ@ਝȞIJȚȠȤ੼ȦȞ į੻ IJ੽Ȟ țĮȜ੽Ȟ 1709 K. O. Müller, Antiquitates Antiochenae. Commentationes duae (1839). – G. W. Elderkin u. a., Antioch on the Orontes. The Excavations I–III (1934–1941); F. Cimok, Antioch on the Orontes² (1994). 1710 K. Ritter, AbhBerlin 1854, 359–363 mit Plan II. 1711 ȞȣȝijĮ૙Įsind in hellenistischer Zeit Grotten- bzw. Quellheiligtümer der Nymphen, nicht nymphaea im römisch-kaiserzeitlichen Sinne. 1712 Theokr., eid. XV, 44–99: Adonisfeiern am Hofe der Arsinoe in Alexandrien.

380

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

XVII, 115)[.] Auf der [teilweise abgerissenen] Mauer v[on] Babylon eine [aus den Ziegeln der Mauer] gemauerte Basis, in Terrassen stieg die Pyramide [auf ihr] auf, von Palmensäulen gestützt, auf jeder Stufe Colosse v[on] Gold, das alles nur um verbrannt zu werden. [Weitere Beispiele sind:] Der colossale Leichenwagen Alex[anders,] in 4 Stockwerken, die Bildtafeln[,] in [einem goldenen Netz] von goldenen Stützen getragen (Diod. XVIII, 26[. 27].) Das Prachtzelt des zweiten Ptolemäers in der Burg v[on] Alexandreia. (Ath. V, 25 f.)1713 Die ıțȘȞ੾ hat 150 țȜ૙ȞĮȚ u[nd] der Hauptsaal [wird] von 50 Ellen hohen Holzsäulen getragen. Hier sind die Anfänge der Säulenarchitektur, welche wir später in den Wandmalereien von Pompeii [finden]. Ferner die șĮȜĮȝȘȖઁȢ ȞĮ૨Ȣ [,] das Prachtschiff der Ptolemäer, in der Mitte ein große[s] Symposion, von Säulenhallen umgeben, u[nd] zu ihm führte ein Propylaion (Ath.), [der Raum] mit Thüren von Holztafeln[,] mit Elfenbein ausgelegt.1714 Das Interesse, welches man für mechan[ische] Leistungen hatte, reizte zu immer Gewagterem. Plin. XXXIV, 148 meint, man habe durch Magnetstein ein Erzbild in der Luft hängend gehalten.1715 Die Kunst wird wesentl[ich] Decoration, Dienerin des Luxus, sie hat den schönsten Schmuck verloren, welcher im Maaße besteht; selbst der Tempelstil blieb von dieser Ausartung nicht frei. Man wandte nur noch den korinth[ischen] Stil mit vielen Variationen an; man schmückte auch die Säulen mit Gold, am Zeustempel in Kyzikos (Plin. XXXVI, 98) wurden die Fugen der Säulencylinder mit Goldfäden ausgelegt. Andererseits legte man bes[onders] auf monolithe Säulen Werth. Man ging mit den Säulen bis auf 75' Fuß Höhe. Man vergoldete Wand u[nd] Decke (Liv. XLI, 20.)1716 So fiel die Kunst dem oriental[ischen] Putzstil anheim, von dem sie sich früher losgearbeitet hatte. Dieser hellenistische Baustil ist weit vorgedrungen. [H. fol. 101 v.: bis nach Indien, bis in die Wüste.] – Die Bildkunst dieser Zeit. Wir fanden die griech[ische] Plastik zuletzt in Sikyon in ihrer Blüthe. Nach Lys[ippos] erlosch die Energie der peloponnes[ischen] Kunstschule[,] cessavisse artem statuariam nach Ol. 120 [300–297 v. Chr.], um die Schlacht v[on] Ipsos 3001717, das hängt damit zusammen, daß alles, was Fleiß, Talent hat[te], nach Rhodos od[er an] die oriental[ischen] Höfe zog. – So [wirkte] in Rhodos ein Schüler des Lys[ippos].1718 Die Insel Rhodos erfreute sich in der Diadochenzeit des größten Wohlstandes, indem die Rhodieri als gute Kaufleute die Kriegszeiten vortreffl[ich] benutzt hatten. [H. fol. 101 v.: Hier finden wir noch i

die Rhodier : sie.

1713 Ath. V, 196 a–197 c. 1714 Ath. V, 204 e–206 c. – Ath. V, 204 d: ʌȠIJ੺ȝȚȠȞ ʌȜȠ૙ȠȞ, IJ੽Ȟ șĮȜĮȝȘȖઁȞ țĮȜȠȣȝ੼ȞȘȞ 1715 Plin., n. h. XXXIV, 148. Plinius berichtet, daß der Versuch, ein Eisenbild der Arsinoe in ihrem Tempel mit Hilfe eines Gewölbes aus Magnetstein schweben zu lassen, nicht vollendet wurde. 1716 Liv. XLI, 20, 9 (von Antiochos Epiphanes versprochen, aber nicht ausgeführt). 1717 Plin., n. h. XXXIV, 52: cessavit deinde ars. Schlacht von Ipsos 301 v. Chr. 1718 Plin., n. h. XXXIV, 41.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

381

am Meisten hellenische Kunst fortleben.] Sie haben den syr[ischen] Königen sich zu entziehen gewußt[;] u[nd] die siegreiche Zurückweisung des Demetrios Poliorketes war für die Entwicklung des geistigen Lebens von außerordentl[icher] Bedeutung[,] u[nd] diese Blüthe haben die Rhodier durch kluge Politik sich zu erhalten gewußt, bis in die Zeit der röm[ischen] Bürgerkriege hinein. Daher [kam es zur] Blüthe v[on] Wissenschaft u[nd] Kunst, j[etzt] bekannter durch die Künstlerinschr[inschriften] in Lindos[:] Rh. Mus. IV.1719 [Zur rhodischen Kunstschule zählten] Meist Bildner u[nd] Maler u[nd] mit ihnen [S. 104] zusammen die [Künstler] von Tralles in Karien am Maeander.1720 404 ist die Stadt Rhodos gegründet, 304 scheiterte die Belagerung [durch Demetrios Poliorketes], seit der Zeit war Rhodos Hauptpunkt der Insel (Strab. p. 652)1721[,] eine Stadt voll Weihgeschenke, modern, prächtig angelegt[,] Aristid. or. Rhodica 16241722. Nächst Athen [war Rhodos] der wichtigste Punkt für die neuere Kunst. Hier war die Kunst von einem freien Gemeinwesen getragen. Freil[ich] war es den Rhodiern nicht mögl[ich], die alte Einfachheit der att[ischen] Schule zu erhalten. Auch sie zog[en] das äußerl[ich] Imponierende dem Geistigen vor. Aber immer noch [handelt es sich um] hellen[isch] bürgerl[iche] Kunst u[nd] dem Gottesdienst zugewandt u[nd] dienbar dem Dionysos- u[nd] Heliosdienst. – Die rhod[ische] Schule hängt mit Lys[ippos] zusammen (Auct. a. Her. IV, 6)[,] ein Schüler des Lys[ippos] war Chares v[on] Lindos,1723 um 300 [v. Chr.,] u[nd] von den 100 Sonnenkolossen, welche die Insel Rhodos schmückten, war der größte von Chares1724[,] 70 Ellen hoch[;] u[nd] dieser größte war gebaut aus dem Metall der Helepolis (Plin. XXXIV, 41.)[,] wenige sind im Stande den Daumen zu umfassen, die Finger größer, als meistens die Statuen. Zu Plin[ius'] Zeiten iacens quoque miraculum est, lag er vom Erdbeben hingestreckt. [H. fol. 102 r.: Später schloß sich fabelhafte Tradition daran an, so die über dem Hafen gespreizten Beine.] Er stand jedenfalls [zuvor] neben dem Hafen u[nd] bis ins 7. saec[ulum] sah man die Spuren dieses Colosses, bei einem fanum St. Joannis u[nd] nach der Sarazeneneroberung 1636 [soll] das übr[ige] Metall an einen Juden verkauft

1719 L. Ross, RhM 4, 1845, 190ff. Nr. 21. – Loewy 1885, 372f. Nr. 546; IG XII, 1, 847. 1720 Plin., n. h. XXXVI, 33. 34: Apollonios und Tauriskos aus Tralles; XXXVI, 38: Aphrodisios aus Tralles. 1721 Strab. XIV, 2, 5 p. 652f. 1722 Aristeid., or. XLIII. 1723 Auct. a. Her. IV, 6, 9; Plin., n. h. XXXIV, 41. – Chares von Lindos: Müller 1848, 159f. § 154, 1. § 155, 1; Brunn, GK I, 415. 426. 474. 508; Overbeck, Geschichte II 93f. – Lippold, Plastik 297; Stewart 1990, 39. 200. 297–299; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 133f. s. v. Chares (II) (F. Ntalia). 1724 Heliosstatue, Koloss von Rhodos: LIMC V (1990) 1029 Nr. 334 s. v. Helios (N. Yalouris); P. Moreno, Scultura ellenistica I (1994) 127–146; W. Höpfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios (2003).

382

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

[worden sein]1725 (Cedrenus p. 631. (?)1726 – Der toro Farnese1727[,] 1546 in den Thermen des Caracalla gefunden, dann1728 nach Neapel gekommen; der farnes[ische] Stier ist ein altberühmtes Werk, einst in der Sammlung des Asinius Pollio. Plin. XXXVI, [33.]34: Zethus et Amphion et Dirce et taurus et vinculum ex eodem lapide, a Rhodo advecta opera Apollonii et Taurisci, 2 Brüder aus Tralles, aber zur rhod[ischen] Schule gehörig. – Es ist die Sage der Dirke u[nd] ihres Streites mit Antiopa, der Mutter des Amphionischen Königshauses in Theben[,] von Zeus [abstammend], Dirke verdrängt sie u[nd] die Söhne vollziehen für die Mutter die Rache an der Dirke. So konnte die furchtbare That als ein Werk der Pietät angesehen werden. So [auch] am Tempel v[on] Kyzikos, den Attalos seiner Mutter Apollonias1729 weiht[e], worin 19 verschiedene Bilder [als] exempla pietatis als ıIJȣȜȠʌȚȞ੺țȚĮ [angebracht waren] davon haben wir [in der] Palat. Anthol. III die ਥʌȚȖȡ੺ȝȝĮIJĮ1730 Derselbe Gegenstand auf Kameen,1731 in Elfenbeingruppen (Arch. Zeitung 1853)1732[,] auf Münzen,1733 Wandgemälden1734 u[nd] Sarkophagen.1735 Die Gruppe [– das ist] ein Mangel [–] ist sehr restaurirt, aber richtig. [H. fol. 102 v.: Man sieht hier eine Darstellung des höchsten Pathos.] Schauplatz der Handlung ist der Kithäron. Sie ist also bei einer bacch[ischen] Feier gedacht. Die Basis stellt den Kithäron [dar,] mit seinen Thieren im Freien u[nd] in Höhlen: Luchs, Schildkröte, Adler, Schlange, Hirsch, Löwe, u[nd ist] als Weideplatz [gekennzeichet] durch Ziegen: [und zwar] in der Zeit der bacch[ischen] Feier, darum sitzt am Fuß des Kithairon ein Bacchant. Die Jünglinge haben den Stier eingefangen u[nd] bändigen ihn mit eigener Gefahr. Amphion ist charakterisirt durch die 1725 Fanum St. Joannis: St. Johannes-Kapelle. Rhodos wurde 653 n. Chr. unter Kalif Othman von den Arabern erobert. 1726 Cedrenus, hist. comp. p. 755; B. Hebert, Schriftquellen zur hellenistischen Kunst, GrazBeitr Suppl. IV (1989) 41 Q 99. Hiernach soll Muawijah, Feldherr des Kalifen Othman, die Reste des Kolosses 1365 Jahre nach seiner Entstehung abgerissen haben. 1727 Statuengruppe, sog. Farnesischer Stier, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6002: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 42f. Abb.; 154f. Nr. 11; E. Pozzi (Hrsg.), Il toro Farnese. La „montagna di marmo“ tra Roma e napoli (1991); C. Kunze, Der Farnesische Stier und die Ringergruppe des Apollonios und Tauriskos, 30. Ergh. JdI (1998). 1728 Der Farnesische Stier wurde im August 1545 in den Thermen des Caracalla gefunden und am 4. Januar 1546 im Palazzo Farnese aufgestellt. 1788 gelangte die Gruppe nach Neapel. 1729 Nach der besseren Überlieferung Apollonis statt Apollonias. 1730 Anth. Graec. III, das Epigramm auf Amphion und Zethos: III, 7. 1731 Kameo mit Dirkegruppe, Neapel, Mus. Naz. Inv. 25897/65: Kunze a. O. 44 Nr. 9 Taf. 10a. 1732 Elfenbeingruppe, aus Pompeji, ehem. Neapel, Mus. Naz.: O. Jahn, AZ 11, 1853, 94f. Taf. 56, 2–8. – Kunze a. O. 45 Nr. 27 Taf. 14a. 1733 AE von Akrasos in Lydien (193–211 n. Chr.): Kunze a. O. 46 Nr. 32 Taf. 11 c; AE von Thyateira in Lydien (222–235 n. Chr.): Kunze a. O. 46 Nr. 33 Taf. 11 d. 1734 Wandgemälde aus Rom, Pompeji und Herculaneum: Kunze a. O. 44f. Nr. 16–24 Taf. 18– 20. 1735 Etruskische Aschenurnen: Kunze a.O. 43 Nr. 4–7 Taf. 16–17 a.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

383

Leier, er ist milder, sanfter, er bändigt nur den Stier, der andere, [Zethos,] ergreift das Haar der Dirke u[nd] verbindet es mit dem Strick. Daher wendet sich Dirke flehend an Amphioni. Im Hintergrund steht Antiopa, diese gleichgülti- [S. 105] ge1736 Figur hat man für störend gehalten. Aber die Statue istii alt u[nd] sie soll die Beziehung der Pietät ausdrücken. Die Antiopa ist hier umso weniger wegzudenken, weil dies[er Bezug] sonst nirgends ausgedrückt ist. Wir sehen im Bilde nur eine Brutalität, es erweckt keinen eth[ischen] Gedanken. Es ist nicht nur überladen u[nd] effecthaschend sonderniii entbehrt [auch] des tieferen Gedankens. Das Ganze macht zuerst einen unruhigen Eindruck, der Obertheil der Dirke ist restaurirt, das Haar bacchantisch gelöst. Der Hund bellt aufgeschreckt u[nd] auch der Bacchant blickt nach dem[,] was oben vor sich geht. – Dieselbe Gruppe [findet sich] auf einer Broncemünze von Thyateira unter der Praetur des Antoninus Hippius.1737 Bildwerke in Elfenbein u[nd] ein Relief von einem Sarkophag hat Jahn herausgegeben.1738 – 24. 2. 65 Die Laokoongruppe1739 ist 1506 [H. fol. 103 r.: in den Titusthermen] auf dem Esquilin gefunden u[nd] galt lange für das Vollendeteste in den Leistungen der antiken Plastik. Schon dadurch[,] daß sie so früh gefunden ist, u[nd] daß sie einen wesentl[ichen] Einfluß auf den Geschmack gehabt hat, hat die Gruppe eine allgemein culturhistor[ische] Bedeutung. Aber [sie ist] auch an sich merkwürdig: [darin,] daß die Erhaltung im Ganzen ausgezeichnet ist; indem nur der rechte Arm des Laokoon, die rechte Hand des älteren u[nd] der letztere Arm des jüngeren Sohns einer Restauration angehören. Wir finden kaum ein Werk von so vollendeter Gruppierung u[nd] Technik, endl[ich] die Darstellung des Pathos in höchstem Grade. Sie machte also mit Recht den allergrößten Eindruck, auf Michel Angelo wirkte sie bestimmend. Man lernte die antike Kunst zuerst an einem Meisterwerk kennen, welches ein Extrem ausgebildet hatte. – Der Gegenstand der Darstellung ist nicht nach der Form der Sage bei Virg[il] zu beurtheilen, so urtheilte noch Visconti1740 u[nd] auch Lessing1741 im Wesentl[ichen]. Deßhalb nannte Visconti i ii iii

Amphion : ihn. ist : war. sondern : u[nd].

1736 1737 1738 1739

Gurlitt: gleichgültige, Hiller fol. 102 v.: teilnahmelose. AE von Thyateira in Lydien (222–235 n. Chr.): Kunze a. O. 46 Nr. 33 Taf. 11 d. O. Jahn, Antiope und Dirke, in: AZ 11, 1853, 81–105 Taf. 56. 57. Laokoongruppe, Rom, Vatikanische Museen Inv. 1059. 1064. 1067: Amelung, Vat. Kat. II, 181–205 Nr.74 Taf. 20; Vatikanische Museen, Bildkatalog II, Taf. 62–79 S. 9*f.; S. Settis, Laocoonte. Fama e stile (1999); M. Schrader, Laokoon – “eine vollkommene Regel der Kunst” (2005). 1740 E. Q. Visconti, Opere varie italiane e francesi raccolta e pubblicata per cura di G. Labus IV (1831) 137ff. 335 Nr. 111. 1741 G. E. Lessing, Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766).

384

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

die Fabel unmoral[isch], weil ein unschuldiger Patriot untergehe. Es ist [aber] der Laokoon der griech[ischen] Tragödie (Welcker.)1742[, der] Priester des Thymbr[aiischen] Apollon, der sich an seinem Gotte versündigt hat. Er hat sich mit der Gemahlin Antiope einer Entweihung des Altares schuldig gemacht. (Serv. Aen. II, 101)1743 Also ein Schuldiger, der gestraft wird, mit u[nd] an seinen Kindern, wie bei den Niobiden. Auch hier [waltet] eine göttl[iche] Nemesis. – Wir sehen in dieser Gruppe die Kunst der rhod[ischen] Plastik [und] die Gruppenbildung in ihrer höchsten Vollendung, Concentrirung einer großen Handlung in einem Moment. Die Gruppe ist besser[,] geschlossener als der farnes[ische] Stier, u[nd] übersichtl[icher]. [Sie ist] zuerst pyramidal [und] 2.) nur zur Vorderansicht bestimmt. Laokoon ist zum Opfern erschienen[,] u[nd] seine Knaben dienen ihm als camilli. Auf diesen Hergang bezieheni sich der Lorbeerkranz, die Altarstufen, das Priestergewand des Vaters. U[nd] an dem Altar trifft ihn die Strafe des Gottes in den Schlangen; ein furchtbares Ereigniß in seiner Plötzlichk[eit] vom Künstler fixirt; eine blühende Familie schöner Menschen wird ohne Vorbereitung vernichtet. Das Schicksal ist unentfliehbar. Der Tod ereilt alles, aber die Art des Sterbens ist abgestuft. Der Rhythmus des Kunstwerks [verdeutlicht dies:] so konnten die Alten selbst das Entsetzl[iche] rhythm[isch] gestalten. Bei dem älteren Sohn ist der Selbsterhaltungstrieb am deutlichsten, [H. fol. 103 v.: er ist noch nicht gebissen, aber umschlungen,] aber mit dem Vater wird er innerl[ich] verbunden durch den bebenden, ängstl[ichen] Blick auf den Vater. Der jüngere ist schon Beute des Todes, seine Bewegungen sind nur noch mechanisch, er sinkt ohnmächtig zurück u[nd] stirbt leicht. Schwer wird das Sterben dem Vater, er ruft wehklagend zum Himmel[.] [S. 106] Das Gift ist schon im Blute, vergebl[ich] sucht er den Kopf der Schlange zu entfernen, nach der linken Seite weicht der ganze Körper krampfhaft hinweg. Der rechte Arm ist wohl falsch ergänzt. Die rechte Hand lag wohl am Hinterkopfe u[nd] das ist auch natürl[ich]. Bei ihm ist der Schmerz voll ausgedrückt, alle Gesichtsmuskeln sind verzerrt, es bleibt keine ebene Fläche, das Haar ist wild geschüttelt, die Augenbrauen wild zusammengezogen; hier ist naturalistischer dargestellt als im Gesicht der Niobe. – Indem nun der Schmerz in 3 Stufen, in [der] Wechselbeziehung d[er] Menschen zu pyramidal[er] Gruppe verbunden, zur Schau gestellt wird, erhält das Kunstwerk etwas Theatralisches. [H. fol. 103 v.: Es ist eine Trilogie des Schmerzes.] U[nd] indem wir in der Schlingung der Schlangen die künstl[erische] Dramaturgieii erkennen, wird dieser Ausdruck erhöht. Die Muskeln [des Laokoon] sind herausgearbeitet, die Übergänge wohl nicht ohne Absicht nicht überarbeitet, jeder Muskel tritt für sich hervor; auch [dies] i ii

beziehen : bezieht. Dramaturgie : Einrichtung.

1742 F. G. Welcker, Laokoon in: Alte Denkmäler I. Die Giebelgruppen und andre Griechische Gruppen und Statuen (1849) 322–351. 1743 Serv. zu Verg., Aen. II, 201.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

385

theatral[isch]. [H. fol. 103 v.: Es zeigt [sich] hier ein gewisses Prunken mit anatomischer Fertigkeit.] Hier, wie bei der Dirke, ist uns der eigentl[iche ethische] Gedanke sehr fern gelegt, zunächst sehen wir nur den äußeren Schmerz. Das unsichtbare Walten der Nemesis tritt zurück u[nd] damit der Charakter des Erhabenen u[nd] die kathartische Wirkung. – Wie kommt [der] Laokoon an diese Stelle der Kunstbetrachtung ? [Nach] Plin[ius] ex uno lapide eum ac liberos draconumque mirabiles nexus de consilii sententia gearbeitet[;] die ausgez[eichneten] Künstler: Agesander, Polydoros, Athenodoros aus Rhodos.1744 Ersterer auch auf Inschr[iften] häufig genannt.1745 Unsere Gruppe ist nicht ex uno lapide, sondern aus 5 Blöcken, aber daran ist kein Anstoß zu nehmen.1746 Wann [haben] die 3 Künstler diese Gruppe gemacht? de consilii sententia ist zu erklären. Lachm[ann] meint, dies heiße „nach dem Ausspruche des Rathes“ u[nd] zwar eine[r] im kaiserl[ichen] Palaste zur Zeit des Titus bestehende[n] technische[n] Commission, welche Werke bestellte u[nd] aufstellte.1747 Sie müßte also zur Zeit des Titus in Rom gearbeitet haben. – Diese Auffassung hat [auch] Stephani[,] Bulletin de l’acad. de Petersbourg 18491748 [vertreten] u[nd] es ist offenbar diei eigentl[iche Bedeutung des] lateinische[n] Ausdruck[s]. Neuerdings hat man gesagt, es brauchte nicht gerade die Palastcommission, sondern [es könnte irgend]eine Commission od[er] der Senat der rhod[ischen] Republik [gemeint sein]. – Indessen können wir bei dem fraglichenii Ausdruck des Plin[ius] eine andere Erklärung [H. fol. 104 r.: , wie die Aelteren und Urlichs,] aufstellen, [nämlich] die 3 Künstler hätten an diesem Werke in vollem Einverständniß gearbeitet, u[nd] daß consilium oft in solchem gesuchteren Sinne vorkommt, zeigt der Ausdruck: consilia opum, u[nd] medicorum etc. Dagegen hat man gesagt, ein Einverständnis der Künstleriii verstehe sich von selbst. Indessen war die Übereinstimmung bei einer solchen Gruppe ganz bes[onders] wichtig. – Daß die Gruppe nicht zur Zeit des Titus gearbeitet worden ist, scheint klar. Denn sonst müßte Plin[ius] den Agesandros als Zeitgenossen angeführt haben. Daß so ganz äußerl[iche] Gesichtsi ii iii

die : der. fraglichen : gesuchten. ein Einverständnis der Künstler : das.

1744 Plin., n. h. XXXVI, 37. – Künstlerwerkstatt des Agesander, Polydoros und Athenodoros: Müller 1848, 160 § 156, 1; Brunn, GK I, 469f. 475; Overbeck, Geschichte II 162–200 passim. – Lippold, Plastik 384f.; Stewart 1990, 62. 96–99. 212. 215f. 309f.; C. Kunze, Zur Datierung des Laokoon und der Skyllagruppe aus Sperlonga, in: JdI 111, 1996, 139– 223; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 280–283 s. v. Hagesandros (B. Andreae); ebenda, 102f. s. v. Athanodoros (II) (G. Bröker); ebenda 2, 271 s. v. Polydoros (B. Andreae). 1745 Loewy 1885, 156f. Nr. 203; 313–315 Nr. 479. 480; 372f. Nr. 546. 1746 Gurlitt: aber daran ist kein Anstoß zu nehmen, Hiller fol. 104 r.: ist aber so fein zusammengesetzt, daß daran kein Anstoß zu nehmen ist. 1747 K. Lachmann, AZ 6, 1848, 235–237. 1748 L. Stephani, Bulletin de la Classe des Sciences historiques de l’Acad. de St. Petersbourg 1849, 1ff.

386

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

punkte, wie das Arbeiten aus einem Stein, etc. entschieden betont werden, finden wir an vielen Stellen. – Vielleicht ist de consilii sententia eine Übersetzung aus dem Griech[ischen]. Jedenfalls müssen wir als Ergebniß festhalten, [nicht nur] daß diese Gruppe in fernerem Zusammenhang mit der rhod[ischen] Kunst steht, sondern auch daß sie dieser Zeit angehört. – Außerdem [sind] noch andere Darstellungen [des Laokoonmotivs überliefert]: im cod. Vaticanus des Virg[il] als Miniaturmalerei,1749 dann auf Münzen (contorniaten)1750[,] auch in verschiedenen kleineren Formen, in Erzgruppen, in neuester Zeit ist [dazu] ein merkwürdiges Relief [H. fol. 104 v.: im Besitz des Malers Wittmann in Rom] [aufgetaucht], es scheint aber zweifelhaft, ob esi echt ist.1751 – In beiden [Statuengruppen, dem Farnesischen Stier und dem Laokoon, sind] Menschen unter Thiergewalt zur Vollziehung der Nemesis [dargestellt], Kühnheit in der Wahl der Obj[ekte], höchste Leistung dramat[isch] erschütternde[r] Plastik 1752 , [S. 107] u[nd] höchst vollendeter Technik. Goethe [rät in seiner] ital[ienischen] Reise um die Intention des Laokoon zu fassen, stelle man sich in gehöriger Entfernung mit geschlossenen Augen, öffne sie u[nd] der ganze Marmor wird bewegt erscheinen. Die Prägnanz des Marmors ist auf den äußersten Punkt getrieben. Die rhod[ische] Schule [stand] mit Tralles, Halykarnass, Sikyon, Kreta in Verbindung. Die Schule von Pergamos: Die Könige v[on] Perg[amon] zeigen im Gegensatz zu den Lagiden u[nd] Seleukiden eine Vorliebe zu edlerer Kunst. Hier ist keine Vielweiberei, keine Günstlingswirtsch[aft], glückl[iche] Familienverhältnisse, ein reiner origineller Sinn für Kunst, oft noch mehr als [in] Rhodos. Die Blüthe v[on] Pergamos war wie die Blüthe im Mutterland durch den Kampf gegen die Barbaren, die Gallier[,] errungen[,] im 3. saec[ulum,] (240)[.]1753 Durch ihre Besiegung wurde die hellen[ische] Gesittung gerettet u[nd] darum hier eine ähnl[iche] Wirkung auf die Kunst [H. fol. 104 v.: wie im Mutterland durch die Besiegung der Perser]. – Dazu kam, [daß] der außerordentl[iche] Geldreichthum der Attaliden unter Attalus I. u[nd] Eumenes II. zu großen Werken verwandt [wurde], in Pergamos, Kyzikos, Athen. Auf der Akropolis v[on] Athen stellte Attalos die Besiei

es : sie.

1749 Buchmalerei, Vergilius Vaticanus, Rom, Vatikan, Bibliothek MS Vat. lat. 33225 fol. 18 v.: LIMC VI (1992) 198f. Nr. 6 mit Abb. s. v. Laokoon (E. Simon). 1750 Kontorniat-Medaillons: LIMC VI (1992) 200 Nr. 8 s. v. Laokoon (E. Simon) Taf. 95. 1751 Modernes Relief mit Laokoon: Friederichs - Wolters 1885, 541 Nr. 1424. Die kleinen Erzgruppen sind wohl als Statuetten des 16. bis 17. Jhs. zu verstehen. 1752 J. W. v. Goethe, Über Laokoon, in: Propyläen 1 (1789), abgedruckt in: M. Wegner, Goethes Anschauung antiker Kunst (1944) 72. 1753 Sieg Attalos’ I. Soter über die Galater an den Kaikosquellen bei Pergamon 240 v. Chr.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

387

gung der Gallier auf der Südburg [auf,] neben [der] Schlacht v[on] Marathon u[nd der] Amazonenschlacht.1754 Auch in Delphi ähnl[iche] Reliefs. Derselbe Gegenstand war dargestellt auf den Thüren des palatin[ischen] Apollon in Rom,1755 Reliefs, welche wohl zu den geerbten Schätzen des Attalos i gehörten. – U[nd] von diesen Werken sind uns einzelne von außerordentl[ichem]Werth erhalten: 1.Der sterbende Fechter. 2. Die ludovis[ische] Gruppe (Arria u[nd] Paetus.) 27. 2. 65 1. Der sterbende Fechter aus den Gärten des Sallust im capitolin[ischen] Mus[eum].1756 Eine lange Gestalt mit struppigem Haar, Schnurrbart, torques, ein Schmuck gall[ischer] Krieger. Das Schlachthorn am Boden. [H. fol. 105 r.: lauter Kennzeichen der Gallier.] Neu ist an der Figur das Schwert u[nd] der rechte Arm, offenbar im Ganzen richtig ergänzt. Der linke Arm ruht auf der Schenkelwunde, aber bald wird er zusammensinken. Hier hat die Kunst eine neue Aufgabe; denn man hat in den früheren Darstellungen der Barbaren1757 nicht das eigentl[ich] Barbar[ische] hervorgehoben. Darzustellen war eine Kraft ohne Bildung. Dabei sind die Gesichtszüge leicht als Barbarenköpfe zu erkennen, das Haar tief in den Nacken gewachsen, die Haut ist hart. Aber der Charakter ist keineswegs karrikirt, denn in diesem sterbenden Fechter lebt ein trotziger Todesmuth, offenbar hat er sich den Tod selbst gegeben. [H. fol. 105 r.: Das Werk gehört zu den besten des Alterthums.] – 2. Arria u[nd] Paetus,1758 diese Bezeichnung stammt aus der Zeit, als man alles aus der röm[ischen] Zeit erklären wollte. Eine Gruppe [ H. fol. 105 r.: in der Villa Ludovisi] [in] Überlebensgröße, mit kräftigem Naturalismus. Die Frau [H. fol. 105 r.: ist gern und freudig von der Hand des Mannes gefallen, sie] hängt tot in seinem Arm, sie fällt u[nd] sinkt wie ein Schlachtopfer zusammen, im Ganzen ist sie flüchtiger behandelt. Auf ihn ist die Kunst des Meisters bes[onders] gerichtet. Der rechte Arm ist offenbar[,] bes[onders] an der Hand[,] falsch ergänztii. – An diesem Körper sind alle Lebensfasern in letzter, höchster Spannung, ein gewisser Heroismus [ist] ausgedrückt; am Boden liegt die Schwertscheide, auch die Basis ist echt u[nd] alt. – Außerdem schloß sich die i ii

den geerbten Schätzen des Attalos : den Schätzen des beerbten Attalos. ergänzt : erklärt.

1754 Paus. I, 25, 2. – Zu den sog. Kleinen Galliern: A. Stewart - M. Korres, Attalos, Athens, and the Acropolis. The Pergamene “Little Barbarians” and their Roman and Renaissance legacy (2004) mit ält. Lit. 1755 Prop. II, 31, bes. Vs. 13. 1756 Sterbender Gallier, Rom, Museo Capitolino Inv. 747, ehem. Slg. Ludovisi: Stuart Jones, Mus. Cap. 338 Nr. 1 Taf. 85; M. Mattei, Il Galata Capitolino. Un splendido dono di Attalo (1987); E. Polito, I Galati vinti. Il trionfo sui barbari da Pergamo a Roma (1999), bes. 73–85. 1757 Gurlitt: Barbaren, Hiller fol. 105 r.: Perser. 1758 Galliergruppe Ludovisi, Rom, Mus. Naz. Rom. Inv. 8608: Museo Nazionale Romano I, 5, 146–152 Nr. 64 (B. Palma); Polito a. O., bes. 58–71.

388

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Pergamen[ische] Kunst an die verschiedenen Culte[,] bes[onders] den Kult des Asklepios [an] u[nd] Phyromachos1759 (Analect. epigr. 209 ed. Keil)1760 war berühmt durch seinen Asklepios, später nach Bithynien entführt von Prusias.1761 Asklepios ist hier in der später gewöhnl[ichen] Art als Meister der Arzneikunst u[nd] Medizin, als bärtiger, erfahrener Mann [wiedergegeben]. Diesen Asklepios sieht man auf den Münzen v[on] Pergamos1762[:] Hygieia u[nd] Asklepios[,] zwischen ihnen wahrscheinl[ich] ȉİȜİıijંȡȠȢDieser Typus wird auf Phyromachos zurückgeführt, u[nd] wir haben viele Nachbildungen. [H. fol. 105 v.: in einer Reihe von Statuen, so eine im florentinischen Museum.] Für diesen Asklepiostypus ist offenbar der Zeustypus benutzt, [denn] auch hier Brust u[nd] Schultern entblöst. [S. 108] Kunstschulen gab es auch in anderen kleinasiat[ischen] Städten, so bes[onders] in Ephesos: Ein Ephesischer Meister war Agasias, Sohn des Dositheos,1763 von ihm [stammt] der borghesische Fechter.1764 Auch diese Figur gehört einer Gruppe an, nur so ist sie zu verstehen, ein Fußkämpfer gegen einen höhergestellten, wahrscheinl[ich] reitenden Gegner. Deutl[ich] ist ein doppeltes Motiv ausgedrückt[:] mit dem linken Arm hält er den Schild, zugleich erspäht er die Schwäche des Feindes, um selbst einen Angriff zu machen. – Das Höchste in lebendiger Streckung u[nd] Spannung des ganzen Körpers, ein Werk aus künstler[ischem], ruhigem Vorbedacht geschaffen. [H. fol. 106 r.: mit der Absicht, etwas Neues, Überraschendes dazustellen.] Der Baumstamm würde besser fehlen, wahrscheinl[ich] also ist es urspr[ünglich] in Erz ausgeführt, zugleich ist jeder einzelne Muskel genau dargestellt. Saloache, Anatomie du gladiateur combattant 18421765 lehrte die alte Anatomie an diesem Fechter. Agasias ist uns sonst nicht bekannt, in das 1.saec[ulum] vor Christi scheint er[,] nach dem Werke zu schließen u[nd nach] den Buchstaben der Inschr[ift, zu gehören.]1766 –

1759 Phyromachos: Müller 1848, 159 § 154, 1; 161f. § 157*; 632 § 394, 1; Brunn, GK I, 442f.; Overbeck, Geschichte II 145f. – Lippold, Plastik 320; Stewart 1990, 62. 207–209. 238. 286. 302f.; Phyromachos-Probleme; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 259–263 s. v. Phyromachos (II) (B. Andreae). 1760 K. Keil, Analecta epigraphica et onomatologica (1842) 209. 1761 Polyb. XXXII, 25 (27); Diod. XXXI, 35. 1762 AE, Pergamon, Marc Aurel: K. O. Müller - F. Wieseler, Denkmäler der antiken Kunst (1856) Taf. 48, 219 b; H. Sobel, Hygieia (1990) 121 Nr. 7. 1763 Agasias aus Ephesos: Müller 1848, 162f. § 157*, 3; Brunn, GK I, 571. 577f.; Overbeck, Geschichte II 251. – Lippold, Plastik 382; Stewart 1990, 224. 227; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 8 s. v. Agasias (II) (E. Paul). 1764 Fechter Borghese, Paris Lovre Ma 527, aus der Slg. Borghese: Hamiaux, Louvre II, 50– 54 Nr. 60. 1765 J. G. Salvage, L’anatomie du gladiateur combattant (1812). 1766 Inschrift: IG XIV, 1226.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

389

Antiocheia, die Königin der Städte des Orients. – Nach Antiochien verpflanzte sich über Rhodos die Sikyon[ische] Schule, durch Eutychides,1767 ein[en] Schüler des Lys[ippos] (Plin. XXXIV, 51)1768[,] für die syr[ischen] Könige in Erz u[nd] Marmor thätig. Von seinen Werken sind uns nur einzelne bekannt, bei Asinius Pollio war ein Dionysos,1769 dann eine Darstellung des Eurotas (die Kunst sei noch flüchtiger als der Fluß selbst[, berichtet] Plin[ius,] in quo artem ipso amne liquidiorem dixerunt.)1770 Charakteristisch für ihn ist, daß er das Bild der ȉ઄ȤȘ bildete (Paus. VII, 2) für die Syrer am Orontes, also für die Antiochener, d.h. die Göttin der Stadt selbst.1771 Schon in älterer Zeit hatte man Städte dargestellt, so die leierspielende Ȉʌ੺ȡIJȘ1772 ebenso die ȂİȖ੺ȜȘ ʌંȜȚȢ1773 im att[ischen] ȂȘIJȡ૶ȠȞ das Bild der Kybele v[on] Phidias.1774 – Die Mauer- u[nd] Thurmkrone ist aber in älterer Zeit nicht nachgewiesen. Mauerkrone u[nd] Schleier wiederholen sich später häufig. (O. Jahn, Arch. Zeitung 1864 p. 173.)1775 – [Das Werk des Eutychides zeigt] Eine sitzende Marmorstatue im Vatican von großer Anmuth, flüchtig gearbeitet, eine Copie.1776 Eine voll bekleidete Frau mit Thurmkrone, über dem Hinterkopf fällt der Schleier, als Symbol der ȉ઄ȤȘ etwas unter Lebensgröße, sitzend (੆įȡȣIJĮȚ . Der Fels, auf dem sie sitzt, ist der Ȉ઀ȜʌȚȠȞ am Fuße des Berges der Obertheil eines jugendlichen Flußgottesi. [H. fol. 106 v.: , des Flußgottes Orontes.] Die Arme des Knaben sind ergänzt. Auf den Münzen dieselbe Figur in verschiedener Darstellung.1777 [H. fol. 106 v.: Auch Nachbildungen originaler griechischer Werke finden wir in Antiochia, so Athena Parthenos, den Zeus Olympios des Phidias. Auf einer Münze Antiochiens ist Apollon, auf einem i

jugendlichen Flußgottes : Flußgottes jugendl..

1767 Eutychides: Müller 1848, 151 § 146, 1; 158 § 154, 1; 165 § 158, 5; Brunn, GK I, 411. 433; II, 157; Overbeck, Geschichte II 90f. – Lippold, Plastik 296f.; Stewart 1990, 201f. 204. 238. 298. 308; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 242–245 s. v. Eutychides (I) (M. Flashar). 1768 Plin., n. h. XXXIV, 51. 1769 Plin., n. h. XXXVI, 34. 1770 Plin., n. h. XXXIV, 78: in quo artem ipso amne liquidiorem plurimi dixere. 1771 Paus. VI, 2, 6. – Tyche von Antiochia von Eutychides: T. Dohrn, Die Tyche von Antiochia (1960); LIMC I (1984) 843–850 Nr. 1–131 s. v. Antiocheia (J. C. Balty); P. Moreno, Scultura ellenistica I (1994) 158–167 Abb. 205–209; M. Meyer, Die Personifikation der Stadt Antiocheia (2006). 1772 Paus. III, 18, 8. 1773 Paus. VIII, 30, 10. 1774 Paus. I, 3, 5; nach Plin., n. h. XXXVI, 17 von Agorakritos. 1775 O. Jahn, AZ 22, 1864, 173–176. 1776 Tyche von Antiochia, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2672: Lippold, Vat. Kat. III 2, 314–316 Nr. 49 Taf. 143; LIMC I (1984) 844 Nr. 28 s. v. Antiocheia (J. C. Balty); P. Moreno, Scultura ellenistica I (1994) 163 Abb. 207, S. 780 Anm. 283; Meyer a. O. 407f. Nr. A 8 Taf. 5. 1777 Münzbeispiele: LIMC I (1981) 845–847 Nr. 33–90 s. v. Antiocheia (J. C. Balty) Taf. 674.

390

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Omphalos sitzend, auf einer anderen als Kitharöde mit einer Schale in der Hand. Darauf bezieht sich wahrscheinlich Plin. 34, 51: Bryaxis bildet für Antiochia einen Apollon, der Wein aus einer Schale spendet, der Koloss, der (Cedr. comp. p. 306) unter Julian durch den Blitz vernichtet wurde.1778] – 28. 2. 65 Die Puteolanische Basis,1779 dem Tib[erius] gestiftet von mehreren kleinasiat[ischen] Städten, welche durch die Hilfe [des] Tib[erius] nach einem Erdbeben wieder aufgebaut wurden, j[etzt] in Neapel, 17. p. Chr. ( O. Jahn, Ber. d. s. Ges. d. W. 1851.)1780 [Dargestellt sind:] Sardes als țȠȣȡȠIJȡંijȠȢ Philadelphia als eine priesterl[iche] Gestalt, Tmolos als jugendl[icher] Dionysos, Ephesos als Amazone, mit einem bärtigen Kopf auf den sie den Fuß setzt, das bedeutet den Kaystros [(]Ael. var. hist. XIII, 21 [berichtet von] ein[em] Sessel des Hom[er] mit den ਦʌIJ੹ ʌંȜİȚȢ die seine Vaterstadt sein wollten im ੘ȝ੾ȡİȚȠȞ zu Alexandria.)1781 –In dieselbe Kategorie gehört eine Darstellung des Demetrios, j[etzt] in Neapel,1782 jugendl[ich], mit Chlamys u[nd] Sandalen, [von] idealer Gestalt, portraitmäßig dargestellt, aber mit göttl[ichen] Attributen, an der Stirn der Anfang zu Hörnern [H. fol. 107 r.: als Dionysos], u[nd] die Stellung des Fußes auf einem Felsen alsi Anspielung an Poseidon. In Alexandreia geschah für die Kunst verhältnismäßig wenig, weil die Ptolemäer sich an die nationale [ägyptische] Kunst anschlossen, denn sie wollten Pharaonen sein. Deßhalb war die griech[ische] Kunst nur Dienerin des höfischen Luxus. So die Steinschneidekunst, bes[onders] die Reliefgemmen. [S. 109] Heft VI.

Aus dem Pontos wurden die kostbarsten Materialien dafürii nach Alexandrien gebracht[.] [Beispiele sind:] die tazza Farnese;1783 ferner der cameo Gonzaga i ii

als : die. dafür : derart.

1778 Das Pliniuszitat ist nicht zutreffend. Bryaxis hat für Antiocheia keinen Apoll geschaffen. 1779 Statuenbasis des Tiberius, aus Puteoli, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6780: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 116f. Nr. 101. 1780 O. Jahn, Über die puteolanische Basis, in: Berichte der Königl. Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-histor. Classe III (1851) 119–151 Taf. 1–4. 1781 Ael., var. hist. XIII, 21. Danach waren die Statuen der Geburtsstädte um die Sitzstatue Homers herum aufgestellt. 1782 Bronzestatuette, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 5026: Richter, Portraits III, 256 Abb. 1743; R. R. Smith, Hellenistic Royal Portraits (1988) 154 Nr. 10 Taf. 70, 5. 1783 Sardonyxschale, sog. Tazza Farnese, Neapel, Mus. Naz. Inv. 27611: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 86 Abb.; 222f. Nr. 1; C. Gasparri (Hrsg.), Le gemme Farnese (1994) 10f. Abb. 1. 2; 74–83 Abb. 96–100. 103–105; 139 Nr. 1.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

391

([mit den Bildnissen des] Ptol[emaios] I u[nd der] Eurydike)1784[,] fast ½ Fuß lang, dann noch ein Cameo[,] der den 2. Ptolemäus darstellt1785, ebenso [ein weiterer] in Berlin.1786 – Höchst wichtig sind die Münzen, welche die Geschichte des Geschmackes zeigen. Alexander machte die att[ische] Drachme zum Reichsgelde, überall außer in Aegypten. Alex[ander] prägte seine Münzen mit dem Pallaskopf [auf der Vorderseite] u[nd] die Siegesgöttin mit einer Segelstange [auf der Rückseite],1787 auf der Tetradrachme den Herakles als Stammvater der Temeniden [auf der Vorderseite] u[nd] Zeus mit dem Adler [auf der Rückseite].1788 Alex[ander] selbst setzte sein Bild nicht auf die Münze, aber die Künstler deuteten seine Züge im Kopf des Herakles an; unter den Nachfolgern wurde erst Alexanders, dann der Kopf der anderen Diadochen auf die Münzen gesetzt. Müller in Kopenhagen, Numismatik Alex[anders] u[nd] seiner Nachfolger.1789 Alex[ander] ist auf den Münzen bis in die Römerzeit zu erkennen. Bes[onders] reich war von den Diadochen Lysimachos[;] auf seinen Münzen [wurde Alexander] zuerst vergöttert als Sohn des Zeus Ammon.1790 – Die Malerei ist weniger als die Plastik an bestimmte Örtlichk[eiten] gebunden, so [gibt es] eine böot[ische] Schule, die nach Athen übersiedelt. Demi Thebaner Aristides1791 war es bes[onders] gelungen, die Seelenumstände des Menschen darzustellen (primus animum pinxit et sensus hominum expressit[,] Plin. )[.] Unter den Athenern bes[onders] Nikias1792, i

Dem : Der.

1784 Kameo Gonzaga, St. Petersburg, Ermitage Inv. Z 291: X. Gorbunova - I. Saverkina, Greek and Roman Antiquities in the Hermitage (1975) Nr. 85; Megow 1987, 281–284 Nr. C 26 Taf. 29, 1. 4. 1785 Sog. Ptolemäer-Cameo, Wien, Kunsthistorisches Mus.: W. R. Megow, Zu einigen Kameen späthellenistischer und frühaugusteischer Zeit, JdI 100, 1985, 473–482, 485–488, Abb. 9. 10. 1786 Wohl Sardonyx-Kameo Berlin, Antikensammlung FG 11057: W. R. Megow, JdI 100, 1985, 456–473 Abb. 3–7. 1787 AU, Stater, Amphipolis, Alexander der Große (336–323v. Chr.): LIMC VI (1992) 890 Nr. 594 s. v. Nike (U. Grote) Taf. 598 (Rs.) 1788 Tetradrachme, Königreich Makedonien, Alexander d. Große (336–323 v. Chr.): P. R. Franke - M. Hirmer, Die griechische Münze² (1972) 117 Nr. 569–573 Taf. 172. 173. 1789 L. Müller, Numismatique d’Alexandre le Grand (Kopenhagen 1855). 1790 Tetradrachmen, Thrakien, Lysimachos (323–281 v. Chr.): L. Müller, Die Münzen des thrakischen Königs Lysimachus (1858). – Franke - Hirmer, a. O. 119 Nr. 580–582 Taf. 176. 1791 Aristides: Müller 1848, 143 § 139, 2. 4; 144 § 140, 1; 175 § 165, 2; Brunn, GK II, 160– 163. 167. 171–181. 191. 265. 272f. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 82f. s. v. Aristeides (II) (G. Bröker). 1792 Nikias von Athen: Müller 1848, 143 § 139, 2; 144 § 140, 5; 145f. § 141, 4; 432 § 310, 5; 450–452 § 319, 2, 5; Brunn, GK II, 164–167. 194–201. 345. 431. – K. Schefold, in: Studies in honour of A. D. Trendall (1979) 155–158; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 135– 137 s. v. Nikias (II) (U. Koch-Brinkmann).

392

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

seine circumlitio war von Praxiteles geschätzt,1793 siehe Einleitung1794; er war Zeitgenosse Alex[anders], hochberühmt zur Zeit[,] als Ptol[emaios I.] Lagi in Aegypten seine Herrsch[aft] errichtet hatte.1795Demetrius Phalerius, de elocutione 76 [H. 107 v.: teilt von ihm den Ausspruch mit,] man müsse die Kunst nicht zur Scheidemünze machen, sondern große Stoffe wählen @ Er malte Schlachtbilder, nebst anderen (Plin. XXXV, 76)[, so auch] eine Malerin Helena, die Schlacht bei Issosi (Phot. p. 248).1796 Im Gegensatz zur [Megalographia ist die] ૧ȣʌĮȡȠȖȡĮij઀Į1797 eine kleinl[iche] Genremalerei, in kleinen Bildern, Käufer anziehend. Ferner die ıțȘȞȠȖȡĮij઀Į1798[,] Decorationsmalerei, an den Höfen sehr geschätzt. Endl[ich] die [H. fol. 107 v.: schmutzige] ʌȠȡȞȠȖȡĮij઀Į1799 Waren nun solche großen Gemälde glückl[ich] angefertigt u[nd] hatten sie Beifall gefunden, so dachte man daran, das Werk zu vervielfältigen[,] [und zwar als] opus musivum[,] Mosaik. Am berühmtesten [unter den Mosaizisten war] Sosos in Pergamos.1800 [Die Mosaikkunst war] theils mehr Spielerei u[nd] beruhte auf techn[ischen] Fertigk[eiten]: so der ਕı੺ȡȦIJȠȢ ȠੇțȠȢ ein ungefegtes Haus, ein berühmtes ȜȚșંıIJȡȦIJȠȞ1801 Bewundert war [das Mosaik] eine[r] Taube, welche auf einer Schale saß u[nd] trank[,] u[nd] deren Kopf die Wasserfläche beschattete, andere Tauben auf dem Rand desselben Gefäßes (Plin. XXXVI, 184)[.] Von diesen Tauben des Sosos ist [eine Kopie] in Rom im capitolin[ischen] Museum erhalten, aus der Villa Hadriani.1802 Zu großem Glücke hat sich ein Meisterwerk dieser Kunstgattung erhalten, auch ein Muster der ȝİȖĮȜȠȖȡĮij઀Į der pompejan[ische] Fußboden in der casa di Goethe ([gefunden] 1831) od[er] del Fauno.1803 – [H. fol. 108 r.: Die Nachbildung eines Gemäldes, ] Hergestellt durch mehr als eine Million farbige Stifte[,] meistens Glas. Das Alexandermosaikii war der Schmuck eines Tricliniums, es war in seinen Farben frisch, aber durch Erdbeben beschädigt, einige Fehler waren schon vom alten Besitzer ausgebessert. Der i ii

Issos : Ilissos. Das Alexandermosaik : Es.

1793 1794 1795 1796 1797 1798 1799 1800

Plin., n. h. XXXV, 133. s. o. Anm. 279–281. Plut., mor. 1093 e. Phot., Bibl. p. 248: Helena, Schlacht bei Issos; Plin., n. h. XXXV, 76: Pamphilos. Plin., n. h. XXXV, 112. Vitr. I, 2, 2; vgl. Aristot., poet. 4 p. 1449 a 18. Ath. XIII, 567 b. Plin., n. h. XXXVI, 184. – Sosos aus Pergamon: Müller 1848, 172 § 163, 6; Brunn, GK II, 311. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 413 s. v. Sosos (D. Salzmann). 1801 Plin., n. h. XXXVI, 184. 1802 Taubenmosaik, aus der Villa Hadriana, Rom, Capitolin. Museum: Stuart Jones, Mus. Cap., 143f. Nr. 13a Taf. 34; M. Donderer, Das Kapitolinische Taubenmosaik. Original des Sosos ?, in: RM 98, 1991, 189–197 Taf. 49. 1803 Alexandermosaik, aus dem Haus des Faun in Pompeji, Regio VI, 12; Neapel, Mus. Naz. Inv. 10020: s. o. Anm. 427.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

393

4. Theil zur Linken ist zerstört. Das erhaltene zeigte 26 Menschen, 15 Pferde in ¾ Lebensgröße, auf dem Grundton heller Luft [dargestellt], es fehlt dem Werk die Perspective, die Tiefe[,] u[nd] so wird man durch die Menge der Figuren leicht verwirrt. Es kann nur die Schlacht bei Issos sein. (Diod. XVII, 33. Plut. Alex. 20)[.]1804 Es ist der Moment der Entscheidung (Curt. III, 27.)1805 Hier ist das Motiv hervorgehoben, wie Oxathres, der Bruder des Darius, seine Reiter vor dem Wagen des Königs aufstellt. Oxathres wird [H. fol. 108 r.: von der Sarissa Alexanders] durchbohrt u[nd] dies ist das Signal zur Flucht. Darius will absteigen, um sich auf einem Renner zu retten, sein Blick ist auf den fallenden Bruder in edler Selbstvergessenheit [gerichtet]. [H. fol. 108 v.: Der Wagenlenker [S. 110] peitscht die Rosse: ein anderer Perser bringt ein Pferd für Darius.] Das pers[ische] Kostüm ist mit großer Sorgfalt dargestellt, die ਕȞĮȟȣȡ઀įİȢ mit Stickerei besetzt, Ärmelröcke u[nd] Tiaren mit Seitenlaschen (Ohrenklappen)[.] Der König zeichnet sich durch die ੑȡș੽ IJȚ੺ȡĮ aus. Diei Vornehmen um ihn sind die Argyraspiden, im Inneren des Schildes ist eine Spiegelung dargestellt. – Alexander auf dem Bukephalos[,] mit Purpurchlamys u[nd] Aermeln, ein Anachronismus, [H. 108 v.: erst später nahm er medisierende Tracht an,] der Helm ist heruntergefallen u[nd] die kleine Schaar der Makedonen ist in vortreffl[ichem] Gegensatz gegen die große Zahl der Perser [wiedergegeben]. Diese Deutung ist nicht unbestritten geblieben. [H. fol. 108 v.: Einige meinten, es sei gar keine bestimmte Schlacht, was dem Geist alter Kunst widerspricht. Auch dachte man an die Schlacht bei Arbela, an die Gallier in Delphi, an Gallier und Römer]. – Bergk meinte, es wären Gallier u[nd] Pergamener,1806 aber auch dieser Gedanke ist abzuweisen. – 2. 3. 65 Die günstigen Umstände im Orient bleiben nicht unverändert; denn sie waren abhängig v[on] den Launen der Herrscher, so in Aegypten unter Ptolemaeus VII.1807 Ath. IV, 251808 berichtet, daß vor jenemii viele Künstler aus Alexandrien flüchteten, Athen wurde mit Künstlern bevölkert. Die Bildkunst war [hier] nie ganz untergegangen. Eucheir u[nd] Eubulides1809 von altem u[nd] erbl[ichem] Stamme finden wir bis in die Kaiserzeit; es entstand eine neu-attische Kunst. i ii

Die : Den. vor jenem : um jenen.

1804 1805 1806 1807

Diod. XVII, 32, 2–35, 4; Plut., Alex. 20, 1–5. Curt. III, 11, 7–12. Th. Bergk, in: Zeitschrift für die Altertumswissenschaft 2, 1844, 265–278. Ptolemaios VIII. Euergetes II. wies 145/44 v. Chr. griechische Gelehrte und Künstler aus dem Land. 1808 Ath. IV, 184 c. 1809 Eucheir und Eubulides: Brunn, GK I, 551. 560; Overbeck, Geschichte II 234. – Lippold, Plastik 366; Stewart 1990, 67f., 318; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 219–221 s. v. Eubulides (I), (II), (III) und Eucheir (III), (IV) (alle J. Linnemann).

394

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Durch die Orientalen u[nd] Römer in Athen geschätzt, Plin[ius] (XXXIV, 52)1810 nach Ol. 155 [160–157 v. Chr.] wurden wieder Erzgießereien eröffnet. – Diese Künstler [waren] longe quidem infra praedictos, probati tamen.1811 – Dies ist die Zeit der Restauration der Kunst in Athen. [Zu nennen sind:] Kleomenes, Sohn des Apollodoros,1812 der Urheber der medicäischen Venus (s. o.)[,]1813 eine Art Nachbildung der Knid[ischen] Venus. (Stark, Über die Venusstatuen Ber. d. s. G. d. W. 1860.)1814 – Apollonios, Sohn des Nestor,1815 von ihm der Herakles-Torso des Belvedere,1816 sein Namen am Felsen angeschrieben. – Kleomenes, Sohn des Kleomenes,1817 von ihm eine Statue im Louvre, bekannt unter dem Namen des Germanicus,1818 eine stehende, männl[iche] Portraitfigur, offenbar ein Redner, als Hermes charakterisirt durch eine Schildkröte. Die rechte Hand ist vorgestreckt mit dem Gestus eines Demonstrirenden (ਬȡȝોȢ ȜંȖȚȠȢ  in par[ischem] Marmor[,] eine ernste, wenn auch wenig originale Darstellung. Vielleicht ist es Titus Quinctius Flamininus. – Ein anderer Kleomenes ist Meister des Altarreliefs in Florenz1819 [mit dem] Opfer der Iphigenia (corp. inscr. [graec. III] 6159)1820 ȀȜİȠȝ੼ȞȘȢ ਥʌȠ઀İȚ das Imperf[ekt] soll erst seit Ol. 155 [160–157 v. Chr.], [also] seit des Wiederauflebens des Erzgusses übl[ich] geworden [sein], im Allgemei-

1810 Plin., n. h. XXXIV, 52: cessavit deinde ars ac rursus olympiade CLVI revixit. 1811 Plin., n. h. XXXIV, 52. 1812 Kleomenes aus Athen: Müller 1848, 167 § 160, 3; Brunn, GK I, 544ff. 561. 567; Overbeck, Geschichte II 232f.. – Stewart 1990, 307. 318; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 414f. s. v. Kleomenes (II) (C. Vorster). 1813 s.o. Anm. 1451. 1814 K. B. Stark, Über unedirte Venusstatuen und das Venusideal seit Praxiteles, in: Berichte der Königl. Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-histor. Classe 12, 1860, 46–100 Taf. 6–9. 1815 Apollonios, Sohn des Nestor: Müller 1848, 166f. § 160, 4. 5; Brunn, GK I, 542. 560f. 563f.; Overbeck, Geschichte II 230f. – Lippold, Plastik 380; Stewart 1990, 230. 309. 318; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 71f. s. v. Apollonios (VI) (G. Bröker / W. Müller). 1816 s. o. Anm. 1584. 1817 Kleomenes, Sohn des Kleomenes: Müller 1848, 166f. § 160, 4; Brunn, GK I, 544ff. 561. 567; Overbeck, Geschichte II 233 Nr. 4. – Lippold, Plastik 381; Stewart 1990, 307. 318; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 415f. s. v. Kleomenes (IV) (C. Vorster). 1818 Porträtstatue, sog. Germanicus, Paris, Louvre Ma 1207: K. de Kersauson, Musée du Louvre. Catalogue des portraits romains I. Portraits de la République et d’époque JulioClaudienne (1986) 46f. Nr. 18 ; P. C. Bol, in : Bol, Bildhauerkunst II, 136f. Textabb. 43. 1819 Rundara mit Inschrift des Kleomenes, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 612: Mansuelli, Uffizi I, 145–147 Nr. 116 Taf.; LIMC V (1990) 720f. Nr. 42 mit Abb. s. v. Iphigeneia (P. Linant de Bellefonds) Taf. 474. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 415 s. v. Kleomenes (IÍI) (C. Vorster). 1820 CIG III Nr. 6159. – Loewy 1885, 265f. Nr. 380.

Die hellen[istische] Kunst im Oriente

395

nen richtig. Auch hier ist Agamemnon verhüllt. Diogenesi (Plin. XXXVI, 37)1821, Künstler in Athen, arbeitete für Agrippa Karyatiden im Pantheon, im Vatican ist eine solche Karyatide.1822 [H. fol. 109 r.: , die nicht, wie man lange glaubte, zum Erechtheion [...] gehört.] – Glykon,1823 Meister des Hercules Farnese.1824 – Salpion,1825 der Meister eines Reliefs, bekannt unter dem Namen: Taufbecken v[on] Gaeta, j[etzt] in Neapel, ein Marmorkrater1826, Hermes überbringt das Dionysoskind der Nymphe Nysa, rechts Silen u[nd] 2 weibl[iche] Gestalten, ernster Art, vielleicht IJİȜİIJ੾u[nd] ੑʌઆȡĮlinks 2 Satyrn u[nd] eine Mänade. – Diese neuatt[ische] Schule ist bes[onders] ausgezeichnet, durch einen echten Restaurationscharakter. – Timokles u[nd] Timarchides1827 copiren (Paus. X, 34[, 8]) in Elatea den Schild der Parthenos nach Phid[ias]. – Menodoros1828 ersetzt (Paus. IX, 27[, 4]) den aus Thespiae fortgeführten Eros. – Der Germanicus ist wesentl[ich] ein Hermes, die medicäische Venus wesentl[ich] die Knid[ische]. Die Karyatiden des Diogenesii [sind] Nachbildungen derer am Erechtheion. Auf dem Gefäß des Salpion ist eine Reihe bekannter Gruppen u[nd] Figuren. Die Kunstrichtung ist dieselbeiii wie im hellenist[ischen] Orient, nach der ersten Anschauung. Diesem Charakter gehört auch ein ausgezeichnetes Werk an: die Apotheose des [S. 111] Homer, von Archelaos v[on] Priene, Sohn des Apollonius;1829 ein Relief in Bovillae zwischen Rom u[nd] Tusculum gefunden, zusammen mit der tabula Iliaca1830, i ii iii

Diogenes : Theogenes. [H. fol. 109 r.: Diogenes] Diogenes : Theogenes.[H. fol. 109 r.: Diogenes] Die Kunstrichtung ist dieselbe : Dieselbe Kunstrichtung.

1821 Plin., n. h. XXXVI, 38: Agrippae Pantheum decoravit Diogenes Atheniensis; in columnis templi eius Caryatides probantur inter pauca operum, sicut in fastigia posita signa. – Diogenes: Müller 1848, 225 § 196, 2; Brunn, GK I, 548. 561. 568; Overbeck, Geschichte II 233 Nr. 6. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 172 s. v. Diogenes (I) (A. Herr). 1822 Vatikan, Inv. 2296: E. E. Schmidt, Die Kopien der Erechtheionkoren, AntPl 13, 32–34 Nr. 2 Taf. 42–45 Abb. 47. Die Herkunft aus dem Pantheon des Agrippa ist eine Konstruktion von E. Braun, Die Ruinen und Museen Roms (1854) 224. 1823 s. o. Anm. 1580. 1824 s. o. Anm. 1578. 1825 Salpion: Brunn, GK I, 550. 561. 569; Overbeck, Geschichte II 334 Nr. 10. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 361 s. v. Salpion (R. V.). 1826 Marmorkrater des Salpion, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 6673: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 150f. Nr. 268; D. Grassinger, Römische Marmorkratere (1991) 175–177 Nr. 19, Abb. 21; 249 Abb. 22–25. 1827 Timokles und Timarchides: Müller 1848, 120 § 125, 4; 159 § 154, 1; 166f. § 160, 2; 543 § 360, 1; Brunn, GK I, 469. 536ff. 560f.; Overbeck, Geschichte II 227–230. – Stewart 1990, 83. 220f. 230. 238. 304f. 318; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 471 s. v. Timarchides (II); 473 s. v. Timokles (I) (C. Müller). 1828 Menodorus: Müller 1848, 123f. § 127, 3; 226 § 197, 2; Brunn, GK I, 556. 561. – Lippold, Plastik 377; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 69 s. v. Menodorus (II) (N. Franken). 1829 Weihrelief, Apotheose des Homer, von Archelaos von Priene, London, Brit. Mus. 2191: D. Pinkwart, Das Relief des Archelaos von Priene, in: AntPl 4 (1965) 55–65 Taf. 28–35. 1830 s. u. Anm. 1956.

396

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

u[nd] dies Relief gehörte offenbar einem Cyclus v[on] Bildern an, der die homer[ischen] Epen in plast[ischen] Darstellungen übersichtl[ich] darstellte. (Suet. Tib. 70[, 3] maxime curavit notitiam historiae fabularis.) In Bovillae [gab es] ein Heiligthum der gens Julia, daher wird dies[es Relief] wohl mit im Tempel gestanden haben, als Illustrationen homer[ischer] Sagen. [Die Darstellung in] Verschiedene[n] Stockwerke[n] [aufgebaut]: Zeus, die Musen, Apollo, [H. fol. 109 v.: der in langem Chorgewand bei einer Grotte steht, jedenfalls ist das delphische Lokal dargestellt, die Statue neben Apollo ist ein dort besonders geehrter Dichter,] vielleicht Hesiod. Polyhymnia mit aufgestütztem Ellbogen, Bindeglied zwischen Apollo u[nd] den Schwestern. Dann Urania [,] Terpsichore, Klio mit dem Buch, Kalliope, Erato hinaufsehend, Euterpe mit der Flöte, Thalia, Melpomene. – Unten der Cult des Hom[er] dargestellt, wie Homeri in Smyrna u[nd] Alexandria etc. verehrt wurde, ein brennender Altar u[nd] der Ȃ૨șȠȢ steht als Opferknabe beim Altar. Die Behandlung nach Art der Votivreliefs. – Hinter dem sitzenden Homer [stehen] ȋȡંȞȠȢ geflügelt, u[nd] ȅੁțȠȣȝ੼ȞȘ mit dem Modius, den Hom[er] kränzend, Ilias u[nd] Odyssee als kniende Knaben, am Sessel. – Verehrend schreiten herbei ੊ıIJȠȡ઀Į Weihrauch streuend, als Vertreter[in] aller wissenschaftl[ichen] Erkenntniß, ȆȠ઀ȘıȚȢ als Epos, ȉȡĮȖ૳į઀Į ȀȦȝ૳į઀Į ਝȡİIJ੾[,] ȂȞ੾ȝȘ Ȇ઀ıIJȚȢ u[nd] ȈȠij઀Į die Verbindung bildet ein Knabe[:] ĭ઄ıȚȢ Das Ganze [ist] reflectirt, nicht frei geschaffen, [mit] Überlegung u[nd unter] Benutzung des Vorhandenen[:] die Figuren sind nicht für diesen Zweck componirt [H. fol. 109 v.: und treten einzeln aus dem Ganzen hervor], kein strenger Reliefstil mehr[, sondern] malerisch gruppirt, es fehlt die Einheit des Stiles u[nd] des Gedankens, ein Product des Eklektikismos. Künstler[isches] Vermögen ist nicht zu erkennen (?), es zeigt sich ein Parallelismus. Hom[er] entspricht dem Zeus; denii Musen oben [entsprechen] die allegor[ischen] Figuren unten. Emil Braun hat dies Werk überschätzt, denn er meinte[,] die Figuren seien hier zuerst erfunden u[nd] dargestellt.1831 In Athen sindiii in jener Zeit eine Reihe Gebäude u[nd] architekton[ische] Reliefs entstanden. Die Seleukiden bauten am Tempel des Zeus Olympios,1832 Attalos baute am Kerameikos eine neue Halle,1833 neuerdings aufgefunden,1834 in der Kaiserzeit u[nd] schon früher wurde in der Unterstadt gebaut, neue Märkte eingerichtet, vom Kerameikos gegen Osten am Abhang des i ii iii

Homer : er. den : Die. sind : ist.

1831 E. Braun, Die Apotheose des Homer in galvanoplastischer Nachbildung herausgegeben (1848). 1832 Vitr. VII, praef. 15.17; Liv. XLI, 20, 8; Strab. IX, 1, 17 p. 396; Ath. V, 194 a. – R. TölleKastenbein, Das Olympieion von Athen (1994); Gruben 2001, 246–253. 1833 Ath. V, 212 f; IG II/III² Nr. 3171. 1834 Attalosstoa: Travlos, Athen 505–519; J. M. Camp, Die Agora von Athen (1989) 191– 197.

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

397

Burgfelsens[,] u[nd] hinzu gehört das Horologium des Andronikos ([von] Vitr. I, 6 u[nd] Varro, d. r. r. III, 5 beschrieben) aus Kyrrhos in Syrien (Ath. IV, 23)1835[,] ein achtseitiger Thurm mit einer Wasseruhr u[nd] einer Sonnenuhr[,] auf dem Dach ein Triton[,] der sich nach dem Winde drehte1836. [H. fol. 110 r.: Die Wassertriebwerke waren in Alexandria von Ktesibios unter Ptolemäus Euergetes erfunden.] An den 8 Seiten sind die in Athen herrschenden Winde dargestellt, die rauhen als bärtige Männer, die leisen als leichtbekleidete Jünglinge. Die Darstellungen zeigen einen barbar[ischen] Charakter. In der Mitte des 2. saec[ulums] a[nte] Chr[istum] bauten in Athen schon röm[ische] Architekten, so Cossutius, Baumeister des Zeustempels, unter Ptolemaeus Epiphanes.1837 Solche Bauten waren sehr ein Charakter der Zeit, Scipio Nasica stellte 159 das erste Horologium in Rom auf1838. – Die neu-att[ische] Kunst schließt mit dem Ende griech[ischer] Selbständigk[eit]. Bald darauf trat das Raubwesen der Römer ein, wenn auch die Liebe zu Griechenland [H. fol. 110 r.: besonders unter Hadrian] die Stadt Athen wieder mit Bildwerken schmückte. Die eigentl[ich] griech[ische] Kunst [ist in ihrer Entwicklung] zu Ende, sie theilte aber als [nachwirkende] Kunst mehr die polit[ischen] Schicksale. – Sie erlebte jetzt eine neue Epoche in Rom. 3. 3. 65

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom. 3 Epochen sind zu unterscheiden: [1.] Wir kennen die ital[ische] [Ur]Bevölkerung als verwandt an mit der griech[ischen,] also auch ihre Kunstbestrebungen, 2. die vorhistorischen Wanderungen, die Kleinasien u[nd] Italien wie Griechenland verbanden,1839 3. die städt[ische] Colonisation von Korinth über Kerkyra, verbunden mit dem Sturz der Bakchiaden[.] Im 7. saec[ulum] kam Demaratos, Ahnherr der Tarquinier, [auf der Flucht] vor den Kypseliden nach Mittelitalien, der Überbringer v[on] Schrift u[nd]

1835 Horologium: Vitr. I, 6, 4; Varro, rust. III, 5, 17. – Kyrrhos in Syrien: Ath. IV, 153 b. 1836 Horologion des Andronikos, sog. Turm der Winde: Travlos, Athen 281–288; J. v. Freeden, 2,.,$.855(6728 Studien zum sogenannten Turm der Winde in Athen (1983); H. J. Kienast, AA 1993, 271–275. – Nach Freeden a. O. 1ff., bes. 7 stammte Andronikos Kyrrhestes aus Kyrrhos in Makedonien. 1837 Cossutius: Vitr. VII, praef. 15.17; IG II/III² Nr. 4099. – Müller 1848, 158 § 153, 4; 199 § 180, 4; Brunn, GK II, 334. 349. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 147 s. v. Cossutius (W. Müller). 1838 Plin., n. h. VII, 215. 1839 Gurlitt: die vorhistorischen Wanderungen [...] verbanden, Hiller fol. 110 v.: Wanderungen der Völker Griechenlands und Kleinasiens.

[S. 112]

398

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Kunst1840[,] 687 Ol. 30, 4 [657 v. Chr.]. Eucheir, Eugrammos u[nd] Diopos wurden die ihn begleitenden Künstler genannt1841 (Curtius, Arch. Zeitung 1860 p. 110)1842 Diopos der Nivelleur, į઀ȠʌȠȢ das Nivellirinstrument, als Gründer des Wegebaues, ab his traditam Italiae plasticen dicunt (Plin. [X]XXV, [1]52). In der Zeit der Tarquinier tritt Rom mit Etrurien in den nächsten Zusammenhang, ein Land, welches bes[onders] viele Einflüsse erlitten hat. In der Staatsverfassung des Serv[ius] Tullius, in der Bundesverfassung, in den Bauten [H. fol. 110 v.: der Tarquinier] u[nd] dem Handel Roms mit Phokäa, in dem eindringenden Apollodienst erkennen wir deutl[ich] den hellen[ischen], hochgradig korinth[ischen] Einfluß. Die Tyrrhener sind das griech[ische] Küstenvolk, dem etrusk[ischen] Reich einverleibt u[nd] in diesem Küstenland [finden wir die] ersten Spuren einer entwickelten ital[ischen] Kunst. Eine ausgebildete Kunst mit vielseitigem Kunstbetriebe, mit bestimmten Stilgesetzen finden wir zuerst als etrusk[ische] Kunst. Zuerst im etrusk[ischen] Tempelbau ratio tuscanica,1843 wir finden wesentl[iche] Analogien mit dem griech[ischen] Tempelbau, aber mit wesentl[ichen] Abweichungen, ein weiter vorspringendes Dach, hohe Giebel, weite Intercolumnien, meist daraus zu erklären, weil die Etrusker mit Holz bauten. – Auch die Rundbauten in Caere1844 u[nd] Alsion, das Tullianum in Rom1845 sind ganz dieselben [H. fol. 111 r.: Tholos-]Bauten, wie in Mykene u[nd] Orchomenos. – Die Hauptgattungen der Plastik: sind 1. Terracotten, dies ist die eigentl[ich] einheim[ische] Art der Plastik, u[nd] die von den Tarquiniern nach Rom gerufenen Künstler, Vulcai aus Veii, lieferte[n] für den Tempel des Jup[iter] Cap[itolinus] ein angestrichenes Thonbild (Plin. XXXV, 157)1846[,] fictilia animata, auch die Quadriga auf dem Tempel. – An die Terrakottaplastikii schloß sich die Erzplastik. [H. fol. 111 r.: Die reichen Städte Etruriens waren voll von Erzreichtum.] Volsinii soll deßhalb erobert worden sein, weil sie 2000 Erzstatuen hatte (Plin. XXXV, 74.)1847 Erhalten: i ii

Vulca : Volcannus. die Terrakottaplastik : sie.

1840 Cic., rep. II, 19, 35; Tusc. V, 37, 109; Liv. I, 34, 2; Dion. Hal. III, 46, 3–47, 1. – Einführung der Schrift: Tac., ann. XI, 14. – Einführung der Plastik: Plin., n. h. XXXV, 152. 1841 Plin., n. h. XXXV, 152. – Müller 1848, 53 § 75, 1; Brunn, GK I, 529; II, 5. 302. – Floren 1987, 196; zu Eucheir s. o. Anm. 599, zu Eugrammos Anm. 695. 1842 E. Curtius, Der Kunstheros Diopos, in: AZ 18, 1860, 110f. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 181 s. v. Diopos (R. V.). 1843 Bei Vitruv III, 3, 5: tuscanica mos; IV, 6, 6: tuscanicae dispositiones; IV, 8, 6: tuscanica genera. 1844 F. Prayon, Frühetruskische Grab- und Hausarchitektur, 22. Ergh. RM (1975). 1845 Tullianum, Teil des Carcer in Rom: Steinby, LTUR I, 236f. s. v. Carcer (F. Coarelli) Abb. 131–133. 182. 1846 Plin., n. h. XXXV, 157: Die von Vulca gelieferte Terrakottastatue des Jupiter Capitolinus wurde regelmäßig mit Zinnober gestrichen. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 509 f. s. v. Vulca (C. Weber-Lehmann). 1847 Plin., n. h. XXXIV, 34.

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

399

[die] Chimaira aus Arretium,1848 die Wölfin v[om] Capitol,1849 Weihestatuen, [so] eine Apollostatuette1850, auf dem linken Schenkel eine etrusk[ische] Inschrift, eine Kämpferstatue [H. fol. 111 r.: , ein Knabe mit einer Vase [?], eine orientalische Figur aus Perugia]. Zu den Erzwerken gehören bes[onders] die [als] Graphiti eingeritzte[n] Zeichnungen auf Spiegeln. [H. fol. 111 r.: Am Ausgezeichnetesten ist einer im Berliner Museum, ein echt hellenisches Kunstwerk: Apollo, Semele, Dionysos, ein kleiner Satyr. Die Namen sind etruskisch.] Von Skulpturen haben wir Grabsteine, die mit den alten griech[ischen] Grabsteinen merkwürdig übereinstimmeni, so ein cippus. In Reliefarbeiten [gibt es] eine reiche Auswahl etrusk[ischer] Kunst. Reliefs auf Aschenkisten, ein Relief in der Form einer Metope zwischen Triglyphen, der Ritt in die Unterwelt, Alabasterciste aus Volterraii, ebenso die Eos aus dem Meer aufsteigend.1851 Am eigenthüml[ichsten] vertreten ist die griech[ische] Kunst in den etrusk[ischen] Scarabäen, ein bedeutender früher bei Stosch, jetzt in Berlin,1852 [dargestellt sind] 5 Helden in Berathung, mit großen Köpfen Atrestheiii = Adrastos, Tute = Tydeus, Amphiareiv = Amphiaraos, Phulnice = Polyneikes, Parthenopaios (Apoll. III, 6, 4.)1853[.] Endl[ich] die Münzen, gegossene altital[ische] Asse. – Die Malereien: [H. fol. 111 r.: Der Kunstertrag aus den etruskischen Nekropolen bestand in griechischen Thongefäßen und in Wandmalereien.] Wandgemälde aus Corneto (Tarquinii); sie scheinen zwar griech[ische] Einflüsse erlitten [zu haben], sie sind aber doch wesentl[ich] modificirt. [H. fol. 111 v.: Sie zeigen uns zum i ii iii iv

übereinstimmen : übereinstimmt. Volterra : Volaterra. Atresthe : Adreste. Amphiare : Ampthiare.

1848 Chimaira von Arezzo, Florenz, Mus. Arch. Inv. Nr. 1: Die Etrusker 1993, 278–281; 379 Nr. 366. 1849 Lupa Capitolina, Rom, Kapitol, Konservatorenpalast Inv. Nr. 1181 (mittelalterlich): C. P. Presicce, La Lupa Capitolina (2000). 1850 Vermutl. Apollon von Ferrara, Paris, Cab. des Medailles Inv. Nr. B. B. 101: Die Etrusker 1993, 386 Nr. 403. 1851 Alabasterurne mit Eos, Volterra, Mus. Guarnacci Inv. Nr. 57: LIMC III (1986) 792 Nr. 11 mit Abb. s. v. Eos/Thesan (M. Bloch). 1852 Karneolskarabäus, Fünf der Sieben Helden gegen Theben, ehem. Slg. Stosch, Berlin, Antikensammlung FG 194: E. Zwierlein-Diehl, AGD II, 103–106 Nr. 237 Taf. 51; Die Etrusker 1993, 286 Abb.; 385 Nr. 400. 1853 Apollod. III, 6, 3.

400

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Theil das üppige Leben in den reichen etruskischen Städten.] Aus der Grotta di Cardinale ein Todtenzug.1854 Wir erkennen also verschiedene Einflüße, zunächst asiatisch[e], ferner ein ganz unläugbarer, griech[ischer] Einfluß, namentl[ich] v[on] Attika u[nd] Aegina. Auch anderweitige Einflüsse fanden Statt, was bes[onders] die frühe Spaltung im Alphabet [belegt]: etrusk[isches], umbr[isches], u[nd] osk[isches] auf der einen Seite, auf der anderen Seite das lateinische Alphabet. Hier müssen andere griech[ische] Einflüsse stattgefunden haben. Arch[äologische] Zeitung 1862 p. 2031855 [S. 113] Aber sie sind uns nicht so bezeugt, sie müssen auch langsamer stattgefunden haben. So die Emissaires1856 und alten Wasserbauten [H. fol. 111 v.: der Latiner]. Die [die] 1. Regungen einheim[ischer] Kunst [waren]. – 5. 3. 65 Damophilos u[nd] Gorgasos1857 (Plin. XXXV, 215) [waren als] griech[ische] Künstler in Rom beschäftigt, in dem von Cassius (493 a. Chr.) geweihten Tempel der Ceres1858 als Maler.1859 In Latium finden wir Spuren hellen[ischer] Kunst ganz verschieden von der etrusk[ischen]. Das Hauptdenkmal ist die Ficoronische Cista1860[,] 1763 in Praeneste (j[etzt] Palestrina) gefunden1861. – Dort sind viele [Cisten] gefunden, eine colossale v[on] Bronce im Museum Napoleon III.1862 – Die Fic[oronische] Cista ist rund, bestehend aus einer Metallplatte, welche gekrümmt ist. [Sie trägt folgende Inschriften:] Novios Plautius me Romae fecit u[nd] Dindia Macolnia me dedit1863. Es ist eine Umrißzeichnung[,] mit Grabstichel in die Platte geritzt, hier u[nd] da leichte Schraffierung. Das Höchste u[nd] Vollendeteste in der Graphitikunst. Plautius ist gewiß kein geborener Römer, Mommsen meint, er stamme aus Campanien, doch hat man [in] Praeneste mehrere [Inschrif1854 A. Morandi, Le pitture della Tomba del Cardinale. Monumenti della pittura antica scoperti in Italia III, 6 (1983). 1855 A. D. Michaelis, Athenische Vasen, AZ 20, 1862, 197*–204*. 1856 Emissaires, im Sinne von Ableitungskanälen. 1857 Damophilos und Gorgasos: Müller 1848, 62 § 82, 1; 199 § 180, 2; 452 § 319, 5; Brunn, GK I, 530; II, 57. 302. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 157 s. v. Damophilos (D. V.G.); 270 s. v. Gorgasos (D. V.-G.). 1858 Cerestempel in Rom: Steinby, LTUR I 260f. s . v. Aedes Cereris (F. Coarelli). 1859 Plin, n. h. XXXV, 154: Gorgasos und Damophilos schmückten den Tempel mit Werken der Plastik und Malerei. Weihender war der Konsul Sp. Cassius Vecellinus. 1860 Cista Ficoroni, Rom, Villa Giulia Inv. Nr. 24787: T. Dohrn, Die Ficoronische Ciste in der Villa Giulia in Rom (1972); G. Bordenache Battaglia - A. Emiliozzi (Hrsg.), Le ciste prenestine I, 2 (1990) 211–226 Nr. 68 Taf. 297–314. 1861 Die Ficoronische Ciste wurde 1738 in der Nekropole bei der Kirche S. Rocco in Palestrina gefunden. 1862 Cista Napoleone, Paris, Louvre Fr. 1663 (C 6759): G. Bordenache Battaglia - A. Emiliozzi (Hrsg.), Le ciste prenestine I, 2 (1990) 181–186 Nr. 59 (R. Leprévots Trogan). 1863 Die Inschriften lauten: Novios Plautios med Romai fecid und Dindia Macolnia fileai dedit.

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

401

ten] des Namens Plautius gefunden. – [Die Darstellung der Argonauten ist in] 3 Gruppen [unterteilt]: Amykosi v[on] Pollux im Faustkampf besiegt, wird an den Baum gebunden, die Victoria bringt den Siegeskranz, Minerva u[nd] Heroen sehen zu. Rechts die Argo, noch weiter eine Gruppe an einer Quelle, an ihr ein Silen, ein Argonaut trinkt, ein anderer ıțȚĮȝĮȤİ૙, stößt gegen einen am Baum hängenden Schlauch. Links ein Paar Freunde, ein anderer setzt eine Wasserurne in den Boden, oben ein Berggott mit einer taenia. – Vielleicht hat Plautius dies Blech nur zur Cista verarbeitet. Die Deckelfiguren u[nd] die Füße sind gegossen; erst später mit der Metallplatte verbunden. – Das Kunstwerk scheint (j[etzt] in Rom im Museum Kircherianum) aus dem 5. saec[ulum] der Stadt [354–255 v. Chr.]. Die campan[isch] griech[ische] Bildung zeigt sich bes[onders] in Münzen, die ältesten Gold u[nd] Silbermünzen sind in Campan[ien] od[er] von campan[ischen] Künstlern auch in Rom gemacht. 4061864 wurde die offizielle Silberprägung in Rom eröffnet. (Mommsen, Gesch. des röm. Münzwesens p. 213.)1865 – Nachdem der Geschmack für griech[ische] Kunst so vorbereitet war, kamen die Römer als Sieger mit den Griechen zusammen u[nd] führten die Götter der [jeweils] besiegtenii Stadt davon (evocatio.) Jetzt kamen [Kunstwerke] aus Tarent, Syrakus (212), aus Makedonien, Syrien. Im Anf[ang] verhielten sich die Röm[er] zu den Kunstwerken stumpf, so Mummiusiii. (Vell. Paterc. I, 13, 4[,] Polyb. XL, 8.)1866 Bald wurde es anders, man raubte nicht mehr plump, sondern mit Auswahl u[nd] Geschmack u[nd] dies steigerte sich allmäl[ich] zu einer Leidensch[aft:] statuas insanire. [H. fol. 112 r.: Das Streben nach Privatsammlungen trat jetzt ein.] Entscheidung für diese Wendung waren die Winterquartiere der Römer in Asien 84/83. Sulla war Kunstkenner u[nd] man sammelt Gemmen, Kostbark[eiten] u.s.w. Sullas Stiefsohn, [M. Aemilius] Scaurusiv, besaß die erste Daktyliothek.1867 Aber noch lange blieb der in der röm[ischen] Natur begründete Übelstand1868. Viele dachten wie Cato (Liv. XXXIV, 4[, 3–5),] zum Unglück sind die Statuen nach Rom gekommen. [H. fol. 112 r.: und Cicero ist halb erschreckt darüber, daß er sich in Sicilien Kunstkenntniß erwerben [mußte]] [(]Cic. Verr. IV, 2, 7)1869. Aber die Kunst gewann Boden. Bis zum Principat dauert die Zeit des Conflictes, das Principat war die ausgleichende Macht, es hatte den Zweck[,] i ii iii iv

Amykos : Amikos besiegten : siegreichen. Mummius : Memmius. Scaurus : Scaevus.

1864 1865 1866 1867 1868 1869

406 a. u. c. = 348 v. Chr.; nach Plin., n. h. XXXIII, 44: Jahr 485 der Stadt (269 v. Chr.). Th. Mommsen, Geschichte des römischen Münzwesens (1860) 213. Vell. I, 13, 4; Polyb. XXXIX, 2 (XL, 7) nach Strab. VIII, 6, 23 p. 381. Plin., n. h. XXXVII, 11. Gurlitt: Übelstand, Hiller fol. 112 r.: Widerstand. Cic., Verr. II, 4, 2: Cicero will vor den Richtern nicht als Kunstkenner gelten.

402

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Griech[en] u[nd] Röm[er] zu vermählen, so [finden wir] unter den Juliern u[nd] Flaviern u[nd] unter den Antoninen eine neue Zeit der Restauration, aber bald nachher zeigt sich Leere u[nd] Geschmacklosigk[eit]. – Bes[onders] der Eindruck der Diadochenstädte machte den größten Einfluß auf die röm[ische] Baukunst, sie ahmte namentl[ich] die Basiliken nach, Langhäuser mit Vorhallen, seit den makedon[ischen] Siegen. Die Basiliken verdrängen die Tonnen[?]bögen, der Marmor tritt [H. fol. 112 v.: um die Zeit des Augustus] an die Stelle des Travertin (lapis Tiburtinus.), gerade damals wurde der Carrarische Marmor (marmor Lunense) gefunden.1870 Die Künstler gingen schon am Ende der Republik aus Griechenland nach Rom u[nd] die eklekt[ische], neu-att[ische] Schule setzte sich in Rom fort: Pasiteles1871, Zeit des Pompeius (Plin. XXXIII, 156)[.] Sein Schüler war Stephanos1872 (corp. inscr. [graec. III] 6169)1873, desseni Schüler war Menelaos,1874 von ihm haben wir eine merkwürdige Gruppe in der Villa Ludovisi: Merope u[nd] Aipytosii nach O. Jahn, früher Orest u[nd] Electra.1875 Des Pasiteles Schüler war Arkesilaos,1876 Meister der Venus Genetrix, seine Modelle (Plin. XXXV, 155) wurden i ii

dessen : sein. Aipytos : Aipitos.

1870 Plin., n. h. XXXVI, 48. 135. 1871 Pasiteles: Müller 1848, 16 § 35, 1; 225 § 196, 2; 430f. § 310, 2; Brunn, GK I, 243. 595. 599ff. II, 401; Overbeck, Geschichte II 269f. – Lippold, Plastik 386; Stewart 1990, 21. 25. 64. 69. 230. 299. 306f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 192–196 s. v. Pasiteles (P. Moreno). 1872 Stephanos: Müller 1848, 225 § 196, 2; Brunn, GK I, 596; Overbeck, Geschichte II 270. – Lippold, Plastik 386; Stewart 1990, 28. 230. 307. 318; Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 420–422 s. v. Stephanos (I) (H. Weinstock). 1873 CIG III Nr. 6169. – Loewy 1885, 262 Nr. 374; IG XIV, 1261. 1874 CIG III Nr. 6166. – Loewy 1885, 263 Nr. 375; IG XIV, 1250. – Menelaos: Müller 1848, 225 § 196, 2; Brunn, GK I, 598; Overbeck, Geschichte II 270–273. – Lippold, Plastik 386; Stewart 1990, 307. 324; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 148 s. v. Cossutius Menelaos (R. V.). 1875 Statuengruppe, sog. Orest und Elektra, ehem. Slg. Ludovisi, Rom, Mus. Naz. Inv. Nr. 8604: O. Jahn, Einige antike Gruppen, welche Orestes und Elektra darstellen, in: Berichte der Königl. Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-histor. Classe 13, 1861, 100–132 Taf. 4. – Museo Nazionale Romano I, 5, 84–89 Nr. 35 (B. Palma); D. Kreikenbom, Die “Stillen Vertrauten”, in: Gedenkschrift für Andreas Linfert (1999) 343–355 Taf. 98. 99. 101. 1876 Arkesilaos: Müller 1848, 225 § 196, 2; Brunn, GK I, 600; Overbeck, Geschichte II 274f. – Lippold, Plastik 386; Stewart 1990, 67. 167. 307f.; Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 94f. s. v. Arkesilaos (IV) (G. Bröker).

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

403

höher bezahlt als die Marmorwerke anderer. Diogenes (s.o.)1877 – Bes[onders] die [S. 114] caelaturai argenti kam in Schwung, der berühmteste war Mentor,1878 der Benvenuto Cellini des Alterthums. Seine Hauptwerke sind mit dem Artemision in Ephesos verbrannt (Plin. XXXIII, 154.), also vor Ol. 106 [356–353 v. Chr.] (Luc. Dex.)1879[.] [H. fol. 112 v.: Doch war er bei Römern mehr als bei den Griechen berühmt.] Ferner zeichnete sich Zopyros1880 (Plin. XXXIII, 156) [aus als] celator argenti, qui Areopagitas et Orestis iudicium celavit, [ein] Zeitgenosse des Pomp[eius]. Einen solchen Becher hat man in Antium gefunden, j[etzt] im Palast Corsini, [daher] das Corsinische Silbergefäß[,] 1859 herausgegeben v[on] Ad. Michaelis: wohl nicht von Zopyros.1881 Die Kaiserzeit konnte nur günstigii auf die Kunst wirken, [H. fol. 113 r.: , durch das neu erwachte Studium und die Gunst der Verhältnisse,] u[nd] man stellte jetzt Kunstwerke hervor, die [H. fol. 113 r.: , abgesehen von der Einfalt,] den hervorragendsten Werken der alten Zeit gleichgestellt werden konnten. Es ist so sehr schwierig, bedeutende Kunstwerke der Kaiserzeit abzusprechen, ein Hauptindicium ist immer der Marmor. – Aus diesem Marmor Lunense ist der Apollon Belvedere1882, in Antium gefunden worden, für Nero ausgeführt zum Schmuck seiner Antiatischen Villa, Julius II. besaß ihn vor seiner Pabstwahl u[nd er] kam dann in die Sammlung des Vaticans, mit dem borghesischen Fechter gefunden.1883 – Den Apollon v[om] Belvedere hat man für eine der höchsten Leistungen der griech[ischen] Kunst gehalten. – Früher meinte [man] allgemein, es sei Apollon[,] wie er den Drachen Python erlege, so Winckelmann, od[er] den Tityos, Anselm Feuerbach dachte sich den Apollo, wie er die Furien aus dem Tempel scheuche.1884 Im Ganzen war man überzeugt, er strecke mit der Linken den Bogen, u[nd] wolle mit der Rechten den Pfeil auflegen. i ii

caelatura : celatura. günstig : geistig

1877 s. o. Anm. 1821. 1878 Mentor: Müller 1848, 118 § 124, 1; 165 § 159, 1; Brunn, GK I, 299. 423; II, 399. 408. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 73 s. v. Mentor (M. Seifert). 1879 Lukian., Lex. 7. 1880 Zopyros: Müller 1848, 225 § 196, 3; Brunn, GK II, 412. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 537 s. v. Zopyros (F. Baratte). 1881 Silberkantharos, sog. Coppa Corsini, Rom, Pal. Corsini Inv. 671: A. Michaelis, Das Corsinische Silbergefäß (1859). – G. de Luca, I monumenti antichi di Palazzo Corsini in Roma (1976) 127–132 Nr. 73 Taf. 106–109. 1882 Apollon vom Belvedere, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 1015: s. o. Anm. 81. 1883 Der borghesische Fechter wurde 1611 in Nettuno bei Antium gefunden, F. Haskell–N. Penny, Taste and the Antique² (1982) 221, die Herkunft des bereits Ende des 15. Jahrhunderts gefundenen Apoll vom Belvedere ist unbekannt, Vatikanische Museen, Bildkatalog II, 7*. 1884 J. J. Winckelmann, Geschichte der Kunst des Alterhums (2. Auflage 1776) 314ff.; A. Feuerbach, Der Vaticanische Apollo. Eine Reihe archäologisch-ästhetischer Betrachtungen² (1855).

404

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Der linke Unterarm ist neu. Jetzt ist eine Broncestatue zum Vorschein [gekommen], 1792 in Epirus gefunden, j[etzt] im Besitz des Grafen Stroganoff in Petersburg, herausgegeben v[on] Stephani Petersburg 1860.1885 Diese Figur hat keinen Bogen in der Hand, sondern die Aegis, Stephani deutete nach Il. XV, 121.1886 Die Stroganoffstatue ist aus 5 Theilen zusammengesetzt, aber dieselben Motive sind in beiden Statuen sichtbar. Die Deutung auf die Aegis wird bestritten; Duc de Luynes hielt dies Fell füri einen Rest von der Haut des Marsyas, ebenso Wieseler, später zurückgenommen.1887 Wahrscheinl[ich] ist, daß beide [Statuen] mit der Aegis zu denken sind, u[nd] zwar nur [in der Bedeutung des Apoll], der sein delph[isches] Eigenthum u[nd] Heiligthum schützt, so nennt ihn Preller ਝʌ>ંȜȜȦȞ@ ȈȦIJ੾ȡ[,] der die Gallier 2611888 aus dem Heiligthum scheuchte unter Donner u[nd] Ungewitter.1889 Die Aegis ist ja Symbol des Donners. Die Erinnerung an diese Befreiung feierten die Delphier im Feste der ȈȦIJ੾ȡȚĮ ebenso Welcker, O. Jahn.1890 Dann müssen wir unser Bild als Nachahmung einer solchen delph[ischen] Statue erkennen. 7. 3. 65 Sehr viele der von Augustus auf öffentl[ichen] Plätzen aufgestellten Plastikenii, waren hauptsächl[ich] aus Alexandria (Dio Cass. 51, 171)1891[.] Andere Werke [wurden] als Ehrengabe od[er] als Buße abgeliefert u[nd] zu Aug[ustus’] Zeit wurden Werke älterer Kunst nach Rom gebracht. Bes[onders] ein palatin[isches] Heiligthum 726 a.u.c. [28 v. Chr.] eröffnet, die goldene Phoebushalle (Prop. II, 31[, 1f.]. Stark, Niobe p. 138.)1892[.] Ferner die neuen Kaiserfora, [H. fol. 113 v.: die mit griechischen Statuen ausgestattet wurden,] zunächst das forum Iulium.1893 Es fehlt noch immer eine Arbeit, welche nur eine Übersicht über die Kunstwerke u[nd] ihre Aufstellung gibt. Je weniger wir die Bilder ideellen u[nd] myth[ischen] i ii

für : wie. aufgestellten Plastiken : aufstellte.

1885 Apollon Stroganoff, Bronzestatuette, neuzeitliche Fälschung: L. Stephani, Apollon Boedromios, Bronze-Statue im Besitz S. Erl. des Grafen Sergei Stroganoff (1860). 1886 Hom., Il. XV, 229f. 306–327. 1887 F. Wieseler, Der Apollon Stroganoff und der Apollon vom Belvedere (1861); ders., Epilog über den Apollon Stroganoff und den Apollon vom Belvedere, in: Philologus 21, 1864, 246–283. 1888 Gurlitt: 261, Hiller fol. 113 v.: 280. 1889 279 v. Chr. Ausführlich Paus. X, 22,12–23,14. – L. Preller, Delphica. 2. Apollo Delphinios, in: Berichte der Königl. Sächs. Ges. der Wiss., Philol.-histor. Classe 6, 1854, 140– 152. 1890 F. G. Welcker, Der vaticanische Apollo, in: AZ 20, 1862, 331–333; O. Jahn, Der Apollo von Belvedere, in: AZ 21, 1863, 66–69. 1891 Dio Cass. LI, 17, 6–8. 1892 Stark 1863, 138 ff. 328. – Steinby, LTUR I, 55 s. v. Apollo Palatinus (P. Gros). 1893 Forum Iulium: Steinby, LTUR II, 299–306 s. v. Forum Iulium (C. Morselli) Abb. 116. 129–146.

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

405

Charakters scheiden können, um so wichtiger sind die histor[ischen] Denkmäler alsi a. Statuen. b Büsten[.] c Reliefs[.] a) [Statuen in] zweifacher Art, entweder wurde[n] die histor[ischen] Persönlichk[eiten] civili habitu, als togati, [bzw.] als Imperatoren, als Krieger dargestellt, od[er] heroisirt: statuae Achilleae.1894 Dies hängt mit dem Cult von Zeitgenossen u[nd] verstorbenen Kaisern [zusammen]. Diese Unsitte stammt aus Griechenland, Kleinasien. Zuerst von Lysandros, bes[onders] aber in Kleinasien (Plut. Lys.)1895[.] Dann [wurde auch] Mithradates als Gott verehrt, ferner die röm[ischen] Proconsuln, wenigstens construirte man ihre Legende. Diese Sitte kam auch nach Rom[,] u[nd] als das Geschlecht der Julier an die Spit- [S. 115] ze des Staates trat, so wurde esii mehr als menschliche Wesen verehrt, wie Götter aufgefaßt u[nd] dargestellt. Caesar als divus Iulius, als 2. Romulus verehrt. Aug[ustus] trat vorsichtiger, behutsamer auf, er gestattete nur[,] ihm in den Provinzen göttl[iche] Ehren zu erweisen u[nd] nur in Gemeinsch[aft] mit der Roma. – Diese Sprödigk[eit] hörte bald auf[,] u[nd] es gingen die Kaiser so weit, daß sie auch andere apotheosirten, so Hadrian seinen Liebling Antinous. So wenig dies eigentl[ich] ein Gedanken ist, der die Kunst innerl[ich] neu beleben konnte, so haben wir doch eine Reihe von treffl[ichen] Werken über den Cultus der gens Iulia, bes[onders] unter deniii geschnittenen Steinen (Plin. XXXVII, 8)[.] Dioscorides od[er] Dioskurides1896 war der privilegirte Künstler des kaiserl[ichen] Hauses (Suet. Oct. 50)1897[.] Erhalten 1. ein Wiener Cameo1898 (Sardonyx aus 2 Lagen)[,] Aug[ustus] als Jup[iter] nebeniv der Roma, mit dem Zeichen des capricornus über dem Haupte, hinter ihm die Oikumene mit Mauerkrone u[nd] Schleier, mit dem Eichenkranz. Aber nicht die Erde allein, sondern auch das Meer sind ihm unterthan. An den Sessel des Aug[ustus] lehnt sich die Abundantia (Grata plenus copia cornu Hor. Carm. Saec.)1899, den Epheu im Haar, bequem gelagert, die Productivität durch 2 Genien dargestellt, der eine mit den Ähren. Der Adler sitzt unter Aug[ustus], er setzt seinen Fuß auf die Waffen; Roma eigentl[ich] der Typus der krieger[ischen] i ii iii iv

als : .1.. es : ihm. unter den : mit. neben : über.

1894 Plin., n. h. XXXIV, 18: effigies Achilleae. 1895 Plut., Lys. 18. 1896 Dioskurides: Müller 1848, 231 § 200, 1; Brunn, GK II, 448f. 451. 454. 458. 462. 469. 479–497. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 182f. s. v. Dioskurides (IV) (W.-R. Megow). 1897 Plin., n. h. XXXVII, 8; Suet., Aug. 50. – Die Lesung Dioscorides bis zur PliniusAusgabe von Sillig 1851 und auch in den älteren Sueton-Ausgaben. 1898 Wien, Kunsthist. Mus. Inv. IX a 79 (Gemma Augustea): Megow 1987, 155–163 Kat.-Nr. A 10 Taf. 3–6. 1899 Hor., carm. saec. 59f.: apparetque beata pleno / Copia cornu.

406

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

Athena, Aug[ustus] hält Skeptron u[nd] Lituus. Unter seinen Auspicien hat Tiberius einen Feldzug ausgeführt, er steigt vom Sieges-Wagen, mit der Victoria, Tib[erius] hat in der Hand die Rolle des Siegesberichtes. Vor ihm [steht] Germanicus, der Antheil am Sieg u[nd] den honores triumphales hat. In der unteren Schicht [...] Szenen, Krieger errichten ein tropaeum. Die Besiegten sind unter den Bäumen sichtbar. Rechts leichtbewaffnete Krieger (socii) mit thessal[ischem] Hut, Gefangene herbeischleppend, ein Weib u[nd] einen alten Mann. Die Gefangenen sind wohl Illyrier. 2.) ein Pariser Cameo,1900 durch Balduin II. an Ludwig den Heiligen gebracht.1901 3 Schichten,1902 3 Stockwerke. 1' hoch, in neuerer Zeit durch Feuer beschädigt; hier ist Tiberius als Jup[iter] dargestellt, nebenIIi ihm [sitzt] Livia, als Ceres dargestellt, mit Mohnstengel in der Hand. Vor dem Tib[erius] stehenii Germanicus u[nd] Agrippina, die ihm den Helm aufsetzt, neben ihm Caligula. Zu den Füßen der Livia sitzt ein lyd[ischer] Knabe, eine Geiseliii. Rechts von der Livia ein behelmter Krieger, wahrscheinl[ich] der jüngere Drusus. Dann noch 2 Figuren[,] rechts u[nd] links. Links wohl eine Muse, die Klio oder Kalliope, welche die Thaten des Germanicus zu verherrl[ichen] bereit ist, schließl[ich] die andere Muse[,] eine Polyhymnia. – Die obere Gruppe spielt im Olympos; hier sind die Götter des Geschlechtes vereinigt, dort sitzt der Ahn der Gesellschaft, der divus Julius mit Scepter u[nd] verhülltem Haupte, vor ihm schwebt Aeneas mit der Erdkugel in der Hand. Zu diesen erhebt sich [H. fol. 114 v.: auf einem Flügelrosse] einer, der jetzt erst ankommt, wahrscheinl[ich] der Germanicus, der Amor scheint eine Hindeutung auf das [H. fol. 114 v.: früh verstorbene] Kind des Germanicus zu sein. Auf der anderen Seite wohl der ältere Drusus. Endl[ich] unten german[ische] Völker, besiegt u[nd] trauernd dargestellt. – 3. ein Wiener Sardonyx1903[,] Livia als magna mater, mit Mauerkrone u[nd] Schleier, in der Hand die Büste des Aug[ustus] tragend, eine Priesterin des Staates, als mater patriae. 4.) ein Pariser Sardonyx1904[,] Germanicus unter dem Bilde des Triptolemos, mit Agrippina1905 als Demeter thesmophorus. Ein ähnl[icher] i ii iii

neben : über. stehen : steht. Geisel : Geißel.

1900 Paris, Cab. Med. 264 (Grand Camée): Megow 1987, 202–207 Kat. Nr. A 85 Taf. 32. 33. 1901 Der Cameo ist 1341 im Inventar der Sainte-Chapelle von Paris nachgewiesen, Megow 1987, 202. 1902 Sardonyx in 5 Schichten. 1903 Wien, Kunsthist. Mus. Inv. IX a 95: Megow 1987, 254 Kat. Nr. B 15 Taf. 9, 1–3. 1904 Paris, Cab. Med. 276: Megow 1987, 207 Kat. Nr. A 86 (Claudius und Agrippina minor) Taf. 27, 3. 1905 Agrippina maior.

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

407

Gedanke [ist ausgedrückt] in der Silberschaale aus Aquileia in Wien.1906 Ferner 5. das Beuthsche Onyxgefäß, im Antiquarium in Paris.1907 [H. fol. 114 v.: Andere Kunstrichtungen wurden durch literarische Interessen hervorgerufen.] Das Sammeln von Büchern u[nd] Portraits berühmter Männer war ein Lieblingsgegenstand, bes[onders] Asinius Pollio [hatte] ein atrium libertatis, mit der Skulpturengallerie eine Bibliothek vereinigend.1908 Dadurch eine große Menge Portraitstatuen veranlaßt. Wenig bedeutende Männer der Geschichte haben [Bildnisse erhalten], wohl aber viel[e] Litterat[en]. Namhaft die Sophokles-Statue1909[,] bei Terracina [S. 116] gefunden, vortreffl[ich] erhalten, eine der edelsten Statuen des Alterthums, bekleidet, im Haar mit der Binde an die Siege erinnernd. Dieser sehr verwandt [ist] die in Herculanum gefundene, auch im Lateran aufgestellte, Statue des Aeschines.1910 Ferner [die Statuen des] Menandros u[nd] Posidippos1911, beide aus pentel[ischem] Marmor, welche immer auf der Oberfläche der Erde waren, denn sie wurden als Heilige in der Kirche San Lorenzo in Rom verehrt. – Für die echtröm[ische] Auffassung des Portraits sind bes[onders] interessant: die Bildnißgruppe eines Ehepaares, die Matrone u[nd] Tochter aus Herculaneum (j[etzt] in Dresden)[,] 1711 bei Portici gefunden, der erste Anstoß zu den Nachgrabungen in Herculanum.1912 Ferner die Familie des Balbus, beim Tempel in Herculaneum [gefunden].1913 Die Frauengewandung wie bei der Dresdner, das Obergewand von feinem Gewebe, so daß das Untergewand durchschimmert, alles ganz vollendet. – Ferner [gibt es Porträts] v[on] Julius Caesar, Agrippa, Pompeius (Palazzo Spa1906 Silberteller, aus Aquileia, Wien, Kunsthist. Mus. Inv. VII A 47: LIMC IV (1988) 905 Nr. 164 s. v. Demeter/Ceres (St. de Angeli) Taf. 608. 1907 Gurlitt(irrtümlich): in Paris, Hiller fol. 114 v.: Berliner Onyxgefäß. – Onyx-Alabastron Berlin, Antikensammlung FG 11362: E. Zwierlein-Diehl, Das Onyx-Alabastron aus Stift Nottuln in Berlin, BWPr 138 (1999). 1908 Plin., n. h. VII, 115; XXXV, 9.10; Ov., trist. III, 1, 71f.: In den atria des Tempels der Libertas hatte Asinius Pollio seine Bibliothek, die erste öffentliche in Rom, eingerichtet. 1909 Sophoklesstatue, Rom, Vat. Mus., Mus. Gregoriano Profano et Lateranense Inv. 9973: Vorster, Museo Gregoriano Profano II, 1, 154–159 Nr. 67 Abb. 297–308. 1910 Aeschinesstatue, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 6018: Richter, Portraits II, 213 Nr. 6 Abb. 1369–1371; Museo Nazionale di Napoli I, 2, 130f. Nr. 171. 1911 Sitzstatue des Poseidippos, gefunden bei San Lorenzo in Panisperna, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 735: Amelung, Vat. Kat. II, 469–472 Nr. 271 Taf. 54; Richter, Portraits II, 238 Abb. 1647–1650; K. Fittschen, AM 107, 1992, 229–271 Taf. 61. 62, 1. 2; 63, 1; 67, 3.4. – Sitzstatue des Pseudo-Menander, ebendort gefunden, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 588: Amelung, Vat. Kat. II, 577–582 Nr. 390 Taf. 54; Fittschen, ebenda Taf. 77. 82. 84, 1. - Beide Statuen waren nicht in San Lorenzo aufgestellt. 1912 Große und Kleine Herkulanerin, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Skulpturenslg. Hm 326. 327: K. Knoll - H. Protzmann - I. und M. Raumschüssel, Die Antiken im Albertinum (1993) 30–32 Nr. 13. 14. – Es handelt sich nicht um römische Bildnisse. 1913 Porträtstatuen der Familie des Nonius Balbus, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6104. 6211. 6167. 6246. 6168. 6244. 6248. 6249: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 118f. Nr. 106–113.

408

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

da)1914[,] vom Augustus, vortreffl[iche] Bildwerke, letzter[er] im Friedensgewand [H. fol. 115 r.: als Togatus] [und] als Jupiter, in neuester Zeit einer der bedeutendsten Funde [:] an der Via Flaminia[,] wenig Miglien außerhalb des jetzigen Roms[,] bei der Villa der Livia Augusta ist vor kaum 2 Jahren eine guterhaltene Statue gefunden1915. Röm. Annalen, herausgegeben v[on] Ulrich Koehler.1916 Auf dem Panzer sind Thaten des Aug[ustus] dargestellt, ganz vortreffl[ich,] die anderen weit zurücklassend. Eine vortreffl[iche] Tiberiusstatue, u[nd] die Agrippina im Lehnstuhl bequem hingelegt,1917 ein echter Typus der vornehmen Frau des damal[igen] Roms. Endl[ich] unter Nero war bes[onders] thätig: Zenodorus aus Massilia,1918 ein Meister im Kleinsten u[nd] Größten. In Rom errichtete er einen Coloss des Nero 190' hoch, das Thonmodell war schön, aber der Erzguß gelang nicht nach Wunsch. ea statua indicavit interisse fundendi aeris scientiam (Plin. XXXV, 46.)1919 Dies[es Standbild] wurde nach dem Brande vor dem Goldenen Hause aufgestellt, später wurde es ein Coloss zu Ehren des Sol1920. Wahrscheinl[ich] hat von ihm das Colosseum seinen Namen. 8. 3. 65 Die Zeit der Flavier. Triumphbogen, als Einzugspforten, ursprüngl[ich] nur provisorisch, später wurden sie monumental u[nd] mit Reliefs u[nd] Statuen geschmückt. Wohlerhalten ist der Triumphbogen des Titus mit 2 Reliefs1921: Einzug in die Stadt mit den Trophäen des Sieges, Titus selbst von der Roma geleitet u[nd] einer Victoria gekrönt. Ferner waren Statuen der besiegten Nationen [Schmuck der Triumphbögen], berühmt [ist] eine in Florenz (Loggia dei Lanzi) aufgestellte Statue einer edlen Frau, in der Gefangensch[aft],1922 Goettling meint, 1914 Rom, Palazzo Spada 1818, sog. Pompeius Spada, mit modernem Kopf: D. Kreikenbom, Griechische und römische Kolossalporträts bis zum späten 1. Jh. n. Chr., 27. Ergh. JdI (1992) 242f. Kat. Nr. V 13. 1915 Statue des Augustus von Primaporta, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 2290: D. Boschung, Die Bildnisse des Augustus (1993) 179–181 Nr. 171 Taf. 1,5; 69; 70; 82,1; 148,1; 213. 1916 U. Köhler, Statua di Cesare Augusto, in: AdI 35, 1863, 432–449; MonInst VI/VII Taf. 84, 1.2. 1917 Sog. Agrippina, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 6029: Museo Nazionale di Napoli I, 2, 156f. Nr. 23. 1918 Zenodorus von Massilia: Müller 1848, 226f. § 197, 3. 4; Brunn, GK I, 603; II, 401; Overbeck, Geschichte 277. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 529f. s. v. Zenodorus (R. V.). 1919 Gurlitt (irrtümlich): 190', Hiller fol. 115 r.: 119ƍ. – Plin., n. h. XXXIV, 45. 46. – Die Statue war nach Plinius 119, 5 Fuß hoch. 1920 Suet., Vesp. 18; Plin., n. h. XXXIV, 45. – M. Bergmann, Der Koloss Neros, die Domus Aurea und der Mentalitätswandel im Rom der frühen Kaiserzeit, 13. TrWPr (1994). 1921 M. Pfanner, Der Titusbogen (1983) 44–76 Taf. 45–67. 1922 Sog. Thusnelda, Florenz, Loggia dei Lanzi: G. Campecchi, Le statue antiche della Loggia dei Lanzi, BdA 60, 1975, 169–178; G. Giusti, The Statues of the Loggia della Signoria in Florence: Masterpieces Restored (2002) 99–103 (Daniela Manna).

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

409

es sei die Thusnelda, die in Rom im Triumph aufgeführt wurde.1923 Die Statue ist wohl von einem Triumphbogen des Germanicus. (Goettling hat nicht Recht.) Die Reiterstatue des Domitian, welche Statius kannte,1924 das Forum Palladium1925 mit Halle u[nd] Reliefs[,] die Werke der ਝșȘȞ઼ ਫȡȖ੺ȞȘ darstellend,1926 sind noch an Ort u[nd] Stelle. Unter Traianus überbot an Großartigk[eit] der Bauten alles frühere Apollodoros aus Damaskus [H. fol. 115 v.: als der letzte namhafte Baumeister betrachtet] (Dio Cass. LXIX, 4)[.]1927 Bewundert war sein Forum Traiani,1928 das künstl[ich] bedeckt war, in der Mitte die columna Traiani,1929 noch erhalten, um den Kern der Säule windet sich ein [Relief]Streifen, die Kriegsgeschichte Trajans darstellend. Im Louvre galvanoplastisch nachgebildet. Diese Form [des Denkmals] ist neu, inwendig ist die Säule hohl mit einer Treppe. Die Fülle der Gruppen verwirrt, die Reliefs sind gegen ihre Natur malerisch. – Hadrianus betheiligte sich persönl[ich] (Ath. p. 361) an den Werken der Kunst. Er war selbst Architekt, baute aber nicht blos in Rom. Hier baute er den [H. fol. 115 v.: größten der damaligen Tempel, den] Tempel der Venus u[nd] Roma,1930 von dem noch 2 Nischen erhalten sind, ferner die moles Hadriani am Tiber, vor Rom[,] die heutige Engelsburg ([s]ein Grabmal).1931 [H. fol. 116 r.: Endlich war eine ausgezeichnete Schöpfung] Die villa Tiburtina1932 umfaßte Darstellungen aller Orte, die aus dem Alterthum berühmt waren, griech[ische] u[nd] aegypt[ische] Alterthümer waren nachgebildet. (Spartian. vit. Hadr. 26.)1933 Er schuf ein neues Athen, welches er

1923 Gurlitt: Goettling meint, es sei die Thusnelda, die in Rom im Triumph aufgeführt wurde, Hiller fol. 115 v.: Göttling hatte den glücklichen, wenn auch unerweisbaren Gedanken, sie sei auf Thusnelda zu beziehen. – C. Göttling, Thusnelda, Arminius’ Gemahlin, und ihr Sohn Thumelicus in gleichzeitigen Bildnissen nachgewiesen (1843). 1924 Stat., silv. I, 1. 1925 Nerva-Forum: Steinby, LTUR II, 307–311 s. v. Forum Nervae (H. Bauer – C. Morselli) Abb. 115f.; 147f. 1926 Fries des Nerva-Forums: E. D’Ambra, Private lives, imperial virtues. The frieze of the Forum Transitorium in Rome (1993). 1927 Dio Cass. LXIX, 4: Apollodorus von Damaskus errichtet in Rom das Forum, Odeion und Gymnasion. - Apollodorus von Damaskus: Brunn, GK II, 336. 340. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 66f. s. v. Apollodoros (VI) (W. Müller). 1928 Trajansforum: Steinby, LTUR II, 348–356 Abb. 116. 170–177; J. E. Packer, The Forum of Trajan in Rome. A study of the monuments (1997). 1929 Trajanssäule: Steinby, LTUR II, 356–359 Abb. 171. 178f.; P. J. E. Davies, AJA 101, 1997, 41–65. 1930 Ath. VIII p. 361 f. – Venus- und Romatempel: P. Liljenstolpe, OpRom 20, 1996, 47–67; Steinby, LTUR V, 121–123 s. v. Venus et Roma, aedes, templum (A. Cassatella). 1931 Mausoleum Hadriani: E. Nash, Bildlexikon zur Topographie des antiken Rom II (1962) 44–48. 1932 Villa Hadriana: W. L. Macdonald–J. A. Pinto, Hadrian’s Villa and its legacy (1995). 1933 Hist. Aug., Hadr. 26, 5.

410

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

durch die porta Hadriani1934 mit dem alten verband, er vollendete das Olympieion am Ilissos.1935 Bei all diesen Gelegenheiten huldigte Hadr[ian] dem eklektischen Stile. Etwas Neues von ihm war der Cult des Antinoos. Der Sage nach sollte sich dieser schöne Jüngling für Hadr[ian] aufgeopfert haben. [H. fol. 116 r.: Er wurde von ihm vergöttert und auffällig dargestellt.] Wie früher die Darstellung des Alexander, so gab jetzt die Persönlichk[eit] des An[S. 117] tinoos der Kunst einen neuen Vorwurf. Die schönste Darstellung ist die colossale Statue Mondragone im Louvre.1936 Winckelmann hielt sie für das schönste Werk des Alterthums neben dem Apollo v[om] Belvedere.1937 Eine gute Darstellung als Agathodämon auch in Berlin.1938 [H. fol. 116 r.: Charakteristisch ist immer der etwas gesenkte Kopf, die tief liegenden Augen, die breite Brust.] Eigenthüml[ich] ist der schwärmer[isch] - sentimentale Zug. Unter den Antoninen trat eine kühlere Kunstrichtung ein. Die Werke sind meist sehr nüchtern. So die Reiterstatue des Marc Aurel,1939 den man irrthüml[ich] für Constantin hielt u[nd] der deßwegen erhalten geblieben ist. [H. fol. 116 r.: Sie wurde auf dem Kapitol von Michelangelo aufgestellt. Die Auffassung ist schlicht bürgerlich, man erkennt den Kaiser, der zugleich Stoiker ist.] – Das Marmorpostament der v[on] Marc Aurel u[nd] Lucius Verus dem Antoninus Pius errichteten Granitsäule.1940 [Sie zeigt] Antoninus u[nd] Faustina v[on] Genien in die Luft getragen, [die] Darstellung des campus Martius als [jugendlichen Genius]. In der Villa Albani: Antoninus Pius in der sella curulis.1941 Die Ehrensäule des Marc Aurel1942[,] v[on] Commodus erricht[et]: Kämpfe mit Marcomannen. Der Triumphbogen des Septimius Severus1943 zeigt 1934 Hadrianstor in Athen: Travlos, Athen 253–257; D. Willers, Hadrians panhellenisches Programm. Archäologische Beiträge zur Neugestaltung Athens durch Hadrian, 16. Beih. AntK (1990) 68–92. 1935 Olympieion in Athen: Willers, a. O. 26–53. 1936 Antinous Mondragone, Paris, Louvre Ma 1205: K. de Kersauson, Musée du Louvre. Catalogue des portraits romains II. De l’année de la guerre civile (68–69 après J.-C.) à la fin de lÈmpire (1996) 154f. Nr. 63. 1937 Gurlitt: neben dem Apollo v[om] Belvedere, Hiller fol. 116 r.: nach dem Ap. v. Belv. und dem Laokoon. – J. J. Winckelmann, Monumenti antichi inediti (1767) Nr. 179. 1938 Antinous, Berlin, Antikensammlung Sk 361: H. Meyer, Antinoos (1991) 33f. Nr. I, 11 Taf. 9; A. Scholl, A. Backe, Antinoos, Geliebter und Gott, in: JbPreussKult 41, 2005, 303–317; A. Scholl – G. Platz-Horster, Die Antikensammlung. Altes Museum – Pergamonmuseum (3. Aufl. 2007) 196f. Nr. 116 (A. Backe). 1939 Reiterstatue des Marc Aurel: J. Bergemann, Römische Reiterstatuen (1990) 105–108 Nr. P 51 Taf. 7b.78–80. 1940 Basis der Antoninus Pius Säule, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 5115: L. Vogel, The column of Antoninus Pius (1973); Steinby, LTUR I, 298–300 s. v. columna Antonini (S. Maffei) Abb. 175. 1941 Nicht nachweisbar. 1942 Marc Aurel-Säule: Steinby, LTUR I, 302–305 s. v. Columna Marci Aurelii Antonini (S. Maffei) Abb. 178. 1943 Septimius Severus-Bogen: Steinby, LTUR I, 103–105 s. v. Arcus: Septimius Severus (Forum) (R. Brilliant) Abb. 54–56.

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

411

am meisten die Abnahme der Kunst. Der Bogen des Constantin1944 zeigt den offenen Verfall, alte Bögen mußten diesen schmücken helfen. [H. fol. 116 v.: Das Neue ist unklar und unplastisch.] Dieser Stil kam mit nach Byzanz, die Säule des Theodosius1945 [erweist sich] als letzter Ausläufer der monumentalen Kunst. [H. fol. 116 r.: Zu der monumentalen Plastik gehören auch die Personifikationen von Städten und Ländern. Das bedeutendste Werk dieser Art ist die guterhaltene Basis, errichtet von Städten Asiens, die nach einem Erdbeben von Tiberius unterstützt waren.1946 Aehnlich machte (Plin. 36, 41) Coponius 14 Völker[personifikationen] beim Theater des Pompeius.] Die nichtöffentlichen Monumente tragen einen anderen Charakter, bes[onders] die Darstellungen auf SarkophagenSie sind durchaus ideal gehalten u[nd] sollen das Gemüth erheben u[nd] die Geheimnisse des Seelenlebens enthüllen. Hier ist das Gebiet religiöser Mythenbenutzung. Der Todte wird dargestellt als schlafender Endymion, durch den Raub der Kora, dann: bacch[ische] Scenen, welche das jenseitige Leben verherrl[ichen]; die Niobiden, Ariadne u[nd] Dionysos, Prometheus, Amor u[nd] Psyche. – 9. 3. 65 (In Mainz gefunden das sogen[annte] Schwerdt des Tib[erius].1947 Ferner die Lauersforter Phalerae, bei Xanten gefunden, merkwürdig ideal u[nd] kunstvoll.1948 – Die Statue des Nil, eines der großartigsten Werke der Plastik,1949 nachgeahmt in der Statue des Tiber,1950 im Braccio nuovo des Vat[ikan].) Die Darstellung allegor[ischer] Figuren war auch in Rom heimisch u[nd] hier weiter entwickelt. [H. fol. 117 r.: Die abstrakten Begriffe, eigentlich von Gott

1944 Konstantinsbogen: Steinby, LTUR I, 86–91 s. v. Arcus Constantini (A. Capodiferro) Abb. 49f. 1945 Theodosius-Säule: G. Becatti, La colonna coclide istoriata (1960) 83–150 Taf. 49–55; W. Müller-Wiener, Bildlexikon zur Topographie Istanbuls (1977) 258–265 passim Abb. 299–301. 1946 s. o. Anm. 1779, 1780. 1947 Sog. Schwert des Tiberius, Fundort Mainz, Neutor, London, Brit. Mus Inv. Nr. 867: Die Römer am Rhein, Ausstellungskat. Köln (1967) 205 Kat.-Nr. C 61; H. Junkelmann, Die Legionen des Augustus (1986) S. 74 Taf. 15. 1948 Lauersforter Phalerae: Berlin, Antikensammllung Misc 8124 bis: O. Jahn, Die Lauersforter Phalerae. Erläutert von O. Jahn (1860). – F. Matz, Die Lauersforter Phalerae, 92. BWPr (1932); K. Vierneisel (Hrsg.), Römisches im Antikenmuseum (1978) 73–75 Abb. 55 (U. Gehrig). 1949 Statue des Nil, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2300: Amelung, Vat. Kat. I, 124 Nr. 109 Taf. 18; S. Klementa, Gelagerte Flußgötter des Späthellenismus und der frühen Kaiserzeit (1993) 24–29 Kat.-Nr. A 14 Abb. 22. 23. 25 1950 Statue des Tiber, Paris, Louvre, Cour du Sphinx: Klementa, a.O. 55–57 Kat.-Nr. B 3 Abb. 24. 26. 38–40.

412

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

abgelöst, gewinnen selbständige Bedeutung, ] So der Begriff der Providentia auf den Münzen der Kaiser, als junon[ische] Gestalt, auf der Hand den Erdball, mit einem Stäbchen auf denselben zeigend, mit einem Schleier, Fides, Honos u.s.w.[,] Virtus mit dem Helm, Liberalitas mit einer Tafel, auf der eine Stiftung aufgeschrieben war, bes[onders] aus der Zeit des Hadrian, Hilaritas, anmuthig als eine sich mild entschleiernde Frau, die Securitas, eine stattl[iche] Frau in langem Gewande, mit übereinandergeschlagenen Beinen, sich auf eine Säule stützend[,] Constantia mit der Fackel, Salus, Valetudo, Aeternitas, eine verhüllte Frau[,] vor ihr ein brennender Altar, in der Hand hält sie Sonne u[nd] Mond, den Fuß setzt sie auf den Erdball, Pietas. Diese Begriffe sind auf den Münzen durch die Legenden i bezeugt. – Neu war die Aneignung fremder Culte beim Absterben des Glaubens an die überlieferten Götter, zunächst suchte man oriental[ische] Götter, bes[onders] Serapis[,] den Stadtgott v[on] Alexandria[,] zuerst in Griechenland, dann unter den Kaisern, gleich ǽİઃȢ ਝ૘įȘȢ, das Unerfreul[iche] des Schattenreichs vertretend, aber zugleich als Lichtgott u[nd als Gott] der Fruchtbark[eit] mit dem Modius. Dann Isis[,] durch Lotosblume, Feder auf der Stirn, auf der Brust zusammengeknotetem Gewand bezeichnet. sacra Isiaca waren sehr bedeutend. [In] Pompeji [das] Gemälde der Isisvesper.1951 Die Tempel [H. fol. 117 v.: in Rom] waren aegypt[isch] angelegt, die Priester u[nd die] Diener waren Aegypter u[nd] Schwarze. Ferner Harpokrates[,] eigentl[ich] Horus infans. Die aegypt[ische] Hieroglyphik stellt das Kind mit dem Finger in dem Mund dar. Dies wurde mißverstanden, denn man hielt es für ein Symbol der Verschwiegenheit, so wurde er ein deus silentii. – Aus Asien kam der phryg[ische] Gottesdienst (Atthis) Atys mit der Kybele. Atys, ein Eunuch, in asiat[ischer] Kleidung mit vorn aufgeschlagenem Gewand, neben ihm die Pinie, entweder stehend od[er] auf einem Widder reitend, allein od[er] mit der Kybele, mit phryg[ischer] Mütze u[nd] mit einer Pauke in der Hand. [S. 118] Hierher gehört auch der Dienst der dea Syria. U[nd] der Mithrasdient, [Mithras war] eine alte Luftgottheit des Zeusdienstes. In Asien war er[,] von Persien [kommend,] weit verbreitet u[nd] war durch die Seeräuber, mit den Legionen des Pomp[eius] nach Rom gekommen[,] u[nd] von Rom aus kam er [H. fol. 118 r.. durch die Legionen] in alle Provinzen; er wurde in Höhlen gefeiert, [war] mit Mysterien verbunden u[nd] alle diese Dienste erlangten große Bedeutung; dabei war äußerl[iche] Ähnlichk[eit] mit dem christl[ichen] Cult, Taufe u[nd] Auferstehung, Glaube; auch in der Nähe v[on] Heidelberg [stand] ein Mithräum1952. [H. i

durch die Legenden : urkundlich.

1951 Vermutlich sind Gemälde des Isistempels Pompeji VIII, 7, 28 gemeint: Pompei, Pitture e Mosaici VIII (1998) 732–849 (V. Sampaolo). 1952 Vermutlich Mithräum in Heidelberg-Neuenheim, nicht mehr erhalten, vgl. Ph. Filtzinger–D. Planck–B. Cämmerer (Hrsg.), Die Römer in Baden-Württemberg³ (1986) 200 mit Taf. 66 (Relief aus dem Mithräum, Karlsruhe, Bad. Landesmus.).

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

413

118 r.: Das vorzüglichste] [Mithras-]Relief im Louvre, ed[iert] v[on] Lajard.1953 Eine pantheist[ische] Idee durchweht alle diese Gottesdienste. Auf eine Gestalt concentrirte man die Attribute aller Gottheiten, als Amulette getragen u[nd] Panthea genannt. Hierher gehört auch der Aion, der Gott der Zeit. – Schließl[ich soll] noch über litterar[ische] Kunstobjecte [gesprochen werden], in Alexandr[ia] sindi zuerst Kunst u[nd] Wissensch[aft] so verbunden, daß die Kunst u[nd] die Wissensch[aft] gegenseitig ihre Werke bedeutender machen. Dahin gehören die Portraits berühmter Litteraten, Statuen mit den Namen der Stücke1954, [H. fol. 118 r.: , so Euripides.] bes[onders] wichtig [sind] die langen Tafeln, die in figurenreichen Darstellungen ganze Cyklen u[nd] Mythen umfassen, eine Illustration zu den Epen: tabula Iliaca,1955 in mehreren Exemplaren gefunden, das bedeutendste in Rom im Capitol, ein ganz flaches Relief aus marmor palombino, in Bovillae gefunden, neben der Apotheose des Homer.1956 Auf der einen Tafel ist der ganze Zusammenhang aus Il[ias] u[nd] Od[yssee], aus Arktinos u[nd] Lesches, aus Stesichoros zusammengestellt, eine Arbeit der grammatici. ([Eine der Inschriften:] V[acat] Theodoros ȝ੺șİ IJ੺ȟȚȞ ੘ȝ੾ȡȠȣ [4(2'252C 0$4( 7$;,1 20+528@1957 Man meinte, die tabulae Iliacaeii wären in usum scholarum gemacht: Reifferscheid, de usu tabularum Iliacarum1958 meint, diese Tafeln waren der Wandschmuck der Bibliotheken, probante Curtio. Von Plastik ist nicht mehr viel die Rede. – Die Malerei in Italien. Sie hing mit dem etrusk[ischen] Gräberluxus zusammen. In Rom wurde die Malerei früh geehrt (Plin.iii XXXV, 34 honor mature huic arti contigit.)1959 So Fabius Pictor, der 450 a.u.c. [304 v. Chr.] den Tempel der Salus [ausmalte],1960 Pacuvius, der Neffe des Ennius aus Brundisium malte den Tempel i ii iii

sind : ist. die tabulae Iliacae : sie. Plin. : Liv..

1953 Mithrasrelief, Paris, Louvre Ma 268/269 und Sao Paulo, Arch. und Ethnograph. Mus. der Universität Inv.-Nr. 76/3. 141, aus Rom: F. Lajard, Nouvelles observations sur le grand bas-relief mithriaque de la collection Borghèse, actuellement au Musée Royal de Paris (1828). - M. J. Vermaseren, Le monument d’Ottavio Zeno, Mithriaca IV, EPRO 16 (1978) 7–24 Taf. 11–24. 1954 Stücke, im Sinne von Theaterstücken, literarischen Werken. 1955 s. o. Anm. 347. 1956 Tabula Iliaca, aus Bovillae, Rom, Museo Capitolino, Sala delle Colombe 83: Stuart Jones, Mus. Cap., 165–172 Nr. 83 Taf. 41; A. Sadurska, Les tables iliaques (1964) 24–37 Nr. I, 1 Taf. 1. 1957 Nach Stuart Jones, Mus. Cap., 165: ]:5+210$4(7$;,120+528 1958 A. Reifferscheid, De usu tabularum Iliacarum et similium, in: AdI 34, 1862, 104–115. 1959 Plin., n. h. XXXV, 19: apud Romanos quoque honor mature huic arti contigit. 1960 Plin., n. h. XXXV, 19. – Vollkommer, Künstlerlexikon 1, 253 s. v. Fabius Pictor, Caius (R. V.).

414

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

des Hercules [aus],1961 um die Zeit der Zerstörung v[on] Korinth, [schmückte] Mummius [...] den Tempel [der Ceres mit dem Gemälde des Aristeides]1962 (Ritschl, inscr. lat. (P.L.M.) u[nd] bes[onders] 1852 im prooemium zum Sommersemester)1963[.] Ferner die Tafelgemälde in Ardea (Plin. XXXV, 115) im Rutulerland, der Maler hieß Plautius Marcus aus Asien.1964 Trotz dieses Eingangs fand die Malerei kaum eigentl[iche] Blüthe, sie wurde als sordidum studium betrachtet, bis in die Kaiserzeit,1965 schon zu Caes[ars] Zeit lebte Timomachos aus Byzanz, [H. fol. 118 r.: der letzte große Maler des Alterthums,] er malte Medea u[nd] den Aias und beides weihte Iul[ius] Caesar im Tempel der Venus Genetrix (Plin. XXXV, 136)1966[.] Von der Medea wissen wir, daß er nicht die blutige That selbst darstellt, sondern den letzten Kampf zwischen Mutterliebe u[nd] Rachgier, während die Kinder ruhig malten, wir besitzen eine Nachbildung in Herculaneum.1967 Anth. Pal. II p. 667. - ਕȡțİ૙ į’ ਖ ȝ੼ȜȜȘıȚȢ, İੇʌİȞ ੒ ıȠijંȢ1968 – Zur Zeit des Aug[ustus] machte [H. fol. 118 v.: Lucius oder richtiger] Tadius (Plin. XXXV, 116) Epoche.1969 Er wandte die ıțȘȞȠȖȡĮij઀Į neu an, indem er die Wände der Stuben mit Landsch[aften] u[nd] Architektur ausschmückte; je weniger große Bauten gemacht wurden, umso mehr schmückte man die Privaträume. In den Vesuvstädten haben wir die größte Fülle v[on] Anschauungen. Die meisten der Gemälde sind direkte Wandgemälde, denn man [konnte] durch die Puzzolanerde [die Wände glatt verputzen], darauf trug [man] pulverisirten Marmor [auf] u[nd] schlug die Wände mit einem Schlagholz glatt. Vornehmere Maler malten auf Holz[,] nulla gloria nisi qui tabulas pinxerunt.1970 – Meist [sind auf den Wandgemälden] gewöhnl[iche] Gegenstände der niederen Malerei [wiedergegeben], Landsch[aften] Genrebilder, Architekturstücke. Oder es sind Proben der [S. 119] antiken ȝİȖĮȜȠȖȡĮij઀Į Das Merkwürdigste der histor[ischen] Bilder ist der Tod der Sophoniba od[er] der Sophonisbe, der Tochter des Hasdrubal, diesich vergif-

1961 Plin., n. h. XXXV, 19. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 169 s. v. Pacuvius, Marcus (R. Gottschalk). 1962 Plin., n. h. XXXV, 24. 99. 1963 Hiller fol. 118 v.: Die Dedicationsinschrift (Ritschl inscr. Lat., bes. 1852 im proem. des Sommersemesters Bonn) des Mummius ist erhalten. – F. Ritschl, Titulus Mummianus ad fidem lapidis Vaticani exemplo lithographo expressus atque enarratus (Berlin 1852). – CIL I 2 Nr. 626–632 (Tituli Mummiani). 1964 Plin., n. h. XXXV, 17. 115. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 266 s. v. Plautius Lycon, Marcus (R. V.). 1965 Plin., n. h. XXXV, 20. 1966 Plin., n. h. VII, 126; XXXV, 26. 136. 145. – Vollkommer, Künstlerlexikon 2, 474f. s. v. Timomachos (L. Lehmann). 1967 Medeia, Wandgemälde aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv.-Nr. 8976: LIMC VI (1992) 388f. Nr. 11 s. v. Medeia (M. Schmidt) Taf. 195. 1968 Das Zitat bezieht sich auf den vorangegangenen Satz. – Anth. Graec. XVI, 136, 7 1969 s. o. Anm. 424. 1970 Plin., n. h. XXXV, 118.

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

415

tet, um nicht den Römern in die Hände zu fallen. (O. Jahn.)1971 Die kunstgeschichtl[iche] Bedeutung der pompejan[ischen] Malerei ist nicht, wie Otfr. Müller [meint, darin begründet], Pompeii sei ein Miniaturbild Roms,1972 sondern wir müssen bedenken, daß wir am Vesuv uns in einem hellen[ischen] Coloniallande befinden; [H. 119 r.: wenn auch das Oskische sich erhielt, so wurde es mit dem Griechischen verschmolzen;] so haben wir keine rein ital[ische] od[er] röm[ische] Kunst. Wir haben ital[ische]1973 Tempel, im Theater griech[ische] tesseren. Das pompejan[ische] Haus ist im wesentl[ichen] das griech[ische], wie es jon[ischer] Kunstsinn ausgebildet hat. Nach der Straße hin abgeschlossen, mit wenigen, hohen Fenstern. Der innere Hof ist durch Gartenanlagen, Springbrunnen, u[nd] Hallen ein künstler[isches] Ganzes, die Räume klein, aber hell u[nd] freundl[ich.] – Ferner gehört hierher noch die Kunst der Columbarien, die gemeinsame Begräbnisstätte v[on] Familien, die Familie soll auch nach dem Tode zusammenbestehen. Hier ist echt ital[ische], viel untergeordnete Kunst, aber hierher hat sich [die] hellen[ische] Kunst gerettet: Prometheussagen, Dirke, die Niobiden, der ਜ਼țȞȠȢ des Polygnot.1974 10. 3. 65 Cod. Theod. III, 271975 über die immunitas professorum picturae. – Bei absterbendem Volksleben sucht die Kunst immer neue Anregungen, das sahen wir bei dem Mithrasdienst etc. Auch das Christentum wollte man so auffassen, nach Tertullian wollte schon Tib[erius] Christus unter die Götter aufnehmen.1976 In der Privatkapelle des Sulpicius1977 Severus (Lamprid.) stand[en] Christus, Abraham, Orpheus, Apollonius v[on] Thyana.1978 Für die gemeinsamen Stätten des Begräbnisses in der christl[ichen] Gemeinde bildeten sich bes[onders] in Rom typische Formen aus: Katacumbae (Sand u[nd] Tuffgruben unter Rom.) (Roma sotterranea

1971 1972 1973 1974

1975 1976 1977 1978

s. o. Anm. 428. Müller 1848, 340 § 260. Gurlitt: ital[ische], Hiller fol. 119 r.: griechische. Wandmalereien des sog. Columbariums der Villa Doria Pamphili, Rom; Rom, Mus. Naz.: LIMC III (1986) 637 Nr. 11 s. v. Dirke (F. Heger) Taf. 504; LIMC VI (1992) 920 Nr. 30 s. v. Niobidai (W. Geominy); LIMC VII (1994) 34 Nr. 4 s. v. Oknos (W. Felten) Taf. 23; LIMC VII (1994) 540 Nr. 60 s. v. Prometheus (J. R. Gisler). Cod. Theodos. XIII, 3. Tert., apol. V, 2. Gurlitt (irrtümlich): Sulpicius, Hiller fol. 119 v.: Alexander. Hist. Aug., Alex. Sev. 29, 2.

416

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

v[on] Bosio1979, Aringhii,1980 Marchi,1981 Perretii, Les catacombes de Rome,1982 6 Bände prachtvoll [ausgestattet]. In neuester Zeit hat man den christl[ichen] Katakomben eine bes[ondere] Aufmerksamkeit zugewandt, bes[onders] Conte de Rossi1983 [denen] unter der via Appia etc. Im Allgemeinen verhielt sich die Christenkirche gegen die Kunst abwehrend. Tert[ullian:] die Maler entweihen den Tempel (Geist) Gottes. Clemens v[on] Al[exandria].1984 Trotzdem war ein gewisser Anschluß unvermeidl[ich] (Grüneisen, Über die Ursachen u[nd] Gränzen des christl[ichen] Kunsthasses in den ersten 3 Jahrh[underten] des Christenthums.)1985 [H. fol. 119 v.: Auch hier war der Drang zum Ausdruck des innerlich Erfahrenen und er führte wieder zur Kunst.] Man benutzte das Vorhandene mit Auswahl[,] u[nd] so verschaffte sich die Kirche eine Art System für ihre Gedanken, u[nd] gewisse Symbole der alten Kunst wurden accreditirt: die Taube, der Fisch, das Schiff (Symbol der geistl[ichen] Gemeinde), Lyra, Anker. Aber auch plast[ische] Symbole [H. 119 v.: wurden übernommen], anthropomorphische, bes[onders] das Symbol des Hirten, der das Schaaf trägt, eigentl[ich] ਝʌંȜȜȦȞ ȞંȝȚȠȢ od[er] ਬȡȝોȢ țȡȚȠijંȡȠȢ>+r.: jetzt Christus.@Ein anderes Symbol war Orpheus[,] v[on] Thieren umgeben, jetzt Christus, der die Völker erlöst[,] dieiii sich an ihn anschließen. In den dunklen Gängen der Katakomben arbeiteten die Künstler in alter Weise fort, in Wasserfarben auf dem Bewurf mit schnellen, kühnen Zügen. So [finden wir] die Gestalt des guten Hirten, darüber Cupido in Weinblättern flatternd. Die Kirche als eine verhüllte Frau [H. fol. 120 r.: wie eine Stadtgottheit], die Jungfrau, Christus u[nd] die Apostel in alter Gewandung, die Propheten i ii iii

Aringhi : Ariegi. Perret : Perrot. die : u[nd] die.

1979 A. Bosio, Roma sotterranea. Opera postuma, compita, disposta, & accresciuta dal P. Giov. Severani da S. Severino ... publicata da Fr. Carlo Aldobrandino (1632). 1980 P. Aringhi, Roma subterranea novissima, in qua post A. Bosium antesignatum, J. Severanum et celebres alios scriptores antiqua Christianorum et praecipue martyrum coemeteria, tituli, monimenta, epitaphia, inscriptiones ac nobiliora sanctorum sepulchra sex libris distincta illustrantur I. II (1651). 1981 G. Marchi, Monumenti delle arti cristiane primitive nella metropoli del cristianesimo disegnati ed illustrati. Architettura (1844) 1982 L. Perret, Catacombes de Rome. Architecture, peintures murales, lampes, vases, pierres précieuses gravées, instruments, objets divers, fragments de vases en verre doré, inscriptions, figures et symboles gravés sur pierre. Ouvrage publié par ordre et aux frais du gouvernement sous la direction d’une commission composée de MM. Ampère, Ingres, Mérimée, Vitet Vol. I–VI (1851–1855). 1983 G. B. de Rossi, La Roma sotterranea cristiana descritta ed illustrata I (1864). 1984 Tert., idol. passim; Clem. Alex., protr. IV passim. – Müller 1848, § 213, 2. 1985 C. Grüneisen, Über die Ursachen und Gränzen des christlichen Kunsthasses in den ersten 3 Jahrhunderten des Christentums, in: Kunstblatt 12, 1831. – Vgl. C. Grüneisen, De Protestantismo artibus haud infesto (1839) 1.

Die griech[ische] Kunst in Italien, speziell in Rom

417

des alten Bundes im röm[isch] griech[ischen] Pallium. Die Magier u[nd] Weisen des Morgenlandes mit der phryg[ischen] Mütze. Im Ganzen ist die Kunst bescheiden mit wenigen Figuren, nur das Nothwendige [S. 120] gebend. – Auch die Plastik geht in die christl[iche] Kirche über. [Motive sind:] Christus in der Krippe, Passionsgegenstände, bes[onders] auf Sarkophagen. Die größte Sammlung im Museo Christiano im Vatican, bis ins 4. saec[ulum] die röm[ische] Tracht. Hier findet eine große Häufung v[on] Figuren statt, antike u[nd] christl[iche] Themata sind bunt durcheinander gemengt: Sol, Luna, Minerva als ਝșȘȞ઼ ਫȡȖ੺ȞȘ Venus. Sie werden allmäl[ich] zu rein decorativen Figuren, bloße Schemata. Es ist ein gedankenloses Fortleben der antiken Plastik. Dabei wird die Skulptur zur Kleinkunst, die Skulptur beschränkt sich auf’s Relief; zwischen die einzelnen Gruppen werden gewundene Säulen gestellt, die Säulen mit Email u[nd] Farben versehen. Hier zeigt sich der Einfluß des Mosaik[s]. In den christl[ichen] Basiliken wurde das Mosaik zu neuer Bedeutung erhoben: historiographoi ȝȠȣıȚ੺IJȠȡȠȚ, corp. inscr. [graec. IV] 87361986. Gerade die heiligsten Gegenstände wurden an den heiligsten Plätzen in Mosaik dargestellt, die besten Arbeiten [befinden sich] in Ravenna, welches mit Rom im 5. saec[ulum] wetteifert. Da gibt es noch eine Idealität der Darstellung. Die Objecte gläubiger Anschauung sind der Erde entrückt, im Himmelsglanze erscheinend, daher auf Goldgrund, da wird einerseits die Gruppe der Propheten u[nd] die [der] Apostel einander gegenübergestellt, [andererseits] Christus jugendl[ich], anmuthig, mit lockigem Haupthaar, als guter Hirt [dargestellt].1987 [H. fol. 120 v.: Das ist die letzte Blüthe der italischen Kunst im 5. Jahrhundert.] Im 7. saec[ulum] ist der Verfall augenfällig, da treten die Entstellungen der Gesichter ein, das Unschöne tritt hervor u[nd] der Versuch, mehr auszudrücken als durch Formen [möglich ist. Das] verleitet zu Unschönem, u[nd] verzerrt die idealen Züge. Am längsten hat sich die alte Kunst in der Wirkerei erhalten, [die] aus Griechenland nach Byzanz [gelangte,] und diese Werke haben noch am spätesten den Typus u[nd] die ideale Zeichnung alter Kunst. Die Kaiserdalmatica im Vatican v[on] Sulpice Boisserée [herausgegeben].1988 – Eine Hauptepoche für die Geschichte der Kunst war die Verlegung der Hauptstadt, ein alter Gedanke, welcher schon am Anfang des Kaiserthums aufgetaucht war. Als sie wirkl[ich] ausgeführt wurde, erfolgte sie zu großem Nachtheile der alten Kunststätten, denn die alten Städte wurden systemat[isch] ausgeplündert u[nd] die Kunstwerke Italiens, Griechenlands, Kleinasiens wurden als res nitentes zum Schmuck der öffentl[ichen] Plätze aufgestellt [H. fol. 120 r.: , für die es einen eigenen comes gab.] Leider ist die Tradition über die nach Byzanz gebrachten Kunstwerke un1986 CIG IV Nr. 8736 Z. 2. 1987 Vgl. z. B. Mosaik des Mausoleums der Galla Placidia, Ravenna: W. F. Volbach, Frühchristliche Kunst. Die Kunst der Spätantike in West- und Ostrom (1958) Taf. 147. 1988 S. Boisserée, Über die Kaiser-Dalmatika in der St. Peterskirche zu Rom, in: Abh. Münch. Akad. III, 3 (1843) 553–574.

418

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift

vollständig u[nd] verworren. [H. fol. 120 v.: Nur gelegentlich erfahren wir von Weihgeschenken, Dreifüßen, Gemälden, Statuen, die nach Byzanz kamen.] Hier sammelte zuerst Heyne priscae artis opera, quae Constantinopoli fuisse memorantur.1989 Petersen, Einleitung in das Studium der Archäologie.1990 60 Statuen nur aus Rom standen z. B. im Hippodrom. Die neue Hauptstadt sollte eine Copie der alten sein. Die anderen Kaiser setzten den Kunstraub fort[,] u[nd] deri Transport u[nd] die unzähligen Feuersbrünste v[on] Byzanz haben zerstört, so daß fast nichts erhalten ist u[nd] nichts unter dem Boden gefunden ist. [H. fol. 120 v.: Der sogenannte platäische Dreifuß ist eine byzantinische Erneuerung.] – Der Kunstzweig in dem sich am meisten Sinn u[nd] Geschmack erhielt, war[en] die Miniaturmalereien u[nd] Webereien. Denn es galt die liturg[ischen] u[nd] Bischofsgewänder entsprechend zu schmücken. – Seit Theodosius erfolgte eine feindl[iche] Haltung gegen [die heidnischen Heiligtümer durch] das Christenthum, [daher] Schluß der Prozessionsstraßen, Schluß u[nd] Zerstörung der Tempel. Dann trat eine mildere Behandlung ein, indem man die alten Heiligthümer in neue umverwandelte. Christl[iche] Kapellen sind in der Regel Fingerzeige für alte Heiligthümer. Die jungfräul[iche] Athena wurde als Jungfrau Maria, der ritterl[iche] Theseus als Ritter Georg verehrt [H. fol. 121 r.: (so beim Parthenon und Theseion in Athen)], u[nd] weil die Sage des Elias an Zeus erinnert, so wurden die Berggipfel namentl[ich] dem Elias geweiht. corp. inscr. graec. [IV] 8405.86551991. So ist die alte Kunst unter dem Schutt des Mittelalters vergraben, daraus ist sie hervorgegangen, wie die Weizenkörner aus den Pyramiden. Schon Giotto [H. fol. 121 r.: , der eigentliche Anfänger der neueren Kunst,] ging zu den Umrissen [der Figuren] der Katakomben des 5. saec[ulums] zurück, dann [Antikenrezeption] in größerem Maaßstab zur Zeit Raphaels, Nicolaus Pisano studirte an den Sarkophagen des Campo Santo1992. Die 3. Epoche [der Wiederentdeckung der Antike] ist die Zeit Winckelmanns, die Zeit, wo die Welt der alten Kunst uns wieder zu Tage getreten ist. [H. fol. 121 r.: , die Zeit der großen Entdeckungen.] i

der : auf dem.

1989 C. G. Heyne, Priscae artis opera quae Constantinopoli exstitisse memorantur, Comm. soc. reg. scient. Gotting. cl. hist. et phil. XI (1790) 1–38. 1990 F. C. Petersen, Allgemeine Einleitung in das Studium der Archäologie (1829). 1991 CIG IV Nr. 8627–8631; 8655. 1992 Campo Santo von Pisa.

Anhang

SS 44; WS 59/60; WS 61/62; WS 62/63; WS 63/64; WS 64/65; WS 65/66; WS 66/67; WS 67/68; WS 68/69; WS 70/71; WS 77/78; WS 95/96 SS 72; WS 73/74; WS 74/75; SS 76; WS 78/79; WS 79/80; WS 80/81; WS 81/82; WS 82/83; WS 83/84; WS 84/85; WS 85/86; WS 86/87; WS 87/88; WS 88/89; WS 89/90; WS 90/91; WS 91/92; WS 92/93; WS 93/94; WS 94/95

b) Griechische und römische Kunstgeschichte

c) Griechische und römische Kunstgeschichte mit Benutzung des Königl. Museums

7 7

b) Die Archäologie der griechischen und römischen Kunst SS 71; WS 72/73; SS 75; SS 79; SS 81; SS 83; SS 84 mit Benutzung der Denkmäler des Königl. Museums Berlin

21

13

4

28 priv.

28 priv.

84 priv.

53 priv.

5 priv. + 4 publ.

x-mal Summe gehalten der SWS

WS 69/70; WS 76/77; SS 77; SS 80; SS 87; SS 88; SS 89

a) Die Archäologie der griechisch-römischen Kunst

I 2 Die Archäologie der griechisch-römischen Kunst

SS 46; WS 47/48; WS 50/51; WS 57/58

a) Griechische Kunstgeschichte

I 1 Griechische und römische Kunstgeschichte

I. ARCHÄOLOGIE

Semester der Veranstaltung

Lehrveranstaltungen von Ernst Curtius in komprimierter tabellarischer Übersicht (Antje Brost)

Anhang I

WS 82/83; SS 83; WS 83/84; SS 84; WS 84/85; SS 85; WS 85/86; SS 86; WS 86/87; SS 87; WS 87/88; SS 88; WS 88/89; SS 89 SS 74; WS 74/75; SS 93; WS 90/91; SS 91

b) Archäologisch-historische Übungen

c) Übungen auf dem Gebiete der griechischen Geschichte, Altertümer und Kunst

SS 94

c) Grundzüge der griechischen Kunstmythologie

SS 90; SS 92;

WS 89/90; WS 91/92; WS 92/93; WS 94/95

b) Die Akropolis von Athen

c) Über die Altertümer von Olympia

SS 93; SS 94

WS 73/74; SS 81; WS 84/85

a) Über die Denkmäler von Athen

I 6 Die Denkmäler einzelner Orte (Athen, Olympia)

a) Die Tempel der Griechen

SS 95

SS 89; SS 96

b) Die Kunst-Mythologie der Griechen und Römer (nicht im Museum)

I 5 Die Tempel der Griechen

SS 70; WS 71/72; SS 73; SS 74; WS 75/76; SS 77; SS 78; SS 79; SS 80; SS 82; WS 83/84; SS 85; SS 86; SS 87; SS 88; SS 90; SS 91; SS 92; SS 93

a) Griechische Kunstmythologie an den Denkmälern des Königl. Museums (1x Kunstmythologie der Griechen und Römer)

I 4 Kunstmythologie

WS 68/69; SS 69; WS 69/70; SS 70; WS 70/71; SS 71; WS 71/72; SS 72; WS 72/73; SS 73; WS 73/74; SS 75; SS 76; WS 76/77; SS 77; WS 77/78; SS 78; WS 78/79; SS 79; WS 79/80; SS 80; WS 80/81; SS 81; WS 81/82; SS 82

a) Archäologische Übungen

I 3 Archäologische Übungen

4

4

3

1

1

2

19

5

14

25

4 publ.

4 publ.

1 publ. + 4 priv.

1 publ.

2 priv.

4 priv.

34 priv. + 4 publ.

3 priv. + 2 publ.

14 publ.

1 priv.+ 23 (24) publ.

422 Anhang I

SS 56; SS 64 SS 52; WS 54/55; SS 58; SS 60; SS 62; SS 66; SS 68; SS 69; WS 71/72; SS 91

b) Geographia orbis antiqui

c) Ethnographie (u. Geographie) der alten Welt, teilweise mit Monumentenkunde

WS 57/58

b) Antiquitates Romanae con topographia urbis

WS 70/71; SS 72; SS 74; WS 76/77; WS 78/79; WS 80/81; WS 82/83; SS 84; WS 85/86; WS 87/88; WS 89/90; WS 90/91; WS 91/92; SS 95

b) Die Quellenkunde der griechischen Geschichte

c) Geschichte und Geographie/ Topographie der alten Welt WS 75/76; SS 82

WS 44/45; SS 51; WS 52/53; WS 53/54; SS 55; SS 57; SS 59; SS 61; SS 63; SS 65; SS 67

a) Geschichte des Alterthums

III 1 Übergreifend

III. GESCHICHTE

WS 44/45; SS 96

a) Topographie Athens

II 2 Topographie einzelner Städte

WS 43/44; WS 45/46; WS 46/47; WS 48/49;WS 49/50; SS 50; WS 50/51; SS 53; WS 56/57; WS 58/59; WS 60/61; SS 73; SS 78; SS 92

a) Geographie u./o. Topographie griechischer Landschaften, teilweise mit Monumentenkunde

II. GEOGRAPHIE, TOPOGRAPHIE, ETH1OGRAPHIE II 1 Übergreifend

2

14

11

1

2

10

14

9 priv.

29 priv.

53 priv.

4 priv.

1 o.A. + 1 publ.

50/51 priv.

10 priv.

28 priv. + 9 publ. + 4 o.A.

Anhang I 423

WS 77/78; SS 86; WS 88/89 WS 93/94; WS 95/96

b) Geschichte und Topographie der Stadt Athen

c) Geschichte von Olympia

SS 70; WS 72/73

c) Geschichte der griechischen/attischen Staatsverfassung/en

a) Pausanias

IV 1 Zu einzelnen Autoren WS 43/44; SS 44

WS 56/57; WS 58/59; WS 60/61; WS 62/63; WS 64/65; WS 66/67; WS 81/82

b) Antiquitates Graecorum publicae/ Geschichte der Altertümer der griechischen Colonien (WS 81/82)

IV. KLASSISCHE PHILOLOGIE

SS 50; WS 50/51; WS 51/52; SS 54; WS 55/56; WS 59/60; WS 61/62; WS 63/64; WS 65/66

a) Die römischen (Staats-) Altertümer

III 4 Griechische und Römische Staatsverfassungen

c) Vgl. o. I 3c

2

2

7

9

6

b) Historische Übungen auf dem Gebiet des Altertums

SS 55; WS 57/58; SS 58; WS 67/68; SS 68; SS 85

1

2

3

7

a) Praktische Übungen auf dem Gebiet der alten Geschichte WS 54/55 und Erdkunde

III 3 Übungen zur Alten Geschichte

SS 51; WS 67/68; WS 69/70; SS 75; SS 76; WS 79/80; SS 81; SS 83

a) Über die Geschichte (und Denkmäler) der Stadt Athen

III 2 Geschichte von einzelnen Orten

o.A. + 2 o.A.

6 priv.

28/29 priv.

38 priv.

1 (5) priv. + 1 publ.

1 priv.

2 publ.

6 priv.

2 publ. + 15 priv.

424 Anhang I

SS 53; SS 56; WS 58/59; SS 60; WS 60/61; WS 61/62; SS 62; SS 63; WS 63/64; WS 64/65; SS 65; SS 66 (2x); WS 67/68 (2x) SS 52 SS 56; SS 59; SS 61; WS 62/63; SS 64; SS 68 WS 57/58; WS 60/61; SS 62; SS 65; SS 68 SS 61; SS 58 SS 66; SS 68; SS 71 SS 62 WS 63/64; WS 66/67 WS 65/66 WS 53/54

d) Aristoteles

e) Euripides

f) Propertius und Tibull

g) Tibull

h) Propertius

i) Juvenal und Persius

j) Persius

k) Juvenal

l) Quintilian

m) Statius

n) Cicero

o) Die Fragmente der griechischen Lyriker

a) Philologische (-historische) Übungen

IV 2 Übergreifendes

WS 52/53; SS 54; SS 57

c) Aristophanes

SS 52; WS 52/53; SS 54; WS 55/56; SS 59; WS 59/60; WS 66/67

SS 63; SS 64

SS 55; SS 56; SS 57; WS 58/59

WS 51/52; WS 55/56; WS 56/57; WS 74/75

b) Sophokles (1x zusammen mit Aischylos)

7

1

1

2

1

3

1

3

5

6

1

14

5

3

4

2 (5) publ. + (2) priv.

1 publ.

publ.

4 publ.

2 publ.

5 priv. + 2 publ.

2 priv.

8 priv.

8 publ. + 2-3 priv.

6 (9) publ.

2 publ.

22 (28) publ.

6 publ. + 6 priv.

11 priv.

8 publ.+ 2 o.A.

Anhang I 425

a) Über griechische Epigraphik

WS 54/55

SS 69

b) Über die griechischen Münzen und ihre Bedeutung für die alte Kunst- und Staatsgeschichte

V 2 Epigraphik

WS 60/61; SS 65; SS 67

WS 56/57; SS 58; WS 59/60; SS 60; SS 61; WS 61/62; WS 62/63; SS 63; SS 64; WS 64/65; WS 65/66; SS 67 (2x)

a) Elementa rei nummariae Graecorum

V 1 1umismatik

V. A1TIKE 1UMISMATIK U1D EPIGRAPHIK

b) Commentationes et disputationes

1

1

3

13

1 publ.

3 priv.

6 priv.

13 publ.

426 Anhang I

Anhang II Curtius’ Lehrangebot nach ausgewählten Stundenplänen (Antje Brost) Berlin WS 1855/56 Mo

Di

Mi

III 4a Die römischen Alterthümer mit besonderer Rücksicht auf die Verfassungsgeschichte

III 4a Die römischen Alterthümer mit besonderer Rücksicht auf die Verfassungsgeschichte

III 4a Die römischen Alterthümer mit besonderer Rücksicht auf die Verfassungsgeschichte

17-18

IV 1b Die Electra des Sophokles

IV 1b Die Electra des Sophokles

18-19

IV 2a Philologischhistorische Übungen

Do

Fr

9-10 10-11 11-12 12-13 13-14 14-15 15-16 16-17

19-20 20-21

III 4a Die römischen Alterthümer mit besonderer Rücksicht auf die Verfassungsgeschichte

Sa

428

Anhang II

Göttingen WS 1867/68 Mo

Di

Mi

Do

Fr

11-12

IV 1e Euripidis Iphigenia Taurica

IV 1e Euripidis Iphigenia Taurica

12-13

I 1b Historia artium Graecorum et Romanorum

I 1b Historia artium Graecorum et Romanorum

I 1b Historia artium Graecorum et Romanorum

I 1b Historia artium Graecorum et Romanorum

III 2a Historia et antiquitates urbis Athenarum

III 2a Historia et antiquitates urbis Athenarum

III 2a Historia et antiquitates urbis Athenarum

9-10 10-11

13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21

Zusätzlich:

IV 1e Proseminar zu Euripides Iphigenia Taurica (2 SWS) III 3b Exercitationes ad historiam aevi antiqui priv.

Sa

Anhang II

429

Berlin WS 1876/77 Mo

Di

9-10

Mi

Do

Fr

III 1b Quellenkunde der griechischen Geschichte

III 1b Quellenkunde der griechischen Geschichte

10-11 11-12 12-13

13-14

14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21

I 2a Archäologie der griechischrömischen Kunst

I 2a Archäologie der griechischrömischen Kunst

I 2a Archäologie der griechischrömischen Kunst I 3a Archäolog. Übungen

Sa

I 2a Archäologie der griechischrömischen Kunst

430

Anhang II

Berlin WS 1895/96 Mo

Di

Mi

Do

Fr

I 1b Geschichte der bildenden Künste bei Griechen und Römern priv.

I 1b Geschichte der bildenden Künste bei Griechen und Römern priv.

9-10 10-11 11-12 12-13

13-14 14-15 15-16 16-17 17-18 18-19 19-20 20-21

I 1b Geschichte der bildenden Künste bei Griechen und Römern priv.

I 1b III 2c Geschichte Geschichte der bildenden von Olympia Künste bei Griechen und Römern priv.

Sa

Anhang III Verzeichnis der öffentlichen Universitätsreden von Ernst Curtius I. Reden am Geburtstag Georgs III, des Universitätsgründers, in Göttingen 1) 4. Juni 1856 2) 4. Juni 1857 3) 4. Juni 1858 4) 4. Juni 1859 5) 6) 7) 8)

4. Juni 1860 4. Juni 1861 4. Juni 1862 4. Juni 1863

9) 4. Juni 1864 10) 4. Juni 1866 11) 4. Juni 1867 12) 4. Juni 1868

1 2

Der Wettkampf1 (Über die griechischen Wettkämpfe) Das Mittleramt der Philologie2 (Über die Altertumswissenschaft) Der Weltgang der griechischen Cultur3 (Über griechische Kulturgeschichte) Wort und Schrift4 (Über das Schriftwesen der Völker der alten Welt) Die Bedingungen eines glücklichen Staatslebens5 Die Idee der Unsterblichkeit bei den Alten6 Das alte und neue Griechenland7 Die Freundschaft im Alterthum (Über die Freundschaft der Alten)8 Die Unfreiheit der alten Welt (Über die Gottheit)9 Der historische Sinn der Griechen10 Die patriotische Pflicht der Parteinahme11 (Die Parteien im Alterthume) Rom und die Deutschen12

Curtius, Alterthum I³ 132–147. Alterthum und Gegenwart I³ 1–21. Das Datum wurde wegen Pfingsten auf den 13.6. verschoben: NGWG 1857, 137. 3 Curtius, Alterthum I³ 59–77. 4 Curtius, Alterthum I³ 251–268. 5 Curtius, Alterthum I³ 301–320. 6 Curtius, Alterthum I³ 219–236. 7 Curtius, Alterthum I³ 22–40. 8 Curtius, Alterthum I³ 183–202. 9 Curtius, Alterthum I³ 163–182. 10 Curtius, Alterthum I³ 269–286. 11 Curtius, Alterthum I³ 321–340. 12 Curtius, Alterthum I³ 41–58.

432

Anhang III

II. Reden zum Geburtstag und zum Gedächtnis Wilhelms I. in Berlin 13) 14) 15) 16)

22. März 1869 22. März 1870 22. März 1871 22. März 1872

17) 22. März 1873 18) 22. März 1875 19) 22. März 1876

Große und kleine Städte13 Die Gastfreundschaft14 (Über die Tugend der Gastfreundschaft) Die Weihe des Sieges15 (Der Geburtstag des deutschen Kaisers) Die öffentliche Pflege von Kunst und Wissenschaft16 (Wissenschaft und Kunst der Alten) Der Gruß17 (Über den Gruß und das Grüßen) Arbeit und Muße18 Die Hellenen und das Volk Israel19 (Über die griechische Religion) Das Priesterthum bei den Hellenen20 Kaiser Wilhelms Friedensregiment21 Rückblick auf Olympia22 (Über die Ausgrabungen von Olympia) Die Reichsbildungen im classischen Alterthum23 Die Griechen als Meister der Colonisation24 Athen und Eleusis25 Der Zehnte26 Das Königthum bei den Alten27 Gedächtnisrede auf Kaiser Wilhelm28

20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) 27) 28)

22. März 1878 22. März 1879 22. März 1880 22. März 1881 22. März 1883 22. März 1884 22. März 1885 22. März 1886 22. März 1888

13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Curtius, Alterthum I³ 369–383. Curtius, Alterthum I³ 203–219. Curtius, Alterthum I³ 341–355. Curtius, Alterthum I³ 116–131. Curtius, Alterthum I³ 237–250. Curtius, Alterthum I³ 148–162. Curtius, Alterthum II² 1–14. Curtius, Alterthum II² 38–49. Curtius, Alterthum II² 173–184. Curtius, Alterthum II² 185–197. Curtius, Alterthum II² 235–246. Curtius, Alterthum II² 96–109. Curtius, Alterthum II² 110–122. Curtius, Alterthum III² 123–134. Curtius, Alterthum III² 80–95. Deutsches Wochenblatt, Probenummer, März 1888; ebenda 1, 1888, 2–5; ebenda 7, 1894, 533–535; Curtius, Alterthum III² 1–11.

Anhang III

433

III. Reden zum Gedächtnis Friedrichs III. und zum Geburtstag Wilhelms II. 29) 30) 31) 32) 33) 34)

30. Juni 1888 27. Januar 1889 27. Januar 1890 27. Januar 1891 27. Januar 1892 27. Januar 1893

Gedächtnisrede auf Kaiser Friedrich29 Die Bürgschaft der Zukunft30 Der konservative Zug im Volkscharakter der alten Athener31 Athen und Rom32 Architektur und Plastik33 Das Verhältnis der bildenden Kunst zur Architektur34

29 Deutsches Wochenblatt 1, 1888, 169–173; ebenda 7, 1894, 535–539; Curtius, Alterthum III² 12–26. 30 Deutsches Wochenblatt 2, 1889, 45–56; ebenda 7, 1894, 539–543; Curtius, Alterthum III² 47–60. 31 Deutsches Wochenblatt 3, 1890, 49–53. 32 Deutsches Wochenblatt 4, 1891, 49–52. 33 Nur als Einzelschrift im Universitätsarchiv überliefert. Vgl. o. S. 72 mit Anm. 138. 34 Curtius, Alterthum III² 290–302.

Anhang IV Bibliographie Wilhelm Gurlitts (1844–1905) (Antje Brost, Henning Wrede) I Monographien 1) De tetrapoli Attica, Diss. (Göttingen 1867) 2) Das Alter der Bildwerke und die Bauzeit des sogenannten Theseion in Athen (Wien 1875) 3) De foris Athenarum. Commentatio ex satura philologica Hermanno Sauppio oblata seorum expressa (Leipzig 1879) 4) Über Pausanias: Untersuchungen (Graz 1890)

II Aufsätze und Miszellen 5) Römisches (?) Lager bei Vizeu in Portugal – Aus einem Brief an den Herausgeber, AZ 26 (N.F. 1), 1868, 14 f. 6) Sammlung des Hrn. F. Cook zu Monserrat bei Cintra (Lissabon), ebenda 84–87 7) Inschriften aus Athen, Philologus 27, 1868, 729–736 8) Scavi di Atene, BdI 7, 1869, 161–163 9) Attische Bauwerke I. ‚Das Theseion’, LZK 8, 1873, 86–90 10) Die Ausgrabungen in Olympia (I–III), LZK 12, 1877, 197–204 und ebenda (IV– VII) 293–305 11) AEpigrM 1, 1877, 7. 9. 111 (griechische Inschriften in Triest) 12) Antike Denkmäler im Wiener Privatbesitze. Sammlung Millosicz, AEpigrM 1, 1877, 2–26 Taf. 1–3 und ebenda 97–112 Taf. 4. 7. 8 13) Antike Denkmäler im Wiener Privatbesitze. Bronzen der Sammlung Trau, AEpigrM 2, 1878, 146–160 Taf. 7–8; 194–196 (Nachtrag zu Nr. 52 der Bronzen der Sammlung Trau) 14) Mercur mit der Schildkröte (aus Ó-Szöny), ebenda, 66–67 Taf. 5 15) Antike Denkmäler im Wiener Privatbesitze (Fortsetzung). Bronzen der Sammlung Trau, AEpigrM 3, 1879, 183–188 Taf. 5 16) Antike Denkmäler im Wiener Privatbesitze (Fortsetzung). Bronzen der Sammlung Trau, AEpigrM 4, 1880, 47–58 17) Dodonäische Aehrenlese. B. Inschriften auf Bleiplättchen (aus Dodona), ebenda, 61–64 18) Antike Denkmäler im Wiener Privatbesitze (Schluss ). Bronzen der Sammlung Trau, AEpigrM 5, 1881, 105–111

436

Anhang IV

19) Über Thongefäße und die Entwicklung ihrer Ornamentik, MAnthropGesWien 10, 1881, 34–37 20) Paionios und der Ostgiebel des Zeustempels in Olympia, in: Historische und philologische Aufsätze. Ernst Curtius zu seinem 70. Geburtstage am 2. September 1884 gewidmet (Berlin 1884) 259–284 21) Das Urnenfeld von Borstendorf (Mähren), MCC 14 N.F., 1888, 122–124 22) Die Tumuli auf dem Loibenberge bei Videm an der Save in Steiermark, ebenda, 175–179 23) ebenda, 191 (über Römersteine in St. Johann bei Hochenberg) 24) Das Urnenfeld von Borstendorf in Mähren, MAnthropGesWien 18 (N.F. 8), 1888, 201 f. (vgl. Nr. 21) 25) Die Hügelgräber vom Loibenberge bei Videm an der Save in Steiermark, ebenda, 202–204 (vgl. Nr. 22) 26) Auszüge aus den Protokollen des Curatoriums im Jahresbericht des steiermärkischen Landesmuseums Joanneum 1889–1895 a) JsLJ 77, 1888 (1889), 21–23 b) JsLJ 78, 1889 (1890), 16–21 c) JsLJ 79, 1890 (1891), 25–32 d) JsLJ 80, 1891 (1892), 17–21 e) JsLJ 81, 1892 (1893), 17–20 f) JsLJ 82, 1893 (1894), 22–26 g) JsLJ 83, 1894 (1895), 12–16 h) JsLJ 84, 1895 (1896), 18–23 i) JsLJ 85, 1896 (1897), 4–10 27) Römische Inschriften aus Steiermark in den Mittheilungen der K.K. CentralCommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale a) MCC 16 N.F., 1890, 146 f. b) MCC 17 N.F., 1891, 54. 129–131. 247–250 c) MCC 20 N.F., 1894, 97 f. d) MCC 21 N.F., 1895, 64 e) MCC 23 N.F., 1897, 35 f. 105 f) MCC 27 N.F., 1901, 221 f. 28) Über die Aufgaben und Ziele des culturhistorischen Museums. Festrede gehalten zum 80jährigen Stiftungsfeste des Landesmuseums am 26. November, JsLJ 80, 1891 (1892) 8–16 29) Jupiter Heliopolitanus, AEpigrM 14, 1891, 120–125 30) ĬȡĮıȣȝȒįȘȢ DZȡȚȖȞȫIJȠȣ ȆȐȡȚȠȢ, ebenda, 126–130 31) MCC 17, 1891, 128 (zu einer Ausgrabung zweier Tumuli bei Marburg) 32) ebenda, 131 (zu einem Hügel bei Langenwang) 33) Der 4. Mimiambos des Herodas, AEpigrM 15, 1892, 169–179 34) MCC 18, 1892, 179 f. (zu einem Sarkophag) 35) ebenda, 193 (zu einer Inschrift auf einer Marmortafel aus Pettau)

Anhang IV

437

36) Die große eherne Athena des Pheidias, in: Analecta Graeciensia, Festschrift zum 42. Philologentag in Wien 1893 (1893) 3–23 37) Tumulus auf dem Loibenberge bei Videm a. d. Save (Steiermark), MAnthropGesWien 24 (N.F. 14), 1894, 62–63 38) MCC 20, 1894, 248 (zu Inschriften auf drei Römersteinen) 39) Zum Heroon von Gjölbaschi-Trysa, AM 19, 1894, 283–289, zu ihm zuvor: Presse (Wien), 25.5. 1893, vgl. AA 1893, 58 40) Über antike Funde aus der Steiermark, in: Verhandlungen der 42. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Wien (Leipzig 1894) 309 f. 41) Ein Hügelgrab auf dem Loibenberge bei Videm an der Save in Steiermark, MCC 21 (NF) 1895, 51–53 42) Die Nutrices Augustae in Poetovio, in: Franz von Krones zum 19. November 1895, gewidmet von seinen Freunden Adolf Bauer u.a. (Graz 1895) 17–38 43) Pettauer Antiken, AEpigrM 19, 1896, 1–25 (veränderter Neudruck von Nr. 42) 44) Künstlerinschrift, ebenda, 25 45) Archäologischer Bericht aus der Steiermark, MAnthropGesWien 26 (N.F. 16), 1896, 30–31 46) Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen auf dem Gebiete von Poetovio von 1889–1895, MCC 22, 1896, 162–164 47) Vorbericht über Ausgrabungen in Pettau, ÖJh 1, 1899, Beibl., Sp. 87–94 48) ebenda: Die Inschriften des Pettauer Mithräums (Sp. 94–96) 49) Ausgrabungen in Pettau [Vortrag in der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin, Januar], Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst 17, 1899, 22 f. 50) Ausgrabungen im Pettauer Feld, MCC 26, 1900, 91–96 51) Ausgrabungen auf der Stätte der Römerstadt Poetovio, MCC 28, 1902, 20 f. 52) De hiatu in Dionysii Halicarnassensis de antiquitatibus Romanis libris obvio, Philologus 72 (N.F. 26), 1913, 392–402 (posthum) 53) CIL II. 5027. 5028, dazu S. 695f., Addenda zu Nr. 326. 406. 412. 416. 430. 434 CIL III Suppl. 2, 14051–14065 (zum Heiligtum der Nutrices Augustae) 14100. 14106–14108. 14112–14116. 14354. 14355. 14360. 14367. 14368. 14371–14373. 15184. 15205 CIL III Suppl. 3, 10879. 10884. 11358. 11388. 11390. 11393. 11394. 11396. 11399. 11400. 11404. 11699. 11700. 11715. 11716. 11731. 11737. 11743. 11751. 11753. 11851. 11869. 12010.12012. 12014

III Rezensionen 54) zu: E. Curtius, Sieben Karten zur Topographie von Athen (Gotha 1868); ders., Erläuternder Text der sieben Karten zur Topographie von Athen (Gotha 1868), in: Allgemeine Zeitung (Augsburg/München), 1868, 3805 f. 55) zu demselben, in: Jahrbücher für classische Philologie 15, 1869, 145–161 56) zu: A. Conze, A. Hauser, G. Niemann, Archäologische Untersuchungen auf Samothrake (Wien 1875), in: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 27, 1876, 20–28

438

Anhang IV

57) zu: W. Müller, Die Theseusmetopen vom Theseion zu Athen in ihrem Verhältnis zur Vasenmalerei. Ein archäologischer Beitrag (Göttingen 1888), in: PhilWSchr 8, Nr. 46, 1888, 1442–1444 58) zu: J.R. Sitlington Sterrett, An epigraphical journey to Asia Minor (during the summer of 1884), Papers of the American School of classical studies at Athens, Vol. II 1883/84 (Boston 1888), in: PhilWSchr 9, Nr. 1, 1889, 21–23 59) zu: J.R. Sitlington Sterret, The Wolfe expedition to Asia Minor. Papers of the American school of classical studies at Athens. Volume III 1884–1885 (Boston 1888), in: PhilWSchr 9, Nr. 23, 1889, 727–730 60) zu: M. Bencker, Der Anteil der Periegese an der Kunstschriftstellerei der Alten (Diss. München 1890), in: PhilWSchr 11, Nr. 1, 1891, 18–20 61) zu: Chr. Belger, Die mykenische Lokalsage von den Gräbern Agamemnons und der Seinen im Zusammenhange der griechischen Sagenentwicklung. Wissenschaftliche Beilage zum Programm des Friedrichs-Gymnasiums zu Berlin (Berlin 1893), in: PhilWSchr 13, Nr. 25, 1893, 785–788 62) zu: R. Heberdey, Die Reisen des Pausanias in Griechenland. Abhandlungen des archäologisch-epigraphischen Seminares der Universität Wien 10 (Prag 1894), in: PhilWSchr 15, Nr. 25, 1895, 769–774 63) zu: A. Hoelder, Eranos Vindobonensis (Wien 1893), in: PhilWSchr 15, 1895, Nr. 37, 1167–1172 (I). Nr. 38, 1199–1205 (II). Nr. 39, 1229–1233 (III) 64) zu: Pausaniae Graeciae descriptio. Ed. H. Hitzig, H. Blümner (Berlin 1896), in: PhilWSchr 16, Nr. 39, 1896, 1219–1228

IV Herausgabe 65) Adolf Stahr, Torso. Kunst, Künstler und Kunstwerke des griechischen Altertums, Zweite vermehrte und verbesserte Ausgabe letzter Hand, herausg. von Wilhelm Gurlitt, Braunschweig 1878

Anhang V Eduard Hiller, Geschichte der griechischen und römischen Kunst, gelesen von Ernst Curtius – Göttingen, Winter 1864/65, Fol. 2r–3v. Kunst nennt man oft jedes mit Bewußtsein erworbenes u[nd] mit einer gewissen Fol. 2r Virtuosität ausgeübtes Können; aber diese Künste sind mit der Technik erschöpft und können von jedem erlernt werden. Aber was wir Kunst nennen, ist eine eigenthümliche Kraft und Thätigk[eit] des menschlichen Geistes, d[urc]h Ursprung, Zweck und Beschaffenh[eit] von allen anderen Thätigk[ei]ten v[er]schieden. Ihr Ursprung ist der Trieb des Menschen s[ei]n Inneres auszudrücken; sie ist Darstellung des Geistigen im Körperl[i]chen, des Uebersinnl[i]chen im Sinnl[i]chen. Sie will nur darstellen u[nd] ist daher eine freie Thätigkeit ohne äußeres Bedürfniß. Ihrer Natur nach ist sie eine schöpferische Thätigkeit, der Inhalt ist ihr Eigenthum. So ist sie vom ਩ȡȖȠȞ ȕȐȞĮȣıȠȞ, anderers[ei]ts von der ਥʌȚıIJ੾ȝȘ verschieden. Man [hat] oft die Freih[eit] der Kunst benutzt, um sie herabzusetzen, u[nd] gesagt, sie sei eine zwecklose Thätigk[eit], so die Römer, die sie für ein Werkzeug u[nd] ein Produkt des Luxus erklärten. Seneca epist. 88. Sie betrachteten sie als eine Dekoration des Lebens. Cicero Verr. 4, 43 schämt sich beinahe s[ei]ner Kunstkenntniße: non tam intellego quam multa vidi. Die gravitas des röm[isc]hen Staatsmanns verschmähte und verachtete die Beschäftig[un]g mit der Kunst. Aber wäre die Kunst nur Schmuck, so wäre sie freier, sie wäre eine Dienerin der Mode, des Luxus, der Eitelkeit. Der Kunsttrieb hat vielmehr s[ei]ne Naturnotwendigkeit; er wächst u[nd] nimmt ab mit der geistigen Thätigkeit eines Volkes. Jede Kunst ist national, eine kosmopolitische Kunst gibt es Fol. 2v nicht. Das Kunstvermögen ist also eine Naturkraft, die es erlaubt mit Willkür zu handeln; die Kunst kann nur d[urc]h Bild[un]g geleitet werden. Diese beiden Thätigkeiten, der unbewusste Trieb des Schaffens u[nd] geordnete bewußte Thätigk[eit], erzeugen das wahre Kunstwerk. Der Keim eines Kunstwerkes ist k[ei]n log[isc]her Begriff, der in einer Definition aufgeht, sondern eher eine gewiße „musikalische“ Regung des Gemüths (Schiller an Körner 21. März 1796), die zu einem sich allmähl[i]ch klarer gestaltenden Bild treibt. Allen Werken, denen es fehlt, merkt man Kälte an. So allein kann von einer Kunstgeschichte die Rede sein. Die alten sagten, die Künstler „litten“; d[a]s ist jene ȝĮȞ઀Į ȝȠȪıȦȞ von der Plat[o] spricht. Phaedr. 245. Damit muß sich die ıȦijȡȠı઄ȞȘ [Gurlitt: verbinden];

440

Anhang V

nur so wird die Kunst zu einer Offenbarung des Göttl[i]chen d[urc]h den Menschen. D[ie]sen Contrast zw[ischen] Uebersinnl[ic]hem und Sinnl[ic]hem auszugleichen ist die Kunst befugt. Dazu bedarf es des Stoffes, in dem ihr Inhalt sich ausdrücken soll. Der natürl[i]chste Stoff ist das Wort, u[nd] die Kunst, die d[ie]ses Organ beherrscht, ist die reichste; sie trägt gleichsam als Ehrenname den Gattungsnamen ȆȠȓȘıȚȢ. Das Geheimniß der Kunst ist aber der Gegensatz zwischen dem Gebundenen u[nd] dem Ungebundenen, daher die gebundene Form. Die Musik beutet den Ton als Trägerin der Empfind[un]g aus. Mit d[ie]sen 2 Künsten konnte sich der Mensch begnügen; die begabteren Völker thaten d[a]s aber n[ich]t. Es drängte sie, auch den sie umgebenden Fol. 3r todten Massen ein höheres Dasein zu geben. D[ie]ses Reich der Formen beherrscht die bildende Kunst, eine stumme Dichterin, die zu uns d[urc]h die Gestalt spricht. Die Gestalt ist das Eigenthum der Natur. Die Gesetze der Natur dürfen daher n[ich]t verletzt werden. So ist die bildende Kunst das Band zwischen Natur und Seele. Sie umfaßt das lebendige Sein in der Natur ohne deren Schwächen u[nd] Gebrechen. Schelling, über das Verh[ältnis] der bildenden Künste zur Natur, neu abgedr[uckt] 1849.

Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen folgen den Richtlinien für Publikationen des Deutschen Archäologischen Instituts. Zusätzlich sind verwendet worden: I. Für Handschriften: Braun G. Braun, Geschichte der bildenden Kunst bei Griechen und Römern. Nach Vorlesungen von Prof. Curtius. Berlin, Winter 1878/79 [Göttingen] Berlin, Privatbesitz G. in der Transkription der Handschrift als Sigel von Gurlitt Gurlitt [W. Gurlitt] Prof. [Ernst] Curtius, Griechische Kunstgeschichte [Göttingen, Wintersemester 1864/65] Berlin, Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität H. in der Transkription der Handschrift als Sigel von Hiller Hiller Eduard Hiller, Geschichte der griechischen und römischen Kunst, gelesen von Ernst Curtius – Göttingen, Winter 1864/65 Berlin, Preußische Staatsbibliothek, Ms. Germ Quart Nr. 1287

II. Für Druckschriften Amelung, Vat. Kat. W. Amelung, Die Sculpturen des Vaticanischen Museums I (1903). II (1908) Archäologenbildnisse 1988 R. Lullies, W. Schiering (Hrsg.), Archäologenbildnisse. Porträts und Kurzbiographien von Klassischen Archäologen deutscher Sprache (1988) R. Bol 1998 R. Bol, Amazones Volneratae. Untersuchungen zu den Ephesischen Amazonenstatuen (1998) Bol, Bildhauerkunst P. C. Bol (Hrsg.): Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst I. Frühgriechische Plastik (2002). II. Klassische Plastik (2004).

442

Abkürzungsverzeichnis

Bol, Villa Albani Forschungen zur Villa Albani. Katalog der antiken Bildwerke, hrsg. von Peter C. Bol, Bd. 1: Bildwerke im Treppenaufgang und im Piano nobile des Casino (1989) Borbein 1988 A. Borbein, „Ernst Curtius, Alexander Conze, Reinhard Kekulé. Probleme der Klassischen Archäologie zwischen Romantik und Positivismus“, in: K. Christ – A. Momogliano (Hrsg.), L’Antichità nell’Ottocento in Italia e Germania – Die Antike im 19. Jahrhundert in Italien und Deutschland (1988) 275–302 Borbein 1989 A. Borbein, „Ernst Curtius“, in: M. Erbe (Hrsg.), Berlinische Lebensbilder – Geisteswissenschaftler (1989) 157–173 Broicher 1896 C. Broicher, „Erinnerungen an Ernst Curtius“, in: Preußische Jahrbücher 86, 1896, 582–603 Brommer 1963 F. Brommer, Die Skulpturen der Parthenon-Giebel. Katalog und Untersuchung I. II. (1963) Brouskari, Acropole M. S. Brouskari, Musée de l’Acropole. Catalogue descriptif (1974) Bruer 1994 S.-G. Bruer, Die Wirkung Winckelmanns in der deutschen klassischen Archäologie des 19. Jahrhunderts. AbhMainz 1994, Nr. 3 Brunn, GK H. Brunn, Geschichte der griechischen Künstler I (1853). II (1859) Calder – Cancik – Kytzler 1991 W. M. Calder – H. Cancik – B. Kytzler, Otto Jahn (1813–1868). Ein Geisteswissenschaftler zwischen Klassizismus und Historismus (1991) Christ 1776 J. F. Christ, Abhandlungen über die Litteratur und Kunstwerke vornehmlich des Alterthums, hrsg. von J. C. Zeune (1776) Christ 1989 K. Christ, Von Gibbon zu Rostovtzeff3 (1989) Clark 2006 W. Clark, Academic Charisma and the Origin of the Research University (2006) Curtius, Alterthum E. Curtius, Alterthum und Gegenwart I3 (1882), II2 (1886), III2 (1895) Curtius, Geschichte E. Curtius, Griechische Geschichte I (1857), II (1861), III (1867) Curtius 1894 E. Curtius, Gesammelte Abhandlungen I–II (1894) Curtius 1903 E. Curtius, Lebensbild in Briefen, hrsg. von Friedrich Curtius (1903)

Abkürzungsverzeichnis

443

C. Curtius C. Curtius, „Zur Erinnerung an Ernst Curtius. Ein Vortrag gehalten in der Versammlung der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit am 19. 1. 1897 (1897) = ders., in Lübecker Blätter 93, 1897, 163–166, 177–180, 187–191 Der Archäologe 1983 Der Archäologe. Graphische Bildnisse aus dem Porträtarchiv Diepenbroick, hrsg. von P. Berghaus, Ausstellungskatalog Münster, Hannover, Berlin (1983) Die Etrusker 1993 Die Etrusker und Europa, Ausstellungskatalog Berlin (1993) Fittschen 1996 K. Fittschen, „Die Gründung des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen. Ernst Curtius (1814–1896) zum Gedächtnis“, in: AM 111, 1996, 1–44 Floren 1987 W. Fuchs – J. Floren, Die griechische Plastik I. Die geometrische und archaische Plastik (1987) Förtsch 2001 R. Förtsch, Kunstverwendung und Kunstlegitimation im archaischen und frühklassischen Sparta (2001) Friederichs – Wolters 1885 C. Friederichs – Paul Wolters, Die Gipsabgüsse antiker Bildwerke in historischer Folge erklärt. Bausteine zur Geschichte der griechisch-römischen Plastik. Königliche Museen zu Berlin (1885). Grimm 1948 H. Grimm, „Ernst Curtius, Heinrich von Treitschke, Leopold Ranke (1896)“, in: ders., Das Jahrhundert Goethes (1948) 223–245 L. Gurlitt 1901 L. Gurlitt, „Erinnerungen an Ernst Curtius“, in: Jahresberichte über die Fortschritte der classischen Altertumswissenschaft 111, 1901 (Biographisches Jahrbuch), 113–138 L. Gurlitt 1914 L. Gurlitt, „Wilhelm Gurlitt“, in: Jahresbericht der Altertumswissenschaft 169, 1914, 63–89 Gruben 2001 G. Gruben, Griechische Tempel und Heiligtümer (5. Aufl. 2001) Hamiaux, Louvre M. Hamiaux, Musée du Louvre. Les sculptures grecques I. Des origines à la fin du IVe siècle a. J.-C. (1992); Musée du Louvre. Les sculptures grecques II. La période hellénistique (IIIe - Ier siècles avant J. C.) (1998) Hassenstein 1989 F. Hassenstein, „Ernst Curtius als Prinzenerzieher am Hohenzollernhof´“, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunst 69, 1989, 171–196

444

Abkürzungsverzeichnis

Heenes 2003 V. Heenes, Antike in Bildern. Illustrationen in antiquarischen Werken des 16. und 17. Jahrhunderts (2003) Herklotz 1999 I. Herklotz, Cassiano dal Pozzo und die Archäologie des 17. Jahrhunderts (1999) Hermann 1844 C. F. Hermann, Schema akademischer Vorträge über Archäologie oder Geschichte der Kunst des classischen Alterthums (1844) Heyne 1772 C. G. Heyne, Einleitung in das Studium der Antike, oder Grundriß einer Anführung der Kenntniß der alten Kunstwerke (1772) Heyne 1822 C. G. Heyne, Akademische Vorlesungen über die Archäologie der Kunst, insbesondere der Griechen und Römer. Ein Leitfaden für Leser der alten Klassiker, Freunde der Antike, Künstler und diejenigen, welche Antikensammlungen mit Nutzen betrachten wollen (1822) Hirschfeld 1886 G. Hirschfeld, „Ernst Curtius in Berlin“, in: Nord und Süd (Januar 1886), 50–68 Hirt, Baukunst A. Hirt, Die Geschichte der Baukunst bei den Alten I (1821). II (1822). III (1827) JsLJ Jahresbericht des steiermärkischen Landesmuseums Joanneum Kern 2008 M. Hillgruber (Hrsg.), Otto Kern. Meine Lehrer. Erinnerungen (2008) Klassik 2002 Die griechische Klassik. Idee oder Wirklichkeit, hrsg. von der Antikensammlung Berlin, SMBPK, Ausstellungskatalog Berlin, Bonn (2002) Kreikenbom 1990 D. Kreikenbom, Bildwerke nach Polyklet. Kopienkritische Untersuchungen zu den männlichen statuarischen Typen nach polykletischen Vorbildern. 'Diskophoros', Hermes, Doryphoros, Herakles, Diadumenos (1990) Leipen 1971 N. Leipen, The Athena Parthenos. A Reconstruction (1971) Lippold, Plastik G. Lippold, Die griechische Plastik. Handbuch der Archäologie (1950) Lippold, Vat. Kat. G. Lippold, Die Skulpturen des Vaticanischen Museums III, 1 (1936). III, 2 (1956) Loewy 1885 E. Loewy (Hrsg.), Inschriften griechischer Bildhauer (1885) Lorber 1979 F. Lorber, Inschriften auf korinthischen Vasen, AF 6 (1979) LZK C. v. Lützows Zeitschrift für bildende Kunst

Abkürzungsverzeichnis

445

Maaß 1993 M. Maaß, Das antike Delphi. Orakel, Schätze und Monumente (1993) Maier 1992 F. G. Maier, Archäologie als Eroberungswissenschaft. Von Winckelmann zu Schliemann. Archäologie als Eroberungswissenschaft des 19. Jahrhunderts (1992) Mallwitz 1972 A. Mallwitz, Olympia und seine Bauten (1972) Mansuelli, Uffizi G. A. Mansuelli, Galleria degli Uffizi. Le sculture. Parte I (1958) Marchand 1996 A. Marchand, Down from Olympus: Archaeology and Philhellenism in Germany 1750–1970 (1996) MCC Mittheilungen der K. K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale Megow 1987 W.-R. Megow, Kameen von Augustus bis Alexander Severus. Antike Münzen und geschnittene Steine XI (1987) Mertens 2006 D. Mertens, Städte und Bauten der Westgriechen. Von der Kolonisationszeit bis zur Krise um 400 vor Christus (2006) Michaelis 1897 A. Michaelis, „Ernst Curtius“, in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 1, 1897, 56–88 Moreno 1995 P. Moreno, Lisippo. L’arte e la fortuna, Ausstellungskatalog Rom (1995) Müller 1848 C. O. Müller, Handbuch der Archäologie der Kunst. Dritte, nach dem Handexemplar des Verfassers verbesserte, berichtigte und vermehrte Auflage von F. G. Welcker (1848) Museo Nazionale di Napoli R. Cantilena - E. La Rocca - U. Pannuti - L. Scatozza, Le collezioni del Museo Nazionale di Napoli I, 2. La scultura greco-romana, Le sculture antiche della Collezione Farnese, Le collezioni monetali, Le oreficerie, La collezione glittica (1989) Museo Nazionale Romano A. Giuliano (Hrsg.), Museo Nazionale Romano, Le sculture I, 1 (1979); A. Giuliano (Hrsg.), Museo Nazionale Romano, Le sculture I, 5. I Marmi Ludovisi nel Museo Nazionale Romano (1983) Nitsch 1792 P. F. A. Nitsch, Einleitung in das Studium der alten Kunstwerke für Künstler und Kunstliebhaber (1792) Overbeck 1853 J. Overbeck, „Ueber Systematik der Archäologie der Kunst“, in: Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur 1853, 444–466

446

Abkürzungsverzeichnis

Overbeck, Geschichte J. Overbeck, Geschichte der griechischen Plastik für Künstler und Kunstfreunde I (1857), II (1858) Palagia 1993 O. Palagia, The Pediments of the Parthenon (1993) Petersen 1829 F. C. Petersen, Allgemeine Einleitung in das Studium der Archäologie (1829) Phyromachos-Probleme B. Andreae – N. Himmelmann – G. de Luca u.a., Phyromachos-Probleme, 31. Ergh. RM (1990) Polyklet 1990 Polyklet. Der Bildhauer der griechischen Klassik, hrsg. von H. Beck, P. C. Bol, M. Bückling, Ausstellungskatalog Frankfurt a. M. (1990) de Quincy 1814 Quatrèmere de Quincy, Le Jupiter Olympien, ou l’art de la sculpture antique considéré sous un nouveau point de vue; ouvrage qui comprend un essai sur le goût de la sculpture polychrome, l’analyse explicative de la toreutique, et l’histoire de la statuaire en or et ivoire chez les Grecs et les Romains, avec la restitution des principaux monuments de cet art et la démonstration pratique ou le renouvellement de ses procédés mécaniques (1814) Rangabé, Antiquités A. R. Rangabé, Antiquités helléniques ou repertoire d’inscriptions (1842–1855) Reiter 1950 S. Reiter, Carl Otfried Müller, Briefe aus einem Gelehrtenleben 1797–1840 (1950) Richter, Gravestones G. M. A. Richter, The Archaic Gravestones of Attica (1961) Richter, Kouroi G. M. A. Richter, Kouroi. Archaic Greek Youths (3. Aufl. 1970) Richter, Portraits G. M. A. Richter, The Portraits of the Greeks I–III (1965) Schöne 1901 R. Schöne, „Zur Erinnerung an Ernst Curtius“, in: Jahrbuch der Kgl. Preußischen Kunstsammlungen 17, 1896, 215–220 Schubring 1897 J. Schubring, „Rede bei den Schulfeierlichkeiten am Katharineum zu Ostern 1897“, in: Lübeckische Blätter 39, 1897, 297–300 Siebenkees 1799. 1800 J. P. Siebenkees, Handbuch der Archäologie oder Anleitung zur Kenntnis der Kunstwerke des Alterthums und zur Geschichte der Kunst der alten Völker I (1799), II (1800) Sittl 1895 K. Sittl, Archäologie der Kunst (1895)

Abkürzungsverzeichnis

447

Stark 1852 C. B. Stark, Archäologische Studien zu einer Revision von Müllers Handbuch der Archäologie (1852) Stark 1863 K. B. Stark, Niobe und die Niobiden in ihrer literarischen, künstlerischen und mythologischen Bedeutung (1863) Stark 1880 K. B. Stark, Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst (1880) Steinby, LTUR E. M. Steinby (Hrsg.), Lexicon Topographicum Urbis Romae I–VI (1993–2000) Stewart 1990 A. Stewart, Greek Sculpture. An Exploration (1990) Stuart Jones, Mus. Cap. H. Stuart Jones, A Catalogue of the Ancient Sculptures preserved in the Municipal Collections of Rome. The Sculptures of the Museo Capitolino (1912) Svenson-Evers 1996 H. Svenson-Evers, Die griechischen Architekten in archaischer und klassischer Zeit (1996) Travlos, Athen J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Athen (1971) Travlos, Attika J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika (1988) Vatikanische Museen, Bildkatalog II B. Andreae (Hrsg.), Museo Pio Clementino. Cortile Ottagono, Bildkatalog der Skulpturen des Vatikanischen Museums II (1998) Vierneisel-Schlörb, Glyptothek München B. Vierneisel-Schlörb, Klassische Skulpturen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. Glyptothek München, Katalog der Skulpturen II (1979) Vollkommer, Künstlerlexikon R. Vollkommer (Hrsg.), Künstlerlexikon der Antike. Band 1 A–K (2001); Band 2 L–Z. Addendum A–K (2004) Vorster, Museo Gregoriano Profano C. Vorster, Römische Skulpturen des späten Hellenismus und der Kaiserzeit 1. Werke nach Vorlagen und Bildformeln des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., Vatikanische Museen. Museo Gregoriano Profano ex Lateranense, Katalog der Skulpturen II, 1 (1993) Walter-Karydi 1987 E. Walter-Karydi, Die Äginetische Bildhauerschule, Alt-Ägina II, 2 (1987) von Wilamowitz-Moellendorf, Erinnerungen U. von Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen an 1848–1914 (Leipzig o. J., Einleitung von 1928)

448

Abkürzungsverzeichnis

Wolf 1807 F. A. Wolf, „Darstellung der Alterthumswissenschaft nach Begriff, Zweck und Werth“, in: ders. – P. Buttmann, Museum der Alterthumswissenschaft 1, 1807, 10–145 Wrede 2009 H. Wrede, „Olympia, Ernst Curtius (1814–1896) und die kulturgeschichtliche Leistung des Philhellenismus“, in: A. M. Baertschi – C. G. King, (Hrsg.), Die modernen Väter der Antike. Transformationen der Antike Bd. 3 (2009) 165-208.

Abbildungen Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5 Abb. 6: Abb. 7:

Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift S. 1 G. Braun, Curtius’ Geschichte der bildenden Kunst S. 15 G. Braun, Curtius’ Geschichte der bildenden Kunst S. 53 Ernst Curtius, Porträtherme in Olympia Dieselbe Poträtherme am 19.3. 1895 Der „Salon Curtius“. Berlin, Matthäikirchstraße 8, 3. Stock Das Grab von Ernst Curtius 2006. Berlin, Sankt Matthäus-Kirchhof

451

Abb. 1: Wilhelm Gurlitts Vorlesungsmitschrift S. 1

452

Abb. 2: G. Braun, Curtius’ Geschichte der bildenden Kunst S. 15

453

Abb. 3: G. Braun, Curtius’ Geschichte der bildenden Kunst S. 53

454

Abb. 4: Ernst Curtius, Porträtherme in Olympia

455

Abb. 5: Dieselbe Poträtherme am 19.3. 1895

456

457

Abb. 7: Das Grab von Ernst Curtius 2006. Berlin, Sankt Matthäus-Kirchhof

Abbildungsnachweis Abb. 1–3, 7: Antonia Weiße, Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin Abb. 4: Deutsches Archäologisches Institut Athen, Neg.-Nr. 1994/299 (Bildautor Elmar Gehnen) Abb. 5: Katrin Hartung, Archäologisches Seminar der Phillips-Universität Marburg, vgl. S. 47 Anm. 14 Abb. 6: Foto Staatsbibliothek Berlin nach Charlotte Broicher, Erinnerungen an Clara Curtius, Berlin 1900, Frontispiz

Register I. Personen der Antike Aemilius Scaurus, M. 401. Agamedes 224,240f. Agasias aus Ephesos 388. Agatharchos aus Samos 217,373. Ageladas (Hageladas) 113,271f.,283, 294,324. Aglaophon 369. Agorakritos 316–318,335. Agrippa, M. Vipsanius 395,407. Agrippina maior 406,408. Aischines 407 (s. Literarische Quellen). Aischylos 60,217,281,284,344 (s. Literarische Quellen). Aisopos 227. Alexander der Große 118f.,134,175,280,334,346,358,361, 364–366,368,375–380,391–393,410. Alkaios 194. Alkamenes 307,309,316–318,334,346, 351. Alkisthenes 222. Alyattes 182,244f. Amasis 255. Ameinokles 243. Amyntas 358. Anaxagoras 284. Andronikos aus Kyrrhos 397. Androsthenes 311. Angelion 257,260. Antinoos 405,410. Antoninus Pius 410. Apelles 174,214,375f.

Apollodoros aus Athen 216,373. Apollodorus aus Damaskos 409. Apollodoros aus Phaleron 359f. Apollonias 382. Apollonios 394. Apollonios aus Thyana 415. Apollonios aus Tralles 382. Archelaos 395f. Archilochos 207,368. Aristandros 335. Aristeides 391,414. Aristion 274. Aristogeiton 273. Aristokles d. Ä. (II) 273f. Aristokles d. J. (VI) 274,287. Aristophanes 57,59f.,118f.,134,207,213, 373 (s. Literarische Quellen). Aristoteles 57,152,174 (s. Literarische Quellen). Arkesilaos II. von Kyrene 194. Arkesilaos (IV) 402. Arktinos 413. Artemisia 341,359. Artemon 298. Asinius Pollio 207,223,382,389,407. Aspasia 284. Athanodoros aus Rhodos 385. Athenis 244. Attalos I. von Pergamon 386f.. Attalos II. von Pergamon 382,396. Augustus 177f.,211,327,339,376,402, 404–406,408,414.

460 Balbus, M. Nonius 407. Bathykles 253,254. Iunius Brutus Callaicus, D. 345. Iunius Brutus, M. 330. Bryaxis 338,343,390. Bupalos 244. Butades 250. Byzes 243. Iulius Caesar, C. 376,405–407,414. Caligula 347,406. Caracalla 364f.,382. Cassius Vercellinus, Sp. 400. Porcius Cato Censorius, M. 401. Chares 255. Chares aus Lindos 381. Charmides 282,293. Chartas 251. Cheirisophos 237. Chrysothemis 271. Tullius Cicero, M. 401(s. Literarische Quellen). Commodus 410. Constantinus I. der Große 197,410f. Coponius 411. Cossutius 397. Daidalos 224,237,239,250,272,280. Daidalos aus Sikyon 360f. Damophilos 400. Damophon 210,294. Dareios I. 255,368. Dareios III. 393. Deinokrates 378. Demaratos 397. Demetrios Poliorketes 381,390. Demetrios aus Alopeke 331. Demosthenes 341(s. Literarische Quellen). Dexamenos aus Chios 212. Diitrephes 332. Diodotos 318.

Register

Diogenes 190. Diogenes aus Athen (I) 395,403. Dionysios 271. Dionysios von Halikarnassos 138 (s. Literarische Quellen). Diopos 398. Dioskurides (IV) 405. Dipoinos 257,260,320. Domitian 364,409. Domitius Ahenobarbus, Cn. 344. Drusus maior 406. Drusus minor 406. Elpenike 370. Empedokles 214 (s. Literarische Quellen). Endoios 272,275,336. Ennius 413. Epaminondas 335. Ephialtes 114. Epicharinos 273. Epikuros 207. Eubulides (I-III) 393. Eucheir (II) 237,251,398. Eucheir (III, IV) 393. Eugrammos 251,398. Eukadmos 311. Eukleides 192. Eumalos 248. Eumaros 368. Eumenes II. von Pergamon 386. Euphranor 174,360–362,375. Eupolemos 320. Euripides 59f.,62,207,296,334,338,413 (s. Literarische Quellen). Eutelidas 271. Euthykrates 363. Eutychides 389. Fabius Q. Pictor 413. Faustina d. Ä. 410. Germanicus, Iulius Caesar 406.

Personen der Antike

Gitiadas 251f.,260. Glaukias 260. Glaukos 244. Glaukos 260. Glykon aus Athen 364,395. Gorgasos 400. Hadrianus 126,397,405,409f.,412. Hagesandros aus Rhodos 385. Hannibal 364. Harmodios 273. Hasdrubal, Sohn des Giskon 414. Hegias 273. Helena 392. Hephaistion 183,379. Herakleitos 284. Herodes Atticus 184. Herodotos 27,207,213,244 (s. Literarische Quellen). Hesiodos 396 (s. Literarische Quellen). Hippodamos von Milet 187,298,378. Hipponax 244. Homeros 108,134,169,207,224,235,321, 396,413 (s. Literarische Quellen). Hypereides 348. Iktinos 173,283,298,310f. Ismenias 377. Isokrates 341,358,361. Julianus Apostata 390. Iuvenal 60,62 (s. Literarische Quellen). Kalamis 113,274–276,359. Kalamis (II) 311,338. Kallias 272,274. Kallikrates 283,298. Kallimachos 314,331. Kallistratos 174f. (s. Literarische Quellen). Kalon (Kallon) 260. Kanachos 113,258,260,275. Karpion 298. Kephisodotos d. Ä. (I) 133,334f.,346, 357.

461

Kephisodotos d. J. (II) 335,339,357. Kimon 112,114,281f.,296,312,369f.,376. Kimon von Kleonai 368. Klearchos 252. Kleisthenes 251,257. Kleoitas 185. Kleomenes aus Athen (II) 349,394. Kleomenes (III) 394. Kleomenes (IV) 394. Kleomenes aus Naukratis 378. Kleosthenes 272. Kolaios von Samos 251,254. Kolotes 318,335. Konon 334,358. Korinna 359. Krates aus Chalkis 378. Kresilas 329,330–332. Kritios 113,273. Kroisos 194,245f.,252. Ktesibios 379,397. Kypselos 248f. Kyros 185,211,257. Lachares 287. Ladas 326. Lais 348. Leochares 337f.,344,358f. Leonidas von Tarent 175. Lesches von Mytilene 413. Licinius Mucianus, C. 183. Livia Drusilla 406,408. Lucius Verus 410. Lukianos aus Samosata 174,273 (s. Literarische Quellen). Lykios 327. Lykurgos 241,357. Lysandros 335,405. Lysikrates 351. Lysimachos 391. Lysistratos 365.

462

Register

Lysippos 18,119,126,134,196,322,360, 362–367,380f.,389. Mandrokles von Samos 368. Marcus Aurelius 197,410. M. Valerius Martialis 173 (s. Literarische Quellen). Maussollos 336,340–342. Melas 244. Menaichmos 174. Menandros 207,407. Menelaos 402. Menodoros 395. Mentor 199,403. Metagenes 298,316. Meton 298. Metrodoros 207. Mikon 369f. Miltiades 294,370. Mithradates VI. Eupator Dionysos 405. Mnesarchos 377. Mnesikles 283,298,311. Mummius, L. 266,401,414. Myron 251. Myron 113,197,271,276,324–328, 332,345. Naukydes 117,320f.,332f.,337. Nausinikos 337. Nero 196,330,339,347,408. Nesiotes 113,273. Nikias 310,317. Nikias 202,391. Nikosthenes 192. Nonius Vindex 364. Onatas 113,261–263,265,271. Oxathres 393. Pacuvius, M. 413. Paionios 309,319. Pamphilos 375. Panainos 2,133,284,318,369. Pantarkes 285,292.

Parrhasios 374. Pasiteles 12,202,402. Pausanias 56,133,139f.,175,249,254,293f. (s. Literarische Quellen) Pausias 217,375. Pauson 373. Peisianax 369. Peisistratos 272,281,298. Pellichos 331. Periandros 247. Perikles 4,114,116,118,123,177,184,187, 192,281–284,289f.,298,314,320,328, 331–334. Persius 60 (s. Literarische Quellen). Phalaris 258. Pheidias 4,18,22,49,113– 118,185,197,210,271,280,282–286, 290–295,307,309,316–322,324–326, 329f.,334,336,343,346,357,360,369, 389. Pheidon 247,250. Phileas 245f. Philipp II. von Makedonien 358f.,361. Philon 174. Philostratos 174f. (s. Literarische Quellen). Phokion 335. Phormis 271. Phradmon 329. Phryne 347f.,376. Phrynichos 281. Phyromachos 388. Pindaros 27,256,260,275,284 (s. Literarische Quellen). Platon 174,359,360 (s. Literarische Quellen). Plautios, Novios 400f. Plautius Lycon, M. 414. Plinius Secundus d. Ä., C. 120,122,176, 261,360,381,385 (s. Literarische Quellen). Plotinos 174.

Personen der Antike

Polemon aus Ilion 140,175. Polydoros 211,252. Polydoros aus Rhodos 385. Polygnotos 114,152,216,281,369–374, 376,415. Polykleitos (I) 113,117,119,206,271, 275,320–326,328–330,332f.,337,345, 362f.. Polykleitos d. J. (II/III) 333. Polykleitos (IV) 324. Polykrates 211,246,258. Polystratos 258. Pompeius, Cn. 402,407,411f. Porsenna 182. Poseidippos 407. Praxias (III) 311. Praxiteles 2,49,119,133,202f.,205,335,33 8f.,346,347-353,356f.,392. Propertius, S. 60,173 (s. Literarische Quellen). Protogenes 375f. Ptolemaios I. Soter 391f. Ptolemaios II. Philadelphos 380,391. Ptolemaios III. Euergetes 397. Ptolemaios V. Epiphanes 397. Ptolemaios VIII. Euergetes II. 393. Pyrgoteles 377. Pyrrhos 233. Pythagoras von Rhegion 113,274f. Pythagoras 245,276. Pytheos 341. Pythodoros 284. Quinctius Flamininus, T. 394. Rhoikos 245f. Salpion 395. Sappho 194,359. Sargon II. 230. Satyros 341. Scipio Africanus, P. Cornelius 218. Scipio Nasica Corculum, P. C. 397. Severus Alexander 415.

463

Septimius Severus 410. Servius Tullius 245,398. Silanion 359f. Simon 331. Simonides 273,281. Skopas 119,133,335–340,343–348, 352f.,356. Skyllis 257,260,320. Smilis 237,250. Sokrates 360. Solon 110,215,240. Sophokles 57,60,207,282,284,296,356, 407(s. Literarische Quellen). Sophoniba 218,414. Sosikles 330. Sosius, C. 352. Sosos aus Pergamon 392. Sostratos 260. Sostratos aus Knidos 378f. Spintharos 266. Statius, P. Papinius 60,173 (s. Literarische Quellen). Stephanos 402. Stesichoros 413. Strongylion 237,330. Studius („Tadius“) 217,414. Styppax 328. Sulla, L. Cornelius 364,401. Syadras 251. Synesios von Kyrene 216. Tacitus, P. Cornelius 27 (s. Literarische Quellen). Tauriskos aus Tralles 382. Tektaios 237,257,260. Telekles 245f. Tertullianus, Q. Septimius Florens 415 (s. Literarische Quellen). Theagenes 247,251. Themistokles 112,114,280f. Theodoretos von Kyrrhos 216. Theodoros (I) 245f.,258,377.

464 Theodoros (III) 174. Theodosius I. der Große 411,418. Theokosmos 317. Theophrastos 228 (s. Literarische Quellen). Theopompos aus Chios 341 (s. Literarische Quellen). Thrasybulos 316. Thrasymedes 317,335. Thukydides 27,207,229 (s. Literarische Quellen). Thusnelda 409. Tiberius 321,366,390,406,408,411,415. Tibull 60,149 (s. Literarische Quellen). Timanthes aus Kythnos 374. Timarchides (II) 395. Timokles (I) 395. Timomachos von Byzanz 414. Timonidas 255.

Register

Timotheos 338f.,343,358f. Titus 385,408. Traianus 409. Trophonios 224,240f. Terentius Varro, M. 175,222f.,318 (s. Literarische Quellen). Vergilius Maro, P. 173,383 (s. Literarische Quellen). Vitruvius Pollio 174,178,188,241f. (s. Literarische Quellen). Vulca 398. Xenokles 298,316. Xenokrates 174. Xenophon 335. Xerxes 273. Zenodorus aus Massilia 408. Zeuxis 373f. Zopyros 403.

II. Personen der Neuzeit und Moderne Adler, Friedrich 55,66. Altenstein, Karl vom Stein zu 38. Andrae, Walter 137. Angell, Samuel 267. Arendt, Otto 80,85. Aringhi, Paolo 416. Asher, Louis 46. Augusta, deutsche Kaiserin 83f. Bachofen, Johann Jacob 205. Baïf, Lazare de 104. Balduin II., König von Jerusalem 406. Baruch, J. 49. Baumeister, August 180. Beck, Daniel 25. Beger, Lorenz 10. Bencker, Max 140. Benndorf, Otto 175f.,261,326,365f.,373, 376. Bergk, Theodor 249,393. Bernays, Jacob 188. Bethmann-Hollweg, Moritz August von 74. Beulé, Ernest 298,307,312. Beuth, Peter Christian Wilhelm 212,407. Biardot, E. Prosper 190. Birch, Samuel 191. Bismarck, Otto von 75,79,80f.,83f. Bluemner, Hugo 140. Boeckh, August 2,15,27,32,34,54,56,60, 67,69f.,87,281,285,288f.,299,313,319. Boisserée, Sulpice 222,417. Bonaparte, Lucian, Prinz 172. Borbein, Adolf H. 128. Bosio, Antonio 416. Botta, Paul Émile 226.

Bötticher, Karl 61,101,176,181f.,201, 222,237,242,287,289,295,298,301, 312f. Boettiger, Karl August 19,23f.,38,172, 228. Brandes, Christian August 174. Braun, Emil 301,321340,349f. Braun, G. 2,95,111,128–135. Braun, Julius 168,229,292. Brenning, Emil 174,396. Brieger, Adolf 176. Broicher, Charlotte 78,83. Brøndsted, Peter Oluf 171,198,262,297. Bruce, Thomas, Earl of Elgin, Earl of Kincardine 171, 297,304,307. Brunn, Heinrich 3,38,43f.,105f.,113f., 120–123,125f.,158,173,175f.,200, 212,216,218,45,252,274,282,292,327f., 377. Bulle, Heinrich 32. Bunsen, Christian Karl Josias von 172, 186,191. Bursian, Conrad 357. Buttmann, Philipp 234. Campana, Marchese Gian Pietro 190f. Cancik, Hubertus 150. Carrey, Jacques 297,300f.,303,305–307. Cellini, Benvenuto 199,403. Christ, Johann Friedrich 12–15,20,27,34, 131,170. Christ, Karl 1,82. Clark, William 9. Cock, Hieronymus 12. Cockerell, Charles Robert 262,354f. Conze, Alexander Christian Leopold 109,139,238,254,259,261,279,290, 319.

466 Creuzer, Georg Friedrich 127,228. Curtius, Carl 50f. Curtius, Clara 49,54. Curtius, Ernst 1–4,9f.,22f.,28,30,33, 41–134,138–140,143,147,149–152, 155f.,158,165,182f.,186f.,193,195,21 9,229,233,243f.,247,271,294f.,298, 300,307f.,322,351,355,371,398,413. Curtius, Friedrich 85. Curtius, Georg 95. Dante Alighieri 235. Dempster, Thomas 10. Diels, Hermann 49. Dissen, Ludolf 27. Dodwell, Edward 171,232,254f. Döhl, Hartmut 16. Dörpfeld, Wilhelm 48. Dosio, Giovanantonio 12. Droysen, Johann Gustav 120. Ducerceau, Jacques Androuet 12. Dürer, Albrecht 243. Ernesti, Jacob August 13–15,20. Fechner, Hanns 49. Fellows, Charles 172,269f.. Fergusson, James 341. Feuerbach, Anselm 3,40,43,100,403. Flandin, Eugène 226. Franz, Johann G. F. 206. Freytag, Gustav 43. Friederichs, Karl 44,62,94,113,117,175, 275,323,346,356. Friedländer, Julius 199,201f. Friedländer, Ludwig 42f.,125. Friedrich III., s. u. Hohenzollern Friedrich Wilhelm IV., s. u. Hohenzollern Frigelius, Edmund 22. Furtwängler, Adolf 48,54,95. Geibel, Emanuel 99. Gell, Sir William 171,218,232,234. Gelzer, Heinrich 51,53.

Register

Gerhard, Eduard 34f.,37f.,42f.,89f.,93, 99,127,172,191f.,200,238,285f.,289. Gesner, Mathias 14. Gibson, W. 367. Gildemeister, Johann 142. Giotto di Bondone 128,418. Goethe, Johann Wolfgang von 12,171, 203f.,228,321,386. Göttling, Carl Wilhelm 408f. Grimm, Hermann 46,50,83,130,133. Grimm, Jacob u. Wilhelm 101. Grüneisen, Karl 169,416. Gruter, Jan 12. Gurlitt, Cornelius 137. Gurlitt, Emanuel 137. Gurlitt, Friedrich 137. Gurlitt, Helma 148. Gurlitt, Johann August 138. Gurlitt, Johannes 19,21f.,137. Gurlitt, Julie 137. Gurlitt, Louis 137f. Gurlitt, Ludwig 45,47,54–56,72,78, 83,137f.,142f.,146. Gurlitt, Wilhelm 2,5,9,53,63,87,97,100, 102,105f.,118,124,129,132f., 137–152. Haase, Friedrich 243. Hagen, Ernst August 42. Hamilton, William John 172. Hansen, Christian 298. Harnack, Adolf von 81. Harris, William 267. Hawkins, Edward 300. Heberdey, Rudolf 140. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 32. Helbig, Wolfgang 218,331. Helmholtz, Hermann von 50. Hermann, Gottfried 302. Hermann, Karl Friedrich 34f.,39f.,42f., 58,103,125. Hertz, Martin 223,360.

Personen der Neuzeit und Moderne

Heuzey, Leon 177, 364. Heyne, Christian Gottlob 3,12,14–22, 24–27,34,37f.,41,45,88,98,107,124, 131,171,175,248,252,418. Hiller, Eduard 2,5,9,53,63,100,102,118, 128f.,132f.,148–152,157f. Hirschfeld, Gustav 51,55. Hirt, Aloys 19,24,41,89,176,178,228, 242. Hitzig, Hermann 140. Hohenzollern, Friedrich III. von 46,50, 54,68,70,74,78–80,83f. Hohenzollern, Friedrich Wilhelm IV. von 74f.,83. Hohenzollern, Wilhelm I. von 69f.,74, 76–80,123. Hohenzollern, Wilhelm II. von 70,72,75, 79f.,83,85,95,123. Holbein, Hans 243. Humboldt, Wilhelm von 32,54f. Inwood, Henry W. 313. Iorio, Andrea de 206. Iunius, Franciscus 120. Jacobs, Friedrich 204. Jahn, Otto 38,42–44,139,142f.,145f.,149, 176,189–191,198,218,223,248,286, 328f.,344,366,370,376,383,389,402, 404,415. Papst Julius II. (Giuliano della Rovere) 170,403. Justi, Karl 24,174. Kalkmann, August 140. Kant, Immanuel 143. Kekulé von Stradonitz, Reinhard 95. Kern, Otto 53,55,63,133. Kestner, August 45. Köhler, Heinrich Karl Ernst 212,377. Köhler, Ulrich 408. Koner, Max 49. Koner, Wilhelm 252. Köpke, Rudolf 23. Krafft-Steinkopf, Evelin 148.

467

Kramer, Gustav 191. Krause, Johann Heinrich 176. Krauskopf, Wilhelm 48. Kugler, Franz 89,98f.,103,106,203,242. Labarte, Jules 234. Laborde, Leon de 297,300. Lahusen, Götz 23. Lajard, Felix 413. Launitz, Eduard S. von der 322. Lavater, Johann Caspar 206. Layard, Sir Austen Henry 226. Leake, William Martin 171,300. Lenormant, Charles 371. Papst Leo X. (Giovanni de’ Medici) 170. Lepsius, Carl Richard 93,227f. Lepsius, Reinhold 48f. Lessing, Gotthold Ephraim 12,170f.,383. Letronne, Antoine Jean 193,216,276. Leutsch, Ernst Ludwig von 144. Levezow, Konrad 238,351. Ligorio, Pirro 12 Lohde, Ludwig 184. Longpérier, Adrien de 230. Lotze, Rudolf Hermann 143,149,155. Ludwig IX. von Frankreich, der Heilige 406. Lützow, Carl Friedrich Arnim von 366. Luynes, Honoré Albert Duc de 290,404. Marchi, Giuseppe 416. Mariette, Auguste 227. Marmora, Alberto della 183. Marquardt, Joachim 138. Martini, Georg Heinrich 13f.,20–22. Medici, Ferdinando de’ 352. Meineke, August 329. Melanchthon, Philipp 55. Mengs, Anton Raphael 23. Menzel, Adolf 46,50. Mercklin, Ludwig 213,248. Meyer, Johann Heinrich 25f.

468

Register

Michaelis, Adolf 51,198,259,261,275, 279,312,403. Michelangelo Buonarroti 115,130,170, 283,378,383,410. Millin, Aubin L. 100,257f.,358. Millingen, James 172,192. Mommsen, Theodor 81,85,400f. Montfaucon, Bernard de 10,30,34,170. Moritz, Karl Philipp 12,34. Müller, Eduard 174. Müller, Friedrich 22. Müller, Iwan 32. Müller, Karl Otfried 2f.,5,22f.,25–46,54, 56,58,60,63,67,87–90,94,97–114, 118–122,158,173,191,198,202,218, 228f.,233,235,240,257,264,282,289, 296,302f.,313,329f.,379,415. Müller, Ludwig 391. Müller, Wilhelm 144 Mure, William 233. Napoleon III., Louis 400. Newton, Charles Thomas 183,269,341f. Niebuhr, Carsten 226. Nitsch, Paul Friedrich Achat 18f.,21,24, 26. Nointel, Marquis de 297,315. Oesterley, Carl 38,41,100. Overbeck, Johannes 3,22,38,40,43f.,105, 108–123,125–127,131,158,259,276, 311,313,315,355. Panofka, Theodor 29,43,89f.,193f.,285. Penrose, Francis Cranmer 298. Perret, Louis 416. Perugino, Pietro 369. Pestalozzi, Johann Heinrich 55. Petersen, Christian 187,300,310. Petersen, Frederik Christian 26,f.,418. Petrarca, Francesco 170. Pinder, Moritz 211. Pisano, Nicola 128,418. Papst Pius IX. 75,79.

Poggio Bracciolini, Gian-Francesco 170. Potter, John 10,34. Preller, Ludwig 35f.,38,175,208,219, 248,275,291,333,404. Prokesch-Osten, Anton Frhr. von 259. Pyl, Theodor 253. Quast, Alexander Ferdinand von 313. Quatremère de Quincy, Antoine Chrysostôme 202,209,253,294. Rabiosus, Anselm 9. Rambach, Johann 33. Raoul-Rochette, Désiré 173,200,215f., 228,276. Raphael Santi 130,170,283,285,334,418. Rathgeber, Georg 248. Renan, Ernest 225,231. Reifferscheid, August 413. Riepenhausen, Franz u. Johannes 372. Ritschl, Friedrich 139,142,149,192,414. Ritter, Heinrich 144. Ritter, Karl 379. Robert, Carl 54,95f. Rodenwaldt, Gerhard 126 Rose, Valentin 206. Rosegger, Peter 142. Rosinus, Johannes 10. Ross, Ludwig 228f.,231,262f.,295,297f., 312,329. Rossi, Gian Battista, Conte de 416. Röth, Eduard Maximilian 168,229. Ruhl, Ludwig Sigismund 253. Ruhmor, Carl Friederich 37. Rumpf, Andreas 32. Salm-Reiffenscheid, Hugo von 139. Salvage, Jean-Galbert 388. Sauppe, Hermann 140,143. Schadow, Johann Gottfried 201f., Schäfer, Arnold 369. Schaper, Fritz 47f. Schaubert, Eduard 297f.

Personen der Neuzeit und Moderne

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von 167,232. Schiller, Friedrich 166. Schinkel, Friedrich 168. Schliemann, Heinrich 80,109,132. Schloezer, Kurd von 51. Schlüter, Andreas 196. Schöll, Adolf 259,329f. Schöll, Gustav Adolf 89. Schönborn, August 184. Schöne, Alfred 325. Schöne, Richard 49,52. Schopen 142. Schorn, Ludwig 228. Schubart, Johannes Heinrich Christian 249. Schubring, Johann Julius 248. Schuchhardt, Carl 52. Semper, Gottfried 202f. Lo Faso Pietrasanta Duca di Serradifalco, Domenico 269. Siebenkees, Johann Philipp 17–22,24. Sillig, Julius 173. Simart, Pierre Charles 290. Sittl, Karl 3,32f.,36,43. Spon, Jacques 10,13,15. Springer, Anton 143. Stackelberg, Otto Magnus von 184,262, 273,309,330. Stahr, Adolf 139. Stark, Karl Bernhard 32,36,38,43,204, 341f.,344,352–354,356,394,404. Statius, Achilles 12. Steinbüchel, Anton 34. Stephani, Ludolf 195,212,385,404. Stoddart, John Lawrence 195. Stosch, Philipp Baron von 399. Strack, Johann Heinrich 61,184. Stroganoff, Sergei, Graf 404. Stuart, James 171,297,315. Susemihl, Franz 174.

469

Ternite, Wilhelm 218. Texier, Charles 269. Thiersch, Friedrich 19,25f.,127,173,198, 228,242,313,354. Thorvaldsen, Bertel 353f. Toelken, Ernst Heinrich 41f.,89. Treu, Georg 54. Ulrichs, Heinrich Nicolaus 296. Urlichs, Ludwig von 176,245,257,318, 323,336f.,339,341f.,345,350,361,368, 385. Viktoria, deutsche Kaiserin 48. Virchow, Rudolf 50. Visconti, Ennio Quirino 26,172,383. Vitringa, Anne Johan 174. Vollmer, Georg von 78. Voss, Johann Heinrich 232. Wachsmuth, Curt 143,145. Wagner, Martin von 262. Waitz, Georg 144,149. Welcker, Friedrich Gottlieb 24,27,29,31, 39,158,172f.,202,216,218,225,233, 235,242,248,252f.,279,301,303,344, 355,371,384,404. Werner, Anton von 50. Wieseler, Friedrich 38,40f.,43,58,100, 145,184,327,404. Wilamowitz-Moellendorf, Ulrich von 52, 69f.,82,140. Wilhelm I., s. Hohenzollern Wilhelm II., s. Hohenzollern Winckelmann, Johann Joachim 11–14, 17–22,24,26f.,29,33,68,97,102,106f., 113,117,122,124,170–172,191,223, 254,266,322,324,363,403,410,418. Witte, Jean de 191,255,340. Wolf, Emil 351. Wolf, Friedrich August 15f.,24f.,32,34f., 41,73,87. Wolf, Gustav 325. Zahn, Wilhelm 218. Zeller, Eduard 49,174.

470 Zestermann, August Christian Adolph 186. Zeune, Johann Carl 12f.

Register

Ziller, E. 298. Zoega, Georg 24,209.

III. Antike Schriftquellen (Ernst Curtius, Griech. Kunstgeschichte) 1. Literarische Quellen Ailianos nat. anim. VII,38 : 369f. nat. anim. XVI,32: 210. var. hist. IV,3 : 373. var. hist. XII,30 : 377. var. hist. XIII,21 : 390. Aischines Ctesiph. 186 : 370. Aischylos Ag. 416 : 204. sept. 542 : 197. Ampelius lib. mem. 8, 10 (Assmann) : 288. Anthologia Graeca III : 209, 382 / 7 : 382. VII,455,1 : 325. IX,283,1 : 261 / 709,6 :176 / 724,2 : 327 / 774,3 : 338. XII,221 : 358 / 257,1 : 185. XVI,30 : 373 / 54.54a : 326 / 129 : 352 / 131–134 : 352 / 136,7 : 414 / 275,1–12 : 366. Apokalypse des Johannes III,12 : 180. Apollodoros, Bibliotheke II,6,3 : 239 / 6,4 : 263. III,6,3 : 399. Apuleius met. IV,28,2 : 279. Aristeides or. XLIII : 381. Aristophanes Ach. 74 : 213 / 526–534 : 284 / 850 : 298.

av. 992–1020 : 298 / 1001–1003 : 178 / 1114f. : 205 / 1128 : 330 / 1551f. : 300. eccl. 631f. : 377 / 734 : 300. Lys. 678f. : 370. nub. 69: 301. Pax 605 : 284. Pl. 583–586.592 : 291. ran. 929 : 287. Thesm. 427 : 211. vesp. 95f. : 279. schol. ad. Ach. 243 : 325 / ad av. 1114 s. v. ȝȘȞަıțȠȣȢ : 205 / 1552 : 300 / ad ran. 504 : 272 / ad Pax 605 : 284 / ad vesp. 95 : 279. Aristoteles meteor. IV,9, p.386 b18 : 197. mirab. 96, p.838 a15–26 : 231 / 104, p.839 b8f. : 189 / NE V,1,1 p.1129 a 19–23 : 255 / V,14 p.1137 b 29–32 : 178 / VI,7 p.1141 a 9–12 : 319. poet. 4, p.1449 a 18 : 392 / 6, p.1450 a27f. : 373. pol. I,2, p.1252 b24–27 : 169. pol. II,8, p.167 b22 : 187. pol. V,11, p.1313 b 21–22 : 247. pol. VI,4, p.1319 a36f. : 334. pol. VII,11, p.1330 b23f. : 186 / 12, p.1331 b1 : 186. pol. VIII,5, p.1340 a36f. : 373. Artemidor II, 35 : 236. Athenaios I,20 b : 379. IV,129 e : 213 / 153 b : 397 / 164 a : 224 / 174 b : 379 / 184 c : 393.

472

Register

V,194 a : 396 / 196 a–197 c : 380 / 204 d–206 c : 380 / 208 b : 181 / 210 b.c : 244 / 212 f : 396. VI,241 e :208 / VII,291 a : 214. VIII,361 f : 409. XI,474 d : 224 / 479 f : 182 / 482 b : 189 / 488 b : 198. XII,525 e.f : 245 / 541 a.b : 222 / 542 c.d : 220; XIII,567 b : 392 / 590 f : 348, 376 / 591a : 347 / 591b : 352,376. XIV,614 b : 237 / 629 b : 256. Auctor ad Herennium IV,6,9 : 327, 381. Augustinus civ. XVI,8,1 : 220. Cassius Dio LI,17,6–8 : 404. LXIX,4 : 409. Cicero ad. fam. VII,12,2 : 236. Att. I,10,3 : 190 f.; / XVI,11,3 : 222. Brut. 18,70 : 166, 260, 275, 325, 372 / 86,296 : 323 de orat. III,46 :168 / 171 : 219f. div. II,21,48 : 346 / 133 : 285. leg. II,64–65 : 215. nat. deor. I,30,83 : 317. orat. 2,5 : 323 / 2,9 : 289 f. / 22,74 : 375. rep. II,19,35 : 398. Tusc. I,47,114 : 241 / V,37,109 : 398. Verr. II,1,51 : 181 / 4,2 : 348, 401 / 4,3 : 324 / 4,43 : 166 / 4,55 : 216 / 4,57 : 359 / 4,60 : 327 / IV,3,5 : 326. Clemens von Alexandria paid. III,59 p. 289 P. : 211. protr. IV passim : 416 / p.41 : 338 / p.47P : 348. schol. ad protr. p.115 (Klotz) : 285. Codex Iustinianus X,64,1 : 220. Codex Theodosianus XIII,3 : 415 / 4,2 : 220.

Curtius Rufus III,11,7-12 : 393. Demetrius von Phaleron de eloc. 14 : 280,319 / 76 : 392. Demosthenes IV,26 : 190. Schol. adDemosth. XXII,13 : 287. Diodorus Siculus I,28–29,5 : 228 / 51,2 : 184 / 98,5–9 : 230, 238, 246. IV,32 : 263 / 76,3 : 238 f. / 79,3 : 233. XI,25,3 : 187 / 43,3 : 281. XII,28,3 : 298 / 36,2 : 298. XV,49,1 : 246 / XVI,36,2 : 341. XVII,32,2–35,4 : 393 / 115 : 183, 379f. XVIII,26.27 : 380 / XXII,12 : 233 / XXXI,35 : 388. XXVI frgt. 1 : 346. Diogenes Laertios I,57 : 211. II,103 : 246. III,25 : 359. IV,4,6 : 378. V,85 : 331. VI,2,35: 196. VIII,1,1 : 377. Dion Chrysostomos XI,45 : 248. XXXI,59 : 196. Dionysios von Halikarnass ant. II, 22,2 : 246. ant. III, 46, 3–47 : 398. Is. 4 : 214. Dein. 7 : 324. Empedokles frgt. 23,1( Diels) : 203, 214. Epigrammata Homerica XIV,2 : 190. Euripides Bakch. 353 : 351. Erechth. frgt. 360,47 (Nauck) : 235. Hek. 466–471 : 305. Herakl. 1323 : 296.

Antike Schriftquellen

Ion 187–189 : 311 / 454 : 306 / 1158– 1160 : 221. Or. 965f. : 232. Frgt. 764 (Nauck) : 208. Eusebios praep. ev. III, 8,1 : 237. Florus epit. II,13 : 181. Galenos plac. Hipp. et Plat. 5 : 322. sem. II,1 : 323. temp. I,9 : 322. Herodotos I,1,1 : 225 / 25,2 : 244 / 56,2; 57,2; 58 : 230 / 69 : 252 / 93,2.3 : 182 / 131,1 : 179 / 153,1 : 185. II,15,1 : 230 / 51,2–4 : 236 / 69,2 : 213 / 130,2 : 204 f. / 136, 1: 208 / 148,1 : 208 / 152,3 : 260 / 175 : 176,204 / 178 : 255 / 180,1 : 266. III,41,1 : 377 / 59,3 : 262 / 88,3 : 208. IV,88 : 368 / 152 : 207,251,254,260 / 163,3 : 190. V,62 : 266 / 82 : 201 / 92,4–5 : 248. VI,11 : 366 / 19 : 258 / 60 : 243 / 126–130 : 251. Hesiodos asp. 141–317 : 235. op. 25 : 189. Hesychios s. v. İ‫ݧ‬Ȟ ܻȖȠȡ߲ ıș‫ޢ‬ȞȠȢ ‫ݐ‬ȟȠȝİȞ : 185. ‫ݒ‬ȜȜ‫ ޠ‬: 237 . șȡȚʌިȕȡȠșȠȢ : 211. ‫ݬ‬ʌʌİȚȠȢ įȡިȝȠȢ. IJİIJȡĮıIJ‫ޠ‬įȚިȢ IJȚȢ : 185. ‫ݨ‬ʌʌȚțާȞ ȤȜަįȠȢ: : 302. țȠȜȠț‫ޠ‬ȞȠȢund țȠȜȠț‫ޢ‬ȞȠȢ : 204. ȝİșިʌȚȠȞ ‫ ݘ‬IJȡަȖȜȣijȠȢ : 181. ȤİȜެȞȘ : 250. Himerios or. 21,4 : 286. Historia Augusta Alex. Sev. 29,2 : 415. Hadr. 26,5 : 409.

473

Homeros Il. I,524.558 : 291. Il. II,95–99 : 185 / 867 : 229. Il. IV,141–145 : 209. Il. V,752 : 235. Il. VI,297 : 235. Il. VII,180 : 232. Il. X,173 : 366. Il. XI,46 : 232. Il. XII,295 : 197. Il. XIV,292–352 : 268. Il. XV,229f.; 306–327 : 404. Il. XVI,46 : 232. Il. XVII,274–287 : 264 / 289 : 263 / 544f. : 264. Il. XVIII,470 : 195 / 478–608 : 234 / 497–504 : 185 / 590–592 : 239 / 600f. : 189. Il. XX,270: 197 / 418 : 279. Od. III,305 : 132. Od. IV,72f. : 234. Od. VII,44f. : 185. Od. VIII,4–7 : 185. Od. XIII,372 : 235. Horatius carm. saec. 59f. : 405. Hyginus fab. 223 : 293,341. Hymni Homerici Ap. 294–299 : 240. Dion. 3f. : 351. Iustinus XIII,4,11 : 378. Iuvenalis III,80 : 280f. / 88f. : 364. IX,145f. : 223. X,5f. : 181 / 157f. : 218 / 171f. : 179. XII,88 : 202. Kallistratos de stat. 2 : 338 / 6 : 366 / 8 : 351. Georgios Kedrenos (Cedrenus) histor. comp. p.306 : 390 / p.322 : 294, 366 / p. 755 / 382.

474

Register

1. Buch der Könige 1. Könige 7,46 : 225 / 10,18–20 : 209. Livius I,24,7 : 236 / 34,2 : 398. XXXII,16f. : 204. XXXIV,4,3–5 : 401. XLI, 20,8 : 396 / 20,9 : 380. Lucanus X,116f. : 221. Lucretius IV,905f. : 179. Lukianos am. 11 : 379 / 13 : 348 f. dial. mort. 24,1 : 341. hist. conscr. 51 : 210. imag. 4 : 329 / 6 : 275,286,349 / 7 : 203 / 11 : 169. lexiph. 7 : 189,403. peregr.. 9 : 322. Philops. 18 : 326,331 / 20 : 331. rhet. praec. 9 : 273. salt. 75 : 322. somnium 24 : 210. Syr. Dea 10.16.42 : 222. Martialis I,6 : 358. XIV,172 : 347. Maximus von Tyros diss. XIV,6 : 321. Moses von Choren hist. Armen. II,11 p.103 (Whiston) : 257. Niketas Akominatos Choniates, de Alexio Isaaci Ang. III p.687 : 363. Ovidius am. III,2,31 : 346. met. IV,19 : 351. trist. III,1,71f. : 407. Pausanias I,2,4 : 347 / 3,1 : 190 / 3,4 : 275,359 / 3,5 : 294,318,389 / 8,3 : 335 / 15,1–3 : 369f. / 20,1 : 347 / 20,1–3 : 318,352

/ 20,3 : 316 / 22,6 : 370 / 23,2 : 274 / 23,3 : 332 / 23,7 : 327f., 346 / 23,11 : 237,330 / 24,1 : 324f. / 24,2 : 332 / 24,4 : 359 / 24,5 : 303,305 / 24,5–7 : 287 / 24,7 : 288 / 24,8 : 294 / 25,2 : 387 / 25,7 : 287 / 26,4 : 272 / 26,6–7 : 331 / 28,2 : 286f. / 28,6 : 338 / 33,2–8 : 317f. / 40,1 : 251 / 40,3 : 317 / 40,5 : 317 / 41,2 : 251 / 42,4 : 210 / 42,5 : 201 / 43,6 : 345 / 43,7.8 : 246 / 44,6 : 183. II,4,5 : 239 / 7,2 : 182 / 9,6 : 251 / 10,3 : 275 / 16,5 : 238 / 16,6 : 233 / 17,3–5 : 320f. / 17,5 : 332 / 17,6 : 321 / 20,2 : 333 / 22,7 : 337 / 27,2 : 317 / 27,5 : 324 / 31,16 : 339 / 32,5 : 257. III,17,2–3 : 251 / 17,3 : 252 / 17,6 : 252 / 18,8 : 333,335,389 / 18,9–19,5 : 252–254 / 21.22 : 189 / 26,7 : 367 / 26,9 : 182. IV,14,2 : 252 / 31,6 : 210,294 / 33,2 : 272 V,10,2 : 290 / 10,2–10 : 307–309 / 10,3 : 243 / 10,6–8 : 319 / 10,8 : 317 / 11,1–10 : 290,292f. / 11,6 : 369 / 12,2 : 210 / 14,5 : 283,294 / 14,9 : 366 / 15,1 : 290 / 16,1 : 242 / 17,5–19,10 : 248f. / 20,1.2 : 174,209 / 20,1–3 : 318 / 20,9 : 358 / 22,2.3 : 327 / 25,5 : 275 / 25,8–10 : 261 / 25,12.13 : 261 / 25,13 : 262,265 / 26,6 : 275 / 27,1–2 : 271 / 27,8 : 261. VI,2,6 : 389 / 4,4 : 251 / 6,2 : 333 / 10,1 : 260 / 10,5 : 271 / 10,6 : 272 / 19,1–6 : 241 / 19,2 : 251 / 24,2 : 186 / 24,5 : 186 / 25,1 : 285,336 / 26,3 : 318 / 46,4 : 210. VII,2,6.7 : 245 / 4,4.7 : 250 / 5,9 : 272 / 20,5 : 186 / 22,3 : 236 / 24,4 : 272. VIII,9,1 : 316,346 / 10,2 : 242 / 14,8 : 246 / 17,2 : 201 / 28,1 : 337 / 30,10 : 334f.,389 / 31,4 : 333 / 40,1 : 259 / 41,7–9 : 310f. / 42,1–13 : 261 / 45,4– 7 : 336 / 46 : 201 / 46, 1.4 : 272 / 46, 4 : 210 / 47,1 : 336. IX,4,1: 294 / 4,1.2 : 369f. / 10,2 : 258 / 11,6 : 316 / 16 : 335 / 16,1 : 275 /

Antike Schriftquellen

22,1 : 275 / 27,1 : 347 / 27,3 : 347 / 27,4 : 395 / 30,1 : 330f. / 35,3 : 257 / 38,2 : 233. X,5,9-12 : 240 / 9,5.6 : 360 / 10,1 : 283 / 10,1.2 : 294 / 10,4 : 369 / 10,6 : 271f. / 13,10 : 261 / 16,1 : 244 / 19,4 : 311 / 24,4 : 266 / 25–31 : 371f. / 34,8 : 395 / 37,1 : 346 / 38,5–7 : 246. Persius prol. 5.6 : 207. III 21.22 : 189. Petronius 126,16 : 346. Philon von Byzantion, de septem orbis spectaculis Zeus Ol. p. 12 (Orelli) : 293. Philostratos de re gymn. 25 : 256. Photios bibl. p. 242 : 235 / 248 : 392. lex. s. v. ‫ݧ‬ıIJާȢ țĮ‫ ޥ‬țİȡĮަĮ : 221. Pindaros I. V,35.36 : 263. N. V,10 : 262 / X,35–37 : 189. O. VIII,21–30 : 260; / XIII,17–22 : 242. P. III,113 : 237 / VIII,21–28 : 260. frgt. 152,7 Bowra : 232. schol. ad O. XIII,27 : 224. Platon Alc. II 148C : 168. Kritias 110C. 112B : 272. Men. 91D : 239. Phaidr. 236B : 247 / 245A : 166 / 261A . 271C : 169. Phil. 64E : 169. Prot. 318B : 374 / 354A.B : 255. rep. III,411A : 196 / IV,420C : 203 / V,452C : 256 / VII,515A : 208. symp. 173D : 360 / 180D. 181C : 285. Tim. 40D : 371 / 53D–55C : 212. Theait. 179D : 189. schol. ad Men. 97D : 328.

475

Plinius, Naturalis historia VII,57 : 224 / 115 : 405 / 198 : 224 / 207 : 243 / 215 : 397. XII,3 : 235. XIII,53 : 352 / 154 : 403 / 156 : 402f. XXV,8 : 223. XXXI,32 : 325. XXXII,25 : 388. XXXIII,80 : 234 / 128 : 198 / 139 : 198 / 154 : 403 / 156 : 402f. XXXIV,10 : 325 / 18 : 205,405 / 34 : 204,398 / 37 : 196, 362 / 38 : 204 / 40 : 205,363 / 41 : 380f. / 45.46 : 408 / 46 : 196 / 49 : 275 / 50 : 332 / 51 : 362,389 / 52 : 196,380, 394 / 53 : 328f. / 54 : 286,319,357 / 55 : 322– 324 / 56 : 322f.,325 / 57 : 324– 328,345 / 58 : 325 / 59 : 275 / 62 : 366f. / 63 : 363,365 / 64 : 366f. / 65 : 322,362f. / 66 : 363 / 69 : 203,346,352,362 / 70 : 347f. / 71 : 275 / 74 : 331f. 334f. / 75 : 250,258,260,332 / 76 : 331,360 / 77.78 : 361f. / 78 : 176,389 / 79 : 328,358f. / 80 : 174,332 / 81 : 328,359f. / 82 : 330 / 83 : 174 / 87 : 318,335 / 91–93 : 182 / 92 : 331 / 148 : 380 / 153 : 365. XXXV,2 : 220 / 5 : 205 / 9 : 206 / 9.10 : 407 / 11 : 217 / 19 : 413f. / 20 : 414 / 24 : 414 / 26 : 424 / 30 : 215 / 50 : 215 / 54 : 176,283,318 / 56 : 368 / 57 : 369 / 58 : 372 / 59 : 373 / 60 : 216,373 / 61 : 373 / 69 : 374 / 73 : 374f. / 76 : 392 / 79 : 174 / 80 : 375 / 84 : 375 / 91 : 376 / 92 : 375 / 98 : 391 / 99 : 414 / 111 : 174 / 112 : 392 / 115 : 414 / 116 : 217,414 / 118 : 215,414 / 128 : 174,361 / 129 : 174,361,375 / 133 : 202,392 / 136 : 414 / 145 : 414 / 151 : 250 / 152 : 245,250, 397f. / 155 : 402 / 156 : 190,202 / 157 : 398 / 161 : 190 / 172 : 179 / 215 : 400 XXXVI,9 : 257 / 10 : 211,257 / 11– 13 : 244 / 14 : 257 / 16 : 316 / 17 : 317f. / 19 : 288 / 20 : 349 / 21 : 349 /

476

Register

22 : 347f. / 23 : 347 / 24 : 357 / 25 : 339 / 26 : 345,348 / 28 : 338,352,355 / 30.31 : 341–344 / 33.34 : 382 / 34 : 204,389 / 35 : 361 / 37 : 385 / 38 : 395 / 41 : 411 / 46.47 : 178 / 48 : 402 / 83 : 379 / 95 : 209 / 97 : 180 / 98 : 380 / 131 : 183 / 135 : 402 / 179 : 243 / 183 : 190 / 184 : 392 / 190–195 : 213. XXXVII,1 : 211 / 6 : 377 / 8 : 377,405 / 11 : 401 / 18–22 : 213 / 29 : 211 / 60 : 211 / 92 : 211 / 197–200 : 212. Plutarchos Alex. 4,2 : 375 / 20,1-5 : 393. Alk. 6,4 : 196 / 17,4.5 : 298.. Arist. 20,3 : 283. Kim. 4,5 : 369f. / 8,5.6 : 281 / 13,8 : 281,369. Lyk. 13,3 : 241 / 13,5 : 241. Lys. 18 : 405. Nik. 13,5 : 298. Per. 9,2 : 281 / 12 : 281 / 13,4.5 : 283,302 / 13,7 : 283 / 13,9 : 348 / 27, 3.4 : 298 / 30,2.3 : 283 / 31,4 : 283,290. Phok. 19,1 : 335 / 20,1 : 302. Thes. 18,2 : 236; mor. 18 c : 360 / 142 d : 285 / 156 b : 195 / 164 a : 248 / 287 b.c.: 202 / 335 a : 375 / 335 b : 365 / 346 a : 373 / 348 e : 203 / 381 e : 285 / 399 f : 248 / 568 a : 217 / 636 c : 322 / 674 a : 360 / 758 f : 166 / 759 c : 215 / 802 a : 283 / 838 d : 358 / 843 e.f : 357 / 1093 e : 392 /1136 a : 180. 257. Frgt. 158 Sandbach : 236f. Pollux VII,49 : 315 / 105 : 197 / 129 : 214f. / 161 : 245 / 169 : 196. IX,74 : 250. X,185 : 245 / 188 : 174 / 189 : 195 Polybios III,25,6 : 236. XVI,12,3 : 236.

XXXII,25 (27) : 388. XXXIX,2 (XL,7) : 401. Propertius II,2,7 : 279 / 2, 11.12 : 236 / 31,1.2 : 404 / 31, 5.15.16 : 339 / 31,7 : 327 / 31,13 : 387 / 31,16 : 339. III,9,9 : 363. Quintilianus, Institutio oratoria II,13,10 : 326 / 21,9 : 200 / 21,10 : 196. V,12,21 : 323. VIII,5,26 : 202. XII,10,3 : 372 / 10,4 : 374 / 10,5 : 374 / 10,6 : 361 / 10,7.8 : 322 / 10,8 : 323 / 10,9 : 284,291f.,348,363 / 10,12 : 361 / 13,13 : 374f. Seneca epist. 86,7 : 221 / 88,18 : 165. Servius Aen. I,394 : 182; / II,116 : 190 / 201 : 384 / 225 : 201. Simonides epigr. 1 Page : 273. Solinus 52,56 : 211. Sophokles Ai. 651 : 196. Ant. 430 : 279 / 474–476 : 196 / 1203 : 183 / 1204f. : 233. Statius silv. I,1 : 409 / 3,50 : 325f. /3,55 : 220 /5,42.43 : 220. II,2,63f. : 196. IV,6 : 205,364 / 6,21 : 214 / 6,25.26 : 325 / 6,29.30 : 214 / 6,35.36 : 205 / 6,37.38 : 364 / 6,49 : 195 / 6,57 : 364. Theb. XII,493f. : 201. Strabon I,1,23 p. 14 : 204. IV,1,4 p. 179 : 246. V,2,5 p. 222: 177. VIII,3,4 p. 337 : 318 / 3,30 p. 353 : 247,291 / 6,11 p. 373 : 231f. / 6,20 p.

Antike Schriftquellen

378 : 247 / 7,2 p. 385 : 180,246 / 23 p. 381 : 191,401. IX, 1,12 p. 395 : 282f. / 1,16 p. 396 : 314 / 1,17 p. 396 : 318,396 / 1,23 p. 399 : 201 / 2,18 p. 407 : 378. X,3,19–22 p.472f. : 225 / 10,2 p. 459 : 364. XIII,1,48 p.604 : 340. XIV,1,14 p. 637 : 325f. / 1,20 p. 640 : 340 / 1,23 p. 641 : 378 / 1,35 p. 645 : 201 / 2,5 p. 652 : 204,381 / 2,19 p. 657 : 376 / 4,2 p. 667 : 236. XVI,2,25 p. 758 : 213. XVII,1,28 p. 806 : 228. Suda (Suidas) s. v. ݃ʌİȜȜ߱Ȣ : 375. ǽ‫ޤ‬ȞȦȞ; ȆİȚıĮȚĮȞ‫ޠ‬țIJȚȠȢ ıIJȠ‫ ޠ‬: 369. ‫ޠݯ‬țȦȕȠȢ ‫ݧ‬ĮIJȡިȢ : 319. ȀȦȜȚ‫ޠ‬įȠȢ țİȡĮȝ߱İȢ : 189. ȀȣȥİȜȚįࠛȞ ܻȞ‫ޠ‬șȘȝĮ : 247. ʌ‫ޢ‬ʌȜȠȢ : 222. ȆȣșĮȖިȡĮȢ : 245 Suetonius Aug. 50 : 211,405. Tib. 70,3 : 396. Vesp. 18 : 408. Synesios epist. 51 : 211 / 135 : 216 Tacitus ann. XI,14 : 398 Tatianus adv. Graec. 33 : 328 / 54 : 258. Tertullianus apol. V,2 : 415. idol. passim: 416. coron 7 : 321 Theokritos XV,44–99 : 379. Theophrastos lap. 19 : 211. Theopompos FGrH 115, F 103 : 367.

477

Thukydides I,6 : 205 / 6,6 : 230 / 13,2.3 : 243 / 126,6 : 190 / 129,1 : 211 / 132,5 : 211 / 139,1 : 284. II,13,5 : 289 / 63,3 : 242f. IV,133,2.3 : 320. VI,2,6 : 229 / 4,2 : 267 / 20,3.4 : 267. VII, 57,8 : 267. schol. ad I, 129,1 : 211. Tibullus II,1,3 : 351. Tzetzes hist. var. VIII,200. 422–434 : 366 / 323 : 322 / 353–364 : 307. Varro rust. III,5,17 : 397. Velleius Paterculus I,13,4 : 401. Vergilius Aen. III,705 : 267. Aen. IV,457–459 : 182. Aen. VIII,302 : 181 / 624 : 234. georg. III,25 : 222. Vitruvius I,1,5 : 208 / 1,6 : 208 / 2,2 : 392 / 6,4 : 397. II,8,11 : 341. 359. III,2,15 : 267 / 3,5 : 398 / 3,7 : 267 / 5,10.11.13 : 209. IV,1,2 : 209 / 1,3 : 241 / 1,7 : 241,243 / 1,8 : 241 / 1,9.10 : 314,331. 2,2 : 178 / 2,2–6 : 242 / 3,1 : 241 / 3,7 : 242. V,1,1 : 186. VI,7,6 : 207. VII praef. 10 : 373 / praef. 11 : 217 / praef. 12 : 174,283, 298,336,341,359 / praef. 13 : 359 / praef. 14 : 174 / praef. 15.17 : 396f. / praef. 16 : 283 / 5,2 : 218 / 5,8 : 215 / 9,3 : 202 / 11,2 : 215. IX,6,3 : 298. X,2,15 :177.

478

Register

Xenophon equ. rat. VII,11 : 302. Hell. V,2,5 : 179 / VII,1,39 : 211. Zenobios

prov. III, 7 s.v. ǻĮȚį‫ޠ‬ȜİȚĮ ʌȠȚ‫ޤ‬ȝĮIJĮ / V, 82 s. v. ࠔĮȝȞȠȣıަĮ ȃ‫ޢ‬ȝİıȚȢ : 318. Zosimos hist. IV,18 : 287. hist. V,6,2 : 286.

2. Epigraphische Quellen CIG I,7 : 255 / 23 : 274 / 24 : 319 / 39 : 269 / 150 : 213,221,287 / 155 : 221 / 1195 : 329,332. / 1604 : 346. II,2285b : 336. III,4588 : 195 / 6159 : 394 / 6165 : 349 / 6166 : 402 / 6169 : 402 / 6256 : 193 / 7029–7372 : 212. IV,7373–8519b : 195 / 8627–8631. 8655 : 418 / 8736, 2 : 417. CIL I,2, 626–632 : 414. VI, 9950,6 : 198. IG I²,45,11.12 : 301 / 338 : 286 / 369 : 288 / 372 : 313–315 / 374 : 315 / 527 : 332 / 532 : 273 / 535 : 330 / 835 : 273 f. / 978 : 272 f. / 1024 : 274. II²,1388, B 64.65 : 274,287.

II/III²,1514 : 221 / 1515 : 221 / 3171 : 396 / 4272 : 333. IV,683 : 329. 332. VII,1831 : 346. XII,1,847 : 381 / 5,216 : 319. XIV,1226 : 388 / 1250 : 402 / 1261 : 402. XV,1255 : 349. Loewy Inschriften griech. Bildhauer Nr. 6 : 319 / Nr. 8 : 272 / Nr. 9 : 274 / Nr. 10 : 274 / Nr. 38 : 272 / Nr. 45 : 329,332 / Nr. 46 : 332 / Nr. 76 : 346 / Nr. 77– 83 : 358 / Nr. 87 : 333 /Nr. 127. 127a : 311 / Nr. 203.479.480 : 385 / Nr. 374 : 402 / Nr. 375 : 402 / Nr. 380 : 394 / Nr. 287 : 336 / Nr. 377 : 349 / Nr. 506 : 364 / Nr. 525 : 274 / Nr. 546 : 385. Orelli Inscr. Lat. 3323 : 220.

IV. Antike Originalwerke (Ernst Curtius, Griech. Kunstgeschichte) 1. Architektur Grabbauten Grab des Alyattes 182. Grab des Midas 234. Sog. Grab des Porsenna, bei Chiusi 182f. Harpyienmonument, Xanthos 270f. Mausoleum Hadriani, Rom 409. Maussolleion, Halikarnassos 178, 183,340–344,358f. Nereidenmonument, Xanthos 342,355, 367f. Pilier inscrit, Xanthos 367. Tholoi, Mykene 183, 233f.,398. Tholoi, Sipylos 233. Tholos „des Atreus“, Mykene 233f. Tholos „des Minyas“, Orchomenos 233, 398. Tumulusgräber, Lydien 182, 234. Tumulusgräber, Caere 398.

Kultbauten Aphaiatempel, Aigina 171,178,262– 266,309. Apollontempel, Bassai 171,309–311,334. Apollontempel, Delphi 224,240f.,266,311. Apollontempel, Didyma 258,269. Apollontempel, Korinth 254,266. Apollontempel, Syrakus 266. Apollon Amyklaios-Heiligtum 252– 254,333. Apollon Palatinus-Tempel, Rom 263, 327,339,352,355,387,404. Athenatempel, Assos 269.

Athena Chalkioikos-Tempel, Sparta 251f. Athenatempel, Tegea 336f. Artemistempel, Ephesos 243,245,254, 330,340,403. Cerestempel, Rom 400,414. Erechtheion, Athen 272,285f.,298,313– 315,331,395. Hekatompedos, Athen, Akropolis 298f. Hephaisteion, Athen 259,295–297,301, 418. Heratempel, Argos 320. Heratempel, Olympia 242,248. Heratempel I, Paestum 186. Heratempel II, Paestum 266f. Heratempel, Samos 243,245f.,250,254. Ilissostempel, Athen 315f. Isistempel, Pompeji 412. Mithräum, Heidelberg-Neuenheim 412. Nemesistempel, Rhamnous 316. Niketempel, Athen 297f.,312f.,334. Parthenon, Athen 173f.,282,285–288, 297–307,309–311, 343,353,418. Poseidontempel, Sunion 282,316. Telesterion, Eleusis 282,316. Tempel C, Selinus 267. Tempel E (Heraion), Selinus 268. Tempel F, Selinus 267. Venus und Roma-Tempel, Rom 409. Zeustempel (Olympieion), Athen 184, 396f.,410. Zeusheiligtum, Dodona 237,246. Zeustempel, Kyzikos 380.

480

Register

Zeustempel, Olympia 171,220,222, 293,307–309,317–319. Zeus Hellanios Heiligtum, Aigina 262.

Profanbauten Akademie, Athen 187,281. Attalosstoa, Athen 396. Befestigungsmauer, Athen, Akropolis 312. Befestigungsmauer, mykenisch, Mykene 178,232f. Befestigungsmauer, Paestum 266. Befestigungsmauer, mykenisch, Tiryns 178,232. Brücke, Xerokambion 177. Carcer, mit Tullianum, Rom 398. Forum Iulium, Rom 404. Forum Nervae, Rom 409. Forum Traiani mit Trajanssäule, Rom 409. Gebäude unbekannter Bestimmung, Berg Ocha, Euboia 180,235. Hadrianstor, Athen 410. Hippodrom, Byzanz 418. Hippodrom, Olympia 185. Horologion des Andronikos, sog. Turm der Winde, Athen 397 Konstantinsbogen, Rom 411.

Korkyräerhalle, Elis 186. Kynosarges, Athen 187. Lesche, Delphi 186,371f. Lykeion, Athen 187. Marc Aurel-Säule, Rom 410. Odeion des Herodes Atticus, Athen 184. Odeion des Perikles, Athen 184,282. Phaiakes, Agrigent 187. Pharos, Alexandria 379. Philippeion, Olympia 358f. Propyläen mit Pinakothek, Athen 175, 217,282–284,311f.,327,370f. Quellhaus, Megara 251. Septimius Severus-Bogen, Rom 410f. Sikyonierschatzhaus, Olympia 241,251. Stadion, Athen 185. Stadion, Messene 185. Stoa Basileios, Athen 186. Stoa Poikile, Athen 281,369f. Theater des Dionysos, Athen 184,188. Theater, Epidauros 324. Theater des Pompeius, Rom 411. Theodosius-Säule, Byzanz 411. Thermen des Caracalla, Rom 364,382. Titusbogen, Rom 408. Villa Hadriana 220,392,409. Wasserleitungen, Athen 188.

2. Plastik Bauplastik Palastreliefs, Alabaster, neuassyrisch, London, Brit. Mus.; Paris, Louvre; Berlin, Vorderasiatisches Mus. 226. Basis der Antoninus Pius Säule, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 5115 410. Aphaiatempel, Aigina, Giebelfiguren, München, Glyptothek 203f.,262– 266,274,286,309,363.

Aphaiatempel, Aigina, Akrotere, München, Glyptothek 266. Apollontempel, Bassai, Fries London, Brit. Mus. 510-542 309–311,334. Apollontempel, Delphi, Giebelfiguren 311. Athenatempel, Assos, Architravreliefs Paris, Louvre Ma 2828,2829,2832, 2833 266.

Antike Originalwerke

Athenatempel, Tegea, Giebelfiguren Athen, Nat. Mus.; Tegea, Mus. 336f. Erechtheion, Athen, Koren London, Brit. Mus. 407; Athen, Akrop. Mus. 208, 314f.,395. Erechtheion, Athen, Fries Akrop. Mus. 1071-1078, 1133,1195 ff. 315. Forum Nervae, Rom, Fries 409. Harpyienmonument, Xanthos, Reliefs London, Brit. Mus. B 287 270f. Hephaisteion, Athen, Fries- und Metopenreliefs 295–297. Heratempel, Argos, Giebelfiguren, Metopen 320. Horologion des Andronikos, sog. Turm der Winde, Athen, Friese und Dachfigur 397. Incantada, Pilasterreliefs, ehem. Saloniki; Paris, Louvre Inv. 1391–1404 208. Löwentor, Mykene, Löwenrelief 238f. Lysikratesdenkmal, Athen, Fries 351. Marc Aurel-Säule, Rom, Reliefs 410. Maussolleion, Halikarnassos, Rundplastik London, Brit. Mus. 342f. Maussolleion, Halikarnassos, Reliefs London, Brit. Mus. 343f. Nereidenmonument, Xanthos, Nereidenstatuen London, Brit. Mus.; Frgte. in Xanthos 355,367f. Nereidenmonument, Xanthos, Friese London, Brit. Mus. 367. Niketempel, Athen, Fries London, Brit. Mus.; Athen, Akrop. Mus. 313,334. Niketempel, Athen, Balustradenreliefs Athen, Akrop. Mus. 313,334. Parthenon, Fries London, Brit. Mus.; Athen, Akrop. Mus. 299–302. Parthenon, Giebelfiguren London, Brit. Mus.; Athen, Akrop. Mus. 297,299,303–307. Sog. Weber-Labordscher Kopf, Paris, Louvre Ma 740 305.

481

Tholos „des Atreus“, Mykene, Architekturschmuck 234. Titusbogen, Rom, Reliefs 408. Trajanssäule, Rom, Reliefs 409. Zeustempel, Akragas, Telamones 207. Zeustempel, Olympia, Giebelfiguren 307–309,317,319. Zeustempel, Olympia, Metopen Paris, Louvre Ma 716-718. 724A 309.

Rundplastik Achäerweihgeschenk des Onatas, Olympia, Basis 261. Amazone Mattei, Rom, Vatikanische Museen Inv. 748 329. Amazone, Typus Mattei, Trier, Rhein. Landesmus. Inv. G 41 329. Amazone des Sosikles, Rom, Mus. Capitolino, Salone 33 330. Amazone Sosikles, Oberkörper, Stiftung Staatliche Schlösser und Gärten Wörlitz- Oranienbaum-Luisium, Schloß Wörlitz Inv. II 9 330. Amazone, Bronzestatuette Florenz, Mus. Arch. Naz. Inv. 2293 330. Amazone, archaistisch Wien, Kunsthist. Mus. Inv. I 164 330. Aphrodite von Daphni (Aphrodite in den Gärten) Athen, Nat. Mus. Inv. 1604 316. Aphrodite von Knidos, Rom, Vatikanische Museen, Magazin 349. Aphrodite von Knidos, Rom, Mus. Naz. Rom., ehem. Slg. Ludovisi 349. Kauernde Aphrodite des Doidalsas, Rom, Vatikanische Museen Inv. 815 350. Aphrodite oder Nymphe, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6301 350. Panthenon, Metopen London, Brit. Mus. Nr. 305-312, 315-321; Athen 297,299,303. Tempel C, Selinus, Metopen Palermo, Mus. Naz. Inv. 3920A-C 267f.

482

Register

Tempel E (Heraion), Selinus, Metopen Palermo, Mus. Naz. Inv. 3912. 3921A-D 268f. Tempel F, Selinus, Metopen Palermo, Mus. Naz. Inv. 3909A-B 268. Venus Capitolina, Rom, Mus. Capitolino Inv. 409 349f. Venus von Capua, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6017 350. Venus Medici des Kleomenes aus Athen, Florenz, Uffizien Inv. 224 349,394f. Venus des Menophantos, ehem. Slg. Chigi, Rom, Mus. Naz. Rom. 75674 349. Venus von Milo, Paris, Louvre Ma 399 350. Apollon Amyklaios, Bronze, mit Thron des Bathykles, Marmor 252–254. Apollon vom Belvedere Rom, Vatikanische Museen, Inv. 1015 177,204,403f.,410. Apollon Egremont, Petworth House, West-Sussex, England 340. Apollon von Ferrara, Bronzestatuette Paris, Cab. des Medailles Inv. Nr. B. B. 101 399. Apollon Kitharodos, Vatikan, Sala delle Muse Inv.310 339. Apollon Kitharodos, Sitzstatue Neapel, Mus. Naz. Inv. 6281 340. Apollon von Piombino, Bronze Paris, Louvre Br. 2 276. Apollon Sauroktonos, Bronzestatue Paris, Louvre Ma 441 347. Apollon Stroganoff, Bronzestatuette, neuzeitlich ehem. Slg. Graf Sergei Stroganoff 404. Apollon Townley London, Brit. Mus. 208 259f. Apollon, Bronzestatuette, modern ehem. Slg. Pourtales 276. Apollonkopf Paris, Louvre Ma 476 260.

Statue des Apoxyomenos, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 1185 366f. Ares Ludovisi, Rom, Mus. Naz. Rom. Inv. 8602 345. Artemis Bendis, Marmorstatuette, als Amazone von Thorwaldsen ergänzt Dresden, Skulpturenslg. Inv. Hm 106 330. Artemis Colonna, Berlin, Antikensammlung Sk 59 346. Artemis, aus Portici Neapel, Mus. Naz. Inv. 6008 277. Athena, Sitzstatue, des Endoios Athen, Akrop. Mus. Inv. 625 272,274. Athenastatue, sog. Pallas Albani Rom, Villa Albani Inv. 970 277. Athena, sog. Dresdner Pallas Dresden, Skulpturenslg. Inv. Hm 26 277. Athena Giustiniani, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2223 289. Athena Hope, Los Angeles, County Mus. of Art 289f. Athena Parthenos, sog. Statuette Lenormant, Athen, Nat. Mus. Inv. 128 290. Schildkopie der Parthenos, sog. Strangfordshield London, Brit. Mus. Inv. 302 290. Athena Promachos Basis, Athen, Akropolis 283,285f. Athena Velletri, aus Velletri, Paris, Louvre Ma 464 289. Athena Typus Velletri, Büste, ehem. Slg. Albani, München, Glyptothek Inv. 213 290. Athena-Marsyas-Gruppe des Myron, Satyr Rom, Vatikanische Museen Inv. 9974 327f. Betender Knabe, Bronze Berlin, Antikensammlung Sk 1 197. Branchiden, aus Didyma London, Brit. Mus.B 271-280 269.

Antike Originalwerke

Chimaira von Arezzo, Florenz, Mus. Arch. Inv. Nr. 1 399. Diadumenos Farnese, London, Brit. Mus. 501 322f. Dionysosstatue, sog. Koloss von Naxos, Naxos 177. Dionysos, Torso Rom, Vatikanische Museen Inv. 2361 351. Dionysosbüste, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2841 351. Gruppe Dionysos mit zwei Satyrn, ergänzt von E. Wolff, Berlin, Antikensammlung Sk 96 351. Dirkegruppe, sog. Farnesischer Stier, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6002 382f. Dirkegruppe, Elfenbein, verschollen, ehem. Neapel, Mus. Naz. 382. Diskobol des Myron Florenz, Uffizien Inv. 212 326. Diskobol des Myron London, Brit. Mus. 250 326. Diskobol des Myron Rom, Mus. Capitolino, Galleria Inv. 241 326. Diskobol Lancelotti, des Myron Rom, Mus. Naz. Inv. 126371 326. Diskobol des Myron Rom, Vatikanische Museen, Sala della Biga Inv. 2346 326. Diskobol des Naukydes Rom, Vatikanische Museen Inv. 2349 332. Doryphoroi, Florenz, Uffizien Inv. 114. 91 323f. Doryphoros, Rom, Vatikanische Museen, Braccio Nuovo Inv. 2215 323f. Doryphoros, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 6011 323f. Epicharinos des Kritios und Nesiotes, Basis, Athen, Akrop. 273. Erechtheionkore, Kopie Rom, Vatikanische Museen, Braccio Nuovo Inv. 2296 395. Eros von Centocelle, Rom, Vatikanische Museen Inv. 769 347f.

483

Fechter Borghese, Paris Lovre Ma 527 388. Gruppe der sog. Kleinen Gallier 386f. Galliergruppe Ludovisi, Rom, Mus. Naz. Rom. Inv. 8608 387. Sterbender Gallier, ehem. Slg. Ludovisi Rom, Museo Capitolino Inv. 747 387. Ganymed mit Adler, ehem. San Ildefonso, Madrid, Museo del Prado Inv. Nr. 35 358. Gigantenkopf, sog. Sterbender Alexander, Florenz, Uffizien Inv. 338 366. Thronende Göttin, sog. Niobe, hethitisch, Felsmonument, Akpinar bei Masina 204,357. Gruppe von Göttern, Heroen, Miltiades, des Phidias, Delphi, Basisreste 283,294f. Gruppe des Harmodios/Aristogeiton, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6009. 6010 273. Heliosstatue, Koloss von Rhodos 381f. Sog. Hera Barberini, Rom, Vatikanische Museen Inv. 249 322. Sog. Hera Farnese, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6005 321. Herakles Farnese, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6001 364f., 395. Herakles, Typus Farnese, Kopie des Glykon Florenz, Palazzo Pitti 364f. Kopf des Herakles London, Brit. Mus. 1735 365. Kopf des Herakles London, Brit. Mus. 1736 365. Große und Kleine Herkulanerin, Dresden, Skulpturenslg. Hm 326. 327 407. Hermes Kriophoros Wilton House London, Warburg Institute 276. Sog. Ilioneus, München, Glyptothek Inv. 270 355,357,365. Jünglingskopf, aus Imbros 319.

484

Register

Sog. Juno Ludovisi, Rom, Mus. Naz. Inv. 8631 321. Junokopf, aus Praeneste verschollen 321f. Kalbträger, Athen, Akrop. Mus. Inv. 624 277. Kourosstatue, aus Thera Athen, Nat. Mus. Inv. 8 259. Kourosstatue, sog. Apoll von Tenea, München, Glyptothek Inv. 148 259,276. Kourosstatue, unvollendet, aus Naxos Athen, Nat. Mus. Inv. 14 259. Kourosstatue, aus Orchomenos Athen, Nat. Mus. Inv. 9 259. Kultmal, Basalt, Alt-Paphos Nikosia, Cypern-Mus. 236. Laokoongruppe, Rom, Vatikanische Museen Inv.1059.1064.1067 204, 383–386. Lupa Capitolina, mittelalterlich Rom, Konservatorenpalast Inv. Nr. 1181 399. Mänade, Biskuit, modern ehem. Slg. Millingen 339. Sog. Narkissos, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 299 353f. Nemesis von Rhamnous, von Agorakritos, London, Brit. Mus. 460; Athen, Nat. Mus. , Rhamnous, Mus. 317f. Basis der Nemesis von Rhamnous, Relieffrgte., Athen, Nat. Mus.; Rhamnous, Mus. 318. Statue des Nil, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2300 411. Gruppe der Niobiden Florenz, Uffizien 352–357. Niobe mit Tochter Florenz, Uffizien Inv. 294 204,352f.,355. Niobide, sog. älteste Tochter, Florenz, Uffizien Inv. 293 353. Niobide, sog. 2. Tochter (Typus Chiaramonti) Florenz, Uffizien Inv. 300 353.

Niobide, Sohn mit weiblicher Figur Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 567 354. Jüngster Niobide und Pädagoge, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 301 und 292 353. Jüngster Niobide und Pädagoge, aus Soissons, Soissons, Mus. Municipal (dépôt du Louvre Ma 1339) 353,357. Sterbender Niobide, München, Glyptothek Inv. Nr. 269 354f. Sterbender Niobide, Dresden, Skulpturenslg. Hm 124 354f. Sterbender Niobide, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 298 354f. Statuengruppe, sog. Orest und Elektra, ehem. Slg. Ludovisi, Rom, Mus. Naz. Rom. Inv. Nr. 8604 402. Vier Pferde-Gruppe, Bronze, San Marco, Venedig 197,367. Ringergruppe Florenz Uffizien Inv. 216 352,357. Gruppe der Rossebändiger (Dioskuren) Rom, Quirinalshügel 357. Gruppe von San Ildefonso, Madrid, Museo del Prado Inv. 28-E 347. Sog. Ausruhender Satyr, München Glyptothek Inv. 228. 229. 229 A 352. Sitzender Schreiber, Kalkstein, ägyptisch, aus Saqqara, Paris, Louvre 227. Tarentineranathem des Onatas, Delphi, Basis 261f.,271. Sog. Thusnelda, Florenz, Loggia dei Lanzi 408f. Statue des Tiber, Paris, Louvre, Cour du Sphinx 411. Sog. Tochter der Niobe, Berlin, Antikensammlung Sk 585 355. Torso, kyproarchaisch, Berlin, Antikensammlung Sk 508 230. Torso vom Belvedere Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 1192 204,365,394.

Antike Originalwerke

Troisches Pferd, Statuengruppe, des Strongylion Basis, Athen, Akrop. 330. Tyche von Antiochia, Rom, Vatikanische Museen Inv. 2672 389. Victoria von Brescia, Bronze Brescia, Mus. Civ. Rom. 197,350f. Waffenläufer, Bronzestatuette Tübingen, Universitätsslg. 276. Zeus von Otricoli, Rom, Vatikanische Museen Inv. 257 292. Zeusbüste, Replik des Zeus von Otricoli, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6266 292. Jupiter Verospi, ehem. Rom, Palazzo Verospi, Rom, Vatikanische Museen Inv. 671 292f.

Porträts Sog. Agrippina, Sitzstatue Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 6029 408. Aischinesstatue, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 6018 407. Angebl. Alexander der Große, Statue, aus Gabii, Paris, Louvre Ma 2301 365. Sog. Alexander Rondanini, München, Glyptothek Inv. Nr. 298 365. Alexander, Reiterstatuette, Bronze, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. 4996 365. Kopf des Alexander Helios, Rom, Mus. Capitolino Inv. Nr. 732 365f. Alexanderherme, sog. Azaraherme, Paris, Louvre Ma 436 366. Antinous, sog. Agathodaimon Berlin, Antikensammlung Sk 361 410. Antinous Mondragone, Paris, Louvre Ma 1205 410. Aristophanes (?) und sog. Menander, Doppelherme, Bonn, Akad. Kunstmuseum 207.

485

Augustus von Primaporta, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 2290 408. Sog. Demetrios, Bronzestatuette, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. Nr. 5026 390. Epikur und Metrodor, Doppelherme, Rom, Museo Capitolino, Stanza dei Filosofi Inv. 52 207. Porträtstatue, sog. Germanicus, Paris, Louvre Ma 1207 394f. Hermolykos, des Kresilas Basis, Athen, Akrop. 332. Herodot und Thukydides, Doppelherme, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6239 207. Homer und Aischylos (früher als Archilochos identifiziert), Doppelherme Vatikan, Galleria Geografica, Inv. 2890 207. Marc Aurel, Reiterstatue Rom, Capitol 197,410. Pseudo-Menander, Sitzstatue, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 588 407. Nero, Koloss des Nero 196,408. Familie des Nonius Balbus, Porträtstatuen, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. 407. Periklesporträt Rom, Vatikanische Museen Inv. 269 332. Kolossalporträtstatue, sog. Pompeius Spada Rom, Palazzo Spada 1818 407f. Poseidippos, Sitzstatue, Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 735 407. Sophoklesstatue, Rom, Vat. Mus., Mus. Gregoriano Profano ex Lateranense Inv. 9973 207,407. Sophokles und Euripides, Doppelherme, Rom, Palazzo Torlonia (?) 207. Strategenkopf, sog. Kopf Pastoret Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek Inv. I.N. 2001 332.

486

Register

Statuenbasis des Tiberius, aus Puteoli, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6780 390,411.

Reliefs Grabreliefs

Römische Reliefkopien, angebl. nach Reliefs am Thron des Zeus von Olympia, Niobiden 356. Marmorrelief, Niobiden (ehem. Slg. Campana), St. Petersburg, Ermitage A 434 356.

Grabpfeiler, aus Magula, Sparta, Mus. Inv. 1 279. Grabstele des Aristion, Athen, Nat. Mus. Inv. 29 274. Grabstele des Lyseas, Athen, Nat. Mus. Inv. 30 274. Kriegergrabstele, Athen, Nat. Mus. Inv. 33 278.

Urnen, Sarkophage

Historische Reliefs

Votivrelief an Amphiaraos, aus Oropos, Berlin, Antikensammlung Sk 725 214. Votivrelief an Asklepios, aus Gortys Paris, Louvre Ma 753 337. Votivrelieffrgt. an Asklepios, Hygieia Tegea, Mus. Inv. 29 336. Votivrelief, an Athena Parthenos Berlin, Antikensammlung Sk 881 289. Votivrelief, an Minerva, römisch, mit Darstellung einer Hebevorrichtung, Capua, Museo Campano 179. Votivrelief, Apotheose des Homer, von Archelaos von Priene, London, Brit. Mus. 2191 395f. Sog. Leukothea-Relief, Rom, Villa Albani Inv. 980 277. Votivrelief mit Thronendem, Liverpool, Merseyside County Mus. 279.

Relief mit Census und Seethiasos München, Glyptothek Inv. 239 344f. Königsstele, mit Bild Sargons II., Berlin, Vorderasiatisches Mus. 968 230.

Kultreliefs Mithrasrelief, Paris, Louvre Ma 268/269; Sao Paulo, Arch. und Ethnograph. Mus. der Universität Inv.-Nr. 76/3.141 413.

Schmuckreliefs Aigisthosrelief aus Ariccia, Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek Inv. 1623 279. Relief mit stützenden Karyatiden, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6715 208. Sog. Kitharödenrelief Rom, Villa Albani Inv. 1014 278. Marmorrelief, Laokoon, neuzeitlich ehem. Slg. Wittmann, Rom 386. Reliefs mit Mänadenthiasos (sog. Mänaden des Kallimachos) 338f.

Alabasterurne mit Eos, Volterra, Mus. Guarnacci Inv. Nr. 57 399. Niobidensarkophag, ehem. Rom, Lateran, Rom, Vatikanische Museen Inv. 10437 356.

Votivreliefs

Unbekannte Zuordnung Relieffrgt., Petasosträger, Athen, Akrop. Mus. Inv. 1343 278. Relieffrgt., aus Samothrake, Paris, Louvre Inv. Ma 697 277.

Antike Originalwerke

Relieffrgt., wagenbesteigende weibl. Figur, Athen, Akrop. Mus. Inv. 1342 278.

487

Tabula Iliaca, aus Bovillae, Rom, Mus. Capitolino, Sala delle Colombe 83 395,413.

3. Altäre, Basen, Gefäße, Möbel Marmoraltärchen, aus Athen Rom, Museo Baracco 279. Rundara, mit Inschrift des Kleomenes, Florenz, Uffizien Inv. Nr. 612 394. Dreifußbasis, Dresden, Skulpturenslg. Inv. Hm 27 277. Dreifußbasis, Marmor, aus Rom, sog. Zwölfgötteraltar, Paris, Louvre Ma 672 278. Sog. Viergötterbasis, Athen, Akrop. Mus. Inv. 610 279. Klinen, aus Grab bei Pydna, Paris, Louvre Ma 765 188.

Marmorkrater, sog. Finlay-Krater, Athen, Nat. Mus. Inv. 127 328. Marmorkrater des Salpion, Neapel, Mus. Naz. Inv. 6673 395. Marmorputeal, aus Korinth, verschollen, ehem. London, Lord Guilford House 277f.,286. Marmorsessel, Dionysostheater, Athen 188. Marmorthron, Relief mit Harmodios/ Aritogeiton Slg. Elgin, Broomhall, Schottland 273. Marmortischfuß, Ganymed mit Adler Rom, Vatikanische Museen Inv. Nr. 2445 358f.

4. Toreutik Silber Becher, Silber, aus Herculaneum, Homer Neapel, Mus. Naz. Inv. 25301 198. Kantharos, Silber, sog. Coppa Corsini, Rom, Pal. Corsini Inv. 671 198,403. Mensa Isiaca, Bronzetafel mit Gravur und Silbereinlage, Turin, Museo Egizio e d’antichità grecoromane Inv. 7156 222. Phalerae, Silber, aus Lauersfort Berlin, Antikensammlung Misc 8124 bis 198,411. Schalen, Silber, phönikisch, aus dem Regolini-Galassi-Grab bei Caere 230. Skyphos, Silber, München, Antikensammlung 3391 198.

Teller, Silber, aus Aquileia Wien, Kunsthist. Mus., Inv. VII A 47 198,407. Bronze Cista Ficoroni, Bronze, aus Praeneste, Rom, Mus. Naz. di Villa Giulia Inv. 24 787 200,400f. Cista Napoleone, Bronze, Paris, Louvre Fr. 1663 (C 6759) 400. Deckelrelief eines Klappspiegels, Bronze, aus Paramythia London, Brit. Mus. 287 198. Panzerklappen, Bronze, aus Umgebung von Siris, London, Brit. Mus. Inv. 285 198. Sog. Schwert des Tiberius, aus Mainz, London, Brit. Mus. Inv. Nr. 867 411.

488

Register

5. Terrakotten, Stuckrelief Melisches Relief, Bellerophon und Chimaira London, Brit. Mus. B 364 278. Melisches Relief, Göttin und Eros auf Greifengespann, verschollen 278. Melisches Relief, Perseus und Medusa, London, Brit. Mus. B 365 278.

Stuck- / Terrakottaappliken an Holzsarkophagen, Niobiden St. Petersburg, Ermitage 356f. Stuckrelief, Decke des Tepidariums der Forumsthermen, Pompeji, Ganymed mit Adler 358.

6. Glyptik Kameen

Intagli

Kameo, mit Dirkegruppe Neapel, Mus. Naz. Inv. 25897/65 382. Kameo Gonzaga, St. Petersburg, Ermitage Inv. Z 291 390f. Sog. Ptolemäer-Cameo, Wien, Kunsthistorisches Mus. 391. Sardonyx-Kameo, Ptolemäerporträts Berlin, Antikensammlung FG 11057 391. Sardonyx-Kameo (sog. Gemma Augustea) Wien, Kunsthist. Mus. Inv. IX a 79 405f. Sardonyx-Kameo, sog. Grand Camée Paris, Cab. Med. 264 406. Sardonyx-Kameo, Livia Wien, Kunsthist. Mus. Inv. IX a 95 406. Sardonyx-Kameo, Claudius-Agrippina minor Paris, Cab. Med. 276 406. Onyx-Kameo, Herakles mit Eros im Nacken Neapel, Mus. Naz. Inv. 25863 364. Sardonyxschale, sog. Tazza Farnese, Neapel, Mus. Naz. Inv. 27611 212,390. Alabastron aus Sardonyx, aus Stift Nottuln Berlin, Antikensammlung Inv. FG 11362 212,407.

Chalcedon-Skarabäoid, mit Künstlerinschrift St. Petersburg, Ermitage Inv. Û-O 24 212. Gemmen, ausruhender Herakles Berlin, Antikensammlung FG 1322.1324 363f. Gemmen, Herakles mit Eros im Nacken Berlin, Antikensammlung FG 3081.3082 364. Karneol, Ganymed Berlin, Antikensammlung FG 352 358. Karneol, Philoktet Berlin, Antikensammlung FG 529 276. Karneolskarabäus, ehem. Slg. Stosch, Berlin, Antikensammlung FG 194 399. Sardonyxgemme, Apollon Delios, verschollen 257f. Sog. Nattersche Gemme, verschollen 329.

Glas Portlandvase, Glasfluss London, Brit. Mus. 4036 213.

Antike Originalwerke

489

7. Münzprägung Gold, Stater, Amphipolis, Alexander d. Große Vs. Athenakopf, Rs. Nike 391. Aureus, Denar, Rom, Lugdunum, Augustus Rs. Apollon Kitharodos, Legenden: Apollini Actio, Act 339. Silber, Statere, Äigina, mit Schildkröte 250. Silber, Bronze, Antiochia, späthellenistisch bis spätantik, Rs. Tyche von Antiochia 389. Silber, Argos, 421-343 v. Chr. mit Herakopf 321. Silber, Tetradrachme/Drachme, Athen, New Style Series, Beizeichen Rs. Apollon Delios 258. Silber, Tetradrachme, Athen, New Style Series, Beizeichen Rs. Harmodios/ Aristogeiton-Gruppe 273. Silber, Dyrrhachium, Rs. Kuhdarstellung 327. Silber, Elis, 420 – Ende 4. Jh. v. Chr. Herakopf 321. Silber, Epidauros, 4. Jh. v. Chr., Rs. Asklepios von Epidauros 317. Silber, Karystos, Rs. Kuhdarstellung 327. Silber, Tetradrachme, Königreich Makedonien, Alexander d. Große, Vs. Herakleskopf, Rs. Zeus 391. Silber, Tetradrachme, Thrakien, Lysimachos Vs. Alexanderporträt 391.

Bronze, Akrasos in Lydien (193–211 n. Chr.) Rs. Dirkegruppe 382. Bronze, Athen, kaiserzeitlich Rs. mit Bild der Athena Promachos 286. Bronze, Athen, Hadrian (117/ 118 n. Chr.), Gordian III (238 - 244 n. Chr.) Rs. mit Bild der Athena-MarsyasGruppe 328. Bronze, Elis, Hadrian, Caracalla mit Bild des Zeus Olympios 292. Bronze, Ilion, Hadrian Rs. Ganymed mit Adler 358. Bronze, Knidos, Caracalla und Plautilla Rs. mit Aphrodite von Knidos 349. Bronze, Korinth, Lucius Verus, Commodus Caesar, Septimius Severus mit Bild der Aphrodite von Korinth 350. Bronze, Lakedämonien, Gallien, mit Bild der Athena Chalkioikos 252. Bronze, Pergamon, Marc Aurel Rs. Hygieia, Telesphoros, Asklepios 388. Bronze, später Tetradrachme, Syrien mit Athena Parthenos 289. Bronze, Thyateira in Lydien (222–235 n. Chr.), Dirkegruppe 382f. Kontorniat-Medaillons Rs. Laokoongruppe 386.

8. Malerei Buchmalerei, Vergilius Vaticanus, Rom, Vatikan, Bibliothek MS Vat. lat. 33225 fol. 18 v. 386. Marmorgemälde, aus Herculaneum, Amphiaraos, Neapel, Mus. Naz. Inv. 9564 214.

Marmorgemälde des Alexandros, aus Herculaneum, Leto mit Niobe und ihren Kindern, Neapel, Mus. Naz. Inv. 9562 214. Wandgemälde, Tomba del Cardinale, Tarquinia Totenzug 400.

490

Register

Wandgemälde, Medeia, aus Herculaneum, Neapel, Mus. Naz. Inv. 8976 414. Wandgemälde, Fortführung der Briseis, aus Pompeji, Casa del Poeta Tragico, Neapel, Mus. Naz. Inv. 9105 218. Wandgemälde, Iphigenie, aus Pompeji, Casa del Poeta Tragico, Neapel, Mus. Naz. Inv. 9112 374f. Wandgemälde, Isiszeremonien, Isistempel, Pompeji 412. Wandgemälde, Niobiden, aus der Casa Marinaio, Pompeji Neapel, Mus. Naz. Inv. 111479 356.

Wandgemälde, angebl. Scipio, Massinissa und Sophoniba, aus Pompeji, Haus Josefs II, Neapel, Mus. Naz. Inv. 8968 218,414f. Wandgemälde, sog. Aldobrandinische Hochzeit, aus Rom, Rom, Vatikanische Museen, Bibliothek 219. Wandgemälde, sog. Odysseelandschaften, aus Rom, Rom,Vatikanische Museen, Bibliothek 219. Wandgemäldefragment, nicht antik, Cortona, Mus. dell’ Accad. etrusca di Cortona 219.

9. Mosaik Kieselmosaik, Tritone und Fische Zeustempel von Olympia, Pronaos 220,307. Alexandermosaik, Haus des Faun in Pompeji, Neapel, Mus. Naz. Inv. 10020 218,221,392f. Kentaurenmosaik, aus Villa Hadriana Berlin, Antikensammlung Inv. Mos. 1 220.

Mosaik, Seegottheiten und Eroten, aus Bad Vilbel, Darmstadt, Hess. Landesmus. 220f. Taubenmosaik, aus der Villa Hadriana, Rom, Museo Capitolino 392.

10. Vasen Korinthische Ware Dodwellsches Gefäß, Pyxis, mittelkorinthisch München, Antikensammlung 327 255. Flasche, mittelkorinthisch, Timonidas Athen, Nat. Mus. 277 255. Pyxis, spätkorinthisch, Chares Paris Louvre E 609 255.

Attisch schwarzfigurige Ware Francois-Vase, att. sf. Florenz, Mus. Arch. Inv. 4209 193,376.

Attisch rotfigurige Ware Halsamphora, att. rf., Kroisos Paris, Louvre, G 197 194. Kalathosförmiger Krater, att. rf., Alkaios, Sappho München, Mus. antiker Kleinkunst Inv. 2416 194. Niobidenkrater, att. rf., Niobiden Paris, Louvre MNC 511 (G 341) 356. Lekythos, att. rf., aus Pantikapaion St. Petersburg, Ermitage Inv. 3 1837. 2 (St. 1790 u. 107) 192. Pelike, att. rf., Ankunft des Frühlings St. Petersburg, Ermitage Inv. 615 194.

Antike Originalwerke

Pelike, att. rf., aus Kamiros, kniende Aphrodite London, Brit. Mus. E 424 350,361. Trinkschale, att. rf. (Kodros-Schale) Bologna, Mus. Civ. Inv. PU 273 287.

Attische Reliefkeramik Hydria, att., mit polychromen Reliefschmuck, St. Petersburg, Ermitage B 1659 193.

Apulisch-rotfigurige Ware Archemoros-Vase, Volutenkrater, apul. rf., Neapel, Mus. Naz. Inv. 81394 (H 3255) 194.

491

Dareiosvase, Volutenkrater, apul. rf., Neapel, Mus. Naz. Inv. 81947 (H 3253) 194,218,376.

Sonstige Ware Trinkschale, lakonisch, (ArkesilaosSchale) Paris, Cabinet des Médailles Inv. 189 194. Melische Keramik 254. Hellenistische Amphoren mit Stempeln 195.