Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft [1 ed.] 9783428423217, 9783428023219


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German Pages 338 Year 1970

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Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft [1 ed.]
 9783428423217, 9783428023219

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 46

Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft

Von

Klaus König

Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS K Ö N I G

Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft

S c h r i f t e n r e i h e der Hochschule Speyer Band 46

Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft

Von Dr. Dr. Klaus König Privatdozent

DUNCKER

& HUMBLOT /

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1970 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1970 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany

Inhalts verzeichni s

Vorwort

Erstes

7

Kapitel

Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis 1. Staatswissenschaftliche u n d juristische Methode 2. Kontinentaleuropäische u n d nordamerikanische schaft

11 11

Verwaltungswissen-

20

3. Wissenschaftstheorie, Wissenschaft u n d Praxis der öffentlichen V e r waltung

38

4. Verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisinteressen

53

Zweites

Kapitel

Realität des Verwaltungshandelns

63

1. Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft

63

2. Rechtsanwendungslehre u n d Verwaltungswirklichkeit

73

3. Motivationen als eine Verwaltungswirklichkeit

86

Drittes

Kapitel

Potentialität des Verwaltungshandelns 1. VerwaltungsWissenschaft u n d Handlungsmöglichkeit

98 98

2. Prognosen über öffentliche V e r w a l t u n g

105

3. Technologie öffentlichen Verwaltens

112

Viertes

Kapitel

Idealität des Verwaltungshandelns

123

1. Logischer Empirismus u n d sozialwissenschaftliches Modelldenken

123

2. Konstruktionen idealer Handlungszusammenhänge

134

3. Rationalitäten öffentlichen Verwaltens

147

Inhaltsverzeichnis

6

Fünftes

Kapitel

Normativität des Verwaltungshandelns

167

1. Verhaltensforschung u n d Rechtshandeln

167

2. Logikforschung u n d Rechtssprache

178

3. Exkurs: Elektronische Datenverarbeitung i n Recht u n d V e r w a l t u n g . . 186 4. Verwaltungsrechtslehre

196

Sechstes Kapitel Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

215

1. Metatheorie der öffentlichen V e r w a l t u n g

215

2. Pluralismus i n der Verwaltungswissenschaft

223

3. Exkurs: Entscheidungstheorie

247

4. Integrationen i n der Verwaltungswissenschaft

268

Literaturverzeichnis

294

Sachregister

326

Vorwort I n der vorliegenden Untersuchung w i r d versucht, eine erkenntnistheoretisch-methodologische Vorstellung von dem Umfang einer die Verwaltungsrechtslehre

überschreitenden, umfassenden Verwaltungs-

wissenschaft zu vermitteln. W i r stehen heute vor dem Problem, wie angesichts der komplexen Zusammenhänge modernen Verwaltens das Selbstverständnis der Verwaltungswissenschaft zu formulieren ist. Den Standort einer neuzeitlichen Fachdisziplin bezog die Verwaltungswissenschaft bei uns, als sich die juristische Betrachtungsweise gegenüber der staatswissenschaftlichen Methode durchsetzte. Jetzt w i r d uns die öffentliche Verwaltung zunehmend als ein Gegenstand bewußt, dessen Erkenntnis die Inanspruchnahme der Breite

sozialwissenschaftlicher

Forschungsmethoden und Forschungstechniken voraussetzt. Einschlägige Studien aus einer Feder, die nicht der Wissenschaftsphilosoph vom Fache führt,

meinen hier i m Kern jene Wissenschaftstheorie,

die

Bestandteil der Einzeldisziplinen zu sein pflegt. Die Relevanz der Fragestellungen w i r d zuerst vom konkreten Wissenschaftsvollzug her beurteilt, wie der allfällige Rückgriff auf die Wissenschaftsgeschichte nicht um der historischen Verhältnisse willen, sondern wegen der uns prägenden Traditionen erfolgt. So ist für unser kategoriales Rahmenwerk die heuristische Fruchtbarkeit, nicht eine tiefergreifende wissenschaftsphilosophische oder wissenschaftsgeschichtliche Systematik maßgeblich. Der Zusammenhalt von Erkenntnis und Interesse — wiewohl er die Sicht bis zu den sozialkulturellen Bedingungen der Wissenschaft frei läßt — intendiert nicht eine Gesellschaftstheorie als Erkenntnistheorie. Er w i r d genutzt, um i n tentativen Annäherungen die Verwaltungswissenschaft nach Gegenstand und Methode möglichst umfassend aufzufinden und ein offenes Feld für weitere Lehre und Forschimg i m Bereich der öffentlichen Verwaltung vorzubereiten. M i t dem Konzept einer solchen Umfangsanalyse ist es ausgeschlossen, sich einer der aktuellen wissenschaftsphilosophischen Hauptströmungen anzuvertrauen. Den Interessen kon-

8

Vorwort

kreter Sozialwissenschaft läßt sich jetzt weniger als je zuvor durch eine bestimmte theoretische Schulbildung entsprechen. Unsere kategoriale Unterscheidung zwischen den Erkenntnisinteressen an der Realität, der Potentialität, der Idealität und der Normativität des Verwaltungshandelns führt zum Erkenntnispluralismus der heutigen Sozialwissenschaften. I h n als grundlegend für

die Verwaltungswissenschaft

zu

belegen, füllt den überwiegenden Teil dieses Buches aus. Indes ist die öffentliche Verwaltung ein sozialer Befund, der die Divergenzen der eingeübten Einzeldisziplinen besonders augenfällig macht. Aus den Bestrebungen, über die Zusammenzählung von Verwaltungs-Rechtslehre,

Verwaltungs-Betriebswirtschaftslehre,

Verwaltungs-Psychologie

usw.

hinaus

Verwaltungs-Soziologie,

weiterreichende

Zusammen-

fügungen zu finden, erhält auch die vorliegende Untersuchung einen spezifischen Sinn. Sie ist nicht nur dann, wenn sie sich unmittelbar auf Integrationen i n den Sozialwissenschaften bezieht, sondern von vornherein i m Hinblick auf die wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen einer integrierenden Verwaltungstheorie zu lesen. Wissenschaft

und Verwaltung

gehören

zu den

sozialkulturellen

Grunddaten unseres Zeitalters. Die Stichworte „wissenschaftliche Z i v i l i sation" und „verwaltete Welt" stehen hierfür. Angesichts dessen kann der institutionelle Schutz, der der Verwaltungsforschung bei uns heute gewährt wird, kaum befriedigen. U m so mehr bin ich der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und ihren Mitarbeitern für die Unterstützung verpflichtet, die ich während meiner Tätigkeit i m Forschungsinstitut der Hochschule erfahren habe. Vor allem bin ich Herrn Prof. Dr. jur. Carl Hermann Ule verbunden, dessen Mitarbeiter ich bei mehreren Forschungsvorhaben war und der mich auch persönlich beraten und gefördert hat. Herrn Prof. Dr. phil. Hans Ryffel bin ich für

gute Gespräche anläßlich dieser Arbeit verpflichtet. Viele der

i n ihr vorgetragenen Überlegungen gehen i m Ansatz auf einen instruktiven Studienaufenthalt an der Universität Wien zurück. Hierfür und für viele förderliche Diskussionen i m Kreise Speyerer Professoren, Referenten, Assistenten und Hörer wie für manche Anregungen, die über das hinausgehen, was sich i n Zitaten verdeutlichen läßt, habe ich zu danken. Insbesondere möchte ich Herrn Prof. Dr. sc. pol. Niklas Luhmann, Bielefeld, nennen, der auch das Manuskript meiner Arbeit gelesen bat. Bei dessen Herstellung waren m i r Herr Referendar E. Volkmar

Vorwort Heyen, Kiel, der das Sachregister angefertigt hat, und Frau Maria Listing, die die Niederschrift übernommen hat, behilflich. Die vorliegende Untersuchung ist vom Senat der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer als Habilitationsschrift

angenommen worden.

Allen, die dieses Verfahren gefördert und meine Arbeit unterstützt haben, möchte ich Dank sagen. Speyer, i m Juni 1970

Klaus König

Erstes

Kapitel

Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis 1. Staatswissenschaftliche und juristische Methode

Eine wissenschaftstheoretische Ortsbestimmung unserer heutigen Verwaltungswissenschaft muß bei jenem Bildungsprozeß beginnen, in dem sich die juristische Betrachtungsweise der öffentlichen Verwaltung gegen die staatswissenschaftliche Methode durchgesetzt hat. Denn hiernach ist Verwaltungswissenschaft als das begründet, was sie noch jetzt ganz vorherrschend bei uns ist: nämlich Verwaltungsrechtslehre. Bis in die neue deutsche Wissenschaftsgeschichte hinein reicht der Gedanke, nach dem Entwurf einer gesamten Staatswissenschaft das Gebäude eines geschlossenen Wissenszusammenhanges zu errichten, und das gegen den historischen Zug der sich ausfächernden und absondernden Einzelwissenschaften vom sozialen Handeln des Menschen. Der Umfang der für die staatswissenschaftliche Gesamtheit i n Anspruch genommenen Bereiche ist unterschiedlich. I n der Tradition der Kameralistik steht die Lehre, die zu den Gebieten Ökonomik, Polizei und Finanz die Statistik und die vergleichende Verfassungslehre nimmt 1 . Erweiterungen beziehen philosophische, geschichtliche und juristische Disziplinen m i t ein. Robert von Mohl 2 faßt zu dogmatischen und geschichtlichen Fächern der Staatswissenschaften zusammen: die allgemeine Staatslehre, das öffentliche Recht mit Staatsrecht und Völkerrecht, die Staatssittenlehre und die Staatskunst, die Staatsgeschichte und die Statistik. Aufschlußreich für unsere Überlegungen und bedeutsam angesichts der i n Deutschland sich fortentwickelnden Volkswirtschaftslehre und der aufkommenden Gesellschaftslehre ist die Behandlung dieser beiden Wissensbereiche i n der letztgenannten Zusammenfassung. Gewisse soziale und ökonomische Gegenstände, die als traditionelle Bestandteile 1 Vgl. f ü r den vorliegenden Zusammenhang Hans Maier, Die ältere deutsche Staats- u n d Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft): E i n Beitrag zur Geschichte der politischen Wissenschaft i n Deutschland, bes. S. 230 ff.; E i n führungen m i t Literaturübersichten bei dems., Staatswissenschaft(en), a.a.O., S. 2211 f.; Gerhard Stavenhagen , Staatswissenschaft, a.a.O., Bd. 7, S. 626 ff.; Walter Taeuber, Staatswissenschaft, a.a.O., Bd. 9, S. 763 ff. 2 Die Geschichte u n d L i t e r a t u r der Staatswissenschaften; ders., Encyklopädie der Staatswissenschaften.

12

1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

der Staatswissenschaft überliefert sind, werden hier ausgeschieden. Sie werden nicht als aus dem Staat und durch den Staat entstanden angesehen. Solche gesellschaftlichen Lebenskreise werden der besonderen Erforschung durch eine Gesellschaftswissenschaft zugeteilt. Vor allem die Volkswirtschaftslehre, welche die Aufgabe habe, die Lehren von dem Güterwesen zu entwickeln, wie sich diese aus der Natur des Menschen und aus seinem Verhältnis zu den Sachen, und zwar ohne alles Zutun des Staates, ergäben, w i r d von der Staatswissenschaft der Gesellschaftswissenschaft überwiesen. Gegen diese Differenzierung steht die Konzeption, welche die Wirtschaftslehre unter die Staatswissenschaft faßt, weil die Nationalökonomie ihren Gegenstand nur wirklichkeitsnah darstellen könne, wenn sie sich die Volkswirtschaft als i m Staate sich entwickelnd denke 3 . Die Lehre vom Güterwesen und die Lehre von der Gesellschaft werden als Teile der Staatswissenschaft verstanden 4 . Man ordnet die ökonomischen und sozialen Gesichtspunkte in den Einheitsplan ein. A u f dieser breitesten Basis einer gesamten Staatswissenschaft steht die Verwaltungslehre Lorenz von Steins 5. Unter philosophischen, geschichtlichen, juristischen, ökonomischen, soziologischen Aspekten stellt sie ein Teilphänomen des Staates: die öffentliche Verwaltung, i n universeller Weise dar. I n der Sache werden so umfängliche Gebiete behandelt wie Völkerrecht und auswärtige Angelegenheiten, Heerwesen, Finanzen, Rechtsleben und seine Verwaltung, Verwaltung des Innern m i t Bevölkerungswesen, Gesundheitswesen, Bildungswesen usw. bis zur w i r t schaftlichen Verwaltung m i t Einschluß der internationalen Verwaltung der Volkswirtschaft. Z u beachten ist hier die Stellung, die das Recht i n der Verwaltung einnimmt. Gemäß der staatswissenschaftlichen Gesamtvorstellung w i r d das Recht i n die Verwaltungswissenschaft integriert. Das rechtliche Gefüge der öffentlichen Verwaltung w i r d ausgiebig literarisch gewürdigt. Der Idee des Rechts werden durchaus eigenständige Kräfte beigemessen. Auch dort, wo Rechtsbegriff und Verwaltungsbegriff aneinanderstoßen, bleibt der Sinngehalt von Recht oft noch ambivalent. Zuletzt setzt sich dann aber Verwaltung als Leitgedanke durch. Die Verwaltungslehre hat zu zeigen, was i n der Verwaltung dem Wesen des Staates entspricht. Das Verwaltungsrecht zeigt die bewußte Gestalt des Staatslebens. Recht w i r d zur Funktion staatlichsozialer Zustände. Zugespitzt heißt es, daß die Staatswissenschaft ewig 3 So Schüz, Das politische Moment i n der V o l k s w i r t s c h a f t , i n : Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft, 1844, S. 335. 4 Vgl. Lorenz von Stein, System der Staatswissenschaft, Bd. 1, S. 20 ff. s Die Verwaltungslehre, 8 Teile; weitere Nachweise bei Werner Schmidt, Lorenz von Stein: E i n Beitrag zur Biographie, zur Geschichte SchleswigHolsteins und zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts.

1. Staatswissenschaftliche und juristische Methode die einzige und wahre Quelle aller Rechtswissenschaft Geschichte sein werde 6 .

13 und

ihrer

Erforscht man sonach das einheitsstiftende Moment einer solchen Verwaltungslehre, dann gilt für diese wie für die gesamte Staatswissenschaft überhaupt, daß, wenn es gesucht, es aus der Wesensentfaltung von Staat und Verwaltung gewonnen wird. Die ganzheitliche Betrachtungsweise w i r d aus politisch-sozialen Lehren gestützt, die i m Staat eine organische und totale Wesenheit erblicken. Wenn etwa die sozialwissenschaftliche Reichweite der Staatswissenschaft diskutiert wird, dann geht es um die materielle Dimension des Staates. Uber den Umfang der Staatswissenschaft entscheidet die Enge oder Breite des Staatsbegriffs als eines Wesensbegriffs 7 . Entsprechend w i r d versucht, die Verwaltungslehre von der Wesenserkenntnis eines Verwaltungsbegriffs tragen zu lassen. Verwaltung ist die „arbeitende Staatsidee", das „wirkliche Staatsleben", der „arbeitende Staat". Sie w i r d damit nicht zu einer irgendwie positiv-empirisch zu erfassenden Größe 8 . Vielmehr w i r d in der Verwaltung die inhaltliche Wesensverwirklichung des Staates gesehen. Verwaltungslehre w i r d die Wissenschaft „der Grundsätze und Forderungen" genannt, „nach welchen demnach der Staat die Verwaltung nach diesen höchsten Begriffen leitet" 9 . Die gesamte Staatswissenschaft hat philosophische Wurzeln. Sie w i r d von einer philosophischen Romantik gefördert, für die der Staat die Totalität der menschlichen Angelegenheiten bedeutet. Die Verwaltungslehre Steins ist von der Hegeischen Philosophie beeinflußt. Es fließen durchaus auch erkenntnistheoretische Überlegungen ein. Aber i m Grunde sind es nicht spezifisch wissenschaftsphilosophische Sichtweisen, welche die staatswissenschaftliche Einheit konstituieren sollen, sondern substantielle Gesichtspunkte staatsphilosophischer A r t . Die Verwaltungslehre postuliert, daß die „Alleinherrschaft der Fachwissenschaften i n der ganzen Verwaltung" zu brechen sei und daß sich „jede derselben zur Staatswissenschaft erheben" müsse 10 . Aber sie bietet dafür keine überzeugende Wissenschaftstheorie an. Staatswissenschaft und Verwaltungslehre enthalten keine wissenschaftsphilosophisch beständige Alternative zu den erkenntnistheoretisch-methodologischen Verfahrensweisen, i n denen die modernen Einzelwissenschaften aus Materialobjekten wie Recht und Wirtschaft wissenschaftlich bearbeitbare Formalobjekte 6 Lorenz von Stein, Gegenwart u n d Z u k u n f t der Rechts- u n d Staatswissenschaft Deutschlands, S. 117. 7 Vgl. etwa Heinrich von Treitschke, Die Gesellschaftswissenschaft: Ein kritischer Versuch. 8 Worauf Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 18, aufmerksam macht. 9 Lorenz von Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Aufl., S. 47 f. 10 Lorenz von Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 3. Aufl., S. 173.

14

1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

bilden. So ist die Einheit der gesamten Staatswissenschaft methodologisch betrachtet letztlich nicht mehr als eine enzyklopädische Arbeitsweise, die die von ihr umfaßten Materien aneinanderreiht. Ihre Ganzheitlichkeit ist auf Synopse angewiesen. Zudem verfährt sie oft i n allseitig historisierender A r t , indem sie versucht, gegenwärtige Dinge ganzheitlich wie der Vergangenheit angehörig in unreflektierter Geschichtsschreibung darzustellen. A m Ende ist die Staatswissenschaft „nichts anderes als die Summe der Staatswissenschaften"; denn nur durch die Gemeinsamkeit ihrer Methoden könne sie sich als Einheit darstellen; der Staat aber sei ebensowenig wie der Mensch nach einheitlicher Methode erforschlich 11 . Der Gedanke einer universalen Verwaltungslehre ist wie der einer gesamten Staatswissenschaft der jetzt herkömmlichen Spezialisierung der Fachwissenschaften unterlegen. Versuche, den staatswissenschaftlichen Wissenszusammenhang den sich neu entwickelnden wissenschaftlichen Differenzierungen anzupassen12, war der Erfolg versagt. Die weiteren Unternehmungen einer Verwaltungswissenschaft nach staatswissenschaftlicher Methode blieben Randerscheinungen des Wissenschaftsbetriebs 13 . I n dem sich stark herausbildenden Dualismus zwischen ökonomischen und juristischen Disziplinen fiel das Erfahrungsobjekt: öffentliche Verwaltung der Rechtswissenschaft zu. Das geschah so streng, daß gleichsam die Einheitsvorstellung von der verwaltungswissenschaftlichen Lehre und Forschung nun als juristischer Monismus in der Verwaltungsrechtslehre hergestellt wurde. Kennzeichnend ist die Kürze, mit der sich die Systematiker der neuen Verwaltungsrechtslehre, insbesondere auch Otto Mayer u, mit der überlieferten staatswissenschaftlichen Betrachtungsweise der Verwaltung und des Verwaltungsrechts auseinandersetzen. Die von der Verwaltungslehre vorgeführten rechtlichen Ordnungen der einzelnen Verwaltungszweige wie des Schul-, Gewerbe-, Gesundheitswesens usw. mit der unvermeidbaren Wiederholung juristischer Gesichtspunkte waren für sie nur Konglomerate verschiedener Rechtssätze, Materialiensammlung, aber nicht Wissenschaft. I n den aus der Wesensentfaltung der öffentlichen Verwaltung gewonnenen Rechtszusammenhängen sahen sie kein System des Verwaltungsrechts. Eine juristische Fachwissenschaft von der öffentlichen Verwaltung bedurfte demgegenüber keiner wissenschaftstheoretischen n So Robert Piloty, Staat u n d Staatswissenschaften, a.a.O., Bd. 3, S. 464 f. 12 Vgl. etwa Georg von Mayr, Begriff u n d Gliederung der Staatswissenschaften: Z u r Einführung i n deren Studium; Ignaz Jastrow (Hrsg.), Die Reform der staatswissenschaftlichen Studien. 13 Z u r weiteren Entwicklung der nicht-juristischen Betrachtungsweise der öffentlichen Verwaltung vgl. Erich Becker, Stand u n d Aufgjaben der V e r waltungswissenschaft, a.a.O., S. 9 ff. 14 Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Aufl., Bd. 1, S. 16 ff.

1. Staatswissenschaftliche und juristische Methode

15

Rechtfertigung mehr. Die Verwaltungsrechtslehre brauchte sich nur mehr dem i n der Privatrechtslehre und Staatsrechtslehre vorbereiteten Methodenbewußtsein anzupassen15. Die juristische Bearbeitung des Verwaltungsrechts bedeutete nun grundsätzlich die dogmatische Feststellung des positiven Rechtsstoffes und dessen begriffliche Beherrschung. Die Ablösung und Isolierung der juristischen Elemente aus dem Gesamtbilde der staatlichen Tätigkeit, die Abhebung der Rechtsinstitute aus dem Verwaltungsgefüge, die Zurückführung der Vielfalt der Lebenserscheinungen auf den formalen Rechtsgehalt wurden die Aufgaben der Wissenschaft vom Verwaltungsrecht. Aus den Rechten der verschiedenen Verwaltungszweige wurde die gemeinsame Grundstruktur herausgeschält. Man sah das Ziel der Rechtsdogmatik i n der Konstruktion der Rechtsinstitute, i n der Zurückführung der einzelnen Rechtssätze auf allgemeine Begriffe und weiter i n der Herleitung der aus diesen Begriffen sich ergebenden Folgeningen. Tendenziell wurde die Verwaltungsrechtslehre von philosophischen, geschichtlichen, ökonomischen, politischen, sozialen Elementen gereinigt. Die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht war als System der ihm eigentümlichen juristischen Formen aufzubauen. Bis zu welcher Konsequenz auch immer: m i t ihren juristisch formalisierten Kategorien und Operationen folgte die bedacht rechtswissenschaftliche Erforschung der öffentlichen Verwaltung dem Wege fachwissenschaftlicher Methodologie. Indes ist m i t dieser i m engeren Sinne wissenschaftstheoretischen Begründung Sieg und Vorherrschaft der juristischen Methode i n der Verwaltungswissenschaft noch nicht hinreichend erklärt. Der Erfolg der Verwaltungsrechtslehre mag freilich zu einem wichtigen Teil auf ein besonderes methodologisches Bedürfnis i m Bereich der öffentlichen Verwaltung zurückzuführen sein. Der staatswissenschaftlichen Verwaltungslehre war es gelungen, m i t ihren universalgeschichtlichen und enzyklopädischen Darstellungen die Vielschichtigkeit konkreter Lebensverhältnisse i n der Verwaltung wiederzugeben. A n der so vorgeführten Komplexität administrativer Handlungspraxis mußte die Grenze theoretischer Leistungsfähigkeit deutlich werden. Zudem wurde die Frage nach dem Wesensgehalt von Staat und Verwaltung unvermittelt gestellt. Auch hier mußte man sich durch Arbeitsweisen distanzierter Reflexion entlasten. So wurde der Schritt zu den spezifisch fachwissenschaftlichen Methoden erforderlich, und man konnte i n den juristischen Techniken, den Konstruktionen reiner Rechtsbeziehungen, den formalen Rechtsbegriffen die komplizierte Welt öffentlichen Verwaltens und die Wesens15 Vgl. die kennzeichnende Besprechung Paul Labands von: Otto Mayer, Theorie des französischen Verwaltungsrechts, i n : Archiv für öffentliches Recht, 1887, S. 149 ff.; zur methodologischen Entwicklung Walter Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre i m 19. Jahrhundert: Die H e r k u n f t der Methode Paul Labands aus der Privatrechtswissenschaft.

16

1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

frage staatlichen Lebens auf theoretisch bearbeitbare Größen reduzieren. Aus der genuin erfahrenen Verwaltung der Staatswissenschaft wurde der Erkenntnisgegenstand der Verwaltungsrechtslehre. Aber hieraus w i r d nur die Wendung zur fachwissenschaftlichen Spezialisierung einsichtig, nicht, daß die Verwaltungsforschung insgesamt Angelegenheit der Jurisprudenz werden konnte. Erkenntnistheoretischmethodologisch hätte nichts entgegengestanden, aus dem Materialobjekt: öffentliche Verwaltung verschiedene einzelwissenschaftliche Formalobjekte zu bilden: Erkenntnisgegenstände von juristischen, ökonomischen, sozialen usw. Lehren von der öffentlichen Verwaltung. Zu dem kommt der Umstand, daß die staatswissenschaftliche Verwaltungslehre nach ihrer universalen Konzeption die nicht-juristischen Elemente des Verwaltungslebens, insbesondere auch die gesellschafts- und w i r t schaftswissenschaftlichen Relevanzen durchaus augenfällig gemacht hatte. W i r müssen also die engere wissenschaftstheoretische: erkenntnistheoretisch-methodologische, Frageebene verlassen und die Gründe für die juristische Einseitigkeit der neueren Verwaltungswissenschaft in dem weiten Feld sozial- und geistesgeschichtlicher Prozesse suchen, i n denen die Staatsforschung steht. Insoweit sind drei Hauptgründe für die konsequente Aufnahme der Verwaltungswissenschaft in die Rechtswissenschaft zu nennen: der Einfluß einer formal-juristischen Rechtsstaatsidee, die Konzipierung des Verwaltungsrechts nach dem Gedanken der Eingriffsverwaltung und der als sozialwissenschaftliches Trennungsdenken sich niederschlagende Dualismus von Staat und Gesellschaft. Das wissenschaftliche System des Verwaltungsrechts, wie es uns heute vorliegt, beruht auf dem Begriff des Rechtsstaates. Seine formalen Merkmale waren es, die den wissenschaftlichen Anspruch der sich entwickelnden spezifisch juristischen Verwaltungsrechtslehre stützten 1 6 : „Der Rechtsstaat ist der Staat des wohlgeordneten Verwaltungsrechts 17 ." Das bedeutet zuerst die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die öffentliche Verwaltung handelt i n formalisierten Abhängigkeiten von der Gesetzgebung. Das Gesetz hat Vorrang. Die i n der Form des Gesetzes getroffene staatliche Regelung geht rechtlich jeder anderen öffentlichen Entscheidung vor. Gesetze können nicht durch A k t e der Verwaltungsbehörden abgeändert, aufgehoben oder durchbrochen werden. Über den negativen Sinn hinaus, daß die Verwaltung nicht gegen Gesetze verstoßen dürfe, bedarf es positiver Handlungsermächtigungen für die Verwaltung. Es gilt der Vorbehalt des Gesetzes. I n Freiheit und Eigen16 Vgl. die grundlegende Studie von Richard Thoma, Rechtsstaatsidee und Verwaltungsrechtswissenschaft, i n : Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, 1910, S. 196 ff.; zur Gesamtentwicklung Bodo Dennewitz, Die Systeme des Verwaltungsrechts: E i n Beitrag zur Geschichte der modernen Verwaltungswissenschaft. !7 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Bd. 1, S. 58.

1. Staatswissenschaftliche und juristische Methode

17

t u m darf nur nach gesetzlicher Grundlage eingegriffen werden. Belastende Verwaltungsakte brauchen gesetzliche Ermächtigungen. Die Zahl der Gegenstände, i n welchen das Gesetz notwendige Bedingung der Verwaltungstätigkeit ist, wächst. Das Gesetz i m formellen Sinne ist die Handlungsmaxime, die vorzüglich für jede Betätigung der öffentlichen Verwaltung maßgeblich ist. Der andere formale Grundzug des juristischen Rechtsstaatsbegriffs ist die Bindung der Verwaltung an ein Rechtsschutzsystem. Der Gedanke eines umfassenden Rechtsschutzes des einzelnen gegen die Maßnahmen der Verwaltungsbehörden ist seit Otto Bahr 18 und Rudolf von Gneist 19 m i t der Rechtsstaatsidee fest verknüpft. Die Bestimmung der öffentlichen Verwaltung durch das Gesetz erscheint für sich unzureichend, wenn nicht Einhaltung und Wiederherstellung des Rechts durch die Rechtspflege gesichert werde. Diskussionen über Verwaltungskontrolle durch ordentliche Gerichte oder eigentümlichen Verwaltungsrechtsschutz, Enumerationsprinzip oder Generalklausel, einheitliches Obergericht, Klagensystem usw. beruhen auf dieser gemeinsamen Gesprächsbasis. So sind es zwei gewichtige rechtsstaatliche Grundeinsichten, das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtsschutzgedanke, die das Augenmerk der Verwaltungsforschung auf sich zogen, dann aber die wissenschaftlichen Absichten als formal-juristische vorbestimmten. Es handelt sich keineswegs u m formalistische, vom sozialen Sinn entleerte Sprachspiele, sondern u m Ausformungen und Objektivierungen bestimmter prinzipieller Staatsideen. Indes wurden der wissenschaftlichen Reflexion Schranken gesetzt, und unter von vornherein begrenzter Sicht auf gewisse formale Zusammenhänge wurde der Satz möglich: „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht 20 ." Für eine wissenschaftliche Betrachtung der öffentlichen Verwaltung i n den rechtsförmigen Abhängigkeiten von Gesetzgebung und Rechtsprechung konnte es i n der Hauptsache nur noch u m die rechtliche Durchformung des administrativen Bereiches gehen. Ob man auch beteuerte, daß Verwaltung sich nicht i m Gesetzesvollzug erschöpfe, Verwaltungswissenschaft mußte i m Kern zur Rechtsanwendungslehre werden. M i t der skizzierten Entwicklung hängt zusammen, daß des weiteren durch ein Leitbild der Eingriffsverwaltung die Verkürzung der Verwaltungswissenschaft auf die Verwaltungsrechtslehre gefördert wurde. Rechtsstaatlichkeit w i r d zwar nunmehr als ein Formprinzip politischer Herrschaftsgewalt verstanden. Zugleich w i r k t aber ein Verständnis liberal-individualistisch begrenzten sozialen Auftrages des Staates nach, 18

Der Rechtsstaat: Eine publicistische Skizze. Der Rechtsstaat u n d die Verwaltungsgerichte i n Deutschland. 20 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, V o r w o r t zur dritten Auflage, Bd. 1, S . V I . 19

2 Speyer 46

18

1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

welches die Absichten der Forschung auf den Eingriffsgehalt administrativen Handelns gegenüber der Privatsphäre reduziert. Eine weiterreichende Gedankenführung zu der Problematik der Staatszwecke oder der Frage verfassungsrechtlicher Voraussetzungen w i r d vermieden. Aus dem wissenschaftlichen System der öffentlichen Verwaltung und ihres Rechts w i r d der Wohlfahrtszweck eliminiert 2 1 . Maßgeblich ist die Konzipierung des Polizeirechts. I n i h m hat die positive Wohlfahrtspflege keinen Platz mehr. Der diese A k t i v i t ä t ausschließende und nur zur Defensive anhaltende Polizeibegriff w i r d bestimmend. Die Rechtsinstitute des Verwaltungsrechts werden an einer Linie der Intervention i n außerstaatliche Lebensbereiche angelegt. Traditionelle Bereiche positiven Verwaltungshandelns werden der Eingriffssystematik eingegliedert. Damit war die Spannbreite möglicher verwaltungswissenschaftlicher Fragestellungen verkürzt. Es bedurfte einer Staats- und Verfassungslehre fester Umgrenzung der administrativen Befugnisse, aber nicht der interpretativen Mühen der politisch-sozialen Deutung einer leistenden, lenkenden, umverteilenden Verwaltung. Es bedurfte einer Topik zur Verhältnismäßigkeit von Eingriffsmitteln, aber nicht der theoretischen Anstrengung zur ökonomischen Erklärung von Kosten und Nutzen der Verwaltungsmittel. Die Leitgedanken der formalen Rechtsstaatlichkeit und der Eingriffsverwaltung wurzeln i n einem allgemeinen Trennungsdenken: dem Dualismus von Staat und Gesellschaft. Die Einschränkimg der Verwaltungswissenschaft auf die Verwaltungsrechtslehre wäre ohne die Sichtweise von Staat und Gesellschaft als zwei prinzipiell zu scheidenden, eigengesetzlichen Sphären kaum möglich gewesen. Eine Sphäre staatlicher Hoheitsgewalt und ein autonomer Bereich individuell-gesellschaftlichen Lebens werden einander gegenübergestellt. Das Recht ist das Formelement der Abgrenzung von staatlichem und privatem W i l lensbereich, und insbesondere markiert das Verwaltungsrecht die Grenzlinie zwischen staatlicher Hoheit und gesellschaftlicher Autonomie. Solch rechtsstaatliches Verwaltungsrecht ist „Umzäunung" (Friedrich Julius Stahl 22) administrativen Handelns. I n dem Trennungsdenken über Staat und Gesellschaft war für die ganzheitliche Methode der Erforschung politisch-sozialer Phänomene kein Platz mehr. I m Bereich wissenschaftlicher Reflexion war es erschwert, auf anderen als der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft konsistente Lehrgebäude zu errichten. Wirtschaftswissenschaft und Soziologie wurden dem Gesellschaftsbereich zugewiesen. Die Nationalökonomie ist unter dem Einfluß der Lehren von Adam Smith die Wissenschaft von der prinzipiell 21 Vgl. dazu insbesondere Ernst Forsthoff, Anrecht u n d Aufgabe Verwaltungslehre, a.a.O., S. 47 ff. 22 Die Philosophie des Rechts, Bd. 2, 2. Abtheiliung, S. 137.

einer

1. Staatswissenschaftliche und juristische Methode

19

staatsfreien, marktorientierten Wirtschaft. Die Gesellschaft ist W i r t schaftsgesellschaft und vom Staat grundsätzlich geschieden. Die Sozialtheorie analysiert gesellschaftliche Strukturen i m Gegensatz zur staatlichen Gestaltung. So läßt sich Soziologie als oppositionelle Wissenschaft sehen. Diese Abtrennungen entwickeln sich nicht rein, wie etwa aus der Gegenüberstellung von historischer Schule und Grenznutzenlehre i n der Wirtschaftswissenschaft zu zeigen ist. I n der einschlägigen volkswirtschaftlichen Theoriegeschichte gibt es Schulbildungen, die die Sicht auf den Staat offenhalten. Aber die Tendenzen sind stark genug, daß die Breite der Staatsforschung unter Vernachlässigung anderer Disziplinen der Rechtswissenschaft zufällt. Hier gibt es durchaus Unterscheidungen zwischen juristischem und soziologischem Staatsbegriff; jedoch systematisch ausgebaut zu gesicherten Lehrfächern w i r d nur die Staatsrechtslehre, nicht die politische Soziologie. Denn die Staatswissenschaft konzentriert sich auf das staatlich gesetzte Recht, und dem Staat scheint alles, was er anfaßt, zu Recht zu geraten. I n einer geschichtswissenschaftlichen Untersuchung der jüngeren Entwicklung der Verwaltungswissenschaft — nach deren historischem Interesse i m übrigen mehr Verwaltungslehrer namhaft gemacht werden müßten, als das hier geschehen ist — wäre zu überprüfen, welchen Einfluß die Ideen der universalen Verwaltungslehre Steins selbst auf das Trennungsdenken über Staat und Gesellschaft und i n der Konsequenz auf die Verkürzung der Verwaltungswissenschaft zur Verwaltungsrechtslehre genommen haben. I n seinem Werk ist jener Dualismus in der Fortbildung Hegelscher Philosophie sicherlich angelegt 23 , vielleicht sogar schon überwunden 2 4 . Unter erkenntnistheoretisch-methodologischem Blickwinkel mag man indes sagen können, daß der i n der Wesensentfaltung gesuchte Verwaltungsbegriff Steins soviel normative Elemente enthält, daß von i h m der Weg eher zu einer hermeneutisch gewonnenen Theorie i m Sinne der Jurisprudenz als zu einer Modelltheorie wirtschaftswissenschaftlicher Provenienz oder zu einer Erfahrungslehre nach A r t empirischer Soziologie führt. I n der Verwaltungswissenschaft hat sich jedenfalls die juristische Methodologie durchgesetzt.

23 Das w i r d von Ernst Rudolf Huber, Die deutsche Staatswissenschaft, i n : Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1935, S. 8 ff., betont. Vgl. dazu Paul Vogel, Hegels Gesellschaftsbegriff u n d seine geschichtliche Fortbildung durch Lorenz Stein, M a r x , Engels u n d Lassalle, bes. S. 187 ff. 24 Vgl. Ernst-Wölf gang Böckenförde, Lorenz von Stein als Theoretiker der Bewegung von Staat u n d Gesellschaft zum Sozialstaat, a.a.O., S. 248 ff.

2*

20

1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis 2. Kontinentaleuropäische u n d nordamerikanische Verwaltungswissenschaft

Die Vorherrschaft der juristischen Betrachtungsweise ist gemeinsames Kennzeichen der Verwaltungswissenschaft i n Kontinentaleuropa. Eine Interpretation verwaltungswissenschaftlicher Entwicklungen i n diesem Raum müßte zu einer umfänglichen Theoriegeschichte der Verwaltungsrechtslehre geraten. Nach Tradition und internationalem Einfluß auf Belgien, die Niederlande, Italien, Spanien usw. wäre zuerst die französische Verwaltungsrechtswissenschaft zu nennen. So vollzieht sich gerade auch i n Otto Mayers Theorie des französischen Verwaltungsrechts (1886) die Wende zur juristischen Verwaltungsrechtslehre i n Deutschland. Die Bedeutung der Verwaltungsrechtswissenschaft i n den romanischen Ländern wäre auch aus dem reichen Schrifttum i n Italien und Spanien zu belegen. Für Österreich ließe sich eine beachtliche Eigenart der Verwaltungsrechtslehre gegenüber der deutschen Wissenschaftsentwicklung aufweisen. Von Österreich würden sodann weitreichende Verbindungen zur Verwaltungsrechtswissenschaft i n den ost- und südosteuropäischen Ländern herzustellen sein. Indes darf man nicht erwarten, daß die kontinentaleuropäische Theoriegeschichte der Verwaltungsrechtslehre gemessen an anderen rechtswissenschaftlichen Fächern i m Bereich von Methodologie und Erkenntnistheorie ganz besonderen Gewinn abwirft. Denn einmal erweist sich die Verwaltungsrechtslehre als sehr pragmatische Wissenschaft. I h r Erkenntnisstreben ist eng m i t den kommunikativen Erfahrungen der Verwaltungsrechtspraxis verbunden. Sie neigt dazu, i m Lernprozeß des Rechtslebens eher nachzugeben, als es u m der theoretischen Stringenz w i l l e n zum Bruch kommen zu lassen. Die eigene wissenschaftliche Ansicht w i r d etwa einer gefestigten Verwaltungsrechtsprechung hintangesetzt. Entsprechend ist zwar die Verwaltungsrechtslehre i n Deutschland durch Züge formalen Denkens gekennzeichnet, aber schon wegen ihres pragmatischen Charakters einer dogmatischen Rechtsanwendungslehre weit davon entfernt, reiner Rechtsformalismus zu sein. Zum anderen sind die Bestimmungsfaktoren der Verwaltungsrechtslehre, wie der Sieg der juristischen Betrachtungsweise der öffentlichen Verwaltung i n Deutschland zeigt, oft staats- und sozialtheoretischer, nicht i m engeren Sinne wissenschaftstheoretischer A r t . Die wissenschaftliche Eigentümlichkeit läßt sich nicht ausschließlich, sogar nach Vorrang und Ausdehnung nicht primär aus der spezifisch methodischen Bearbeitung des Verwaltungslebens zu System und Begrifflichkeit der Verwaltungsrechtslehre erklären. Vielmehr ist es eine vorgeordnete Vorstellung vom Staat, auf die sich die Idee wissenschaftlicher Systematisierung mitbegründet. Für die neuere Verwaltungsrechtslehre i n Deutschland wurden so aus dem Blickwinkel der liberalrechtlichen

2. Kontinentaleuropäische und nordamerikanische Verwaltungswiss.

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Staatsauffassung die obrigkeitlichen Handlungsformen begriffs- und systembildend: Zur Theorie wurde eine spezifische Lehre von den Rechtsformen der öffentlichen Verwaltung entwickelt 2 5 . Ob die Verwaltungsrechtslehre schon deswegen formalistisch werden mußte, w e i l ihr ideologischer Grund der liberale Rechtsstaat war, mag fraglich sein 26 . Daß es indes auch i m Methodologischen weitgehend zu einer Mediatisierung der Verwaltungsrechtslehre durch die Staatsrechtslehre gekommen ist, ist nicht zuletzt auf die Maßgeblichkeit politisch-philosophischer Vorverständnisse zurückzuführen. Der Methodenstreit setzt regelmäßig bei Staat und Verfassung als wissenschaftlichen Gegenständen an, um dann gegebenenfalls i n die Verwaltungsrechtslehre überzugreifen. Die rechtspositivistischen Strömungen — man denke an den Gerber-Labandschen Positivismus, an die Reine Rechtslehre — breiten sich auf der staats- und verfassungsrechtlichen Ebene aus, u m dann i n die Verwaltungsrechtslehre einzudringen 27 . Diese A r t des Zugangs zur Philosophie der Wissenschaft hat zur Folge, daß die Verwaltungsrechtslehre an dem wissenschaftstheoretischen Stand der Staatsrechtslehre und ihrer Problematik A n t e i l hat, sonst i n den methodologischen Grundströmungen der Rechtswissenschaft meist mehr bewegt wird, denn selbst bewegt. Der Prozeß der Mediatisierung kann so stark sein, daß das Methodenbewußtsein in der Verwaltungsrechtslehre überhaupt bezweifelt wird. Es w i r d die K r i t i k an den öffentlich-rechtlichen Fächern geäußert, daß i n methodologischer Hinsicht beim Staatsrecht alles i m argen liege, i m Verwaltungsrecht die Methodenfrage nicht einmal gestellt werde 2 8 . Man w i r d dieser K r i t i k — i m Hinblick auf die deutschen Verhältnisse um das Hegelzitat zugespitzt, wonach von einer wissenschaftlichen Methode kaum eine Ahnung zu erkennen sei 29 — i n manchem beizupflichten haben. Und 25 Vgl. Erich Kaufmann, Otto Mayer, i n : Verwaltungsarchiv, 1925, S. 386. 26 v g l . Peter Badura, Verwaltungsrecht i m liberalen u n d i m sozialen Rechtsstaat, S . l l . 27 Entsprechend g i l t das Interesse der Theoriegeschichte überwiegend der Staatsrechtslehre. Vgl. etwa zum Gerber-Labandschen Positivismus Peter von Oertzen, Die Bedeutung C. F. Gerbers f ü r die deutsche Staatsrechtslehre, a.a.O., S. 183 ff.; Walter Wilhelm, Z u r juristischen Methodenlehre i m 19. Jahrhundert: Die H e r k u n f t der Methode Paul Labands aus der Privatrechtswissenschaft; ferner Peter Badura, Die Methoden der neueren Allgemeinen Staatslehre, S. 134 f.; Ernst-Wolf gang Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt: Von den Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus, S. 210 ff.; Klaus Hespe, Z u r E n t w i c k l u n g der Staatszwecklehre i n der deutschen Staatsrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts. 28 So Adolf Schule, Methoden der Völkerrechts Wissenschaft, in: A r c h i v des Völkerrechts, 1959/1960, S. 130. 29 So Felix Ermacora, Die Bedeutung u n d die Aufgabe der Wiener Schule f ü r die Wissenschaft v o m öffentlichen Recht der Gegenwart, i n : österreichische Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, 1959/1960, S. 349.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

doch w i r k e n sich allgemein rechtswissenschaftliche Arbeitsweisen — teils unbewußt, teils aber m i t schulbildender K r a f t hineingetragen — so i n der Verwaltungsrechtslehre aus, daß sie den Standort der verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnis i n Kontinentaleuropa charakterisieren. I n der Jurisprudenz gibt es ein allgemeines Spannvingsverhältnis zwischen formaler und materialer Methode der Rechtserkenntnis. I n der Rechtsdogmatik als Rechtsanwendungslehre mit ihrem pragmatischen Sinn ist diese Spannung oft verdeckt. I n der fallbezogenen Individualisierung und Konkretisierung von Recht werden förmliche und inhaltliche Argumente nicht systematisch geschieden. Sobald aber über solche Topik hinaus i n gezielt theoretischer Reflexion Recht zu erkennen gesucht wird, erhält das Verhältnis von Formalstruktur und Inhaltsstruktur des Rechts methodenbildende Bedeutung. Ob die Rechtswissenschaft formal oder material zu interpretieren sei, darüber geht der Streit von der Begriffsjurisprudenz bis zur soziologischen Rechtstheorie. Für die kontinentaleuropäische Verwaltungsrechtslehre seien die Namen zweier Lehren genannt, die i n reflektiert methodischer Entfaltung des Formalen bzw. des Materialen des Rechts auch das Recht der öffentlichen Verwaltung erforscht haben: einerseits die Reine Rechtslehre Hans Kelsens, andererseits die Theorie der Institution von Maurice Hauriou 50. Die Wiener Rechtsschule 31 stellt unter dem Postulat der Reinheit i n der Methode konsequent auf die Formalstruktur des Rechts ab. Inhaltliche Elemente werden als naturrechtliche, historische, soziologische, politische, ideologische aus der Rechtstheorie herausgelöst und anderen Erkenntnisgebieten zugewiesen. Recht w i r d als Sollen betrachtet; Recht ist Norm und seine Struktur ist eine logizistisch gesehene Normativität 3 2 . Auch die Verwaltungsrechtslehre w i r d zur Theorie reiner Rechtsformen 33 . Die Unterscheidung von Staat und Recht verschwindet. Verwaltung kann vom normativen Standpunkt her „ i n der juristischen 30 Aufmerksam zu machen ist i m H i n b l i c k auf das genannte methodische Spannungsverhältnis insbesondere noch auf die Theorie der Rechtsordnung von Santi Romano: L'ordinamento giuridico. Vgl. dazu Sebastián MartínRetortillo, Die Lehre Santi Romanos v o n der Rechtsordnung u n d einige ihrer Anwendungen i m Bereich des Verwaltungsrechts, a.a.O., S. 370 ff. 31 I h r e Konzeption ist zusammengefaßt i n : Hans Kelsen, Reine Rechtslehre; zum V o r w u r f des Formalismus ist Stellung genommen v o n dems., Juristischer Formalismus u n d reine Rechtslehre, i n : Juristische Wochenschrift, 1929, S. 1723 ff. 32 V o n einer direkten Inanspruchnahme der L o g i k ist Kelsen neuerdings abgerückt: Recht u n d Logik, i n : Forum, 1965, S. 421 ff. u n d S. 495 ff. 33 Kelsen selbst n i m m t i n seinen theoretischen Grundwerken — vgl. etwa Reine Rechtslehre, S. 266 ff. — i n seiner Staatsrechtstheorie — vgl. etwa Hauptprobleme der Staatsrechtslehre: Entwickelt an der Lehre v o m Rechtssatze, S. 491 ff. — u n d i n Problemstudien — vgl. etwa Justiz u n d V e r w a l t u n g — zur Verwaltungsrechtslehre Stellung. Die Ausführung der Reinen Rechtslehre zu einer systematischen Darstellung der öffentlichen V e r w a l t u n g erfolgt i n Adolf Merkls Allgemeinem Verwaltungsrecht.

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Konstruktion" nichts anderes als die „Ausführung der Gesetze" sein. I n solcher Strukturanalyse ist Verwaltung Rechtsfunktion: Erzeugung, Anwendung und Befolgung von Recht. Anders sucht die französische Institutionenlehre Inhaltsstrukturen des Verwaltungsrechts zu erschließen 34 . Methodisch erstrebt sie, die in den Positionen von Normativismus und Soziologismus umfaßten Gegensätze zu überwinden. Die Rechtsordnung und ihr sozialer Unterbau werden theoretisch verschmolzen. Die begriffliche Klammer ist die Institution. Eine Institution ist eine Idee vom Werk oder vom Unternehmen, die i n einem sozialen Milieu Verwirklichimg und Rechtsbestand findet. Die Institution ist danach nicht ausschließlich i n den Bereich der Soziologie zu verweisen; ihr eignet Rechtscharakter: Die Institution gehört in zweierlei Hinsicht zum Recht, erstens, weil sich in ihr und durch sie die Transformation des tatsächlichen Zustandes i n den Rechtszustand vollzieht, zweitens, weil sie die Quelle des Rechts ist. Es geht darum, die „normativen Tatbestände" 35 : die Institutionen, zu erforschen, die gleichzeitig dem Bereich der sozialen Realität und der rechtlichen Idealität angehören. I n einer Verwaltungsrechtslehre, i n der der Zusammenhang von tatsächlichem Zustand und Rechtszustand als fundamentales Problem des Rechts gilt, interessiert mehr als eine spezifisch juristische Formqualität des Rechts. Der Staat w i r d nicht „comme une entité juridique", sondern „comme une institution ou i m ensemble d'institutions" aufgefaßt. Von da aus sind — juristisch gesehen — inhaltliche Begriffsbestimmungen erforderlich. Entsprechend w i r d die öffentliche Verwaltung nicht nach formal-juristischen Merkmalen definiert. Es heißt nicht nur: „la fonction administrative est Tactivité de Torganisme gouvernemental et exécutif de TEtat", sondern materiell weiter: „en tant qu'elle s'emploie á créer et faire vivre l'institution de l'Etat 3 6 ." Von da aus w i r d versucht, das französische Verwaltungsrecht nach seinen institutionellen Grundlagen zu systematisieren. W i l l man dem Schwerpunkt nach bestimmen, ob die kontinentaleuropäische Verwaltungsrechtslehre mehr die Formalstrukturen oder mehr die Inhaltsstrukturen der öffentlichen Verwaltung erforscht hat, so muß man wie folgt unterscheiden: Was die dogmatische Rechts34 Z u m theoretischen Grundwerk von Maurice Hauriou vgl. Die Theorie der Institution u n d zwei andere Aufsätze, M i t Einleitung u n d Bibliographie, hrsg. von Roman Schnur; seine Ideen über die Institution baute Hauriou, nachdem er sich m i t ihnen gesondert befaßt hatte, i n die 6. Auflage des Précis de Droit A d m i n i s t r a t i f (1907) ein. V o n da an w a r seine Verwaltungsrechtslehre m i t der institutionellen Konzeption verbunden. Vgl. Roman Schnur, Einführung, zu: Die Theorie der I n s t i t u t i o n u n d zwei andere A u f sätze von Maurice Hauriou, S. 18. Z u I n s t i t u t i o n u n d Recht allgemein vgl. den gleichnamigen Sammelband, hrsg. v o n Roman Schnur. 35 So die Terminologie v o n Georges Gurvitch, Die Hauptideen Maurice Haurious, a.a.O., S. 27. 36 Maurice Hauriou, Précis de Droit A d m i n i s t r a t i f et de D r o i t Public, S. 53.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

anwendungslehre anlangt, ist zu sagen, daß diese die ihr täglich aufgegebenen^Rechtsfragen bearbeitet, wozu auch die Inhalte des Verwaltungsrechts gehören, seien es die Gegenstände des Polizeirechts oder des Sozialrechts, des Beamtenrechts oder des Verfahrensrechts usw. Anders steht es m i t den theoretisch-systematischen Versuchen, das Recht der öffentlichen Verwaltung zu erfassen. Freilich zeigt die Geschichte der Verwaltungsrechtslehre viele Bemühungen, die materielle Charakteristik des Verwaltungsrechts theoretisch einzusehen. Vielerorts ist man sich darüber einig, daß das Verwaltungsrecht ohne seine Grundlage: die öffentliche Verwaltung, nicht zu erforschen ist. Aber die systematischen Aussagen der allgemeinen Verwaltungsrechtslehre zu den materiellen Gefügen des Verwaltungshandelns sind problematisch geblieben; am deutlichsten w i r d das an den Schwierigkeiten mit einem positiv-gegenständlichen Verwaltungsbegriff 3 7 . Der formal-juristischen Betrachtungsweise ist es viel leichter gefallen, ihre Theorien zum Verwaltungsrecht zu formulieren und konsistent zu halten. Das gilt nicht nur für die neuere deutsche Verwaltungsrechtslehre i m Gefolge Otto Mayers, sondern i n kontinentaleuropäischer Sicht 38 . So konnte die Neigung entstehen, die wissenschaftliche Suche nach der Materialstruktur des Verwaltungsrechts in den Verdacht des Naturrechtsdenkens, der Politik, des Soziologismus, der Ideologie zu bringen und m i t einer rechtsformal gemeinten Forderung: „Zurück zum Juristischen!" den Eindruck strenger Rechtswissenschaftlichkeit hervorzurufen. I n der Verwaltungsrechtslehre gibt es Tendenzen, nicht nur die Formqualität des Verwaltungsrechts zu erkennen, sondern deren Vorherrschaft aus wissenschaftlicher Betrachtungsweise einzurichten. Diese Tendenzen haben der Verwaltungsrechtslehre den Vorwurf eingebracht, sie biete eher inhaltslose Spekulationen als die Materialien der öffentlichen Verwaltung. Sie sei i n einer formalistischen Hermeneut i k festgefahren. Sie erschöpfe sich i n Begriffsoperationen und i m Rechtsformalismus. Solche Urteile treffen i n ihrer pauschalen Meinung nicht zu. Zunächst einmal ist die Trennimg von Form und Inhalt i m Recht ohnehin problematisch 39 . Es gibt keine Rechtshandlung, wenn man sie nicht erkennen kann, und man kann sie nicht erkennen, wenn sie sich nicht i n einer Form zeigt. Unering sagt, die Form sei der Inhalt 37 Vgl. dazu Günther Winkler, Z u m Verwaltungsbegriff: Die Problematik eines positiv formulierten dreifachen Verwaltungsbegriffes, i n : österreichische Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, 1958/1959, S. 66 ff. 38 Vgl. etwa die Unterscheidung v o n „politischem Gesichtspunkt" u n d „juristischer Technik" bei Gaston Jbze, Das Verwaltungsrecht der Französischen Republik, S. 3 ff. 39 U m die Bedeutung v o n F o r m u n d I n h a l t des Rechts besteht traditionell Streit; vgl. etwa Hermann Isay, Die Bedeutung der F o r m i m Recht, i n : Archiv für Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1933/1934, S. 44ff.; Fritz Brecher, Rechtsformalismus u n d Wirtschaftsleben.

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von Seiten seiner Sichtbarkeit 40 . Wenn man Formalstruktur und Inhaltsstruktur des Rechts einander gegenüberstellt, dann muß man sich der Prämissen eines solchen Gegensatzes und seiner Relativität bewußt bleiben. Überdies muß man zu der Formalität, in der sich der Rechtsakt äußert, den Umstand beachten, daß wissenschaftliche Aussagen machen notwendigerweise formalisieren heißt. Theoretische Rechtserkenntnis bildet ein juristisches Gefüge i n Begriffen und Sätzen ab, die gemessen an der Komplexität des Rechtslebens ihrerseits Formalisierungen darstellen. Deswegen ist die reine Rechtslehre i n ihrer doppelten Formalität durchaus eine wirkliche Theorie vom Recht. Sie kann einmal bei einer bestimmten Formqualität des Rechts anknüpfen und darin etwas Juristisches einsichtig machen; sie kann zum anderen durch die Formalisierung gezielt methodischer Arbeit aus der genuinen Rechtserfahrung zur wissenschaftlichen Rechtserkenntnis kommen. Rechtsformalismus darf man als Vorwurf der reinen Rechtslehre erst entgegenhalten, wo sie es unterläßt, die Tragfähigkeit ihrer Theorien aus der doppelten Formalität zu relativieren. U n d das geschieht — trotz mancher gegenteiliger Beteuerung — w o h l zwangsläufig. Denn ihr philosophischer Szientismus und ihr logizistischer Forschungsstil halten kaum den Blick für methodologische Toleranzen offen. Auf der anderen Seite haben theoretische Versuche, die Inhaltsstrukturen des Rechts zu erforschen, es schwer, sich als juristische Betrachtungsweise zu legitimieren, wie sich auch an der Institutionenlehre zeigt 41 . Recht regelt das soziale Handeln des Menschen, und dementsprechend muß sich jede materielle Systematik des Rechts auf dessen soziale Dimension beziehen. Der Verdacht entsteht, daß es nicht mehr u m eine Theorie des Rechts, sondern der Gesellschaft, nicht u m eine juristische, sondern u m eine soziologische Analyse geht. Die Unterscheidung von Soziologie des Rechts: Rechtssoziologie, und soziologischer Rechtstheorie bleibt schwierig. Zudem sind rechtswissenschaftliche Lehren, die den theoretischen Entwurf aus den materiellen Grundlagen suchen, leicht dem Vorwurf ausgesetzt, sozialwissenschaftlich nicht hinreichend reflektiert zu sein. So können w i r auch für die Verwaltungsrechtslehre zusammenfassen, daß die formal-juristische Betrachtungsweise der öffentlichen Verwaltung zu konsistenteren wissenschaftlichen Ergebnissen geführt hat als die rechtstheoretische Systematik administrativer Inhaltsstrukturen. I m Vergleich zu der in Kontinentaleuropa vorherrschenden Verwaltungsrechtslehre bedeutet die nordamerikanische Verwaltungswissen40 Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner E n t wicklung, I I 2, S. 472. 41 Vgl. etwa W.Ivor Jennings, Die Theorie der Institution, a.a.O., S. 99 ff.; Julius Stone, Die Abhängigkeit des Rechts: Die Institutionenlehre, a.a.O., S. 312 ff.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

schaft in manchem das Gegenteil, und zwar nicht nur, w e i l sie weniger als Rechtswissenschaft betrieben wird. Es fehlt die monistische Kraft, als die das Juristische i n der kontinentaleuropäischen Verwaltungsforschung w i r k t . Denn, auch wenn die dogmatische Rechtsanwendungslehre und die soziologische Rechtstheorie Inhaltsstrukturen des Verwaltungsrechts analysieren und materiell i n die öffentliche Verwaltung einzudringen suchen, besorgt die einheitsstiftende Forderung, juristische Betrachtungsweise zu sein und zu bleiben, Gemeinsamkeit. Der juristische Monismus schließt die kontinentaleuropäische Verwaltungswissenschaft weitgehend zur Einheitslehre zusammen. Anders verhält es sich mit der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft. I n ihrer Entwicklungsgeschichte lassen sich bis zum heutigen Tage zahlreiche Ambivalenzen nachweisen, so daß w i r letztlich von einem höchst pluralistisch bestimmten — wenn auch nicht desintegrierten — Ort wissenschaftlicher Erkenntnis sprechen müssen. Schon die Gründung der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft w i r d von zwei unterschiedlichen Richtungen her beeinflußt: einer politikwissenschaftlichen — Political Science — und einer betriebswirtschaftlichen — Scientific Management — 4 2 . Die Verwaltungswissenschaft wächst zu einem großen Teil aus dem weitgesteckten Feld der politischen Forschung heraus. Die erste programmatische Studie — Woodrow Wilsons „The Study of Administration" 4 3 — und das erste Lehrbuch — Leonard D. Whites „Introduction to the Study of Public Administration" 4 4 sind von Professoren der Politischen Wissenschaft vorgelegt worden. Viele Forschungsarbeiten zur öffentlichen Verwaltung knüpfen bei einer Konzeption der politischen Theorie an. Insbesondere die Lehre bleibt ständig eng m i t der Politischen Wissenschaft verknüpft. Die meisten Versuche einer umfassenden wissenschaftlichen Systematik zur öffentlichen Verwaltung werden unter maßgeblicher Mitarbeit von Lehrern der Political Science unternommen 45 . Unter den mannigfachen Einflußnahmen betriebswirtschaftlicher Lehren auf die Verwaltungswissenschaft macht die Bewegung des Scientific Management einen charakteristischen Anfang. Frederick W. Taylors 46 Vorstellung vom „One Best Way" zusammen m i t den aus Europa ein42 Die E n t w i c k l u n g der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft aus europäischer Sicht beschreibt Georges Langrod, L a Science et l'Enseignement de PAdministration Publique aux Etats-Unis; zur Entwicklung der V e r w a l t u n g selbst vgl. Fritz Mor stein Marx, Amerikanische Verwaltung: Hauptgesichtspunkte u n d Probleme. 43 I n : Political Science Quarterly, 1887, S. 197 ff. 44 E i n mehrfach aufgelegtes Standardwerk, zuerst 1926. 45 Vgl. Standardwerke w i e Fritz Morstein Marx (Hrsg.), Elements of Public Administration; oder John M . Pfiffner / Robert Presthus, Public A d m i n i stration. 46 The Principies of Scientific Management; Shop Management.

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geführten Gedanken von Henri Fayol 47 über administrative Formen der Rationalisierung finden Eingang i n die Verwaltungswissenschaft. Die Entdeckung des optimalen Wegs, menschliche Handlungen zu verrichten, und zwar seine Erforschimg mit wissenschaftlichen Methoden, w i r d als Leitidee nicht nur für Industrie und Wirtschaft, sondern auch für die öffentliche Verwaltung wirksam. Von da aus ist das betriebswirtschaftliche Element selbstverständlicher Bestandteil auch der Wissenschaft von der „public administration" 4 8 . Die doppelte Anregung durch politikwissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Richtungen hat indes keineswegs einen Dualismus von Verwaltungswissenschaft als politischer Theorie einerseits und Betriebslehre der öffentlichen Verwaltung andererseits zur Folge. Es entstehen Mehrwertigkeiten, die dieses trennende Schema verhindern. Die Political Science interessiert der Gegensatz von Politik und Verwaltung; für die Science of Administration bedeutet das Begriffspaar von private — business — und public administration nicht nur Gemeinsamkeit, sondern auch Unterscheidung. Die Dichotomie von Politik und Verwaltung ist eine traditionelle der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft und beschäftigt sie bis heute 49 . Da der Gegenstand: öffentliche Verwaltung selbst angesprochen ist, geht es für die Verwaltungswissenschaft nicht nur u m irgendeine theoretische Differenzierung, sondern u m konstitutive Faktoren ihres Lehrgebäudes selbst. Die Klassiker der Verwaltungswissenschaft 50 suchten — sicher auch aus außerwissenschaftlichen Gründen: „take administration out of politics" — die Forschungsbereiche von Politik und Verwaltung zu trennen. Die Erklärungen hierfür reichten bis zur schlichten Unterscheidung zwischen staatlicher Willensbildung und exekutivem Willensvollzug. I n nachfolgenden Wissenschaftssystemen sind diese und differenziertere Thesen als unfruchtbar für die Konzipierung der Verwaltungswissenschaft zurückgewiesen worden. So mag i n der Tat die frühe Dichotomie für die Abgrenzung von Fachwissenschaften problematisch sein. Indes wurde m i t solcher Sichtweise des Administrativen die Öffnung zu weitreichenden Wissenschaftsentwicklungen erleichtert. Der Satz: „The field of administration is a field of business" schlägt die Brücke vom politikwissenschaftlichen zum betriebswirtschaftlichen Ansatz. A u f der anderen Seite ist die Forderung: „More business i n Government" das Gegenteil einer Ideologie, die 47

Administration industrielle et générale. Kennzeichnend der Sammelband: Papers on the Science of A d m i n i stration, hrsg. von Luther Gulick u n d L. Urwick. 49 Aus der umfangreichen L i t e r a t u r vgl. etwa Paul H. Appleby, Policy and Administration; Dwight Wdldo, The Administrative State: A Study of the Political Theory of American Public Administration, S. 104 ff. 50 Vgl. neben Woodrow Wilson, The Study of Public Administration, i n : Political Science Quarterly, 1887, S. 197 ff. noch Frank J. Goodnow, Politics and Administration: A Study i n Government, bes. S. 22. 48

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

die unreflektierte Abtrennung der Lehre von der public administration von der der private — business — administration fordert. Die allgemeine Geisteshaltung verlangt „economy" und „efficiency" wie für andere Lebensbereiche so auch für die öffentliche Verwaltung; und diese Rationalitäten sind auf Grund technologischen Wissens — „engineering and science" — zu erarbeiten. So bedarf eher die Unterscheidung der Verwaltungswissenschaft von der Management Science einer wissenschaftlichen Begründung als deren Gemeinsamkeit. Uber die Eigenarten der öffentlichen Verwaltung gegenüber der Unternehmensverwaltung w i r d i n wissenschaftlichen Lernprozessen gestritten 51 . Das betriebswirtschaftliche Element bleibt als Gegenstand der Verwaltungsforschung erhalten. Schon aus der mehrfachen, d.h. politikwissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Begründung der Verwaltungswissenschaft i n Nordamerika w i r d einsichtig, daß der genuine Erfahrungsgegenstand: öffentliche Verwaltung i n die Wissenschaft ungleich komplexer eingehen muß, als wenn er von vornherein durch eine bestimmte Betrachtungsweise — wie in Kontinentaleuropa die juristische — reduziert wird. Dennoch entlastet man sich von dieser Komplexität nicht durch eine Spaltung i n Fachgebiete. Auch die außerhalb der skizzierten Strömungen sich an den Law Schools entwickelnde rechtswissenschaftliche Betrachtung der öffentlichen Verwaltung hat nicht genügend systematisches Vermögen, um jener Verwaltungswissenschaft als Verwaltungsrechtslehre dualistisch entgegen zu treten 5 2 . So erhält sich die Verwaltungswissenschaft eine gewisse gemeinsame — i m übrigen personell und institutionell sicher ausgestattete — Grundlage, und w i r müssen fragen, welcher A r t die wissenschaftsphilosophischen Einflüsse sind, die dafür sorgen, daß das alles nicht in Psychologie, Jurisprudenz, Ökonomie, Soziologie usw. abgetrennt wird, sondern i n einer Einzelwissenschaft: Public Administration zu einem angesichts der Komplexität des Materialobjekts beachtlichen Ausmaß integriert wird. Integrationen i n der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft werden geleistet aus pragmatischen, positivistischen und pluralistischen Denkhaltungen. Damit sind nicht nur die allgemeinen philosophischen Grundströmungen von Pragmatismus, Positivismus und Pluralismus gemeint, sondern gerade auch die eigentümlichen Ambivalenzen des nordamerikanischen Geisteslebens — Pluralismus als einheitsstifende Kraft. Ihre gesamt51 Vgl. etwa den Abschnitt: H o w Do Private and Public Administration Differ?, m i t Beiträgen v o n Ludwig von Mises , Bureaucratic Management, u n d Paul H. Appleby , Government Is Different, i n : Ideas and Issues i n Public Administration, hrsg. v o n Dwight Waldo , S. 49 ff. 52 Vgl. zu einer Einführung Robert A. Riegert, Das amerikanische A d m i nistrative L a w ; als ein Standardwerk vgl. Walter Gellhorn / Clark Byse, Administrative L a w : Cases and Comments.

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kulturell angelegten Merkmale werden auch i n der Verwaltungswissenschaft sichtbar. Der i n Nordamerika spezifische und einflußreiche Pragmatismus hat auch konstituierend auf die Verwaltungswissenschaft eingewirkt. Die für die Verwaltungswissenschaft relevanten Vorstellungen, Begriffe, Urteile, Anschauungen werden als Regeln für administratives Verhalten ausgegeben. Denn wissenschaftliches Denken w i r d als eine A k t i v i t ä t verstanden, deren Sinn es ist, sich i n äußeres Handeln: hier Verwaltungshandeln, umzusetzen. Die Kriterien wissenschaftlicher Wahrheit liegen in der praktischen Nutzanwendung für das Leben. Das Know-how — das Wissen, wie etwas gemacht werden muß — w i r d vorrangig. Die Nützlichkeit i n den praktischen Konsequenzen ist Maßstab auch für Wissenschaftlichkeit. Die „power to w o r k " bedeutet die wissenschaftliche Bewährung. Eine solche Wissenschaftsphilosophie der Erfolgsabhängigkeiten bleibt auch bei methodologischen Verfeinerungen problematisch. I n ihren Vergröberungen kann sie dahin neigen, die unreflektierte Alltagserfahrung als Wissenschaft zu nehmen. Insoweit ist das Fach: Public Administration i n manchem kritisch zu sehen. Charakteristisch ist die Behandlung des rechtlichen Elements i n der öffentlichen Verwaltung. Nach einer andersgerichteten Schulbildung am Anfang der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft 53 ist für diese bald der Grundsatz ausgegeben worden: „that the study of administration should start from the base of management rather than the foundation of l a w 5 4 . " Diesem Prinzip ist man nicht nur gefolgt, sondern es hat sich i n vielem eine Mentalität herausgebildet, die das Juristische von vornherein als der öffentlichen Verwaltung inadäquat oder negativ setzt. Das schließt es indes keineswegs aus, daß man sich — auch als Nichtjurist — i n das juristische Fahrwasser begibt, wo es eben nach pragmatischer Grundhaltung nützlich erscheint. So enthalten etwa die Lehrbücher über öffentliche Verwaltung, die auf umfassende Stoffdarstellung zielen, auch Ausführungen über Phänomene des Rechtslebens. Aber sie werden regelmäßig nicht auf einer Ebene bewußt theoretischer Überlegungen in die Verwaltungswissenschaft integriert 5 5 . Das Juristische ist Teil der genuinen Erfahrung von der öffentlichen Verwaltung und hat eben seinen praktischen Platz i m Gesamtzusammenhang der Verwaltungswissenschaft.

53 Vgl. dazu das W e r k von Frank J. Goodnow, bes. Comparative A d m i n i strative L a w u n d The Principles of the Administrative L a w of the United States. 54 Leonard D. White, Introduction to the Study of Public Administration, S. X V I . 55 Die Lehren v o m Judicial Behavior stellen auf gerichtliche, nicht administrative Handlungssysteme ab.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

Die erkenntnistheoretische und methodologische Grundhaltung des Positivismus, für den die Quelle aller Erkenntnis das Gegebene ist, d.h. die durch Beobachtung gewonnenen, wahrnehmbaren Tatsachen, bewirkt insofern sozialwissenschaftliche Einheit, als es allein und gemeinsam gerade u m die positiven Tatsachen gehen kann. I n der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft sind es insbesondere behavioristische Forschungsweisen, die i n einem Einigungsbestreben auch m i t der Soziologie und Psychologie und i n der gleichmäßigen Verwissenschaftlichimg nach den Methoden integrierend wirken. Dabei geht es nicht eigentlich u m die Wissenschaftsphilosophie des ursprünglichen Behaviorismus i n der Psychologie, sondern u m das, was sich als „behavioral approach" — Verhaltensschule — bezeichnen läßt 5 6 . Es w i r d bei den beobachtbaren Tätigkeiten und Handlungen als empirisch faßbarer Basis angeknüpft. Man sucht nach den Regelmäßigkeiten administrativen Verhaltens, nach der erfahrungsmäßigen Nachprüfung von Generalisierungen, nach präzisen Methoden, nach Quantifizierungen. Man w i l l empirische Theorien des Verwaltungshandelns, Systeme, Modelle entwickeln. Aber i n der Fülle der Theorien, Systeme, Modelle, die auf menschliches Verhalten i n der öffentlichen Verwaltung abstellen, äußert sich bereits wieder die Mehrwertigkeit der nordamerikanischen Verwaltungsforschung. Die Bezeichnung: administrative behavior bleibt stehen. Aber die i m strengen Sinne behavioristische Anknüpfung an die Positivität empirisch erfaßbarer Verhaltensabläufe i n der öffentlichen Verwaltung w i r d nicht durchgehalten. Vielfach interessiert nicht die Regelhaftigkeit menschlicher Handlungen schlechthin, sondern gewisse Rationalitäten des Verwaltungshandelns bis h i n zu der i n der Spieltheorie angezielten Rationalität 5 7 . Die theoretischen Formalisierungen sind nicht nur solche aus der Formalität äußerlich beobachtbarer Aktionen und Reaktionen i n der Verwaltung. So bleibt — unbeschadet mancher heftigen Methodendiskussion — als Gemeinsames der Verwaltungswissenschaft ein Pluralismus, der sich wieder i n der Philosophie Nordamerikas nachweisen läßt. Gemeinsame Voraussetzung ist, daß die Lebensphänomene der öffentlichen Verwaltung vielgestaltig sind und daß — bei aller Suche nach theoretischer Einheit — sich diese Vielgestaltigkeit eben auch in der Verwaltungswissenschaft niederschlägt. Wieweit man diesem kleinsten gemeinsamen Nenner überhaupt noch integrierende K r a f t beimessen w i l l , hängt davon ab, von welcher Perspektive man über die Einheitlichkeit Vgl. zu einer Einführung Peter ff. Merkl, „Behavioristische" Tendenzen i n der amerikanischen Politischen Wissenschaft, i n : Politische Viertel Jahresschrift 1965, S. 58 ff. 57 Kennzeichnend ist vor allem das W e r k v o n Herbert A. Simon, vgl. etwa Administrative Behavior: A Study of Decision-Making Processes i n A d m i nistrative Organization; Models of M a n : Social and Rational.

2. Kontinentaleuropäische und nordamerikanische Verwaltungswiss.

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oder Pluralität einer wissenschaftlichen Disziplin urteilt. Soziologisch gesehen mag das Fach: Public Administration derart stärker zu einem sozialen System zusammengeschlossen werden. I m engeren Sinne wissenschaftstheoretisch betrachtet werden die Grenzen der Verwaltungswissenschaft, wenn überhaupt noch ausmachbar, jedenfalls höchst offen. Das gilt insbesondere gegenüber den — neben politikwissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen als dritte zu nennenden und heute vorherrschenden — Einflußnahmen aus der Organisationsforschung 58 . Schon die klassischen, an Kriterien wie Sparsamkeit, Leistungsfähigkeit, Verwaltungskontrolle orientierten Studien der Science of Administration beziehen sich auf den Organisationsbegriff 59 . Entsprechendes gilt für die primär auf die Produktionsorganisation abstellende, aber auch für die öffentliche Verwaltung wichtige Human Relations-Bewegung mit der Entdeckung der kleinen Gruppen, der informalen Organisation 60 . Einflußreich ist weiter die Rezeption der Analysen der bürokratischen Organisation von Max Weber 61. Aber die Organisationsforschung geht über diese Fragestellungen hinaus, wie sie sich auch nicht auf die für sie sehr maßgeblichen empirisch-soziologischen und sozialpsychologischen Untersuchungen begrenzen läßt. Die behavioristischen Ansätze schließen die Suche nach der „rationality of administrative man" nicht aus. Heute steht die Vielzahl der verwaltungswissenschaftlich relevanten Ansätze in einem offenen Feld zwischen dem Fach: Public Administration und einer breit angelegten Organisationstheorie: das Input/OutputModell, die kybernetische Theorie der Kommunikationssysteme, die Entscheidungstheorie, die statistische Organisationstheorie, die Systemanalyse usw. 6 2 . Es erhellt, daß es dem Ansturm dieser Theorien, Modelle, Systeme, Approximationen gegenüber schwerfallen muß, eigene wissenschaftstheoretische Qualitäten zu entwickeln. U m so mehr spricht es für die nordamerikanische Verwaltungswissenschaft, daß es ihr i n jüngster Zeit gelingt, i m Gebiet: Comparative Public Administration das

68 Vgl. zu einer Einführung Dwight Wa Ido, Z u r Theorie der Organisation: I h r Stand u n d ihre Probleme, i n : Der Staat, 1966, S. 285 ff. 59 Vgl. etwa Luther Gulick, Notes on the Theory of Organization, a.a.O., S. 1 ff.; James D. Mooney, The Principies of Organization, a.a.O., S. 89 ff. «o Vgl. als richtungsweisend Elton Mayo , The H u m a n Problems of an Industrial Civilisation. 61 Vgl. etwa Robert K. Merton u. a. (Hrsg.), Reader i n Bureaucracy. 62 Kennzeichnend dafür ist die A r b e i t v o n Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d E n t w u r f ; dort auch Nachweise zur einschlägigen Literatur. F ü r die Verwaltungswissenschaft ist nochmals aiuf den Einfluß des Werks v o n Herbert A. Simon hinzuweisen, der bei ehester I. Barnard, The Functions of the Executive, anknüpft. Vgl. etwa noch Herbert A. Simon / Donald W. Smithburg/Victor A. Thompson, Public Administration; James G. March / Herbert A. Simon, Organizations; Herbert A. Simon, The New Science of Management Décision.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

methodologische Vermögen der Vergleichung i n eigenen Beiträgen nutzbar zu machen 63 . Wenn w i r von dieser Skizzierung der Bildungsprozesse i n Nordamerika auf die kontinentaleuropäische Verwaltungswissenschaft zurückschauen, dann w i r d heute eine wachsende Einflußnahme der nordamerikanischen Ansätze auf unsere Verwaltungsforschung sichtbar. Ein deutliches Beispiel bietet die in Frankreich sich anbahnende Abwendung vom Monopol der juristischen Verwaltungsdoktrin 6 4 . Gerade i n diesem großen Mutterland der Verwaltungsrechtslehre muß ein solcher Wandel besonders auffallen. Förderlich w i r k t sich sicher aus, daß man i n den fremden Lehren mitunter — wie i m Falle von Henri Fayol — die eigene wissenschaftliche Tradition entdecken kann. Darüber hinaus läßt man sich aber von der Eigenart der nordamerikanischen Forschungsarbeit etwa i m soziologisch-sozialpsychologischen Bereich anregen. Wollte man nach den Gründen zunehmender Beachtung nordamerikanischer Verwaltungsstudien i n Kontinentaleuropa fragen, so könnte man etwa auf die ständig wachsende internationale Verflechtung auch der Sozialwissenschaften schon wegen der Verbesserung der allgemeinen Kommunikationsmöglichkeiten verweisen. I m Prinzip hängt die Auswertbarkeit fremder Forschungsergebnisse besonders davon ab, inwiefern das Objekt der Verwaltungswissenschaft gemeinsamer Erfahrungsgegenstand ist. Daß insoweit die nordamerikanische und die kontinentaleuropäische Zivilisation viele gleiche Züge einer verwalteten Welt tragen, gibt der wissenschaftlichen Rezeption eine Basis. Die Zeiten, i n denen Alexis de Toqueville die geringe Stärke exekutiver Gewalt in den Vereinigten Staaten von Amerika feststellte 65 , sind gründlich vorbei. Zwischen dieser vergangenen Welt und dem Verwaltungsstaat heute — the administrative State — steht die deutliche Verifizierung des Gesetzes der zunehmenden Staatstätigkeit: die Ausdehnung der heutigen Verwaltungsaufgaben. Technizität der Lebensführung und Bedürfnisse sozialer Daseinsvorsorge mit den Stichworten Industriegesellschaft und Wohlfahrtsstaat haben die Verwaltung nicht nur bei uns zu einer allgegenwärtigen Lenkungs- und Leistungsorganisation werden lassen. Die nordamerikanische Tradition, soziale Probleme durch freiwillige Arbeit und privaten Sachverstand zu lösen, und die historische Furcht vor einer starken Exekutive haben das 63

Vgl. Alfred Diamant u n d Hans Jecht, V e r w a l t u n g u n d Entwicklung: Wissenschaftliche Forschungstendenzen u n d Modelle i n den USA, i n : Die öffentliche Verwaltung, 1966, S. 358 ff.; Roman Schnur, Uber Vergleichende Verwaltungswissenschaft, i n : Verwaltungsarchiv, 1961, S. 1 ff.; kennzeichnend Ferrel Heady / Sybil L. Stokes (Hrsg.), Papers i n Comparative Public A d m i nistration. 64 Vgl. den Überblick von Georges Langrod, Frankreich, i n : Verwaltungswissenschaft i n europäischen Ländern: Stand und Tendenzen, S. 26 ff. 65 De la Démocratie en Amérique, Bd. 1, S. 127.

2. Kontinentaleuropäische und nordamerikanische Verwaltungswiss.

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Wachstum der Verwaltung nicht hindern können. Die Bevölkerungszunahme, die technischen Entwicklungen, der Wandel von einer agrarischen zu einer städtisch-industriellen Gesellschaft, die auswärtigen Beziehungen sind einige der Bedingungen, die „big government" i n Nordamerika haben wachsen lassen. I n einem Land m i t liberalen Vorbehalten gegenüber der öffentlichen Verwaltung beschäftigt heute Politik und Wissenschaft ein Thema wie „goals research" 66 . Man denkt über öffentliche Ziele, ihren Zusammenhang, ihre Durchführung, ihre Verbesserung, über die Einführung neuer öffentlicher Ziele nach und damit über Veränderungen, die die öffentliche Verwaltung noch mehr ausdehnen müssen. So mögen die Aufgabenkataloge der Verwaltung von Finanzen, öffentlicher Ordnung, Kultur, sozialer Sicherheit, Gesundheit, Bauwesen, Wirtschaft, Verkehr usw. zu beachtlichen Differenzierungen zwischen nordamerikanischen und kontinentaleuropäischen Verhältnissen veranlassen. Das Bürokratie-Modell Max Webers mag anregen, zu modifizieren, die eine Verwaltung sei politischer, mobiler oder weniger standesbewußt, weniger gebunden usw. Indes weisen die Erfahrungsobjekte: public administration und öffentliche Verwaltung soviel gleiche Entwicklungen auf, daß Übertragungen auf der Ebene der Verwaltungswissenschaft auch i n Kontinentaleuropa gültige Einsichten enthalten können. Wie i n Kontinentaleuropa allgemein 67 so wandelt sich heute auch i n der deutschen Verwaltungswissenschaft das überlieferte Selbstverständnis zu einer wachsenden Öffnung gegenüber nicht-juristischen Betrachtungsweisen. Auch hier werden internationale Einflüsse, insbesondere aus Nordamerika, aber etwa auch aus Frankreich kommend, sichtbar. Jedoch w i r d die Veränderung des wissenschaftlichen Orts nicht einfach von außen herbeigeführt. Es wirken eigene theoretische Kräfte. Einen grundlegenden Hinweis auf die Antriebe der jüngsten Verwaltungsforschung erhalten wir, wenn w i r nochmals auf die oben genannten, nicht i m engeren Sinne erkenntnistheoretisch-methodologischen Gründe für die Reduktion der Verwaltungswissenschaft auf die Verwaltungsrechtslehre sehen, und zwar aus der Sicht der zwischenzeitlich eingetretenen sozial- und geistesgeschichtlichen Veränderungen. Ein Faktor der Systematisierung unseres Verwaltungsrechts ist die formal-juristische Rechtsstaatsidee. Unter der Herrschaft des Grundgesetzes sind neue Rechtsstaatsgedanken wirksam 6 8 und nach der Force Vgl. als Einführung Gerhard Colm, O n Goals Research, a.a.O., S. 67 ff. Vgl. den Sammelband: Verwaltungswissenschaft i n europäischen L ä n dern: Stand u n d Tendenzen, Vorträge u n d Diskussionsbeiträge der i n t e r nationalen verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1968. 68 Z u r Entwicklung des Rechtsstaatsbegriffs vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Entstehung u n d Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, a.a.O., S. 53 ff.; 67

3 Speyer 46

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

mel: Verwaltungsrecht ist konkretisiertes Verfassungsrecht 69 bestimmen sie das Denken der Verwaltungsrechtslehre 70 . Der Rechtsstaatsbegriff formaler Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des gerichtlichen Rechtsschutzes w i r d durch die Aufdeckung materialer Schichten vertieft. Die staatliche Tätigkeit gilt von vornherein an gewisse Rechtswerte gebunden, und die Staatsorgane sind gehalten, einen materiell gerechten Rechtszustand herzustellen. Die rechtsförmige Durchnormierung der öffentlichen Verwaltung ist nicht mehr zureichender Gegenstand der Verwaltungswissenschaft. Es interessieren inhaltliche Grundelemente der Verwaltungstätigkeit. Die Grundrechte und die materiellen Verfassungsprinzipien sucht man für die wissenschaftliche Systematik des Verwaltungsrechts zu erschließen. Es geht also für die Verwaltungsforschung nicht mehr nur u m das Recht i n einer gewissen Formqualität, sondern bestimmte Inhalte des Rechts: den materiellen Rechtsstaat. So sehr auch der eigene soziale Sinn juristischformaler Organisation und Prozesse zu betonen ist, erstrebt w i r d zudem die Einsicht i n sachliche Grundstrukturen der öffentlichen Verwaltung. Damit fällt eine vorgefaßte Begrenzung der traditionellen Verwaltungsrechtslehre. Die Verwaltungswissenschaft steht vor der Aufgabe, neue politisch-soziale Dimensionen theoretisch zu erschließen. Der materielle Rechtsstaatsbegriff führt zum Gedanken eines sozialen Rechtsstaats. M i t der verfassungsmäßigen Geltung der Sozialstaatsklausel w i r d die Hinfälligkeit alter Beschränkungen der Staatszwecke offenkundig. Der soziale Auftrag des Staates heißt weitgehend Gesellschaftsgestaltung. Die öffentliche Verwaltung hat Anteil an den sozialen Leistungen, Lenkungen und Umverteilungen. Verwaltungshandeln als Daseinsvorsorge muß die überlieferte wissenschaftliche Systematisierung nach dem Leitgedanken der Eingriffsverwaltung i n Frage stellen. Es w i r d bezweifelt, ob es überhaupt gelingen kann, angesichts der Wandlungen der modernen Verwaltung die Institute der Intervention mit denen der Leistungsverwaltung i n ein geschlossenes System zu bringen 7 1 . Aber man w i r d über die Problematik einer durchgängigen Struktur des Verwaltungsrechts hinausgedrängt. Verwaltung als Leistungsträger w i r f t sogleich die Frage nach einer Ökonomie des Einsatzes Ulrich Scheuner, Begriff und E n t w i c k l u n g des Rechtsstaats, a.a.O., S. 76ff.; ders., Die neuere Entwicklung des Rechtsstaats i n Deutschland, a.a.O., S. 229 ff.; zu einem weiteren Uberblick vgl. Rechtsstaatlichkeit u n d Sozialstaatlichkeit: Aufsätze u n d Essays, hrsg. von Ernst Forsthoff. 69 Nach dem T i t e l eines Vortrags von Fritz Werner, Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht, i n : Deutsches Verwaltungsblatt, 1959, S. 527 ff. 70 Vgl. Peter Badura, Verwaltungsrecht i m liberalen u n d sozialen Rechtsstaat. 71 Vgl. Ernst Forsthoff, Anrecht u n d Aufgabe einer Verwaltungslehre, a.a.O., S. 53.

2. Kontinentaleuropäische und nordamerikanische Verwaltungswiss.

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knapper M i t t e l auf. öffentliche Verwaltung als soziale Gestaltung bedarf der ständigen Erklärung durch Staats- und Verfassungstheorien. Die auf eine spezifisch juristische Verwaltungsrechtslehre reduzierte Verwaltungswissenschaft reicht nicht mehr zu. Schließlich erweist sich das Trennungsdenken von Staat und Gesellschaft als einer, wenn auch nachwirkenden, so doch überholten Begriffswelt angehörig. Faktizität und Normativität der aktuellen Lebensverhältnisse zeigen offenkundig eine andere Richtung an. Der Staat w i r d i n unserer Zeit nicht nur zum planenden, lenkenden, leitenden Gestalter der sozialen Welt. Das Verwaltungshandeln w i r d nicht nur m i t zunehmender Deutlichkeit von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräften außerhalb der Staatsgewalt bestimmt. Auch von Rechts wegen w i r d der Staat als Voraussetzung sozialer Existenz eingerichtet und der wirtschaftliche und gesellschaftliche Bereich vom öffentlichen Recht i n die Verwaltung hineingezogen. Ob m i t der Uberwindung der dualistischen Konzeption von Staat und Gesellschaft der Weg zu einem neuen Einheitsdenken offensteht, scheint freilich von vornherein zweifelhaft. Die Einsicht in ein aus dem Gesamtzusammenhang sozialen Verhaltens differenzierbares öffentliches Handlungssystem, das w i r als Staat begreifen, scheint zu relevant, als daß Wissenschaft sie beiseite lassen könnte. Indes sind die möglichen Integrationen und Desintegrationen der öffentlichen Gewalt i m Gesamtbereich menschlichen Sozialverhaltens zu bewußt, die Handlungsweisen von totalitärer Staatsherrschaft mit völliger Politisierung der Gesellschaft bis zu liberaler Staatsenthaltsamkeit m i t individuell-gesellschaftlicher Autonomie so erlernt, daß die einem Dualismus von Staat und Gesellschaft strikt folgende wissenschaftliche Systematisierung sozialer Erfahrungsgegenstände nicht mehr trägt. Eine Zweiteilung von staatsorientierter Rechtswissenschaft einerseits und staatsfreier Wirtschaftswissenschaft mit oppostioneller Soziologie andererseits ist lange überlebt. Eine von philosophischen, historischen, ökonomischen, sozialen Elementen gereinigte Verwaltungswissenschaft, eine rein juristische Verwaltungsrechtslehre allein kann nicht mehr überzeugen. Hiernach erhebt sich zunächst einmal die Forderung, die herkömmliche wissenschaftliche Systematik des Verwaltungsrechts einer Revision zu unterziehen. Und das scheint, w i l l man der Lebensbreite des Materialobjekts: öffentliche Verwaltung auf der Ebene rechtswissenschaftlicher Aussagen entsprechen, nicht nur aus den zuvor genannten drei Gründen erforderlich. Gerade der Vergleich mit der nordamerikanischen Verwaltungsforschung macht offenkundig, daß den formal-juristischen Systematisierungen der Lehre Otto Mayers wichtige Verwaltungsprobleme entgangen sind. Diese Verwaltungsrechtslehre hat makrotheoretische Neigungen. Das Verwaltungsrecht w i r d entlang einer Grenze zwischen 3*

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

anstaltlichem Staat und autonomer Gesellschaft wissenschaftlich geordnet. Es interessieren die rechtlich institutionalisierten Verhaltensmuster gegenüber dem Publikum, dem als Allgemeinheit gedachten Bürger. Die immittelbaren Wechselbeziehungen elementarer j u r i stischer Größen werden weniger beachtet oder sogar durch makrojuristische Rechtsfiguren für irrelevant gehalten. Demgemäß ist für wichtige Rechtsprobleme der Verwaltungsorganisation — wie allgemeine, spezielle, kommunale Verwaltung, Kompetenzen, bürokratisches oder kollegiales Prinzip, M i t w i r k u n g von Laien usw. — kein ausreichender Platz. M i t dem Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses w i r d eine allgemeine große Linie von rechtlicher Relevanz eingerichtet, die es zunächst verhindert, der Elementarbeziehungen der Anstaltsmitglieder juristisch überhaupt habhaft zu werden. Die theoretischen Verkürzungen einer solchen Verwaltungsrechtslehre sind seit langem Gegenstand der K r i t i k auch seitens der Rechtswissenschaft 72 . Es hat insbesondere Mühe gekostet, das makrojuristische Vorurteil über das besondere Gewaltverhältnis zu überwinden und die elementaren Rechtsbeziehungen der Anstaltsmitglieder aufzudecken 73 . Demgegenüber ist die Mikrotheorie die Stärke der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft — was wiederum freilich auch kritisch gesehen werden kann. Hier hat man sich m i t Kleingruppen-Phänomenen beschäftigt, i n denen die unmittelbaren Wechselbeziehungen der Verwaltungsmitglieder zum Ausdruck kommen. Entscheidungstheorien werden unter Ausschluß gesamtgesellschaftlicher Abhängigkeiten aus dem Zusammenhang individueller Bezüge entworfen. Die Innenseite der Verwaltungsorganisation w i r d bis h i n zu dem informalen Gefüge persönlicher Beziehungen untersucht. Von der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft kann man sich demgemäß einmal darin bestärken lassen, daß die mikrotheoretische Forschung bei der Revision der klassischen Verwaltungsrechtslehre zu aktivieren ist. Zum anderen aber w i r d von vornherein zweifelhaft, ob es beim Umbau der Verwaltungswissenschaft bei einer umformulierten Verwaltungsrechtslehre sein Bewenden haben kann. Insbesondere der Wunsch, das an der Eingriffsverwaltung orientierte wissenschaftliche System des Verwaltungsrechts nach den Anforderungen des Rechts der Leistungsverwaltung umzuformen, hat bei uns zu der Vorstellung geführt, eine nicht-juristische Verwaltungswissenschaft als Hilfswissen72 Vgl. etwa Erich Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, S. 717 f.; ders., Otto Mayer, i n : Verwaltungsarchiv, 1925, S. 397.

a.a.O.,

73 Hierzu hat insbesondere die Problematik des Rechtsschutzes beigetragen. Vgl. etwa Carl Hermann Ule, Das besondere Gewaltverhältnis, i n : Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 15, S. 133 ff.

2. Kontinentaleuropäische und nordamerikanische Verwaltungswiss.

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Schaft der Verwaltungsrechtslehre zu konzipieren 74 . Ihre wesentliche Aufgabe w i r d darin gesehen, Wirklichkeitsbefunde zu liefern, welche geeignet seien, fortbildend auf das Verwaltungsrecht zu wirken, also bestehende Rechtsgrundsätze zu modifizieren oder neue Rechtsgrundsätze hervorzubringen. Oben ist darauf hingewiesen, daß der Gedanke der Verwaltung als Leistungsträger sogleich die Frage nach der Ökonomie der Mittelverwendung aufwirft. Wenn man überdies strukturelle Veränderungen der Verwaltung aus einer technischen Rationalisierung zu bemerken meint, dann wäre diese Rationalität als solche zunächst wissenschaftlich festzustellen, bevor sie zu anderen Bedürfnissen ins Verhältnis zu setzen wäre. Hier macht nun der Hinweis auf das informale Organisationsgefüge i n der öffentlichen Verwaltung von Grund an problematisch, ob denn alle i m Verwaltungsleben bestehenden Handlungszusammenhänge überhaupt der Formqualität des Rechts zugänglich sind und damit für die juristische Betrachtungsweise relevant werden können. Ohne die Tragfähigkeit der Unterscheidung zwischen makrotheoretischen und mikrotheoretischen Ansätzen überanstrengen zu wollen 7 5 , könnte man sich doch fragen, ob die staatswissenschaftliche Methode der Verwaltungswissenschaft durch den juristischen Monismus abgelöst worden wäre: wenn der Horizont der damaligen Staats- und Gesellschaftsforschung nicht so stark von der Untersuchung sozialer Globalgrößen und Gesamtvorgänge, sondern mehr auch elementarer Größen und Prozesse bestimmt worden wäre, wenn die mikroskopischen Perspektiven der staatswissenschaftlichen Verwaltungslehre, ihre partiellen Analysen zum konkreten Verwaltungsleben i n das theoretische B i l d eines gegliederten administrativen Beziehungssystems hätten übertragen werden können, insbesondere wenn es eine anders entwickelte mikroökonomische Wissenschaft von den einzeln handelnden W i r t schaftseinheiten gegeben hätte, die sich belebende Betriebswirtschaftslehre nicht entsprechend dem Dualismus von Staat und Gesellschaft den Weg der Privatwirtschaftslehre gegangen wäre, sondern nach gewissen kameralistischen Traditionen die breite Verbindung zur öffentlichen Verwaltung ermöglicht hätte. Jedenfalls veranlaßt die 74 Vgl. insbes. Ernst lehre, a.a.O., S. 47 ff.

Forsthoff,

Anrecht u n d Aufgabe einer Verwaltungs-

7 5 Z u r Unterscheidung zwischen Makrotheorie u n d Mikrotheorie f ü r die Wirtschaftswissenschaft vgl. Eraldo Fossati, MikroÖkonomik u n d M a k r o Ökonomik, a.a.O., Bd. 7, S. 329 ff.; zur diesbezüglichen Abgrenzung von Volkswirtschaftslehre u n d Betriebswirtschaftslehre etwa Adolf Moxter, Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, S. 82 ff.; Günter Wöhe, Methodologische Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre, S. 251 ff.; L. J. Zimmerman, Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre, S. 235 ff.; zur Unterscheidung v o n Makrosoziologie u n d Mikrosoziologie vgl. etwa E. K. Francis, Wissenschaftliche Grundlagen soziologischen Denkens, S. 57 ff.; f ü r das Recht versucht diesen Unterschied fruchtbar zu machen Georges Gurvitch, Grundzüge der Soziologie des Rechts,

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

historische Entwicklung und der internationale Vergleich, wie nach einzelwirtschaftlichen Relationen so nach den kleinen Einheiten des administrativen Handlungsgefüges anders als i m Sinne einer Hilfswissenschaft der Makrotheorie zu fragen. Der i n Ökonomie, Soziologie und Sozialpsychologie vorrätige Wissensstoff über elementare soziale Wechselbeziehungen gibt sodann einen Maßstab, nach dem das Konzept einer nicht-juristischen Verwaltungslehre als uneigenständiger Disziplin zur Ergänzung einer Verwaltungsrechtswissenschaft als zu kurz entworfen scheint.

3. Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Praxis der öffentlichen V e r w a l t u n g

Unsere bisherige Ortsbestimmung der Verwaltungswissenschaft hat folgende Situation aufgewiesen: I n Deutschland hat sich gegenüber der staatswissenschaftlichen Methode enzyklopädischer Verwaltungsforschung die bewußt juristische Betrachtungsweise der öffentlichen Verwaltung durchgesetzt. Entsprechend ist i n Kontinentaleuropa die Verwaltungswissenschaft ganz vorherrschend Verwaltungsrechtslehre, wobei außerhalb der dogmatischen Rechtsanwendungslehre diejenige Rechtstheorie der öffentlichen Verwaltung die konsistenteren Ergebnisse vorzuweisen hat, die formale Qualitäten des Verwaltungsrechts systematisiert. Anders w i r d i n Nordamerika die Verwaltungsrechtswissenschaft weniger gepflegt. Neben der Einflußnahme politikwissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Ansätze bewirkt vor allem die Öffnung gegenüber einer weitgespannten Organisationsforschimg eine mehrfache Begründung der Verwaltungswissenschaft. Das wohletablierte Fach: Public Administration steht, wissenschaftstheoretisch betrachtet, an einem höchst pluralistisch bestimmten Platz. I n der jüngsten kontinentaleuropäischen Entwicklung setzt sich aus Anregungen des internationalen Wissenschaftsvergleichs wie aus der Besinnung auf eigene Wissenschaftstraditionen die Vorstellung immer mehr durch, der Verwaltungswissenschaft ein breiteres Arbeitsfeld zu eröffnen, als es die juristische Perspektive einsichtig macht. Dabei ist in Deutschland insbesondere auch der Gedanke maßgeblich, die überlieferte Systematik der Verwaltungsrechtslehre nach den Gegebenheiten des modernen Verwaltungsstaates umzuformulieren. Z u der daraus erwachsenden Konzeption einer nicht-juristischen Verwaltungslehre als Hilfsdisziplin einer Verwaltungsrechtswissenschaft bedarf es nun einer weiteren Feststellung, u m unsere Skizze vom Selbstverständnis der Verwaltungswissenschaft abzurunden. Die deutsche Verwaltungswissenschaft ist viel zu geschichtsbewußt, als daß sie es nach der Tradition einer staatswissenschaftlichen Verwal-

3. Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Praxis öff. Verwaltung

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tungsforschung dabei bewenden lassen könnte, die bloße Ergänzung der Rechtswissenschaft durch eine uneigenständige Disziplin der Erkenntnis der Verwaltungswirklichkeit zu fordern. Entsprechend w i r d i n der Mehrzahl der Programmschriften, i n denen die Verwaltungswissenschaft über das Juristische hinaus entworfen wird, die Beschränkung auf eine verwaltungsrechtliche Hilfswissenschaft nicht hingenommen 7 6 . Bereits i n dem historischen Herkommen, die Wissenschaft von der öffentlichen Verwaltung i n die drei Teilgebiete: Verwaltungslehre, Verwaltungspolitik und Verwaltungsrecht einzuteilen, zeigt sich, daß Selbständigkeit auch nicht-juristischer Betrachtungsweisen intendiert ist. Es geht nicht nur um die Autonomie der Verwaltungsrechtswissenschaft, die die Rechtsbeziehungen untersucht, welche Verwaltung und verwaltete Welt verbinden. Daneben werden als selbständige Fachbereiche genannt: die Verwaltungslehre, die als eine Erfahrungswissenschaft die Verwaltungswirklichkeit analysiert, und die Verwaltungspolitik, die sich als eine A r t von Normwissenschaft mit der zweckmäßigen Gestaltung der Verwaltung, m i t den Zielsetzungen des Verwaltungshandelns, m i t der aufgabengemäßen Ordnung der Verwaltungsorganisation auseinandersetzt. Wenn heute die herkömmliche Dreiteilung von Verwaltungslehre, Verwaltungspolitik und Verwaltungsrecht i n Frage gestellt wird, so geschieht das nicht, u m die Vorherrschaft der Rechtswissenschaft i m Bereich der öffentlichen Verwaltung abzusichern, sondern — sofern nicht strengere wissenschaftstheoretische Gründe genannt werden — um neben die Verwaltungsrechtslehre eine komplementäre nicht-juristische Verwaltungslehre zu stellen, die aus ihrer Ungeteiltheit wissenschaftsgründende K r a f t zieht. Freilich mag mancher allein durch wissenschaftstheoretische Konzeptionen von der Notwendigkeit einer neuen Verwaltungswissenschaft nicht zu überzeugen sein. Er muß sich dann darauf verweisen lassen, daß aus der Verwaltungspraxis selbst die Forderung erhoben wird, eine nicht auf die Jurisprudenz beschränkte Verwaltungsforschung zu betreiben 77 . 76

Vgl. zum Meinungsstand Erich Becker, Stand u n d Aufgaben der V e r waltungswissenschaft, a.a.O., S . 9 f f . ; Thomas Ellwein, Einführung i n die Regierungs- u n d Verwaltungslehre; Ernst Forsthoff, Anrecht u n d Aufgabe einer Verwaltungslehre, a.a.O., S. 47 ff.; Klaus von der Groeben / Roman Schnur / Frido Wagener, Über die Notwendigkeit einer neuen Verwaltungswissenschaft; Adolf Hüttl, Gegenstand, Methode, Gliederung u n d Aufgabe der Verwaltungslehre, a.a.O., S. 144 ff.; Niklas Luhmann, Theorie der V e r wailtungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d E n t w u r f ; Fritz Morstein Marx, Stand der Verwaltungswissenschaft, a.a.O., S. 34 ff.; Hans Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 14 ff.; Klaus Stern, Verwaltungslehre — Notwendigkeit u n d Aufgabe i m heutigen Sozialstaat, a.a.O., S. 219 ff.; Werner Thieme, V e r waltungslehre, S. 1 ff.; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 55 f.; ferner für die K o m m u n a l Wissenschaft Arnold Röttgen, Die Gemeinde als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, i n : Archiv f ü r Kommunalwissenschaften, 1962, S. 3 ff. 77 U n d zwar seit langem u n d oft wiederholt; vgl. etwa Michael Fellner, Gebt uns eine Verwaltungslehre!, i n : Die öffentliche Verwaltung, 1950, S. 142;

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

Auch die mit dieser Forderung verbundenen Problemkataloge stellen der heute bei uns bestehenden Verwaltungswissenschaft eine Vielseitigkeit des konkreten Verwaltungslebens vor, gegenüber der die Reichweite der Verwaltungsrechtslehre unangemessen erscheint. Ob es u m die Organisation des Verwaltungsbetriebes, um Rekrutierung und Ausbildung von Behördenpersonal, um elektronische Datenverarbeitung, u m Personalführung, u m Verwaltungsreform, um Territorialplanung usw. geht, die Relevanz der Antworten des Verwaltungsrechts ist ebenso deutlich wie der Umstand, daß psychisch-motivationale Interdependenzen, organisatorische Wirklichkeiten und Rationalitäten, Kosten-NutzenAbhängigkeiten, historische Entwicklungen, informationale und kommunikative Zusammenhänge und vieles mehr zu erklären bleiben. So breitet sich i n der Verwaltungswissenschaft nicht zuletzt unter dem Druck der Anforderungen der Verwaltungspraxis das Bewußtsein aus, unbeschadet der Bedeutung der Rechtswissenschaft für die Verwaltungsforschung die Dimension verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis zu erweitern. Und auch die Verwaltungsrechtslehre selbst erweist sich auf solchen neuen Erkenntniszuwachs angewiesen, w i l l sie ihr System des Verwaltungsrechts auf die Verwaltungsverhältnisse i m sozialen Rechtsstaat umstellen. Unsere Verwaltungswissenschaft steht mithin vor dem Problem, ihr Selbstverständnis neu zu formulieren. Der staatswissenschaftlichen Verwaltungsforschung war es gelungen, durch ihre enzyklopädischen und universalgeschichtlichen Reihungen vieles von der Breite der Phänomene öffentlicher Verwaltung wiederzugeben. Dies geschah u m den Preis des Nachweises spezifischer Wissenschaftlichkeit i m Sinne der sich entwickelnden Einzelwissenschaften. Durch die juristische Methode wurde die Verwaltungsforschung auf das erkenntnistheoretisch-methodologische Niveau der modernen Fachwissenschaften gehoben. Dafür wurde eine Verkürzung auf das rechtliche Element der öffentlichen Verwaltung i n Kauf genommen. Heute zwingen viele Umstände — vom gewandelten politisch-kulturellen Selbstverständnis bis zur interdisziplinären Kommunikation der Sozialwissenschaften, von dem Bedürfnis der Verwaltungsrechtslehre selbst bis zur alltäglichen Lebenserfahrung des Verwaltens — der Komplexität des Materialobjekts: öffentliche Verwaltung einen angemessenen Komplex von Erkenntnisleistungen auf der Ebene der Wissenschaft gegenüberzustellen, der über die Rechtserkenntnis hinausreicht. Die Frage ist, wo der wissenschaftliche Ort dieser neuen Karl Hahn, Verwaltungslehre, i n : Die öffentliche Verwaltung, 1950, S. 733 ff.; Erwin Less, Z u r Notwendigkeit einer Verwaltungslehre, i n : Die öffentliche Verwaltung, 1960, S. 249 ff.; Hans Hämmerlein, Die Verwaltungsinformation als M i t t e l der Verwaltungsführung, i n : Die öffentliche Verwaltung, 1964, S. 119ff.; Klaus von der Groeben, Über die Notwendigkeit einer V e r w a l tungswissenschaft, i n : Die öffentliche Verwaltung, 1966, S. 46 ff.

3. Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Praxis öff. Verwaltung

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Verwaltungswissenschaft liegt. Die pragmatische Denkhaltung, die sich m i t einem Gegenstand wie der öffentlichen Verwaltung zu verbinden pflegt, w i r d den Sinn solcher Fragestellung von vornherein i n Zweifel ziehen. Sie w i r d meinen, daß die Verwaltungswissenschaft erst einmal gehalten sei, substantielle Aussagen über die öffentliche Verwaltung vorzulegen, bevor sie sich ihres erkenntnistheoretisch-methodologischen Platzes versichere. So dürfen wissenschaftstheoretische Überlegungen mancherorts nicht immer m i t günstigem Urteil rechnen. Vielfach w i r d Wissenschaft allein nach sozialem Nutzen gemessen. Z u oft muß man bei der Forderung nach „reinen" Lehren resignieren, als daß sich gegenüber der Nutzenvorstellung das Selbstbewußtsein strenger Wissenschaftsphilosophien überall durchsetzen könnte. Vielmehr erweist sich Pragmatismus, der Wert und Unwert auch des wissenschaftlichen Denkens ausschließlich danach bemißt, ob er der Praxis des Lebens dient, als ein ebenso selbstsicherer Standpunkt wie explizit theoretische Wissenschaftlichkeit etwa neopositivistischer Herkunft. Und dennoch steht die erkenntnistheoretisch-methodologische Problematik heute nicht nur i n der Mitte philosophischer Diskussionen. Als Wissenschaftstheorie zählt sie zu den meistbesprochenen Gegenständen der Fachwissenschaften, insbesondere der Sozialwissenschaftten. Das gilt nicht nur für eine als „Reflexionswissenschaft" 78 betriebene Soziologie, sondern auch solche Wissenschaften, deren Sachleistung für die Gesellschaft traditionell abgesichert ist. Man denke an die Wiederbelebung des klassischen Methodenstreits i n der Ökonomie: des Werturteilstreits 7 9 , und daran, daß sich die Jurisprudenz noch jetzt gehalten sieht, die Frage nach dem Wissenschaftscharakter der Rechtswissenschaft zu stellen 80 . I n den heutigen wissenschaftstheoretischen Streitgesprächen w i r d man viel von dem erblicken, was den Gegensatz philosophischer Schulbildungen herkömmlich kennzeichnet. Daß darüber hinaus die Fragen von Erkenntnis und Methode i n den aktuellen politisch-sozialen Spannungsfeldern stehen, w i r d aus der Heftigkeit mancher Auseinandersetzung sichtbar. Hiernach ist indes der breite Widerhall i n den Fachwissenschaften noch nicht zulänglich aufgedeckt. Das wachsende wissenschaftstheoretische Interesse muß auf Gründen ruhen, die für die Forschung generell maßgeblich geworden sind. W i r haben also zu überlegen, welcher allgemeinen Prämisse unser Han78 Helmut ScheHsky, Ortsbestimmung der deutschen Soziologie, S. 9. 79 Z u m Versuch einer wissenschaftsgeschichtlichen Interpretation vgl. Christian von Ferber, Der Werturteilsstreit, 1909/1959, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1959, S. 21 ff. 80 Vgl. etwa dazu Karl Larenz, Über den Wissenschaftscharakter der Rechtswissenschaft, a.a.O., Bd. I, S. 179 ff.; ders., Über die Unentbehrlichkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft; ders., Methodenlehre der Rechtswissenschaft, bes. S. 5 ff.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

dein unterliegt, die dann auch für die Wissenschaft vorausgesetzt wird. Damit ist ein kulturanthropologischer Erklärungszusammenhang erreicht. Gesellschaften werden nach Denkarten und Verhaltensweisen charakterisiert, die das Bewußtsein ihrer Menschen vorzüglich durchformen. Die Kennzeichnung unserer Zeit ist als „industrielle Gesellschaft", „technisches Zeitalter" oder auch „wissenschaftliche Zivilisation" bekannt 8 1 . Aus der begrifflichen Zusammenstellung m i t Industrie und Technik w i r d deutlich, daß Wissenschaft i n funktionalen Abhängigkeiten gesehen wird, aus denen die Erhaltung der Gesellschaft selbst zu leisten ist. Wissenschaft gilt nicht nur als eine der Errungenschaften der fortschreitenden Menschheit, sondern als eine ihrer Lebensbedingungen. W i r brauchen nicht zu verfolgen, zu welchen Gesellschaftslehren die Erfahrungen mit naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Entwicklungen und die Erwartungen künftiger Forschungswege zusammengefügt werden. Es genügt festzuhalten, daß unsere Zeit wissenschaftliche Denk- und Verhaltensformen bevorzugt, die damit zur gesamtkulturellen Prämisse unseres Handelns werden. So muß sich Wissenschaftlichkeit wiederum gegen die Wissenschaft wenden. Auch die Wissenschaft einer wissenschaftlichen Zivilisation hat unter den Regeln der Wissenschaftlichkeit anzutreten. Forschung muß sich durch wissenschaftliche Arbeitsweisen legitimieren. Die erkenntnistheoretisch-methodologische Überlegung ist nicht mehr nur das Wagnis einiger Philosophen. Wissenschaftstheorie w i r d zum Bestandteil der Fachwissenschaften. Sie bleibt dort unerörtert, wo man sich auf methodologisch gefestigten Wegen wähnt. Wenn aber die wissenschaftstheoretischen Grundlagen unsicher bleiben — wie vielfach in den Sozialwissenschaften —, ist Selbstreflexion ständig gefordert. Für die Verwaltungswissenschaft bedeutet jene gesamtkulturelle Prämisse, daß schon ihr Aufbau wissenschaftlichen Verhaltensweisen unterliegt. Freilich sind bereits die Positionen heutiger Wissenschaftslehren zu kontrovers, als daß der systematische Entwurf aus einer geschlossenen Theorie der Verwaltungswissenschaft gelingen kann. Jedoch w i r d die Errichtung des verwaltungswissenschaftlichen Lehrgebäudes von dem Bedürfnis begleitet werden, die substantiellen Aussagen zur öffentlichen Verwaltung auch wissenschaftstheoretisch zu überdenken. Fachwissenschaft hat i n diesen Gedanken die Gefahr der Zerstörung ihrer Sache zu besorgen. Dennoch läßt sich nicht der Vgl. Hans Frey er, Über das Dominantwerden technischer Kategorien i n der Lebenswelt der industriellen Gesellschaft; Arnold Gehlen, Die Seele i m technischen Zeitalter: Sozialpsychologische Probleme i n der industriellen Gesellschaft; Helmut Schelsky, Der Mensch i n der wissenschaftlichen Z i v i l i sation.

3. Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Praxis öff. Verwaltung

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Neigung folgen, die Verwaltungswissenschaft wenigstens zunächst von destruierendem Methodenstreit freizuhalten, damit sie zum Gegenstand: öffentliche Verwaltung etwas von dem sozialen Nutzen schafft, welchen besser eingerichtete Wissenschaften zu ihrem Gegenstand bereits hervorgebracht haben. Die kulturell bevorzugten wissenschaftlichen Handlungsformen schließen aus, erst einen Bestand von Sachleistungen zu sichern, um dann i n einer Ortsbestimmung der Verwaltungswissenschaft erkenntnistheoretisch-methodologische Überprüfungen vorzunehmen. Nicht nur die zurückgelegten Wege der Forschung sind durch die tradionell geübte Selbstbesinnung zu überdenken. Die Innovation der Forschung bedarf schon der wissenschaftlichen Reflexion. I m Bereich der Verwaltungswissenschaft erfährt die Frage nach Wissenschaftlichkeit eine besonders aufschlußreiche Wendung. Wissenschaft ist auf administrative Leistungskraft angewiesen. Die erste Atomexplosion zählt zu den großen Erfolgen der Physik. Sie ist aber auch als die große Leistung einer Verwaltung — des Manhattan Engineer District — gewürdigt worden 8 2 . Spätestens durch die Diskussion über die Hochschulreform sind die Verwaltungsprobleme der Wissenschaft allgemein bekannt geworden. Gleichsam als ein Beleg für die kulturell bevorzugte Denkform des Wissenschaftlichen entwickelt sich ein neuer Forschungszweig, der die Wissenschaft selbst zum Gegenstand hat 8 3 . K o m m t dabei Wissenschaft als soziales Handlungssystem i n das Blickfeld, muß die Verwaltung von Wissenschaft thematisch werden. Alsbald stößt man auf einen Schlüsselbegriff heutiger Verwaltung: Planung, hier etwa i n der Form der Forschungsplanung 64 . W i r fragen dazu nur: Wie kann aus der Wissenschaft zur Verwaltungsplanung beigetragen werden? Wie ist Wissenschaft möglich, die zum systematischen Entwurf der Forschung aussagt? Und: Vermehrt eine Interdependenz von Wissenschaftsplanung und Verwaltungswissenschaft unsere Schwierigkeiten? Aus diesen Überlegungen zur Wissenschaftlichkeit als gesamtkultureller Prämisse w i r d auch verständlich, warum i n der jüngsten Zeit Verwaltungswissenschaft i n einer wachsenden Zahl von Entwürfen 82 Vgl. Dwight Waldo, The Study of Public Administration, S. 1. 83 Vgl. etwa die neue Schriftenreihe: Wissenschaftstheorie/Wissenschaftspoilitik/Wissenschaftsgeschichte, herausgegeben i n Verbindung m i t Hans Paul Bahrdtj Emst Wolf gang Böckenförde u.a. v o n Hans Blumenberg u n d Helmut Scheisky; hier insbesondere Helmut Klag es, Rationalität u n d Spontaneität: Innovationswege der modernen Großforschung; Hans Jürgen Krysmanski, Soziales System u n d Wissenschaft. 84 Vgl. Forschungsplanung: Eine Studie über Ziele u n d S t r u k t u r amerikanischer Forschungsinstitute, hrsg. von Helmut Krauch / Werner Kunz / Horst Rittel u n d dem Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen W i r t schaft e.V.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

konzipiert wird. Man darf darin nicht nur ein Mißverhältnis zur sachlichen Leistung sehen. Der Aufbau der Verwaltungswissenschaft muß sich — kulturanthropologisch betrachtet — in ständiger Selbstreflexion vollziehen. Zudem ist die Verwaltungswissenschaft von Nachbarwissenschaften umgeben, die aus reicherer Tradition ihre Wissenschaftslehre zunehmend differenzieren. Das setzt eine anspruchsvolle Gesprächsebene. Verwaltungswissenschaft scheint ihr Selbstverständnis unter noch schwereren Bedingungen formulieren zu müssen als die moderne Betriebswirtschaftslehre bei ihrem Beginn. Die Wissenschaftsprobleme der Verwaltungswissenschaft, die Jurisprudenz überschreitet, sind in ihren vielfältigen Verfeinerungen bei uns weitgehend unentdeckt. Von der vorherrschenden Sichtweise des Verwaltungsrechts sind viele Themen bestimmt, i n deren Erörterung man sich bemüht, Verwaltungswissenschaft m i t den M i t t e l n der Wissenschaftlichkeit aufzubauen. Es geht um Hilfswissenschaft, nämlich Ergänzungsdisziplin der Rechtswissenschaft, oder selbständige Wissenschaft, um Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, Verwaltungspolitik, um Jurisprudenz, Ökonomie, Soziologie usw. Und i n der Tat: w i l l man das Arbeitsfeld einer neuen Verwaltungsforschung abstecken, dann muß man sich zuerst sehr elementarer Bedingungen verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis versichern. Vorab muß man sich überdies darüber Rechenschaft geben, auf welchen Ebenen menschlichen Denkens das Selbstverständnis einer neuen Verwaltungswissenschaft überhaupt formuliert werden kann. Hierfür muß i n dreifacher Weise unterschieden werden. Erstens w i r d die öffentliche Verwaltung einsichtig i n der genuinen Erfahrung der i m praktischen Verwaltungsleben Handelnden. Mag die öffentliche Verwaltung ihrem Publikum i m Alltag widerfahren, mag sie den politischen Instanzen bewußt werden, mag sie von den kommunikativen Absichten des Verwaltungspersonals erfaßt sein, i n der unmittelbaren Beziehung des Menschen zur Verwaltungswelt w i r d diese als soziale Handlungspraxis erfahren. Zweitens werden die Gehalte öffentlichen Verwaltens angeeignet i n der wissenschaftlichen Erkenntnis der über die administrative Handlungspraxis Reflektierenden. Wo man sich u m objektive Aussagen über die öffentliche Verwaltung bemüht, wo eine nach Prinzipien geordnete, i n einem Begründungszusammenhang stehende Gesamtheit des Wissens angestrebt, ein methodisch entwickeltes, intersubjektiv nachprüfbares System von Wissen über jenen Gegenstandsbereich erarbeitet wird, w i r d Verwaltung wissenschaftlich erkannt. Drittens kann nun wiederum die Verwaltungswissenschaft zum Gegenstand wissenschaftlicher Einsichten gemacht werden. Wenn die Fachwissenschaft die von ihr zur Erforschung ausgewählten Phänomene zu erklären und zu verstehen sucht, dann handelt es sich u m wissenschaftliche Aussagen über den Fach-

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gegenständ. Man kann insoweit von Theorien erster Stufe sprechen. Wenn aber i n der Wissenschaftslehre weiter die Sachaussagen der Fachwissenschaft u m ihres Charakters als wissenschaftlicher Aussagen willen untersucht werden, dann geht es bei den einschlägigen Analysen u m Wissenschaft über Wissenschaft. Man kann das als Theorien zweiter Stufe bezeichnen. Wissenschaft, die die öffentliche Verwaltung erforscht, intendiert verwaltungswissenschaftliche Aussagen: Verwaltungslehren über praktisches Verwaltungshandeln; Wissenschaft, die hingegen Verwaltungslehren erforscht, zielt auf wissenschaftstheoretische Aussagen: Wissenschaftslehren zur Verwaltungswissenschaft. Entsprechend müssen das System wissenschaftlicher Aussagen über die Verwaltungspraxis, die als Theorien erster Stufe Verwaltungswissenschaft sind, und das System wissenschaftlicher Aussagen über die Verwaltungswissenschaft, die als Theorien zweiter Stufe Theorie der Verwaltungswissenschaft sind, unterschieden werden. Das hier vorgestellte dreifaltige B i l d von Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Praxis w i r d von der strengen Wissenschaftslogik zu einem stringenten Gegensatz von Metatheorie, Theorie und Praxis erklärt. Ein Gegenstand wie die öffentliche Verwaltung legt demgegenüber die Frage nahe, ob denn die Praxis — hier also die Praxis der in der Verwaltung Handelnden — nicht überhaupt die Eigenschaft hat, Grundlage des Erkennens, M i t t e l zu sein, durch das die Dinge der Lebenswelt, ihre Eigenschaften und Relationen zugänglich werden können. Uns kommt es jedenfalls nicht auf eine scharfe Gegensätzlichkeit an, für die Interdependenzen zwischen Metatheorie, Theorie und Praxis als Unreinheiten auszuscheiden und nicht als Abhängigkeiten zu erklären sind, sondern darauf, eine solche dreifache Unterscheidung als heuristisches Prinzip für die Ortsbestimmimg der Verwaltungswissenschaft fruchtbar zu machen. Die erste Aufgabe, die sich hiernach stellt, ist zu überlegen, ob denn nun wirklich Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis im Prinzip auseinanderzuhalten sind: Müssen verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisintentionen abgehoben werden von den kommunikativen Absichten der i m praktischen Verwaltungsleben Handelnden? Damit ist nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis gefragt. Es kündigt sich schon heute für die öffentliche Verwaltung so vielschichtig und so spannungsvoll an, daß es hier nur darum gehen kann, eine Ausgangsposition zu kennzeichnen. Die Wissenschaftsgeschichte i m Bereich sozialwissenschaftlicher Disziplinen lehrt, daß es keine völlige Identität der Fachwissenschaft m i t der von ihr erforschten Lebenspraxis gibt. Eine Einheit von Theorie und Praxis besteht hinsichtlich der fachliche Sozialwissenschaft leitenden Erkenntnisintentionen und den Erfahrungsabsichten des praktischen Handelns nicht. Wissenschaft

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

kann einerseits das gesellschaftliche Leben nicht insgesamt nach ihren Aussagen regeln. Die soziale Welt erweist sich als nicht völlig szientifizierbar. Andererseits zeigt sich, daß Wissenschaft es nicht bei der Alltagserfahrung bewenden läßt. Wissenschaft muß einen Mindestabstand der Reflexion von der Praxis haben, u m ihren Namen tragen zu dürfen. Nehmen w i r zum Beispiel die Wirtschaftswissenschaft. Ökonomie hat den alten Harmoniegedanken aufgegeben, der sich vorstellt, es ginge darum, die Naturgesetze — leges naturae —, welche es gut m i t dem Menschen meinen, zu begreifen und auszulegen. Sie vermag keine natürliche und zugleich beste Ordnung mehr zu sehen, die m i t der Vernunft erschlossen werden kann. Die Gemeinsamkeit des Naturrechts, den gesellschaftlichen Erscheinungen immanent und dem menschlichen Verstände evident zu sein, ist vorbei. Z u welchen Trennungen die Wirtschaftswissenschaft von der Wirtschaftspraxis — etwa i n der Entscheidungstheorie 85 — heute gekommen ist, w i r d uns später näher beschäftigen. Die Einheit von Theorie und Praxis ist jedenfalls verloren. Die Sozialwissenschaft, welche heute w o h l noch am stärksten einer Einheitsvorstellung anhängt, ist die Jurisprudenz. Nach einer Wissenschaftsentwicklung m i t höchst widersprüchlichen Einflußnahmen meinen viele bei uns, mindestens eine Synthese von Theorie und Praxis sei herzustellen. „Einheit des juristischen Denkens" ist die vorherrschende Lehre 8 6 . Daß es ein philosophisches Suchen nach solcher Synthese geben kann, stellen w i r hier nicht i n Frage. Daß es aber solche Synthese auf der Ebene der Fachwissenschaft nicht geben kann, w i r d m i t zunehmender rechtssoziologischer Forschimg 87 auch für die Rechtswissenschaft unabweisbar. Es muß sich die Einsicht immer mehr durchsetzen, daß selbst der Richter i n seinem praktischen Handeln nicht nur von rechtlichen Kriterien bestimmt ist. Er gehört einer sozialen Gruppe an. Er ist dem Druck anderer sozialer Gruppen ausgesetzt. Er ist Führer einer Richterbank oder unterliegt einer Führerschaft i m Kollegium. Er hat konservative oder liberale Einstellungen. Er hat einen weltanschaulichen, beruflichen, wirtschaftlichen, erzieherischen usw. Hintergrund. A l l das beeinflußt sein richterliches Handeln, mag er noch so sehr danach streben, nur Gesetz und Recht zu gehorchen. 85 Vgl. Gérard Gäfgen, Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung: U n t e r suchungen zur L o g i k u n d ökonomischen Bedeutung des rationalen Handelns; Herbert Hax, Die Koordination v o n Entscheidungen: E i n Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Organisationslehre. 86 v g l . etwa Ludwig Kaiser, Rechtswisisenschaft u n d Reditspraxis, i n : Neue Juristische Wochenschrift, 1964, S. 1201 ff. 87 Vgl. die Bibliographie der internationalen rechtssoziologischen L i t e r a t u r von Manfred Rehbinder, i n : Studien u n d Materialien zur Rechtssoziologie, hrsg. von Ernst E. Hirsch u n d Manfred Rehbinder, i n : K ö l n e r Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, Sonderheft 11, S. 373 ff.

3. Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Praxis öff. Verwaltung

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Nun w i r d man an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, daß auch die Hechtslehrer entsprechenden Einflüssen i n ihrem Denken unterliegen. Man kann darüber hinaus nachweisen, daß Richter und Rechtslehrer nicht nur mit dem gleichen Recht befaßt sind, sondern daß ihnen vor allem i n bestimmten Gruppen aus naheliegenden Gründen ein sehr ähnliches Gefüge von Vor-Urteilen eignet. Erst das macht es möglich, das soziale Problem der Übereinstimmung i n ein methodisches umzuformulieren und bei der Rechtsinterpretation vom „Konsens aller Vernünftig» und Gerecht-Denkenden" — „ Z u den ersteren gehören vor allem die Rechtslehrer und die Richter" 8 8 — zu sprechen. Indes muß man hiernach auf die Folgen schauen, wenn Jurisprudenz sich i n der sozialen Rolle eines Mitspielers i m öffentlichen Meinungsbildungsprozeß zur Verhaltensregulierung erschöpft. Sie gerät i n Ideologieverdacht 89 , oder mindestens kann sie gegenüber einer emanzipierten Praxis nicht von ihrer originären Leistung als Rechtswissenschaft überzeugen 90 . Der Jurisprudenz fehlt so Autorität, wenn man Autorität einmal nicht m i t Gehorsam, sondern m i t Erkenntnis verbindet 9 1 . Dementsprechend ergibt sich für die Rechtslehre, daß sie mehr intendieren muß, als — wie die Rechtspraxis — ihren Blick auf das Recht zu richten. Gerichtliches Verhalten vollzieht sich nach Recht und den außerrechtlichen Vorzeichen, die i n ihm wirksam werden. Rechtswissenschaft muß bei der Bearbeitung ihres Gegenstandes zur Absicht der Rechtserkenntnis wenigstens folgendes nehmen, um als Fachwissenschaft zu gelten: die Einsicht i n die Vorurteilsstruktur menschlichen Denkens und die Intention, Vorverständnis transparent zu machen und damit eine Alltagserfahrung übersteigende Erkenntnis zu erreichen. Hiernach ist jedoch ein gegenüber den kommunikativen Absichten praktischer Handlungszwänge entfernter Punkt rational-distanzierter Reflexion erreicht. Einheit i m Denken von Theorie und Praxis erweist sich auf der Ebene der Fachwissenschaft als nicht möglich. M i t Rechtswissenschaft und Rechtspraxis sind — freilich nicht höher oder niedriger zu bewertende, aber: — zwei eigentümliche Denkleistungen gefordert, mag Jurisprudenz als Rechtsdogmatik noch so praxisbezogen sein. 88 Vgl. Horst Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, i n : V e r öffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, H e f t 20, S. 71 f., 131 f. Aufschlußreich ist der Begriff der herrschenden Meinung. Vgl. dazu Roman Schnur, Der Begriff der „herrschenden Meinung" i n der Rechtsdogmatik, a.a.O., S. 43 ff. 89 Vgl. die polemische Streitschrift zur Entideologisierung der Justiz von Xaver Berra, I m Paragraphenturm. 90 Deutlich Egon Schneider, Der Kommentar: Die juristische Dogmatik, i n : Deutsche Richterzeitung, 1968, S. 47 f.; vgl. als A n t w o r t Ludwig Raiser, Wozu Rechtsdogmatik?, i n : Deutsche Richterzeitung, i960, S. 98. 91 Wie es Hans-Georg Gadamer t u t : Wahrheit u n d Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, S. 264.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

Übertragen w i r diese Überlegungen auf die Beziehung von Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis und schauen zunächst auf praktisches Verwaltungshandeln. Eine Personalentscheidung ist zu treffen. Sie mag durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet sein: die Einhaltung der beamtenrechtlichen Vorschriften, die Berücksichtigung mittelfristiger Personalbedarfsberechnung, die Ausrichtung auf eine berufsethische Konzeption des Beamtentums, die Kostenüberprüfung hinsichtlich der einzustellenden Person, die persönlichen Präferenzen des Personalleiters. Zusammen m i t anderen Handlungsbegründungen w i r d all das Verwaltungspraxis. Oder ein Verwaltungsneubau w i r d geplant. Die Planung sei durch folgendes geleitet: wieder die Einhaltung hier der baurechtlichen Vorschriften, die Berechnung des bestehenden Raumbedarfs zuzüglich des wahrscheinlichen Zukunftsbedarfs, einen Wirtschaftskalkül hinsichtlich Miete oder Eigenbau, die Organisation von Arbeitsabläufen nach funktionell zusammenhängenden Dienststellen, die Standortauswahl nach erwartetem Publikumsbesuch und neben anderem mehr die Ansicht des Behördenchefs über „anständige Baugesinnung". Man sieht: öffentliche Verwaltung vollzieht sich i n der Totalität der Zusammenhänge praktischen Handelns. Es ist Handeln in der Wirklichkeit individueller Beweggründe und doch etwa desgleichen nach dem Hochziel einer Wirtschaftlichkeitsvorstellung, nach dem Leitbild einer Wahrscheinlichkeitsberechnung, nach dem Sinne ethischer Richtigkeit, nach der Vorschrift rechtlicher Verordnung usw.

Angesichts dieser praktischen Totalität weiß man aus der Wissenschaftsgeschichte alsbald, daß es Fachwissenschaft nicht gelingen kann, solche Ganzheit praktischen Handelns i n einem aufzunehmen und zu erforschen. Konnten angesichts des unbestreitbaren Primats des Rechtlichen i m gerichtlichen Handlungssystem Rechtslehrer und Richter sich i n der Erkenntnisintention noch einig wähnen, so liegt i m Hinblick auf die offensichtliche Vielfalt der Wirksamkeiten i n der öffentlichen Verwaltung die reflektierende Auflösung nach dem juristisch Einschlägigen, dem ökonomisch Relevanten, dem ethisch Bedeutsamen, dem psychisch Erheblichen usw. vor Augen. Fachwissenschaft trennt aus dem Gesamtbestand praktischer Beziehungen bestimmte Handlungszusammenhänge heraus und erforscht sie. Auch die Geschichtswissenschaft, wenn man sie als idiographische Ereigniswissenschaft sieht, versteht das einmalige, sich nicht wiederholende Geschehen nicht nach A r t der Alltagserfahrung, sondern i m Nachdenken über das historisch Bedeutsame. Nimmt man dazu noch das wissenschaftliche Mindesterfordernis, i n Vorurteile einzusehen und aus ihrer Durchsichtigkeit die überlieferten Verhaltenszusammenhänge zu hinterfragen, so er-

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weisen verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisintentionen ihre Eigenart gegenüber den kommunikativen Absichten der Verwaltungspraxis. Hiernach folgen sogleich wichtige wissenschaftstheoretische Fragen: Ist mit der Sacherkenntnis i n reflektierender Distanz bereits dem Wissenschaftsanspruch einer Fachwissenschaft Genüge getan? Bedarf es nicht noch viel strengerer methodischer Verfremdungen des Gegenstandes, u m zu einem theoretischen Bezugspunkt zu kommen? Muß gar die Unterscheidung von Theorie und Praxis durch „reine" Lehre zu einem zwingenden Dualismus geführt werden? Und anders: Müssen sich Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis entfremden? K a n n Verwaltungspraxis i n ihr Verhalten als wissenschaftliche ausmachbare Handlungbeiträge aufnehmen? Kann Verwaltungswissenschaft als „angewandte" engen Kontakt m i t der Praxis finden? Muß VerwaltungsWissenschaft nicht jedenfalls insoweit Praxislehre bleiben, als sie eine Theorie über menschliches Handeln, vom Menschen für den Menschen entworfen und eingestellt auf gemeinschaftliches Leben ist? Diese Probleme führen zu den Kontroversen langer Methodengespräche. Sie reichen tief i n die Strömungen und Gegenströmungen der Wissenschaftsphilosophie. Hier w i r d demgegenüber die TheoriePraxis-Relation nur zur Gewinnung einer Ausgangsposition für die Ortsbestimmung der Verwaltungswissenschaft überprüft. Insoweit ergeben sich aus dem Umstand, daß Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis i n ihren Erkenntnisintentionen nicht identisch sind, Verwaltungswissenschaft von Verwaltungspraxis reflektierende Distanz halten muß, Konsequenzen auch für die Formulierung des Selbstverständnisses der Verwaltungswissenschaft. Der wissenschaftliche Ort der Verwaltungsforschung kann nicht einfach auf der Ebene genuiner Erfahrungen des praktischen Verwaltungshandelns ausgemacht werden. Wieweit auch die Emanationen öffentlicher Verwaltung als soziale Praxis Grundlage unseres Erkennens überhaupt sein mögen, es bedarf einer eigenen methodischen Reflexion, u m sie i n wissenschaftliche Aussagen umzubilden 9 2 . Demgemäß sind w i r gezwungen, wenn w i r das Arbeitsfeld der Verwaltungswissenschaft umreißen wollen, die weitere Ebene einzubeziehen: nämlich wie denn nun Wissenschaft betrieben wird. Die modernen Einzelwissenschaften neigen in ihrer Distanz gegenüber der Praxis und i n ihrer Emanzipation gegenüber der Philosophie dazu, i h r Selbstverständnis i n der Interpretation des eigenen Fachgebiets zu suchen. Die Theoriegeschichte der Disziplin w i r d gedeutet. Das eigene Lehrgebäude w i r d nach Gegenstand und Methode über92 Umgekehrt läßt sich sagen, daß auch die Verwaltungspraxis die Aussagen der Theorie nicht ohne die i h r eigenen k o m m u n i k a t i v e n Erfahrungen i n administratives Handel umsetzen können w i r d .

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

prüft. Arbeitsweisen und Selbsteinschätzungen der Fachautoritäten werden analysiert. Hiernach w i r d bestimmt, an welchem Platz das System der betreffenden Wissenschaft steht. W i r selbst haben oben in vergleichbarer Weise die Entwicklung der Verwaltungswissenschaft in Kontinentaleuropa und i n Nordamerika m i t dem Ergebnis skizziert, daß die deutsche Verwaltungsforschung vor dem Problem eines Umbaues ihres Wissenschaftsgebäudes steht. Deswegen kann es hier bei einer Selbstbetrachtung kein Bewenden haben. Die kontinentaleuropäische Verwaltungswissenschaft unterliegt insgesamt dem Übergewicht der Verwaltungsrechtslehre. Ihre Versuche, zu einer umfassenderen Verwaltungswissenschaft zu kommen, sind nicht so weit gediehen, als daß man ein zufriedenstellendes B i l d „ L a science administrative dans la famille des sciences sociales" ausbreiten könnte. Es bleibt die nordamerikanische Verwaltungswissenschaft. Sie läßt sich indes aus mehreren Gründen nicht unbesehen als maßgeblich auch für die Position einer neuen Verwaltungswissenschaft bei uns übernehmen. W i r nennen hier nur folgende Gesichtspunkte: Erstens ist die nordamerikanische Verwaltungswissenschaft in die allgemeinen Denkweisen eingebettet, die die wissenschaftliche K u l t u r jenes Kontinents durchformen. Es ist z. B. der i n Nordamerika spezifische Pragmatismus genannt worden, der konstituierend auch auf die Verwaltungswissenschaft eingewirkt hat. Ob auch bei uns das „know how", die „power to w o r k " als Prämisse einer Verwaltungswissenschaft hinzunehmen sind, bedarf doch mindestens einiger Differenzierungen. Zweitens ist der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft ein wiederum eigentümlich nordamerikanischer Erfahrungsgegenstand: public administration als Grundlage des Erkennens zugeordnet. Oben ist betont worden, daß die nordamerikanische und die kontinentaleuropäische Zivilisation viele gleiche Züge einer verwalteten Welt aufweisen, die die Rezeption auch bei uns gültiger Einsichten ermöglichen kann. Hier muß gesagt werden, daß das konkrete Verwaltungsleben indes auch so anders sein kann, daß beträchtliche Unterscheidungen auf der Ebene wissenschaftlicher Aussagen erforderlich werden. So beruht die unterschiedliche Entwicklung der Verwaltungsrechtslehre i n Nordamerika und Kontinentaleuropa nicht zuletzt darauf, daß eben auch die Rechtspraxis i n der öffentlichen Verwaltung verschiedenartig ist. Drittens ist die Übernahme des Konzepts der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft für sich als einer Einzeldisziplin deswegen kaum durchführbar, w e i l ihr pluralistisches Selbstverständnis nicht abtrennbar ist von den Nachbarwissenschaften, mit denen sie i n Gedankenaustausch steht. Die Einflußnahmen aus der Politischen Wissenschaft, der Betriebswirtschaftslehre, der Organisationsforschung w i r k e n so kurzgeschlossen, daß man sich schon eines breiten Kontextes der nord-

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amerikanischen Sozialwissenschaften versichern muß, wenn man die Bestimmungsfaktoren dieser umfassenden Verwaltungsforschung übertragen will. Aus diesem Hinweis auf den sozialwissenschaftlichen Zusammenhang i n Nordamerika w i r d auch für eine neue Verwaltungswissenschaft bei uns deutlich, daß sie, w i l l sie die alte staatswissenschaftliche Breite wiedergewinnen, m i t der gesamten wissenschaftlichen Spannweite moderner Sozialforschung konfrontiert ist: Die öffentliche Verwaltung ist ein soziales Phänomen. Die Verwaltungswissenschaft muß sich zunächst einmal mit der ganzen Ausdehnung sozialwissenschaftlicher Positionen auseinandersetzen, womit noch nicht gesagt ist, daß sich alle für den Gegenstand: öffentliche Verwaltung als relevant oder gar ergiebig erweisen. Steht man m i t h i n vor der prinzipiellen Anforderung, aus der wissenschaftlichen Situation heutiger Sozialwissenschaften Lehren für die Verwaltungswissenschaft zu ziehen, so erhellt, daß eine Analyse aller sozialwissenschaftlichen Aussagen auf i h r Selbstverständnis h i n überfordern muß. Die Texte der Rechtswissenschaftler — Recht ist wiederum ein soziales Phänomen —, der Wirtschaftswissenschaftler, der Soziologen, der Sozialpsychologen, der Politikwissenschaftler usw. haben einen solchen Umfang angenommen, daß sie sich nicht ohne weiteres als wissenschaftliches System lesen lassen. W i r müssen uns von der Komplexität sozialwissenschaftlicher Aussagenzusammenhänge entlasten und sind damit auf die dritte Ebene menschlicher Denkleistungen: die Wissenschaftstheorie, verwiesen. Zwar bedeutet i m formalen Sinne schon die Selbstinterpretation der Fachwissenschaft, metatheoretisch vorzugehen. Denn förmlich handelt es sich u m Theorien über Theorien. Hier w i r d aber auf jene Wissenschaftstheorie abgestellt, die nicht beim Selbstverständnis der Einzelwissenschaft stehen bleibt, sondern Wissenschaft ihrerseits reflektierend, letztlich philosophisch hinterfragt. M i t der Einbeziehung solcher Wissenschaftstheorie geraten w i r i n das Dilemma, welches die Lage der modernen Fachwissenschaften gegenüber der Wissenschaftsphilosophie kennzeichnet. Einmal sind schon die verschiedenen philosophischen Schulen untereinander zutiefst zerstritten. Das hat zur Folge, daß der Vorrat an gemeinsamen Einsichten, die man der Fachwissenschaft als gesichertes Instrumentarium anbieten kann, nicht ausreicht. Man versuche etwa, einer so elementaren einzelwissenschaftlichen Größe, wie es der Theoriebegriff darstellt, in den verschiedenen Philosophien habhaft zu werden 9 3 . Zum anderen w i r k t i m Verhältnis zwischen Philosophie und Fachwissenschaft eine die Entwicklung der modernen Einzelwissenschaften be»3 v g l . dazu jüngst Wolf-Dieter

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Narr,

Theoriebegriffe u n d Systemtheorie.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

gleitende Entfremdung. Die Fachwissenschaften haben sich von der Philosophie emanzipiert und die Philosophie hat von sich aus nicht zureichenden Kontakt zu den Problemen der sich differenzierenden Einzelwissenschaften gehalten. Wenn heute Philosophen ihre Wissenschaftslehren in der Reflexion über die Arbeitsweise der Fachwissenschaft schreiben 94 , wenn Fachwissenschaftler jetzt zunehmend an der erkenntnistheoretisch-methodologischen Problematik Anteil nehmen 95 , dann werden die gewachsenen Kommunikationsschwierigkeiten erst recht bewußt. Schließlich sind Wissenschaftsphilosophien Bestandteile jener Strömungen und Gegenströmungen philosophischer Schulbildungen, die noch aus ganz anderen Kräften angetrieben werden als aus wissenschaftlichem Erkenntnisdrang. I n den Auseinandersetzungen u m analytische, kritische, strukturalistische usw. Wissenschaftsphilosophie w i r d deutlich, wie sehr die Frage menschlicher Erkenntnisleistung unter den Prämissen politisch-sozialer K u l t u r steht 96 . So ist das Verhältnis von Theorie und Praxis von den Lehrgebäuden etwa des Neukantianismus, des Neopositivismus, des dialektischen Materialismus, der praktischen Philosophie umfaßt. Man kann hieraus Variationen von dreifaltigen Bildern über „reine Lehren", „nackte Tatsachen", „bloße Wertungen" bis zu Einheitsentwürfen von Theorie und Praxis entnehmen. Jedoch w i r d das nur dann verständlich, wenn man sich zugleich der Implikationen der jeweiligen Philosophie insgesamt versichert, und zwar bis zu deren Vorstellungen über den Menschen in seiner individuellen und sozialen Dimension. Fachwissenschaftliche Reflexion erweist sich insoweit regelmäßig als überfordert. Viele fachwissenschaftlichen Wissenschaftslehren sind deswegen auch philosophischen Grundströmungen einfach anvertraut. Sie müssen dann allerdings erfahren, daß i h r Kurs eben von Antrieben bestimmt ist, die ihrem Kontrollbereich entgehen. Deswegen ist der wirkungsvollste A n 94 Vgl. z. B. Hans-Georg Gadamer, Wahrheit u n d Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik; oder Karl R. Popper, Logik der Forschung. 95 Das g i l t insbesondere auch für die Sozialwissenschaften; vgl. Sammelbände w i e Theorie u n d Realität: Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der Sozia!Wissenschaften, hrsg. v o n Hans Albert; Logik der Sozial Wissenschaften, hrsg. von Ernst Topitch. 06 Charakteristisch ist die an die Referate von Karl R. Popper u n d Theodor W. Adorno über „Die (Zur) L o g i k der SozialWissenschaften", i n : K ö l n e r Zeitschrift für Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1962, S. 233 ff. bzw. S. 249 ff., anschließende Kontroverse: Jürgen Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie u n d Dialektik, a.a.O., S. 473 ff.; Hans Albert, Der Mythos der totalen Vernunft, i n : K ö l n e r Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1964, S. 225 ff.; Jürgen Habermas, Gegen einen positivistisch halbierten Rationalismus, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1964, S. 635 ff.; Hans Albert, I m Rücken des Positivismus, i n : Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1965, S. 879 ff. Der Strukturalismus w i r d i n Deutschland noch nicht so breit diskutiert. Vgl. Urs Jaeggi, Ordnung und Chaos: Der Strukturalismus als Methode u n d Mode.

4. Verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisinteressen

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griff auf solche Lehren der gegen ihre philosophischen Grundlagen 9 7 . Hieraus ist zu verstehen, daß es nicht Unvermögen sein muß, wenn andere es vorziehen, Wissenschaftstheorie mehr aus dem Selbstverständnis des Fachgebietes zu formulieren. Die Gefahren solchen Verfahrens sind nicht geringer. Die Eingrenzung des Gesprächsstoffs muß problematisch bleiben. W i r müssen hiernach feststellen, daß der wissenschaftliche Ort einer umfassenden Verwaltungswissenschaft von allen drei Ebenen menschlicher Erfahrung und Erkenntnis her gesucht werden muß: der Wissenschaftstheorie, der Wissenschaft und der Praxis. Verwaltungswissenschaft ist eine Lehre von der sozialen Praxis. Die Praxis ist die Grundlage ihres Erkennens, und ihre theoretischen Bemühungen finden in der Lösung praktischer Problemlagen spezifischen Sinn. Als Wissenschaft muß Verwaltungsforschung indes einen gegenüber den kommunikativen Erfahrungen praktischen Verwaltungshandelns entfernten Punkt rational-distanzierter Reflexion erreichen. Hier h i l f t die eigene Wissenschaftstradition wie der internationale Wissenschaftsvergleich, u m sich i m Wege der Selbstinterpretation zu verstehen. Hinzu kommt der Kontext der Sozialwissenschaften, i n deren Methodenbewußtsein Belehrung gefunden werden kann. Wenn sich die Verwaltungswissenschaft auch insbesondere aus den erkenntnistheoretisch-methodologischen Entwicklungen benachbarter Fachwissenschaften unterrichten kann, so darf sie doch ihr Selbstverständnis nicht auf den dort geübten Wissenschaftsbetrieb beschränken lassen. Sie muß sich bereithalten, von der Wissenschaftsphilosophie hinterfragt zu werden. Die philosophische Systematik enthält Nachweise zum Platz der Einzelwissenschaften. Wieweit auch die fachwissenschaftliche Emanzipation gediehen sein mag: die VerwaltungsWissenschaft braucht die Wissenschaftsphilosophie, schon um sich von komplexen Abhängigkeiten ihrer wissenschaftlichen Aussagen zu entlasten. Der dreifache Ansatz bei Praxis, Wissenschaft und Wissenschaftstheorie bedeutet für unsere Erwartungen freilich von vornherein, daß der Standort einer neuen Verwaltungswissenschaft kaum i n einem einmaligen W u r f zu treffen ist, sondern daß man sich ihm nur i n tentativen Lernprozessen nähern kann. 4. Verwaltungswissenschaftliche

Erkenntnisinteressen

Angesichts der Komplexität der Verhältnisse einer verwaltungswissenschaftlichen Forschimg suchen w i r Entlastung aus einem kategorialen System der Wissenschaftstheorie, das das Rahmenwerk für »7 Vgl. z.B. zur Reinen Rechtslehre Kelsens: Erich Kaufmann, K r i t i k der neukantischen Rechtsphilosophie: Eine Betrachtung über die Beziehungen zwischen Philosophie u n d Rechtswissenschaft.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

unsere weiteren Überlegungen abgeben kann. I m Gesamtzusammenhang wissenschaftlicher Aussagen w i r d der Ort einer Einzelwissenschaft i m Bezug von „Gegenstand" und „Methode" bestimmt. Dabei sind schon beide Bezugspunkte i n sich problematisch: Bestimmt der Gegenstand die Methode oder die Methode den Gegenstand? Der philosophische Disput, ob i m Erkenntnisprozeß etwas objektiv Vorgegebenes existiere oder ob es um das Ordnen von Bewußtseinsinhalten, das Verknüpfen von Vorstellungen, das Bezeichnen von Wahrnehmungen gehe, ist unentschieden. Der Begriff der Methode bleibt mehrdeutig. W i r werden uns noch am leichtesten verständigen können, wenn w i r i m weitesten Sinne all das meinen, was am Wege des Forschers zur Erkenntnis liegt. Überdies neigen Einzelwissenschaften dazu, sich einerseits mehr aus dem Gegenstandsbereich, andererseits mehr aus der Methode zu verstehen. Der Nachbarschaftsstreit der Fachdisziplinen und die Fruchtbarkeit der interdisziplinären Forschung stehen gegen die methodologischen Reinheitsgebote mancher Wissenschaftsphilosophien. Nur soviel darf man sagen: Wissenschaft vollzieht sich an einer Wende von der genuinen Erfahrung der Lebenswelt zur distanzierten Reflexion über einen Erkenntnisgegenstand. A n dieser Wende fließen die spezifischen Anteilnahmen der Forschung am Erfahrungsobjekt ein, die sodann das wissenschaftliche Formalobjekt kennzeichnen. Insbesondere i n den Wissenschaftslehren von Fachdisziplinen, die wie die Betriebswirtschaftslehre 98 oder die Politische Wissenschaft 99 Abgrenzungsschwierigkeiten zu benachbarten Sozialwissenschaften haben, hat man versucht, solche wissenschaftlichen Anteilnahmen als dritten Aspekt der Fachwissenschaft neben Gegenstand und Methode zu nennen: als Erkenntnisziele, Grundfragestellungen, Fragehorizonte, Fragezentren, Betrachtungsweisen usw. Mag es, was den dritten Aspekt anlangt, nur u m die Weite des Methodenbegriffs gehen, festzuhalten ist, daß die Eigenart wissenschaftlicher Teilhabe als konstitutiver Faktor auch i n die wissenschaftlichen Aussagensysteme eingeht. W i r wollen hier von Erkenntnisinteressen sprechen und damit zum Ausdruck bringen, daß es sich nicht — wie Positivisten meinen mögen — um individuelle oder gruppenspezifische Motive der Forscher handelt, die die Denkpsychologie zu untersuchen hat. Erkenntnisinteressen sind erkenntnistheoretische Größen, die als objektive Gedankenzusammenhänge in den Erkenntnisleistungen der Wissenschaft ausmachbar sind. Ein philosophiegeschichtlich hervorragendes Beispiel wissenschaftskonstituierender Erkenntnisinteressen läßt sich aus der Stellung des 98 Vgl. etwa Adolf Moxter, Methodologische Grundfragen der Betriebswirtschaftslehre, bes. S. 79 ff. 99 Vgl. etwa Manfred Hättich, Lehrbuch der Politikwissenschaft, 1. Bd., Grundlegung u n d Systematik, bes. S. 41 ff.

4. Verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisinteressen

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Allgemeinen und des Besonderen i n der Wissenschaft ableiten — dabei geht es auch nach Hegel zugleich um einen sehr strittigen Punkt. Die m i t den Namen Windelbands 100 und Richerts 101 verbundene Unterscheidung zwischen idiographischen und nomothetischen Wissenschaften, individualisierenden und generalisierenden Wissenschaften umschließt Erkenntnisinteressen, die einmal darauf gehen, das einmalige, sich nicht wiederholende Geschehen zu beschreiben, zum anderen, das i n immer gleicher Weise wiederkehrende Geschehen i n Gesetze zu fassen. Nun w i r d man zwar m i t einem undifferenzierten Schema von Ereigniswissenschaften und Gesetzeswissenschaften die Problematik von Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften nicht angemessen beantworten können. I n den Sozialwissenschaften w i r d diese Trennung heute weitgehend als unbefriedigend empfunden. Aber dies schließt nicht aus, daß individualisierende bzw. generalisierende Erkenntnisinteressen i n die wissenschaftlichen Aussagen eingehen. W i r erleben i n der Handlungspraxis individuelle, also raum-zeitlich bestimmte Tatbestände: Zustände, Abläufe, Ereignisse usw., wie allgemeine, also nicht raum-zeitlich bestimmte Tatbestände, die den Charakter von Hegelmäßigkeiten haben. Beide Arten von Lebenssachverhalten bedürfen der wissenschaftlichen Erklärung. Angesichts der Unterscheidung von Theorie und Praxis kann man Besonderheit und Allgemeinheit des praktischen Verhaltens nicht mehr ohne weiteres i n den Wissenschaftsbereich übernehmen. Das Erkenntnisinteresse an Individualisierungen und Generalisierungen i n der Einzelwissenschaft bleibt indes, und es schlägt sich i n erkenntnistheoretisch-methodologisch relevanter Weise nieder. So kann man etwa überlegen: Muß eine Rechtswissenschaft, die w i e bei uns i n der Einheit des juristischen Denkens zum Idiographischen neigt 1 0 2 , nicht viel von ihrem Gegenstand: dem Recht, außer Betracht lassen? Muß eine Geschichtswissenschaft, die wie in Nordamerika unter dem Einfluß des Neopositivismus nomothetische Tendenzen zeigt 1 0 3 , nicht viel von ihrem Gegenstand: der Geschichte, verlieren? Aber sind anders Rechtswissenschaft als nomothetische und Geschichtswissenschaft als idiographische ausreichend? Wie die Antworten auch ausfallen mögen, eine entsprechende wissenschaftstheoretische Analyse zeigt vor dem unüberbrückten 1 0 4 Gegensatz der 100 Geschichte u n d Naturwissenschaft, a.a.O., S. 136 ff. Kulturwissenschaft u n d Naturwissenschaft. 102 Charakteristisch die Zusammenfassung „ V o m vorgefaßten Normenverständnis zur fallbezogenen Normanwendung" bei Joachim Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung: Verfassungskonforme Auslegung oder vertikale Normendurchdringung?, S. 55 ff. 103 v g l . „Soziologie u n d Geschichte: zur gegenwärtigen Diskussion" bei Jürgen Habermas, Z u r Logik der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische Rundschau, 1967, Beiheft 5, S. 19 ff. E i n Versuch: Jürgen von Kempski, Brückenschlag aus Mißverständnis, a.a.O., S. 221 ff. 101

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

Wissenschaftsphilosophien einen besonderen Reiz, wenn etwa hermeneutische Wissenschaftsphilosophie Verstehen als Geschehen deutet 1 0 5 und analytische Wissenschaftsphilosophie das Theoretische nur als Nomologisches gelten läßt 1 0 6 . M i t dem Hinweis auf individualisierende bzw. generalisierende Erkenntnisinteressen — Richert benutzt den Ausdruck „Interesse" mehrfach und spricht z. B. von einem „ i m logischen Sinne naturwissenschaftlichen Interesse" und von einem „Interesse", das „auf das Besondere und Individuelle und dessen einmaligen Verlauf gerichtet" sei 1 0 7 — heben w i r für die Theorie der Verwaltungswissenschaft von denkpsychologisch relevanten Forschungsmotiven ab und verdeutlichen noch ein weiteres: Der Zusammenhalt von Erkenntnis und Interesse intendiert nicht gesellschaftstheoretische Größen. Freilich gewinnt er für die Erkenntnistheorie Reflexionsmöglichkeiten zu den Bedingungen wissenschaftlicher Aussagen zurück, die ein Positivismus Psychologie und Soziologie der Forschung überantwortet hat. Letztlich läßt er die wissenschaftlichen Erkenntnisleistungen in den Interdependenzen kulturell-sozialer Gesamtzusammenhänge sehen. Solche Sicht muß für eine Verwaltungswissenschaft, die Lehre von einer sozialen Praxis menschlichen Handelns ist, mit welcher sie wiederum in Lebensgemeinschaft steht, von höchster Bedeutung sein: Hat es i n der Verwaltungswissenschaft bei Erkenntnisinteressen sein Bewenden, die auf die Erzeugung technisch verwertbaren Wissens gerichtet sind? Oder fließt i n die Verwaltungsforschung ein Erkenntnisinteresse ein, das auf die Klärung praktisch wirksamen Wissens hinzielt? Geht es um Technologie, die instrumentale Verfügungen menschlichen Denkens ermöglicht, oder u m Hermeneutik, die die Int er Subjektivität handlungsgerichteter Verständigungen sichert? Diese Probleme sind für die Verwaltungswissenschaft genauso wenig wie für die anderen auf soziale Handlungspraxis bezogenen Einzelwissenschaften schnell zu lösen. Die Antworten müssen i m Bildungsprozeß der Fachwissenschaften erlernt werden. Indes: Wenn w i r auch von dem Begriff des Erkenntnisinteresses ausgehen, weil er die Sicht bis zu den kulturellsozialen Abhängigkeiten der Wissenschaft offenhält, so geht es doch hier weder um die Soziologie und Sozialphilosophie der Forschung, noch primär u m eine Erkenntnistheorie i n dem Sinne, etwa durch die Analyse des Zusammenhanges von Erkenntnis und Interesse die Behauptung zu stützen, daß radikale Erkenntniskritik nur als Gesell105 Vgl. Hans-Georg Gadamer, Wahrheit u n d Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, bes. S. 293. los Vgl. zu einem Überblick Hans Albert, Probleme der Theoriebildung: Entwicklung, S t r u k t u r u n d Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien, a.a.O., S. 3 ff. 107 Kulturwissenschaft u n d Naturwissenschaft, S. 79.

4. Verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisinteressen

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schaftstheorie möglich sei 1 0 8 . Für unsere Ortsbestimmung einer die Verwaltungsrechtslehre überschreitenden, umfassenden Verwaltungsforschung kommt es zuerst nicht darauf an, erkenntnistheoretisch-methodologische Tiefen abzumessen, sondern eine Vorstellung vom Umfang der Verwaltungswissenschaft zu entwerfen. W i r müssen daher ein kategoriales System von Erkenntnisinteressen suchen, das einen Bezugsrahmen für eine Umfangsanalyse hergibt. M i t der Nennung der Verwaltungsrechtslehre ist ein Stichwort gegeben. W i r brauchen ein Bezugssystem, das auch wissenschaftliche Aussagen über Verwaltungsrecht erfaßt. Denn erstens ist bei uns das Verwaltungsrecht ein maßgebliches Verhaltensmuster öffentlicher Verwaltung und zweitens muß das Verständnis einer neuen Verwaltungsforschung i m Angesicht einer bestehenden Verwaltungsrechtslehre formuliert werden. I n der deutschen öffentlichen Verwaltung übt das Verwaltungsrecht traditionell eine überragende soziale Funktion aus. Heute erfordert die industrielle Gesellschaft zunehmend, daß aus dem sich ausweitenden Spielraum menschlichen Verhaltens bestimmte Handlungsmöglichkeiten als sozial verträglich ausgewählt und vorgeschrieben werden. I n der Demokratie ist primär die Volksvertretung berufen, solche Regelungen bis h i n zum Maßnahmegesetz i n Rechtsverbindlichkeiten umzusetzen und der Verwaltung zum Vollzug aufzugeben. Dabei schaffen Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe jene Flexibilität, die notwendig ist, um die unüberschaubaren Einzelfälle einer komplexen Welt und die unvorhersehbaren Zukunftsfälle einer sich wandelnden Gesellschaft sozialadäquat zu bearbeiten. I n unserem Rechtsstaat ist es die Gerichtsbarkeit, die sodann kontrolliert, ob die zwangsläufige Beweglichkeit des Verwaltens i m Sinne auch der Rechtsfrage ausgeübt wird. Die öffentliche Verwaltung ist i n unserem demokratischen Rechtsstaat i n den Handlungszusammenhang von Legislative und Judikative i n einer Weise eingestellt, die ihr Handlungssystem immer mehr rechtlich-gesetzlich durchformen läßt. Freilich kündigt sich in dem begrifflichen Gegensatz von Rechtsstaat und Verwaltungsstaat ein Spannungsverhältnis sozialer Wirksamkeiten an 1 0 9 . Eine genauere Analyse der Verfassungswirklichkeit würde zu beachtlichen Differenzierungen führen. Nicht nur die quantitative Ausdehnung der öffentlichen Verwaltung kann Folgen für die staatliche Gewichtsverteilung haben. I n Bereichen wie etwa i m öffentlichen Dienst sind Brüche zwischen gesellschaftlicher und Rechtsentwicklung zu beobachten, die vielleicht nicht mehr nur mit dem allgemeinen Phänomen der Verspätung — „time lag" — der Rechtssysteme hinter den los Vgl. Jürgen Habermas, Erkenntnis u n d Interesse, S. 9. 109 Vgl. Carl Hermann Ule, Über das Verhältnis von Verwaltungsstaat und Rechtsstaat, a.a.O., S. 127.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

sie tragenden sozialen Systemen zu erklären sind. Gewisse Verzögerungen der rechtlichen Anpassung i n Bezug auf tatsächliche Veränderungen scheinen die Ausgabe ganz neuer Handlungsregeln zu fordern. Jedoch gewährleisten die Aktivitäten von Gesetzgebung und Rechtsprechung i m Prinzip den rechtstaatlichen Gleichgewichtszustand der öffentlichen Verwaltung. Das Recht ist das zuerst maßgebliche Verhaltensmuster staatlicher Verwaltungstätigkeit. Und es ist so sehr soziale Bedingung öffentlichen Verwaltens, daß manche Position der nordamerikanischen Verwaltungsdoktrin, i n der Recht nur noch „barrier to rational behavior" ist, hier nicht nachvollziehbar, weil schon nicht erfahrungsmäßig bewährbar ist. Die Ausdehnung der Verwaltungsrechtslehre ist eben, auch was deren Grundlegung i n der Rechtspraxis der öffentlichen Verwaltung anlangt, keine Zufälligkeit der Wissenschaftsgeschichte. Wenn vor allem die Vielschichtigkeit praktischen Verwaltungshandelns von der Wissenschaft fordert, nicht nur die Systeme der Verwaltungsrechtslehre i m Sinne heutiger staatlicher Gesellschaftsgestaltungen zu entwerfen, sondern nicht-juristische Betrachtungsweisen einzuführen, so bedeutet dies nicht, daß die rechtswissenschaftliche Forschungsarbeit vermindert oder gar aufgegeben werden kann. Die Verwaltungsrechtslehre hat i n der Verwaltungswissenschaft einen von der Praxis her abgesicherten Platz. Zwar muß eine wissenschaftstheoretische Studie, die gegenüber der Reichweite der juristischen Methode etwas vom Umfang der alten staatswissenschaftlichen Verwaltungsforschung wiederherstellen w i l l , i m Hinblick auf die bestehende Verwaltungsrechtslehre zwangsläufig kritisch ausfallen. Das heißt aber nicht, die wissenschaftliche Perspektive vorzuformen i m Sinne: „Bureaucratic inflexibility is aggravated by the legal framework i n which public officials work". I m Gegenteil: Es soll das Auge dafür geschärft werden, daß — was die auf die Bindungsproblematik konzentrierte Rechtswissenschaft klarzumachen oft versäumt — die rechtlichen Verhaltensmuster notwendige Entlastung i n den komplexen Entscheidungssituationen öffentlicher Verwaltung sind. Angesichts der bestehenden Verwaltungsrechtslehre könnte man dazu neigen, das Konzept einer umfassenden Verwaltungsforschung derart zu entwerfen, daß man neben die rechtswissenschaftliche Erkenntnis der öffentlichen Verwaltung einfach die geschichtswissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche, psychologische, soziologische usw. stellt. Das ist der Gedanke der Verwaltungswissenschaften als eines Systems von Verwaltungsrecht, Verwaltungsgeschichte, Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre, Verwaltungspsychologie, Verwaltungssoziologie usw. 1 1 0 . Vom Standpunkt der Wissenschaftstheorie her könnte u ° Vgl. etwa Hans J. Wolff,

Verwaltungsrecht I, S. 55 f.; für die K o m m u -

4. Verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisinteressen

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uns das den V o r w u r f eines neuen Enzyklopädismus eintragen. Eine solche Zusammenfassung von Einzelwissenschaften würde nicht mehr als eine Synopse sein, es sei denn, man könnte belegen, daß diese Verwaltungsdisziplinen die ganze wissenschaftliche Dimension der Verwaltungsforschung ausfüllen 1 1 1 . Uber die Metatheorie zur Verwaltungswissenschaft wollen w i r uns aber gerade erst Rechenschaft geben, und da wäre schon zu fragen, was das Juristische i m Sinne der Wiener Schule des Rechts bzw. das Juristische der Uppsala Schule erreichen. Soviel scheint jedenfalls sicher: mag die substantielle Breite der Staatswissenschaft für den Gegenstand: öffentliche Verwaltung anzustreben sein, der wissenschaftstheoretische Fortschritt erlaubt es nicht, i n das Selbstverständnis von enzyklopädischen Reihungen zurückzufallen. Eine Erneuerung der staatswissenschaftlichen Methode erscheint ausgeschlossen. Genauso wenig wie die Verwaltungsrechtslehre können andere Fachwissenschaften unbesehen adaptiert werden. Demgemäß gilt unser Augenmerk den verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnisinteressen. Bei den Erkenntnisinteressen der Verwaltungsrechtslehre kann angeknüpft werden. Konstitutiver Faktor wissenschaftlicher Aussagensysteme der Verwaltungsrechtslehre ist das Interesse der Jurisprudenz an der Erkenntnis von Rechtsnormen. M i t dieser Aussage läßt sich weitreichender Schulenstreit um Recht und Rechtswissenschaft verbinden. Man kann die Rechtswissenschaft schlechthin als Normentheorie entwerfen 1 1 2 . Man kann neben den Normativismus Entscheidungsdenken und Ordnungsdenken als Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens stellen 1 1 3 . Man kann die Rechtswissenschaft aus einem Zusammenhang von Behandlungsgegenständen konzipieren, i n dem neben dem Rechtsverhältnis, dem objektiven und dem subjektiven Recht, dem Rechtssubjekt usw. auch die Rechtsnorm enthalten ist 1 1 4 . Das und anderes mehr ist nicht zuletzt davon abhängig, was man unter dem Begriff der nalwissenschaft Arnold Röttgen, Die Gemeinde als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, i n : A r c h i v f ü r Kommunalwissenschaften, 1962, S. 3 ff. 111 Z u r Problematik der Politischen Wissenschaft als einer „synoptischen Wissenschaft", „Integrationswissenschaft" vgl. etwa Dieter Oberndörfer, P o l i t i k als praktische Wissenschaft, a.a.O., S. 133 ff. Die Frage der Integration verwaltungswissenschaftlicher Forschung w i r d hier v o n der bloßen Synopse unterschieden. 112 w i e insbesondere die Wiener Rechtsschule; vgl. Hans Reisen, bes. Reine Rechtslehre; u n d v o n dems. jüngst Z u m Begriff der Norm, a.a.O., Bd. 1, S. 57 ff.; ferner etwa Robert Walter, Der A u f b a u der Rechtsordnung: Eine rechtstheoretische Untersuchung aiuf der Grundlage der Reinen Rechtslehre. 113 w i e es Carl Schmitt t u t : Über die drei A r t e n des rechtswissenschaftlichen Denkens. 114

S. 42 f.

Vgl. Ilmar

Tammelo,

Untersuchungen zum Wesen der

Rechtsnorm,

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

Rechtsnorm versteht. Insoweit sind die Regeln, nach denen Begriffe gebildet werden, schon unterschiedlich. Bei den einschlägigen Bemühungen sind Versuche begrifflicher Wesenserkenntnis wie konventioneller Begriffsfestlegung beobachtbar. Man denke an Diskussionen wie die u m die Imperativentheorie bzw. die um die Betrachtung von Einzelakten als Individualnormen. Wie dem auch immer sei: ein Zweifaches läßt sich festhalten. Einmal zeigt sich i n der notwendigen begrifflichen Arbeit, daß sich mit dem Bezug auf die Kategorie: Rechtsnorm eine Wende von der genuinen Erfahrung des Rechts zur reflektierenden Erkenntnis vollzieht. Uber das auf Rechtsnormen gerichtete Erkenntnisinteresse läßt sich Recht als Erkennnisgegenstand der Rechtswissenschaft erreichen. Zum anderen gibt es einen gewissen Kernbereich des Normbegriffs, den w i r hier außer Streit stellen können. Rechtsnormen beziehen sich auf menschliches Handeln. Sie regeln menschliches Verhalten. Sie sagen aus, wie die menschliche Handlung sein soll, und zwar von Rechts wegen. Verwaltungsrechtsnormen beziehen sich auf Verwaltungshandeln. Sie regeln das Verhalten in Verwaltung und verwalteter Welt. Sie sagen aus, wie die i n der öffentlichen Verwaltung relevanten Handlungen als rechtliche sein sollen. Insofern kann man sagen, daß das Erkenntnisinteresse der Verwaltungsrechtslehre als Rechtswissenschaft sich auf Rechtsnormen richtet und daß dieses Interesse die Erkenntnisleistungen der Verwaltungsrechtswissenschaft konstituiert. Das juristische Herkommen der Verwaltungsforschung, die meint, daß etwas besteht — und zwar auch als wissenschaftlicher Gegenstand —, was mehr oder weniger bedeuten kann als die Wirklichkeit der menschlichen Handlungssituation, läßt sich i n einem allgemeinen Zusammenhang sehen. Man kann über das Rechtlich-Gesollte hinausgehen, z. B. Normen der Moral mitumfassen, das Normative überhaupt anzielen. Verwaltungswissenschaft hat derart A n t e i l an allen Regeln, Vorschriften, Maßstäben, Richtschnüren, die i n der öffentlichen Verwaltung m i t dem Anspruch auftreten, daß menschliches Handeln so und so sein soll. Ein solches Erkenntnisinteresse der Verwaltungswissenschaft stellt auf die Normativität des Verwaltungshandelns ab. Die grundlegende Begrifflichkeit der Rechtsnorm mit ihrer wissenschaftsbestimmenden Funktion läßt sich aber nicht nur zur Normativität verallgemeinern, sondern, wie sich schon aus der obigen Bezugnahme auf die Handlungswirklichkeit ergibt, i n ein kategoriales System der Verwaltungswissenschaft einstellen. W i r werden für unsere Umfangsanalyse ohne einen Anspruch auf Ausschließlichkeit — man denke nur an ein „historisches Interesse" 115 — folgende Erkenntnisii5 Vgl. Heinrich

Richert,

Kulturwissenschaft u n d Naturwissenschaft, S. 84.

4. Verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisinteressen

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interessen unterscheiden: erstens das Erkenntnisinteresse an der Realität des Verwaltungshandelns, zweitens das Erkenntnisinteresse an der Potentialität des Verwaltungshandelns, drittens das Erkenntnisinteresse an der Idealität des Verwaltungshandelns, viertens das Erkenntnisinteresse an der Normativität des Verwaltungshandelns. I n der Philosophie stehen solche grundlegenden und allgemeinen Begriffe wie Realität usw. i n thematischen Zusammenhängen, die über die Erkenntnistheorie hinaus i n die Grundprobleme des Seienden hineinreichen. Kategorien wie Sollen haben oft verschlungene Wege zurückgelegt, bis sie von der Ontologie herkommend für die Methodologie einer Einzelwissenschaft fruchtbar gemacht worden sind. Da ihre Anwendbarkeit i m Bezugsfeld zwischen menschlichem Handeln und wissenschaftlicher Erkenntnis gesichert ist, pflegen die Wissenschaftstheorien den komplexen Bedeutungen nicht mehr nachzugehen, die sich i n der Philosophiegeschichte mit solchen Begriffszusammenhängen verbinden. Weil es uns darauf ankommt, zunächst einmal aus dem kategorialen System etwas von der erkenntnistheoretisch-methodologischen Breite einer umfassenden Verwaltungsforschung aufzuzeigen, w i r d das insoweit Relevante, nicht die tieferreichende philosophische Abhängigkeit erörtert. Indes verlangt gerade der Verzicht auf die ontologischen Verfeinerungen des Rahmenwerks zur Theorie der Verwaltungswissenschaft einen prinzipiellen Vorbehalt: Es geht nicht darum, Begriffe wie Wirklichkeit und Möglichkeit als absolute Bestimmungen zu fassen. Nicht die metatheoretische Klassifikation i m Sinne einer strengen Wissenschaftslogik ist beabsichtigt. Wirklichkeit und Möglichkeit menschlichen Handelns sind keine Größen, die unabhängig voneinander i m Gange der Entwicklung existieren. Entsprechend scheint die Wissenschaft nicht i n der scharfen Trennung reiner Lehren über sie aussagen zu können. Auch hier kann auf juristische Tradition der Verwaltungswissenschaft verwiesen werden. Die Jurisprudenz interessiert sich für die menschliche Handlung, welche sein soll. Sie zielt mindestens nicht i n erster Linie auf das tatsächliche Verhalten der Menschen, sondern auf den rechtsnormativen Sinn sozialen Handelns. Und doch erweist sich, daß nicht nur das Recht i n vielschichtiger Abhängigkeit von der Lebenswirklichkeit steht, sondern daß auch die Aussagensysteme der Rechtswissenschaft alles andere sind als reine Deduktionen aus Sollsätzen. I n der Geschichte der Methodenlehre der Rechtswissenschaft ist die behauptete „vollkommene Disparität von Sein und Sollen" 1 1 6 auf vielfältige Weise zurückgewiesen worden. Die Theoretiker des strengen Normativismus haben sich 116 Hans Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre: Entwickelt aus der Lehre v o m Rechtssatze, S. 7; vgl. etwa noch Ulrich Klug, Die Reine Rechtslehre von Hans Kelsen u n d die formallogische Rechtfertigung der K r i t i k an dem Pseudoschluß v o m Sein auf das Sollen, a.a.O., S. 153 ff.

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1. Kap.: Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

vorhalten lassen müssen, daß sie schließlich bei der bloßen Faktizität endeten. Die fachwissenschaftliche Methodologie von der Interessenjurisprudenz bis zur Wertungsjurisprudenz enthält gegenläufige Tendenzen. Die Rechtsphilosophie hat sich um kategoriale Einsichten bemüht, indem sie gefragt hat, ob nicht die dualistische Trennimg von Sein und Sollen auf einem zu engen, auf das Reale beschränkten Seinsbegriff beruhe, wohingegen auch Normen Sein, nämlich ideales Sein, seien 117 . I m letzteren zeigt sich, daß die ontologische Fragenebene näher einbezogen wird. W i r entnehmen aus der Entwicklung der Rechtswissenschaft den Hinweis, daß man kategoriale Unterscheidungen wie Realität und Normativität i n ihrem heuristischen Wert nutzen und auf wissenschaftsbestimmende Differenzierungen h i n untersuchen kann, daß man aber diese allgemeinen und grundlegenden Begriffe nicht zu absoluten Trennungen der Wissenschaftsphilosophie — wie i m übrigen auch nicht der Ontologie — zu fixieren suchen darf.

117 Vgl. zur K r i t i k an der Trennimg v o n Sein u n d Sollen grundlegend Erich Kaufmann, K r i t i k der neukantischen Rechtsphilosophie: Eine Betracht u n g über die Beziehungen zwischen Philosophie u n d Rechtswissenschaft; eine Zusammenfassung bei Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 74 ff.; aus der Sicht der Rechtspflicht Hans-Ludwig Schreiber, Der Begriff der Rechtspflicht: Quellenstudien zu seiner Geschichte, S. 133 ff.; zur Bedeutung von „Sollen" bei Kelsen vgl. Kafl Leiminger, Die Problematik der Reinen Rechtslehre, S.24ff.

Zweites Kapitel

Realität des Verwaltungshandelns 1. Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft

Ein erstes Erkenntnisinteresse der Verwaltungswissenschaft richtet sich auf die Realität des Verwaltungshandelns. Verwaltungsforschung hat die tatsächlichen Gegebenheiten der öffentlichen Verwaltung aufzudecken. Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft steht außer Streit. Mag die Verwaltungsrechtslehre darauf beharren, daß die j u r i stische Methode die eigentliche wissenschaftliche Betrachtungsweise der öffentlichen Verwaltung sei, weil es i m Rechtsstaat auf das rechtlich richtige Handeln der Staatsorgane ankomme, mag der nichtjuristischen Verwaltungslehre nicht die Stellung einer eigenständigen Wissenschaft, sondern die einer Hilfsdisziplin zur Ergänzung der Verwaltungsrechtswissenschaft beigemessen werden, es bleibt für die Verwaltungswissenschaft, Wirklichkeitsbefunde zu liefern, die man aus der Dogmatik des Verwaltungsrechts für nicht erfaßbar hält 1 . Wissenschaftliches Erkenntnisinteresse, welches auf Aussagen über die Realität menschlichen Handelns abzielt, steht i n der Mitte des Selbstverständnisses der modernen Sozialwissenschaften. Nicht nur für eine Wissenschaftsphilosophie, die als Empirismus alle Erkenntnis aus der Sinneserfahrung ableitet, bedarf solches Interesses keiner weiteren Begründung. Streitig war und ist indes, welchen Anfang, welchen Weg, welches Ende menschliche Erkenntnis zu nehmen hat, u m m i t dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit über die soziale Wirklichkeit aussagen zu können. Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft sieht sich so i n den Zusammenhang philosophischer Ewigkeitsfragen eingestellt, deren erste etwa lauten könnten: Gibt es überhaupt eine außerhalb des Bewußtseins liegende Wirklichkeit? Gibt es als Fundament der Erkenntnis das vom Subjekt unabhängige Wirkliche? Ist Erkenntnis eine Abbildung oder Widerspiegelung der objektiven Realität i m menschlichen Bewußtsein? Gibt es kein Allgemeines, sondern nur Individuelles, und ist das Allgemeine nur Name? Besteht Erkennt1 Kennzeichnend Ernst Forsthoff , Anrecht u n d Aufgabe einer tungslehre, a.a.O., S. 47 ff.

Verwal-

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. Kap.:

ealität des Verwaltungshandelns

nis letztlich i m Zuordnen von Wörtern als Zeichen zu realen Gegebenheiten? Ist das Subjekt Erkenntnisfundament und gibt es keine Subjekt- und so auch erkenntnisunabhängige Wirklichkeit? Ist Erkenntnis ein Modus hantierenden Umgehens m i t Dingen? Angesichts der Komplexität solcher Problemüberlieferungen muß die Wissenschaftstheorie der Sozialwissenschaften Verfahrensweisen der Reduktion entwickeln. Sie kann i n ihren fachwissenschaftlichen Wissenschaftslehren nicht das ganze Gewicht philosophischer Auseinandersetzungen mitführen. Sie entlastet sich m i t h i n einmal dadurch, indem sie die unmittelbar interessierenden Grundfragen ihres Selbstverständnisses aufgreift, diese nun nicht sogleich i n traditionelle philosophische Systeme einordnet, sondern als Kernprobleme sozialwissenschaftlicher Methodologie behandelt, um die herum der Gesprächsstoff entfaltet wird. Man denke etwa an den schon klassischen Werturteilsstreit oder an die neueren Auseinandersetzungen über Modelle der Anwendung von Wissenschaft. Zentral für die Erkenntnis sozialer Wirklichkeit w i r d so insbesondere das Basisproblem 2 . Die alte Frage, wie realwissenschaftliche Aussagen m i t den Erfahrungsgrundlagen zusammenzubringen sind, muß gerade für den modernen Empirismus dringlich sein: Wie sind als erfahrungswissenschaftliche konzipierte Hypothesen empirisch zu überprüfen? Es gibt in der heutigen Wissenschaftslehre eine spezifisch sprachanalytische Beschränkung des Basisproblems: Für jene Richtung geht es darum, theoretische Sätze m i t Sätzen zusammenzuhalten, i n denen Ergebnisse von Beobachtungen und Experimenten sprachlich festgehalten werden. Denn Theorien gelten als aus Sätzen bestehend, und Sätze können nur durch andere Sätze kontrolliert werden. Beobachtungen und Experimente sind aber keine Sätze, sondern Erlebnisse und Handlungen. So braucht man Wahrnehmungsprotokolle. Aus Protokollsätzen, die Erlebnisse darstellen, w i r d die empirische Triftigkeit von theoretischen Sätzen belegt. Es erhellt, daß damit die Unklarheit i m Verhältnis von Theorie und Erfahrung nur verschoben ist und i n der Beziehung von Protokollsätzen und protokollierten Erlebnissen wiederkehrt. Ob die Aussage eines Erfahrungswissenschaftlers wahr ist, hängt davon ab, welche 2 Vgl. zu einer Einführung Victor Kraft, Der Wiener Kreis: Der Ursprung des Neopositivismus, S. 105 ff.; Wolf gang Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, S. 445 ff.; grundlegend heute Karl R. Popper, Logik der Forschung, bes. S. 6Qff.; zur K r i t i k Albrecht Wellmer, Methodologie als Erkenntnistheorie: Z u r Wissenschaftslehre K a r l R. Poppers, bes. S. 110 ff.; ferner die Auseinandersetzung: Jürgen Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie u n d Dialektik, a.a.O., S. 489 ff.; Hans Albert, Der Mythos der totalen Vernunft, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie und Sozialpsychologie, 1964, S. 238 ff.; Jürgen Habermas, Gegen einen positivistisch halbierten Rationalismus, i n : Kölner Zeitschrift für Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1964, S. 640 ff.; Hans Albert, I m Rücken des Positivismus?, i n : Kölner Zeitschrift für Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1965, S. 886 ff.

1. Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft

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Eigenschaften die von uns erfahrene Welt besitzt. Die Frage ist, ob i n der Konfrontation mit der Erfahrung mehr als Konventionen der erkennenden Menschen oder gar nur Dezisionen des Forschers enthalten sind. Das w i r d insbesondere auch angesichts des i m Zusammenhang mit der allgemeinen Theorie der Falsifikation entwickelten Lösungsvorschlages diskutiert. Popper weist darauf hin, daß Gesetzeshypothesen überhaupt nicht empirisch verifiziert werden könnten, w e i l ein induktiver Beweis nicht möglich sei. Diese Hypothesen hätten i n der Gestalt unbeschränkter Allsätze eine unbegrenzte Zahl prinzipiell möglicher A n wendungsfälle, während die Reihe der Beobachtungen, durch die die Hypothese jeweils an einem Falle überprüft würde, prinzipiell endlich sei. Gesetzeshypothesen ließen sich allenfalls indirekt empirisch begründen, indem sie der Falsifikation standhielten: „ W i r fordern zwar nicht, daß das System auf empirisch-methodischem Wege endgültig positiv ausgezeichnet werden kann, aber w i r fordern, daß es die logische Form des Systems ermöglicht, dieses auf dem Wege der methodischen Nachprüfung negativ auszuzeichnen: Ein empirisch-wissenschaftliches System muß an der Erfahrung scheitern können" 3 . Zur Falsifikation bedarf es der Basissätze, die Beobachtungen formulieren. Aber für diese Basissätze gilt dann ein entsprechendes Verifikationsproblem: Logische Verhältnisse zwängen nicht dazu, bei bestimmten Basissätzen stehenzubleiben und diese anzuerkennen. Keiner der in ihnen auftretenden Universalausdrücke könne durch noch so viele Beobachtungen verifiziert werden. „Es transzendieren also nicht nur die mehr abstrakten, erklärenden Theorien die Erfahrung, sondern auch die gewöhnlichsten Einzelsätze. Denn selbst gewöhnliche singuläre Sätze sind stets Interpretationen der Tatsachen' i m Lichte von Theorien" 4 . Noch i n den elementarsten Ausdrücken der Basissätze seien Annahmen über gesetzmäßiges Verhalten von beobachteten Dingen enthalten, die prinzipiell nicht verifizierbar seien. Die Basissätze enthalten somit eine Komponente der Festsetzung. Es steht die Frage, ob die empirische Forschung zu konventionalistischen oder gar dezisionistischen Verfahrensweisen gerät oder ob realwissenschaftliche Aussagen objektive Komponenten zu enthalten vermögen, welche die Forderung, die Aussagen jedes Erfahrungswissenschaftlers müßten 3 Karl

R. Popper, Logik der Forschung, S. 15.

4 Karl R. Popper, Logik der Forschung, S. 377 f.; vgl. auch S. 60 ff. Popper weist darauf hin, daß der Satz: „ H i e r steht ein Glas Wasser" durch keine Erlebnisse verifiziert werden könne, w e i l die auftretenden Universalien nicht bestimmten Erlebnissen zugeordnet werden könnten. Die „unmittelbaren Erlebnisse" seien n u r einmal „unmittelbar gegeben", seien einmalig. M i t den Worten „Glas" u n d „Wasser" w ü r d e n aber physikalische Körper von bestimmtem gesetzmäßigem Verhalten bezeichnet. 5 Speyer 46

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. Kap.:

ealität des Verwaltungshandelns

intersubjektiv nachprüfbar sein, besser begründen. Führt ein Weg zurück zu einer sensualistischen Philosophie, nach der uns elementare Sinnesdaten intuitiv, unmittelbar evident gegeben sind? Oder können w i r als hermeneutisches Vorverständnis das kontrollierbar machen, was bei der Formulierung der Basissätze Applikation von Regelhaftigkeit ist? Ist der realwissenschaftliche Forschungsprozeß Teil eines umfassender zu verstehenden Lernprozesses, der Elemente der Überprüfung aus Handlungsergebnissen enthält? Auch solche Probleme sind i n ihrem sozialwissenschaftlichen Zuschnitt noch zu vielfältig, als daß sie jeweils i n die konkrete wissenschaftliche Arbeit unbeschränkt hineingenommen werden könnten. Die empirische Sozialforschung entlastet sich daher weiter, indem sie zwischen „Forschungslogik" und „Techniken der Forschung" eine gewisse Abtrennung vollzieht und das Instrumentarium methodischer Arbeitsweisen verfeinert, ohne sich jeweils darüber Rechenschaft zu geben, welches die erkenntnistheoretisch-methodologischen Grundvoraussetzungen ihres Gebrauchs sind. Wenn auch die wissenschaftstheoretische Diskussion heute i n einer Weise geführt wird, die es kaum zuläßt, Methodenlehre als eine bloße Kodifizierung von Techniken zu entwerfen, so entwickelt sich doch ein erfahrungswissenschaftliches Selbstbewußtsein, das von der wissenschaftsphilosophischen Einsicht: „die empirische Basis der objektiven Wissenschaft" ist „nichts ,Absolutes'; die Wissenschaft baut nicht auf Felsengrund" (Popper 5), nicht ständig gefährdet wird. Das gilt vor allem für die Versuche, menschliches Verhalten zu messen, quantitative Verhältnisse sozialer Größen zu bestimmen, Eigenschaften eines erfahrungswissenschaftlichen Gegenstandes durch Vergleich mit einer geordneten Menge gleichartiger Eigenschaften einem Meßwert zuzuordnen. Hierbei geht es nicht nur u m quantitative Merkmale selbst, die sich nach Maß, Grad, Quantität ausdrücken, sondern auch u m qualitative Ausprägungen. Auch qualitative Merkmale werden quantifiziert. Ein qualitatives Merkmal wie berufliche Einstellung w i r d auf den implizierten Grad von Positivität oder Negativität dem Gegenstand gegenüber reduziert; die Qualität Beruf w i r d i n quantitative Dimensionen zerlegt: Grad der Abhängigkeit oder Selbständigkeit, Grad der erforderlichen Ausbildung, A n t e i l körperlicher i m Gegensatz zu geistiger Tätigkeit. Das qualitative Merkmal w i r d zum mehrdimensionalen quantitativen, usw. M i t dem Fortschreiten von der klassifikatorischen über die komparative zur quantitativen Begrifflichkeit verbindet sich eine besondere Exaktheitsvorstellung 6 . ß Logik der Forschung, S. 75. 6 V o n der Frage der Quantifizierung ist die der Anwendung mathematischer Darstellungsformen zu unterscheiden. Mathematik ist nicht auf quantitative Größen beschränkt.

1. Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft

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Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft kann aus der Vielfalt der Methoden Nutzen ziehen, die bereits i m A l l t a g empirischer Sozialforschung bewährt sind: Befragung, Beobachtung, Experiment und Inhaltsanalyse, Skalierungsverfahren, Einzelfallstudie, Stichprobenverfahren, Panel-Untersuchung und vieles mehr. Die Problematik einer empirischen Verwaltungsforschung liegt deshalb w o h l weniger an den verfügbaren Techniken, als darin, daß sie bisher einfach kaum betrieben worden ist. Während Empirie i n anderen Lebensbereichen bereits das Primat zu beanspruchen scheint, ist die öffentliche Verwaltung noch wenig mit erfahrungswissenschaftlichen Methoden untersucht worden. So steht die Verwaltungswissenschaft vor der A u f gabe, sich von der Wirklichkeit öffentlichen Verwaltens i n ihrer ganzen Reichweite Rechenschaft zu geben. Hier ist auf ein gewisses Dilemma der empirischen Forschung zu achten. Gerade die durch die Exaktheit ihrer Methodik ausgewiesenen Verfahrensweisen sind oft dadurch charakterisiert, daß sie nur schmale Ausschnitte aus dem Zusammenhang konkreter Lebensverhältnisse bearbeiten. Dem steht die Forderung gegenüber, auch die Breite sozialer Abhängigkeit vorzustellen. Die Verwaltungswissenschaft w i r d bei allem Ansehen neuer Entwicklungstendenzen: Simulationsforschung — computer simulation —, mathematische Soziologie, Faktorenanalyse, die diese aus ihrer hohen Nachprüfbarkeit gewinnen, ihre spezifischen Bedürfnisse zu erfüllen haben und so fragen müssen, ob sie nicht auch weniger formalisierte Methoden benötigt. Die technische Verfeinerung liefert bessere Forschungsmittel, ist aber nicht Selbstzweck. Entsprechend ist die Verwaltungswissenschaft vor allem auch auf jenes klassische Verfahren der Sozialforschung angewiesen, das als Beobachtung i n der rezeptiven Erfassung wahrnehmbarer Tatbestände besteht 7 . Wissenschaftliche Beobachtung unterscheidet sich von der genuinen Alltagserfahrung dadurch, daß sie einem Forschungsziel dient, systematisch geplant und nicht nur dem Zufall überlassen ist, systematisch aufgezeichnet wird, nicht bloß Sammlung von Merkwürdigkeiten ist und der Nachprüfbarkeit unterworfen ist. Die Beziehung zur theoretischen Frageebene kann verschieden ausgestaltet sein. Es kann darum gehen, ohne bestimmtes theoretisches Interesse die beobachtbaren Verhaltensketten i n einem Handlungsbereich zu beschreiben. Man kann sein Augenmerk weiter auf explizit bezeichnete Zusammenhänge sozialer Interaktion richten. Schließlich kann man i m direkten Bezug auf theoretische Aussagen Handlungsbedingungen und Handlungsfolgen zu erforschen suchen. Man kann also deskriptive Ab7 Vgl. zu einem Überblick Maria Jahoda / Morton Deutsch / Stuart W. Cook, Beobachtungsverfahren, a.a.O., S. 77 ff.; René König, Die Beobachtung, a.a.O., Bd. 1, S. 107 ff.; Renate Mayntz / Kurt Holm / Peter Hübner, Einführung i n die Methoden der empirischen Soziologie, S. 87 ff.

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sichten verfolgen, Bausteine zu systematischer Begriffs- und Hypothesenbildung zusammentragen wollen und letzlich die wissenschaftliche Erklärung beabsichtigen. Von den Vorteilen, die Beobachtungsverfahren gerade für die empirische Verwaltungswissenschaft ergiebig erscheinen lassen, seien zwei genannt: einmal der, explorative Einsicht i n die vielschichtige und weitläufige Situation administrativen Handelns zu bekommen, zweitens der, spezifisches Verständnis für die Intentionen und Bedeutungen des Verwaltungshandelns auszunutzen. Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft hat es mit einem hochkomplexen Handlungssystem zu tun. Die Schwierigkeiten ihres empirischen Interesses werden dadurch vermehrt, daß Verwaltungswissenschaft i n erfahrungswissenschaftlichen Primäranalysen bisher kaum betrieben worden ist. Die Forschungsfragen sind noch undeutlich. Der allgemeine realwissenschaftliche Bezugsrahmen ist schwer abzuzeichnen, öffentliche Verwaltung ist aus der Sicht empirischer Forschung ein noch relativ unbekannter Gegenstand. Die Verwaltungswissenschaft braucht grundlegende Informationen der Erfahrung. Sie befindet sich i n einem explorativen Stadium. Hier ergeben sich besondere Probleme, wenn m i t streng systematisierter Technik isolierte Gegenstände aus dem Kontext sozialen Handelns herausgeschnitten werden, ohne daß man sich über weiterreichende Interdependenzen verständigen kann. Es besteht das Bedürfnis, erst einmal die elementaren Handlungsstrukturen kennen zu lernen. Die i m explorativen Stadium zu vollziehenden Beobachtungsverfahren müssen so möglichst offenbleiben. Sie müssen Aufmerksamkeit für alle vorhandenen Verhaltensabläufe freihalten. Es dürfen nicht nur Techniken entwickelt werden, die nach ihrem stringent gelenkten Vorgehen jeweils entsprechend bestimmte Ausschnitte des Administrativen i n den Blick bringen. Die methodische Determinierung darf nicht verhindern, daß die Breite und Mannigfaltigkeit des Erfahrungsstoffes: öffentliche Verwaltung verfügbar wird. Als besonders geeignet zur Exploration hat sich der teilnehmende Beobachter erwiesen 8 . Die Eigenart seiner rezeptiven Haltung vermeidet schon Widerstände, die sich bewußt oder unbewußt einstellen, wenn menschliches Handeln Gegenstand erfahrungswissenschaftlicher Forschung ist. Er braucht wenig zu Reaktionen des Untersuchungsobjekts herauszufordern, nicht einmal zu den verbalen des Interviews. Er paßt sich selbst in das soziale Feld ein, i n dem er Verhaltensabläufe beobachtet. Er übernimmt eine Mitgliedschaftsrolle i n dem sozialkulturellen System, das zu erforschen ist. Aus dieser Unmittelbarkeit gewonnener Einsichten ist es möglich, ein vielfältiges Erfahrungsmate8 Vgl. noch Florence Kluckhohn, Die Methode der teilnehmenden Beobachtung i n kleinen Gemeinden, a.a.O., S. 97 ff.

1. Verwaltungsissenschaft als Realwissenschaft

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rial verfügbar zu machen. Freilich zeigt sich vor allem bei der teilnehmenden Beobachtung das Problem der Rückbeeinflussung — feedback — als gegenseitige Beeinflussung von Beobachter und Beobachtungsobjekt. Je mehr sich der teilnehmende Beobachter m i t der gewählten sozialen Rolle identifiziert, umso schwerer w i r d es sein, den theoretischen Bezugsrahmen bewußt zu halten. Es gilt deshalb für diese Verfahrensweise wie für andere empirische Methoden, daß wissenschaftliche Erfahrung ein gewisses Maß an Systematisierung fordert. Beobachtungspläne, Beobachtungsprotokolle, Beobachtungsschemata, Beobachtungskategorien sind Kennzeichen dafür, daß der wissenschaftliche Beobachter die A r t genuiner Alltagserfahrung verläßt, aus dem Bezugssystem des sozialen Handelns heraustritt und eben der spezifisch wissenschaftlichen Zielorientierimg folgt. Entsprechend müssen Prinzipien wissenschaftlicher Kontrollierbarkeit eingehalten sein, u m Gültigkeit und Zuverlässigkeit der Feststellungen überprüfen zu können. Andererseits hat der teilnehmende Beobachter aber den Vorteil, daß ihm durch die Übereinstimmung der Erlebnisse das Verstehen des Sinns der beobachteten Handlungen besonders ermöglicht wird. M i t dieser Aussage über das „Verstehen" von Sinn menschlichen Handelns erreichen w i r eine Wendemarke i n der Entwicklung des Wissenschaftsprogramms einer Verwaltungswissenschaft überhaupt. W i r müssen uns daher über die Sinnproblematik beim Beobachtungsverfahren und darüber hinaus für die sozialwissenschaftliche Forschung i m allgemeinen Rechenschaft geben. Zunächst: Gehört zur Wissenschaftlichkeit des Beobachtens die reflektierte Aneignung subjektiver Intentionen und objektiver sozialer Bedeutungen menschlichen Handelns? Dazu heißt es etwa, daß zum Beobachten notwendigerweise das Verständnis oder die zutreffende Interpretation des subjektiven Sinns und der objektiven Bedeutung einer bestimmten Handlung oder Verhaltenssequenz gehöre: „Ohne ein solches Verstehen bliebe die Beobachtung blind und sozialwissenschaftlich irrelevant". Unerläßliche Voraussetzung für die wissenschaftliche Objektivität des Beobachtens sei die Aneignung des sich i n beobachtetem Verhalten manifestierenden Sinns und seiner sozialen Bedeutung. Nicht durch die reflektierte Aneignung der i m beobachteten sozio-kulturellen System geltenden Sinn- und Bedeutungszusammenhänge werde die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der m i t Hilfe der Beobachtung gewonnenen Daten gefährdet, sondern gerade umgekehrt dadurch, daß der Beobachter dem Beobachteten sein eigenes Sinnverständnis „andichte" 9 . A u f solche Überlegungen kann man nach den heutigen Wissenschaftslehren in drei Richtungen antworten. Einmal kann man eine streng 9 Renate Mayntz / Kurt Holm / Peter Hübner, der empirischen Soziologie, S. 87 f.

Einführung i n die Methoden

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empirische Position etwa neopositivistischen Herkommens vertreten. Dann w i r d man eine Sinnhaftigkeit menschlichen Handelns nicht als etwas positiv Gegebenes anerkennen. Man w i r d das äußerlich Feststellbare vermissen. Da man die allein i n positiver Beobachtung, positiver Messung und positivem Experiment gegründete Erfahrung mit wissenschaftlicher Erkenntnis schlechthin gleichsetzt, w i r d man der introspektiven Methodik jede wissenschaftliche Geltungskraft absprechen. Man w i r d die interpretative Aneignung sozialer Sinngehalte nicht als wissenschaftlich bewährbare Aussagen akzeptieren. Wer anders etwa aus der Tradition unserer Geisteswissenschaften kommt, w i r d das Verstehen des Handlungssinns für einen selbstverständlichen Bestandteil einer Wissenschaft vom Menschen i n der Gesellschaft halten, sei er als Wissenschaftler Sozialphilosoph, Jurist, Politologe, Sozialpsychologe, Soziologe oder Wirtschaftswissenschaftler. Er w i r d sich vielleicht nicht einmal m i t der reflektierten Aneignung von Handlungsintentionen und sozialen Bedeutungen zufrieden geben, sondern darüber hinaus „Wesensschau" verlangen, d. h. geistige Akte, durch die der Forscher des „Wesens" der Dinge inne wird. Schließlich kann man einer irgendwie gearteten Zwischenposition anhängen. Man zweifelt etwa an der Zuverlässigkeit der Introspektion, an der interpersonalen Verbindlichkeit des Verstehen. Man w i r f t die Frage der Kontrollierbarkeit der Erkenntniswege auf. Hingegen w i l l man sich auch nicht damit zufrieden geben, daß wissenschaftliche Erkenntnis sich nur i n dem positiven Schema von Reiz und Reaktion — stimulus and response — vollzieht. Man erkennt an, daß hinter den erfahrbaren Motiven des Handelns subjektive Intentionen und objektive Bedeutungen stehen, die Beachtung verlangen. Angesichts dessen erscheint der konsequent behavioristische Standpunkt einer Reductio ad actionem unangemessen. So weist man dann dem Verstehen den Stellenwert etwa einer „ersten Etappe i m Erkenntnisprozeß" zu 1 0 . Bereits i n diesen Antworten w i r d etwas vom Umfang der allgemeinen Sinnproblematik i n den Sozialwissenschaften einsichtig. Da es ihre Komplexität verbietet, sie abschließend vorzustellen, sei ihre Relevanz für Verwaltung und Verwaltungswissenschaft i n folgender Zusammenstellung einschlägiger Fragen angedeutet: K a n n man aus der Perspektive eines existenzphilosophischen Ansatzes beim eigentlichen und letzten Selbstsein des einzelnen Menschen öffentliche Verwaltung wissenschaftlich als Mechanisches, Inauthentisches qualifizieren? Wie können Lehren vom Sinn der Geschichte — etwa durch den MarxismusLeninismus — entwickelt werden, und gibt es einen Sinn der Verwaltungsgeschichte? Wie kommt ein Funktionalismus dazu, für die 10 Vgl. i m vorliegenden Zusammenhang René König, a.a.O., Bd. 1, S. 110.

Die Beobachtung,

1. Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft

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öffentliche Verwaltung nicht Kausalhypothesen, sondern Substitutionsregeln — funktionale Äquivalenzen — aufzustellen? Muß man Verwaltungswissenschaft den Geisteswissenschaften zurechnen, die von den Naturwissenschaften scharf zu trennen sind, weil sie sich m i t der geistig-kulturellen Betätigung des Menschen, m i t Zweckvorstellungen, Wertbeurteilungen, Sinngebungen beschäftigen? Bedarf Verwaltungswissenschaft einer von kausalen Prinzipien abzuhebenden Wissenschaftslehre der Sinnanalyse? Kann man m i t dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit platonische Idealitäten vom Verwaltungsstaat entwerfen? Wie kann Max Weber von einer „rationalen Verwaltung" sprechen, und wie kann Wissenschaft zur Rationalisierung der Verwaltung beitragen? Gibt es rechtlichen Sinn und Zweck des Verwaltungshandelns, und kann Verwaltungsrechtslehre rechtsnormative Bedeutungen aufspüren? Wie kann man als Wissenschaftler vom Gedanken kommunaler Selbstverwaltung, von der Staatsidee i m Verwaltungsbereich sprechen? Haben Verwaltungslehrer 1 1 recht, wenn sie sagen: „Die Verwaltungslehre als Zweig der Sozialwissenschaften hat es m i t sozialen Verbänden zu tun. Soziale Verbände sind stets sinnbehaftet. Zum Sein der sozialen Verbände gehören auch Zwecke. Eine Seinslehre, die diese Zwecke nicht einbezieht, ist wissenschaftlich wertlos?" Solche und andere Fragen mehr bezeichnen Probleme der Verwaltungswissenschaft und ihrer Metatheorie, sofern man sie nicht als Wesensfragen ganz der Philosophie übertragen mag. Ihre Beantwortung muß erlernt werden. Zunächst kommt es darauf an, eine Ausgangsposition zu bezeichnen. Hierfür stellen w i r diejenigen philosophischen Grundprobleme zurück, die die Ontologie m i t den Begriffen Sinn — z. B. Sinn, Wert, Zweck — und Kausalität — z. B. eindeutige Determiniertheit, wahrscheinlichkeitstheoretische Festlegung — verbindet. Zudem können w i r außer Streit stellen, daß es Sinnhaltiges i m gesellschaftlichen Handeln des Menschen gibt. Auch Anhänger eines gezielt empirischen Wissenschaftsprogramms räumen das ein. Was den Menschen sonst immer zu seinen Verhaltensreaktionen stimulieren mag, i n seinem gesellschaftlichen Handeln verfolgt er auch Zwecke, orientiert sich an Werten, setzt sich Ziele, befolgt Normen usw. Soziales Handeln ist intentionales Handeln, und diesem subjekt i v vermeinten Sinn entspricht ein als objektive Bedeutung gesellschaftlichen Handelns zusammenhängendes Sinngefüge. Ein Schachspiel ist nicht nur spielerische A k t i v i t ä t , adaptives Verhalten, sondern auch Regelbefolgung und Spielregel, spielerische Strategie und „richtige" Strategie. Entsprechend unterscheiden w i r zwischen W i r i i Werner

Thieme,

Verwaltungslehre, S. 4.

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ealität des Verwaltungshandelns

kungszusammenhängen und Sinnzusammenhängen sozialen Handelns, womit einmal die Zusammenhänge von Stimuli und Verhaltensreaktionen, zum anderen die Zusammenhänge subjektiver Intentionen des Menschen und objektiver Bedeutungen des gesellschaftlichen Handelns gemeint sind. Unser Problem ist nicht, ob es Sinnzusammenhänge i m menschlichen Handeln gibt — darüber belehrt uns schon die genuine Erfahrung des Alltags —, sondern ob — über die kommunikativen Erfahrungen des praktischen Lebens hinaus — zu Sinnzusammenhängen, hier i m Bereich der öffentlichen Verwaltung, Aussagen möglich sind, die sich als wissenschaftliche qualifizieren lassen. Die Kontroverse, ob ein Wissenschaftsprogramm nicht nur der Sinneserfahrung, sondern auch der Sinnerkenntnis begründbar ist, beherrscht heute weite Bereiche der sozialwissenschaftlichen Methodendiskussion. Sie findet insbesondere i n dem Begriffspaar von „Erklären" — der Wirkungszusammenhänge — und „Verstehen" — der Sinnzusammenhänge — ihre Feldzeichen und w i r d i n immer neuen Studien verfeinert 1 2 . A u f der einen Seite äußert sich eine szientistische Konzeption der Sozialwissenschaften, die sich i n realwissenschaftlicher Einheit mit den Naturwissenschaften meint. Sozialwissenschaften werden als empirisch-analytische Verhaltenswissenschaften angesehen. A u f der anderen Seite w i r k t die hermeneutische Tradition der Geisteswissenschaften, wie sie insbesondere i n den historisch-interpretativen Wissenschaften angelegt ist. Sozialwissenschaften haben über die Erscheinungen der menschlichen Kulturwirklichkeit auszusagen. I n einigen Wissenschaftsbereichen w i r d solcher Dualismus noch wenig ausgetragen. So unterliegt insbesondere die Jurispudenz bei uns fast ganz dem Eindruck geisteswissenschaftlicher Methodologie. I m allgemeinen aber stehen die Erkenntnisprogramme der analytischen Wissenschaftstheorie — für die heute insbesondere Popper 13 zu nennen ist — und der hermeneutischen Wissenschaftsphilosophie — für die heute insbesondere das Werk Gadamers u gilt — noch recht unversöhnt einander gegenüber. Wegen dieses Gegensatzes muß auch die metatheoretische Problematik des Verstehens von Handlungssinn i n ihrer konsequenten Zuspitzung gesehen werden. Wie dann weiter die erkenntnistheoretischmethodologische Grundlage einer einmal bejahten Sinnanalyse beschaf fen ist, ob auch erklärende Argumente verstanden werden müssen, ob es auch eine Erklärung des Verstehens gibt — eine erklärende Theorie 12 Vgl. jüngst etwa einerseits Hans Albert, T r a k t a t über kritische V e r n u n f t ; andererseits Jürgen Habermas, Z u r Logik der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische Rundschau, 1967, Beiheft 5. !3 Logik der Forschung. 14

Wahrheit u n d Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik.

2. Hechtsanwendungslehre und Verwaltungswirklichkeit

73

menschlichen Deutungsverhaltens 15 — usw., t r i t t demgegenüber zurück. A n der oben bezeichneten erfahrungswissenschaftlichen Beobachtung läßt sich folgende Ausgangsposition beispielhaft machen: Wer nur die äußere Empirie gelten läßt, eine Introspektion i n subjektive Intentionen menschlichen Handelns, i n die objektiven Bedeutungen gesellschaftlicher A k t i v i t ä t mit wissenschaftlichen Mitteln nicht für möglich hält, für den kann das Sinnverständnis des wissenschaftlichen Beobachters nur eine psychische Größe sein. M i t sozialwissenschaftlicher Metatheorie kann die interpretative Aneignung von Handlungssinn nicht i n Verbindung gebracht werden. Wenn der teilnehmende Beobachter aus der Ubereinstimmung der Erlebnisse intentionale Handlungsgefüge besonders versteht, dann hat das der Denkpsychologe, der sich m i t dem Forschungsverhalten von Wissenschaftlern beschäftigt, zu untersuchen, nicht der Wissenschaftstheoretiker. Wer aber das Verstehen von Sinnzusammenhängen sozialen Handelns irgendwie als Quelle wissenschaftlicher Erkenntnis zuläßt — und sei es nur als erste Etappe i m Erkenntnisprozeß —, der bejaht das Vorliegen einer Größe, die Erkenntnistheorie und Methodologie unmittelbar angeht. Die einschlägigen Fragen für die wissenschaftliche Beobachtung und den teilnehmenden Beobachter sind methodische — forschungstechnische — Fragen. Die Sinnproblematik ist auch eine der sozialwissenschaftlichen Metatheorie und damit der Theorie der Verwaltungswissenschaft.

2. Rechtsanwendungslehre und Verwaltungswirklichkeit

Bevor sich die Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft mit solchen Strömungen und Gegenströmungen der allgemeinen methodologischen Diskussion auseinandersetzt, gilt es, einer wissenschaftstheoretischen Sonderfrage nachzugehen, die aus dem gegenwärtigen Standort unserer Verwaltungsforschung herrührt: Über welche Klasse von Realitäten öffentlicher Verwaltung werden w i r heute vorzugsweise wissenschaftlich informiert? Das heißt angesichts der Stellung der Verwaltungsrechtslehre i n unserer Verwaltungswissenschaft: Welche Einsichten i n die Verwaltungswirklichkeit werden nach der Methodologie der Rechtswissenschaft eröffnet? Diese Fragestellung muß i n zwei Beziehungen verdeutlicht werden. Zunächst geht es u m die juristische Methodenlehre und nicht u m andere Bestimmungsfaktoren menschlicher Erfahrung. Eine wissenssoziologische Untersuchung der Verwaltungsrechtslehre würde — außerhalb metatheoretischer Zusammenhänge — keineswegs nur höchstpersönliche Präferenzen des einzelnen Verwaltungsforschers, sondern durchaus gruppenförmige M Vgl.

Hans Albert,

T r a k t a t über kritische Vernunft, S. 154.

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Verhaltensweisen gegenüber der öffentlichen Verwaltung aufweisen. Kenner der Staatsrechtslehre als eines sozialen Systems meinen so, trotz des allseitigen Bemühens um wissenschaftliche Neutralität drei „politisch bedingte Richtungen" ausmachen zu können 1 6 , verwaltungsfreundliche, parlamentsfreundliche und justizfreundliche Tendenzen. Dabei ist zu beobachten, daß sich die Abgrenzimg der Gesinnungen heute nicht vor allem i n der traditionellen Spannung von Legislative und Exekutive, sondern mehr i m Verhältnis zur Gerichtsbarkeit hin vollzieht. Die jüngere Entwicklung der verwaltungsrechtlichen Dokt r i n ist stark vom Vertrauen auf das gerichtliche Rechtsschutzsystem geprägt. Demgegenüber werden Meinungen laut, die Vorbehalte gegenüber Möglichkeiten und Umfang richterlicher Entscheidungsbefugnis enthalten. Uns kommt es jedoch nicht auf die außermethodologischen Vorurteile, sondern die Vorprägungen aus der Wissenschaftstheorie selbst an, und insoweit ist zum anderen zu bemerken, daß es nicht zuerst u m die Metatheorie bestimmter Schulbildungen der Verwaltungsrechtslehre geht, sondern um die Methodik jener praktisch angewandten Wissenschaft, die i m Mittelpunkt der Rechtsforschung m i t Einschluß der des Verwaltungsrechts steht: Wie w i r d die VerwaltungsWirklichkeit nach den Verfahrensweisen der dogmatischen Rechtsanwendungslehre gesehen, die sich m i t der Erfassung des geltenden Rechts, seiner Auslegung und Anwendung auf den Lebensfall beschäftigt? Freilich gibt es i n der Verwaltungsrechtslehre bedacht juristisch-theoretische Strömungen, aus deren spezifischer Betrachtungsweise sich nicht nur eine entsprechende Sicht des Verwaltungsrechts, sondern auch der Realitäten der öffentlichen Verwaltung herleitet. Wenn oben auf politisch-soziale Faktoren hingewiesen worden ist, welche die j u r i stische Systematik bestimmen, so gibt es, wenn man nicht überhaupt von Interdependenzen sprechen w i l l , auch juristische Arbeitsweisen, die sich nicht damit zu begnügen scheinen, gewisse Probleme als rechtstheoretisch irrelevant zu bezeichnen, sondern für die sie gleichsam in einer sozialen Fiktion nicht vorhanden sind. So kann man von einer bestimmten formalen Jurisprudenz den Eindruck gewinnen, daß das besondere Gewaltverhältnis nach ihrem Konzept nicht nur von Rechts wegen nicht besteht, sondern daß es das, was damit gemeint ist, auch i n der Handlungswirklichkeit der öffentlichen Verwaltung nicht geben könne. Man würde dann an der Einsicht der empirischen Sozialforschung vorbeigehen, daß in menschlichen Organisationen sich die Rollen des Mitglieds von denen des Nichtmitglieds zu unterscheiden pflegen, was nicht ausschließt, daß i n gewissen Situationen Mitglieder 16 Vgl. Martin Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung: entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation, S. 27 ff.

2.

echtsanwendungslehre und Verwaltungswirklichkeit

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wie Nichtmitglieder handeln und behandelt werden. Für den Beamten gelten andere Verhaltensmuster wie für das Publikum, und doch findet er sich unter Umständen auf den gleichen Klageweg gegen die öffentliche Verwaltung verwiesen wie der Bürger. Indessen: sieht man erst einmal das Faktum eines Innen- und eines Außenbereichs i n sozialen Organisationen, dann w i r d man weiter eine Rechtsproblematik entdecken und über den Erklärungswert des theoretischen Systems nachdenken müssen 17 . Hier interessiert aber nicht so sehr, wie sich die soziale Wirklichkeit in der Perspektive ganz bestimmter Rechtsschulen darstellt. Unsere Verwaltungsrechtslehre setzt sich weniger aus spezifisch juristisch-theoretischen, rechtssoziologischen, rechtslogischen Schulen zusammen. Sie ist i n ihrer Breite rechtsdogmatische Praxislehre und darauf gerichtet, durch ihre Auslegungen des Rechts die Lösung konkreter Rechtsfragen zu ermöglichen und durch ihre Ergebnisse die Rechtsanwendung auf zu regelnde Lebensfälle zu fördern. M i t h i n ist die von der Rechtsanwendungslehre nach ihrer methodischen Eigenart vorgestellte Verwaltungswirklichkeit zu überprüfen. Die Verwaltungsrechtslehre zeichnet sich wie die Jurisprudenz allgemein 1 8 durch eine weitreichende Deckungsgleichheit theoretischen und praktischen Verhaltens aus. Entsprechend muß der herrschenden Philosophie von der „Einheit des juristischen Denkens" 1 9 weiter nachgegangen werden, u m die rechtswissenschaftliche Sicht administrativer Lebensverhältnisse zu kennzeichnen. Es ist zu zeigen, was es bedeutet, zu sagen: „Die Rechtswissenschaft . . . hat nichts anderes zu tun, als juristische Entscheidungen in der Praxis vorzubereiten" 2 0 . Die enge Beziehung von Wissenschaft und Praxis erweist sich i n der Entwicklung der Interpretationslehre 21 . Kelsens stringente Trennung zwi17 Vgl. dazu Felix Ermacora, Das besondere Gewaltverhältnis i n der österreichischen Rechtsordnung, i n : Die öffentliche Verwaltung, 1956, S. 529 ff. 18 Selten sind erklärte Beschränkungen auf den Recht erforschenden Wissenschaftler einerseits oder den rechtsanwendenden Praktiker andererseits. Vgl. zum Richter Josef Esser, Wertung, K o n s t r u k t i o n u n d Argument i m Zivilurteil, S. 3 u. A n m . 4. 19 Vgl. Ludwig Raiser, Rechtswissenschaft u n d Rechtspraxis, i n : Neue Juristische Wochenschrift, 1964, S. 1201 f. 20 Helmut Coing, Die juristischen Auslegungsmethoden u n d die Lehren der allgemeinen Hermeneutik, S. 23. 21 Z u m öffentlichen Recht w i r d insbesondere die Verfassungsinterpretation erörtert. Vgl. schon Carl Hermann Ule, Über die Auslegung der Grundrechte, i n : Archiv des öffentlichen Rechts, 1932, S. 37 ff.; jetzt Joachim Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung: Verfassungskonforme Auslegung oder vertikale Normendurchdringung?; Horst Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, i n : Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 20, S. 53 ff.; Martin Kriele, Theorie der Rechitsgewinnung: entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation; Friedrich Müller, N o r m s t r u k t u r u n d N o r m a t i v i t ä t : Z u m Verhältnis von Recht u n d Wirklichkeit i n der juristischen Hermeneutik, entwickelt an Fragen der Verfassungsinterpretation; Christian Graf von Pestalozza, Kritische Be-

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sehen authentischer und nichtauthentischer Interpretation 2 2 hat sich bei uns nicht durchgesetzt. Die doktrinelle Auslegung w i r d wenig durch explizite Bezugspunkte wissenschaftlicher Arbeitsweisen von der Auslegung der Rechtspraxis — der authentischen Interpretation durch das rechtsanwendende Organ — abgehoben. Die Jurisprudenz, die ihren Erkenntnisweg traditionell i n der Hermeneutik, der Lehre vom Begreifen geisteswissenschaftlicher Gegenstände, sieht 23 , sucht wenig, sich durch die Eigenart ihrer Reflexion zu distanzieren. Eine scharfe Trennung zwischen Erkenntnis und Entscheidung bei der Interpretation w i r d überwiegend abgelehnt. Man w i l l mehr als den „Rahmen" der Rechtsnorm feststellen. Ohne Unterscheidung von Theorie und Praxis verschmilzt die jüngere Methodenlehre immer stärker die Auslegung und die Anwendimg von Recht. Man folgt vorzüglich einer geisteswissenschaftlichen Philosophie — der Gadamers 24 —, welche Verstehen als Geschehen ausweist. Sinnerkenntnis von Recht und Anwendung von Recht werden zu einem untrennbar einheitlichen Vorgang integriert. Die Applikation ist nicht die Anwendung eines vorher existenten Allgemeinen auf den konkreten Fall; erst i n der Anwendung gilt die Rechtsnorm als einsichtig: „Auslegung ist nicht ein zum Verstehen nachträglich und gelegentlich hinzukommender A k t , sondern Verstehen ist immer Auslegung, und Auslegung ist daher die explizite Form des Verstehens". Und: „Anwendung" ist „ein ebenso integrierender Bestandteil des hermeneutischen Vorgangs . . . wie Verstehen und Auslegen" 2 5 . H i e r w i r d der Stellenwert v o n L e h r e n augenfällig, die Konsensprobleme — „Konsens aller Vernünftig- u n d Gerecht-Denkenden" — als methodische begreifen. Z u g l e i c h w i r d aber m i t d e n ü b e r e i n s t i m m e n d e n sozialen G r u p p e n d i e j e n i g e R e c h t s p r a x i s v o r g e s t e l l t , d i e m a ß g e b l i c h f ü r juristisches D e n k e n ist. Z u d e n V e r n ü n f t i g - D e n k e n d e n gemerkungen zu Methoden u n d Prinzipien der Grundrechtsauslegung i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Der Staat, 1963, S. 425 ff.; Peter Schneider, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, i n : Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 20, S. 1 ff.; Klaus Stern, Die 22 Reine Rechtslehre, S. 346 ff. Gesetzesauslegung u n d Auslegungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts. 23 Vgl. insbesondere das W e r k von Emilio Betti, Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften; ders., Z u r Grundlegung einer allgemeinen Auslegungslehre, a.a.O., Bd. 2, S. 79 ff.; ders., Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissenschaften; allgemein zu Verstehenslehre u n d Jurisprudenz neben Helmut Coing, Die juristischen Auslegungsmethoden u n d die Lehren der allgemeinen Hermeneutik, etwa Karl Engisch, Einführung i n das juristische Denken, S. 85 ff. 24 Durch die Berücksichtigung der juristischen Hermeneutik w i r d die Verbindung zur Fachwissenschaft erleichtert; vgl. Wahrheit u n d Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, S. 307 ff. 25 Hans-Georg Gadamer 9 Wahrheit u n d Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, S. 291.

2.

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hören vor allem die Rechtslehrer und die Richter 26 . Freilich werden Rechtsanwendungsakte auch angenommen, wenn der Private die rechtlichen Folgen seines Handelns beurteilt, Staatsanwälte anklagen, Notare beurkunden und schließlich Behörden verwalten. Aber Rechtsanwendung i n dem so verstandenen Sinne ist vor allem die, die der Richter vollzieht, wenn er einen Streit entscheidet. Bestimmend ist nicht eine beliebige Rechtspraxis, auch nicht die Verwaltungsrechtspraxis, sondern die Gerichtspraxis, genauer die des als Einzelperson gedachten Richters. Die Rechtsanwendungslehre orientiert sich an der Rechtsprechung, die sie nicht i m sozialen Kontext — nicht etwa als Richter i n einer Richterbank —, sondern als „Einzelrichter" sieht. Solche Identifikation des rechtswissenschaftlichen Denkens mit dem richterlichen ist Voraussetzung für das Konzept eines einheitlichen juristischen Denkens. Die Jurisprudenz kann sich zum Hauptziel machen, Rechtsanwendungsakte zu vollziehen und damit die Entscheidung des Einzelfalles zu gewährleisten. Rechtswissenschaftliche Methodologie w i r d zur Methodenlehre der »„dogmatischen4 Rechtswissenschaft m i t Einschluß der richterlichen Fallbeurteilung" 2 7 . Rechtswissenschaft w i l l i n erster Linie „den Richter mit Rechtsnormen versehen" 28 . Die Jurisprudenz als Synthese von Theorie und Praxis endet i n der Formel von der „Rechtsprechimg als Wissenschaft" 29 . Diese jurisprudentielle Denkhaltung interessiert i m vorliegenden Zusammenhang weder ihrer Wissenschaftstheorie w i l l e n noch wegen der Soziologie enger Theorie-Praxis-Relationen. Gesellschaftskritiker sollten bei derartig kurzgeschlossenen Beziehungen nicht nur die negative Seite politisch-sozialer Interventionsmöglichkeiten sehen. So könnte man als Folge der juristischen Einheitlichkeit Rechtspraxis als ein Handlungssystem ansehen, das mit einem hohen Anteil wissenschaftlich-rationaler Handlungsbeiträge arbeitet. Für die Frage der von der Verwaltungsrechtslehre wiedergegebenen Verwaltungswirklichkeit ist wichtig, daß die Wissenschaft i n der Einheit des juristischen Denkens auch i n ihrem methodologischen Anliegen den Bedürfnissen der Praxis entsprechen muß. Denn Deckungsgleichheit läßt sich — weil Praxis nicht völlig szientifizierbar ist — nicht über eine Anpassung praktischen Rechtshandelns an theoretisches Methodenverständnis herbeiführen. Vielmehr muß Rechtsdogmatik als Rechtsanwendungslehre intendieren, was Rechtspraxis bedeutet: die Verwirklichung 26 Vgl. Horst Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, i n : V e r öffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 20, S. 71. 27 Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. V I I . 28 Wilhelm A. Scheuerle, Rechtsanwendung, S. 23. 29 Franz W. Jerusalem, K r i t i k der Rechtswissenschaft, S. 46.

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der i n der Rechtsnorm entworfenen Handlungsmöglichkeit. Jurisprudenz muß wie der rechtsanwendende Richter auf die bestehenden sozialen Wirklichkeiten i n dem Maße achten, i n dem es erforderlich ist, um juristisches Verhalten praktikabel zu machen. Entsprechendes gilt i m besonderen für diejenige Rechtsanwendungslehre, die die Breite der Verwaltungsrechtswissenschaft ausmacht. Wer i n hermeneutischer Methodik die Intersubjektivität einer handlungsorientierten Verständigung für die öffentliche Verwaltung sucht, kann sich nicht außerhalb der Verwaltungswirklichkeit stellen. Auch die Erkenntnis von Verwaltungsrecht als normative Größe gerät i n einen interdependenten Zusammenhang zum realen Verwaltungsleben. Für die Verwaltungsrechtslehre gilt hier wie für die anderen Bereiche der Rechtswissenschaft: wo Hermeneutik praktisch wirksames Wissen erzeugen w i l l , muß sie sich i n gewisser Weise auf die gegebenen Lebensverhältnisse einrichten. Demgemäß erforscht Jurisprudenz bei der Interpretation des Rechts die Realitäten menschlichen Verhaltens. Sie idealisiert den Unterschied von Sein und Sollen nicht zu einem stringenten Dualismus. Sie baut Rechtslehren nicht als „reine" Lehren über das Geltend-Gesollte streng abgelöst von der Handlungswirklichkeit auf. Sie beschränkt sich nicht darauf, das anzuwendende Recht nach seinem Text als einen Rahmen darzulegen, innerhalb dessen es verschiedene Möglichkeiten der Konkretisierung gibt. Sie setzt nicht Wortzeichen des Sollens zu theoretischen Sprachspielen zusammen. Jurisprudenz zielt vielmehr auf die praktische Handhabung des Rechts i n der sozialen Welt. Als Rechtsanwendungslehre bezieht sie sich — etwa i m Wege der teleologischen Interpretation — auf die Lebenswirklichkeit. Sie trennt nicht Erkenntnis vom praktischen Handeln. Sie sucht, i m Sinne juristischer Konkretisierung von Rechtsnormen auf Lebenssachverhalte zu erkennen. I n den juristischen Konkretisierungen der Verwaltungsrechtslehre öffnet sich die Sicht auf die Verwaltungswirklichkeit. Die rechtliche Richtschnur für praktisches Verwaltungshandeln ergibt sich i m Zusammenhalt mit der Realität der Verwaltungspraxis. Die Auslegung endet nicht bei der Feststellung des in den Rechtstexten angelegten Rahmens, sondern sucht i m Kontext administrativer Lebensverhältnisse den normativen Sinn konkreten Verhaltens. So erweist sich die Verwaltungsrechtslehre als Rechtsanwendungslehre nach ihrer praxisbezogenen methodologischen Konzeption durchaus geeignet, nicht nur Auskunft über die Möglichkeiten rechtlich richtigen Handelns zu geben, sondern auch aus der Hermeneutik praktischer Wirksamkeiten von den Realitäten i n der öffentlichen Verwaltung zu unterrichten. Zu überlegen bleibt nunmehr, von welcher Eigenart juristischmethodischer Arbeitsweise die Informationen geprägt sind, die die

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Rechtswissenschaft von der Verwaltungswirklichkeit liefert. Hierfür müssen w i r zu dem Umstand, daß die Jurisprudenz Rechtsanwendungslehre nach Maßgabe richterlichen Verhaltens ist, noch folgendes berücksichtigen: Unsere Rechtsordnung ist nach ihrer Grundform als eine der positiven Rechtsregeln, insbesondere des Gesetzesrechts — nicht der Billigkeitsjustiz, der freien Rechtsschöpfung, der Präjudizien — konstituiert. Das hat zur Folge, daß in der Praxis entsprechend von der positivierten Regelhaftigkeit des gesetzlich-rechtlich Gesollten her gedacht w i r d und Wissenschaft dem i n der Einheit juristischen Denkens folgen muß. Freilich sind heute jene schlichten Subsumtionstheorien überwunden, die Rechtsanwendung i n der Weise zu erklären meinen, daß der ermittelte Sachverhalt unter die hierfür bereitgestellte Rechtsnorm subsumiert werde. Auch wer das „Denkmodell der Subsumtion i m Sinne eines syllogistischen Schlusses" ausdrücklich verteidigt, bezieht den Sinn des Obersatzes auf die Gesamtrechtsordnung wie auf den konkret vorliegenden Fall 3 0 . I m Gegenteil: W i r haben oben auf die Rechtsphilosophie hingewiesen, die Verstehen als Geschehen auffaßt. Dieser Lehre gemäß läßt sich heute eine Tendenz zu richterrechtlich-fallrechtlichen Vorstellungen beobachten. Man wendet sich gegen ein vorzufassendes Verständnis des Gesetzes als fixierte Sollensordnung, gegen einen vorgegebenen Sinn der Rechtsordnung, gegen eine Auffassung der Norm als ein bereits vor ihrer Anwendung fert i g Vorhandenes 31 . Es heißt etwa nur noch, i n dem doppelten Prozeß der Rechtsanwendung stehe für das Bewußtsein des Anwenders „und damit auch für die Rechtswissenschaft" diejenige Bewegimg zunächst durchaus i m Vordergrund, i n der das scheinbar fertige Gesetz als das Bestimmende, das Urteil über den einzelnen Fall, die Entscheidung, als das dadurch Bestimmte — eben als eine bloße Anwendung des Gesetzes — erscheine 32 . Von hier aus führt der Weg bis zu jenen oben bezeichneten Lehren, welche Interpretation und Applikation immer enger zusammenfassen, bei welchen erst i n der Anwendung der Text „als Norm einsichtig" wird, Sinnerkenntnis und Anwendung untrennbar i n einem einheitlichen Vorgang sind, der „trotz gleichzeitig vollständiger Bindung an den Sinn des Textes diesen zum verstehenden Sinn erst konkretisiert und vollendet" 3 3 . Jedoch läßt sich angesichts so Vgl. z. B. Werner Flume, Richter u n d Recht, a.a.O., Bd. I I , T e i l K S. K 29. Vgl. die Zusammenfassung v o n Joachim Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung: Verfassungskonforme Auslegung oder vertikale Normendurchdringung?, S. 55 ff.; ferner als gründlichste I n t e r pretation des Richters i m kodifizierten Recht u n d i m judge-made l a w Josef Esser, Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen Fortbildung des Privatrechits. 32 Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 228. 33 Christian Graf von Pestalozza, Kritische Bemerkungen zu Methoden und Prinzipien der Grundrechtsauslegung i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Der Staat, 1963, S. 427; bzw. Friedrich Müller, N o r m s t r u k t u r und 81

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der Stellung des breitgefächerten Gesetzesrechts i n unserer Rechtsordnung und des Umstandes, daß auch Recht außerhalb der Gesetze rechtsnormativ gilt, der i m eigentlichen Sinne richterrechtliche Standpunkt, nach welchem die Rechtsnorm überhaupt erst i n der Anwendung existiert — " A rigore la norma vive come ,norma' solo nel momento nel quäle viene applicata 3 4 " —, nicht erreichen. Das Normative bleibt irgenwie eigener Bestimmungsfaktor i m juristischen Denkprozeß. So bestimmt die positivierte Regelhaftigkeit der Rechtsnormen auch die Sichtweise der Lebenssachverhalte. Die Fälle des Rechtslebens werden aus den Normen entfaltet. Schon die üblichen Begriffe der Fachsprache — Rechtsanwendung, Rechtskonkretisierimg, Rechtsverwirklichung — und die zu ihnen gegebenen Definitionen weisen darauf hin: „Rechtsanwendung" ist „Hinzufügung konkreter Tatbestandselemente zu den allgemeinen Merkmalen der abstrakten Rechtssätze" 35 ; „Rechtsfindung" besteht „ i n der Unterstellung eines konkreten Einzelfalles unter eine Regel" 3 6 usw. Aus der Sicht der Rechtsnormen als Verhaltensmuster w i r d auf die Lebenssachverhalte als Handlungssituationen geschaut. Die Rechtsanwendung beginnt nicht erst mit der Frage, wie ein festgestellter Sachverhalt rechtlich zu qualifizieren sei. Vielmehr rechnet das Verfahren zur Feststellung der Tatsachen zur Rechtsanwendung, und zwar i m Sinne einer Auswahl der festzustellenden Fakten. Es gibt rechtserhebliche — rechtlich relevante — und rechtsunerhebliche — rechtlich irrelevante — Tatsachen. Aus der anzuwendenden Rechtsnorm w i r d die Relevanz der festzustellenden und dafür auszuwählenden Fakten beurteilt 3 7 . Man sagt etwa: „Der logisch und psychologisch erste Gedankengang ist also die Ausscheidung und Weglassung von solchen Einzelheiten des Falles, die der Richter ohne weiteres als rechtlich unerheblich erkennt 3 8 ." So werden durch den „juristisch zurechtgestutzten" 39 Sachverhalt, durch die Auswahl der als wesentlich angesehenen Tatsachen Ergebnisse vorweggenommen. Freilich ist die Bewegung zwischen Rechtsnorm und N o r m a t i v i t ä t : Z u m Verhältnis v o n Recht u n d Wirklichkeit i n der juristischen Hermeneutik, entwickelt an Fragen der Verfassungsinterpretation, S. 47. 34 Vgl. Tullio Ascarelli, Giurisprudenza costituzionale e teoria della interpretazione, i n : Rivista d i d i r i t t o processuale, 1957, S. 352. 35 Hans Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre: als System der rechtlichen Grundbegriffe, S. 121. 36 Josef Esser, Einführung i n die Grundbegriffe des Rechtes u n d des Staates, S. 177. 37 Vgl. Wilhelm A. Scheuerle, Rechtsanwendung, S. 23. 38 Josef Esser, Einführung i n die Grundbegriffe des Rechtes u n d des Staates, S. 177. 39 Dietrich Jesch, Unbestimmter Rechtsbegriff u n d Ermessen i n rechtstheoretischer u n d verfassungsrechtlicher Sicht, i n : Archiv des öffentlichen Rechts, 1957, S. 189.

2.

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Sachverhalt nicht einbahnig. Die Auswahl aus den Fakten des Lebenssachverhalts wie die Auswahl aus den Normen der Rechtsordnung erfolgt in dauernder Wechselwirkung. Es geht u m ein „ H i n - und Herwandern des Blickes zwischen Obersatz und Lebenssachverhalt" 40 . Denn einmal ergibt überhaupt nur das Tatsächliche, an welchen Rechtssatz bei der Rechtsanwendung zu denken ist. Zum anderen w i r d die Rechtsnorm eben nicht als fixiert vorgegebener, abstrakter, sondern i n der Konkretisierung auf den Lebenssachverhalt zu verstehender Sinn angesehen. Die Interpretation nimmt Bezug auf die sozialen Daten. Hiernach gelangt man zu höchst differenzierten Erklärungen des Verhältnisses zwischen Rechtsnorm und Sachverhalt, bis hin etwa zum „Experimentieren" m i t „Normhypothesen" 4 1 . Da aber die positivierte rechtlich-gesetzliche Regel irgendwie eigene Bezugsgröße bleibt, ist sie beim Aufsuchen relevanter Tatsachen als „rechtliche Schablone" 42 wenigstens zielweisend. Wie man die „Anpassung des Beurteilungsgegenstandes an den Beurteilungsmaßstab" 43 , die „Beziehung der Subsumibilität" zwischen Sachverhaltsbegriff und Rechtsbegriff 44 näher relativieren mag, die Rechtsnorm übt Auswahlfunktion i m Hinblick auf die Daten der Handlungswirklichkeit. Entsprechend verhält es sich bei den Aussagen der Rechtswissenschaft. Sie halten als praxisbezogene Interpretationen des Rechts enge Beziehung zum realen Verhalten. Als Hermeneutik, die die Intersubjektivität einer handlungsorientierenden Verständigung sichert, stellen sie sich auf die Gegebenheiten des Verwaltungslebens ein. Aber es w i r d bereits durch die rechtlich-gesetzlichen Normen auf die Handlungswirklichkeit gesehen. Rechtsnormen sind nicht nur Gegenstand des jurisprudentiellen Denkens. Auf das Normative als Objektivation des Geltend-Gesollten richtet sich nicht nur das Augenmerk des Juristen. Vielmehr prägt das rechtlich Gesollte bereits die rechtswissenschaftliche Betrachtungsweise. Sie ist i n der Einheit des juristischen Denkens normative Betrachtungsweise. Sie orientiert sich aus der rechtsnormativen Struktur menschlichen Handelns. Das Normative ist ein i n das Denken eingeschlossenes Auswahlschema. Es werden nicht alle Daten menschlichen Handelns erfaßt, sondern aus der Komplexität der Sachverhalte bestimmte Daten bevorzugt berücksichtigt, die als rechtlich relevante eine bestimmte Beziehung zur Rechts40 Karl Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 15. Vgl. Martin Krietle, Theorie der Rechtsgewinnung: entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation, S. 162 ff.; ferner Ernst Rudolf Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. 4, S. 47. 42 Ernst Beling, Bindings Lehre von der A b s t i m m u n g i m Strafgericht, i n : Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, 1916, S. 382. 43 Wilhelm Sauer, Juristische Elementarlehre i n Leitsätzen f ü r Theorie u n d Praxis, S. 35. 44 Wilhelm A. Scheuerte, Rechtsanwendung, S. 133. 41

6 Speyer 46

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norm aufweisen. Damit w i r d die Lebenswelt unter einem vorweggenommenen Standpunkt betrachtet. Die bei der Erforschung des Rechts i n Bezug genommenen Verhaltenswirklichkeiten der öffentlichen Verwaltung unterliegen einer Selektion nach rechtlich als wesentlich angesehenen Tatsachen. Die von der Verwaltungsrechtslehre wiedergegebenen realen Verhaltensmuster sind nach rechtlich-gesetzlichen Schemata vorgewählt. Das einheitliche juristische Denken m i t seiner pragmatischen Orientierung an richterlichen Denkformen, nicht an der Verwaltungsrechtspraxis, w i r f t für die Rechtsdogmatik der öffentlichen Verwaltung selbst eine Reihe schwerwiegender Probleme auf. Vielleicht könnten schon durch die Aufgabe solcher Einheitsvorstellung Systeme wissenschaftlicher Aussagen über das Verwaltungsrecht entwickelt werden, deren Fehlen man angesichts der modernen Leistungsverwaltung beklagt. Es erweist sich, daß nicht nur i n der sozialen Erfahrungswelt die Handlungssituation des Richters und des Verwaltungsbeamten nicht identisch sind, sondern daß sich gerade i m Hinblick auf rechtliche Verhaltensmuster unterschiedliche Lagen ergeben. Mindestens soviel läßt sich sagen, daß die Rechtsprechung ungleich ausschließlicher aus Rechtsnormen praktiziert als die Verwaltung. Dieser Umstand verlangt von der Rechtslehre entsprechende Differenzierungen, und hier beginnen die Schwierigkeiten der einheitlich normativen Betrachtungsweise der Jurisprudenz i n der Verwaltungsrechtslehre. Aufschlußreich ist i n diesem Zusammenhang, auf die Diskussion zu schauen, die sich mit der Aussage: Verwaltung sei Rechtsanwendung, verbinden lassen, also etwa: Recht und Verwaltung, Gesetzgeber und Verwaltung, Verwaltung als Rechtsvollzug, Verwaltung als Ausführung der Gesetze, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Legalität der Verwaltung, rechtliche Schranken der Verwaltung, Vorbehalt des Gesetzes, gesetzesfreier Raum usw. 4 5 . Freilich müssen die insoweit vorgetragenen Argumente abgewogen werden. Es gibt Meinungsäußerungen, die aus bewußt rechtspolitischer Wertschätzimg 45 Z u einem Überblick vgl. Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre: Verwaltungsnorm u n d Verwaltungsrechtsverhältnis, bes. S. 104ff.; aus dem älteren Schrifttum etwa Philipp Zorn, Kritische Studien zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, i n : Verwaltungsarchiv, 1894, S. 140ff.; zur Entwicklung einer allgemeinen Verwaltungsrechtslehre aus der S t r u k t u r des Gesetzesvollzuges vgl. Rudolf Herrmann Herrnritt, Grundlehren des Verwaltungsrechts; zur Problematik der normativen D o k t r i n etwa Walter Barfuß, Die Weisung; Franz Bydlinski, Die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates i n privatrechtlicher Sicht, i n : Juristische Blätter, 1968, S. 9 ff.; Felix Ermacora, Die Organisationsgewalt, i n : Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 16, S. 191 ff.; ders., Das besondere Gewaltverhältnis i n der österreichischen Rechtsordnung, i n : Die öffentliche Verwaltung, 1956, S. 529 ff.; Kurt Ringhof er, Strukturprobleme des Rechtes, dargestellt am Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 (Die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Ermessensproblem), S. 21 ff.

2. Rechtsanwendungslehre und Verwaltungswirklichkeit

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der normativen Handlungsstruktur jene auch als Sicht weise vorschreiben. Es gibt Überlegungen, die nicht mehr wollen, als die Stellung des Gesetzgebers gegenüber der Verwaltung nach geltendem Verfassungsrecht zu präzisieren. Es gibt normative Betrachtungsweisen, die erklärtermaßen normtheoretischer A r t sind. Demgemäß ist etwa die Aussage Kelsens 46, daß Verwaltung „ i n der juristischen Konstruktion" „Ausführung der Gesetze" sei, unter den ganz bestimmten Prämissen eines normtheoretischen Ansatzes schlüssig, und m i t dieser Aussage können durchaus Teilbereiche der Rechtserscheinungen i n der öffentlichen Verwaltung angemessen erklärt werden. Sobald aber diese Begrenzungen nicht eingehalten werden 4 7 , sobald die normative Betrachtungsweise schlechthin durchschlägt, w i r d die Problematik der Verwaltungsrechtslehre als Rechtsvollzugslehre deutlich. Aussagen, welche nach ihren Voraussetzungen über Teilaspekte des Verwaltungslebens belehren können, verzeichnen das B i l d der öffentlichen Verwaltung unter Recht, wenn sie absolut gesetzt und ganzheitlich genommen werden. Höchst unterschiedliche Phänomene administrativer Handlungspraxis werden auf die Einheitsgröße: Rechtsanwendung nivelliert. Externer und interner Bereich der Verwaltung werden nicht zureichend geschieden: Verwaltungsakt wie innerdienstliche Weisung unterliegen undifferenzierten Anforderungen des Rechts. Es w i r d zum Verwaltungshandeln — etwa i n den Kompetenzen der Organisationsgewalt — nicht hinlänglich getrennt, daß Gesetz rechtliche Begründung, aber auch bloße Bindung bedeuten kann. Es können die rechtlichen Sonderverhältnisse des einzelnen zur öffentlichen Verwaltung — besondere Gewaltverhältnisse — nicht genügend gegenüber der allgemeinen Rechtsstellung des Verwalteten unterschieden werden. Von einer konsequent normativen Betrachtungsweise her scheint die Beantwortung der Frage schwierig, ob der Gegensatz zwischen Verwaltungsermessen und unbestimmtem Rechtsbegriff ein solcher der Qualität oder der Quantität. Die zweckbestimmte Etattitelausweisung i m gesetzlich festgestellen Haushalt und das nach seinen Tatbestandsvoraussetzungen spezialgesetzlich hochverfeinerte Recht auf öffentliche Leistung laufen unter der Perspektive: Rechtsanwendung Gefahr, auf denselben juristischen Nenner gebracht zu werden. U m die Konzeption von der öffentlichen Verwaltung als Gesetzesvollzug mit ganzheitlichem und absolutem Verständnisanspruch aufrechtzuerhal46 Hauptprobleme der Staatsrechtslehre: Entwickelt aus der Lehre v o m Rechtssatze, S. 503. 4 ? Für die Normtheorie der Reinen Rechtslehre selbst ist auffällig, daß sie einerseits betont, die Festlegung dessen, was sie als „Recht" zu ihrem Gegenstand wähle, sei eine „denkökonomische" Aufgabe, die W a h l des E r kenntnisgegenstandes unterstehe dem Prinzip der Zweckmäßigkeit, daß sie andererseits aber nicht i m m e r bereit ist, ihren Erklärungswert f ü r die Rechtsphänomene entsprechend relativ zu sehen.

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ten, scheint man preisgeben zu wollen, daß die i n der Gesellschaft eingerichteten öffentlichen Handlungssysteme einer eigenen Rechtsordnung — dem öffentlichen Recht — unterliegen: Die allgemeinen Rechtsnormen des Privatrechts werden i m Bereich wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates als die Gesetze angesehen, welche die Verwaltung vollzieht. Schließlich bleibt für die normative Doktrin angesichts der Legalitätsfrage manchmal nur, sich auf eine „minimale Orientier rung der Verwaltung am Gesetze" — etwa gesetzliche Zuständigkeitsbestimmungen, Regelungen der Innenorganisation der Verwaltung — zurückzuziehen, wie die Normtheorie mangels anderen anzuwendenden Rechts i n historischen Anschauungsfällen auf das Phänomen rechtlicher Zurechnung von Handlungen rekurriert, um sagen zu können, der Grundsatz der rechtmäßigen Verwaltung sei „ein rechtstheoretisches Gesetz, das ausnahmslos und unverbrüchlich" gelte 48 . So kann es i n der Verwaltungsrechtslehre nicht nur bei ihrem Verständnis als pragmatische Rechtsanwendungslehre, sondern auch aus Gründen eines spezifisch normtheoretischen Ansatzes zu überschießenden normativen Tendenzen kommen — sobald man nämlich sich der Prämissen seiner Erkenntnis nicht mehr bewußt ist. Die Verwaltungsrechtslehre muß i n Rechnung stellen, daß sie, soweit sie sich der normativen Betrachtungsweise bedient, sich nicht nur m i t der Erforschung der Rechtsphänomene der öffentlichen Verwaltung befaßt, sondern daß sie diese Rechtsphänomene wiederum aus der normativen Struktur menschlichen Handelns entfaltet. Die Objektivation des regelhaft Gesollten ist Lehransatz und wissenschaftliches Auswahlschema. Nach dem Muster von Normen w i r d selektiert, werden Probleme als relevant angenommen oder als irrelevant zurückgewiesen. Vergißt man diese Prämissen, so w i r d man Problemgehalte, die m i t dem normativen Standpunkt unverträglich erscheinen, von vornherein beiseite schieben und allgemein als falsch gestellte Frage gelten lassen. Für die Verwaltungsrechtslehre selbst ergibt sich hiernach die Überlegung, ob sie sich auch anders vorstellen läßt, so daß sie zwar Betrachtung des Rechts, aber nicht normative Betrachtungsweise ist. Dann müßte man sich wohl von der am Vorbild der Rechtsprechung orientierten Einheit des juristischen Denkens lösen, Rechtsdenken i m Bereich der Wissenschaft von dem i m Bereich der Gerichte und der öffentlichen Verwaltung differenzieren können. Man müßte den Gedanken einer Synthese von Theorie und Praxis i n der Jurisprudenz als Rechtsanwendungslehre von der fachwissenschaftlichen auf die philosophische Ebene übertragen und Recht i n gezielt juristisch-theoretischen Ansätzen zu 48 Vgl. die grundlegende Ausarbeitung des normtheoretischen Ansatzes f ü r das Verwaltungsrecht bei Adolf Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, bes. S. 157 ff.

2.

echtsanwendungslehre und Verwaltungsirklichkeit

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erforschen suchen, deren begriffliches Rahmenwerk nicht von vornherein die Sicht durch das rechtlich-gesetzliche Auswahlschema i m pliziert. Was die hier zu überprüfende, von der Verwaltungsrechtslehre vorgestellte Verwaltungswirklichkeit anlangt, so muß eine andere als die normative Betrachtungsweise nicht nur das verwaltungsrechtlich Geltend-Gesollte, sondern i n der Interdependenz von Sein und Sollen auch die realen Verhaltensmuster öffentlicher Verwaltung anders i n das Blickfeld bringen. Es lassen sich von der Rechtswissenschaft her noch andere soziale Daten erfassen, als das nach den Selektionsprinzipien richterlichen Denkens der Fall ist. Insbesondere wäre eine soziologische Rechtstheorie — wie die der Uppsala-Schule — besonders geeignet, weitreichende Aussagen über die Handlungswirklichkeit zu liefern. Man bedenke, welche Anregung die skandinavischen Rechtsschulen der Erforschung sozialen Handelns überhaupt i n Nordeuropa geben konnten. Für die Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft aber gilt, daß auch jede andere Sicht von Recht, die nicht der Perspektive des Rechtsanwenders folgt, i n ihrer Reichweite hinsichtlich des faktischen Verhaltens i n der öffentlichen Verwaltung eingeschränkt ist. Sie kann nicht mehr Lebenswirklichkeit i n Bezug nehmen, als die soziale Dimension des Rechts erfaßt. Unter welchem Blickwinkel Jurisprudenz auch immer auf das Recht schaut, ihr müssen die sozialen Sachverhalte entgehen, die das Recht nicht regelt. Hier stoßen w i r von juristischer Seite her auf die Problematik des „rechtsfreien Raums". Sie reicht vom Grundverständnis des Rechts — dem Recht bleibe i m Himmel und auf Erden nichts oder sehr vieles verschlossen — über weitgesteckte Gegenstände wie „Lücken i m Recht" bis zu detaillierten Fragen aus dem Verhältnis von Recht und Politik, z. B. zum Regierungsakt. A u f der These, es liege i m Wesen rechtlicher Ordnung, universal zu sein, beruhen nicht nur viele Rechtsphilosophien 49 , sie äußert sich auch heute in der Erörterung konkreter Probleme m i t Einschluß der des Verwaltungsrechts, z. B. des Verwaltungsermessens. Dabei erfährt der Gegenstand „rechtsfreier Raum" mitunter eine angesichts seiner Komplexität — man denke an die Unterschiedlichkeit schon des Rechtsbegriffs — kaum zulässige Vereinfachung. Man sieht es als ein Gebot der Logik an, daß die Rechtsordnung geschlossen sei. Etwas sei Rechtens oder nicht Rechtens, erlaubt oder verboten: tertium non datur. Es ist an dieser Stelle nicht auf das problematische Verhältnis der Findung von Recht zur Erforschung logischer Strukturen allgemein einzugehen. Nur soviel: Die klassisch-logische Autorität des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten und des Kalküls, i n dem dieser Satz 49 Karl Engisch hat i n dem Aufsatz: Der rechtsfreie Raum, i n : Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1952, S. 385 ff., diese Lehren dargestellt.

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enthalten ist, ist auch für das Recht vorgetragen worden 5 0 . Aus der Sicht der intuitionistischen Logik ist demgegenüber dargelegt worden, daß man ein Verhalten, als von keiner rechtlichen Regelung erfaßt, sinnvollerweise weder Rechtens noch nicht Rechtens, weder erlaubt noch verboten nennen kann 5 1 . W i r wollen anders denen gegenüber, die Verwaltungswissenschaft nur als Rechtswissenschaft für möglich halten, an einem bestimmten Lebensbereich beispielhaft machen, wieweit aus Recht und Rechtserkenntnis der i n der Gesellschaft handelnde Mensch, hier insbesondere die öffentliche Verwaltung, bestimmbar ist: nämlich dem Bereich der Beweggründe menschlichen Handelns, der Motivationen i n Verwaltungsorganisation und verwalteter Welt.

3.

Motivationen als eine Verwaltungswirklicheit

Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft hat die motivationalen Zusammenhänge öffentlicher Verwaltung zu untersuchen. I h r stellt sich die Frage nach dem psychischen „Warum" administrativen Verhaltens, wie Motivforschung 5 2 i m Bereich sozialökonomischen Verhaltens bereits eindringlich betrieben wird. Für die Verwaltungsforschung geht es u m psychische Verhaltenssteuerungen i m Verhältnis zwischen der Verwaltung und ihrem Publikum, zwischen der Verwaltung und anderen öffentlichen Handlungssystemen —• Parlamenten, Gerichten — wie insbesondere i n der Verwaltungsorganisation selbst. Einsichten i n Motivationsformen, Motivarten, Bedingungen des Motivationsgestehens der i n der öffentlichen Verwaltung Tätigen interessieren als praktisch anwendbares Wissen i n einer Weise, die über die Rechtspraxis hinausdeutet. Es scheint unzureichend zu sein, i n einem sozialen Sachverhalt wie der Arbeit nach Vorschrift zur Verzögerung von Verwaltungsabläufen als sachfremd motiviert nur den Fall des öffentlichen Dienstrechts zu sehen. Nach einer sich immer mehr durchsetzenden Meinimg sind viele Fragen des Beamtenstatus heute nicht mehr nur von der Rechtsdogmatik zu beantworten. Es geht u m Aufgaben einer Rechts- und Verwaltungspolitik, die selbst vor den verfassungsrechtlichen Grundlagen kaum Halt machen kann. Sodann bedarf es jedoch, sich über die motivationalen Verhaltensmuster i n der Verwaltungsorganisation außerhalb geltender Rechtsregelungen Reßo Vgl. Rupert Schreiber t L o g i k des Rechts, S. 65 f. Vgl. Lothar Philipps, Rechtliche Regelung u n d formale Logik, i n : Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1964, S. 317 ff. 52 M o t i v bezieht sich mehr auf den inhaltlichen, M o t i v a t i o n mehr auf den prozessualen Aspekt der Beweggründe des Handelns. I m Sprachgebrauch w i r d indes auch beides zusammengenommen. So k a n n die Bezeichnung „Motivforschung" beide Aspekte der Verhaltenssteuerung meinen.

3. Motivationen als eine Verwaltungswirklichkeit

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chenschaft zu geben. U m zu einer typologischen Bestimmung des öffentlichen Dienstes nach allgemeinen Berufsvorstellungen zu kommen, muß man die Motivationssphäre erforschen, insbesondere die psychischen Fakten analysieren, die aus unterschiedlichen Berufsanforderungen zur Hinneigung zum Verwaltungsdienst führen. Solche Aussagen — über die Unterrichtung aus einer umfassenden Verwaltungsforschung erwartet w i r d — von der Rechtswissenschaft zu verlangen, hieße selbst das Vermögen einer noch so psychologisierenden Rechtstheorie überfordern. Die Verwaltungsrechtslehre zeigt wenig Tendenzen, sich i n differenzierenden Überlegungen mit der psychischen Ebene menschlichen Handelns zu befassen. Zwar enthalten die Begriffe des Verwaltungsrechts wie die anderer Rechtsgebiete „subjektive" Merkmale: Vorsatz, Fahrlässigkeit, Arglist, bestimmte Absichten, Gesinnungen, Mißbräuchlichkeit und ähnliches mehr. Solche Merkmale haben ein psychisches Moment, mag die Vorherrschaft eines spezifisch juristischen Werturteils noch so hervorgehoben werden. Aber anders als etwa i m Strafrecht scheinen sie nicht genügend Anlaß für psychologische Verfeinerungen, schon gar nicht für einen Psychologismus zu bieten, der die Deutung psychischer Abhängigkeiten i m juristischen Bereich überbetont. I m Gegenteil: es besteht die Neigung, gewisse administrative Rechtsbeziehungen von motivationalen Zusammenhängen freizuhalten, nämlich die des Verwaltungsbeamten zum Publikum. Der Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes — EVwVerfG 1963, § 15 — ist so konzipiert, daß die allgemeine Befangenheitsproblematik nicht über subjektive Merkmale, sondern über objektive Merkmale ausgeschlossener Personen gelöst ist: „Der Ausschluß ist unabhängig davon, ob i m Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Ausgeschlossene sich von unsachlichen Motiven leiten lassen könnte. Denn es soll schon der bloße Anschein vermieden werden, daß persönliche Beweggründe die Erledigung dienstlicher Angelegenheiten beeinflussen könnten 5 3 ." Eine systemanalytische Betrachtung des Verwaltungsrechts kommt zum Beamten verschulden zu folgendem Ergebnis: Verwaltung sei „System-in-einer-Umwelt", die sich i n Sphären differenziere, darunter vornehmlich auch das Publikum, dem die Verwaltung diene, und die Sphäre der i n der Verwaltung tätigen Mitglieder, ihre Interessen und Motivationsstrukturen. I m Hinblick auf diese Motivationsstrukturen stelle das Beispiel der Staatshaftung als Haftung für Beamtenverschulden die Verwechslung der Kategorien zweier Systemgrenzen dar: „Der Verschuldensbegriff gehört zur Motivationsproble53 Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVerfG 1963), Einzelbegründung, S. 112; vgl. demgegenüber die besonderen Vorschriften f ü r dias förmliche Verfahren vor Ausschüssen: § 57, Abs. 3.

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matik der Mitgliedergrenze. Er hat m i t der Publikumsgrenze nichts zu t u n " 5 4 . Aus dieser Theorie ist zu lernen, daß m i t Merkmalen individuell-menschlichen Handelns nicht beliebig auch i n der Öffentlichkeit organisierte Handlungssysteme charakterisiert werden können; demgemäß gibt es für das spezielle Beispiel der Haftung für Beamtenverschulden Gründe, eine Problemlösung aus subjektiven Bezügen als m i t einer bürokratisch verwalteten Gesellschaft unverträglich anzusehen 55 . Doch bleibt zweifelhaft, ob sich alle motivationalen Fragen des Verwaltungshandelns i m internen Verwaltungsbereich klären lassen, ob über den Verschuldensbegriff disziplinarischer Maßnahmen gegen den handelnden Beamten alle sozialen Bedürfnisse einer motivational fehlerhaften Verwaltungstätigkeit zufriedenzustellen sind. Mißbrauch und W i l l k ü r als subjektiver Ermessensfehlgebrauch scheinen z. B. durch Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit des Verwaltungshandelns selbst eine Korrektur der auf der dem Publikum zugewandten Folgenseite eingetretenen Umstände zu verlangen. Indes zeigt sich, daß die wissenschaftliche Betrachtimg des Verwaltungsrechts keine Neigung zu psychologisierenden Haltungen zeigt. Entsprechende Konzeptionen werden eher aus der Einheit des juristischen Denkens i n der Verwaltungsrechtslehre wirksam. Insoweit ist es insbesondere das Verständnis der Struktur des juristischen Entscheidungsprozesses selbst, i n dem psychische Aspekte bedeutsam werden können. Die rechtswissenschaftliche Untersuchung juristischer Entscheidungsprozesse gerät immer dann in den Bereich motivationaler Zusammenhänge, wenn die Gewichtigkeit des „volitiven" Elements i n der Rechtsfindung dargelegt wird. Die Jurisprudenz pflegt — nach einem entsprechenden Herkommen aus Philosophie und Willenspsychologie — die Motivationen bei der Vorbereitung des Entschlusses unterzustellen, sie als Beweggründe des Willens zu sehen und damit dem Wollenserlebnis zuzurechnen. Die heutigen psychologischen Schulen würden dem nicht immer folgen 56 . Jedoch hängen die von der 54 Niklas Luhmann, Recht u n d Automation i n der öffentlichen Verwaltung: Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung, S. 22, 86; ausführlich zur Entschädigungsfrage ders., öffentlich-rechtliche Entschädigung: rechtspolitisch betrachtet. 55 Aufschlußreich ist das Argument des Gleichheitssatzes. Vgl. Otto K . Kaufmann, Die Verantwortlichkeit der Beamten u n d die Schadensersatzpflicht des Staates i n B u n d u n d Kantonen, a.a.O., S. 320 a. 56 Die Konzeptionen i n der Psychologie sind, u n d zwar entsprechend der H a l t u n g zur Willensfrage, uneinheitlich. Es gibt Lehren, die die M o t i v a t i o n als Element i n den Willensprozeß einstellen — so etwa Karl E. Müller, Einführung i n die Allgemeine Psychologie, S. 235: „Teilvorgänge" —. I n anderen Theorien unterfällt die Willensfrage noch anderen Kategorien oder der W i l l e ist n u r eine Variante des Motivationsgeschehens oder schließlich geht die Willensproblematik ganz i n der Motivationsfrage auf — zum vielschichtigen Zusammenhang des Motivations- m i t dem Willensproblem vgl. Hans Thomae, Die Bedeutung des Motivationsbegriffes, a.a.O., Bd. 2, I I ,

3. Motivationen als eine Verwaltungswirklichkeit

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Willenspsychologie überlieferten Fragen derart m i t der modernen Motivationspsychologie zusammen, daß man sagen kann: die Probleme bleiben und gegebenenfalls als motivationale, wenn die Willensentscheidung des Juristen betont wird. I n der Geschichte der Jurisprudenz gibt es Richtungen, die gegenüber der Sicht rational vermittelter Entscheidung den Rang des W i l lens, des Gefühls, der Intuition, des Empfindens betont haben. Z u nennen ist insbesondere die Freirechtsbewegung 57 und die i n ihr zu findende irrationalistische — vielfach von der Lebensphilosophie beeinflußte — Strömung. A m Anfang steht die Einsicht i n die „rechtsschöpferische" Leistung des entscheidenden Juristen, auch i n Rechtsordnungen mit breit gefächertem Gesetzesrecht. „Gesetz und Richteramt" werden zum Thema. Jeder zu entscheidende Fall stellt ein eigentümliches Rechtsproblem dar, für welches sich die zutreffende Rechtsbestimmung i m Gesetz noch nicht vorrätig vorfindet und sich auch nicht m i t der absoluten Sicherheit eines zwingenden logischen Schlusses aus den gesetzlichen Bestimmungen ableiten läßt 5 8 . Damit w i r d die Anwendung der allgemeinen Regel auf den Fall auch zur persönlichen Leistung; sie „geht notwendig durch eine Persönlichkeit hindurch". Es gilt als ein vergebliches Beginnen, die Individualität des Richters ganz ausschalten zu wollen 5 9 . Richtet man nun den Blick des zur Entscheidung unter Recht Berufenen nicht der Suche nach intersubjektiven Kriterien, sondern dem Subjektiven zu, dann w i r d das psychische Element auffällig. Als „der wahre A k t e u r " gilt der Wille. Der Wille, zu einer vorher gewissen Entscheidung zu gelangen, leitet die Auswahl der jene Entscheidung begründenden Gesetzesstellen. Alles Recht w i r d zum Erzeugnis des Willens. „ M i t dieser Erkenntnis schließt sich die S. 3 ff., ders., Einführung, zu: Die M o t i v a t i o n menschlichen Handelns, S. 13 ff. — I m Grunde k o m m t es w o h l auf das philosophisch-psychologische Vorverständnis an. Willensbegriff u n d Psychologie des Wollens sind letztlich von gesamtkulturellen Gegebenheiten abhängig. Autogenetische Willenstheorien sehen Wollen als etwas ganz Eigentümliches an u n d lehnen die Reduktion des Wollenserlebnisses auf andere Erlebnisarten ab. Heterogenetische Willenstheorien subsumieren dieses Erlebnis unter andere Kategorien. — Vgl. Peter R. Hofstätter , Psychologie, S. 329 ff. Während langer Zeit w a r das Studium des Willens vorherrschend. Heute ist der Begriff des Willens unter dem Einfluß behavioristischen Denkens aus manchen Lehrmeinungen — vor allem i n der amerikanischen Psychologie — gestrichen. Das setzt das W o r t W i l l e i n interessanter Weise f ü r die Sozialwissenschaften frei. — Vgl. den Begriff bei Kart W. Deutsch, Nerves of Government: Models of Poiitical Communication and Control, S. 105 ff. Z u r Psychologie u n d Philosophie des Wollens vgl. Wilhelm Kellers gleichnamige Schrift. 57 Z u r Namensgebung vgl. Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 63. 58 Vgl. Oskar Bülow, Gesetz u n d Richteramt, S. 32. 59 Vgl. Eugen Ehrlich , Freie Rechtsfindung u n d Freie Rechtswissenschaft, S. 29.

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Rechtswissenschaft dem Zuge der Geisteswissenschaft hundert an und t r i t t in ihre voluntaristische Phase 60 ."

i m 19. Jahr-

Überspringt man von hier die weitere Ausbreitung solcher Überlegungen 61 , so kommt man zu dem umfänglichen E n t w u r f von Isay, i n dem die Reflexion über den Entscheidungsbegriff zum Thema w i r d : „Rechtsnorm und Entscheidung". Hier ist die Entscheidung „ein dynamischer, ein Erlebnisvorgang, sie ist also Leben, Werden, Bewegung". Sie entsteht irrational und enthält jedenfalls irrationale Elemente. Der Inhalt der Entscheidung w i r d i m wesentlichen nicht durch einen kognitiven Denkakt gewonnen, sondern durch einen volitiven. Die Entscheidimg ist „ein Wollen, das als Streben auf ein Wertgefühl gegründet" ist. Gerechtigkeit und Nützlichkeit sind das, was die Entscheidung realisieren w i l l . So w i r d das Rechtsgefühl zu einer Quelle, aus der die Entscheidung entsteht 62 . Der Gerechtigkeitswert gilt als für den Verstand schlechthin unerfaßlich. Juristisches Denken unterfällt insoweit dem „emotionalen Denken". Ist Rationalität derart bei der Findung der Entscheidung ausgeschlossen, so gilt es dann doch, um den Bedürfnissen des geltenden Wirtschaftssystems zu entsprechen, die Entscheidung zu rationalisieren. Das w i r d dadurch gelöst, daß die Entscheidung an einer Rechtsnorm, die rational ist, kontrolliert w i r d 6 3 . Die beschriebenen Lehren der Freirechtsbewegung sind vor allem am B i l d des Richters orientiert. Dennoch stehen sie dem Handeln i n der öffentlichen Verwaltung nicht fern. E i n Zusammenhang zeichnet sich dort ab, wo Verwaltungstätigkeit als schöpferische, der Verwaltungsbeamte als schöpferischer Mensch begriffen w i r d 6 4 . Dann liegt oft die Verbindung zum volitiven Aspekt näher als zur Erkenntnisleistung. Der Wille, zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen, w i r d maßgeblich. Nach der willenspsychologischen Konzeption der Rechtswissenschaft müßte nun über die Rechtsentscheidung als Willensakt der Weg zu den Motivationen des entscheidenden Juristen führen. Die psychischen Beweggründe seines Handelns müßten interessieren. Dieser Weg ist genauso wenig beschritten worden, wie sich der Voluntarismus der Freirechtsbewegung i n der Rechtswissenschaft durch60 Hermann U. Kantorowicz (Pseudonym: Gnaeus Flavius), Der K a m p f u m die Rechtswissenschaft, S. 20, 24, 37. Vgl. zur „Emanzipation des Richters" Hans Reichel, Gesetz u n d Richterspruch: Zur Orientierung über Rechtsquellen- u n d Rechtsanwendungslehre der Gegenwart, S. 28 ff. 62 Hermann Isay, Rechtsnorm u n d Entscheidung, bes. S. 25, 27, 56, 85 ff. I m übrigen w i r d auf das „auf den Nützlichkeitswert des Inhaltes der E n t scheidung gerichtete Bewußtseinserlebnis" abgestellt, S. 27, 56 ff., 121 ff. 63 Hermann Isay, Rechtsnorm u n d Entscheidung, bes. S. 59, 78, 94 f., 154 ff. 64 Vgl. Hans Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 7; dazu Hans Heinrich Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre: Verwaltungsnorm und Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 192.

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setzen konnte. Zwar w i r d i m juristischen Entscheidungsdenken noch solche Subjektivität entdeckt — mindestens als „Rest". Das w i r d oft eingefaßt i n Begriffe wie: Rechtsempfinden, Rechtsgefühl, Rechtsüberzeugung oder schöpferisches, subjektives, volitives Element des Rechtsdenkens. Da aber die Jurisprudenz nach der vorherrschenden Philosophie von der Einheit des juristischen Denkens dazu neigt, Theorie und Praxis i n eines zu setzen, darf sie schon um der Wissenschaftlichkeit der Theorie willen Subjektivität nicht durchschlagen lassen, muß sie die Praxis zu objektivieren suchen. Es muß angesichts der genannten Begriffe um mehr als eine Kontrollfunktion des Rationalen gegenüber gefundenen Entscheidungen gehen, nämlich um die Rationalisierung der Entscheidungsfindung selbst. I n der Einheit des juristischen Denkens gilt die Aufmerksamkeit mehr den kognitiven, denn den motivationalen Merkmalen juristischen Handelns. Freilich w i r d sich dieses Forschungsinteresse, das auf die Rationalität menschlichen Verhaltens zielt, nicht grundlegend ändern, wenn man nun für Verwaltungsrechtslehre und Verwaltungsrecht genauer rechtswissenschaftliche Erkenntnis und rechtspraktische Entscheidimg voneinander abhebt. Es entfällt dann für die Analyse der Verwaltungspraxis und ihres juristischen Denkens die Vorprägung aus der Methodologie der Jurisprudenz. Zur Verwaltungsentscheidung müssen aber juristische Handlungszusammenhänge und motivationale Verhaltensabhängigkeiten — der Juristen — unterschieden werden. Der juristische Entscheidungsprozeß ist aus der Sicht einer Rechtstheorie von der öffentlichen Verwaltung — wenn man m i t der Rechtswissenschaft die wissenschaftliche Einsicht i n Sinnzusammenhänge menschlichen Handels für möglich hält — ein kommunikativer Vorgang sozialer Sinnermittlung und Sinnvermittlung. Die Motivationsstruktur beim Entscheiden ist ein Gefüge psychischer Beweggründe, seelischer Antriebselemente unter Einschluß von Bedürfnissen, gerichteten Gefühlen, Trieben. Die „Normation" interessiert spezifisch psychologisch nicht i n ihrer sinnhaften Objektivität, sondern i n den Abhängigkeiten seelischer Strebungen. Von hier aus läßt sich mehr über das Verhältnis von Normation und Motivation i m menschlichen Handeln sagen, als einer psychologisierenden Rechtslehre möglich ist, zumal die juristische Vorstellung über den psychischen Stellenwert des Normerlebnisses i n der Rechtsentscheidung bis heute wenig aus dem Gedankenaustausch zwischen Rechtstheorie und psychologischer Erforschung des Entscheidungsdenkens angeregt w i r d 6 6 . W i r wollen es als rationalisierendes Moment skizzieren. 65 Vgl. zu älteren rechtspsychologischen Entwürfen zum Rechtsgefühl Erwin Riezler, Das Rechtsgefühl: Rechtspsychologische Betrachtungen; Max Rümelin , Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein.

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Die allgemeine Uberzeugung von der rationalen Struktur i n der Rechtsentscheidung ist durch ein praktisch-juristisches Selbst Verständnis geprägt, i n welches verschiedene überlieferte Stellungnahmen der Rechtsphilosophie gegen die „Gefühlsjuristen" eingegangen sind 6 6 . Freilich hört man Erfahrungsberichte von Rechtspraktikern, die mitteilen, daß „erst entschieden" und dann hinterher die „juristische Rechtfertigung" gesucht werde 6 7 . I n diesem Zusammenhang steht weiter die bleibende Frage nach den „inneren, wahren, eigentlichen" Entscheidungsgründen 68 . Aber welche Bedeutung Wille, Gefühl, Intuition, Instinkt auch heute i n der juristischen Erörterung beigemessen wird, i n der überwiegenden Vorstellung hat das Normerlebnis einen anderen als den i n der irrationalistischen Strömung der Freirechtsbewegung bezeichneten Platz. Die Rechtsnorm begleitet die Entscheidungsfindung von Anfang an; sie w i r k t auf die Entscheidung von vornherein ein; sie ist eine Quelle der Entscheidung: „Rechtsfindung durch eine methodische Prüfung des Falles anhand des Gesetzes" ist „grundsätzlich der Ausgangspunkt" 6 9 . Eine wissenschaftliche Begründung dieses juristischen Selbstverständnisses hat durch die psychologische Überprüfung spezifischen Rechtsdenkens zu erfolgen 70 . Aus allgemeinen Untersuchungsergebnissen vom Menschen i n der Entscheidung läßt sich jedoch herleiten, daß solche Vorstellungen der psychischen Wirklichkeit des Rechtslebens angemessen sind und daß besonders und erst recht dort Normen als rationalisierendes Moment die Entscheidungsgenese selbst bestimmen. Das Phänomen nachträglicher Rationalisierung von Entscheidungen w i r d i n der Psychologie durchaus beobachtet. So ist etwa überprüft worden, daß Personen nach einer Entscheidung i m allgemeinen bestätigende Informationen aussuchen, und zwar i m Sinne eines Versuchs, die aus der Entscheidung resultierenden Dissonanzen zu verringern 7 1 . Die Stimmigkeit zwischen angegebenen Motiven und 66 Vgl. z.B. Rudolf Stammler, Lehrbuch der Rechtsphilosophie, S.306ff.; Julius Binder, Philosophie des Rechts, S. 775. 67 Insofern dürften die von Hermann Isay, Rechtsnorm u n d Entscheidung, S. 62 ff., gesammelten Zeugnisse heute noch kennzeichnend sein. 68 Für die Freirechtsbewegung vgl. insbes. Ernst Fuchs, Was w i l l die Freirechtsschule?, a.a.O., S. 25. Z u r heutigen Diskussion vgl. Martin Kriele, Offene u n d verdeckte Urteilsgründe: Z u m Verhältnis v o n Philosophie u n d Jurisprudenz heute, a.a.O., S. 99 ff. 69 So die charakteristische A n l e i t u n g des juristischen Anfängers bei Paul Sattelmacher, Bericht, Gutachten, U r t e i l : Eine A n l e i t u n g f ü r den Vorbereitungsdienst der Referendare, S. 28. 70 Auch das oft gebrauchte Begriffspaar „kognitive" u n d „ v o l i t i v e " Elemente des Rechtsdenkens ist i m Hinblick auf die zweiteilende Klassifikation seelischer Phänomene i n kognitive u n d motivierende Systeme durch die neuere Psychologie zu überprüfen. 71 Vgl. D. Ehrlich /1. Guttman / P. Schönbach, Die Verarbeitimg relevanter Informationen nach einer Entscheidung, a.a.O., S. 405 ff.

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Ergebnis der Überlegungen kann auf nachträglicher Besinnung, auf nachträglicher „Konstruktion von Motiven" beruhen 72 . Hiernach ist aber keine theoretische Grundlage entwickelt, welche normorientierte Motivationsstrukturen prinzipiell i n den Bereich des Nachträglichen verweisen läßt. N u r das würde dem Gedanken entsprechen, die verlautbarten juristischen Entscheidungsgründe lediglich als vorgegebene Beweggründe des Handelns anzusehen. Ferner beobachtet man durchaus Situationen, i n denen sich der Mensch der normativen Steuerung zu entziehen trachtet. Es gibt einschlägige Entlastungsvorgänge, die zur immer wieder eingesetzten „Technik" geworden sind, also: „Formen der Ausschaltung normativer Tendenzen 73 ." Diese Feststellung führt jedoch nicht zu einer Konzeption, welche die Normorientierung beim Entscheiden grundsätzlich auf emotionales Denken beschränkt. Nur das könnte eine Theorie stützen, die Lenkungen aus Gesetzeskenntnissen als verdrängt und das Rechtsgefühl als herrschend behandelt. Vielmehr durchdringen „Motivation" und „Normation" einander i m menschlichen Verhalten ständig. Beim Entscheidungsvorgang wirken normative Motivationsstrukturen derartig komplex, daß sich ihr rationalisierendes Moment für den Regelfall nicht aus der Entscheidungsgenese ausschalten läßt. Auch für die Normorientierung gilt: Motivationen erscheinen von vielfältigen Orientierungswirkungen geformt und geprägt. Diese Formierungen sind etwas zu ihrer Erscheinungsweise Gehöriges, nicht etwas später Hinzukommendes 74 . So erwächst das psychische Erscheinungsbild starker Orientierungskraft von Geboten und Verboten: die „normative Überformung des Verhaltens". A u f diesem Grunde steht die Gegenfrage zur Willensfreiheit, ob der Mensch auf bestimmte Normen und Verhaltensmuster festgelegt sei: das heißt „die jederzeit funktionierende Dominanz der überformenden prospektiven Instanzen" 75 . M i t solcher Skizzierung der psychologischen Sicht werden weder verdeckende Urteilsgründe — infolge ausgeschalteter Normorientierung oder nicht offen gelegter Motive — noch Spontaneitäten i n der Entscheidung ausgeschlossen. Allerdings w i r d es sich bei dem „erst entscheiden, dann begründen" erfahrener Praktiker eher um ein Bewußtseinsproblem i m engeren Sinne handeln. Normorientierung gliedert sich i n eine breite Skala von Bewußtseinsstufen. Wissen kann „ i n Fleisch 72

Vgl. Hans Thomae, Der Mensch i n der Entscheidung, S. 2$l. Vgl. die gleichnamige Studie von G. Dietrich , a.a.O., S. 375 ff. Vgl. Hans Thomae , Vorbemerkung zu: Motivation u n d Norm, a.a.O., S. 303; ders., Z u r allgemeinen Charakteristik des Motivationsgeschehens, a.a.O., Bd. 2, I I , S. 86 f. 75 Vgl. Hans Thomae , Der Mensch i n der Entscheidung, S. 72 f., 276 f.; ders., Vorbemerkung, zu: M o t i v - u n d Motivationsformen, a.a.O., S. 95. 73 74

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und B l u t " übergehen. Normorientiertes Verhalten ist dann weitgehend unbewußt an der Norm orientiertes Verhalten 7 6 . Insofern t r i f f t der epigrammatische Ausspruch Iherings zu: „Nicht das Rechtsgefühl hat das Recht erzeugt, sondern das Recht das Rechtsgefühl 77 ." Jedenfalls ist es angesichts der komplexen Entscheidungsgenese psychologisch nicht angängig, das Normerlebnis nach Weise einer Strömung der Freirechtsbewegung i n Rechtsgefühl als Quelle und Rechtsnorm als Kontrolle zu verteilen. Kehrt man von der Ebene motivationaler Verhaltensabhängigkeiten zu der Ebene sozialer Sinnhaftigkeit des juristischen Entscheidimgsprozesses zurück, dann bleibt die psychologische Einsicht nicht ohne Konsequenzen. Wenn die Psychologie i n der Normation ein rationalisierendes Moment entdeckt, dann kann die Rechtswissenschaft die juristische Entscheidung kaum als etwas Irrationales interpretieren. Zwar sind Sinnzusammenhänge und Motivationszusammenhänge menschlichen Handelns theoretisch voneinander abzuheben. Aber w i r dürfen uns sozialen Sinn nicht als etwas vorstellen, was völlig von den psychischen Erlebnissen des Menschen abgetrennt ist. Motivation und Intentionalität des menschlichen Handelns stehen i n wechselseitiger Abhängigkeit. Wegen solcher Interdependenzen ist die Verwaltungsrechtslehre auf die Hilfe der Psychologie angewiesen. W i r wollen über die Notwendigkeit der Zusammenarbeit i n einer umfassenden Verwaltungswissenschaft hinaus beispielhaft machen, daß es für eine Verwaltungsforschung relevante Beweggründe des Handelns gibt, die noch anders als juristischer Entscheidungsprozeß oder die oben genannte Beamtenrechtsreform von rechtswissenschaftlichen Überlegungen entfernt sind — wenn sich auch immer wieder zeigt, wie sehr die Probleme unserer öffentlichen Verwaltung zugleich auch Rechtsfragen sind: Aktionen i m Bereich von öffentlicher Sicherheit und Ordnung brauchen genauso ein psychologisch geschultes Personal wie rechtlich zuverlässige Verhaltensmuster. Aus dem Verwaltungsalltag heraus drängen sich viele Probleme auf, zu deren Lösung von einer Verwaltungspsychologie her beizutragen ist. U m eine leistungsfähige Verwaltungsbehörde personell zu führen, muß man die Interdependenzen von Arbeitsplatz und Motivationslage des einzelnen überblicken, muß man als Vorgesetzter die Motive einsehen, die bei der Gruppe zur sachlichen Partnerschaft abgestimmt werden müssen. U m die Verwaltungsleistung i m Publikum ohne Reibungsverluste absetzen zu können, muß man von den Motivationen des Bürgers wissen, die als Hemmungen dem Verwaltungsvollzug ent7« Vgl. dazu Hans Thomae, Z u r allgemeinen Chrakteristik des Motivationsgeschehens, a.a.O., Bd. 2, I I , S.91f. 77 Der Zweck i m Recht, Bd. 1, S. X .

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gegenstehen. A l l das kann die Verwaltungsrechtslehre nicht ausfüllen. Es läßt sich aber auch nicht allein aus der genuinen Erfahrung des Verwaltungspraktikers bewältigen. Es bedarf der wissenschaftlichen Erforschung. Bei jedem Versuch, die Arbeitsvorgänge zu rationalisieren, erweist sich, wie sehr man auf psychologisch gesicherte Kenntnis der Motivationslagen angewiesen ist. Insbesondere die Schwierigkeiten der großzügigen Verwaltungsneugliederung — man denke an die massenhafte Versetzung von Beamten, die Konfrontierung des Bürgers mit einer neuen Verwaltungsorganisation — machen unübersehbar, daß Auskünfte über die Motive des Menschen i n der Verwaltung und in der verwalteten Welt nötig sind, die auch den, der öffentliche Verwaltung nur i m Handeln des praktischen Lebens selbst für einsichtig hält, auf die Wissenschaft hinweisen. Man kann dazu auf die weiterausgebildete Motivationsforschung vom wirtschaftenden Menschen verweisen. I n der Betriebspsychologie 78 und Wirtschaftspsychologie 79 ist umfänglicher Wissensbestand über die Beweggründe des Handelns i n Organisation und sozialer Umwelt aufgebaut. Für den sozialökonomischen Bereich w i r d die Bedeutung der Motivationssphäre i m Hinblick auf Berufsanforderimg und Berufseignung untersucht. Man wendet sich den Motiven zu, die den arbeitenden Menschen an seine Arbeit binden und seine soziale Einordnung i n den Betrieb erleichtern. I n der Beziehung von Information und Leistung w i r d untersucht, wie die Motivierung gestärkt wird, wenn der Arbeitsgang überblickbar und das Arbeitsresultat erkennbar ist. Die Abhängigkeit sozialer Integration von der Abstimmung der Motive der i m Betrieb handelnden Personen und Gruppen w i r d aufgewiesen. Die Bedeutung nicht nur der vom Betrieb auf die Motivationen der Mitarbeiter und Führungskräfte ausgehenden Einflüsse, sondern auch das öffentliche Ansehen des Betriebes — ob der Betrieb auf Arbeitskräfte anziehend w i r k t — w i r d analysiert. Damit erreichen w i r den Außenbereich des Betriebes. Hier hat sich die Motivationsforschung insbesondere die Aufgabe gestellt, die Frage nach dem „Warum" individuellen und gruppenspezifischen Konsumverhaltens zu beantworten. I n der Wettbewerbswirtschaft reicht das Forschungsinteresse vom Produkt über Verpackung und Werbung bis zum Absatz. Die Erfolge der Betriebspsychologie auf dem Gebiet der Personalführung sind bekannt. Sie müssen davon überzeugen, daß es nützlich ist, die Beweggründe menschlichen Handelns auch für die öffentliche 78 Vgl. zu einem Überblick: Betriebspsychologie, hrsg. von Arthur Mayer und Bernhard Herwig , a.a.O., Bd. 9; James A. C. Brown, Psychologie der industriellen Leistung; Heinrich Heitbaum , Psychologie i m Betrieb. 79 Vgl. i m vorliegenden Zusammenhang etwa H.F.J. Kropff , M o t i v f o r schung: Methoden u n d Grenzen; Joseph W. Newman, Motivforschung u n d Absatzlenkung; ferner Ernest Dichter , Handbuch der Kaufmotive.

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ealität des Verwaltungshandelns

Verwaltung zu untersuchen. Andererseits ist es augenfällig, daß es nicht einfach darum gehen kann, die Ergebnisse von Betriebs- und Wirtschaftspsychologie für die Verwaltungswissenschaft zu übernehmen. Die motivationalen Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten und auch die eines Betriebes zu der i h n umgebenden Gesamtgesellschaft — Public Relations — sind andere als die Motivationslagen zwischen Verwaltung und verwalteter Welt. So mag in dem einen Bereich — vielleicht i n der Berufspsychologie — mehr, i n dem anderen weniger zu lernen sein. Jedenfalls w i r d die Motivationsforschung vom Menschen i m wirtschaftlichen Bereich eine wichtige Hilfe bei der Formulierung von Problemen einer Verwaltungswissenschaft bieten. Denn Wissenschaft muß ein Maß an Eigenständigkeit bei der Abfassung der Fragen aufweisen, die sie zu bearbeiten intendiert. Auch der Wissenschaftspragmatiker muß seine Nützlichkeitsmaßstäbe irgendwoher haben. A u f die Überzeugungen der Praxis, für die er arbeiten w i l l , w i r d er nicht völlig bauen dürfen. Inwieweit etwa Verwaltungspraxis i h r Verhältnis zur öffentlichen Meinungsbildung i m Sinne des Angewiesenseins auf Motivationsprozesse des Publikums begreift, müßte erst noch näher untersucht werden 8 0 . Zum Abschluß unseres Beispiels: Motivationen als eine Verwaltungswirklichkeit, müssen w i r zu einer Grundfrage der Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft zurückkehren. W i r haben bei der Behandlung rechtswissenschaftlicher Themenstellungen das Selbstverständnis der Jurisprudenz unterstellt und sind davon ausgegangen, daß es eine wissenschaftliche Einsicht i n äußerlich nicht wahrnehmbare soziale Größen gibt, ohne die Verwaltungsrechtslehre insoweit näher metatheoretisch zu untersuchen — was später noch zu erfolgen hat. Anders w i r d Motivationsforschung heute auch auf der Grundlage einer Wissenschaftslehre betrieben, die den Zweifel an wissenschaftlicher Verläßlichkeit der Introspektion bis zur Reductio ad actionem führt. Motivationspsychologie als Behaviorismus 81 handelt nur von den durch einen außenstehenden Beobachter feststellbaren Verhaltensweisen der Lebewesen. Was den Menschen innen antreibt, gilt als wissenschaftlicher Aussage unzugänglich. Es geht um Handlungsketten von äußeren Anreizen und Reaktionen. Hier stellt sich für die empirische Erforschung von Beweggründen menschlichen Handelns nicht nur die Frage, ob Psychologie auf ein Wissenschaftsprogramm der Erklärung aus einem Reiz-Reaktion-Schema beschränkt ist, sondern ob Wissenschaft seelischen Lebens überhaupt ohne Verstehen möglich ist. „Reine" Verstehbarkeit ohne Rückgriff auf äußerlich erfahrbare Gegebenhei80

Vgl. Hans Hämmerlein, Öffentlichkeit und Verwaltung. ei Vgl. zu einem Überblick Rudolf Bergius, Behavioristische Motivationsbegriffe, a.a.O., Bd. 2, I I , S. 817 ff.

3. Motivationen als eine Verwaltungswirklichkeit

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ten scheint wenig zu intersubjektiv bewährbaren Aussagen zu führen. Das Verstehen scheint mindestens eine Korrelationsbeschreibung äußerer Wahrnehmungen enthalten zu müssen. Aber ist Erklären ohne den Zusammenhang weiterer Verständlichkeiten möglich? Der Wissensbestand der Psychologie über die Beweggründe menschlichen Handelns ist ohne den auf Motivationsverständnis abstellenden Anteil seinerseits wohl kaum verständlich zu machen 82 .

82 „Verstehen" u n d „Erklären" bleibt auch f ü r die Psychologie thematisch. Vgl. etwa Burkart Holzner, Amerikanische u n d deutsche Psychologie: Eine vergleichende Darstellung, S. 59 ff. 7 Speyer 46

Drittes

Kapitel

Potentialität des Verwaltungshandelns 1. Verwaltungswissenschaft

und

Handlungsmöglichkeit

Von dem verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnisinteresse an der Wirklichkeit öffentlicher Verwaltung wenden w i r uns dem Erkenntnisinteresse an der Möglichkeit ihres Handelns zu. Die Kategorie der Möglichkeit gehört zu den Themen der Philosophiegeschichte, an denen immer wieder der Streit der philosophischen Hauptrichtungen anknüpft. Zu unserer kategorialen Gliederung ist betont worden, daß solche grundlegenden Begriffe hier nicht aus Gründen ontologischer Systematik verwendet werden, sondern daß ihr heuristischer Wert genutzt werden soll, um den Weg zu einer umfassenden Verwaltungsforschung zu finden. Deswegen kommt es zunächst nicht darauf an, zu klären, wie w e i t Möglichkeit und Wirklichkeit voneinander unabhängige, absolute Bestimmungen oder wie weit Möglichkeit und W i r k lichkeit zu identifizieren sind. I n der Aussage, daß es realisierte und nichtrealisierte Möglichkeiten gebe, ist ein weiterer Fragehorizont für die Verwaltungsforschung eröffnet. Es bedeutet einen Interessenunterschied, ob man nach der aktuellen Wirklichkeit oder der Potentialität sozialen Handelns fragt. Solche Bezugspunkte schließen es nicht aus, daß die Verwaltungswissenschaft sich gerade m i t dem Problemfeld zwischen ihnen beschäftigt. Denn einmal liegen zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit die Grundfragen von Notwendigkeit, Zufall und Freiheit, und zum anderen hat Verwaltungsforschung einen spezifischen Sinn darin, wissenschaftlich beizutragen, daß sich durch praktische Tätigkeit des Menschen Möglichkeit zu Wirklichkeit verwandelt. Und hier ist von der Philosophie zu lernen, wenn sie i n ihren jüngeren Schulen — vor allem auch i n der Existenzphilosophie — betont: Möglichkeit bedeute Unentschiedenheit, Offenheit für die Zukunft. Es bleibt nicht ohne Konsequenz für die Wissenschaftsphilosophie, wenn man einsieht, daß die Möglichkeit des Handelns auf Wissen und Erkenntnis ruht. Auch insofern meint Potentialität: Vermögen, innewohnende Kraft, Leistungsfähigkeit. Das industrielle Zeitalter — mögen w i r es auch als eine Zeit der Handlungszwänge empfinden — weitet das gesellschaftliche Leben nach

1. Verwaltungswissenschaft und Handlungsmöglichkeit

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technischen und ökonomischen Möglichkeiten zu breiten Handlungsspielräumen aus. Das zunehmend Mögliche macht die Frage vordringlich, welche menschlichen Verhaltensweisen als sozialverträglich zugelassen sind. Die klassischen Vorstellungen über naturgesetzliche Abläufe von Recht, Staat, Wirtschaft entlasten nicht mehr. I n den offengelegten Spannungsfeldern der Interessenkonflikte haben sich die Ideen vom freien Spiel der Kräfte, vom natürlichen Wachstum der Menschheit aufgelöst. Unser Zeitalter bedarf der sozialen Gestaltung. Dabei sind w i r nicht jenen eindeutigen Wegweisungen unterworfen, welche monistische Ideologien — wie der Marxismus-Leninismus — den totalitären Systemen geben. I n der pluralistischen Gesellschaft w i r d die Komplexität der sozialen Welt bewußt, ohne daß mit diesem Bewußtsein die Muster richtigen Verhaltens als offenkundig gelten.

Die Probleme des zunehmend Möglichen sind auch solche der öffentlichen Verwaltung, und zwar i n doppelter Richtung: der sozialen Gestaltung der Verwaltungsorganisation und der Gestaltung der Gesellschaft durch die i n der Verwaltungsorganisation Tätigen. Unsere industrielle Gesellschaft w i r d oft als organisierte Gesellschaft bezeichnet; denn sie ist durch eine Vielzahl organisierter Sozialgebilde und durch vielseitiges Organisieren charakterisiert. W i l l man den Stellenwert der öffentlichen Verwaltung i n dieser organisierten Gesellschaft ausmachen, so ist man auf die Kennzeichnung „verwaltete Welt" verwiesen. Mögen K u l t u r k r i t i k e r dieses Symbol als eine Warnung aufstellen, der zugrundeliegende Lebenssachverhalt muß von der Notwendigkeit öffentlicher Organisation überzeugen. Die öffentliche Verwaltung gehört wegen ihrer sozialen Reichweite zu den Ordnungsmitteln, aus denen die Organisationsbedürftigkeit breiter Gesellschaftsbereiche einsichtig wird. I n ihr sind jene gegensätzlichen Merkmale der Gegenwart deutlich, die zu Ordnungsformen drängen. Die öffentliche Verwaltung ist an die massenhaften Sozialvorgänge i m modernen Zeitalter gebunden, und sie muß doch zugleich jenen sozialen Differenzierungen entsprechen, die eben diese Zeit verlangt. Die Verwaltungsorganisation ist aber nicht nur Ausdruck derartiger Spannungszustände. Wie die Sozialforschung aufzeigt, ist Organisation nicht nur Ordnungsform, sondern ein wesentlicher Bestandteil gesellschaftlicher Bewegung. Dementsprechend ist die Verwaltungsorganisation eng m i t den Erscheinungen des sozialen Wandels verknüpft. Wenn neue Lebensbedingungen die alten Organisationsformen überholen, muß sich Verwaltung bis zu ihren Grundlagen ändern. Der Satz „Verwaltungsrecht ist konkretisiertes Verfassungsrecht" ist auch eine Formel gesellschaftlicher Dynamik. M i t gewandelter Gesellschaftsverfassung muß das Verwaltungsgefüge geändert werden. 7*

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

Die Verwaltungsorganisation als etwas für die Zukunft Offenes, als sozial zu gestaltende Möglichkeit menschlichen Handelns ist ein Thema, das zunehmend auch bei uns von der Verwaltungswissenschaft entdeckt wird. Verwaltungsreform gerät i m „Neubau der Verwaltung" 1 zu weitgesteckten Entwürfen. Es w i r d kein Zweifel gelassen, daß man meint, m i t wissenschaftlichen M i t t e l n aus dem Möglichen schlüssige Lösungen der Verwaltungsorganisation aufzuweisen. So w i r d etwa aus den Anforderungen der Handlungspraxis das Stadt-Umland-Problem vordringlich. Als Lösungsmöglichkeiten werden z.B. genannt 2 : die interkommunale Zusammenarbeit. Es w i r d vorgeschlagen, daß i n einem Netz von Arbeitsgemeinschaften, Zweckverbänden, Planimgsverbänden, öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen und anderen Verträgen unter Wahrung der bisherigen Grundstruktur des Verwaltungssystems zusammengearbeitet wird. Auf der anderen Seite steht die Möglichkeit, den ganzen Verdichtungsraum bis zur Grenze der Interessensphäre der Kernstadt zu einer Einheitsgemeinde i m Wege der Eingemeindung der Umlandgemeinden i n die Kernstadt zusammenzufassen, und zwar als Einheitsgemeinde ohne verwaltungsmäßige Untergliederung bzw. mit bezirklicher oder ortschaftlicher Dekonzentration bzw. m i t bezirklicher oder ortschaftlicher Dezentralisation. Besondere strukturangepaßte Organisationsmöglichkeiten enthält die Bildung eines Stadt-LandKreises aus Kernstadt und Umlandgemeinden als üblicher Kreis mit einer Sonderstellung der Kernstadt oder als besonderer Stadt-Kreis mit Hegemonie der Kernstadt. Neben anderen Lösungsmöglichkeiten mehr w i r d vorgeschlagen, einen Sonderverband aus Kernstadt und den umliegenden Landkreisen und Gemeinden zu bilden, der nicht gebietskörperschaftlich organisiert und m i t umfassenden oder begrenzten Kompetenzen ausgestattet ist. Was auch immer aus der Sicht der Wissenschaftstheorie zu solchen „Denkmodellen" zu sagen ist, öffentliche Verwaltung als Handlungsmöglichkeit w i r d zum gesicherten Gegenstand der Verwaltungsforschung. W i r müssen hiernach fragen, ob nun weiter öffentliche Verwaltung als verwaltete Welt Gesellschaftsgestaltung nach Spielräumen des Möglichen bedeutet, so daß sich das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse am potentiellen Handeln nicht nur auf determinierte, sondern auch auf offene Möglichkeiten der Verwaltungspraxis richten kann. I n den Handlungsbereichen von Verwaltungsorganisation und verwalteter Welt wirken insoweit unterschiedliche Traditionen. I m Hinblick auf die 1 Vgl. Frido Wageners gleichnamige Schrift über die Gliederung der öffentlichen Aufgaben u n d ihrer Träger nach Effektivität und Integrationswert. 2 Vgl. Klaus Stern / Günter Püttner, Grundfragen zur Verwaltungsreform i m Stadtumland: Empfehlungen zur Neuordnung von Ballungsgebieten, dargestellt am Großraum Hannover, S. 13 ff.

1. Verwaltungswissenschaft und Handlungsmöglichkeit

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Bildung, Errichtung, Einrichtung, Änderung oder Aufhebung von Gliedern und Organen der öffentlichen Verwaltung durch die Bestimmung ihrer Zuständigkeiten, ihrer Zusammenhänge, ihrer inneren Ordnung und ihrer persönlichen und sachlichen Ausstattung besteht der überlieferte Gedanke einer Organisationsgewalt als „Hausgut" der Verwaltung 3 . Der Verwaltung w i r d eine prinzipielle Beweglichkeit der Selbstgestaltungsmöglichkeiten eingeräumt. Anders gilt die Verwaltung gegenüber der sozialen Umwelt bei uns weitgehend als etwas Bestimmtes, substantiell Entschiedenes. Die rechts- und staatsphilosophische Tradition solcher Formulierimg — es sei auf Hegel verwiesen — reicht weit zurück, und ihr Sinn meint mehr, als einer unbeschränkt verstandenen Staatsführung eine streng programmierte Verwaltung der Gesellschaft unterzuordnen. I m demokratischen Rechtsstaat hat eine Festlegung der öffentlichen Verwaltung die zweifache Bedeutung der A b hängigkeit von den demokratisch legitimierten Organen und der Bindung an das Recht. So bleibt Verwaltung als etwas Bestimmtes Diskussionsgegenstand i n sich verfeinernden Auseinandersetzungen um Verwaltung als Vollzug der Gesetze, Verwaltung i n den Schranken der Gesetze, Verwaltung in der Bindung an Gesetze usw. Jedoch muß man, wenn man auf das soziale Vermögen der öffentlichen Verwaltung abstellt, den weiteren Kontext von Abhängigkeiten und Selbständigkeiten administrativer Tätigkeit sehen. Insbesondere muß man sich darüber Rechenschaft geben, daß das Verhältnis von politischer Führung und öffentlicher Verwaltung nicht nur nicht einbahnig ist, sondern daß die einfachen Bilder von Hilfe und Beratung kaum stimmen. Die politische Willensbildung ist ein komplexer Entscheidungsprozeß, i n dem die Verwaltung weitreichenden Anteil hat. Schon ihre Leistungen der Information und Kommunikation machen das einsichtig. Entsprechend heißt administrative Gesetzesvorbereitung: eine Vorwahl unter Lösungsmöglichkeiten zu treffen. Vielleicht deutet sich aber bereits eine funktionale Verbindung von Legislative und Exekutive zur verwaltenden Gesetzgebung und gesetzgebenden Verwaltung an, die uns über ein „Prinzip der Verwaltungsmäßigkeit der Gesetzgebung" nachzudenken veranlaßt 4 . Indes ist auch über das verpflichtende Prinzip von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wissenschaftlich noch nicht das letzte Wort gesprochen. W i r sind heute i n die Lage versetzt, die diesbezügliche Bestimmbarkeit der öffentlichen 3 Vgl. insbes. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung: Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland; ferner die Berichte von Arnold Köttgen und Felix Ermacora, Die Organisationsgewalt, i n : Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 16, S. 154 ff. bzw. 191 ff. 4 Vgl. Hartwig Bülck, Abhängigkeit u n d Selbständigkeit der Verwaltung, a.a.O., S. 52 ff., 63 ff.

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

Verwaltung gleichsam i n einem sozialen Experiment zu erproben. Bei der Gesetzesausführung durch elektronische Datenverarbeitung w i r d das unsichere Verhalten des Menschen durch die deterministischen Operationen der Maschine ersetzt — jedenfalls bei den bisher verwendeten Computern. Es geht u m nachrichtenverarbeitende Prozesse, welche von bestimmten Eingangsnachrichten ausgelöst werden, an gewisse Operationsmuster gebunden sind, auf Grund detaillierter Programmierung so eindeutig verlaufen, daß sie zu notwendig eindeutigen Ausgangsnachrichten führen — welche lediglich vor Abschluß der Operationsfolge noch unbekannt sind. Die Konfrontation der öffentlichen Verwaltung m i t der Automation lehrt, daß die herkömmlichen administrativen Entscheidungsprozesse sich durch ein hohes Maß von Unbestimmtheiten auszeichnen5. Die Entscheidungsvorschriften der Verwaltung sind mehrdeutig. Ihre Verfahrensweisen sind nicht gewiß. Man schaue aus der Sicht des Rechts auf die Unsicherheiten des Ermessens, der unbestimmten Rechtsbegriffe und der juristischen Methode. W i r gehen hier noch nicht der Frage nach, ob die öffentliche Verwaltung zu ihrer Funktionsfähigkeit Unbestimmtheit braucht, u m für die individualisierende Berücksichtigung des Einzelfalles und zur veränderten Behandlung des Zukunftsfalles flexibel zu bleiben. Festzuhalten ist, daß sich in der Verwaltungsorganisation wie i n der verwalteten Welt ein Spielraum der Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Von der Wissenschaft einer „wissenschaftlichen Zivilisation" w i r d mit besonderer Dringlichkeit Auskunft darüber verlangt, was sie über die Möglichkeiten des Menschen auszusagen hat. Denn wissenschaftliche Handlungsformen zählen zu den kulturell bevorzugten. So ist die Frage nach den potentiellen Verhaltensmustern ein i n vielfältigen Zusammenhängen erörterter Gegenstand. Da Unterrichtung i m Sinne der Anwendung von Theorie verlangt wird, findet man solche Überlegungen vornehmlich auch i m Zusammenhang m i t dem Thema der Beratung der Praxis durch die Wissenschaft. Dieser Leitgedanke regt i n traditionellen Wissenschaften wie der Ökonomie zu ständiger Diskussion an 6 . Er begleitet jüngere Fächer wie die Politische Wissenschaft von 5 Das Thema der elektronischen Datenverarbeitung i n Recht u n d V e r w a l tung w i r d uns später genauer beschäftigen. Vgl. zum vorliegenden Zusammenhang Hans-Peter Bull, V e r w a l t u n g durch Maschinen: Rechtsprobleme der Technisierung der Verwaltung; Herbert Fiedler, Rechenautomaten i n Recht und Verwaltung, i n : Juristenzeitung 1966, S. 689 ff.; Ulrich Klug u n d Herbert Fiedler, Die Berücksichtigung der automatisierten Gesetzesausführung i n der Gesetzgebung, i n : Deutsche Rentenversicherung, 1964, S. 269 ff.; Niklas Luhmann, Recht u n d Automation i n der öffentlichen Verwaltung: Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung; Adalbert Podlech, Logische Anforderungen kybernetischer Systeme an ihre Anwendung auf Rechtssätze, i n : Der Betriebs-Berater, 1968, S. 106 ff. 6 Vgl. etwa die Verhandlungen aiuf den Arbeitstagungen des Vereins für Socialpolitik: Probleme der normativen Ökonomik u n d der wirtschafts-

1. Verwaltungsissenschaft und Handlungsmöglichkeit

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Anfang an 7 . Er w i r d heute zu der Vorstellung ausgeweitet, neben die Spezialdisziplinen eingerichteter Wissenschaftsbereiche eine neue Grunddisziplin „beratender Sozialwissenschaft" zu stellen 8 . Diese Grundwissenschaft soll i n interdisziplinärer Zusammenarbeit die Basis von integrierten Erkenntnissen, Grundbegriffen und Prinzipien ausbilden, von der aus der Fachwissenschaftler sinnvoll operieren kann. Ob über die Potentialität der öffentlichen Verwaltung von der Verwaltungswissenschaft als einer derartigen „Integrationswissenschaft" oder als einer autonomen Fachwissenschaft her zu sprechen sein wird, bleibt zu beantworten. Uns interessiert vorab die erkenntnistheoretischmethodologische Grundlage der Aussagen über mögliches Handeln. Wie schwer diese Grundlage aus den pragmatischen Abhängigkeiten wissenschaftlicher Aussagensysteme herauszulösen ist, w i r d freilich gerade beim Beratungsthema augenfällig. Hier fügen sich die sozialen Zusammenhänge sozialwissenschaftlicher Aussagen auf engem Felde zusammen. Die wissenschaftliche Leistung erscheint nicht der Praxis als isolierter Handlungsbeitrag angeboten. Der Wissenschaftler ist M i t spieler i n den arbeitsteiligen Prozessen der Gesellschaft: als Berater von internationalen Organisationen, von staatlichen Instanzen, Regierungen, Ministerien, Staatsbanken, von öffentlichen Unternehmungen. I n diesen und anderen Beraterstellen mehr hat der Wissenschaftler Anteil am sozialen Geschehen, und insbesondere i n der Kleingruppe eines gemischten Beirates unter seiner Beteiligung werden die Interdependenzen von Theorie und Praxis unübersehbar. Die Probleme solcher Verbindung von wissenschaftlicher und außerwissenschaftlicher Welt sind bekannt. Sie werden vorzüglich als Gefahren für Wissenschaft und Praxis beschrieben. Man fürchtet für die Freiheit der Forschung, die Befangenheit des ratgebenden Wissenschaftlers angesichts von Auftraggebern. Man sieht ganze Wissenschaftssysteme für politische, militärische, wirtschaftliche und höchstpersönliche Zwecke dienstbar gemacht. Andererseits warnt man vor der Gefahr, daß die Praxis einem wissenschaftlichen Denken erliegt, das als theoretische ausgewiesene politischen Beratung, hrsg. v o n Erwin von Beckerath u n d Herbert Giersch i n Verbindimg m i t Heinz Lampert; Grundsatzprobleme wirtschaftspolitischer Beratung: Das Beispiel der Stabilisierungspolitik, hrsg. von Hans K. Schneider. 7 Vgl. die Nachweise bei Klaus Lompe, Wissenschaftliche Beratung der P o l i t i k : E i n Beitrag zur Theorie anwendender SozialWissenschaften; Amd Morkel, Politik u n d Wissenschaft: Möglichkeiten u n d Grenzen wissenschaftlicher Beratung i n der Politik. 8 Vgl. die Vorschläge v o n Gerhard Weisser, Probleme beratender Sozialwissenschaft, a.a.O., S. 83 ff.; ders. t Das Problem der systematischen Verknüpfung von Normen und von Aussagen der positiven Ökonomik i n grundsätzlicher Betrachtung, erläutert anhand des Programms einer sozialwissenschaftlichen Grunddisziplin aus Empfehlungen u n d Warnungen, a.a.O., S. 16 ff.

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

Sachzwänge behauptet und gegenüber praktischen Wertvorstellungen durchsetzt. Man sieht, daß wissenschaftliche Experten oft mehr entscheiden als beraten. So begründet solche Befürchtungen sein mögen, für die erfahrungswissenschaftliche Erforschung des Wissenschaftsbetriebes und seiner sozialen Umwelt stellen sie nur einen kleinen Ausschnitt aus den Problemen von Eigenbestimmung und Fremdbestimmimg dar. Indes darf man das Thema der wissenschaftlichen Beratung der Praxis so nicht nur als einen Gegenstand für die Soziologie und Psychologie wissenschaftlichen Verhaltens ansehen. Es ist erkenntnistheoretischmethodologisch unmittelbar relevant. Die Frage ist, wie Wissenschaft als angewandte möglich ist, und zwar eine Wissenschaft über gesellschaftliche Praxis, an der der Wissenschaftler notwendig selbst Anteil hat. Der Fall der wissenschaftlichen Beratung der Praxis macht diese Teilhabe am praktischen Leben besonders deutlich. Er ist deswegen auch vor allem geeignet, über die individuellen und gruppenspezifischen Motive und Gesinnungen des Forschers hinaus den wissenschaftstheoretischen Standort zu umreißen. Eine Disziplin wie die Verwaltungswissenschaft, mit der sich praktischer Sinn zu verbinden pflegt, kann an dieser Stelle ihre sozialkulturellen Verhaltenszusammenhänge durchsichtig machen, ihre Vorurteile hinterfragen. Sie kann sich darüber verständigen, m i t welchem wissenschaftlichen Anspruch sie als angewandte Wissenschaft bis zu welchem Punkt menschlicher Handlung vordringt. Zur Theorie-Praxis-Relation einer Verwaltungswissenschaft w i r d mancher auf den überlieferten Gedanken der praktischen Philosophie verweisen 9 . Die Problematik dieses Hinweises liegt nicht darin, daß der Verwaltungswissenschaft zur Aufgabe gemacht wird, Praxis: Handeln der öffentlichen Verwaltung, vorzudenken, vielmehr darin, daß Verwaltungswissenschaft auch als praktische Wissenschaft zu beantworten hat, wie sie ihre Ergebnisse rational einsehbar, intersubjektiv bewährbar und kontrollierbar macht. Insofern ist zu beobachten, daß einige sozialwissenschaftliche Bereiche weniger von dem Bemühen geprägt sind, der Handlungspraxis mit einer i n den Methoden reflektierten Forschung zu begegnen. Man scheint einen gewissen Dualismus der Erkenntnisleistungen von vornherein in Rechnung zu stellen. A u f der einen Seite finden w i r die Vertreter einer stringent vorgetragenen Metatheorie. Sie entwerfen ein kognitiv vollkommenes Wissenschaftsprogramm. Aber für praktische Fragen bleiben positive Lösungen aus. Der wissenschaftliche Beitrag erschöpft sich vielfach i n der Doktrin9 Vgl. etwa zur Politischen Wissenschaft Wilhelm Hennis, P o l i t i k u n d praktische Philosophie: Eine Studie zur Rekonstruktion der politischen Wissenschaft; zum Ursprung Joachim Ritter, Z u r Grundlegung der praktischen Philosophie bei Aristoteles, i n : Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, i960, S. 179 ff.

2. Prognosen über öffentliche Verwaltung

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kritik. Andere klammern die wissenschaftstheoretische Seite ihres Tuns aus. Sie erweisen sich als berufen, die erforderliche praxisbezogene Arbeit zu leisten. Freilich gilt eine Einschränkung: der Erfolg muß ihnen Recht geben; anderenfalls zählen ihre Lehren zu den intersubjektiv nicht ausweisbaren Privatmeinungen 1 0 . Hier mag uns zwar Poppers Falsifikationstheorie aufmerksam machen, wie weit Wissenschaft von letzter Gewißheit entfernt ist, wie sehr w i r uns m i t der vorläufigen Festigkeit des theoretischen Pfeilerbaues zufrieden geben müssen 11 . Sozialwissenschaft bleibt auf die Ergebnisse menschlichen Handelns angewiesen. Aber sind es nicht besondere Erfolgsabhängigkeiten, denen sich kurzgeschlossener Pragmatismus aussetzt? Sucht er die Bestätigung aus einer „herrschenden Meinung"? Verwaltungswissenschaft ist freilich i n vielem auch von der Bewährung aus solchen Handlungserfolgen entfernt. Es scheint deswegen angemessen, zunächst die pragmatischen Interdependenzen — daß Verwaltungswissenschaft eine Theorie menschlicher Praxis, vom Menschen für den Menschen und aus der Perspektive gemeinschaftlicher Praxis entworfen ist — zurückzustellen und vom Ausgangspunkt empirisch-analytischer Wissenschaftsphilosophie anzusehen, ob und wie die Wissenschaft über die Potentialität menschlichen Handelns aussagen kann.

2. Prognosen über öffentliche V e r w a l t u n g

Für die empirisch-analytische Wissenschaftsphilosophie 12 sind Theorien allgemeine Sätze, Systeme allgemeiner Aussagen kognitiven Charakters, die dazu verwendet werden können, Erscheinungen der realen Welt zu erklären. Es geht bei diesem Theorie Verständnis um Nomothetisches, Nomologisches. Zwar können nicht nur allgemeine — nicht raum-zeitlich bestimmte — Tatbestände, die selbst schon Regelmäßiges darstellen, erklärt werden. Auch individuelle — raum-zeitlich bestimmte — Tatbestände: Zustände, Abläufe, Ereignisse, sind Gegenstand der Erklärung. Aber das Individuelle erreicht für sich nicht den Rang der Theorie — etwa als idiographische Wissenschaft. Darstellung von Zuständen, Abläufen, Ereignissen m i t Hilfe singulärer Aussagen ist lediglich Beschreibung. Erklärung liegt erst vor, wenn die den zu erklärenden Tatbestand beschreibenden singulären Aussagen — ExplikanVgl. die Gegenüberstellung beider Lager bei Gunnar Myrdal, Das Zweck-Mittel-Denken i n der Nationalökonomie, a.a.O., S. 226. 11 Vgl. das B i l d von Karl R. Popper, Logik der Forschung, S. 75 f. 12 Vgl. zu folgendem die Einführungen von Hans Albert, Probleme der Wissenschaftslehre i n der Sozialforschung, a.a.O., Bd. 1, S. 38 ff.; dersProbleme der Theoriebildung: Entwicklung, S t r u k t u r und Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien, a.a.O., S. 3 ff.; grundlegend Karl R. Popper, Logik der Forschung.

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dum — aus einer Klasse von Aussagen — Explikans — abgeleitet werden, i n der außer ebenfalls singulären Aussagen, welche die „Randbedingungen" beschreiben, generelle Hypothesen — „Gesetze" — enthalten sind. Man muß von nomologischen Hypothesen Gebrauch machen. Einen Vorgang erklären heißt, einen Satz, der ihn beschreibt, aus Gesetzen und Randbedingungen deduktiv ableiten. Geht man von diesem Verständnis aus, so bedarf es nur einer Umwendimg, u m die Handlungsmöglichkeit i n den Blick zu bekommen, nämlich als Voraussage 13 . Während bei der Erklärung das zu erklärende Phänomen gegeben ist und das passende Explikans — Gesetze und Bedingungen — gesucht wird, läuft die Ableitung von Prognosen andersherum ab. Die Theorie und die Anfangsbedingungen sind gegeben, und man fragt nach den Folgerungen. Von den bekannten Gesetzen und Bedingungen sucht man Aussagen zu deduzieren, die ein zukünftiges Geschehen beschreiben. I m Wissenschaftsprogramm der empirischanalytischen Schule nimmt diese prognostische Verwendung von Theorie einen wichtigen Platz ein. Der moderne Positivismus hält sich nach seinem Wissenschaftsanspruch insbesondere zur Bekämpfung von sozialen Vorurteilen mit Einschluß von Ideologien i m Bereich des wissenschaftlichen Denkens berufen. Er pflegt die praktische Bedeutung des theoretischen Wissens schon in dessen sozialkritischer Verwendung zu betonen. I m Bereich des prognostischen Gebrauchs kann er — unter Hinweis auf Kant — weiter sagen, daß nichts i n der Praxis brauchbarer sei als eine richtige Theorie. Wer bestimmte empirische Erscheinungen festgestellt hat, kann m i t einer auf sie bezogenen wissenschaftlichen Theorie künftige Erscheinungen vorhersagen. Für die Verwaltungswissenschaft bedeutet die Handlungsmöglichkeit, die man sich über Voraussagen erschließt, einen praktisch wichtigen Gesichtspunkt. Realwissenschaftliche Aussagen über die öffentliche Verwaltung m i t dem Charakter des Regelmäßigen erreichen zukünftige Ereignisse, schließen gewisse Vorgänge aus und unterrichten dadurch über den Spielraum des tatsächlich i n der Verwaltung möglichen Geschehens. Entsprechend vielseitig und groß ist der prognostische Bedarf. Zahlen über die Bevölkerungsentwicklung — natürliches Wachstum, Wanderungsgewinn — gehören zu den herkömmlichen Grundinformationen der Verwaltung. A u f vorhergesehenen Daten über die Erwerbsbevölkerung beruht die Praxis der Arbeits- und Sozialverwaltung. A n die Vorausschau regionaler Bevölkerungsverteilung knüpfen administrative Entwicklungsprogramme an. M i t zunehmender Gestaltung von ökonomischen Abläufen durch die öffentliche Hand wächst 13 Vgl. noch Hans Albert, Theorie u n d Prognose i n den Sozialwissenschaften, i n : Schweizerische Zeitschrift f ü r Volkswirtschaft u n d Statistik, 1957, S. 60 ff.; Karl R. Popper, Naturgesetze u n d theoretische Systeme, a.a.O., S. 96.

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das Bedürfnis nach Prognosen über die Gesamtwirtschaft, bestimmte Wirtschaftsbereiche, regionale Wirtschaftsentwicklungen. Voraussagen über die Verkehrsentwicklung — Kraftfahrzeug-, Eisenbahn-, L u f t verkehr — gehen nicht nur Verkehrsbehörden an, sondern werden zu mitbestimmenden Faktoren in vielen Verwaltungszweigen. Der Informationsbedarf weitet sich mit zunehmender administrativer Vorsorge auf die Gebiete des Wohnens, der Erholung, der Verbrauchergewohnheiten und vieles mehr aus. Wenn w i r uns hiernach praktische Verwaltungsarbeit heute nicht mehr ohne Einbeziehimg des i n der Zukunft zu Erwartenden vorstellen können, so t r i f f t doch auf das, was als Voraussage i n der öffentlichen Verwaltung zugrunde gelegt wird, der strenge Prognosebegriff der empirisch-analytischen Wissenschaftsphilosophie nicht zu. Es handelt sich u m Voraussagen, die von ihr als Projektionen bezeichnet werden 1 4 . Diese Projektionen erfüllen die Voraussetzungen empirisch-analytisch fundierter Hypothesen nicht. Aus jener Sicht handelt es sich u m theorieähnliche Aussagensysteme, Quasi-Gesetze, Ad-hoc-Hypothesen, etwa u m die Extrapolation eines Trends, wobei daran angeknüpft wird, daß gewisse Invarianzen, die sich bisher feststellen ließen, aufrechterhalten bleiben. Projektionen beruhen also i m allgemeinen auf der Annahme, daß eine bisher beobachtete Datenkonstellation, Strukturen eines sozialen Zusammenhanges, auch in Zukunft erhalten bleiben oder sich i n einem regelmäßig erfaßbaren und i n die Zukunft übertragbaren Zusammenhang ändern. Relevante Faktoren werden insbesondere nach Kriterien der Wahrscheinlichkeitstheorie i n die Projektionen einbezogen. Vorausgesetzt werden eine regelmäßige statistische Berichterstattung, angemessene statistische Verfahrenstechniken und eine theoretische Fundierung, freilich nicht streng empirisch-analytischer A r t . Aussagen über Invarianzen, die nach wahrscheinlichkeitstheoretischen Gesichtspunkten zu Prognosen verwertet werden, sind keine nomologischen Hypothesen. Fragt man danach, warum die projektiven und nicht empirisch-analytische Prognosen i n der heutigen Sozialforschung überwiegen, dann ist zu antworten, daß es keine auf die einschlägige soziale Handlungspraxis anwendbare nomologische Hypothesen gibt. Zwar haben gewisse Induktionen ihr Vorbild i m Nomologischen. Aber diese annäherungsweisen Vorgänge i n den Sozialwissenschaften laufen eben, wie gesagt, auf den alternativen Versuch einer induktiven Systematisierung mit statistischen, wahrscheinlichkeitstheoretischen Feststellungen hinaus 15 . I m Grunde w i r d überhaupt bezweifelt, ob man die Komplexität sozialVgl. Hans Albert, Probleme der Theoriebildung: Entwicklung, S t r u k t u r u n d Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien, a.a.O., S. 63. 15 Vgl. Wolf-Dieter Narr, Theoriebegriffe u n d Systemtheorie, S. 46.

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

Wissenschaftler Gegenstände nach jenem metatheoretischen Leitbild erklären kann. So ist für die Verwaltungswissenschaft wie für andere Sozialwissenschaften zu überlegen, daß ihr Gegenstand nicht nur „ahistorische Repetitionsphänomene" enthält 1 6 , und wenn, dann i m Rahmen eines von menschlichem Handeln gestalteten Sozialgefüges. Administrative Erscheinungen können historisch einmalige Ereignisse sein; sie können nur raum-zeitlich beschränkt auftreten. Der Gegenstand der Verwaltungswissenschaft wandelt sich i n Raum und Zeit und bleibt allenfalls i n einer ganz bestimmten von Menschen gestalteten Umgebung unverändert. Verwaltungswissenschaft sagt über menschliches Verhalten aus, und so geht es am Ende darum, wie weit der Mensch nach A r t der nomologischen Konzeption festgelegt ist. Vorstellungen über Naturgesetzlichkeiten helfen nicht mehr. Die Problematik solcher Determinierbarkeit des sozialen Handelns w i r d später noch deutlicher werden. I m Hinblick auf den prognostischen Aspekt wissenschaftlicher Aussagen sei nur noch auf die „exogenen" Größen aufmerksam gemacht 17 . Die Unbestimmtheit sozialwissenschaftlicher Gegenstände w i r d insbesondere aus „exogenen" Störungen belegt: also für die öffentliche Verwaltung etwa politischen Ereignissen — Kriegen — oder Naturvorgängen — Katastrophen —. Die Frage für die Fachwissenschaft ist jedoch, wo sie die Trennungslinie zwischen endogenen und exogenen Größen ziehen w i l l . Letztlich sind exogene Variablen für die Verwaltungswissenschaft diejenigen, über die keine spezifisch verwaltungswissenschaftlichen Aussagen gemacht werden können. Indes kann man durch großzügige Ausklammerung von als exogen betrachteten Einflüssen die Prognoselast abschieben. I n der Verwaltungswissenschaft w i r d man sich wie i n anderen Sozialwissenschaften damit abfinden müssen, daß m i t dem Begriff des notwendigen, allgemeinen, unveränderlichen Gesetzes die Verkettungen des Verwaltungshandelns wenig erfaßbar sind. I m allgemeinen kann man nur mehr oder weniger genaue Gesetze sozialer Verhaltensinvarianzen aufstellen, die immer wieder überprüft und gegebenenfalls an veränderte Verhältnisse i n der Realität angepaßt werden müssen. Die Wandelbarkeit ihres Objektes, die historischen Einmaligkeiten, die raum-zeitlich beschränkten Vorgänge machen es von vornherein zweifelhaft, ob die Verwaltungswissenschaft auf idiographische Verfahrensweisen verzichten kann. Neben die Gesetzesaussage müssen die DokuVgl. zum folgenden f ü r die Wirtschaftswissenschaft etwa Herbert Giersch, Allgemeine Wirtschaftspolitik, Bd. 1, Grundlagen, S. 27 ff.; Norbert Kloten/ Helmut Kuhn, Wirtschaftswissenschaft: Methodenlehre, I I . Formen positiver Methodologie, a.a.O., Bd. 12, S. 306 f., 312; Gertrud Neuhauser, Grundfragen wirtschaftswissenschaftlicher Methodik, a.a.O., S. 107 ff. 17 Vgl. etwa f ü r die Wirtschaftswissenschaft Gottfried Bombach, Über die Möglichkeit wirtschaftlicher Voraussagen, i n : Kyklos, 1962, S. 34 f.

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mentenanalyse — die kritische Deutung von Quellen, über die zu Protokollaussagen zu gelangen ist — und die singuläre Erklärung treten. Wie weit sich das wiederum mit Gesetzesaussagen verbindet, hängt nicht zuletzt vom Gesetzesbegriff selbst ab 1 8 . Manches weist auf eine Vertiefung probabilistisch-stochastischer Einsichten hin. Für die Verwaltungswissenschaft ergibt sich schon angesichts historischer Relativität die methodologische Konsequenz, daß für Gesetzesaussagen i m Sinne streng nomologischer Hypothesen allenfalls ein begrenzter Spielraum möglich ist. Es gibt in der öffentlichen Verwaltung innerhalb bestimmter Grenzen Routinehandlungen wie gleichförmige Verhaltensweisen, sich gleichbleibend wiederholende Umstände administrativer Tätigkeit, die insoweit auch vorhersehbar sind. Gegenüber einer positivistischen Wissenschaftsphilosophie, die verlangt, daß zur wissenschaftlichen Erklärung alle i n der öffentlichen Verwaltung auftretenden Faktoren i n ein logisch-deduktives Gefüge zu bringen sind, geht es dann allerdings nur u m „Quasi-Gesetze". Die auftretenden Faktoren wären entsprechend als von gewisser historischer Unveränderlichkeit, von relativer Invarianz „Quasi-Konstante" zu nennen und die Theorien, die auf ihnen aufbauen, als „Quasi-Theorien" zu bezeichnen. Die raum-zeitlich beschränkte Gültigkeit empirisch gehaltvoller Aussagen steht nicht nur i m Gegensatz zum wissenschaftlichen Streben nach allgemeinen Gesetzen, sondern auch zum prognostischen Bedarf der sozialen Praxis. So finden w i r nicht nur Verfechter des reinen Wissenschaftsprogramms. Es fehlt nicht an Stimmen, die praxisorientierte Prognosen fordern: „Wer sich nun aber auf dem Boden der Auffassung befindet, daß das Ziel der Nationalökonomie nicht i n der Erkenntnis u m der Erkenntnis w i l l e n besteht, sondern i n der Hilfe für die Wirtschaftspolitik, und wer ferner i n Rechnung stellt, daß der Wirtschaftspolitiker auf Voraussagen angewiesen ist, w i r d zum Schluß kommen, daß sich der Nationalökonom nicht auf bedingte Prognosen beschränken darf, sondern i n das Gebiet der unbedingten Prognosen vorstoßen muß 1 9 ." Dazu w i r d bei dem Umstand angeknüpft, daß auch die menschliche Handlungspraxis nicht bloß auf affekt-bestimmter Reaktion, gewohnheitsmäßiger Tätigkeit, sondern auch auf Vorausschau beruht. Hinter dem Bedürfnis der Praxis, eine A n t w o r t darauf zu erhalten, wie sich die sozialen Verhältnisse i n einer nahen oder fernen Zukunft entwickeln, t r i t t die Frage methodischer Bewährbarkeit zurück. Entscheidend ist die A r t der Aussage. Insofern ist die bedingte Prognose, die i m Rahmen bestimmter Bedingungen und Prämissen gilt, nach is Vgl. dazu André Marchai, Gesetze, soziale u n d ökonomische, a.a.O., Bd. 4, S. 448 ff. 19 Walter Adolf Jöhr, Schätzungsurteil und Werturteil, a.a.O., S. 163 f.; vgl. ferner ders. u n d Francesco Kneschaurek. Die Prognose als Basis der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 415 ff.

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

pragmatischer Haltung weniger nützlich als die unbedingte Vorausschau. Die unbedingte Prognose im Sinne eindeutig formulierter Aussagen über die zukünftige Entwicklung w i r d zur Aufgabe gemacht. Für die Wahrscheinlichkeit des Eintritts steht das Schätzungsurteil des Wissenschaftlers. I n der anwendenden Sozialwissenschaft geht man überwiegend davon aus, daß es wissenschaftlich nicht möglich ist, unbedingt Prognosen zu erarbeiten. Kein Wissenschaftler kann alle relevanten Faktoren kontrollieren und prognostisch erfassen. I m praktischen Sinne imbedingte Prognosen sind methodologisch nicht vertretbar. Andererseits kann der Anspruch streng empirisch-analytischer Wissenschaftlichkeit nicht erfüllt werden. So führt der Weg der Sozialforschung zwischen kurzgeschlossenem Pragmatismus und reinem Wissenschaftsprogramm dahin, die methodischen Bedingungen von Prognosen zu verfeinern und derart das wissenschaftstheoretische Niveau der Aussagen über mögliches Handeln zu heben. I n Disziplinen m i t einschlägigem Wissensbestand, wie vornehmlich der Wirtschaftswissenschaft 20 , ist man bemüht, die projektiven Verfahrensweisen zu verbessern. I m Bereich der Raumforschung 21 etwa stützt man sich auf die relative Stabilität gewisser Faktoren: auf die natürlichen Bevölkerungsvorgänge, die durch „ein gewisses Beharrungsvermögen i m generativen Verhalten der Bevölkerung" gekennzeichnet sind, auf die Infrastruktur als „wirksamsten Stabilisierungsfaktor des räumlichen Gefüges", auf den „kommunalen Wettbewerb", der „sich dahingehend auswirkt, daß am Ende ein Gleichgewicht der Kräfte erreicht w i r d " . Uber die Verfeinerung der Prognosetechnik und ihre zuverlässigere Anwendung erreicht man Dimensionen der Handlungsmöglichkeit über die „naive Projektion" räumlicher Erscheinungen hinaus. Die praktische Bedeutung derartiger Projektionen gerade als Orientierungshilfe für die öffentliche Verwaltung ist nicht zu leugnen. Solcher Nutzen w i r d auch vom empirisch-analytischen Standpunkt her zugestanden. Schärfer wendet sich der Positivismus gegen jene Klasse von Voraussagen, die er als Prophetien zu bezeichnen pflegt 22 . Vor allem die Versuche, historische, soziale und politische Entwicklungen nach einem bestimmten hermeneutischen, insbesondere geschichtswissenschaftlichen Denken vorherzusagen, werden zurückgewiesen. I n diesem 20 Vgl. etwa die Verhandlungen auf der Arbeitstagung des Vereins f ü r Socialpolitik: Diagnose u n d Prognose als wirtschaftswissenschaftliche Methodenprobleme, hrsg. von Herbert Giersch u n d Knut Borchardt. 21 Vgl. i m vorliegenden Zusammenhang insbesondere Arthur Kühn jr., Die erkenntnistheoretische Problematik der Prognose u n d ihre Bedeutung f ü r die raumwisserxschaftliche Zukunftsforschung, i n : Raumforschung u n d Raumordnung, 1969, S. 1 ff. 22 Vgl. noch Karl R. Popper, Prognose u n d Prophetie i n den Sozialwissenschaften, a.a.O., S. 113 ff.

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Denken werden normative und intentionale Elemente als maßgeblich festgestellt. Als historische Doktrin werden entsprechende Entwicklungsgesetze abgelehnt. Jedoch dürfen w i r uns durch den Namen: Prophetie nicht von der wissenschaftstheoretischen Grundfrage ablenken lassen. Es geht nicht nur u m jene Wesensdeutungen des Endziels der Geschichte etwa in marxistischer Weise oder u m andere als historische angesehene Gesetze 23 . Die Ausgangsüberlegung ist, ob überhaupt aus Sinnbezügen menschlichen Handelns zu wissenschaftlichen Aussagen über soziale Möglichkeiten beigetragen werden kann, oder, wenn man die Gegenüberstellung von „Erklären" und „Verstehen" aufgreifen w i l l , ob man von verstehenden Methoden her zu Prognosen finden kann 2 4 . Als Beispiel dazu sei auf die idealtypischen Konstruktionen i n der Raumforschung aufmerksam gemacht, die als theoretische Instrumente einer verstehenden Sozialwissenschaft zu Aussagen über die konditionale Wiederkehr typischer Erscheinungen führen sollen 25 . Ist die regionale Prognose vorstellbar ohne eine Analyse typischer Raumprozesse? Die Typologie zentraler Orte scheint für die Voraussage regionaler Entwicklungstendenzen jedenfalls ein theoretisches Fundament zu bieten 26 . W i r haben m i t dieser Stelle die Probleme von Prognosen über öffentliche Verwaltung als Sinnfragen gesellschaftlicher Vorgänge gekennzeichnet. Es deutet vieles darauf hin, daß die prognostische K r a f t der Sozialwissenschaften wie auf der Kontrolle empirisch historischen Datenmaterials auch auf einem Verständnis intentionalen Verhaltens der Menschen, einem Verständnis objektiv sozialer Bedeutungen, besonders eines rationalen Handlungssinns beruht. Die Erforschung gesellschaftlicher Sinnzusammenhänge w i r d uns später mehr beschäftigen. W i r wollen zunächst von dem strengen Programm der empirisch-analytischen Wissenschaftstheorie her nachweisen, wie Wissenschaft weiter i n die Potentialität sozialen Handelns eindringt: Uber die Suche nach erklärenden Gesetzen und Bedingungen und die Ableitung von Folgerungen aus bekannten Anfangsbedingungen und Gesetzen hinaus ist die Konsequenz veränderter Anfangsbedingungen auf Grund der bekannten Gesetze interessant. Läßt sich von menschlicher Hand i n das soziale Geschehen — i n die Bedingungen — eingreifen, dann kann man den Ablauf gemäß solcher Interventionen fortschreiben. Man kann eine Alternativprognose gegenüber der Folge 23 Insofern scheint es auch nicht angemessen, auf Spenglers zyklische Geschichtstheorie abzustellen. 24 Vgl. dazu Georg Weippert, Z u r verstehenden Methode, a.a.O., S. 166 ff. 25 Vgl. Arthur Kühn jr., Die erkenntnistheoretische Problematik der Prognose u n d ihre Bedeutung f ü r die raumwissenschaftliche Zukunftsforschüng, i n : Raumforschung u n d Raumordnung, 1969, S. 9 ff. 20 Vgl. dazu Edwin von Böventer, Die S t r u k t u r der Landschaft: Versuch einer Synthese u n d Weiterentwicklung der Modelle J. H. von Thünens, W. Christaliers und A.Löschs, a.a.O., S. 77 ff.

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

bei eingriffsfreiem Geschehen aufstellen. Damit werden Orientierungsmöglichkeiten geschaffen, welche den Zusammenhang von Prognosen m i t jener Ordnungsform systematischer Sozialgestaltung verdichten, die i n unserer Gesellschaft immer mehr vordringt: der Planung. Vor allem auch die öffentliche Verwaltung erweist sich ohne Planung als nicht mehr begreifbar. Aus der planerischen Gestaltbarkeit gesellschaftlicher, hier administrativer Bedingungen aber zeigt sich, daß das über Handlungsmöglichkeiten wissenschaftlich Aussagbare sich nicht i n der Ableitung der Zukunft aus der Gegenwart erschöpft. Es läßt sich von der Theorie her auf die Veränderung der Ausgangssituation schauen und eine Technologie sozialen Handelns anstreben.

3. Technologie öffentlichen Verwaltens

Verwaltungswissenschaft kann nach Anfangsbedingungen von solcher A r t suchen, daß aus ihnen und der Theorie ein gewünschter, zu realisierender Zustand deduziert werden kann. Sie erreicht damit eine anwendende Seite der positiven Wissenschaft, welche Technologie, Sozialtechnologie ist 2 7 . Sozialwissenschaftliche Theorien nomologischen Charakters können i n technologische Systeme verwandelt, i n eine Form gebracht werden, die die praktische Relevanz solcher Theorien i n bezug auf bestimmte Probleme explizit macht. Diese Relevanz liegt darin, daß sie die menschlichen Wirkungsmöglichkeiten hinsichtlich dieser Probleme gewissermaßen „kanalisieren" und damit eine A n t w o r t auf die Frage eröffnen: Was können w i r tun? Man kann sagen, daß ein System kausal formulierter Aussagen i n ein System instrumental formulierter Aussagen umgebildet wird. Aus Aussagen über Ursachen und Wirkungen werden Aussagen über Zwecke und Mittel. Dabei ist die Transformation theoretischer i n technologische Systeme tautologisch. Der Informationsgehalt eines technologischen Systems geht nicht über seine theoretische Grundlage hinaus. Das Ergebnis der Umformung ist instrumentaler A r t . Aus einer Menge nomologischer Aussagen werden solche über menschliche Handlungsmöglichkeiten i n bezug auf bestimmte Ziele. Diese Technologie ist als Praxislehre über die Mittelwahl für planvolles Verwaltungshandeln nützlich. Nimmt man einen bestimmten 27 Vgl. noch Hans Albert, Wissenschaft u n d P o l i t i k : Z u m Problem der Anwendbarkeit einer wertfreien Sozialwissenschaft, a.a.O., S. 212 ff.; ders., Wertfreiheit als methodisches Prinzip: Z u r Frage der Notwendigkeit einer normativen Sozialwissenschaft, a.a.O., S. 47 ff.; Gerd Fleischmann, Rationales Handeln i n Staat und Unternehmen: Bemerkungen zu Büchern von Herbert Giersch u n d W i l h e l m Krelle, i n : Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 1962, S.232f.

3. Technologie öffentlichen Verwaltens

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Verwaltungserfolg etwa i n einer Bauverwaltung oder einer Verkehrsverwaltung als bezweckt an, dann läßt sich über technologisch umgeformte Systeme zu den Verwaltungsmitteln aussagen. Die erfahrungswissenschaftliche Erforschimg von Ursachen und Wirkungen informiert den i n der öffentlichen Verwaltung Tätigen mittels Gesetzmäßigkeiten zunächst darüber, ob die gegenwärtige Situation ohne weitere Eingriffe in das Geschehen zu der angestrebten Situation führen wird. Umgeformt als Zweck-Mittel-Lehre unterrichtet empirisch gehaltvolle Theorie sodann darüber, welche Elemente der gegenwärtigen Situation geändert werden müssen, u m die angestrebte Situation zu erreichen, wenn der ungeänderte Ablauf nicht zu dem erwünschten Erfolg führt. Die Anfangsbedingungen müssen derart gestaltet werden, daß aus ihnen und der Theorie das Bezweckte deduzierbar wird. Gerade für das administrative Handlungssystem kann die wissenschaftliche Aufdeckung der Handlungsmittel wichtige praktische Fragen beantworten. Denn die öffentliche Verwaltung zeichnet sich vor anderen öffentlichen Handlungssystemen durch ein hohes Maß an vorgegebenen Zielsetzungen aus. Wenn w i r demgegenüber oben darauf hingewiesen haben, daß die öffentliche Verwaltung kein genau determiniertes soziales System ist, dann geschah dies, u m der Vorstellung zu begegnen, daß i n den verfassungsmäßigen Abhängigkeiten von Parlament, Justiz, Regierung für die öffentliche Verwaltung überhaupt keine Möglichkeit bestehe, sich an der Formulierung sozialer Verhaltensmuster m i t Einschluß ihrer eigenen selbständig zu beteiligen. Der stark instrumentale Charakter der öffentlichen Verwaltung w i r d damit nicht i n Zweifel gezogen. Er ist vor allem i m demokratischen Rechtsstaat verbürgt. Das hat auch Konsequenzen für die Verwaltungswissenschaft. Sie w i r d sich entsprechend stark an instrumentalen Fragestellungen orientieren und demgemäß dem technologischen Wissen einen bedeutsamen Platz einräumen müssen. Wie für die Betriebswirtschaftslehre, deren Auffassung als eine Theorie der zweckorientierten Gestaltung betrieblichen Geschehens nach wie vor begründet ist 2 8 , ist das Zweck-Mittel-Schema für die Verwaltungswissenschaft relevant. Das schließt es nicht aus — wie i m übrigen auch i n der Betriebswirtschaftslehre —, zu anderen Betrachtungsweisen fortzuschreiten, insbesondere zu den Fragestellungen eines organisatorischen Gleichgewichts nach der Lehre Herbert A. Simons 29. Hier ist zu merken, daß instrumentaler Charakter der öffentlichen Verwaltung und instrumentaler Ansatz der Verwaltungswissen28 Auch i n den modernen entscheidungstheoretischen Ansätzen; vgl. etwa Herbert Hax, Die Koordination von Entscheidungen: E i n Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, S. 17. 29 Administrative Behavior: A Study of Decision-Making Processes i n Administrative Organization, S. 110 ff. 8 Speyer 46

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

schaft nicht streng determiniertes soziales System und bloß finalistische Theorie bedeuten müssen. Die Unbestimmtheit des administrativen Handelns besteht — wenn auch nicht als Ungebundenheit — ebenfalls hinsichtlich der Zielsetzungen. Man denke an die Generalklauseln des Verwaltungsrechts — gar an eine Gemeinwohl-Klausel 3 0 — und an die gesetzgeberisch weniger erschlossenen Gebiete, die traditionell als „rechtsleere Räume" verstandenen Bereiche von besonderem Gewaltverhältnis und nichthoheitlicher Verwaltung. I n den privatrechtlichen Handlungsformen, deren sich die Verwaltung bedient, ist eine öffentlichrechtliche Zwecksetzung nicht immer präzis eingeschlossen. I m übrigen bleiben allgemein die interpretativen Mühen der Entfaltung auch vorgezeichneter Ziele. Dementsprechend ist es auch für die Verwaltungswissenschaft wichtig, zu beachten, daß Technologie nur Auskünfte begrenzt auf gewisse Aspekte des Mitteleinsatzes gibt. Andere Fragen der M i t t e l w a h l 3 1 und die Zielproblematik bleiben offen. Ob und welche Verwaltungsziele in der aktuellen Handlungssituation anzustreben sind, ob und welche Verwaltungsmittel ausgeschlossen sind, ist aus der Umformung empirisch-analytischer Theorien i n technologische Aussagen nicht zu beantworten. Für den modernen Positivismus endet hier das wissenschaftlich Aussagbare. Zielsetzungen und Mittelverwendungen außerhalb der Technologie liegen jenseits der Reichweite von realwissenschaftlichen Theorien nomologischen Charakters. Die weiterreichende Entscheidung für Handlungsalternativen und ihre Konsequenzen gilt als i n den Bereich der Werte fallend: Es gehe u m Bewertungsprobleme, die eine nichtkognitive Dimension beinhalteten 32 . Dieses Programm der empirischen A n a l y t i k stößt auf wissenschaftsphilosophischen Widerspruch. Die K r i t i k meint: Es handele sich um „technisches Erkenntnisinteresse", welches technische Empfehlungen erzeuge, aber keine A n t w o r t auf praktische Fragen gebe. I n dem Maße, i n dem Praxis durch technische Empfehlungen theoretisch angeleitet werde, wachse jene eigentümliche Restproblematik, angesichts deren die Analytik ihre Inkompetenz erklären müsse. A u f der Basis einer Arbeitsteilung zwischen datenverarbeitenden Wissenschaften und wissenschaftlich nicht kontrollierbarer Normsetzimg wachse m i t der strikten Klärung bestimmter Voraussetzungen gleichzeitig der Spielraum purer Dezision. Der genuine Bereich der Praxis entziehe sich i n wachsendem Maße der Zucht methodischer Erörterung überhaupt. Und: Das Fortschreiten einer auf technische so Vgl. dazu W o h l der Allgemeinheit u n d öffentliche Interessen: Vorträge u n d Diskussionsbeiträge der 36. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung der Hochschule f ü r Verwaltungswissenschaften Speyer, 1968. 31 Vgl. Gunnar Myrdal, Das Zweck-Mittel-Denken i n der Nationalökonomie, a.a.O., S. 213 ff. 32 Vgl. Hans Albert, Probleme der Theoriebildung: Entwicklung, S t r u k t u r u n d A n w e n d u n g sozialwissenschaftlicher Theorien, a.a.O., S. 68.

3. Technologie öffentlichen Verwaltens

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Verfügung beschränkten Rationalisierung werde m i t dem proportionalen Anwachsen einer Masse von Irrationalität i m Bereich der Praxis selbst erkauft. Denn Orientierung verlange Handeln nach wie vor. Aber nun werde sie zerteilt i n eine rationale Verbindimg von Techniken und i n eine irrationale Wahl sogenannter Wertsysteme. Der Preis für die Ökonomie der Mittelwahl sei ein freigesetzter Dezisionismus i n der Wahl der obersten Ziele 3 3 . Diese metatheoretischen Kontroversen — m i t ihren polemischen Zuspitzungen, einerseits: „Mythos der totalen Vernunft" 3 4 , andererseits: „positivistisch halbierter Rationalismus" 35 — stehen zutiefst i n den allgemeinen Hauptströmungen der Philosophie. I m wissenschaftsphilosophischen Bereich bemüht man sich insbesondere, der empirischanalytischen Schule eine dialektisch-historische Theorie entgegenzustellen 36 . Diese Theorie betont den Zusammenhang m i t der gesellschaftlichen Erfahrung und der Philosophie. Sie zielt als gesellschaftskritische Philosophie auf die Praxis, wie sie wiederum von der Praxis bestimmt ist. Gegen abstrakte Gesetze setzt sie die geschichtlich-gesellschaftlichen Beziehungen von Menschen, deren Zustand jeweils anhand der Kategorie objektiver Möglichkeit von gelungener Gesellschaft gemessen wird. Die soziale Welt w i r d nicht i n subjektives Werten einerseits und objektive Sachgesetze andererseits aufgespalten. Begreifen bedeutet nicht, daß man mit Hilfe eines logisch konsistenten Systembegriffs die Wirklichkeit erkennt und, was sich damit nicht erfassen läßt, als irrational ausscheidet oder zur Rationalität h i n manipuliert. Vielmehr geht man davon aus, daß Erkenntnis und Interesse, Objekt und Subjekt zusammenhängen und das eine ohne das andere nicht erklärt werden kann. Die Elemente der Theorie sind i n der dialektischen Wissenschaftsphilosophie anders als i n der deduktiv-empirischen Konzeption immer zugleich Aussagen über die Wirklichkeit selbst. „Wirklichkeitselement" und „Theorieelement" sind methodisch nicht so geschieden, wie sie sich i m ausdrücklich hypothetischen Charakter der empirisch-analytischen Theorie „reinlich" sondern lassen. Zentral sind die Begriffe der Geschichtlichkeit, der Totalität und der Dialektik. Es w i r d nicht von der Faktizitätskontrolle aus gemessen, sondern von einem geschichtlichen Begriff des gesellschaftlichen Ganzen aus gedacht. Die Teile der jeweils 33 Vgl. Jürgen Habermas, Die klassische Lehre von der P o l i t i k i n ihrem Verhältnis zur Sozialphilosophie, a.a.O., S. 17 f., ders., Dogmatismus, Vernunft u n d Entscheidung — Z u Theorie u n d Praxis i n der verwissenschaftlichten Zivilisation, a.a.O., S. 242. 34 Vgl. Hans Albert, Der Mythos der totalen Vernunft, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1964, S. 225 ff. 35 Vgl. Jürgen Habermas, Gegen einen positivistisch halbierten Rationalismus, i n : Kölner Zeitschrift für Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1964, S. 635 ff. 36 Vgl. zu einer weiteren Ausführung des folgenden Überblicks WolfDieter Narr, Theoriebegriffe u n d Systemtheorie, S. 66 ff.

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

bestehenden Gesellschaft können nur i m Zusammenhang m i t dem gesellschaftlichen Ganzen verstanden werden. Totalität heißt, daß man gesellschaftliche Tatbestände nicht isoliert erheben und gewissermaßen zusammenzählen kann, sondern daß man zum Einzelfaktum sehen muß, daß es wesenhaft durch die A r t und Weise bestimmt ist, wie die Gesellschaft i m ganzen strukturiert ist. Dialektische Theorie hat i n der Geschichtlichkeit die Ursache der Bewegung, die durch die bestehenden Widersprüche ermöglicht wird. Sie versucht, die Bewegungsgesetze geschichtlicher Totalität zu begreifen, indem sie die immanenten Widersprüche aufdeckt und i n ihrer Prozeßrichtung bestimmt. Dialektik bedeutet — unter Einbeziehung der subjektiven Momente — gleichzeitig die i n Widersprüchen sich vollziehende Entwicklung der Gesellschaft und deren theoretischer Nachvollzug 37 . I n Geschichtlichkeit, Totalität, Dialektik als verbindender Methode interessiert uns insbesondere der Praxisbezug. Seine Schwierigkeiten sind heute offenkundig geworden. I n den modernen Versuchen, Utopien gelungener Gesellschaft auszuführen, die soziale Negativität anzuzeigen, Ideologiekritik zu üben, zeigt sich, daß praxisbezogene Theorie allenfalls Hoffnung auf Praxis bedeutet. Die Praxisgewißheit, die meint, Theorie existiere dadurch, daß sie Praxis werde, ist verloren. Der Praxisbezug ist reduziert. Theorie ist abstrakter. Da es aber Grundannahme der dialektisch-historischen Theorie ist, daß sie das Leben denken lasse, bedeutet Praxisverlust nach ihrer Philosophie mehr als eine Einschränkung der Anwendung von Theorie. Das methodologische Fundament selbst ist gefährdet. Für eine Dialektik, deren Realitätsnähe sich nicht von selbst versteht, stellt sich die Methodenfrage. So erweist sich nicht nur für das unerfüllte Wissenschaftsprogramm einer empirischanalytischen Metatheorie, sondern auch für die unerfüllte Praxislehre einer dialektisch-historischen Wissenschaftsphilosophie, daß die Suche nach dem wissenschaftlichen Standort aufgegeben bleibt. Für den einen mag es dabei um ein Mehr an praktischem Lebensbezug, für den anderen u m ein Mehr an wissenschaftlicher Methode gehen. Für die Verwaltungswissenschaft als eine anwendende Sozialwissenschaft sind die Fragen der Theorie-Praxis-Relation unmittelbar erheblich. Eine Wissenschaftslehre, die diese Problematik vorschnell i n positivistischer Weise der Soziologie und Psychologie des Forschungsverhaltens überantwortet, würde verhindern, daß die Verwaltungswissenschaft ihren Ort methodischer Reflexion möglichst nahe an die Verwaltungspraxis heranführt. W i r wollen daher die Theorie-PraxisBeziehung noch i n der Weise vorstellen, wie sie sich an dem — oben als signifikant aufgewiesenen — Platz wissenschaftlicher Beratung der 37 Der Begriff der Dialektik bleibt vielschichtig. Vgl. dazu Robert Wesen u n d Formen der Dialektik.

Heiss,

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Praxis abzeichnet. Hier verdichten sich die Gegensätze zu ausgeformten Entwürfen. Man unterscheidet dreifach: das dezisionistische Modell, das technokratische Modell und das pragmatische Modell 3 8 . Das dezisionistische Modell der wissenschaftlichen Beratung w i r d m i t der Konzeption des Neopositivismus i n Verbindung gebracht. Es w i r d aus der oben genannten K r i t i k charakterisiert, daß die Rationalität der Mittelw a h l mit einer erklärten Irrationalität der Stellungnahme zu Werten, Zielen und Bedürfnissen zusammengeht. Der Wissenschaftler sorgt für das technologische Wissen; der Praktiker t r i f f t die Entscheidung. Es besteht ein durchgängiger Dualismus zwischen empirisch-analytischem Wissen und subjektiver Wertentscheidung. Praktisches Handeln realisiert eine Wahl zwischen konkurrierenden Wertordnungen, die verbindlicher Diskussion unzugänglich bleiben. I h m entspricht jenes wissenschaftliche Denken, das zwar nicht ausschließt, daß seine Ergebnisse für die Praxis wertvoll sein mögen, das jedoch wissenschaftliche Aussagen ohne Ausrichtung auf bestimmte praktische Probleme erarbeitet, schon u m die „Vorkanalisierung" der Ergebnisse der Forschung zu verhindern. Anders verhält es sich i m technokratischen Modell. Hier behandelt der Experte die Praxis als nach dem Sachzwang bereits entschieden. Der Praktiker w i r d zum Vollzugsorgan des Wissenschaftlers. Über die herkömmlichen Instrumente und Technologien hinaus erforscht eine wissenschaftlich-technische Intelligenz die Handlungssysteme, konzipiert Entscheidungstheorien, entwirft Steuerungsvorschriften, entwickelt Selbstregulierungen. Menschliches Wahlverhalten w i r d als solches rationalisiert. Die Praxis gehorcht der Sachgesetzlichkeit wissenschaftlich verfügbar gemachter Techniken und Strategien. I n dem Maße, in dem die Entscheidungsproblematik wissenschaftlich abgebaut wird, bleibt der Praxis nur noch eine fiktive Entscheidungstätigkeit. Solche Überlegungen haben Tradition. Sie stehen heute i m Zusammenhang mit einer politisch-kulturellen Philosophie des technischen Zeitalters 39 . Von dieser philosophischen Warte aus kann ihnen auch geantwortet werden 4 0 . I m technokratischen Selbstverständnis der neuen Experten kann sich als Logik der Tatsachen tarnen, was doch wie eh und je i n Wahrheit Politik ist. Entsprechend verhält es sich auf der Ebene von Methodologie und Erkenntnistheorie. W i r dürfen nicht als wissenschaftlich entschieden 38 Vgl. insbes. Jürgen Habermas, Verwissenschaftlichte P o l i t i k i n demokratischer Gesellschaft, a.a.O., S. 130ff.; die Gegensätze sind ausgeführt u n d aus der umfangreichen L i t e r a t u r belegt v o n Klaus Lompe, Wissenschaftliche Beratung der P o l i t i k : E i n Beitrag zur Theorie anwendender Sozialwissenschaften. 39 Vgl. Jacques Ellul, L a Technique ou Ten j e u d u siècle; Helmut Schelsky, Der Mensch i n der wissenschaftlichen Zivilisation. 40 Vgl. Hermann Lübbe, Z u r politischen Theorie der Tedinokratie, i n : Der Staat, 1962, S. 19 ff.

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ausgeben, was nach wie vor Praxis ist. Auch i m Bereich logisch-mathematischer Demonstrationen des Entscheidens gibt es eine unüberschreitbare Grenze. Spätestens bei den unentscheidbaren Aussagen — wie w i r von Gödel, Church und anderen wissen 41 — enden die Möglichkeiten der einschlägigen wissenschaftlichen Operationen. Bei der Anwendung technischer Kriterien gibt es kaum den „best one way", sondern mehrere Lösungsmöglichkeiten 42 . I n der Sozialforschung gibt es kein Kontinuum der Wissenschaftlichkeit m i t abschließender Behandlung praktischer Fragen. Der Verwaltungspraktiker, der eine gewisse Rollentrennung zwischen wissenschaftlichem Rat und administrativer Tätigkeit verlangt, folgt nicht nur einer soziologisch begründeten Einsicht, sondern entspricht einer wissenschaftstheoretischen Grundposition, wie w i r sie oben skizziert haben: Theorie und Praxis lassen sich auf der Ebene der Fachwissenschaft nicht identifizieren. Verwaltungswissenschaft kann Verwaltungspraxis nicht völlig szientifizieren. Die Erkenntnisintentionen der Wissenschaft halten einen Abstand methodischer Reflexion gegenüber den genuinen Erfahrungsabsichten des Alltagslebens. Verwaltungspraxis kann also auch die Aussagen der Theorie nicht ohne die ihr eigenen kommunikativen Erfahrungen i n administratives Handeln umsetzen. Wenn man so sagen w i l l — und das hat m i t einer dezisionistischen Verklärung des menschlichen Lebens nichts zu t u n —, liegt bei aller Fortentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnis die „letzte" Entscheidimg bei der Praxis 4 3 . Dem Dezisionismus i m neopositivistischen Wissenschaftsprogramm und dem technokratischen Primat wissenschaftlichen Denkens w i r d als drittes das pragmatische Modell wissenschaftlicher Beratung der Praxis entgegengestellt. Weder ist der Fachmann — wie i m technokratischen Modell vorgestellt — souverän geworden gegenüber der Praxis, die dem Sachzwang unterworfen gilt; noch behält Praxis — wie i m dezisionistischen Modell — außerhalb der zwingend rationalisierten Lebensbereiche ein Reservat, i n dem praktische Fragen durch Willensakte entschieden werden müssen 44 . Man sieht zwischen Werten, die aus Interessenlagen hervorgehen, und den Techniken, die zur Befriedigung wertorientierter Bedürfnisse verwendet werden können, ein dialektisches Verhältnis. I m pragmatischen Modell besteht so zwischen wissenschaftlichem Berater und Praktiker ein kritisches Wechselverhältnis, 41 Vgl. Wolf gang Stegmüller, Unvollständigkeit u n d Unentscheidbarkeit: Die metamathematischen Resultate von Gödel, Church, Kleene, Rosser u n d ihre erkenntnistheoretische Bedeutung. 42 Vgl. Helmut Krauch, Wider den technischen Staat, i n : Atomzeitalter, 1961, S. 201. 43 Vgl. Hermann Lübbe, Wissenschaftspolitik, Wissenschaft u n d Politik, a.a.O., S. 147 ff. 44 Vgl. bes. Jürgen Habermas, Verwissenschaftlichte P o l i t i k i n demokratischer Gesellschaft, a.a.O., S. 133 ff.

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i n dem die Bereiche von Wertorientierimg und empirisch-strategischem Wissen der wissenschaftlich angeleiteten Diskussion zugänglich gemacht und daher substantiell verändert werden. Eine wechselseitige Kommunikation ist derart zu denken, daß einerseits wissenschaftliche Experten die zur Entscheidung berufenen Instanzen beraten und umgekehrt die Praktiker nach ihren Bedürfnissen Wissenschaft beauftragen. I m letzteren können w i r nicht nur einen Vorschlag zur Lösung institutioneller Probleme der Beratung sehen, sondern schon einen Teil der aktuellen sozialen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis. Was freilich bleibt — und dies ist angesichts der Verbindung des pragmatischen Modells zur dialektisch-historischen Philosophie eine Wiederholung —, das ist die Methodenfrage. Die Fragerichtung w i r d indes i m pragmatischen Modell deutlich. Sie bezieht sich gegenüber empirischanalytischem Wissen auf Zwecke, Ziele, Werte, Normen sozialen Handelns. A n dieser Stelle haben w i r festzuhalten, daß auch nach dem strengen Theorieverständnis empirisch-analytischer Herkunft über die Möglichkeiten menschlichen Handelns wissenschaftliche Aussagen gemacht werden können. Verwaltungswissenschaft als positive Erfahrungswissenschaft kann über die Potentialität des Verwaltungshandelns sprechen. Z u überlegen bleibt, ob m i t der strikt empirischen Verhaltensforschung alle jene Handlungsmöglichkeiten erreicht werden können, über die von der Verwaltungswissenschaft Unterrichtung erwartet werden darf: Müssen w i r es bei einem Empirismus, der die methodisch allein i n Beobachtimg, Messung, Experiment gegründete Erfahrung m i t wissenschaftlicher Erkenntnis schlechthin gleichsetzt, i m Bereich potentieller Verhaltensmuster bewenden lassen? Können w i r die Bereiche von Zielen, Zwecken, Werten, Normen des Verwaltungshandelns wissenschaftlich erforschen? Betrachtet man die Zielproblematik in den Nachbarwissenschaften der Verwaltungsforschung, dann stellt man fest, daß die finalen Systematisierungen des wissenschaftlichen Erkenntnisstoffes nicht rein auf erfahrbares Verhalten zurückführbar sind. Das ZweckMittel-Schema findet man in den Sozialwissenschaften spätestens dann, wenn sie sich als „angewandte" auf die Handlungspraxis beziehen. Für eine wissenschaftliche Volkswirtschaftspolitik enthalten die einschlägigen Kataloge Ziele wie: Vollbeschäftigung, Preisstabilität, Verbesserung der Zahlungsbilanz, Wirtschaftswachstum, rationalen Einsatz der Produktionsfaktoren, Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverteilung, Sicherstellung der Versorgung, Arbeitszeitverkürzung usw. Für eine Betriebswirtschaftslehre als Praxislehre interessieren etwa: Minimierung von Kosten, Maximierung von Erträgen, Fixierung des Gewinns, Minimierung des Risikos. A l l diese Vorstellungen entfernen sich von dem, was den psychologisch erfahrbaren Menschen an Wünschen, Erinnerungen, Assoziationen, Anpassungen bewegt. Ziele

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und Zwecke dieser A r t sind etwas anderes als individuelle und gruppenspezifische Motive. Ziele und Zwecke sind auch mehr als Generalisierungen aus empirisch beobachtbaren Motivationen. Es geht um Intentionen und Objektivationen, die auf einen Sinn menschlichen Handelns abstellen. M i t diesen Erwägungen erreichen w i r i m Bereich der Erkenntnisinteressen, die sich auf die Potentialität des Verwaltungshandelns richten, eine Problematik, die zu den auf Verwaltungswirklichkeit bezogenen Erkenntnisinteressen bereits genannt worden ist: die Sinnfragen administrativen Handelns. W i r haben zur Realität des Verwaltungshandelns versucht, etwas von der Komplexität der Sinnproblematik in den Sozialwissenschaften vorzustellen. Weiter ist darauf hingewiesen worden, wie sehr man m i t jenem Diskussionsgegenstand i n die Frontstellungen des Methodenstreits gerät. Für den einen ist der Mensch „black box", über deren Sinn nichts theoretisch ausweisbar ist. Dem anderen sind letzte Wesensfragen wissenschaftlich ohne weiteres erschließbar. Dazwischen liegen die Schwierigkeiten der Forschung, i n die Intentionen menschlichen Handelns und die objektiven Bedeutungen des Sozialverhaltens einzudringen. Angesichts dieser wissenschaftstheoretischen Situation — und gerade wegen der weiter gezeigten pragmatischen Abhängigkeiten, i n denen eine Verwaltungswissenschaft als anwendende Sozialwissenschaft steht — müssen w i r zu der Dimension sinnhafter Handlungszusammenhänge i n der öffentlichen Verwaltung i n begrenzten Fragestellungen fortschreiten. Hierbei können w i r Vorteil aus einer besonderen Beschaffenheit der Verwaltung als eines i n der Gesellschaft öffentlich eingerichteten Handlungssystems ziehen. Sozialforschung selbst — die i m Grunde als Anthropologie unser Denken vorversteht — lehrt uns, daß sich die Frage nach den Sinnzusammenhängen des Handelns für die Verwaltungswissenschaft spezifischer stellt als für andere Wissenschaften. Max Weber 45 hat den „rationalen Staat" als auf rationaler Verwaltung und rationalem Recht beruhend gekennzeichnet. Er sagt zur modernen Form der Verwaltung: „Die rein bureaukratische, also: die bureaukratisch-monokratische aktenmäßige Verwaltung ist nach allen Erfahrungen die an Präzision, Stetigkeit, Disziplin, Straffheit und Verläßlichkeit, also: Berechenbarkeit für den Herrn wie für den Interessenten, Intensität und Extensität der Leistung, formal universeller Anwendbarkeit auf alle Aufgaben, rein technisch zum Höchstmaß der Leistung vervollkommenbare, i n all diesen Bedeutungen: formal rationalste, Form der Herrschaftsausübung." Und i n der Tat: die von unserer Zeit bevorzugten rationalen Denkarten und Verhaltensweisen gelten i n 45 Wirtschaft u n d Gesellschaft: Grundriß der verstehenden Soziologie, bes. S. 124 ff., 823 ff.

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besonderer Weise i n der öffentlichen Verwaltung. I n i h r setzen sich ein auf Beruflichkeit, Sachkennerschaft und spezialisierte Fachlichkeit bezogenes Rollengefüge durch. Hierarchie- und Kompetenzordnungen werden immer mehr aus industriellen Arbeitsvorstellungen verstanden. Massenhafte Handlungsabläufe werden zur Regelhaftigkeit formalisiert. Rationalität, die i n unserer K u l t u r menschliches Bewußtsein vorzüglich durchformende Handlungsstruktur, verdichtet sich gegenüber der öffentlichen Verwaltung zum Anspruch: Wenn administratives Handeln den sozialen Rationalisierungsprozeß nach gesellschaftlichen Erwartungen nicht voranträgt, verlangt man von ihr selbst Verwaltungsreform als Rationalisierung. I n die rationalen Denkformen und Verhaltensweisen der öffentlichen Verwaltung ist ihr integrierender Bestandteil: das Verwaltungsrecht, eingeschlossen. I m steigenden Drang nach Normierung — auch diese Seite muß man sehen, wenn man von „Normeninflation" spricht — begegnen sich Verwaltungsrationalität und Rechtsrationalität. Recht objektiviert sich zunehmend i n generellen und abstrakten Regeln. Rechtsentscheidungen nähern sich Subsumtionen an. Wo sich für den F a l l nicht sofort und unmittelbar ein subsumtionsfähiger Tatbestand anbietet, w i r d dieser konstruiert. Recht w i r d m i t dem Ziel der Lückenlosigkeit systematisiert. Für das alles werden immer mehr bürokratische Organisationen, wissenschaftlich-technische Arbeitsstile und über die allgemein-juristische Sachkenntnis hinaus fachliche Spezialisierung eingesetzt. I n den Bedürfnissen der modernen Massenverwaltung w i r d die Rationalität bis zur Routine formalisiert. Diese — i m Grunde sozialanthropologische und i m übrigen durch unsere genuine Alltagserfahrung belegte — Einsicht führt uns zu einem weiteren Erkenntnisinteresse der Verwaltungswissenschaft. Verwaltungswissenschaft kann die realen Verhaltensmuster der öffentlichen Verwaltung erforschen und aus der Realität potentielles Verhalten ableiten. Die Möglichkeiten menschlichen Handelns scheinen indes mehr zu umschließen, als aus dem tatsächlichen Verhalten durch Beobachtung, Messung, Experiment erfahrbar ist. Verwaltungswissenschaft ist auf eine spezifische Sinnhaftigkeit ihres Gegenstandes verwiesen. Sie muß sich daher die Frage vorlegen, ob sie dieser Eigenart öffentlichen Verwaltens auch durch ein theoretisches Aussagensystem entsprechen kann. Verwaltungshandeln ragt aus den Intentionalitäten sozialen Gesamtverhaltens durch taktisch-strategisch-rationale Eigenarten heraus. Das läßt von der Verwaltungswissenschaft von vornherein noch eine andere Klasse von Informationen erwarten, als sie empirische Verhaltensforschung zu liefern vermag. Man kann eine Parallele zum sozialökonomischen Bereich ziehen. Auch zum Menschen i n der W i r t schaft ist über die psychisch-motivationale Ebene — etwa des Gewinnstrebens — hinaus an einen eigentümlich rationalen Handlungssinn zu denken. W i r haben darauf hingewiesen, wie komplex sich die Sinn-

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3. Kap.: Potentialität des Verwaltungshandelns

Problematik i n den Sozialwissenschaften stellt. W i r wollen demgegenüber die wissenschaftstheoretischen Vorteile einer Verhaltensrationalität nutzen und zu beantworten suchen, ob ein verwaltungswissenschaftliches Erkenntnisinteresse Aussagen über die Idealität des Verwaltungshandelns anstreben kann: Erkenntnisleistungen, welche auf die äußerlich erfahrbare Aktion und Reaktion von Verwaltung und verwalteter Welt nicht v o l l zurückführbar sind.

Viertes Kapitel

Idealität des Verwaltungshandelns 1. Logischer Empirismus und sozialwissenschaftliches Modelldenken

Wer bei uns öffentliche Verwaltung zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung macht, pflegt i n einer wissenschaftsphilosophischen Tradition zu stehen, i n der die Unterscheidung von Realität und Idealität als etwas Selbstverständliches vorausgesetzt wird. Auch wenn man sich als Verwaltungsrechtslehrer als Positivist versteht, bedeutet das regelmäßig nicht, daß Rechtserkenntnis auf empirische Beobachtung gestützt wird. Man vertritt eher die stringente Abtrennung des Sollens vom Sein i n der Weise etwa der idealen Gegenstände Kelsens . Man untersucht das Recht als den Sinn eines vom Sein konsequent abgeschiedenen Sollens. Recht w i r d zu einer Idealwelt, der keine Realität zukommt. W i r haben demgegenüber betont, wie zweifelhaft eine solche vollkommene Disparität ist. Entsprechend w i r d hier die Kategorie: Idealität nicht nach A r t eines Neukantianismus als Widerspruch zum realen Sein gemeint. Handlungssinn ist nichts, was völlig außerhalb der Handlungswirklichkeit steht, wenn es auch Idealitäten gibt, die für uns unerreichbar erscheinen. Für eine umfassende Verwaltungsforschung geht es — unbeschadet aller ontologischen Verfeinerungen von Realität und Idealität und ihrer Wechselseitigkeit i n der menschlichen Handlungspraxis — zunächst darum, den wissenschaftlichen Fragehorizont metatheoretisch zu erweitern. U n d so wissen w i r von den i n der öffentlichen Verwaltung Handelnden, deren Verhalten w i r nicht nur beobachten können, sondern deren Kosten-NutzenAbhängigkeiten w i r analysieren, deren Gesetzbücher w i r interpretieren können, mehr, als behavioristische Motivforschung für sich hervorbringen kann. Rechtlichkeit und Wirtschaftlichkeit deuten auf eine intelligible Welt hin, die genetisch unser Werk ist, ontologisch aber autonom ist. Sie ist unser Produkt und entzieht sich doch unseren Absichten. So können w i r sie als Dimension des Handelns i n der öffentlichen Verwaltung entdecken. Wie die Rechtswissenschaft sich ganz überwiegend für das Recht nicht als Bewußtseinstatsachen, sondern als Sinngehalte interessiert,

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. Kap.:

ealität des Verwaltungshandelns

haben sich unsere Sozialwissenschaften allgemein nach ihrer Wissenschaftstradition i n der Regel nicht von der Erforschung der Ebene sinnhaften Sozialverhaltens abtrennen lassen. Solches Selbstverständnis macht es erforderlich, vorzustellen, wie überhaupt die Einheit von Realität und Idealität i n der Wissenschaft gedacht werden kann. Einem Empirismus, der wissenschaftliche Erkenntnis und die methodisch in der Beobachtung gegründete Erfahrung gleichsetzt, steht eine intelligible Welt entgegen, welche besonders heute wissenschaftsphilosophisch unabweisbar scheint: die von Logik und Mathematik. Auch strenge Wissenschaftsphilosophen sehen diese Welt als eine der objektiven Ideen an 1 . Logik und Mathematik sind zwar ein Produkt des menschlichen Bewußtseins, aber sie existieren gleichwohl unabhängig von ihm: Es gibt unendlich viele Zahlen, die w i r nicht aufzählen können, die w i r nie empirisch erfahren können und die dennoch existieren. Andererseits genießt die Logik wissenschaftsphilosophisch soviel Ansehen, daß auch eine stringente wissenschaftstheoretische Schule Aussagen mindestens dann als wissenschaftliche akzeptieren muß, wenn sie entweder erfahrungsmäßig bewährbar oder rein logisch begründbar sind. Entsprechend muß man, wenn man zu dem einheitswissenschaftlichen Weltbild eines Erkenntnismonismus finden w i l l , wenigstens die Welten von Erfahrung und Logik zu vereinen suchen. Das führt zum logischen Empirismus. Dessen einheitswissenschaftliche Absicht ist i m modernen Positivismus eingeschlossen. Diese philosophische Hauptströmung, die i n ihrem Ursprung m i t dem Wiener Kreis und den Arbeiten Wittgensteins und Russeis zu verbinden ist, übt i n der angloamerikanischen Wissenschaftsphilosophie und jetzt auch i n der Theorie unserer Sozialwissenschaften großen Einfluß aus. Der Neopositivismus hat indes i n seinem Verlauf soviele prinzipielle Modifizierungen erfahren — verwiesen sei einerseits auf das Werk Carnaps 2, andererseits auf das Werk Poppers 3, der i n vielem zu den K r i t i k e r n eines reinen Positivismus gehört —, daß w i r für unsere Zwecke nur jenen logisch-positivistischen Grundzug zeigen können, nämlich den der Einheit von Empirie und Logik 4 . Er läßt sich vereinfacht wie folgt darstellen. Erfahrungswissenschaften befassen sich m i t dem jeweils gewählten Ausschnitt aus den Entitäten der Welt: m i t den Dingen, Sachen, 1 Vgl. Karl Popper, O n the Theory of the Objective Mind, a.a.O., Bd. 1, S. 25 ff. 2 Vgl. insbes. Der logische A u f b a u der Welt. 3 Vgl. insbes. L o g i k der Forschung. 4 Vgl. zu einer Einführung Victor Kraft, Der Wiener Kreis: Der Ursprung des Neopositivismus; Arthur Pap, Analytische Erkenntnistheorie: Kritische Übersicht über die neueste Entwicklung i n U S A u n d England; Wolf gang Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, S. 346 ff.; ders., Das Wahrheitsproblem u n d die Idee der Semantik: Eine Einführung i n die Theorien von A. Tarski u n d R. Carnap.

1. Logischer Empirismus u. sozialwissenschaftliches Modelldenken

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Substanzen unter Einschluß des Menschen, mit den bestimmenden Eigenschaften, Formen, Fähigkeiten usw., und m i t den vielfältigen Relationen, die die Dinge verbinden. Empirische Wissenschaft stellt auf den für sie relevanten Auszug aus dem Zusammenhang der Sachverhalte ab: die Beschaffenheiten des Seienden, der Dinge, Eigenschaften und Relationen. Wissen bildet seinen Gegenstand gewissermaßen ab. Dinge, Eigenschaften und Relationen werden i n Begriffen, Sachverhalte — Beschaffenheiten — i n Sätzen abgebildet. Wissenschaft läßt sich als ein systematisch geordnetes Gefüge von objektiven Sätzen verstehen 5 . Empirische Fachwissenschaft kann sich dabei nach dem von ihr gewählten Ausschnitt aus den Entitäten der Welt und deren Attributen disziplinieren. Werden bis hierhin einige schon Vorbehalte aus einer hermeneutischen Wissenschaftsphilosophie anmelden, viele Realwissenschaftler immerhin folgen, so muß man noch einen Schritt weiter gehen, u m i m Bereich der Wissenschaft etwas zu finden, was konsequent positivistischem Zugriff standhält. Wissenschaft w i r d durch Sprachzeichen vermittelt, seien es die einer natürlichen, seien es die einer künstlichen Sprache — mathematische Symbole. Begriffe und Sätze werden sprachlich durch Namen und Aussagen mitgeteilt. Jenes sind die Positivitäten auf der Ebene der Wissenschaft. Und so nehmen für die logisch-positivistische Wissenschaftsphilosophie die Sprachzeichen die zentrale Funktion des Gegebenen ein. Nach dieser Feststellung müssen w i r uns der Logik zuwenden und fragen: Was ist Logik? Seit der Überwindung des logischen Psychologismus insbesondere durch Husserl sieht die klassische Logik als ihren Gegenstand gewisse Eigenschaften und Beziehungen in Sachverhalten, die gedacht werden, nicht aber das Denken als psychisches Ereignis. Logik befaßt sich mit Folgerichtigkeiten von Denkinhalten: Gedanken, die als zeitlose Gebilde aufgefaßt werden. W i r sehen, daß w i r uns i n der Welt idealer Bedeutungseinheiten befinden. M i t der Entwicklung der modernen Logik — Symbolischen Logik, Mathematischen Logik, Logistik — w i r d dieses Verständnis problematisch. Logik rückt i n dem Bezugsfeld zwischen Denken und Sprache immer mehr an letztere heran. Neopositivismus w i l l Logik unabhängig von der „platonischen Existenzbehauptung" einer zeitlos-objektiven Seite des Denkens errichten. Man sucht die Verflechtungen von Denken und Sprache zu lösen und das Denken aus der Logik zu eliminieren. Logik w i r d zur Leistung der Sprache. Logik w i r d als Lehre von gewissen Eigenschaften von Aussagen, also sprachlichen Verlautbarungen, betrachtet. Denn Aussagen gelten i m Gegensatz zu Gedanken als Dinge, die man s Vgl. dazu und der Unterscheidimg: subjektiv/objektiv J.M. Bochenski, Die zeitgenössischen Denkmethoden, S. 9 ff. Z u r Problematik der A b b i l d theorie w i r d hier nicht Stellung genommen.

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. Kap.:

aität des Verwaltungshandelns

positiv wahrnehmen kann. Die Kalküle der Symbolischen Logik werden zur Kunstsprache 6 . I n der Wissenschaftsphilosophie des logischen Empirismus ist es m i t h i n die Sprache, die Empirie und Logik zur Einheitswissenschaft vereint. Die Durchführung dieser Philosophie w i r d i n hochverfeinerten und variierenden Versuchen unternommen. Für die Erfahrungswissenschaft w i r d es erforderlich, zwischen mehreren Sprachebenen zu unterscheiden. Die erfahrbaren Phänomene werden durch die Beobachtungssprache repräsentiert. Z u ihrem Inhalt gehören die Protokollsätze. Die Protokollsätze konstatieren das Auftreten eines beobachtbaren Phänomens i n seiner Raum-Zeit-Bezogenheit. Sie sind das sprachlich fixierte Ergebnis von Beobachtung, Messung und Experiment. Darüber spannt sich das Netzwerk der theoretischen Sprache. I n ihr werden nicht die erfahrungsmäßig wahrnehmbaren Sachverhalte festgestellt, sondern der theoretische Begründungszusammenhang der empirischen Aussagen formuliert. Die theoretische Sprache ist nach bestimmten Regeln und an gewissen Punkten i n der Beobachtungssprache verankert. Das Netzwerk ihrer Knotenpunkte — Begriffe — und Verbindungslinien — Relationen — umfaßt mehrere Schichten von Definitionen und Gesetzesaussagen. Endvorstellung ist jenes System von Aussagen, das einerseits erfahrungsmäßig konsistent, andererseits i n einem logisch-axiomatischen Ableitungszusammenhang formuliert ist. Programm und Ausführung einer Lehre, welche die von der Wissenschaft erforschte Welt als logische Konstruktionen aus der Positivität sprachlicher Verlautbarungen versteht, i n denen w i r über die Erscheinungen reden, stehen mannigfaltige Hindernisse entgegen. Entsprechend gibt es wissenschaftsphilosophische Strömungen i m Neopositivismus selbst, die diesen über einen derartigen Erkenntnismonismus hinaus zu entwickeln suchen. Es erhellt, daß insbesondere Realität und Idealität als Grenzfragen problematisch bleiben müssen. W i r haben zur Verwaltungswissenschaft als Realwissenschaft bereits das Basisproblem genannt. M i t dem sprachanalytischen Konzept der Wahrnehmungsprotokolle sind die Unklarheiten i m Verhältnis von erfahrungswissenschaftlicher Aussage u n d empirischer Grundlage nicht ausgeräumt, sondern nur i n die Beziehimg von Protokollsätzen und protokollierten Erlebnissen verschoben. Z u bedenken bleibt, wie denn n u n die empirische Geltung von realwissenschaftlichen Erkenntnisleistungen zu begründen ist. Wenden w i r uns der hier interessierenden idealen Seite zu, so bleibt weiter zu fragen, ob denn Mathematik wirklich auf Logik ß Vgl. Rudolf Carnap, Einführung i n die Symbolische Logik, S. 1 ff.; zur Einführung i n die Entwicklung der L o g i k als Sprachlogik B6la Elemente der neuen Logik, S. 9 ff.; Günther Patzig, Logik, a.a.O., S. zur Logik als Denklehre Bruno Baron von Freytag, gen. Löringhoff, I h r System u n d i h r Verhältnis zur Logistik, S. 13 ff.

ferner Juhos, 130 ff.; Logik:

1. Logischer Empirismus u. sozialwissenschaftliches Modelldenken

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zurückführbar ist — das ist als Logizismus umstritten 7 —, und ferner, dann i n der Reduktion auf derartiges Logikverständnis. Hier wäre eben schon zu den natürlichen Zahlen zu überlegen, daß sie das Werk des Menschen, das Produkt der menschlichen Sprache und des menschlichen Denkens sind und daß doch eine unendliche Folge natürlicher Zahlen besteht, mehr als Mensch und Computer gebrauchen werden. So muß eine philosophische K r i t i k der Fundamente des beschriebenen Positivismus wohl von der Ontologie her vorgetragen werden. W i r wollen anders aus dem Kontext unserer Sozialwissenschaften lernen, ob es bei den theoretischen Konstruktionen über der Basis elementarer Sinnesgegebenheiten sein Bewenden hat: Ist i n der Verwaltungswissenschaft als Sozialwissenschaft für ein Erkenntnisinteresse Platz, das über die Grundlage beobachtbaren, meßbaren, experimentell erfahrbaren menschlichen Verhaltens hinaus i n eine intelligible Welt reicht? Der relevante Grundtatbestand ist bereits oben dargelegt worden: Verwaltungshandeln ist gegenüber den Intentionalitäten menschlichen Verhaltens i n der Gesellschaft schlechthin durch taktisch-strategischrationale Eigenarten gekennzeichnet. Solches — i m Grunde sozialanthropologisches — Vorverständnis muß für die Konzeption einer umfassenden Verwaltungsforschung Folgen haben. Die Parallele zum sozialökonomischen Bereich ist angedeutet worden. Wie bei den ökonomischen Handlungsweisen so ist auch bei den administrativen an einen eigentümlich rationalen Handlungssinn zu denken. Für die Wirtschaftswissenschaft w i r d es als unbefriedigend empfunden, wenn auf der theoretischen Ebene die rationale Eigenart ökonomischen Handelns außer acht bleibt 8 . Was auch immer gegen den sozialwissenschaftlichen Normativismus zu sagen ist: die wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisinteressen lassen sich kaum derart reduzieren, daß Ökonomie i n die Verhaltenswissenschaften strenger Observanz eingegliedert werden kann. Wirtschaftstheorie w i l l anscheinend noch eine andere Klasse von Informationen liefern, als es eine empirische Soziologie und Sozialpsychologie vermag. Demgemäß ist vor allem auch von der Wirtschaftswissenschaft Belehrung zu erwarten, wenn man angesichts der kurzen Entwicklung der Verwaltungswissenschaft bei der Frage nach den idealen Verhaltensmustern auf die reicheren Bestände anderer Sozialwissenschaften zurückgreifen muß. I m Bereich der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung läßt sich aus methodologischer Sicht eine Fülle unterschiedlicher Ansätze ausmachen. Hierzu zählt auch die gezielt empirische Erforschimg menschlichen Verhaltens in der Wirtschaft. Eine 7 Vgl. die Einführung v o n Herbert Fiedler, Mathematik u n d moderne Logik, i n Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1961, S. 553 ff. 8 Vgl. Jürgen Habermas, Z u r L o g i k der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische Rundschau, 1967, Beiheft 5, S. 54.

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a i t ä t des Verwaltungshandelns

andere Forschungsweise m a c h t indes nach w i e v o r e i n e n S c h w e r p u n k t d e r Wirtschaftswissenschaft aus u n d h i n d e r t , Ö k o n o m i e als eine spezielle empirische Soziologie z u k o n z i p i e r e n . Es ist das D e n k e n i n M o d e l l e n , ökonomisches Modelldenken unterliegt m i t manchen stichhaltigen G r ü n d e n wissenschaftstheoretischer K r i t i k , u n d z w a r n i c h t n u r aus d e m L a g e r des N e o p o s i t i v i s m u s , s o n d e r n auch aus d e m e i n e r v e r s t e h e n d e n Ö k o n o m i e . Jedoch scheint es i m K e r n eben j e n e n I n f o r m a t i o n e n z u entsprechen, die m a n v o n e i n e r Wissenschaft e r w a r t e t , w e l c h e sich m i t d e m S p e z i f i k u m des ö k o n o m i s c h h a n d e l n d e n Menschen beschäftigt. I n der j ü n g e r e n methodologischen E n t w i c k l u n g der Sozialwissenschaften w i r d i n d e n M o d e l l b e g r i f f eine V i e l f a l t wissenschaftlicher E r k e n n t n i s m i t t e l u n d D a r s t e l l u n g s f o r m e n eingeschlossen 9 . M a n liest von: Interaktionsmodellen, Kommunikationsmodellen, Lernmodellen, Simulationsmodellen, Modellen rationalen Verhaltens, v o n deterministischen u n d p r o b a b i l i s t i s c h e n M o d e l l e n , v o n statischen u n d d y n a mischen M o d e l l e n , v o n l i n e a r e n u n d n i c h t l i n e a r e n M o d e l l e n , m i k r o - u n d m a k r o ö k o n o m i s c h e n M o d e l l e n , P a r t i a l - u n d T o t a l m o d e l l e n u n d ganz allgemein v o n mathematischen Modellen. Der Modellbegriff dringt i n die Bereiche a n d e r e r wissenschaftstheoretischer G r u n d b e g r i f f e — w i e : T h e o r i e u n d S y s t e m — ein. Seine verschiedenen B e d e u t u n g e n lassen sich n u r schwer abgrenzen. I m engsten S i n n e spricht m a n e t w a v o n » Vgl. zu einem Überblick zum Modellbegriff u n d zur Modellbildung i n den Sozialwissenschaften, insbes. i n der Wirtschaftswissenschaft m i t weiteren Nachweisen Hans Albert, Modell-Platonismus: Der neoklassische S t i l des ökonomischen Denkens i n kritischer Beleuchtung, a.a.O., S. 45 ff.; ders., Probleme der Theoriebildung: Entwicklung, Struktur u n d Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien, a.a.O., S. 27 ff.; Hans Anger, Theorienbildung und Modelldenken i n der Kleingruppenforschung, i n : Kölner Zeitschrift für Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1962, S. 4 f f . ; Günter Hartfiel, Wirtschaftliche u n d soziale Rationalität: Untersuchungen zum Menschenbild i n Ökonomie u n d Soziologie, S. 14ff.; Rudolf Henn, Modellbetrachtungen i n der Wirtschaft, i n : Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1957, S. 193 ff.; Gerhard Kade, Die logischen Grundlagen der mathematischen Wirtschaftstheorie als Methodenproblem der theoretischen Ökonomik; Siegfried Katterle, Normative u n d explikative Betriebswirtschaftslehre^. 122 ff.; Helmut Klages, Möglichkeiten u n d Grenzen des Modelldenkens i n der soziologischen Theorie, i n : Soziale Welt, 1963, S. 97 ff.; Norbert Kloten/ Helmut Kuhn, Wirtschaftswissenschaft: Methodenlehre, I I . Formen positiver Methodologie, a.a.O., Bd. 12, S. 304 ff.; René König, Grundlagenprobleme der soziologischen Forschiungsmethoden (Modelle, Theorien, Kategorien), a.a.O., S. 23ff.; Erich Kosiol, Betriebswirtschaftslehre u n d Unternehmensforschung: Eine Untersuchung ihrer Standorte u n d Beziehungen auf wissenschaftstheoretischer Grundlage, i n : Zeitschrift f ü r Betriebswirtschaft, 1964, S. 743 ff.; Renate Mayntz, Modellkonstruktion: Ansatz, Typen u n d Zweck, a.a.O., S. 11 ff.; Gertrud Neuhauser, Grundfragen wirtschaftswissenschaftlicher Methodik, a.a.O., S. 113ff.; J.Hanns Pichler, Modellanalyse und M o d e l l k r i t i k : Darstell u n g und Versuch einer Beurteilung v o m Standpunkte der ganzheitlichen Wirtschaftslehre; Erich Schneider, Einführung i n die Wirtschaftstheorie, I V . Teil: Ausgewählte K a p i t e l der Geschichte der Wirtschaftstheorie, Bd. 1, S. 1 ff.; Rupert Schreiber, Erkenntniswert betriebswirtschaftlicher Theorien: Einführung i n die Methodik der Betriebswirtschaftslehre, S. 76 ff.

1. Logischer Empirismus u. sozial wissenschaftliches Modelldenken

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einem Modell, wenn es sich u m eine empirische Theorie handelt, die einer anderen isomorph ist, also völlige Strukturgleichheit besteht. Häufig bezeichnet man formalisierte Theorien als Modelle. Bei diesen Theorien werden beschreibende Begriffe durch abstrakte Symbole ersetzt und die logische Struktur der sie verbindenden Sätze explizit gemacht. Die Bezeichnung: mathematisches Modell w i r d besonders verwendet, wenn Symbole Quantitäten vertreten und die Relationen zwischen den Elementen der Systeme i n Form von Gleichungen und Ungleichungen ausgedrückt werden. Insbesondere i n der heutigen Wirtschaftswissenschaft nehmen mathematische Verfahren und Darstellungsmethoden eine derartige Vorrangstellung ein, daß es naheliegt, mathematische Forschungsweise und Modellbildung gleichzusetzen und als Modelle nur noch mathematische Modelle gelten zu lassen. Solche Vielgestaltigkeit des Modellbegriffs und vor allem die mathematisch-logische Seite der modernen Modellkonstruktionen machen es erforderlich, zu wiederholen, welcher Aspekt des Modelldenkens uns interessiert. Gegenstand unserer Überlegungen ist die Idealität des Verwaltungshandelns als eine intelligible Welt, die über die empirisch feststellbare A k t i o n und Reaktion öffentlichen Verwaltens hinausreicht. Wissenschaftliche Aussagen über ideale Verhaltensmuster sind von denen über reale Verhaltensmuster abzuheben. Entsprechend muß die Stellung der wissenschaftlichen Modelle i m Bezugsfeld von Realität und Idealität überprüft werden. Wenn es mithin auch nicht u m die mathematisch-logische Formalisierung von Erkenntnisleistungen selbst geht, so können w i r uns doch der Dignität, die Mathematik und Logik i n der Wissenschaftsphilosophie genießen, bedienen. Denn als wissenschaftliche Aussagen über menschliches Handeln haben auch die mathematischen Modelle an der Problematik von Realität und Idealität Anteil. Insoweit sind zwar weniger die vielfältigen methodologischen Meinungen, die m i t dem Modellbegriff verbunden werden, als die wissenschaftstheoretische Eigenart der konkreten Forschungsarbeit maßgeblich. Indes zeigt sich schon i n der Gegenüberstellung von Theoriebegriff und Modellbegriff die relevante Unterscheidung von den auf Handlungsrealität gerichteten Erkenntnisinteressen. I n manchen Wissenschaftslehren werden die Bezeichnungen: Theorie und Modell synonym verwendet. Es heißt etwa, ein System untereinander verbundener Thesen werde oft Theorie oder Modell genannt und bei der Uberprüfung eines Modells sei zu untersuchen, wie weit jede einzelne These m i t bereits bekannten empirischen Angaben übereinstimme 10 . Aus dieser Aussage w i r d ein weiteres deutlich. Es werden 10 Hans L. Zetterberg , Theorie, Forschung u n d Praxis i n der Soziologie, a.a.O., Bd. 1, S. 66. 9 Speyer 46

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nicht nur Theoriebegriff und Modellbegriff gleichgesetzt, sondern da es bei der Uberprüfung des Modells u m die Ubereinstimmimg m i t empirischen Angaben geht, w i r d ein erfahrungswissenschaftlich verstandener Theoriebegriff zugrunde gelegt. Entsprechend kann die Verwendung des Wortes: Modell oft ein Ausdruck der Bescheidenheit sein. M a n möchte den vorläufigen, noch nicht verifizierten, vielleicht empirisch überhaupt noch nicht gesicherten Charakter einer theoretischen Konzeption betonen. M a n trennt zwischen dem Modell als hypothetischer Konstruktion und der Theorie, wobei das Modell als die hypothetisch vorweggenommene Theorie und die Theorie als das bestätigte Modell unabhängig von allen durch den Kontrollprozeß herbeigeführten Korrekturen prinzipiell strukturgleich sind und sich nur dadurch voneinander unterscheiden, daß i n dem einen Falle der Charakter der Wirklichkeitsaussage zugestanden u n d i n dem anderen Falle noch verweigert w i r d 1 1 . Der erfahrungswissenschaftlich konzipierte Theoriebegriff: die empirische Theorie, bleibt so der Bezugspunkt für das Verständnis des Modellbegriffs. Es w i r d davor gewarnt, ein Modell m i t einer Theorie ohne weiteres i n eins zu setzen; denn die eigentliche Funktion sei nur die einer Hilfe bei der methodischen Ausgestaltung einer Theorie, insbesondere ihrer Erhebung auf eine höhere Abstraktionsebene. Das Modell sei zentral eine gedankliche Konstruktion. Wenn w i r nun aber den Begriff der Theorie und der empirischen Kontrolle bestimmter Aussagenzusammenhänge verbänden, resultiere allein daraus, daß ein Modell für sich genommen niemals als Theorie angesehen werden könne 1 2 . I n der Wissenschaftslehre der Wirtschaftswissenschaft w i r d solche Abhebung des Modellbegriffs gegenüber der empirischen Theorie vollends deutlich 1 3 . I n Abgrenzung von der erfahrungswissenschaftlichen Aussage t r i t t das M e r k m a l gedanklicher Konstruktion, des rationalkonzeptuellen Schemas hervor. Der Modellkonstrukteur w i l l am Modell, i m „Gedankenexperiment" erforschen, was er i n der ökonomischen Wirklichkeit nicht beobachten kann. Gemessen am Popper-Kriterium der generellen Falsifizierbarkeit handelt es sich nicht u m empirisch gehaltvolle Hypothesen: "Models differ from theories i n an important respect. I n models the dass of phenomena whose explanation w e seek — the relevant social space — is not adequately characterized. I n a theory i t is. A n interesting conséquence of this fact is the hypotheses 11 Vgl. Helmut Klages, Möglichkeiten und Grenzen des Modelldenkens in der soziologischen Theorie, i n : Soziale Welt, 1963, S. 102. 12 René König, Grundlagenprobleme der soziologischen Forschungsmethoden (Modelle, Theorien, Kategorien), a.a.O., S. 32 f. 13 Vgl. etwa Gertrud Neuhauser, Grundfragen wirtschaftswissenschaftlicher Methodik, a.a.O., S. 113 ff.; zur Betriebswirtschaftslehre Siegfried Katterle, Normative und explikative Betriebswirtschaftslehre, S. 122 ff.

1. Logischer Empirismus u. sozialwissenschaftliches Modelldenken

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which occur i n models can only be confirmed — they can never be refuted by reference to empirical evidence 14 ." Gegenüber dem Erkenntnisinteresse, das auf die beobachtbare, meßbare, experimentell erfahrbare Realität sozialen Handelns zielt, weist das i m Modellbegriff implizierte Erkenntnisinteresse auf eine intelligible Welt hin. Und dem entspricht, wenn w i r uns von den Meinungen zum Modellbegriff den konkreten Erkenntnisleistungen vor allem i n der Wirtschaftswissenschaft zuwenden, die metatheoretische Eigenart der erarbeiteten wissenschaftlichen Aussagen. „Die Geschichte der ökonomischen Theorie ist eine Geschichte des Denkens an Modellen, die i m Laufe der Zeit zur Behandlung der verschiedenen Problemstellungen konstruiert worden sind 1 5 ." Diese Erforschung der wirtschaftlichen Phänomene durch das Denken i n Modellen bedeutet weder nach Herkommen noch dem heutigen Bestand der mathematischen Wirtschaftstheorie die Einheit von Empirie und Logik. Die wissenschaftlichen Aussagensysteme der Wirtschaftslehre m i t Einschluß der hypothetisch-deduktiven Formalisierungen sind nicht gemäß den Vorstellungen des modernen Empirismus i n der erfahrbaren Welt verankert. Ob ein David Ricardo nach seiner methodischen Konzeption die rein gedankliche Konstruktion einer abstrakten Verkehrsgesellschaft zu zeigen oder ob er seinen theoretischen Anschauungen bestimmte an der wirklichen Wirtschaft beobachtete Vorgänge oder Tatsachen zugrundezulegen beabsichtigte, ändert nichts daran, daß der Homo oeconomicus der klassischen Nationalökonomie kein realer Wirtschaftsmensch i m Sinne empirischer Erforschung sozialökonomischen Verhaltens ist. Von den Anfängen der Wirtschaftswissenschaft her lassen sich unbeschadet der jeweiligen Absichten der Forscher Modelle als von anderer wissenschaftstheoretischer Qualität denn streng erfahrungswissenschaftlicher Aussagen beispielhaft machen. Man schaue etwa auf die Bedeutung, die der Gedanke einer stationären Wirtschaft i n der Theorie hat, obwohl es nie i n Wirklichkeit eine Wirtschaft gegeben hat, die ohne Fortschritt und Rückschritt in immer der gleichen Weise abgelaufen ist. Marx 'beginnt seine Kreislauftheorie m i t der Analyse des Kreislaufprozesses i n der stationären Wirtschaft. Bei Cassel, Schumpeter u. a. ist die stationäre Wirtschaft die Grundlage für theoretische Untersuchungen, und gerade vor dem Hintergrund dieser Modellwelt w i r d das Phänomen der wirtschaftlichen Entwicklung verständlich. Stellt man auf die fiktionalen Elemente i n solchen Analysen ab, dann muß man sagen, daß ein Modell immer nur gedachte Zusammenhänge Andreas G. Papandreou, Economics as a Science, S. 8 f. iß Vgl. Erich Schneider, Einführung i n die Wirtschaftstheorie, I V . Teil: Ausgewählte K a p i t e l der Geschichte der Wirtschaftstheorie, Bd. 1, S. 1 ff. m i t weiteren Beispielen.



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beschreibt. Die Prämissen des Modells sind nicht Aussagen über rein beobachtbare reale Bedingungskonstellationen, sondern gedankliche Konstruktionen, die allenfalls teilweise der Wirklichkeit entsprechen. Folglich sind die Modellergebnisse nur gedacht. Das wirtschaftswissenschaftliche Modell ist ein System von Aussagen, das nicht durchgängig auf der Grundlage empirisch feststellbaren Verhaltens aufbaut, sondern die ökonomischen Zusammenhänge i m „Gedankenexperiment" erforscht. Das schließt es nicht aus, daß das Modelldenken i n der Regel einen Teil der wirtschaftlichen Wirklichkeit abbilden w i l l . Es besteht die Absicht, bestimmte wirtschaftliche Zusammenhänge, die i n der Lebenswirklichkeit i n einem unübersichtlichen Netz ökonomischer und sozialer Beziehungen verflochten sind, i m Wege „isolierender Abstraktion" darzustellen. Unter einem bestimmten Aspekt soll die Wirtschaftswelt vereinfacht nachgebildet werden, und die nicht interessierenden ökonomischen und außerökonomischen Einflüsse sollen je nach den Prämissen unberücksichtigt bleiben. Aber auch wenn Komponenten des Modells dadurch gewonnen werden, daß man Sachverhalte isoliert und verallgemeinert, die man i n der erfahrbaren Wirklichkeit unter anderem vorfindet, bleiben Voraussetzungen der Modellbildung bestehen, die gegen die realen Lebensverhältnisse immunisieren. Modelldenken knüpft bei bestimmten Annahmen an, die außerhalb des Erfahrbaren liegen und gegen die Realität abschirmen. Je präziser die zugrunde gelegten Prämissen und die abgeleiteten Folgerungen herausgearbeitet werden, um so deutlicher wird, daß es sich aus empirischer Sicht bei den am Modell erdachten Wirtschaftslehren, wenn nicht u m Systeme fiktionaler Aussagen, so doch mindestens u m Aussagensysteme m i t fiktionalen Elementen handelt. Nimmt man etwa das Nachfragegesetz für die Konsumgütersphäre, wenn es charakterisiert w i r d : unter sonst gleichen Bedingungen ist die nachgefragte Menge eines Konsumgutes eine monoton abnehmende Funktion des Preises, dann erweist sich eine solche Formalisierung durch die Ceteris-paribus-Klausel gegenüber jeder weiteren Wirklichkeit unempfänglich. Schaut man z.B. auf die Lehre von der Unternehmerdisposition, so kann man variierende Voraussetzungen i n der Modellbildung studieren, so — u m die Zielproblematik wieder aufzugreifen — bei der unternehmerischen Zielsetzung: Absatzmaximierung bei M i n destgewinn, Gewinnmaximierung bei Mindestabsatz, Maximierung der Differenz zwischen Erlösen und Kosten usw. 16 . Verfolgt man die kostentheoretischen Diskussionen zum Auftreten progressiver Gesamtkosten bei starken Beschäftigungssteigerungen der Betriebe, dann hebt sich iß Vgl. f ü r den vorliegenden Zusammenhang noch J. Heinz Müller, Die ökonomische Theorie zwischen logischem Formalismus u n d empirischer Aussage: dargestellt am Beispiel der Lehre von der Unternehmerdisposition, a.a.O., S. 291 ff.

1. Logischer Empirismus u. sozialwissenschaftliches Modelldenken

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von der empirisch gehaltvollen Aussage zum tatsächlichen Verhalten i m Betrieb die Modellvoraussetzung der Gewinnmaximierung ab 1 7 . Vielfach schirmt man auch mit unausgesprochenen Prämissen gegen die Wirklichkeit ab, indem man etwa oft davon ausgeht, daß der i n der Wirtschaft Handelnde über vollkommene Information verfüge 1 8 . Bis wohin man auch den hochentwickelten Ausformungen des ökonomischen Denkens i n Modellen nachgeht: Modelle enthalten Annahmen, die nicht durchgängig aus den durch Beobachtung, Messung und Experiment erfahrbaren Erscheinungen des Wirtschaftslebens bewährbar sind. Modellannahmen der ökonomischen Theorie sind nach ihrem Realitätsbezug unterschiedlich zu beurteilen. M i t einem Teil der Modellkonstruktionen ist von vornherein nicht die Absicht verbunden, Aussagen über wirkliche Wirtschaftszusammenhänge aufzustellen. Es geht u m Erklärungen, die bewußt f i k t i v auf die realen Bedingungen ökonomischen Verhaltens keine Rücksicht nehmen und nach ihrem heuristischen Zweck auf mathematisch-logische Zusammenhänge abstellen und entsprechend ideale Wirtschaftsbeziehungen zusammenbauen. Wo Strukturen wirtschaftlicher Wirklichkeit abgebildet werden sollen, setzt ein Apriorismus bisweilen bei Modellannahmen an, die als unmittelbar einleuchtend und keines Beweises bedürftig angesehen werden. I n der Forschung gilt oft die subjektive Uberzeugung von der Realitätsnähe bestimmter Prämissen als ausreichende Basis für den Aufbau der W i r t schaftstheorie. Immer mehr w i r d jetzt von der Ceteris-paribus-Klausel Gebrauch gemacht 19 . Sie schließt eine bedeutsame Forschungsweise ein, m i t der die Wirtschaftswissenschaft gegen jede andere Realität unempfindlich macht. I n der sozialökonomischen Lebenswelt auftretende Einflußfaktoren werden ausgeschlossen. Sie werden als konstant behandelt oder als exogene Größen unberücksichtigt gelassen. Sie bleiben unspezifiziert, werden i n den Prämissensätzen der Aussagensysteme nicht explizit aufgezahlt usw. Jedenfalls w i r d anders als i n einer 17 Vgl. dazu Siegfried Katterle, Normative u n d explikative Betriebswirtschaftslehre, S. 123 ff. 18 Heute findet das Informationsproblem indes zunehmend Beachtung. Vgl. etwa Herbert Hax, Die Koordination v o n Entscheidungen: E i n Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, S. 21 ff. 19 Z u dieser Klausel vgl. noch Terence W. Hutchison, Theoretische Ökonomie als Sprachsystem, a.a.O., S. 280 ff.; zu den „Modellarten" besonders Gertrud Neuhauser, Grundfragen wirtschaftswissenschaftlicher Methodik, a.a.O., S. 115 ff.; ferner etwa Norbert Kloten/Helmut Kuhn, Wirtschaftswissenschaft: Methodenlehre, I I . Formen positiver Methodologie, a.a.O., Bd. 12, S. 321 ff.; zur Einbeziehung erfahrungswissenschaftlicher Ergebnisse anderer Sozialwissenschaften i n die Wirtschaftswissenschaft vgl. Gerd Fleischmann, Nationalökonomie u n d sozialwissenschaftliche Integration; über die Beziehungen zwischen Nationalökonomie, Psychologie u n d Sozialpsychologie vgl. George Katona, Das Verhalten der Verbraucher u n d Unternehmer.

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strengen Erfahrungswissenschaft verfahren. Denn durch die Ceterisparibus-Klausel w i r d die Wirtschaftstheorie gegen eine empirische Widerlegung abgesichert. Heute zeigt sich eine Tendenz, von aprioristischen Modellannahmen abzukommen. Man sucht wirklichkeitsnahe Prämissen über wirtschaftlich-gesellschaftliche Verhaltensweisen einzusetzen. Es gibt Vorstellungen, die Ergebnisse anderer Disziplinen der Sozialforschung, insbesondere der empirischen Soziologie, in die Modelle einzubauen. Man strebt eine irgendwie geartete Verankerung der Modelle i n der realen Lebenswelt an. Man sucht den Fortschritt des Modells durch den Einbau neuer Erfahrungen. Indes bleiben Voraussetzungen der Modellbildung bestehen, die gegen andere Realitäten immunisieren. Modelle enthalten — empirisch betrachtet — fiktionale Elemente und damit verhalten sie sich über gedachte sozialökonomische Zusammenhänge, nicht über beobachtete reale Bedingungskonstellationen. Die modelltheoretischen Aussagensysteme der Wirtschaftswissenschaft sind wissenschaftliche Leistungen, die, mögen sie noch so realitätsnah, noch so plausibel sein, sich nicht auf die rein empirische Erforschung realer Verhaltensmuster zurückführen lassen.

2. Konstruktionen idealer Handlungszusammenhänge

I n der Gegenüberstellung der wissenschaftstheoretischen Konzeptionen von logischem Empirismus und sozialwissenschaftlichem Modelldenken ist deutlich geworden, daß letzteres es nicht bei dem äußerlich Erfahrbaren bewenden läßt, sondern irgendwie intendiert, die intelligible Welt idealer Handlungszusammenhänge zu erforschen. W i r müssen daher fragen, wie überhaupt das Erkenntnisinteresse an modelltheoretischen Untersuchungen wissenschaftstheoretisch zu begründen ist. Insoweit bleibt zu beachten, daß diese wissenschaftlichen Formalisierungen nicht nur wegen ihrer Darstellungsqualität — also etwa als Logik, Mathematik — interessieren, sondern immer i m Zusammenhang m i t menschlichem Handeln zu sehen sind. Das ist vor allem auch für das wirtschaftswissenschaftlidie Modelldenken zu merken. Es kann sich i n einer Gedankenwelt bewegen, die sich von der konkreten Lebenswelt entfernt. Es kann geschehen, daß Voraussetzungen gemacht werden, die den Modellen jede soziale Aussagekraft nehmen, weil die Ableitungssysteme selbst über den Spielraum möglichen Wirtschaftsgeschehens hinausführen. Manchmal scheint die sozialökonomische Relevanz ganz aus dem Blickfeld zu geraten. Entsprechend w i r d der ökonomischen Modellbetrachtung herkömmlich und auch außerhalb des modernen Empirismus vorgeworfen, sie sei wirklichkeitsfern und zudem geschichtsentleert 20 . Geht man dieser K r i t i k nach, so führt der Weg über 20 Vgl. Gerhard

Stavenhagen,

Geschichte der Wirtschaftstheorie, S. 401.

2. Konstruktionen idealer Handlungszusammenhänge

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die existentielle Begründimg wissenschaftlicher Erkenntnisinteressen an idealen Verhaltensmustern hinaus zu den problematischen Interdependenzen von Realität und Idealität. Jedoch bleiben diese wissenschaftsphilosophischen Bedenken wie die Auseinandersetzungen zwischen ökonomischem Modelldenken und verstehender Wirtschaftstheorie zunächst beiseite. Für die Theorie der Verwaltungswissenschaft ist zu fragen, was gemessen am logischen Empirismus überhaupt das Erkenntnisinteresse des Modelldenkens sein kann: Wie lassen sich solche wissenschaftlichen Aussagen begründen, deren Ergebnis doch nach den eingeführten Prämissen nur prinzipiell mögliches, und zwar ideales Geschehen sein kann? Die Methodologie sozialwissenschaftlicher Modellkonstruktionen muß auf den grundsätzlichen Widerspruch des logischen Empirismus stoßen. Er kann den „Modell-Platonismus der reinen Ökonomie" nicht akzeptieren, „der i n den Versuchen zum Ausdruck kommt, ökonomische Aussagen und Aussagenmengen (Modelle) durch Anwendung konventionalistischer Strategien gegen die Erfahrung zu immunisieren" 2 1 . Für Grundlagen zur wissenschaftlichen Erklärung wirtschaftlicher Vorgänge, die nicht als erfahrungsmäßig überprüfbare Prämissen, sondern als Annahmen über prinzipiell mögliches Wirtschaftsgeschehen behandelt werden, ist i n der Einheit von Empirie und Logik kein Platz. Man wendet sich gegen die Tautologisierungen i n formalen Modellen, i n denen die Ergebnisse nichts anderes als die logischen Implikationen der Prämissen sind. Es w i r d die A r t der Gewinnung von Prämissen zur ökonomischen Modellbildung abgelehnt, i n der es beschlossen ist, daß die einschlägigen Wirtschaftstheorien nicht die „reine" Wirklichkeit, nicht die „ganze" Realität erfassen. Jedes methodische Verfahren, das gegen Einflußfaktoren der konkreten Lebensverhältnisse abzuschirmen sucht, ist für die strenge Realwissenschaft zweifelhaft. Die Ceterisparibus-Klausel gilt so bloß als „Alibi-Formel" gegenüber dem wissenschaftlich Erfahrbaren. Das Modelldenken kann für einen Empirismus nichts mehr sein, als zu versuchen, wissenschaftliche Aussagensysteme i n irgendeiner Weise vor dem Risiko des Scheiterns an den Tatsachen zu bewahren. Dem entspricht die Forderung, den „Modell-Platonismus" durch eine Soziologisierung des ökonomischen Denkens zu überwinden. Es w i r d verlangt, die Konstruktionen der Wirtschaftstheorie auf den Boden einer empirisch-analytischen Verhaltenswissenschaft zurückzuholen 2 2 . Solcher Konzeption gegenüber bedarf es vorab eines auch für die Verwaltungswissenschaft grundlegenden Hinweises. Wenn man streng 21 Hans Albert, Modell-Platonismus: Der neoklassische S t i l des ökonomischen Denkens i n kritischer Beleuchtung, a.a.O., S. 51. 22 Vgl. etwa noch Emile Grunberg, Notes on the V e r i f i a b i l i t y of Economic Laws, a.a.O., S. 137 ff.

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ist, muß man sich darüber Rechenschaft geben, daß schon das Abheben von sozialen Faktoren, die als außerjuristische, außerökonomische, außeradministrative usw. angesehen werden, und zwar u m der Eigenständigkeit der Rechtswissenschaft, der Wirtschaftswissenschaft, der Verwaltungswissenschaft usw. willen, von der Lebenswirklichkeit entfernt. Schon Fachwissenschaftlichkeit als Prämisse wissenschaftlicher Erkenntnis bedeutet die gedankliche Vereinfachung von Lebenszusammenhängen. Und so bleiben i n der Tat die i n der modernen Wissenschaftsentwicklung herangebildeten Spezialisierungen problematisch. Die Forschung i n den fachwissenschaftlichen Grenzbereichen, die interdisziplinäre Forschung erweist sich nicht grundlos als besonders fruchtbar. Es w i r d erforderlich, wissenschaftliche Arbeitsweisen einzuführen, m i t denen sich eine Unterscheidung wie die i n ökonomische und außerökonomische Faktoren hinterfragen läßt 2 3 . Indessen lehrt nicht zuletzt das Denken i n Modellen, wie es in der Wirtschaftswissenschaft von Anfang an praktiziert worden ist, daß der Weg von einer einheitswissenschaftlichen Welt zu den Differenzierungen heutiger Einzelwissenschaften zwangsläufig beschritten worden ist. Der Wissenschaft gelingt es nicht, die Wirklichkeit rein und vollkommen zu erfassen. Theoretische Aussagen lassen sich nicht durchgängig in der ganzen Realität des Lebens verankern. Da es nicht möglich ist, jeweils alle Bedingungen, unter denen soziale Vorgänge ablaufen, zu ermitteln, begnügt sich die Wissenschaft damit, i n die Aussagensysteme jene Faktoren aufzunehmen, die für den Aufbau der Theorie relevant sind. Dieses Verfahren w i r d nicht nur zwischen verschiedenen Disziplinen, sondern auch innerhalb der Fachwissenschaft praktiziert. Für die Wirtschaftswissenschaft etwa läßt die Komplexität der Faktoren, die i n der interdependenten gesellschaftlichen Wirklichkeit auf das ökonomische Geschehen einwirken, allseitig und vollständig interpretierte Theorien kaum zu. Da sich nicht jeweils alle Bedingungen, die in wirtschaftlichen Prozessen wirken, erfassen lassen, ist man auf isolierende Abstraktionen vom faktischen Wirtschaftsgeschehen angewiesen. Wenn man also den Modellbegriff in Gegenüberstellung zur empirischen Theorie solchermaßen festlegen wollte, dann hätten alle fachwissenschaftlichen Aussagensysteme gemessen an dem Wissenschaftsprogramm eines strengen Empirismus modelltheoretische Elemente. Auch die realwissenschaftliche Aussagen intendierenden Erkenntnisleistungen der Sozialforschung enthalten Konstrukte, die nicht i m Beobachtungsmaterial verankert sind, sondern eher von der Komplexität interdependenter Wirkungszusammenhänge entlasten sollen. Die Problematik dieser theoretischen Abtrennungen kann veranlassen, über den heuristischen Stellenwert von Modellen auch in der erfah23 Vgl. dazu etwa Talcott Handelns, a.a.O., S. 136 ff.

Parsons, Die Motivierung des wirtschaftlichen

2. Konstruktionen idealer Handlungszusammenhänge

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rungswissenschaften Forschung näher nachzudenken. Den Versuch, über die äußerlich beobachtbare Aktion und Reaktion i n der öffentlichen Verwaltung hinaus i n die Sinnzusammenhänge administrativer Handlungsysteme vorzudringen, stützt sie metatheoretisch jedoch nicht zureichend ab. Hierfür reicht es nicht aus, zur Begründimg vorzutragen, die Verwaltungswissenschaft könne eben als Fachwissenschaft nicht alle gesellschaftlichen Wirkungszusammenhänge, die das Verwaltungsgeschehen beeinflußten, i n einem aufnehmen und theoretisch wiedergeben, sondern müsse bestimmte administrative Zusammenhänge, die i n der Lebenswirklichkeit i n einem unübersichtlichen Netz sozialer Beziehungen verflochten seien, isolieren. Denn gemäß einem strengen Dualismus von Theorie und Praxis könnte man entgegenhalten, daß die isolierenden Abstraktionen auf Grund der Dezision des Forschers oder gewisser Konventionen der Wissenschaftler, jedenfals rein auf theoretischer Ebene erfolgten und m i t idealen Handlungszusammenhängen i n der öffentlichen Verwaltung als einer Lebenspraxis nichts zu t u n hätten. Entsprechend muß das Erkenntnisinteresse an der intelligiblen Welt öffentlichen Verwaltens selbst begründet werden. Hierfür leiten w i r zu einer handlungstheoretischen Konzeption der ökonomischen Modelle über. So w i r d ein allgemein sozialwissenschaftlicher Bezug gewonnen, der den weiteren Übergang zur verwaltungswissenschaftlichen Fragestellung eröffnet. Zudem w i r d deutlicher, daß i m Grunde nach Sinnzusammenhängen menschlichen Handelns gesucht w i r d : hermeneutische Leistungen verlangt sind, ökonomisches Modelldenken und verstehende Ökonomie zeigen ihren gemeinsamen Kern 2 4 . I n der Wirtschaftswissenschaft werden Interdependenzen wirtschaftlicher Größen: funktionelle Zusammenhänge quantifizierbarer Güterund Geldströme, bearbeitet. Dem entsprechen die ökonomischen Modellbildungen. Entgegen steht das traditionelle Argument: das Wesentliche sei, daß i n Wirklichkeit gar keine unmittelbaren Funktionen zwischen Gütermengen gegeben seien, primär seien allein die wirtschaftlichen Handlungen als Leistungen von M i t t e l n für Ziele. Es w i r d darauf hingewiesen, daß alle nationalökonomischen Probleme, wie sehr sie auch als Preis-, Zinsfuß-, Kapitalprobleme usw. formuliert sein mögen, i m Grunde Probleme des verschiedenen Verhaltens verschiedener Lebensstellungen seien, wie: Verbraucher, Unternehmer, Sparer, Arbei24 Vgl. dazu die Studien v o n Jürgen von Kempski, insbesondere Handlung, M a x i m e u n d Situation: Z u r logischen Analyse der mathematischen W i r t schaftstheorie, a.a.O., S. 233 ff.; ders., Z u r L o g i k der Ordnungsbegriffe, besonders i n den Sozialwissenschaften, a.a.O., S. 209 ff.; ders., Der A u f b a u der Erfahrung u n d das Handeln, a.a.O., S. 295 ff.; ders., Die Logik der Geisteswissenschaften u n d die Geschichte, a.a.O., S. 79 ff.; ferner Jürgen Habermas, Z u r Logik der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische Rundschau, 1967, Beiheft 5, S.49ff.

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ter usw. 2 5 . So muß es nicht ohne weiteres eine Soziologisierung der Wirtschaftswissenschaft bedeuten, wenn man auf sozialökonomisches Verhalten der Menschen, nicht auf Güter- und Geldbewegungen abstellt. Eine handlungstheoretische Konzeption wirtschaftswissenschaftlichen Denkens sieht darin keinen grundsätzlichen Widerspruch. Für sie bringen die Relationen zwischen Gütermengen und Preisen, m i t denen die mathematische Wirtschaftstheorie arbeitet, mittelbar Zusammenhänge wirtschaftlichen Handelns zum Ausdruck. Das wirtschaftliche Handeln w i r d als solches unter Maximen stehend gedacht. Die Relationen zwischen wirtschaftlichen Größen werden als Funktionen von Handlungen unter Maximen aufgefaßt. Handeln w i r d als Umformen von Situationen betrachtet. Die Umformung einer Situation folgt dabei einer Maxime, und zwar i m theoretisch relevanten Fall derart, daß m i t der Ausgangssituation und der Maxime des Handelnden die Endsituation festgelegt ist. M i t der Maxime geht i n die Handlung ein „geistiges Moment" ein. Es geht wiederum nicht u m empirische Gleichförmigkeiten, sondern u m ideale Handlungsregeln. Menschliches Verhalten w i r d als unter der Voraussetzimg stehend studiert, daß es von gewissen Maximen beherrscht wird, an die sich die Menschen halten, aber auch nicht halten können, die aber eine prinzipiell mögliche Beziehung von Handlungssituationen darstellen. So finden w i r i n der Maxime handlungstheoretischer Konzeption der Wirtschaftswissenschaft jene Idealität wieder, die auch die ökonomischen Deduktionen über Geld- und Güterströme enthalten. Es bleibt die Unterscheidung zwischen empirischen Analysen, die an der Erfahrung erprobt werden, und modelltheoretischen Untersuchungen, die aus idealisierenden Grundannahmen gewonnen und der erfahrungsmäßigen Widerlegung insoweit entzogen sind. W i r d von der Perspektive menschlichen Handelns her deutlich, daß Modelle nicht Ausdruck einer mechanischen Auffassung vom Ablauf der Wirtschaft, sondern Aussagen darüber sind, welche Ereignisse sich bei bestimmten menschlichen Verhaltensweisen einstellen 26 , dann w i r d das Forschimgsinteresse der Modelltheoretiker als prinzipielles einsichtig. Es geht bei diesen Untersuchungen nicht u m irgendwelches mögliches menschliches Handeln. Modelltheoretische Wirtschaftsforschung zielt vielmehr auf jenes Spezifikum des i n der Wirtschaft handelnden Menschen, welches uns bereits nach dem kommunikativen Alltagserleben gemessen an den Intentionalitäten sozialen Gesamtverhaltens durch seine taktisch-strategisch-rationalen Eigenarten auffällt. Es interessiert nicht der erfahrbare Mensch mit seinen komplexen Wünschen, Motiven, Anpassungen, sondern der spezifisch ökonomisch 25 Vgl. Terence W. Hutchison, Theoretische Ökonomie als Sprachsystem, a.a.O., S. 283. 26 Erich Schneider, Einführung i n die Wirtschaftstheorie, I V . Teil: Ausgewählte Kapitel der Geschichte der Wirtschaftstheorie, Bd. 1, S. 9.

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Handelnde, der idealisiert einem Rationalprinzip folgt. Bei allem Schulstreit ist der Wirtschaftswissenschaft der Versuch eigen, die Frage nach dem ökonomischen als einem rationalen Verhalten zu beantworten. So hat der Homo oeconomicus — der ausschließlich von wirtschaftlichen Erwägungen geleitete Mensch — der klassischen Nationalökonomie noch heute einen erkenntnistheoretisch-methodologischen Kern. Gerade die pragmatische Problemstellung zeigt das. Sie führt über die Erfahrung tatsächlichen Wirtschaftens hinaus zu der Uberlegung, nach welchen besten Taktiken, besten Strategien sich der Mensch i n der Wirtschaft zu verhalten habe. Dem entspricht die überlieferte Frage nach dem ökonomisch richtigen Handeln. W i r erreichen damit einen allgemeinen Grund für die wissenschaftlichen Erkenntnisinteressen, welche den idealen Verhaltensmustern menschlichen Handelns gelten. I n der wissenschaftlichen Erforschung des Menschen i n der Gesellschaft interessiert man sich für die Rationalität als idealen Handlungssinn herkömmlich. Insbesondere die W i r t schaftswissenschaft hat das Erkenntnisinteresse an rationalem: ökonomisch idealem Verhalten unübersehbar gemacht. Demgemäß findet man den Gedanken optimalen Handelns i n den nichterfahrungswissenschaftlichen Entwürfen der Ökonomie impliziert. Man denke nur an die Verwendimg von Maximierungsbegriffen. U n d dennoch ist die metatheoretische Begründung wissenschaftlichen Eindringens in die ideale Handlungswelt problematisch geblieben. Das liegt vielleicht weniger an dem wissenschaftlichen Anspruch des logischen Empirismus als an der mangelnden Disziplin mancher geisteswissenschaftlichen Theoriebildung, die eigenen Vorurteile zu hinterfragen und nicht i n kurzgeschlossener Weise die eigenen Wertungen als Wesen der Dinge auszugeben. Angesichts solcher Gefahren eines Essentialismus greifen w i r auf theoretische Arbeiten zurück, welche so i n der Welt von Logik und Mathematik verankert sind, daß sie sich methodologisch kaum als Ideologie abtun lassen, welche so intersubjektiv ausweisbar die intelligible Welt menschlichen Handelns erforschen, um zu überzeugen, daß „The idea of a t r u l y scientific normative theory of action is not to pontificate about morality but to prescribe a correct course of action on the basis of a given desiderata, and i n certain (usually idealized) conditions" 27 . Z u nennen sind die Versuche der Entscheidungstheorie, hier insbesondere diejenigen nach A r t der von v. Neumann und Morgenstern entwickelten Spieltheorie 28 . Sie schließen die wissenschaftliche 27 Anatol Rapoport, Various Meanings of „Theory", i n : The American Political Science Review, 1958, S. 983. 28 John von Neumann / Oskar Morgenstern, Spieltheorie u n d wirtschaftliches Verhalten; vgl. ferner zu einer Einführung Ewald Burger, Einführung i n die Theorie der Spiele: M i t Anwendungsbeispielen, insbesondere aus Wirtschaftslehre u n d Soziologie; R. Duncan Luce) Howard Raiffa, Games and Decisions: introduction and critical survey; J. C. C. McKinsey, Introduction

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Erforschung idealer Verhaltensmuster insofern ein, als sie über taktisches, strategisches, rationales, maximierendes, optimales, richtiges Handeln aussagen. Entscheidungstheorie kann Verhalten als adaptives beobachten, das heißt unter der Perspektive erfahrbarer Anpassung an eine gegebene Lage. Man kann aber auch einen anderen analytischen Blickwinkel einnehmen, nämlich den, unter dem sich Verhalten als strategisches beurteilen läßt. Man kann nach dem Verhalten suchen, welches für das handelnde Subjekt zu einem optimalen Zustand der Befriedigung führt. Es geht darum, eine Handlungssituation durch rationales Verhalten in eine andere zu transformieren. Die relevante Umwelt des Handelnden, sein Wertsystem, seine Informiertheit wirken bestimmend. Die Entscheidungsmaxime gibt an, welche Wahl zwischen verschiedenen Handlungsalternativen unter Berücksichtigung der bestimmenden Faktoren zu treffen ist. Es geht also nicht u m sozialpsychische Vorgänge, sondern u m Wahlmodelle und Wahlrationalität, etwa auf Wahlsituationen, bei denen eine gegebene Menge an Mitteln eine bestimmte Zahl alternativer Mittelverwendungen als Handlungsmöglichkeit zuläßt, wobei jede Alternative bestimmte Erfüllungsgrade für verschiedene Ziele bedeutet. Beim spieltheoretischen Ansatz w i r d soziales Verhalten mit dem Verhalten von Teilnehmern an einem strategischen Spiel gleichgesetzt. Insbesondere i m sozialökonomischen Bereich läßt sich die Ähnlichkeit zwischen Spielen und wirtschaftlichem Verhalten nutzen. I n beiden Situationen wollen die Teilnehmer ihren größten Vorteil erreichen; ihre Interessen sind teils entgegengesetzt, teils machen sie eine Zusammenarbeit möglich. A m Ende des Spieles wie des M a r k t vorganges stehen Zahlungen und Tausche. Das Spiel indes vereinfacht die Wirklichkeit der viel komplizierteren Markt- und Tauschvorgänge auf gewisse Sinnzusammenhänge, nämlich auf die Berechnung des optimalen Verhaltens des einzelnen oder der Gruppen von Teilnehmern. Die theoretische Beschreibung optimalen Verhaltens in Spielvorgängen w i r d zum Modell für soziale Vorgänge, insbesondere des ökonomischen Handelns. So w i r d vor allem i n der spieltheoretischen Zuspitzung der Fragestellung unübersehbar, daß es nicht u m den sozialen Prozeß i n seiner ganzen Komplexität geht. Es handelt sich darum, mathematische Grundsätze zu finden, die das rationale Verhalten für die Teilnehmer einer Sozialökonomie definieren. Spieltheorie beschäftigt sich i m Hinblick darauf, daß das Ergebnis des Handelns von dem Handelnden nicht allein bestimmt wird, m i t der Auswahl rationaler Strategien angesichts t o . t h e Theory of Games; Oskar Morgenstern, Spieltheorie, a.a.O., Bd. 9, S. 706 ff.; ders., Spieltheorie u n d Wirtschaftswissenschaft; Martin Shubik (Hrsg.), Spieltheorie u n d Sozialwissenschaften.

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relevanter Wahrscheinlichkeiten. Spiele werden analysiert, weil die Struktur des von ihnen gezeigten rationalen Verhaltens als für Sozialhandlungen maßgeblich gehalten wird, soweit diese eben als rational gelten. Aus der mathematischen Untersuchung strategischer Spiele i m engeren Sinne — etwa Schach — entstanden, untersucht die Spieltheorie bestimmte Gesetzmäßigkeiten strategischer Auseinandersetzungen, des Spiels entgegengesetzter Kräfte überhaupt. Ziel ist die Bestimmimg des „besten Verhaltens" des Spielers i n Situationen, i n denen das Ergebnis nicht nur vom eigenen Verhalten, sondern auch von dem anderer Spieler abhängt. Es soll das rationale Verhalten i m Spiel, das Gleichgewicht der Pläne und des Verhaltens aller Spieler beschrieben werden. Hier ist man insbesondere auf die Wirtschaftswissenschaft hingewiesen, wenn sie auf den Zustand zielt, i n dem jeder Teilnehmer am W i r t schaftsprozeß das Maximum seines Nutzens oder Geldgewinns erreicht. Wirtschaftswissenschaft läßt sich als eine Spieltheorie und weiter als eine spezielle Entscheidungstheorie konzipieren, die sich auf ökonomische Wahlsituationen bezieht. Die einschlägigen Modelle zielen i n methodologisch strenger Weise nicht auf den i m Wirtschaftsleben erfahrbaren Menschen, sondern auf ideale Verhaltensmuster ökonomisch-rationalen Handelns. Die wissenschaftstheoretische Analyse der Sozialwissenschaften, insbesondere der Wirtschaftswissenschaft, hat für das Selbstverständnis einer umfassenden Verwaltungswissenschaft folgendes erbracht: I n den modelltheoretischen Aussagen der Sozialforschung ist die Philosophie des logischen Empirismus nicht eingehalten. Das einheitswissenschaftliche Weltbild eines empirischen Positivismus erscheint zu undifferenziert, wenn man über die beobachtbaren, meßbaren, experimentell erfahrbaren Aktionen und Reaktionen des Menschen hinaus nach taktischem, strategischem, rationalem, ökonomisch-richtigem Handeln fragt. So zielt das Denken i n Modellen nicht auf die Gesamtheit sozialer Wirkungszusammenhänge, sondern auf bestimmte Sinnzusammenhänge menschlichen Handelns. Es ist Verdienst der Spieltheorie, auch für die kulturelle Grundhaltung unserer wissenschaftlichen Zivilisation, die von Naturgesetzen i m Sozialverhalten nicht zu überzeugen ist, nachgewiesen zu haben, daß sich die Frage nach richtigem Handeln unter bestimmten Voraussetzungen wissenschaftlich durchaus noch stellen läßt. Daß der wissenschaftlichen Einsicht hierbei Grenzen gesetzt sind, unterscheidet die Erforschung intentionalen menschlichen Handelns und sozialer Bedeutungen von realwissenschaftlichen Erkenntnisinteressen nicht prinzipiell. Man denke an das Basisproblem der empirischen Methodologie. Die Spieltheorie selbst legt gewisse logisch-mathematische Strukturen als ideale Verhaltensmuster dar. Durch diese A r t theoretischer Bearbeitung der optimalen Handlungsweisen hat sie Anteil an

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der Dignität „exakter" Wissenschaftlichkeit. Indes w i r d durch die entscheidungstheoretische Deutung des sozialökonomischen Bereichs über die logisch-mathematische Darstellungsweise hinaus exemplarisch, daß wissenschaftliche Aussagen über die Idealität menschlichen Handelns einen erkenntnistheoretisch-methodologisch unbestreitbaren Kern haben. Die Kalküle spielerischer Strategie sind ein ideales Verhaltensmuster, das sich i m Hinblick auf soziale Handlungsgefüge konstruieren läßt. Daneben treten die anders erarbeiteten Modelle, wie sie insbesondere i n der Nationalökonomie von Anfang an entworfen worden sind. Das gleiche Erkenntnisinteresse ist für die weiteren wissenschaftlichen Aussagensysteme konstitutiv, die auf eine Idealität des Handelns — hier: der Verwaltungstätigkeit — zielen. Das Problem solcher theoretischen Versuche bleibt es, sich jeweils als wissenschaftlichmethodische Erkenntnisleistungen auszuweisen. Der bloße Nachweis, daß man auch die intelligible Welt der öffentlichen Verwaltung theoretisch erschließen kann, reicht für sich nicht aus. Aber genausowenig wie spieltheoretische Untersuchungen sozialer Vorgänge als unwissenschaftlich zurückgewiesen werden können, bloß weil die durchgängige Verankerung i n den äußerlich erfahrbaren Fakten fehlt, kann man andere Unternehmen ablehnen, unter den komplexen Wirkungszusammenhängen, die auf die öffentliche Verwaltung Einfluß nehmen, administrative Sinnzusammenhänge aufzudecken. Verwaltungswissenschaft ist als Sozialwissenschaft nicht nur strenge Realwissenschaft. Sie kann Methoden entwickeln, die intelligible Handlungswelt zu erforschen. M i t diesem grundsätzlichen Zugang zu den Intentionen menschlichen Handelns und den objektiven Bedeutungen des Sozialverhaltens stehen w i r freilich erst am Anfang einer Methodendiskussion zur Sinnproblematik — und dabei geht es keineswegs nur u m spezifische Aspekte deutscher Geisteswissenschaftlichkeit. Wenn die Verwaltungswissenschaft den Bildungsprozeß nachvollzogen hat, i n dem wissenschaftlich länger und tiefer reflektierte Disziplinen ihr Selbstverständnis entwickelt haben, dann bleibt die Vielfalt ungelöster Fragen sozialwissenschaftlicher Methodologie. Es sind nicht zuletzt Bedenken, die aus den metatheoretischen Interdependenzen von Realität und Idealität herrühren. Es zeigt sich, wie wenig die „reinliche" Scheidung von Erkenntnisinteressen, die auf die Realität des äußerlich erfahrbaren Verhaltens zielen, von Erkenntnisinteressen, die an der Idealität sinnhafter Handlungszusammenhänge Anteil nehmen, gelingt. Von den Modellen verlangt man, daß sie nicht von wirklichkeitsfernen Voraussetzungen ausgehen. Anderenfalls seien sie sinnlos und unfruchtbar 2 9 . Vom Beobachten heißt es, daß für seine wissenschaftliche Objektivität die reflek29 Vgl. Erich Schneider, Einführung i n die Wirtschaftstheorie, I V . T e i l : Ausgewählte K a p i t e l der Geschichte der Wirtschaftstheorie, Bd. 1, S. 7.

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tierte Aneignung des sich i n beobachtetem Verhalten manifestierenden subjektiven Sinns und seiner objektiven Bedeutung eine unerläßliche Voraussetzung sei. Ohne solches Verstehen bleibe die Beobachtung blind und sozialwissenschaftlich irrelevant 3 0 . Insbesondere eine Unterteilung des Modellbegriffs ist i n diesem Zusammenhang noch zu nennen. I n der sozialwissenschaftlichen Methodologie findet man die Unterscheidung von Idealmodellen und Realmodellen 31 . Als Idealmodelle gelten solche, die keinen Realitätsbezug aufweisen oder diesen offenlassen. Es geht um die abstrakt-logische Beziehung i n formalen Systemen, unabhängig von einer möglichen Interpretation i n der Realität. Realmodelle wollen demgegenüber Gegenstände einer bestimmten empirischen Realität abbilden. I m Wege der isolierenden Abstraktion w i r d das reale Geschehen auf die Form eines derart schematisierten Abbildes gebracht, damit der wissenschaftliche Zugriff gelingt. Die Gegenüberstellung von Realmodell und Idealmodell erinnert an den Methodenstreit u m den Typusbegriff, der bis heute noch nicht zu einer wissenschaftstheoretischen Klärung geführt worden ist — wobei es noch nicht einmal um den Widerspruch seitens der empirisch-positivistischen Wissenschaftsphilosophie geht 32 . Insbesondere ist die typologisierende Methode i m Bezugsfeld von Realität und Idealität streitig geblieben. Einerseits unterscheidet man zwischen Realtypus und Idealtypus. Der Realtypus w i r d der Beobachtung von Erscheinungen der realen W i r k lichkeit zugerechnet. Er w i r d als der der realistisch-empirischen Forschung adäquate Begriff bezeichnet. Gegenüber dem Realtypus als einer Kategorie des Beobachtens, des Ordnens, des Beschreibens und des Messens gilt der Idealtypus als eine Kategorie des Nachdenkens: „Sobald man von der Beobachtung, Einordnung, Vergleichung und Berechnung (Verhältnisrechnung, Korrelationsrechnung) zum Nachdenken, zum Theoretisieren über die Zusammenhänge der Erscheinungen übergeht, ersetzt man die Realtypen bewußt oder unbewußt durch Idealtypen 3 3 ." Andererseits w i r d etwa, wenn man von Typus und den typisierenden Verfahren spricht, nur der „historische Realtypus" und „das 3° Vgl. Renate Mayntz / Kurt Holm / Peter Hübner, Einführung i n die Methoden der empirischen Soziologie, S. 87 f. 31 Vgl. Erich Kosiöl, Betriebswirtschaftslehre u n d Unternehmensforschung: Eine Untersuchung ihrer Standorte und Beziehungen auf wissenschaftstheoretischer Grundlage, i n : Zeitschrift f ü r Betriebswirtschaft, 1964, S. 753 ff.; ferner etwa die Unterscheidung von Idealmodellen u n d beschreibenden Modellen bei Rupert Schreiber, Erkenntniswert betriebswirtschaftlicher Theorien: Einführung i n die Methodik der Betriebswirtschaftslehre, S. 80 ff. 32 Vgl. zu letzterem etwa Carl G. Hempel, Typological Methods i n the Social Sciences, a.a.O., S. 191 ff. 33 Fritz Machlup, Idealtypus, Wirklichkeit u n d Konstruktion, i n : Ordo, 1960/1961, S. 52; dort auch Nachweise zur Entwicklung dieser Unterscheidung, insbesondere durch Walter Euchen, Grundlagen der Nationalökonomie.

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Denken in historischen Realtypen" gemeint: „ein Modell w i r d konstruiert, ein Typus aber konstatiert 3 4 ." Es w i r d auf die erfahrungswissenschaftlich-deskriptive Funktion der typologisierenden Methode abgestellt. Typus bezieht sich auf eine raum-zeitlich bestimmte sozialökonomische Wirklichkeit. Die andauernden wissenschaftstheoretischen Bemühungen u m den Typusbegriff sind vor allem m i t der Interpretation der „idealtypischen" Methode Max Webers 35 verbunden. U n d i n der Tat hat dieser seinen Begriff des Idealtypus so offen gefaßt, daß von i h m der Blick sowohl auf den Bereich des äußerlich durch Beobachtung, Messung und Experiment Erfahrbaren wie auf die Welt des sinnlich nicht Wahrnehmbaren: das Gedachte, das Ideenhafte, die Idealität, fallen konnte. Der eine Interpret betont Idealtypus als „empirischen Begriff" 3 6 , der andere als „objektiven Richtigkeitstypus" 3 7 . Damit sind w i r , wie Max Webers Wissenschaftslehre und seine substantiellen wissenschaftlichen Aussagen metatheoretisch auch immer zu deuten sind, wiederum auf die Interdependenzen von Realität und Idealität als Erkenntnisinteressen verwiesen. Es bleibt die Frage, ob es überhaupt empirische Sozialforschung ohne idealisierende Grundannahmen gibt und Modelle idealer Verhaltensmuster ohne Bezug auf reales Handeln Sozialwissenschaft sind. Ohne den Begriff des Idealtypus i n Richtung auf den Modellbegriff modifizieren zu wollen 3 8 , schauen w i r dazu noch auf den Stellenwert, der Modellen auch für ein strikt empirisches Wissenschaftsprogramm zugesprochen wird. Ihnen w i r d eine instrumentale Bedeutung für die erfahrungswissenschaftliche Theoriebildung beigemessen. Das Modell gilt als Hilfsmittel: „seine eigentliche Funktion ist nur die einer Hilfe bei der methodischen Ausgestaltung einer Theorie, insbesondere ihrer Erhebung auf eine höhere Abstraktionsebene. Das Modell übt diese wichtige Funktion, indem es eine methodische Ausgestaltung der verschiedenen i m Spiel sein könnenden Variablen, ihrer gegenseitigen Beziehungen und ihres jeweiligen Einflusses auf eine gegebene Invarianz vornimmt 3 9 ." Demgegenüber wäre zu bedenken, ob dann erfah34 Gertrud Neuhauser, Modell u n d Typus i n der Nationalökonomie, i n : Jahrbuch f ü r Sozialwissenschaft, 1964, S. 173; vgl. dies., Grundfragen w i r t schaftswissenschaftlicher Methodik, a.a.O., S. 119 ff. 35 Vgl. insbes. die Abhandlung: Die „ O b j e k t i v i t ä t " sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, a.a.O., S. 146 ff.; ders., Wirtschaft u n d Gesellschaft: Grundriß der verstehenden Soziologie, S. 1 ff. 36 Vgl. etwa Johannes Winckelmann, Idealtypus, a.a.O., S. 438. 37 Vgl. etwa Renate Mayntz, M a x Webers Idealtypus der Bürokratie u n d die Organisationssoziologie, a.a.O., S. 92. 3 ® Vgl. etwa noch Ludwig von Friedeburg, Bericht über die Verhandlungen zum Rahmenthema: Wissenschaftstheoretische Überlegungen zur Methodologie M a x Webers, i m : Fachausschuß f ü r Methodenfragen der empirischen Sozialforschung, a.a.O., S. 265 ff. 39 René König, Grundlagenprobleme der soziologischen Forschungsmethoden (Modelle, Theorien, Kategorien), a.a.O., S. 32 f.

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rungswissenschaftliche Aussagen je die „Vorstufe oder Vorbereitung einer Theorie" überschreiten können. Keine sozialwissenschaftliche Theorie, und sei sie noch so gut erfahrungsmäßig fundiert, kann den Anspruch erheben, eine absolut genaue Erklärung irgendeiner Klasse empirischer Phänomene zu liefern. Es ist immer möglich, daß eine wohlbestätigte Theorie i n der Zukunft m i t neuen Erfahrungsgrößen konfrontiert wird. Entsprechend kann der durchgängige und vollkommene Realitätsbezug nicht gefunden werden. Wissenschaftliche Arbeit macht das bewußt, wenn exogene Einflüsse explizit ausgeklammert werden. Von hier aus kann man Verbindungslinien zu den Konzepten der partiellen Theorien 4 0 und der Theorien mittlerer Reichweite 41 ziehen. Eine empirische Sozialwissenschaft aber, die immer nur gewisser Ausschnitte aus den Wirkungszusammenhängen der Lebenspraxis theoretisch habhaft werden kann, muß sich darüber Rechenschaft geben, ob sie die Grenzen ihrer Abstraktionen nur w i l l k ü r l i c h bestimmen, allenfalls i n Konventionen der Forschung festlegen kann, oder ob diese aus dem Zusammenhalt weiterer Verständlichkeiten methodisch aufgeklärt werden können. Die konkrete Sozialforschung orientiert sich sicher nicht nur aus konventionalistischen Festlegungen. Wenn i m wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß zur Erfassung komplexer Realitäten Abstraktionen vollzogen, relevante Merkmale aus der Mannigfaltigkeit der Gegebenheiten herausgehoben, übersehbare Teilzusammenhänge aus Totalinterdependenzen der Wirklichkeit ausgegrenzt werden und so überhaupt erst der theoretische Zugriff ermöglicht wird, dann geschieht das regelmäßig auf Grund einer Interpretation der erfahrbaren Lebenspraxis selbst, und zwar eines Verständnisses gewisser Intentionen i m menschlichen Handeln und objektiver Bedeutungen i m Sozialverhalten. Die isolierende Abstraktion erfolgt nicht bloß auf Grund reiner Dezision des Wissenschaftlers auf streng theoretischer Ebene, sondern i n der reflektierenden Aneignung weiterer Sinnzusammenhänge, aus denen die erforschte Handlungspraxis verständlich wird. Entsprechend enthalten auch empirische Theorien Elemente systematischer Idealisierung eines Handlungssinns. Wie diese methodologisch auch zu begründen sind: der Ubergang von realwissenschaftlichen Aussagen zu Theorien über ideale Verhaltensmuster ist fließend. Wie idealisierende Modelle keine sozialwissenschaftliche Aussagekraft mehr haben, wenn sie völlig wirklichkeitsentleert sind, so sind sie andererseits latente, mögliche, potentielle erfahrungswissenschaftliche Theorien. I n dem Maße, i n dem Ausschnitte der wirklichen Welt i n sie hineinprojiziert werden, werden sie auch Aussagen über die Realität menschlichen Handelns. Zudem strebt man 40 41

Vgl. Maurice Duverger, Vgl. Robert K . Merton,

10 Speyer 46

Méthodes des Sciences Sociales, S. 346 ff. Social Theory and Social Structure, S. 5 ff.

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i m Verlaufe des Forschungsprozesses regelmäßig an, Modelle mit Erfahrungsmaterial anzureichern und mehr an die Realität anzupassen. Wenn oben zur Potentialität des Verwaltungshandelns die Frage aufgeworfen worden ist, ob man über idealtypische Konstruktionen zu Prognosen finden kann, dann ist darauf zu antworten: i m gleichen Umfang, wie die wissenschaftlichen Aussagen über Sinnzusammenhänge menschlichgesellschaftlichen Handelns auch Wirkungszusammenhänge sozialen Geschehens erfassen. Jedoch dürfen uns solche Interdependenzen nicht veranlassen, Unterscheidungen wie Wirklichkeit und Möglichkeit, Realität und Idealität, Sein und Sollen zugunsten eines erkenntnistheoretisch-methodologisch undifferenzierten Seinsbegriffs aufzugeben 42 . Insoweit ist nicht auszuschließen, daß es der Philosophie gelingen mag, i n die Realitäten, Potentialitäten, Idealitäten, Normativitäten der menschlichen Existenz mittels einer ontologisch umfassenden Kategorie Einsicht zu gewinnen. Idealisierungen wie die ökonomischen Modelle mögen so gerade als das Wesen wirklichen Geschehens, nämlich des Wirtschaftslebens, gelten. Indes halten die Fachwissenschaften die einschlägigen Erkenntnisinteressen auseinander. Unsere Verwaltungsrechtslehre mag noch so sehr die Interdependenzen von Sein und Sollen beachten: sie zielt m i t ihren wissenschaftlichen Aussagen auf die Normativität des Rechts als Geltend-Gesollten. Entsprechend w i r d zum sozialökonomischen Bereich — wenn man noch einmal den Modellbegriff für idealwissenschaftliche, den Theoriebegriff für realwissenschaftliche Systeme nehmen w i l l — betont, daß „ A model is not itself a theory; i t is only an available or possible or potential theory u n t i l a segment of the real w o r l d has been mapped into i t " 4 3 . Die modelltheoretischen Ansätze sind sich ihres Verhältnisses zur Wirklichkeit seit langem bewußt 4 4 . Sie unterliegen nicht einer naturgesetzlichen Gleichsetzimg von realem und idealem Sein. Sie wissen, daß modelltheoretische Untersuchungen stets nur Untersuchungen über die Ergebnisse bestimmten möglichen, nämlich idealen menschlichen Handelns sind. Und das zeigt seinen guten Grund schon i n der methodischen Bewährung. Wissenschaftliche Aussagen über ideale Verhaltensmuster bewegen sich i n einer intelligiblen Welt. Wie sie auch immer zu den Wirkungszusammenhängen des Lebens stehen: ob sie richtig oder falsch sind, ist nicht ausschließlich aus der empirischen Kontrolle zu beantworten. Sie müssen und können 42 Vgl. zur ganzheitlichen Sicht J. Hanns Pichler, Modellawalyse und M o d e l l k r i t i k : Darstellung u n d Versuch v o m Standpunkte der ganzheitlichen Wissenschaftslehre. 43 Clyde H. Coombs / Howard Raiffa / Robert M. Thrall, Some Views on Mathematical Models and Measurement Theory, a.a.O., S. 25. 44 Vgl. Georg Weippert, Die idealtypische Sinn- u n d Wesenserfassung und die Denkgebilde der formalen Theorie: Z u r Logik des „Idealtypus" u n d der „rationalen Schemata", a.a.O., Bd. 2, S. 38 f.

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sich noch aus anderen Kriterien methodologisch ausweisen. Das zeigt wiederum das Beispiel der Entscheidungstheorie m i t Einschluß des spieltheoretischen Ansatzes. Die einschlägigen Kalküle bester Strategien als eines idealen Verhaltensmusters ruhen methodisch nicht einfach in der Erfahrung äußerlich feststellbarer Entscheidungsabläufe, sondern mindestens auch i n der Anwendung von Logik und Mathematik. Anders verhält es sich m i t erfahrungswissenschaftlichen Aussagen. Empirischwissenschaftliche Systeme scheitern gegebenenfalls an widersprechenden Fakten, ohne daß irgendeine Logik helfen kann. W i r werden später noch an einer weiteren intelligiblen Welt, nämlich der des Verwaltungsrechts, sehen, daß zur Begründung oder Widerlegung diesbezüglicher wissenschaftlicher Aussagen wiederum andere Methoden der Sozialforschung als die der empirischen Beobachtung, der empirischen Messung, des empirischen Experiments benutzt werden müssen.

3. Rationalitäten öffentlichen Verwaltens

Schaut man von der metatheoretischen Analyse des sozialwissenschaftlichen Kontextes, i n dem eine umfassende Verwaltungsforschung steht, auf die Verwaltungswissenschaft selbst, dann sieht man, daß deren Wissenschaftsprogramm bei uns ein auf Idealitäten gerichtetes Erkenntnisinteresse als etwas Selbstverständliches voraussetzt. Es wirken wissenschaftsphilosophische Traditionen, i n denen die Suche nach dem Richtigen ohne Beschränkung auf das positiv Erfahrbare zum wissenschaftlichen Selbstverständnis gehört. Daß wissenschaftliche Aussagen über ideale Verhaltensmuster sozialen Handelns einen erkenntnistheoretisch-methodologisch unbestreitbaren K e r n haben, zählt zu den Bestimmungsfaktoren des Standortes unserer Verwaltungswissenschaft. W i r müssen demgegenüber dieses Thema nicht nur deshalb ansprechen, weil der empirische Positivismus i n den der Verwaltungswissenschaft benachbarten Disziplinen einflußreich ist. So sehr man zwar einerseits bezweifeln mag, daß sich die moderne Sozialforschung auf einen derart engen Wissenschaftsbegriff verpflichten lassen wird. Er unterstellt die Möglichkeiten kausalgesetzlicher Feststellungen i n den Sozialwissenschaften in einem Maße, das sehr bedacht werden muß 4 5 . Andererseits darf man aber nicht jenen kritischen Appell des Neopositivismus an die Fachwissenschaften übersehen, der sich gegen gewisse Verfahrensweisen einer Geisteswissenschaftlichkeit richtet, welche die Einsicht i n die Vorurteilsstruktur auch des wissenschaftlichen Denkens nicht zu distanziert reflektierender Hinterfragung, sondern zur Rehabilitierung 45 Niklas Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität: Über die F u n k t i o n von Zwecken i n sozialen Systemen, S. 238, bezeichnet Hans Alberts diesbezügliches realwissenschaftliches Konzept als von erstaunlicher Naivität.

10*

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des Vorurteils selbst wendet und sich damit dem Kontrollbereich wissenschaftlicher Methodik entzieht. Entsprechend ist es für die Verwaltungswissenschaft erforderlich, daß sie i n Reflexion über ihre wissenschaftstheoretische Ortsbestimmung betrieben wird, wobei auch auf streng realwissenschaftliche Konzeptionen Bedacht zu nehmen ist. Doch da wäre es allerdings eine Verkürzimg, wenn man Verwaltungswissenschaft nur als Aussagensystem über die empirischen Gleichförmigkeiten realer Verhaltensmuster gelten lassen wollte. Es geht ebenfalls um die Analyse idealen Handelns i n der öffentlichen Verwaltung, ohne daß es auf empirische Triftigkeit i m engeren Sinne ankommt. Das w i r d auch aus dem Charakter der Fragen belegt, die die Verwaltungswissenschaft vorzüglich angehen. Man stelle nur einige der geläufigen Stichworte zur Verwaltungsorganisation i n einem sachlich beliebigen Problemkatalog zusammen: Aktenführung, Ämterhäufung, Arbeitsbewertung, Aufgabenverteilung, Beratung, Behördenauflösung, Datenverarbeitung, Delegation, Dezentralisierung, Effizienz, Einheitsbehörde, Flexibilität, Fortbildung, Geheimhaltung, Gleichgewicht, Hierarchie, Human Relations, Information, Integration, Kollegialbehörde, Kontrolle, Leistungsfähigkeit, Mitbestimmung, Mobilität, Normen, Organisationsform, Personalvermehrung, Planung, Prüfungssystem, Rationalisierung, Regionalisierung, Sachverstand, Selbstverwaltung, Stab, Unterstellung, Verwaltungsreform, Weisungen, Zusammenwirken usw. Hinter all diesen Problemzeichen steht die Lebenswirklichkeit m i t ihren empirisch erfahrbaren Motiven, Wünschen, Erinnerungen, Assoziationen, Anpassungen. Darüber hinaus zeichnet sich aber ein eigentümlich rationaler Handlungssinn ab. Es geht u m Verbesserung der Aktenführung, Genauigkeit der Arbeitsbewertung, Sinn der Geheimhaltung, u m strategische Beratung, maximale Leistungsfähigkeit, optimales Prüfungssystem, u m Planung, Reform, Rationalisierung. Entsprechend werden von der Verwaltungswissenschaft eigentümlich heuristische Leistungen erwartet, die über das streng empirisch Erklärbare hinausgehen. Es werden nicht irgendwelche exogene Größen ausgeklammert, u m die Verwaltungsforschung von für sie unbedeutenderen Merkmalen, weniger wichtigen Tatbeständen aus der komplexen Realität zu entlasten. Vielmehr w i r d über die Wirkungszusammenhänge des Verwaltungslebens hinaus nach bestimmten Sinnzusammenhängen gefragt. Es interessiert nicht nur der erfahrbare Mensch i n der Komplexität der Lebenszusammenhänge unter besonderer Berücksichtigung der öffentlichen Verwaltung, sondern der spezifisch administrativ Handelnde, der idealisiert einem Rationalprinzip folgt. Es w i r d nicht auf irgendwelche Möglichkeiten menschlichen Handelns abgestellt, sondern aus den Intentionalitäten sozialen Gesamtablaufs geht es um den administrativ-rationalen Handlungssinn.

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W i r sind bei unseren Überlegungen zur Idealität des Handelns i m Hinblick auf die öffentliche Verwaltung von der Grundlage eines kulturanthropologischen Vorverständnisses ausgegangen, das administratives Handeln wie ökonomisches als rationales Handeln versteht. Deswegen ist i n unserer Darlegung impliziert, daß wissenschaftliche Aussagen über die rational-idealen Verhaltensmuster sozialen Handelns mit Einschluß administrativer Tätigkeit nicht bloße gedankliche Konstrukte des Theoretikers, sondern Erkenntnisleistungen i n Anknüpfung an Sinnzusammenhänge der menschlichen Lebenspraxis sind. Entsprechend ist die erkenntnistheoretisch-methodologische Absicherung eines auf Handlungsidealität gerichteten Erkenntnisinteresses, die vor allem aus der Entscheidungs- und Spieltheorie gewonnen worden ifct, nicht als Logik und Mathematik gemeint, sondern als entscheidungstheoretische Deutung menschlicher Handlungspraxis, insbesondere des sozialökonomischen Bereichs. Spieltheorie hat uns nicht als Ausrechnung eines wahrscheinlichkeitstheoretischen Programms, sondern als Modell für soziale Vorgänge interessiert, das die strategisch-spielerische Grundstruktur menschlichen Verhaltens entfaltet. Indes muß man sich Rechenschaft darüber geben, daß i n dem Konzept einer Logik der Entscheidungen der Ansatzpunkt für einen neuen positivistischen Dualismus der Sozialforschung 46 und damit der Verwaltungswissenschaft liegt. Man könnte meinen, daß es einerseits für die Sozialwissenschaft bei der logisch-empirischen Soziologie der Handlungsrealität sein Bewenden habe. Andererseits gebe es zwar gewisse metasozialökonomische Kalküle, eben etwa Wahrscheinlichkeitsberechnungen von Entscheidungsabläufen. Aus der Perspektive der konkreten Lebenspraxis gehe es dabei aber nur u m reine Gedanken auf der Ebene der Theorie: Dezisionen, Konventionen, Konstruktionen von Wissenschaftlern, die keinen Bezug zum praktischen Handeln hätten. Demgemäß gehorchten solche Konstrukte auch nur den systemimmanenten Gesetzen, also etwa Logik und Mathematik, ohne daß auf eine Verankerung in der sozialen Lebenswelt methodisch zu achten sei. Das, was w i r i n Abgrenzung vom logischen Empirismus als fiktionale Elemente der Modelle genannt haben, wäre dann reine Ideenwelt des Theoretikers ohne Verbindung zur Handlungsmöglichkeit idealer Verhaltensmuster. Man kann eine Parallele zu einer konsequenten reinen Rechtslehre ziehen, die vergißt, daß das Normative, was sie theoretisch entfalten w i l l , ein Sinn menschlichen Handelns ist, die formaljuristische Konstruktionen lediglich nach gewissen systemimmanenten, logizistisch gemeinten Regeln entwerfen 46

Vgl. etwa Hans Albert, Marktsoziologie u n d Entscheidungslogik: O b j e k t bereich u n d Problemstellung der theoretischen Nationalökonomie, i n : Z e i t schrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft, 1958, S. 269 ff.; v o n dems., auch die Aufsatzsammlung Marktsoziologie u n d Entscheidungslogik: ökonomische Probleme i n soziologischer Perspektive.

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w i l l , ohne weiter auf menschlich-gesellschaftliche Sinnzusammenhänge zu schauen. Es w i r d später noch deutlicher werden, daß w i r uns m i t einer solchen formalistischen Interpretation der Rechtswissenschaft durch die Wissenschaftsphilosophie nicht zufrieden geben können. Die Erkenntnisinteressen einer Theorie des Verwaltungsrechts reichen über die metajuridisch-logischen Sprachspiele hinaus. Rechtslehre ist keine reine Formenwelt auf der Ebene einer von der Praxis exakt geschiedenen Theorie; sie zielt vielmehr auf den rechtlichen Sinn menschlichen Handelns. Entsprechend ist ein auf logisch-mathematische Interessen reduziertes Modelldenken i n der Wirtschaftswissenschaft nicht Theorie des Sozialökonomischen. Deswegen muß auch für die Verwaltungswissenschaft weiter darauf geachtet werden, daß das auf Handlungsidealität zielende Erkenntnisinteresse nicht bloß zur Dezision, Konvention, Konstruktion einer rein theoretischen Gedankenwelt führt, sondern daß es auf ideale Verhaltensmuster in den Spielräumen möglichen Handelns: auf Sinnzusammenhänge menschlichen Handelns abstellt. Es zeigt sich schon an den idealisierenden Grundannahmen des Modelldenkens — wie i m strategischen Spiel —, daß m i t der Modellbildung Intentionen menschlichen Verhaltens und Bedeutungen sozialen Handelns erfaßt werden sollen. Jedoch wollen w i r nicht nur diesen Bezug für eine umfassende Verwaltungsforschung aufweisen, vielmehr noch weiter belegen, wie gewisse Grundstrukturen menschlicher Handlungsmöglichkeiten nicht nur als Sinnzusammenhänge des Sozialverhaltens Forschungsgegenstand sind, sondern auch als ein Sinnprinzip konstitutiver Faktor für wissenschaftliche Aussagensysteme werden und damit ein methodisches Moment der Sozialforschung darstellen. Es war der Vergleich von wirtschaftlichem Handeln und Verwaltungshandeln, der uns ermutigt hat, wie von der Wirtschaftswissenschaft so auch von der Verwaltungswissenschaft noch eine andere Klasse von Informationen zu erwarten, als sie empirische Verhaltensforschung zu liefern vermag. W i r haben einen vergleichbaren rationalen Handlungssinn vorausgesetzt. Und i n der Tat steht das Interesse an rationalem Handeln — das Rationalprinzip — derart an der Wende des Materialobjekts: Wirtschaftsleben zum Formalobjekt der Wirtschaftswissenschaft, daß es von hervorragender konstitutiver Bedeutung für die Aussagensysteme der Wirtschaftstheorie ist. Entsprechend w i r d weiter von dem wirtschaftswissenschaftlichen Selbstverständnis ausgegangen, wenn w i r die Verwaltungswissenschaft i n ihrer Beziehimg zur intelligiblen Welt rationalen Handelns näher betrachten. Von der Wirtschaftswissenschaft her läßt sich alsdann auf den Zusammenhang von W i r t schaften und Verwalten i n einer wirtschaftlichen Verwaltungswissenschaft sehen. Zunächst bedarf es jedoch noch einer Vorbemerkung: Es

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liegt außerhalb des Arbeitsplanes einer sich m i t den verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnisinteressen auseinandersetzenden Untersuchung, den Reflexionen zur Wirtschaftlichkeit administrativer Tätigkeit nun eine Theorie rationalen Handelns i n der öffentlichen Verwaltung entgegenzustellen. Dazu müßte man sich i m Bezug von Gegenstand und Methode primär der öffentlichen Verwaltung zuwenden. Hier geht es u m den Standort der Verwaltungswissenschaft und m i t h i n u m die wissenschaftstheoretische Relevanz des Rationalitätsprinzips. Rationalität w i r d nicht wegen ihres Ausmaßes i m Verwaltungshandeln, sondern als Bestimmungsfaktor der Verwaltungsforschung überprüft, freilich: als ein aus den Sinnzusammenhängen menschlich-gesellschaftlichen Lebens gewonnenes Moment. U m das Rationalitätsprinzip an der Wende von praktischer Erfahrung zu theoretischer Erkenntnis zu erfassen, können w i r vor allem auf seine klassische Struktur: das ZweckMittel-Schema, abstellen. Die hier interessierende metatheoretische Problematik ist bei dieser wie bei anderen Strukturierungen die gleiche, und w i r können aus tradierten Bildungsprozessen der Sozialwissenschaften lernen: Bestimmte intentionale, sozialkulturell bedeutsame Handlungsstrukturen sind nicht nur Gegenstand wissenschaftlicher Aussagen, sondern bestimmen die theoretischen Systematisierungen i n methodischer Weise. Wenn man aus der heutigen Perspektive der Verwaltungsforschung auf die jüngeren modelltheoretischen Untersuchungen der Wirtschaftswissenschaft schaut, w i r d man — und das w i r d i n der Wirtschaftstheorie selbst kritisiert — manchmal ein Auseinanderfallen von hochverfeinerter methodischer Formalisierung und substantiellem Erkenntniszuwachs i m Hinblick auf das Objekt des ökonomischen feststellen können. Oft ist ein derartiges Mißverhältnis allerdings nur ein scheinbares. Gerade die formal-logischen Modelle können das verdecken, was i n den verbalen Aussagen assoziativ mitgedacht wird. So darf man nicht übersehen, daß auch die Verhaltensidealisierungen der mathematischen Wirtschaftstheorie auf den weiteren Verständniszusammenhängen beruhen, die die lange Dogmengeschichte der Wirtschaftswissenschaft durchziehen. Demgemäß werden einige Modelle dem Fremden, wenn er die Symbolsprache entziffert hat, gleichwohl wenig über den sozialökonomischen Gegenstand sagen; dem Kenner w i r d sich hingegen über die erlernte Geschichte nicht nur eine breite Wirtschaftswelt eröffnen, sondern er w i r d auch die die Erkenntnisleistung bestimmenden Grundannahmen der Modellbildung, selbst wenn sie ungenannt bleiben, durchschauen. Jedoch ist zuzugeben, daß das Verhältnis von Gegenstand und Methode in einer traditionsreichen Wissenschaft ein anderes sein kann, als i m explorativen Stadium einer Disziplin. Deswegen ist i m Hinblick auf den Stand der Verwaltungswissenschaft aus einem exemplarischen Modell der klassischen Lehre unserer Wirtschaftswissenschaft

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überzuleiten, wenn w i r auf die wissenschaftskonstituierende Bedeutung der idealisierenden Grundannahme rationalen Handelns für die Verwaltungswissenschaft sehen wollen. Zudem werden an dem gewählten Beispiel die gleichlaufenden Interessen der Verwaltungsforschung besonders anschaulich. Gemeint ist Johann Heinrich von Thünens Werk „Der isolierte Staat i n Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie" 4 7 . „Man denke sich eine sehr große Stadt in der Mitte einer fruchtbaren Ebene gelegen, die von keinem schiffbaren Flusse und Kanale durchströmt wird. Die Ebene selbst bestehe aus einem durchaus gleichen Boden, der überall der K u l t u r fähig ist. I n großer Entfernung von der Stadt endige sich die Ebene in eine unkultivierte Wildnis, wodurch dieser Staat von der übrigen Welt gänzlich getrennt wird. Die Ebene enthalte weiter keine Städte, als die eine große Stadt, und diese muß also alle Produkte des Kunstfleißes für das Land liefern, so wie die Stadt einzig von der sie umgebenden Landfläche m i t Lebensmitteln versorgt werden kann. Die Bergwerke und Salinen, welche das Bedürfnis an Metallen und Salz für den ganzen Staat liefern, denken w i r u n s . . . " So beginnt der Entwurf des Modells eines „isolierten Staates". Hieran w i r d die Frage angeknüpft, wie sich unter diesen Verhältnissen der Ackerbau gestalten w i r d und wie die größere oder geringere Entfernimg von der Stadt auf den Landbau einwirken w i r d 4 8 . Thünen selbst w a r sich des idealisierenden Charakters seiner Annahmen bewußt und bat daher seine Leser ausdrücklich, sich durch die von der Wirklichkeit abweichenden Voraussetzungen nicht abschrecken zu lassen und diese nicht für willkürlich und zwecklos zu halten. Die Voraussetzungen seien vielmehr notwendig, „ u m die Einwirkung einer bestimmten Potenz — von der w i r i n Wirklichkeit nur ein unklares B i l d erhalten, weil sie daselbst stets i n Konflikt m i t anderen gleichzeitig wirkenden Potenzen erscheint — für sich darzustellen und zum Erkennen zu bringen". Diese Form der Anschauung hielt er für das wichtigste i n seinem ganzen Werk 4 9 . Entsprechend zählt der „isolierte Staat" nicht nur wegen der entwickelten substantiellen Aussagen zu den Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft. Wegen der angewandten „Methode der isolierenden Abstrak47 Vgl. zur metatheoretischen Interpretation dieses Werkes i m vorliegenden Zusammenhang Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, S. 269; Fritz Machlup, Idealtypus, W i r k l i c h k e i t und Konstruktion, i n : Ordo, 1960/1961, S. 21 ff.; Erich Schneider, Einführung i n die Wirtschaftstheorie, I V . T e i l : Ausgewählte K a p i t e l der Geschichte der Wirtschaftstheorie, Bd. 1, S. 2 ff. 48 Johann Heinrich von Thünen, Der isolierte Staat i n Beziehung auf Landwirtschaft u n d Nationalökonomie, S. 11 f. 49 Johann Heinrich von Thünen, Der isolierte Staat i n Beziehung auf Landwirtschaft u n d Nationalökonomie, S. 4.

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t i o n " 5 0 hat dieses Werk einen festen Platz i n der Wissenschaftslehre der Ökonomie. Der „isolierte Staat" ist als landwirtschaftliche Standorttheorie einer der Anfänge unserer heutigen Raumwirtschaftslehre. Daß er von einem Mann geschaffen worden ist, der zeitlebens als praktischer Landwirt tätig war, mag auf die Relevanz dieses Themas für die wirtschaftliche Praxis hinweisen. I m Bereich der öffentlichen Verwaltung haben die jüngsten Überlegungen zu deren Reform für uns unübersehbar gemacht, daß Verwalten Handeln i n bezug auf einen Raum heißt. Dies bedeutet nicht nur, daß das räumliche Moment für die Verwaltungsforschung immer nur dann relevant wird, wenn Veränderungen örtlicher Kompetenzbereiche von Behörden i n Frage stehen. Verwaltungshandeln steht nicht nur i n den allgemeinen Raum-Zeit-Beziehungen menschlichen Verhaltens, sondern ist auch spezifisch raumbezogenes Handeln. Zum B i l d der Daseinsvorsorge i m modernen Staat gehört es, daß die administrativen Leistungen, seien es solche der Schul-, Gesundheits-, Sozial-, Wirtschafts-, Bauverwaltung oder andere, i m Hinblick auf einen zu versorgenden Raum erbracht werden. Absichten der Veränderung der Verwaltungsorganisation, auf der das alles aufruht, bringen nur die Raumbezogenheit administrativer Gestaltungen des sozialen Lebens besonders ins Bewußtsein. Ob nun die wissenschaftliche Reflexion über diesen Gegenstand von einer speziellen Verwaltungsraumlehre betrieben werden wird, die neben eine Raumwirtschaftstheorie und weitere spezifische Raumlehren tritt, oder ob sie i n eine allgemeine „Regional Science" integriert werden wird, ändert nichts daran, daß Raumforschung von der Methodik Thünens lernen kann. Es geht überhaupt u m eine sozialwissenschaftliche Arbeitsweise, die auch für eine moderne Verwaltungsforschung noch maßgebliche methodische Momente enthält. Freilich ist mit der Bezeichnung einer isolierenden Abstraktion nicht hinreichend klargestellt, warum Wirtschaftstheoretiker sagen können, daß sich an jenem klassischen Werk Sinn und A r t fruchtbaren Modellbaus und des Räsonierens am Modell m i t seltener Klarheit verfolgen lasse 51 . Zunächst geht es i m „isolierten Staat" durchaus u m isolierende A b straktionen. Aus den i n der Lebensrealität i n einem unübersichtlichen Netz verflochtenen sozialen Wirkungszusammenhängen sind zur theoretischen Bearbeitung gewisse räumlich relevante Beziehungen isoliert. So ist z. B. schon gemäß dem Namen „isolierter Staat" von auswärtigen Beziehungen durch gedankliche Festlegung abgelöst. Aber damit ist das jenem Modellbau immanente Interesse an einem idealen Verhaltensso Vgl. Gerhard Stavenhagen, Geschichte der Wirtschaftstheorie, S. 106 ff. 5i Erich Schneider , Einführung i n die Wirtschaftstheorie, I V . Teil: Ausgewählte K a p i t e l der Geschichte der Wirtschaftstheorie, Bd. 1, S. 2.

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muster sozialökonomischen Handelns nicht erreicht. I n wissenschaftstheoretischen Untersuchungen zum Werk Thünens ist man zu dem Ergebnis gekommen, daß einige Annahmen offenbar stillschweigend vorausgesetzt waren: „Besonders wichtig waren die Annahme des Gewinnstrebens und der unbeschränkten Konkurrenz 5 2 ." Damit sind w i r schon auf den Umstand hingewiesen, daß hinter der theoretischen Konstruktion, mit der gedanklich endogene und exogene Größen geschieden werden, noch eine idealisierende Grundannahme steht, die aus dem weiteren Verständniszusammenhang menschlicher Intentionen und sozialer Bedeutungen kommt. Wissenschaftliches Erkenntnisinteresse stellt hier doch nicht einfach auf den erfahrbaren Menschen mit seinen Motiven, Wünschen, Erinnerungen, Assoziationen, Anpassungen ab. Vielmehr w i r d ein spezifisches Verständnis der menschlichen Verhaltensmöglichkeiten systembildend. Gewinn und Konkurrenz deuten auf eine ganz bestimmte Handlungsstruktur hin: A m Ende steht ein sinnhafter Handlungszusammenhang, der auch den Kern des Homo oeconomicus ausmacht: das rationale Handeln. W i r sehen uns also wiederum m i t dem Handlungssinn konfrontiert, welcher uns nach einem kulturanthropologischen Vorverständnis vom „rationalen Staat" angeleitet hat, nach dem auf Handlungsidealität zielenden Erkenntnisinteresse der Verwaltungswissenschaft zu fragen. Unser Beispiel lehrt aber nicht nur, daß die Sozialwissenschaft, wenn sie Aussagen über ideale Verhaltensmuster anstrebt, sich nicht bloß auf die gedankliche Abtrennung exogener von endogenen Größen beschränkt, nicht bloß eine reine Formenwelt als theoretisches Sprachspiel entwirft, sondern auf Sinnzusammenhänge aus dem Verständnis der Lebenswelt rekurriert. Aus der idealisierenden Grundannahme rationalen Handelns als Rationalprinzip ist vielmehr noch zu lernen, daß gewisse Grundstrukturen menschlicher Handlungsmöglichkeiten als Sinnprinzip einen methodischen Charakter erhalten. Rationales Handeln ist nicht einfach etwas, was i n strenger Trennimg von Gegenstand und Methode als Rationalität der Handlungspraxis analysiert wird. Als Rationalitätsprinzip kann es zur methodischen Systematisierung wissenschaftlicher Aussagen beitragen. Es w i r d zur Auswahlregel, nach der Probleme als theoretisch relevant angenommen oder als irrelevant zurückgewiesen werden, zur metatheoretischen Leitlinie, nach der die sozialwissenschaftlichen Erkenntnisleistungen geordnet werden. Es erhält eine methodologische Dimension. Als idealisierende Grundannahme intendiert Rationalität, nicht außerhalb möglicher sozialkultureller Lebensvorgänge zu sein, vielmehr den Bezug zu einem theoretisch als erheblich angesehenen menschlich-gesellschaftlichen Handlungssinn her52 Fritz Machlup, 1960/1061, S. 22.

Idealtypus, W i r k l i c h k e i t u n d Konstruktion, i n : Ordo,

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zustellen. Als Lehransatz w i r d das Rationalprinzip zum methodischen Auswahlschema. Sozialforschung greift das Zweck-Mittel-Schema i n der Annahme auf, daß die Handlungsintentionen des Menschen i n der Gesellschaft irgendwie Finalität einschließen. Wenn dann weiter wissenschaftliche Aussagen nach dem Zweck-Mittel-Schema systematisiert werden, erfolgt dies auf Grund einer methodischen Leistung. Die Stellung solcher Sinnprinzipien an der Wende der Praxis zur Theorie haben w i r früher schon bei der Jurisprudenz als Rechtsanwendungslehre kennengelernt. Das Normative als die Objektivation des Regelhaft-Gesollten ist für eine praxisnahe Rechtsdogmatik wie für eine spezifische Normtheorie nicht nur Gegenstand rechtswissenschaftlicher Forschimg. Es hat als normative Betrachtungsweise, die die Rechtsphänomene wiederum aus der normativen Struktur menschlichen Handelns entfaltet, einen methodischen Charakter. Wissenschaft selektiert Rechtsprobleme nach dem normativen Auswahlschema. Wie solchen Normativismus kann man auch einen Zweck-Mittel-Rationalismus kritisch hinterfragen. Hier geht es aber zunächst einmal darum, das Rationalprinzip für die Verwaltungswissenschaft deutlich zu machen. Das geschieht am aufschlußreichsten in der Begegnung von Wirtschaften und Verwalten: i m Thema der Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung. Dazu w i r d auf die deutsche Diskussion der Wirtschaftlichkeitsproblematik abgestellt. A n ihr lassen sich die beiden wissenschaftstheoretischen Aspekte aufweisen, die an dieser Stelle noch für die Standortbestimmimg der Verwaltungswissenschaft betrachtet werden müssen. Erstens ist die idealisierende Grundannahme des Rationalprinzips als ein allgemeiner methodischer Bestimmungsfaktor handlungstheoretischer Ansätze in den Sozialwissenschaften einsichtig zu machen. Zweitens w i r d aus der Unterscheidung von formaler und materialer Rationalität die Frage gestellt, ob eine fachwissenschaftlich differenzierte Forschung und damit möglicherweise auch die Verwaltungswissenschaft noch weitere Gegenstandsbezogenheit braucht. Zudem läßt sich an dem zu beschreibenden Bildungsprozeß beispielhaft machen, wie sich bei uns eine nichtjuristische Betrachtungsweise der öffentlichen Verwaltung entwickelt, die auf die wissenschaftliche Sicht nichtrechtlicher Idealitäten des Verwaltungshandelns zielt. Die Vernachlässigung der ökonomischen Dimension öffentlichen Verwaltens durch die Verwaltungswissenschaft mag für den außenstehenden Betrachter vielleicht die auffälligste Erscheinung i n der jüngeren Entwicklung dieser Disziplin überhaupt sein. Wollte man Gründe für solchen Forschungsstand anführen, dann müßte man einiges von dem wiederholen, was eingangs zum Standort der verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnis ausgeführt worden ist. Insbesondere wäre auf die sozialkulturellen Interdependenzen von Wissenschaft und Praxis zu

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achten. Die öffentliche Verwaltung verstand sich traditionell als in bestimmter Weise i n das Bezugsfeld von Einnahmen und Ausgaben eingeordnet. I m Staat der gesellschaftlichen Abstinenz, des eliminierten Wohlfahrtszweckes, der Eingriffsverwaltung lag es nahe, den Sparsamkeitsbegriff zu aktivieren. Dabei konnte es sich gemäß dem limitierten Staatszweck nicht um Vermögensbildung handeln. Da eine administrative Daseinsvorsorge regelmäßig nicht intendiert war, mußten der Rücklagenbildung für die Zukunft i n den öffentlichen Haushalten enge Grenzen gesetzt sein. Sparsamkeit meinte also nur das Ausmaß der verwaltungsmäßigen Aufwendungen. Es wurde der Forderung nach einem möglichst geringen staatlichen Finanzbedarf entsprochen. Der Sparsamkeitsbegriff war einfach i m Sinne einer Minimierung der öffentlichen Ausgaben zu definieren. Hingegen mußte die Wirtschaftswissenschaft als Theorie privater Unternehmungen das Bezugsfeld von Kosten und Nutzen ins Auge fassen. Das geschah nicht immer i n der konsequenten Weise einer Privatwirtschaftslehre, welche die Rentabilität als Grundsatz der Gewinnmaximierung auch als konstitutives Prinzip für die Wissenschaft annahm. Auch andere Auswahlgrundsätze bis zur gemeinwirtschaftlichen Produktivität wurden als metatheoretische Prinzipien eingeführt, nach denen die Betriebswirtschaftslehre als praktische Wissenschaft ihre Probleme auszuwählen habe. Aber gerade als angewandte Wissenschaft haben sich die einschlägigen ökonomischen Theorien an der aktuellen Praxis von Wirtschaftssubjekten i n einem liberal-marktwirtschaftlichen System zu orientieren. Und deswegen muß i m Grunde i n den Kategorien von Einsatzwirtschaftlichkeiten und Ausbringwirtschaftlichkeiten gedacht werden. A u f der anderen Seite bestand zwar für die Verwaltungsrechtslehre ein Anhalt, über den Begriff der Wirtschaftlichkeit für die öffentliche Verwaltung nachzudenken. Alte Rechnungsinstruktionen wie das deutsche Haushaltsrecht halten diesen Begriff seit langem fest 53 . Jedoch kam es i n der Rechtsdogmatik zu keiner sonderlichen Konkretisierung seiner Unbestimmtheit 5 4 . Hierfür mag man mehrere Gründe anführen können, etwa eine gewisse Zurückhaltung der Lehre vom öffentlichen Recht i m Hinblick auf sozialökonomische Bedeutungsgehalte. Es w i r d nicht immer gesehen, daß es das Interesse einer Rechtstheorie ist, auch bei Gesetzesbegriffen m i t wirtschaftlichem Einschlag die soziale Ordnungsmöglichkeit des Rechts aufzudecken, also juristisch-wissenschaft53 Vgl. die I n s t r u k t i o n f ü r die Preußische Oberrechnungskammer v o m 18. Januar 1824, mitgeteilt von Adolf Hüttl, Wirtschaftlichkeit, a.a.O., S. 284; ferner § 26 der Reichshaushaltsordnung v o m 31. Dezember 1922, Reichsgesetzblatt, 1923, I I , S. 17 ff. 54 Vgl. etwa B. Bank, Zweckbindimg, Wirtschaftlichkeit u n d Sparsamkeit als Normbegriffe des Haushaltsrechts, i n : Der öffentliche Haushalt, 1956, S. 240 ff.

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liehe Forschung zu leisten und nicht eine haltbare Wirtschaftstheorie zu entwerfen 55 . Nicht zuletzt w i r d man aber darauf hinweisen müssen, daß der Begriff der Wirtschaftlichkeit eben nicht an jener Linie der Intervention des Staates i n die Gesellschaft lag, an der die tradierte Verwaltungsrechtslehre ihre Rechtssystematik anzulegen pflegte. Von solchem wissenschaftlichen Herkommen kann sich leicht ein allgemeines Vorurteil ausbreiten, das, ohne über den Sinn des ökonomischen zu reflektieren, meint, nicht nur das Prinzip der Wirtschaftlichkeit spiele i n der öffentlichen Verwaltung eine untergeordnete Rolle, sondern auch seitens der Verwaltungstheorie seien konsistente und längere Aussagensysteme kaum aufzustellen. Man kann dabei übersehen, daß dort, wo die Verwaltungspraxis wegen der Stringenz rechtlicher Verhaltensmuster Wirtschaftlichkeitserwägungen zurückstellen muß, für die Wissenschaft solche Grenzen zwar nicht irrelevant sind, aber doch von ihr hinterfragt werden können, öffentliches Verwalten und Wirtschaften erscheinen so auch theoretisch als zwei getrennte Welten. Heute erlauben es weder die sozialen Daten des Leistungsstaates noch das gewandelte Bewußtsein in der administrativen Handlungspraxis, eine die ökonomische Problematik verkleinernde Auffassung ohne weitere Begründimg vorzutragen. Der bloße Vergleich von Sozialprodukt und Ausgaben der öffentlichen Verwaltung belehrt, daß m i t einer Strategie der Minimierung öffentlicher Ausgaben dem Tatbestand sozialen Lebens, nur über knappe M i t t e l zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse zu verfügen, von Staats wegen kaum beizukommen ist. Die Praxis öffentlichen Handelns sieht sich zunehmend i n dem Spannungsverhältnis von Kosten und Nutzen. I m neuen Haushaltsrecht heißt es nicht nur allgemein: „Bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten", sondern weiter: „Für geeignete Maßnahmen von erheblicher finanzieller Bedeutung sind Nutzen-Kosten-Untersuchungen anzustellen 56 ." Die Namen „Reichssparkommissar" einerseits und „Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit i n der Verwaltung" andererseits deuten auf die sich ändernden Vorstellungen für die Organisation der Kontrolle hin 5 7 . Die Praxis entwickelt Techniken der „Kostenrechnung 55 Eine Interpretation der Staatsrechtslehre i n einen Bereich, der mangels einer konkurrenzfähigen E t h i k und Gesinnungssoziologie den H i m m e l auf die Erde zu holen pflegt, u n d i n einen Bereich, der sich angesichts e n t w i k kelter Nachbarwissenschaften der Forschung enthält, wäre, w i e schon das Beispiel des Haushaltsrechts lehrt, sicher zu einfach. Vgl. jüngst die Berichte von Karl Heinrich Friauf u n d Heinz Wagner über: öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, i n : Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 27, S. 1 ff. bzw. 47 ff. 56 §6 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes u n d der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz — HGrG) v o m 19. August 1969, Bundesgesetzblatt I , S. 1273 ff. 57 Z u m institutionell-organisatorischen Bereich vgl. allgemein Heinrich

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und Wirtschaftlichkeitsberechnung" 58 . Angesichts der Anstrengungen, aus der Alltagserfahrung der Kostenseite administrativer Leistungen habhaft zu werden, scheint der Vorwurf „organisierter Unwirtschaftlichkeit" 6 9 überholt, jedenfalls problematisch seitens einer Wissenschaft, die bisher zu den idealen Verhaltensmustern ökonomischen Verwaltungshandelns weniger Erkenntnisleistungen als zum privaten W i r t schaften beiträgt. Praktisches Denken i n Kosten und Nutzen braucht weitere Reflexionen als die minimierenden Handlungsweisen i n der Ausgaben-EinnahmenBeziehimg. Aus den Anforderungen der Handlungspraxis wächst das Bedürfnis nach theoretischer Anleitung. Wie es sich anbietet, zu fragen, welche Erfahrungen der Betriebswirtschaft Staat und Kommune für die wirtschaftliche Gestaltung ihrer Verwaltung und ihrer Ausgaben übernehmen können 6 0 , so liegt es nahe, sich an den Ergebnissen zu orientieren, welche die Lehre vom Handeln privater Wirtschaftssubjekte vorträgt. Auf theoretischer Ebene w i r d überlegt, ob und wie die Methoden und Erkenntnisse zum Privatwirtschaftsbereich für die Verwaltungswissenschaft genutzt werden können. Maßgeblich dafür w i r d meist der Fragehorizont der Betriebswirtschaftslehre 61 . Entsprechend w i r d der Wirtschaftlichkeitsbegriff — wenn es nicht einfach heißt: Wirtschaftlichkeit bedeute i m öffentlichen Leben dasselbe wie i m privaten, nämlich den Grundsatz, m i t dem geringstmöglichen Aufwand den größtmöglichen Erfolg zu erzielen 62 — aus dem Selbstverständnis vorzüglich der Betriebswirtschaftslehre entwickelt 6 3 . I m Vergleich mit dem privaten Betrieb w i r d das Wirtschaftlichkeitsprinzip i n zwei RichSiedentopf, Wirtschaftlichkeit i n der öffentlichen Verwaltung: Institutionen zur Wirtsdiaftlichkeitsprüfung. 58 Vgl. als Beispiel die gleichnamigen Richtlinien f ü r die hamburgische Verwaltung, Senat der Freien u n d Hansestadt Hamburg, Senatsamt für den Verwaltungsdienst, Organisationsamt — M a i 1969. 59 Vgl. Konrad Mellerowicz, Wirtschaftlichkeit i n der öffentlichen V e r w a l tung, a.a.O., S. 126, unter Hinweis auf Hermann Bente, Organisierte U n w i r t schaftlichkeit: Die ökonomische Gestalt verbeamteter Wirtschaft u n d ihre Wandlung i m Zeitalter des gesamtwirtschaftlichen Kapitalismus. 60 Vgl. den gleichnamigen Sammelband über: Gemeinsame wirtschaftliche Grundregeln i n privater Wirtschaft u n d öffentlicher Verwaltung. 61 Die umfassendste Darstellung i m deutschsprachigen Schrifttum bietet Pius Bischof berger, Durchsetzung u n d Fortbildung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse i n der öffentlichen Verwaltung: E i n Beitrag zur Verwaltungslehre; vgl. ferner etwa Adolf Hüttl, Wirtschaftlichkeit, a.a.O., S. 282 ff.; Konrad Mellerowicz, Wirtschaftlichkeit i n der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 125 ff.; Hans Winckelmann, Begriff u n d Aufgaben einer Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung, i n : Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschung, 1963, S. 321 ff. 62 Vgl. etwa Karl M. Hettlage, Über Sparsamkeit u n d Wirtschaftlichkeit i n der Verwaltung, a.a.O., S. 50. 63 Vgl. noch Adolf Hüttl, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip i n der öffentlichen Verwaltung, a.a.O., S. 213 ff.; Herbert König, Finanzkontrolle u n d Wirtschaftlichkeitsprüfung i n Israel, i n : Verwaltungsarchiv, 1967, S. 46 ff.; Karl Schwantag, Betriebswirtschaftliche Aspekte der öffentlichen Ausgaben,

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tungen formuliert, einmal i n die Richtung der minimalen Kosten- und Ausgabengestaltung: also ein nach Qualität und Quantität gegebenes Aufgabenvolumen je Zeiteinheit mit minimalem Verbrauch an Mitteln oder Verbrauchsgütern zu erreichen, zum anderen i n die Richtung der maximalen Nutzen- und Leistungsgestaltung: also m i t einem nach Quantität und Qualität gegebenen Verbrauchsvolumen, Ausgabenvolumen das maximale Leistungs- oder Aufgabenvolumen zu erreichen. Sparsamkeit w i r d dann etwa i n bezug auf die private Unternehmung auch für die öffentliche Verwaltung nicht mehr i m Sinne einer Ausgabendrosselung u m jeden Preis, sondern vielmehr als relative Sparsamkeit i m Sinne der optimalen Gestaltung des Verhältnisses von Leistung und Verbrauch gemeint. Freilich werden auch Einschränkungen hinsichtlich einer prinzipiellen Übernahme aus der privatwirtschaftlichen Theorie gemacht. Das gilt vor allem für das Rentabilitätsprinzip, welches man auf die Staatswirtschaft für nicht übertragbar hält. Eine weitere Formulierung des ökonomischen Prinzips i n der Weise, die absolut größte Differenz zwischen Verbrauch und Leistung i n Geldeinheiten zu erreichen, w i r d als maßgeblich nur für die kaufmännische Unternehmung, nicht die öffentliche Verwaltung erachtet, w e i l bei letzterer die Leistungen nicht i n Geldeinheiten bewertet werden könnten. Ferner w i r d die Ertragsseite einer Verwaltungsleistung als Erfüllung einer sachlichen Staatsaufgabe für gegeben angenommen. Wirtschaftlichkeit i n der öffentlichen Verwaltung w i r d auf die Aufwandsseite bezogen. Es w i r d auf die Möglichkeit verschiedener Aufwandskombinationen abgestellt. Aber i m allgemeinen läßt man es bei der Reduzierung der betriebswirtschaftlichen Problemstellung für das Verwaltungshandeln auf die Aufwands- oder Kostenwirtschaftlichkeit nicht bewenden. Wie eine Leistung mit minimalen Kosten zu erstellen, so w i r d auch das maximale Leistungsergebnis bei gegebenen Kosten ins Auge gefaßt. I m Zusammenhang mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip werden ökonomische Fragen erörtert, die man unter den weiteren Sammelbegriff einer Rationalisierung der öffentlichen Verwaltung bringen kann: die Anforderungen an eine leistungsfähige Organisation, Organisationsformen, Organisation der Arbeitsabläufe, die Tragweite des Personalfaktors i n der öffentlichen Verwaltung, Fortbildung des Verwaltungspersonals, Beschränkung des Personalaufwands, Rechnungswesen i n der öffentlichen Verwaltung, Einnahmen-Ausgabenrechnung, Kostenbudget, Betriebsabrechnung usw. 64 . Desgleichen sind Rationalitätsgedanken ima.a.O., S. 149ff.; Hans Winckelmann, Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung, i n : Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschung, 1956, S. 557 ff. 64 Vgl. besonders die Zusammenfassung von Pius Bischof berger, Durchsetzung u n d Fortbildung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse i n der öffentlichen Verwaltung: E i n Beitrag zur Verwaltungslehre.

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pliziert, wenn man es entsprechend einschlägiger Versuche i n der Betriebswirtschaftslehre unternimmt, für die öffentliche Verwaltung Teil- und Unterformen eines ökonomischen Prinzips zu gewinnen und Maximen für die wirtschaftliche Gestaltung von Betriebsvorgängen aufzustellen. Als aus einem Hauptprinzip abgeleitete und i n sich zusammenhängende Erscheinungsformen werden genannt: wirtschaftliches Prinzip, darunter als Hauptformen: Prinzip des bedarfsentsprechenden Verwaltungshandelns und Prinzip der Sparsamkeit, unter letzterem: Prinzip der statischen Sparsamkeit und Prinzip der dynamischen Sparsamkeit, unter letzterem z.B.: Prinzip des Verwaltens am optimalen Standort, Prinzip des Verwaltens i m optimalen Einzugsgebiet, Prinzip der Verwendung des optimalen Verfahrens usw. 65 . W i r sehen, daß es um Verhaltensregeln geht, die die sozialökonomische Praxis als wohlüberlegte, planvolle, vorauskalkulierte Handlungsgrundsätze anleiten, man kann sagen: rationalisieren. Was auch immer zu solchen Verwaltungsgrundsätzen und ihrer wissenschaftlichen Erarbeitung zu bedenken ist, eines fällt bei ihnen wie bei den genannten Problemerörterungen i m Zusammenhang mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip von vornherein auf: Der wissenschaftstheoretische Ort des ökonomischen Prinzips bleibt unbestimmt. Die methodische Auswahlregel, nach der Probleme als ökonomisch relevant angenommen oder ökonomisch irrelevant zurückgewiesen werden, w i r d nicht hinreichend bezeichnet. Wie und m i t welchen Konsequenzen aus den komplexen Sinnzusammenhängen öffentlichen Verwaltens wirtschaftliche Relationen herausgenommen, mit welcher Begründung aus den vielseitigen Wertbeziehungen administrativer Tätigkeit Kosten-Nutzen-Abhängigkeiten isoliert werden können, w i r d nicht klar genug ausgesprochen. Der heuristische Wert des wissenschaftlichen Entwurfs optimierender Verhaltensmuster, ja wissenschaftlicher Systematisierung nach dem Zweck-Mittel-Schema bleibt undeutlich. Was zur Übertragung von Arbeitsweisen und Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre auf eine Theorie der öffentlichen Verwaltung gesagt wird, muß so vielfach unsicher bleiben. Es w i r k t gegenüber jeder allgemeinen und weiterfassenden K r i t i k verhältnismäßig ungeschützt 66 . So kann das ökonomische Prinzip als theoretischer Ansatz für eine Verwaltungswissenschaft grundlegend i n Frage gestellt erscheinen, wo es doch nur darum gehen kann, wie weit man über seine metatheoretische Kraft wissenschaftlich i n die öffentliche Verwaltung einzudringen vermag. es Vgl. Adolf Hüttl, Wirtschaftlichkeit, a.a.O., S. 290 ff. i m Anschluß an Erich Loitlsberger, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 62. 66 Vgl. die K r i t i k von Niklas Luhmann, Die Grenzen einer betriebswirtschaftlichen Verwaltungslehre, i n : Verwaltungsarchiv, 1965, S. 303 ff.; ferner ders., K a n n die V e r w a l t u n g wirtschaftlich handeln?, i n : Verwaltungsarchiv, 1960, S. 97 ff.; ders., Recht u n d Automation i n der öffentlichen Verwaltung: Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung, S. 118 ff.

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Wenn man zur wissenschaftstheoretischen Klärung einer wirtschaftlichen Handlungsidealität öffentlichen Verwaltens auf die konstitutive Bedeutung des ökonomischen Prinzips für die Wirtschaftswissenschaft schaut, dann stellt man fest, daß es keinen eindeutigen Platz i n der Beziehung zwischen dem Erfahrungsgegenstand: Wirtschaft und dem Erkenntnisgegenstand einer Wirtschaftstheorie einnimmt. Deswegen mögen zwar terminologische Schwierigkeiten, wie sie i m Gebrauch von Ausdrücken wie Effektivität, Effizienz, Leistungsfähigkeit, Produktivität, Rationalität, Verwaltungskraft, Wirtschaftlichkeit usw. i m Hinblick auf die öffentliche Verwaltung zu beobachten sind, auf die Anfänglichkeit wissenschaftlicher Beschäftigung mit einer Verwaltungsökonomie zurückzuführen sein. Jedoch müssen Unklarheiten einer wirtschaftlichen Verwaltungswissenschaft immer auch solche der Wirtschaftswissenschaft allgemein, insbesondere aus dem streitigen Selbstverständnis der Betriebswirtschaftslehre sein, wenn deren Gedanken unbesehen übernommen werden. Für die Leistungsproblematik der öffentlichen Verwaltung gibt es nicht das Ordnungsbild eines eindeutigen Wissenschaftsprogramms der Wirtschaftstheorie. Schon das muß belehren, daß es eine wissenschaftliche Erforschung der ökonomischen Dimension der öffentlichen Verwaltung ohne ein weiteres begriffliches Rahmenwerk, ein weiteres Methodenbewußtsein, eine weitere theoretische Anstrengung nicht gibt. Für unsere Standortbestimmung sind die metatheoretischen Endpunkte des ökonomischen Prinzips aufschlußreich. M i t ihnen läßt sich die Unterscheidung von formaler und materialer Rationalität verbinden. Der Grundsatz, den Zweck des Handelns m i t kleinstmöglichem Mitteleinsatz zu erreichen bzw. mit gegebenen Mitteln ein Ziel größtmöglich zu erreichen, ist ein Formalprinzip rationalen Handelns schlechthin. Wenn man es zum maßgeblichen K r i t e r i u m — zum Identitätsprinzip — wirtschaftswissenschaftlicher Aussagen macht, dann ist die Wirtschaftswissenschaft die Theorie vom rationalen Handeln solcher Zweck-MittelStruktur. Entsprechend w i r d etwa definiert: „Wirtschaften ist geordnetes Entscheiden über die Verwendung von knappen M i t t e l n für menschliche Zwecke nach dem Rationalprinzip, d.h. nach dem Grundsatz, m i t den eingesetzten M i t t e l n das höchste Maß von Nutzen zu erreichen 67 ." Von hier aus kann die Wirtschaftswissenschaft zur Lehre von der Erscheinung des Rationalprinzips als ökonomischen Prinzips i n der menschlichen Gesellschaft werden. Schließlich setzt man sogar Handeln und Wirtschaften gleich: "Human action is necessarily always 67 Otto von Zwiedineck-Südenhorst, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, S. 2; weitere Nachweise bei Gerd Alschner, Rationalität u n d I r r a t i o n a l i t ä t i n den wirtschaftlichen Handlungen und ihre Erfassung durch die Wirtschaftstheorie, i n : Schmollers Jahrbuch f ü r Gesetzgebimg, V e r w a l t u n g u n d Volkswirtschaft, 1957, S. 386 f. 11 Speyer 46

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rational. The term 'rational action' ist therefore pleonastic and must be rejected as such." Und: „alles Handeln ist Wirtschaften mit den Mitteln, die zur Verwirklichung erreichbarer Ziele zu Gebote stehen. Das Grundgesetz des Handelns ist das wirtschaftliche Prinzip; unter seiner Herrschaft steht alles Handeln 6 8 ." Hiernach weitet sich die Identitätsproblematik fachlich-ökonomischer Theorien unübersehbar aus. Demgegenüber lehnen es andere herkömmlich ab, den Erkenntnisgegenstand der Wirtschaftswissenschaft über ein solches Formalprinzip zu bestimmen, da es kein spezifisch soziales Verkehrsprinzip sei: Es komme nicht schlechthin auf dieses Prinzip i m allgemeinen an, sondern auf eine bestimmte Ausdrucksweise dieses Prinzipes i n einem ganz bestimmt gearteten sozialen Verkehre und unter ganz bestimmten besonderen Voraussetzungen 69 . Schon wenn w i r auf die Konsequenzen eines rein formal bestimmten Wissenschaftssystems schauen, i n dem Verwaltungswissenschaft wie jede andere Theorie sozialen Handelns bei gleichförmiger Rationalstruktur Wirtschaftswissenschaft wäre, erhellt, daß der wissenschaftsphilosophische Sinn der Einzelwissenschaften, wie sie sich zur heutigen Differenzierung entwickelt haben, m i t solcher Konzeption verfehlt wäre. Man würde an der Einsicht vorübergehen, daß die einzelnen sozialwissenschaftlichen Disziplinen durch ein Moment der Bindimg an besondere Bereiche menschlicher Lebenspraxis — oder, u m mit Dilthey zu sprechen: „Kultursysteme" 7 0 — ausgezeichnet sind. Wenn es auch an gegenläufigen Versuchen, wie sich schon i m F a l l des Rationalprinzips beweist, nicht fehlt: nach allgemeinem Herkommen beschränken sich die auf menschliches Handeln — m i t Einschluß des ökonomischrationalen Verhaltens — bezogenen Fragestellungen der Fachwissenschaften auf das jeweilige Handeln i n einem besonderen Lebensbereich. So werden die Lebenssphären von Recht, Politik, Wirtschaft usw. als wissenschaftlich getrennt erforschbare Ausschnitte aus den weiteren Zusammenhängen des sozialen Handelns aufgefaßt. Ihnen entsprechen Rechtswissenschaft, Politische Wissenschaft, Wirtschaftswissenschaft usw. als verschiedene Handlungstheorien. Die modernen Einzelwissenschaften lassen sich metatheoretisch nicht aus reinen Formalprinzipien begreifen. Z u ihren Bestimmungsfaktoren gehören inhaltliche Vor68 Ludwig von Mises, H u m a n Action: A Treatise on Economics, S. 18; bzw. ders., Grundprobleme der Nationalökonomie, S. 77. 69 Vgl. Alfred Amonn, Objekt u n d Grundbegriffe der Theoretischen Nationalökonomie, S. 184f.; ferner f ü r die Volkswirtschaftslehre etwa Werner Sombart, Die drei Nationalökonomien: Geschichte u n d System der Lehre von der Wirtschaft, S. 3 ff.; f ü r die Betriebswirtschaftslehre etwa H . Koch, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip als betriebswirtschaftliche Maxime, i n : Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschimg, 1951, S. 161 f. 70 Der A u f b a u der geschichtlichen W e l t i n den Geisteswissenschaften, a.a.O., Bd. 7, S. 166 ff.

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Stellungen. Demgemäß läßt sich das ökonomische Prinzip von dem allgemeinen Rationalprinzip sondern und daneben etwa von sozialer und politischer Rationalität sprechen 71 . I n der konkreten Wirtschaftsforschimg w i r k e n höchst unterschiedliche Inhaltsvorstellungen, nach denen bestimmte wissenschaftlich zu bearbeitende Lebenssphären herausgeschnitten werden und entsprechend der Erkenntnisgegenstand der Fachdisziplin konstituiert wird, ökonomische Rationalität meint i m weitesten Sinne wohl menschliches Handeln, das an den materiell zu befriedigenden Bedürfnissen bzw. an Sachgütern orientiert ist. Wenn sich die Wirtschaftswissenschaft m i t solchen Sachverhalten beschäftigt, die w i r unter anderer Sicht z. B. als juristisches oder politisches Handeln zu kennzeichnen pflegen, dann untersucht sie auch dort regelmäßig die Kosten-Nutzen-Relation als materielle. Je nach dem Ausmaß inhaltlicher Bestimmungsfaktoren i m sozialen Leben w i r d die Reichweite der Wirtschaftswissenschaft i m Hinblick auf das Ganze menschlichen Handelns ausgedehnt oder eingeengt. Schmal w i r d die von der ökonomischen Theorie über das Rationalprinzip erfaßte Lebenssphäre, wenn auf einen ganz spezifischen Handlungssinn abgestellt w i r d und dieser als Handlungsprinzip auch das wissenschaftliche Aussagensystem mit konstituiert. Für die Betriebswirtschaftslehre stellt sich die Frage, wie sie die Formalität des Rationalitätsprinzips, die für menschliches Handeln schlechthin gilt, m i t inhaltlichen Merkmalen ausfüllt, damit sie gerade das besondere w i r t schaftliche Handeln erreicht, welches sie etwa als Theorie der Unternehmung interessiert. Uber eine enge inhaltliche Bestimmung des Wirtschaftlichkeitsprinzips kann es dann zu einer Fachwissenschaftlichkeit kommen, die sich mit einem korrespondierend engen Lebensausschnitt auseinandersetzt. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet jene Privatwirtschaftslehre 72 , die das Rationalprinzip mit dem Inhalt der Gewinnmaximierung anreichert und so zur metatheoretischen Auswahlregel des Rentabilitätsprinzips kommt, nach der Probleme für eine Theorie der privatwirtschaftlichen Unternehmung als relevant beurteilt werden. Für eine wirtschaftliche Verwaltungswissenschaft ist hieraus zunächst zu lernen, daß die Feststellung eines gemeinsamen wissenschaftskonstituierenden Formalprinzips nicht ausreicht, Ergebnisse der Betriebswirtschaftslehre für die öffentliche Verwaltung zu übernehmen. Man muß sich auch der inhaltlichen Bestimmungsfaktoren des wissen71 Vgl. Günter Hartfiel , Wirtschaftliche u n d soziale Rationalität: U n t e r suchungen zum Menschenbild i n Ökonomie u n d Soziologie, S. 60 ff. ; ferner etwa Heinz Hartmann , Politische gegen wirtschaftliche Rationalität: Der F a l l Südafrika, i n : Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft, 1963, S. 443 ff. 72 Vgl. insbes. Wilhelm Rieger , Einführung i n die Privatwirtschaftslehre. Ii*

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schaftlichen Aussagensystems versichern. Insoweit kommt man nicht umhin, gegenständliche Momente des Handlungssinns i n dem Lebensbereich mit zu berücksichtigen, auf den sich die handlungstheoretischen Fragestellungen der einzelnen sozialwissenschaftlichen Disziplin beziehen. Fachwissenschaftlichkeit i n unserer Sozialforschung läßt sich wissenschaftstheoretisch nicht bloß aus formalen Strukturierungen erklären. Sie bleibt mit den Inhalten der sozialkulturellen Handlungspraxis verbunden, der ihre Theorien gelten. Die Übertragung der Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre auf die Verwaltungswissenschaft als Verwaltungsökonomie ist so auch ein Problem sozialkultureller Entsprechungen von Handlungszusammenhängen i n privater W i r t schaft und öffentlicher Verwaltung nach der jeweiligen theoretischen Bearbeitung: V o n einer Betriebswirtschaftslehre, deren metatheoretisches Prinzip die Rentabilität ist, w i r d weniger für die wirtschaftliche Verwaltungswissenschaft zu gewinnen sein als von einer Lehre privaten Wirtschaftens, die nach ihrem Wissenschaftsprogramm umfänglich die materiellen Kosten-Nutzen-Abhängigkeiten analysiert. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, ob man, wie man von einer allgemeinen Rationalität die ökonomische, soziale, politische zu sondern sucht, ebenfalls von einer spezifischen Rationalität der öffentlichen Verwaltung sprechen muß. Hat das Administrative eine „mögliche eigene — aber eben deshalb nicht notwendig auch ökonomische — Rationalität" 7 3 ? Diese Frage läßt sich ergänzen, wenn man nun zwar das ZweckMittel-Schema nicht einer K r i t i k unterziehen w i l l , w o h l aber überlegt, ob Handlungsrationalität nicht auch als von einer anderen Formalstruktur gedacht werden kann. Man schaue etwa auf das normorientierte Verhalten. I n der Rechtswissenschaft gibt es die Meinung, die den Rechtssatz als konditionalen rechtlichen Imperativ deutet. Der Vordersatz — „Tatbestand" — enthält die Bedingungen, von deren Gegebenheit der Imperativ abhängt, der Nachsatz — „Rechtsfolge" — den Imperativ selbst 74 . Anderenorts liest man: "Administration is rational i n this sense when i t is characterized by an orientation toward norms and thus permits relatively stable expectations w i t h regard to the conduct of official business 75 ." W i r wollen hier beiden Stellen nicht i m Hinblick auf die Zweck-Problematik nachgehen. Aber es erhellt, daß ein an der tradierten ökonomischen Rationalität des Zweck-MittelSchemas geschulter Wirtschaftswissenschaftler ein Verhalten entspre73 Wie Reinhard Schaeder, Vergleich der Gesamtsysteme von Wirtschaftsund Staatsordnimg, i n : Jahrbuch f ü r Sozialwissenschaft, 1968, S. 295 f., betont. 74 Vgl. etwa Karl Engisch, Einführung i n das juristische Denken, S. 32 f. 75 Reinhard Bendix, The Cultural and Political Setting of Economic Rationality i n Western and Eastern Europe, a.a.O., S. 245.

3. Rationalitäten öffentlichen Verwaltens

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chend einem Rechtssatze, der Rentenansprüche nach Grund und Höhe gemäß ausdrücklich fixierter Bedingungen gewährt, die keinerlei Rücksicht auf die Veränderung der sozialökonomischen Datenkonstellation: der wirtschaftlichen Lage, nehmen, als nicht-rational oder sogar contrarational bezeichnen würde, wie er es auch m i t einer Handlungsmaxime der Sparsamkeit tut, die Minimierung öffentlicher Ausgaben i m Sinne von Sparsamkeit um jeden Preis meint. Gerade i m Hinblick auf das Verwaltungshandeln haben w i r uns aber noch weiteres vorzustellen. Das Interesse einer Verwaltungswissenschaft läßt sich nicht auf die individuellen Ziel- und Wertsysteme des i n der öffentlichen Verwaltung Handelnden begrenzen. Es geht vor allem auch u m kollektive Handlungsgebilde wie Behörden, schließlich um organisatorisches Handeln i m weitesten Sinne. I n einem solchen sozialen Handlungssystem ist eine personale Rationalität überprüfbar: ein Handeln nach den individuellen Zweck-Mittel-Schemata. Es ist aber auch die organisatorische Rationalität zu untersuchen, die nach Maßgabe der Handlungsziele der Organisation zu beurteilen ist 7 6 . M i t der Unterscheidung von personaler und organisatorischer Rationalität scheint die Frage: "Is behavior of an individual i n an Organization rational when i t serves his personal objectives, or when i t serves the organizational objectives"? 77 analytisch zufriedenstellend beantwortet. Aber ist sie das ohne Rest: Wie lösen sich die Probleme des Aufeinandertreffens von personaler und organisatorischer Rationalität, wie kann sich i n Anbetracht zahlloser individueller und organisatorischer Zielsetzungen und deren Verfolgung nach dem Zweck-Mittel-Schema so etwas wie ein Zustand „sozialer Ordnung" herausbilden 78 ? Das Verhältnis der Handelnden zueinander nach ihren Zielen ist ein überliefertes Thema der Sozialforschung. W i r müssen überlegen, ob w i r es nach einem anderen Sinnprinzip als der Zweck-Mittel-Rationalität interpretieren können. M i t den Konzepten eines organisatorischen Gleichgewicht einer Bestandserhaltung sozialer Systeme, einer kybernetischen Regelung sozialer Kommunikation, einer Systemrationalität 79 sind w i r auf eine Struktur menschlich-gesellschaftlichen Handelns hingewiesen, die es als Rationalitätsprinzip auch für die Verwaltungswissenschaft zu bedenken gilt. 76 Vgl. auch die Unterscheidung von „substantieller" u n d „funktioneller" Rationalität bei Karl Mannheim , Mensch u n d Gesellschaft i m Zeitalter des Umbaus, S. 61 ff. 77 Herbert A. Simon , Administrative Behavior: A Study of DecisionM a k i n g Processes i n Administrative Organization, S. 76. 78 Vgl. die Frage bei Günter Hartfiel , Wirtschaftliche u n d soziale Rationalität: Untersuchungen zum Menschenbild i n Ökonomie u n d Soziologie, S. 59. 79 Vgl. jüngst die Zusammenfassung von Niklas Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität: Über die F u n k t i o n von Zwecken i n sozialen Systemen,

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. Kap.:

aität des Verwaltungshandelns

M i t diesen Fragen ist die Notwendigkeit weiterer Reflexion über das Selbstverständnis einer umfassenden Verwaltungsforschung angedeutet. Es geht nicht nur um Sinnzusammenhänge der Verwaltungspraxis als Forschungsgegenstand, sondern u m Sinnprinzipien als methodisches Moment der Verwaltungstheorie. I n der genaueren Diskussion muß man allerdings verschiedene Problemebenen auseinanderhalten. Letztlich i n die Richtung der allgemeinen Wissenschaftsphilosophie reicht die Überlegung, m i t welcher erkenntnistheoretisch-methodologischen Bewährung Theorie der Dimension sinnhaften Handelns habhaft werden kann. Zur Metatheorie aller handlungsorientierten Wissenschaften gehört es, sich der möglichen formalen Strukturierungen idealrationalen Handlungssinns zu versichern. Für die Wissenschaftstheorie fachwissenschaftlich differenzierter Sozialforschung ist die Unterscheidung von formaler und materialer Rationalität bedeutsam. Insoweit muß man sich auch überlegen, ob es eine Korrespondenz zwischen bestimmten formalen und materialen Rationalitäten gibt, und sei es auch nur, daß sich auf Grund eines bestimmten Formprinzips — etwa des normtheoretischen Ansatzes — ein bestimmtes „Kultursystem", ein einzelwissenschaftlich abgegrenzter Bereich aus dem sozialen Leben — etwa das Recht — besonders fruchtbar erforschen ließe. Eine Frage ist es indes, die die Verwaltungswissenschaft aufs engste angeht: Es ist die, ob der öffentlichen Verwaltung spezifische Rationalitäten eignen. Ob eigentümlich administrative Sinnzusammenhänge auszumachen sind, ist auch für die Entwicklung der Verwaltungswissenschaft erheblich. Wie man z. B. aus der Geschichte der Betriebswirtschaftslehre lernen kann, kennzeichnet den Weg einer Rationalwissenschaft nicht zuletzt der Umstand, wie es ihr gelingt, i m Bezug auf die von ihr untersuchte Lebenssphäre idealisierende Grundannahmen zu entwickeln, die als Sinnprinzipien dann auch die wissenschaftliche Systematisierung methodisch mittragen. W i r lassen es bei diesen Hinweisen bewenden. Hier kommt es zunächst darauf an, die intelligible Welt idealer Verhaltensmuster und das auf Handlungsidealität zielende Erkenntnisinteresse für umfassende theoretische Bemühungen u m die öffentliche Verwaltung überhaupt zu eröffnen. Die Verwaltungswissenschaft kann mehr sein als empirische Verhaltenswissenschaft: sie kann zur „Rationalisierung" der Verwaltungspraxis, zum „richtigen" Verwaltungshandeln beitragen, wiewohl man sich darüber Rechenschaft geben muß, wie weit auch hier die fortgeschrittenste Wissenschaft von absoluten Einsichten entfernt ist.

Fünftes Kapitel

Normativität des Verwaltungshandelns 1. Verhaltensforschung u n d Rechtshandeln

I n den Sozialwissenschaften pflegt man eine Unterscheidung von empirischer und normativer Forschung vorzunehmen und weiter von explikativen und präskriptiven Aussagen zu sprechen. Man trennt etwa i n der Methodologie zwischen empirisch-analytischen und normativanalytischen Ansätzen 1 . Man hält der explikativen Betriebswirtschaftslehre die normative gegenüber 2 . Man denkt insbesondere i n der W i r t schaftswissenschaft über das Problem der systematischen Verknüpfung von Normen und von positiv-erfahrungswissenschaftlichen Aussagen nach 3 . Auch für die Verwaltungswissenschaft ist das „Schisma: rationalnormierende und empirisch-erklärende Wissenschaften" genannt worden 4 . Es zeigt sich, wie nach dem Verlust der naturrechtlichen Einheit von Sein und Sollen sich zwei Arten von Wissenschaften u m die öffentliche Verwaltung bemühen, die sich als präskriptive, normative oder Rationalwissenschaften einerseits und empirische, explikative Wissenschaften andererseits bezeichnen lassen. Einmal sucht man den Handelnden über das richtige Handeln — das rechtlich richtige, das ökonomisch rationale — aufzuklären; zum anderen unternimmt man, faktische Ereignisse als reale Handlungszusammenhänge zu erklären. Es erhellt, daß der, der Verwaltungswissenschaft i n einem Erkenntnismonismus betreiben w i l l , das alte Weltbild naturrechtlicher Einheit wieder herstellen oder dartun muß, daß ihm auf theoretischer Ebene gelingt, die differenzierenden Merkmale heutiger Fachwissenschaftlichkeit wie Realität und Idealität, Sein und Sollen zu überwinden. 1 Vgl. Jürgen Habermas , Z u r Logik der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische Rundschau, 1967, Beiheft 5, S.49ff. 2 Vgl. Siegfried Katterle, Normative u n d explikative Betriebswirtschaftslehre. 3 Vgl. Terence Willmot Hutchison, Das Problem der systematischen V e r k n ü p f u n g von Normen u n d v o n Aussagen der positiven Ökonomik i n grundsätzlicher Betrachtung, a.a.O., S. 3 ff.; Gerhard Weisser , Das Problem der systematischen Verknüpfung von Normen u n d Aussagen der positiven Ökonomik i n grundsätzlicher Betrachtung, erläutert anhand des Programms einer sozialwissenschaftlichen Grunddisziplin aus Empfehlungen u n d W a r nungen, a.a.O., S. 16 ff. 4 Vgl. Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 22 ff., 112 ff.

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5. Kap.: Normativität des Verwaltungshandelns

Die bezeichnete Scheidung ist nicht nur in einer speziellen Handlungswissenschaft, sondern allgemein i n den Sozialwissenschaften verfestigt. Indes ist das, was man m i t normativem Ansatz i n der Sozialforschung, normativer Ökonomik, normativer Betriebswirtschaftslehre usw. meint, keineswegs eindeutig festlegbar. Zwar w i r d i m Grunde meist auf das abgestellt, was w i r als Erkenntnisinteresse, das auf Handlungsrealität zielt, und Erkenntnisinteresse, das an Handlungsidealität Anteil nimmt, differenziert haben. Darüber lagert sich aber die allgemeine Frage des Normativen i n den Sozialwissenschaften, vor allem aber der heftig geführte Werturteilsstreit. W i r setzen uns hier nicht m i t diesem Streit, insbesondere nicht mit dem Postulat wissenschaftlicher Werturteilsfreiheit näher auseinander 6 . Heute w i r d zunehmend deutlich, daß diese hochkomplexe Problematik eine feine Differenzierung erforderlich macht 6 . W i r stellen nur klar, was uns als Normativität des Verwaltungshandelns interessiert und was eine solche Begrifflichkeit über die Idealität des Verwaltungshandelns hinaus auszeichnet. Insoweit muß vor allem betont werden, daß hier Normativität primär als eine Kategorie menschlichen Handelns verstanden wird. Zwar geht es um wissenschaftliche Erkenntnisinteressen und damit auch um Normativität als eine Größe von metatheoretischer Eigenart. Aber wie verdeutlicht worden ist, daß das Erkenntnisinteresse an Idealität nicht nur bloßes Konstrukt des Wissenschaftlers auf rein theoretischer Ebene heißt, sondern erkenntnismäßiger Zugriff auf ideale Verhaltensmuster, rationale Sinnzusammenhänge menschlichen Handelns bedeutet, so muß an dieser Stelle festgehalten werden, daß das Erkenntnisinteresse an Normativität nicht das an den Normationen in den wissenschaftlichen Aussagen, sondern — jedenfalls zuerst — das an dem normativen Sinn menschlichen Handelns ist. Wenn man das sprachanalytisch bezeichnen w i l l , dann kann man sagen, daß es nicht u m präskriptive Aussagen des Wissenschaftlers, insbesondere nicht bloß darum geht, daß Aussagen über die ökonomische Rationalität „normativ gewendet" ergeben, wie ein Mensch sich verhalten sollte, wenn er seinen Vorteil möglichst groß und seine Einbuße möglichst gering halten w i l l 7 . Es geht u m die Präskriptionen i n der Sprache der Lebenspraxis selbst. Es interessiert nicht, wie ein Wissenß Z u einem geschichtlichen Überblick vgl. Christian von Ferber, Der Werturteilsstreit 1909/1959: Versuch einer wissenschaftsgeschichtlichen I n t e r pretation, i n : K ö l n e r Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1959, S. 21 ff. 6 Vgl. zu einschlägigen Versuchen Klaus Lompe, Wissenschaftliche Berat u n g der P o l i t i k : E i n Beitrag zur Theorie anwendender Sozialwissenschaften, S. 153 ff. 7 Vgl. Hans Anger, Theorienbildung u n d Modelldenken i n der K l e i n gruppenforschung, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie u n d Sozialpsychologie, 1962, S.7.

1. Verhaltensforschung und Rechtshandeln

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schaftler sagen kann: Handle so, daß der Zweck deines Handelns mit kleinstmöglichem Mitteleinsatz erreicht w i r d oder daß m i t den gegebenen Mitteln die gesetzten Ziele i n möglichst vollkommener Weise erreicht werden! Es interessieren die Aussagen der Wissenschaft darüber, daß für die Handlungspraxis der öffentlichen Verwaltung eine Vorschrift sagt: Bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Freilich sollte man nicht glauben, mit der Trennung von zwei Sprachebenen der vielfältigen Interdependenzen von Theorie und Praxis habhaft werden zu können. Das Normative zeigt sich i n den Sozialwissenschaften komplizierter. I m Bereich wissenschaftlicher Prognosen untersucht man die Eigendynamik von Voraussagen. Prognosen können die Orientierung und Motivation von betroffenen Personen beeinflussen, deren Handlungen nach dem Erwarteten mitbestimmen und damit für das menschlich-gesellschaftliche Geschehen relevant werden. Auf diese Weise wirken sie sich auf soziale Tatbestände aus, auf die sie sich selbst beziehen, und dadurch können sie ihre eigene prognostische Geltung stützen. Die Frage wäre, ob solche Selbstbestätigung nur eine soziologische und sozialpsychologische oder auch eine wissenschaftstheoretische Größe ist. I n den modernen Rechtskulturen ist man zwar kaum noch geneigt, den wissenschaftlichen Lehrmeinungen — und seien sie auch die der „most highly qualified publicists of the various nations" — unmittelbar den Charakter einer Rechtsquelle beizumessen. Aber i n der Philosophie von der Einheit des juristischen Denkens ist die Arbeitsbindung von Doktrin und Praxis so eng, „daß der Richter kaum je unterscheidet zwischen der ,Lehre' von der Bereicherung . . . und der Institution' oder den ,Regeln' gleichen Namens" 8 . Die Rechtswissenschaft w i r d bei solcher Konzeption i n sehr spezifischer Weise „normative" Disziplin. Manche juristischen Kommentare halten den Vergleich i m gezielten „self-fullfilling" m i t einschlägigen Unternehmen der ökonomischen Prognose durchaus stand. Wenn w i r anders den Mindestabstand von Theorie und Praxis betont haben, dann geschieht das nicht i n der Absicht, nun alle Probleme zwischen Theorie und Praxis i n den Aufgabenbereich von Soziologie und Psychologie zu verweisen, die die Abhängigkeiten zwischen Wissenschaft und anderen sozialen Gruppen — also etwa Richtern — erforschen. Die Philosophie von der Einheit des juristischen Denkens kann darüber belehren, daß es auch um eminent wichtige Fragen der Wissenschaftstheorie geht. Jedoch enthebt die Einsicht i n solche Beziehungen von Theorie und Praxis, i n der gerade das reflektierende Interesse an der s Josef Esser, Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen Fortbildung des Privatrechts: Rechtsvergleichende Beiträge zur Rechtsquellen- und I n t e r pretationslehre, S. 314.

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5. Kap.: Normativität des Verwaltungshandelns

Normativität des Handelns genuine Erfahrung zur wissenschaftlichen Erkenntnis wendet, nicht davon, einen möglichst klaren Ansatzpunkt zu finden, und der liegt wie oben bei den rationalen Sinnzusammenhängen sozialökonomischen Handelns hier bei den normativen Verhaltensmustern menschlich-gesellschaftlichen Handelns i n der öffentlichen Verwaltung, nicht i n den Normationen, die die wissenschaftlichen Aussagensysteme durchziehen. Wenn sonach das Erkenntnisinteresse an Normativität wie das Erkenntnisinteresse an Idealität auf Verwaltungshandeln zielt, und zwar auf sinnhaftes: Was unterscheidet sie dann? Hier w i r d wiederum beiseite gelassen, den Normbegriff ontologisch zu verfeinern. Der über idealen Handlungssinn hinausreichende Anspruch des Normativen läßt sich für die rechtsstaatliche Verwaltung leicht beispielhaft machen. Stellen w i r uns vor, daß es gelänge, für einen Bereich der öffentlichen Verwaltung ein System von Kosten-Nutzen-Analysen zu entwerfen. Sodann würden w i r dieses System als Aussagen über ökonomisch-rationales Handeln präskriptiv formulieren, also nach der A r t : Disponiere so, daß ein bestimmter Bedarfsdeckungseffekt mit geringstmöglichlichem Mitteleinsatz erreicht wird. Für die öffentliche Verwaltung wäre damit noch nicht bestimmt, daß ihre Handlungspraxis so sein soll. Würden i n einer administrativen Handlungssituation das noch so wissenschaftlich bewährte ökonomische Verhaltensmuster und ein relevantes rechtliches Verhaltensmuster i n zwei verschiedene Richtungen weisen, dann gäbe es i m strengen Sinne keinen Normenkonflikt. Die rechtlichen Handlungskriterien würden gegenüber den wirtschaftlichen nicht mit dem A n spruch auftreten, gegeneinander abgewogen zu werden, sondern jene zu verdrängen. Der ökonomischen Idealität, die w i r uns heute nicht mehr naturrechtlich vorstellen, würde als solcher i n der Handlungspraxis der öffentlichen Verwaltung der Sollcharakter des vorgeschriebenen Verhaltens mangeln. Von der einschlägigen Rechtsvorschrift weiß man, daß sie meint, Verwaltungshandeln solle so und so sein, und zwar von Rechts wegen. Dem Normativen eignet m i t h i n eine spezifische Bestimmungsfunktion. Es w i r k t als Befehl; jedenfalls formuliert es sich als Sollen. Damit verbunden ist eine über die Beliebigkeit des Verhaltens hinausweisende Bewertungsfunktion. Menschliches Handeln zu bestimmen, heißt menschlich-gesellschaftliche Zustände zu bewerten. Die Forderung des Sollens schließt ein, daß das abgeforderte Verhalten einen Wert darstellt, u m dessentwillen es gilt. W i r können zusammenfassen: Der Anspruch des Normativen kommt nicht aus einer wissenschaftlichen Erkenntnisleistung als solcher. Wie sehr das Normative genetisch auch m i t das Werk der Wissenschaft sein mag, ontologisch ist es autonom. Wissenschaft kann es entdecken. Weiter zeichnet sich das Normative von anderen sinnhaften Handlungs-

1. Verhaltensforschung und Rechtshandeln

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zusammenhängen durch die Eigenart aus, menschlich-gesellschaftliches Verhalten zu bestimmen und zu bewerten. Unter den Idealitäten des Verwaltungshandelns interessiert es spezifisch als die Sinnrelationen des i n der Verwaltungspraxis Geltend-Gesollten. Für solche normativen Verhaltensmuster, die auf die öffentliche Verwaltung beziehbar sind, könnte man etwa halten: Denkgesetze als Erkenntnisgegenstand der Logik, sittliche Normen als Erkenntnisgegenstand der Ethik, Rechtsvorschriften als Erkenntnisgegenstand der Jurisprudenz. Das Erkenntnisinteresse an der Normativität des Verwaltungshandelns soll hier am Fall von Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtslehre beispielhaft gemacht werden. W i r berufen uns darauf, daß Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtslehre die Mitte unserer heutigen Verwaltungsforschung ausmachen, während die Phänomene sittlichen Lebens i n der öffentlichen Verwaltung und theoretische Versuche zu Verhaltensrichtlinien, i n denen Lösungen der moralischen Probleme öffentlichen Verwaltens formuliert sind, an den Rand der Verwaltungswissenschaft geraten sind 9 . M i t dem juristischen Beispiel soll allerdings nicht übersehen werden, daß sich m i t dem Standort der Ethik und ihrer Beziehung zur Rechtswissenschaft aufschlußreiche wissenschaftsphilosophische Merkmale verbinden. Was die weiter genannte Logik angeht, so w i r d sie unter dem Blickwinkel der Normativität zusammen m i t der Rechtslehre behandelt werden. Unsere Verwaltungsrechtslehre ist Bestandteil einer Rechtswissenschaft von kontinentaleuropäischer und dann besonders deutscher Tradition der Rechts- und Wissenschaftsphilosophie. Sie ist i n ganz spezifischer Weise „normative" Disziplin. Wenn man sie kurz charakterisieren sollte, könnte man dazu vielleicht folgende Aussage wählen: „Die Rechtswissenschaft ist eine ,normative' Disziplin, d. h. sie arbeitet nomothetisch, ob sie nun diese Regeln erstmals aufstellt, ob sie durch idiographische Beschreibung einer Entwicklung den grundsätzlichen Ordnungswert einer Institution aufdeckt, ob sie den Zusammenhang gesetzlicher Texte oder einschlägiger precedents fruchtbar macht, und ob sie dabei eine stimulierende oder — w i e es ihrer Kontroll- und Systemaufgabe zukommt — eine hemmende Wirkung ausübt." Und: „Die Grundsätze juristischen Denkens und wissenschaftlicher Arbeit überhaupt (principi scientifici) können nicht als metarechtliche Fakten behandelt werden; sie binden als Strukturprinzipien der Dogmatik die Gesetzgebung und sind das Kristallgitter ,offener' judizieller Rechtsbildung 1 0 ." Bei ihren wenig metapraktisch begriffenen Erkenntnis9 Vgl. zu einem solchen Versuch Fritz Morstein Marx, Beamtenethos u n d Verwaltungsethik: Eine einführende Skizze, i n : Verwaltungsarchiv, 1963, S. 323 ff. 10 Josef Esser, Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen Fortbildung des Privatrechts: Rechtsvergleichende Beiträge zur Rechtsquellen- und I n t e r pretationslehre, S. 314, 316.

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5. Kap.: Normativität des Verwaltungshandelns

leistungen ist sich die Verwaltungsrechtslehre ihres hermeneutischen Geschäfts — unbeschadet des methodologischen Schulstreits etwa um Auslegungsmethoden — sehr sicher. Die Erschütterungen, die die analytische Wissenschaftsphilosophie i n anderen Disziplinen der Sozialwissenschaften hervorgerufen hat, werden wenig registriert. Unsere erkenntnistheoretisch-methodologischen Überlegungen zu Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtslehre müßten also wissenschaftstheoretischer Konsequenz folgend dazu führen, das Instrumentarium juristischer Hermeneutik weiter zu verfeinern und uns etwa dem Thema der verfassungskonformen Auslegung i m Hinblick auf das Verwaltungsrecht mit neuen Differenzierungen zuzuwenden. W i r schauen anders auf elementare Fragen der rechtswissenschaftlichen Methodologie, w e i l es i m vorliegenden Zusammenhang darum geht, das Erkenntnisinteresse wissenschaftlicher Aussagen über normative Verhaltensmuster am Fall der Verwaltungsrechtslehre überhaupt zu bezeichnen. Für einen modernen Positivismus — für den die idealen Gegenstände der Reinen Rechtslehre Kelsens „Positivismus ohne Positivität" sind — bieten sich i m Rechtsleben zwei Gegebenheiten an, auf die wissenschaftliche Aussagen über Recht beziehbar sind: das Handeln des Menschen i n der sozialen Welt, und zwar eben jenes spezifische Handeln, welches sich als Rechtshandeln kennzeichnen läßt, und weiter: die Verlautbarungen der Sprache, nämlich jene besonderen der Rechtssprache. Handeln und Sprache sind jene beiden beständigen erkenntnistheoretisch-methodologischen Elemente des Neopositivismus, in welchen Variationen er auch entwickelt wird. Handeln und Sprache sind aber auch zwei hervorragende Bezugspunkte der Rechtstheorie. Juristische Lehren auf menschliches Handeln zurückzuführen hat philosophische Tradition wie Internationalität und beruht auf sehr komplexen Wissenschaftstheorien. Man sehe etwa auf die südamerikanische Rechtsschule der Egologie 11 . Die Sprache muß schon deswegen i m Mittelpunkt der Rechtswissenschaft stehen, weil sie i n unserer Rechtskultur die wichtigste materiell-sinnlich fixierte Gestalt ist, bei der die juristische Hermeneutik anknüpft. Über diese Dokumentseite hinaus fächert sich das Thema „Recht und Sprache" mannigfach aus 12 . Angesichts des modernen 11 Vgl. Carlos Cossio, L a teoría egológica del derecho y el concepto jurídico de libertad; ders., E l derecho en el derecho j u d i c i a l ; ders., Norm, Recht u n d Philosophie, i n : österreichische Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, 1948, S. 337 ff., 466 ff.; ders., Panorama der egologischen Rechtslehre, i n : Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1952/1953, S. 161 ff.; ferner ders., Egologische Theorie u n d Reine Rechtslehre, i n : österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, 1953, S. 15 ff.; Hans Kelsen, Reine Rechtslehre u n d Egologische Theorie, i n : österreichische Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, 1953, S. 449 ff.; Carlos Cossio, Die anti-egologische Polemik, i n : österreichische Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, 1957/1958, S. 189 ff.; weitere Nachweise bei Luis Legaz y Lacambra, Rechtsphilosophie, S. 181 f. 12 Vgl. z.B. Ernst Forsthoff, Recht u n d Sprache: Prolegomena zu einer

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Positivismus kann es aber nicht um Handeln und Sprache i n ihrer denkbaren Vielseitigkeit gehen. Vielmehr interessiert Handeln als Gegenstand empirischer Erkenntnisleistung und Sprache als Gegenstand logischer Forschung. Denn für die positivistische Wissenschaftsphilosophie — lassen w i r die verschiedenen Ausformungen von Empirie und Sprachanalytik beiseite — müssen alle wissenschaftlich akzeptierbaren Aussagen entweder erfahrungsmäßig bewährbar oder rein logisch begründbar sein; das heißt i n der Terminologie Kants: sie müssen entweder synthetische Aussagen a posteriori oder analytische Wahrheiten sein. Für unsere elementare Fragestellung nach dem auf Normativität zielenden Erkenntnisinteresse bedeutet m i t h i n das Thema „Recht und Handeln", auf die empirische Verhaltensforschung zum Rechtshandeln zu schauen. W i r wollen sie hier i n ihrer jüngsten und konsequentesten Variante bezeichnen: der nordamerikanischen „analysis of judicial behavior", der behavioristischen Forschungsrichtung des „judicial decisión making". Zunächst ist zu bemerken, daß die Verbindung von entscheidungstheoretischem Ansatz und realwissenschaftlicher Haltung für die nordamerikanische Wissenschaft vom Recht nicht neu ist 1 3 . Eine Rechtslehre i m Bereich des Fallrechts sieht sich stärker als Entscheidungswissenschaft als eine Lehre mit breit gefächertem Gesetzesrecht. Demgemäß ist die „judicial decisión" herkömmlicher Mittelpunkt theoretischen Interesses. Zudem weist dieses Interesse seit den Worten von Justice Holmes „The prophecies of what the courts w i l l do i n fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the l a w " 1 4 ausgeprägt empirische Züge — „sociological jurisprudence", „legal realism" — auf, bis hin zum Psychologismus eines Jerome Frank 15. So ist man insbesondere aus europäischer Perspektive geneigt, die heutigen Untersuchungen zum „judicial behavior" als eine Fortentwicklung bestimmter positivistischer Traditionen der nordamerikanischen Rechtstheorie zu sehen 16 , mit denen schon bisher gestritten w i r d 1 7 . Indes bedeutet doch der richterlichen Hermeneutik; Helmuth Hätz , Rechtssprache u n d juristischer Begriff: V o m richtigen Verstehen des Rechtssatzes; Dieter Horn , Rechtssprache u n d K o m m u n i k a t i o n : Grundlegung einer semantischen K o m m u n i kationstheorie; Horst Neumann-Duesberg, Sprache i m Recht. 13 Z u einem Überblick über die juristischen Richtungen vgl. Helmut Coing, Neue Strömungen i n der nordamerikanischen Rechtsphilosophie, i n : A r c h i v f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1949/1950, S. 536 ff. The Path of the L a w , i n : Harvard L a w Review, 1897, S.461. i® L a w and the Modern Mind. 16 Glendorn Schubert k n ü p f t i n dem von i h m herausgegebenen Sammelband: Judicial Behavior: A Reader i n Theory and Research, m i t Auszügen bei Benjamin N. Cardozo , The Nature of the Judicial Process, u n d bei Jerome Frank , L a w and the Modfcrn Mind, an. 17 Vgl. etwa Josef Esser , Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen F o r t bildung des Privatrechts: Rechtsvergleichende Beiträge zur Rechts quellen und Interpretationslehre, bes. S. 20 ff.

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5. Kap.: Normativität des Verwaltungshandelns

S c h r i t t v o n d e n soziologischen u n d realistischen Z ü g e n d e r J u r i s p r u d e n z z u d e n n e u e r e n — insbesondere aus d e r P o l i t i s c h e n Wissenschaft k o m m e n d e n — V e r s u c h e n z u m j u r i s t i s c h e n V e r h a l t e n m i t Einschluß d e r der „ j u r i m e t r i c i s t s " eine beachtliche Z u s p i t z u n g . L e t z t e r e s i n d eine konseq u e n t empirische V e r h a l t e n s f o r s c h u n g bis z u d e n q u a n t i f i z i e r e n d e n A r b e i t s w e i s e n v o n Soziometrie u n d Psychometrie. A n g e s e t z t w i r d b e i d e r u n b e s t r e i t b a r j u r i s t i s c h e n Tatsache des r i c h t e r l i c h e n H a n d l u n g s systems. D e r d e c i s i o n - m a k i n g - a p p r o a c h i m B e r e i c h d e r ö f f e n t l i c h e n V e r w a l t u n g v e r h ä l t sich n i c h t u n m i t t e l b a r ü b e r das Rechtshandeln. So müssen w i r u n s a u f d i e behavioristische E r f o r s c h u n g r i c h t e r l i c h e n V e r h a l t e n s beziehen, o b w o h l die Wissenschaft der ö f f e n t l i c h e n V e r w a l t u n g interessiert. A b e r schon das ist charakteristisch. D i e bezeichnete S c h u l b i l d u n g z u m j u s t i z i e l l e n V e r h a l t e n — m i t i h r e r V e r b i n d u n g z u m p o l i t i s c h e n B e h a v i o r i s m u s ü b e r h a u p t 1 8 — w e i s t sich bereits h e u t e d u r c h die V i e l s e i t i g k e i t ihres A r b e i t s p r o g r a m m s a u s 1 9 . W i e w e i t dieses P r o g r a m m ausgedehnt w i r d , b e l e g t d i e E i n b e z i e h u n g kulturanthropologischer Fragestellungen 20. Folgende Schwerpunkte w i s senschaftlicher Ü b e r l e g u n g e n lassen sich a b z e i c h n e n 2 1 : E i n e Schule des G r u p p e n v e r h a l t e n s sucht, d i e B e z i e h u n g e n zwischen G e r i c h t e n u n d iß Vgl. die Literaturabhandlung v o n Peter H. Merkl, „Behavioristische" Tendenzen i n der amerikanischen Politischen Wissenschaft, i n : Politische Vierteljahresschrift, 1965, S. 58 ff. 19 Als Vorläufer werden die Studien v o n C. Herman Pritchett angesehen: The Roosevelt Court: A Study i n Judicial Politics and Values 1937—1947; ders., C i v i l Liberties i n the Vinson Court. Die folgenden Sammelbände bieten einen Überblick: Jurimetrics, i n : L a w and Contemporary Problems, Winter 1963; Walter F. Murphy / C. Herman Pritchett (Hrsg.), Courts, Judges, and Politics: A n Introduction to the Judicial Process; Glendon Schubert (Hrsg.), Judicial Decision-Making; ders. (Hrsg.), Judicial Behavior: A Reader i n Theory and Research; vgl. noch m i t weiteren Literaturnachweisen: Theodore L. Becker, Political Behavioralism and Modern Jurisprudence: A W o r k i n g Theorie and Study i n Judicial Decision-Making; David J. Danelski, A Supreme Court Justice is Appointed; Joel B. Grossman , Lawyers and Judges: The A B A and the Politics of Judicial Selection; Fred Kort, Predicting Supreme Court Decisions Mathematically: A Quantitative Analysis of the „Right to Counsel" Cases, i n : The American Political Science Review, 1957, S. I f f . ; Walter F. Murphy , Elements of Judicial Strategy; John R. Schmidhauser, The Supreme Court: Its Politics, Personalities, and Procedures; Glendon Schubert , Quantitative Analysis of Judicial Behavior; ders., Constitutional Politics: The Political Behavior of Supreme Court Justices and the Constitutional Policies T h a t They Make; ders., The Judicial M i n d : The Attitudes and Ideologies of Supreme Court Justices 1946—1963; S.Sidney Ulmer, Homeostatic Tendencies i n the United States Supreme Court, a.a.O., S. 167 ff.; ders., The Analysis of Behavior Patterns i n the United States Supreme Court, a.a.O., S. 248 ff . so Vgl. etwa Max Gluckman, The Judicial Process A m o n g the Barotse of Northern Rhodesia, a.a.O., S. 90 ff. 2i Hier w i r d der Einteilung Glendon Schuberts i n seiner bibliographischen Abhandlung: Behavioral Research i n Public L a w , i n : The American Political Science Review, 1963, S. 433 ff., gefolgt. Dort finden sich auch weitere Nachweise zum Schrifttum.

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anderen sozialen Gruppen in politischen Gesamtprozessen zu sehen 22 . Es geht u m Verhaltensweisen aus der Gruppenzugehörigkeit der Richter, die Beziehungen von Gerichten untereinander, das Verhältnis von Gerichten zu anderen am Gerichtsverfahren beruflich beteiligten Gruppen, die Zusammenhänge m i t lokalen politischen Gruppen und darüber hinaus den Druck von Interessengruppen auf Gerichte schlechthin. Die Erforschung der Gerichte als eine Kleingruppe 2 3 beginnt damit, richterliches Verhalten durch Blockanalyse i n liberale und konservative Lager zu scheiden. Man untersucht Anpassimg und Einfluß neuer M i t glieder der Richterbank, Rollenbilder von Richtern, insbesondere die Führerschaft i m Kollegium 2 4 . Diese Kleingruppensoziologie ist von vornherein durch ihren methodologischen und allgemein-theoretischen Bezug geprägt: von Blockanalysen bis zu Gleichgewichtssystemtheorien. I m Bereich der politischen Sozialisation w i r d durch Lebenslauferhebungen der gesellschaftliche Hintergrund der Richter erhellt 2 5 . Ethnische, regionale, weltanschauliche, religiöse, parteipolitische, berufliche, w i r t schaftliche, familiäre, erzieherische Charakteristika werden überprüft und mit dem richterlichen Entscheidungsverhalten i n Beziehung gesetzt. Sozialpsychologische Studien unternehmen es schließlich, die Einstellungen der Richter durch kumulative Skalen meßbar zu machen 26 . Haltungen i n verfassungsrechtlichen Kontroversen wie um ökonomischen Liberalismus oder u m Bürgerrechte werden quantifiziert. Dahinter steht dann die Frage nach der mathematischen Vorhersage richterlichen Verhaltens 27 . Die Gerichtsentscheidung als eine vorhersagbare Reaktion zu bestimmen, w i r d zu einem wichtigen Aspekt behavioristischer Absichten. Der „judicial decision making approach" ist mancher K r i t i k unterzogen worden. Sie reicht von der Auseinandersetzung m i t bestimmten Arbeitsmethoden 28 über die Diskussion der Reichweite für die Recht22 Vgl. noch Jack W. Peltason, Federal Courts i n the Political Process. 23 C. Herman Pritchetts Untersuchung: The Roosevelt Court: A Study i n Judicial Politics and Values, 1937—1947, gibt das Stichwort. Weiter sind aus den oben genannten Arbeiten besonders solche von Glendon Schubert, S. Sidney Ulmer u n d David J. Danelski hervorzuheben. 24 Vgl. etwa David J. Danelski, The Influence of the Chief Justice i n the Decisional Process, a.a.O., S. 497 ff. 25 Vgl. noch John R. Schmidhauser, The Justices of the Supreme Court: A Collective Portrait, a.a.O., S. 104 ff . 26 Vgl. insbesondere Glendon Schubert, Quantitative Analysis of Judicial Behavior, S. 209 ff. 27 Vgl. die Studien über: Mathematical Prediction of Judicial Behavior, i n : Judicial Behavior: A Reader i n Theory and Research, hrsg. von Glendon Schubert, S.443ff. 28 Vgl. z.B. Franklin M . Fisher, The Mathematical Analysis of Supreme Court Decisions: The Use and the Abuse of Quantitative Methods, i n : The American Political Science Review, 1958, S. 321 ff.

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5. Kap.: Normativität des Verwaltungshandelns

sprechung 29 bis zur Begrenzung des politischen Behaviorismus überhaupt 3 0 . Man könnte zudem etwa die Frage stellen, wie von solchen Forschungen her der Schritt zu einer Makrotheorie der Gerichtsbarkeit gefunden werden kann. Hier geht es aber nicht u m justizielles Verhalten 3 1 , sondern um die Normativität des Verwaltungshandelns, dargelegt am Falle von Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtslehre. Die behavioristische Analyse richterlichen Handelns ist nur als die erfahrungswissenschaftliche Untersuchung unbestreitbar juristischer Tatsachen: unbestreitbar juristischen Handelns, bezeichnet worden. Wenn nun dem Normativen der Sollcharakter des vorgeschriebenen Handelns zukommt, dann bleibt weiter zu überlegen, ob die genannte Verhaltensschule zur richterlichen Tätigkeit eine Theorie so beschaffener Sinnrelationen i m sozialen Handeln hergibt. Wenn Verwaltungsrecht die Funktion hat, zu bestimmen und zu bewerten, daß öffentliche Verwaltung so und so sein soll, dann bleibt zu überprüfen, ob nach den erkenntnistheoretisch-methodologischen Grundlagen des „judicial decision making approach" eine Lehre von den rechtsnormativen Verhaltensmustern i n der öffentlichen Verwaltung entwickelt werden kann. Das empirische Wissenschaftsprogramm jener behavioristischen Forschung ist mit dem Erkenntnisinteresse an der Normativität des Verwaltungshandelns zusammenzuhalten. Die Handlung, welche die Verwaltungsrechtswissenschaft als „normative" Disziplin angeht, ist zunächst die mögliche, und das unterscheidet den Bereich des Geltend-Gesollten von dem Wirklichen, was faktisch ist. Dem Menschlich-Gesellschaftlichen eignet Möglichkeit, die m i t der Wirklichkeit nicht zusammentrifft, und zwar i m doppelten Sinne: es ist mehr, als faktisch ist, und es ist weniger, als es eigentlich sein soll. Der Ausdruck dieser Situation ist das Sollen. Die behavioristische Erforschung richterlichen Verhaltens erreicht die Dimension potentiellen Handelns, wenn sie nicht bei der Beschreibung und Erklärung dessen, was ist, stehen bleibt, sondern ihre wissenschaftlichen Aussagen i n die Anwendungsform von Vorhersagen umsetzt: wenn der Erwartungshorizont auf Grund prognostizierter Einengung des Spielraums von tatsächlich möglichem Geschehen bestimmt wird. Solche Fragestellung nach der „prediction of judicial behavior" ist in die beschriebene Verhaltensschule eingeschlossen. Indes ist oben geklärt worden, wie die 29 Vgl. etwa Wallace Mendelson, The Neo-Behavioral Approach to the Judicial Process: A Critique, i n : The American Political Science Review, 1963, S. 593 ff. 30 Vgl. dazu den Sammelband: The L i m i t s of Behavioralism i n Political Science, hrsg. von James C. Charlesworth. 31 Vielen der i n Nordamerika zur judicial decision durchgeführten Untersuchungen würde i n Deutschland der Umstand entgegenstehen, daß i m deutschen Prozeßrecht weder dissenting opinions noch concurring opinions vorgesehen sind.

1. Verhaltensforschung und Rechtshandeln

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Handlungspotentialität beschaffen ist, die über eine streng erfahrungswissenschaftliche Konzeption durch empirische Beobachtung, Messung, Experiment entwickelt wird. W i r haben die Ebene von Aussagen über menschliche Handlungsmöglichkeiten zuerst über die Umformung realwissenschaftlicher Theorien erschlossen. Es zeigt sich, daß der Informationsgehalt derartiger Voraussagen nicht über deren theoretische Grundlagen hinausreicht, und das ist Handeln, wie es ist. Äußerlich erfahrbare Wirkungszusammenhänge des Sozialverhaltens werden theoretisch fortgeschrieben und als potentielle Verhaltensmuster erkennbar. Jedoch geht es nicht u m jene Handlungsmöglichkeit, die nach — hier: rechtlicher — Bestimmung und Bewertung sein soll. Empirische Sozialforschung kann nicht über die Sinnzusammenhänge belehren, die als Wertsysteme menschlich-gesellschaftliches Handeln vorschreiben. Entsprechend sagen „jurimetricists" selbst: "Scalogram analysis cannot t e i l us how the Court ought to decide future cases 32 ." I m Bereich des Normativen liegen überhaupt die Grenzen des Behaviorismus 33 . Uns interessiert aber nicht die Handlung, wie sie ist und wie eine Prognose aus dem Ist-Befund sie als zukünftig seiend bestimmt, sondern die Handlung, wie sie sein soll, hier von Rechts wegen. So ist festzuhalten, daß, wie aus dem „judicial decision making approach" nicht zu erkennen ist, was der Richter entscheiden soll, auch aus der Verhaltensforschung öffentlichen Verwaltens nichts zu den normativen Verhaltensmustern des administrativen Handelns zu sagen ist. Uber Sinnrelationen m i t Sollcharakter, über Wertsysteme läßt sich von der Grundlage eines Empirismus her nicht sprechen, ob er wissenschaftliche Aussagen nur akzeptiert, sofern sie erfahrungsmäßig bewährbar sind, oder nicht. Behaviorismus wie streng realwissenschaftliche Sozialforschung überhaupt erreichen die Dimension menschlichen Handelns nicht, auf die das Erkenntnisinteresse an Normativität zielt. Verwaltungswissenschaft, die etwa als Verwaltungsrechtslehre über das von Rechts wegen i n der öffentlichen Verwaltung Geltend-Gesollte aussagen w i l l , kommt m i t einem so positivistischen Wissenschaftsprogramm nicht aus. W i r müssen uns daher, nachdem über die empirische Betrachtung von Recht und Handeln nicht weit genug geholfen ist, dem Thema „Recht und Sprache" zuwenden. Es ist gemäß der Philosophie des Neopositivismus vor allem sprachanalytisch-logisch zu sehen.

32 Glendon Schubert , Quantitative Analysis of Judicial Behavior, S. 320; vgl. ferner S. Sidney Ulmer , Quantitative Analysis of Judicial Processes: Some Practical and Theoretical Applications, i n : L a w and Contemporary Problems, Jurimetrics, 1963, S. 164 ff. 33 Vgl. Mulford Q. Sibley , The Limitations of Behavioralism, a.a.O., S. 68 ff. 12 Speyer 46

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5. Kap.: Normativität des Verwaltungshandelns 2. Logikforschung u n d Rechtssprache

Sich i m Bereich der Jurisprudenz — als einer an normativen Verhaltensmustern interessierten Wissenschaft — m i t der Beziehimg von Logik, Sprache und Recht auseinanderzusetzen, veranlaßt, die hier vorgetragene Unterscheidung von Theorie und Praxis nochmals zu betonen. Die Probleme der Logik lassen sich an wissenschaftliche Reflexion und praktisches Handeln nicht unterschiedslos herantragen. Logik kann als Analyse wissenschaftlicher Aussagen Theorie der Wissenschaft sein. Das hat dazu geführt, daß sie als Wissenschaftslehre i n der Rechtswissenschaft vorgetragen worden ist 3 4 . Bedenkt man zudem, daß in der Jurisprudenz nicht hinlänglich zwischen Praxis, Theorie und Metatheorie geschieden wird, dann kann es dahin kommen, daß die Emanationen der Rechtspraxis an Ansprüchen gemessen werden, welche i n der neopositivistischen Philosophie selbst nur gegenüber wissenschaftlichen Aussagen erhoben werden. Die Äußerungen eines unter Entscheidungszwang stehenden Handlungssystems werden unvermittelt m i t Meta-Lehren zusammengehalten, welche die Grenzen wissenschaftlicher Entscheidbarkeit umstritten eng ziehen. W i r müssen deshalb die metatheoretische Fragestellung, ob Logik notwendige und dann hinreichende Bedingung für Rechtswissenschaft ist, abtrennen von dem Problem, was Logik i m Hinblick auf Sprache und Denken beim rechtspraktischen Handeln, insbesondere bei der juristischen Entscheidungsfindung leistet. Letzterem ist hier nachzugehen. Denn es interessiert, wie weit m i t der logischen Analyse einem Erkenntnisinteresse an der Normativität des Verwaltungshandelns entsprochen werden kann. Die Verwendung des Wortes Logik ist i n der Jurisprudenz ebenso beliebt wie vieldeutig. Sie reicht bis zur „komprimierten L o g i k " 3 5 . Entsprechend weit sind die Möglichkeiten für K r i t i k eröffnet 36 . Hier können die weitläufigen Gedankenwege um das verkürzt werden, was außerhalb der formalen Logik liegt: denn nur diese interessiert als Logik. Auch insoweit steht freilich bis heute Meinung gegen Meinung 3 7 . 34 So von Ulrich Klug, Juristische Logik, S. 1; vgl. dagegen Dieter Horn, Studien zur Rolle der L o g i k bei der Anwendung des Gesetzes, S. 19. 35 Vgl. etwa die Hinweise bei Wilhelm Scheuerle, Die L o g i k der L o g i k : Studien über logische Argumente u n d Methodenehrlichkeit i m juristischen Begründen, i n : Zeitschrift f ü r Zivilprozeß, 1965, S. 32 ff.; Ilmar Tammelo, Law, Logic, and H u m a n Communication, i n : Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1964, S. 335 f. 36 Vgl. schon Eugen Ehrlich, Die juristische Logik. 37 Vgl. die Übersicht bei Ulrich Klug, Juristische Logik, S. 9 ff.; ferner Spiros Simitis, Z u m Problem einer juristischen Logik, i n : Ratio, 1960, S. 52 ff.; als ein Beispiel aus der Einschätzung i n juristisch-methodischen Untersuchungen Friedrich Müller, N o r m s t r u k t u r u n d N o r m a t i v i t ä t : Z u m Verhältnis von Recht u n d Wirklichkeit i n der juristischen Hermeneutik, entwickelt an den Fragen der Verfassungsinterpretation, S. 40 ff.

2. Logikforschung u n d Rechtssprache

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E i n e s w i r d aber b e i n ä h e r e m Z u s e h e n d e u t l i c h : W e r d e n a u f d i e j u r i s t i sche E n t s c h e i d u n g bezogene Rechtsaussagen u n t e r e i n e r b e s t i m m t e n d e r m e h r e r e n L e h r e n ü b e r f o r m a l e L o g i k ü b e r p r ü f t , d a n n s t e l l t sich der p r a k t i s c h e S t e l l e n w e r t des Logischen i m Recht als g e r i n g h e r a u s 8 8 . D i e juristische P r o b l e m a t i k reicht ü b e r die G r u n d f o r m des j u r i s t i s c h e n Schlusses i m S i n n e e i n e r A n w e n d u n g d e r syllogistischen S c h l u ß f i g u r n a c h d e r t r a d i t i o n e l l e n L o g i k oder i m S i n n e d e r I m p l i k a t i o n s f o r m e l d e r m o d e r n e n L o g i k hinaus. Z u w e i t l ä u f i g e n Z u s a m m e n h ä n g e n z u gelangen, scheint i m B e r e i c h der g e n u i n e n Sprache jedoch k a u m m ö g l i c h . D i e j u r i s t i s c h e n A b l e i t u n g e n i m a l l t ä g l i c h e n Sprachgebrauch f ü h r e n „ v e r s c h w i e g e n e u n d v a r i i e r e n d e I n t e r p r e t a t i o n e n " m i t 3 9 . Angesichts der M ö g l i c h k e i t v e r d e c k t eingeschobener H i l f s v o r s t e l l u n g e n w i r d die s t r i n g e n t e logische N a c h p r ü f b a r k e i t f r a g l i c h . Solche U n v o l l k o m m e n h e i t d e r A l l t a g s s p r a c h e h a t auch f ü r die Rechtsprobleme d e n W e g z u der K u n s t s p r a c h e d e r m o d e r n e n L o g i s t i k gewiesen: z u r S y m b o l i s c h e n L o g i k . Sie ist h e u t e A u s g a n g s p u n k t f ü r d i e j u r i s t i s c h e L o g i k 4 0 . Z u Gegenständen logistischer U n t e r s u c h u n g e n i m B e r e i c h des Rechts w e r den: d i e I m p l i k a t i o n s f o r m e l als G r u n d f o r m des j u r i s t i s c h e n Schlusses, K l a s s e n s u b s u m t i o n u n d R e l a t i o n s s u b s u m t i o n , die Definitionslehre, 38 Vgl. als Untersuchungen auch m i t verschiedenen Ausgangspunkten Herbert Fiedler, Juristische Logik i n mathematischer Sicht: Einige Bemerkungen u n d Beispiele, i n : A r c h i v f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1966, S. 93 ff.; Winfried Hassemer, Tatbestand u n d Typus: Untersuchungen zur strafrechtlichen Hermeneutik, S. 17 ff.; Theodor Heller, L o g i k und Axiologie der analogen Rechtsanwendimg; Dieter Horn, Studien zur Rolle der Logik bei der Anwendung des Gesetzes; Wilhelm Scheuerle, Die L o g i k der L o g i k : Studien über logische Argumente und Methodenehrlichkeit i m juristischen Begründen, i n : Zeitschrift f ü r Zivilprozeß, 1965, S. 32 ff.; Spiros Simitis, Z u m Problem einer juristischen Logik, i n : Ratio, 1960, S. 52 ff.; ferner die von Egon Schneider, L o g i k für Juristen: Die Grundlagen der Denklehre u n d der Rechtsanwendung, gebrauchten Beispiele. 39 v g l . Theodor Viehweg, Topik u n d Jurisprudenz: E i n Beitrag zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, S. 56. 40 Vgl. etwa Herbert Fiedler, Ulrich Klugs juristische Logik, i n : Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1959, S. 439 ff.; ders., Juristische Logik i n mathematischer Sicht: Einige Bemerkungen u n d Beispiele, i n : Archiv für Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1966, S. 93 ff.; Winfried Hassemer, Tatbestand und Typus: Untersuchungen zur strafrechtlichen Hermeneutik, S. 17 ff.; Theodor Heller, L o g i k u n d Axiologie der analogen Rechtsanwendung; Dieter Horn, Studien zur Rolle der L o g i k bei der Anwendung des Gesetzes; Georges Kalinowski, Introduction à la logique j u r i d i q u e : Éléments de sémiotique juridique, logique des normes et logique juridique; Ulrich Klug, Juristische Logik; ders., Bemerkungen zur logischen Analyse einiger rechtstheoretischer Begriffe und Behauptungen, a.a.O., S. 115 ff.; ders., Die Verletzung von Denkgesetzen als Revisionsgrund, a.a.O., S. 363 ff.; Rupert Schreiber, Logik des Rechts; Spiros Simitis, Z u m Problem einer juristischen Logik, i n : Ratio, 1960, S. 52 ff.; Ilmar Tammelo, Outlines of Modern Legal Logic, S. 37 ff.; zur Existenzberechtigung der traditionellen L o g i k gegenüber der Logistik vgl. Karl Engisch, Aufgaben einer Logik und Methodik juristischen Denkens, in. Studium Generale, 1959, S. 76 ff.; i n den genannten Veröffentlichungen Nachweise insbes. auch zur ausländischen Literatur.

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Analogieschluß, Umkehrschluß, argumentum a fortiori, argumentum a maiore ad minus, argumentum a minore ad maius, argumentum ad absurdum, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und anderes mehr. Für unsere Überlegungen zum Erkenntnisinteresse an der Normativität des Verwaltungshandelns ist nicht i m einzelnen zu belegen, wie kurz die Sinnrelationen sind, die die logistische Forschimg zum Recht darlegt. Genau wie bei der Verhaltensschule des Rechtshandelns kommt es auf die prinzipielle Reichweite der Logistik zu den rechtsnormativen Verhaltensmustern an, und insoweit muß gegenüber Recht und Rechtslehre klargestellt werden, was Logik ist. Logik ist nach dem überwiegenden Verständnis traditioneller formal-logischer Studien zum Recht eine Denklehre außerhalb der Denkpsychologie 41 . Seltener w i r d i n der Jurisprudenz unter Logik bei den tatsächlichen psychischen Denkvollzügen angesetzt 42 . So knüpft die herkömmliche juristische Logik an den Stand der Logikforschung nach der Uberwindung des logischen Psychologismus insbesondere durch Husserl an. Aber wenn hiernach auch Denken als psychischer A k t ausgeschlossen ist, so bleibt doch Gegenstand der Logik die Beziehung von Gedanken. Logik befaßt sich mit Folgerichtigkeiten von Denkinhalten: Gedanken, die als zeitlose Gebilde aufgefaßt werden. Logik bedeutet Leistung des Denkens. Diese Grundlage w i r d verlassen, wenn juristische Logik gewisse Lehren der modernen Logik zum Ausgang ihrer Rechtsstudien nimmt und zu einer bestimmten Symbolischen Logik, Mathematischen Logik, Logistik wird. Denn damit w i r d Logik — wenn man einen absoluten Dualismus von Sprache und Denken nicht gelten läßt: jedenfalls i m Schwerpunkt — zu einer Leistung der Sprache 43 . Nicht psychische oder gedankliche Gebilde werden erforscht, sondern sprachliche Verlautbarungen. Hierbei wird, um die für das logische Schließen relevanten Ausdrücke nicht mit den Mehrdeutigkeiten der Alltagssprache zu behaften, eine Kunstsprache eingeführt. I n den Überlegungen zur juristischen Logik werden die Konsequenzen nicht immer deutlich gezogen, die aus der Anknüpfung bei einer bestimmten Logik folgen 44 . W i r müssen uns indes gerade für die 41 Z u r Untersuchung von Rechtserscheinungen nach der traditionellen Logik vgl. v o r allem Karl Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung. 42 Vgl. dazu Wilhelm A. Scheuerle, Rechtsanwendung, S. 26 f. 43 Juristische Untersuchungen beziehen sich vor allem auf Rudolf Carnap, vgl. insbesondere Einführung i n die symbolische Logik m i t besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung; i m übrigen die Literaturzusammenstellung bei Ulrich Klug, Juristische Logik, S. 20 f., der bei David Hilbert / Wilhelm Ackermann, Grundzüge der theoretischen Logik, anknüpft. 44 Vgl. die K r i t i k von Herbert Fiedler, U l r i c h Klugs Juristische Logik, i n : Archiv für Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1959, S. 440 f.; ferner ders., Besprechung zu: Rupert Schreiber, Logik des Rechts, i n : Zeitschrift f ü r die gesamte Strafrechtswissenschaft, 1963, S. 636.

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orschung und

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Leistung der Logistik interessieren und so zuerst die Dimensionen der Sprache deutlich machen, wenn w i r die Reichweite jener Sprachlogik zum Recht h i n kennzeichnen wollen. Ansatz ist das bekannte semiotische Modell 4 5 . Man kann es so darstellen: Sagt ein Mensch einem anderen etwas, dann weist jedes von i h m gebrauchte Wort eine dreifache Dimension auf. Erstens gehört das Wort einer Sprache als einem Gefüge von Zeichen an. Es besteht eine Beziehung zu den anderen Worten der Sprache, eine Relation zu dem gesamten Zeichensystem. Diese Dimension nennt man die syntaktische. Zweitens wollen Worte etwas Bestimmtes mitteilen. Worte meinen etwas. Was der Mensch sagt, hat Bedeutung. Zeichen haben also eine Beziehung zu dem Gegenstand, der damit gemeint wird. Es ist dies die semantische Dimension des Zeichens. Drittens w i r d das Wort von Menschen gesprochen und gehört. Es gibt eine Relation zwischen dem Wort und den Menschen, die es brauchen. Diese Beziehung heißt die pragmatische Dimension. Z u diesen drei Dimensionen des Wortes ist nun zu beachten, daß i n ihrem Verhältnis zueinander die pragmatische Beziehung die semantische und die syntaktische, die semantische Beziehung die syntaktische voraussetzt. Ein bedeutungsloses Sprachzeichen kann nicht der menschlichen Verständigung dienen, und damit ihm ein Sinn eignet, muß das Zeichen gewisse Beziehungen zum Sprachsystem haben. Hingegen kann man für eine bedeutungslose Sprache eine Syntax aufstellen. Demgemäß w i r d i n der Logistik Logik als Syntax betrieben, wo von dem abstrahiert wird, was die sprachlichen Ausdrücke meinen: worauf sich die Zeichen der Kunstsprache beziehen 46 . Formelsysteme der Kalküle werden durch Kombination der ausgewählten leeren Zeichen nach ebenso ausgewählten Kombinationsregeln entwickelt. M a n gelangt so zu Systemen von Formeln, die i n den einzelnen Systemen untereinander durch Umformungsbeziehungen zusammenhängen 47 . Nicht erfahrungsmäßig vorgegebene, sondern künstlich aufgebaute Systeme sind Gegenstand der Betrachtung. W i r brauchen hier die Vorstellung der logischen Syntax nicht weiter darzustellen. Es erhellt, daß mit der Analyse möglicher Anordnung der Zeichen, welche keinem Objekt zugeordnet sind, nach den ausgewählten Anordnungsregeln der Gegenstand der Rechtstheorie nicht erreicht werden kann. Recht w i r d m i t der bloßen logisch-syntaktischen Untersuchimg leerer Sprachzusammenhänge nicht erfaßt. Anders ist es, wenn man sich der semantischen Vgl. etwa J. M. Bochenski, Die zeitgenössischen Denkmethoden, S. 39 ff.; Alwin Diemer, Grundriß der Philosophie, Bd. I, S. 121 ff. 46 Vgl. insbesondere Rudolf Camap, Logische Syntax der Sprache; ferner Wolf gang Stegmüller, Das Wahrheitsproblem u n d die Idee der Semantik: Eine Einführung i n die Theorien v o n A . Tarski u n d R. Carnap, S, 174 ff. 47 Bela Juhos, Elemente der neuen Logik, S, 236,

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5. Kap.: Normativität des Verwaltungshandelns

Dimension der Sprache zuwendet und damit der Logik-Semantik (L-Semantik) 4 8 . Denn Recht ist ein sinnhaftes Phänomen. Sinnhaftigkeit von Recht und der von der L-Semantik erfaßte Sinn sind je für sich vielschichtige Probleme. I m Hinblick auf das Recht wäre schon zu überlegen, wo bei seiner Erforschung Sinn zu lokalisieren ist: ob Sinn das ist, was die Worte des Rechts bedeuten, und der i n der Bedeutung gemeinte Gegenstand die Norm ist, ob Sinn der Rechtszeichen die Rechtsnorm ist und der i n der Norm gemeinte Gegenstand das Handeln der Menschen, ob die Zeichen eine normative Bedeutung haben und der von der Norm gemeinte Gegenstand menschliche Handlung ist, welche sein oder nicht sein soll 4 9 . Für die L-Semantik läßt sich die Sinnfrage so vertiefen, daß das ganze Programm der Logistik aus der Ontologie i n Frage gestellt wird. Für unsere Absichten können w i r aber die grundlegende K r i t i k — wie sie neuerdings auch aus der Sicht der überlieferten Logik geübt w i r d 5 0 — aus ontologischen wie erkenntnistheoretischen Fragestellungen m i t Einschluß des Wahrheitsproblems beiseite lassen. Der Unterschied des von der L-Semantik erfaßten Sinns gegenüber den genuinen Sinnzusammenhängen rechtlicher Normativität zeigt sich bereits an der Problematik, die angesichts gegebener Verhältnisse i n der Formel von der „ W i l l k ü r der Logik" erfaßt ist. Es erweist sich nämlich gegenüber den sinnhaften Verhaltensmustern menschlichen Handelns, daß den logisch-semantischen Ableitungssystemen bestimmte Künstlichkeit eignet. W i l l man zu einem System einwandfrei logisch-semantisch wahrer Aussagen kommen, so muß man sich von den Unvollkommenheiten der genuinen Sprache lösen. Man muß wie i n der syntaktischen Dimension zur Kunstsprache finden. Die L-Semantik baut daher eine Objektsprache künstlich auf, etwa nach folgenden Bildungsregeln 51 : Es w i r d eine Tabelle der Zeichen gegeben, die i n der Objektsprache vorkom48 Vgl. insbesondere Rudolf Carnap, Introduction to Semantics and Formalization of Logic; ferner Wolf gang Stegmüller, Das Wahrheitsproblem u n d die Idee der Semantik: Eine Einführung i n die Theorien v o n A. Tarski und R. Carnap. 49 Vgl. die Zusammenstellung bei Luis Legaz y Lacambra, Rechtsphilosophie, S. 49 f. Die egologische Theorie w i r d anschaulich i n der Lehre: nicht das Gesetz werde interpretiert, sondern das menschliche Verhalten durch das Gesetz; vgl. Carlos Cossio, Panorama der egologischen Rechtslehre, i n : Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1952/53, S. 180; also: Recht hat nicht Sinn, sondern ist Sinn menschlichen Verhaltens. so Vgl. Bruno Baron von Frey tag gen. Löringhoff, L o g i k : I h r System und i h r Verhältnis zur Logistik. 5i Z u einem weiterreichenden Uberblick vgl. Wolfgang Stegmüller, Das Wahrheitsproblem u n d die Idee der Semantik: Eine Einführung i n die Theorien von A . Tarski u n d R. Carnap, bes. S. 99 ff.; zur folgenden Zusammenstellung vgl. Dieter Horn, Studien zur Rolle der Logik bei der A n w e n dung des Gesetzes, S. 37.

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men. Die Tabelle umfaßt die Zeichen für die Individuen — Gegenstände —, für die Prädikate — Beschaffenheiten — und die logischen Zeichen. Es werden Regeln aufgestellt, die besagen, welche Zeichenkombinationen als Sätze zugelassen werden. Da damit Bedeutung noch nicht erreicht ist, werden die Individuen und Prädikate den Zeichen zugeordnet, wodurch jedes Zeichen „festen" Sinn erlangt. Hinsichtlich der logischen Zeichen werden Wahrheitsregeln aufgestellt, die angeben, welche Verbindungen durch Operationsregeln zu wahren Aussagen führen. Letzte Vorstellung ist der Aufbau eines widerspruchsfreien und vollständigen axiomatischen Systems von Aussagen 52 . Es w i r d eine Klasse von Aussagen, die als Axiome fungieren sollen, aufgestellt Diese werden ohne Beweis i n das System aufgenommen. Daneben werden Schlußregeln festgelegt, nach welchen man i m System vorgehen soll. M i t diesen Schlußregeln werden dann aus den Axiomen neue Aussagen abgeleitet. Aus den neuen Aussagen werden i n derselben Weise wieder neue Aussagen abgeleitet, und derart geht es soweit wie nötig schrittweise fort. Insgesamt ergibt sich, daß die Systeme der Logik-Semantik m i t Hilfe einer Reihe von Festsetzungen künstlich gebaut werden. Die logischsemantischen Ableitungszusammenhänge sind nichts, was sich aus logischen Gründen von selbst fügt, sondern enthalten viele willkürliche Eingriffe. Umfängliche Bauten der L-Semantik sind nicht denkbar ohne eine Reihe von Dezisionen oder Konventionen der Systematiker. Schaut man etwa auf die Zuordnung der Individuen u n d Prädikate zu den Zeichen, dann kann man grundlegende erkenntnistheoretische Zweifel wie Bedenken gegenüber speziellen Verknüpfungsmethoden anmelden. Man kann etwa fragen, ob nicht letzten Endes immer die Anlehnung an die Umgangssprache erforderlich und damit deren Unsicherheit immer unvermeidbar sei. Aber wenn man, u m zu logisch wahren Zusammenhängen zu kommen, den Gedanken „fester" Bedeutungen zuläßt, dann ist dies nur über Elemente willkürlicher Entscheidung erreichbar. Es braucht den willkürlichen Eingriff i n genuine Bedeutungszusammenhänge, wenn man nach den Bildungsregeln der Kunstsprache Gegenstände und Beschaffenheiten den Zeichen exakt zuordnen w i l l . Schaut man dazu auf das Recht, dann weiß man aus der Rechtsgeschichte, wie wenig sich der Rechtssinn als fixiertes Verständnis des Gesetzes, fertig vorgegebene Bedeutung der Sollensordnung anbietet, und zwar auch, wenn man auf die sprachliche Dimension abstellt. Als Sinnproblematik sozialen Handelns w i r d uns solche Flexibilität gleich näher beschäftigen. Für das Verhältnis von Rechtssinn und L-Semantik ergibt sich folgende Konsequenz: 52 Vgl. etwa die E i n f ü h r u n g von J. M . Bochenski, Denkmethoden, S.73ff.

Die zeitgenössischen

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U m den Zusammenhängen eines logisch-semantischen Systems zu entsprechen, müßte der i m geltenden Recht gegebene Sinn nach den Festsetzungen angeordnet sein, denen die logisch-semantischen Ableitungen unterliegen. Davon könnte man nur ausgehen, wenn es i m menschlich-gesellschaftlichen Handeln, auf das sich das Recht bezieht, Naturgesetze gäbe. Diese Naturgesetze müßten entweder die logischen Systeme selbst sein oder jedenfalls deren Baugesetze. Nun lehrt nichts besser als die L-Semantik selbst, daß der alte Gedanke naturrechtlicher Einheit verloren ist. Denn aus der Sicht der Logistik geht es bei den logischen Systemen nicht u m einen allgemeinen vorgegebenen Zusammenhang, nicht u m etwas, das „Denkgesetz" wäre und so i m Recht seiner Natur nach eingeschlossen sein könnte, sondern u m auch w i l l k ü r lich Gebautes. Aus rein logischen Gründen wahr (L-wahr) sind die logisch-semantisch erstellten Aussagen nur i n einem bestimmten System (S): L - w a h r i n S, und dieses System unterliegt künstlichen Festsetzungen. So brauchen w i r hier gar nicht die Eigenart rechtlicher Sinnzusammenhänge zu verfeinern und ontologisch darüber Rechenschaft zu geben, wie jene Welt objektiver Ideen beschaffen ist, die zwar ein Produkt menschlichen Bewußtseins ist, die aber gleichwohl unabhängig von i h m existiert. Der bloße Umstand, daß die Instanzen, die an der Schaffung von Recht mitwirken, nicht m i t den Stellen identisch sind, die die für die logisch-semantischen Systeme erforderlichen dezisionistischen oder konventionalistischen Bestimmungen treffen, ergibt, daß mangels einer für die jeweils Beteiligten gemeinsamen und durchgängigen Zwangsläufigkeit der von der L-Semantik erfaßte Sinn und die Sinnhaftigkeit von Recht nicht gleich sein müssen. Die Arbeitsweisen der L-Semantik zeigen schon, daß die so geschlossenen Wahrheiten nicht die Wahrheiten des Rechts sein müssen. Die aus einem logisch-semantischen Ableitungssystem erschlossenen Bedeutungen entsprechen nicht zwangsläufig dem, was von Rechts wegen gemeint ist. Wenn logisch-semantische Systeme um der logischen Stringenz w i l l e n auf gewisse Festsetzungen angewiesen sind, dann ist auch zu verstehen, daß es bisher erst gelungen ist, kleinste Ausschnitte aus dem System des positiven Rechts m i t den M i t t e l n der Symbolischen Logik zu kalkülisieren. Man könnte deswegen daran denken, zu einer auch für das Recht geltenden Denklehre zurückzufinden, für die sich Logik nicht auf psychische Ereignisse bezieht, aber auch nicht Leistung der Sprache — einer Kunstsprache — ist, sondern für die Gegenstand der Logik „gewisse Eigenschaften und Beziehungen i n Sachverhalten, die gedacht werden" 5 3 , sind. N u n kann man durchaus die Reduktion logischer 53 Bruno Baron von Freytag gen. Löringhoff, L o g i k : I h r System u n d i h r Verhältnis zur Logistik, S. 13; vgl. dazu die Erwägungen v o n Karl Engisch, Aufgaben einer L o g i k u n d Methodik des juristischen Denkens, i n : Studium Generale, 1959, S.76ff.

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Leistungen auf ein positivistisches Sprachverständnis i n Zweifel ziehen. Aus der Sicht des Rechtshandelns, insbesondere des juristischen Entscheidungsprozesses, läßt sich aber nicht übersehen, daß auch Logik als Denklehre nach der traditionellen Forschung zum geltenden Recht und seiner Anwendung nur geringe Ergebnisse erbracht hat. Auch wenn man unter dem Begriff der Logik primär auf gewisse gedankliche Größen schaut, ändert sich nichts daran, daß man keine längeren logischen Zusammenhänge i n den m i t den Worten der geltenden Verfassungen, Gesetze, Verordnungen usw. gegebenen Bedeutungseinheiten erschließen kann. Andererseits ist die Suche nach einer semantischlogischen Dimension der i m Rechtsverkehr eingesetzten Texte nicht nur die Idee einiger Theoretiker. Der Wunsch nach einem axiomatischdeduktiven Zusammenhang des Rechts rührt allgemein aus der Vorstellung, die Unsicherheiten heutiger Rechtserkenntnismethoden durch ein System mittelbaren Erkennens — des Schließens von einem Satz auf einen anderen oder des Ableitens des zweiten Satzes aus dem ersten — zu ersetzen. Dieser Wunsch leitet unsere Gedankenführung in eine andere Richtung. Wenn nun die rechtsnormativen Systeme etwas sind, was nicht völlig außerhalb des Leistungsbereichs der Logik liegt, hingegen i m geltenden Recht nur kurze, nicht weitläufige oder gar abschließende Zusammenhänge von logischer Stringenz auszumachen sind, dann muß man überlegen, ob nicht logische Ableitungssysteme i n die rechtlichen Verhaltensmuster eingeführt werden können: Wenn das geltende Recht schon nicht von solcher Präzision ist, können w i r es dann nicht axiomatisieren oder wenigstens gewisse logisch-deduktive Zusammenhänge einschieben? Der Verwaltungspraktiker w i r d mit dieser Fragestellung an eine Forderung erinnert sein, die aus der öffentlichen Verwaltung erhoben wird. M i t ihr w i r d „automationsgerechte Gesetzgebung" verlangt. Und i n der Tat lassen sich die Probleme der Axiomatisierung von Recht mit denen der Entscheidungsfertigung m i t Hilfe elektronischer Datenverarbeitung zusammennehmen. Deswegen wollen w i r das Erkenntnisinteresse an der Normativität des Verwaltungshandelns i n einem Exkurs zum Thema der elektronischen Datenverarbeitung i n Recht und Verwaltung weiter klären. Damit w i r d die große praktische Bedeutung unserer Überlegungen zum Verhältnis logischer Systeme zu den Sinnzusammenhängen rechtlicher Verhaltensmuster i n der öffentlichen Verwaltung einsichtig. Der hochabstrakte Charakter manchen Schulstreits gerade zur Philosophie der Logik darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß mathematisch-logische Verfahrensweisen von großer Relevanz für unsere Lebenspraxis sind und zunehmend auch auf die Gestaltung administrativer Abläufe Einfluß nehmen werden.

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5. Kap.: Normativität des Verwaltungshandelns 3. E x k u r s : Elektronische Datenverarbeitung i n Recht u n d V e r w a l t u n g

E l e k t r o n i s c h e D a t e n v e r a r b e i t u n g i s t eine v o r d r i n g e n d e u n d bereits h e u t e v i e l f ä l t i g e E r s c h e i n u n g ö f f e n t l i c h e n V e r w a l t e n s : Dienstbezüge u n d R e n t e n w e r d e n berechnet u n d z a h l b a r gemacht, S t e u e r n berechnet u n d erhoben. Statistische A u f g a b e n w e r d e n i n d e n Bereichen des Personalwesens u n d des F i n a n z w e s e n s gelöst. E i n w o h n e r d a t e n w e r d e n gespeichert u n d f ü r W a h l e n , G e s u n d h e i t s k a r t e i e n , S t r a ß e n v e r k e h r s p r o b l e m e , W e h r e r f a s s u n g , Jugendpflege v e r a r b e i t e t . Technische B e r e c h n u n g e n w e r d e n f ü r das Vermessungswesen, f ü r S t a t i k i n H o c h - u n d Tiefbau, Kostenrechnungen f ü r die wirtschaftliche Betriebsleistung d u r c h g e f ü h r t , u n d vieles m e h r 6 4 . D i e m e i s t e n A n w e n d u n g s f o r m e n der e l e k t r o n i s c h e n D a t e n v e r a r b e i t u n g e r w e i s e n sich m i n d e s t e n s als i n d i r e k t e E n t s c h e i d u n g s h i l f e — angefangen b e i der w i c h t i g e n j u r i s t i s c h e n D o k u m e n t a t i o n 5 5 . H i e r interessiert enger das R e c h t s h a n d e l n selbst u n d d a m i t d i e u n m i t t e l b a r e maschinelle E n t s c h e i d i m g s f e r t i g u n g , u n d z w a r d e r rechtlichen Entscheidung, w i e sie n i c h t n u r f ü r d i e V e r w a l t u n g 5 6 , sond e r n auch f ü r andere j u r i s t i s c h e H a n d l u n g s s y s t e m e , w i e die G e r i c h t s b a r k e i t , u n t e r n o m m e n w i r d 5 7 . I m M i t t e l p u n k t des A u g e n m e r k s steht die R e c h t s a n w e n d u n g als a u t o m a t i s i e r t e Gesetzesausführung. 54 Vgl. zu einem Überblick Herbert Fiedler, Probleme der elektronischen Datenverarbeitung i n der öffentlichen Verwaltung, i n : Deutsche Rentenversicherung, 1964, S. 40 ff.; ders., Rechenautomaten i n Recht u n d V e r w a l tung, i n : Juristenzeitung, 1966, S. 690 ff.; Malte von Berg, Automationsgerechte Rechts- u n d Verwaltungsvorschriften, S. 12 ff.; f ü r den kommunalen Bereich noch Werner Jähnig, Zusammenarbeit der Gemeinden auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung, i n : Mitteilungen der K o m m u nalen Gemeinschaftsstelle f ü r Verwaltungsvereinfachung, J u l i 1968, S. 2; als ein ausländisches Beispiel Dennis G. Price / E. MulvihiU, The Present and Future Use of Computers i n State Government, i n : Public Administration Review, 1965, S. 142 ff. 55 Vgl. Herbert Fiedler, Perspektiven juristischer Dokumentation, Forschung u n d Textbearbeitung m i t Elektronenrechnern, i n : Neue Juristische Wochenschrift, 1968, S. 273 ff.; Spiros Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, a.a.O., S. 356 ff. m i t Nachweisen auch zur besonderen Problematik i m Bereich des Präjudizienrechts. 56 Dabei ist nicht über die möglichen Schwerpunkte des Computereinsatzes i n der öffentlichen gegenüber der privaten V e r w a l t u n g zu urteilen; vgl. dazu Niklas Luhmann, Recht u n d Automation i n der öffentlichen V e r w a l tung: Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung, S. 15 ff. Die rechtswissenschaftliche Aufmerksamkeit gilt freilich zuerst der rechtsverbindlichen Entscheidung gegenüber dem Bürger. 57 Z u einem Überblick vgl. noch Hans Peter Bull, V e r w a l t u n g durch Maschinen: Rechtsprobleme der Technisierung der Verwaltung; Herbert Fiedler, Rechenautomaten als H i l f s m i t t e l der Gesetzesanwendung, i n : Deutsche Rentenversicherung, 1962, S. 149 ff.; Ulrich Klug, Juristische Logik, S. 157 ff.; ders., Elektronische Datenverarbeitung i m Recht, a.a.O., S. 189 ff.; Ulrich Klug / Herbert Fiedler, Die Berücksichtigung der automatisierten Gesetzesausführung i n der Gesetzgebung, i n : Deutsche Rentenversicherung, 1964, S. 269 ff.; Spiros Simitis, Automation i n der Rechtsordnung — Möglichkeiten

3. Exkurs: Elektronische Datenverarbeitung in Recht u. Verwaltung 187 Hierzu muß vorab dargelegt werden, welche Klasse von Operationen der Informationsverarbeitungsmaschinen angesprochen ist. Es sind die deterministischen Operationen 58 . Es geht um nachrichtenverarbeitende Prozesse, welche von bestimmten Eingangsnachrichten ausgelöst werden, an gewisse Operationsmuster gebunden sind, auf Grund detaillierter Programmierung so eindeutig verlaufen, daß sie zu notwendig eindeutigen Ausgangsnachrichten führen — die lediglich vor Abschluß der Operationsfolge noch unbekannt sind. Die maschinelle Verknüpfung der Informationseinheiten folgt den Regeln der deduktiven Logik, wie sie auch für den folgernden und schließenden Menschen bestehen. Damit w i r d das Bindeglied zwischen Gesetzanwendung und elektronischer Datenverarbeitung deutlich: die formale Logik. Es braucht insoweit nicht beantwortet zu werden, ob man der Maschine die Fähigkeit des „logischen Denkens" zusprechen, von „bewußtseinsanalogen" Prozessen oder gar vom „Bewußtsein der Maschine" sprechen darf 5 9 . Wesentlich ist, daß die Maschinen nach formal-logischen Regeln aus bestimmten Prämissen eindeutige Konklusionen erzeugen. Deterministisch operierende Automaten sind als Maschinen zur Nachrichtenverarbeitung nach logischen Regeln zu erklären. Die in den Computer eingegebenen Informationen werden durch maschinelle Anwendung einer bestimmten Folge logischer Vollzüge zu einer neuen Information verarbeitet. Soll also eine rechtliche Regelung m i t Hilfe von Rechenautomaten durchgeführt werden, muß bei der logischen Grundfähigkeit der Maschine angeknüpft werden. Das heißt, es muß ein entsprechend formales Arbeitsverfahren entworfen werden, welches jeden der i n Frage kommenden Rechtsfälle der durch die rechtliche Regelung geforderten Entscheidung zuführt. Anschaulich w i r d dies bei der Programmierung nach rechtlichen Regelungen an dem juristisch formulierten Blockdiagramm. Unabhängig von einer bestimmten Maschinensprache oder Programmiersprache und deren Eigenarten stellen Blockdiagramme den logischen Zusammenhang des Arbeitsverfahrens zur Anwendung der betreffenden Rechtsregelung dar. Rechtstexte müssen i n einen logischen u n d Grenzen. Z u den zahlreichen nordamerikanischen Studien bietet die Zeitschrift Modern Uses of Logic i n L a w einen Zugang. Vgl. dort auch D.A.Kerimov, Future A p p l i c a b i l i t y of Cybernetics to Jurisprudence i n the U.S.S.R., 1963, S. 153 ff.; ferner zur ausländischen Entwicklung Viktor Knapp, Über die Möglichkeit der A n w e n d u n g kybernetischer Methoden i n Gesetzgebung u n d Rechtsanwendung, i n : Archiv f ü r Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1963, S. 45 ff. ; Luden Mehl, Les sciences juridiques devant l'automation: De la mécanisation de la documentation juridique à la machine à dire le droit, i n : Cybernetica, 1960, S.22ff., S. 142 ff. 58 Vgl. zu folgendem Herbert Stachowiak, Denken u n d Erkennen i m kybernetischen Modell, S. 85. 59 Vgl. Gotthard Günther, Das Bewußtsein der Maschinen: Eine Metaphysik der K y b e r n e t i k ; dazu Helmar Frank, K y b e r n e t i k u n d kybernetische Technik, a.a.O., S. 6 f.

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K a l k ü l gebracht werden, u m auf der Grundlage logischer Strukturen i m Computer verarbeitet werden zu können 6 0 . M i t der Möglichkeit so automatisierter Gesetzesausführung scheinen w i r vor der Verwirklichung alter rechts- "und staatsphilosophischer Gedanken zu stehen. Recht und Verwaltung werden der W i l l k ü r staatlicher Organwalter entzogen. Recht w i r d i n der exaktesten Weise vorhersehbar. Rechtlich richtiges Verhalten ist eine rechnerische Größe, die aus dem Gesetz widerspruchsfrei und zwingend geschlossen wird. Für die individuellen Eigenarten wie die sozialen Abhängigkeiten der handelnden Beamten ist kein Platz. Der juristische Entscheidungsprozeß bleibt unbeeinflußt von jenen Umständen, die die Verhaltensforschung zunehmend aufdeckt: gesellschaftlichem Hintergrund, Gruppenzugehörigkeit, Interessentendruck usw. Verwaltung w i r d i n strengster Bedeutung Vollzug der Gesetze. Dem Gesetzgeber gelingt der Durchgriff zu konkreten Handlungssituationen. Eine neue A r t unbeschränkter Demokratie erscheint einrichtbar. Verwaltung w i r d i n der Tat — und i n einem weiterreichenden Sinne als bei Hegel — zu etwas substantiell bereits Entschiedenem. W i r unterlassen es, solchen Vorstellungen die einzelnen Schwierigkeiten entgegenzuhalten, die gegenüber der automatisierten Gesetzesausführung, der Rechtsanwendimg durch elektronische Datenverarbeitung i n der Verwaltungspraxis erwachsen. Hinter der oft erhobenen Forderung nach „automationsgerechter Gesetzgebung" steht eine Vielfalt von Problemen 61 . Letztlich kommt es jedoch auf die Tragfähigkeit der formalen Logik als Bindeglied zwischen Gesetzesanwendung und elektronischer Datenverarbeitung an, und zwar von der Seite des Rechts her. Z u überlegen ist also wiederum: Können wir, da die geltenden Verfassungen, Gesetze, Verordnungen usw. offensichtlich nur in kleinsten Ausschnitten auf logische Strukturen zu bringen sind, neues Recht einführen, welches nach eben jenen Festsetzungen gebaut ist, die die logische Kalkülisierung und damit den Zugang zur „Denkmaschine" 60 Vgl. dazu u n d zur weiteren Darstellung der elektronischen Datenverarbeitung i n Recht u n d V e r w a l t u n g insbesondere Herbert Fiedler, Probleme der elektronischen Datenverarbeitung i n der öffentlichen Verwaltung, i n : Deutsche Rentenversicherung, 1964, S. 44ff.; Ulrich Klug, Juristische Logik, S. 157 ff.; unter den allgemeinen Einführungen vgl. etwa Ned Chapin, Einführung i n die elektronische Datenverarbeitung; Helmar Frank (Hrsg.), Kybernetische Maschinen: Prinzip u n d Anwendung der automatischen Nachrichtenverarbeitung; Friedrich Meiler/Ludwig Reinhardt u.a., Die elektronische Datenverarbeitung: Forschung — Anwendung — Ausbildung, hrsg. v o m Ausschuß f ü r wirtschaftliche Verwaltung. 61 Vgl. etwa Ulrich Klug / Herbert Fiedler, Die Berücksichtigung der automatisierten Gesetzesausführung i n der Gesetzgebung, i n : Deutsche Rentenversicherung, 1964, S. 269 ff. m i t weiteren Nachweisen

3. Exkurs: Elektronische Datenverarbeitung in Recht u. Verwaltung 189 eröffnen 62 ? Damit steht man wieder bei der Ausgangsfrage nach der Axiomatisierung des Rechts. Die Tragweite der Axiomatik i m juristischen Bereich ist umstritten 6 3 . Für die einen bringt erst die Anwendung der axiomatischen Methode die unserer fortgeschrittenen Zeit entsprechende Präzision in das Recht 64 . Für andere ist die „Utopie des juristischen Kalküls nach A r t moderner Logistik" der „letzte Schritt solchen Gesetzesdenkens, dessen Rechts-,anwendung' die Konflikte echter Wertungsfragen vermeiden möchte" 65 . Ein axiomatisches System sei ein von jeder Beziehung zur Praxis losgelöstes System. Die Rechtswissenschaft könne sich aber nicht auf abstrakte, unveränderliche, ein für allemal geltende Axiome gründen. Rechtswissenschaftliche Axiome seien stets nur das Ergebnis einer Wertentscheidung über einen konkreten Interessenkonflikt 66 . Dritte lassen Axiomatik und formale Deduktion für die Jurisprudenz als ein „von Fall zu Fall erborgtes Hilfsmittel" oder auch als ein „regulatives Prinzip", „an dessen Maßstab das eigene Vorgehen kritisch gemessen werden kann", gelten 67 . Die A r t der Diskussion macht es erforderlich, unsere Fragestellung m i t zwei Hinweisen nochmals klarzustellen: Erstens geht es nicht darum, ob die wissenschaftlichen Aussagen über Recht entsprechend einem bestimmten strengen Wissenschaftsverständnis i n logisch-deduktive Zusammenhänge gebracht werden können, sondern u m die Axiomatisierung des positiven Rechts, der Emanationen der Rechtspraxis. Zweitens werden Axiomatik und Deduktion nicht als die praktischen M i t t e l heutiger juristischer Entscheidungsfindung untersucht, vielmehr w i r d über deren Einführung i n das Recht nachgedacht. Insoweit liefert die Verbindung der Überlegungen zur Logik der Rechtssprache m i t denen zur elektronischen Datenverarbeitung einen grundsätzlichen Nachweis: Das Faktum des Computereinsatzes bei der Fertigung rechtlicher Entscheidungen i n der öffentlichen Verwaltung — z.B. steuerrechtlicher A r t — zeigt, daß es grundsätzlich möglich ist, es Einige der erforderlichen Festsetzungen werden deutlich bei Adalbert Podlech, Logische Anforderungen kybernetischer Systeme an ihre A n w e n dung auf Rechtssätze, i n : Der Betriebs-Berater, 1968, S. 106 ff. es Z u r axiomatischen Methode i m Hinblick auf den Systemgedanken i n der Jurisprudenz vgl. Karl Engisch, Sinn u n d Tragweite juristischer Systematik, i n : Studium Generale, 1957, S. 173 ff. 64 Vgl. insbesondere Ulrich Klug, Juristische Logik, S. 172 ff.; ferner Horst Neumann-Duesberg, Sprache i m Recht, S. 132 ff.; Ilmar Tammelo, Rechtsdogmatik u n d die mathesis universalis, a.a.O., S. 27 ff. 65 Josef Esser, Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen Fortbildung des Privatrechts: Rechtsvergleichende Beiträge zur Rechtsquellen- u n d I n t e r pretationslehre, S. 221. 66 Spiros Simitis, Z u m Problem einer juristischen Logik, i n : Ratio 1960, S. 76 ff., der indes die V e r w e r t i m g der Logik f ü r die Rechtswissenschaft nicht prinzipiell ablehnt. 67 Herbert Fiedler, Besprechung zu: Rupert Schreiber, Logik des Rechts, i n : Zeitschrift f ü r die gesamte Strafrechtswissenschaft, 1963, S. 638.

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nicht nur rechtliche Zusammenhänge i n einen logischen K a l k ü l zu bringen, sondern auch als Entscheidungsvorgänge i n das Rechtsleben der Verwaltung und der verwalteten Welt einzuführen, ohne daß insofern andere Denk- und Handlungsleistungen zu erbringen sind als die axiomatisch-deduktiven Ableitungen. Welche Hindernisse aus der Sicht des Rechts auch immer der maschinellen Entscheidimgsfertigung entgegenstehen, sie schließen es bereits heute nicht von vornherein aus, daß man die bestehenden Rechtszusammenhänge, welche sich als logische Strukturen verstehen lassen, aufgreifen und durch automatisierte Nachrichtenverarbeitung als juristischen Entscheidungsprozeß nutzen kann. Es ist daher möglich, nun zukünftig Rechtstexte nicht nur von vornherein nach den Festsetzungen der Logik-Semantik als künstliche Sprachmodelle zu entwerfen, sondern beschränkt allein auf die Leistung logischen Schließens für das juristische Handeln, die rechtliche Entscheidung i n der Verwaltungspraxis einzusetzen. M i t dieser prinzipiellen Feststellung ist freilich nichts über den Umfang der Axiomatisierbarkeit des Rechts ausgesagt. Wie bemerkt, ist bisher erst gelungen, kleinste Ausschnitte aus dem System des positiven Rechts logisch zu kalkülisieren. I m Hinblick auf den heutigen Computereinsatz könnte man fast meinen, es sei nicht viel mehr erreicht, als solche Entscheidungsvorgänge statt vom Menschen durch die Maschine durchführen zu lassen, die auf das Rechnen m i t numerischen Größen beschränkt seien 68 . Demgegenüber genügt es nicht, darauf zu verweisen, daß der moderne Rechenautomat nicht nur Zahlenrechnung, sondern mathematisch-logische Verfahren schlechthin — formales Operieren mit Symbolen nach strengen Regeln — erfaßt. Denn es geht nicht u m die mathematisch-logische Leistungsbreite des Computers, sondern u m die Möglichkeiten des Axiomatisch-Deduktiven — und dann entsprechender automatischer Informationsverarbeitung — i m rechtlichen Entscheidungsprozeß. Dazu erlaubt die Erfahrung mit der bisherigen Anwendung elektronischer Informationsverarbeitung i n der Verwaltungspraxis keinen weiterreichenden allgemeinen Schluß, als daß beim Rechtshandeln die Reduktion auf das Formal-Logische nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Gegenüber der prinzipiellen Möglichkeit rechtlicher Axiomatisierung gilt es nun, zu untersuchen, ob es ebenso grundsätzliche Begrenzungen logischer Leistungsfähigkeit und damit auch der Verwendung deterministisch arbeitender „Denkmaschinen" i m Recht gibt. Hierfür verweisen w i r auf Merkmale, die aus der Perspektive von Verwaltung und Recht 68 Die Beziehung von Mathematik u n d L o g i k w i r d nicht näher aufgegriffen, da hier v o m Recht her kommend auf die logische Leistung abzustellen ist. Vgl. als Beitrag zum Hintergrund der juristischen Diskussion Herbert Fiedler, Mathematik u n d moderne Logik, i n : Archiv f ü r Rechtsu n d Sozialphilosophie, 1961, S. 553 ff.

3. Exkurs: Elektronische Datenverarbeitung in Recht u. Verwaltung 191 augenfällig sind. Darüber hinaus gibt es andere wichtige Gesichtspunkte, die außer Betracht bleiben. So besteht z. B. nach wie vor das erkenntnistheoretische Problem der Zuordnung der Gegenstände und Beschaffenheiten zu den Zeichen. Insbesondere gibt es aber i m logischen Bereich selbst unüberschreitbare Grenzen. Nicht alles läßt sich i n formalisierte Demonstrationen auflösen. Spätestens etwa bei den unentscheidbaren Aussagen enden die Möglichkeiten logischer Deduktion und entsprechender Anwendung der elektronischen Automaten 6 9 . Diese und andere — theoretisch oft umstrittenen — Beschränkungen sind auch i m Hinblick auf das Rechtshandeln i n der öffentlichen Verwaltung zu beachten. Indes sind nicht nur aus der Lehre von der Logik selbst, sondern ebenfalls aus der juristischen Methodenforschung und der Sozialforschung zu Recht und Verwaltung für die juristischen Handlungsabläufe wichtige Grenzlinien von Axiomatik und Automation bereits deutlich geworden. Hierfür muß zunächst die problematische Trennimg zwischen Rechtsetzung und Rechtsanwendung hintangesetzt werden — ohne freilich damit anzunehmen, daß die Norm erst i n der Entscheidung entstehe — und auf den Gesamtablauf rechtspraktischen Handelns geschaut werden. A m Anfang des logisch-deduktiven Systems stehen die Axiome, jene Klasse von Aussagen, auf die alle anderen Sätze zurückgeführt werden können. Sie werden i n das System aufgenommen, ohne aus i h m begründbar zu sein. Zudem muß es unmöglich sein, sie aus anderen Axiomen abzuleiten. Anderenfalls wären sie überflüssig. Solche notwendige Unabhängigkeit macht die Auswahl der Axiome logisch w i l l kürlich. I n juristische Entscheidungsvorgänge können sie indes rechtlich nicht ebenso w i l l k ü r l i c h eingeführt werden. K e i n i n heutiger historischer Situation Handelnder könnte rechtliche Prämissen menschlichen Entscheidens setzen, ohne nicht selbst vom Recht gebunden zu sein. Man denke etwa an die Verankerung der Menschenrechte i m Staatsrecht und i m Völkerrecht. Nur eine Naturrechtslehre, welche die Grundaussagen des Rechts i m Sinne logisch-semantischer Festlegung als vorgegeben ansieht, könnte indes darauf verzichten, sich u m die Einführung der Axiome, und zwar von Rechts wegen, zu bekümmern. Wer i m Studium der Natur solche Anordnungen nicht beobachtet, muß den Anfang rechtlich richtigen Handelns selbst gewinnen. Damit ist er auf juristische Leistungen verwiesen, die außerhalb des Logisch-Deduktiven liegen. Entsprechend bedarf der Einsatz elektronischer Automaten i m rechtlichen Entscheidungsprozeß vorab einer juristischen „Informa69 Vgl. dazu Ulrich Klug, Juristische Logik, S. 171; Herbert Stachowiak, Denken u n d Erkennen i m kybernetischen Modell, S. 86; Wolf gang Stegmüller, UnVollständigkeit u n d Unentscheidbarkeit: Die metamathematischen Resultate von Gödel, Church, Kleene, Rosser u n d ihre erkenntnistheoretische Bedeutung.

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tionsverarbeitung", die sich mittels determinierter Operationen nicht leisten läßt. M i t dieser normativen Grenze des axiomatischen Aufbaus sind aber schon weitere Schranken logischer Leistungsfähigkeit errichtet. Die gegebenen Rechtsbindungen schließen die Unverträglichkeiten des sozialen Konflikts ein — d e n Gegensatz zu den Rechten Dritter und der Öffentlichkeit —. Logisch-künstliche Einheit i m Recht mit verträglichen Axiomen gleichsam als Grundnormen w i r d unerreichbar. Nicht alles Recht läßt sich auf einen geschlossenen Zusammenhang zurückführen. Allenfalls ist eine Mehrheit von Ableitungssystemen i m Recht einrichtbar. Geht man dann vom Vorhandensein mehrerer axiomatischdeduktiver Zusammenhänge aus, so ist es die Kollision dieser Systeme untereinander, die die Geschlossenheit der logischen Kalkülisierung des Rechts bricht. A u f die Grenzen der axiomatischen Methode beim Aufbau und i m Verhältnis von logischen Systemen i m Recht hat vor allem die Lehre von der topischen Struktur der Jurisprudenz als einer Techne des Rechtsdenkens als Problemdenkens aufmerksam gemacht 70 . Die systemimmanenten Fraglichkeiten der Axiomatik sind bei der Untersuchung von Automation und Recht 71 , besonders auch durch die Verwaltungsforschung 72 , sichtbar geworden. I n öffentlich eingerichteten juristischen Entscheidungssystemen w i r d gegenüber einer hochkomplexen Umwelt i n einer nicht überschaubaren Zahl von Einzelfällen gehandelt. Diese soziale Wirklichkeit ändert sich zudem ständig zu neuen unvorhersehbaren Zukunftsfällen. Die Besonderheiten der singulären Fälle konfrontieren mit immer anderen Interessenkonflikten. Durch den unablässigen gesellschaftlichen Wandel werden Probleme neuartiger Handlungssituationen eingeführt. Daseinsbedingungen und Anforderungen gewandelter Welt werden an Handelnde unter Entscheidungszwang heran70 Vgl. Theodor Viehweg, Topik u n d Jurisprudenz: E i n Beitrag zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, S. 55 ff.; zusammenfassend zur K r i t i k u n d Gegenkritik der Topiklehre einerseits Uwe Diederichsen, Topisches u n d systematisches Denken i n der Jurisprudenz, i n : Neue J u r i stische Wochenschrift, 1966, S. 697 ff.; andererseits Norbert Horn, Z u r Bedeutung der Topiklehre Theodor Viehwegs f ü r eine einheitliche Theorie des juristischen Denkens, i n : Neue Juristische Wochenschrift, 1967, S. 601 ff. 71 Vgl. insbesondere die Arbeiten v o n Spiros Simitis, Rechtliche A n w e n dungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, a.a.O., S. 351 ff.; ders., A u t o mation i n der Rechtsordnung — Möglichkeiten u n d Grenzen. 72 Vgl. Niklas Luhmann, Recht und Automation i n der öffentlichen Verw a l t u n g : Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung. Luhmann, S. 35 ff., stellt i m Anschluß vor allem an die Arbeiten v o n Herbert A. Simon, vgl. i m vorliegenden Zusammenhang Herbert A. Simon/Allen Newell What have Computers to do w i t h Management?, a.a.O., S. 45 f., auf konditionale Programmierung ab. Hier w i r d — anknüpfend bei dem Umstand, daß die i n Frage stehenden Maschinen Informationen auf G r u n d logisch-deduktiver Leistung verarbeiten — nicht auf Bedingtheit, sondern auf Bestimmtheit gesehen und von deterministischen Operationen gesprochen. Vgl. Herbert Stachowiak, Denken u n d Erkennen i m kybernetischen Modell, S. 85.

3. Exkurs: Elektronische Datenverarbeitung in Recht u. Verwaltung 193 getragen, für die das Non-liquet nicht zugelassen ist. U m gegenüber solchen Bedürfnissen funktionsfähig zu bleiben, braucht es flexibler Zusammenhänge: anpaßbar zu individualisierender Berücksichtigung des Einzelfalles, anpaßbar zur veränderten Behandlung des Zukunftsfalles. Der herkömmliche juristische Entscheidungsprozeß erfüllt diese Voraussetzungen i m hohen Maße. Rechtliche Zusammenhänge erweisen sich als flexibel. Die Mehrdeutigkeit rechtlicher Entscheidungsregeln zusammen mit der Unbestimmtheit juristischer Methoden ermöglichen, die individuelle Vielfalt der Handlungssituationen zu erfassen und dazu Fälle einer ungewissen Zukunft zu erreichen. Die generell-abstrakten Normen mit Einschluß der Anweisungen des Gesetzgebers sind von solcher Mehrdeutigkeit, daß sie i m Hinblick auf Eigenarten des Einzelfalles konkretisiert werden können. Recht ist so unbestimmt, daß es ermöglicht, Lücken wegen geänderter sozialer Verhältnisse zu schließen. Recht ist eine Erscheinung der Gesellschaft und wandelt sich m i t ihr — wenn vielleicht auch zögernd. Der juristische Entscheidimgsprozeß zeichnet sich durch die Leistung aus, bei relativ unsicheren Entscheidungsprämissen und relativ unbestimmtem Entscheidungsablauf zu bestimmtem Verhalten und sicheren Ergebnissen zu gelangen — also durch „Absorption von Unsicherheit" und „Reduktion von Unbestimmtheit" 7 3 . Jene Unsicherheiten und Unbestimmtheiten eröffnen die Beweglichkeit, welche als Flexibilität i m juristischen Entscheidungsverhalten gegenüber komplexen und fluktuierenden Umweltbedingungen erforderlich ist. Demgegenüber ist das einmal aufgebaute axiomatische Ableitungssystem und die auf der Grundlage deduktiver Logik arbeitende Maschine inflexibel. Aus genauen Prämissen werden nach präzisen Abläufen notwendige — vor Ende der Ableitungsfolge allenfalls unbekannte — Ergebnisse geschlossen. Von eindeutigen Eingangsnachrichten ausgelöst, werden vom Automaten nach eindeutiger Programmierung eindeutige Ausgangsnachrichten erarbeitet. Es geht u m deterministische Operationen: Unsicherheit und Unbestimmtheit als offene Stellen für flexibles Entscheidungsverhalten sind ausgeschlossen. Wollte man Axiomatik und Automation i n vollkommener Weise einrichten, dann müßte man versuchen, durch die Verfeinerung des logischen Systems und durch entsprechend detaillierte Programmierung der Maschine die Vielfalt der Handlungssituationen m i t allen i n der Zukunft möglichen Fällen zu erfassen. Mangelnde Überschaubarkeit der sozialen Welt und Vorhersehbarkeit des sozialen Wandels beschränken indes das Vorstellbare. 73 Niklas Luhmann, Recht u n d Automation i n der öffentlichen Verwaltung: Eine verwaltungßwissenschaftliche Untersudiung, S. 56 ff.

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W i r sind sonach auf eine systemimmanente Grenze der Axiomatisierung des Rechts und der rechtlichen Entscheidungsfertigung durch elektronische Datenverarbeitung hingewiesen, die man nicht einfach als „Folgenproblem" behandeln kann 7 4 . Z u Wieners Satz: „Die Rechtsprobleme sind kommunikativ und kybernetisch, d. h. sie sind die Probleme der geordneten und wiederholbaren Regelung gewisser kritischer Situationen" 7 5 , ist jedenfalls i m Bereich deterministischer Operationen zu sagen, daß die Funktionsfähigkeit juristischer Entscheidungssysteme gerade i n der Flexibilität von Ungewißheit und Unbestimmtheit liegt, aus der es i n rechtlichen Zusammenhängen gelingt, zu bestimmtem Handeln und gewissen Entscheidungen zu finden 7 6 . Axiomatik und Automation werden vor allem i n solchen Rechtsgebieten einsetzbar sein, die sich schon heute durch Kontinuität der Verrichtung, enge Bewegungsspielräume, Handlungswiederholungen, gleichförmige Verhaltensweisen kennzeichnen, die m i t „logischer Routine" 7 7 bearbeitet werden. Damit w i r d unter den öffentlich eingerichteten Handlungssystemen die Verwaltung zum Thema. Formularmäßige Erfassungen und uniforme Handlungsabläufe werden bei ihr schon durch die Massenhaftigkeit vieler Vorgänge erzwungen. Demgemäß hat sich maschinelle Informationsverarbeitung i n den Großverwaltungen von Sozial- und Steuerbehörden durchsetzen können. Entsprechend nachdrücklich w i r d das Verhältnis von Technisierung der Verwaltung zu Verwaltungsrecht erörtert: inwieweit die Verwendung von Maschinen als M i t t e l zum Verwalten i m geltenden System des Verwaltungsrechts einen Platz findet. Ausgangspunkt der Diskussion ist, daß das Verwaltungsrecht den Menschen i n der Verwaltung voraussetze, staatliche Tätigkeit menschliche Tätigkeit sei, Verwaltung sich stets i n menschlichen Handlungen äußere. Von der Überlegung her, daß der Verwaltungsakt bis zum Verlassen des verwaltungsinternen Bereichs vom Willen des Menschen getragen werden müsse, w i r d die Maschine zum Problem, welche in einer rechtlich relevanten Phase von dem Willen der in der Verwaltung tätigen Menschen unabhängig w i r d und i n diesem Bereich den Amtsträger ersetzt, das heißt: die Verwaltungsentscheidung vermittels „verwaltungsintensiver" Maschinen m i t dem totalen oder partiellen Fehlen 74 V o n dem Adalbert Podlech, Logische Anforderungen kybernetischer Systeme an ihre A n w e n d u n g auf Rechtssätze, i n : Der Betriebs-Berater, 1968, S. 106, spricht. 75 Mensch u n d Menschmaschine: K y b e r n e t i k u n d Gesellschaft, S. 107. 7 ® Spiros Simitis, Automation i n der Rechtsanwendimg — Möglichkeiten u n d Grenzen, S. 23, bemerkt insoweit zutreffend: „Die Chance der Gerechtigkeit liegt deshalb, so paradox dies auch klingen mag, nicht i n der Vorhersehbarkeit, sondern i n der Ungewißheit der richterlichen Entscheidung." 77 Vgl. Herbert Fiedler, Rechenautomaten als H i l f s m i t t e l der Gesetzesanwendung, i n : Deutsche Rentenversicherung, 1962, S. 151 ff.; Niklas Luhmann, Lob der Routine, i n : Verwaltungsarchiv, 1964, S. 1 ff., untersucht unter dem Begriff des Routineprogramms Bestimmtheiten des bedingten Handelns.

3. Exkurs: Elektronische Datenverarbeitung in Recht u. Verwaltung 195 der „menschlichen Kontrolle und damit auch der Zurechenbarkeit zu einem konkret hinter der Entscheidung stehenden Menschen" 78 . Ohne dieser Gedankenführung und den weiter gezogenen Schlußfolgerungen näher nachzugehen, erhellt, was entgegenzuhalten ist: daß nämlich für den heutigen rechtspraktischen Computereinsatz i n der öffentlichen Verwaltung von Unabhängigkeiten, fehlenden Kontrollen und Zurechenbarkeiten nicht die Rede sein kann 7 9 . Die maschinelle Verknüpfung der Informationseinheiten erfolgt m i t der präzisen Bestimmtheit logischer Zusammenhänge als — wie hier gesagt w i r d — deterministische Operationen und ist daher genauestens auf menschliches Handeln zurückführbar. Es bleibt das vielfältige Problem der Leistungsverteilung zwischen automatischer Datenverarbeitung und dem handelnden Beamten: der Arbeitsteilung i m Mensch-Maschine-System 80 . Aufmerksam gemacht sei, daß es sich insoweit nicht bloß u m eine Binnenproblematik der Verwaltung handelt. Eine Fülle von den Bürger betreffenden Rechtsfragen w i r d sich aus einem stärkeren Einsatz elektronischer Automaten ergeben. Man denke nur an die beweisrechtlichen Gesichtspunkte 81 . Für den vorliegenden Zusammenhang ist vor allem bedeutsam, daß w i r nach den bisherigen Erfahrungen eine Entwicklung, i n welcher die Maschine den Menschen als Handelnden aus der Verwaltung heraus und i n andere juristische Entscheidungssysteme — i n eine Gesetzgebung, die Programmbücher ausgibt — drängt, nicht zu erwarten haben. Freilich darf man den Anteil des Schematisierbaren i m Recht nicht zu gering einschätzen. Formularmäßige Erfassung und uniforme Abwicklung von Rechtsfällen sind nicht nur eine Äußerlichkeit insbesondere des Verwaltungsrechts. Sie sprechen eine spezifische Eigenart des Rechts überhaupt an. Recht ist eine Erscheinimg des menschlichen Lebens, die man i m Hinblick auf existenzphilosophische Einsichten als 78

Vgl. Karl Zeidler, Über die Technisierung der Verwaltung: Eine E i n führung i n die juristische Beurteilung der modernen Verwaltung, bes. S. 5, S. 12 ff.; ders. auch „Verwaltungsfabrikat" u n d Gefährdungshaftung, i n : Deutsches Verwaltungsblatt, 1959, S. 681 ff. 7 » Vgl. Hans Peter Bull, V e r w a l t u n g durch Maschinen: Rechtsprobleme der Technisierung der Verwaltung, S. 63 ff.; Werner Maaß, Z u r Frage der H a f t u n g u n d Verantwortlichkeit i m Bereich der automatischen Datenverarbeitung, i n : Deutsches Verwaltungsblatt, 1961, S. 7 ff.; Klaus Müller-Heidelberg, Verwaltungsrechtliche Probleme des „maschinell hergestellten" Verwaltungsakts?, i n : Deutsches Verwaltungsblatt, 1961, S. 11 ff.; Gerhard Voss, Die mechanisierte Steuerveranlagung, i n : Der Betriebs-Berater, 1960, S. 699 ff.; als Entgegnung Karl Zeidler, Z u r „Technisierung der Verwaltung", i n : Deutsches Verwaltungsblatt, 1961, S. 493 f. 80 Einige Bemerkungen dazu bei Niklas Luhmann, Recht u n d Automation i n der öffentlichen Verwaltung: Eine verwaltungswissenschaftliche U n t e r suchung, S. 71 ff. 81 Vgl. Hans Peter Bull, V e r w a l t u n g durch Maschinen: Rechtsprobleme der Technisierung der Verwaltung, S. 167 ff. m i t Nachweisen. 13*

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etwas bezeichnen muß, das die individuelle Handlungssituation sozialtypisch mißt. Es w i r d demgemäß vom Existenzialismus als etwas Mechanisches angesehen. Recht schöpft die einzigartige Tiefe menschlicher Existenz nicht aus. Der individualisierenden Rücksichtnahme von Rechtsregelungen auf die Merkmale des Einzelfalles werden heute schon sehr enge Schranken gezogen. Man schaue gerade i m vorliegenden Zusammenhang auf die automatische Verkehrsregelung durch Ampelanlagen 82 . Es läßt sich nicht absehen, unter welche undifferenzierten Handlungszwänge der Mensch der industriellen Gesellschaft noch gestellt werden wird. Jedoch muß sich Recht i m Grunde jenes erforderliche Maß an Offenheit bewahren, welches es i n den komplexen und sich wandelnden Abläufen sozialen Verhaltens funktionsfähig erhält. Die Anpassung an die Besonderheiten unüberschaubarer und unvorhersehbarer Einzelfälle muß i n einem der öffentlich eingerichteten rechtlichen Handlungssysteme vollzogen werden. Schaut man auf die Bedeutimg von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen i m geltenden Verwaltungsrecht, dann scheint diese Aufgabe einer öffentlichen Verwaltung mehr und mehr zuzuwachsen, welche m i t immer differenzierteren Daseinsbedingungen und wachsenden Anforderungen der sich wandelnden Umwelt konfrontiert wird. Die maschinelle Fertigung von Rechtsentscheidungen w i r d so zu einem Unternehmen, die Verwaltungsleistung mindestens konstant zu erhalten 83 .

4. Verwaltungsrechtslehre

Das Faktum elektronischer Datenverarbeitung i n Recht und Verwaltung lehrt, daß sich Ausschnitte verwaltungsrechtlicher Sinnzusammenhänge nicht nur i n logische Strukturen bringen, sondern beschränkt auf logische Leistungen als juristische Entscheidungsvorgänge i n der öffentlichen Verwaltung einrichten lassen. Durch die Fragen nach der Auswahl der Axiome, nach den Kollisionen angesichts von Systemmehrheiten und nach sozialangemessener Flexibilität werden demgegenüber einige von den Grenzen der Axiomatisierung des Rechts und deterministisch operierender Maschinen deutlich. M i t formalen Demonstrationen nach der A r t logischer Deduktion allein werden die Phänomene des Rechtslebens und die Funktionen des rechtlichen Entscheidungsprozesses i n der öffentlichen Verwaltung nicht voll ausgefüllt. Recht hat Dimensionen, die Logik nicht erfaßt. Selbst das Thema 82 Z u einem Überblick über die juristische Diskussion dieses „BefehlsRoboters" vgl. Hans Peter Bull, V e r w a l t u n g durch Maschinen: Rechtsprobleme der Technisierung der Verwaltung, S. 93 ff. 83 Vgl. Niklas Luhmann, Recht u n d Automation i n der öffentlichen Verwaltung: Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchung, S. 9.

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der Rechtssprache ist keineswegs erschöpft, wenn man lediglich auf deren logische Erforschung abstellt. Man muß neben der syntaktischen und der semantischen Beziehung der Sprache die dritte Dimension i m semiotischen Modell berücksichtigen: die pragmatische Beziehung, die Beziehung zwischen dem Wort und den Menschen, die es brauchen. Hier heißt es aus der Sicht der Symbolischen Logik etwa: „Es ist klar, daß die Pragmatik nicht i m angegebenen Sinn eine reine Wissenschaft sein kann, da m i t der Berücksichtigung der Eigenart des Sprechenden notwendig auch empirische Faktoren (physiologische Vorgänge beim Sprechen, historisch feststellbare Sprachgewohnheiten usw.) untersucht werden müssen" 84 : Eine solche Untersuchimg müsse stets auch empirisch sein, da die Berücksichtigung der Eigenart des Sprechenden nur auf Grund empirischer Feststellungen möglich sei. Damit w i r d für die Sprache als solche einsichtig, daß auch ihre Funktion nicht allein aus logischen Zusammenhängen erfaßbar ist 8 5 . Weiter läßt sich das Thema „Sprache und Recht" keineswegs mit logischen Analysen abschließend bearbeiten. Und schließlich ist das Recht als solches nichts, was man ganz auf den von der Logik erreichbaren Sinn verkürzen kann. Recht ist etwas von höchst „pragmatischer" Beziehung. Das zu beachten, ist gerade i m Hinblick auf die Automatisierung und Axiomatisierung i n Recht und Verwaltung von Bedeutung. I n der Verwaltungspraxis zeigen sich bei der Einführung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen alsbald die Grenzen, die einer Vorstellung, daß jede A r t von Rechtsanwendung i n der öffentlichen Verwaltung automatisierbar sei, entgegenstehen. Aber auch bei der notwendigen Auseinandersetzung der Verwaltungstheorie mit den Ergebnissen der modernen Logik darf sich nicht — unkritisch — etwas vom alten Harmoniegedanken des Naturrechts einstellen: Man müsse nur für klare logische Verhältnisse i m Recht sorgen, und dann würden sich alle Verwaltungsprobleme zu guter Ordnung geben. Wie wenig die Logik i n diesem Sinne eine „heile Welt" ist, kann man mit der einfachen Frage zeigen, welche der verschiedenen Logiklehren denn eigentlich die „leges naturae" anbiete. Unter dem Sammelbegriff der Logik finden sich die verschiedensten Richtungen, und auch die Mathematische Logik kann nicht einfach m i t dem Neopositivismus i n eins 84 Wolf gang Stegmüller, Das Wahrheitsproblem u n d die Idee der Semantik: Eine Einführung i n die Theorien v o n A . T a r s k i u n d R. Carnap, S. 42; auch ders., Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, S. 414; ferner Rudolf Carnap, Einführung i n die symbolische L o g i k m i t besonderer Berücksichtigung ihrer Anwendung, S. 78 f.; Bela Juhos, Elemente der neuen Logik, S. 17. 85 Z u r Reichweite der Sprachforschung vgl. etwa Benjamin Lee Whorf, Sprache, Denken, W i r k l i c h k e i t : Beiträge zur Metalinguistik u n d Sprachphilosophie.

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gesetzt werden. Die Methodologie steht heute vor dem neuen Problem, welches unter den zahlreichen Systemen der Logik als Grundlage der Axiomatisierung dienen soll. Das heißt die Relativität der logischen Grundlagen. Die Relativierung der mathematisch-logischen Systeme führt zu der Frage: „ U m zu beweisen, muß man ein logisches System voraussetzen; nun gibt es aber viele solcher Systeme. Welches soll gewählt werden?" Als A n t w o r t liest man: „dasjenige, das am leichtesten ohne Widerspruch das Gebiet zu axiomatisieren erlaubt." Und: „Zudem spielen auch noch aesthetische Motive eine Rolle . . . 8 6 ." Wenn angesichts dieser Sachlage Methodologen darauf hinweisen, daß voreilige philosophische Schlüsse i m Sinne eines vollständigen Relativismus, ja Skeptizismus nicht angebracht seien, so bleibt doch, daß man sich nicht nur mit den systemimmanenten, sondern auch m i t den ontologischen und erkenntnistheoretischen Problemen der jeweiligen Logiklehre auseinanderzusetzen hat. Gerade für Verwaltung und Recht kann es nicht unerheblich sein, wenn aus der Sicht der intuitionistischen Logik heutigen Logiklehren vorgeworfen wird, daß sie auf der Ontologie einer an sich seienden, fertigen Welt gegründet seien 87 . So zeigt der Umstand, daß etwa die Quantenmechanik auf Grund der einen Logik nicht ohne Widerspruch, auf Grund einer anderen Logik ohne weiteres widerspruchsfrei axiomatisierbar ist, ein Doppeltes: Erstens erhält die Fragestellung nach der Axiomatisierbarkeit von Recht und Verwaltung als etwas Zuleistendes einen besonderen Sinn. Zweitens w i r d auf der Ebene der Wissenschaft der Absolutheitsanspruch solcher Wissenschaftsphilosophien fragwürdig, die eine Logik als die allein maßgebliche Metatheorie ausgeben. Verwaltungswissenschaft w i r d sich — nimmt man nun zu den Unsicherheiten der erfahrungswissenschaftlichen Basis noch die Relativität der logischen Grundlagen — an das Wissenschaftsprogramm des logischen Empirismus kaum gebunden sehen, wenn sie m i t der Frage konfrontiert wird, nach welchen Bedingungen i n den komplexen Sinnzusammenhängen menschlich-gesellschaftlichen Lebens verwaltungsrechtliche Verhaltensmuster als logisch-deduktive Strukturen formuliert werden können. Darüber Auskunft zu geben, erfordert mehr, als durch behavioristische Beobachtung, Messung und Experiment zu erfahren und durch logische Sprachanalyse zu begründen ist. Verwaltungswissenschaftliche Untersuchungen, die nach „Konditionalprogrammen" i m juristischen Entscheidungshandeln 88 , die nach der „Schematisierbarkeit als Grundlage der J.M. Bochenski, Die zeitgenössischen Denkmethoden, S. 87. Vgl. dazu Lothar Philipps, Rechtliche Regelung u n d formale Logik, i n : Archiv für Rechts- u n d Sozialphüosophie, 1964, S. 317 ff.; ders., Sinn u n d S t r u k t u r der Normlogik, i n : Archiv für Rechts- u n d Sozialphilosophie, 1966, S. 195 ff. 88 Vgl. Niklas Luhmann, Recht u n d Automation i n der öffentlichen V e r w a l t u n g : Eine verwaltungswissenschaftliche Untersuchimg, bes. S. 35 ff. 87

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prinzipiellen Automatisierbarkeit" 8 9 fragen, haben einen eigenen wissenschaftlichen Platz und sind mehr als empirische Analyse von irgendwelchen „Nebenfolgen" logisch einwandfreier Kalkülisierung. Oder — u m bei der Verfahrensweise der elektronischen Datenverarbeitung zu bleiben —: es wäre zu spät, Ermessen, imbestimmte Rechtsbegriffe, Normenkonflikte usw. zu überprüfen, nachdem das Blockdiagramm bereits hergestellt ist. Damit ist der Erkenntniswert der sprachlogischen Analyse i m Hinblick auf Recht und Verwaltung nicht geschmälert. Theoretisch ist er ohnehin nicht zu bezweifeln. Praktisch w i r d er durch die Automatisierung nachweisbar. Nur kann eben eine solche Analyse auf der Grundlage der Symbolischen Logik nicht mehr sein als eine Aussage über bestimmte, nämlich auf Verwaltungsrecht beziehbare logisch-sprachliche Zusammenhänge. Andere Erkenntnisinteressen von Sprach-, Kommunikations- und hier: Verwaltungsrechtslehre sind damit nicht ausgeschlossen. Die Sinnproblematik axiomatisch-deduktiver Systembildung ist m i t einem Exkurs zu den deterministisch arbeitenden „Denkmaschinen" i n Verwaltung und Recht verbunden worden. W i l l man nun, um bis zu den normativen Verhaltensmustern öffentlicher Verwaltung zu gelangen, weiter i n die intelligible Welt eindringen, so ist man geneigt, nach der anderen Hauptklasse von Operationen zu fragen, die m i t der elektronischen Datenverarbeitung geleistet werden können, ohne daß diese freilich für das Verwaltungsrecht bisher praktisch bedeutsam geworden sind. V o n den deterministischen sind die stochastischen Operationen zu unterscheiden 90 . Bei ihnen werden die Eingangsnachrichten nach Wahrscheinlichkeitsgesetzen verarbeitet. Die Eingangsnachrichten ziehen daher nicht notwendig eindeutige Ausgangsnachrichten als Operationsergebnisse nach sich. Solche nachrichtenverarbeitenden Prozesse werden i m gewissen Umfang dem induktiven Denken des Menschen analog betrachtet. Stochastisch-induktiv arbeitende Automaten analysieren zunächst die eingehenden Nachrichten statistisch. Das Ergebnis der Analyse sind Nachrichten, die allgemeine Regelmäßigkeiten beinhalten. Durch diese Regelmäßigkeiten ist für die vom Automaten zu leistenden Operationen eine Anzahl von Bedingungen gegeben, die indes der Maschine einen Freiheitsspielraum in Gestalt von Zufallsoperationen belassen. Die nacheinander zufällig erzeugten 89 Vgl. Malte von Berg, Automationsgerechte Rechts- u n d Verwaltungsvorschriften, S. 23 ff. 90 Vgl. zu folgendem Herbert Stachowiak, Denken u n d Erkennen i m kybernetischen Modell, S. 86 ff.; ferner Winfried Görke, Lernvorgänge u n d ihre Beschreibung, a.a.O., S. 220 ff.; ders., Einige Beispiele für lernende Automaten, a.a.O., S. 229 ff.; Karl Steinbuch, Automat u n d Mensch: K y b e r netische Tatsachen u n d Hypothesen, bes. S. 191 ff.; Norbert Wiener, K y b e r netik: Regelung u n d Nachrichtenübertragung i m Lebewesen u n d i n der Maschine, S. 241 ff.

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Elemente werden vom Automaten auf das Erfülltsein jener vorher synthetisierten Bedingungen h i n geprüft, und nur diejenigen Elemente, die m i t den vormalig abstrahierten und gespeicherten Schaltmustern verträglich sind, gehen i n die resultierende Ordnung ein. Weiterreichende Überlegungen zielen auf „ i n t u i t i v denkende" Automaten, die nicht nur auf der Grundlage von Zufallsoperationen arbeiten, auf „lernende" Automaten, die auf Grund von Programmen früher gewonnene Erfahrungen verallgemeinern, diese Verallgemeinerungen speichern und sie als notwendige Bedingungen für spätere zielgerichtete Operationen verwenden. A m Ende steht die Simulation des Menschen i n Lebensbereichen bis zur Kunst und gar dessen Überbietimg in Gebieten mathematisch-rationalisierbarer Strategien. A n dieser Stelle können w i r bei bestimmten Forschungsrichtungen des oben beschriebenen nordamerikanischen decision-making-approach zum richterlichen Verhalten, insbesondere der „mathematical prediction of judicial behavior", anknüpfen. Maschinelle Simulation menschlicher Leistungen und Entwurf optimalen Entscheidungsverhaltens durch Logik und Mathematik sind heute ein geöffnetes Feld. Bei uns kann man etwa als schon befestigtere Gebiete der Verhaltensforschung mittels elektronischer Datenverarbeitung die Wahlanalyse der Politischen Wissenschaft, der Verhaltensforschung zum optimalen Entscheiden die mathematischen Modelle der Ökonomie hervorheben. Auch i m Bereich des verwaltungsrechtlichen Entscheidungshandelns ist Platz für breiten Erkenntnisgewinn. Es fällt auf, daß sich die juristische Logik m i t der Wahrscheinlichkeitsproblematik weniger auseinandersetzt 91 . Aber was von Deduktion und Induktion auch immer zu erwarten ist— i m Hinblick auf die Voraussage verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, auf die kritische Untersuchung des juristisch-administrativen Sprachgebrauchs, auf die Vorbereitung rechtspraktischer Entscheidungsprogramme für die öffentliche Verwaltung usw. —, eines läßt sich weder rein auf der Grundlage logisch-deduktiver noch auf der stochastisch-induktiver Operationen erreichen: Verwaltungsrecht als Geltend-Gesolltes. Eine scharfe Trennung zwischen der Rechtsanwendung und der Anwendung logischer Prinzipien n i m m t jetzt Kelsen v o r 9 2 : Normen statuierten ein Sollen, und da Sollen ein Korrelat von Wollen sei, seien sie der Sinn von Willensakten und als solche weder wahr noch unwahr. Eine Norm gelte oder gelte nicht. Und weiter: Wollen und Denken seien zwei wesensverschiedene Funktionen. Daher könne dem Wollen kein Denken immanent sein. Der das Wissen konstituierende Denkakt gehe 01 Winfried Hassemer, Tatbestand u n d Typus: Untersuchungen zur strafrechtlichen Hermeneutik, S. 47, weist darauf hin, daß sich die bisherigen Versuche einer juristischen L o g i k i n der Regel n u r des deduktiven V e r fahrens — nicht der I n d u k t i o n — bedienten. 92 Recht u n d Logik, i n : Forum, 1965, S. 421 ff., 495 ff.

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dem Willensakt voraus, mache den Sinn des Willensaktes: die Norm, nicht wahr oder unwahr. Machen w i r uns zunächst den unbestreitbaren K e r n dieser Überlegung beispielhaft 93 : I m Bereich der öffentlichen Verwaltung sind die vom Privatunternehmer mit dem Computer den Steuergesetzen gemäß hergestellten Steuerbescheide, das vom Wissenschaftler i n der Gedankenanordnung exakt simulierte Verwaltungshandeln für sich keine gültigen Verwaltungsakte. Von Rechts wegen geht es als durchschaubare Amtsanmaßung bzw. Lehrbeispiel um sogenannte Nichtakte. Danach erhellt, daß das, was die Rechtswissenschaft als Sinnzusammenhänge menschlichen Handelns i m Entscheiden angeht, nicht m i t den Kategorien „Denken", „Wissen", Beziehung von Gedanken, Gedankenanordnung, Folgerichtigkeit von Denkinhalten, System von Zeichen, die für Gegenstände und Beschaffenheiten stehen, logischsemantischer Zusammenhang umfaßt ist. Verwaltungsrechtslehre interessiert beim Rechtshandeln i n der öffentlichen Verwaltung vom Organisationsrecht — Zuständigkeit, Organe, Amtswalter usw. — über das Prozeßrecht — Zustandekommen, Form, Bekanntmachung, Vollzug von Rechtsakten u. a. m. — bis zu den „volitiven" Elementen i n der Rechtsfindung vieles mehr als die bloße Kognition i n der juristisch-administrativen Entscheidung. M i t der irgendwie gearteten logisch-mathematischen Kalkülisierung der praktischen Erkenntnisleistung i m öffentlichen Verwalten sind die Probleme von Recht und Rechtsanwendung von der Wissenschaft her nicht erschöpft. Insoweit ist noch anzumerken, daß die Grenzen einer logischen Analyse i m Hinblick auf die normativen Verhaltensmuster menschlichen Handelns nicht dadurch umgangen werden können, indem man den Weg einer deontischen Logik einschlägt, die über die Sprache der Verpflichtungen und der Erlaubnisse Normbetrachtung anstrebt 94 . Wenn also Kelsen sagt: „Keine Norm ohne einen normsetzenden Willen, d. h. keine Norm ohne eine normsetzende Autorität. Eine Norm gilt nur, wenn sie durch einen Willensakt gesetzt ist, wenn sie der Sinn eines Willensaktes ist. Darin liegt ihre Positivität. U n d nur positive Normen, die durch menschliche Willensakte, durch Gesetzgebung oder Gewohnheit oder Staatsvertrag gesetzt sind, kommen . . . für eine Rechtswissenschaft i n Betracht" 9 5 , dann ist darin eine Sichtweise von Recht eingeschlossen, deren Abwendung von einem juristischen Logizismus w i r teilen müssen. Der Sinn des Rechts ist durch menschliches Zu beachten ist, daß für die Reine Rechtslehre auch der Einzelakt Norm: individuelle Norm, ist. Vgl. etwa Hans Kelsen, Zum Begriff der Norm, a.a.O., Bd.Georg 1, S. 68von ff. Wright, Deontic Logic, i n : M i n d , 1951, S. 2 ff.; ders., 94 Vgl.

N o r m and Action: A Logical E n q u i r y ; dazu Thomas Cornides, Normen u n d Handlungsweisen, i n : österreichische Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, 1967, S. 343 ff. 95 Recht u n d Logik, i n : Forum, 1965, S. 422.

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gesellschaftliche Handlungsbeiträge gekennzeichnet, die logisch-deduktiver Systematisierung unzugänglich i n die „pragmatische" Dimension fallen. Solche Einsicht bedeutet nicht, daß man den weiteren Zuspitzungen solcher „reinen Rechtslehre" weiter folgen muß. W i r wollen der philosophischen Bedenklichkeit der von dieser Schule bevorzugten Dualismen — „vollkommene Disparität von Sein und Sollen", hier: „Wollen und Denken sind zwei wesensverschiedene Funktionen" — an dieser Stelle nicht nachgehen. Jedoch wie für Recht und Rechtswissenschaft ein strenger Normativismus zurückzuweisen ist, der die rechtlichen Sinnrelationen nicht als Verhaltensmuster menschlichen Handelns, sondern als eine reine Welt des Sollens begreift, so ist auch der Dezisionismus einer voluntaristisch verkürzten Normenlehre abzulehnen. Recht ist ein soziales Phänomen und so relevant für die öffentliche Verwaltung wie für die Verwaltungsrechtslehre. Recht ist aber auch ein Phänomen konsistenter Zusammenhänge von Denkinhalten, Bedeutungseinheiten, Sinnbezügen. Also: " L a w is a complex of norms regulating human conduct." Und: " I t is a system of norms expected to conform to certain standards of rationality and to be applied i n an intellectually orderly manner 9 6 .' , Was auch über die Grenzen der Axiomatisierbarkeit und Automatisierbarkeit von Recht zu sagen ist, Recht aus dem Kontrollbereich des Rationalen zu entlassen, ist für eine Verwaltungsrechtspraxis und eine Verwaltungsrechtstheorie unserer sozialkulturellen Bedingungen ausgeschlossen. Nach allem ist festzuhalten, daß weder eine Verhaltensforschung zum Rechtshandeln noch eine Logiklehre zur Rechtssprache darüber zureichend aussagen kann, was das Erkenntnisinteresse einer auf normative Verhaltensmuster zielenden Verwaltungsrechtslehre sein muß: Soll-Qualitäten i n der öffentlichen Verwaltung. Auch für den Ansatz des Behaviorismus bei der Positivität des Juristenhandelns und für den Ansatz der Logik-Semantik bei der Positivität der Juristensprache ist maßgeblich, was i n der Methodologie der Rechtswissenschaft traditionell „realistischen" Rechtstheorien — etwa der Uppsala-Schule 97 — entgegengehalten wird. Wenn die Verwaltungsrechtslehre über die juristische Relation eines Verwaltungsaktes zu einem Gesetz aussagt, dann ist das Geltend-Gesollte weder aus dem historischen Faktum eines gesetzgeberischen Willens, einer politisch-administrativen Wirklichkeit noch aus logischen Beziehungen von Sprachspielen oder Gedankenanordnungen zureichend zu verstehen. Theoretisch lassen sich die 96 Ilmar Tammelo, Outlines of Modern Legal Logic, S. I X . 97 Vgl. Anders Vilhelm Lundstedt, Die Unwissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft; ders., Legal T h i n k i n g Revised: M y Views on L a w ; Karl Olivecrona, L a w as Fact; Alf Ross, Towards a Realistic Jurisprudence: A Criticism of the Dualism i n L a w ; ders., On L a w and Justice; ferner Theodor Geiger , Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts.

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Probleme des rechtlichen Sollens nicht auf die soziale Realität von Handlung und Sprache reduzieren, läßt sich „validity" nicht restlos aus „reality" erklären. A n der Frage der Geltung von Recht zeigt sich die Begrenztheit der realistischen Rechtstheorien, die „law as purely a fact, a part of social behavior of men" erforschen 98 . Entsprechend räumen nicht nur Behavioristen ein, i n die normativen Sinnzusammenhänge des Sozialverhaltens nicht eindringen zu können. Auch moderne Theoretiker der Logik lehnen für diese die Vorstellung eines normativen Gesetzes und die eingeschlossene Analogie zu den Gesetzen der Rechtsbücher ab: „wer soll i m Fall der Logik der Gesetzgeber sein, und inwiefern enthält z. B. ein Syllogismus eine Erkenntnisvorschrift 99 ?" Handeln und Sprache sind für eine normative Disziplin wie die Verwaltungsrechtslehre m i t h i n nur die Dokumentseite dessen, was sie angeht. Sie sind nur die materiellen Grundlagen des i m Handeln und Sprechen gemeinten Sinns und der objektiven sozialen Bedeutung, die als rechtsnormative von der Jurisprudenz zu erforschen sind. Der Gegenstand der Verwaltungsrechtslehre: das Verwaltungsrecht, gehört der intelligiblen Welt des Normativen an. Das erlaubt freilich der Wissenschaftslehre der Rechtswissenschaft nicht, Handeln und Sprache für die Rechtserkenntnis außer acht zu lassen. Verwaltungsrechtslehre darf nicht der Gefahr einer Geisteswissenschaftlichkeit erliegen, die das geistige Moment des Rechts zu einem Inbegriff „reiner" Gedankendinge idealisiert. Rechtsnormativer Sinn muß aus der äußeren, materiellsinnlich festgelegten Gestalt erschlossen werden. Recht muß i m Verwaltungsleben wie i n der Verwaltungswissenschaft als kommunikative Größe zum Ausdruck gebracht werden. Es muß artikuliert werden. Damit erhalten Handeln und Sprache auch für die Verwaltungsrechtswissenschaft einen erkenntnistheoretisch-methodologischen Stellenwert, vor allem auch den einer intersubjektiven Kontrollierbarkeit. Entsprechend stehen selbst die vom Behaviorismus aufgedeckten Verhaltensinvarianzen und die von der Sprachlogik erforschten Zeichen Verknüpfungen nicht außerhalb des Interesses einer Rechtstheorie von der öffentlichen Verwaltung. Sie können freilich auch nicht deren letztes Wort sein. Die Verwaltungsrechtslehre muß das methodologische Wagnis auf sich nehmen, über die Dokumentseite hinaus i n Bedeutungsgehalte vorzudringen. Das Erkenntnisinteresse der Verwaltungsrechtslehre hat an rechtsnormativen als Sinnzusammenhängen des Verwaltungshandelns Anteil. 08 Vgl. etwa Hans Kelsen, Eine „Realistische" u n d die Reine Rechtslehre: Bemerkungen zu A l f Ross: On L a w and Justice, i n : österreichische Zeitschrift f ü r öffentliches Recht, 1959/1960, S. 1 ff.; zu einem Überblick Rupert Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen. 99 Günther Patzig, Logik, a.a.O., S. 130.

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Damit ist i n der Gegenüberstellung zu den Positivitäten von Handeln und Sprache und der auf sie bezogenen Theorie und Philosophie der Ausgangspunkt einer auf die Normativität öffentlichen Verwaltens gerichteten Forschung erreicht. W i r stehen vor der Frage, wie denn nun i m einzelnen normative Verhaltensmuster wissenschaftlich verstanden werden können. Hermeneutik — hier als umfassender Begriff einer Metatheorie der an menschlich-gesellschaftlichen Sinngefügen interessierten Wissenschaften — ist ein weites und umstrittenes Feld. Nicht anders verhält es sich m i t der Wissenschaftsphilosophie normativer Disziplinen. Ferner gehen die Schwierigkeiten der Wissenschaftstheorie der Rechtswissenschaft bis zur Leugnung des Wissenschaftscharakters der Jurisprudenz. Schließlich weist die Methodenlehre der Verwaltungsrechtswissenschaft ihre weiteren Probleme auf. W i r haben uns demgegenüber darauf beschränkt, die elementare Seite des normativhermeneutischen Geschäfts zu zeigen. Wenn w i r uns hiernach noch im besonderen dem Standort unserer heutigen Verwaltungsrechtslehre zuwenden, dann nicht, um über die Hermeneutik prinzipiell zu streiten oder eine Einzelheit ihres methodischen Instrumentariums zu verfeinern, sondern u m darauf aufmerksam zu machen, daß die Verwaltungsrechtslehre vor einer Umformulierung ihres Wissenschaftsprogramms steht. Die Verwaltungsrechtslehre neigt zu einer individualisierenden, dogmatischen, nomographischen Hermeneutik. Wenn man das für sich nicht kritisieren w i l l , so muß man doch jedenfalls sagen, daß kein ausgewogenes Verhältnis von individualisierender und generalisierender, dogmatischer und metadogmatischer, nomographischer und nomothetischer Forschungsweise besteht. Und dieser Mangel ist nun keineswegs nur eine Frage der Folgen auf rein wissenschaftlicher Ebene. Die Auswirkungen sind von eminenter Bedeutung für die Verwaltungsund Rechtspraxis. Praxis scheint der theoretischen Fundierung gerade da entraten zu müssen, wo in der modernen Verwaltung der originäre Charakter rechtswissenschaftlicher Leistung für die Anleitung des Handelns besonders belangvoll w i r d : i m Bereich rechts- und verwaltungspolitischer Umgestaltung nicht mehr sozialadäquater Verhaltensregulierung. Die Grundeinteilung der Rechtswissenschaft — Rechtsphilosophie, Rechtstheorie, Rechtsgeschichte usw. — w i r d nicht allerorts einheitlich vorgenommen. Regelmäßig pflegt man aber das Gebiet, welches der Frage: Was ist Rechtens? am nächsten steht, als Rechtsdogmatik zu kennzeichnen. Dogmatische Rechtswissenschaft verhält sich aufs engste über eine gegebene Rechtsordnung i n einer bestimmten Gesellschaft i n einer bestimmten Zeit. Die Nähe zum Recht als Sinn praktischen Handelns w i r d oft so kurzgeschlossen verstanden, daß der Theoriebegriff dagegengehalten wird. Juristische Dogmatik ist praktisch angewandtes Wissen. Distanzierte Reflexion scheint ihr nicht zu eignen. Sie beant-

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wortet unmittelbar, was geltendes Recht ist. Theorie ist woanders zu suchen, etwa i n der allgemeinen Rechtslehre als System der rechtlichen Grundbegriffe. Eine solche Gegenüberstellung von Rechtsdogmatischem und von Rechtstheoretischem w i r d keineswegs von allen Rechtsschulen akzeptiert. Manche fürchten für die Einheit der Rechtswissenschaft; für andere läßt sich Wissenschaft eben nur als Theorie begreifen. Der hier interessierende wissenschaftstheoretische Aspekt des Dogmatischen in den Arbeitsweisen der Verwaltungsrechtslehre w i r d indes erst deutlicher, wenn es i n spezifisch methodologischer Absicht differenziert wird. Innerhalb der Hermeneutik als Lehre vom Verstehen sinnhafter Gegenstandskonstitution zu unterscheiden — historische Auslegung, grammatische Auslegung usw. —, entspricht wissenschaftsphilosophischer Tradition. Die Eigenart dogmatischer Verfahrensweise t r i t t hervor, wenn sie i n der jüngeren Methodendiskussion — einen gelegentlichen Sprachgebrauch Kants aufgreifend — als Gegenstück zur zetetischen Hermeneutik formuliert w i r d 1 0 0 . Die allgemeine Hermeneutik klärt, i n welcher Weise durch die Wissenschaft den Ausdrücken menschlichen Tuns der i n ihnen niedergelegte und enthaltene Sinn auf dem Wege des Verstehens entnommen werden kann. Juristische Hermeneutik richtet sich vornehmlich auf die Interpretation der Rechtstexte. I n der Art, wie man sich auf den fixierenden Anspruch solcher Texte einstellt, wie man sich zu einer Gegebenheitsweise des zum Ausdruck gebrachten Sinns verhält, können dogmatische und nichtdogmatische Denkhaltungen unterschieden werden. Dogmatisches Denken kann man dann als „Meinungsdenken" bezeichnen, das an fixierten Meinungen — Dogmen — festhält, sie zwar einerseits i n vielfältiger Weise „ausdenkt", andererseits aber außer Frage stellt. Der in den Texten — der geltenden Gesetze, Präjudizien — erhobene Anspruch w i r d dem Grunde nach respektiert. Vorausgesetzte Systeme und Topoi werden als i n einem gegebenen Sinngehalt unanfechtbar befragt. Die Auslegung setzt nicht primär bei den Gesetzessätzen an. Der Erkenntniszweck ist vornehmlich der der praktischen Anwendung. Beabsichtigt ist die Lösung von Problemen und Fällen, die von den fixierten Meinungen her beurteilt und gar entschieden werden. Dogmatische Hermeneutik ist nicht zuerst Interpretation sinnbehafteter Texte. Probleme und Fälle werden vom dogmatischen System und der Topik dogmatischer Argumente her gedeutet. Gleichsam sekundär stellen sich das Bedürfnis und die Notwendigkeit ioo Vgl. insbesondere die Studien v o n Theodor Viehweg zu diesem Thema: Z w e i Rechtsdogmatiken, a.a.O., S. 106 ff.; ders., Über den Zusammenhang zwischen Rechtsphilosophie, Rechtstheorie u n d Rechtsdogmatik, a.a.O., Bd. 1, S. 203 ff.; ders., Systemprobleme i n Rechtsdogmatik u n d Rechtsforschung, a.a.O., S. 96 ff.; ders., Ideologie u n d Rechtsdogmatik, a.a.O., S. 83 ff.; ferner etwa Lutz Geldsetzer, Einleitung zu: A n t o n Friedrich Justus Thibaut, Theorie der logischen Auslegung des römischen Rechts, S. X X X ff.

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ein, die dogmatischen Sätze gebrauchsfertig zu machen, sie für die „Konkretisierung" herzurichten. Die rechtsdogmatische Theorie ist „Theorie m i t sozialer Funktion". Sie dient unmittelbar der Regulierung menschlichen Verhaltens i n der Gesellschaft. Hieraus w i r d die Denkhaltung bestimmt. Möglich ist eine gedankliche Flexibilität — eine Diskutierbarkeit von Argumenten —, schon u m der Mannigfaltigkeit der Handlungssituationen und ihren Veränderungen zu entsprechen. Unangetastet bleibt der gedankliche Kern, schon um der sozialen Stabilität willen. Negativ endet dogmatische Hermeneutik i m Dogmatismus. Was eigentlich die Texte meinen, interessiert nicht mehr. Was einmal gelehrt und mitgeteilt worden ist, gilt als „ausgemacht" und jeder weiteren Reflexion entzogen. Anders verhält es sich mit der zetetischen Hermeneutik. I h r eignet eine spezifische Freiheit wissenschaftlichen Forschens. Ihre Vorgabe ist nicht ein dogmatisches System, sondern der Wissensstand derjenigen Wissenschaften, die überhaupt zum Thema beitragen können. Selbst die grundlegenden Topoi des einschlägigen Bereichs bleiben i n Frage gestellt. Sie behalten stets ihren „hypothetischen, problematischen, tentativen und angreifbaren Charakter". Es werden nicht irgendwie fixierte Meinungen vorausgeschickt. Selbst der gedankliche K e r n bleibt nicht unanfechtbar. Auf Lehrsätzen w i r d nicht prinzipiell beharrt; möglicherweise werden sie überhaupt nur zum Versuch entworfen, gegebenenfalls abgeändert und notfalls zurückgenommen. Zetetisches Denken dient nicht primär der Verhaltenssteuerung. Es hat eine „kognitive Funktion", und entsprechend bestimmt die eigentümliche Absicht des Forschens dieses Denken. Es interessiert der zum Ausdruck gebrachte Sinn für sich und nicht erst deshalb, weil konkrete Fragen praktischen Handelns zu lösen sind und sich hierbei gewisse Deutungsbedürfnisse einstellen: u m Rechtssätze für die Anwendung herzurichten. Menschlichem Handeln gewisse Grundgedanken zu bewahren und gesellschaftliches Handeln zu stabilisieren, ist nicht erstes Anliegen einer Zetetik. Man kann sich am Ende eine freie Hermeneutik vorstellen, die mit ihren Erkenntnisleistungen außerhalb des Sozialverhaltens steht, weil der Spielraum menschlicher Möglichkeiten überschritten ist. Schaut man aus solcher Unterscheidimg von dogmatischer und zetetischer Denkweise auf die Methodik der Verwaltungsrechtslehre, dann zeigt sich, daß diese wie unsere Jurisprudenz überhaupt vorzugsweise einer dogmatischen Hermeneutik folgt. Es geht zu weit, zu sagen, daß die interpretativen Bemühungen der Rechtswissenschaft ganz i m Dienste einer Dogmatik stünden. Viele juristische Analysen sind ganz i m Gegenteil von der Absicht geprägt, i n kritischer Reflexion die dogmatischen Verkrustungen rechtlicher Verhaltensmuster zu hinterfragen. Sie verhindern nicht zuletzt, daß es zum Bruch der dogmatischen Systeme und

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der Topik dogmatischer Argumente gegenüber den zugrundeliegenden sozialen Verhältnissen einer sich wandelnden Welt kommt. Ob man der skizzierten Gegenüberstellung von Dogmatik und Zetetik folgt oder nicht: Jurisprudenz braucht und hat einen Teil freier Interpretationen, damit sich die fixierten Meinungsgefüge zum Recht regenerieren. Insbesondere i n einer Zeit sich schnell verändernder menschlich-gesellschaftlicher Bedingungen können indes Probleme kultureller Verspätung entstehen. U n d so ist verständlich, daß heute eine Verstärkung der zetetischen Anstrengungen i n der Rechtswissenschaft verlangt wird. Man macht darauf aufmerksam, daß Dogmatik als Lehre von autoritär — hier legal — festgelegten „Wahrheiten", ihrer Verbindung zu einem System und ihrer Fruchtbarmachung für die Rechtserkenntnis i m Einzelfall, keineswegs die Notwendigkeit leugnen dürfe, diese Wahrheiten i m Zuge fortschreitender Erfahrung und Erkenntnisse zu revidieren: Jenseits der systemeigenen Regeneration des dogmatisch Fixierten lasse der Wissenschaftsanspruch auch die Frage nach dem „Warum" und „Wozu" ernst nehmen als eine solche, die nicht dem Verstehen, sondern dem Erklären des praktizierten Rechts als einer sozialen Tatsache gelte, also den Zielen, den Bedingungen und Funktionsweisen rechtlichen Wertens i m Normsetzen und Normvollziehen, i m Regeln und i m Entscheiden. Hier werde das Recht als Organisationstechnik zur Beherrschimg der sozialen Beziehungen nicht mehr vom „Selbstverständnis" des Juristen getragen. Vielmehr werde letzteres selbst mit zum Objekt der Forschung. Dabei geht es nicht u m eine Kampfansage an die Daseinsberechtigung einer Dogmatik. Es heißt: „ I m Angesicht aller solchen metadogmatischen freien (,zetetischen') Hermeneutik i n vielen modernen Ansätzen der Soziologie und der Semantik verdient es, betont zu werden, welche bedeutenden sozialanalytischen Beiträge doch auch schon die dogmatisch gebundene Rechtswissenschaft zu einem realistischeren Begriffs- und Institutionenverständnis geleistet hat 1 0 1 ." Entsprechend w i r d hier vermieden, die Unterscheidung von dogmatischer und zetetischer Hermeneutik zu vertiefen. W i l l man sie als strengen Dualismus begreifen, dann w i r d man mit wissenschaftstheoretischen wie wissenschaftssoziologischen Bedenken zu rechnen haben. W i r wollen nur zeigen, daß die Verwaltungsrechtslehre von gewissen methodischen Präferenzen angeleitet wird, die nach ihren Konsequenzen eine wissenschaftstheoretische Neubesinnung erforderlich machen. Insoweit ist zu den dogmatischen Neigungen noch auf die Tendenz zu einer idiographischen Hermeneutik aufmerksam zu machen. Das ist zum Thema: Rechtsanwendungslehre und Verwaltungswirklich101 v g l . Josef Esser, Das Bewußtwerden wissenschaftlichen Arbeitens i m Recht, a.a.O., S. 95 ff.

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keit bereits aufgewiesen worden. Die Jurisprudenz folgt heute immer mehr einer Philosophie, i n der Interpretation und Applikation integrierende Bestandteile des hermeneutischen Verfahrens sind. Auslegung und Anwendung von Recht werden zu einem einheitlichen Vorgang zusammengefaßt. Erst i n der Anwendung gilt der Text als Norm einsichtig. Es geht darum, die Konkretisierung, die Individualisierung von Recht wissenschaftlich anzuleiten. Man orientiert sich an dem Leitbild der richterlichen Fallbeurteilung. Methodisch maßgeblich ist die juristische Entscheidung des Einzelfalles. Rechtsfindung als Rechtsprechung nicht als Rechtsetzung — „die geistige Arbeit des Gesetzgebers" 102 — ist Vorbild. Generalisierungen als Leistungen des Rechtslebens haben i n der juristischen Methodenlehre weniger Platz. Z u der Neigung zum Idiographischen t r i t t die Eigenart der wissenschaftlichen Haltung, wenn es zur Konfrontation m i t dem Allgemeinen i m Recht kommt. Es w i r d abgelehnt, die Rechtswissenschaft als nomothetische Wissenschaft zu begreifen. Innerhalb des Begriffes der normativen Wissenschaften w i r d zwischen normsetzenden und bloß normdarstellenden unterschieden. Die Rechtsnormenlehre wolle nicht Normen aufsuchen — wie die Ethik, Logik und Ästhetik, die diese aus den Tiefen der Vernunft ans Tageslicht brächten —, sondern bereits gegebene, gesetzte Normen betrachten. Sie sei also keine nomothetische, sondern eine nomographische oder dogmatische Normwissenschaft, der eine Vielheit bereits gesetzter Normen nur zur weiteren Bearbeitung gegeben sei 1 0 3 . Ohne ontologisch genauer zu bestimmen, inwieweit die Rechtswissenschaft i m Gegensatz zu anderen Wissenschaften etwas i n besonderer Weise Gegebenes vorfindet, erhellt, daß eine Lehre von Recht und Verwaltung, die ihre Absichten zum Allgemeinen auf das verkürzt, was ein Gesetzgeber als i n immer gleicher Weise wiederkehrendes Geschehen vorschreibt, auf wichtige Einsichten verzichtet. Sie enthält sich solcher Erkenntnisleistungen, die in bestimmten Wissenschaftslehren — man denke an nomologische Programme — überhaupt erst als wissenschaftliche gelten. Wie man es auch m i t diesen Philosophien hält, i n der nomographischen Konzeption der Jurisprudenz bleibt das Generalisierende als theoretisch zu erbringende Leistung außer Betracht. Man übersieht, daß man auf der Ebene der Wissenschaft allgemeine Aussagen nicht nur über individuelle — raum-zeitlich bestimmte — Tatbestände: Zustände, Abläufe, Ereignisse, formulieren kann, sondern daß allgemeine Tatbestände, die selbst schon wieder den Charakter von Gesetzmäßigkeiten haben, nun weiter einem generali102 v g l . diesen Ausdruck bei Walther Burckhardt, Die Organisation der Rechtsgemeinschaft: Untersuchungen über die Eigenart des Privatrechts, des Staatsrechts und des Völkerrechts, S. 234. 1( J3 Vgl. Hans Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre als System der rechtlichen Grundbegriffe, S. 2; Felix Somlö, Juristische Grundlehre, S. 22 f.

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sierenden Erkenntnisinteresse zugänglich sind. Die Verwaltungsrechtslehre kann i n doppelter Weise nomothetische Wissenschaft sein. Sie kann allgemeine Aussagen über die Individualitäten des Rechtslebens anstreben. Sie kann jedoch auch das Allgemeine i m Recht: allgemeine Rechtssätze, Gesetze, einer theoretisch generalisierenden Betrachtungsweise unterziehen. Wiewohl zur vorbezeichneten Tendenz wieder zu betonen ist, daß die konkrete verwaltungsrechtliche Forschungsarbeit sich nicht auf die nomographische Konzeption beschränkt, sind die individualisierenden, dogmatischen, nomographischen Präferenzen insgesamt so stark, daß sich angesichts des Gegenstandsbereichs von Recht und Verwaltung ein beachtliches Ungleichgewicht der Erkenntnisleistungen ergibt. Das zeigt sich deutlich i n der Beziehung von Theorie und Praxis. W i r haben mehrfach belegt, wie sehr die Jurisprudenz anstrebt, als angewandte Wissenschaft der Praxis dienlich zu sein. So sind ihre idiographischen Neigungen den rechtspraktischen Individualisierungen angepaßt, und der nomographische Zug entspricht der vorgefaßten Bindung an ein dogmatisches Meinungsgefüge gesetzgeberischer Handlungspraxis. So ließen sich noch andere beschränkende Beziehungen zur Rechtspraxis nennen. Nicht zuletzt stellt sich oft die Meinung ein, Rechtswissenschaft unterliege den Handlungszwängen des juristischen Alltagslebens, als gelte für die Verwaltungsrechtslehre das Non-liquet-Verbot der Verwaltungsrechtspraxis. Vielleicht macht mehr als erkenntnistheoretisch-methodologische Erwägungen, mehr als selbst das Ende logisch-mathematischer Operationen bei den unentscheidbaren Aussagen ein Rechtssatz den Unterschied von praktischem Entscheidungszwang und wissenschaftlicher Entscheidbarkeit anschaulich: „Le juge qui refusera de juger, sous prétexte du silence, de l'obscurité ou de l'insuffisance de la loi, pourra être poursuivi comme coupable de déni de justice" (Art. 4 Code civil). Die nicht entsprechend differenzierende Erforschung von Recht und Verwaltung hat i m Hinblick auf Theorie und Praxis Auswirkungen. Wie sich i n der Geschichte der Jurisprudenz zeigt, w i r d auf der Ebene der Theorie die Wissenschaftlichkeit i n Frage gestellt. Das ist freilich für eine pragmatische Philosophie wenig maßgeblich, die Wert und Unwert des wissenschaftlichen Denkens allein danach bemißt, ob es dem Handeln des Lebens dient. I h r gegenüber muß man zeigen, wie die aus kurzgeschlossenem Pragmatismus unzureichende Theorie i n der Rückbeziehung auf die Praxis wenig nützt. Das kann man i m Fall der Verwaltungsrechtslehre schon aus dem Umstand nachweisen, daß sich die Dienlichkeit der nach praktischer Gegebenheitsweise ausgerichteten Forschung auch nach der jeweils vorbildlichen Praxis relativiert. I n der Anpassung von theoretischer Erkenntnis an praktische Erfahrung 14 Speyer 46

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werden wissenschaftliche Denkweisen und Einsichten nicht nach jedweder Praxis strukturiert, sondern eben nach jener Praxis, der man folgt. Entsprechend bemißt sich der praktische Wert der wissenschaftlichen Ergebnisse. Nutzen stellt sich i n der maßgeblichen Erfahrungswelt ein, wenn vielleicht auch nur als Arbeitserleichterung von der A r t , von der emanzipierte Praktiker meinen, daß es i m Grunde um nichts ginge, was sie nicht selbst i n ihrer genuinen Lebenserfahrung zu leisten vermöchten. Für alle nicht als Praxis maßgeblichen Gegenstandsbereiche bleiben die wissenschaftlichen Ergebnisse problematisch. Die Bestätigung dafür findet man i n der Verwaltungsrechtslehre. Die Verwaltungsrechtslehre ist, wie gezeigt, von der Philosophie der Einheit des juristischen Denkens beeinflußt, die ihrerseits die weitgehende Identifikation von rechtswissenschaftlichem und richterlichem Denken voraussetzt. Daher ist die Verwaltungsrechtslehre immer dann tendenziell nützlich, wenn i n der öffentlichen Verwaltung Denk- und Handlungsweisen nach A r t richterlichen Verhaltens, tendenziell weniger nützlich, wenn anders strukturiertes Verhalten vorliegt. Die Verwaltungsrechtslehre entfaltet ihren vollen Wert für die Verhaltensregulierung i n der öffentlichen Verwaltung, wenn nach A r t richterlicher Fallbeurteilung Einzelfälle entschieden werden: wenn Recht individualisiert, dogmatische Meinungsgefüge angewendet, Gesetze nachvollzogen werden. Nun ist — entsprechend der Lage der Verwaltungsforschung — das breite Spektrum administrativer Entscheidimgsprozesse durch die Wissenschaft unzulänglich erkannt. Eines wissen w i r aber: Es gibt Handlungsweisen und -formen i n der öffentlichen Verwaltung, die das Allgemeine intendieren. Regelzuständigkeiten sind zu organisieren, Pläne zu entwerfen, Verordnungen zu erlassen usw. bis zur Arbeit der Gesetzesvorbereitung. Fragen w i r also z. B., wie Jurisprudenz zur Gesetzesvorbereitung durch den Verwaltungspraktiker beiträgt. Die Antwort ist bekannt: Es gibt nach älteren Versuchen einer umfassenden Skizzierung der einschlägigen Problematik 1 0 4 heute einen Komplex spezieller Fragestellungen. Dazu gehören vor allem neben i m engeren Sinne organisationsrechtlichen, kompetenzrechtlichen, verfahrensrechtlichen Erörterungen einige juristische Standardthemen, wie: Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, Maßnahmegesetze und „klassische" Gesetze, Gesetz und Verordnung. Hinzu treten einzelne Untersuchungen weiterer Probleme, z. B. „Generalklausel und Kasuistik in der neueren deutschen Gesetzgebung" 105 und der heute wichtige Gegenstand: „Automationsgerechte Rechts- und Verwaltungsvorschriften 106 ." Es leben ge104 Vgl. etwa Max Fleischmann, Die materielle Gesetzgebung, S. 219 ff. los v g l . die gleichnamige Dissertation von Ditmar Wurche. Vgl. etwa die gleichnamige Schrift von Malte von Berg.

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wisse allgemeine rechtstheoretische Vorstellungen über die Gesetzgebung als Rechtserzeugung, insbesondere nach der Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung mit dem Regreß, der schließlich zur Grundnorm f ü h r t 1 0 7 . Aber die klassische Breite des Themas: „Kunst der Gesetzgebung", „Legislative Technik", „Gesetzestechnik" 108 ist nicht erhalten geblieben. „Gesetzgebungstechnik" w i r d heute i n einem verkürzten Sinne gemeint 1 0 9 . Wenn w i r die Parallele zur Rechtsfindung als Rechtsprechung nehmen, so fehlt eine auch annähernd vergleichbare Literatur zur Rechtsfindung als Gesetzgebung. Es mangelt an systematischen Versuchen, das Thema: Recht und Hermeneutik auf die allgemeine Normbildung zu beziehen. Nun muß man auch hier wieder das Tendenzielle der angedeuteten Entwicklung betonen. Der Rechtspraktiker individualisiert bei der Einzelfallentscheidung keineswegs nur. Der Umstand, daß unsere Rechtsordnung kasuistische Züge aufweist, zwingt ihn dazu, i m Anblick bereits entschiedener Fälle zu generalisierenden Techniken zu greifen, u m zu einer Ratio decidendi zu gelangen. Der Rechtstheoretiker nimmt wieder zunehmend Anteil an der Gesetzgebung, bis zur Erarbeitung von Gesetzesentwürfen 110 . Rechtstheorie und Rechtspraxis stellen sich eben komplexer dar, als die Philosophie von der Einheit des juristischen Denkens erfassen kann. Die methodischen Grund-Folge-Verhältnisse i n der Jurisprudenz sind komplizierter, als w i r hier angeben können. Man w i r d auch einräumen müssen, daß früher mehr als unter den Bedingungen der modernen Industriegesellschaft i n der Gesetzgebung aus dem angesammelten Rechtsstoff weitergelernt werden konnte. Schon der schnelle menschlich-gesellschaftliche Wandel der technischen Z i v i l i sation besorgt, daß der Gesetzgeber zu Sozialgestaltungen aufgerufen wird, ohne i n der Lage zu sein, auf einschlägige Erfahrungen zurückzugreifen, die i n einer anderen Rechtspraxis — etwa einer obergerichtlichen Rechtsprechung — bereits vorrätig sind. Aber ob Steuergesetze oder Strafgesetze, ob Wirtschaftsgesetze oder Gerichtsgesetze: daß eine Fülle rechtlich-sozialer Entscheidimgskriterien unsere Gesetzgebung nach wie vor bestimmen und daß aus solchen Kriterien Gesetze praktisch erkannt werden, daran kann kein Zweifel sein. M i t h i n ist es charakteristisch, daß sich ein Thema wie das „gesetzgeberische Ermessen" verhältnismäßig leicht i n die Diskussion der Jurisprudenz einordnet. Ermessen ist dort, wo „vollzogen" wird. Eine „stetig leitende, 107 v g l . Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 228ff.; Adolf Merkl, Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaus, a.a.O., S. 252 ff. 108 Vgl. zu einem Überblick Ernst Schlüpfer, Die Lehre v o n der Gesetzestechnik. 109 Vgl. etwa Hanswerner Müller, Handbuch der Gesetzgebungstechnik. 110 Vgl. für das öffentliche Recht jüngst Entwurf eines Verwaltungsgerichtsgesetzes: zur Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung u n d des Sozialgerichtsgesetzes. 14*

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sich immer von neuem aktualisierende Direktive" w i r d vollzogen und schafft „zugleich jenes stetig eingrenzende Element" des Ermessens 111 . W i r sehen, wie sich das Konzept eines gesetzgeberischen Ermessens auf eine mitgedachte Gegebenheit bezieht. Denken ist an ein fixiertes Meinungsgefüge gebunden. Probleme werden aus der interpretativen Aktualisierung eines gegebenen Rahmenwerks gelöst. I n den Vordergrund t r i t t ein Stück dogmatisch-nomographischer Hermeneutik. „Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" läßt sich demgegenüber relativ schwer aussagen. Zwar w i r d aus Savignys Anforderungen an die juristische Technik deutlich, daß, den Rechtsstoff zu erkennen, kaum heißen kann, bei den dogmatischen Systemen und der Topik der dogmatischen Argumente Halt zu machen. Aber wie gelangen w i r zu jenen „leitenden Grundsätzen", von denen er sagt: „Diese heraus zu fühlen, und von ihnen ausgehend den innern Zusammenhang und die A r t der Verwandtschaft aller juristischen Begriffe und Sätze zu erkennen, gehört eben zu den schwersten Aufgaben unsrer Wissenschaft, ja es ist eigentlich dasjenige, was unsrer Arbeit den wissenschaftlichen Charakter giebt 1 1 2 ?" I n einer Zeit anderer sozialkultureller Bedingungen als der heutigen Tage konnte man es als eine glückliche Wendung empfinden, wenn die Gesetzgebung als eine „Kunst" bezeichnet wurde 1 1 3 . Legisten i n den Gesetzgebungsabteilungen der Ministerien und Kanzleien wurden ob ihrer Kunstfertigkeit bewundert. Damals konnte man i m selben Zuge anraten, die Dinge nicht durch vorzeitiges Reglementieren aus der Bahn zu treiben: Sie nähmen w i r t schaftlich ihren Lauf zunächst, ohne daß sich der Gesetzgeber u m sie bekümmere. I n der Zeit des wiederentdeckten Wohlfahrtszwecks: i m sozialen Rechtsstaat, i n der Leistungsverwaltung, sehen die Dinge anders aus. Entsprechend braucht die Gesetzgebungspraxis der wissenschaftlichen Zivilisation mehr als Kunst, nämlich wissenschaftliche Beratung, insbesondere sozialwissenschaftliche durch die Wirtschaftswissenschaft, durch die Sozialpsychologie, durch die Soziologie, durch die Politische Wissenschaft usw., und nicht zuletzt durch die Rechtswissenschaft. Demgemäß mehren sich die Forderungen aus der Verwaltungspraxis der Vorbereitung von Gesetzen und der administrativ-politischen Planung, Verwaltungsrechtslehre möge i n vielen Bereichen des „besonderen Verwaltungsrechts" die einschlägigen Arbeiten wissenschaftlich besser anleiten. i n Vgl. Peter Lerche, Übermaß u n d Verfassungsrecht: Z u r Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit u n d der Erforderlichkeit, S. 65 f. 112 Friedrich Carl von Savigny, V o m Beruf unsrer Zeit f ü r Gesetzgebimg u n d Rechtswissenschaft, S. 22. 113

Vgl. Max Fleischmann,

Die materielle Gesetzgebimg, a.a.O., S. 233.

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W i l l die Rechtswissenschaft aber ihren Rat theoretisch gewährleisten, so braucht sie eine metadogmatische Hermeneutik. Sie muß das Vorverständnis der dogmatischen Meinungsgefüge transparent machen. Sie muß die dogmatisch vorausgeschickten Gedanken- und Sprachgebilde i n Frage stellen. Sie muß den Fragehorizont über die dogmatischen Topoikataloge hinausschieben. Recht muß i n seiner Leistung für soziales Entscheiden und Handeln theoretisch kenntlich gemacht werden. Rechtszwecke müssen i n ihrer menschlich-gesellschaftlichen Dimension aufgedeckt werden. Geltende Rechtssysteme müssen nach ihrer Eignung und nach ihren Fehlerquellen befragt werden. Uber Austauschbarkeiten und Verbesserungen muß i n Rechtsmodellen reflektiert werden. Ein rechtspraktisch individuell erfaßter Stoff muß rechtswissenschaftlich generalisiert werden. Über das i n immer wieder gleicher Weise wiederkehrende Geschehen darf nicht nur — nomographisch — ausgesagt werden, w i e es die Gesetze als dogmatische Gegebenheiten vorschreiben, sondern auch — nomothetisch —, wie es wissenschaftlich erkannt wird. Dieses und anderes mehr leistet die Rechtswissenschaft schon heute. Nur neigt sie auf der Skala zwischen individualisierenden, dogmatischen, nomographischen Leistungen einerseits und generalisierenden, metadogmatischen, nomothetischen Leistungen andererseits mehr zu ersteren. U m eine andere wissenschaftliche Position zu erreichen, bedarf es auch einer Umformulierung der Methodologie. Die Rechtswissenschaft braucht mehr an freier, metadogmatischer, zetetischer Hermeneutik. W i r können zusammenfassen: A m Fall der Verwaltungsrechtslehre ist gezeigt worden, daß Verwaltungswissenschaft als normative Disziplin über die Dokumentseite von Handeln und Sprache i n Sinngehalte von Sollcharakter des Verwaltungslebens eindringen muß. Erst damit ist der Ausgangspunkt eines auf Normativität des Verwaltungshandelns zielenden Erkenntnisinteresses erreicht. Sonach ist versucht worden, zu belegen, daß die Verwaltungsrechtslehre — die heute vorherrschende und die auch bei einer Ausweitung des Forschungsprogramms bleibend wichtige Verwaltungswissenschaft — vor einer Umformulierung ihres Wissenschaftsprogramms steht. Dabei geht es nicht nur um Fragen, die auf rein theoretischer Ebene relevant sind — wenn auch nicht übersehen werden darf, daß eine Erkenntnisleistung, die weiter nichts als bloße Dogmatik, unreflektiertes Hinnehmen mitgeteilter Sollsatzsysteme als Gegebenes wäre, kaum vor dem Wissenschaftsbegriff differenzierter Sozialwissenschaften bestehen könnte. Es geht jedoch nicht nur u m die Anpassung des juristischen Wissenschaftsbegriffs an das Verständnis benachbarter sozialwissenschaftlicher Disziplinen. Vielmehr ist die Praxis mittelbar von der methodologischen Problematik betroffen. Die Verwaltungsrechtslehre als die jetzt geübte angewandte Wissenschaft ist nicht so nützlich, wie es ihre pragmatische Philosophie w i l l .

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Wissenschaften pflegen eben die Absicht einer unmittelbaren Steuerung sozialen Verhaltens durch ihre Aussagen auch m i t dem Preis mangelnden praktischen Wertes i n anderen Lebensbereichen zu bezahlen. W i l l die Verwaltungsrechtslehre ihre Wissenschaftstheorie ausweiten, so ist sie auf die allgemeine hermeneutische Philosophie verwiesen. Hier stößt sie dann allerdings auf die grundsätzlichen Schwierigkeiten des hermeneutischen Geschäfts. Die Schwierigkeiten der Verwaltungsrechtslehre erweisen sich zum guten Teil als die der hermeneutisch handlungsorientierten Disziplinen schlechthin. Hermeneutik als Methodologie ist keine exakt festgelegte Wissenschaftsphilosophie. Anders als i n positivistischen Wissenschaftstheorien w i r d ein stringentes System metatheoretischer Sätze nicht entwickelt; es fehlt die anerkannte Theorie der Hermeneutik. Die Gefahren eines hermeneutischen Wissenschaftsprogramms sind groß. I n den Handlungswissenschaften droht das Gegenteil eines Szientismus, wie w i r gesehen haben: eine zu pragmatische Grundhaltung, welche nicht nur die Wissenschaftlichkeit gefährdet, sondern welche über die zu kurzgeschlossene Bindung an die praktische Erfahrung dieser nicht mehr originär durch theoretische Erkenntnisse nützen kann. Insbesondere fällt es i m hermeneutischen Geschäft schwer, die Wertungen des Wissenschaftlers an einem bestimmten methodischen Platz zu lokalisieren. A m Ende droht, daß man sich dem Kontrollbereich wissenschaftlicher Methodik überhaupt entzieht und die „Vorurteilsstruktur des Verstehens zu einer Rehabilitierung des Vorurteils als solchem" wendet 1 1 4 . Indessen kann die Unbestimmtheit der Hermeneutik auch zu ihrem Vorteil ausschlagen. Eine kritische — und das ist eine auch selbstkritische — Hermeneutik w i r d nicht so leicht jenen metatheoretischen Fixierungen verfallen, die vor allem auch die positivistischen Philosophien bevorzugen, und, was vor allem wichtig ist, eine solche Hermeneutik w i r d ihre Vorurteile leichter revidieren. So ist auch die Methodologie der Verwaltungsrechtslehre offen für den wissenschaftstheoretischen Wandel, mag er philosophisch i m Namen der Metadogmatik, der Zetetik oder i n anderer Weise gefordert, mag er von den Bedürfnissen der Praxis, die über die Einzelfallgestaltung der Eingriffsverwaltung hinaus immer mehr allgemeine Sozialgestaltung ist, verlangt sein.

114 Vgl. die an Hans-Georg Gadamer geübte K r i t i k von Jürgen Habermas, Z u r L o g i k der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische Rundschau, 1967, Beiheft 5, S. 174.

Sechstes Kapitel

Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis 1. Metatheorie der öffentlichen V e r w a l t u n g

„Das alte Wissenschaftsideal, das absolut gesicherte Wissen (episteme), hat sich als ein Idol erwiesen" (Popper 1 ). Nach dieser Einsicht finden w i r i n der heutigen Sozialforschung zwei Grundzüge, m i t denen den Unsicherheiten wissenschaftlicher Erkenntnisleistungen Rechnung getragen wird. Einmal w i r d über ein Verfahren der Festlegungen und Bestimmungen die wissenschaftliche Selbstbeschränkung gesucht, die das Ungesicherte vor den selbst gezogenen Grenzen hält. Zum anderen w i r d die epistemologische Ungesichertheit i n den Forschungsvollzug m i t hineingezogen, indem die Methodik der Bewährung am Objekt unterworfen wird. Die Forschungsarbeiten, die die modernen Einzelwissenschaften hervorbringen, sind von beiden Verfahrensweisen gekennzeichnet. Fachwissenschaftlichkeit braucht eine gewisse Vorausgesetztheit von Objekt und Methode. A u f der anderen Seite müssen diese nach einem Mindestmaß i n Frage gestellt bleiben. Sozialwissenschaft ohne erkenntnistheoretisch-methodologische Vorgabe läuft Gefahr, kein Theoriebewußtsein entwickeln zu können und nur noch der genuinen Alltagserfahrung zu trauen. Sie verliert den Ort distanzierter Reflexion und n i m m t die Bahn der Praxis selbst. Sozialwissenschaft, die sich nicht für die Selbstbesinnung über Objekt und Methode offenhält, hat zu besorgen, daß sie ihre wissenschaftstheoretischen Prämissen als Konventionen und Dezisionen in Anspruch nimmt und zu einem unbefragten und unbefragbaren Rahmenwerk ideologisiert. Sie bewegt sich i n dem fest abgesteckten Fragehorizont, ohne sich darüber verständigen zu können, was sie i n der von ihr erforschten sozialen Praxis ausrichtet oder anrichtet. Für unsere Verwaltungswissenschaft, die vor dem Problem steht, ihr Selbstverständnis i n umfassender Weise neu zu formulieren, ist der Weg zu unreflektierter Niederschrift des i n der öffentlichen Verwaltung praktisch Erlebten versperrt. Das gilt freilich nur für die theoretische Arbeit als solche. Die informatorische Bedeutung einer Dokumentation der genuinen Verwaltungserfahrung ist damit nicht geschmälert. Der i Logik der Forschung, S. 225.

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Einfluß solcher Dokumente wieder auf die praktische Verhaltenssteuerung i n der öffentlichen Verwaltung ist hoch zu veranschlagen. Auch als Basismaterial für die Verwaltungswissenschaft können Berichte praktischer Erfahrung hochnützlich sein. Zu wissenschaftlichen Aussagen selbst bedarf es aber der spezifisch methodischen Leistung. Hier hat die Verwaltungswissenschaft nicht zuletzt aus ihrer eigenen Geschichte zu lernen: Den Darstellungen des Verwaltungslebens gleichsam nach A r t unreflektierter Geschichtsschreibung läßt die Entwicklung der neueren Einzelwissenschaften keinen theoretischen Anspruch. Es führt kein Weg zurück zu den enzyklopädischen Reihungen der staatswissenschaftlichen Verwaltungsforschung. W i l l man der Komplexität des modernen Verwaltungslebens einen angemessenen Umfang wissenschaftlicher Erkenntnisse gegenüberstellen, dann reicht die Synopse allseitig historisierender Aussagen über die öffentliche Verwaltung nicht zu. I m Kontext benachbarter Sozialwissenschaften ist der Verwaltungswissenschaft die Richtung der theoretischen Leistung gewiesen. Wenn es für eine umfassende Verwaltungsforschung unternommen worden ist, den wissenschaftlichen Fragehorizont i n eben jene Richtung auszuweiten, so müssen w i r uns doch darüber Rechenschaft geben, daß jeder Versuch solcher Grenzverschiebung das Merkmal neuer Grenzsetzung trägt. Verwaltungswissenschaft w i r d nach neuen Voraussetzungen bestimmt. Es bleibt, diese nicht als unbefragte Festlegungen hinzunehmen, sondern der kritischen Selbstreflexion auszusetzen. I n der sozialwissenschaftlichen Nachbarschaft hat die Verwaltungswissenschaft insoweit achtsam zu sein. Sie muß die Problematik einer nach Objekt und Methode definitiv angenommenen Wissenschaftlichkeit sehen. Die heutigen Fachwissenschaften haben sich m i t Wissenschaftsphilosophien auseinanderzusetzen, die einen positiv und unmittelbar gesetzten Forschungshorizont annehmen. Wissenschaft gilt als positiv und absolut entschieden, ohne daß die Grenze methodischer Aussagemöglichkeit selbst hinterfragbar wäre. Sozialwissenschaft hat dem schon entgegenzuhalten, daß damit die eigene Historizität vergessen wird 2 . Und i n der Tat erlaubt es die sozialwissenschaftliche Theorie- und Methodengeschichte nicht, Wissenschaft als unverrückbares Faktum hinzunehmen. Der Begriff des Erkenntnisinteresses gewährleistet für den hier formulierten Forschungsbereich, daß auch eine umfassendere Verwaltungswissenschaft offengehalten w i r d für ständiges Fragen nach der Konstituierung ihrer selbst als Wissenschaft i m Hinblick auf Gegenstand und Methode. Als Metatheorie der öffentlichen Verwaltung w i r d eine Selbstreflexion der Verwaltungswissenschaft möglich, die mehr erreicht, 2 Vgl. Heinz Hülsmann, 1967, S.2.

Hermeneutik u n d Gesellschaft, i n : Soziale Welt,

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als etwa das Regelwerk eines nomologischen Wissenschaftsprogramms darstellt. Über die Wissenschaftstheorie i m engeren Sinne hinaus öffnet sich der Zugriff bis zu den sozialkulturellen Bedingungen von Wissenschaftlichkeit. Vor allem gerät i m Zusammenhalt von Erkenntnis und Interesse das Verhältnis von Theorie und Praxis ins Blickfeld, und zwar i m weiteren Sinne einer Gesellschaftspraxis wie i n dem hier spezifischen einer Verwaltungspraxis. Die Metatheorie hält Zugang zur Erkenntniskritik bis zur allgemeinen Idee der Erkenntnistheorie als Gesellschaftstheorie 3 . Wenn hier auch zuerst versucht worden ist, eine Vorstellung von dem Umfang der Verwaltungsforschung zu vermitteln, so erhellt doch, daß gerade eine Wissenschaft von der öffentlichen Verwaltung mehr als manche andere Sozialwissenschaft i m Hinblick auf ihre weiteren Abhängigkeiten Sorgfalt üben muß. Die Verwaltungswissenschaft muß einer Erkenntniskritik antworten können, die etwa auf einen instrumentalen Charakter ihrer Leistungen, auf eine auf technische Verfügbarkeit reduzierte Rationalität, auf eine Konservierung bestehender Zustände, auf einen Verlust des Menschen in den wissenschaftlich produzierten Objektivierungen und Formalisierungen hinweist 4 . Weiter werden auch die speziellen Problemlagen von Verwaltungstheorie und Verwaltungspraxis einsehbar. Das verwaltungswissenschaftliche Selbstverständnis kann Verbindung halten zu den Bedingungen des Verwaltungslebens, denen es wiederum verhaftet ist. Bei dem Versuch, den Standort verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis nach staatswissenschaftlicher und verwaltungsrechtswissenschaftlicher Uberlieferung, nach kontinentaleuropäischem und nordamerikanischem Herkommen zu kennzeichnen, konnte nicht nur auf eine engere wissenschaftstheoretische: erkenntnistheoretisch-methodologische, Frageebene abgestellt werden. Es wurde nötig, die verwaltungswissenschaftliche Entwicklung i n dem weiteren Feld sozial- und geistesgeschichtlicher Prozesse zu sehen. Insbesondere mußte etwa in der Beziehung von juristischer Verwaltungsrechtslehre und Eingriffsverwaltung der Gedanke der einschlägigen Praxis herangezogen werden. Dabei ging es nicht u m die denk- und sozialpsychologischen Erklärungen der Verwaltungswissenschaft als eines Systems menschlich-gesellschaftlichen Handelns i n der Interdependenz mit anderen sozialen Systemen. Es wurden Aussagen über wissenschaftliche Erkenntnis und Erkenntniskritik angestrebt und damit metatheoretische Ergebnisse. Entsprechend bedeutet die ständige Selbstreflexion über die Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis mehr, als eine „rein" epistemologisch verstandene 3 Vgl. dazu Jürgen Habermas, Erkenntnis u n d Interesse; ferner ders., Technik und Wissenschaft als „Ideologie", S. 146 ff. 4 Vgl. etwa die kritischen Anmerkungen von Ralf Dahrendorf, Pfade aus Utopia: Z u r Neuorientierung der soziologischen Analyse, a.a.O., S. 49 ff.

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Metatheorie zu entwerfen. Die Theorie der Verwaltungswissenschaft muß sich die Theorie-Praxis-Relation zu öffnen suchen, und zwar i n erkenntniskritischer Weise i n bezug auf wissenschaftsbestimmende Faktoren, nicht u m wissenschaftliche Aussagen zu psychologisieren oder soziologisieren. Einen augenfälligen Platz i n den Methodendiskussionen um neopositivistische Wissenschaftskonzeptionen nehmen der Vorwurf und der Gegenvorwurf naiver Ontologie ein: einerseits ontologische Unreflektiertheit, andererseits Ontologisierung. Solche Vorhaltungen stehen kennzeichnend für das Dilemma, das von vornherein mitbestimmend für unsere gesamte Gedankenführung geworden ist. Die Verwaltungswissenschaft kann ihr Selbstverständnis nicht aus einem philosophisch gesicherten Bestand von Wissenschaftslehren formulieren, und doch kann sie nicht ganz jenen Problemen entgehen, deren Lösung von der Philosophie in Anspruch genommen w i r d 5 . Die so beanspruchten Themen werden freilich oft i n einer Form abgehandelt, die sich grundsätzlich von den Erkenntnisweisen der Wissenschaft unterscheidet. Während die Wissenschaft i n der Selbstbeschränkung methodischen Vorgehens ihre Leistungen zuverlässiger zu machen sucht, meinen viele Philosophien, der menschlichen Erkenntnis i m absoluten Zugriff abschließend habhaft geworden zu sein. Das Ziel „metaphysischer Letztdeutungen" führt zu nicht beizulegenden Kontroversen. Solche philosophischen Lehren werden für die Wissenschaft „funktionslos". Denn letztere strebt intersubjektiv ausweisbares Wissen an und hält demgemäß auch den Theorienstreit i m Lernprozeß wissenschaftlicher Uberprüfungen für austragbar. Unkontrollierbare und unauflösbar kontroverse Gesamtdeutungen können hierfür nicht philosophische Grundlage, sein. Indes: die Probleme bleiben, vor allem die Frage nach der Bindung der Wissenschaft an den menschlichen Erfahrungsbereich. Mag man i n dem, was dem Menschen i m Leben m i t Bewußtsein widerfährt, den Weg der Theorie oder der Praxis nehmen, es bleibt die Bindung an den Gesamtzusammenhang „integraler Erfahrung". Auch die Wissenschaft ruht auf dem auf, was Menschen wahrnehmen, beobachten, erleben, kennenlernen. Darüber hat die Metatheorie Rechenschaft zu geben. Das bedeutet aber, daß sie selbst an die Wissenschaft Anschluß findet und Wissenschaftlichkeit annimmt. Sie muß gewisse spekulative Züge aufgeben, auf „metaphysische Letztdeutungen" verzichten und das intersubjektiv Ausweisbare suchen. So w i r d sie nicht nur als Methodologie, sondern weiter und nicht zuletzt auch als Anthropologie möglich. Denn da Theorie und Praxis gemeinsam eignende menschliche Grundstruktus Vgl. hierzu u n d zu weiteren f ü r die Verwaltungsforschung relevanten Fragen Hans Ryffèl, Grundprobleme der Rechts- u n d Staatsphilosophie: Philosophische Anthropologie des Politischen, bes. S. 19 ff.

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ren i n Frage stehen, geht es ebenfalls um die anthropologische Grundbestimmung der Wissenschaft. Auch insoweit muß das allgemeine Grundlagenwissen i m Feld vor den absoluten Weltdeutungen gesichert werden. Nehmen w i r z. B. das auch metatheoretisch erhebliche Problem der Willensfreiheit 6 . Vor dem letzten erkenntnismäßigen Zugriff öffnet sich ein breiter Spielraum der Reflexion über Determiniertheit und Indeterminiertheit i m menschlichen Leben. Einzelwissenschaften wie die Psychologie, die Strafrechtswissenschaft und die Philosophie etwa als Ethik haben dringlichen Anlaß über „die Offenheit des Subjekts für die Valenz der i n der multivalenten Situation wirksamen Aspekte vom Beginn bis zum Abschluß des Entscheidungsgeschehens"7 nachzudenken. Praktisch so relevante Größen wie Verantwortlichkeit und Schuld zeigen unübersehbar, daß es nicht weiterhilft, die Problembehandlung i n der Kontroverse letzter philosophischer Standpunkte unlösbar zu machen. Anders können w i r versuchen, das zu nutzen, was in den genannten Disziplinen wissenschaftlich möglich ist. Aus diesen Quellen scheint ein anthropologisches Grundwissen integrierbar, das gewisse Grundauffassungen vom Menschen zuläßt. Die Integrationsbestrebungen i m anthropologischen Bereich sind weiter fortgeschritten, als es i m Gebiete der Rechts- und Staatsforschung gemeinhin zur Kenntnis genommen wird 8 . Die erzielten Einsichten sind für die Verwaltungswissenschaft auf verschiedenen Diskussionsebenen bedeutungsvoll. I m Hinblick auf die verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnisinteressen ist noch zu bezeichnen, wie die Anthropologie zum Selbstverständnis der Wissenschaft beitragen kann. Das ist eben angesichts solcher sozialwissenschaftlichen Strömungen wichtig, die von einem positiv gesetzten und entschieden definitiven Horizont der Forschung ausgehen. Ihre i m Grunde dezisionistische Art, Wissenschaft als Faktum zu nehmen, schließt es aus, Sozialwissenschaft als menschliches Werk, als eine Theorie vom Menschen für den Menschen und gebunden an die gemeinsame menschliche Praxis zu begreifen. Freilich machen es gerade die „reinen" Wissenschaftslehren erforderlich, die Gegenstände der Anthropologie in einer Weise zu behandeln, die nicht gleich einen Ideologieverdacht aufkommen läßt. So ist auch im Feld vor den philosophischen Letztdeutungen über den Zusammenhalt von Erkenntnis und Anthropologie zu reflektieren, von dem aus sich die wissenschaftliche Leistung als menschliche darstellt und von dem aus, wenn die Wissenschaft sich wiederum über Menschen verhält, Theorie und Praxis nach den menschlichen Bedingungen hinterfragt werden 6 Vgl. zu einer Einführung Wilhelm Keller, Das Problem der Willensfreiheit. 7 Hans Thomae, Der Mensch i n der Entscheidung, S. 271. s Vgl. hierzu Hans Ryffel, Grundprobleme der Rechts- und Staatsphilosophie: Philosophische Anthropologie des Politischen, bes. S. 103 ff.

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können. Letzteres interessiert vor allem für die Bestimmung des verwaltungswissenschaftlichen Standortes. Die Relevanz anthropologischer Überlegungen für das Selbstverständnis der Verwaltungswissenschaft w i r d am sozialwissenschaftlichen Modelldenken beispielhaft. Es ist gezeigt worden, wie es dort nicht auf die erfahrbaren Gleichförmigkeiten i n den Zusammenhängen sozialen Verhaltens ankommt, sondern auf bestimmte Möglichkeiten i m menschlichen Handeln. Potentielle Verhaltensmuster werden entworfen, die nicht auf rein empirisch feststellbaren Handlungsinvarianzen beruhen. Das führt zu tieferliegenden philosophischen Fragen, die etwa i n der Tradition Kants so beantwortet werden: Der entscheidende Unterschied zwischen theoretischer Sozialwissenschaft und Physik liege darin, daß das von den Sozialwissenschaften studierte Verhalten der Menschen stets unter der Voraussetzung stehe, daß es von gewissen Maximen beherrscht werde, an die sich die Menschen hielten, aber auch nicht halten könnten. Die sozialwissenschaftlichen Modelle setzten stets die „Geltung" von bestimmten Maximen voraus. Daher seien die modelltheoretischen Untersuchungen der Sozialwissenschaften grundsätzlich Untersuchungen über mögliches Handeln, während die theoretische Physik stets auf die wirkliche Natur bezogen und die Feststellung, daß diese sich anders verhalte, als die Theorie es erwarten lasse, für physikalische Theorien tödlich sei. Deshalb sei auch eine allgemeine Theorie des Handelns i n ganz anderer Weise problematisch, als es eine allgemeine Theorie in der Physik sei; denn es gehe in sie, die die möglichen Modelle übergreifen müßte, unvermeidlich die Freiheit des Menschen i n bezug auf die Maximen seines Handelns ein 9 . V o n dieser Stelle aus kann man sich mit den Begriffen des Gesetzes und der Kausalität auseinandersetzen. Man kann darauf sehen, wie die Meinung von durchgängigen Kausalitätsgesetzen i n der Naturwissenschaft erschüttert ist, wie man über deterministische und indeterministische Interpretationen von Naturvorgängen streitet. Man kann überlegen, ob die theoretische Entwicklung i n der modernen Physik für die Diskussion der sozialwissenschaftlichen Problematik erheblich ist. Man kann aber auch darauf schauen, was über allgemeine, gleichbleibende, zwangsläufige Beziehungen der Identität, der Simultaneität, der Kontinuität i n den menschlichen Handlungsabfolgen aus der Perspektive anthropologischer Forschung zu sagen ist. Beziehen w i r uns auf eine Anthropologie, die ausgehend von der festgelegten Instinktverfassung des Tieres die menschliche Lebensverfassung analysiert, dann erweist 9 Jürgen von Kempski, Z u r Logik der Ordnungsbegriffe, besonders i n den Sozialwissenschaften, a.a.O., S. 232; vgl. dazu Jürgen Habermas, Z u r Logik der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische Rundschau, 1967, Beiheft 5, S. 51.

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sich der Mensch als „Potentialitätswesen" 10 . Das menschliche Leben stellt sich durch Unbestimmtheit, Plastizität und Spontaneität wie durch äußerste Komplexität gekennzeichnet dar. Gemessen an den starren, undifferenzierten Verhaltensweisen des Tieres verfügt der Mensch über eine plastische Fülle von Verhaltensmöglichkeiten überhaupt: „Die Welt ist nicht mehr ein bloßer Ausschnitt, d. h. Umwelt, auf die die Verhaltensmöglichkeiten abgepaßt sind, sondern ein offener Bereich möglichen Verhaltens." Der Mensch fügt sich nicht i n starrer Weise in die gegebene Welt ein. Möglichkeit und Wirklichkeit, Erkennen und Handeln fallen nicht i n eins. Und weiter: „Ein Wesen, das über grundsätzlich freie Verhaltensplastizität verfügt, kann alles Seiende ,sein lassen' und deshalb auch verwenden, und zwar i n optimaler Weise." Gerade i m Erkennen und in der technischen Beherrschimg der Welt kommen die offenen Möglichkeiten des Menschen zur Geltung. Ohne den Zusammenhalt von Erkenntnis und Anthropologie nun genauer zu bestimmen 11 , erhellt, daß ein ausschließlich auf deterministische Wirkungszusammenhänge i m menschlich-gesellschaftlichen Handeln verpflichtetes Wissenschaftsprogramm i n der Sozialforschung kaum befriedigen kann. Freilich unterliegt der Mensch i n der Gesellschaft gewissen sozialen Kontinuitäten. Es gibt bestimmte Beständigkeiten i m menschlichen Handeln, Zwangsläufigkeiten i m sozialen Verhalten. Gewisse Entwicklungen zeigen übereinstimmende Merkmale. So darf insbesondere für die öffentliche Verwaltung nicht übersehen werden, daß sie als sozialer Zwang den Menschen Verhaltensvorbilder auferlegt. Das Thema der elektronischen Datenverarbeitung i n Recht und Verwaltung macht bewußt, daß w i r uns auf schematisierte, konditional programmierte Sozialzusammenhänge einzustellen haben. Jedoch dürfen w i r den Begriff sozialer Gesetzmäßigkeiten nicht überbeanspruchen. I n einem strengeren Sinne deterministischer Prozesse w i r d man allenfalls i n schmalen Handlungsausschnitten habhaft werden. Die Unbestimmtheit, Plastizität und Spontaneität des Menschen, deren deutlicher Niederschlag seine Geschichtlichkeit ist, hindern, weitläufig gesetzmäßig determinierte Wirkungszusammenhänge annehmen zu können. Die menschliche Existenz als der Möglichkeit wie der Wirklichkeit teilhaftig weist darauf hin, daß es eine wichtige Leistung der öffentlichen Verwaltung sein wird, aus den Spielräumen von Ungewißheit und Unbestimmtheit zu bestimmtem Handeln und gewissen Entscheidungen zu finden. 10 Vgl. dazu Hans Ryffel, Grundprobleme der Rechts- u n d Staatsphilosophie: Philosophische Anthropologie des Politischen, S. 103 ff.; ders., Einzelmensch und Gesellschaft, a.a.O., S. 113 ff. 11 Anregungen dazu bei Carlo Sganzini, Ursprung u n d W i r k l i c h k e i t : Beiträge zur Philosophie, Psychologie u n d Pädagogik, hrsg. von Hans Ryffel u n d Gottfried Fankhauser.

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Wenn man den Menschen aber als „Potentialitätswesen" sieht, dann geht die wissenschaftliche Fragestellung nicht nur über die Determiniertheit hinaus zu den probabilistischen Wirkungszusammenhängen des menschlich-gesellschaftlichen Handelns. Die Sozialforschung m i t statistischen Mitteln erhält zwar ein besonderes Gewicht. Weiter stellt sich aber die Sinnfrage. Der Mensch, der über grundsätzlich offene Verhaltensmöglichkeiten verfügt, bedarf der „Entlastung" 1 2 . Die ursprüngliche Plastizität w i r d i n der K u l t u r stabilisiert. Sinndeutungen, Glaubensüberzeugungen, Werte, Normen, Ziele usw. werden zum Steuerungsmittel des menschlich-gesellschaftlichen Verhaltens. So mündet dann kulturanthropologisches Denken i n dem „Verhältnis von Chance und Wirklichkeit" 1 3 . Die hieraus unter dem Blickwinkel der Methodologie sich ergebende Konsequenz w i r d an dem wichtigen Begriff der sozialen Struktur deutlich. Soziale Strukturen sind von den realen sozialen Beziehungen zu unterscheiden. Sie sind nicht einfach die Gesamtheit der i n einer gegebenen Gesellschaft bestehenden sozialen Bindungen. Die Struktur kann nicht direkt aus der konkreten W i r k lichkeit herausgeholt werden 1 4 . W i r können bei der i m Gegensatz von Modell und Wirklichkeit eingeschlossenen erkenntnistheoretisch-methodologischen Problematik anknüpfen. Für die Ortsbestimmung der Verwaltungswissenschaft als einer Wissenschaft vom Menschen i n der Gesellschaft ergibt sich angesichts anthropologischer Einsichten wiederum folgendes: Unterlegt der Mensch seinem Handeln einen Sinn, dann darf sich die Verwaltungswissenschaft nicht durch vorgefaßte Wissenschaftsphilosophien von der Frage nach den für öffentliches Verwalten relevanten Sinngefügen abtrennen lassen, mag die methodologische Abklärung zur intersubjektiven Ausweisbarkeit noch so schwierig sein. Und noch ein weiteres: Gibt es sinnhafte Größen: Werte, Normen, Ziele usw., die menschlich-gesellschaftliches — und so administratives — Handeln steuern, dann müssen diese auch i n Rechnung gestellt werden, wenn Verhaltensketten von äußeren Anreizen und Reaktionen erforscht werden. Auch mögliche Feststellungen von ReizReaktion-Schemata müssen i n den Rahmen weiterer Verständlichkeiten eingestellt werden. Der anthropologische Hinweis auf den Menschen als von grundsätzlich offener Verhaltensmöglichkeit verfaßt liefert einen elementaren Beitrag für das verwaltungswissenschaftliche Selbstverständnis. Wir haben bei der vorliegenden Umfangsanalyse der Verwaltungsforschung den heuristischen Wert der Kategorien: Realität, Potentialität, Idealität und 12 Vgl. Arnold Gehlen, Urmensch u n d Spätkultur: Philosophische Ergebnisse und Aussagen. 13 Wilhelm Emil Mühlmann, Umrisse u n d Probleme einer K u l t u r a n t h r o pologie, a.a.O., S. 17. 14 Vgl. Claude Lévi-Strauss , Strukturalle Anthropologie, S. 330.

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Normativität genutzt, ohne ihre ontologische Systematik für sich zu untersuchen. Der exemplifizierte Zusammenhalt von Erkenntnis und Anthropologie zeigt, daß sich unsere kategoriale Gliederimg von Erkenntnisinteressen weiter in anthropologischer Richtung begründen läßt. Auch insoweit begnügen w i r uns i m übrigen m i t dem, was als — hier: menschlich-gesellschaftliche — Bestimmungsfaktoren der Wissenschaft implizit m i t dem Rahmenwerk zur Theorie der Verwaltungswissenschaft vorgetragen worden ist. Es sei nur noch unterstrichen, daß sich die anthropologische Grundbestimmung der Wissenschaft speziell auf die Erkenntnisinteressen der Verwaltungsforschung i n unserer modernen K u l t u r beziehen läßt. Es läßt sich überlegen, was die Chancen menschenmöglicher Erkenntnis i m Hinblick auf die k u l t u rellen Varianten sind, die das technische Zeitalter, die wissenschaftliche Zivilisation, die industrielle Massengesellschaft bestimmen. Bleiben für die Verwaltungswissenschaft nur die Chancen, Werke instrumentaler Vernunft zu produzieren oder sich i n allgemeine K u l t u r k r i t i k zu hüllen? Die Antwort hierauf werden nicht zuletzt die Ergebnisse der Verwaltungsforschung selbst geben. Der Gefahr „entmenschtlichter" Fachwissenschaftlichkeit w i r d die Verwaltungswissenschaft am besten widerstehen, wenn sie ihren Forschungshorizont offenhält, und zwar nicht nur i m engeren Sinne wissenschaftstheoretisch: erkenntnistheoretisch-methodologisch, sondern weiter und vor allem auch gegenüber jenem anthropologischen Grundwissen, das den Menschen als gemeinsame Voraussetzung von Verwaltungstheorie und Verwaltungspraxis ausweist.

2. Pluralismus i n der Verwaltungswissenschaft

Wer sich i n den europäischen Ländern m i t den Problemen einer umfassenden Verwaltungswissenschaft befaßt, w i r d alsbald mit der Frage ihrer Institutionalisierung konfrontiert 1 5 . Es geht um die Einrichtung von Lehrstühlen, Studiengängen, Aus- und Fortbildungskursen, Forschungszentren, Forschungsdoktoraten, wissenschaftlichen und Berufsvereinigungen, Schriftenreihen, Zeitschriften und vieles mehr. Das ruft noch anderes hervor — und erfordert auch noch anderes —, als aus reinem Erkenntnisdrang ein Wissenschaftsprogramm zu formulieren — und sicherlich genügt es mancherorts, den wachsenden Anteil der i n 15 Vgl. zu einem Überblick Verwaltungswissenschaft i n europäischen L ä n dern: Stand u n d Tendenzen, Vorträge u n d Diskussionsbeiträge der internationalen verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1968; sonst z.B. Fritz W. Scharpf, Pläne f ü r ein Verwaltungsstudium an der Universität Konstanz, m i t Stellungnahmen von Roman Schnur u n d Werner Thieme t i n : Die Öffentliche V e r waltung, 1969, S. 182 ff.

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der öffentlichen Verwaltung Tätigen an der Gesamtzahl der Erwerbspersonen nachzurechnen, um die Verwaltungswissenschaft als anzugliedernde „Subdisziplin" verlockend erscheinen zu lassen. Indes wäre es falsch, den Anteil des wissenschaftlichen Selbstverständnisses in den einschlägigen Diskussionen zu unterschätzen und etwa i n den Stellungnahmen von der juristischen Seite nur die „quasi-monopolistischen A n sprüche" zu sehen. Das Verhältnis von Recht und Rechtswissenschaft zu Verwaltungspraxis und Verwaltungstheorie bedarf einer differenzierenden Betrachtungsweise. Dazu w i r d es erforderlich, weiter vorzudringen, als bis zu der Feststellung, daß das Handeln in der rechtsstaatlichen Verwaltung eben unter der Leitlinie rechtlicher Richtigkeit erfolgen müsse. Wenn man sich von den dogmatischen Topoikatalogen löst und nach Struktur und Funktion des Normativen i m menschlichen Entscheiden und dann speziell des Rechtsnormativen i m Entscheiden der öffentlichen Verwaltung unter den sozialen Bedingungen unserer hochkomplexen Zivilisation forscht, zeigt sich die Unverzichtbarkeit normorientierten Verhaltens auch i n den Entscheidungsprozessen der modernen Leistungsverwaltung. Das liegt — wenn vielleicht auch unbewußt — dann entsprechend der Meinungsbildung i n der Rechtswissenschaft zugrunde. Einer gleichfalls differenzierenden Behandlung bedarf die Inanspruchnahme durch „the old queen of all sciences: politics". Daß das Verhältnis von Verwaltungswissenschaft und Politischer Wissenschaft nicht nur i n Nordamerika kein spannungsfreies ist 1 6 , sondern auch i n Europa nicht problemlos sein wird, deutet sich bereits an 1 7 . Hier besteht Anlaß, aus der Wissenschaftsgeschichte zu lernen. Die Sicht auf das jeweilige Zugeständnis: „a theory of public administration means i n our time a theory of politics also" und „a theory of politics means i n our time a theory of public administration also" 1 8 reicht nicht zu. Man muß die historische Entwicklung näher ins Auge fassen, i n Nordamerika etwa: was die Bedeutung der Politischen Wissenschaft i m Hinblick auf den Know-how-approach der Verwaltungswissenschaft war und Vgl. etwa jüngst einige Bemerkungen dazu i n : Theory and Practice of Public Administration: Scope, Objectives, and Methods, hrsg. von James C. Charlesworth. 17 Vgl. Stefano Passigli, The Present State of Administrative Science: M a i n Trends and Crucial Questions, i n : Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, 1968, S. 65 ff.; ferner etwa Hans-Joachim Blank, Verwaltung u n d Verwaltungswissenschaft, a.a.O., S. 868 ff.; zur Einflußnahme der Politischen Wissenschaft auf die Verwaltungswissenschaft i n Europa vgl. Verwaltungswissenschaft i n europäischen Ländern: Stand u n d Tendenzen, V o r träge und Diskussionsbeiträge der internationalen verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1968. 18 Vgl. Fred W. Riggs, Professionalism, Political Science, and the Scope of Public Administration, a.a.O., S. 34.

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wie es dann zu der großen Einflußnahme der Organisationsforschung kam, i n Deutschland etwa: wie Otto Mayers Aussage „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht" sich i n das Verständnis vom Verwaltungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht umwandelte und doch die Verwaltungsrechtslehre ein großes Eigengewicht entfaltete. So ist auch auf die gebräuchliche Zusammenstellung: Politische Wissenschaft und Verwaltungswissenschaft, Staatsrechtslehre und Verwaltungsrechtslehre zu sehen. Eines läßt sich vielleicht schon heute festhalten: Die Verwaltungswissenschaft w i r d nicht an dem Umstand vorbeisehen können, daß die öffentliche Verwaltung i n ihren Arbeitsweisen auf formalisierte Rechtsprozesse und ökonomisch-technische Leistungen angewiesen ist. Eine Verwaltungstheorie, die das nur schelten könnte, müßte letztlich zu bloßer K u l t u r k r i t i k verfallen; denn insoweit ist die öffentliche Verwaltung ein Ausdruck der sozialkulturellen Lebensbedingungen i n der technischen Zivilisation, i n der industriellen Gesellschaft. Eine Verwaltungstheorie, die hingegen die heutige Verwaltungspraxis erforscht, w i r d einen beachtlichen A n t e i l an formaltechnischer Rationalität enthalten. Alsdann läuft sie Gefahr, sich auf die Erkenntnisinteressen des Know-how, der bloßen Machbarkeit, der Instrumentalität zu verkürzen. Hier können die Staatsrechtslehre und die Politische Wissenschaft Einfluß nehmen, daß die Verwaltungswissenschaft nicht zu einer Lehre formal-juristischer Normativität oder technisch funktionierender Regelkreise wird, während die „Führungsgrößen" der sozialen Steuerung als dezisionistisch eingestellt gelten. Wenn sich mithin auch das Thema: Verwaltung und Politik nicht nur wegen der Teilnahme der öffentlichen Verwaltung an der Politik, sondern ebenfalls wegen seiner wissenschaftskonstituierenden Bedeutung für die Verwaltungswissenschaft als wichtig erweist, so gibt es doch noch einen allgemein vorgeordneten Fragenzusammenhang, der entsprechend die nach einem neuen Selbstverständnis suchende Verwaltungswissenschaft vor allem beschäftigt. Es ist der, ob die Verwaltungswissenschaft einheitlich, jedenfalls irgendwie zusammengefaßt, oder pluralistisch und dann letztlich i m Anschluß an die mehrzahlig bestehenden Fachdisziplinen zu verstehen ist. I n Europa erhalten die einschlägigen Diskussionen einen besonderen Nachdruck 19 . Denn hier i» Vgl. zu einem Überblick Michéle Cdlimeri, Scienza delP amministrazione o scienze delP amministrazione?, i n : L a Scienza e la Tecnica della Organizzazione nella Pubblica Amministrazione, 1964, S. 583ff.; Adolf Hüttl, Gegenstand, Methode, Gliederung u n d Aufgabe der Verwaltungslehre, a.a.O., S. 144 ff.; Georges Langrod, Science administrative ou sciences administratives?, i n : Annales Universitatis Saraviensis, Rechts- u n d Wirtschaftswissenschaften, 1956/57, S. 92 ff.; Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d E n t w u r f ; André Molitor, Les sciences sociales dans l'enseignement supérieur: A d m i n i s t r a t i o n Publique; Fritz Mor stein Marx, Stand der Verwaltungswissenschaft, a.a.O., S. 34ff.; Joris in ft Veld, 15 Speyer 46

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geht es wiederum zugleich u m eine Frage der Institutionalisierung der Verwaltungswissenschaft. I m bestehenden Wissenschaftssystem scheinen Lehre und Forschung einen angemessenen institutionellen Schutz nur i m Anschluß an eine Fachdisziplin zu erhalten. So verbindet sich für manchen m i t dem sprachlichen Gegensatz: „Verwaltungswissenschaft oder Verwaltungswissenschaften" eine wissenschaftliche Existenzfrage i n die eine oder die andere Richtung oder gar schlechthin. Wer den Weg einer umfassenden Verwaltungswissenschaft nicht nur i n der Zusammenzählung von Verwaltungs-Rechtslehre, Verwaltungs-Geschichte, Verwaltungs-Betriebswirtschaftslehre, Verwaltungs-Soziologie, Verwaltungs-Psychologie usw. sieht 20 , ist demgemäß gehalten, eine weiterreichende Zusammenfügung zu nennen. Die Verwaltungswissenschaft gilt dann etwa als eine synthetische Sozialdisziplin, als eine „disciplinecarrefour", die aus der Zusammenfassung der Ergebnisse vieler anderer Wissenschaften entsteht: Aber trotzdem — oder eher dank dieser Umgruppierung -und Integrierung der Schwesterwissenschaften — ergebe sich eine Originalität des Verwaltungsstandpunkts, der beim Studium der Sozialphänomene nicht zu entbehren sei. Man nütze die Resultate verschiedener Forschungen aus, indem man von einem Interessenzentrum als festem Anhaltspunkt ausgehe und sich i n systematischer Weise die traditionell getrennten Wissenschaftszweige zunutze mache. Man gehe von dem Standpunkt aus, daß jeder dieser partikulären Wissenschaftszweige allein unfähig sei, alle spezifischen Fragen des gewählten Einheitsproblems ausführlich zu analysieren, und daß es nur durch organisierte Zusammenarbeit möglich sei, die relevanten Fragen zu erfassen 21 . Pluralismus als ein bestimmendes Prinzip der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft ist bereits dargelegt worden. Das hat manche Spannimgsverhältnisse bewirkt, ist insbesondere auch nicht ohne Einfluß auf die Institutionalisierung der Verwaltungswissenschaft geblieben 2 2 und weiter als Mangel einer allgemeinen Verwaltungstheorie empfunden worden 2 3 . Die fachliche Etablierung der Verwaltungswissenschaft in Lehre und Forschung ist freilich dadurch nicht verhindert Towards a General Theory of Administration, i n : Management International, 1962, S. 37 ff. 20 Vgl. etwa Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 55 f.; für die K o m m u nalwissenschaft Arnold Röttgen, Die Gemeinde als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung, i n : Archiv für Kommunalwissenschaften, 1962, S. 3 ff. 21 So die charakteristische Stellungnahme von Georges Langrod, F r a n k reich, i n : Verwaltungswissenschaft i n europäischen Ländern: Stand und Tendenzen, S. 44. 22 Vgl. etwa Lynton K. Caldwell, Public Administration and the U n i v e r sities: A Half-Century of Development, i n : Public Administration Review, 1965, S. 52 ff. 23 Vgl. etwa Edward H. Litchfield, Notes on a General Theory of A d m i nistration, i n : Administrative Science Quarterly, 1956, S. 3 ff.

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worden. Hingegen scheint die so entstandene akademische Disziplin: Public Administration i n jüngerer Zeit nach der Ansicht mancher K r i t i k e r durch ihre Vielfalt überbelastet zu sein. Dabei geht es nicht einmal so sehr darum, daß der genuine Erfahrungsgegenstand der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft starkem Wachstum und Wandel unterliegt und zudem angesichts der Pflege der Bereiche: Comparative Public Administration und Administration i n Developing Countries 24 den nationalen Erfahrungshorizont übersteigt. Daß man sich etwa auch mit dem Recht der öffentlichen Verwaltung mehr auseinandersetzen müsse, w i r d noch ruhig zugestanden. Jedoch scheint der anschwellende Strom der über die offenen Wissenschaftsgrenzen des Faches: Public Administration aus den Nachbarwissenschaften fließenden Theorien, Modelle, Systeme, Approximationen jene Unsicherheit i n der Verwaltungswissenschaft herbeizuführen, die von einer „crisis of identity" 2 5 sprechen läßt. Insbesondere die breit angelegte Organisationsforschung — Organization Theory: A n Elephantine Problem 2 6 — übt einen kritischen Appell, wobei zu bemerken ist, daß die Organisationsforschung ihrerseits sich durch alles andere als durch wissenschaftlichen Monismus auszeichnet 27 . A n dieser Stelle ist man gehalten, über die spezifischen Probleme der Verwaltungswissenschaft hinaus zu überlegen, ob die überlieferten Formen der Fachwissenschaftlichkeit i n Forschimg und Lehre heute überhaupt noch Bestand haben können. Aus der Wissenschaftsgeschichte können w i r lernen, wie die Einzelwissenschaften aus dem Bereich der Philosophie herausgetreten sind und sich i n einem Prozeß der immer weiteren Spezialisierungen zu dem tradierten Bestand verselbständigt haben. Die Frage ist, ob die A r t und Weise dieser Spezialisierungen heute und i n Zukunft für die Wissenschaft maßgeblich ist. W i r werden bei näherem Zusehen mit einem Bedarf an interdisziplinärer Forschung konfrontiert, der an der Stringenz der geübten Disziplinierung zweifeln läßt. W i r haben i n Ausbildung und Fortbildung — nicht nur für die öffentliche Verwaltung — Berufsbildern zu entsprechen, die aus dem Kanon jetzt gelehrter Einzelwissenschaften kaum abzudecken sind. I n dieser Situation fällt es bei einiger Tatkraft — wie sie die nordamerikanische Organisationsforschung zweifellos entwickelt — leicht, sich zum Meister des Nachbarn zu machen. Das gilt für die klassischen Fach24 Vgl. i m vorliegenden Zusammenhang Fred W. Riggs, Administration i n Developing Countries: The Theory of Prismatic Society, bes. S. 81. 25 Vgl. Dwight Waldo, Scope of the Theory of Public Administration, a.a.O., S. 3 ff. 26 So der T i t e l eines Besprechungsaufsatzes von Dwight Waldo, i n : Public Administration Review, 1961, S. 210ff.; vgl. ders., Z u r Theorie der Organisation: I h r Stand u n d ihre Probleme, i n : Der Staat, 1966, S. 285 ff. 27 Vgl. etwa Albert H. Rubenstein / Chadwick J. Haberstroh (Hrsg.), Some Theories of Organization. 15*

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bereiche wie die neueren Ansätze. Soziologen fordern die Soziologisierung der Geschichtswissenschaft, der Rechtswissenschaft, der W i r t schaftswissenschaft. Und sie haben einigen Grund, zu verlangen, daß auf „Soziologisches" Rücksicht genommen w i r d 2 8 . Aber man kann auch m i t gutem Grund weitere Ketten bilden, i n denen die Rechtswissenschaft auf ökonomisches, die Wirtschaftswissenschaft auf Soziologisches, die Soziologie auf Historisches, die Geschichtswissenschaft auf Anthropologisches usw. Bedacht zu nehmen hat. Für manchen Organisationstheoretiker scheint sodann alles Organisation zu sein. Kybernetiker neigen dazu, alles als Sonderfälle derselben Regelungsprobleme zu nehmen. Und i n der Tat besteht wiederum guter Grund anzunehmen, daß Kategorien wie System und Entscheidung maßgeblich zur Strukturierung moderner Sozialwissenschaftlichkeit beitragen werden. Ob w i r damit aber „Königswege" 2 9 der Wissenschaft betreten, ist eine andere Frage. Der sich hieran knüpfende Gedanke, interdisziplinäre oder überhaupt nicht fachbestimmte Arbeit zu leisten, führt uns zu den Entfremdungen, die die Grenzziehungen der heutigen Fachwissenschaften bewirkt haben. Sie werden deutlich, wenn über die einseitige Inanspruchnahme — etwa: Recht sei nur ein Instrument zur Erreichung wirtschaftlicher Ziele — und über die bloße Erklärung, engste Zusammenarbeit sei notwendig oder Zusammenarbeit sei unmöglich, hinaus das Gespräch gesucht w i r d 3 0 . Die Meinungen reichen von weitgehenden Gleichsetzungen — etwa: Richtiges juristisches Denken sei auf weiten Strecken dasselbe wie wirtschaftswissenschaftliches Denken, soweit es denselben Gegenstand habe und u m nichts anderes als u m die Lösung derselben Sachfrage bemüht sei — bis zur scharfen Trennung der Disziplinen, wonach die Fachwissenschaften eben nach Gegenstand und Methode verschieden seien. Es zeigt sich, daß die methodologische Vorklärung unabweislich ist. Dort aber auch nur einen gemeinsamen Ansatzpunkt zu gewinnen, stößt schon auf die entstandenen kommunikativen Sperren. Etwa bloß die Perspektiven der Mensch-Norm-Beziehung einerseits und der Mensch-Güter-Beziehung andererseits auf die Betrachtung der MenschMensch-Beziehung umzustellen, erweist sich bereits als schwierig. Von dort bis zu den gemeinsam relevanten Lebenstatbeständen — z. B. der Steuerzahlung — ist noch ein weiter Weg. Z u Sachfragen theoretisch 28 Vgl. Hans Ryffel, Z u r Stellung der Soziologie i m Kreis der Wissenschaften v o m Menschen, i n : Schweizerische Zeitschrift f ü r Volkswirtschaft u n d Statistik, 1957, S. 143 ff. 29 Vgl. etwa die kritische Untersuchung von Wolf-Dieter Narr, David Eastons Systemanalyse: E i n Königs- oder Holzweg einer allgemeinen Theorie des politischen Verhaltens, i n : Politische Viertel jahresschrift, 1967, S. 424 ff. so Vgl. etwa Ludwig Raiser / Heinz Sauermann / Erich Schneider (Hrsg.), Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik.

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gemeinsam vorzudringen, entzieht sich der Reichweite des Gesprächs der Fachvertreter. Die Probleme erfahren keine die jeweilige Disziplin überschreitende Lösung. Es bleibt, darauf zu vertrauen, daß die wissenschaftlich gebildeten Praktiker — Juristen, Ökonomen usw. — i n dem Zusammenwirken sozialer Lebensvollzüge die Lösimg der Probleme erreichen. Diese Haltung können diejenigen nicht teilen, die die Bedarfslagen i n der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis überprüfen. Die Ratschläge spezialisierter Fachwissenschaftlichkeit erweisen sich oft als punktuelle sozialtechnische Auskünfte, die insbesondere i n den komplexen Situationen öffentlichen Handelns nicht weiterhelfen. Die Praxis sucht auch die wissenschaftliche Beratung über die weiteren Zusammenhänge ihrer Entscheidungen. So entsteht der Gedanke, neben die Spezialdisziplinen eingerichteter Wissenschaftsbereiche eine neue Grunddisziplin „beratender Sozialwissenschaft" zu stellen, die i n interdisziplinärer Zusammenarbeit die Basis von integrierten Erkenntnissen, Grundbegriffen und Prinzipien ausbildet, von denen aus dann sinnvoll zu operieren ist 3 1 . Man stellt sich eine „Systemwissenschaft" vor, die Erkenntnisse i m Hinblick auf konkrete Aktionsaufgaben gewinnt. Ihre Resultate sollen Empfehlungen zum Handeln sein. Der Wissenschaftler soll Partner bei der Planung und Entscheidung sein. Eine solche Wissenschaft soll gleichzeitig deduktiv sein, indem sie aus axiomatischen Systemen Folgerungen ableitet und Modelle für Handlungstypen konstruiert, induktiv sein, indem sie empirische Befunde über Verhaltensweisen zu Hypothesen verarbeitet, welche die Grundlage für Theorien bilden, instrumenten sein, indem sie die M i t t e l und Methoden für die Anwendung i n konkreten Situationen entwickelt, und pragmatisch sein, indem sie diese Anwendbarkeit ständig berücksichtigt und bei der Anwendung selbst beteiligt ist. Eine solche Wissenschaft soll „metawissenschaftlichen" Charakter i n dem Sinne haben, daß sie keiner der bestehenden Wissenschaften zuzurechnen ist, daß sie viele der bestehenden Wissenschaften betrifft, daß sie auch die Vorgehensweisen der Wissenschaften zum Gegenstand haben kann, daß sie neue Methoden entwickelt, daß sie eine adäquate Sprache vermittelt, u m über Wissenschaft zu sprechen und über Forschung Forschungen anzustellen, daß sie es erlaubt, Indikationen von einer Wissenschaft i n eine andere zu übertragen, daß sie Strukturverwandtschaften verschiedener Wissenschaften aufdeckt, daß sie Zusammenhänge zwischen Forschung, Entwicklung und Realisation untersucht, Vgl. insbesondere das Programm v o n Gerhard Weisser , Probleme beratender Sozialwissenschaft, a.a.O., S. 83 ff.; ders., Das Problem der systematischen Verknüpfung v o n Normen u n d von Aussagen der positiven Ökonomik i n grundsätzlicher Betrachtung, erläutert anhand des Programms einer sozialwissenschaftlichen Grunddisziplin aus Empfehlungen u n d W a r nungen, a.a.O., S. 16 ff.

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die Verbindung von Wissenschaft und Anwendung vermittelt, den polaren Gegensatz von Theorie und Praxis aufhebt 32 . W i r brauchen eine derartige Wissenschaftskonzeption nicht näher zu analysieren, u m zu sehen, daß auch sie der vorstehend erörterten erkenntnistheoretisch-methodologischen Problematik von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität nicht entgeht. Das w i r d sichtbar, wenn der Werturteilsstreit i n der Geschichte der Sozialwissenschaften bewußt gemacht wird, dann sorgfältig zwischen praktischen und theoretischen Axiomen, Aussagen präskriptiven und Aussagen explikativen Charakters unterschieden und folgendes Programm vorgeschlagen w i r d : Erarbeitung einer ausreichenden Zahl operational definierter metasoziologischer Prämissen praktischer A r t , die dem System als bekenntnismäßig eingeführte Axiome zugrunde gelegt werden; Ausbildung eines genügend nützlichen Apparates von Grundbegriffen; Heranziehimg von Grundlehren explikativer Sozialwissenschaft als theoretische Axiome, vor allem Zeitanalysen, geschichtstheoretische Lehrsätze, theoretische Aussagen über sonstige empirische Gesetzmäßigkeiten des sozialen Lebens, i m besonderen Aussagen über die Grenze des geschichtlich jeweils Durchsetzbaren; Ableitung einer sich aus Vorstehendem ergebenden generellen Vorentscheidung für eine historisch jeweils mögliche und den vorangestellten Grundentscheidungen am ehesten entsprechende Grundkonzeption des sozialen Lebens i m ganzen; Ausarbeitung gewisser soziotechnologischer Leitregeln für eine Mehrzahl von Gesinnungspositionen; Erfordernis der Aufstellung von praktischen Axiomen für K r i t i k und Gestaltung der Teilbereiche der Gesellschaft; Erarbeitung von Empfehlungen und Warnungen spezieller Art, die sich unter Berücksichtigung all dessen und des Wissens aus den betreffenden speziellen Bereichen der Gesellschaft ergeben 33 . Gegenüber der Ausführbarkeit solcher Programme einer neuen Grundwissenschaft vom sozialen Leben w i r d man sogleich Zweifel anmelden. Hier w i r d angesichts der Vielfältigkeit der sozialen Praxis und der Vielschichtigkeit des von den sozialwissenschaftlichen Fachdisziplinen angebotenen Stoffes eine Kapazität vorausgesetzt, die unsere theoretische K r a f t derzeit übersteigt. Indes enthalten diese Entwürfe Desiderate, die die Einzelwissenschaften nicht erfüllen. Eine viel anspruchsloser konzipierte wissenschaftliche Beratung könnte der öffentVgl. Horst Rittel, Zur wissenschaftlichen u n d politischen Bedeutung der Entscheidungstheorie, a.a.O., S. 110 ff.; vgl. auch das Konzept einer Praxeologie: Kurd Aisleben u n d Wolf gang Wehrstedt (Hrsg.), Praxeologie: Acht Beiträge zur Einführung i n die Wissenschaft v o m leistungsfähigen Handeln aus dem Forschungszentrum f ü r allgemeine Probleme der Arbeitsorganisation i n Warschau. 33 Vgl. diese Zusammenfassung des Programms von Gerhard Weisser bei Klaus Lompe, Wissenschaftliche Beratung der P o l i t i k : E i n Beitrag zur Theorie anwendender Sozialwissenschaften, S. 179.

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liehen Verwaltung weiterhelfen, als es heute möglich ist. Dasselbe gilt ebenfalls, wenn man nicht auf die Idee einer allgemeinen Integrationswissenschaft, sondern auf eine interdisziplinäre Umstellung der Einzelwissenschaften schaut. Für jede Lebenspraxis läßt sich die Frage stellen, ob die ihr speziell zugewandten Fachwissenschaften das letzte Wort sind oder ob sich nicht ein interdisziplinäres Vermögen entwickeln läßt, das der Komplexität des Lebens auf der Ebene der Wissenschaft nicht punktuelle Erkenntnisse gegenüberstellt, sondern genuine Erfahrungsgegenstände theoretisch weiterfassend zu wissenschaftlichen Erkenntnisgegenständen wendet. So w i r d i m Hinblick auf das Rechtsleben der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Zeit nicht mehr fern sein werde, i n der Kommentare und Lehrbücher der Rechtsdogmatik nicht mehr nur von Juristen, sondern i n Verbindung m i t Vertretern etwa der Nationalökonomie, Psychologie, Psychiatrie, Pädagogik und Soziologie und ihrer Sondersoziologien, insbesondere der politischen Soziologie, der Biologie, Medizin, der Architektur und technischer Disziplinen verfaßt werden 3 4 . Kehrt man von der Konfrontation der eingeübten sozialwissenschaftlichen Fachlichkeit m i t der K r i t i k durch den wissenschaftlichen Nachbarn, m i t den Schwierigkeiten des Gesprächs zwischen den Fachvertretern, m i t dem Konzept einer allgemeinen „Integrationswissenschaft", m i t der interdisziplinären Umstellung der Einzelwissenschaften zu dem Problem der Verwaltungswissenschaft zurück, so bleibt doch, wenn vielleicht auch vergleichsweise bescheiden, folgendes. Zuerst: „niemand kann als Jurist, Nationalökonom, Anthropologe, Psychologe, Entscheidungstheoretiker und Soziologe die Verwaltungswissenschaft i n Gang bringen" 3 5 , und zwar nicht bloß deswegen, w e i l die Stoffülle dieser Disziplinen die menschliche Lernfähigkeit übersteigt, sondern w e i l die wissenschaftskonstituierenden Faktoren dieser Disziplinen i n einer Weise auseinanderfallen, daß es irgendwie weiterer theoretischer A n strengung bedarf, die divergierenden Fachrichtungen wieder zusammenzufassen. Sodann erscheint es unbefriedigend, eine bei uns neu zu begründende umfassende Verwaltungswissenschaft einfach i n Jurisprudenz, Ökonomie, Soziologie, Psychologie, Politische Wissenschaft auseinanderfallen zu lassen. Die geübte wissenschaftliche Spezialisierung erweist sich als nicht unproblematisch. Wie der Bedarf an integrierendem Wissen zeigt, sind die bestehenden Einzelwissenschaften nicht so verfaßt, daß man Methoden und Ergebnisse aller irgendwie relevanten Disziplinen zu ausreichenden Auskünften addieren könnte. Vielleicht muß man sogar befürchten, daß wesentliche Teile einer Wissenschaft 34 Vgl. Hans Ryffel, Grundprobleme der Rechts- u n d Staatsphilosophie: Philosophische Anthropologie des Politischen, S. 503. 35 Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 17.

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von der öffentlichen Verwaltung nach den geltenden sachlichen und methodischen Prämissen ausfallen. Schließlich bleibt die Frage, wie w i r angesichts der Vielfalt unserer praktischen und theoretischen Welt wissenschaftlich zu arbeiten haben, damit nicht der „Atomisierung der Verwaltungswissenschaft" Vorschub geleistet wird. „Nach dem Grundsatz natürlicher Zusammengehörigkeit . . . die bisherigen . . . Ergebnisse von Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht" miteinander zu verschmelzen 36 , reicht letztlich nicht zu. Freilich ist zu merken, daß jede Sozialwissenschaft auf dem Grund der Erfahrung gesellschaftlicher Praxis steht. W i r haben es vermieden, theoretische Erkenntnis von praktischer Erfahrimg i n einem strengen Dualismus abzutrennen. Insbesondere eine Wissenschaft, die wie die Verwaltungswissenschaft ihr Forschungsfeld noch erweitern w i l l , tut gut, sich an das anzuschließen, was die praktische Vernunft öffentlichen Verwaltens leistet. Andererseits ginge es zu weit, all das, was die Sozialwissenschaften an Erkenntnis hervorbringen — etwa die ökonomische Spieltheorie — als Ergebnis praktischer Vernunft zu beanspruchen. Entsprechend sind Verwaltungstheorie und Verwaltungspraxis nicht eins. Die Verwaltungswissenschaft muß, um den Namen der Theorie tragen zu können, wie jede andere Wissenschaft auch Leistungen distanzierter Reflexion erbringen. Doch damit nicht genug: Wenn sie nicht einfach bloß i n die bestehenden Einzelwissenschaften zerfallen w i l l , muß die Verwaltungswissenschaft ein eigenes theoretisches Vermögen entfalten, auch wenn man sich von der Vorstellung tradierter Fachgrenzen freimacht. Ob die Verwaltungswissenschaft das „Potential für Komplexität" entwickeln wird, u m gegenüber der Vielfalt der Verwaltungspraxis und der Vielschichtigkeit benachbarter Sozialwissenschaften einen eigenen Standpunkt zu behaupten, müssen w i r abwarten. Hingegen läßt sich andeuten, wie der Weg der Verwaltungswissenschaft i n der theoretischen Welt sein kann. Wenn die Addition von Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Soziologie, Politischer Wissenschaft usw. zur Verwaltungswissenschaft als unzureichend erscheint, ist die Richtung, die nur derartige Spezialisierungen und nicht noch etwas mehr weist, versperrt. W i r müssen uns wohl gegen den Zug divergierender Einzeldisziplinen wenden: I m Falle der Verwaltungswissenschaft scheint — nach der Ausdifferenzierung der Fachwissenschaften aus ihrer Mutterdisziplin — ein umgekehrter Prozeß der Integration erforderlich zu sein 37 . Nach allem ergibt sich, daß die Probleme der Verwaltungswissenschaft allgemeine und besondere unseres Wissenschaftsbetriebes sind. 36 Vgl. Hans Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 14. 37 Vgl. Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 16 f.

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Sie sind allgemeine insofern, als die geübten einzelwissenschaftlichen Disziplinierungen eine Divergenz der Erkenntnisleistungen herbeigeführt haben, die sozialwissenschaftliche Integrationen erforderlich erscheinen lassen. Deswegen sind bloß immer weitere Spezialisierungen i n den gewohnten Formen als einziger Weg neuer Forschung und Lehre zweifelhaft. Ob sich allerdings über den Sozialwissenschaften heute eine gemeinsame Mutterwissenschaft als die allgemeine Integrationswissenschaft entwickeln läßt, w i r d dem fraglich sein, der sich über die Gründe Rechenschaft gibt, die zum Verlust einheitsstiftender Philosophie geführt haben. Integrationen brauchen jetzt vermutlich differenziertere Strategien, zuerst w o h l überhaupt die Öffnung der Einzelwissenschaften: etwa der Rechtswissenschaft gegenüber der Kommunikationstheorie, der Wirtschaftswissenschaft gegenüber der Soziologie, der Geschichtswissenschaft gegenüber der strukturalen Anthropologie. Auf der anderen Seite bedarf es dann des Aufbaues eines allgemeinen Grundwissens zu den gemeinsam interessierenden Aspekten der Sozialwissenschaften. Hier sind vor allem jene Integrationsbestrebungen i m anthropologischen Bereich zu nennen, von denen bereits die Rede war und die gewisse Grundauffassungen vom Menschen in der Gesellschaft zulassen; denn schließlich münden alle sozialwissenschaftlichen Überlegungen, mögen sie auch bei einem Robinson-Crusoe-Modell ansetzen, i m Menschlich-Gesellschaftlichen. Nicht zuletzt müssen auch die erkenntnistheoretisch-methodologischen Grundlagen der Sozialwissenschaften in einer Weise bearbeitet werden, daß fachwissenschaftliche Methodenlehren, die ohne Kontakt zu den aktuellen Hauptströmungen der Wissenschaftstheorie sind, unmöglich und damit die Verständigungssperren, die heute das interdisziplinäre Gespräch von vornherein behindern, abgebaut werden. Es müssen Sprachen entwickelt werden, die es wenigstens erlauben, über die verschiedenen Standpunkte zu verhandeln. Die Probleme der Verwaltungswissenschaft sind besondere insofern, als es i n Nordamerika das Fach: Public Administration durch besonders offene Forschungs- und Lehrgrenzen gegenüber den wissenschaftlichen Nachbarn nicht zu jener ordentlichen Disziplinierung gebracht hat, von der aus einige Einzelwissenschaften so selbstsicher operieren. Das läßt dann jenen Wissenschaftsbereich für das Auge manchen europäischen Betrachters recht verschwommen erscheinen. Jedoch ist zu bedenken, ob wissenschaftliche Disziplinierung i n Zukunft überhaupt mehr zulassen w i r d als ein gewisses fachliches Kerngebiet umschlossen von einem Bereich offener Forschung und Lehre. Den eigenen Standpunkt muß allerdings auch das Fach: Public Administration zu behaupten wissen. Für die Verwaltungswissenschaft besteht i n Europa die Besonderheit, daß die privatwirtschaftlichen Unternehmungen zwar das Interesse nicht nur der Wirtschaftswissenschaft, sondern auch der

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

Rechtswissenschaft, der Soziologie, der Psychologie auf sich lenken konnten, die öffentliche Verwaltung aber nach den anfangs aufgewiesenen historischen Entwicklungen ganz zum Gegenstand der Rechtswissenschaft wurde. Es fehlen m i t h i n regelmäßig sogar punktuelle Auskünfte einer Verwaltungs-Betriebswirtschaftslehre, Verwaltungs-Soziologie, Verwaltungs-Psychologie usw. Das Problem ist, ob die Verwaltungswissenschaft, nachdem sie unter den heutigen Bedingungen nicht mehr bloß Verwaltimgsrechtslehre sein kann, sich nur an die bestehenden Fachdisziplinen pluralistisch anschließt oder sich irgendwie auch zusammengefaßt einrichtet. W i r haben angesichts der Divergenz der eingeübten Einzelwissenschaften die Integrationsfrage gestellt. Sie kann hier nur sehr elementar gemeint sein. Es geht nicht darum, wie sich durch eine reflektierte Zusammenfassung von politikwissenschaftlichen, organisationssoziologischen, betriebswirtschaftlichen usw. Überlegungen, die sich auf die öffentliche Verwaltung beziehen, eine besser integrierende Verwaltungswissenschaft erreichen läßt. Bei uns gibt es nicht genügend einschlägige wissenschaftliche Aussagensysteme, die Verbindung zur öffentlichen Verwaltung halten. I n unserer Situation muß die Integrationsfrage von vornherein i m Zusammenhang benachbarter Sozialwissenschaften gesehen werden und von deren Grundlagen her bedacht werden, welche Wege der Integration sich nach der heutigen sozialwissenschaftlichen Entwicklung abzeichnen lassen, die dann mögliche Standorte verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis sein können. Bevor die derart umrissene Fragestellung aus der Sicht der hier zugrunde gelegten Kategorien von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität zu beantworten gesucht wird, muß noch weiter zum Anfang unserer Überlegungen zurückgegriffen werden. Es ist davon ausgegangen worden, daß die ausdifferenzierte Sozialwissenschaft sich i n einem Bezug von „Gegenstand" und „Methode" bestimmt, wobei freilich die beiden Bezugspunkte problematisch bleiben. A n der Wende der genuinen Erfahrungsgegenstände zu den wissenschaftlichen Erkenntnisgegenständen fließen jene Erkenntnisinteressen ein, die als relevante Größen auch verwaltungswissenschaftlicher Aussagensysteme dargelegt worden sind. Sozialwissenschaft bleibt so eingespannt zwischen Praktisch-Gegenständlichem einerseits und Theoretisch-Methodischem andererseits. Auch die Verwaltungswissenschaft entgeht diesem Spannungsverhältnis nicht, ob sie nun den Weg divergierender Wissenschaften oder den Weg einer integrierenden Theorie nehmen wird. Sie muß sowohl die öffentliche Verwaltung ins Auge nehmen wie sich durch wissenschaftliche Erkenntnisleistungen auszeichnen. Wenn w i r i m folgenden den Begriff der Professionalisierung einführen, dann geschieht das, u m diese beiden Merkmale als Voraussetzung jeder Verwaltungswissenschaft zu verdeutlichen.

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I n der nordamerikanischen Verwaltungswissenschaft w i r d der Professionalismus i m Hinblick auf eine „crisis of identity for public administration" diskutiert 3 8 . Die professionale Perspektive w i r d angesichts der disziplinaren Schwierigkeiten des Faches: Public Administration bemüht 3 9 . Die Analogie zur Medizin — Wissenschaft und Kunst, Theorie und Praxis, Studium und Anwendung — bietet sich an. Der „professional approach" w i r d zusammen mit dem Bedürfnis genannt, alte Probleme der Verwaltung — „personal ethics", „politics and power", „constitutional status, law, and jurisprudence", „public policy", „political theory and philosophy" — neu zu sehen und den Kreis der theoretischen Anliegen — „external and internal security, justice, education, government by osmosis and symbiosis, science and technology, urbanism and the idea of development" — zu vergrößern. Gegen solche Sicht stellt sich i n der K r i t i k die theoretische Konzeption 4 0 . Der Gedanke des Professionalismus w i r d nicht auf den wissenschaftlichen Gegenstandsbereich, sondern auf das Lehrprogramm bezogen. Er w i r d zum Problem der akademischen Ausbildung des Verwaltungsdienstes: zum „professional school approach". Wer — wie hier — Theorie und Praxis nicht i n eins setzt, w i r d den Gedanken der Professionalisierung differenziert auf die Verwaltungswissenschaft anwenden. Zunächst ist darauf zu achten, daß Verwaltungswissenschaft als Lehre die Gegenstandsbezogenheit der wissenschaftlichen Leistung durchaus ins Blickfeld bringt. Ausgeprägter als in anderen Ländern gilt i n der deutschen Tradition die Idee der Einheit von Lehre und Forschung. Das hat den Erfordernissen der Lehre einen beachtlichen Einfluß auf die Disziplinierung der Einzelwissenschaften gegeben, ohne daß damit die spezifischen Problemlagen der wissenschaftlichen Unterrichtimg immer deutlich geworden sind. Heute w i r d bei der Einrichtung der Verwaltungswissenschaft bei uns das Eigengewicht der Gründe einer wissenschaftlich betriebenen Ausbildung für die öffentliche Verwaltung stärker gesehen. Sie werden nicht ohne weiteres m i t konstituierenden Faktoren der Verwaltungswissenschaft schlechthin gleichgesetzt. So könnte man auch die Integrationsfrage der Verwaltungswissenschaft i n besonderer Weise auf die Bedürfnisse der Lehre beziehen. Es erhellt, daß das Angebot atomisierten Wissens aus Jurisprudenz, Ökonomie, Soziologie, Psychologie usw. ohne jeden integrierenden Zusammenhang den didaktischen Anforderungen an einen Hochschulunterricht für den Verwaltungsdienst kaum entsprechen würde. 38 Vgl. den Tagungsband Theory and Practice of Public Administration: Scope, Objectives, and Methods, hrsg. von James C. Charlesworth. 39 Vgl. Dwight Waldo , Scope of the Theory of Public Administration, a.a.O., S. I f f . 40 Vgl. bes. Fred W. Riggs, Professionalism, Political Science, and the Scope of Public Administration, a.a.O., S. 32 ff.

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Trotz solcher eigenen Fragestellungen der wissenschaftlichen Lehre weisen berufliche Unterrichtung und weiter Professionalisierung auf die öffentliche Verwaltung als Materialobjekt der Verwaltungswissenschaft hin. Für Max Weber bedeutete die bürokratische Verwaltung „Herrschaft kraft Wissens: dies ist ihr spezifisch rationaler Grundcharakter" 4 1 . Beruflich ausgeübter Verwaltungsdienst und Sachkenntnisse stehen zusammen. Heute stellt die Soziologie der Berufe das Wissenselement i n die Mitte des Begriffs der Professionalisierung, und die Berufsbeamten können den Sachverstand als das für sie Selbstverständliche i n Anspruch nehmen. So muß sich die Verwaltungswissenschaft gegenüber einer Praxis professionalen Sachwissens einrichten. Sie muß sich an einem hohen Standard praktischer Vernunft messen lassen. Die Verwaltungslehre hat auf ihrer Ebene m i t dem Schritt zu halten, was traditionsreiche berufspraktische Erfahrung an Wissen über die öffentliche Verwaltung erarbeitet hat. Hier liegen weitere Schwierigkeiten für den Anlauf einer umfassenden Verwaltungswissenschaft. I m wissenschaftlichen Unterricht w i r d unübersehbar, daß die Verwaltungswissenschaft sich zur öffentlichen Verwaltung sachverständig machen muß. Sicher ist aus dem zu lernen, was aus allgemeinen Erkenntnissen übertragbar ist, was etwa die Wirtschaftswissenschaft, die Soziologie, die Psychologie zur privatwirtschaftlichen Unternehmung ermittelt haben und was dann bei weiterer Prüfung ebenfalls in der Verwaltungswissenschaft Bestand hat. Auch die Verwaltungsrechtslehre hat aus der Privatrechtslehre gelernt. Aber letztlich geht es um die Theorie der öffentlichen Verwaltung, und da weist der Begriff der Professionalisierung auf die grundlegende Bindung an den Erfahrungsgegenstand hin. Professionalisierung kann aber auch dem Theoretisch-Methodischen der Verwaltungswissenschaft einen spezifischen Sinn geben. Die Differenzierung der Fachwissenschaften hat es ermöglicht, angesichts der Komplexität genuiner Sinn- und Wirkungszusammenhänge zu theoretisch bearbeitbaren Größen vorzudringen. Die Fachdisziplinen haben sich i n einem Bezugsrahmen wissenschaftlicher Erkenntnis eingerichtet, von wo aus die intersubjektive Verständigung gesucht wird. Fachwissenschaftlichkeit vollzieht sich nach einem bestimmten methodischen Regelwerk und i n einem bestimmten Fragehorizont. Der weiterreichenden Grundprobleme der Metatheorie ist man sich vielleicht bewußt, i m Forschungsprozeß werden sie aber prinzipiell unberücksichtigt gelassen. Versteht man sonach unter Professionalisierung auf der Ebene wissenschaftlichen Arbeitens das Selbstverständlichwerden bestimmter Grundvoraussetzungen und die Standardisierung der relevanten Forschungsregeln 42 , dann kann man annehmen, daß Professionalismus gleichfalls 41 Wirtschaft S. 129.

u n d Gesellschaft:

Grundriß

der

verstehenden

Soziologie,

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für die Verwaltungswissenschaft maßgeblich sein wird. Die Festlegung bestimmter metatheoretischer Prämissen und relevanter Fragestellungen, die — wenn auch möglicherweise nicht endgültig gemeint — die Erkenntnisleistung i n ihrem breiten täglichen Vollzug von der Beantwortung weitläufiger und letzter Probleme freistellt, gehört zu den Fundamenten moderner Wissenschaftlichkeit. Professionalisierung bedeutet insoweit ein Moment der Entlastung, das auch i n Zukunft kaum verzichtbar sein wird. Wie offen sich die Verwaltungswissenschaft gegenüber den wissenschaftsphilosophischen Strömungen hält, wie sehr sie immer neue Forschungshorizonte anstrebt, sie bedarf jenen Maßes theoretisch-methodischer Verfestigung, die Wissenschaft als professionale Leistung ermöglicht. Fachkenntnisse zusammen m i t Sachwissen müssen entwickelt werden, was nicht ausschließt, auf die wissenschaftlichen Kosten — zuletzt: Blindheit — sorgfältig zu achten. „Gegenstand" und „Methode" sind als Bezugsgrößen der Verwaltungswissenschaft unter dem Blickwinkel der Professionalisierung verdeutlicht worden. Sie w i r k e n auch für die Integrationsprozesse i n den Sozialwissenschaften bestimmend. Wendet man sich der Frage möglicher Integrationen einer Verwaltungswissenschaft zu, dann ist man zuletzt dem traditionsreichen Thema der Einheit der Sozialwissenschaften gegenübergestellt. M i t der Idee einer Sozialwissenschaft verbinden sich die politisch-gesellschaftlichen Reformprogramme als „science générale", die allgemeinen sozialen Evolutionsschemata, die allgemeinen sozialökonomischen und sozialhistorischen Interpretationen, die mechanistischen und organizistischen Analogien, der einheitsstiftende Anspruch der Soziologie, die Praxeologie und vieles mehr zwischen der Sozialwissenschaft als „Nicht-Naturwissenschaft" und der „General Theory of Action". W i r sehen, daß es sich u m eine höchst vielseitige Problematik handelt. Indes lassen sich zwei Zentren integrierender K r a f t ausmachen, eben einerseits die vom Gegenständlichen, vom Inhalt her bestimmten Integrationen, andererseits die von einer Einheitlichkeit der Methode zusammengefaßte Sozialwissenschaft: also etwa die umfassenden Soziallehren menschlich-gesellschaftlicher Entwicklung bzw. die empirische Philosophie i n der Sozialwissenschaft. I n einem Abschnitt der Geschichte von der Einheit der Sozialwissenschaften ist die gesamte Staatswissenschaft der Grundgedanke jener Verwaltungslehre, bei deren Ende durch die juristische Methode der Verwaltungsforschung w i r angesetzt haben. Der Einheitsstandpunkt Lorenz von Steins steht gegen den Zug der sich differenzierenden und 42 Vgl. i n der Gegenüberstellung der amerikanischen u n d der deutschen Politischen Wissenschaft Frieder Naschold, Demokratie u n d K o m p l e x i t ä t : Thesen u n d Illustrationen zur Theoriediskussion i n der Politikwissenschaft, i n : Politische Vierteljahresschrift, 1968, S. 494.

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verselbständigenden Einzeldisziplinen 43 . Seine Verwaltungslehre ist ein Versuch sozialwissenschaftlicher Integration vom Inhalte her. Die Staatsidee w i r d zum einheitsstiftenden Moment. Es liegt i m Prinzip des Staates, daß er eine Verfassung für alle und Freiheit für den einzelnen fordert und sich i n seiner Verwaltungstätigkeit das Leben aller Staatsbürger zur Aufgabe macht. Solchem Staatsprinzip entspricht es, sich gegen die Gesellschaft durchzusetzen, und insoweit bleibt die Gesellschaftslehre i n die Staatswissenschaft eingeordnet 44 . Die methodische Problematik w i r d durch den Staatsbegriff als einen Wesensbegriff überspielt. Der Staatsbegriff enthält normierende Elemente. Aus dem Wesen des Staates w i r d Deskriptives und Präskriptives abgeleitet. I n der Wesensverwirklichung werden Realität und Normativität zusammengefaßt 45 . Heute wissen w i r — und wohl spätestens seit Max Webers Idealtypus ist das deutlich —, wie sehr jede Integration in den Sozialwissenschaften auf methodologische Leistungen angewiesen ist. I n den jüngeren wissenschaftstheoretischen Diskussionen w i r d die Zusammenfaßbarkeit von Forschungsergebnissen immer mehr zur Methodenfrage: bis zum Erkenntnismonismus einer logisch-empirischen Sozialwissenschaft. Gegenüber solchem metatheoretischen Bewußtsein bedeutet es keine zuverlässige Grundlage für eine Wissenschaft, als staatswissenschaftliche Methode außer der inhaltlichen Wesensentfaltung des Staates letztlich enzyklopädische Arbeitsformen und historisierende Betrachtungsweisen anzubieten. So ist zu verstehen, daß gerade vom Methodischen her die staatswissenschaftliche Einheitlichkeit keine beständige Alternative gegenüber jenen Differenzierungen der Einzelwissenschaften sein konnte, i n denen es gelang, Materialobjekte wie Recht und Wirtschaft i n wissenschaftlich bearbeitbare Formalobjekte umzubilden. Der Getgenstand: öffentliche Verwaltung fiel einer juristischen Fachwissenschaft zu, die als Verwaltungsrechtslehre sich dem i n der Privatrechtslehre und der Staatsrechtslehre vorbereiteten Methodenbewußtsein anpaßte, ohne sich m i t der staatswissenschaftlichen Überlieferung noch weiter auseinanderzusetzen. Freilich sind w i r damit schon bei den Folgeproblemen. Lorenz von Stein drängte gegen Adam Smith darauf, nach der deutschen Tradition die Lehre von der Staatswirtschaft von der Nationalökonomie loszulösen und als eine selbständige Wissenschaft hinzustellen. Staatswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft wurden der Verwaltungslehre eingegliedert 46 . Wiederum waren es nicht zuletzt 43 Vgl. Franz Ronneberger, Lorenz v o n Stein: Z u r 150. Wiederkehr seines Geburtstages am 15.11.1965, i n : Der Staat, 1965, S. 395 ff. 44 Vgl. Jürgen von Kempski, Sozialwissenschaft, a.a.O., Bd. 9, S. 618 f. 4ß Vgl. Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 18 ff., 112 ff. 46 Vgl. Lorenz von Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft f ü r Staats- u n d Selbstverwaltung, Bd. 1, S. 1 ff.

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methodische Gründe, die zur Einbeziehung der Finanztheorie i n die allgemeine ökonomische Theorie führten 4 7 . Aber w i e w i r Sieg und Vorherrschaft der juristischen Methode i n der Verwaltungswissenschaft nicht hinreichend aus der engeren wissenschaftstheoretischen Fragestellung nach der Methodik beantworten konnten, so müssen w i r hier wieder sehen, daß weiter auch inhaltliche Merkmale des sozial- und geistesgeschichtlichen Geschehens i m Prozeß der Desintegration wirken. Allgemein: i m dualistischen Konzept von Staat und Gesellschaft war die Staatsidee nicht hinlänglich überzeugend, u m die Wissenschaftssystematik nach dem staatswissenschaftlichen Schema zu organisieren. I m besonderen: unter dem Leitgedanken sozial limitierter Verwaltung war der integrierende Charakter gerade des Finanzwesens eines Staates nicht deutlich genug, um die Finanztheorie enger mit der Verwaltungswissenschaft zusammenzufassen. W i r sind durch diesen Hinweis darauf aufmerksam gemacht, daß nach dem vorliegenden Ansatz nur auf die erkenntnistheoretisch-methodologische Seite der verwaltungswissenschaftlichen Integrationsfrage geantwortet werden kann. Die Zusammenfaßbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse setzt indes auch eine integrierende K r a f t vom Inhaltlichen her voraus. Der Weg der Steinschen Verwaltungslehre und der Staatswissenschaft ist nicht nur der einer methodisch nicht befriedigenden Konzeption. Er geht einher mit der Entleerung der sachlichen Gehalte. So muß auch jede methodologisch weiter durchdachte Konzeption einer integrierenden Verwaltungswissenschaft ins Leere fallen, wenn nicht vom Gegenstand her die Möglichkeit zu integrierenden Leistungen vorausgeschickt wird. Man würde heute dazu zwar nicht mehr auf die Entfaltbarkeit eines allgemeinen Wesens abstellen, aber mindestens verlangen, daß die Sachprobleme eine eigene, auf Zusammenfassung drängende Dimension haben. Wenn es i n der vorliegenden Untersuchung auch nicht u m die Chancen einer umfassenden Verwaltungswissenschaft nach ihrem Inhalte geht, so sind doch immer wieder Sachfragen berührt worden, die sich i n den Leistungsbereich der bestehenden Fachdisziplinen nicht ohne weiteres einordnen lassen. Demgemäß könnte man etwa — um bei Stein 48 anzuknüpfen — weiter überlegen, ob „die Anwendung der Grundsätze der Nationalökonomie auf die Verwaltung i n allen ihren Zweigen" das ausreichende Konzept für eine umfassende Verwaltungsforschung ist. Wenn man zum Beispiel auf die Budgetierung aus der Perspektive des administrativen Entscheidungsprozesses schaut, dann ergeben sich i m Verlauf der Ausw a h l zwischen alternativen Ausgabeposten durch die beteiligten Ent47 Vgl. Jürgen von Kempski, Stein, Schmoller, Weber und die Einheit der Sozialwissenschaft, a.a.O., S. 196. 48 Vgl. Lehrbuch der Finanzwissenschaft f ü r Staats- u n d Selbstverwaltung, Bd. 1, S. 36.

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

scheidungsträger Probleme — Informationsgewinnimg durch die kalkulierende Verwaltungsbehörde, Nutzenvergleich, „fair share" 49 , tradierte Erwartungsbasis, Machtverhältnisse, politisch tragfähige Alternativen, Koordination, verwaltungsinterner Ausgleich der Präferenzen usw. —, die über eine „reine Finanztheorie" hinausreichen. Derart läßt sich ein weiter Negativkatalog zu Problemen des Entscheidungsprozesses i n der öffentlichen Verwaltung, der bürokratischen Organisation, der Personalführung, der administrativen Planung sozialer Gestaltungen, der Kommunikation usw. aufstellen. Hiernach kann man die sachliche Leistungsbreite der bestehenden Fachwissenschaften für die öffentliche Verwaltung diskutieren. Ob indes die integrierende K r a f t des Gegenstandes eine gewisse eigenständige Umgruppierung des Wissensstoffes mitbesorgt, muß i m Grunde durch den verwaltungswissenschaftlichen Forschungsvollzug gezeigt werden. Entsprechend w i r d man i m Bezug von „Gegenstand" und „Methode", wenn man sich über die epistemologischen Unsicherheiten der wissenschaftlichen Erkenntnis Rechenschaft gibt, dazu neigen, die Frage methodischer Integration der Bewährung am Objekt i m Forschungsprozeß zu überlassen. Indes braucht eben die Verwaltungswissenschaft wie jetzt Wissenschaftlichkeit schlechthin eine gewisse erkenntnistheoretischmethodologische Vorgabe. Und wenn man darauf achtet, wie heute jede Überlegung einer Einheitlichkeit in den Sozialwissenschaften, sei sie insgesamt erwogen oder für Teilbereiche gemeint 50 , auf die M i t berücksichtigung der erkenntnistheoretisch-methodologischen Ebene verwiesen ist, dann ist zu verstehen, daß das Spannungsverhältnis von „Verwaltungswissenschaft oder Verwaltungswissenschaften" einer gewissen wissenschaftstheoretischen Vorklärung bedarf. Man ist gehalten, über die Möglichkeiten methodischer Zusammerifaßbarkeit verwaltungswissenschaftlicher Aussagen zu urteilen. Hier erweisen sich die von uns zugrunde gelegten Kategorien von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität als geeignet, entsprechend der Enwicklung der Sozialwissenschaften die einschlägige Beschaffenheit wissenschaftlicher Erkenntnisleistungen zu bezeichnen. Diese Kategorien stehen für spezifische Anteilnahmen der Forschung an der sozialen Lebenswelt, die uns veranlassen, zuerst einen Erkenntnispluralismus für die Verwaltungswissenschaft festzustellen, sodann aber auf integrierende Kräfte aufmerksam zu machen. W i r haben dargelegt, wie sich wissenschaftliche Aussagensysteme über menschlich-gesellschaftliches Handeln unterscheiden lassen, je ob 49 Vgl. Aaron Wildavsky, The Politics of the Budgetary Process, S. 16 ff. so Vgl. etwa Jürgen von Kempski, Über die Einheit der Sozialwissenschaft, a.a.O., S. 218 ff.; bzw. ders., Wie ist die Theorie der P o l i t i k möglich?, a.a.O., S. 205 ff.

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sie durch ein Erkenntnisinteresse an realen, potentiellen, idealen oder normativen Verhaltensmustern konstituiert sind. Damit verbinden sich Begriffe wie Wirklichkeit und Möglichkeit, Faktizität und Rationalität, Sein und Sollen, Erfahrung und Richtigkeit, angesichts derer jede Handlungswissenschaft ihr Selbstverständnis differenziert und für die sie charakteristische Stichworte bereit hält — man schaue etwa für die Wirtschaftswissenschaft auf Unterscheidungen wie zwischen M a r k t soziologie und Entscheidungslogik oder normative und explikative Betriebswirtschaftslehre. Jede Sozialwissenschaft hat insoweit ihren Methodenstreit — man sehe etwa für die Rechtswissenschaft auf die Auseinandersetzungen um Rechtsrealismus und reine Normenlehre — und ihre ungelösten Einheitsbestrebungen — man achte etwa für die Politische Wissenschaft auf die Bemühungen u m eine synoptische oder integrierende Grundlegung. Selbst die Soziologie entgeht der Unterschiedlichkeit der Erkenntnisinteressen nicht, wenn sie auch — vor allem gegenüber anderen Sozialwissenschaften i n Bezeichnungen wie Betriebssoziologie, Rechtssoziologie, Politische Soziologie — mancherorts den Anspruch der grundlegenden und strikt empirischen Sozialforschung anmeldet. Schließlich können sich solcher Gegensätzlichkeit auch die neueren wissenschaftlichen Ansätze nicht entziehen. Das gilt insbesondere für die i m Hinblick auf die Verwaltungswissenschaft wichtige Organisationsforschung. Man weiß die Barrieren zwischen „normative and descriptive approaches to organizational research" w o h l zu verzeichnen 51 . W i r haben es vermieden, das hier zugrunde gelegte kategoriale System von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität zu festliegenden Größen zu verdinglichen. Begriffe wie Sein und Sollen unterliegen einer ontologischen Problematik und dann aber auch der Gefahr, ontologisiert zu werden. Uns warnt ein i n die Verwaltungsforschung hineinragender strenger Normativismus und das Ende seines überanstrengten Sollensbegriffs an der Macht der Tatsachen. Die hier verwandten Grundbegriffe dienen nicht absoluten Bestimmungen von Wissenschaftlichkeit, sondern werden genutzt, u m i n der Untersuchung der Sozialforschung den Weg zu einer umfassenden Verwaltungswissenschaft zu finden. So stellen für uns Realität, Potentialität, Idealität und Normativität schon deswegen keine „vollkommene Disparität" dar, w e i l diese Kategorien selbst problematisch und i m Fortgang wissenschaftstheoretischer Auseinandersetzungen beweglich bleiben. Insoweit halten sie für die sozialwissenschaftliche Arbeit immer nur relativen Abstand voneinander. Aus der Wissenschaftsgeschichte ist zu lernen, daß für den verwaltungswissenschaftlichen Forschungs51 Vgl. etwa William R. Dill, Desegration or Integration? Comments About Contemporary Research on Organization, a.a.O., S. 46 f.

16 Speyer 46

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Vollzug kein Grund besteht, sich von irgendeiner Wissenschaftsphilosophie auf eine ganz bestimmte metatheoretische Begrifflichkeit, etwa einen bestimmten Erfahrungsbegriff, gleichsam als Faktum festlegen lassen zu müssen. Auch die erfahrungswissenschaftliche Konzeption des Neopositivismus unterliegt dem Wandel 5 2 . Hier zeigt die Emanzipation der Fachwissenschaft gegenüber der Philosophie und deren kontroversen Letztdeutungen ihre Funktion. Die empirische Arbeitsweise mag zwar verlangen, daß man reale Grund-Folge-Verhältnisse untersucht und auch Kategorien von Ursache und W i r k i m g so weit wie i m konkreten Forschungsprozeß bewährbar zur Anwendung bringt. Jedoch würde ein auf einen streng deterministischen Kausalitätsbegriff beschränktes Wissenschaftsprogramm — wie gezeigt — i n der Sozialforschung auf Grenzen stoßen und so wahrscheinlichkeitstheoretische Fragestellungen, die einen Indeterminationsbereich des Sozialen von vornherein i n Rechnung stellen, nicht verdrängen können. Da unsere kategoriale Gliederung von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität nur der Bezugsrahmen ist, i n dem gewisse erkenntnistheoretisch-methodologische Probleme der Sozialforschung analysiert werden, können w i r , ohne uns vorhalten zu müssen, etwa einen Dualismus von Seins-Aussagen und Sollens-Aussagen überhaupt erst konstruiert zu haben, den Erkenntnispluralismus der Sozialwissenschaften feststellen. Zwischen wissenschaftlichen Aussagensystemen, die von Erkenntnisinteressen an realen, potentiellen, idealen oder normativen Verhaltensmustern bestimmt sind, liegt ein Bereich, der i n den sozialwissenschaftlichen Forschungsprozessen nicht theoretisch entscheidbar gemacht wird. Wie w i r gesehen haben und jetzt zusammenfassen können, gelingt es Sozialwissenschaft nicht, etwa motivationale Wirklichkeit, politische Möglichkeit, ökonomische Rationalität, rechtliches Sollen i n einem aufzunehmen und ganzheitlich wiederzugeben. Sozialforschung, die heute vorzüglich von einem erfahrungswissenschaftlichen Selbstverständnis ausgeht und sich insoweit vielleicht noch eins wähnt, w i r d mit der Frage nach den Möglichkeiten des Menschen i n der Gesellschaft konfrontiert. I n der Einsicht, daß es realisierte und nicht realisierte Möglichkeiten gibt, ist ein weiter Forschungshorizont eröffnet, der sich nicht aus der Fortschreibung von Ist-Befunden erreichen läßt. Die potentiellen Verhaltensmuster sozialen Handelns umschließen mehr, als aus dem tatsächlichen Verhalten durch Beobachtimg, Messung, Experiment erfahrbar ist. Gewisse Formen des Handelns — wirtschaftliche, rechtliche, politische und auch administrative — ragen aus den Intentionalitäten sozialen Gesamtverhaltens durch Eigenarten heraus, die von den Handlungswissenschaften noch andere Klassen von Aus52 Vgl. Günther Patzig, Nachwort zu: Rudolf Carnap, Scheinprobleme i n der Philosophie: Das Fremdpsychische u n d der Realismusstreit, S. 85 ff.

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sagen erwarten lassen, als sie empirische Verhaltensforschung zu liefern vermag. Nicht nur Aktion-Reaktion-Schemata interessieren; die Wissenschaft analysiert auch Kosten-Nutzen-Abhängigkeiten und interpretiert auch Rechtsgesetze. Insbesondere i m wirtschaftswissenschaftlichen Modelldenken w i r d deutlich, wie der Bereich der reinen Empirie verlassen wird, wenn mögliche Sozialzusammenhänge interessieren. Die strenge Verknüpfung m i t der Erfahrungswelt w i r d nicht intendiert. Ideale Handlungszusammenhänge werden erforscht. Es geht u m Handlungsketten, die idealisiert einem Rationalprinzip folgen. Handlungsabläufe werden aus der Sicht des strategischen, des optimalen, des idealen Verhaltens beschrieben. Es erweist sich, daß ein wissenschaftlicher Zugang zu Richtigkeitsfragen besteht, wenn auch beschränkt nach den fachwissenschaftlichen Prämissen etwa des Ökonomisch-Richtigen. I n der Rechtswissenschaft w i r d unübersehbar, wie sich die wissenschaftlichen Aussagen über soziale Wirkungszusammenhänge und spezifische Sinnzusammenhänge i m Sozialen unterscheiden. Der menschlich-gesellschaftlichen Handlungssituation eignet Sollen. W i l l die Jurisprudenz über das sprechen, was Rechtens ist, dann kann es beim Erforschen von „reality" kein Bewenden haben. Die Rechtslehre muß als normative Disziplin über die Dokumentseite von Handeln und Sprache i n Sinngehalte von Sollcharakter des sozialen Lebens eindringen. Der Schluß vom Sein auf das Sollen gelingt nicht. Aussagen über das Geltend-Gesollte geben nicht die Faktizität wieder. Die Interpretationen normativer Ordnungsleistungen sind nicht zwangsläufig Analysen rationaler Zweck-Mittel-Schemata. Schließlich ist auch nicht die Sprache als die Positivität wissenschaftlicher Aussagen — die Protokollsätze und sprachlogischen Konstruktionen — i n der Lage, die unterschiedlichen wissenschaftlichen Interessen zu einem Erkenntnismonismus zu verklammern. Zwar ist die Sprache mit der wissenschaftlichen Erkenntnisleistung eng verbunden. Jedoch läßt sich diese nicht auf eine Sprachleistung reduzieren. So bietet auch eine sprachanalytische Philosophie der Wissenschaft keine einheitsstiftende Verfassung. Sozialwissenschaftliche Aussagen sind verschieden konstituiert, je ob die Forschung an der Erfahrungswelt, der weiteren Welt des Möglichen, der intelligiblen Welt idealer und normativer Sinnzusammenhänge A n t e i l nimmt. M i t h i n führt unser Versuch, den Fragehorizont der Verwaltungswissenschaft so auszuweiten, daß der Komplexität der Verwaltungspraxis auf der Ebene der Theorie ein entsprechender Umfang wissenschaftlicher Leistungen gegenübergestellt werden kann, zum verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnispluralismus. Die Totalität verwaltungspraktischen Handelns läßt sich nicht i n eine Ganzheitlichkeit verwaltungstheoretischer Aussagen transformieren. Man mag den Verla*

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

lust einer einheitlichen Grundlage aller Staatstheorie bedauern; aber wie sich Jurisprudenz und Nationalökonomie von dem alten Harmoniegedanken des Naturrechts trennen mußten, so gilt für die Verwaltungswissenschaft, daß es keine natürliche und zugleich beste Ordnung der öffentlichen Verwaltung gibt, die beides ist: dem praktischen Handeln immanent und der theoretischen Vernunft evident. Was Praxis und Philosophie auch zu leisten vermögen: i n der Theorie ist das rechtlich Richtige nicht eins m i t dem wirtschaftlich Richtigen und beide sind nicht eins mit der menschlich-gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die Verwaltungswissenschaft kann für keines der theoretischen Interessen allein Partei ergreifen. Sie ist bei uns heute überwiegend Verwaltungsrechtslehre. I n der Diskussion u m eine neue Verwaltungswissenschaft w i r d kein Zweifel gelassen, daß sie auch Wirklichkeitsbefunde über öffentliches Verwalten zu liefern hat. Schaut man auf die Probleme der öffentlichen Verwaltung, dann ist genauso wenig zu bezweifeln, daß von der Verwaltungswissenschaft Rationalmodelle administrativer Handlungszusammenhänge erwartet werden: zum Entscheidungsprozeß, zu den organisatorischen Gefügen, zur sozialen Kommunikation, zu den Kosten-Nutzen-Abhängigkeiten, zu den Systemgrenzen, zur politischen Integration usw. Wie wenig es der Verwaltungswissenschaft dabei gelingen mag, i m engsten Sinne positive Erfahrung, strenge Rationalität, reines Sollen zu erreichen, so bleibt doch die Unterschiedlichkeit des methodischen Ausweises. Eine empirische Aussage muß sich entsprechend der erfahrungswissenschaftlichen Methodik an den Fakten bewähren. Wissenschaftliche Aussagen über ideale oder normative Verhaltensmuster öffentlichen Verwaltens bewegen sich i n einer intelligiblen Welt. Ob sie richtig oder falsch sind, entscheidet sich nicht bloß nach einem empirischen Kontrollprozeß, sondern nach den Kriterien der Methode, aus der sie sich begründen. Ergibt sich entsprechend der kategorialen Gliederung i n Erkenntnisinteressen an der Realität, der Potentialität, der Idealität und der Normativität des Verwaltungshandelns auch eine Unerschiedlichkeit der wissenschaftlichen Aussagensysteme über die öffentliche Verwaltung, dann erhellt, daß die Synthese verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnisleistungen auf der Ebene der Theorie nicht gelingen kann. Sie scheint uns heute genauso wenig möglich wie die vollkommene Vereinigung der Sozialwissenschaften, i n der erreicht wird, die Mannigfaltigkeiten, die Gegensätzlichkeiten, die differenzierenden Vielheiten der Sozialforschung durch die Aufhebung der Unterschiede zu einer neuen Einheit der Erkenntnis zu erhöhen. Welche synthetischen Leistungen in der Praxis und i n der Philosophie auch immer möglich sein mögen: in den wissenschaftlichen Forschungsvollzügen w i r d das intersubjektiv Ausweisbare gesucht, und damit stößt jede Einheitsabsicht auf Grenzen. Es ließe sich hier wiederum darstellen, wie sehr die modernen Sozial-

2. Pluralismus in der Verwaltungswissenschaft

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Wissenschaften i n ihrem Pluralismus den gesamtkulturellen Prämissen unserer Zeit unterliegen. Es fehlt demgegenüber nicht an Forderungen, die alte Einheit i m Denken und Handeln wieder herzustellen, insbesondere i n der Staatstheorie Normen und Fakten des Politischen wieder zu vereinigen. I n den Forschungsprozessen aber w i r d deutlich, daß sich das als Erkenntnismonismus nicht durchführen läßt. Zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit, Faktizität und Rationalität, Sein und Sollen, Erfahrung und Richtigkeit liegt eine m i t theoretischen M i t t e l n nicht überbrückbare Differenz. Nach den jetzigen Bedingungen der Sozialforschung müssen w i r den Gedanken einer großen Synthese der Verwaltungswissenschaft aufgeben. Sie läßt sich heute weder i m Rückblick auf die gesamte Staatswissenschaft noch i n der Vorausschau auf eine soziale Kybernetik ausmachen: W i r entdecken keine Naturgesetze des Menschlich-Gesellschaftlichen, die man als verhaltenssteuernde Programme theoretisch derart auswerfen könnte, daß das Abfallen von ihnen gleichermaßen das von sozialem Sollen und Sein wäre. I n dieser Lage nicht direkt zusammenschließbarer Erkenntnisleistungen spricht einiges dafür, daß sich das verwaltungswissenschaftliche Selbstverständnis als „Verwaltungswissenschaften" i m Anschluß an die bestehende Spezialisierung der Fachdisziplinen formulieren wird. Zwar beruht die Divergenz der Einzelwissenschaften, die die bloße Addition von Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Soziologie, Politischer Wissenschaft usw. zur Verwaltungswissenschaft unzureichend erscheinen läßt, nicht bloß auf dem Pluralismus derjenigen Erkenntnisinteressen, m i t denen w i r uns beschäftigt haben. Insoweit sind viele andere wissenschaftsbestimmende Faktoren zu verzeichnen, seien sie mehr auf den „Gegenstand", seien sie mehr auf die „Methode" bezogen. Jedoch sind m i t den Kategorien von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität wichtige Differenzen genannt. So w i r d zum „Verhältnis von empirischer (deskriptiver oder kausal-erklärender) und normativer, insbesondere rational-präskriptiver Forschung" gesagt: Das Schisma dieser beiden Forschungsintentionen und der ihnen zugeordneten Methodenformen beherrschten die gegenwärtige Situation der Sozialwissenschaften 53 . Weiter ist zu sehen, daß, wie nach der geübten juristischen Forschung Verwaltungs-Rechtslehre nicht reine Normtheorie ist, dann nach der geübten ökonomischen Forschimg VerwaltungsBetriebswirtschaftslehre nicht konsequente Idealwissenschaft, nach der geübten soziologischen Forschung Verwaltungs-Soziologie nicht strenge Empirie wäre. Indessen zielen die einschlägigen Erkenntnisinteressen auf rechtsnormative Handlungsmuster, ökonomische Rationalmodelle, reales Sozialverhalten. Nach den auseinandergehenden Forschungsintentionen und der Tendenz ihrer Einrichtung i m Wissenschaftssystem sind 53 Niklas Luhmann, Zweckbegriff u n d Systemrationalität: Über die F u n k t i o n von Zwecken i n sozialen Systemen, S. 236.

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

die jeweils relevanten Fächer für die pluralistische Verwaltungswissenschaft bereit gehalten. Freilich bestehen dann innerhalb dieser Fächer Methodenstreitigkeiten zwischen reiner Rechtslehre und Rechtsrealismus, normativer und explikativer Betriebswirtschaftslehre, analytischer und hermeneutischer Soziologie, die auch die hier zugrunde gelegte kategoriale Gliederung betreffen und entsprechend Differenzen i n die Einzelwissenschaften hineintragen. Aber es macht eben einen Unterschied, ob man sich innerhalb des Verständnisses bestehender Einzelwissenschaften einrichtet oder ob man gegen den Zug historisch gewachsener Spezialisierungen einen eigenen Standpunkt beansprucht. I m ersten Falle zieht man den Vorteil aus dem geschichtlichen Anfang i n metatheoretisch nicht so zerstrittenen Tagen und trägt die inzwischen entstandenen methodischen Diskrepanzen i m Fache mit. I m zweiten Falle braucht es i n Zeiten unseres Methodenbewußtseins der besonderen wissenschaftstheoretischen Anstrengungen. So ließe sich zwischen der problematischen Disziplinierung der geübten Einzelwissenschaften und dem sichernden Ort, den die Sozialforschung heute noch ganz überwiegend i n den Fachdisziplinen findet, einiges mehr hin- und herwenden. Zwei Feststellungen lassen sich hierbei machen: Erstens enthält die pluralistische Anteilnahme der Sozialforschung an realen, potentiellen, idealen und normativen Verhaltensmustern, welche eine Verwaltungswissenschaft als Synthese von vornherein verhindern, einen gewichtigen Hinweis darauf, daß es nicht nur Sache der Jurisprudenz bleibt, verwaltungsrechtliche HandlungSrregeln zu untersuchen, sondern es Sache der Ökonomie wird, sich nunmehr der materiellen Kosten-Nutzen-Abhängigkeiten, Sache der Soziologie wird, sich nunmehr der organisatorischen Handlungszusammenhänge i n der öffentlichen Verwaltung anzunehmen. Von der „Methode" her läßt sich heute keine K r a f t vorstellen, die solchen Erkenntnispluralismus überwindet. Was darüber hinaus den „Gegenstand" anlangt, so ist immer wieder deutlich gemacht worden, wie die Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis für die moderne Wissenschaft konstituierend und zudem die spezifische Verfaßtheit wissenschaftlicher Erkenntnisinteressen gegenüber den kommunikativen Absichten praktischen Handelns bewußt ist. Man kann also kaum darauf vertrauen, daß allein die Attraktivität des Gegenstandes: öffentliche Verwaltung die eine Verwaltungswissenschaft schafft. V o m Inhalt her sind Integrationen i n der Verwaltungswissenschaft mitzubesorgen. Die Verwaltungspraxis kann jedoch nicht — jedenfalls wie sich an der staatswissenschaftlichen Methode zeigt, nicht mehr — als Gegenstand die Geschlossenheit der Verwaltungstheorie begründen. Zweitens bleibt der Umstand divergierender Sozialwissenschaften. Die Feststellung dieses Umstandes hat uns veranlaßt, von vornherein

3. Exkurs: Entscheidungstheorie

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nicht einfach dem Zug sich ausdifferenzierender Fachwissenschaften zu folgen und die Wege umfassender verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis bloß i n der Richtung derartiger Spezialisierungen zu suchen. Entsprechend bleibt die Integrationsfrage auch angesichts pluraler Erkenntnisinteressen der Verwaltungsforschung und des i n diesem Pluralismus liegenden Ansatzes für die Ausfächerung verwaltungswissenschaftlicher Aussagen i n die bestehenden Einzelwissenschaften. So scheinen denn Integrationsprozesse verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnisleistungen einer differenzierteren Strategie zu bedürfen, als sie i n der Alternative „Verwaltungswissenschaft oder Verwaltungswissenschaften" zum Ausdruck kommt. Eine integrierende Verwaltungstheorie darf man sich wohl nicht einfach als etwas vorstellen, was i m Stil überlieferter Einzelwissenschaftlichkeit abgetrennt und gar gegen die Nachbarwissenschaften steht. Integrationsprozesse i n der Verwaltungsforschung scheinen nur zusammen m i t der juristischen, ökonomischen usw. Erkenntnisleistung zu vollziehen zu sein. W i r müssen daher noch i m Hinblick auf die Kategorien von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität den Gedanken verfolgen, ob zusammen m i t den bestehenden Einzelwissenschaften eine integrierende Verwaltungstheorie vorstellbar ist, die nicht die Geschlossenheit und Konkurrenz klassischer Fachwissenschaften bedeuten würde, wohl aber einen Kernbereich der Verwaltungsforschung m i t offenen Grenzen gegenüber anderen an der öffentlichen Verwaltung interessierten Disziplinen ausmachen und die Möglichkeit bieten könnte, die spezifischen Dimensionen administrativen Handelns enger zu erreichen, als es die bloße Summierung von Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Soziologie, Politischer Wissenschaft usw. ergibt. Der alte Streit über „Verwaltungswissenschaft oder Verwaltungswissenschaften" könnte dann — einer wissenschaftlichen Zeit nach der Ausdifferenzierung der Fachwissenschaften aus ihrer Mutterdisziplin angemessener — umformuliert werden in: Verwaltungswissenschaften und Verwaltungswissenschaft, nämlich als integrierende Verwaltungstheorie.

3. E x k u r s : Entscheidungstheorie

Wer sich i n der Sozialforschung darüber Rechenschaft gibt, daß die handlungswissenschaftliche Einheit für uns nicht wiederherstellbar ist, pflegt dem Pluralismus der Erkenntnisinteressen i n zwei methodischen Grundhaltungen zu begegnen. Die einen neigen dazu, die bestehenden Verschiedenheiten zu scharfen Gegensätzen zu verdinglichen. Damit verbindet sich oft die Forderung nach „Methodenreinheit" und „reinen" Lehren. Die anderen suchen Unterscheidungen wie Wirklichkeit und Möglichkeit, Faktizität und Rationalität, Sein und Sollen, Erfahrung

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

und Richtigkeit als stringent anzunehmende Dualismen zu meiden. Hier stellt man oft der pragmatischen Problemlösung die Methodenfrage hintan. U n d i n der Tat läßt sich durchaus fragen, wie fundamental etwa eine Trennung wie die von Sein und Sollen für den Menschen i n der Gesellschaft ist. Wenn der Mensch, wie oben gesagt, über grundsätzlich freie Verhaltensplastizität verfügt, dann bedarf er der Entlastung, um i n der Komplexität der Handlungsmöglichkeiten bestehen zu können. Er braucht Ziele, Werte, Normen als Steuerungsinstanzen, mit denen er das nicht festgelegte Verhalten stabilisiert. Die soziale Praxis besteht nicht bloß i n der Verwirklichung beliebiger, willkürlicher Verhaltenspotentialitäten: „der Mensch untersteht stets einem Sollen und muß andauernd Sollen i n Sein verwandeln 5 4 ." Demgemäß ist menschlich-gesellschaftliches Handeln zugleich auch normorientiertes Verhalten. Weiter ist die Zweck-Mittel-Struktur i n der rationalwissenschaftlichen Analyse nicht bloß reines Konstrukt auf theoretischer Ebene, sondern ein aus Sinnzusammenhängen des menschlich-gesellschaftlichen Lebens gewonnenes Moment. Wissenschaftliche Aussagen über ideale und normative Verhaltensmuster beziehen sich auf mögliches Handeln, aber eben auf Möglichkeiten menschlicher Praxis. So läßt es die Einsicht in die wachsende Bedeutung der wissenschaftlichen Leistung für die industrielle Gesellschaft hinsichtlich der Sozialwissenschaften unbefriedigend erscheinen, etwa zum ersten reine Sollsatzsysteme, zum zweiten konsequente Rationalmodelle, zum dritten exakte Reiz-Reaktion-Schemata zum Sozialverhalten jeweils scharf abgetrennt zu entwerfen. Insbesondere in der Staatstheorie w i r d immer wieder die Forderung laut, wenn nicht mit der Faktizität die Normativität des Politischen i n einem aufzunehmen, dann doch nicht die Aussagen über reale und ideale Verhaltensmuster politischen Handelns in ganz getrennte theoretische Welten auseinanderfallen zu lassen. Hiernach ist zu überlegen, ob man wirklich nach dem Verlust des staatswissenschaftlichen Einheitsstandpunktes gezwungen ist, die wissenschaftlichen Interessenbereiche von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität des Verwaltungshandelns theoretisch gleichsam als erratische Blöcke zu betrachten. Die Frage ist, ob man das, was in unserem Erkenntnispluralismus nicht mehr als Synthese formuliert werden kann, i n jeweils streng geschiedenen wissenschaftlichen Aussagensystemen über reale, potentielle, ideale und normative Verhaltensmuster administrativen Handelns niederschreiben muß, oder ob es nicht vor der unerreichbaren Einheit der Sozialwissenschaften, aber jenseits der tendenziell aus einer Erkenntniskategorie spezialisierten Lehren eine theoretisch zu erbringende Integration der Forschungsintentionen gibt. 54 Hans Ryffel, Grundprobleme der Rechts- u n d Staatsphilosophie: Philosophische Anthropologie des Politischen, S. 132,

3. Exkurs: Entscheidungstheorie

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Man könnte an eine Verwaltungsforschung denken, die zwischen divergierenden Lehrgebäuden und nicht bewährbaren Synthesen eine integrierende Verwaltungswissenschaft in der Weise leistet, daß sie die theoretischen Probleme der öffentlichen Verwaltung i n einem möglichst engen Kontext von Wirklichkeit und Möglichkeit, Faktizität und Rationalität, Sein und Sollen, Erfahrung und Richtigkeit behandelt und gerade diesen Kontext für ihre Forschungsinteressen begründend sein läßt. Zur Verdeutlichung dieses Gedankens wollen w i r i n einem Exkurs zur Entscheidungstheorie auf einen aktuellen Ansatz der Sozialforschung und besonders auch der Verwaltungsforschung schauen. I n unserer juristischen Verwaltungsforschung ist Entscheidung zwar ein alltäglich benutzter aber undeutlicher Begriff. Da eine handlungswissenschaftliche Theorie ohne den Entscheidungsbegriff unvollständig zu sein scheint 55 , kann man w o h l nicht ganz auf ihn verzichten. Indes steht er nicht für ein Wissenschaftsprogramm der Verwaltungsrechtslehre. Das hat verschiedene historische Gründe. Man denke etwa an die irrationalistischen Strömungen i n den Lehren der Freirechtsbewegung über die juristische Entscheidung. Insbesondere w i r k t jedoch i m staatstheoretischen Bereich die Diskussion jenes Dezisionismus nach, der Entscheidung für einen spezifisch interpretierten Willensvorgang i n Anspruch nimmt: „Die Entscheidung über die Ausnahme ist nämlich i m eminenten Sinne Entscheidung." „Die Entscheidung ist, normativ betrachtet, aus einem Nichts geboren." Und: „Die Ausnahme ist interessanter als der Normalfall. Das Normale beweist nichts, die Ausnahme beweist alles; sie bestätigt nicht nur die Regel, die Regel lebt überhaupt nur von der Ausnahme 56 ." Die dezisionistische Position und die Auseinandersetzimg mit i h r 5 7 zusammen mit dem, was assoziativ m i t gedacht wird, machen es schwierig, den Entscheidungsbegriff auf politisch-sozialem Gebiet zur Ebene des fachwissenschaftlichen Gesprächs zurückzuführen. Entscheidung als „letzte Vorstellung" bemüht „substanzhafte Inhalte und Kräfte", die theoretisch schwer habhaft zu machen sind. Anders verhält es sich m i t dem breiten nordamerikanischen „decision making approach", der aus einer historischen Situation des Handlungszwanges zusammen m i t dem Vertrauen auf die „scientific method" zu einem hervorragenden handlungswissenschaftlichen Ansatz entwickelt ss Vgl. für E t h i k u n d P o l i t i k Hermann Lübbe, Z u r Theorie der Entscheidimg, a.a.O., S. 122. 56 Carl Schmitt, Politische Theologie: Vier K a p i t e l zur Lehre von der Souveränität, S. 11, 42, 22; vgl. zu den weiter entwickelten Vorstellungen bei Carl Schmitt bes. Über die drei A r t e n des rechtswissenschaftlichen Denkens, u n d Der Nomos der Erde i m Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum. 57 Aus der Carl Schmitt-Literatur vgl. i m vorliegenden Zusammenhang bes. Christian Graf von Krockow, Die Entscheidung: Eine Untersuchung über Ernst Jünger, Carl Schmitt, M a r t i n Heidegger.

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worden ist. Die pragmatische Grundhaltung und ein vom Positivismus beeinflußter Zug konventionalistischer Begriffsfestlegung verhindern es dabei von vornherein, daß die Entscheidungsproblematik i n den Bereich letzter Wesensentfaltungen gerät. Entscheidimg w i r d zu einem Grundbegriff der Erforschung menschlich-gesellschaftlichen Verhaltens, insbesondere des ökonomischen, politischen, juristischen und administrativen Handelns 58 . Die Heterogenität mancher Versuche und die Breite des Sprachgebrauchs 59 machen dabei Entscheidung scheinbar zur Mode eines Namens. I m Hinblick auf das Verwaltungshandeln lassen sich kaum thematische Einschränkungen ausmachen. Mag es u m den administrativen Innenbereich oder eine politische Umwelt, u m Organisationsziel oder organisatorisches Gleichgewicht, u m Planung oder Kontrolle, um Spezialisierung oder Koordination, um Autorität oder Kommunikation, um Normativität oder ökonomische Rationalität gehen, alles w i r d auf Entscheidung beziehbar. Wie sehr sich die Problemmengen von Verwaltungswissenschaft und Entscheidungstheorie der öffentlichen Verwaltung entsprechen, w i r d aus dem Umstand augenfällig, daß man wiederum die öffentliche Verwaltung als ein Handlungssystem interpretieren kann, welches primär auf die Herstellung von Entscheidungen ausgerichtet ist 6 0 . Insoweit kann man die Parallele zur normativen Betrachtungsweise in der juristischen Verwaltungsforschung ziehen — Verwaltung könne „ i n der juristischen Konstruktion" nichts anderes als „die Ausführung der Gesetze" sein (Kelsen 61). Wie dort kommt i m entscheidungstheoretischen Ansatz die Fülle der Verwaltungsprobleme ins Blickfeld, und es läßt sich nicht ohne weitere Reflexion ausmachen, was sich nach den metatheoretischen Prämissen der wissenschaftlichen Einsicht entzieht. Als Entscheidungstheorie lassen sich hiernach a l l diejenigen Forschungsintentionen zusammenfassen, die die Auswahl einer Handlung aus einer Reihe von Handlungsalternativen zur Transformation von Handlungssituationen untersuchen: "The process of selecting one action from a number of alternative courses of action is what I shall mean by sä v g l . zu einem Überblick zur u m f angreichen L i t e r a t u r Paul Wasserman / Fred S. Silander, Decision-Making: A n Annotated Bibliography (bis 1958); dies., Decision-Making: A n Annotated Bibliography, Supplement, 1958—1963; eine Zusammenstellung i m Hinblick auf die Verwaltungswissenschaft bei Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 47 ff.; ferner etwa William J. Gore / F r e d S. Silander, A Bibliographical Essay on Decisión Making, i n : A d m i n i s t r a t i v e Science Quarterly, 1959/60, S. 97 ff. 59 Judith N. Shklar, Decisionism, a.a.O., S. 3, sagt: " T o a historian the most interesting t h i n g about decisions is the fact that everyone is t a l k i n g about them." 6° Vgl. Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 67. ei Hauptprobleme der Staatsrechtslehre: Entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze, S. 503.

3. Exkurs: Entscheidungstheorie

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decision 62 ." Damit ist — läßt man gewisse foimalwissenschaftliche Ausprägungen, insbesondere i n der statistischen Entscheidungstheorie 63 beiseite — ein Spezifikum des entscheidungstheoretischen Ansatzes bereits mitgenannt. Entscheidung kann man — wie andere Begriffe mehr 6 4 — unter zwei Aspekten untersuchen. Man kann auf die Entscheidung als Ablauf, Hergang, auf das Entscheiden schauen, und man kann auf die Entscheidung als Ergebnis, Erzeugnis eben dieses Entscheiden sehen. Je nach Betrachtungsweise werden verschiedene Fragenkomplexe augenfällig und markieren bei bevorzugter Sicht das wissenschaftliche Blickfeld. Die Verwaltungsrechtslehre bietet dafür ein anschauliches Beispiel. Sie zieht es vor, i m nachhinein die Rechtsentscheidimg der öffentlichen Verwaltung als das Ergebnis des Entscheiden zu beobachten. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum Beispiel fehlt das anregsame Zwiegespräch m i t dem Gesetzgeber i m Bereich des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts 65 . Nicht zuletzt prägt hier aber eine richterliche Sichtweise das rechtswissenschaftliche Denken. M i t der Betrachtung i m nachhinein werden von den prozeßhaften Momenten der Entscheidung nur die nach ihrem Ergehen ablaufenden gewichtig. Das t r i f f t insbesondere: Ausführung und Durchsetzung sowie Berichtigung und Kontrolle der Entscheidung. Vor allem aber wendet sich das wissenschaftliche Interesse ganz vorherrschend der Frage inhaltlicher Richtigkeit der Entscheidung zu, also insbesondere der materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes. Während i m Bezug auf rechtsprechende Entscheidungssysteme Rechtswissen als Z i v i l prozeßlehre, Strafprozeßlehre, Verwaltungsgerichtsprozeßlehre usw. fachlich wohl eingerichtet ist, finden prozessuale Merkmale des Verwaltens keine entsprechende theoretische Beachtung. Man kann den Stellenwert des Prozeßmoments i n seinem Verhältnis zur Sachentscheidung bis zu kulturellen Mustern verfolgen, und zwar gerade i m Vergleich mit der angelsächsischen Rechtsordnung. Hier interessiert indes die wissenschaftstheoretische Bedeutung. Während die klassischen Theorien von Staat und Recht vorwiegend über Wesen und Eigentliches der Entscheidung, über Substanz und Inhalt aussagen und dann weiter über die zu i h r befähigte Persönlichkeit handeln, 62 So charakteristisch Irwin D. J. Bross, Design for Decision : A n introduction to statistical decision-making, S. 1. 63 Vgl. die Nachweise i n der Bibliographie zur statistischen Entscheidungstheorie 1950—1967, hrsg. von Günter Menges unter M i t a r b e i t von Bernd Leiner. 64 z.B. Organisation: Organisation als Organisieren bzw. Organisation als Gebilde. Organisationslehren pflegen diese Unterscheidung zu betonen; vgl. etwa Konrad Mellerowicz, Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Organisation, a.a.O., S. 1. 65 Z u r gesetzgeberischen Situation vgl. Klaus König, Allgemeine Einleitung, i n : Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, S. 3 ff. und S. 71 ff.

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

kehren sich moderne Entscheidungstheorien dem Problem zu, wie Entscheidungen zustande kommen: wie Entscheidungen gemacht werden oder gemacht werden sollen 66 . Man beschreibt, welche Faktoren beim Entscheiden nach beobachtbarem Verhalten mitbestimmend werden. Man überprüft, welche Gewohnheiten, welche Traditionen, welche Präferenzen regelhaft wirken. W i r d schließlich die Frage nach rationaler Richtigkeit gestellt, geht es i m Grunde weniger darum, die Inhalte zu bestimmen. Man sucht technische Empfehlungen zur ökonomischen Mittelwahl für die „Entscheidungsvorbereitung" auszusprechen. Manchmal ist dem Konzept der rationalen Verfahrensweise einfach das Vorurteil impliziert, daß solches Verhalten als vernünftiges eben auch richtiges sei. Oft bemerkt man, wie rational zu prozedieren ein Moment i m allgemeinen Wertsystem wird. Andere Zielvorstellungen werden nach Umständen verändert, indem sie nach dem Maß technischer Verfügbarkeit und bester Strategien umformuliert werden. Man sieht so auf Wechselwirkungen i m Entscheidungsspielraum. Wenn w i r uns heute darüber schlüssig machen wollen, welcher Problematik mit dem Entscheidimgsbegriff für die Verwaltungswissenschaft ein theoretischer Bezugsrahmen zu geben ist, so sind w i r dazu besser gerüstet als i n vergangenen Tagen 67 . Während früher die menschliche Handlungssituation i n der Philosophie vor allem durch normative Verhaltensmuster derart vorstrukturiert schien, daß die Fragen der Handlungsalternativität nicht als Entscheidungsprobleme Ausdruck finden konnten, w i r d jetzt der gegenüber der festgelegten Instinktverfassimg als „Potentialitätswesen" definierte Mensch auf seine offenen Verhaltensmöglichkeiten jenseits einer Gut-Böse-Alternativität hingewiesen: bis zur Existenz als Entscheidung i m Existenzialismus 68 . Die beiden i n Betracht zu ziehenden Perspektiven sind dann i n der anthropologisdi-philosophischen Diskussion vorgezeichnet. I n die existenzphilosophische Richtung schauend kann man sagen, daß die Notwendigkeit der Entscheidung überall erst da eintritt, „wo das harmonische Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt gestört ist; jede Entscheidung zielt auf die Beseitigung einer solchen Störung". Entscheidung gibt es nur, „wo das menschliche Dasein i n eine Krise getreten ist". Die Krisen bleiben ihrem Wesen zufolge „Ausnahme-Situationen" 6 9 . es Vgl. Carl J. Friedrich, O n Rereading Machiavelli and Althusius: Reason, Rationality, and Religion, a.a.O., S. 178. 67 A u f die erkenntnistheoretischen Fragen der konsequenten Betonung „freier", „ r e i n " konventionalistischer Begriffsbildung i n den Sozialwissenschaften k a n n hier nicht eingegangen werden. Z u r Rechtswissenschaft vgl. Klaus König, Der Begriff des Rechtsschutzes u n d die öffentliche Verwaltung, a.a.O., S. 79 f. 68 Ernst Behler, Die drei Stadien i n der Entwicklungsgeschichte des Existenzialismus,a.a.O., S. 277, bemerkt: „Die Dialektik des Existenzialismus muß von dem zentralen Begriff der Entscheidimg aus entwickelt werden." 69 Otto Friedrich Bollnow, Situation u n d Entscheidung, a.a.O., S. 298 ff.

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Daneben läßt sich — i n der Rückverbindung über Kierkegaard 70 — der Dezisionismus stellen, für den die Entscheidung über die Ausnahme i m eminenten Sinne Entscheidung ist. I n der anderen anthropologischen Sicht ist es Kennzeichen menschlicher Existenz, daß der Mensch sich unausgesetzt i m kleinsten wie i m größten entscheiden muß. „Auch i m kleinen und kleinsten: greifen w i r entweder mit der rechten oder der linken Hand zu, oder mit beiden Händen, oder gar nicht 7 1 ." Das Phänomen der Entscheidung ist „eine ontologische Grundstruktur, so daß jedes menschliche Verhalten, sowohl das aktuelle Sichentscheiden für oder gegen etwas, wie das automatische Handeln in Vollzug einer früheren Entscheidung, sowie auch das unentschiedene Sichtreibenlassen nur auf dem Boden eines Entschiedenseins verstanden werden kann". Entscheidung ist danach „eine Grundstruktur, ohne die das Handeln nicht als Handeln möglich wäre" 7 2 . Für die Verwaltungsforschung geht es hiernach nicht etwa darum, eine dezisionistische Staatsphilosophie oder einen Existenzialismus nachzuvollziehen. Das würde schon erkenntnistheoretisch-methodologische Probleme aufwerfen, i m übrigen i n der Sache auf Schwierigkeiten stoßen. Handeln i n Verwaltung und verwalteter Welt ist Sozialverhalten von angestrengter Normalität. Die öffentliche Verwaltung gehört zu den Bereichen des menschlichen Lebens, deren w i r aus der Orientierung ganz auf die Krise h i n kaum theoretisch habhaft werden können, ja die w i r von daher gesehen verkennen müssen. Das gilt insbesondere auch für die rechtsstaatliche Verwaltung. I n der Verwaltung unter Recht werden Normativität und Normalität i n enger Verknüpfung sichtbar, wenn die Reflexion über Recht die soziale Wirklichkeit einbezieht. Soziologistische Rechtsbetrachtungen, für die Recht ein innerhalb eines Gesellschafts-Integrates bestehendes Ordnungsgefüge als empirischer Wirklichkeitszusammenhang ist 7 3 , setzen so rechtliche Normativität und soziale Normalität gleich. Soziologische Rechtstheorien, die die Eigentümlichkeit des Rechts gegenüber der Wirklichkeit berücksichtigen, sprechen so von der allgemeinen Parallelität von Sein und Sollen, von Normalität und Normativität 7 4 . Heute wissen w i r zwar, daß der Satz „Jede generelle Norm verlangt eine normale Gestaltung der Lebensverhältnisse, auf welche sie tatbestandsmäßig Anwendung finden soll und die sie ihrer normativen Regelung u n t e r w i r f t " 7 5 i n der ihm vom 70 Vgl. das Kierkegaard-Zitat bei Carl Schmitt , Politische Theologie: Vier K a p i t e l zur Lehre von der Souveränität, S. 22; dazu Karl Löwith , Der okkasionelle Dezisionismus v o n C. Schmitt, a.a.O., S. 97 ff . 71 Erich Rothacker, Probleme der Kulturanthropologie, S. 65. 72 Ludwig Landgrebe, Situation u n d Entscheidimg, a.a.O., S. 305 f. 73 Theodor Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 9, 30. 74 Hermann Heller, Staatslehre, S. 254. 75 Carl Schmitt, Politische Theologie: Vier K a p i t e l zur Lehre von der Souveränität, S. 19.

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Dezisionismus beigemessenen Stringenz nicht stimmt. Recht ist gegenüber Individuellem nicht unempfindlich. Individuelles dringt an vielen Stellen — etwa über unbestimmte Gesetzesbegriffe — i n das Recht ein 7 6 . Durch die idiographischen Strömungen in der heutigen Rechtslehre ist das besonders herausgearbeitet worden. Jedoch zeigen sich auch bei einem richterrechtlich verstandenen Verhältnis von Norm und Lebenssachverhalt die Grenzen der „Einzelfallgerechtigkeit". Recht ist ein soziales Phänomen und deswegen in der Möglichkeit beschränkt, die individuelle Tiefe menschlicher Existenz auszuschöpfen. Das ist die Schwierigkeit einer existenzialistischen Rechtsphilosophie 77 . Der existenzphilosophische Ansatz beim eigentlichen und letzten Selbstsein des einzelnen ist zutiefst subjektiv, sozial distanziert. Wie unterschiedlich auch die Lehrmeinungen des Existenzialismus i n ihrem Verhältnis zur Objektivität der Gesellschaft zu verstehen sind, die Beziehungen zu Überindividuellem, zu allgemeingültigen Ordnungen bleibt problematisch. Recht trägt deswegen den Stempel des Uneigentlichen. Rechtssätze sind „gleichsam mechanisch und tot, sie sagen immer dasselbe und bedeuten, wenn sie befolgt werden, die Berechenbarkeit des Handelns" (Jaspers 79). So ist vom existentiellen Standpunkt her Recht, das als allgemeine Regel gesellschaftlich funktioniert, inauthentisch. Hingegen würde sich Recht, welches vom Ausnahmezustand bestimmt, vom Anomalen geleitet wird, eigentlicher Existenz nähern 7 9 . Die „Ferne zwischen Rechtsordnimg und Existenz" 8 0 läßt sich hiernach nur durch die Preisgabe strengen Bezugs auf das Letzteigentliche des Selbstseins überwinden. Man ist gehalten, den Menschen i n Gesellschaftssituationen ausfindig zu machen und etwa die „Sinndeutung des ,Rechtlichseins' aus der Existenzdialektik von Selbstsein und Aissein" — als Mann, Eigentümer, Käufer usw. — zu suchen 81 . Erst m i t solcher Kennzeichnung der Lebenstypizität w i r d aber Recht thematisch. Wenn es m i t h i n auch nicht darum gehen kann, von Grenzsituationen her zu denken — die Ausnahme für das Allgemeine zu nehmen —, so ist doch darauf zu achten, daß es i n der menschlich-gesellschaftlichen 76 Vgl. allgemein Heinrich Henketl, Recht u n d Individualität. 77 Vgl. zur K r i t i k imsbes. Hans Welzel, Naturrecht u n d materiale Gerechtigkeit: Problemgeschichtliche Untersuchungen als Prolegomena zu einer Rechtsphilosophie, S. 187 ff.; zum Versuch, existenzphilosophische Einsicht für die Rechtsbetrachtung nutzbar zu machen, hier Peter Düwel, Rechtsbewußtsein u n d existentielle Entscheidimg. 78 Philosophie, Bd. I I , S. 361. 79 Vgl. Luis Legaz y Lacambra, Rechtsphilosophie, S. 176; Hans Welzel, Naturrecht u n d materiale Gerechtigkeit: Problemgeschichtliche Untersuchungen als Prolegomena zu einer Rechtsphilosophie, S. 189. so Erich Fechner, Rechtsphilosophie: Soziologie u n d Metaphysik des Rechts, S. 227. 8i Vgl. Werner Maihof er, Recht u n d Sein: Prolegomena zu einer Rechtsontologie, S. 125.

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Lebenspraxis m i t Einschluß der öffentlichen Verwaltung den Normalfall gibt und weiter Situationen, i n denen die Gesetze, Regeln, Schemata, Gepflogenheiten, Dogmen, an denen man sich normalerweise orientieren kann, nicht mehr weiterhelfen. I m Hinblick darauf ist zu verstehen, daß das Wort Entscheidung i m allgemeinen Sprachgebrauch oft den Beisinn von schwerwiegender, „echter", „letzter" Entscheidung, „nonroutine-action" i n bedeutungsvollen Situationen des Handelns hat. M i t dieser Meinimg müssen sich alle Wissenschaften mit handlungstheoretischem Aspekt auseinandersetzen. Man kann für eine psychologische Analyse des „Menschen in der Entscheidung" erst i n der Differenzierung nach Bedeutungsgraden der Handlung den ergiebigen Anfang sehen 82 . Besonders i n Lehren, die zur Tradition des Dezisionismus i n Verbindung stehen, liegt es nahe, „Zwischenbegriffe" zu entwickeln, etwa zwischen wissenschaftlich-technischer Sachgesetzlichkeit, ökonomischem Sachzwang einerseits und Souveränität der freien Entscheidung andererseits: „Der tatsächliche ethisch-politische Ort des Entscheidungsbegriffs w i r d irgendwo i n der Mitte zwischen technokratischem und dezisionistischem Ideal liegen 83 ." Die Frage ist dann allerdings weiter für die Verwaltungswissenschaft, woran sie „Entscheidung" zu messen hat: an der Rangstellung, der psychischen Lage des Entscheidungsträgers, an der Betroffenheit von Einzelpersonen, an sozialen Folgen, an der Beantwortbarkeit aus Zweck-Mittel-Schemata oder normativen Verhaltensmustern usw. Bereits die Überlegung, ob und wo der Verwaltungsjurist für die Meisterung bestimmter Situationen zu „entscheiden" hat, w e i l die Gesetzesanwendung als ein Syllogismus der Rechtsfolgebestimmung nicht ausreicht, würde zu Streit führen: Hier der Jurist, der i m alltäglichen Sinne Techniker ist, der allein m i t Hilfe des Gesetzes urteilt, der seine eigentliche Rolle verläßt, wenn er über die bloße Anwendung des Gesetzes hinausdenkt. Dort der Jurist, der eigentlich schöpferisch ist, der mehr als richtige Subsumtion zu leisten hat, der dafür sorgt, daß aus den Gesetzen Recht w i r d 8 4 . Schon dieser kurze Hinweis zeigt, welchen Schwierigkeiten man sich bei dem Versuch aussetzt, den Entscheidungsbegriff i n eine bedeutungsvolle Mitte zu legen. Entsprechend w i r d etwa i n der Betriebswirtschaftslehre abgelehnt, als Entscheidung „nur die Wahlakte der obersten Leitung, die von größerer Bedeutung sind", zu bezeichnen 85 . Man könnte 82 Vgl. Hans Thomae, Der Mensch i n der Entscheidung, S. 16 ff. 83 Hermann Lübbe, Z u r Theorie der Entscheidung, a.a.O., S. 122. 84 Vgl. etwa Arthur Kaufmann, Gesetz u n d Recht, a.a.O., S. 380, 397; gegen Karl Engisch, Einführung i n das juristische Denken, 1. Aufl., S. 189; u n d Ernst Forsthoff, Die Bindung an Gesetz u n d Recht (Art. 20 Abs. 3 GG), i n : Die öffentliche Verwaltung, 1959, S. 41 ff.; ders., Der Jurist i n der i n d u striellen Gesellschaft, i n : Neue Juristische Wochenschrift, 1960, S. 1273 ff. 85 Vgl. Herbert Hax, Die Koordination v o n Entscheidungen: E i n Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, S. 10.

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weiter für die öffentliche Verwaltung auf die Relativität sozialer Situationen hinweisen, wie sie besonders für die Arbeitswelt herausgestellt worden ist. Betroffene erleben Ausnahmesituationen anders als die zu ihrer Behebimg Berufenen 86 . So w i r d eine Situation regelmäßig den Charakter der Ausnahme nur i m Verhältnis zu den ihr Unterworfenen, nicht für die i n der Verwaltung Handelnden haben. Dann gilt i m Gegenteil die Fallbehandlung seitens der Verwaltung als unpersönlich i m Sinne inneren Abstandes von den Betroffenen. Doch damit sind w i r mitten i n dem seit Max Weber vielbeschriebenen Typ der Normalität schlechthin, der Bürokratie, mit ihrem stetigen, straffen, berechenbaren Handeln, welches nach den Bedürfnissen der modernen Massenverwaltung formalisierte Unpersönlichkeit und mehr als „ohne Ansehen der Person" ist. Die Sorgen des einzelnen schrumpfen zum aktenmäßigen Verwaltungsgang zusammen. Individuelle Krisen laufen i n der vielgeübten Fertigkeit der Verwaltungsorganisation ab. Sie werden routinemäßig erledigt. W i r sehen, daß w i r uns i n den komplexen Sachfragen selbst bewegen und daß es beachtlicher theoretischer Vorleistungen i n kontroversen Problembereichen bedarf, um den Entscheidungsbegriff nach einem Bedeutungsunterschied sozialen Handelns festzulegen. Nehmen w i r demgegenüber nochmals den Entscheidungsbegriff i m „decision making approach", wie i h m insbesondere Herbert A. Simon i n der Verwaltungswissenschaft einen festen Platz verschafft hat, indem er sagt, daß alles Verhalten die bewußte oder unbewußte Auswahl bestimmter Handlungen aus den dem Handelnden und den von ihm beeinflußten und gelenkten Personen physisch möglichen einschließe, wobei mit dem Ausdruck „selection" kein bewußter oder bedachter Vorgang gemeint sei: " I t refers simply to the fact that, if the individual follows one particular course of action, there are other courses of action that he thereby forgoes 87 ." Dieser i m Grunde pragmatisch bestimmte begriffliche Bezugsrahmen der Entscheidungstheorie enthält mindestens ein gewichtiges Vorurteil: nämlich daß es überhaupt sinnvoll ist, theoretisch auf Wählen von Handlungsmöglichkeiten abzustellen. Das wäre es dann nicht, wenn eine aprioristische, absolute und eindimensionale Determination jedweden menschlich-gesellschaftlichen Handelns festzustellen wäre. Indes relativiert sich für uns schon die starre Instinktverfassung der Tiere. Wenn w i r die Grundannahme des „decisionmaking-approach" m i t der anthropologischen Einsicht in die Grundstruktur menschlichen Handelns als eines Entscheidungsverhaltens zusammenstellen, haben w i r einen begründbaren Ansatz für eine Entscheidungstheorie der öffentlichen Verwaltung. Der Mensch ist aus ee Vgl. dazu Everett Cherington Hughes, Men and Their Work, S. 54 f. 87 Administrative Behavior: A Study of Decision-Making Processes Administrative Organization, S. 3.

in

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instinktgebundenen Verhaltensmustern entlassen, ohne daß eine jederzeit funktionierende normative Uberformung seines Verhaltens ein Richtig-Falsch-Schema evident macht. Freilich muß man sehen, daß der Rückgriff auf eine Grundstruktur menschlichen Handelns — wie auch aus dem Normbegriff und der normativen Betrachtungsweise zu lernen ist — einem theoretischen Ansatz verhältnismäßig wenig begriffliche Bestimmungskraft vermittelt. So darf man auch vom „decision-makingapproach" nicht erwarten, daß er eine ganz spezifische Problemmenge i n den Griff nimmt. Er ist i n die Breite der Verhaltensforschung schlechthin eingebettet, wie er eben auf Wahlverhalten als Grundstruktur des Handelns abstellt. W i r können die Analyse des Entscheidungsbegriffes als eines Bezugsrahmens für theoretische Arbeit an dieser Stelle nicht weiter fortsetzen. Nimmt man ihn für eine Grundstruktur menschlichen Verhaltens, so w i r d er für die Verwaltungswissenschaft eine ähnliche Bedeutung erhalten, wie sie der Normbegriff, der sich auf eine andere Grundstruktur des Handelns bezieht, bereits hat. Eines ist freilich angesichts der Tradition unserer Verwaltungsforschung heute wichtig: Entscheidung muß aus dem merkwürdigen Zirkel von Normativismus und Dezisionismus herausgenommen werden. Die voluntaristischen Elemente der positivistisch verkürzten Normenlehre entsprechen nämlich extremem Dezisionismus, welcher — wie sein Ende bei der Macht der Tatsachen erkennen läßt — selbst auf der Grundlage des Positivismus ruht. Jener Zusammenhang w i r d sichtbar, wenn von Rechtsnormen als dem „Sinn von auf menschliches Verhalten gerichteten Willensakten" die Rede ist 8 8 , wenn man auf den breiten dezisionistischen Spielraum normativistischer Interpretationslehren schaut 89 . Er w i r d staatstheoretisch unübersehbar, wenn das Argument Norm wie das Argument Dezision zu dem gleichen Ergebnis führt: der Identifizierung von Recht und Macht bzw. Macht und Recht 90 . Hier t r i t t die rechtswissenschaftliche K r i t i k i n ihren sozialwissenschaftlichen Zusammenhang ein: Strenger Normativismus w i r d zum „verschleierten Dezisionismus". Dezisionismus ist so „ein Positivismus, der zum Bewußtsein seiner selbst gekommen ist — und damit i n sein Gegenteil umschlägt" 91 . Nach dieser begrifflichen Vorklärung sei noch die Reichweite des breiten entscheidungstheoretischen Ansatzes beispielhaft gemacht, bevor auf die hier spezifisch interessierende erkenntnistheoretisch-methodologische Problematik geschaut wird. Wenn w i r uns i m Hinblick auf 88

Vgl. Hans Kelsen, Was ist juristischer Positivismus?, i n : Juristenzeitung, 1965, S. 465 f. 8 9 Vgl. Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 346 ff. 90 Vgl. Horst Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 33. 91 Vgl. Christian Graf von Krockow, Die Entscheidimg: Eine Untersuchung über Ernst Jünger, Carl Schmitt, M a r t i n Heidegger, S. 66. 17 Speyer 46

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Entscheiden als Wählen einer Handlungsmöglichkeit fragen, wo angesichts der bei uns vorherrschenden Verwaltungsrechtslehre i n der Jurisprudenz einschlägige Probleme herkömmlich abgehandelt werden, dann lassen sich folgende Schwerpunkte ausmachen: Auf der einen Seite stehen die Methodenlehren juristischen Denkens. Sie befassen sich teils spezifisch m i t der Entscheidungsfindung i n der juristischen Praxis, vorzüglich der richterlichen. Oft verstehen sie sich aber — entsprechend der Philosophie von der Einheit des juristischen Denkens — gleichzeitig als Methodologien der Rechtswissenschaft. A u f der anderen Seite stehen die Prozeßrechtslehren. I h r Gegenstand ist das rechtlich geregelte Verfahren i m weiteren Sinne, die rechtlich geregelte Organisation, i n welcher die öffentlich eingerichteten Handlungssysteme praktizieren. Die Verbindung zwischen beiden Bereichen ist rechtswissenschaftlich weniger erschlossen. Seltener werden jene allgemein zusammengehalten 9 2 . Einzelzusammenhänge bleiben oft problematisch. Manches scheint schließlich ganz ins wissenschaftliche Niemandsland zu geraten: Man denke an die Materien, welche i n den Büchern über juristische Relationstechnik erörtert werden. Vor allem aber w i r d der Gesamtzusammenhang des administrativen Rechtshandelns nach seinen Sinnrelationen nicht dargestellt. Wenn w i r demgegenüber eine Leistung des entscheidungstheoretischen Ansatzes hervorheben wollen, so sei zunächst auf die Erfahrungen einer anderen Fachwissenschaft m i t den modernen Entscheidungstheorien verwiesen: die der Betriebswirtschaftslehre. I n der traditionellen Betriebswirtschaftslehre — theory of the f i r m 9 3 — w i r d die Unternehmung als Handlungseinheit angesehen. Organisatorische Probleme sind aus der Theorie der Unternehmimg dadurch ausgeklammert, daß eine einzige Person handelt, die meist als der Unternehmer oder die Betriebsleitung bezeichnet wird. Dieser Unternehmer ist nicht oberster i n einer Hierarchie von Handelnden. Er bedient sich lediglich der völlig passiven Produktionsfaktoren. Es w i r d angenommen, daß der Unternehmer beschließt, den Gewinn zu maximieren, und 92 Wie etwa i m Werk von Wilhelm Sauer, Grundlagen des Prozeßrechts; ders., Juristische Methodenlehre: Zugleich eine Einleitung i n die Methodik der Geisteswissenschaften; ders., Juristische Elementarlehre i n Leitsätzen f ü r Theorie u n d Praxis; ders., Allgemeine Prozeßrechtslehre: Zugleich eine systematische Schulung der zivilistischen u n d der kriminalistischen Praxis. 93 Vgl. zu folgendem Horst Albach, Z u r Theorie der Unternehmensorganisation, i n : Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschung, 1959, S. 238 ff.; Eva Bössmann, Moderne Organisationstheorien, i n : Zeitschrift f ü r handelswissenschaftliche Forschung, 1961, S. 137 ff.; W.W. Cooper, A Proposal for Extending the Theory of the Firm, i n : The Quarterly Journal of Economics, 1951, S. 87 ff.; Herbert Hax, Die Koordination von Entscheidungen: E i n Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Organisationslehre, S. 13 ff.; Edmund Heinen, Die Zielfunktion der Unternehmung, a.a.O., S. 51 ff.; Erich Kosiol (Hrsg.), Organisation des Entscheidungsprozesses; Herbert A. Simon, A Comparison of Organization Theories, a.a.O., S. 170 ff.; Jürgen Stahlmann, Organisation, Entscheidung u n d Kommunikation.

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dementsprechend handelt. Die Wechselwirkungen von Handlungen der sich innerhalb der Maximierungseinheit befindenden Personen, wenn diese Einheit aus einer Organisation von Menschen besteht, bleiben unberücksichtigt. Nur ein einziger Beteiligter w i r d ausdrücklich als rationales Individuum behandelt: der Unternehmer. Die anderen Beteiligten — Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten, Aktionäre — werden i n der Theorie lediglich als passive Daten betrachtet, denen sich der Unternehmer anpaßt, wenn er die für ihn optimale Lösung sucht. Der Unternehmer w i r k t direkt und ohne Informationsprobleme auf passive Produktionsfaktoren ein. Von diesen w i r d vorausgesetzt, daß sie wissen, was von ihnen erwartet wird, und daß sie sich dem ohne weiteres fügen. Die traditionelle Unternehmenstheorie ist sich ihrer vereinfachenden Handlungsmodelle nicht unbewußt gewesen: „Es muß für sie die Annahme gemacht werden, daß die Organisation der Unternehmung vollkommen funktioniert. Durch diese Annahme w i r d die Organisation als Quelle eigener Probleme ausgeschaltet . . . (dies) bedeutet nicht eine Negation, sondern lediglich eine Neutralisierung der Probleme der Organisation 94 ." Die Fiktion eines einzigen Entscheidungsträgers hat sich auch für die theoretische Überlegung als fruchtbar gezeigt. Sozialforschung ist auf vereinfachende Prämissen angewiesen. Man muß sie nur bewußt halten. Die heutige Betriebswirtschaftslehre nimmt diejenigen Prämissen ihrer Forschung, welche Organisation als Quelle eigener Probleme ausschalten, aber nicht mehr unbesehen an. Sie sieht die Implikationen, wenn Entscheidungsfindung und Organisationsprobleme als zwei getrennte Bereiche betrachtet werden. Man fordert so, die theoretischen Einsichten i n die unternehmerische Handlung nunmehr i n die Sphäre der Unternehmensorganisation hineinzuprojizieren. Die unternehmerische Entscheidung w i r d nicht mehr als Einheit, sondern als ein komplexer Prozeß angesehen, der sich aus vielen Komponenten zusammensetzt 95 . Wenn man sich von diesen Überlegungen i n der Betriebswirtschaftslehre für die Verwaltungsrechtslehre anregen läßt, w i r d man alsbald an ein dem Unternehmer i n der traditionellen Theorie vergleichbares Gebilde erinnert, welches insoweit zur Prämisse juristischer Forschimg geworden ist. Es ist das B i l d des Richters, an dem sich — wie oben gezeigt — die Rechtsanwendungslehre orientiert, und es muß betont werden: des Einzelrichters, nicht des Richters i n einer Richterbank. „Der Prototypus des Rechtsanwendungsaktes i n dem hier verstandenen Sinne ist nun jener, den der Richter vollzieht, wenn er einen Streit 04 Erich Gutenberg, Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie, S. 26. 95 Als methodische Anregung vgl. bes. noch Jacob Marschak, Towards an Economic Theory of Organization and Information, a.a.O., S. 187 ff. 17*

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entscheidet 96 ." Der Richter ist in dieser Sicht zwar nicht der einzige Rechtsanwendende. Wenn Rechtsanwälte beraten oder verteidigen, Staatsanwälte anklagen, Notare beurkunden, Behörden verwalten oder der Gesetzgeber verfassungsmäßige Gesetze erläßt, werden Rechtsanwendungsakte angenommen, desgleichen, wenn der Private die rechtlichen Folgen seines Handelns beurteilt. Aber man erkennt gleichwohl die individualistische Konzeption. Richter, Rechtsanwälte, Notare usw. denken für sich, nicht als Mitspieler und Gegenspieler eines interdependenten Handlungssystems. Selbst wo Organisation vom Begriff her deutlich w i r d : Gericht, Behörde, w i r d diese als Handlungseinheit aufgefaßt. Die personale oder vergegenständlichte Individualität ist der maßgebliche Denkende und Handelnde. Auf ihre Aktivitäten ist die Rechtsanwendungslehre zugeschnitten. Die anderen an der Entscheidungsfindung Beteiligten: die Kollegen auf der Richterbank, Anwälte, Parteien, Zeugen usw. interessieren nicht als selbsttätige Teilnehmer bei der Entscheidungsfindung und i n ihrem Zusammenspiel untereinander und mit dem „Einzel"-Richter. Ihre Äußerungen werden nicht als aktives Einwirken betrachtet. Sie sind lediglich passives Material für die Rechtsanwendung. Der organisatorische Aspekt der juristischen Entscheidimg w i r d eben in dem anderen Bereich der Prozeßrechtslehre behandelt. Jene sieht auf die wechselseitigen Beziehungen der im Handlungszusammenhang Tätigen, auf die verfahrensmäßig verbundenen Ketten menschlicher Handlungen. Nun muß man die regelmäßige Sonderung in Methodenlehre der Rechtsanwendung einerseits und Prozeßrechtslehre andererseits unter den allgemeinen Vorzeichen der Jurisprudenz sehen, also vor allem der Philosophie von der Einheit des juristischen Denkens, der Synthese von Rechtstheorie und Rechtspraxis. Diese A r t der Bindung an die Praxis besorgt, daß die Jurisprudenz nach ihrem Selbstverständnis eher jene Zweiteilung hintansetzt, als daß sie an einem in der Praxis deutlichen Bezug vorbeigeht. Es kommt eher zur doppelten Berücksichtigung, als daß eine schon i m geltenden Recht unübersehbare Bindung juristischer Denkvorgänge an organisatorisch-prozessuale Gefüge unbeachtet bleibt. Zum Beispiel gehört zur vollständigen Begründung des konkreten juristischen Sollensurteils aus dem Gesetz auch der Nachweis, daß wirklich eine konkrete Situation gegeben ist, wie sie gesetzlich als Voraussetzung für die Rechtsfolge formuliert ist. Das konfrontiert die Rechtsanwendungslehre mit der Tatsachenfrage. Hier herrschen mit Untersuchungsgrundsatz und Verhandlungsgrundsatz Prozeßmaximen, welche offenkundig die Gedankenanordnung bei der 96 Wilhelm A. Scheuerle, Rechtsanwendung, S. 22; vgl. ferner etwa Rudolf Bierling, Juristische Prinzipienlehre, 4. Bd., S. 3 f.; Karl Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, S. 3.

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Rechtskonkretisierung regulieren. Deswegen w i r d dieses Thema für die Methodenlehre und die Prozeßrechtslehre gleichermaßen gestellt 97 . Problematisch w i r d es, wo die rechtliche Strukturierung des Entscheidungsprozesses nicht so deutlich hervortritt. Man achte hierzu etwa auf Überlegungen, die in die Bereiche von juristischem Entscheidungsprozeß und verfassungsrechtlich geregelter Staatsorganisation hineinreichen. Zunächst scheint nichts klarer, als daß der Handlungsrahmen der Rechtsentscheidung von der Verfassung konstituiert wird. Demgemäß w i r d das „Wechselverhältnis zwischen Methode und Grundgesetz" 98 gesehen. Thesen wie die von der „staatsrechtlich begründeten Auslegungsmethode" 99 zielen sogar auf eine fundamentale Verknüpfung von Verfassungsorganisation und Rechtsanwendung. Blickt man jedoch auf die Behandlung bestimmter Einzelzusammenhänge, dann werden die individualistischen Implikationen der Rechtsanwendungslehre problematisch. Methodischer und verfassungsorganisatorischer Aspekt werden manchmal unvermittelt getrennt. Es besteht die Gefahr, selbst Fragestellungen, deren staatsorganisatorischer Bezug unübersehbar zu sein scheint — wie etwa der der verfassungskonformen Auslegung —, auf die angesichts ganzheitlicher Absichten der Jurisprudenz verkürzte Sicht der Rechtsanwendungslehre zu reduzieren 100 . Demgegenüber leistet der entscheidungstheoretische Ansatz für die Verwaltungsforschung ein Zweifaches. Zunächst w i r d deutlich, daß der individuell vorgestellte Entscheidungsträger mit den auf ihn bezogenen rationalen Gedankenanordnungen eine vereinfachende Prämisse der Forschung ist, die unter Umständen notwendig sein kann, um theoretisch bearbeitbare Größen zu erhalten. Problematische Intentionen ganzheitlicher Darstellung einer Rechtsanwendungslehre, die organisatorische Aspekte regelmäßig einer Prozeßrechtslehre zuweist, welche umgekehrt regelmäßig die von ihr erörterten Rechtsakte als Rechtsanwendungsakte voraussetzt, werden nicht verfolgt. Zum anderen sucht man aber gerade, über die individualisierenden Entscheidungsmodelle hinaus in die interdependenten Zusammenhänge des Denkens und Handelns vorzudringen. „Die Rationalität des Entscheidens w i r d so zum K r i t e r i u m der Rationalität der Organisation 101 ." Das ist nicht nur für die Theorie 07 Vgl. z. B. einerseits Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 240 ff.; andererseits Leo Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, S. 293 ff. 98 Vgl. etwa Martin Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung: entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation, S. 33 ff. 99 Vgl. etwa Hans Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre als System der rechtlichen Grundbegriffe, S. 129 f. 100 v g l . etwa Wolf-Dieter Eckhardt, Die verfassungskonforme Gesetzesauslegung: I h r e dogmatische Berechtigung u n d ihre Grenzen i m deutschen Recht. 101 Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 50.

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der unternehmerischen Entscheidimg relevant. Insbesondere auch der Entscheidungsprozeß i n der öffentlichen Verwaltung ist „organizational decision m a k i n g " 1 0 2 . Eine solche Ausweitung ist entsprechend der Anknüpfung der Entscheidungstheorie bei einer Grundstruktur menschlichen Handelns konsequent. Untersucht man die Entscheidung als Wahlverhalten i n der öffentlichen Verwaltung, dann darf es bei personalen oder vergegenständlichten Handlungseinheiten kein Bewenden haben. Die Verwaltungsorganisation — m i t anderen hierarchischen Abhängigkeiten als i m richterlichen Entscheidungssystem — darf nicht als Quelle von Problemen ausgeschaltet bleiben, schon w e i l die Organisationsformen der modernen Verwaltung überhaupt die Voraussetzung für die heutige Handlungskapazität sind. So interessieren von einem entscheidungstheoretischen Ansatz her noch über den internen Organisationsbereich hinaus die Zusammenhänge mit anderen öffentlich eingerichteten Handlungssystemen, m i t der verwalteten Welt, überhaupt die gesamte soziale Datenkonstellation administrativer Prozesse der Wahl einer Handlung aus Handlungsalternativen. Sieht man nach der begrifflichen Vorklärung und dem beispielhaften Hinweis auf die Reichweite der modernen Entscheidungstheorien aus der Perspektive unseres kategorialen Systems von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität auf die einschlägigen Lehren, dann findet sich die hier gestellte Frage nach integrierenden Erkenntnisleistungen i n der Gegenüberstellung von »„closed* decision models" und ,„open' decision models" 1 0 3 wieder. Entscheidungstheoretische Ansätze gliedern die Handlungssituation i n forschungserhebliche Elemente auf. Als ein solches Element ist zuerst der als Handlungssystem begriffene Entscheidungsträger zu nennen, sei es, daß die Wahl der Verhaltensmöglichkeit von einer Einzelperson oder einer Gruppe getroffen wird. Weiter werden die i n der Handlungssituation bestehenden Ziel- und Zweckvorstellungen hervorgehoben, auf deren Verwirklichung der Entscheidungsträger abstellt. Ziele und Zwecke können für sich klar definiert, aber auch i n Folgezusammenhänge von Vorentscheidungen und deren Ergebnissen eingestellt gelten. Vor der Wahl selbst geht es u m Hie relevanten Handlungsalternativen, insbesondere aber um die entlastenden Strukturierungen, die die Handlungsmöglichkeiten i n bestimmter Weise vorordnen. Der Entscheidungsträger w i r d nicht nur durch die Gegebenheiten der jeweiligen Handlungssituation beeinflußt. Er ist 102 Vgl. etwa John M . Pfiff rief / Robert Presthus, Public Administration, S. 108. !03 Charles Wilson / Marcus Alexis, Basic Frameworks for Decision, a.a.O., S. 180ff.; vgl. ferner Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, S. 48 f.; jetzt die weitere Sichtung bei Frieder Naschold, Systemsteuerung, a.a.O., S. 30 ff.; zum folgenden etwa Irwin D.J.Bross, Design for Decision: A n introduction to Statistical decision making.

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selbst schon von seiner Umwelt mit ihren sozialen, politischen, ökonomischen Kräften geprägt. Auf diese Umwelt ist wiederum das Verhältnis von Wahlverhalten und Entscheidungsergebnis zurückzubeziehen. So werden Handlungsvorgaben aus den Strukturen von System und Umwelt beachtlich. Als geschlossene Entscheidungsmodelle werden nun alle diejenigen Theorien bezeichnet, die über das Entscheidungsverhalten des Menschen aussagen, der nach streng idealisierten Annahmen einem Rationalprinzip folgt. I m Kern dieses Konzepts steht die Rationalität des gezielten und individuellen Wahlverhaltens. Die Grundlage des Entscheidungsmodells sind bekannte Handlungsalternativen mit entsprechenden Ergebnissen und festgelegte Entscheidungsregeln. Die Auswahl der Handlungsalternativen vollzieht sich nach dem Zweck-Mittel-Schema. Die Zielvorstellungen sind festgelegt. Es w i r d die Verhaltensmöglichkeit gewählt, die den höchsten Wert für den Entscheidungsträger hat. Die klassische Rationalitätsannahme ist das Maximierungsprinzip. W i r brauchen die konstituierenden Merkmale dieser Entscheidungsmodelle nicht weiter zu verfolgen. Entsprechend unserer kategorialen Gliederung von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität sieht man, daß hier die wissenschaftlichen Erkenntnisinteressen auf konsequent ideale Verhaltensmuster des menschlichen Handelns abstellen. Als geschlossene Modelle gelten diese Aussagensysteme, weil sie der Umwelt des Entscheidungsträgers und der ganzen Komplexität des Wahlaktes geringe Bedeutung beimessen. Für unsere erkenntnistheoretisch-methodologische Fragestellung ist noch wichtig, zu merken, daß man die so verfaßten Entscheidungsmodelle zu verbreitern sucht, um i n vollständigerer Weise die als relevant erkannten Entscheidungselemente zu berücksichtigen. Das läßt sich etwa zur Informationsproblematik verdeutlichen. Die ökonomische Theorie steht traditionell unter der A n nahme, daß ein Zustand vollkommener Information besteht. I m Hinblick auf den Entscheidungsprozeß heißt dies, daß der Entscheidungsträger die für das Wahlverhalten erheblichen Daten kennt, was die vollkommene Voraussicht der Folgen der Entscheidung einschließt. Demgemäß lassen sich überlieferte ökonomische Gedanken entscheidungstheoretisch umformulieren i n Wahlverhalten unter Gewißheit. Dem Entscheidimgsträger gelten alle Handlungsalternativen mit ihren Resultaten i n bezug auf die Zielvorstellungen als bekannt. Nur die Prämisse einer vollkommenen Voraussicht führt so i m Rahmen eines Maximierungsmodells zu einem Verhalten, das die Wahl des tatsächlich objektiven Maximums bedeutet. Freilich ist die Annahme vollkommener Information i n der Regel unrealistisch. Entscheidungen werden kaum auf Grund vollkommener Kenntnis einer wahren Welt gefällt. Also versucht man, dem Zustand unvollkommener Information in den Entscheidungsmodellen Rechnung zu tragen. Man gibt die Prämisse apriorischer Gewißheit

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

der Datenkonstellation auf und nimmt die Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Handlungsmöglichkeiten und Handlungsergebnisse an. Auch bei solcher Ausweitung des geschlossenen Entscheidungsmodells bleibt freilich der Umstand bestehen, daß aus den entscheidungsrelevanten Größen der Handlungssituation nur sehr wenige berücksichtigt und i n den wissenschaftlichen Entwurf des Entscheidungsprozesses aufgenommen werden. Insbesondere w i r d i n der komplexen System-Umwelt-Beziehung die Umgebung des Entscheidungsträgers indifferent oder doch sehr einfach strukturiert gehalten. Das Informationsniveau ist hoch angesetzt. Die Rationalitätsannahme ist höchst anspruchsvoll. Mehr als bei manchen Modellbildungen zu funktionellen Zusammenhängen quantifizierbarer Güter- und Geldströme erscheinen die nicht weiter befragten Prämissen der Aussagensysteme problematisch. Der in der Rationalität des Wahlverhaltens implizierte Homo oeconomicus bleibt der Realität sehr offensichtlich entfernt. Er ist der Mann hoher Rechenkapazität i n einer wohlgeordneten Umgebung. Solcher Geschlossenheit gegenüber wächst der Wunsch nach ,,,open' decisions models": einer Entscheidungstheorie offener System-Umwelt-Bezüge. Man möchte über den Entscheidungsträger aussagen, der ständig von seiner gesamten Umwelt beeinflußt w i r d und wiederum seine Umwelt beeinflußt. Die entscheidungsrelevanten Größen sollen nicht mehr i n der Weise geschlossener Modelle angenommen und aus Handlungszielen, Handlungsalternativen, Handlungsresultaten zu rationalen Verhaltensabläufen nach der Zweck-Mittel-Struktur gebaut werden. Man w i l l die „realistischere" Sicht auf das Entscheidungsverhalten. Das Handlungssystem und seine Umwelt sollen i n ihren komplexen Datenkonstellationen mit den kulturellen, sozialen, politischen, ökonomischen usw. Einflußgrößen ins Blickfeld genommen werden. M i t der Betonung der realistischeren Sicht ist sogleich auf den Ausgangspunkt des offenen Entscheidungsmodells hingewiesen. Als Grundlage der angestrebten Erkenntnisleistungen w i l l man das Handeln, wie es ist, nehmen. Damit schließt sich die Entscheidungstheorie jenem „behavioral approach" der nordamerikanischen Sozialforschung an, der nicht ohne weiteres m i t der Wissenschaftsphilosophie des strengen Behaviorismus und der demgemäß entworfenen Stimulus-ReaktionSchemata gleichzusetzen ist. Die weitere Verhaltensschule interessiert sich für Systeme des Handelns, objektive Regelmäßigkeiten i m Handeln, nicht für Institutionen, w o h l für Verhaltensbeziehungen in einem institutionellen Rahmen, also — wie w i r gesehen haben — nicht für Gerichte, aber für richterliches Verhalten. Hierbei geraten die Forschungsintentionen so weit, daß nicht nur der Entscheidungsbegriff kaum noch von anderen Handlungsstrukturen abzugrenzen ist. Handeln scheint aus

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theoretischer Sicht schlechthin Wahlverhalten zu sein. Auch die Erkenntnisinteressen an realen, potentiellen, idealen und normativen Verhaltensmustern sind höchst offengehalten. So steht am Anfang des offenen Entscheidungsmodells die empirisch intendierte Erforschung der Handlungsketten von Aktion und Reaktion und damit das erfahrbare Wahlverhalten i n sozialen Systemen. Indes hat es nicht sein Bewenden, den hochidealisierten Rationalmodellen des Entscheiden nun die Geschlossenheit streng empirischer Aktion-Reaktion-Muster des Wahlverhaltens entgegenzustellen. Die Erkenntnisintention der offenen Entscheidungsmodelle zielt darauf, vom faktischen Wahlverhalten her über eine Rationalität des Entscheidungshandelns auszusagen 104 . Das w i r d vor allem in der Auseinandersetzung mit den hohen Rationalitätsannahmen der geschlossenen Modelle deutlich. Die Prämissen des „traditional economic man" fordern zu einer kritischen Beurteilung heraus. Den postulierten Zielvorgaben und maximierenden Handlungsweisen hält man entgegen, daß sie weiter nichts von den psychischen Merkmalen des wirtschaftenden Menschen aufnehmen. Man verweist darauf, wie solche Rationalität vollständiges Wissen und Vorausberechnung der Folgen der Entscheidung, wie sie eine Wahl unter allen möglichen und nicht bloß den wenigen bekannten Möglichkeiten verlangt. Insbesondere weitet sich die Frage der „rationality of more than one" über die K r i t i k an Robinson-Crusoe-Modellen zur allgemeinen Sicht auf das rationale Verhalten in organisierten Handlungssystemen aus. Es geht nicht bloß darum, daß das Individuum in seinem Entscheidungsverhalten durch seine Kenntnisse, Voraussichten, Fertigkeiten, Gewohnheiten usw. begrenzt ist. Man sieht darauf, daß die subjektive Rationalität, wie sie sich i m Standpunkt der Einzelperson m i t ihren Werten, Alternativen, Informationen formuliert, nicht einfach m i t der von Organisationen identisch ist. Es w i r d überlegt, wie dann weiter über rationales Wahlverhalten von sozialen Gruppen, über Organisationsziele, über Informationen, die organisierten Gruppen zur Verfügung stehen, auszusagen ist. Die maximierenden Verhaltensmuster der geschlossenen Modelle fallen hier nicht nur als besonders unrealistisch auf. Man steht weiter vor der Frage, wie weit ein i m Hinblick auf individuelles Verhalten ausgeführter Rationalitätsbegriff i n der Sozialforschung reicht. 104 I m Hinblick auf die Verwaltungswissenschaft sind insoweit besonders die an ehester I. Barnard , The Functions of the Executive, anknüpfenden Arbeiten von Herbert A. Simon zu nennen. Vgl. Administrative Behavior: A Study of Decision-Making Processes i n Administrative Organization; ders., Models of Man, Social and Rational: Mathematical Essays on Rational H u m a n Behavior i n a Social Setting; James G. March / Herbert A. Simon , O r g a n i z a t i o n ; ferner noch Julian Feldman / Herschel E. Kanter , Organizational Decision Making, a.a.O., S. 614 ff.; William J. Gore I Fred S. Silander t A Bibliographical Essay on Decision Making, i n : Administrative Science Quarterly, 1959/60, S. 67 ff.

2 6 6 6 . Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis Aus solchen Bedenken w i r d das Wissenschaftsprogramm einer „bounded rationality" entwickelt. Es w i r d berücksichtigt, daß die menschliche Leistungsfähigkeit gemessen an den Anforderungen, die in der Lebenswelt an einen Handelnden nach den idealen Verhaltensmustern geschlossener Entscheidungsmodelle zu stellen wären, sehr schmal bemessen ist, selbst wenn die derartig rationale Formulierung und Lösung von Problemen nur annähernd getroffen werden sollte. So sucht man den Zugang zu den Handlungsgefügen, die gegen den Spielraum jenes Menschen stehen, der hochidealisiert einem Rationalitätsprinzip folgt. Freilich geraten diese Handlungszwänge i n den entscheidungstheoretischen Ansätzen nicht zur Irrationalität. Es geht eben u m „bounded rationality". I m Rollenverhalten etwa werden rationale Komponenten aufgespürt. Die Bestimmung des Wahlverhaltens aus der spezifizierten Rolle, die der Entscheidungsträger i n der Handlungssituation einnimmt, w i r d bezeichnet. Die Vorstellung des optimalen Handelns etwa w i r d nicht mehr als Maximierungsmodell ausgeführt. Das Anspruchsniveau w i r d auf eine zufriedenstellende Rationalität gesenkt. Für die Entscheidung sind die Handlungsabläufe zu finden, die „good enough" sind. Es w i r d etwa ein Problemlösungsverfahren des „incrementalism" entwickelt 1 0 5 . Man interessiert sich für die marginale Veränderung sozialer Daten, die der Entscheidungsprozeß regelmäßig bedeutet. Schaut man z. B. auf die Budgetaufstellung, dann erweist sich, daß i n der Praxis kein Weg zu einem Nullpunkt — „zero-base-budget" — führt, von dem aus das umfassend kalkülisierte Finanzmodell zu realisieren wäre. Die historische Ausgangslage w i r d zum Handlungsgefüge, i n dem die möglichen Verhaltensalternativen bereits beschränkt sind. Geschichte ist indes wiederum nicht irrationale Handlungsgrenze, sondern „bounded rationality", von wo aus i n schrittweisen Folgen von Entscheidungen soziale Änderungen eintreten. Die Problemlösung erfolgt nicht über die hohe Rationalitätsannahme der Maximierungsmodelle, sondern i n einem inkrementalen Wahlverhalten reduzierter und reduzierender Handlungsziele, Handlungsalternativen und Handlungsresultate. Dahinter stehen oft die Fragen nach sozialen Organisationen mit ihren begrenzten Fähigkeiten, gemeinsame Zielvorstellungen, ein gleiches Informationsniveau und eine Zusammenarbeit als Handlungseinheit zu entwickeln. Für unsere erkenntnistheoretisch-methodologischen Überlegungen ist wichtig, zu merken, wie eng die Forschungsintentionen der offenen Entscheidungstheorien die rationalen Verhaltensmuster mit der Realität des Wahlverhaltens zusammenhalten. Rationalität gilt als Komponente los v g l . bes. David Braybrooke / Charles E. Lindblom, A Strategy of Decision: Policy Evaluation as a Social Process; hier noch Aaron Wildavsky / Arthur Hammond, Comprehensive Versus Incremental Budgeting i n the Department of Agriculture, i n : Administrative Science Quarterly, 1965/66, S. 321 ff.

3. Exkurs: Entscheidungstheorie

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des menschlich-gesellschaftlichen Handelns, und i m Hinblick auf die Organisationsforschung heißt es erklärtermaßen, daß menschliches Verhalten i n Organisationen am besten als „intendedly rational" zu beschreiben ist. Zwar weiche das wirkliche Verhalten von der Idealität geschlossener Entscheidungsmodelle erheblich ab. Jedoch schließe das Wahlverhalten rationale Sinnzusammenhänge ein, wenn auch nicht von der Handlungskonsequenz vor allem klassischer Maximierungsmodelle. Der Entscheidungsprozeß verlaufe i n den Handlungsketten von A k t i o n und Reaktion, weil er eben von einer komplexen psychischen und sozialen Datenkonstellation bestimmt sei, aber ohne daß er damit eine gewisse rationale Gerichtetheit verliere. Dieses Vorverständnis hat Folgen für das Konzept einer Theorie von Verwaltung und Organisation. Nach dem behavioristischen Ausgangspunkt nimmt das Erkenntnisinteresse eines solchen entscheidungstheoretischen Ansatzes an realen Verhaltensmustern als Fakten des Wahlverhaltens von vornherein Anteil. Als offene Theorie kann er weiter nicht bestehen, ohne über rationales Wählen unter Handlungsmöglichkeiten auszusagen. Die Rationalität von Entscheidungen w i r d zum zentralen Gegenstand der „administrative theory". Aber man meint: Gäbe es keine Grenzen für die menschliche Rationalität, dann wäre solche Theorie unfruchtbar. Sie würde aus einer einzigen Regel bestehen: stets unter den vorhandenen Alternativen diejenige zu wählen, die das Höchstmaß an Erreichung der Ziele gewährleiste. Die Notwendigkeit einer „administrative theory" folge erst daraus, daß der menschlichen Rationalität praktische Grenzen gesetzt seien und daß diese Grenzen nicht feststehend seien, sondern von der organisatorischen Umwelt abhingen, i n welcher die Entscheidung des Individuums stattfinde 1 0 6 . So stehen w i r am Schluß unseres Exkurses vor einer aufschlußreichen Parallelität praktisch-kommunikativer Erfahrungsabsichten und wissenschaftlicher Erkenntnisintentionen, deren Vorgabe jeweils Rationalisierung ist, nämlich „that this maximation is the aim of administrative activity, and that administrative theory must disclose under what conditions the maximation takes place" 1 0 7 . Verwaltung gilt als praktische Rationalisierung. Verwaltungsentscheidungen sind dann immer schon praktische Rationalisierungsversuche eines Entscheidungsträgers angesichts der hochkomplexen Datenkonstellation einer umweltbezogenen Handlungssituation. Damit kann die Verwaltung nicht auf Urteile 106 Eine Unterscheidung zwischen „business and public administration" können w i r i n diesem Zusammenhang zurückstellen, da auf der hier diskutierten Problemebene eine Vergleichbarkeit besteht. 107 Herbert A. Simon, Administrative Behavior: A Study of DecisionM a k i n g Processes i n Administrative Organization, S. 39; vgl. ferner Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d Entwurf, bes. S. 24 f.; Frieder Naschold, Systemsteuerung, bes. S. 76 f.

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

verzichten, die über Faktizität, Wirklichkeit, Sein hinaus auf Rationalität, Normativität, Richtigkeit abstellen, und solche Urteile sind i m praktischen Verwaltungshandeln impliziert. Weiter kommt aber die theoretische Leistung ins Blickfeld. Verwaltungswissenschaft beschränkt sich sonach nicht darauf, einmal über den „economic man" und zum anderen über Aktion-Reaktion-Schemata auszusagen. Sie schließt sich der praktischen Handlungsrationalisierung an. Gegenüber einem Forschungsinteresse, das auf streng empirisch feststellbares Wahlverhalten i n der Verwaltung abstellt, einerseits und einem Forschungsinteresse, das über streng idealisierende Annahmen konsistente Wahlmodelle entwirft, andererseits suchen die offenen Entscheidungstheorien, zu der praktizierten und dann weiter möglichen Rationalisierung des Verwaltungshandelns Zugang zu finden. Die „open decision models" sind i m Grunde Theorien der Rationalisierung. 4. Integrationen i n der Verwaltungswissenschaft

Verfolgt man nach dem Ausblick auf die neueren entscheidungstheoretischen Ansätze den Gedanken weiter, wie man durch einen Kontext von Wirklichkeit und Möglichkeit, Faktizität und Rationalität, Sein und Sollen, Erfahrung und Richtigkeit zu verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnisleistungen kommen kann, die der juristischen, soziologischen, psychologischen usw. Verwaltungswissenschaft mit den in solcher Pluralität eingeschlossenen einzelwissenschaftlichen Divergenzen den Kernbereich einer integrierenden Verwaltungstheorie hinzufügen, so ist vorab nochmals die korrigierende K r a f t eines Erkenntnispluralismus zu unterstreichen. Mancher, der die Wissenschaftsphilosophie des „decision making approach" näher betrachtet, mag vielleicht zu der Ansicht neigen, daß dort ein „typisch amerikanisches" Vorurteil zugrunde liege, welches der Annahme einer rationalen Gesellschaft eine rationalistische Betrachtungsweise der Wissenschaft entsprechen lasse. W i r brauchen hier nicht darauf zu sehen, ob sich in der Geschichte inzwischen ein zu optimistischer Anfang der modernen Entscheidungstheorien aufweisen läßt. M i t der vorstehenden Analyse des Entscheidungsbegriffes ist bereits angedeutet worden, daß eine verwaltungswissenschaftliche Forschung weitergreifen muß, als es sich in dem Konzept etwa einer Theorie der Rationalisierung zunächst ausdrückt. Dazu gehört auch, die Kosten von Rationalisierungen wissenschaftlich sorgfältig zu notieren, ohne freilich bloß i n der kulturkritischen Aufstellung von Verlustlisten über Handlungszwänge unserer Zivilisation zu verharren. Durch eine mehrfache Konzeption der Verwaltungswissenschaft w i r d es möglich, Sozialanthropologen dafür zu gewinnen, die öffentliche Verwaltung als ein Handlungssystem, das die gesellschaftliche Situation des Menschen zunehmend prägt, zu untersuchen.

4. Integrationen in der Verwaltungswissenschaft

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I n einem Pluralismus verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnisleistungen, an denen Rechtswissenschaftler, Wirtschaftswissenschaftler, Politikwissenschaftler usw. Anteil haben, ist eine integrierende Verwaltungstheorie der offenen Forschungsgrenzen derart entlastet, daß sie sich spezifischen Dimensionen administrativer Verhaltenszusammenhänge annehmen kann. Man kann das verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisinteresse besonders darauf richten, daß das Verwaltungshandeln aus den Intentionalitäten und Objektivationen menschlichgesellschaftlichen Verhaltens schlechthin durch eine Eigenart des Handlungssinns herausragt, den man als Rationalität bezeichnen kann. Rationalität ist nicht bloß reines Konstrukt auf theoretischer Ebene. Wenn es auch Forschungsintentionen gibt, die Handlungszusammenhänge u m der rationalen Richtigkeit willen wissenschaftlich idealisieren, so bleibt doch Rationalität ein aus den Möglichkeiten menschlichgesellschaftlicher Praxis gewonnener Handlungssinn. W i r haben dazu immer wieder hervorgekehrt, wie Rationalität vorzüglich ein die öffentliche Verwaltung durchformender Sinnzusammenhang des Sozialverhaltens ist. So ist der „administrative man" i n der Tat durch Eigenschaften ausgezeichnet, die ihn dem „economic man" vergleichbar machen, wenn w i r uns auch Rationalität w o h l mehr als Rationalisierung und weiter nicht einfach begrenzt auf Zweck-Mittel-Strukturen vorzustellen haben 1 0 8 . Daß es „Kultursysteme" gibt, die sich durch spezifisch rationalen Handlungssinn auszeichnen, hat Konsequenzen für die mit ihnen befaßten Wissenschaften, und zwar nicht nur i m Sinne einer strikt „rationalpräskriptiven" Forschung. W i r hätten das, was hier durch einen Exkurs zu den nordamerikanischen entscheidungstheoretischen Ansätzen kenntlich gemacht worden ist, i n anderer räumlicher Richtung angesichts einer modernen Kybernetikkonzeption zu staatlich-sozialökonomischen Prozessen i n den osteuropäischen Ländern bedenken können. Vor allem läßt es sich aber auch i n der Geschichte der Wirtschaftswissenschaft vielschichtig nachweisen. Angesichts hochidealisierter Datenkonstellationen in strengen Rationalmodellen w i r d traditionell verlangt, diese nicht bloß als „Zubau zum Gebäude der Theorie" anzunehmen, sondern selbst zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Die Konsequenz hieraus lautet oft, die Wirtschaftswirklichkeit stringent erfahrungswissenschaftlich zu analysieren. Entsprechend w i r d mancherorts in der ökonomischen Forschung den geschlossenen Rationalmodellen der „Entscheidungslogik" die „Marktsoziologie" als strenge Empirie gegenübergestellt. Freilich erscheint es dann gerade in „Kultursystemen", wie sie Wirtschaft und auch öffentliche Verwaltung darstellen, theoretisch los Vgl. zum Rationalitätsbegriff etwa Dieter diert, a.a.O., S. 63 ff.

Ciaessens, Rationalität revi-

2 7 0 6 . Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis unDefriedigend, geschlossenen Rationalmodellen bloß strikt erfahrungswissenschaftlich zu begegnen. Man erhält nur den Dualismus jeweiliger Geschlossenheiten. I n zwei wissenschaftlich getrennten Welten steht die Geschlossenheit konsequent rationaler Verhaltensmuster gegen die Geschlossenheit strenger Aktion-Reaktion-Muster. Die geschlossenen Rationalitätsmodelle werden u m der Rationalität w i l l e n idealisiert. Die empirischen Systeme werden u m der Faktizität w i l l e n auf „stimulus" und „response" zurückgeführt. I n den einen wissenschaftlichen Aussagen fehlt es weiterhin, auf die Faktizität, i n den anderen weiterhin, auf die Rationalität i m einschlägigen Sozialverhalten Bedacht zu nehmen. I n Gegenstandsbereichen wie Wirtschaft und Verwaltung stellen sich hiernach die Fragen, wie man einer rationalen Gerichtetheit des Handelns i n möglichst engem Kontext mit der Handlungswirklichkeit theoretisch habhaft werden und wie man die Handlungswirklichkeit theoretisch erreichen kann, ohne die Rationalität wirtschaftlichen oder administrativen Verhaltens ganz aus der wissenschaftlichen Betrachtungsweise zu entlassen. Demgemäß ist die Geschichte der Wirtschaftswissenschaft nicht bloß durch den Gegensatz von Rationalmodellen und Empirie gekennzeichnet. Sie vollzieht sich auch i n dem Spannungsfeld zwischen „geschlossenen" und „offenen" Theorien. Entsprechend läßt sich i m Hinblick auf die kategoriale Gliederung von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität das Forschungsinteresse einer integrierenden Verwaltungstheorie formulieren. Man kann für die Verwaltungswissenschaft nicht anstreben, den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit, Faktizität und Rationalität, Sein und Sollen, Erfahrung und Richtigkeit aufzuheben, w o h l aber versuchen, diese, insbesondere reale Wirkungszusammenhänge und rationale Sinnzusammenhänge, eng zusammenzuhalten und i n solchem Kontext theoretisch einsichtig zu machen. Die Frage nach den „approximations successives" (Pareto 109 ) ist dann allerdings wiederum zu differenzieren. Man kann mehr von rationalen Verhaltensmustern ausgehend den Kontakt zur Realität suchen oder mehr von der Realität ausgehend rationale Gerichtetheit einzubeziehen trachten. Das Denken i n Modellen in den Sozialwissenschaften ist angesichts der empirisch-analytischen K r i t i k i n seiner spezifischen Erkenntnisleistung genauer bezeichnet worden. Man läßt heute keinen Zweifel daran, daß die Datenkonstellation der sozialen Realität — „das Meer der Tatsachen" 110 — hochkomplex ist und daß Modelle i m Hinblick auf die Lösimg bestimmter Probleme eine komplizierte Wirklichkeit reduzieren. Man weiß, daß modelltheoretische Untersuchungen i m Verhältnis zu empirischen Aktionm® Cours d'Economie Politique, Bd. 1, S. 16. «o Erich Schneider, Diskussionsbeitrag, zu: Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, a.a.O., S. 217.

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Reaktion-Schemata stets Untersuchungen über mögliches menschliches Handeln sind, deren Wirklichkeitsnähe davon abhängig ist, wieviele Daten i m Modell „abgebildet" sind. Aus der Entwicklung vor allem der neueren Wirtschaftstheorie ist nun zu lernen, wie es gelingt, „geschlossene" Rationalmodelle auszuweiten und so modelltheoretische Untersuchungen i n den Stand zu setzen, kompliziertere Handlungsgefüge des Sozialverhaltens einzubeziehen. Auch bei geschlossenen A n nahmen können über immer komplexere Entscheidungsmodelle immer komplexere Entscheidungsprozesse „abgebildet" werden. Es gelingt z. B. der Spieltheorie über die Eine-Person-Rationalität des traditionellen Homo oeconomicus zu strategischen Auseinandersetzungen i m sozialen Verhalten vorzudringen. M i t h i n lassen sich die Forschungsintentionen darauf richten, Schritt für Schritt durch eine sukzessive Erweiterung der ersten einfachen Annahmen die Reichweite des Modells i m Hinblick auf die Komplexität der Lebenswelt zu vergrößern. Die Geschlossenheit der einschlägigen Rationalmodelle ist keine festgelegte, sondern erweist sich der theoretischen Ausdehnung zugänglich. Geschlossene Rationalität bedeutet sonach auch keinen unüberbrückbaren Gegensatz zur Rationalisierung, wie eben viele i n solchen ökonomischen Modellen formulierte Einsichten alltäglich wirtschaftspolitische Praxis werden. Beschränkt auf den Rahmen unserer erkenntnistheoretisch-methodologischen Überlegungen haben w i r uns mit für die öffentliche Verwaltung i n Betracht zu ziehenden Rationalstrukturen auseinanderzusetzen gehabt. Es sind vor allem die Rationalitäten eines an Zwecken und Mitteln und eines an Normen orientierten Verhaltens genannt worden. Beide Strukturen lassen sich von einer verwaltungswissenschaftlichen Forschung zu „geschlossenen" Rationalmodellen ausbauen. Man kann z. B. i m Hinblick auf die öffentliche Verwaltung ein finanzökonomisches Maximierungsmodell bzw. einen finanzjuristischen Logikkalkül entwerfen. Beide theoretischen Entwürfe können zur praktischen Erheblichkeit gebracht und — obwohl als ideale Verhaltensmuster konzipiert — i n der Synthese des verwaltungspraktischen Handelns Realität werden: Das finanzökonomische Maximierungsmodell kann i n die Budgetierung einer Haushaltsverwaltung eingehen und über die Praxis als Synthese faktisches Haushaltsgebaren werden. Der finanzjuristische Logikkalkül kann i n das Computerprogramm einer Finanzbehörde eingehen und über die Praxis als Synthese faktische Steuereinhebung werden. Für die wissenschaftliche Leistung aber zeigt sich, daß auch die geschlossenen Rationalmodelle der Sozialforschung nicht bloße Konstrukte des Wissenschaftlers auf rein theoretischer Ebene sein wollen, sondern auf ideale Verhaltensmuster als Möglichkeiten menschlicher Praxis zielen.

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

Jedoch w i r d gerade i m Bereich optimaler Haushaltsgestaltung und in der Steuerrechtsanwendung mittels elektronischer Datenverarbeitung deutlich, welche kurzen Handlungsausschnitte der öffentlichen Verwaltung über geschlossene Rationalmodelle erfaßbar sind. „Zero-base budgeting" hat sich bereits auf der Ebene eines Ministeriums als nicht praktizierbar erwiesen. I n unserem Exkurs zur elektronischen Datenverarbeitung i n Recht und Verwaltung haben w i r gezeigt, wie i n administrativen Entscheidungssystemen gegenüber einer hochkomplexen Umwelt in einer nicht überschaubaren Zahl von Einzelfällen und einer nicht vorhersehbaren Zahl von Zukunftsfällen gehandelt wird. Es gelingt nicht, Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit der Datenkonstellationen in geschlossenen Modellen „abzubilden". Auch i n den Rational- und Handlungsannahmen selbst fortentwickelter Modelle wie denen der statistischen Entscheidimgstheorie bleiben viele „heroische Annahmen" einer menschlichen Allwissenheit und einer angemessen vorstrukturierten Handlungsumwelt, die sich von der Lebenswirklichkeit weit entfernen. Angesichts solcher Annahmen pflegt man traditionell Realitätsbezug etwa als „Soziologisierung" zu fordern. Für das Forschungsinteresse einer integrierenden Verwaltungstheorie haben w i r gezeigt, daß es nicht ausreicht, aus der Geschlossenheit von streng empirischen Aktion-Reaktion-Schemata zu antworten. Es interessiert für Lebensbereiche wie Wirtschaft und Verwaltung der Kontext von Handlungswirklichkeit mit einer rationalen Gerichtetheit des Verhaltens. Für die integrierende Verwaltungstheorie genügt es nicht, „geschlossene" Rationalmodelle immer mehr zu erweitern, so daß sie immer komplexere Datenkonstellationen „abbilden" können. Man muß auch versuchen, von den realen Verhaltensmustern ausgehend rationaler Gerichtetheit theoretisch habhaft zu werden. W i r wollen ein solches Forschungsinteresse noch aus unserer Gedankenwendung zum Thema von Logik und Verwaltungsrecht beispielhaft machen. Es hat sich dort herausgestellt, daß rechtsnormative Handlungszusammenhänge nichts sind, was völlig außerhalb des Leistungsbereichs eines Logikkalküls liegt, hingegen i m geltenden Recht nur kurze, nicht weitläufige oder gar umfassende Zusammenhänge von logischer Stringenz auszumachen sind. Es wurde dann überlegt, ob nicht logische Ableitungssysteme in die rechtlichen Verhaltensmuster eingeführt werden können. Von da aus wurde über Axiomatik hinaus nach „Axiomatisierung" und über Automation hinaus nach „Automatisierung" gefragt. Bei solcher Fragestellung genügt es nicht, daß man nun Logikkalkül und Verwaltungsrealität ohne weiteres einander gegenüberstellt. Es ist eine Leistung erforderlich, die die komplizierten Datenkonstellationen des Verwaltungshandelns auf Systeme bringt, von denen aus überhaupt erst Kalkülisierung und weiter Ubersetzung in eine Maschinensprache i n Angriff genommen werden können. „Abbildung" i m Modell

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heißt insofern, daß nur eine Teilmenge der Handlungsdaten als relevant ausgewählt wird, daß abstrahierend von anderen Daten isoliert wird. Das bedeutet eine Reduktion der genuinen Komplexität. Man muß überlegen, ob diese Reduktion bloßer Dezision oder irgendwelcher Konvention überlassen ist oder selbst nun wiederum wissenschaftlicher Erkenntnis zugänglich gemacht werden kann. W i l l man i n den Übergang von praktischem Entscheidungshandeln zu einem logisch programmierten Wählen unter Alternativen theoretisch einsehen, dann genügt nicht die empirische Feststellung einschlägiger Datenkonstellationen einerseits und der Entwurf logisch-deduktiver Zusammenhänge andererseits. Es ist eine wissenschaftliche Leistung erforderlich, die aus dem realen Handeln auf rationale Gerichtetheit sieht und so die Vielfalt aller psychischen, sozialen, historischen usw. Fakten auf die Teilmenge eines rationalen Sinnzusammenhanges verkürzt. Die integrierende Verwaltungtheorie muß Realität und Rationalität i n einen Kontext bringen, um i m Hinblick auf reale Verhaltensmuster rationale Verhaltensmuster zu entwerfen. Schumpeter 111 hat Schmollers Wissenschaftsprogramm wie folgt interpretiert: „ M i t einer Minimalbelastung an Apriori an das Material herantreten, damit Zusammenhänge zu erfassen suchen, dabei das Apriori für die Zukunft vermehren und neue Auffassungsweisen erarbeiten, die weiterem Material gegenüber als (provisorisch) vorhandenes Rüstzeug dienen und so weiter i n steter Wechselswirkung zwischen Material und gedanklicher Verarbeitung." Seit den Tagen einer historischen Schule mögen viele metatheoretischen Probleme wie die des Denkens i n Modellen oder die der erfahrungswissenschaftlichen „Erklärung" präzisiert worden sein; die wissenschaftstheoretische Problemlast ist indes sicher nicht geringer geworden. Insbesondere ist die Auseinandersetzung der wissenschaftsphilosophischen Schulen um das „Verhältnis der Sinndeutung der Sozialwelt durch die Sozialwissenschaften zu der Sinngebung eben dieser Sozialwelt i n den A k t e n des täglichen Lebens" 1 1 2 hoch kontrovers geblieben. Es geht darum, überhaupt i n Sinnzusammenhänge des menschlich-gesellschaftlichen Handelns theoretisch einzudringen, u m einen erfahrungswissenschaftlichen Grundbegriff: über die Sinneserfahrung hinaus nach Sinnerfahrung zu streben, um subjektive und objektive Sinnzusammenhänge, um Sinn i n seiner Gegebenheitsweise und als Erkenntnisleistung und vieles mehr. Wenn die integrierende Verwaltungstheorie in sukzessiven Approximationen i m Hinblick auf die Faktizität administrativen Handelns rationale Verhaltensmuster öffentlicher Verwaltung entwerfen w i l l oder aus einer Rationalstruktur die Verwaltungspraxis deuten w i l l , kann sie dem 111 Gustav v. Schmoller u n d die Probleme von heute, a.a.O., S. 192 f. 112 Alfred Schütz , Der sinnhafte Aufbau der sozialen W e l t : Eine Einleitung i n die verstehende Soziologie, S. 275.

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wissenschaftstheoretischen Streit um die Sinnproblematik in der Sozialforschung nicht entgehen. Diese Problematik zeigt sich dann zwar als m i t hervorragenden Namen der deutschen Wissenschaftsgeschichte besonders verbunden, aber als viel zu tief i n die Theorie der Sozialwissenschaften eingeflochten, um bloß „typisch deutsche" Geisteswissenschaftlichkeit zu heißen 113 . Von der wissenschaftlichen Erforschung rationaler Verhaltensmuster mag man der Ansicht sein, daß die eigentliche Sinnqualität eines Phänomens damit nicht zu erfassen sei, i n der Meinung z.B., daß rationale Schemata i m Hinblick auf die Rationalität idealisiert würden, während etwa bei „Idealtypen" in Richtung auf den jeweiligen „charakteristischen" Sinn idealisiert werde 1 1 4 . Jedoch erweisen sich gerade die Intentionen und Objektivationen sozialen Handelns, die w i r als Rationalität begreifen können, von einer Beschaffenheit, welche das wissenschaftliche Eindringen in die intelligible Welt menschlich-gesellschaftlichen Handlungssinns erleichtern. W i r haben vor allem die Kategorie der Rationalität genützt, um das Erkenntnisinteresse an idealen Verhaltensmustern öffentlicher Verwaltung zu begründen. Die Konstruktion rationaler Handlungszusammenhänge, um theoretisch zu Formen einer Richtigkeit zu gelangen, ist eine schwer abweisbare Forschungsintention. Anderenorts w i r d etwa Rationalität bemüht, um die alte Grundregel einer Geschichtswissenschaft: „Das Wesen der historischen Methode ist forschend zu verstehen" 1 1 5 metatheoretisch i n neuen Varianten zu fundieren 1 1 6 . I m vorliegenden Zusammenhang wollen w i r noch auf die Deutung des Sozialverhaltens aus rationalen Strukturen hinweisen. Der Kontext von Rationalität und Realität ist eine vorzügliche Methode der Sozialforschung, um Sinnzusammenhänge menschlich-gesellschaftlichen Handelns wissenschaftlich herauszuarbeiten. I n der wissenschaftstheoretischen K r i t i k ist versucht worden, die Methode des Verstehens — „The Operation Called Verstehen" — durch die Nachzeichnimg folgender Aspekte zu analysieren 117 : W i r beobachten na Vgl. etwa Peter Winch, Die Idee der Sozialwissenschaft und i h r V e r hältnis zur Philosophie; weiter aufschlußreich Karl-Otto Apel, Die Entfaltung der „sprachanalytischen" Philosophie u n d das Problem der „Geisteswissenschaften", i n : Philosophisches Jahrbuch, 1964/65, S. 239 ff.; ders,, Wittgenstein u n d das Problem des hermeneutischen Verstehens, i n : Zeitschrift für Theologie u n d Kirche, 1966, S. 49 ff. 114 Vgl. Georg Weippert, Die idealtypische Sinn- u n d Wesenserforschung u n d die Denkgebilde der formalen Theorie: Z u r Logik des „Idealtypus" u n d der „rationalen Schemata", a.a.O., S. 34 f. us Johann Gustav Droysen, H i s t o r i k : Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte, S. 328. 116 Vgl. etwa William Dray, Laws and Explanation i n History, bes. S. 118 ff. i n Theodore Abel, The Operation Called Verstehen, a.a.O., S. 177 ff.; dazu Jürgen Habermas, Z u r L o g i k der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische

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der Erfahrung direkt zugängliche Ereignisse, erstens Ereignisse als Ausgängsbedingungen — z. B. einen Temperatursturz — und zweitens Ereignisse als Handlungsfolgen — z.B. das Feueranmachen —. Beide Ereignisse sind solange disparate Fakten und nur äußerlich i n Raum und Zeit verknüpft, bis es uns gelingt, sie irgendwie durch Intrapolation verständlich zu machen. Dazu gehört, daß die Ereignisse als subjektiver Reiz und Reaktion auf diesen Reiz i n die Verinnerlichung des Anreizes — „internalizing the stimulus" — und die Verinnerlichung der A n t w o r t — „internalizing the response" — übersetzt werden und die Anwendung von Verhaltensmaximen — „applying behavior máximes" — erfolgt. Es werden Beziehungen zwischen dem Erfahrungssachverhalt und dem „inneren Zustand", der „»zugehörigen 4 Gefühlslage" hergestellt — z.B. w i r d dem Temperatursturz der Zustand des Frierens, dem Kaminfeuer der Zustand des Erwärmens zugeordnet. Dann bedarf es nur noch der Anwendung einer Verhaltensmaxime — z. B. eine frierende Person sucht Wärme —, u m die erfahrungsmäßig festgestellten Ereignisse als Bestandteile einer subjektiv sinnvoll veränderten Lage zu deuten und die den beobachteten Vorgang verbindende Handlung zu „verstehen". Es geht also u m Formen der Beobachtung zusammen m i t Selbstbeobachtung und Nacherleben: "an intervening process 'located' inside the human organism", "generalizations of direct personal experience derived from introspection and self-observation." Für den hier darzulegenden Kontext von Rationalität und Realität, der Deutung von Faktizität aus rationalen Strukturen, brauchen w i r nicht auf die allgemeine Widerlegung einer solchen Analyse einzugehen. Wenn w i r etwa ein Spiel beobachten, dann bedarf es mehr als nur Selbstbeobachtung und Nacherleben, nämlich unter Umständen sogar der Kenntnis jener mathematisch-logischen Strukturen, die die Spieltheorie als ideale Verhaltensmuster darlegt, um einen Spielzug zu verstehen. Entsprechend lassen sich „geschlossene" wie „offene" Rationalmodelle dem tatsächlich feststellbaren Handeln unterlegen. Handeln ist zunächst durchaus als Umformen von Situationen anzunehmen. Was uns aber unter dem Kontext von Rationalität Handeln wissenschaftlich verständlich macht, ist nicht die Intrapolation einer „behavior maxim" als persönliche Erfahrungsregel, sondern eine Handlungsmaxime als rationaler Sinnzusammenhang. Nehmen w i r z. B. das Finanzgebaren einer öffentlichen Verwaltung: Selbst wenn es aus der hohen Rationalitätsannahme eines Maximierungsmodells hinterfragt wird, können w i r bestimmte Zusammenhänge der alternativen Mittelverwendung i m Hinblick auf Handlungsziele aus der komplexen Datenkonstellation des konkreten Wahlverhaltens herausarbeiten. Wird hiernach Rundschau, 1967, Beiheft 5, S. 61 ff.; Norbert mus u n d das Verstehen, a.a.O., S. 207 ff. 18*

Kloten,

Der Methodenpluralis-

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das rationale Deutungsschema nicht u m der Rationalität willen idealisiert, sondern durch sukzessive Approximationen der Realität angenähert, dann gelingt es, eine immer größere Teilmenge von Daten systematisch verständlich zu machen. Geht man von der konkreten Datenkonstellation aus und sucht man deren Komplexität auf einen rationalen Sinn zu reduzieren, dann kann es gelingen, Handlungsabläufe i m Hinblick auf ihre rationale Struktur, also etwa der rationalen Wahl unter Handlungsalternativen zu Handlungszielen, zu rekonstruieren. Für das Sinnverständnis menschlich-gesellschaftlichen Handelns erweist sich so Rationalität wiederum als besonders kommunizierbar. Es erhellt, wieso man sagen konnte: „Das rationale Zweckhandeln ist daher ein Optimalfall für das Verstehen 118 ." „Verstehende" Wirtschaftstheorie und mathematische Wirtschaftsforschung zeigen ihre erkenntnistheoretisch-methodologische Gemeinsamkeit 119 . Freilich darf die Fruchtbarkeit der Handlungsinterpretation aus Rationalstrukturen gerade i m Hinblick auf „Kultursysteme" wie die öffentliche Verwaltung, die sich als praktische Rationalisierung durch eine spezifische Intentionalität auszeichnet, nicht dazu führen, von der rationalen Rekonstruktion der Handlungsabläufe mehr zu verlangen, als nach ihrer wissenschaftstheoretischen Begründung zu leisten ist. Die Unterscheidung zwischen Rationalität und Faktizität bleibt. Beide Kategorien sind nur i n einen Kontext gebracht. Die einschlägigen wissenschaftlichen Aussagen können von den Daten konkreten Handelns nicht mehr erfassen, als nach dem rationalen Deutimgsschema Platz hat. Rationale Rekonstruktionen, mögen sie noch so sehr der Realität nahekommen, enthalten ein ideales Moment menschlich-gesellschaftlicher Möglichkeit. Sie sind keine streng empirisch feststellbaren AktionReaktion-Schemata. Das kann i n der Gegenüberstellung des „Verstehens" von Sinnzusammenhängen mit dem „Erklären" von Wirkungszusammenhängen zu dem Gedanken führen, daß über verstehende Methoden nur zu heuristischen Hilfsmitteln zu kommen ist, bevor w i r der Lebenssachverhalte nach strikt empirischer Methodik theoretisch habhaft werden 1 2 0 . Eine integrierende Verwaltungstheorie hat dem ihr spezifisches Forschungsinteresse entgegenzuhalten: daß nämlich i m Erkenntnispluralismus, der Faktizität und Rationalität auseinanderhält, gerade wiederum auf deren Kontext zu sehen ist. Das Interesse an integrierenden Erkenntnisleistungen i n der Verwaltungswissenschaft zielt darauf, Wirkungszusammenhänge und Sinnzusammenhänge administrativen Verhaltens zusammenzuhalten, weil i m Hinblick auf Ver118 Eduard Sprang er, Z u r Theorie des Verstehens u n d zur geisteswissenschaftlichen Psychologie, a.a.O., S. 380. 119 Vgl. Jürgen von Kempski, Handlung, M a x i m e u n d Situation: Z u r logischen Analyse der mathematischen Wirtschaftstheorie, a.a.O., S. 233 ff. 120 Vgl. dazu Hans Albert, T r a k t a t über kritische Vernunft, S. 131 ff.

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waltungshandeln rationale Gerichtetheit nicht aus der theoretischen Betrachtung entlassen werden kann. W i r haben uns bisher vorzüglich m i t der Zweck-Mittel-Struktur als eines aus den Möglichkeiten menschlich-gesellschaftlicher Praxis entnommenen und dann theoretisch bearbeiteten Sinnmoments des Handelns beschäftigt. I n der Wissenschaft scheint man die Neigung zu haben, insbesondere solche Rationalstrukturen zu verdinglichen 1 2 1 . Das heißt, rationaler Handlungssinn w i r d nicht als menschliches Phänomen aufgefaßt, sondern als etwas, was gleichsam nicht auf die Urheberschaft des Menschen angewiesen ist. Verdinglichungen haben i n Praxis und Theorie Funktionen, insbesondere auch i n der Verwaltungswissenschaft, die den Menschen i n seiner individuellen Tiefe kaum ausloten kann. Indes zeigen gerade hochentwickelte theoretische Aussagensysteme eine vom Menschen abgelöste Eigenexistenz, die nicht improblematisch ist. Man könnte dazu für die Verwaltungsforschung auf Ontologisierungen der Reinen Rechtslehre verweisen. I n der modernen Sozialforschung w i r d mancher neue „Homunkulus" entworfen, bei dessen K r i t i k allerdings nicht übersehen werden darf, daß er oft am Ende großer und schwer verzichtbarer theoretischer K r a f t steht. Für eine integrierende Verwaltungstheorie bedeutet jede überschießende Verdinglichung, metatheoretische Grenzen zu errichten, die den Integrationsprozessen i n der Verwaltungswissenschaft entgegenstehen. Einem strengen Dualismus von Sein und Sollen, der das Forschungsinteresse einer integrierenden Verwaltungstheorie von vornherein fraglich macht, ist so zu begegnen. Ferner kann die integrierende Verwaltungsforschung aber auch Verdinglichungen relativieren. W i r wollen zeigen, daß sie nicht an die Ontologie eines Zweck-Mittel-Schemas gebunden ist und integrierende Erkenntnisleistungen i m Bereich noch anderer Rationalstrukturen nennen. Z u dem Erkenntnisinteresse an idealen Verhaltensmustern des Verwaltungshandelns ist bereits die Frage gestellt worden, wie sich i n Anbetracht zahlloser individueller und organisatorischer Zielsetzungen und deren Verfolgung nach dem Zweck-Mittel-Schema so etwas w i e ein Zustand „sozialer Ordnung" herausbilden kann. Dazu ist auf die Konzepte eines organisatorischen Gleichgewichts, einer Bestandserhaltung sozialer Systeme, einer kybernetischen Regelung sozialer Kommunikation hingewiesen worden. W i r stehen vor dem Problem, ob man sich angesichts sozialer Handlungssysteme noch auf die Suche nach Rationalstrukturen machen muß, die anders als die Zweckorientierung eine Systemrationalität darstellen. Aus allen zu den Kategorien von System/ 121 Z u r Verdinglichung allgemein vgl. Peter Berger I Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche K o n s t r u k t i o n der W i r k l i c h k e i t ; Eine Theorie der Wissenssoziologie, S, 94 ff.

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Struktur/Funktion vorgetragenen Sozialtheorien ragt die auch für die Verwaltungswissenschaft vorgetragene funktionale Systemtheorie 122 mit ihrem Gedanken der Systemrationalität dadurch heraus, daß sie auf das Schisma von empirischer, deskriptiver, kausal-erklärender und normativer, präskriptiver, rationalwissenschaftlicher Forschung sieht und hieraus einen Ausweg sucht, der bewußt auf die einschlägigen Methodenprobleme gerichtet ist. Diese Systemtheorie bildet m i t einer funktionalen Methode einen Verbund, der i n der sozialen Komplexität sein letztes Bezugsproblem hat und angesichts der Prozesse einer Reduktion von Komplexität als Gesamtheit möglicher Ereignisse nicht ausschließlich auf empirische bzw. normative — hier i m weiteren Sinn des wissenschaftstheoretischen Schismas gemeint — Aussageformen festgelegt sein w i l l . I m Hinblick auf den hier interessierenden Kontext von Faktizität und Rationalität können w i r unsere Aufmerksamkeit also ganz den integrierenden Erkenntnisleistungen jener Kombination von Systemtheorie und funktionaler Methode zuwenden, wobei w i r offenlassen, wie weit insofern überhaupt eine Unterscheidung i m Sinne von Theorie und Methode möglich ist. Für die funktionale Systemtheorie bezieht sich der Systembegriff auf die Erfahrungswelt, nicht auf deren begriffliche Vorstellung in der Theorie. Er meint die Ordnung des Forschungsgegenstandes, nicht die theoretische Zusammenstellung. Es geht u m Handlungszusammenhänge: „Systeme faktischen Handelns". Unter Handlung w i r d dabei jedes sinnhaft orientierte, außenwirksame menschliche Verhalten verstanden. Ein Handlungssystem i m allgemeinen und ein Verwaltungssystem i m besonderen gelten als die Identifikation eines Sinnzusammenhanges von Handlungen, die — teilweise auf Grund der eigenen Ordnung, teilweise auf Grund von Umweltbedingungen — gegenüber einer äußerst komplexen, veränderlichen, i m ganzen nicht beherrschbaren Umwelt relativ einfach und konstant gehalten wird. Als Leistung gesehen, w i r d die Systembildung begriffen als Reduktion von Kom122 v g l . Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft: Bestandsaufnahme u n d E n t w u r f ; hier noch bes. ders., F u n k t i o n u n d Kausalität, i n : Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1962, S. 617 ff.; ders., Funktionale Methode u n d Systemtheorie, i n : Soziale Welt, 1964, S. 1 ff.; ders., Soziologische Aufklärung, i n : Soziale Welt, 1967, S. 97 ff.; ders., Soziologie als Theorie sozialer Systeme, i n : Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie und Sozialpsychologie, 1967, S. 615 ff.; ders., Zweckbegriff u n d Systemrationalität: Über die F u n k t i o n von Zwecken iri sozialen Systemen; ders., Funktionale Methode und juristische Entscheidung, i n : Archiv des öffentlichen Rechts, 1969, S. 1 ff.; dort auch Nachweise zum nordamerikanischen Funktionalismus und dessen K r i t i k durch die empirisch-analytische Wissenschaftsphilosophie; zum letzteren noch Wolf gang Stegmüller, Probleme u n d Resultate der Wissenschaf tstheorie und Analytischen Philosophie, Bd. 1: Wissenschaftliche E r k l ä r u n g u n d Begründung, S. 555 ff.; zum französischen Strukturalismus etwa Urs Jaeggi, Ordnung u n d Chaos: Der Strukturalismus als Methode u n d Mode,

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plexität und Veränderlichkeit der Umwelt auf Ausmaße, die sinnvolles menschliches Handeln erlauben: „Soziale Systeme haben die Funktion der Erfassung und Reduktion von Komplexität." Von den Beziehungen zwischen System und Umwelt w i r d danach gemeint, daß sie zwar Kausalprozesse, aber durch systeminterne Selektionsvorgänge informationell gesteuert seien, so daß das System nicht allein durch die Umwelt determiniert werde, sondern gewisse, begrenzte Autonomie besitze. Als Grundlage für diese selektive Informationsverarbeitung und damit für das Invarianthalten der Systemgrenzen w i r d die Systemstruktur genommen, die aus „generalisierten Verhaltenserwartungen" bestehe. Das bedeutet, daß soziale Systeme eine über die Situation hinausreichende, die Systemgrenzen definierende Systemstruktur durch Generalisierung der Erwartungen für systemzugehöriges Verhalten — relativ abstrakt vorausgedachte Interaktionsgefüge zwischen System und Umwelt — gewinnen. I n diesem Sinne ist jede Struktur eines Handlungssystems „normativ" institutionalisiert. Ein Handlungssystem gilt hiernach als rational, wenn seine Bestandsinteressen so generalisiert sind, daß sich unter wechselnden Umweltbedingungen genügend Befriedigungsmöglichkeiten ergeben. Nicht der Einzelbeitrag, die Einzelwirkung, der Einzelzweck ist für sich als Rationalität maßgeblich. Rationalität ist i n diesem Sinne eine Systemkategorie und beruht auf funktionaler Stabilisierung: Ein System ist rational i n dem Maße, als es „seine Probleme bestandssicher formulieren und lösen" kann. Wie als Kernproblem der Systembildung die Reduktion von Komplexität und Veränderlichkeit der Umwelt betrachtet wird, so ist dieses Problem Mittelpunkt der funktionalen Systemtheorie. M i t der Systembildung selbst werden die Grundlagen für alle faktischen Regelmäßigkeiten der Handelnsabläufe ebenso wie für das normative Festhalten an bestimmten Erwartungen und für die Beurteilung der Rationalität bestimmter Problemlösungen als konstituiert angenommen: Die theoretische Betrachtimg eines solchen Systems — in unserem Falle: eines Verwaltungssystems — könne ihrem Gegenstand nur dadurch gerecht werden, daß sie die Bedingungen und Grenzen seiner Selbstvariation erforsche und damit übernehme. Die „Bindung an das normative Eigengewicht der erforschten Systeme" ist die Konsequenz aus der Intention, die „Einseitigkeit von nur-normativen bzw. nur-empirisehen Methoden zu vermeiden". Der Gewinn, den die „funktionale" Analyse dabei einbringen soll, besteht i n der Fixierung eines abstrakten Bezugspunktes, nämlich des „Problems", von dem aus verschiedene Möglichkeiten des Handelns, äußerlich ganz unterschiedlich anmutende soziale Tatbestände als funktional äquivalent behandelt werden können. Es w i r d der Erkenntnisgewinn gesucht, der i n den Vergleichsmöglichkeiten steckt. Vom Bezugsproblem aus w i r d nach funktionalen Äquivalenzen geforscht also i n der Meinung: „Systemrationalität i n diesem Sinne beruht auf

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funktionaler Stabilisierung, darauf, daß die Probleme, die das System nach Maßgabe seiner Struktur zu lösen hat, als Bezugspunkte für funktionale Analysen und für die Steuerung von Substitutionsvorgängen benutzbar sind." Die funktionale Systemtheorie ist zu einem komplizierten und hochdifferenzierten Lehrgebäude entwickelt worden, das w i r i m vorliegenden Zusammenhang nicht weiter nachzeichnen können. Schaut man aus der hier interessierenden wissenschaftstheoretischen Perspektive auf die konkreten Forschungsergebnisse der funktionalen Systemtheorie, dann kann man feststellen, daß sie i n einem bedeutenden Umfange integrierende Erkenntnisleistungen erbracht hat. Man könnte die funktionale Systemtheorie als einen exemplarischen Beitrag zu einer integrierenden Verwaltungstheorie ansehen, wenn sie nicht einen Anspruch erheben würde, der das Forschimgsinteresse, Integrationsprozesse im Erkenntnispluralismus der Verwaltungswissenschaft zu leisten, i n problematischer Weise überzeichnet. Während man i m französischen Strukturalismus davon ausgeht, daß zwar alle Tatsachen genau beobachtet und beschrieben werden müssen, die „Struktur" dann aber doch nicht direkt aus der „konkreten Wirklichkeit" herausgeholt werden kann, meldet die funktionale Systemtheorie — wohl i n Konsequenz eines nordamerikanischen Herkommens — einen weiterreichenden empirischen Anspruch an. Sie betont, daß nicht der Kausalkontext allein, sondern seine „Programmierung" durch Verhaltenserwartungen die relative Invarianz von Systemen verständlich macht. Indes w i l l sie zugleich auch die Systeme „ i n ihren kausalen Interdependenzen m i t der Umwelt" untersuchen. Das w i r d über eine ontologische Umformulierung des Kausalbegriffs versucht. I n dieser Ontologie ist die Funktion nicht eine Sonderart der Kausalbeziehung, sondern die Kausalbeziehung ist ein Anwendungsfall funktionaler Ordnung. Der Funktionsbegriff w i r d zunächst unabhängig vom Kausalbegriff definiert. Es w i r d auf die Feststellung der funktionalen Äquivalenzen mehrerer möglichen Ursachen unter dem Gesichtspunkt einer problematischen Wirkung gesehen. Der Begriff der funktionalen Äquivalenz w i r d aufgegriffen. Die Funktion gilt dann nicht mehr als zu bewirkende Wirkung, sondern als ein regulatives Sinnschema, das einen Vergleichsbereich äquivalenter Leistungen organisiert. I n diesem Blickwinkel erscheinen die einzelnen Leistungen dann als gleichwertig gegeneinander austauschbar, fungibel, während sie als konkrete Vorgänge als unvergleichbar verschieden erscheinen. Der Funktionsbegriff w i r d i n dieser Meinung als regulatives Prinzip für die Feststellung von Äquivalenzen i m Rahmen funktionaler Variablen verstanden. Dann w i r d er als Äquivalenzfunktionalismus nicht bloß gegen den kausalwissenschaftlichen Funktionalismus gestellt, sondern Kausalbeziehungen

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werden zu einem Anwendungsfall von funktionaler Ordnung erklärt. Das Kausalschema der invarianten Beziehung von Ursache und Wirkung w i r d uminterpretiert i m Sinne des Äquivalenzfunktionalismus. Die Invarianz einer Ursache oder einer Wirkung soll als funktionaler Bezugsgesichtspunkt benutzt werden, d. h. als konstanter Ausgangspunkt für die Frage nach äquivalenten Kausalbeziehungen. Zum Beispiel: setze man eine Wirkung als Bezugsproblem an, ordne sich i n bezug darauf ein bestimmtes Ursachenfeld. Mehrere Ursachenkombinationen würden sichtbar als ausreichend, die Wirkung zu bewirken. So gesehen sind problematische Wirkungen Ordnungsgesichtspunkte für Beziehungen zwischen verschiedenen Ursachen. Die sich aus wissenschaftlichem Anspruch und konkretem Forschungsvollzug der funktionalen Systemanalyse ergebende metatheoretische Problematik ist vielschichtig. W i r haben sie hier von vornherein auf die Fragestellungen aus der kategorialen Unterscheidung von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität und die hieraus weiter zu bedenkende integrierende Verwaltungstheorie zugeschnitten, um die es uns geht. Auf einer fundamentalen Problemebene ist die Frage nach dem für eine Erfahrungswissenschaft ontologisch maßgeblichen Schema kausaler Erklärung zu stellen. Nun ist zwar der Kausalitätsbegriff in der modernen Wissenschaft durchaus kontrovers. Auch in der Naturphilosophie streitet man zwischen den Polen von eindeutiger Determiniertheit und wahrscheinlichkeitstheoretischer Festlegung. Wenn man aber weiter von dem Standpunkt einer am Vorbild der Naturwissenschaft orientierten Erfahrungswissenschaft auf die Funktionalbeziehung sieht, dann ordnet sich diese als Sonderform der Kausalitätsbeziehung ein. Man kann etwa sagen, daß sich funktionale Aussagen spezifisch m i t Prozessen i n selbstregulierenden Systemen befassen. Aus empirischanalytischer Sicht geht es dabei um denselben erfahrungswissenschaftlich überprüfbaren kausalen Zusammenhang zwischen identifizierbaren Größen. So meint die neopositivistische Wissenschaftsphilosophie von dem, was unter Funktionalismus bisher wissenschaftlich erarbeitet worden ist, daß es keine empirisch intersubjektiv bewährte funktionale Theorie sozialer Systeme formuliere. Sie akzeptiert es allenfalls als Arbeitshypothesen oder heuristische Hilfsmittel. Da nicht zu sehen ist, wie dem auf der Diskussionsebene eines allgemeinen erfahrungswissenschaftlichen Erklärungsschemas zu widersprechen ist, bleibt, zu der Frage einer von der Naturwissenschaft abweichenden ontologischen Fundierung der empirischen Sozialforschung überzugehen, und zwar unter Umständen sogar i n der Weise, daß man aus wissenschaftlicher Bescheidenheit die ontologische Anspruchsgrundlage genügsam halten w i l l . Wie man einen Determiniertheit einschließenden Kausalitätsstandpunkt für die Sozialwissenschaften von

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vornherein für zu anspruchsvoll halten kann und deswegen auf wahrscheinlichkeitstheoretische Sozialforschung setzen mag, so könnte man das Anspruchsniveau von einem kausalwissenschaftlichen Funktionalismus auf das einer funktionalistischen Analyse kausaler Faktoren herabsetzen wollen. Vielleicht könnte man so, wenn nicht eine Ursache bzw. Wirkung, dann doch gewisse Ursachen- bzw. Wirkungsfelder i n den Griff bekommen. Indes ist m i t dem Gedanken eines so begrenzten empirisch-kausalen Wissenschaftsprogramms weder die Forschungsintention einer integrierenden Verwaltungstheorie noch die des sozialwissenschaftlichen Funktionalismus getroffen, und i m Grunde ist auch die funktionale Systemtheorie anders interessiert. Z u integrierenden Erkenntnisleistungen i n der Verwaltungswissenschaft braucht es mehr als eines empirisch-kausalen Erklärungsschemas. W i r haben beim Erkenntnisinteresse an der Realität des Verwaltungshandelns beginnend die Schwierigkeiten der Sozialforschung mitgezeigt, der streng erfahrbaren Wirklichkeit habhaft zu werden. Auch die äußere Beobachtung ist auf ein weiteres Sinnverständnis der Handlungssituation angewiesen. Die Komplexität sozialer Datenkonstellationen verlangt isolierende Abstraktion, und hier pflegt die Theorie nicht auf rein wissenschaftlicher Ebene willkürlich zu selektieren. Schon die Grenzen der einzelnen Fachwissenschaften besorgen so eine Entfernung von der Lebenswirklichkeit. Es bleibt aber für die Verwaltungsforschung, Uberprüfungen und Ableitungen zu empirischen Gleichförmigkeiten vorzunehmen und entsprechende prognostische Leistungen zu erbringen. W i r haben danach die Ceteris-paribus-Klausel des Modelldenkens nicht einfach als eine „Alibi-Formel" genommen, die bloß vor dem Risiko des Scheiterns an Tatsachen zu bewahren hat. Das dahinterliegende Erkenntnisinteresse an taktisch-strategisch-rationalem Handeln ist aufgedeckt, die intelligible Welt idealer und normativer Verhaltensmuster dargelegt, die sich alsdann ergebende Unterscheidung von Wirklichkeit und Möglichkeit, Faktizität und Rationalität, Sein und Sollen, Erfahrung und Richtigkeit kenntlich gemacht worden. W i r stehen sonach vor der Frage, wie Rationalstrukturen nicht immer mehr zu idealisierenden, sondern i m Kontext mit der Wirklichkeit von einer integrierenden Verwaltungstheorie zu untersuchen sind. M i t h i n geht es nicht u m streng empirische AktionReaktion-Schemata, sondern u m Handeln zusammen m i t seinem Sinn. Gerade auf solchen Handlungssinn stellt der sozialwissenschaftliche Funktionalismus aber i m allgemeinen ab 1 2 3 . Er ist i n seiner Forschungsintention an kulturelle Muster, Überlieferungen, Werte, Normen, Regeln, Rollen, institutionalisierte Sinnzusammenhänge gebunden. Entsprechend interessiert sich die funktionale Systemtheorie für sinnhafte Handlungs123 v g l . Jürgen Habermas, Z u r Logik der Sozialwissenschaften, i n : Philosophische Rundschau, 1967, Beiheft 5, S. 79 ff.

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großen: Handlungssysteme gelten als Identifikationen von Sinnzusammenhängen des Handelns; Systemstrukturen werden aus generellen Verhaltenserwartungen bestehend angesehen. Die „normative" Institutionalisierung der Struktur w i r d wie die Bindung der Forschung an das „normative" Eigengewicht des Systems betont. Das erfordert dann auch für integrierende Erkenntnisleistungen eine prinzipielle Unterscheidung. Die theoretische Welt der empirisch-kausalen Erklärung — i n welcher Form auch immer — läßt sich nicht m i t der jenes Sinnverständnisses verschmelzen, welches darauf sieht, daß der Verhaltensregulierung in Handlungssystemen ein Moment der Verständlichkeit eignet, das — wie die Intentionalität des an Zwecken und Mitteln orientierten Handelns — die Interpretation als sinnhafte Strukturierung nahelegt. I n der empirisch-kausalen Forschung werden die kausalen Beziehungen zwischen den Variablen eines selbstgeregelten Systems sowie die zwischen dem System und seiner Umgebung ohne Bezugnahme auf einen in den Gegenständen selbst verankerten Sinn analysiert. Das gelingt wohl nur versuchsweise und unter Zuhilfenahme des Sinnverständnisses weiterer Handlungszusammenhänge. Überhaupt mag vor allem der logische Empirismus die erfahrungswissenschaftliche Sozialforschung auf ein vielfach unerfüllbares Wissenschaftsprogramm verpflichten und die wahrscheinlichkeitstheoretische Arbeit mehr Ergebnisse erwarten lassen. Indes bleibt es auch für die Verwaltungswissenschaft dabei, daß man sich der empirischen Kontrolle des Scheiterns aus den Fakten unterwirft, ohne daß solche Falsifizierung durch Sinnmomente des Handelns gehindert werden könnte. Wollte man i m Hinblick auf eine empirisch-kausale Erklärung von Systemrationalität sprechen, so könnte sich das prinzipiell nur auf die theoretische Leistung beziehen, i n der Meinung eines biologischen wie eines soziologischen Systems gleichermaßen. Anders ist es, wenn w i r Systemrationalität als Kategorie des menschlich-gesellschaftlichen Handelns selbst aufnehmen, als sinnhafte Strukturierung des Sozialverhaltens begreifen und solche Intentionalitäten als Beschaffenheit des Forschungsgegenstandes auf theoretischer Ebene wiedergeben. Dann w i r d nicht mehr nur auf empirische Zustände i n ihrer streng faktischen Bewirktheit gesehen. Es w i r d von einer Grundannahme ausgegangen, die sich auf den empirischen Zusammenhang beobachtbarer Ereignisse allein nicht erstreckt. Wie w i r bei der ZweckMittel-Rationalität gesehen haben, konstituiert der Bezug auf ein Sinnprinzip wissenschaftliche Aussagen i n einer Weise, die sie den strikt empirischen Kontrollverfahren entziehen. Wie die Systemanalyse davon ausgeht, daß Handlungen nicht durch faktische Wirkungszusammenhänge zu Systemen zusammengeschlossen werden, sondern nur durch Stabilisierung von Verhaltenserwartungen, so sind Interpretationen außerhalb der Kausalwissenschaft erforderlich, u m diese Ordnungsleistung theoretisch wiederzugeben. Da institutionalisierte Sinnzusam-

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menhänge sich i n den Daten beobachtbaren Verhaltens nicht zureichend ausdrücken, ist Kausalität kein Erklärungsschema für einen als Rationalität angenommenen Systembestand. Auch wenn uns für integrierende Erkenntnisleistungen i n der Verwaltungswissenschaft die Kategorie der Systemrationalität nicht interessiert, u m sie in der Richtung von Rationalität zu idealisieren, sondern u m sie i n einen breiten Kontext m i t administrativen Wirkungszusammenhängen zu bringen, bleibt der Bezug auf das Sinnprinzip. Einer solchen rationalen Rekonstruktion von Handlungszusammenhängen eignet, wie eng sie auch immer zur konkreten Wirklichkeit mit ihren Kausalbeziehungen ausfällt, ein Moment des Handlungssinns als Möglichkeit menschlich-gesellschaftlichen Verhaltens. Was für Kausalitäten der integrierenden Verwaltungstheorie so immer ins Blickfeld geraten, sie kann sie nicht als empirische Kausalforschung i n Anspruch nehmen. A m Anfang unserer Überlegungen zu den Erkenntnisinteressen einer umfassenden Verwaltungsforschung haben w i r auf jenen Bildungsprozeß gesehen, i n dem sich die juristische Betrachtungsweise der öffentlichen Verwaltung gegen die staatswissenschaftliche Methode durchgesetzt hat. A m Ende ist nunmehr aus der Perspektive integrierender Erkenntnisleistungen i n der Verwaltungswissenschaft auf die Verwaltungsrechtslehre zusammen mit der Rationalität des normorientierten Verhaltens zu blicken. Die Jurisprudenz hätte wohl kaum das Feld der kontinentaleuropäischen Verwaltungsforschung solange beherrschen können, wenn nicht erstens das Recht hier eine höchst maßgebliche Konturierung der öffentlichen Verwaltung wäre und wenn es nicht zweitens der Verwaltungsrechtslehre bei uns gelungen wäre, i n ihre Aussagen breite Datenkonstellationen der Verwaltungswirklichkeit m i t einzuschließen. Die konkrete Rechtsforschimg ist mit genuinen Erfahrungsgegenständen des Rechtslebens konfrontiert, die sich als komplexe Handlungsgefüge von Sein und Sollen darstellen. I n der Praxis gelingen Synthesen von Recht und Wirklichkeit, gibt es etwas wie die „normative K r a f t des Faktischen" und die Faktizität des Normativen. Hieraus w i r d verständlich, daß die Jurisprudenz angesichts dessen, was i m praktischen Rechtsleben zu leisten ist, immer wieder nach methodischen Wegen sucht, einen stringenten Dualismus von Sein und Sollen zu meiden. Sie intendiert, Rechtslehren nicht als „reine" Lehren über das GeltendGesollte streng abgelöst von der Handlungswirklichkeit aufzubauen. Einige der einschlägigen metatheoretischen Merkmale der jüngeren rechtswissenschaftlichen Entwicklung sind oben genannt und insbesondere ist die Reichweite der Rechtsanwendungslehre zur Verwaltungswirklichkeit dargelegt worden. Wenn w i r danach auf die Erkenntnisleistungen der Verwaltungsrechtslehre nicht nur unter der Fragestellung des von Rechts wegen

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Geltend-Gesollten — auf die normwissenschaftlichen Aussagen nicht nur u m der engeren Normativität w i l l e n — achten, sondern auch auf sie wegen der Rationalität normorientierten Verhaltens i n der öffentlichen Verwaltung schauen, dann werden auch noch weiter die Chancen in der Verwaltungswissenschaft zu leistender Integrationen deutlich. Die jüngere Methodik der Verwaltungsrechtslehre steht, wie gesagt, unter dem Einfluß einer Philosophie, in der Interpretation und Applikation i m hermeneutischen Verfahren eng zusammengefaßt sind. Bei solcher Sinnerkenntnis von Recht i m Hinblick auf die Lebenssachverhalte sind w i r nicht nur von den strengen Sollsatzsystemen reiner Rechtslehren entfernt. Unter dem Gesichtspunkt normorientierter Rationalität des Sozialverhaltens geht es auch u m anderes, als „geschlossene" Rationalmodelle öffentlicher Verwaltung zu entwerfen. M i t der Wendung gegen ein vorzufassendes Verständnis des Gesetzes als fixierte Sollensordnung, gegen einen vorgegebenen Sinn der Rechtsordnung, gegen eine Auffassung der Norm als ein bereits vor ihrer Anwendung fertig Vorhandenes vollzieht sich die Abkehr von dem Gedanken, bestimmte handlungsrelevante Größen in der Weise geschlossener Modelle zu idealen Verhaltensabläufen nach der Struktur normorientierter Rationalität zu bauen, gar normative Deutungsschemata um ihrer Rationalität w i l l e n wissenschaftlich zu idealisieren. Da die Rechtsnorm nicht als fixiert vorgegebener, abstrakter, sondern in der Konkretisierung auf den Lebenssachverhalt zu verstehender Sinn angesehen wird, arbeitet man nicht mit irgendwie hoch abstrahierten Rationalitätsannahmen einer Theorie. Die so verfaßte Verwaltungsrechtslehre entwickelt nicht „geschlossene" Aussagensysteme über einen Verwaltungsmann, der streng idealisiert einem normativen Rationalitätsprinzip folgt. I m „ H i n - und Herwandern des Blickes" zwischen Norm und Wirklichkeit ist jene „realistischere" Sicht impliziert, die i m Hinblick auf andere Rationalstrukturen m i t dem Konzept der ,,,open' decision models" angestrebt wird. Rechtliche Verhaltensmuster i m Zusammenhalt mit der Realität öffentlichen Verwaltens zu erkennen, schafft offene System-Umwelt-Bezüge. Solche Jurisprudenz interpretiert das Verwaltungsrecht unter Einbeziehung der sozialen Daten i n der Verwaltungswirklichkeit. Die Auslegung endet nicht bei der Feststellung eines i n den Rechtstexten angelegten Rahmens, sondern sucht i m Kontext administrativer Lebensverhältnisse der juristisch-rationalen Gerichtetheit des Verwaltungshandelns habhaft zu werden. Zu welchem verfeinerten Verständnis das Verhältnis zwischen Rechtsnorm und Sachverhalt entwickelt wird, es bleibt auch hier die aufschlußreiche Parallelität praktisch-kommunikativer Erfahrungsabsichten und wissenschaftlicher Erkenntnisinteressen, deren Vorgabe an dieser Stelle juristische Rationalisierung ist: Wie die juristische Verwaltungsentscheidung praktischer Rationalisierungsversuch eines

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Entscheidungsträgers angesichts der hochkomplexen Datenkonstellation einer umweltbezogenen Handlungssituation ist, so sucht die Verwaltungsrechtslehre zu der praktizierten und dann weiter möglichen juristischen Rationalisierung des Verwaltungshandelns wissenschaftlich Zugang zu finden. Hiernach erreichen w i r die metatheoretischen Grenzen solcher wissenschaftlichen Leistungen. So fruchtbar auch die Deutung der öffentlichen Verwaltung aus der Rationalstruktur normorientierten Verhaltens ist, von ihr ist wiederum nicht mehr zu erwarten, als die methodischen Prämissen erlauben. Die m i t dem Verwaltungsrecht i n Bezug genommenen Verhaltenswirklichkeiten der öffentlichen Verwaltung unterliegen, wie gezeigt, der Selektion nach einem Auswahlschema spezifisch normativ relevant angesehener Tatsachen. Mag über die normorientiertrationale Rekonstruktion administrativer Handlungszusammenhänge die konkrete Verwaltungswirklichkeit mit vielfältigen Kausalitäten ins Blickfeld geraten, für die Theorie bleiben die kategorialen Unterschiede, die es ausschließen, eine solche „realistische" Sicht als empirisch-kausale Verhaltensforschung zu beanspruchen. Wieder ist der methodischen Uberziehimg des Kontextes von Normativität und Realität zu widerstehen. I n der konkreten Erforschung von Verwaltung und Recht läuft man heute wohl weniger Gefahr, m i t dem Recht die Wirklichkeit und i n beiden zusammen die „Natur der Sache" aufnehmen und zu „philosophischen Letztdeutungen" bringen zu wollen. Hingegen liegt es angesichts einer praxisbezogenen Rechtsanwendungslehre, wie sich erwiesen hat, nahe, die Einheit von Theorie und Praxis zu postulieren, womit die Rationalität normorientierten Verhaltens mit der Faktizität zur Synthese gelangen könnte — was Praxis, nicht aber Theorie vermag. Wenn die Rechtsnorm überhaupt nur i n der Anwendung als einsichtig gilt, kann man das Erfordernis einer von dem jeweils zu entscheidenden Einzelfall abhebbaren wissenschaftlichen Methodik als verzichtbar ansehen. Indes droht damit, daß man die Vorurteilsstruktur des menschlichen Denkens zu einer Rehabilitierung des Vorurteils wendet und die intersubjektive Ausweisbarkeit als Grundvoraussetzung jeder Wissenschaft i n Frage stellt. Was die rationale Rekonstruktion des Verwaltungshandelns anlangt, so w i r d das Forschungsinteresse, i m Kontext von Faktizität und normativer Rationalität über „offene" Entscheidungsmodelle auszusagen, überzogen. I m Grunde geht es nicht mehr darum, über juristisch-administrative Entscheidungsprozesse wissenschaftlich zu reflektieren. Man entäußert sich der theoretischen M i t t e l und entscheidet i n der Sache selbst. Sieht man indes von solchen Überforderungen des wissenschaftlich Leistbaren ab, dann bleiben jene Integrationsprozesse i n der Verwaltungswissenschaft, die die konkrete Rechtsforschung nach ihrem Selbst-

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Verständnis zwischen Norm und Wirklichkeit bereits bewirkt. Gerade aus der vorstehenden Interpretation der Verwaltungsrechtslehre nun nicht als normative Disziplin i m engeren Sinne, sondern als eine Wissenschaft, die Deutungsschemata des Verwaltungshandelns von offener Rationalität für die Verwaltungsforschung hergibt, w i r d verständlich, wie die Jurisprudenz ihre Stellung i n unserer Verwaltungswissenschaft bis heute bewahren konnte. Zugleich w i r d aber auch beispielhaft, wie i n der Entwicklung der Sozialwissenschaften integrierende Kräfte angelegt sind. Diese Kräfte zu nutzen, bedarf dann allerdings weiterer erkenntnistheoretisch-methodologischer Anstrengungen, als sie manchmal i n den jetzigen Diskussionen zum Verhältnis von Normwissenschaft und Realwissenschaft zum Ausdruck kommen. Zur Zeit findet der Gedanke einer Rechtssoziologie neue Anteilnahme. Hierzu werden mancherorts Konzeptionen von Rechtsdogmatik und Rechtssoziologie vorgetragen, die es für beide Bereiche von vornherein fraglich machen, zu jenem theoretischen Kontext zu kommen, den man für integrierende Erkenntnisleistungen i n der Verwaltungswissenschaft braucht. Die Rechtsdogmatik w i r d als das ganz spezifisch normative Fach angenommen, wie es sich i n der Philosophie von der Einheit des juristischen Denkens darstellt, ohne die Problematik der Normationen genauer zu differenzieren. Die Rechtssoziologie w i r d einfach als empirische Disziplin angenommen, ohne nach den einschlägigen methodischen Prämissen zu sondern, welche erfahrungswissenschaftlichen Ansprüche jeweils erhoben werden können. Bezeichnend ist sonach der Gegensatz der hieraus gezogenen Konsequenzen. Für die einen hat es beim Dualismus von Sollens-Aussagen und Seins-Aussagen sein Bewenden. Wege wissenschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Rechtsdogmatik und Rechtssoziologie gelten als nicht auszumachen. Für die anderen gehört dann beides doch zusammen. Insbesondere von der Erfahrungswissenschaft heißt es, daß sie der Normwissenschaft viel zu sagen habe. Freilich, wie Realität und Normativität theoretisch zueinanderfinden, bleibt ungeklärt. Es waltet irgendeine der Wissenschaft vorgegebene Harmonie. Dazu ist zu bemerken, daß der, der sich mit dem Schisma rational-normativer und empirisch-deskriptiver Wissenschaften nicht zufrieden geben w i l l , auf irgendwelche Grundsätze natürlicher Zusammengehörigkeit nicht rechnen darf. Der Kontext von rechtsdogmatischen und rechtssoziologischen Aussagen muß seinerseits wissenschaftlich erarbeitet werden. Von der Erforschung normativer Verhaltensmuster her muß die Handlungswirklichkeit i n den Blick genommen werden, nicht nur i n dogmatischer Hermeneutik, sondern weiter auch i n freien, zetetischen, metadogmatischen Forschungsweisen: nicht nur u m das Recht gebrauchsfertig zur Verhaltensregulierung zu machen, sondern um — den Fragehorizont über die dogmatischen Topoikataloge hinausschiebend — Sinnzusam-

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6. Kap.: Wege verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnis

menhänge weiterer Rationalisierungsmöglichkeiten aufzudecken. Die Rechtssoziologie, die dem nicht nur äußerlich erfahrbare Handlungsinvarianzen entgegenhalten w i l l , muß selbst wiederum von den realen Verhaltensmustern her zur Ebene sinnhaften Handelns vordringen, nicht weil auch strenge Erfahrungswissenschaft sich immer aus weiteren Verständlichkeiten zu orientieren pflegt, sondern weil die reflektierte Bedachtnahme auf den Sinn menschlich-gesellschaftlichen Handelns den Weg zu integrierenden Erkenntnisleistungen zwischen Normativität und Realität eröffnet. Das braucht immer neue Forschungsstrategien, wie die Bearbeitung des Feldes zwischen der Geschlossenheit konsequenter Rationalmodelle nach der Zweck-Mittel-Struktur und der Geschlossenheit streng behavioristische Aktion-Reaktion-Schemata weiterer theoretischer Mühen bedarf. Die Verwaltungsrechtslehre hat i n ihrer jüngsten Vergangenheit bei uns die wissenschaftliche Problemlast des Aufbaues des sozialen Rechtsstaats mit der Ausdehnung von Verwaltung und verwalteter Welt, dann sogleich die des Wandels des administrativen Handlungssystems i n der Umwelt der sich rasch verändernden industriellen Gesellschaft zu tragen gehabt, ohne daß der Gegenstand: öffentliche Verwaltung in anderen Fachdisziplinen allzuviel Aufmerksamkeit gefunden hätte. Auch wohl deswegen hat die Verwaltungsrechtslehre eine sehr pragmatische Haltung eingenommen. Man hat meinen können, durch den engen Anschluß an die Praxis der alltäglich aufgegebenen Arbeit noch am besten gewachsen zu sein. Wie sehr w i r das verstehen mögen, so bleibt doch, daß es eben die theoretische Leistung distanzierter Reflexion ist, die mehr Möglichkeiten erkennen läßt, als sie nach den kommunikativen Absichten der Praxis zu erfahren sind. Jetzt, da die planende Verwaltung zunehmend verlangt, auf andere Möglichkeiten hingewiesen zu werden, w i r d deutlich, daß der Verlust an Theorie nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Praxis zählt. Die i n der öffentlichen Verwaltung nicht allerorts ausreichende Planungskapazität müssen w i r zusammen mit dem Mangel an Verwaltungstheorie sehen. Wenn heute gerade Rechtswissenschaftler und Rechtspraktiker der öffentlichen Verwaltung eine nicht-juristische Verwaltungswissenschaft verlangen, dann zielt diese Forderung wohl weniger darauf, die praktische Vernunft noch stärker zu aktivieren, als einen Ort distanzierter Reflexion zu schaffen, von dem aus der Verwaltungspraxis zu raten ist. So stehen w i r vor der Frage, wie Theorie der öffentlichen Verwaltung möglich ist. Da es nach dem i n der vorliegenden Untersuchung verfolgten Arbeitsplan darum geht, angesichts der Komplexität der Probleme i n der Verwaltungspraxis eine erkenntnistheoretisch-methodologische Vorstellung von dem Umfang einer die Verwaltungsrechtslehre überschreitenden,

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umfassenden Verwaltungsforschung zu vermitteln, ist die A n t w o r t auf diese Frage nicht aus der Gedankenführung zu einem spezifischen Theorieansatz zu suchen, und zwar auch nicht zu einem modernen „approach", wie i h n Systemtheorie, Entscheidungstheorie, Kommunikationstheorie usw. darstellen. Es zeichnet sich heute bereits ab, wieviel Erkenntnisgewinn diese neuen Ansätze bringen. Deswegen bedeutet es gerade die Achtung ihrer Leistungen, wenn man darauf aufmerksam machen muß, daß aus einem spezifischen Theorieansatz noch nie die Bedürfnisse konkreter Sozialforschung abgedeckt werden konnten. Weder bedeutet die Grenznutzenlehre das zureichende Wort in der Ökonomie, die Reine Rechtslehre das i n der Jurisprudenz, noch w i r d eine kybernetische Theorie der Kommunikationssysteme das zureichende Wort i n der Verwaltungswissenschaft sein. Hier bleibt die Methodengeschichte der Sozialwissenschaften eine metatheoretische Kontrollinstanz, die i n zwei Richtungen hilfreich ist: einmal eine bestimmte Methodologie i n ihrem wissenschaftlichen Anspruch nicht zu überziehen, zum anderen aber wegen der Begrenztheit wissenschaftlicher Einsichten nicht zu resignieren, sondern den neuen methodisch-theoretischen Versuch zu wagen. Der Fortschritt der Verwaltungswissenschaft bleibt an solche Unternehmungen gebunden. I n unserem explorativen Stadium der Verwaltungsforschung ist es sicher wichtig, überhaupt mehr von der öffentlichen Verwaltung zu erfahren. Die — wenn auch zuerst bescheidenen — Schritte zum Methodischen dürfen aber nicht ausbleiben. W i r haben unserer nicht auf eine besondere theoretische Schulbildung zielenden, sondern auf die Umfangsanalyse einer umfassenden Verwaltungswissenschaft bedachten Untersuchung ein kategoriales Bezugssystem gegeben, das die heute bereits als Verwaltungsrechtslehre bestehende Verwaltungsforschung mitumfaßt. Die sonach zugrunde gelegten Kategorien von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität — i m Zusammenhalt von Erkenntnis und Interesse nicht als „rein" epistemologische Klassifikation i m Sinne einer strengen Wissenschaftslogik, als wissenschaftstheoretische Konstruktion „vollkommener Disparitäten" gemeint — haben uns zu einem Pluralismus der Erkenntnisinteressen i n den Sozialwissenschaften geführt, der innerhalb der Fachdisziplinen selbst methodische Spannungslagen hervorruft, dann aber eine mehrheitliche Ausdifferenzierung der Einzelwissenschaften mitverfaßt. Dieser Erkenntnispluralismus ist auch für die Verwaltungswissenschaft als Sozialforschung maßgeblich. Er steht nicht nur einer verwaltungswissenschaftlichen Einheitslehre entgegen, sondern macht auch zweifelhaft, ob es zu jener neuen Einzeldisziplin einer der Verwaltungsrechtslehre komplementären nicht-juristischen Verwaltungslehre kommen wird, die vor allem auch von juristischer Seite immer wieder gewünscht wird. Denn ein solches neues Fach könnte für sich die 19 Speyer 46

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Pluralität der Erkenntnisinteressen nicht vermeiden. Es geht i n einer umfassenden Verwaltungsforschung nicht bloß darum, der Verwaltungsrechtslehre „Wirklichkeitsbefunde" zuzugesellen, sondern auch darum, über die rechtsdogmatischen Systeme und Topoi öffentlicher Verwaltung hinaus i n die intelligible Welt der Möglichkeiten des Menschen i n Verwaltung und verwalteter Welt vorzudringen, dies heißt bei einem „Kultursystem" wie die öffentliche Verwaltung, vor allem auch die administrativen Rationalitäten — die des normorientierten Verhaltens, die Zweck-Mittel-Struktur, die Systemrationalität — weiter aufzuspüren. Das hat eine Wissenschaft wie die Verwaltungsforschung einem empirischen Positivismus gerade entgegenzuhalten: daß für sie die Möglichkeiten des Menschen i n der Gesellschaft jenseits der Ist-Befunde mindestens genauso wichtig sind wie die Wirklichkeiten. Ob nun aber alle Wirklichkeiten und alle nicht-juristischen Möglichkeiten der öffentlichen Verwaltung i n einer weiteren Einzelwissenschaft zusammengefaßt bearbeitet werden oder ob sie den indizierten Weg zu einer sozialanthropologischen, historischen, rechtswissenschaftlichen, wirtschaftswissenschaftlichen, politikwissenschaftlichen, soziologischen, sozialpsychologischen usw. Verwaltungsforschung nehmen, ist heute w o h l noch vollkommen offen. Wissenschaften pflegen sich nicht bloß nach ihren erkenntnistheoretisch-methodologischen Bedingungen einzurichten. Vielleicht genügt für die Verwaltungswissenschaft eine politisch gezielte Institutionalisierung zusammen mit spezifischen Aus- und Fortbildungsbedürfnissen i n einem wissenschaftlichen Unterricht für das Verwaltungspersonal, u m dem ganzen eine spezifische Wendung zu geben. Insoweit wäre es aufschlußreich, näher auf die institutionelle Seite einiger ausländischer Entwicklungen, besonders i n Nordamerika, zu schauen, als es nach unserem wissenschaftstheoretischen Arbeitsprogramm möglich gewesen ist. Aus der Sicht der Wissenschaftstheorie ist freilich gerade das etablierte Fach: Public Administration so offen, daß es schwerfallen muß, sich i m Hinblick darauf zu einer eigenen Disziplinierung der nicht-juristischen Verwaltungslehre bei uns zu entschließen. I m Hinblick auf die die Verwaltungsforschung bei uns beherrschende Verwaltungsrechtslehre führt ein kategoriales Bezugssystem, welches das verwaltungswissenschaftliche Selbstverständnis dem Umfang nach umformuliert, zuerst dazu, gegenüber der Eigenart juristischer Methodik i n elementarer Weise etwas von der Breite des sozialwissenschaftlichen Forschungshorizonts zu zeigen. Nur über das Bewußtwerden auch der relevanten metatheoretischen Differenzierungen kann man erwarten, daß einmal der Vielfalt und Vielschichtigkeit der Verwaltungspraxis m i t einem angemessenen Umfang von Erkenntnisleistungen auf theoretischer Ebene begegnet wird. Wie sich eine neue Verwaltungswissenschaft immer einrichtet, sie muß auf eine die Philosophie von der

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Einheit des juristischen Denkens prinzipiell ausweitende erkenntnistheoretisch-methodologische Grundlage gestellt werden. Wenn m i t h i n vor allem die verwaltungsrechtswissenschaftlichen Forschungsintentionen zu dem weiten Feld der Erkenntnisinteressen an realen, potentiellen, idealen, normativen Verhaltensmustern des Verwaltungshandelns ausgedehnt worden sind, so zeichnen sich doch am Ende auch die Divergenzen der modernen Sozialwissenschaften ab, die es für eine weiterfassende Verwaltungsforschung nun unbefriedigend erscheinen lassen, es nur bei immer wieder neuen Spezialisierungen nach der eingeübten Fachwissenschaftlichkeit bewenden zu lassen. Man bedarf einer rechtsdogmatischen und einer rechtssoziologischen Erforschung der öffentlichen Verwaltung. Aber die Rechtssoziologie nur als eine Realwissenschaft ins Gespräch zu bringen, die ohne jeden theoretisch erarbeiteten Kontakt zum Normativen entwickelt wird, und die Rechtsdogmatik nur als jene spezifisch normative Disziplin bestehen zu lassen, die Realitätsbezug nur aus einer ganz kurzgeschlossenen Verhaltensregulierung i n der Rechtsanwendung erhält, bringt wohl nicht den erwarteten wissenschaftlichen Fortschritt. W i r haben einige für eine integrierende Verwaltungstheorie aufschlußreiche Unternehmungen der Sozialforschung, wissenschaftliche Integrationen zu leisten, genannt: die offenen Rationalmodelle des Entscheidungsverhaltens, gewisse Strömungen i n der ökonomischen Handlungstheorie, die funktionale Systemtheorie, auch neuere Entwicklungen i n der juristischen Hermeneutik. Dabei ist vor allem auf den Kontext von Faktizität und Rationalität abgestellt worden. Das hat seinen Grund. Die integrierende Verwaltungstheorie erhält immer dann einen spezifischen Sinn aus der Verwaltungspraxis, wenn es gelingt, über geschlossene Modellannahmen hinaus — seien sie von einer normorientierten, zweckorientierten oder systemorientierten Handlungsstruktur — Rationalität und Faktizität möglichst eng zusammenzufügen. Denn solche „realistischere" Rationalität ist realisierbare Rationalität, d.h. die Verwaltungstheorie leistet einen wissenschaftlichen Beitrag zu dem, was Verwaltungspraxis intendiert: Rationalisierungen angesichts der komplexen Datenkonstellation einer Handlungssituation zu versuchen. Indes: Rationalität und Faktizität schließen zwar wichtige, nicht aber alle durch integrierende Erkenntnisleistungen zusammenzubringende Unterschiede ein. Man w i r d sich z. B. gerade für die öffentliche Verwaltung auch die Frage vorzulegen haben, wie die Struktur juristisch gebauter Handlungszusammenhänge und die Struktur ökonomisch gebauter Handlungszusammenhänge einander näher gebracht werden können. Wer einmal versucht, Juristen und Ökonomen zusammen — wie sie ja auch i n der Verwaltungspraxis zusammenzuarbeiten haben — die Bedingungen ihrer Gedankenanordnungen entsprechend der jeweiligen wissenschaftlichen Ausbildung zu verdeutlichen, und es danach 19•

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weiter unternimmt, i m Hinblick auf die öffentliche Verwaltung nach einem theoretischen Bezugspunkt zu suchen, von dem man beides für das Verwaltungshandeln hinterfragen kann, w i r d vermutlich der Einsicht sein, daß man den Pluralismus unserer heutigen Wissenschaftlichkeit erst bewußt und akzeptiert machen muß, u m den Weg frei zu bekommen zu Integrationsprozessen i n den Sozialwissenschaften: nicht u m durch eine harmonische Sozialforschung die verlorene Erkenntniseinheit vom Menschen i n der Gesellschaft wiederherzustellen, sondern u m hinter den pluralistisch ausdifferenzierten fachwissenschaftlichen Stellungnahmen weitere methodisch-theoretische Grundlagen zu gewinnen, von denen aus sich über die Unterschiede verhandeln läßt. Daß auch solche integrierende Erkenntnisleistungen i m Hinblick auf die bestehenden Differenzen eine gewisse Ambivalenz behalten, sollte man dann ruhig zugestehen können, wie w i r andererseits hier nicht beanspruchen, mit Kategorien wie Wirklichkeit und Möglichkeit die Wissenschaft absolut bestimmen zu können. „Reine" Wissenschaftsprogramme sind so problematisch wie „reine" Lehren i n der Sache selbst. A m Schluß unserer Studien zu den verwaltungswissenschaftlichen Erkenntnisinteressen zeigt sich, daß der Weg einer umfassenden Verwaltungsforschung i n zwei Richtungen gewiesen ist: erstens die komplexe metatheoretische Welt der Sozialwissenschaften m i t ihrer erkenntnistheoretisch-methodologischen Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit für die konkrete Erforschung der öffentlichen Verwaltung zu erschließen, zweitens den hieraus folgenden sozialwissenschaftlichen Divergenzen eine integrierende Verwaltungstheorie entgegenzustellen. Die einen werden dazu neigen, dem doppelt formulierten Verständnis einer umfassenden Verwaltungsforschung i m Sinne der Einrichtung einer neuen Wissenschaftsdisziplin als nicht-juristischer Verwaltungslehre zu entsprechen. Andere werden auf die Dimension und Problematik der heute eingeübten Fachwissenschaften sehen, auf die Entlastung der als Verwaltungsrechtslehre betriebenen Verwaltungsforschung aus einer w i r t schaftswissenschaftlichen, politikwissenschaftlichen, soziologischen, sozialpsychologischen usw. Verwaltungswissenschaft setzen und weiter in der Verwaltungswissenschaft die Chance erblicken, sich von dem traditionell verpflichtenden disziplinären Schema zu lösen und i n einer nicht fachgebundenen, interdisziplinären Verwaltungsforschung das konsequent zu betreiben, was sich anderenorts in der Wissenschaft als fruchtbar erwiesen hat. Wer der umfassenden Verwaltungswissenschaft den institutionellen Schutz geben w i l l , den sie so oder so stärker als heute zu ihrer Existenz braucht, dem ist aus erkenntnistheoretischmethodologischer Sicht jedenfalls zu raten, ein doppeltes wissenschaftliches Leistungsvermögen zu sichern, jene theoretische Kapazität, die die hochentwickelten sozialwissenschaftlichen Differenzierungen zur öffentlichen Verwaltung vollziehen kann: die — hier nach den Kate-

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gorien von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität — pluralistische Verwaltungswissenschaft, und jenes theoretische Potential, das Prozesse sozialwissenschaftlicher Integration zur öffentlichen Verwaltung einzuleiten vermag: die integrierende Verwaltungstheorie.

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Sachregister A b b i l d u n g 63, 125, 143, 271, 272 Ableitungszusammenhang 126, 182, 183, 184 f., 190, 192, 272 Ad-hoc-Hypothese 107 A d m i n i s t r a t i v e behavior 30 A d m i n i s t r a t i v e m a n 31, 269 Administrative state 32 A d m i n i s t r a t i v e theory 267 Äquivalenzfunktionalismus 70 f., 279 ff. — s. a. Systemtheorie, funktionale A k t i o n u. Reaktion 30, 96, 122, 129, 137, 141, 222, 243, 248, 264, 265, 267, 268, 270 f., 272, 276, 282, 288 — s. a. Stimulus and response Anthropologie 120, 219, 228, 231, 233, 252 f., 256 f. — strukturale 222, 233 — u. Erkenntnis 218 ff. — s. a. Kulturanthropologie; Sozialanthropologie A posteriori 173 Approximation, sukzessive 270 f., 273, 276 A p r i o r i 263, 273 Apriorismus 133 f., 256 Auslegung s. Interpretation Ausnahmesituation 249, 252 ff. Auswahlregel 81 f., 841, 154 f., 160, 286 Axiom(atik) 126, 183, 229, 230 — u. Recht 185, 189 ff., 196 ff., 202, 272 Basisproblem 64 ff., 126, 141 Beamtentum 86 ff., 94, 236 Bedeutung s. Intentionalität; Sinn Begriff s jurisprudenz 22 Behavioral approach 30, 264 Behavior m a x i m 275 Behaviorismus 30, 31, 70, 96, 123, 173 ff., 198, 202 f., 264, 267, 288 Beobachtung 67 ff.

— teilnehmende 68 f., 73 — u. Alltagserfahrung 67, 69 — s. a. Verstehen Beratung s. Wissenschaft Beschreibung s. E r k l ä r u n g Besonderes Gewaltverhältnis 36, 74 f., 83, 114 Betrachtungsweise — ganzheitliche 13 — historisierende 238 — juristische 11, 26, 37, 38, 81 — nicht-juristische 33, 39, 58, 155 — normative 83 ff., 155, 250, 257 — s. a. Methode Betriebspsychologie 95 f. Betriebswirtschaftslehre 37, 44, 50, 54, 113, 119, 156, 163, 166, 234, 255 — explikative u. präskriptive 167 f., 241, 246 — u. Entscheidungstheorie 258 f. — s. a. Verwaltungswissenschaft Blockanalyse 175 Blockdiagramm 187, 199 Bounded rationality 266 Budget s. Haushalt Bürokratie 31, 33, 36, 88, 120, 121, 236, 240, 256 Business-administration 27 f., 267 Ceteris-paribus-Klausel 132 ff., 135, 282 Closed-decision-model s. Entscheidungsmodell Comparative Public Administration 31 f., 227 Computer s. Datenverarbeitung Daseinsvorsorge 32, 34, 153, 156 Datenverarbeitung, elektronische — i n Recht u n d V e r w a l t u n g 40, 148, 185, 186 ff., 196 ff., 201, 271 ff. — s. a. K y b e r n e t i k Decision-making-approach 174, 249 f., 256 f., 268

187 102, 221,

200,

Sachregister Deduktion 61, 106, 109, 112, 113, 131, 138, 185, 187, 189 ff., 196, 198 f., 200, 202, 229, 273 — s. a. Ableitungszusammenhang Demokratie 188 Denkgesetz s. L o g i k Denkpsychologie 54, 56, 73, 180, 217 Determination 71, 108, 113 f., 196, 199, 219 ff., 242, 256, 279 Determinismus 220 f., 242, 281 — s. a. Operation Dezision, wissenschaftliche s. Wissenschaft, Festsetzung Dezisionismus 114 ff., 118, 202, 219, 225, 249, 253 f., 255, 257 Dialektik 52, 115 f., 118 f. Discipline-carrefour 226 Dogmatik s. Rechtsdogmatik Dogmatismus 206 Economic man 265, 268, 269 — s. a. Homo oeconomicus Egologie 172, 182 Eingriffsverwaltung 16, 17 ff., 34, 36, 156, 214, 217 Einheit, sozialwissenschaftliche s. I n tegration Einheitsdenken, juristisches 46 f., 55, 75 ff., 88, 91, 169, 210, 211, 258, 260, 287, 291 Einzelfallgerechtigkeit 254 Einzelwissenschaft s. Fachwissenschaft Empirie 30, 64 ff., 73, 119, 124 ff., 131, 136, 141 ff., 147, 197, 199, 220, 242, 243, 244, 245, 265, 268, 269 f., 274 f., 276, 279, 280 ff., 287 — s. a. Beobachtung; Methode; Sozialforschung Empirismus 63, 64 ff., 119, 124, 177 — s. a. Logischer Empirismus Endogene u. exogene Größe s. M o delldenken; Prognose Entlastung 93, 222, 237, 248, 262 Entscheidungsdenken 59 Entscheidungslogik s. Marktsoziologie Entscheidungsmodell 261 — geschlossenes 262 ff., 271 — offenes 262, 264 ff., 285, 286 Entscheidungsprozeß, juristischer 88 ff., 102, 188, 192 f., 249, 251, 260 f.

327

— s. a. Interpretation; Prozeßrechtslehre; Rechtsanwendungslehre; Rechtskonkretisierung; Verhaltensforschung Entscheidungstheorie 31, 36, 46, 117, 139 ff., 147, 149, 173, 231, 247, 249 ff., 268, 269, 289 — statistische 251, 272 — s. a. Betriebswirtschaftslehre Enzyklopädie 14, 15, 38, 40, 59, 216, 238 Epistemologie 215, 217, 240, 289 Erfahrung — u. Richtigkeit 241, 245, 247 f., 249, 268, 270, 282 — s. a. Erkenntnis; Theorie Erkenntnis — u. Bewußtsein 54, 63 f., 124 — u. Erfahrung 13, 16, 25, 29, 45 ff., 54, 60, 70, 72, 118, 121, 124, 150, 151, 161, 170, 215, 234, 238, 267, 285 — u. Gegenstand s. Methode — u. Interesse 56 f., 115, 217 — s. a. Anthropologie Erkenntnisinteresse(n) 53 ff. — generalisierende 55 f. — individualisierende 55 f. — technisches 114 — s. a. Idealität; N o r m a t i v i t ä t ; Potentialität; Realität Erkenntnismonismus 14, 26, 37, 99, 124, 126, 167, 227, 238, 243 Erkenntnispluralismus 28 f., 30, 38, 50, 223, 225 ff., 240, 242 ff., 268 f., 276, 280, 289 f., 292 f. E r k l ä r u n g 68, 105 f., 109, 145, 176, 273, 282, 283 — s. a. Verstehen Ermessen 83, 85, 88, 102, 199, 211 f. Essentialismus 139 E t h i k 48, 171, 208, 219, 249, 255 Existenzphilosophie 70, 98, 195 f., 252 f., 254 Fachwissenschaft(lichkeit) 11, 13, 14, 15, 16, 40, 61, 76, 103, 125, 163, 215, 216, 223, 227 ff., 238, 249, 268, 282, 289, 291, 292 — u. Philosophie 51 ff., 227, 233, 242 — u. Wissenschaftstheorie 41 f., 44 ff., 49 ff., 54 ff., 118, 136 f., 146, 147 f., 155, 162 f., 164, 166, 167, 216, 233, 236 f.

328

Sachregister

Faktizität u. Rationalität 241, 243, 245, 2471, 249, 268, 270, 273, 276, 278, 282, 291 — s. a. Realität Fallrecht 79, 173 Falsifikation(stheorie) 65, 105, 130, 283 Festsetzung s. Wissenschaft Finanztheorie, -Wissenschaft 11, 238 ff., 266 Flexibilität — administrative 102, 148 — rechtliche 57, 193 f., 196 f., 206 Formalismus 22, 24, 150 Formalobjekt s. Erkenntnis; Methode Forschungsfreiheit 103 f. Forschungslogik u. Forschungstechn i k 66 Forschungsplanung 43 Freirechtsbewegung 89 ff., 249 Funktionalismus 282 — s. a. Äquivalenzfunktionalismus Gedankenexperiment 130, 132 — s. a. Modelldenken Geisteswissenschaft(lichkeit) 55, 70, 71, 72, 76, 90, 139, 142, 147, 203, 274 Geltend-Gesolltes 78, 81, 85, 146, 171, 176, 177, 200, 202, 243, 2 8 4 1 Generalisierung 30, 55, 120, 204, 208 f., 211, 213, 275, 279 Generalklausel 17, 57, 114, 196, 210 General Theory of A c t i o n 237 Gericht s. Handlungssystem; Rechtsprechung; Richter Geschichtlichkeit 1 1 5 1 Geschichtswissenschaft 48, 55, 1101, 228, 230, 233, 274, 290 Gesellschaft — industrielle 32 f., 42, 57, 98, 99 ff., 196, 211, 223, 225, 248, 288 — pluralistische 99 — s. a. Staat; Wirtschaftsgesellschaft; Wissenschaft Gesellschaftsgestaltung s. Sozialgestaltung Gesellschaftslehre, -theorie 11, 19, 42, 561, 217, 237, 238, 278 Gesellschaftswissenschaft 12, 16 — s. a. Sozialforschung, -Wissenschaft

Gesetz — u. Bedingung 106, 111 — sozialwissenschaftliches 108 f. s.a. Naturgesetzlichkeit; Prophétie Gesetzesrecht 79, 80, 173 Gesetzesvorbereitung 101, 210 f. Gesetzgebung 16, 17, 57, 74, 188, 193, 195, 208, 209, 210 ff., 251, 260 — automationsgerechte 185, 188, 210 — u. Rechtswissenschaft 171, 201, 202 Gesetzgebungskunst 211, 212 Gesetzmäßigkeit 113, 208, 221, 230 — s. a. Regelmäßigkeit Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 16 f., 23, 34, 82 f., 101 f. — s. a. V e r w a l t u n g Gleichgewicht, organisatorisches 113, 165, 250, 277 — s. a. Systemrationalität Goals research 33 Grenznutzenlehre 19, 289 Grundgesetz 33, 261 Grundrechte 34, 175, 191 Handlungsalternative 114, 252 — s. a. W a h l verhalten Handlungsmaxime 17, 58, 138 ff., 165, 220, 275 Handlungssystem — öffentliches 35, 43, 84, 86, 88, 117, 120, 194, 258, 262, 265, 288 — rechtliches 48, 86, 174 ff., 186, 260 — s. a. System; V e r w a l t u n g Handlungszwang 47, 98, 196, 209,

160,

113, 196,

249,

266, 268 Haushalt 83, 156 ff., 239 f., 266, 271 f. Hermeneutik 56, 72, 76, 78, 81, 110, 137, 204, 205 ff., 285 — dogmatische u. zetetische 205 ff., 213, 2 8 7 1 — juristische 19, 24, 172, 205 ff., 291 Hilfswissenschaft s. Verwaltungswissenschaft Historische Schule 19, 273 Homo oeconomicus 131, 139, 154, 264, 271 — s. a. Economic m a n Human-Relations 31, 148 Hypothese 64 ff., 68, 71, 106, 107, 109, 1301, 229

Sachregister Idealität 23, 61, 122, 123 ff., 170, 222 f., 230, 234, 240, 241, 242, 244, 245, 247, 248, 249, 250, 262, 263, 269, 270, 281, 289 ff., 293 — platonische 71 — u. N o r m a t i v i t ä t 170 ff. — u. Realität 123 ff., 135 ff., 142 ff., 167 f., 267 Idealmodell u. Realmodell 143 — s. a. Modelldenken Idealtypus 111, 238, 274 — u. Realtypus 143 ff. Ideologie 21, 24, 27, 47, 99, 106, 116, 139, 215, 219 Idiographisch 48, 55, 105, 108, 171, 207, 208 f., 254 Incrementalism 266 Individualisierung 55 — des Rechts 204, 208 f., 210, 211, 213 s. a. Rechtskonkretisierung I n d u k t i o n 65, 107, 199 f., 229 Information u. Entscheidung 95, 133, 140, 259, 263 ff. — s. a. Datenverarbeitung; V e r w a l tung I n p u t - O u t p u t - M o d e l l 31 Institutionalisierung s. Verwaltungswissenschaft — s. a. Systemtheorie, funktionale I n s t i t u t i o n u. Recht 22, 23, 25, 171 Instrumentalität 112, 217, 223, 225, 229 Integration, wissenschaftliche — i n der Anthropologie 219, 233 — i n den Sozialwissenschaften 233, 237 ff., 247 ff., 287, 292 — s. a. Verwaltungswissenschaft Integrationswissenschaft 59, 103, 231, 233 Intentionalität 68 ff., 94, 120, 121, 127, 138, 141, 142, 145, 148, 150, 151, 154, 155, 242, 269, 274, 276, 283 — s. a. Sinn I n t e r a k t i o n 67, 128, 279 Interdisziplinäre Forschung 54, 103, 136, 227 ff., 292 Interesse s. Erkenntnis; Erkenntnisinteresse Interessenjurisprudenz 62 Interessenkonflikt 99, 189, 192 Internalisierung 275 Interpretation(slehre)

329

— authentische 76 — juristische 47, 75 ff., 172, 179, 205 ff., 243, 257 s. a. Entscheidungsprozeß — u. A p p l i k a t i o n 56, 76, 79 ff., 191, 208, 285 — s. a. Hermeneutik; Verstehen Intersubjektivität 56, 66, 78, 81, 89, 104 f., 139, 203, 218, 222, 236, 244,

281, 286

Intervention s. Eingriffsverwaltung Introspektion 70, 73, 96, 275 I n t u i t i o n 66, 89, 92, 200 Invarianz 107, 108, 109, 144, 203, 220, 279, 280, 288 Judge-made-law 79 Judicial behavior 173, 200 Judicial decision m a k i n g 173, 175 f., 177 — s. a. Entscheidungstheorie; V e r haltensforschung Jurimetrics 174, 177 Jurisprudenz 16, 19, 22, 28, 39, 41, 44, 46 f., 59, 61, 72, 74, 75 ff., 88, 89 ff., 96, 155, 171, 174, 178, 189, 192, 203, 204, 206 ff., 231, 235, 243, 244, 246, 258, 260 f., 284, 287, 289 — s. a. Interessenturisprudenz; W e r tungs j urisprudenz K a l k ü l 48, 85, 126, 147, 149, 181, 184 f., 187 ff., 199, 201, 271, 272 Kameralistik 11, 37 Kasuistik 210, 211 Kausalität 220 — u. Funktionalität 71, 280 ff. — s. a. Ursache u. W i r k u n g Kleingruppen(soziologie) 31, 36, 103, 175 K o g n i t i v 90, 91, 92, 104, 114, 201 Kommunalwissenschaft 58 f. K o m m u n i k a t i o n , soziale 119, 128, 165, 203, 244, 277 — s.a. K y b e r n e t i k ; V e r w a l t u n g Kommunikationstheorie 199, 233, 289 Konditionalprogramm 192, 198, 221 Konkretisierung s. Rechtskonkretisierung Konsens 76 Kosten u. Nutzen 18, 40, 123, 132 f., 156, 157, 158, 159, 160, 163, 164, 170, 243, 244, 246

330

Sachregister

Konstrukt(ion) 149, 150, 154, 168, 248, 269, 271 Konvention, wissenschaftliche s. Wissenschaft, Festsetzung Kulturanthropologie 42, 44, 149, 154, 174, 222 K u l t u r k r i t i k 99, 223, 225, 268 Kultursystem 162, 166, 269, 276, 290 Kunstsprache 179, 180, 181, 182, 183, 184 K y b e r n e t i k 31, 165, 194, 228, 245, 269, 277, 289 Legal realism 173 Leistungsverwaltung 18, 32 f., 34 f., 36, 37, 82, 83, 157, 212, 224 Lenkungsverwaltung s. Leistungsverwaltung Liberalismus 156, 175 L o g i k 65, 80, 117 f., 124, 125 f., 1261, 134, 139, 143, 147, 149, 171, 185, 208 — deontische 201 — formale 178 ff., 187 ff. — intuitionistische 86, 198 — mathematische 125, 129, 133, 141 f., 150, 180, 185, 190, 1971, 201, 209, 275 — symbolische 125 f., 179 f., 181 ff., 184, 197, 199 — traditionelle 179, 180, 182, 184 f. — Pragmatik 181, 196, 202 — Relativität 197 ff. — Semantik 181 ff., 190, 191, 197, 201, 202 — Syntax 181, 197 — Wahrheit 182 ff. — u. Recht 22, 85 f., 89, 178 ff., 189 f., 196 ff., 200 ff., 2 7 2 1 — u. Sprache 125 f., 173, 180 ff., 197, 199, 203, 243 — s. a. Ableitungszusammenhang; A x i o m ( a t i k ) ; Deduktion; K a l k ü l ; Sprachanalyse Logischer Empirismus 124 ff., 173, 198, 238, 283 — u. Modelldenken 123, 127 ff., 134 ff., 139, 141, 149, 2 7 0 1 Logistik s. Logik, symbolische Logizismus 22, 25, 127, 149, 201 Makrotheorie — i n der Rechtssoziologie 37 — i n der Verwaltungs(rechts)wissenschaft 35 ff.

— i n der Wirtschaftswissenschaft 37, 128 Management science 28 Marktsoziologie 241, 269 Marxismus 70, 99, 111 Materialobjekt s. Erkenntnis; Methode Mathematik 66, 67, 118, 124, 125, 126 f., 128 f., 131, 134, 139, 140 f., 147, 149, 175, 200, 276 — s. a. L o g i k ; Wirtschaftswissenschaft M a x i m i e r u n g 119, 132 f., 139, 140, 156, 159, 163, 258 f., 263, 265 ff., 271, 275 Mensch-Maschine-System 195 Metatheorie 45, 61, 72, 73, 96, 104, 108, 115, 116, 123, 131, 139, 142, 147, 151, 152, 154, 156, 160 ff., 178, 198, 204, 214, 230, 2361, 238, 250, 273, 274, 277, 280, 284, 286, 289, 290, 292 — der öffentlichen V e r w a l t u n g 59, 71, 123, 137, 215 ff. — s. a. Theorie; Wissenschaftsphilosophie Methode(nlehre) — empirische u. normative 167 ff., 279 — funktionale s. Systemtheorie — ganzheitliche 14, 18 — historische 274 — juristische 11 ff., 21 ff., 40, 58, 61 f., 63, 73 ff., 77, 102, 172, 191, 193, 202, 208, 212, 2131, 237, 239, 258, 261, 284 ff. s. a. Freirechtsbewegung; l n t e r essenjurisprudenz; Problemdenken; T o p i k ; Wertungsjurisprudenz — staatswissenschaftliche 11 ff., 37, 38, 59, 238, 246, 284 — isolierende Abstraktion 15, 132, 137, 143, 145, 152 f., 273, 282 — u. Gegenstand 54, 234 ff. — s. a. Empirie; Introspektion Mikrotheorie s. Makrotheorie M i n i m i e r u n g 119, 156 ff. Modell — dezionistisches 117 — pragmatisches 117, 118 f. — semiotisches 181, 197 — technokratisches 117 f. — des isolierten Staates 152 ff. — s. a. I n p u t - O u t p u t - M o d e l l Modelldenken 19, 123, 128 ff., 134 ff., 150 ff., 220, 273, 282

Sachregister — fiktionale Elemente 131 f., 149 — s. a. Entscheidungsmodell; L o g i scher Empirismus; Rationalmodell; Theorie Modell-Platonismus 135 M o t i v a t i o n 70, 86 ff., 138, 148, 154, 169, 242 — s. a. Normation Motivationspsychologie 88 f., 92 ff., 96 f., 119 f. Motivforschung 86 ff., 123 Nachfragegesetz 132 Nationalökonomie 12, 18 f., 109, 131, 133, 137, 139, 142, 152 ff., 231, 238, 239 f., 244 N a t u r der Sache 286 Naturgesetzlichkeit — u. Sozialverhalten 108, 141, 146, 245 — u. Wirtschaft 46, 99 Naturphilosophie 281 Naturrecht 24, 46, 99, 167, 170, 184, 191, 197, 244 Naturwissenschaft 42, 55, 71, 72, 220, 237, 281 Neopositivismus 41, 52, 55, 70, 106, 109, 110, 114, 117, 118, 124 ff., 141, 147, 173, 177, 178, 197, 250, 290 — s.a. Positivismus; Recht Neukantianismus 52, 123 Nomographisch 204, 208 f., 212, 213 Nomologisch 56, 105 f., 107 f., 109, 112, 114, 208, 217 Nomothetisch 54, 105, 171, 204, 208 f., 213 Non-liquet 193, 209 Non-routine-action 255 N o r m s. Rechtsnorm Normalität 249, 253, 255, 256 — s. a. N o r m a t i v i t ä t Normation 168, 170, 287 — u. Motivation 91, 93 f. N o r m a t i v i t ä t 35, 60 ff., 78, 80, 81 f., 111, 146, 149, 155, 167 ff., 177, 223, 224, 230, 234, 238, 240, 241, 242, 244, 245, 247, 248, 249, 250, 262, 263, 269, 270, 281, 289 ff., 293 — des Rechts 22, 146, 225, 243, 272, 284 ff. — u. Normalität 253 f. — s. a. Idealität; Realität; Systemtheorie, funktionale

331

Normativismus 23, 59, 61 f., 155, 202, 241, 257 Normeninflation 121 Normenkonflikt 170, 199 Normenlehre, -theorie 59, 83 f., 155, 166, 202, 241, 245, 257 Normerlebnis 91 f., 94 Normhypothese 81 Normorientierung 93, 164, 224, 248, 271, 284 ff., 291 — u. Bewußtsein 93 f. Normsetzung 114, 201, 207, 208 Ökonomie s. Wirtschaftswissenschaft Ontologie 61 f., 71, 98, 123, 127, 146, 170, 182, 184, 198, 208, 218, 223, 241, 253, 277, 280, 281 Ontologisierung 218, 241, 277 Open-decision-model s. Entscheidungsmodell Operation — deterministische 102, 183, 187, 190, 192, 193 f., 195, 196, 199 — stochastische 199 f. Ordnung, soziale 165, 277 ff. Ordnungsdenken 59 Organisation 18, 31, 37, 48, 74 f., 95, 99 ff., 113, 148, 157, 159, 165, 250, 251, 261, 265, 266 f., 277 — s.a. Bürokratie; Verwaltungsorganisation Organisationsforschung 31, 50, 225, 227, 234, 241, 267 — s. a. Verwaltungswissenschaft Organisationsgewalt 83, 101 Organisationsrecht 34, 201, 210, 258,

260, 261 Organisationstheorie 31, 228, 267 — statistische 31 — s. a. Unternehmenstheorie Personalführung 95 f., 240 — s. a. Verwaltungspersonal Philosophie 30, 56, 61, 71, 88, 89, 98, 115 f., 117, 141, 146, 185, 198, 202, 204, 208, 209, 218, 219, 220, 244, 252, 285, 286 — praktische 52, 104 — sensualistische 66 — sprachanalytische 243 — s. a. Fachwissenschaft; Naturphilosophie; Wissenschaftsphilosophie

332

Sachregister

Planung 35, 43, 48, 112, 148, 210, 212, 229, 240, 250, 288 Plastizität s. Verhaltensplastizität Pluralismus s. Erkenntnispluralismus Political Science 26 f. P o l i t i k 109, 163, 242, 248, 249, 250, 255, 263, 264 — s.a. Rationalität; Recht; V e r w a l tung Politische Soziologie 19, 231, 241 Politische Wissenschaft 50, 51, 54, 59, 70, 102 f., 104, 162, 174, 200, 212, 231, 232, 234, 237, 241, 245, 247, 269, 290, 292 — s. a. Verwaltungswissenschaft Polizei(wissenschaft) 11, 18 P o p p e r - K r i t e r i u m 130 Positivismus 28, 30, 54, 56, 214 — s.a. Neopositivismus; Rechtspositivismus; Sprachpositivismus Potentialität 61, 98 ff., 146, 176 f., 222 f., 230, 234, 240, 241, 242, 244, 245, 247, 248, 262, 263, 270, 281, 289 ff., 293 — s. a. W i r k l i c h k e i t u. Möglichkeit Potentialitätswesen 221, 222, 252 Präjudizien 79, 205 Pragmatik s. L o g i k Pragmatismus 281, 41, 50, 105, 110, 209, 214, 250 Praxeologie 230, 237 Praxis s. Theorie Precedents 171 Privatrechtslehre 15, 236, 238 Privatwirtschaftslehre 37, 156, 158, 163, 164, 233 Problemdenken, juristisches 192 Professional approach 235 Professionalismus 234 ff. Professional school approach 235 Prognose 105 ff., 109 ff., 146, 169, 1761, 200, 282 Programmierung 102, 187, 193, 200 Projektion 107, 110 f. Prophetie 110 f. Protokollsatz 64, 109, 126, 243 — s. a. Theorie Prozeßmaxime 2 6 0 1 Prozeßrechtslehre 195, 201, 251, 258 — s. a. Rechtsanwendungslehre

Psychologie 28, 30, 48, 80, 96, 119, 133, 219, 231, 234, 235, 236, 255, 265, 267, 268, 273 — des wissenschaftlichen Verhaltens 56, 104, 116, 218 — u. Verwaltungsrechtslehre 87 f. — s. a. Betriebspsychologie; Denkpsychologie; Motivationspsychologie; Sozialpsychologie; V e r w a l tungspsychologie; Willenspsychologie; Wirtschaftspsychologie Psychologismus 87, 125, 173, 180 Psychometrie 174 Public administration 27 ff., 38, 50, 224, 233, 290 — crisis of identity 227, 235 Public relations 96 Quantenmechanik 198 Quantifizierung 30, 66, 137, 174, 175, 264 Quasi-Gesetz 107, 109 — s. a. Prognose Rationalisierung 27, 37, 71, 90, 91, 94, 95, 115, 117, 118, 121, 148, 1591, 166, 200, 267, 268, 269, 271, 2851, 288 — nachträgliche 9 2 1 Rationalismus 115, 155, 268 Rationalität 115 ff. — formale u. materiale 155, 161 ff., 166, 225 — personale u. organisatorische 165, 261, 265, 267 — politische 163, 164 — u. Recht 90, 91, 92, 120, 121, 164 ff., 202, 285 f., 288 — u. V e r w a l t u n g 28, 30, 31, 37, 40, 71, 120 ff., 127, 147 ff., 164, 166, 217, 225, 236, 269 f., 271, 282, 286 f., 290 — u. Wirtschaft 121 f., 130, 138 ff., 149, 161 ff., 170, 242, 250, 252, 269 ff. — s. a. Bounded rationality; F a k t i z i tät; Normorientierung; Realität; Spieltheorie; Systemrationalität; Verdinglichung; Zweck u. M i t t e l Rationalmodell 128, 244, 245, 248, 265, 269 f., 271 f., 275, 285, 288, 291 — s. a. Entscheidungsmodell Rationalprinzip 139, 148, 150, 151, 1541, 161 ff., 243, 263 Raumforschung 110, 111, 153

Sachregister Realität 23, 61 f., 63 ff., 120, 121, 149, 222 f., 230, 234, 240, 241, 242, 244, 245, 247, 248, 262, 263, 270, 281, 289 ff., 293 — u. N o r m a t i v i t ä t 35, 62, 238, 285 ff. — u. Rationalität 272 ff. — s. a. Faktizität; Idealität; W i r k lichkeit u. Möglichkeit Recht — öffentliches 11, 35, 84, 114, 156, 211 — u. F o r m 22, 24 f. — u. Neopositivismus 172 ff. — u. P o l i t i k 15, 24, 85, 86, 204, 245, 248 — u. Sinn 182, 183 f. s.a. Hermeneutik; Interpretation — u. Sprache 172 f., 197, 202 ff., 243 — s. a. A x i o m a t i k ; Datenverarbeitung; I n s t i t u t i o n ; L o g i k ; Rationalität Rechtsanwendungslehre 17, 20, 22, 23 f., 26, 38, 155, 189, 191, 197, 255, 286 — u. Prozeßrechtslehre 259 ff. — u. Verwaltungswirklichkeit 73 ff., 207 f., 284, 291 Rechtsdogmatik 15, 22, 47, 63, 74, 77, 82, 86, 155, 156, 171, 204 ff., 224, 231, 287, 290, 291 — s. a. Hermeneutik Rechtserkenntnis, formale u. materiale 22 ff. Rechtsformalismus 20, 24 f. Rechtsfreier Raum 85 f., 114 Rechtsgefühl 90 f., 94 Rechtsgeschichte 204 Rechtshandeln s. Verhaltensforschung Rechtskonkretisierung 22, 78, 79 ff., 156, 193, 206, 208, 261, 285 — s. a. Individualisierung Rechtslehre, -theorie 22, 38, 47, 74, 75, 84, 87, 91, 156 f., 172, 173, 181, 203, 204 f., 211, 251, 254, 284 — soziologische 22, 25, 26, 85, 253 s. a. Sociological jurisprudence — s. a. Normentheorie; Wirtschaftswissenschaft Rechtsnorm 59 f., 79 f., 170 f., 200 ff. — als I m p e r a t i v 60, 164 — u. Sachverhalt 79 ff., 254, 260 f., 285 f. — s. a. Rechtssatz

333

Rechtsphilosophie 62, 79, 85, 92, 101, 171, 172, 188, 204, 254 Rechtspositivismus 21, 123 — u. Dezisionismus 257 Rechtsprechung 17, 20, 74, 77, 79, 82, 84, 175 f., 186, 208, 211 Rechtsquelle 23, 169 Rechtsrealismus 173, 202 f., 241, 246 Rechtssatz 164 f., 209, 254 — s. a. Rechtsnorm Rechtsschutz 17, 34, 36, 57, 74 Rechtssoziologie 25, 46, 75, 174, 241, 287 f., 291 — s. a. Makrotheorie Rechtsstaat 21, 34, 40, 63, 101, 113, 170, 212, 224, 253, 288 — u. Verwaltungsstaat 57 f. Rechtsstaatsbegriff, -idee — formal-juristischer 16 ff., 33 f. — materieller 33 ff. Rechtswissenschaft 162, 164, 171 ff., 228, 232, 233, 234, 241, 243, 247, 269 — nordamerikanische 173 ff., 200 — staatsorientierte 35 — u. Rechtspraxis 46 f., 75 ff., 91, 150, 1711, 178, 204, 209 ff., 260, 284, 286 — u. Wissenschaftstheorie 14 f., 41, 55, 59 ff., 74 ff., 136, 150, 155, 201, 204 ff., 209, 212, 257 — s. a. Gesetzgebung; Jurisprudenz; Methode; Privatrechtslehre; Staatsrechtslehre; Verwaltungsrechtslehre; Verwaltungswissenschaft Reductio ad actionem 70, 96 Reduktion von K o m p l e x i t ä t 273, 276, 278 ff. Reflexion, distanzierte 15, 47, 49, 53, 54, 204, 215, 232, 288 Regelmäßigkeit 30, 55, 66, 79, 80, 105 f., 121, 199, 220, 252, 264, 279, 282 — s. a. Gesetzmäßigkeit Reine Rechtslehre 21, 22 f., 25, 53, 83, 149 f., 172, 201, 202, 211, 246, 277, 289 — s. a. Wiener Rechtsschule Relationstechnik 258 Relativismus 198 Rentabilität 156, 159, 164

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Sachregister

Richterliches Denken u. Verhalten) 46 f., 48, 75, 77, 79, 80, 82, 85, 89 ff., 169, 175, 176 f., 200, 208, 210, 251, 254, 258, 259 f., 264 — u. Verwaltungsbeamter 82 ff. — s. a. Judicial behavior Richterbank 46, 77, 175, 259, 260 Richterrecht 79 f. Robinson-Crusoe-Modell 233, 265 Rolle 68 f., 74 f., 121, 175, 266, 282 Routine 109, 121, 194, 256 Sachverstand 32 f., 148, 236 Sachzwang 104, 117 f., 255 Science of administration 27, 31 Scientific management 26 f. Sein s. Sollen Self-fullfilling 169 Semantik 207 — s. a. Logik Simulation 67, 128, 200, 201 — s. a. Datenverarbeitung Sinneserfahrung u. Sinnerfahrung s. Sinnproblematik Sinnprinzip 150, 154, 155, 165, 166, 284 Sinnproblematik 69 ff., 120, 1421, 166, 199, 273 ff. — s. a. Intentionalität; Recht; V e r stehen Sinnzusammenhang 91, 94, 111, 120 ff., 137, 149, 150, 151, 154, 160, 166, 168, 170, 185, 196, 2011, 203, 222, 248, 273, 274 — u. Wirkungszusammenhang 71 f., 141 f., 145 f., 148, 177, 236, 243, 270, 2761, 2 8 3 1 Sociological jurisprudence 173 Sollen 61, 170, 176, 202, 203, 213, 243, 244, 248, 285 — u. Sein 61 f., 78, 85, 123, 146, 167, 202, 241, 243, 245, 2471, 249, 253, 268, 270, 277, 282, 284, 287 — u. Wollen 200 f. Sozialanthropologie 121, 268, 290 Sozialforschung, -Wissenschaft 25, 32, 40, 41, 42, 51, 52, 54, 55, 71, 1071, 110, 111, 112, 118, 120, 134, 141, 145, 149, 150, 155, 164, 165, 166, 191, 213, 215, 220, 221, 228, 234, 241, 242, 245, 246, 247, 259, 264, 265, 271, 274, 277, 281 1, 288, 291, 292

— empirische 66, 74, 144, 147, 177, 241, 281 f., 283 — explikative u. präskriptive 167 ff., 230, 245, 269 f., 278, 287 — statistische 222, 282 — Geschichte 45 ff., 216, 241, 289 — u. Wissenschaftstheorie 53, 64, 72, 73, 108, 131, 142, 147, 151, 154, 215 ff., 238, 289, 292 — s. a. Gesetz; Integration Sozialgestaltung 34, 35, 58, 99 ff., 112, 211, 214, 240 Soziallehre, -theorie s. Gesellschaftslehre Sozialpsychologie 31, 32, 38, 51, 70, 127, 133, 169, 175, 212, 217, 290, 292 Sozialstaatsklausel 34 — s. a. Rechtsstaat; Rechtsstaatsbegriff Sozialtechnologie s. Technologie Sozialwissenschaft s. Sozialforschung Soziologie 18, 19, 23, 28, 30, 31, 32, 35, 38, 41, 44, 51, 67, 70, 77,118,149,169, 207, 212, 230, 231, 232, 234, 235, 236, 237, 241, 245, 246, 247, 268, 283, 290, 292 — des wissenschaftlichen Verhaltens 56, 104, 116, 207, 218 — u. Wirtschaftswissenschaft 127 f., 134, 135, 138, 228, 233, 269 ff. — s. a. Kleingruppensoziologie; Marktsoziologie; Politische Soziologie; Rechtslehre; Rechtssoziologie; Verwaltungssoziologie; Wissenssoziologie Soziologisierung 228, 272 Soziologismus 23, 24, 253 Soziometrie 174 Sparsamkeit 31, 156, 157, 159, 160, 165, 169 Spieltheorie 30, 139 ff., 147, 149, 232, 271, 275 Sprachanalyse, logische 64, 126, 168 f., 177, 198, 199 Sprache s. L o g i k ; Recht; Theorie Sprachforschung 197, 199 Sprachpositivismus 185 Staat — rationaler 120, 154 — u. Gesellschaft 12, 16, 18 f., 35 f., 37, 156, 157, 238, 239 Staatsbegriff, -idee 13, 17, 19, 71, 238, 239 Staatsgeschichte 11

Sachregister Staatshaftung 87 f. Staatskunst 11 Staatslehre, -theorie 18, 244, 245, 248, 249, 251, 257 — allgemeine 11 Staatsphilosophie 13, 101, 188, 253 Staatsrecht 11, 21, 191, 261 Staatsrechtslehre 15, 19, 21, 74, 157, 224, 238 Staatssittenlehre 11 Staatswirtschaftslehre 238 Staatswissenschaft(en) 11 ff., 19, 37, 40, 58, 59, 216, 217, 237 ff., 245, 248 — s. a. Methode Staatszweck 18, 34, 156 Statistik 11, 31, 107, 199, 222, 251, 282 Stimulus and response 70, 270, 275 — s. a. A k t i o n u. Reaktion Stochastisch 109 — s. a. Operation Strategie 71, 117, 119, 121, 127, 135, 138 f., 140 f., 147, 148, 149, 150, 200, 233, 243, 252, 282 Strukturalismus 52, 222, 278, 280 — s. a. Anthropologie Substitution s. Systemtheorie, f u n k tionale Subsumtion(stheorie) 79, 121, 255 — s. a. Rechtsnorm u. Sachverhalt; Rechtskonkretisierung Syllogismus 79, 179, 203, 255 Synopse 14, 59, 216, 249 Syntax s. L o g i k System, soziales 31, 57 f., 68, 74, 113, 165, 217, 265, 277 ff. — s. a. Handlungssystem Systemanalyse 31, 87 f., 285 Systemrationalität 165, 277 ff., 290 Systemtheorie 175, 228, 289 — funktionale 278 ff., 291 s. a. Äquivalenzfunktionalismus System-Umwelt-Beziehung 87, 263 ff., 278 ff., 285 f. Szientismus 25, 72, 214 T a k t i k s. Strategie Theorie 51, 56, 64, 105 f., 114, 145, 146, 204, 270 — u. Erfahrung 64 ff. s. a. Hypothese

335

— u. Festsetzung 60, 65 f., 137, 145, 149, 150, 154, 183 f., 189, 215, 250, 252, 273 — u. Metatheorie 44 f. — u. Modell 128 ff., 143 ff., 222, 269 ff. — u. Praxis 45 ff., 52, 55, 77, 103, 104, 114 ff., 137, 149, 151, 155, 169, 178, 215, 217 ff., 230, 232, 244, 246, 277 — u. Sprache 125 f., 127, 243 s.a. Protokollsatz — u. Technologie 112 ff. Technokratie 255 — s.a. Modell, technokratisches Technologie 56, 112 ff., 230 — s. a. Theorie; Wissenschaft u. Beratung der Praxis Topik 18, 22, 192, 205, 206 f., 212 Totalität 115 f. Typus s. Idealtypus Unbestimmter Rechtsbegriff 57, 83, 102, 196, 199, 254 Unternehmenstheorie 163, 258 f., 261 f. Uppsala-Schule 59, 85, 202 Ursache u n d W i r k u n g 112 ff., 242, 280 ff. Utopie 116 Verdinglichung 277 Verfassung(srecht) 11, 18, 34, 57 f., 75 f., 86, 175, 210, 238, 260, 261 — s. a. Verwaltungsrecht Verhältnismäßigkeit 18 — s. a. Eingriffsverwaltung Verhalten, adaptives 71, 140 VerhaltenserWartung s. Systemtheorie, funktionale Verhaltensforschung 30, 150, 243, 257, 286 — u. Rechtshandeln 167 ff., 172, 173 ff., 180, 188, 200, 202 ff. Verhaltensmuster — ideales 127 ff., 139 ff., 147, 149, 150, 153 f., 158, 166, 168, 241, 242, 244, 246, 248, 263, 265, 266, 271, 274, 275, 277, 282, 291 — instinktgebundenes 257 — normatives 170, 172, 178, 180, 199, 201, 202, 241, 242, 244, 245, 246, 248, 252, 255, 265, 282, 287, 291 — potentielles 102 ff., 119, 177, 220, 241, 242, 246, 248, 265, 291 — rationales 149, 266, 270, 273 f.

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Sachregister

— reales 82, 85, 121, 129, 134, 241, 242, 246, 248, 265, 267, 272, 273, 288, 291 — rechtliches 36, 57 f., 80, 82, 94, 157, 170, 185, 198, 202, 206, 245, 272, 285 Verhaltensplastizität 221, 222, 248 Verhaltenssteuerung 47, 86 ff., 160, 171, 206, 216, 222, 225, 245, 248, 283, 291 Verifikation s. Falsifikation Verstehen 69 ff., 76, 79, 96 f., 143, 205, 214, 274 ff. — als Geschehen s. Interpretation u. A p p l i k a t i o n — u. Beobachtung 69, 142 f., 274 f., 282 — u. Erklären 72 f., 97, 111, 207, 276, 283 f. — s. a. Wirtschaftswissenschaft Verwaltung, öffentliche — Information u. K o m m u n i k a t i o n 40, 101, 107, 148, 240, 250 — verfassungsmäßige Abhängigkeit 57, 74, 101, 113 s. a. Gesetzmäßigkeit der V e r w a l tung; Rechtsstaat — als Gesetzesausführung 83, 250 — als Handlungssystem 87, 250, 268, 278 ff. — u. P o l i t i k 27 f., 44, 86, 101, 117, 204, 225, 240, 250 — s. a. Datenverarbeitung; Eingriffsverwaltung; Intentionalität; L e i stungsverwaltung; Rationalität Verwaltungsakt 17, 83, 194, 201, 202, 251 Verwaltungsbegriff 13, 19, 24 — u. Rechtsbegriff 12 Verwaltungsgeschichte 58, 70, 226 Verwaltungslehre 12 ff., 19, 39 f., 44, 45, 71, 232, 236 Verwaltungsökonomie 161, 164 Verwaltungsorganisation 36, 39, 40, 86, 95, 99 ff., 148, 153, 159, 165, 244, 246, 250, 256, 262 — s. a. Bürokratie Verwaltungspersonal 44, 159 — s. a. Personalführung Verwaltungspolitik 39, 44 Verwaltungspraxis s. Verwaltungstheorie Verwaltungspsychologie 58, 86 ff., 226, 234 Verwaltungsrecht

— u. Verfassungsrecht 17, 34, 99, 172, 225 — u. Verwaltungsautomation 194 f. — s. a. Datenverarbeitung Verwaltungsrechtslehre, »Wissenschaft 11, 14 ff., 20 ff., 33 ff., 38, 39, 40, 57 ff., 63, 71, 73 ff., 82 ff., 96, 156 f., 196 ff., 204 ff., 217, 225, 226, 232, 236, 238, 244, 245, 249, 250, 251, 258, 284 ff., 292 — französische 20, 23 — kontinentaleuropäische 22 ff., 50 — nordamerikanische 28, 50 — Erkenntnisinteressen 59 ff., 123, 146, 150, 171 ff., 203 — Geschichte 20 ff. — Methodenbewußtsein 15, 21, 238 — s. a. Psychologie Verwaltungsreform 95, 100, 121, 148, 153 Verwaltungssoziologie 226, 234, 245 Verwaltungsstaat 32, 38, 71 — s. a. Administrative state; Rechtsstaat Verwaltungstheorie 30, 151, 157, 166, 197, 226, 267 — integrierende 234, 239, 247, 249, 268 f., 270, 272, 273, 276, 277, 280, 281, 282, 284, 291 ff. — u. Verwaltungspraxis 45 ff., 53, 56, 116, 118, 120, 217 ff., 232, 243 f., 246, 288 ff. Verwaltungsverfahrensrecht 24, 251 — s. a. Gesetzesvorbereitung Verwaltungswirklichkeit s. Rechtsanwendungslehre Verwaltungswissenschaft(en) — französische 32 — kontinentaleuropäische 20 ff., 32 ff., 38, 50, 217, 223, 224, 225 f., 233 f., 284 — nordamerikanische 20, 25 ff., 36, 38, 50 f., 58, 217, 224 f., 226 f., 233, 235, 290 — Gegenstand u. Methode 234 ff., 240, 245, 246 — Institutionalisierung 223 f., 226, 290, 292 — Integration 28 ff., 59, 103, 231, 232, 234, 235, 237, 239, 240, 246 f., 248 f., 268 ff. — Pluralismus s. Erkenntnispluralismus — als Hilfswissenschaft 36 ff., 44, 63, 289 f., 292

Sachregister — u. Betriebswirtschaftslehre 26 ff., 38, 158 ff., 163 f., 226, 234, 245 — u. Organisationsforschung 31 ff., 38 — u. Politische Wissenschaft 26 ff., 38, 224 f. — u. Rechtswissenschaft 12 ff., 25 f., 32, 33 ff., 39, 40, 82 ff., 188, 224, 234, 245, 284, 287 — u. Technologie 113 ff. — u. Wirtschaftswissenschaft 155 ff., 161, 163 f., 239 f. — u. Wissenschaftstheorie 11 ff., 28 ff., 38 ff., 53 ff., 73, 104 f., 108 f., 135 ff., 142, 147 f., 149 ff., 160, 165, 166, 198, 237, 239, 240, 253, 268 ff . s. a. Idealität; N o r m a t i v i t ä t ; Potentialität; Realität — u. Verwaltungsausbildung 235 f. s. a. Professionalismus Völkerrecht 11, 12, 191 V o l i t i v 88, 90, 91, 92, 201 Volkswirtschaftslehre 11, 12, 19 Voluntarismus 90, 202, 257 Wahlverhalten 140, 257, 262 ff., 275 Wahrheit s. Logik Wahrnehmungsprotokoll 64, 126 Wahrscheinlichkeit(stheorie) 48, 71, 107, 109, 110, 128, 141, 149, 199 f., 222, 242, 263, 281, 282, 283 Welt, intelligible 123, 124, 127, 129, 131, 134, 137, 139, 142, 146, 147, 150, 166, 199, 203, 243, 244, 274, 282, 290 Wertproblematik 114 ff. Wertsystem 115, 140, 165, 177, 252 Wertungsjurisprudenz 62, 189 Werturteilsstreit 41, 64, 168, 230 Wesensschau 60, 70, 120 Wiener Kreis 124 Wiener Rechtsschule 22, 59 — s. a. Reine Rechtslehre Willensfreiheit 93, 219 Willenspsychologie 88 ff. W i r k l i c h k e i t u. Möglichkeit 61 f., 98, 146, 221 f., 241, 242, 245, 247 f., 249, 268, 270, 282, 290, 292 — s. a. Realität; Potentialität Wirkungszusammenhang s. Sinnzusammenhang Wirtschaft s. Naturgesetzlichkeit; Rationalität Wirtschaftlichkeit 34 f., 37, 48, 115, 123, 150 f., 155 ff., 169 22 Speyer 46

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Wirtschaftsgesellschaft 19 Wirtschaftspsychologie 95 f., 121 Wirtschaftswissenschaft, -theorie 11, 12, 19, 28, 37, 38, 44, 46, 51, 70, 102, 108, 110, 127 ff., 134 ff., 137 ff., 150 ff., 212, 228, 232, 233, 235, 236, 239, 241, 245, 246, 247, 263, 269, 270, 271, 276, 289, 290, 292 — explikative u. präskriptive 167 ff. — mathematische 131, 138, 151, 200, 276 — staatsfreie 35 — verstehende 128, 135, 137, 276 — Geschichte 41, 131, 151 ff., 269, 270 — als Handlungstheorie 137 ff., 162, 291 — u. Marktwirtschaft 156 — u. Rechtstheorie 156 f. — u. Wissenschaftstheorie 153, 160 ff. — s. a. Modelldenken; Nationalökonomie; Privatwirtschaftslehre; Soziologie; Verwaltungswissenschaft; Volkswirtschaftslehre Wissenschaft — Beratung der Praxis 102 ff., 116 ff., 156, 212, 229 ff. — u. Gesellschaft 42, 43 f., 103 f., 155 f., 169 Wissenschaftsgeschichte 11, 45, 58, 224, 227, 241, 274 Wissenschaftsphilosophie, -theorie 13, 41 ff., 51 ff., 53 ff., 62, 63, 66, 98, 100, 123 ff., 169, 171, 172, 198, 214, 218 f., 242, 268 — dialektisch-historische 114 ff. — empirisch-analytische 52, 56, 72, 105 ff., 114 ff., 172, 237, 278 — hermeneutische 56, 72, 125, 214 — kritische 52 — strukturalistische 52 — s. a. Fachwissenschaft; Neopositivismus; Rechtswissenschaft; Sozialwissenschaft; Systemtheorie, funktionale; Verwaltungswissenschaft; Wirtschaftswissenschaft Wissenssoziologie 73 f. Wohlfahrt 18, 32 f., 156, 212 Zero-base-budget 266, 272 Zetetik 205, 206 f., 213, 214, 287 f. — s. a. Hermeneutik Zivilisation 32, 42, 50, 102, 141, 211 f., 223, 224, 225, 268 Zweck u. M i t t e l 112 ff., 151, 155, 160, 161, 164 f., 169, 243, 248, 255, 263, 264, 269, 271, 277, 283, 288, 290, 291