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German Pages 210 Year 2020
Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer
Band 239
Stationen integrativer Verwaltungswissenschaft Zugleich zur transdisziplinären Forschung
Von
Klaus König
Duncker & Humblot · Berlin
KLAUS KÖNIG
Stationen integrativer Verwaltungswissenschaft
Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Band 239
Stationen integrativer Verwaltungswissenschaft Zugleich zur transdisziplinären Forschung
Von Klaus König
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2197-2842 ISBN 978-3-428-18042-4 (Print) ISBN 978-3-428-58042-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die Verwaltungswissenschaft ist 2018 als „kleines Fach“ des deutschen Wissenschaftssystems kartiert worden. Dazu beschreibt die vorliegende Schrift den Weg einer integrativen Verwaltungswissenschaft, wie ich ihn seit Mitte der 1960er Jahre beschritten habe. In Stationen werden Sachthemen öffentlicher Verwaltung veranschaulicht. Vor allem interessieren hier indessen die erkenntnistheoretischen, methodologischen, begrifflichen und auch didaktischen Aspekte einer Verwaltungswissenschaft und die Erweiterung ihres Fragehorizonts in Erfahrung und Erkenntnis. Die Sache der Verwaltung selbst ist an anderer Stelle gründlicher behandelt. Deswegen habe ich meine Bibliografie im Anhang beigefügt und auf Selbstzitate weitgehend verzichtet. Mein Ansatz einer integrativen Verwaltungswissenschaft folgt dem Grundgedanken einer „Discipline-carrefour“, einer „Public Administration: A Synthesis“, wurzelt jedoch in der Tradition deutschsprachiger Rechts- und Staatswissenschaften und im klassischen Verwaltungssystem Deutschlands. Die multidisziplinäre Differenzierung verwaltungsrelevanter Fächer und ihr Erkenntnisgewinn bleiben für sich anerkannt. Im Wege transdisziplinärer Forschung soll die wissenschaftliche Wahrnehmungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz verbreitert werden. Grundlage meines Wissenschaftsprogramms ist ein systemischer Institutionalismus mit struktureller und funktionaler Methodik und weiter mit Typenbildung, wissenschaftlichem Vergleich und insbesondere teilnehmender Beobachtung. Die Integration von wissenschaftlichem Wissen und praktischem Wissen erfolgt auf der Ebene systemrationaler Aussagen. Die wirkliche Maßgeblichkeit von Institutionen und institutionellen Gefügen wird im Sinne einer „Seins“-wissenschaft empirisch überprüft. Die integrationswissenschaftliche Ausrichtung dieser Schrift ermöglicht es, sie auch als einen Beitrag zur transdisziplinären Forschung zu lesen. Bei fachwissenschaftlichem Anspruch ist die Verwaltungswissenschaft überdies gehalten, neben integrativem Wissen auch selbstreferentielles Wissen aufzubauen. Mein mit der Wertschätzung der kontinentaleuropäischen Verwaltungskultur verbundenes Verständnis der Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten ist vielerorts auf Interesse gestoßen. In der internationalen Gemeinschaft der verwaltungswissenschaftlich Interessierten bin ich zahlreichen Akademikern und Praktikern begegnet, denen ich weiterführende Anregungen zu verdanken habe. Weiter bin ich meinen wissenschaftlichen Mitarbeitern verbunden, die über ihr grundständiges Studium hinaus wissenschaftlich aufgeschlossen gewesen sind. Der Lauf der Jahre bringt es mit sich, dass ich mich auf die Nennung von drei Persönlichkeiten beschränke, die am Anfang meines Weges standen: Carl Hermann Ule, der bildungs-
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Vorwort
bewusste Jurist, der auch das Werk Max Webers gekannt und mich in seine rechtsund verwaltungspolitischen Projekte einbezogen hat; Niklas Luhmann, der passionierte Gelehrte, mein Nachbar im Speyerer Forschungsinstitut, der mich mit seiner Systemtheorie beeinflusst hat; Fritz Morstein Marx, der Wanderer zwischen der Alten und der Neuen Welt wie zwischen Wissenschaft und Praxis, ein Gesprächspartner, der mich davon überzeugt hat, dass eine relevante Verwaltungswissenschaft auch einen pragmatischen Zug braucht. Den Gestaltungsspielräumen der Deutschen Hochschule – jetzt Universität – für Verwaltungswissenschaften Speyer und des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer bis in die Jahrhundertwende hinein ist zuzurechnen, dass ich die Entwicklung der Verwaltungswissenschaft nicht nur in Veranstaltungen und Projekten, sondern in einem Wissenschaftsprogramm über fünf Jahrzehnte hinweg fördern konnte. Rektorat, Bibliothek und Dienste der Universität haben mich auch nach meiner Emeritierung unterstützt. Frau Barbara Schneider und Frau Wera Veith-Joncic haben mir bei der Herstellung dieses Manuskripts geholfen. Rektor und Senat haben der Aufnahme in die Schriftenreihe der Universität zugestimmt. Dem Verlag Duncker & Humblot, jetzt mit Dr. Florian R. Simon als Verleger, bin ich durch eine Reihe von Publikationen seit 1970 verbunden. Allen spreche ich meinen Dank aus. Speyer, im März 2020
Klaus König
Inhaltsverzeichnis A. Verwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Verwaltungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Verwaltungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 III. Integrative Verwaltungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Verwaltungswissenschaftliche Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Verwaltungswissenschaftliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Verwaltungswissenschaftlicher Pragmatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Verwaltungswissenschaftlicher Fragehorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 C. Public Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. US-amerikanische Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Verwaltungsstudium in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Institutionentransfer und Theorierezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 D. Verwaltungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Theoretische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Verwaltungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Aus- und Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 E. Verwaltete Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Status und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Operativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 III. Regierungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 F. Verwaltungstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Organisation und Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Aufgaben und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Institutionentransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 G. Verwaltungsmodernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Verwaltungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Systemrationalität und Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
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Inhaltsverzeichnis
H. Supranationale und internationale Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Europäische Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Verwaltungswissenschaftliche Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Vorverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Methodenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Gegenstandsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Veröffentlichungen Klaus König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Verwaltungssystem und Verwaltungsumwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Verwaltungswissenschaft und Regierungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 III. Öffentliche Aufgaben und Aufgabenkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 IV. Organisation von Regierung und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 V. Öffentliche Entscheidung und Verwaltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 VI. Öffentlicher Dienst und Regierungspersonal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 VII. Verwaltungsentwicklung und Verwaltungstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . 203 VIII. Modernisierung und Internationalisierung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 207
A. Verwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft I. Verwaltungslehre Wer am Anfang der 1960er Jahre als Referendar an die damalige Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer kam, um ein verwaltungswissenschaftliches Ergänzungsstudium als Ausbildungsstation zu absolvieren (Stelkens 2017), traf auf eine für die deutschen Verhältnisse außergewöhnliche Bildungsorganisation. Die Speyerer Institution war als Staatliche Verwaltungsakademie durch die französische Besatzungsmacht gegründet worden, um ein neues Beamtentum heranzubilden. Die 1945 errichtete Ecole Nationale d’Administration (ENA) galt dabei als ein Vorbild. Von deutscher Seite konnte indessen auf eigene Traditionen der wissenschaftlichen Verwaltungsausbildung verwiesen werden (Morsey 1997). Auch als die Hochschule die eigenständige Ausbildung des höheren Beamtentums aufgab und zu einer akademischen Station in der Juristenausbildung wurde, blieb an ihr etwas vom Bild einer „Ecole Superieure“ haften. Das zeigte sich, als es um die Verleihung des Promotionsrechts an die Hochschule ging. Die linksrheinischen Kenner des französischen Bildungssystems mit seinem Dualismus zwischen Hohen Schulen und Universitäten und dessen Folgen für berufliche Chancen zeigten Vorbehalte gegenüber der Entwicklung einer Sonderhochschule auf deutschem Boden. Speyer war eben die einzige wissenschaftliche Hochschule, die von Bund und Ländern gemeinsam getragen und in dieser Gemeinsamkeit auch von ihrer Klientel verstanden wurde. Speyer war aber nicht nur ein Sonderfall in der Organisation der höheren Bildung. Es war auch in der Substanz der Lehre bemerkenswert und zeigte ein doppeltes Gesicht von Moderne und Tradition. Im Studium der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften hatte sich an den deutschen Universitäten der disziplinäre Standpunkt verfestigt. Man studierte eine Fachwissenschaft in einem Fachbereich bei Fachwissenschaftlern. Der Umstand, dass am Ende des juristischen Studiums eine Staatsprüfung steht, stärkt die fachliche Abgrenzung überdies. Die Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer signalisierte demgegenüber schon in ihrem Namen Multidisziplinarität, also die Anerkennung, dass es einen Pluralismus verwaltungsrelevanter Fächer gibt. In diesem Fächerkanon hatten Lehrstühle für Verwaltungsrecht freilich besonderes Gewicht, die so mit namhaften Vertretern ihres Faches wie Carl Hermann Ule (1960) oder Christian-Friedrich Menger (1954) besetzt waren. Sie verkörperten nicht nur den aktuellen Stand der Verwaltungsrechtslehre, sondern auch die Bewegungskräfte der Rechtsentwicklung, etwa zu einer Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts. Viele Referendare schätzten
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A. Verwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft
die intellektuelle Bereicherung der juristischen Diskussion in überschaubaren Gruppen; für alle war die Examensrelevanz des öffentlichen Rechts bedeutsam. Zum Speyerer Lehrangebot gehörte indessen auch die Verwaltungslehre. Diese kann mit Policey- und Kameralwissenschaft (Maier 1966) und dann der gesamten Staatswissenschaft im deutschsprachigen Raum auf eine bemerkenswerte Geschichte verweisen. In staatswissenschaftlicher Tradition nimmt dabei die ganzheitliche Verwaltungslehre Lorenz von Steins (1962) einen prominenten Platz ein. Unter philosophischen, geschichtlichen, juristischen, ökonomischen, soziologischen Aspekten stellt sie die Verwaltung im Staat in universeller Weise dar. In der Sache werden so umfängliche Gebiete behandelt wie Völkerrecht und auswärtige Angelegenheiten, Heerwesen, Finanzen, Rechtsleben und seine Verwaltung, Verwaltung des Innern mit Bevölkerungswesen, Gesundheitswesen, Bildungswesen usw. bis zur wirtschaftlichen Verwaltung mit Einschluss der internationalen Verwaltung der Volkswirtschaft. Einheit stiftendes Moment ist für diese Verwaltungslehre wie für die gesamte Staatswissenschaft überhaupt die Wesensentfaltung von Staat und Verwaltung. Die ganzheitliche Betrachtungsweise wird aus politisch-sozialen Lehren gestützt, die im Staat eine organische und totale Wesenheit erblicken. Entsprechend wird versucht, die Verwaltungslehre von der Wesenserkenntnis eines Verwaltungsbegriffs her zu tragen. Verwaltung ist die „arbeitende Staatsidee“, das „wirkliche Staatsleben“, der „arbeitende Staat“. Auch das Recht wird in diese Verwaltungslehre integriert. Indessen wird die Staatswissenschaft als die Quelle aller Rechtswissenschaft und ihrer Geschichte angesehen. Der Gedanke einer universalen Verwaltungslehre ist wie der einer gesamten Staatswissenschaft der aufkommenden Differenzierung modernen Fachwissenschaften unterlegen. Weitere Unternehmungen einer Verwaltungswissenschaft nach der staatswissenschaftlichen Methode blieben Randerscheinungen des Wissenschaftsbetriebs. In dem sich heranbildenden Dualismus zwischen juristischen und ökonomischen Disziplinen fiel das Erfahrungsobjekt der öffentlichen Verwaltung der Rechtswissenschaft zu. Das entsprach der Entwicklung der Verwaltungspraxis zu Legalismus und Rechtstaatlichkeit. Die Verwaltungsrechtslehre entwickelte Systematik und Methode (Otto Mayer, 1895/1896), denen die Wesenserkenntnis eines Verwaltungsbegriffs nicht standhalten konnte. Es entwickelte sich gleichsam eine neue Einheitsvorstellung in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der öffentlichen Verwaltung, nämlich monopolistische Tendenzen der juristischen Betrachtung. Dennoch blieb das Desiderat einer Verwaltungswissenschaft jenseits der dogmatischen Feststellung des positiven Rechtsstoffs und dessen begrifflicher Beherrschung durch die Verwaltungsrechtslehre erhalten. Es wurde in eine verwaltungswissenschaftliche Trias von Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre und Verwaltungspolitik gekleidet (Kleindinst 1929). Die Verwaltungslehre wurde damals in Speyer in historischer Konsequenz von einem Juristen, dem Staatsrechtslehrer Erich Becker (1953), vertreten. Es waren eben damals Juristen, die sich in erster Linie mit der öffentlichen Verwaltung be-
I. Verwaltungslehre
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schäftigten, und Juristen arbeiten auch als Rechtsanwender in einer Erfahrungswelt. Ihre Subsumtionen beziehen sich auf Lebenssachverhalte, die nun einmal recherchiert werden müssen. Wie die Fallerfahrungen in ihrer Faktizität aggregiert werden, ist ein interessantes methodologisches Problem. Jedenfalls beruht die Verwaltungsrechtslehre in ihrer Normativität zugleich auf einer erfahrenen Verwaltungsrealität. Becker verfügte über solche Sachkompetenz in Verwaltungsangelegenheiten. Seine Verwaltungslehre war entsprechend deskriptiv ausgerichtet, und zwar mit verwaltungspolitischen, verwaltungsreformatorischen Einschüben. Es ging darum, den Realitätsbereich abzuschreiten, der der Normenwelt zugrunde liegt. Dabei behandelte Becker auch Themen, die die Verwaltungswissenschaft bis auf den heutigen Tag beschäftigen, etwa die Verteilung von Verwaltungsaufgaben auf allgemeine oder Sonderbehörden. Wie man das Desiderat einer Verwaltungslehre im historischen Zusammenhang mit der Staatswissenschaft sehen kann, so hat sich das Konzept eines staatswissenschaftlichen Studiums noch länger in der Universitätsgeschichte des deutschsprachigen Raums gehalten, freilich nicht als Einheitslehre, sondern als Kanon als relevant definierter Fächer. Die Universität Tübingen bietet insoweit ein interessantes historisches Beispiel (Marcon u. a. 2004). Auch die an der Hochschule Speyer 1960 außerhalb der Rechtswissenschaft bestehenden Lehrstühle, nämlich für Wirtschaftliche Staatswissenschaften, Neuere politische Geschichte, Soziologie und Psychologie, kann man mit der staatswissenschaftlichen Tradition in Verbindung bringen, worauf insbesondere die begriffliche Zusammenfassung wirtschaftswissenschaftlicher Teilbereiche wie Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft verweist. Mit dieser herkömmlichen Anerkennung verwaltungsrelevanter Fächer waren aber zugleich die Voraussetzungen für eine Multidisziplinatität geben, die die Vielseitigkeit moderner Anforderungen an die öffentliche Verwaltung wissenschaftlich zu reflektieren ermöglichte. Für den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst besteht nach wie vor eine Dominanz der rechtswissenschaftlichen Ausbildung. Dabei privilegiert den Juristen, dass er mit Bestehen der Zweiten Staatsprüfung zugleich eine Befähigung für diesen Verwaltungsberuf erwirbt. Die bestehende Dominanz wird unter zwei Aspekten begründet (Schuppert 2000). Zum einen beruft man sich auf Sozialisationseffekte der Juristenausbildung, die der Verwaltungstätigkeit entsprächen. Zum andern verweist man darauf, dass die öffentliche Verwaltung trotz aller Entscheidungsspielräume und trotz ihres Gestaltungsauftrages auch heute überwiegend eine Rechtsregeln handhabende Verwaltung sei. Aber für den Generalisten – nicht den Justitiar – in der Verwaltung, um den es hier geht, gibt es auch anderes. Das kann schon der Referendar in seinen Verwaltungsstationen erfahren. So war auch meine Ausbildung an einer Kreisverwaltung mit Gestaltungserfahrungen jenseits juristischer Subsumtionen verbunden. Zwei Projekte sind hervorzuheben. In dem einen Fall ging es um eine Schulreform, mit der die „Zwergschulen“ des ländlichen Raums aufgelöst wurden. Die Folge war eine starke
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A. Verwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft
lokale politische Konkurrenz um die neue Volksschule. Die Verwaltung suchte demgegenüber, Kriterien der Raumordnung bei der Standortentscheidung durchzusetzen. Das andere Projekt betraf den Zweckverband zu einem Chemischen Untersuchungsamt, eine Aufgabe, die der Kreis für sich nicht schultern konnte. Von Rechts wegen war ein solches Unternehmen gebahnt. Der offene Diskussionspunkt war so auch ein ökonomischer, nämlich die Verteilung der fixen Kosten unter den Beteiligten. In meiner juristischen Dissertation hatte ich mich mit der Wirkung von Hoheitsakten der DDR in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland befasst. Entsprechend bearbeitete ich im damaligen Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen als meiner Wahlstation einschlägige Anerkennungsprobleme – von Strafurteilen bis Enteignungen, von Einbürgerungen bis Binnenschifferpatenten usw. Ich lernte aber auch ein breiteres Spektrum der Ministerialarbeit kennen und schätzen, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil auch der Mitarbeiter des Ministeriums auf der Arbeitsebene mit einem Bein in der Politik steht. Solche Erfahrungen in Verbindung mit der Profession des Juristen aber in der Problemlösung außerhalb der Jurisprudenz machten das verwaltungswissenschaftliche Ergänzungsstudium in Speyer attraktiv. Es ging nicht darum, ein weiteres Fachstudium zu absolvieren, sondern neben der Fachlichkeit der Rechtswissenschaft ein Orientierungswissen zu Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu erwerben, wie es damals die verwaltungsrelevanten Staatswissenschaften anboten und wie es Anknüpfungen zu den vielfältigen Problemdimensionen des Verwaltungshandelns ermöglicht – es sei denn, dass man sich einfach auf ein „learning by doing“ verlassen wollte. Für mich kam freilich ein spezifisch wissenschaftliches Interesse hinzu, sodass mich das Ergänzungsstudium in Speyer anregte, nunmehr meine eher punktuellen staatswissenschaftlichen Studien formal abzurunden. Staatswissenschaften konnte man damals noch am besten in Österreich studieren. So umfasste der einschlägige Studiengang an der Universität Graz Öffenliches Recht und Staatslehre, Volkwirtschaftslehre, Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre, Soziologie und Statistik. Heute werden nach einer langen Wissenschaftsgeschichte wieder an deutschen Universitäten fächerübergreifende Studiengänge im Namen der Staatswissenschaften angeboten, vor allem in Master-Programmen: an der Universität Erfurt in der Verbindung von Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, an der Universität Lüneburg im Kontext von „Public Economics, Law and Politics“, an der Universität Passau unter dem Vorzeichen von „Governance and Public Policy“. Solange es Berufsbilder des Generalisten, des vielseitig verwendbaren Mitarbeiters im öffentlichen Sektor und auch im Dritten Sektor der intermediären Organisationen gibt, vermittelt das Fachübergreifende einen spezifischen Sinn.
II. Verwaltungswissenschaft
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II. Verwaltungswissenschaft Die Lage der Verwaltungswissenschaft änderte sich an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer in den 1960er Jahren grundlegend. Es wurde ein Institut für Forschung und Information der Hochschule eröffnet. Ein Lehrstuhl für Vergleichende Verwaltungswissenschaft und öffentliches Recht wurde errichtet und besetzt. Der Begriff der Verwaltungswissenschaft – Singular – verdrängte den der Verwaltungslehre. Damit wurde die Absicht signalisiert, neben die Verwaltungsrechtslehre in ihrer Normativität einen eigenen Erkenntnisgegenstand mit wissenschaftlichem Anspruch zu setzen. 1965 wurde ich als Referent des Forschungsinstituts in Speyer eingestellt. Zuvor war ich Stipendiat an der Universität Wien gewesen, wo ich zum Verwaltungsverfahrensrecht geforscht hatte, und zwar unter der Betreuung von Erwin Melichar, der mit der Wiener Universität wie dem österreichischen Verfassungsgerichtshof gleichermaßen verbunden war. Referenz meines Forschungsvorhabens war das österreichische Verwaltungsverfahrensgesetz von 1925, das sich historisch bewährt hatte und zu einem rechtskulturellen Fundament der österreichischen Verwaltung geworden war. Melichar (1959) hat die rechtsstaatliche Qualität dieser Kodifikation auch gegenüber anderen Meinungen in der deutschen Staatsrechtslehre vertreten. Im Speyerer Forschungsinstitut wurde ich mit einer rechtsvergleichenden Bearbeitung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes betraut. Wissenschaftlicher Leiter des Projekts war Carl Hermann Ule. Dieser hatte in einer langen richterlichen Laufbahn, zuletzt als Vizepräsident eines Oberverwaltungsgerichts, reiche Prozesserfahrung gesammelt. Diese fügte er mit den Erkenntnissen des Wissenschaftlers zusammen (Ule 1960). Den Verfahrensgedanken nahm er aber nicht nur für die Gerichtsbarkeit, sondern auch für die öffentliche Verwaltung in Anspruch. Die Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts war für ihn ein rechtsstaatliches Gebot. Er hatte sich an entsprechenden Entwurfsarbeiten beteiligt (Ule/Becker 1964). Von einem internationalen Sammelwerk, in das 14 Länder und die europäische Gemeinschaft einbezogen waren, erwartete er einen weiteren rechtspolitischen Impuls (Ule/Becker/König 1967). Es dauerte dann freilich bis Anfang des Jahres 1977, dass ein Verwaltungsverfahrensgesetz in Kraft trat (Ule/Laubinger 1977). Des Weiteren begleitete ich Ule bei einem rechtspolitischen Unternehmen, nämlich der Vereinheitlichung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes (Ule 1969). Die dort gesammelten Erfahrungen waren ein Grund dafür, dass ich später Richter im Nebenamt am Oberverwaltungsgericht Koblenz wurde. Ule war ein Prozessualist von prägender Kraft. Mich hat er auch über die Sphären der Gerichts-und Verwaltungsverfahren hinaus zu Prozessproblemen von politischer Planung und Gesetzgebung angeregt (Merten 2009). Mein Nachbar im Speyerer Forschungsinstitut war Niklas Luhmann. Er war nach einem Fortbildungsstudium an der Harvard Universität, wo er sich vor allem mit der
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A. Verwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft
strukturfunktionalen Systemtheorie Talcott Parsons (1972) beschäftigt hatte, nach Speyer gekommen. Er publizierte neben Aufsätzen zu Funktionalismus und Systemtheorie eine Vielfalt von Beiträgen zu Verwaltung und Recht und dazu Bücher zur formalen Organisation (Luhmann 1964a), zu den Grundrechten (Luhmann 1965a), zur öffentlich-rechtlichen Entschädigung (Luhmann 1965b), zur Automation in der Verwaltung (1966a). Wir waren zur Prozessproblematik ins Gespräch gekommen, da er sich mit Fragen zur Legitimation durch Verfahren beschäftigte (Luhmann 1969). Er zeigte mir seinen später berühmt gewordenen Zettelkasten und demonstrierte eine in den USA erlernte Schnelllesetechnik. Von besonderem Interesse für mich war seine Theorie der Verwaltungswissenschaft (Luhmann 1966b). Ihr Spezifikum ist die Kombination von Systemtheorie und funktionaler Methode. Ein System war für Luhmann damals die Identifikation eines Sinnzusammenhanges von Handlungen, der – teilweise auf Grund der eigenen Ordnung, teilweise auf Grund von Umweltbedingungen – gegenüber einer äußerst komplexen, unbeherrschbaren, vielfältigen und sich rasch verändernden Umwelt relativ einfach und konstant gehalten wird. Als Leistung gesehen wird Systembildung begriffen als Reduktion von Komplexität und Veränderlichkeit der Umwelt auf Ausmaße, die sinnvolles menschliches Handeln erlauben. Dabei geht es um faktisches Handeln. Die Beziehungen zwischen System und Umwelt werden zwar als Kausalprozesse angesehen. Sie gelten aber durch systeminterne Selektionsvorgänge informationell gesteuert. Als Grundlage für die selektive Informationsverarbeitung und damit für das Invarianthalten der Systemgrenzen wird die Systemstruktur genommen, die aus generalisierten Verhaltenserwartungen bestehe. In diesem Sinne sei jede Struktur eines Handlungssystems normativ institutionalisiert. Ein System sei rational in dem Maße, als es seine Probleme bestandssicher formulieren und lösen könne. Systemrationalität beruhe als funktionale Stabilisierung darauf, dass die Probleme, die das System nach Maßgabe seiner Strukturen zu lösen habe, als Bezugspunkte für eine funktionale Analyse und für die Steuerung von Substitutionsvorgängen benutzbar seien. Damit ist auf den Äquivalenzfunktionalismus verwiesen. Nach solcher theoretischen Grundlegung kommt die öffentliche Verwaltung ins Spiel. Als das besondere Kriterium des Verwaltungssystems, das es von andersartigen Handlungssystemen und auch von andersartigen Organisationen unterscheide, gilt die Ausrichtung seines Handelns auf eine spezifische Funktion, nämlich in der Spezialisierung auf die Herstellung bindender Entscheidungen. Entscheidung ist dabei die Mitteilung des Ergebnisses einer Informationsverarbeitung als empirischer Prozess. Verbindliche Entscheidungen führen dann zu Politik und Recht und weiter zum Binnenbereich der Verwaltung, zu internen Strukturen von Entscheidungsprämissen. Verwaltungsrationalisierung ist Systemrationalisierung. Insgesamt sah Luhmann in einer hohen Abstraktion von Systemtheorie und Funktionalismus die Möglichkeit, der Verwaltungswissenschaft eine Grundlage zu geben.
II. Verwaltungswissenschaft
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Der an der Hochschule Speyer neu errichtete Lehrstuhl für Vergleichende Verwaltungswissenschaft war mit Fritz Morstein Marx besetzt worden. Er war von Hause aus Hamburger Verwaltungsjurist und hatte nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten von Amerika auf dem Gebiet von Regierung und Verwaltung akademisch Fuß gefasst. Während des Zweiten Weltkrieges ging er in die Praxis und wurde Mitarbeiter im Budgetbüro des US-Präsidenten, einer hoch angesehenen Verwaltung der USA. Dieser blieb er bis in die 1950er Jahre hinein verbunden, um dann in das Wissenschaftlerleben ganz zurückzukehren. Zu seinen vielfältigen Stationen in der akademischen Welt gehörten auch so bekannte Universitäten wie Harvard und Princeton (Seckelmann 2014/2015). Im Fache wurde er insbesondere durch zwei Aktivitäten weit bekannt. Er gab das erste Lehrbuch zur öffentlichen Verwaltung – Elements of Public Administration (1946) – nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA heraus, und er war Editor der führenden Fachzeitschrift Public Administration Review. In Speyer setzte Morstein Marx seine wissenschaftliche Linie nunmehr in deutscher Sprache fort. Er gab ein Lehrbuch zur Verwaltung heraus (1965a). Er schrieb Bücher – etwa zum Dilemma des Verwaltungsmannes (1965b) – und Aufsätze – etwa zu den Gegenwartsproblemen der Bürokratie (1965c). Auf dem Gebiete der Vergleichung standen die Vereinigten Staaten von Amerika im Vordergrund, etwa in seinen Büchern zur Amerikanischen Verwaltung (1963a) oder zum Ursprung des Stabsbegriffs in den Vereinigten Staaten (1968). Seine Erfahrungen im Exekutivamt des amerikanischen Präsidenten führte zur publizierten Tagung „Die Staatskanzlei: Aufgaben, Organisation und Arbeitsweisen auf vergleichender Grundlage“ (1966). Wegen meiner verwaltungswissenschaftlichen Interessen wurde ich für Morstein Marx zum Gesprächspartner. Von nachhaltiger Wirkung war seine Einladung, an den Seminaren teilzunehmen, die er zusammen mit Carl Joachim Friedrich (Beyme 1971) für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Politischen Wissenschaft aus dem südwestdeutschen Raum veranstaltete. Ich lernte meine Generation von Politologen kennen, denen ich, soweit sie meine Fachinteressen teilten, vielfach wieder begegnet bin. Bei Fritz Morstein Marx spürte man – wenn auch mit Zurückhaltung – Vorbehalte gegenüber der „Grand Theory“. Sein Werk war von einem Pragmatismus geprägt, wie er konstitutiv für die amerikanische Verwaltungswissenschaft geworden war, jedenfalls wie sie damals in den „professional schools“ der namhaften Universitäten gelehrt wurde. Das wissenschaftliche Denken wurde als eine Aktivität verstanden, deren Sinn es ist, sich in Verwaltungshandeln umsetzen zu lassen. Bei Morstein Marx ging es freilich nicht um platte Nützlichkeit. Als Wanderer zwischen zwei Welten im doppelten Sinne, nämlich zwischen der Alten und der Neuen Welt wie zwischen Wissenschaft und Praxis, hatte sich sein Erfahrungs- und Erkenntnishorizont so ausgeweitet, dass er wissenschaftliche Distanz zu seiner Sache hielt. Seine Sachthemen hatten Praxisbezug. Aber er verstand es, diese einer wissenschaftlichen Reflexion zugänglich zu machen.
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Auch außerhalb von Speyer war die Verwaltungswissenschaft in die Diskussion geraten. Zwar war das Unternehmen von Hans Peters (1945), in einem Lehrbuch „Verwaltung“ Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre und Verwaltungspolitik zu umfassen, ohne große Resonanz geblieben. Aber die Auseinandersetzung zu einer Verwaltungslehre wurde von Juristen fortgeführt. Zwei Linien sind nachzuzeichnen. In der einen ist die Verwaltungslehre keine eigenständige Wissenschaft, sondern eine Ergänzung der Verwaltungsrechtswissenschaft. Ihre Aufgabe ist es Wirklichkeitsbefunde zu liefern, welche geeignet sind, fortbildend auf das Verwaltungsrecht zu wirken (Forsthoff 1959). Mit der anderen Linie wird die Verwaltungslehre als wissenschaftliche Disziplin bezeichnet, als eigenständige – empirische – Seinswissenschaft, nicht Antithese, aber auch nicht Hilfswissenschaft der Verwaltungsrechtslehre, sondern komplementär zu dieser als Normwissenschaft (Stern 1967). Jedenfalls bemühte sich eine Reihe von Verwaltungsrechtslehrern auch um die Verwaltungswissenschaft. Hervorzuheben ist Werner Thieme. Im Zusammenhang mit seiner Berufung war ein Seminar für Verwaltungslehre am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg errichtet worden, dessen Direktor er wurde. Neben der Lehre wurden an diesem Seminar vielfältige Kontakte zur Verwaltungspraxis gepflegt (Bull 2003). Im Jahre 1967 veröffentlichte Thieme ein Lehrbuch der Verwaltungslehre (Thieme 1967). Bereits ein Jahr davor war aus politikwissenschaftlicher Feder eine Einführung in die Regierungs-und Verwaltungslehre von Thomas Ellwein (1966) erschienen. Dieser gab dann später dem Unternehmen, die Verwaltungswissenschaft an der Universität Konstanz zu institutionalisieren, auch ein spezifisch verwaltungswissenschaftliches Profil (Lehmbruch 1995).
III. Integrative Verwaltungswissenschaft Wenn sich hiernach in den 1960er Jahren die Meinung verdichtete, dass die Zeit gekommen sei, der Verwaltungsrechtslehre die Verwaltungswissenschaft als eigenständiges, komplementäres Fach zur Seite zu stellen, dann gab es zwei Möglichkeiten, ein solches Konzept zu untermauern. Man konnte zum einen durch die wissenschaftliche Bearbeitung eines signifikanten Verwaltungsgegenstands den Eigenwert der Verwaltungswissenschaft belegen oder zum anderen durch Ausarbeitung eines wissenschaftlichen Fundaments dieses Desiderat begründen. Frido Wagener (1969) hat mit seiner Untersuchung zum Neubau der Verwaltung den ersten Weg beschritten. Damals stand insbesondere auf kommunaler Ebene die Frage auf der verwaltungspolitischen Tagesordnung, wie im Blick auf wohlfahrtsstaatliche Herausforderungen und technische Entwicklungen die Leistungskraft der vielen kleinräumigen Gemeinden und Kreise durch territoriale Vergrößerung gestärkt werden könne. Insofern kann die Rechtswissenschaft die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung schützen, die Politische Wissenschaft Partizipation und Demokratie verteidigen. Aber selbst die Theorie von der optimalen Betriebsgröße kann nicht bestimmen, wie groß Gemeinden und Kreise zu sein haben,
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und zwar weil eben divergierende Werte zur Diskussion stehen. Wagener hat sie mit Effektivität und Integrationswert bezeichnet und auf dieser Grundlage ein Maßstabsgerüst für die Gliederung der öffentlichen Aufgaben und ihrer Träger entwickelt. Man mag manchen seiner Argumente nicht folgen. Aber es lässt sich nicht übersehen, welchen Mehrwert die Verwaltungswissenschaft gegenüber den Aussagen verwaltungsrelevanter Einzelwissenschaften erbringen kann. Wandte man sich demgegenüber der erkenntnistheoretischen Begründung einer Verwaltungswissenschaft zu, so war aus einer prägnanten Wissenschaftsgeschichte seit der Gesamten Staatswissenschaft zu lernen, dass es nicht um eine neue Einheitslehre zur öffentlichen Verwaltung gehen konnte. Die Bildung moderner Disziplinen und der in dieser Ausdifferenzierung entstandene Erkenntnisgewinn sind nicht rückgängig zu machen. Insbesondere die Staats- und Verwaltungsrechtslehre hatten früh nach dem Zweiten Weltkrieg ihre essentielle Bedeutung für eine rechtsstaatliche Verwaltung nachgewiesen. Auch die Relevanz von Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für die öffentliche Verwaltung war nicht zu bezweifeln, wenn auch ihr einschlägiges Potential in den 1960er Jahren noch nicht zufriedenstellend genutzt wurde. Es blieb also damals beim Pluralismus verwaltungserheblicher Fächer und entsprechend bei der Frage, dieser Multidisziplinarität als weiteres Fach die Verwaltungswissenschaft beizufügen. Unter dieser Prämisse bot sich zunächst die Anknüpfung an zwei Speyerer Vorlagen an, nämlich entweder die Weiterentwicklung der funktionalen Systemtheorie Niklas Luhmanns oder der Anschluss an den sozialwissenschaftlichen Pragmatismus von Fritz Morstein Marx. Trotz aller Abstraktionen war Luhmann in seiner Theorie der 1960er Jahre – also vor der autopoietischen Wende – für eine Verwaltungswissenschaft anschlussfähig, die man auch in der Intention von Ausbildung und Fortbildung für den höheren Verwaltungsdienst lehren konnte. Luhmann war von Hause aus Verwaltungsjurist und hatte mehrere Jahre in der Verwaltung gearbeitet. Diese Primärerfahrung schlug sich vielerorts in seinen Publikationen nieder. Gleichwohl standen dem Weg, eine einzelne Theorie als Grundlage für den Ausbau der Verwaltungswissenschaft schlechthin zu nehmen, Vorbehalte gegenüber. Wenn man sich in zwei Fächern, der Rechtswissenschaft und der Wirtschaftlichen Staatswissenschaft, mit Entwicklungen theoretischer und methodischer Schulen auseinander gesetzt hat, ist die Relativität einschlägiger Einsichten nicht zu übersehen. Ich hatte mich während meiner juristischen Studien von der begriffsjuristischen Systematik von Hans Julius Wolff (1956) in Münster bis zum juristischen Denken von Karl Engisch (1956) in München mit der Metasphäre der Jurisprudenz beschäftigt, um dann an der Universität Wien auch in einem Methodenseminar (Antoniolli 1947) den Schulenstreit um die Reine Rechtslehre mitzuerleben (Bydlinski 1982). Auf dem Gebiete der Wirtschaftlichen Staatswissenschaft wurden solche Interessen noch dadurch befördert, dass mein Prüfer in der Volkswirtschaftslehre,
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Anton Tautscher, sowohl ein Buch über die Staatswirtschaftslehre des Kameralismus (1947) wie über die Geschichte der Volkswirtschaftslehre (1950) geschrieben hatte. Nach solchen Erfahrungen musste man zu dem Ergebnis kommen, dass auch große Theorien nicht geeignet sind, ein ganzes wissenschaftliches Fachgebiet zu umfassen, jedenfalls wenn es um die erkenntnistheoretische Begründung der Verwaltungswissenschaft auf Fachebene, nicht um Epistemologie für sich ging. Große und mittlere Theorien liefern durchaus nützliche Teileinsichten für die Fachebene: die Reine Rechtslehre zum Stufenbau programmierender Entscheidungen, die Systemtheorie zur Unterscheidung zwischen Systemrationalität und Handlungsrationalität, die ökonomische Theorie der Bürokratie zu Informationsasymmetrien usw. Aber keine Theorie – nicht in den Rechtswissenschaften, nicht in den Wirtschaftswissenschaften und auch nicht in den Sozialwissenschaften – kann in ihrer Reinheit einen Grad der Erkenntnis erreichen, die in einer komplexen und veränderlichen Welt ein ganzes Fachgebiet ohne weitere Interpretationen abdeckt. Zur Systemtheorie Luhmanns war freilich für einen zweiten Zugriff zu merken, dass sie damals – vor der autopoietischen Wende – hohes theoretisches Potential für die Verwaltungswissenschaft enthielt. Aber auch die Option, einfach dem wissenschaftlichen Pfad von Fritz Morstein Marx zu folgen, kam jedenfalls als anfängliche Wegewahl nicht in Betracht. Die verwaltungswissenschaftliche Lehre von Morstein Marx war von seinen wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen in den USA geprägt. Man wäre so zu den weiter fortgeschrittenen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen des dortigen Studien- und Forschungsfaches Public Administration geführt worden. Damit wäre auch Reputation zu gewinnen gewesen. Denn vielerorts war es üblich, Wissenschaftsstand und Forschungsergebnisse aus den Vereinigten Staaten zu rezipieren. Im Falle der Verwaltungswissenschaft war das für Sachaussagen ohne weitere Reflexion nicht möglich. Dazu waren die jeweiligen Verwaltungskulturen zu unterschiedlich. Die Vergleichende Verwaltungswissenschaft in den USA selbst hatte im Anschluss an Studien zur „Civic Culture“ (Almond/Verba 1963) die kulturellen Unterschiede zwischen dem angloamerikanischen Raum und Kontinentaleuropa herausgearbeitet, und zwar mit einer Typologie von „Civic Culture-Administration“ einerseits und „klassischem Verwaltungssystem“ andererseits (Heady 1966). Dabei ist das Politisch-Demokratische im Falle der USA nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist der sich durchsetzende Managerialismus mit dem Lehrsatz: „The field of administration is a field of business“. Schließlich machte das für die USamerikanische Verwaltungswissenschaft ausgegebene Prinzip, „that the study of administration should start from the base of management rather the foundation of law“ (White 1955), den Unterschied zu einer legalistischen geprägten öffentlichen Verwaltung deutlich. Denn die Verwaltungskultur ist ein grundlegendes Moment für die Verwaltungspraxis wie die Verwaltungslehre gleichermaßen. Die US-amerikanischen Verwaltungsverhältnisse sind unter solchen Vorzeichen von Vergleichen auch für die Begründung einer Verwaltungswissenschaft unter den
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Bedingungen eines klassischen Verwaltungssystems interessant. Das Studien- und Forschungsfach Public Administration bietet darüber hinaus auch methodologische Anregungen. Fritz Morstein Marx (1967) hat in den 1960er Jahren einen Vortrag zum Thema „Schnittpunkte zwischen Management-Denken und politischem Denken“ gehalten. Im Grunde wird dort der Pragmatismus der Verwaltungswissenschaft in den USA reflektiert. Managementlehren und Politikwissenschaft werden in ihren Beiträgen zu Public Administration nicht einfach dichotomisch belassen. Vielmehr unternimmt man es, diese in einer Vereinigung zu einem neuen Ganzen zu begreifen. Der Leitgedanke lautet: „Public Administration: A Synthesis“ (McCurdy 1977), und dieses Konzept hat sich über die Jahre gehalten. Wenn es zu einem neuen, profilierten Managementmodell wie „Reinventing Government“ kommt (Osborne/Gaebler 1992), kann man damit rechnen, dass alsbald „Refounding Democratic Public Administration“ gefordert wird (Wamsley/Wolf 1996). Was so zunächst als Gegensätze erscheint, erweist sich dann in der Synthese von Public Administration als zwei Seiten derselben Münze. Wandte man sich hiernach Kontinentaleuropa und insbesondere Frankreich zu, so war es Georges Langrod (1969), der das Desiderat einer Verwaltungswissenschaft als einer „discipline carrefour“ formuliert hat. Die Verwaltungswissenschaft gilt als eine synthetische Sozialdisziplin, die aus der Zusammenfassung der Erkenntnisse vieler anderer Wissenschaften entsteht: aber trotzdem – oder dank dieser Umorientierung und Integrierung der Schwesterwissenschaften – ergebe sich eine Originalität des Verwaltungsstandpunkts, der beim Studium der Sozialphänomene nicht zu entbehren sei. Man nütze die Resultate verschiedener Forschungen aus, indem man von einem Interessenzentrum als festem Anhaltspunkt ausgehe und sich in systematischer Weise die traditionell getrennten Wissenschaftszweige zu Nutze mache. Man gehe von dem Standpunkt aus, dass jeder dieser partikulären Wissenschaftszweige allein unfähig sei, alle spezifischen Fragen des gewählten Einheitsproblems ausführlich zu analysieren, und dass es nur durch organisierte Zusammenarbeit möglich sei, die relevanten Fragen zu erfassen. Im deutschen Falle ist daran zu erinnern, dass die Politische Wissenschaft in ihrem Aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg im Blick auf Philosophie, Geschichte, Staatsrechtslehre, Ökonomie als Integrationswissenschaft bezeichnet worden ist (Oberndörfer 1962), während sie heute weitgehend kanonisiert und disziplinär verfestigt ist, freilich mit Erkenntnis- und Methodenpluralismus. Nach allem bestanden gute Gründe, es mit einem integrationswissenschaftlichen Ansatz zu versuchen, der Verwaltungswissenschaft auch in Deutschland eine erkenntnistheoretische Grundlage zu geben. In meinem Speyerer Forschungsprojekt „Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft“ ging es korrespondierend zum Konzept einer „discipline carrefour“ darum, Entwicklungen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im deutschsprachigen Raum zu beobachten und einschlägige Aussagen auf ihren Integrationswert hin zu reflektieren, wobei es vorrangig um Erkenntnis und Methode ging. Hinzu kam eine Abgrenzung zu den kulturellen Grundlagen von Public Administration in den USA. Weiter wurden jüngere Ent-
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wicklungen wie Systemtheorie und Entscheidungstheorie berücksichtigt. Der Begriff des Erkenntnisinteresses meinte dabei die Ausrichtung auf die Breite eines Gegenstandes, der als Desiderat formuliert worden war. Die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften unterliegen einem Erkenntnis- und Methodenpluralismus. So werden etwa Rechtsgeschichte oder Wirtschaftsgeschichte auch facheigen erforscht. In den 1960er Jahren gab es aber deutliche Präferenzen für eine fachspezifische Methodik: in den Sozialwissenschaften für eine an Kausalitäten orientierte Empirie, in den Wirtschaftswissenschaften für ein am Homo oeconomicus orientiertes Modelldenken, in der Rechtswissenschaft eine an der Rechtsgeltung orientierte Dogmatik. Heute in Zeiten einer evidenzbasierten Wirtschaftspolitik und Gesetzgebung mag das Erfahrungswissenschaftliche stärker ausgeprägt sein. Aber schon damals wurde das Desiderat einer Verwaltungswissenschaft stark vom Konzept einer Seinswissenschaft bestimmt. Andererseits musste man davon ausgehen, dass Verwaltungsreformen und Verwaltungspolitik einen Bedarf an Idealvorstellungen und Rationalmodellen auslösen. Und schließlich stellt sich die normative Frage nicht nur auf dem Gebiet des Rechts, sondern auch dem des Ethos. Die unterschiedlichen Standorte der modernen Fachwissenschaften auf dem Felde von Sein und Sollen sind so für die Verwaltungswissenschaft relevant. Dem wurde durch Bezugskategorien von Realität, Potentialität, Idealität und Normativität des Verwaltungshandelns Rechnung getragen, ohne sich von vornherein auf einen Erkenntnisdualismus einzulassen. Da Sein und Sollen in der Wissenschaftstheorie als Dichotomie begriffen werden, bedarf es einer integrationswissenschaftlichen Vorbemerkung. Eine integrative Verwaltungswissenschaft beabsichtigt nicht die Auflösung dieser Dichotomie im Sinne einer allumfassenden Einheitslehre. Vielmehr geht es darum – zumindest zunächst –, ausdifferenzierte Einsichten der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften durch Integration zu einer neuen verwaltungswissenschaftlichen Qualität zusammenzufügen. Zu verweisen ist auf Brückenprinzipien, mit denen es die Erkenntnistheorie unternimmt, Beziehungen zwischen Sein und Sollen aufzuweisen (Albert 1968). Für die Verwaltungswissenschaft ist Niklas Luhmann (1966b) mit seiner einschlägigen Theorie zu nennen. Für ihn bestimmt einerseits Kausalität die Beziehung zwischen System und Umwelt. Die Verwaltungsentscheidung ist insofern das Ergebnis einer Informationsverarbeitung als empirischer Prozess. Andererseits werden die systeminternen Selektionsvorgänge durch Strukturen, hier Verwaltungsstrukturen informationell gesteuert. Diese bestehen aus generalisierten Verhaltenserwartungen, sind also normativ institutionalisiert. Wir haben es mit einem Wissenschaftsentwurf zu tun, der Faktizität und Normativität zusammenrückt. Ein allgemein anerkanntes Erkenntnisinteresse war in der Wissenschaftssituation der 1960er Jahre auf die Realität des Verwaltungshandelns gerichtet. Wie man die Verwaltungswissenschaft auch immer definierte – als selbständige Disziplin, als Hilfswissenschaft der Verwaltungsrechtslehre, als Teildisziplin der Politischen
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Wissenschaft, als Nebenfach der Betriebswirtschaftslehre –, man erwartete, dass Wirklichkeitsbefunde zur öffentlichen Verwaltung geliefert würden. Damit öffnete sich ein weites Feld von erkenntnistheoretischen Grundsatzfragen: vom Falsifikationsansatz (Popper 1966) bis zu Sinn- und Verstehensproblemen (Gadamer 1965). Für das Desiderat einer Verwaltungswissenschaft genügte es indessen, sich dem Fragehorizont der empirischen Sozialwissenschaften anzuschließen, um die Komplexität wissenschaftsphilosophischer Probleme auf eine fachwissenschaftliche Ebene zurückzuführen. Letztlich ging es um Fruchtbarkeit empirischer Methoden: Befragung, Beobachtung, Experiment, Fallstudie usw. (Mayntz u. a. 1969). Unter den erfahrungswissenschaftlichen Problemen einer Verwaltungswissenschaft stellte sich die spezifische Frage, wie die Verwaltungswirklichkeit aus der Sicht der Verwaltungsrechtslehre perzipiert wird. Denn einerseits ist die deutsche Verwaltung durch eine rechtsstaatlich-legalistische Kultur geprägt, und andererseits zeigt eine Reihe von Verwaltungsrechtslehrern in der einschlägigen Dominanz der Rechtswissenschaft auch hohe Sachkompetenz zur Realität der öffentlichen Verwaltung. Die Dichotomie von Sein und Sollen führt dazu, dass unterschiedliche Konstellationen von Rechtstheorie und Rechtsmethodik im Felde von Normenwelt und Lebenswirklichkeit zu erörtern waren. Im Grunde war aber auf die Praxisnähe der Rechtsanwendungslehre zu verweisen, wenn man nicht überhaupt von der Einheit des juristischen Denkens ausgeht (Raiser 1964). Die Rechtsanwendung vollzieht sich in einem „Hin- und Herwandern des Blickes“ zwischen Rechtsnormen und Lebenswirklichkeit (Engisch 1963). Verallgemeinerungen der Normerfahrung dehnen sich dann auch auf die Wirklichkeitserfahrung aus, und zwar in pragmatischer Weise. Die öffentliche Verwaltung verfügt über eine eigene Welt der Möglichkeiten. Das wird im kontradiktatorischen Moment von Verwaltungsprinzipien deutlich. Manche treten von vornherein paarweise auf: Zentralisierung und Dezentralisierung, Stabilität und Flexibilität, Monokratie und Kollegialität usw. Gerade dieser Umstand hat die methodologische Kritik als „Proverbs of Administration“ hervorgerufen (Simon 1946). Man übersieht dabei, dass es nicht um Organisationsgesetze eines Scientific Management, sondern um Orientierungsmaßstäbe für Bewertungen in der Verwaltungspraxis geht. An diese lässt sich freilich wissenschaftliche Reflexion anknüpfen. Potentialität des Verwaltungshandelns führt in die wissenschaftliche Welt von Wirklichkeit, Möglichkeit, Kontingenz, Notwendigkeit. Unter dem Vorzeichen fachwissenschaftlicher Erkenntnisinteressen war festzuhalten, dass die öffentliche Verwaltung für die Zukunft offen ist und überdies sich ihre Möglichkeiten in einer veränderlichen Welt ständig ausweiten. Zwei Problembereiche wurden dazu vertieft: Prognosen und Technologien. Die moderne Verwaltung hat sich in Daseinsvorsorge und öffentlicher Wohlfahrt zu einem „Pläne-Staat“ entwickelt. Entsprechend groß ist ihr prognostischer Bedarf. Fachpläne für Raumordnung, Straßenbau, Krankenhausbedarf usw. sind auf Vorhersagen angewiesen. Auch für die Organisation der Verwaltung selbst im Raum
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kommt es auf Prognosen an. Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung gehören zu den Grundinformationen für den räumlichen Zuschnitt von Verwaltungen. Entsprechend waren die methodologischen Anforderungen an Prognosen und an Projektionen zu diskutieren. Technologische Entwicklungen prägen die Zukunft der öffentlichen Verwaltung. Dabei geht es nicht nur um physische Technologien, sondern auch Sozialtechnologien. Instrumentell umgeformte Aussagen zur Frage „Was können wir tun?“ betreffen auch die Verwaltungswissenschaft. Zur Diskussion standen damals Modelle wissenschaftlicher Beratung: ein dezionistisches Modell, ein technokratisches Modell und ein pragmatisches Modell (Habermas 1966). Sie forderten eine Stellungnahme aus Sicht der Verwaltungswissenschaft heraus. Der „rationale Staat“ ist auf rationaler Verwaltung beruhend gekennzeichnet, die bürokratische Verwaltung als formal rationalste Form der Herrschaftsausübung bezeichnet worden (Weber 1956). Die Verwaltungswissenschaft muss ihren Fragehorizont über reales Verwalten hinaus auf ideale Handlungszusammenhänge ausdehnen, und zwar noch vor den Problemen einer Verbindlichkeit des Rechts als einer Sollensordnung. Rationalität ist dann freilich nicht von vornherein als Widerspruch zum realen Sein gemeint. Rationaler Handlungssinn steht nicht völlig außerhalb der Wirklichkeit. Zu solchen Sinnzusammenhängen führt das Modell-Denken, wie es in den Wirtschaftswissenschaften zum Homo oeconomicus entwickelt worden ist (Albert 1963). Das setzte in den Diskussionen der 1960er Jahre zunächst eine Auseinandersetzung mit dem logischen Empirismus voraus, um eine Grenzziehung zu finden (Papandreou 1958). Der Modellbegriff wird in den Wirtschaft- und Sozialwissenschaften vielfältig eingesetzt. Hier geht es um eine intelligible Welt, die über die empirisch feststellbaren Aktionen und Reaktionen öffentlicher Verwaltung hinausgeht. In der betriebswirtschaftlichen Methodologie findet man die Unterscheidung zwischen Idealmodellen und Realmodellen (Kosiol 1964). Als Idealmodelle gelten solche, die keinen Realitätsbezug aufweisen oder diesen offen lassen. Realmodelle wollen demgegenüber Gegenstände einer bestimmten empirischen Realität abbilden. Von hier aus führt der Weg zu den methodologischen Problemen einer Unterscheidung zwischen Realtypus und Idealtypus (Machlup 1960/61). Für die Verwaltungswissenschaft sind insoweit zwei Vorgehensweise in interessant. Erstens geht es um Konstruktionen nach Art von Managementmodellen. Hier stellt sich die Frage, ob sie reine Idealmodelle sind oder ob sie erfahrungswissenschaftliche Bezüge aufweisen. Heute wird man im Namen einer Evidenzorientierung von der Verwaltungspolitik verlangen, dass ihre Reform- und Modernisierungsmodelle auch erfahrungswissenschaftlich fundiert sind. So hat man in den USA zu „Reinventing Government“ – New Public Management – kritisiert, dass dessen empirische Grundlagen zu schmal seien. Das gilt erst recht für das Neue Steuerungsmodell. Hier hat man sich zunächst auf die wohl eher atypische Erfahrung einer einzelnen niederländischen Stadtverwaltung gestützt.
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Zweitens interessiert schon wegen der hohen Relevanz seiner Bürokratietheorie die idealtypische Methode Max Webers. Das Ausmaß ihrer Fruchtbarkeit hängt von ihrem wissenschaftstheoretischen Status ab. Dieser ist umstritten. Er ist so offen gelassen, dass von ihm der Blick sowohl auf den Bereich des äußerlich durch Beobachtung, Messung, Experiment Erfahrbaren wie auf die Welt des Gedachten, Ideenhaften, Rationalen fallen kann. So ist dann für die einen der Idealtypus ein „empirischer Begriff“ (Winckelmann 1969), für andere ein „objektiver Richtigkeitstypus“ (Mayntz 1965). Ohne hier auf die wirtschaftswissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Modell- und Typusdiskussion noch weiter einzugehen, kann für die Verwaltungswissenschaft festgehalten werden, dass mit dem Konzept der Bürokratie kein präskriptiv-rationales Modell der „richtigen“ Verwaltung gemeint ist. Vielmehr sind die einzelnen Begriffselemente aus der historischen Wirklichkeit insbesondere der preußischen Verwaltung herausgearbeitet worden. Andererseits bedeutet das Bürokratiekonzept keine deskriptiv-empirische Aussage zur Organisationwirklichkeit der öffentlichen Verwaltung. Das Konzept beansprucht nicht empirische Vollständigkeit. Andere Organisationselemente sind erfahrbar, insbesondere auch informelle. Es müssen in einer bestimmten Situation öffentlicher Verwaltung nicht alle Merkmale des Bürokratiekonzepts als gemeinsam in der Wirklichkeit auftretend beobachtbar sein. Es geht nicht um eine geschlossene Erfahrungswelt. Andere Organisationsstrukturen sind möglich, andere organisatorische Funktionserfordernisse können auftreten. Im Grunde geht es darum, die Systemrationalität der öffentlichen Verwaltung in der kontinentaleuropäischen Moderne aus dem historischen Anschauungsmaterial zu entschlüsseln; jenes Bündel von Struktur- und Funktionsprinzipien ist herauszuarbeiten, das die innere Ordnung der modernen Verwaltung konstituiert und Kopplungen an rationale Herrschaftsverhältnisse begründet. Die Verwaltungswirklichkeit ist nicht ausgeschöpft, Richtigkeit für sich nicht in Anspruch genommen. Aber selektive Empirie und mittlere Abstraktionen liefern Anknüpfungspunkte, an denen sich das konkret beschreibbare Anschauungsmaterial der öffentlichen Verwaltung festmachen lässt. Insgesamt erweisen sich dann Rationalitätskriterien wie Wirtschaftlichkeit, Effizienz, Effektivität, Normadäquanz als ein weites Feld für die Verwaltungswissenschaft. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften pflegt man zwischen normativen und empirischen Aussagen zu unterscheiden. So hält man zum Beispiel der normativen die explikative Betriebswirtschaftslehre gegenüber (Katterle 1964). Wollte man in integrationswissenschaftlicher Absicht die Verwaltungsrechtslehre einbeziehen, musste man deren spezifische Normativität im Blick auf das Verwaltungshandeln darstellen. Stellt die Betriebswirtschaftslehre ein Planungs- und Budgetierungsmodell vor, dann verbindet sie mit den einschlägigen präskriptiven Aussagen keine Verpflichtung. Die Wirksamkeit ist auf praktische Implementation angewiesen. Interpretiert die Verwaltungsrechtsdogmatik eine haushaltsrechtliche Vor-
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schrift, dann geht sie von deren Geltung, deren Verbindlichkeit aus. Die Verwaltungsrechtslehre ist in dieser spezifischen Weise normative Disziplin. Jenseits von Durchsetzungschancen manifestiert sich die Wirksamkeit der Norm in Rechtsvollzug. Zur Verwaltungsrechtslehre ist im deutschen Falle zu berücksichtigen, dass die öffentliche Verwaltung kulturell stark durch die Rechtsanwendung geprägt ist, dass das Recht gesetzt ist und dass man es in dieser Positivität auch unternimmt, ethische Normen rechtlich – etwa in einem Disziplinarrecht – zu erfassen. Von hier aus sind für die Integrationsfrage zu einer Verwaltungswissenschaft vielfältige Aspekte zu behandeln. Das reichte von Methodenproblemen der Rechtswissenschaft über erfahrungswissenschaftliche Kontexte bis zu Logik und Rechtssprache. Von besonderen Interesse war dabei die aufkommende elektronische Datenverarbeitung in Recht und Verwaltung. Sie warf Probleme auf, die einer rechtsdogmatischen Argumentation zugänglich waren, insbesondere der Datenschutz des Bürgers. Wenn es aber darum ging, Steuern, Renten, Dienstbezüge usw. zu berechnen und zahlbar zu machen, war anderes verlangt. Prozesse der Rechtsanwendung mussten in Operationen der maschinellen Datenverarbeitung übersetzt werden. Dazu mussten die logisch-semantische Struktur jeweiliger Rechtsvorschriften einerseits und ihre Digitalisierbarkeit in Maschinenprogrammen andererseits aufgedeckt werden. Möglichkeiten und Grenzen waren zu erörtern. Unter den jüngeren verwaltungsrelevanten Wissenschaftsentwicklungen interessierte mich insbesondere die Entscheidungstheorie. Denn die Herstellung bindender Entscheidungen ist offenkundig eine Grundfunktion der öffentlichen Verwaltung. In der Verwaltungsrechtslehre kommt der Entscheidungsbegriff vor, gehört aber nicht zur Dogmatik der Handlungsformen. Für die Verwaltungswissenschaft war abzusehen, dass er zu einem Schlüsselbegriff werden würde. Allerdings konnte man nicht ohne weiteres einen international gängigen Entscheidungsbegriff übernehmen (Bross 1966). Dem stand im deutschen Falle der Dezisionismus Carl Schmitts (1934) und die dadurch ausgelöste Diskussion entgegen (Lübbe 1956). Anthropologische Einsichten führten dann zu einem alltagstauglichen, auch Unterlassen umfassenden Entscheidungsbegriff einer Grundstruktur des Handelns (Rothacker 1948). Man fand Anschluss an den „decision making approach“, wie ihn insbesondere Herbert A. Simon (1961) in der Verwaltungswissenschaft einen festen Platz verschafft hat. Unter den entscheidungstheoretischen Fragestellungen ist insbesondere auf die Unterscheidung zwischen offenen und geschlossenen Entscheidungsmodellen zu verweisen. Letztere öffnen den Weg zu quantitativen Techniken wie Operations Research oder Netzplantechnik. Das Forschungsvorhaben „Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft“ wurde in der Intention der 1960er Jahre durchgeführt, nämlich eine Fachwissenschaft zu begründen. Das Projekt für sich muss man aber als transdisziplinär charakterisieren. Die Wissenschaftstheorie verbindet mit den Kategorien von Disziplinarität, Multidisziplinarität, Interdisziplinarität, Transdisziplinarität weniger die Bestimmung von Kernbereichen der Wissenschaftsentwicklung, vielmehr die Grenzzie-
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hung zwischen den Fächern. Unter Interdisziplinarität versteht man so Modi der Lehre und Forschung, bei denen man sich gegenüber Nachbarfächern öffnet, aber an den eigenen Fachgrenzen festhält. Transdisziplinarität bedeutet demgegenüber eine Wissenschaftsform, bei der Fachgrenzen aufgehoben und die wissenschaftliche Kapazität für Perzeption und Problemlösung durch eine eigene Wissenschaftsprogrammatik erweitert wird. Damit wird ein wissenschaftstheoretisches und forschungspraktisches Programm verbunden, das dort, wo die Wissenschaft an problemlösender Kraft wegen der Spezialisierung eingebüßt hat, disziplinäre Engführungen zugunsten einer Erweiterung wissenschaftlicher Wahrnehmungsfähigkeit und Problemlösungskompetenzen wieder aufgehoben werden (Mittelstraß 1996). Angesichts der Anforderungen an eine professionelle Ausbildung für den Verwaltungsdienst, an Forschungs- und Beratungsleistungen zur Verwaltungsreform, an eine internationale Anschlussfähigkeit richtete die akademische Mehrheit an der damaligen Hochschule Speyer ihre Erwartungen auf eine verwaltungswissenschaftliche Programmatik. Ein integrationswissenschaftlicher Versuch zu einer solchen Programmatik, der das integrative Potential der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ausloten will, führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Man stößt auf Theorien, die eng mit ihrem Fach verbunden sind, etwa die Freirechtsschule oder eine auf das Marktversagen begrenzte Theorie der öffentlichen Güter. Auch Methodologien, die den Wissenschaftspluralismus gering schätzen, etwa ein empirischer Positivismus, können Engführungen bedeuten. In der Breite bieten freilich die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vielfältige Anstöße zu einer integrativen Verwaltungswissenschaft. Verlässt man das Feld von Erkenntnis und Methode und schaut man auf inhaltliche Aussagen, dann bieten selbst streng an ihr Fach gebundene Theorien wie die Reine Rechtslehre Anregungen für die Verwaltungswissenschaft (Merkl 1927). Hinter der Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung steht eine allgemeine Einsicht in das Verwaltungshandeln, wie man sie in der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft als „cascade of decisions“ wiederfindet. Will man angesichts der unterschiedlichen Relevanz rechts-, wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Aussagen für die integrative Verwaltungswissenschaft Lehren von hohem Integrationspotential im Kontext von Gegenstand und Methode nennen, dann steht in der deutschen Wissenschaftsgeschichte die Bürokratietheorie von Max Weber (1956) wohl an erster Stelle. Methodisch ermöglicht seine selektive Empirie angesichts der Breite eines Gegenstandes wie die moderne öffentliche Verwaltung deren Grundstrukturen und Grundprinzipien heraus zu arbeiten. Da die öffentliche Verwaltung in ihrer Rationalität herausgestellt wird, wird auf Sinnzusammenhänge und damit auch auf Verstehen abgestellt (Greshoff 2008). Angesichts der Komplexität und Veränderlichkeit einschlägiger Institutionalisierungen in Raum und Zeit ist es für einen wissenschaftlichen Wahrheitsanspruch unverzichtbar, jeweilige Sinnqualitäten zu verstehen. Das wird in Webers Typenbildung geleistet und zugleich werden Sachaussagen zu den Merkmalen moderner Verwaltung getroffen.
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Sieht man auf Theorien höherer Abstraktion, so kommt der Theorie der Verwaltungswissenschaft von Niklas Luhmann (1966) hohes Integrationsvermögen zu. Sie greift das Desiderat einer Verwaltungswissenschaft in Deutschland auf und bietet kompatible theoretische Ansätze. Luhmanns Publikationen zu Sachthemen von Recht und Verwaltung belegen eine Sachkompetenz, die er auch in der Verwaltungspraxis erworben hatte. Allerdings muss im Rückblick angemerkt werden, dass es sich um sein Werk vor der Zuwendung zur Autopoiesis handelt. Später hat er wohl auch aus theoretisch-methodischen Gründen einen so multireferenten Gegenstand wie die öffentliche Verwaltung verloren. Anders verhält es sich mit entscheidungs- und verhaltenstheoretischen Ansätzen (Gore/Silander 1959/60), wie sie in den Vereinigten Staaten von Amerika entwickelt worden sind. Während meiner Studien zur Entscheidungstheorie hatte ich mich auch mit diesen wissenschaftlichen Aussagen, insbesondere denen von Herbert A. Simon (1961) befasst. Ihr Erkenntniswert war hochanerkannt. Ihre Relevanz auch für die öffentliche Verwaltung wurde nicht bezweifelt. Bei näherem Zusehen wurde aber deutlich, dass sie von einer US-amerikanischen Verwaltungskultur beeinflusst waren, und zwar in sozio-ökonomischer Weise. Es hätte also weiterer Reflexion bedurft, wollte man diese Aussagen auch für die deutschen Verhältnisse fruchtbar machen. Mit solchen entscheidungs- und verhaltenswissenschaftlichen Lehren wurde die Relativierung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch die jeweilige Rechts-, Wirtschafts- und Sozialkultur deutlich. Vor allem wurde aber einsichtig, dass integrationswissenschaftliche Arbeit nicht endlich ist, nicht durch ein Forschungsvorhaben zu einem Schluss gebracht werden kann. Die neuere Wissenschaftstheorie sieht Transdisziplinarität nicht in einem theoretischen, sondern in einem forschungspraktischen, das heißt operationellen Sinne konkret werden (Mittelstraß 1993). Transdisziplinarität gilt insofern auch in erster Linie als ein Forschungsprinzip, erst in zweiter Linie, wenn auch die Theorien transdiziplinären Forschungsprogrammen folgen, als ein Theorieprinzip. Man kann sich hiernach für integrationswissenschaftliche Intentionen nicht einfach von vorn herein an eine Theorie anlehnen oder einer Methode anschließen. Der operationelle Charakter der integrationswissenschaftlichen Arbeit hat zur Folge, dass man auf Gestaltung und Formgebung angewiesen war, ohne sich auf ein einschlägiges Handbuch zugreifen zu können. In diesem Prozess stand die integrative Verwaltungswissenschaft in den 1960er Jahren eher am Anfang.
B. Verwaltungswissenschaftliche Lehre I. Verwaltungswissenschaftliche Theorie Am Anfang der 1970er Jahre wurde das verwaltungswissenschaftliche Lehrangebot an der Hochschule Speyer über den bestehenden Lehrstuhl für Vergleichende Verwaltungswissenschaft hinaus ausgebaut. Mit einem Lehrstuhl für angewandte Verwaltungswissenschaft wurde verdeutlicht, dass für dieses Unternehmen ein gewisser Pragmatismus unverzichtbar, dass die praktische Nutzanwendung für das Verwaltungsleben auch ein Kriterium für wissenschaftliche Fruchtbarkeit ist. Mit einem Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft mit theoretischem Schwerpunkt wurde das Erfordernis einschlägiger Grundlagenforschung anerkannt. Mit einem etwas später errichteten Lehrstuhl für quantitative Methoden und elektronische Datenverarbeitung wurde eine Hauptströmung der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung reflektiert. Zugleich wurde die Multidisziplinarität verwaltungsrelevanter Fächer gestärkt: 1971 durch die Organisationssoziologie, 1972 durch die Betriebswirtschaftslehre und durch die Volkswirtschaftslehre mit Wirtschaftspolitik, 1974 durch die Politikwissenschaft. Überdies wurden weitere rechtswissenschaftliche Lehrstühle errichtet. Nach einer praktischen Berufstätigkeit in der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz wurde ich 1972 auf den Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft mit theoretischem Schwerpunkt berufen. Zu meinen ersten Aufgaben in diesem neuen verwaltungswissenschaftlichen Lehrangebot gehörte es, eine Vorlesung „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ zu konzipieren und durchzuführen. Eine solche Einführung unterliegt bestimmten Vorgaben. Gegenstand der Lehrveranstaltung sollte das Allgemeine der öffentlichen Verwaltung sein – vergleichbar der Lehre vom allgemeinen Verwaltungsrecht. Ihren Kern sollte die deutsche Verwaltung ausmachen, wie Verwaltungen in der Moderne primär nationalstaatlich definiert worden sind – in Deutschland mit dem Aufbau der Reichsverwaltung. Dabei sollten Vergleiche mit dem Ausland, der Blick auf den Institutionentransfer und auch Entwicklungen der internationalen Verwaltung von Fall zu Fall berücksichtigt werden. Didaktisch sollte dieser Stoff so gestaltet sein, dass die Hörer daraus ein Nutzen für ihre spätere berufliche Tätigkeit ziehen konnten. Zwar hat Speyer auch einen allgemeinen Bildungsauftrag, wie er etwa in einem Lehrstuhl für Neuere Geschichte zum Ausdruck kommt (Morsey 1997). Im Besonderen dienen die Ergänzungs- und Weiterbildungsstudien in Speyer aber der Professionalisierung für die öffentliche Verwaltung. Man kann also eine solche Vorlesung nicht nach der Weise eines Liberal Arts-Studiums anlegen. Der Ansatz einer „professional school“ ist maßgeblich, und
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dieser schließt weder ein weitergreifendes Bildungsmoment noch eine theoretische Fundierung aus, wozu mich die Namensgebung meines Lehrstuhls verpflichtete. Hinter dem Begriff der Theorie steht eine Vielfalt von Konzepten, die komplex und veränderlich sind und immer wieder Methodenstreit auslösen (Thiel 2004). Als Ausgangspunkt kann man die alltagssprachliche Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis wählen. Die Praxis stellt etwa einen Gesetzgebungsreferenten vor ein Problem konkreter Wirklichkeit, zu dessen Lösung er alle Bezüge der Handlungssituation – politische, rechtliche, wirtschaftliche usw. – ausloten muss. Demgegenüber urteilt ein wissenschaftlicher Berater in der Ausdifferenzierung moderner Fachwissenschaften prinzipiell aus einer Disziplin heraus und ist insofern Theoretiker, da seine Aussagen als Jurist, Ökonom, Politologe usw. nur einen Ausschnitt aus der Problemwirklichkeit treffen. Man muss freilich zu dieser Gegenüberstellung hinzufügen, dass das Theorie-Praxis-Verhältnis sich als komplizierter erweist. Überspringt man die Vielfalt des Theorieverständnisses mit ihren Erfahrungs- und Wertbezügen, so kann man als Endpunkt die große Theorie nennen. Die „Grand Theory“ zeichnet sich durch hohe Abstraktion und Komplexität aus und hält sich in ihrem Universalanspruch nicht an Fachgrenzen. Sieht man in der Verwaltungswissenschaft nicht eine Hilfswissenschaft der Verwaltungsrechtslehre, nicht einen Fachteil der Politischen Wissenschaft, nicht als Öffentliches Management ein Nebenfach der Betriebswirtschaftslehre, sondern eine „discipline carrefour“, eine integrative Wissenschaft, die sich auch auf die Ergebnisse verwaltungsrelevanter Wissenschaft stützt und in einem eigenen Integrationsprozess einen wissenschaftlichen Mehrwert schafft, dann müssen große Theorien in ihrem fachübergreifenden Charakter für sie attraktiv sein. Von ihnen konnte man erwarten, dass sie der Verwaltungswissenschaft eine erkenntnistheoretisch-methodologische Ausrichtung vermitteln. Hier lässt sich bei Niklas Luhmann anknüpfen, der diese Erwartung mit Funktionalismus und Systemtheorie verbunden hat. Wenn man ablehnt, eine Theorie als Grundlage schlechthin für einen fachwissenschaftlichen Bereich zu sehen, so schließt das nicht aus, Bausteine aus einer solchen Theorie zu nutzen. Angesichts der damaligen Affinität von Luhmann zur öffentlichen Verwaltung bieten sich insoweit zwei Konzepte an, nämlich die öffentliche Verwaltung als ausdifferenziertes soziales System zu betrachten und in der verbindlichen Entscheidung ihre Grundfunktion zu sehen. Hingegen schien es angemessen, die struktur-funktionale Methode (Parsons 1972) dem Funktionalismus Luhmanns vorzuziehen. Zwar wäre es möglich gewesen, zuerst Verwaltungsfunktionen zu identifizieren und diese dann strukturell zu verknüpfen. Nimmt man zum Beispiel das Akronym „POSDCORB“ der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft, dann lässt sich mit Planen, Organisieren, Personalausstatten, Dirigieren, Koordinieren, Berichten, Budgetieren viel von den Erfahrungsmaterialien der öffentlichen Verwaltung erfassen. Spielt man aber diese Materialien entsprechend funktional durch, dann wirkt das Ergebnis doch konstruiert und in einer Vorlesung schwierig nachzuvollziehen. Strukturen lassen sich demge-
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genüber anschaulich darstellen und sich in ihrer Differenzierung plastischer in den Gesamtzusammenhang einordnen. Anzumerken ist, dass dies eine didaktische Weichenstellung für eine Vorlesung war. Nicht ausgeschlossen war, dass an anderer Stelle die funktional-strukturelle Methode, insbesondere in der Vergleichenden Verwaltungswissenschaft der Äquivalenzfunktionalismus vorzuziehen sind. Weiterhin warf die Grundeinheit des Systems Fragen auf. Handeln oder Kommunikation als konstitutives Element anzunehmen, hätte angesichts eines so breit aufgestellten sozialen Gebildes wie die öffentliche Verwaltung zu einem Abstraktionsgrad geführt, der nicht nur für eine Einführungsvorlesung unangemessen wäre. Es musste auf ein soziales Phänomen abgestellt werden, dass für sich schon aggregierend wirkt. Man findet es in einer weiteren großen Theorie, nämlich im Institutionalismus. Mit ihm hatte ich mich während meines Speyerer Ergänzungsstudiums im Sommersemester 1960 in einem Seminar Arnold Gehlens befasst. Nach den Vorankündigungen hatte ich erwartet, dass Gehlen sich mit der Bürokratieforschung auseinandersetzen würde, auf deren Feld die deutsche Wissenschaft mit Max Weber einen international anerkannten Gelehrten vorweisen kann. Indessen präsentierte Gehlen in seinem Seminar Auszüge eines Manuskripts zur anthropologischen Forschung (1961), und so wurde ich durch eine Wissenschaftlerpersönlichkeit von Originalität und Sprachgewalt vom Institutionalismus überzeugt. Im Werk Gehlens ist Institution ein durchgängiger Grundbegriff. Die Institutionenbedürftigkeit ergibt sich für ihn aus der Beschaffenheit des Menschen (Jonas 1966). Nun wäre es für das Erkenntnisinteresse einer Verwaltungswissenschaft überfordernd, die Kategorie der Institution in ihrer anthropologischen Tiefe jeweils mitzuführen. Indessen sind soziale Gebilde, Regulative, Mitgliederrollen, Organisationseinheiten als Institutionen Fundament auch von Staat, Regierung und Verwaltung. Als verfestigte, verstetigte, internalisierte Handlung- und Orientierungsmuster regeln und steuern sie auch öffentliche Einrichtungen und begrenzen und ermöglichen sie zugleich. Überdies erlauben sie, die Dichotomie von Sollen und Sein zu überbrücken. Institutionen enthalten als Verhaltenserwartungen ein normatives Moment. Zugleich lässt sich empirisch erforschen, ob sie wirklich maßgeblich sind. Nimmt man das Beispiel der politischen Beamten, so haben wir es mit einer durch Beamtengesetz formalisierte Institution zu tun, während der Status des Exekutivpolitikers etwa in einem Ministergesetz geregelt ist. Mit der Parteipolitisierung auch der öffentlichen Verwaltung stellt sich die Frage, ob diese Unterscheidung faktisch obsolet geworden ist. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass politische Beamte und Exekutivpolitiker nach wie vor von einem unterschiedlichen Rollenverständnis geprägt sind (Derlien 2008). Das politische Beamtentum steht nicht nur auf dem Papier. Mit solcher Erfahrung wird das normative Moment der Institution nicht exklusiv. Es lässt sich abweichendes Verhalten beobachten, wenn etwa der Leiter einer Planungsabteilung sich zuerst als Vertreter einer Parteiideologie darstellt. Aber die Institution des politischen Beamten hat sich als wirklich maßgeblich
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erwiesen, und auf die wirkliche Maßgeblichkeit von Institutionen kommt es für die Verwaltungswissenschaft an. Hiernach bietet ein systemischer Institutionalismus der verwaltungswissenschaftlichen Lehre einen theoretischen Rahmen. Die öffentliche Verwaltung ist ein soziales System, das es in seiner spezifischen Systemrationalität zu entschlüsseln gilt. Es ist durch einen Satz differenzierter Strukturen gekennzeichnet: in den Programmstrukturen manifestieren sich die Verwaltungsaufgaben, in den Organisationsstrukturen der Aufbau der Verwaltung, in den Prozessstrukturen die Handlungsund Kommunikationsabläufe, in den Personalstrukturen der Verwaltungsdienst. Die Grundfunktion der Herstellung bindender Entscheidungen differenziert sich wiederum in vielfältige Teilleistungen: der Problemidentifikation, der Planung, der programmierenden und der programmierten Entscheidungen, der Implementation, der Evaluation, der Rückmeldung, der Kontrolle und anderes mehr. Die theoretische Fundierung bezeichnet unter dem Vorzeichen einer von Gesetz und Recht geprägten Verwaltungskultur zugleich den Unterschied zwischen der verwaltungsrechtlichen und der verwaltungswissenschaftlichen Lehre. Die Verwaltungswissenschaft nimmt nicht an juristischer Argumentation und Meinungsbildung zu dem teil, was von Rechts wegen geboten und verboten ist. Sie folgt nicht der rechtsdogmatischen Teilnehmerperspektive, sondern einer Beobachterperspektive, wie man sie auch in der Rechtstheorie kennt (Alexy 1992). Im systemischen Institutionalismus lautet die Grundfrage, welchen Beiträge Rechtsinstitutionen zur Systemrationalität der öffentlichen Verwaltung leisten, und dies ist strukturellfunktional zu klären. Damit war der „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ ein gewisser theoretischer Rahmen gesetzt. Gleichwohl erschien die Differenz zwischen diesem Rahmen und dem zu vermittelnden Erfahrungsmaterial weiterhin einer Überbrückung bedürftig. Hier konnte man auf den von Robert K. Merton (1957) gewiesenen Weg der Theorien mittlerer Reichweite zugehen, und zwar nicht um die großen, „endlos weitreichenden Theorien“ von Institutionalismus und sozialen Systemen abzulehnen, sondern um sich in einem weiteren Erkenntnisschritt seinem Gegenstand zu nähern. Hier kann in der der deutschen Wissenschafts- und Verwaltungsgeschichte auf die Theorie der bürokratischen Verwaltung von Max Weber (1956) als Theorie mittlerer Reichweite zugegriffen werden. Webers Theorie zeigt durchaus Reichweite. Das kann man daran ablesen, welchen Einfluss sie auf die Entwicklung des Faches Public Administration in den USA genommen hat (McCurdy 1977). Aber sie ist nicht universell. Sie ist eine Theorie der Moderne, insoweit begrenzt und etwa für Verwaltungen in Entwicklungsländern weniger aussagekräftig. Webers „Herrschaft mittels bürokratischen Verwaltungsstabs“ wird durch einen Merkmalskatalog spezifiziert. Dazu gehört die Trennung von privaten und betrieblichen Mitteln, Haushalt und Büro, Personen und Amt. Die bürokratische Organisation manifestiert sich in einer festen Zuständigkeitsordnung und in einem hierarchisch-pyramidenförmigen Aufbau. Die Amtstätigkeit ist regelgebunden, er-
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folgt formal „ohne Ansehen der Person“. Schriftlichkeit und Aktenkunde bestimmen die Kommunikation. Im Personellen charakterisieren Professionalisierung und Kompetenz die bürokratische Verwaltung. Das Amt ist Beruf. Haupttätigkeit, Fachschulung, Geldentlohnung, Ernennung, Lebenszeitlichkeit sind weitere Merkmale. Diese Merkmalskonstellation lässt sich nicht nur auf die deutsche Tradition beziehen. In der Vergleichenden Verwaltungswissenschaft zählt das „Bürokratische Modell“ zu dem Kernbestand des klassischen Verwaltungssystems, wie es für die kontinentaleuropäischen Länder als charakteristisch angesehen wird (Heady 1966). Hinzu kommt, dass die Bürokratie älter als die Demokratie ist und die bürokratische Verwaltung hohe historische Kontinuität aufweist und den Wandel politischer Regime überlebt hat. Wenn man davon ausgehen kann, dass die moderne Verwaltung primär nationalstaatlich geprägt ist, so bleiben doch bürokratische Gemeinsamkeiten auf dem Kontinent. Die kulturelle Differenzierung in Europa betrifft weniger die napoleonische Verwaltung (Wunder 1959) im Verhältnis zur deutschen oder österreichischen Verwaltungstradition, mehr die Whitehall-Administration Großbritanniens (McEldowey 2014). Ein „Brexit“ ist verwaltungswissenschaftlich auch von den kulturellen Unterschieden in den Verwaltungsinstitutionen her zu verstehen. Jedenfalls eignet sich die Bürokratietheorie Max Webers als ein mittlerer theoretischer Rahmen für den verwaltungswissenschaftlichen Lehrstoff, zumal seine Typenbildung auf – wenn auch selektiven – erfahrungswissenschaftliche Erkenntnissen beruht.
II. Verwaltungswissenschaftlicher Pragmatismus Hätte man Anfang der 1970er Jahre einen streng empirisch-szientistischen Anspruch an eine Einführung in die Verwaltungswissenschaft erhoben, wäre im deutschen Falle nicht viel mehr vorzutragen gewesen, als was im Rahmen der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts zum Personal im öffentlichen Dienst – Eintritt und Karrieren – erfahrungswissenschaftlich untersucht worden ist (Luhmann/Mayntz 1973). Auch wenn man die weiter verfügbaren Aussagen verwaltungswissenschaftlicher Intention beigezogen hätte, wäre wohl kaum ein zureichendes Bild von der aktuellen Situation zu zeichnen gewesen. Man war darauf angewiesen, Informationen aus der Verwaltungspraxis selbst beizuziehen: eben Kommissionsberichte, amtliche Dokumente, Reformpapiere, Arbeitsberichte, Aufsätze von Mitarbeiter, persönliche Stellungnahmen und vieles mehr. Es zeigte sich, dass man in der integrationswissenschaftlichen Arbeit gleichermaßen auf wissenschaftlich generiertes wie auf praktisch generiertes Wissen zurückgreifen muss, beides freilich in eigenständiger Reflexion. Anzumerken ist hier, dass heute in der transdisziplinären Forschung eine Methodik anerkannt ist, die wissenschaftliches Wissen und praktisches Wissen verbindet (Bergmann/Schramm 2008).
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Für die Verwaltungswissenschaft kommt hinzu, dass nicht nur die wissenschaftliche Forschung an eine Vernunftkultur gebunden ist, sondern dass auch Verwaltungshandeln in der Moderne unter dem Anspruch des rationalen Staates und der rationalen Verwaltung steht. Das erleichtert den pragmatischen Brückenschlag der Wissenschaft zur Praxis. Der Pragmatismus ist eine wissenschaftsphilosophische Schule mit vielfältigen Verwurzelungen zum Praxisbezug (Lorenz 2004). Umgangssprachlich bezeichnet man damit eine Einstellung, die sich nicht an Prinzipien und weiten Zielsetzungen, sondern am erwarteten Nutzen orientiert. Diese Einstellung war eine Zeit lang in der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft insbesondere unter dem Eindruck von Managementlehren einflussreich. Die für die Verwaltungswissenschaft relevanten Vorstellungen, Begriffe, Urteile, Anschauungen wurden als Regeln für administratives Verhalten angesehen. Wissenschaftliches Denken wurde als eine Aktivität verstanden, deren Sinn es sei, sich in Verwaltungshandeln umzusetzen. Die Kriterien wissenschaftlicher Wahrheit sollten in der praktischen Nutzanwendung liegen. Das Know-how – das Wissen, wie etwas gemacht werden muss – wurde vorrangig. Die Nützlichkeit in den praktischen Konsequenzen wurde zum Maßstab auch für die Wissenschaftlichkeit. Die „power to work“ bedeutete auch wissenschaftliche Bewährung. Nützlichkeit zum ausschließlichen Kriterium des wissenschaftlichen Pragmatismus zu erheben, ist aus vielen Gründen problematisch. Für die Verwaltungswissenschaft seien zwei Aspekte genannt. Zum einen scheitern Projekte der Verwaltungsmodernisierung nicht einfach daran, dass sie keinen Nutzen stiften. Gegenkräfte können aus der Politik, der Finanzierung, dem bürokratischen Widerstand kommen. Zum anderen laufen Nützlichkeitserwägungen Gefahr, von situativen Gründen geprägt zu sein. In einer Langzeitbeobachtung der öffentlichen Verwaltung kann man zu ganz anderen Bewertungen kommen. So liegt es für die integrative Verwaltungswissenschaft nahe, vor allem auf einen begründeten Praxisbezug abzustellen und Nützlichkeitsurteile hintanzusetzen Bei Kultursystemen wie der öffentlichen Verwaltung sind zwei soziale Phänomene zu beobachten, nämlich das äußere Verwaltungshandeln und der innere Handlungssinn, das Letztere nicht als psychische Größe, sondern als soziale Objektivation. Entsprechend geht es um Kausalzusammenhänge bzw. Sinnzusammenhänge. In der Wissenschaftstheorie stehen dafür die Feldzeichen von Erklären und Verstehen. Damit ist angedeutet, dass wir uns in ein hochkontroverses Feld der Wissenschaftlichkeit begeben, mit dem ich mich in den „Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft“ auseinandergesetzt habe und das heute weiter diskutiert wird (Greshoff 2008). Im Grunde weist Max Weber (1956) in eine der integrativen Verwaltungswissenschaft angemessene Richtung, indem er es unternimmt, Erklären und Verstehen zusammenzuhalten. In der transdisziplinären Verwaltungsforschung ist weder auf das Eine noch das Andere zu verzichten, ohne den Mehrwert integrationswissenschaftlicher Arbeit zu mindern.
II. Verwaltungswissenschaftlicher Pragmatismus
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Wollte man seinen Hörern in einer „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ nicht nur allgemeines Bildungswissen – die verwaltete Welt, die Unentrinnbarkeit der Bürokratie, die Hierarchie usw. –, sondern auch Orientierungswissen für einen späteren Verwaltungsberuf vermitteln, so musste man einen praxisaffinen wissenschaftlichen Standort beziehen. Dafür waren die 1970er Jahre eine günstige Zeit. Man war nicht darauf angewiesen, nur die Traditionsbestände von Verwaltungsaufgaben, Verwaltungsorganisation, Verwaltungsverfahren, Verwaltungspersonal vorzutragen. Vielmehr gab es eine Vielfalt von Initiativen zu Verwaltungsreformen. Diese Modernisierungsdiskussionen wurden von Politik und Verwaltung nicht einfach selbstbezüglich geführt. Vielmehr kam es zu einem breiten Dialog mit den verwaltungsrelevanten Wissenschaften, der sich in der Mitgliedschaft in Kommissionen, in Gutachten und Beratungen äußerte und von Fall zu Fall auch pragmatische Abwägungen verlangte. So ging es bei den Verfahrensproblemen um das rechts- und verwaltungspolitische Projekt einer Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts, mit der ich mich zuerst an der Universität Wien und dann im Speyerer Forschungsinstitut befasst hatte (Ule/Becker/König 1967). Ein umfängliches Projekt mit hoher wissenschaftlicher Beteiligung dieser Zeit war die Reform des öffentlichen Dienstrechts. Die dazu berufene Studienkommission legte 1973 ihren Bericht vor, und zwar mit einer Fülle von Vorschlägen zum Dienstverhältnis, zum Berufszugang und Berufsweg, zur Bezahlung, zur Versorgung usw. mit dem Ende eines einheitlichen Dienstrechts. Der damalige Bundesminister des Innern wurde vom Kabinett beauftragt, auf dieser Grundlage ein Aktionsprogramm zum öffentlichen Dienst vorzulegen. Da er sich sachkundig in dieser Materie machen wollte, bat er mich, ihn in Fragen des öffentlichen Dienstes zu beraten. Weil eine Vereinheitlichung von Beamtenrecht und Arbeitnehmerrecht zu einem einheitlichen Status im öffentlichen Dienst nicht durchsetzbar war, ging dann meine Mitarbeit zur üblichen Gutachtertätigkeit und Begleitforschung für das Ressort zu Einzelthemen – Ausbildung des gehobenen Dienstes, vertikales Laufbahngefüge – über. Die Neugliederung von Gemeinden und Kreisen hatte sich damals zu einer bundesweiten Reformbewegung ausgedehnt, an der die verwaltungsrelevanten Wissenschaften vielfältig beteiligt waren. Ich nenne den Fall der Eingemeindung von Umlandgemeinden in eine kreisfreie Stadt, weil dieser Fall mich später in meiner nebenamtlichen Richtertätigkeit am Oberverwaltungsgericht Koblenz wieder eingeholt hat. Eine von mir geleitete Arbeitsgemeinschaft war zu dem Ergebnis gekommen, dass vorrangig die Frage der Einkreisung der Stadt sei, da diese nach verbreiteten Maßstäben zu klein für eine Kreisfreiheit sei. Das führte vor Gericht zur Frage meiner Befangenheit. Unter dem Vorzeichen der Raumkategorie galt meine Aufmerksamkeit mehr der Planung, wie sie sich im Großen Hessenplan und in Nordrhein-Westfalen-Plan manifestiert hatte. Entsprechend interessierte ich mich auch in Verbindung mit der Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Hannover für räumliche Planungen im politisch-administrativen System der Länder (König/Schimanke 1980).
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B. Verwaltungswissenschaftliche Lehre
Während meiner praktischen Tätigkeit in der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz war ich mit Fragen der regionalen Wirtschaftsförderung befasst. Daneben gab es eine Reihe von Sonderaufträgen durch die politische Leitung, etwa zum Entwurf einer Regierungserklärung zur Beibehaltung der Behörde des Regierungspräsidenten als Mittelinstanz. Insgesamt wurde meine Arbeitszeit vom Thema der politischen Planung beansprucht (Schatz 1974). Die Leitung der neu eingerichteten Planungsabteilung im Bundeskanzleramt suchte die Zusammenarbeit mit den Staatskanzleien der Länder. Für einen Planungsverbund hatte sie die sogenannten A-Länder bereits gewonnen, als sie nach Mainz kam, um von hier aus auch die B-Länder von einem solchen Unternehmen zu überzeugen. Insofern fiel mir eine gewisse Koordinationsfunktion zu. Man konnte sich auf eine gemeinsame Analysearbeit bei Auswahl allgemein interessierender Themen einigen. Vereinbart wurde eine „Gesamtproblemanalyse längerfristiger Aufgaben bis 1985“. Arbeitsgruppen wurden eingesetzt, etwa zur Entwicklung der Mobilität in einem 15-jährigen Zeitraum. Der Planungsverbund zerbrach in den wachsenden parteipolitischen Konflikten des Jahre 1973. Hingegen habe ich mich nicht an dem Versuch beteiligt, in der Landesregierung von RheinlandPfalz ein Integriertes Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollsystem (IPEKS) einzurichten (Gnau 2015). Er ging von einem unrealistischen politischen Finalismus aus. Hier genügte die Lektüre von Niklas Luhmanns „Zweckbegriff und Systemrationalität“ (1968), um eines Besseren belehrt zu sein: ein schönes Beispiel für die Nützlichkeit einer treffenden Theorie. In der Vorlesung zur „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ konnte ich mich so nicht nur auf Reformen, sondern auch auf Reformerfahrungen stützen, die ich bis hin zur teilnehmenden Beobachtung gesammelt hatte. Das bietet didaktische Vorteile wie etwa Anschaulichkeit, birgt aber die Gefahr eines Subjektivismus. Man ist erkenntnistheoretisch gehalten, die notwendige wissenschaftliche Distanz zu seinen Erfahrungsgegenständen zu finden. Im Auditorium Maximum war es eine diskussionsfreudige und kritische Hörerschaft, die zur Selbstreflexion anregte. Es erwies sich hiernach, dass angesichts der Komplexität der verwalteten Welt und der Weite verwaltungswissenschaftlicher Fragestellungen auch an der Beobachtung als Methode der Sozialforschung festzuhalten ist (Friedrichs/Lüdtke 1977). Nur durch eine systematische Erfassung von Verwaltungsphänomenen durch eine möglichst enge persönliche Beobachtung bei distanzierter und rezeptiver Grundhaltung des Forschers konnte man erwarten, den Erkenntnisinteressen einer Verwaltungswissenschaft möglichst flächendeckend Rechnung zu tragen. Andere Methoden der Verwaltungsforschung waren damit nicht ausgeschlossen. Jedoch schätze ich den empirischen Nutzen einer an die jeweiligen Umstände anpassbaren Beobachtung höher als die Kosten einer wenig formalisierten Methodik ein.
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III. Verwaltungswissenschaftlicher Fragehorizont Anfang der 1970er Jahre kam die Studentengeneration der 68er nach Speyer. Nunmehr als Referendare war ihr Leitbild das eines „Marsches durch die Institutionen“. Für eine Einführung in die Verwaltungswissenschaft, gelesen durch einen Institutionalisten, hieß das, dass die Vorlesung breites Interesse in der Hörerschaft fand. Freilich sahen einige Wortführer in der Vorlesung auch den geeigneten Platz für ideologische Auseinandersetzungen, so insbesondere die Anhänger der Lehre vom staatsmonopolistischen Kapitalismus. Eine wissenschaftlich angemessene Antwort hierauf sah ich in der Ausweitung des verwaltungswissenschaftlichen Fragehorizonts durch Einbeziehung marxistischer Formen der Verwaltung, nämlich Kaderverwaltung und Räteverwaltung, in den Lehrstoff. Für einen theoretischen Ansatz in der Behandlung dieser Varianten konnte man sich nicht einfach auf eine erfahrungsgesättigte Typologie nach der Art Max Webers stützen. Man musste die Räteverwaltung trotz geschichtlicher Erfahrungen wie der Pariser Kommunen 1871 und dem russischem Rätesystem 1905 angesichts der historischen Lage der 1970er Jahre zunächst nach ihren Vordenkern bis hin zu Lenin ideologisch rekonstruieren und wissenschaftlich zunächst als Idealmodell vorstellen. Danach ging es um folgende Prinzipien und Funktionen: das Rätemodell intendiert die Verwaltung durch die Verwalter mit identitären Basiseinheiten der Urwählerschaft, mit Delegation an übergeordnete Räte für umfassendere Funktionen, hier in indirekter Wahl, mit imperativem Mandat, Öffentlichkeit, Abberufbarkeit, Ehrenamtlichkeit, gegebenenfalls Durchschnittseinkommen, Ämterrotation. Die Etablierung von Bürokratien wird als das Grundverhängnis des bürgerlichen Staates angesehen (Bermbach 1973). Auch zur Kaderverwaltung als Vorlesungsstoff schien es angemessen, Staat und Verwaltung des Marxismus-Leninismus zunächst als Idealmodell nachzuzeichnen. Zwar hatte sich die Sowjetunion von Rätegedanken lange getrennt und auf eine „Avantgarde“ der Vorkämpfer und Wegbereiter gestützt und entsprechendes Erfahrungsmaterial geliefert. Aber die stalinistisch-leninistische Geschichte wies so viel Varianten auf, dass es für verwaltungswissenschaftliche Erkenntnissinteressen angemessen erschien, vom aktuellen Stand der Ideologie auszugehen. Danach ist der Staat nach diesen Doktrinen das Hauptinstrument der Realisierung des Sozialismus. Die Aufgaben von Staat und Verwaltung waren in einer Funktionenlehre vorgegeben, also zu Wirtschaft und Organisation, zu Kultur und Erziehung, zu Arbeit und Konsumption, zum Schutz der sozialistischen Rechtsordnung usw. Im Aufbaugefüge ist der Staatsorganisation eine Parteiorganisation übergestülpt, und zwar mit spiegelbildlichen Weisungsbefugnissen in allen Bezügen. Verwaltungsintern sind die Parteimitglieder in einer Nebenhierarchie organisiert, um die Einhaltung der politischen Linie zu überwachen. Als allgemeines Organisationsprinzip gilt das des demokratischen Zentralismus. Das Personal des Staatsapparates wird als Kader definiert, die auf Grund ihrer politischen und dann auch fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten geeignet und beauftragt sind, Kollektive von Werktätigkeiten zu leiten.
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B. Verwaltungswissenschaftliche Lehre
An der Spitze des Personalkörpers steht die Nomenklatur. In jedem Falle dominiert das Politische. Grundkonzept der Entscheidungsprozesse der Verwaltung ist die Transmission des Parteiwillens, Entscheidungsregel die sozialistische Gesetzlichkeit mit ihrer parteilichen Immanenz. Wandte man sich nach der Aufzeichnung des Idealmodells der Erfahrungswelt der Kaderverwaltung zu, so bot sich als Referenz aus verschiedenen Gründen, auch sprachlichen, der reale Sozialismus der DDR an. Hinzu kam, dass die DDR in den sozialistischen „Bruderländern“ als der Musterschüler von Stalinismus und Leninismus galt. Sie war freilich kein Erfahrungsgegenstand, den man sich in freier Methodenwahl hätte erschließen können. Man musste mehrere Erfahrungsschichten aus unterschiedlichen Informationsquellen erschließen. Ich hatte den Vorteil, dass ich mich bereits in meiner juristischen Doktorarbeit mit Hoheitsakten der DDR befasst hatte. Überdies hatte ich eine Referendarstation im damaligen Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen absolviert. Ich betrat also keinen mir ganzen fremden Boden. Auf der anderen Seite musste man aber feststellen, dass die Verwaltung der DDR für sich kein besonderes wissenschaftliches Interesse gefunden hatte (Glaeßner 1977). Hingegen gab es eine breite DDR-Forschung zu Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, und hier erwies sich von wissenschaftlichem Nutzen, dass die Verwaltung im realen Sozialismus der DDR vollkommen eingeebnet war. Sie entwickelte keine Eigendynamik, keine Selbstreferenz. Bescheidene Überlegungen, etwa dem Verwaltungsrecht eine gewisse Schutzfunktion für die Bürger beizumessen, wurden von der höchsten Parteispitze ideologisch verbannt (Güpping 1997). Es stand also mit der DDR-Forschung ein Satz von Erkenntnissen zur Verfügung, der auch im Blick auf die Verwaltung konkretisiert werden konnte, also: Der Grundsatz der sozialistischen Gesetzlichkeit galt in seinen Varianten auch für Verwaltungsentscheidungen. Der stalinistisch-leninistische Weisungsstil führte entsprechend zu einer Kommandoverwaltung. Weitere Erfahrungsmaterialien konnte man sich durch den Besuch von wissenschaftlichen Veranstaltungen in Osteuropa und in internationalen Konferenzen erschließen. Früh erreichte mich eine Einladung eines verwaltungswissenschaftlich interessierten Professors an die Universität Warschau. Da er Rektor und zugleich in der Partei profiliert war, konnte er sich ein offenes Wort leisten. Ich war dann viele Jahre Mitglied in einem sich regelmäßig treffenden deutsch-polnischen Arbeitskreis von Verwaltungsjuristen, der die demokratische Wende überlebt hat. Informativ waren auch Tagungen in Ungarn, wo, wie es eben mit Musterschülern geschieht, manches kritische Wort zur DDR-Verwaltung zu hören war. Hingegen blieb ein Besuch der Sowjetunion ohne besonderen Erkenntnisgewinn. Zu den internationalen Kongressen im „westlichen Ausland“ insbesondere des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften kamen aus der DDR nur Reisekader der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Babelsberg. Sie hielten sich prinzipiell bedeckt. Aber in den sich wiederholenden Begegnungen gab
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es doch Faktoren, die zu informativen Gesprächen führten. So beanspruchte auch der reale Sozialismus der DDR, wissenschaftlicher Sozialismus zu sein, und insofern fällt es Professoren schwer, sich ganz der wissenschaftlichen Diskussion zu entziehen. Schließlich erreichte mich eine wohl einmalige Einladung nach Babelsberg, um in der Akademie Vorträge zur Verwaltungsreform in kapitalistischen Staaten zu halten. Auf diese Weise konnte man eine Fülle von Einzeleinsichten sammeln. So hörte ich zum Beispiel, dass ein DDR-Wissenschaftler empirisch den Tagesablauf von regionalen Ratsvorsitzenden, also Exekutivorganen, untersucht hatte. Zum Missfallen der Partei war er zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorsitzenden ihren Arbeitstag überwiegend in der Erörterung anstehender Probleme in verschiedenen Gremien verbrachten, um dann bei der abendlichen Rückkehr in das Büro die einschlägige Weisung aus Berlin vorzufinden. Die Ideologie der doppelten Unterstellung bedeutete, dass die regionalen und lokalen Verwaltungen sowohl der jeweiligen Volksvertretung wie den übergeordneten Exekutivorganen unterstellt waren, und zwar in einer Ausgleichsfunktion. In der Realität bestimmte die Vertikale. Oder ich führte ein Gespräch mit einem DDR-Professor über säumige Doktoranden. Er bedeutete mir, dass er einen solchen Fall nicht persönlich aufgreifen, sondern die Einberufung der Parteizelle des Instituts veranlassen würde, und zwar mit der Frage: „Genosse, wie steht es mit deinem Parteiauftrag?“. Man konnte sich also der politischen Nebenhierarchie bedienen, um sich von unangenehmen Vorgesetztenaufgaben zu entlasten. Mein besonderes Interesse galt auch hier der Planung, also der Wirtschaftsplanung in der DDR, sprach doch der Leninismus von der Umwandlung des ganzen staatlichen Wirtschaftsmechanismus in eine einzige große Maschine, in einen Wirtschaftsorganismus, der so arbeitet, dass sich Hunderte von Millionen Menschen von einem Plan leiten lassen. Die Wirtschaft in der DDR hat nie zufriedenstellend funktioniert. Mir hat später bei den Vereinten Nationen ein Wirtschaftswissenschaftler aus der DDR, der über das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung geforscht hatte, geschildert, wie sich die „Avantgarde“ der DDR vergeblich bemüht hatte, die „große Maschine“ in Gang zu setzen. Insgesamt strebte ich an, möglichst viele Mosaiksteine zum realen Sozialismus der DDR zu sammeln und damit ein Bild von der Realität der Kaderverwaltung zu gewinnen. Über einzelne Kausalzusammenhänge hinaus war es mein Erkenntnisinteresse, die bestehende Sinnstruktur der DDR-Verwaltung zu verstehen. Dazu ist noch ein anderer methodologischer Aspekt zu nennen. Mit meiner Vorgehensweise, zuerst das Idealmodell der Kaderverwaltung aufzuzeichnen und dann die Erfahrung mit dem realen Sozialismus gegenüber zu stellen, folgte ich – bei der Ausarbeitung der Vorlesung unbewusst, bei späteren Publikationen bewusst – der Methode systemimmanenter Kritik. In der DDR-Forschung hatte sich nämlich eine Schule entwickelt, die meinte, man dürfe die DDR nicht nach Maßgabe von westlichen Demokratien und Industrieländern bewerten, sondern nach ihren eigenen – ideologi-
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schen – Maßstäben. Wenn man meinte, den Wissenschaftlern in der DDR damit entgegengekommen zu sein, irrte man sich. Ein Prorektor aus Babelsberg, der einen Aufsatz von mir – wohl ohne seine methodische Sicht zu verstehen – gelesen hatte, sagte zu mir: „Wollen Sie uns links überholen?“. Die Kaderverwaltung des realen Sozialismus stieß nicht auf sonderliches Interesse meiner Hörer. Ihre Wortführer setzten ihre Erwartung eher auf die rätedemokratische Verwaltung. Ich war mit der Forderung konfrontiert worden, einen Neomarxisten als Co-Dozenten zur Vorlesung beizuziehen. Nur gelang es mir nicht, einen Kandidaten mit ideologischer Qualifikation und zureichenden Verwaltungskenntnissen in der Bundesrepublik zu finden. Schließlich gewann ich einen Finanzwissenschaftler aus Jugoslawien, der sowohl auf hohe Positionen in der Exekutive wie im Bund der Kommunisten Jugoslawiens verweisen konnte. Er begann seinen Beitrag mit dem Satz: „Das Grundproblem Jugoslawiens ist nicht der Sozialismus; es sind die ethnischen Konflikte“. Das passte wenig in ein Klassenkampfschema. Wandte man sich also in betrieblichen Besichtigungen vor Ort der Arbeiterselbstverwaltung zu, so fiel in der Präsentation auf, dass die Effizienzeffekte dieser Organisationsform gegenüber der vorher praktizierten zentralen Planwirtschaft stärker als die Demokratisierung der Wirtschaft betont wurden. Kritisiert wurden Eingriffe aus bestehenden Verwaltungsapparaten. Machtkonstellationen aus dem näheren Umfeld des Betriebes blieben undeutlich. Aber man konnte davon ausgehen, dass die Hierarchie des Bundes der Kommunisten seine Hand über ein sozioökonomisch schwieriges Land hielt. Später zeigte sich dann, dass die der Basisorganisation zugestandene Kompetenzen für Personal-, Produktions- und Investitionsplanung an den jeweiligen partikularen Interessen der Betriebe scheiterte. Viele betrieben eine Expansion auf der Grundlage kreditfinanzierter Investitionen ohne Gegenkontrolle durch externe Instanzen und konnten sich in der Beschäftigungspolitik nicht vom vorhandenen Personal lösen. In der Summe solcher Dysfunktionen scheiterte die Arbeiterselbstverwaltung auch im nationalen Maßstab. Kibbuzim sind dem gegenüber nicht nur Produktionsgenossenschaften, sondern Lebensgemeinschaften. Bei meinem ersten Besuch eines Kibbuz war beeindruckend, von welchem Menschenbild her basisdemokratische Strukturen, insbesondere das Rotationsprinzip beschrieben wurden. Dieses Prinzip war in der Tat von essenzieller Bedeutung. Ein Kibbuz, das mich beherbergte, besaß einen industriell betriebenen Steinbruch mit einem modernen Maschinenpark. Diese Maschinen mussten von Fachleuten betrieben werden, sollte kein Schaden entstehen. Rotationsprinzip und Durchschnittseinkommen waren hier nicht einzuhalten. Maßgeblich ist indessen, dass Kibbuzim auf Leistungen einer hocharbeitsteiligen Gesellschaft ihres Umfeldes angewiesen sind, auf Schulen und Universitäten, auf Infrastruktur und Kommunikationseinrichtungen, Krankenhäuser, Polizei usw. Die Kibbuzbewegung ist heute noch für viele attraktiv. In der sozio-ökonomischen Realität geht es aber um eine Randerscheinung. Jahre später hatte ich die
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Gelegenheit einen agrarischen und einen industriellen Betrieb mit rätedemokratischen Elementen in China zu besuchen. Der landwirtschaftliche Betrieb galt als Musterkommune. Bei näherem Zusehen stellte sich heraus, dass er in den Händen eines großen Familienverbundes lag, was man in China sogar Behörden im ländlichen Raum nachsagt. Der industrielle Betrieb produzierte Eisenbahnwaggons. Er hatte wegen seiner wirtschaftlichen Stärke städtische Leistungen für seinen Standort im Personenverkehr, im Gesundheitswesen usw. übernommen. Überdies unterhielt er eine Fachhochschule für Waggonbau. Mit der Öffnung verlangte die Partei von ihm, Eisenbahnwaggons zu exportieren. In der bestehenden Organisationsstruktur war es dem Betrieb nicht möglich, dazu eine belastbare Kosten- und Preiskalkulation durchzuführen. Die Vorlesung „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ habe ich über viele Semester in Speyer gehalten. In der Mitte des Lehrstoffs stand die deutsche öffentliche Verwaltung, vorzüglich im Blick auf ihre Reformen und ihren sozialen Wandel. Modernisierungsmodelle, selbst Moden wurden auch dann berücksichtigt, wenn sie sich bald als unrealistisch erwiesen. Indessen wurde der Fragehorizont der Vorlesung von Fall zu Fall über die deutschen Verhältnisse hinaus erweitert: zum Vergleich mit ausländischen Institutionen und Kulturen moderner Verwaltung, zur Verwaltung in Entwicklungsländern, zur Verwaltung in der Europäisierung und der Globalisierung. Selbst die Kaderverwaltung wurde wieder interessant, als die deutsche Wiedervereinigung anstand. Voraussetzung für eine solche Erweiterung von Fragestellungen war, dass man in der Speyerer Situation Forschung und Lehre eng verbinden konnte. Aber Impulse kamen auch von einer interessierten Hörerschaft. Vielleicht wird in den Vorgaben einer Einführungsvorlesung deutlicher als in dem Konzept eines Forschungsprojekts, dass die wissenschaftliche Arbeit mehr braucht als das Gerüst von Gegenstand und Methode. Es kommt auch auf den Fragehorizont an. Einsichten relativieren sich, wenn man die Exekutive des parlamentarischen Regierungssystems Deutschlands wissenschaftlich für sich oder wenn man sie vor dem Hintergrund der Administration im US-Präsidentialismus studiert. Die Wissenschaftsphilosophie hat es als Beweis der Klugheit angesehen, zu wissen, was man vernünftigerweise fragen solle.
C. Public Administration I. US-amerikanische Verwaltung In den kulturellen Prämissen von Verwaltungspraxis und Verwaltungswissenschaft der Vereinigten Staaten zeichnet sich in der kontinentaleuropäischen und dann deutschen Perspektive ein Doppeltes ab. Zum einen erweist sich, dass der dortige historische Weg zu einer modernen öffentlichen Verwaltung ein anderer war als in der alten Welt. Zum anderen zeigt sich, dass die Verwaltungswissenschaft in den USA – Public Administration –, jedenfalls soweit sie die Professionalität des Verwaltungsmannes, der Verwaltungsfrau im Auge hat, diesen Weg in synthetischer Weise begleitet. Damit bot sich ein Erfahrungs- und Erkenntnisstoff an, der die Ausweitung des verwaltungswissenschaftlichen Fragehorizonts – jetzt in einem zweiten Zugriff – ermöglichte. Wandte man sich zuerst der Verwaltungspraxis zu, so hatte man an der Hochschule Speyer den Vorzug, mit Fritz Morstein Marx einem hervorragenden Sachkenner der US-amerikanischen Verwaltung und des transatlantischen Vergleichs zu begegnen. Er zeichnete die Entwicklung nach, wie die Verwaltung in den Vereinigten Staaten aus der Zivilgesellschaft und ihren politischen Institutionen, nicht aus hoheitlicher Herrschaft entstanden ist (Morstein Marx 1963). In den 1960er und 1970er Jahren hatte überdies die Publikation einschlägiger Lehr- und Textbücher in den USA so zugenommen, dass man sich ein Bild von der dortigen öffentlichen Verwaltung machen konnte, und zwar Bücher unter anderen von Marshall E. und Gladys O. Dimock (1964), Felix A. Nigro (1965), John M. Pfiffner und Robert Presthus (1967), Ira Sharkansky (1970), Gerald E. Caiden (1971), Robert T. Golembiewski u. a. (1972) und nicht zuletzt das beachtliche Werk von Ferrel Heady (zuerst 1966) zu Comparative Public Administration. Mit der typologischen Kennzeichnung als Civic Culture – Administration hat die Vergleichende Verwaltungswissenschaft nachhaltige Charakteristika der US-amerikanischen Verwaltung aufgezeichnet (Heady 1966). Die Entwicklung der öffentlichen Verwaltung ist von vornherein vom demokratischen Regime bestimmt, dessen zivilgesellschaftliche Züge sich vielerorts bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Dieses Regime ermöglicht öffentliche Verwaltungen, setzt ihnen Grenzen und festigt die Beziehung zur fortdauernden Ordnung einer bürgerschaftlich demokratischen Kultur. Die Konsequenz dieses politisch-administrativen Musters wird darin gesehen, dass die Verwaltung fähig ist, Zug um Zug Anteil zu haben, und zwar in einer Weise, die den politischen Wandel reflektiert und mit ihm übereinstimmt. Politische und administrative Anpassungen gelten als gleichlaufend und ausbalanciert; aber das
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politische Moment ist dominant. Diesem Typus steht das „klassische Verwaltungssystem“ Kontinentaleuropas mit seiner bürokratischen Ordnung gegenüber. Diese Leistungsordnung in öffentlichen Angelegenheiten ist über alle politischen Instabilitäten und Veränderungen hinweg erhalten geblieben, hat Regimewechsel überstanden und sich in politischen Zusammenbrüchen behauptet. Und insoweit ist die Bürokratie in Deutschland älter als die Demokratie. Das spezifische, politisch bestimmte Moment der US-amerikanischen Verwaltung tritt hervor, wenn man auf die Entwicklung des Verwaltungspersonals sieht. Historischer Ausgangspunkt ist die Idee, dass in Abhebung vom „alten“ Europa jeder Bürger der geeignete Verwalter öffentlicher Angelegenheiten sei, dass die öffentliche Verwaltung keine über seine Kompetenz hinausgreifenden Anforderungen stelle. Mit der Demokratisierung des Landes verband sich dann die Frage nach der politischen Legitimation. Es entstand eine Vielzahl von Verwaltungsämtern, die durch Wahlen personell besetzt wurden, und diese Wahlämter sind insbesondere auf lokaler und regionaler Ebene noch heute ein Merkmal der US-amerikanischen Verwaltung (Morstein Marx 1963). Die Vergabe von öffentlichen Ämtern durch Wahlen entwickelte sich jedoch nicht zu einem durchgehend maßgeblichen Prinzip. Vielmehr wurden Verwaltungspositionen insbesondere in den sich ausweitenden Verwaltungen der Großstädte durch Patronage der Gewählten vergeben. Im Präsidialsystem auf Bundesebene wurde das Prinzip „the winner takes all“ in der Statusgruppe der „political appointees“ formalisiert und legalisiert. Der Präsident als konstitutionelle Exekutive der Vereinigten Staaten kann etwa 6 000 Positionen durch politische Bestellung besetzen, etwa in Ministerien vom „secretary“ an bis zur sechsten hierarchischen Ebene von oben. Allerdings kann man heute nicht mehr allgemein von einem reinen politischen Beutesystem sprechen, da von Fall zu Fall in den Rekrutierungsprozessen die Einsicht durchschlägt, dass Loyalität nicht ausreicht, sondern auch Sachverstand gefragt ist. Hier hilft das personalpolitische Muster der „in-and-outers“, der „revolving door“. Der Präsident kann auf eine Gruppe von Parteigängern zurückgreifen, die bereits über Amtserfahrung verfügen, die insbesondere nach einem Regierungswechsel aus der Exekutive ausgeschieden sind, Positionen in Wirtschaft und Gesellschaft gefunden haben, aber bereit bleiben, bei entsprechender politischer Konstellation mit ihrer Sacherfahrung in öffentliche Ämter zurückzukehren. Indessen ist wohl schon wegen der Vielzahl der Neubesetzungen die Metapher „Government of Strangers“ nicht obsolet. Viele „political appointees“ erwiesen sich in ihrem Amt als überfordert. Darauf weisen schon die kurzen Verweildauern und die langen Vakanzen in den Positionen hin (Dull/Roberts 2009). Problematische politische Besetzungen haben viele Gründe. Nach wie vor wird damit die materielle oder ideelle Unterstützung des erfolgreichen Präsidentschaftskandidaten belohnt. Aus Kongress und Interessenorganisationen werden Einflussmöglichkeiten auch personalpolitisch genutzt. Herkömmlich wird die erworbene Kompetenz der „Washington
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insiders“ betont. Andere sehen dieses politische Biotop unter dem Vorzeichen zivilgesellschaftliche Integration eher kritisch. Ein Berufsbeamtentum im Sinne eines Civil Service hat sich entsprechend der historischen Ausgangslage in den Vereinigten Staaten erst spät entwickelt, nämlich erst im 20. Jahrhundert (Morstein Marx 1963). Angesichts der zivilgesellschaftlichen Tradition überzeugte noch zuerst die Professionalisierung in speziellen Fachbereichen. Ein prominentes Beispiel ist die Entwicklung der Forstverwaltung. In den USA wurden verschiedene Strategien eingeschlagen, um die Pflege und Bewirtschaftung der nationalen Wälder und Grasflächen aus den lokalen Interessen und Gewohnheiten herauszulösen. Letztlich war es die Professionalisierung der „Forest Ranger“, die eine eigenständige Forstverwaltung ermöglichte (Kaufman 1960). Die Relativität solcher Innovationen zeigt sich daran, dass in den alten Verwaltungsstaaten, etwa in Preußen, die Entwicklung zum beruflichen Forstbeamtentum bereits im 18. Jahrhundert zu beobachten ist. Im Laufe des 20. Jahrhunderts nahm ein professioneller Civil Service mit meritorischem Status immer mehr Form und Umfang an. Anfangs wurde noch bei der Rekrutierung auf die praktische Erfahrung und erworbene Kenntnis abgestellt, wie sie für die jeweilige Stelle qualifizieren. Heute sind es weitgehend Bildungsabschlüsse insbesondere von Universität und College, die dem Einstieg eine erste Grundlage bieten. Über das Spezialistentum hinaus ist ein allgemeiner Verwaltungsdienst der vielseitig verwendbaren Generalisten entstanden. Dieses hat aber nicht zu einem Laufbahnprinzip geführt. Nach wie vor gilt das Positionsprinzip. Dienstposten werden klassifiziert und mit entsprechend Qualifizierten besetzt. Der Bildungsgrad ist indessen nicht für sich für den Zugang zum Verwaltungsberuf maßgeblich. In der Regel erfolgt eine Eingangsprüfung. Im Falle des Bundes ist das das „general entrance examination“. Für den Generalisten kommt es nicht darauf an, welche Fachrichtung er studiert hat, ob er Jurist oder Ökonom oder Politologe ist. Mit dem Examen soll auf Denk- und Lernfähigkeit, auf Verständnis abgestellt werden. Kenntnisse des Zeitgeschehens und verwaltungsrelevantes Wissen können hilfreich sein. Dieser Charakter der Allgemeinprüfung ändert aber nichts an der grundsätzlichen Bildungsorientierung. In den 1970er Jahren kam es schließlich auf Bundesebene zum Aufbau einer Institution, die man eher in den alten Verwaltungsstaaten Europas vermuten würde, nämlich zur Institutionalisierung eines „Senior Executive Service“. Den Tausendschaften der „political appointees“ wurde eine auch dem Rang nach zivile Generalität zugesellt. Die Mitglieder dieses professionellen Corps füllen Positionen unmittelbar unter den politisch Berufenen aus. Sie sollen das Verbindungsglied zwischen Exekutivpolitikern und Civil Service bilden. Die einschlägigen Positionen sind prinzipiell durch „career appointments“ zu besetzen. Bis zu zehn Prozent der Stellen dürfen durch Personen ohne Beamtenlaufbahn ausgefüllt werden. Diese Begrenzung ist darauf zurück zu führen, dass auch „political appointees“ in diese Positionen drängen.
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Ein solcher Regelungsbedarf zeigt, dass auch im zivilgesellschaftlichen Herkommen der USA heute selbst an den Nahtstellen des Regierens die Differenzierung zwischen Exekutivpolitikern und Berufsbeamten festgeschrieben ist. Dass der Civil Service das personelle Moment einer „Civic Culture Administration“ ist, macht Statusunterschiede nicht obsolet. Das Beharren auf „career appointments“ verdeutlicht, dass noch andere Qualifikationen als das Politische erforderlich sind. Der Spezialist in der öffentlichen Verwaltung mag sich so auf seine besondere Fachkompetenz berufen. Für den Generalisten stellt sich indessen die Frage, auf welcher Grundlage jenseits individueller Erfahrung seine vielseitige Verwendbarkeit beruht. In Deutschland beruht das Beamtentum auf der Tradition der Rechtsstaatlichkeit, einer „Rechtsregeln handhabenden Verwaltung“, einer legalistisch geprägten, Ruledriven-Verwaltung (Schuppert 2000). Entsprechend gilt der „Jurist als Generalist“ herkömmlich als für die allgemeine Verwaltungslaufbahn prädestiniert (Wiener 2004). In den USA hat sich hingegen der Managerialismus zum allgemeinen Charakteristikum von Verwaltungsberuf und Verwaltungskultur entwickelt. In den Vereinigten Staaten vollzogen sich die Professionalisierung des Civil Service und die Etablierung der Management-Bewegung in vergleichbaren Zeiträumen. Immer mehr wurde in öffentlichen Angelegenheiten anerkannt, dass die Lehren von Taylor und Fayol nicht nur als Leitideen für Industrie und Wirtschaft, sondern auch für Regierung und Verwaltung relevant sind. Die orthodoxe Schule des Managements war für die öffentliche Verwaltung noch nicht so einflussreich. Entsprechendes gilt für die Human Relations-Bewegung. Anders war es dann schon mit der Formel der Managementfunktionen, wie sie in dem Akronym „POSDCORB“ für „Planning, Organizing, Staffing, Directing, Coodinating, Reporting, Budgeting“ formuliert wurde. Eine breite Anerkennung fand der Managerialismus dann mit dem „Report of the President’s Commitee on Administrative Management“ von 1937. Einschlägige Empfehlungen stützten sich auf Managementregeln und Managementfunktionen. Es kam zu Vorschlägen, die sich in inzwischen traditionsreichen Organisationen manifestieren. Dazu gehörte das Exekutivamt des Präsidenten wie das „Bureau of the Budget“, das vom „Treasury Department“ herüberkam und nicht nur Haushalts-, sondern auch Managementverantwortung für die Bundesregierung übernahm. Weiter wurden Mechanismen zu unterschiedlichen Managementfunktionen eingeführt wie eine „Civil Service Commission“ oder ein „Government Accounting Office“. Mit dem Erfolg auf höchster Ebene erhielt der Managerialismus in den USA eine Dignität, die ihn parallel zu Wirtschaftsunternehmen zu einem Selbstregulativ der öffentlichen Verwaltung allgemein werden ließ. Damit wurde Management auch ein Qualifikationsmerkmal für den Civil Service, und zwar schlechthin für Generalisten wie Spezialisten mit einschlägiger Verantwortung. Man kann so nicht nur von einer „Civic-Culture Administration“ sprechen. Die US-amerikanische Verwaltungskultur ist zugleich vom Managerialismus geprägt, nämlich auf Handlungsmuster der
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Wirtschaftlichkeit, der Effizienz und Effektivität auch in öffentlichen Angelegenheiten ausgerichtet, am Zweck-Mittel-Kontext orientiert.
II. Verwaltungsstudium in den USA Nach solchen Verständigungen zur US-amerikanischen Verwaltung war es an der Zeit, die dortige Verwaltungspraxis wie Verwaltungswissenschaft vor Ort zu beobachten. Mitte der 1970er Jahre folgte ich einer Einladung der School of Public Affairs der American University in Washington DC. Mein Forschungsinteresse galt nicht in erster Linie der Praxis, vielmehr der Verwaltungswissenschaft, und zwar angesichts meiner Aufgaben an der Hochschule Speyer der wissenschaftlichen Lehre. Entsprechend lautete mein Forschungsprojekt: „Entwicklungen des Verwaltungsstudiums in den Vereinigten Staaten von Amerika“. Meine Gesprächspartner fand ich neben der einladenden Universität vor allem in der National Association of Schools of Public Affairs and Administration, Washington DC – NASPAA –. In dieser Vereinigung sind universitäre Institutionen der USA zusammengeschlossen, die Master-Programme auf dem Felde von Public Administration, Public Affairs, Public Management und dann auch Public Policy anbieten. Die Mitgliedschaft ist gegenüber ausländischen Schulen offen. In der Vereinigung wurde damals angesichts der Ausweitung und der Vielfalt einschlägiger Programme diskutiert, wie die Qualität der Master-Graduation gesichert werden könne. Dazu wurden breite empirische Erhebungen zu vertretenen Fächern, Fakultätsmitgliedern, Studenten usw. bis hin zu deren Anstellung durch Bundes-, Landes-, Lokalverwaltungen und anderen Institutionen durchgeführt. Unter den verschieden Formen organisierten Studiums waren zu nennen: einerseits eigenständige berufsbezogene (professionelle) Schulen bzw. Departments für öffentliche Angelegenheiten und Verwaltung, andererseits Programme für öffentliche Angelegenheiten und Verwaltung in Departments für Politische Wissenschaft. Diese unterschiedlichen Organisationsformen wiesen gleichzeitig auf unterschiedliche materielle Ausstattungen und unterschiedliche Interessenlagen der Mitglieder von NASPAA hin. So war von vornherein klar, dass die Zeit für den Schritt zu einem Akkreditierungssystem noch nicht reif war. Hingegen einigte man sich auf flexible Richtlinien und Maßstäbe für professionelle Master-Grad-Programme in öffentlichen Angelegenheiten/öffentlicher Verwaltung (NASPAA 1973). Diese „Guidelines and Standards“ sollten das Verständnis für die Reichweite und den Charakter qualifizierter Programme auf ihrem Feld bei den Bildungsinstitutionen fördern. Im Besonderen bezweckten sie, eine professionelle Ausrichtung des Verwaltungsstudiums gegenüber einer allgemeinen geisteswissenschaftlichen Liberal Arts-Orientierung zu unterstützen. Dabei darf man den Professionalisierungsbegriff im Sinne eines „professional school approach“ nicht eng verstehen (Gallas/Smith 1973). Es geht nicht darum, das wissenschaftliche Niveau der Bildungsinhalte wegen einer Berufsorientierung zu senken. Im Gegenteil
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sind es die US-amerikanischen Forschungsuniversitäten, in denen man die hochrangigen „professional schools“ findet. Die Richtlinien und Maßstäbe enthalten eine Fülle von Einzelregelungen zu den vielseitigen Aspekten eines solchen Graduierten-Studiums. Ihr Kernstück ist indessen eine Matrix, die die beruflichen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen soll, die für öffentliche Manager zu erwerben sind. Die „Matrix of Professional Competencies of Graduates of Public Affairs/Public Administration Programs and of Public Managers“ umfasst in der einen Richtung Kennzeichen der Bildung, nämlich Kenntnisse, Fertigkeiten, öffentliche Werte, Verhalten. In der anderen Richtung sind die Gegenstandsbereiche der Studienprogramme bezeichnet. Hauptgegenstandsbereiche sind: politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Kontext; analytische Hilfsmittel: quantitative und qualitative; Individual-, Gruppen-, Organisationsdynamik; Analyse der Sachpolitik (Policy); Verwaltungs-/Managementprozesse. Diese Hauptgegenstandsbereiche werden dann in pragmatischer Anschauung der USamerikanischen Verwaltung ausgefüllt. Programmspezialisierungen betreffen sowohl Verwaltungsebenen – auch die internationale – wie Verwaltungsaufgaben – etwa die Umweltverwaltung – und Verwaltungsfunktionen – etwa die Planung –. Grundannahme ist, dass der Absolvent des Graduierten-Programms beruflich in Managementfunktionen hineinwächst. Im Blick auf akademische Lage der Speyerer Hochschule konzentrierte ich hiernach mein Forschungsprojekt angesichts der Vielfalt von Programmorganisationen auf die eigenständige „professional school“ für öffentliche Angelegenheiten und Verwaltung, vergleichbar einer „law school“ im Universitätssystem. Die einschlägigen Programme zeichnen sich durch Multidisziplinarität aus. Vertreten sind Politische Wissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Business Administration, Soziologie, Statistik, Psychologie und anderes mehr und dann auch Public Administration im Sinne einer eigenen – synthetischen – Disziplin. Dass dieser fachliche Status auch in den USA immer wieder kritisch und als in einer Identitätskrise befindlich diskutiert wird, hat nichts daran geändert, dass die Zahl der Organisationen, der Professuren, der Publikationen insbesondere von Lehrbüchern, der Fachzeitschriften, der Studenten usw. unter dem Vorzeichen von Public Administration ständig zugenommen hat. Die Relevanz als Fach pflegt in den hier interessierenden Schulen prinzipiell anerkannt zu sein. Allerdings wird der öffentlichen Verwaltung schon als Gegenstand der Lehre unterschiedliches Gewicht in den verschieden „professional schools“ beigemessen. Will man sich also ein zutreffendes Bild von verwaltungsrelevanten Wissenschaften und Verwaltungswissenschaft auf dieser Ebene des Studiums machen, muss man sein Konzept der informativen Besuche und Interviews auf Schulen ausrichten, die für bestimmte Ausrichtungen und Gewichtungen repräsentativ sind. Wie bei meinem Forschungsprojekt überhaupt konnte ich mich auch bei dieser Auswahl auf die Ratschläge meiner US-amerikanischen Kollegen stützen. Hervorheben möchte ich Frank P. Sherwood (Pfiffner/Sherwood 1960), Professor an der
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University of Southern California, damals Präsident der American Society for Public Administration und Vorsitzender des NASPAA-Ausschusses zur Erarbeitung der „Guidelines and Standards“, da er für mich nicht nur institutionelle, sondern auch persönliche Kontakte zu den prägenden Intellektuellen meines Faches herstellte. So lernte ich relativ früh Persönlichkeiten wie Dwight Waldo (1955), den Präzeptor von Public Administration in diesen Jahren, Aaron Wildavsky (1964), den Promotor der Public Policy – Schule, und dann auch Luther Gulick (Gulick/Urwick 1947), den Gründer von Public Management, kennen. Unter den von mir besuchten Schulen mit Ausrichtung auf Public Administration sind eigenständige „professional schools“ der Syracuse University, der University of Southern California, der New York University hervor zu heben. Ihre Programme hatten multidisziplinären Charakter. Aber der Bezug zur Verwaltungspraxis und zu Public Administration als Lehrfach war ausgeprägt. Im Grunde wurde reflektiert, welche beruflichen Chancen eine Schule in ihrer Situation den Studierenden eröffnen konnte. Jedenfalls gewann man diesen Eindruck, wenn man eine „Placement“Veranstaltung besuchte, in der Absolventen mit Vertretern rekrutierender Organisationen zusammengeführt werden. An dieser Stelle ist noch das „Mid-Career Master in Public Administration“-Programm der Kennedy School of Government der Harvard University zu nennen. Es richtet sich an Personen, die bereits im Beruf etabliert sind und durch das Graduierten-Studium eine weitere akademische Qualifikation erwerben wollen. Die Kennedy School ist so ein Pionier der „executive education“. Drei „professional schools“ waren repräsentativ für das Abweichen von einer Public Administration-Orientierung: An der Cornell University folgte man damals der intellektuellen Strömung von „generic administration“. Das bedeutete, dass Verwaltung als allgemeines Phänomen angesehen wurde, welches öffentliche wie private Verwaltungen gleichermaßen umfasst. An der Princeton University besteht eine Schule für „Public and International Affairs“, deren Graduierten-Programm prägnant für das breite Konzept der öffentlichen Angelegenheiten, die entsprechende studentische Zielgruppe und Schwerpunkte in der Politischen Wissenschaft, Ökonomie, Geschichte ist. Schließlich war die „School of Public Policy“ der University of California Berkeley zu besuchen, die ein damals innovatives Master-Programm gleichen Namens anbietet. Den Studierenden sollen Kenntnisse und Fertigkeiten der Definition von Sachpolitiken, der Perzeption deren Alternativen, der Prüfung einschlägiger Techniken, zur Entwicklung von Strategien, zu Implementation, Evaluation usw. vermittelt werden. Die öffentliche Verwaltung ist hier nur ein Mitspieler von vielen. An der Hochschule Speyer hatte ich das erste Konzept eines Programms von Kursen zur Fortbildung von Beamten des höheren Verwaltungsdienstes entwickelt. Entsprechend interessierte mich die Fortbildung des Civil Service in den USA. Im Blick auf das gehobene Management besuchte ich das „Executive Seminar Center“ in Berkeley, dessen Veranstaltungen vom Praxisbezug geprägt waren. Die Zielgruppe
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des „Federal Executive Institute“ in Charlottesville, Virginia, sind die Spitzenbeamten. Hier ging es um innovative Perspektiven vom sozio-ökonomischen Wandel bis zu individual-, gruppen-, organisationspsychologischen Dispositionen. Zur Abrundung der gesammelten Informationen führte ich Gespräche mit Mitarbeitern der damaligen „Civil Service Commission“. Insbesondere interessierten Rekrutierungsprobleme und hier das „General Entrance Examination“. Die Multidisziplinarität der einschlägigen „professional schools“ mit Public Administration als ein Fach, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung, findet unter kontinentaleuropäischen Prämissen eine Entsprechung im Fächerpluralismus der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Speyer nach Einrichtung einer verwaltungswissenschaftlichen Lehrbank am Anfang der 1970er Jahre. Mein Konzept der Verwaltungswissenschaft als einer Integrationswissenschaft trifft sich wiederum mit dem Verständnis von Public Administration als einer synthetischen Disziplin. Damit stellte sich im Kern meines Forschungsprojekts die Frage, aus welchen wissenschaftlichen Strömungen sich Public Administration speist. Dabei muss man berücksichtigen, dass sich Public Administration stark als Lehrfach – „disciplina“ – konstituiert. Auch der disziplinäre Anspruch beruht so auf „a field of study“, manifestiert in einer Vielzahl von Lehrbüchern. Diese Lehre ist pragmatisch orientiert. Zum einen will sie durch Bildung Nutzen stiften. Zum anderen verbindet sie wissenschaftliches und praktisches Wissen. So gehört der Managerialismus zu den Quellen von Public Administration. Am Anfang der Professionalisierung und Bürokratisierung der US-amerikanischen Verwaltung standen nun einmal die Dysfunktionen des Politischen mit den Forderungen „take administration out of politics“ und „the field of administration is a field of business“. Eine Identifikation jenseits der Zivilgesellschaft wurde nicht im Common Law gefunden, da dieses nicht zureichende systemische Steuerungskraft aufwies. Vielmehr war es die Managementbewegung, die auch in die Bearbeitung öffentlicher Angelegenheiten Eingang fand. Der früh erhobene Anspruch eines „Scientific Management“ ließ gleichläufig Managementlehren, soweit sie in die öffentliche Verwaltung passten, als Komponente von Public Administration begreifen. Die Entdeckung des optimalen Weges, administrative Handlungen zu verrichten, und zwar dessen Erforschung mit wissenschaftlichen Methoden durchzuführen, wurde zu einem Grundkonzept der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft. Zwei Kontexte der Managementkomponente sind hiernach zu nennen: die Bindung an die Verwaltungspraxis und Anlehnung an privatwirtschaftliche Managementlehren. Der Pragmatismus von Public Administration führte dazu, dass sich die Relevanz des Managerialismus auch für die Verwaltungswissenschaft mit dessen Etablierung in der Regierungs- und Verwaltungspraxis verfestigte. Spätestens mit den Managementreformen der Präsidentschaftsverwaltung in den 1930er Jahren wurden Management und Managementlehren zur Selbstreferenz von Praxis wie Theorie der öffentlichen Verwaltung. Auch ein rationalistischer Anspruch der
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Wissenschaft stand dem nicht im Wege. Stichworte wie Operations Research, Systemanalyse, Kosten-Nutzen-Analyse usw. weisen auf die Zusammenhänge hin. Die Probleme der Entscheidung und die Möglichkeiten ihrer Rationalisierung interessierten in beiden Sphären. Die Konzepte einer „New Science of Management Decision“ der 1970er Jahre (Simon 1977) waren Lehrstoff und lagen nicht außerhalb der Perzeption von Praktikern in Leitungsfunktionen. In der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft wurde bald erkannt, dass sich Management in der öffentlichen Verwaltung und im privatwirtschaftlichen Unternehmen unterscheiden. Später fand man dafür den Aphorismus: „Public and Private Management are fundamentally alike in all unimportant respects.“ (Allison 2007). Gleichwohl wird man immer wieder mit dem Unternehmen konfrontiert, für die Privatwirtschaft entwickelte Managementmodelle auf den öffentlichen Sektor zu übertragen. Wenn für Privatunternehmen ein „Management by Objectives“ propagiert wird, passt es auch in öffentlichen Angelegenheiten, wenn der Präsident seine „secretaries“ auffordert, die prioritären „objectives“ der Ministerien dem Weißen Haus zu melden. Angesichts der Vielfalt der „Mangement by“-Techniken und des schnellen Wechsels jeweiliger Präferenzen mögen die einschlägigen Diskussionen etwas Modisches annehmen. Belastbarer sind Managementmodelle, die spezifisch für Regierung und Verwaltung entwickelt worden sind wie in den 1970er Jahren das Planning-Programming-Budgeting-System. Bei den Management-Werkzeugen – „tools“ – treten die Kontinuitäten hervor. In der Selbstverständlichkeit, mit der zum Beispiel Evaluationen öffentlicher Programme und Projekte in Verwaltungspraxis wie Verwaltungswissenschaft behandelt werden, zeigt sich die Bedeutung des Managerialismus für die pragmatische Seite von Public Administration. Wenn die Formel „Management matters“ so nicht nur für die US-amerikanische Verwaltungspraxis sondern auch für Public Administration als Studienfach gilt, dann bedeutet das nicht, dass das Politisch-Demokratische weniger bedeutsam für die verwaltungswissenschaftliche Lehre ist. Schon zu den Gründungsvätern eines Studiums der öffentlichen Verwaltung zählt mit Woodrow Wilson (1887) ein Staatswissenschaftler. Das erste Lehrbuch einer „Introduction of the Study of Public Administration“ wurde von einem Professor der Politischen Wissenschaft, Leonard D. White (1926), vorgelegt. In den 1970er Jahren war deutlich, welchen nachhaltigen Einfluss die Politische Wissenschaft auf das Verwaltungsstudium nach dem Zweiten Weltkrieg genommen hatte. Sie wurde als „mainstream of Public Administration“ bezeichnet. Dazu sind zwei Faktoren hervorzuheben. Zum einen ist die Politische Wissenschaft in den USA breit institutionalisiert. Insbesondere verfügt sie über eine hochentwickelte Forschungskapazität, die auch dem Gegenstand der öffentlichen Verwaltung zugutekommt. Ihre Theorie- und Methodenvielfalt ermöglicht einen Wissenschaftspluralismus, wie er einem so komplexen Phänomen wie das der verwalteten Welt entspricht. Überdies erweist sie sich gegenüber methodologischen
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Präferenzen wie neuen Sachthemen flexibel. Im Methodischen ist sie etwa in der Lage, dem Rational-Normativen des Managerialismus positiv-empirische Aussagen hinzu zu fügen. In der Sache enthält jede Entwicklung in der Verwaltungsorganisation oder beim Verwaltungspersonal ein politisches Moment, was entsprechende fachwissenschaftliche Anknüpfungen ermöglicht. Damit sind wir beim zweiten Faktor des starken Einflusses der Politischen Wissenschaft. Es ist der Rang ihres Gegenstandes für die Verwaltungsverhältnisse in den USA. Verwaltungen als „machinery of government“ mögen auch dort unverzichtbar seien, öffentliche Bürokratien eine gewisse Eigendynamik entfalten. Aber in der Beobachtung der US-amerikanischen Verwaltung lässt sich immer wieder feststellen, wie sie dem Primat der Politik unterworfen ist, und zwar in einem die alten Verwaltungsstaaten Kontinentaleuropas übertreffenden Ausmaß. Signifikant sind die Veränderungen, die mit dem Wechsel im Amt des Präsidenten verbunden sind. Als weitere Einflussgröße in der Synthese von Public Administration ist die Organisationssoziologie zu nennen. Hier kommen sozialwissenschaftliche Erkenntnisse aus Deutschland und der Name Max Webers ins Spiel (Waldo 1966). Seine Bürokratieforschung wurde im Verwaltungsstudium der USA nicht als Herrschaftstheorie, sondern als Organisationslehre rezipiert. Insofern erfolgte keine Einordnung in das Politische. Sondern es entstand eine eigene organisationswissenschaftliche Grundströmung, und zwar auch im Blick auf Managementlehren. Allerdings blieb der wissenschaftstheoretisch Status idealtypscher Forschung unklar. Als „bureaucratic model“ rezipierte Aussagen wurden oft als Präskriptionen verstanden. Das löste Kritik an Kriterien wie Unpersönlichkeit oder Regelbindung aus. Aber vielleicht waren es gerade Missverständnisse, die die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Verwaltungsorganisation beförderten. Man hielt Ausschau nach Alternativen wie die Abflachung von Hierarchien oder die Bildung von Teams. Man suchte nach Organisationsformen, die den Bürger in seinen Anliegen nicht nach Zuständigkeiten segmentieren, sondern ganzheitlich als Klienten behandeln. Man beschäftigte sich mit der informalen Organisation usw. Aus Organisationssoziologie und Organisationspsychologie kommen immer neue Impulse mit Relevanz auch für die Organisation der öffentlichen Verwaltung und ihr Studium. Hingegen hat es die Jurisprudenz nicht zu einer maßgeblichen Komponente des Studienfachs Public Administration gebracht. Schon früh erfolgte eine Weichenstellung, mit der dem Management der fundamentale Charakter in der Abwendung vom Recht zugesprochen wurde (White 1926). Das bedeutet nicht, dass kein Verwaltungsrecht in der US-amerikanischen Verwaltungspraxis und in den Law Schools gibt (Brugger 2001). Auch auf dem Gebiet von Public Administration werden von Fall zu Fall Rechtsphänomene zur Kenntnis genommen. So wird etwa die Kontrolle der Verwaltung durch die Gerichtsbarkeit beobachtet und bewertet, wobei dann die Wertschätzung nicht spezifisch juristisch erfolgt (Fesler 1980). Lehrbücher berücksichtigen zum Teil Rechtsfragen. Andere sind eher auf ethische Probleme
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ausgerichtet. Recht ist also weniger als in der kontinentaleuropäischen Verwaltungslehre integrativer Bestandteil, sondern genießt eher den Status eines „Legal Context of Public Administration“, also den einer Rahmenbedingung. Für diese Entwicklung kann man viele Gründe anführen. Das beginnt mit dem Common Law mit seiner Präferenz für Fallrecht, Präzedenzen, Analogiebildung. Es kann so den Systematisierungsbedarf des Verwaltungshandelns nicht zufriedenstellend bedienen. Entsprechend findet man dann zum Beispiel eine systematische Erfassung des disziplinarischen Verhaltens in Ethos-Kodizes von Behörden und Berufsvereinigungen. Hinzu kommt, dass es keine Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt, die in ihrer spezifischen Kompetenz einen sachkundigen Dialog zwischen Richterschaft und Verwaltungspraxis führt, wie ich ihn in meiner Tätigkeit als Richter im Nebenamt erfahren habe und wie er auch in der wissenschaftlichen Perzeption fruchtbar werden kann. Zwar gibt es in den USA auf der Grundlage des kodifizierten Verwaltungsverfahrensrechts die Institution des „administrative law judge“. Aber er hat auf dem Gebiete der Rechtsfindung nur begrenzte Befugnisse, diese nur im Rahmen der Zuständigkeit seiner Behörde und wird entsprechend der Exekutive, nicht der Judikative zugerechnet. So könnte man noch andere Gesichtspunkte nennen, etwa Unterschiede im Verständnis der Rule of Law. Maßgeblich ist indessen letztlich die Perzeption der Gesetze in der Exekutive. Zwar kann man, wenn man die Gesetzgebung des US-Kongresses beobachtet, auch hier von einer Flut von Ordnungs- und Leistungsgesetzen sprechen. Das Gesetzesrecht überbietet heute das Präjudizienrecht in quantitativer Beziehung. Qualitativ besitzt das Richterrecht jedoch die höhere Dignität. Gerichtliche Entscheidungen werden bis hin zur exekutiven Spitze prinzipiell respektiert, mag der Präsident das manchmal recht widerwillig tun. Anders wird die Vollziehung von Akten der Gesetzgebung gesehen. Hier bestehen in der Exekutive weitergehende Möglichkeiten, in den Gesetzesvollzug einzugreifen, als das für untergesetzliche Normen in Deutschland gilt. Das betrifft nicht nur die „executive orders“, Direktiven, Memoranden, Vereinbarungen usw. (Cooper 2002). Zum Instrumentarium direkter präsidentieller Exekutive gehören auch die sogenannten „signing statements“. Der Präsident hat die vom Kongress verabschiedeten Gesetze zu unterzeichnen. Traditionell versieht er diese Ausfertigungen mit schriftlichen Erklärungen, die etwa auch Aussagen zu seiner Auslegung der Gesetzessprache enthalten. Schließlich ist in jüngster Zeit eine steigende Zahl von „signing statements“ mit konstitutioneller Relevanz zu verzeichnen, in denen der Präsident verfassungsrechtliche Einwendungen gegen Gesetzesvorschriften erhebt und erklärt, wie er diese Vorschriften nach Maßgabe seiner exekutiven Prärogative vollziehen will (Cooper 2005). Alles in allem kann die „Administrative Presidency“ (Waterman 2009) zu engen exekutiven Weisungen führen, die dem Verwaltungsvollzug wenig sekundäre Elastizitäten der rechtlichen Interpretation lassen.
III. Institutionentransfer und Theorierezeption
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In der US-Verwaltung selbst versteht die Leitung Gesetze weniger als die rechtsstaatlich legalistische Verwaltung als zu vollziehendes Recht, sondern einerseits als Rahmenbedingung des Verwaltungshandelns, anderseits als zu implementierendes Sachprogramm der Bildungspolitik, Verkehrspolitik, Sicherheitspolitik usw. Diese Implementation hat auf der Leitungsebene in managerialer Weise zu erfolgen, also nach den Maßstäben von Effizienz, Effektivität, Wirtschaftlichkeit. Die Frontverwaltung folgt dann einem Steuerungswerk von Weisungen. Die mangeriale Perzeption macht sich auch Public Administration als Studienfach zusammen mit dem Politischen vorrangig zu Eigen.
III. Institutionentransfer und Theorierezeption Erfahrungen und Erkenntnisse des Forschungsprojekts „Entwicklungen des Verwaltungsstudiums in den Vereinigten Staaten von Amerika“ haben für meine Intentionen einer integrativen Verwaltungswissenschaft vielfältigen Nutzen gestiftet. Zwar war in den 1970er Jahren die Frage offen, ob es zur Einrichtung von Studiengängen zur öffentlichen Verwaltung mit professionellem Ansatz in deutschen Universitäten kommen würde, auch wenn es in Konstanz unternommen wurde, ein verwaltungswissenschaftliches Lehrangebot zu institutionalisieren. Aber das Speyer Ergänzungsstudium für Rechtsreferendare konnte man als „T-shape“-Modell der akademischen Bildung interpretieren, wobei für die Vertikale ein erprobtes Fachstudium, für die Horizontale eben das verwaltungswissenschaftliche Ergänzungsstudium steht. Insbesondere die aufkommende „executive education“ in den USA signalisierte schon früh, dass es für den höheren öffentlichen Dienst mit einem grundständigen Studium nicht sein Bewenden haben muss. Entsprechend habe ich mich dafür eingesetzt, über das Verwaltungsreferendariat hinaus ein für verwaltungsrelevante Disziplinen offenes Aufbaustudium mit einem Magisterabschluss in Speyer einzurichten. Die Auseinandersetzung mit den managerialen, politikwissenschaftlichen, organisationssoziologischen usw. Komponenten von Public Administration erwies sich über die Jahre als Bereicherung von Lehre und Forschung auch unter deutschen Bedingungen. Allerdings habe ich die Kategorie der Synthese für dieses „field of study (and research)“ nicht übernommen. Zwar trifft dieses Konzept zunächst das grundlegende Erkenntnisinteresse von Public Administration bzw. der Verwaltungswissenschaft, nämlich die Verknüpfung des Mannigfaltigen, hier der Erkenntnisse verwaltungsrelevanter Einzelwissenschaften, zu einer neuen Einheit. Die synthetische Methode ist wissenschaftsphilosophisch aber oft mit dem Gedanken der Dialektik, von These und Antithese, von Pro und Contra verbunden (Stockhammer 1980). Würde sich Public Administration nur auf Managementlehren und Politische Wissenschaft stützen, könnte es man beim Synthesekonzept belassen, also ein Managementmodell einerseits und eine Demokratietheorie andererseits oder umgekehrt und dann die Verknüpfung durch verwaltungswissenschaftliche Aussa-
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gen. Public Administration weist aber mehr als diese beiden Komponenten auf. Im deutschen Falle einer legalistisch rechtsstaatlichen Verwaltung müsste man jedenfalls Rechtslehren einbeziehen, nicht um als Rechtsdogmatiker am juristischen Meinungsdenken teilzuhaben, sondern um strukturell-funktional den Beitrag von rechtsbewehrten Institutionen zur Systemrationalität der öffentlichen Verwaltung zu verstehen. So ist es bei der Kategorie der Integration, bei der Integrationswissenschaft und der transdisziplinären Forschung geblieben. Unter meinen internationalen wissenschaftlichen Aktivitäten haben hiernach die Vereinigten Staaten einen besonderen Platz eingenommen. Ich habe US-amerikanische Kollegen zu Besuchen und Veranstaltungen nach Speyer eingeladen, manche noch mit Erinnerungen an Fritz Morstein Marx. Umgekehrt habe ich mit NASPAA Kontakt gehalten und insbesondere die Entwicklung zu Public Policy-Schulen beobachtet. Ich habe an Kongressen teilgenommen, etwa der American Society for Public Administration, habe Vorträge an Universitäten gehalten, alles nach den Gepflogenheiten des akademischen Austauschs. Überdies habe ich meine Forschungssemester überwiegend in Washington DC verbracht, und zwar als Gast von „Think tanks“ wie Brookings Institution und außeruniversitären Organisationen wie der National Academy of Public Administration. Die Vereinigten Staaten nehmen in vielen Lebenswelten eine Leitfunktion ein. Das gilt auch für die Wissenschaft, wie nicht zuletzt die deutsche Nachkriegsgeschichte zeigt. Für die Verwaltungswissenschaft stellen sich hiernach zwei Fragen: erstens wie es mit dem Transfer US-amerikanischen Verwaltungsinstitutionen nach Deutschland steht, und zweitens wie die Rezeption in den USA generierter Verwaltungstheorien zu sehen ist. Der klassische Fall eines intendierten Institutionentransfers in den 1960er/1970er Jahren war das Planning-Programming-BudgetingSystem, wie es im US-amerikanischen Verteidigungsministerium eingerichtet worden war und darüber hinaus als Managementmodell für Regierungsgeschäfte schlechthin propagiert wurde. Seine Merkmale lagen in der Verbesserung von Planungstechniken, im Kern indessen in der Verknüpfung von Aufgaben- und Finanzplanung. PPBS fand weltweites Interesse, so auch in Deutschland. Entsprach es doch der Idealvorstellung vom Budget als Regierungsprogramm in Zahlen. Bemerkenswert war hier, dass das Modell sowohl von der Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre (Reinermann 1975) wie von der Politischen Wissenschaft (Böhret 1970) rezipiert wurde. In der Praxis war es die Landesregierung von Rheinland-Pfalz, die es unternahm, dieses Modell in einem Planungs-Entscheidungs-Kontroll-System (IPEKS) umzusetzen. Andere Länder wie Hessen mit dem „Großen Hessenplan“ setzten demgegenüber unter räumlichen Gesichtspunkten auf eine integrierte Landesentwicklungsplanung (Wagener 1975). Auf Bundesebene verfolgte man damals einerseits die Intention, durch eine politische Planung im Bundeskanzleramt gesellschaftliche Bedürfnisse zu ermitteln, daraus Aufgaben, die der Staat wahrzunehmen hat, abzuleiten, Konflikte zwischen
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den Aufgaben offen zu legen und über Aufgabenprioritäten angesichts knapper Mittel zu entscheiden (Mayntz/Scharpf 1973). Auf der anderen Seite standen die Haushaltsreformen vom Ende der 1960er Jahre. In ihrem Mittelpunkt ging es nicht um eine Aufgaben- und Programmfunktion, sondern um die gesamtwirtschaftliche Lenkungsfunktion, um eine „Globalsteuerung“. Zusätzlich sollte durch eine mittelfristige Finanzplanung die Programmfunktion gestärkt werden. Aber solche Erwartungen sind nur bescheiden erfüllt worden. Die Planung blieb in den Händen des Finanzministers. Und so sagt man von der mittelfristigen Finanzplanung, dass sie von der kurzfristigen, inkrementalen Haushaltsplanung beherrscht werde, input-orientiert und nicht zweckgerichtet sei (Rürup/Färber 1985). PPBS liefert ein Beispiel für die Möglichkeiten eines Transfers in anderen Ländern generierter öffentlicher Institutionen. Im US-amerikanischen Regierungssystem ist der Präsident nach der Verfassung die Exekutive. So stand nichts im Wege, die Budgetierung von der „treasury“ in sein Exekutivamt zu verlagern. Genauso kann er im Rahmen seiner konstitutionellen Befugnisse bestimmen, ob und wie Programmbudgets erstellt werden. Im parlamentarischen Regierungssystem Deutschlands gelten für die Bundesregierung Kanzler-, Kabinetts- und Ressortprinzip. Der Finanzminister nimmt darüber hinaus eine eigene verfassungsrechtliche Stellung ein. Entsprechend ist in der damaligen Reformdiskussion die Haushaltsverantwortung des Finanzministers nicht in Frage gestellt worden, etwa durch den Vorschlag, ein Programmbudget im Bundeskanzleramt zu erstellen. Für den Institutionentransfer bedeutet das, die Frage nach der Kompatibilität mit dem Institutionengefüge des aufnehmenden Landes zu stellen. Das kann durchaus flexibel geschehen. Man kann das ausländische Vorbild modifizieren und nur seine Leitgedanken übernehmen. Man kann die eigenen Institutionen auf ihre Elastizität hin überprüfen, wobei freilich die Verfassung Grenzen bezeichnet. Wollte man Erfahrungen zusammenfassen, so fällt der Transfer dann schwer, wenn Institutionen zusammengefügt werden und international als Modell auftreten, etwa wie das angloamerikanisch generierte „Reinventing Government/New Public Management“ in Kontinentaleuropa. Weniger schwer tut man sich mit Einzelinstitutionen wie etwa die Wirkungs- und Erfolgskontrolle, die als Evaluation Bestandteil des US-amerikanischen Managerialismus ist. Anzumerken ist, dass, wie PPBS in den USA nur eine kurze Lebenszeit hatte, auch IPEKS in Rheinland-Pfalz noch aus anderen als aus tagespolitischen Gründen gescheitert ist. Es ging von einer politischen Finalität aus, die in einer komplexen und veränderlichen Welt nicht zu realisieren ist. Geht man von einem breiten Verständnis des Theoretischen aus, das wissenschaftliche Lehrgebäude, Schulen, Begriffsapparate, empirische Aussagen, Rationalmodelle, normative Theorien und anderes mehr umfasst, dann wird man Public Administration und den dieses Studienfach mitbegründenden verwaltungsrelevanten Disziplinen einen breiten Besitzstand einschlägiger Erkenntnisse von Woodrow Wilson und Luther Gulick an zurechnen. Dass solche Erkenntnisse in Deutschland
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nur begrenzt rezipiert worden sind, mag man zuerst dem hiesigen Status der Verwaltungswissenschaft anrechnen (Seibel 2016). Will man aber in anderen Orten oder Zeiten generierte Theorien nicht nur reproduktiv aufnehmen und übernehmen, sondern sich intellektuell aneignen, dann setzt dies methodisch weiteres voraus. Die Reflexion des jeweiligen Institutionengefüges reicht dazu nicht aus. Denn die Verwaltungswissenschaft ist anders als ihr Gegenstand nicht an Verwaltungsinstitutionen gebunden. Sie kann diese distanziert und kritisch analysieren. Man muss eine tiefere Verhaltensschicht einbeziehen, nämlich die Verwaltungskultur. Für ein solches Verstehen wissenschaftlicher Erkenntnisse bieten die Theorien zum Entscheidungsprozess in der Verwaltung, wie sie in den 1960er/1970 Jahren in den USA diskutiert worden sind und internationale Anerkennung gefunden haben, signifikantes Anschauungsmaterial. Zu nennen sind: die Theorie der „bounded rationality“ im „Administrative Behavior“ von Herbert Simon (1947), das Konzept der brauchbaren Entscheidung von James G. March und Johan P. Olson (1975), „The Science of ,Muddling Through‘“ von Charles E. Lindblom (1959) und weitere Entscheidungsmodelle wie das „Garbage Can Model“ von Marc D. Cohen u. a. (1972). Im Kern werden mit diesen theoretischen Ansätzen zwei Erkenntnisinteressen verfolgt. Zum einen werden die Faktoren benannt, die der perfekt rationalen Entscheidung des Individuums und seiner Organisation entgegenstehen, also begrenzte Leistungsfähigkeit, Rollenzwänge, Präferenzen, wechselnde Akteure, Zeit, Vorgeschichte, „sunk costs“, Kontext, Mehrdeutigkeit, Ungewissheit, Risiko, Unwissen, Konflikthaftigkeit usw. Auf der anderen Seite geht es darum, die Realität des Entscheidungsverhaltens in Konzepten und Modellen zu erfassen, also Angemessenheit, „good enough“, beschränkte Such- und Bewertungsvorgänge, „mutual adjustment“, schließlich inkrementales Entscheiden mit Orientierung an Handlungsalternativen, die nur graduell vom Bestehenden abweichen, Begrenzung der in Betracht gezogenen Handlungsalternativen, Bewertung nur bestimmter Konsequenzen. Grundzug solcher Theorien und Modelle ist ein gewisser Universalismus: Verwaltung ist Verwaltung – wie eben Markt Markt ist. Der Erfahrungsgegenstand dieser Ansätze sind indessen private und öffentliche Verwaltungsorganisationen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Auch wenn man diese überdies für vorbildlich halten sollte, enthebt das nicht von der Frage, welcher Rationalitätsbegriff solchen Erkenntnissen zugrunde liegt. Zum kulturellen Überbau von privaten Unternehmen wie öffentlichen Verwaltungen in den USA gehören der Managerialismus und sein Rationalitätsverständnis, und das heißt die Orientierung an Effizienz, Effektivität, Wirtschaftlichkeit, wobei die ersten beiden Kategorien nicht auf materielle Größen begrenzt sind. Diese Zweck-Mittel-Rationalität leitet auch die Wirtschaftswissenschaften und überdies weitgehend die Sozialwissenschaften. „Human action“ gilt als rational im Sinne des Einsatzes von Mitteln zur Verwirklichung von Zielen (Mises 1949).
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Es war die Vergleichende Verwaltungswissenschaft in den USA, die unter dem Eindruck von „Civic Culture“- Studien zu Politik und Demokratie die kulturellen Unterschiede zwischen der Civic Culture-Administration in der angloamerikanischen Welt und dem klassischen Verwaltungssystem Kontinentaleuropas herausgearbeitet hat (Heady 1966). Für eine Rezeption dort generierter Theorien, die über ein Bildungsinteresse hinausgeht, stellt sich die Frage, ob beide Verwaltungsordnungen das gleiche Rationalitätsverständnis teilen. Zunächst ist festzuhalten, dass zum Bürokratischen auf dem Kontinent und so in der deutschen Verwaltung auch die Zweck-Mittel-Orientierung gehört. Selbst für explizit mangeriale Werkzeuge wie das Risikomanagement und ökonomische Methoden wie die Kosten-Nutzen-Analyse ist die Verwaltungsentwicklung offen. Entsprechend ist unter den verwaltungsrelevanten Disziplinen die Maßgeblichkeit des Zweck-Mittel-Schemas als formales Rationalitätsprinzip anerkannt, und zwar nicht nur in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sondern auch in der Rechtswissenschaft, wie zum Beispiel die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Sparsamkeit oder Wirtschaftlichkeit zeigt (Rischer 1995). Freilich ist auch hier erkannt, dass finalrationale Orientierungen auf Grenzen stoßen. Es besteht eben keine Werthierarchie, keine Einheit eines höchsten Wertes. Es gibt keine Vorrangbeziehung von Werten, keine tradierte Werteordnung in öffentlichen Angelegenheiten, die die richtige Entscheidung sichert (Luhmann 1968). Entsprechend müssen Ziele und dann auch Mittel jeweils bewertet werden. Folgt man hiernach Max Weber (1956), dann eröffnet das klassische Verwaltungssystem in seiner rechtlichen Durchformung noch eine weitere Rationalisierungsmöglichkeit. Für ihn ist die bürokratische Verwaltung die formal rationalste Form der Herrschaftsausübung. Entscheidungstheoretisch heißt es dann, „dass prinzipiell hinter jeder Tat echt bürokratischer Verwaltung ein System rational diskutabler Gründe“ stehe, das heißt entweder „Subsumtion unter Normen“ oder „Abwägung zwischen Zwecken und Mittel“. Entsprechend wird die Anwendung von Gesetz und Recht, wie sie in einer „Rule driven“-Verwaltung nach Art der deutschen öffentlichen Verwaltung erfolgt, als prinzipiell rational anerkannt. Dabei geht es freilich um mehr als ein einfaches Wenn-Dann-Schema. Konditionale und finale Rationalität sind miteinander verwoben. Verwaltungsermessen ermöglicht direkt den Zugriff auf Zweck-Mittel-Abwägungen. Unbestimmte Rechtsbegriffe erfordern eine Interpretation, und bei dieser sind die Sinn- und Zweckfragen der teleologischen Auslegung maßgeblich. Die Möglichkeit einer doppelten Rationalisierung über finale Orientierungen hinaus bedeutet nicht, dass die in den USA generierten Theorien und Modelle für Kontinentaleuropa irrelevant sind. Auch in den Vereinigten Staaten ist das öffentliche Leben vielfach konditioniert: von der Straßenverkehrsordnung bis zu Gesetzen sozialer Leistungen. Nur wird die Rationalität des Rechtsnormativen in den genannten Entscheidungstheorien wie andernorts in den USA nicht hinreichend im Sinne des
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rechtsstaatlichen Legalismus berücksichtigt, wie auch die Auseinander mit dem dortigen Präjudizienrecht und Gesetzesrecht zeigt. Auf der deutschen Seite gibt es in der Verwaltung dann durchaus auch Arbeitsplätze mit hoher Verdichtung finaler Orientierungen: von der Entwicklungsplanung in einer Stadt bis zur Programmplanung in einer Regierungszentrale. Will man indessen in der angloamerikanischen Welt entwickelte wissenschaftliche Aussagen nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern sich aneignen, letztlich als eine Interpretationshilfe für die eigene Situation durch Vergleich, dann setzt eine solche Rezeption methodisch die Reflexion unterschiedlicher Verwaltungskulturen und ihres Rationalitätsverständnisses voraus. In diesem Sinne mag man dann Ausführungen zu „Comprehensive Versus Incremental Budgeting“ in den USA (Wildavsky/Hammond 1965/66) mit Gewinn lesen. Im Laufe der Jahre habe ich meine Forschungsaktivitäten in den USA vorwiegend mit der National Academy of Public Administration in Washington DC verbunden, an deren Sektion „Executive Organization and Management“ ich mich insbesondere beteiligt habe. NAPA ist eine vom US-Congress bestätigte Akademie, deren Mitglieder angesehene Wissenschaftler aus den verschiedenen Disziplinen und führende Praktiker aus verschiedenen Berufsfeldern sind, und zwar auch aus Politik und Privatwirtschaft. Sie steht für eine umfassende Beratungsaufgabe in öffentlichen Angelegenheiten, national wie international. In diesem Sinne führt sie Aufträge der Konzeptentwicklung, Modernisierung, Evaluation usw. für die verschiedensten öffentlichen Organisationen durch. Ihre akademische Aufgabe erfüllt sie weiterhin durch eigenständige Studien in einem pragmatischen Wissenschaftsverständnis – „Independent Reviews“. Der Schwerpunkt meines Interesses lag dabei in Arbeiten zur US-amerikanischen Präsidentschaft bis hin zu allfälligen Ratschlägen zur Transition und Agenda des neuen Präsidenten. Der ausländische Gastforscher der Akademie lernt hier, die Verwaltungs- und Regierungspraxis über das in Publikationen verfügbare Wissen hinaus zu verstehen. Er begegnet Führungspersönlichkeiten seines Interessenfeldes, in meinem Falle insbesondere Gesprächspartnern, die durch die „revolving door“ gegangen sind und so wissenschaftliche Erkenntnis mit praktischer Erfahrung verknüpfen. In der offenen Diskussion, die über die sozialtechnologischen und institutionellen Aspekte von Regierung und Verwaltung hinausreichte, gewann ich den Eindruck, dass eine von der rechts- und staatswissenschaftlichen Tradition Deutschlands und dem klassischen Verwaltungsstaat des alten Kontinents geprägte Stimme in dieser angloamerikanischen Welt mit Interesse gehört wurde. Jedenfalls ermöglichte mir die Mitgliedschaft als Honorary Member und die informationstechnologisch gestützte Kommunikationsweise der Akademie, Informationszugänge auch aus räumlicher Distanz zu pflegen.
D. Verwaltungsentwicklung I. Theoretische Aspekte In der internationalen Gemeinschaft der Verwaltungswissenschaftler begegnete man nicht nur Repräsentanten von öffentlichen Verwaltungen der okzidentalen Moderne und der Kaderverwaltung des realen Sozialismus, sondern seit den 1970er und 1980er Jahren zunehmend auch Wissenschaftlern und Praktikern aus einer Dritten Welt der Entwicklungsländer. Das regte an, nunmehr auch die öffentliche Verwaltung dieser Länder in den Fragehorizont der integrativen Verwaltungswissenschaft einzubeziehen. Die Unterschiedlichkeit in den Ethnien, der Geographie, dem Stadium von Wirtschaft und Gesellschaft legte freilich die Frage nahe, ob die Entwicklungsverwaltung überhaupt ein Phänomen ist, dem strukturelle und funktionale Gemeinsamkeiten zugeordnet werden können. Die „großen“ Entwicklungstheorien von Modernisierungstheorien bis Dependenztheorien boten zwar einen holistischen Erklärungsansatz. Sie zeigten aber eine Abstraktionshöhe, die sie für die Verwaltungswissenschaft unergiebig machten. Die Vergleichende Verwaltungswissenschaft hat so ihre eigenen Wege eingeschlagen, als sie sich in den 1960er Jahren der Entwicklungsverwaltung als Gegenstand zuwandte. Auf der einen Seite wurde das Thema der „Bürokratie“ in der Dritten Welt auf die politische Entwicklung bezogen (LaPalombara 1963). Auf der anderen Seite entwarf man unter dem Leitgedanken eines „Non-Weberian Model of Bureaucracy“ verschiedene Modi einer Entwicklungsbürokratie (Kaplan 1968/69). Dazu gehörte zum Beispiel ein Zuschnitt der Organisation in der Weise, dass sie latente Strukturen vorhält, um den wechselnden und unvorhersehbaren Gegebenheiten des Entwicklungsprozesses zu begegnen. Weiter soll die Verwaltungsorganisation auf ihre Klientel zentriert sein und sich dann an der Lebenswelt der Klienten in einer umfassenden Weise ausrichten. Man meinte, dass eine Entwicklungsorganisation einen experimentellen Zug haben müsse, um Programme erfolgreich ausführen zu können. Das normative Hauptmerkmal solcher Organisationen sei, dass sie geeignet seien, eine Funktion der Sozialisation oder Resozialisation zu erbringen. Solchen Modellentwürfen gegenüber sind zwei verwaltungswissenschaftliche Ansätze zu nennen, die es unternehmen, essentielle Strukturen und Funktionen der öffentlichen Verwaltungen in Entwicklungsländern typologisch nachzuzeichnen. Bei dem einen Ansatz lässt sich bei der Herrschaftssoziologie Max Webers anknüpfen. Unter diesem Vorzeichen wird von der Entwicklungsverwaltung als „Entwicklungstyp der gelenkten Massenbewegung“ gesprochen (Diamant 1967). Für die Frage von politischem Ziel und legitimer Herrschaft wird zuerst auf die
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Ideologie der Zielsetzung der Entwicklung verwiesen. Die Führung versucht zwar mit der Entwicklungsideologie die gesamte Gesellschaft zu erfassen, um die Quellen des materiellen Wohlstands zu erschließen, neue Aufgaben zu setzen, alte Lebensformen zu sprengen, gleichzeitig die vorhandenen traditionellen Institutionen in Dienst zu nehmen. Indessen bleibt die Entwicklungsideologie undoktrinär, hat vorübergehende Bedeutung, sucht ständig nach neuen Antworten, um mit den ununterbrochen sich wandelnden Bedürfnissen fertig zu werden. Diese Unterwerfung unter die Ideologie hat auch Konsequenzen für die Verwaltung. Die Verwaltungsleute werden abhängig von der Führung der Massenbewegung, und nur noch der gilt als Verwaltungs-„Experte“, der dieser Bewegung loyal ergeben ist. Das ist die Grundlage seiner Mobilisierung. Diese wird jedoch durch die Vielschichtigkeit der politischen Machtstrukturen relativiert. Traditionelle, charismatische und legale Machtstrukturen treten nebeneinander. Volkstümliche Führerpersönlichkeit, offene Zulassung zur Massenbewegung, Durchdringung bis zur lokalen Ebene, Mobilisierung durch Nebenorganisationen usw. werden in die Kennzeichnung einbezogen. Innerhalb dieses Entwicklungstyps der gelenkten Massenbewegung werden der Verwaltung gewisse allgemeine Züge beigemessen. Der weitgespannte Bereich des öffentlichen Sektors, die Rolle der politischen Führung und die Hinwendung zur Entwicklung tragen dazu bei, dass die Verwaltung zentrale Funktionen erhält. Die Entwicklungsideologie leistet Doppeltes: Indem sie einen Monopolanspruch auf Anerkennung erhebt, verlangt die Ideologie Loyalität von der Verwaltung; indem sie unklar und unbeständig bleibt, erlaubt sie der Verwaltung, eigene Handlungsspielräume zu entfalten. Gemäß der Eigenart der gelenkten Massenbewegung, die gesamte Gesellschaft zu mobilisieren, wird die Verwaltung in einem hohen Maß in den allgemeinen politischen Prozess einbezogen. Hier wird sie widersprüchlichen Anforderungen ausgesetzt. Sie muss den Anordnungen der politischen Führung, die das Regime symbolisiert und legitimiert, aktiv folgen und zugleich Sachaufgaben verwaltungsmäßig und eine eigene politische Rolle übernehmen. Das Vorhandensein einer charismatischen Führungsgestalt erhöht die Anforderungen an die Loyalität des Verwaltungsdienstes. Sie wird aber in dem Sinne zur Routine, in dem der Anspruch auf Gehorsam auf die Bewegung selbst übertragen wird. In ihrer Verbindung zur gelenkten Massenbewegung wird die öffentliche Verwaltung zum Forum politischer Streitigkeiten. Das Übergewicht technischer Kriterien in der Maschinerie öffentlicher Entscheidungen wirkt sich nicht zwangsläufig zugunsten der Verwaltung aus. Ist die politische Macht bei der Massenbewegung verankert, wird der technische Sachverstand der Verwaltung entsprechenden Kontrollen unterworfen. Andererseits bedeutet es keine Sicherstellung des Entwicklungserfolgs, wenn Technikern und Sachverständigen der Vorrang eingeräumt wird. Technisches Wissen und Sachverstand kann genutzt werden, um Machtstellungen ohne Rücksicht auf das gesellschaftliche Wohl abzusichern und auszubauen.
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Verwaltungssystemen in gelenkten Massenbewegungen wird eine Reihe von strukturellen, verhaltensmäßigen und funktionalen Eigenschaften beigemessen. Als Ergebnis der gemischt traditionell-charismatisch-modernisierenden Eigenschaft der Herrschaft sind ihre Funktionen technischer und politischer Art. Aus dem weitgesteckten Rahmen der Staatstätigkeit folgen unternehmerische und planende Leistungen. Die angesichts eines heterogenen Publikums wichtige Integration der verschiedenen Sachprogramme stößt auf die Schwierigkeit, dass dem technischen Spezialisten ein Corps von Generalisten gegenüber steht, das in der Tradition von Rechts- und Ordnungsfunktionen der alten Kolonialverwaltung, nicht an der Entwicklungszielsetzung groß geworden ist. Schließlich leistet die Verwaltung einen Beitrag zur einheitlichen öffentlichen Meinungsbildung, um die Entwicklungssymbole populär zu machen, welche sich die Massenbewegung zu Eigen gemacht hat. Unter den Verhaltenseigenschaften wird die Frage der unternehmerischen Befähigung der Verwaltung als besonders schwerwiegendes Problem für Entwicklungsländer dargestellt. Unter den strukturellen Eigenschaften wird hervorgehoben, dass ein hoher Grad von Formalismus besteht, der sich im Widerstreit zwischen der amtlich vorgesehenen Verwaltungsstruktur und der tatsächlichen Verwaltungsführung niederschlägt. Strukturelle Größen folgen dem Prozess des Wandels weniger genau. Gemäß dem gemischt traditionell-charismatisch-progressiven Charakter zeigen sich die Struktureigenschaften der Verwaltung diffus. Traditionelle, paratraditionelle und moderne Formen der Verwaltung bestehen nebeneinander. Eine Parteibürokratie steht dort, wo die Gesellschaft bereits erfolgreich mobilisiert worden ist, der Staatsverwaltung mit Herrschaftsanspruch gegenüber. Unter personellen Vorzeichen geht es um die Umorientierung der Generalisten im Hinblick auf Entwicklung und Integration sowie die Zusammenführung von Sachverstand und Loyalität. Unter räumlichen Aspekten handelt es sich um den Ausgleich von Zentralisierung der Verwaltung und Aktivierung bis zu den lokalen Einheiten. Neben dieser Anknüpfung an die klassische Herrschaftsfrage ist eine andere Typologiesierung zu nennen, die beim Entwicklungsgedanken selbst ansetzt und eine „prismatische“ öffentliche Verwaltung vorstellt (Riggs 1964). Die Verwaltung wird in ihrer Umweltlage einer „prismatischen“ Gesellschaft verstanden. Die Entwicklungsgesellschaft befindet sich in einer Übergangssituation, wobei die relevanten Veränderungen als soziale Differenzierung verstanden werden. Es gibt zwei Eckpunkte gesellschaftlicher Beschaffenheit: die funktional diffuse Sozialstruktur der traditionellen Gesellschaft und die funktional differenzierte Sozialstruktur der fortgeschrittenen Zivilisation. Um das Zwischenstadium der Entwicklungsländer zu kennzeichnen, wird eine der Optik entliehene Terminologie benutzt und der Ausgangszustand als „fused“ – vollkommen undifferenziert –, der Endzustand als „diffracted“ – stark differenziert –, die hier interessante Übergangslage als „prismatic“ benannt. In diesem prismatischen Stadium ist es noch nicht möglich, einzelne Strukturen festzustellen, denen autonome Funktionen zukommen. Keine der maßgeblichen Strukturen ist verständlich, ohne auch die sich ständig aufeinander aus-
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wirkenden anderen Strukturen zu berücksichtigen. Entsprechend liegen in Entwicklungsgesellschaften strukturelle Spezialisationen und noch gemischte Bereiche nebeneinander. Diese Interpretation lässt sich noch um das Problem der Integration ausweiten (Riggs 1973). Denn mit dem Prozess der Differenzierung eröffnet sich die Möglichkeit der Desintegration der Sozialverhältnisse. In diesem Sinne ist eine prismatische Gesellschaft dadurch charakterisiert, dass in ihr die Ausdifferenzierung neuer Strukturen schneller abläuft als deren Integration. Für die öffentliche Verwaltung sind indessen spezifische politisch-ökonomische Beschaffenheiten zu berücksichtigen. Die ökonomische Umwelt entspricht einem „Bazaar-Canteen“Modell. Formal werden Marktverhältnisse, aktuell wird aber eine traditionale Wirtschaft beinhaltet. Es herrscht Unbestimmtheit der Preise, für deren Konkretisierung der politische oder soziale Status begünstigend wirken kann. „Canteen“ steht für spezielle Geschäftslokale, die einer Kundschaft nach Privilegien dienen, „Bazaar“ für den offenen Markt, auf dem der Käufer über Güterpreise langwierig verhandeln muss. Prismatische Eliten sind durch den Widerstreit von traditionellen und neuen Gruppen charakterisiert. Äußerlich mögen Leistungsethos und freie Zugangsmöglichkeiten bestehen. In Wirklichkeit ist der Zugang auf die begrenzt, die die traditionellen Werte verkörpern und denen die Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse zugetraut werden kann. Untergeordnete Gruppen nehmen Einfluss durch die Hintertür. Wirtschaftlicher Machtgewinn kann Verlust an politischem oder sozialem Standard bedeuten. Die offizielle Rechtsordnung des Staates bleibt formalistisch. Im täglichen Leben wird auf den Status des Betroffenen Rücksicht genommen. Positives Recht wird geschaffen, aber nicht durchgesetzt. Prismatische Macht hat höchsten Rang. Der Machtinhaber wird zwar durch Gesetze beschränkt. Er kann aber auf andere Machtbereiche zurückgreifen. All diese sozialen Größen treffen im Verwaltungssystem der Entwicklungsgesellschaften zusammen. Sie werden durch das „Sala“-Modell wiedergegeben (Riggs 1962). In der doppelten Bedeutung von Dienststelle und persönlichem Raum kommt die prismatische Lage administrativer und traditioneller Aufgaben zum Ausdruck. Verwaltungsmacht ist Selbstzweck und unkontrolliert durch andere soziale Kräfte. Der Grad administrativer Effizienz steht im umgekehrten Verhältnis zum Gewicht politischer Macht. Verwaltungsvorschriften sind zahlreich und widerspruchsvoll. Die Verwaltungsarbeit läuft nicht zuletzt auf Grund der Nichtbeachtung dieser Vorschriften. Ihre Anwendung richtet sich nach der Klientel. Status und persönliche Beziehungen eröffnen Rekrutierung und Karriere im öffentlichen Dienst trotz anderer Gesetze. Der Beamte ist seinen Angehörigen und Freunden verpflichtet. Der Vorgesetzte ist auf die Loyalität seiner Bediensteten angewiesen. Solche Treue führt zu Beförderungen. Die Entwicklungsverwaltung leidet darunter, dass das Steueraufkommen zu klein ist, um die staatlichen Aufgaben zu decken. Die gesellschaftliche Elite erfüllt ihre
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Steuerpflicht unvollkommen. Die Personalkosten des öffentlichen Sektors sind hoch. Die Bezüge der Beamten sind formal gering. Es besteht aber Zugang zu anderen ökonomischen Vorteilen. Form und Realität fallen wieder auseinander. Der Haushalt verteilt formal die Staatsausgaben, ist aber ein Papier, das die budgetäre Wirklichkeit kaum wiedergibt. Die Konkurrenz bei der Mittelzuweisung ist groß. Die Loyalität der jeweiligen Beamtenschaft ist ein maßgebliches Verteilungskriterium. Behörden versuchen deswegen aus eigenen Quellen, etwa Gebühren, autonome Einkünfte zu erzielen. Das gesamte Einflussmuster der prismatischen Gesellschaft durchkreuzt jenen Grundgedanken, dass es nämlich durch eine angemessene Administration möglich ist, die intendierten sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen zu schaffen. Da die widersinnigen Kräfte des Überganges in den Institutionen der prismatischen Gesellschaft zusammenlaufen, gleiten die Möglichkeiten für einen geplanten, administrierten Wandel weg. Die realen Ergebnisse der angestrebten Veränderungen sind fast das Gegenteil dessen, was beabsichtigt wurde. Die Agenten des Wandels in der prismatischen Gesellschaft werden von den bitteren Früchten ihrer gut gemeinten Anstrengungen überrascht. Bezieht man solche Typologiesierungen auf die Theorie der Bürokratie, dann hat man es mit unterschiedlichen Grundsachverhalten zu tun. Der Typus der Bürokratie ist Ausdruck des Ergebnisses eines historischen Prozesses der Modernisierung und Rationalisierung. Die typologischen Aussagen zur Verwaltung in der Dritten Welt sind demgegenüber Aufnahmen in einem laufenden Entwicklungsprozess, und zwar mit tief einschneidenden Veränderungen jenseits des sozialen Wandels, wie er sich in entwickelten Gesellschaften vollzieht. Diese Aussagen mögen so begrenzter belastbar sein. Entsprechend kann man dem Entwicklungstyp der gelenkten Massenbewegung entgegenhalten, dass es in der Dritten Welt vielfältige Regime gibt: von traditionalen Eliten, Militärregierungen, Ein-Parteien-Regierungen und eben auch von Massenbewegungen (Heady 1996). Die Relevanz der einschlägigen Aussagen beruht indessen in den Machtverhältnissen, in der Bemächtigung der Verwaltung durch die Machthaber. Es geht eben nicht um eine definierte, geordnete Herrschaft über die öffentliche Verwaltung, die von der Regel eines Primats der Politik gegenüber einem ausdifferenzierten sozialen System Gebrauch macht. Vielmehr leben Politik und Verwaltung in einem diffusen Beziehungsgeflecht. In der Beobachtung der Entwicklungsverwaltung in der Dritten Welt begegnet man immer wieder Lebenssachverhalten, die den Merkmalen von prismatischer Gesellschaft und Verwaltung entsprechen. Den im Typus aufgezeigten Strukturen und Funktionen kommt angesichts der Verwaltungswirklichkeit eine gewisse Plausibilität zu. Es geht zumindest zu ihrer Zeit um theoretische Aussagen mittlerer Reichweite. Die Probleme liegen woanders, nämlich im „negativen Funktionalismus“ (Luhmann 1966 c). In der prismatischen Interpretation werden die negativen Aspekte der Entwicklungsverwaltung in den Vordergrund gestellt (Arora 1972). Alles hängt mit allem zusammen. Nichts kann für sich allein geändert werden. Jeder
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Eingriff hat entweder gegenläufige oder gar keine Folgen. Ein Missgeschick ist für das andere da. Eine Untugend stützt und erfordert die andere. Gründe für einen solchen Zuschnitt mögen einseitige Interpretationen etwa des Formalismus oder Vorurteile westlicher Standards sein. Die Auseinandersetzung mit der Entwicklungsverwaltung durch verwaltungsrelevante Wissenschaften in Deutschland war bis in die 1980er Jahre hinein begrenzt. Einzelstudien wie zur Aneignung von Renteneinkommen – „Rent-Seeking“ – durch Bürokratien (Elsenhans 1981) sind zu verzeichnen. In Freiburg wurde es unternommen, eine Vergleichende Regierungs- und Verwaltungsforschung zur Dritten Welt zu institutionalisieren. Aus diesem Unternehmen ging eine Reihe von Untersuchungen zu einzelnen Entwicklungsländern und verschiedenen Aspekten deren Verwaltungen hervor (Oberndörfer 1981). Problematisch erschien dabei das Konzept, die Entwicklungsverwaltung ganz unter die Prämisse des Politischen zu stellen. Das entsprach zwar dem Status quo einer diffusen Verflechtung von Politik und Verwaltung in der Dritten Welt. Die Frage ist, ob man sich damit die Entwicklungsperspektive der Verwaltung als eines ausdifferenzierten sozialen Funktionssystems verstellt. Fritz Morstein Marx (1963b) hat jedenfalls in seinem Beitrag zu Bürokratie und politischer Entwicklung aus der historischen Erfahrung heraus gezeigt, wie unrealistisch es ist, sich eine nationale Entwicklung vorzustellen, bei der die Bürokratie, selbst wenn ihre Stellung begrenzt ist, ausgeschlossen ist. Meine Rolle sah ich damals darin, zunächst ein Forum zur Diskussion von Entwicklungsverwaltung und Verwaltungszusammenarbeit durch Veranstaltungen in der Speyerer Hochschule und der Deutschen Sektion des Internationalen Instituts zu schaffen.
II. Verwaltungszusammenarbeit Die öffentliche Verwaltung in Entwicklungsländern war aber damals nicht nur ein weiterer Erfahrungsgegenstand für die Verwaltungswissenschaft. Ihr wurde zugleich ein neues Politikfeld der Kooperation in Lehre und Forschung, in der wissenschaftlichen Beratung bis hin zum Institutionentransfer eröffnet, nämlich die internationale entwicklungspolitische Zusammenarbeit, hier in Verwaltungsangelegenheiten. Diese Arena wurde von unterschiedlichen Akteuren besetzt. Aus den Vereinigten Staaten von Amerika wurde im Grunde auch insoweit ein Führungsanspruch erhoben. Jenseits des Einsatzes für demokratische Verhältnisse ging es im Falle der Verwaltung um Managementmodelle, Planungs-, Programmierungs-, Budgetierungssysteme, Techniken der Projektverwaltung, Muster der Klassifizierung von Dienstposten, Kontrollmethoden usw., die zum Transfer in Entwicklungsländer bezeichnet wurden (Siffin 1976). Diese Strömung wurde mancherorts durch internationale Organisationen verstärkt. Der den Managementmodellen immanente Universalismus stand ihnen konzeptionell nahe, und überdies ist das Englische die Lingua franca des internationalen Verkehrs.
II. Verwaltungszusammenarbeit
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Gegenspieler waren damals die Länder des realen Sozialismus, einschließlich der „sozialistischen Wirtschaftshilfe“ der DDR (Zimmermann u. a. 1985). Im Kern ging es darum, in den Ländern der Dritten Welt Fuß zu fassen und Ideologie und ideologisch definierte Institutionen des realen Sozialismus zu transferieren. Wichtige Akteure waren weiterhin die ehemaligen Kolonialmächte, insbesondere Frankreich und Großbritannien (Protz-Schwarz 1986). Die Dekolonisierung bedeutete nicht, dass alle historisch gewachsenen Zusammenhänge gekappt wurden. Gerade auf dem Felde der öffentlichen Verwaltung wirkten Muster der Kolonialverwaltung nach, die organisatorische wie personelle Anschlüsse eröffneten. Die internationale Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland musste sich demgegenüber ihre Position in Verwaltungsangelegenheiten, Akzeptanz und Reputation in Entwicklungsländern vom Grunde an erarbeiten. Erschwerend kam hinzu, dass im westlichen Ausland, so sehr man Wirtschafts- und Finanzhilfen schätzte, angesichts der dunklen Jahre der deutschen Verwaltungsgeschichte Vorbehalte gegenüber einer Verwaltungsförderung durch die Bundesrepublik gehegt wurden. Diese Erfahrung konnte man auch persönlich machen, wenn man Funktionen in internationalen Organisationen übernahm. Lösten sich solche Probleme mit der Zeit auf, so blieben die internen Vorbehalte der deutschen „entwicklungspolitischen Community“ gegenüber einer Verwaltungszusammenarbeit über die Jahre erhalten. Die Übertragung deutscher Verwaltungserfahrungen auf Entwicklungsländer wurde eher als schädlich eingeschätzt (Thedieck 1997). Die Gründe hierfür mögen tiefer liegen. Es gibt eine gesellschaftskritische Strömung, die in der verwalteten Welt und insbesondere im Verwaltungsstaat einen Grund für die Entfremdung des Menschen von sich selbst und für die Auflösung der Bindung des Individuums an eine gleichsam natürliche soziale Umwelt sieht (Kallscheuer 1986). Das schließt es nicht aus, dass gleichzeitig die öffentliche Verwaltung in der Dritten Welt allgemein als Engpassfaktor der Entwicklung anerkannt wurde. So wurden dann auch einschlägige Förderungsmittel zum erheblichen Teil in der sogenannten versteckten Verwaltungshilfe eingesetzt. Das heißt, dass sie Rahmen von technischen oder finanziellen Projekten anderer Sektoren wie Infrastruktur oder Bildung ausgegeben wurden, um diese administrativ zu begleiten. Insgesamt ließen sich indessen die für die Verwaltungsförderung eingesetzten Ressourcen mit denen von anderen Hauptakteuren der internationalen entwicklungspolitischen Arena durchaus vergleichen (Grawe 1983). In den 1980er Jahren wurde dann in einem Sektorpapier der Verwaltungsförderung der Bundesrepublik eine Konzeption vorgegeben (Bolay/Koppe 1986). Dieses Papier sollte die Grundsätze für die Verwaltungsförderung festlegen, insbesondere Schwerpunkte und Prioritäten sowie Wege zur Erreichung der Sektorziele aufzeigen. Dabei galten als Funktionsbereiche: die Unterstützung der klassischen Bereiche der öffentlichen Verwaltung, die Unterstützung der Verwaltung als Träger der Entwicklung und die verwaltungsmäßige Absicherung von Projekten der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit.
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D. Verwaltungsentwicklung
Als Schwerpunkte der deutschen Verwaltungsförderung wurden bezeichnet: Ausund Fortbildung im öffentlichen Dienst, insbesondere die Förderung von Verwaltungsschulen und Verwaltungsinstituten, öffentliches Finanzwesen und Steuerverwaltung, Lokal- und Regionalverwaltung, Dezentralisierung, Arbeits- und Sozialverwaltung, Raum- und Infrastrukturplanung, Wirtschaftsverwaltung und öffentliche Unternehmen und künftig Rechtsberatung wie Verwaltung des Umweltschutzes. Zu den Prioritäten wurde gezählt: Maßnahmen zugunsten administrativer Querschnittsaufgaben, Maßnahmen zugunsten der Lokal- und Regionalverwaltung, Maßnahmen zugunsten der Leistungs- und Planungsverwaltung sowie die Entwicklungsprojekte flankierende Verwaltungsförderung. Das Sektorpapier zur Verwaltungsförderung gab gleichzeitig auch den damaligen Stand der Umsetzung der Zusammenarbeit mit öffentlichen Verwaltungen in der Dritten Welt wieder. Denn es reflektierte weitgehend den Status quo. Das zeigte auch die Organisation des Hauptträgers einschlägiger Entwicklungspolitik, nämlich die Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung. Deren Zentralstelle für öffentliche Verwaltung war in Fachgruppen eingeteilt, zu denen solche für Finanzverwaltung und Finanzkontrolle, Kommunalverwaltung, Arbeitsverwaltung und Sonderverwaltung, Grundsatzfragen und Verwaltungsinstitute gehörten (Richthofen 1981). Wendet man sich der Frage zu, wie die deutsche Verwaltungsförderung in der internationalen Arena der Entwicklungspolitik bestanden hat, dann begegnet man vielfältigen Problemen auf Geberseite – koloniale Vorgeschichte, Sprache usw. – wie Nehmerseite – politische Diffusion, „prismatische“ Situation usw. –. Es gibt indessen auch eine spezifisch verwaltungswissenschaftliche Fragestellung, nämlich ob die öffentliche Verwaltung ein universalistisches oder kulturalistisches Phänomen sei. Universalisten halten die öffentliche Verwaltung für einen sozialen Bereich, für den es über kulturelle Grenzen hinweg die richtige Lösung gibt. Entwicklungsverwaltungen werden mit ihnen konfrontiert, wenn ihnen Managementmodelle des „One best way“ angedient werden. Und das kann selbst Ländern wie der Mongolei passieren. Bis zum Ende der 1980er Jahre gab es aber noch einen anderen universalistischen Anspruch, nämlich einen ideologischen des realen Sozialismus mit Nomenklatur und Kaderverwaltung, der in einigen Entwicklungsländern Fuß fasste. Der universalistischen steht die kulturalistische Position gegenüber, für die die öffentliche Verwaltung ein soziales Phänomen ist, das jeweils zutiefst in Raum und Zeit eingeschliffen, von der jeweiligen historischen Lage nicht abhebbar ist. Schaut man auf die Erfahrungswelt des öffentlichen Interesses, dann ist nicht zu übersehen, dass auch Verwaltungsangelegenheiten dem Prozess der Globalisierung unterliegen und Verwaltungen immer mehr aus technischen oder ökonomischen Gründen an universelle Standards gebunden sind, also etwa die Luftverkehrsverwaltung oder die Zollverwaltung. Heute stellt sich die Frage, welche weiteren kommunikativen Vereinheitlichungen informationstechnologisch induziert werden. Gleichwohl sind kulturelle Unterschiede öffentlicher Verwaltungen relevant. In der Verwaltungswissenschaft treten die die jeweiligen Eigenheiten und Verschiedenheiten hervor,
II. Verwaltungszusammenarbeit
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wenn man sich explizit mit der Verwaltungskultur befasst: zwischen der Alten und der Neuen Welt, zwischen Kontinentaleuropa und dem angelsächsischen Raum, zwischen der französischen und der deutschen Tradition. In der Verwaltungspraxis eines Landes ist indessen das kulturelle Moment eine Selbstverständlichkeit, das im Verwaltungsalltag nicht sonderlich reflektiert wird. Anderes kann man von Verwaltungsmitarbeitern in Entwicklungsländern erleben, wenn man ethische Fragen berührt. Wenn man etwa in Asien ein multikulturelles Seminar zu Berufsethos und Weiterbildung des Verwaltungsdienstes mit Teilnehmern buddhistischer, hinduistischer, muslimischer Religionszugehörigkeit durchführt, wird der Hinweis nicht ausbleiben, welchen Einfluss eben die Religion jeweils auf den Berufsalltag hat. Wenn dann von westlicher Seite gleichsam erlösend gutes Management entgegenhalten wird, kann es zu Konflikten kommen, zu deren Besänftigung es einer charismatischen Mutter Teresa als Gastrednerin bedarf. Wenn man in Rom im Kontext der päpstlichen Enzyklika „Laborem exercens“ vor katholischen Kirchen-, Unternehmens-, Gewerkschaftsführern aus Lateinamerika zum Arbeitsethos im öffentlichen Dienst Deutschlands spricht, dann kann die Verwaltungswissenschaft den Bezug zur protestantischen Ethik nicht aussparen. Gleichwohl muss das in einer Weise geschehen, die die kulturellen Unterschiede respektiert. Insofern ist der Verwaltungsförderung von Entwicklungsländer durch die Bundesrepublik Deutschland zugute zu halten, dass ihre Verwaltungszusammenarbeit vom Grundton des Kulturalismus geprägt ist. Das gilt für die professionellen Entwicklungshelfer wie die beigezogenen Experten aus Wissenschaft und Praxis. Bei aller Überzeugung von der Leistungsfähigkeit der deutschen Verwaltung erlebte man selten, dass das System etwa der kommunalen Selbstverwaltung ideologisch vorgetragen wurde. Auch die Neigung zu einem Modelldenken in der Kooperation kam zu Zeiten eines „New Public Managements“ eher kurz auf (Thedieck/Müller 1997). Im Allgemeinen wurde in Bildung und Beratung Erfahrungswissen und Sachverstand aus dem Fundus eines alten Verwaltungsstaates vorgetragen, der selbst mit seiner Verwaltung Epochen der Entwicklungsagentur vorzuweisen hatte, und dies in offener, undogmatischer Weise mit der Bereitschaft zum Dialog. Unter den Organisationen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit habe ich hauptsächlich mit der Zentralstelle für öffentliche Verwaltung der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung zusammengearbeitet, deren Vorsitzender des Fachbeirates ich auch viele Jahre war. Der Schwerpunkt meiner Zusammenarbeit lag in der Fachgruppe „Grundsatzfragen und Verwaltungsinstitute“. Im Rahmen einschlägiger Seminar- und Vortragstätigkeit erweiterten sich die Kenntnisse von universitären und außeruniversitären Verwaltungsschulen in der Dritten Welt. In der Kooperation mit den anderen Fachgruppen bemühte ich mich, aus den deutschen Verwaltungserfahrungen heraus möglichst konkrete Engpässe des jeweiligen Entwicklungslandes zu behandeln. So war etwa angesichts der Finanzquellen einer
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dezentralisierten Kommunalverwaltung in Deutschland über die Finanzierungsmöglichkeiten einer nur dekonzentrierten Lokalverwaltung in Afrika zu sprechen. Mit zunehmender Kenntnis von Verwaltungsverhältnissen in anderen entwickelten Ländern, konnte ich von Fall zu Fall auch auf Erfahrungen ausländischer Verwaltungsstaaten zurückgreifen. Wenn sich zum Beispiel in der südamerikanischen Finanzverwaltung die Abwanderung berufserfahrener Mitarbeiter als störend erweist, dann ist über Karriereanreize nachzudenken. Als dysfunktional wirkt sich das dort geltende Positions-Klassifizierungs-Prinzip aus, da es Person und Stelle zusammenfügt, ohne eine formale Perspektive für die weitere Karriere zu bieten. Hier ist zunächst der Hinweis auf das Laufbahnprinzip in Deutschland hilfreich. Hinzu kommt aber, dass für höhere und leitende Funktionen in der südamerikanischen Finanzverwaltung politische Unsicherheiten bestehen können. Hier bietet das deutsche Beamtenrecht mit der zunehmenden Funktionalisierung des Status keine Abhilfe. Will man Anreize schaffen, muss zumindest der Status gesichert sein. Man muss also nach einer Personalstruktur Ausschau halten, in der Status und Funktion stärker getrennt sind. Und hier kommt das Corps-Prinzip der französischen Finanzverwaltung ins Blickfeld. Insgesamt sah ich mich im Dialog mit Partnern in Entwicklungsländern im Ansatz einer integrativen Verwaltungswissenschaft bestärkt.
III. Aus- und Weiterbildung Meinen Erfahrungen als Speyerer Rektor unter anderen mit der Konsolidierung des verwaltungswissenschaftlichen Ergänzungsstudiums, als Studienleiter der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Rhein-Neckar, weiter mit der Überführung der Ausbildung des gehobenen Verwaltungsdienstes in den Fachhochschulbereich und dann in den Begegnungen mit Verwaltungsschulen in entwickelten wie sich entwickelnden Ländern entsprach es, in der International Association of Schools and Institutes of Administration (IASIA) Funktionen eines Vizepräsidenten und Leiters der Studiengruppe für Curriculumentwicklung zu übernehmen. Diese Vereinigung ist eine Unterorganisation des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften in Brüssel und der weltweite Zusammenschluss von universitären und außeruniversitären Schulen und Instituten der Aus- und Weiterbildung für die öffentliche Verwaltung. Auch in der Studiengruppe für Curriculumentwicklung waren alle Erdteile repräsentiert. Aber es überwog ein Interesse an Schulen und Instituten in Entwicklungsländern, und zwar auch von Vertretern westlicher Länder wie Frankreich, während Großbritannien mit Gremien des Commonwealth of Nations auf eine weitere Mittlerorganisation zurückgreifen konnte. In dieser Situation erschien es angemessen, die Geschichte von Bildung und Verwaltung in früheren Kolonien vorweg zu kennen. Die Zeit des Kolonialismus von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an liefert klassisches Anschauungsmaterial zum Verhältnis von Herrschaftsausübung und
III. Aus- und Weiterbildung
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Bildungswesen gerade unter dem Vorzeichen der Verwaltung (Albertini 1976). Das Bild ist freilich nicht einheitlich. Berühmt ist das Beispiel des Indian Civil Service, dem als administrative Elite eine Schlüsselstellung in der Beherrschung des Subkontinents zukam. Zu diesem Korps fanden bereits seit 1864 Inder Zugang. Ihr Anteil wurde gering gehalten, bis das Interesse von britischen Kandidaten an der Kolonialverwaltung in Indien in den 1930er Jahren zurückging. Entscheidend war aber, dass die indischen Mitglieder dieses Civil Service vom britischen Verständnis der Handhabung öffentlicher Angelegen geprägt wurden. Schon das Eintrittsexamen war von den Präferenzen höherer Schulen und Universitätskollegien in England geformt. Der Einheimische musste sich an die Bildungsvorstellungen der Kolonialherren anpassen, wenn er Aufnahme beim Verwaltungsdienst finden wollte. Nicht beim Zugang zu administrativen Eliten, sondern bereits beim allgemeinen politischen Status setzte die portugiesische Kolonialmacht in neueren Phasen ihrer afrikanischen Herrschaft an. Nur die kleine Gruppe der Assimilierten erlangte die Privilegien des portugiesischen Bürgerrechts und war nicht wie ihre „nicht-zivilisierten“ Landsleute von vornherein vom Dienst in der Verwaltung ausgeschlossen. Die Angleichung erfolgte auf Grund kultureller Selektivität. Das bedeutet, dass Bildungsfaktoren beginnend mit dem Erlernen der portugiesischen Sprache mit ausschlaggebend waren. Zwischen diesem Ansatz beim politischen Status und der Rekrutierung administrativer Eliten gab es vielfältige Bildungsbarrieren, um die Kolonialisierten vom Verwaltungsdienst fernzuhalten oder ausnahmsweise unter Preisgabe der angestammten kulturellen Identität durchzulassen. Neben solchen Mustern der Selektion für Verwaltungen bürokratischen Typs sind noch Formen der Inanspruchnahme von Trägern der traditionellen Autorität durch die Kolonialmacht zu nennen, weil insoweit die hier interessierende Bildungsfrage im Kern beiseite blieb. Als solche Form ist insbesondere die „Indirect Rule“ der britischen Kolonialherrschaft in Afrika bekannt geworden (Lugard 1922). Sie bedeutet eine indirekte Verwaltung von der Art, dass die vorfindlichen traditionellen Eliten Mittelsmänner und Teilhaber von Herrschaft und Verwaltung seien sollten. Dazu gehört es in freilich abhängiger Gewalt, die Institutionen der Einheimischen, die von der Kolonialmacht als gut erachtet wurden, zu bewahren und auf eigene Art zu entwickeln, die lokale Selbstverwaltung durch einheimische Autoritäten zu fördern, Verantwortung auf traditionelle Kräfte zu übertragen, die zu deren Ausführung befähigt angesehen wurden, sodann die Kolonialbeamten zunächst als Berater örtlicher Machthaber und erst dann als Überwacher zu betrachten. Es ist umstritten, wie weit sich die Konzeption einer kolonialen Verwaltungspolitik, die die in der vorgefundenen Gesellschaft bestehenden Institutionen und Eliten akzeptiert und weiterführt, wirklich maßgeblich geworden ist (Deschamps 1970). Unter kulturellen Vorzeichen zeigte sich aber ein anderer Ansatz als bei der „künstlichen Chefferie“ in der direkten Verwaltung der französischen Kolonien Westafrikas. Insofern wurde zwar auf einheimische Eliten zurückgegriffen. Zu Kantonchefs wurden indessen zum Beispiel Personen ohne lokaltraditionelle Basis,
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zudem auch Angehörige fremder Stämme mit geringen administrativen Erfahrungen jedoch eigenen Französischkenntnissen eingesetzt. Aus der Sicht der bürokratischen Kolonialverwaltung standen sie an deren Rande und gewannen keine neue Identität, wie sie die französische Staatskultur und Verwaltungsbildung zu vermitteln geeignet ist. Schließlich ist noch jene Kolonialpolitik zu nennen, die die bedingungslose Unterwerfung unter die Kolonialmacht und ihre Verwaltung verlangte, ohne die vorfindlichen Institutionen selbst im Interesse der Kolonisation zu nutzen und die Einheimischen zu mehr als bloßen Hilfskräften herbeizuziehen. Die deutsche Kolonialgeschichte zeigt solche Züge. Zieht man unter solche Verwaltungs- und Bildungspolitik den historischen Bilanzstrich, wie ihn die Entkolonialisierung gezogen hat, dann zeigt sich, mit welchem unzulänglichen Verwaltungsdienst die Entwicklungsländer in die postkoloniale Zeit gegangen sind. Hinzu kommt, dass es nun um mehr als Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Steuerwesens und der lokalen Konfliktbereinigung ging. Die Verwaltung sollte Agentur der sozioökonomischen Entwicklung sein. Daraus lässt sich ablesen, welche fundamentalen Leistungen von Schulen und Instituten erwartet wurden, die die Bildungsvoraussetzungen für einen solchen Verwaltungsdienst schaffen sollten. Entsprechend ging es bei den Interessen der Studiengruppe für Curriculumentwicklung an Verwaltungsschulen und Verwaltungsinstituten in der Dritten Welt nicht nur um Erweiterung des akademischen Wissens, sondern auch um die Frage, welchen Beitrag man zur Institutionenentwicklung auf diesem Feld erbringen kann. In der Verwaltungswissenschaft kann man drei Verhaltensschichten öffentlicher Verwaltung unterscheiden: Verwaltungskultur, Verwaltungsinstitutionen und Verwaltungstechnologien. Verbindet man die jeweilige Verhaltensschicht mit dem Konzept einer intendierten sozialen Entwicklung, dann lassen sich solche Intentionen im kulturellen Bereich am schwersten umsetzen. Denn es geht um die Tiefenschicht von gesellschaftlichen Werten, Einstellungen, Orientierungen. Kurze, instrumentelle Eingriffe helfen da nicht. Breit angelegte, kontinuierliche Bildungseinflüsse mögen zuerst noch Wirkungen zeigen. Im realen Sozialismus zählte das Kulturell-Erzieherische zu den Hauptfunktionen des Staates, der die Volksmassen in diesem Geiste umerziehen sollte. Sieht man demgegenüber auf die Veränderungsmöglichkeiten der Verwaltung durch sozialtechnologische Werkzeuge, dann ist zu beobachten, dass es insbesondere in Schwellenländern eine Verwaltungstechnokratie gibt, die einem Transfer von Techniken der Planung, Budgetierung, Kontrolle usw. offen gegenübersteht. Nur scheiterten solche „tools“ wegen Inkompatibilität mit dem vorfindlichen Institutionengefüge. Zu erinnern ist, dass im technisch-physischen Bereich für Entwicklungsländer „angepasste Technologien“ verlangt wurden. Hiernach bleiben die Institutionen als Anknüpfungspunkt für intendierte Entwicklungen. Das Konzept der Institutionenentwicklung bezieht sich fundamental auf die Veränderlichkeit des Menschen in der Gesellschaft (Klages 2004). Es betrifft alle
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Lebensbereiche so auch die öffentliche Verwaltung und diese wegen der Erfordernisse ihrer Begrenzung im besonderen Maße. Institutionenentwicklungen können auf evolutionären Prozessen wie etwa Verwaltungsmodernisierungen beruhen. Sie können aber auch aus revolutionären Veränderungen wie der Aufbau einer Kaderverwaltung in der früheren DDR erwachsen. Sie können intendiert wie nichtintendiert, geplant oder ungeplant entstehen. Institutionenentwicklung ist eine Hauptstrategie in der Verwaltungszusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt. Das liegt an der Nehmer- wie der Geberseite. Entwicklungsländer sind zu Existenzsicherung wie Weiterentwicklung auf funktionierende Institutionen angewiesen. Und den Helfern der Verwaltungsförderung steht nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. Finanzielle und technische – früher Schreibmaschinen, jetzt Computer – Hilfen sind möglich. Aber selbst der in ein Entwicklungsland entsandte deutsche Beamte kann angesichts der dort gewonnen Souveränität keine amtliche Ersatzvornahme ausüben. Er ist als Experte Berater. Es bleiben also neben Aus- und Weiterbildung wie Training als Instrumente Beratung und Dialog. Hier passt die Unterstützung der Institutionenentwicklung hinein, wie sich im Institutionalismus in der Entwicklungspolitik zeigt (Pitschas/Sülzer 1995). In der Lingua franca des Englischen wurde dieser Ansatz schon früh auf den Begriff des „Institution Building“ gebracht und eben als Strategie entwicklungspolitischer Zusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt jenseits von bloßen Wachstumsstrategien und in der Perspektive des geplanten und geleiteten sozialen Wandels begriffen. Man unternahm es, ein entsprechendes Bezugsmodell zu entwerfen (Eaton 1972). Als institutionelle Bezugsgrößen galten: Führung – hier über die formale Hierarchie hinaus –, Doktrin – hier etwa im Sinne der Mission –, Programm – hier als Aufgaben- und Prioritätenstellung –, Ressourcen – hier der finanzielle, physische, menschliche, technische und informationale „input“ – und die interne Struktur – hier Aufbau wie Ablauf umfassend –. Als Verbindungslinien zur sozialen Umwelt der Institution wurden im Modell genannt: ermöglichende Verbindungen – zum Unterstützerumfeld –, funktionale – zu komplementären Leistungsträgern –, normative – zu Werte vorgebenden Institutionen – und diffuse – eben nicht klar zuzuordnende Verbindungen. Das Modell des „Institution Building“ hat in den USA eine breite theoretische Diskussion ausgelöst. Das Konzept wurde aber auch für Projekte der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit in Anspruch genommen. Zur öffentlichen Verwaltung ging es dabei um einzelne Verwaltungsschulen und Verwaltungsinstitute (Blase 1973). Anfang der 1980er Jahre war es dann das Department für technische Entwicklungszusammenarbeit der Vereinten Nationen, das auf diesem Felde mit Repräsentanten der Dritten Welt in einen Dialog eintrat (United Nations 1982). Diese Experten betonten in ihren Schlussfolgerungen und Empfehlungen zunächst die Bedeutung von Management für die nationale Entwicklung und entsprechend die strategische Rolle, die Institutionen der Managemententwicklung zukommen sollte, und zwar auch im Blick auf politische Führung und Entwicklungsplanung. Zu den
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Schlussfolgerungen zählte dann, dass zur Managemententwicklung mehr als Trainingskurse gehören, nämlich eine tiefe Akkulturation, um den Bedürfnissen des gemeinen Mannes besser zu dienen. Entsprechend wurde gefordert, den Zugang zu öffentlichen Diensten für alle, insbesondere die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft zu öffnen. Sodann heißt es zu den Institutionen der Managemententwicklung, dass sie ihre Leistungen im Blick auf ein realistisches Rollenverständnis reflektieren und die Umwelt beeinflussen sollten, statt sich von ihr dominieren zu lassen. Diese Institutionen sollten, um die intellektuelle Abhängigkeit von exogenen Managementtheorien und Managementmodellen zu reduzieren, eigene Ansätze entwickeln, die ihre kulturellen Umwelten und ihre Bedarfe reflektieren. Weiter wurden die Abstimmung mit der nationalen Aufgabenpolitik und die Zusammenarbeit nationaler, regionaler und lokaler Ebenen empfohlen, um schließlich mehr Aufmerksamkeit für die Aufgabe des „institution building“ und die bessere Ressourcenausstattung für Institutionen der Managemententwicklung zu verlangen. Meine Funktionen in der International Association of Schools and Institutes of Administration (IASIA) und in der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung (DSE) veranlassten mich, ein internationales Kooperationsprojekt zu Aus- und Weiterbildung für die öffentliche Verwaltung mit Schwerpunkt auf Entwicklungsländer zu initiieren. Die Rahmenbedingungen dafür waren unter der Voraussetzung der Zusammenarbeit beider Organisationen günstig. Bei der IASIA konnte man den üblichen Kongressbetrieb nutzen und eine breite Mitgliedschaft ansprechen. Die Zentralstelle für öffentliche Verwaltung der DSE verfügte über organisatorische Zugänge zur Dritten Welt und die Möglichkeit, Teilnehmer aus Entwicklungsländern finanziell zu unterstützen. Als Partner für die wissenschaftliche Leitung des Projekts gewann ich einen Experten für einschlägige Curriculumentwicklungen. Ernest A. Engelbert war ein hochschulpolitisch erfahrener Professor an der University of California und maßgeblich an der Entwicklung der „Guidelines and Standards“ für professionelle Master-Grad-Programme in öffentlichen Angelegenheiten/öffentlicher Verwaltung in den USA beteiligt gewesen. 1980 wurden anlässlich einer IASIA-Tagung in Alcala de Henares die Projektinitiative und ihr Konzept in der Studiengruppe für Curriculumentwicklung von Repräsentanten aus entwickelten wie sich entwickelnden Ländern diskutiert. Als Zielsetzungen wurde bestimmt: Informationen auf breiter Grundlage zu den unterschiedlichen Institutionen der Ausbildung und des Trainings für öffentliche Verwaltung/öffentliches Management in den verschiedenen Weltregionen zu sammeln; Stärken und Schwächen einschlägiger Curricula und Studienprogramme festzustellen; sich der Schwierigkeiten zu versichern, die bei Entwicklung und Umsetzung einschlägiger Programme bestehen; schließlich Wege der internationalen Zusammenarbeit und Unterstützung zur Verbesserung solcher Programme zu erkunden. In einem weiteren Treffen in Berlin, zu dem von der DSE zusätzlich Experten aus Entwicklungsländern eingeladen worden waren, wurde der entsprechende Schwer-
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punkt diskutiert. Überdies wurde ein Fragebogen entworfen, mit dem die für das Projekt relevanten Informationen erhoben werden sollten, und zwar entsprechend der Mitgliedschaft von IASIA weltweit. Dieser Fragebogen wurde an etwa 160 für die Verwaltungsausbildung und Training zuständige Persönlichkeiten in Universitäten und außeruniversitären Verwaltungsinstituten wie in nationalen Agenturen und internationalen Organisationen geschickt. Der Rücklauf betrug 136 Antworten und erfolgte mit Ausnahme von Osteuropa angemessen aus allen Weltregionen. Diese Erfahrungsgrundlage wurde durch Arbeitstreffen in Jakarta, Mombasa und Mexiko City ergänzt, an denen Sachkenner aus Entwicklungsländern der jeweiligen Region teilnahmen. Zudem wurden die zwischenzeitlich erzielten Ergebnisse anlässlich der Jahrestagungen von IASIA in Canberra und Tokyo in der Studiengruppe für Curriculumentwicklung diskutiert. Insgesamt nahmen auf Einladung der DSE etwa 150 Experten aus Entwicklungsländern an den Verhandlungen teil. Auf diesen Grundlagen konnte schließlich 1983 in Berlin IASIA und DSE die Studie „International Cooperation for Education and Training in Public Management – with Emphasis upon Developing Nations“ (Engelbert/König 1984) vorgelegt werden. Zu den empirischen Befunden der Studie gehörten die Identifikation der Mängel in der Professionalisierung des Verwaltungsdienstes, eine Bestandsaufnahme zu den Institutionen der Ausbildung und des Trainings einschließlich ihrer physischen Beschaffenheit und Finanzierung, die einschlägigen Bildungsprogramme mit Differenzierungen wie vorgelagerte Ausbildung oder„In-service Training“ für mittleres oder höheres Management, der Zuschnitt der „faculty“ nach Qualifikation und Quantität wie die Formate der Lehrveranstaltungen, die Anforderungen des Studienzugangs wie die verliehenen Grade. Ein Schwerpunkt der Studie war es dann, insbesondere unter dem Vorzeichen der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern den bestehenden Bedarf einschlägiger Aus- und Weiterbildungsprogramme zu ermitteln. Dazu gehörten Erfordernisse der Verbesserung bei der Qualifikation des Lehrstabs, bei den Lehrmaterialien, bei der Bibliotheksausstattung, bei den Forschungsmöglichkeiten, bei Schwächen in den Inhalten etwa Finanzen oder Recht, bei der Auswahl der Studenten u. a. m. Schließlich erfolgte eine Bestandsaufnahme der entwicklungspolitischen Unterstützung sowohl von Geber- wie Nehmerseite mit jeweiligen Förderungsbereichen und institutionellen Präferenzen. Auf der Grundlage der empirischen Befunde und insbesondere der Ergebnisse der regionalen Arbeitstreffen in der Dritten Welt enthielt die Studie Schlussfolgerungen und Empfehlungen. Diese bezogen sich u. a. auf die Spannungslagen zwischen politischer Entwicklungsplanung und Verwaltungsvollzug, auf die unzureichende Identifikation von Berufsanforderungen an das Leitungspersonal der Entwicklungsverwaltung und eine entsprechende Ausbildung, auf breite Mängel in der Personalpolitik, auf die fehlende Steuerung der Personalverwaltung, auf nicht bestehende, selbstreferente Berufsverbände, auf die unzureichende Eigenständigkeit der nationalen Verwaltungsschulen und -institute, auf die erforderliche Differen-
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zierung der Aus- und Weiterbildung angesichts unterschiedlicher Leistungsanforderungen, auf die Vernachlässigung der regionalen und lokalen Verwaltungsebene, auf die notwendige Berücksichtigung kultureller Rahmenbedingungen, nationaler Bedarfe und entwicklungspolitischer Prioritäten, auf erforderliche Spezialisierungen etwa zur Leitung öffentlicher Unternehmen, auf den Aufbau eines qualifizierten Lehrpersonals, auf die Entwicklung indigener Lehrmaterialien, auf den Neuzuschnitt und die Stärkung von Curricula, auf die Verbesserung der institutionellen Zusammenarbeit. Angesichts eines solchen Problemkatalogs ist es bemerkenswert, dass anfangs der 1980er Jahre das politische Klima für die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Aus- und Weiterbildung für die öffentliche Verwaltung als günstig eingeschätzt wurde. Dazu gehörte auch die Gründung von weltregionalen Organisationen für Entwicklungsverwaltung in Afrika, Asien und Lateinamerika, denen eine Mittlerfunktion im Hinblick auf die nationalen Verwaltungsinstitute beigemessen wurde, wie sie im vorliegenden Projekt durch IASIA und DSE wahrgenommen wurde. Viele Verwaltungsschulen konnten darauf verweisen, dass sie zu verschiedenen Aspekten ihrer Aufgabenstellung internationale entwicklungspolitische Unterstützung erhalten hatten. Nun dachte man über die Befriedigung spezifischer Bedarfe hinaus an eine „comprehensive“ Leistung zur Entwicklung von Ausund Weiterbildung. Man muss bezweifeln, ob ein solcher umfassender Beitrag aus dem Ausland für Entwicklungsländer akzeptabel gewesen wäre. Immerhin geht es um eine Schlüsselstellung in der Entwicklung des Verwaltungsdienstes eines Landes. Vielversprechender erschien der bisher beschrittene Weg der Identifikation von Engpässen wie die Qualifikation des Lehrpersonals und dementsprechende Unterstützungen. So gelang es in Speyer, dass Aufbau- und Magisterstudium der Verwaltungswissenschaften für Teilnehmer aus Entwicklungsländern zu öffnen. Voraussetzung dafür war die Errichtung einer Professur für Entwicklungsverwaltung durch die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und die Einrichtung eines Stipendienprogramms durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zielgruppe waren bereits Berufserfahrene, die Funktionen von Multiplikatoren der erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten übernehmen sollten, insbesondere als Dozenten an Verwaltungsschulen. Die weitere Beobachtung der öffentlichen Verwaltung und der Aus- und Weiterbildung für den Verwaltungsdienst in Entwicklungsländern ist von deren Differenzen geprägt. Es ist umstritten, ob man jemals angesichts unterschiedlicher Stadien der sozialen, ökonomischen, politischen Entwicklung in diesen Ländern von der Dritten Welt sprechen sollte. Immerhin haben die Verhandlungen zum Projekt „International Cooperation for Education and Training in Public Management“ gezeigt, dass Anfang der 1980er Jahre auf diesem Feld in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas relativ gleichlaufende Entwicklungsengpässe und Entwicklungserwartungen bestanden.
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Für die später entstandenen Spannungslagen lassen sich der Jemen und China als Beispiele nennen. Die Förderung der nationalen Verwaltungsschule im Jemen konnte man Anfang der 1980er Jahre noch mit überwiegend positiven Ergebnissen evaluieren (König/Bolay 1980). Inzwischen ist diese Schule Opfer von Konflikten geworden, die auf die Problematik einer Kriegs- und Nachkriegsverwaltung verweisen. Die Entwicklung von Verwaltungsschulen und Verwaltungsinstituten in China lässt sich von Mitte der 1980er Jahre an vor Ort besichtigen. Im Laufe der Zeit haben sie eine Dynamik angenommen, die ihre Repräsentanten eine starke Rolle in den internationalen Organisationen und Gremien der Verwaltungswissenschaften einnehmen lässt. Das geschilderte internationale Kooperationsprojekt ist in seinen Auswirkungen wie sonst vielfach schon aus finanziellen Gründen nicht überprüft worden. Für das Unternehmen einer integrativen Verwaltungswissenschaft hat es indessen belegt, dass das kulturelle Moment ein unverzichtbarer Bestandteil eines integrationswissenschaftlichen Ansatzes ist. Dahin führte von vornherein die kulturalistische Perspektive der deutschen entwicklungspolitischen Verwaltungsförderung. Prägend war vor allem jedoch der Diskurs in den weltregionalen Arbeitstreffen. Hier stellten die schriftlich gestellten Fragen nicht das letzte Wort dar. Es lag bei den Teilnehmern, Probleme zu erörtern, die die Diskussionsleitung nicht benannt hatte. Der hohe Erfahrungs- und Bildungsstand beteiligter Persönlichkeiten fand in einem kollegialen Verhandlungsstil seinen Ausdruck. Das wiederum schloss es aus, kulturbedingte Aussagen nach Wertigkeiten zu beurteilen. Kultur wurde als das genommen, was sie ist, nämlich die Tiefenschicht der wirklich maßgeblichen Werte, Haltungen, Orientierungen in Raum und Zeit.
E. Verwaltete Regierung I. Status und Funktion Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt in Artikel 62, dass die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Staatsminister und Parlamentarische Staatssekretäre zählen nicht dazu. Auch der Chef des Bundeskanzleramtes ist in diesem Sinne kein Regierungsmitglied, wenn er nicht zugleich Bundesminister ist. Entsprechend haben nur Bundesminister Stimmrecht im Kabinett. Auch wenn ein einschlägiger Beschluss im Umlaufverfahren erfolgt, muss er vom Bundesminister unterzeichnet werden. Eine Vertretung nach der ressortinternen Regelung ist unzulässig. Das Grundgesetz folgt insoweit einem organisatorisch-institutionellen und zugleich formellen Regierungsbegriff. Seine Definition vermittelt der exekutiven Machtausübung eine stringente verfassungsrechtliche Ordnung der legalen Herrschaft. Die verwaltungsrelevanten Wissenschaften sind prinzipiell nicht an solche definitorischen Vorgaben gebunden. Ihre Begriffe folgen dem jeweiligen Erkenntnisinteresse. Die integrative Verwaltungswissenschaft kann es bei ihrer Begriffsbildung nicht bei Macht und Recht bewenden lassen. Für sie ist die Regierung Teil des „arbeitenden Staats“, auch Arbeitsorganisation, „machinery of government“, Regierungsapparat und Regierungsgeschäft. Damit geraten die Arbeitsstäbe der konstitutionellen Herrschaftsträger ins Blickfeld, also die im unmittelbaren hierarchischen Weisungszusammenhang mit dem Regierungsmitglied stehenden Verwaltungen. Es interessieren Bundeskanzler und Bundeskanzleramt, Bundesminister und Bundesministerium, Präsident und Exekutiv-Amt des Präsidenten, „secretary“ und „department“ usw. Verwaltungen erweisen sich in der Moderne als für Regierungsgeschäfte unverzichtbar. Selbst der eigenwillige und bürokratieferne Regierungschef ist letztlich auf professionelle öffentliche Dienste angewiesen. Mein akademischer Berufsweg wurde 1982 durch einen fünfjährigen Wechsel in das Bundeskanzleramt unterbrochen, und zwar anders als im Falle des Richters im Nebenamt unter Beurlaubung als Professor. Mein neuer Status war der eines Ministerialdirektors, meine neue Funktion die eines Abteilungsleiters. Ich übernahm die klassische Abteilung für Innere Angelegenheiten – im Weißen Haus: domestic affairs –. Ihr waren die Bundesministerien für Arbeit und Soziales, für Jugend, Familie und Gesundheit, für Bildung und Wissenschaft, für Forschung und Technologie, für Verkehr, für Post- und Fernmeldewesen, zeitweise auch für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und sowie als Querschnittsaufgaben die Umwelt-, Bevölkerungs- und Ressourcenprobleme, der Naturschutz und die Landschafts-
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pflege, die Kernenergie, die Informations- und Kommunikationstechnologien, die Medienpolitik und der Sport damals zugeordnet. Hinzu kamen das Bund-LänderVerhältnis, Bundesrat und Vermittlungsausschuss sowie die Besprechungen des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Bundesländer (Knoll 2004). Wegen meiner Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der politischen Planung wurde mir auch die Leitung der Planungsabteilung übertragen, und zwar mit Maßgabe ihrer Abwicklung. Ich hatte ihre Errichtung und Entwicklung auch in wissenschaftlicher Perspektive kontinuierlich beobachtet. Konzeption der Einrichtung einer politischen Planung im Bundeskanzleramt war das Leitbild der „aktiven Politik“ der 1970er Jahre, nach welchem man durch eine neue Art und Weise aufgabenpolitischer Generierung neue Inhalte der Politik hervorbringen wollte. Die Regierung sollte in einem aktiven Modus die Sachpolitik in die Hand nehmen, gesellschaftliche Bedürfnisse ermitteln, daraus Aufgaben, die der Staat wahrzunehmen hat, ableiten, Konflikte zwischen den Aufgaben offenlegen und über Aufgabenprioritäten angesichts knapper Mittel entscheiden (Mayntz/Scharpf 1975). Im Blick auf den politischen Rang einer solchen Vorgehensweise schien es angemessen, diese nicht in einem Planungsstab, sondern in einer Planungsabteilung zu organisieren (Mayntz/Scharpf 1973). Hinzu kam eine bemerkenswerte informationstechnologische Innovation, nämlich ein rechnergestütztes Datenblattverfahren. Herkömmlich war der Informationsfluss von den Ministerien zum Kanzleramt und zwischen den Ministerien außerhalb der durch Geschäftsordnungen geregelten Kabinettsarbeit nicht formalisiert. Oft blieb es bei Telefonkontakten, die je nach Bewertung aktenkundig gemacht wurden. Angesichts solcher Unübersichtlichkeit wurde ein standardisiertes Datenblatt entwickelt, mit dem wichtige Daten über die einzelnen Vorhaben im Regierungsbereich erhoben werden können, um eine zeitgerechte und gegenseitige Information zwischen Bundeskanzleramt und Ministerien zu gewährleisten. Die mit dem Formblatt gewonnenen Daten sind in einer Art und Weise aggregiert, dass sie eine erste politische Bewertung zu Sachinhalten, Realisierungsmöglichkeiten, Kosten, Bezügen zu anderen Regierungsprojekten und Einflüssen auf andere Politikfelder ermöglichen. Sobald die konzeptionelle Arbeit für ein Vorhaben im Ministerium einen Stand erreicht hat, dass relevante Teile des Formblattes ausgefüllt werden können, ist das Projekt dem Kanzleramt zu melden. Unvollständige Daten oder veränderte Informationen etwa zur Zeitabschätzung hinsichtlich der Kabinettsarbeit sind durch monatliche Meldungen richtig zu stellen. Alle Ministerien haben Zugang zu den Daten und können nach bestimmten Kategorien Daten abfragen. Dieser Zugang ist zugleich Anreiz für die Ministerien, ihre eigenen Daten auszuhändigen. Die Planungsabteilung ist mit ihrem Anspruch einer aktiven Politik aus dem Kanzleramt heraus gescheitert (Bebermeyer 1974). Manche haben das dem bürokratischen Widerstand in den Ressorts zugerechnet. Die Gründe liegen freilich tiefer. Eine solche Konzeption entspricht einfach nicht den Realitäten von politischem
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E. Verwaltete Regierung
Pluralismus, Parteiendemokratie und Koalitionsregierungen. Die Aufgabengenerierung für das Regieren erweist sich als ungleich komplexerer Prozess. Aber auch sonst war die Bedeutung der Planungsabteilung anfangs der 1980er Jahre zurückgegangen. Sie hatte die Zuständigkeit für die Grundsatzfragen des Regierungssystems und die Geschäftsführung für die Erstellung der Regierungserklärung verloren. Insgesamt hatte der externe Beobachter den Eindruck, dass sie sich von den Regierungsgeschäften entfernt hatte. Jedenfalls hatte ihre weitgehende Auflösung keine merklichen Folgen für den Regierungsapparat. Anders verhielt es sich mit ihren Organisationseinheiten, die das Datenblattverfahren betrieben. In dieser Innovation war weiteres Potential für die Regierungstätigkeit zu vermuten. Entsprechend wurde eine Planungsgruppe mit den Funktionen der Aufgabenplanung, der Planung der Legislaturperiode und des Arbeitsprogramms, der Ablauf- und Vorhabenplanung einschließlich automatisierter Datenverarbeitung und auch der Vollzugsbewertung von Regierungsprogrammen gebildet. Diese Gruppe wurde in die Abteilung für Innere Angelegenheiten eingegliedert. In einer Übergangsphase der neuen Bundesregierung 1982 musste ich auch die Leitung der Zentralabteilung des Kanzleramtes kommissarisch übernehmen. Das vermittelte weitere Einsichten, insbesondere zur Personalpolitik. Moderne Regierungen stützen sich im Kern auf zwei Statusgruppen, zum einen Exekutivpolitiker: Präsidenten, Kanzler, Premierminister, Kabinettsminister, Junior Minister, Parlamentarische/Politische Staatssekretäre, „political appointees“ bis hin zum „deputy assistent secretary“, zum anderen Beamte, Civil Servants, Fonctionnaires de carriere usw. Politiker in Ministerialämtern verkörpern die personalisierte Herrschafts- und Machtausübung in der Exekutive des verfassten Staates. Ihr Status ist durch geschriebenes und ungeschriebenes Recht geregelt. Ihre Nomenklatura ist festgelegt. Ihr amtlicher Status ist dem politischen Wechsel unterworfen. Wenn sie Politik als Beruf betreiben, geschieht das im Gegensatz zur modernen Professionalität ohne spezifisches Profil der Qualifikation durch bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten (Beyme 1993). Beamte in der Ministerialverwaltung wirken hierarchisch nachgeordnet beim Regierungshandeln mit. Sie sind Teil der beamteten Staatsverwaltung. Ihre Rekrutierung beruht auf formal nachgewiesenen Bildungsabschlüssen. Ihr Status ist von beamtenrechtlichen Prinzipen geprägt, zu denen das Dienst- und Treueverhältnis, die Lebenszeitanstellung und das Neutralitätsgebot gehören. Auch unter den Bedingungen der personell differenzierten Regierung der Moderne sind die quantitativen Verhältnisse bei den Exekutivpolitkern unterschiedlich. Auf der einen Seite ist auf den Fall der Vereinigten Staaten von Amerika mit den Tausenden von „political appointees“ zu verweisen (Heclo 1977). Auf der anderen Seite ist die deutsche Bundesregierung ein Beispiel für eine begrenzte Zahl. Hier ist der Bundesminister zugleich Ressortchef und Kabinettsmitglied. Bundesminister ohne Portefeuille sind eher unüblich. Den Chef des Bundeskanzleramtes muss man dazu zählen, wenn er Bundesminister ist. Insgesamt kann mit einer Zahl von etwa
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15 solcher Ministerposten rechnen. Die Anzahl der Staatsminister und Parlamentarischen Staatssekretäre ist höher, da insbesondere große Ressorts mehrere solcher Amtsinhaber aufweisen. Man kann von etwa 25 bis 30 solcher Positionen ausgehen. Die Zahl der Berufsbeamten in einem Ministerium ist um ein Vielfaches größer. Nimmt man als Beispiele das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, so stehen im ersten Fall dem Minister und seinen drei Parlamentarischen Staatssekretären in der Basisorganisation allein über 150 Referatsleiter und dann 30 Unterabteilungsleiter, 10 Abteilungsleiter und schließlich zwei – beamtete – Staatssekretäre gegenüber, und im zweiten Fall stehen auf der einen Seite Minister und zwei Parlamentarische Staatssekretäre, auf der anderen über 110 Leiter von Basiseinheiten – Referate oder Arbeitsgruppen –, 19 Unterabteilungsleiter, 8 Abteilungsleiter und ein Staatssekretär. Selbst in den USA mit der breiten politischen Besetzung von Ministerialpositionen sind die Verhältnisse nicht viel anders. Man schuf ein eigenes Corps des „Senior Executive Service“ in der Erwartung, so ein vom Civil Service verwaltetes „big government“ besser steuern zu können. Man hat das Verhältnis von Exekutivpolitikern und beamteten Verwaltern nach einer „logic of disharmony“ bestimmt. Der an Wähler und Interessenten gebundene Politiker folge einer induktiven Handlungslogik, der an Regeln und Ziele gebundene Verwalter einer deduktiven (Hansen/Ejersbro 2002). Jede schlichte Interpretation eines „Mandarins versus Machiavellians“ (Wal 2013) verkennt die komplexe Wirklichkeit. Einen Anschauungsfall bietet hierfür die Regierung Großbritanniens. Sie ist von der politisch-administrativen Kultur eines „permanent and impartial civil service“ geprägt. Die politische Neutralität wird streng gehandhabt, und zwar bis hin zur Spitzenposition des „permanent secretary“. Trotz solcher Abgrenzung werden die Beziehungen als herkömmlich einträchtig angesehen. Man führt die kongruente Ausrichtung von Ministern und Spitzenbeamten auf gemeinsame soziale Faktoren zurück, die ähnliche Wahrnehmungen und Wertungen hervorbringen (Kingsley 1944). Dass man es heute bei solchen Faktoren im Verhältnis zwischen Ministern und Beamten nicht bewenden lassen kann, zeigt wiederum die Entwicklung in Großbritannien. Dort ist zwischen Ministern und Civil Service eine dritte Statusgruppe institutionalisiert worden, nämlich die der „special advisers“ (Blick 2004). Solche Sonderberater werden als „temporary civil servants“ bezeichnet. Ihre Bestellung ist aber politischer Art. Ihre Loyalität pflegt der Regierungspartei und ihrem jeweiligen Minister persönlich zu gelten. Zu ihren Funktionen gehört die sachverständige Beratung des Ministers in seinem Politikfeld, im Hinblick auf die Sachpolitik auch die Verbindung zu Regierungsfraktion, Regierungspartei und zu den Medien. Der Unterstützung des Ministers wird ein spezifisch politisches Moment beigefügt, welches vom Senior Civil Service nicht erwartet wird. In Frankreich besteht mit dem „cabinet ministeriel“ überdies eine Formalorganisation, um die politische Unterstützung des Ministers durch Vertrauenspersonen gegen über den Linienbeamten zu stärken (Grote 1995). Der Minister ist autorisiert,
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seine politischen Gewährsleute zu nominieren. In der Rekrutierung von Mitgliedern des „cabinet“ zeigt sich freilich die traditionelle Affinität der Exekutivpolitiker zur Verwaltungselite in Frankreich (Siwek-Pouydesseau 1969). Dem Minister steht es frei, Parteigänger oder Experten von außen einzustellen. Indessen pflegt er einen hohen Anteil seiner Mitarbeiter aus dem höheren Verwaltungsdienst bis hin zu Absolventen der „Ecole Nationale d’Administration“ zu gewinnen. Das „cabinet ministeriel“ entspricht nicht dem Leitungsstab des deutschen Minsters mit Ministerbüro, Persönlichem Referenten, Redenschreiber, Pressereferenten und anderem. Das „cabinet“ umfasst hochrangige Positionen mit Leitungstätigkeiten und arbeitet neben Verbindungsfunktionen auf dem Felde der Sachpolitik operativ und kompetent mit. Im deutschen Falle sind es die politischen Beamten, die ein spezifisch politisches Moment an der Schnittstelle von Exekutivpolitikern und Berufsbeamten verkörpern. Es sind Beamte, die ein Amt bekleiden, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen. Dieser Personenkreis ist in den Beamtengesetzen abschließend aufgezählt. Für den Ministerialdienst des Bundes sind dies die – beamteten – Staatssekretäre und die Ministerialdirektoren, also Amtschefs und Abteilungsleiter der Ministerien sowie weitere politisch bedeutsame Ämter wie das des Bundespressechefs. Das politische Beamtentum ist eine bereits im 19. Jahrhundert entwickelte Institution, die sich im Brückenschlag zwischen Politik und Verwaltung bewährt hat (Kugele 1976). Es unterliegt dem Beamtenrecht, und zwar mit der Sonderregel, dass der politische Beamte jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann. Hat der Minister kein Vertrauen zum Amtsinhaber, so kann er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Es geht jenseits der institutionellen Loyalität des Beamten um eine persönliche Beziehung. Entsprechend kann der Minister seine Vertrauenspersonen für solche Ämter auswählen. So weist das politische Beamtentum Berufsdaten auf, die es von den üblichen Daten des Laufbahnbeamtentums unterscheidet. Insbesondere ist ein hoher Anteil dieser Statusgruppe Beschäftigungen außerhalb der öffentlichen Verwaltung vor Antritt oder nach Ende solcher politisch-administrativen Tätigkeit nachgegangen. Man spricht von einer starken Teilgruppe mit gemischten Karrieren (Derlien 2008). Studien zu administrativen Eliten haben gezeigt, dass man im Großen und Ganzen davon ausgehen kann, dass etwa 75 Prozent der Staatssekretäre und knapp 60 Prozent der Ministerialdirektoren Parteimitglieder sind (Schwanke/Ebinger 2006). Gemischte Karrieren und Parteizugehörigkeit legen die Frage nahe, ob es zu einer Hybridisierung von politischen und administrativen Rollen bei Exekutivpolitikern und politischen Beamten gekommen sei (Aberbach u. a. 1981). Rechtlich werden beide Gruppen formal getrennt. Für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre bestehen eigene Statusgesetze. Politische Beamte unterliegen dem Beamtenrecht. Nähert man sich der faktischen Lage von der Verwaltungsseite her, dann ergibt sich für die Bonner Zeit der 1970er und 1980er Jahre ein differenziertes Rollen-
I. Status und Funktion
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verständnis zwischen Exekutivpolitikern und Spitzenbeamten. Letztere sind ausgeprägte „politische Bürokraten“. Sie sind sensibel gegenüber den politischen Rahmenbedingungen und Machtfragen ihrer Regierungsgeschäfte. Politische Fertigkeiten werden als eines ihrer Qualifikationsmerkmale angesehen. Das bedeutet freilich nicht, dass es zu einer Vermischung von politischen und administrativen Rollen gekommen ist oder dass gar Spitzenbeamte zu parteipolitischem Aktivismus neigen. Vielmehr zeigt sich, dass der Ministerialbeamte und erst recht der leitende Beamte nicht als außerhalb der Politik begriffen werden können. Eine schlichte Rollentrennung im Sinne von politisch versus administrativ besteht in Kanzleramt und Ministerien nicht. Bei allen Überlappungen existiert doch eine jeweils spezifische Rollenperzeption von politischen und administrativen Eliten. „Policy“ – Bildungspolitik, Verkehrspolitik, Umweltpolitik usw. – und Sachlichkeit werden im Verhältnis zur Machtorientierung von Spitzenbeamten höher als von Exekutivpolitikern eingeschätzt. Fachliche Qualifikation, Expertenwissen, professionelle Fertigkeiten, berufliche Erfahrung werden höher bewertet. Merkmale der wahrgenommenen Regierungsarbeit werden als unterschiedlich von den für Exekutivpolitikern maßgeblichen Kriterien gekennzeichnet (Mayntz/Derlien 1989). Diese und weitere Differenzierungen entsprechen den überwiegenden Rolleneinschätzungen von Exekutivpolitikern und Spitzenbeamten selbst. Diese empirischen Ergebnisse entsprechen den Erfahrungen, die man durch teilnehmende Beobachtung als politischer Beamter im Bundeskanzleramt der 1980er Jahre sammeln konnte. Zwar gibt es Minister, die sich nach langer Sozialisation in der Exekutive durch entsprechende „Staatsaffinität“ auszeichnen (Derlien 1991). Aber Machtorientierung bleibt eine ihrer Existenzgrundlagen. Auch gibt es Einzelfälle bei politischen Beamten, in denen Außenseiter auf gewonnen Positionen als eine Art Politruk zu agieren scheinen. Jedoch schätzen Politiker politisierende Beamte wenig. Und man darf die sachpolitischen Rollenzwänge nicht unterschätzen, denen der politische Beamte unterworfen ist. Aus solchen Erfahrungen festigen sich auch wissenschaftstheoretische Erkenntnisse. Sie belegen die Fruchtbarkeit des Institutionalismus für die Integrative Verwaltungswissenschaft. Stellt man auf die wirkliche Maßgeblichkeit von Institutionen ab, gelingt der Brückenschlag von deren normativen Moment zur erlebbaren Realität. Die Funktionen des Abteilungsleiters im Ministerialbereich werden zunächst wie allgemein in der öffentlichen Verwaltung auf zwei Gebieten ausgeübt, nämlich auf dem der Sachpolitik und dem des Managements. Hinzu kommen für den politischen Beamten seine spezifisch politischen Funktionen der Unterstützung der Exekutivpolitik nach oben und des Transfers politischer Vorgaben in der Mischung von Sachpolitik und Machtpolitik in die Verwaltung nach unten. Der Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten und Planung im Bundeskanzleramt war indessen in diesen Funktionsgebieten noch spezifischen Anforderungen ausgesetzt.
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Die Parteipolitisierung im Sinne der Mitgliedschaft von Verwaltungsbeamten in politischen Parteien ist in Deutschland ein Faktum (Derlien 1986). Das gilt insbesondere für die Ministerialverwaltung. Mögen sich mit der Mitgliedschaft auch unterschiedliche Beweggründe, nicht zuletzt Karriereerwartungen verbinden, so bietet doch die gleiche Parteizugehörigkeit von Exekutivpolitikern und Verwaltern ein Vertrauensmoment. Das führt dazu, dass in einer so sensiblen, auf Vertrauen angewiesenen Organisation wie die Regierungszentrale sich über die Jahre Verwaltungspositionen mit Parteigängern oder zumindest mit Personen, die der Regierungspartei nahe stehen, füllen. Dazu bedarf es nicht einmal gezielter Patronage. Das war auch die Lage im Bundeskanzleramt beim Regierungswechsel 1982. Exekutivpolitiker pflegen in dieser Situation mit Mistrauen zu reagieren. Der neue Bundeskanzler verlangte so, dass Kabinettsvermerke nicht länger von Referatsleitern, sondern von ihm vertrauten Abteilungsleitern zu unterschreiben seien, für die Betroffenen ein beachtlicher Eingriff in tradierte Bestände der Geschäftsordnung. Für einen politischen Beamten ist aber Mistrauen keine zureichende Strategie, um die Leistungsfähigkeit der „machinery of government“ zu erhalten, zumal er angesichts von Beamtenrecht und Haushaltsrecht nicht mit schnellen Änderungen rechnen kann. Er muss also auf das Systemvertrauen setzen, wie es dem Berufsbeamtentum mit dem Neutralitätsgebot inhärent ist. Diese Strategie hat sich, sieht man von einigen ehemaligen Mitarbeitern der Planungsabteilung ab, bewährt. Dabei erweisen sich verschiedene Faktoren als förderlich. Volksparteien bewegen sich in der Bundesrepublik, wenn es zum Regieren kommt, in einem sachpolitischen Spielraum der Mitte, jedenfalls nicht jenseits der Werteordnung, die für Berufsbeamte maßgeblich ist. Die Mitarbeiter waren in der Regel im Beamtentum lange genug sozialisiert, um dessen Prinzipien zu teilen. Sie waren überwiegend hochqualifiziert, sachkompetent und leistungsorientiert. Politische Vorgaben wurden so als Datum akzeptiert. Auch der Generalist in der öffentlichen Verwaltung muss zu der Sache, für die er zuständig ist, eine spezifische Kompetenz beweisen. Sie beruht auf in der Ausbildung erworbenen Vorkenntnissen, dann aber auf Fachkenntnis und Fertigkeiten, vor allem jedoch auf Amtswissen, wie er diese in der Berufsausübung erworben hat. Die Principal-Agent-Theorie hat sich mit der Informationsasymmetrie auseinandergesetzt, die zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer besteht und die auch auf den öffentlichen Sektor anwendbar angesehen wird (Boston u. a. 1996). Es ist der Agent, dem der Informationsvorsprung beigemessen wird. Überträgt man den Gedanken der Asymmetrie auf das Regieren, so sind in der Perspektive der Politik zwei Arten von Informationen zu unterscheiden: machtpolitische und sachpolitische. In der Machtpolitik wird man dem Minister, in der Sachpolitik dem Referatsleiter, der nach der Geschäftsordnung die zuständige Basiseinheit der Ministerialorganisation zu verantworten hat, den Informationsvorsprung zurechnen. Vom politischen Beamten pflegt man dann aber mehr als ein Wissen in der Mitte zu erwarten.
I. Status und Funktion
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Will man unter Vorzeichen informationeller Kapazität das quantitative Ausmaß der Regierungsagenda bezeichnen, so kann man im deutschen Falle auf das Datenblattverfahren verweisen. Am Ende einer vierjährigen Legislaturperiode kann man mit etwa 2500 Regierungsvorhaben rechnen, wie sie in diesem Informationssystem gespeichert sind. Das entspricht den Erfahrungen im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Hier rechnet man mit 500 bis 800 Tagungsordnungspunkten der Kabinettsitzungen in einem Jahr. Die quantitative Zuordnung der Kenntnis von Regierungsvorhaben an jeweilige politische Akteure müsste vielfältige Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigen, im spezifischen Fall des Regierungschefs, ob er sich in erster Linie als politischer Führer begreift oder das operative Geschäft des Regierens, sogar das Aktenstudium pflegt. Es ist so eine grobe Schätzung, spricht man bei ihm vom unteren zweistelligen Bereich, wenn es um tiefere Sachkenntnisse von Regierungsvorhaben geht. Beim Chef des Bundeskanzleramtes sind demgegenüber entsprechende Sachkenntnisse im mittleren bis höheren zweistelligen Bereich zu vermuten. In der Mitte der 1980er Jahre gab es zwar ein rechnergestütztes Informationssystem zu den Regierungsvorhaben. Auch stand die Zeit des Personal Computers im Bundeskanzleramt bevor. Aber es gab kein elektronisches Informationsgerät, aus dessen transportablen Gedächtnis man sich an jedem Ort und zu jeder Zeit hätte informieren können. Angesichts der Quantitäten in den Inneren Angelegenheiten mit etwa 80 % der rechtsförmigen Vorhaben der Regierung einerseits und der Erwartungen an den Abteilungsleiter als politische Vertrauensperson andererseits muss man eine Art enzyklopädische Gedächtnisleistung üben, und zwar mit politischer wie sachlicher Selektivität. Insbesondere eine starke Zeitanbindung von Sachthemen kann entlasten. Aber Instabilitäten und Imponderabilien des Politischen bleiben. Für die Leitung von Unternehmen und Verwaltungen gibt es in der deutschen Sprache keinen aussagestarken Begriff. In der Wissenschaftssprache ist der Leitungsbegriff blass geblieben. Nur in der Organisations- und Leitungswissenschaft der ehemaligen DDR hat er eine kurze akademische Geschichte erlebt (Willke 1979). In den USA umfasst der Managementbegriff einen breiten Wissenschaftszweig und hat gerade in der Reorganisation der Präsidentschaft seine Relevanz für den öffentlichen Sektor belegt. Sogar der Präsident selbst ist in eine Diskussion einbezogen, ob er auch „chief manager“ der Regierung sei oder ob es bei der Rolle des „chief political officer“ bleibe (Hess 1976). Die Regierungspraxis manifestiert den Managementbegriff auf höchster Ebene im Budgetbüro. Für die Wissenschaft ist die „Managerial Presidency“ eine verfestigte Kategorie (Pfiffner 1999). Jedenfalls muss der Präsident damit rechnen, dass auch ihm gegebenenfalls Managementversagen zugerechnet wird (Schneider 2005). Akzeptiert man Managementkategorien und Managementlehren auch für die deutschen Regierungsverhältnisse, dann war es die Planungsfunktion, die für die Abteilungsleitung Anfangsschwierigkeiten aufwarf. Von der Planung sagte man in den 1960er/1970er Jahren, dass sie „der große Zug unserer Zeit“ sei (Kaiser 1965).
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Insbesondere die politische Planung war intellektuell attraktiv (Lompe 1975); versprach sie doch, die Politik auf eine höhere Ebene der Vernunft zu heben. Die Frage, wie die Macht zur Umsetzung allfälliger politischer Pläne generiert werden könne, fand hingegen nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Es ging also im Kanzleramt der Jahre 1982/83 darum, der Planung einen Platz in der Sachpolitik wie der Machtpolitik des Regierens zu verschaffen. Der für die Planung zuständige Abteilungsleiter begleitete damals den Chef des Bundeskanzleramtes in die Vorkonferenz der – beamteten – Staatssekretäre der Ressorts zur Vorbereitung der Kabinettsitzungen. Weiter war er zusammen mit den anderen Abteilungsleitern des Kanzleramtes bei den Kabinettsitzungen zugegen. Das erlaubte einen Überblick zur Kabinettsarbeit. Man konnte deren Schritte beobachten und so feststellen, dass die Ressorts weitgehend die jeweilige Tagesordnung des Kabinetts bestimmten. Im Falle einer Anmeldung lag es zwar überwiegend in den Händen des Chefs des Bundeskanzleramtes, gegebenenfalls eine Vertagung zu bewirken. Der Fall des Ausbleibens einer Anmeldung von Regierungsvorhaben wurde indessen seltener diskutiert. Das konnte dazu führen, dass politische Termine des Kanzlers und Kabinettsbeschluss in ein und derselben und überdies zugesagten Sache ohne Grund auseinanderfielen. Ein solcher kritischer Fall überzeugte davon, dass die Regierungszentrale mehr Einfluss auf die Tagesordnung des Kabinetts nehmen musste. Damit war das „window of opportunity“ für eine Kabinettzeitplanung und einen Platz in der Regierungsarbeit eröffnet, freilich in der politischen Aufmerksamkeiten entsprechenden Zeiträumen, also von der Sommerpause bis Weihnachten, weiter bis Ostern und dann bis zur Sommerpause.
II. Operativität Die betriebswirtschaftliche Managementlehre verbindet mit dem Begriff des Operativen eine Reihe von Teilkategorien. Man spricht von operativen Leistungsprozessen, operativer Planung, operativen Ziellücken, operativem Marketing, operativem Controlling usw. (Ulrich/Fluri 1995). Signifikant sind die Begriffe des operativen Ergebnisses und des operativen Gewinns. Sie bezeichnen die gewöhnlichen, dem eigentlichen Zweck entsprechenden Geschäftstätigkeiten des Unternehmens, den Erlös aus von ihm produzierten Gütern und Dienstleistungen, nicht die aus den Anlagen von Finanzreserven oder dem Verkauf von Unternehmensteilen kommenden Einnahmen. Greift man diesen Grundgedanken des Operativen auf, ist es die Sachpolitik und sind es die Modi ihrer Handhabung, bei denen unter dieser Kategorie anzuknüpfen ist. Freilich müssen beim Regieren als Allokation öffentlicher Werte, Güter, Dienstleistungen durch verbindliche Entscheidungen, Initiativen bei der Gesetzgebung, Konkretisierungen bei der Verordnungsgebung immer auch Machtfaktoren
II. Operativität
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mitberücksichtigt werden. Operativität betrifft die Regierung in der Vielzahl ihrer Positionen und Teilorganisationen. Selbst der Regierungschef ist operativ tätig, wenn etwa ein Minister ein vom Kanzler präferiertes Vorhaben nicht durchsetzen kann und dieser selbst die erforderlichen Machtressourcen erschließen muss. Insbesondere die supranationale Politik zeigt, wie sich Regierungschefs selbst auf die Suche nach Sachkompromissen begeben müssen. Freilich kann sich der Kanzler im sachpolitischen Feld entlasten. Eine solche Aufgabe fällt in erster Linie dem Chef des Bundeskanzleramtes zu, wie in den USA dem „Chief of Staff“ des Weißen Hauses eine solche allgemeine Managementrolle beigemessen wird (Kernell/Popkin 1986). In der vorstehenden Terminologie kann man beide als Chief Operating Officers ihrer Regierung bezeichnen. Die Leistungsanforderungen an operative Organisationen und operative Prozesse der Regierung sind letztlich von deren konstitutionellen Prinzipien, also Kanzlerprinzip, Ressortprinzip, Kabinettsprinzip geprägt. Für das Bundeskanzleramt ist es zuerst das Kanzlerprinzip mit Richtlinienkompetenz, Regierungsbildungsrecht und Geschäftsleitung der Bundesregierung einschließlich des Vorsitzes im Kabinett. Der Bundesminister stellt angesichts seiner Selbstständigkeit und Verantwortlichkeit die hierarchische Spitze seines Hauses dar. Das Bundeskanzleramt ist im Blick auf die Kanzlerkompetenzen eine dem Amtsträger zugeordnete Organisation, der er nicht hierarchisch verbunden ist, sondern über der er steht und die er im Rahmen von Gesetz und Recht nach seinen Dispositionen nutzen kann, ohne einem bürokratischen Regelwerk verpflichtet zu sein. Demzufolge nimmt der Chef des Bundeskanzleramtes unter hierarchischer Ordnung Funktionen des Behördenchefs im Amte wahr (Busse/Hofmann 2010). Regierungschefs sind mit ihrer Regierungszentrale durch unterschiedliche Kommunikationsnetze verbunden. Die Stellung des Bundeskanzlers über seinem Haus eröffnet ihm auch dort breite Spielräume für seinen Regierungsstil. Die interne Amtsausübung des Kanzlers vom Herbst 1982 an war durch Züge des Personenvertrauens geprägt. Die Verstetigung solcher Züge bedeutet für den Apparat, dass sich informale Organisations- und Ablaufmuster bildeten. Das Paradoxon ist, dass solche Informalitäten in einer prinzipiell formal straff geführten Organisation über ihren tatsächlichen Stellenwert hinaus auffallen. Die Erfahrungen des Regierungschefs als Ministerpräsident eines Bundeslandes stehen gegen die Annahme, es ginge darum, die Leistungsordnung eines Amtes mit etwa 40 Referatsleitern, 15 Gruppenleiter und 6 Abteilungsleitern mit den komplexen Aufgaben einer Regierungszentrale durch ein informales Netzwerk zu substituieren. So stellte der Kanzler durchaus qualitative Ansprüche an die Professionalität von Vermerken, die ihn von der Linie her erreichten. Es gab auch im Bereich der operativen Regierung von Fall zu Fall informales Handeln. Aber die Akteure pflegten die Spielregeln bürokratischer Organisation von sich aus zu beachten. Wenn etwa an der Hierarchie vorbei ein Referent einen Auftrag erhielt, sorgte dieser dafür, dass die Vorgesetztenkette informiert blieb. Wenn ein
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Abteilungsleiter wegen seines akademischen Status beauftragt wurde, eine bestimmte kulturelle Angelegenheit wahrzunehmen, dann stimmte dieser sich mit dem zuständigen Abteilungsleiter ab und bemühte sich, den zuständigen Referatsleiter nach Möglichkeit zu beteiligen. Selbst wenn sich ein informales Handlungsmuster längere Zeit hielt, konnte man beobachten, wie durch Beförderungen oder Reorganisationen die formale Organisation die informale einholt. Die operativen Geschäfte des Regierens sind viel zu riskant, um auf die Festschreibung von Verantwortungen zu verzichten. Die Funktionen des Bundeskanzleramtes in Bezug auf den Regierungschef sind im Geschäftsordnungsrecht nicht geregelt. Lediglich im Vorwort zum Einzelplan 04 des Bundeshaushaltsplans heißt es nach Hinweis auf das Kanzlerprinzip, dass das Bundeskanzleramt den Bundeskanzler über die laufenden Fragen der allgemeinen Politik und die Arbeit in den Bundesministerien zu unterrichten habe; es habe die Entscheidungen des Bundeskanzlers vorzubereiten und auf ihre Durchführung zu achten. Im Grunde geht es um eine breite und vielfältige politisch-administrative Unterstützungsfunktion, die vom Redenschreiben bis zur Überwachung der Einhaltung der Richtlinien der Politik reicht. Hingegen ist das Kabinettsprinzip in der Geschäftsordnung der Bundesregierung berücksichtigt, indem es heißt, dass der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes – der Amtschef in welchem Status auch immer – zugleich die Geschäfte eines Staatssekretärs der Bundesregierung wahrnehme. Entsprechend wird zum Haushaltsplan bemerkt, dass dem Bundeskanzleramt die Durchführung der Sekretariatsgeschäfte der Bundesregierung obliege; es sei für die Vorbereitung der Sitzungen des Kabinetts und der Kabinettsauschüsse sowie die Beschlüsse der Bundesregierung zuständig. Die Regierungszentrale hat somit auch eine gewisse Betreuungsfunktion gegenüber den Ministerien. Das wird in der Organisation der Spiegelreferate im Kanzleramt reflektiert, die für ein bestimmtes Ministerium zuständig sind. Überdies wird der Abteilungsleiter bemüht sein, auch eine informelle Kommunikationsverbindung mit den Ministern, zumindest den Staatssekretären seines Bereichs zu knüpfen. In dieser Betreuungsfunktion gerät man nicht in Interessenkonflikte mit dem Regierungschef, solange man gemäß den Intentionen des Bundeskanzlers als Leiter der Geschäfte der Bundesregierung und Vorsitzender des Kabinetts handelt. Es kann aber vorkommen, dass sich ein Spiegelreferent übermäßig für die Interessen seines Ministeriums einsetzt, zumal wenn er aus diesem Hause kommt und wieder zurückkehren möchte. Das Ressortprinzip gibt den Ministerien die Vorhand bei der operativen Handhabung von Regierungsvorhaben. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Regierungszentale nur reaktiv oder gar nur notariell tätig wird. Auch beschränken sich Beobachtungen der Arbeitsebene nicht darauf, diese in Vermerken an die politische Leitung weiterzugeben. Für Initiativen kann auf den Fall des „Waldsterbens“ verwiesen werden. Auf Anregung des Referatsleiters für Umweltpolitik wurden die Dekane der forstwissenschaftlichen Fakultäten in die Abteilung für Innere Ange-
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legenheiten eingeladen. Auch diese besaßen keine Patentrezepte für die neue Problematik. Sie stellten aber hochsachkundige Fragen zu Schäden und Schadensbekämpfung. Diese wurden zu einem Fragenkatalog zusammengestellt, der dem Bundesministerium für Forschung und Technologie übermittelt wurde, um entsprechende Forschungsprogramme anzuregen. Für begleitende Aktivitäten bietet die „Lehrstellengarantie“ des Bundeskanzlers ein Beispiel. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und insbesondere des Lehrstellenmangels blieb Aufgabe der Ressorts. Aber aus der Regierungszentale heraus wurden im Namen des Bundeskanzlers Schlüsselpersonen des Arbeits- und Bildungslebens in kritischen Regionen, etwa Präsidenten von Handwerkskammern, angesprochen, um sie für ein besonderes Engagement auf diesem Feld zu gewinnen. Die Regierungszeit vom Herbst 1982 bis zum Frühling 1983 war eine Übergangszeit mit vielfältigen Restriktionen für die operative Regierung, nicht zuletzt durch Bedingungen des Wahlkampfes. Im März 1983 setzte dann der Rhythmus einer Regierungszeit in ihrer allgemeinen Bindung an die Legislaturperiode ein. Formal stellen in Deutschland die Wahl des Bundeskanzlers durch den Bundestag auf Vorschlag des Bundespräsidenten und die Ernennung der Bundesminister auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten die konstitutionellen Regeln der Regierungsbildung dar. Da aber Bundesregierungen generell Mehr-Parteien-Regierungen sind, bedarf es davor einer – aus der Sicht der Verfassung – informalen Phase der Koalitionsbildung (Kropp 2001). Der Machtanspruch zur Regierungsbildung wird insoweit nicht von den parlamentarischen Fraktionen, sondern von den politischen Parteien erhoben. Fraktionen erweisen sich dann in ihrem Wahlverhalten des Kreationsorgans als verlängerter Arm der Parteien. In der Koalitionsbildung sind personalpolitische und organisationspolitische Vorleistungen zu erbringen, wie sie für die formale Regierungsbildung erforderlich sind. Im Laufe der Regierungszeiten haben sich aber die Koalitionsabsprachen zu einem immer detaillierteren sachpolitischen Programm auch mit Budgetinitiativen und Prüfungsaufträgen entwickelt, die den Interessenausgleich unterschiedlicher Parteiprogrammatik reflektieren. Sie sind heute der zentrale Ort politischer Planung für die Regierung. Sie sind nicht nur ein Buch planerischer Weichenstellungen in der Sache, sondern im Politischen auch Versprechen der Machtgenerierung. Die Einhaltung der Koalitionsvereinbarung ist nicht von Rechts wegen einklagbar (Schlieffen 2005). Aber sie enthält jenes Maß an politischer Verbindlichkeit, das für ein gemeinsames Regieren in der Parteiendemokratie erforderlich ist. Koalitionsabsprachen müssen zudem durch Regelwerke und Organisation über die Phase bis zur formellen Regierungsbildung hinaus die Stabilität der Zusammenarbeit der Partner für die gesamte Regierungsperiode sichern. Dazu gehören die Einrichtung eines Koalitionsausschusses und gewisse Regeln der der Konfliktlösung (Rudzio 2008). Koalitionsverhandlungen weisen Konstanten und situative Größen auf. Zu den Konstanten zählt, dass die Parteispitzen die Verhandlung führen, zu den situativen Faktoren die Auswahl des Verhandlungsortes, etwa Landesvertretungen, Partei-
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zentralen, Kongresshotels. Die Koalitionsverhandlungen 1983 fanden angesichts des Grundkonsenses der Partner ohne besondere Vorsondierungen im Bundeskanzleramt statt. Denn Bundeskanzler und Bundesminister führten ihre Geschäfte noch kommissarisch weiter, und das Kanzleramt war für die Beteiligten ein vertrauter Ort. Darüber hinaus konnte man auf eine geübte Regierungsverwaltung zugreifen. Damit ist eine andere Konstante von Koalitionsverhandlungen genannt, nämlich das inoffizielle Beiziehen des Sachverstandes einer beamteten Verwaltung. In Deutschland gibt es anders als in den USA (Pfiffner 1988) keine formalisierten Wege, in der Phase der informellen Regierungsbildung die Ministerialbürokratie für die neuen Regierenden zu öffnen. Beamte werden in der Regel nicht von sich aus für Verhandlungen tätig werden, die von Parteien geführt werden. Anders ist es bei Koalitionsbildungen, wenn ein Minister einen Beamten anweist, einen Sachbeitrag zu den dort diskutierten Problemen zu leisten. Denn dann greift der Gedanke, dass es um die politische Planung für das zukünftige Regieren, im Grunde um antizipierte Regierungsplanung geht. Es liegt im öffentlichen Interesse, das die einschlägigen Planungen sachkundig fundiert sind. Und dazu reichen die Fachkenntnisse von Interessenten, Wissenschaftlern, Beratern nicht aus. Es muss das Amtswissen hinzukommen, wie es im institutionellen Gedächtnis von Verwaltungen gespeichert ist. Der Beamte setzt sich in diesem Falle nicht in Gegensatz zu den Prinzipien seines Berufes. Der Politiker, der neu in Ämter der Bundesregierung strebt, kann allgemein nicht damit rechnen, vor der Inauguration von Bundesverwaltungen unterstützt zu werden. Hier kommt der kooperative Föderalismus ins Spiel. Auch die Landesministerialverwaltung verfügt über belastbare Fachkenntnisse und Amtswissen in Bundesangelegenheiten. So gehört es zu den Erfahrungen mit Koalitionsbildungen, dass es zu breiten Unterstützungsleistungen von gleichfarbigen Landesregierungen bei Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene kommen kann. Bei der Koalitionsbildung 1983 oblag es dem für die Planung zuständigen Abteilungsleiter, die Verhandlungspapiere für den die Gespräche Führenden des größeren Partners und zugleich für den amtierenden Bundeskanzler und Kanzlerkandidaten zu erstellen, und zwar mit Ausnahme von Außen-, Verteidigungs-, Deutschland- und Entwicklungspolitik, die von dem dafür zuständigen Abteilungsleiter wahrgenommen wurden. Dabei ging es um die Sachpolitik. Organisations- und Personalpolitik blieben beiseite. Es war eine Sachagenda zu entwickeln, und die Agendapunkte waren zu kommentieren. Die Schwierigkeiten einer solchen Aufgabe waren dadurch reduziert, dass man von der Koalitionsbildung nicht zuletzt wegen der Regierungserfahrung der Verhandlungsführer einen starken gouvernementalen Zug erwarten konnte. So konnte man mit Akzeptanz rechnen, wenn man die Agenda nach Maßgabe des Ressortprinzips als Organisationsprinzip gliederte, also nach der Geschäftsverteilung zwischen den Ministerien. Weiter lag es nahe, die Kommentierung der Agendapunkte wie Kabinettsvermerke aufzubauen, also zuerst das sachpolitische – ver-
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kehrspolitische, wissenschaftspolitische, sozialpolitische usw. – Problem zu behandeln, dieses mit relevanten Fragen von Recht und Verfassung, Wirtschaft und Finanzen zu verknüpfen, dann die politische Interessenlage – „politics“ – zusammen mit deren Akteuren zu erörtern, um schließlich weitere Erheblichkeiten zu benennen, wie sie sich zum Beispiel aus Föderalismus und europäische Integration ergeben. Blickt man indessen aus Erfahrungen mit einem rechnergestützten Informationssystem auf die Quantität möglicher Regierungsvorhaben, so ist für die Auswahl der Agendapunkte selbst bei einem über hundert Seiten langen Koalitionsvertrag Regierungsroutine nicht zureichend. Es müssen spezifisch politische Selektionskriterien eingesetzt werden, wie sie sich aus den Partei- und Wahlkampfprogrammen, im Falle der Arbeit für den amtierenden Bundeskanzler und Kanzlerkandidaten insbesondere dessen politischen Aussagen ergeben. Für die Bewältigung des umfangreichen Sachstoffes wirkte es entlastend, dass viele Materialien in der vorangegangenen Regierungsperiode gesammelt worden waren und jetzt in Fortsetzung der vorherigen Koalition genutzt werden konnten. Neben der Verhandlungsgruppe zur Koalitionsbildung gab es ein Redaktionskomitee, dessen Aufgabe es war, die gefassten Einzelbeschlüsse zu einem Koalitionsvertrag zusammen zu fügen. Dem Komitee gehörten die Generalsekretäre der beteiligten Parteien und der für die Planung zuständige Abteilungsleiter des Bundeskanzleramtes an. Die Beteiligung eines politischen Beamten war damit begründet, dass sich als nächste Aufgabe im Amt der Entwurf einer Regierungserklärung zum Antritt des Bundeskanzlers stellte. Wesentlicher Bestandteil einer solchen Antrittserklärung ist eben der Koalitionsvertrag. Denn mit dieser Erklärung des Regierungschefs werden die Koalitionsabsprachen als Regierungsprogramm manifestiert. Antrittserklärungen des Regierungschefs gehören zu den Gepflogenheiten des parlamentarischen Regierungssystems und sind in manchen Ländern verfassungsrechtlich vorgeschrieben (Stüwe 2002). In Deutschland wird der Bundeskanzler ohne Aussprache vom Bundestag gewählt. Das Grundgesetz kennt den Begriff der Regierungserklärung nicht. Wenn der Kanzler seine Antrittserklärung abgibt, macht er von seinem Rederecht im Bundestag Gebrauch und entspricht zugleich verfestigten Erwartungen von Parlament und Öffentlichkeit. Entsprechend sind solche Erklärungen multifunktional (Böhret 1991). Sie geben Auskunft über die gouvernementale Beurteilung der allgemeinen politischen, ökonomischen, sozialen Lage in gegebener Zeit, über historische Kontinuitäten wie Diskontinuitäten und prognostizieren zukünftige Entwicklungen. Sie stellen Wertbezüge dar, reflektieren das Staatsverständnis und die konzeptionellen Grundlinien der Regierungspolitik. Sie enthalten Danksagungen, Solidaritätsappelle und anderes mehr. Die Kernfunktion dieser Regierungserklärung ist indessen die Darlegung von Regierungsprogramm und Regierungsvorhaben gegenüber Parlament und Öffentlichkeit, wie sie traditionell in der Thronrede des britischen Monarchen nach einem von der Regierung formulierten Text zum Ausdruck kommt (Beyme 1975). Im
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deutschen Falle macht sie überdies den Einigungsrahmen jeweiliger Koalitionsregierungen öffentlich. Deren Sachpositionen werden nachgezeichnet. Das bedeutet nicht, dass sich die Antrittserklärung in der Aufzählung verabredeter Programme und Vorhaben erschöpft. Diese „große“ Regierungserklärung ist zugleich ein Führungsinstrument des Regierungschefs. Der Bundeskanzler und Inhaber der Richtlinienkompetenz allein gibt diese Erklärung ab. Er kann die Spielräume seiner Regierungsmacht ausloten, gegenüber Partei und Fraktion, gegenüber Koalitionspartnern und Regierungsmitgliedern. Die bevorstehende Antrittserklärung des Bundeskanzlers löst eine Welle von Interventionen an dessen Adresse aus (König, Thomas 1999). Absender sind eine Vielzahl von Organisationen und Personen, die ihre Interessen und Ideen in der Regierungserklärung berücksichtigt hören wollen: von der Kanzlerpartei, den Koalitionspartnern, den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden bis zu Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, Nicht-Regierungsorganisationen usw. Auch Einzelpersönlichkeiten tragen Anliegen vor, insbesondere Prominente und dem Kanzler nahestehende Personen. Die hiernach vorliegende Stoffmasse bedarf starker Selektivität angesichts einer zivilgesellschaftlich verträglichen Redezeit. Drei Referenzen sind für Auswahl- und Gestaltungsentscheidungen zu berücksichtigen: der aufgabenplanerische Grundzug, der Führungsanspruch des Kanzlers und das Ereignis politischer Kommunikation. Im Blick auf die politische Planung stehen zwei Materien im Mittelpunkt, nämlich die Koalitionsabsprachen und die Vorhabenmeldungen der Ressorts. Aber auch diese Programme und Projekte sind zu vielzählig, um vorgetragen zu werden. Hier hilft zuerst die Erfahrung mit Kanzlerschaften und Antrittserklärungen. Es lässt sich herausfiltern, welche Politikfelder einen Stammplatz haben. Dann ist auf das Führungsinstrument des Regierungschefs zu sehen, also eine Auswahl vorzüglich nach dessen Präferenzen und Prioritäten zu treffen. Schließlich ist auf die öffentliche Kommunikation und Meinungsbildung zu achten. Man darf kein Thema übersehen, dass in der Öffentlichkeit nachhaltig diskutiert wird. Die „große“ Regierungserklärung zum Antritt des neuen Bundeskanzlers ist mehr als eine Präsentation operativer Regierung. Es geht wohl zu weit, von ihr ein Stück politischer Poetik zu erwarten (Pörksen 2004). Aber sie ist auch ein Werk politischer Kultur, politischen Denkens und politischer Rhetorik. So werden dann für die Formulierung der Antrittserklärung externe Persönlichkeiten beigezogen, die die Gedankenwelt der Regierenden in ein ansprechendes sprachliches Gewand kleiden können. Diese Arbeitsteilung wird der operative Mitarbeiter respektieren, solange die Sachpolitik nicht der Rhetorik geopfert wird. Mit Koalitionsvertrag und Regierungserklärung verfügt die operative Regierung über maßgebliche planerische Vorgaben. Das bedeutet nicht, dass die Imponderabilien des Politischen weggeplant werden können. Großereignisse wie Finanzkrisen und Naturkatastrophen, selbst mittlere Skandale vor allem beim Umweltschutz können dazu führen, dass die operative Agenda umformuliert wird. Aber im Grunde
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besteht eine gewisse Planungssicherheit, und der Mitarbeiter des Kanzleramtes verfügt über genügend Sensibilität, um einschätzen zu können, ob ein Ressort bei einem Agendapunkt zurückbleibt oder ob dieser von der Koalition stillschweigend aufgegeben ist. Der Alltag einer Regierungszentrale, für die das Ressortprinzip gilt, ist durch Koordination und Konfliktlösung im Blick auf die Ministerien bestimmt. Beides lässt sich analytisch unterscheiden. Aber der Praktiker erfährt es als politische Koordination in einem. Das Geschäftsordnungsrecht geht von der Selbstkoordination der Ressorts aus, und zwar im Streitfalle bis hin zu Ministergesprächen. Da aber heute die Komplexität öffentlicher Angelegenheiten in der Regel zur Beteiligung mehrerer Ressorts führt und Vorhaben entsprechend im Kabinett beschlossen werden müssen, wird das Bundeskanzleramt nicht nur früh informiert, sondern auch beteiligt. Das kann schon mit der Bestimmung des federführenden Ministeriums beginnen. Denn der Bundeskanzler hat das Recht der organisatorischen Regierungsbildung (Busse 1999). Gegebenenfalls wird er sich im Koalitionsausschuss abstimmen. Aber der entsprechende Erlass erfolgt durch ihn. Der schwierige Fall ist dabei der negative Kompetenzkonflikt. Es muss schon ein ziemlich fatales Problem sein, wenn kein Minister Machtambitionen zeigt. Die politische Koordination hat viele Gesichter. Die allgemeine Betreuung der Ressorts ist durch die Organisationsform der Spiegelreferate gewährleistet. Eine systematische Absicherung politischer Vorgaben erfolgt nicht zuletzt durch die „Kleine Lage“. Hier trifft sich morgens der Chef des Bundeskanzleramtes mit den Abteilungsleitern des Amtes, um die anliegenden Regierungsgeschäfte zu besprechen. Beteiligt wird weiter der Leiter des Kanzlerbüros. Zugang hat auch der Regierungssprecher. Letztlich bestimmt die politische Gewichtung, ob der Vertreter des Bundeskanzleramtes in der Rolle des Beobachters, des Schiedsrichters, der Partei auftritt. Persönliche Präferenzen des Bundeskanzlers können zu besonderen Situationen führen. Wenn der Kanzler an der weiteren Entwicklung der hochdefizitären Bundesbahn wohlwollend Anteil nimmt, dann mag der Verkehrsminister den zuständigen politischen Beamten des Kanzleramtes zu den Ministergesprächen zum Bahnhaushalt einladen, damit eben dieses Wohlwollen symbolisiert ist. Wenn der Kanzler den Forschungsminister bei einem Streit mit dem Finanzminister zu einem wissenschaftlichen Projekt persönlich unterstützt, wird er unter Umständen die beiden Minister noch vor der Kabinettsitzung zu einem Gespräch einladen und die politische Koordination selbst vornehmen. Ein solches konfliktregelndes Gremium ist allgemein bei Koalitionsregierungen der Koalitionsausschuss (Müller 2008). Von diesem Ausschuss hat man gesagt, dass die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers auf ihn übergehe. Aus guten Gründen findet man eine solche Aussage nicht in Koalitionsverträgen, und zwar nicht nur aus verfassungsrechtlichem Grund. Trotz mancher Vorliebe für historische Dimensionen erweisen sich Koalitionen als Zweckbündnisse, in denen Programme und Projekte
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unter Einbeziehung jeweiliger parteipolitischer Interessen realisiert werden. Man könnte den Koalitionsausschuss allenfalls als Oberkabinett für Streitentscheidungen ansehen, vorausgesetzt, dass er überhaupt zum Zuge kommt. Denn einerseits sind es die zugleich im Regierungsamt befindlichen Parteispitzen, die in „Elefantenrunden“ die Koalition kuratieren. Andererseits kann es gelingen, auch parteiliche Meinungsstreitigkeiten in der Gubernative auszutragen. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Kanzlerdemokratie bezeichnet worden (Niclauß 2004). Die Frage ist, ob es dabei um die historische Situation der ersten Kanzlerschaft der Bundesrepublik oder um Strukturprobleme des Regierungssystems geht. Immerhin erhält man Einladungen zu internationalen Tagungen zum Präsidentialismus, weil man in der Kanzlerschaft verwandte Züge vermutet. Letztlich kommt es auf die sublime Beobachtung der Herrschafts- und Machtverhältnisse an. Der Kanzler hat die Richtlinienkompetenz. Es geht darum, Macht zu deren Umsetzung zu generieren. Dabei handelt sich nicht um formelle Weisungen, sondern um eine Art „soft law“. Der damals amtierende Kanzler zeichnete sich durch Europafreundlichkeit aus. Diese Präferenz wurde gegenüber Ministern und Ministerien von ihm selbst und dem Kanzleramt kontinuierlich verfolgt, so dass man letztlich von einer politischen Richtlinie sprechen kann. Für die Kanzlermacht spricht noch anderes, so, dass es gelang, Streitentscheidungen vom Kabinett fernzuhalten. Denn Streit im Kabinett pflegt das Ende einer Regierung, insbesondere einer Koalitionsregierung zu signalisieren. Hier können die Prozessualisten im Kanzleramt, insbesondere dessen Chef manches für sich in Anspruch nehmen. Ein weiteres Indiz ist das „An sich ziehen“ einer Ressortzuständigkeit ohne formelle Änderung der Geschäftsverteilung in einer Angelegenheit durch Bundeskanzler und Bundeskanzleramt. Als solcher Fall ist die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl bemerkenswert (Czada 1991), weil sie einen Koalitionspartner betraf und zur Errichtung eines weiteren Ministeriums, nämlich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, mit einem Minister der Kanzlerpartei führte. Am Anfang standen Defizite in der Perzeption der Katastrophe durch das zuständige Ressort, Unsicherheiten im Blick auf die Gefahrenlage, Affekte in der Öffentlichkeit. Das führte dazu, dass der Kanzler diese Sache an sich zog und den Chef des Bundeskanzleramtes und die Abteilung für Innere Angelegenheiten mit der Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte beauftragte. Im Amt wurden so alle erforderlichen Schritte von der Problemidentifikation an unternommen, wobei anzumerken ist, dass die Länder allgemein für den Katastrophenschutz zuständig sind. So wurde am Ende das „window of opportunity“ nicht nur genutzt, dem Umweltschutz ein eigenes Ministerium zu widmen, sondern auch Reformvorschläge zum BundLänder-Verhältnis zu machen und schließlich der Landwirtschaft jenseits der Rechtsfrage großzügige Entschädigungen zu gewähren. Die europäische Integration einerseits und der Föderalismus anderseits bringen es mit sich, dass sich operatives Regieren im Bundeskanzleramt in einer Mehrebe-
II. Operativität
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nenpolitik vollzieht. Überdies haben die inneren Angelegenheiten heute eine Fülle internationaler Implikationen: vom Luftverkehr bis zur Seuchenbekämpfung. Während für internationale und supranationale Bezüge noch andere Abteilungen zuständig waren, fiel das Bund-Länder-Verhältnis damals insgesamt in den Geschäftsbereich der Abteilung für Innere Angelegenheiten und Planung. Das hatte angesichts deren breiten Sachzuständigkeit den Vorteil, dass Koordinationsprobleme gegebenenfalls auf kurzen Wegen bearbeitet werden konnten. Der Föderalismus in seinen kooperativen Ausprägungen stellt hohe Anforderungen an das operative Regieren (Benz 2008). Separative Verhältnisse zeigen geringere Belastungen, wie man in der Begegnung mit dem Direktor des „Office of Intergovernmental Affairs“ im Weißen Haus erfahren kann (Patterson 2000). Jenseits des Grades der Aufgabenverflechtung im kooperativen Föderalismus zeigt sich als grundsätzliches Dilemma, dass die Wahrnehmung von Landesinteressen durch parteipolitische Positionen überlagert sein kann (Scharpf 2009). Im Grenzfall bedeutet das bei unterschiedlichen Mehrheiten in Bund und Ländern politischen Stillstand, im Regelfall besondere politische Anstrengung. Kontakte sind nicht nur mit den Landesvertretungen, sondern von Fall zu Fall mit Chefs der Staatskanzleien zu halten. Sind die Geschäftsabläufe in Angelegenheiten des Bundesrates und des Vermittlungsausschusses letztlich hochformalisiert, so gilt das weniger für die Besprechungen des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder, wie sie im Geschäftsordnungsrecht vorgesehen sind. Hier ist man von Entscheidungszwängen befreit, der Bundesrat nicht substituiert. Man kann nationale Probleme etwa Umweltschäden diskutieren, ohne sich gleich parteipolitisch festzulegen. Selbst persönliche Dispositionen können hervortreten. Im Grunde kann man einen politischen Grundkonsens pflegen, wie er auch im dezentralisierten Staat und in der Parteiendemokratie notwendig ist. Vor der Zeit im Bundeskanzleramt hatte ich an einem Arbeitskreis im Bundesministerium des Innern mitgewirkt, der sich mit Fragen der Normenkontrolle befasste (Hugger 1983). 1984 wurde dann von der Bundesregierung ein Katalog von „Prüffragen zur Notwendigkeit, Wirksamkeit und Verständlichkeit von Rechtsetzungsvorhaben des Bundes“ beschlossen. Im Vordergrund stand dabei die Prüfung des Gesetzesentwurfs nach seiner Fertigstellung. Man erwartete aber auch eine Strukturierung des Überlegungsvorganges bei der Entwicklung von Rechtsvorschriften, und zwar unter bisher tendenziell vernachlässigten Problemaspekten wie etwa die Erforderlichkeit einer solchen Regelung. In der Planungsgruppe wurde ein Referent mit der Prüfungsaufgabe betraut. Es erwies sich aber, dass es für tiefere Eingriffe zu spät ist, wenn ein Entwurf nach Fertigstellung das Kanzleramt erreicht. Selbst begrenzte Korrekturen wurden mancherorts als Eingriff in die Ressortverantwortung angesehen. Wer auf dem Felde der internationalen Entwicklungspolitik tätig war, ist oft auch mit der Wirkungs- und Erfolgskontrolle einschlägiger Projekte vertraut. Evaluationen gehören zum festen Instrumentarium der managerialen Verwaltung und haben
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E. Verwaltete Regierung
sich auch international verbreitet. Es lag also nahe, die Einrichtung eines solchen Referats in der Planungsgruppe zu initiieren, nicht um solche Kontrollen selbst durchzuführen, sondern um die Ressorts bei deren Organisation zu unterstützen. In der Runde der Planungsbeauftragten der Ministerien zeigte sich, dass nur das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit über eine ausgebaute Wirkungs- und Erfolgskontrolle verfügte. Bei den mit Infrastrukturprojekten befassten Ressorts waren Ex ante-Evaluationen verbreitet. Aber selbst Ministerien mit Subventionsvergabe war dies Instrument fremd. Mehrheitlich bestand keine Neigung, mit der Planungsgruppe auf diesem Feld zusammen zu arbeiten. So blieb es bei internen Versuchen, etwa zum Binnenschifffahrtsverkehr. Es sollte noch Jahre dauern, bis Konzepte der Normenkontrolle etwa als Kostenprüfung (Beus 2007) und Evaluationen etwa als Gesetzesfolgenabschätzung (Böhret/Konzendorf 2001) in der Ministerialverwaltung stärker Aufmerksamkeit fanden. Nach alle dem mögen sich aus methodologischer Sicht Gründe ergeben, die die Position eines politischen Beamten und Abteilungsleiters im Bundeskanzleramt schwerlich als geeigneten Standort für die teilnehmende Beobachtung des Wissenschaftlers erscheinen lassen, nämlich ein Arbeitstag von zwölf Stunden und mehr, unvermeidbare Phasen hektischer Betriebsamkeit, kritische Handlungssituationen, kaum begrenzbare Anwesenheit, verfestigte Rollenerwartungen in einem komplexen Umfeld, persönliches Vertrauensverhältnis zu Regierungs- und Amtschef u. a. m. Auf der anderen Seite steht die Frage, wie die Arkana des Regierens anders als durch teilnehmende Beobachtung erschlossen werden können. Die Erkenntnisse regierungsrelevanter Wissenschaften zur operativen Regierung sind in Deutschland vergleichsweise begrenzt. Auch auf anerkannten empirischen Methoden beruhende Untersuchungen der Ministerialverwaltung durch den externen Wissenschaftler können angesichts der Verschlossenheit und der selbstbestimmten selektiven Öffnung des Gegenstandes zu gravierenden Irrtümern führen (Hustedt 2013). Demgegenüber lässt sich auf den entwickelten Erkenntnisstand zur operativen Regierung, zur Präsidentschaft und zur Administration des Präsidenten in den USA verweisen. Die gewonnenen Erkenntnisse beruhen nicht zuletzt auf teilnehmender Beobachtung praxiserfahrener Wissenschaftler, wie sie durch das System der „inand-outers“, der „revolving door“ begünstigt wird. Es bleibt also bei der Methode der teilnehmenden Beobachtung. Es bleibt aber auch die Grundanforderung wissenschaftlichen Arbeitens, nämlich die Distanz der Reflexion zum Gegenstand. Einschlägige Vorkehrungen sind zu treffen: in den Formalien das Rückkehrecht auf die Professur, in den Fertigkeiten die Anfertigung wissenschaftlicher Kurzbeiträge, in der Symbolik die Einrichtung eines Regals wissenschaftlicher Bücher im Amtszimmer – vom Praktiker als dysfunktional empfunden. Prägend sind indessen die mentalen Reservationen: auf der einen Seite die Definition der wissenschaftlichen Ambitionen auch als ein Projekt, das noch nicht beendet ist, auf der anderen Seite das Verständnis der Regierungsarbeit auch als Praktikum, das zeitlich begrenzt ist. Anzumerken ist, dass Beobachtungen im Regierungsalltag nur verdeckt erfolgen können, und dass Loyalitätskonflikte schon deswegen nicht entstanden, weil mein
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Interesse nicht der Personen- und Ereignisgeschichte, sondern dem systemischen Institutionalismus operativen Regierens galt.
III. Regierungslehre Eine Regierungslehre unter Aspekten der „machinery of government“ zu entwickeln, gehört zu den wiederholten Postulaten der jüngeren Wissenschaftsgeschichte (Hennis 1999). Um das Erfahrungs- und Erkenntnisfeld des Bundeskanzleramtes Mitte der 1980er Jahre vorzustellen, wurde hier zunächst beim Begriff der Bundesregierung nach dem Grundgesetz angeknüpft. Der Begriff der Regierung ist insoweit ein organisatorisch-institutionelles Konzept, das seine Wurzeln im Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts hat, als es darum ging, der politischen Herrschaft durch eine grundlegende Verfassung Ordnung und Beschränkung zu geben. Gemeint ist die institutionelle Spitze der Exekutive, die Gubernative, wie es einem kontinentaleuropäischen Sprachgebrauch etwa mit „gouvernement“ entspricht. Mit der Einpassung des Regierungsbegriffs in die klassische Gewaltenteilungslehre ist die umfassende Bedeutung des Ausdrucks Regierung als Ausübung von Herrschaft aufgegeben. Um gegenüber einem formalen Regierungsbegriff dem eminent Politischen der Regierung seinen Rang zu geben, entwickelte sich ein Regierungsbegriff im funktionalen Sinne, der an den Leistungen der Staatsleitung anknüpft (Scheuner 1952). Man konnte dazu auf nicht der Gewaltenteilung unterliegende Aufgaben wie nicht gesetzesakzessorische Akte der Außen- oder Wirtschaftspolitik verweisen. Vor allem zeigte sich, dass funktional gesehen Parlament und exekutive Spitze von der Wahl des Bundeskanzlers an so verflochten sind, dass man von einer Staatsleitung „zur gesamten Hand“ spricht (Magiera 1979). Findet der Regierungsbegriff im organisatorisch-institutionellen Sinne wie der im funktionalen Sinne seine Grundlagen in der deutschen Staats- und Staatsrechtslehre, so hat der politologische Regierungsbegriff sein Herkommen in der Verselbständigung der Politischen Wissenschaft nach 1945. Er ist an das angloamerikanische Verständnis von „government“ angelehnt, das weder mit dem kontinentaleuropäischen Staatsbegriff noch mit dem einer Regierung als exekutive Staatsspitze gleichgesetzt werden kann. Government ist die Summe politisch-autoritativer Institutionen mit Einschluss von Exekutive wie Legislative. Charakteristisch für die Entwicklung des politologischen Regierungsbegriffs in Deutschland ist hiernach die Ausweitung seines Inhaltsbereichs. Unter dem Vorzeichen des Regierungssystems werden nicht nur die politisch-autoritativen Institutionen behandelt, sondern zudem Parteien, Bürgerbewegungen, Interessenorganisationen, Medien und anderes (Westphalen 2001). Die Regierungslehre nimmt immer mehr den Platz ein, den herkömmlich die „Innenpolitik“ als Teildisziplin der Politischen Wissenschaft hält (Wewer 1989).
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Die nachgezeichneten drei Regierungsbegriffe machen Weichenstellungen dazu erforderlich, auf der Grundlage welchen Konzepts man eine Regierungslehre entwickeln will, die auch die Operativität des Regierens einschließt. Gegen eine Regierungslehre, die in ihrer Breite alle Institutionen einbezieht, die am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess beteiligt sind (Holtmann 1991), sprechen die Wissensbestände gerade in den Vereinigten Staaten. Hier ist angesichts der präsidentiellen Spitze von Staat und Exekutive ein eigener Wissenschaftszweig der „presidential studies“ entstanden. Diese widmen sich der Präsidentschaft und der „Administration“ des Präsidenten in all deren Facetten (Pfiffner 1994). Solche Studien werden nicht nur von „Think Tanks“ wie Brookings Institution oder dem Center for the Study of the Presidency and Congress gepflegt, sondern haben auch universitäre Schwerpunkte von der George Washington University im Osten bis zur Stanford University im Westen der USA. Lehre und Forschung werden nicht zuletzt von Wissenschaftlern getragen, die sich als „presidential scholars“ spezifisch und kontinuierlich mit ihrem Gegenstand befassen und auch pragmatisch kommunikativen Zugang zu einschlägig erfahrenen Praktikern finden. Angesichts der Komplexität von Präsidentschaft und jeweiliger Administration bedarf es einer gewissen wissenschaftlichen Nachhaltigkeit, will man in die Arkana der Herrschaftsund Machtausübung tiefer eindringen. Mit den „presidential studies“ ist ein Wissen entstanden, mit dem das, was in Deutschland zum exekutiven Spitzenbereich wissenschaftlich generiert worden ist, nicht mithalten kann. In Arbeitskreisen wie dem der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu den „Centres of Government“ kann man erfahren, wie wissenschaftliches Wissen hinter praktischem Wissen zurückbleiben kann. Zwar gibt es auch in der Bundesrepublik eine Vielfalt von Studien, die die Regierung als „machinery of government“ einbeziehen, insbesondere im Zusammenhang mit der Sektion Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (Hartwich/Wewer 1990 – 1993). Jedoch vermisst man jene Konsistenz, die das Regieren zum wissenschaftlichen Spezifikum macht, und es ist zu bezweifeln, ob eine Regierungslehre als Lehre vom – inneren – politischen System solche Impulse setzen kann. Die verbleibende Wahl zwischen einem Regierungsbegriff im organisatorischen und einem funktionalen Sinne ist erkenntnistheoretisch wohl nicht zu entscheiden. Regierungsfunktionen zu spezifizieren und diese jeweils mit zuständigen Institutionen zu verknüpfen, also funktional-strukturell vorzugehen, ist wissenschaftlich machbar (Derlien 1990) und kann im Blick auf bestimmte Funktionen in der vergleichenden Regierungslehre durchaus fruchtbar sein. Nur wirkt es konstruiert und dann unanschaulich, wenn man bei einem systemischen Anspruch einen Funktionskatalog vorgibt und ihn sonach mit einem Geflecht von Leistungsträgern verknüpft. Hier ist daran zu erinnern, dass die Regierungslehre nicht nur Forschung, sondern eben auch Lehre sein kann. Und als solche kann sie jenseits der politischen Bildung zu einer professionellen Aus- und Weiterbildung des Regierungspersonals
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beitragen. Es sind also didaktische Gründe der Plastizität und Einprägsamkeit, die es nahelegen, auch in der Regierungslehre zuerst Institutionen und Organisationen anschaulich zu machen und ihnen dann das Leistungsgeschehen zuzuordnen, also auf der Grundlage einer organisatorisch-institutionellen Konzeption der Regierung strukturell-funktional vorzugehen. Die Ausrichtung der Regierungslehre an einer solchen Begriffstradition ist in mehreren Beziehungen zu relativieren. Der verwaltungswissenschaftliche Einstieg in das Regierungsthema hat dazu geführt, dass von vornherein über die verfassungsrechtliche Bestimmung der Regierungsmitglieder hinaus die ihnen direkt zugeordneten Verwaltungsstäbe, Regierungszentrale und Ministerien, in den Regierungsbegriff einbezogen worden sind. In der Exekutive lassen sich nicht einfach Gubernative und Administrative, Regierung und Verwaltung trennen (Ellwein 1976). Die Regierung ist eben auch verwaltete Regierung. Weiter ist der Regierungsbegriff nicht nur formal aus positivierten, niedergeschriebenen, formellen Handlungsmustern zu verstehen. Zwar ist die Regierung zunächst eine hochformalisierte Organisation. Dass erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass es um eine gefahrengeneigte Tätigkeit geht, wobei die politischen Risiken nicht die Ausnahmesituation, sondern den Arbeitsalltag charakterisieren. Indessen pflegt der exekutive Spitzenbereich wohl mehr als andere Organisationen ein Ort informaler Kommunikationsnetze zu sein, wie sie zwischen der Welt individueller Regierungspersönlichkeiten und der Welt der Organisationspläne, Dienstanweisungen, Statushierarchien gespannt sind. Formales wie Informales gehören zur Regierungslehre. Ein organisatorisch-institutionelles Verständnis der Regierung bedeutet nicht, dass diese nur in ihrer Selbstbezüglichkeit interessiert. Soziale Systeme wie die Regierung begründen sich teilweise aus ihrer eigenen Ordnung, teilweise aus Einflüssen ihrer Umwelt. In diesem Sinne sind Umwelten der Gubernative relevant, also Parlamente, Parteien, Verbände usw. Freilich geht es nicht wie bei einer weiten Regierungslehre als „Innenpolitik“ um solche Institutionen an sich, sondern um ihre Beziehungen zur Regierung. Interdependenzen zu beobachten, gebietet sich schon deswegen, weil das Gewaltenteilungsschema heute keine einfachen Abgrenzungen mehr zulässt. Man denke etwa an die Teilnahme von Spitzen der Regierungsfraktionen an Kabinettsitzungen. Die Bestimmung des Verhältnisses der „Regierungslehre“ zur „Verwaltungslehre“ hängt vom jeweiligen wissenschaftlichen Standort ab (Ellwein 1990). Wer von einer Disziplin her argumentiert (Jann 1989), wird zu einer anderen Sichtweise gelangen als der, der sich an ein Einzelfach nicht gebunden sieht. In der transdisziplinären Perspektive ist die Regierungslehre zuerst einmal eine Integrationswissenschaft, zu deren Mutterwissenschaften nach dem Ende der gesamten Staatswissenschaft die Staatsrechtslehre und die Politische Wissenschaft gehören. Weiter sind Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre, insbesondere mit ihren Erkenntnissen zum Haushaltskreislauf nennen. Wer sich in Deutschland für Regierungs-
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E. Verwaltete Regierung
zentralen interessiert, wird an der Geschichtswissenschaft nicht vorbeigehen. Die großen Kanzlerbiographen enthalten auch Aussagen zu den institutionellen Verhältnissen. Dass die Verwaltungswissenschaft Beiträge zu einer Regierungslehre, die Operativität einbezieht, leisten kann, wurde hier zu belegen versucht. Sie kann Originäres beitragen wie zum Beispiel Erkenntnisse aus einer langjährigen Diskussion zur öffentlichen Planung. Sie kann Transferleistungen aus anderen Wissenschaftszweigen erbringen etwa Managementlehren. Solche Transfers erfordern wiederum eine verwaltungswissenschaftliche Eigenleistung. Managementmodelle pflegen universalistische Ansprüche zu erheben. Im deutschen Falle und in den traditionellen Verwaltungsstaaten Kontinentaleuropas stellt sich die Frage, wieweit sie in das Institutionengefüge des klassischen politisch-administrativen Systems passen. Hierzu hat die Verwaltungswissenschaft inzwischen einige Erfahrungen gesammelt. Man muss freilich auch die Grenzen einer institutionenbasierten Verwaltungswissenschaft sehen. Sollen Managementmodelle mehr als Ideologie sein, müssen sie institutionalisiert werden. Man kann „Leitung“ – Management – institutionell erfassen. Anders verhält es sich mit „Führung“ – Leadership –, wenn man diese Kategorie aus einem diffusen Sprachgebrauch herauslöst und Persönlichkeit, Disposition, Motivation, Emotion meint. Der systemische Institutionalismus erreicht diese Dimension nur insoweit, wie sich Interdependenzen zwischen Person und Institution ergeben, also: der Minister, der sein Ressort umorganisiert; der Kanzler, der ein informelles Kommunikationsnetz in der Regierungszentale pflegt; der Beamte, dem die Geschäftsordnung einen partizipativen Führungsstil vorschreibt usw. Dispositionen und Emotionen mögen durchaus Gegenstand einer Regierungslehre sein (Korte 2015). Aber dann bedarf es anderer wissenschaftstheoretischer Voraussetzungen als die des Institutionalismus. Schon solche Spielräume legen es nahe, „Regierungslehre“ und „Verwaltungslehre“ zu unterscheiden. Auch wenn man beide als Integrationswissenschaften ansieht und diese dann weitgehend die gleichen Nachbarwissenschaften haben, sind doch Auswahlmuster, Relevanzkriterien und Eigenleistungen verschieden. In der Regierungslehre wird man der Politischen Wissenschaft eine Dominanz zurechnen, die mit ihrem Einfluss auf die Verwaltungswissenschaft nicht gleichgesetzt werden kann. Das Politische ist in Kanzleramt und Ministerien eben ungleich höher verdichtet als in der Breite der öffentlichen Verwaltungen vom Finanzamt bis zum Jugendamt. Das schließt nicht aus, dass Behörden beim Umweltschutz, bei der öffentlichen Sicherheit usw. unter spezifisch politischen Druck geraten können. Für die Bedeutung von integrierten Teilwissenschaften ist letztlich ihre allgemeine Relevanz für den jeweiligen Erfahrungsgegenstand maßgeblich. Insofern nimmt die Verwaltungswissenschaft an der verwalteten Regierung Anteil.
F. Verwaltungstransformation I. Organisation und Personal Von Transformation ist zu sprechen, wenn ein ausgeformtes soziales System durch systemische Veränderungen in eine andere Qualität umgestaltet wird. Die Umformung der realsozialistischen Kaderverwaltung der DDR in ein klassisches kontinentaleuropäisches Verwaltungssystem wird von diesem Begriff umfasst. Wer sich mit der ostdeutschen Verwaltung beschäftigt und insbesondere ihre wissenschaftlichen Repräsentanten kennengelernt hatte und dazu die sozioökonomischen Bewegungskräfte des Westens sah, musste Zweifel haben, ob der erforderliche Schritt in die Moderne mit den endogenen Kräften des Ostens zu bewältigen war. Die Erfahrungen mit der internationalen Zusammenarbeit begründeten andererseits die Erwartung, dass mit Verwaltungshilfe aus Westdeutschland zu rechnen war, und zwar zunächst unabhängig davon, welcher staatsrechtliche Weg im Weiteren begangen werden würde. Im Blick auf die geringen Kenntnisse von der ostdeutschen Verwaltung in der Bundesrepublik ging es mir vorab darum, eine Einführung in die „Verwaltungsstrukturen der DDR“ herauszugeben. Es erwies sich, dass man bei einem solchen Unternehmen auf sachkundige Wissenschaftler der DDR insbesondere aus Babelsberg angewiesen war. Man konnte dabei nicht mit wissenschaftlichen Leistungen kritischer Distanz rechnen. So waren die Intentionen des Buches auf die Deskription der Formalorganisation beschränkt. Durch einen eigenen Beitrag wurde versucht, die weiteren Zusammenhänge zu verdeutlichen. Insgesamt gelang es wohl, ein wenn auch vordergründiges Bild der Verwaltungsverhältnisse zu zeichnen. So entstand eine Lageskizze der DDR-Verwaltung, bei der die Länder aufgelöst und die kommunalen Selbstverwaltungen beseitigt waren, also zur Breite der Aufgabenfelder im realsozialistischen Staat, zu Ministerrat und Ministerien, zur regionalen und lokalen Verwaltung mit Bezirken, Kreisen und Gemeinden, zu Verwaltungspersonal und Verwaltungsausbildung, zu staatlicher Planung und Staatshaushalt und anderes mehr bis hin zu den Versuchen zu Verwaltungsrecht und Verwaltungsinformatik. Dabei hatte die Beteiligung von Insidern den Vorteil, dass den Beiträgen eine Dokumentation zur Geschäftsordnung des Ministerrates, zur Ordnung über die Vorbereitung und Gestaltung von Rechtsvorschriften, zu Verhaltensregeln für Geheimnisträger usw. beigefügt werden konnte. Der Geheimhaltungsstaat der DDR geriet ins Blickfeld. So wurde zum ersten Mal eine Nomenklaturordnung veröffentlicht. Selbst für den Beschluss über die Zusammensetzung der Räte der örtlichen Volksvertretungen galt die Vorschrift „Nur für den Dienst-
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F. Verwaltungstransformation
gebrauch“. Das alles ist freilich nicht nur unter den Vorbehalt der systemischen Macht der sozialistischen Einheitspartei, sondern auch unter den des „stalinistischen Voluntarismus“ zu stellen, der es Nomenklaturisten ermöglichte, willkürlich in staatliche Normen und Pläne einzugreifen. Vom Beginn der Transformation an zeichnete sich ab, dass der Um- und Neubau der DDR-Verwaltung nach klassischen Standards und zugleich die alltägliche Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten mit den Nomenklaturisten und Kadern des realsozialistischen Regimes nicht gelingen konnten. Die Folgen der „politisierten Inkompetenz“ in allen Politikbereichen von der Wirtschaft bis zum Umweltschutz waren offenkundig. Zwar leisteten die Kader keinen nennenswerten Widerstand. Besonders die höheren Ränge versuchten, unverdächtige Arbeitsplätze zu bekommen und Besitzstände zu sichern (Weiß 1991). Als Administratoren waren sie aber kaum mehr handlungsfähig. Während sich der Gesetzgeber in der Zeit zwischen der Wahl der ersten demokratischen Regierung der DDR im März 1990 und dem Wiedervereinigungsbeschluss im August 1990 als hochaktiv erwies, zeigte die Verwaltung Zerfallserscheinungen (Bayer 1991). Die personelle Verwaltungshilfe und Mitarbeit von Westdeutschen in den ostdeutschen Verwaltungen lassen sich in zwei sich freilich überlappenden Phasen unterscheiden, nämlich die des Wirkens kommissarischer Verwalter und die des Personaltransfers mit Einschluss der Rekrutierung des im Westen ausgebildeten Nachwuchses. Früh setzte die kommissarische Unterstützung auf Ministerialebene ein, um die Zentralverwaltungen in Ostdeutschland funktionsfähig zu erhalten. Tausende Bedienstete des Bundes reisten so in täglichen Flügen – „BeamtenShuttles“ – von Bonn nach Berlin. Der Umbau der Verwaltung von Staats wegen betraf weiter die Bezirksorganisation der DDR. Die demokratische Regierung setze Bezirksbevollmächtigte ein, die unter Beteiligung westdeutscher Verwaltungsleute die regionalen Probleme angingen. Auch die folgende Einsetzung von Landesbevollmächtigten zur Bildung neuer Bundesländer wurde in den Aufbaustäben von westdeutschen Experten mitgeprägt. In diesen neuen Bundesländen kam ein partnerschaftliches Konzept mit den westdeutschen Länden zum Zuge. Zum Beispiel entsandte Nordrhein-Westfalen mehrere hundert Landesbedienstete zum Einsatz in das Partnerland Brandenburg, um dort von der Ministerialverwaltung über die Finanzverwaltung, Polizeiverwaltung bis zur Justizverwaltung Aufbauleistungen zu erbringen (Meyer-Hesemann 1991). Entsprechendes vollzog sich in den anderen Ländern von Ost und West (Seeck 1992). Der Partnerschaftsgedanke prägte auch den Umbau der örtlichen Verwaltung der DDR zur kommunalen Selbstverwaltung. Die Unterstützung durch westdeutsche Gemeinden, Städte und Kreise erreichte eine fünfstellige Personenzahl. Unter den Sonderverwaltungen ist die Bundesanstalt für Arbeit hervorzuheben, die eine entsprechende Arbeitsverwaltung schon in der noch bestehenden DDR aufzubauen hatte. Anzumerken bleibt, dass es auch zu Hilfeleistungen kam, die in westdeutschen Verwaltungen selbst erbracht wurden: von der Erstellung von Gesetzesentwürfen in
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westdeutschen Ministerien bis zur Bearbeitung von Grundstücksakten durch westdeutsche Grundbuchämter. Wie funktional der Einsatz von kommissarischen Verwaltern auch war, so wurde doch bald deutlich, dass einerseits die Verwaltungen in Ostdeutschland langfristig auf den Sachverstand in Westdeutschland ausgebildeter Beamten angewiesen waren und dass anderseits ein „Berater-Tourismus“ nicht geeignet war, die in öffentlichen Angelegenheiten erforderliche Identifikation mit „Land und Leuten“ in den neuen Bundesländern befriedigend herzustellen. Deswegen ging man dazu über, westdeutsche öffentliche Bedienstete auf Dauer an ostdeutsche Verwaltungen zu binden. Dazu wurden auch die erforderlichen beamtenrechtlichen Regelungen getroffen. In den 1990er Jahren zeichneten sich folgende Tendenzen in der Beschäftigung von aus Westdeutschland stammenden Bediensteten ab: In den Ressorts der Justiz, des Innern, der Finanzen und der Wirtschaft überstieg der West-Anteil im höheren Verwaltungsdienst die 50 %-Marke, bei Ressorts für Bildung, Landwirtschaft, Umweltschutz blieb er darunter (Linde 1991). Insoweit zeichneten sich die Probleme von politischem Lebenslauf und Loyalität, Qualifikation und Leistung ab (Derlien 1991). Mit der Nennung des höheren Verwaltungsdienstes ist die in erster Linie relevante Statusgruppe genannt. Die aus Bund und alten Bundesländern kommenden Mitarbeiter gehörten hauptsächlich dem höheren Dienst und dann anteilig geringer dem gehobenen Dienst an (Seeck 1992). In der Beobachtung von Staatskanzleien der neuen Bundesländer zeigte sich damals, dass 15 von 19 Abteilungsleitern aus Westdeutschland stammten. Auch die Ebene der Chefs der Staatskanzleien war überwiegend mit Westdeutschen besetzt. Überhaupt waren die Positionen der Staatssekretäre in den Ressorts weitgehend in den Händen einer Verwaltungselite mit westdeutscher Biografie. Insbesondere wenn der Minister aus Ostdeutschland stammte, pflegte die Verwaltungsspitze westdeutsch besetzt zu sein. Die personellen Engpässe im Transformationsprozess konnten mit dem kommissarischen Einsatz und dem Transfer von Verwaltungspersonal aus dem Westen zwar überbrückt werden. Die Frage nach der Übernahme oder Entlassung alter Verwaltungskader war damit nicht obsolet. Einerseits brauchte man für die Großorganisationen des Staatsapparates Verwaltungspersonal aus Ostdeutschland; anderseits konnte man mit den Nomenklaturisten und Kadern des alten Regimes nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Hinzu kam, dass der Staatsdienst der DDR nach westlichen Maßstäben überbesetzt war und unvorhersehbare Personalkosten befürchtet wurden. Bereits zu Zeiten der demokratischen Regierung der DDR waren Kader vor allem aus dem Spitzenbereich ausgeschieden. Die breite personelle Erneuerung wurde aber auf die Zeit nach der Vereinigung Deutschlands verschoben (Derlien 1991). Hinzu kam, dass die Personalpolitik nicht isoliert betrieben werden konnte. Mit der Einführung von Föderalismus und kommunaler Selbstverwaltung stand eine grundlegende Reorganisation zur Diskussion. Die in Ostdeutschland bestehenden Verwaltungen musste jeweils nach Zuständigkeit Bund, Ländern und Kommunen
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zugeordnet werden. Verwaltungen, die ihre Aufgaben verloren wie etwa die alten Industrieministerien, mussten abgewickelt werden. Zur Personalpolitik traf der Einigungsvertrag die Grundsatzentscheidung, dass die Angehörigen der DDR-Verwaltung „im Interesse der Verwaltungskontinuität und der Beschäftigten“ in ihren Arbeitsverhältnissen bleiben sollten (Battis 1991). Dieser Beschäftigungsgrundsatz galt nur für die überführten Verwaltungen. Für die Mitarbeiter abgewickelter Organisationen griff ein befristeter Wartestand ein. Für die Weiterbeschäftigten wurden eigene Kündigungstatbestände zu Qualifikation, Bedarf, Menschenrechtsschutz geschaffen. Maßgeblich war dann, dass am Berufsbeamtentum festgehalten wurde. Es wurde ein „Beitrittsbeamtentum“ geschaffen, das nicht auf formale Bildungsabschlüsse, sondern auf Bewährung im Dienstposten abstellte (Goerlich 1991). Diese Anforderung wurde durch umfassende Fortbildungsmaßnahmen flankiert (Vollmuth 1992). Mein Beitrag zur personellen Unterstützung der Verwaltungstransformation in Ostdeutschland bestand vor allem in der Mitwirkung beim Aufbau der Staatskanzleien in den neuen Flächenländern. Von der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalens kam die Anfrage, ob ich mich als Experte an der Einrichtung dieser neuen Organisationen beteiligen könne. Ein solcher Einsatz wurde auch von der Staatskanzlei in Mainz unterstützt. Grundgedanke war, Schulungskurse für Mitarbeiter mit ostdeutscher Biografie der neuen Regierungszentralen durchzuführen. Zielgruppe waren Bedienstete in Funktionen der Leitung, der operativen Geschäfte und der Stabsarbeit. Dazu entwickelte ich ein entsprechend ausgerichtetes Lehrprogramm. Zusammen mit meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter (Häußer 1995) stellte ich umfangreiche Lehrmaterialien zusammen: von Funktionskatalogen der Regierungszentralen bis zu Empfehlungen für den Aufbau der Bibliothek einer Staatskanzlei. Die Kurse wurden als „Werkstattgespräche“ bezeichnet und fanden im Blick auf den laufenden Betrieb jeweils am Wochenende vor Ort in den neuen Bundesländern statt. Mit der Bezeichnung „Werkstattgespräche“ wurde signalisiert, dass es nicht in erster Linie um die Wertgrundlagen einer Verwaltung in Demokratie, Rechts- und Sozialstaat ging, vielmehr die Operativität des Regierens das Kernthema war. Angesichts der eigenen Demokratieerfahrung dieses Publikums bedurfte es keiner wie auch immer gearteten „re-education“. Anders verhielt es sich auf dem Gebiet des Rechts. Hier war verständlich zu machen, was es bedeutet, dass die internen Geschäftsvorgänge durch „soft law“ geregelt sind. Dass das Geschäftsordnungsrecht nicht mit Rechtssanktionen ausgestattet ist, führt nicht dazu, dass es missachtet wird. Seine Vernunftregeln des Handelns in und zwischen Organisationen werden allgemein beachtet, da ein geordnetes Verfahren maßgeblich zu Effizienz und Effektivität des Regierens beiträgt. Schon aus diesem Grund muss abweichendes Verhalten sorgfältig abgewogen werden. Überdies ist Geschäftsordnungsrecht zwar nicht rechtsbewehrt, aber nicht sanktionslos. Verstöße können zu politischen Risiken bis hin zu Koalitionskrisen führen.
I. Organisation und Personal
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Vertiefende Gespräche wurden auch zur Umsetzung der verfassungsrechtlichen Regierungsprinzipien in die operative Arbeit geführt. Denn man stieß hin und wieder auf hierarchische Vorstellungen zur Position von Ministerpräsident und Staatskanzlei im Regierungsgefüge. Selbständigkeit und eigene Verantwortung von Ministern und Ressorts waren zu verdeutlichen. Gleichzeitig war aber zu betonen, dass Regierungszentralen die Aufgabe haben, den Führungsanspruch des Regierungschefs in den Ministerien zu sichern. Dabei mag die Richtlinienkompetenz insbesondere in Koalitionsregierungen ein zu scharfes Schwert sein, wenn man sich darunter eine Art generelle Weisung vorstellt. Im Regierungsalltag kommt es darauf an, die Präferenzen und Prioritäten hier des Ministerpräsidenten kontinuierlich zu verfolgen. Eher zurückhaltend waren die Personalprobleme der neuen Regierungszentralen zu behandeln, da einige Teilnehmer der Werkstattgespräche sich noch in einer ungesicherten Berufssituation befanden. Immerhin hatte die im Hinblick auf die Verwaltungstransformation eingerichtete Clearingstelle beim Bundesinnenministerium zum Personalbedarf der Staatskanzleien der Länder Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Zahl von 70 Stellen in der Aufbauphase 1991/92 empfohlen. Das war im Vergleich zu westdeutschen Ländern eine eher begrenzte Besetzung von Regierungszentralen. Andererseits konnte darauf verwiesen werden, dass die Bewährung im Dienstposten in das Berufsbeamtentum passt. So wird in Personalkonzepten zur Besetzung höherer Stellen auf vorangegangene Erfahrungs- und Bewährungsphasen abgestellt. Der vertikale Aufbau einer Regierungsorganisation auf Landesebene mit Amtsleitung, Abteilungen und Referaten bedurfte belegt durch Organigramme in der damaligen Lage keiner weiteren Ausarbeitung. Hingegen bestehen in der Horizontalen Spezifika einer Regierungszentrale. So hat sich die Zentralabteilung der Staatskanzlei in Organisations- und Personalangelegenheiten mit der Regierung insgesamt zu befassen. Einen Hauptbereich der Organisation stellen die Spiegelreferate in ihrer Koordination der Ressorts dar. Gewichtig sind weiterhin die intergouvernementalen Beziehungen zu anderen Ländern, dem Bund und der Europäischen Union. Dazu waren unterschiedliche organisatorische Lösungen zu diskutieren. Entsprechendes gilt für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und den Regierungssprecher. Schließlich war das Stab/Linie-Problem im Hinblick auf die politische Planung, Kabinetts- und Parlamentsverbindung, persönliche Büroarbeit u. a. m. zu erörtern. Den Schulungszwecken entsprach es, den Teilnehmern insbesondere Verfahrenskompetenz in den operativen Geschäften der Regierung zu vermitteln. Das ist ein weites Feld, das von der Anfertigung einer Kabinettsvorlage bis zur Durchführung einer Telefonkonferenz zwischen Ländern etwa zur Vorbereitung einer Bundesratssitzung reicht. Insoweit erwies sich das mitgebrachte Anschauungsmaterial als hilfreich: eine Koalitionsvereinbarung, eine Regierungserklärung, ein Arbeitsblatt zur Richtlinienkompetenz, ein Kriterienkatalog für die Gesetzgebung, eine Tagesordnung für die Sitzung des Ministerrates, eine Kabinettsvorlage, eine Vorlage für
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F. Verwaltungstransformation
den Bundesrat, eine Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung usw. bis hin zur Vorbereitung einer Ministerpräsidentenkonferenz. Wenn man sich den historischen Kontext dieser Werkstattgespräche vor Augen hält, ist zu verstehen, dass es um ein persönlich berührendes Erlebnis im Wissenschaftlerleben gegangen ist.
II. Aufgaben und Vermögen Die öffentlichen Aufgaben als Verwaltungsprogramme gehören zum Kernbereich einer integrativen Verwaltungswissenschaft. Die verwaltungsrelevanten Einzelwissenschaften bieten mehrere Ansätze zur Bestimmung öffentlicher Aufgaben: in den Wirtschaftswissenschaften etwa die Theorie des Marktversagens (Musgrave u. a. 1990), in der Rechtswissenschaft die Interpretation der Verfassung (Bull 1977), in den Sozialwissenschaften die Sozialberichterstattung mit Indikatorenentwicklung (Zapf 1977). Demgegenüber sieht die marxistisch-leninistische Doktrin die Aufgaben des Staates in seiner „historischen Mission“. Entsprechend wird aus der geschichtlichen Lage seine Funktionenlehre abgeleitet. Im realen Sozialismus der DDR war den Staatsorganen so ideologisch ein Funktionenkatalog für die Sphären von Wirtschaft, Arbeit, Kultur, Sicherheit usw. vorgegeben, der für die alltägliche Staatstätigkeit maßgeblich seien sollte. In den westlichen Demokratien ist die Frage nach den öffentlichen Aufgaben prinzipiell offengehalten. Das zeigte sich in der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er Jahren, als man im Wege der politischen Planung als neue Art und Weise aufgabenpolitischer Generierung neue Sachinhalte positiv setzen wollte. Den Promotoren der politischen Planung wurde damals von Marxisten der Planungsbegriff abgesprochen, und zwar in der Meinung, dass Planung – wie eben im realen Sozialismus – das Eigentum an den Produktionsmitteln begrifflich einschließe, was im Kapitalismus nicht der Fall sei. Diese Verknüpfung der Eigentumsfrage mit den öffentlichen Aufgaben erwies sich dann als eine Schlüsselgröße für die Transformation des DDR-Staates. „Öffentliches Eigentum“ ist in der deutschen Rechts- und Verwaltungstradition keine eigene Kategorie. Vermögen der öffentlichen Hand unterfällt zunächst der Eigentumsordnung des Privatrechts. In dieser Sphäre wird es gegebenenfalls durch öffentlich-rechtliche Zweckbestimmungen überlagert (Salzwedel 1992). Insofern zählt zum Verwaltungsvermögen, was unmittelbar öffentlichen Aufgaben dient. Daneben tritt das Finanzvermögen – etwa eine Erbschaft –, das den Zwecken der öffentlichen Verwaltung nur mittelbar, nämlich nicht durch seinen Gebrauch, sondern durch Vermögenswert und Erträgnisse dient. Zwar zieht das Haushaltsrecht für wirtschaftliche Unternehmen im Blick auf öffentliche Interessen und wirtschaftliche Effektivität gewisse Grenzen. Aber für Bewertungen lässt sich dann auf sekundäre Gründe des Verbraucherschutzes, der Wirtschaftsförderung, der Arbeitsplatzsicherung usw. zurückgreifen. So ist mit dem Ausbau des Sozialstaates nicht nur das
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Verwaltungsvermögen mit seinen Produktionsmitteln gewachsen. Die öffentlichen Hände verfügen auch über ein vielfältiges Finanzvermögen. Die Bundesrepublik Deutschland war auf Bundesebene als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches und Preußens Eigentümer eines umfangreichen industriellkommerziellen Komplexes – Volkswagenwerk, VEBA, VIAG usw. – auf den Feldern von Kraftfahrzeugbau, Kohle, Mineralöl, Chemie, Aluminium, Kunststoff, Handel, Verkehr, Transport u. a. m. geworden. Mitte der 1980er Jahre kam es insoweit zu einer vermögenspolitischen Wende. Dieses Finanzvermögen wurde auf der Grundlage eines Gesamtkonzeptes privatisiert, und zwar in erster Linie aus ordnungspolitischen, nicht fiskalischen Gründen. In meiner Funktion als Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten des Bundeskanzleramtes war ich von weiteren Vorstellungen betroffen, nämlich der Privatisierung von Bahn, Post und Telekommunikation. Hinzu kam die Institutionalisierung des privaten Rundfunks. Dies sind Gebiete, in denen sich öffentliche Interessen ungleich stärker verdichten, als dies im industriellkommerziellen Herkommen der Fall ist. Entsprechend langwierig verliefen die einschlägigen Entscheidungsprozesse. So nahm ich dieses Thema in einem Projekt des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer wieder auf, in dem der Zusammenhang von Privatisierung und staatlicher Regulierung auf den genannten Gebieten behandelt wurde (König/ Benz 1997). Überdies hatte ich mich allgemein mit der „Kritik öffentlicher Aufgaben“ befasst und ein Forschungsprojekt zu den Instrumenten und Formen staatlichen Handelns geleitet, in dem die jeweiligen Klassifikationsansätze der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie der Staats- und Verwaltungswissenschaften erörtert, die staatlichen Steuerungen interdisziplinär diskutiert und in den einschlägigen Referenzen behandelt wurden (König/Dose 1993). Einsichten in die ordnungspolitisch gemeinte Privatisierung, in die kompensierende Funktion von Regulierungen, in die Formenvielfalt staatlicher Interventionen geben ein politischadministratives System mit komplexen Regulierungs- und Steuerungsmechanismen und einem differenzierten Handlungsinstrumentarium wieder, das man als Kontrastmittel bei der Perzeption von Staatsfunktionen und Volkseigentum im realen Sozialismus nutzen kann. Deren Entwicklung in der DDR bedeutet einen historischen Bruch mit dem Konzept eines mit der privatrechtlichen Eigentumsordnung verschränkten öffentlichen Vermögens. Eigentum an Produktionsmitteln konnte nach marxistisch-leninistischer Doktrin nur sozialistisches Eigentum sein. Konstitutionell erschien es in den Formen des gesamtgesellschaftlichen Volkseigentums, des genossenschaftlichen Gemeineigentums werktätiger Kollektive und des Eigentums gesellschaftlicher Organisationen der Bürger. Diese Ordnung wurde indessen im Namen eines demokratischen Zentralismus überlappt, in der Realität eine Hierarchisierung der gesamten Herrschafts-, Wirtschafts- und Sozialverhältnisse von der Staats- und Parteispitze und ihrer Nomenklatura her. Es bestand keine vertikale und horizontale
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Verteilung der Gewalten, sondern nur noch Arbeitsteilung. Entsprechend ging es nicht um Eigentum in seinen Rechten, sondern um Nutzungszuständigkeiten. Das galt wie für volkseigene Betriebe und Kombinate auch für Staatsorgane. Entsprechende Aufgaben- und Vermögensverteilungen erfolgten in den Plänen, Normen, Weisungen nach den Zwecken der marxistisch-leninistischen Partei- und Staatspitze. So waren die Räte der Bezirke Vermögensträger etwa von Gesundheitsund Bildungseinrichtungen wie Bezirkskrankenhäuser, Theater und Museen, die Räte der Kreise etwa Träger der Einrichtungen von Schulen, des Sports, der Kinderbetreuung. Die kreisangehörigen Gemeinden verwalteten in ihrer Kleinräumigkeit kein nennenswertes Vermögen. Die Kreise waren die Träger wesentlicher lokaler Einrichtungen von der Wohnungsverwaltung bis zur Straßenreinigung. Für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, den öffentlichen Nahverkehr, die Energieversorgung existierten eigene bezirks- bzw. zentralgeleitete Kombinate und volkseigene Betriebe. Volkseigenen Betrieben konnten auch Berufsschulen, Polikliniken, Kindergärten, Sportanlagen zugeordnet sein Der Name „Treuhand“ steht in der Erinnerung überwiegend für die Privatisierung und Stilllegung der volkseigenen Betriebe der DDR. Mein wissenschaftliches Interesse und dann auch meine Zusammenarbeit mit der Treuhandanstalt war vom Beginn der Transformation an anders ausgerichtet, nämlich auf die Zuordnung sozialistischen Vermögens und sich darin manifestierenden Aufgaben auf die öffentliche Hand (König/Schuppert/Heimann 1994). Bereits vor der Vereinigung Deutschlands hatte die demokratische Legislative der DDR Gesetze erlassen, die eine neue Vermögenszuordnung zum Gegenstand hatten, so das Treuhandgesetz und das Kommunalvermögensgesetz. Die maßgebliche Weichenstellung erfolgte dann aber mit dem Einigungsvertrag. Das Vereinigungsrecht gruppierte das öffentliche Vermögen nach herkömmlicher Weise in Verwaltungsvermögen und Finanzvermögen. Als dritte Kategorie nannte es das Restitutionsvermögen, womit einem Konzept gefolgt wurde, wie es schon bei der Übernahme des Reichsvermögens konstitutionell zugrunde gelegt wurde. Das Verwaltungsvermögen der DDR wurde im Transformationsprozess denjenigen Trägern zugeteilt, die nach dem Grundgesetz für die Verwaltungsaufgabe zuständig waren, also nach der klassischen Maxime „Vermögensausstattung folgt Aufgabenbestand“. Dabei gab es Abstimmungsprobleme, insbesondere weil einschlägige Vermögensgegenstände bereits auf die Treuhandanstalt übergegangen waren. Für das Finanzvermögen bestimmte das Vereinigungsrecht, dass es der Treuhandverwaltung des Bundes unterlag und gesetzlich so aufzuteilen war, dass es je zur Hälfte dem Bund sowie den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin zugutekommen sollte. Am Länderanteil waren die Kommunen angemessen zu beteiligen. Mit dem Restitutionsanspruch wurde schließlich ermöglicht, dass die Gebietskörperschaften historische Vermögens- und Besitzstände zurückerhalten konnten, die in das Volkseigen-
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tum eingegangen waren, ohne dass sie jetzt administrativ oder fiskalisch zugerechnet werden konnten. Diese grundsätzliche Zuordnung öffentlichen Vermögens machte in vielen Feldern Sonderregelungen, Abstimmungen, Korrekturen, Ergänzungen erforderlich. Eigene Bestimmungen galten für das zur Wohnungsversorgung genutzte Volkseigentum. Aus der Grundverteilung waren Vermögensteile des Ministeriums für Staatssicherheit herausgenommen. Insbesondere zum kommunalen Finanzvermögen gab es politische und rechtliche Auseinandersetzungen, die zu Änderungen in Richtung der Ausstattung mit einem gewissen Vorratsvermögen führten. Mein Forschungsinteresse galt insbesondere vier Vorsorgesektoren innerer Angelegenheiten, nämlich der Energieversorgung, der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, dem Verkehrswesen sowie der Wohnwirtschaft (König/Heimann 1996), von denen hier die Entwicklung der Stromversorgung als Beispiel skizziert wird. Die Energieversorgung der DDR war von der zentralen Planung und Wirtschaftslenkung sowie der Gliederung in möglichst große Kombinate geprägt. Neben den Kombinaten, die für die Förderung, Erzeugung und den Transport von Energie zuständig waren, gab es jeweils für die 15 Bezirke Energiekombinate, die die Abnehmer zu versorgen hatten. Mit dem Treuhandgesetz wurden alle Energiekombinate, auch die Bezirkskombinate in Kapitalgesellschaften umgewandelt, deren Anteile von der Treuhandanstalt gehalten wurden. Die großen westdeutschen Stromkonzerne hatten bereits mit der DDR-Regierung über ihren Einstieg in die ostdeutsche Energiewirtschaft verhandelt. Diese Konzerne sollten gemeinsam die Erzeugungs- und Verbundnetzstufe sowie jeweils einzeln 50 % und eine Aktie der 14 regionalen Energieversorgungsunternehmen – ohne Berlin – übernehmen. Stadtwerke unterhalb dieser Regionalstufe sollte es wie in der DDR nicht geben. Diese Übernahme der gesamten ostdeutschen Stromwirtschaft „von der Turbine bis zur Steckdose“ durch die westdeutschen Stromkonzerne löste zunächst ein Fusionsverfahren und kartellrechtliche Kritik aus. Das führte zu Vereinbarungen, die eine Beteiligung anderer Energieträger vorsah. Schwachpunkt der Übernahme der Absprachen in den Einigungsvertrag war, dass den Kommunen nur ein Anspruch auf die Übertragung von insgesamt 49 % der Anteile der regionalen Energieversorgungsunternehmen gewährt wurde. Dagegen erhoben Kommunen Verfassungsbeschwerde, und zwar auch dagegen, dass ihnen nur ein Anspruch auf Übertragung von Geschäftsanteilen, nicht aber von Vermögensgegenständen zugebilligt wurde. Unter Berufung auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie bezweckten sie die Herausgabe der örtlichen Stromversorgungsanlagen. Diese Klage löste einen vielschichtigen juristischen Meinungsstreit aus, dem sich das Bundesverfassungsgericht durch einen Vergleichsvorschlag entzog. Danach sollten Kommunen, die Stadtwerke gründen wollten, alle dafür erforderlichen Anlagen übertragen bekommen, das allerdings verbunden mit gewissen Ausgleichsleistungen wie die Übernahme von Altlasten. Die Umsetzung dieses Vorschlages war wiederum mit vielen Problemen
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verbunden. Im Endeffekt kam es indessen vielerorts in Ostdeutschland zum Aufbau von Stadtwerken nach der Tradition der deutschen kommunalen Selbstverwaltung.
III. Institutionentransfer Auf Anregung des Wissenschaftsrates und mit Finanzierung durch die Bundesregierung wurde 1991 eine Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern gegründet. Aufgaben dieser Kommission waren es, den sozialen und politischen Wandel in den neuen Bundesländern zu erforschen bzw. seine Erforschung zu fördern, damit auch die empirischen und theoretischen Grundlagen für politische Handlungsempfehlungen zu verbessern sowie angesichts des Umbruchs der Sozialwissenschaften in den neuen Bundesländern das sozialwissenschaftliche Wissenschaftler-Potential und den Nachwuchs dort zu unterstützen. Ich hatte früh einem Nachwuchswissenschaftler aus PotsdamBabelsberg im Speyerer Forschungsinstitut die Gelegenheit geboten, sich in die Standards westlicher Wissenschaft einzuarbeiten (König/Meßmann 1995). Nunmehr wurde ich von der Kommission eingeladen, mich an den Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung zu beteiligen. Das gab Gelegenheit, noch einmal die Grundprobleme von deutscher Vereinigung und Verwaltungstransformation zu reflektieren. Grundlegend für diesen politisch-administrativen Wandel war zuerst die Verfassungslage. Nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland konnten zwei Pfade zur deutschen Einheit beschritten werden. Zum einen bestand die Möglichkeit für die DDR, als „anderen Teilen Deutschlands“ dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beizutreten (Art. 23 GG a.F.). Zum anderen eröffnete das Grundgesetz den Weg, es durch eine Verfassung, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist, abzulösen (Art.146 GG a.F.). Beide Optionen fanden in Westdeutschland überzeugte Anhänger. Die eine Partei sah den besten Weg zur Vereinigung in einem politischen Prozess, der es erlaubte, Ostdeutschland gleichberechtigt einzubeziehen und West- wie Ostdeutsche die Möglichkeit eines gemeinsamen konstitutionellen Neubeginns zu eröffnen. Die andere Partei setze sich hingegen angesichts einer hohen Einschätzung der Qualität des Grundgesetzes für „Verfassungskontinuität“ ein. Sie konnte überdies darauf verweisen, welch schwieriger und riskanter Weg im Falle der Volksabstimmung angesichts einer dynamischen Zeitenwende zu beschreiten wäre. Der Systemwandel in der DDR erfolgte in einer friedlichen Revolution. Sie fand in freien Wahlen, einem daraus hervorgegangenen Parlament, einer entsprechend legitimierten Regierung und einem für eine Übergangszeit beschlossenen Verfassungsgrundsätzegesetz ihre legale Konsequenz. Die demokratische DDR und ihre Staatsorgane hatten zwei Optionen: die eigenständige staatliche Souveränität oder die deutsche Wiedervereinigung. Letzterer Option wurde der Vorzug gegeben, und zwar „schnell“. Das führte zur Beitrittslösung. Der deutsch-deutsche Einigungs-
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vertrag ist ein Verfassungsvertrag, der das Grundgesetz für die DDR nunmehr als beigetretenen Teil einführte. Dieser Beitritt hatte indessen Folgen über die konstitutionellen und sonstigen Regeln des Vereinigungsrechts hinaus. Es machte die westdeutschen Verhältnisse allgemein zur Referenz für Ostdeutschland: politisch, gesellschaftlich, rechtlich, wirtschaftlich und eben auch administrativ. Das war in der Transformation der realsozialistischen Länder des Ostblocks eine einmalige Situation. Ähnliches konnte man allenfalls für eine koreanische Zukunft in Seoul diskutieren. Im deutschen Falle ging es aber um noch mehr als um die Frage, welche Referenzmuster für die politisch-administrative Transformation maßgeblich waren. Da die beiden Teile Deutschlands zu vereinigen waren, mussten Integrationsleistungen erbracht werden (Wollmann 1996). Auf diesem Felde hatte die demokratische DDR für die öffentliche Verwaltung mit den Weichenstellungen zu Föderalismus und kommunaler Selbstverwaltung maßgebliche Beiträge geleistet. Damit griff man auf eine deutsche Staats- und Verwaltungstradition zurück, wie sie in Westdeutschland erhalten geblieben war. Kompatible Organisationsverhältnisse wurden ermöglicht. Zugleich wurden historische Selbstreferenzen eröffnet: für die wiederbegründeten Länder wie die bestehenden Städte und Gemeinden der Rückgriff auf eine Tradition jenseits der DDR-Zeiten. War die demokratische DDR aus der Revolution ihrer Bürger entstanden, so ergab sich in der folgenden Transitionsphase, dass in vielen Handlungsbereichen des Gemeinwohls, der Wirtschaft, des Sozialen, der Kultur usw. nicht über Nacht jene gesellschaftlichen Kräfte mobilisiert werden konnten, die aus dem Stand relativ autonome, sich selbst regulierende Gesellschaftssphären hätten schaffen können. Integration und Transformation wurden weitgehend zu einer Staatsveranstaltung. Für das Vermögen der Verwaltung ist dazu auf die Treuhandanstalt zu verweisen, für den personellen Faktor auf Verwaltungshilfen und Transfers. Insbesondere die Verwaltungstransformation war Ausdruck eines staatszentrierten Systemwandels. Man müsste dazu noch die Finanztransfers als ein grundlegendes Moment für die Transformation in Ostdeutschland nennen. Es war der Staat Westdeutschlands, der mit seinen Einnahmen den größten Teil der politischen, ökonomischen, sozialen Lasten des Umbruchs der alten DDR durch Transferzahlungen getragen hat (Renzsch 1997). Bei Transformationen zählen viele Faktoren: Machtgenerierung, Finanzierung, Personalisierung usw. Soll es indessen zu einer Verstätigung des Systemwandels kommen, dann zählen Institutionen und Institutionenbildung. Für die Entwicklung von neuen Institutionen in den ostdeutschen Bundesländern galt die Vorgabe von zwei grundgesetzlichen Prinzipien: zum einen der Grundsatz der Homogenität der gesamtstaatlichen Verfassungsordnung und zum anderen der des Selbstorganisationsrechts der deutschen Bundesländer. Letzteres folgt aus der Eigenstaatlichkeit der Länder. Die Homogenitätsanforderungen, die das Grundgesetz (Art. 28) für Bundesländer und die kommunale Selbstverwaltung aufstellt, waren in Transformation und Integration akzeptierte Strukturentscheidungen. Dass zusätzlich etwa
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F. Verwaltungstransformation
soziale Grundrechte – „Recht auf Arbeit“, „Recht auf Wohnung“ – in Landesverfassungen aufgenommen oder Elemente direkter Demokratie – Volksbegehren, Volksentscheid – institutionalisiert wurden, bewegte sich in den Spielräumen, die das Grundgesetz lässt. Hingegen führte das Selbstorganisationsrecht die ostdeutschen Flächenländer auf dem Felde der Verwaltung in eine komplexe Entscheidungssituation. Bei den Kreisen, Städten und Gemeinden konnte man immerhin an eine räumlich umrissene administrative Infrastruktur anknüpfen und allfällige Territorialreformen zunächst vertagen. Aber auf Landesebene waren Verwaltungen von der Regierungszentrale über die Ministerien bis zu den nachgeordneten Behörden von Grund auf zu errichten und einzurichten. Dabei zeigte ein Blick auf die Entwicklung der öffentlichen Verwaltungen in Westdeutschland, welche Formenvielfalt der Föderalismus in der Organisationslandschaft der Landesverwaltung vom Ressortzuschnitt bis zu den allgemeinen und besonderen Behörden ermöglicht. Überdies ließen die Dynamik des Transitionsprozesses und die aktuellen Anforderungen an das Verwaltungshandeln wenig Zeit für originäre organisatorische Lösungen. Sie blieben daher Ausnahmen, so das Landesverwaltungsamt in Thüringen, das als für das ganze Land zuständig formal eine Landesoberbehörde darstellt, funktional aber mit den breiten Zuständigkeiten einer Bündelungsbehörde Mittelinstanz ist. Allgemein erfolgte der Aufbau der Landesverwaltung in Ostdeutschland nach Leitbildern, die man aus westdeutschen Verwaltungen, insbesondere denen des jeweiligen Partnerlandes bezog. Dabei darf man mit dem Leitbildbegriff keine strengen planerischen Ansprüche verbinden. Man hat so auch von „Mustern“ (Bayer 1991), „Modellen“ (Hill 1994), „Leitgedanken“ (Reusch 1991) gesprochen, wie sie den Aufbau der Landesverwaltung geprägt haben. So konnte in frühen Gesprächen und Bestandsaufnahmen zu der Frage, welche Strukturen für die jeweilige Organisationsebene maßgeblich seien, an Leitbilder gedacht werden, und zwar nicht im Sinne einer Programmatik, sondern im pragmatischen Rückgriff auf „Erfahrungen im Bund und in den jeweiligen alten Bundesländern“. Dazu ist anzumerken, dass es in Westdeutschland keine Vorarbeiten für den Fall der Vereinigung gab. Im Allgemeinen brachten die in die neuen Bundesländer entsandten westdeutschen Beamten und Berater die jeweiligen Erfahrungsmuster ihres Heimatlandes mit. Und unter dem Zeitdruck eines „Dilemmas der Gleichzeitigkeit“ (Kilian 1995) – nämlich einerseits der Ab- und Aufbau von Verwaltungsstrukturen, anderseits gleichzeitig die administrative Aufgabenerfüllung – blieb oft nichts anderes übrig, als das „nachzugestalten, was man aus westlichen Verwaltungen eben kannte“. Dabei brachte die partnerschaftliche Zusammenarbeit bestimmter ostdeutscher und westdeutscher Länder mit sich, dass die Konkurrenz von Leitbildern verschiedener alter Länder begrenzt blieb. Wo es zu einer solchen Konkurrenz kam, gab es blockierende Auswirkungen, etwa in der Frage der Mittelinstanz.
III. Institutionentransfer
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Bei der Konkretisierung der Vermögenszuordnung nach dem Vereinigungsrecht hat man im Falle der Zuordnung von Finanzvermögen an die Kommunen vom „üblichen Rahmen“ gesprochen, wobei für die Beurteilung der Üblichkeit die Verhältnisse in der alten Bundesrepublik zugrunde gelegt wurden. In diesem Sinne griff man auch in anderen Fällen auf ein Üblichkeitsprinzip zurück. So wurden die volkseigenen Betriebe der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung nicht privatisiert, sondern den Gemeinden übertragen, wie das auch in den alten Bundesländern üblich ist (König/Heimann 1998). Es war nicht nur der Einigungsvertrag von der Konzeption des Institutionentransfers von West nach Ost geprägt (Lehmbruch 1998). Die zu transferierenden Institutionen wurden zudem nach Üblichkeit interpretiert. Dem gegenüber wurde die Vereinigungspolitik in Westdeutschland von vielfältigen Innovationsvorstellungen begleitet (Czada 1994). Es gab kaum einen Politikbereich, für den nicht weitreichende Neuerungsvorschläge gemacht wurden, und zwar mit wiederum vielfältigen Konzepten. Angesichts der Komplexität und Unberechenbarkeit des Vereinigungsprozesses traten aber diese Konzepte des Unerprobten gegenüber einer Situationsbeherrschung durch das Übliche zurück. Die vielseitigen Modernisierungsansätze in den westdeutschen Verwaltungen blieben zurück, da sie einen solchen Status nicht erreicht hatten. Reformkonzepte sollten auf den Institutionentransfer nicht „draufgesattelt“ werden. Das bedeutete freilich nicht, dass die Verwaltungsverhältnisse in den neuen Bundesländern zum bloßen Klischee des Herkömmliche westdeutscher Partner wurde. Nimmt man zum Beispiel den Fall Brandenburgs, so erfolgte durchaus eine Orientierung am Partnerland Nordrhein-Westfalen als Leitbild für den Verwaltungsaufbau. Das bedeutete aber schon angesichts unterschiedlicher Größenordnungen keine bloße Nachahmung. In Bereichen der Kommunalverfassung, der Polizeiorganisation, Raumordnung und Landesplanung u. a. m. gab es abweichende Lösungen. Entsprechendes galt auch für die anderen Partnerschaften auf Landesebene. Im Kommunalbereich mag die bestehende Infrastruktur der Verwaltungsterritorien und Verwaltungsstandorte zusammen mit dem weiterbeschäftigten Verwaltungspersonal eigene Beiträge besonders begünstigt haben (Wollmann/Jaedicke 1993). Auf Landesebene ließ sich neben einem dominanten Institutionentransfer von vorn herein Mosaiksteine endogener Institutionenbildung beobachten. In der Folgezeit erwies sich dann, dass die Fesseln eines staatlichen Zentralismus entfallen waren. Die neuen Bundesländer machten durch Reformen und Modernisierungen auch im Sinne von Korrekturen von ihrem Selbstorganisationsrecht vielfältig Gebrauch, sodass die Formenvielfalt des Föderalismus auch ihnen eignet (Ellwein 1993).
G. Verwaltungsmodernisierung I. Verwaltungspolitik Wer die Bürokratie als Leistungsordnung öffentlicher Verwaltung in der Moderne – jedenfalls in ihren kulturellen Grundzügen von hierarchisch-pyramidenförmigem Aufbau, fester Zuständigkeitsverteilung, Regelgebundenheit, Amt als Beruf, Neutralität, professioneller Kompetenz – für „unentrinnbar“ hält, wird die Transformation der realsozialistischen Kaderverwaltung und die Institutionenbildung in der Entwicklungsverwaltung als nachholende Modernisierung verstehen. Von den verbliebenen Kaderverwaltungen und den aufkommenden religiös geprägten Verwaltungen ist nichts bekanntgeworden, was die Systemrationalität moderner Verwaltungen überbietet, schon gar nicht, wenn man die Maßstäbe von Menschenrechten und Pluralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit anlegt. Die öffentliche Verwaltung hat indessen in ihrer Modernität nicht das Ende der Geschichte erreicht. Auch für sie gilt der „Imperativ des Wandels“. So hat sie Anteil am Wertewandel in der Gesellschaft (Klages 2000), wie spezifische und intendierte Veränderungen ihrer Verhältnisse vor allem unter dem Begriff der Verwaltungsreform, „administrative reform“, „reforme administrative“, „riforma amministrativa“ in vielen Ländern erfasst worden sind. Die öffentliche Verwaltung der Moderne bleibt einer weitergehenden Modernisierung unterworfen. In Zeiten der Verwaltungslehre wurde das verwaltungswissenschaftliche Erkenntnisinteresse in eine Trias von Verwaltungsrecht, eben Verwaltungslehre und dann Verwaltungspolitik gekleidet. Dabei wurde schon damals der Begriff der Verwaltungspolitik mit dem der Verwaltungsreform verbunden (Kleindinst 1929). Von ihr wurde erwartet, dass sie die Grundsätze zur Entfaltung der öffentlichen Verwaltung entwickelt, und zwar auch außerrechtliche. Die Zielsetzung der Verwaltungspolitik wurde mit den gestaltenden Kompetenzen gegenüber der Sozialordnung verbunden. Heute kann man die wissenschaftliche Seite der Verwaltungspolitik in die breite sozialwissenschaftliche, insbesondere politikwissenschaftliche Strömung der Politikfeldforschung oder Policy-Analyse einordnen. Zwar stehen hier Felder wie Bildungspolitik, Umweltpolitik usw. vorn. Aber es spricht nichts dagegen, die Sache der öffentlichen Verwaltung als Sachpolitik zu diskutieren (Timmer 2007). Damit kann man sich einen erprobten Forschungsansatz zunutze machen. Die Policy-Forschung erfasst beide Seiten der Sachpolitik, nämlich einerseits die Substanz dieser Politik, also im Fall der öffentlichen Verwaltung zum Beispiel die Reform der Spitzenpositionen im Verwaltungsdienst oder eine Gebietsreform auf kommunaler Ebene. Andererseits geht es um die Modi der Generierung eben dieser Sachpolitik.
I. Verwaltungspolitik
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Diese Generierung wird prozessual in einem Policy-Zyklus differenziert: die Initiationsphase mit Problemidentifikation, Problemdefinition und „agenda-setting“, die Phase der Programmentwicklung mit Zielbestimmung, Sach- und Alternativenanalyse, Vorschlagsformulierung, die Phase der Entscheidung mit Machtgenerierung, Konsensbildung und nicht zuletzt der Budgetierung. Es folgen nach der Festlegung der Sachpolitik in Gesetzen und Plänen die Implementation, die Evaluation, die Rückkopplung, die Beendigung oder Fortsetzung mit gegebenenfalls Korrekturen (Schubert/Bandelow 2014). Dieses Phasenmodell meint nicht einen bestimmten Zeitablauf. So kann etwa die Ausweitung budgetärer Mittel in einer Sache überhaupt erst zur einschlägigen Programmentwicklung führen. Auch geht es nicht darum, alle Phasen in der Planungspraxis auszuschöpfen. Die Verwaltung kann mit vorgefertigten Entwürfen von Parteien, Verbänden, Beratern konfrontiert sein. Mit dem Policy-Zyklus wird vielmehr der gesamte Prozess der Problemverarbeitung wissenschaftlich reflektiert: Wann, wie, warum, über welche Angelegenheiten und mit welchen Wirkungen treffen politisch-administrative Instanzen verbindliche Entscheidungen über öffentliche Aufgaben, öffentliche Güter, öffentliche Werte (Naßmacher 2002)? Zwei Konstellationen sind in diesem Verarbeitungsprozess insbesondere zu berücksichtigen, nämlich zum einen das Policy-Netzwerk, zum anderen die Politikarena. Mit dem Netzwerkkonzept wird das Zusammenwirken der unterschiedlichen exekutiven, legislativen und gesellschaftlichen Institutionen und Gruppen bei der Entstehung und Durchführung bestimmter Sachpolitiken erfasst. Mit dem Konzept der Politikarena wird auf die politischen Konflikt- und Konsensprozesse in einem Politikfeld abgestellt (Windhoff-Heritier 1987). Eine für die Politikfeldforschung interessante Heuristik enthält das Konzept des akteurzentrierten Institutionalismus (Mayntz/Scharpf 1995). Mit diesem Ansatz wird es unternommen, den Akteur in die institutionelle Konstellation bei bestehender Situation einzubeziehen. Akteure sind Individuen wie Handlungskollektive. Der institutionelle Kontext besteht aus formalen wie informalen Regeln des Handlungsbereichs, in dem die Akteure agieren. Akteurkonstellationen und Interaktionsformen sind weitere Größen dieses Ansatzes. Der Fragehorizont des akteurzentrierten Institutionalismus wird durch den Handlungsspielraum der beteiligten Personen und Kollektive bestimmt. Es geht um eine Heuristik, die für Teilbereiche von Politik und Gesellschaft entworfen ist. Weiterreichende systemische Fragen sind ausgeblendet. Aber das wird durch die Möglichkeit vertiefter Analyse in einem Politikfeld ausgeglichen. Sachpolitik ist auf die öffentliche Verwaltung als Akteur nicht nur bei Vollzug und Implementation angewiesen. Auch bei der Programmentwicklung ist die Ministerialverwaltung ein Hauptakteur. Wenn die Policy-Forschung zusammen mit der Substanz von Verkehrspolitik, Wirtschaftspolitik usw. unter den Mitspielern auch der Problembearbeitung durch beteiligte Verwaltungen einen angemessenen Platz einräumen würde, könnte der besondere Teil einer Verwaltungswissenschaft entstehen, wie es in der Rechtslehre neben dem Allgemeinen Verwaltungsrecht auch ein Be-
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G. Verwaltungsmodernisierung
sonderes Verwaltungsrecht, also Polizei- und Ordnungsrecht, Raumordnungs- und Baurecht, Energierecht usw. gibt. Betrachtet man hiernach auch die Verwaltungspolitik in der Perspektive von Policy-Analyse und akteurzentrierter Heuristik, dann sind es eben Akteure, AkteurNetzwerke und entsprechende Politikarenen, die zuerst ins Blickfeld kommen, also verwaltungsaffine Exekutivpolitiker, Spitzenbeamte, Berater und Wissenschaftler mit Expertise, Vertreter von Gewerkschaften und Berufsverbänden, „Elder Statesmen“ und andere bis hin zu politischen Parteien und einem – bei Territorialreformen – antizipierten Wählerverhalten. Netzwerke können formalen Charakter annehmen, etwa als interministerielle Projektgruppe oder Kommission externer Experten. In der Politikarena streiten zuerst noch politische Parteien über Verwaltungsreformen. Widerstände der Bürokratie und ihrer Interessenorganisationen sind – wenn es nicht um den Beamtenstatus geht – in Deutschland eher unauffällig. Nicht nur hier kann man in der Sache die Verwaltungswissenschaft gleichsam als Geschichte der Verwaltungsmodernisierung schreiben, insbesondere wenn man die nicht eingelösten Reformpläne mitreflektiert. Entsprechend haben die einschlägigen Themen meine wissenschaftliche Arbeit geprägt: in der Lehre nicht zuletzt in der Weiterbildung des höheren Verwaltungsdienstes, in der Forschung in Projekten zu Aufgaben, Organisation, Prozess, Personal öffentlicher Verwaltung, in der Beratung vor allem auf Gebieten, in denen ich auch praktische Erfahrung gesammelt habe. Mein besonderes Interesse hat den Verschiebungen der Verwaltungspolitik gegolten, wie sie sich in Regierungswechsel, Regierungsantritt, Regierungserklärung manifestieren. Als Beispiele nenne ich zwei Forschungsvorhaben, wobei das eine 1989 bei Brookings Institution in Washington DC (König 1993), das andere Ende der 1990er Jahre im Speyerer Forschungsinstitut (König/Füchtner 2000) durchgeführt wurde. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist es üblich, dass beim Wechsel in der Präsidentschaft nicht nur Interessenorganisationen dem erfolgreichen Kandidaten ihre Einzelforderungen anmelden, sondern dass „Think Tanks“ in ihrer Bindung an die Zivilgesellschaft umfassendere Vorschläge zur anstehenden politischen Agenda vorlegen. Das Ende der Ära Reagan und der Blick auf die 1990er brachten es indessen mit sich, dass dieser Amtswechsel von bücherfüllenden Themenaufstellungen und zahlreichen Akteuren begleitet wurde. Selbst das General Accounting Office legte ein flächendeckendes Memorandum zu den politischen Merkposten der neuen Regierungsmannschaft vor. Angesichts der vielerorts deutlichen Ablehnung des personenbezogenen Regierungsstils von Präsident Reagan ging es zuerst darum, durch die Stärkung einschlägiger Institutionen den Vollzug der operativen Regierungsgeschäfte im Weißen Haus und Exekutivamt des Präsidenten zu ordnen. Dazu gehörten Merkposten wie ein formal verfahrensbestimmter Politikvollzug, eine sachgerechte Informationsbasis, ein institutionalisierter Informationsfluss, eine definierte Verantwortlichkeit des Chief of Staff, Reorganisationen im Weißen Haus zur Erleichterung der Koordinationsarbeit, die Unterbindung unautorisierter Presseverbindungen einzelner
I. Verwaltungspolitik
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Mitarbeiter, die Einrichtung eines Verbindungsbüros zu gesellschaftlichen Gruppen, eine Neuordnung der intergouvernementalen Beziehungen und anderes mehr. Im Blick auf die hoch defizitäre Haushaltslage auf Bundesebene in den USA galten die öffentlichen Finanzen als weiterer Schwerpunkt der politischen Agenda. Dazu gehörten unter anderem die Vorschläge, dem Bundeshaushalt eine neue Struktur zu geben, die die Ausgaben an die Einnahmen koppelt, das Finanzmanagement zu verbessern, die Steuerverwaltung zu modernisieren. Weiter kam zur Deregulierung die Empfehlung, ein Normprüfungsverfahren auszudehnen, zur Privatisierung der Rat, das „Contracting Out“ auszuweiten. Schließlich war auf die administrativen Konsequenzen zu sehen, die mit den Merkposten auf den Feldern der innenpolitischen Agenda von der Sozialpolitik bis zur Umweltpolitik, von der Gesundheitspolitik bis zur Wohnungspolitik verbunden waren. In Deutschland wurde mit der 13. Legislaturperiode auch von Bundesregierung und Bundesverwaltung die internationale Modernisierungsbewegung des „New Public Management“, „Reinventing Government“ perzipiert, die im Namen eines „Neuen Steuerungsmodells“ in der Kommunalverwaltung bereits eingeführt war. Im Bund wurde es hiernach unternommen, im Zeichen des „Schlanken Staates“ der Finanzierungskrise des Wohlfahrtstaates auch durch eine effizientere und effektivere Verwaltung beizukommen. Das bot Gelegenheit, sich den einschlägigen Ansätzen der Modernisierungspraxis in einem Projekt des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung zuzuwenden und die „Verwaltungsmodernisierung im Bund“ wissenschaftlich zu begleiten. Wenn man auf die Modi dieser Verwaltungspolitik sieht, so ist zuerst auf die besondere Situation zu verweisen, die sich aus der Verlagerung von Regierungs- und Parlamentssitz nach Berlin ergab und die man als Promotor und Katalysator der Modernisierungsdiskussion einschätzen konnte. Zum Netzwerk der Akteure sind die Rolle des Bundesrechnungshofs und das Engagement der Gewerkschaften hervorzuheben. Themen wie das der Privatisierung führten zur Wortmeldung wirtschaftlicher Interessenorganisationen. In einer für die Reformgeschichte der Bundesverwaltung bis dahin beispielslosen Weise versuchten Unternehmensberater, mit ihren Organisationsuntersuchungen und Managementkonzepten dieser Verwaltungsmodernisierung ihre Stempel aufzudrücken. Der Bundestag war die vielfach genutzte Arena, in der die Oppositionsparteien ihre breite Kritik äußerten. In der verwaltungspolitischen Sache ging es unter den Vorzeichen von Effizienz und Effektivität um die Reorganisation der Ministerialebene wie des nachgeordneten Bereichs, um die Übernahme betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente bis zur Erfolgskontrolle finanzwirksamer Maßnahmen, um die Neubestimmung öffentlicher Aufgaben mit Privatisierung, Deregulierung, Wettbewerbselementen und einen veränderten Umgang mit der Ressource „Personal“ einschließlich Personalmanagement. Solche Reformpläne wurden nur begrenzt eingelöst. Die Verwaltungsmodernisierung des Bundes blieb in der 13. Legislaturperiode unvollendet. Der an-
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schließende Regierungswechsel und das Leitbild des „aktivierenden Staates“ signalisierten einen Richtungswechsel auch in der Verwaltungspolitik. Beobachtet man die Entwicklung der öffentlichen Verwaltung in den USA und in Deutschland gleichsam in Momentaufnahmen der Einzelprojekte, Besuchsprogramme, Kongressvorträge, so kann man von der Neuen Welt den Eindruck gewinnen, dass hier eine proaktive Verwaltungspolitik betrieben wird, manifestiert durch eine rege Modernisierungsfolge von allgemeinen Managementmodellen wie „Management by Objectives“ oder spezifischen Managementkonzepten wie „Reinventing Government“. Auf dem Alten Kontinent scheint demgegenüber eine reaktive Verwaltungspolitik vorzuherrschen, die auf Bedarfs- und Problemlagen antwortet, also Errichtung eines Umweltministeriums, Funktionalisierung der Besoldung usw. Die hieraus folgenden progressiven Einschätzungen ändern sich, wenn man in eine Langzeitbeobachtung über Jahrzehnte eintritt. Ein anderes Bild von Performanz und Werteorientierung zeichnet sich ab. Die über unterschiedliche Regierungskonstellationen hinweg verfolgte Verwaltungspolitik der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, der „Public Private Partnership“ und des „outsourcing“ haben zwar „big government“ in den USA nicht aufgelöst, aber inzwischen ein Ausmaß angenommen, dass dort die selbstkritische Frage gestellt wird, welchen Substanzverlust an Sachkompetenz die Verwaltung erlitten hat (Freeman/Minnow 2007). Hinzu kommt das Werteproblem. Ein langjähriges „bureaucracy bashing“ der öffentlichen Verwaltung durch die Politik mit Einschluss selbst von Präsidentschaftskandidaten, die Verkürzung der organisierten Welt auf Effizienz und Effektivität und damit verbunden die Ideologie der Überlegenheit der privaten Firma haben dazu geführt, dass im öffentlichen Sektor die Tendenz besteht, auch die Geschäftssprache eines privatwirtschaftlichen Managements und den Führungsstil privater Unternehmen zu übernehmen. Befürchtet wird deshalb ein Verlust an öffentlichen Werten der Gemeinwohlverpflichtung, wie sie zur Tradition von Civic Culture Administration und US-Civil Service gehören (Radin 2017). Solche Entwicklungen werden hier genannt, weil die Vereinigten Staaten in vielen Lebenswelten eine Leitfunktion einnehmen. Auf dem Felde der öffentlichen Verwaltung und der Verwaltungspolitik fällt es hiernach schwer, den USA einen entsprechenden Leitanspruch zuzubilligen. Auch die dortige Verwaltungswissenschaft bleibt von der Beschaffenheit ihres Erfahrungsgegenstandes nicht unberührt. Überhaupt muss man bezweifeln, ob es heute einen Verwaltungsstaat gibt, der schlechthin als Vorbild für die administrative Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten dienen kann, wie es Frankreich nach den napoleonischen Reformen für einige Nachbarländer war. Zwar gibt es immer wieder von internationalen Organisationen (OECD 2000) oder „Think Tanks“ (BertelsmannStiftung 2011) Versuche einschlägiger Qualitätsbewertung. Die Verwaltungswelt ist aber von der kulturellen bis zur geographischen Beschaffenheit so vielschichtig, dass es Patentrezepte der Verwaltungspolitik nicht gibt. Auch die Europäische Union hat tiefere Eingriffe in
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den mitgliedsstaatlichen Verwaltungsvollzug vermieden. Das bedeutet freilich nicht, dass Institutionentransfer in der Verwaltungspolitik und dann Theorienrezeption in der Verwaltungswissenschaft ausgeschlossen sind. Nur sind sie nicht einfach hinzunehmen, sondern zu reflektieren.
II. Systemrationalität und Kohärenz Das Erkenntnisinteresse von Policy-Analyse und akteurzentriertem Institutionalismus ist darauf gerichtet, die Generierung von Sachpolitiken, hier der Verwaltungspolitik und dann ihrer Mitspieler zu erforschen. Dem systemischen Institutionalismus geht es bei der Verwaltungspolitik um anderes, nämlich um die Systemrationalität einer gegebenen öffentlichen Verwaltung und in Beziehung darauf die Analyse der Kohärenz, in der Rechtssprache Systemgerechtigkeit von Verwaltungsreformen und Verwaltungsmodernisierungen. Dabei ist kulturelle Prämisse, dass der Staat der okzidentalen Moderne rationaler Staat (Voßkuhle 2008) und mithin die öffentliche Verwaltung rationale Verwaltung sind. Die Einbeziehung der US-amerikanischen Verwaltung und des korrespondierenden Studienfaches Public Administration in den verwaltungswissenschaftlichen Fragehorizont macht die Funktionen des dortigen Judizienrechts und Gesetzrechts einsichtig. Entsprechendes gilt für theoretische Festlegungen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auf das Zweck-Mittel-Schema als Rationalitätskonzept (Mises 1949). Das führt zu einem Verständnis des Rechts als Rahmenbedingung des Verwaltungshandelns und zur Ausfüllung dieses Rahmens nach Maßgabe von Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit. Man kann in kultureller Perspektive von einer managerialen Bürokratie sprechen, und zwar Bürokratie, weil der öffentliche Manager jenseits einer individuellen Methodik in der Theorie kein freischaffender Akteur, vielmehr in Hierarchien, Zuständigkeiten, Regeln und Standards, Professionalität, Neutralität u. a. eingebettet ist. Der Managerialismus schließt konditionierende Gesetze und Weisungen, schließlich eine stark konditionierte Frontverwaltung nicht aus. Aber das ist in der kulturellen Perzeption eine sekundäre Welt. Im deutschen Falle kann man demgegenüber in typologischer Sicht von einer legalistischen Bürokratie, kulturell weiter von einer rechtsstaatlich legalistischen Verwaltung sprechen. Grundprämisse ihrer Handlungsrationalität ist die verfassungsrechtliche Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Artikel 20 des Grundgesetzes). In verwaltungswissenschaftlicher Perspektive steht die Wahrnehmung der Gesetze an erster Stelle im administrativen Entscheidungsprozess. Die Verwaltung ist Erstanwender der Gesetze. Die weitere Bindung an das Recht ist in ihrem Bedeutungsgehalt umstritten (Sommermann 2000). Die öffentliche Verwaltung in funktionierender Demokratie und rechtsprechender Gewalt ist aber kaum der Ort, Legitimitäts- und Gerechtigkeitsfragen auszutragen. Operativ kann indessen von ihr verlangt werden, dass sie sich an das Rechtsstaatprinzip hält.
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Für eine Handlungsrationalität, die sich primär durch Gesetz und Recht vollzieht, muss man heute nicht ein Vernunftrecht als Naturrecht bemühen. Das gesetzte Recht ist mit einer Vielfalt rationaler Vorkehrungen ausgestattet, sodass es genügt, auf seine Positivierung zu verweisen. Verwaltungsrecht unterliegt in Rechtsetzung, Rechtsprechung, Rechtsvollzug rationalisierenden Prinzipien und Methoden. Das beginnt schon mit der Gesetzgebung, also mit den programmierenden Entscheidungen für die öffentliche Verwaltung. Sie ist an verfassungsrechtliche Prinzipien wie das Willkürverbot gebunden. Dem Übermaßverbot, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt eine legislative Entscheidung nur dann, wenn die für die entsprechende Beurteilung erforderlichen Tatsachen erhoben, Prognosen über die möglichen Wirkungen erstellt und die erforderlichen Abwägungen vorgenommen worden sind. Der Gesetzgeber muss aus seiner Sicht davon ausgehen, dass die legislativen Vorschriften zur Erreichung der gesetzten Ziele geeignet sind. Da die meisten Gesetze in der Exekutive entworfen werden, hat die Ministerialverwaltung über Verfassungsprinzipien hinaus Selbstregulative zu einschlägigen Entwurfsarbeiten entwickelt. Bekannt geworden sind die Blauen Prüffragen. Jetzt verlangt die Geschäftsordnung zur Begründung von Gesetzesvorlagen die Darstellung von Zielsetzungen und Notwendigkeiten des Gesetzesentwurfs, der Sachverhalte, denen der Entwurf zu Grunde liegt, und auf welchen Erkenntnisquellen er beruht, ob andere Lösungsmöglichkeiten bestehen und weiteres mehr. Hiernach zeigt sich, dass die Gesetzgebung neben der Subsumtion unter Verfassungsnormen mit Einschluss von Organisations- und Prozessrecht der Zweck-Mittel-Rationalität das Tor öffnet. Diese finale Orientierung der Gesetzgebungsarbeit bedeutet aber nicht, dass Gesetze als programmierende Entscheidungen für die öffentliche Verwaltung eine finale Grundstruktur aufweisen. Gesetze zeigen heute unterschiedliche innere Gliederungen (Hill 1982). Jedoch ist das Gesetz des rechtsstaatlichen Legalismus primär konditional programmiert. Es geht um die Subsumtion von Sachverhalten unter Rechtsnormen. Rechtsanwendung ist in diesem Sinne immanenter Bestandteil des Verwaltungshandelns. Freilich gibt es hier auch Elastizitäten, die als unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessen die Gesetze gegenüber finalen Abwägungen der Verwaltung öffnen. Allerdings nimmt bei der in Deutschland bestehenden Kontrolldichte alsbald die fachliche und mehrstufige Verwaltungsgerichtsbarkeit die teleologische Interpretation des Unbestimmten in die Hand. Auch wenn Urteile insoweit nur zwischen den Parteien gelten, wird in der Verwaltung zumindest die obergerichtliche Rechtsprechung allgemein akzeptiert, sodass der Minister mit einem Nichtanwendungserlass eingreift, wenn er dem nicht folgen will. Vor allem aber findet die Konditionalität öffentlichen Verwaltens ihren Ausdruck in der Vielfalt von Verwaltungsvorschriften, die in manchen Verwaltungszweigen Gesetzestexte bei weitem überbieten und Abwägungsspielräume der Frontverwaltung einengen und die politische Steuerungskette der demokratischen Herrschaft weiter absichern. Die Vorzüge eines wirklich maßgeblichen Rechtsregimes für die
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Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten sind vielfältig. Aus internationaler Erfahrung ist noch auf die rechtliche Setzung der für die Verwaltung maßgeblichen Wertordnung von Gesellschaft und Staat insbesondere durch Grund- und Menschenrechte zu verweisen. Es ist riskant, solche Wertfragen ganz ethischen Orientierungen zu überlassen (Harley u. a. 2019), obwohl das Recht nicht alle Probleme etwa des Arbeitsethos im öffentlichen Dienst lösen kann. Im Zeitalter der Algorithmen und „big data“ stehen wir freilich vor neuen Bewertungen und rechtlichen Einzäunungen (Andrews 2019). Eine noch so elaborierte Handlungsrationalität der rechtsstaatlich legalistischen Verwaltung mit hoher Reglungsdichte führt jedoch ins Leere, wenn das Verwaltungspersonal unfähig ist, sie zu praktizieren, wenn mit der Sachverhaltsermittlung nicht angemessen verfahren wird, wenn in einem negativen Konflikt sich alle beteiligten Behörden für unzuständig erklären, wenn einer gesellschaftlichen Bedarfslage keine definierte Verwaltungsaufgabe entspricht. Zur Frage nach der Handlungsrationalität kommt die nach der Systemrationalität hinzu. Der Begriff der Rationalität und dann der Systemrationalität in der autopoietischen Systemtheorie stellen auf ein Spezifikum der Selbstbeobachtung ab und erwecken einen konstruktivistischen Eindruck (Krause 2001). Hingegen erweist sich das Konzept der Systemrationalität der 1960er und 1970er Jahre (Luhmann 1968) für das Erkenntnisinteresse eines systemischen Institutionalismus integrativer Verwaltungswissenschaft als ergiebig. Es geht im Grunde um zwei Fragestellungen: die Bestandserhaltung des sozialen Systems und seine funktionale Leistungsfähigkeit in der Lösung seiner Probleme. Was die Bestandserhaltung der deutschen Verwaltung anlangt, so ist es gerade ihre Bestandskraft, die sie als klassisches Verwaltungssystem auszeichnet (Heady 1966). Verwiesen wird auf die politischen Instabilitäten auf deutschem Boden und zugleich auf die hohe Kontinuität von Verwaltung und Bürokratie. Stabilität in Verwaltungsangelegenheiten bei politischer Instabilität zählt als Charakteristikum. Man könnte dazu noch auf die Bestandskraft der Verwaltung beim Wiederaufbau Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und bei der Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands aufmerksam machen. Die Leistungsfähigkeit eines Verwaltungssystems erschließt sich hiernach in der strukturell-funktionalen Analyse, also: Funktionalität des Aufgabenzuschnitts in der Verwaltung des Sozialstaats und Dysfunktionen einer aufgabenüberlasteten Migrationsverwaltung, Funktionalität der Organisation kommunaler Selbstverwaltung und Dysfunktionen eins erheblichen Rückgangs der Bevölkerung, Funktionalität des Verwaltungsverfahrens und Dysfunktionen der Verfahrensdauer bei Großanlagen, Funktionalität des Berufsbeamtentums und Dysfunktionen seiner Altersversorgung. Lösen einschlägige Defizite Reformpläne und Modernisierungsvorhaben aus, dann führt das in der Sicht des systemischen Institutionalismus zur Frage, ob diese der Systemrationalität bestehender Verwaltung kohärent sind.
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Für den Richter ergeben sich Probleme der Kohärenz unter dem Argument der Systemgerechtigkeit, wenn etwa ein Landesgesetzgeber bei der Eingemeindung von Umlandgemeinden in die zentrale Stadt – aus parteipolitischen Gründen – unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Allgemeiner geht es um das Problem, welche Selbstbindungen der Gesetzgeber durch seine Vorentscheidungen eingeht. Rechtsdogmatisch ist das Rationalitätsgebot der Systemgerechtigkeit für die Legislative umstritten (Peine 1985). In der Analyse der Verwaltungspolitik erweist sich die Kohärenzfrage aber als aufschlussreich. Als Beispiel seien die mehrfachen Anläufe genannt, im Wege einer Dienstrechtsreform Beamte und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst zu einem einheitlichen Status zusammenzuführen (Bull 2006). Für die Verwaltungswissenschaft ist es relevant, aufzuklären, ob es bei der Zurückweisung von Reformvorschlägen um Macht und Privilegien geht oder ob die Unterscheidung von Beamten und Angestellten auf differenzierten Leistungsprofilen beruht. Mit der Kategorie der Systemrationalität sind über die Teilstrukturen und Teilleistungen hinaus auch das soziale System als Ganzes und seine Funktionalität gemeint, hier unter den administrativen Sinnzusammenhängen der rationale Überbau der Verwaltung. Es zeigt sich, dass die vorrangige Handlungsrationalität auch die Systemrationalität jeweiliger Verwaltung weitgehend durchformt, also im deutschen Falle Recht und Rechtsanwendung in umfassender Funktionalität. Durch Recht werden die Verwaltung und ihre Umwelt differenziert. Es schützt die Klientel der Verwaltung vor Willkür und begrenzt auf der anderen Seite die Gehorsamspflicht der Verwaltungsbediensteten. Durch Organisations- und Prozessrecht stabilisiert es die Binnenkonstitution der Verwaltung. Es sichert die politischen Steuerungsketten von Legislative wie Exekutivpolitik. Es koppelt die Kontrollinstanzen von Gerichten und Rechnungshöfen an usw. Solche Konditionalitäten schließen Institutionen nicht aus, die einer ZweckMittel- Rationalität gewidmet sind, so eine Kosten-Leistungs-Rechnung im Haushaltsrecht, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den Rechnungshof, eine Wirkungs- und Erfolgskontrolle u. a. m. Entsprechende Finalitäten pflegen in die Rechtsordnung eingebettet zu sein und passen so in die bestehende Systemrationalität der deutschen Verwaltung. Anders ist es, wenn man es unternimmt, die Gewichte von Subsumtionsrationalität einerseits und Zweckrationalität andererseits grundsätzlich neu zu verteilen. Ein Reformkonzept der Priorität von Effizienz, Effektivität, Wirtschaftlichkeit, das die geltende Rechtsordnung der Verwaltung beiseitelässt, löst die Frage nach der Kohärenz der intendierten neuen Institutionen und Methoden im Blick auf die Systemrationalität der bestehenden Verwaltungsverhältnisse aus. Diese Kohärenzfrage kann man in jüngerer Zeit im deutschen Falle an die Modernisierungsbewegung des „Neuen Steuerungsmodells“ richten. Im Grunde ging es dabei um eine unternehmensähnliche, finanzwirtschaftlich orientierte und mit Wettbewerbselementen ausgestattete Leitungs- und Organisationsstruktur, die anderorts als „Reinventing Government“ bzw. „New Public Management“ verbreitet
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wurde. In den USA wurde dieses neue Modell überwiegend als evolutionär eingeschätzt, also als weiteres Glied in einer historischen Kette von Managementkonzepten. In Großbritannien sprach man hingegen von einer Revolution (Ridley 1995). Das wäre vertretbar, wenn es in der Tat zu einer Ablösung des „Whitehall Models“ einer Verwaltung mit Traditionsnormen und „Fair play“ gekommen wäre. Jedenfalls übernahm die angelsächsische Welt die Wortführung in dieser Bewegung, und man konnte den Eindruck vermitteln bekommen, selbst eine „verspätete Nation“ in Verwaltungsangelegenheiten zu vertreten. In Deutschland wurde dieses Managementkonzept als „Neues Steuerungsmodell“ nach Impulsen der niederländischen Stadt Tilburg auf kommunaler Ebene propagiert. Begleitet von einer Kritik der Bürokratie, einer „organisierten Unverantwortlichkeit“, nicht hinreichender Anreize für wirtschaftliches Handeln, eines mangelndes Steuerungspotential, wurde ein grundlegend neues Verwaltungsmodell gefordert und skizziert. Dabei sollte Differenzierung zwischen politischer und administrativer Ebene derjenigen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer entsprechen. Über die von der Verwaltung zu erzeugenden Produkte, die Finanzziele und Managementmodelle sollten beide Parteien jeweils spezifische Vereinbarungen treffen. Ein solches Kontraktmanagement sollte dann auch innerhalb der Verwaltung selbst praktiziert werden, wobei jeweils die Auftragsgeberseite für das Was, die Auftragsnehmerseite für das Wie der Leistungserbringung zuständig seien sollte (KGSt 1993). Schließlich wurde angesichts kommunaler Beteiligungen vom „Konzernmodell der Stadt“ gesprochen (Banner 1993). Das „Neue Steuerungsmodell“ wurde als Eigengewächs der KGSt/Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement propagiert. Es ging also nicht um einen Institutionentransfer aus dem Ausland und Kompatibilitätsprobleme, sondern um die Systemrationalität der deutschen Verwaltung und Fragen der Kohärenz eines Modernisierungsmodells. Die Elemente des KGSt-Modells sind typische einer von der Principle-Agent-Theorie inspirierten managerialen Bürokratie: dezentrale Fachund Ressourcenverantwortung, Budgetierung, Produkte, Kosten- und Leistungsrechnung, Doppik, Vermögensbewertung, Kontraktmanagement im Verhältnis zur Politik wie innerhalb der Verwaltung, Service- und Controllingstellen usw. Der Eindruck eines Übergangs in ein andere als der deutsche Systemrationalität öffentlicher Verwaltung wurde durch die Geschlossenheit des Modells unterstrichen, das keine Differenzierung nach den Leistungsprofilen der verschiedenen Verwaltungsbranchen aufwies und so in den Organisation- und Prozessstrukturen für Stadtkasse und Standesamt, Bauamt und Sozialamt usw. gleichermaßen gelten sollte. So hat man in Deutschland im Blick auf das „Neue Steuerungsmodell“ dann auch von einem Paradigmenwechsel gesprochen (Reinermann 1993). Freilich machte die Geschlossenheit das Modell kritikanfällig, selbst wenn man es nur auf die Kommunalverwaltung bezog. Man konnte nach dem Rationalisierungsgewinn fragen, wenn der Umzug der Bundesregierung nach Berlin – wie in der Berliner Senatskanzlei geschehen (Hagen/Egloffstein 1997 – als Produkt definiert wird, wenn ein
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Jugendamt einen gefährdeten Jugendlichen als Kunden wahrnimmt, wenn man meint, durch einen Kontrakt die politischen Stürme eines Lebensmittelskandals vorwegnehmen oder Bürgermeister und Minister von der Verantwortung in der WieFrage amtlichen Handelns entlasten zu können, wo man doch beobachten kann, dass Exekutivpolitiker gerade über die Modi ihres Verhaltens stolpern können. So habe ich mich von vornherein gegen eine Gestaltung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland nach Maßgabe des „Neuen Steuerungsmodells“ ausgesprochen, und zwar schon weil es der Komplexität und Veränderlichkeit moderner Verwaltung nicht entspricht, dann aber weil es in seinem Holismus zu einer managerialen Bürokratie führen würde, also in einem Verhältnis der Inkohärenz zur Systemrationalität der deutschen Verwaltung steht. Es ist ergiebiger, die doppelte Rationalisierungsmöglichkeit zu nutzen, die die deutschen Verwaltungsverhältnisse bieten, nämlich Modernisierungen zu bevorzugen, die die Zweck-Mittel-Rationalität stärken, ohne die Subsumtionsrationalität beiseite zu lassen. In diesem Sinne richtet sich die Ablehnung des „Neuen Steuerungsmodells“ nicht gegen einzelne Managementinstrumente, sondern gegen ein holistisches Modell systemischer Umgestaltung. Aber auch sonst findet man kaum Plausibilitäten, die dafür sprechen, die „Rule driven“-Verwaltung schlicht gegen eine manageriale Bürokratie auszutauschen. Insbesondere in der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern und dann mit Transformationsländer kann man erfahren, wie es darauf ankommt, jenseits von Demokratie und Management ein belastbares Rechtsregime für die öffentliche Verwaltung zu errichten. Das gilt für die Wertorientierung wie die Leistungsfähigkeit gleichermaßen. Durch geltendes Recht vermittelte Werte bis hin zum Recht auf eine gute Verwaltung in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union binden stärker als ein „Code of Conduct“, was nicht ausschließt, berufsethische Fragen über das Disziplinarrecht hinaus zu reflektieren. Die Einkleidung von öffentlichen Aufgaben in wirklich maßgebliche und kommunikative Rechtsvorschriften sichert noch zuerst einen Verwaltungsvollzug, der vom individuellen Verwaltungsmitarbeiter abhebt und der Klientel ohne Ansehen der Person öffentliche Güter zuspricht. Leistungsgesetze sind mehr als Managementstandards. Diese Einschätzung wurde auch nicht durch Besuche von Brennpunkten des „New Public Management“ widerlegt. So wurde im neuseeländischen Christchurch beobachtet, wie in einem Fall die politische Spitze, in einem anderen Fall organisierte Wirtschaftsinteressen an Managementvorstellungen vorbei agierten. Die öffentliche Verwaltung ist eben über die Informationsverarbeitung hinaus auch Umgang mit politischen, wirtschaftlichen, sozialen Interessen.
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III. Management Der öffentlichen Verwaltung zuerst eine Subsumtionsrationalität zuzusprechen und von den Institutionen der Zweckrationalität die Einbettung in die Rechtsordnung zu verlangen, bedeutet nicht, Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit in öffentlichen Angelegenheiten gering zu schätzen. Der kalte Stern der Knappheit steht auch über dem öffentlichen Sektor. In der deutschen Verwaltung bestehen sogar traditionell Möglichkeiten, die Rationalitätsverhältnisse umzukehren, indem man bestimmte öffentliche Güter in Bereichen der Versorgung wie Verkehr, Energie, Wasser in öffentliche Unternehmen verlagert, die nach ihren Organisations- und Prozessstrukturen primär nach Wirtschaftlichkeitskriterien agieren, das freilich im Rahmen der Gesetze. Auch „Public Private Partnership“ und „Outsourcing“ sind heute in Deutschland gebräuchliche Organisationsformen, von denen man die Steigerung von Effizienz und Effektivität erwartet. Für die Kernverwaltung bestehen dann vom Ermessen bis zum positivierten Wirtschaftlichkeitsbegriff vielfältige Anknüpfungspunkte für Zweck-Mittel-Kombinationen. Es bleiben freilich Plätze für Reformen und Modernisierungen der Verwaltung offen. Die Formel „Kosten: keine“ gehört zwar heute zur Vergangenheit der Gesetzgebungsarbeit. Aber nach wie vor besteht ein Bedarf, insbesondere die betriebswirtschaftliche Seite des Verwaltungshandelns institutionell zu stärken. Die Einrichtung eines Normenkontrollrates von Externen durch die Bundesregierung zur Einschätzung von Kostenbelastungen in der Verwaltungsumwelt ist ein Hinweis darauf (Beus 2007). Deswegen ist es auch an der Zeit, jenseits des Modelldenkens einzelne Instrumente – „tools“ – aus dem Werkzeugkasten des Managements zu rezipieren, anzupassen und diese Seite von Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit eben unter der Kategorie des Managements zusammenzufassen. Dem entspricht auch eine Bilanz der kommunalen Verwaltungsmodernisierung „Zehn Jahre Neues Steuerungsmodell“ (Bogumil u. a. 2007), die zeigt, dass diese Modernisierungsbewegung als Modell gescheitert ist, gleichwohl aber vielfältige Impulse für eine systemrationale Verwaltung etwa in der Bürgerorientierung gesetzt hat. Entsprechend kann man auch die vielfältigen Reformansätze würdigen, die man in Europa im Namen des „New Public Management“ verfolgt hat (Pollit/Bouckaert 2004), und dennoch nach Gesprächen mit englischen Spitzenbeamten bezweifeln, ob „Whitehall“ durch eine Kulturrevolution abgelöst worden ist (Page 2010). Inzwischen wird das öffentliche Management auch aus dieser Seite wissenschaftlich differenzierter gesehen (Pollit 2016). In der Bundesrepublik Deutschland wurden seit den 1960er Jahren Verwaltungsreformen verfolgt, die man in einem managerialen Vorverständnis der Handhabung öffentlicher Angelegenheiten eben dem öffentlichen Management zuordnen würde: Reformen von Budgetierung und Planung, Aufbau- und Ablauforganisation, Personalsteuerung usw. Die Reformdiskussionen folgten dabei auch sprachlich überwiegend einem endogen bestimmten Entwicklungspfad. Der Zugriff auf Ma-
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nagementbegriffe war die Ausnahme. Jedenfalls war Management damals kein Leitbegriff für Verwaltungsreformen. Das hat sich spätestens mit dem Modernisierungsansatz des „Neuen Steuerungsmodells“ geändert. Denn auch in der Verwaltungspraxis wurde vielerorts verstanden, dass hier um Probleme geht, die man unter der Kategorie des öffentlichen Managements zusammenfassen kann. Beispiele dafür, wie sich dieses Konzept durchgesetzt hat, sind das Krisenmanagement und weiter das Risikomanagement (Gahlen/Kramaster 2008). Die Wahrnehmung dieser Aufgabenfelder von Regierung und Verwaltung wurde insbesondere durch das nukleare Desaster von Chernobyl verstärkt. Es wurde deutlich, wie dysfunktional es ist, wenn durch Krisen in der Umwelt nun exekutive Institutionen selbst unsicher werden. Es musste also Krisenvorsorge etwa durch Krisenstäbe, Katastrophenpläne, Frühwarnsysteme, Risikoeinschätzungen getroffen werden (Czarniawska 2009), um Krisen möglichst mit Routinen zu begegnen (Luhmann 1971). Die Bündelung solcher Vorkehrungen legte es nahe, diese zusammen als Krisenmanagement zu bezeichnen. Die Vielfalt des Instrumentariums des öffentlichen Managements war dann in einer Evaluation des Bundesamtes für Strahlenschutz zu erfahren. Die Komplexität in der Leitung dieses Amtes beruhte zuerst auf der Sensibilität seiner Aufgaben in Kerntechnik, Entsorgung, Gesundheit, Umweltschutz. Hinzu kam eine entwicklungsgeschichtlich bedingte örtliche Dekonzentration. Schwierig war nicht zuletzt der Auftrag wissenschaftlicher Forschung, der mit den Sachaufgaben verbunden war. Die Probleme der Ressortforschung waren es auch dann, die Minister und Behördenchef veranlassten, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die die Möglichkeiten der Modernisierung des Amtes prüfen sollte (Bull/König/Kuhbier 2006). Zusammen mit der Ressortforschung geriet so auch das Management des Amtes ins Blickfeld. Dabei war ein unterschiedlicher Stand in der Institutionalisierung von Managementinstrumenten zu beobachten. Etabliert war eine Kosten-Leistungsrechnung, die Grundlage eines betriebswirtschaftlichen Managements seien sollte und entsprechend mit mehreren Erwartungen verknüpft war, so Eigenverantwortung, Transparenz, Zielorientierung, Wirtschaftlichkeit und Kostengerechtigkeit bei Entgelten. Schwierigkeiten bestanden, angesichts unterschiedlicher Vorgehensweisen eine allgemeine „Output“-Kategorie zu finden. Man behalf sich mit „Produktsteckbriefen“, bei denen man dann Gefahr lief, von der Ausrichtung auf Ergebnisse in die Formulierung von Aufgaben zu geraten. In einer mit der Aufsichtsbehörde abgestimmten Jahresplanung wurden Sollwerte für das Amtshandeln bestimmt. Allerdings wurde prioritär auf die Personalkosten abgestellt. Da aber diese technisch-wissenschaftliche Behörde sehr personalintensiv war, ergab sich doch eine gewisse Transparenz für das Aktivitätsspektrum mit Prioritätensetzungen und Ressourcenzuweisungen. Im Anschluss an die Jahresplanung sollte der Versuch unternommen werden, eine mittelfristige Aufgabenplanung einzurichten. Weiter bestand die Absicht, auf der Grundlage der Kosten-Leistungsrechnung und der Jahresplanung ein Controllingsystem aufzubauen.
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Das Bundesamt hatte unter dem verbreiteten Begriff der Zielvereinbarung Absprachen mit den Mitarbeitern getroffen, in denen anknüpfend an die Jahresplanung Erwartungen über die zu erbringenden Leistungen, deren Qualität und Terminierung und die dafür verfügbaren Ressourcen festgelegt wurden. Leitgedanke war der Übergang von Einzelanweisungen hin zum Führen durch Zielvorgaben. Ein Kontraktmanagement im strengeren Sinne war nicht gemeint. Schon aus der Volatilität eines Aufgabenfeldes wie der Strahlenschutz ergibt sich, dass immer mit neuen Anforderungen und entsprechenden Weisungen der Hierarchie zu rechnen ist. Der Strahlenschutz war es auch, der zu einem frühen Verständnis des Qualitätsmanagements geführt hatte. Bereits Anfang der 1980er Jahre war ein Qualitätssicherungs-System für die Endlagerung radioaktiver Abfälle eingerichtet worden. Es ging eben um öffentliche Güter und Dienstleistungen von existentiellem Charakter und Folgen von Fehlverhalten, die kaum revidierbar sind. Entsprechend wurde das Niveau der Qualitätssicherung hochgehalten. Es ging um Qualitätsstandards, eine qualitätssichernde Infrastruktur und ein qualitätssicherndes Prozessmanagement. Ein Qualitätsmanagement-Handbuch galt für alle für alle Tätigkeiten des Amtes. Nach dem Handbuch erfolgte das prozessorientiert vertikaler Vernetzung. Man kann dazu auf den Nutzen von Qualitätszirkeln verweisen. Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte eine Reihe von Reformschritten zu Verbesserung der Organisation eingeleitet: Umstrukturierung bei veränderten Aufgaben, Zusammenführung fachlicher und administrativer Tätigkeiten, Verschlankung der Hierarchieebenen, Schaffung größerer Organisationseinheiten, Einrichtung von Stabsstellen. Ein schwer zu behebendes Problem stellte sich indessen im Personalwesen, da über die Jahre ein kontinuierlicher Personalabbau erfolgt war. Durch eine Reihe von Reformvorhaben suchte man die Folgen dieses Engpasses zu mildern, so durch ein Personalentwicklungskonzept und Führungsgrundsätze. Insgesamt zeigte das Amt das Bild einer Behörde, die in den Feldern ihres Aufgabenspektrums primär auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften agiert, es aber zugleich unternommen hatte, Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns instrumentell abzusichern. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist überdies ein Ort, von dem aus sich die wissenschaftliche Seite des Managerialismus betrachten lässt. Für das Amt lassen sich nämlich zwei weitere Bezugsgrößen nennen: Politik und Wissenschaft. Seine Aufsichtsbehörde ist das Bundesumweltministerium. Während des Untersuchungszeitraums ließ sich beobachten, dass zwar die Zusammenarbeit beider Behörden eng war, Aufsichtsmaßnahmen aber eher punktuell erfolgten. Das untergeordnete Amt war an einer formalen Verstetigung der Aufsicht interessiert. Das übergeordnete Ministerium war indessen auf dem Felde des Strahlenschutzes den Imponderabilien der Politik in einer Weise ausgesetzt, dass es oft nur dezisionistisch eingreifen konnte. Jedenfalls ergab sich auch im nachgeordneten Bereich ein beachtliches politisches Momentum. Bei der Teilaufgabe der Ressortforschung war gegebenenfalls hinzunehmen, dass Themen politisch vorgegeben wurden. Der
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Forschungsvollzug musste aber nach selbstreferentiellen Standards und Kriterien erfolgen, wollte er den wissenschaftlichen Charakter verdienen. Das öffentliche Management – Public Management – weist heute einen eignen wissenschaftlichen Fokus in Nachbarschaft zur Öffentlichen Betriebswirtschaftslehre (Brede 2005) und unter Anleihen von den Sozialwissenschaften und der Psychologie auf. Um wissenschaftliche Breite zu signalisieren, wird auch vom „Public Sector Management“ gesprochen. Das ist missverständlich. So gibt es keine Parallele eines „Private Sector Management“, da der Markt die Umwelt des privaten Unternehmens ist, es sei denn dieses ist Monopolist. Entsprechend „managen“ öffentliche Verwaltungen den Bürger nicht, es sei denn es geht um eine Diktatur. Management ist eine Kategorie der Leitung von Unternehmen, Verwaltungen, Organisationen (Thom/Ritz 2008) Lehren vom öffentlichen Management sind in Deutschland insbesondere an Fachhochschulen verbreitet (Gourmelon u. a. 2018). Sie sind aber auch in universitäre Studiengänge etwa in Konstanz, Potsdam, Speyer integriert. Mancherorts scheinen sie den Anspruch zu erheben, mit der Vermittlung von „strategischen Leitungsfunktionen der Verwaltungsführung“ über der alltäglichen Verwaltungsarbeit zu stehen. Aus der Sicht der Verwaltungswissenschaft würde man hier schon begriffliche Klarheit verlangen: Leitung ist eine systemisch-institutionelle, Führung eine persönlich-motivationale Kategorie. Beides lässt sich nicht einfach vermischen. Im Übrigen ist Management nicht die dominante Kategorie in der deutschen Verwaltung. Der private Unternehmer kann das Recht in die Rahmenbedingungen seines Handelns abdrängen. Er versucht es damit auch im Verhältnis zur Politik und fordert entsprechend „Planungssicherheit“ etwa angesichts eines gesetzgeberischen Vorhabens. In der öffentlichen Verwaltung ist das nicht möglich. Man kann die Leiter von Regierungspräsidien, Gesundheitsbehörden oder Ordnungsämtern nicht – diese auch nicht zur Vermeidung von Desastern (Bull 2019) – auf Unternehmerrollen zurückführen. Im Bundesamt für Strahlenschutz mussten sogar über die Geltungsansprüche von Recht und Politik hinaus die der Wissenschaft in der Ressortforschung mit den Managementreformen abgeglichen werden. Die Entwicklung von „Public Management“ als Wissenschaft beruht im deutschsprachigen Raum weitgehend auf der Modernisierungsbewegung des Neuen Öffentlichen Managements und dessen Modellcharakter (Schedler/Proeller 2011). Da diese Bewegung vor allem als Neues Steuerungsmodell diskutiert wurde, wurden dessen Lehren besonders auf die Kommunalverwaltung bezogen (Hopp/Göbel 2013). Der erwartete Paradigmenwechsel ist freilich ausgeblieben. Von der deutschen Verwaltung war im Blick auf ihre Geschichte keine „Revolution“ zu erwarten. Ihr rechtsstaatlicher Legalismus wurde im Gegenteil durch das von der Verfassungsrechtsprechung geprägte Wesentlichkeitsprinzip gestärkt. Selbst die unvermeidlich erscheinende Digitalisierung der Verwaltung muss sich prinzipiell in die Rechtsordnung einfügen, was gesetzliche Anpassungen etwa im Verwaltungsverfahrensrecht nicht ausschließt.
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Für das Öffentliche Management sind weitere verwaltungsadäquate Modelle nicht in Sicht. Auch die Rezeption von allgemeinen Entwürfen wie dem St. Galler Management-Modell (Rüegg-Stürm/Grand 2014) kommt wegen der Individualisierung der Führung nicht in Betracht. Geht es also nicht mehr um Modelle und deren Realisierung, bleiben Managementreformen im Sinne einer angepassten Einführung von einzelnen Managementtechnologien und -instrumenten. Die Frage ist, ob das eine eigenständige Wissenschaft vom Öffentlichen Management trägt. Hier erweist sich ein Blick auf die US-amerikanische Verwaltungswissenschaft als aufschlussreich. Für die dortige Verwaltung gehört der Managerialismus zu den kulturellen Selbstverständlichkeiten. Gleichwohl wurden die einschlägigen Lehren als wissenschaftliche Strömung in das synthetische Fach Public Administration einbezogen. Damit wurde ein Ausgleich zur Einsicht in die grundlegende politische Bestimmtheit der Verwaltung nach zivilgesellschaftlicher Tradition geschaffen. Der Managementgedanke blieb so jenseits des Scheiterns von Managementmodellen und -moden stabil. In diesem Sinne sind hier Modernisierungen des öffentlichen Managements in die Perzeption der integrativen Verwaltungswissenschaft aufgenommen worden.
H. Supranationale und internationale Verwaltung I. Europäische Integration Auf den Politikfeldern tradierter innerer Angelegenheiten lässt sich im Lauf der Jahre ein wachsender Anteil von Regierungsvorhaben mit internationalen, vor allem supranationalen Implikationen beobachten: von der Verkehrspolitik bis zur Umweltpolitik, von der Gesundheitspolitik bis zur Forschungspolitik. Meine Primärerfahrungen mit der europäischen Integration wurden überdies von den Funktionen geprägt, die ich als Leiter der deutschen Delegation auf Arbeitsebene bei den Verhandlungen zum Schengener Übereinkommen wahrzunehmen hatte. In den 1980er Jahren trat deutlich hervor, wie sehr sich die Bürger einer hochmobilen Gesellschaft und integrationsfreundliche Politiker an Grenzpfählen und Grenzschranken in der Mitte Europas störten. Viele vermuteten damals in den Grenzkontrollen einen bürokratischen Formalismus, für den die politischen, ökonomischen, sozialen Voraussetzungen angesichts integrativer Entwicklungen entfallen seien. Nach dem Regierungswechsel 1982 verabredete der deutsche Bundeskanzler mit dem französischen Staatspräsidenten eine Initiative, die die Öffnung der Grenzen zwischen den beiden Ländern intendierte. Die anschließenden Verhandlungen, die im Schengener Übereinkommen mündeten, erwiesen sich in der Perspektive von Regierungslehre und Verwaltungswissenschaft als bemerkenswert. Regierungschefs haben von Fall zu Fall politische Präferenzen, die in den Regierungsgeschäften mit ihrer Person eng verbunden sind. Das bedeutet aber in der Regel nicht, dass die formale Organisation und die formalen Abläufe des Regierens zugunsten des Chefs außer Kraft gesetzt werden. Im Falle von Schengen war die Zurechnung zum Kanzler – einschließlich der politischen Risiken eins solchen Unternehmens – so hochpersönlich, dass allfällige Ressortzuständigkeiten nicht diskutiert wurden, vielmehr die Federführung in dieser Angelegenheit von vornherein dem Bundeskanzleramt zufiel. Eine weitere Eigenheit der Schengen-Verhandlungen war es, dass diese nicht in die Europäischen Gemeinschaften eingeführt, sondern als transnationales Vorhaben zunächst bilateral von der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich betrieben wurden. Die Grenzöffnung ist ein allgemeines Problem der europäischen Integration und betraf so allgemein die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften. Die Schengener Zusammenarbeit wurde dann auch 1999 in die Europäische Union überführt (Oppermann 2005). Aber in den 1980er Jahren war die Zeit für ein solches Unternehmen wohl noch nicht gekommen. Das zeigten die Bemühungen, mit weiteren Nachbarn Deutschlands ins Gespräch zu kommen. Mit Dänemark waren nicht mehr als einige technische Erleichterungen zu erreichen. Mit Österreich kam es zur
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Einrichtung eigener Autofahrbahnen an der Grenze, die der EU-Bürger ausgewiesen durch ein „E-Pickerl“ grundsätzlich unkontrolliert passieren konnte. Für die Grenzpolizei und den Zoll der Schweiz war die Welt ohnehin in Ordnung. Hingegen entwickelte sich zwischen Frankreich und Deutschland eine hohe politische Dynamik. Gerieten die Verhandlungen ins Stocken, konnte man sich im Elysee-Palast Unterstützung holen. Verhandlungsführer war von deutscher Seite der Chef des Bundeskanzleramtes. Er wurde auf Arbeitsebene durch die Abteilung „Innere Angelegenheiten und Planung“ unterstützt. Denn es ging in den Verhandlungen überwiegend um Materien, deren Bearbeitung herkömmlich im staatlichen Binnenbereich erfolgt. Wenn man zum Beispiel Transport und Warenverkehr betrachtet, dann sind Tierschutzrecht, Tierseuchenrecht, Fleischhygienerecht, Pflanzenschutzrecht, das Recht gefährlicher Güter, Abfallrecht usw. gemeinsam zu gestalten, wenn auf entsprechende Untersuchungen und Vorlage einschlägiger Zeugnisse an den nationalen Grenzen verzichtet werden soll. Es erwies sich bald, dass das Ausmaß dessen, was man als unnötige Formalitäten bezeichnen konnte, gering war. Grenzkontrollen waren Ausdruck jeweiliger materieller Rechts- und Verwaltungsverhältnisse, deren Einhaltung man nicht unüberwacht lassen kann, will man sie in der Sache bewahren. Zwar kann man eine Reihe solcher Kontrollen etwa zur Verkehrssicherheit oder zum Arbeitsschutz in das Binnenland zurückverlagern. In vielen Fällen geht es aber um typische Überwachungen grenzüberschreitender Mobilität. Es blieb so nur die Möglichkeit, einen transnationalen Raum zu schaffen, bei dem Kontrollen an Außengrenzen verschoben, Binnengrenzen aber über Verflechtungen, Konvergenzen, Harmonisierungen in den materiellen Verhältnissen für Kontrollzwecke funktionslos gemacht werden (Würz 1997). Vor dieser Aufgabe stand man im Personenverkehr, in der Einreise- und Asylpolitik, in der Breite polizeilicher Angelegenheit, im Melderecht, in der Rechtshilfe in Strafsachen, im Waffenrecht, in der Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität usw. Diesen Anforderungen entsprach es, dass die nationalen Delegationen interministeriell breit aufgestellt waren. Dabei übernahm es das Auswärtige Amt, die anfallenden Fragen des internationalen Rechts zu klären. Insgesamt waren die Verhandlungen vom Sachverstand beteiligter Fachverwaltungen geprägt. Sie waren ein Beispiel für die vertikale „Fachbruderschaft“, wie sie aus der Mehrebenenverwaltung des deutschen Föderalismus bekannt ist. Saßen sich anfangs die nationalen Delegationen gegenüber und legten die Delegationsleiter nationale Standpunkte dar, so stellten sich schon in der Informalität der Pausen Polizeifachleute mit Polizeifachleuten, Finanzfachleute mit Finanzfachleuten, Verkehrsfachleute mit Verkehrsfachleuten zusammen. Und so wurden nationale Differenzen oft durch gemeinsame fachliche Positionen überlagert, etwa wenn Eisenbahnfachleute schnelle Züge ohne Halt über Grenzen fahren lassen wollten und Zollfachleute auf Haltepunkte auf beiden Seiten der Grenze und mit möglichst wenig eignem Verkehrsaufkommen
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bestanden. Die Delegationsleitungen hatten so die Funktion, nicht nur die nationalen Positionen, sondern auch die differierenden fachlichen Standpunkte auszugleichen. Die Verhandlungen zum Schengener Übereinkommen wurden mit geringem Organisationsaufwand betrieben. Zwar gab es eine Ministergruppe, eine zentrale Verhandlungsgruppe und Arbeitsgruppen für Polizei und Sicherheit, Personenverkehr, Transport und für Zoll und Güterverkehr. Im Grunde war aber die Zusammenarbeit mit Bordmitteln der beteiligten Regierungen zu leisten. Zu einer organisatorischen Unterstützung kam es dann, als die Regierungen von Belgien, den Niederlanden und Luxemburg ihr Interesse am Abbau von Grenzkontrollen bekundeten. Damit war auch das BENELUX-Sekretariat eingeschaltet, das über eine erprobte Infrastruktur für transnationale Regierungsgeschäfte verfügte. Im Rückblick auf den Verhandlungsverlauf muss man unterstreichen, dass diese Zusammenarbeit einer hohen politischen Dynamik unterworfen war, die auch jederzeit mobilisiert werden konnte. Bürokratischer Widerstand kam nicht auf, obwohl Personalgruppen wie etwa die der Zollbeamten beruflich betroffen waren. Unter politischem Druck mag auch manches Sachargument der beteiligten Fachleute nicht hinreichend berücksichtigt worden sein. Im Grunde konstituierten die betroffenen fünf Länder unter einander einen Binnenbereich, der sich damals im historischen Stand relativer Sicherheit befand. Das war wohl das „window of opportunity“, das Regierungen die Möglichkeit eröffnete, Grenzkontrollen abzubauen. Mit meiner Rückkehr an die Speyerer Hochschule nahm ich das Lehrangebot einer Vorlesung „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ wieder auf. Ein Schwerpunkt in der Überarbeitung des einschlägigen Lehrstoffes bestand darin, der Entwicklung der öffentlichen Verwaltung in der Europäischen Union einen angemessenen Platz zu geben. Dabei hat die Verwaltungswissenschaft die Möglichkeit, von einem Grundbegriff auszugehen, der die Finalität der europäischen Integration offen lässt, nämlich den des europäischen Verwaltungsraums (Siedentopf/Speer 2002a). Vier Aspekte sind zu berücksichtigen: die Ebene der supranationalen Verwaltung, die nationale Verwaltung im Mehrebenensystem, die intergouvernementalen Beziehungen zwischen diesen beiden Ebenen und schließlich die strukturelle Homogenität bzw. Heterogenität öffentlicher Verwaltungen in Europa. Der strukturelle Aspekt von Verwaltungen im Kontext der Europäischen Union steht am Anfang und am Ende integrativer Entwicklungen, weil er mit dem Problem der Anschlussfähigkeit dieser Institutionen zwischen und auf den Ebenen verknüpft ist. Hiernach ist zu fragen, erstens ob es ein bestimmtes Verwaltungsmodell gibt, das für den europäischen Verwaltungsraum maßgeblich ist, zweitens ob ein „nonformalised administrative acquis communautaire“ für die Union besteht, drittens ob sich eine zunehmende Konvergenz zwischen den Verwaltungen der Mitgliedstaaten entwickelt. Auf eine gewisse Isomorphie der Verwaltungen in Europa weist die Bürokratiekritik hin, wie sie gegenüber den Mitgliedstaaten und der organisierten Union gleichermaßen geäußert wird (Bach 1999). Begreift man Bürokratie mit Max Weber
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zuerst als Leistungsordnung, dann zeigen sich gewisse gemeinsame Merkmale einer westlichen Moderne: eine feste Zuständigkeitsordnung, ein hierarchischer Aufbau, die Regelgebundenheit der Amtstätigkeit, Unparteilichkeit, Professionalität, Kompetenz. Es bedarf aber nur einer Stufe der Konkretisierung, um schon prägende Unterschiede deutlich werden zu lassen. So ist es der Legalismus, der im kulturellem Überbau der alten Verwaltungsstaaten Kontinentaleuropas Vorrang genießt. Die Verwaltung ist „Rule driven“. Hingegen hat das Whitehall-Modell Großbritanniens seine Wurzeln in einer spezifischen Bildungsgesellschaft und neigte damals nach einer Ökonomisierung durch den Thatcherismus einer Steuerung nach Maßgabe von Managment-Modellen, insbesondere des New Public Management zu. Die Organe der Europäischen Gemeinschaften verhielten sich im Falle des Vollzugs ihrer rechtsförmigen Akte durch die Mitgliedsstaaten im Hinblick auf deren Verwaltungsstrukturen lange indifferent. Für diesen indirekten Vollzug gilt das Prinzip der institutionellen Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten. Es erfolgen also grundsätzlich keine Eingriffe in die nationale und subnationale Organisationsgewalt (Oppermann 2005). Mit der Osterweiterung der Europäischen Gemeinschaften erwies sich indessen, dass Indifferenz eine moderne und entsprechend funktionierende Verwaltung voraussetzt. Die öffentlichen Verwaltungen in Osteuropa und Südosteuropa waren aber Verwaltungen postsozialistischer Staaten, die noch stark vom Erbe der Kaderverwaltung und ihren Leistungsdefiziten geprägt waren. Solche Nachwirkungen zeigten, dass sich mit Mitteln des Rechts allein die Wirksamkeit des europäischen Verwaltungsvollzugs nicht gewährleisten lässt. Überdies wurde wiederum deutlich, dass für den europäischen Verwaltungsraum kein gemeinsames Verwaltungsmodell maßgeblich ist (Siedentopf 1994). So wurde neben demokratischer Verfassung, marktwirtschaftlicher Ordnung, Rechtsstaatlichkeit auch eine europataugliche, kompatible Verwaltung zu einem Kriterium der Europafähigkeit. Es wurde ein umfassendes Instrumentarium entwickelt, um die Vereinbarkeit von Verwaltungsstrukturen herbeizuführen (Wollmann 2004). Mit der nachholenden Modernisierung ost- und südosteuropäischer Verwaltungen war die Diskussion zur systemischen Beschaffenheit von Verwaltungen in der europäischen Integration indessen nicht beendet. Begriffe wie „Europäische Verwaltungsgemeinschaft“ (Siedentopf/Speer 2002b) oder „Verwaltungsverbund“ (Schmidt-Aßmann 2006) weisen auf weiterführende Konzepte hin. Es entwickelte sich ein „acquis communautaire“ auch in Verwaltungsangelegenheiten. Hierzu wird man die Grundsätze „guter“ Governance, wie sie sich die Kommission selbst auferlegt hat, zählen, also Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität, Kohärenz (Hayder 2002). Menschenrechte, Bindung an das gesetzte Recht, formelles Verwaltungsverfahren, Rechtsschutz gehören von vornherein dazu. Aus der Begegnung mit den Erben der Kaderverwaltung ist zu verstehen, dass zu den Grundvorstellungen der europäischen Integration auch ein professionelles, politisch neutrales Beamtentum zählt. Die sektoralen Sachpolitiken der Gemeinschaften, etwa Umweltpolitik oder Forschungsförderung, sollen in der
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Verwaltungsorganisation der Mitgliedstaaten reflektiert sein (Siedentopf/Speer 2002b) und anderes mehr. Gleichwohl zeichnet sich die Europäische Union als politisch-administratives Gesamtsystem durch eine ausgeprägte Vielfalt der Verwaltungsstrukturen aus. Dazu gehören sowohl Mehrebenenstrukturen supranationaler, nationaler, regionaler, lokaler Verwaltungen wie auch die Kooperationsstrukturen zwischen den verschieden Ebenen. Das wirft die Frage auf, ob sich Konvergenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Verwaltungen entwickeln. So wird zum maßgeblichen Gebiet des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts beobachtet, dass in den europäischen Staaten Konvergenzen zur Ökonomisierung des Verwaltungshandelns und zur Subjektivierung des Rechtsschutzes zu konstatieren sind. Gleichwohl wird bemerkt, dass der Weg zu einem einheitlichen europäischen Verwaltungsverfahrensund Verwaltungsprozessrecht noch weit sei (Sommermann 2002). Neben gewissen Angleichungen, die sich aus gemeinsamen europäischen Rechtspflichten ergeben, ist noch auf die strukturellen Gleichheiten von beamteten Verwaltungen zu verweisen. Die personellen Verflechtungen in der europäischen Mehrebenenverwaltung sind so eng, dass man von einem „professional isomorphism“ spricht (Schröter 2005). Das heißt, dass in der Dichte der Begegnungen von Verwaltungsleuten im europäischen Kontext bestimmte professionelle Standards maßgeblich werden. So kann man sich etwa über Steuerungsinstrumente des Finanzund Rechnungswesens verständigen. Wenn man indessen von den Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten der Union sagt, dass sie eine Art von „Gemeinschaftszollverwaltung im nationalen Gewande“ geworden seien (Oppermann 2005), dann ist das ein Ausnahmefall mit internationaler Vorgeschichte in einer nach wie vor farbigen europäischen Verwaltungslandschaft. Für eine Vorlesung „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ mit dem Gegenstandskern der deutschen Verwaltung ist im Blick auf die Europäische Union eine Stoffauswahl zu treffen, die zu einer Perspektivenerweiterung führt. Dazu gehört etwa auf supranationaler Ebene der Ausschuss der Regionen, weil er über die unmittelbare Bezugsebene der Mitgliedstaaten hinausgreift. Für das nationale politisch-administrative System ist zum Beispiel die Frage relevant, wie Angelegenheiten mit europäischen Implikationen organisiert sind, etwa konzentriert in einem „european desk“ oder dekonzentriert in der Linie. Angesichts der Weisungsgebundenheit der nachgeordneten Behörden in Deutschland, und zwar nicht nur mit bürokratisch-hierarchischer, sondern auch demokratisch-legitimatorischer Begründung, ist die Agenturbildung im nachgeordneten Bereich der Europäischen Union mit bestimmten Autonomien verwaltungswissenschaftlich interessant. Die „Agencification“ nach angloamerikanischen Konzepten folgt unterschiedlichen Grundgedanken. Im US-amerikanischen Fall geht es um die Idee der Trennung von Politik und Verwaltung und im angelsächsischen Fall um die der ökonomischen Steuerung nach dem Principal-Agent-Modell. In Bezug auf delegierte Rechtsakte in Deutschland sind ferner die Verwaltungs- und
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Expertenausschüsse des Komitologie-Verfahrens der Europäischen Union bemerkenswert. Im europäischen Kontext habe ich mich an weiteren Projekten einer Integration beteiligt, etwa einem Vorhaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur grenzüberschreitenden regionalen Kooperation, und zwar in der westlichen Grenzregion zwischen Frankreich und Spanien, im Drei-Länder-Eck von Deutschland, Frankreich und der Schweiz wie von Deutschland, Polen und Tschechien. Die Lage von Speyer bringt es mit sich, dass man sich mit den einschlägigen Problemen in verschiedenen Zusammenhängen beschäftigt (Beck 1997). Zwei Aktivitäten sind unter dem Vorzeichen der Entwicklung der Verwaltungswissenschaft hervorzuheben: die Beteiligung an der Eurofakultät und die Mitarbeit in der European Group for Public Administration. Das multilaterale Projekt der Eurofakultät beruhte auf einer Initiative der Außenminister von Anrainerstaaten der Ostsee unter starker deutscher Beteiligung. Für die wiedergewonnene Eigenständigkeit und Transformation der baltischen Länder sollten Juristen, Ökonomen und Verwaltungsleute wissenschaftlich ausgebildet und damit zugleich ein Beitrag zum Wiederaufbau der Traditionsuniversitäten von Estland, Lettland und Litauen in Tartu (Dorpat), Riga und Wilna geleistet werden. Von deutscher Seite wurde dieses Projekt in den Jahren 1993 – 2004 mit Mitteln des Auswärtigen Amtes vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst gefördert. Der Blick von politischen Praktikern auf die Leistungsanforderungen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft eines modernen Baltikums brachte es mit sich, dass die öffentliche Verwaltung als ausdifferenzierter Leistungsträger wahrgenommen und die wissenschaftliche Ausbildung für den Verwaltungsberuf – anders als allgemein in der deutschen Universität – als grundständiges Studium begriffen wurde. Damit kam die Verwaltungswissenschaft ins Spiel. Meine Aufgabe in der Eurofakultät bestand darin, die Universitäten in Tartu, Riga und Wilna beim Aufbau von Verwaltungsstudiengängen zu beraten. Hinzu kam eine gelegentliche Vorlesungstätigkeit. Bemerkenswert war die soziale Dynamik, die sich in diesen Universitäten entfaltete und sich von den Transformationserfahrungen unterschied, die man andernorts beobachten konnte. Die European Group for Public Administration (EGPA) ist eine Tochterorganisation des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften (IIAS) in Brüssel. Das Internationale Institut war von seinen Anfängen an stark von der Sicht ihrer europäischen Mitglieder auf die öffentliche Verwaltung geprägt. Mit der Dekolonialisierung wuchs indessen die Mitgliedschaft aus Ländern der Dritten Welt. Vertreter von lateinamerikanischen, arabischen und asiatischen Staaten meldeten in ihrer zunehmenden Mehrheit immer stärker die Entwicklungsthemen ihrer Länder an. Die Probleme westlich-moderner Verwaltungen rückten eher in den Hintergrund. Daraus erwuchs das Bedürfnis, ein Forum zu schaffen, in dem Modernisierungsfragen der europäischen Verwaltung verhandelt werden konnten. Dieses Desiderat wurde in den Speyerer internationalen Konferenzen deutlich; insbesondere in der des Jahres 1974
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unter der Leitung von Heinrich Siedentopf (Fisch 2010). 1975 kam es dann zur Gründung von EGPA durch namhafte Verwaltungswissenschaftler aus europäischen Ländern, wie sie sich schon in Speyer getroffen hatten. EGPA intendiert, Verwaltungswissenschaftlern wie Verwaltungspraktikern eine europäische Plattform zu bieten. Sie stellt sich die Aufgaben: den Informationsaustausch zu Entwicklungen von Theorie und Praxis der öffentlichen Verwaltung zu organisieren und anzuregen, vergleichende Studien und die Entwicklung der Verwaltungstheorie in europäischer Perspektive zu fördern, die Anwendung innovativer Ideen, Methoden und Techniken in der öffentlichen Verwaltung zu unterstützen, junge Lehrer und Forscher sowie öffentliche Bedienstete in ihre Aktivitäten einzubeziehen. Letzterer Punkt ist eine Reaktion auf die Altersstruktur der an den Verhandlungen von IIAS Beteiligten. Hauptinstrumente von EGPA sind jährliche Konferenzen in verschiedenen europäischen Ländern und Studiengruppen. Diese Gruppen haben nicht nur die Aufgabe, sich bei den jährlichen Konferenzen zu treffen, sondern auch einschlägige Initiativen und Projekte von Erkenntniswert zu unterstützen. Ich bin EGPA von der Gründung an in unterschiedlichen Funktionen und Themen verbunden gewesen, und zwar bis hin zu den Problemen des Englischen als Lingua franca für die kontinentaleuropäische Verwaltungswissenschaft (Bouckaert/van de Donk 2010). Auch die Sprache der Verwaltungswissenschaftler ist keine neutrale Kommunikationsform. Sie transportiert im Falle des Englischen nicht nur politologische Vorprägungen, sondern reflektiert auch nicht unerheblich die angelsächsische Verwaltungskultur, die nun einmal ihr genuiner Erfahrungsgegenstand ist.
II. Globalisierung Die Transformation einer Kaderverwaltung in eine moderne Verwaltung betraf alle östlichen Länder, die den Weg in eine postsozialistische Gesellschaft beschritten. Nur hatten sie anders als Ostdeutschland keine Referenzgesellschaft und Referenzverwaltung. Endogene Faktoren der Entwicklung mögen so von Fall zu Fall ein größeres Gewicht als in der deutschen Wiedervereinigung gehabt haben. Jedoch hielt man in allen postsozialistischen Ländern nach Leitbildern westlicher Moderne und Transfermöglichkeiten moderner Verwaltungsinstitutionen Ausschau. Das galt besonders für Länder, die eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union anstrebten. Aber selbst in Südkorea war man an einschlägigen Transformationsproblemen interessiert, obwohl die Vereinigung der Landesteile in weiter Ferne zu liegen schien. Diese historische Situation brachte westliche Verwaltungsexperten ins Spiel und insbesondere solche aus Deutschland, da diese über eigene Transformationserfahrungen verfügten. Über solche Beratungsanforderungen hinaus wurde das internationale Feld in den 1990er Jahren immer mehr zum Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Interessen. Zwar war die Speyerer Lehre im Kern weiterhin von den deutschen Verhältnissen
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bestimmt. Auch gab es die Beteiligung an nationalen Projekten, etwa zur Planung und Verwaltung im Verdichtungsraum Berlin/Brandenburg (Benz/König 1995). Aber Forschung und Beratung standen weitgehend unter internationalen Vorzeichen. Dafür gab es gegenständliche wie methodische Gründe. Methodisch wurde immer deutlicher, dass sich die integrative Verwaltungswissenschaft nicht aus einer der großen Sozialtheorien oder „One best way“-Managementlehren ableiten lässt, sondern einen eignen Weg transdisziplinärer Erkenntnis beschreiten muss, und dass dabei der internationale Vergleich zu einer methodischen Schlüsselgröße wird. Im Gegenstandsbereich war es sodann die zunehmende Globalisierung, die weitgespannte wissenschaftliche Wahrnehmungen herausforderte. Mit dem Begriff der Globalisierung sind zunächst die zunehmenden internationalen Verflechtungen gemeint, die auch schon in den 1980er und 1990er Jahren viele Lebensbereiche durchzogen: in der Wirtschaft, in den Technologien, in der Kommunikation, in der Kultur, in der Umwelt, in der Migration usw. Akteur solcher Globalisierung sind nicht nur die Staaten. Hinzu kommen transnationale Unternehmen, Nicht-Regierungsorganisationen, wissenschaftliche Gemeinschaften, zivilgesellschaftliche Gruppen und Bewegungen. Entsprechend besteht das Regelwerk, das die globalen Beziehungen zu ordnen und zu steuern sucht, nicht nur aus dem Völkerrecht. Hinzu kommen Vereinbarungen und Selbstregulierungen durch Unternehmen, Wirtschaftsverbände, zivilgesellschaftliche Gemeinschaften. Es entstehen vielschichtige internationale Regime von Prinzipien bis zu Verhaltensvorschriften (Krasner 1983). Handeln unter dem Vorzeichen der Globalisierung bedeutet indessen in der Organisationsgesellschaft und der verwalteten Welt nicht nur Normen und Regeln, sondern auch soziale Gebilde und Verwaltungsorganisationen. Insoweit sind drei Sphären zu betrachten: erstens die der öffentlichen internationalen Organisationen, wobei die „World Trade Organization (WTO)“ in ihrer Entwicklung ein anschauliches Beispiel bietet (Rode 1998); zweitens die der selbstverwaltenden Organisationen, wobei die „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN)“ in ihrer Gemeinnützigkeit zu diskutieren ist (Glotz 2000); und drittens der Nationalstaat, der bei Globalisierungsproblemen wie der Migration oft auf sich selbst verwiesen bleibt. Ein Ort der Diskussionen und Positionsbestimmungen zur öffentlichen Verwaltung auf globaler Ebene ist das Internationale Institut für Verwaltungswissenschaften (IIAS) in Brüssel. In der weltweiten Zusammenarbeit von Akademikern und Praktikern soll den Verwaltungswissenschaften eine neutrale, objektive, faktenorientierte Stimme gegeben werden. Diese Intentionen werden neben anderem durch mehrere Konferenzen unterschiedlichen Zuschnitts in verschiedenen Ländern im Jahr und durch Publikationen, insbesondere der Herausgabe der mehrsprachigen Fachzeitschrift „International Review of Administrative Sciences“ umgesetzt. IIAS kann auf eine bemerkenswerte Geschichte verweisen (Rugge/Duggett 2005). Bereits 1910 fand der erste Internationale Kongress für Verwaltungswissenschaften statt, und zwar im Zusammenhang mit einer Weltausstellung in Brüssel. Es folgten weitere Kon-
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gresse, die Einrichtung eines ständigen Ausschusses, die Gründung der „Revue des Sciences Administratives“, bis es 1930 zur Errichtung von IIAS kam. Die öffentliche Verwaltung ist dem Politischen zu nahe, als dass die politischen Brüche des 20. Jahrhunderts am Institut spurlos vorbeigegangen wären. Allgemein wirkten sie sich aber nur mittelbar aus: im Wechsel staatlicher Mitgliedschaft, persönlichen Engagements, der Finanzierung, der Kongressorte. Hingegen erfolgte im zweiten Weltkrieg ein direkter Eingriff seitens der deutschen Besatzungsmacht durch Beschlagnahme der Bibliothek, Schließung der Brüsseler Räumlichkeiten, letztlich der Gegengründung einer „Internationalen Akademie für Staats- und Verwaltungswissenschaften“ in Berlin/Potsdam 1942 (Fisch 2005). Das machte die Mitgliedschaft der Bundesrepublik im revitalisierten IIAS noch lange in der Nachkriegszeit zu einem schwierigen Unternehmen. Über die Mitwirkung in der „International Association of Schools and Institutes of Administration“ und der „European Group of Public Administration“ hinaus nahm ich an der Breite der Aktivitäten des IIAS Anteil: im Herausgeberkomitee der „International Review of Administrative Sciences“, im Exekutivkomitee, in der Veranstaltungsplanung, mit Kongressvorträgen, Leitung von Sitzungen, Berichterstattungen usw. bis hin zur „Braibant Lecture“: „On the Typology of Public Administration“ und zur Position eines Vizepräsidenten. Im Laufe der Jahre erschloss sich eine entsprechende Breite von Sachthemen der Verwaltungswissenschaften: auf den Gebieten der öffentlichen Aufgaben, des öffentlichen Dienstes, der Verwaltungsorganisation, der Planung und Budgetierung, der Automation und Informationstechnik usw. Die Sachthemen standen in der Regel unter dem Vorzeichen der Veränderung, also Reform, Entwicklung, Transformation, Modernisierung. Bei Vorträgen setzte man insbesondere auf Themen, zu denen man aus Erfahrungen im eigenen Land beitragen konnte, also vor dem Hintergrund von kommunaler Selbstverwaltung etwa über Dezentralisierung und Dekonzentration der Lokalverwaltung. Entsprechendes gilt für die Einladungen, die man von ausländischen Mitgliedern von IIAS erhielt. Auch die Deutsche Sektion, in der ich zuletzt wiederum als Vizepräsident mitwirkte, pflegte internationale Kontakte, insbesondere in den „Drei Länder Tagungen“ mit Österreich und der Schweiz (Fisch 2013). Die Beteiligung an entwicklungspolitischen Projekten brachte es mit sich, dass ich zu den jährlichen Treffen der „Experts on the United Nations Programme in Public Administration and Finance“ nach New York eingeladen wurde. Denn zu den Schwerpunkten in den Aufgaben der zuständigen UN-Division hatte in den 1970er Jahren neben Leistungen auf den Gebieten von Organisation und Management sowie Budgetierung und Finanzmanagement Ausbildungs- und Trainingsprogramme gehört. Es ging darum, in den dekolonialisierten Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas einen indigenen öffentlichen Dienst aufzubauen. Das wurde durch die Einrichtung von Verwaltungsschulen besonders zu einem „pre-entry training“ des Verwaltungspersonals bezweckt. Eine Reihe von nationalen wie internationalen
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Hilfsorganisationen folgte dieser Intention, in die dann auch das Projekt „International Cooperation for Education and Training in Public Management“ passte. Die „Division for Public Administration and Finance“ der UNO ist in ihrem Programm wie auch ihr Expertenkreis im Laufe der Jahre unterschiedlichen entwicklungspolitischen Grundvorstellungen gefolgt (Adam 2002). In den 1980er Jahren war es das Konzept des „institution building“, das zum Vorzeichen der entwicklungspolitischen Aktivitäten zur öffentlichen Verwaltung wurde. Das mag auch eine Reaktion auf Erfahrungen mit dem Verhalten postkolonialer Regierungseliten und deren Einwirken auf die öffentlichen Verwaltungen gewesen sein. Kritisiert wurde die einseitige Ausrichtung auf den Ausbau von Organisationen der zentralstaatlichen Ebene, und es wurde eine institutionelle Stärkung der Lokalverwaltung in ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung gefordert. Diskutiert wurde die mangelnde Kommunikation zwischen der Sachpolitiken formulierenden Regierungsebene und diese implementierenden Verwaltungsebene. So sollte dann die Planung der Sachpolitiken in deren Ausmaß der Vollzugskapazität der öffentlichen Verwaltung angepasst sein. Weitere institutionelle Aspekte kamen ins Blickfeld, insbesondere eine realistische Haushaltsplanung. Fehlentwicklungen im institutionellen Gefüge wie Abschottung zwischen Behörden oder Rückzug in den Formalismus führten dazu, dass in der Wende der1980er zu den 1990er Jahren die Relevanz personaler Faktoren für die Entwicklung der öffentlichen Verwaltung an Gewicht gewann. Zuerst wurde der „Human resource development“-Ansatz für das Verwaltungs- und Finanzprogramm der UN bedeutsam. Dabei wurde den öffentlichen Einrichtungen besondere Bedeutung für die Bildung von Spitzenkräften in Entwicklungsländer beigemessen. Ausbildung, Rekrutierung und Einsatz des Verwaltungspersonals wurde diskutiert und die Unterstützung von Institutionen der Aus- und Weiterbildung wie von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen empfohlen. Mit dem Konzept des „Management Development Programme“ unternahm man es dann, eine nachhaltige und umfassende Verbesserung der Leistungsfähigkeit im Management des öffentlichen Sektors zu unterstützen. Dazu gehörten auch: die Steigerung der Verwaltungskapazität und der Produktivität des öffentlichen Sektors, die Effizienzsteigerung öffentlicher Leistungen, die Verbesserung der Kontroll- und Evaluationskapazitäten, des Schuldenmanagements und der Koordination der Hilfsprogramme. Der dominante Adressat entwicklungspolitischer Unterstützung ist herkömmlich der Staat des Entwicklungslandes in seiner Zentralität. In den Ländern des realen Sozialismus hatte die Staatlichkeit, und zwar parteigelenkt und doch im Widerspruch zur marxistischen Doktrin, eine hohe Zeit erlebt. Der Zusammenbruch des realsozialistischen Staates und seiner Planwirtschaft ging so an der Entwicklungspolitik nicht spurlos vorüber. Nicht nur die Marktwirtschaft und ihre Akteure wurden aufgewertet. Auch Nicht-Regierungsorganisationen wurden vermehrte Aktivitäten zugeschrieben. Verkleinerung des öffentlichen Sektors und Entbürokratisierung des Staates schienen sich zwangsläufig zu ergeben. Indessen setzte sich der Gedanke,
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dass sich öffentliche Angelegenheiten in einem Netzwerk von staatlichen, marktlichen und privat-gemeinnützigen Akteuren auflösen könnten – „Governance without Government“ (Rosenau/Czempiel 1992) – auf dem Felde der Entwicklungspolitik nicht durch. Die zentrale Rolle des Staates und der öffentlichen Verwaltung als Entwicklungsinstanz blieb soweit unbestritten, wie die Zukunft eines Landes durch einen nachhaltigen Entwicklungsprozess bestimmt werden muss. In diesem Sinne konnte ich auch die Ständige Vertretung der Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen als Delegationsmitglied beraten, als das Thema der Verwaltungsentwicklung in der Vollversammlung der UN verhandelt wurde. Gleichwohl entstand aus der veränderten Weltlage das Bedürfnis, die Rolle des Staates aufs Neue zu definieren. In diesem Sinne wurde auch die Formulierung „Bringing the State back in“ (Evans u. a. 1985) verstanden. Die Meinungsführung auf diesem Gebiet übernahm indessen die Weltbank, die dann auch die Meinungsbildung im Kreis der „Experts on the United Nations Programme in Public Administration and Finance“ beeinflusste. Die Weltbank hatte ich seit den späten 1980er beiläufig zu meinen Aufenthalten in Washington D.C. besucht. Es interessierte deren Unterstützung von Reformen im öffentlichen Sektor Lateinamerikas (Fuhr 2004), und zwar vom konzeptionellen Ansatz her. Denn die Weltbank suchte in ihrer Festlegung auf das Ökonomische auch Orientierungen in den wirtschaftswissenschaftlichen Lehren und schien in den 1990er Jahren nach problematischen Hilfsprogrammen mit der Neuen Institutionenökonomik und ihrer Betonung der Transaktionskosten den Schlüssel für die Rationalisierung und Optimierung von Institutionen und Interaktionen gefunden zu haben (Theobald 2002). Als dann für den Weltentwicklungsbericht 1997 das Thema „The State in a Changing World“ bestimmt wurde, erhielt ich die Einladung, mich an einem Kreis externer Experten zu beteiligen, die das Autorenteam beraten sollten. Dass die Wahl auch auf einen Repräsentanten des kontinentaleuropäischen Verwaltungsstaates und des klassischen Verwaltungssystems fiel, hat wohl verschiedene Gründe. Die Weltbank ist auch personell eine internationale Organisation. Gleichwohl orientiert man sich, wenn es um den Staat geht, stark am politisch-administrativen Institutionengefüge des anglo-amerikanischen Raums. Jedoch bemerkte schon Alexis von Toqueville in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, dass für den europäischen – wohl kontinentaleuropäischen – Reisenden in den Vereinigten Staaten nichts auffallender sei als die Abwesenheit dessen, was wir als Staat oder Verwaltung bezeichnen. Heute verfügen die USA über die Verwaltungsapparate eines „big government“. Aber man konstatiert dort selbst, sieht man von den auswärtigen Beziehungen ab, eine gewisse „statelessness“ des öffentlichen Lebens (Stillman 1991). In Kontinentaleuropa ist hingegen der Staat ein regulatives Konzept, mit dem sich das politische System jenseits jeweiliger politischer Regime selbst beschreibt, und zwar mit Identifikationen nach innen und nach außen. In der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit geht es vor allem um den institutionellen Binnenbereich des zu unterstützenden Landes. Dabei kann man nicht
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auf den Bestand historisch bewährter Institutionen setzen. Entwicklung als systemischer Wandel steht an und nicht Reform als weiterer Schritt einer Modernisierung. Und hier mag sich ein weiterer Zweifel einstellen, nämlich ob man mit der Neuen Institutionenökonomik systemische Beschaffenheit und systemische Veränderung des Staates erfassen kann, wenn man diesen aufs Neue definieren will. Sieht man auf die einzelne Institution wie etwa eine regionale Behörde, mag es nützlich sein, mit der entwicklungspolitischen Unterstützung Effizienzkonzepte der Neuen Institutionenökonomik an Partner heranzutragen, obwohl die multiplen Aufgabenstellungen einer solchen Verwaltung eine einfache sachpolitische Finalisierung kaum zulassen. Jedenfalls lässt sich ein so komplexes Phänomen wie der Staat nicht mit einem methodischen Individualismus erfassen, wie er dieser Ökonomik zugrunde liegt. Blickt man als externer Experte auf die Entwurfsarbeiten zum Weltentwicklungsbericht 1997 zurück, so wurden neben vielen Detailfragen grundlegende Weichenstellungen diskutiert. Es war zu akzeptieren, dass die Weltbank um politische Zurückhaltung bemüht war, auch ein Phänomen wie den Staat in ökonomischer Perspektive sah und die Kriterien der Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit anwandte. Weiter entsprach es einer integrativen Verwaltungswissenschaft, im Meer der Handlungen, Interaktionen, Kommunikationen bei Institutionen und Institutionengefügen des Staates anzusetzen. Zu unterstützen war, dass sich die Weltbank vom Bild eines minimalistischen Staates der Sicherung von Wirtschaftswachstum und der Handelsliberalisierung verabschiedete und nunmehr einen aktiven Staat mit vielfältigen Aufgaben sah. Gleiches galt dafür, dass in positiver Weise auf die Leistungsfähigkeit – „capability“ – staatlicher Institutionen und deren Kräftigung abgestellt wurde. Schwieriger wurde es, wenn es um Grenzbereiche des Ökonomischen ging. So kann die politische Zurückhaltung zu Fehleinschätzungen führen, etwa wenn bei der Leistungsbewertung des Laufbahnprinzips mit formalen Zugangsprüfungen einerseits und des Prinzips klassifizierter Positionen mit individualisierter Stellenbesetzung andererseits das Problem der Politisierung eines professionellen öffentlichen Dienstes nicht mitberücksichtigt wird. Entsprechend bedarf das Verhältnis von Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit zumindest einer Verdeutlichung. Bemerkenswert ist zunächst, dass die Weltbank das Recht und seine Stärkung als fundamental für den Staat ansieht. Über die Neue Institutionenökonomik und deren Behandlung von „property rights“ findet sie Zugang zur Rule of Law. Sodann wird Effizienz als Prinzip der Rule of Law begründet (Theobald 2000). Dies entspricht auch dem deutschen Rechtsstaatsverständnis, das Wirtschaftlichkeit als Prinzip des Finanz- und Haushaltsrechts einschließt. Nur muss man die Funktion eines solchen Prinzips im Recht im Auge behalten. Es ermöglicht über die Unwirtschaftlichkeit staatlichen Handelns mit juristischen Methoden zu urteilen. Von Rechts wegen lässt sich indessen nicht eine optimale Kosten-Nutzen-Relation feststellen. Das liegt in den Händen des Ökonomen. Entsprechendes gilt für den
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Maßstab der Effizienz. Einerseits greift er über das Recht hinaus; andererseits ist seine Anwendung durch das Recht etwa mit dem Übermaßverbot begrenzt. Blickt man nach den Beratungen auf den Bericht zum Staat in einer sich wandelnden Welt selbst (World Bank 1997), dann erweist er sich in Breite und Offenheit als eine außerordentliche Informationsquelle, die eine Festlegung auf einen Entwicklungspfad des „One best way“ vermeidet und die sich durch die globale Perspektive, umfassende empirische Aussagen, Indikatoren, Statistiken und dann in der Wendung vom minimalistischen zum aktiven Staat mit entsprechenden öffentlichen Aufgaben und der Anerkennung der Diversität der Staatenwelt mit ihrer Verschiedenartigkeit der Wege von Modernisierung, Transformation, Entwicklung auszeichnet. Neben meinen Aktivitäten in internationalen Organisationen, zu denen insbesondere noch meine Mitarbeit im Arbeitskreis „Centres of Government“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu zählen ist, führten mich die 1990erJahre vielmals zu einer bilateralen Vortrags- und Beratungstätigkeit ins Ausland. Vor allem zwei Themen interessierten in Kreisen von Akademikern wie Praktikern, nämlich die Transformation des realsozialistischen Staates und die Privatisierung staatlichen Vermögens. Zur Transformation sind drei explorative Missionen zu nennen, die ich im offiziellen Auftrag in China, Vietnam und der Mongolei unternahm. Der erste Besuch in China erfolgte bereits während meiner Zeit im Bundeskanzleramt. Die Exploration zeichnete sich dadurch aus, dass man nicht nur auf einen hochinteressierten und selbstbewussten Partner stieß, sondern dass von der chinesischen Seite Fragen formuliert wurden, die man selbst nicht im Prüfraster hatte, so zum Beispiel die, wie Verwaltungen zum Aufbau eines Tourismus auf lokaler und regionaler Ebene beitragen können. Es entwickelte sich an den verschiedenen Orten ein breites Spektrum von Themen, bei denen man dann immer wieder auf die Größenordnungen in China stieß, so zum Beispiel bei den Quantitäten der Ausbildung von Zollbeamten nach der Öffnung des Landes über die Lage der wenigen bestehenden Grenzübergänge hinaus. Insgesamt zeigte sich, dass man jenseits direkter Verwaltungshilfe auf konzeptionelle Unterstützung in relevanten Feldern etwa beim Aufbau von Patentämtern zum Schutz geistigen Eigentums verwiesen war. In Vietnam stieß man auf eine ganz andere Situation erster Versuche der Kooperation mit dem westlichen Ausland etwa beim Aufbau einer modernen Textilindustrie. Die weitere Entwicklung der öffentlichen Verwaltung und ihrer Aufgaben war offen. Meine Partner waren in erster Linie an einer Einschätzung der realsozialistischen Kaderverwaltung – mit Spaltung der Reaktionen –, an Erfahrungen mit der Transformation in Deutschland und den Perspektiven der westlich-modernen Verwaltung interessiert. Über solche konzeptionelle Fragen hinaus konnte man sich damals allenfalls eine Unterstützung beim Umbau der Ausbildung für den Verwaltungsdienst vorstellen. In der Mongolei ging es so von vornherein um die Umwidmung der alten Kaderschule in eine Stätte der Ausbildung und Weiterbildung für
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einen modernen öffentlichen Dienst, wobei man sich nachfolgend an der Speyerer Hochschule zu orientieren suchte. Hinzu kam die Nachfrage zu einer Unterstützung bei der Gesetzgebung von den zivilrechtlichen Materien an. Die Privatisierungsdiskussion der 1990er wurde durch den Zusammenbruch des Ostblocks und der staatlichen Planwirtschaft wie des sozialistischen Eigentums an Produktionsmitteln und durch die damit verbundenen erhöhten Erwartungen an Markt und Privatunternehmen ausgelöst. In akademischen Kreisen ging es dabei um die Abgrenzung öffentlicher Aufgaben, öffentlicher Güter; in der wirtschaftspolitischen Praxis hatte man bestimmtes industrielles Staatsvermögen im Auge. Insoweit war auch das Ende des Kalten Krieges bedeutsam. Man fragte sich, ob gewisse Sicherheitsindustrien weiterhin in Staatshand verbleiben sollten. Bemerkenswert ist, dass die Gespräche in Länder mit so unterschiedlichen politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen wie Mexiko und Singapur oder Israel und Ägypten führten. Vielerorts wurde allerdings das Thema der Privatisierung alsbald zu den Akten gelegt. Es fehlte die ordnungspolitische Bewegungskraft, und man gab sich mit dem Status quo zufrieden.
III. Governance Globalisierung und Europäisierung haben es mit sich gebracht, dass die Machtverhältnisse in der Welt und auf dem alten Kontinent und dann die Herrschaftsverhältnisse als institutionell geordnete Macht im Staatsbegriff nicht mehr umfassend reflektiert werden können. In der Globalisierungsdebatte hat man es unternommen, die Beherrschung der geänderten Verhältnisse, einer entgrenzten Wirtschaft, eines reisenden Terrorismus, fernwirkender Umweltzerstörungen usw. mit der Kategorie der „Global Governance“ zu erfassen. Governance wird hiernach als die Gesamtheit der zahlreichen Wege definiert, auf denen Individuen sowie öffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Es handle sich um einen kontinuierlichen Prozess, durch den kontroverse oder unterschiedliche Interessen ausgeglichen würden und kooperatives Handeln initiiert werden könne. Der Begriff umfasse sowohl formelle Institutionen und mit Durchsetzungsmacht versehene Herrschaftssysteme als auch informelle Regelungen, die von Menschen und Institutionen vereinbart oder als im eigenen Interesse liegend angesehen werden. (Commission on Global Governmance 1995). Der Governancebegriff ist auch auf der supranationalen Ebene der europäischen Integration aufgegriffen worden. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften definiert Governance als Regeln, Verfahren und Verhaltensweisen, welche die Art und Weise kennzeichnen, wie auf europäischer Ebene Befugnisse ausgeübt werden (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2001). Der Kommission geht es hierbei um die Verbesserung der Funktionstüchtigkeit der Organe der Europäischen Union. Fünf Grundsätze sollen dazu anleiten: Transparenz der Arbeit und der Entscheidungen, Partizipation interessierter Akteure wie Bürger, Unternehmen,
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H. Supranationale und internationale Verwaltung
Gemeinden usw., Verantwortlichkeit mit klarer Aufgabenverteilung und Befugniszuweisung, Effektivität bis hin zur Frage der Akzeptanz, schließlich Kohärenz als Stimmigkeit und Nachvollziehbarkeit bis hin zum Vollzug. Im Blick auf den Staat und seine Binnensphäre ist der Ausdruck Governance bereits Ende der 1980er Jahre verwendet worden, und zwar mit Bewertungen wie „bad“ oder „poor“ (World Bank 1989). Governance wird in diesem Kontext als „the exercise of political power to manage a nations affairs“ definiert. In Umkehrung festgestellter Mängel entwickelte die Weltbank hiernach eine positive entwicklungspolitische Strategie, nämlich die einer „Good Governance“ (World Bank 1992). Als strategische Bereiche werden bezeichnet: das „Public Sector Management“ als Leistungssteigerung und verbesserte Steuerung im öffentlichen Sektor, die Verantwortlichkeit als Festlegung von Zuständigkeiten, Rechenschaftspflichten und Kontrollen, die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung, die Transparenz des öffentlichen Sektors. Auch im Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen wird hiernach der Staat als Begriffsinhalt einer Rekonzeptualisierung von Governance angesehen (United Nations Development Programme 1997). Es geht um die Ausübung politischer, wirtschaftlicher und administrativer Autorität für die Steuerung aller nationalen Angelegenheiten, wobei funktionale wie prozedurale Aspekte betont werden. Vier Sphären werden bezeichnet: „Economic Governance“ wird auf die Entscheidungsverfahren in den wirtschaftlichen Aktivitäten eines Landes bezogen; „Political Governance“ meint die Form der Entscheidungsfindung und Politikgestaltung im Staatswesen; „Aministrative Governance“ steht für das System einer effizienten, eigenständigen, verantwortlichen und transparenten Politikimplementierung; „Systemic Governance“ bezieht sich schließlich auf die Summe der Verfahren und Strukturen einer Gesellschaft zum Schutze kultureller Werte, zur Befriedigung von Grundbedürfnissen und zur Verbesserung von Lebensbedingungen. Der Governancebegriff ist in seiner internationalen Karriere unter vielfältige intellektuelle Einflüsse geraten: aus der Politischen Wissenschaft, den ManagementModellen, der Institutionenökonomik, dem internationalem Recht und anderem. Er hat sich zu einer ubiquitären Kategorie entwickelt, nämlich in allen territorialen Ebenen, in den ausdifferenzierten gesellschaftlichen Subsystemen, in den Sektoren öffentlichen Handelns usw. (Benz 2007). Governance-Ansätze finden heute in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vielfältige Anknüpfungspunkte. Governance ist in unterschiedlicher Weise beschrieben worden. So ist verwiesen worden auf die Form des politischen Regimes, auf den Prozess, durch den Autorität in Lenkung und Leitung von Wirtschaft und sozialen Ressourcen eines Landes für die Entwicklung ausgeübt wird, auf die Kapazität der Regierung, Sachpolitiken zu entwickeln, zu formulieren und zu vollziehen. Lässt man hiernach die vielseitigen Vermischungen mit dem Managementbegriff und den Managementfunktionen beiseite, dann geht es bei Governance im Kern um Macht, Regelungsmacht, Steuerungsmacht, Machtausübung. Sieht man jenseits
III. Governance
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individuellen Verhaltens auf die Bündelung von Interaktionen und Kommunikation in wirklich maßgeblichen Institutionen, dann erreicht man die Herrschaftsfrage als institutionell geordnete Macht. Damit ist noch nichts über die Qualität der Herrschaft gesagt. Insoweit gibt es eben auch einfache Bewertungen wie „bad“ und „good“. Um anderes geht es beim gescheiterten Staat – „failed state“ –, bei dem die grundlegenden Institutionen nicht mehr funktionieren. Für sich bleibt der Governancebegriff indessen blass. Er bedarf der Zusammensetzung mit Begriffen, die einen Gegenstandsbereich der Macht- und Herrschaftsausübung bezeichnen, um Probleme identifizieren zu können. Dem entsprechen sinnstiftende Verbindungen wie eben „Global Governance“ oder „Europäische Governance“. Einschlägige Probleme der öffentlichen Verwaltung könnte man so wie die Vereinten Nationen mit der Kategorie der administrative Governance zu erfassen suchen. Die Begriffsbildung ist wissenschaftstheoretisch gesehen ein diffiziles Unterfangen (Mittelstraß 2004). Für das Unternehmen einer integrativen Verwaltungswissenschaft bieten sich mehrere Bezugsquellen an. So kann man einerseits auf bewährte Begriffe der verwaltungsrelevanten Fachwissenschaften zurückgreifen. Die Kategorie der Rechtsstaatlichkeit macht das anschaulich. Es handelt sich hierbei um einen Grundbegriff, der die fundamentale Bedeutung des Rechts für Staat und Verwaltung mit einem breiten Begriffsumfang bezeichnet: Bindung an Recht, Verfassung und Gesetz, Grundrechte, Gewaltenteilung, Rechtssicherheit, gerichtlicher Rechtsschutz und anderes mehr. Für den angloamerikanischen Raum ist insoweit auf die Rule of Law zu verweisen. Diese hat eine andere Vorgeschichte als das Rechtsstaatsprinzip, wird nicht eigenständig, sondern als Emanation des Demokratieprinzips angesehen, entspricht der Rechtskultur des Common Law und unterscheidet sich in einer Reihe von Aspekten vom Rechtsstaatsprinzip. Jedoch ist beiden Grundsätzen das Verständnis gemeinsam, dass die öffentliche Verwaltung auf dem Fundament des Rechts beruht; und dies ist nicht nur eine rechtsdogmatische Frage, sondern auch für den systemischen Institutionalismus einer integrativen Verwaltungswissenschaft bedeutungskräftig. Auf der anderen Seite kann man sich mit einem verwaltungswissenschaftlichen Ansatz auf das Feld der Begriffsschöpfung begeben. Das ist angesichts des Begriffsreichtums der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften kein einfaches Unterfangen. Belastbar gelingt es wohl vor allem noch in der Zusammensetzung von Begriffen, wie zum Beispiel „brauchbare Illegalität“ (Luhmann 1964b). Mit dieser Formel mag man auf einen empirischen Befund hinweisen. Sie taugt aber nicht als Leitgedanke einer rationalen Verwaltung. Es bleibt der Zugriff auf die Begriffswelt einer anderen Verwaltungskultur. Hier bietet der Management-Begriff den für die deutschen Verhältnisse signifikanten Anschauungsfall. Er ist in seinem breiten Begriffsumfang und seinem schmalen Begriffsinhalt aus der US-amerikanischen Begriffsgeschichte kommend auch in Deutschland vielerorts in Wissenschaft und Praxis gebräuchlich.
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H. Supranationale und internationale Verwaltung
Anders ist die Begriffsbildung von Governance verlaufen. Die Benutzung dieser Kategorie hat sich im Kontext der Diskussionen in internationalen Organisationen verfestigt, wobei neben den genannten Institutionen insbesondere noch auf die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu verweisen ist (Speer 2002). Sieht man im Begriffskern von Governance die Macht-, Herrschafts-, Regelungs- und Steuerungsverhältnisse, dann stellt für den öffentlichen Sektor die Frage, ob diese Kategorie der einschlägigen Begrifflichkeit von Staat und Regierung entgegenzuhalten ist. Da diese auf die Bewährung in einer langen Begriffsgeschichte verweisen können und internationl nach wie vor den Sprachgebrauch bestimmen, wird man nicht von einer Alternative sprechen können. Soll der Governancebegriff mehr als ein Modebegriff sein, muss sein Mehrwert gegenüber dem Tradierten begründet werden. Der erste Grund ist die innovative Aufdeckung von Herrschafts- und Machtverhältnissen auf Gebieten, auf denen sie herkömmlich wenig diskutiert worden sind. Ein Beispiel dafür ist die Begriffsbildung von Corporate Governance. Herkömmlich wird das Regelungs- und Steuerungswerk von privatwirtschaftlichen Unternehmen mit Einbeziehung von börsennotierten Aktiengesellschaften als durch das geltende Recht bestimmt angesehen, also durch das einschlägige Gesellschaftsrecht und benachbarte Materien wie das Börsenrecht. Da der Gegenstand so positivierter Regeln nicht zuletzt die Beherrschung des Unternehmens betrifft, mag man diese auch als geronnene Macht begreifen. Heute haben Entgrenzungen der Globalisierung und Europäisierung und weiter Unternehmenszusammenbrüche, Börsenskandale, Finanzkrisen, Korruption usw. die Probleme der Beherrschung von Unternehmen in komplexen und dynamischen Zusammenhängen hervortreten lassen. Mit der kategorialen Erfassung als Corporate Governance rückt das Unternehmen über seine Rechtsförmigkeit in eine erweiterte und zugleich spezifische Betrachtung, und zwar im Kontext von Steuerung, Regelung, Kontrolle, Beherrschung. Es gibt weltweit wie in Deutschland zahlreiche Corporate Governance-Kodizes, die die einschlägigen Fragen thematisieren und als Selbstverpflichtungen über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen. Ein weiterer Vorzug des Governance-Begriffs ist der Zugang zur Informalität. Zwar lässt sich das Informale in zusammengesetzten Begriffen wie der informale Rechtsstaat zum Ausdruck bringen (Bohne 1981). Aber hier kann man auf Vorbehalte stoßen, wenn dahinter illegitime Kräfte vermutet werden. Governance ermöglicht eine voraussetzungsfreie Betrachtung einschlägiger Probleme. Wenn zum Beispiel die Wissenschaftspolitik monokratische Strukturen in der Leitung von Forschungsinstituten bevorzugt, weil sie davon mehr Effizienz der Leistungen erwartet, zugleich aber die „Fellows“ des Instituts den gleichen akademischen Status wie dessen Direktor haben, dann kann unter dem Vorzeichen von Governance gefragt werden, ob Leitungsentscheidungen nicht auch in informaler Weise kollegial getroffen werden.
III. Governance
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Ein Mehrwert des Governancebegriffs liegt schließlich in seiner internationalen Anschlussfähigkeit. Das betrifft nicht nur supranationale und internationale Organisationen. Auch in Bezug auf nationale Verwaltungen wird vielerorts von Governance gesprochen. In der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Länder der Dritten Welt bedeutet das, dass es über den akademischen Raum hinaus auch um eine praktische Verständigung geht (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit 2004). Indessen bleibt die Anschlussfähigkeit von Konzepten einer legalistischen Verwaltung und eines klassischen Verwaltungssystems in einer angloamerikanisch bevorzugten Moderne ein vielschichtiges und diskussionswürdiges Problem.
I. Verwaltungswissenschaftliche Forschung I. Vorverständnis Wenn die Methodenlehre der Rechtswissenschaft von „Vorverständnis und Methodenwahl“ spricht, dann meint sie die Rechtsfindung in der Anwendung von Normen auf Lebenssachverhalte (Esser 1972). Es wird auf Vorbedingungen der Rechtserkenntnis verwiesen. Überträgt man den Gedanken des Vorverständnisses auf die Wissenschaftstheorie, nämlich auf die Anwendung von Methoden auf den Erfahrungsgegenstand, dann verlässt man ein bipolares Schema der Wissenschaftlichkeit. Über die Methode wird nicht dezisionistisch entschieden. Vorbedingungen wissenschaftlicher Forschung geraten ins Blickfeld. Die Methodenwahl selbst wird zum Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion. Im Rückblick auf die 1960er und 1970er Jahre zeigt sich, wie stark die verwaltungswissenschaftliche Forschung von der verwaltungswissenschaftlichen Lehre mitgeprägt ist. Dem Forschungsprojekt „Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft“ war im Grunde nur vorgegeben, dass es wegen der kulturellen Unterschiede nicht um eine bloße Rezeption von Lehren des US-amerikanischen Studienfachs Public Administration, sondern um eine Entwicklung aus der Tradition verwaltungsrelevanter Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auf deutschem Boden ging. Die Verknüpfung der Forschung mit der Lehre stellte der integrativen Verwaltungswissenschaft dann weitere Vorbedingungen. Zunächst gab es für beide Aufgaben eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Die Multidisziplinarität verwaltungsrelevanter Wissenschaften blieb anerkannt und sollte nicht abgelöst werden. Es war nicht zu übersehen, dass der wissenschaftliche Fortschritt nach Ende der gesamten Staatswissenschaft in der Differenzierung von Fachwissenschaften lag. So hatte sich etwa die Verwaltungsrechtswissenschaft in der frühen Bundesrepublik bemerkenswert weiterentwickelt (Kremer 2017). Auch das Desiderat, dieser historisch dominierenden „Sollens“-Wissenschaft eine komplementäre „Seins“-Wissenschaft beizufügen, stellte sich gemeinsam. Schließlich war es gerade der Umstand, dass man in Speyer die öffentliche Verwaltung und ihr Umfeld in der Vielfalt rechts-, wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Fächer studieren konnte, der zu der Frage führte, ob man die Hörer mit den Mosaiksteinen disziplinärer Erkenntnisse entlassen konnte, um es ihnen selbst zu überlassen, wie sie sich ihr Weltbild von diesem Phänomen zusammensetzten. Das Problem einer Integrationswissenschaft stellte sich also auch hier. Die damalige Hörerschaft der Hochschule Speyer bestand aus Rechtsreferendaren, die ein verwaltungswissenschaftliches Ergänzungsstudium als Ausbildungs-
I. Vorverständnis
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station absolvierten. Sie hatten nicht nur ein rechtswissenschaftliches Studium mit einem Staatsexamen abgeschlossen, sondern auch in anderen Stationen praktische Erfahrungen gesammelt. Insbesondere die Besucher der Vorlesung „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ hatten den höheren Verwaltungsdienst als Beruf vor Augen. Man konnte sich insoweit nicht dem Pragmatismus der Nutzenfrage entziehen. Das wirkte sich auch auf die Perzeption des Erfahrungsgegenstandes aus. Man konnte nicht abstrahierend von den Verhältnissen in der Bundesrepublik Organisationsformen und Verfahrensgestaltungen vortragen, um am Ende die Frage aufzuwerfen, ob die deutsche Verwaltung einen „Sonderweg“ eingeschlagen habe (Seibel 2016). Für die Zwecke einer Vorlesung mag es genügen, den Lehrstoff didaktisch festzulegen. Wenn es aber wie hier um die Auswirkungen der Lehre auf ein langfristiges Forschungsprojekt geht, bedarf es einer sachlichen Bestimmung des Ortes der öffentlichen Verwaltung in Raum und Zeit. Und hier zeigt sich, dass die moderne Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten trotz Europäisierung und Globalisierung zuerst nationalstaatlich – hier im Sinne politischer Organisation – zu verstehen ist. Im deutschen Falle wäre man eher noch geneigt, auf die den Bundesländern eigene Binnendifferenzierung zu achten. Dazu gehört die historische Entwicklung der Verwaltung in den Teilstaaten auf deutschen Boden, der nachfolgende Aufbau der Reichsverwaltung, die fortbestehende Formenvielfalt der Verwaltung im Föderalismus, wie sie sich bei der deutschen Wiedervereinigung erneut gezeigt hat. Entsprechend gibt es die Meinung, dass die Verwaltung in Deutschland nur landesspezifisch und dann im Ländervergleich zu lehren sei (Lecheler 1988). Auf der anderen Seite kann dann darauf verwiesen werden, dass es auch Isomorphien jenseits nationalstaatlicher Ausprägungen gibt. Das Konzept der napoleonischen Verwaltung war nicht nur für Frankreich maßgeblich, sondern auch für Belgien, Italien, Griechenland, Polen und andernorts wie in Bayern einflussreich. Indessen zeigt gerade die Nachbarschaft zu Frankreich, wie es zu einem eigenen „Deutschen Verwaltungsrecht“ kam (Mayer 1895/1896) und wie sich dann die deutsche öffentliche Verwaltung als Ausgangsort einer integrativen Verwaltungswissenschaft verstehen lässt. Dabei war von vornherein einsichtig, dass der wissenschaftliche Fragehorizont über diese Sphäre hinaus auszuweiten ist. Das konnte man auch in Gesprächen zum Forschungsvorhaben „Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslands (Ule/Becker/König 1967) und zur amerikanischen Verwaltung mit Fritz Morstein Marx (1963a) lernen. Unter solchen Prämissen konnte man in den 1960er und 1970er Jahren annehmen, dass sich die Verwaltungswissenschaft in einem Integrationsprozess zu einer Disziplin entwickeln würde. Unabhängig von jeweiligen finalen Vorstellungen war aber klar, dass zum Vorverständnis einer integrativen Verwaltungswissenschaft die transdisziplinäre Forschung gehört. Die Wissenschaftstheorie verbindet mit den Kategorien von Disziplinarität, Interdisziplinarität, Transdisziplinarität weniger die Bestimmung von Kernbereichen der Wissenschaftsentwicklung, vielmehr die
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I. Verwaltungswissenschaftliche Forschung
Grenzziehung zwischen den Fächern. Unter Interdisziplinarität versteht man so die Modi der Lehre und Forschung, bei den man sich gegenüber Nachbarfächern öffnet, aber an den eigenen Fachgrenzen festhält. Transdisziplinarität bedeutet demgegenüber eine Wissenschaftsform, bei der Fachgrenzen aufgehoben und die wissenschaftliche Kapazität für Perzeption und Problemlösung durch eine eigene Wissenschaftsprogrammatik erweitert wird. Damit wird ein wissenschaftstheoretisches und forschungspraktisches Programm verbunden, das dort, wo die Wissenschaft an problemlösender Kraft wegen der Spezialisierung eingebüßt hat, disziplinäre Engführungen zugunsten einer Erweiterung wissenschaftlicher Wahrnehmungsfähigkeit und Problemlösungskompetenzen wieder aufgehoben werden (Mittelstraß 1996). Regierung und Verwaltung sind im Trennungsdenken der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eine klassische Sphäre solcher Engführungen. Denn Regierende und Verwalter kommunizieren mit vielen Medien, so auch mit Recht – wie ein Jurist –, mit Geld – wie ein Ökonom –, mit Macht – wie ein Politologe –, und zwar nicht nur jeweils für sich, sondern in vielen Fällen in der Verbindung dieser Kommunikationsmedien. Im Verwaltungsalltag ist es die praktische Vernunft einer professionalisierten Moderne, die es regelmäßig ermöglicht, multimediale Probleme zu lösen. Ein signifikantes Beispiel dafür ist der Kabinettsvermerk, den die Ministerialverwaltung der politischen Spitze der Exekutive vorlegt. An vorderer Stelle steht im Kabinettsvermerk das Politische. Zuerst wird das Regierungsvorhaben als Sachpolitik – „policy“ –, als verkehrspolitisches, sozialpolitisches usw. Projekt auf den Punkt gebracht. Sodann geht es um Machtpolitik – „politics“ –. Auch von einem Ministerialbeamten wird erwartet, dass er politische Unterstützung wie Widerstand einzuschätzen weiß. Probleme der politischen Ordnung – „polity“ – werden in einer legalistischen Kultur regelmäßig als Verfassungs- und Rechtsfragen erörtert. Das Politische zeigt sich aber dann, wenn nicht wie üblich von juristischen Bedenken, sondern von rechtlichen Risiken die Rede ist. Kabinettsvermerke enthalten volkswirtschaftliche wie betriebswirtschaftliche Bewertungen, also etwa zur Wirkung auf dem Arbeitsmarkt bzw. zur Kostenüberwälzung auf Unternehmen. Sie nehmen gesellschaftspolitisch Stellung, zum Beispiel zu Akzeptanzproblemen. Insgesamt reflektieren sie die jeweiligen politischen, rechtlichen, ökonomischen, sozialen Relevanzen, und zwar jenseits der Arbeit des individuellen Beamten als Leistung institutionalisierter Intelligenz. Spätestens aber wenn die Verwaltung selbst zur Diskussion steht, zeigt sich, dass auch zusätzlicher disziplinärer Rat nur begrenzt weiterhilft. Diese Grenzen hat bereits Frido Wagener (1969) mit seiner transdisziplinären Forschung zur territorialen Neugliederung der Verwaltung früh überschritten. Von da an kann man feststellen, dass insbesondere bei Reformen und Modernisierungen der öffentlichen Verwaltung in Deutschland wissenschaftliche Beratung jenseits von Disziplinen gefragt ist. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist das synthetische Studienfach Public Administration ohnehin mit der Entwicklung der dortigen Verwaltung verknüpft
I. Vorverständnis
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(McCurdy 1977). Systemische Veränderungen in Staat und Verwaltung wie die Institutionenbildung in Entwicklungsländern und die Transformation des sozialistischen Staates und seiner Kaderverwaltung entziehen sich überhaupt den wissenschaftlichen Fachgrenzen. Selbst eine Welt-„Bank“ kann sich nicht auf das Ökonomische reduzieren, wenn sie über den Staat in einer sich wandelnden Welt berichtet. Die transdisziplinäre Forschung wird in der akademischen Welt unterschiedlich eingeschätzt. In den Naturwissenschaften ist sie eine Selbstverständlichkeit, ob Nanotechnologie, Quantenmechanik, Neurophysiologie usw. (Mittelstraß 2003). Wenn die Natur nicht zwischen Physik, Chemie, Biologie unterscheidet, warum sollte sich der Naturforscher an solche Grenzen halten. Das habe ich schon in den 1960er Jahren beobachtet, als ein befreundeter Doktorand der Biologie auf dem Grenzgebiet von Botanik und Nuklearphysik arbeitete. Das bedeutet freilich nicht, dass es keine guten Gründe gibt, an solchen klassischen Disziplinen als universitären Studienfächern festzuhalten. Außerhalb der Naturwissenschaften muss die transdisziplinäre Forschung mit Skepsis rechnen (Bergmann/Schramm 2008). Für viele scheint die Welt wissenschaftlicher Erkenntnis durch den Kanon bestehender Disziplinen abgedeckt. Entsprechend wird der Begriff der Transdisziplinarität nur begrenzt in Anspruch genommen, so insbesondere auf Gebieten des Umweltschutzes, des Klimawandels, der Nachhaltigkeit (Balsinger 2005). Kriminologie und Verhaltensökonomik sind insoweit noch interessante Ansätze, demographischer Wandel und Globalisierung relevante Gegenstände. Überdies gibt es viele akademische Orte, die Überschreitungen disziplinärer Grenzen nahelegen, zum Beispiel eine Akademie für Raumordnung und Landesplanung. Hier begegnen sich Wissenschaftler ökonomischer, juristischer, geographischer und anderer Fächer mehr mit Praktikern der Stadtplanung, der Raumordnung, der Regionalpolitik usw. Letztere arbeiten auf Plätzen, bei denen Gesetz und Recht, Wirtschaft und Finanzen, Sachkompetenz und Autorität zusammenkommen. Das löst die Frage aus, ob nicht durch transdisziplinäre Forschung ein Mehrwert auch für die Raumwissenschaften geschaffen werden kann. Man bezweifelt, ob die aktuellen gesellschaftlichen Fragen durch eine noch stärker ausdifferenzierte Wissenschaft gelöst werden können. Man sieht in interdisziplinären und transdisziplinären Ansätzen einen auch für die Raumwissenschaften vielfältig nutzbaren Fundus, der aktiv für die Entwicklung von neuen Sichtweisen, Methoden, neuem Wissen und Handeln genutzt werden sollte. Man räumt transdisziplinären Ansätzen einen Mehrwert gegenüber konventionellen Forschungsformen ein. Man weist freilich auch auf die Schwierigkeiten transdisziplinärer Forschung und ihres Verständnisses unter heutigen akademischen Bedingungen hin (Weith/Danielzyk 2016). In den Raumwissenschaften ist diese Diskussion mit dem Desiderat einer transformativen Wissenschaft verbunden. Mit diesem Begriff bezieht man sich auf das Verhältnis der Wissenschaft zu konkreten gesellschaftlichen Anliegen
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I. Verwaltungswissenschaftliche Forschung
(Schneidewind 2016). Es geht um eine Wissenschaft, die konkrete Veränderungsprozesse begleitet, die sich ihrer Wirkung insoweit bewusst ist, diese zu einem Teil ihres Programms macht und weiter sich selbst in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft transformiert. Gesellschaftliche Herausforderungen und Wissenschaftsprozesse gelten als verwoben. Das wirft die Frage auf, wie es sich mit dem in der Praxis generierten Wissen verhält. Die disziplinäre Forschung baut auf den Wissensbeständen ihres Faches auf und intendiert, durch weitere eigene Erkenntnisleistungen einen wissenschaftlichen Fortschritt zu erreichen. Praxiswissen wird allgemein als Gegenstand der Forschung angesehen. Eine Ausnahme ist dabei die Rechtswissenschaft, soweit sie von der Einheit des juristischen Denkens ausgeht (Raiser 1964) und etwa in der Interpretationslehre zumindest den Richter dem Rechtslehrer gleichstellt (Ehmke 1963). Die transdisziplinäre Forschung befindet sich in einer anderen Ausgangslage. Sie baut nicht auf den Wissensbeständen eines Faches auf, sondern auf denen jener Disziplinen, die für ihr Wissenschaftsprogramm relevant sind. Der angestrebte wissenschaftliche Fortschritt ist in erster Linie in der integrationswissenschaftlichen Leistung zu sehen. Das schließt es nicht aus, dass auch selbstreferentielle Erkenntnisse erbracht werden. Transdisziplinarität beruht auf dem Grundgedanken, durch Aufhebung von Fachgrenzen und disziplinären Engführungen die wissenschaftliche Wahrnehmungsfähigkeit und Problemlösungskapazität zu stärken. Im Falle der integrativen Verwaltungswissenschaft ist zu bezweifeln, ob das gelingen kann, indem man das in der öffentlichen Verwaltung generierte Wissen bloß als Gegenstand behandelt. Verwaltungshandeln erfolgt in der okzidentalen Moderne in einem rationalen Prozess, nämlich durch die Kombination von Mitteln zu Zwecken oder der Subsumtion von Sachverhalten unter Normen. Überdies sind die Leiter der Verwaltung wissenschaftlich ausgebildet und unterliegen oft den Handlungsbedingungen einer wissenschaftlichen Zivilisation. Schließlich relativieren in öffentliche Angelegenheiten die Leistungen von Statistischen Ämtern, das Ausmaß der wissenschaftlichen Beratung von Politik und Verwaltung, die Wissenssammlungen von Stiftungen und Denkfabriken manches in der Beziehung von Wissenschaft und Praxis. Der transdisziplinären Forschung und hier der integrativen Verwaltungswissenschaft ist zuzubilligen, dass zumindest Bestandteile des in der Praxis generierten Wissens nicht als Gegenstand zu behandeln, sondern zusammen mit wissenschaftlichen Wissen in den Integrationsprozess einzubeziehen sind. Wissen aus verschiedenen Disziplinen und Praxisbezügen sind in ein kognitives Ganzes zusammenzufassen (Bergmann/Schramm 2008). In diesem Sinne beruhte bereits die „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ der 1970er Jahre auch auf den Konzepten der Verwaltungsreform dieser Zeit. Und in der Folge hat sich gezeigt, dass es die intellektuellen Anstrengungen der Praxis von Verwaltungsmodernisierungen, Verwaltungsentwicklungen, Verwaltungstransformationen war, die die Wissenschaft oft erst auf ihre Engpässe auf-
II. Methodenwahl
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merksam gemacht hat. Durch die Einbeziehung von Praxiswissen in den wissenschaftlichen Integrationsprozess erhält auch der Pragmatismus eine breitere Perspektive. Es geht um mehr als eine Nützlichkeitsfrage, die die Grundlagenforschung ohnehin nicht bedingungslos hinnehmen kann. Auch wird praktisches Handeln nicht über theoretische Vernunft gestellt. Vielmehr wird Praxiswissen einer rationalen Verwaltung zusammen mit Wissenschaftswissen Grundlage weiterer wissenschaftlicher Erkenntnis.
II. Methodenwahl Die primäre Aufgabe der transdisziplinären Forschung ist es, den dem jeweiligen Gegenstand – hier der öffentlichen Verwaltung – zuzuordnenden Wissensstoff zu integrieren. Der schwierigen Stellung der Transdisziplinarität im Trennungsdenken von Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist zuzurechnen, dass sich weder für diese Forschung allgemein (Pohl/Hirsch Hadorn 2008) noch für die Integrationsproblematik im Besonderen (Thompson Klein 2008) ein Methodik entwickelt hat, aus der man einschlägige Vorgehensweisen einfach entnehmen könnte. Freilich bestehen solche Bemühungen, etwa das Konzept eines Reallabors als Quelle für die Methodik transdisziplinären und transformativen Forschens (Defila/De Giulio 2018). Es gibt eine Reihe von transdisziplinären Fallstudien mit der Frage, was aus solchen Studien zu lernen ist (Hirsch Hadorn u. a. 2008). Bemerkenswert ist der Versuch, Integrationsmethoden aus Beispielen transdisziplinärer Forschung herauszufiltern (Bergmann 2010). Genannt werden: Integration durch Begriffsklärung und theoretische Rahmung; Integration durch Forschungsfragen und Hypothesenbildung; Sichtung, Nutzung, Neu- und Weiterentwicklung integrativ wirksamer wissenschaftlicher Methoden; integrativ wirkende Bewertungsverfahren; Integration durch Entwicklung und Anwendung von Modellen; Integration durch Artefakte, Dienstleistungen und Produkte; integrative Verfahren der Forschungsorganisation. Unter solchen Methoden wird man auch mögliche Vorgehensweisen einer integrativen Verwaltungswissenschaft entdecken, so etwa ein Modelldenken zur räumlichen Neugliederung der Verwaltung, das politikwissenschaftliche wie wirtschaftswissenschaftliche Kriterien erfasst, oder eine Gesetzesfolgenabschätzung, die nicht nur kausal Wirkungen und Nebenwirkungen aufzeichnet, sondern auch die Dynamik des Rechts, insbesondere Entwicklungen der Rechtsprechung berücksichtigt. Im Grunde ist man bei der transdisziplinären Forschung aber vom jeweiligen Wissenschaftsprogramm, seinen Erkenntniszielen, seinem Vorverständnis, seinem Fragehorizont usw. abhängig, hier einer Verwaltungswissenschaft vom Allgemeinen der öffentlichen Verwaltung, die mit einem Leistungsspektrum von Forschung, Lehre mit Einschluss von Berufsausbildung wie Weiterbildung des höheren Verwaltungsdienstes und wissenschaftlicher Beratung verbunden ist. Die neuere Wissenschaftstheorie sieht Transdisziplinarität nicht zuerst in einem theoretischen, sondern in einem forschungspraktischen, das heißt operationellen
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I. Verwaltungswissenschaftliche Forschung
Sinne konkret werden (Mittelstraß 1993). Transdisziplinarität gilt insofern auch in erster Linie als Forschungsprinzip, erst in zweiter Linie, wenn auch die Theorien transdisziplinären Forschungsprogrammen folgen, als ein Theorieprinzip. Man kann sich hiernach für integrationswissenschaftliche Intentionen nicht einfach von vornherein an eine Theorie anlehnen oder einer Methode anschließen. Der operationelle Charakter der integrationswissenschaftlichen Arbeit hat zur Folge, dass man auf Gestaltung und Formgebung angewiesen ist, ohne auf ein Methodenhandbuch zurückgreifen zu können. Es bedarf eines dem Wissenschaftsprogramm angemessenen Forschungsdesigns. In diesem Sinne wurde die integrative Verwaltungswissenschaft nicht aus einer großen Theorie abgeleitet. Das Leitkonzept des systemischen Institutionalismus ergab sich in seiner theoretisch-methodologischen Qualität aus den operativen Anforderungen des Wissenschaftsvollzugs. So war bei der Bestimmung einer verwaltungswissenschaftlichen Grundeinheit auf die Ausdehnung der öffentlich verwalteten Welt und damit auf einen angemessen Abstraktionsgrad zu achten. Mit dem Institutionalismus wurde auf ein soziales Phänomen abgestellt, das schon für sich aggregierend wirkt, nämlich in der Emanation von sozialen Gebilden, Regulativen, Mitgliederrollen, Organisationseinheiten usw. Die Bewährung des Institutionalismus als operatives Konzept einer Integrationswissenschaft liegt dann freilich darin, dass diese Kategorie nicht an eine Disziplin gebunden ist, sondern zur Begrifflichkeit der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften allgemein gehört. In der Rechtswissenschaft ist das Konzept der Institution insbesondere mit dem Werk von Maurice Hauriou (1965) verbunden. Der Kontext von Institution und Recht führte im 20. Jahrhundert international zu einer breiten rechtstheoretischen Diskussion (Schnur 1968). Die Anbindung an die Rechtsdogmatik erfolgte unterschiedlich. Im deutschen Fall ist vor allem auf die Lehre von der institutionellen Garantie zu verweisen (Schmidt-Jortzig 1979). Hiernach gewährleistet die Verfassung neben den Grundrechten auch den Bestand bestimmter Einrichtungen wie die kommunale Selbstverwaltung oder das Berufsbeamtentum mit seinen hergebrachten Grundsätzen. In der Privatsphäre spricht man auch von Institutsgarantien, womit Einrichtungen wie Ehe und Familie, Eigentum und Erbrecht gemeint sind. In der Methodenlehre der Rechtsfindung begegnet man Zurückhaltung gegenüber dem Institutionalismus (Esser 1972). Das gilt auch für die Rechtsfigur der Einrichtungsgarantie (Waechter 1996). Hingegen ist die Relevanz des Institutionalismus für die Rechtstheorie (Schnur 1965) und dann die Rechtssoziologie (Schelsky 1968) belegt. Insoweit erweist sich die Rechtswissenschaft an eine integrative Verwaltungswissenschaft anschlussfähig. Denn der integrationswissenschaftliche Prozess knüpft nicht bei der Rechtsdogmatik an. Es geht nicht um das Meinungsdenken zur Richtigkeit im Recht. Die Kompatibilität stellt sich auf der Metaebene der Strukturen und Funktionen rechtsbewehrter Institutionen her. Auch in den Wirtschaftswissenschaften ist der Institutionalismus eine Lehre mit Tradition, die sich bereits aus der Historischen Schule der Nationalökonomie in
II. Methodenwahl
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Deutschland erschließen lässt. Explizit war er dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Richtung der US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaft, nach der das ökonomische Verhalten wesentlich durch die institutionelle Umwelt geformt wird, in dem es sich vollzieht (Penz/Wilkop 1996). Heute ist es die Neue Institutionenökonomik (Williamson 1990), die in den verwaltungswissenschaftlichen Integrationsprozess einzubeziehen ist. Dieser wirtschaftswissenschaftliche Ansatz bringt im Unterschied zu anderen ökonomischen Schulen das Institutionelle wieder ins Spiel, zeigt, wie Institutionen wirtschaftliches Handeln ermöglichen wie begrenzen und bündelt eine Reihe von Theorien, die auch für die Verwaltungswissenschaft, und zwar auch jenseits ihrer monetär-ökonomischen Bedeutung relevant sind. Zu nennen ist zum Beispiel die Principal-Agent-Theorie, die sich mit der Informationsasymmetrie zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer mit dessen Informationsvorsprung befasst. Dieses Spannungsverhältnis lässt sich auch auf Exekutivpolitiker und Ministerialbeamte übertragen. Mit dem Hierarchieprinzip lassen sich solche Informationsprobleme nicht vollständig lösen, und zwar auch wenn man Unterabteilungsleiter, Abteilungsleiter, Staatssekretäre als Informationsfilter einrechnet. Weiter ist auf die Transaktionskostentheorie zu verweisen. Sie setzt sich mit den Kostenunterschieden bei Austauschbeziehungen am Markt einerseits und innerhalb des Unternehmens anderseits auseinander. Auch hier ist wieder an die öffentliche Verwaltung und ihre Umwelt zu denken, augenfällig an das Ausmaß von „Public Private Partnership“ und „Outsourcing“ in den USA mit hohen budgetären Belastungen und immateriellen Kosten bei Sachverstand und öffentlichen Werten. Schließlich ist die Nutzenfrage zu bezeichnen, wie sie die Theorie der „property rights“ – Verfügungsrechte – diskutiert. Man ist an die Transformationsproblematik der Verteilung des sozialistischen Eigentums auf den privaten bzw. öffentlichen Sektor erinnert. Wenn die Neue Institutionenökonomik (Richter/Furubotn 2010) hiernach Impulse auch für eine integrative Verwaltungswissenschaft bietet, so sind doch zwei Vorbehalte zu machen. Zum einen sind nicht nur, wie dort mancherorts zu finden, Regeln und Regelwerke Institutionen, sondern auch soziale Gebilde zählen. Zum andern muss man den methodologischen Individualismus, dem auch dieser wirtschaftswissenschaftliche Ansatz folgt, in eine systemische Betrachtung umsetzen. In der Moderne begleitet der Institutionalismus – „Old and New“ (Beyme 2006) – die Sozialwissenschaften, Politikwissenschaft, Soziologie, Sozialanthropologie bei den Intentionen methodologischer Erneuerung. Dazu zählt auch der soziologische Neoinstitutionalismus (Walgenbach/Meyer 2008), der als Organisationstheorie der Verwaltungswissenschaft nahe steht. Er wendet sich von verhaltenswissenschaftlichen und individuell-rationalistischen Konzepten ab und sucht, Strukturen und Handlungsweisen von Organisationen durch den Bezug auf Normen und Regelwerke, Konventionen und Verhaltenskodizes zu erklären. Ein Thema dieses Ansatzes ist die Frage der Strukturgleichheit von Organisationen zusammen mit deren organisatorischen Angleichung. Problematisch ist die Ausrichtung auf einen engen In-
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stitutionenbegriff der rechtlichen und sozialen Regeln. Lässt man die sachpolitische, hier verwaltungspolitische Variante des akteurzentrierten Institutionalismus beiseite, dann ist unter dem Vorzeichen der Integrationswissenschaft noch der Historische Institutionalismus zu nennen, der es unternimmt, mit unterschiedlichen theoretischen Ansätzen Ursprung und Wandel, insbesondere Entwicklungspfade von Institutionen zu erklären (March/Olsen 1989). Insgesamt erweist sich der Institutionalismus als ergiebig, wenn es darum geht, einen integrationswissenschaftlichen Überbau für die Verwaltungswissenschaft zu finden. Sein transdisziplinäres Potential für die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist nicht ausgeschöpft (Jann 2013). Entsprechendes gilt für den systemtheoretischen Ansatz eines systemischen Institutionalismus der integrativen Verwaltungswissenschaft. Das Systemkonzept wird in den genannten Wissenschaften in der Breite wie als Spezifikum behandelt, so mit der Kategorie des Wirtschaftssystems als Ordnung der Gesamtheit des Wirtschaftslebens bis hin zur Rechtsfigur der Systemgerechtigkeit, bei der es um die Kohärenz gesetzgeberischer Entscheidungen geht. Systemdenken ist indessen ein Charakteristikum der Wissenschaft schlechthin. Es manifestiert sich in allgemeinen wie in besonderen Systemtheorien (Becker/Reinhardt-Becker 2001). Für die Entwicklung einer integrativen Verwaltungswissenschaft sind die transdisziplinäre Disposition und das Integrationspotential von Systemtheorien leitend (Ropohl 2012). Diese Voraussetzungen erfüllt die Systemtheorie von Niklas Luhmann der 1960er und 1970er Jahre. Der nachhaltige Impuls für eine Verwaltungswissenschaft rührte aber auch daher, dass er aus seiner Berufserfahrung als Verwaltungspraktiker heraus in seiner Speyerer Zeit überzeugende Aussagen zu Theorie und Empirie der öffentlichen Verwaltung vorlegte (Luhmann 1966b). Freilich schloss es die Einsicht in die historische Relativität rechts- und staatswissenschaftlicher Schulen aus, für ein Unternehmen der fachwissenschaftlichen Ebene eine Theorie zum geschlossenen Überbau zu erheben. Vielmehr ging es darum, im Wissenschaftsvollzug auf weiterführende Theorieaspekte zuzugreifen. Aber auch insoweit musste an das Theoretisch-Methodologische die Frage wissenschaftlicher Fruchtbarkeit gestellt werden, und manches blieb relativ. So wurde in der Vorlesung „Einführung in die Verwaltungswissenschaft“ die öffentliche Verwaltung aus Gründen didaktischer Anschaulichkeit entgegen Luhmann strukturellfunktional vorgetragen. Im anderen Zusammenhang kann dann sein Äquivalenzfunktionalismus zum Zuge kommen, also zum Beispiel wie man die Brücke zwischen Exekutivpolitikern und Beamten baut: in den USA durch den Senior Executive Service, also eine personale Lösung, in Frankreich durch das Cabinet ministeriel, also eine formal-organisatorische Lösung, freilich informal unter Berücksichtigung von ENA-Absolventen. Transdisziplinarität ist eben in erster Linie ein Forschungsprinzip, in dessen Vollzug das Theoretische nachfolgt Sieht man auf das weitere Werk von Niklas Luhmann unter dem Vorzeichen von theoretischem Potential und Verwaltungsbezug, dann sind zwei posthum veröf-
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fentlichte Manuskripte aufschlussreich: eine „Politische Soziologie“ (Luhmann 2010) mit einem Text, der Mitte der 1960er Jahre geschrieben worden ist, und „Die Politik der Gesellschaft“ (Luhmann 2002), ein Text, an dem der Autor bis in die Mitte der 1990er Jahre gearbeitet hat. In dem älteren Manuskript erscheint die öffentliche Verwaltung unter zahlreichen Stichworten: Umweltdifferenzierung, Funktion, Autonomie, Rationalität, Sichtbarkeit, Personal, Publikum usw. Im jüngeren Text ist die Verwaltung kaum berücksichtigt, nämlich beiläufig zur administrativen Binnenkommunikation und zur Schnittstelle zwischen Verwaltung und Publikum. Es zeigt sich, dass im Laufe der Jahre die öffentliche Verwaltung für Luhmann kein Gegenstand eigener Beobachtung mehr war. Mehr als der Rückgang des Verwaltungsbezugs zählt jedoch der Umbau der soziologisch intendierten Systemtheorie in der autopoietischen Wende Anfang der 1980er Jahre (Luhmann 1984), der auch den Unterschied in den beiden posthum veröffentlichten Manuskripten charakterisiert. Der Kern dieser Wende lässt sich in zwei Aussagen erfassen. In Luhmanns Theorie der Verwaltungswissenschaft konstituieren sich soziale Systeme teilweise auf Grund der eigenen Ordnung, teilweise auf Grund von Umweltbedingungen. In der autopoietischen Systemtheorie sind soziale Systeme selbsterzeugend, also wenn es sich nicht selbst macht, ist es kein System. Mit letzterer Aussage gerät man schon in Widerspruch zur historisch erfahrbaren Verwaltung, es sei denn man wolle Verwaltungsbürokratie, Kaderverwaltung, Civil Culture-Administration usw. den Systemcharakter absprechen. Die moderne Verwaltung in Deutschland beruht auf staatlicher Herrschaft und eigener Ordnungen wie die des Berufsbeamtentums. Die US-amerikanische Verwaltung ist eine Hervorbringung der Zivilgesellschaft mit einsetzender Professionalisierung eines Civil Service. Aber auch das situative Verwaltungsgeschehen lässt sich auf der Grundlage einer Autopoiesis schwer verständlich machen. Zwar könnte man entsprechend der kommunikativen Grundlegung der Selbstreferenz auch für die operative Verwaltung ein generalisiertes Kommunikationsmedium konstruieren, eine spezifische Verwaltungskompetenz, die sich aus dem Wissen eines grundständigen Studiums mit formalen Prüfungen, praktischen Vorbereitungsdiensten, Erwerb von sachpolitischen Kenntnissen und Managementfertigkeiten „by doing“ in den Behörden selbst, überdies und insbesondere Amtswissen aus dem institutionellen Gedächtnis der Verwaltung heraus zusammensetzt. Mit solcher Verwaltungskompetenz hat es aber nicht sein Bewenden. Vom „administrative man“, vom Verwaltungsmann, von der Verwaltungsfrau wird zugleich erwartet, dass sie eine juristisch begründete, ökonomisch kalkulierte, politisch abgewogene Arbeit neben anderem mehr vorlegen. Sie kommunizieren also auch mit Recht, Geld, Macht; unter der Prämisse der Autopoiesis bewegen sie sich in anderen zirkulären Systemen: Rechtssystem, Wirtschaftssystem, politischem System. Luhmann bietet für solche Zusammenhänge die Konstruktion der strukturellen Kopplung an, wonach kognitive Prozesse des Systems nur irritiert, nicht determiniert
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werden können. Das Problem für die Verwaltungswissenschaft ist, dass die öffentliche Verwaltung außer sich selbst in einer höchst multiplexen Umwelt agiert. Entsprechende systemische Beziehungen in ihrer Vielzahl als Irritationen zu begreifen, setzt wohl einen Konstruktivismus jenseits fachwissenschaftlicher Perzeption voraus. Die Weisung des Ministers an die Linienverwaltung oder umgekehrt der bürokratische Widerstand lassen sich verwaltungswissenschaftlich kaum als Irritationen darstellen. Das schließt nicht aus, dass man in der öffentlichen Verwaltung auf Phänomene stößt, die man mit den Begriffen von Kopplung und Irritation treffen kann. Zu denken ist zum Beispiel in der Verwaltung einer repräsentativen Demokratie an parteipolitische Zirkel von Mitarbeitern eines Ministeriums. In den 1990er Jahren hat man erwartet, dass die „neuere, von der Verwaltung abstrahierende Theorie“ Luhmanns uns Verwaltung und Verwaltungen anders als üblich sehen lassen könne und entsprechende Studien initiiert (Damman 1994a). Wo in diesen Studien die öffentliche Verwaltung anschaulich wird, gewinnt man den Eindruck, dass auf die „ältere Systemtheorie“ zurückgegriffen wird, zumal diese wie zum Beispiel der differenzierungstheoretische Ansatz in Teilen erhalten geblieben ist (Kieserling 2010). Auch die Ausführungen zur „Theorie der Verwaltungswissenschaft – nach mehr als einem Vierteljahrhundert“ (Damman 1994b) bietet der Verwaltungswissenschaft keinen neuen belastbaren Überbau einer autopoietischen Systemtheorie. Das schließt es nicht aus, dass in dem umfassenden gesellschaftswissenschaftlichen Werk Niklas Luhmanns weitere theoretische Aspekte enthalten sind, die sich auch für die Verwaltungswissenschaft als ergiebig erweisen. Nur taugt ein autopoietisches Verständnis nicht zum Überbau eines so offenen sozialen Systems wie die öffentliche Verwaltung (Bohne 2018). Mit dem systemischen Institutionalismus wird hiernach eine Heuristik verfolgt, die dem transdisziplinären Wissenschaftsprogramm einer integrativen Verwaltungswissenschaft ein integrationswissenschaftliches Potential eröffnet, mithin eine erkenntnistheoretisch-methodologische Anforderung transdisziplinärer Forschung erfüllt. Es werden sinnstiftende institutionelle und strukturelle Gestaltungsmerkmale und Merkmalskonstellationen perzipiert, auf örtlicher Ebene etwa Autonomien oder Hierarchien je nach kommunaler Selbstverwaltung bzw. staatlicher Lokalverwaltung, auf nationaler Ebene etwa Zentralität oder Dezentralität der Verwaltung je nach Staatsaufbau. Dazu kommt die Übertragung der Handlungsrationalitäten der Subsumtion von Sachverhalten unter Normen und des Einsatzes von Mitteln zu Zwecken zu strukturellen Mustern. Diese Wahrnehmungen werden auf eine Verwaltung multipler Kommunikationsmedien von Macht, Recht, Geld u. a. m. und deren prioritäre oder komplementäre Stellung bezogen, also etwa vorrangig: Finanzlage führt zu Rechtsänderungen oder Beamtenrecht behindert politische Patronage, sich ergänzend: Haushaltsrecht enthält Wirtschaftlichkeitsprinzip oder Wahlbeamtentum in den Kommunen. Die verwaltungsrelevanten Wissenschaften spiegeln diese Verhältnisse zusammen mit Umweltbedingungen in ihrer differenzierten Fachlichkeit. Die Rezeption dieses
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Wissens zusammen mit Praxiswissen und gegebenenfalls selbstreferntiellem Wissen führt zu einer Integrationsebene, die die Erkenntnis der Systemrationalität von öffentlichen Verwaltungen im Sinne ihrer Funktionsfähigkeit ermöglichen. Sinngebungen sind Bestandteil des Verwaltungslebens und gerade Institutionen weisen auf Auszüge der Erfahrungswelt hin. Das gilt insbesondere, wenn Normativität aus faktischen Rahmenbedingungen mitentstanden ist, so die Rollenerwartungen an den Schaffner einer Staatsbahn im Gegensatz zu denen an das Servicepersonal einer Bahnaktiengesellschaft. Es gibt abweichendes Verhalten von bestehenden Regeln und Werten bis hin zur disziplinarischen Ahndung in der Verwaltung. Deviationen im Einzelfall kann man jedoch aus erkenntnistheoretischer Sicht beiseitelassen. Anders ist es, wenn institutionelle Vorgaben generell nicht befolgt werden. Bei rechtsbewehrten Institutionen stellt sich die Geltungsfrage, grundsätzlich die Frage nach der Faktizität von Institutionen. Dabei muss es nicht um soziale Brüche gehen. Auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung interessiert nicht zuletzt der institutionelle Wandel (Benz u. a. 2004). Mit dem Postulat einer Verwaltungswissenschaft als „Seins“-Wissenschaft ist mithin mehr gemeint als die Deutung von Sinnzusammenhängen und Normen. Es geht im Weiteren der transdisziplinären Forschung darum, die wirkliche Maßgeblichkeit von Verwaltungsinstitutionen und Verwaltungsstrukturen empirisch zu überprüfen. Erfahrungswissenschaftlich bieten sich dazu zwei Wege an: die Rezeption bereits andernorts generierten Wissens und die eigene Forschung. Unter den Beständen empirischer Forschungsergebnisse befinden sich auch solche, die in ihrer Fragestellung das Spannungsverhältnis von Institution und Wirklichkeit im Auge haben. Mustergültig ist hier die Studie, die angesichts der Parteipolitisierung von Verwaltungseliten die Frage der Hybridisierung von Exekutivpolitikern und politischen Beamten stellt. Empirisch wird beobachtet, dass nach wie vor unterschiedliche Rollenerwartungen bei beiden Gruppen bestehen und so den einschlägigen Institutionen von Ministerrecht und Beamtenrecht eine Wirklichkeit unterlegt ist (Mayntz/ Derlien 1989). Die Ergiebigkeit der empirischen Verwaltungsforschung für die integrative Verwaltungswissenschaft ist nicht an ein institutionelles Konzept gebunden. Allerdings sind Regierung und Verwaltung in der Moderne hochinstitutionalisierte soziale Systeme, deren Systemrationalität durch das Institutionengefüge geprägt ist. Bei Max Weber (1968) steht auch vor der Auseinander mit der bürokratischen Verwaltung die Reflexion der Grundbegriffe von Verstehen und Erklären. Zur Soziologie heißt es dann, dass sie eine Wissenschaft sei, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will (Balog 2008). Man mag an dieser Stelle die nach wie vor lebendige Verstehen/ Erklären-Kontroverse aufgreifen. Die Bedeutung des Verstehens von Institutionen für eine empirische Verwaltungsforschung lässt sich indessen auch an einem Beispiel anschaulich machen.
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Eine erfahrungswissenschaftliche Untersuchung der deutschen Ministerialverwaltung kommt zu dem Ergebnis, dass im Leitungsbereich der Ministerien ein Rollenwandel von einer formal-bürokratischen zu einer informal-positionsbezogenen Rolle zu beobachten sei (Hustedt 2013). Dazu ist vorab zu bemerken, dass Informalität kein Spezifikum der Ministerialverwaltung, sondern ein allgemeines Verhaltensmuster in der organisierten Welt und so auch des Staates (Bohne 1981) ist. Dieses Netz spannt sich zwischen der Sphäre der persönlichen Beziehungen und der der Organigramme, Haushaltspläne, Geschäftsordnungen usw. in ihrer Formalität. Man kann Informalität systemisch wie institutionell interpretieren. Sie ist ein vielseitiges Thema der Verwaltungswissenschaft. Die besondere Bedeutung des Informalen in Regierungszentralen und Ministerien beruht darauf, dass es hier neben allgemeinen Gründen – Verkürzung der Kommunikationswege wegen Zeitdruck, Umgehung des zuständigen Mitarbeiters wegen unzureichender Sachkompetenz usw. – um politisches Vertrauen geht. Der ins Amt gekommene Exekutivpolitiker wird dazu neigen, auf das Vertrauen in Personen zu setzen und der vorfindlichen formalisierten beamteten Verwaltung mit Vorbehalten zu begegnen. In der Großorganisation von Ministerialverwaltungen lässt sich aber nicht nur auf der Grundlage von Personenvertrauen regieren, und auf einem bloßen Systemmisstrauen zu beharren, belastet die Regierungsgeschäfte übermäßig. Neben die Formalität von Organisation, Prozess, Beamtenstatus tritt ein Netzwerk informaler Beziehungen. Bei der These vom Wandel zu einer informal-positionsbezogenen Rolle in der Leitung von Ministerien geht es aber um mehr als die Funktionen und Folgen des Informalen. Im Grunde steht ein Wandel der Systemrationalität zur Diskussion. Man ist an vormoderne Verhältnisse erinnert, etwa den Voluntarismus der Nomenklatura gegenüber der sozialistischen Kaderverwaltung. Das führt zur Frage, ob die Ministerialverwaltung überhaupt verstanden worden ist. Schaut man auf deren Institutionengefüge, dann sind es nur zwei Personengruppen, die wesentlich auf das Informale angewiesen wären, nämlich Parlamentarische Staatssekretäre, denen der Minister kein Sachgebiet zur eigenen Wahrnehmung zugewiesen hat, und Mitarbeiter von Stäben im Leitungsbereich. Alle anderen Personengruppen sind in eine Hierarchie mit dem Minister an der Spitze eingebettet und können je nach Zuständigkeit das formale Instrumentarium des Regierens einsetzen. „Kaltgestellte“ Parlamentarische Staatssekretäre neigen hiernach dazu, die Schwierigkeiten bürokratischer Verwaltung zu vermeiden und ihre politische Position andernorts zu stärken. Mitarbeiter von Leitungsstäben wissen, dass sie aus der Hierarchie dadurch herausfallen, dass sie gegenüber den Linienbeamten keine Weisungsbefugnisse haben. Der Stab des Ministers in Deutschland ist kein „cabinet ministeriel“ wie in Frankreich. Seine Funktion ist es nicht, Brücken zwischen Politik und Verwaltung zu bauen. Der Mitarbeiter des Leitungsstabs pflegt sich an die Begrenzung seiner Befugnisse zu halten, transportiert erforderliche Informationen in
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das Haus, erteilt aber auch informal keine Weisungen, was in seiner Außendarstellung vielleicht anders aussieht. Gleichwohl kommt es immer wieder vor, dass persönliche Mitarbeiter des Ministers mit einem Leitungsanspruch in der Linie auftreten, insbesondere wenn sie wenig erfahren, ihrem Chef eng verbunden sind und meinen, im Sinne des Ministers zu handeln, was angesichts des heutigen Ausmaßes politischer Imponderabilien problematisch bleibt. Zu der Sanktionierung solcher Regelverletzungen kann man unterschiedliche Erfahrungen machen, und zwar bis zur Abwendung selbst der parteipolitisch verbundenen Kollegen der Arbeitsebene. Sieht man auf den Adressaten solcher Leitungsansprüche in der Linie, so wird der in der Regel keinen Grund haben, seine Absicherung in den Risiken ministerieller Arbeit, also regelkonformes Verhalten, aufzugeben. Er wird seinen Vorgesetzen unterrichten. Dieser wird die Steuerungskette einer formal-bürokratische Verwaltung in ihrer hierarchischen Anbindung an den politisch legitimierten Minister wieder herstellen. Für die integrative Verwaltungswissenschaft sind Deuten und Verstehen selbstverständlicher Bestandteil methodischer Arbeit. Die Normativität von Institutionen und systemischen Strukturen stellt hermeneutische Anforderungen. Dazu kann auf allgemeine wie besondere – etwa juristische – Interpretationslehren zurückgegriffen werden. Auch in den Sozialwissenschaften ist die Hermeneutik ein verbreitetes methodisches Konzept (Koller 2018). Angesichts des transdisziplinären Vorrangs der Wissensintegration stehen Interpretationen auch am Anfang der empirischen Verwaltungsforschung. Eine verbreitete Methodologie bietet insoweit Rückhalt, jedenfalls im okzidentalen Kulturraum. Der Diskurs zu Verwaltungsangelegenheiten in Entwicklungsländern kann aber weitergehende Probleme aufwerfen, insbesondere wenn er mit von der Religion oder einem traditionellen Ethos geprägten Personalgruppen geführt wird. Hier kann das methodische Wissen der Kulturanthropologie hilfreich sein (Bischoff 2014). Neben der Rezeption andernorts generierter Forschungsergebnisse, die gegebenenfalls einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen sind, steht die eigene Verwaltungsforschung. Gestaltungsspielräume einer nicht von vornherein verplanten und finanziell festgelegten wissenschaftlichen Arbeit insbesondere im Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer von den 1960er Jahren an bis in die Jahrhundertwende hinein haben es ermöglicht, das Gesamtvorhaben der Entwicklung einer integrativen Verwaltungswissenschaft durch Einzelprojekte zu untermauern, und zwar zu Verwaltungsreformen in Deutschland in verschiedenen Zeiträumen und weiter zu internationalen Modernisierungsbewegungen, zur Kaderverwaltung des realen Sozialismus und ihrer Transformation, zur Verwaltung in der Dritten Welt und ihrer Entwicklung, weiter zu öffentlichen Aufgaben, Verwaltungsprogrammen einschließlich der Privatisierung und Regulierung, zur Organisation im Binnenbereich der Verwaltung, der Organisation von Regierungszentralen und Ministerien, zum Aufbau einer Region, zu Gesetzgebung und Evaluation, Planung und Koordination, Entscheidung und Verfahren, zu Strukturproblemen des
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öffentlichen Dienstes, zum Laufbahngefüge, Beamtenstatus, zur Aus- und Weiterbildung, dieses und anderes mehr zusammen auch mit der Berücksichtigung ausländischer Entwicklungen. Hinzu kam eine Vielfalt von Einzelthemen der Lehrstuhlforschung, in denen unter anderem aktuelle Entwicklungen wie ein Neues Öffentliches Management behandelt, insbesondere der wissenschaftstheoretische Standort einer integrativen Verwaltungswissenschaft reflektiert wurde. Als eine breit gestaltbare Strategie der Erforschung der Erfahrungswelt von Verwaltung und operativer Regierung erwies sich angesichts des weiten wissenschaftlichen Fragehorizonts die teilnehmende Beobachtung für mich. Im strengen Sinne gehörte dazu die praktische Berufstätigkeit in einer Staatskanzlei, an einem Oberverwaltungsgericht und im Bundeskanzleramt. In einem weiteren Sinne kann man aber auch wissenschaftliche Beratung und Weiterbildung dazu rechnen. Wissenschaftliche Beratung muss nicht eine selbstreferentielle Gutachtertätigkeit sein. Man kann im Dialog mit Partnern in der Praxis von Politik und Verwaltung beraten, womit sich eine enge Beobachtung gestalten lässt. Eine nicht zu unterschätzende Quelle von Erfahrung und Erkenntnis ist das kontinuierliche Gespräch mit Verwaltungspraktikern, das nach Erwerb von Routine und Reputation eine partnerschaftliche Kommunikation und einen direkten Zugriff auf aktuelle Probleme der Teilnehmer ermöglicht. In den Speyerer Weiterbildungsveranstaltungen mag man schon in den Diskussionen der Landesvertreter unter einander mehr über die Parteipolitisierung des öffentlichen Dienstes erfahren, als in manchen Interview zu erheben ist. Ich habe weit über einhundert Veranstaltungen zur Weiterbildung akademisch ausgebildeter Mitarbeiter höherer Verwaltungsdienste im Inland wie Ausland und auch im internationalen Kontext wissenschaftlich geleitet. Dazu kommt das Unternehmen, sich die Berufswelt des gehobenen Dienstes in Deutschland durch die langjährige Leitung einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie und durch die Verbindung mit der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung zu erschließen. Durch teilnehmende Beobachtung sind der US-amerikanischen Regierungs- und Verwaltungslehre nachhaltige Impulse vermittelt worden. Das liegt insbesondere am Rotationssystem in der Regierung, das Wissenschaftler aus Universitäten und „Think Tanks“ in die Exekutive und wieder zurück in die akademische Welt bringt. Auch in anderen Berufsfeldern gibt es entsprechenden Wechsel, in dessen Folge die Verwaltungswissenschaft an Anschaulichkeit gewonnen hat. In Deutschland ist die teilnehmende Beobachtung vor allem eine Methode von Fächern wie Anthropologie (Bischoff 2014) und Ethnologie (Beer 2008) und das mit kulturwissenschaftlicher Begründung (Kelle 2018). Den hier interessierenden Phänomenen von Regierung und Verwaltung begegnet man eher noch in der autobiografischen Literatur. Die Anwendung dieser Methode in der Verwaltungswissenschaft muss daher im deutschen Falle verdeutlicht werden. Es geht insoweit um eine wissenschaftliche Vorgehensweise der persönlichen Begegnung des wissenschaftlichen Beobachters mit Personen, Gruppen, organi-
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sierten Kollektiven seines Forschungsgegenstandes. Teilnahme bedeutet im strengeren Sinne die Übernahme einer eigenen Rolle mit entsprechender Interaktion im Personenverbund. Im weiteren Sinne kann man auch bei Präsens des Beobachters in einer gegenstandsspezifischen Kommunikationsgemeinschaft von teilnehmender Beobachtung sprechen. Kritisiert wird diese Methode, weil sie weniger geregelte und standardisierte Formen der Beobachtung anwendet. Ihre Bedeutung für den Ansatz einer integrativen Verwaltungswissenschaft beruht nicht zuletzt auf der Breite des Fragehorizonts. Die verwaltete Welt ist meist nur stückweise und selten ausholend (BertelsmannStiftung 2011) empirisch vermessen worden. Aber selbst wenn man über weltweite Datenbestände wie die Weltbank (1997) verfügt, heißt das noch nicht, Staat und Verwaltung verstanden zu haben. Bei der teilnehmenden Beobachtung kann man sich auf reiche Forschungserfahrungen stützen, die auf anderen Gebieten gesammelt worden sind. Das äußert sich auch dadurch, dass Ratschläge zur Feldforschung publiziert worden sind (Girtler 2004). Einschlägige Schlüsselfragen sind Nähe der Teilnahme und Distanz der Beobachtung sowie offene und verdeckte Beobachtung. Zu Letzterem rät man: „So offen wie möglich – so verdeckt wie nötig.“ Bei meiner Tätigkeit in der Mainzer Staatskanzlei signalisierte schon der Status des Privatdozenten, beim Koblenzer Oberverwaltungsgericht das Hauptamt des Professors, dass ich von meinen wissenschaftlichen Interessen nicht zu trennen war. Distanz zu halten, fiel nicht schwer. In dem einen Falle zählte politische Loyalität, in dem anderen juristische Qualität. Anders war die Lage im Bundeskanzleramt. Die Probleme offener oder verdeckter Beobachtung wurden von der übermäßigen Belastung des amtlichen Arbeitslebens in einer Weise überdeckt, dass im Umfeld der Gedanke einer „Nebentätigkeit“ nicht aufkam. Die Schwierigkeiten lagen darin, sich in betriebsamer Nähe die Distanz der Reflexion zu erhalten. Dazu reichte die Reservation einer auf fünf Jahre begrenzten Regierungspraxis nicht. Es bedurfte einer Reihe von Vorkehrungen, um sich die Mentalität eines Beobachters mit Distanz zu bewahren. Vergleichbare Probleme warfen die wissenschaftliche Beratung und die wissenschaftliche Leitung von Weiterbildungsveranstaltungen nicht auf. Hier war die Rollenverteilung klar. Schwierig war indessen die teilnehmende Beobachtung im interkulturellen Feld, und zwar insbesondere wenn man sich aus den Verwaltungskulturen der okzidentalen Welt herausbegab. Man muss versuchen, Kulturen in fremden Weltregionen und fremden Ländern zu verstehen. Nicht zuletzt muss man lernen, die eigene Kultur nicht als das Selbstverständliche zu sehen, sondern sie zu reflektieren. Bei all dem sind die interkulturellen Erfahrungen der Feldforschung hilfreich (Weigand/Hess 2007). Für die integrative Verwaltungswissenschaft wird überdies ein universales Geschehen relevant, nämlich die Globalisierung. Auf der einen Seite verbinden sich Kultur und Raum. Auf der anderen Seite löst sich in der Globalisierung diese Verbindung auf. Insofern spricht man von „Glokalisierung“ (Seibert 2016). Jenseits der nach wie vor bestehenden Territorialkultur der öffentlichen Verwaltung stellen sich
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hiernach zwei Fragen, nämlich erstens welche universellen Handlungsmuster etwa der Luftverkehrsverwaltung oder der Zollverwaltung es auch in Schwellen- und Entwicklungsländern gibt und zweitens wie die Migration im eigenen Land zu verwalten ist (Bogumil u. a. 2018). Zusammenfassend ergeben Vorverständnis und Methodenwahl: Die integrative Verwaltungswissenschaft intendiert als Integrationswissenschaft beides: SollensWissenschaft wie Seins-Wissenschaft zu sein. Sie interpretiert die rechtlichen, ökonomischen, sozialen Normativitäten von Institutionen und systemischen Strukturen in ihren Sollfunktionen und sucht, in ihrer jeweiligen Konstellation die Systemrationalität der öffentlichen Verwaltung in Zeit und Raum zu ergründen. Mit der Frage nach der wirklichen Maßgeblichkeit von Institutionen und systemischen Strukturen wendet sie sich der Erfahrungswissenschaft zu. Strukturen und Funktionen der öffentlichen Verwaltung sind empirisch zu belegen. Dabei schließt auch die erfahrungswissenschaftliche Sicht die Deutung des Sinns, in der Moderne vorzüglich der Rationalität von Institutionen mit ein. Dem hier verfolgten erkenntnistheoretisch-methodologischen Konzept sind Forschungsprojekte in der Sache von Regierung und Verwaltung unterlegt worden. Die Breite der Fragestellung hat es indessen mit sich gebracht, dass die teilnehmende Beobachtung einen wesentlichen Anteil am Erkenntnis- und Erfahrungsgewinn hat. Diese Methode verfügt nicht über den Stand von Kontrollmaßstäben, wie sie sonst in der empirischen Wissenschaft gepflegt werden. Das bringt die Verwaltungswissenschaft in ein Dilemma, da die selbstreferentielle Wissenschaftsorganisation angesichts der hohen Spezialisierung im Sachverstand dazu neigt, Qualität nach einem anerkannten Methodenverständnis zu bewerten. Sind allerdings Wissenschaft und Forschung vollzogen, kann man die gewonnen Erkenntnisse publizieren und es durch diese Öffnung der wissenschaftlichen Gemeinschaft überlassen, die getroffenen Aussagen auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen, sie zu verifizieren oder letztlich nach dem Falsifikationsprinzip Poppers (1966) zu widerlegen.
III. Gegenstandsbereich Im Jahre 2018 wurde die Verwaltungswissenschaft in Deutschland mit einer Quantität von vierzehn universitären Standorten und einundzwanzig Professuren in die Kartierung „kleine Fächer“ aufgenommen, die von einer einschlägigen Arbeitsstelle an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit Unterstützung der akademischen und ministeriellen Wissenschaftsorganisationen betreut wird. Als Kriterien für die Fachlichkeit galten dabei: Selbstverständnis als eigenständiges Fach, Bestehen von Fachgesellschaften, Fachzeitschriften, eigene Professuren, eigene Studiengänge oder sichtbare Studienschwerpunkte. Wie gering ein solcher Organisationsgrad ist, wird deutlich, wenn man die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika gegenüberstellt, nämlich heute mit über 250 Universitätsprogrammen, die in der National Association of Schools of Public Affairs and Admi-
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nistration – jetzt Network of Schools of Public Policy, Affairs, and Administration – zusammengeschlossen sind. Ein wissenschaftliches Fach ist aber mehr als eine soziale Organisation. Jenseits von Methoden- und Schulstreitigkeiten muss es sich durch einen Kernbereich von Sachgegenständen ausweisen. Dafür stand für das US-amerikanische Fach Public Administration bereits in den 1970er und 1980er Jahren eine breite Literatur (McCurdy 1986). Blickt man in die etwa dreißig einschlägigen Lehr- und Textbücher in meiner Bibliothek, stellt sich sogar die Frage, wieweit Public Administration noch synthetisch auf Impulse durch Nachbardisziplinen angewiesen ist und wieweit das Fach selbstreferentiell wissenschaftliche Erkenntnisse generiert. Das ist freilich ein graduelles Problem. Das Spannungsfeld von politischen und Managementlehren besteht dort nach wie vor. Wendet man sich der Kanonisierung des verwaltungswissenschaftlichen Gegenstandsbereichs in der Bundesrepublik Deutschland zu und sieht man von einem frühen holistischen Versuch (Peters 1945) ab, so ist bemerkenswert, wie sehr bereits die erste Generation von Lehr- und Textbüchern den sachlichen Kern dieses „kleinen Faches“ trifft, also das von Fritz Morstein Marx 1965 herausgegebene Sammelwerk Verwaltung, die Einführung in die Regierungs- und Verwaltungslehre von Thomas Ellwein aus dem Jahre 1966 und 1967 die Einführung in die Verwaltungslehre von Werner Thieme. Selbst das verwaltungswissenschaftliche Moment einer Regierungslehre ist also früh erkannt. Diesen Publikationen folgte eine Reihe kürzerer Einführungen wie die Grundzüge der Verwaltungslehre von Gernot Joerger und Manfred Geppert (1974), eine Verwaltungslehre von Helmut Lecheler (1988), eine Allgemeine Verwaltungslehre von Karl-Heinz Mattern als Herausgeber (1989). Zwei umfangreichere Lehrbücher zeichnen sich hiernach durch eine Ausrichtung auf eine bestimmte Klientel aus. Die Verwaltungslehre von Günter Püttner (2000) bezieht sich auf Studenten des einschlägigen Wahlfaches in der juristischen Ausbildung. Mit der Einführung in die Verwaltungswissenschaft von Thorsten Franz (2013) sind die Studierenden an Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung angesprochen, wie sie in Bund und Ländern auf den gehobenen Verwaltungsdienst vorbereiten. Diese Einführung fällt durch einen gewissen Holismus auf, indem sie verwaltungsrelevante Einzelwissenschaften für sich eingliedert. Mögen die genannten Lehrbücher auch verschiedenen Interessen dienen, so weisen sie doch drei Gemeinsamkeiten auf: Sie sind wissenschaftstheoretisch zuerst noch einem Pragmatismus zuzuordnen. Sie orientieren sich grundständig an der deutschen öffentlichen Verwaltung, also der üblichen nationalstaatlichen Perzeption. Und sie konsolidieren gerade in ihrem Pragmatismus den Kernbereich von Sachgegenständen einer Verwaltungswissenschaft. Insoweit geben sie auch Auskunft über den Stand der Kanonisierung dieses Faches. Lehrbücher pflegen einführende Teile zu haben, in denen Vielfältiges behandelt wird, hier der Begriff der öffentlichen
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Verwaltung, Grundkonzepte wie die Bürokratie, staatliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen, historische Aspekte von Verwaltung und Verwaltungslehre. Stellt man auf den Kernbereich von Sachgegenständen ab, dann kann auf eine Unterscheidung der Systemtheorie verwiesen werden. In dieser Sicht konstituiert sich die öffentliche Verwaltung teils auf Grund ihrer Umwelt, teils auf Grund ihrer eigenen Ordnung, also Industriegesellschaft und Verwaltung der Daseinsvorsorge, Föderalismus und eigenständige Landesverwaltung usw. Hiernach sind zwei Faktorenbündel festzustellen, eben Umweltfaktoren und Binnenfaktoren. Beide werden unterschiedlich behandelt. Was die innere Ordnung anlangt, findet sich jenseits didaktischer Unterschiede ein Grundbestand an Sachgegenständen, der thematisch allgemein berücksichtigt wird und insoweit konsolidiert wirkt wie vom Umfang her überwiegt. Umweltfaktoren werden hingegen manchmal explizit, manchmal implizit behandelt und unterschiedlich gewichtet. Geht man entsprechend von der Binnenordnung der Verwaltung aus, dann bestimmen vier Themenkomplexe einen Kernbereich der Verwaltungswissenschaft, nämlich Aussagen zu öffentlichen Aufgaben und Verwaltungsprogrammen, zur Staats- und Verwaltungsorganisation, zu Verfahren und Entscheidungsprozessen und zum Öffentlichen Dienst und Verwaltungspersonal. Dieser Kernbereich wird angesichts des deutschen Staatsaufbaus differenziert nach Bundesverwaltung, Landesverwaltung und Kommunalverwaltung behandelt, wobei auch die Verflechtungen zwischen diesen Ebenen berücksichtigt werden. Themen wie Leitung und Kontrolle, Verwaltungsressourcen, Informations- und Kommunikationstechnologien u. a. m. werden teils gesondert aufgegriffen. Die internationale Verwaltung und vor allem die europäische Integration und dann die Verwaltung in Entwicklungsländern finden zunehmend Aufmerksamkeit. Die Verwaltungsumwelt wird oft in der Verknüpfung mit dem Binnenbereich diskutiert, etwa im Blick auf die Verwaltungsaufgaben der sozialstaatliche Kontext, im Blick auf die Mehrebenenorganisation die Relevanz politischen Institutionen der Verflechtung, im Blick auf Entscheidungsprozesse die Rolle von Interessenverbänden usw. Eigene Themen sind der politische Primat, das Verhältnis zum Bürger, die gerichtliche Kontrolle. Insgesamt ist der Gegenstandsbereich der Verwaltungswissenschaft von einem Grundzug der Veränderung geprägt: Verwaltungsreformen, Verwaltungsmodernisierung, Verwaltungsentwicklung, Verwaltungstransformation, die Verwaltung im gesellschaftlichen Wandel. Auf der Grundlage eines pragmatischen Verständnisses vom Kernbereich der Verwaltungswissenschaft sind dann Sammelwerke zur Öffentlichen Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland (König/von Oertzen/Wagener 1981), später zur Öffentlichen Verwaltung in Deutschland (König/Siedentopf 1996) herausgegeben worden, die einem internationalen Publikum auch in englischer, teilweise in französischer Sprache die deutschen Verwaltungsverhältnisse vorgestellt haben. Mit solchen Landesberichten zur öffentlichen Verwaltung wird deutlich, dass wissenschaftliche Interessen nicht an staatlichen Grenzen enden, schon gar nicht in
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Zeiten der europäischen Integration und Globalisierung. Zugleich tritt die kulturelle Territorialität öffentlicher Verwaltung hervor. Anders als in der Wirtschaftswissenschaft mit der Grundannahme des Marktes – alternativ: Planwirtschaft – lässt sich für die Verwaltungswissenschaft keine universale Ausgangsgröße bestimmen. Das zeigen schon die Definitionsprobleme der öffentlichen Verwaltung. Man kann sie als das ausdifferenzierte soziale System verstehen, dessen Grundfunktion in der Mitwirkung bei der Allokation öffentlicher Werte, Güter, Dienstleistungen durch die Vorbereitung, die Konkretisierung und den Vollzug verbindlicher Entscheidungen besteht. Aber auch das setzt schon gewisse moderne Entwicklungen voraus. Jedenfalls ist Universalismus in Verwaltungsangelegenheiten Ideologie, ein Überschuss der Ideen über die Fakten. So ist es dem realen Sozialismus ergangen. Die Kaderverwaltung des Marxismus-Leninismus ist entgegen ihren ideellen Ansprüchen nicht über eine weltregionale Umsetzung hinausgekommen. In der westlichen Moderne sind es allenfalls Managementmodelle, von denen man meint, den „one best way“ gefunden zu haben: „Planning-Programming-Budgeting-System for Nepal“, „New Public Management for Mongolia“. Für ein Denken in universalen Modellen fehlen dem Gegenstand der Verwaltungswissenschaft die kulturellen Voraussetzungen. Was angesichts territorialer Verwurzelungen aussagekräftig zu erreichen ist, sind Theorien mittlerer Reichweite, also Max Webers bürokratische Verwaltung der Moderne oder Fred Riggs (1964) prismatische Verwaltung in Entwicklungsländer. Von hier aus lassen sich Verwaltungsinstitutionen in ihrer kulturell-territoriale Begrenzung auf den verschiedenen Verwaltungsebenen beobachten, wobei vereinfachend die nationale Ebene als für die Verwaltungswissenschaft als vorzüglich relevant angesehen wird. Will man sich an solche Begrenzungen nicht halten, bleibt der Vergleich. Vergleichen ist zunächst ein methodisches Problem (Nohlen 2004). Im Grunde ist es auch der Verwaltungswissenschaft immanent. Beobachtet man zum Beispiel, dass es im deutschen öffentlichen Dienst die Statusgruppen der Beamten und der Angestellten gibt, wird man es bei dieser Feststellung nicht belassen, sondern sogleich Vergleiche von der Kündbarkeit bis zur Altersversorgung anstellen (Wagener 1979). Wenn man indessen von einer Vergleichenden Verwaltungswissenschaft spricht, dann geht es darum, über die Begrenzung des Erfahrungsgegenstandes in nationalstaatlicher Tradition hinauszureichen. Die Erkenntnisfunktion der Vergleichung wird maßgeblich (Sommermann 2004). Es eröffnet sich die Möglichkeit, den Gegenstandsbereich auszuweiten. So hat man etwa die Vergleichende Politikwissenschaft als „Königsweg“ des Faches bezeichnet (Berg-Schlosser/Müller-Rommel 1997). Und es war wissenschaftspolitisch zweckmäßig, die erste verwaltungswissenschaftliche Professur in der Bundesrepublik Deutschland als Lehrstuhl für Vergleichende Verwaltungswissenschaft einzurichten. Denn in der damaligen multidisziplinären Situation der Hochschule Speyer konnte man davon den höchsten Erkenntniszuwachs erwarten, was Fritz Morstein Marx dann auch eingelöst hat.
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Für den verwaltungswissenschaftlichen Vergleich gibt es viele Beweggründe, früher oft um sich abzugrenzen, heute im Blick auf die europäische Integration mehr um Gemeinsames zu finden. In einer Einführungsvorlesung oder einem Lehrbuch zur Verwaltungswissenschaft, in deren Kern die eigene öffentliche Verwaltung im nationalstaatlichen Rahmen – sei es der US-amerikanische, sei es der deutsche – steht, geht es in erster Linie um Selbstreflexion. Man verweist an geeigneter Stelle auf fremde Erfahrungen, um sich selbst besser zu verstehen. Im Grunde stellt sich die Frage, wie die integrative Verwaltungswissenschaft einen grenzüberschreitenden Gegenstandsbereich kanonisieren kann, ohne die Bodenhaftung im klassischen Verwaltungssystem Deutschlands zu verlieren. Mein Studienbuch zur Modernen öffentlichen Verwaltung (2008) und meine Lehre zur Operativen Regierung (2015) sind Unternehmen, solche Intentionen umzusetzen. Damit ist eine vergleichende Verwaltungsforschung nicht obsolet, die im Vergleich selbst den Erkenntnisgewinn sieht. Als vergleichende Wissenschaft öffnet sie Fragehorizonte, die für die Verwaltungswissenschaft wie für andere Fächer der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften förderlich sind. Für den Gegenstandsbereich öffentlicher Verwaltung belegt dies das 2014 vorgelegte Lehrbuch „Introduction to Comparative Public Administration“ von Sabine Kuhlmann und Hellmut Wollmann. Es zeigt zugleich, welche Orientierungsmöglichkeiten der Institutionalismus im Meer von Normativität und Kausalität bietet. Anzumerken ist, dass sich zwar die Welt der supranationalen und internationalen Organisationen zu einem Gegenstand für sich entwickelt (Bauer u. a. 2017). Rückkoppelungen an die nationale Verwaltungsebene können indes zusätzliche Einsichten vermitteln. Das komparative Vorgehen hängt eng mit der Typenbildung zusammen (Bohnsack/Nentwig-Gesemann 2018), wie sie auf den Feldern von Regierung und Verwaltung verbreitet ist. Das reicht von Aggregaten wie Civic-Culture-Administration und klassisches administratives System bis zum Operativen eben Karriereprinzip und Positionsprinzip. Dabei wird man verlangen, dass das Typologische einen empirischen Kern aufweist (Kluge 1999), wie der Typus der Bürokratie auf historische Erfahrungen zurückgeführt werden kann. Insofern wird man Erfahrungsspielräume einräumen müssen. So wird die Laufbahnstruktur bei den Beamten zunehmend in dem Sinne funktionalisiert, dass die besoldungsrechtliche Rangskala mit bestimmten Positionen verbunden wird. Gleichwohl ist es im Kern beim Karriereprinzip geblieben. Anders ist es, wenn man in wissenschaftlicher Beratung durch Modelldenken eine neue Personalstruktur entwirft. Die Vergleichende Verwaltungswissenschaft erweitert nicht nur die Einsichten in den Gegenstandsbereich der öffentlichen Verwaltung, sondern führt auch zur Begegnung mit den anderen wissenschaftlichen Perzeptionen in anderen Verwaltungskulturen. Denn kulturelle Grundmuster sind der ideelle Überbau von Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis gleichermaßen, also in den USA: Zivilgesellschaft und Managerialismus. In der Verschiedenheit wissenschaftlicher Wahrnehmung treten dann die Unterschiede in den Impulsen verwaltungsrelevanter
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Disziplinen besonders hervor. Die Verwaltungswissenschaft erweist sich als auf interdisziplinäre und transdisziplinäre Forschung angewiesen. Auch in Deutschland gibt es heute Lehrbücher, die über einen Pragmatismus hinaus von dieser Einsicht geprägt sind. Das deutet sich bereits im umfangreichen Werk von Bernd Becker „Öffentliche Verwaltung“ aus dem Jahre 1989 an, indem er dieses mit einer Ideengeschichte einleitet, die vom hellenistischen und römischen Kulturen bis zu Policy-Analyse und Systemtheorie reicht. Des Weiteren zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es den hohen Differenzierungsgrad der modernen Verwaltung in Deutschland reflektiert. Ein explizit integrationswissenschaftliches Buch ist die „Verwaltungswissenschaft“ von Gunnar Folke Schuppert aus dem Jahre 2000, indem er sich dem von mir vorgeschlagenen Integrationsbegriff anschließt und einen Kreis von Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Betriebswirtschaft, Soziologie und anderen Fächern zeichnet, in dessen Mitte die Verwaltungswissenschaft steht. Die Stärke dieses Werkes besteht insbesondere darin, dass er den hohen Rang von Verfassung, Gesetz und Recht in einer rechtsstaatlich legalistischen Verwaltungskultur und damit die Bedeutung einer nicht dogmatisch verstandenen Rechtswissenschaft für die Verwaltungswissenschaft festgeschrieben hat. In zeitlicher Reihenfolge ist hiernach 2008 mein Studienbuch „Moderne öffentliche Verwaltung“ erschienen, mit dem ich versucht habe, die Summe von Erkenntnissen und Erfahrungen des Entwicklungspfades einer integrativen Verwaltungswissenschaft zu ziehen. Es folgte 2018 die „Verwaltungswissenschaft“ von Eberhard Bohne, die im Untertitel als eine interdisziplinäre Einführung in die Grundlagen bezeichnet ist. In der Terminologie von Mittelstraß würde man von Transdisziplinarität sprechen. Entsprechend wird in dem Buch eine Auseinandersetzung mit Begriffen, Methoden, Theorien zur Verwaltungswissenschaft geführt. Eigene Kapitel sind den Entscheidungsmethoden und der informalen Staatlichkeit gewidmet. In diesem Zusammenhang ist noch eine theoriegeschichtliche Einführung mit dem Titel „Verwaltung verstehen“ von Wolfgang Seibel (2016) zu nennen, die sich vor allem mit der einschlägigen Entwicklung in der US-amerikanischen Verwaltungswissenschaft befasst. Von den genannten Lehrbüchern unterscheidet sich eine Einführung „Verwaltung und Verwaltungswissenschaft in Deutschland“ von Jörg Bogumil und Werner Jann aus dem Jahr 2009, die explizit die Verwaltungswissenschaft für die Politikwissenschaft bei interdisziplinärer Offenheit in Anspruch nimmt. Hier schließt sich die interessante Frage an, ob sich ein solcher Standpunkt heute im Wissenschaftsvollzug durchhalten lässt. Vorab kann man die Politikwissenschaft der Multidisziplinarität der Verwaltungswissenschaften zurechnen, und zwar mit erheblicher Relevanz. Weiter wird man für das politikwissenschaftliche Interesse an der öffentlichen Verwaltung von einem breiten Politikbegriff ausgehen, nämlich Machtausübung – „politics“ –, politische Ordnung – „polity“ – und Sachpolitik – „policy“ –.
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Gleichwohl lässt sich die genannte Einführung wissenschaftstheoretisch als transdisziplinär verstehen. Sie bezieht sich auf eine juristisch geprägte Verwaltung des Legalismus und der Rechtstaatlichkeit mit hoher Regel- und Kontrolldichte von der Definition der Verwaltungsaufgaben durch einen Gesetzgeber der Wesentlichkeitstheorie (Kloepfer 1989) bis zur umfassenden Regulierung der Beschäftigungsverhältnisse im Verwaltungsdienst. Diese rechtliche Grundordnung muss man nicht ausdrücklich hervorheben. Es genügt, dass sie vorausgesetzt wird. Weiter reflektiert die politologisch gemeinte Einführung Kategorien aus Managementlehren – Business Reegineering, Lean Produktion, Total Quality Management u. a. – und der Institutionenökonomik – Principal-Agent-Theorie, Property-Rights-Theorien, Transaktionskostenökonomik u. a. –, die man kaum als genuin politisch ansehen kann, selbst wenn man sich wie mancherorts im angelsächsischen Raum (Ridley 1995) mit einer Modernisierungsbewegung wie das New Public Management weitgehend identifiziert. Im Grunde kann man Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft nicht gleichsetzen, weil man damit die Realitäten der öffentlichen Verwaltung, also den Erfahrungsgegenstand, wesentlich verkürzen würde. Das Verhältnis der Politik zur Verwaltung ist komplex, variabel, aber in der Moderne nach wie vor differenziert. Man müsste schon die realsozialistische Kaderverwaltung Chinas ins Blickfeld nehmen, um einer totalen Politisierung näher zu kommen. Versucht man die politischen Verhältnisse der Verwaltung graduell zu betrachten, so würden wohl Regierungszentralen, wie sie Fritz Morstein Marx im hochpolitischen Budgetbüro des US-amerikanischen Präsidenten erfahren hat (Seckelmann 2013 und 2014), an der Spitze der Skala stehen. Aber auch er pflegte den „administrative man“ nur mit einem Bein in der Politik zu sehen. So gehört das Politische zur Mitgliedschaftsrolle des Verwaltungsmannes, der Verwaltungsfrau im Bundeskanzleramt, aber es bleibt neben anderen Rollenerwartungen begrenzt und auch variabel. Am Ende der Messlatte würden dann die vielen politikfernen Vollzugsverwaltungen stehen, für die Politik eher eine Krisenerscheinung ist (Seibel 2017): im Blick auf die Aufgaben etwa Versagen im Umweltschutz oder bei der polizeilichen Sicherheit, im Blick auf das Personal etwa bei Korruption oder Ämterpatronage, wobei die Exekutivpolitik bei Managementversagen für sich selbst eher die Formel vom handwerklichen Fehler bevorzugt. Es bleibt für die Politikwissenschaft ein breites Forschungsfeld von der Ideologiekritik bis zur qualitativen und quantitativen Empirie. Auf europäischer Ebene ist der transdisziplinäre Charakter der Verwaltungswissenschaft inzwischen anerkannt. Im Rahmen der European Group for Public Administration ist ein Survey durchgeführt worden, mit dem der „state of the art“ und die zukünftige Ausrichtung von Public Administration, also der Verwaltungswissenschaft im Singular, ausgelotet werden sollte (Bertels u. a. 2016). Gefragt wurde auch nach der Relevanz maßgeblicher Disziplinen für die Verwaltungswissenschaft in Gegenwart und Zukunft mit entsprechender Rangordnung. Als Einzelwissen-
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schaften wurden genannt: die Politikwissenschaft, Management, Recht, Soziologie, Wirtschaft, Psychologie und Geschichte. Management und Politikwissenschaft nehmen im Ranking sowohl in der Gegenwart wie in der Zukunft die prioritären Plätze ein. „Law“ steht jetzt auf dem dritten Platz und rutscht in der Zukunft auf den fünften und als zuletzt ausgewiesenen Patz ab. Das Ergebnis der Umfrage kann man im Grunde dahingehend deuten, dass für die Verwaltungswissenschaft in Europa – wie für Public Administration in den USA – die Transdisziplinarität anerkannt ist. Eine andere Frage ist die Plausibilität des Ranking. Immerhin ist Kontinentaleuropa der Raum des klassischen Verwaltungssystems, alter Verwaltungsstaaten und von „Rule driven“-Verwaltungen. Und auch die Europäische Union ist, wenn die politische Dynamik versiegt, der wirtschaftliche Erfolg ausbleibt, auf die Stabilisierung durch Recht angewiesen. Man wird wohl bei einer Gewichtung von Einflussmustern auch nach der Relevanz jeweiliger Kommunikationsmedien von Macht, Recht, Geld, Kompetenz in der Systemrationalität von Verwaltungen fragen müssen. Im deutschen Falle von Verwaltung und Verwaltungswissenschaft erfolgt die einzelwissenschaftliche Öffnung gegenüber anderen Fächern der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eher zögerlich. Es gibt sogar die Meinung, die explizit für die Verwaltungswissenschaft kein „transdisziplinäres Wissenschaftsformat“ sieht (Peuker 2019). Indessen sind interdisziplinäre Erkenntnisinteressen zur öffentlichen Verwaltung zu beobachten, und zwar insbesondere im Verhältnis der Politikwissenschaft zu Managementlehren und der Verwaltungsrechtslehre zu verwaltungsrelevanten Sozialwissenschaften. Die Politikwissenschaft bietet heute nicht mehr das einfache Bild der 1970er Jahre, nämlich der Verwaltungswissenschaft als Teil der Politikwissenschaft (Scharpf 1971). Die öffentliche Verwaltung wird als komplexer Gegenstand perzipiert und so ist von der politikwissenschaftlichen Verwaltungslehre, politikwissenschaftlichen Verwaltungsforschung, politikwissenschaftlichen Verwaltungswissenschaft die Rede (Bauer/Grande 2018). Die deutsche Politikwissenschaft hat sich nicht in einer Weise mit dem „New Public Management“ identifiziert, wie es in Großbritannien, Australien, Neuseeland und andernorts zu beobachten war. Wenn man dieses Managementmodell im angelsächsischen Raum jetzt auch differenzierter sieht, bleibt doch eine Verbindung mit Managementkonzepten erhalten (Pollit 2016). Dort, wo deutsche Politikwissenschaftler sich an der europäischen Wissenschaftsgemeinschaft orientieren, entsteht auch eine entsprechende Perzeption von Managementkategorien (Bogumil/Jann 2009). Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Politikwissenschaft eine integrationswissenschaftliche Tradition aufweist (Oberndörfer 1962). Man kann also eine Disposition für interdisziplinäre und transdisziplinäre Forschung vermuten. In der Rechtswissenschaft ist die Öffnung gegenüber den Sozialwissenschaften und deren empirischer Forschung eine klassische wissenstheoretische und wissenschaftspolitische Frage, und zwar auch für das Öffentliche Recht (Hoffmann-Riem
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1981). Auf dem Felde der Verwaltung und der Verwaltungsrechtslehre ist heute die „Neue Verwaltungsrechtswissenschaft“ zu nennen, die vielfach an sozialwissenschaftliche Erkenntnisse anknüpft (Hoffmann-Riem u. a. 2012/13). Am Übergang zur Interdisziplinarität steht zunächst eine bestimmte Praxiserfahrung. Die rechtsstaatlich legalistische Kultur mit hoher Regelungs- und Kontrolldichte verbindet Verwaltungsrechtslehre und Verwaltungspraxis. Hinzu kommt angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit des Vollzugs der Gesetze die Erfahrung wirklicher Maßgeblichkeit des Rechts. Im Gespräch mit der Verwaltungspraxis – auch vermittelt durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit – wird der Rechtswissenschaft dann Praxiswissen und Sachkunde außerhalb des Normativen vermittelt. Die Verwaltungsrechtslehre kann so neben fallbezogener Sachverhalte „ganze Realbereiche nebst Wirkungsorientierung“ (Burgi 2017) in ihre Perzeption einbeziehen. Der Schritt über das Fach hinaus ergibt sich dann aus einer entsprechenden Positionsbestimmung. Den Ansatz einer rechtswissenschaftlichen Verwaltungswissenschaft wird man so der interdisziplinären Forschung zurechnen (Seckelmann 2018). Die Parallele zur interdisziplinär geöffneten politikwissenschaftlichen Verwaltungswissenschaft liegt nahe. Freilich wird deutlich, dass eine eklektische Übernahme sozialwissenschaftlicher Aussagen nicht reicht. Auch für die interdisziplinäre Arbeit stellt sich die Methodenfrage. Dabei ergibt sich für die Jurisprudenz ein doppeltes Problem. Zuerst stellt sich die Frage, ob sich zwischen dem Auslegungs- und Meinungsdenken der Rechtsdogmatik und den Aussagen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Kompatibilität herstellen lässt. Verneint man dies, dann ist zu fragen, wie durch theoretische Beobachtung der Rechtsdogmatik Aussagen hier zum Verwaltungsrecht generiert werden können, die diese an anderer verwaltungsrelevante Fächer anschlussfähig machen und den interdisziplinären Brückenschlag ermöglichen. Im Wissenschaftspluralismus öffnet sich ein weites Feld von Forschungsansätzen auch mit Erkenntnisgewinn zur öffentlichen Verwaltung, etwa Ansätze der Entscheidungstheorie bis hin zur Spieltheorie (Scharpf 1997), des Empirismus nach wissenschaftsintern bevorzugten Kriterien und Methoden (Grohs 2018), des Modelldenkens über Managementlehren hinaus (Lenk 2017) und nicht zuletzt eines Pragmatismus, wie ihn Frido Wagener mit seinem Speyer Lehrstuhl für angewandte Verwaltungswissenschaft wissenschaftlich vollzogen hatte: praxisnah, wissenschaftlich selbstreferentiell und mit ausgeprägten Interesse an einer Reformpolitik. Er war wohl derjenige, der der Idee einer transformativen Wissenschaft (Schneidewind/Singer-Brodowski 2014) auf dem Felde der öffentlichen Verwaltung mit am nächsten gekommen ist, indem er Umbauprozesse der Verwaltung durch die Entwicklung und Verbreitung konkreter Lösungsvorschläge zu beschleunigen suchte. All diese Ansätze sind in ihrem Erkenntnisgewinn für die öffentliche Verwaltung zu respektieren. Das gilt angesichts des in Deutschland verbreiteten Trennungsdenkens in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften insbesondere für die interdisziplinäre Forschung. Die Frage ist nur, ob das für das gesamte Leistungs-
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spektrum einer Verwaltungswissenschaft reicht, also für eine verwaltungswissenschaftliche Lehre, die in Ausbildung und Weiterbildung des Verwaltungsdienstes weder auf rational- normative noch empirisch- deskriptive Aussagen verzichten kann und Bildung und Professionalisierung nicht als Gegensätze sieht; für eine verwaltungswissenschaftliche Beratung, die die multimediale Beschaffenheit von Verwaltungen wahrnimmt und Referenzen der politischen Loyalität, der Rechtmäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit, bei der Ressortforschung sogar der Wissenschaftlichkeit reflektiert; für eine internationale Anschlussfähigkeit der Verwaltungswissenschaft, die nicht nur im Ausland und in internationalen Organisationen generierte Modelle rezipiert, sondern die eigene Verwaltungskultur repräsentiert, ohne zugleich etwa in Entwicklungsländern mit einem Vorbildanspruch aufzutreten. Das alles spricht für den Entwicklungspfad einer „discipline-carrefour“, eines synthetischen Studienfachs, einer Integrationswissenschaft. Sieht man sich mit dem Ansatz einer integrativen Verwaltungswissenschaft nunmehr als Vertreter eines „kleinen Faches“ eingeordnet, dann sind auch dessen Dilemmata zu sehen. Ein Dilemma liegt in der Fachlichkeit bei umgekehrten Wissenschaftsverhältnissen. Die etablierten Fächer der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind hoch selbstreferentiell, identisch und durch auf dem Arbeitsmarkt anerkannte Studiengänge stabilisiert. Die Verwaltungswissenschaft ist Kostgänger anderer Disziplinen, in ihrer Identität umstritten – wobei heute noch der Standort des Öffentlichen Managements zu klären wäre – und als Studium in Deutschland zwar auf der Ebene von Fachhochschulen im Beschäftigungssystem formal abgesichert, an der Universität aber in einer offenen Situation des „placement“. Letzteres bestimmen Rekrutierungsregeln und Rekrutierungspraxis außerhalb der Wissenschaftsorganisation. Für die Identität der Verwaltungswissenschaft wird es darauf ankommen, ob es ihr gelingt, neben transdisziplinärem Wissen im zufriedenstellenden Ausmaß eigenständiges Wissen zu generieren. Zum heutigen Stand kann man feststellen, dass insbesondere zu den bevorzugten Gebieten der Modernisierung, Entwicklung, Transformation der Verwaltung beachtlicher Wissensstoff gesammelt worden ist. Zur Transformation der Kaderverwaltung ist nicht nur der Fall der deutschen Wiedervereinigung beobachtet, sondern auch Regierung und Verwaltung in anderen postsozialistischen Ländern sind erforscht worden (Wollmann 2004). Der insoweit erreichte Wissensstand hält wohl dem Vergleich mit andere Disziplinen stand. Auch das jüngere Streitgespräch zur Modernisierungsbewegung des Neuen Steuerungsmodells ist trotz wirtschaftlicher und rechtlicher Implikationen in erster Linie verwaltungswissenschaftlich geführt worden (Bogumil 2007). Für die weitere Beförderung der Eigenständigkeit lohnt wiederum ein Blick in die US-amerikanische Verwaltungswissenschaft. Hier ist es der Pragmatismus, der zur Verselbständigung von Public Administration gegenüber der Politikwissenschaft und den Managementlehren beigetragen hat. Praktisches Wissen ist eben genuines Verwaltungswissen. Seine Einbeziehung in die Verwaltungswissenschaft stärkt die eigene Beziehung zum Erfahrungsgegenstand der öffentlichen Verwaltung. Ent-
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sprechendes gilt auch für die Methode des wissenschaftlichen Vergleichs. Angesichts der komplexen Welt öffentlicher Angelegenheiten ist die Vergleichende Verwaltungswissenschaft besonders gehalten, sich auf die Aspekte deren Verwaltung zu konzentrieren. Ein anderes Dilemma der Verwaltungswissenschaft als kleines Fach ist eben ihr kleines Format in Deutschland gegenüber einem auch hier bestehenden großen Erfahrungsgegenstand von „Big Government“, nimmt man nur die Indikatoren von Staatsquote, Organisationsdichte, Personalbestand. Die Frage ist, ob die Verwaltungswissenschaft über die kritische Masse verfügt, um den Herausforderungen gewachsen zu sein, die ihr die operative Verwaltung von Migration, Klimawandel, Terrorismus usw. stellen, und weiter, um Veränderungen in der inneren Ordnung der Verwaltung genügend zu reflektieren, also etwa ein Wandel des klassischen Verwaltungssystems zu einer „neo-weberianischen“ Verwaltung (Bouckaert 2006) oder zu einem „Post-New Public Management“ als Nachlass des Neuen Steuerungsmodells (Marchand/Brunet 2019). Die Weite des verwaltungswissenschaftlichen Fragehorizonts reicht von der Digitalisierung der Verwaltung zu Hause bis zur öffentlichen Verwaltung in der islamischen Welt. Digitalisierung ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten auch der öffentlichen Verwaltung grundlegend verändert, und zwar im Binnenbereich wie in den Umweltbeziehungen (Reinermann 2015). Das galt auch für das Bundeskanzleramt der 1980er Jahre. Denn das dort eingerichtete Datenblattverfahren zu den Regierungsvorhaben stützte sich auf die Datenverarbeitung durch einen Zentralrechner. Diese elektronische Datenverarbeitung ermöglichte Überblicke und Durchblicke zu über zweitausend Vorhaben einer Legislaturperiode. Es wurden Datenmengen bewältigt, die jenseits der herkömmlichen Informationsmöglichkeiten lagen. So nützlich es war, von der Regierungszentale aus Projekte zu identifizieren, die in der Ressortbeteiligung defizitär waren oder im federführenden Ministerium zu versanden drohten, zeigte sich doch die Begrenztheit der Information, wenn es um das operative Regieren ging. Denn die kommunikative Semantik der Datenblätter war im Grunde eine Selbstdarstellung der Ressorts. Und das reicht für die Kabinettsarbeit nicht aus. Es kommt vor allem auf den Spiegelreferenten des Kanzleramtes an, der zuerst die Pragmatik der Kommunikation zwischen Ministerium und Zentrale abbildet. Von ihm wird erwartet, dass er die Kontextfaktoren der ministeriellen Semantik kennt, also Disposition des Ministers, Ressortstreitigkeiten, bürokratischer Widerstand usw. Aus Erfahrungen mit der pragmatischen Dimension der Kommunikation musste man auch eher mit Skepsis auf die hohen Erwartungen blicken, die anlässlich des Umzugs der Bundesregierung mit dem technologisch gestützten „Informationsverbund Berlin-Bonn“ verknüpft waren. Unter anderem sollte der Ministerialbeamte mit seinem Personalcomputer in einer Weise an verschiedenen Orten kommunizieren wie traditionell an seinem Arbeitsplatz. Tausende von Beamtenflügen zwischen
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Bonn und Berlin sprechen eine andere Sprache. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach der Lebenslagenbefragung 2017 des Statistischen Bundesamtes der persönliche Besuch bei der Behörde die am weitesten verbreitete Art der Interaktion mit Ämtern ist. Es wäre nicht ohne Ironie, wenn angesichts einer Gesellschaftskritik, die in der Verwaltung einen Grund für Entfremdungen des Menschen von sich selbst sieht (Kallscheuer 1986), Ämter als Orte persönlicher Begegnung erhalten blieben. Für die Verwaltungswissenschaft ist jedenfalls zu merken, dass nicht nur Algorithmisierung und Semantik zu verfolgen sind, sondern dass auch die Pragmatik der Kommunikation zu einer humanen Verwaltungswelt gehört. Die islamische öffentliche Verwaltung ist in unterschiedlichen Entwicklungsphasen wissenschaftlich interessant (Samier 2017). Historisch ist die Blütezeit des Islam – Goldenes Zeitalter – auch in Verwaltungsangelegenheiten bemerkenswert. In jüngerer Zeit ist es die Begegnung der islamischen Welt mit der modernen Verwaltung des Okzidents, die Aufmerksamkeit verdient. Diese Begegnung verdichtete sich, als das Konzept internationaler entwicklungspolitischer Zusammenarbeit auch die öffentliche Verwaltung erfasste. Allerdings wurden in diesem Dialog vor allem westliche Modelle, Institutionen und Sozialtechnologien des Verwaltens vorgestellt. Berührte man ausnahmsweise ethische Fragen, erfuhr man, dass Ethos und Religion im Islam identisch sind und zugleich, wie fern uns das transzendente Kommunikationsmedium der Religion in der modernen Verwaltung geworden ist. Politisierter Islam, Globalisierung, Migration und Re-Migration verschärfen die Folgeprobleme. Die Erforschung der islamischen Verwaltung gewinnt auch praktischen Nutzen. Hiernach ist es die multimediale Beschaffenheit des Gegenstandsbereichs, zuletzt noch angereichert durch ein transzendentes Kommunikationsmedium, die vom Desiderat überzeugt, die öffentliche Verwaltung durch eine Verwaltungswissenschaft zu spiegeln. Mit einer integrativen Verwaltungswissenschaft neben der Multidisziplinarität verwaltungsrelevanter Fächer wird es unternommen, dieses Desiderat einzulösen, und zwar auf der Grundlage eines systemischen Institutionalismus mit strukturellen und funktionalen Methoden und weiter Typenbildung, Vergleich und insbesondere teilnehmender Beobachtung. Die transdisziplinäre Forschung zur integrativen Verwaltungswissenschaft schließt indessen eine Grundsatzfrage der Rechts- Wirtschafts- und Sozialwissenschaften jenseits des bearbeiteten Felds ein, nämlich ob der wissenschaftliche Fortschritt nur auf weiteren Differenzierungen und Spezialisierungen tradierter Fächer beruht oder ob er auch auf transdisziplinäre und integrationswissenschaftliche Ansätze angewiesen ist, die die wissenschaftliche Wahrnehmungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz ausweiten. In diesem Sinne liegt im Entwicklungspfad einer integrativen Verwaltungswissenschaft zugleich ein Beitrag zur transdisziplinären Forschung.
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Konzepte der Regierungslehre, in: Mehde u. a. (Hrsg.), Staat, Verwaltung, Information, Berlin 2011, S. 221 ff. Rollenkonflikte des Regierens, in: Magiera/Sommermann (Hrsg.), Gewaltenteilung im Verfassungsstaat, Berlin 2013 Verwaltungswissenschaft – ein Revival in den 1960er Jahren. in: Kuhlmann / Schwab (Hrsg.), Starke Kommunen – wirksame Verwaltung, Wiesbanden 2017, S. 9 ff Eine Einführung in die Verwaltungswisenschaft in den 1970er Jahren und heute, in: Die Öffentliche Verwaltung 2017, S. 525 ff
III. Öffentliche Aufgaben und Aufgabenkritik 1. Buchveröffentlichungen Entwicklung der Privatisierung in der Bundesrepublik Deutschland – Probleme, Stand, Ausblick –, Speyerer Forschungsberichte 66, Speyer 1988 Kritik öffentlicher Aufgaben, Baden-Baden 1989 auch: Kritik öffentlicher Aufgaben, Speyerer Forschungsberichte 72, Speyer 1988 Zur innenpolitischen Agenda. Die amerikanische Bundesregierung am Beginn der neunziger Jahre, Speyerer Forschungsberichte 121, Speyer 1993 Privatisierung und staatliche Regulierung (hrsg. zusammen mit Angelika Benz), Baden-Baden 1997 2. Abhandlungen Entwicklung der Privatisierung in der Bundesrepublik Deutschland – Probleme, Stand, Ausblick –, in: Verwaltungsarchiv 1988, S. 241 ff. – engl.: Developments in Privatization in the Federal Republic of Germany: Problems, Status, Outlook, in: International Review of Administrative Sciences 1988, S. 517 ff. – franz.: Privatisation en République Fédérale d’Allemagne: Problèmes, Statuts et Perspectives, in : Revue international des Sciences administratives (RISA) 1988, S. 583 ff. – span.: Desarrollo de la Privatización en la República Federal de Alemania: Problemas, Situación Actual, Perspectivas, in: Documentación Administrativa (DA), II. Administración y Constitución: El Pricipio de Eficacia, Instituto Nacional de Administración Publica, Madrid 1989, S. 297 ff. Developments in Privatization in the Federal Republic of Germany, in: School of Public and Environmental Affairs (SPEA) Review, Vol. 10, Number 2, Indianapolis/USA, 1989, S. 25 ff. An International Perspective II: Privatisation and Institutional Modernization in Asia and Europe (zusammen mit Heinrich Siedentopf), in: Thynne/Ariff (Hrsg.), Privatisation: Singapore’s Experience in Perspective, Singapore 1989, S. 167 ff. Die Übertragung öffentlicher Aufgaben: Eine europäische Sicht, in: Verwaltungsarchiv 1990, S. 436 ff.
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– engl.: The Transfer of Public Functions: A European Perspective, in: Ng/Wagner (Hrsg.), Marketization in ASEAN, Institute of Southeast Asian Studies (ISEAS), Singapore 1991, S. 50 ff. Estrategias encaminadas al Redimensionamiento del Sector Publico. El Caso Aleman, in: Instituto Nacional de Administracion Publica, A. C. (INAP), Memoria, II. Seminario Internacional „Redimensionamiento y Modernizacion de la Administracion Publica“, Mexico 1991, S. 141 ff. Systemimmanente und systemverändernde Privatisierung in Deutschland, in: Verwaltungsführung – Organisation – Personalwesen 5/1992, S. 279 ff. – engl.: Privatization In Germany: System-Immanent And System Changing, in: The Israel Economy at the Threshold of the Year 2000, privatization and efficiency in the economy and civil service, Conference Proceedings, Jerusalem 1993, S. 21 ff. Kommunalisierungen und andere Vermögensübertragungen auf die öffentliche Hand (zusammen mit Jan Heimann und Imke Junge), in: Fischer/Hax/Schneider (Hrsg.), Treuhandanstalt – Das Unmögliche wagen, Berlin 1993, S. 263 ff. – engl.: Communalisation and other forms of property transfer to the public sector (zusammen mit Jan Heimann und Imke Junge), in: Fischer/Hax/Schneider (Eds.), Treuhandanstalt – The Impossible Challenge, Berlin 1996, S. 265 ff. Rechtliche und ordnungspolitische Fragen der Privatisierung von Staatsunternehmen in Deutschland, in: Biernat/Hendler/Schoch/Wasilewski (Hrsg.), Grundfragen des Verwaltungsrechts und der Privatisierung, Stuttgart u. a. 1994, S. 247 ff. Prozedurale Rationalität – Zur kontraktiven Aufgabenpolitik der achtziger Jahre –, in: Verwaltungsarchiv 1/1995, S. 1 ff. Staatsaufgaben und Verfassungen der neuen Bundesländer, in: Ipsen/Rengeling/Mössner/ Weber (Hrsg.), Verfassungsrecht im Wandel. Zum 180jährigen Bestehen der Carl Heymanns Verlag KG, Köln u. a. 1995, S. 109 ff. Property Transfer to the Public Sector by the Treuhandanstalt (zusammen mit Jan Heimann), in: Quaisser/Woodward/Blaszczyk (Hrsg.), Privatization in Poland and East Germany: A Comparison, Vol. II, Osteuropa-Institut, München 1995, S. 529 ff. Rekonstruktion der Staatsfunktionen in der Staatswirtschaft und im Wohlfahrtsstaat, in: Zeitschrift für Verwaltung (Österreich) 1996, S. 665 ff. La privatizzazione et il ruolo della pubblica amministrazione in Germania, in: Roversi Monaco (Hrsg.), Sussidiarietà e Pubbliche Amministrazioni, Atti del Convegno per il 40. anni della Scuola di Specializzazione in Diritto Amministratrivo e Scienza dell’Amministrazione (Spisa), 25. – 26. Settembre 1995, Bologna 1997, S. 193 ff. Vermögens- und Aufgabenzuordnung nach Üblichkeit (zusammen mit Jan Heimann), in: Wollmann/Derlien/König/Renzsch/Seibel (Hrsg.), Transformation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland, Opladen 1997, S. 119 ff. Staatsfunktionen in der Staatswirtschaft und im Wohlfahrtsstaat, in: Siedentopf (Hrsg.), Öffnung und Kooperation, I. Chinesisch-Deutsches Verwaltungskolloquium, Baden-Baden 1997, S. 33 ff. – chin. in: Chinese Public Administration 7/1996, S. 38 ff.
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Vermögens- und Aufgabenzuordnung bei der ostdeutschen Transformation, in: Olszewskiego/ Popowskiej, Gospodarka – Administracja – Samorzad, Festschrift für Theresa Rabska, Posen 1997, S. 195 ff. Sieg der Üblichkeit: Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (zusammen mit Jan Heimann), in: Czada/Lehmbruch (Hrsg.), Transformationspfade in Ostdeutschland. Beiträge zur sektoralen Vereinigungspolitik, Frankfurt/New York 1998, S. 87 ff. Rückzug des Staates – Privatisierung der öffentlichen Verwaltung, in: Die Öffentliche Verwaltung 22/1998, S. 963 ff. Liberalisierung und Regulierung netzgebundener Güter und Dienste (zusammen mit Christian Theobald), in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.), Planung – Recht – Rechtsschutz. Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag am 6. Januar 1999, Berlin 1998, S. 277 ff. Ordnungspolitische Probleme der Privatisierung, in: Deutsches Anwaltsinstitut e. V., Brennpunkte des Verwaltungsrechts 2000. Referate der 6. Jahresarbeitstagung für Verwaltungsrecht in Berlin, Bochum 2000, S. 183 ff.
IV. Organisation von Regierung und Verwaltung 1. Buchveröffentlichungen Developments of the Intra-Administrative Organization in the Federal Republic of Germany, Speyerer Forschungsberichte 16, Speyer 1980 Staatskanzleien. Funktionen und Organisation, Opladen 1993 Materialien zur Organisation und Reform von Landesverwaltungen (zusammen mit Manfred Miller), Speyerer Forschungsberichte 146, Speyer 1995 Der Aufbau einer Region, (hrsg. zusammen mit Arthur Benz), Baden-Baden 1995 Ministerialorganisation zwischen Berlin und Bonn (Hrsg.), Speyerer Forschungsberichte 173, Speyer 1997 Regionalization below State-Level in Germany and the United States (Hrsg.) (zusammen mit R. Scott Fosler), Speyerer Forschungsberichte 197, Speyer 1999 2. Abhandlungen Entwicklungen der inneren Verwaltungsorganisation in der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Verwaltung 1978, S. 241 ff. Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen: Das Bundeskanzleramt, in: Der Staat 1/1989, S. 49 ff. Bewertung der nationalen Politik zur Dezentralisierung und Regionalisierung, Verwaltungswissenschaftliche Informationen, Sonderheft 10, Bonn 1989 – engl.: Appraisal of National Policies of Decentralization and Regionalization, in: International Institute of Administrative Sciences (Hrsg.), Accessibility and Sensitivity of Public Administration, XXIst International Congress of Administrative Sciences, Marrakech 1989, S. 51 ff.
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Organisation: Voraussetzung und Folge des Regierens, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 1, Opladen 1990, S. 105 ff. Das Bundeskanzleramt als komplexe Organisation, in: Fisch/Boos (Hrsg.), Vom Umgang mit Komplexität in Organisationen, Konstanz 1990, S. 149 ff. Planung und Verwaltung der Region Berlin/Brandenburg – Problemanalyse und Lösungsvorschläge – (zusammen mit Angelika Benz und Arthur Benz), in: Benz/König (Hrsg.), Der Aufbau einer Region, Baden-Baden 1995, S. 37 ff. Zur Funktionsfähigkeit der Regierungszentralen: Profile der Staatskanzleien (zusammen mit Otto Häußer), in: Murswiek (Hrsg.), Regieren in den neuen Bundesländern. Institutionen und Politik, Opladen 1996, S. 21 ff. Aufbau der Landesverwaltung nach Leitbildern, in: Wollmann/Derlien/König/Renzsch/Seibel (Hrsg.), Transformation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland, Opladen 1997, S. 223 ff. Konzepte der Verwaltungsorganisation, in: Verwaltungsarchiv 2006, S. 482 ff.
V. Öffentliche Entscheidung und Verwaltungskontrolle 1. Buchveröffentlichungen Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes (hrsg. zusammen mit Carl Hermann Ule und Franz Becker), 2 Bände, Berlin 1967 Koordination und integrierte Planung in den Staatskanzleien (Hrsg.), Berlin 1976 Räumliche Planungen im politisch-administrativen System der Länder (zusammen mit Dieter Schimanke), Hannover 1980 Evaluation als Kontrolle der Gesetzgebung, Speyerer Forschungsberichte 34, Speyer 1983 Gesetzgebungslehre: Grundlagen – Zugänge – Anwendung (hrsg. zusammen mit Waldemar Schreckenberger und Wolfgang Zeh), Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1986 Zur Überprüfung von Rechtsetzungsvorhaben des Bundes, Speyerer Forschungsberichte 53, Speyer 1986 Zur Verfahrensrationalität einer kontraktiven Aufgabenpolitik, Speyerer Forschungsberichte 87, Speyer 1990 Verfahrensrecht in Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit (hrsg. zusammen mit Detlef Merten), Symposium zum Gedächtnis an Carl Hermann Ule, Berlin 2000 2. Abhandlungen Allgemeine Einleitung (zusammen mit Franz Becker), in: Ule/Becker/König (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, Band I, Berlin 1967, S. 3 ff. Europäische Gemeinschaften – Einführung, in: Ule/Becker/König (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, Band II, Berlin 1967, S. 945 ff. Planung und Koordination im Regierungssystem, in: Verwaltungsarchiv 1971, S. 1 ff. Programmsteuerung in komplexen politischen Systemen, in: Die Verwaltung 1974, S. 137 ff.
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Koordination und Regierungspolitik: Die Rolle zentraler oder ressorteigener Einheiten für Regierungspolitik und für Planung im Bereich der Politikentscheidungen und Prioritätensetzung – am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, in: Deutsches Verwaltungsblatt 1975, S. 225 ff. Bürokratie und Kontrolle, in: Khol (Hrsg.), Macht und Kontrolle, Wien 1980, S. 49 ff. Zur Evaluation der Gesetzgebung, in: Kindermann (Hrsg.), Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung 1982, Berlin/Heidelberg/New York 1982, S. 306 ff. Political Advice and Administrative Support: Planning in the German Chancellery, in: Klinkers (Hrsg.), Life in Public Administration, Amsterdam 1985, S. 132 ff. – franz.: Conseil Politique et Appui Administratif: La Chancellerie de la République Fédérale d’Allemagne et la Planification, in: Revue Française d’Administration Publique 1987, N8 42, S. 59 ff. Aufgabenplanung im Bundeskanzleramt, in: Derlien (Hrsg.), Programmforschung unter den Bedingungen einer Konsolidierungspolitik, München 1985, S. 43 ff. und S. 101 ff. Evaluation als Kontrolle der Gesetzgebung, in: Schreckenberger/König/Zeh (Hrsg.), Gesetzgebungslehre, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1986, S. 96 ff. Nationwide Plans and the Planning of Policy at the Central Level of Government: The Federal Republic of Germany, in: Verwaltungswissenschafliche Informationen, Sonderheft 7, Bonn 1986, S. 35 ff. Zur Evaluation staatlicher Programme, in: Eichhorn/von Kortzfleisch (Hrsg.), Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, Baden-Baden 1986, S. 19 ff. Gesetzgebungsvorhaben im Verfahren der Ministerialverwaltung, in: Blümel/Merten/Quaritsch (Hrsg.), Verwaltung im Rechtsstaat, Festschrift für Carl Hermann Ule, Köln/Berlin/ Bonn/München 1987, S. 121 ff. Zur Überprüfung von Rechtsetzungsvorhaben des Bundes, in: Grimm/Maihofer (Hrsg.), Gesetzgebungstheorie und Rechtspolitik, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. XIII, Opladen 1988, S. 171 ff. Sobre la Evaluación de los Programas Estatales, in: Instituto Nacional de Administración Publica (Hrsg.), Documentación Administrativa (DA), II. Administración y Constitución: El Pricipio de Eficacia, Madrid 1989, S. 413 ff. Comments on „The Chernobyl disaster and nuclear fallout“, in: Rosenthal/Pijnenburg (Hrsg.), Crisis Management and Decision Making, Simulation Oriented Scenarios, Dordrecht/Boston/ London 1991, S. 37 ff. Formalisierung und Informalisierung im Regierungszentrum, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 2, Opladen 1991, S. 203 ff. Krisenmanagement: Der Fall Tschernobyl in der Bundesrepublik Deutschland, in: Sakkoulas (Hrsg.), Administration – Politique, Festschrift für Athos G. Tsoutsos, Athen 1991, S. 263 ff. – engl.: Crisis management: the case of Chernobyl in the Federal Republic of Germany, in: Stefenson/Landahl/Ritchey (Hrsg.), Nuclear Accidents and Crisis Management, Stockholm 1993, S. 24 ff.
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Programmfunktion und Budget im Regierungsbereich, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 4, Opladen 1992, S. 19 ff. Koordination in der arbeitsteiligen Regierung – Zur Lage in Deutschland –, in: Zeitschrift für Verwaltung (Österreich) 1993/1, S. 10 ff. – span.: El problema de la coordinación en un sistema de gobierno basado en la división del trabajo. Es caso alemán, in: Instituto Nacional de Administracion Publica, Documentación Administrativa, No. 230 – 231, April – September 1992, S. 133 – 153 Central and Intergovernmental Planning in the Federal Republic of Germany, in: Arora/Kanshih (Hrsg.), The Universe of Public Administration, Essays in honour of Sudesh K. Sharma, New Delhi 1994, S. 169 ff. „Public Sector Management“ oder Gouvernanz-, Steuerungs- und Strukturierungsprobleme öffentlicher Verwaltung, in: Burth/Görlitz (Hrsg.), Politische Steuerung in Theorie und Praxis, Baden-Baden 2001, S. 293 ff.
VI. Öffentlicher Dienst und Regierungspersonal 1. Buchveröffentlichungen Fortbildung des höheren Verwaltungsdienstes (Hrsg.), Berlin 1974 Öffentlicher Dienst, Festschrift für Carl Hermann Ule zum 70. Geburtstag am 26.2.1977 (hrsg. zusammen mit Hans-Werner Laubinger und Frido Wagener), Köln/Berlin/Bonn/München 1977 Curriculumentwicklung zur Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Baden-Baden 1978 Die Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst (Hrsg.), Baden-Baden 1979 Zur Weiterentwicklung des vertikalen Laufbahngefüges – Thesen, Begründungen und Dokumentation (zusammen mit Hero Kind), Baden-Baden 1980 2. Abhandlungen Vorbereitungsdienst (zusammen mit Ernst Hüper), in: Bierfelder (Hrsg.), Handwörterbuch des öffentlichen Dienstes – Das Personalwesen, Berlin 1976, Sp. 1758 ff. Verwaltungswissenschaften in Ausbildung, Fortbildung und Forschung, in: König/Laubinger/ Wagener (Hrsg.), Öffentlicher Dienst, Festschrift für Carl Hermann Ule zum 70. Geburtstag am 26.2.1977, Köln/Berlin/Bonn/München 1977, S. 53 ff. Strukturprobleme des öffentlichen Dienstes, in: Verwaltungsarchiv 1977, S. 3 ff. Les Systèmes Européens de Formation en Matière d’Administration Publique, in: Revue Francaise d’Administration Publique 1977, S. 105 ff. Civil Service Reforms in Europe, Speyerer Arbeitshefte 17, Speyer 1977 Fortentwicklung des Laufbahnrechts, in: Die Öffentliche Verwaltung 1977, S. 343 ff. Neutralisierung der Bürokratie – Zum Problem von Spitzenpositionen auf Zeit im öffentlichen Dienst (zusammen mit Franz Kroppenstedt), in: Zeitschrift für Politik 1977, S. 240 ff.
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Veröffentlichungen Klaus König
Aspects of Worker’s Participation in the Public Sector, in: Sharma (Hrsg.), Dynamics of Development, Essays in Honour of J.N. Khosla, Delhi 1977, S. 359 ff. Die Reform des öffentlichen Dienstes als Dilemma von Wissenschaft und Praxis, in: Böhret (Hrsg.), Verwaltungsreformen und Politische Wissenschaft, Baden-Baden 1978, S. 229 ff. Le Réforme de la Fonction Publique en Europe, in: Revue Francaise d’Administration Publique 2/1978, S. 87 ff. Richtlinien und Maßstäbe zur Curriculumentwicklung in der öffentlichen Verwaltung/öffentliches Management (zusammen mit Ernest A. Engelbert), in: Verwaltungswissenschaftliche Informationen 1/1978, S. 41 ff. – engl.: Guidelines and Standards for Curricular Development for Public Administration/ Public Management (zusammen mit Ernest A. Engelbert), International Institut of Administrative Sciences, Brüssel 1981 Der Beamtenstatus – ein Hemmschuh für die Dienstrechtsreform? in: Carstens u. a. (Hrsg.), Beamtenstatus – Ärgernis oder Verpflichtung?, Godesberg 1978, S. 149 ff. Public Administration Education in Europe: Current Directions and Future Perspectives, in: International Institute of Administrative Sciences (Hrsg.), International Conference on the Future of Public Administration, Conference Proceedings, Québec 1979, Vol. XII, S. 2807 ff. – span.: La Educación para la Administración Pública en Europa Occidental, Instituto Naciónal de Administración Pública, Madrid 1978 Entwicklungen der beruflichen Qualifikationen in der öffentlichen Verwaltung, in: von Oertzen (Hrsg.), Antworten der öffentlichen Verwaltung auf die Anforderungen des heutigen Gesellschaftssystems, Bonn 1980, S. 97 ff. – engl.: Developments of Professional Qualifications in Public Administration, in: Administration Vol. 29, Nr. 3/1982, S. 290 ff. Öffentlicher Dienst und Bildungspolitik, in: Böhret/Siedentopf (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungspolitik, Berlin 1983, S. 189 ff. Zur Lage der Nachwuchskräfte für den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst (zusammen mit Wolfgang Schmidt-Streckenbach), in: Verwaltungsrundschau 1983, S. 365 ff. Aus- und Fortbildung des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik Deutschland, in: Kaiser (Hrsg.), Verwaltung und Verwaltungswissenschaften in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1983, S. 115 ff. – engl.: Education and Advanced Training for the Public Service in the Federal Republic of Germany, in: International Review of Administrative Sciences 1983, S. 204 ff. Zur Reform des öffentlichen Dienstes: Berufszugang und Berufsweg, in: Schäffer/König/ Ringhofer (Hrsg.), Im Dienst an Staat und Recht, Internationale Festschrift Erwin Melchiar zum 70. Geburtstag, Wien 1983, S. 281 ff. Die beamtete Regierung: Spitzenpositionen auf Zeit in der öffentlichen Verwaltung, in: Verwaltungsführung – Organisation – Personalwesen 6/1990, S. 357 ff. Personalisierte Führung und Informationstechnik in Regierung und Verwaltung, in: Reinermann (Hrsg.), Führung und Information, Heidelberg 1991, S. 67 ff.
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Politiker und Beamte, in: Bracher/Mikat/Repgen/Schumacher/Schwarz (Hrsg.), Staat und Parteien, Festschrift für Rudolf Morsey, Berlin 1992, S. 107 ff. – engl.: Politicians and Civil Servants – On Differentiation among Government Personnel –, in: Die öffentliche Verwaltung und der Staatsaufbau, Festschrift für Han Bin Lee, Korea 1996, S. 407 ff. Das Speyerer Führungskolleg: Integration von Fortbildung und Arbeit, in: Verwaltung und Fortbildung 3/1993, S. 133 ff. Interessenausgleich im öffentlichen Dienst der EG-Mitgliedstaaten. Einführung in die Diskussion, in: Magiera/Siedentopf (Hrsg.), Das Recht des öffentlichen Dienstes in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, Berlin 1994, S. 837 ff. „Eurofaculty“ – Mission, structure and performance, in: Cahiers de l’IISA No. 1/1999, IIAS Research Papers 1/1999, Paris 1998, S. 13 ff.
VII. Verwaltungsentwicklung und Verwaltungstransformation 1. Buchveröffentlichungen Entwicklungspolitik und internationale Verwaltungsbeziehungen (Hrsg.), Bonn 1983 Zum Konzept der Entwicklungsverwaltung, Speyerer Forschungsberichte 33, Speyer 1983 International cooperation for education and training in public management: with emphasis upon developing countries (zusammen mit Ernest A. Engelbert), Berlin 1984 Die Verwaltungsförderung der Politischen Stiftungen in der Dritten Welt (Hrsg.), in: Verwaltungswissenschaftliche Informationen, Sonderheft 6, Bonn 1984 Die Stellung der Länder in der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland (zusammen mit Wolfgang Schmidt-Streckenbach), Speyerer Forschungsberichte 43, Speyer 1984 Öffentliche Verwaltung und Entwicklungspolitik (Hrsg.), Baden-Baden 1986 Verwaltungsstrukturen der DDR (Hrsg.), Baden-Baden 1990 Zur Transformation einer real-sozialistischen Verwaltung in eine klassisch-europäische Verwaltung, Speyerer Forschungsberichte 99, Speyer 1991 Öffentlicher Dienst und Verwaltungsaufbau: Leistungserwartung in Westeuropa – Verwaltungstransformation in Osteuropa (hrsg. zusammen mit Heinrich Siedentopf), Baden-Baden 1993 Vermögenszuordnung im Aufgabenzuschnitt des öffentlichen Sektors der neuen Bundesländer, Speyerer Forschungsberichte 133, Speyer 1994 Vermögenszuordnung – Aufgabentransformation in den neuen Bundesländern (hrsg. zusammen mit Gunnar Folke Schuppert und Jan Heimann), Baden-Baden 1994 Organisations- und Personalprobleme der Verwaltungstransformation in Deutschland (zusammen mit Volker Meßmann), Baden-Baden 1995 Aufgaben- und Vermögenstransformation in den neuen Bundesländern (zusammen mit Jan Heimann), Baden-Baden 1996
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Transformation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland (zusammen mit Hellmut Wollmann, Hans-Ulrich Derlien, Wolfgang Renzsch und Wolfgang Seibel), Opladen 1997 Governance als entwicklungspolitischer Ansatz (hrsg. zusammen mit Markus Adam), Speyerer Forschungsberichte 219, Speyer 2001 Governance als entwicklungs- und transformationspolitisches Konzept (zusammen mit Markus Adam, Benedikt Speer, Christian Theobald), Berlin 2002 2. Abhandlungen Zur Evaluation eines Verwaltungshilfeprojekts in Nordjemen (zusammen mit Friedrich W. Bolay), in: Verwaltungsarchiv 1980, S. 256 ff. – engl.: The Evaluation of an Administrative Co-operation Project in North Yemen and its Significance for German Aid Policy, in: Public Administration and Development 1982, S. 225 ff. Zur entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit der lateinamerikanischen Steuerverwaltung (zusammen mit Walter Schleicher und Friedrich W. Bolay), in: Verwaltungsarchiv 4/1981, S. 316 ff. Kaderverwaltung und Verwaltungsrecht, in: Verwaltungsarchiv 1/1982, S. 37 ff. Entwicklungspolitik und internationale Verwaltungsbeziehungen aus der Sicht von Aus- und Fortbildung, in: Verwaltungsarchiv 1/1983, S. 1 ff. – engl.: Development Policy and International Administrative Relations: the Aspect of Education and Training, in: Public Administration and Development 1985, S. 57 ff. Zum Konzept der Entwicklungsverwaltung, in: König (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung und Entwicklungspolitik, Baden-Baden 1986, S. 11 ff. Entwicklungspolitik und internationale Verwaltungsbeziehungen aus der Sicht von Aus- und Fortbildung, in: König (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung und Entwicklungspolitik, BadenBaden 1986, S. 301 ff. RFA: Des Politiques Publiques Mises en Oeuvre par des Organismes Autonomes, in: Revue Française d’Administration Publique, Coopération Administrative Internationale et Développement, N8 50, 1989, S. 45 ff. Verwaltungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit Entwicklungsländern, in: Zeitschrift für Verwaltung 1989, S. 327 ff. Zum Verwaltungssystem der DDR, in: König (Hrsg.), Verwaltungsstrukturen der DDR, BadenBaden 1990, S. 9 ff. Verwaltung im Übergang – Vom zentralen Verwaltungsstaat in die dezentrale Demokratie –, in: Die Öffentliche Verwaltung 1991, S. 177 ff. Zur Transformation einer real-sozialistischen Verwaltung in eine klassisch-europäische Verwaltung, in: Verwaltungsarchiv 1992, S. 229 ff. – engl.: The Transformation of a „real-socialist“ administrative system into a conventional Western European system, in: International Review of Administrative Sciences, Vol. 58, 1992, S. 137 ff.
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– franz.: La Transformation d’un système administratif de „socialisme reel“ en un système conventionnel oust-européen, in : Revue internationale des Sciences administratives (RISA) 2/1992, S. 549 ff. Transformation einer Kaderverwaltung: Transfer und Integration von öffentlichen Bediensteten in Deutschland, in: Die Öffentliche Verwaltung 1992, S. 549 ff. Transformation der realsozialistischen Verwaltung und entwicklungspolitische Zusammenarbeit, in: Verwaltungsrundschau 1992, S. 228 ff. Transformation einer real-sozialistischen Verwaltung in eine klassisch-europäische Verwaltung, in: Seibel/Benz/Mäding (Hrsg.), Verwaltungsreform und Verwaltungspolitik im Prozeß der deutschen Einigung, Baden-Baden 1993, S. 80 ff. Bureaucratic Integration by Elite Transfer: The Case of the Former GDR, in: Governance, Vol. 6, 3/1993, S. 386 ff. Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost – Lehren für andere Länder, in: Derlien (Hrsg.), Programm „Gemeinschaftswerk Aufschwung-Ost“ – Planung, Vollzug, Evaluation , München 1993, S. 129 ff. Administrative Transformation in Eastern Germany, in: Public Administration, Vol. 17, Numbers 1/2, 1993, S. 135 ff. Die Transformation der öffentlichen Verwaltung: Ein neues Kapitel der Verwaltungswissenschaft, in: Pitschas (Hrsg.), Verwaltungsintegration in den neuen Bundesländern, Berlin 1993, S. 29 ff. Verwaltungsaufbau in den Ländern Mittel- und Osteuropas – Möglichkeiten der europäischen Zusammenarbeit – Podiumsdiskussion, in: König/Siedentopf (Hrsg.), Öffentlicher Dienst und Verwaltungsaufbau: Leistungserwartung in Westeuropa – Verwaltungstransformation in Osteuropa, Baden-Baden 1993, S. 68 ff. Kommunalisierung, Verselbständigung, Privatisierung – Aufgabentransformation in den neuen Bundesländern, in: Die Öffentliche Verwaltung 24/1993, S. 1076 ff. Transformation der realsozialistischen Verwaltung: Deutsche Integration und europäische Kooperation, in: Deutsches Verwaltungsblatt 23/1993, S. 1292 ff. Entwicklungsverwaltung und Verwaltungstransformation im internationalen Dialog, in: Die Öffentliche Verwaltung 19/1993, S. 856 ff. Redesigning the State Profile for Social and Economic Development Change, Bericht über die zweite Internationale Konferenz des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften vom 27. – 30. Juli 1993 in Toluca, Mexico, in: Verwaltungswissenschaftliche Informationen, Heft 3/4 1993 Zur Aufgaben- und Vermögenstransformation (zusammen mit Jan Heimann), in: König/ Schuppert/Heimann (Hrsg.), Vermögenszuordnung – Aufgabentransformation in den neuen Bundesländern, Baden-Baden 1994, S. 11 ff. Personalpolitik bei der Transformation einer Kaderverwaltung in Deutschland, in: Seibel/ Benz (Hrsg.), Regierungssystem und Verwaltungspolitik, Beiträge zu Ehren von Thomas Ellwein, Opladen 1995, S. 154 ff.
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Transformation als Staatsveranstaltung in Deutschland, in: Wollmann/Wiesenthal/Bönker (Hrsg.), Transformation sozialistischer Gesellschaften: Am Ende des Anfangs, LeviathanSonderheft 15/1995, Opladen 1995, S. 609 ff. – engl.: German Reunification and Administration Transformation, in: The Korean Association for Public Administration (Hrsg.), Policy Problems of a Unified Korea: Conflicts, Challenges and Policy Alternatives after Reunification, Seoul 1997, S. 1 ff. Entwicklungsverwaltung und Verwaltungstransformation im internationalen Dialog, in: Pitschas/Sülzer (Hrsg.), Neuer Institutionalismus in der Entwicklungspolitik. Perspektiven und Rahmenbedingungen der Verwaltungsentwicklung im Süden und Osten, Vorträge und Berichte auf dem Zweiten Speyerer Forum zur Entwicklungszusammenarbeit der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1993, Berlin 1995, S. 27 ff. Staatszentrierte Transformation im vereinten Deutschland (zusammen mit Angelika Benz), in: Der Staat 1/1996, S. 109 ff. Politikplanung und Öffentliches Management im Dialog mit Transformationsländern, in: Verwaltung und Management 2/1996, S. 68 ff. – engl.: Policy planning and management dialogue with countries in transition, in: Public Administration and Development, Vol. 16, 1996, S. 417 ff. Die institutionelle Transformation Ostdeutschlands zwischen Systemtransformation und Eigendynamik (zusammmen mit Hellmut Wollmann, Hans-Ulrich Derlien, Wolfgang Renzsch und Wolfgang Seibel), in: Wollmann/Derlien/König/Renzsch/Seibel, Transformation der politisch-administrativen Strukturen in Ostdeutschland, Opladen 1997, S. 9 ff. Verwaltungszusammenarbeit und „New Public Management“ – Kritische Anmerkungen aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht, in: Thedieck/Müller (Hrsg.), Rezeption deutscher Beiträge zur Verwaltungsmodernisierung für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, Berlin 1997, S. 105 ff. Transformation von Staatsaufgaben, in: Lüder (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung der Zukunft, Berlin 1998, S. 177 ff. „Rule of Law“ und Gouvernanz in der entwicklungs- und transformationspolitischen Zusammenarbeit, in: Murswieck/Storost/Wolff (Hrsg.), Staat – Souveränität – Verfassung, Festschrift für Helmut Quaritsch zum 70. Geburtstag, Berlin 2000, S. 123 ff. Neuer öffentlicher Managerialismus in der Transformationspolitik – der Fall der Mongolei (zusammen mit Markus Adam), in: Schröter (Hrsg.), Empirische Policy- und Verwaltungsforschung, Opladen 2001, S. 345 ff. Staats- und Verwaltungsreformen in Transitionsländern, in: Duwendag (Hrsg.), Reformen in Russland und die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen, Baden-Baden 2002, S. 53 ff.
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VIII. Modernisierung und Internationalisierung der Verwaltung 1. Buchveröffentlichungen Social Science Knowledge in the Policy of Administrative Reforms, Speyerer Forschungsberichte 7, Speyer 1979 Verwaltungswissenschaften und Verwaltungsreformen, Speyerer Forschungsberichte 14, Speyer 1979 Zur Kritik eines neuen öffentlichen Managements, Speyerer Forschungsberichte 155, Speyer 1995 – engl.: On the critique of New Public Management, Speyerer Forschungsberichte 155, Speyer 1996 Modernisierung von Staat und Verwaltung (zusammen mit Joachim Beck), Baden-Baden 1997 „Schlanker Staat“ – Verwaltungsmodernisierung im Bund (zusammen mit Natascha Füchtner), Speyerer Forschungsberichte 183, Speyer 1998 Politik und Verwaltung auf dem Weg in die transindustrielle Gesellschaft (hrsg. zusammen mit Werner Jann/Christine Landfried/Peter Wordelmann), Festschrift für Carl Böhret zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1998 Verwaltungsmodernisierung im Bund – Schwerpunkte der 13. Legislaturperiode (hrsg. zusammen mit Natascha Füchtner), Speyerer Forschungsberichte 196, Speyer 1999 Accountability Management in Intergovernmental Partnerships (hrsg. zusammen mit Elke Löffler), OECD und Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, Speyerer Forschungsberichte 207, Speyer 2000 Zur Manageralisierung und Ökonomisierung der öffentlichen Verwaltung, Speyerer Forschungsberichte 209, Speyer 2000 „Schlanker Staat“ – eine Agenda der Verwaltungsmodernisierung im Bund (zusammen mit Natascha Füchtner), Baden-Baden 2000 2. Abhandlungen Verwaltungsreform und Demokratiediskussion, in: Demokratie und Verwaltung: 25 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1972, S. 271 ff. Administrative Sciences and Administrative Reforms, in: Caiden/Siedentopf (Hrsg.), Administrative Reform Strategies, Lexington/Mass. 1982, S. 17 ff. Experiences in the Federal Republic of Germany (Commentary to: David T. Stanley, Civil Service Reform in the United States Government), in: International Review of Administrative Sciences, 1982, S. 319 ff. Verwaltungsvereinfachung aus der Sicht der Bundesebene (Verwaltungspolitik), in: Ellwein/ Hesse (Hrsg.), Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspolitik, Baden-Baden 1985, S. 71 ff. Zur Entwicklung eines administrativen „Innovations-Managements“, in: Böhret u. a. (Hrsg.), Herausforderungen an die Innovationskraft der Verwaltung, Opladen 1987, S. 197 ff. Verwaltungspolitik, in: Chmielewicz/Eichhorn (Hrsg.), Handwörterbuch der öffentlichen Betriebswirtschaft, Stuttgart 1989, Sp. 1706 ff.
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La Riforma Amministrativa in Germania, in: Cassese/Franchini (Hrsg.), Tendenze recenti della Riforma Amministrativa in Europa, Bologna 1989, S. 75 ff. Auswirkungen der europäischen Integration auf die öffentliche Verwaltung, in: Hofmeister (Hrsg.), Internationalisierung der öffentlichen Verwaltung, Bern 1991, S. 27 ff. Internationalität, Transnationalität, Supranationalität – Auswirkungen auf die Regierung, in: Hartwich/Wewer (Hrsg.), Regieren in der Bundesrepublik 5, Opladen 1993, S. 235 ff. Organisation und Prozeß: Zur Internationalisierung des Regierens, in: Böhret/Wewer (Hrsg.), Regieren im 21. Jahrhundert – zwischen Globalisierung und Regionalisierung, Festschrift für Hans-Hermann Hartwich zum 65. Geburtstag, Opladen 1993, S. 144 ff. Public Sector Reform: The Case of Germany, in: Hesse/Toonen (Hrsg.), The European Yearbook of Comparative Government and Public Administration, Baden-Baden/Boulder, Colorado, Vol. I/1994, S. 387 ff. „Neue“ Verwaltung oder Verwaltungsmodernisierung: Verwaltungspolitik in den 90er Jahren, in: Die Öffentliche Verwaltung 9/1995, S. 349 ff. Zur postindustriellen Verwaltung, in: Kreyher/Böhret (Hrsg.), Gesellschaft im Übergang, Festschrift für Helmut Klages zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 1995, S. 221 ff. Unternehmerisches oder exekutives Management – die Perspektive der klassischen öffentlichen Verwaltung, in: Verwaltungsarchiv 1/1996, S. 19 ff. – engl.: Entrepreneurial Management or Executive Administration: The Perspective of Classical Public Administration, in: Kickert (Hrsg.), Public Management and Administrative Reform in Western Europe, Cheltenham 1997, S. 217 ff. Die Reform der öffentlichen Verwaltung in Deutschland, in: Institut für Strategische und Entwicklungsstudien (ISTAME), „Neue Entwicklung in der öffentlichen Verwaltung“, Athen 1996, S. 111 ff. Öffentliche Verwaltung – postindustriell, postmodern, postbürokratisch, in: Merten/Schmidt/ Stettner (Hrsg.), Der Verwaltungsstaat im Wandel, Festschrift für Franz Knöpfle zum 70. Geburtstag, München 1996, S.141 ff. – engl.: Public Administration – Post-Industrial, Post-Modern, Post-Bureaucratic –, in: European Group of Public Administration, Budapest University of Economic Sciences (Hrsg.), New Trends in Public Administration and Public Law, EGPAYearbook, Annual Conference, Budapest 1996, S. 17 ff. Markt und Wettbewerb als Staats- und Verwaltungsprinzipien, Carl Hermann Ule zum 90. Geburtstag, in: Deutsches Verwaltungsblatt 4 – 5/1997, S. 239 ff. Drei Welten der Verwaltungsmodernisierung, in: Klaus Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung – Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1997, S. 399 ff. – engl.: Three Worlds of Public Administration Modernization, in: The Annals of Public Administration Research, No. 15 (1997), S. 1 ff. Verwaltungsmodernisierung im internationalen Vergleich – Acht Thesen –, in: Die Öffentliche Verwaltung 1997, S. 265 ff. Institutionentransfer und Modelldenken bei Verwaltungsmodernisierungen, in: Morsey/Quaritsch/Siedentopf (Hrsg.), Staat, Politik, Verwaltung in Europa, Gedächtnisschrift für Roman Schnur, Berlin 1997, S. 293 ff.
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Zur Modernisierung von Staatswirtschaft und Wohlfahrtsstaat, in: Festschrift für Dimitrios Corsos, Athen 1998, S. 173 ff. Ein Neues Öffentliches Management – Globale Perzeption und Kritik, in: Neisser/Hammerschmid (Hrsg.), Die innovative Verwaltung. Perspektiven des New Public Management in Österreich, Wien 1998, S. 141 ff. „Schlanker Staat“ zwischen Bonn und Berlin (zusammen mit Natascha Füchtner), in: Verwaltungsarchiv 1/1999, S. 1 ff. Legitimationsfragen an eine sich europäisierende Verwaltung – Thesen –, in: Bauer/Hendler/ Huber/Popowska/Rabska (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Städtebaurechts, Referate und Diskussionsbeiträge des X. Deutsch-Polnischen Verwaltungskolloquiums vom 8. – 12. September 1997 in Posen, Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar/Dresden 1999, S. 35 ff. Räumliche Planungen in der Ökonomisierung und Manageralisierung der öffentlichen Verwaltung, in: Verwaltungsrundschau 9/2000, S. 297 ff.