Entwicklungsphysiologie der Tiere: Band 2 Körpergrundgestalt und Organbildung 9783111567792, 9783111196251


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Inhalt
III. Bildung der Körpergrundgestalt
IV. Morphologische und histologische Differenzierung der Organe
Erklärung von Fachausdrücken
Bücher und zusammenlassende Darstellungen
Register
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Entwicklungsphysiologie der Tiere: Band 2 Körpergrundgestalt und Organbildung
 9783111567792, 9783111196251

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SAMMLUNG GÖSCHEN BAND 1163

Entwicklungsphysiologie der Tiere Von Prof. Dr. Friedrich

Seidel

Max-Planck-Institut, für Tierzucht Mariensee (Hannover)

II Körpergrundgestalt und Organbildung M i t 42

Abbildungen

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G. J . Gösehen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • K a r l J . Trübner • Veit & Comp. Berlin

1953

Alle R e c h t e , einschl. der R e c h t e der H e r s t e l l u n g von P h o t o k o p i e n u n d M i k r o f i l m e n , v o n d e r V er l a g s h a n d l u ng vorbehalten

Copyright 1953 by W a l t e r d e G r u y t e r & Co. Berlin W 35, Genthiner Str. 13

Archiv-Nr. ] 11163 Druck von Harry Bartels, Buchdruckerei Berlin-Charlottenburg Printed in Germany

3 Inhalt Erster Band I. Einleitung II. Ei und Furchung. Beobachtungen, Experimente, theoretische und methodische Erörterungen Zweiter Band III. Bildung der Körpergrundgestalt a) R i n g e l w ü r m e r ( P o l y c h a e t a u n d O l i g o c h a e t a )

Seite

5 7

NereiSy Trochophoralarve 7. — Modus der Spiralfurchung 7. — Blastomeren als getrennte Einheiten 8. — Abhängige Differenzierung beim Auswachsen des Wurmkörpers 9. — Tubifex, Faktorenbereiche für die Keimstreifentwicklung 10. — Bedeutung des Zellteilungsmusters für die Differenzierung 12. — Wechselwirkungen innerhalb des Keimstreifß 13. — Beziehungen der Segmentierung zum Zellgeschehen 14. — Regulationen 16.

b) I n s e k t e n ( H e x a p o d a )

17

Furchung und Bildungsweise des Keimstreifs 17. — Differenzierungsordnung 19. — Differenzierungszentrum 19. — Aktivierung des Differenzierungszentrums, Faktorenbereich des Bildungszentrums 21. — Wirkungsweise des Differenzierungszentrums 21. — Regulationen 23. — Reaktionsfolge und Bewegungsvorgänge 24. — Reaktionen zwischen Ectoderm und Mesoderm des Keimstreifs 25.

c) Seeigel ( E c h i n o i d e a )

29

Entwicklung der Pluteusgestalt 29. — Anordnung der Entwicklungsfaktoren 33. — Reaktionsweise der Faktoren 33. — — Vollzug der Gastrulation 35. — Vegetativisierung, Animal i sierung 37. — Der gefälleartige Zustand der Faktorenbereiche 39. — Regulationsverraögen 40. — Reaktionsfolgen zur Bildung der Pluteusgestalt 42. — „Gefällehypothese" 44.

d) A m p h i b i e n (Amphibia) Blastula, Körpergrundgestalt 44. — Fähigkeiten zu Gestaltungsbewegungen in den Keimteilen 50. — Analyse der Gastrulation 51. — Differenzierungsfähigkeiten der Blastembereiche 57. — Problem der Organisierung von Keimteilen 58. — Organisator, Organisationszentrum 61. — Konstituierende Induktion 61. — Organisierende Selbstdifferenzierung des Urdarmdachs und regionale Spezifität der Induktoren 70. — Zuordnung von Bewegungsfaktoren zu den Induktoren 77. — Stellung des Organisationszentrums innerhalb der übrigen blastemati sehen Faktorenbereiche des Keimganzen 78. —• Ausgestaltung des Achsensystems, Affinitäten und polarisierende Einflüsse 79.

45

Inhalt

4

e) B i l d u n g s p r i n z i p i e n der K ö r p e r g r u n d g e s t a l t

Seite

83

Bedeutung der E ¡organisation 83. — Transportierende und gliedernde Materialbewegung 85. — Ganzheitsbezogene Wirkung der Gestaltungsbewegungen 86. — Aufbau der blastematischen Faktorenbereiche für die stoffliche oder strukturelle Differenzierung 86. — Bildungsweisen von allgemeiner Bedeutung 87.

IV. Morphologische und histologische Differenzierung der Organe 89 a) O r g a n b i l d u n g i m E m b r y o ( A m p h i b i e n ) . . . 89 Unmittelbare regionalspezifische Induzierung von Anlagen durch primären Organisator (Augenblasen) 91. — Sekundäre und tertiäre Organisationssysteme (Augenlinse, Hornhaut), Anteil des Reaktionsgewebes an der Lokalisierung der Anlagen 03. — Komplizierte Ix>kalisierungsprozesse unter gleichzeitigem Anteil verschiedener Induktoren (Haftfäden, Mundbewaffnung, Kiemen) 96. — Regulationen (Augen, Hörbläschen, Herz, Extremitäten, Nervenmuster) 101. — Ausgestaltung der Organanlagen 102. — F u n k t i o n s a n a l y s e der Organe 1C8.

b) W a c h s t u m u n d M e t a m o r p h o s e

109

Wachstum und Differenzierung 109. — Gegenseitige Abhängigkeit der Hormondrüsen voneinander (Wirbeltiere, Insekten) 112. — Allgemeine Kennzeichen hormonaler Entwicklungssysteme 114.

c) P o s t e m b r y o n a l e sekten)

Organdifferenzierung (In-

11G

Imaginalscheiben 116. — Entwicklungsfähigkeiten von Teilen einer Imaginalscheibe (Auge und Antenne, Genitalsclieibe) 116. — Allgemeine entwicklungsphysiologische Kennzeichnung des Stadiums der Genwirkung und des Reaktionszustandes im Imaginalscheibenblastem (Auge, Antenne) 118. — Art der Genwirkung innerhalb einer Organzelle (Augenpigmentierung) 122. — Zusammenwirken außerzelliger und innerzelliger Faktoren bei der Ausgestaltung der Organe (Flügelimaginalscheibe) 128.

d) E i n i g e P r i n z i p i e n d e r O r g a n d i f f e r e n z i e r u n g 137 Genese von Organanlagen. Mehrteilige blastematipche Organbildungssysteme 137. — Entwicklungsphysiologische Organisation der Organanlagen 139. — Innerzellige Systeme 140.— Eizelle und differenzierte Organzelle 141.

Erklärung von Fachausdrücken

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Bücher und zusammenfassende Darstellungen mit ausführlichen Schriftennachweisen 151 Register

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III. Bildung der Körpergrundgestalt Die allgemeinen Organisationszüge des tierischen Eies sind im ersten Band dargestellt. Daß diese ihrem Typus nach für die einzelnen Tierformen verschieden sind, ist eines der wesentlichen Ergebnisse morphologischer und entwicklungsphysiologischer Untersuchungen. Je nach der systematischen und organisatorischen Zugehörigkeit prägt sich der Typus der Eies in einer besonderen Anordnungsweise der Faktorenbereiche aus. Das Ei ist ein Organismus wie das ausgebildete Tier, nur von anderer Form und anderer Zusammensetzung. Ein zunächst in wenigen Richtungen festgelegtes System differenziert sich in immer mehr Bezirken, und immer deutlicher beginnen sich Gliederung und Gestalt des Elternsystems herauszuheben. Nachdem das Ei durch die Furchung in Zellen aufgeteilt und zum Stadium der Blastula gelangt ist, schreitet der Embryo entweder auf dem Wege über die Gastrula oder über eine Keimscheibe zu dem entscheidenden Entwicklungsabschnitt vor, dem der Bildung der Körpergrundgestalt. Mit dem Aufbau des Innenaußen, der Blastemschichten des Keimes, der Keimblätter, geht der des Vorn-hinten und bei Bilaterien des Rechts-links einher. Am Abschluß dieser Periode sind die wesentlichen Stammesmerkmale eines Tieres sichtbar. Entsprechend der großen Verschiedenartigkeit der Baupläne äußern sich auch die entwicklungsphysiologischen Vorgänge, die zu diesen führen, in jeweils besonderer, nicht von vornherein vergleichbarer Weise. Ihre Analyse steht noch am Anfang und vermag nur einzelne Grundvorgänge sichtbar werden zu lassen. Wollte man bei diesem Stand der Untersuchungen die Vorgänge losgelöst aus dem Zusammenhang betrachten, könnte man sie kaum in ihrer wirklichen Bedeutung schildern und wäre allzuleicht einer vorschnellen Verallgemeinerung erlegen. So sind im folgenden zur Darstellung der wesentlichen bisher be-

6

Bildung der Körpergrundgestalt

ff-

Ringelwürmer

7

kannten Entwicklungsreaktionen Beispiele aus vier Tierstämmen ausgewählt. Sie führen zur Ableitung einiger E n t wicklungsprinzipien, die erstes Material für eine zukünftige allgemeine Entwicklungsphysiologie abgeben können. a ) Ringelwürmer (Polychaeta und

Oligochaeta)

Die unmittelbare Entwicklung zielt bei den marinen R i n gelwürmern, wie am Beispiel von Nereis gezeigt werden soll, auf die T r o c h o p h o r a l a r v e , eine schwimmende Becherlarve (Gastrula, Abb. l e ) . Diese bildet am animalen Pol eine Wimperschopfplatte (Wi) als Nervenzentrum und Sinnesorgan aus und trägt am Äquator einen oder mehrere Wimperringe, den Trochus (Tr), welcher die Larve in kreiselnder Bewegung hält. Der vom vegetativen Pol auf die Ventralseite verschobene Urmund schließt sich im hinteren Teil seiner ursprünglich sehr großen Öffnung und läßt sein vorderes subäquatoriales Ende als definitiven Mund (M) bestehen. Vom blinden Ende des Urdarms stößt später der After am vegetativen Pol nach außen durch. Jede der Furchungsblastomeren hat eine bestimmte Aufgabe für die Gestaltung der Blastula, von der aus durch Invagination des Urdarms die Trochophora entsteht. Durch den Modus der Spiralfurchung werden von jeder Blastomere des Vierzellenstadiums aus in animaler Richtung Zellen abgefurcht, die ihren Ursprungszellen gegenüber alternierend auf Lücke treten, indem die Teilungsspindeln einmal im Sinne des Uhrzeigers (dexiotrop, Abb. l b ) , beim nächsten Teilungsschritt ihm entgegen (laeotrop, c) sich schräg zur animal-vegetativen Achse einstellen (d). Die Benennungen der Zellen sind aus Abb. 1 a—d zu entnehmen. Abb. l e gibt darüber Aufschluß, welche Blastomeren für den Abb. 1. Nereis (Borstenwurm). Schema der normalen Entwicklung (SpiralJurchung) und Ergebnisse der Blastomeren-Isolierung im 16-Zellenstadium (Orig., f) nach W i l s o n , g) nach Costello 1945) a) Vierzellenstadium, A—D vier Quadranten, b) 8-Zellenstadium, nach der Bildung des ersten Quartetts l a — l d durch dexiotrope Teilung, c) 16-Zellenstadium, nach Bildung des zweiten Quartetts 2a—2d und Teilung des ersten Quartetts in die Kreuzzellen l a 1 — l d 1 und die Trochoblasten l a 2 — l d a . d) 16-Zellenstadium von der Seite, e) Trochophora, Seite, mit Bezeichnung der Bildungszellen für Körperbereiche. Pfeil: Verlagerung von 2d + 4d durch vorwärts (animal) gerichtete Rumpfkeimsprossung. f) Übergang zum Wurm mit 3 Segmenten (Nectochaeta), Ventralseite, g) Isolierungsergebnisse D Darm. M Mund. Tr Trochus. Wi Wimperplatte mit Wimperschopf

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Bildung der Körpergrundgestalt

Aufbau bestimmter Teile der Trochophora verwandt werden. Das 16-Zellenstadium Abb. l d und die ebenfalls von der Seite dargestellte Trochophora Abb. l e lassen sich unmittelbar miteinander vergleichen.

Das 0,14 mm große Ei des Ringelwurmes Nereis gehört zum Typus von Eiern mit stark differenzierter Cytoplasma-Architektur. Bei seiner Furchung werden die entstehenden Elastomeren vollständig von der Rinde und dem subkortikalen Plasma umgeben und stellen getrennte Einheiten dar, welche verschiedenartige Teile dieser Plasmaarchitektur enthalten. So ist es nur natürlich, daß die Blastomeren z. B. des 16-Zellen-Stadiums, durch eine feine Glasnadel voneinander isoliert, sich so verhalten, als wenn sie sich im Verbände des Ganzen befänden (Abb. l g , Costello). Die animalen Zellen l a 1 — l d 1 , aus denen normalerweise die animale Halbkugel (Episphaere) der Trochophora hervorgeht, teilen sich nach der Isolierung eine Zeitlang und bringen dann einen schmalen Wimperschopf hervor. Aus den Trochoblasten l a 2 — l d 2 entstehen nach zweimaliger Teilung breite Cilienbündel. Die Blastomeren 2 a—c teilen sich wie sonst zur Bildung der vegetativen Halbkugel (Hyposphaere) der Trochophora auf, und die Blastomeren 2A—2C bilden einerseits gleichartige, auch zur Hyposphaere gehörige Zellen, andererseits große ölkugelhaltige Zellen, welche das Innere der Trochophora erfüllen und an der Bildung des Darmes teilhaben. Solche Ergebnisse haben dazu geführt, die Begriffe „Mosaikei" und „Mosaikfurchung" auch in entwicklungsphysiologischem Sinne zu gebrauchen. Aber der Tatbestand wird dadurch nicht vollständig und widerspruchslos beschrieben. Die Entwicklung bis zur Trochophora geschieht n i c h t durch r e i n e S e l b s t d i f f e r e n z i e r u n g d e r B l a s t o m e r e n . So bilden sich Augenflecken nur bei Isolierung der Blastomeren aus dem Vierzellenstadium, seltener von denen aus dem 8-Zellenstadium. Falls man diesen Unterschied nicht auf methodisch bedingte Schäden zurückführen will, muß man daraus schließen, daß die Augenflecke nur auf Grund des Zusammenwirkens ungetrennter Zellen der Nachkommenschaft von ^-Blastomeren entstehen können. Die Cilien isolierter Trochoblasten schlagen sämtlich

Ringelwürmer

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in der gleichen Richtung und können nicht die Wellenbewegung entfalten, wie etwa noch bei einer Trochophora aus einer ^-Elastomere. Eine Gastrula, die bei Nereis normalerweise nicht durch Invagination, sondern epibolisch zustandekommt, indem die Ettodermzellen ( l a — l d , 2 a—2 c, 3 a—3 d) dieEntodermzellen (4A—4D, 4a—4c) umwachsen, kann aus Ectodermzellen allein nicht gebildet werden. Sie vermögen sich zur Außenwand der Becherform nur anzuordnen, wenn eine Entodermzelle vorhanden ist, auf deren Oberfläche sie sich flach ausbreiten können (vgl. 2a—2c mit 2A—2D auf Abb. lg). Die beiden Zellarten besitzen positive Affinität zueinander. — Vollends kann man abhängige Differenzierung beim Auswachsen des Wurmkörpers feststellen: Die „Somatoblasten" 2d und 4d lassen aus sich durch einen nach vorn gerichteten Sprossungsvorgang die ectodermale und mesodermale Schicht des Rumpfkeimes hervorgehen (Pfeil Abb. le). In der Metamorphose bilden das Wimperschopfgebiet und Teile der Epi- und Hyposphaere den Kopf, der Rumpfkeim den Rumpf des Wurmes; die aequatoriale Trochusregion wird abgestoßen (Abb. l f ) . Nach Isolierung weisen die Somatoblasten 2d und 4d (letzterer auf Abb. l g noch in 2D enthalten) wohl eine etwas stärkere Zellvermehrung (Abb. lg), aber keinerlei Sprossungswachstum auf, welches die Fähigkeit zur Bildung von Rumpfsegmenten oder Muskulatur anzeigen könnte. Diese Verhältnisse sind bei dem Süßwasserborstenwurm Tubifex noch genauer analysiert (Penners). Eitypus und Furchungsweise seines nicht ganz einen halben mm messenden Eies gleichen weitgehend denen von Nereis (Abb. 2 a,b). Aus der epibolischen Gastrula wird eine Trochophoralarve nicht ausgebildet, wohl aber entstehen an diesem Keim wie an der Trochophoralarve die Somatoblasten 2d und 4d und geben durch bestimmte Teilungsfolgen zehn Teloblasten (Tel) den Ursprung, von welchen je fünf auf jeder Seite den Keimstreij sprossen. Jeweils unter den vier auf Abb. 2 c sichtbaren ectodermalen Teloblasten liegt im Innern des Keimes je ein mesodermaler Teloblast. Jeder sproßt eine Zellreihe. In Richtung des Pfeiles auf Abb. 2 c wächst auf den dotterreichen Entodermzellen jederseits eine Längshälfte dieses Keimstreifs von Hinten aus nach vorn vor. Beide Seitenteile schließen sich dann (Abb. 2 e). Die beiden

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Bildung der Körpergrandgestalt

öi. Abb. 2. Tubifez (Borstenwurm). Normale Entwicklung und Ergebnisse von Defektversuchen (nach P e n n e r s 1922—1924, verändert) a) Zweizellenstadium, b) Vierzellenstadium, bi) Entwicklungsergebnis nach Abtötung des D- Quadranten mit ultraviolettem Licht. b t ) Desgleichen nach Abtötung der Quadranten A—0. 2 d " = Erster Somatoblast (Ectoderm). 4d = zweiter Somatoblast (Mesoderm). c) Stadium mit ventral verlagerten und vorn zusammengerückten Keimstreifhälften, von links hinten dorsal. Die Pfeile geben die Sprossungsrichtung an. d) Etwas älteres Stadium mit etwa 20 Segmenten. Längsschnitt. Schematisch. Sprossung der mesodermalen Keimstreifzellen für je 1 Segment (Coelomblocks). e) Noch älteres Stadium, Seitenansicht. Keimstreifteile von vorn her bis zur Keimmitte aneinandergelegt an. Ppl animales Polplasma. Coel Coelomblocks. Bit. Kstr Ectodermaler Keimstreif. Ep Epidermiszellen. B Hinterende. Kstr Keimstreif Mes. Kstr Mesodermaler Keimstreif. Mikr Mikromeren. Tel Teioblasten. UO Urgeschlechtszellen. veg. Ppl vegetatives Polplasma innen liegenden Zellreihen sind Neuroblasten. Sie bilden B a u c h m a r k . Die seitlich sich anschließenden drei Reihen entwickeln als Myoblasten Ringmuskulatur. Von den darunterliegenden mesodermalen Zellreihen werden neben den Urgeschlechtszellen (Abb. 2 d , U G ) Kopfmesenchym, Nierenkanäle, vor allem die Längsmuskeln ausgebildet. Aus je einem nebeneinanderliegenden Paar von

Ringelwürmer

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gesproßten Mesodermzellen geht immer eiijjganzes Segment hervor. Deshalb nennt man die einzelnen Zellen Coelomblocks (Coel). Der gesamte Keimstreif stellt die ventrale Seite der Körpergrundgestalt desWurms mit den beiden äußeren Keimsohichten dar. Die fertige Wurmform entsteht dadurch, daß dieser Keimstreif mit seinen seitlichen Partien den Dotterkern bis zur Dorsalseite umwächst, wobei er durch Ectodermzellen unterstützt wird, welche sich unmittelbar von den animalen Furchungszellen (Mikromeren Abb.2b!, cMikr) herleiten. Der Darm geht aus dem Entodermkern hervor. Mit dem Abbau des Dotters streckt sich der Keim (Abb. 4b).

Die Faktorenbereiche für die Keimstreifentwicklung ließen sich bei Tubifex durch Defektversuche ermitteln. Diese Versuche sind mit den am Nereisei durchgeführten Isolierungsversuchen nur in wenigen Fällen auf eine Stufe zu stellen, weil man bei ihnen die Entwicklungsleistung einzelner isolierter Blastomeren selten positiv beurteilen kann. Meistens muß man aus Ausfallerscheinungen die Aufgabe der fehlenden Blastomeren erschließen. Mittels begrenzter Strahlenfelder ultravioletten Lichtes wurden einzelne Zellen abgetötet, die sich dann aus dem lebenden Verband lösten. So ist A — C entfernt (Abb. 2b 2 ) und gezeigt, daß die Zelle D, der ja beide Polplasmen (Ppl) zugeteilt werden, allein imstande ist, selbstdifferenzierend die Somatoblasten 2d und 4d hervorzubringen (Abb. 2b 2 ). Fehlt die Zelle D einschließlich der Polplasmen, so sind die übrigen Zellen nicht imstande, den Verlust zu ersetzen. Ein Keim wie der der Abb. 2 b!, dem die Somatoblasten und daher ebenfalls die Polplasmen fehlen, konnte nie einen Keimstreif bilden. Dieser Beweis für die Notwendigkeit bestimmter Teile der Plasmaarchitektur für gewisse Bildungsprozesse ist dem am Dentaliumvi erbrachten (Abb. 10, Bd. I) unmittelbar an die Seite zu stellen: Die P o l p l a s m e n stellen F a k t o r e n b e r e i c h e dar, deren Entwicklungsfaktoren in der Tubifexentwicklung f ü r d i e B i l d u n g des K e i m s t r e i f s nicht entbehrt werden können und die aus dem übrigen Cytoplasma nicht ersetzbar sind. Andererseits ist das Plasma allein nicht imstande, die Keimstreifsprossung hervorzurufen, ebensowenig wie die isolierte Zelle 2d des jVereis-Eies dies vermochte. Bei diesen Keimen, deren Eier dem stark differenzierten Eitypus angehören, tritt

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Bildung der Korpergnindgestalt

Abb. 3. Tubifex (Borstenwurm). Genese einer Kreuzdoppelbildung ( n a c h P e n n e r s 1924) a) Längsschnitt durch ein Vierzellenstadium eines anfänglich aequal gefurchten Eies (zwei Mikromeren außerhalb der Schnittebene). Verdoppelung und ganzheitliche Verteilung der Polplasmen (I und II), b) Entwicklung des ersten Somatoblasten (2d) beider Individualteile (I, II), c) E n t s t e h u n g der Duplicitas cruciata durch Sprossung der Keimstreife I und I I v o n den Teloblasten a n ihren Hinterenden (H I und H II) und Vereinigung der rechten und linken H ä l f t e n entgegengesetzter Partner zu zwei neuen Vorderenden ( V a u n d V b ) an. Ppl animales Polplasma. Tel Teloblasten. veg. Ppl v e g e t a t i v e s Polplasma

die besondere Bedeutung des Zellteilungsmusters für die Differenzierung sehr deutlich hervor. Auf verschiedene äußere Störungen, Quetschung der Eier beim Herausnehmen aus dem Kokon, kurzdauernde Behandlung mit hypertonischen Salzlösungen, reagiert das Tubifexei mit Abnormitäten der Furchung. So können an die Stelle der typischen Somatoblasten mehrere kleine Zellen treten. Da das Polplasma sich durch die Indophenoloxydase-Reaktion elektiv blau färbt (F. E. L e h m a n n ) , so läßt sich der Weg der Polplasmcn während der normalen Furchung gut verfolgen und auch für diesen Experimentalfall nachweisen, daß das Polplasma als solches in den kleinen Zellen vorhanden ist. Trotzdem kommt es n i c h t zu einer K e i m s t r e i f b i l d u n g : Diese ist g e b u n d e n a n d e n o r d n u n g s g e m ä ß e n A b l a u f d e r F u r c h u n g s f o l g e . Die aus den Somatoblasten hervorgehenden Teloblasten sind in besonderer Weise polarisiert, insofern sie die Keimstreifzellen in einer Richtung sprossen. Es hat den Anschein, als ob diese Polarität nur durch den ordnungsgemäßen Ablauf der vorhergehenden Teilungsschritte ( B o v e r i ) erlangt werden kann.

Ringelwürmer

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Nicht nur wirken Polplasmen lediglich in der Zellform und Zellfolge der Somatoblasten, sondern umgekehrt kann man Entstehung von Somatoblasten auch nur dann beobachten, wenn funktionsfähige Polplasmen vorliegen. Infolge der Einwirkung hoher Temperatur oder sauerstoffarmen Wassers auf ungefurchte Tubife:c-Eier verläuft in 1 — 2% der Fälle die erste Furchung äqual, wobei entweder die Polplasmen ganz unterdrückt oder aber in jeder der beiden Blastomeren zugleich ausgebildet werden (Abb. 3 a). Im ersteren Falle fehlen auch die Somatoblasten. Die S o m a t o b l a s t e n f o r m der Zelle i s t die den P o l p l a s m e n bzw. den g a n z e n selbständigen Faktorenbereichen gemäße Zellform. Da im zweiten Falle beide äqual geteilten Blastomeren mit ihren Polplasmaanteilen selbständig zur Somatoblastenbildung schreiten (Abb. 3b), so kann aus jeweils der halben Menge der Polplasmen eine Ganzbildung entstehen (Abb. 3 c): Beide Somatoblasten haben Teloblasten hervorgebracht, aus denen je zwei Keimstreifhälften einander entgegensprossen. Die rechte Hälfte der einen Seite verbindet sich jeweils mit der linken Hälfte der anderen Seite zu einem neuen Vorderende. Es formt sich eine Duplicitas cruciata. Durch Isolierung von Keimstreifteilen gewinnt man einen Einblick in die Wechselwirkungen innerhalb des Keimstreifs. Laterale oder frontale Keimstreifhälften vermögen sich nicht zum Ganzen zu regulieren. Die beiden seitlichen Hälften sind, ebenso wie der ectodermale und mesodermale Keimstreif, zur Bildung eines vollkommenen Embryo aufeinander angewiesen, Tötet man die mesodermalen Teloblasten ab, so daß allein ein edodermaler Keimstreif gesproßt wird, so vermögen sich seine Zellen zwar histologisch vollständig auszudifferenzieren, aber quantitativ wie topographisch entbehren diese Differenzierungen der normalen Ordnung. D e r K e i m s t r e i f b l e i b t ohne j e g l i c h e S e g m e n t i e r u n g . Die gesproßten Zellen vermehren sich ohne bestimmte Regel. Im neuralen Material vermißt man die segmentalen An- und Abschwellungen, die Sonderung in Ganglien und Konnektive. Das Bauchmark ist im ganzen zu breit und zu mächtig. Die Fasermassen sind nicht in zwei Strängen gesammelt, sondern vielfach verteilt. Die wenigen Borstenanlagen verstreuen sich regellos über die

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Bildung der Körpergrundgestalt

ganze Epidermis. Ringmuskeln bilden sich nur spärlich und bedecken die Epidermis ungleichmäßig. Man beobachtet an solchen Keimen nie Kontraktionen. Im Entoderm segmentiert sich der Darm nicht und weist auch kein Lumen auf. Der Keimstreif vermag den Dotter nicht oder nur ungenügend zu umwachsen. Der ganze Keim bleibt kugelig und streckt sich weder in die Länge, noch rollt er sich wie ein normaler spiralig auf. Im Gegenversuch, der Entfernung der ectodermalen Teloblasten, treten die Fähigkeiten des rnesodermalen Keimstreiis hervor. Dieser kann die r e g u l ä r e F o r m g e b u n g selbständig vollziehen. Er umwächst den Dotter, wenn auch etwas langsamer als bei Anwesenheit von Ectoderm, so daß sich dieser zu strecken und auch spiralig aufzurollen vermag. Auf Grund seiner großen Zellelemente, der Coelomblocks, geschieht die S e g m e n t i e r u n g d u r c h a u s n o r m a l . Es bilden sich Coelome mit der zugehörigen Wandmuskulatur und Nierenkanälchen. Auch der Darm segmentiert sich. Um die Auswirkungen dieOsch/ ser formbildenden Fähigkeiten desMesoderms auf dje Formung des ganzen Keimes richtig zu beurteilen, muß man die Beziehungen der Segmentierung zum Zellgeschehen genauer betrachten. Nimmt man dem Keim nach der Bildung der Somatoblasten lediglich Dottermaterial, etwa durch Abtöten der Zelle 4 D, weg, so

b.

Abb. i. Tubifex (Borstenwurm). Ergebnis der Ausschaltung der Blastomeren 4 D mittels Strahlenstich im 24-Zellenstadium (nach P e n n e r s 1925, 1935) a) Verkürztes Würmchen mit 20 Segmenten. b) Normale Kontrolle (29 Segmente) Jim Bauchmark. M Mund. Oschl Oberschlundganglion

Ringelwürmer

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erhalten die Somatoblasten für den Sprossungsprozeß relariv wenig Nährmaterial, und es entsteht ein Zwergwurm (Abb. 4 a) mit einer verminderten Anzahl verkleinerter Segmente. Diese Segmente bestehen sehr wahrscheinlich aus ebensoviel Zellen wie normale, aber ihre Zellen sind in sämtlichen Organen kleiner als diejenigen normaler Würmer. Die von den Teloblasten gesproßten mesodermalen Keimstreifzellen müssen eine geringere Ausgangsgröße als die normalen besessen haben. Denn im Gegensatz zum Verhalten der ectodermalen Teloblasten scheinen T e i l u n g s f o l g e und T e i l u n g s r a t e der g e s p r o ß t e n Coelomblocks genau b e s t i m m t zu sein. Zu Gunsten dieses Teilungsmusters ist die Abänderung der Kern-Plasma-Relation, die infolge der Verminderung des Dottermaterials eintrat, nicht wieder ausgeglichen. Die abgeänderte Kernplasmarelation bleibt erhalten und wirkt sich unmittelbar in der Organgröße aus. Da die Entodermund die Ectodermzellen, welche ja ohne Mesoderm ungeordnet wuchern, gleichfalls gegenüber der Norm verkleinert sind, so müssen mindestens die ersteren ihre Teilungstätigkeit länger als normal fortgesetzt haben, bis eine segmentale Formung entsprechend den verkleinerten mesodermalen Coelomblocks möglich wurde. Die Zellen der drei Keimschichten gelangen hinsichtlich ihrer Größe zu einer h a r m o n i s c h e n Ang l e i c h u n g , bei welcher die Größe der mesodermalen Coelomblocks und der von ihnen abgeleiteten Zellen führend ist. Allein die Urkeimzellen, welche sich von den zuerst gesproßten mesodermalen Keimstreifzellen herleiten, behalten ihre normalen Größenabmessungen und ihre ursprüngliche Kernplasmarelation bei. Demnach sind wesentliche Differenzierungsleistungen sowohl bei der Bildung des Keimstreifs wie auch bei seiner Ausformung an eine bestimmte Zellform und an ein bestimmtes Zellmuster gebunden. In der gleichen Weise wie ein solches Zellmuster während der Furchung der Eier mariner Borstenwürmer unmittelbar die Form der Trochophoralarve bis zu den einzelnen Organzellen vorbildet, ist es auch als „Skelett" der Differenzierung im auswachsenden Wurm entscheidender Ordnungsfaktor, dem sich andere formvariable Zellen unter-

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Bildung der Körpergrundgestalt

ordnen. Die V o r r a n g s t e l l u n g des Z e l l m u s t e r s bei der D i f f e r e n z i e r u n g bedeutet, daß P l a s m a b e r e i c h e n besonderer A n t e i l an der Differenzierung zukommt. Dies wird immer zu berücksichtigen sein, wenn wesentliche Differenzierungsprozesse sich nicht nur in den Reaktionen zwischen Zellen, sondern in einer W e c h s e l w i r k u n g von P l a s m e n i n n e r h a l b der Zellen abspielen, wie bei Tubifex im ungefurchten Ei, in den Somatoblasten, in den Coelomblocks. Insofern bedeutet relative „Großzelligkeit" häufig nicht einfach ein quantitatives Merkmal, sondern einen besonderen Entwicklungsstil. Die Zelle birgt in ihrem Innern deutlich gegeneinander abgesetzte Faktorenbereiche. Der Keim zeichnet sich durch „Differenziertzelligkeit" aus. Dem gesteigerten Wert der Einzelzelle und des Zellmusters entsprechend verlaufen Regulationen in ganz anderen Bahnen als bei Keimen mit kleinzelligen und zellmusterindifferenten Blastemen. Sobald Zellbegrenzungen als faktorentragende Rindenfelder auftauchen, vermögen diese den Zellen noch größere Teilselbständigkeit zu verleihen als sie schon die in ihnen enthaltenen qualitativ ausgezeichneten Plasmen innerhalb eines Eies besitzen. Sie werden ja dort bei Zentrifugierung meist auch nur als einheitlich zusammengehörige Bezirke verlagert. Weder die einen noch die anderen sind ersetzbar und begrenzen dadurch das Ausmaß der Regulationen. Daß diese aber grundsätzlich möglich sind, wurde bereits bei der Besprechung der Eiorganisation gezeigt (I, S. 96) und gilt auch hier: Im Stadium der Bildung der Körpergrundgestalt kann sich ectodermales und entodermales Zellmaterial an die Größenverhältnisse des Mesoderms anpassen. Kurzkeime von 10—11 Segmenten, hergestellt durch Abtötung der mesodermalenTeloblasten, bevor dieseihre Sprossungstätigkeit beendet haben, bilden häufig Nierenkanälchen und Gonaden in weiter vorn liegenden Segmenten, als es normalerweise geschieht. Sie erlangen dadurch in dem verkleinerten Wurm eine relativ normale Lagerung. Werden ectodermlose Keime lange genug aufgezogen, so kann sich vom Mesoderm aus unter reger Zellvermehrung, Abspaltung, Auswanderung von Zellen, welche sich in die nicht keimstreifentstandenen formbildungs-

Insekten

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u n f ä h i g e n H a u t z e l l e n e i n f ü g e n , r e g e n e r a t i v ein E r s a t z e c t o d e r m mit segmentiertem Bauchmark, Ringmuskeln und Borstens ä c k e n b i l d e n . D i e G a n g l i e n k n o t e n weisen z u n ä c h s t ein ziemlich bizarres A u s s e h e n a u f , v e r v o l l k o m m n e n sich a b e r m i t z u n e h m e n d e m A l t e r sehr. b) Insekten

(Hexapoda)

D u r c h die A r t der F u r c h u n g u n d die B i l d u n g s w e i s e d e s K e i m s t r e i f s u n t e r s c h e i d e n sich die I n s e k t e n sehr v o n d e n R i n g e l w ü r m e r n , a b e r die w e i t e r e n Bildungsprozesse, die z u r K ö r p e r g r u n d g e s t a l t u n d z u r V o l l e n d u n g des E m b r y o f ü h r e n , v e r l a u f e n b e i b e i d e n T i e r g r u p p e n sehr ä h n l i c h . I n d e n E i e r n der I n s e k t e n k a n n die C y t o p l a s m a a r c h i t e k t u r m e h r oder w e n i g e r s t a r k d i f f e r e n z i e r t sein. Das genauer zu besprechende 0,8 m m lange Ei der Libelle Platycnemis gehört zu letzteren, das 1 m m lange, an einem Eistiel befestigte des Netzflüglers Chrysopa, wie auch das nur halb so große der Fruchtfliege Drosophila mehr zu den ersteren. Die Furchung ist vorwiegend eine superfizielle. Im Innern des mehr oder weniger dicht gepackten Dotters breitet sich ein Plasmanetz aus, welches sich an der Eioberfläche zu einer einheitlichen Schicht, dem Keimhautblastem, verdichtet. Dieses ist, mindestens in seinen äußeren Schichten, mit der Rinde anderer Eier zu vergleichen. An der Stelle im Eiinnern, an der sich der Eikern befindet, ist das Netz-Entoplasma zu einem Plasmahof gesammelt. Während der Furchung treten die Kerne mit ihren Plasmahöfen auseinander (Abb. 13 a Bd. I), erfüllen das Eiinnere und wandern dann bis auf einzelne im Dotter zurückbleibende Vitellophagen an die Eioberfläche, wo die Plasmahöfe mit dem Keimhautblastem zusammen eine einzige das Dottersystem umgebende Zellschicht, das Blastoderm, bilden. Dieses Stadium entspricht der Blastula anderer Embryonen. Die Keimanlage entsteht durch Zusammenschluß und Vermehrung der Blastodermzellen (Abb. 13 c Bd. I). An ihr heben sich die Kopflappen (Ko) gegenüber den R u m p f teilen ab. Die Mosaikfurchung ermöglichte es bei der Wurmblastula, genau zu verfolgen, was die prospektive Bedeutung der einzelnen Teile ist. Um diese f ü r die einzelnen Bereiche des Blastoderms im Libellenei zu erfahren, dessen Zellen völlig gleichförmig die Eioberfläche bedecken (vgl. Abb. 7b), muß man künstliehe Mar2

S e i d e l , Entwicklungsphysiologie der Tiere I I

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Bildung der Körpergrundgestalt

Abb. 5. Chrysopa (Netzflügler). Bildung der Körpergrundgestalt. Schemata (nach Bock 1940, 1941) a) Abgrenzung der Mittelplatte, bi) Bildung der Primitivrinne zur Einsenkung der Mittelplatte. Segmentierung. Oberflächenbild von der Ventralseite. b2) Querschnitt durch die Ventralseite eines Thoraxsegmentes in diesem Stadium. Körpergrundgestalt vollendet. c 3 ) Querschnitt dazu, di) Stadium der morphologischen und histologischen Differenzierung der Organe. Oberflächenbild und d 3 ) Querschnitt durch die ventrale Eihälfte Abd Abdomensegment. At Antenne. Bm Bauchmark. Cbl Cardioblasten. Coel Coelom. dm Dorsalmuskulatur, dvm Dorsoventralmuskel. Ent Entodermaler Mittelstreif, exm Extremitätenmuskulatur. F Fettgewebe. Md Mandibel. Mdm Mitteldarmmuskelzellen. Mpl Mittelplatte. Mx Maxillarsegment. Mu Muskulatur. Spl Seitenplatte. SU Stigma. Th Thoraxsegment. Tr Trachee. vm Ventralmuskel ken anbringen. Mittels starker Dosen ultravioletten Lichtes v o m Strahlenstichapparat, die eine frühzeitige Heilung verhinderten, wurden genau abgemessene kleinste Bereiche abgetötet. Aus den entstehenden Defekten am Embryo ließ sich rückschließend eine K a r t e d e r p r a e s u m p t i v e n O r g a n a n l a g e n für das Blastoderm aufstellen (Abb. 6i). Während bei den Ringelwürmern der Keimstreif v o n vornherein durch die Teloblasten zweischichtig gesproßt wird, geht er bei den Insekten aus der einschichtigen Anlage durch einen Aufteilungsprozeß hervor. Auf der späteren Yentralseite wird in der Längsrichtung eine Mittelplatte (Abb. 5 a, b, Mpl) abgegrenzt,

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welche sich auf den Dotter zu nach innen einsenkt und deren Zellen sich dann als meso-entodermale Schicht unter den ectodermalen Seitenplatten (Spl) ausbreiten. Die seitlichen Teile dieser Schicht bilden die Coelome (Abb. 5c 2 , Coel), ihre medianen, die Auskleidung des Darmes (Ent). Währenddessen sind an der Keimoberfläche die Segmente deutlich geworden (Abb. öbj). Unter der Hypodermis ging aus den Seitenplatten das Bauchmark hervor (Abb. öc 2 , Bm). Nach außen hin wölben sich die Extremitätenanlagen (cj., dj). Vorn im Keimstreif öffnet sich die Anlage des Mundes, hinten die des Afters gegen den Dotter. Ebenso wie bei den Ringelwürmern umwächst der Keimstreif, nach den Seiten sich verbreiternd, mit seinen Keimschichten das Dottersystem, so daß dieses in den Darm gerät.

Die Differenzierungsordnung ist bei den Würmern durch den Sprossungsvorgang bedingt. Am Insektenkeimstreif macht sich eine eigene raum-zeitliche Differenzierungsordnung bemerkbar: In der Längsrichtung schreitet das Gebiet des Prothorax den übrigen voraus (Abb.5a.Th!), in der Querrichtung gehen die inneren Teile den äußeren voran. Das Prothoraxgebiet wird daher als D i f f e r e n z i e r u n g s z e n t r u m (Seidel) bezeichnet. Hier versammeln sich die Blastodermzellen zuerst zur Bildung der Keimanlage (Abb. 7c), hier begimnt die Mittelplatte, sich in den Dotter zu versenken, hier treten die ersten Segmente auf und entstehen die ersten Extremitäten. In der Medio-lateral-Richtung grenzt sich zuerst die Mittelplatte ab (Abb. 5 a). Darauf kommen nacheinander in den ectodermalen Seitenplatten die Ganglienzellen, dann die Extremitätenknospen und schließlich die weiter außen folgenden Zelldifferenzierungen hervor (Bock). Einer Welle gleich pflanzen sich die Differenzierungsprozesse vom Differenzierungszentrum aus nach allen Seiten hin fort. Das Differenzierungszentrum ist nicht nur der Höhepunkt eines von ihm aus ringsum absinkenden Gefälles im Differenzierungszustand, sondern es hat beim Insektenkeim auch eine Bedeutung für den kausalen Ablauf des Entwicklungsgeschehens. Legt man dem Ei der Libelle im Stadium des gleichförmigen Blastoderms (Abb. 7 b) eine Schnur vor oder hinter dem praesumptiven Differenzierungszentrum an, so bildet nur derjenige Teil, der dieses Zentrum enthält, eine 2*

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Bildung der Körpergrundgestalt

Abb. 6. Platycnemis (Libelle). Experimente zur Prüfung der Wirkungsweise des Differenzierungszentrums ( S e i d e l 1934—193G) a — c ) Unvollkommene Schnürungen, durch welche die Wirkung des Bildungszentrums ( I , Abb. 13) nicht eingeengt wird, a) unmittelbar v o r dem Differenzierungszentrum. Kcimanlage nur hinter der Schnur, b) Schnürung im Bereich des Differenzierungszentrums: Keimanlage zu beiden Seiten der Schnur, c) Schnürung h i n t e r dem Differenzierungszentrum: Keimanlage nur vor der Schnur, d) llingbestrahlung der Oberfläche des 512-Zellenstadiums mit ultraviolettem Licht im Bereich des Differenzierungszentrums. Ergebnis ein normaler Embryo. e ) , f ) Unmittelbare Wirkung einer eng begrenzten Bestrahlung in spätem Blastodermstadium: Zusammenscharung der Kerne im Strahlenfeld, e) Seitenansicht, f) Aufsicht, g) Normaler Embryo vor dem Schlüpfen, h) Zwergembryo, erzeugt durch Schnürung des Eies im Vierkernstadium, kurz vor dem Schlüpfen, Schnur gelöst, i) Ei im Blastodermstadium mit Angabe der präsumptiven Organbezirke nach Markierungsversuchen mittels kleiner Strahlenstichdefekte. k) Larve. Verdoppelung des Hinterendes durch Längsspaltung des Eimaterials infolge Bestrahlung mit U.V.-Licht im Stadium der Abb. 7 c Abä Abdomen. Au Augenanlage. At Antenne. K Keimanlage. M Mandibel. AIx Maxille. Str Strahlenfeld. Th Thoraxsegment

Insekten

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Keimanlage (Abb. 6a, c). Wird die Schnur mitten im Gebiet des Zentrums angebracht, so entwickeln beide Eiteile eine Keimanlage (Abb. 6 b). Der Verlauf der Aktivierung des Differenzierungszentrums läßt sich aus Abb. 7 ableiten, in der für das Libellenei die einzelnen Entwicklungsstadien bis zur Keimanlage ihrem zeitlichen Abstand gemäß eingezeichnet sind. Am Hinterende des Eies befindet sich der Faktorenbereich des Bildungszentrums, von dessen Wirkung jegliche Entwicklung im Ei abhängig ist (I, S. 39) und der durch eine Reaktion mit den Furchungskernen aktiviert wird. Wenn während des Blastodermstadiums zu verschiedenen Entwicklungszeiten das Experiment (Abb. 13f, g Bd. I) derart ausgeführt wird, daß man an verschiedenen Eiern jeweils unterschiedlich große Bezirke abtötet, so ergibt sich: Mit fortschreitender Entwicklungszeit können immer größere Bezirke ausgeschaltet werden, ohne daß sich die Entwicklung verhindern läßt. In dem Ausmaß, in dem es die durch diesen Versuch gewonnene Kurve (Abb. 7 b) anzeigt, schreitet ein Vorgang vom Bildungszentrum aus nach vorn vor. Unmittelbar ist damit eine Veränderung des Dottersystems verbunden, indem die kleinsten Dotterkügelchen zu Gunsten der größeren verschwinden, ferner das ganze System heller durchscheinend, mehr elastisch verfestigt und offenbar geeigneter wird, auf Reize hin mit Kontraktionserscheinungen zu antworten. Das Agens des Bildungszentrums läßt sich auch durch eine Schnur von feinstem Kinderhaar wie etwa in Abb. 131, m (Bd. I) aufhalten. Doch muß diese sehr fest angezogen werden, um eine Schranke bilden zu können. Im Gegensatz dazu wird die Wirkung des Differenzierungszentrums auch dann schon durch eine Schnur beschränkt, wenn sie wie im Versuch Abb.6a,c, relativ locker um das Ei gelegt ist. Die Wirkungsweise des Differenzierungszentrums muß eine grundsätzlich andere als die des Bildungszentrums sein. Sie kann nicht etwa durch ein Agens, welches das Dottersystem durchdringt, übertragen werden. Daß auch die Wirkung nicht von Zelle zu Zelle im oberflächlichen Blastoderm fortschreitet, beweist der Versuch Abb. 6d. Hier wurde mittels schwacher

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Bildung der Körpergrandgestalt

Abb. 7. Platycnemis (Libelle). Graphische Darstellung der Reaktionsfolge zur Entwicklung der Keimanlage. Ordinate: Eilänge in Teilstrichen. Abszisse: Entwicklungszeit in Stunden ( S e i d e l 1934) a) Vierkernstadium mit Angabe der Lage des präsumptiven Bildungszentrums, Klammer, b) 256-Kernstadium, in dem nach der Einwanderung der Furchungskerne ins Bildungszentrum die durch die Kurve versinnbildlichte Reaktion beginnt. Entsprechend ändert sich schrittweise die Dotterstruktur, c) Zusammenscharung der Zellen zur Ausbildung der Keimanlage zuerst im Differenzierungszentrum, Klammer. Linke Eiseite. d) Zweiteilige Keimanlage. Linke Seite, e) Vollendete Keimanlage. Linke Eiseite (vgl. I , Abb. 13 c) Ausbildung von Kopflappen E Einrollungsstelle zur Weiterentwicklung der Keimanlage im Innern des Dotters. Ko Kopflappen.

Dosen ultravioletten Lichtes das Blastoderm der Eioberfläche im gesamten Bezirk des Differenzierungszentrums abgetötet. Aber trotzdem wanderten die außerhalb dieses Bereichs befindlichen Zellen in dem Wundbezirk ein und nahmen die Differenzierung auf, so daß auch ohne die ursprünglich dem Differenzierungszentrum angehörigen Blastodermzellen ein normaler Embryo zu entstehen vermag. Demnach bleibt nur noch übrig, das System von Netzplasma und Dotter als Urheber der Zellbewegung anzusehen. Wie sich verschiedentlich beobachten läßt, kann sich das Dottersystem auf gewisse Reize hin, bei Annäherung einer heißen Nadel oder bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht, kontrahieren. Dellt sich

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auf Grund einer örtlich begrenzten Bestrahlung (Abb. 6e, Str.) das Dottersystem unter dem Chorion nachhaltig etwas ein, so strömen Blastodermzellen von allen Seiten her auf diese Stelle zu, die umliegenden Gebiete entblößend (Abb. 6f). Liegt die Bestrahlung kurz vor dem Gebiet einer praesumptiven Keimanlagenhälfte, so kann dort die Keimanlage gegenüber der anderen Hälfte verlängert werden: Das Dottersystem vermag durch Eigenkontraktion an lokal begrenzten Stellen eine Ansammlung der Blastodermzellen zur Keimanlage zu veranlassen. Indem es sich zuerst im Differenzierungszentrum kontrahiert und diese Kontraktion einer Welle gleich nach vorn und hinten weiterführt, sammeln sich die Blastodermzellen zuerst im Differenzierungszentrum (Abb. 7 c) und dann, schrittweise fortschreitend, in den vorn und hinten anschließenden Gebieten. Bei dieser Art d y n a m i s c h e r Auslösung der B i l d u n g der K e i m a n l a g e kann natürlich eine wie in Abb. 6 a, c nur wenig angezogene Schnur den Fortgang der Differenzierung hemmen, indem sie dem Dottersystem seine Bewegungsfreiheit nimmt. Die Strukturänderung des Dotters, ermöglicht durch die vom Differenzierungszentrum aus eingeleitete Kontraktionsbewegung, erscheint als vom Bildungszentrum indirekt ausgelöst, zumal seine Wirkung das Differenzierungszentrum gerade erreicht hat, bevor in diesem die Zusammenscharung der Blastodermzellen zur Keimanlage einsetzt (Kurve in Abb. 7b, c). Die Möglichkeit der Regulationen von Eifragmenten zu verkleinerten Ganzen beruht auf der Eigenart des Dottersystems. Innerhalb des Differenzierungszentrums (Abb. 7 c) kann die Kontraktionswelle an jeder Stelle anheben. Normalerweise beginnt sie in der Mitte, etwa der Lage des späteren ersten Thoraxsegmentes. Wird jedoch das Eisystem durch eine Schnur auf die Hälfte verkürzt (Abb. 6h), so verlagert sich die Stelle erster Zusammenscharung innerhalb des Bereiches vom Differenzierungszentrum weiter nach hinten, und vor dem Thorax bleibt dann bis zur Schnürungsstelle noch genügend Platz für den Kopf zur Bildung eines ganzen Embryo. Die Kontraktionsbewegung ist mit den Grenzen des Systems in der Weise verbunden, daß sie sich harmonisch zu diesen ein-

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Bildung der Körpergrundgestalt

zustellen sucht. Demnach liegt die M ö g l i c h k e i t v o n R e g u l a t i o n e n eines veränderten Systems zum Ganzen i n d e r A r t d e r B e w e g u n g s r e a k t i o n des D o t t e r s y s t e m s b e g r ü n d e t . — Aus einer vorderen Eihälfte kann ein ganzer Embryo nicht hervorgehen, weil dort Bildungs- und Differenzierungszentrum fehlen. Auch S c h n e t t e r s Bienenzwerge entstammten dem hinteren Eibereich. — Dagegen sind mediane und frontale Verdoppelungen möglich, wenn man mit Thermokautere oder Strahlenstich das Dottersystem in der Längsrichtung aufspaltet (Abb. 6k). — K r a u s e erhielt ganze Zwillinge durch Zerschneiden der Keimanlage im E i der Heuschrecke Tachycines mit der Glasnadel. Die Reaktionsfolge, welche vom Beginn der Furchung bis zur Bildung der Keimanlage führt, wird durch bestimmte B e w e g u n g s v o r g ä n g e ermöglicht. Ein erster Bewegungsvorgang, die Wanderung des Furchungskerns vom Beginn der Furchung im F u r c h u n g s z e n t r u m ( K r a u s e ) , dem praesumptiven Kopfgebiet, zur Eioberfläche läßt die Reaktion der Furchungskerne im Bildungszentrum Zustandekommen. Durch sie wird ein weiterer Bewegungsvorgang angeregt, in dessen Verlauf sich die Struktur des Dotters ändert. Und wiederum folgt auf diese Reaktionsgruppe ein Bewegungsvorgang in Gestalt der wellenförmig sich ausbreitenden Kontraktion des Dottersystems, durch welche die Zeitordnung aller folgenden, vom Differenzierungszentrum aus anhebenden Differenzierungsprozesse gegeben ist. Immer wechseln B e w e g u n g s v o r g ä n g e u n d s t o f f l i c h e R e a k t i o n e n miteinander ab. Die Bewegungsvorgänge führen die Entwicklung weiter, indem sie jeweilig die einzelnen Zentren zur Reaktion gelangen lassen und damit wieder zur Entstehung von neuen Zentren, neuen Strukturen und Stoffen und weitergreifenden Reaktionen Anlaß geben. Zugleich werden durch die besondere Form dieser Bewegungsvorgänge, da sie jeweils nicht autonom ablaufen, sondern durch das übergeordnete Ganze gesteuert werden und sich bei Störungen des Systems dem neuen Ganzen anpassen können, Regulationen des Entwicklungsverlaufs möglich, während Zentren oder besonders ausgezeichnete Faktorenbereiche, die in der Entwicklung

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nicht entbehrt werden können, die Regulationsfähigkeit beschränken (vgl. I, S. 92 ff,). Mit der Ausschaltung des Differenzierungszentrums werden außer dem unmittelbar anschließenden Prozeß der Bildung der Keimanlage (Abb. 7d, e) auch die weiter folgenden, so die Einsenkung der Mittelplatte ( K r a u s e , vgl. Abb. öb 2 ), die Unterlagerung der Keimanlage durch das Mesoderm, die Segmentierung und die geordnete Zelldifferenzierung unterbunden. — Beim E i des Goldauges Chrysopa macht sich im Ectoderm die Segmentierung früher bemerkbar als sich die Unterlagerung vollendet. E s gelang bei diesem Objekt, die Reaktionen zwischen Ectoderm und Mesoderm des K e i m streifs, welche nach der Unterlagerungsbewegung einsetzen, genauer zu verfolgen, indem mittels eines feinen Thermokauters Teile jeweils eines dieser Keimblätter, solange sie noch an der Keimoberfläche lagen (Abb. 5a), abgetötet wurden (Bock). Ein solcher Defekt läßt sich auf einzelne Segmente begrenzen, auch greift er nicht von einer Keimseite auf die andere herüber. In einseitig ectodermlosen Keimen (Abb. 8a x rechts) differenziert sich das Mesoderm nicht. Die Zellen degenerieren (a 2 ). Werden nur Teile der Ectoderms ausgeschaltet (Abb. 8b, c), so differenziert sich das Mesoderm nur dort, wo es Ectoderm unterlagert, und zwar mit vollständig ortsgemäßen Bildungen: Ist medianes Ectoderm vorhanden (Abb. 8 c), so entwickeln sich im Mesoderm lediglich Muskulatur (vm, dvm, exm) und Fettkörper(F), und nur bei gleichzeitiger Anwesenheit von lateralem Ectoderm (Abb. 8 b) differenzieren sich auch Mitteldarmmuskulatur (Mdm) und Cardioblasten (Cbl). Diese Yerschiedenartigkeit der Differenzierung würde man allein dem jeweiligen Einfluß des Ectoderms zuschreiben, wenn die Mesodermzellen f ü r jedwede Differenzierungsleistungen gleichartig befähigt wären. Das ist tatsächlich der Fall: Nach Abtötung Meiner Mesodermteile (Abb. 9 b, c) bestrebt sich das Restmesoderm, ohne die Mediane zu überschreiten, die ursprünglich medio-lateral gerichtete Unterlagerungsbewegung beizubehalten und immer möglichst weit lateral zu wandern. Ob dort nun laterales (Abb. 9b,) oder mediales Abb. 9 c j ) Restmesoderm liegt, immer werden unter dem late-

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Bildung der Körpergrundgestalt

Abb. 8. Chrysopa (Netzflügler). Versuchsergebnisse nach Ausschaltung von Ectodermbereichen mittels Thermokauter im Stadium der Abb. 5 a. Schematische Querschnitte durch ventrale Eihälften (nach B o c k 1940) Obere Reihe!: Operationsschemata. Abgetötete Bezirke schwarz. Mittlere Reihe*: Ergebnisse im Stadium der Abb. 5c. Untere Reihe s : Ergebnisse im Stadium der Abb. 5d aj) Ausschaltung einer ganzen ectodermalen Segmenthälfte. a2) Ergebnis: Mesoderm unterlagert, aber differenziert sich nicht, bi) Mediale Ausschaltung, entsprechend laterales Restectoderm. ba) Ergebnis: Coelomepithel unter lateralem Restectoderm. b3) Ortsrichtige Differenzierung des Mesoderms. c j Laterale Ausschaltung, c,) Ergebnis: Coelom harmonisch verschmälert unter medialem Restectoderm. cs) Ortsrichtige Differenzierung des Mesoderms Cbl Cardioblasten. Coel Coelom. deg. Z degenerierende Zellen, dm Dorsalmuskulatur. dvm Dorsoventralmuskulatur. exm Extremitätenmuskel. F Fettgewebe. Mdm Mitteldarmmuskelzellen, vm Ventralmuskel

ralen Teil des Ectoderms auch laterale Differenzierungen zu Mitteldarmmuskulatur und Cardioblasten durchgeführt (b2 c2). Das Mesoderm verhält sich nicht herkunfts- sondern ortsgemäß. D e m n a c h sind alle M e s o d e r m z e l l e n in g l e i c h e r W e i s e r e a k t i o n s b e f ä h i g t und e r h a l t e n ihre b e s o n d e r e n D i f f e r e n z i e r u n g s f ä h i g k e i t e n durch R e a k t i o n e n m i t dem ü b e r l a g e r n d e n E c t o d e r m . Wenn bei einer Entwicklungsreaktion das neue Differenzierungsergebnis einseitig dem Hinzukommen des einen Partners zuzuschreiben ist, so spricht man von einer „ I n d u k t i o n " durch diesen Partner. Im vorliegenden Falle würde das Mesoderm seine Differenzierungs-

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Abb. 9. Chrysopa (Netzflügler). Mesodermausschaltungen (nach B o c k 1940). Darstellung entspr. Abb 8. a t ) Vollständige Ausschaltung der Mittelplatte. a 2 ) Ergebnis im Stadium der Abb. 5 d : Ectoderm abnorm geformt, aber histologisch normal differenziert. b x ) Mediale Ausschaltung des Mesoderms, entsprechend laterales Restmesoderm. b a ) Ergebnis: Differenzierung bei ungehinderter Unterlagerung. Ci) Laterale Mesodermausschaltung. c 2 ) Ergebnis: Unterlagerung lateralen Ectoderms u n d ortsgemäße Differenzierung gleich dem Experiment b,) Bm Bauchmark. Cbl Cardioblasten. dm Dorsalmuskulatur, dvm Dorsoventralmuskel. exrn Extremitätenmuskel. F Fettgewebe. Mitteldarmmuskelzellen. vm Ventralmuskel

richtung vom Ectoderm her durch Induktion erhalten haben. Ein Hinweis, daß an den Vorgängen von Blastem zu Blastem Genwirkungen beteiligt sind, läßt sich aus Versuchen an Drosophila gewinnen. Fehlt bei diesen Eiern im X-Chromosom eine kleine Strecke in der Region des Genlocus facet (von 3 C1 — 3 D6, vgl. Abb. 2, Bd. I) (Poulson), und ist infolgedessen das Ectoderm mangelhaft entwickelt, so bleibt ebenfalls im Mesoderm jegliche Differenzierung aus. Es wäre möglich, daß in diesem Falle der Induktionsreiz gefehlt hat oder aber von den Mesodermzellen nicht aufgenommen werden konnte (vgl. für die Amphibien S. 100). Im Gegensatz zu den nucleären Wirkungen des X-Chromosoms bei der Bildung des Blastoderms (I, S.62) handelt es sich in diesen etwas später auftretenden Störungen der Wechselwirkungen zwischen den Blastemen wohl sicher um den Einfluß eines Gens. Die Entwicklungsstörung bleibt die gleiche, ob größere oder kleinere Chromosomenstücke in der Region des Genlocus facet ausfallen, ob allein dieser selbst fehlt, oder aber ob die Punktmutation im

28 •••'' Uf

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Abb. 10.

Paracentrotus (Seeigel). Schema der Entwicklung der lvörpergrundgestalt (im Anschluß a n H ö r s t a d i u s 1935) Bezeichnung der Schichten: atii ausgezogene Linie, ans punktiert, vegt doppelte punktierte Linie, vega ausgezogene Doppellinien. Diese Konturen sind in den folgenden EntwicKlungsstadien beibehalten, u m die prospektive Bedeutung zu zeigen, die aus den Versuchen vitaler Farbmarkierung der Blastomeren erschlossen ist a) 16-ZeIlenstadium (vgl. I , Abb. 3). b) 32 Zellen, c) 64 Zellen, d) J u n g e Blastula. e) Ältere Blastula, mit Wimperschopf, vor der Bildung des primären Mesenchyms. f ) Gastrula m i t primärem und sekundärem Mesenchym. g) Tetraeder-Gastrula. Der Mund b u c h t e t sich ein. h) P l u t e u s v o n der linken Seite, i) Pluteus v o n der Analseite A After Af Analfortsatz, Analarm. M Mund. Ma Makromere. Me Mesomere. Mi Mikromere. 0 / Oralfortsatz, Oralarm. p. Mes primäres Mesenchym. s. Mes sekundäres Mesenchym. Wi "Wimperschopf

Saeigel

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Riesencliromosom nicht sichtbar, sondern lediglich genetisch an dem Auftreten des zugehörigen Merkmals der Flügelspitzenkerbe nachweisbar ist. Die Induzierung nimmt bei Chrysopa eine andere Richtung als bei den Ringelwürmern, wo ja das Mesoderm einen Einfluß auf das Ectoderm ausübt (S. 13). Allerdings fehlt dort der genaue Nachweis der gleichartigen Entwicklungsbefähigung (Isopotenz) aller Ectodermzellen, der bei Chrysopa für die Mesodermzellen erbracht ist und der notwendig ist, um ganz sicher zu sein, daß hier und dort unter dem Begriff Induktion gleiches verstanden wird. Auch bei Insekten finden sich W i r k u n g e n v o m Mesod e r m auf d a s E c t o d e r m : In mesodermlosen Keimen (Abb. 9a) differenziert sich zwar das Ectoderm, aber es wird nicht gut ausgeformt (a2). Unterlagerndes Mesoderm bewirkt die Längserstreckung des Ectoderms und seine ebenmäßige Ausbreitung in der Querrichtung auf der Oberfläche des Keimes. Das Mesoderm' ist nötig zur formgemäßen Gliederung der Extremitäten, zur Ausbildung der Ventralkrümmung des Abdomens, zur Vollendung eines normalen Rückenschlusses durch Umwachsung des Dotters. Diese ordnenden Einflüsse könnten mechanisch bedingt, aber vielleicht auch örtlich begrenzten stofflichen Reaktionen zuzuschreiben sein.

c) Seeigel (Echinoidea) Bei den Seeigeln ist es die Pluteuslarve, die unmittelbar aus dem Ei gebildet wird, während die endgültige Körperform erst durch eine verwickelte Metamorphose entsteht. Nur die Entwicklung der Pluteusgestalt ist bisher entwicklungsphysiologisch untersucht worden. Das Ei von Paracentrotus läßt sich a m Pigmentring orientieren (Abb. 3 Bd. I). Aber diese Marke genügt nicht, um den Anteil bestimmter Schichten der Furchungsstadien für den Aufbau des Pluteus genau festzustellen. Diesem Zweck dienten vitale Farbmarkierungen. Das Ei wurde kurze Zeit an ein mit Nilblausulfat getränktes Agar-Plättchen angelehnt. Aus den Mesomeren des 16-Zellenstadiums (Abb. 10 a, Me) entstehen im 32-Zellenstadium die beiden animalen Kränze an x und an2 (b), aus den Makromeren

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Bildung der Körpergrundgestalt

(Ma) nach der nächsten Furchung die beiden vegetativen Kränze veg x und veg 2 (c). Wie die Konturen in der Abb. 10 erkennen lassen, verlagern sich, nachdem zunächst alle Zellkränze in die gleichförmige Blastulawand aufgenommen worden sind (Abb. 10 d), zuerst die Abkömmlinge der Mikromeren als Skelettbildner (p.Mes) vom sich abflachenden vegetativen Ende aus ins Keimiimere. Sie umgeben bilateral gehäuft den Urdarm (Abb. 10 e, f) und lassen zwischen sich die ersten Skelettnadeln in Gestalt der Dreistrahler entstehen. Der Urdarm der Gastrula nimmt lediglich aus den Abkömmlingen von veg 2 seinen Ursprung (c, f, g). E r bildet sich nicht durch einfache Invagination, sondern durch gleichzeitige Oberflächenvergrößerung der invaginierenden vegetativen Blastulawand. Aus dem Urmund wird der After (A) der Larve, während das blinde Ende des Urdarms, mit einer ectodermalen Eindellung verschmelzend, Verbindung zum Mund gewinnt (Abb. 10g, h. M). Die Abkömmlinge der Zellkränze an^ an 2 , vegj liefern die Außenhaut des Körpers. Aus den Zellen a % wachsen die steifen Borsten des Wimperschopfs hervor, die später dem Kleid beweglicher Cilien Platz machen (Abb. lOf). Die anschließenden äquatorialen bzw. seitlichen Teile der Gastrula werden durch die Abkömmlinge von an 2 gebildet. Die vegetative Außenwand der Gastrula entstammt vegi- — Zur Umbildung der Gastrula in den Pluteus nimmt die Gastrula eckige, tetraederartige Formen an: Diejenige Seitenwand, die zur dorsalen wird, verlängert sich außerordentlich (Abb. 10g rechts), ebenso die vegetative Wand. Unter Abplattung des Epithels wird der ganze Körper tütenartig in Richtung des Pfeiles nach hinten ausgezogen. Der ursprünglich in der animalvegetativen Keimachse verlaufende Darm erhält bei diesen Formveränderungen eine Biegung und gliedert sich. Trapezartig um das Mundfeld herum entsteht eine Wimperschnur, in deren Ecken sich zunächst 4 Arme anlegen: Mit dem Auswachsen der Skelettnadeln werden die beiden Oralarme (Of) im Gebiet von an 1? die beiden Analarme (Af) auf der Grenze zwischen an 2 und vegjZellen vorgetrieben (Abb. 10h, i). Die Körpergrundgestalt des Pluteus ist im Ganzen eine Gastrula, deren Wand durch Ausziehen des Körperendes und der Arme eine bilaterale Form besonderer Art erhalten hat. Schon frühzeitig erfolgt die erste sichtbare Ausprägung der Bilateralität, indem diejenigen Wandteile der Gastrula, an denen sich später die SkeJettbildner anhäufen, nicht verflachen, sondern ihre ursprüngliche Stärke beibehalten. Wird durch Lithiumeinwirkung (II, S . 7 7 )

Seeige

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Abb. 11. Paracentrotu8 (Seeigel). Schema der Entwicklung animaler und vegetativer Hälften des 16-Zellenstadiums von ,,äquatorialen" und „subäquatorialen" Eiern (nach H ö r s t a d i u s 1935) a) Operationsstadium 16 Zellen, b—c) Dritte Furche äquatorial. bx animale Hälfte entwickelt übergroßen Wimperschopf, später b2) Zilienblastula. c) Pluteus aus vegetativer Hälfte, d—e) Dritte Furche subäquatoriai. dx) animale Hälfte des subäquatorialen Eies ergibt normalen Wimperschopf, später d3) Blastula mit Wimperring und Stomodäum. e) Vegetative Hälfte entwickelt ovoide Larve ohne Wimperring, Arme, Stomodäum St Stomodäum der vegetative Entodermbezirk vergrößert, so folgen auch die Skelettbildner der animalwärts verlagerten Ectodermzone; sie erhalten demnach normalerweise durch diese einen Reiz, ihre bilaterale Lage einzunehmen. Arme werden, wie sich auch a n Lithiumlarven zeigt, jeweils dort gebildet, wo auswachsende Skelettnadeln die ectodermale Haut berühren ( H e r b s t ) . Bei

32

Bildung der Körpergrundgcst-alt + (f Mikromeren

isolierte

Schichten

+ Z

(96%)

100%

b. 46% G

41% PI.

e.

67% PL fl00%G.b0m.uveg.T.

Mikromeren.

on1

Starke o

Variation c. 94% G.

62%PI.

onl

d. (36%)

59%