Englands Weg in die Marktgesellschaft
 9783666370083, 9783525370087, 9783647370088

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© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370087 — ISBN E-Book: 9783647370088

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Helmut Berding, Jrgen Kocka, Paul Nolte, Hans-Peter Ullmann, Hans-Ulrich Wehler Band 187

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370087 — ISBN E-Book: 9783647370088

Christiane Eisenberg

Englands Weg in die Marktgesellschaft

Vandenhoeck & Ruprecht

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Mit 12 Abbildungen und 5 Tabellen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-37008-7 Umschlagabbildung: Blick auf die Royal Exchange, London, 1751.  ullstein bild – KPA – 90100

 2009 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile drfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages çffentlich zugnglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung fr Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Redaktion: Dçrte Rohwedder, Gçttingen Druck und Bindung: a Hubert & Co, Gçttingen Gedruckt auf alterungsbestndigem Papier.

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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung: England und der Prozess der Kommerzialisierung . . . . .

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I

Mittelalterliche Grundlagen der Marktgesellschaft . . . . . . . . . . 1 Staat und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Sozialstruktur, Mobilitt und Sozialbeziehungen . . . . . . . . .

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II Marktverdichtung in der Frhen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . 1 Impulse fr die Kommerzialisierung: Bevçlkerungswachstum, Agrarrevolution und Verstdterung . . . . . . . . . . . . . . . 2 Wechselwirkungen mit der gewerblichen Produktion . . . . . a Zentralisierte Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b Stdtisches Handwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c Lndliche Protoindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Konzentration der Krfte: Die Finanzrevolution des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III Einbettungen des Markthandelns . . . . . . . . . . . . . 1 Vertrauensbildende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . 2 Fakten, Neuigkeiten und das Prinzip der Periodizitt 3 Spiel, Spekulation und Kommerzkultur . . . . . . . .

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Ergebnisse: Kommerzialisierung als historischer Prozess . . . . . . . . 107 1 Funktionsweise und Entwicklungsrichtung: England um 1800 . . 107 2 Triebkrfte, Pfadabhngigkeiten und Entwicklungspotential: Perspektiven des europischen Langzeitvergleichs . . . . . . . . 119 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

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Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Tabellen Tab. 1: Die nicht in der Landwirtschaft ttige Bevçlkerung Englands 1520 – 1800 (in Prozent der Gesamtbevçlkerung) . . . . . . . . . . . Tab. 2: Erscheinungsfrequenz Londoner Zeitungen 1746 – 1790 . . . . . . . Tab. 3: Geschtztes Wachstum der commercial classes im Vergleich zum Bevçlkerungswachstum, 1688 – 1750 (in Prozent) . . . . . . . . . . . Tab. 4: Erwerbsstruktur nordwesteuropischer Lnder um 1800 (in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tab. 5: Gewichtete jhrliche Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts in Großbritannien 1700 – 1860 (in Prozent pro Jahr) . . . . . . . . . .

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52 93

. 112 . 113 . 115

Abbildungen Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4:

Landkarte Englands, ca. 1250 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mnze Wilhelms des Eroberers, 1068 . . . . . . . . . . . . . . . Landstdte als regionale Zentren in England, um 1300 . . . . . . Shops and stalls (Stnde) an der Kirchmauer von St. Ethelburga, Bishopsgate, London 1737 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 5: „The Cries of London“, um 1740 . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 6: Das englische Landstraßennetz im Jahr 1770 . . . . . . . . . . . Abb. 7: Ein Londoner Tuchhndler bei der Inspektion der abgelieferten Arbeit, um 1690 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 8: Innenhof der Royal Exchange, 1644 . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 9: Fußbodenmosaik im Neubau der Royal Exchange, 1669 . . . . . Abb. 10: Versicherungskontor von Lloyd’s of London im Jahr 1800 . . . . Abb. 11: Titelblatt von Charles Cotton, The Compleat Gamester, London 1674 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 12: Straßenverkehr vor der Royal Exchange, London, 1751 . . . . .

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. . 97 . . 106

Vorwort Diese Studie greift eine Frage auf, die aus zwei vorangehenden Arbeiten erwachsen ist. In einer Untersuchung ber die Entstehungsgeschichte von Gewerkschaften (1986) und einer weiteren ber den Kulturtransfer des modernen Sports von England nach Deutschland (1999) habe ich argumentiert, dass sich die Pionierrolle, die England im 19. Jahrhundert auf dem jeweiligen Gebiet eingenommen hat, aus der frhen und grndlichen Durchsetzung von Marktbeziehungen in diesem Land erklre. Der Befund provozierte die hier behandelte Anschlussfrage, wie dieser prgende Faktor der englischen Entwicklung zustande kam. Anregungen zu ihrer Beantwortung erhielt ich im Großbritannien-Zentrum, einem interdisziplinren Zentralinstitut der Humboldt-Universitt zu Berlin, wo ich seit 1998 fr „Britische Geschichte“ zustndig bin. Ich mçchte mich bei den Kolleginnen und Kollegen im Zentrum, den britischen Gastdozenten und den Studierenden bedanken, dass sie sich auf unterschiedliche Weise auf mein Thema eingelassen haben. Fr Diskussionen danke ich insbesondere Jrgen Schlaeger, dem langjhrigen Direktor. Gerhard Dannemann und Helmut Weber standen zudem fr Fragen zum Common Law zur Verfgung und haben das entsprechende Kapitel kommentiert. Zu den grndlichen Lesern des Manuskripts zhlen auch die Herausgeber der „Kritischen Studien fr Geschichtswissenschaft“; Jrgen Kocka hat mehrere Fassungen durchgesehen. Die Nachfragen und Einwnde aus diesem Kreis haben mich zu mancher Przisierung und Radikalisierung des Arguments veranlasst. Fr Diskussionsbereitschaft und anhaltende Ermunterung in der Schreibphase bin ich Heidrun Homburg, der Freundin seit Bielefelder Zeiten, sowie Karl Ditt verbunden. Berlin und Mnster, im Mrz 2009 Christiane Eisenberg

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Einleitung: England und der Prozess der Kommerzialisierung

England gilt als Pionier des modernen Industriekapitalismus und Modellfall einer offenen Gesellschaft mit funktionsfhiger ffentlichkeit. Die Beschftigung mit der englischen Geschichte verspricht daher grundlegende Einsichten in die Voraussetzungen der westlichen Wirtschafts- und Lebensweise, und es erscheint legitim, eine zentrale Frage der Historischen Sozialwissenschaft in Anlehnung an Max Weber zu formulieren: „[W]elche Verkettung von Umstnden hat dazu gefhrt, daß gerade auf dem Boden Englands … Kulturerscheinungen auftraten, welche doch – wie wir uns gern vorstellen – in einer Entwicklungsrichtung von universeller Bedeutung und Gltigkeit lagen?“1 Mit Bezug auf diese Frage hat die englische Geschichte schon mehrfach umfassende Forschungsinitiativen inspiriert. In den 1960er/70er Jahren diente sie beispielsweise den Modernisierungstheorien amerikanischer Provenienz als bevorzugtes Muster und Maßstab westlicher Entwicklung und veranlasste eine Vielzahl empirisch gesttigter Vergleichsstudien mit der Geschichte anderer europischer Lnder, der USA und Lateinamerikas.2 In der gegenwrtigen Debatte ber die „great divergence“ ist die vergleichende Perspektive ausgeweitet worden. Die Protagonisten untersuchen England als europisches und Teilregionen Chinas als asiatisches Pars pro toto, um zu ermitteln, wann genau die Abweichung Asiens von der westlichen Entwicklung im Sinne Webers erfolgte und worin sie begrndet liegt.3 Hundert Jahre nach Max Weber steht die Historische Sozialwissenschaft allerdings vor der Herausforderung, ihr Forschungsprogramm neu ausrichten zu mssen. Denn der Wissensstand hat sich verndert, und die drngenden Probleme der Zeit, aus denen die Leitfragen erwachsen, sind andere als um 1900. Insbesondere das zugrunde gelegte Forschungsparadigma des Industriekapitalismus, das die Dynamik moderner Gesellschaften aus der Indu1 M. Weber, Vorbemerkung, S. 1. Das Originalzitat lautet „daß gerade auf dem Boden des Okzidents, und nur hier, Kulturerscheinungen auftraten …“. 2 Vgl. als Zusammenfassung Wehler, Modernisierungstheorie. ber 500 komparative Studien, allerdings nicht alle modernisierungstheoretisch inspiriert, sind aufgelistet bei Eisenberg, British History Compared. 3 Die Debatte setzt andere Schwerpunkte als dieses Buch und wird daher hier nicht ausfhrlich gewrdigt. Sie geht zurck auf Pomeranz, The Great Divergence, und Wong, The Search for European Differences. Vgl. auch die skeptischen und kritischen Beitrge von Vries, Via Peking Back to Manchester; Broadberry u. Gupta, The Early Modern Great Divergence; O’Brien, The Divergence Debate.

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striellen Revolution zu erklren versucht, ist in die Krise geraten – mit weitreichenden Folgen fr das Englandbild in der Historischen Sozialwissenschaft. Die britische Wirtschafts- und Sozialgeschichte begann bereits Ende der 1970er Jahre von diesem Paradigma abzurcken. Zum einen wurde die Bedeutung moderner Antriebsmaschinen und der Zentralisierung der Produktion fr das wirtschaftliche Wachstum gerade fr den Zeitraum zwischen 1760 und 1830, der traditionell als Kernphase der Industriellen Revolution in England galt, in Frage gestellt. Denn immer mehr Untersuchungen zeigten, dass die betrchtliche Massenproduktion gewerblicher Produkte in dieser Phase noch ganz berwiegend traditionell, also in Handarbeit und in dezentralen Werksttten, erfolgte. Noch um 1850 lag der Anteil der Fabrikarbeiter an den erwachsenen mnnlichen Erwerbsttigen bei nur fnf Prozent, und die in Fabriken eingesetzten Maschinen reprsentierten nach Schtzungen weniger als fnf Prozent des Kapitalstocks.4 Zum anderen wurden die Wachstumsraten der englischen Wirtschaft zwischen 1760 und 1830 neu berechnet und nach unten korrigiert, so dass Zweifel am revolutionren Charakter der Entwicklung entstanden. Demnach war das Spezifikum des Industrialisierungspioniers paradoxerweise ein außerordentlich langsames Entwicklungstempo. Heute betrachten die meisten Wirtschaftshistoriker die Industrialisierung Englands eher als vorlufigen Hçhepunkt eines Jahrhunderte zuvor begonnenen Prozesses der Kommerzialisierung und Marktrationalisierung denn als Auftakt zu etwas grundlegend Neuem.5 Obwohl die gegenwartsbezogenen Sozialwissenschaften diese Neuinterpretation der Geschichtswissenschaft bislang nur unvollkommen rezipiert haben,6 lassen auch sie einen Paradigmenwechsel erkennen: Sie vermeiden es, sich auf das Konzept der Industriegesellschaft zu beziehen. Diese Forschungstendenz, die seit den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hervorgetreten ist und sich mittlerweile verallgemeinert hat, erklrt sich daraus, dass sich gerade in den fortgeschrittensten Gesellschaften westlichen Zuschnitts – und hier besonders frh in England (bzw. Großbritannien) – eine De-Industrialisierung und eine Verlagerung der Wirtschaftsaktivitt von der gewerblichen Produktion auf Dienstleistungen aller Art beobachten lassen. An Ersatz-Etikettierungen herrscht kein Mangel, und so werden Konzepte der „postindustriellen“, „postfordistischen“, der „Informations-“, „Wissens-“, „Erlebnis-“ und „Risikogesellschaft“ gehandelt. Insgesamt ist der sozialwissenschaftliche Diskurs derzeit unbersichtlich. Konsens besteht indes ber 4 Angaben nach King u. Timmins, Making Sense of the Industrial Revolution, S. 51. Vgl. ferner Fores, The Myth of a British Industrial Revolution, S. 191; Field, On the Unimportance of Machinery, sowie die Studien von Musson, Industrial Motive Power, 1800 – 70, und von Tunzelmann, Steam Power. 5 Eine Zusammenfassung des Forschungsstandes bieten King u. Timmins sowie O’Brien, The Reconstruction, Rehabilitation and Reconfiguration of the British Industrial Revolution. 6 Eine Ausnahme bildet der Band von Pirker u. a., Technik und industrielle Revolution.

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die Annahme, dass die wie auch immer zu beschreibenden modernen bzw. postmodernen Gesellschaften marktwirtschaftlich organisiert sind und dass in dieser Qualitt der Schlssel zu ihrem Verstndnis liegt.7 Wer die skizzierte Entwicklung der historischen und gegenwartsorientierten Sozialwissenschaften im Zusammenhang betrachtet, wird das Gewicht der Industriegesellschaft als prgenden Faktor der Lebensbedingungen im 19. und berwiegenden Teil des 20. Jahrhunderts relativieren. Gerade im Pionierland England bzw. Großbritannien erscheint die Industriegesellschaft, berspitzt formuliert, als ein Zwischenspiel in einer langen Periode zunehmend effizienteren Wirtschaftens, dessen Ort außerhalb der in Fabriken zentralisierten Produktion zu suchen ist. Zugleich tritt hervor, dass die spezifischen Merkmale sich modernisierender Gesellschaften vorindustriellen Typs vor dem Hintergrund desselben Kommerzialisierungsprozesses zu verstehen sind, der auch die Transformation der Gegenwart beschleunigt. Es stellt sich daher die Frage nach seinen Strukturvoraussetzungen, Merkmalen und seiner Entwicklungsdynamik. Das neuerliche Interesse an der Kommerzialisierung richtet die Aufmerksamkeit der Forschung auf die Kategorie des Marktes sowie auf die çkonomischen und sozialen Effekte der Marktvergesellschaftung. Es markiert damit zugleich den Punkt, an dem die Historische Sozialwissenschaft die Klassiker beiseite legen muss; denn diese haben zu der Thematik wenig zu sagen. Das beste Beispiel ist Max Weber, in dessen umfangreichem Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ sich ein einziges, nur dreieinhalb Seiten kurzes und zudem wenig gehaltvolles Kapitel zum Thema „Marktvergesellschaftung“ findet. Dass es der Nachwelt berhaupt zur Kenntnis gebracht wurde, ist seiner Ehefrau Marianne zu verdanken, die es in das Manuskript einfgte. Weber erçrtert in dem Kapitel einige historische Beispiele des Markthandelns und erwhnt den Geldgebrauch als „charakteristische[n] Gegenpol jeder Vergesellschaftung durch rational paktierte oder oktroyierte Ordnung“.8 Wie dieser Modus der Vergesellschaftung entstanden ist und unter welchen konkreten Rahmenbedingungen er dauerhaft funktioniert, bleibt indes unklar. Dass Weber mit dem Thema „Marktvergesellschaftung“ wenig anzufangen wusste, kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass auf lteren Manuskripten des Kapitels noch die berschrift „Marktvergemeinschaftung“ vermerkt war. Das war die Sprache von Ferdinand Tçnnies, dem Verfasser von „Gemeinschaft und Gesellschaft“ (1887), der den Begriff „Vergemeinschaftung“ vorzugsweise im Zusammenhang mit Beziehungen von Blutsverwandten und Freunden gebrauchte. Die berschrift „Marktvergesellschaftung“ geht zurck auf Ma-

7 Vgl. als berblick Abelshauser, Von der Industriellen Revolution zur Neuen Wirtschaft; Kneer u. a., Soziologische Gesellschaftsbegriffe. 8 M. Weber, Wirtschaft, S. 382.

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rianne Weber, die bei der Vorbereitung von „Wirtschaft und Gesellschaft“ fr den Druck eine Korrektur vornahm.9 Die vorliegende Studie will sich dieser Leerstelle annehmen, indem sie die Herausbildung der modernen Marktgesellschaft in England untersucht. Dies geschieht durch eine Verknpfung von Struktur- und Prozessuntersuchungen. Zum einen werden die spezifischen Sozial-, Wirtschafts- und Rechtsstrukturen des Spten Mittelalters und der Frhen Neuzeit benannt, welche die Entstehung der Marktgesellschaft ermçglichten, und die damit einhergehenden Vernderungen in der Lebenswelt beschrieben. So gesehen, leistet die Studie einen Beitrag zur englischen Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte. Zum anderen versucht sie, die Kommerzialisierung Englands als einen Jahrhunderte berspannenden Prozess zu rekonstruieren. Es werden die Triebkrfte bestimmt, die der Verallgemeinerung und Verdichtung von Marktbeziehungen zugrunde liegen, sowie der Verlauf und das Entwicklungspotenzial dieses Prozesses analysiert. Die Darstellung konzentriert sich weitgehend auf die Entwicklung des Binnenmarktes. Sie zeigt, wie es dazu kam, dass im sptmittelalterlichen England bestimmte Typen von Mrkten – fr Boden, Arbeit und Kapital, aber auch z. B. fr Nutzungsrechte – entstanden und wie im Verlauf der Frhen Neuzeit die durch Mrkte vermittelten sozialen Beziehungen konkret ausgestaltet wurden. Auch die Institutionenbildung, der Modus der Kommunikation sowie der Umgang der Zeitgenossen mit der Ungewissheit und den Risiken des Marktgeschehens werden behandelt. Der Fernhandel wird in die Untersuchung mit einbezogen, soweit er von diesen innergesellschaftlichen Entwicklungen in einem fortgeschrittenen Stadium mitbeeinflusst wurde. Er darf auch deshalb nicht vernachlssigt werden, weil die Unterscheidung von Binnen- und Exportmrkten gerade fr England, die Kernregion der britischen Inseln und des Gestalt annehmenden Empire, in mancher Hinsicht knstlich wre.10 Im Mittelpunkt des Interesses steht der Fernhandel in dieser Untersuchung jedoch nicht, denn das Schwergewicht der Marktaktivitt lag im mittelalterlichen und frhneuzeitlichen England eindeutig auf dem Binnenmarkt, der noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts etwa 90 Prozent des gehandelten Warenwerts auf sich vereinte.11 Noch immer galt, was Daniel Defoe 9 Vgl. Lichtblau, „Vergemeinschaftung“ und „Vergesellschaftung“ bei Max Weber, S. 434. Demgegenber ist Swedberg bemht, Webers ußerungen zum Markt und zur Marktgesellschaft anhand von weiteren Verweisen auf entsprechende Erwhnungen in seinem umfangreichen Werk aufzuwerten; vgl. Afterword: The Role of the Market in Max Weber’s Work, S. 380. Doch auch Swedberg muss konzedieren, dass es Weber weniger um den Markt als solchen als um das marktorientierte Verhalten von Unternehmen ging. 10 Mit Bezug auf den Handel mit Konsumgtern zeigt dies exemplarisch Breen, An Empire of Goods; vgl. auch ders., „Baubles of Britain“, S. 73 – 104. 11 Die Bedeutung des Binnenmarktes wird hufig unterschtzt, weil im Unterschied zum Fernhandel keine Aufzeichnungen von Preisen und Mengenangaben durch die Zollbehçrden erfolgten. Prozentangabe nach Westerfield, Middlemen in English Business, S. 123 f. Vgl. auch Chartres, Internal Trade in England, S. 9 – 12, sowie Gomes, Foreign Trade, S. 76 f. Bis 1825

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den Lesern seines Ratgebers „The Complete English Tradesman“ Jahrzehnte zuvor versichert hatte: „The Inland trade of England is … the support of all our foreign trade, and of our manufacturing, and … of the tradesmen who carry it on.“ Hier, in England selbst, sah Defoe „the foundation of all our wealth and greatness“.12 Dass man die Befunde einer solchen Fallstudie vermutlich nicht fr andere Lnder verallgemeinern kann, braucht an dieser Stelle nicht erçrtert zu werden.13 Ihr Zweck ist ohnehin ein anderer : Es gilt die Entstehung, die Strukturmerkmale und die Entwicklungsdynamik einer frh entwickelten Marktgesellschaft idealtypisch zu rekonstruieren, so dass eine Vergleichsfolie fr weitere derartige Studien – historische und gegenwartsorientierte gleichermaßen – gezeichnet werden kann. Mrkte sind Arenen, in denen die Zuordnung knapper Ressourcen, Gter und Dienstleistungen auf Verwendungsmçglichkeiten (Allokation) dadurch erfolgt, dass konkurrierende Anbieter und Nachfrager miteinander in Beziehung treten. Diese Definition verweist darauf, dass Mrkte Interaktionen zwischen Individuen und sozialen Gruppen vermitteln und diese Interaktionen sich mit der Durchsetzung der Marktwirtschaft notwendig verdichten. Mrkte bilden daher nicht nur Strukturen, sondern auch Ligaturen von Gesellschaften, d. h. sie koordinieren und institutionalisieren Mechanismen der Vergesellschaftung und der gesellschaftlichen Integration.14 Das ist, soziologisch gesehen, die wichtigste Leistung der „unsichtbaren Hand“, die nach Adam Smith jeden einzelnen Marktteilnehmer dazu bringt, „einem Zweck zu dienen, der nicht in seiner Absicht lag“.15 Die wechselseitigen Austauschbeziehungen auf Mrkten werden durch Geld vermittelt. Dieses zweite Definitionskriterium ist fr eine Prozessuntersuchung unverzichtbar, weil erst das Geld eine Kontinuitt des Austausches ermçglicht. Bei alternativen Formen des Besitzwechsels, z. B. beim Geschenk oder Raub, wrde sie ber kurz oder lang abbrechen.16 Geldbeziehungen kçnnen unabhngig davon bestehen, ob Mnzen oder Banknoten als Zahlungsmittel ausreichend zur Verfgung stehen oder lediglich eine monetre

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wuchs der Anteil des Fernhandels am gesamten Handel auf ca. 25 Prozent; vgl. Mokyr, The Industrial Revolution and the New Economic History, S. 21. Defoe, The Complete English Tradesman, S. 387. Nicht zuletzt der Pioniercharakter Englands gibt hier Anlass zur Zurckhaltung; vgl. die Erçrterungen bei Pollard, England. Auf die soziologische Bedeutung von Ligaturen hat Dahrendorf hingewiesen; vgl. Die offene Gesellschaft, S. 148 ff.; hnlich auch ders., Das Zerbrechen der Ligaturen, S. 421 – 436. A. Smith, Untersuchung ber Wesen und Ursachen des Reichtums der Vçlker, S. 467. Vgl. auch das von Streissler verfasste Einfhrungskapitel zu dieser bersetzung des „Wealth of Nations“, S. 15 f. Auf diesen Sachverhalt hat Simmel, Philosophie des Geldes, S. 129 f. hingewiesen. Vgl. auch die Erluterungen bei von Flotow u. Schmidt, Die ,Doppelrolle des Geldes‘, S. 63.

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Verrechnung stattfindet. Ersteres war im Untersuchungszeitraum, dem Mittelalter und der Frhen Neuzeit mit ihrer notorischen Mnzknappheit, generell noch nicht der Fall; letzteres trfe auch auf die meisten Transaktionen auf dem heutigen Weltmarkt zu. Ein wichtiger Indikator fr die Fortentwicklung der Marktgesellschaft ist daher die Wertermittlung erworbener Gter und Dienstleistungen in Geld oder geldwerten quivalenten (z. B. Wechseln). Geldvermittelte Sozialbeziehungen dieser Art sind fr die gesamte Menschheitsgeschichte nachgewiesen, und auch in England gab es sie schon lange vor der Eroberung der britischen Inseln durch die Rçmer.17 Zeitlich zusammenhngende und sich zugleich qualitativ fortentwickelnde Kommerzialisierungsphasen, die sich fr eine empirisch fundierte Prozessuntersuchung eignen, lassen sich jedoch wegen der vielfltigen Quellenprobleme frhestens seit dem Hochmittelalter identifizieren. Die vorliegende Studie betrachtet den Zeitraum zwischen 1066, dem Jahr der Normannischen Eroberung, und der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert. Da die Normannische Eroberung eine radikale Umwlzung des politischen Systems und damit auch der Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns mit sich brachte, erscheint es wenig sinnvoll, den Beginn der Untersuchung noch weiter zurckzuverlegen. Den Untersuchungszeitraum um 1800, genauer : mit den Jahrzehnten zwischen 1780 und 1820, enden zu lassen, ist eine gleichermaßen pragmatische Entscheidung. Sie basiert auf der berlegung, dass das zunehmende Gewicht der Industrialisierung es Historikern tendenziell erschwert, die spezifischen Effekte der Marktvergesellschaftung zu isolieren, so dass Verzerrungen der Interpretation nicht ausgeschlossen werden kçnnen. Was dem Prozess der Kommerzialisierung, was technischen, organisatorischen und anderen Faktoren zuzurechen ist, lsst sich fr das fortgeschrittene 19. Jahrhundert hufig nicht mehr przise bestimmen. Vor allem aber gilt es, eine Teleologie zu vermeiden. Die verbreitete Vorstellung, dass der Prozess der Kommerzialisierung die moderne Industriegesellschaft hervorgebracht hat, erscheint zwar plausibel; angesichts der Krise dieses Paradigmas bedarf sie jedoch der empirischen berprfung.18 Auch diese berlegung legt es nahe, die Untersuchung mit einer Momentaufnahme der englischen Marktgesellschaft zu einem Zeitpunkt vor dem Durchbruch der neuen Produktionsweise, d. h. vor Beginn der Periode 1830 – 1850, abzuschließen. Die so konzipierte Studie umfasst einen Zeitraum von 750 Jahren. Damit erçffnet das englische Beispiel gewissermaßen Laboratoriums-Bedingungen fr die Analyse von ,Kommerzialisierung pur‘, wie Historiker sie sonst nirgendwo in Europa vorfinden. Mit Ausnahme der Niederlande, deren Entwicklung jedoch seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert stagnierte und in bestimmten Bereichen sogar rcklufig war, ist ein so lang gestreckter und 17 Vgl. Postan, The Rise of a Money Economy, S. 126 f. 18 Das hat Kindleberger, Commercial Expansion, schon im Jahr 1975 gefordert.

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sich zugleich kontinuierlich fortentwickelnder kommerzieller Vorlauf vor der Industrialisierung beim derzeitigen Stand der europischen Wirtschaftsgeschichte jedenfalls nicht erkennbar. Die Fallstudie England bietet daher die einmalige Chance fr die Rekonstruktion eines Jahrhunderte berspannenden historischen Prozesses, dessen Verlauf, Tempo und Entwicklungsdynamik bislang noch nicht Gegenstand einer empirischen Untersuchung waren.19 Bei diesem Unternehmen kommt es darauf an zu zeigen, wer die den Prozess vorantreibenden Akteure waren und wie Ereignisse und Strukturen ineinander griffen. Ferner ist zu untersuchen, in welchen konkreten Zusammenhngen und mittels welcher sozialer Mechanismen Kontinuitt vermittelt wurde und Pfadabhngigkeit entstand. Um die Anschlussfhigkeit zu bergreifenden Diskursen der Historischen Sozialwissenschaft herzustellen, nimmt die Untersuchung zwei weitere Fragen auf. 1. Inwieweit lsst sich der Prozess der Kommerzialisierung von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur in England als eine „self-generating modernization“ (S.N. Eisenstadt)20 verstehen, die ihre Kraft aus sich selbst heraus schçpfte? Inwieweit spielten ußere Impulse aus fremden Lndern eine Rolle? 2. Wie gestaltete sich das Verhltnis von Tradition und Moderne im Verlauf des Kommerzialisierungsprozesses? Welche Bedeutung kam insbesondere den vielzitierten außerçkonomischen Grundlagen des Wirtschaftens, konkret: den berlieferten Rechts-, Wirtschafts-, Sozialstrukturen und kulturellen Prgungen, zu? Konnte die englische Marktgesellschaft darauf aufbauen, oder musste sie diese Grundlagen berwinden und sich neue verschaffen? Die erste Frage nach den ußeren Impulsen hat die neuere Diskussion ber transnationale Beziehungen und die „entangled history“ aufgeworfen, die neuerdings auf die vorindustrielle Zeit ausgeweitet worden ist.21 Entspre-

19 Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass auch Polanyis Buch „The Great Transformation“ (1944), das sich ebenfalls mit der englischen Geschichte auseinandersetzt, die hier angestrebte Untersuchung nicht vorweg nimmt, obwohl es in der Forschungsdiskussion verschiedentlich als Musterstudie zu Kommerzialisierungsprozessen charakterisiert wird. Denn Polanyi beginnt seine Darstellung erst mit Beginn der Industriellen Revolution, die er zudem, vor dem Aufschwung der modernen Wirtschafts- und Sozialgeschichte schreibend, einseitig als „Teufelsmhle“ verdammt, von der „die Menschen zu formlosen Massen [zermahlen]“ wurden. Darber hinaus geht es Polanyi nicht um die Kommerzialisierung als historischen Prozess, sondern um eine umfassende Erklrung fr den Zusammenbruch der liberalen Wirtschaftsordnung des 19. Jahrhunderts in der Zwischenkriegszeit. Zur Polanyi-Perzeption in der Historiographie vgl. Tanner, Die çkonomische Handlungstheorie vor der ,kulturalistischen Wende‘?, insb. S. 76 ff. 20 Eisenstadt, Modernization, S. 67. 21 Vgl. Cohen u. O’Connor, Introduction, S. IX-XXIV; Conrad, Vergleich und Transnationalitt, S. 317 – 332.

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chende Erçrterungen finden sich in der erwhnten „divergence debate“,22 aber auch schon in der seit den 1970er Jahren gefhrten Debatte ber den „englischen Sonderweg in die Moderne“, in der es sowohl um eine breite Kontextualisierung und Erklrung von „English peculiarities“ (z. B. der frhen Herausbildung einer konstitutionellen Monarchie) als auch um die langfristige Prgekraft solcher Strukturbesonderheiten geht. In dem Zusammenhang hat Hans-Christoph Schrçder in einem grundlegenden Aufsatz ber „Die neuere englische Geschichte im Lichte einiger Modernisierungstheoreme“ bereits 1977 die englische Perzeption der çkonomisch fortgeschrittenen Niederlande zum Anlass genommen, den autochthonen Charakter des Kommerzialisierungsprozesses in England in Zweifel zu ziehen.23 Solche von außen kommenden Impulse wird diese Studie auch unter Bercksichtigung der Chronologie beurteilen mssen; denn nur in Kenntnis der Abfolge von Ereignissen und Entwicklungen ist eine angemessene Gewichtung endogener und exogener Faktoren mçglich. Bei der zweiten Frage nach den außerçkonomischen Grundlagen des Wirtschaftens geht es zunchst um die den Kommerzialisierungsprozess stimulierenden bzw. ihn begleitenden Herrschafts- und Rechtsstrukturen. Da die Studie im Hohen Mittelalter einsetzt, heißt das konkret, dass die spezifische Qualitt des englischen Feudalismus bei der Interpretation in Rechnung zu stellen ist. Darber hinaus bezieht sich das Stichwort „außerçkonomische Grundlagen des Wirtschaftens“ auf eine Reihe weiterer sogenannter vormoderner Traditionen rechtlicher, sozialer und kultureller Art. Anregungen zu ihrer Identifizierung gibt der allgemeine Diskurs ber das Verhltnis von Tradition und Moderne in der kapitalistischen Marktwirtschaft, der seit dem 19. Jahrhundert gefhrt wird und sich zu einem Dauerthema der Sozialwissenschaften entwickelt hat. „From Status to Contract“ (Sir Henry Maine), „von der Gemeinschaft zur Gesellschaft“ (Ferdinand Tçnnies), „von der mechanischen zur organischen Solidaritt“ (Emile Durkheim) – so oder hnlich lauten seine Schlsselbegriffe. Fr die vorliegende Studie erscheint dieser Diskurs nicht zuletzt deshalb als ein geeigneter Ausgangspunkt, weil er im Untersuchungsland England (bzw. in Großbritannien) bis heute bemerkenswert unaufgeregt gefhrt wird – unaufgeregter jedenfalls als in anderen west- und mitteleuropischen Lndern wie etwa Deutschland. Die deutschen Teilnehmer des Diskurses pflegen die tiefgreifenden Verlusterfahrungen zu betonen, die mit dem Prozess der Kommerzialisierung einhergehen, und prognostizieren lngerfristig krisenhafte Entwicklungen, weil die Moderne in ihrem Siegeszug eine Tendenz entwickele, ihre traditio22 S. o. Fußnote 3. 23 Vgl. Schrçder, Die neuere englische Geschichte, S. 32 – 43. In der spteren Sonderwegsdebatte spielte diese Frage keine Rolle mehr ; vgl. Wellenreuther, England und Europa; Weisbrod, Der englische „Sonderweg“.

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nellen Grundlagen selbst zu zerstçren. Das Argument wurde besonders prgnant im „Kommunistischen Manifest“ (1848) formuliert, wo Marx und Engels schrieben, dass in der brgerlichen Gesellschaft – und damit meinten sie die kapitalistische Marktgesellschaft – „alle festen eingerosteten Verhltnisse mit ihrem Gefolge von altehrwrdigen Vorstellungen und Anschauungen … aufgelçst“ werden und „alles Stndische und Stehende verdampft“.24 Heute ist der prominenteste Reprsentant dieser Richtung Jrgen Habermas, dessen Diktum von der „Kolonialisierung der Lebenswelt“ durch die Diagnose einer von Marktprozessen beschleunigten ,Aufzehrung‘ der vormodernen Grundlagen der Moderne gesttzt wird.25 Britische Wissenschaftler setzen andere Akzente. Das argumentative quivalent zur „Aufzehrung von Traditionen“ bildet bei ihnen die Formel „Invention of Traditions“, die von den beiden Sozialhistorikern Eric Hobsbawm und Terence Ranger vor einem Vierteljahrhundert geprgt und an Beispielen aus der kommerziellen Massenkultur des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts illustriert wurde. Der Unterschied zur deutschen Sicht der Dinge ist kein grundstzlicher, geht doch die Durchsetzung neuer Traditionen im Allgemeinen mit dem Absterben und Vergessen der alten einher. Dennoch wird von britischen Wissenschaftlern ein ausgeprgtes Grundvertrauen in die vergesellschaftenden Fhigkeiten des Marktes zum Ausdruck gebracht. Am Prozess der Kommerzialisierung interessieren weniger die Verluste, die er mçglicherweise erzeugte, als seine Innovationskraft und sein kreatives Potential.26 Diese positive Sichtweise wird – und wurde schon im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert – mit besonderer Vehemenz fr die vorindustrielle Entstehungsphase der Marktgesellschaft vorgetragen. Handel, Erwerb und Kommerz htten nicht die Korruption der Sitten bewirkt, sondern deren Verfeinerung und Milderung – so kann man schon bei Baron de Montesquieu und anderen aufgeklrten Geistern lesen.27 Seitdem der Wirtschaftswissenschaftler Albert O. Hirschman das Schlsselwort dieser Interpretation, „doux commerce“, vor etwa dreißig Jahren aufgegriffen hat, um diese zeitgençssische Wahrnehmung des „Kapitalismus vor seinem Sieg“ in Erinnerung zu rufen, hat es auch Eingang in die Geschichtswissenschaft gefunden. Vor allem in der Geistes- und Ideengeschichte sowie in der neueren Kulturgeschichte des

24 Zitat S. 5. 25 Vgl. Habermas, Konzeptionen der Moderne, S. 226 – 231. Hirsch, Die sozialen Grenzen des Wachstums, entfaltet das Argument. 26 Vgl. Hobsbawm u. Ranger, The Invention of Tradition, sowie die explizite Zurckweisung der deutschen Sicht der Dinge etwa durch Crouch, Co-operation and Competition in an Institutional Economy, S. 98. 27 „Der Handel beseitigt stçrende Vorurteile, und es gilt beinahe allgemein die Regel, dass es da, wo sanfte Sitten herrschen, auch Handel gibt und daß berall, wo es Handel gibt, auch sanfte Sitten herrschen.“ Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Bd. 2, S. 2.

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Konsums ist sie weiter przisiert worden.28 Eine Prfung, ob und in welcher Hinsicht der „doux commerce“ auch die Entstehung und den Verlauf des Kommerzialisierungsprozesses geprgt hat, ist jedoch bislang noch nicht vorgenommen worden. Angesichts der kontroversen Behandlung des Themas Kommerzialisierung mag es verwundern, dass es in der Historischen Sozialwissenschaft bislang vernachlssigt worden ist. Max Weber, dessen unausgeprgtes Interesse am Markt bereits erwhnt wurde, war in der Hinsicht durchaus reprsentativ fr die Klassiker. Nicht einmal Werner Sombarts Artikel „Die Kommerzialisierung des Wirtschaftslebens“, der 1910 im „Archiv fr Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ erschien, behandelte den Markt und die Marktgesellschaft. Sombart unternahm vielmehr eine Funktionsbestimmung von Instrumenten und Institutionen der Finanzwirtschaft (Wechsel, Aktien, Banknoten, Banken, Bçrse) und skizzierte den jeweiligen Entstehungskontext. Dazu fhrte er den Leser kreuz und quer durch die Wirtschaftsgeschichte Europas, von Italien zur Zeit der Renaissance in die Niederlande des 17. Jahrhunderts, von der englischen Ostindienkompanie nach Deutschland im „Hochkapitalismus“. Mit dem Aufsatz wollte Sombart den Nachweis erbringen, „daß an allen diesen Vorgngen die Juden schçpferischen Anteil genommen haben“.29 Erst seit dem Ende der 1980er Jahre, nach dem endgltigen Scheitern des Realen Sozialismus, haben die Sozialwissenschaften die Kategorie des Marktes fr sich entdeckt. Die Beschleunigung der çkonomischen Globalisierung in den 1990er Jahren fçrderte das Interesse. Mit der „New Economic Sociology“ etablierte sich seitdem an den neu entstehenden Business Schools amerikanischer Universitten eine spezielle Subdisziplin zur Erforschung der „Kultur des Marktes“, deren Vertreter, einem Ansatz des ungarischen Wirtschaftswissenschaftlers Karl Polanyi (1886 – 1964) folgend, die Einbettung („embeddedness“) des Marktmechanismus in konkrete kulturelle und soziale, mithin auch historische Zusammenhnge untersuchen.30 Rechtliche und po28 Vgl. Hirschman, Leidenschaften und Interessen, S. 69, sowie – stellvertretend fr eine mittlerweile unbersehbare Diskussion – Pocock, Virtue, Commerce, and History ; Hont u. Ignatieff, Wealth and Virtue; McKendrick u. a., The Birth of a Consumer Society. Fr die amerikanische Diskussion, die von dieser Literatur beeinflusst wurde, vgl. Nolte, Der Markt und seine Kultur. 29 Vgl. Sombart, Die Kommerzialisierung des Wirtschaftslebens, Zitat S. 632. Der Aufsatz, der mit geringfgigen Vernderungen in Sombarts unsgliches Werk „Die Juden und das Wirtschaftsleben“ einging, hat schon die Zeitgenossen nicht berzeugt; vgl. Lenger, Werner Sombart, S. 193. 30 Vgl. den programmatischen Aufsatz von Granovetter, Economic Action and Social Structure, sowie die Zusammenstellung relevanter Literatur bei dems. u. Swedberg, The Sociology of Economic Life; Smelser u. Swedberg, The Handbook of Economic Sociology, und Biggart, Readings in Economic Sociology. Zum Entstehungskontext dieser Forschungen vgl. Convert u. Heilbron, Where Did the New Economic Sociology Come From? Der erwhnte Ansatz von Polanyi wird entfaltet in dem Buch „The Great Transformation“. Einen berblick ber den Diskussionsverlauf vermitteln Berghoff u. Vogel, Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte,

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litische Rahmenbedingungen des Wirtschaftens, Transaktionskosten, die Symbolik des Gabentausches, Vertrauen und Emotionen, Konventionen und Regeln, Steuer- und Rckkopplungsmechanismen in Netzwerken – solche und andere Kontextvariablen gehçren deshalb heute zum Marktdiskurs der historischen Sozialwissenschaften im weiten Sinn. Aber eben erst heute. Fast whrend des gesamten 20. Jahrhunderts wurde die Funktionsweise von Mrkten mit der abstrakten Begrifflichkeit der neoklassischen konomie beschrieben. Sie interessierten nicht wegen der von ihnen vermittelten sozialen Beziehungen, sondern als Orte, wo umfassend informierte und rational handelnde Akteure aufeinander treffen und der Preismechanismus Angebot und Nachfrage in einen Gleichgewichtszustand berfhrt. Auch die Geschichtswissenschaft hat das Thema Kommerzialisierung vernachlssigt, obwohl es vereinzelt immer wieder Sozialhistoriker gab, die einzelnen Aspekten in lokalen, regionalen oder branchenbezogenen Fallstudien Aufmerksamkeit geschenkt haben.31 Der Grund fr die Zurckhaltung der Zunft gegenber einer umfassenden Historisierung liegt in einem methodischen Defizit: Sie hat fr genetische – d. h. nicht-teleologische – Rekonstruktionen von historischen Prozessen keine Handreichung parat.32 Das neuerliche Interesse am Phnomen der Pfadabhngigkeit, d. h. der langfristigen Prgung eines Prozessverlaufs durch die Anfangskonstellation, steht nicht im Widerspruch zu dieser Aussage. Denn die Erçrterung des Problems der Pfadabhngigkeit sowie der damit mçglicherweise einhergehenden Entwicklungsdynamik, Ineffizienz und Dysfunktionalitt macht nur Sinn, wenn der Verlauf des Prozesses bereits bekannt ist. Insofern bietet dieser Ansatz, der aus den Wirtschaftswissenschaften stammt, Historikern lediglich ein Klassifikations-, aber kein allgemeines Analyseschema.33 Diese Einschrnkung gilt gleichermaßen fr die konfektionierten Prozessmodelle und -theorien sozialwissenschaftlicher Provenienz, etwa zur Demokratisierung, Nationalstaatsbildung oder zur Modernisierung allgeund die weiteren Beitrge in dem Band; ferner : Tanner, „Kultur“ in den Wirtschaftswissenschaften. Aus der çkonomiegeschichtlichen Perspektive zeichnet die Entwicklung nach Swedberg, Major Traditions of Economic Sociology. 31 Vgl. etwa Bevir u. Trentmann, Markets in Historical Contexts; Reddy, The Rise of Market Culture; Margairaz u. Minard, Le march dans son histoire. 32 Schon der einschlgige Band von Faber u. Meier, Historische Prozesse, erwies sich in dieser Hinsicht als enttuschend, und bis heute ist wenig Grundlegendes dazugekommen. Bezeichnenderweise enthlt auch das neue „Lexikon Geschichtswissenschaft“ von Jordan keinen Eintrag „Prozesse“. Zu der Problematik auch Welskopp, Die Theoriefhigkeit der Geschichtswissenschaft, S. 66 – 72. Auch die Historische Soziologie hat wenig mehr zu bieten als eine allgemeine Strukturierung in „duration“, „pace“, „trajectories“ und „cycles“; vgl. Aminzade, Historical Sociology and Time. Einer der wenigen weiterfhrenden Beitrge ist der Aufsatz von Ridder, Kinetische Analyse historischer Prozesse; vgl. auch schon ders., Messung sozialer Prozesse. 33 Das Konzept geht zurck auf den Aufsatz von David, Clio and the Economics of QWERTY. Zur neueren Diskussion vgl. Beyer, Pfadabhngigkeit, S. 11 – 40.

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mein, mit denen Historiker bereits seit den 1960er/70er Jahren operieren. So hilfreich diese im Einzelfall, etwa in vergleichend angelegten Studien mit kurzem Untersuchungszeitraum, auch sein mçgen – letztlich erlauben sie nur eine Klassifikation, bestenfalls eine Spezifikation, aber nicht die genetische Rekonstruktion eines Prozesses und der Mechanismen, die zu seiner Kontinuittssicherung beitragen.34 Insbesondere bei der Analyse der mit Prozessen stets einhergehenden Kontingenzen, Ambivalenzen und nichtintendierten Folgen sehen sich Historiker, die sich dieser Hilfsmittel bedienen, daher auf ergnzende ,freihndige‘ Interpretationen und ihre Intuition verwiesen. Ohnehin befindet sich bislang kein ausgearbeitetes Modell der Kommerzialisierung im Repertoire der Modernisierungstheorien. Die fr entsprechende Untersuchungen verwandte Begrifflichkeit stammt vielmehr aus der Kapitalismusforschung der soziologischen Klassiker Karl Marx, Max Weber und Werner Sombart, die teils direkt, teils aus den Werken jngerer Adepten rezipiert wird. Dieser Forschungstradition kann sich jedoch eine empirische Untersuchung zum Prozess der Kommerzialisierung, wie sie die vorliegende Studie fr das sptmittelalterliche und frhneuzeitliche England anstrebt, aus mehreren Erwgungen nicht anschließen. Erstens wird „Kapitalismus“ in der jngeren Forschung blicherweise als Struktur-, nicht als Prozessbegriff verwendet. Diese Konvention erklrt sich nicht zuletzt durch den Wunsch nach einer Typologie der nationalen bzw. regionalen Kapitalismen, die sich im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts herausgebildet haben. Dem an sich begrßenswerten Forschungstrend ist leider in vielen Fllen die historische Tiefe der Klassiker zum Opfer gefallen, denn die Analyse unterschiedlicher Typen des Kapitalismus wird nur unzureichend mit der Untersuchung ihrer Entstehungsgeschichte verknpft.35 Die Protagonisten behelfen sich vielmehr mit allgemeinen Aussagen zur Genese der jeweiligen Erscheinungsform oder wagen gar die khne Schlussfolgerung von den Merkmalen der Struktur auf den Modus ihrer Entstehung. Diese zweifelhafte Methode findet sich auch in der allgemeinen Kapitalismusdiskussion der jngeren Zeit, fr die das englische Beispiel nach wie vor eine zentrale Rolle spielt.36 Ein zweiter Grund fr die Entscheidung, in dieser Studie nicht mit dem Kapitalismusbegriff zu arbeiten, besteht in seiner Komplexitt – eine Folge dessen, dass ihn schon die Klassiker der Sozialwissenschaften mit Blick auf die industrielle Produktionsweise konzipiert haben. Zu den Definitionskriterien, 34 Zu den Grenzen der Modernisierungstheorien vgl. Mergel, Geht es weiterhin voran? 35 Die Beitrge gehen bestenfalls bis zum Jahr 1945 zurck; vgl. Hall u. Soskice, Varieties of Capitalism; Berghahn u. Vitols, Gibt es einen deutschen Kapitalismus? Zur Kritik auch schon Crouch, Models of Capitalism. 36 Vgl. Meiksins Wood, The Origins of Capitalism; Fulcher, Kapitalismus. Auch Wallerstein macht diesen khnen (Fehl-)Schluss zum Darstellungsprinzip; vgl. Historical Capitalism, S. 13: „Capitalism is first and foremost a historical social system. To understand its origins, … we have to look at its existing reality.“

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die sie hervorheben, gehçren das Vorhandensein privater Firmen und ,freier‘ – d. h. vertraglich regulierter – Lohnarbeit sowie Annahmen ber Zweck und Methode des Wirtschaftens (Profit, Rechenhaftigkeit). Auch die daraus erwachsenen Zumutungen fr die Arbeitskrfte (Herrschaftsbeziehungen und Ausbeutungsverhltnisse) werden ,mitgedacht‘, weil sie die Einkommensverteilung und die Lebensweise im Industriekapitalismus wesentlich mitbestimmen. Bei einigen Theoretikern kommen ergnzende Annahmen ber die dem Kapitalismus vorangehende Gesellschaftsformation (Feudalismus) und – so bei Marx – eine konfliktreiche Entwicklungsdynamik hinzu. Man muss kein detailliertes Vorwissen ber die englische Gesellschaft im Sptmittelalter und der Frhen Neuzeit haben, um einzusehen, dass ein derart umfassender Begriff fr die hier angestrebte Untersuchung vermutlich zu voraussetzungsvoll ist. Auch Mrkte zhlen zu den Definitionskriterien des Kapitalismus bei den Klassikern. Doch selbst wenn man (bei Vernachlssigung staatskapitalistischer Arrangements) konzedieren wollte, dass jede kapitalistische Gesellschaft durch kommerzielle, also ber Mrkte vermittelte Beziehungen integriert wird, wre der Umkehrschluss, dass diese Beziehungen stets vom kapitalistischen Verwertungsinteresse geprgt werden, gewagt. Ob, wann und in welcher Hinsicht eine Marktgesellschaft als kapitalistisch bezeichnet werden kann, ist vielmehr eine empirische Frage. Hielte diese historische Studie sie nicht bewusst offen, verstellte sie sich den Blick auf vorkapitalistische Besonderheiten und die Eigendynamik des Kommerzialisierungsprozesses. Drittens schließlich weisen die Kapitalismusanalysen von Marx, Weber und Sombart eine spezifische Schwche auf: Sie sind allesamt mit einem EnglandProblem behaftet. Werner Sombart pflegte sein ausgeprgtes Ressentiment gegen das „perfide Albion“, das angeblich nur „Hndler“, aber keine „Helden“ hervorzubringen vermochte, nicht nur in seiner berchtigten Schmhschrift aus dem Ersten Weltkrieg, sondern auch in seinem wissenschaftlichen Werk.37 Karl Marx erwies sich als unfhig, bestimmte Wahrnehmungsmuster seiner deutschen Herkunft abzustreifen und die vorgefundene empirische Realitt in seinem Exilland vorbehaltlos zu analysieren. Zentrale Elemente seines Kapitalismusbegriffs, etwa „Verkauf der Ware Arbeitskraft“ oder „Klasse“, vermçgen die Funktionsweise der englischen Marktgesellschaft daher nicht zutreffend zu erfassen.38 Demgegenber zeigte sich Max Weber im Rahmen seiner Untersuchungen zur „Rationalisierung aller Lebensbereiche“ durchaus irritiert von bestimmten englischen Besonderheiten, insbesondere vom Rechtssystem, das nicht auf dem systematischen Rçmischen Recht, sondern auf dem Fallrecht des Common Law basierte. Mit der naheliegenden Frage, warum gerade das Land, das auf dem Gebiet des rationalen – und deshalb 37 Vgl. Sombart, Hndler und Helden, sowie die einschlgigen Passagen ber das Verschwinden des „Heldenhaften“ aufgrund des modernen „Kommerzialismus“ in ders., Der Bourgeois, S. 343 ff.; ferner : ders., Der moderne Kapitalismus, Bd. 2/2, S. 922 f. 38 Dazu Biernacki, Labor as an Imagined Commodity, und Pollard, England, S. 21 f.

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modernen – Kapitalismus als das fortgeschrittenste berhaupt galt, solche ,Anachronismen‘ auch langfristig beibehielt, hat er sich jedoch nicht auseinander gesetzt.39 Vor diesem wissenschaftsgeschichtlichen Hintergrund verwundert es nicht, dass der Begriff „Kommerzialisierung“ auch in Beitrgen, die sich dem Thema ausdrcklich widmen, umgangssprachlich und uneinheitlich verwendet wird. Werner Sombart bezeichnete damit in dem erwhnten Aufsatz „die Auflçsung aller wirtschaftlicher Vorgnge in Handelsgeschfte“ und die „Verbçrsianisierung der Volkswirtschaft“.40 Neuere historische Beitrge beziehen sich auf den „Durchbruch der Konsumgesellschaft“ oder verwenden den Begriff synonym mit „Kommodifizierung“, also berfhrung von Gtern und Dienstleistungen in die Warenform im Sinne von Marx.41 Wieder andere orientieren sich an Georg Simmels Hauptwerk „Philosophie des Geldes“ (1910), einer facettenreichen Beispielsammlung von Kommerzialisierungsphnomenen aller Art, und arbeiten mit einer umfassenden Definition, etwa „Verbreitung und Verdichtung von Geld- und Marktbeziehungen, auch außerhalb der konomie im engeren Sinn“. Das ist die auch dieser Studie zugrunde liegende Arbeitsdefinition, die allerdings – wie schon bei Simmel selber – keine Aussage ber den Entwicklungsmechanismus enthlt.42 Ebenso wenig lassen sich Annahmen ber die vielfltigen Verschrnkungen und Verknpfungen unterschiedlicher Kommerzialisierungsphnomene zu einer potentiellen Triebkraft gesellschaftlicher Entwicklung daraus herleiten. Auch die erwhnte „New Economic Sociology“ amerikanischer Provenienz hat in dieser Hinsicht wenig Weiterfhrendes vorzuweisen, zumal ihr Aufschwung mittlerweile den paradoxen Effekt bewirkt hat, dass der Markt in seinen vielfltigen „Einbettungen“ zu versinken und dabei wieder aus dem Blickfeld zu geraten droht.43 Bei nherer berlegung vermag diese desolate Situation der historischen Kommerzialisierungsforschung indes nicht zu berraschen, ist es doch in hohem Maße vom spezifischen Ansatz der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, also einem letztlich subjektiven Faktor, abhngig, wie die unterschiedlichen Einbettungen des Marktes so aufeinander bezogen und in einen zeitlichen Zusammenhang gebracht werden, dass sie als Stationen eines 39 Vgl. Sugarman, In the Spirit of Weber, S. 219 f., 251; Swedberg, Max Weber and the Idea of Economic Sociology, S. 83, 105 – 107; d’Avray, Roman Law and Common Law. 40 Kommerzialisierung, S. 631. 41 Vgl. stellvertretend Britnell, The Commercialisation of English Society 1000 – 1500; Bailey, Historiographical Essay ; McKendrick u. a., Birth. 42 Bezeichnenderweise fand schon Max Weber Simmels Darstellung der Geldwirtschaft ,unhistorisch‘; vgl. Frisby, Die Ambiguitt der Moderne, S. 585 ff. 43 „There’s a lot of talk about their embeddedness without really talking about markets themselves. (…) I thought you could leave out the word ,market‘ almost entirely, and it would not take one iota away from your analysis.“ So ein Diskussionsbeitrag von Hall whrend eines Symposiums zur „New Economic Sociology“; vgl. Krippner u. a., Polanyi Symposium, S. 128.

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historischen Prozesses erkennbar werden. Denn der Akt geldvermittelten quivalententausches am Markt als solcher ist eine eher flchtige Angelegenheit, in welchen kulturellen Zusammenhngen er auch erfolgt, und gibt noch keine Entwicklungsrichtung vor. Kommerzialisierungsforscher kçnnen und mssen sich daher auf Friedrich Nietzsche berufen, der feststellte: „[A]lle Begriffe, in denen sich ein ganzer Prozess semiotisch zusammenfasst, entziehn sich der Definition; definirbar ist nur Das, was keine Geschichte hat.“44 Um die Historizitt und den Prozesscharakter der Kommerzialisierung Englands zwischen 1066 und der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert zu erfassen, versucht diese Studie, die çkonomischen und außerçkonomischen Motive der ,Erçffnung‘ und Institutionalisierung spezifischer Mrkte, aber auch ihrer im Einzelfall durchaus zu beobachtenden ,Schließung‘45 konkret zu beschreiben. Ebenso soll analysiert werden, unter welchen Umstnden sich diese Motive zu Regeln und Konventionen verstetigen konnten und welche Mechanismen Wechselbeziehungen, Kopplungen und Synergien zwischen der marktfçrmig organisierten konomie und anderen Bereichen der Gesellschaft – Staat und Militr, Recht und Politik, Finanzen und Steuersystem, Sozialstruktur, Mentalitten und Kultur – erzeugten. Die empirische Basis dieser Studie liefern Untersuchungen auf dem Gebiet der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte, die nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere seit den 1960er/70er Jahren, von britischen und anderen Historikern – seinerzeit ganz berwiegend noch zur Erklrung der Industriellen Revolution – vorgelegt worden sind und hier mit Bezug auf die Kommerzialisierungsproblematik neu ausgewertet werden. Darunter befinden sich auch Forschungen ber die Rolle des Staates im frhneuzeitlichen England, der sich entgegen einer verbreiteten Annahme aktiv an der Institutionalisierung der modernen Marktgesellschaft beteiligt hat.46 Von ,großen Namen‘ verfasste Gesamtdarstellungen und ,Meistererzhlungen‘, zu denen neben den bereits kritisch kommentierten Klassikern Marx-Weber-Sombart auch z. B. Immanuel Wallerstein, Karl Polanyi und Fernand Braudel gehçren, werden demgegenber nur selektiv oder gar nicht herangezogen, weil sie hoffnungslos veraltete Vorstellungen ber die englische Wirtschafts- und Sozialgeschichte enthalten.47 Da Sozialwissenschaftler ihr historisches Wissen 44 Jenseits von Gut und Bçse, S. 373. 45 Ein Beispiel fr die Schließung eines Marktes wre das gesetzliche Verbot der Kinderarbeit. Die Begrifflichkeit orientiert sich an Block, The Roles of the State, S. 697 f. 46 Der vielzitierte Laissez-faire-Staat erscheint nach dem heutigen Stand der Forschung erst als eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts; vgl. Harling u. Mandler, From „Fiscal-Military“ State to Laissez-faire State. Vgl. auch die allgemeine Erçrterung der Rolle des Staates im Zusammenhang mit der „Einbettung“ von Mrkten bei Block. 47 Ich schließe mich dem Urteil des Wirtschaftshistorikers Grassby ber diese und andere „Gurus“ an: „[N]one of their works are reliable as histories and they now have mainly antiquarian interest as tracts for their times“; The Idea of Capitalism before the Industrial Revolution, S. 76.

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heutzutage vornehmlich aus solchen Werken beziehen, angesichts des Umfangs und der Unbersichtlichkeit der jngeren empirischen Forschung wohl auch beziehen mssen, versteht sich dieses Buch zugleich als aktualisierte Diskussionsgrundlage fr eine Neubelebung des Dialogs zwischen Geschichts- und Sozialwissenschaft, der noch in den 1960er/70er Jahren lebhaft gefhrt wurde, mittlerweile aber eingeschlafen ist.48 Die Darstellung ist chronologisch angelegt, d. h. sie bewegt sich fort von den mittelalterlichen Grundlagen der Marktgesellschaft ber die Phase der frhneuzeitlichen Entfaltung, als der Markt Wechselbeziehungen zwischen Personen und Institutionen herzustellen und Synergien zu erzeugen begann, bis zur Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, als die Mentalitt der Zeitgenossen offensichtlich von kommerziellen Denk- und Handlungsweisen beherrscht wurde. Indem sie die Verdichtung der Marktbeziehungen im Verlauf der Jahrhunderte schildert, wird die Darstellung auch ihrerseits dichter. Das ist nur teilweise eine Begleiterscheinung dessen, dass auch die zugrunde liegenden Forschungen immer differenzierter werden, je spter sie auf der Zeitschiene angesiedelt sind. Die zunehmend konkretere Darstellungsweise folgt vielmehr auch der realen Entwicklung der englischen Marktgesellschaft, die im fortgeschrittenen 17. und im 18. Jahrhundert bereits ber außerordentlich subtile und daher differenziert zu schildernde Techniken der Selbstperpetuierung verfgte. Fr die Gesamtarchitektur der Studie hat das systematische Schlusskapitel, das die vorn entwickelten Fragen zum Verhltnis endogener und exogener Entwicklungsfaktoren sowie von Tradition und Moderne in der Marktgesellschaft wieder aufnimmt, daher die Funktion, die großen Linien der Entwicklung noch einmal nachzuziehen und die eingangs gestellten Fragen nach den Triebkrften, der Entwicklungsrichtung und der dem Prozess innewohnenden Dynamik zusammenfassend zu beantworten. In den langen Untersuchungszeitraum fallen das Jahr 1536, als Wales formell mit England vereinigt wurde, und das Jahr 1707, als die Union von England und Schottland in Kraft trat und Großbritannien entstand; die Union mit Irland folgte 1801. Diese politische Erweiterung des Untersuchungsgebiets fhrt in den spteren Kapiteln zu sprachlichen Anpassungen. Statt von England ist von Großbritannien die Rede, und das Adjektiv „englisch“ wird durch „britisch“ ersetzt. Das kann indes nicht darber hinwegtuschen, dass es sich bei dieser Langzeitstudie um eine Geschichte Englands, nicht Großbritanniens handelt. Denn die mittelalterlichen Grundlagen der Marktgesellschaft, die zu Beginn der Darstellung nur fr England analysiert werden, entwickelten eine nachhaltige Prgekraft, wie zu zeigen sein wird, und begnstigten eine Vgl. auch die kenntnisreiche – und im Ergebnis vernichtende – Auseinandersetzung mit Braudel und Wallerstein bei Ormrod, The Rise of Commercial Empires, S. 4 – 7. 48 Vgl. Kocka, Annherung und neue Distanz, S. 15 – 31; Floud u. Thane, Sociology and History, S. 57 – 69.

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pfadabhngige Entwicklung. Ob und in welchem Maße der spezifisch englische Entstehungskontext auch in Wales, Schottland und Irland fortwirkte – diese Frage zu beantworten, muss der knftigen Forschung vorbehalten bleiben.49

49 Die Untersuchungen von Davies, Domination and Conquest, und The First English Empire, erlauben keine Beantwortung der Frage, ebensowenig Duffy, The British Perspective, und Wrightson, Kindred Adjoining Kingdoms. Generell zum Verhltnis von „englischer“ und „britischer“ Geschichte Cannadine, British History, und Harvie, „These Islands“ und ihre Nationen.

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Abb. 1: Landkarte Englands, ca. 1250. Der Karte, die als Itinerar von Dover nach Newcastle diente, fehlte noch jede geographische Genauigkeit im modernen Sinn. Schottland stellte man sich als eine Insel vor, die durch eine Brcke in Stirling mit England verbunden war.

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I. Mittelalterliche Grundlagen der Marktgesellschaft

Noch in den 1970er/80er Jahren war es herrschende Meinung in der Wirtschaftsgeschichte, dass dem frhneuzeitlichen Aufschwung Englands eine stagnierende mittelalterliche konomie vorausgegangen sei. Signifikanter sozialer Wandel sei unterblieben, die Produktivitt gering gewesen, und die meisten Landbewohner htten fr die eigene Subsistenz gearbeitet.1 Diese Annahmen haben sich als unzutreffend erwiesen; die englische Wirtschaft erfuhr vielmehr im Hochmittelalter einen betrchtlichen Aufschwung. In der Landwirtschaft wurden Ackerbau und Viehzucht erstmals aufeinander abgestimmt, es kam zu einer regionalen Spezialisierung, und die Bevçlkerung wuchs. Parallel dazu nahmen die Anzahl der Stdte und die Einwohnerzahlen zu, und die Preise fr Arbeit, Land und Kapital zogen an. Vor diesem Hintergrund vergrçßerte sich die Geldmenge, und ein rudimentres Kreditsystem bildete sich heraus.2 Die gemeineuropische Pestwelle der Jahre 1348/49 unterbrach diese Entwicklung nur vorbergehend. hnliche Prozesse kann man fr diese Zeit auch auf dem europischen Kontinent beobachten. Allerdings wurde die durch die Pest hervorgerufene demographische und çkonomische Krise in der Mitte des 14. Jahrhunderts in England ganz offensichtlich schneller und problemloser berwunden als in Nord-, Sd- und (mit Ausnahme der Niederlande) Westeuropa.3 In England fhrte der pestbedingte Arbeitskrftemangel bezeichnenderweise zu dauerhaften Lohnerhçhungen, obwohl der Zusammenbruch des Systems der Leibeigenschaft gegen Ende des 14. Jahrhunderts zahlreiche neue Arbeitskrfte freigesetzt hatte. Fr eine erfolgreiche berwindung der Krise spricht auch, dass einige der ehemaligen Leibeigenen nun von den Landbesitzern mit mtern ausgestattet und mit Verwaltungsaufgaben betraut wurden, so dass sich die Kenntnisse des Handels, der Gesetze und der Managementmethoden weiter verbreiteten.4 Die Nachhaltigkeit des auf die Pest folgenden Aufschwungs kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass die Kohlefçrderung 1 Das war die gemeinsame Basis der Kontrahenten in der sogenannten Brenner-Kontroverse der 1970er Jahre, die hier nicht behandelt wird; vgl. Aston u. Philpin, The Brenner Debate. 2 Vgl. Dyer, How Urbanized was Medieval England?; Britnell, Commercialisation, S. 102 – 125 u. passim; ders., England: Towns, Trade and Industry ; Rigby, Introduction: Social Structure and Economic Change, S. 24; Bailey, S. 298 f.; M. Allen, The English Currency, S. 31 – 45. 3 Vgl. Pamuk, The Black Death; vgl. auch schon Walter u. Schofield, Famine, Disease and Crisis Mortality, S. 68 – 73. 4 Vgl. Britnell, Commercialisation, S. 115 – 17, 299; Dyer, Everyday Life, S. XII-XVI, 4 – 7, 173.

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trotz gleichbleibender Fçrdertechniken bis ins 16. Jahrhundert hinein stetig zunahm, allein weil die Nachfrage vorhanden war.5 Dieser Befund gibt Anlass zu der Vermutung, dass in England Kommunikationsstrukturen und Handlungsroutinen zur Verfgung standen, die es den Zeitgenossen erlaubten, çkonomische Vernderungen flexibel und produktiv zu nutzen. Zwei Beobachtungen unterstreichen diese Annahme und verweisen zugleich auf mçgliche Erklrungen: Zum einen hatten englische Stdte, wenn man von der Ausnahmestellung Londons absieht, im Vergleich etwa mit Sddeutschland und Oberitalien einen durchschnittlich kleinen Zuschnitt von etwa 5 000 Einwohnern – eine Besonderheit, die sich nicht nur aus der relativen Bedeutungslosigkeit des Fernhandels zu dieser Zeit, sondern auch und vor allem aus einer hohen Marktintegration vor Ort erklrt. Anders als in Deutschland, wo die Stdte gegen das Umland abgeschottete „Inseln“ waren, die sich „aus der allgemeinen Naturalwirtschaft [heraushoben]“, wie es der Historiker Georg Brodnitz in einer Publikation aus dem Jahr 1914 formuliert hat, standen englische Stdte als Marktorte in regem Austausch mit dem gleichermaßen marktwirtschaftlich geprgten Umland. Wenn sie als „Zentren der Verkehrswirtschaft“ berleben wollten, mussten sie Impulse aus dem Umland aufnehmen.6 Zum anderen lsst sich argumentieren, dass in England bereits mit der Normannischen Eroberung im 11. Jahrhundert eine spezifische Ausprgung des Feudalismus entstanden war, welche die Entstehung von marktgesttztem und daher flexiblem Handeln mehr fçrderte als vergleichbare Herrschaftsund Wirtschaftsstrukturen auf dem europischen Kontinent. Dieser englische Typus des Feudalismus soll im Folgenden ausfhrlicher behandelt werden, weil anzunehmen ist, dass er Voraussetzungen fr die Entstehung und Verstetigung von Prozessen der Kommerzialisierung schuf.7 Beide Besonderheiten, die Grçße der Stdte und die feudalen Herrschaftsund Wirtschaftsstrukturen, hingen miteinander zusammen. Sie bildeten sich infolge der politischen Umwlzungen heraus, die England durch die Normannische Eroberung im Jahr 1066 erfuhr.

5 Vgl. Bailey, S. 298 f. (mit weiterfhrenden Belegen). 6 Zitat: Brodnitz, Die Stadtwirtschaft in England, S. 36; vgl. auch S. 21 f. Ferner: Britnell, The Towns of England and Northern Italy, S. 21 – 35; ders., Town Life, S. 145 f. 7 Die „fast eigenstndige Entwicklung“ des Feudalismus in England erkannte auch schon Bloch, Die Feudalgesellschaft, S. 247. Blochs Darstellung bleibt jedoch in Bezug auf diesen Sonderfall teils unspezifisch, teils kryptisch und wird daher in dieser Studie nicht weiter herangezogen. Dasselbe gilt fr sein auf Vorlesungsnotizen basierendes Werk „Seigneurie franÅaise et manoir anglais“.

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1. Staat und Recht Nach seinem Sieg in der Schlacht von Hastings machte Wilhelm der Eroberer, Herzog der Normandie, England nicht nur zu einer Kolonie des Westfrnkischen Reiches, sondern auch zu einem einheitlich beherrschten Territorium. Im Unterschied zu vergleichbaren Invasionen der Normannen anderswo in Europa, etwa in Sizilien oder im Gebiet um Kiew, kam es in England nicht zur Kooperation mit den alten Fhrungseliten. In den weiteren Eroberungsfeldzgen ließ Wilhelm vielmehr fast alle 4 000 – 5 000 Angehçrigen des angelschsischen Adels liquidieren oder vertreiben. Das eroberte Land verteilte er an 189 normannische Gefolgsleute, die er zu abgaben- und militrdienstpflichtigen Baronen (lords) erhob.8 Die feudalen Pflichten der lords als solche waren mçglicherweise eine Fortfhrung der angelschsischen Tradition; die Experten sind sich darber nicht einig. Die zentralistische, auf den Kçnig zugeschnittene Verwaltung des Staates kann indes als herrschaftstechnische Innovation betrachtet werden, auch wenn auf lokaler Ebene die alte angelschsische Verwaltungsgliederung der shires und hundreds beibehalten wurde.9 In allen shires errichteten Wilhelm und seine Nachfolger Gerichtshçfe. Die aldermen als çrtliche Amtstrger waren ihre Interessenvertreter, ebenso die sheriffs und bailiffs (Gutsverwalter) als Ordnungskrfte, und fr die großen Rechtsstreitigkeiten wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts der King’s Court als zentraler Gerichtshof zustndig. Eine zentrale Finanzbehçrde, der Exchequer, nahm die Rechenschaftsberichte und Einnahmen der kçniglichen Beauftragten aus allen Teilen des Reiches entgegen und prfte sie. In der Chancery, der Staatskanzlei, wurden amtliche Schriftstcke ausgestellt und aufbewahrt. Solche writs dokumentierten unter anderem die Modalitten der Steuereintreibung und Vernderungen in der Verteilung des Landbesitzes.10 Auch die Stdte wurden „als ein dienendes Glied“ (Georg Brodnitz) in dieses zentralistische System eingeordnet. Militrische oder politische Kompetenzen rumten der neue Kçnig und seine Nachfolger ihnen nicht ein.11 Der neue Staat war stabil, die anderswo in Europa zu beobachtende Entstehung von Dynastien und der damit verbunden Zerfall in Territorialstaaten 8 Vgl. Lyon, Anglo-Saxon England and the Norman Conquest, S. 320. Die gesamteuropische Perspektive erçffnen die Bnde von Rowley, Die Normannen, sowie Harper-Bill u. van Houts, A Companion to the Anglo-Norman World; darin insb. Bennett, The Normans in the Mediterranean, S. 99 – 102. Ferner : Heller, Die Normannen in Osteuropa. 9 Krieger, Geschichte Englands, S. 89, weist auf den grundlegenden Unterschied zu Deutschland hin, „wo sich ein Großteil des Grund und Bodens als Allod oder eigen in der Hand des Adels befand und damit die Grundlage fr eine autogene, von niemandem – auch nicht vom Kçnig – abgeleitete Adelsherrschaft bildete“. 10 Vgl. Strayer, On the Medieval Origins of the Modern State, S. 35 – 49. 11 Vgl. Brodnitz, S. 36 – 38, Zitat S. 38.

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unterblieben. Das lag zum Teil sicher an der insularen Abgeschiedenheit, die einen gewissen Schutz vor berfllen bot, und an der bescheidenen, die Integration nach innen erleichternden Grçße des Territoriums. England hatte ungefhr die Flche des spteren Kçnigreichs Preußen, so dass es dem Kçnig und seinen Reiserichtern trotz der schwierigen Verkehrsverhltnisse des Mittelalters mçglich war, alle Landesteile regelmßig zu besuchen.12 Allerdings gab es in Europa auch andere kleine Herrschaftsgebiete, z. B. Schottland und Sizilien, die keinen so hohen Integrationsgrad erreichten wie England. Das spricht dafr, die frhe Herausbildung eines Einheitsstaates und die damit verbundene Monopolisierung der Herrschaftsmittel beim Kçnig als besondere Stabilisierungsfaktoren zu betrachten.

Abb. 2: Mnze Wilhelms des Eroberers, 1068.

Im Rahmen dieser Studie ist der durchorganisierte Zentralismus vor allem deshalb von Interesse, weil er dem Land einen betrchtlichen Kommerzialisierungsschub gab. An erster Stelle ist zu erwhnen, dass ein zusammenhngendes Wirtschafts- und Rechtsgebiet ohne nennenswerte Binnenzçlle entstand13 und freie Personen mithilfe der kçniglichen Justiz und der in deren Umfeld angesiedelten professionellen Rechtsexperten gegen Betrger und Bankrotteure, faule Schuldner und Vertragsbrchige vorgehen konnten. Sptestens seit 1362 war ihnen das sogar in der Landessprache mçglich, weil Englisch offizielle Sprache der Justiz wurde.14 Darber hinaus galten in Fortfhrung angelschsischer Konventionen einheitliche Maße und Gewichte sowie eine einheitliche Whrung. Die Normannen ersetzten die alten Penny-

12 Vgl. Elias, ber den Prozeß der Zivilisation, Bd. 2, S. 139 ff. 13 Zu Details Maesschaele, Tolls and Trade, S. 175 – 178. 14 Vgl. Epstein, Freedom and Growth, S. 68. Zu den „legal professions“ Walker, Order and Law, S. 99, 103.

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Mnzen nach und nach durch neue aus Sterlingsilber ; die Wertmessung erfolgte fortab in Pfund Sterling.15 Zweitens leiteten Wilhelm der Eroberer und seine Nachfolger eine Neuordnung des Bodenmarktes ein. Da der Bodenmarkt einen staatlichen Rahmen voraussetzt, ist es vermutlich sogar zutreffend zu sagen, dass sie diesen Markttypus ,erçffneten‘. Die Barone durften das ihnen zugeteilte Land sowie die Nutzungsrechte daran nmlich an beliebige Personen verkaufen oder hinzuerwerben, auch verpachten, solange sich keine zusammenhngenden Territorien bildeten, die das Obereigentum des Kçnigs infrage gestellt htten. Wie das berhmte Domesday Book (1086) belegt, das Wilhelm anlegen ließ, um den berblick ber die Besitzverteilung zu behalten und eine Konzentration der Flchen bei Einzelpersonen zu vermeiden, war die Anzahl der Grundbesitzer bereits zwanzig Jahre nach der Eroberung auf mehrere Tausend angewachsen.16 Als der King’s Court die Kufer von Land, die sogenannten freemen, im Verlauf des 13. Jahrhunderts seiner Jurisdiktion unterstellte, so dass sie sich mit Hilfe kçniglicher writs von den lords emanzipieren und nach eigenem Gusto wirtschaften konnten, vergrçßerte sich die Zahl der Marktteilnehmer abermals.17 Drittens gab die Institutionalisierung des Bodenmarktes dem Kapitalmarkt Impulse. Land konnte fortab als Sicherheit bei der Kreditaufnahme geboten werden, und umgekehrt wurden Kredite aufgenommen, um Land zu kaufen. Darber hinaus waren Feudalabgaben und Pacht in der Regel bar zu bezahlen, und auch dafr war hufig eine Kreditaufnahme erforderlich.18 Ein weiterer Aspekt des kçniglichen Zentralismus, das Kronmonopol auf den Devisenhandel, begnstigte – viertens – die frhzeitige Verallgemeinerung der Kreditwirtschaft. Dass der Royal Exchanger und seine Beamten Mnzen in fremden Whrungen rigoros konfiszierten, um sie zur Tower Mint zu bringen und in Sterling ummnzen zu lassen, trug wesentlich dazu bei, dass die Entstehung von Depositenbanken und die Herausbildung des Instituts der Bankberweisung, die anderswo in Europa bereits im Mittelalter aus dem Devisenhandel hervorgingen, unterblieben. Statt dessen fanden in England bertragbare Wechsel, Schuldverschreibungen und andere kommerzielle Papiere Anerkennung im Zahlungsverkehr.19 Solche Papiere waren zwar stets mit 15 Diese Maßnahme diente der Durchsetzung des Mnzregals und der besseren Kontrolle des Devisenhandels; vgl. Nightingale, The Ora, the Mark, and the Mancus, S. 248 – 257. 16 Vgl. Chibnall, Feudalism and Lordship, S. 130. Zur Herausbildung des Landmarktes ferner : Anderson, Entrepreneurship, S. 182. 17 Vgl. North u. Thomas, The Rise of the Western World, S. 64. 18 Vgl. Campbell, Factor Markets in England before the Black Death, S. 92, 97; ders., The Land, S. 213. 19 Vgl. Munro, English „Backwardness“, S. 143. Die so erzeugte Rckstndigkeit im Bankensektor konnte erst in den 1640er Jahren ansatzweise kompensiert werden, als Kaufleute der Goldschmiede-Zunft die Schwchung der Monarchie durch den Brgerkrieg ausnutzten, um sich als illegale Devisenhndler und Banker zu etablieren.

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einem gewissen Risiko behaftet; sie hatten jedoch den Vorzug, dass sie sich unabhngig vom Mnzregal beliebig vermehren ließen. Das erhçhte die Reichweite und die Zirkulationsgeschwindigkeit des Kapitals, reduzierte die Wertverluste durch den Devisenumtausch, half riskante Mnztransporte zu vermeiden und das kirchliche Zinsverbot zu umgehen; denn Wechsel ließen die Kreditzinsen als Gebhr erscheinen oder versteckten sie im Umtauschkurs.20 Vor allem aber drfte die Wechsel-Wirtschaft angesichts der notorischen Mnzknappheit die Anzahl der Marktteilnehmer und das Volumen der Transaktionen vergrçßert haben. Dass aus dem „Verteilungsfeudalismus“ (Gnther Lottes) eine Eigentmerund Erwerbsgesellschaft hervorging, war ein Effekt, nicht das Motiv der Staatsbildung durch Wilhelm den Eroberer und seine Nachfolger. In erster Linie ging es diesen Kçnigen um die Verstetigung ihrer Herrschaft und die Sicherung der dafr erforderlichen Kooperation der Barone.21 Deren Loyalitt konnten sie sich indes niemals sicher sein, und das fhrte zu weiteren herrschaftstechnischen Maßnahmen mit kommerziellen Nebeneffekten. Vergleichsweise unproblematisch war die finanzielle Seite der Herrschaft. Die Abgaben aus der Landbewirtschaftung und die Steuerzahlungen, die zur Vermeidung einer finanziellen Abhngigkeit des Kçnigs direkt von allen steuerpflichtigen Untertanen, also nicht ber die Barone, eingezogen wurden,22 ließen sich gegebenenfalls erzwingen. Beim Militrdienst war das hingegen nicht mçglich, weil die von den Baronen gefhrten Truppen das Schlachtfeld jederzeit verlassen konnten. Die Lçsung des Problems bestand fr die Kçnige in der Ersetzung der Militrpflicht durch Geldleistungen (scutage) und in der Kriegsfhrung mit Hilfe von Sçldnerheeren – eine Maßnahme, die offenbar bereits durch die Erfahrung motiviert war, dass „von allen Forderungen die auf Geld gerichtete diejenige [ist], deren Erfllung am wenigsten in den guten Willen des Verpflichteten gestellt ist“ (Georg Simmel).23 Diesen Schritt zur Unterwerfung der Abhngigkeitsbeziehungen zwischen Kçnig und Baronen unter den cash nexus, der bereits im 12. Jahrhundert erfolgte und dann Anfang des 14. Jahrhunderts noch einmal besttigt wurde, hat der Medivist K. B. McFarlane als bergang zum „Bastard Feudalism“ bezeichnet. Der negative Akzent des Begriffs bezieht sich auf die damit einhergehende Entstehung einer rein zivilen, auf Wohlstand und Prachtentfaltung bedachten Pensionrsklasse, die – gewissermaßen als Vor-

20 Vgl. N. Jones, God and the Moneylenders, S. 140 f. 21 Vgl. Palmer, The Origins of Property in England; ders., The Economic and Cultural Impact of the Origins of Property. Zitat: Lottes, Von „tenure“ zu „property“, S. 7. 22 Vgl. Macfarlane, The Making of the Modern World, S. 48 (mit Bezug auf den Rechtshistoriker Frederic Maitland). 23 Zitat: Simmel, Philosophie, S. 547. Zum Sachverhalt allgemein vgl. Mann, Geschichte der Macht, Bd. 2, S. 234; ausfhrlich: Powicke, Military Obligation. Vgl. auch H. M. Thomas, The Norman Conquest, S. 80 – 83.

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lufer der gentry – dem Kçnig als oberstem Feudalherrn nur noch ber ein unpersçnliches Vertragsverhltnis verbunden war.24 Die entwicklungsstrategische Bedeutung dieser Ausprgung des Feudalismus tritt hervor, wenn man sich die vielzitierte Formel „from status to contract“ des Rechtshistorikers Sir Henry Maine vergegenwrtigt. Sie wird dem skizzierten englischen Fall nmlich nicht gerecht. Maine hatte die Formel um 1860 zur Beschreibung eines Jahrhunderte bergreifenden Prozesses geprgt, der angeblich alle Lnder der Erde erfasse; spter ist sie, geadelt durch die Klassiker der Soziologie, zu einem Baustein sozialwissenschaftlicher Modernisierungstheorien geworden. Das Spezifikum der feudalen Herrschaft in England bestand jedoch darin, dass beide Pole, „status“ und „contract“, bereits im Mittelalter Teil des Systems waren und Handlungsoptionen erçffneten.25 Es berrascht daher nicht, dass sich die lords frhzeitig in ihrer Rolle als Vertragspartner des Kçnigs sahen und ihre Verpflichtungen ihm gegenber im Detail zu verschriftlichen suchten. Die Magna Carta, eine von Kçnig Johann im Jahr 1215 unterzeichnete Vereinbarung mit revoltierenden lords, legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Die Entwicklung hin zu schriftlichen Vertrgen setzte sich mit der Zeit auch in den Beziehungen zwischen den Baronen und ihren Pchtern durch; der King’s Court diente ihnen dabei als Schlichtungsstelle und Notariat.26 Einige dieser Vereinbarungen umfassten auch außerçkonomische Leistungs- und Treueverpflichtungen, z. B. Heiratsgenehmigungen fr Leibeigene. Allerdings durften militrische Dienste des Pchters fr den Baron nicht Gegenstand des Vertrags sein und auch nicht durch Eid zugesagt werden. Solche Vereinbarungen wren in dem zentralistischen, auf den Kçnig zugeschnittenen Herrschaftssystem als Hochverrat betrachtet worden. Die Pchter und das common folk durften (und mussten) vielmehr ausschließlich unter kçniglichen Offizieren dienen – eine klare Durchbrechung des feudalen Prinzips gestufter Abhngigkeiten, wie es sich auf dem europischen Kontinent entwickelte.27 In diesem Merkmal tritt besonders deutlich hervor, dass das Zeitalter des Feudalismus in England vorber war, kaum dass es begonnen hatte.28 Dass die Grundbesitzerklasse der Barone zwar eine Vielzahl lokaler Angelegenheiten in eigener Regie regeln durfte, aber dennoch einem einheitli24 McFarlane, Parliament and Bastard Feudalism, S. 53 – 79. Als berblick ber den Stand der daran anschließenden Diskussion vgl. Hicks, Bastard Feudalism; Coss, From Feudalism to Bastard Feudalism, S. 79 – 107. 25 Eine Erklrung fr das Scheitern von Sir Henry Maine am englischen Beispiel liegt vermutlich darin, dass er ein von der deutschen Rechtstradition inspirierter Rçmischrechtler und Indienexperte war, aber vom Common Law nicht allzu viel wusste; vgl. Graveson, The Movement from Status to Contract, S. 261 – 272. Zur Rezeption Maines in den Sozialwissenschaften vgl. Shils, Henry Sumner Maine. Die zitierte Formel findet sich in Maine, Ancient Law, S. 100. 26 Vgl. Waugh, Tenure to Contract. 27 Vgl. Macfarlane, The Cradle of Capitalism (mit Bezug auf den Rechtshistoriker Frederic Maitland); ders., Making, S. 47 f. Vgl. auch Krieger, S. 89. 28 Vgl. Hollister, The Irony of English Feudalism.

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chen, landesweiten Recht unterworfen war, unterstreicht diesen Befund. Dieses Recht war das Common Law.29 Es band sogar den Kçnig, der ber seinen Untertanen, aber nicht ber dem Recht stand und sich im Extremfall sogar dagegen ,versndigen‘ konnte. Im Jahr 1649 sollte dieses umfassende Rechtsverstndnis mit dazu beitragen, dass Charles I. hingerichtet wurde.30 Das Common Law, das auch in den englischen communities von Wales und Irland Geltung hatte und das schottische Recht maßgeblich beeinflusste, war unter der Herrschaft von Heinrich II. (1154 – 1189) und Eduard I. (1272 – 1307) im Hinblick auf die besonderen Bedrfnisse der Monarchie entstanden, fhrte aber in mancher Hinsicht altes angelschsisches Recht fort. Eine bernahme des auf dem Kontinent gebruchlichen Rçmischen Rechts erfolgte nur punktuell, da es weder modernisiert noch den englischen Verhltnissen angepasst worden war, sich mithin als Alternative nicht aufdrngte.31 Dadurch verfestigten sich mit der Zeit einige Abweichungen der englischen von der kontinentalen Rechtsentwicklung, die sich auch fr die wirtschaftliche Entwicklung als bedeutsam erweisen sollten. Nachhaltige Effekte resultierten aus der besonderen Form des Rechts. Whrend das Rçmische Recht systematisch angelegt war, basierte das Common Law auf Fallrecht. Dadurch erçffnete sich die Mçglichkeit, den Einzelfall zu wrdigen, ohne bergeordnete Prinzipien anwenden zu mssen, so dass unkonventionelle Problemlçsungen, Experimente und die Autonomie des individuellen Denkens und Handelns befçrdert wurden. In einer politischen Umbruchsphase, in der sich die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens rapide nderten und man nur in begrenztem Maße auf Erfahrungen zurckgreifen konnte, war ein am prozessualen Denken orientiertes Recht, das als soziale Praxis funktionierte, außerordentlich zweckmßig. Dies galt um so mehr, als hohe Rechtssicherheit bestand, weil die Richter die Przedenzflle peinlich zu bercksichtigen pflegten.32 Die strukturellen Defizite des Fallrechts, seine ausgeprgte Unfhigkeit zur ,Entsorgung‘ berholter Entscheidungen und, damit einhergehend, die zunehmende Unbersichtlichkeit der Rechtslage,33 drften in diesem frhen Entwicklungsstadium des Common Law noch kaum als stçrend empfunden worden sein.

29 Vgl. Strayer, S. 38. Einen vorzglichen berblick ber die wesentlichen Strukturelemente des Common Law bietet H. Weber, Art. Common Law. 30 Vgl. Cromartie, The Constitutionalist Revolution. 31 Vgl. van Caenegem, The Birth of the English Common Law, S. 85 – 110. Allerdings wurden die Verbindungen zu den Experten des Rçmischen Rechts niemals ganz eingestellt; vgl. J. H. Baker, An Introduction to English Legal History, S. 27 – 29; Zimmermann, Der europische Charakter des englischen Rechts. 32 Vgl. Goodhart, Precedent in English and Continental Law; Lieberman, Property, Commerce, and the Common Law, S. 148. 33 „In a case-law system the initiative [for change] rests with the litigants, and it is only when the advantage to be gained in the instant case by doing something different is large enough to outweigh the loss that the well-advised litigant will take the risk and depart from the well-

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Was die Regelungsgehalte anging, hatte das Common Law vor allem Auswirkungen auf die Eigentumsverhltnisse. Es besagte, dass jedermann – Mnner, Frauen, Kinder – das Recht hatte, Eigentmer zu werden. Selbst Unfreie konnten Land kaufen und verkaufen, wenn die Zustimmung des lord vorlag.34 Außerdem waren an manches Eigentum, sei es in Form von Land oder von beweglichen Sachen, bestimmte Nutzungsrechte und Verpflichtungen gebunden, die auch fr den Eigentmer selber bindend waren. So durften Landlose ihr Vieh auf fremden Grundstcken weiden lassen und Landeigentmer Maut von denjenigen kassieren, die ihre Grundstcke betreten oder befahren wollten. Ersteres reduzierte die Zahl der Armen, letzteres erwies sich als ein wirksamer Anreiz fr den Ausbau von Straßen und Kanlen und war eine wichtige Voraussetzung fr die regionale Spezialisierung der Gter- und Warenproduktion schon im ausgehenden Mittelalter.35 Ein weiteres Merkmal des Common Law war seine Offenheit fr individuelle Arrangements in wirtschaftlichen Angelegenheiten. An erster Stelle ist hier das law merchant bzw. die lex mercatoria zu erwhnen, die es Kaufleuten und anderen handeltreibenden Personen, und zwar Englndern wie Fremden, ermçglichte, ihr Recht außerhalb des blichen Rechtswegs einzuklagen. Nachdem bereits die Magna Carta von 1215 die Rahmenbedingungen des Handels in England umrissen hatte, wurden gegen Ende des 13. Jahrhunderts in London und 15 anderen Hafen- bzw. Marktstdten spezielle Staple Courts fr Handelsgeschfte errichtet. Sie unterstanden wie alle Gerichte dem Kçnig, fhrten aber ein vergleichsweise unkompliziertes Verfahren der Rechtsprechung durch, in dem sie auf bestimmte zeitraubende Prozeduren wie etwa die Verpflichtung zur Beibringung von writs mit dem Siegel des Kçnigs verzichteten. Statt dessen wurden Wechsel, Obligationen und die schriftlichen Abmachungen der Vertragspartner (oder deren Bevollmchtigter) als Beweise akzeptiert. Darber hinaus fanden lokale Gepflogenheiten Bercksichtigung.36 Die lex mercatoria war mithin kein spezieller Rechtskorpus, sondern ein Schnellverfahren zur Entscheidung von Streitigkeiten unter Personen, die aufgrund der Natur ihrer Geschftsttigkeit an dem betreffenden Ort nicht verweilen konnten. Obwohl die Jury je zur Hlfte aus einheimischen und trodden path.“ Ibbetson, A Historical Introduction to the Law of Obligations, S. 299; vgl. auch ebd., S. 294 – 302. 34 Leibeigenen blieb jedoch das Recht der Anrufung kçniglicher Gerichte versagt; sie blieben der Gerichtsbarkeit ihres lords unterstellt; vgl. Campbell, The Land, S. 210. Ferner : Coss, The Age of Deference, S. 32 f. 35 Vgl. Stein u. Shand, Legal values in Western society, S. 212 – 214; Szostak, The Role of Transportation in the Industrial Revolution, S. 88 – 90. 36 Vgl. J. H. Baker, The Law Merchant, insb. S. 300 – 304, 316 – 322. Auf die strategische Bedeutung der lex mercatoria fr die Vertretung der Kaufleute durch Bevollmchtigte weisen hin: Milgrom u. a., The Role of Institutions, S. 4 – 6. Die Regelungen der Magna Carta zitiert Kerr, The Origin and Development of the Law Merchant, S. 359 f.

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fremden Kaufleuten bestand, privilegierten die Gerichte nicht den Stand des Kaufmanns, wie es anderswo auf dem europischen Kontinent blich war, sondern Handelsgeschfte als solche (deshalb: lex mercatoria, nicht ius mercatorum).37 Das war ber vier Jahrhunderte eine wichtige Voraussetzung fr eine ungehinderte Handelsttigkeit von jedermann. Denn erst Ende des 17. Jahrhunderts begann die Kodifizierung der Gepflogenheiten, die sich im Zuge dieser Schnellverfahren herauskristallisiert hatten, und erst 1765 wurde die Handelsgerichtsbarkeit in die allgemeine Gerichtsbarkeit des Common Law integriert. Ebenso wie die lex mercatoria erçffnete auch die Rechtsform des trust, zu deutsch: Treuhnderschaft, den Marktteilnehmern die Mçglichkeit einer eigenstndigen Ausgestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen, und auch dieser Mçglichkeit kam im Alltag große praktische Bedeutung zu.38 Ein Landbesitzer bergab sein Land an eine Gruppe von Treuhndern und verpflichtete diese, es in seinem Namen, aber im Interesse einer dritten Partei zu verwalten. Gleichzeitig benannte er diese dritte Partei, meist eine Person oder Personengruppe, die durch den trust mit finanziellen Mitteln bedacht werden sollten, oder legte einen bestimmten Zweck fr die Mittelverwendung fest. Auf diese Weise konnten Grundbesitzer ihr Land faktisch vererben, obwohl das mit Rcksicht auf das Obereigentum des Kçnigs bis 1540 verboten war. Darber hinaus vermieden sie im Erbfall fllige Gebhren – eine Art Erbschaftssteuer – und umgingen bestimmte Vorschriften des Erbrechts, die ihnen untersagten, ihr Eigentum an mehrere ihrer Kinder zu verteilen. Sie bedachten nichteheliche Kinder und schtzten das fr eine bereits verheiratete Tochter vorgesehene Vermçgen vor dem Zugriff des Ehemannes. Solche Regelungen hatten dauerhaften Bestand, weil die Gruppe der trustees sich neu ergnzen konnte, wenn einzelne Mitglieder verstarben.39 Die Rechtsform des trust bildete sich bereits im 14. Jahrhundert heraus. Aus kontinentaleuropischer Perspektive ist das unter anderem deshalb bemerkenswert, weil der trust aus der Umwandlung eines persçnlichen Rechts in ein Eigentumsrecht, also unabhngig von Staat und Kçnig, entstand. Es handelte sich mithin nicht um eine Korporation oder juristische Person, die sich zum ,Staat im Staat‘ htte aufschwingen kçnnen, sondern um ein Rechtsverhltnis vertragshnlicher Natur. Deshalb bestanden keine grund37 Auf diesen Unterschied weist hin Cordes, The Search for a Medieval Lex mercatora, S. 61. 38 Im Mittelalter gab es das Wort trust noch nicht; der entsprechende Terminus war use; er bezeichnete dieselbe Sache. Die folgende Darstellung orientiert sich an Maitland, Trust und Korporation; Baker, Introduction to English Legal History, S. 290 – 293, sowie Parker u. Mellows, The Modern Law of Trust, S. 1 – 25. 39 Auch noch im 18. und 19. Jahrhundert erwiesen sich trusts als eine flexible Rechtsform. Sie waren u. a. geeignet, die unerwnschten Folgen des um 1660 entstandenen Instituts des strict settlement abzumildern, das – hnlich wie die kontinentaleuropischen Fideikommisse – den Verkauf von Lndereien mit Rcksicht auf die Familie der Landbesitzer unmçglich machte; vgl. R. Harris, Government and the Economy, 1688 – 1850, S. 229.

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stzlichen Probleme bei der Anerkennung von trusts durch die kçniglichen Gerichte, und sie konnten sich mehr oder weniger unbehindert ausbreiten.40 Als freie Vereinigungen, die mit der Zeit auch auf politischem und sozialpolitischem, religiçsem und kulturellem Gebiet entstanden und sich mit ihrem Eigentum an Land, Gebuden und Vermçgen dauerhaft etablieren konnten, gelten trusts als Keimzellen der modernen Zivilgesellschaft in England.41 Diese Rechtsform hat sich nicht nur bei der Verwaltung von Kollektivund Stiftungsvermçgen bewhrt, wie sie etwa die Universitten Oxford und Cambridge seit dem Mittelalter ansammelten, sondern auch in der modernen Finanzwelt Anwendung gefunden. Denn die Trennung von Eigentum und Nießbrauch wurde mit fortschreitender Kommerzialisierung der Wirtschaft immer çfter als Rahmen fr kollektive Unternehmensformen außerhalb der Landwirtschaft fr erforderlich gehalten, weshalb trusts of money seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert von den Gerichten ebenso akzeptiert wurden wie trusts of land. Es ist daher fr die englische Wirtschaftsgeschichte einigermaßen mßig zu untersuchen, in welchen konkreten Zusammenhngen sich der Gesetzgeber seit Mitte des 19. Jahrhunderts dazu verstand, das Recht der Aktiengesellschaften oder der Gesellschaften mit beschrnkter Haftung zu kodifizieren. Denn die Sache selbst hatte sich lngst herausgebildet, und die vielfltigen Variationen der konkreten Ausgestaltung von trusts dienten als rechtliche Grundlage entsprechender bereinknfte.42 Auch jene bahnbrechenden Finanzinstitutionen, die weiter unten nher beschrieben werden, die Bank of England, die London Stock Exchange und Lloyd’s Versicherungsunternehmen, entstanden wie selbstverstndlich in dieser Rechtsform. Sie behielten sie zum Teil ber Jahrzehnte und Jahrhunderte bei, bevor manche von ihnen sich aus unterschiedlichen Grnden doch inkorporieren ließen.43

2. Sozialstruktur, Mobilitt und Sozialbeziehungen Die lndliche Sozialstruktur des Kçnigsreichs England unterschied sich nach 1066 grundlegend von der anderer Gesellschaften Europas. Whrend dort, dem allgemeinen Modell feudaler Beziehungen entsprechend, Eigentum eine Funktion des Status war, resultierte in England Status aus Eigentum; auch die Binnendifferenzierung der adligen Grundbesitzer entsprach diesem Muster.44 40 41 42 43

Vgl. Hartmann, Der Trust im englischen Recht, S. 23 f. Vgl. Macfarlane, Making, S. 269 – 272. Vgl. R. Harris, Industrializing English Law, S. 21 f., 147 – 158. Vgl. Anderson, Law, Finance and Economic Growth, S. 103 ff.; Chesterman, Family Settlements on Trust, S. 124 – 168. 44 Vgl. Perkin, The Origins of Modern English Society, 1780 – 1880, S. 38; Schrçder, Der englische Adel, S. 31 f.

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Daher bestand die lndliche Sozialstruktur, wenn man vom Klerus absieht, im Wesentlichen aus zwei sozialen Gruppen: fr den Markt produzierende Grundbesitzer (Eigentmer und Pchter) auf der einen, Gesinde und landlose Land- bzw. Lohnarbeiter auf der anderen Seite. Zu den Landeigentmern zhlten whrend des gesamten Mittelalters maximal 20 000 Personen. Auf den Kçnig an der Spitze der Hierarchie folgten etwa 1 000 Landeigentmer aus Adel und Klerus, von denen jeder einzelne weniger Grund und Boden als der Kçnig besaß. Auf diese kleine Gruppe entfiel nach Schtzungen fr das frhe 14. Jahrhundert fast die Hlfte des gesamten Einkommens aus Landbesitz. Die andere Hlfte verteilte sich auf etwa 19 000 kleinere Landeigentmer. Sie gehçrten mehrheitlich zur gentry, in die zu diesem Zeitpunkt auch schon wohlhabende Stdter aufgestiegen waren.45 Alle diese Eigentmer bewirtschafteten ihr Land teils selber, teils hatten sie es verpachtet. Im Jahr 1086, als das Domesday Book angelegt wurde, belief sich die Gesamtzahl der Pchter auf etwa 250 000. Anfangs handelte es sich bei ihnen berwiegend um Leibeigene (villeins). In der zweiten Hlfte des 14. Jahrhunderts, als die Eigentmer um Pchter konkurrieren mussten, ging die Zahl der Leibeigenen jedoch zurck, so dass um 1500 fast alle Pchter freie copyhold tenants waren. Doch auch die verbliebenen villeins konnten frei wirtschaften, weshalb sie zum Teil grçßeren Wohlstand erwarben als die Freien. Ihr Status untersagte ihnen lediglich, die kçniglichen Gerichte anzurufen; sie blieben der Gerichtsbarkeit ihres lord unterstellt.46 Die zweite Gruppe in der lndlichen Sozialstruktur, die der Land- und Lohnarbeiter (labourers), umfasste die große Zahl jener Arbeitskrfte, ohne die Grundeigentmer und Pchter ihr Land nicht bewirtschaften konnten. Auch hier gab es Leibeigene und freie Arbeiter, und die Zahl der Freien nahm gegen Ende des Mittelalters betrchtlich zu. Der Grund lag wie bei den Pchtern darin, dass das Arbeitskrfteangebot nach der Pestwelle um die Mitte des 14. Jahrhunderts zurckging. Außerdem galten freie Lohnarbeiter als die attraktiveren, weil besser motivierten Arbeitskrfte.47 Die freien Arbeiter als Landproletariat zu bezeichnen, wre indes verfrht. Zwar gehçrten labourers berwiegend zu den Landlosen, aber viele von ihnen lebten hnlich wie Knechte, Mgde und Stallburschen in einem Grundbesitzerhaushalt und wurden dort mitverpflegt. Bei denjenigen, die nur von Arbeitslohn lebten, handelte es sich um berschssige Arbeitskrfte und um die erwachsenen Kinder aus kleinen Pchterhaushalten, die ihr Elternhaus verlassen hatten. Diese ,reinen Lohnarbeiter‘ bildeten auch am Ende des Mittelalters noch eine Minderheit.48 45 Vgl. Campbell, Land, S. 201, 213. 46 Vgl. ebd., S. 206 f., 210 f., 213; Rigby, Introduction, S. 15. 47 Vgl. D. Stone, The Productivity of Hired and Customary Labour, 640 – 656. Ferner : Britnell, Commerce and Capitalism, S. 364; Campbell, Factor Markets, S. 84 – 86. 48 Vgl. ders., Land, S. 219; Mayhew, Wages and Currency, S. 212 – 214.

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Eine dritte Gruppe der lndlichen Sozialstruktur, die man in Kenntnis der kontinentaleuropischen Gegebenheiten erwarten wrde, nmlich freie Bauern auf eigener Scholle und mit dem familialen Haushalt als Zentrum von Produktion und Konsumtion,49 bildete sich hingegen nur vereinzelt heraus und wurde darber hinaus im Verlauf der Zeit immer kleiner. Das ist nicht etwa darauf zurckzufhren, dass England als Inselstaat keine große Armee, sondern eine Flotte bençtigte und deshalb auf den Bauernschutz verzichten konnte, wie man etwa bei Max Weber lesen kann.50 Ausschlaggebend waren vielmehr andere Grnde: zum einen, dass die fr die Landwirtschaft geeigneten Flchen nach 1066 mehr oder weniger vollstndig verteilt worden waren und die landlords es vorzogen, mit wenigen Pchtern zu kommunizieren,51 zum anderen die fr England kennzeichnende dichte Infrastruktur integrierter regionaler Mrkte. Sie hatte sich herausgebildet, als die um Geld verlegenen Kçnige seit der zweiten Hlfte des 13. Jahrhunderts in großem Stil begannen, Konzessionen fr stdtische und Dorfmrkte an Einzelpersonen, zum Teil auch an Klçster und korporative Interessenten zu verkaufen – ein in den meisten anderen kontinentaleuropischen Lndern, wo Marktrecht und Stadtrecht miteinander verknpft waren, ganz undenkbarer Vorgang. Der gesetzliche Mindestabstand der ber 1 000 neuen Mrkte zu den bereits bestehenden, deren Ttigkeit nicht beeintrchtigt werden durfte, betrug etwa 6 2/3 Meilen. Die Markteigentmer, die fr den Kçnig die Verbrauchsteuern einzutreiben hatten und deshalb mit Monopolrechten ausgestattet wurden, verdienten nicht nur an den Standgebhren, sondern auch und vor allem an der Erhebung von Maut. Daher suchten sie Kaufleute von außen anzuziehen, was angesichts der gleichzeitig auch anderswo entstehenden lokalen und regionalen Mrkte kein grundstzliches Problem bedeutete. Da der Transport lndlicher Produkte von den umliegenden Dçrfern in die Landstdte, die in vielen Fllen nicht weiter als 20 Meilen voneinander entfernt lagen, von den Kaufleuten und deren Mittelsmnnern bernommen wurde, konnten sich auch landwirtschaftliche Kleinproduzenten, die selber nicht abkçmmlich waren, in die Marktwirtschaft integrieren. Auf buerliche Subsistenzwirtschaft war in diesem System kaum jemand angewiesen.52 Ohne Marktanbindung htten die kleinen Landwirte wohl auch die von ihnen verlangten Steuern sowie die Geldrenten und gegebenenfalls Strafgebhren fr den Grundherrn nicht aufbringen kçnnen, die bar zu zahlen waren. Sie htten keine Gertschaften und sonstigen Gegenstnde des tglichen Bedarfs erwerben und keine Nahrungsmittel hinzukaufen kçnnen, worauf ins49 Die Definition geht zurck auf Chayanov, The Theory of Peasant Economy. Vgl. auch R. E. F. Smith, A. V. Chayanov on the Theory of Peasant Economy. 50 Vgl. M. Weber, Wirtschaftsgeschichte, S. 150. 51 Vgl. Gillingham, Some Observations on Social Mobility, S. 340 f., 353. 52 Vgl. Maesschaele, Peasants, Merchants, and Markets, S. 57 – 73. Vgl. auch schon den lteren Aufsatz von Britnell, The Proliferation of Markets, 1200 – 1349.

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Abb. 3: Landstdte als regionale Zentren in England, um 1300.

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besondere die spezialisierten Betriebe angewiesen waren. Wie sehr auch kleine Landwirte in Kategorien von Angebot und Nachfrage dachten, geht nicht zuletzt daraus hervor, dass zumindest die Freien unter ihnen durchaus bereit waren, ihren gesamten Besitz zu verkaufen und sich anderswo neu anzusiedeln, wenn dies vorteilhaft erschien, und diesen Schritt selbst dann unternahmen, wenn Familientraditionen durchbrochen wurden und Verwandte nicht weiter miternhrt werden konnten.53 Diesen ganz ungewçhnlichen Befund, dass England schon im Mittelalter gewissermaßen ein Land ohne Bauern war, hat als einer der ersten der Anthropologe Alan Macfarlane in seinem originellen Buch „The Origins of English Individualism“ (1978) dargelegt.54 Bei Medivisten ist er damit zunchst auf massive Kritik gestoßen und erst von einer jungen Generation der Sozialund Wirtschaftshistoriker unter ihnen besttigt worden. Wenn in diesen neueren Untersuchungen, die seit den 1990er Jahren vorgelegt wurden, nach wie vor von „peasants“ die Rede ist, sollte man darin keine Relativierung des Befundes sehen. Es handelt sich vielmehr um eine Konzession an den berkommenen Sprachgebrauch der Medivisten, die auf einem anderen Verstndnis von „peasant“ basiert. Die Forscher der jngeren Generation verwenden die Bezeichnung nmlich auch fr landarme Pchter sowie fr Dorfhandwerker, Knechte und Gelegenheitsarbeiter mit Zusatzeinkommen aus landwirtschaftlichem Nebenerwerb, obwohl das Wort „peasant“ im Englischen bis zum 16. Jahrhundert kaum gebruchlich war und allenfalls zur Beschreibung der Verhltnisse in fremden Lndern verwandt wurde.55 Auch die Inhaber von Nutzungsrechten fr common land werden von manchen Medivisten als „peasants“ klassifiziert. Das ist insofern problematisch, als es sich bei dem in vielen Gegenden Englands vorhandenen common land bzw. den common fields, die nach neueren Berechnungen um 1500 etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzflche Englands ausmachten,56 keineswegs um Niemandsland oder Allmenden handelte. Die commons waren vielmehr Privateigentum, an dem auch andere als die Eigentmer selber Nutzungsrechte hatten. Als sich die Eigentumsverhltnisse nderten, wie es seit dem 16./17. Jahrhundert im Zuge von Einhegungen (enclosures) immer hufiger geschehen sollte, gingen diese Nutzungsrechte ohne Entschdigung verloren, und cottagers, die ihr Vieh auf den commons weiden ließen, wurden um die Existenz – aber eben nicht um ihr Eigentum – gebracht. Vor diesem Hintergrund vermag es nicht zu berraschen, dass

53 Vgl. Campbell, Land, S. 208; Schofield, England: The Family and the Village Community. 54 Vgl. auch Macfarlane, The Myth of the Peasantry ; ders., The Peasantry in England before the Industrial Revolution. 55 Vgl. Beckett, The Peasant in England, S. 117. Einen Forschungsberblick, der die in der vorliegenden Untersuchung verwandte Terminologie zugrunde legt, bietet R. M. Smith, The English Peasantry, 1250 – 1650. 56 Vgl. Campbell, Land, S. 196.

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peasants in der gedachten Statushierarchie der Zeitgenossen des 16./17. Jahrhunderts gar nicht mehr vorkamen.57 Trotz der, so gesehen, wenig differenzierten Sozialstruktur auf dem Land entwickelte sich eine betrchtliche soziale Mobilitt. Denn nicht nur die Lohnarbeiter, auch die Landeigentmer und Pchter waren von Konjunkturen, Missernten und anderen Faktoren fr die Vernderung von Angebot und Nachfrage auf Mrkten – Boden- und Kapitalmrkten, Arbeitsmrkten und Mrkten fr landwirtschaftliche Erzeugnisse – abhngig. Aufwrtsmobilitt entstand in der Regel durch Erwerb von Land bzw. zustzlichem Land. Abwrtsmobilitt kam durch çkonomischen Misserfolg zustande. Hufig wurde solcher Misserfolg durch Missernten, die Pest und andere Formen ,hçherer Gewalt‘ verursacht, ebenso hufig aber auch durch unzureichende Anpassung an vernderte Marktbedingungen, etwa durch die unterlassene Umstellung von Ackerbau auf Viehzucht. Insgesamt hingen die Chancen und Grenzen der Anpassung in hohem Maße von der Gelegenheit zur lukrativen Eheschließung, der privaten Kreditvergabe, aber auch von der individuellen Bereitschaft zur Verfolgung alternativer Karrieren im Klerus, im Militr oder – eine naheliegende Option fr freigewordene Leibeigene – in der Stadt ab.58 Obwohl viele Menschen selber soziale Mobilitt nicht erfahren haben drften, wurde das Phnomen als solches durchaus wahrgenommen und oftmals mit Misstrauen beugt. Das belegen die im spten Mittelalter erlassenen Luxusgesetze (sumptuary laws), die ein Unbehagen gegenber den ,Anmaßungen‘ sozialer Aufsteiger zum Ausdruck brachten, und auf unsensible Verhaltensweisen von Parvenus bezogene Sprichwçrter wie „manners maketh man“.59 Sozialer Abstieg wurde darber hinaus regelmßig durch das von Wilhelm dem Eroberer als Erbfolgeregelung bestimmte und ins Common Law bergegangene Prinzip der Primogenitur erzeugt. Die Folgen wurden insbesondere seit Mitte des 12. Jahrhunderts sprbar, nachdem Wilhelms Nachfolger kein weiteres Territorium mehr hinzugewonnen hatten.60 Primogenitur bedeutete, dass im Todesfall des Eigentmers das Erbe nicht an alle Kinder verteilt wurde, sondern nur einem Kind – meistens dem ltesten Sohn, im Ausnahmefall auch allen Tçchtern zusammen61 – zufiel. Die anderen Kinder gingen leer aus, und wenn ihnen dennoch Unterhalt gewhrt wurde, reichte er meist nicht zur Grndung einer eigenen Familie aus. Im Unterschied zu anderen europischen Lndern, die diese Form des Anerbenrechts zum Teil

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Vgl. Overton, Agricultural Revolution in England, S. 42; vgl. auch ebd., S. 22 ff., 176 f. Vgl. Maddern, Social Mobility, S. 113 – 133. Vgl. Horrox, Conclusion, S. 475 f. Zur Datierung: Gillingham, S. 340 f. Nach Cecil, Primogeniture, S. 1 – 25, wurde dieses Erbfolgeprinzip von den normannischen Kçnigen eingefhrt. Cecil fhrt zur Erklrung militrpolitische Erwgungen an. Zu vermuten ist, dass auch die Erwartungen der Gefolgschaft Williams des Eroberers und seiner Nachfolger eine Rolle spielten. 61 Vgl. J. H. Baker, Introduction, S. 227.

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ebenfalls kannten, wurde sie in England auch in den sozialen Schichten unterhalb der nobility vergleichsweise rigoros angewandt.62 Das Prinzip der Primogenitur hatte einerseits den Effekt, dass Grundbesitz und Vermçgen zusammengehalten wurden. Andererseits erzeugte es permanent eine betrchtliche Zahl berzhliger ,zweiter Sçhne‘ – ein Mechanismus, der bei den Betroffenen das individuelle Erwerbsstreben stimulierte.63 Lngerfristig gesehen, bildeten die ,zweiten Sçhne‘ vermçgender Familien fr die englische Gesellschaft ein Reservoir gut erzogener junger Leute, die sich fr Fhrungspositionen in Armee und Flotte, fr den Klerus sowie fr kaufmnnische und Freie Berufe eigneten. Doch im Mittelalter erçffneten sich solche Chancen erst in begrenztem Maße. Viele der ,Enterbten‘ lebten daher nach ritterlichen Idealen und frçnten der Minne oder zogen in Banden durchs Land. Noch in der Leveller-Bewegung Mitte des 17. Jahrhunderts, die sich im englischen Brgerkrieg fr Gleichheit vor dem Gesetz engagierte, sollen die ,zweiten Sçhne‘ fhrend mitgewirkt haben.64 Nicht nur bei diesen sozialen Absteigern ging soziale mit geographischer Mobilitt einher. Auch die Kinder des Gesindes, von Landarbeitern, kleinen Pchtern und kleinen Grundbesitzern, Sçhne wie Tçchter, waren hochmobil, und das schon im jugendlichen Alter. Die meisten bewegten sich nur in einem Umkreis von fnf bis zehn Meilen um ihr Dorf, aber einige, insbesondere Tagelçhner, legten auch eine betrchtlich grçßere Distanz zurck. Im Allgemeinen wanderten die jungen Leute nur so lange, bis sie sich die Familiengrndung leisten konnten. Der Anteil derjenigen, die niemals heirateten, lag jedoch insbesondere bei den Frauen außerordentlich hoch; in Ealing bei London z. B. waren 1599 etwa 25 Prozent der 40-70-jhrigen Frauen ledig. Einige Angehçrige dieses frhen Landproletariats verbrachten ihr ganzes Arbeitsleben auf der Walz. Ihr Lebensstandard unterschied sich kaum von dem der Vagabunden, die sich mit Bettel und Diebstahl ernhrten.65 Wenn die Landlosen sich verheirateten, geschah das bei den Frauen etwa Mitte, bei den Mnnern Ende der zwanziger Jahre.66 Fr die meisten war dieser Schritt nicht mit der Rckkehr an den Geburtsort verbunden. Sie ließen sich vielmehr dort nieder, wo sie Arbeit und den Ehepartner gefunden hatten. Infolge dessen herrschte in der Einwohnerschaft englischer Dçrfer im Allgemeinen eine hohe Fluktuation, und mehrere Generationen bergreifende Verwandtschaftsbeziehungen blieben schwach ausgeprgt; sie spielten, aufs 62 Thirsk, The European Debate on Customs and Inheritance, S. 184. 63 „The result was insecurity and constant acquisitive striving, each generation re-making itself through acquisitive activity. (…) From very early on, a child is being trained to be an independent entity, for he or she will leave home and never return.“ Macfarlane, On Individualism, S. 179 f. 64 Vgl. Thirsk, Younger Sons, S. 369. 65 Vgl. Razi, Life, Marriage and Death, S. 209. Das Beispiel nach Coward, Social Change, S. 20 f., wo auch weitere einschlgige Literatur zitiert wird. 66 Vgl. Rigby, Introduction, S. 16 f.; Coward, Social Change, S. 20.

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Ganze gesehen, berhaupt nur fr Eigentmerhaushalte eine Rolle. Das entdeckten Demographen, als sie in den 1960er/70er Jahren in großem Stil versuchten, die sptmittelalterliche und frhneuzeitliche Bevçlkerungsgeschichte durch sogenannte Familienrekonstitutions-Untersuchungen voranzubringen. Es stellte sich dabei heraus, dass die Familiennamen im Taufregister ganz andere waren als die im Heirats- und Begrbnisregister und viele der Familien, die noch ihre Kinder in einem Ort hatten taufen lassen, spter schlicht und einfach ,verschwunden‘, d. h. fortgewandert waren.67 Unter diesen Umstnden pflegten zumindest die Landarbeiter und das Gesinde soziale Beziehungen nicht primr im Rahmen ihrer Verwandtschaft, sondern in der Nachbarschaft und hier vorzugsweise an neutralen Orten wie den alehouses (Wirtshuser). Kredit, finanzielle Untersttzung in Krisenzeiten und Trost waren – wenn berhaupt – aus diesem Netzwerk zu erwarten.68 Das System funktionierte auf Gegenseitigkeit, d. h. man musste zuvor ,investiert‘ haben, etwa durch Beteiligung an der Armenpflege oder an der Vorbereitung eines Festes, und auch die allgemeinen Moral- und Verhaltensvorschriften akzeptieren. Gruppendruck, soziale Kontrolle und damit einhergehende Konflikte waren an der Tagesordnung, und es wurden Außenseiter produziert.69 Nichts wre daher falscher, als die communities des mittelalterlichen (und frhneuzeitlichen) Englands im Sinne des deutschen Soziologen Ferdinand Tçnnies als intime „Gemeinschaften“ zu betrachten und sie mit den anonymen Sozialbeziehungen der modernen „Gesellschaft“ zu kontrastieren. Es war vielmehr so, dass die Sozialbeziehungen in englischen communities schon in dieser Zeit von der „Gesellschaft“ geprgt wurden und in diesem Sinn außerordentlich modern waren.70 Nur in Kenntnis dieses Musters ist es auch zu erklren, dass das community network unter çkonomischem Druck reißen konnte. Diese Erfahrung fhrte bereits Ende des 16. Jahrhunderts, in einer Zeit der Missernten, der Inflation und des betrchtlichen Bevçlkerungszuwachses, zum Erlass staatlicher Poor Laws. Die politischen Eliten konnten nicht mehr darber hinwegsehen, dass es außer den deserving und undeserving poor, also den arbeitsunfhigen und -unwilligen Armen, eine breite Schicht der labouring poor gab, die sich und ihre Angehçrigen nicht selbst ernhren konnten, weil sie arbeitslos, unterbeschftigt oder schlecht bezahlt waren. Nun wurden ergnzend zu den 67 Vgl. ebd., S. 6. Neuere Studien besttigen diese Forschungen; vgl. Dyer, The Self-Contained Village. 68 Vgl. Muldrew, The Economy of Obligation, ber die Bedeutung des „web of credit“ fr die Herausbildung und Verfestigung von Gemeinschaftsbeziehungen. Ferner: P. Clark, The English Alehouse; sowie Westhauser, Friendship and Family. 69 Vgl. Schofield, S. 26 – 46; Coward, Social Change, S. 26. 70 Vgl. Tçnnies, Gemeinschaft und Gesellschaft. Den besten berblick ber den Forschungsstand zu diesem Thema bietet Sokoll, Zur Rekonstruktion historischer Gemeinschaftsformen; ferner : Withington u. Shepard, Introduction: Communities in Early Modern England; Muldrew, From a ,Light Cloak‘ to an ,Iron Cage‘.

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Nachbarschaften immer çfter auch Stdte, Dorfgemeinden und Kirchensprengel zur Untersttzung herangezogen, so dass die Armenfrsorge, so defizitr sie im einzelnen auch blieb, hundert Jahre spter mehr oder weniger flchendeckend etabliert war.71 Dass im Gegensatz zu kontinentaleuropischen Gepflogenheiten auch Ortsfremde in dieses System mit einbezogen wurden, war die gewissermaßen amtliche Anerkenntnis dessen, dass England eine Gesellschaft mobiler Individuen war.72 Die Verhaltensweisen dieser Individuen wie auch des Staates sind nur nachvollziehbar, wenn man akzeptiert, was der Anthropologe Alan Macfarlane schon Ende der 1970er Jahre formuliert hat, nmlich dass Wirtschaft und Gesellschaft in England seit dem ausgehenden Mittelalter wesentliche Merkmale einer modernen kommerzialisierten Gesellschaft aufwiesen: [T]here were already a developed market and mobility of labour, land was treated as a commodity and full private ownership was established, there was very considerable geographical and social mobility, a complete distinction between farm and family existed, and rational accounting and the profit motive were widespread. This has generally been obscured by an over-emphasis on technology or per capita income.73

Die Diagnose deckt sich mit dem vorn skizzierten Befund der neueren Mittelalterforschung ber den besonderen Charakter des Feudalismus in England. Wichtige Grundlagen der Marktgesellschaft waren in England bereits im 11. Jahrhundert gelegt worden, und seitdem schritt die Entwicklung ungehindert voran. Der Verweis auf Konjunktureinbrche, die das Wirtschaftswachstum immer wieder beeintrchtigten, steht diesem Gesamturteil nicht entgegen, weil derartige Krisen in einer Marktwirtschaft systemimmanent sind; daher muss sich diese Studie damit nicht im Detail befassen.74 Es stellt sich vielmehr die Frage, welche neuen Strukturen sich in der auf das Mittelalter folgenden Frhen Neuzeit bildeten. Erreichte die englische Marktgesellschaft in dieser Zeit neue quantitative Dimensionen? Nahm sie auch eine neue Qualitt an?

71 Vgl. P. Slack, Poverty and Policy, S. 122 – 37; ders., The English Poor Law; Hindle, On the Parish? Die geradezu wohlfahrtsstaatliche Qualitt des flchendeckenden Poor Law betonen Solar u. Smith, An Old Poor Law for the New Europe? 72 Vgl. Wrigley, City and Country in the Past, S. 266. 73 Macfarlane, The Origins of English Individualism, S. 195 f. 74 Die derzeitige wissenschaftliche Diskussion der Medivisten, die sich solchen Konjunktureinbrchen und Krisen widmet, tendiert dazu, sie zu Grundsatzproblemen aufzubauschen; vgl. Britnell, Commercialisation, S. 233 ff.; ders., Commerce, S. 359 – 76; Campbell, Factor Markets.

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II. Marktverdichtung in der Frhen Neuzeit Obwohl unter britischen Historikern ein gewisser Konsens besteht, die Frhe Neuzeit um 1500 beginnen und um 1800 enden zu lassen, verwenden sie die Adjektive „medieval“ und „early modern“ recht unspezifisch. Der Grund liegt darin, dass keine tiefgreifenden politischen Zsuren, welche die beiden Epochen voneinander getrennt htten, zu identifizieren sind und – trotz der unverkennbaren Entwicklungsfortschritte – auch in Wirtschaft und Gesellschaft ein hohes Maß an Kontinuitt bestand. Fr die Englnder bewirkten beide Faktoren zusammen, dass sie in ihren Lebensumstnden gegenber den Bewohnern des europischen Kontinents seit dem ausgehenden Mittelalter privilegiert waren: Ihr Leben verlief vergleichsweise ungestçrt von negativen ußeren Faktoren. Zur Konkretisierung dieser Aussage ist an erster Stelle anzufhren, dass die Insel ,seit jeher‘ und besonders nach der Pestwelle des 14. Jahrhunderts nicht im selben Ausmaß von Hungersnçten, Seuchen und Epidemien geplagt wurde wie andere Lnder. Das milde, ausgeglichene Klima und der Wasserreichtum des Landes sind als allgemeine Faktoren zu erwhnen. Die Insellage ermçglichte es, den Reiseverkehr zeitweilig zu unterbinden, um die Bevçlkerung vor der Einschleppung ansteckender Krankheiten zu schtzen, und der weitgehende Verzicht auf die anderswo bliche Dngung der Felder mit menschlichen Exkrementen verbesserte die Hygiene. Der diversifizierte Getreide- und Nutzpflanzenanbau erleichterte die Kompensation von Missernten, und bei Knappheit sowie in Notzeiten konnten sich die Menschen mithilfe der Nordseefischerei Proteine zufhren. Schließlich sorgte die verbreitete Schafszucht fr warme Kleidung und weiche Betten.1 Eine weitere Rahmenbedingung, die das sptmittelalterliche und das frhmoderne England gegenber dem europischen Kontinent privilegierte, war die weitgehende Abwesenheit von kriegerischen Handlungen im eigenen Land. Denn die Insel war seit 1066 nicht mehr von fremden Mchten erobert worden. Die spanische Armada erreichte zwar 1588 die Kste, musste aber die Invasion wegen strmischen Wetters abbrechen und wurde zerstçrt. Die Rosenkriege rivalisierender Adelshuser um den Thron (1455 – 85) und die englischen Brgerkriege (1642 – 46, 1648) kosteten einigen hundert bzw. tausend Menschen das Leben, beeintrchtigten den Alltag der berwiegenden Mehrheit der Bevçlkerung jedoch nur punktuell. Vom Dreißigjhrigen Krieg (1618 – 48), der auf dem europischen Kontinent weite Landstriche verwstete, blieb das Land unbehelligt. Die kriegerischen Auseinandersetzungen, in 1 Vgl. Macfarlane, Savage Wars of Peace, S. 41 f., 75, 79, 170 ff., 271, 388 f.

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die sich die Krone seit Ende des 17. Jahrhunderts verwickeln ließ – in der 125jhrigen Zeitspanne zwischen der Glorious Revolution 1689 und dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815 befand sich England 73 Jahre lang im Krieg –, wurden auf See oder im Ausland ausgetragen. Infolge dieser gnstigen Umstnde blieben Zerstçrungen der seit dem Mittelalter gewachsenen Infrastruktur weitgehend aus, im zivilen Leben konnten Wohlstand und Erfahrungen akkumuliert werden, und es herrschten Sicherheit und Zuversicht in privaten Angelegenheiten wie bei çkonomischen Investitionen vor.

1. Impulse fr die Kommerzialisierung: Bevçlkerungswachstum, Agrarrevolution und Verstdterung Die englische Bevçlkerung nahm zwischen der Mitte des 16. und dem frhen 19. Jahrhundert um etwa 280 Prozent zu – ein Wachstumstempo, das in hohem Maße auf eine Absenkung des Heiratsalters und die damit einhergehende Steigerung der Fertilitt (Geburten pro Ehe) zurckzufhren ist. Zum Vergleich: in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und im Gebiet des spteren Italien betrug das Bevçlkerungswachstum im selben Zeitraum nur 50 – 80 Prozent.2 Im Allgemeinen war bereits das Bevçlkerungswachstum als solches ein wichtiger Impulsgeber fr Kommerzialisierungsprozesse. Denn die Verdichtung der Siedlungsstrukturen erleichterte den Marktzugang, reduzierte den Aufwand fr Preisvergleiche und vervielfachte die Austauschbeziehungen. Fr die Hndler senkte sie Transport- und Informationskosten, verbesserte ihre „economies of scale“, begnstigte die Spezialisierung, veranlasste sie zur Einstellung von Mitarbeitern und vergrçßerte die Profite. Die Anzahl der merchants, tradesmen, middlemen und sonstiger kommerzieller Agenten wuchs bezeichnenderweise noch schneller als die Bevçlkerung, wie Ray B. Westerfield, der Historiker dieser Berufsgruppe, herausgearbeitet hat.3 Im Effekt wurde das Gesetz des abnehmenden Bodenertrags in der Landwirtschaft, das noch im frhen Mittelalter nicht zu durchbrechen gewesen war und immer wieder Phasen allgemeiner Unterversorgung mit Nahrungsmitteln bewirkt hatte, in seiner Auswirkung auf die Lebensweise der Englnder abgemildert.4 2 Vgl. Wrigley, Urban Growth and Agricultural Change, S. 189; Goldstone, The Demographic Revolution. 3 Vgl. Westerfield, S. 414 f. 4 Das hat die neuere sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Mittelalterforschung hervorgehoben; vgl. Hatcher u. Bailey, Modelling the Middle Ages, S. 121 – 173.

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Indirekt war das Bevçlkerungswachstum weiteren Kommerzialisierungsprozessen auch deshalb fçrderlich, weil es die Verstdterung vorantrieb. Um 1700 hatte London mit etwa 575 000 Einwohnern Paris berholt und war zur grçßten Stadt Europas angewachsen. Etwa zwei Drittel der englischen Stadtbevçlkerung und fnf Prozent der Gesamtbevçlkerung lebten dort. Doch auch in der Provinz machte die Verstdterung erkennbare Fortschritte. Whrend es um 1600 nur zwei Stdte mit mehr als 10 000 Einwohnern gegeben hatte, nmlich Norwich und Bristol, existierten davon im Jahr 1714 bereits sechs, und weitere 18 zhlten 5 – 10 000 Einwohner. Ehrwrdige Stdte wie York und Exeter, Chester und Worcester erfuhren zwar einen Niedergang, doch einige neue Sterne gingen auf: Landstdte wie Durham, Stamford und Salisbury ; Badeorte wie Bath und Tunbridge Wells, Harrogate und Hampstead; Hafenstdte und gewerbliche Zentren wie Liverpool, Manchester und Birmingham, Nottingham, Leicester und Leeds – die urbane Geographie des modernen Englands nahm Gestalt an.5 Auf das gesamte Land bezogen, waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa 17 Prozent und zu Beginn des 19. Jahrhunderts 27,5 Prozent der Bevçlkerung Stadtbewohner.6 Dieser Zuwachs machte in der zweiten Hlfte des 18. Jahrhunderts etwa 70 Prozent des gesamten stdtischen Bevçlkerungswachstums in Europa aus, obwohl England insgesamt nur acht Prozent der europischen Bevçlkerung stellte.7 Beim Census des Jahres 1811 lag der Anteil der Bevçlkerung in Großstdten ber 100 000 Einwohnern mit etwa 12 Prozent so hoch wie im Deutschen Reich um 1890; davon entfielen 10 Prozent auf die Metropole London.8 Die Stadtbewohner waren in ihrer Lebensfhrung in hohem Maße marktabhngig, allein schon weil sie ihre Nahrungsmittel kaum selber herstellen konnten, aber auch weil sie in der Regel einen differenzierteren Bedarf an Konsumgtern geltend machten als die Landbewohner. Die Zunahme der Marktintegration schlug sich paradoxerweise in einem Bedeutungsverlust stdtischer (Wochen-)Mrkte und (jhrlicher) Messen nieder. Die Anzahl der Stdte, in denen regelmßig Mrkte abgehalten wurden, sank permanent, zwischen 1690 und 1720 beispielsweise um 28 Prozent. Stattdessen verdichtete sich das Netz von Groß- und Einzelhandelsunternehmen. Nach einer Erhebung der Steuerbehçrde gab es im Jahr 1759 141 700 „Verkaufsstellen“ in England und Wales, davon befanden sich 21 603 in London.9 Hinter dieser Entwicklung stand ein Prozess der Kommunikationsverdichtung, Speziali5 Angaben nach Borsay, Urban Life and Culture, S. 196 ff.; Coward, Social Change, S. 77 f. Vgl. ferner Wrigley, A Simple Model of London’s Importance, insb. S. 190. 6 Die franzçsischen Vergleichsdaten liegen fr beide Zeitpunkte bei elf Prozent; vgl. ebd., S. 170, 184. 7 Angaben nach ders., The Divergence of England, S. 49. 8 Vgl. A. F. Weber, The Growth of Cities, S. 46 f., 90. Ferner: Williamson, Coping with City Growth, S. 4 (mit weiteren europischen Vergleichsdaten). 9 Angaben nach Hoppit, A Land of Liberty?, S. 331; Brewer, The Sinews of Power, S. 184. Andere, aber in der Tendenz hnliche Zahlen liefert Westerfield, S. 334 f.

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sierung und Rationalisierung im Handel. Der Großhandel arbeitete zusehends auf Bestellung und organisierte Mustervorfhrungen in Gaststtten. Der Einzelhandel verlagerte seine Ttigkeit in feste Ladengeschfte (Abb. 4). Anders als die Mrkte waren diese shops sechs Tage in der Woche geçffnet und wetterunabhngig. Vor allem aber prsentierten sie ein breiteres Warenangebot als die Marktstnde, unterhielten meistens auch ein Warenlager, so dass die Verbraucher die gekauften Waren sofort mitnehmen konnten, und der Verkauf erfolgte nicht mehr durch die Produzenten selber, sondern durch das – zumindest scheinbar – objektive Verkaufspersonal.10 Die Parallelentwicklung von Bevçlkerungswachstum und Urbanisierung trug auch deshalb zur Marktverdichtung bei, weil sie die Unterschichten anwachsen ließ. Zwar blieb die Lebensqualitt gering verdienender sowie armer

Abb. 4: Shops und stalls (Stnde) an der Kirchmauer von St. Ethelburga, Bishopsgate, London, 1737.

10 Vgl. D. Davis, A History of Shopping; Westerfield, S. 340 – 349.

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Leute niedrig, doch konnten Hungerkatastrophen, welche die Ausdehnung dieser Schichten verzçgert oder zurckgeworfen htten, lokal begrenzt werden.11 Diese den Prognosen des Bevçlkerungstheoretikers Robert Malthus widersprechende Entwicklung erklrt sich in erster Linie durch eine signifikante Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivitt, die den Abzug von Arbeitskrften in die Stdte mehr als kompensierte. Die Entwicklung wirkte sich vor allem seit dem 17. Jahrhundert positiv aus. Begonnen hatte sie jedoch bereits um 1540, als eine lange Phase der Preissteigerung einsetzte und Landeigentmer wie Pchter zu Investitionen veranlasste: Zukufe und Flurbereinigungen (enclosures),12 Rodungen, Entwsserungsmaßnahmen und der Ausbau von Wegen und Straßen vergrçßerten die Nutzflchen. Die Schwerpunktverlagerung auf die Weidewirtschaft und die systematische Tierzucht, die verstrkte Nutzung von Pferden als Zugtiere, der Anbau neuer Feldfrchte wie Klee und Steckrben und die Verallgemeinerung der Fruchtwechselwirtschaft, schließlich auch die Errichtung von Lagerhusern – alles das ermçglichte eine intensivere Bewirtschaftung. Der Produktionszuwachs war so betrchtlich, dass England trotz der gestiegenen Binnennachfrage um 1650 zum Agrarexportland avancierte.13 Um 1750 wurde schließlich so viel Getreide exportiert, dass ein Viertel der Bevçlkerung davon htte ernhrt werden kçnnen.14 Man sollte aber die verbesserten landwirtschaftlichen Methoden, die diese Produktionssteigerung ermçglichten, nicht berschtzen. Denn in einigen Regionen Frankreichs, in Irland und den Niederlanden wurden hnliche Modernisierungsmaßnahmen getroffen, ohne dass der dadurch bewirkte Aufschwung so stetig und nachhaltig wie in England gewesen wre.15 Die englische Entwicklung erklrt sich, so gesehen, auch und vor allem daraus, dass grundlegende Voraussetzungen einer kapitalistischen Landwirtschaft schon vor dem Beginn der Agrarrevolution vorhanden waren und unabhngig von konjunkturellen Anreizen fortbestanden. Dazu gehçrte an erster Stelle der Umstand, dass sich etwa 70 – 75 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flche im Eigentum von aristocracy und gentry befanden. Dass das Einkommen der gesellschaftlichen Fhrungsschicht entweder aus eigener landwirtschaftlicher Bettigung oder aus 11 Nach Macfarlane war Hunger mindestens seit 1560 fr etwa 90 Prozent der englischen Bevçlkerung keine persçnliche Erfahrung mehr; vgl. Savage Wars of Peace, S. 66. 12 Von zeitgençssischen Beobachtern wie auch von Historikern wurden die „enclosures“ (wçrtlich bersetzt: Einzunungen) lange Zeit auf die zweite Hlfte des 18. Jahrhunderts datiert, als das Parlament entsprechende Gesetze verabschiedete. Die neuere Forschung hat der Entwicklung vor 1750 jedoch grçßeres Gewicht beigemessen und die „enclosures“ in ihrer Bedeutung insgesamt deutlich relativiert; vgl. Wordie, The Chronology of English Enclosure, S. 501 f. Auf eine ausfhrliche Behandlung des Themas wird deshalb hier verzichtet. 13 Vgl. Thirsk, Introduction, S. XXIII; ferner : E. L. Jones, Agriculture and Economic Growth; Overton. 14 Vgl. Deane, The British Industrial Revolution, S. 28. 15 Fr Einzelvergleiche vgl. Simpson, European Farmers and the British ,Agricultural Revolution‘.

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Pachtabgaben anderer landwirtschaftlicher Produzenten stammte, stimulierte das Interesse an profitablen Methoden, und zwar bei Grundherrn und Pchtern gleichermaßen. Hinzu kam, dass die Flchen wegen der Vererbung nach dem Prinzip der Primogenitur nicht geteilt wurden. Im Gegenteil: der enge Zusammenhang von Landbesitz, Sozialprestige und politischer Macht (Wahlrecht) bestrkte die Tendenz zum Großgrundbesitz. Sofern Zukufe und gezielte Heiraten erfolgten, konnten daher bei der Bewirtschaftung die „economies of scale“ genutzt werden. Schließlich spielte die Abwesenheit eines selbstgengsamen Bauernstandes eines Rolle. Denn nur mit Lohnarbeitern, die fr hçhere Lçhne Mehrleistungen zu erbringen bereit waren, konnte im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts die bemerkenswerte Steigerung der Arbeitsproduktivitt um 75 Prozent erreicht werden.16 Wie außergewçhnlich sie war, tritt hervor, wenn man sich vergegenwrtigt, dass die Produktivitt der englischen Landwirtschaft noch Mitte des 19. Jahrhunderts, als die anderen europischen Staaten nachzuziehen begonnen hatten, um die Hlfte hçher lag als in Frankreich und um das Doppelte hçher als in Deutschland, Schweden und dem europischen Teil von Russland. Gemessen in Kalorien pro Arbeiter war die Produktivitt doppelt so hoch wie in Frankreich und dreimal so hoch wie in den anderen drei Regionen.17

2. Wechselwirkungen mit der gewerblichen Produktion Die Frhe Neuzeit umfasst in der allgemeinsten Definition die drei Jahrhunderte zwischen 1500 und 1800. Die Verallgemeinerung und Verdichtung von Mrkten quantitativ zu beschreiben, ist fr einen so langen Zeitraum schwierig und nur auf der Basis von Schtzungen mçglich. Die Aufgabe bedeutet eine umso grçßere Herausforderung, wenn – wie in dieser Untersuchung – weniger die Mengen und Preise der auf Mrkten getauschten Waren als vielmehr die im Zuge des çkonomischen Austausches entstehenden sozialen Beziehungen interessieren. Einen behelfsmßigen, aber dennoch weiterfhrenden Indikator fr die Marktintegration der Frhen Neuzeit gibt die Entwicklung der nicht in der Landwirtschaft ttigen Bevçlkerung, wie sie in Tab. 1 abgebildet ist.

16 Die Prozentzahl nach Wrigley, Urban Growth, S. 189. 17 Vgl. Gregory Clark, Labour Productivity in English Agriculture, S. 212 f.

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Tab. 1: Die nicht in der Landwirtschaft ttige Bevçlkerung Englands 1520 – 1800 (in Prozent der Gesamtbevçlkerung)18 Jahr

Gesamtbevçlkerung (absolut)

Einwohner in Stdten ber 5 000 Einwohner

Nicht in der Landwirtschaft ttige Landbevçlkerung

Nicht in der Landwirtschaft ttige Bevçlkerung insgesamt

davon in London 1520

2 400 000

5,25

2,25

18,5

23,7

1600

4 110 000

8,25

5,00

22,0

30,2

1670

5 140 000

13,50

9,50

26,0

39,5

1700

5 060 000

17,00

11,50

28,0

45,0

1750

5 770 000

21,00

11,50

33,0

54,0

1800

8 660 000

27,50

11,00

36,3

63,7

Die Kategorie „nicht in der Landwirtschaft ttige Bevçlkerung“ umfasst die Bewohner von Stdten ber 5 000 Einwohner, also auch der in der Tabelle noch einmal gesondert ausgewiesenen Metropole London, sowie die Landbevçlkerung außerhalb der Landwirtschaft. Die Tabelle belegt, dass der Anteil dieser Kategorie an der – ihrerseits betrchtlich wachsenden – Gesamtbevçlkerung von 23,7 Prozent im Jahr 1520 auf 63,7 Prozent im Jahr 1800 zunahm. Der Agrarhistoriker Mark Overton, auf den die Tabelle zurckgeht, betrachtet diese Grçßenvernderung als indirekten Indikator fr die skulare Zunahme jenes Bevçlkerungsanteils, der die Nahrungsmittel des tglichen Bedarfs ganz oder teilweise ber den Markt beschaffen musste. Dieser Indikator ist fr ihn jedoch nur ein Mindestmaß fr die Zunahme der allgemeinen Marktttigkeit im Nahrungsmittelsektor, denn auch weitere, von der Tabelle nicht erfasste Faktoren seien in Rechnung zu stellen: die regionale Spezialisierung der Landwirtschaft, deren Produkte zum Teil ber weite Strecken transportiert werden mussten, bevor sie die Konsumenten erreichten; der berproportionale Konsum der Londoner, der schtzungsweise doppelt so hoch wie bei den Bewohnern der Kleinstdte gewesen sei; und schließlich die von beiden Faktoren, regionaler Spezialisierung und Verstdterung, indirekt

18 Overton, S. 75 (Bevçlkerungszahlen fr 1520, 1601, 1661, 1701, 1751), 138.

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Abb. 5: „The Cries of London“, um 1740. Gravuren von M. Lauron nach Zeichnungen aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert. Die Karten wurden als Kinderspiel verwandt.

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stimulierten Transaktionen (Verkehr, Lagerhaltung, Distribution), die zum Teil auf regionalen, zum Teil auf nationalen Mrkten vonstatten gingen.19 Diese Transaktionserfordernisse zunehmender Marktintegration muss man auch in Rechnung stellen, wenn man die Trendaussagen der Tabelle fr die Entwicklung der Erwerbsttigenstruktur nutzbar machen will. Es wre jedenfalls ein Fehlschluss, die „nicht in der Landwirtschaft ttige Bevçlkerung“ mit den in Gewerbe und Industrie Ttigen gleichzusetzen, versammelt die Kategorie doch auch eine betrchtliche Anzahl von Personen auf dem Land und in den Stdten, die Dienstleistungen erbrachten, und zwar in Landwirtschaft und Gewerbe gleichermaßen. Zu diesen Dienstleistern gehçrten das Hauspersonal und die Beschftigten der Guts- und Unternehmensverwaltungen, vor allem aber Heerscharen von middlemen, die als Hndler und Zwischenhndler, Agenten und Handelsvertreter, Kommissionre und Lageristen, Geldverleiher, Bankiers und Rechtsbeistand, Verkufer, Fuhrleute und Packtrger, Hçker und Marktschreier ttig waren und den Austausch zwischen Stadt und Land organisierten.20 Obwohl die Tabelle also die Zunahme der im Gewerbe und in der Industrie Ttigen nicht direkt abbildet, deutet das prozentuale Wachstum der „nicht in der Landwirtschaft ttigen Bevçlkerung“ von 23,7 Prozent (1520) auf 63,7 Prozent (1800) auf eine betrchtliche skulare Zunahme des Austausches gewerblicher (und landwirtschaftlicher) Gter zwischen Stadt und Land hin. Es stellt sich daher die Frage, welche rechtlichen, infrastrukturellen und sonstigen Voraussetzungen die Herausbildung solcher Austauschbeziehungen begnstigten. Die nachfolgenden Teilkapitel ber die Marktvergesellschaftung auf dem Gebiet der Gterproduktion legen ein besonderes Gewicht auf die Stadt-LandBeziehungen. Um die in den einzelnen Branchen zum Teil recht unterschiedliche Entwicklung zu erfassen, werden die zentralisierte gewerbliche Produktion in Großbetrieben, das stdtische Handwerk und die dezentralisierte Produktion auf dem Land (Protoindustrie) getrennt voneinander behandelt. In diesen Teilkapiteln werden zugleich qualitative Aspekte der Wechselbeziehungen zwischen der gewerblichen Wirtschaft auf der einen, der allgemeinen gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung auf der anderen Seite analysiert.

19 Fleisch und andere leicht verderbliche Gter wurden auf regionalen Mrkten gehandelt, Getreide auf dem nationalen Markt; vgl. ebd., S. 136 – 147. 20 Dazu im Einzelnen Westerfield; Weatherill, The Business of Middlemen. Vgl. auch Eversley, The Home Market and Economic Growth.

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a. Zentralisierte Produktion Zentralisierte Großbetriebe gab es noch im 18. Jahrhundert erst in geringer Zahl. Sie bildeten sich im Wesentlichen dort heraus, wo die technischen Anforderungen und, damit einhergehend, ein erhçhter Kapitalbedarf dezentrale Alternativen ausscheiden ließen. Konkret waren das jene Branchen, in denen Rohstoffe verschmolzen oder auf andere Weise arbeitsteilig zusammengefhrt werden mussten, also z. B. die Herstellung von Metallen oder Glas, Seife oder Bier. Auch große Bauprojekte und Schiffswerften waren zentralisierte Produktionssttten in diesem Sinn. Zu nennen sind ferner die Papierherstellung oder die Mllerei, welche auf die Energieleistung von Wind- oder Wassermhlen angewiesen waren. Und schließlich fiel der Bergbau (Kohle, Mineralien) in die Kategorie zentralisierte Produktion. Einige dieser Produktionssttten, so die Mhlen, gab es im ganzen Land. Die meisten anderen existierten nur verstreut an wenigen Orten. Mit Ausnahme des Bergbaus beschftigten sie in der Regel nicht mehr als fnf Arbeitskrfte, weil fr grçßere Dimensionen die Nachfrage noch zu klein und zu wenig konstant war. Aus demselben Grund unterblieb in der gewerblichen Wirtschaft die Grndung von Aktiengesellschaften.21 Dass manche der genannten Branchen dennoch seit dem 16. Jahrhundert einen erkennbaren Aufschwung erlebten, erklrt sich wesentlich dadurch, dass sie Entwicklungsimpulse von einer außerordentlichen Produktionssteigerung im Steinkohlenbergbau erhielten. Einige Experten gehen von einer Verfnfzehn- bis Verzwanzigfachung der gefçrderten Kohlemenge zwischen 1500 und 1800 aus, andere halten solche Schtzungen fr bertrieben. Angesichts dessen, dass die Wachstumsrate ber der des Bevçlkerungswachstums lag, schon die Ausgangswerte nicht gering gewesen waren und allgemeine Holzknappheit herrschte, bedeutete die Entwicklung jedoch allemal einen Sprung in der Energieerzeugung.22 Der Zusammenhang erklrt sich durch die qualitativen Eigenschaften der Steinkohle. An erster Stelle ist zu erwhnen, dass die Verbrennung von Steinkohle betrchtlich hçhere Temperaturen erzeugte als die von Holz oder Holzkohle. Davon profitierte die Glasindustrie, die nun das fr optische Instrumente und Fenster erforderliche weiße Glas in verbesserter Qualitt herstellen konnte und die europische Fhrung auf diesem Gebiet bernahm. Nachhaltige Entwicklungsimpulse erhielten außerdem Eisengießereien, Metallschmelzen aller Art und – indirekt – das gesamte metallverarbeitende Gewerbe, ferner das Baugewerbe (Ziegelbrennerei), der Buch- bzw. Zeitungsdruck (gegossene Matern) und einige Konsumgterhersteller (Zinnge21 Vgl. Coleman, Industry in Tudor and Stuart England, S. 35 – 39. Als Aktiengesellschaft bestanden im Jahr 1568 nur ein staatliches Bergbau- und ein Rstungsunternehmen. 22 Vgl. ebd., S. 46 f.; B. Thomas, Was there an Energy Crisis?

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schirr, Tçpferwaren, Bleiglas).23 Der Historiker E. A. Wrigley vertritt die These, dass die mit der Steinkohlefçrderung verbundenen technischen Herausforderungen, insbesondere die Notwendigkeit, das Grundwasser aus den Schchten herauszupumpen, zu Beginn des 18. Jahrhunderts sogar die Entwicklung der ersten Dampfmaschinen von Thomas Savary und Thomas Newcomen stimuliert htten.24 In der Landwirtschaft wurden Nutzflchen erhalten, weil das Abholzen der Wlder zurckging,25 und fr die Stdte wurde ein geeigneter Haushaltsbrennstoff bereitgestellt. Besondere Vorteile ergaben sich fr jene Zeitgenossen, die es sich leisten konnten, Ziegelhuser zu errichten und Weißglasfenster einzubauen. Die Ziegelhuser waren vergleichsweise feuerfest, und die helleren Rume ermçglichten eine verbesserte Hygiene; der Einfall von Sonnenlicht wirkte wegen der Abtçtung von Tuberkulosebazillen direkt gesundheitsfçrdernd.26 Da Steinkohle ein Massengut ist, hatte die Produktionssteigerung seit dem 16. Jahrhundert darber hinaus positive Effekte auf das Transportwesen. Nachdem die Kstenschifffahrt schon im Mittelalter ausgebaut worden war („the river ’round England“), wurden nun fr den Kohletransport auch die Flsse im Landesinnern fr immer grçßere Lastenkhne schiffbar gemacht. Zudem wurden Kanle ausgehoben und miteinander verbunden, so dass ein landesweites Wasserwegenetz entstand. Bezeichnenderweise war Ende des 17. Jahrhunderts die Hlfte der englischen Handelsflotte im Kohletransport engagiert.27 Um den Weitertransport ber Land zu ermçglichen, bildeten sich hunderte turnpike societies, die in den Straßenbau investierten und auch die Instandhaltung bernahmen. Diese Gesellschaften hatten ein lokales Einzugsgebiet und finanzierten sich aus Mautgebhren, weshalb es rational fr sie war, ihre Baumaßnahmen am konkreten Bedarf auszurichten. Wenn nçtig, erwirkten sie beim Parlament Private Bills zur Enteignung unkooperativer Eigentmer.28 .29 Der Aufschwung im Steinkohlebergbau hatte in England etwa 200 Jahre frher begonnen als im brigen Europa und bertraf die Gesamtproduktion aller kontinentaleuropischen Staaten noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts um das Siebenfache.30 Der dadurch angeregte Kanal- und Straßenbau trug wesentlich dazu bei, dass die Insel bereits vor dem Eisenbahnzeitalter das 23 Vgl. Nef, The Substitution of Coal for Wood, S. 24 – 26. 24 Wrigley, The Process of Modernization and the Industrial Revolution in England, S. 65. 25 Als Faustregel gilt, dass eine Tonne Kohle einen Hektar Land fr Ackerbau und Viehzucht freimachte, der sonst fr Waldflchen htte verwendet werden mssen; vgl. ders., The Quest for the Industrial Revolution, S. 39. 26 Vgl. Macfarlane, Savage Wars of Peace, S. 218, 221, 224; E. L. Jones u. Falkus, Urban Improvement, S. 198 – 203. 27 Vgl. Wrigley, The Supply of Raw Materials, S. 81. 28 Vgl. Szostak, S. 85, 89 f.; Albert, The Turnpike Road System. 29 Vgl. Szostak. 30 Vgl. Wrigley, The Quest for the Industrial Revolution, S. 33.

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Abb. 6: Das englische Landstraßennetz im Jahr 1770.

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Land mit der weltweit besten Infrastruktur wurde. Sie bertraf in dieser Hinsicht nicht nur das Heilige Rçmische Reich Deutscher Nation mit seiner Kleinstaaterei, wo die Zollgrenzen die Reise- und Transportzeiten verlngerten und der Bau von Durchgangsstraßen unterblieb. Das englische Verkehrsnetz war auch erheblich dichter als in Frankreich, dem Land mit der ,zweitbesten‘ Infrastruktur, wo die an den Bedrfnissen von Staat und Militr orientierten schnurgeraden Straßen am lokalen Geschehen gewissermaßen vorbeifhrten Eine kulturgeschichtlich relevante Folge dieser avancierten Infrastruktur bestand darin, dass die politische und kulturelle Hauptstadt London im 17. und 18. Jahrhundert eine außerordentliche Anziehungskraft auf die Einwohner der Provinz entwickeln konnte. E. A. Wrigley zufolge verbrachten schon zu dieser Zeit mindestens 16 Prozent der englischen Bevçlkerung zumindest eine kleine Zeitspanne ihres Lebens in London31 – ein Phnomen, das sich nicht zuletzt daraus erklrt, dass von nahezu jedem entlegenen Ort Straßen und Wege zu den strker frequentierten Verkehrsadern in die Hauptstadt fhrten (Abb. 6). Bereits 1637 verkehrten regelmßig 272 Personen- und Gtertransporte pro Woche von London in die Provinz, und zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Frequenz auf ber 600 pro Woche angewachsen.32

b. Stdtisches Handwerk Es ist problematisch, fr England in der Frhen Neuzeit vom „stdtischen Handwerk“ zu sprechen, wie es bei Sozial- und Wirtschaftshistorikern deutschsprachiger Lnder blich ist. Denn die Redeweise setzt die relative Abgeschlossenheit der stdtischen Wirtschaft gegen das Umland und, damit zusammenhngend, eine Identitt von „stdtischem“ und „znftigem Handwerk“ voraus. Beides war auf der Insel schon im spten Mittelalter kaum mehr gegeben. Mit wenigen Ausnahmen waren englische Stdte nicht von Mauern umschlossen, und so war es generell schwierig, die Produkte unznftiger Landhandwerker und anderer sogenannter Pfuscher vom stdtischen Markt fernzuhalten. Eine Erklrung fr diese Besonderheit liegt darin, dass Stadtmauern nicht bençtigt wurden, weil englische Stdte im Allgemeinen keine Privilegien des Kçnigs besaßen, deren Genuss sie Fremden htten vorenthalten wollen. Eine weitere verweist auf die Abwesenheit kriegerischer Bedrohungen. Whrend viele mitteleuropische Stdte ihre Befestigungen unter dem Eindruck des Dreißigjhrigen Krieges noch einmal erneuerten, wurden sie in England in dieser Zeit selbst dort, wo sie sich aus angelschsischer Zeit erhalten hatten (z. B. in East Anglia), niedergerissen. Das Interesse am freien 31 Wrigley, Simple Model. 32 Vgl. Coward, Social Change, S. 81.

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Marktzugang, zum Teil auch schon an frischer Luft und Ventilation war grçßer als etwaige Monopolinteressen des Handwerks.33 Diese Monopolinteressen konnten auch wegen der institutionellen Labilitt der Znfte frhzeitig nicht mehr durchgesetzt werden. Obgleich langsamer und spter als anderswo in Europa, hatten sich auch in englischen Stdten seit dem 13. Jahrhundert Handwerkerznfte gebildet, um den Zugang zum Gewerbe zu regulieren und Qualittsstandards festzuschreiben. Es gab diese Zusammenschlsse in den meisten Berufen, und in vielen Fllen wurde ihren Statuten von der Krone Rechtskraft verliehen. Im Jahr 1363 versuchte Eduard III. die Mitgliedschaft in der jeweiligen Zunft sogar verpflichtend zu machen.34 Doch bereits zu dieser Zeit gerieten in London und anderswo mehrere Znfte, u. a. die der Tuchmacher, der Schneider und der Goldschmiede, unter den Einfluss kapitalkrftiger Kaufleute, die nicht selten aus ihren eigenen Reihen hervorgegangen waren. Um deren Kontrolle zu entgehen, zogen sich die Handwerker aus den Znften zurck, und diese verloren ihre çkonomischen Funktionen. Verschiedentlich bßten sie auch ihren Namen ein, so in London, wo sie sich mit Bezug auf das Recht der Mitglieder, sich selbst (nach manchen Quellen auch ihre Bediensteten) mit der Livree des jeweiligen trade auszustatten, fortab Livery Companies nannten. Obwohl Handwerkerznfte in zahlreichen Berufen fortbestanden, schritten die Auflçsungstendenzen im Verlauf des 15. Jahrhunderts weiter voran. Aus den meisten Znften wurden Standesorganisationen reicher Kaufleute, deren Aufgabe sich im Wesentlichen auf die Ausrichtung prunkvoller Zeremonien bei Festen und çffentlichen Anlssen beschrnkte.35 Die verbliebenen Handwerkerznfte erfuhren im ausgehenden 16. Jahrhundert eine nachhaltige Schwchung durch die staatliche Wirtschaftspolitik. Vordergrndig erschien diese Politik durchaus handwerkerfreundlich. Elisabeth I. versuchte nmlich, die stdtischen Finanzen abzuschçpfen, und ergriff deshalb Maßnahmen, um die weitere Ausdehnung des Gewerbes auf das Land einzudmmen. In diesem Zusammenhang erließ sie im Jahr 1563 ein Statute of Artificers, das die Lçhne und Arbeitsbedingungen aller Berufsgruppen fixierte und gewerblichen Produzenten, Meistern wie Gesellen, eine siebenjhrige Lehrzeit vorschrieb. Dies war eine alte Handwerksforderung. In Abkehr von der bisherigen Praxis verlangte das Statute jedoch zugleich, dass der Zugang zu einer Berufsausbildung erleichtert und auch Armenkinder als Lehrlinge angenommen werden mussten. Dadurch wurde die bersetzung der Berufe programmiert. Außerdem nahm Elisabeth den Znften bzw. Stdten die 33 Vgl. Brodt, Authority – Loyalty – Autonomy, or the Archaeology of Power, S. 21 – 23. Zur rechtlichen Stellung der Stdte vgl. Brodnitz. 34 Vgl. Ramsay, Introduction, S. XX-XXV; Britnell, England: Towns, Trade and Industry, S. 58 – 60. Die Versptung der Zunftentwicklung in England erwhnt ders., Town Life, S. 168. 35 Vgl. Unwin, Industrial Organization in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, Kap. 2 u. 3; Thrupp, The Gilds, S. 243. Zu den Livery Companies vgl. Dobson u. Smith, The Merchant Taylors of York; Fahrmeir, Ehrbare Spekulanten, S. 52 – 65.

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Rechtsprechungskompetenz in beruflichen und gewerblichen Angelegenheiten und berantwortete sie den justices of the peace, die ihr direkt unterstanden. Das unterminierte die Autoritt der Znfte nach innen, konnten sich die Gesellen und Lehrlinge doch fortab der Zunftgerichtsbarkeit entziehen.36 Fr die den Tudors nachfolgenden Stuarts waren Stdte und Handwerk ebenfalls in erster Linie Einkommensquellen. Ohnehin konnte die Monarchie den Znften im revolutionren 17. Jahrhundert keine verlssliche Sttze sein. Politisch machtlos und durch die Ausdifferenzierung von Handwerkern und Kaufleuten geschwcht, verloren diese nun endgltig den inneren Zusammenhalt. Wie sehr sie herunterkamen, erkennt man daran, dass sie in manchen Stdten eine Tendenz zum berberuflichen Zusammenschluss entwickelten.37 Worin liegt die Bedeutung des Niedergangs der Handwerkerznfte fr die englische Marktgesellschaft? Erstens ist festzuhalten, dass in einem sich ber mehrere Jahrhunderte hinziehenden Prozess mehr oder weniger vollstndige Gewerbefreiheit etabliert wurde – eine wichtige Voraussetzung dafr, dass Zuwanderer vom Land in den Stdten Beschftigung fanden, und damit auch fr das Gelingen der Urbanisierung. Zweitens passten sich die Handwerker den neuen Rahmenbedingungen an. Wo der Berufs- und Geschftserfolg nicht mehr vom Rckhalt der Zunft abhing, mutierte die Bezeichnung master zum Synonym fr employer, und alte Vorschriften wie die Anfertigung eines Meisterstcks nach den Regeln der Zunft gerieten in Vergessenheit. Statt dessen wurde marktgerechtes Verhalten prmiiert. Dass sich etwa ein Schneider bei guter Auftragslage fr das ,Outsourcing‘ von Hilfsarbeiten entschied und Modetrends am rechten Ort und zur rechten Zeit lancierte, darauf kam es an.38 Der so angestoßene Mentalittswandel der Handwerksmeister markiert einen grundlegenden Unterschied zu den kontinentaleuropischen Lndern; damit ist eine dritte Konsequenz der skizzierten Entwicklung angesprochen. Denn auf dem Kontinent wurde Gewerbefreiheit im Allgemeinen erst Ende des 18. Jahrhunderts (Frankreich) oder im Verlauf des 19. Jahrhunderts (Mittelund Osteuropa) eingefhrt, und zwar jeweils mehr oder weniger abrupt und ,von oben‘. Zumindest in Deutschland fhrten diese vielfach als Willkrakte erfahrenen Entscheidungen des Gesetzgebers dazu, dass sich die znftigen Partikularinteressen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder von Neuem formierten, bis schließlich die neuere EU-Gesetzgebung alle nationalen Sonderregelungen außer Kraft setzte.39 Die schleichende Entwicklung in 36 Zu Einzelheiten vgl. Woodward, The Background of the Statute of Artificers; Schulte Beerbhl, Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, S. 67 – 82. Die Interpretation orientiert sich an Coleman, Industry, S. 22. 37 Vgl. ebd. ber den negativen Einfluss des Brgerkriegs vgl. Lemire, Dress, Culture and Commerce, S. 44 (am Beispiel der Schneiderznfte). 38 Vgl. ebd. Ferner: Humphries, English Apprenticeship, S. 73 – 102. 39 Vgl. Haupt, Das Ende der Znfte; Georges, 1810/11 – 1993: Handwerk und Interessenpolitik.

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England, die von den Zeitgenossen nur dem anonymen Markt zugerechnet werden konnte, bewirkte demgegenber frhzeitig eine Tendenz zur Individualisierung der Handwerksmeister. Bezeichnenderweise engagierten sie sich schon im 17. und 18. Jahrhundert beruflich nicht mehr unter Verweis auf ihre Rolle als Zunftmitglieder, sondern, wenn berhaupt, als Arbeitgeber, und politisch traten sie als Untertanen der Krone bzw. Staatsbrger auf.40 So wurde England, das „Land ohne Bauernstand“, auch eines „ohne Handwerk“.41 Das allmhliche Absterben der Znfte betraf – viertens – ebenso die abhngig Beschftigten der klassischen Zunftberufe, also die Gesellen (journeymen). Sie wurden im Zuge der Entwicklung zu freien Lohnarbeitern, verkauften ihre Arbeitskraft also gegen Geld, und sahen sich dabei den Schwankungen von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt. Als Lohnarbeiter wurden sie von Verlegern beschftigt – das konnten Meister oder auch Kaufleute sein – und arbeiteten entweder in Werksttten traditioneller Art oder in eigenen Rumlichkeiten: auf dem Dachboden, im Keller oder in der Wohnung. Nicht selten wurden dabei auch Ehefrauen und Kinder als unbezahlte Arbeitskrfte mitbeschftigt, so dass die Grenze zu den sweated trades, der durch einen hohen Ausbeutungsgrad gekennzeichneten stdtischen Heimarbeit, flssig wurde. Der Statusverlust, den die Gesellen im Zuge ihrer Proletarisierung erfuhren, war allerdings nicht so ausgeprgt wie bei den Meistern. Zwar gingen auch fr die Gesellen mit dem Verschwinden der Znfte bestimmte Schutzfunktionen verloren (Arbeitsvermittlung nur an Qualifizierte, Krankenuntersttzung, Einbindung in die korporative Geselligkeit). Ihre in der Lehrzeit erworbene Qualifikation (skill), auf die sie stolz waren und die sie als ihr persçnliches Eigentum betrachteten, blieb jedoch anerkannt, da das Statute of Artificers erst 1814 aufgehoben wurde. So nahmen sich die skilled artisans sozial als ber den unskilled stehend wahr. Hinzu kam, dass ihr Arbeitsverhltnis mit dem Niedergang der Znfte endgltig frei wurde von Zumutungen, wie sie kontinentaleuropische Zunftgesellen noch im fortgeschrittenen 19. Jahrhundert tagtglich erlebten. Kein englischer Handwerksgeselle (in der Regel auch kein Lehrling) wurde mehr durch Zunftvorschriften gezwungen, im Meisterhaushalt zu wohnen und auf Geldlohn weitgehend zu verzichten. Keiner musste sich mit dem Meister und dessen Frau ber seinen Anspruch auf den eigenen

40 Dies geschah unabhngig davon, ob sie als selbstndige Unternehmer und Arbeitgeber berlebten oder als verarmte Alleinmeister ins Proletariat hinabsanken. Vgl. Lottes, Politische Aufklrung, S. 114 – 139 u. passim. 41 So bereits der Befund der hellsichtigen Arbeit von Levy, Soziologische Studien ber das englische Volk, S. 26: Levy konstatiert „[d]as Fehlen einer besonderen çkonomischen Interessenbewegung, wie der Mittelstandsbewegung, als Ausdruck einer noch nicht in das kapitalistische Gesellschaftsschema bergegangenen Schicht von stndisch-znftlerischen, traditionell denkenden Handwerkern“.

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Hausschlssel auseinander setzen. Und keiner wurde daran gehindert, sich zu verheiraten, eine Familie zu grnden und sich zu verselbstndigen.42 Die frhe Erosion der Zunfttradition war paradoxerweise die Voraussetzung dafr, dass englische Handwerksgesellen schon in der Frhen Neuzeit in Krisenperioden wehmtig die goldene Vergangenheit ihrer craft beschworen, als die Lçhne angeblich noch fair und die Arbeitsbedingungen ertrglich gewesen waren. Solche nostalgischen Mythen kultivierten nicht zuletzt die freien Gesellenvereinigungen und Untersttzungskassen, die sich seit dem 16. Jahrhundert bildeten. Da diese Vereinigungen, die sich die Pflege von geselligen Beziehungen sowie die gegenseitige Untersttzung bei Krankheit, Beerdigungen und saisonaler oder konjunkturbedingter Arbeitslosigkeit zur Aufgabe machten, ihre Gelder im Konfliktfall durchaus auch fr Streiks auszugeben bereit waren, werden sie von Historikern der Arbeiterbewegung als die Keimzellen der englischen Gewerkschaften betrachtet.43 ber ihre Aktivitt geben nur wenige Quellen Auskunft, weil sie oftmals informellen Charakter hatten und ihre Existenz tarnen mussten, um nicht als Verschwçrungen politisch verfolgt zu werden. Dennoch konnten allein fr den Zeitraum von 1717 bis 1800 333 Arbeitskmpfe rekonstruiert werden, die berwiegend von Angehçrigen klassischer Handwerksberufe durchgefhrt wurden.44 Einige dieser Berufe, die Schneider beispielsweise, waren so gut organisiert, dass die Gesellen nicht nur darber entschieden, welche Kollegen einem Arbeitgeber zugewiesen wurden, sondern auch ob er berhaupt Krfte erhalten sollte.45 Nicht trotz, sondern gerade wegen des frhzeitigen Niedergangs der Znfte bildete daher die craft tradition fr stdtische Handwerksgesellen eine Basis fr die Herstellung von Marktmacht. Wenn man bercksichtigt, dass auf ungeregelten Arbeitsmrkten ein Machtgeflle zwischen Arbeitgebern und -nehmern besteht, weil letztere existenziell auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind und diese gegebenenfalls zu jedem Preis verkaufen mssen, kann man sagen, dass die englischen Gewerkschaften des 18. Jahrhunderts als „Preiskartelle mit Angebotskontingentierung“ (Gçtz Briefs) wesentlich zum Funktionieren von Arbeitsmrkten beitrugen.46 Zumindest in den klassischen Handwerksberufen war der Preis fr die Ware Arbeitskraft fortab Verhandlungssache. Nicht zuletzt deshalb waren die Lçhne in englischen Stdten in der

42 Das waren im deutschen Handwerk noch Mitte des 19. Jahrhunderts heiß umstrittene Konfliktpunkte; vgl. Kocka, Arbeitsverhltnisse und Arbeiterexistenzen, S. 329 – 334; Eisenberg, Deutsche und englische Gewerkschaften, S. 54 – 66. Schulte Beerbhl, S. 36 – 38, datiert die freien Verhltnisse in England bereits auf das ausgehende Mittelalter. 43 Vgl. ebd.; Chase, Early Trade Unionism. 44 Vgl. Dobson, Masters and Journeymen, S. 22, 24. Bei Hinzunahme von Schottland und Irland ergibt sich eine Gesamtzahl von 383 Arbeitskmpfen. 45 Vgl. Eisenberg, Gewerkschaften, S. 86 – 97. 46 Briefs, Zwischen Kapitalismus und Syndikalismus, S. 103. Die Argumentation sttzt sich auf Offe u. Hinrichs, Sozialçkonomie des Arbeitsmarktes, S. 48 ff.

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Frhen Neuzeit betrchtlich hçher als in den Niederlanden und um ein Mehrfaches hçher als in anderen europischen Staaten.47

c. Lndliche Protoindustrie Dieses Produktionssystem basierte darauf, dass Verleger – Kaufleute, kapitalkrftige Handwerker und sonstige Investoren – Rohmaterialien an verstreut wohnende Produzenten auf dem Land vorstreckten („verlegten“), damit sie von den Handwerkerfamilien in ihren Wohnhusern oder Werksttten verarbeitet wurden. Die fertigen Produkte bzw. Halbfertigprodukte ließen die Verleger dann abholen oder zu einem zentralen Lagergebude liefern, um sie weiterbearbeiten zu lassen oder zu vertreiben. Dieses putting-out system wird von Historikern auch Protoindustrie genannt. Es existierte (und existiert auch heute noch) in vielen Lndern der Welt und diente der in der Landwirtschaft ttigen Bevçlkerung als saisonaler Nebenerwerb. In England, wo die Kinder landwirtschaftlicher Produzenten frhzeitig aus dem Haus geschickt wurden, kannte man es bereits seit dem 14. Jahrhundert.48 Verlssliche statistische Daten ber die Langzeitentwicklung fehlen. Ohne Zweifel entfielen die meisten verlegten Betriebe und Arbeitskrfte jedoch auf die Textilindustrie, insbesondere die Wollweberei, deren Produktion zwischen 1485 und 1714 schtzungsweise um das Fnffache zunahm. Gegen Ende dieses Zeitraums kam dann eine Vielzahl neuer Textilgewerbe wie die Wirkwarenherstellung und Baumwollverarbeitung hinzu, ferner die Leder- und Holzverarbeitung sowie diverse metallverarbeitende Gewerbe.49 Im frhneuzeitlichen England zeichneten sich diese lndlichen Gewerbe durch den Gebrauch simpler, im Allgemeinen seit dem Mittelalter bekannter Werkzeuge und eine ausgeprgte Arbeitsteilung aus.50 Die meisten Aufgaben wurden von ungelernten und schlecht entlohnten Arbeitskrften, darunter auch Frauen und Kindern, erledigt. Regulr ausgebildete Gesellen und Lehrlinge, wie sie etwa in der Textilfrberei oder im Textildruck beschftigt wurden, blieben die Ausnahme. Die im Handwerk gltigen Regeln und Konventionen bildeten sich auch deshalb nur selten heraus, weil viele der lndlichen Gewerbe neue Spezialisierungen alter Berufe waren, auf die das Statute of Artificers von 1563 nicht angewandt wurde. 47 Vgl. R. C. Allen, The Great Divergence in European Wages and Prices, S. 411 – 447. 48 Aufgrund des frhen Wegzugs der Kinder erscheint die fr Kontinentaleuropa bliche Bezeichnung „Hausindustrie“ fr England unangebracht; vgl. den Hinweis bei Anderson, Entrepreneurship, S. 175. 49 Grçßenangabe nach Millward, The Emergence of Wage Labor, S. 22. Vgl. auch Campbell, England: Land and People, S.16. 50 Die nachfolgende Darstellung sttzt sich, sofern nicht anders belegt, auf die berblickswerke von Hudson, Proto-Industrialisierung, S. 61 – 78; dies., Regions and Industries.

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Zu den Regionen, in denen eine protoindustrielle gewerbliche Verdichtung zu beobachten war, gehçrten die Hauptgebiete der Wollproduktion: East Anglia, West Country, South West und West Riding in Yorkshire. Wolltuche wurden ferner in kleineren Gebieten in Shropshire, Westmorland, dem Kentish Weald, Teilen von Surrey, Berkshire and Hampshire produziert. Textilregionen mit Schwerpunkt Leinen und Barchent entwickelten sich in Lancashire. Im Vale of Trent sowie in der Gegend um Nottingham, Derby und Leicester erfolgte eine Spezialisierung auf Wirkwaren. Eine lndliche Kleineisenindustrie konzentrierte sich in den West Midlands, insbesondere um Birmingham. Es kann kein Zweifel bestehen, dass vom spten Mittelalter bis zum frhen 19. Jahrhundert ein wachsender Anteil der auf den Markt gelangenden Waren dezentral auf dem Land hergestellt wurde. Weitere generalisierende Aussagen zur englischen Protoindustrie wren jedoch gewagt. Was die Entstehungsbedingungen angeht, ist verschiedentlich auf die in Nord-, Westengland und den Midlands verbreitete Weidewirtschaft und die damit einhergehenden freien Arbeitskapazitten der Landarbeiter hingewiesen worden. Jedoch war diese Voraussetzung weder notwendig noch hinreichend, denn es bildeten sich auch in Getreideanbaugebieten gewerbliche Verdichtungsrume heraus. Ebenso waren die Auswirkungen des außeragrarischen Einkommens auf Partnerwahl, Heiratsalter und Familiengrçße der Arbeiter recht unterschiedlich. In vielen Fllen arbeiteten ganze Familien zusammen; manche Verleger beschftigten aber auch ausnahmslos junge Frauen auf Stcklohn. Schließlich lsst sich nichts Generelles ber die lngerfristige Entwicklung der Gewerberegionen aussagen. Einige vorbergehend erfolgreiche fielen mit der Zeit wieder zurck; andere nahmen einen stetigen Aufschwung und erlebten dann einen Boom seit dem 17. und 18. Jahrhundert; in manchen textilindustriellen Branchen, insbesondere in der Leinen- und Baumwollbranche, erfolgte im frhen 19. Jahrhundert der bergang von der dezentralen zur zentralisierten Produktion in dampfbetriebenen Fabriken. Die Heterogenitt der Protoindustrie in England ist ein Grund, warum britische Historiker gegenber weitreichenden Theorien und Modellen, die das Phnomen zu einer Vorlaufphase des modernen Industriekapitalismus zu erheben versuchen und allgemeine Aussagen ber die Haushaltsstruktur oder das Reproduktionsverhalten der Produzenten wagen, bemerkenswert zurckhaltend geblieben sind. Solche Interpretationen sind insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren diskutiert worden, und die daraufhin einsetzende empirische Forschung hat Historiker aus ganz Europa zusammengefhrt.51 In den Vorbehalten der Briten gegen das Konzept der Protoindustrialisierung 51 Vgl. stellvertretend fr eine umfangreiche Literatur Mendels, Proto-Industrialization; Kriedte u. a., Industrialisierung vor der Industrialisierung. Zu den Sammelwerken, die seitdem entstanden sind, gehçren Ditt u. Pollard, Von der Heimarbeit in die Fabrik; Cerman u. Ogilvie, Protoindustrialisierung; Ebeling u. Mager, Protoindustrie in der Region.

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kommt sicher auch eine allgemeine Theorieskepsis zum Ausdruck. Doch muss man konzedieren, dass die fr Historiker vom europischen Kontinent so reizvolle Kontrastierung protoindustrieller mit „traditionellen“, „buerlichen“ oder gar „feudalen“ Produktionsweisen fr England in der Tat am historischen Befund vorbei fhrt. Darber hinaus lsst sich die englische Protoindustrie von anderen Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung wie etwa der Agrarrevolution, der Verstdterung oder dem Bevçlkerungswachstum kaum separieren, so dass die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der gewerblichen Produktion auf dem Land weniger offensichtlich waren als anderswo in Europa.52 Die allgemeine Skepsis gegenber dem Konzept Protoindustrialisierung bedeutet nicht, dass britische Historiker sich mit der Sache nicht eingehender beschftigt htten. Sie haben jedoch andere Schwerpunkte als ihre kontinentaleuropischen Kollegen gesetzt. Whrend diese ihr Hauptaugenmerk auf die Produzenten und den Produktionsprozess richteten, nahmen die Briten den Vertrieb und Konsum der protoindustriell gefertigten Produkte genauer unter die Lupe.53 Bei diesen Untersuchungen traten zwei Zusammenhnge besonders hervor, die im Rahmen einer Geschichte der Kommerzialisierung von besonderem Interesse sind. Ein erster Zusammenhang betrifft die Nachfrage nach protoindustriell hergestellten Gtern. Hier haben neuere Forschungen die schon in den 1970er/80er Jahren gestellte Diagnose erhrtet, dass in England im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts eine „Konsumrevolution“ vonstatten ging, welche nicht nur das Leben des Adels, der gentry und anderer wohlhabender Leute vernderte, sondern auch das von Landarbeitern, Dienstboten und Arbeitern.54 Die gesteigerte Nachfrage hatte ihren Ursprung in wirtschaftspolitischen Initiativen der Krone; daher machte sie sich schon in der ersten Hlfte des 17. Jahrhunderts bemerkbar. Sie verstrkte sich dann nach 1650 unter dem Eindruck einer massiven Einkommenssteigerung und der Herausbildung engmaschiger Kreditbeziehungen in den Stdten, Dçrfern und Nachbarschaften, die auch das Problem der Mnzknappheit zu kompensieren halfen.55 Jedermann versorgte sich nun ber den Markt, und auch die Unterschichten erwarben eine Vielzahl von Waren, die sie bis dahin nicht besessen hatten. 52 Vgl. Coleman, Proto-Industrialization: A Concept Too Many. R. A. Houston u. Snell, ProtoIndustrialization. 53 Frhe Beispiele fr diesen Trend sind: Eversley, Home Market; Samuel, Workshop of the World; McKendrick, Home Demand and Economic Growth; ders., The Consumer Revolution. 54 Eine der ersten, die diese Interpretation verfochten hat, war im Jahr 1978 Thirsk, Economic Policy and Projects, S. 179. Einige Jahre spter erschien dann das Werk von McKendrick u. a., Birth. Eine Flle von Belegen zur Einbeziehung von Arbeitern in den Konsum bietet das neuere Buch von Lemire, The Business of Everyday Life. 55 Daher kann die Konsumtion in England erheblich hçher veranschlagt werden als bei den zeitgençssischen Statistikern, auf deren Angaben sich Historiker bislang gesttzt haben. Vgl. ebd., S. 16 – 55; Muldrew, Economy of Obligation, S. 90, sowie unten S. 81.

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Dazu gehçrten Zucker und Tee, Tabak sowie Seiden- und Baumwollstoffe aus Nord-, Sdamerika, der Karibik und dem Fernen Osten, aber eben auch heimische Stoffe und andere berwiegend protoindustriell hergestellte Produkte wie Glas und Hausrat, Mçbel und Kurzwaren. Die britischen Hersteller dieser Konsumgter ließen sich beim Design zum Teil von den berseeischen Importen inspirieren.56 Die in London und in den Provinzstdten entstandenen Ladengeschfte und Second Hand-Mrkte brachten diese Produkte an den Mann und die Frau. Shopkeepers warben in den Lokalzeitungen fr ihre Waren; shopping und window shopping wurden den Zeitgenossen zur Gewohnheit.57 Besonders viel Zeit und Geld investierten die Konsumenten in modische Bekleidung, ob sie diese in den ersten Geschften oder aus zweiter Hand erwarben. Denn gezielt ausgesuchte Kleider erçffneten neue Formen der symbolischen Kommunikation und gaben Gelegenheit, den Platz in der verflssigten Sozialstruktur selber mitzubestimmen.58 Kleider (und Percken) waren darber hinaus eine Investition, weil sie in Notsituationen auf dem Second Hand-Markt wieder zu Geld gemacht werden konnten. Bezeichnenderweise entfielen auf sie in der zweiten Hlfte des 17. Jahrhunderts mindestens 70 – 80 Prozent der beim Pfandleiher versetzten Gter. Angesichts der ausgeprgten Mnzknappheit wurden sie oftmals auch als Whrung akzeptiert, wobei mit zeitlicher Entfernung zur aktuellen Mode ein gewisser Wertverlust eintrat.59 Ein zweites Forschungsinteresse, das britische Historiker mit der Protoindustrie verbinden, setzt an der Figur des Verleger-Kaufmanns an, der die auf dem Land hergestellten Konsumgter teils in den Fernhandel, teils auf den heimischen Markt brachte (Abb. 7). In der kontinentaleuropischen Diskussion ber die Protoindustrie werden die merchants und deren middlemen zumeist als Ausbeuter billiger Arbeitskraft charakterisiert. Obwohl sie nicht in Produktionssttten investieren mussten, htten sie hohe Profite erwirtschaftet, solange der Markt das zuließ, und in schlechten Konjunkturen oder bei Konflikten die Arbeiter einfach auf ihren Erzeugnissen ,sitzen lassen‘.60 Britische Historiker sahen demgegenber stets auch den Beitrag der Verleger-

56 Vgl. Weatherill, Consumer Behaviour and Material Culture in Britain; Berg, Luxury and Pleasure; Lemire, Business; Styles, The Dress of the People. 57 Vgl. oben S. 48 f.; ferner D. Davis; R. M. Berger, The Development of Retail Trade; Stobart, Leisure and Shopping; Benson u. Ugolini, A Nation of Shopkeepers; Cox u. Dannehl, Perceptions of Retailing. Zu den Second Hand-Mrkten vgl. Lemire, Consumerism; dies., Business, S. 82 – 109. 58 Vgl. McKendrick, The Commercialization of Fashion; Kuchta, The Three-Piece Suit and Modern Masculinity : England 1550 – 1850; vgl. auch z. B. Corfield, Ehrerbietung und Dissens. 59 Vgl. Lemire, Business, S. 82 – 109, Prozentangabe S. 92, 94. 60 Geradezu klassisch einseitig wird diese Interpretation formuliert bei Kriedte u. a., S. 249 f. Dieses Image des Kaufmanns ist auch in die schçne Literatur und in die Sozialwissenschaften eingegangen; vgl. dazu Slater u. Tonkiss, Market Society, S. 11, 16.

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Abb. 7: Ein Londoner Tuchhndler bei der Inspektion der abgelieferten Arbeit, um 1690. lgemlde von Egbert van Heemskerck d.J. Das Kontor befand sich vermutlich in Blackwell Hall oder einem Raum in der Royal Exchange.

Kaufleute zur Kommunikationsverdichtung und Integration der entstehenden Marktgesellschaft.61 In diesem Zusammenhang haben sie zum einen hervorgehoben, dass die Investitionen in die Protoindustrie und die Suche nach Absatzwegen fr gewerbliche Produkte neue Erwerbschancen fr diejenigen schufen, die durch die Agrarrevolution freigesetzt wurden. Dass diese Erwerbschancen auch auf dem Land zu finden waren, habe die wachsenden Stdte vor berbevçlkerung geschtzt und zugleich die gewerblich arbeitende Bevçlkerung auf dem Land zu Nachfragern nach Produkten aus stdtischer Herstellung gemacht. Das lndliche Gewerbe und die Stadtwirtschaft htten ihre Fortentwicklung auf diese Weise gegenseitig stimuliert.62 Zum anderen argumentieren britische Historiker, dass die merchants und middlemen fr die wachsenden Stdte auch direkt von Nutzen waren, weil sie 61 Price, What Did Merchants Do?, S. 111 – 145. 62 Vgl. Wrigley, „The Great Commerce“, insb. S. 281 ff.

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in einer Zeit, als das Bankwesen noch unterentwickelt war, wichtige Finanzierungsaufgaben im Stdtebau bernahmen. Im Gegensatz zu den gleichermaßen wohlhabenden Landeigentmern verfgten merchants und middlemen ber liquide Mittel oder konnten sich solche aufgrund ihrer vielfltigen Verbindungen leicht beschaffen.63 Da auf dem Gebiet der Stadtplanung wenig Impulse von der Krone oder den Stdten ausgingen, trugen Kaufleute – und hier insbesondere die zahlenmßig grçßere Gruppe derjenigen, die den Binnenmarkt bedienten – auf diese Weise maßgeblich zur Herstellung dessen bei, was man heute mit dem Begriff Urbanitt bezeichnet.64 Dazu gehçrten seit dem 17. Jahrhundert der Abriss lterer und die Anlage neuer, zum Teil suburbaner Stadtviertel fr Arbeiter und die neu entstehende middling sort (zu der auch die Kaufleute selber gehçrten); die Mitfinanzierung stdtischer Bauten wie Hospitler und Armenhuser, Gerichtsgebude und Theater; ferner diverse Maßnahmen im Rahmen des urban improvement wie etwa die Bereitstellung von Wasserpumpen, Abwasserentsorgung und Straßenbeleuchtung; die Realisierung einer reprsentativen und ,kutschengerechten‘ Stadt durch breite, gepflasterte Straßen und großzgige Pltze; die Separierung von Straßenverkehr und Fußgngern durch die Anlage von Brgersteigen, Promenaden und Gartenanlagen; und schließlich die Errichtung von Markthallen und Ladenzeilen.65 Sozial- und kulturgeschichtlich sind diese Initiativen relevant, weil die Entwicklung zur Konsumgesellschaft auf diese Weise von Vernderungen im çffentlichen Bereich abgesttzt wurde. Diejenigen, die in der sozialen Hierarchie aufzusteigen versuchten, konnten die Stdte als çffentliche Bhnen fr die Selbstdarstellung nutzen.

3. Konzentration der Krfte: Die Finanzrevolution des 18. Jahrhunderts Nachdem der Warenexport nach bersee schon in den hundert Jahren zwischen der Thronbesteigung Elisabeths I. (1558) und der Restauration der Monarchie unter Charles II. (1660) kontinuierlich gewachsen war, aber sich in den darauf folgenden Jahrzehnten uneinheitlich entwickelte, kam es zwischen 1697 und 1815 noch einmal zu einer betrchtlichen Steigerung. Unter den Navigation Acts (1651), die den Transport englischer Waren fr englische Schiffe monopolisierten, nahm der Warenexport sogar schneller zu als die Bevçlkerung und das Sozialprodukt. Dabei war der Anteil des seit dem Mit63 Vgl. Grassby, English Merchant Capitalism, S. 106; R. G. Wilson, Gentlemen Merchants, S. 149. 64 Vgl. Corfield, The Impact of English Towns 1700 – 1800, S. 131; R. G. Wilson, S. 86, 194 – 206. 65 Vgl. Corfield, Impact, S. 168 – 185; E. L. Jones u. Falkus; Borsay, The English Urban Renaissance: Culture and Society in the Provincial Town, 1660 – 1770; ders., The Rise, Fall and Rise of Polite Urban Space, S. 32 ff.; Stobart, Shopping Streets.

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telalter gepflegten Handels mit den (nord-)europischen Lndern rcklufig. Die meisten Exporte bzw. Re-Exporte (denn es wurden ja Rohstoffe aus bersee verarbeitet und als Fertigprodukt wieder ausgefhrt) gingen nun nach Nord- und Sdamerika sowie in die Karibik, nach Afrika und Fernost; auch der eintrgliche Sklavenhandel spielte sich vor allem in diesen Gegenden der Welt ab. Die britischen Kaufleute und Schiffseigentmer wurden bei ihrer Handelsttigkeit von der unter Cromwell ausgebauten Royal Navy geschtzt und verteidigt; zum Teil bahnte ihnen die Flotte mit kriegerischen Aktionen den Weg durch die Ozeane. Darin spiegelt sich die Einbettung des Handelssystems in ein Netz imperialer Beziehungen wider, das nicht nur individuelle Marktteilnehmer, sondern – wie im Folgenden gezeigt werden soll – auch das Kreditsystem und den Staat miteinander verband. Mit Ausnahme der East India Company sowie der South Sea, der Hudson’s Bay, der Royal African und der Levant Company spielten die in London ansssigen Kaufmannsvereinigungen keine nennenswerte Rolle in diesem Netzwerk, zumal das Parlament nach 1688 wenig Neigung zeigte, die von der Krone gewhrten Handelsmonopole zu erneuern. Es waren vielmehr einzelne Kaufleute und die informellen communities of middlemen in den Hafen- und Handelsstdten, die das Management des britischen berseehandels in der Hand hatten. Sie waren es auch, die fr die vielfltigen Verknpfungen des Netzwerks, von der Warenproduktion ber den Transport auf den Weltmeeren bis zur Lagerung und zum Verkauf der Waren an fremden Orten, ihr eigenes Kapital einbrachten, weiteres von Investoren beschafften, fr Kredite einstanden, Zahlungen leisteten und entgegennahmen.66 Die Unwgbarkeiten solcher Transaktionen waren betrchtlich und fr den Einzelnen unbersehbar. Um die Risiken besser in den Griff zu bekommen, spezialisierten sich einige Kaufleute auf Versicherungen, andere auf internationale Bankgeschfte. Diese Ausdifferenzierung trug dazu bei, dass London im Verlauf des 18. Jahrhunderts als Finanzplatz im internationalen Geschft mit Amsterdam gleichzog. Im Nebeneffekt wurden die Kredite billiger und waren einfacher zu bekommen. Der Gesetzgeber untersttzte die Entwicklung, indem er die Bankiers gewhren ließ und Betrger bestrafte.67 Seit 1694 wurde dieses noch wenig differenzierte Bankensystem durch ein privates Aktienunternehmen, die Bank of England, flankiert. Die Grndung der Bank erfolgte in einer Situation, in der die Krone wegen außerordentlicher Ausgaben fr die 1689 begonnenen Kriege mit Frankreich in hohem Maße auf Kredite angewiesen war und sich zugleich eine weitere Verschrfung der Lage abzeichnete. Hatte die Zahl der Soldaten 1689 noch 10 000 betragen, sollte sie bis 1697 auf 76 000 und im letzten Kriegsjahr 1713 schließlich auf 93 000 anwachsen; das entsprach etwa sieben Prozent der erwachsenen mnnlichen Bevçlkerung Englands. Hinzu kamen die Ausgaben fr 40 000 Matrosen. 66 Dazu Hancock, Citizens of the World. 67 Dazu Neal, The Rise of Financial Capitalism.

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Rckblickend beliefen sich die Kosten der Kriege im Zeitraum 1689 – 97 auf knapp £ 5.5 Mio. und 1702 – 13 auf £ 7 Mio. pro Jahr.68 Die Bank of England bernahm in dieser Situation Mitte der 1690er Jahre die Verantwortung fr das Management der Regierungsschulden und traf insbesondere Arrangements zur Begleichung kurzfristiger Verbindlichkeiten, fr die noch keine Deckung vorhanden war. Als Sicherheit dienten ihr die Steuereinnahmen des Staates, fr deren Bewilligung der Kçnig nach der Glorious Revolution die Zustimmung des Parlaments einholen musste. Sofern diese Zustimmung erteilt wurde – und das war regelmßig der Fall –, wurden die Schulden des Kçnigs zur national debt, und die Kriegskosten konnten auf grçßere Zeitrume verteilt werden.69 Anfangs versuchten die Vertreter der Regierung und der Bank, die national debt zu privatisieren, u. a. durch den Verkauf besonderer Handelsrechte an eine ominçse South Sea Company, die 1711 gegrndet worden war, um den Handel mit Lateinamerika in Schwung zu bringen. Nachdem sich jedoch herausgestellt hatte, dass dieses Verfahren eine riesige Spekulationsblase nach sich gezogen und das Platzen dieser Blase im Jahr 1720 Hunderte Geschftsleute und eine unbekannte Anzahl von Kleinaktionren in den Ruin getrieben hatte, unterblieben weitere derartige Aktionen.70 Die Annahme diskreditierter Schatzscheine des Staates als Kapitaleinzahlung entwickelte sich danach zur Routine, und so wurde das Privileg der Bank of England als Regierungsbank im Verlauf des 18. Jahrhunderts mehrfach erneuert. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wurden zudem die von der Bank an das Finanzministerium (Treasury) ausgegebenen Banknoten als allgemeine Zahlungsmittel anerkannt und im Hinblick auf die Zahlungsfhigkeit der Bank gegenber ihren Einlegern als quivalent der Edelmetallreserven betrachtet. Das trug insbesondere nach dem Platzen der South Sea Bubble dazu bei, dass das Vertrauen in Wertpapiere als Finanzinstrumente wieder hergestellt – bei vielen auch erstmals generiert – wurde. Denn die Menschen des 17. und frhen 18. Jahrhunderts bevorzugten ,greifbare‘ Mnzen bzw. Edelmetall und standen Papieren eher skeptisch gegenber.71 Ebenso wichtig war ein wirtschaftspolitischer Effekt: Da die Bank of England in ihrer Rolle als Regierungsbank zum lender of last resort avancierte, konnte sie die Vergabe von Diskontkrediten fr hohe und kurzfristige Verbindlichkeiten Londoner Kaufleute und anderer Geschftsleute ausweiten. 68 Vgl. Brewer, Sinews, S. 30 f. 69 Grundlegend noch immer Dickson, The Financial Revolution. Vgl. ferner Lovell, The Role of the Bank of England as Lender of Last Resort, S. 14 f.; Bowen, The Bank of England. 70 Eine knappe Zusammenfassung dieser Periode der „bubble economics“ liefert Hoppit, Land of Liberty, S. 334 ff. 71 Zu dieser Problematik: J. J. Baker, Securing the Commonwealth. Baker untersucht allerdings das Beispiel Nordamerika; ob die Vorbehalte in England mit seiner langen Tradition der WechselWirtschaft gleichermaßen ausgeprgt waren, bleibt zu untersuchen. Zur sozialen Basis der Bubble-Geschdigten Hoppit, Financial Crises, S. 48.

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Das bedeutete den Durchbruch der Londoner City als internationalem Finanzplatz, zumal durch die Kreditaufnahmen der Regierung ein Markt fr Staatsanleihen erçffnet und der bereits bestehende Markt fr Aktien und Wertpapiere auf eine neue institutionelle Basis gestellt wurde.72 Diese Mrkte wurden innerhalb weniger Jahre auch von auslndischen Investoren rege frequentiert. Bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts stammten 77 Prozent derjenigen, die in der City Handel trieben, aus dem europischen Ausland. hnliche Entwicklungen verzeichneten Leeds, Manchester und andere Handelsstdte in der Provinz.73 Auch und vor allem fr niederlndische Investoren wurde die City nun attraktiv. Auf sie entfiel ein Großteil des auslndischen Kapitals, und die Provinz Holland gab eine Brgschaft in Hçhe von £ 300 000.74 In den Niederlanden war das in England etablierte System der Kreditschçpfung durch çffentliche Verschuldung zwar ursprnglich erdacht, auf Provinzebene sogar schon realisiert worden, und ohne Zweifel hatten sich die englischen Finanzexperten jenseits des rmelkanals Anregungen geholt. Was dem Vorbild jedoch fehlte und die Niederlnder nach London zog, war die flexible Verknpfung und verlssliche gegenseitige Sttzung des privaten und staatlichen Kreditmarktes. Denn aufgrund des fragmentarischen Charakters der Vereinigten Niederlande, einer lockeren Fçderation autonomer Stdte und Gebietskçrperschaften ohne zentrale Regierung, konnte eine durch Steuern gedeckte national debt dort nicht erzeugt werden.75 Durch die Vermittlung der Bank of England avancierte die Krone zu einem neuen ,Spieler‘ im internationalen Handel. Die fiskalischen Mittel, die sie fr ihre militrischen Unternehmungen bençtigte, waren jedoch nur um einen hohen Preis zu haben. Denn das Parlament nutzte die finanzielle Abhngigkeit der Krone von seiner Zustimmung gnadenlos aus, um seine eigene Position zu strken, und bestand unter anderem darauf, dass knftige Kriege nur mit seiner Zustimmung gefhrt werden durften. Die Krone wurde darber hinaus abhngig von der Kontinuitt des wirtschaftlichen Aufschwungs, musste sie doch die Kredite regelmßig bedienen; dazu war ein ausreichendes Steueraufkommen erforderlich. Auf die Verlsslichkeit der Rckzahlungen drngten indes auch die in der Londoner City konzentrierten kommerziellen Interessen, und daher ist es schwer zu entscheiden, wer die treibende Kraft hinter der Entwicklung war. Lngerfristig betrachtet, war ohnehin wichtiger, dass die Institutionen der Schuldenverwaltung mit einem transparenten Prozess der

72 Noch 1853 machten britische Staatspapiere 70 Prozent der Effekten aus, die an der Londoner Bçrse notiert wurden. 73 Vgl. Chapman, Merchant Enterprise, S. 29 f. 74 Vgl. t’ Hart, „The Devil or the Dutch“, S. 50. Vgl. ferner : C. Wilson, Anglo-Dutch Commerce and Finance, S. 70 – 79. 75 Vgl. t’ Hart; Neal, The Monetary, Financial and Political Architecture of Europe. Eine breite Kontextualisierung leistet Ormrod, Rise of Commercial Empires.

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parlamentarischen Ratifizierung der Haushalte verknpft wurde, denn darauf basierte die Legitimitt des britischen Staates.76 Vor dem Hintergrund dieser „Financial Revolution“ (P. G. M. Dickson) wenige Jahre nach der Glorious Revolution vermag der Befund nicht zu berraschen, dass fast alle grçßeren Kriege, welche die Krone mit çffentlichen Mitteln fhrte, nicht nur der Landesverteidigung dienten, sondern auch und vor allem dazu beitrugen, die britische Prsenz auf dem Weltmarkt zu erhçhen, neue Territorien und Mrkte in bersee zu erobern und die vorhandenen Sttzpunkte in Afrika, Asien und Amerika abzusichern. Das gilt fr die meisten der auf den erwhnten Krieg mit Frankreich (1689 – 97) folgenden Auseinandersetzungen, so fr den Spanischen Erbfolgekrieg (1702 – 13), den in der Karibik und dem Sden Nordamerikas gefhrten War of Jenkin’s Ear gegen Spanien (1739 – 1742), den sterreichischen Erbfolgekrieg (1739 – 48) und den Siebenjhrigen Krieg (1756 – 63). Nur der Amerikanische Unabhngigkeitskrieg (1775 – 83) ging am Ende verloren. Fr die kommerziellen Interessen erfllte jedoch auch er seinen Zweck, stand doch der amerikanische Markt britischen Erzeugnissen weit offen. Auch lngerfristig gesehen, blieben die Vereinigten Staaten Teil des invisible empire: des empire of commerce. Jeder dieser Kriege war teurer als der vorhergehende, und am Ende hatten sich die Militrausgaben verfnfzehnfacht. Bezogen auf die Gesamtausgaben der Regierung machten sie regelmßig einen Anteil zwischen 61 und 75 Prozent (1688 – 1783), bezogen auf das Nationaleinkommen zwischen 9 und 14 Prozent (1710 – 80) aus.77 Das sprunghafte Anwachsen der Staatsschulden fhrte dazu, dass Großbritannien im 18. Jahrhundert zu dem am hçchsten besteuerten Land Europas wurde. Zwischen der Glorious Revolution 1689 und dem Ende der Napoleonischen Kriege, die das Ende des langen 18. Jahrhunderts markierten, wuchsen das gesamte Steueraufkommen um das Zehnfache und das Steueraufkommen pro Kopf um das 4,5-fache. Parallel zur Steuererhçhung wurde die Umstellung des Steuersystems von der (direkten) land tax auf (indirekte) Verbrauchsteuern, die bereits zur Zeit der Brgerkriege eingeleitet worden war, weiter vorangetrieben.78 Auf die Einnahmen aus indirekten Steuern entfielen am Anfang des 18. Jahrhunderts knapp 50 Prozent, am Ende schließlich 75 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Wer Kerzen oder Bier, Salz, Kohle oder Seife kaufte, zahlte stets auch an den Fiskus. Ob die Zeitgenossen sich von dieser Entwicklung, die letztlich eine Umverteilung der Steuerlast von den landed interests auf die breite Bevçlkerung, insbesondere die konsumfreudige middling sort bedeutete, benachteiligt fhlten, ist fraglich, zumal Proteste schwach blieben. Denn indirekte Steuern haben die Eigenschaft, sich hinter den Preisen der Waren zu verstecken, und 76 Vgl. Michie, The London Stock Exchange, S. 15 – 36; Coward, Stuart England, S. 308 ff. 77 Angaben nach Brewer, Sinews, S. 38 – 41. Vgl. auch Mathias u. O’Brien, Taxation in Britain and France. 78 Eine Einkommensteuer wurde 1799 eingefhrt.

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das drfte ihnen angesichts der allgemeinen Einkommenssteigerung im 18. Jahrhundert bestens gelungen sein. Auch die Tatsache, dass Luxusausgaben fr Huser und Fenster, Kutschen, Reitpferde und Hauspersonal nach wie vor der direkten Besteuerung unterlagen, drfte den Unmut in der weniger wohlhabenden Bevçlkerung gemildert haben. Den monied interests schließlich, zu denen sich am Ende des 18. Jahrhunderts auch schon manch ein manufacturer gesellte, kam der Fiskus dadurch entgegen, dass er die meisten Rohstoffe sowie bestimmte gewerblich-industriell hergestellte Schlsselprodukte (etwa Baumwoll- und Wollwaren, Mçbel und Hausrat, Glas und Papier) ganz von der Besteuerung ausnahm.79 Zu denjenigen, die sich massiv – und am Ende erfolgreich – gegen die hohe Steuerbelastung wehrten, gehçrten die Einwohner der britischen Kolonien in Nordamerika.80 Obwohl die Interessenkoalition zwischen monied interests und Krone bzw. Staat zentrale Bedeutung fr die Zukunft des britischen Finanzsystems hatte, sehen Wirtschaftshistoriker die Entwicklung durchaus kritisch, weil sie auf Kosten knftiger Generationen ging. Zum einen hatten diese die Staatsverschuldung mit zu bezahlen. Zum anderen trugen die in bersee erçffneten Investitionsmçglichkeiten vermutlich in manchen Fllen dazu bei, dass Investitionen in Gewerbebetriebe unterblieben und die Industrialisierung in Großbritannien langsamer als mçglich voranschritt – langsamer zumindest, als man nach der protoindustriellen Vorlaufphase htte erwarten kçnnen; darauf wird zurckzukommen sein.81 Allerdings brauchten sich die Zeitgenossen ber derartige Probleme keine Gedanken zu machen, weil sie von der mçglichen Alternative keine Vorstellung hatten. Außerdem waren die von den Kriegen verschlungenen Summen insofern als Investition in die Zukunft zu betrachten, als die Auseinandersetzungen bei den militrischen Gegnern und kommerziellen Konkurrenten der Briten – den Spaniern, Franzosen, Amerikanern – betrchtlich hçhere Kosten verursachten. Schließlich waren die Kriege durch das Parlament legitimiert, so dass sich diejenigen, die sie befrworteten, auf einen breiten Konsens sttzen konnten. Sogar die Landbesitzer, die keineswegs alle so risikofreudig waren, dass sie ihre Rentiersexistenz durch Handelsgeschfte spannender gestalten wollten, ließen sich in das Zukunftsbndnis mit einbeziehen, nachdem einige ihrer Forderungen wie etwa die nach den Schrfrechten fr Kohle und Mineralien auf ihrem Grund und Boden erfllt worden waren.82 Eines der unbestrittenen Resultate der von Kriegen begleiteten Fi79 Vgl. O’Brien, The Political Economy of British Taxation, S. 10 f., 26 f.; einige der Zahlenangaben nach Hellmuth, The British State, S. 21. Zu den Steuerprotesten und den vielfltigen Methoden der Steuerhinterziehung vgl. Ashworth, Customs and Excise. 80 Vgl. Breen, „Baubles of Britain“. 81 Dazu und zu den folgenden berlegungen Williamson, Why Was British Growth So Slow?; Deane, British Industrial Revolution, S. 23 f.; O’Brien, Inseparable Connections; ders., Central Government and the Economy, S. 215 f. 82 Deane, The British Industrial Revolution, S. 21.

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nanzrevolution des 18. Jahrhunderts bestand daher darin, dass aristokratische Landbesitzer, Kaufleute und die zahlenmßig noch kleine Gruppe der Fabrikanten ein informelles Bndnis fr die imperialistische Expansion Großbritanniens eingingen. Es wurde durch Heiratsverbindungen und die gemeinsame Vorliebe fr die Landhauskultur zustzlich bestrkt und blieb auch in den folgenden beiden Jahrhunderten die Basis eines in der Londoner City verankerten „Gentlemanly Capitalism“ (P. J. Cain u. A. G. Hopkins).83 Indirekt wurde auch die Kultur der breiten Bevçlkerung durch die skizzierte Entwicklung mitbestimmt. Das vermittelnde Glied war paradoxerweise die Modernisierung des Staatsapparats infolge der Finanzrevolution. Das Argument wird nachvollziehbar, wenn man sich einige Zusammenhnge vergegenwrtigt. Um die neuen Staatsaufgaben verlsslich und effizient zu erledigen, wurden neben dem Treasury auch andere Zentralbehçrden wie das Navy Office, das Post Office und der Board of Trade errichtet. Alle zusammen beschftigten bereits im Jahr 1720 etwa 12 000 officials, die meisten davon Steuereintreiber. Zum Vergleich: In der preußischen Brokratie waren zur selben Zeit etwa 3 000 Beamte ttig, davon 250 in leitender Funktion.84 Die Meinung der lteren Forschung, dass das frhneuzeitliche England auf dem Gebiet der Staatsverwaltung im Vergleich mit anderen, strker absolutistisch geprgten europischen Staaten rckstndig gewesen sei, ist daher nicht haltbar, zumal die officials viele Merkmale aufwiesen, die man blicherweise mit modernen Beamten verbindet: Sie wurden nach der Absolvierung von Eintrittsexamina festangestellt, bezogen Gehlter und waren pensionsberechtigt. Ihr Aufstieg innerhalb der Behçrden vollzog sich im Rahmen einer festgelegten Rangordnung sowie nach Dienstalter und Leistung. Es wurde von ihnen Redlichkeit, Hingabe an das Amt und Loyalitt erwartet, und – das ist besonders bemerkenswert – sie legten mit der Zeit ihr Selbstverstndnis als „the king’s servants“ ab und verstanden sich als „the state’s servants“.85 Fr die breite Bevçlkerung war diese Modernisierung des Staatsapparats weniger sprbar, weil sie primr die in London ansssigen Zentralbehçrden betraf. Um die Verwaltungsstruktur in der Provinz entsprechend zu verbessern, fehlten die finanziellen Mittel und wohl auch die Energie. Darber hinaus stand das Parlament durchgreifenden Maßnahmen im Weg, verstand es sich doch als eine nationale Institution zur Durchsetzung lokaler Interessen. Auf den unteren Ebenen musste sich der englische Staat daher nach wie vor auf die letztlich mittelalterlichen Institutionen des lord lieutenant mit seinen deputies und dem sheriff, vor allem aber auf die justices of the peace verlassen. Das 83 Vgl. Cain u. Hopkins, Gentlemanly Capitalism and British Expansion Overseas I, S. 507 ff.; dies., British Imperialism. 84 Angaben nach Brewer, The Eighteenth-Century British State, S. 58 f. 85 Vgl. Hellmuth, British State, S. 22; Coward, Stuart England, S. 317. Vgl. auch die explizit vergleichend angelegten Studien in Brewer u. Hellmuth, Rethinking Leviathan, insb. die Einleitung von Brewer u. Hellmuth und den Beitrag von Ertmann, Explaining Variations.

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waren ehrenamtlich ttige Amateure, die fr vielfltige Aufgaben, von der berwachung der çffentlichen Moral bis hin zur Unterdrckung von Aufstnden, zustndig, aber deswegen auch permanent berfordert waren.86 Die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts, die nach der Glorious Revolution ein Selbstverstndnis als freeborn Englishmen entwickelten, genossen in dieser Situation große Freiheit bei der Ausgestaltung ihrer wechselseitigen Sozialbeziehungen. Das ußerte sich auch und vor allem in der popular culture, die einen Grad der Lebhaftigkeit und Innovationskraft erreichte, wie man ihn auf dem europischen Kontinent nicht vorfand, und sich – wie weiter unten gezeigt wird – auf vielfltige Weise in den Prozess der Kommerzialisierung einfgen ließ.87 Dieser Effekt war sicher nicht die schlechteste Gegenleistung fr die hohen Steuern, die der Bevçlkerung abverlangt wurden.

86 Vgl. Innes, The Domestic Face of the Military-Fiscal State; Hoppit, Land of Liberty, S. 457 – 491, insb. S. 464 – 470. 87 Vgl. Golby u. Purdue, The Civilisation of the Crowd, sowie die klassischen Aufstze von Thompson, die versammelt sind in seinem Band Customs in Common. Vgl. auch T. Harris, Popular Culture in England.

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III. Einbettungen des Markthandelns Um 1800 waren Marktbeziehungen in England so weit verallgemeinert, dass allenfalls Unmndige, Armenhaus- und sonstige Anstaltsinsassen sich den damit einhergehenden Chancen und Zumutungen entziehen konnten. Jedermann und jedefrau, Stdter und Landbewohner, Eigentmer und Pchter, Lohnabhngige und Selbstndige mussten sich in ihrem beruflichen oder privaten Alltag auf das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage einlassen, ob sie nun Waren und Dienstleistungen erwarben oder ihre Arbeitskraft verkauften, ob sie investierten, spekulierten, Kredite aufnahmen oder selber Geld verliehen. Der Marktmechanismus drang berall ein, denn jeder Haushalt war mindestens eine Konsumtions-, nicht selten auch eine Produktionseinheit. Einfacher Tauschhandel von Naturalien oder Fertigprodukten (barter) war schon im Mittelalter die Ausnahme gewesen und allenfalls unter Dorfbewohnern blich. Doch ganz ohne Geld kamen auch sie nicht aus, mussten sie doch Gertschaften erwerben, Marktzçlle entrichten und dem Kçnig Steuern zahlen.1 In vielen Situationen wurden Konsumenten und Produzenten durch den berseehandel sogar in Weltmarktbeziehungen eingebunden, denn ein betrchtlicher Teil der landwirtschaftlichen Produktion ging in den Export. Nicht nur fr Fernkaufleute, sondern auch fr viele andere Marktakteure galt daher, dass ber Gelingen oder Misslingen ihrer Geschfte die Strme auf den Weltmeeren und die Entwicklungen in fernen Lndern mitentschieden. Darber hinaus waren die meisten Marktbeziehungen, ob sie nun in die Ferne oder in die Region wiesen, ber so lange Handlungsketten vermittelt, dass auch der gute Leumund eines Geschftspartners die mit jeder Transaktion verbundene Ungewissheit nicht beseitigen konnte. War ein Wechsel, den man entgegennahm, gedeckt? Wrden die Einnahmen, mit denen der Geschftspartner kalkulierte, auch wirklich fließen? Wer Rat in solchen Fragen suchte, konnte die kommerzielle Literatur konsultieren, die in England bereits im 17. Jahrhundert einen betrchtlichen Umfang erreichte. Allerdings handelte es sich berwiegend um Pamphlete und kurze, oftmals nicht mehr als zwei bis drei Seiten umfassende Gelegenheitsschriften, die von anonymen Autoren im Hinblick auf Gesetzgebungsinitiativen oder andere aktuelle Fragen verfasst worden waren. Bevor Adam Smith mit seinem Werk „Wealth of Nations“ (1776) einen – in der Bewertung des Marktmechanismus durchaus ambivalenten – Kanon akademischer Literatur zu çkonomischen Fragen begrndete, vermochten sich daher selbst diejeni1 Vgl. Nightingale, Money and Credit, S. 54 f.

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gen, die sich mehrfach zu Wort meldeten, nicht als Autoritt in çkonomischen Fragen zu etablieren. Bezeichnenderweise klagten gelehrte Gentlemen, die in der Literatur ihrer Zeit bewandert waren, ber das „boundless chaos of matter, relating to commerce“.2 Die Meinungen ber den Nutzen und die Risiken der national debt gingen weit auseinander ; und wenn unerwartete Effekte von Massenhandeln auftraten, wie anlsslich des South Sea Bubble, des ersten Londoner Bçrsenkrachs im Jahr 1720, der zahlreiche Geschftsleute und eine unbekannte Anzahl von Kleinanlegern in den Bankrott strzte, standen selbst die Experten ratlos dar und berließen den Literaten und Journalisten die Interpretationshoheit.3 Dieses Unvermçgen, die Marktprozesse nachzuvollziehen, spiegelt sich im Sprachgebrauch des frhen 18. Jahrhunderts wider. Ursprnglich eine Bezeichnung fr den Ort und die Zeit, wo gehandelt wurde, sowie fr den Akt des Kaufens und Verkaufens, wurde das Wort market zunehmend auch als Abstraktum verwandt.4 Doch diese Verwendung war unbestimmt, und die Funktionsweise des Marktes blieb im Dunkeln. Im Grunde waren mit dem Abstraktum market nicht mehr als Interaktion oder Austausch gemeint, weshalb das Wort auch als Verb gebruchlich war. Um Nheres zu erfahren, begaben sich bezeichnenderweise selbst diejenigen, die von Berufs wegen mit Handels- und Geldgeschften befasst waren, in traditioneller Weise persçnlich ,auf den Markt‘. Nicht alle Marktpltze in diesem Sinn waren in ihrer Architektur so wohl durchdacht wie jener in Abbildung 8 und 9, der die Besucher systematisch zur „Kreuzung sozialer Kreise“ (Georg Simmel)5 veranlasste und daher im folgenden Kapitel ausfhrlicher beschrieben wird. Doch wo immer die Interaktion erfolgte: Sie bewirkte das, was die neuere Marktsoziologie „Einbettung“ des Markthandelns in lebensweltliche Zusammenhnge nennt.

2 [M. Postlethwayt], A dissertation on the plan, use, and importance, of the universal dictionary of trade and commerce, 1749, zit. nach Hoppit, The Contexts and Contours of British Economic Literature, S. 103. Hoppit korrigiert in diesem Aufsatz indirekt die von Appleby in ihrer Studie „Economic Thought and Ideology in Seventeenth Century England“ vertretene These, dass es in Einzelfragen so etwas wie eine herrschende Meinung gegeben habe. Solche stromlinienfçrmig rekonstruierten ußerungen sind ihm zufolge allenfalls im Hinblick auf die Wissenschaftsgeschichte der konomie von Interesse, aber spielten im Alltag der Englnder keine Rolle. Vgl. zu der Problematik auch Blaug, Economic Theory in Retrospect, S. 10 – 32. 3 Vgl. Stratmann, Myths of Speculation; Hoppit, Attitudes to Credit in Britain. Wie nachhaltig die zeitgençssische Mythenbildung sogar die Historiographie ber den South Sea Bubble verzerrte, zeigt ders., The Myths of the South Sea Bubble. 4 Vgl. N. Davis, The Proxymate Etymology of Market; Swedberg, Markets as Social Structures, S. 255. Vgl. auch die Erçrterung der Problematik bei Agnew, Worlds Apart: The Market and the Theatre, S. 40 – 43, und die Einbeziehung der sozialgeschichtlichen Realitt bei Hann, Modernity and the Marketplace. 5 Die Formulierung wird hier frei nach Simmel im Adjektiv, nicht im Nominativ verwandt. berdies findet der Markt in dem einschlgigen Kapitel seiner „Soziologie“ (S. 305 – 344) keine Erwhnung.

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Abb. 8: Innenhof der Royal Exchange, 1644. Kupferstich von Wenceslas Hollar.

1. Vertrauensbildende Maßnahmen Als wichtigster Marktplatz fr Geldgeschfte galt die Royal Exchange in London. Zwischen Cornhill und Threadneedle Street im Herzen der City gelegen, war dieses internationale Handelszentrum von dem Kaufmann und kçniglichen Berater Sir Thomas Gresham im Jahr 1565 errichtet und von Elisabeth I. mit dem Attribut „Royal“ ausgestattet worden. Als das große Feuer von 1666 auch die Royal Exchange vernichtete, wurde sie nach den alten Plnen in grçßerem Maßstab wieder aufgebaut. Auch andere englische Stdte errichteten Gebudekomplexe dieses Formats, doch der in London war der grçßte und wurde am meisten frequentiert.6 Die Royal Exchange bestand im Wesentlichen aus berbauten Arkaden, die zum Teil nach dem regionalen Schwerpunkt des dort betriebenen Handels benannt waren (z. B. „Italian“ oder „Dutch walk“) und einen Innenhof fr maximal 8.500 Personen umschlossen. In den Arkaden waren Luxuswaren aus bersee sowie kommerzielle Literatur, Zeitungen, Preislisten und Werbebroschren erhltlich. Versicherungen hatten dort ihre Bros und Wirtschaftszeitungen ihre Redaktionen; Juristen, Notare, Schreiber und Kopisten 6 Vgl. Glaisyer, The Culture of Commerce, S. 41, sowie die Aufstze und Abbildungen in Saunders, The Royal Exchange. Zu den Nachfolgeinstitutionen in anderen Stdten: Westerfield, S. 349.

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Abb. 9: Fußbodenmosaik im Neubau der Royal Exchange. Musterzeichnung von John Seller, 1669.

boten ihre Dienste an. Die meisten, die sich zur exchange time einfanden, waren Kaufleute, Bankiers und Investoren, in Einzelfllen auch Damen, die Aktiengeschfte ttigen wollten. Unter den Arkaden der Royal Exchange, im Innenhof, aber auch in den zahlreichen coffee houses der Exchange Alley und der angrenzenden Gassen suchte man Geschftsbeziehungen, verhandelte ber Preise und Konditionen. Hier verbreiteten sich in Windeseile Informationen ber Investitionsprojekte, Gewinnchancen, Skandale und – zum Teil in Form schriftlicher Listen – die Reputation einzelner Marktteilnehmer. Es bildeten sich zugleich die Kriterien fr ,ehrenhaftes‘ bzw. ,unehrenhaftes‘ Verhalten und die angemessene Reaktion darauf heraus.7 Die Royal Exchange war der Ort in London, wo man, wenn nichts dagegen sprach, seinem Gegenber Vertrauen entgegenbringen durfte, aber letztlich auch musste: „He that gives no trust, and takes no trust, either by wholesale or by retail … is not yet born“, schrieb Daniel Defoe 1725 in „The Complete English Tradesman“, „or if there ever were any such, they are all dead“.8 7 ber die internationale Vernetzung dieses Informationssystems vgl. Neal u. Quinn, Networks of information, S. 7 – 26. 8 Defoe, Tradesman, S. 326.

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In der Entstehungszeit der Royal Exchange hatte sich der Aktienhandel noch in engen Grenzen entwickelt; so gab es 1689 erst 15 grçßere Aktiengesellschaften.9 Unter dem Eindruck der Finanzrevolution seit Ende des 17. Jahrhunderts nahm er jedoch einen betrchtlichen Aufschwung. Nun begannen professionelle broker, An- und Verkufe von Wertpapieren fr diejenigen zu erledigen, denen die nçtige Zeit und das Fachwissen fehlte oder die lieber anonym bleiben wollten. Auf eigene Rechnung handelnde jobber etablierten sich als Zwischenhndler, so dass Kauf und Verkauf beschleunigt und auch dann mçglich wurden, wenn es kurzfristig keine Interessenten gab. Aus den Reihen der broker und jobber kam es gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu Bestrebungen, den direkten Marktzugang fr ihresgleichen zu monopolisieren, um sachadquate Regeln und Konventionen zu entwickeln und durchzusetzen. Im Jahr 1801 wurde die London Stock Exchange schließlich formell gegrndet und bekam die Rechtsform eines trust.10 In der Versicherungsbranche bildeten mehrere auf Seeversicherungen spezialisierte Unternehmer, die sogenannten underwriter, nach dem South Sea Bubble von 1720 eine lockere Vereinigung in Lloyd’s Coffee House, um sich als seriçse Alternative zu bestimmten Kollegen zu profilieren, die Versicherungen als Wetten verkauften.11 Im Jahr 1771 bildeten auch die underwriter einen trust und separierten sich rumlich – der eigentliche Beginn von Lloyd’s of London.12 Die Bank of England, die Kapitalbesitzern Gelegenheit gab, außer in private Unternehmungen auch in die von der Krone gefhrten Kriege zu investieren, hatte sich, wie skizziert, bereits 1694 außerhalb der Royal Exchange etabliert – auch sie in der Rechtsform des trust. Auf diese Weise wurden Geldgeschfte tendenziell unabhngig von der individuellen Moral der Geschftspartner, zugleich aber auch brokratischer, abstrakter und anonymer. Reputation als offen gehandelte Whrung verlor an Bedeutung, jedenfalls in der City of London. Die Erzeugung von Vertrauen wurde Experten berlassen, deren Handeln am Erfolg kontrolliert werden konnte – ein Paradebeispiel fr den Mechanismus, den der Soziologe Niklas Luhmann „Reduktion sozialer Komplexitt“ genannt hat: „Einer vertraut dem anderen vorlufig, daß er unbersichtliche Lagen erfolgreich meistern wird

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Angabe nach Michie, Stock Exchange, S. 15. Vgl. ausfhrlich ebd., S. 15 – 36. S. dazu unten S. 101. Die lockere Organisationsform ist darauf zurckzufhren, dass der Bubble Act von 1720 die London Assurance und die Royal Exchange Assurance, die den Kçnig bestochen hatten, mit einem Monopol ausgestattet hatte und anderen Unternehmen nur die Mçglichkeit ließ, durch Einzelpersonen ttig zu werden. Diese Organisationsform wurde bis heute beibehalten, so dass man nicht „bei“, sondern „ber Lloyd’s“ versichert ist. Vgl. ausfhrlich Flower u. Wynn Jones, Lloyd’s of London, S. 40 ff., 54 ff.

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…, und der andere hat auf Grund solchen Vertrauens grçßere Chancen, tatschlich erfolgreich zu sein.“13 Allerdings fand die Entwicklung zunchst nur bei den neuen professions der Finanzwelt Akzeptanz. Die breite Bevçlkerung vermochte keineswegs eine vertrauensbildende Maßnahme darin zu erkennen, dass das çkonomische Interesse auf diese Weise von persçnlichen Sympathien und Emotionen entlastet wurde. Die Entwicklung erzeugte vielmehr Misstrauen, zumal den meisten Zeitgenossen unverstndlich blieb, wie die neuen Institutionen funktionierten und welche konkreten Interessen die Akteure verfolgten. Insbesondere die stock jobber galten als korrupt und gefhrlich fr die Gesamtçkonomie.14 In der Geschftspraxis der ,kleinen Leute‘ – und das waren die meisten Akteure der Marktvergesellschaftung in England – blieb die Wertschtzung der ber Face to Face-Kontakte versicherten Reputation daher im 18. Jahrhundert ebenso groß wie in den vorangehenden Jahrhunderten. Mit der Zunahme des Kreditbedarfs und der Verlngerung der Kreditketten wurde dieser Faktor vermutlich sogar noch wichtiger. Denn im Unterschied zu kontinentaleuropischen Lndern verstand sich die Krone nur in Ausnahmesituationen dazu, der allgemeinen Mnzknappheit dadurch zu begegnen, dass sie neues Geld in Umlauf brachte.15 Dementsprechend sollen im Jahr 1745 zwei Drittel aller geschftlichen Transaktionen in England, in manchen Branchen sogar vier Fnftel auf Kredit erfolgt sein.16 In dieser Situation war letztlich jedermann Glubiger und Schuldner zugleich und durch zahlreiche Kreditvertrge (in der Regel mndliche covenants, bonds oder contracts) mit den Menschen in seiner Umgebung und indirekt mit deren jeweiligen Geschftspartnern verbunden. Das war auf dem Land nicht anders als in den Stdten, kam es doch sogar vor, dass sich Landeigentmer bei ihren Knechten und Mgden Geld borgten, um bis zur nchsten Zahlung des Pchters flssig zu bleiben. Umgekehrt verliehen Landeigentmer Geld an ihre Arbeiter in der Hoffnung, dass diese den Betrag eines Tages zurckzahlten, und sei es in Waren oder Arbeitsleistung.17 Obwohl in der Regel ein Flligkeitstermin vereinbart wurde und sumigen Zahlern sogar eine Gefngnisstrafe drohte, waren die meisten Glubiger mit der Eintreibung von Forderungen zurckhaltend, insbesondere wenn sich der Schuldner gutwillig zeigte und zumindest symbolische Summen aufbrachte. Denn wer seine Schuldner allzu sehr bedrngte, signalisierte zugleich seine eigene Kreditbedrftigkeit, und das konnte der eigenen Reputation in der community schaden. 13 Luhmann, Vertrauen, S. 31. Die Formulierung von der Reputation als Whrung nach Muldrew, Economy, S. 7. 14 Vgl. Michie, Stock Exchange, S. 23 f.; Ellis, The Coffee-House, S. 174 – 177. 15 Vgl. Nightingale, Money, S. 53. Zum Folgenden vgl. Muldrew, Economy, S. 329 u. passim; Hoppit, The Use and Abuse of Credit; ders., Attitudes; Anderson, Money and the Structure of Credit, S. 86 – 89; Brewer, Commercialization and Politics, S. 203 – 207. 16 Angaben nach Westerfield, S. 385. 17 Die Beispiele nach Biernacki, New Evidence, S. 38 f.; vgl. auch Muldrew, Economy, S. 153.

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Die Orientierung an den Erwartungen der community bestimmte auch die Ausgestaltung der Geldbeziehungen in der breiten Bevçlkerung. So prgte der Wunsch, durch das individuelle Verhalten den Erwartungen der Mitmenschen zu gengen, das Handeln der Mitglieder von ungezhlten lokalen associations und societies fr vielfltige Zwecke, die seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert wie Pilze aus dem Boden schossen.18 Er war insbesondere fr die sogenannten friendly societies (auch benefit oder box clubs genannt) maßgebend. In diesen Versicherungskassen auf Gegenseitigkeit schlossen sich Berufskollegen, Nachbarn oder Mitglieder religiçser Sekten zusammen, um einander bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Todesfllen zu untersttzen. Dabei ging es in den selbstverwalteten friendly societies nicht nur um Reputation, sondern auch um die Demonstration von Solidaritt, auf die man mçglicherweise selber einmal angewiesen sein wrde. Hinzu kam, dass die çrtlichen Kassen angesichts der hohen geographischen Mobilitt in der englischen Gesellschaft wichtige Funktionen fr die gesellschaftliche Integration der Migranten erfllten. Ein gewisses Maß an Offenheit fr Fremde kennzeichnete daher jede friendly society, deren board diese Funktion fr die community ernst nahm, zumal die engen Beziehungen der Mitglieder untereinander auch ein hohes Maß an sozialer Kontrolle ermçglichten.19 Nicht zuletzt dadurch unterschieden sich die lokalen Untersttzungskassen von den profitorientierten Lebens-, Feuer- und sonstigen Versicherungen, deren Kunden einander nicht kannten und die Policen nicht selten sogar an Dritte weiterverkauften.20 Als die ersten dieser kommerziellen Versicherungsunternehmen zu Beginn des 18. Jahrhunderts am Markt auftraten, blickten die friendly societies schon auf eine jahrhundertealte Tradition zurck; die lteste in den Quellen nachgewiesene Vereinigung dieser Art datiert auf das Jahr 1555.21 Im Jahr 1793 versuchte der Gesetzgeber mit dem Friendly Societies Act (Rose’s Act) erstmals, sich durch eine Registrierungspflicht einen berblick ber den Umfang des Kassenwesens zu verschaffen und die einzelnen Vereinigungen zu regulieren, denn die societies standen mittlerweile aus vielerlei Grnden im Kreuzfeuer der Kritik: Theologen und Evangelikale stçrten sich daran, dass die Geschfte zumeist in einer Kneipe erledigt wurden, so dass der Kassenzweck verschiedentlich hinter die dort entstehende Geselligkeit zurcktrat. Arbeitgeber und lokale Obrigkeiten befrchteten die Zweckentfremdung der Gelder fr Arbeitskmpfe und – unter dem Eindruck der Franzçsischen Revolution – fr politische Verschwçrungen. Die Vertreter der entstehenden Versicherungswirtschaft, die in den societies eine unliebsame Konkurrenz 18 Vgl. Brewers Ausfhrungen ber „Credit, Clubs and Independence“ im Rahmen des Aufsatzes Commercialisation and Politics. 19 Vgl. Kowalski Wallace, The Needs of Strangers; Cordery, British Friendly Societies; sowie das ltere Standardwerk von Gosden, The Friendly Societies. 20 Vgl. Geoffrey Clark, Life Insurance, S. 21 – 25. 21 Kowalski Wallace, S. 69.

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erkannten, unterstellten ihnen Misswirtschaft und Unfhigkeit zur Risikokalkulation. Dieser letzte Vorwurf war mçglicherweise berechtigt. Dennoch blieb die Anzahl derjenigen Zeitgenossen, die sich bei den lokalen Kassen versicherten und dort die Chance wahrnahmen, sich persçnlich kennenzulernen, betrchtlich grçßer als die Kundschaft der kommerziellen Unternehmen. Im Jahr 1803 gab es in England und Wales nach offiziellen Angaben knapp 10 000 registrierte friendly societies mit mehr als 700 000 Mitgliedern. Die Zahl bezeichnet indes nur die Spitze des Eisbergs, denn die meisten Kassen vermieden es, sich registrieren zu lassen und ihre Existenz damit çffentlich zu machen. Fr grçßere Stdte wurde geschtzt, dass sich um 1800 zwischen 40 und 50 Prozent der arbeitenden Bevçlkerung auf diese Weise gegen verschiedene Risiken versichert hatten.22 Vor diesem Hintergrund berrascht es nicht, dass Handreichungen fr Kaufleute, çkonomische Traktate, aber auch erbauliche Lektren und Dramen, die den Zeitgenossen ein reputierliches Verhalten empfahlen, sich an der Referenzgrçße einer imaginren community orientierten.23 Ob man solche Empfehlungen auch in einem religiçsen Kontext zu sehen hat, wie insbesondere der klassische Aufsatz von Max Weber ber „Die Protestantische Ethik und der ,Geist‘ des Kapitalismus“ (1904/05)24 nahelegt, ist dagegen zweifelhaft. Historiker und Soziologen, die eine Vielzahl solcher Schriften analysiert haben, konnten jedenfalls nur in wenigen Fllen Belege fr den von Weber behaupteten Zusammenhang zwischen Geschfts- bzw. Berufserfolg einerseits, der Suche nach gçttlichen Gnadenerweisen andererseits entdecken, und diese Beispiele wurden im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts immer seltener.25 Als ebenso unergiebig erwies sich fr die Wissenschaftler die Analyse von Tagebchern und Briefen. Auch darin trennten die Zeitgenossen klar zwischen Verhaltensformen, die den Umgang mit den Mitmenschen betrafen, und solchen, die auf das Verhltnis zu Gott gerichtet waren; fr letztere verlegten sie sich auf Gebete und Predigten.26 Es spricht daher wenig dafr, in die zentrale Quelle Webers, den „Advice to a Young Tradesman“ (1748) des Universalgelehrten Benjamin Franklin, eines 25 Jahre in London lebenden Amerikaners, mehr hineinzuinterpretieren als 22 Angaben nach Peter Clark, British Clubs, S. 350. Weitere Daten bei Gorsky, The Growth and Distribution of English Friendly Societies. Geoffrey Clark gibt die Zahl der Kunden von kommerziellen Lebensversicherungen fr das frhe 18. Jahrhundert mit 12 000 an; vgl. Life Insurance, S. 18. 23 Vgl. Muldrew, Economy, Kap. 5 – 6; ders., Zur Anthropologie des Kapitalismus; vgl. auch Finn, The Character of Credit, S. 25 – 105. 24 In: M. Weber, Gesammelte Aufstze zur Religionssoziologie I, S. 17 – 206. 25 Vgl. Rothenberg, „The Diligent Hand Maketh Rich“, S. 233. Einer der umfangreichsten Ratgeber der Zeit, Defoes „Complete English Tradesman“, kommt bezeichnenderweise fast ganz ohne Verweise auf die Religion aus. 26 Vgl. stellvertretend Cohen, Protestantism and Capitalism; Biernacki, Evidence (auf der Basis einer Analyse von 40 Selbstzeugnissen).

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das, was sie konkret empfahlen: nmlich in einer Umwelt, in der man auf pekuniren wie moralischen Kredit gleichermaßen angewiesen war, stets seinen geschftlichen Verpflichtungen nachzukommen und auf die Wahrung der Reputation zu achten.27 Bedenke, daß Kredit Geld ist. Lßt jemand sein Geld, nachdem es zahlbar ist, bei mir stehen, so schenkt er mir die Interessen, oder so viel als ich whrend dieser Zeit damit anfangen kann. [… ] Bedenke, daß – nach dem Sprichwort – ein guter Zahler der Herr von jedermanns Beutel ist. Wer dafr bekannt ist, pnktlich zur versprochenen Zeit zu zahlen, der kann zu jeder Zeit alles Geld entlehnen, was seine Freunde gerade nicht brauchen. Dies ist bisweilen von großem Nutzen. Neben Fleiß und Mßigkeit trgt nichts so sehr dazu bei, einen jungen Mann in der Welt vorwrts zu bringen, als Pnktlichkeit und Gerechtigkeit bei allen seinen Geschften. Deshalb behalte niemals erborgtes Geld eine Stunde lnger als du versprachst, damit nicht der Aerger darber deines Freundes Bçrse dir auf immer verschließe. Die unbedeutenden Handlungen, die den Kredit eines Mannes beeinflussen, mssen von ihm beachtet werden. Der Schlag deines Hammers, den dein Glubiger um 5 Uhr morgens oder 8 Uhr abends vernimmt, stellt ihn auf sechs Monate zufrieden; sieht er dich aber am Billardtisch oder hçrt er deine Stimme im Wirtshause, wenn du bei der Arbeit sein solltest, so lßt er dich am nchsten Morgen um die Zahlung mahnen, und fordert sein Geld, bevor du es zur Verfgung hast. Außerdem zeigt dies, daß du ein Gedchtnis fr deine Schulden hast, es lßt dich als einen ebenso sorgfltigen wie ehrlichen Mann erscheinen und das vermehrt deinen Kredit.28

Max Webers Interpretation des Zusammenhangs von „Protestantischer Ethik“ und „Geist des Kapitalismus“ ist heute ohnehin nur noch ein reizvolles Gedankenspiel, weil sie der Quellenkritik nicht standhlt. Denn Weber rezipierte Franklins „Advice to a Young Tradesman“ in einer bersetzung, die lckenhaft und in eine verzerrende Interpretation eingebettet war.29 Angesichts der nachhaltigen Faszinations seiner These in den Sozialwissenschaften, aber auch der großen Bedeutung, die der Religionsgeschichte fr die Historiographie der Frhen Neuzeit zukommt, erscheint es dennoch angezeigt, an dieser Stelle zwei weitere Einwnde aus englischer Perspektive zu ergnzen. 27 Die hier vertretene Interpretation lsst Franklins „Advice to a Young Tradesman“ als Musterbeleg fr die in der neueren Wirtschaftssoziologie diskutierte Beobachtung erscheinen, dass performative Akte von Marktteilnehmern offenbar unverzichtbar fr das Zustandekommen von Austauschrelationen sind. Diesen Zusammenhang entwickelt Beckert, Vertrauen. 28 Zit. nach der bersetzung bei M. Weber, Protestantische Ethik, S. 31 f. 29 Vgl. Ptz, Max Webers und Friedrich Krnbergers Auseinandersetzung; Kamphausen, Die Erfindung Amerikas. Zu weiteren Quellentexten, die Weber in seinem Aufsatz verwandte und hnlich großzgig interpretierte, vgl. Metzger, Webers Quellen.

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Der erste Einwand betrifft Webers Behauptung, fr die moderne Arbeitsund Berufsethik seien in England insbesondere die Puritaner disponiert gewesen. Zu dieser Aussage ist zu bemerken, dass die Puritaner eine von mehreren protestantischen Sekten außerhalb der Anglikanischen Staatskirche waren und alle diese Sekten – zu ihnen gehçrten auch z. B. die Presbyterianer und Independents, Baptisten und Quker – zusammen deutlich weniger als zehn Prozent (1715) der englischen Bevçlkerung umfassten. Akzeptierte man Webers Argument, wrde sich angesichts der weit fortgeschrittenen Kommerzialisierung von Wirtschaft und Gesellschaft die Frage aufdrngen, warum denn nur so wenige Englnder eine „Protestantische Ethik“ ausgebildet haben sollten. Die Frage erbrigt sich jedoch, weil sich hnliche Ratschlge zu verantwortungsvollem Handeln im Geschfts- und Arbeitsleben, wie sie bei Benjamin Franklin zu lesen sind, auch z. B. bei Reprsentanten und Anhngern der Anglikanischen Staatskirche nachweisen lassen.30 Der zweite Einwand fasst die Kritik grundstzlich, kann man doch Weber entgegenhalten, dass die Marktgesellschaft in England mehrere Jahrhunderte vor den Puritanern, ja sogar vor der Reformation entstanden ist. Plausibler als seine These von der Entstehung des „Geists des Kapitalismus“ aus der „Protestantischen Ethik“ erscheint daher der umgekehrte Zusammenhang, den der Wirtschaftshistoriker Richard Henry Tawney, ein Zeitgenosse Webers, schon 1922 zu bedenken gegeben hat: die Prgung des religiçsen Denkens durch den weltlichen Rahmen, in den es „eingebettet“ war, und die damit einhergehende Funktionalisierung der Religion fr rationales çkonomisches Handeln.31 Soweit dies gelang, kann man sagen, dass die englische Marktgesellschaft eine wichtige Vertrauensbasis erfolgreich selber erzeugt hatte und diese bereits in der Frhen Neuzeit nutzen konnte.

30 Die im Text erwhnten Sekten, die vergleichsweise mitgliederstark waren, reprsentierten 6,4 Prozent der Bevçlkerung; vgl. Hoppit, Land of Liberty, S. 220. Zur Arbeitsethik der Anglikaner vgl. Sommerville, The Anti-Puritan Work Ethik. 31 Vgl. Tawney, Religion and the Rise of Capitalism, S. 312: „The development of capitalism in Holland and England … was due, not to the fact that they were Protestant powers, but to large economic movements … Of course material and psychological changes went together, and of course the second reacted on the first. But it seems a little artificial to talk as though capitalist enterprise could not appear till religious changes had produced a capitalist spirit. It would be equally true, and equally one-sided, to say that the religious changes were purely the result of economic movements.“ Weitere Argumente gegen Weber, die sich aus der englischen Geschichte ergeben, erçrtert Rubinstein, The Weber Thesis.

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2. Fakten, Neuigkeiten und das Prinzip der Periodizitt Nicht nur die ,weichen‘ Informationen ber die allgemeine und die Zahlungsmoral der Geschftspartner zhlten. Mindestens ebenso interessiert waren die Zeitgenossen des 17. und 18. Jahrhunderts an den ,harten‘ Fakten des Marktgeschehens, denn nur in deren Kenntnis konnten sie rational wirtschaften. Dieses Interesse hatte eine individuelle und eine gesellschaftliche Dimension. Die individuellen Kaufleute und auch manche gewerbliche Produzenten bemhten sich um eine systematische, gegebenenfalls sogar doppelte Buchfhrung ber die Einnahmen und Ausgaben ihres Unternehmens. Allerdings darf man diese Methode der Selbsterzeugung von Marktdaten fr das 17. und 18. Jahrhundert nicht berschtzen, wie dies etwa in Werner Sombarts Buch „Der modernem Kapitalismus“ geschieht.32 Zum einen begngten sich die meisten Unternehmer mit sporadischen Eintragungen. Zum anderen diente die Buchfhrung, ob doppelt oder einfach, im Kontext der Zeit primr der Demonstration geordneter Verhltnisse und eines methodischen Vorgehens, weniger der nachtrglichen Vergewisserung ber ,richtige‘ und ,falsche‘ wirtschaftliche Entscheidungen. In dieser Hinsicht konnte sie in der Tat nur bei wirklich großen, arbeitsteilig organisierten Unternehmen neue, ber das unmittelbare Erfahrungswissen hinausgehende Erkenntnisse bringen.33 Ein geradezu existentielles Interesse hatten Kaufleute und andere çkonomisch interessierte Zeitgenossen hingegen an den Rahmendaten des Wirtschaftens in England, auf den britischen Inseln generell und in der Welt.34 Die in diesem Zusammenhang betriebene „Political Arithmetic“ gab dem allgemeinen Interesse an Informationen eine gesellschaftliche Dimension. Zu den Beobachtungsfeldern der neuen Wissenschaft gehçrten die Bevçlkerungsentwicklung inklusive des Heiratsverhaltens, der Geburtenhufigkeit und der Todesursachen, ferner die Dokumentation von Epidemien und anderen ußerungen des „divine management“. Auch Informationen ber Stçrungen der çffentlichen Ordnung, wirtschaftlich relevante Gerichtsentscheidungen, innenpolitische Entwicklungen und den Verlauf von Kriegen, auch zwischen dritten Lndern, wurden mitgeteilt.35 Das Interesse an Daten und Fakten intensivierte sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts und fhrte dazu, dass an der Royal Exchange in London ent32 Vgl. Sombart, Kapitalismus, Bd. 2/1, S. 118 – 125. 33 Vgl. Yamey, Scientific Bookkeeping, S. 99 – 113, hier S. 110 f.; Poovey, A History of the Modern Fact, S. 30 – 32. Auf die geringe Verbreitung der Doppelten Buchfhrung weist Muldrew, Economy, S. 2, hin; vgl. auch Edwards u. a., British Central Government. 34 Anderson argumentiert, dass diese genannten Informationen und nicht die allgemeine Rechenhaftigkeit des Wirtschaftens fr den Handelssektor entscheidend waren; vgl. Entrepreneurship, S. 158 f., 169. 35 Vgl. Buck, Seventeenth-Century Political Arithmetic, S. 83.

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sprechende Broschren und andere Druckschriften zustzlich zu den Listen mit Preisen, Wechselkursen und Auktionsterminen vertrieben wurden. Die Nachfrage nach derartigen Informationen wuchs mit der Finanzrevolution im ausgehenden 17. und frhen 18. Jahrhundert rapide an, nicht zuletzt infolge der immer engeren Verbindungen des Finanzplatzes London mit Paris und Amsterdam. Nun erschienen auch wirtschaftliche Informationen in Broschren und Zeitungen fr ein breiteres Publikum. Wenig berraschend, verallgemeinerte sich zu dieser Zeit die Meinung, dass die gesellschaftliche Entwicklung nicht nur gottgegeben, sondern von den Menschen selber mitzugestalten, mithin durch kluge Politik zu beeinflussen sei.36 Die nach der Glorious Revolution vom Parlament eingesetzten Kommissionen und die von diesen in Auftrag gegebenen Erhebungen ber den Umfang der bewaffneten Einheiten, die Schiffsbestnde der Navy und das Wachstum der national debt bildeten ebenfalls eine wichtige Datenbasis fr çkonomisch Interessierte. Allein in den fnf Jahren zwischen 1715 und 1719 publizierte das House of Commons 286 „Accounts and Papers“, von denen die meisten militrische und fiskalische Informationen vermittelten. Um 1750, als die Pessimisten unter den politischen Beobachtern aufgrund der wachsenden national debt den Staatsbankrott voraussagten, nahm die Produktion solcher Berichte noch weiter zu, denn die Optimisten wollten mit Fakten kontern. In dieser Zeit wurden enorme Fortschritte hinsichtlich der Akkuratesse und Verlsslichkeit der Parlamentsberichte erzielt, und in Whitehall und Westminster entwickelte sich eine elaborierte Kultur der Rechnungslegung.37 Die Grenzen solcher Erhebungen waren jedoch offensichtlich. So wurden die Daten recht unsystematisch gesammelt, weil das Personal und die Mittel fehlten, um etwa alle Kirchensprengel des Landes zu erfassen. berdies gab es Vorbehalte gegen einen allgemeinen Zensus, insbesondere wenn er auch die Eigentumsverhltnisse umfassen sollte. Eine derartige ,Schnffelei‘ von Staats wegen sei mit den englischen Freiheiten nicht zu vereinbaren, lautete das Argument. Vor allem aber wurden die Statistiken nicht aufbereitet. Sie enthielten nur absolute Zahlen, nicht einmal Prozentangaben, und graphische Darstellungen waren unblich. Das Maximum an didaktischer Raffinesse stellten tabellarische bersichten dar.38 Mehr noch als heute waren die in Pamphleten, Zeitungen und anderen Druckerzeugnissen mitgeteilten Informationen interpretationsbedrftig. Zu einem beliebten Ort fr derartige Erçrterungen entwickelten sich die coffee houses. Das erste Lokal dieser Art, das Pasqua Rosee, war 1652 im Londoner Finanzdistrikt, genauer : in der St Michael’s Alley, Cornhill, gleich neben der Royal Exchange entstanden. Seine Initiatoren waren Kaufleute der 36 Vgl. ders., People Who Counted, S. 28. Zur Datierung vgl. Glaisyer, S. 4 f. 37 Vgl. Hoppit, Checking the Leviathan, 1688 – 1832, S. 274, 276 ff., 291. 38 Vgl. Buck, Seventeenth-Century Political Arithmetic, S. 33; Hoppit, Political Arithmetic, S. 532 ff.

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Levant Company, jener Handelsgesellschaft, die Geschfte mit dem Osmanischen Reich abwickelte. Sie hatten das Kaffeetrinken in Konstantinopel, Smyrna und Aleppo schtzen gelernt und wollten diese Gewohnheit nach ihrer Rckkehr beibehalten. Vor dem politischen Hintergrund von Cromwells Protektorat, der Restauration der Monarchie und dann der Finanzrevolution entwickelten sich dieses coffee house und seine Nachfolgeunternehmen zu Sttten der Geschftemacherei und des Austausches von politischen Neuigkeiten. Dazu trugen auch die zahlreichen Auslnder und Auswrtigen bei, die diese Lokale vorbergehend als ihr Zuhause betrachteten: „You have all manner of news there: you have a good Fire, which you may sit by as long as you please: you have a Dish or Coffee: you meet your Friends for the transaction of Business“, schrieb ein Besucher vom Kontinent 1719 in seinem Reisebericht, „and all for a penny, if you don’t care to spend more“.39 Anfang des 18. Jahrhunderts gab es in London 400 – 500 coffee houses, und auch in der Provinz entstanden solche Lokale.40 Mit Bezug auf den freien Zugang, die informelle Atmosphre, vor allem aber den Service, dass Zeitungen auslagen und Neuigkeiten diskutiert werden konnten, haben Intellektuelle des 19. und 20. Jahrhunderts diese Lokale mit der Herausbildung einer brgerlichen ffentlichkeit in Verbindung gebracht.41 Aus deutscher Sicht ist in dem Zusammenhang Jrgen Habermas mit seiner Studie „Strukturwandel der ffentlichkeit“ zu nennen, die erstmals 1962 publiziert wurde und immer noch als Standardwerk gilt.42 In den coffee houses seien sich einander fremde Individuen auf neutralem Grund als sozial Gleiche begegnet, argumentiert Habermas. Sie htten sich frei ber politische und moralische Fragen austauschen kçnnen und auf diese Weise eine partizipatorische Demokratie vorweggenommen. Er prsentiert die coffee houses als Vorlufer der europischen Salons und Tischgesellschaften des frhen 19. Jahrhunderts, die der hçfischen Kultur das neue Prinzip einer literarisch gebildeten ffentlichkeit entgegensetzten, und erklrt den „Kulturgtermarkt ,Stadt‘“ zur Basis der gesamteuropischen Bewegung der Aufklrung.43 Habermas’ Interpretation der coffee houses entstand vor dem Hintergrund der Suche nach Modellen fr den Aufbau einer modernen Demokratie in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Mittlerweile hat die kulturhistorische

39 Henri Misson de Valberg, Memoirs and Observations in his Travels over England, London 1719, S. 39 f., hier zit. nach Ellis, Introduction, S. 158. 40 Vgl. ders., Coffee-House, S. 172 (auch mit einer Diskussion der sehr viel hçheren Zahlen, die in der Literatur kursieren). 41 Eine bersicht ber diese Literatur findet sich ebd., S. 220 – 224. 42 Habermas, Strukturwandel der ffentlichkeit. 25 Jahre spter erfolgte die bersetzung ins Englische: The Structural Transformation of the Public Sphere; siehe dazu auch Calhoun, Habermas and the Public Sphere; sowie Lake u. Pincus, The Politics of the Public Sphere. 43 Vgl. insb. Habermas, Strukturwandel, S. 89, 92. Das Argument verallgemeinernd: Melton, The Rise of the Public.

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Forschung andere Akzente gesetzt und manche Korrektur vorngenommen.44 Unter anderem verkennt Habermas den Charakter von moralischen Wochenschriften wie „The Tatler“ (1709 – 11), „The Spectator“ (1711 – 12, 1714) und „The Guardian“ (1713), die er als Quellen heranzog. Diese Bltter, insbesondere die darin versuchte bertragung der Dialogform aufs Papier, bildeten nmlich keineswegs den realen Umgang der Besucher von coffee houses miteinander ab. Die Herausgeber Joseph Addison und Richard Steele versuchten vielmehr gerade jene anzusprechen, die in der Regel niemals einen Fuß in ein solches Etablissement setzten. Dazu gehçrten an erster Stelle Arbeiter. Ihr bevorzugter Treffpunkt waren brandy houses, von denen es allein in den proletarischen Wohnvierteln in und außerhalb der Londoner City etwa 8 000, also ein Vielfaches der coffee houses, gab.45 Auch ladies aus der entstehenden middle class waren in den von Mnnern dominierten coffee houses, wo nicht selten geflucht wurde und sexuelle Anzglichkeiten bzw. bergriffe gegen Kellnerinnen oder Eigentmerinnen vorkamen, trotz fehlender expliziter Verbote nicht zugelassen.46 Was Habermas – und nach ihm viele andere – als Beleg fr eine neue, kultivierte Form des geselligen Austausches verstanden, war, so gesehen, nicht mehr als ein neues journalistisches Genre, dessen Popularitt nicht zuletzt aus der geringen Reputation der Etablissements resultierte.47 Darber hinaus ist der lteren Forschung entgangen, dass zahlreiche jener coffee houses, die fr eine brgerliche Klientel mnnlichen Geschlechts zunchst in der Tat genauso offen waren wie fr Aristokraten und Hçflinge, Politiker und andere Prominente, mit der Zeit einer Tendenz zur Abschließung nach außen unterlagen. Das war zunchst bei jenen polite coffee houses der Fall, die sich vor allem im vornehmen Londoner Westend befanden. Sie wandelten sich seit den 1730er Jahren in exklusive gentlemen’s clubs um, d. h. sie verlangten eine hohe Eintrittsgebhr, und ber Neuaufnahmen entschieden die Mitglieder mittels Ballotage. Statt aufgeklrter Konversation standen in diesen clubs – neben einer vorzglichen Kche – vor allem Kartenspiel, Glcksspiel um beliebig hohe Summen und anderer Zeitvertreib im Vorder-

44 Die folgende Darstellung orientiert sich an der grndlichen Arbeit von Ellis, Coffee-House, insb. S. 185 – 206. Vgl. auch schon die Einleitung in Mackie, The Commerce of Everyday Life, insb. S. 32. 45 Anzahl nach Ellis, Coffee-House, S. 173. 46 Vgl. ebd., S. 185 – 206; ders., The Coffee-Women; Clery, Women, Publicity and the Coffee-House Myth. 47 Fr dessen breite Resonanz beim Publikum sprachen die Verkaufszahlen: „The Tatler“ und „The Spectator“ erreichten bis zu 3 000 Exemplare pro Nummer, und die gesammelten Exemplare eines Jahrgangs wurden gebunden in die Provinz und auf den europischen Kontinent versandt, wo sie die Idee des „coffee house“ und seiner diskursiven Geselligkeit verbreiteten – ein Verkaufserfolg, der im 18. Jahrhundert seinesgleichen suchte. Auflagezahl nach Ellis, Coffee-House, S. 191 f.

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grund. Einige dieser frhen gentlemen’s clubs, etwa White’s, Brooks und Boodles, bestehen noch heute.48 Zu denjenigen coffee houses, die sich nach außen abschlossen, gehçrten auch jene im Londoner Finanzdistrikt. Hier taten es die broker, jobber und andere Professionelle unter den Besuchern den Grndern der Stock Exchange und von Lloyd’s Versicherungsunternehmen gleich und versuchten, unlautere Konkurrenten sowie das breite Laienpublikum aus ihren Reihen zu verdrngen. Auch in diesen Fllen waren Aufnahmegebhren das probate Mittel zur Herstellung von Exklusivitt. Doch drften die Laien allein schon durch den in diesen Lokalen vorherrschenden Fachjargon abgeschreckt worden sein. Denn mit den kryptischen Informationen, die ihnen hier geliefert wurden, konnten Außenstehende kaum etwas anfangen, wie Thomas Mortimer, ein scharfer Kritiker des Bçrsenhandels, in seinem zwischen 1761 und 1807 14 mal neu aufgelegten Buch „Every Man his Own Broker“ deutlich machte: Tickets – Tickets – South Sea Stocks for the opening – Navy Bills – Bank Stock for the rescounters – Long Annuities – (here the waiter calls) Chance – Chance – Chance Mr Chance not here Sir, he is over at his Office – Here Tickets for August – Omnium Gatherum for September – Scrip for the third payment – 3 per Cent. consolidated, gentlemen […] Here Bank Circulation, who buys Bank Circulation – Tickets for the drawing, gentlemen – Well, what have you to do in Tickets for the drawing, Mr. Mulberry. – I am a seller of five hundred, Sir – and I am a buyer, Sir, but at what price? – Why, as you are a friend, Mr. Point-royal, I shall give you the turn, you shall have them at 14. […] Well, you shall have them, put ’em down.49

Das breite Publikum trauerte daher den coffee houses nicht nach, als mit der Zeit immer mehr von ihnen von der Bildflche verschwanden. Auch die Kaufleute, die sich Ende des 18. Jahrhunderts lngst in funktionalen Geschftsrumen trafen, brauchte sie nicht mehr (Abb. 10). Der Niedergang der coffee houses beschleunigte sich um 1815, als die Finanzkaufleute aufgrund der Chancen, die ihnen der boomende Immobilienmarkt erçffnete, ihre Wohnhuser in andere Stadtbezirke verlegten; denn von den zurckbleibenden Angestellten und Armen konnten die Wirte nicht existieren.50 Auch das individualisierte Zeitunglesen zu Hause trug zum Niedergang der coffee houses bei – eine Entwicklung, die durch vernderte politische und infrastrukturelle Rahmenbedingungen gefçrdert wurde. Bereits im Jahr 1695 war die Vorzensur auf Betreiben von Verlegern aufgehoben worden,51 so dass dem massenhaften Vertrieb von Druckerzeugnissen kein rechtliches Hindernis mehr entgegenstand. Wenig spter erleichterte die Anbringung von Hausnummern an die Huser den Postvertrieb; und seitdem das General Post 48 49 50 51

Vgl. ebd., S. 190, 214; ferner : Lejeune, The Gentlemen’s Clubs of London. S. 81 f., hier zit. nach Ellis, Coffee House, S. 176 f. Vgl. ebd., S. 214 f. Vgl. Zaret, Origins of Democratic Culture, S. 165.

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Abb. 10: Versicherungskontor von Lloyd’s of London im Jahr 1800. Zeichnung von Angus Charles Pugin und Thomas Rowlandson, 1809.

Office parittisch von Vertretern der Whigs und Tories geleitet wurde, verflchtigten sich die Befrchtungen, dass die Sendungen unterschlagen werden kçnnten.52 Vor allem aber nahm das Konzept einer zu schtzenden private sphere als Pendant und Korrektiv der public sphere Gestalt an.53 Es ußerte sich in einer neuen Abgeschlossenheit der Wohnhuser, der funktionalen Ausdifferenzierung der Wohnrume und in der neuen Sitte des Teetrinkens, einer Begleiterscheinung des Erfolgs der East India Company, als Rahmenhandlung der privaten Konversation. Fr die Befriedigung der zeitgençssischen Gier nach Fakten ist die private, individualisierte Lektre von Bchern, Broschren,54 vor allem aber von Zeitungen und Zeitschriften in England schon im frhen 18. Jahrhundert hçher zu veranschlagen als der çffentliche Diskurs der Nachrichten in den coffee houses. Die Bltter waren zahlreich und wurden keineswegs nur von Gebildeten gelesen. Zu jenen 65 Prozent erwachsener 52 Vgl. Sommerville, The News Revolution in England, S. 84. 53 Vgl. Heyl, A Passion for Privacy. 54 Zwischen 1660 und 1800 erschienen ungefhr 300 000 Bcher und Broschren, die sich zu einer Menge von etwa 200 Mio. Exemplaren addierten; Angabe nach Porter, The Creation of the Modern World, S. 73.

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Mnner, die des Lesens kundig waren, gehçrten auch Angehçrige der Unterschichten; sie hatten diese Fhigkeit zum Teil in Sonntagsschulen, zum Teil autodidaktisch erworben.55 Das Spektrum der Nachrichten wurde zusehends breiter, zumal es bald auch das lokale Geschehen mit einbezog. Whrend bis 1700 alle Zeitungen in London gedruckt worden waren, breiteten sich die Zeitungsverlage, beginnend mit dem der „Norwich Post“ (1701), danach auch in der Provinz aus. Um 1760 erreichten 35 Provinzbltter eine wçchentliche Gesamtauflage von 200 000 Stck, und diese verdoppelte sich bis 1800. Zu dem Zeitpunkt hatte lngst jede grçßere Stadt mindestens ein eigenes Blatt, das in der Regel auch in den umliegenden Dçrfern gelesen wurde.56 Auf der Basis der Einnahmen aus der Stempelsteuer, mit der Zeitungen belegt wurden, lsst sich die Gesamtzahl der Leser fr 1713 auf 2,5 Mio., fr 1750 auf 7,3 Mio. und fr 1801 auf 16 Mio. schtzen.57 Zum Vergleich: deutschsprachige „Intelligenzbltter“ erreichten um 1750 schtzungsweise 300 – 350 000, um 1800 knapp 1 Mio. Leser.58 Infolge dieses Wachstums nderten die Zeitungsmacher ungefhr um 1720 ihre Arbeitsweise. Sie warteten nun nicht mehr, bis die Nachrichten in ihrer Redaktionsstube eintrafen, sondern schickten Reporter auf die Suche nach Neuigkeiten.59 Dahinter steckte die Absicht, aktuelle Ausgaben in krzeren Zeitabstnden fllen zu kçnnen und so die Einnahmen weiter zu erhçhen, aber auch die berzeugung, dass das Publikum bereits an die periodische Erscheinungsweise gewçhnt sei und in seinen Erwartungen nicht enttuscht werden drfe. Dieser Erwartungsdruck hatte sich seit dem 17. Jahrhundert allmhlich aufgebaut. Denn nicht nur an der Royal Exchange kamen gedruckte Neuigkeiten bereits in diesem frhen Stadium pnktlich zur exchange time auf den Markt. Bald konnte man sich auch anderswo in London darauf verlassen, dass sie regelmßig mitgeteilt wurden. Die erwhnten Unterhaltungsbltter „The Tatler“ und „The Spectator“ erschienen zwischen 1711 und 1713 beispielsweise sechs Mal in der Woche, und wer es sich leisten konnte, der hatte in diesen Jahren Gelegenheit, die stolze Summe von 6 £ allein fr sechs wçchentlich bzw. 14-tgig erscheinende Wirtschaftszeitungen auszugeben.60 Fr die zweite Hlfte des 18. Jahrhunderts bildet Tab. 2 fr grçßere Londoner Bltter einen klaren Trend zur Tageszeitung ab.

55 Die Prozentzahl nach L. Stone, Literacy and Education, S. 120. Vgl. ferner Pollard, Die Bildung und Ausbildung; Lacqueur, The Cultural Origins of Popular Literacy in England; K. Thomas, The Meaning of Literacy in Early Modern England. 56 Vgl. Porter, Creation, S. 77 f., sowie Cranfield, The Development of the Provincial Newspapers. Zur Verbreitung im Umland vgl. Pawson, Transport and Economy, S. 34 u. passim. 57 B. Harris, Politics and the Rise of the Press, S. 12. 58 Stçber, Deutsche Pressegeschichte, S. 79. 59 Vgl. Sommerville, News Revolution, S. 15. 60 Glaisyer, S. 144, 184; Ellis, Coffee-House, S. 192.

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Tab. 2: Erscheinungsfrequenz Londoner Zeitungen 1746 – 179061 Jahr

zwei- oder dreiwçchentlich

wçchentlich

tglich

Gesamt

1746

6

6

6

18

1770

10

4

5

19

1783

7

?

9

?

1790

?

2

14

?

Die vom Marktgeschehen erzeugte Gier der Englnder nach Neuigkeiten und Fakten hatte einen allgemeinen kultur- und mentalittsgeschichtlichen Effekt, der seinerseits auf das Marktgeschehen zurckwirkte: Die Wahrnehmung von Zeitlichkeit nderte sich. Insbesondere die Tageszeitungen vermittelten den Eindruck des stets Neuen, von Wandel und Bewegung. Zwar gab es Berichtenswertes, das sich nicht an den tglichen Rhythmus hielt. Aber wenn die dailies nicht immer neue, wechselnde Informationen brachten, konnten sie als kommerzielle Unternehmen nicht berleben. Einige englische Zeitungen mochten daher im Kontext der Glorious Revolution und der nachrevolutionren Entwicklungen politisch reaktionr gewesen sein und – ebenso wie die allgemeine Literatur – die kulturelle Autoritt von Traditionen beschworen haben,62 konservativ im Sinne von ,beharrend‘ waren sie niemals. Das verhinderte die Marketing-Strategie Periodizitt, die Handlungsprozesse und skulare Entwicklungen ,zerhackte‘, sie in die Form von diskontinuierlichen Fakten – im Extremfall von ,nackten‘ Bçrsendaten und Sportergebnissen – brachte und dadurch den Eindruck permanenten Wandels erzeugte. Durch diesen Mechanismus wurde die Wahrnehmung auf die Gegenwart gelenkt und die Bindungen an Traditionen gelockert – allerdings um den Preis der Bindung an die nchste Ausgabe.63 Dieser Mechanismus der permanenten Erzeugung von Neuigkeit und Vergnglichkeit, damit auch des Gefhls von ,Zeitlosigkeit‘, wurde umso wirksamer, als die Presse im frhneuzeitlichen England ganz wesentlich dazu beitrug, dass das fr sie so vorteilhafte Prinzip der Periodizitt auch in andere gesellschaftliche Zusammenhnge Eingang fand. Dazu gehçrten neben Handel und Finanzen das Unterhaltungsgewerbe und der Kulturbetrieb im weiten Sinn. Die Presse war zwar nicht die einzige Instanz, die ein Interesse an der Durchfhrung und Verstetigung kultureller events bekundete, aber im Allgemeinen war sie die erste. Die sports, ursprnglich gesellige Vergngen vornehmer Gentlemen, bekamen schon im 18. Jahrhundert mit Hilfe der 61 B. Harris, S. 10. 62 Vgl. z. B. Kramnick, Making the English Canon. 63 Die Argumentation orientiert sich an Sommerville, News Revolution, S. 3 – 4, 10, 162.

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Presse einen festen Wettkampfkalender, der die traditionellen, von der Kirche, vom Erntezyklus und vom lokalen Brauchtum bestimmten Feiertage missachtete und darber hinaus bestimmte Wochentage fr einzelne Disziplinen – montags Cricket, dienstags Fußball, mittwochs Pferderennen etc. – reservierte, damit sie sich nicht gegenseitig Konkurrenz machten.64 Die sich beschleunigende Abfolge der Kleider-, Mçbel- und sonstigen Moden, welche die althergebrachten Konventionen ersetzten, wurde ebenfalls von der Presse mitbestimmt. Hatte sich die Kleidermode zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch alle zehn bis zwçlf Jahre verndert, wechselte sie gegen Ende des Jahrhunderts jhrlich, in den gehobenen Kreisen sogar monatlich.65 Im Musikleben entwickelte sich die Konzertsaison – allerdings zunchst nur fr die Aristokratie und die Reichen. Ihnen kndigten der „Spectator“ und das „Gentlemen’s Magazine“ Veranstaltungen mit Hndel, Haydn und anderen vom Kontinent geholten Komponisten an, um die Werke hinterher als „gçttliches Erlebnis“ zu berhçhen oder in Bausch und Bogen zu verreißen. Dieses ber das Prinzip der Periodizitt hergestellte Zusammenspiel zwischen Medien und kulturellen events lieferte immer neuen Gesprchsstoff und initiierte Meinungsbildungsprozesse. In die Diskurse wurden frhzeitig auch solche Bevçlkerungsgruppen, darunter viele Frauen, mit einbezogen, die nicht tglich die Zeitung zu lesen pflegten. Deshalb sollen im folgenden Kapitel die Vergesellschaftungseffekte des Kulturbetriebs genauer analysiert und Entwicklungsschbe datiert werden. Bereits an dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass die durch die Presse erzielte Strukturierung von Zeitlichkeit, europaweit betrachtet, ein englisches Spezifikum des ausgehenden 17. und 18. Jahrhunderts war. Denn jenseits des Kanals umfassten die Zeitabstnde des periodischen Erscheinens im 18. Jahrhundert blicherweise Monate oder Wochen.66 Außerdem kam das Prinzip der Periodizitt dort, anders als in England, berwiegend in nicht-kommerziellen Zusammenhngen zum Tragen. Es verband sich mit dem Takt von Parademrschen, dem Kirchenjahr und dem skularen Brauchtum.67 Die Frage, ob die Erfahrung ,zeitloser‘ Modernitt in diesem Rahmen genauso entstehen konnte wie in der kommerziellen Gesellschaft Englands, kann hier nicht beantwortet werden. Die Gewohnheit der europischen – und auch der deutschen – Historiker, die Entstehung der kulturellen Moderne als ein Phnomen des 20. Jahrhunderts zu behandeln,68 sttzt jedoch die Vermutung, dass dem nicht so war. 64 Vgl. Harvey, The Beginnings of a Commercial Sporting Culture, S. 17, 31 ff.; Brailsford, England; Middleton u. Vamplew, Horse-Racing. 65 Vgl. McKendrick, The Commercialisation of Fashion, S. 51. Ferner : E. Wilson, Fashion and Modernity. 66 Vgl. die bersichten bei Stçber, S. 73, 91. Stçber fhrt lediglich eine Tageszeitung auf, die Mitte des 17. Jahrhunderts erscheinende Leipziger „Einkommende Zeitung“. 67 Zahlreiche Belege dafr bei Rosseaux, Freirume, S. 35 – 48. 68 Vgl. den berblicksartikel von Nolte, Modernization and Modernity in History, S. 9958 f.

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3. Spiel, Spekulation und Kommerzkultur Vertrauensbildende Maßnahmen der Institutionen und die Versorgung mit dem unablssigen Informationsfluss der Medien erleichterten es den Zeitgenossen des 17. und 18. Jahrhunderts, sich auf die Anforderungen der modernen Marktgesellschaft einzustellen. Einen weiteren Beitrag dazu leisteten sie selber, nmlich durch ihre ausgeprgte Fhigkeit, sich die Vernderungen in der Erfahrungswelt spielerisch anzueignen. Diese Form der Gewçhnung an die Marktgesellschaft ist deshalb so hoch zu veranschlagen, weil Spiele es den Beteiligten erlauben, die Ordnungs- und Handlungsprinzipien einer Gesellschaft unbewusst zu verhandeln, indem sie diese Prinzipien mit neuen Bedeutungen versehen und ihnen einen sinnlichen Ausdruck geben. Der so erçffnete Gestaltungsraum geht ber den von Gesten und Ritualen weit hinaus, weil im Spiel subjektiv ausgeformte Stile, phantasievolle Handlungsweisen und Emotionen entstehen, mit denen sich die Individuen von der sozialen Praxis in ihrer Umwelt gegebenenfalls auch distanzieren kçnnen. Die Spieler haben die Mçglichkeit zur emotionalen berhçhung oder Verfremdung ihres Alltags; sie kçnnen bertreiben, verzerren und Bedeutungen umkodieren. In dem Maße, wie sich die Ausgestaltung von der Erfahrungswelt emanzipiert, gewinnen Spiele an Eigendynamik, funktionieren nach eigenen Regeln, kçnnen aus sich selbst heraus verstanden werden und auf diese Weise sogar ihre Umwelt prgen.69 Den Gedanken, dass in Spielen die organisierenden Prinzipien der jeweiligen Gesellschaft verarbeitet und zum Ausdruck gebracht werden, hat der franzçsische Soziologe Roger Caillois mit Hilfe eines Klassifikationsschemas verdeutlicht.70 Er unterscheidet vier Kategorien von Spielen: Agon (Wettkampf), Alea (Zufall), Mimikry (Maske) und Ilinx (Rausch). Die ersten beiden Kategorien organisieren eine Entscheidung. So wird im Agon ein Sieger im Wettkampf ermittelt, und Alea verteilt den Gewinn mit Hilfe eines Zufallsverfahrens. In der dritten und vierten Kategorie geht es darum, bestimmte soziale und psychische Zustandsvernderungen zu erreichen, die aus der ,realen‘ Welt herausfhren. Mimikry-Spiele verwandeln die Spieler mit Hilfe von Masken, Verkleidung, Nachahmung oder Verstellung und erzeugen so Illusion und Faszination durch gelungene Tuschung. Durch Ilinx-Spiele wie z. B. schnelle Drehungen, hohe Geschwindigkeiten, Gerusche, Massenerlebnisse oder bewusst eingegangene Risiken versetzen sie sich in Rausch, Ekstase oder Spannungszustnde, manchmal entsteht daraus eine Sucht. Die Kategorisierung ist indes hoch knstlich, wie schon Caillois konzediert, denn wegen des gemeinsamen gesellschaftlichen Bezugs treten die vier Kategorien in der Realitt oftmals in enger Verbindung miteinander auf. 69 Diese sozialen Funktionen des Spiels nach Gebauer u. Wulf, Spiel, Ritual, Geste, S. 188 f. 70 Caillois, Die Spiele und die Menschen.

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Das gilt auch fr England, wo das Verb „plegian“, aus dem spter „play“ wurde, schon im Altenglischen „spielen“ im Sinne von „teilnehmen“ und „sich mit Risiko fr etwas einsetzen“ bedeutete, mithin dieselben Konnotationen wie das Vokabular des Markthandelns erzeugte.71 Sptestens fr das ausgehende Mittelalter lassen sich alle vier Kategorien identifizieren. So wird der sportliche Agon von zahlreichen obrigkeitlichen Verordnungen berliefert, in denen zwischen ntzlichen, jedenfalls moralisch unbedenklichen Disziplinen wie Pferderennen, Bogenschießen und Fischen, Kegeln und Tennis auf der einen Seite und unntzen, weil von Wettleidenschaft (Alea) begleiteten wie Tierkmpfe, Wett-Tanzen und -Trinken auf der anderen differenziert wurde; darber hinaus berichten die Quellen von Fußball- und Cricketspielen.72 ber das Theater (Mimikry) des 16. Jahrhunderts braucht man ebenfalls wenig Worte zu verlieren – nicht nur weil die Literatur ber Shakespeare und die Gesellschaft seiner Zeit ganze Bibliotheken fllt, sondern auch weil der geschftsmßige Charakter des Theaterbetriebs und das Gewinnstreben der Organisatoren außer Frage stehen.73 Auch rauschhafte Erfahrungen (Ilinx) waren bereits im sptmittelalterlichen England verbreitet. Sie entstanden aus religiçsem Enthusiasmus, zu hohem Alkoholkonsum und dem in der gesamten Bevçlkerung verbreiteten Hang zum Glcksspiel. Die obrigkeitlichen Verbote, die unter Cromwells Protektorat erlassen wurden, konnten dagegen wenig ausrichten, zumal ein Großteil der populren Kartenspiele und Wetten im privaten Kreis stattfand.74 Schon unter Elisabeth I. unterminierten im brigen die Regierungen selber ihre Anti-Glcksspiel-Politik, indem sie Lotterien veranstalteten, um ihre Finanzen aufzubessern.75 Die Spiele des fortgeschrittenen 17. und des 18. Jahrhunderts setzten diese Tradition fort (Abb. 11). Neu war jedoch, dass sie im stdtischen Kontext und in einer durchkommerzialisierten Lebenswelt stattfanden, in der ltere kulturelle Zusammenhnge wie die Hofgesellschaft, Patronagebeziehungen und jahreszeitliche Feste an Bedeutung verloren. Statt dessen entwickelten sich die Spiele in enger Kooperation mit der Presse, dem Verlagsgewerbe, mit Werbeagenturen und der Gastronomie (coffee houses, pubs), und zusammen mit 71 Vgl. Gillmeister, Not Cricket und Fair play, S. 129. Im Deutschen erfolgte demgegenber im Zuge der hochdeutschen Lautverschiebung eine Fortentwicklung von „plegian“ zu „pflegen“ und „Pflicht“. 72 Vgl. McConahey, Sports and Recreations; Reeves, Pleasures and Pastimes; Coln Semenza, Sport, Politics and Literature; Griffin, England’s Revelry ; Wigglesworth, The Evolution of English Sport, insb. S. 13 – 24. 73 Vgl. Leinwand, The City Staged; ders., Theatre, Finance and Society ; Ingram, The Economics of Playing; M. White, London Professional Playhouses and Performances; Compton Reeves, S. 73 – 88. 74 Vgl. K. Thomas, Religion and the Decline of Magic, insb. S. 22 – 24, 157 ff, 164 f., 176 f., 569 ff.; Munting, An Economic and Social History of Gambling, S. 6 ff.; Miers, A Social and Legal History of Gambling, S. 107 – 120. Vgl. auch den detailreichen historischen Rckblick in Chinn, Better Betting with a Decent Feller, S. 6 – 30. 75 Vgl. Woodhall, The British State Lotteries.

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Abb. 11: Titelblatt von Charles Cotton, The Compleat Gamester, London 1674. In dem Buch wurden Glcksspiele beschrieben. Abgebildet sind Billard, Backgammon, Wrfeln, Hahnenkampf und Kartenspiel.

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diesen bildeten sie die Grundlage eines professionell organisierten Kulturbetriebs. Musiker, Maler und Kunsthndler, Dichter und Dramaturgen, Schauspieler und Impresarios, professionelle Athleten und Trainer, Kritiker, Soldschreiber und Werbeexperten, Manager von Veranstaltungshallen, Vergngungsparks und events aller Art – diese und andere Berufsrollen differenzierten sich heraus, zum Teil auch fr Frauen, und die Anzahl der Erwerbsttigen in der Kulturbranche nahm betrchtlich zu.76 Fr einige dieser neuen Professionen, so die Verleger und Schriftsteller, aber auch z. B. die Graveure und Graphiker, wurden die Rahmenbedingungen çkonomischer Interessenwahrnehmung durch die Copyright-Gesetzgebung des frhen 18. Jahrhunderts sogar rechtlich definiert, weil der Gesetzgeber den Ertrag ihrer Ttigkeit aus wirtschaftspolitischen Grnden und im Hinblick auf die Stimulation von Kreativitt fr schtzenswert hielt.77 Als besonders fçrderlich fr die Entwicklung von Spielen aller Art erwiesen sich darber hinaus vornehme Orte wie Bath und Buxton, Scarborough und, mit Verzçgerung, Cheltenham, deren Wohlstand davon abhing, dass ein breites Spektrum von leisure and pleasure, also von Freizeitaktivitten und Vergngungen, dauerhaft angeboten wurde. Infolge der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Kulturbetriebs erfolgte ein zahlenmßiger Aufschwung der Spiele, und Wçrter wie divert, divertise, diversion und divertisement, die in den 1640er/50er Jahren modisch geworden waren, gingen in den allgemeinen Sprachgebrauch ein.78 Vor allem aber kam es zu einer sachlichen Ausdifferenzierung der einzelnen Spielkategorien. In der traditionsreichen Drury Lane, der Londoner Theaterstraße schlechthin, wurden die alten Gebude im Verlauf des 18. Jahrhunderts renoviert, mehrfach erweitert und zum Teil durch neue ersetzt – eine Entwicklung, die in anderen Gegenden der Stadt wie auch in der Provinz bald nachvollzogen wurde. Die Zuschauerkapazitt wurde betrchtlich erweitert, das Repertoire vielfltiger, und es entstanden spezielle Kleinkunstbhnen.79 Die Italienische Oper, deren Bltezeit in die ersten drei Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts fiel, verband Drama und Musik zu einer neuen Form der darstellenden Kunst, die den Kçnig und ein gehobenes Publikum faszinierte und London zum europischen Mittelpunkt dieses Musikgenres machte. Je mehr Liebhaber die Oper auch in der weniger vornehmen Welt fand, desto deutlicher wurde der Wunsch nach englischsprachigen Werken geußert. Nach dem 76 Nach Burke, Papier und Marktgeschrei, S. 193, wuchs die Anzahl der Verleger zwischen 1730 und 1777 auf insgesamt 72 an – so viele gab es sonst nirgendwo zu dieser Zeit. Vgl. auch Porter, Material Pleasures, S. 23, und die dort zitierte Literatur. Zu den weiblichen Kulturberufen Brewer, The Pleasures of the Imagination, S. 78. 77 Das Copyright fr Schriftsteller und Verleger wurde 1709, das fr Graveure 1735 (auf Betreiben von William Hogarth) erlassen; vgl. Goltz, Publizieren im 18. und frhen 19. Jahrhundert. 78 Das neue Vokabular erwhnen A. Houston u. Pincus, Introduction, S. 15. 79 Vgl. Plumb, The Commercialization of Leisure, S. 275 f., sowie die im Literaturverzeichnis aufgefhrten Werke von Porter.

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Tod von Henry Purcell im Jahr 1695 machte sich Georg Friedrich Hndel mit seinen „englischen“ Opern (und seinen Oratorien) um diese Nationalisierung des Konzertbetriebs verdient. Nicht zuletzt weil er in diese Marktlcke stieß, avancierte er zum Nationalhelden.80 In der zweiten Hlfte des 18. Jahrhunderts entstand darber hinaus ein reger und regelmßiger Konzertbetrieb, dessen Veranstalter sich gegenseitig dadurch zu bertreffen suchten, dass sie die ersten Komponisten des europischen Kontinents verpflichteten. So kam Wolfgang Amadeus Mozart im Jahr 1764 nach London, und Joseph Haydn schuf dort in den frhen 1790er Jahren einige seiner berhmtesten Symphonien, darunter die „mit dem Paukenschlag“. Der an Beliebtheit unbertroffene Star des 18. Jahrhunderts war jedoch auch auf diesem Gebiet Georg Friedrich Hndel, der den Zeitgeschmack mit großem Geschick zu treffen und zu prgen wusste. Seinen Ruhm beim Londoner Publikum begrndete die erstmals 1717 aufgefhrte „Wassermusik“, die er fr Kçnig George II. von England komponiert hatte. 1749 wurde seine „Feuerwerksmusik“ in den Vauxhall Gardens vor 12 000 Zuhçrern gespielt, und 1784, 25 Jahre nach seinem Tod, gab ein legendres Gedchtniskonzert mit ber tausend Mitwirkenden das Muster fr eine mehrjhrige Reihe von Nachfolgeveranstaltungen ab.81 Andere HndelKonzerte fanden vor einem gemischten Publikum in kleineren Vergngungsparks statt, die in dieser Zeit in London, wenig spter – zum Teil unter demselben Markenzeichen Vauxhall oder Ranelagh – auch in der Provinz entstanden; wieder andere Konzerte bildeten das Rahmenprogramm bei Tanzgesellschaften und Maskenbllen. Bei solchen Gelegenheiten prsentierten diejenigen, die zur Society gehçrten oder sich in deren Glanz sonnen wollten, die neuesten Moden, so dass sich stets auch Gelegenheit fr MimikrySpiele ergab. Den wohl grçßten Aufschwung erlebten indes die Ilinx-Spiele, zu denen sportliche Wettkmpfe und Glcksspiele gleichermaßen zu zhlen sind. Zu den populren sports des 18. Jahrhunderts gehçrten die Pferderennen, die ungefhr seit 1752 vom Jockey Club, einer im Pferdesportzentrum Newmarket ansssigen Vereinigung unabhngiger Gentlemen, reguliert und beaufsichtigt wurden, ferner Cricketturniere, das Boxen (pugilism) und Hahnenkmpfe. Fr die zuletzt genannten beiden Disziplinen entstanden spezielle Arenen, die kommerziell betrieben wurden. Auch fr Cricket, Boxen und Hahnenkmpfe wurden in der zweiten Hlfte des 18. Jahrhunderts schriftliche Regeln festgelegt und Aufsichtsorgane, sogenannte governing bodies, gebildet; im Cricket entwickelten die Gentlemen darber hinaus einen Fairness-Kodex. Das Motiv hinter diesen Maßnahmen war die Verhinderung von Korruption, denn es kam nicht selten vor, dass die – zumeist professionellen – Athleten, die Trainer und Kampfrichter Absprachen untereinander trafen und den Sieg ,verscho80 Vgl. E. W. White, A History of English Opera; Alsop, „Strains of New Beauty“. 81 Vgl. Brewer, „The most polite age and the most vicious“, S. 347.

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ben‘. Solche Machenschaften beeintrchtigten den regen Wettbetrieb im Umfeld der Sportveranstaltungen, der fr viele Sportenthusiasten der Zeit den eigentlichen thrill der Sache ausmachte. Auch der Pferdehndler Richard Tattersall, der die Rennwetten seit 1777 professionell vermittelte und damit die Kulturindustrien um das Buchmachergewerbe ergnzte, hatte ein Interesse an einem ordnungsgemßen Wettkampfverlauf. Denn sein Geschftserfolg basierte auf dem Image seines Etablissements als Turf Exchange und Lloyd’s of Gambling.82 Sportwetten wurden aus unterschiedlichen Motiven abgeschlossen. Einige Gentlemen, ob adliger Herkunft oder nicht, setzten ihr Vermçgen aufs Spiel, um dann, wenn sie es verloren hatten, die in der Hofgesellschaft und hnlichen Zirkeln bliche demonstrative Verachtung von Geld an den Tag zu legen und so jeden Zweifel an ihrer sozialen Zugehçrigkeit abzuwenden. „Being a gambler gives a man a position in society“, notierte der Baron de Montesquieu im Jahr 1714; „it is a title which takes the place of birth, wealth and probity. It promotes anyone who bears it into the best society without further examination.“83 Die meisten Zeitgenossen wagten jedoch von vornherein nur berschaubare Einstze. Sie schtzten die Sportwette insbesondere deshalb, weil sie eine Mçglichkeit erçffnete, ihre Urteilsfhigkeit einer ber den Daumen gepeilten, aber doch geldwerten Wahrscheinlichkeitsberechnung zu unterwerfen. Das war die der modernen, kommerziellen Gesellschaft angemessene Form des Wettens, und diese hatte mit dem chivalric code of honour der standesbewussten Aristokratie kaum mehr etwas gemein.84 Insgesamt reichte das soziale Spektrum der Wettbeteiligten von ,ganz oben‘ bis ,ganz unten‘. Welche sozialen Gruppen ber- oder unterreprsentiert waren, ist allein deshalb schwer zu sagen, weil immer mehr Sportwetten auch außerhalb der Rennbahnen und Boxarenen abgeschlossen wurden. Denn die Berichterstattung der Zeitungen – und hier zunehmend spezialisierter Bltter wie z. B. „Sporting Life“ (1792) und „Racing Calendar“ (1793) – erçffnete den wettfreudigen Zeitgenossen die Mçglichkeit, die Leistungsentwicklung eines Boxers, einer Cricketmannschaft, eines Pferdes oder eines Kampfhahnes auch aus der Distanz zu verfolgen.85 Zusammen mit der Regulierung und Organisation des Wettkampfbetriebs trug diese Mçglichkeit zur umsichtigen Chancenabwgung wesentlich dazu bei, dass die Sportwette den Charakter einer zwar spekulativen, aber dennoch vergleichsweise risikoarmen Investition erhielt. Manch einem kaufmnnisch denkenden Zeitgenossen drfte sie daher attraktiver erschienen sein als der 82 Ausfhrlich zur Rationalisierung der sports im 18. Jahrhundert: Eisenberg, „English sports“ und deutsche Brger, S. 25 ff. 83 Montesquieu, Persian Letters, S. 65; Kavanagh, Enlightenment and the Shadows of Chance, S. 38. 84 Vgl. Reith, The Age of Chance, S. 64 f. Beispiele und weiterfhrende Literatur bei Eisenberg, „English sports“, S. 29 – 36; Underdown, Start of Play, S. 34 ff. 85 Dazu auch Harvey, S. 155 f.

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Handel mit Seeversicherungen, die Zeichnung von Kriegsanleihen oder der Erwerb von Aktien fr fragwrdige Unternehmungen in der Sdsee.86 In der Sportwette eine çkonomische Ersatzhandlung zu sehen, ist auch aus einem anderen Grund naheliegend. Im Jahr 1720, nachdem die Sdsee-Blase geplatzt war, entschloss sich der Gesetzgeber nmlich, alle existierenden Aktiengesellschaften, die nicht mit einer Royal Charter ausgestattet waren, rechtlich zu diskriminieren und die Grndung neuer Aktiengesellschaft ohne Solidarhaftung ganz zu verbieten. Dieser sogenannte Bubble Act behielt bis 1825 Gltigkeit und fhrte dazu, dass Investoren mit alternativen Unternehmensformen experimentierten oder sich ganz andere Anlagemçglichkeiten suchten.87 Umgekehrt wurde manche Unternehmensbeteiligung weniger als Investition denn als Wette betrachtet. Denn wie jedermann wusste, galt: „StockJobbing is a Play ; a Box and Dice may be less dangerous, the Nature of them are alike, a Hazard“ (Daniel Defoe).88 Wenig berraschend, gab es professionelle stockbroker, die Wetten auf bestimmte Gewinnzahlen der staatlichen Lotterien abschlossen, ohne dass sie berhaupt regulre Lose erworben hatten, und so ein zumindest fr sich selber lukratives side betting initiierten.89 Wette und Investition zugleich war auch der bei Versicherungsmaklern wie Versicherungsnehmern beliebte Handel mit Lebensversicherungspolicen. Bei diesem betting on lives konnte nach Rcksprache mit der Versicherungsgesellschaft sogar der Name des oder der Versicherten gendert werden, so dass der neue Inhaber seine Chancen gezielt erhçhen konnte, wenn er eine Police auf Gebrechliche oder Schwerkranke berschrieb. Die Unternehmen duldeten diese Praxis, weil sie im Versicherungsfall ohnehin wenig mehr als die Summe der Beitrge auszahlten; der Gesetzgeber schritt erst mit dem Gambling Law von 1774 ein.90 Darber hinaus waren die Kulturindustrien wegen der Wechselhaftigkeit und Unberechenbarkeit des Publikumsgeschmacks, vor allem aber wegen ihrer existentiellen Abhngigkeit von der wohlwollenden Kooperation der Medien generell mit einem hohen Risiko behaftet.91 Deshalb drften auch manche Beteiligungen an Buch- und Zeitschriftenprojekten, Theaterauffhrungen, Opern und Konzerten, an der Sammlung von Preisgeldern fr Pfer86 Vgl. dazu die Ausfhrungen bei Mathias, The First Industrial Nation, S. 131 f. 87 Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass der Bubble Act keine Maßnahme zur Verhinderung knftiger Spekulationsblasen war, sondern die von der Regierung favorisierte South Sea Company gegenber konkurrierenden Investoren monopolisieren sollte. Die zeitliche Koinzidenz legte in der çffentlichen Wahrnehmung und historischen Erinnerung jedoch den Zusammenhang mit dem Sdseeschwindel nahe. Zum Entstehungskontext des Bubble Act vgl. R. Harris, Industrializing English Law, S. 60 – 81. 88 [Defoe], The Anatomy of Exchange-Alley, S. 43 – 44. 89 Vgl. Williams, Lotteries and Government Finances in England, S. 559 f. 90 Vgl. Clark, Life Insurance; ders., Betting on Lives. 91 Vgl. dazu Hesmondhalgh, The Cultural Industries, S. 17 f.

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derennen und Boxkmpfe und am Bau von Veranstaltungshallen als eine Art Spiel betrachtet worden sein. Entsprechende Beteiligungen wurden in der Regel ber sogenannte subscription societies vorgenommen, von denen einige durchaus kapitalkrftig waren.92 Die Subskription fr große Konzertveranstaltungen belief sich beispielsweise auf 50 – 80 Guineas, wobei ein Guinea ungefhr dem Wochenlohn eines gelernten Handwerkers entsprach. Das Abonnement einer Loge im King’s Theatre kostete im Jahr 1791 150 Guineas – ein Preis, der sich im Verlauf der folgenden beiden Jahrzehnte verdoppelte.93 Obwohl die meisten kulturwirtschaftlichen subscription societies auch gnstigere Anteile (shares) verkauften und den Beteiligten damit eine gewisse Diversifizierung ihrer Einlagen ermçglichten,94 waren sie letztlich spekulative Unternehmen. Man kann daher davon ausgehen, dass sich eine ganze Reihe von ihnen unter anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen von vornherein als Aktiengesellschaften gegrndet htten, so wie es die Royal Academy of Music, ein von Hndel als musikalischem Direktor geleitetes Opernunternehmen, noch 1719 wie selbstverstndlich getan hatte.95 Damit soll nicht behauptet werden, dass die Finanziers des kommerziellen Kultur- und Sportangebots im 18. Jahrhundert keine genuin kulturellen Vorlieben und Leidenschaften entwickelten; schließlich waren die meisten zugleich auch Konsumenten ihrer eigenen Veranstaltungen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass sie diese Vorlieben geschickt mit außerkulturellen Erwgungen zu verbinden wussten. So bestand ein durchaus willkommener çkonomischer Nebeneffekt der Finanzierung ber subscription societies beispielsweise darin, dass auf diese Weise die Ersparnisse und sonstigen flssigen Mittel wohlhabender Zeitgenossen in die Kulturwirtschaft gezogen wurden. Darber hinaus trugen manche societies, insbesondere die im Musiksektor, dem Wunsch ihrer hochwohlgeborenen Mitgliedschaft nach einem sozial exklusiven, mçglicherweise sogar handverlesenen Publikum und der kulturellen berhçhung bestimmter politischer Botschaften Rechnung.96 Solche Nebenmotive wurden jedoch mit der Zeit enttuscht, weil die Entwicklung der Kulturindustrien einer besonderen Dynamik unterlag. Zum einen trug der skulare Aufschwung der Branche dazu bei, dass die Preise fr 92 Vgl. McVeigh, Concert Life in London, S. 3; Plumb, Commercialization and Society, S. 277, 282. Zu den Ausnahmen von dieser Regel zhlten insbesondere genossenschaftliche subscription societies von Knstlern und Athleten, die zum Zweck des profit sharing gegrndet wurden. Fr die Konzertbranche vgl. McVeigh, Concert Life, S. 167. Fr Hinweise auf societies von Boxern danke ich Ruti Ungar, Berlin, die an einer Doktorarbeit ber die Kultur des pugilism schreibt. 93 Das Beispiel nach Hall-Witt, Reforming the Aristocracy, S. 228; generell: McVeigh, Concert Life, S. 6; Hunter, Patronizing Handel, S. 36. 94 Vgl. dazu auch Brewer, Commercialization and Politics, S. 224. 95 Vgl. Art. „Hndel“, in: Dahlhaus u. Eggebrecht, Brockhaus Riemann Musiklexion, S. 517; E. T. Harris, Handel the Investor. 96 Vgl. Brewer, Commercialization and Politics, S. 6, 12; W. Weber, The Rise of Musical Classics, S. 223 – 242 (ber die Hndel-Gedchtniskonzerte als Ausdruck kultureller Gemeinsamkeiten von Klerus und politischer Klasse).

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gute Krfte (und hier insbesondere fr Exklusivvertrge mit den Stars der Zeit) betrchtlich anzogen. Zum anderen ergab sich im Zuge der Institutionalisierung und Ausdifferenzierung der Angebote die Notwendigkeit einer Kooperation mit den Veranstaltern grçßerer events, den Eigentmern von Veranstaltungshallen bzw. Sportarenen und den Starkomponisten der Zeit, die alle ein ausgeprgtes Interesse an großen Zuhçrer- bzw. Zuschauerzahlen hatten. Beide Entwicklungen frustrierten den Wunsch der subscribers nach sozialer Schließung.97 Jenen subscription societies, die mehrheitlich von Angehçrigen der middle classes getragen wurden und sich oftmals als Alternative zur sogenannten client economy, d. h. zu den Kulturangeboten frs Volk im Rahmen der aristokratischen Patronage, verstanden, kamen solche Entwicklungen indes durchaus entgegen. Hier erfolgte oftmals sogar eine Verstetigung der Sozialbeziehungen ber die jeweiligen konkreten Projekte hinaus, so dass aus den subscription societies mit der Zeit dauerhafte Kulturvereine hervorwuchsen.98 Die stets vorhandene Mehrdimensionalitt der Kulturindustrien und der damit verbundenen Spekulations-Spiele hat ohne Zweifel dazu beigetragen, dass die so angeregten gesellschaftlichen Austauschbeziehungen allgemein als unbedenklich galten und, wenn man von ußerungen einiger moralisierender Kleriker und der noch kleinen Gruppe der Sozialreformer absieht,99 keine nennenswerte Kritik auf sich zogen. Allenfalls Besucher vom europischen Kontinent entrsteten sich darber, dass es vielen Konzertbesuchern ganz offensichtlich mehr auf das Sehen und Gesehenwerden oder die Huldigung des Starkomponisten als auf die musikalische Darbietung als solche ankam; dass es bei Pferderennen selbst dort, wo Rennbetrieb und Pferdezucht einander berhrten, letztlich ums Geld ging; und dass das gnzlich undisziplinierte Theater-, Opern- und Konzertpublikum whrend der Vorstellung zu schwatzen und Geschfte abzuschließen, zu essen, trinken und umherzuspazieren pflegte.100 In England selber (wie auch in Schottland) ußerten sich demgegenber sogar die großen Aufklrer der Zeit wohlwollend ber Spiel, Spekulation und Kulturindustrien, und das keineswegs nur, weil ihre Denkweise sich generell durch eine pragmatische Praxisorientierung auszeichnete. Es war vielmehr so, dass sie die bei diesen Gelegenheiten zur Geltung gebrachten Tugenden wie 97 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden Kulturveranstaltungen bezeichnenderweise zunehmend durch den Verkauf von Eintrittskarten finanziert; vgl. McVeigh, Concert Life, S. 6, 12, 19, 171, sowie McGuinness u. Jonstone, Concert Life in England I, S. 83. Vgl. auch Scherer, The Evolution of Free-Lance Music Composition, S. 310 (mit Bezug auf Hndels Politik, auch die weniger wohlhabende middle class in seine Konzerte zu ziehen). 98 Vgl. Brewer, Commercialisation and Politics, S. 224 f. 99 Dazu Brewer, „The most polite age and the most vicious“, S. 349; Crump, The Perils of Play. 100 Entsprechende Zitate sind abgedruckt bei Maurer, O Britannien, S. 115 f., 193 f., 210 – 222 u. passim; Mller, Friction, Fiction and Fashion. Vgl. auch Brewer, The Pleasures of the Imagination, S. 69; McVeigh, Concert Life, S. 60 – 64.

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competition, disposition of action und love of adversity als solche außerordentlich schtzten. Deshalb bezogen sie sich in ihren Schriften ber die Voraussetzungen der civil society immer wieder positiv auf „a class of pursuits which are distinguished by the name of amusement“ (Adam Ferguson). Wie solche pursuits ihrer Zeitgenossen zu klassifizieren waren, ob als business oder als play, spielte letztlich keine Rolle, denn aus ihrer Sicht galt: „business or play may amuse them alike“.101 Es spricht daher einiges dafr, in der Kulturbranche und den von ihr auf eine neue, kommerzielle Grundlage gestellten Spielen aller Art die lebensweltliche Basis fr das zu sehen, was die englische Aufklrung mit Begriffen wie „doux commerce“ oder „mœurs douces“ (Montesquieu) zu bezeichnen pflegte.102 In der Tat erkannten die zeitgençssischen Denker in den Kulturindustrien wichtige Triebkrfte fr die Herausbildung der modernen civil society. Sie schtzten diese Branche um so mehr, als das Paradoxon der „private vices“ und „public benefits“ (Bernard Mandeville), das die Verfeinerung der Sitten offenkundig selbst bei krudem Gewinnstreben Einzelner bewirkte, in diesem Bereich der modernen Marktgesellschaft ganz offensichtlich funktionierte.103 Selbst wenn peers, gentry und andere reiche Leute in bestimmten Bereichen, so bei den meisten großen Konzerten, weitgehend unter sich blieben, gab es doch stets auch andere Veranstaltungen, die ein breiteres, auch brgerliche Schichten umfassendes Publikum anzogen. Fr die Zukunft konnte man sich vorstellen, dass der Kreis der Teilnehmer sogar die labouring poor einbeziehen wrde.104 Potentiell integrierend waren die kommerziellen Spiele auch deshalb, weil sich eine Trennung zwischen Hoch- und Populrkultur nicht herausbilden konnte. Der Grund lag darin, dass die geschftstchtige Public RelationsBranche solchen Tendenzen systematisch entgegen arbeitete. Wenn Werbeanzeigen als Zielgruppe explizit wohlhabende gentlemen ansprachen und deshalb z. B. die Anwesenheit des Kçnigs, des Hochadels und anderer hochgestellter Persçnlichkeiten ankndigten, wurden ja auch die sozialen Schichten ,unterhalb‘ dieser gedachten Elite involviert. Davon lebten die Zeitungsmacher, Werbeexperten, Modeunternehmer und sonstigen kom-

101 Die fr den europischen Kontinent kennzeichende Gegenberstellung von Spiel und Arbeit, die etwa in den Schriften von Jean-Jacques Rousseau und Friedrich Schiller zum Ausdruck gebracht wurde, lag ihnen demgegenber gnzlich fern; vgl. Oz-Salzberger, Translating the Enlightenment, S. 310 – 311, 319. Die Ferguson-Zitate nach ebd., S. 115, 154; vgl. auch S. 114 – 116. Zur englischen Aufklrung generell vgl. Porter, Creation, sowie ders., The English Enlightenment. 102 Statt vieler Belege vgl. Hirschman, Leidenschaften, S. 70 f.; ders., Der Streit um die Bewertung der Marktwirtschaft, S. 193 ff.; Pocock, Virtue; Rothschild, Economic sentiments. 103 Vgl. Tribe, The ,Histories‘ of Economic Discourse; Hont u. Ignatieff, Needs and Justice in the Wealth of Nations; sowie Phillipson, Adam Smith as a Civic Moralist. 104 Vgl. McKendrick, The Consumer Revolution of Eighteenth-Century England, S. 17 f.

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merziell Interessierten im Umfeld der Kulturindustrien, die auch auf diesem Gebiet als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung wirkten.105 Eine Spieler-Figur differenzierte sich indes nicht heraus, jedenfalls kam sie in der çffentlichen Wahrnehmung nicht vor: die Figur des mit sich selbst und seinen Tagtrumen beschftigten Flaneurs. Der Grund ist leicht einsichtig: Der Flaneur „ist ein Solitr“, wie der Soziologe Zygmunt Bauman hervorgehoben hat, kein Mitspieler. „[E]r kann den ganzen Zauber … genießen, ohne durch die selbstschtigen und neidischen Spielgefhrten und die immer wachsamen, immer herumnçrgelnden Schiedsrichter beschrnkt zu sein. (…) Er kann die Schritte anderer Spieler … missachten. Die Schauspiele, die er im Herumwandern imaginiert, haben nur ihn allein als Motor, … scharfsinnigen Zuschauer und Kritiker.“106 In England entwickelte der modebewusste Dandy, dessen Alltagsgestaltung wesentlich auf seine eigene Person ausgerichtet war, zwar gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Flaneur. Doch auch er, ohnehin eher eine Figur des frhen 19. als des 18. Jahrhunderts, war sich niemals selbst genug, sondern gierte geradezu nach der Anerkennung durch seine Mitmenschen.107 hnliches gilt fr die imaginre Figur des „Spectator“, die Journalisten wie Addison und Steele schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts ,erfunden‘ hatten.108 Auch in diesem Fall war die Distanz zur Gesellschaft nur vorgetuscht, standen hinter dem „Spectator“ und seinen Nachfolgern doch die Zeitungsbesitzer und Journalisten als eigeninteressierte Mitgestalter des kommerziellen Kulturbetriebs. Auch diese professionellen Beobachter wollten ,mitspielen‘, und je besser ihnen das gelang, desto erfolgreicher untersttzten sie ihre Zeitgenossen bei der spielerischen Ausbildung einer kommerziellen Mentalitt.

105 Das Argument sttzt sich auf den Aufsatz von McGuinnes, Gigs, Roadies and Promotors: Marketing Eighteenth-Century Concerts. 106 Bauman, Postmoderne Ethik, S. 257. Bezeichnenderweise kommt der Flaneur bei Brewer, The Pleasures of the Imagination, nicht vor. 107 Vgl. Pckler-Muskau, Jules-Amde Barbey d’Aurevilly und Charles Baudelaire; ferner : Breward, Masculine Pleasures. 108 Vgl. Agnew, Worlds Apart, S. 170 ff., sowie oben S. 89.

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Abb. 12: Straßenverkehr vor der Royal Exchange, London, 1751.

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Ergebnisse: Kommerzialisierung als historischer Prozess

Bislang wurden in dieser Studie einzelne Schaupltze des Kommerzialisierungsprozesses in England beschrieben: die Landwirtschaft, die gewerbliche Produktion, die Finanzbranche und das kulturelle Leben. Im Anschluss an diese Schilderungen stellt sich die Frage, welche Qualitt die Ligaturen und Verknpfungen aufwiesen, die diese Schaupltze zu einer funktionsfhigen Marktgesellschaft integrierten. Außerdem gilt es festzustellen, ob und in welcher Hinsicht die englische Marktgesellschaft als kapitalistisch charakterisiert werden kann. Schließlich soll ihre Entwicklungsrichtung analysiert werden. Fhrte die englische Marktgesellschaft bruchlos in die moderne, durch Zentralisation von Arbeitskrften in Fabriken und massiven Maschineneinsatz gekennzeichnete Industriegesellschaft? Oder beschreibt man ihre charakteristische Funktionsweise besser mit anderen Kategorien? Die nachfolgende Momentaufnahme des Entwicklungsstandes um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert versucht eine Klrung dieser Fragen auf einer allgemeinen Ebene. Im Anschluss daran werden in einem systematischen Kapitel zwei weiterfhrende Fragen zu diskutieren sein: ob und in welcher Hinsicht England einen Sonderfall der Marktentwicklung in Europa darstellte, und: welche spezifisch englischen Triebkrfte, Pfadabhngigkeiten und Entwicklungspotentiale des Kommerzialisierungsprozesses knftige vergleichende Untersuchungen in Rechnung stellen sollten.

1. Funktionsweise und Entwicklungsrichtung: England um 1800 Eines der hervorstechenden Merkmale der englischen Marktgesellschaft um 1800, das keiner weiteren Diskussion bedarf, war ihre Modernitt. Ein Zeitreisender aus einem westlichen Land des fortgeschrittenen 20. oder des frhen 21. Jahrhunderts kçnnte sich dort problemlos zurecht finden – vermutlich besser als ein Tourist aus einer çkonomisch weniger entwickelten Region Kontinentaleuropas am Ende der Frhen Neuzeit. Der durch Kommerz und Medien bestimmte Rhythmus der Zeit, die Tendenz zur Nivellierung der Unterschiede von Hoch- und Populrkultur und das allgemeine Lebensgefhl in der Konsumgesellschaft wrden dem Zeitreisenden vertraut erscheinen. Die im Wesentlichen an den Kriterien Eigentum und Geld orientierte und 107

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daher relativ durchlssige Sozialstruktur wrde es ihm erleichtern, Kontakte zu knpfen und sich in das englische Sozialleben zu integrieren. Dass das Stadtbild noch keine Fabriken und rauchenden Schlote aufwies, fiele dem Zeitreisenden nicht unbedingt auf, weil er es von zu Hause selber nicht mehr anders gewohnt ist. Allenfalls wrde er technische Errungenschaften wie die Eisenbahn, das Auto und die elektronischen Medien vermissen. Als politischer Beobachter empfnde er das Bndnis von Krone, Parlament und den sonstigen Mitspielern des „gentlemanly capitalism“ mçglicherweise als problematisch. Darber hinaus wrde er wohl die tiefgreifenden Unterschiede zwischen Arm und Reich und die Notwendigkeit einer wohlfahrtsstaatlichen Umverteilung erkennen. Andererseits kçnnte der Zeitreisende sich diese Defizite damit erklren, dass es sich bei seinem Reiseland bereits um eine kapitalistische Gesellschaft handele und dass Kapitalismus, Demokratie und soziale Gerechtigkeit auch Anfang des 21. Jahrhunderts nicht notwendig zusammen vorkommen. Wesentliche Elemente des Kapitalismus wies die englische Marktgesellschaft um 1800 in der Tat auf, obwohl die meisten Zeitgenossen keine rechte Vorstellung von den Funktionsprinzipien einer solchen Gesellschaft hatten und das Wort Kapitalismus noch gar nicht kannten.1 Denn die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens, von der Garantie privater Eigentumsrechte bis zur einheitlichen Whrung, vom freien Markt fr Land und Geld bis zur allgemeinen Verbreitung von Lohnarbeit, vom Schutz der Handelswege durch die Royal Navy ber die Bank of England bis zur London Stock Exchange, waren so, dass kapitalistische – und das heißt: auf (Re-)Investition und Profitmaximierung ausgerichtete – Austauschbeziehungen nicht nur mçglich waren, sondern den Normalfall darstellten. Lediglich an den Finanzmrkten spielten Familienbande und informelle Beziehungen noch eine wichtige Rolle fr die konomie, weil bankvermittelte Diskontkredite fr hohe und kurzfristige Verbindlichkeiten erst nach der Grndung der Bank of England im Jahr 1694 am Markt erhltlich waren.2 Was die kapitalistische Marktgesellschaft Englands vom modernen Industriekapitalismus unterschied, war die deutliche Akzentsetzung auf die Landwirtschaft einerseits, auf Handel und Finanzen andererseits. Zwar wurde auch die gewerbliche Produktion in die kapitalistische Wirtschaft eingebunden, wie gezeigt werden konnte. Sie entwickelte sich jedoch nicht eigenstndig, sondern in enger Symbiose mit diesen dominierenden Wirtschaftsbe1 Vgl. Grossman, W. Playfair, the Earliest Theorist of Capitalist Development. Im 17. Jahrhundert war noch nicht einmal das Wort „capital“ gelufig. Man sprach statt dessen von „stock“ oder „fund“; vgl. Glaisyer, S. 122 f., sowie Levy, Wirtschaftssprachliche Materialien, S. 112 f. 2 Privatbanken verallgemeinerten sich erst in der zweiten Hlfte des 18. Jahrhunderts, als ihre Anzahl von etwa einem Dutzend auf etwa 650 anwuchs. Zahlenangabe nach Cassis, Metropolen des Kapitals, S. 42. Ein Grund fr die Verzçgerung lag darin, dass die Monopolstellung der Bank of England als Notenbank bis 1825 durch ein Gesetz geschtzt wurde; vgl. Tilly, Geld und Kredit, S. 57.

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reichen. Wegen ihrer unvollkommenen Ausdifferenzierung sowie ihrer dezentralen, hochgradig arbeitsteiligen Organisationsweise entzog sie sich der Aufmerksamkeit der zeitgençssischen Beobachter, die denn auch wenig dazu zu sagen hatten. Im 19. Jahrhundert interessierten sich die Politischen konomen und Kapitalismustheoretiker dann primr fr die moderne Fabrikarbeit mit ihrer spektakulren Technik einerseits, ihren Entfremdungs- und Ausbeutungsaspekten andererseits und beschrieben den Fabrikanten als Normal-Unternehmer. Dass die Entwicklung lngerfristig berhaupt Richtung Industriegesellschaft gehen wrde, wie diese spteren Autoritten als Selbstverstndlichkeit voraussetzten, war allerdings in den Jahrzehnten um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert noch keineswegs ausgemacht. Dies belegt nicht zuletzt der „Wohlstand der Nationen“ (1776), die aufmerksame Gegenwartsbeschreibung von Adam Smith, dessen Augenmerk dem Markt und der kommerziellen Gesellschaft, nicht der Produktionssphre galt.3 Auch die nachfolgende Analyse einiger Strukturmerkmale der kapitalistischen Marktwirtschaft Englands argumentiert, dass die Entwicklung zur Industriegesellschaft in diesen Jahrzehnten in der Tat noch recht unwahrscheinlich war, jedenfalls aus der Marktwirtschaft selber nicht resultierte. Wenn man die Handlungsrationalitt der Kaufleute, Hndler und anderer Wirtschaftsakteure in der Frhen Neuzeit nach bestimmten Kriterien analysiert, zeigt sich nmlich, dass es fr sie rational war, den Rahmen des Handelskapitalismus nicht zu berschreiten. Profit und Kontrolle: Die Profitorientierung des Wirtschaftens der Kaufleute, Hndler und vieler anderer, die professionell in das System des Handelskapitalismus involviert waren, kam in der Einbeziehung des Zeitfaktors in ihre geschftlichen Entscheidungen zum Ausdruck. Fr sie war die Spekulation auf zuknftige Marktentwicklungen ein zentrales Element des Wirtschaftens.4 Kapital und Kredit waren fr Handels- und Finanzkaufleute Instrumente, um das Angebot bei unzureichender Nachfrage zurckhalten zu kçnnen, bis die Preise wieder anzogen, oder es kurzfristig auszuweiten, wenn die Nachfrage grçßer wurde. Zu ihrem Geschftsgebaren gehçrte daher die Vorhaltung von Lagerkapazitt bzw. – im Geldgeschft – von Liquiditt. Auch um kommerzielle Transaktionen und Kreditoperationen vornehmen und spezialisierte, rumlich entfernte Mrkte bedienen zu kçnnen, mussten die Kaufleute einen bestimmten Grundstock an Geldkapital besitzen; denn regelmßig wurden Investitionen in den Transport und die Versicherung der Waren sowie in zustzliches Personal erforderlich. Solche Transaktionen im erforderlichen Umfang und ohne Zeitverlust organisieren zu kçnnen, war die eigentliche unternehmerische Herausforderung und zugleich die Quelle des Profits. Demgegenber erschien die berwachung des Produktionsprozesses 3 Vgl. Kindleberger, The Historical Background, S. 1 – 25. 4 „The dealing in time markets may be regarded as the ,capitalist function‘“, schreibt Westerfield, S. 349; vgl. auch S. 369 f.

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und der im putting-out system arbeitenden Produzenten als zweitrangiges Problem – ganz abgesehen davon, dass die Kontrolle eines dezentralen Produktionssystems generell schwierig war. Die Kaufleute legten stattdessen großes Gewicht auf die Vertragsgestaltung.5 Spekulation und Rechenhaftigkeit: Die konkreten Umstnde der Produktion gewerblicher und landwirtschaftlicher Gter waren fr die Kaufleute auch deshalb von geringem Interesse, weil die Profite, die sie zu erwarten hatten, relativ unabhngig davon entstanden. Auch in welcher Branche ein Handelsunternehmer ttig wurde, erschien eher nebenschlich. Die Profite erwuchsen vielmehr aus der kurzfristigen Identifizierung und Ausnutzung von Preisschwankungen, hnlich den Arbitrage-Gewinnen an der Bçrse. Die Chance auf solche Profite war in England nicht zuletzt wegen der regionalen Spezialisierung und der durchlssigen Sozialstruktur, die beide die Segmentierung von Mrkten begnstigten, außerordentlich groß.6 In dieser Umwelt kam es fr den Kaufmann darauf an, dass er ber Informationen verfgte, um seine Marktchancen zu erkennen, und jederzeit Zugang zu Krediten und Transportmçglichkeiten hatte, um sie zu realisieren. Zu versuchen, die Profite durch Buchfhrung, aufwendige Analysen von Preisaufzeichnungen und Wechselkursen oder eine Neuordnung der Geschftsablufe zu optimieren, erschien angesichts der permanenten Vernderung der Mrkte und des Anpassungsdrucks an immer neue Situationen relativ aussichtslos. Daraus erklren sich der Befund der historischen Managementforschung, dass derartige Rationalisierungsmethoden im frhneuzeitlichen England im Allgemeinen nicht angewandt wurden, und das Urteil, dass aus dieser Richtung keine Impulse fr die Industrialisierung gekommen seien.7 Investition und Risiko: Sofern ein Kaufmann einen Teil seines Kapitals dennoch in fixe Anlagen – etwa in die Zentralisierung bestimmter Arbeitsvorgnge – investierte, blieb er in dem System der dezentralen Produktion einer von vielen Ressourcenbesitzern, und am Gesamtrisiko seiner marktorientierten Transaktionen nderte sich wenig. Wenn er sich ganz auf die Produktion verlegte, mochte sich sein Risiko sogar erhçhen, weil er nun umso abhngiger von den Entscheidungen außenstehender middlemen und anderer Fachleute des Marktes wurde.8 Wie diese Studie hervorgehoben hat, investierten englische Kaufleute in dieser Situation vornehmlich in die Infrastruktur der Marktgesellschaft: in Unternehmen wie Banken, Bçrsen und Versicherungen, in Straßen, Kanle und sonstige Transportsysteme, in In5 Vgl. Pollard, The Genesis of Modern Management, S. 38 ff.; Lane, Meanings of Capitalism, S. 6, 9; Anderson, Entrepreneurship, S. 176. Zur geringen Bedeutung des Kontrollmotivs in der Baumwollindustrie, dem Fhrungssektor der englischen Industrialisierung, vgl. Rose, Introduction, S. 11 f. 6 So argumentiert Anderson, Entrepreneurship, S. 160 f. 7 So explizit Pollard, Genesis, S. 271 f. 8 Diese berlegung verzçgerte beispielsweise den bergang zum Fabriksystem in der Baumwollindustrie von Lancashire, vgl. Chapman, The Commercial Sector, S. 59 f.

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formationsdienste und Zeitungen. Auch war es fr sie rational, eine Vielzahl kultureller und sozialer Beziehungen zu pflegen, um Vertrauen und good will zu erzeugen. In der Konsumgterbranche und den Kulturindustrien konnten solche Beziehungen darber hinaus dazu beitragen, Trends frhzeitig zu erkennen und neue Moden zu lancieren.9 Infrastruktur als kollektives Gut: Aus historischer Perspektive betrachtet, lag der spezifische Effekt aller dieser Investitionen darin, dass ihre Frchte sich akkumulierten und auch anderen als den Investoren selber zugute kamen. Ein gesellschaftlicher Ertrag entstand auf diese Weise sogar dann, wenn der einzelne Investor mit seinem Projekt scheiterte und vom Markt verschwand – ein weiteres Element des „doux commerce“ in der kapitalistischen konomie Englands. Zu den Nutzern und Nutznießern der als kollektives Gut zur Verfgung stehenden Infrastruktur gehçrte neben den Investoren und dem allgemeinen Publikum auch eine große Anzahl von Koordinatoren des Marktes: sogenannte middlemen (auch agents oder factors genannt), die berwiegend selbstndig ttig waren, ferner Angehçrige marktgestaltender Berufe wie Wechsel-, Wertpapierhndler und Geldverleiher, Banker und Bçrsianer, Lageristen und Verkufer, Heerscharen von Fuhrleuten, fliegenden Hndlern und Vertretern („the itinerant class“) und – nicht zu vergessen – Hunderttausende von shopkeepers. Darber hinaus zhlten die mit der Steuereintreibung befassten Regierungsbeamten, Angehçrige der professions wie z. B. Anwlte und Notare, Verleger, Journalisten und die Kulturschaffenden zum Marktpersonal in diesem Sinn, indirekt sogar die mit der Erschließung und Sicherung der internationalen Handelswege beauftragten Streitkrfte. Viele dieser Akteure lebten in den wachsenden Stdten, die aufgrund ihrer komplexen Sozialbeziehungen zustzlichen Koordinationsbedarf erzeugten.10 Doch bestand ein Charakteristikum der englischen Marktgesellschaft gerade darin, dass auch die durchkommerzialisierte und regional spezialisierte Landwirtschaft, die ihre Absatzmrkte im In- und Ausland gleichermaßen fand, auf Vermittlungsleistungen der genannten Berufe angewiesen war. Es waren diese commercial classes, die der englischen Wirtschaft in der Frhen Neuzeit ihr Gesicht gaben. Aufgrund ihrer Allgegenwart meinten zeitgençssische Beobachter, sie seien viel zu zahlreich, hatte England doch im 18. Jahrhundert angeblich zwei- bis dreimal so viele merchants „as all the rest of Europe put together“. Ein besonderes Problem erkannten die Beobachter darin, dass so viele „downright Merchants“ ihr Glck versuchten, die ihren gesamten Handel „upon their own Capital“, d. h. ohne Kredite, bestreiten mussten.11 9 Die Argumentation folgt Price, Merchants, S. 283 f. Vgl. auch Anderson, Entrepreneurship, S. 169; Carlos u. Neal, The Micro-Foundations of the Early London Capital Market, S. 531 f. 10 Eine statistische Auswertung nach Stadttypen leistet Hann, Industrialisation and the Service Economy. 11 J. S. Brewer, British Merchant; or, Commerce preserved, London 1721, zit. nach Westerfield, S. 412 f.

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Das Lamento ber ,zu viel‘ Marktpersonal war nicht unbegrndet, denn die Anzahl dieser Personen hatte seit dem ausgehenden Mittelalter kontinuierlich zugenommen und sich dann insbesondere im Verlauf des 18. Jahrhunderts betrchtlich vergrçßert. Nach einer Auswertung zeitgençssischer Statistiken durch den amerikanischen Historiker Ray B. Westerfield, der im Jahr 1915 eine außerordentlich kenntnisreiche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der middlemen verçffentlicht hat, vergrçßerten sich die commercial classes zwischen 1688 und 1750, als die Bevçlkerung um ca. 10 Prozent zunahm, je nach Berufsgruppe zwischen 32 und 63 Prozent (Tab. 3). Tab. 3: Geschtztes Wachstum der commercial classes im Vergleich zum Bevçlkerungswachstum, 1688 – 1750 (in Prozent)12 Familien

Personen

Großkaufleute („eminent merchants“) Kleinere Kaufleute („lesser merchants“) Hndler, Ladenbesitzer

45.0 39.0 18.0

63.0 39.0 32.0

Bevçlkerungswachstum

9.9

9.8

Im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts beschleunigte sich das Wachstum abermals – aus drei Grnden: Erstens vergrçßerte sich die Nachfrage nach Marktpersonal, weil das Bevçlkerungswachstum zur Verdichtung der Marktbeziehungen beitrug und weil, stimuliert durch die Konsumrevolution, neue Gewerbezweige entstanden bzw. mehr Waren als zuvor gehandelt wurden. Hinzu kam, dass die imperiale Expansion neue Mrkte auch auf den britischen Inseln erschloss.13 Ein zweiter Grund fr das Wachstum der commercial classes war ihre angebotsbedingte Zunahme aus der sogenannten berschussbevçlkerung, die vom Bevçlkerungswachstum erzeugt wurde und sich insbesondere in den Stdten versammelte: Wer als Migrant nach Erwerb suchte, orientierte sich wie selbstverstndlich in Richtung Handel oder Transportgewerbe, und wer kein Kapital mitbrachte, konnte sich in diesen Branchen fr Lohn beschftigen lassen.14 Ein dritter Grund war struktureller Art: Das Marktpersonal des 18. Jahrhunderts drfte prinzipiell denselben Rationalisierungsschranken unterlegen haben, welche die neuere Soziologie fr die moderne Dienstleistungsarbeit diagnostiziert hat. Derartige Ttigkeiten sind im Allgemeinen schwer zu standardisieren und weder transport- noch lagerfhig; oftmals – so vor allem bei kulturellen und personenbezogenen Dienstleistungen – fallen Produktion 12 Quelle: ebd., S. 414. Westerfields Berechnungen basieren im Wesentlichen auf Angaben der Statistiker Gregory King (1688) und Andrew Young (1769). 13 Vgl. ebd., S. 124, 331 f., sowie die Fallstudie von Weatherill, Middlemen. 14 Vgl. Westerfield, S. 414 f., 416 ff.

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und Konsumtion sogar zeitlich zusammen (Uno-actu-Prinzip). Vor allem aber kann man aufgrund der fr die Marktwirtschaft charakteristischen Ungewissheit a priori nicht ermessen, wie viele Dienstleistungen eine Gesellschaft wirklich bençtigt, so dass die Vorhaltung von berkapazitten nahe liegt.15 In einigen Fllen mochte die „unsichtbare Hand“ des Marktes die Grenzanbieter zum Rckzug bewegen. Doch nicht einmal Adam Smith glaubte hier an einen Automatismus. Er nannte Dienstleistungen schlicht „unproduktiv“: Sie „gehen in der Regel im Augenblick ihrer Erbringung unter und hinterlassen selten eine Spur oder einen Wert, fr den spter eine gleiche Menge Dienstleistungen erworben werden kçnnte“.16 Tab. 4: Erwerbsstruktur nordwesteuropischer Lnder um 1800 (in Prozent)17 Landwirtschaft

Gewerbe und Industrie

Dienstleistungen

England und Wales 1801

36

30

34

Niederlndische Republik 1750 – 1800

41

32

27

„Deutschland“ 1800

62

21

17

Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert fanden diese Wachstumstendenzen ihren statistischen Ausdruck in der Erwerbsstruktur, so wie sie sich auf der Basis des Zensus von 1801 darstellte. Die in Tabelle 4 wiedergegebenen Schtzungen, die fr England und Wales auf dieser Quelle beruhen, fçrdern zwei bemerkenswerte Sachverhalte zutage: zum einen den betrchtlichen Rckgang des Agrarsektors, der nur noch 36 Prozent der Erwerbsttigen umfasste; zum anderen – und darauf kommt es hier an – den Umstand, dass unter den Wirtschaftssektoren, denen die Zukunft gehçrte, die Dienstleis15 Einen Eindruck von der Komplexitt des Gegenstands vermittelt der Handbuchaufsatz von U. Berger u. Engfer, Strukturwandel der gesellschaftlichen Arbeit; vgl. auch U. Berger u. Offe, Das Rationalisierungsdilemma der Angestelltenarbeit. Zu den personenbezogenen Dienstleistungen: Gross u. Badura, Sozialpolitik und soziale Dienste, S. 362 f. 16 A. Smith, S. 363. In dem zitierten Satz bezieht sich Smith auf Dienstbotenttigkeiten. 17 Quelle: de Vries u. van der Woude, The First Modern Economy, S. 528 f. Bei den Angaben handelt es sich um Schtzungen. Sie sind insofern mit Vorsicht zu verwenden, als sie auf den Daten der Nationalstatistiken beruhen, die nach unterschiedliche Kriterien erhoben wurden. Bessere Daten liegen jedoch nicht vor. Fr England und Wales bernehmen de Vries und van der Woude die Schtzungen von Deane u. Cole, British Economic Growth 1688 – 1959, S. 142. Das sind dieselben Basisdaten, mit denen auch jngere britische Wirtschaftshistoriker, etwa fr die Berechnung des Wirtschaftswachstums, operieren.

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tungen mit 34 Prozent strker vertreten waren als Gewerbe und Industrie mit 30 Prozent. Wie der internationale Vergleich zeigt, war ein so großer Umfang des Dienstleistungssektors in anderen europischen Lndern zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu beobachten. Selbst die fortgeschrittenen Niederlande lagen mit 27 Prozent deutlich niedriger, und die deutschen Staaten, die in der Tabelle stellvertretend fr den zum Erhebungszeitpunkt statistisch noch nicht erfassbaren Rest von West- und Mitteleuropa stehen, folgten abgeschlagen mit 17 Prozent. Wie außerordentlich modern die Erwerbsstruktur von England und Wales um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert war, tritt besonders deutlich hervor, wenn man sich vergegenwrtigt, dass der Anteil von 34 Prozent ungefhr der Grçßenordnung des Dienstleistungssektors der USA um 1900 (32 Prozent), des Deutschen Reiches im Jahr 1936 (36 Prozent) und Frankreichs im Jahr 1937 (37 Prozent) entsprach.18 Um die Wende des 18. zum 19. Jahrhunderts bertraf der Dienstleistungssektor den gewerblich-industriellen Sektor von England und Wales jedoch nicht nur nach der Anzahl der Erwerbsttigen. Er erbrachte darber hinaus auch den grçßten Beitrag der drei Sektoren zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Wie Tabelle 5 zeigt, war der Anteil des gewerblichindustriellen Sektors in dieser Hinsicht nur im Erhebungszeitraum 1760 – 80 (und nur nach den in mancher Hinsicht unzureichenden Berechnungen von Nicholas F. R. Crafts)19 grçßer als der des Dienstleistungssektors. Erst in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, also am Ende des Untersuchungszeitraums dieser Studie, sollten die Wachstumsraten des gewerblich-industriellen Sektors erkennbar zulegen. Doch rangierten sie nach den in der Tabelle aufgefhrten Berechnungen von Charles H. Feinstein auch noch lngerfristig niedriger als die des Dienstleistungssektors. Tabelle 5 zeigt ferner, dass die grçßten Wachstumsschbe im Dienstleistungssektor auf die Jahrzehnte nach 1760 entfielen. Dieses Datum markiert nach Forschungen von Robin Pearson und David Richardson den Beginn einer Periode, in der sich britische Unternehmer trotz der ungnstigen rechtlichen Rahmenbedingungen auf lokaler und regionaler Ebene zu Gemeinschaftsunternehmen zusammenzuschließen begannen. Der Bubble Act von 1720 hatte Aktiengesellschaften ohne Royal bzw. Parliamentary Charter den Schutz des Gesetzgebers versagt, und eine solche Charter war im allgemeinen nicht zu bekommen. Unternehmer, die einen erhçhten Kapitalbedarf decken, die „economies of scale“ nutzen und ihr Know-how besser verwerten wollten, ließen sich dadurch jedoch nicht irritieren, und so traten immer mehr unchartered partnerships, trusts, joint stock oder limited liability companies auf 18 Angaben nach Buchheim, Industrielle Revolution, S. 33. 19 Die Zahlen von Crafts fr den Dienstleistungssektor bilden die kommerziellen Dienstleistungen nur sehr unzureichend ab. Auf diese Schwche weisen hin Berg u. Hudson, Rehabilitating the Industrial Revolution, S. 29.

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Tab. 5: Gewichtete jhrliche Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts in Großbritannien 1700 – 1860 (in Prozent pro Jahr)20 Landwirtschaft

Gewerbe und Industrie

Dienstleistungen

Bruttoinlandsprodukt

Berechnungen von N. F. R. Crafts 1700 – 1760 1760 – 1780 1780 – 1801 1801 – 1831

0.22 0.04 0.24 0.31

0.14 0.38 0.53 0.95

0.33 0.28 0.55 0.70

0.69 0.70 1.32 1.97

Berechnungen von C. K. Harley 1700 – 1770 1770 – 1815 1815 – 1841

0.19 0.26 0.36

0.16 0.40 0.99

0.21 0.65 0.88

0.56 1.31 2.23

Berechnungen von C. H. Feinstein 1831 – 1860

0.36

0.97

1.17

2.50

den Markt. Sie gaben sich detaillierte Statuten und beteiligten die Aktionre an der Unternehmensfhrung, um die Kontrolle zu gewhrleisten (shareholder democracy). Auch diese Entwicklung erfolgte nicht primr in der gewerblichen Wirtschaft, sondern im Dienstleistungssektor. Sie fhrte zur Grndung großer Versicherungsunternehmen, neuer kapitalkrftiger Kanalbaugesellschaften, bald auch von Gasbeleuchtungs- und Wasserversorgungsunternehmen und ging einher mit Unternehmenskooperationen, Kartellbildungen, nicht selten auch der Erlangung eines quasi-çffentlichen Status.21 Das ausgehende 18. Jahrhundert markiert daher den Punkt in der Entstehung der englischen Marktgesellschaft, an dem das Individuum als Akteur von Organisationen ergnzt und ersetzt wurde.22

20 Quelle: Lee, The British Economy since 1700, S. 10. Lee gewichtet die Wachstumsraten jeden Sektors, indem er sie mit dem Umfang des jeweiligen Sektors multiplizierte. Seine Daten stammen von Crafts, British Economic Growth 1700 – 1831, S. 187, 189, 191; Harley, British Industrialisation before 1841, S. 284 – 86; Feinstein, Capital Formation in Great Britain, S. 84. 21 Vgl. Pearson u. Richardson, Business Networking; Pearson, Shareholder Democracies?; R. Harris, Industrializing English Law, S. 168 – 200. Zum Bubble Act, dessen Effekte in der lteren Literatur oft berschtzt wurden: ebd., S. 60 – 81. 22 Das heißt in einer aus der Mode gekommenen Terminologie: In England markiert das ausgehende 18. Jahrhundert den bergang zum Organisierten Kapitalismus – ein Charakteristikum,

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Der Befund einer besonderen Rolle des Dienstleistungssektors in der britischen Volkswirtschaft, der sich weit ins 19. Jahrhundert fortschreiben ließe,23 besttigt die neuere wirtschafts- und sozialgeschichtliche Forschung in ihrer Tendenz zur Abkehr vom Interpretament der Industriellen Revolution. Ja, er radikalisiert diese Forschungsmeinung, indem er, pointiert formuliert, nicht nur die seit langem bestehenden Zweifel an der revolutionren Qualitt der Entwicklung im angenommenen Kernzeitraum 1760 – 1830 bestrkt, sondern fr diesen Zeitraum die industrielle Prgung der britischen Wirtschaft berhaupt in Zweifel zieht. Die isolierte Betrachtung einzelner erfolgreich industrialisierter Regionen und Branchen wie der Textilindustrie in Lancashire, wo es an manchen Orten sogar mehrere mit Dampfkraft betriebene Fabriken gab, kçnnte die Interpretation etwas relativieren. Doch muss man sich vergegenwrtigen, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts selbst in Manchester, der „Cottonopolis“ der englischen Textilindustrie, betrchtlich mehr Kapital in Lagerhuser und Kneipen (public houses) – also in den Dienstleistungssektor – investiert wurde als in die Fabrikindustrie.24 Beide Gebudetypen fungierten als Clearingstellen (Qualittskontrolle) und Geschftsrume fr die Vielzahl der verlegten Produzenten vom Land, die sich nur vorbergehend in der Stadt aufhielten, um Zugang zu den nationalen und internationalen Mrkten zu erhalten. Die Aussage, dass der Kommerzialisierungsprozess in England im frhen 19. Jahrhundert nicht in die Industrie-, sondern in die Dienstleistungsgesellschaft mndete, erscheint daher durchaus begrndet. Als sinnvolle Fortsetzung dieser Studie wrde sich nicht unbedingt eine weitere Geschichte der Industrialisierung in England bzw. Großbritannien, angereichert um marktbezogene Analysen, empfehlen. Es erscheint vielmehr geboten, das lange vernachlssigte Thema der Dienstleistungsproduktion

das in der traditionellen, auf die Produktionssphre fixierten Betrachtungsweise bislang bersehen wurde; vgl. z. B. Medick, Anfnge und Voraussetzungen des Organisierten Kapitalismus in Großbritannien. 23 Vgl. Lee, British Economy ; ders., The Service Sector ; ders., The Service Industries. Ferner: Gemmell, The Contribution of Services; M. Thomas, The Service Sector. 24 Nach Chapman betrugen die Investitionen in Lagerhuser in den Jahren nach 1815 das Sechsfache der Investitionen in Fabriken; vgl. Commercial Sector, S. 75. Vgl. ferner Lloyd-Jones u. Lewis, Manchester and the Age of the Factory, S. 30 – 32, 36, 46, sowie die von King u. Timmins, S. 49 – 59, mitgeteilten Daten, ferner das ernchternde Urteil von Rose, Introduction, S. 27, ber den Industrialisierungsgrad von Lancashire vor 1830/50: „Lancashire certainly became the single most important centre of the British cotton industry by 1830. However, throughout the nineteenth century, the majority of Lancashire’s population was employed in other sectors, with vast tracts of the county virtually untouched by cotton. During the industrial revolution the quest for water power sent industrialists to the very margins of the country. However the lasting and cumulative impact of the cotton industry was increasingly restricted, as the nineteenth century progressed, to its south-easternmost corner. Even amongst the cotton towns there were, by 1830, considerable variations in their employment profile. Before the middle of the nineteenth century, factories did not dominate Lancashire industry.“

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aufzugreifen – und zwar so, dass der Gegenstand von vornherein nicht nur wirtschafts-, sozial- und kulturgeschichtlich eingebettet wird, sondern auch der lngerfristige Trend zur Integration der Dienstleistungen in Unternehmen und andere Organisationen miterforscht wird. Gerade fr den Industrialisierungspionier Großbritannien erscheint der an der Gterproduktion orientierte enge Begriff von Produktivitt, mit dem die (neo-)klassische Wirtschaftswissenschaft operiert, fr die Erforschung eines so ambivalenten, ja schillernden Gegenstandes ganz unzureichend.25 Zu bercksichtigen wre durchgngig auch der indirekte Beitrag der Dienstleistungen zur wirtschaftlichen Produktivitt und gesellschaftlichen Integration. Wie in dieser Studie gezeigt wurde, bestand er in der Frhen Neuzeit insbesondere in der Organisation und Gewhrleistung von Information und Kommunikation, Verkehr und anderen Vermittlungsleistungen. Lngerfristig betrachtet, wre auch der Beitrag von Dienstleistern zur Beaufsichtigung und berwachung dieser Funktionen, zur Konservierung der natrlichen Grundlagen und zur Synthetisierung des gesellschaftlichen Selbstverstndnisses mit einzubeziehen.26 Vor allem zwei Fragen htte eine solche Fortsetzung der vorliegenden Geschichte der Marktgesellschaft zu beantworten: Mit Blick auf die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Englands bzw. Großbritanniens wre die funktionale Beziehung zwischen marktbezogenen Dienstleistungsttigkeiten und der Industrieproduktion zu bestimmen, die sich mçglicherweise in unterschiedlichen Perioden unterschiedlich darstellte. Wann waren die beiden Bereiche komplementr, wann nicht; wann stimulierten sie einander, wann standen sie in Konkurrenz zueinander? Lsst sich vielleicht sogar argumentieren, dass das fr England bzw. 25 Daraus mag sich das Versumnis fhrender Wirtschaftshistoriker erklren, sich mit dem Phnomen Dienstleistungen in der Industrialisierung ernsthaft zu befassen. Die hier dargelegten Daten sind seit Jahrzehnten bekannt; doch wurden sie in wirtschaftsgeschichtlichen berblicksdarstellungen zumeist in die Fußnoten verbannt oder ganz ignoriert; vgl. stellvertretend fr zahlreiche Beispiele Mathias, The Industrial Revolution, S. 25 f. Irritierend ist die ,Betriebsblindheit‘ der Wirtschaftsgeschichte aus heutiger Sicht nicht zuletzt deshalb, weil die Cr me de la cr me dieser Disziplin bereits zu Beginn der 1970er Jahre ber das Thema diskutiert hat; vgl. Hartwell, The Tertiary Sector in the English Economy, S. 218 f., 226, und den Diskussionsbeitrag von Mathias, in Lon u. a., L’industrialisation en Europe, S. 228. Auf Deutsch hat Hartwell die wichtigsten Befunde publiziert in seinem Aufsatz „Die Dienstleistungsrevolution“, vgl. insb. S. 242. Auch die nachfolgende Forschergeneration zeigte sich bemerkenswert desinteressiert. In Einzelfllen ist es sogar zu geradezu wtenden Reaktionen gegen Autoren gekommen, die den Befund in seiner Tragweite diskutieren wollten; vgl. z. B. die Rezension des einschlgigen Buches von Lee, British Economy, durch Mokyr im Journal of Economic History 1988. Solche Reaktionen sttzen die Vermutung von Cannadine, dass die Industrialisierungsforschung als eine in ihrer Relevanz beeintrchtigte Teildisziplin der Geschichtswissenschaft ihr angestammtes Terrain verteidigt; vgl. Economy : The Growth and Fluctuations of the Industrial Revolution, S. 110 f. 26 Diese und andere Funktionen ist unter dem Begriff „Gewhrleistungsarbeit“ zusammengefasst worden; vgl. J. Berger u. Offe, sind Entwicklungsdynamik des Dienstleistungssektors.

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Großbritannien so charakteristische langsame Voranschreiten der Industrialisierung im 18. und frhen 19. Jahrhundert urschlich auf den hohen Anteil von Dienstleistungen unter den Erwerbsttigen zurckzufhren ist? Dieses Argument ist in der Literatur bereits vertreten worden – allerdings bislang nur in Untersuchungen ber das Zurckfallen Großbritanniens in der Zweiten Industriellen Revolution seit der Wende zum 20. Jahrhundert (Chemie- und Elektroindustrie, Nutzung von Benzin als neuer Energie). Stephen Broadberry, der die Problematik im Vergleich mit Deutschland und den USA erforscht hat, argumentiert fr diese Zeit zudem mit einem zu geringen Organisations- und Technisierungsgrad britischer Dienstleistungen.27 Es wre zu berprfen, ob diese Interpretation auch fr den frheren Untersuchungszeitraum – und damit fr die Industrialisierungsphase insgesamt – trgt, kçnnte die Entwicklung der Dienstleistungen doch eine plausible Erklrung des lngerfristigen „decline“ der britischen konomie, d. h. des relativen Rckfalls des Industrialisierungspioniers gegenber den Volkswirtschaften der Nachfolger, liefern. Aus einer international vergleichenden Perspektive mçchte man schließlich wissen, ob sich die in England zu beobachtende Abfolge der Entwicklung des Dienstleistungs- und des gewerblich-industriellen Sektors verallgemeinern lsst. Oder ob man anderswo in Europa und in der Welt empirische Evidenz fr die weithin akzeptierte Stufentheorie des franzçsischen konomen Jean Fourasti (1907 – 1990) findet, demzufolge die Erwerbsstruktur moderner Volkswirtschaften grundstzlich einer Entwicklung vom Agrarsektor zum industriellen und erst im fortgeschrittenen Stadium zum Dienstleistungssektor unterliegt. Sollte Letzteres der Fall sein, htte man es außerhalb Englands vermutlich auch mit einer ganz anders strukturierten Marktgesellschaft zu tun.28

27 Vgl. Broadberry, Market Services and the Productivity Race, 1850 – 2000; ders., How Did the United States and Germany Overtake Britain? Ferner : M. Thomas, S. 132. 28 Fourasti, Le grand espoir du XXe si cle. Die Problematik wird bereits in einem Aufsatz von Kaelble aus dem Jahr 1989 erçrtert – leider erst fr den Zeitraum seit 1850/60; vgl. Was Prometheus most Unbound in Europe?

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2. Triebkrfte, Pfadabhngigkeiten und Entwicklungspotential: Perspektiven des europischen Langzeitvergleichs Die vorstehende Momentaufnahme der englischen Marktgesellschaft um 1800 mit der charakteristischen Dominanz des Dienstleistungssektors zeigt: Der Prozess der Kommerzialisierung hat zwar auf vielfltige Weise zu einer Modernisierung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verhltnisse in England beigetragen. Er hat vor dem Hintergrund einer rasch wachsenden Bevçlkerung die berwindung der traditionellen Ernhrungskrisen ermçglicht und durch seinen Beitrag zu anhaltendem wirtschaftlichen Wachstum dem Land insgesamt ein Wohlstandsniveau vermittelt, das weit ber den Standards des brigen Europa lag.29 Dennoch wohnte dem Prozess in Bezug auf die Produktionsweise unmittelbar keine revolutionre Kraft inne. Daher kann die Kommerzialisierung Englands im Ergebnis dieser Studie nur als eine notwendige, nicht als hinreichende Voraussetzung der Industrialisierung bezeichnet werden.30 Dieser letztlich negative Befund mag irritieren; im Kontext dieser Studie erscheint er jedoch plausibel, wrde doch jede weniger zurckhaltende Formulierung des Zusammenhangs die Frage aufwerfen, warum der Durchbruch der Industrialisierung in England nicht zu einem frheren Zeitpunkt des hier 750 Jahre umfassenden Kommerzialisierungsprozesses erfolgte. Der naheliegende Einwand, dass der Umschlagpunkt von Quantitt auf Qualitt eben erst Mitte des 19. Jahrhunderts erreicht worden sei, wre nach der Struktur des Arguments zirkulr. Der Einwand wrde darber hinaus die weitere Frage nach sich ziehen, warum England um die Mitte des 19. Jahrhunderts den Durchbruch zur Industriegesellschaft nur Jahre oder Jahrzehnte frher erlebte als andere europische und außereuropische Lnder, die keine so frh einsetzende und so flchendeckend durchgreifende Vorlaufsphase der Kommerzialisierung erfahren hatten. Fr die Geschichte der englischen Industrialisierung heißt dies, dass man, um ihren Pioniercharakter zu erklren, andere Erklrungsfaktoren strker gewichten muss als den vorausgehenden Prozess der Kommerzialisierung. Zu den Faktoren, die in der vorliegenden Studie hervortraten, gehçrten an erster Stelle die Entwicklung neuer Technologien, die zum Teil auf europischen Wissens- und Techniktransfers aufbauten und im kohlereichen Großbritannien in besonderem Maße zur Verbesserung der Energieerzeugung (Dampf-

29 Der Befund ist krzlich noch einmal eindrucksvoll formuliert worden von Gregory Clark, A Farewell to Alms, S. 240 f. 30 Interessanterweise kommt Vries in seinem Großbritannien-China-Vergleich zu einem hnlichen Ergebnis; vgl. Via Peking Back to Manchester, S. 59.

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maschinen) genutzt wurden.31 Ein zweiter Faktor war das vergleichsweise hohe, durch gewerkschaftliche Organisation und Streiks abgesttzte Lohnniveau der gewerblichen Arbeiter Großbritanniens, insbesondere der Textilarbeiter, das einen betrchtlichen Kostenfaktor darstellte und unter Weltmarktbedingungen lngerfristig die Substitution menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen nahe legte.32 Schließlich drfte auch die mit der imperialen Expansion einhergehende Stimulierung der Nachfrage nach bestimmten Handelsprodukten (z. B. Baumwollstoffen) zu Buche geschlagen haben, ging doch fast die Hlfte des Zuwachses der gewerblichen Produktion, der in England im Verlauf des 18. Jahrhundert zu verzeichnen war, in den Export. Dieser Punkt verweist nicht zuletzt auf die Krone und das Parlament als Industrialisierungshelfer und ruft die Finanzrevolution sowie weitere flankierende Maßnahmen der Regierungen in Erinnerung.33 Die Politik als Triebkraft der Kommerzialisierung war damit zugleich auch eine der Industrialisierung. Mit Blick auf den Kommerzialisierungsprozess selber kann man den Befund dieser Studie so zusammenfassen, dass auch 750 Jahre nach seinem Beginn, als sich in England bzw. Großbritannien eine voll funktionierende Marktgesellschaft lngst herausgebildet hatte, eine qualitative Steigerung von Kommerzialisierung offenbar schwierig blieb. Was sich statt dessen abzeichnete, war ein more of the same, mçglicherweise sogar eine Tendenz zum betriebsamen Leerlauf. Die nachfolgende Zusammenfassung des Verlaufs und der wichtigsten Merkmale des Kommerzialisierungsprozesses in England kann sich daher nicht darauf beschrnken, seine Vorzge und Leistungen zu wrdigen. Sie muss zugleich auch seine Defizite sowie die Grenzen seiner Gestaltungsfhigkeit identifizieren und – soweit mçglich – aus dem Prozessverlauf selbst zu erklren versuchen. Nur auf dieser Basis lassen sich auch Hypothesen fr knftige Vergleichsstudien entwickeln. Der Prozess der Kommerzialisierung in England erwuchs nicht aus bestimmten englischen Eigenarten. Er erhielt seinen entscheidenden Anstoß vielmehr durch ein ußeres Ereignis, den Sieg des Normannen Wilhelm ber den englischen Kçnig Harald II. in der Schlacht von Hastings im Jahr 1066. Man soll die langfristigen Effekte einzelner Ereignisse nicht berbewerten. In diesem Fall fhrte der an den Sieg anschließende Eroberungsfeldzug jedoch zur gewaltsamen Zerstçrung der berkommenen Herrschaftsstruktur der Angelsachsen, so dass die Kooperation von alten und neuen Eliten ebenso 31 Vgl. oben S. 56 sowie Mokyr, The Gifts of Athena; ders., The Intellectual Origins of Modern Economic Growth; Musson, Continental Influences; McLeod, The European Origins of British Technological Predominance; R. C. Allen, The British Industrial Revolution in Global Perspective, S. 30. 32 Vgl. oben S. 62; ferner ders., The Industrial Revolution in Miniature: The Spinning Jenny in Britain, France, and India. 33 Vgl. oben S. 68 – 72 sowie O’Brien, The Britishness of the First Industrial Revolution, S. 55; speziell fr die Baumwollindustrie: ders. u. a., Political Components of the Industrial Revolution.

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ausgeschlossen wurde wie ein Zurck zum Status quo ante. Das neue Herrschaftssystem konnte sich ungehindert entfalten. Es war zentralistisch ausgerichtet und verband konstitutive Elemente des europischen Feudalismus, so das Lehnswesen und den Gedanken der persçnlichen Treue, mit neuartigen Methoden der ganz auf den Kçnig zugeschnittenen Herrschaftssicherung. Diese basierten von Anfang an auch auf Vertrags- und Geldbeziehungen. Daher hatte die Krone in ihrer Eigenschaft als Obereigentmerin des englischen Territoriums Herrschafts- und Unternehmensfunktionen zugleich zu erfllen und sah sich in manchen Situationen widersprchlichen Handlungsanforderungen ausgesetzt. Der Strukturkonflikt zwischen dem Zentralismus der Krone und den zentrifugal wirkenden Geldbeziehungen erodierte das Feudalsystem. Die kommerzielle Dynamik, die der Geldmechanismus freisetzte, erfasste zunchst den Land- und den Kapitalmarkt, in einem zweiten Schritt dann auch die lndlichen Arbeitsmrkte. Als vermittelndes Glied erwies sich die frhe Erfahrung der kapitalistisch wirtschaftenden Grundbesitzer und Pchter, dass die Arbeitsproduktivitt von Fronarbeitern geringer als die von Freien war. Die Entlassung aus der Leibeigenschaft und der damit einhergehende Zustrom lndlicher Arbeitskraftanbieter auf die stdtische Arbeitsmrkte brachte wiederum die Stdte in Bedrngnis. Da es ihnen im Zuge der Staatsbildung nicht gelungen war, rechtliche Eigenstndigkeit zu erlangen, sahen sie sich der Entwicklung wehrlos ausgesetzt. Die Durchlssigkeit der Grenzen zwischen Stadt und Umland beschleunigte das Absterben der Znfte auf der einen, die Entstehung der fr Arbeitsmrkte charakteristischen Asymmetrie von Anbietern und Nachfragern auf der anderen Seite. Um dieser Asymmetrie entgegenzutreten, bildeten sich sptestens im 18. Jahrhundert Gewerkschaften, deren Aktionsbereich indes noch lokal begrenzt blieb. Auch in anderen konkreten Situationen war es die Krone selber, die – motiviert durch ihr Eigeninteresse an der Herrschaftssicherung und den damit einhergehenden Finanzbedarf – der Marktentwicklung direkte und indirekte Impulse gab. Das Motiv der Revenueschçpfung stand hinter Maßnahmen wie dem systematischen Verkauf von Marktrechten seit der zweiten Hlfte des 13. Jahrhunderts, der unkomplizierten Verfahrensweise kçniglicher Gerichte in Angelegenheiten des Binnen- und Fernhandels (law merchant bzw. lex mercatoria), aber auch hinter der Patronage fr die 1565 errichtete Royal Exchange als multifunktionales Geschftszentrum in der City of London. Darber hinaus erhçhte die Krone durch mehrere strategische Gesetze den Druck auf Arme und Bedrftige, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfgung zu stellen. Zu nennen sind hier insbesondere Gesetze des 16. Jahrhunderts, so das Statute of Artificers (1563), das die Aufnahme von Armenkindern in die Handwerkslehre verlangte, vor allem aber die Poor Laws; diese verpflichteten die Stadtverwaltungen, Vagranten und andere Arme zu untersttzen, und fungierten in saisonalen und konjunkturellen Flauten zugleich als rudimentre Arbeitslosenversicherung. berdies wurden die Untersttzungsleistun121

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gen mit Zumutungen verknpft, so dass sich die Bedrftigen zur Annahme jeder noch so unangenehmen Ttigkeit veranlasst sahen.34 Nachdem die Krone durch die Revolutionen des 17. Jahrhunderts in ihrer politischen Gestaltungsfhigkeit empfindlich eingeschrnkt worden war, initiierte sie am Ende des Jahrhunderts schließlich gemeinsam mit dem Parlament eine Umgestaltung der Staatsfinanzen („Finanzrevolution“), die der englischen Volkswirtschaft das neue Steuerungsinstrument der national debt verschaffte. Damit ging die Rolle eines Fçrderers der Marktwirtschaft von der Krone auf den modernen britischen Staat ber. Da die Krone bzw. der Staat aktive Marktteilnehmer waren, sollte man die von ihnen ausgehenden Interventionen nicht als exogene Anstçße des Kommerzialisierungsprozesses charakterisieren. Aber auch von anderen ußeren und außerçkonomischen Instanzen gingen nach 1066 weder Stçrungen noch Entwicklungsimpulse aus. Ein wichtiger Grund dafr, so wurde hier argumentiert, war die Insellage Englands, die nicht nur potentielle Eroberer frustrierte, sondern auch Beeintrchtigungen der kontinuierlichen Marktentwicklung durch kriegerische Zerstçrungen und die Einschleppung von Epidemien erschwerte oder sogar verhinderte. Ein Ergebnis dieser Studie ist daher, dass die einmal von außen angestoßene Kommerzialisierung Englands sich ber Jahrhunderte als ein weitgehend autochthoner, sich selbst vorantreibender Prozess vollziehen konnte. Auch die Perzeption des niederlndischen Vorbilds im Zusammenhang mit der Finanzrevolution des ausgehenden 17. Jahrhunderts, die London mit dem Finanzmarkt in Amsterdam verknpfte, vermag diesen Gesamteindruck nicht zu beeintrchtigen. Der Befund dieser Untersuchung war vielmehr, dass sich, wie beim Phnomen des Kulturtransfers hufig zu beobachten, in dieser Situation die konkreten Gestaltungsinteressen der Nachfrager gegenber dem auslndischen Vorbild durchsetzten, so dass dessen Bedeutung als Impulsgeber relativiert wurde.35 Insgesamt verlief der Prozess der Kommerzialisierung in England gleichfçrmig und ohne erkennbare Rckschlge. Auch Wellenbewegungen oder andere wiederkehrende Entwicklungsmuster ließen sich nicht beobachten. Allerdings ergab sich im fortgeschrittenen Stadium des Prozesses ein gewisser Beschleunigungseffekt aus den Austauschrelationen einzelner Mrkte mit 34 Die Interpretation von Galenson, The Rise of Free Labor, S. 1351 – 1875, dass die durch diese Gesetze legitimierte Ausbung von direktem und indirektem Zwang die Herausbildung von freier Lohnarbeit in England verzçgert habe, lsst sich aus einer markthistorischen Perspektive nicht nachvollziehen. Was Galenson beschreibt, ist die Institutionalisierung und Verstrkung des asymmetrischen Krfteverhltnisses von Anbietern und Nachfragern von Arbeitskraft. In dem Zusammenhang wurden auch bestimmte, in der vorliegenden Studie nicht im einzelnen analysierte Klauseln ins Criminal und Contract Law aufgenommen, welche die Auflçsung von Arbeitsvertrgen durch den Arbeitnehmer erschwerten. Sie behielten zum Teil bis ins frhe 20. Jahrhundert hinein Gltigkeit. 35 S. o. S. 71. Ausfhrlich zur Nachfrager-Dominanz bei Kulturtransfers: Eisenberg, Kulturtransfer als historischer Prozess.

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ihrer gesellschaftlichen Umwelt. Die daraus erwachsenen Wechselwirkungen und Synergieeffekte hat diese Studie im Detail am Beispiel der gewerblichen Produktion untersucht und festgestellt, dass deren Ausdehnung insbesondere seit dem ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert zu einem – allerdings langsamen – Aufschwung fhrte. Er wurde flankiert von einem betrchtlichen Bevçlkerungswachstum, das auch direkt zur Verdichtung der marktbezogenen Interaktionen, zur Senkung der Transaktionskosten, zur Fçrderung der Arbeitsteilung und damit zu erhçhter Effizienz der Marktwirtschaft beitrug. Dass Zeitgenossen wie Historiker dieser Periode begannen, die englische Gesellschaft als Konsumgesellschaft zu charakterisieren, kann als Beleg dafr genommen werden, dass der Prozess der Kommerzialisierung den çkonomischen Austauschbeziehungen durch quantitative Steigerung auch eine als neu empfundene Qualitt zu geben vermochte. Allerdings war die Befriedigung des Alltagsbedarfs ber den Markt keineswegs ein neues Phnomen, sondern hatte sich seit dem Mittelalter kontinuierlich ausgeweitet. Die dem Kommerzialisierungsprozess innewohnende Fhigkeit, seine Prinzipien in immer anderen gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhngen zu verankern, erwuchs auf einer allgemeinen Ebene aus der Erfahrung der Zeitgenossen, dass es existentielle Nachteile mit sich brachte, dem Netzwerk des Marktes nicht angeschlossen zu sein. Darber hinaus kann man mit der modernen Netzwerktheorie argumentieren, dass das Netz haltbarer, leistungsfhiger, mithin auch attraktiver wurde, je mehr indirekte Kontakte es vermittelte; denn neuere soziologische Studien konnten nachweisen, dass die informell, ber Markt und Medien vermittelten sogenannten weak ties mehr zur Kommunikation beitragen als enge zwischenmenschliche Beziehungen.36 Schließlich zog sich der Kommerzialisierungsprozess ber Jahrhunderte hin, so dass sich auch ein Gewçhnungseffekt eingestellt haben drfte. Dass sich die Marktbeziehungen darber hinaus in vorhandene soziale und kulturelle Zusammenhnge erfolgreich einbetten konnten, ist auf aktive Vermittlungsleistungen der Marktteilnehmer zurckzufhren. Sie kamen dadurch zustande, dass einzelne Akteure Anstrengungen unternahmen, um sich mithilfe von Gruppenhandeln und Organisation zu koordinieren und eine auf ihre spezifischen çkonomischen Interessen zugeschnittene Umwelt aufzubauen. Zu den Beispielen, die in der Studie geschildert wurden, gehçrten die Professionalisierungsbestrebungen von Bçrsen- und Versicherungsexperten, die zur Ausdifferenzierung der London Stock Exchange und moderner Versicherungsunternehmen aus der Royal Exchange fhrten; ferner die turnpike societies und die hinter dem Trend zum urban improvement stehenden Profitinteressen privater Erschließungsgesellschaften; die Streiks und gewerkschaftlichen Organisationsbestrebungen von Handwerksgesellen; schließlich auch die ungezhlten friendly societies zur gegenseitigen Hilfeleistung bei 36 Vgl. Lbbe, Netzverdichtung; Holzer, Netzwerke, S. 103 ff.; Granovetter, The Strength of Weak Ties.

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Krankheit und anderen Lebensrisiken, die in einer Marktgesellschaft schnell zu existentiellen Krisen eskalieren. Einen besonderen Beitrag zur Selbstperpetuierung des Kommerzialisierungsprozesses wie auch zu seiner Einbettung in vorhandene soziale und kulturelle Zusammenhnge leisteten die Presse und die Kulturindustrien. Beide Branchen hatten in England von Anfang an Erwerbscharakter und betrieben ihr Business im Gewinninteresse der Eigentmer sowie der – berwiegend selbstndig agierenden – Journalisten bzw. Kulturschaffenden in deren Umfeld. Bei der Verfolgung dieser Interessen war es hilfreich, dass die beiden Branchen sich austauschten und eng kooperierten. Die Presse bençtigte die Kulturindustrien wegen ihres permanenten Bedarfs an aktuellen Informationen, und umgekehrt profitierten die Kulturindustrien von der ffentlichkeitsarbeit der Presse, die ihr das Publikum zufhrte und dazu beitrug, dass manche regelmßig wiederkehrende Veranstaltung von einer besonderen Aura umgeben wurde. Indem Presse und Kulturindustrien gemeinsam die Spielformen des Marktes – den Wettbetrieb und den Sport, die Mode und das Konsumieren generell – institutionalisieren halfen, bewirkten sie zustzlich zu ihrer wechselseitigen Fçrderung noch einen weiteren Effekt: Sie untersttzten kulturelle und mentale Anpassungsleistungen an das Marktgeschehen auch bei jenen Zeitgenossen und -genossinnen, die selber nicht professionell darin involviert waren. War die Kommerzialisierung Englands seit dem ausgehenden Mittelalter ein pfadabhngiger Prozess? Diese Frage, die auf eine zuerst in den Wirtschaftswissenschaften gefhrte Diskussion Bezug nimmt, umfasst drei Teilfragen: Inwieweit wurde der Prozess durch eine – eventuell zufllige – Anfangskonstellation nachhaltig geprgt? Unterlag er im weiteren Verlauf einem Selbstverstrkungseffekt, der mçglicherweise sogar seine Irreversibilitt („lock in“) bewirkte? Und schließlich: Vermochte der Prozess seine Funktionen auch lngerfristig zu erfllen? Oder kam es zu einer Abnahme des Grenznutzens, zu Dysfunktionen, inneren Widersprchen oder Innovationen in der Umwelt, die mit der Zeit zu suboptimalen Ergebnissen fhrten?37 Die Antwort auf die erste Frage nach der Prgung durch die Ausgangskonstellation liegt bereits vor: Der Kommerzialisierungsprozess wurde im Jahr 1066 durch den Sieg Wilhelm den Eroberers ber die Angelsachsen angestoßen und entwickelte sich fortab gewissermaßen als ein Nebeneffekt des von ihm neu etablierten Herrschaftssystems. Insofern spielte auch der Zufall, von Niklas Luhmann definiert als „das Fehlen einer Vorwegkoordination

37 Das sind die wichtigsten Kriterien fr pfadabhngige Prozesse; vgl. David, Clio and the Economics of QWERTY; Arthur u. a., Path Dependent Processes; Goldstone, Initial Conditions; Mahoney, Path Dependence. Vgl. auch die neuere berblicksstudie von Beyer.

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zwischen Ereignissen und Systemen“, eine wichtige Rolle – ganz abgesehen davon, dass die Eroberung auch htte scheitern kçnnen.38 Eine „Lock in“-Situation wurde durch den Feldzug im Anschluss an die Eroberung erzeugt, der die fast vollstndige Liquidation der alten angelschsischen Fhrungsschicht zur Folge hatte. Ein Feldherr, der auf diese Weise Tabula rasa macht, muss nicht nur eine neue, anders gestaltete Herrschaftsstruktur etablieren, sondern mit dieser auch dann zurecht kommen, wenn sich nicht intendierte Nebenfolgen und Widersprche ergeben. Nicht zuletzt aus dieser selbst erzeugten Zwangslage erklrt es sich, dass die Krone auch lngerfristig die treibende Kraft des Kommerzialisierungsprozesses blieb, obwohl relativ frhzeitig deutlich wurde, dass dieser seinerseits dazu beitrug, ihre Autoritt zu unterminieren. Die „Lock in“-Situation der Krone wurde in dieser Studie fr die Erosion des Feudalismus, auch in der Sozialstruktur, skizziert. Es wre eine weitere Untersuchung wert zu klren, auf welche Weise derselbe Mechanismus positive Folgen fr die Geschichte der brgerlichen Freiheiten zeitigte, regelte doch schon die Magna Carta, die Kçnig Johann im Jahr 1215 von seinen eigenen, mit Landbesitz ausgestatteten Vertrauensleuten aus der Normandie abverlangt wurde, eine ganze Reihe von çkonomisch relevanten Fragen, so den Umgang mit Schuldnern, Fragen der Insolvenzabwicklung und der Beziehungen zu auslndischen Kaufleuten. Auch in der Geschichte der Parlamentarisierung lassen sich – beginnend mit Simon de Montfort und der von ihm gefhrten oppositionellen Adelsgruppe, die Kçnig Heinrich II. im Jahr 1254 die Zustimmung fr seine außenpolitischen Plne verweigerte – immer wieder Situationen identifizieren, in denen die Barone (und spter auch Angehçrige der middle classes) die fiskalischen Notlagen der Krone ausnutzten, um sich durch Steuerbewilligungen neue Rechte zu ,erkaufen‘. Die „Finanzrevolution“ im Anschluss an die Glorious Revolution bildete insofern nur den Hçhepunkt einer ber Jahrhunderte gepflegten Praxis.39

38 Luhmann, Geschichte als Prozess, S. 422. Es sei an dieser Stelle erwhnt, dass Wilhelm den Angelsachsen Harald nicht zuletzt deshalb besiegte, weil dessen Truppen zuvor durch gewonnene Schlachten gegen den norwegischen Kçnig Harald Hadrada geschwcht worden waren. Die beiden Attacken waren offenbar nicht koordiniert; vgl. Kçrner, The Battle of Hastings, S. 282 – 284. 39 hnlich argumentiert North, Institutions, Institutional Change and Economic Performance, S. 113, 138 f. Vgl. auch schon Simmel, Philosophie, S. 720: „[D]ie Freiheit des englischen Volkes seinen Kçnigen gegenber beruht zum Teil darauf, daß es sich ein fr allemal durch Kapitalzahlungen in Bezug auf bestimmte Rechte mit ihnen auseinandersetzte. Nicht trotzdem, sondern gerade weil eine solche Handelschaft um die Freiheiten des Volkes einen etwas brutalen und mechanischen Charakter trgt, bedeutet sie ein reinliches Sich-Abfinden miteinander, den vçlligsten Gegensatz gegen die Empfindung des Kçnigs, daß sich ,kein Blatt zwischen ihn und sein Volk drngen sollte‘, – aber eben deshalb auch eine radikale Beseitigung aller der Imponderabilien gemtvoller Beziehungen, die bei einem weniger geldgeschftsmßigen Erwerb von Freiheiten oft die Handhabe bieten, sie zurckzunehmen oder illusorisch zu machen.“

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Der Automatismus einer Schwchung der Krone infolge der sich durchsetzenden Marktbeziehungen ist jedoch nicht das Thema dieser Studie. Es geht vielmehr um die Pfadabhngigkeit des Kommerzialisierungsverlaufs und hier speziell um die Frage, ob und in welcher Hinsicht er Nebenwirkungen und Dysfunktionen erzeugte, die sein eigenes Funktionieren beeintrchtigten. Das Ergebnis ist negativ. Denn ber die Jahrhunderte wurde der Markt seiner Aufgabe, die Allokation von Gtern und Dienstleistungen sowie die Koordination der dafr erforderlichen Transaktionen zu garantieren, zunehmend besser gerecht, und die einzige erkennbare Nebenwirkung bestand darin, dass die flchtigen, berwiegend anonymen Sozialbeziehungen, die er knpfte, die englische Gesellschaft integrierten. Das wiederum war, um es in der Sprache der Pfadabhngigkeitsforschung zu fassen, keine Dysfunktion, sondern ein Phnomen der positiven Rckkopplung. Dass es immer wieder krisenhafte Entwicklungen gab und die Lebensqualitt der meisten Menschen in der Frhen Neuzeit auch dadurch eingeschrnkt wurde, dass die Marktwirtschaft ihnen als Lohnabhngige und Konsumenten weniger Chancen erçffnete als den Arbeitgebern und Kaufleuten, steht diesem Befund nicht entgegen. Denn das Marktprinzip funktionierte uneingeschrnkt, ja, es provozierte im Untersuchungszeitraum nicht einmal Protestbewegungen oder nennenswerte Intellektuellenkritik. Bezeichnenderweise setzte die englische Aufklrung die Marktgesellschaft als gegeben voraus, ließ sich auch nicht von moralisch zweifelhaften Begleiterscheinungen wie etwa der Wettleidenschaft oder der Korruption zu grundstzlicher Kritik hinreißen, und einschlgige Autoren feierten den „doux commerce“ als Entwicklungsfortschritt. Insofern kann man sagen, dass die Pfadabhngigkeit des Kommerzialisierungsprozesses durch die Wahrnehmung seiner Allgegenwart und Unausweichlichkeit weiter untersttzt wurde. Zur Unterstreichung des Arguments lsst sich die stillschweigende bereinkunft der Englnder anfhren, bestimmte Bereiche des Alltagslebens und der Kultur aus dem Marktmechanismus herauszunehmen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts trat diese Tendenz im Zusammenhang mit dem Ideal der romantischen Liebe und dem ideologisch berhçhten Verstndnis der Familie als Gegenwelt zur Marktgesellschaft hervor.40 Im 19. Jahrhundert kamen dann karitative Initiativen und in manchen Bereichen der Kultur, so im Sport und in der darstellenden Kunst, das Amateurideal hinzu.41 Bemerkenswert ist weiter, dass das fr die politische Kultur Englands so wichtige Gentleman-Ideal trotz der aktiven Teilnahme der Gentlemen am Marktgeschehen auch lngerfristig manche anti-kommerziellen Akzente behielt.42 Marktkonformes Verhalten war alles das insofern, als es – in der Sprache einer vielzitierten Studie von 40 Vgl. Davidoff u. Hall, Men and Women of the English Middle Class. 41 Vgl. Holt, Sport and the British, Kap. 2; Brailsford, Sport, Time, and Society, S. 65. 42 Vgl. Cain u. Hopkins, British Imperialism, Bd. 1; Rubinstein, „Gentlemanly capitalism“. Ferner: Perkin, The Rise of Professional Society.

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Albert O. Hirschman – die Bevorzugung der Abwanderungs- gegenber der Widerspruchsoption erkennen ließ. Abwanderung ist die typische Reaktionsform unzufriedener Kunden, Konsumenten und anderer Marktteilnehmer. Widerspruch ist demgegenber „die Handlung des sich Beschwerens oder des sich Organisierens zum Zweck der Kritik oder des Protests mit der Absicht, eine direkte Besserung … zu erreichen“.43 Diese zweite Option setzt einen konkreten Adressaten voraus, der indes in einem komplexen, weitgehend anonym funktionierenden Marktsystem kaum auszumachen ist. Diese berlegungen bestrken den Gesamteindruck, dass der Kommerzialisierungsprozess in England reibungslos funktionierte und aus seiner Umwelt keine nennenswerte Stçrung seiner Funktionsweise erfuhr. Dass er durch die Austauschbeziehungen, die er hervorrief, mehr als seine Selbstperpetuierung erzeugte, kann jedoch ebenso wenig behauptet werden. Eine ausgeprgte Entwicklungsdynamik konnte jedenfalls in dieser Studie nicht diagnostiziert werden. Insbesondere trug die Kommerzialisierung als solche nicht erkennbar zur berfhrung der englischen Marktwirtschaft in den Industriekapitalismus bei. Wie erklren sich diese Grenzen der Gestaltungsfhigkeit? Welche Erklrungen lassen sich insbesondere aus dem spezifischen Verlauf des Kommerzialisierungsprozesses herleiten? Eine erste Erklrung ergibt sich aus dessen langer Dauer. In England stand am Anfang nicht Napoleon, mit dem man, einer Konvention der kontinentaleuropischen Forschung folgend, eine Paralleluntersuchung fr Mitteleuropa beginnen kçnnte, sondern Wilhelm der Eroberer. Mithin hatte der Kommerzialisierungsprozess etwa 750 Jahre Zeit, um bis zur Wende des 18. zum 19. Jahrhundert eine voll funktionsfhige Marktgesellschaft zu erzeugen. Auch die begleitenden Prozesse – das Bevçlkerungswachstum, die Verkehrsentwicklung, die Verstdterung und die Herausbildung der Konsumgesellschaft – wurden zeitlich gestreckt, die Folgen fr Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur entzerrt. Zentrale Institutionen des Kapitalismus wie die Bçrse und die Bank of England entstanden berhaupt erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium des Prozesses. Diese sich ber Jahrhunderte hinziehende Entwicklung hatte ambivalente Folgen. Auf der einen Seite machte das gemchliche Tempo die Vernderungen auf çkonomischem, sozialem und kulturellem Gebiet fr die Zeitgenossen ertrglich und als „doux commerce“ erfahrbar, wie in unterschiedlichen Zusammenhngen gezeigt wurde. Auf der anderen Seite bedeutete die zeitliche Streckung des Kommerzialisierungsprozesses, dass strategische Entwicklungsimpulse, die er an seine Umwelt abgab, bereits in frhen Phasen erfolgten, als das Netzwerk des Marktes erst in der Entstehung begriffen und noch lckenhaft war, so dass vorerst nur Teilbereiche von Wirtschaft und 43 Hirschman, Abwanderung, Widerspruch und das Schicksal der Deutschen Demokratischen Republik, S. 332; vgl. auch S. 333 sowie ders., Abwanderung und Widerspruch, S. 17 – 36.

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Gesellschaft mitgezogen wurden. Die mangelnde Dynamik und die Selbstgengsamkeit der englischen Marktgesellschaft sind, so gesehen, Begleit- und Folgeerscheinungen des frhen Starts. Eine zweite Erklrung verknpft und verfremdet die in der Einleitung zu dieser Studie skizzierten Interpretationen von Jrgen Habermas und Eric Hobsbawm zum Verhltnis von Tradition und Moderne im Kommerzialisierungsprozess. Zur Erinnerung: Whrend Habermas, ein Argument von Karl Marx aufnehmend, die ,Aufzehrung‘ von Traditionen im Verlauf des Prozesses als existentielles Problem der Marktgesellschaft erkannte, verwies Hobsbawm auf die sich auch und gerade in einer solchen Marktgesellschaft erçffnenden Chancen fr die ,Erfindung‘ neuer Traditionen.44 Bezieht man diese Interpretationen auf den in dieser Studie geschilderten englischen Fall und hier speziell auf den spezifisch englischen Typus des Feudalismus, ergibt sich als Diagnose: In England hat der Kommerzialisierungsprozess seine feudalen Grundlagen bereits im Mittelalter erodiert, so dass er lngerfristig nicht gengend Reibungsflchen vorfand, um sich neue Energien zuzufhren. Das Argument lsst sich auf das nach der Eroberung errichtete feudale Herrschaftssystem beziehen, das frhzeitig zum sogenannten „Bastard-Feudalismus“ degenerierte,45 darber hinaus auf die vergleichsweise durchlssige, einer festen stndischen Ordnung entgegenstehende Sozialstruktur und die soziale Offenheit lokaler Gemeinschaften. Vermittelt ber Geld und die rechtliche Absicherung von Verfgungsrechten (trust), das die ungeteilte Weitergabe des Besitzstandes begnstigende Erbrecht (Primogenitur) und eine hohe geographische Mobilitt, welche die Nutzung von Verwandtschaftsbeziehungen erschwerte, trieben die sich herausbildenden Marktbeziehungen die Entwicklung weiter voran. Diese wurde auch nicht durch die ,Erfindung‘ neuer Traditionen aufgehalten, weil die Rahmenbedingungen unter den skizzierten Umstnden in der Regel marktkonform waren, d. h. keine Reibung erzeugten.46 Durch diese Passfçrmigkeit erwuchs im Zuge der Selbstreproduzierung des Kommerzialisierungsprozesses eine gewisse Tendenz zur Ineffizienz: Der Motor lief rund, aber zu rund und manchmal sogar im Leerlauf, weil er in seiner Umwelt nicht gengend Angriffsflchen vorfand, um die verbliebene Kraft an ein Getriebe zu bertragen. Ein interessantes Beispiel zur Illustration dieses Arguments bietet das Leistungsprinzip, das in vielen kontinentaleuropischen Lndern, so in Frankreich und Deutschland, parallel zur Durchsetzung von Marktbezie44 S.o. S. 17. 45 S.o. S. 32. 46 Ein hnliches Argument ist von Hirschman mit Bezug auf die von feudalen Traditionen gnzlich unbehelligte und deshalb in mancher Hinsicht „sterile“ amerikanische Entwicklung vorgetragen worden. Ihm zufolge fehlten in Amerika die Traditionen der „feudalen Gesellschaft mit ihrer komplexen institutionellen Struktur und den in sie eingelagerten Konflikten als unerlßlicher Nhrboden der westlichen Demokratien wie auch der kapitalistischen Entwicklung“. Der Streit um die Bewertung der Marktgesellschaft, S. 220 f., Zitat S. 221.

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hungen und der Vergesellschaftung durch Konkurrenz entstand und zu einem konstitutiven Element des aufgeklrten Denkens wurde. Dass vom Leistungsprinzip in dieser Studie bislang noch nicht die Rede gewesen ist, liegt daran, dass es sich auf den britischen Inseln keiner besonderen Wertschtzung erfreute, sich mçglicherweise auch in der Realitt nicht in dem Maße herausbildete wie anderswo in Europa. Jedenfalls wussten die englischen (und schottischen) Aufklrer mit der Begeisterung fr „perfectibilit“ und sonstige berhçhungen des individuellen „Strebens“ bei ihren Kollegen auf dem Kontinent wenig anzufangen, ja, ihre nachsichtige Duldung des Glcksspiels kam einer Verhçhnung der persçnlichen Anstrengung gleich.47 Auch in spteren Handlungszusammenhngen, so bei der Entlohnung von Textilarbeitern im 19. Jahrhundert, in der brgerlichen Familienerziehung oder im spezifisch englischen Sportverstndnis, spielte das Leistungsprinzip in England keine zentrale Rolle. Einschlgige vergleichende Studien, die zu diesen Themen in den letzten Jahren angefertigt worden sind, vermelden Fehlanzeige.48 Aus der vorstehenden Argumentation ergibt sich als Erklrung, dass kein Nhrboden fr die Herausbildung dieses Prinzips vorhanden war. „Jemandem einen Dienst leisten“, „als Person etwas leisten“, „sich etwas leisten“ (i. S. v. „sich etwas herausnehmen“) – diese Sprachwendungen im Deutschen verweisen auf die nachhaltige Prgung durch gestufte Herrschaftsbeziehungen, wie sie im Feudalismus und den stndischen Ordnungen Kontinentaleuropas vorkommen. Solche Hierarchien strukturierten das Denken in England zur Zeit der Aufklrung lngst nicht mehr. Noch in der englischen Gegenwartssprache schlgt sich das Fehlen dieser Dimension darin nieder, dass die gngigen bersetzungen fr das deutsche Wort Leistung, nmlich „achieve47 Vgl. Oz-Salzberger, Translating the Enlightenment, S. 123 f., 159 f., 161, 165 f., 250, 256; Caillois, Die Spiele und die Menschen, S. 25. Vgl. auch oben S. 96 zur Sprachgeschichte des mittelalterlichen Wortes „plegian“, das sich im Englischen zu „Spiel“, im Deutschen zu „Pflicht“ entwickelte. 48 In seiner vergleichenden Untersuchung der Arbeitsbeziehungen in der Textilbranche zur Zeit der Industriellen Revolution beschreibt Biernacki, dass englische Textilunternehmer ihren Arbeitern im Allgemeinen Stcklohn fr das abgelieferte Produkt zahlten, whrend ihre deutschen Konkurrenten wie selbstverstndlich die an die Person gebundene Arbeitskraft – also die persçnliche Leistung – entlohnten; vgl. The Fabrication of Labor, insb. S. 56 – 73. – In ihrer Dissertation ber die Prinzipien und Praktiken brgerlicher Erziehung fhrt Budde zahlreiche Belege dafr an, dass Leistungsstreben und Leistungsfhigkeit in deutschen Brgerfamilien eine große Rolle gespielt haben. Im englischen Teil ihrer Untersuchung spart sie das Thema hingegen ganz aus, weil die Quellen dazu nichts hergaben; vgl. Auf dem Weg ins Brgerleben und frdl. Auskunft der Verf. – Nach meiner eigenen Untersuchung zur Entstehung des modernen Sports haben die Englnder zwar den organisatorischen Rahmen fr die sportliche Konkurrenz ,erfunden‘, nicht aber das Rekordstreben und das darauf beruhende Konzept des „Leistungssports“. Diese Erweiterung des Sportverstndnisses erfolgte erst im Zuge des Kulturtransfers des englischen Sportmodells auf den europischen Kontinent; vgl. Eisenberg, „English sports“, S. 36, 100 – 104 u. passim. – Den generellen Eindruck besttigt Dahrendorf, Lebenschancen, S. 65: England sei ein Land, wo „Zugehçrigkeit und nicht Leistungskonkurrenz zur Identifizierung des einzelnen“ dienen.

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ment“ (Errungenschaft) und „performance“ (Show, Markterfolg), nur die Leistungsresultate bezeichnen, jedoch die individuelle Anstrengung, Aufgabenbewltigung und Pflichterfllung ausblenden; auch der Leistungsvergleich, d. h. die berbietung Anderer, wird nicht miterfasst.49 Im Rahmen des skizzierten Arguments kann man diese Leerstelle der englischen Sprache als Beleg dafr betrachten, dass die Marktgesellschaft einen solchen ,berbau‘ nachtrglich nicht mehr hervorzubringen vermochte – mçglicherweise auch deshalb nicht, weil er nicht erforderlich war : Marktakteure sind blicherweise an Ergebnissen interessiert und gleichsam ,blind‘ fr die Umstnde ihres Zustandekommens.50 Die hier entwickelten Erklrungen fr die geringe Gestaltungskraft des Kommerzialisierungsprozesses in England, also seine lange Dauer und der rigorose Umgang mit nicht-kommerziellen Strukturen in seiner Entstehungszeit, provozieren vergleichende Studien mit anderen europischen und außereuropischen Gesellschaften, in denen stndische Hierarchien und andere Traditionsberhnge lngerfristig eine grçßere Rolle spielten als in England. Sie verlangen darber hinaus nach einem langen, bis in die Gegenwart reichenden Untersuchungszeitraum. Mit synchronen Vergleichsszenarien oder einigen Jahrzehnten Abstand, die – nicht zuletzt aufgrund des Forschungsparadigmas der Industriegesellschaft – bislang fr Englandvergleiche zugrunde gelegt worden sind,51 kommt man jedenfalls fr solche Spezialfragen der Kommerzialisierungsgeschichte nicht aus, setzten doch Nachholprozesse zum Teil erst Jahrhunderte spter ein. Das beste Beispiel dafr ist abermals das Leistungsprinzip, das noch in der alten Bundesrepublik und der DDR, vermutlich aber auch in manchen anderen europischen Gesellschaften zu einem festen Bestandteil der politischen Kultur zhlte. Erst in der jngeren Gegenwart wurde es durch das marktorientierte Erfolgsdenken so sehr beschdigt und verdrngt, dass die Entwicklung als krisenhaft empfunden wird; bezeichnenderweise ist in Deutschland kurz nach der Wende des 20. zum 21. Jahrhundert ein grçßeres soziologisches Forschungsprojekt ber die Erosion dieses Deutungsmusters durchgefhrt worden.52 Ein weiteres Beispiel fr solche großen Zeitabstnde kann man in der Durchsetzung der Konsumgesellschaft und der Kommerzkultur sehen, wie viele Forschungen der letzten Jahre nahe legen. In England verfestigten sich diese Phnomene sptestens im 18. Jahrhundert, wie hier gezeigt wurde. Kontinentaleuropische Historiker datieren sie demgegenber fr ihre jeweiligen Lnder aus guten Grnden erheblich spter, nmlich auf die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert, auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die 49 Vgl. Gebauer, „Leistung“ als Aktion und Prsentation, S. 183; Bolte, Leistung und Leistungsprinzip, S. 24 ff., Schlie, Die Vielfalt der Leistungsbegriffe. 50 Vgl. Neckel u. Drçge, Die Verdienste und ihr Preis, insb. S. 100 f. 51 Vgl. Eisenberg, British History Compared. 52 Vgl. Neckel, „Leistung“ in der Marktgesellschaft?; ferner : ders., Ehrgeiz, Reputation und Bewhrung.

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1970er Jahre oder sogar erst auf die Zeit nach dem Zusammenbruch des Realen Sozialismus.53 Das Gebot der Khnheit bei der Wahl der Vergleichszeitrume gilt in besonderem Maße fr Untersuchungen zum Thema „Rise of the West“ und „Rise of the Rest“, die in der neueren „divergence debate“ unternommenen werden und nach Asien und Afrika ausgreifen.54 Bei solchen Forschungen wre dann im Einzelfall zu klren, was unter „the West“ im konkreten Fall verstanden wird: England oder „the Rest of the West“? Auch wre zu spezifizieren, unter welchen konkreten Umstnden sich das Marktprinzip in den untersuchten Gesellschaften verankerte. Welche Rolle spielten die Brechungen marktfçrmiger Beziehungen durch feudale, stndische und hierarchische Strukturen? Vermochten sie den Prozess der Kommerzialisierung zu bremsen oder sonst wie zu beeintrchtigen? Oder verliehen sie ihm umgekehrt eine grçßere Dynamik als beim englischen Beispiel, wie aufgrund der hier entwickelten Argumente zu vermuten wre? Schließlich: Wre unter Einbeziehung dieser abweichenden Rahmenbedingungen das Verhltnis von Markt und Kapitalismus anders zu bestimmen als fr England? Solche auf Differenzierung und Typisierung zielenden Fragen zu stellen, haben die Klassiker der Historischen Sozialwissenschaft bei ihrer Analyse des (Industrie-)Kapitalismus und der modernen Gesellschaft versumt. Es wre bedauerlich, wenn derselbe Fehler noch einmal gemacht wrde. Die mit diesen Fragen verbundene Herausforderung ist immens groß, auch und gerade fr jene Forschungszweige, die sich in neuerer Zeit auf die Kategorie des Marktes eingelassen haben. Es reicht ja nicht aus, den Markt als solchen zu analysieren und ihn mithilfe von dichten Beschreibungen in konkrete Umwelten „einzubetten“. Die große Aufgabe besteht vielmehr in der Analyse der vielfltigen Interaktionen der Marktakteure mit den hçchst unterschiedlichen Institutionen, Handlungssystemen und Konventionen konkreter historischer Gesellschaften inklusive der Weltgesellschaft sowie der daraus erwachsenen Entwicklungsdynamik. Das ist eine Aufgabe, die – wenn berhaupt – von den Sozial- und Geschichtswissenschaften nur in gemeinsamer Anstrengung geschultert werden kann.

53 Vgl. Prinz, „Konsum“ und „Konsumgesellschaft“; ders., Die konsumgesellschaftliche Seite des „Rheinischen Kapitalismus“. 54 S. o. S. 9.

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Bildnachweis Abb. 1: Abb. 2:

Landkarte Englands, ca. 1250; British Library. Mnze Wilhelms des Eroberers, 1068; aus: Robert Blake, Die englische Welt. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Mnchen 1982, S. 35. Abb. 3: Landstdte als regionale Zentren in England, um 1300; aus: James Maesschaele, Peasants, Merchants, and Markets. Inland Trade in Medieval England, 1150 – 1350, New York 1997, S. 81. Abb. 4: The West Prospect of the Church of St. Ethelburgh, Bishopsgate, London, 1737; aus: Kathryn A. Morrison, English Shops and Shopping. An Architectural History, New Haven 2003, S. 42. Abb. 5: The cries of London engraved after ye designs made from ye life by M. Lauron, [Douce Portfolio 139]; Ashmolean Museum, University of Oxford. Abb. 6: Das englische Landstraßennetz, 1770; aus: Eric Pawson, Transport and Economy : The Turnpike Roads of Eighteenth Century Britain, London 1977, S. 151. Abb. 7: Egbert van Heemskerck d.J., Innenrume einer Londoner Tuchhandlung, 1690; The Museum of London. Abb. 8: Wenceslas Hollar, The Royal Exchange of London, 1644; aus: Kathryn A. Morrison, English Shops and Shopping. An Architectural History, New Haven 2003, S. 32. Abb. 9: John Seller, Musterzeichnung des Fußbodenmosaiks im Neubau der Royal Exchange, 1669; The Pepys Library, Magdalene College, Cambridge. Abb. 10: Angus Charles Pugin und Thomas Rowlandson, Lloyd’s Subscription Room, 1809;  National Maritime Museum, Greenwich, London (Repro ID number : PU1365). Abb. 11: Charles Cotton, The compleat gamester. – Repr. [der Ausg.] London, 1674, reprod. from Samuel Pepys’s copy. – Cambridge : Cornmarket Repr., in ass. with Magdalene College 1972 = 1674. Fundort: Staatsund Universittsbibliothek Hamburg, Signatur A / 214207. Abb. 12: Blick auf die Royal Exchange, London, 1751;  ullstein bild – KPA – 90100. Trotz sorgfltiger Recherchen ist es nicht in allen Fllen gelungen, die Rechteinhaber der Abbildungen zu ermitteln. Der Verlag bittet gegebenenfalls um Mitteilung.

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Register

Aktiengesellschaften 37, 55, 80, 101f., 114 Aktienhndler 80f., 90, 123 Amateurideal 126 Amsterdam 69, 87, 122 Appleby, Joyce O. 77 Arbeitslohn 37 Aufklrung 126, 129 Bank of England 37, 69–71, 80, 108, 127 Banken 31, 68f., 108 Banknoten 13, 70 Barone (lords) 31, 33, 125 Bath 48 Bauern 39, 41, 50, 61 Bauman, Zygmunt 105 Beamte 74 Bergbau 27, 55 Bevçlkerungswachstum 47, 49, 52, 123, 127 Biernacki, Richard 129 Birmingham 48, 64 Bodenmarkt 31 Bçrse (! s. auch London Stock Exchange) 80, 90, 110, 127 Braudel, Fernand 23 Bristol 48 Broadberry, Stephen 118 Brodnitz, Georg 28f. Bubble Act 80, 101, 114 Buchfhrung 86, 110 Budde, Gunilla 129 Cannadine, David 117 Chancenabwgung 100 Chester 48 City of London 70, 78, 80, 87, 121

coffee houses 79, 87 f. , 90 f. , 96 common fields 41 Common Law 21, 34–36, 42 community 44, 81–83 Copyright 98 Crafts, Nicholas F. R. 114 f. Dampfmaschine 56 Dandy 105 Defoe, Daniel 12f., 79 Derby 64 Devisen 32 Dienstleistungen 54, 112, 114–119 divergence debate 131 Domesday Book 31, 38 doux commerce 17, 104, 111, 126f. Druck- und Verlagsgewerbe 61, 63–65, 96, 98, 104f. Durham 48 Durkheim, Emile 16 East India Company 69, 91 Eigentum 32, 34, 37, 49,107 Einhegungen (enclosures) 50 Engels, Friedrich 17 Exeter 48 Fabriken 10, 55, 74, 108f., 116 Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen 37, 43, 126 Feinstein, Charles H. 114f. Ferguson, Adam 104 Fernhandel 12f., 68f. Feudalismus 16, 28, 32f., 45, 121, 128f. Finanzrevolution 68, 72–74, 80, 120, 122, 125 Flaneur 105

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Flotte 39, 69, 87 Fourasti, Jean 118 Franklin, Benjamin 83f. Frauen- und Kinderarbeit 63f. Galenson, Walter 122 Geld 13, 32, 107, 109, 121 Gemeinschaft ! community Gentlemanideal 126 gentlemanly capitalism 74, 108 Gentlemen’s Clubs 89f. Gewerkschaften 62, 121 Glcksspiel (! s. auch Wetten) 89, 95–97, 99–101 great divergence 9, 16 Gresham, Sir Thomas 78 Habermas, Jrgen 17, 88f., 128 Hampstead 48 Hndel, Georg Friedrich 99 Handwerk 58, 60–62 Harley, C. Knick 115 Harrogate 48 Hartwell, R. M. 117 Haydn, Joseph 99 Hirschman, Albert O. 17, 127 Hobsbawm, Eric 17, 128 Holzverarbeitung 63 Hoppit, Julian 77 Industriegesellschaft 9, 109, 119, 127 Industrielle Revolution 9f., 14, 73, 116f., 119f. Informationen 79, 86f., 92, 110f. Insellage 30, 122 Irland 24f. justices of the peace 60, 74 Kanle 56, 110, 115 Kapitalismus 20f., 108 Kapitalmarkt 31 Kaufleute (! s. auch middlemen) 39, 67–70, 74, 90, 109, 111f.

Kleider 66 Kleineisenindustrie 64 Kneipen 44, 82, 96 Kommerzialisierung 11f., 14f., 18–20, 22f., 107, 119f., 122–124, 126–128, 130f. Konsum, -gesellschaft 22, 52, 65f., 107, 111, 123f., 126f., 130 Konzerte 99, 101–103 Korruption 99 Kredit 31, 44, 69, 81, 84, 109, 111 Kriege 46f., 58, 69f., 72f., 80, 122 Krone 68, 71, 121, 125f. Kulturkritik 103, 126 Kulturwirtschaft 98, 102f., 105 Ladengeschfte ! shops Landarbeiter 44 Landbesitzer 73f. Landwirtschaft 27, 49, 51, 54 Lederverarbeitung 63 Leeds 48, 71 Leibeigenschaft 27, 35, 121 Leicester 48 Leistungsprinzip 129f. Levant Company 69, 88 lex mercatoria 35, 36, 121 Liverpool 48 Lohnarbeit, -arbeiter 21, 37f., 42, 51, 61–64, 76, 102, 108, 112, 122, 126, 129 Lohnhçhe 27, 62f., 120 Lloyd’s Coffee House 80 Lloyd’s Versicherungsunternehmen 37, 80, 90 London (! s. auch City of London) 48, 52, 58, 69–71, 86–88, 92, 99, 122 London Stock Exchange 37, 80, 108, 123 Lottes, Gnther 32 Luhmann, Niklas 80, 124 Luxus, -gesetze 42, 73, 78 Macfarlane, Alan 41, 45 Magna Carta 33, 35, 125 Maine, Sir Henry 16, 33

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Malthus, Robert 49 Manchester 48, 71, 116 Mandeville, Bernard 104 Markt, Mrkte 39 – Definition 13 – zeitgençss. Wortgebrauch 77 – Binnenmarkt 12, 68 Marktpltze 78 Marktrechte 39, 121 – Wochenmrkte 48 Marx, Karl 17, 20–23 Maße und Gewichte 30 Mathias, Peter 117 Mcfarlane, K. B. 32 Messen 48 Metallverarbeitung 63 middlemen 47, 54, 66, 68f., 110f. Militrdienst 32 Mobilitt, geographische 128 Mobilitt, soziale 42 Mode 60, 94, 104, 124 Mokyr, Joel 117, 120 Montesquieu, Charles Louis de Secondat Baron de 17, 100, 104 Mozart, Wolfgang Amadeus 99 Mnzen 13, 31, 70 Mnzknappheit 14, 32, 65f., 81 Musik 94 Navigation Acts 68 Netzwerk, -theorie 123 Niederlande 14, 16, 18, 71, 122 Normannische Eroberung 14, 28f., 120, 122, 124, 127 Norwich 48, 92 Nottingham 48, 64 Nutzungsrechte 41 Oper 98, 101 Organisierter Kapitalismus 116 Overton, Mark 52 Paris 87 Parlament 70–73, 87, 91, 108, 125

Patronage 103 Pearson, Robin 114f. Periodizitt 86, 93, 94 Pest 27, 42, 46 Pfadabhngigkeit 15, 19, 107, 119, 124, 126 Pfund Sterling 31 Polanyi, Karl 15, 18, 23, Poor Laws 44, 121 popular culture 75, 107 Primogenitur 42f., 128 Profit 109 Protestantische Ethik 83–85 Protoindustrie 54, 63f., 67, 109 Ranger, Terence 17 Recht (! s. auch Common Law) 29f., 34 Richardson, David 115 Risiko 110 Royal African Company 69 Royal Exchange 78–80, 86, 92, 121, 123 Salisbury 48 Schottland 24–26, 30, 34, 103 Schriftsteller 98 Schrçder, Hans-Christoph 16 Schrfrechte 73 Sekten, religiçse 85 shops, shopkeepers 49, 66, 68, 111 Simmel, Georg 22, 77, 125 Smith, Adam 13, 76, 109, 113 Sombart, Werner 18, 20f., 23 South Sea Bubble 70, 77, 101 South Sea Company 70 Sozialstruktur 37 Spekulation 70, 95, 100, 103, 109f. Spiel, Spielen 95f., 98, 103–105 Sport 93f., 96, 99–103, 124, 129 Staat 29, 122 Staatsapparat 74 Staatsschuld (national debt) 70f., 77, 87, 122 Stdte (! s. auch Verstdterung) 27f., 39f., 45, 49, 52, 60, 68, 111, 121

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Stadt-Land-Beziehungen 54, 58, 60, 67, 121 Stamford 48 Statute of Artificers 59, 61, 63, 121 Steinkohle 56 Steuern 32, 71f. Straßen 56–58, 68, 106, 110 Streiks 123 Tattersall, Richard 103 Tauschhandel (barter) 76 Tawney, Richard Henry 85 Textilindustrie 63f., 116, 120, 129 Theater 96, 98, 101 Tçnnies, Ferdinand 11, 16, 44 Transport 56, 109, 110 trust 36f., 128 Tunbridge Wells 48 Untersttzungskassen 62, 82f., 123 Vereine 82, 102f. Vergngungsparks 99 Verkehr 56, 117, 127 Versicherungen 82, 101, 110, 115 Verstdterung 48f., 52

Vertrag 16, 21, 30, 33, 35f., 81, 110, 121f. Verwandtschaftsbeziehungen 43 Wales 24f. Wallerstein, Immanuel 23 Weber, Marianne 12f. Weber, Max 9, 11, 18, 20, 23, 39, 83–85 Wechsel 31, 32, 76 Weltmarktbeziehungen 76 Werbewirtschaft 96, 98, 104 Westerfield, Ray B. 47, 112 Wetten 100f., 124 Wilhelm der Eroberer 29, 31f., 42, 127 Worcester 48 Wrigley, E. A. 56, 58 York 48 Zeitlichkeit, Zeitempfinden (! s. auch Periodizitt) 93f., 107 Zeitungen, Presse 89–92, 94–96, 100f., 104, 111, 124 Zensur 90 Zentralismus 30, 121 Zçlle 12, 30 Znfte 59, 60–62

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